Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.30419/TuS-2019-0002
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2019
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JungkTribologisches Verhalten amorpher Kohlenstoffschichten auf Metallen für die Knie-Totalendoprotheti
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2019
Benedict Rothammer
Tim Weikert
Stephan Tremmel
Sandro Wartzack
Der häufigste Grund für einen Implantatausfall stellt Verschleiß dar, da dieser vor allem zu einer aseptischen Lockerung des Implantats führt. Deshalb sollen in dieser Studie die polymeren Verschleißpartikel des Inlays durch den Einsatz tribologisch wirksamer Kohlenstoffschichten (DLC, diamond-like carbon) auf Implantatoberflächen reduziert und dadurch der Abrasivverschleiß minimiert werden. Daher wurden amorphe Kohlenstoffschichten auf Ti6Al4V (3.7165; 39 ± 2 HRC) und CoNi35Cr20Mo10 (2.4999; 47 ± 1 HRC) abgeschieden. Bei den abgeschiedenen Schichten handelt es sich um je eine reine (a-C:H), siliziumoxid-(a-C:H:SiO) und titandotierte (a-C:H:Ti) wasserstoffhaltige amorphe Kohlenstoffschicht. Der Fokus dieses Beitrags liegt auf einem Screening der Schichten bezüglich der Verschleißerscheinungsformen. Darauf aufbauend sollen mittelfristig wirkende Verschleißmechanismen identifiziert werden, um anschließend verschleißreduzierende Schichtsysteme ableiten zu können. Die tribologische Wirksamkeit der Kohlenstoffschichtsysteme lässt sich insbesondere durch eine hohe Haftung auf dem Grundwerkstoff begünstigen, sodass ein weiteres Augenmerk auf der mechanischen Untersuchung der Schichthaftung liegt. Die un- und beschichteten Proben wurden gegenüber medizinischem Polyethylen-Ultra High Molecular Weight (PE-UHMW, 1401; HB = 33 N/mm2) in einem Ring-Scheibe-Versuch getestet. Als Schmierstoff kam fetales Rinderserum (FBS) zum Einsatz. Die Verschleißpartikel sind in der Regel faser- oder partikelförmig ausgeprägt und weisen mindestens eine Größe von 33,8 µm auf. Dieser Wert ist oberhalb des kritischen Werts von 0,1 µm, unterhalb dessen bereits bei kleinem Abriebvolumen erhöhte makrozytäre Reaktionen ausgelöst werden. Dadurch wird das Risiko einer Osteolyse und ferner einer aseptischen Lockerung begünstigt. Ein Grund für die Abweichung der Partikelgrößen liegt in den unterschiedlichen in-vitro Versuchsaufbauten (Tribometer, Kniesimulator) und dem in-vivo eingesetzten Gelenkersatzes begründet. Generell sollte das Verschleißvolumen für Partikel in einer Größenordnung von 0,2...0,6 µm gering gehalten werden
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Aus Wissenschaft und Forschung 15 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 1/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0002 Tribologisches Verhalten amorpher Kohlenstoffschichten auf Metallen für die Knie-Totalendoprothetik Benedict Rothammer, Tim Weikert, Stephan Tremmel, Sandro Wartzack* Der häufigste Grund für einen Implantatausfall stellt Verschleiß dar, da dieser vor allem zu einer aseptischen Lockerung des Implantats führt. Deshalb sollen in dieser Studie die polymeren Verschleißpartikel des Inlays durch den Einsatz tribologisch wirksamer Kohlenstoffschichten (DLC, diamond-like carbon) auf Implantatoberflächen reduziert und dadurch der Abrasivverschleiß minimiert werden. Daher wurden amorphe Kohlenstoffschichten auf Ti6Al4V (3.7165; 39 ± 2 HRC) und CoNi35Cr20Mo10 (2.4999; 47 ± 1 HRC) abgeschieden. Bei den abgeschiedenen Schichten handelt es sich um je eine reine (a-C: H), siliziumoxid- (a-C: H: SiO) und titandotierte (a-C: H: Ti) wasserstoffhaltige amorphe Kohlenstoffschicht. Der Fokus dieses Beitrags liegt auf einem Screening der Schichten bezüglich der Verschleißerscheinungsformen. Darauf aufbauend sollen mittelfristig wirkende Verschleißmechanismen identifiziert werden, um anschließend verschleißreduzierende Schichtsysteme ableiten zu können. Die tribologische Wirksamkeit der Kohlenstoffschichtsysteme lässt sich insbesondere durch eine hohe Haftung auf dem Grundwerkstoff begünstigen, sodass ein weiteres Augenmerk auf der mechanischen Untersuchung der Schichthaftung liegt. Die un- und beschichteten Proben wurden gegenüber medizinischem Polyethylen-Ultra High Molecular Weight (PE-UHMW, 1401; HB = 33 N/ mm 2 ) in einem Ring Scheibe-Versuch getestet. Als Schmierstoff kam fetales Rinderserum (FBS) zum Einsatz. Die Verschleißpartikel sind in der Regel faser- oder partikelförmig ausgeprägt und weisen mindestens eine Größe von 33,8 µm auf. Dieser Wert ist oberhalb des kritischen Werts von 0,1 µm, unterhalb dessen bereits bei kleinem Abriebvolumen erhöhte makrozytäre Reaktionen ausgelöst werden. Dadurch wird das Risiko einer Osteolyse und ferner einer aseptischen Lockerung begünstigt. Ein Grund für die Abweichung der Partikelgrößen liegt in den unterschiedlichen in-vitro Versuchsaufbauten (Tribometer, Kniesimulator) und dem in-vivo eingesetzten Gelenkersatzes