eJournals lendemains 48/189

lendemains
ldm
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
10.24053/ldm-2023-0010
0923
2024
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Fabrikbesetzungen heute und vor 20 Jahren: François Bon, Daewoo (2004) und Arno Bertina, Ceux qui trop supportent (2021)

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Wolfgang Asholt
ldm481890115
DOI 10.24053/ ldm-2023-0010 115 Dossier Wolfgang Asholt Fabrikbesetzungen heute und vor 20 Jahren: François Bon, Daewoo (2004) und Arno Bertina, Ceux qui trop supportent (2021) So richtig es ist, dass sich seit Ende des 20. Jahrhunderts in der französischen Literatur-, Kultur- und Filmlandschaft ein vermehrtes Interesse an den sog. classes populaires beobachten lässt: 1 Dieser Prozess setzt schon mit der Wende des französischen Romans Ende der 1970er / Beginn der 1980er Jahre ein. Zehn Jahre später können Claude Prévost und Jean-Claude Lebrun, beide Literaturkritiker der Humanité, eine Bilanz mit dem Titel Nouveaux territoires romanesques (1990) veröffentlichen, in dem das Werk François Bons unter der Überschrift „Paroles d’exclus“ präsentiert wird. Und noch 20 Jahre später konstatiert Dominique Viart in seinem Aufsatz „Écrire le travail“ in dem von Gianfranco Rubino und ihm selbst herausgegebenen Sammelband Écrire le présent (2012) für die Nachkriegszeit und die Epoche des Nouveau Roman: „Le progressif effacement du travail des thèmes majeurs de la littérature s’affirme nettement après 1945“, um die Analyse des Gegenwartsromans mit dem Satz einzuleiten: „On comprend dès lors l’importance qu’eut en 1982 la parution simultané de Sortie d’usine de François Bon et de L’Excès - l’usine de Leslie Kaplan“ (Viart 2012: 138sq.). Der damalige Star-Kritiker Bertrand Poirot- Delpech (1986) sollte den Stil von Bon wenig später als „[d]u jamais entendu, pas de cette façon“ charakterisieren. Und in Leslie Kaplans Roman tauchen Sätze auf wie „[l]’usine, la grande usine univers, celle qui respire pour vous. Il n’y a pas d’autre air que ce qu’elle pompe, rejette. […] Tout est devenu déchet“ (Kaplan 1982: 11) oder „[p]ersonne ne peut savoir le malheur que je vois“ (ibid.: 14), was in der Übersetzung mit „Niemand weiß um das Elend, das ich sehe“ (Kaplan 1988: 11) wiedergegeben wird, womit die soziale Komponente verstärkt wird. Die anderen Romane, die Bon in den 1980er Jahren bei Minuit veröffentlicht, tragen Titel wie Limite (1984), Le Crime de Buzon (1986), Décor ciment (1988) oder Calvaire des chiens (1990). Die Romane von Kaplan und Bon streben keinen retour du réalisme an, zumindest keinen, der dem traditionellen Realismus ähnelt. In einem Interview distanziert sich Bon von jeder Popularität im Sinne eines Populismus: „Une littérature populiste, qui tente de mimer une pensée fruste parce qu’elle parle de gens frustes est une littérature morte“ (Bon 1987: 56). Kaplan und Bon praktizieren etwas, das ich vor einiger Zeit als „réalisme précaire“ (Asholt 2009) bezeichnet habe, und das Dominique Viart „une autre manière d’écrire le réel“ (Viart 2012: 141) nennt. Das Interesse des Gegenwartsromans an der Klassenstruktur der Gesellschaft und an der zunehmenden Prekarität setzt also schon vor vier Jahrzehnten ein, allerdings nicht in der Form von Autosoziobiographien, auch wenn sowohl Kaplan als auch Bon in der Fabrik gearbeitet haben; beide kön- 116 DOI 10.24053/ ldm-2023-0010 Dossier nen sich durch Bourdieus La misère du monde (1993) ein Jahrzehnt später nur bestätigt fühlen. Sarah Sindaco und Benoît Denis (2010) fragen in ihrem Artikel sogar: „Bourdieu est-il Bon? “ Diese ‚frühen Elendsnarrative‘ des Romans der 1980er Jahre konfrontieren die Gegenwartsliteratur mit einer doppelten Erwartung. Dominique Viart postuliert: „ne pas sacrifier à la reprise pure et simple des formes léguées par l’héritage littéraire, sans tenir le moindre compte des critiques et des déconstructions dont elles ont été l’objet pendant la période formaliste; ne pas s’appuyer trop directement sur les réflexions sociologiques (mais aussi sur la psychologie sociale) au risque de construire des fictions qui n’en soient que la simple illustration“ und kommentiert: „De fait, le premier de ces deux risques n’est pas toujours évité“ (ibid.), und ich