eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 67/1

Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.30419/TuS-2020-0007
21
2020
671 Jungk

Entwicklung und Erprobung einer neuen Kraftstoffpumpe für Hochdruck-Benzindirekteinspritzung

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2020
Peter Berlethttps://orcid.org/https://orcid.org/0000-0003-2415-3805
Lars Köhler
Morten Kronstedt
Bach Phan
Norbert Schmitz
Michael Wittemann
Valentin Veit
Michael Züfle
Der Beitrag zeigt Ergebnisse aus dem Verbundforschungsvorhaben „Hochdruck-Benzindirekteinspritzung“. Anhand von Simulationen sowie von Messungen auf dem Einspritzpumpen- und auf dem Vollmotorprüfstand wird dargestellt, welche Herausforderungen sich für die Tribologie der Einspritzpumpe und ihres Antriebs ergaben und wie diese mit Hilfe moderner Entwicklungswerkzeuge gemeistert wurden.
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95 g/ km und die nach 2021 zu erwartende Abgasnorm Euro 7 zu erfüllen. Im DFG-Sonderforschungsbereich 606 von 2002 bis 2012 ist der Einsatz einer Hochdruck-Benzindirekteinspritzung bereits als probates Mittel identifiziert worden, um Verbrauch und Emissionen erheblich abzusenken. In der Folge wurde in dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Vorhaben Hochdruck-Benzindirekteinspritzung ein entsprechendes Einspritzsystem für einen Demonstratormotor entwickelt, damit ein Motor aufgebaut und auf dem Prüfstand analysiert. In Ergänzung zu [1] und [2] werden nachfolgend einige insbesondere aus tribologischer Sicht interessante Ergebnisse im Gesamtkontext des Vorhabens näher vorgestellt. Konstruktion der Hockdruckpumpe In bisher eingesetzten Benzinhochdruckpumpen wurde für die Kolbenführung ein separates Bauteil, die Führungsbuchse in das Pumpengehäuse eingepresst. Die Anforderungen an diese Schnittstelle steigen durch die Druckerhöhung erheblich. Entscheidend ist die Dichtheit hin zur Hochdruckkammer, damit die Position der Führungsbuchse im Gehäuse unter Druckbeaufschlagung si- Aus der Praxis für die Praxis 54 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 Einleitung Bei Fahrzeugen für den individuellen Personenverkehr nimmt die Elektrifizierung der Antriebe gegenwärtig deutlich zu. Bei Fahrzeugen, die nur einen batterieelektrischen Antrieb besitzen, entspricht die Bereitstellung und Speicherung von Elektroenergie häufig nicht den Kundenforderungen nach großer Reichweite und kurzer Ladezeit. Die hohen Kosten und das hohe Gewicht der Traktionsbatterie begrenzen die Akzeptanz des reinen batterieelektrischen Antriebs zusätzlich. Hier bieten sich Fahrzeuge mit Hybridantrieben als Kombination unterschiedlich großer Ottomotoren und E-Maschinen an. Die eingesetzten Ottomotoren müssen jedoch hinsichtlich Verbrauch und Emissionen auch bei steigendem Hybridisierungsgrad noch deutlich weiterentwickelt werden, um das ab 2020 geltende Flottenverbrauchsziel von DOI 10.30419/ TuS-2020-0007 Entwicklung und Erprobung einer neuen Kraftstoffpumpe für Hochdruck-Benzindirekteinspritzung Peter Berlet, Lars Köhler, Morten Kronstedt, Bach Phan, Norbert Schmitz, Michael Wittemann, Valentin Veit, Michael Züfle* Der Beitrag zeigt Ergebnisse aus dem Verbundforschungsvorhaben „Hochdruck-Benzindirekteinspritzung“. Anhand von Simulationen sowie von Messungen auf dem Einspritzpumpen- und auf dem Vollmotorprüfstand wird dargestellt, welche Herausforderungen sich für die Tribologie der Einspritzpumpe und ihres Antriebs ergaben und wie diese