eJournals lendemains 48/189

lendemains
ldm
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
10.24053/ldm-2023-0011
0923
2024
48189

„C’est de l’enfer des pauvres qu’est fait le paradis des riches“ – Über die Wortergreifung der „gens qui ne sont rien“ im Film J’veux du soleil (2019)

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Hartmut Stenzel
ldm481890127
DOI 10.24053/ ldm-2023-0011 127 Dossier Hartmut Stenzel „C’est de l’enfer des pauvres qu’est fait le paradis des riches“ 1 - Über die Wortergreifung der „gens qui ne sont rien“ 2 im Film J’veux du soleil (2019) Der Film J’veux du soleil von François Ruffin und Gilles Perret (an der Kamera) hatte im Frühjahr 2019 in Frankreich einen beträchtlichen Erfolg beim Publikum wie in den Medien. Etwa 200 000 Besucher haben ihn gesehen, und er hielt einige Wochen einen Platz unter den zehn erfolgreichsten Kinofilmen, was für einen Dokumentarfilm außergewöhnlich ist. Alle nationalen und viele regionale Tageszeitungen brachten Besprechungen des Films, Berichte von Diskussionsveranstaltungen oder auch Gespräche mit den Autoren. In anderen Medien vom Rundfunk bis zum Internet war der Film ebenfalls ausgesprochen präsent. Wie lässt sich der Erfolg dieses Dokumentarfilms erklären? Mit der Bewegung der Gilets jaunes greift der Film nicht nur ein seinerzeit aktuelles und vieldiskutiertes Thema auf. Er tut dies in einer offensichtlich publikumswirksamen Weise - vor allem dadurch, dass er die Akteure dieser Bewegung selbst zu Wort kommen lässt und ihnen zuhört. Es sei seine Absicht gewesen, so Ruffin in einem Interview, „[de] faire remonter les paroles, les visages, les envies, les espoirs, les tristesses des gens d’en bas“. In der Bewegung der Gilets jaunes, so sagt er, seien „ceux qui étaient les plus invisibles […] devenus les plus visibles“ (Berthaud 2019), und der Film will diese dadurch bewirkte Sichtbarkeit und die Wortergreifung der zuvor ‚Unsichtbaren‘ dokumentieren. Zu diesem Erfolg hat zweifellos auch die Popularität von Ruffin beigetragen, der zuletzt als Abgeordneter von La France insoumise (LFI) 2022 mit großem Abstand in der Somme wiedergewählt wurde, einem ansonsten weitgehend von Marine Le Pens Rassemblement National (RN) politisch vertretenen Département. Er hat trotz seines politischen Engagements die Arbeit als Journalist bis heute nicht aufgegeben und war und ist auch als Filmemacher erfolgreich (zuletzt: Debout les femmes! , 2021). Sein Film Merci patron! (2016) über die Verlagerung einer ganzen Firma von Frankreich nach Polen erhielt 2017 den César für den besten Dokumentarfilm. Der Film zeigt, wie zwei von der Werkschließung betroffene Arbeiterinnen versuchen, den Großkapitalisten Bernard Arnault von seinen Plänen abzubringen - eine ebenso verzweifelte wie ironische Sicht auf die Macht des Kapitals. So verbinden Ruffins Filme politisches Engagement und innovative Inszenierung sozialer Konflikte, was im Übrigen auch für seinen Kameramann Gilles Perret gilt, der auch selbst sozialkritische Filme verantwortet hat. 3 128 DOI 10.24053/ ldm-2023-0011 Dossier J’veux du soleil zeigt eine Rundfahrt Ruffins, nur begleitet von seinem Kameramann, zu einem Dutzend von den Gilets jaunes besetzter Kreisverkehrsanlagen, ausgehend von Amiens kreuz und quer durch Frankreich bis zum Mittelmeer, im November 2018, auf dem Höhepunkt der Protestbewegung. Seine Gesprächspartner und partnerinnen werden im Abspann mit Bildern und Vornamen aufgeführt, soweit diese bekannt sind (ansonsten mit Bild und dem Hinweis „avis de recherche“); sie sind dadurch die eigentlichen Darsteller des Films, um die es Ruffin geht. J’veux du soleil zitiert den Titel (der am Ende jeder Strophe als Refrain wiederholt wird) eines in den 1990er Jahren erfolgreichen Chansons der Gruppe Au petit bonheur, das von der Sehnsucht nach einer