Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.30419/TuS-2020-0012
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2020
672
JungkLeistungssteigerung von Kunststoff/ Metall-Tribosystemen durch wärme induzierte Stoffumwandlungsprozesse
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Sebastian Kamerling
Alois K. Schlarbhttps://orcid.org/0000-0001-8693-9163
Thermoplastbasierte Materialien sind heute schon in vielen tribologischen Anwendungen vertreten. Ein Grund dafür sind ihre hervorragenden Eigenschaften im Trockenlauf, die möglichen Lasten werden jedoch durch hohe Kontakttemperaturen stark limitiert. Diese Studie untersucht einen Füllstoff, der durch die reibungsinduzierte Wärme eine chemische Umwandlung vollzieht und dadurch aktiv Mechanismen entgegenwirkt, die gewöhnlich hohen Verschleiß verursachen. Die tribologischen Versuche verdeutlichen das Potential dieses Füllstoffes, das Anwendungsspektrum von Kunststoffen in der Tribologie zu weiten.
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1 Einleitung Ein modernes Tribocompound besteht neben einem Hochleistungskunststoff in der Regel aus einer Verstärkungskomponente, z.B. Kohlenstofffasern, sowie einem internen Schmierstoff, z.B. Graphit [1]. Die Effekte und das Zusammenspiel verschiedener Additive war Teil der Forschung der vergangenen Jahrzehnte, bspw. [2-4], dennoch ist es bisher mit den typischen Zusammensetzungen nicht gelungen, Werkstoffe für ein breites Spektrum an externen Lasten einsatzfähig zu machen. Selbst bei Verwendung von Hochtemperaturkunststoffen wie PEEK ist die Leistungsfähigkeit lediglich auf einen kleinen Lastbereich limitiert, was die Flexibilität des Materials stark einschränkt. Bei variierenden Bedingungen wird das Verhalten unvorhersehbar, sodass es mittlerweile ein großes Bedürfnis nach intelligenten Materialien gibt, welche selbsttätig auf Veränderungen in den Umgebungsbedingungen reagieren und das System stets in einem funktionstüchtigen Zustand mit niedrigen Reibungs- und Verschleißwerten halten. Ein vielversprechender Ansatz scheint die gezielte Nutzung von physikalischen und chemischen Stoffumwandlungsprozessen zu sein, welche die tribologische Interaktionszone positiv beeinflussen. Solche Reaktionen, im interessierenden Temperaturbereich, lassen sich bspw. bei Phasenwechselmaterialien und Flammschutzmitteln finden, Literatur zum tribologischen Verhalten beschränkt sich jedoch auf wenige Quellen [5-7]. Gerade Magnesiumhydroxid Mg(OH) 2 , welches heute bereits in vielen alltäglichen Kunststoffprodukten als halogenfreies Flammschutzmittel Verwendung findet, hat sich als vielversprechend herausgestellt. Es ist zudem günstig, umweltfreundlich und gut erforscht [8,9]. Der Stoff zersetzt sich ab rund 330 °C endotherm zu Magnesiumoxid MgO und Wasser H 2 O [9,10]: (1) Aus Forschung und Praxis 37 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 2/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0012 Leistungssteigerung von Kunststoff/ Metall-Tribosystemen durch wärmeinduzierte Stoffumwandlungsprozesse Sebastian Kamerling, Alois K. Schlarb* Thermoplastbasierte Materialien sind heute schon in vielen tribologischen Anwendungen vertreten. Ein Grund dafür sind ihre hervorragenden Eigenschaften im Trockenlauf, die möglichen Lasten werden jedoch durch hohe Kontakttemperaturen stark limitiert. Diese Studie untersucht einen Füllstoff, der