eJournals lendemains 47/186-187

lendemains
ldm
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
10.24053/ldm-2022-0037
925
2023
47186-187

Elissa Pustka (ed.): La bande dessinée. Perspectives Linguistiques et Didactiques, Tübingen, Narr (Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung, 24), 2022

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Markus Raith
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216 DOI 10.24053/ ldm-2022-0037 Comptes rendus préciser qu’il s’agit d’un concept-clé de l’esthétique classique qui implique une anthropologie fixiste du sujet (horizon littéraire moraliste qui n’était nullement ignoré de Sade et dont il a beaucoup joué). Quelques ajouts de rédacteurs contemporains auraient sans doute contribué à plus de clarté. Mais au sein d’une réception aussi problématique que celle du Divin Marquis, il n’est reste pas moins que ce Dictionnaire Sade est un outil précieux permettant de rencontrer l’univers de Sade et d’en mesurer la profondeur et la complexité. Liza Steiner (Strasbourg) ------------------ ELISSA PUSTKA (ED.): LA BANDE DESSINÉE. PERSPECTIVES LINGUISTIQUES ET DIDACTIQUES, TÜBINGEN, NARR (ROMANISTISCHE FREMDSPRACHEN- FORSCHUNG UND UNTERRICHTSENTWICKLUNG, 24), 2022, 540 S. Wenn hier von La bande dessinée. Perspectives linguistiques et didactiques - herausgegeben 2022 von Elissa Pustka - die Rede sein soll, so wird dies in erster Linie aus fremdsprachendidaktischer und weniger aus linguistischer Perspektive geschehen, immerhin ist der Band als vierundzwanzigster in der Reihe Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung (herausgegeben von Daniel Reimann und Andrea Rössler) erschienen. Dazu vorab einige Bemerkungen zum Comic 1 beziehungsweise zur bande dessinée generell: Comics sind in der fachwissenschaftlichen Forschung ein durchaus etablierter Gegenstand und werden dort aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet - etwa literaturwissenschaftlich, kulturgeschichtlich oder medienwissenschaftlich -, auch wenn es in vielen Bereichen noch Reflexionsbedarf gibt. In den Fachdidaktiken bietet sich hingegen ein etwas anderes Bild. Zwar wird der Comic seit der Erweiterung des Textbegriffes und der Öffnung hin zu populären Formen des Erzählens jenseits oder besser diesseits der Höhenkammliteratur als Gegenstand fachdidaktischer Überlegungen wahr- und ernst genommen. Allerdings gilt dies nicht in gleichem Maße für die unterschiedlichen Fachdidaktiken und ihre jeweiligen Arbeitsbereiche. Hinzu kommen Unterschiede im Hinblick auf das Image des Comic, das in französischsprachigen Ländern tendenziell positiver als in Deutschland (gewesen) ist. 2 1 Hier wird der im Deutschen übliche Begriff „Comic“ für „bande dessinée“ gebraucht, in manchen Artikeln des Bandes auch als „BD“ abgekürzt. 2 Dies gilt vor allem für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts (cf. dazu in didaktischer Perspektive: Markus Raith, „Game of Greece und Der Superknall: Zur Darstellung von Wirtschaftskrisen im Sachcomic. Medienästhetische und didaktische Überlegungen“, in: Nicole Mattern / Uta Schaffers (ed.), Ökonomische Bildung und ökonomisches Wissen im Literaturunterricht? , Baltmannsweiler, Schneider Verlag Hohengehren, 168-181). In Betracht zu ziehen ist außerdem die jüngere Ausdifferenzierung des Genres in Graphic Novels, Mangas DOI 10.24053/ ldm-2022-0037 217 Comptes rendus Im engeren Rahmen der Sprachendidaktiken wurde der Comic - genauso wie das Bilderbuch - vor allem im Kontext von Multimodalität und Text-Bild-Beziehungen gewissermaßen neu entdeckt und zugleich aufgewertet. Insbesondere in der germanistischen Literatur- und Mediendidaktik hat man sein Potenzial für den Unterricht als eine spezifische Form des Erzählens in Texten und Bildern früh erkannt. Als fiktionales, sprachlich vermeintlich weniger komplexes Genre, das aufgrund seiner Popularität einen ausgeprägten Lebensweltbezug für Schülerinnen und Schüler hat, gab und gibt es literaturdidaktische Bemühungen, dem Comic gerecht zu werden, was sicherlich auch mit dem graduellen Bedeutungsverlust