eJournals Internationales Verkehrswesen 63/1

Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/iv-2011-0022
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Verkehrswissenschaftliche Nachrichten

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2011
Gestärkt in das Jahr 2011 | Neue Bezirksvereinigung Niedersachsen-Bremen | Umsetzung von Infrastrukturvorhaben in Zürich | Aktuelles aus der Seeschifffahrt | Europäische Luftverkehrspolitik − immer noch spannend! |
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Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 71 V E R K E H R S W I S S E N S C H A F T L I C H E N AC H R I C H T E N Mitteilungsblätter der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e.V. Gestärkt in das Jahr 2011 L iebe Mitglieder und Freunde der DVWG, zu allererst wünsche ich Ihnen ein gesundes, glückliches und erfolgreiches Jahr 2011! Das vergangene Jahr war für die DVWG ein gutes Jahr. Die mit Ihnen erarbeitete neue Satzung ist seit Sommer 2010 rechtsgültig und konnte so auf der am 24.11.2010 in Frankfurt am Main stattfindenden Mitgliederversammlung schon Anwendung finden. In Verbindung mit der Finanz- und Geschäftsordnung bildet die neue Satzung die Grundlage für unsere weitere Arbeit in der DVWG. Besonders möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie uns, dem kompletten Präsidium, für weitere zwei Jahre Ihr Vertrauen schenken. Die Möglichkeiten, die die neue Satzung bietet, haben wir genutzt, um das Präsidium um vier Beisitzer zu erweitern. Es ist uns gelungen, Personen zu gewinnen, die besondere Leistungen erbracht haben und deren damit verbundenes Wissen für die DVWG langfristig zu sichern, aber auch die wissenschaftliche Ausrichtung in ihrer Vielfallt zu stärken. Nicht zuletzt sollte eine regionale Ausgewogenheit gegeben sein. Mit der Wahl von Stefan Tritschler, Sebastian Belz, Dr. Jan Ninnemann und Prof. Dr. Arnd Stephan ist uns das in besonderer Weise geglückt. Die Arbeit der Europäischen Plattform ist mit dieser Wahl noch stärker im Präsidium verankert und kann weiter ausgebaut werden. Ich gratuliere nochmals herzlich allen zu ihrer Wahl und freue mich auf die gemeinsame Arbeit mit vielen spannenden Herausforderungen in unserem nun erweiterten Präsidium. Im Jahr 2011 werden wir unseren eingeschlagenen Weg zur Neuausrichtung der DVWG fortsetzen. Dabei wird die gemeinsame Diskussion und Entscheidungsfindung zu wichtigen Themen weiterhin eine entscheidende Rolle spielen. Ein Schwerpunkt für das kommende Jahr wird die Entwicklung des Internationalen Verkehrswesens sein, zu dem wir einen Arbeitskreis einrichten. Darüber hinaus haben wir wieder eine Klausurtagung mit anschließendem Sommerfest sowie ein Trefen der Geschäftsführer geplant. Der Höhepunkt des kommenden Jahres wird die Jahrestagung sein, welche 2011 in Dresden stattfinden wird. Schon heute freue ich mich, Sie an meiner langjährigen Wirkungsstätte begrüßen zu dürfen und bedanke mich bei der gastgebenden Bezirksvereinigung Sachsen für die gute Zusammenarbeit und Vorbereitung der Tagung. Unser Jahresthema „Infrastrukturen für die Mobilität von morgen - Kommunizieren und finanzieren“ wird die Ausrichtung unserer Veranstaltungen bestimmen. Beginnen werden wir das Jahr mit der oiziellen Präsentation unseres Jahresbandes 2009/ 2010 in Berlin. Mit dieser Veranstaltung bestreiten wir einen völlig neuen Weg, unseren hochwertigen Jahresband auch einer breiteren Öfentlichkeit zu präsentieren. Sie ist aber auch das Ergebnis der vertrauensvollen und erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in den vergangenen Jahren. 