eJournals Internationales Verkehrswesen 63/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/iv-2011-0020
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2011
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Frischer Wind für die Energieversorgung

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2011
Jens Eckhoff
Bereits im Jahr 2030 sollen 50 % des Energieverbrauchs der Bundesrepublik Deutschland aus erneuerbaren Energien kommen. Strom aus Offshore-Windenergieanlagen kann einen wichtigen Beitrag zur zukünftigen Energie- und Klimapolitik leisten. Mit der Weiterentwicklung der Technologie, die sich an Land als zuverlässig und kostengünstig erwiesen hat, lassen sich diese Potenziale erschließen
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Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 64 TECHNOLOGIE Umwelt Bereits im Jahr 2030 sollen 50 % des Energieverbrauchs der Bundesrepublik Deutschland aus erneuerbaren Energien kommen. Strom aus Ofshore-Windenergieanlagen kann einen wichtigen Beitrag zur zukünftigen Energie- und Klimapolitik leisten. Mit der Weiterentwicklung der Technologie, die sich an Land als zuverlässig und kostengünstig erwiesen hat, lassen sich diese Potenziale erschließen. B is zum Jahr 2020 sollen 10 000 MW vor der deutschen Küste installiert sein. Dann werden sich in deutschen Gewässern 2 000 bis 3 000 Anlagen drehen. Dazu kommen noch allein in Großbritannien 7 000 Anlagen bis 2020. Bis zum Jahr 2020 werden in Deutschland ca. 50 Mrd. EUR investiert werden, bis zum Jahr 2030 weitere 75 bis 100 Mrd. EUR. In ganz Europa wird sich diese Summe vermutlich vervierfachen. Zur Zeit ist in Europa das Vereinigte Königreich führend in diesem Segment. Das liegt an der höheren Förderung auf der Insel mit ca. 18 € ct je Kwh im Vergleich zu 15 € ct in Deutschland. Das internationale Kapital sucht sich natürlich zuerst den Weg zu den besseren Renditen. Deutschland ist aber sicherlich der Markt mit den größten Wachstumsprognosen in den kommenden zehn Jahren. Die Märkte sind ofen und die Branche auf ein großes Wachstum eingestellt. Jetzt sind die Herausforderungen einer neuen Industrie zu meistern. Der Nordwesten der Republik ist bereits heute ein einmaliges Cluster der Windindustrie. Insbesondere im Dreieck zwischen Bremerhaven, Cuxhaven und Oldenburg befinden sich eine ganze Reihe von Firmen, die sich in dem Feld der Ofshore-Windindustrie bewegen. Bremerhaven und Cuxhaven sind ein weltweit führendes Cluster mit einer Häufung von Produzenten der verschiedenen Komponenten für Windenergieanlagen. Dieses auszubauen muss das Ziel der deutschen Wirtschaft sein. Heute betragen die gesamten Logistikkosten für einen Windpark mit 80 Anlagen in der deutschen Nordsee ca. 250 bis 300 Mio. EUR. Das sind 25 bis 30 % der gesamten Investitionen. Ziel dieser Branche ist es, diese Kosten um mindestens 20 % zu senken. Hierfür werden neue Konzepte und insbesondere die Erfahrungen aus anderen Bereichen benötigt. Wetterunabhängige Errichtungsplanung und Supply-Chain Steuerung Eine hohe Prozesstransparenz in der Supply-Chain-Steuerung ist − wie in der Automobilindustrie - auch in der Windenergie von hoher Bedeutung. Mögliche Prozessfehler, wie z. B. falsche Komponenten, führen ebenfalls zu hohen Folgekosten. Bestehende IT-Lösungen bilden einen Großteil der Prozesse innerhalb der Supply-Chain ab, können jedoch nicht nicht alle Störgrößen im Materialfluss bis zur Errichtung auf See abdecken. Die gesamte Materialzulaufsteuerung zu einem