begründet. Generell sollte das Verschleißvolumen für Partikel in einer Größenordnung von 0,2…0,6 µm gering gehalten werden. Schlüsselwörter Diamantähnlicher amorpher Kohlenstoff (DLC), Knie- Totalendoprothese, Ring-Scheibe-Versuch, Verschleiß The most common reason for an implant failure is wear, since this leads mainly to an aseptic loosening of the implant. Therefore, the aim of this study is to reduce polymeric wear debris of the inlay by using tribologically effective amorphous carbon coatings (DLC, diamond-like carbon) and thus to minimize abrasive wear. For this reason, amorphous carbon coatings were deposited on Ti6Al4V (3.7165; 39 ± 2 HRC) and CoNi35Cr20Mo10 (2.4999; 47 ± 1 HRC). The applied coatings are pure (a-C: H), silicon oxide- (a-C: H: SiO) and titanium-doped (a-C: H: Ti) amorphous carbon coatings containing hydrogen. Initially, the focus is on a screening with regard to the forms of wear. Based on this, wear mechanisms are to be identified in the medium term in order to deduce wear-reducing coating systems. The tribological effectiveness of the carbon coating systems can be favored in particular by a high adhesion on the substrate, so that further attention is paid to the mechanical investigation of adhesion. Subsequently, uncoated and coated samples were tested against medical polyethylene-ultra high molecular weight (PE-UHMW, 1401; HB = 33 N/ mm 2 ) in a ring-on-disc test lubricated with fetal bovine serum (FBS). The wear particles are usually fibrous or particulate and have a size of at least 33.8 µm. This value is above the critical value of 0.1 µm, below which increased macrocytic reactions are triggered even with a small abrasion volume, and thus promote the risk of osteolysis and aseptic loosening. A reason for the discrepancy of the particle sizes arises from the different in-vitro test setups (tribometer, knee simulator) and the in-vivo used joint replacement. In general, the wear volume should be kept low for particles in the order of 0.2...0.6 µm. Keywords diamond-like carbon (DLC), total knee arthroplasty, ring-on-disc-test, wear Kurzfassung Abstract * Benedict Rothammer, M.Sc.; Tim Weikert, M.Sc.; Dr.-Ing. Stephan Tremmel; Professor Dr.-Ing. Sandro Wartzack Lehrstuhl für Konstruktionstechnik, Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), 91058 Erlangen T+S_1_2019.qxp_T+S_2018 29.01.19 09: 11 Seite 15 duzierung der Verschleißmasse von 78,3 % durch Kohlenstoffschichten auf CoCrMo gegen PE-UHMW (W m = -0,150 mg) im Vergleich zur unbeschichteten Materialpaarung (W m = -0,690 mg) nachgewiesen. Daher wird im Rahmen dieses Beitrags das tribologische Verhalten verschiedener amorpher Kohlenstoffschichten untersucht. Es werden eine reine a-C: H-Schicht wegen ihrer hohen Verschleißbeständigkeit und Biokompatibilität, eine a-C: H: Ti-Schicht wegen ihrer vergleichsweise hohen Duktilität und eine a-C: H: SiO- Schicht wegen ihres Potentials als Andockstelle für medizinische Wirkstoffe. Zunächst erfolgt eine mechanische Charakterisierung der Schichten, die insbesondere die Haftung fokussiert. Anschließend werden Ring-Scheibe-Versuche durchgeführt, welche eine Analyse des tribologischen Verhaltens der Schichten im flächigen Gleitkontakt erlauben. 2 Materialien und Methoden 2.1 Proben und Beschichtung Als Substrate werden Ringe und Scheiben aus CoNi35Cr20Mo10 (CoNiCr), Ti6Al4V und PE-UHMW genutzt. Alle Substrate erfahren einen identischen, dreistufigen Polierprozess (Poliermaschine ATM Saphir 550/ Rubin 520). Hierbei werden Diamantsuspensionen mit sinkenden Korngrößen von 9 µm, 3 µm und 1 µm sowie einem wasserbasierten Lubrikanten verwendet. Tabelle 1 zeigt die Maße der genutzten Proben für die mechanischen und tribologischen Untersuchungen sowie deren Makrohärte und Rauheit vor und nach dem Polieren. Die nach dem Polieren erzielten Oberflächengüten entsprechen nach [7] weitgehend denen realer Implantatoberflächen. Aus Wissenschaft und Forschung 16 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 1/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0002 1 Einleitung Das Kniegelenk stellt eines der höchstbelasteten Gelenke des Menschen dar. Für das Versagen eines natürlichen Kniegelenks können zu 96 % Gonarthrosen (Gelenkverschleiß) verantwortlich gemacht werden, welche die Implantation eines künstlichen Gelenkes erfordern [1]. Dadurch soll die Gelenkfunktionalität verbessert und dem Patienten ein schmerzfreies, mobileres Leben ermöglicht werden. Der häufigste Grund für eine Revisionsoperation ist implantatseitiger Verschleiß, da dieser durch Osteolyseprozesse zu einer aseptischen Lockerung des Implantats führt [2]. Die aseptische Lockerung wird durch verschiedene Faktoren bedingt, wobei von den Implantatmaterialien abgetragene Verschleißpartikel [2] nach aktuellem Kenntnisstand in hohem Maße mitverantwortlich gemacht werden können [1]. Der Einsatz tribologisch wirksamer amorpher Kohlenstoffschichten (DLC-Schichten, DLC = diamond-like carbon) auf den Implantatoberflächen bietet einige Vorteile [3], insbesondere einen erhöhten Verschleißwiderstand. Zwar zeigen laut E SCUDEIRO [4] Paarungen aus Ti6Al4V/ a-C: H gegen PE-UHMW keine nennenswerte Verschleißreduzierung gegenüber einer Paarung aus CoCrMo/ PE-UHMW, die eine Verschleißrate von k ≈ 2,6 ∙ 10 -6 mm 3 / Nm aufweist. Diese mittels Tribometerversuch ermittelte Verschleißrate korreliert mit einer klinisch gewonnen Verschleißrate von Implantaten k ≈ 10 -6 mm 3 / Nm, die in einem vereinfachten Verschleißsimulator durchgeführt wurden [4]. Allerdings kann durch eine Beschichtung der Substrate die Härte, somit der Widerstand gegen Abrasion, sowie die Korrosionsbeständigkeit, gerade auf CoCrMo-Substraten verbessert werden [5]. In [6] wurde an einem vereinfachten Kniesimulator bei geringem Versuchsumfang eine statistisch signifikante Re- CoNiCr Ti6Al4V PE-UHMW Scheibe: Durchmesser × Höhe in mm 25 × 8,3 25 × 8,3 25 × 8,3 Ring: Innen- × Außendurchmesser × Höhe in mm 15 × 20 × 8,3 15 × 20 × 8,3 - Makrohärte in HRC/ HB in N/ mm 2 47 ± 1 HRC 39 ± 2 HRC 33 N/ mm 2 Rauheit R a, mechanisch unbehandelt in µm 0,392 0,357 1,796 Rauheit R a, mechanisch vorbehandelt in µm 0,033 0,041 0,042 Tabelle 1: Implantologische Substrate, Probenabmessungen, Makrohärte und Rauheit Unmittelbar vor der Chargierung in der Beschichtungsanlage werden die metallischen Proben in einem Ultraschallbad mit Isopropanol und Aceton für je 10 Minuten gereinigt. Die abgeschiedenen Schichten zeigt Bild 1 schematisch. Der eigentlichen Schichtabscheidung in einer physikalischen (PVD)/ plasmaaktivierten chemischen (PACVD) Dampfphasenabscheidungs-Beschichtungsanlage (H-O-T TT 300 K4) geht ein Argon- Ionen-Plasmaätzen voran, um feinste Ver- Bild 1: Schematische Darstellung der eingesetzten wasserstoffhaltigen amorphen Kohlenstoffschichtsysteme HB 0,392 ± 0,040 0,033 ± 0,002 0,357 ± 0,037 0,041 ± 0,004 1,796 ± 0,091 0,042 ± 0,002 T+S_1_2019.qxp_T+S_2018 29.01.19 09: 11 Seite 16 Aus Wissenschaft und Forschung 17 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 1/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0002 Kontaktpaarung und Beanspruchungskollektiv Grundkörper PE-UHMW-Scheibe Gegenkörper Ti6Al4V-Ring: a-C: H CoNiCr-Ring: a-C: H Ti6Al4V-Ring: a-C: H: Ti CoNiCr-Ring: a-C: H: Ti Ti6Al4V-Ring: a-C: H: SiO CoNiCr-Ring: a-C: H: SiO Zwischenmedium 0,4…0,6 ml FBS als Tröpfchen mittels Spritze aufgebracht Bewegungsmodus rotatorisch, kontinuierlich Normalkraft 800 N ( 6,56 MPa) Gleitgeschwindigkeit 0,05 m/ s Gleitweg 200 m ( 1,5 d Lastzyklen eines Kniegelenks) Tabelle 3: Prüfparameter im Ring-Scheibe-Versuch (n = 2) Schichtsystem t/ s U bias / V ϕ(Ar)/ sccm* ϕ(C 2 H 2 )/ sccm* P Ti / W ϕ(HMDSO)/ sccm* WC/ a-C: H 5 143 450 100 250 - - WC/ a-C: H: Ti 13 585 100 180 28 1 200 a-C: H: SiO 4 586 450 100 200 - 10 *1 sccm ≈ 0,0168875 ! "# $% & Tabelle 2: Prozessparameter der untersuchten amorphen Kohlenstoffschichten Bild 2: Schematischer Aufbau (a) und Versuchsanordnung (b) des Tribometers unreinigungen, Gasmoleküle und Oxidschichten zu entfernen. Die durch Magnetronsputtern hergestellte Wolframcarbid (WC)-Zwischenschicht in Bild 1 wird zur Verbesserung der Haftung von a-C: H- und a-C: H: Ti-Schichten ergänzt. Zur weiteren Schichtanbindung dient ein Kohlenstoffgradient, der von reinem WC zu einer a- C: H: W-Schicht mittels steigendem Ethin (C 2 H 2 )-Gasfluss und sinkender WC-Kathodenleistung übergeht. Die an die Substrate angelegte negative Vorspannung (Bias) beträgt 50 V und der Argonfluss 195 sccm. Zur Abscheidung der Funktionsschicht auf den Substraten dienen je nach Schichtsystem PACVD für a-C: H und a-C: H: SiO sowie reaktive PVD für a-C: H: Ti. Die Abscheidedauer t wurde so gewählt, dass jeweils eine Schichtdicke von 1…2 µm zu erwarten ist. Tabelle 2 zeigt die wesentlichen Prozessparameter, wie die negative Substratvorspannung Ubias, Argonfluss ϕ(Ar), Ethingasfluss ϕ (C 2 H 2 ), Ti-Kathodenleistung P Ti und HMDSO-Gasfluss ϕ(HMDSO). 2.2 Charakterisierungsverfahren Nach erfolgter Beschichtung wird die Oberflächenbeschaffenheit mittels Tastschnittverfahren gemäß DIN EN ISO 4288 [8] untersucht. Die Schichtdicke lässt sich durch das Kalottenschleifverfahren nach DIN EN ISO 26423 [9] bestimmen. Die Schichthaftung auf dem jeweiligen Substrat wird qualitativ mit der Rockwell- Eindringprüfung nach DIN 4856 [10] und quantitativ mittels Ritztests nach DIN EN ISO 20502 [11] bewertet. Die Härte und Elastizität der Proben werden nach DIN EN ISO 14577 [12] mittels Mikrohärteprüfung bestimmt. 2.3 Tribologische Untersuchungen Das tribologische Verhalten der Schichten gegen PE-UHMW wurde in einem Ring-Scheibe-Tribometer (Bild 2) untersucht. Jede Probe wurde unter den in Tabelle 3 aufgeführten Bedingungen, die sich an den realen Beanspruchungen im Knie [13] orientieren, getestet. Da in der vorliegenden Untersuchung die Flüssigkeit nur als Tröpfchen auf die Probenoberfläche aufgebracht wurde, konnten die geschmierten Versuche nicht unter Körpertemperatur, sondern lediglich unter Raumtemperatur stattfinden. 