eJournals lendemains 47/185

lendemains
ldm
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
10.24053/ldm-2022-0005
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2022
47185

Eros und weiblicher Logos: Perspektiven auf die BD érotique au féminin

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2022
Beatrice Nickel
ldm471850037
DOI 10.24053/ ldm-2022-0005 37 Dossier Beatrice Nickel Eros und weiblicher Logos: Perspektiven auf die BD érotique au féminin 1. Einleitende Betrachtungen Dem Hauptteil dieses Beitrags, einer literaturwissenschaftlichen Analyse von Aude Picaults BD Déesse (2019), 1 sollen einige allgemeine Überlegungen zum Thema der weiblichen erregenden Literatur und einer möglicherweise spezifischen écriture féminine in diesem Bereich vorausgehen - selbstverständlich ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit. Das Cover von Déesse lässt schnell an ein anderes Beispiel erregender Literatur aus weiblicher Hand denken, nämlich an Anaïs Nins Delta of Venus (1977). 2 Im ersten Fall (Abb. 1) erinnert die visuelle Gestaltung des Titelwortes als Dreieck an die weibliche Scham, wobei die spitz auslaufenden geschwungenen Enden der meisten Buchstaben an gekräuselte Schamhaare erinnern könnten; im zweiten Fall verweisen die Titelworte metaphorisch auf diese. Abb.1: 3 Picault © LES REQUINS MARTEAUX, 2021 38 DOI 10.24053/ ldm-2022-0005 Dossier In beiden Fällen ist das Thema der Sexualität also ab dem ersten (visuellen oder verbalen) Paratext präsent. Nins fünfzehn erotische Kurzgeschichten kreisen um die verschiedensten Aspekte der menschlichen (und hierbei vor allem der weiblichen) Sexualität, wie Lust, Leidenschaft, Voyeurismus, Exhibitionismus, Selbstbefriedigung und Homosexualität. 4 Auf dem Umschlag von Picaults BD wird übrigens nicht nur auf das weibliche Genital verwiesen, sondern zugleich auf eine männlich markierte Begierde. Dies geschieht auf sehr subtile Weise; denn der Text auf dem roten Aufkleber („Satan l’habite“) könnte eine Doppelfunktion erfüllen: Erstens warnt er vor dem aus traditionell christlicher Perspektive sündigen Inhalt der BD, und zweitens entspricht er lautlich „Ça tend la bite“, wodurch auf obzöne Art und Weise auf ein erigiertes männliches Glied und damit auf die sexuelle Lust eines Mannes verwiesen werden könnte. 5 Vergleichsweise bekannt ist Nins Delta of Venus auch deshalb, weil sie sich im „Postscript“ der Sammlung zu einem spezifisch weiblichen Schreiben über Sexualität geäußert und dieses stark von erregender Literatur von Autoren abgegrenzt hat. […] I realized that for centuries we had had only one model for this literary genre [erotica] - the writing of men. I was already conscious of a difference between the masculine and feminine treatment of sexual experience. I knew that there was a great disparity between Henry Miller’s explicitness and my ambiguities - between his humorous, Rabelaisian view of sex and my poetic descriptions of sexual relationships in the unpublished portions of the diary. As I wrote in Volume Three of the Diary, I had a feeling that Pandora’s box contained the mysteries of woman’s sensuality, so different from man’s and for which man’s language was inadequate. Women, I thought, were more apt to fuse sex with emotion, with love, and to single out one man rather than be promiscuous. […] But although women’s attitude towards sex was quite distinct from that of men, we had not yet learned how to write about it. […] I finally decided to release the erotica [The Delta of Venus] for publication because it shows the beginning efforts of a woman in a world that had been the domain of men (Nin 1977: 12sq.). Halten wir als Zwischenergebnis fest: Anaïs Nin ist sich erstens bewusst, mit ihrer Sammlung erotischer Kurzgeschichten ein männlich besetztes literarisches Terrain betreten zu haben. Und tatsächlich lässt ein Blick auf die Standardwerke der erotischen Literatur keinen Zweifel daran: Paul Englischs Geschichte der erotischen Literatur (1927) führt keine einzige Autorin an, in Sarane Alexandrians fast 700 Seiten umfassender Histoire de la littérature érotique (1989) werden zwar auch Autorinnen in den Blick genommen, allerdings nur im Rahmen eines einzigen Kapitels, das kaum 80 Seiten umfasst, und in Carolin Fischers Gärten der Lust. Eine Geschichte erregender Lektüren (1997) nimmt das Kapitel „Weibliche Fiktionen“ (Fischer 2000: 298-302) einen so verschwindend kleinen Raum ein, dass sich unweigerlich der Eindruck einer quantité négligeable einstellt. Und dennoch gibt es spätestens seit der antiken Liebesdichterin Sappho Autorinnen unterschiedlichster erotischer Literatur in Vers und Prosa, deren Anzahl seit