verloren gegangenen geborgenen Kindheit handelt. Dieser Refrain wird im Film zu einem Leitmotiv für den darin vielfach formulierten Wunsch der Gilets jaunes nach einem Ausbrechen aus ihrer finanziell wie psychisch bedrückenden Lebenssituation. Cindy, eine der Gilets jaunes, die im Film zu Wort kommen, versinnbildlicht die Bewegung im Bild einer Tür, die sich für sie geöffnet habe und fährt fort: „J’vois le soleil derrière, je vois jaune, je fonce“. Am Ende des Films wird dann Marie, eine andere prekär Beschäftigte („un mois de loyer, trois mois de cantine et six mois d’eau en retard“, 01: 08: 00), das Lied am Strand des Mittelmeers intonieren, bevor der Film zu einer Studioaufnahme von „J’veux du soleil“ mit der Gruppe Au petit bonheur selbst überblendet und damit in den Abspann überleitet (01: 12: 20- 01: 16: 00). Abb. 1: „J’vois le soleil derrière, je vois jaune, je fonce“ (34: 10) In manchen derart symbolisch bedeutsamen Inszenierungen ist der Film durchaus absichtsvoll auf Wirkung bedacht komponiert. Er entwirft mit solchen Elementen einen die Wahrnehmung lenkenden Verstehenshorizont für die, denen er das Wort gibt. So beginnt er mit einer Reihe von kurzen Ausschnitten aus Fernsehsendungen, in denen regierungsnahe Politiker die Gilets jaunes in teils drastischen Formulierungen als Homophobe, Antisemiten oder gar Faschisten verurteilen, bis hin zu dem Urteil Macrons: „C’est la négation de la France“ (01: 20-02: 20). Dagegen werden Szenen der Solidarität und der Verbrüderung an den ronds points gestellt, bevor die Fahrt beginnt und Ruffin selbst am Steuer seines Autos diesen abwertenden Diskurs DOI 10.24053/ ldm-2023-0011 129 Dossier aufgreift und seine Motive erläutert: „Je veux bien voir s’il n’y a que des fachos“ (02: 40-02: 55). Diese Entgegensetzung von politischem Diskurs und Momentaufnahmen aus der Protestbewegung impliziert eine Parteinahme, die auch in einigen vergleichbaren Montagen deutlich wird (etwa 56: 30-57: 15 in dem unkommentierten Gegensatz zwischen einigen Fragmenten von Szenen aus der Lebenswelt des Jet-Set und der Evokation der Alltagsmisere in den Äußerungen der Gilets jaunes). Dennoch folgt der Film in seinem Ablauf weitgehend dem Zufall der Begegnungen an immer neuen besetzten Kreisverkehrsanlagen, auf der Suche nach den Motiven der Bewegung der Gilets jaunes, die er in meist kommentarlos hintereinander geschnittenen Szenen mit deren Selbstaussagen präsentiert. Die Lage dieser ronds points mit den als Zeichen des Protests errichteten Barrikaden wird im Film nur allgemein mit der Einblendung von Ortsnamen angegeben, sie scheinen aber meist in den allgemein als ‚périurbain‘ bezeichneten Randgebieten von Städten oder größeren Orten zu liegen. Auch wenn die Bewegung der Gilets jaunes wenig strukturiert ist, sind diese Gebiete einer der Schwerpunkte ihrer Aktionen gewesen. Darauf verweist deren Ausgangspunkt, der Protest gegen die taxe carburant, ebenso wie der Kreisverkehr selbst als der praktische wie auch symbolische Ort ihres Protests. Denn die Bewohner des vom öffentlichen Nahverkehr meist vernachlässigten Bereichs des périurbain sind weit mehr als etwa Stadtbewohner auf das Auto als Verkehrsmittel angewiesen (cf. Grimault 2016; Gradt 2018). So ist es denn für ein Verständnis der Proteste durchaus bedeutsam, dass der Film die Orte aufsucht, an denen die Gilets jaunes sich spontan zusammengefunden und als Protestbewegung konstituiert haben. Es ist daher für die Motive dieser Bewegung wie auch des Films aufschlussreich, die Bedeutung des périurbain kurz zu skizzieren. Diese Gebiete sind schon seit den 1990er Jahren zunehmend besiedelt worden und im letzten Jahrzehnt durch die Flucht einer weniger begüterten Schicht aus den teureren Innenstadtgebieten Orte sozialer Marginalisierung und wachsender Konflikte geworden (cf. hierzu und zum Folgenden etwa Depraz 2017: 165-192; Dupuit 2022). Der Sozialgeograph Christophe Guilluy (2014) hat sie als einen der wesentlichen Räume einer „France périphérique“ analysiert, deren Gegensatz zur „France métropolitaine“ er als einen grundlegenden sozialen Konflikt für das Frankreich des 21. Jahrhunderts ansieht. Auch wenn Guilluys Thesen zum Teil kritisch diskutiert werden, sind ihre ökonomischen und ideologischen Implikationen für eine Analyse der Bewegung der Gilets jaunes bedenkenswert. 