möchte ergänzen, dass das auch für das zweite Risiko, die Illustration von sozialwissenschaftlichen Konzepten, gilt. Der longue-durée-Einfluss von Bourdieus La misère du monde, von dessen Interviews es mehrere Theateradaptationen gibt, auf die narrative Literatur der 2010er Jahre kann kaum überschätzt werden. Bourdieus Warnungen vor der Illusion biographique haben jedoch wenig gefruchtet, und eine littérature de témoignage, wie sie etwa die Reihe Terre humaine publiziert, die von 2016 bis 2022 von Jean-Christophe Rufin geleitet wurde, illustriert diese Umsetzung sozialwissenschaftlicher Konzepte in der Literatur. Die beiden Fabrikbesetzungs-Romane, Bons Daewoo (2004) und Bertinas Ceux qui trop supportent (2021), die ich im Folgenden analysieren werde, zählen zur Literatur des Écrire le travail, für die der Begriff der „ Literatur über die Arbeiterklasse“ (Monot 2020: 124) 2 zwar noch zutrifft, jedoch angesichts der Relativierung des Klassencharakters (nicht nur) in der Literatur eher auf verlorene Illusionen als auf soziopolitische Realitäten verweist. Dennoch ist Pierre-Héli Monot in seiner Kritik der Instrumentalisierung des Arbeitermilieus im Sinne von ‚ Armut als Kapital‘ in den Autosoziobiographien von Eribon und Louis zuzustimmen, wenn er die folgende Frage stellt: „Unter welchen politischen, rhetorischen und ökonomischen [kulturellen? ] Bedingungen konnte sich Arbeiterliteratur schlagartig und radikal gegen die politischen und rhetorischen Traditionen wenden, die ihre Legitimität zuvor konstituiert hatten? “ (ibid.). Doch wenn er auch „[d]iese Literatur als Arbeiterliteratur lesen“ (ibid.: 131sq.) will, so wirft dieser schwierige Versuch zugleich die Frage auf, weshalb die ‚Arbeiterliteratur‘, wie sie Bons und Bertinas Texte repräsentieren, im Vergleich mit der „retrospektiven Kapitalisierung der früheren Kapitallosigkeit“ (ibid.: 131) in den Autosoziobiographien so viel weniger Aufmerksamkeit erregen. Offensichtlich ist das symbolische Kapital minoritärer Subjektivität und Identität ungleich ‚rentabler‘ als jenes eines Widerstandes gegen die soziale Reproduktion. François Bon: „Ne rien présenter que l’enquête“ Die Verarbeitung der Theoriephase der französischen Literatur der 1960er und 1970er Jahre verdeutlicht eine stilistische Selbsteinschätzung am Ende von Sortie d’usine: „Et tout lui apparaissait désormais comme une construction: s’accomplissait DOI 10.24053/ ldm-2023-0010 117 Dossier enfin la renverse qui basculait l’écriture de l’usine en l’usine comme écriture“ (ibid.: 165). Es handelt sich nicht nur um eine réécriture des berühmten Nouveau-Roman- Mottos von Jean Ricardou, „Le récit n’est plus l’écriture d’une aventure, mais l’aventure d’une écriture“ (Ricardou 1967: 111), sondern auch eine Weiterentwicklung des travail sur le signifiant von Tel Quel, der für Julia Kristeva (in ihrer Saussure-Interpretation) die Zirkulation des signifiant und die Veränderung des signifié ermöglichen soll. Die usine comme écriture soll eine weitaus radikalere Kritik des Produktionsprozesses als die (realistische) Beschreibung der Fabrik bewirken. In den 1990er Jahren radikalisiert Bon sein Literaturkonzept. Er schreibt keine Romane mehr, wie in seiner Minuit-Zeit, sondern récits, die fast ausnahmslos marginalen, oft revoltierenden und scheiternden Figuren aus den classes populaires gewidmet sind und in denen Dialoge, Monologe, Theateradaptionen, aber auch Dokumente und témoignages miteinander montiert werden. Der récit Parking, dem der Titel des Bertina-Textes, Ceux qui trop supportent, entliehen ist, besteht aus drei aufeinander verweisenden und einander kommentierenden Teilen. Die „histoire ordinaire“ (Klappentext) einer jungen Frau, die mit ihren zwei Kindern von ihrem Lebensgefährten sitzen gelassen wird und sich schließlich das Leben nimmt, wird nicht direkt erzählt, sondern in Monologen, Dialogen, Trauer- und Anklagediskursen ihrer Mutter de- und rekonstruiert, die den im Parkhaus als Nachtwächter arbeitenden Mann damit konfrontiert. Dieser Teil wird mit einem anderen, Comment Parking et pourquoi, einer Reflexion des eigenen Schreibens, und einem weiteren, der Version pour trois acteurs, komplex montiert. Die Anklagerede der Mutter beginnt mit den Worten: „Me voilà devant