dem 19. Jahrhundert beständig zugenommen hat. Vor allem seit dem 20. Jahrhundert erschreiben sich auf internationaler Ebene, DOI 10.24053/ ldm-2022-0005 39 Dossier vor allem aber in Frankreich, immer mehr Autorinnen immer selbstverständlicher die einstige Männerdomäne der erregenden Literatur (z. B. Christine Angot, Virginie Despentes, Renée Dunan, Benoîte Groult, Annika Hennebach, E. L. James, Erica Jong, Catherine Millet, Anaïs Nin, Liane de Pougy, Charlotte Roche, Maria Sveland, Renée Vivien). Zugleich erregen erotische Romane von Frauen selbst heute noch ein vergleichsweise großes Aufsehen. Es sei an dieser Stelle nur daran erinnert, welche große mediale Aufmerksamkeit E. L. James’ Roman-Trilogie Shades of Grey (2011) erregt hat. Zweitens glaubt Anaïs Nin ein spezifisch weibliches Schreiben über Sexualität ausmachen zu können, das eine enge Verbindung von Geschlechtsakt und Liebesgefühl voraussetze und sich somit stark vom männlichen Schreiben über das Thema Sexualität unterscheide: „Sie [Nin] wiederholt die alten Klischees, daß Frauen Sexualität mit Gefühlen verbinden, wohingegen Männer zu Promiskuität neigen“ (Fischer 2000: 298). Dies wiederum sorge für geschlechtsspezifische Stile im Bereich der erotischen Literatur. Das heißt, im Jahre 1977 geht Anaïs Nin wie selbstverständlich von einer speziell weiblichen Form der Sexualität aus, der eine ganz eigene Sprache und literarische Darstellung entspricht. Beschrieben wurde Nins Vorgehen auch als „[…] playful and neurosis-free version of a woman’s quest for sexual fulfilment […]“ (Blinder 2006: 958). Um es vorwegzunehmen: War es in den 1970er Jahren, zur Zeit der Entstehung von The Venus of Delta, schon eine Sensation, dass eine Frau die menschliche und vor allem weibliche Sexualität zum Thema eines literarischen Werkes macht, so gilt dies im Jahre 2019, als Aude Picault ihre BD Déesse veröffentlicht, nicht mehr (uneingeschränkt). Insofern nimmt es auch wenig wunder, dass in der BD die verbalvisuelle Darstellung weiblicher Sexualität nicht an eine spezifisch weibliche écriture gebunden ist, der eine untrennbare Kopplung von Sexualität und Liebesgefühl zugrunde liegt. Aude Picault geht es vielmehr um die Darstellung der reinen sexuellen Lust und Sinnlichkeit von Frauen, die mit dem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben legitimiert wird. Bei der titelgebenden Göttin in Déesse handelt es sich um Lilith, worauf im Hauptteil des vorliegenden Beitrags näher eingegangen wird. In The Delta of Venus trägt eine der Kurzgeschichten den - auf den Namen der Protagonistin zurückgehenden - Titel Lilith. Beide Autorinnen messen Lilith einen großen Verweisungscharakter zu: Sie wird als Symbol der sexuellen Revolution der Frau funktionalisiert. Inwieweit dies auf den traditionellen Lilith-Mythos zurückzuführen ist, wird sich noch zeigen. Hier soll nun zumindest ein kurzer Blick auf Nins Erzählung geworfen werden, bevor Aude Picaults Herangehensweise an das Thema der (vornehmlich) weiblichen Sexualität im Fokus der Untersuchung steht. In Nins Kurzgeschichte geht es im Kern um eine sexuell unerfüllte, frigide Ehefrau namens Lilith („Lilith was sexually cold“, Nin 1977: 69), deren Ehemann für die Störung ihrer Sexualität nur Unverständnis aufbringt, woraus sich der primäre Konflikt in der Geschichte entwickelt: „[…] he retired behind this wall of objective understanding, this gentle teasing and acceptance of her, just one watches an animal in the zoo and smiles at his antics, but is not drawn in the 40 DOI 10.24053/ ldm-2022-0005 Dossier mood. It was this which left Lilith in a state of isolation […]“ (ibid.: 70). Eines Tages täuscht Liliths Ehemann vor, ihr statt des handelsüblichen Süßstoffes ein Aphrodisiakum gegeben zu haben. Der Hauptteil der Kurzgeschichte belegt sodann die Macht der Einbildungskraft, denn die vermeintlich frigide Lilith erlebt plötzlich Momente sexueller Erregung und Befriedigung. So lässt Nin die Leser und Leserinnen an ihren eigenen Erfahrungen mit Selbstbefriedigung, voyeuristischen Erlebnissen und ihren tiefsten sexuellen Wünschen mit einem unbestimmten, imaginären Mann teilhaben: Now a man with whom I am very much in love enters. […] He will not put out the light. He will keep looking at me with this desire, admiring me, worshopping me, warming my body with his hands, waiting until I am completely aroused, every little part of my skin (ibid.: 73). Der erste Satz dient dabei gewissermaßen als praktischer Beleg für die Richtigkeit der im Postscript geäußerten These, dass Frauen Sexualität stets mit Gefühlen verbinden und ein weibliches erotisches Schreiben dies zu berücksichtigen habe. Der Fortgang der