200 m g T+S_1_2019.qxp_T+S_2018 29.01.19 09: 11 Seite 17 Aus Wissenschaft und Forschung 18 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 1/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0002 Bei diesem Versuchsaufbau rotierte der Ring gegen die stillstehende Kunststoffscheibe. Die Oberfläche der PE-UHMW-Scheibe wurde mit fetalem Kälberserum (FBS), als Ersatzsynovialflüssigkeit, benetzt. Durch kontinuierliches Messen der Wegänderung zwischen den Kontaktpartnern konnte der kombinierte lineare Verschleißbetrag in-situ ermittelt werden. Als Referenzen dienten unbeschichtete Metall/ Kunststoff-Paarungen. Mittels Laserrastermikroskopie (LSM) konnten die Proben auf Verschleißerscheinungsformen hin untersucht werden. 3 Ergebnisse und Diskussion 3.1 Schichttopographie, Schichtdicke und Rauheit Bild 3 zeigt lichtmikroskopische Aufnahmen repräsentativer Schichtoberflächen vor der tribologischen Beanspruchung. Es sind zahlreiche, unterschiedlich große Schichtdefekte, wie Poren, zu beobachten. Dieses Erscheinungsbild der beschichteten Oberfläche stellt sich nach [14] und [15] typischerweise für metallhaltige Kohlenstoffschichten ein. Hierbei bildet ein Ti- oder WC-Nanopartikel, eingebettet in der Kohlenwasserstoffmatrix, den initialen Schichtdefekt. Einen ähnlichen Einfluss zeigen Makropartikel, die sich während der Schichtabscheidung nicht vollständig vermeiden lassen. Die stängelkristalline WC-Mikrostruktur kann weitere Defekte induzieren. Bild 4 fasst Rauheit und Schichtdicke zusammen. Die in Bild 4 gezeigten Rauheitswerte sind für die CoNiCr-Substrate geringer als für die Ti6Al4V-Substrate. Dies kann auf die niedrigere Rauheit der CoNiCr-Substrate nach dem Polierprozess zurückgeführt werden. Die Rauheit nimmt für alle Schichtsysteme gegenüber der Referenz zu, wobei die Rauheitszunahme auf CoNiCr-Substraten geringer ausfällt als auf Ti6Al4V-Substraten. Die unterschiedlichen Rauheitskennwerte der Schichten können mit der voneinander abweichenden Oberflächenbeschaffenheit von CoNiCr und Ti6Al4V begründet werden. Nach der Beschichtung ergibt sich somit ein Bereich von R a , CoNiCr = 0,040…0,068 µm und R a , Ti6Al4V = 0,052…0,071 µm. Dabei ist die Rauheitszunahme von der Ausgangsrauheit R a, CoNiCr = 0,033 µm beim a-C: H-Schichtsystem mit R a = 0,040 µm relativ gering im Vergleich zu den anderen Schichtsystemen, was auf die reine PACVD und das einfach aufgebaute Reaktivgas Ethin zurückzuführen ist. Die Schichtdicken liegen im Intervall von 1,3…2,2 µm auf CoNiCr und im Bereich von 1,2…1,8 µm auf Ti6Al4V. Generell kann abgeleitet werden, dass aus steigender Schichtdicke eine Rauheitszunahme resultiert. Im vorliegenden Fall wird die Rauheit der Schicht nicht durch nachträgliches Polieren reduziert. Der Rauheits- Bild 3: Lichtmikroskopische Aufnahmen der beschichteten Oberfläche Bild 4: Arithmetische Mittelwerte sowie Standardabweichung von Rauheit (a) und Schichtdicke (b) T+S_1_2019.qxp_T+S_2018 29.01.19 09: 11 Seite 18 einfluss auf das tribologische Verhalten muss in einer folgenden Untersuchung evaluiert werden. 3.2 Schichthaftung, Schichthärte und Schichtelastizität Die Einteilung der Schichthaftung nach DIN 4856 erfolgt in sechs Haftfestigkeitsklassen HF, wobei für viele industrielle Anwendungen HF 1 bis HF 4 als zulässig und HF 5 bis HF 6 als unzulässig empfohlen werden [10]. Alle Schichtsysteme zeigen unabhängig vom Substrat und für jeweils fünf Einzelmessungen eine ausreichende Haftung von < HF 4. Die Schichten auf Ti6Al4V zeigen grundsätzlich eine bessere Haftung ≈ HF 2 als auf CoNiCr ≈ HF 3,5. So haftet a-C: H auf CoNiCr mit HF 3,5 weniger gut als auf Ti6Al4V mit HF 2. Tangential zu den mittels Rockwell-A-Verfahren erzeugten Eindrücken entsteht ein großflächiges Rissnetzwerk in den Schichten auf CoNiCr (Bild 5). Dabei erfolgt eine plastische Verformung des Schichtsystems was sich in kohäsivem Schichtversagen äußert. mittelt werden, der die Schichtperforierung innerhalb der Ritzspur angibt. Der L c1 -Wert, der die erste Rissbildung am Rand der Ritzspur anzeigt [11], lässt sich bei keiner Schicht bis zu einer Ritzlast von 4 N unter üblicher Vergrößerung zuverlässig detektieren (Bild 6 a). Daher wird der L c2 -Wert, der durch erste Schichtabplatzungen am Rand der Ritzspur definiert wird [11], zur Quantifizierung der Haftung herangezogen. Aus Bild 6 b) folgt, dass sich für die abgeschiedenen Schichten mittlere L c2 -Normalkräfte von minimal 5,8 ± 0,5 N bis maximal 13,9 ± 2,6 N ergeben. Im Gegensatz zur Haftung nach Rockwell zeigen die Schichten auf CoNiCr eine im Mittel um 40 % bessere Haftung als auf Ti6Al4V, was mit der geringeren Substratrauheit und der höheren Substrathärte von CoNiCr gegenüber Ti6Al4V begründet werden kann. Die konträren Ergebnisse der