Ofshore-Windpark, umfasst unter anderem die Festlegung von Bestandszielen in zentralen Lägern oder Verschifungshäfen, aber auch die Harmonisierung von Fertigungs- und Lieferzeiten mit den witterungsabhängigen Errichtungsphasen. Die Durchführbarkeit von Errichtungs- und Wartungsarbeiten ist stark von den Strömungsverhältnissen und Wetterbedingungen auf See abhängig. Eine logistikorientierte Softwarelösung für die Montage von Ofshore-Windenergie- Anlagen (OWE), die Witterungseinflüsse berücksichtigt, befindet sich in der Entwicklung. Die Umsetzung dieses Konzeptes des Bremer Institut für Produktion und Logistik GmbH (BIBA) soll mit den Industriepartnern BLG Logistics Group und BHT (Beluga Hochtief ) erfolgen. Die Anlagen haben eine Höhe von 150 m, stehen in 30 m tiefem Wasser und sind bis zu 60 m tief in den Meeresboden gerammt; die Rotoren haben einen Durchmesser von 120 m. Die Technik auf dem Meer ist neu und viele Herausforderungen noch gar nicht bekannt. Zur Eröfnung des deutschen Testfeldes Alpha Ventus sprach eine norwegische Zeitung gar von Germany´s Moonlanding. Bei der Errichtung des Ofshore-Testfeldes haben die Investoren EWE, Vattenfall und E.ON teures Lehrgeld gezahlt. Ohne funktionierende Liefer- und Transportketten hatten sie die Einzelkomponenten aus drei Himmelsrichtungen zum Baufeld transportieren müssen. „Ohne einen solchen; Komponententourismus’, mit nur einem Basishafen, wo auch Produktion und Montage erfolgten, ließen sich Millionensummen einsparen. Auf mindestens 130 Mrd. EUR wird der Ofshore-Markt in der Nordsee in den kommenden zehn Jahren geschätzt. Die Logistikkosten werden derzeit auf ein Viertel der gesamten Installationskosten eines Windparks geschätzt, das macht in der Regel einen hohen dreistelligen Millionenbetrag aus. Mit unserer Hilfe soll es gelingen, die Ausgaben um 10 bis 15 % zu senken“, stellte der Geschäftsführer für Ofshore Wind der BLG Logistics Group Andreas Wellbrock Ende des Jahres 2010 im Weser-Kurier fest. Ausbau der Hafeninfrastruktur Ende Mai 2011 findet die nächste Nationale Maritime Konferenz in Wilhelmshaven statt. Hier wird sich die Bundesregierung entscheiden müssen, inwieweit sie den notwendigen Ausbau auch kurzfristig unterstützen will. Es wird einen Ausbau der Häfen an der Nord-und Ostseeküste geben müssen, um die nationalen Energieziele erreichen zu können. Hierzu gehört ein Masterplan, der von der Bundesregierung auch finanziell unterstützt werden muss. Mindestens 1 Mrd. EUR muss in drei Häfen fließen, die an der Nordseeküste liegen, und in einen Hafen an der Ostseeküste. Vier Häfen sind mindestens erforderlich, um die beschriebenen energiepolitischen Ziele der Bundesregierung auch erreichen zu können. Aber neben dem Ausbau der Hafeninfrastruktur sind auch gerade hier neue Logistikkonzepte erforderlich. Ein Beispiel hierfür ist die Wind Feeder Barge als Umschlaginnovation. Für die hafeninterne Logistik von Containern wurde ursprünglich die Port Feeder Barge entwickelt. Das selbstfahrende Fahrzeug mit eigenem Umschlaggerät wurde für den Einsatz als „schwimmendes Terminal“ Frischer Wind für die Energieversorgung Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 65 in der Containerumfuhr, Feeder Operation und Binnenschiffahrt geplant. Die Gemeinschaftsstudie „Wind Feeder Barge“ der Port Feeder Barge GmbH, der Bremer Unterweser Reederei GmbH und der Bremer Logistikdienstleister BLG Logistics Group sieht die Erweiterung des Einsatzbereiches um den Transport und selbständigen Umschlag von