eJournals lendemains 46/184

lendemains
ldm
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
10.24053/ldm-2021-0033
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2021
46184

Benjamin und Aragon : Zur Frage des Einflusses

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2021
Sofia Cumming
ldm461840068
68 DOI 10.24053/ ldm-2021-0033 Dossier Sofia Cumming Benjamin und Aragon: Zur Frage des Einflusses Inzwischen ist bekannt, dass Benjamins Auseinandersetzung mit dem Surrealismus sich etwas komplexer darstellen lässt denn als eine bloße negative Kritik am politischen Kern ihrer Schriften. In einem Brief an Gershom Scholem schrieb Benjamin 1928, dass sich seine Beziehung zum Surrealismus in dem Bild eines „philosophischen Fortinbras“ erfasse (Benjamin 1997: 420). Die unvollendete Passagenarbeit ist insbesondere als Schauplatz dieser Erbschaft zu verstehen und Katalysator dieses Erbes ist vor allem der Französische Dichter und Schriftsteller Louis Aragon (1879-1982) mit seinem Anti-Roman Le paysan de Paris (1926), welcher zugleich als „Warnung“ und Anregung zu Benjamins Konzeption einer mythologie moderne fungiert (Benjamin 1999: 97). 1 Doch das Verhältnis zwischen Benjamin und einem der Gründungsmitglieder des Surrealismus ist keineswegs auf die Inspirationsquellen der Passagenarbeit zu beschränken. Wie sich aus Briefen, Notizen und Essays über den Verlauf von Benjamins Karriere als Kritiker und Journalist zeigen lässt, stammen wichtige Ansatzpunkte seines Denkens und Schreibens aus seinen Lektüren und Übersetzungen von Aragons Werken. Die erste Anerkennung der Rolle Aragons in Benjamins Schriften führt jedoch zur posthumen Veröffentlichung der Passagen-Materialien sowie deren Verbindung zum Aufsatz „Der Sürrealismus. Die letzte Momentaufnahme der europäischen Intelligenz“ (1929) zurück. In seiner Einführung zum fünften Band der Gesammelten Schriften (1982) schreibt Rolf Tiedemann: [Der] Stoffschicht, dem Bodensatz des Jüngstvergangenen, galt auch das Passagenwerk; wie Aragon, durch die Passage de l’Opéra flanierend, von einer vague de rêves in fremde, nie zuvor erblickte Bereiche des Wirklichen gezogen ward, so wollte Benjamin in bislang unbeachtete, verachtete Bezirke der Geschichte tauchen und heraufholen, was vor ihm noch keiner gesehen hatte (Benjamin 1991a: 16). Schlussendlich werden Aragon und Benjamin jedoch miteinander kontrastiert. Während die „Aragonsche Mythologie“ laut Tiedemann „bloße Mythologie [bleibe]“, wollte Benjamin „‚die Dinge räumlich heran[rücken]‘, ‚sie in unser Leben treten lassen (I°, 2)‘“ (ibid.: 19). 1983 dagegen, im Rahmen der ersten internationalen Tagung über Benjamin in Paris, behauptet Jacques Leenhardt: „Benjamin se croit devoir élaborer son propre travail négativement par rapport à l’épistémologie d’Aragon“ (Leenhardt 1986: 165). Wie Leenhardt feststellt, wurde diese ‚negative‘ Haltung schon in der frühen Rezeptions- und Forschungsgeschichte Benjamins mit seinen allgemeinen Anklagen gegen den Surrealismus gleichgestellt und deswegen auch generell nicht weiter hinterfragt. So hat Leenhardts eher unorthodoxe Fragestellung, „Benjamin ne saurait être suspecté de ne pas avoir lu Le paysan de Paris, mais l’a-t-il bien lu? “, die übliche Ansicht von Benjamins Aragon-Interpretation erheblich erschwert (ibid.: 165). DOI 10.24053/ ldm-2021-0033 69 Dossier Einige Jahre später erscheint eine der ersten umfassenden Studien über Benjamins Beziehung zum Surrealismus. Josef Fürnkäs’ Surrealismus als Erkenntnis. Walter Benjamin - Weimarer Einbahnstraße und Pariser Passagen (1988) verbindet ausführlich Benjamins frühere Surrealismus-Schriften mit den Materialien der Passagenarbeit und enthält einen kritischen Vergleich mit Aragons Le paysan de Paris (1926) sowie seinem früheren Roman Anicet ou le panorama, roman (1921). Fürnkäs’ Arbeit ist auch eines der ersten Beispiele der in der Forschung dominierenden Missachtung von Aragons Einfluss; möchte Fürnkäs doch „Benjamins Prosa als Prosa selbst erhellen“ (Fürnkäs 1988: 2). Dieser Ausgangspunkt erscheint auch noch heute weitgehend unerforscht, obwohl Benjamins veröffentlichter Nachlass inzwischen veranschaulicht, dass neben seinen theoretisch-kritischen Arbeiten seine Prosa und Kurz-Prosa ein nicht unwesentlicher Teil seines Œuvres bilden. Dies ist besonders in Bezug auf Benjamins Tätigkeit als Übersetzer von Bedeutung. So werden Arbeiten wie Einbahnstrasse (1928), Deutsche Menschen (1936) und Berliner Kindheit um 1900 (1950) oft nur oder fast ausschließlich in Verbindung mit Benjamins Theorie gelesen. In dieser Hinsicht wird die literarische und poetische Qualität seines Schreibens, vor allem der Passagenarbeit, nicht von Wissenschaftlern, sondern eher von SchriftstellerInnen und KünstlerInnen hervorgehoben, die sich von Benjamins Werk inspirieren lassen. 2 So behauptet Marjorie Perloff, dass im Passagenprojekt eine weniger gut verstandene „literarische Anziehungskraft“ zu entziffern sei - „eine Anziehungskraft, die sich in den Reaktionen seiner begeisterten Leser in den letzten Jahrzehnten deutlich zeigt“ (2010: 28). 3 Dennoch, wie schon Leenhardts Verteidigung von Aragons Schriften zu entnehmen ist, ist sein Einfluss auf Benjamin sowohl literarisch als auch philosophisch und politisch zu verstehen. Ähnlich wie im Falle Benjamins lassen sich Aragons Karriere und intellektuelle Entwicklung nicht einfach zusammenfassen. Wie Florian Gödel bemerkt, „erscheint [Aragon] als ein Schriftsteller mit drei Schaffensphasen: einer avantgardistischen (Dada und Surrealismus), einer sozialistisch-realistischen (mit der Résistance) und schließlich einer [...] experimental-realistisch bezeichneten Phase“ (Gödel 2016: 161). Benjamin interagiert mit Aragons Werk an mehreren Stellen dieser außerordentlichen Laufbahn. Dies hat zur Folge, dass Aragons Einfluss nicht exklusiv in Bezug auf Benjamins Surrealismus-Rezeption zu verstehen ist und auch noch heutzutage eine interpretative Herausforderung bietet. Dieser Beitrag wird sowohl auf die Geschichte des Aragonschen Einflusses in Benjamins Werk eingehen als auch die methodischen und konzeptuellen