Geschichte zeigt, dass Lilith nicht prinzipiell frigide ist, sondern nur mit Blick auf ihren Ehemann; denn als sie zu Hause ankommt, hat sie jede sexuelle Begierde verloren. Um die Erfahrung der sexuellen Erregung und Befriedigung reicher, macht sich Lilith fortan selbstständig auf die Suche nach wirksamen Mitteln zur Steigerung der sexuellen Lust (Vanille, Zwiebeln, indische Liebeskugeln etc.). Und hier nun lässt sich gut zu Aude Picaults Déesse überleiten. Denn so unterschiedlich Nins Erzählung Lilith und Picaults BD auf den ersten Blick - inhaltlich wie stilistisch und formal - auch erscheinen mögen, weisen sie doch eine wesentliche Gemeinsamkeit auf: Beide führen Frauenfiguren vor, die erstens ihre Sexualität entdecken, und zwar ohne die aktive Unterstützung eines Mannes, und sich zweitens dazu entschließen, ein in sexueller Hinsicht selbstbestimmtes Leben zu führen - mit allen Konsequenzen. Beide Autorinnen bekennen sich offen zur weiblichen Sinnlichkeit und bieten vor allem den Leserinnen eine Alternative zu traditionellen Rollenbildern und -zuweisungen an, auch wenn Picault in ihrer BD deutlich weiter geht als Nin in ihrer Kurzgeschichte. Sie hebt beispielsweise die von Nin proklamierte Verbindung von weiblicher Sexualität und Gefühl völlig auf, indem sie die reine sexuelle Begierde vorführt. Beide lassen sich dennoch als ein Plädoyer für weibliche Selbstbestimmung und Emanzipation lesen. Schon insofern unterscheiden sie sich stark von erotischer Literatur von (männlichen) Autoren. 2. Aude Picault, Déesse (2019) Erschienen ist Aude Picaults Déesse als zwanzigster Band in der Reihe BD CUL , die u. a. Titel wie Hugues Micols La planète des vûlves (2010) und Wassim Boutalebs L’éjaculation sentimentale (2017) enthält. 6 Insofern dürften die Erwartungen einiger Leserinnen und Leser enttäuscht worden sein; denn bei Déesse handelt es sich um keine hochgradig erotische, erregende oder gar pornographische BD, sondern viel- DOI 10.24053/ ldm-2022-0005 41 Dossier mehr um eine kulturgeschichtlich fundierte kurze Geschichte der beiden Geschlechter, die eine réécriture der biblischen Schöpfungsgeschichte darstellt. Hier geht es sowohl um das Verhältnis von Mann und Frau als auch um ein Plädoyer für weibliche Selbstbestimmung, und zwar vor allem mit Blick auf eine frei gelebte weibliche Sexualität, die nicht durch gesellschaftliche Normen, geschlechtsspezifische Rollenvorstellungen und Verbote eingeschränkt wird. Angekündigt wurde diese preisgekrönte BD u. a. als „la bible version cochonne“ und „le livre qui ébranle le pape“. 7 Bei der titelgebenden, zunächst namenlos bleibenden Göttin („ JADIS, RÉGNAIT LA GRANDE DÉESSE “ 8 ) handelt es sich, wie man etwas später erfährt, um Lilith. Picault vereint in ihrer BD eine sumerische visuelle Darstellung Liliths mit einer réécriture des Lilith-Stoffes in der hebräischen Mythologie. 9 Dadurch erscheint Lilith nicht nur als eigenständige Göttin und Dämonin, sondern auch als erste Frau an Adams Seite. Die BD wird mit einer Abbildung eingeleitet, die große Ähnlichkeit mit einem Terrakottarelief aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. aufweist, das sehr wahrscheinlich Lilith darstellt. 10 Picaults visuelle Darstellung ist dabei zweigeteilt: Die erste Abbildung (Abb. 2) zeigt Lilith bis etwa zur Mitte ihrer Oberschenkel, die zweite Abbildung (Abb. 3) zeigt ausschließlich ihre untere Körperhälfte und hierbei vor allem auch die Umgebung ihrer Füße. Das Relief zeigt Lilith demgegenüber von Kopf bis Fuß. Picaults gestalterische Entscheidung führt dazu, dass einzig die weibliche Scham auf beiden Illustrationen erscheint. Dies lässt sich als Vorausblick auf Liliths umfangreiches Sexualleben und ihre ausgeprägte Libido, die die BD im weiteren Verlauf mit visuellen und verbalen Mitteln in Szene setzten wird, deuten. Beide Frauengestalten sind nackt und besitzen einen außergewöhnlich wohlgeformten Körper, an dem vor allem jene Attribute, die im Allgemeinen mit Weiblichkeit assoziiert werden, besonders auffallen (volles, langes Haar, 11 große Brüste, schlanke Taille, ausladende Hüfte). Die von Picault gezeichnete Lilith besitzt darüber hinaus noch eine dichte Schambehaarung, die auf die visuelle Gestaltung des Titelwortes zurückverweist. Wie dies für die Frauengestalt auf dem Relief gilt, so wird auch die Frauengestalt in der BD durch ihren speziellen Kopfschmuck eindeutig als Göttin dargestellt: „Auf Anhieb wird klar, daß wir es mit einer anerkannten Göttin zu tun haben, denn auf dem Kopf trägt sie eine gehörnte Tiara, und derlei ‚Kronen‘ waren in der sumerischakkadischen Ikonographie allein Gottheiten vorbehalten“ (Zingsem 2009: 23). In Ergänzung zu diesem visuellen Symbol wird der Status der Figur als Göttin im Falle Picaults durch den verbalen Zusatz „ LA GRANDE DÉESSE “ bestätigt. In beiden Fällen ist die weibliche Figur umgeben von symbolträchtigen Tieren. So erscheint Lilith aufs Engste verbunden mit Löwen, weiteren traditionellen Attributen von Göttinnen: „Lilith steht auf dem Rücken von Löwen. Auch dies ein machtvolles Symbol großer Göttinnen. […] Löwen gelten allgemein als Symbol einer machtvollen Potenz, die in fernen Zeiten offensichtlich noch problemlos mit weiblicher Stärke verbunden erscheinen konnte“ (Zingsem 2009: 25). 