4 Er insistiert vor allem auf der wachsenden sozialen wie ökonomischen Spaltung der französischen Gesellschaft in eine France métropolitaine und eine France périphérique, die räumlich ebenso einschneidend ist wie politisch und ideologisch: [Les habitants de la France périphérique] sont en train de remettre en cause l’essentiel de la doxa des classes dirigeantes qui n’ont toujours pas pris la mesure du gouffre idéologique et culturel qui les sépare désormais des classes les plus modestes. Ces dernières, qui n’acceptent plus aucune forme de tutorat ni politique ni intellectuel, développent leur propre diagnostic de la société: le ,populisme‘ selon la terminologie des élites (ibid.: 89sq.). 130 DOI 10.24053/ ldm-2023-0011 Dossier Bereits in dieser Deutung Guilluys, die er ja einige Jahre vor den Aktionen der Gilets jaunes entworfen hat, deuten sich die wesentlichen Motive ihrer Bewegung an. Ihre Marginalisierung, die Spaltung der Gesellschaft, die sie räumlich wie sozial erfahren, führt zu einer Ablehnung der dominanten politischen Diskurse, eine Ablehnung, die radikale Aktionen zur Folge hat, sobald ein Anlass dafür gegeben ist. Dieser Anlass war eine Steuererhöhung auf Diesel, deren ‚edle‘ ökologische Begründung (Angleichung an die Steuer auf Benzin) kein Verständnis bei den dadurch belasteten Pendlern fand und zu den ersten Aktionen führte (cf. Blavier 2021: 27-42; Germain 2018). Dass diese Bewegung so schnell Anklang fand, sich ausweitete und zu weit über den konkreten Anlass hinausgehenden ökonomischen Forderungen führte, liegt an der sozialen Lage der Protestierenden. Dass deren Proteste trotz einiger Konzessionen der Regierung zunächst gescheitert sind, ändert nichts an ihrer Bedeutung als Indikator sozialer Misere. Pierre Blavier (2021), der eine Regionalstudie zur ökonomischen Lage der Aktivistinnen und Aktivisten durchgeführt hat, fasst die Ergebnisse seiner Umfrage programmatisch in dem Titel La révolte des budgets contraints zusammen. Erfragt hatte er bei Demonstrierenden an Kreisverkehren in der Region Centre die wirtschaftlichen Verhältnisse, mit denen sie zurechtkommen müssen. Er deutet ihre durchgängig prekären Lebensverhältnisse als Hauptmotiv der Revolte und schreibt: „La mobilisation des Gilets jaunes peut s’interpréter comme la réponse populaire à une offensive sur le budget des familles“ (Blavier 2021: 144, cf. auch 147-182). Blaviers Analyse zeigt, dass der Protest sich über den konkreten Anlass der taxe carburant hinaus gegen die Lebenssituation in einer „Abstiegsgesellschaft“ (Nachtwey 2016) richtet, die für die unteren Schichten keine Perspektiven einer Veränderung mehr bietet. 5 Dieser Begriff, den Oliver Nachtwey in einer soziologischen Analyse vornehmlich des Wandels der deutschen Nachkriegsgesellschaft, des Verfalls des Wirtschaftswunder-Narrativs entwickelt hat, bezeichnet treffend auch den Zustand der französischen Gesellschaft. Der Soziologe Emmanuel Todd hat die entsprechende Entwicklung in Frankreich folgendermaßen charakterisiert: En haut, une élite de masse (en gros un tiers de la population) s’est repliée sur elle-même [...]