Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/iv-2011-0019
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2011
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Ladungsträgereinheit für den intermodalen Verkehr
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Sebastian Jursch
Eckart Hauck
Sabina Jeschke
Innerhalb des Projekts TelliBox (Intelligent MegaSwapBoxes for advanced intermodal freight transport) wird eine neue Ladungsträgereinheit entwickelt, die für den intermodalen Transport auf Straße, Schiene sowie auf Binnen- und Kurzstreckenseeschifffahrtswegen einsetzbar ist. Sie vereint die Vorteile von Containern, Wechselbrücken und Semitrailern in einer integrierten Transportlösung.
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Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 62 TECHNOLOGIE Güterverkehr Ladungsträgereinheit für den intermodalenVerkehr Innerhalb des Projekts TelliBox (Intelligent MegaSwapBoxes for advanced intermodal freight transport) wird eine neue Ladungsträgereinheit entwickelt, die für den intermodalen Transport auf Straße, Schiene sowie auf Binnen- und Kurzstreckenseeschiffahrtswegen einsetzbar ist. Sie vereint die Vorteile von Containern, Wechselbrücken und Semitrailern in einer integrierten Transportlösung. A ufgrund der stetig wachsenden globalen Transportleistung und des damit verbundenen Anstiegs des Transportaukommens muss sich der europäische Gütertransport großen Herausforderungen stellen, um insbesondere dem übermäßigen Straßenverkehrsaukommen entgegenzuwirken. Zur Entlastung des Straßenverkehrs kann eine gleichmäßigere Verteilung der transportierten Güter auf die verschiedenen Transportmodi Straße, Schiene und Wasserwege beitragen. Der intermodale Verkehr profitiert von den Vorteilen der einzelnen Transportmodi und kombiniert sie mittels einer kostenefektiven und zukunftsfähigen Ladungsträgereinheit. Dabei sind Wasserwege und Schiene zum Beispiel günstiger auf langen Distanzen als die Straße, die aber bei Vor- und Rücklauf meist notwendig ist. Die Planung einer Route bzw. eines Transports mit allen drei Verkehrsmodi wird flexibler, auf Störungen bei einzelnen Verkehrsmodi kann besser reagiert werden. Die bisher erhältlichen und genutzten Ladungsträgereinheiten weisen lediglich unzureichende Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern auf und können oft nicht vollständig trimodal (Straße, Schiene, Binnen- und Kurzstreckenseeschiffahrt) eingesetzt werden. Darüber hinaus ist eine mangelnde Eizienz beim Ver-, Be- und Entladen zu beobachten, ebenso wie ein größtenteils zu kleiner und daher nur ineizient nutzbarer Laderaum. Derzeitige Transportsysteme sind zudem in ihren Eigenschaften, wie z. B. ihrer Länge (20 Fuß, 40 Fuß, 45 Fuß etc.), Vorhandensein von Eckbeschlägen, Ausrüstung mit Greikanten etc., zu unterschiedlich und bieten nicht das notwendige Maß an Standardisierung und Harmonisierung für den intermodalen Transport. Vor diesem Hintergrund beschloss das Europäische Parlament und der Europäische Rat 2003 eine Richtlinie für die Standardisierung und Harmonisierung internationaler Ladungsträgereinheiten mit dem Ziel, die Unzulänglichkeiten im intermodalen Transport zu reduzieren, die auf die verschiedenen in Europa kursierenden Containerarten zurückzuführen sind (EC 2006). Im Zuge dessen wurden von der Europäischen Kommissionen innerhalb des 7. Forschungsrahmenprogramms spezielle Programme zur Förderung des intermodalen Transports eingerichtet, um den zuvor genannten Zielen Rechnung zu tragen. Ladungsträger im Überblick Zurzeit sind zahlreiche Ladungsträgereinheiten in Europas Güterverkehr im Umlauf. Die drei prominentesten Konzepte, ISO-Container, Wechselbrücken und Semitrailer, wurden jeweils für bestimmte Anforderungen und Bereiche auf den Markt gebracht. Semitrailer werden bevorzugt im Straßenverkehr eingesetzt. Ihr vereinfachter An- und Abkopplungsprozess vom Trägerfahrzeug ist dabei von Vorteil. Verglichen mit Containern und Wechselbrücken verfügen sie über ein großes Ladevolumen. Während der letzten Jahre wurden vermehrt vergrößerte Semitrailer, die sogenannten „Mega- Trailer“ oder „Jumbos“ mit einer Innenhöhe von 3 m eingesetzt. Verglichen mit Containern oder Wechselbrücken sind Semitrailer jedoch nur bedingt in intermodalen Transportketten einsetzbar, da sie nicht stapelbar sind und eine spezielle Umschlagstechnik benötigen. Allgemein sind weniger als 3 % der Semitrailer für den intermodalen Transport geeignet (EUROSTAT 2006). Container hingegen sind Ladungsträgereinheiten, die in allen Transportmodi eingesetzt werden können. Die Vorteile von Containern (insbesondere ISO-Containern) liegen in der einfachen und eizienten Handhabung an Terminals sowie einem kostengünstigen intermodalen Einsatz. Die Abb. 1: Die neue Ladungsträgereinheit (TelliBox) vereint die Vorteile von Containern, Wechselbrücken und Semitrailern in einer integrierten Transportlösung. Foto: TelliBox Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 63 Stabilität und Stapelbarkeit der Container gewährleistet einen sicheren Transport- und