42 DOI 10.24053/ ldm-2022-0005 Dossier Abb. 2: Picault © LES REQUINS MARTEAUX, 2021 Abb. 3: Picault © LES REQUINS MARTEAUX, 2021 DOI 10.24053/ ldm-2022-0005 43 Dossier Auf den Köpfen der beiden abgebildeten Löwen sitzen wiederum Eulen, wobei diese Vögel ebenfalls eine große Symbolfunktion besitzen: Die beiden großen Eulen, die Liliths Löwenthron einrahmen, werden oft als Botinnen von Unheil und Tod gedeutet. Eulen gelten jedoch ebensosehr als Symbole von Weisheit und Wissen […]. Lilith ist nicht nur von Eulen umgeben, sie trägt auch selber Flügel, die sie wie ein Schutzmantel umhüllen. […] Keine große Göttin, die nicht ‚fliegen‘ könnte, wobei ihre Fähigkeit zu fliegen durchweg gleichgesetzt wird mit ihrem Vermögen, die Grenzen von Raum und Zeit zu überschreiten (Zingsem 2009: 25sq.). Kommen wir zu einem weiteren Detail des Reliefs: Die darauf abgebildete Frauengestalt besitzt keine menschlichen Füße, sondern stattdessen Vogelkrallen, was als Zeichen eines unheilbringenden animalischen oder dämonischen Charakters gedeutet wurde. Picaults Lilith besitzt nur auf einem Bild Krallen statt Füßen (und Händen). Dieses Bild ist signifikanterweise folgendermaßen überschrieben: „ RÉDUITE À UNE FIGURE DÉMONIAQUE, LA GRANDE DÉESSE NE REPRÉSENTERA PLUS QUE RUINES ET DÉSOLATION “. Picaults Lilith ist damit zunächst eine Göttin gewesen und erst dadurch, dass sie durch einen anderen Gott, nämlich „ UN DIEU GUER- RIER “, ersetzt wurde, zur Dämonin gemacht bzw. erklärt worden. Die geschlechtsspezifischen Implikationen brauchen an dieser Stelle nicht eigens erläutert zu werden. Hier endet die einführende Vorgeschichte der Haupthandlung, und zwar ganz konkret mit folgenden ankündigenden Worten: „ DE NOMBREUX MYTHES RELATENT CETTE DÉCHÉANCE SYMBOLIQUE. L’HISTOIRE QUI VA SUIVRE EST L’UN D’ENTRE EUX “. Schon in dieser Vorgeschichte erscheint Lilith damit nicht nur als Göttin, sondern auch als dämonisches Wesen. Beide Deutungen haben sich in den zahlreichen Mythen um Lilith bzw. den Darstellungen und Beschreibungen Liliths als die entgegengesetzten Pole des Interpretationsspektrums herauskristallisiert. 12 Dies spricht übrigens einmal mehr dafür, dass Lilith zunächst als Göttin verehrt wurde; denn „[d]aß die Gottheiten früherer Epochen zu DämonInnen der späteren werden, ist ja ein religionsgeschichtlich durchgängiges Motiv“ (Zingsem 2009: 27). Doch wie wird die Degradierung von der Göttin zur Dämonin in der BD motiviert? Zunächst erfährt man, dass sie Göttin über Leben und Tod und ebenso mächtig wie weise sei. Die sie verehrenden Völker lebten einst in Frieden miteinander. Könige, die Krieg führen wollten, haben zunächst mit der „ GRANDE PRÊTRESSE “ sexuell verkehrt und haben ihre Kriegspläne nur dann weiter verfolgt, wenn sie durch ein sexuelles Zeichen Liliths gesegnet wurden: „ ET PAR SES ORGASMES OCÉANIQUES, ELLE DÉLIVRAIT LA BÉNÉDICTION DE LA DÉESSE. “ Schon hier erscheint die Sexualität völlig losgelöst vom Fortpflanzungstrieb und als positive Kraft. Zugleich wird der (primär weiblichen) Lust ein hoher Stellenwert zugeschrieben. Die unter dem Zitat erscheinende Abbildung zeigt die nackte Priesterin beim Geschlechtsverkehr mit einem der zuvor genannten Könige, wobei ihr geöffneter Mund und ihre geschlossenen Augen sowie vor allem die wellenförmigen Linien, die von ihr wie von einem Mittelpunkt oder Epizentrum ausgehen, als visuelle Zeichen der höchsten sexuellen 44 DOI 10.24053/ ldm-2022-0005 Dossier Erregung zu interpretieren sind. Im Fortgang der Geschichte soll ein fremdes Volk die Könige, die Lilith verehrt haben, unterworfen und die Göttin selbst durch einen Kriegsgott ersetzt haben. Dieser habe sie zu seiner Ehefrau gemacht und sie damit des Rechts auf (weibliche) Selbst- und Mitbestimmung beraubt („ RABAISSÉE AU RÔLE D’ÉPOUSE, SANS INFLUENCE […] “). Fortan sollen alle humanitären Katastrophen und Naturkatastrophen ihr angelastet worden sein. Insofern endet dieser Teil folgerichtig mit der Degradierung der Göttin zur Unheil bringenden Dämonin. Die nun einsetzende Geschichte, „ L’HISTOIRE QUI VA SUIVRE “, die einen der zahlreichen Mythen um Lilith präsentieren soll, orientiert sich stark an der Darstellung Liliths in der hebräischen Mythologie, die sie als Adams erste Frau imaginiert. 