Haftung lassen sich nach [16] darauf zurückführen, dass die schädigungsrelevante Beanspruchung beim Ritztest direkt unterhalb des Indenters und bei wesentlich geringeren Normalkräften als in der Rockwell- Eindringprüfung erfolgt. Weiterhin weist die a-C: H: Ti- Schicht trotz höchster Schichtdicke die beste Haftung auf. Ein Grund hierfür kann an der metallischen Dotierung liegen, wodurch die Duktilität des Schichtsystems erhöht wird. Die a-C: H-Schicht zeigt eine bessere Haftung als die a-C: H: SiO-Schicht. Dies deutet darauf hin, dass durch die gesputterte WC-Zwischenschicht eine bessere Schichthaftung realisiert werden kann. Die erzielten L c2 -Kräfte sind mit den Ergebnissen von E SCUDEIRO [4] vergleichbar, wobei in [4] eine a-C: H-Schicht mit Ti/ TiN/ TiCN-Zwischenschichten auf CoNiCr appliziert wird. Die Diskrepanz der Haftung aus der Rockwell-Eindringprüfung und dem Ritztest könnte durch eine Modifikation der Haftungsuntersuchung aufgelöst werden, etwa durch Prüfung nach dem Rockwell-D- oder -C-Verfahren. Es ist in weiteren Arbeiten zu untersuchen, inwieweit eine solche Maßnahme zweckmäßig ist. Aus den Untersuchungen der Schichthaftung und den nachfolgenden Tribometerversuchen geht hervor, dass die Schichten eine völlig aus- Aus Wissenschaft und Forschung 19 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 1/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0002 Bild 5: Rockwell-A-Eindrücke in WC/ a-C: H auf Ti6Al4V (a) und CoNiCr (b) Bild 6: L cx -Schadensbilder (a) und resultierende kritische Normalkräfte L c2 aus dem Ritztest (b) Weiterhin gilt es die qualitative Haftungsbewertung anhand von kritischen Normalkräften aus dem Ritztest zu validieren. Eine eindeutige Trennung der kritischen Normalkräfte kann nur durch eine Reduzierung der genormten Maximalkraft von 100 N auf 80 N gewährleistet werden. Trotz der Kraftreduzierung kann der L c3 -Wert er- T+S_1_2019.qxp_T+S_2018 29.01.19 09: 11 Seite 19 µ = 0,18…0,20 höhere Reibungszahlen als das unbeschichtete CoNiCr-Substrat mit µ = 0,17. Tendenziell zeigt sich, dass Kohlenstoffschichten, zumindest auf Ti6Al4V, das Reibungsverhalten positiv beeinflussen können und es auf CoNiCr offenbar nicht wesentlich verschlechtern. Die WC/ a-C: H-Schicht auf CoNiCr weist als einziges Schichtsystem eine annähernd vergleichbare Reibungszahl wie das unbeschichtete CoNiCr-Substrat auf. Ein Grund für die Reibungszunahme kann mit der beschichtungsbedingten Aufrauhung und den Schichtdefektstellen begründet werden, welche zu mechanischem Verhaken der Rauheitsberge führen und reibungserhöhend wirken. Der Mechanismus der Aufrauhung kann im Allgemeinen für die Schichtsysteme auf CoNiCr übertragen werden. Bei den Schichtsystemen auf Ti6Al4V lässt sich ein gegenteiliges Reibungsverhalten beobachten. Demnach zeigen die Schichten mit µ = 0,17…0,18 geringfügig niedrigere Reibungszahlen im Vergleich zum unbeschichteten Ti6Al4V-Substrat mit µ = 0,18. Dieses Phänomen kann mit dem Kristallgitter von Titan begründet werden, da es aufgrund seiner hexagonal-dichtesten Packung lediglich über drei Gleitebenen verfügt und sich somit negativ auf das Reibungsverhalten auswirkt. Ein Grund für die hohe Streuung der WC/ a-C: H-Schicht auf Ti6Al4V konnte bislang nicht identifiziert werden. Die erhöhte Rauheit von Ti6Al4V gepaart mit dessen mäßigen Gleiteigenschaften gegenüber unbeschichtem CoNiCr spiegelt sich in einem schlechteren Reibungsverhalten wider. Der negative Einfluss der Rauheitszunahme auf die Reibung kann durch die besonders günstigen H IT / E IT -Verhältnisse der Schichten auf Ti6Al4V ausgeglichen werden. Demnach werden die Rauheitsspitzen während der tribologischen Beanspruchung elastisch verformt, wodurch das mechanische Verhaken und dadurch die Reibung reduziert werden. Die a-C: H- Schicht weist ein gutes Reibungsverhalten auf, was mit ihrem inerten Charakter zu begründen ist. 3.3.2 Verschleiß Bei den unbeschichteten Referenzversuchen gegen PE-UHMW werden keine potentiellen tribochemisch gebildeten Transferschichten auf dem Kunststoff beobachtet. Dagegen bildet sich vor allem bei WC/ a-C: H ei- Aus Wissenschaft und Forschung 20 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 1/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0002 reichende Haftung zum Substrat aufweisen. Jedoch gilt es die Schichthaftung zu verbessern, um die in [18] gestellten Anforderungen zu erfüllen und somit das Risiko einer schichtbedingten Explantation von Endoprothesen zu vermeiden. Tabelle 4 zeigt die Härte und Elastizität der verschiedenen Schichtsysteme (n = 10). Die Kohlenstoffschichten verfügen demnach über Eindringhärten zwischen 10,8 und 22,7 GPa, welche deutlich höher sind als die Eindringhärten der Substrate. Das H IT / E IT -Verhältnis dient als ein Indikator für die Streckgrenze und ist maßgeblich für die mechanisch-tribologische Beanspruchbarkeit von Dünnschichtsystemen [16]. Alle Schichten weisen