der kanonisierten Literatur zu tun hat. Vor allem Begriff und Konzept der Intermedialität können inner- und außerhalb der germanistischen Literaturdidaktik 3 durchaus auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken. Im Vordergrund steht dabei ein bestimmter Stoff oder eine spezifische Geschichte, die in unterschiedlichen Medien dargeboten wird, etwa als Film, als Roman oder eben als Comic. Zwar werden im Kontext von Intermedialität im Medienverbund auch Änderungen bei Darstellungsform und -mitteln zum Gegenstand des Unterrichtes - etwa von gesprochener Sprache im Film zu schriftlicher Sprache im Buch -, aber zumeist geschieht dies ohne dezidiert linguistischen oder sprachdidaktischen Fokus, eben weil intermediale Ansätze zunächst stark literatur- und mediendidaktisch verankert sind. Begriff und Konzept der Intermedialität erlauben darüber hinaus fruchtbare Anschlüsse und Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Fächern, etwa mit der Kunstdidaktik, die sich einerseits im Kontext einer langen Fachtradition mit Bildern und dem Visuellen generell auseinandersetzt, sich andererseits aber auch der intermedialen Gestaltung zugewandt hat. Dabei geht die Aufwertung des Visuellen - über die Kunstdidaktik hinaus - auch auf eine seit den 90er Jahren verstärkte Rezeption der Literalitätsforschung einher, die unter dem Schlagwort der visual literacy in die Didaktiken Eingang gefunden hat. In anderer terminologischer und konzeptueller Ausrichtung werden entsprechende Fragen, die das Verhältnis von Texten und Bildern berühren, im Bereich des Sehleseverstehens oder des Leseverstehens diskontinuierlicher bzw. non-linearer Texte gestellt. Für den Bereich der Fremdsprachendidaktiken kommt hinzu, dass der Comic hier nicht nur als fiktionaler Text mit literatur- und erzähldidaktischem Potenzial geschätzt wird, sondern auch als kulturelles Dokument verstanden werden kann, an dem sich kulturspezifische Orientierungs- und Deutungsmuster erarbeiten lassen, was nicht unerheblich zur didaktischen Popularität etwa der Asterix-Comics beigetragen hat. Zu diesen Kulturspezifika gehören sowohl Inhalte - etwa die Darstellung Galliens - usw. und der Aufstieg des Sachcomic in seinen unterschiedlichen Formen und Gestaltungsweisen. Neben Comics, die sich in stark narrativer Weise geschichtlicher, sozialer oder politischer Themen annehmen, gibt es explizit didaktische Comics, die - auch schulrelevante - Sachthemen verständlich und vor allem motivierend aufbereiten wollen. 3 Cf. Hartmut Jonas / Petra Josting (ed.), Intermediale und interdisziplinäre Lernansätze im Deutschunterricht, München, kopaed, 2007. 218 DOI 10.24053/ ldm-2022-0037 Comptes rendus als auch Darstellungsformen und -konventionen auf visueller und sprachlicher Ebene. Darüber hinaus lassen sich Comics in unterschiedlichen Arbeitsbereichen und zu unterschiedlichen Zwecken im Fremdsprachenunterricht einsetzen. Sie können als Schreibanlass dienen, dazu beitragen, Lesekompetenz zu erwerben, Impulse für kulturelles Lernen geben u.v.m. Daher wird der Comic auch immer wieder in den jüngeren Ausgaben der einschlägigen Fachzeitschriften behandelt. 4 Und schließlich lässt sich in den nationalen Bildungsstandards und den Bildungsplänen der Länder eine Vielzahl an Begründungen für den Einsatz von Comics im Fremdsprachenunterricht finden. Dies reicht von generellen Kompetenzen in Bezug auf Medien, fiktionale Texte und kulturelle Kontexte hin zu spezifischeren Anforderungen wie dem Leseverstehen mehrfach codierter Dokumente. Auf diese noch kurze didaktische Erfolgsgeschichte des Comic verweist auch Pustka in ihrer Einführung zum Sammelband: „Ce processus de légitimation va de pair avec l’intégration successive de la bande dessinée dans les programmes scolaires“ (15). Zugleich deutet sie aber an, dass der Comic seinen adäquaten Platz in Didaktik und Unterricht noch nicht gefunden hat: „Des enquêtes actuelles montrent cependant qu’elle [la bande dessinée; M.R.] reste encore assez marginale […]. Cela semble être dû entre autres à son absence dans les cursus universitaires, notamment