eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 66/4-5

Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.30419/TuS-2019-0027
91
2019
664-5 Jungk

Oberflächenstrukturen zur Reibungsreduzierung von Gleitführungen in Werkzeugmaschinen

91
2019
Simon Weber
Christian Busch
Es ist bekannt, dass durch eine Optimierung der Oberflächengestalt die tribologischen Eigenschaften der Gleitpartner maßgeblich verbessert werden können. Ziel ist, durch eine definierte Oberflächenstruktur der Gleitflächen einen definierten Schmierungszustand zu erreichen. In Laborversuchen wurden oberflächenstrukturierte Proben mit glatten Proben verglichen. Dabei konnte festgestellt werden, dass bei Proben mit einer Oberflächenstrukturierung der Stick-Slip-Effekt erst bei höheren Flächenlasten einsetzt sowie der Reibwert um bis zu 40 % reduziert werden kann.
tus664-50070
Aus der Praxis für die Praxis 70 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 4/ 5/ 2019 1 Wirkung Oberflächenstrukturierung Die tribologischen Eigenschaften aufeinander gleitender Bauteile, z.B. Gleitführungen, werden neben der Flächenlast, Gleitgeschwindigkeit und Werkstoffpaarung maßgeblich durch deren Oberflächeneigenschaften bestimmt. In dem sich durch Oberflächenunebenheiten bildenden konvergenten Schmierspalt bildet sich bei der Gleitbewegung ein hydrodynamischer Druck und infolgedessen ein Schmierfilm aus. Aufgrund der willkürlich verteilten Unebenheiten technischer Oberflächen stellt sich allerdings ein undefinierter Schmierungszustand ein (Bild 1). Folglich kann eine Optimierung der Oberflächengestalt die tribologischen Eigenschaften der Gleitpartner maßgeblich verbessern. Ziel ist, durch eine definierte Oberflächenstruktur der Gleitflächen einen definierten Schmierungszustand zu erreichen (Bild 2). Dadurch kann der vorherrschende Mischreibungszustand mit hohem Festkörperanteil in das Übergangsgebiet zur Flüssigkeitsreibung verlagert werden (Bild 3). DOI 10.30419/ TuS-2019-0027 Oberflächenstrukturen zur Reibungsreduzierung von Gleitführungen in Werkzeugmaschinen Simon Weber, Christian Busch* Es ist bekannt, dass durch eine Optimierung der Oberflächengestalt die tribologischen Eigenschaften der Gleitpartner maßgeblich verbessert werden können. Ziel ist, durch eine definierte Oberflächenstruktur der Gleitflächen einen definierten Schmierungszustand zu erreichen. In Laborversuchen wurden oberflächenstrukturierte Proben mit glatten Proben verglichen. Dabei konnte festgestellt werden, dass bei Proben mit einer Oberflächenstrukturierung der Stick-Slip- Effekt erst bei höheren Flächenlasten einsetzt sowie der Reibwert um bis zu 40 % reduziert werden kann. Schlüsselwörter Oberflächenstrukturierung, SRV, Oberflächenanalyse, Reibung, Stick-Slip It is known that the tribological properties of the sliding partners can be significantly improved by optimizing the surface shape. The aim is to achieve a defined lubrication state through a defined surface structure of the sliding surfaces. In laboratory experiments, surface-structured samples were compared with smooth samples. It was found that for samples with surface structuring the stick-slip effect starts at higher surface loads. The coefficient of friction can be reduced by up to 40 %. Keywords Surface Structuring, SRV, Surface Characterisation, Friction" Stick-Slip Kurzfassung Abstract * Simon Weber M. Eng. Prof. Dr.-Ing. Christian Busch Westsächsische Hochschule Zwickau Fakultät Automobil- und Maschinenbau 08056 Zwickau Bild 1: Hydrodynamischer Spaltdruck infolge Gleitbewegung unebener Gleitflächen [1] Bild 2: Hydrodynamischer Spaltdruck infolge mikrostrukturierter Gleitfläche [1] TuS_4_5_2019.qxp_T+S_2018 23.08.19 13: 15 Seite 70 Die große Herausforderung besteht im Finden einer wirksamen Oberflächenstrukturierung von Gleitflächen sowie deren Machbarkeit, Auslegung, Optimierung und Wirtschaftlichkeit für den Einsatz bei Gleitführungen von Werkzeugmaschinen. 