toi, Parler convient mal à ceux qui trop supportent“ (Bon 1996: 9), die sie zu Beginn der Theaterversion wiederholt (ibid.: 70): Diejenige, die zu viel ertragen hat, muss sprechen, schreien, anklagen, selbst wenn es ihr schwerfällt. Vom Titel, Parking, ausgehend, resümiert Catherine Douzou zu Recht: „Celuici [der Text] se porte dans les franges des genres comme le parking est à la frontière des espaces“ (Douzou 2010: 302sq.), und man könnte hinzufügen: Auch die Figuren bewegen sich an den sozialen Rändern und Grenzen, ohne dass der Tryptichon- Text der verstärkenden Kopplungseffekte mit der Soziologie bedürfte, vielmehr erreicht er allein mit literarischen Mitteln einen La misère du monde zumindest ebenbürtigen Kopplungseffekt. Die Montage von theatralischen, témoignages- und dokumentarischen Passagen sowie Reflexionen über das eigene Schreiben charakterisiert auch Daewoo von 2004, einen Text über eine Fabrikbesetzung und -schließung, den Bon nun wieder als roman bezeichnet und im Klappentext so zusammenfasst: „Des voix toutes chargées d’émotion, la violence du travail à la chaîne, et la violence ensuite des luttes. […] On vous parle de ce qui n’est plus. […] Si les ouvrières n’ont plus leur place nulle part, que le roman soit mémoire“, was die Gattungsbezeichnung rechtfertigt. So beginnt der Roman mit dem Satz: „Refuser. Faire face à l’effacement même“, unmittelbar gefolgt von der Frage: „Pourquoi appeler roman un livre“ (Bon 2004: 9), die mehrere Seiten später eine Antwort erhält: „Finalement, on appelle roman un livre parce qu’on a marché un matin dans ce hall où tout, charpente, sol et lignes était redevenu 118 DOI 10.24053/ ldm-2023-0010 Dossier géométrie pure“ (ibid.: 13), d. h. die ästhetische Erfahrung der verlassenen und geschlossenen Fabrik führt zum Refuser l’effacement der Zeugnisliteratur. Insofern entspricht Daewoo, wie andere Texte Bons, dem, was man mit Dominique Viart als einen „espace littéraire nouveau“ (Viart 2018) bezeichnen kann, den ein Schreiben charakterisiert, das die Realität nicht mehr erzählen oder repräsentieren will, sondern mit seinen „pratiques de terrain“ die Literatur als eine Möglichkeit in Hinblick auf die Realität betrachtet, „de l’éprouver et de l’expérimenter“ (ibid.). Dies geschieht in der Überzeugung, dass allein die Literatur, anders als die Soziologie, zum „Refuser. Faire face à l’effacement même“ in der Lage ist, denn „[e]ffacement“ bedeutet: „tout ici, en apparence, continuait comme avant, simplement“ (Bon 2004: 11). Was der Roman vor dem Auslöschen bewahren will, ist die Geschichte der Fabrikbesetzung, die Bon selbst nicht miterlebt hat, und von der der Roman in „Daewoo en Lorraine, repères“ (ibid.: 14-20) berichtet. Der koreanische Daewoo-Konzern hat seit 1989 mit öffentlichen Subventionen drei Montagefabriken im nach der Schließung der Eisen- und Stahlindustrie desindustrialisierten Lothringen zwischen Metz und Thionville errichtet, die zu ihrer besten Zeit Ende der 1990er Jahre 1200 Personen beschäftigen. Danach verlagert Daewoo die Produktion immer mehr nach Polen und in die Türkei, im Winter 2002/ 2003 werden trotz Streiks und Demonstrationen der Arbeiterinnen die drei Fabriken geschlossen, in der größten Fabrik bricht ein Feuer aus, all diese Versatzstücke des Kampfes für den Erhalt der Arbeitsplätze finden sich in Bertinas Ceux qui trop supportent wieder. Nicht nur, weil Bon erst nach diesen Kämpfen schreibt, ist deren Dokumentation ein wichtiger, aber nicht der eigentliche Anlass des Schreibens. Dies sollte, wie in Bertinas Text, die Begegnung mit den inzwischen arbeitslosen Arbeiterinnen werden. Bon trifft sie wegen eines mit Charles Tordjman, dem Direktor des Centre Dramatique National de Nancy (Théâtre de la Manufacture), geplanten Projekts einer Inszenierung der Fabrikbesetzung, die in vielerlei Hinsicht der Konzeption des Rimini-Protokolls entspricht. Sie soll möglichst in der leeren Fabrik von Fameck stattfinden, erlebt ihre Premiere aber im März 2004 im Saal der Passerelle von Florange, einem Nachbarort. Die Produktion wird 2004 zum Festival von Avignon eingeladen, auch hier gibt es Parallelen mit Ceux qui trop supportent. Was das ‚Protokoll‘ bzw. den ‚Roman‘ Daewoo prägt, ist die Kombination von Interviews im Stil von