Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.30419/TuS-2020-0002
21
2020
671
JungkEinfluss von Graphen/PTFE auf die Belastbarkeit und Lebensdauer von Gleitlacken
21
2020
Bernadette Schlüter
Andreas Stake
Mathias Widrat
Volkmar Stenzel
Andreas Kailer
Um den Verschleiß und die Reibung von Gleitlacken zu minimieren, wurden Polyurethan und Epoxidharze sowohl mit Graphen zur mechanischen Verstärkung als auch mit PTFE als Reibminderer modifiziert und qualifiziert. Die Herstellung der Gleitlacke wurde so optimiert, dass sich eine sehr gute Haftfestigkeit und eine sehr homogene Verteilung der Füllstoffe in der Polymermatrix ergaben. In tribologischen Untersuchungen wurden die entwickelten Gleitlacke hinsichtlich des Reibverhaltens, der Abriebbeständigkeit sowie auch im Vergleich zu kommerziellen Gleitlacken bewertet. Die neu entwickelten, modellhaften Gleitlacksysteme zeigten sehr gute tribologische und mechanische Eigenschaften. Somit ergibt sich durch die Kombination von Graphen und PTFE als Füllstoffe die Möglichkeit einer wesentlichen Verbesserung der Belastbarkeit und Lebensdauer.
tus6710016
auf der Basis von Polytetrafluorethylen (PTFE) in Kombination mit organischen Bindemitteln ist seit längerem Stand der Technik [2,3]. In vielen vorangegangenen Untersuchungen wurde bewiesen, dass Nanopartikel (z.B. Graphen) in der Lage sind, Polymere zu verstärken [4]. Jedoch ist die Kombination aus beiden Füllstoffen in verschiedenen Bindemittelsystemen bislang kaum untersucht worden [5]. Im Rahmen dieses Projekts werden Graphen/ PTFE-Komposite auf Polyurethan- und Epoxidharzbasis sowohl auf ihre Reibals auch ihre Verschleißeigenschaften in trockenem und geschmiertem Zustand untersucht. Zudem wurden die elektrischen und thermischen Eigenschaften ausgewählter Lacke untersucht. Materialien und Methoden Für tribologisch optimierte Gleitlacke wurde Polyurethan PUL (Setalux D A 870 BA), Epoxidharz EPW (wässrig, EPI-REZ 6521-WH-53) und Epoxidharz EPL Aus Wissenschaft und Forschung 16 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0002 Einleitung Gleitlacke haben gegenüber flüssigen Schmierstoffen einige Vorteile: Sie können bei höheren Temperaturen sowie unter trockenen Bedingungen eingesetzt werden [1]. Allerdings besteht allgemeiner Entwicklungsbedarf von Gleitlacken, um die Belastbarkeit und Lebensdauer zu erhöhen. Das Ziel ist es, einen geringeren Verschleiß der Lacke bei niedriger Reibung zu gewährleisten, sodass die technische Nutzbarkeit bei reduzierter Schichtdicke ermöglicht wird. Die Herstellung von Gleitlacken Um den Verschleiß und die Reibung von Gleitlacken zu minimieren, wurden Polyurethan und Epoxidharze sowohl mit Graphen zur mechanischen Verstärkung als auch mit PTFE als Reibminderer modifiziert und qualifiziert. Die Herstellung der Gleitlacke wurde so optimiert, dass sich eine sehr gute Haftfestigkeit und eine sehr homogene Verteilung der Füllstoffe in der Polymermatrix ergaben. In tribologischen Untersuchungen wurden die entwickelten Gleitlacke hinsichtlich des Reibverhaltens, der Abriebbeständigkeit sowie auch im Vergleich zu kommerziellen Gleitlacken bewertet. Die neu entwickelten, modellhaften Gleitlacksysteme zeigten