mit Hilfe moderner Entwicklungswerkzeuge gemeistert wurden. Schlüsselwörter Ottomotor, Hochdruckeinspritzung, Kompositwerkstoff, Verschleiß, Radionuklidtechnik, EHD-Simulation The article describes results of the research project “High Pressure Gasoline Direct Injection”. By simulation and testing on an injection pump test rig as well as on an engine test bench it is shown how the challenges for tribology of the injection pump and the drive train were managed by the use of modern tools. Keywords Gasoline engine, High pressure direct injection, composite, wear, radionuclide technique, EHD-simulation Kurzfassung Abstract * Dr.-Ing. Peter Berlet Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0003-2415-3805 M.Sc. Bach Phan M.Sc. Michael Züfle IAVF Antriebstechnik GmbH, Karlsruhe Dipl.-Ing. Morten Kronstedt B.Sc. Michael Wittemann APL Automobil Prüftechnik Landau GmbH, Landau Dipl.-Ing. Lars Köhler Dipl.-Ing. Norbert Schmitz B.Sc. Valentin Veit Continental Mechanical Components Germany, Roding T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 54 chergestellt ist. Eine Verschiebung der Buchse führt zu einer Leckage zwischen Hoch- und Niederdruckkreislauf. In Folge dessen steigen die Drücke im Niederdruck und es kann im schlimmsten Fall zu einer Verdünnung des Motoröls mit Kraftstoff kommen. Deshalb wurde im Rahmen dieses Projektes auf die separate Führungsbuchse verzichtet und die Kolbenführung direkt im Gehäuse integriert, Bild 1. Diese Technologie wird bei Dieselhochdruckpumpen, wo der Einspritzdruck heute bereits 2000 bar und mehr erreicht, bereits angewendet. Allerdings gibt es bei Benzineinspritzpumpen wegen der schlechten Schmierfähigkeit des Mediums zusätzliche Anforderungen bezüglich Verschleißfestigkeit und Elastizität. Gleichzeitig sollte der Werkstoff für Kolbenführung und Pumpengehäuse korrosionsbeständig und schweißbar sein, um auch die Schnittstellenfunktionen des Gehäuses erfüllen zu können. Das Grundmaterial des Gehäuses ist ein härtbarer korrosionsbeständiger Edelstahl mit einem niedrigen Kohlenstoffanteil. Dieser kann im vergüteten Zustand als Halbzeug bezogen werden. Im Rahmen des Projekts wurden zwei Vergütungszustände betrachtet. In Bild 2 sind die unterschiedlichen Vergütungszustände im Vergleich zum Ausgangsmaterial dargestellt. Die Härte der Kolbenführung wurde reduziert. Dadurch hat sich der Verschleiß während des Pumpenbetriebs deutlich in Richtung des Pumpengehäuses verlagert. Eine ausreichende Elastizität und eine homogene Lastverteilung innerhalb der Kolbenführung sind unabdingbar. Eine gleichmäßige Wandstärke um die Kolbenbohrung sowie eine Vergrößerung der Führungslänge gewährleisten eine optimale Kraftverteilung und eine Reduzierung des Verschleißes der Prototypenpumpe. Mit der Neuentwicklung der Kolbenführung ohne Führungsbuchse ergaben sich jedoch neue Risiken, welche gründlich untersucht werden mussten. Neben tribologischen Tests mit den Reibpaarungen unterschiedlicher Materialien und Härten waren der Fertigungsprozess der Honstruktur sowie das Verschleißverhalten über die Lebenszeit und der damit verbundenen Reibwertveränderung näher zu betrachten. Während die harte Führungsbuchse die Honstruktur nahezu über Lebenszeit behält und somit eine ausreichende Schmierung gewähr- Aus der Praxis für die Praxis 55 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0007 Bild 2: Metallographie der unterschiedlichen Gehäusematerialien Bild 1: Vergleich von Kolbenführungen mit und ohne