13 Damit ist der Wechsel von der Vorgeschichte zu dieser Geschichte zugleich mit einem Zeitsprung von mehr als 1000 Jahren verbunden. Schon zu Beginn weicht Picault in einem wesentlichen Punkt von der hebräischen Überlieferung ab: Sie erweckt den Eindruck, als seien Adam und Lilith zeitgleich geschaffen worden, wenn es heißt: „ ENFIN, DIEU CRÉA L’HUMANITÉ. À SON IMAGE, MÂLE ET FEMELLE, IL LA CRÉA. “ In der hebräischen Mythologie hingegen wird Adam vor Lilith von Gott das Leben geschenkt: „Als Gott den ersten Menschen erschaffen hatte, sagte er: ‚Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei‘ und schuf ihm eine Frau […] und nannte sie Lilith“ (zit. n. Zingsem 2009: 30). Hier scheint die Frau geradezu menschheitsgeschichtlich sekundär und damit zur Inferiorität verurteilt zu sein. In den Versionen des hebräischen Lilith-Mythos entflammt schnell ein Streit zwischen ihr und Adam, wer von beiden beim Geschlechtsverkehr oben und wer unten liegen dürfe; denn freiwillig möchten sich beide dem jeweils anderen nicht auf diese Art unterwerfen. Diese Situation ist in Picaults BD auf eindringliche Weise verbal-visuell ausgestaltet (Abb. 4). Schon hier wird ein Charakteristikum von Picaults konkreter Realisierung des (erotischen) Inhalts offenkundig: Weder ihre verbalen Ausführungen noch ihre Illustrationen sind pornographisch gestaltet. Letztere zeigen zwar vielfach primäre und sekundäre weibliche sowie männliche Geschlechtsmerkmale, die Zeichnungen sind aber sehr einfach gehalten und zeigen nur Konturen, die mehr andeuten als konkret vor Augen führen. Dementsprechend gering ist - v. a. mit Blick auf die Darstellung von Geschlechtsteilen - der Grad an Wirklichkeitsnähe. Dies wird nicht erst dann augenscheinlich, wenn man Picaults Zeichnungen des männlichen Gliedes in Déesse mit entsprechenden Abbildungen in beispielsweise Zeps BD Happy Sex (2009) vergleicht. 14 Auf acht Seiten werden Lilith und Adam den Rezipientinnen und Rezipienten der BD beim Geschlechtsverkehr in unterschiedlichen Stellungen vor Augen geführt, wobei sie ihn aktiv und selbstbewusst zu einem Stellungswechsel auffordert, nachdem er zunächst - in der traditionellen Missionarsstellung - oben und damit zugleich in der dominanten Position war: „Allez, on change“ - „À moi de bouger un peu …“ - „… Adam“. Auf dem obigen Bild wird Lilith in einer sehr dominanten Position gezeigt, im Unterschied dazu ist Adam völlig bewegungsunfähig. Durch die gleichzeitige Penetration und Berührung ihrer Klitoris erlebt Lilith einen jener zuvor benannten DOI 10.24053/ ldm-2022-0005 45 Dossier „ ORGASMES OCÉANIQUES “, nachdem Adam seinen Höhepunkt schon hinter sich hat. Lilith hat hier ihr Recht auf Befriedigung ihrer sexuellen Lust selbstbewusst eingefordert. Das Ergebnis ihrer Handlung ist das orgiastische Vergnügen beider Geschlechtspartner. Und dennoch lehnt Adam diese Position nach einer kurzen Zeit der Reflexion ab. Wollte man an dieser Stelle einige der von Michel Foucault in La volonté de savoir (1976) aufgestellten Theorien zur menschlichen Sexualität anwenden, auch wenn er die Literatur nicht als einen jener Orte anführt, an dem sich die Diskurse über die menschliche Sexualität vervielfältigt haben, so ließe sich - auch ergänzend zu seinen Ausführungen - Folgendes festhalten: Lilith steht somit sowohl in der hebräischen Tradition als auch in der BD für jene Pathologisierung und Hysterisierung der Frau („hystérisation de la femme“, Foucault 1976: 150), die Foucault für das 19. Jahrhundert ausmacht, da sie bzw. ihr Körper als sexuell durchdrungen erscheint und Adam ihre sexuellen Wünsche als Ausdruck ihres Anspruchs auf Ebenbürtigkeit für widernatürlich erklärt. Wir haben es darum mit einem prägnanten Beispiel für jene „mise en discours du sexe“ (ibid.: 20) zu tun, die Foucault ab dem 18. Jahrhundert bemerkt. Zugleich bestätigt der Fall Liliths in beiden Varianten die enge Verbindung von Sexualität und Macht; denn Adam fühlt sich in seinen Superioritätsansprüchen (qua Geschlecht) von Lilith bedroht. In diesem Sinne stellt der Adam in Picaults BD fest: „Cette position n’est pas tenable. Je dois rester au-dessus, pour garder le contrôle.