. Symétriquement, les gens restés calés au niveau de l’instruction primaire se sont aussi repliés. Ce processus de fragmentation sociale s’est généralisé au point de faire émerger un affrontement des élites et du peuple (Todd 2017). In diese Spaltung der französischen Gesellschaft kann man die Bewegung der Gilets jaunes einordnen, als einen Versuch, die Interessen eines ausgegrenzten, von der Politik und den Eliten vernachlässigten Teils der Bevölkerung zur Geltung zu bringen. Im Film bringt der Bürgermeister von Saint-Julien-du-Serre diese Situation in einer imaginären Ansprache an Macron auf den Punkt: „Vous ne comprenez pas les souffrances du peuple. […] Vous êtes d’un autre monde“ (40: 55-41: 20). Allerdings handelt es sich bei den Protestierenden in erster Linie um eine soziale Schicht, die Ayméric Patricot (2013; 2022) als „petits blancs“ bezeichnet hat, einen nicht der Immigration entstammenden Teil der ärmeren Bevölkerung, die er als im DOI 10.24053/ ldm-2023-0011 131 Dossier System sozialer Absicherung besonders benachteiligt ansieht, gerade wegen ihrer Herkunft als „Français(es) de souche“. Zumindest dem Anschein nach gehören die Gesprächspartner und -partnerinnen Ruffins mit einer Ausnahme wohl dieser Gruppe an. Diese Problematik der Bewegung der Gilets jaunes, die Konsequenzen einer Spaltung der Unterschicht in räumlich getrennte (etwa périurbain vs. banlieue) und möglicherweise sozial konträre Teile kann hier nicht weiter untersucht werden. 6 Mit welcher Absicht und in welcher Weise zeigt der Film nun die Lebenssituation der Gilets jaunes, ihre Revolte und ihre Erfahrungen? Ich habe schon darauf hingewiesen, dass er deren Partei ergreift und sich gegen ihre mediale Verurteilung wendet. 7 Zugleich will Ruffin sie als diejenigen darstellen, die in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden und deren Stimme nicht gehört wird: „Qui on voit dans le film? [...] Des gens que d’habitude on ne voit pas“ (Berthaud 2019). Die Bewegung der Gilets jaunes gilt ihm unter Verweis auf die großen Demonstrationen in ganz Frankreich am 17. November 2018 als ein Moment der Bewusstwerdung und der Wortergreifung eines Teils der Gesellschaft, dessen Bedürfnisse bis dahin missachtet und bis zum Beginn der Aktionen unsichtbar geblieben sind: Là, on est dans ce temps, le 17 novembre, où ceux qui étaient les plus invisibles, sont devenus les plus visibles, [...] ceux qui étaient muets sont devenus bavards, et surtout, ceux qui étaient les plus résignés, accablés par le fatalisme, se sont remis à espérer (ibid.). Erneut zeigt sich so die Position eines Sympathisanten, die dem Film zugrunde liegt, die seine Sicht auf die Bewegung bestimmt und ihre Wortergreifung dokumentieren will. Ruffin charakterisiert diese Dokumentation sogar als „film d’amour [...] des gens que d’habitude on ne voit pas“ (ibid.). Dieser Ansatz nun bestimmt die Grundstruktur des Films, die Montage von Positionen und Selbstdarstellungen, von einem Kreisverkehr zum nächsten, gelegentlich auch in der Wohnung einzelner Aktivisten und Aktivistinnen. Im Grunde gleichen sich die Orte, die Kreisverkehrsanlagen und Barrikaden, und auch die Probleme, von denen die Gilets jaunes berichten, oder ihre Meinungen und Motive für den Protest, die sie vortragen, unterscheiden sich kaum. Ruffin gibt als deren einverständiger Gesprächspartner im Wesentlichen nur relativ allgemeine Redeimpulse (mit einer Ausnahme, auf die ich noch eingehen werde). Diese Anlage des Films soll nun an einigen Beispielen behandelt werden. Ein wichtiger Aspekt der Revolte ist die Erfahrung von Solidarität in der gemeinsamen Aktion. So sagt einer der Aktivisten an einem Kreisverkehr: „On vit un truc de fous ici. C’est merveilleux [...]