sehr gute tribologische und mechanische Eigenschaften. Somit ergibt sich durch die Kombination von Graphen und PTFE als Füllstoffe die Möglichkeit einer wesentlichen Verbesserung der Belastbarkeit und Lebensdauer. Schlüsselwörter Graphen, PTFE, Gleitlack, Nanocomposite, Tribologie To minimize the wear and friction of anti-friction coatings, polyurethane and epoxy resins have been modified and qualified both with graphene for mechanical reinforcement and with PTFE as a friction reducer. The production of the anti-friction coatings was optimized in such a way that a very good adhesion and a very homogeneous distribution of the fillers in the polymer matrix were reached. In tribological tests these coatings were evaluated in terms of friction behavior, abrasion resistance and in comparison with commercial anti-friction coatings. The newly developed model-based anti-friction coating systems showed very good tribological and mechanical properties. Thus, the combination of graphene and PTFE as fillers offers the possibility of a significant improvement in load capacity and service life. Keywords Graphen/ PTFE, Anti-friction coating, nanocompositee, tribology Kurzfassung Abstract * Dr. Bernadette Schlüter Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM, MikroTribologie Centrum μTC, 79108 Freiburg, Dr. Andreas Kailer Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM, 79108 Freiburg Andrej Stake Mathias Widrat Dr. Volkmar Stenzel Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM, 28359 Bremen Einfluss von Graphen/ PTFE auf die Belastbarkeit und Lebensdauer von Gleitlacken Bernadette Schlüter, Andreas Stake, Mathias Widrat, Volkmar Stenzel, Andreas Kailer * T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 16 (lösemittelhaltig, Epilox L50 - 54) mit vier Graphentypen (SE1132, SE1430, SE1233, SE2430, The Sixth Elements, siehe Tabelle 1) unterschiedlichen Sauerstoffgehalts und spez. Oberfläche und 10 % PTFE (Algoflon L600: Polymist F5A 1: 1) gefüllt (siehe Tabelle 3). Für lösemittelhaltige Systeme wurde das Dispergieradditiv SOLSPERSE 88000 verwendet. Die beste Verteilung der Füllstoffe wurde durch Dispergieren mit der Perlmühle (ZrO 2 -Perlen mit Durchmesser 0,6 mm, Mahldauer: 20 min) erhalten. Als Referenzsystem wurden das reine Lacksystem, Lacke mit verschiedenen Graphentypen (s. Tabelle 1) und Füllstoffgehalten sowie Lacke mit Graphen und PTFE untersucht. Als Benchmark dienten drei Gleitlacke der Firma Klüber (1K-PU-Lack, wasserbasiert, Aushärtebedingungen: 100 °C; 2K-PAI-Lack, Lösemittelbasiert (NEP) / 230 °C; 1K-Phenolharzlack, wasserbasiert / 180 °C). Die Substrate (Stahl, RE, Gardobond Prüfblech) wurden vorbehandelt (Strahlen mit Korund, 3fache zehnminütige Reinigung im Ultraschallbad, gefüllt mit Butylacetat), bevor die Lacke mittels Spritzpistole (Sata Jet 5000, 1,2 mm) appliziert wurden. Die Schichten wurden auf ihre Haftfestigkeit (Gitterschnitt nach DIN EN ISO 2409: 2013 (1 mm Abstand) und Ritzhärte (Ritzprüfung nach DIN EN ISO 1518- 1: 2011-09) sowie ihre Eindringhärte (DIN 50 359 / ISO 14577) untersucht. Die Wärmeleitfähigkeit wurde nach ASTM E 1461 mit Hilfe der Flash-Methode unter Berücksichtigung der