Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.30419/TuS-2019-0032
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2019
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JungkTribologische Betrachtung von mit Gleitlack beschichteten Hubmagnetsystemen
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2019
Stefan Göllner
Thorsten Stöberl
Frank Mantwill
Für zukünftige Hubmagnetsysteme im Bereich der Abgasnachbehandlung soll die Anwendbarkeit von Gleitlacken und deren Wirkungsweise untersucht werden. Mittels eines DOE werden die wichtigsten Einflussfaktoren empirisch ermittelt. Dominierenden Einfluss auf Reibung und Verschleiß haben die Temperatur und Oberflächengüte des Gegenkörpers. Durch eine Erhöhung der Temperatur und Oberflächengüte können Reibung und Verschleiß signifikant reduziert werden. Die Temperatur infolge der Reibung am tribologischen Kontakt kann als Grund für ein Versagen der Gleitlackschicht ausgeschlossen werden.
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kommen überall dort zum Einsatz, wo herkömmliche Schmierstoffe wie Fette oder Öle an ihre Grenzen gelangen oder aufgrund ihrer Stoffeigenschaften nicht eingesetzt werden können. Die flexible Zusammensetzung aus Gittermatrix, Füllstoffgehalt und Additiven erlaubt eine maßgeschneiderte Abstimmung der Gleitlackeigenschaften auf definierte Anforderungsprofile. Da der Einsatz von Gleitlacksystemen als Alternative zum herkömmlichen Schmierstoff erst seit Kurzem zunehmend an Bedeutung gewinnt ist dieser in Hubmagnetsystemen noch weitgehend unerforscht [3]. Mittels Modellversuchen soll das Reibungs- und Verschleißverhalten von Gleitlacken bei variierenden Pressungen, Geschwindigkeiten, Temperaturen und Oberflächengüten der Kontaktpartner analysiert werden. Untersuchungsgegenstand ist ein mit Gleitlack beschichteter Stahlzylinder welcher die Eingriffsgeometrie und -oberfläche des Originalteils bestmöglich nachbildet. Als Gegenkörper wird eine Platte mit unterschiedlichen Oberflächengüten verwendet. Der Versuchsplan wird auf Basis eines DOEs durchgeführt. Dabei muss sichergestellt werden, dass es bei keiner Parameterkombination zu einem Fresser kommt. Gleichzeitig sollen einige Parameterkombinationen möglichst nahe am Fressbereich Aus der Praxis für die Praxis 48 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 6/ 2019 Einleitung Eine Studie von Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt belegt, dass der Umwelt- und Klimaschutz einen immer höheren Stellenwert in unsrer Gesellschaft einnimmt [1]. Um zukünftige Klimaschutzziele erreichen zu können, gewinnen moderne Systeme zur Abgasnachbehandlung zunehmend an Bedeutung. Bei der selektiven katalytischen Reduktion (SCR) sind Hubmagnetsystem und Schmierstoff hohen Anforderungen ausgesetzt. Dies können unter Anderem aggressive Medien, hohe Frequenzen oder Temperaturen sein [2]. Vorangehende Untersuchungen über Gleitlacke in tribologischen Systemen unter hoher Beanspruchung zeigen vielversprechende Erkenntnisse. Die Anwendungsgebiete von Gleitlacken gewinnen in den letzten Jahren stetig an Zuwachs. Gleitlacksysteme DOI 10.30419/ TuS-2019-0032 Tribologische Betrachtung von mit Gleitlack beschichteten Hubmagnetsystemen Stefan Göllner, Thorsten Stöberl, Frank Mantwill* Für zukünftige Hubmagnetsysteme im Bereich der Abgasnachbehandlung soll die Anwendbarkeit von Gleitlacken