durch die reibungsinduzierte Wärme eine chemische Umwandlung vollzieht und dadurch aktiv Mechanismen entgegenwirkt, die gewöhnlich hohen Verschleiß verursachen. Die tribologischen Versuche verdeutlichen das Potential dieses Füllstoffes, das Anwendungsspektrum von Kunststoffen in der Tribologie zu weiten. Schlüsselwörter Intelligente Materialien, Tribochemie, Polymere Verbundwerkstoffe, Oberflächenanalytik, Polyamid, Magnesiumhydroxid Increasing the performance of polymer/ steel tribosystems using heat induced chemical transformations Thermoplastic based materials are already represented in many tribological applications due to their good dry sliding behaviour, though high temperatures drastically limit the possible loads. This study investigates a filler material whose action is triggered by the friction induced heat development in the contact interface. The resulting chemical transformation of the filler actively counteracts surface interactions that would otherwise lead to excessive wear. The tribological tests clearly show the potential of this type of filler to broaden the range of application of polymer based compounds. Keywords Smart materials, tribochemistry, polymer composites, surface analysis, polyamide, magnesium hydroxide Kurzfassung Abstract * M.Sc. Sebastian Kamerling 1 , Prof. Dr.-Ing. Alois K. Schlarb 1,2,3 Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0001-8693-9163 1 Lehrstuhl für Verbundwerkstoffe Technische Universität Kaiserslautern (TUK) 67663 Kaiserslautern 2 Forschungszentrum OPTIMAS, Kaiserslautern 3 Qingdao University of Science and Technology (QUST), China TuS_2_2020.qxp_T+S_2018 04.06.20 14: 11 Seite 37 peratur betrug T = 80 °C. Die Probekörper für die tribologischen Prüfungen wurden anschließend spanend aus den Platten entnommen. Die tribologischen Versuche wurden auf einem Pin-on- Disk-Tribometer unter Trockenreibungsbedingungen und Normalklima durchgeführt. Als Gegenkörper wurden kommerziell verfügbare 100Cr6 Stahlscheiben mit einem Mittenrauwert von R a = 0,2 µm verwendet. Reib- und Normalkraft sowie die Längenänderung Δl des Systems wurden mit 0,5 Hz erfasst. Aus dem Materialabtrag, gekennzeichnet durch Δl, wurde die spezifische Verschleißrate w s über folgende Gleichung berechnet: (2) mit W V Verschleißvolumen F N Normalkraft, geregelt Δs zurückgelegter Gleitweg p Kontaktdruck bezogen auf den Ausgangsquerschnitt A0 v Gleitgeschwindigkeit auf halber Spurbreite der Probe Δt Versuchsdauer Bei konstanter Gleitgeschwindigkeit v = 4 m/ s wurde die Flächenpressung stufenweise von p = 1 MPa bis 5 MPa erhöht, mit Δp = 0,5 MPa. Aus den Messwerten der jeweiligen stationären Phasen wurden nach Versuchsende die relevanten Systemkennwerte bestimmt. Um die Oberflächenreaktionen genauer zu untersuchen, wurden einige Stichproben nur bis p = 3 MPa belastet, knapp über die Startbedingungen der chemischen Reaktion [6]. Die Oberflächen der so beanspruchten Grund- und Gegenkörper wurden per energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX, Naron System 7, Thermo ! " # $ % Aus Forschung und Praxis 38 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 2/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0012 MgO verteilt sich auf der Oberfläche und wirkt wegen der hohen Wärmekapazität als Schild; die Wärmeübertragung von der Heizquelle zum Grundkörper verringert sich [10]. Eingearbeitet in ein Tribocompound