eJournals Internationales Verkehrswesen 63/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/iv-2011-0018
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RFID Update

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Alexander Hille
Niko Hossain
Die Nutzdatenspeichersemantik funktioniert in der Praxis und eröffnet neue Perspektiven. Mitarbeiter kümmern sich künftig hauptsächlich noch um Störungen im automatischen Prozess. Ein Beispiel.
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Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 61 TECHNOLOGIE RFID Die Nutzdatenspeichersemantik funktioniert in der Praxis und eröfnet neue Perspektiven. Mitarbeiter kümmern sich künftig hauptsächlich noch um Störungen im automatischen Prozess. Ein Beispiel. J edem Objekt oder Produkt seine eigene Homepage. Unter diesem Slogan marschierte das MIT in Boston und später die ETH in Zürich, um die Idee des Internets der Dinge in Verbindung mit RFID-Technologie zu erläutern. Nach zehn Jahren kann konstatiert werden, dass die Technologie in der Praxis nun bereits weiter ist und auch semantische Informationen zur Ware mitführen kann (wer bin ich, wo muss ich hin etc.), ohne einen Datenbank- oder einen Netzzugrif zu benötigen, um diese Daten zu referenzieren. Das Thema RFID in der Logistik ist immer noch in aller Munde, obwohl der Peak der „Life Cycle-Kurve“ lange überschritten ist. Nun sind große Logistikunternehmen auf dem Weg zur pragmatischen Nutzung und Einführung der designierten Schlüsseltechnologie. Eines der umfassendsten Integrationsprojekte wurde in der SKF (Svenska Kugellagerfabriken) Gruppe bereits im Jahr 2009 gestartet und immer weiter ausgebaut. SKF hat gemeinsam mit dem Fraunhofer IML an der RFID-basierten Erfassung von global eingesetzten Ladungsträgern in Prozessen der weltweiten Logistik gearbeitet. Da SKF unter anderem Wälzlager für Automobilindustrie, Maschinenbau und Windkraft herstellt und vertreibt, ergaben sich für den RFID-Einsatz auch hier große Herausforderungen. Die Erzeugung einer elektromagnetischen Wechselwirkung zwischen Transponder und Lesegerät ist in einer metallischen Umgebung grundsätzlich technisch gelöst, stellt aber immer noch größere Anforderungen im Vergleich zur Anwendung auf nicht leitfähigen Produkten und Oberflächen. Die im Metall vorhandenen freien Elektronen erzeugen ein reziprokes Mikrowechselfeld, das die Funkeigenschaften der Transponder beeinflusst. Nachdem im OpenID-Center von Fraunhofer IML eine entsprechende Hardware im Zusammenspiel mit Transpondern und den GSP (Global Supplier Packages) ermittelt worden war, nahm das Team des Centers die Integration in einer Fabrik der SKF Österreich AG in Steyr und im Lager von SKF Logistics Services in Schweinfurt vor. In erster Linie wurden die Bereiche Wareneingang, Hochregallager, Kommissionierung und Warenausgang berücksichtigt. Der Start des Logistikkreislaufs mit RFID-Unterstützung von Zulieferteilen aus Schweinfurt nach Steyr und Fertigware von Steyr nach Schweinfurt inklusive Einlagerungen in das Hochregallager erfolgte 2010 standardmäßig mit der RFID-basierten Lösung. Dezentrale Datenhaltung Erstmalig wurde in diesem Projekt erfolgreich der praktische Einsatz von passiven UHF-Transpondern mit mehr als 96 Bit Speicherkapazität nachgewiesen. Dezentrale Datenhaltung war die Lösung, um komplexe IT-Systeme und Netzwerke zwischen zwei Unternehmensstandorten zu umgehen und eine Optimierung des Informationsflusses zu erzielen. An jedem GSP-Ladungsträger wurden zuvor als Barcode verschiedene Informationen wie Produktnummer, Produktbezeichnung, Charge, Gewicht, Anzahl Kugellager und Produktionslinie mitgeführt. Also nicht nur die Referenznummer für das ERP-System, sondern auch semantische Daten auf Einzelstückebene. Die Mitarbeiter im Wareneingang scannten bisher alle Barcodes jeder Kiste manuell ein. Bei ungefähr 50 Kisten je Lieferung war dies mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden. Ein UHF-Tag ersetzt heute alle Barcodes, der manuelle Scannvorgang entfällt komplett. Die Ladeeinheiten werden im Pulk von bis zu acht Stück entladen und mit sämtlichen Informationen vollständig erfasst, ohne auch nur im Tor stehenbleiben zu müssen. Vergleich mit Barcode Ein seit acht Monaten laufender Betrieb in Redundanz zur Barcodelösung zeigt im Echtzeit-Online-Abgleich eine 100%ige Leserate der entwickelten Lösung. Zum Einsatz kommen IT-Lösungen aus dem OpenID-Center, um Transponder an einzelnen Packstationen zu beschreiben und im Wareneingang wieder zu lesen. Mitarbeiter steuern die Middleware über eine grafische Oberfläche auf einem Staplerterminal am Versandplatz. Die Mitarbeiter dirigieren das System mit Hilfe der Technologie und sind nicht mehr selbst Schnittstelle zwischen Objekt und IT. Ist der Transponder richtig angebracht, holt sich die Middleware den erforderlichen Datensatz aus einer SKF-Datenbank und beschreibt den Transponder. Rückmeldung über den Ausgang des Schreibvorgangs erhält der Mitarbeiter wieder über das Terminal. Im Wareneingang erfolgt eine Erfassung über ein Gate. Auch hier ist die Middleware dafür da, die gelesenen Tagesdaten richtig aufzubereiten und an das bei SKF eingesetzte Lagerverwaltungssystem weiterzuleiten. Darüber hinaus protokolliert jeder I-Punkt in der Prozesskette seine durchgeführten Aktionen und die daraus resultierenden Ergebnisse an ein Online-Tracking-System. Hier kann jederzeit der aktuelle Warenfluss verfolgt und das unternehmensübergreifende Gesamtsystem überwacht werden. Das Online-Logistikcockpit schneidet zwar alle Bewegungen mit, meldet sich aber nur noch, wenn ein Prozess zu schwächeln scheint. Hier entsteht ein neues Paradigma der Prozesssteuerung. „Complex Event Processing“ ist der Ansatz, nach welchem wir künftig nicht mehr im Wald den einzelnen Baum suchen. Vielmehr abstrahiert und kapselt die Software alle Standardvorgänge für die Mitarbeiter. Der Mitarbeiter konzentriert sich somit nur noch auf die Schwachstellen, die er in einem Logistikcockpit dezidiert betrachtet. Die SKF-Gruppe konnte mit dem RFID- Projekt einen Basisbaustein entwickeln, um künftig Prozesse noch besser zu gestalten. Dieses Know-how ist im Unternehmen etabliert und gewachsen. Viele Kunden der SKF-Gruppe sind an einer Zusammenarbeit auf dieser Basis interessiert. RFID Update Alexander Hille Wirtschaftsinformatiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fraunhofer IML, Dortmund; alexander.hille@iml.fraunhofer.de Niko Hossain Leitthemenverantwortlicher für „Wandelbare Logistiksysteme“ im Eizienzcluster LogistikRuhr, Leiter des internationalen Geschäfts des Fraunhofer IML, Dortmund; niko.hossain@iml.fraunhofer.de RFID-Gates im Verladebereich in Steyr Foto: Fraunhofer IML ɷ