und deren Wirkungsweise untersucht werden. Mittels eines DOE werden die wichtigsten Einflussfaktoren empirisch ermittelt. Dominierenden Einfluss auf Reibung und Verschleiß haben die Temperatur und Oberflächengüte des Gegenkörpers. Durch eine Erhöhung der Temperatur und Oberflächengüte können Reibung und Verschleiß signifikant reduziert werden. Die Temperatur infolge der Reibung am tribologischen Kontakt kann als Grund für ein Versagen der Gleitlackschicht ausgeschlossen werden. Schlüsselwörter Gleitlack, Beschichtung, Festschmierstoff, Hubmagnetsystem, Laststeigerung, Fressgrenze For future solenoid systems of gas exhaust aftertreatment systems, the applicability of bonded coatings and their mode of action will be investigated. A DOE is used to analyze the most important influencing factors. The temperature and surface quality of the counter body have a dominant influence on friction and wear. By increasing the temperature and surface quality, friction and wear can be significantly reduced. The temperature due to tribological contact friction can be ruled out as a cause of failure of the bonded coating layer. Keywords Bonded coating, Coating, Solid lubrication, Magnetic systems, Step tests, Scuffing border Kurzfassung Abstract * M.Sc. Stefan Göllner M.Sc. Thorsten Stöberl PS PS-ET/ ECS1 - Robert Bosch GmbH 70469 Stuttgart Univ.-Prof. Dr.-Ing. Frank Mantwill Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Institut für Maschinenelemente und rechnergestützte Produktentwicklung, 22043 Hamburg TuS_6_2019.qxp_T+S_2018 28.11.19 14: 54 Seite 48 liegen um Erkenntnisse im Grenzbereich zu erlangen. Daher wird mittels Vorversuchen durch stufenweise Laststeigerung die Fressgrenze ermittelt [4]. Zielsysteme Aufgrund des einfachen mechanischen Aufbaus, des hohen Beschleunigungsvermögens bei kleinen Hüben und der guten Integrationsmöglichkeit werden Hubmagnetsysteme auch in der Abgasnachbehandlung immer relevanter. Moderne SCR-Systeme spritzen eine wässrige Harnstofflösung als Reduktionsmittel in den Abgasstrang ein. Dabei kann die tribologische Kontaktstelle zwischen Hubmagnet und Gegenkörper vom Reduktionsmittel geschmiert werden oder im Falle einer Membranpumpe trocken laufen. Hubmagnetsysteme setzen sich wie in Bild 1 schematisch gezeigt aus Spulenkörper, Anker, Gegenkörper und Druckfeder zusammen [5]. Das tribologische System Hubmagnet und dessen Funktionsweise wird im Folgenden anhand des, von A LBERS und M ATTHIESEN entwickelten, C&C 2 -Ansatzes beschrieben [6]. S TÖBERL untersuchte mit diesem Ansatz erstmals Gestalt-Funktion-Zusammenhänge in SCR-Systemen [7]. Charakteristisch für Hubmagnetsysteme sind die zwei stabilen Positionen des Ankers zwischen denen die Gegenkräfte überwunden werden müssen. Im unbestromten Zustand befindet sich der Anker im unteren Totpunkt T u . Dabei wird eine vertikale Federkraft am Connector C 2 und eine horizontale Federkraft am Connector C 5 auf den Anker übertragen. Über die Bestromung der Spule wird ein Magnetfeld induziert, sodass die, am Connector C 1 vertikal angreifende, Magnetkraft die Federkraft übersteigt. Es erfolgt eine translatorische Bewegung des Ankers um Δx zum oberen Totpunkt T o . Durch die Kontaktierung am Dichtsitz wird der Stromkreis unterbrochen wodurch das Magnetfeld wieder abgebaut wird. Über die Feder erfolgt die Rückstellbewegung des Ankers in die