2 SRV-Untersuchungen Für die Reibuntersuchungen im SRV werden Modellprüfkörper mit der Paarung Ring-Platte verwendet. Die Gleitbewegung wird in Oszillation ausgeführt. Die Platte wurde aus dem zu prüfenden Gleitbelagsmaterial hergestellt, der Ring besteht aus dem Stahl 100Cr6. Geschmiert wird mit einem handelsüblichen Bettbahnöl. Für den Vergleich unterschiedlicher Proben hat sich gezeigt, dass für den SRV eine zweiteilige Testprozedur aussagefähig ist. Um den Reibwert bei langsamen Gleitgeschwindigkeiten zu ermitteln, werden Versuche im Mischreibungsgebiet durchgeführt. Dabei wird die Flächenpressung kontinuierlich erhöht (Versuchsbedingungen: Geschwindigkeit: 1040 mm/ min; Last: ansteigend von 50 auf 400 N (p = 0,57 - 4,6 MPa); Dauer: 3 Zyklen à 8 min = 24 min) Um den Stick-Slip-Effekt zu bewerten, werden Versuche am SRV in Anlehnung an [2] bei nochmals reduzierten Gleitgeschwindigkeiten gemessen (Versuchsbedingungen: Geschwindigkeit: 1,2 mm/ min; Last: ansteigend von 50 auf 400 N (= 0,57 - 4,6 MPa); Dauer: 3 Zyklen à 14 min = 42 min). Zur Auswertung wird dabei die Laststufe herangezogen, bei der erstmalig Stick-Slip auftritt. Je höher der Wert ist, desto geringer ist die Stick-Slip- Neigung. 3 Untersuchte Oberflächenstrukturen Um die verschiedenen Oberflächenstrukturierungen charakterisieren zu können, werden die Proben mit dem optischen Messsystem Alicona G5 untersucht. Dabei entstehen 3D-Aufnahmen der Oberflächen, die miteinander verglichen werden können. In Bild 4 ist die Oberfläche des Standard-Gleitbelags dargestellt. Diese wird als Referenz genutzt. Die Bilder 5 bis 7 zeigen eine Auswahl von Oberflächenstrukturen, die für Testzwecke abgeformt wurden. Im Vergleich zur Referenz haben die abgeformten Oberflächenstrukturen große Bereiche, die unterhalb der Kontaktfläche liegen und somit als Aus der Praxis für die Praxis 71 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 4/ 5/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0027 Bild 3: Reibwert µ in abhängigkeit der Gleitgeschwindigkeit (Stribeck-kurve) [1] Bild 4: Referenzoberfläche Bild 5: oberflächenstruktur 03 TuS_4_5_2019.qxp_T+S_2018 23.08.19 13: 15 Seite 71 In Bild 9 ist die ermittelte Inselanzahl der verschiedenen Proben aufgetragen. In der logarithmischen Darstellung wird deutlich, dass die Referenzoberfläche des Standard-Gleitbelags die größte Anzahl von Inseln aufweist. Diese sind gleichmäßig über die Oberfläche verteilt. In Bild 10 sind die Inseln in hellblauer Farbe dargestellt, die schwarzen Bereiche liegen unterhalb der Höhe c. Als Vergleich werden in Bild 11 die Inseln der Oberflächenstruktur 07 gezeigt. Bei dieser Oberflächenstrukturierung fällt die Inselanzahl um den Faktor 100 geringer aus. 5 Tribologische Oberflächencharakterisierung In Bild 12 sind die Ergebnisse der SRV-Versuche dargestellt. Die blauen Balken repräsentieren die Stick-Slip- Neigung der Probe. Je höher der Balken ist, umso größer ist die Normalkraft, bei der der Stick-Slip-Effekt auftritt. Große Werte bedeuten folglich eine geringe Stick-Slip- Aus der Praxis für die Praxis 72 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 4/ 5/ 2019 Schmierstoffdepot zu Verfügung stehen. Insgesamt wurden 20 unterschiedliche Oberflächenstrukturierungen untersucht. 