auf Ti6Al4V gegenüber CoNiCr ein günstigeres H IT / E IT - Verhältnis auf. Dies deutet auf eine hohe Elastizität und Streckgrenze der Schichtsysteme hin. 3.3 Reibung und Verschleiß im Ring-Scheibe-Versuch 3.3.1 Reibung Die Reibungszahlen der getesteten Gleitpaarungen liegen zwischen 0,17…0,20. Bild 7 stellt den arithmetischen Mittelwert der Reibungszahl für die drei Schichtsysteme auf beiden Substraten und für die unbeschichteten Referenzsubstrate jeweils gegen PE-UHMW dar. Dabei zeigen alle Schichten auf CoNiCr mit g Bezeichnungen Eindringhärte H IT / GPa Vickershärte HV (H IT ) Martenshärte HM 0,01/ 20/ 0/ GPa Eindringmodul E IT / GPa H IT / E IT CoNiCr/ WC/ a-C: H 22,7 ± 1,4 2143,6 ± 131,2 9,3 ± 0,4 162,7 ± 8,7 0,140 Ti6Al4V/ WC/ a-C: H 20,2 ± 1,0 1910,6 ± 93,8 7,8 ± 0,2 129,9 ± 2,8 0,156 CoNiCr/ WC/ a-C: H: Ti 11,9 ± 1,0 1122,3 ± 91,0 5,2 ± 0,4 89,5 ± 9,1 0,133 Ti6Al4V/ WC/ a-C: H: Ti 10,8 ± 0,7 1024,6 ± 65,9 4,6 ± 0,1 75,9 ± 2,4 0,142 CoNiCr/ a-C: H: SiO 15,8 ± 0,5 1496,3 ± 44,9 6,8 ± 0,2 118,0 ± 5,1 0,134 Ti6Al4V/ a-C: H: SiO 15,3 ± 1,0 1442,1 ± 91,6 6,1 ± 0,3 100,1 ± 4,3 0,153 CoNiCr 6,5 ± 0,2 617,2 ± 18,3 4,9 ± 0,1 242,7 ± 4,6 0,027 Ti6Al4V 3,8 ± 0,1 353,2 ± 7,4 2,8 ± 0,1 104,8 ± 4,9 0,036 Tabelle 4: Härte, Eindringmodul und H IT / E IT -Verhältnis der Schichtvarianten sowie der Substrate Bild 7: Arithmetische Mittelwerte sowie Standardabweichung der Reibungszahlen T+S_1_2019.qxp_T+S_2018 29.01.19 09: 11 Seite 20 ne Transferschicht auf der PE-UHMW-Scheibe aus, vergleiche Bild 8 a). Diese entsteht während der tribologischen Beanspruchung und fungiert als eine Art Festschmierstoff [16]. Auf den Ringen befinden sich einzelne Partikel und Fasern aus PE-UHMW. Der geringste Verschleiß resultiert aus den mit a-C: H: SiO-beschichteten Ringen. Auffällig ist, dass unabhängig vom Gegenkörper auf den meisten PE-UHMW-Scheiben Materialaufwerfungen und faserartige Späne am Rand der Reibungsspur auftreten, was auf eine erhöhte Kantenpressung und das viskoelastische Verhalten von PE-UHMW zurückzuführen ist. Bei einigen Scheiben befinden sich Risse und Aufwerfungen auch inmitten der Verschleißspur. Diese Phänomene können eine Folge von Reibungswärme während der tribologischen Beanspruchung sein, zumal von P RITCHETT in [17] eine Temperaturerhöhung von bis zu 9 °C im bewegten, künstlichen Kniegelenk gemessen wurden. Zusätzlich erfolgt während des Versuchs eine hohe plastische Deformation der weichen PE-UHMW-Scheiben. Teilweise zeigen diese Späne eine bräunliche Verfärbung. Vereinzelte Scheiben weisen farblose oder bräunliche, getrocknete FBS- Tropfen auf. Die Verschleißspur der Scheiben, die mit a-C: H: SiO-beschichteten Ringen im tribologischen Kontakt standen, sind glatt und ohne faserige Aufwerfungen am Rand. In Bild 8 b) wird der lineare Verschleißbetrag W l gezeigt, der nach einer initialen Deformation der PE-UHMW-Scheibe über die letzten 50 m des Gleitwegs gemittelt wird.Durch den Einsatz von a-C: H und a-C: H: SiO wird der Verschleiß gegenüber den unbeschichteten Gleitpaarungen um bis zu 57 % (für Ti6Al4V/ a-C: H) reduziert. Die a-C: H: Ti-Schicht auf CoNiCr weist einen ähnlichen und auf Ti6Al4V einen erhöhten linearen Verschleißbetrag im Vergleich zu den jeweils unbeschichteten Referenzen auf. Dies kann wiederum auf die schlechten Gleiteigenschaften von Titan und die erhöhten Schichtdefekte auf a-C: H: Ti zurückgeführt werden. Weiterhin ist ersichtlich, dass die a-C: H- und a-C: H: SiO-Schichten unabhängig vom Substrat ni e d rig e r e lin e a r e Ve r s c hl e iß b e tr ä g e e r zi e l e n . Ti6Al4V/ WC/ a-C: H zeigt den geringsten Verschleißbetrag mit W l = 47,5 ± 9,7 µm. a-C: H: Ti oder a-C: H: SiO führen auf Ti6Al4V zu einem höheren Verschleißbetrag als auf CoNiCr. Diese Beobachtung wird durch E SCU- DEIRO et al. [4] bestätigt. Die a-C: H-Schicht ist aufgrund ihres inerten Charakters und ihres günstigen H IT / E IT -Verhältnisses zur Verschleißreduzierung geeignet. Gerade für a-C: H auf Ti6Al4V wirkt sich das H IT / E IT -Verhältnis stärker als die zugehörige Rauheitszunahme von R a = 0,041 µm auf 0,052 µm auf das Verschleißverhalten aus. Analog kann durch a-C: H auf CoNiCr der Verschleiß gegenüber den unbeschichteten Substraten reduziert werden. Für a-C: H: SiO ergeben sich für beide verwendete Substrate vergleichbare lineare Verschleißbeträge. So kann für die eingesetzten Schichten abgeleitet werden, dass ein geringeres H IT/ E IT -Verhältnis durch eine niedrigere Rauheit auf CoNiCr beziehungsweise eine höhere Rauheit durch ein größeres H IT / E IT -Verhältnis auf Ti6Al4V ausgeglichen werden kann. Dies deutet darauf hin, dass sich neben chemisch-morphologischen Schichteigenschaften der Einfluss des H IT / E IT -Verhältnisses und der Rauheit merklich auf das Verschleißverhalten auswirken. Für die Schichtsysteme auf Ti6Al4V zeigt sich, dass sich ein hohes Verhältnis von H IT / E IT zu R a, Schicht günstig auf das Verschleißverhalten auswirkt. Dies trifft auch für die CoNiCr- Substrate weitgehend - bis auf WC/ a-C: H - zu. Eine Voraussetzung für diesen Zusammenhang stellen defektarme Oberflächen, wie die von a-C: H- und a-C: H: SiO-Schichten, dar. Tendenziell verschleißt die weichere PE-UHMW-Scheibe stärker als der härtere, beschichtete Ring. Im Folgenden werden die Verschleißerscheinungsformen mittels LSM untersucht und resultierenden Verschleißmechanismen zugeordnet. Um schichtspezifischen Verschleiß zu unterscheiden, werden die Verschleißpartikel jeder Versuchspaa- Aus Wissenschaft und Forschung 21 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 1/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0002 Bild 8: Fotoaufnahmen der Proben nach den Tribometerversuchen (a) und arithmetische Mittelwerte und Standardabweichung des linearen Verschleißbetrags (b) T+S_1_2019.qxp_T+S_2018 29.01.19 09: 11 Seite 21 Tabelle 5 zeigt die Anzahl der repräsentativen, gemessenen Verschleißpartikel und gibt einen Überblick zu den durchschnittlichen Faser- und Partikellängen. Die in Tabelle 5 untersuchten Verschleißpartikel stellen eine Auswahl dar, wobei pro Materialkombination die Verschleißspur des Rings und der zugehörigen Scheibe untersucht werden. Hierbei erfolgt die Zählung repräsentativer, gesichteter Partikel. Außerdem ist anzumerken, dass durch die geschmierten Versuche ein Partikel oftmals nicht eindeutig als PE-UHMW-Anhäufung oder lediglich als getrocknetes Schmiermedium zu identifizieren ist. Es werden insgesamt 32 Partikel und 22 Fasern gemessen. Der kleinste gemessene, splitterförmige Partikel auf PE-UHMW gegen Ti6Al4V/ a-C: H: SiO ist 34 µm lang. Dagegen hat der größte gemessene, faserförmige Verschleißpartikel eine Länge von 1 502 µm auf PE-UHMW im Kontakt mit Ti6Al4V/ a-C: H: Ti. Tabelle 5 ist zu entnehmen, dass die Mittelwerte bei beinahe allen Versuchen etwa in der gleichen Größenordnung liegen. Eine abweichende Tendenz zeigt sich für a-C: H: SiO, da die gemessenen Partikelgrößen < 205 µm sind. Insgesamt liegen die gemessenen Partikelgrößen deutlich über dem von B ANKSTON in [19] als unkritisch Aus Wissenschaft und Forschung 22 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 1/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0002 rung hinsichtlich ihrer Anzahl und geometrischen Abmessung analysiert. Tribologisch induzierte Werkstoffveränderungen in der beanspruchten Grenzschicht führen zu Verschleiß. Diese werden durch reibungsbedingte Temperaturerhöhung, Einlaufverhalten, Rauheit und unterschiedliche mechanische Eigenschaften des Kunststoffs und der beschichteten Substrate wie die Härte hervorgerufen. Poren und niedermolekulare Polymeranteile aus Adhäsionsvorgängen begünstigen Ermüdungsvorgänge. Bild 9 stellt für die durchgeführten Versuche repräsentative Oberflächenveränderungen am Beispiel von a-C: H gegen PE-UHMW dar. Dabei werden typische LSM-Aufnahmen durch 3d-Höhenprofile für a-C: H beschichtete Ringe und unbeschichtete Scheiben ergänzt. Bild 9 zeigt Risse und partikelförmige Verschleißerscheinungsformen, die auf Adhäsivverschleiß und Oberflächenzerrüttung schließen lassen. Die deutlichen Riefen, insbesondere auf den PE-UHMW-Scheiben, deuten auf Abrasivverschleiß hin. Weiterhin zeigt sich die in Bild 3 beschriebene grundlegende Oberflächentopgraphie der beschichteten Proben. Probe n Mittlere Partikelgröße in µm n Mittlere Faserlänge in µm CoNiCr 5 316 ± 184 3 508 ± 56 TiAl6V4 5 128 ± 105 2 334 ± 101 CoNiCr/ WC/ a-C: H 5 208 ± 104 3 337 ± 12 Ti6Al4V/ WC/ a-C: H 3 270 ± 314 2 661 ± 303 CoNiCr/ WC/ a-C: H: Ti 3 462 ± 307 2 429 ± 16 Ti6Al4V/ WC/ a-C: H: Ti 2 300 ± 120 4 1166 ± 431 CoNiCr/ a-C: H: SiO 5 142 ± 59 2 1031 ± 198 Ti6Al4V/ a-C: H: SiO 4 65 ± 39 4 518 ± 93 Tabelle 5: Durchschnittliche Partikel- und Faserlänge pro Versuchskombination Bild 9: LSM-Aufnahmen und entsprechende 3d-Höhenprofile der Scheiben und der Ringe aus den Tribometerversuchen: CoNiCr (oben) und Ti6Al4V (unten) mit WC/ a-C: H gegen PE-UHMW T+S_1_2019.qxp_T+S_2018 29.01.19 09: 11 Seite 22 bewerteten Intervall (0,2...0,6 µm) und über den von K RETZER in [20] beschriebenen typischen Partikelgrößen von Implantaten (0,1…0,4 μm). Ein Grund für die in ihrer Größe stark abweichenden Partikel liegt in den unterschiedlichen Versuchsaufbauten (Tribometer, Kniesimulator) begründet. 