. Pour moi, c’est de la famille. On est une famille ici“ (16: 10-16: 30). Die Metapher der Familie ist auch in anderen Äußerungen präsent, um die Gemeinsamkeit zu charakterisieren, die in der Arbeit an den Straßenbarrikaden und ihrer Bewachung zwischen Aktivisten entsteht, die sich meist zuvor gar nicht kannten (etwa 23: 50; 18: 30 evoziert ein Aktivist die „vraie fraternité“ auf den Barrikaden etc.). Diese emotionale Dimension der gemeinsamen Aktionen kommt auch in weiteren Aussagen zum Ausdruck. So sagt ein anderer Aktivist an derselben Barrikade: „C’est énorme c’qu’on vit ici. [...] on a tous versé une larme, je pense [...] sur 132 DOI 10.24053/ ldm-2023-0011 Dossier les relations qui se nouent“ (23: 20). Der Film kontrastiert diese Solidarität mit den salbungsvollen Worten, mit denen Macron auf dem Höhepunkt der Bewegung in einer Fernsehansprache zu beschwichtigen versucht (nicht mehr „c’est la négation de la France“, sondern „mon seul souci, c’est vous“). Sie gehen in den Protestrufen („Macron, démission“) der zuschauenden Aktivistinnen und Aktivisten unter (24: 10- 25: 00). In den im Film präsentierten Stellungnahmen der Gilets jaunes kommt immer wieder diese radikale Ablehnung der von der Regierung betriebenen Politik zum Ausdruck, so etwa in den Antworten auf die wiederholt im Verlauf der Gespräche von Ruffin gestellte Frage „Si j’étais Macron, qu’est-ce que vous me diriez? “ (39: 50, 55: 30). Mit der negativen Sicht der Politik kontrastiert die Verbrüderung auf den Barrikaden im Kreisverkehr, „la fraternité“, die in manchen Äußerungen geradezu als Ziel der Bewegung erscheint. So heißt es in den längeren Ausführungen eines Gilet jaune zur Politik und der Solidarität an den Barrikaden unter anderem: „Le fait de se lier d’amitié, d’un profond respect [...] ça manquait vraiment [...] à tout le peuple français“, wobei er zugleich betont: „Dans la grande colère qui est à l’origine de tout cela, il y a aussi un message d’harmonie entre les gens“ (07: 10-07: 20). Diese Haltung habe an den Barrikaden zugleich zu einem „retour d’une dignité“ beigetragen. Die Beziehungen unter den Aktivisten erscheinen so geradezu als Voraussetzung für ihr kollektives Handeln, für den Widerstand gegen eine Politik, in der sie ansonsten, so einer von ihnen, zermalmt würden von der „grande moulinette de tout cela, de l’Europe, de la mondialisation et qui sont amenés à disparaître“. Die Globalität dieser Kritik an einer Politik, die die kleinen Leute bedroht, mag befremden, aber der Aktivist ringt sichtlich nach Worten, wenn er sie benennen will. Und er fügt an: „Les gens qui ont toujours courbé la tête relèvent la tête. [...] Les gens se disent: si c’est pas maintenant, c’est trop tard“ (07: 50-8: 30). Dass vielen Protestierenden die Dringlichkeit ihrer Aktionen so unabweisbar erscheint, wird verständlich, wenn man die ökonomische Misere bedenkt, von der viele Gesprächspartner und -partnerinnen Ruffins erzählen. Da kommt etwa eine Frau zu Wort, die von Sozialhilfe lebt und ihre Existenz durch Geschenkkarten großer Supermärkte fristet, die sie beim Bingo gewinnt. Eine andere berichtet von der Scham, die sie empfindet, wenn sie beim Secours populaire für ein kostenloses Essen ansteht (11: 20-12: 10, vgl. auch 32: 30). Ein junger Mann „en intérim“ („je travaille quand on m’appelle“) schlägt vor, seinen leeren Kühlschrank zu filmen: „Mon frigo, il est vide, tout le mois il est vide“. Und er beschreibt seine Lage, in der die Bedingungen der Zeitarbeit ihm jede finanzielle Sicherheit nehmen: „À 28 ans, je vis de l’aide de ma grand-mère. C’est pas normal, non? [...] Des mois, quand je veux manger, je passe sur mes factures“ (03: 40-04: 40). Die bereits erwähnte Cindy schließlich, die als Hilfskraft in einer École maternelle (als ATSEM) arbeitet, berichtet von ihrer Verzweiflung, wenn sie dringend benötigte Lebensmittel im Supermarkt nicht bezahlen kann, und von ihrer Wut, wenn sie beobachtet, dass „des gosses de riches“ sich alles Mögliche bis hin zu Zigaretten kaufen können, während sie Hunger hat (31: 40- 32: 20). Weithin der oben zitierten Analyse Blaviers (2021) entsprechend, erscheint DOI 10.24053/ ldm-2023-0011 133 Dossier in allen diesen Erfahrungsberichten die prekäre ökonomische Lage als ein zentrales Motiv für die Revolte der Gilets jaunes. Abb. 2: „Mon frigo, il est vide, tout le mois il est vide“ (03: 40) Zugleich wird in diesen Äußerungen auch die psychische Dimension des prekären Lebens deutlich. Das Bewusstsein der ökonomischen Misere, der Ausgrenzung aus einer gesellschaftlichen ‚Normalität‘ der Existenz, die „Erosion von Normalitätsstandards“, was Dörre (2014: 6) als Prekarisierung bezeichnet hat, erscheint zumindest als ebenso belastend wie diese Misere selbst. Der eben zitierte junge Mann ist den Tränen nahe, wenn er die Abhängigkeit von seiner Großmutter erwähnt, ebenso wie Cindy, wenn sie von dem achtlosen Umgang mit Geld berichtet, den sie bei Kindern aus reichen Familien beobachtet, während sie sich nicht das kaufen kann, was sie dringend benötigt. Verzweiflung und Veränderungswillen mischen sich zu einem Engagement, das alle Hoffnung auf Veränderung durch die Revolte setzt - symbolisiert in Cindys schon zitierter Vision der Sonne hinter der Türe, die die Bewegung geöffnet habe. Diese Hoffnung sichtbar werden zu lassen ist ein Ziel, das Ruffin mit seinem Film verfolgt: Sie erscheint in seiner Sicht der Bewegung als ein Antrieb, der die betroffenen Individuen wieder handlungsfähig macht. Es geht Ruffin um die Aufwertung von Menschen, die unter der gesellschaftlichen Abwertung und Ausgrenzung durch ihre Armut leiden. Er will sie über sich sprechen lassen, um ihnen ein Bewusstsein über ihren Wert zu geben. Das zeigt sich auch in der Konzeption der Schönheit, die er mit seinem Film und dessen Gegenstand verbindet: Ce que ressentent les gilets jaunes qui assistent au film, c’est une fierté. Quand, constamment, on leur dit que c’est un mouvement de casseurs, de violents, d’extrémistes, de se voir beau à l’écran... C’est une sorte de beauté inversée! Parce qu’honnêtement, il n’y a rien de plus moche qu’un gilet jaune. Mais simplement le fait qu’il soit décoré, qu’il y ait des licornes, ça transforme ce qui était quelque chose de pas très beau en quelque chose de beau (Berthaud 2019). 134 DOI 10.24053/ ldm-2023-0011 Dossier Das Emblem der Revolte, den Gilet jaune, begreift er in einer Umwertung der gängigen ästhetischen Vorstellungen als Inbegriff einer „beauté inversée“. Diese setzt nicht nur Kreativität frei („le fait qu’il soit décoré“), sondern entzieht die Individuen in ihrem Handeln und Aussehen einer gesellschaftlichen Normierung. Eine zentrale Szene des Films verdeutlicht diese ästhetische Intention nachdrücklich. Bei der Anfahrt zu einem blockierten Kreisverkehr entdecken Ruffin und Perret das großformatige Porträt eines Aktivisten auf dem Rondell inmitten des Kreisverkehrs. Sie erkundigen sich und erfahren, dass es sich um Marcel handelt, einen Maurer im Ruhestand „qui vit d’une retraite de misère“. Er sei in der Bewegung engagiert, aber gerade nicht da. Auf die Frage, wie das Bild Marcels ausgewählt worden sei, antworten ihm mehrere dabeistehende Aktivisten auf einmal, er sei so etwas wie das Symbol ihrer Misere: „l’usure de la vie, [...] le malheur, la tristesse, c’est tout dans ses yeux“, wie eine der Umstehenden sagt. Darauf reagiert Ruffin mit seinem einzigen längeren und deutenden Redebeitrag in dem Film. Das Porträt stehe in einer Tradition der Bilder, in der Herrscher und Würdenträger, später dann Stars und Staatsmänner dargestellt worden sind. Nun aber seien die einfachen Leute an der Reihe: „Nous aussi, on a le droit à la beauté, c’est pas réservé aux riches“. Die Umstehenden scheinen ihm, wie ihre nonverbalen Reaktionen zeigen, nachdrücklich zuzustimmen (57: 30-59: 30). Abb. 3: „Nous aussi, on a le droit à la beauté, c’est pas réservé aux riches“ (59: 15). Die Widmung im Abspann des Films „À tous les Marcel“ unterstreicht die symbolische Bedeutung, die dieser Szene und dem Porträt in der Konzeption des Films zukommt. Der Ausdruck des Elends in den Gesichtszügen Marcels wird zum Inbegriff einer anderen Art von Schönheit: Diese wird nicht in der Erhabenheit traditioneller Porträts verkörpert, sondern in der „usure de la vie“. Die Umwertung der Bedeutung bildlicher Repräsentation und des Schönheitsbegriffs zielen auf eine DOI 10.24053/ ldm-2023-0011 135 Dossier Aufwertung der „gens qui ne sont rien“ und ihrer Revolte; sie bringen die zentrale Botschaft des Films zum Ausdruck. Nun wird man allerdings einschränken müssen, dass die eben zitierte ästhetische Wertung der Revolte eine Deutung Ruffins ist. Diese Feststellung wirft nun allgemeiner die Frage auf, ob und inwieweit deren Wortergreifung im Film nicht nur spontan ist, sondern durch die im Film aufgebaute Perspektive auch gelenkt wird. Zu reflektieren wäre die Frage, inwieweit die Anbahnung einer Kommunikation, die Erzeugung einer spezifischen Kommunikationssituation, deren Inhalte beeinflusst. So formuliert Pierre Bourdieu in den Überlegungen für die Gespräche, die der von ihm geleiteten Sozialstudie La Misère du monde zugrunde liegen: „[Il faut] tenter de connaître les effets que l’on peut produire sans le savoir par cette sorte d’intrusion toujours un peu arbitraire qui est au principe de l’échange“ (Bourdieu 1993: 1392). Da in dem Film der Kontext der Gespräche meist nur andeutungsweise, ihre Anbahnung wie auch möglicherweise dabei gegebene Erläuterungen der Filmenden über ihre Intentionen in keinem Fall gezeigt werden, kann ich die Frage nach der Einwirkung der Gesprächssituation auf die Befragten nur in diesen allgemeinen Überlegungen behandeln. Soweit der Film längere Ausschnitte aus Gesprächen zeigt, lässt sich zumindest beobachten, dass Ruffins Interventionen sich darin auf Rückfragen oder die Bitte um Erläuterungen beschränken. Dies ist nur in der zuletzt analysierten Szene anders, in der sich Ruffin nicht nur quasi in die Bewegung der Gilets jaunes einreiht („nous aussi...“), sondern auch eine Deutung der symbolischen Bedeutung des Porträts entwirft. Allerdings geht diese Deutung von den Erläuterungen der umstehenden Gilets jaunes aus und findet deren Zustimmung, sodass sie sich in den Kontext der wechselseitig weitgehend gleichberechtigt erscheinenden Kommunikation einzufügen scheint. Prinzipiell kann man auf jeden Fall feststellen, dass im Kontext der Bewegung der Gilets jaunes schon durch ihre mediale Resonanz eine Intensivierung der Wortergreifung zu konstatieren ist. Darauf verweist die weiter oben schon teilweise zitierte Erfahrung, die Ruffin in seinen Kontakten mit den sozial und ökonomisch Benachteiligten gemacht hat und die er so formuliert: Je suis reporter à Amiens dans mon coin et ça fait vingt ans que ces personnes je les entends. Mais c’est en chuchotant. C’est dans le silence de leur appartement qu’elles me parlent de leur frigo trop vide, de leur difficulté à mettre les enfants au centre de vacances, ou à leur payer des marques pour ne pas qu’on se moque d’eux à l’école, mais c’est avec honte! Parfois je dis, les pauvres se cachent pour souffrir. Là, on est dans ce temps, le 17 novembre, où [...] ceux qui étaient muets sont devenus bavards (Berthaud 2019). Unter den Bedingungen einer großen, wenn auch kurzzeitigen sozialen Bewegung entsteht so die Dokumentation einer Wortergreifung der einfachen Leute, die der Historiker Gérard Noiriel als außergewöhnlich ansieht: „L’irruption brutale de ce mouvement social a libéré une parole populaire que l’on n’entendait plus depuis plusieurs 136 DOI 10.24053/ ldm-2023-0011 Dossier décennies“ (Noiriel 2019: 24). Die Revolte erscheint in dieser Hinsicht als die notwendige Voraussetzung für ein Durchbrechen