dans la formation des enseignant.e.s, ainsi que dans la recherche, notamment en didactique […]“ (15-16). Dieser Befund bestätigt - aber eher in einer internationalen FLE-Perspektive - was wir oben im Hinblick auf die Fremdsprachendidaktiken und die germanistische Literaturbzw. Mediendidaktik in Deutschland festgestellt haben: dass es noch zahlreiche didaktische Desiderata im Hinblick auf Comics gibt. Von einer „absence“ kann dabei sicher nicht die Rede sein, aber doch von einer nur sehr punktuellen Beschäftigung mit dem Comic, die viele Fragen offen und Themen unbearbeitet lässt. Damit kommen wir zum eigentlichen Anliegen des Sammelbandes, der gerade nicht - oder zumindest nicht in erster Linie - literaturbzw. mediendidaktisch ausgerichtet ist, sondern dem daran liegt, sprachwissenschaftliche mit fremdsprachendidaktischen Aspekten zu verknüpfen: „Un des objectifs de cet ouvrage est de combler cette lacune dans le domaine de la linguistique et de l’enseignement du français langue étrangère (FLE)“ (16). Hierin liegt auch die Originalität des Bandes, der mit dem Schwerpunkt auf la mise en scène de l’oral eine Fülle an linguistischen und sprachdidaktischen Fragen in einem schlüssig abgesteckten Rahmen aufwirft und mögliche Antworten anbietet. Der Anspruch, sprachwissenschaftliche und didaktische Aspekte zu verknüpfen erweist sich zunächst am Aufbau des Bandes, der nach der Introduction aus drei Teilen besteht: Linguistique, Linguistique et didactique, Didactique. Er folgt damit der Grundidee, fachdidaktische Phänomene auf einem soliden fachwissenschaftlichen 4 Cf. etwa Der fremdsprachliche Unterricht Spanisch Heft 60/ 2018 zu Libro-álbum und Heft 54/ 2016 zu Cómic und Der fremdsprachliche Unterricht Französisch Heft 97/ 2009 zum Thema bd - la vie en bulles. DOI 10.24053/ ldm-2022-0037 219 Comptes rendus Fundament zu behandeln, das durch lehr-/ lerntheoretische und bildungswissenschaftliche Ansätze vervollständigt wird. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, wie im Comic Mündlichkeit schriftsprachlich inszeniert bzw. face to face-Kommunikation multimodal über Text, Bild und andere visuelle Elemente gestaltet werden kann. Dieser Fokus ist auch insofern bemerkenswert, als gerade die Fremdsprachendidaktik im Zuge der kommunikativen Wende dem Mündlichen einen wichtigen Platz eingeräumt hat. Die inszenierte Mündlichkeit im Comic kann diesen Fokus gewinnbringend ergänzen, weil sie es gestattet, einen neuen Blick auf altbekannte Phänomene zu werfen, indem die mündliche Kommunikation durch die Transposition ins Schriftlich-Visuelle gewissermaßen verfremdet und dadurch anders akzentuiert wird. Ohne einzelne Beiträge genauer zu beleuchten, zeigt bereits die Vielfalt der Themen, welches didaktische Potenzial ein auf Mündlichkeit und Schriftlichkeit ausgerichteter sprachwissenschaftlicher Zugang bietet. So werden grammatikalische Aspekte der Dialoge im Comic untersucht, etwa im Hinblick auf Syntax. Es gibt gleich zwei Beiträge zu Formen der Negation mit und ohne „ne“, vorgeführt an unterschiedlichen Beispieltexten. Ebenfalls zwei Aufsätze widmen sich Fragen der Übersetzung: einerseits in Bezug auf Übersetzungen von englischsprachigen Disney-Comics ins Französische und andererseits im Hinblick auf die Übertragung von Humor aus dem Französischen ins Deutsche (Beispieltext: Spirou et Fantasio). Gleich mehrere Beiträge betreffen sprachliche Varietäten und sprachliche Einzelphänomene, etwa Jugendsprache und Idiomatik oder die sogenannten gros mots im Comic in didaktischer Perspektive. Daneben bietet der Band Überlegungen mit thematischem Fokus etwa zum feministischen Comic oder zu in Wort und Bild erzählten Dystopien. Dabei kommt hier auch der Sachcomic ins Spiel, in diesem Fall die feministische BD de non-fiction, etwa in Form des biopic als autobiographische Textsorte oder zu entsprechenden Sachthemen im Zuge einer „vulgarisation scientifique“ (478). Schließlich werden diese tendenziell synchron orientierten Zugänge durch diachron angelegte Arbeiten vervollständigt, die historische Entwicklungen von Tintin