Schichtdicke gemessen. Die elektrischen Eigenschaften wurden durch Messung des Volumenwiderstandes durch die Lackprobe unter Berücksichtigung der Geometrien des Messaufbaus und der Schichtdicke bei einer Gleichspannung von 100 V ermittelt. Verschleißtests wurden mit einem Schwing-Reib-Verschleiß-Tribometer (SRV-III, Optimol-Instruments) mit Stift/ Scheibe-Geometrie untersucht (Bild 1a). Als obere oszillierende Probe wurde ein Stift (ø 5 mm Kontaktfläche: 4,8 mm, 100Cr6, R a = 0,3, R z = 5,6) verwendet. Die Scheibe (ø 24 mm, h: 7,9 mm, 100Cr6) war mit den unterschiedlichen Gleitlacken (20 µm - 30 µm) beschichtet. Die Prüfbedingungen waren: Prüfkraft 50 N (2,8 MPa), Schwingfrequenz 10 Hz, Schwingweite 1 mm, Raumtemperatur, Prüfdauer 2 Stunden. Die Verschleißanalyse wurde mit Laserscanmikroskopie und Rasterelektronenmikroskopie (REM) durchgeführt. Tribologische Untersuchungen zur Gleitreibung (Stribeckkurven) in ungeschmiertem Zustand wurden mit einer „Kugel auf 3 Platten“-Anordnung (Tribomesszelle, Anton Paar, MCR501) durchgeführt (Bild 1b). Als obere rotierende Probe wurde eine Stahlkugel (100Cr6, Grade 28, ø 12,7 mm, R a = 0,2 µm) verwendet. Als Gegenkörper dienten drei mit Gleitlack beschichtete Plättchen, welche im 45°-Winkel angeordnet waren. Alle Versuche wurden mit einer Normalkraft von 3 N (entspricht 150- 250MPa, je nach Schichtdicke) durchgeführt, wobei die Geschwindigkeit bis auf 1,4 m/ s erhöht wurde. Ergebnisse und Diskussion Alle Bindemittel (PUL, EPL und EPW) eigneten sich für die Herstellung der Gleitlacke. Durch das Dispergieren der Füllstoffe mit der Perlmühle konnte eine Partikelgröße kleiner als 5 µm erreicht werden. Dies war durch die Dispergierung mittels Dissolver nicht möglich. In der REM-Aufnahme in Bild 2a ist zu sehen, dass die Verteilung der Graphenpartikel mittels Kryo-Bruch nicht abgebildet werden kann. Bild 2b zeigt eine REM- Aufnahme einer Kryo-Mikrotromierten Probe, die die homogene Partikelverteilung sichtbar macht. Die Ausrichtung und die Form der Graphenflakes waren wie erwartet parallel zur Oberfläche. Auch die Verteilung der Aus Wissenschaft und Forschung 17 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0002 Bild 1: Schematische Zeichnung der triblogischen Versuchsgeometrien: a) oszilliernder Verschleißversuch an der SRV und b) Kugel auf 3-Platten Aufbau für die Gleitreibungsversuche (Stribeck) Füllstoff Kohlenstoff [wt.-%] Sauerstoff [wt.-%] Partikelgröße [μm] spez. Oberfläche [m²/ g] Bezeichnung SE 1233 > 98 > 0,1 7,8 ≥450 Graphen SE 1132 > 93 > 3 6,5 ≥180 Graphen SE 1430 75 ± 5 16 ± 3 7 ≥180 Graphen SE 2430 47 ± 5 42 ± 4 - - Graphenoxid Tabelle 1: Eigenschaften der verwendeten Graphene Füllstoff SE 123 SE 113 SE 143 SE 243 hnung en en en enoxid T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 17 An ausgewählten Proben wurden die elektrischen und thermischen Eigenschaften der Lacke gemessen. Dafür eignete sich der Graphentyp SE1233 besonders, da es den höchsten Kohlenstoffgehalt aufweist und laut Hersteller am besten leitfähig ist. In Tabelle 2 sind die elektrischen Eigenschaften zu sehen. Durch die Zugabe von Graphen zu isolierenden PUL-Matrixlack steigt die Leitfähigkeit um eine