Ladeprozess sowie einen guten Schutz vor Warendiebstahl. Von Nachteil ist allerdings ihre häufig viel kleinere und nur von hinten zugängliche Ladefläche im Vergleich zu Semitrailern und Wechselbrücken. Wechselbrücken sind in der Regel für Europaletten optimiert und kommen überwiegend im Straßen- oder Schienenverkehr im intrakontinentalen Gütertransport zwischen EU-Ländern zum Einsatz. Ihr Vorteil ist, dass sie vom Chassis abnehmbar sind. Außerdem entspricht der vermehrte Einsatz von volumenoptimierten Planen- Wechselbrücken der Nachfrage der Lader nach sich weit öfnenden Seiten und einer optimierten Ladefläche. Durch den Planenaubau halten diese Wechselbrücken jedoch nur geringen horizontalen Kräften im Kurzstreckenseeverkehr stand, sie sind weder krannoch stapelbar. Darüber hinaus können die Planen von Wechselbrücken leichter aufgeschlitzt werden als feste Seitenwände. Generell sind Wechselbrücken nicht für den intermodalen Transport geeignet. Die fehlende Standardisierung der intermodalen Ladungsträgereinheiten verhindert die Verbindung der verschiedenen Transportmodi und verursacht Kosten durch zusätzlich benötigte Verladetechnologien und durch das Umladen der Ware in andere Ladungsträger bei der Nutzung trimodaler Relationen. Inovative Ladungsträgereinheit Vor diesem Hintergrund wurde im Projekt “TelliBox - Intelligent MegaSwapBoxes for advanced intermodal freight transport” (grant agreement n° 217856) innerhalb des 7. Rahmenprogramms der EU ein Prototyp einer universellen 45 Fuß-Ladungsträgereinheit entwickelt. Sie bietet aufgrund ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeiten (Straße, Schiene, Binnen- und Kurzstreckenseeschiffahrt) einen wichtigen Beitrag zur Entlastung des Straßenverkehrsnetzes. Die Trimodalität der Ladungsträgereinheit ermöglicht die Nutzung verschiedener Transportmodi und macht sie auf Straße, Schiene und Binnen sowie Kurzstreckenseeschiffahrtswegen gleichermaßen einsetzbar. Durch ihre Laderaumhöhe von 3 m, eine Gesamtlänge von 45 Fuß und eine Breite von 2,55 m bietet sie ein Laderaumvolumen von insgesamt 100 m3 und kann auch die besonders in der Automobilindustrie weitverbreiteten Racks (gestapelt 3 m Höhe) aufnehmen. Die Anhebbarkeit des Daches unterstützt dabei den einfachen Be- und Entladeprozess und gewährleistet die vollständige Ausnutzung der Laderaumhöhe auch unter Berücksichtigung des Einsatzes eines Staplers. Zur Vereinfachung und Eizienzsteigerung des Be- und Entladeprozesses kann dieser bei der neuen Ladungsträgereinheit durch das Heck erfolgen, aber auch durch die weit zu öfnenden Seitentürsegmente. Dadurch kann die Ladungsträgereinheit so eizient wie eine Wechselbrücke mit Planenaubau be- und entladen werden, vermindert dabei aber aufgrund ihrer festen Seitenwandkonstruktion das Risiko des Ladungsdiebstahls. Zur Steigerung der Einsetzbarkeit dieser Ladungsträgereinheit orientiert sich die Auslegung an bisherigen Standards. Die Ladungsträgereinheit bietet dabei Eckbeschläge bzw. Anbindungspunkte an der 40- und 45 Fuß-Position in der Bodengruppe, was die Nutzung bisheriger Waggons ermöglicht, sowie Eckbeschläge im Dach an der 45 Fuß-Position, was die einfache Kranbarkeit mit einem Terminalkran, von oben ermöglicht. Zusätzlich ist es möglich, die Ladungsträgereinheit über Greikanten in der Bodengruppe umzuschlagen. Zur Reduzierung des Platzbedarfs im Terminal oder auch auf dem Schif kann die Einheit dreifach gestapelt werden. Nach der erfolgreichen Zertifizierung für den Einsatz im realen Güterverkehr (UIC, CSC und DIN EN 12642 Code XL) ist die neue Ladungsträgereinheit auf einer über 5 000 km langen Demonstrationsfahrt getestet worden. Innerhalb der ersten von insgesamt zwei Demonstrationsphasen legten die TelliBox und ein ebenfalls speziell entwickeltes Chassis typische Strecken zurück, auf denen gegenwärtig Güter der Automobilindustrie transportiert werden. Bis- Abb. 2: Der Be- und Entladeprozess kann sowohl durch das Heck als auch durch die weit zu öfnenden Seitentürsegmente erfolgen. Foto: TelliBox Commission of the European Communities (2006): Keep Europe moving - Sustainable mobility for our continent, Brussels. DVZ (2010): Mittelfristprognose für den Güterverkehr - Ramsauer: Transportaufkommen wächst, Ausgabe 12.08.2010. European Commission (2006): Midterm-review of the White Paper on European transport policy, Brussels. EUROSTAT (2006): EU Energy and Transport in Figures, Brussels, 2006. Verkehrs Rundschau (2005): Kombinierter Verkehr: 205 Millionen Tonnen befördert, Wiesbaden. LITERATUR Eckart Hauck, Dipl.-Ing. Dipl.-Kfm. Bereichsleiter Product Engineering, IMA der RWTH Aachen Sabina Jeschke, Prof. Dr. rer. nat. Direktorin des Institutscluster IMA/ ZLW & IfU der RWTH Aachen Sebastian Jursch, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Product Engineering, IMA der RWTH Aachen Projektkoordinator TelliBox her konnten diese Transportstrecken ohne Ladungsträgerwechsel lediglich über den Straßen und Binnenbzw. Kurzstreckenseeverkehr genutzt werden, eine zusätzliche Nutzung der Schiene war jedoch ohne Umladen der Ware nicht möglich. ɷ