Hubausgangsposition und der Stromkreis schließt sich erneut. Im bestromten Zustand übt das Magnetfeld am Connector C 3 zusätzlich eine Querkraft auf den Anker aus. Dies bewirkt eine Verkippung im Gegenkörper wodurch es am Connector C 4 zum tribologischen Kontakt zwischen Magnetanker und Gegenkörper kommt. Durch den fraktalen Charakter des C&C Ansatzes können die Funktionsrelevanten Wirkflächenpaare zwischen Anker und Gegenkörper im Detail C4 genauer identifiziert werden. In der vorliegenden Arbeit wird das Wirkflächenpaar zwischen Gleitlack am Anker und CNC-Schicht am Gegenkörper näher untersuch [5], [6], [7], [8], [9]. Aufbau und Anwendungen v on Gleitlacken Bei Gleitlacken spricht man von trockenen Schmierstofflösungen zum Verschleißschutz, welche den herkömmlichen Industrielacken im Aufbau sehr ähnlich sind. Sie kommen in erster Linie zur Anwendung, wo gängige Schmierstoffe wie Fette und Öle aufgrund ihrer Stoffeigenschaften nicht eingesetzt werden können oder versagen [3], [10]. Wie in Bild 2 dargestellt setzt sich eine Gleitlackschicht im Wesentlichen aus Festschmierstoffen, Bindemitteln, Aus der Praxis für die Praxis 49 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 6/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0032 C 3 C 2 C 4 C 2 C 5 C 4 non-energized energized C 1 Detail C 4 GNC Bonded coating GNC Bild 1: Schematische Darstellung der Wirkungsweise von Hubmagnetsystemen nach [5] Bild 2: Aufbau einer Gleitlackschicht nach [10] Lösemitteln und Additiven zusammen. Die schmierwirksamen Eigenschaften eines Gleitlackes werden maßgeblich durch den Festschmierstoff bzw. das Bindemittel definiert. Die Festschmierstoffpartikel werden durch Bindemittel in Form von Epoxid-, Acrylharzen, Silikaten oder Boraten zusammengehalten. Löse- TuS_6_2019.qxp_T+S_2018 28.11.19 14: 54 Seite 49 Druck- und Gleitbeanspruchung leicht aufeinander abgleiten können. Ein weiterer Vorteil von MoS 2 ist seine hohe thermische Stabilität. Diese ist unter Sauerstoffausschluss besonders stark ausgeprägt und beträgt langzeitig 650 °C. Für länger andauernde, tribologische Beanspruchungen in sauerstoffhaltiger Atmosphäre ist eine thermische Stabilität bis 350 °C gegeben. Ein Nachteil für die Anwendung von MoS 2 in Gleitlacken ist die Empfindlichkeit gegenüber Luftfeuchtigkeit. In Vakuum können sehr niedrige Reibkoeffizienten bis zu 0,002 nachgewiesen werden, wohingegen sich die Reibzahl in Luft infolge der Tribooxidation auf Werte zwischen 0,1 und 0,2 erhöht. Die drei wichtigsten Reaktionsschritte hierzu sind in Gleichung 1-3 zusammengefasst [11], [12]. Polytetrafluorethylen oder auch als Teflon bekannt zeichnet sich durch seinen extrem niedrigen Reibkoeffizienten aus. Hierbei handelt es sich um ein linear aufgebautes, teilkristallines, thermoplastisches Polymer aus Fluor und Kohlenstoff. Der E-Modul von PTFE liegt zwischen 400 MPa und 750 MPa. Aufgrund seiner schwachen intermolekularen Bindungen bildet sich im Zuge der Relativbewegung zwischen den Kontaktkörpern ein dünner Transferfilm auf dem Gegenkörper aus. Folglich werden mit PTFE, unabhängig von der Luftfeuchtigkeit, sehr geringe Reibwerte bis zu μ < 0,01 erzielt. Zugleich sorgen die schwachen Bindungen für eine geringe Verschleißbeständigkeit. Außerdem fließt das vergleichsweise weiche PTFE bereits unter geringer Druckbeanspruchungen. Daher kommt es in reiner Form nur selten