Bourdieus La misère du monde mit den Theater-Dia- und Plurilogen. Oder, um es mit den Worten aus Bons Klappentext zu sagen: „Des voix toutes chargées d’émotion, la violence du travail à la chaîne, et la violence ensuite des luttes“. Eine Ästhetik des Protokolls scheint mir der Struktur des Romans angemessener als die littératures de terrain. Sie bedingt eine heterogene Genrevielfalt von 50 Sequenzen mit unterschiedlichen Fokalisierungen, wie sie der Anfang der Gliederung illustriert: Daewoo Fameck, l’usine: Reflexionen über den Ort und das Schreiben ‚danach‘; Daewoo en Lorraine, repères: die Geschichte des Aufstiegs und des Falls der Daewoo-Fabriken; théâtre, extrait un: „samedi soir danse“ : ein Moment der Inszenierung mit drei Schauspielerinnen; Fameck, mai 2003: l’attente du facteur, et Sylvia: DOI 10.24053/ ldm-2023-0010 119 Dossier ein Interview mit einer Freundin Sylvias, der Streikführerin, die sich das Leben genommen hat; entretien: de l’incendie de Daewoo Mont-Saint-Martin, et de l’angoisse au quotidien: die Erfahrung des Streiks und die Verzweiflung in der Arbeitslosigkeit; théâtre, extrait deux: de la faculté de révolte: vier Schauspielerinnen diskutieren die Festsetzung eines Chefs, usw. (ibid.: 293). Es ist gerade die Vielzahl und Vielfalt der Standpunkte, die diese Streik- und Besetzungserfahrung nicht nur als einen notwendigen Akt der Revolte erkennen und verstehen lässt, sondern auch als einen solchen der Selbsterfahrung und -befreiung, der mit der anschließenden Arbeitslosigkeit zunichte gemacht wird, aber zum Maßstab der eigenen und der gesellschaftlichen Situation geworden ist. 3 „Comment affronter maintenant le quotidien vide, et ce qu’il en est pour les enfants, pour le temps, pour sa propre idée de la vie? “ (Klappentext). Doch bei den „voix toutes chargées d’émotion“ handelt sich nicht um die Transkriptionen der Interviewaufnahmen: „Je ne prétends pas rapporter les mots tels qu’ils m’ont été dits: j’en ai les transcriptions dans mon ordinateur, cela passe mal, ne transporte rien de ce que nous entendions, mes interlocutrices et moi-même, dans l’évidence de la rencontre“ (ibid.: 48). Es wäre also eine Illusion, an eine Verschriftlichung von Mündlichkeit im Sinne größerer Authentizität zu glauben. Bon gestattet im Folgenden einen Einblick in seine Arbeitsweise, die den Eindruck der unmittelbaren témoignages weiter dekonstruiert. Zwar nimmt er seine Interviews auf und erklärt: „Je notais à mesure, sur mon carnet, les phrases précises qui fixent une cadence, un vocabulaire, une manière en fait de tourner les choses“ (ibid.: 48), aber die technisch reproduzierte Mündlichkeit bleibt unzulänglich: „La conversation vous met d’emblée dans une perspective ouverte, tout ce qu’on suggère au bout des phrases, et qui devient muet si on se contente de transcrire“ (ibid.). Um genau das, was ‚stumm‘ zu bleiben droht, geht es François Bon: „C’est cela qu’il faut reconstruire, seul, dans les mois qui suivent, écoutant une fois de plus la voix etc.“ (ibid.). Dementsprechend formuliert er seine écriture-Ästhetik: „J’appelle ce livre roman d’en tenter la restitution par l’écriture, en essayant que les mots redisent aussi ces silences, les yeux qui vous regardent ou détournent, le bruit de la ville tel qu’il vous parvient par la fenêtre […]“ (ibid.). Das, was im Interview hörbar, sichtbar und fühlbar ist, und was die wörtliche Verschriftlichung verschweigt, aber auch das, was die institutionellen Diskurse nicht zur Kenntnis nehmen können und wollen, versucht die écriture Bons freizulegen und unübersehbar werden zu lassen - in diesem Falle die in einem fast klassischen Sinne zu verstehende Tragödie der Fabrikbesetzung durch die Arbeiterinnen (wie die Theaterteile illustrieren). In Parking erläutert Bon im Theorie-Reflexionsteil „Comment Parking et pourquoi“ seinen ‚Realismus‘: „Constituer le réel comme représentation suppose de disloquer aussi la syntaxe issue des représentations préexistantes“ (Bon 1996: 61), und es ist kein Zufall, dass Bon unmittelbar danach auf die Monologe der griechischen Tragödie zu sprechen kommt, mit denen er jene der Protagonistin von Parking vergleicht, die aber auch jene seiner Interview-Partnerinnen von Daewoo charakterisieren: „La fascination, à manier