eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 66/4-5

Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.30419/TuS-2019-0023
91
2019
664-5 Jungk

Wasserstofffreisetzung im Wälzkontakt

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2019
Dominik Kürten
Iyas  Khader
Andreas Kailer
Mit der hier vorgestellten Methode können unterschiedliche Schmierstoffe hinsichtlich ihrer Affinität zu Freisetzung von Wasserstoff im Wälzkontaktversuch charakterisiert werden. Zusätzliche Schmierstoffanalysen mittels FTIR Spektroskopie und Messungen der Viskosität zeigen mögliche Degradationsreaktionen der Schmierstoffe auf. Diese sind eine Quelle der Wasserstofffreisetzung und können Ursache von Wälzlagerschädigungen wie WEC sein.
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Umgebungsbedingungen (Schmierstoffformulierung, Wasser, elektrische Felder und Ströme) zugeordnet werden [5-7]. Die Kontaktbelastungen begünstigen dabei tribochemische Reaktionen des Schmierstoffs mit der Wälzlageroberfläche [7]. Der für die entstehenden Schädigungen verantwortliche Wasserstoff wird dabei durch Schmierstoffdegradationen erzeugt [8-13]. Hierbei führen im Fall der Grundöle häufig Oxidations- und Fragmentierungsreaktionen zur Freisetzung von Wasserstoff [8-11]. Für additivierte Schmierstoffe, wie sie in technischen Anwendungen eingesetzt werden, stehen verschiedene Additive im Verdacht, Wasserstoff freizusetzen [14-16]. Zielsetzung Um Lösungsansätze für die wasserstoffinduzierten Frühausfälle von Wälzlagerungen zu erarbeiten, ist es wichtig, die zugrundeliegenden Mechanismen zu verstehen. Zur Untersuchung der Wasserstofffreisetzung von Schmierstoffen im Wälzkontakt wurde am Fraunhofer IWM eine eigene Methode zur Charakterisierung von Schmierstoffen hinsichtlich des Risikos zur Wasserstofffreisetzung im Wälzkontakt entwickelt. Hiermit können kritische Schmierstoffe identifiziert und Lösungsansätze für die Verbesserung der Schmierstoff- und Lagerlebensdauer erarbeitet werden. Durch die Kombination von Schmierstoff-, Mikrostruktur- und Wasser- Aus Wissenschaft und Forschung 44 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 4/ 5/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0023 Motivation Wälzkontaktermüdung in Lagerungen manifestiert sich typischerweise als Risswachstum unterhalb der Oberfläche und schließlich Abblättern der Lagerlaufbahnoberfläche [1]. Im Fall ölgeschmierter Kontakte wird der zugrundeliegende Schädigungsmechanismus für Rissinitiierung und Risswachstum möglicherweise durch absorbierten Wasserstoff beschleunigt. Wasserstoffinduzierte Wälzkontaktschädigungen stellen ein erhebliches industrielles Problem dar. Hiervon betroffen sind Wälzlager verschiedener Größe in einer Vielzahl von Anwendungen. Dabei entstehen zumeist weitverzweigte white etching crack (WEC) Rissnetzwerke unterhalb der Wälzkontaktfläche. Charakteristisch für die WEC Netzwerke ist der frühzeitige Ausfall der Lager [2]. Wälzversuche mit wasserstoffbeladenen Proben haben gezeigt, dass der Wasserstoff für die Erzeugung von WECs eine entscheidende Rolle spielt [3]. Analoge Schädigungen konnten auch an den Lagerungen und Getrieben in Windkraftanalgen gefunden werden [4]. Die Einflussfaktoren, die zur Freisetzung von Wasserstoff im Wälzkontakt führen, können sowohl der Kontaktmechanik (Kraft, Schlupf, Reibung) als auch den Mit der hier vorgestellten Methode können unterschiedliche Schmierstoffe hinsichtlich ihrer Affinität zu Freisetzung von Wasserstoff im Wälzkontaktversuch charakterisiert werden. Zusätzliche Schmierstoffanalysen mittels FTIR Spektroskopie und Messungen der Viskosität zeigen mögliche Degradationsreaktionen der Schmierstoffe auf. Diese sind eine Quelle der Wasserstofffreisetzung und können