zur Anwendung [13]. Modellversuch Eine gute Möglichkeit um tribologische Systeme besonders flexibel, schnell und kostengünstig zu analysieren ist der Modellversuch. Dieser wird mit vereinfachten Probenkörpern auf Prüfmaschinen durchgeführt. Dabei lassen sich Streuungen durch Montage bzw. Fertigung minimieren und einzelne Einflussgrößen unabhängig voneinander untersuchen. Der Magnetanker wird im Modellversuch durch einen Zylinder aus identischem Werkstoff und identischer Kontaktgeometrie zum Realerzeugnis dargestellt. Ferti- Aus der Praxis für die Praxis 50 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 6/ 2019 mittel sorgen bei der Applikation für eine gleichmäßige, dünne Schicht auf der Bauteiloberfläche. Hier kommt häufig Benzin, Ester oder auch Wasser zum Einsatz. Über die Zugabe von Additiven kann zusätzlich eine Feinoptimierung vorgenommen werden. Dies wird beispielsweise durch die Zugabe von Entschäumern, Korrosionsinhibitoren oder Netzmitteln erreicht. Eine zusätzliche Phosphat- oder Nitrierschicht kann zur besseren Haftung des Gleitlackes sowie zum Schutz des Grundmaterials vor korrosiven Angriffen beitragen [3], [10]. Gleitlacke ermöglichen eine trockene, leistungsfähige Schmierung und bieten im Vergleich zu konventioneller Schmierung mit Fett oder Öl eine konstante, flexible Schichtdicke. Durch die trockene Oberfläche gleitlackbeschichteter Bauteile können sowohl ein Schmierstoffablauf von der Reibstelle als auch eine Klebneigung bei der automatisierten Montage vermieden werden. Weiterhin unterstützen Gleitlacke den Einlauf hoch belasteter Maschinenelemente, erleichtern die Montage und gewährleisten in vielen Fällen eine wartungsfreie Lebensdauerschmierung. Der Hauptvorteil einer Gleitlackbeschichtung ist die Möglichkeit seine Performance durch eine flexible Zusammensetzung seiner Bestandteile auf ein gewünschtes Anforderungsprofil abzustimmen. TREMMEL spricht in seiner Arbeit sogar von maßgeschneiderten Beschichtungen oder „tailored coatings“ [8]. Um eine möglichst hohe Standzeit der Gleitlackbeschichtung zu erzielen muss eine gute Haftung der Lackschicht auf dem Substrat gewährleistet werden. Daher wird eine Oberflächenvorbehandlung des Grundmaterials benötigt. Die Aufrauung der Substratoberfläche kann mechanisch oder chemisch erzeugt werden. Seine Grenzen findet der Gleitlack bei Anwendungen mit einer Relativbewegung zwischen scharfkantigen Oberflächen und Spitzen. Diese wirken auf den Gleitlack wie eine Feile und führen zum vorzeitigen Ausfall des Systems [10]. Festschmierstoffe Festschmierstoffe sind maßgeblich für die Performance eines Gleitlackes verantwortlich. Zu den bekanntesten Festschmierstoffen zählen Molybdändisulfid MoS 2 und Polytetrafluorethylen PTFE. MoS 2 ist in der Schmierstoffindustrie aufgrund seiner hervorragenden Verschleißbeständigkeit weit verbreitet. Molybdändisulfid besteht aus einem Molybdänsowie zwei Schwefelatomen. Wie Bild 3 schematisch zeigt, ist MoS 2 lamellenförmig aufgebaut. Dabei entspricht eine Lamelle einer Lage von MoS 2 -Molekülen. Beim Übergang von Lamelle zu Lamelle stehen sich zwei Schwefelebenen gegenüber, die lediglich durch schwache VAN-DER- WAALS Kräfte zusammengehalten werden. Aufgrund der schwachen Wechselwirkungen zwischen den gegenüberliegenden Schwefelebenen ergibt sich eine geringe Scherfestigkeit, wodurch die einzelnen Lamellen bei DOI 