4 Zusammenfassung und Ausblick In dieser Studie wurden die mechanischen Eigenschaften und das tribologische Verhalten in Ring-Scheibe- Tribometerversuchen von a-C: H-, a-C: H: Ti- und a-C: H: SiO-Schichten auf CoNiCr- und Ti6Al4V-Substraten untersucht. Die mechanische Charakterisierung der Schichten zeigt, dass die Rauheit nach der Beschichtung für alle Schichten zunimmt und sich negativ auf das tribologische Verhalten auswirkt. Die Ergebnisse der Schichthaftung verdeutlichen, dass Kohlenstoffschichten prinzipiell auf den genannten Implantatwerkstoffen appliziert werden können und dabei eine zufriedenstellende Haftung für die Ring-Scheibe-Versuche besitzen. Die Haftung muss jedoch im Hinblick auf den späteren in-vivo Einsatz, insbesondere im Hinblick auf die real auftretenden, überlagerten Beanspruchungszustände noch deutlich verbessert werden. Die Bestimmung der Schichthaftung im Rockwell-Versuch und im Ritztest führt zu konträren Ergebnissen, welche mit den unterschiedlichen Beanspruchungszuständen und wirkenden Normalkräften der jeweiligen Prüfmethode begründet werden können. So ertragen die Schichten auf CoNiCr trotz geringerer Haftfestigkeitsklassen, höhere L c2 -Normalkräfte. Durch Beschichtung wird eine angemessen hohe Härte bei tendenziell sinkenden Eindringmoduln gegenüber den unbeschichteten Substraten erzielt, was sich auch in den höheren H IT / E IT -Verhältnissen der Kohlenstoffschichten widerspiegelt. Eine vergleichbare Härtezunahme soll durch Abscheidung einer amorphen Kohlenstoffschicht auf der PE-UHMW-Komponente eingestellt werden. Mittels Ring-Scheibe-Tribometer werden die Schichtsysteme gegenüber PE-UHMW unter Minimalmengenschmierung mit FBS getestet. Aus tribologischer Sicht stellen a-C: H und a-C: H: SiO potentielle Lösungsansätze für die Erhöhung des Verschleißwiderstands von Implantaten dar, da der lineare Verschleißbetrag gegenüber den unbeschichteten Referenzen reduziert werden konnte. Mit Hilfe von LSM konnten die Verschleißerscheinungsformen in den Verschleißspuren identifiziert werden. Demnach dominieren auf der PE-UHMW- Scheibe vor allem Abrasion und Oberflächenzerrüttung, die insbesondere durch Adhäsion der PE-UHMW- Partikel an der Oberfläche der beschichteten Ringe hervorgerufen werden. Die Größe der Verschleißpartikel liegt für die Schichten und die Referenzen über der kritischen Größe, die Osteolyse und somit die aseptische Lockerung begünstigt. Die Verschleißpartikel müssen daher in weiterführenden Versuchen am Kniesimulator erzeugt und anschließend auf ihr bio- und tribologisches Verhalten hin analysiert werden. In Folgeuntersuchungen sollen zu Zwecken der systematischen Schichtentwicklung, Grenzen für Tribometerversuche festgelegt werden, die dann im Kniesimulator und ferner im Implantat zu ausreichend kleinen Verschleißpartikeln führen, um eine unnötige biologische Aktivität zu vermeiden. In folgenden Untersuchungen soll der Fokus auf der Verbesserung der Schichthaftung liegen, um eine gut haftende amorphe Kohlenstoffschicht zu gewährleisten und haftungsbedingte Explantation zu vermeiden. Besonderes Augenmerk ist dem H IT / E IT -Verhältnis in Verbindung mit der Rauheit zu schenken. Um den auftretenden Verschleiß zu reduzieren und Einfluss auf die entstehenden Verschleißpartikel zu nehmen, bietet sich eine zusätzliche Applikation einer haftfesten Kohlenstoffschicht auf PE-UHMW an. Tribometerversuche auf Modellebene sind nach K RETZER et al. [20] unerlässlich für die Ermittlung der Verschleißrate und für das Ableiten von Verschleißmechanismen, sollen aber durch Versuche an einem anwendungsnahen Kniesimulator ergänzt werden. So können genauere Aussagen über die Partikelgrößenverteilung und deren zytologische Wirkung getroffen werden. Dadurch kann eine ganzheitliche Verschleißanalyse erfolgen. Zusätzlich soll der bislang beschreibende Charakter dieser Studie bezüglich des Verschleißes und der Verschleißpartikel durch genaue Oberflächenanalytik, wie beispielsweise energiedispersive Röntgenspektroskopie (EDX), evaluiert werden. Danksagung Die Autoren bedanken sich für die Unterstützung bei der Probencharakterisierung bei Frau S. Schödel, B.Sc. und bei Frau Dipl.-Ing. U. Wolf. Literatur [1] S EIDLITZ , C.; K LEIN , S.; KIP, M.: Weißbuch Gelenkersatz. Springer Berlin Heidelberg, 2017. [2] L OMBARDI J R , A. V.; et al.: Why knee replacements fail in 2013. Bone Joint J. 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Jahrgang · 1/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0002 T+S_1_2019.qxp_T+S_2018 29.01.19 09: 11 Seite 23 [14] M A , G.; et al.: A study of structure and properties of Tidoped DLC film by reactive magnetron sputtering with ion implantation. Appl. Surf. Sci. Bd. 258 (2012) Nr. 7, S. 3045-3050. [15] B EWILOGUA , K.; et al.: DLC based coatings prepared by reactive d.c. magnetron sputtering. Thin Solid Films Bd. 447-448 (2004), S. 142-147. [16] H ETZNER , H.: Systematische Entwicklung amorpher Kohlenstoffschichten unter Berücksichtigung der Anforderungen der Blechmassivumformung. Dissertation, FAU Erlangen-Nürnberg, 2014. [17] P RITCHETT , J. W.: Heat generated by knee prostheses. Clinical orthopaedics and related research Bd. 442 (2006), S. 19-198. [18] R EPENNING , D.: Beschichtungen auf Implantaten. In: Ossäre Integration. Berlin Heidelberg: Springer, 2006. S. 53-61. [19] B ANKSTON , A.B.; et al.: Comparison of polyethylene wear in machined versus molded polyethylene. Clin. Orthop. Relat. R. 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