Ofshore-Windenergie Komponenten, wie z. B. Rotorblättern und Turmsegmenten im Rahmen der Montagelogistik im küstennahen Transport für die Ofshore-Windenergie vor. Neben den erwähnten Größen sind auch völlig neue Schwergewichte bei den Ofshore Komponenten mit im Spiel. Die Trafoplattformen der neuen Generation werden bis zu 4500 t wiegen und müssen auf das Wasser gebracht werden. Hierzu bedarf es neuer Ideen und Konzepte. Ein Beispiel ist hier der Ponton mit innovativem Schienensystem zum standardisierten Umschlag von Superschwerlastkomponenten. Der Nearshore-Transport von OWE- Komponenten ist mit vorhandenen Transportmitteln an Land und Wasser sehr zeitintensiv und führt aufgrund fehlender Standardisierung zu aufwendigen Individuallösungen. Um das Übersetzen und die Befestigung der Komponenten auf dem Ponton wirtschaftlich und sicher zugleich zu gestalten, wurde ein Schienensystem entwickelt, das verbunden mit einem neuartigen Sea-Fastening-System zu einer deutlichen Beschleunigung des Umschlagvorgangs führen wird. Dasselbe System soll entsprechend auf den Errichterschifen zum Einsatz kommen, so dass ein durchgängiger Standard etabliert wird. Für das Umsetzen und den Transport der Superschwerlast- Komponenten hat die BLG Logistics Group zusammen mit Partnern ein Ballastsystem für den Ponton entwickelt, das dem Prozess maximale Stabilität verleiht. Mit neuen Konzepten haben die deutschen Häfen eine große Chance auch Aufträge vor der britischen Küste von Deutschland aus zu beliefern. Es ist in der Vergangenheit häufig vorgekommen, dass Siemens-Anlagen aus Esbjerg in Dänemark direkt vor der britischen Küste aufgebaut wurden, ohne dass ein Schif jemals britische Gewässer erreicht hat. Ein weiterer Schwerpunkt in den nächsten Jahren soll der Bereich von Service und Wartung sein. Hier wird es spezielle Konzepte geben, die von Windpark zu Windpark variieren werden. Wichtig ist hier ein möglichst kurzer Weg von Servicehafen zum Park. Die Wind MW in Bremerhaven, die z. B. den Park Meerwind konzipiert, der vor der Küste von Schleswig-Holstein liegt, hat ein Servicekonzept auf der Insel Helgoland vorgesehen. Ebenfalls wird es unterschiedliche Konzepte geben, die entweder per Helikopter oder mit dem Schif die Wartung übernehmen werden. Entscheidend dabei ist die Entfernung zum jeweiligen Park und das damit verbundene Servicekonzept. Im Bereich der Windanlagen an Land gibt es mittlerweile eine Exportquote von über 80 %. Eine ähnliche Entwicklung ist auch im Bereich der Ofshore-Anlagen erwartbar. Hier braucht Deutschland geeignete Häfen, um den wachsenden Weltmarkt zu bedienen. In Europa werden dieses neben Deutschland und Großbritannien die Länder Schweden, Frankreich und Italien sein. Weltweit bereitet sich die USA auf den Einstieg in die Ofshore-Branche vor. Ebenfalls sind in Asien diverse Länder vor dem Sprung ins Wasser. Deutschland braucht also mindestens vier Basishäfen und diverse Service- und Exporthäfen. Hier liegt die Aufgabe der Bundesregierung, diesen Ausbau finanziell auf den Weg zu bringen und die neuen Standorte entsprechen zu koordinieren. Multipurpose-Schife Neben dem Ausbau der Häfen ist auch eine ganze Reihe von neuen Schifen erforderlich. Hier gibt es zur Zeit unterschiedliche Konzepte für die Montage der Anlagen auf hoher See. Die Erfahrungen von Alpha Ventus zeigen hier eine eindeutige Tendenz: Die Arbeiten auf hoher See sollten auf ein Minimum konzentriert werden. Dieses erfordert neue Logistikkonzepte an Land. Ebenfalls wird der Ofshore-Bereich