du monologue, c’est vous immerger dans une tête où tout est produit par la langue, 120 DOI 10.24053/ ldm-2023-0010 Dossier indépendamment de celui qui vient marcher dans cette tête, et la constitue telle par sa marche même“ (ibid.: 62). In der Sequenz Vente aux enchères de Daewoo Fameck, contenu et contenant, et ce qu’ensuite on en rêve (Bon 2004: 63-71), interviewt der Erzähler Anne D., die einen Fabrik-Traum erzählt und kommentiert, von „[l]’usine, mais après […]. Un bâtiment qu’on aurait commencé à construire, et puis abandonné“ (ibid.: 65) bis zu: „Tends la main, tu n’atteindras rien, tends la main, tu ne toucheras rien! Et à ce moment-là j’étais seule, complètement seule. […] Rien qu’une peur, immense et folle, et j’ai crié: dans le rêve je voulais crier, et rien pourtant qui venait…“ (ibid.: 70). Allein dieser Traum, den sie immer wieder träumt, „un rêve comme un retour, disaitelle, l’obsession d’y revenir“ (ibid.: 64), kann das Ausmaß des Verlustes verdeutlichen, den sie im Alltag zu verdrängen sucht: „On n’en parle plus trop“ (ibid.: 71). Die mit der Aufführung ein Jahr nach dem Ende von Streik und Besetzung gegebene Retrospektive gestattet es dem Erzähler, den Streik durch das Weiterleben danach vielleicht deutlicher sichtbar werden und verstehen zu lassen, als es einem ihn begleitenden Schreiben möglich wäre. Dies gilt auch für den neoliberalen ökonomisch-politischen Diskurs, wie er den „Rapport interministériel“ eines ehemaligen CFDT-Führers prägt. „Le temps est à l’usine jetable. Cette idée heurte les salariés“ (ibid.: 109), den die Arbeiterin Géraldine zitiert. Daewoo zeigt die Nostalgie der Arbeit und des Lebens in der Fabrik, vor allem aber die Tragödie, die solche offiziellen enquêtes hinter Titeln wie „Les mutations industrielles vecteurs de la modernisation publique“ (ibid.: 113) und deren angeblicher Unausweichlichkeit verstecken. In dem Sinne handelt es sich um eine littérature de témoignage, oder wie es eine Schauspielerin sagt, die die Situation der Arbeiterinnen mit den Suppliantes vergleicht: „Et puis, se dire que ce qui s’est passé ici, dans l’usine maintenant vide, cela nous concernait toutes, et qu’il nous fallait le dire“ (ibid.: 115). Vor bald 30 Jahren habe ich das Werk François Bons als „Trauerarbeit der Moderne“ (Asholt 1994a: 138-151) interpretiert und seine Texte mit „témoignages im Sartreschen Sinne, indes ohne deren durch die Autobiographie und die performative Intention bedingte Grenzen“ (Asholt 1994b: 308), verglichen, und mit dem letzten Satz seines Romans beansprucht Bon: „Ne rien présenter que l’enquête“ (Bon 2004: 290). Die politische Position dieser Texte verdeutlicht das einzige, zudem schriftliche Zitat Sylvias: „Non. Résistance qui surgit en vous quelquefois avant même que votre esprit n’ait réussi à le justifier. Permanence du non intérieur que j’entends en moi, le socle même de ma personnalité“ (ibid.: 276), auch wenn der Erzähler auf einen literarischen Intertext verweist: „c’était beau comme du Nathalie Sarraute“ (ibid.: 277). Angesichts des Selbstmordes von Sylvia ist es auch ein bitterer Kommentar zum Beginn des Romans, wo es heißt: „Refuser. Faire face à l’effacement même“ (ibid.: 9). Der Roman repräsentiert eine Ästhetik des Widerstandes. DOI 10.24053/ ldm-2023-0010 121 Dossier Arno Bertina: récit documentaire und Aktivismus Die Verweigerung können auch die Romane und Erzählungen von Arno Bertina für sich in Anspruch nehmen. In einem Interview mit France Culture erklärt Bertina: La littérature apparait, pour moi, comme une façon de répondre à la vie humiliée. Lorsque j’ai le cœur serré, l’écriture me permet de respirer à nouveau parce que la littérature est capable [...] de mettre l’accent sur la force, sur l’énergie et sur la joie, et donc de relever des individus qu’on nous présente, le reste du temps, comme accablés (Bertina 2021). Seine im September 2021 erschienene Erzählung Ceux qui trop supportent trägt den Untertitel „le combat des ex-GM&S (2017-2020)“, und die Titel dreier wichtiger Feuilletons ordnen ihn dementsprechend ein: „Arno Bertina, solidaire“ (Leclair 2021); „Arno Bertina, un écrivain en colère“ (Tanette 2021); „Une lutte admirable“ (Benetti 2021). Bertina repräsentiert das, was man auch heute einen