Folgen seiner intertextuellen Auswirkung zusammenfassen. In seiner experimentellen Montage aus Traumbildern, Dokumentation des Großstadtraums und kommunistischer Politik erweckt Aragons Werk in Benjamin eine Affinität zu surrealistischen Denk- und Schreibarten und trägt zu seiner Konzeption des engagierten Europäischen Schriftstellers des 20. Jahrhunderts bei. Die Absicht dieses Beitrag ist es, eine chronologische Übersicht zu etablieren, um zu demonstrieren, wo und wie sich die Figur Aragons über ein Jahrzehnt in Benjamins Werk auffinden lässt und was daraus für seine Arbeit resultiert. Anhand von vier wegweisenden Texten Aragons - Une 70 DOI 10.24053/ ldm-2021-0033 Dossier vague des rêves (1924), Le paysan de Paris (1926), Traité du style (1928) und „Le Surréalisme et le devenir révolutionnaire“ (1931) - wird im Folgenden der Umfang dieses mehrdeutigen Einflusses in Benjamins Werken, die zu seiner Lebenszeit veröffentlicht wurden, untersucht. I. Une vague de rêves (1924) Heute ist Louis Aragon einer der wenigen französischen gauchistes, für die in Paris Denkmäler errichtet wurden. Zusammen mit seiner Frau Elsa Triolet, die ihrerseits den ersten Prix Goncourt erhielt, lebte er in der rue Campagne-Première und de rue de Varenne, wo jetzt Plaketten mit ihren Namen zu finden sind. Aragon lernte André Breton 1917 im Buchladen La Maison des Amis des Livres der rue de l’Odéon kennen. 4 1919 gaben Breton und Aragon dann zusammen mit ihrem Dichterkollegen Philippe Soupault die erste Ausgabe von Littérature heraus, die die Pariser Version von Dada hervorbrachte. Aragon inszenierte in dieser Zeit Dada-Veranstaltungen und veröffentlichte Gedichtbände wie Feu de joie (1920), die ein dadaeskes Interesse am Absurden widerspiegeln. Er begann auch Romane zu schreiben wie Anicet ou le panorama, roman (1921) und Les Aventures de télémaque (1922). Mitte der 1920er brach dann der Kreis von Dadaisten um Tristan Tzara zusammen. Der Congrès de Paris gab dem Daidaismus seinen coup fatal, und Aragon widmete sich dem Surrealismus, der mit Bretons Manifeste du surréalisme (1924) offiziell ins Leben gerufen wurde. Mit den Surrealisten gründete er dann im Frühjahr 1926 die galerie surréaliste in den ehemaligen Redaktionsbüros der Zeitschrift Clarté in der rue Jacques Callot. 5 Unter diesen Umständen entdeckte Benjamin Aragons Werk. Seine erste Bekanntschaft mit surrealistischen Texten wird generell auf 1925 datiert, kurz nach dem Erscheinen von Bretons erstem Manifest. 6 Während Bretons Manifest die programmatische Fixierung der Grundprinzipien der Bewegung vorbehalten blieb, hatte Aragon schon mit seinem früheren Une vague de rêves das poetische Ergebnis der vorliegenden kollektiven Aktivitäten der Bewegung mit einer surrealistischen Verschmelzung von Traum und Realität vorausgeahnt. So hat Aragon das Ziel aus Bretons emphatischer Äußerung: „Je crois à Ia résolution future de ces deux états, en apparence si contradictoires, que sont le rêve et Ia réalité, en une sorte de réalité absolue, de surréalité“ (Breton 1966: 22), bereits anvisiert. Im Juni 1924 fertiggestellt und Anfang Oktober in der 2. Ausgabe der von Paul Valéry, Léon-Paul Fargue und Valery Larbaud herausgegebenen Zeitschrift Commerce erschienen, wird Une vague de rêves generell in der geschichtlichen Entwicklung des Surrealismus übersehen, obwohl die Anfänge der Bewegung hier zu finden sind: […] rien ne fera entendre la vraie nature du réel, [il] n’est qu’un rapport comme un autre, que l’essence des choses n’est aucunement liée à leur réalité, qu’il y a d’autres rapports que le DOI 10.24053/ ldm-2021-0033 71 Dossier réel que l’esprit peut saisir, et qui sont aussi premiers, comme le hasard, l’illusion, le fantastique, le rêve. Ces diverses espèces sont réunies et conciliées dans un genre, qui est la surréalité (Aragon 2006: 9, meine Hervorhebung). Aragon sowie die anderen Mitglieder des Surrealismus waren darauf fixiert, die Wahrnehmung dessen, was historisch sowie philosophisch als das Wesen der Realität verstanden wurde, radikal neu zu definieren. Während Aragon nicht ausdrücklich auf Freuds Werk Bezug nimmt, erkennt Bretons Manifest dieses offen an. Doch sowohl Aragon als auch Breton begriffen den Traum als eine Form der imaginativen Produktion, die von der Kontrolle der „Herrschaft der Logik“ befreit war (Breton 1966: 16). Das Freudsche Unbewusste und die Welle der wohl okkulten ‚Schlafanfälle‘ (séances de sommeil) sowie das daraus resultierende automatische Schreiben prägten die Bewegung in ihrer Entstehung. In der Tat waren die Surrealisten dafür verantwortlich, französische Intellektuelle in die Schriften Freuds einzuführen. Der Begründer der Psychoanalyse verspürte angeblich ein leichtes Unbehagen, mit einer Bewegung in Verbindung gebracht zu werden, die das Unbewusste für schöpferischkritische Mittel nutzte. Nichtsdestoweniger verdankt Freuds Interpretation psychischer Aktivität, ähnlich den Surrealisten, viel der romantischen Erforschung der Imagination, vor allem dem romantischen Interesse an der engen Beziehung zwischen nichtrationaler geistiger Aktivität und künstlerischer Kreativität sowie romantischen Formulierungen des Erhabenen (Cohen 1995: 58). Für Aragon zählen Freud sowie Picasso, Vaché und Roussel zu den „Präsidenten der Republik der Träume“ und die Mitglieder des Surrealismus, Éluard, Breton, Ernst und Péret, zu ihren Nachfolgern (Aragon 2006: 18). In Une vague de rêves findet man dementsprechend eine der ersten Inszenierungen der entscheidenden Funktion des Traums für die erfahrungsorientierte Praxis des Surrealismus und seine Auseinandersetzung mit dem Alltagsleben der Moderne. Genau dies hat Benjamin offensichtlich in seiner Lektüre erkannt, ihn hat besonders „ergriffen, wie die Sprache [des surréalisme] erobernd, befehlshaberisch und gesetzgebend ins Traumbereich [sic] einrückt“ (Benjamin 1997: 55). Aragons Essay wurde damit zum Ausgangspunkt für seine eigenen Reflexionen über die Verwendung des Traums in „Traumkitsch“, seinem ersten veröffentlichten Artikel über den Surrealismus. In seinem Text liefert Aragon eine einzigartige Einsicht in die intellektuelle Ursprungsgeschichte der Gruppe, deren Aktivitäten auf dem Verhältnis zwischen individuellem Traum und kollektiver Erfahrung beruhen. Une vague de rêves bot Benjamin somit eine wichtige Einführung in die experimentellen Verfahren der Centrale surréaliste sowie in die Rolle der surrealistischen Traumwelten und in ihre ästhetische, politische und ethnografische Anwendung: Au 15 de la rue de Grenelle, nous avons ouvert une romanesque auberge pour les idées inclassables et les révoltes poursuivies. Tout ce qui demeure encore d’espoir dans cet univers désespéré va tourner vers notre dérisoire échoppe ses derniers regards délirants: „Il s’agit d’aboutir à une nouvelle déclaration des droits de l’homme“ (2006: 22, Aragons Hervorhebung). 