und den zwanziger Jahren bis hin zu Titeuf in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts beleuchten. Die Bandbreite der konkreten Beispiele reicht dabei - auf alle Beiträge bezogen - von den populären Klassikern aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis hin zu neueren Comics, die sich durch formale und/ oder thematische Innovationen auszeichnen. Für den Fremdsprachenunterricht heißt das: Es finden sich sowohl neue Ideen zu altbewährtem Material als auch sprachwissenschaftlich fundierte didaktische Vorschläge für in der Schule noch weitgehend unbekannte neuere und neueste Texte. Es können hier nicht alle Beiträge einzeln gewürdigt werden, ein Hinweis auf die Überlegungen zum (visuellen und sprachlichen) Ausdruck von Emotionen im Comic sei aber abschließend noch gegeben. Denn Emotionen werden nicht nur in unterschiedlichen Textsorten und Genres mit deren je eigenen Mitteln ausgedrückt, sie grundieren vielmehr Kommunikation insgesamt und also auch das Fremdsprachenlernen. Im Comic werden sie besonders reichhaltig ausgedrückt, weil zur verbalen 220 DOI 10.24053/ ldm-2022-0037 Comptes rendus die visuelle Ebene kommt, also zur Sprache die bildliche Darstellung von Prosodie, Mimik und Gestik sowie der kommunikative und kulturelle Kontext: „Or, dans la bande dessinée, ces différents outils de la communication des émotions sont représentés. Elle permet d’aborder l’expression des sentiments à travers plusieurs biais et donc à plusieurs niveaux de l’apprentissage“ (445). Der Comic weist unter diesem Blickwinkel über das eigene Genre hinaus, weil sich ähnliche Darstellungsstrategien beispielsweise auch in sozialen Medien finden. Von den Emojis bis hin zu unterschiedlichen sprachlichen Mitteln (Reduplikation von Buchstaben und Satzzeichen, Sprachregister etc.) wird in sozialen Medien ähnlich wie im Comic Mündlichkeit inszeniert, aber unter ganz anderen Produktions-, Distributions- und Rezeptionsbedingungen. Der unterrichtliche Umgang mit Emotionen im Comic könnte insofern auch eine wertvolle Schulung des Blicks im doppelten Sinne sein: sowohl für Bilder im eigentlichen Sinn als auch für die Materialität und somit Visualität von Schrift und ihre semantischen Effekte im Spannungsfeld von konzeptueller und medialer Schriftlichkeit bzw. Mündlichkeit. Dies ist nur ein Beispiel dafür, was im Prinzip auch für die meisten anderen Beiträge des Bandes gilt: dass sie aufgrund der linguistisch-sprachdidaktischen Ausrichtung die detaillierte Arbeit am Sprach- und Bildmaterial für unterrichtliche Kontexte nachvollziehbar machen und zugleich in vielfältiger Weise über den Comic hinausweisen, etwa auf Themen, die in den Leitperspektiven der Bildungspläne verankert sind oder als Querschnittsthemen fächerübergreifend bearbeitet werden. Es ist daher diese Verschränkung von Mikro- und Makroebene, welche die Qualität des Bandes ausmacht, neben der Wahl des sprachwissenschaftlich-didaktischen Schwerpunktes der Inszenierung von Mündlichkeit. Denn diese zweite Verschränkung von Linguistik und romanistischer Fachdidaktik ist sicherlich auch gewinnbringend im Kontext aktueller Bemühungen um Kohärenz im Lehramtstudium und um das spezifische Professionswissen von Lehrkräften, in deren Zentrum ebenfalls das Verhältnis von Fachwissenschaft und Fachdidaktik steht, wie es im vorliegenden Band exemplarisch und an einem konkreten Genre vorgeführt wird. La bande dessinée. Perspectives linguistiques et didactiques kann daher nicht nur Impulse für den Fremdsprachenunterricht in der Schule geben, sondern auch für das universitäre Lehramtstudium und generell für das Wechselverhältnis von Fachwissenschaft und Fachdidaktik. Markus Raith (Freiburg) ------------------ BODO PIEROTH: RECHT UND FRANZÖSISCHE LITERATUR. VON JEAN DE LA FONTAINE BIS ALBERT CAMUS, MÜNCHEN, C. H. BECK, 2021, 303 S. Der 2021 erschienene Band Recht und französische Literatur des Staats- und Verfassungsrechtlers Bodo Pieroth stellt kein Debüt des literaturaffinen emeritierten Professors dar, sondern reiht sich in eine Serie ein, die bereits 2015 mit dem Band über