“ Völlig zu Recht hat Foucault darauf beharrt, dass Sexualität in der Etablierung von Machtverhältnissen eine zentrale Rolle zugewiesen werden muss: Abb. 4: Picault © LES REQUINS MARTEAUX, 2021 46 DOI 10.24053/ ldm-2022-0005 Dossier De là aussi le fait que le point important sera de savoir sous quelles formes, à travers quels canaux, en se glissant le long de quels discours le pouvoir parvient jusqu’aux conduites les plus ténues et les plus individuelles, quels chemins lui permettent d’atteindre les formes rares ou à peine perceptibles du désir, comment il pénètre et contrôle le plaisir quotidien - tout ceci avec des effets qui peuvent être de refus, de barrage, de disqualification, mais aussi d’incitation, d’intensification, bref les ‚techniques polymorphes du pouvoir‘ (ibid.). Adam akzeptiert Liliths Anspruch auf eine freie und selbstbestimmte Sexualität nicht, indem er ihr eine Position beim Geschlechtsverkehr untersagt, die ihr zwar die größte Lust verschafft, ihn ihr aber völlig ausliefert und dadurch vermeintlich unterordnet. Durch Adams Zuschreibung einer für Lilith als Frau angemessenen Form der Sexualität wird diese zugleich Objekt eines von ihm etablierten Machtdiskurses; das Sexualitätsdispositiv führt hier zur Unterdrückung der weiblichen sexuellen Wünsche und Entfaltungsmöglichkeiten. Sexualität zeigt sich hier aufs Engste verknüpft mit dem sexe. Liliths Aufbegehren gegen Adam mündet unmittelbar in der sexuellen Revolution, und zwar nicht nur ihrer, sondern - daran lassen die Schlussworte der BD („[…] EN NOUS [les femmes contemporaines]… …ELLE [Lilith] EST RESTÉE INTACTE “) keinen Zweifel - des ganzen weiblichen Geschlechts. Gehen wir näher auf die eingangs benannte folgenreiche Abweichung Picaults von der hebräischen Mythologie ein: die gleichzeitige Schöpfung von Mann (Adam) und Frau (Lilith). In der BD hält Adam ausschließlich sich (und - in Erweiterung des Gedankens - damit das männliche Geschlecht) für „le MOI de la création“, während Lilith auf ihrer Ebenbürtigkeit besteht: „Adam, nous sommes deux facettes d’une même entité“. Dabei wird die proklamierte Gleichwertigkeit beider Geschlechter auf deren Gottesebenbildlichkeit zurückgeführt. Adam besteht jedoch vehement darauf, dass Lilith sich ihm zu unterwerfen habe, und versucht, sein vermeintliches Vorrecht auch unter Anwendung körperlicher Gewalt durchzusetzen. Dass Lilith es ablehnt, sich Adam zu unterwerfen, führt dazu, dass sie den Garten Eden verlässt und Adam Gott um eine neue Frau bittet, die er in Gestalt von Eva dann auch bekommt. Dieses Mal wird die Frau jedoch aus Adams Rippe geschaffen, wodurch ihre Inferiorität von Anfang an gerechtfertigt zu sein scheint: „ JE LA [Ève] TIRERAI DE TON CÔTÉ [d’Adam]. VOUS SEREZ AINSI INDÉFÉCTIBLEMENT LIÉS “. Eva erscheint dabei als Gegenbild zu Lilith, und zwar sowohl optisch als auch durch ihr Verhalten: Eva besitzt kurze blonde Haare statt langer schwarzer, und sie hat ihre Sexualität - ganz im Gegensatz zu Lilith - nicht entdeckt, sondern lässt sich von Adam unterrichten. Eva akzeptiert von Anfang an Adams Superiorität und seine Rolle als ihr Meister: „Tu vas tout m’apprendre alors? “ Zunächst macht Adam Eva mit ihren Geschlechtsteilen vertraut und hat dann Geschlechtsverkehr mit ihr, wobei Eva alles begierig aufnimmt, was Adam ihr sagt und zeigt. Er probiert unterschiedliche Stellungen aus; Eva erfüllt dabei - ganz anders als Lilith - immer nur eine passive Rolle. Auch an dieser Stelle dürfte die BD keine erregende Wirkung ausüben. Jedenfalls lässt die onomatopoetische Gestaltung an dieser Stelle („ PLAK PLAK PLAK PLAK PLAK PLAK “) eher an einen mechanischen Vorgang denken denn an leidenschaftlichen Geschlechtsverkehr. Genau diesen Eindruck verstärken aber DOI 10.24053/ ldm-2022-0005 47 Dossier auch Adams sehr bestimmte, kurze Befehle an Eva, wenn sie sich zum Beispiel drehen („Tourne-toi! “) oder schweigen soll („ TAIS-TOI! “). Sein Überlegenheitsgestus gipfelt darin, dass er ihr nicht erlaubt, ihn zu berühren, und er - selbstverständlich - beim Geschlechtsverkehr die dominante Position einnimmt (Abb. 5). Abb. 5: Picault © LES REQUINS MARTEAUX, 2021 Als Eva eines Tages im Garten Eden einer Schlange begegnet, wobei die BD offenlässt, ob es sich dabei um die transformierte Lilith handelt, stimuliert diese Evas Geschlechtsteile bis zum Orgasmus. Angesichts dieses Erlebnisses ‚lernt‘ Eva erstmals die spezifisch weibliche Seite ihres Körpers kennen, vor allem jene Funktionen, die Adam ihr verschwiegen hat. Es folgen zahlreiche Orgasmen durch Masturbation. Die Schlange hat Eva also das beigebracht, was Adam ausgelassen hat, nämlich wie eine Frau Lust empfinden kann. In der Folge erscheint auch Evas Körper als sexuell durchdrungen: Sie fordert ihren Partner zum ersten Mal aktiv zum Geschlechtsverkehr auf und ist damit nicht mehr nur das passiv hinnehmende Objekt der Lust Adams. Nicht nur dies ist als ein Akt der Emanzipation deutbar, sondern vor allem auch die Tatsache, dass Eva sich