72 DOI 10.24053/ ldm-2021-0033 Dossier Die „romantische Herberge“ der rue de Grenelle ist nicht bloß für das Schlafen und Träumen vorgesehen, sondern erscheint vor allem als Ort der Hoffnung im Kontext der ,Verzweiflung‘ einer Nachkriegsgeneration, die sich mit „nicht klassifizierbaren Ideen“ spirituell und kulturell zu erneuern versucht. 7 Mit den Tätigkeiten dieser „lächerlichen Bude“ soll zusätzlich, wie es im letzten Satz heißt, eine neue „Menschenrechtserklärung“ erreicht werden. Diese Deklaration ist im Kontext der Charta des neugegründeten Völkerbundes (Société des Nations), welcher 1920 erstmals in Paris getagt hatte, zu verstehen und wurde für die Surrealisten Teil ihres öffentlichen Diskurses, der zu einer Neukonzeption des menschlichen Freiheitsbegriffes aufrief. Die Bedeutung von Aragons Manifest in der Entwicklung des Surrealismus wurde bestätigt, als dieselbe Aussage auf der Titelseite der Eröffnungsausgabe der Révolution surréaliste erschien. 8 Die Versuche der Surrealisten, die Grundprinzipien der expérience und der réalité neu zu definieren, sind deshalb ebenfalls bei Aragon erkennbar. Neben dem künstlerischen Ausdruck, nutzt der Surrealismus die Kräfte des Traums, um die kollektive Erfahrung der menschlichen Freiheit radikal zu verändern und dementsprechend zu befördern: „[L]a liberté commence où naît le merveilleux“, schreibt Aragon, „À ce point on imagine aussi ce que sont les surréalismes collectifs” (Aragon 2006: 16). So hat der Traum eine kritische Funktion bei der Vermittlung einer poetischen und erfahrungsbezogenen Revolution. In diesem Sinne deutet Benjamin an: In „Vague de rêves“ berichtet Louis Aragon, wie die Manie zu träumen in Paris um sich griff. Die jungen Leute glaubten, ein Geheimnis der Dichtung gefunden zu haben - in Wahrheit stellten sie das Dichten ab, wie alle intensivsten Kräfte dieser Zeit (Benjamin 1991b: 621). „Traumkitsch“ wurde 1925 verfasst, aber erschien erst 1927 in der Neuen Deutschen Rundschau unter dem Titel „Glosse zum Surrealismus“ und widmete sich einer Diskussion von Aragons Traumschrift, wie auch Bretons erstem Manifest und Éluards Répétitions (1922). Diese kurze Kritik ist eine instrumentale Vorwegnahme vieler Ideen, die sich später im Surrealismus-Aufsatz, in dem Benjamin seine Reflexionen zur geschichtlichen „Transformationsphase“ des Surrealismus sowie seiner Rolle als ,Konservator der Kulturrevolution‘ weiterentwickelt, auffinden lassen. „Traumkitsch“ enthält auch eine bemerkenswerte erste Konzeption von Benjamins dialektischer Geschichtsmethode. 9 Da es den Objekten und physischen Erscheinungsformen des Kitschs gelungen ist, in Träume einzudringen, so kann der Kitsch, der uns in der Alltagswelt begegnet, laut Benjamin auch als Produkt eines traumähnlichen Zustands gedacht werden. Ähnlich wie Freuds Psychopathologien werden die Objekte des modernen räumlichen Umfeldes als Spiegel des Unbewussten, als „Vexierbild“ des „Banalen“, dargestellt (Benjamin 1991b: 621). Wie John McCole anmerkt, stellt „Traumkitsch“ eine von Benjamins „ersten, suggestiven Skizzen dessen dar, was er als eine grundlegende Verschiebung der menschlichen Beziehungsweise zur Objektwelt ansah“ (McCole 1993: 216). Der Text sticht auch als Benjamins erster Versuch hervor, sich mehrere von den Surrealisten vorgeschlagene Schlüsselmethoden DOI 10.24053/ ldm-2021-0033 73 Dossier anzueignen. Paradoxerweise blickt Benjamin auf die Surrealisten, um ein nichtpsychologisches Konzept der Traumarbeit zu etablieren, das den Traum nicht dazu verwendet, die individuelle Psychologie aufzudecken, sondern um die menschliche Beziehung zur Objektwelt zu verstehen. Die Surrealisten, wie Aragon expliziert, erleben „[...] toute la force des images. Nous étions devenus leur domaine, leur monture“ (Aragon 2006: 11). Sie verwandelten die Manifestationen des Kitschs in ihren Traumbildern in ein Werkzeug, das sie dazu nutzten, die Energien archaischer Kräfte, die in den Strukturen der zeitgenössischen Erfahrung schlummern, aufzudecken: Den Totembaum der Gegenstände suchen [die Surrealisten] im Dickicht der Urgeschichte auf. Die oberste, die allerletzte Fratze dieses Totembaumes ist der Kitsch. Er ist die letzte Maske des Banalen, mit der wir uns im Traum und im Gespräch bekleiden, um die Kraft der ausgestorbenen Dingwelt in uns zu nehmen (Benjamin 1991b: 622). Benjamin merkt an, dass die Surrealisten für die Wahrnehmungsverschiebungen der Moderne besonders empfänglich waren. Ihre Experimente waren gerade deshalb erfolgreich, weil sie auf die beschleunigte Auflösung der Formen und das neue, im Medium der Kunst antizipierte Verhältnis von Wahrnehmungsdistanz und Nähe eingestellt waren. Ziel der Surrealisten war es daher nicht, wie oft angenommen wird, Kunst aus kontemplativer Distanz zu schaffen, sondern eher die wahrgenommenen Veränderungen im Verhältnis zwischen Mensch und Objektwelt zu verarbeiten. Kitsch, die Quintessenz alltäglicher Banalität, wird in dieser Gleichung zum Kanal zu den Spuren der Urerfahrung und erhält eine mythologische Qualität. Benjamin war sich bewusst, dass die Surrealisten dabei von der Funktionalität der psychoanalytischen „Schemata der Traumarbeit“ angezogen wurden (Benjamin 1991b: 621). In diesem Zusammenhang fragt Breton: „Le rêve ne peut-il être appliqué, lui aussi, à la résolution des questions fondamentales de la vie? “ (Breton 