bleibt der Funktionsstoff passiv bis reibungsinduzierte Blitztemperaturen an den Mikrokontakten die Stoffumwandlung lokal aktivieren [6]. Die endotherme Reaktion agiert als Wärmesenke und die Reaktionsprodukte üben positiven Einfluss auf die Kontaktzone und damit letztlich auch auf das tribologische Verhalten aus (Bild 1). Ein Wechselspiel von steigenden Temperaturen und reagierendem Füllstoff hält die Reibungs- und Verschleißwerte über einen weiten Lastbereich konstant [6]. Ziel dieser Studie ist die rechnerische und experimentelle Evaluierung von Mg(OH) 2 bzgl. der thermischen und mechanischen Beeinflussung der Kontaktzone. Es soll geklärt werden, in welchem Ausmaß die Reaktion während tribologischer Prüfung stattfindet und inwiefern sie sich auf die Leistungsfähigkeit des Systems auswirkt. 2 Experimentelles Basis der experimentellen Untersuchung bilden zwei Polyamid 66 (BASF SE, Ludwigshafen) basierte Compounds verstärkt mit 7,5 vol.-% Kohlenstoffschnittfasern (SGL Carbon SE, Wiesbaden). Einem Compound wurden 20 vol.-% Mg(OH) 2 (TER Chemical, Hamburg) beigemischt, eine ungefüllte Variante dient als Referenz. Die Kompositionen wurden auf einem gleichläufigen Doppelschneckenextruder (Leistritz ZSE 18 MAXX 40D, Leistritz Extrusionstechnik GmbH, Nürnberg) bei n = 400 U/ min aufbereitet und anschließend granuliert. Die Temperatur am Einzug lag bei T = 80 °C und in allen weiteren Zonen des Extruders bei T = 270 °C. Die Granulate wurden im Spritzgießverfahren (Arburg Allrounder 420, Arburg GmbH & Co. KG, Loßburg) bei einem Spritzdruck von p = 800 bar und Zylindertemperaturen von T = 275 °C zu Platten der Größe 50 mm x 50 mm x 4 mm verspritzt. Die Werkzeugtem- Bild 1: Effekte von Mg(OH) 2 auf den tribologischen Kontakt TuS_2_2020.qxp_T+S_2018 04.06.20 14: 11 Seite 38 Scientific, Waltham, USA) und Fourier-Transformations-Infrarotspektrometrie (FTIR, spectrum 100, Perkin Elmer, Waltham, USA) untersucht, um durch die Zersetzung des Füllstoffes verursachte chemische Veränderungen zu analysieren und um indirekt Aussagen über die in der Kontaktzone herrschenden Temperaturen treffen zu können. Um mögliche Beeinflussung durch die Umgebungsluft gering zu halten, wurde die Analytik innerhalb von zwei Stunden nach Ende der tribologischen Versuche durchgeführt. 3 Ergebnisse und Diskussion Die Effekte von Mg(OH) 2 lassen sich zunächst rechnerisch mithilfe der in Tabelle 1 gegebenen Kennwerte abschätzen. Wasserdampf: Wasser hat einen Masseanteil von 30,88 % an Mg(OH) 2 und wird aufgrund der hohen Zersetzungstemperatur gasförmig freigegeben. Eine kontinuierliche Umwandlung sorgt demnach für einen steten Dampfstrom durch die Kontaktzone; der Dampfdruck wirkt dem extern aufgebrachten Druck entgegen. Vorversuche mit eingespannter Probenhalterung (Δl = 0) und geregelt steigender Gegenkörpertemperatur zeigen über das ideale Gasgesetz, dass sich rund Φ n = 33,5 % der freigegebenen Wasserpartikel während dem Ablauf der Reaktion zwischen den kontaktierenden Oberflächen befinden: (6) mit p H 2 O Gemessene Druckerhöhung im Vergleich zur Referenz = 0,35MPa n Stoffmenge Δm f Füllstoff Masseumsatz = 0.04 µg R Universelle Gaskonstante = 8.31446 J/ (K mol) M Molare Masse H 2 O = 18.015 g/ mol T Umwandlungstemperatur Ohne die Randbedingung Δl = 0 führt der Dampf zu einer Vergrößerung des Abstandes der Oberflächen und dadurch zu einer Minderung abrasiver und adhäsiver