unabhängig von Adams Glied macht, als sie eine Banane zweckentfremdet. Der sie dabei beobachtende Adam verurteilt sie - selbstverständlich - für dieses Verhalten: „mais, c’est ABJECT! “ Eva tritt ihrem früheren Meister jedoch selbstbewusst gegenüber und äußert ein offenes Bekenntnis zur 48 DOI 10.24053/ ldm-2022-0005 Dossier Sinnlichkeit als Erfüllung eines göttlichen Auftrags: „Le Seigneur nous donne tant de plaisirs, Adam! Tu devrais les essayer! “ Im Fortgang präsentiert die BD Aude Picaults Version der (biblischen) Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies, um nach einem großen Zeitsprung („ MILLE ANS S’ÉCOULÈRENT “) gegen Ende das stark gealterte Paar sowie die als Dämonin der Sexualität zurückgekehrte Lilith zu präsentieren. Es ist die uralte Eva, die Frauen und Männer vor ihr warnt: „Lilith est la démone. Faites trèèès attention, mes enfants“. Nichtsdestoweniger träumt Eva nach Adams Tod davon, ihre Sexualität (wenigstens in der wenigen Zeit, die ihr als Greisin noch bleibt) ausleben zu können, worauf ihr plötzlicher Herztod folgt. In der Folgezeit herrscht große Furcht vor Lilith, und all jene, die verdächtigt werden, von ihr besessen zu sein, werden zum Tode durch den Scheiterhaufen verurteilt. In den Folgejahrhunderten sei Lilith immer stärker aus dem Gedächtnis der Menschen verdrängt worden, bis ihre Spuren in der Bibel - im Mittelalter - gänzlich ausgelöscht wurden (Abb. 6). Abb. 6: Picault © LES REQUINS MARTEAUX, 2021 DOI 10.24053/ ldm-2022-0005 49 Dossier Damit wurde zuletzt die ursprünglich gleichermaßen der Frau (Lilith) wie dem Mann (Adam) zukommende Gottesebenbildlichkeit auf das männliche Geschlecht verengt. Die BD endet mit einem weiteren Zeitsprung und einem Wechsel von der intrazur extradiegetischen Ebene: Die vorangegangene Geschichte erscheint rückblickend als Binnenerzählung zu jener Rahmenerzählung, die die Rezipientinnen und Rezipienten der vorliegenden BD in einen Vorlesungssaal entführt. Die Geschichte von Lilith, Adam und Eva erweist sich damit als der Stoff einer wissenschaftlichen Erörterung. Die visuell-verbale Pointe dieser Vorlesung zeigt eine aussagekräftige Illustration: Eine Dozentin ist vor einer riesigen Projektion Marias auf der Wand zu sehen. Der verbale Zusatz lässt dabei keinen Zweifel an der Bedeutung dieser biblischen Frauengestalt: „ AINSI, À LA PLACE D’UNE DÉESSE MÈRE, NOTRE PANTHÉON MODERNE N’A PLUS QU’UN ERSATZ, FRIGIDE ET MUTIQUE, À NOUS PROPOSER “. Maria, die gehorsame Magd des Herrn, die zugleich seit Jahrhunderten im Sinne eines Symbols für die speziell weiblichen Tugenden der Keuschheit und Reinheit instrumentalisiert wird, hat die - auch und gerade sexuell - selbstbestimmte Lilith verdrängt. 15 So weit die offizielle Darstellung. Den Abschluss bilden jedoch Illustrationen, die unterschiedlichste Frauenfiguren bei den unterschiedlichsten Arten der Ausübung der - auch gleichgeschlechtlichen - Liebe zeigen, wobei deren lustvolle Orgasmen durch die entsprechende Mundstellung und wellenförmige Linien, die an Liliths „ ORGASMES OCÉANIQUES “ erinnern, deutlich abgebildet werden. Diese Bilder untermauern die verbale Botschaft am Schluss der BD: „ MAIS, EN NOUS …. ELLE [LILITH] EST RESTÉE INTACTE “. Die letzte Illustration ähnelt stark der ersten, wodurch der BD eine große Geschlossenheit und Einheit verliehen wird. Beide Abbildungen zeigen die nackte Lilith, allerdings unterscheiden sie sich in einem wesentlichen Detail: Picaults Lilith trägt auf ihrer letzten Darstellung in der BD keine Tiara mehr, die sie als Göttin ausgibt. Die intendierte Implikation liegt - vor allem unter Berücksichtigung des Begleittextes - auf der Hand: Lilith ist keine Göttin, sondern ein integraler Teil jeder Frau, die ihre Sexualität frei, selbstbestimmt und auch lustbetont auslebt. Bis zuletzt erweist sich Déesse damit gewissermaßen als verbal-visuell geführter Diskurs über das Geschlechterverhältnis, mit speziellem Fokus auf der Frage nach der Sexualität der Frau. In diesem Sinne hat Aude Picault den (erotischen) Inhalt instrumentalisiert. Ob die BD darüber hinaus eine erregende Wirkung hat, muss jede Leserin und jeder Leser selbst entscheiden; keinesfalls besteht hierin jedoch die primäre Intention der Autorin und Comiczeichnerin, wodurch sie sich maßgeblich von vielen ihrer männlichen Kollegen unterscheidet. Alexandrian, Sarane, Histoire de la littérature érotique, Paris, Pocket, 1989. Blinder, Caroline, „Nin, Anaïs“, in: Gaëtan Brulotte / John Philipps (ed.), Encyclopedia of Erotic Literature, London / New York, Routledge, 2006, 955-958. Fischer, Carolin, Gärten der Lust. Eine Geschichte erregender Lektüren, München, dtv, 2000. Foucault, Michel, Histoire de la sexualité, I: La volonté de savoir, Paris, Gallimard, 1976. Frankfort, Henri, „The Burney Relief“, in: Archiv für Orientforschung, 12, 1937, 128-135. 