1966: 20). Wie Natalya Lusty feststellt, funktioniert der Traum sowohl für Aragon als auch für Breton als „eine gesteigerte Form der Wahrnehmung [die] für künstlerische, politische und alltägliche Erfahrungen und Handlungen nutzbar gemacht werden könnte“ (Lusty 2017: 408). Im Kontext von Freud und den Fortschritten auf dem Gebiet der Psychoanalyse trägt Benjamin zu einem historischen Dialog bei, der begann, die Macht und die Handlungsfähigkeit des Traums ernster zu nehmen. „[M]aintenant le rêve, à la lueur du surréalisme“, schreibt Aragon, „s’éclaire, et prend sa signification“ (Aragon 2006: 16). Benjamin folgt dem nach, für ihn bleibt die Geschichte des Traumes [...] noch zu schreiben, und Einsicht in sie eröffnen, hieße, den Aberglauben der Naturbefangenheit durch die historische Erleuchtung entscheidend schlagen. Das Träumen hat an der Geschichte teil (Benjamin 1991b: 620, meine Hervorhebung). Das „éclaircissement“ des surrealistischen Traumbildes erscheint für Benjamin als ein alternatives Format der kritischen Geschichtsschreibung unter Rückgriff auf die Konfigurationen des Traums: Träumen wird als gültige historisch konstruierte Erfahrungsform wahrgenommen. 10 So bot Aragons Traumwoge Benjamin die Möglichkeit, 74 DOI 10.24053/ ldm-2021-0033 Dossier die kollektiven Erfahrungen der materiellen Transformationen der Moderne durch die Dialektik des Träumens und des Erwachens zu interpretieren. II. Le paysan de Paris (1926) Noch bevor Une vague de rêves veröffentlicht wurde, arbeitete Aragon schon an seinem nächsten Projekt. Le paysan de Paris erschien im Sommer 1924 und im Frühjahr 1925 in Soupaults La revue européenne in fortlaufender Form. Die verschiedenen Textteile wurden dann schließlich 1926 von Gallimard zusammengestellt. Das Buch besteht aus einer Einführung („Préface à une mythologie moderne“), einer Psychogeographie der Passage de l’Opéra („Le Passage de l’Opéra“), einer Erzählung von Aragons nächtlichen Spaziergängen zum Parc Buttes-Chaumont mit André Breton und Marcel Noll („Le Sentiment de la nature aux Buttes-Chaumont“) und einem kurzen Epilog („Le Songe du paysan“). Aragon schrieb ungefähr die Hälfte des Textes in zwei Wochen, von Ende 1923 bis Anfang 1924. Anders als seine surrealistischen Kollegen, die noch immer auf die genannten Anforderungen des automatischen Schreibens fixiert waren, vertrat Aragon einen ganz anderen Ansatz. Das Genre des Buches reicht von einem Reisebericht über ein philosophisches Manifest, eine Kultur- und Stadtgeschichtsschreibung bis hin zu einem Drehbuch für ein avantgardistisches Bühnenstück. Der Ton schwankt ebenfalls zwischen einfühlsamer Lyrik, beißender Satire und einem prägnanten Sarkasmus. In seiner späteren Kurzbiografie, Je n’ai jamais appris à écrire ou les incipit (1969) behauptet Aragon: […] je cherchais [...] à faire naître à partir du roman reconnu tel, une nouvelle espèce de roman enfreignant toutes les lois traditionnelles de ce genre, qui ne soit ni récit (une histoire) ni un personnage (un portrait), et que la critique devrait par suite envisager les mains nues (Aragon 1969: 50). Diese formelle Erneuerung hat dazu geführt, dass Kritiker wie Robin Walz argumentieren, Le paysan de Paris sei als ein surrealistischer Reiseführer durch Paris zu begreifen (Walz 2000: 42). In ähnlicher Weise hat Johanna Malt den Text als „literarische Aufzeichnung des Surrealismus als Lebensstil“ beschrieben, bis zu dem Punkt, an dem „Topographie für Erzählung steht“ (Malt 2008: 41-42). Trotz seines bäuerlichen Profils ist der Erzähler von Le paysan de Paris eine äußerst städtische Figur und mit seiner Umgebung ebenso vertraut wie der Bauer mit seinem terroir. Doch die ländliche Herkunftsbezeichnung erinnert an die Geschichte der Industrialisierung sowie an die revolutionäre Vergangenheit der französischen Bauernschaft. 11 Une vague de rêves führte Benjamin in die Traumwelt der Surrealisten ein, Le paysan de Paris war das nächste Sprungbett in der Entwicklung seiner geschichtsphilosophischen Methoden. „Ich schreibe jetzt über Aragon“ berichtete er 1927 in einem Brief an Fritz Radt (Benjamin 1997: 275). In dieser Zeit besuchte er zusammen mit Franz Hessel Paris, wo die ersten Materialien der Passagenarbeit entstanden, und veröffentlichte auch eine Serie von Texten, die wie Le paysan de Paris DOI 10.24053/ ldm-2021-0033 75 Dossier schlussendlich zusammen unter dem Titel Einbahnstrasse 1928 veröffentlicht wurde. 12 Im selben Jahr erschienen Benjamins deutsche Übersetzungen von vier Passagen aus Aragons „Le Passage de l’Opéra“ („Don Juan der Schuhputzer“, „Briefmarken“, „Damentoilette“, „Café Certâ“) in der Literarischen Welt. 13 1927 hatte Benjamin schon angekündigt, dass er für sein „Notizenbuch“ „in Paris die Form gefunden [habe]“ (Benjamin 1997: 259). Diese Begegnung mit Le paysan de Paris tritt daher deutlich in Einbahnstrasse hervor. Bernd Witte hat darauf hingewiesen, dass die Strukturierung von Benjamins Textvignetten in Einbahnstrasse „wie eine Häuserzeile auf einer Straße“ von Le paysan de Paris inspiriert ist (Witte 1997: 95). Des Weiteren knüpft „Tankstelle“ an Aragons Beschreibung von Zapfsäulen an, die als „divinités“ der Moderne auftauchen (Aragon 2017: 114). Vor allem aber sind Parallelen zwischen der Vignette „Briefmarkensammlung“ und Aragons Text zu finden. 