Potenz, und der Lack wird elektrisch ableitend. Die Erhöhung des Graphengehaltes führt zu einer Erhöhung der Leitfähigkeit. Elektrische Leitfähigkeit (spez. Oberflächenwiederstand: 10 4 Ω) Aus Wissenschaft und Forschung 18 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0002 PTFE-Partikel (Bild 3a) ist gut (helle runde Partikel). Die Verteilung der Graphen/ PTFE- Partikel ist ebenfalls homogen (Bild 3b). Neben der dunklen Lackmatrix und den weißen PTFE-Partikeln ist das hellgraue Graphen etwas schwerer zu erkennen. Die größeren weißen Bereiche sind durch die Präparation der Probe entstanden. Hier „verschmierte“ die Klinge, die die Probe dünn schnitt, das PTFE. Alle Lackschichten weisen eine hervorragende Haftfestigkeit (GT 0) auf allen getesteten Substraten auf. In Bild 4 ist am Beispiel von Polyurethanlacken die Ritzhärte gezeigt. Die Zugabe von PTFE allein hat keinen Einfluss auf die Ritzhärte, Graphen jedoch erhöht die Ritzhärte. Dieser Trend ist bei dem wässrigen EP - System am geringsten und bei PUL am größten ausgeprägt. Bei PUL und EPL Systemen steigt die Ritzhärte tendenziell mit zunehmendem Graphen-Füllstoffgehalt an. Bei EPW-System ist dies nicht der Fall. Wird PTFE zu den graphenhaltigen Lacken gegeben sinkt die Ritzhärte wieder ab. Bei dem Kombinationssystem mit Graphen und PTFE konnte keine Änderung festgestellt werden. Der E-Modul aller Matrixlacke liegt bei ca. 4 GPa und steigt bei Zugabe von Graphen an, was auf die mechanische Verstärkung des Graphens zurückzuführen ist. Eine Ausnahme bildet der Graphentyp SE2430 (dunkelblau). Er weist den höchsten Sauerstoffgehalt auf, und beeinflusst die mechanische Stabilität negativ. Die Zugabe von PTFE zur Lackmatrix senkt den E-Modul, die Kombination Graphen/ PTFE erhöht ihn zumindest bei EPL und PUL-Systemen über den Wert des reinen Matrixlackes. Am Beispiel von Polyurethan ist dies in Bild 5 gezeigt. Bild 4: Beispiel für die Ritzhärte von Polyurethan-Lacken. Die Farben repräsentieren die unterschiedlichen Graphentypen Bild 2: Polyurethan-Lack mit Graphen (SE1233) a) 1 Gew.-%, Kryo-Bruch und b) 2 Gew.-% Kryo-Mikrotomie Bild 3: EPL-Lacke mit a) 10 % PTFE und b) 2 % Graphen (SE1233) / 10 % PTFE. Die hellen weißen Bereiche zeigen das PTFE, die hellgrauen Strukturen in b) zeigen das Graphen. Die dunklen Bereiche sind die Lackmatrix T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 18 wird durch die Kombination von 3 %Graphen+10 % PTFE erhalten. Entgegen der Erwartungen erhöht das PTFE hier die Leitfähigkeit der Lacke. Dies kann zum einen daran liegen, dass das PTFE eventuell mit Essigsäure modifiziert ist, welches die Leitfähigkeit erhöht, oder dass die zinkposphatierte Platte (Lacksubstrat) einen Einfluss hat. Messungen an freistehenden Lacken liegen noch nicht vor. Die Wärmeleitfähigkeitsmessungen ergaben eine Erhöhung der Wärmeleitfähigkeit um 40 % vom Basis PUL-Lack (0,19 W/ mK) zum Lack mit 2 % Graphen bzw. Lack mit 2 % Graphen/ 10 % PTFE (0,26 W/ mK). schaften zur Folge hat. Tabelle 3 zeigt die im Folgenden verwendeten Lacksysteme. Ergebnisse der SRV-Versuche Für die PUL-Lacke sind die Reibwertkurven in Bild 6 zu sehen. Die jeweils gleichen Graphetypen sind farblich einheitlich dargestellt. Beim Graphentyp SE1233 konnten keine 3 Gew.