engagierten Schriftsteller nennen kann (cf. Savoy 2016), oder, wie die Inrockuptibles-Kritikerin Sylvie Tanette schreibt: „L’engagement de Bertina en tant qu’auteur est entièrement là: dans cette volonté de ne pas laisser la narration du monde à celles et à ceux qui le dirigent“ (Tanette 2021). Es handelt sich also um einen Konterdiskurs oder um das, was man mit Yves Citton (2010) als Storytelling et imaginaire de gauche qualifizieren könnte. Bertina, Mitglied der Gruppe der Incultes, ist mehr als zwanzig Jahre jünger als François Bon, er veröffentlicht seit Anfang der 2000er Jahre Romane - Anima motrix (2006), Des Châteaux qui brulent (2017) -, Erzählungen (Récits) - Ma solitude s’appelle Brando (2008), Des lions comme des danseuses (2015) - und nimmt an zahlreichen Kollektivpublikationen teil: Une année en France (2007) zur Banlieue-Problematik; Le livre des places (2018) zu den Occupy-Platzbesetzungen oder Boulevard de Yougoslavie (2021) zum Urbanismus der Vorstädte, in diesem Falle Rennes. Der Klappentext bezeichnet Ceux qui trop supportent als „récit documentaire“, und wie der Untertitel zeigt, geht es um den Kampf der „ex-GM&S“ zwischen 2017 und 2020. 4 Dieser inzwischen fünfjährige Kampf um die Arbeitsplätze des Autozulieferers in La Souterraine (Creuse), einem heutigen désert français, hat dank der Dauer des Kampfes und der immer wieder spektakulären Widerstands-Aktionen der Arbeiter ein außergewöhnliches mediales Echo gefunden, nicht nur in den Informationsmedien, sondern auch mit dem Film On va tout péter! von Lech Kowalski, der 2019 in Cannes gezeigt wurde, oder der bande dessinée Sortie d’usine von Benjamin Carle und David Lopez (2021). Der gleichnamige Roman François Bons von 1982 ist dem Vergessen anheimgefallen. So wie Bon durch ein Theaterprojekt nach Lothringen kommt, wird Arno Bertina von Hugues Bachelot, dem Organisator der Rencontres de Chaminadour, im September 2017 zu einem Treffen mit den GM&S- Aktivisten eingeladen. Die 1962 gegründete Firma, die 1989 600 Arbeitsplätze hat, wird seit 1990 immer wieder verkauft, wobei die neuen Eigentümer mit ‚Sozialplänen‘ einen Teil der Belegschaft entlassen und für die Modernisierung Subventionen erhalten, die sie nicht investieren. Nach einer weiteren Übernahme und einem neuen 122 DOI 10.24053/ ldm-2023-0010 Dossier Sozialplan, bei dem von 277 Arbeitern 157 entlassen werden sollen, besetzen die Arbeiter im Mai 2017 die Fabrik und drohen, sie anzuzünden. In dieser Situation kommt Bertina nach La Souterraine, und seitdem begleitet, dokumentiert und kommentiert er diese Aktionen. Nach einem Treffen mit zwei Streikführern am 13. September 2017 verspricht er bei einer Betriebsversammlung: „Je ne pourrais faire qu’une chose: raconter ce qui leur arrive, la violence qui leur est faite“ (Bertina 2021: 16). Beginnend mit Stéphane Lenormand (ibid.: 17-22) führt Bertina im Stil von Bourdieus La misère du monde zahlreiche Interviews mit Streikenden, die zu ‚Autosoziobiographien‘ der Arbeiter werden: Sie selbst schildern ihren Lebensweg von der familiären Herkunft bis zur Gegenwart, was sie oft wie der erste Interviewte kommentieren: „Mon histoire personnelle, à l’intérieur de l’usine, c’est aussi ça qui donne du sens à ce que je vis“, dank des „travail d’équipe qui est rendu possible par l’intelligence de chacun“ (ibid.: 22). Die daraus resultierende „fierté née de l’expérience de son intelligence“ (ibid.: 31) wird allerdings in der in den 1990er Jahren einsetzenden Neoliberalisierung und Globalisierung mehr und mehr überflüssig, wenn nicht gar anachronistisch. In gewisser Weise beschreibt und vollzieht Bertina damit auch einen eigenen Lernprozess (die Rezension in Le Monde des livres spricht von „pédagogie“; Leclair 2021): sowohl was die sozialen Verhältnisse in einer deindustrialisierten Provinz angeht als auch was die Schwierigkeiten betrifft, sich gegen Ausbeutung und Geringschätzung zur Wehr zu setzen. Beeindruckend ist etwa die Erarbeitung eines Gesetzentwurfs, um das System der Subunternehmen einzuschränken, der von der Macron-Parlamentsmehrheit verhindert wird, oder der erfolgreiche juristische Einspruch gegen die massive Entlassungswelle von Mai 2017, dessen Konsequenzen der Conseil d’État 2020 annulliert. Bertina begleitet