50 DOI 10.24053/ ldm-2022-0005 Dossier Graef, Hilda, Maria. Eine Geschichte der Lehre und Verehrung, Freiburg, Herder, 1964. Haag, Herbert / Sölle, Dorothee / Kirchberger, Joe H. / Schnieper, Anne-Marie / Bührer, Emil M. (ed.), Große Frauen der Bibel in Bild und Text, Freiburg/ Basel/ Wien, Herder, 1993. Hutter, Manfred, „Lilith“, in: Karel van der Toom / Bob Becking / Pieter Willem van der Horst (ed.), Dictionary of Deities and Demons in the Bible, 2. ed., Leiden/ Boston/ Köln, Brill, 1999, 520- 521. Nin, Anaïs, Delta of Venus, Orlando, Harcourt Books, 1977. Patai, Raphael, The Hebrew Goddess, 3. ed., Detroit, Wayne State University Press, 1990. Picault, Aude, Comtesse, Bordeaux, Les Requins Marteaux, 2010. —, Déesse, Bordeaux, Les Requins Marteaux, 2019. Pielow, Dorothee, Lilith und ihre Schwestern. Zur Dämonie des Weiblichen, Düsseldorf, Grupello, 1998. Schreiner, Klaus, Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin, München, Hanser, 1994. Zep, Happy Sex, Paris, Éditions Delcourt, 2009. Zingsem, Vera, Lilith. Adams erste Frau, Stuttgart, Reclam, 2009. 1 Vor Déesse hat Aude Picault bereits mehrere BD veröffentlicht: L’air de rien (2017), Idéal Standard (2017), Fanfare (2011), Comtesse (2010), Les Mélomaniaks (2008) und Les Mélomaniaks 2 (2010), Transat (2009), Eva (2008), Papa (2006), Moi je (2005) und Moi je etc (2007). Die Jahreszahl in Klammern bezieht sich immer auf die Buchpublikation. Weitere Informationen sind auf Aude Picaults Homepage abrufbar unter www.audepicault.com/ bande_dessinee (letzter Aufruf am 13.09.2021). Daneben hat die französische Comiczeichnerin und Autorin seit 2006 vier Kinderbücher publiziert. 2 Im Jahre 1980 ist eine Ausgabe mit Illustrationen von Bob Carlos Clarke unter dem Titel The Illustrated Delta of Venus erschienen. 3 Für die freundliche Abdruckgenehmigung dieser und der anderen Illustrationen aus Déesse danke ich ganz herzlich Aude Picault. Alle Abbildungen aus dieser BD sind der in der Bibliographie angegebenen Ausgabe entnommen, die nicht paginiert ist. 4 Cf. Alexandrian 1989: 480: „Venus erotica fait ainsi l’inventaire de toutes les bizarreries du désir.“ 5 Für diesen Hinweis bin ich Frank Reiser zu großem Dank verpflichtet. 6 Der erste Band dieser Reihe stammt ebenfalls von Aude Picault: Comtesse (2010). Auch wenn es sich dabei - laut Reihentitel - um eine BD handelt, so fällt hier auf, dass der Band neben seinem Titel und einem kurzen vorangestellten Motto keinerlei verbale Elemente enthält. Auf der Seite von Les Requins Marteaux wird Comtesse als „une bande dessinée pornographique de qualité“ beschrieben. Abrufbar unter www.lesrequinsmarteaux.com/ auteur/ picault? ajax=1&xnav=279.6000061035156&ynav=155&postitvisible=true&xpostit= 1238.5166015625&ypostit=319.3999938964844 (letzter Aufruf am 25.07.2021). 7 Cf. die Ankündigung am Ende von Picault 2010. Die BD enthält keine Paginierung. 8 Dieses und alle nachfolgenden Zitate aus Déesse sind der in der Bibliographie angegebenen Ausgabe entnommen, die nicht paginiert ist. 9 Zur sumerischen und der hebräischen Lilith-Tradition cf. Zingsem 2009: 23-35. 10 Es handelt sich dabei um das sogenannte Burney Relief. Abrufbar ist dieses beispielsweise unter folgendem Link: https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Burney-Relief#/ media/ Datei: Lilith_ Periodo_de_Isin_Larsa_y_Babilonia.jpg (letzter Aufruf am 13.07.2021). Abdruck des Reliefs u. a. Haag/ Sölle/ Kirchberger/ Schnieper/ Bührer 1993: 10. Zur Identifikation mit Lilith cf. Frankfort 1937 und Patai 1990. DOI 10.24053/ ldm-2022-0005 51 Dossier 11 Liliths Haare haben u. a. auch durch Goethe einiges an Bekanntheit erlangt, und zwar als Symbol ihrer großen Verführungskraft: „Lilith ist das. […] Adams erste Frau. / Nimm dich in acht vor ihren schönen Haaren, vor diesem Schmuck, mit dem sie einzig prangt. / Wenn sie damit den jungen Mann erlangt, / So läßt sie ihn so bald nicht wieder fahren“ (Faust I, Walpurgisnacht, v. 4119-4123). 12 Cf. repräsentativ das Kapitel „Lilith - Göttin oder Dämonin? “ in Zingsem 2009: 13-85. Siehe auch Pielow 1998. Für einen (kurzen) Überblick zu den unterschiedlichen Lilith-Mythen cf. Hutter 1999. 13 Cf. das Kapitel „Lilith - Adams erste Frau - nach Texten der hebräischen Mythologie“ in Zingsem 2009: 30-35. 14 Es ist darum wenig verwunderlich, dass Zeps Happy Sex (2009) - ganz anders als Picaults Déesse - eingeschweißt und mit dem Hinweis „Réservé aux adultes“ verkauft wurde. 15 Zum Marienkult cf. Graef 1964 und Schreiner 1994.