2011 können wir uns voll auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren und uns auch aktuellen, gesellschaftspolitischen Fragen stellen. Weitere Bausteine unseres Jahresprogramms sind unsere traditionellen Foren und die ein oder andere neue Veranstaltung. Seien Sie gespannt auf das Jahr 2011. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam die DVWG auch 2011 wieder ein gutes Stück voranbringen können, und verbleibe mit herzlichen Grüßen. Ihr Prof. Knut Ringat Präsident DVWG »Im Jahr 2011 werden wir unseren eingeschlagenen Weg zur Neuausrichtung der DVWG fortsetzen.« 1. Heft Januar 2011 Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 72 Neue Bezirksvereinigung Niedersachsen-Bremen Z u Beginn des Jahres 2011 geht die neue Bezirksvereinigung Niedersachsen-Bremen an den Start. Wie kam es dazu und was sind die Vorteile der Fusion? Die strukturellen und finanziellen Probleme der DVWG in den letzten Jahren brachten es mit sich, dass ein beträchtlicher Teil des Engagements der ehrenamtlichen Funktionsträger und auch der finanziellen Ressourcen der Bezirksvereinigungen für vereinsinterne Aktivitäten aufgewandt wurden, die den Mitgliedern keinen unmittelbaren Nutzen brachten. Dies machte sich insbesondere bei kleinen Bezirksvereinigungen bemerkbar. Im Norden gab es daher schon länger Gespräche zwischen verschiedenen Bezirksvereinigungen, ob durch Zusammenschlüsse Synergieefekte realisiert werden könnten. Anfang 2010 haben dann nach mehreren Vorgesprächen die Mitgliederversammlungen der Bezirksvereinigungen Niedersachsen und Weser-Ems eine Fusion zur neuen Bezirksvereinigung Niedersachsen-Bremen beschlossen. Das Präsidium hat satzungsgemäß seine Zustimmung zu der Fusion erteilt. Mit der Fusion werden Kapazitäten für intensivere Programmarbeit frei. Die Mitglieder haben künftig ein breiteres Themenspektrum und ein größeres Veranstaltungsangebot zu Auswahl. Möglichen Fahrtkosten-Widerständen für den Veranstaltungsbesuch soll durch die Organisation durch die BV-Geschäftsstelle von Fahrgemeinschaften, wie etwa dem Niedersachsenticket, begegnet werden. Dies hat sich schon bei zwei im letzten Quartal 2010 erfolgreich durchgeführten gemeinsamen Veranstaltungen bewährt. Starke Bezirksvereinigungen sind aber nicht nur für die Region wichtig, sondern auch für den Fortbestand der bundesweiten DVWG. Ob die regionalen Organisationen als eigenständiger Verein oder als Teil der Bundesvereinigung geführt werden, ist dabei nachrangig. In Verwaltung und Gremienarbeit werden Synergieefekte realisiert, was auch zu einer deutlicheren Wahrnehmung der Interessen des Nordwestens in der DVWG führen kann. Die neue BV hat eine klare geographische Abgrenzung, die vorher nicht bestand, der Name „Bremen“ wird wieder sichtbar und die niedersächsische Landesregierung hat für das ganze Land einen Ansprechpartner bei der DVWG. Der Anfang des Jahres neu zu wählende Vorstand der BV Niedersachsen-Bremen wird sich der Aufgabe stellen, ein attraktives Prof. Dr. Thomas Siefer und Prof. Dr. Klaus Harald Holocher Angebot an Veranstaltungen nicht nur in den beiden größten Städten der Metropolregionen Bremen/ Oldenburg und Hannover/ Braunschweig/ Göttingen, sondern soweit wie möglich auch in den anderen regionalen Clustern in der Fläche zu organisieren. Dies ist eine Absichtserklärung der beiden bisherigen BV-Vorstände, die aber auch durch örtliche bzw. regionale Initiativen zur Realisierung unterstützt werden muss. Die zukünftige Wahrnehmung der DVWG als verkehrsträgerübergreifende Plattform kann nur gelingen, wenn sie vor Ort präsent ist. Die von der Hauptgeschäftsstelle veranstalteten Kongresse und Seminare sind zwar wichtig. Für eine große Anzahl der Mitglieder sind die Veranstaltungen „vor Ort“ aber das Bindeglied zur DVWG. Nur wenn diese Veranstaltungen häufig und mit hoher Qualität organisiert werden, können die Mitglieder gehalten werden. Hier sieht die neue BV Niedersachsen-Bremen ihre wichtigste Aufgabe für die nächste Zeit. In einer gemeinsamen Sitzung beider Vorstände mit dem Programmausschuss in Hannover wurde für 2011 ein inhaltlich, regional und fachlich vielfältiges Veranstaltungsprogramm für das Jahr 2011 beschlossen. Auch für 2012 gibt es schon einen Programmpunkt: Bei der Inbetriebnahme des JadeWeserPort am 5. August 2012 will die Bezirksvereinigung Niedersachsen-Bremen ihre gebündelte verkehrswissenschaftliche Kompetenz mit einer Fachtagung in Wilhelmshaven präsentieren. niedersachsen@dvwg.de B 335 „Qualitätsanforderungen an Verkehrsnachfragemodelle“ Innerhalb einer integrierten Verkehrsplanung ist der Einsatz hochwertiger Verkehrsnachfragemodelle zur Modellierung von Analysezuständen und Wirkungszusammenhängen sowie zur anschließenden Berechnung ausgewählter Szenarien- und Prognosezustände mittlerweile unumgänglich. So nehmen auch Größe und Ausdehnung der untersuchten Gebiete und Zeiträume heutzutage stetig zu, was den Einsatz leistungsfähiger praxisorientierter Modelle erfordert. Die dabei entstehenden Modellergebnisse, welche stets im Spannungsfeld der geforderten Planungsaufgabe, der verfügbaren Eingangsdaten und der Modellhandhabung bzw. -kalibrierung zu betrachten sind, müssen entsprechenden Qualitätsanforderungen genügen, gerade bei der in nächster Zeit zu erwartenden Haushaltssituation. Im Rahmen des DVWG-Symposiums stellten Wissenschaftler, Ingenieurbüros und Kommunen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ihre aktuellen Forschungsergebnisse, Standpunkte und Anschauungen vor. Das Symposium diente sowohl zur Wissensvermittlung als auch zum Wissensaustausch. Darüber hinaus verstand sich das Symposium auch als Impuls für die Weiterentwicklung eines gemeinsamen Qualitätsmanagements für Verkehrsnachfragemodelle auf Auftraggeber- und Auftragnehmerseite, da gerade deren Wünsche und Anforderungen meist diametral sind. Prof. Dr. Thomas Siefer Prof. Dr. Klaus Harald Holocher ɷ DVWG-NEUERSCHEINUNG 2010 (B-REIHE) DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 73 DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Umsetzung von Infrastrukturvorhaben in Zürich A m 15./ 16. Oktober 2010 führte die diesjährige Jahresexkursion der Bezirksvereinigung Oberrhein nach Zürich. Das Programm begann bei den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) mit einer Führung durch die Zentralwerkstätten. Beim Rundgang durch die verschiedenen Bereiche konnten wir uns einen groben Überblick über die Vielseitigkeit einer Fahrzeugwerkstatt verschafen. Der Fuhrpark der VBZ umfasst etwa 250 bis 280 Fahrzeuge, wovon sich jederzeit etwa 10 % in der Werkstatt befinden. Interessant ist, dass ein Teil der Gleisanlagen nicht nur mit der ortsüblichen Meterspur, sondern auch in Normalspur angelegt ist. Letztere kamen aber niemals zum Einsatz, denn die Zürcher Stimmbürger hatten 1973 in einer Volksabstimmung gegen die U-Bahn und für die Straßenbahn gestimmt, womit weiterhin nur deren Meterspurgleise benötigt werden. Direkt daran anknüpfend folgte die Präsentation des Projekts „Cargo-Tram“ durch Michael Laux, für welches die VBZ bereits im Jahr 2003 einen Innovationspreis erhielt. Das Konzept sieht eine stationäre Sperrmüllsammlung vor, welche einmal im Monat an neun unterschiedlichen Standorten, verteilt über das gesamte Stadtgebiet, stattfindet. Da etwa 50 % der Zürcher Haushalte über keinen eigenen Pkw verfügen und das Sperrgut ohnehin nur per Handkraft mittels Handkarren zu den jeweiligen Standorten angeliefert werden darf, hat sich dieses System mittlerweile sehr etabliert. Neben der Verringerung des illegal abgelegten Abfalls hat die VBZ eine Ersparnis von ca. 37 500 l Dieseltreibstof pro Jahr errechnet. Die Finanzierung des Cargo-Tram-Konzeptes erfolgt durch eine vorgezogene Recyclinggebühr, welche bereits beim Kauf entsprechender Geräte vom Endverbraucher bezahlt wird. In einem weiteren Programmpunkt wurde das Stadtbahnprojekt „Tram Zürich-West“ vorgestellt, welches vom stellvertretenden Leiter Netzerweiterung/ Unternehmensbereich Infrastruktur, Roland Schilling, vorgetragen wurde. Hierbei handelt es sich um die Verlängerung der Tramlinie 4 ab Escher- Wyss-Platz bis zum Bahnhof Altstetten. Durch die Streckenverlängerung wird ein sich rasant entwickelndes Gebiet, das Quartier Zürich-West, erschlossen. Innerhalb von zehn Jahren nahm die Einwohnerzahl in diesem Quartier um 120 % zu. Über die Finanzierung und damit die Realisierung eines solch großen Verkehrsvorhabens entscheidet in der Schweiz bekanntermaßen das Volk Matthias Kuhnt, Bezirksvereinigung Oberrhein Auf dem Züricher Hauptbahnhof Foto: Günter Koch - beim Projekt Zürich-West mit einer deutlichen Mehrheit von 70 % zugunsten des Projekts. Die Streckenverlängerung wird Ende 2011 in Betrieb genommen werden, der Realisierungszeitraum erstreckt sich dann einschließlich der Genehmigungsphase sowie der Abwicklung der Beschwerden auf neun bis zehn Jahre. Die Kosten betragen für die Neubaustrecke Tram sowie die begleitenden Straßenbaumaßnahmen etwa 300 Mio. CHF, davon jeweils die Hälfte für Straßenbahn und Straßenbau. Durch die Attraktivitätssteigerung des neu erschlossenen Quartiers wurde mittlerweile ein Gesamtbauvolumen von derzeit etwa 3,5 Mrd. CHF ausgelöst. Den fachlichen Abschluss des ersten Tages bildete der Besuch bei der Verkehrsleitzentrale der Stadt Zürich, Dienstabteilung Verkehr (DAV). Leiter Joos Bernhard führte in die Thematik der Verkehrssteuerung ein. Das Zürcher System schaltet die gesamte Signalisierung im Stadtgebiet in automatisierten Abläufen selbsttätig, und zwar die Anlagen für IV und ÖV gleichermaßen. Der öfentliche Verkehr wird konsequent bevorrechtigt, was mit einer Zuverlässigkeit von 99 % funktioniert. Eines der zur hohen Leistungsfähigkeit führenden Kriterien ist die Form der im Straßenverkehr zum Einsatz kommenden Knoten, welche in Zürich in der Regel sehr kompakt gestaltet sind. Die Umlaufzeiten sind auf 60 Sekunden begrenzt bei gleichzeitig hoher Leistungsfähigkeit. Nach dieser Fülle von fachlichen Informationen ging es zum gemeinsamen Abendessen auf den Uetliberg, den Hausberg Zürichs. Auf den Berg hinauf führt die Uetlibergbahn, mit 79 ‰ die steilste Normalspur-Adhäsionsbahn Europas. Am Samstagmorgen ging es dann zum Hauptbahnhof, wo wir vom Chebauleiter des Ingenieurbüros Basler&Hofmann, Jürg Preisig, erwartet wurden. Für diesen Vortrag stand die Durchmesserlinie Altstetten- Zürich HB-Oerlikon auf dem Programm. Das seit dem Jahr 2001 in Bau befindliche Projekt der schweizerischen Bundesbahnen hat doch eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem derzeitigen Großprojekt in Stuttgart. Das Ziel hierbei ist es, den bestehenden Kopbahnhof in Zürich um einen unterirdischen Durchgangsbahnhof zu erweitern und somit eine beachtliche Kapazitätserhöhung der heute vorhandenen Infrastruktur ebenso wie einen Fahrzeitgewinn zu erreichen. Das Bauvolumen beträgt ca. 2 Mrd. CHF wovon der Bund, der Kanton sowie die SBB jeweils ein Drittel tragen. Interessant ist das Projekt vor allem aufgrund der vielen zu berücksichtigenden Zwangspunkte in der sehr beengten Innenstadt. Einer dieser Zwangspunkte in der Höhe ist der Sihldurchlass, welcher heute quer unter der vorhandenen Bahnsteighalle verläuft. Bemerkenswert, jedoch eine für ein derartiges Bauprojekt in der Schweiz übliche Vorgehensweise ist die Nutzung der Eisenbahn für einen Großteil des erforderlichen Materialtransports. So werden die Rohstofe für den Beton ebenso wie der gesamte Abraum aus dem Tunnel per Eisenbahn an- und abtransportiert. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass auch die Exkursion 2010 von allen Teilnehmern als ein voller Erfolg gesehen wurde. Dabei konnte ein Einblick gewonnen werden, wie die Planung von großen Infrastrukturvorhaben bei unseren Nachbarn umgesetzt wird. Es geht dort auch nicht unbedingt schneller, wenn das Volk aber über die Finanzen entschieden hat, wird zügig und ohne Murren weitgehend unabhängig vom politischen Tagesgeschäft bis zum Ende gebaut. oberrhein@dvwg.de ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 74 Aktuelles aus der Seeschi fahrt Europäische Luftverkehrspolitik − immer noch spannend! A m 7. Dezember 2010 wurde in Warnemünde eine gemeinsam von der BV Mecklenburg-Vorpommern, vom Bereich Seefahrt der Hochschule Wismar und vom Ostseeinstitut der Universität Rostock getragene Vortragsveranstaltung zu aktuellen Problemen der Seeschiffahrt durchgeführt. Als Referent stand Christian Bubenzer von der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft zur Verfügung. Er referierte im ersten Vortrag zum Thema: „Einflaggung unter die deutsche Flagge: Rahmenbedingungen und praktische Umsetzung“. Er skizzierte die Entwicklung der deutschen Handelsflotte seit 1970, zu der er Handelsschife deutscher Eigner in deutschen Schifsregistern unter deutscher und ausländischer Flagge zählte. Die Zahl dieser Schife ist seit dem Jahr 2000 stark angestiegen. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der Schife unter ausländischer Flagge aus Kostengründen sehr deutlich. Im Jahr 2000 bestand die deutsche Handels- Prof. Uwe Laue, BV Mecklenburg-Vorpommern Dr. Karin Jäntschi-Haucke, DVWG Südbayern Flaggschif „Christophe Colomb“ Foto: CMA CGM D r. Michael Kerkloh, Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen München GmbH, unterstrich angesichts der erheblichen Tragweite für die Wettbewerbs- und Zukunftschancen des Münchner Airports die Bedeutung einer „Europäischen Luftverkehrspolitik“. Die meisten politischen Weichenstellungen würden schließlich in Brüssel vorgenommen. Zur von der DVWG Südbayern am 12. Oktober 2010 zur Diskussion gestellten Frage, ob ein Spannungsfeld zwischen EU-Kommission und Luftverkehrsbetreibern besteht, verwies Kerkloh auf die insgesamt sehr intensive und gute Zusammenarbeit, nicht zuletzt durch ein eigenes Büro in Brüssel. Als aktuelles Thema benannte er das sogenannte „Airport Package“, das die Europäische Kommission im Juni 2011 veröfentlichen möchte. Mit diesem Paket sollen eine Revision der geltenden Slot-Verordnung, eine DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten flotte aus knapp 900 Schifen unter ausländischer Flagge und nicht ganz 700 Schifen unter deutscher Flagge. Seitdem ist die Schere zwischen ausländischer und deutscher Flagge immer weiter auseinander gegangen. Im Oktober 2010 gehörten 2993 Schife mit ausländischer Flagge und 566 Schife mit deutscher Flagge zur deutschen Handelsflotte. Als Hauptfremdflaggen der deutschen Reeder wurden Liberia (70 %), Antigua/ Barbuda (15 %) und Marshall-Islands (11 %) genannt. Seit mehreren Jahren soll diese Entwicklung politisch durch das Maritime Bündnis mit der Tonnagesteuer als seinem ganz wesentlichen Kernstück gestoppt werden. Die auch in anderen europäischen Ländern übliche Tonnagesteuer erlaubt den Reedern eine Gewinnermittlung auf Basis der Nettotonnage und zwar unabhängig von Gewinn oder Verlust der Schiffahrtsgesellschaft. Mit einem fiktiven Berechnungsbeispiel zeigte der Referent deutlich, dass auf diese Weise deutliche Kosteneinsparungen für die Reeder möglich sein können. Trotzdem halten sich die Einflaggungen derzeit in Grenzen, was einerseits der weltweiten Wirtschaftskrise, andererseits aber auch der Zersplitterung der deutschen Flaggenstaatenverwaltung geschuldet sein soll. Die Reedereien müssen sich bei Rückflaggungen derzeit mit über zehn Behörden auseinandersetzen, was das Verfahren natürlich sehr verkompliziert. An einer Verbesserung dieser Situation wird derzeit gearbeitet. In seinem zweiten Vortrag befasste sich Bubenzer mit den Arbeitsbedingungen an Bord der Seeschife. Obwohl die meisten Schife heute modern gebaut und ausgerüstet sind, gibt es international noch immer einzelne Reeder, die Schife betreiben, auf denen die Arbeits- und Lebensbedingungen stark kritikwürdig, zum Teil sogar als katastrophal zu bezeichnen sind. Mit dem internationalen Seearbeitsübereinkommen, kurz MLC (nach seiner englischen Bezeichnung als „Maritime Labour Convention“), wurde nunmehr eine Grundlage für die Durchsetzung weltweiter Standards für die Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord von Seeschifen geschafen. Der Referent bezeichnete dieses Übereinkommen als Meilenstein für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Seeleute. Der Regelungsinhalt ist sehr umfassend und befasst sich u.a. mit Befähigung von Seeleuten, Beschäftigungsverträgen, Arbeits- und Ruhezeiten, Unterkünften, Verpflegung, Gesundheit und sozialer Sicherheit. Mit dem 2006 beschlossenen MLC werden 40ILO(InternationaleArbeitsorganisation)- Übereinkommen bzw. Empfehlungen zu einem einzigen Dokument neu zusammengefasst. Es wird 12 Monate nach Ratifikation durch 30 ILO-Mitgliedstaaten mit mindesten 33 % der Welthandelstonnage in Kraft treten. Von besonderer Bedeutung sind die Durchsetzungsmechanismen für die neuen Regelungen auf der Grundlage erweiterter Flaggenstaaten- und Hafenstaatenkontrollen und eines abgestuften Sanktionssystems bei Regelverstößen. Hervorzuheben ist darüber hinaus, dass das MLC auch für die Staaten gelten wird, die es selbst nicht ratifizieren werden. Nach beiden Vorträgen kam es zu interessanten Meinungsäußerungen, Fragen und Diskussionen. Im Mittelpunkt standen dabei Fragen zum Maritimen Bündnis, zu Ausflaggungs- und Rückflaggungsgründen, zu den Vor- und Nachteilen der Tonnagesteuer einerseits sowie zu Detailregelungen des MLC und zur Wirksamkeit der vorgesehenen Durchsetzungsverfahren für das MLC andererseits. mecklenburg-vorpommern@dvwg.de ɷ Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 75 Planen − Beraten − Betreiben: Mobilitäts- und Transportlösungen weltweit Referent: Martin Bay, Vorsitzender der Geschäftsführung der DB International GmbH, Berlin 24.02.2011, 17.00 Uhr IHK-Akademie, Orleansstraße 10-12, 81669 München Verkehrsgroßprojekte in Deutschland ohne Chance? Referenten: Ferdinand Fäth, Investor Hauptbahnhof Aschafenburg, Aschafenburg, Günther Pichler, Leiter Regionalbereich Bayern, DB Station & Service AG, München Dr. Hilmar Sturm, Geschäftsführer der gfb Gesellschaft für Bürgergutachten, München/ Berlin Dieter Wellner, Ministerialdirigent a.D., ehem. Leiter der Abteilung Verkehr im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, München 15.03.2011, 17.00 Uhr IHK München/ Oberbayern, Max-Joseph-Straße 2, 80333 München Im Anschluss: ordentliche Mitgliederversammlung 2011 suedbayern@dvwg.de DVWG Verkehrswissenschaftliche Nachrichten Veranstaltungen der Bezirksvereinigungen Südbayern Nordbayern Fulda Dresden Frankfurt/ Main Freiburg DVWG Hauptgeschäftsstelle Agricolastraße 5 10555 Berlin Tel. 030.293606 0 Fax 030.293606 29 eMail: hgs@dvwg.de Internet: www.dvwg.de Führung Museum für Kommunikation Nürnberg Referent: Dr. Stefan Kley, Leiter Museum für Kommunikation 17.02.2011, 16.00 Uhr Verkehrsmuseum Lessingstraße 6,Nürnberg Im Anschluss Mitgliederversammlung 2011 Einsatz der Gigaliner in Bayern Referent: Ministerialrat von Rimscha, Referatsleiter Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, München 17.03.2011, 16.00 Uhr Verkehrsmuseum Lessingstraße 6, Nürnberg nordbayern@dvwg.de 02./ 03.März 2011 Klausurtagung Internationales Verkehrswesen 4.-6.Mai 2011 Jahrestagung mit Bundesdelegiertenversammlung 28.Oktober 2011 Geschäftsführertrefen 21.November 2011 Bundesdelegiertenversammlung Bezirksversammlung (nur für Mitglieder) anschließend Vortrag „Neuere Entwicklungen in der Binnenschiffahrt“ Referent: Hans-Peter Mösch, Hafendirektor, Weil am Rhein 15.02.2011, 18.15 Uhr Universität Freiburg, Kollegiengebäude I, Hörsaal 1098 freiburg@dvwg.de Zentrale Veranstaltungen Novellierung der Bodenverkehrsrichtlinie und eine Standortbestimmung zum Thema „Airport Capacity“ vorgenommen werden, womit der Betrieb der europäischen Flughäfen neu geregelt wird. Als Beispiel für eine überzeugende gemeinsame Lösung nannte er die Flüssigkeitsregelung, die in zwei Phasen aufgehoben werden soll. Ab 2011 sollen zunächst die Transfer-Passagiere ausgenommen werden, ab 2013 alle Fluggäste. Allerdings müssen bis dahin adäquate technische Kontrollmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Diskutiert würde auch das „Weißbuch Verkehr“, das die Leitlinien der künftigen Verkehrspolitik formuliert und konkrete Umsetzungsmaßnahmen vorgibt. Die in der Initiative Luftverkehr zusammengeschlossenen Unternehmen, Deutsche Lufthansa AG, die DFS, die Fraport AG und die FMG, fordern hier, dass Wettbewerbsverzerrungen beseitigt werden, der dringend benötigte Kapazitätsausbau unterstützt wird, einseitige Belastungen des europäischen Luftverkehrs vermieden werden und die Einführung des Single European Sky im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung des Luftverkehrs entschlossen vorangetrieben wird. Kerkloh unterstrich dabei die Verkehrsvernetzung, die für den Münchner Airport wegen der nach wie vor unzureichenden Fernbahnanbindung besonders wichtig sei. Ulrich Schulte-Strathaus, Generalsekretär des Verbandes Europäischer Luftverkehrsgesellschaften, AEA, benannte die Vulkanasche- Krise als Beispiel, wie wenig europäische Institution auf derartige Situationen eingestellt sind. Er mahnte strukturelle Konsequenzen an, um die europäische Meinungsfindung zu strafen und damit besser auf künftige vergleichbare Krisen gerüstet zu sein. Sowohl die Behörden, als auch die Luftverkehrsbranche an sich seien noch zu fragmentiert. Insoweit könnten Bemühungen in Deutschland, zu einer klareren Ordnung der Verbandslandschaft zu gelangen, mittelfristig Vorbildcharakter für die Organisation der europäischen Verbände haben. Trotz der Vielfalt der Stimmen habe die Luftverkehrswirtschaft mittlerweile gemeinsame Ziele formuliert, die diese auf allen Ebenen mit der EU-Kommission ansprechen. Notwendig sei, innereuropäisch verstärkt in die Infrastruktur zu investieren und international Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb zu schafen. Aus Sicht eines europäischen Verbandes bestünde das „Spannungsverhältnis“ weniger mit der EU-Kommission, die ihrerseits in ihrer derzeitigen Besetzung aktiv an einer Verbesserung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit arbeite, als vielmehr mit den Mitgliedsstaaten. Sie achten laut Schulte-Strathaus verständlicherweise auf die Wahrung ihrer nationalen Souveränität und schafen damit ungewollt eine Komplexität, die die Umsetzung einer europäischen Luftverkehrspolitik erschwert. suedbayern@dvwg.de V.l.n.r.: Ulrich Schulte-Strathaus, Ulla Rüdenholz, Dr. Karin Jäntschi-Haucke, Dr. Michael Kerkloh Foto: DVWG ɷ Ort noch ofen