die Streikenden aber auch bei der Blockade anderer Betriebe, etwa von Peugeot in Saint-Fons oder von Renault in Flins. Besonders spektakulär sind die Verhandlungen mit dem Wirtschaftsminister Bruno Le Maire in Bercy 2017 (Bertina 2021: 66), einer Hauptfigur in Houellebecqs Anéantir (2022). Diesem Treffen ist eine Demonstration bei einem Besuch des neugewählten Präsidenten Macron in Bellac (Haute Vienne) vorausgegangen, bei dem der Präsident auf die Fragen „s’il laissera ‚mourir toute une région‘“, „s’il faut s’attendre à le découvrir aussi ‚pourri que les autres‘“ (womit nur sein Vorgänger Hollande gemeint sein kann) antwortet: „Nous allons mettre en place une cellule de crise“. Bezeichnend für das Engagement Bertinas ist der Kommentar des Erzählers: „J’ai perdu mon calme en lisant les articles relatant l’altercation“, und er lässt Macron fiktiv antworten: „Et mangez vos gosses; vous ne les entendrez plus chouiner, et vous aurez le ventre plein“ (ibid.: 59) - trotz aller Ironie ein Indiz für die wütende Empörung des Erzählers. Später vergleicht er Macron implizit mit Goebbels: „Tous les régimes autoritaires veulent tailler dans le dictionnaire“ (ibid.: 227). Die Szene mit Bruno Le Maire in Bercy wird dagegen im Bericht des streikenden Vincent Labrousse relativ neutral dargestellt: Les mots précisément, je ne me souviens pas bien, mais c’est tendu. Ils nous disent qu’ils ont déjà fait beaucoup pour faire avancer le dossier. […] Le Maire prend un petit avantage DOI 10.24053/ ldm-2023-0010 123 Dossier quand il dit qu’il s’engage à s’occuper de notre indemnité supra-légale avant de prendre l’avion pour New York (ibid.: 67). Als die Streikenden jedoch zur Fortsetzung der Verhandlungen nicht ins Finanzministerium, sondern ins Ibis-Hotel Bercy eingeladen werden, fühlen sie sich zu Recht verraten, und der Erzähler kommentiert: „Le fait que la République se délocalisait, elle aussi, par peur de voir le peuple entrer à nouveau dans ses meubles, où il pourrait prendre ses aises, se croire chez lui, et qu’on ne puisse plus s’en défaire“ (ibid.: 70), auch wenn er sich vielleicht zu sehr von Reminiszenzen an die Revolution von 1848 überwältigen lässt (Éducation sentimentale). Darüber kommt das Resultat der dreitägigen Verhandlungen zu kurz: der unsoziale Sozialplan, mit dem nur 120 der 277 Arbeiter weiter beschäftigt werden sollen, und den die Gerichte später als ungesetzlich aufheben sollten. So verständlich die Wut und die Enttäuschung der Streikenden ist („T’as le sentiment d’avoir été trahi, et d’avoir été utilisé pour trahir nos camarades“; ibid.: 68), so aufschlussreich ist der Kommentar des Erzählers: Für ihn zeigt diese Szene das, was „peut-être ni Vincent ni les flics n’auront intellectualisé à ce moment […] la trouille des politiques […] on est si bien entre anciens de l’ENA ou de Sciences Po à se caresser la nouille“ (ibid.: 70). Die Reaktionen der Streikenden, die sich ‚verraten‘ fühlen, sind ein Indiz für den sozialen und ideologischen Riss oder besser den Abgrund, der sich zwischen den classes populaires und der politischsozialen Elite aufgetan hat, und den (nur? ) der Erzähler versteht. Wie Bon im Fall von Daewoo, fragt Bertina im Fall von GM&S: „Où est passé l’argent public? “ (ibid.: 172). Bon informiert gleich zu Anfang lakonisch: „On estime à 35 millions d’euros les subventions publiques versées à Daewoo“ (Bon 2004: 20), und verweist auf den politischen Hintergrund (ibid.: 240-246), von Jacques Chirac, über Philippe Séguin (Sozialminister), Gérard Longuet (Industrieminister) bis zu Alain Juppé (Premierminister). Und Bertina ‚antwortet‘ zu Recht: „Difficile à dire car l’État lui-même ne sait rien [man könnte auch sagen: ne veut rien savoir], qui semble plus soucieux du contrôle des citoyens que de suivre à la trace l’argent public dont il use avec une apparente désinvolture“ (Bertina 2021: 172). Bertina/ Bon: sont-ils Bourdieu? Mit der Anspielung auf den Titel des Artikels von Sarah Sindaco und Benoît Denis (2010), möchte ich deren Frage vergleichend an beide Fabrikbesetzungstexte richten. Am Ende ihres Aufsatzes bilanzieren sie: Il en résulte que la confrontation de Bourdieu et de Bon […] livre cette étrange leçon que dans leur commune passion à investiguer le réel social, c’est