-% eingearbeitet werden, da dieses Graphen eine sehr große spez. Oberfläche besitzt. Bei diesem Graphentyp wurde bei einem Gehalt von 2 Gew.-% untersucht, ob eine längere Mahldauer (geringere Mahlfeinheit) zu einem verbesserten tribologischen Ergebnis führt (s. Tabelle 3). Beim weichen PUL-System senkt die Kombination Graphen/ PTFE den Reibwert im Vergleich zum graphenfreien PTFE-System um bis zu 35 %. Aus Wissenschaft und Forschung 19 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0002 Tabelle 2: Elektrische Eigenschaften von Polyurethangleitlacken. Die untere Tabelle zeigt die Definition von leitend, ableitend und isolierend Bild 5: E-Modul von Polyurethan-Gleitlacken Während des Projekts wurden viele Lacke hergestellt und untersucht; als tribologisch interessant stellten sich erwartungsgemäß nur die PTFE-haltigen Systeme heraus, da durch Graphen keine ausreichende Verminderung der Reibwerte erzielt werden kann. SRV-Vorversuche an Polyurethanlacken zeigten, dass zwar durch Graphen alleine der Reibwert von 0.7 auf 0.5 und der Verschleiß je nach Graphentyp um bis zu 2/ 3 gesenkt werden kann, aber nicht die Werte erreicht, die durch PTFE-Zusatz erreicht werden können (z.B.: µ = 0,2). Graphentyp SE1233 mit dem geringsten Sauerstoffgehalt und der größten spez. Oberfläche hat sich als besonders interessant gezeigt, weshalb dieser Graphentyp ausschließlich bei den EPL-Lacken verwendet wurde. Zusätzlich wurde bei diesem Graphentyp untersucht, ob eine längere Mahldauer eine geringere Mahlfeinheit, und damit bessere mechanische und tribologische Eigen- T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 19 wenn Graphene zur PTFE- Lackkombination gegeben werden. In Bild 9a ist dies an den Reibwertkurven zu sehen. Der EPW-PTFE-Lack zeigt einen Einlaufhügel, der in einen stabilen Reibwert bei µ = 0,17 mündet. Die Graphen/ PTFE Kombinationen starten bei deutlich niedrigeren Reibwerten und steigen stetig innerhalb der 2 h Versuchsdauer auf höherer Werte als µ = 0.17 an. Sie sind bis zum Versuchsende noch nicht stabil eingelaufen. Die Verschleißauswertung in Bild 9b zeigt auch deutliche Unterschiede zu den beiden vorherig gezeigten Lacksystemen. Bei den EPW-Lacken ist der Verschleiß ähnlich oder deutlich höher (bis zu 200 %), sobald diese Graphen/ PTFE Füllstoffe enthalten. Die Graphene mit den niedrigen Sauerstoffgehalten (SE1233 und SE1132) ergaben ein deutlich höheres Verschleißvolumen. Diese beiden Graphen/ PTFE-Lacke zeigten auch niedrigere Aus Wissenschaft und Forschung 20 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0002 Dies führen wir auf den bekannten Verstärkungseffekt des Graphens zurück, der besonders beim weichen Lacksystem zum Vorschein tritt. Die geringere Mahlfeinheit, sowie der höhere Graphengehalt zeigen keine Vorteile bezogen auf die Reibwertentwicklung. In Bild 7 sind die mittleren Verschleißvolumina der untersuchten PUL-Lacke zu sehen. Die Werte streuen stark, was auf die Versuchsgeometrie zurückzuführen ist. Generell bieten die Erhöhung des Graphengehalts und die geringere Mahlfeinheit keine Vorteile. Die Proben, die den niedrigsten Reibwert aufwiesen, zeigen auch den geringsten Verschleiß (PUL-PTFE-13, -13gm (Graphentyp SE1233) und -18 (Graphentyp SE2430). Beim lösemittelhaltigen Epoxidharzlacke (EPL) wurde nur der Graphentyp SE1233 (geringster Sauerstoffgehalt, höchste spez. Oberfläche) verwendet. Er wurde mit 2 Gew.