eingepresste Führungsbuchse T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 55 ben- und Führungsverschleiß um bis zu 64 % reduziert werden, Bild 4. Um das Verschleißverhalten der Kolbenführung mit den neuen Gehäusematerialien näher zu untersuchen, wurde wie in [1] beschrieben, ein Pumpenprüfstand mit hochauflösender kontinuierlicher Radionuklid-Verschleißmesstechnik im Niederdruck-Kraftstoffkreislauf aufgebaut. Zum Antrieb der Hochdruckpumpe auf dem Pumpenprüfstand wurde eine sogenannte Cambox mit einer passenden Nockenwelle konstruiert und gefertigt, die später auch im Vollmotor eingesetzt wurde. Auf dem Pumpenprüfstand konnten die Lagerung und die Schmierung des Pumpenantriebs bereits ohne den Motor erprobt werden. Das Messprinzip der Verschleißmessung mittels Konzentrations- und Filtermethode ist in Bild 5 dargestellt. Aus der Praxis für die Praxis 56 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 leistet, findet bei weicheren Reibpartnern ein stärkeres und lokales Glätten der Honstruktur statt. Welches der beiden grundlegend unterschiedlichen Philosophien das robustere Design ist, wurde in umfangreichen Tests und Validierungen untersucht. Untersuchungen auf dem Einspritzpumpenprüfstand Für die Erprobung erster Muster der 600 bar-Hochdruckpumpe wurde ein High Speed High Flow Robustness Test (HSHF) ausgewählt. Dieser Test liefert schnelle Ergebnisse für hochbelastete Bauteile in Bezug auf Festigkeit und Verschleiß. Dabei wurde der Schwerpunkt auf die konstruktiv neue Kolbenführung gelegt. Ein wichtiger Indikator für das Verschleißverhalten der Kolbenführung ist die Tiefe der Honstruktur der Bohrung. Diese unterstützt bei Kraftstoff-Hochdruckpumpen die Kühlung der DLC-Schicht am Kolben und den Medienaustausch im Spalt. Wegen der Auf- und Ab-Bewegung des Kolbens entsteht eine sogenannte Schleppströmung im Kolbenspalt. Dadurch dringt frisches Medium in den Spalt und der Antrieb wird im Betrieb effektiv gekühlt. Bild 3 zeigt, dass die Honstruktur in der Kolbenführung am Testende nicht mehr durchgehend vorhanden ist, was für eine Laufleistung >300 h nicht ungewöhnlich oder kritisch ist. Zusätzlich durchgeführte HFRR-Untersuchungen (HFFR: high frequency reciprocating rig) zeigten ein ähnliches Verschleißverhalten wie im HSHF-Pumpendauerlauf. Gerade beim Verschleißverhalten des Kolbens konnten durch die Modifikation des Gehäusematerials enorme Verbesserungen im Vergleich zum Ausgangsmaterial erzielt werden. Insgesamt konnte der Kol- DOI 10.30419/ TuS-2020-0007 Bild 3: Honstruktur in der Kolbenbohrung nach dem HSHF-Test Bild 4: Verschleißtiefe von Kolben und Kolbenführung im HFFR-Test mit unterschiedlichen Gehäusematerialien T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 56 Der hochverdichtete Kraftstoff wird im Unterschied zum Motor nicht verbrannt, sondern im Kreislauf gefördert. Die radioaktiv markierten Verschleißpartikel gelangen über das Hochdruckrail in einen Kraftstofftank. Der Detektor im angeschlossenen Durchflussmesskopf zählt die Impulse der charakteristischen Gammastrahlung beim Kernzerfall der Radionuklide. Da der Kraftstoff wie im Motor vor dem Eintritt in die Hochdruckpumpe gefiltert werden muss, wird im Pumpenprüfstand ein auf die Anforderungen von Ottokraftstoff angepasster Filtermesskopf an den Niederdruck-Kraftstoffkreislauf angeschlossen. Die Summe der im Durchflussmesskopf und im Filtermesskopf detektierten Verschleißpartikel ergibt über geeignete Kalibrierungen zunächst die Masse der