der Kommunikationslosigkeit, als Befreiung für die, die sonst schweigen. In diesem Sinn kann der Film als ein Versuch verstanden werden, der durch die Bewegung erzeugten Bewusstseinsbildung einen Ort zu geben, an dem sie sich artikulieren kann. Er wird zu einem Medium, in dem die Misere breiter Kreise der Bevölkerung sichtbar wird, die sonst in der medialen Öffentlichkeit verdrängt wird. Blavier, Pierre, Gilets jaunes. La révolte des budgets contraints, P.U.F., 2021. Berthaud, Alexandre, „Interview - François Ruffin à Dijon pour présenter ,J’veux du soleil‘, son film sur les ,gilets jaunes‘“, www.francebleu.fr/ infos/ politique/ interview-francois-rufin-a-dijonpour-presenter-j-veux-du-soleil-son-film-sur-les-gilets-jaunes-1553800140 (publiziert am 29.03. 2019, letzter Aufruf am 05.02.2023). Bourdieu, Pierre, „Comprendre“, in: id. (ed.), La misère du monde, Paris, Seuil (coll. Points, 466), 1993, 1389-1424. 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Todd, Emmanuel, „La crétinisation des mieux éduqués est extraordinaire“, www.liberation.fr/ debats/ 2017/ 09/ 06/ emmanuel-todd-la-cretinisation-des-mieux-eduques-est-extraordinaire_ 1594601 (publiziert am 06.09.2017, letzter Aufruf am 22.03.2023). 1 Dieses Zitat aus Victor Hugos L’Homme qui rit (1869) wurde auf Transparenten bei Demonstrationen der Gilets jaunes gezeigt und ist auch im Film zu sehen (02: 20 - alle Zeitangaben zu Szenen oder Zitaten aus dem Film entstammen der DVD des Films, die 2019 bei Jour2fête/ Fakir erschienen ist). 2 „Une gare, c’est un lieu où on croise les gens qui réussissent et les gens qui ne sont rien“, so die unglaubliche, aber doch ehrlich gemeinte Äußerung des Präsidenten Macron bei einer Bahnhofseinweihung am 29. Juni 2017 (zit. nach Slama 2017, im Film eingespielt: 17: 20). Sogar im konservativen Figaro schrieb dazu Mathieu Slama (ibid.): „On ne le dira jamais assez: ce gouvernement Macron est le gouvernement de la classe dominante élu par la classe dominante“. Man könnte angesichts dieser Verachtung für die unteren Schichten der Bevölkerung kontrafaktisch an den Abbé Sieyes (1789) denken („Qu’est-ce que le Tiers État? tout! Qu’a-t-il été jusqu’à présent dans l’ordre politique? Rien! “), oder an die Internationale („Nous sommes rien, soyons tout“). 3 So der Film La sociale (2016), eine Geschichte der Gründung der Sécurité sociale und der schleichenden Aushöhlung dieses großen sozialen Sicherungssystems wie auch eine Hommage an ihren Begründer Ambroise Croizat. 4 Seine Analyse der räumlichen und sozialen Spaltung der französischen Gesellschaft werden durch die politologische Analyse von Fourquet (2018: 71-84) in mancher Hinsicht bestätigt. 5 In der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte, so Nachtwey, sei „aus der Gesellschaft des Aufstiegs und der sozialen Integration […] eine Gesellschaft des sozialen Abstiegs, der Prekarität und Polarisierung geworden“ (Nachtwey 2016: 8). Auch wenn sich Nachtweys Analyse vor allem auf die deutschen Verhältnisse bezieht, so nimmt er zugleich einen fundamentalen gesellschaftlichen Wandel in den Blick, der sich in den meisten westlichen kapitalistischen Staaten vollzieht. 6 Cf. jedoch die Bemerkung Gérard Noiriels (2019: 61): „[…] il faudrait que les Gilets jaunes s’interrogent sur leurs propres ,privilèges‘ par rapport à ceux qui sont situés au-dessous d’eux sur l’échelle sociale, à savoir les fractions les plus marginalisées, souvent issues de l’immigration“. 7 Cf. dazu auch die Erklärung Ruffins in einem Interview: „[…] si on ne fait pas ce boulot, la trace de ce mouvement exceptionnel dans notre histoire va être faite par BM-TV, des éditorialistes, des intellectuels à chemise blanche, qui vont résumer ça à un mouvement violent, d’alcooliques, voire de fascistes et d’antisémites“ (zit. nach Bouteiller 2019).