14 In seinem Buch findet man ein frühes Beispiel für die „revolutionären Energien die im ‚Veralteten‘ erscheinen“ (Benjamin 1991c: 299). Aragons Konzeption des Briefmarkensammelns führt den Leser in das Reich der Märchen, wobei die Philatelie personifiziert und feminisiert wird: O philatélie, philatélie: tu es une bien étrange déesse, une fée un peu folle, et c’est toi qui prends par la main l’enfant qui sort de la forêt enchantée où se sont finalement endormis côte à côte le Petit Poucet, l’Oiseau Bleu, le Chaperon Rouge et le Loup, c’est toi qui illustres alors Jules Verne et qui transportes par-delà les mers avec tes papillons de couleur les cœurs les moins préparés au voyage (Aragon 2017: 67). Der Erzähler schwelgt hier in einer Kindheitserinnerung und denkt an bestimmte Briefmarken, die ihm Eindrücke von fernen Länder wie dem Sudan, „où chemine sur fond bistre un blanc burnous monté sur un méhari“, vermitteln (Aragon 2017: 67). Ein ähnliches Bild findet man bei Benjamin: Briefmarken „starren von Zifferchen, winzigen Buchstaben, Blättchen und Äuglein. Sie sind graphische Zellengewebe“ (Benjamin 1991c: 135). Wieder begegnet uns die Gestalt des Kindes, die beim Kontakt mit diesen philatelistischen Welten augenblicklich in ,fremde‘ und ,exotische‘ Gefilde versetzt wird: „Das Kind sieht nach dem fernen Liberia durch ein verkehrt gehaltenes Opernglas: da liegt es hinter seinem Streifchen Meer mit seinen Palmen genau wie es Briefmarken zeigen“ (ibid.). Für beide Autoren fungieren diese Miniaturkosmen als mystische Bögen zwischen der mikroskopischen Objektwelt des Kindes und der Gesamtheit der Universalgeschichte, sie führen in ihrer Verflechtung von Raum, Zeit, Geographie und Geschichte zu einer Verbindung zwischen individueller und kollektiver Vergangenheit. In den Notizen zum Surrealismus-Aufsatz schreibt Benjamin, Aragon hätte in seinem Le paysan de Paris gezeigt, wie „[d]ie Revolte das surrealistische Gesicht einer Stadt heraus[treibt]“ (Benjamin 1991b: 1025). Zentral für das „wahre Gesicht einer Stadt“ ist die aus dem 19. Jahrhundert stammende Passage, die offensichtlich auch für Benjamin zum Emblem seiner geschichtsphilosophischen Darstellung von Paris wird (ibid.: 1025). „[D]ie Kraft der ausgestorbenen Dingwelt“, die in der bereits er- 76 DOI 10.24053/ ldm-2021-0033 Dossier wähnten Briefmarkenlyrik hervortritt, kommt im Raum der Passagen, die „sanctuaires d’un culte de l’éphémère“, vollkommen zur Geltung (Aragon 2017: 16). Aragons Textmontage bleibt ein wichtiger surrealistischer Zeuge der Passage de l’Opéra vor ihrem Abriss im Namen der an Haussmann angelehnten Gentrifizierung im Jahr 1925. 15 In Le paysan de Paris flaniert Aragons Erzähler (eine fiktive Version des Autors selbst) durch die Opernpassage und berichtet mit einer fast dokumentarischen Präzision, die mit den Werken des französischen Realismus konkurriert. Wie Hal Foster argumentiert, ist sein flâneurisme nicht abgelöst, sondern ähnelt eher der Arbeit eines „aktiven Archäologen“ (Foster 1995: 174). Der paysan beschreibt detailliert das Erscheinungsbild der Geschäfte (sowohl die Fronten als auch die Innenräume) sowie deren Besucher. In der Galerie du Thermomètre berichtet er von der Buchhandlung Eugène Rey („où l’on peut consulter à son aise les revues sans les acheter“), einem Spazierstockladen, vom Café Le Petit Grillon, den Damen- und Herrenfriseuren und der Schneiderei des „Monsieur Vodable“ (Aragon 2017: 19). Neben den Briefmarken betrachtet er Weinflaschen, Taschentücher, chirurgische Geräte und Kosmetikprodukte. Danach zieht er in die Galerie du Baromètre und stellt dem Leser zwei seiner Lieblingsplätze vor, das Théâtre Moderne und das Café Certa. All dies wird dem Leser im Strom eines inneren Monologs vermittelt, der das unmittelbare Blickfeld des Erzählers einfängt. Außerdem werden Absätze in der Form einer Montage periodisch mit Abbildungen von Bildmaterial durchsetzt: Zeitungsartikel, Werbeprospekte, Anzeigetafeln, Straßenschilder und Speisekarten werden Teil des Textes (cf. ibid.: 65, 75, 76, 85, 86). Benjamin behauptete, Mallarmé sei einer der ersten gewesen, der „die graphischen Spannungen der Werbung ins Schriftbild verarbeitet“ hat (Benjamin 1991c: 102). Aragons Le paysan de Paris wie auch Bretons Nadja (1928), in dem ebenfalls Bilder von Gesichtern, Räumen und Objekten textliche Beschreibungen ersetzen, läuten anschließend eine Verschiebung vom surrealistischen Dokument, das als inhärent poetisch verstanden wird, zum Dokumentarischen ein. So definiert Alison James dieses Dokumentarische als eine Art der Prosapräsentation, die Dokumente reflexartig umrahmt, interpretiert und auf sie einwirkt. Das surrealistische Dokument (Traumtext, Foto oder Fundstück) behält seine indexikalische Kraft, selbst wenn es in einen neu konfigurierten dokumentarischen Raum eingeschrieben wird (James 2020: 79-80). Dieses Phänomen des Dokumentarischen, vor allem im urbanen Kontext, ist ebenfalls in Einbahnstraße zu entziffern; dort geben Benjamins textuelle Schaufenster mit den Objekten und Räumen der Großstadt die „prompte Sprache“ von „Flugblättern, Broschüren, Zeitschriftenartikeln und Plakaten“ sowie die ,Chock-Effekte‘ der rasch wachsenden visuellen Medienformen wieder (Benjamin 1991c: 85). Der Zusammenstoß von Traumbildern, surrealistischen Dokumenten und Montagemethoden, die Benjamin im Werk Aragons begegnet, machen sich auch schlussendlich in den Materialien der Passagenarbeit bemerkbar. Vor allem Konvolut A („Passagen, magasins de nouveauté[s], calicots“), wo Benjamin Straßen- und Hinweisschilder DOI 10.24053/ ldm-2021-0033 77 Dossier reproduziert, ist für diese surrealistische Zitationspoetik exemplarisch (cf. Benjamin 1991a: 90). 16 III. Traité du style (1928) Im selben Jahr, als Einbahnstraße erschien, veröffentlichte Aragon ein weiteres Werk, das heute zu den wichtigsten Exemplaren des hybriden surrealistischen Schreibstils gehört. Traité du style (1928) wurde in den Jahren 1926-27 verfasst, eine Zeit, die vor allem durch Aragons Eintritt in die französische Kommunistische Partei (PCF) markiert war. Dieser Traktat repräsentiert mithin eine wichtige Etappe in seinem Übergang zum „sozialistischen Realismus“, für die er nach dem Zweiten Weltkrieg besondere Anerkennung erlangte. 