Verschleißpartikel und in der Folge die mittlere Abtragstiefe an der Kolbenführung. Dieser Verschleiß kann hochgenau im Nanometerbereich und kontinuierlich über der Zeit gemessen werden. Im Einlauf der Hochdruckpumpe mit einem vorgegebenen Fahrprofil, bei dem der Einspritzdruck maximal 350 bar erreicht, liegt der Verschleiß der Kolbenführung im Pumpengehäuse zunächst unabhängig vom Gehäusematerial nahezu auf Nullniveau, Bild 6. Nennenswerter Verschleiß tritt erst auf, wenn erstmalig eine hohe Pumpendrehzahl angefahren wird. Selbst mit dem wei- Aus der Praxis für die Praxis 57 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0007 Bild 5: Messprinzip der RNT-Verschleißmessung im Kraftstoffkreislauf Bild 6: Verschleiß der Kolbenführung aus unterschiedlichen Gehäusematerialien im Einlauf über der Zeit sowie IAVF-Streuband für Serien-Kraftstoffhochdruckpumpen von Benzinmotoren T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 57 Erweiterte Simulation tribologischer Kontakte Das für die Auslegung des Spiels zwischen Kolben und Kolbenführung erstellte Teilmodell von Kolben und Kolbenführung aus [1] wurde mit Blick auf die Reibung in der Kolbenführung für EHD-Simulationen des Gesamtsystems Hochdruckpumpe erweitert. Es zeigte sich, dass sich die Haupt-Beanspruchungszone in allen simulierten Betriebspunkten im oberen Bereich der Kolbenführung quer zur Achse der Nockenwelle befand. Die Ergebnisse aus der Reibungsberechnung wurden zunächst mit den oben dargestellten Ergebnissen aus den RNT-Verschleißmessungen verglichen, wobei eine sehr gute Korrelation zwischen Reibung und Verschleiß zu erkennen ist, Bild 8. Insbesondere das Phänomen, dass auch die Reibung in der Führung auf einem sehr niedrigen Niveau lag und die Beobachtung, dass bei erhöhtem Raildruck auch kein Anstieg der berechneten Reibung erfolgt, wurde als positiv bewertet. Um die Simulationsergebnisse direkt mit der RNT-Verschleißmessung vergleichen zu können, wurden eine Kopplung des EHD-Modells mit der Software APL Aus der Praxis für die Praxis 58 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 chen Gehäusematerial liegt der Verschleiß der Kolbenführung jedoch noch innerhalb des IAVF-Streubandes von Benzineinspritzpumpen bisheriger Pkw-Serienmotoren mit Standardkraftstoff. Die Verschleißkurven nehmen schnell einen degressiven Verlauf. Nach dem Einlauf wurde das Verschleißverhalten der Kolbenführung in Parametervariationen zunächst mit Standard-Ottokraftstoff Super E10 umfangreich analysiert. In Bild 7 sind die äußerst niedrigen Verschleißgeschwindigkeiten über der Pumpendrehzahl, die im Demonstratormotor der Motordrehzahl entspricht, dargestellt. Dabei wurde auch der Pumpendruck auf das Zielniveau von 600 bar gesteigert. Die Verschleißgeschwindigkeiten der Kolbenführung nehmen über der Drehzahl noch vergleichsweise wenig zu. Entgegen den Erwartungen wirkt sich der Pumpendruck mit dem Standardkraftstoff nahezu nicht auf das Verschleißverhalten der Pumpe aus. Auch der Einfluss der Kraftstofftemperatur lag auf einem akzeptablen Niveau. Demgegenüber wurden mit Sonderkraftstoff um den Faktor 4-5 höhere Verschleißgeschwindigkeiten gemessen, die jedoch ebenfalls noch im IAVF-Streuband lagen. DOI 10.30419/ TuS-2020-0007 Bild 7: Verschleißgeschwindigkeiten der Kolbenführung aus dem neuen Gehäusematerial - weich mit unterschiedlichen Raildrücken sowie IAVF-Streuband für Serien-Kraftstoffhochdruck-pumpen von Benzinmotoren über der Motorbzw. Pumpendrehzahl Bild 8: Vergleich Verschleißgeschwindigkeit Kolbenführung (Messung) und Kontaktreibleistung (Simulation) T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 58 Aus der Praxis für die Praxis 59 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0007 Computer Aided Tribology (ACAT) programmiert. Hierbei werden Daten wie Schmierfilmhöhe und Druck für alle 11.800 Knoten des hydrodynamischen Netzes für jeden Zeitschritt aus dem EHD-Modell ausgelesen und in ACAT übertragen, wo eine knotenbezogene Berechnung des lokalen Verschleißvolumens durchgeführt wird. Wie Bild 9 zeigt, konnte auch hier eine gute Übereinstimmung der Simulation mit der RNT-Messung erzielt werden. Während mit der RNT Mittelwerte über die gesamte radioaktiv markierte Fläche gemessen werden, konnten mit der Simulation auch lokale Maximalwerte ermittelt werden, die gut mit der Rückvermessung der Bauteile im Labor korrelierten. Auf Grund der bauartbedingten Umkehr der Lastrichtung des über eine Nockenwelle angetriebenen Pumpenstößels vollzieht dieser beim Aufwärts- und Abwärtshub zusätzlich eine Sekundärbewegung innerhalb seines Führungsspiels. Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass die Übertragung der Sekundärbewegung auf den Kolben für den Eintrag von unerwünschten Querkräften und erhöhte Reibung in der Kolbenführung sowie deren Verschleiß mitverantwortlich ist. Der Betrag der übertragenen Querkräfte ist maßgeblich durch den Kontakt und die Reibung zwischen Kolben und Stößeltraverse gekennzeichnet. Um diese Effekte an der neu konstruierten Pumpe zu untersuchen, wurde das bereits bestehende EHD-Modell des Hochdruckanteils um die Komponenten Stößel, Stößelführung und Nockenwelle erweitert. Für eine korrekte Darstellung der Kontaktsituation im EHD-Modell hinsichtlich der in der Realität verwendeten Materialpaarung ist der Kontaktreibwert µ co als Ein- Bild 9: Ergebnisse Verschleißberechnung in ACAT Bild 10: Effekte verschiedener Reibungszahlen im Kolben / Stößelkontakt auf das Gesamtsystem T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 59 ren, wurden Stößeleinlagen aus einer neu entwickelten reibungsmindernden Si 3 N 4 +SiC-Mischkeramik konstruiert und gefertigt, Bild 11. Die Profilschriebe der Lauffläche zeigen, dass es gelungen ist, eine ballige Stößeloberfläche zu erzeugen. Nach ersten Erprobungen sollte ihr Verschleißverhalten mit Hilfe der Radionuklidtechnik näher charakterisiert werden. Dazu konnte aus dem in der Mischkeramik in geringer Menge enthaltenen Yttrium ein geeignetes Radionuklid erzeugt werden. Für die Verschleißmessung auf dem Einspritzpumpenprüfstand wurde die RNT-Messtechnik an den Ölkreislauf des Pumpenantriebs angeschlossen. Das Einlaufverhalten der Keramik ist in Bild 12 dargestellt. In den Laufstunden nach dem Einlauf lagen die Verschleißgeschwindigkeiten der Mischkeramik mit 20 bis 40 nm/ h noch auf einem erhöhten, jedoch für diesen Entwicklungsstand akzeptablen Niveau. Außer der Pumpendrehzahl hat sich am Kontakt Kolben / Stößel auch der Raildruck deutlich verschleißfördernd ausgewirkt. Aus der Praxis für die Praxis 60 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 gabeparameter zu berücksichtigen. Aus geschmierten Untersuchungen am SRV-Tribometer waren jedoch lediglich die Gesamtreibwerte µ ges der Paarungen bekannt. Um die Kontaktreibwerte abschätzen zu können, wurde das Programm ACAT auf Basis der Halbraumtheorie weiterentwickelt. So ist es möglich, die ballige Gestalt und die daraus folgende notwendige, extrem