10.30419/ TuS-2019-0032 1µm = 1600 Slats Bild 3: Lamellarer Aufbau von Molybdändisulfid nach [12] TuS_6_2019.qxp_T+S_2018 28.11.19 14: 54 Seite 50 gungs- und Nachbearbeitungsschritte werden ebenfalls analog zum Realteil nachgebildet. Wie in Bild 4 zu sehen ist der Zylinder radial durch einen Klemmkeil und axial über eine Madenschraube in der Halterung verspannt. Durch Drehen des Prüfkörpers können an einem Zylinder mehrere Verschleißspuren erzeugt werden. Der Gegenkörper wird im Modell durch eine Platte abgebildet. Dabei werden Fertigungs- und Nachbearbeitungsschritte des Realteils ebenfalls bestmöglich nachgebildet. Mithilfe von Druckpapier und Fühlerleerbändern unterschiedlicher Stärken kann der Zylinder zur Platte ausgerichtet und ein sauberer Linienkontakt sichergestellt werden. Während der Versuche oszilliert der Zylinder mit einem Hub von 0,8 mm auf der fest verschraubten Platte. Die Normalkraft wird von der Unterseite pneumatisch aufgebracht. Außerdem können die Prüfkörper über Heizelemente temperiert werden. Um einen ausreichenden Korrosionsschutz gewährleisten zu können werden alle Modellkörper gasnitrocarburiert. Dabei wird die Randschicht mit Stickstoff und Kohlenstoff angereichert. Der Gleitlack wird mit einer Schichtdicke von 20 +/ - 5 µm auf die Zylinderoberfläche appliziert. Mit dem oben beschriebenen Prüfaufbau Zylinder-Platte kann der Linienkontakt des unverkippten Zylinders optimal nachgestellt werden. Im Realsystem kann es jedoch zur Verkippung des Zylinders in der Bohrung kommen. Dadurch ändern sich Kontaktfläche, Eingriffsverhältnis und Pressung des tribologischen Systems. Dieser Belastungsfall lässt sich durch zwei gekreuzte Zylinder realistischer nachstellen. Über die, in Bild 4 dargestellte Lochplatte kann der Kreuzungswinkel im Modellversuch in 15 Grad-Schritten flexibel variiert werden. In weiterführenden Untersuchungen soll der Einfluss der Verkippung und das damit einhergehend, geänderte Eingriffsverhältnis anhand des Aufbaus Zylinder-Zylinder mit variablem Kreuzungswinkel untersucht werden. Versuchsplan und -Ablauf Aus Vorangehenden Untersuchungen hat sich ein Gleitlack auf PTFE-Basis mit Polyamidimid-Matrix als besonders gut für das ungeschmierte Ziel-Hubmagnetsystem erwiesen. Die nachfolgenden Untersuchungen werden daher auf diesen Gleitlack beschränkt. Eine Methodik um mit möglichst wenig Versuchsaufwand besonders viel über die Zusammenhänge von Einflussvariablen und Ergebnissen zu erlangen ist die Auswertung mittels Design of Experiments (DoE). Untersucht wird der Einfluss der Parameter Normalkraft, Frequenz, Temperatur und Oberflächengüte auf die Zielgrößen Verschleißtiefe und Reibzahl. Die Stufen der jeweiligen Parameter können Tabelle 1 entnommen werden [14]. Um gewährleisten zu können, dass es bei keiner Parameterkombination des Versuchsplans zu einem Fresser kommt, wurde im Vorfeld die Fressgrenze des Gleitlackes bestimmt. Durch die Wahl eines D-optimalen Versuchsplanes können alle Parameterkombinationen die Oberhalb dieser Fressgrenze liegen ausgeschlossen werden. Ein weiterer Vorteil dieses Versuchsplans ist die freie Wahl von Anzahl und Schrittweite der Stufen. Außerdem ist der Versuchsplan jederzeit erweiterbar [4], [14]. Alle Versuche beginnen mit einer zwanzigminütigen Einlaufphase bei einer Frequenz von 10 Hz und einer Normalkraft von 20 N, um die Kontaktflächen