4 Geometrische Oberflächencharakterisierung Der geometrischen Charakterisierung der Strukturierungen liegt die ungefilterte Oberfläche zugrunde. An dieser wird die Materialanteilskurve ermittelt. Bei einem festgelegten Prozentsatz der Materialanteilskurve wird die zugehörige Höhe c bestimmt. Die Höhe c ist dabei abhängig von der Oberflächenstruktur. Vom höchsten Punkt der Oberfläche abwärts in das Material gehend wird die Höhe c angetragen. Oberflächenstrukturen oberhalb der Höhe c werden geometrisch nach Inselanzahl (Number of Islands), der projizierten Durchschnittsoberfläche einer Insel (Mean Surface of Islands) und nach dem Durchschnittsmaterialvolumen einer Insel (Mean Volume of Material) charakterisiert. [3] DOI 10.30419/ TuS-2019-0027 Bild 8: Schematische Darstellung der geometrischen oberflächencharakterisierung [3] Bild 6: oberflächenstruktur 07 Bild 7: oberflächenstruktur 08 TuS_4_5_2019.qxp_T+S_2018 23.08.19 13: 15 Seite 72 Aus der Praxis für die Praxis 73 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 4/ 5/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0027 Bild 9: Ermittelte inselanzahl der oberflächenstrukturierungen Bild 12: Ergebnisse der SRV-Versuche Bild 10: Referenzoberfläche mit inseln Bild 11: oberfläche mit inseln der Probe 07 TuS_4_5_2019.qxp_T+S_2018 23.08.19 13: 15 Seite 73 reservoirs gebildet werden, die für die Schmierung des Oberflächenkontakts wichtig sind. Auch kann die Vernetzung der Ölreservoirs untereinander nicht berücksichtigt werden, die für die Hydrodynamik sicherlich nicht vernachlässigt werden darf. Diese offenen Fragen sind Gegenstand weiterer Untersuchungen. Förderhinweis Das Forschungsprojekt wurde über die AiF im Rahmen des zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) unter dem Förderkennzeichen ZF4154805RU6 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Literatur [1] Neumann, S.; Jacobs, G., Strasburger, F.: Simulation einer mikrostrukturierten Laufwerkdichtung als flexibles Mehrkorpersystem mit Kopplung zur Elastohydrodynamik. 18 th International Sealing Conference. Stuttgart 2014. [2] Rehbein, W.; Rigo, J.; Lange, I.: Die „Trilogie“ der Tribologie. 53. Tribologie-Fachtagung Göttingen 2012 [3] Gerlach, M.; Schiefer, S.; Leidich, E.; Gräfensteiner; M.: Ganzheitlicher Ansatz zur Beschreibung von Oberflächengeometrien und deren Einfluss auf das Reibwertverhalten von Stahloberflächen. 55. Tribologie-Fachtagung Göttingen 2014 Aus der Praxis für die Praxis 74 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 4/ 5/ 2019 Neigung. Die schwarzen Quadrate stellen den Reibwert dar. Ausgehend von der Referenzoberfläche mit Auftreten des Stick-Slip-Effektes bei geringer Normalkraft und hohem Reibwert, zeigen alle getesteten Oberflächenstrukturierungen eine Verbesserung der tribologischen Kennwerte. Sowohl die Stick-Slip-Neigung als auch der Reibwert verringern sich. Bei einigen Proben verdoppelt sich die Normalkraft, bei der erst Stick-Slip auftritt und der Reibwert verringert sich um bis zu 40 %. 6 Diskussion der Ergebnisse Bei gemeinsamer Betrachtung von geometrischer und tribologischer Oberflächencharakterisierung in Bild 13 fällt eine klare Tendenz auf. Im Diagramm sind Reibwert und Normalkraft über der Inselanzahl aufgetragen. Die Normalkraft, bei der erstmals der Stick-Slip-Effekt auftritt, fällt mit zunehmender Inselanzahl. Das heißt, dass mit zunehmender Inselanzahl die Stick-Slip-Neigung zunimmt. Ebenso nimmt der Reibwert mit steigender Inselanzahl zu. Für eine reibungs- und Stick-Slip-arme Oberfläche ist also eine geringe Inselanzahl anzustreben. Zwar gibt es einzelne Ausreißer, die Tendenz ist aber klar zu erkennen. Die Ausreißer sind dadurch zu erklären, dass die Inselanzahl auf keinen Fall alle geometrischen Oberflächeneigenschaften charakterisieren kann. So spielt der Raum zwischen den Inseln eine wesentliche Rolle, da hier Öl- DOI 10.30419/ TuS-2019-0027 Bild 13: Ergebnisse der SRV-Versuche bezogen auf die inselanzahl TuS_4_5_2019.qxp_T+S_2018 23.08.19 13: 15 Seite 74