17 Aragons polemischer Text kritisiert vor allem die politischen Schwächen der surrealistischen Schriften: „Si vous écrivez, suivant une méthode surréaliste, de tristes imbécillités, ce sont de tristes imbécillités. Sans excuses“ (Aragon 1980: 126). Damit greift er nicht nur die Verstellung der Intellektuellen an, sondern auch die moralischen Standards des französischen bürgerlichen Establishments im Allgemeinen. In diesem Sinne bildet Aragons Traité du style eine öffentliche Kritik der Bewegung, der sich Benjamin in seinem Surrealismus-Aufsatz anschließen würde. Des Weiteren ist sie von Bedeutung, da Aragon die surrealistische Methodik in Frage stellt, jedoch noch immer mit seinem Schreibstil das Genre vertritt. Das Buch hat sicherlich seine Mission erfüllt, in Literaturkreisen Skandale zu provozieren. Im Text ist nämlich die kulturelle Tradition der bourgeoisie Ziel von Aragons Angriffen. Die Kritik der großen Namen des französischen Literaturbetriebs wie André Gide und Paul Valéry ist keinesfalls subtil, und Aragons Botschaft ist klar: „J’appelle bien écrit ce qui ne fait pas double emploi“ (Aragon 1980: 127). Aragon engagiert sich dabei für einen der prinzipiellen Grundsätze des surrealistischen Manifestes von Breton: liberté. Freiheit ist in der Beziehung zu style von besonderer Bedeutung, da Aragon die Verbindung zwischen Denken, Schreiben und Handeln erkundet. Stil ist, für Aragon, nicht bloß eine reine Frage von Ästhetik, sondern vor allem von Ethik. Seine provokante Rhetorik, in ihrer Kombination von verschiedenen Registern und Textformen, hat zur Aufgabe, die politische Nachlässigkeit der bürgerlichen Intelligenz zu kritisieren: „À la nouvelle d’une révolution, Kant interrompt sa promenade, Goethe ne l’interrompt pas. Quelle prétention de part et d’autre“ (ibid.: 6). In diesem Satz lässt sich ein weiterer Aspekt von Aragons Methode erkennen: der surrealistische Humor. Die Themen des Traité du style sind auch wiederum für Benjamins Werk relevant. 18 Im Surrealismus-Aufsatz hatte er schon Aragons Feinfühligkeit für die Problematik der Krise der bürgerlichen Intelligenz in einer Analogie mit Appollinaires Prophezeiung des poète assassiné hervorgehoben: „Merkwürdig die Übereinstimmung, in der unter dem Einfluß solcher politischen Witterungen Apollinaire und Aragon die Zukunft des Dichters gesehen haben“ (Benjamin 1991b: 303). Zudem geht Benjamin in seiner Diskussion des Potenzials surrealistischer Weltsicht auch auf Aragons 78 DOI 10.24053/ ldm-2021-0033 Dossier oben erwähnten Humor ein. „Auch im Witz in der Beschimpfung, im Mißverständnis [...]“, schreibt er, „tut dieser gesuchte Bildraum sich auf“ (Benjamin 1991b: 309). Durch Aragons Traité du style gelingt es Benjamin, eine Paralleldiskussion zwischen Stil und Politik zu entwerfen. In diesem Zusammenhang weist er auf die Differenzierung von „Vergleich und Bild“ hin, denn „nirgends treffen diese beiden [...] so drastisch und so unversöhnlich wie in der Politik aufeinander“ (ibid.). So wie Vergleich und Bild sich stilistisch unterscheiden, bedürfen sie auch einer Unterscheidung in der Politik: Den Pessimismus organisieren heißt nämlich nichts anderes als die moralische Metapher aus der Politik herausbefördern und im Raum des politischen Handelns den hundertprozentigen Bildraum entdecken (ibid.). So ist Aragons Text auch in Bezug auf Benjamins Konzeption eines „Bild“und, im weiteren Sinne, „Leibraumes“ von Bedeutung. Schon 1927 hatte Benjamin Aragon mit einem „historischen Materialismus“ in Verbindung gebracht (Benjamin 1997: 311- 312). Die „profane Illumination“ der Surrealisten, zusammen mit der Organisation des Pessimismus, führen zu Benjamins Entwicklung eines anthropologischen Materialismus, indem die Innervationen eines leiblichen „Kollektivum“ zur „revolutionäre[n] Entladung werden“ (Benjamin 1991b: 310). Mit diesem revolutionären Impuls wird die Metapher ausgelöscht, denn der Bildraum „ist kontemplativ überhaupt nicht mehr auszumessen“ (ibid.: 309). Diese Behauptung würde Benjamin in der Passagenarbeit mithilfe einer Formulierung Engels’ ergänzen: „Eine [materialistische] Geschichtsdarstellung hat [...] ‚aus dem Denkgebiete heraus‘ zu kommen“ (N 10 a,2, Benjamin 1991a: 595), um, wie es im Surrealismus-Aufsatz heißt, den Bild- und Leibraum des „politischen Handelns“ zu enthüllen. IV. „Le Surréalisme et le devenir révolutionnaire“ (1931) In den 1930er Jahren, als Benjamin ins französische Exil ging, treten diese Ideen erneut in den Vordergrund. Bis dahin hatten intellektuelle Meinungsverschiedenheiten Aragon und Breton auseinandergetrieben, Aragon begann, seine Beziehung zu den Surrealisten abzubrechen, um sich vollkommen dem Kommunismus zuzuwenden. Der Gedichtband Persécuté persécuteur (1931) ist besonders repräsentativ für diese Phase. Vom Institut für Sozialforschung beauftragt, verfasste Benjamin den Artikel, „Zum gegenwärtigen gesellschaftlichen Standort des französischen Schriftstellers“, der 1934 in der Zeitschrift für Sozialforschung erschien. Bemerkenswert ist vor allem, dass Benjamin fast ein halbes Jahrzehnt nach dem Erscheinen des Surrealismus-Aufsatzes die Bewegung aufs Neue erkundet: „…Es wären dem Surrealismus viele Anfeindungen […] erspart geblieben“, schreibt er, „wäre sein Ursprung in der Tat eindeutig ein politischer gewesen“ (Benjamin 1991b: 798). 19 Diese Umstrukturierung von Ideen und Textstellen seiner vorherigen Arbeit gibt ihm die Möglichkeit, die Ansichten mehrerer französischer Schriftsteller zu exponieren, um die DOI 10.24053/ ldm-2021-0033 79 Dossier „Situation der französischen Belletristik“, in der eine „Trennung zwischen den führenden Intelligenzen und den Romanciers sich zu vollziehen beg[ann]“, zu erfassen (ibid.: 791). Die verschiedenen Sichtweisen in dieser Debatte sind im Aufsatz durch drei prominente französische Kritiker der Zwischenkriegszeit, Albert Thibaudet, Julien Benda und Emmanuel Berl, vertreten. Uwe Steiner identifiziert zwei konsequente Entwicklungen des Autorenbegriffs in diesem Stück: einen Schritt zur „Selbstreflexion der Technik, sowie auch zu einem gesellschaftlichen und politischen Engagement“, das sich vor allem in der Arbeit von Aragon und André Gide manifestiere (Steiner 2012: 108). Der Standort-Aufsatz beginnt mit einem vertrauten Verweis auf Apollinaires literarisches Erbe und verfolgt dessen Einfluss auf die Bewegungen des Futurismus, Dadaismus und Surrealismus. Indem Benjamin seine Diskussion mit einer Anspielung auf Apollinaires poetische Vision lanciert, anstatt sich nur auf historische Ereignisse zu beziehen, unterstreicht er bereits die Bedeutung der Identifizierung von Politik innerhalb der literarischen Form: „Die revolutionären Schriftsteller erscheinen, heißt es bei Aragon, falls sie von bürgerlicher Herkunft sind, wesentlich und entscheidend als Verräter an ihrer Ursprungsklasse.