einzuglätten und möglichst gleiche Ausgangsbedingungen bei Versuchsbeginn sicherzustellen. Anschließend startet der eigentliche Versuch mit den dazugehörigen Parametern über eine Dauer von 10.000s. Die errechneten Pressungen zu den Normalkräften aus Tabelle 1 liegen jeweils nach der Einlaufphase an und können sich durch zunehmenden Verschleiß über die Versuchszeit reduzieren. Aus der Praxis für die Praxis 51 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 6/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0032 Armature Counterpart Clamping wedge Armature Grub screw Angle adjustment Plate Bild 4: Aufbau Modellversuch Zylinder-Platte Tabelle 1: Parameter die im DoE untersucht werden Parameter Stufen Normalkraft 50N (46MPa); 90N (83MPa); 130N (120MPa) Frequenz 8Hz; 11Hz; 14Hz Temperatur 20°C; 40°C; 80°C Oberflächengüte Rz1; Rz2-3; Rz5-6 TuS_6_2019.qxp_T+S_2018 28.11.19 14: 54 Seite 51 sich aus dem Mittelwert der Fresslasten abzüglich der doppelten Standardabweichung. Ergebnisse Ein Pareto-Diagramm zeigt die Absolutwerte der standardisierten Effekte geordnet vom größten zum kleinsten Effekt. Anhand einer Referenzlinie ist ersichtlich, welche Effekte statistisch signifikant sind. Bild 7 links zeigt die Pareto-Diagramme für die Verschleißtiefe bzw. die Reibzahl mit einem Signifikanzniveau α von 0,05. Daraus geht ein signifikanter Einfluss der Parameter Oberflächengüte, Normalkraft, Temperatur und der Wechselwirkung aus Temperatur+Oberflächengüte auf die Zielgröße Verschleißtiefe hervor. Für die Zielgröße Reibzahl ergeben Aus der Praxis für die Praxis 52 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 6/ 2019 Vorversuche Zur Bestimmung der Fresslasten werden Lastseigerungsversuche für unterschiedliche Temperaturen und Frequenzen durchgeführt. Dabei werden in allen Versuchen Gegenkörper mit einer Rauigkeit von Rz 5-6 µm verwendet, da diese dem kritischeren Fall entsprechen. Wie in Bild 5 gezeigt wird die Kraft nach der Einlaufphase stufenweise von 10 N beginnend jeweils um 20 N erhöht. Der sprunghafte Anstieg der Reibzahl über einen Grenzwert von 0,3 kann auf einer Laststufe nach einigen Sekunden dauernder Inkubationszeit erfolgen. Daher werden die Laststufen jeweils für 30 Minuten gehalten. Die Versuche brechen ab, sobald ein Wert von µ > 0,3 für mindestens eine Sekunde gemessen wird. Typischerweise liegt die Reibzahl bei Gleitlacken für den Verschleißmechanismus Fresser oberhalb einem Grenzwert von 0,3. Die Normalkraft, welche bei der vorletzten Stufe vor Versuchsabbruch anlag entspricht der Fresslast. Ein Vergleich der Fresslasten bei unterschiedlichen Temperaturen zeigt einen signifikant früheren Fressbeginn der Versuche bei Raumtemperatur im Vergleich zu den Versuchen bei 80 °C. Beispielsweise kommt es mit einer anliegenden Frequenz von 14 Hz und Raumtemperatur bereits bei 120 N bzw. bei einer Temperatur von 80 °C erst nach 210 N zum Schichtversagen. Bild 6 zeigt die errechneten Pressungen zum Fressbeginn über die jeweilige Frequenz bei Raumtemperatur bzw. bei 80 °C. Die rot aufgetragene Fressgrenze ergibt DOI 10.30419/ TuS-2019-0032 Bild 5: Laststeigerungsversuche zur Ermittlung der Fresslast 0 10 20 30 40 50 60 5 7 9 11 13 15 17 Pressure [MPa] Frequency [Hz] Scuffing border RT 80°C Scuffing border DOE Bild 6: Fressgrenze bei Raumtemperatur bzw. bei 80 °C TuS_6_2019.qxp_T+S_2018 28.11.19 14: 58 