moins la littérature qui a besoin de la sociologie, que la sociologie de la littérature! (ibid.: 56). Dies gilt auch für Arno Bertina. Auf ähnliche Weise wie Bon bei den streikenden Daewoo-Frauen betont er die Solidarität der fast ausschließlich männlichen Strei- 124 DOI 10.24053/ ldm-2023-0010 Dossier kenden. Sie beruht auf der Überzeugung, sich für eine „belle action, au sens esthétique comme au sens moral“ (Bertina 2021: 213) zu engagieren, doch anders als Bon, der seinen Streikenden mit den Interviews und den Dramen-Sequenzen ein literarisches Denkmal errichtet, überkommen Bertina Zweifel gegenüber der eigenen literarischen Konzeption. Unter Verweis auf Hugo oder Sartre fragt er angesichts der Zustände: Alors que faire de cette colère dont je suis l’otage? Mais comment le faire sans renoncer à l’intelligence promise par la littérature? Comment allumer un contre-feu sur le terrain du langage et des représentations sans enfiler les œillères qui, dit-on, trahissent le militant? (ibid.: 220). Wenig später fragt er mit dem Brice Parrain zitierenden Sartre von Qu’est-ce que la littérature? : „À quelle condition les mots sont-ils des ,pistolets chargés‘? “ (ibid.: 221). Während sich aus Bons Reflexionen eine narrative und stilistische Ästhetik (Stimmen-Polyphonie, Fragmentcharakter, Syntax) ergibt, bleibt Bertina bei einer sympathisch-kritischen Selbstbefragung: „Ai-je écrit un livre de deuil en lieu et place du livre de combat que j’ambitionnais? “ (ibid.: 222) und verweist damit auf den ambiguen Status von Ceux qui trop supportent zwischen Zeugnis- und Aktivismus-Literatur. Bei Bon lässt sich in der Intensität der Sprache, die Viart zurecht so charakterisiert: „elle bouscule la norme, syncope la phrase, la gonfle d’une énergie nouvelle, en fait craquer les jointures, se fait heurter les mots“ (Viart 2008: 27), der Einfluss von Rabelais, Agrippa d’Aubigné, Rimbaud, Artaud oder Valère Novarina feststellen, während Bertina sich von historischen Einflüssen freimachen will und eine „littérature toute entière tournée vers le présent, vers le contemporain“ (Bertina 2018: 213) propagiert. In mancher Hinsicht besteht die Differenz zwischen den beiden Fabrikbesetzungsromanen auch in einer unterschiedlichen Konzeption, was das Engagement angeht. Während Bon ein Engagement vertritt, das sich jenseits der klaren politisch-sozialen Positionen vor allem in einem eigenen und eigenwilligen, man kann auch sagen einzigartigen Stil manifestiert, vertritt Bertina die in der Literatur eher seltene Position des Kunst-Aktivismus; dies zeigt sich auch in Une année en France (2007), wo Bertina Bon und andere wegen ihrer traditionellen Literaturkonzeption kritisiert. D. h. die Literatur soll zwar auch der „intelligence promise par la littérature“ (Bertina 2021: 220) genügen, sie soll jedoch vor allem dem dienen, was Bertina auf der letzten Seite seines Textes als Bilanz formuliert: Fraternité, excitation, pertinence politique ou intellectuelle… Voilà ce qui se dégageait de leur combat - peut-être est-ce même l’image que renvoient tous les combats sociaux quand on les vit en direct, et non via des caméras qui rarement filment la joie ressentie à s’ébrouer, quand on se découvre une voix qui porte (ibid.: 230). Mit dieser „vie en direct “, die weit über die Interviews bei Bourdieu und bei Bon hinausgeht, praktiziert Bertina zwar auch den „regard prolongé et accueillant qui est nécessaire pour s’imprégner de la nécessité singulière de chaque témoignage“ DOI 10.24053/ ldm-2023-0010 125 Dossier (Bourdieu 1993: 1421), vor allem aber verweist die „vie en direct “ wohl nicht zufällig auf eine action directe. Anders als die Literatur bei Bon oder die Soziologie bei Bourdieu soll die Literatur bei Bertina nicht nur bezeugen und erfahrbar machen, sondern im Sinne des Kunst-Aktivismus performativ wirken. Asholt, Wolfgang, Der französische Roman der achtziger Jahre, Darmstadt, WBG, 1994a. —, „Trauerarbeit der Moderne in Romanen von François Bon, Jean Echenoz und Marie Redonnet“, in: id. (ed.), Intertextualität und Subversivität. 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Wie gut Bertina Bon kennt, zeigen zahlreiche Rezensionen von Bon-Publikationen Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre.