Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/iv-2011-0032
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Streit um TEN-Subventionen
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Christian Dahm
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Internationales Verkehrswesen (63) 2 | 2011 28 Streit um TEN-Subventionen V iel vorgenommen hatte sich die Europäische Kommission mit der Revision der Leitlinien zum Ausbau des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN). Angesichts der Tatsache, dass vor allem die 30 vorrangigen TEN-Projekte nur schleppend vorangekommen sind und zudem die Haushaltsmittel immer knapper werden, war dies auch unbedingt notwendig. Doch nach Jahren der Diskussion folgte nun beim informellen EU-Verkehrsministerrat in Gödöllö/ Budapest Anfang Februar endgültig die Ernüchterung. Die Mitgliedstaaten sind noch meilenweit von einer gemeinsamen Linie entfernt, wie die europäischen Verkehrsachsen zu einem Netz zusammenwachsen sollen. Grundsätzlich unterstützt wird zwar der Ansatz der Kommission, künftig neben dem TEN-Gesamtnetz auch ein TEN- Kernnetz zu definieren. Doch da hört das Einvernehmen auch schon auf und der Streit an. Kommt Osteuropa zu kurz? Nur wenige Mitgliedstaaten sind mit der Kommission einig, dass die TEN-Mittel in Zukunft einen europäischen Mehrwert generieren und deshalb vor allem in grenzüberschreitende Teilstücke des Kernnetzes fließen sollen. Außerdem ist geplant, die Vergabe der TEN-Mittel besser mit den Zuschüssen aus Struktur- und Kohäsionsfonds der EU abstimmen. Doch vor allem die EU-Länder aus Osteuropa befürchten, dass sie bei diesem Ansatz zu kurz kommen werden. Um diese Länder zu besänftigen, hat die Kommission bereits angekündigt, dass die EU-Gelder aus den Struktur- und Kohäsionsfonds auch weiterhin für Projekte des TEN-Gesamtnetzes verwendet können. Doch hinter dieser Ankündigung verbirgt sich eine weitere Initiative von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas, die den osteuropäischen Mitgliedstaaten erst recht ein Dorn im Auge ist. Kallas will insbesondere erreichen, dass, wenn Mittel aus dem EU- Kohäsionsfonds für Verkehrsprojekte ausgegeben werden, sich diese auf dem TEN-Netz befinden müssen. Entsprechende Leitlinien arbeitet der Este derzeit mit seinem für Regionalpolitik zuständigen Amtskollegen, Johannes Hahn, aus. Ein solches Diktat aus Brüssel wollen die osteuropäischen Mitgliedstaaten aber nicht hinnehmen, war es ihnen doch bislang die Wahl der Verkehrsprojekte weitgehend freigestellt, die aus EU-Töpfen gefördert wurden. Aber auch Deutschland will seinen eigenen (TEN-)Weg gehen. Beim Ausbau des Transeuropäischen Verkehrsnetzes privilegiert Deutschland einen nationalen und nicht den europäischen Ansatz der Kommission. Mit den Worten: „Was nützen grenzüberschreitende Projekte, wenn das Binnennetz für den Transit nicht tauglich ist? “ zeigte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer die Marsch- Christian Dahm EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Logistik-Zeitung in Brüssel B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON CHRISTIAN DAHM route auf, die Deutschland bei der Revision der TEN-Leitlinien verfolgt. Ramsauer will vor allem erreichen, dass das Attribut „grenzüberschreitend“ nicht das entscheidende Kriterium für die Bewilligung von TEN-Mitteln wird. „Unter dem Diktat der leeren Haushaltskassen müssen sich einige Länder von Traumprojekten verabschieden“, betonte Ramsauer. Der Minister warnte davor, die Interessen der Transitländer wie Deutschland zu vernachlässigen. Ein unverhältnismäßiger Ausbau von Verkehrsprojekten in Randländern der EU könne zu einer unhaltbaren Belastung des Transitverkehrs in Zentraleuropa und insbesondere Deutschland führen. Ramsauer verwies darauf, dass der Gütertransit in Deutschland bis 2025 um 150 % ansteigen werde. Grundsätzlich ist es für Ramsauer unerlässlich, dass für die Definition vor allem transportbezogene Kriterien wie Verkehrsströme, Streckenbelastungen, Verkehrsprognosen und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen herangezogen werden. Deshalb sei es auch nicht nachzuvollziehen, dass im Gegensatz zu Hamburg, Bremerhaven und Rostock der Jade-Weser- Port und Lübeck vom Kernnetz ausgeschlossen werden sollen. Dafür war sich in einer EU-Studie ausgesprochen worden. Zudem wehrte sich Ramsauer gegen Planungsvorgaben aus Brüssel. „Dafür gibt es keine Notwendigkeit“, so der Minister, der auf die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten bei der Infrastrukturplanung verwies. Ablehnen will Ramsauer auch einen europäischen Finanzrahmen, der nationale Investitionen präjudiziert. Gleiches gelte auch dafür, dass nationale Verkehrseinnahmen in einen EU-Fonds fließen. Um die erhitzten Gemüter sowohl der Transitals auch der Randstaaten zu beruhigen und einen Kompromiss zu finden, kündigte Kallas an, bilaterale Gespräche mit den einzelnen Mitgliedstaaten führen zu wollen, bevor die EU-Kommission voraussichtlich vor Ende Juni die neuen TEN-Leitlinien vorschlagen wird. Bei den Gesprächen will Kallas aber ebenfalls ausloten, zu welchen Investitionszusagen die nationalen Regierungen in welchem Zeitraum bereit sind. Denn die Integration von Projekten ins Kernnetz und die Aussicht auf üppigere EU-Mittel möchte die Kommission in Zukunft verstärkt an finanzielle Verpflichtungen seitens der Mitgliedstaaten knüpfen. ɷ »Die Aussicht auf üppigere EU-Mittel möchte die Kommission in Zukunft verstärkt an finanzielle Verpflichtungen seitens der Mitgliedstaaten knüpfen«