Seite 52 sich nach Bild 7 rechts signifikante Einflüsse der Parameter Oberflächengüte, Temperatur, Frequenz und der Wechselwirkung aus Normalkraft+Oberflächengüte. Bild 8 zeigt Reibzahlverläufe für unterschiedliche Temperaturen bei einer Normalkraft von 50 N, einer Frequenz von 8 Hz und einem Rz-Wert des Plättchens von 5-6 µm. Daraus geht eine Reduzierung der Reibung mit zunehmender Temperatur hervor. Bei Raumtemperatur beträgt die mittlere Reibzahl beispielsweise 0,099, bei 80 °C nur noch 0,045. Weiterhin kann der Reibkoeffizient durch eine bessere Oberfläche des Gegenkörpers reduziert werden. Ähnliche Effekte zeigt die Zielgröße Verschleiß. Wie in Bild 9 ersichtlich kann der Verschleiß durch steigende Temperaturen reduziert werden. So kann beispielsweise eine Verschleißtiefe von 8,4 µm bei Raumtemperatur Aus der Praxis für die Praxis 53 Tribologie + Schmierungstechnik · 66. Jahrgang · 6/ 2019 DOI 10.30419/ TuS-2019-0032 Bild 8: Einfluss der Temperatur auf die Reibzahl T e r m A C B D B C A C D A D B C D 7 6 5 4 3 2 1 0 A N o r m a l k r a f t B F r e q u e n z C T e m p e r a t u r D O b e r f l ä c h e n g ü t e F a k t o r N a m e S t a n d a r d i s i e r t e r E f f e k t 2 , 5 7 1 P a r e t o - D i a g r a m m d e r s t a n d a r d i s i e r t e n E f f e k t e ( A n t w o r t i s t R e i b z a h l ; α = 0 , 0 5 ) P a r e t o - D i a g r a m o f s t a n d a r d i z e d e f f e c t s ( A n s w e r i s t h e C O F ; α = 0 , 0 5 ) S t a n d a r d i z e d e f f e c t s T e m p e r a t u r e S u r f a c e q u a l i t y F r e q u e n c y N o r m a l f o r c e + S u r f a c e q u a l i t y S t a n d a r d i z e d e f f e c t s T e r m B C B D B A D A C C A C D D 8 7 6 5 4 3 2 1 0 A N o r m a l k r a f t B F r e q u e n z C T e m p e r a t u r D O b e r f l ä c h e n g ü t e F a k t o r N a m e S t a n d a r d i s i e r t e r E f f e k t 2 , 5 7 1 P a r e t o - D i a g r a m m d e r s t a n d a r d i s i e r t e n E f f e k t e ( A n t w o r t i s t V e r s c h l e i ß t i e f e ; α = 0 , 0 5 ) P a r e t o - D i a g r a m o f s t a n d a r d i z e d e f f e c t s ( A n s w e r i s t h e w e a r d e p t h ; α = 0 , 0 5 ) S t a n d a r d i z e d e f f e c t s Factor Name A Normal force B Frequency C Temperature D Surface quality Temperature Surface quality Normal force Temp.+Surface quality Bild 7: Pareto-Diagramm standardisierter Effekte für die Verschleißtiefe bzw. die Reibzahl 1,2 0,8 0,7 8,4 4,9 2,6 0,00 2,00 4,00 6,00 8,00 10,00 20°C 40°C 80°C Wear depth [µm] Temperature Rz2-3 Rz5-6 f = 8 Hz F N = 50N (Rz 5-6) Wear depth: 7,3 µm (Rz 2-3) Wear depth: 1,2 µm (Rz 1-2) Wear depth: 0,7 µm 0,51 µm 0,15 µm 0,21 µm Bild 9: Einfluss von Rauigkeit und Temperatur auf den Verschleiß TuS_6_2019.qxp_T+S_2018 28.11.19 14: 58 Seite 53 einzelner Rauigkeitsspitzen des Grundmaterials aus der Schichtoberfläche. In dieser Phase steigt die Reibung langsam an bis sich der Transferfilm am Gegenkörper abgetragen hat. Nun reibt Stahl auf Stahl und es kommt zum schlagartigen Anstieg des Reibkoeffizienten auf Werte größer 0,3. Zusammenfassung und Ausblick Um zusätzlich den Einfluss des Eingriffsverhältnisses, welches sich durch eine Verkippung des Ankers in der Bohrung ändert, zu Untersuchen sollen weitere Versuche mit dem Aufbau Zylinder-Zylinder bei variablem Kreuzungswinkel durchgeführt werden. Weiterhin muss der Einfluss von Luftfeuchtigkeit bzw. wässriger Harnstofflösung auf das tribologische Verhalten von Gleitlacken untersucht werden. Um die Verbesserten Eigenschaften von Gleitlacken bei erhöhten Temperaturen besser verstehen zu können müssen die intermolekularen Vorgänge im Lack bei Temperaturanstieg näher untersucht werden. Abschließend sollen Wöhlerkurven für die Auslegung zukünftiger Hubmagnetsysteme auf Gleitlackbasis erstellt werden. 