“ Sie werden zu militanten Politikern: als solche sind sie die einzigen, die jene dunkle Prophezeiung von Apollinaire, mit welcher wir begonnen haben, deuten können. Sie wissen aus Erfahrung, warum das Dichten - das einzige, dem sie diesen Namen noch zuerkennen - gefährlich ist (Benjamin 1991b: 802-803) . Benjamin übersetzt in diesem Auszug ein Zitat von Aragon aus dem Essay, „Le Surréalisme et le Devenir révolutionnaire“, der 1931 in Le Surréalisme au service de la Révolution, dem Nachfolger der Zeitschrift La Révolution surréaliste, veröffentlicht wurde. Der Artikel ist stellvertretend für Aragons Bemühungen, seine surrealistische Vergangenheit mit der Position, die er 1930 mit dem Journalisten Georges Sadoul beim zweiten Internationalen Kongress der Revolutionären Schriftsteller in Kharkov eingenommen hatte, in Einklang zu bringen: Non pas que nous niions notre origine bourgeoisie, mais parce que le mouvement dialectique de notre développement [communiste] nous a déjà mis en opposition avec cette origine même. C’est là qui constitue à proprement parler la position des écrivains révolutionnaires, qui, s’ils sont d’origine bourgeoise, se présentent essentiellement comme des traîtres à leur classe d’origine (1998: 441, Aragons Hervorhebung). In seinem geplanten Vortrag, Der Autor als Produzent, aus demselben Jahr wie die Veröffentlichung des Standort-Aufsatzes, greift Benjamin erneut auf Aragons Aussage über den Verrat der Ursprungsklasse zurück. Schlussendlich ist Klassenverrat für Benjamin nicht immer mit revolutionärem Schreiben gleichzusetzen. Abgesehen von ihren sozioökonomischen Bedingungen liegt die Fähigkeit des Verrats, „beim Schriftsteller, in einem Verhalten, das ihn aus [sic] einem Belieferer des Produktionsapparates zu einem Ingenieur macht, der seine Aufgabe darin erblickt, diesen den Zwecken der proletarischen Revolution anzupassen“ (Benjamin 1991b: 701). 80 DOI 10.24053/ ldm-2021-0033 Dossier Die Surrealisten „hatten einen Platz für den Intellektuellen als Techniker gefunden“, nun aber musste dieser Platz dem Kollektivum zugänglich gemacht werden (ibid.: 802). So tragen unter anderem Aragons kritische Betrachtungen zur kommunistischen Haltung der Surrealisten zu Benjamins Auffassung des Schriftstellers nicht nur als Künstler und Stilist, sondern gleichermaßen als Techniker und Produzent mit politischer Handlungsmacht bei. * „Während ich mit meinen Bemühungen und Interessen in Deutschland unter den Menschen meiner Generation mich ganz isoliert fühle“, schrieb Benjamin 1927, „gibt es in Frankreich einzelne Erscheinungen [und] Schriftsteller [...] besonders Aragon - [...] in denen ich am Werk sehe, was auch mich beschäftigt“ (Benjamin 1997: 259). Ein Jahrzehnt später stand Aragons Name, neben denen von Gide, Valéry, Jean Paulhan und Adrienne Monnier, auf der Liste von Franzosen, die Benjamins Antrag zur naturalisation unterstützten (Benjamin 1991d: 225). Vom „heroischen Stadium“ des Surrealismus der 1920er bis hin zum Klassenverrat des ,revolutionären‘ Schriftstellers der 1930er begleiten Aragons Texte Benjamin in seiner intellektuellen Reise durch die Werke der Avantgarde sowie die assoziierte Krise der Europäischen Intelligenz vor und während seines Exils. Wie sich gezeigt hat, veranlasst Benjamins Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von Aragonschen Schriften ihn zu mehreren formalen und konzeptuellen Entwicklungen in seiner eigenen Arbeit. Dieser Einfluss ist sowohl in der Kreativität seiner Denkbilder und Theoriebildung von surrealistischen Erfahrungsbegriffen als auch in seiner Fixierung auf die politischen Wandlungen der französischen Intelligenz und in seinem eigenen Verständnis des Kommunismus zu sehen. Benjamins Konzepte der profanen Illumination, des geschichtlichen Materialismus und des Bild-Raumes erhalten in einem solchen Licht wiederum neue Dimensionen. Trotz der zahlreichen Forschungen zu Benjamins Beziehungen zu einer Reihe von französischen Intellektuellen wird Aragons Präsenz generell vernachlässigt, obwohl Benjamin einer der ersten Kritiker in Deutschland war, der Aragons Beitrag zur Entwicklung der französischen Literaturszene wahrnahm. Beachtenswert ist dabei, dass Aragon und in einem gewissen Maße dadurch auch Benjamin zu einer Hinterfragung des literarischen und philosophischen Erbes des Surrealismus, welcher als Plattform für den intellektuellen Austausch zwischen Deutschland und Frankreich fungiert hat, beigetragen und dass beide ihrerseits mit den ideologischen Defiziten der Bewegung gerungen haben. Kurz nachdem Benjamin 1935 Adorno mitteilte‚ die ersten Aufzeichnungen zur Passagenarbeit stammten aus der Zeit, in der er des Nachts in Le paysan de Paris las (Benjamin 1999: 97), fügte er seinen Materialien im Konvolut N („Erkenntnistheoretisches, Theorie des Fortschritts“) einen selbstreflexiven Eintrag hinzu: DOI 10.24053/ ldm-2021-0033 81 Dossier […] wohl ist es möglich, daß ich, meiner Vergangenheit widersprechend, eine Kontinuität mit der eines andern herstelle, der dieser seinerseits, als Kommunist, widerspricht. In diesem Fall: mit der Aragons […] (N 3a, 4, Benjamin 1991a: 579). Es ist offensichtlich, dass die Ambivalenz des Aragonschen Einflusses in engem Zusammenhang mit Benjamins persönlicher ,Überwindung‘ seiner eigenen intellektuellen Zwangslage am sogenannten „Kreuzweg von Magie und Positivismus“ steht (Benjamin 1978: 786). In den intertextuellen Spuren, die der französische Dadaist, Surrealist, Kommunist, Dichter und Aktivist in Benjamins Nachlass hinterlassen hat, ist jedoch eine einmalige ‚Kontinuität‘ entstanden. Aragon, Louis, Je n’ai jamais appris à écrire ou Les incipit, Paris, Albert Skira, 1969. —, Traité du style, Paris, Gallimard,1980. —, Chroniques I. 1918-1932, ed. Bernard Leuilliot, Paris, Stock, 1998. —, Une vague de rêves, Paris, Seghers, 2006. —, Le paysan de Paris, Paris, Gallimard, 2017. Benjamin, Walter, Briefe I, ed. Gershom Scholem / Theodor W. Adorno, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1978. —, Gesammelte Schriften. Band V, Das Passagen-Werk, ed. Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1991a. —, Gesammelte Schriften. Band II. Aufsätze, Essays, Vorträge, ed. Hermann Schweppenhäuser / Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1991b. —, Gesammelte Schriften. Band IV. Kleine Prosa-Baudelaire-Übertragungen, ed. Hermann Schweppenhäuser / Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1991c. —, Gesammelte Schriften. Band VI., ed. Hermann Schweppenhäuser / Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1991d. —, Gesammelte Briefe. Band III: 1925-1930, ed. Christoph Gödde / Henri Lonitz, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1997. —, Gesammelte Briefe. Band IV: 1930-1934, ed. Christoph Gödde / Henri Lonitz, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1998. —, Gesammelte Briefe. Band V: 1935-1937, ed. Christoph Gödde / Henri Lonitz, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1999. —, Gesammelte Briefe. Band VI: 1938-1940, ed. Christoph Gödde / Henri Lonitz, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 2000. Breton, André, Manifestes du Surréalisme, Paris, Gallimard, 1966. Cohen, Margaret, Profane Illumination: Walter Benjamin and the Paris of Surrealist Revolution, Berkeley / Los Angeles, CA / London, University of California Press, 1995. Foster, Hal, Compulsive Beauty, Cambridge, Mass., MIT Press, 1995. 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Wismann, Heinz (ed.), Walter Benjamin et Paris: colloque international 27-29 juin 1983, Paris, Cerf, 1986. Witte, Bernd, Walter Benjamin: An Intellectual Biography, Detroit, MI, Wayne State University Press, 1997. 1 Zu Aragons Einfluss auf Benjamins Mythologiebegriff cf. Rolf-Peter Janz, „Mythos und Moderne bei Walter Benjamin“, in: Karl Heinz Bohrer (ed.), Mythos und Moderne, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1983, 363-381 und Mauro Ponzi, „Mythos der Moderne: Benjamin und Aragon“, in: Klaus Garber / Ludger Rehm (ed.), global Benjamin, Band 2, München, Fink, 1999, 1118-1134. 2 Zu den jüngsten Beispielen gehören die Ausstellung The Arcades: Contemporary Art and Walter Benjamin (2017) im Jewish Museum von New York und die Zeichnungen der Künstlerin Patrizia Bach, cf. Arcades-Work. Drawings on Walter Benjamin, Berlin, Revolver Publishing, 2017. 3 Alle Übersetzungen aus dem Englischen sind meine eigenen. 4 Die Besitzerin des Ladens, die Schriftstellerin Adrienne Monnier, ging Jahre später eine Freundschaft mit Benjamin ein. 5 Im Nachlass Benjamins ist eine Broschüre zu einer Ausstellung von Man Ray an der galerie surréaliste zu finden, cf. WBA 0219, https: / / archiv.adk.de/ objekt/ 2578897. 6 In einem Brief an Scholem vom 21. Juli 1925 berichtet Benjamin über „die fragwürdigen Bücher der Surrealisten“; cf. Benjamin 1997: 61. 7 Cf. dazu André Breton, „Situation du surréalisme entre les deux guerres. Discours aux étudiants français de l’Université de Yale, 10 décembre 1942“, in: La Clé des champs, Paris, J.-J. Pauvert, 1967, 58-73. 8 La Révolution surréaliste, n° 1, Paris, Librairie J. Corti, 1924, https: / / gallica.bnf.fr/ ark: / 12148/ bpt6k5844543r.image#. 9 Der zweite Band der Gesammelten Schriften enthält ein Typoskript von Notizen, die Benjamin zwischen 1928 und 1929 erstellte. Wie die Herausgeber anmerken, markieren diese Aufzeichnungen die Übergangsphase zwischen „Traumkitsch“ und seinem längeren Nachfolger; cf. Benjamin 1991b: 1021-22. 10 Die zentrale Bedeutung des Traums für Benjamins Denken wurde mit der Veröffentlichung der Sammlung seiner Traumberichte und traumtheoretischen Reflexionen wiederum bestätigt; cf. Walter Benjamin, Träume, ed. Burckhardt Lindner, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 2008. 11 Cf. Eugen Weber, Peasants into Frenchmen: the modernization of rural France, 1870-1914, Stanford, CA, Stanford University Press, 1976. 12 Franz Hessel erscheint anonym in Berliner Kindheit um 1900 im ‚Tiergarten‘ als „Bauer von Berlin“ (cf. Benjamin 1991c: 394). 13 Die Übersetzungen erschienen am 8. und 15. Juni 1928. Benjamin leitete sie mit einer Notiz ein, in der bereits der Surrealismus-Aufsatz angekündigt wurde: „Vor drei, vier Jahren begründeten Louis Aragon und André Breton die surrealistische Bewegung. Dichter wie DOI 10.24053/ ldm-2021-0033 83 Dossier Benjamin Péret, Paul Éluard, Antonin Artaud haben sich um sie gesammelt, Maler wie Max Ernst, Giorgio de Chirico stehen ihr nahe. Wir werden auf diese Bewegung, die das Beunruhigende der Wirklichkeit und der Sprache, eines im andern, zum Ausdruck bringt, noch ausführlich zurückkommen“; cf. Walter Benjamin, Gesammelte Schriften Supplement 1, Kleinere Übersetzungen, ed. Rolf Tiedemann / Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1999, 16-33, 17. 14 In einem seiner ,Literaturbriefe‘ an Max Horkheimer, im März 1940, weist Benjamin auf das „modèle du hymne à la philatélie“ von Aragon in Bezug auf Lautréamonts „hymne aux mathématiques“ hin (cf. Benjamin 2000: 411). 15 Für eine vertiefte Diskussion über Haussmanns architektonisches Erbe cf. David P. Jordan, Die Neuerschaffung von Paris. Baron G. E. Haussmann und seine Stadt, Frankfurt am Main, Fischer, 1996 und Michel Carmona, Haussmann: His Life and Times, and the Making of Modern Paris, Chicago, I. R. Dee, 2002. 16 cf. Konvolut [A3, 2] und [A3,3] (Benjamin 1991a: 90). 17 Der Roman Les Cloches de Bâle (1934) ist kennzeichnend für diese neue Richtung in Aragons Entwicklung. In einem Austausch mit Siegfried Kracauer aus diesem Jahr berichtet Benjamin, dass er das „Buch noch nicht zu Gesicht bekommen [habe]“ (Benjamin 1998: 539). 18 Traité du style wurde zusammen mit Aragons Le Libertinage und Le paysan de Paris in den Quellenschriften des Druckes der Literarischen Welt genannt (cf. Benjamin 1991b: 1041). 19 Für eine weitere Analyse des Surrealismus- und des Standort-Aufsatzes in Beziehung zu Benjamins Auseinandersetzungen mit der französischen Intelligenz cf. Gérard Raulet, „Der Surrealismus und das Scheitern des Erwachens“, in: id., Das befristete Dasein der Gebildeten. Benjamin und die französische Intelligenz, Göttingen, Konstanz University Press, 2020, 73-90.