Wechselwirkungen. Magnesiumoxid: 69,12 % der Masse von Mg(OH) 2 bestehen aus MgO. Bei p = 3 MPa entspricht der Reaktionsumsatz des Füllstoffes Δm f = 0.09 µg, was die Berechnung der Dicke d einer über A 0 verteilten MgO Schicht erlaubt: (7) Mit der Annahme, dass sich die Partikel in den Rauheitstälern von Grund- und Gegenkörper oder vor Faserenden verfangen [12] liegt die Schichtdicke nach wenigen Minuten bereits in der Größenordnung des Mittenrauwertes der Stahlscheibe und sollte demnach das Reibungs- und Verschleißverhalten signifikant beeinflussen. Ein EDX-Mapping eines bei p = 3 MPa beanspruchten Gegenkörpers (Bild 2) zeigt eindeutig einen Transferfilm, der ausschließlich aus Magnesium Mg und Sauerstoff O zu bestehen scheint, wodurch sowohl Mg(OH) 2 als auch MgO als Quelle in Frage kommen. In Kontrast zur ungefüllten Referenz wurden keine Spuren der PA66-Matrix auf den Gegenkörpern gefunden. Genaueren Aufschluss über die chemische Zusammensetzung des Transferfilms gibt die FTIR-Methode, wel- & ' ! ( ) *+, ! ( + - . / 01 22 # 3 4 +, 011 110 5 6 078 9 # 3 4 : ; <( . / 0 2 *3 Aus Forschung und Praxis 39 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 2/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0012 Komponente ρ c p g/ cm 3 J/ gK PA66 1.14 1.7 C-Faser 1.80 0.71 Mg(OH) 2 2.34 0.92 MgO 3.58 - Stahl 7.81 0.48 Tabelle 1: Dichte und spezifische Wärmekapazität relevanter Systemkomponenten Reaktionsenthalpie: Es werden die mikroskopischen Vorgänge in der Kontaktzone betrachtet; durch Blitztemperaturen und Wärmeleitung durch die Rauheitsspitzen entsteht hier die messbare Bulktemperatur [11]. Mithilfe der Volumenanteile Φ der jeweiligen Systemkomponenten, deren Dichten ρ und Wärmekapazitäten c p sowie der Reaktionsenthalpie Δh des Füllstoffes kann durch ein thermodynamisches Modell die Temperaturdifferenz ΔT aufgrund der endothermen Umwandlung ermittelt werden, wobei die Systemgrenze die Oberflächen von Grund- und Gegenkörper umfasst: (3) (4) (5) mit m Masse Q Wärmestrom Der Wert legt nahe, dass durch so geminderte Blitzetemperaturintensitäten die Kontakttemperatur sinkt. Wird davon ausgegangen, dass der beeinflusste Anteil nur das Polymer beinhaltet steigt der Kühleffekt sogar auf ΔT = -483 K. 3 4 => = ,? 3 @ A BC@ , = 3 4 ? 3 @ A BC@ = & 4 : 4 ? & @ : @ A BC@ D EFGHIFJFKLFJ MKNFIO D PFFIKQORSSNFJ MKNFIO , = 1 T TuS_2_2020.qxp_T+S_2018 04.06.20 14: 11 Seite 39 Tatsächlich verbessern sich die spezifische Verschleißrate und der Reibungskoeffizient des Kunststoff-/ Metall-Systems durch Zugabe von Mg(OH) 2 drastisch (Bild 4). Bei geringen Lasten ähnelt sich das Verschleißverhalten beider Compounds noch, die gefüllte Variante zeigt sogar einen leicht höheren Reibungswiderstand. Ab p = 1,5 bis 2 MPa weichen die Werte jedoch stark voneinander ab: Der Verschleiß des ungefüllten Compounds steigt übermäßig an und erreicht bei der höchsten geprüften Last einen Spitzenwert von rund 5 ·10 -6 mm 3 / Nm. Der Reibungskoeffizient steigt mit der Last zunächst leicht an, fällt im höheren Lastbereich jedoch kontinuierlich ab. Eine Betrachtung der geprüften Proben zeigt: Das Material ist im Kontaktbereich komplett aufgeschmolzen, sodass bei hoher Last keine reine Festkörperreibung mehr vorlag [6,17]. Ein Mg(OH) 2 -Volumenanteil von 20 % führt zu einer konstanten spezifischen Verschleißrate von deutlich unter 10 -6 mm 3 / Nm über den gesamten betrachteten