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Dieser Effekt wird durch die resultierenden Verschleißspuren für unterschiedliche Oberflächengüten der Platten in Bild 9 rechts verdeutlicht. Die Erhöhung der anliegenden Normalkraft geht mit einer Erhöhung des Verschleißes einher. Zur Untersuchung der Kontakttemperatur, welche durch die Reibung zwischen Zylinder und Platte entsteht wurde die Unterprobe mittig angebohrt. In die Bohrung wurde ein mit Wärmeleitpaste umgebener Temperatursensor angebracht. Im Rahmen der getesteten Versuchsreihe, bei der auch bewusst Fresser provoziert wurden, konnte eine Temperaturerhöhung von maximal fünf Grad am Sensor festgestellt werden. Somit kann eine Überschreitung der oberen Gebrauchstemperatur des getesteten Gleitlackes von 250 °C ausgeschlossen werden. Folglich kann die durch Reibung entstehende Kontakttemperatur als Grund für ein Lackversagen ausgeschlossen werden. Funktionsweise eines Gleitlackes Bild 10 beschreibt die Funktionsweise eines Gleitlackes in fünf Schritten vom Ausgangszustand bis zum Fressbeginn. Im Ausgangszustand bilden herausragende Festschmierstoffpartikel eine ungleichmäßige Gleitlackoberfläche. Dies macht sich durch eine vergleichsweise erhöhte Ausgangsreibzahl bemerkbar. Im Zuge der Einlaufphase findet ein Austrag der Oberflächennahen Schmierstoffpartikel aus dem Gleitlack statt und es kommt zur Einglättung der Lackoberfläche. Gleichzeitig werden die Schmierstoffpartikel auf den Gegenkörper übertragen wodurch sich ein Transferfilm ausbilden kann. Dieser Vorgang geht mit einer Abnahme der Reibzahl einher. Anschließend wird die Schichtdicke fortlaufend reduziert während die Reibzahl auf einem konstanten Niveau bleibt. Mit voranschreitendem Abtrag der Gleitlackschicht kommt es zum partiellen Herausragen DOI 10.30419/ TuS-2019-0032 5. Scuffing 4. Before scuffing 1. Initial state 2. After running in 3. Transfer on counterpart A A Bild 10: Fünf Stufen zum Gleitlackversagen TuS_6_2019.qxp_T+S_2018 28.11.19 14: 54 Seite 54 [5] E. Kallenbach, R. Eick, P. Quendt, T. Ströhla, K. Feindt, M. Kallenbach, O. Radler. Elektromagnete. Vieweg+ Teubner Verlag, 2012. [6] Albers A., Matthiesen S. Konstruktionsmethodisches Grundmodell zum Zusammenhang von Gestalt und Funktion in technischen Systemen. Konstruktion. 2002. [7] T. Stöberl. Erweiterung eines Pumpe-Düse-Systems zur Einspritzung einer wässrigen Harnstofflösung. PhD thesis, Universität Hamburg, unveröffentlicht [8] S. Tremmel. Ein Beitrag zur Auslegung beschichteter Bauteile unter zyklischer Beanspruchung im Wälz-Gleit- Kontakt. PhD thesis, Universität Erlangen-Nürnberg, 2009. [9] M. Blust. Effizientes Screening des tribologischen Eignungspotenzials alternativer Werkstoffpaarungen für den Einsatz in tribologischen Kontakten von Axialkolbenmaschinen als Beitrag zum Produktentstehungsprozess. IPEK, Institut für Produktentwicklung, 2017 [10] R. 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