hohe Auflösung der Stößelstirnfläche in einem Modell des Tribometerversuchs zu berücksichtigen. ACAT verwendet ein Modell auf energetischer Basis, um die Reibung zu berechnen, sodass die Kontaktreibungszahl Ausgabe und nicht Eingabe des Systems ist. Mithilfe von Tribometeruntersuchungen als Validationsmöglichkeit für µ ges konnten so Kontaktreibwerte generiert werden, die anschließend im EHD-Modell zum Einsatz kamen, um verschiedene Effekte auf das Gesamtsystem zu berechnen, Bild 10. Um die oben angesprochenen Auswirkungen hoher Reibung im Kontakt Kolben / Stößeltraverse auf die Querkräfte sowie Reibung in der Kolbenführung zu reduzie- DOI 10.30419/ TuS-2020-0007 Bild 12: Verschleiß der Stößeleinlage aus Mischkeramik im Einlauf über der Zeit Bild 11: Stößeleinlage aus Mischkeramik sowie Profilschriebe in radialer Richtung T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 60 Untersuchungen auf dem Vollmotorprüfstand Parallel zur Entwicklung der Hochdruckpumpe wurde der Demonstratormotor konstruiert und aufgebaut. Bereits zu einem frühen Zeitpunkt wurde entschieden, die Hochdruckpumpe nicht mehr von der Auslassnockenwelle, sondern im Steuertrieb mit der auf dem Pumpenprüfstand erprobten CAM-Box direkt von der Kurbelwelle antreiben zu lassen. Dazu musste sowohl der Steuertrieb umkonstruiert als auch eine neue Steuerung für das Motor-Einspritzsystem entwickelt werden. Im Demonstratormotor konnten insbesondere die Partikelemissionen bereits bei betriebswarmem Motor erheblich abgesenkt werden. Zusätzliches Potenzial wurde für den Kaltstart erarbeitet, wie in [3] dargestellt. Die erhöhte Antriebsleistung der Hochdruckeinspritzpumpe konnte teilweise überkompensiert werden, sodass sich ohne größere Änderungen beim Motorbrennverfahren noch Verbrauchsvorteile bis zu einem Prozent ergaben. Zusammenfassung und Ausblick Im vorliegenden Beitrag wurde gezeigt, dass die Hochdruck-Benzindirekteinspritzung geeignet ist, Kraftstoffverbrauch und Emissionen auch in Verbrennungsmotoren für Hybridantriebe weiter abzusenken. Um die hohen Kraftstoffdrücke bedarfsgerecht zu erzeugen, wurden komplexe Herausforderungen an die Tribologie der Hochdruckpumpe und ihres Antriebs gemeistert. Für zukünftige Antriebsentwicklungen sollten nachhaltig erzeugte Kraftstoffe berücksichtigt werden. Auch hier können moderne Entwicklungswerkzeuge für Simulation und Versuch die Antriebsentwicklung wirksam unterstützen. Danksagung Das diesem Beitrag zugrunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gefördert. Literatur [1] P. Berlet, D. Englert, M. Kronstedt, M. Wittemann, S. Dierks, M. Zankl: Tribologische Aspekte weiterer Wirkungsgradsteigerungen bei Fahrzeugantrieben mit Verbrennungsmotoren durch Hochdruck-Benzindirekteinspritzung, Jahrestagung der Gesellschaft für Tribologie, Göttingen, 2017. [2] Schreiber, P., Zielonka, P., Schneider, J., Schell, G., Bucharsky, C., Oberacker, R., Hoffmann, M.J.: Tribologisches Verhalten von innovativen Si3N4-SiC Kompositwerkstoffen, Jahrestagung der Gesellschaft für Tribologie, Göttingen, 2017. [3] F. Titus, P. Berlet, F. Sobek, J. Wessling: Emission Reduction during Cold Start by Combustion Controlled Increase of In-Cylinder Temperatures, International Powertrains, Fuels & Lubricants Meeting, Heidelberg, 2018. Aus der Praxis für die Praxis 61 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 1/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0007 T+S_1_2020_ 2.qxp_T+S_2018 04.03.20 15: 03 Seite 61