-% Probencode Graphentyp Graphengehalt PTFE-Gehalt (Gew.-%) (Gew.-%) PUL-PTFE-0 - 0 10 PUL-PTFE-3 SE 1132 2 10 PUL-PTFE-8 SE 1430 2 10 PUL-PTFE-13 SE 1233 2 10 PUL-PTFE-13gm* SE 1233 2 10 PUL-PTFE-18 SE 2430 2 10 PUL-PTFE-4 SE 1132 3 10 PUL-PTFE-9 SE 1430 3 10 PUL-PTFE-19 SE 2430 3 10 EPW PTFE 5 - 0 10 EPW 2 PTFE 5 SE 1132 1 10 EPW 7 EPW 2 PTFE 5 SE 1430 1 10 EPW 12 EPW 2 PTFE 5 SE 1233 1 10 EPW 17 EPW 2 PTFE 5 SE 2430 1 10 EPL-PTFE-0 - 0 10 EPL-PTFE-13 SE 1233 2 10 EPL-PTFE-13gm* SE 1233 2 10 EPL-PTFE-14 SE 1233 3 10 EPL-PTFE-14gm* SE 1233 3 10 * gm steht für geringere Mahlfeinheit (längere Mahldauer 60 min statt 20 min) Tabelle 3: Neu hergestellte, tribologisch interessante Gleitlacke Bild 6: Reibwertkurven der PUL-Lacke mit a) 2 % Gew.-% Graphen und b) 3 Gew.-% Graphen und 3 Gew.-% und zusätzlich mit geringere Mahlfeinheit eingearbeitet. Die Reibwertkurven (Bild 8a) liegen alle etwa bei µ = 0,13, vermutlich da nur ein Graphentyp verwendet wurde oder das Lacksystem härter ist als das PUL-System und die mechanische Verstärkung weniger Auswirkung zeigt. Die geringere Mahlfeinheit und der höhere Graphengehalt zeigen keine Vorteile. In Bild 8b ist zu sehen, dass der Zusatz von Graphen und PTFE zu ähnlichem oder besserem Abriebverhalten (bis zu 50 %) im Vergleich zu PTFE als alleinigem Zusatz führt. Dies ist auf die mechanische Verstärkung zurückzuführen. Die wässrigen Epoxidharzsysteme (EPW) zeigen im Vergleich zu den vorherig gezeigten Lacksystemen deutliche Unterschiede im tribologischen Verhalten auf, T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 20 E-Moduln auf, als die beiden anderen Lacke. Da der rein PTFE-gefüllte Lack jedoch einen noch geringen E-Modul aufweist, kann die mechanische Stabilität nicht alleine der Grund sein, weshalb diese Lacke besonders hohen Verschleiß aufweisen. Es ist zu vermuten, dass bei wässriger Verarbeitung des Lacks die Graphene mit mehr Sauerstofffunktionalitäten besser eingebunden werden, wodurch die Verschleißbeständigkeit weniger stark beeinträchtigt wird. Inwieweit die Netzwerkdichte durch die verschiedenen Graphentypen beeinflusst wird, ist nicht bekannt. Die Ergebnisse der SRV-Versuche der Benchmarksysteme sind in Bild 10 zu sehen. Das PAI-System zeigt den niedrigsten und das Phenolharzsystem den höchsten Aus Wissenschaft und Forschung 21 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0002 PUL-PTFE-0 PUL-PTFE-3 PUL-PTFE-8 PUL-PTFE-13 PUL-PTFE-13gm PUL-PTFE-18 PUL-PTFE-4 PUL-PTFE-9 PUL-PTFE-19 0,00 0,02 0,04 0,06 0,08 0,10 0,12 0,14 mittl. Verschleißvolumen [mm³] 3% Graphen 2% Graphen Bild 8: Reibwert (a) und Verschleißvolumen (b) der lösemittelhaltigen Epoxidharzlacke nach SRV-Versuchen Bild 9: Reibwert (a) und Verschleißvolumen (b) der wässrigen Epoxidharzlacke nach SRV-Versuchen Bild 7: Verschleißvolumen der PUL-Lacke nach SRV-Versuchen a b a b T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 