Ursache von Wälzlagerschädigungen wie WEC sein. Schlüsselwörter Wasserstoff, Schmierstoffdegradation, Wälzkontakt, white etching cracks, Wasserstoffanalysen, Schmierstoffanalysen, FE-Simulation By relying on a comprehensive approach the ability to characterize various lubricants in terms of their affinity to induce hydrogen embrittlement in bearing steel is described. The degradation reactions of the lubricant were established through Fouriertransform infrared spectroscopy (FTIR) and viscosity lubricant analysis. Oxidation and fragmentation reactions of the lubricant are through of as the basis for hydrogen evolution from the lubricant which is culpable of hydrogen assisted rolling contact premature failure effects such as brittle flaking and WECs in bearings. Keywords hydrogen, lubricants, degradation, white etching cracks, rolling contact fatigue, full bearing test, FE simulation Kurzfassung Abstract * Dr.-Ing. Dominik Kürten Dr.-Ing. Iyas Khader Dr. rer. nat. Andreas Kailer Fraunhofer IWM, 79108 Freiburg Wasserstofffreisetzung im Wälzkontakt Dominik Kürten, Iyas Khader, Andreas Kailer * TuS_4_5_2019.qxp_T+S_2018 23.08.19 13: 15 Seite 44 stoffanalysen entsteht ein detailliertes Bild der Schmierstoff-Lager-Interaktion. Hierdurch können verschiedene Schmierstoffe hinsichtlich des Risikos zur Schadensbildung bewertet werden. Anhand von zusätzlichen FEM- Simulationen können die kontaktmechanischen Belastungen beurteilt werden (siehe Bild 1). Wälzversuche Die Wälzversuche wurden am Fraunhofer IWM mit einem selbstentwickelten Axiallagerprüfstand durchgeführt (siehe Bild 2). Für die Versuche werden Axial- Zylinderrollenlager mit einem Außendurchmesser von 35 mm verwendet. Der Axiallagerprüfstand bietet die Möglichkeit, Normalkraft, Drehzahl und Temperatur unabhängig voneinander zu steuern und zu regeln. Zusätzlich können dynamische Lasten überlagert werden. Während des Versuchs wird das Reibmoment mittels Drehmomentmesszelle erfasst. Eine akustische Schadensdetektion der Wälzlager zeigt Schädigungen frühzeitig an. Somit können Abschaltkriterien für die Versuche anhand der entstehenden Schädigungen definiert werden. Das für die Versuche verwendete Schmierstoffvolumen ist mit 15 ml möglichst klein, um Schmierstoffdegradationen erzeugen zu können. Die Schmierung des Prüflagers erfolgt als Tauchschmierung. Der Prüfaufbau wurde in eine servohydraulische Universalprüfmaschine integriert, welche die Normalkraft auf das Prüflager aufbringt. Konstruktionsbedingt kann das Prüflager in sehr kurzer Zeit demontiert werden. Dies ermöglicht eine zeitnahe Wasserstoffanalyse der Wälzlager. Die Wälzlager werden bis zur Wasserstoffanalyse in flüssigem Stickstoff gelagert. Hierdurch werden Diffusionsbewegungen des Wasserstoffs wirkungsvoll unterbunden. Für die hier exemplarisch vorgestellten Wälzversuche wurden als Schmierstoffe ein konventionelles Getriebeöl sowie drei Grundöle verwendet (siehe Tabelle 1). Zur Kompensation der unterschiedlichen Viskosität der einzelnen Schmierstoffe wurden die Versuche bei unter- Aus Wissenschaft und Forschung 45 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 4/ 5/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0023 Bild 1: Schematische Darstellung der Prüfmethodik Bild 2: Wälzlagerprüfstand für Tests mit axiallager mit einem außendurchmesser von 35 mm TuS_4_5_2019.qxp_T+S_2018 23.08.19 13: 15 Seite 45 Die in Bild 4 dargestellten Wasserstoffanalysen der Wälzlager vor und nach den Wälzversuchen zeigen, dass im Fall des Getriebeöls nach einer Versuchsdauer von 50 h eine deutliche Zunahme der Wasserstoffgehalte zu verzeichnen ist. Das Diagramm stellt das Delta zwischen der Messung nach dem Versuch und vor dem Versuch dar. Beim Vergleich der verschiedenen Öle zeigt