die Schifslandschaft in der Welt verändern. Die Bremer Reederei Beluga hat hier einige innovative Konzepte in den letzten Jahren vorgestellt. Montage des Ofshore-Windparks Horns Rev II Foto: Siemens Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 66 TECHNOLOGIE Umwelt Wichtig sind Multipurpose-Schife, die Aufbau, Wartung und Kabelanschlüsse in einem Arbeitsgang erledigen können. Neben den Errichterschifen gibt es besondere Service- und Wartungsschife, die auf die spezifischen Anforderungen zugeschnitten sein müssen. Einen Ansatzpunkt bieten hier die Erfahrungen der Öl- und Gasindustrie. Erfahrungen zeigen, dass durch eine Kooperation deutlich Kosten eingespart werden können. Die Windenergieagentur WAB e.V., das führende deutsche Netzwerk der Ofshorebranche mit mehr als 300 Mitgliedern, hat aus diesem Grund im letzten Jahr eine Studienreise nach Norwegen durchgeführt. Die norwegische Industrie hat ein großes Interesse an einer Zusammenarbeit gezeigt. Für die deutsche Werftindustrie wird der Ofshore-Sektor zu einer Art Überlebensfrage. Bisher sind fast alle Neubauaufträge im Ausland bestellt worden. Im Dezember 2010 ist es der SIETAS Werft mit Sitz in Hamburg gelungen, einen Neubauauftrag für dieses attraktive Segment für Deutschland zu gewinnen. Der Auftrag kam aus den Niederlanden. Ein weiterer Beweis, wie international das Geschäft geworden ist. Die Bundesregierung muss sicherlich prüfen, welche Unterstützungsmöglichkeiten sie hat, um diesen Teil des Schifsbaus in Deutschland zu halten. 2011 − ein wichtiges Jahr für die Windindustrie Trotz aller Chancen für die Ofshore-Windindustrie gibt es einige Risiken, die nicht unerwähnt bleiben sollen. In diesem Jahr soll das Erneuerbare-Energien-Gesetz überarbeitet werden. Es muss gelingen, die bisherige Förderung mindestens zu erhalten, und durch eine zeitliche Konzentration der Förderung auf weniger Jahre eine bessere Rendite zu erzielen. Darüber hinaus brauchen die Projektentwickler eine langfristige Sicherheit für ihre Projekte, so dass eine Begrenzung auf wenige Jahre für die Laufzeit der nächsten EEG-Novelle sicherlich wenig hilfreich ist. Ein weiterer Schwerpunkt soll ein neues Testfeld mit dem Namen Beta Ventus sein. Die Branche ist neu und innovativ, aber sie braucht auch Plätze und Vorhaben, bei denen sie sich weiter entwickeln kann. Hierzu gehört die Erprobung der neuesten Technologien im Echtbetrieb. Das Testfeld könnte die neuen Anlagen der 6 MW-Klasse beheimaten, ebenso die Betonfundamente der Strabag Ofshore und darüber hinaus neue Aubaumöglichkeiten testen. Wir sind ofen für neue Ideen und freuen uns auf Vorschläge, wie die Branche Kosten einsparen kann. Kontaktieren Sie die Stiftung, wenn Sie Vorschläge haben oder an einer Mitarbeit interessiert sind. Als Ansprechpartner stehen der Vorstand und der Geschäftsführer zur Verfügung. Jens Eckhof Präsident der Deutschen Stiftung zur Förderung der Ofshore-Windindustrie Geschäftsführer Ihoch5 GmbH, Bremen eckhof@ihochfuenf.de ɷ Wind Feeder Barge für den Transport und selbstständigen Umschlag von Ofshore-Windenergie-Komponenten Foto: BLG Fit für Transport und Logistik Großes Themenspezial LOGISTIK zur Messe transport logistic: Vernetzung der Verkehrsträger Einzelwagenverkehre Schiene Sea-Air-Konzepte Umschlagtechnologien Logistikdienstleistungen KEP Megatrucks Präsentieren Sie hier Ihr Unternehmen! Anzeigenschluss: 28.02.2011 Erscheinungstermin: 28.03.2011 Kontakt: Sophie Elfendahl Tel.: 040 / 237 14 - 220 Sophie.Elfendahl@dvvmedia.com