21 Lack, Reibspur und auf dem Pin detektiert. Sobald Graphen enthalten ist, ist die Detektion von PTFE nicht mehr möglich, da das Raman-Signal von Graphen sehr stark ist. Ergebnisse der Gleitreibungsversuche Die Gleitreibungsversuche wurden mit der Tribomesszelle des Rheometers durchgeführt. Aufgrund des Setups war die Pressung bei diesen Versuchen deutlich höher als bei den SRV-Versuchen und lag bei einer Prüfkraft von 3 N je nach Schichtdicke zu Versuchsbeginn bei etwa 150-250 MPa. Für die PUL-Lacke (Bild 13a) zeigt sich, dass die Graphen/ PTFE-Kombination den Reibwert senkt, mehr Graphen (3 %) jedoch keinen Vorteil bietet (hier nicht graphisch gezeigt). Positiven Einfluss Aus Wissenschaft und Forschung 22 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0002 Verschleiß. Hingegen sind beim Phenolharzsystem die Reibwerte am niedrigsten. Der PTFE-Gehalt dieser Lacke ist unbekannt, sodass keine weiteren Interpretationen erfolgen können. Zur Aufklärung der Verschleißmechanismen wurden rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen der Reibspuren und Pins angefertigt (Bild 11), sowie Ramanuntersuchungen an den gleichen Stellen durchgeführt (Bild 12). Die REM-Aufnahmen zeigen, dass es einen Übertrag des Lacks auf den Pin gibt. Dieser enthält sowohl Graphen als auch PTFE. Die Analysen lassen jedoch keine quantitativen Vergleiche zu. Zusätzliche EDX-Messungen bestätigen den Übertrag von Polymermatrix (erhöhter Kohlenstoffgehalt) und PTFE (Fluor) an den Stellen, die Übertrag zeigen. Mit Raman-Spektroskopie wurde PTFE in graphenfreien Systemen in Bild 10: Reibwert (a) und Verschleißvolumen (b) der Benchmarklacke nach SRV-Versuchen Bild 11: REM-Aufnahmen der Pins (Übertrag) und der Reibspuren von unterschiedlich gefüllten Gleitlacken a b T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 22 auf den Reibwert haben der Graphentyp SE1233 und die geringere Mahlfeinheit. In Bild 13b sind die Ergebnisse der Gleitreibversuche der EPW-Lacke zu sehen. Hier ist der positive Einfluss des Graphens sehr deutlich zu sehen. Die Lacke ohne PTFE zeigen einen sehr hohen Reibwert (µ = 0,6), der durch Graphenzugabe um bis zu 50 % auf µ = 0,3 gesenkt werden kann. Bild 13c zeigt die Ergebnisse der Gleitreibversuche der EPL-Lacke. Hier ist durch die Zugabe von Graphen zu PTFE-haltigen Lacken deutlich die Verminderung des Reibwerts bei hohen Gleitgeschwindigkeiten zu erkennen. Je mehr Graphen verwendet wird und je länger die Mahldauer Aus Wissenschaft und Forschung 23 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0002 Bild 12: Ramanmessungen an PUL-Gleitlacken auf dem Lack (schwarz), der Reibspur (rot) und dem Pin (blau) für a) PUL + 10 %PTFE und b) PUL +2 %Graphen/ 10 % PTFE Bild 13: Stribeckkurven trocken bei 3N, RT für a) PUL-Lacke, b) wässrige Epoxidharzlacke und c) lösemittelhaltige Epoxid-harzlacke a b a c b T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 23 Kohlenstoffgehalt, höchste spez. Oberfläche) interessant. Bei Anwendungen mit stärkerer Belastung (Pressung, Geschwindigkeit) kann ein höherer Füllstoffgehalt an Graphen und eine längere Mahldauer zusätzlich vorteilhaft sein. Danksagung Die Arbeiten wurden gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages über die deutsche Forschungsgesellschaft für Oberflächenbehandlung e.V. im Rahmen des IGF Vorhaben Nr. 19322N zum Thema „Untersuchung der Material- und Verfahrenstechnischen Grundlagen für die Entwicklung eines Neuen Gleitlacksystems für hohe Beanspruchungen im Maschinen- und Automobilbau“. Literatur [1] K. Holmberg, H. Ronkainen, A. Matthews, Tribology of thin coatings, Ceramics International, Volume 26, Issue 7, 2000, 787-795. [2] Coatings Tribology, Volume 28, 1st Edition, K. Holmberg, A. Matthews, Elsevier, 1994. [3] Tribology of Polymeric Nanocomposites, Volume 55, 1st Edition, K. Friedrich, A.K. Schlarb, Elsevier, 2008. [4] Robert J. Young, Ian A. Kinloch, Lei Gong, Kostya S. Novoselov, The mechanics of graphene nanocomposites: A review, Composites Science and Technology, Volume 72, Issue 12, 2012, 1459-1476. [5] Muhammad T. Masood, Evie L. Papadopoulou, José A. Heredia-Guerrero, Ilker S. Bayer, Athanassia Athanassiou, Luca Ceseracciu, Graphene and polytetrafluoroethylene synergistically improve the tribological properties and adhesion of nylon 66 coatings, Carbon, Volume 123, 2017, 26-33. Aus Wissenschaft und Forschung 24 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0002 war, desto niedriger ist der Reibwert. Alle Lacke (PUL, EPL und EPW zeigen ihre besten Reibwerte im Bereich von µ = 0,3. Zusammenfassung Es konnten homogene Gleitlacke auf Basis von Polyurethan- und Epoxidharzen hergestellt werden, die 1 - 2 Gew.-% Graphen und 10 Gew.-% PTFE enthielten. Die Haftfestigkeit aller Lacke war hervorragend. Die Ritz- und Mikroeindringhärte der Basislacke wird von den einzelnen Füllstoffen in entgegengesetzte Richtung beeinflusst, die Graphen/ PTFE-Kombination führt zu keiner deutlichen Absenkung. Sowohl bei Verschleißversuchen als auch bei Gleitreibungsversuchen konnte gezeigt werden, dass reibminderndes PTFE und mechanisch verstärkendes Graphen in Kombination als Füllstoff in Gleitlacken auf Polyurethan- und Epoxidharzbasis tribologisch sehr vielversprechend sind. Der Graphentyp SE1233, welcher den höchsten Kohlenstoffgehalt und die größte spez. Oberfläche besitzt zeigt sich bei den lösemittelhaltigen Lacken (PUL und EPL) als besonders tribologisch interessant. Hier konnten das Abriebverhalten um bis zu 50 %, und der Reibwert um bis zu 35 % (PUL) verringert werden. Dies gilt nicht für den EPW-Lack. Hier zeigte sich vor allem beim Graphentyp SE1233 ein um 200 % erhöhtes Abriebverhalten. In trockenen Gleitreibversuchen bei deutlich höherer Pressung zeigen alle Lacke mit Graphen/ PTFE- Füllstoff niedrigere Reibwerte als das graphenfreie PTFE-System. Die Reibwerte liegen im Bereich von µ = 0,3. Besonders interessant ist auch hier der Graphentyp SE1233 zusätzlich in Kombination mit einer geringeren Mahlfeinheit. Dieses Graphen führt zusätzlich zu höherer elektrischer und thermischer Leitfähigkeit in den untersuchten PUL-Lacken. Für tribologische Anwendungen sind die Lacksysteme PUL und EPL mit dem Graphentyp SE1233 (höchster T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 24
![](media.xav/tus671.jpg?SID=&iid=14373&sinst=&ssinst=&_csrf=4DF24D69C1EE761347D24A8D353E4B5D0BC6D7BF)