sich, Aus Wissenschaft und Forschung 46 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 4/ 5/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0023 schiedlichen Temperaturen durchgeführt. Hierdurch konnten die Versuche bei ähnlichem Viskositätsindex durchgeführt werden. Die Versuche wurden mit einer Normalkraft von 8 kN, einer Drehzahl von 700 U/ min sowie einer Schmierstofftemperatur von 100 °C und 120 °C durchgeführt. Bild 3 zeigt die Entwicklung der Reibwerte mit der Versuchsdauer. Es zeigt sich im Fall des konventionellen Getriebeöls, dass die Reibung nach einer Versuchsdauer von 50 h auf einen konstanten Wert absinkt. Bis zu einer Versuchsdauer von ca. 30 h finden Einglättungsvorgänge und der Aufbau einer Additivschicht auf der Wälzlageroberfläche durch den Schmierstoff statt. Die Schichtbildung ist die Ursache für das Absinken des Reibwertes. Für die Grundöle ist ein derartig starker Einlauf nicht zu beobachten. Die Gründöle zeigen niedrigere Reibwerte im Vergleich zum Getriebeöl und nur leicht abfallende Reibwerte von Alkydiphenylether (ADE) und Ester. Das Polyalphaolefin (PAO) zeigt über nahezu die gesamte Versuchsdauer einen konstanten Reibwert. Wasserstoffanalysen Die Untersuchung der Wasserstoffgehalte der Lager vor und nach den Versuchen gibt einen Hinweis auf die im Versuch erzeugte Menge an Wasserstoff. Diese kann für unterschiedliche Schmierstoffe gemessen werden und die Unterschiede einem höheren oder eher niedrigeren Risiko für wasserstoffinduzierte Schädigungen zugewiesen werden. Ein zusätzlicher Vergleich mit Schmierstoff- und Schadensanalysen ermöglicht Rückschlüsse zur Wasserstofffreisetzung und der dabei entstandenen Schädigungen. Die Wasserstoffgehalte wurden mittels Trägergasheißextraktion ermittelt. Hierbei wird die Probe in einem Ofen geschmolzen und der integrale austretende Wasserstoff bestimmt. Zur Analyse der Veränderung des Wasserstoffgehalts der Wälzlager wurden jeweils 3 Zylinderrollen vor und nach dem Wälzversuch aus dem Lager entnommen. Der Wasserstoffanalysator wurde über Referenzproben mit 1,9 ± 0,25 ppm Wasserstoff kalibriert. Bild 3: Zeitlicher Verlauf der Reibwert in Wälzlagerversuchen mit einem konventionellen Getriebeöl sowie drei Grundölen Bild 4: Wasserstoffanalysen der Wälzlager vor und nach den Wälzversuchen. Veränderung der Wasserstoffkonzentration der Wälzlager infolge der Wälzbeanspruchung Schmierstoff Viskosität bei 40°C [mm2/ s] Viskosität bei 100°C [mm2/ s] Temperatur [°C] Viskositäts- Index Alkydiphenylether (ADE) 97.4 13 120 0,23 Ester 98.3 12.6 120 0,22 Polyalphaolefin (PAO) 106 14.3 120 0,25 Getriebeöl 64 9.6 100 0,26 Tabelle 1: Schmierstoffdaten, Versuchstemperaturen und Viskositätsindex der verwendeten Schmierstoffe in den Wälzversuchen ätsätsätsäts- [mm 2 / s] [mm 2 / s] Delta Wasserstoffgehalt [ppm] TuS_4_5_2019.qxp_T+S_2018 23.08.19 13: 15 Seite 46 dass die verwendeten Grundöle weniger Wasserstoff freisetzen als das additivierte Getriebeöl. Dies deutet auf einen Einfluss der Additive im Getriebeöl auf die Freisetzung von Wasserstoff hin. Schmierstoffanalysen Zur Untersuchung von Schmierstoffdegradationen und tribochemischen Schmierstoffreaktionen wurden die in den Versuchen verwendeten Schmierstoffe vor und nach dem Versuch mittels Infrarotspektroskopie (FTIR) untersucht. Zusätzliche Analysen wie Viskositätsmessungen, Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) und Optische Emissionsspektroskopie (ICP OES) ergeben weitere Informationen über Veränderungen der Schmierstoffe. Tribochemische Oberflächenanalysen mittels Photoelektronenspektroskopie (XPS) zeigen Reaktionsprodukte der Schmierstoffe mit der Lageroberfläche, welche zum Teil mit der Freisetzung von Wasserstoff in Verbindung gebracht werden können. In Bild 5 ist die dynamische Viskosität der Schmierstoffe vor und nach den Versuchen dargestellt. Die Änderung der Viskosität mit der Versuchsdauer ist möglicherweise auf strukturelle Veränderungen des Schmierstoffs infolge der Wälzbelastung zurückzuführen. Der Abbau von Additiven, Verschleißpartikel sowie Fragmentierungsreaktionen des Schmierstoffs können hierfür ursächlich sein. Vor und nach den Versuchen wurde der Schmierstoff mittels FTIR-Spektroskopie untersucht. Damit können Oxidationsreaktion des Schmierstoffes nachgewiesen werden, die auf eine Wasserstofffreisetzung aus dem Schmierstoff infolge einer Schmierstoffdegradation hindeuten. Wasserstoff kann durch Oxidations- und Fragmentierungsreaktionen des Schmierstoffs freigesetzt werden [1, 2]. Schmierstoffanalysen mittels FTIR zeigen einen starken Oxidpeak im Bereich zwischen 1250 und 1750 cm-1, welcher durch das Grundöl des Schmierstoffs (Ester- oder Etheröl) erzeugt wird (siehe Bild 6). Aus Wissenschaft und Forschung 47 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 4/ 5/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0023 Bild 5: Messung der dynamischen Viskosität der einzelnen Schmierstoffe vor und nach den Wälzversuchen Bild 6: FTiR-Spektrum des Getriebeöls vor und nach dem Wälzversuch. im Bereich zwischen 1500 und 1750 Wellenzahlen lässt sich ein zusätzlicher oxidationspeak im getesteten Getriebeöl ausmachen y Element Konzentration (neu) [mg/ kg] Konzentration (gelaufen) [mg/ kg] Fe 0 430 Cr 0 59 Na 1269 1267 Ca 3265 3326 B 619 609 Zn 1540 1588 P 1384 1358 S 8182 7458 Tabelle 2: iCP oES analyse des Getriebeöls vor und nach dem Wälzversuch y y TuS_4_5_2019.qxp_T+S_2018 23.08.19 13: 15 Seite 47 Die Ergebnisse einer lichtmikroskopischen Untersuchung nach einem Versuch mit dem Getriebeöl sind in Bild 7 gezeigt. Unterhalb der Oberfläche der Zylinderrollen haben sich WEC-Rissnetzwerke gebildet. Eine solche Netzwerkbildung konnte innerhalb dieser Versuchsreihe nur im Versuch mit dem Getriebeöl beobachtet werden und ist mit einer starken Erhöhung der Wasserstoffkonzentration der Wälzlager verbunden. Daraus lässt sich schließen, dass die Entstehung von WECs ein wasserstoffinduzierter Effekt ist. Das Diagramm in Bild 7 zeigt die Verteilung der Rissnetzwerke unterhalb der Lageroberfläche. FEM Simulation Finite Elemente (FE)-Simulationen ermöglichen es, anhand des Belastungskollektivs Spannungen in den Bauteilen zu berechnen. Ein dreidimensionales FE-Modell zur Berechnung der Spannungen im Langer wurde mit in der kommerziellen Software Abaqus entwickelt. Die Geometrie wurde vereinfacht und besteht aus vier Wälzkörpern, welche durch den Käfig miteinander verbunden sind. Ein feines Netz mit einer Elementgröße von 250 × 85 × 85 [µm 3 ] wurde zur Vernetzung der Geometrie im Kontaktbereich verwendet. Das Wälzlager besteht aus 100Cr6 Stahl mit einem Elastizitätsmodul von E = 212,0 GPa und einer Possionzahl von ν = 0,29. Für den Käfig wurde Polyamid 66 mit einem Elastizitätsmodul von E=3,95 GPa und einer Possionzahl von ν = 0,39 verwendet. Die mit FE berechneten Spannungen zeigten eine maximale Vergleichsspannung von ca. 1,4 GPa an den Kanten und einen Wert von ca. 1,0 GPa unterhalb der Wälzkörperoberfläche, siehe Bild 8. Beim Walzkontakt Aus Wissenschaft und Forschung 48 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 4/ 5/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0023 Dieser Oxidpeak des Grundöls überdeckt mögliche weitere Oxidationspeaks infolge einer Schmierstoffoxidation. Dennoch wurde mit zunehmender Versuchsdauer eine Verringerung der Viskosität erhalten, die wiederum auf eine Degradationsreaktion hindeutet. Die Elementanalyse der Schmierstoffe mittels ICP OES ermöglicht die Messung von Konzentrationen von Verschleißpartikeln im Schmierstoff. Weiterhin können die Schmierstoffe hinsichtlich ihrer Additivierung untersucht werden (siehe Tabelle 2). Hierbei können die Konzentrationen von Additiven vor und nach dem Versuch erfasst werden. Diese stehen zum Teil im Verdacht, ursächlich für die Freisetzung von Wasserstoff im Wälzkontakt zu sein [16]. Grundöle haben demgegenüber lediglich die Möglichkeit, über Oxidations- und Fragmentierungsreaktionen Wasserstoff an das Tribosystem abzugeben. Schadensanalyse Schadensanalysen nach den Versuchen wurden durchgeführt, um die entstanden Schädigungen zu beurteilen. Hierbei sind wasserstoffinduzierte Schädigungen wie WEC / WEA oder auch das Abblättern der Oberfläche („brittle flaking“) von besonderem Interesse. Die Rissbildung unterhalb der Wälzkontaktfläche wurde in sequenziellen Querschliffen untersucht. Hierzu wurden Querschliffe der Zylinderrollen in einem regelmäßigen Abstand von der Außenkante angefertigt. Die Schliffflächen wurden mit Pikral geätzt. So können ehemalige Austenitkorngrenzen sichtbar gemacht und der Rissverlauf nach trans- und interkristallin besser beurteilt werden. Das Ätzen der Oberfläche verbessert auch die Erkennbarkeit von white etching area (WEA) in einem WEC-Netzwerk. Bild 7: Sequenzielle Querschliffanalyse einer Zylinderrolle aus einem Wälzversuch mit Getriebeöl. a) Darstellung der Tiefe der auftretenden Rissnetzwerke unterhalb der Wälzkontaktfläche für die einzelnen Schliffebenen. b) WEC Rissnetzwerk in einem Querschliff einer Zylinderrolle (a) (b) TuS_4_5_2019.qxp_T+S_2018 23.08.19 13: 15 Seite 48 entsteht eine asymmetrische Zugspannungsverteilung mit einer an der Oberfläche auftretenden Spannung von ca. 150 MPa, etwa 500 -750 µm vom Körperrand entfernt. Die Zugspannungen unterhalb der Wälzkörperoberfläche liegen im Bereich von 50 - 60 MPa. Schlupf entsteht durch Relativbewegung zwischen Rolle und Laufbahn. Die Zugspannungen im Wälzkontakt werden durch Reibung und Schlupf zwischen Wälzkörper und Lagerringen beeinflusst, was ihre asymmetrische Verteilung erklärt. Die Bereiche der höchsten von Mises-Vergleichsspannungen unterhalb der Oberfläche stimmen mit dem von WEA betroffenen Bereichen überein. Fazit Die vorgestellte Methode bietet die Möglichkeit, unterschiedliche Schmierstoffe hinsichtlich ihrer Affinität zur Bildung von wasserstoffinduzierten Schädigungen zu charakterisieren. Die Kombination verschiedener Analysen hinsichtlich Schmierstoffdegradation, Mikrostrukturänderung und Wasserstoffgehalt der Lager infolge der Versuchsbelastung ergibt eine gute Beurteilungsgrundlage der Risiken einzelner Schmierstoffe zur Schadensbildung. Die Analysen der Versuche und der anschließenden Wasserstoffanalysen sowie der Schadensanalysen ergaben, dass die Bildung der WEC-Rissnetzwerke durch Wasserstoff stark beeinflusst wird. Der Wasserstoff wird hierbei aus dem Schmierstoff freigesetzt und lagert sich anschließend im Stahlgefüge an. Mittels FE Simulationen können die Belastungen und die Kontaktsituation besser beurteilt werden. Diese helfen, Korrelationen zwischen entstandenen Schädigungen und den Kontaktbelastungen zu finden. Eine Erweiterung der Simulation hinsichtlich Wasserstoffdiffusionsmodellierung soll zusätzliche Erklärungen für die Bildung von WEC-Rissnetzwerken liefern. Die Verbesserung der Modellierung der zugrundeliegenden Vorgänge in Kombination mit entsprechenden Werkstoffdaten kann langfristig zu einer besseren Vorhersagefähigkeit der Lebensdauer von Wälzlagern führen. Literatur [1] F. Sadeghi, B. Jalalahmadi, T. Slack, N. Raje and N. Arakere, „A Review of Rolling Contact Fatigue,“ Journal of Tribology, no. 131, 2009. [2] K. Stadler, J. Lai and R. H. 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