Lastbereich. Der Reibungskoeffizient nimmt stark ab, fällt unter den Wert des Referenzcompounds und sinkt stetig bis auf einen Wert von unter 0,3 ab. Erst bei den höchsten Lasten erfolgt eine leichte Erhöhung des Reibungswiderstandes. Die Messwerte sprechen für eine Aktivierung der chemischen Umwandlung bereits bei niedrigen Aus Forschung und Praxis 40 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 2/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0012 che kovalente Bindungsschwingungen zwischen den Elementen erkennt und demnach erlaubt zwischen Mg(OH) 2 , mit zwei O-H Bindungen, und MgO zu unterscheiden. Am Pin-Referenzspektrum (Bild 3) lassen sich gut die funktionellen Gruppen der Ausgangsstoffe erkennen: Die asymmetrischen υ as und symmetrischen υ s Schwingungen der CH 2 Gruppen bei 2930 und 2850 1/ cm [13,14], die für Polyamide typische N-H Bande bei 3300 1/ cm [13,15] sowie die aus dem Füllstoff resultierende stark ausgeprägte O-H Bande bei 3695 1/ cm [14,16]. Bis auf die CO 2 Absorption bei 2340 1/ cm, möglicherweise ein Überbleibsel des Herstellprozesses der Stahlscheibe, zeigen weder der Transferfilm noch das Disk-Referenzspektrum weitere Absorptionsbanden. Für die Referenz ist das Ergebnis erwartungsgemäß, auf dem Transferfilm wurden jedoch durch EDX eindeutig Mg und O nachgewiesen. In Kombination muss es sich also um das Reaktionsprodukt MgO handeln, da keine O-H Banden festgestellt werden können. Das heißt, dass eine Reaktion des Füllstoffes tatsächlich stattgefunden hat, lokale Temperaturen während des Versuchs demnach über 330 °C gestiegen sind und dass sich das Reaktionsprodukt MgO großflächig auf dem Gegenkörper angelagert hat. Bild 2: EDX-Mapping eines repräsentativen Oberflächenbereichs eines beanspruchten Gegenkörpers Bild 3: FTIR-Spektrum eines repräsentativen Transferfilms sowie Pin- und Disk-Referenzspektren TuS_2_2020.qxp_T+S_2018 04.06.20 14: 11 Seite 40 bis mittleren Lasten: Plötzlich schlägt das Systemverhalten um, sowohl Verschleißrate als auch Reibungskoeffizient erfahren gerade im Vergleich zur ungefüllten Referenz eine Wendung zum Positiven und bestätigen damit die theoretischen Annahmen. 4 Zusammenfassung In der Nutzung chemischer Stoffumwandlungsprozesse in der Tribologie von Kunststoff-/ Metall-Gleitsystemen steckt viel Potential. So übt die Zersetzungsreaktion von Mg(OH) 2 positiven Einfluss auf die in der Kontaktzone ablaufenden Prozesse aus. Wasserdampf wird zwischen den Rauheitsspitzen eingefangen, wirkt dort als Kissen zwischen den Oberflächen, erhöht deren Abstand und reduziert adhäsive und abrasive Verschleißmechanismen. Magnesiumoxid sammelt sich in den Rauheitstälern an und bildet einen homogenen Transferfilm. Das Verhalten ähnelt der Wirkweise von Nanopartikeln [18], die Reaktionsprodukte werden jedoch gezielt dort entladen wo es nötig ist: in hoch beanspruchten Gebieten der realen Kontaktfläche. Weitere Erforschung des tribologischen Einflusses von Mg(OH) 2 und ähnlicher Füllstoffe wird zweifellos zu einer systematischen Nutzung und, als Resultat, zu kosteneffizienteren und besseren Lösungen für tribologische Anwendungen führen. Danksagung Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (SCHL280/ 35-1) sowie dem Forschungszentrum OPTIMAS für die finanzielle Unterstützung der Studie. Dank gilt außerdem den Industriepartnern, BASF SE (Ludwigshafen), SGL Carbon SE (Wiesbaden) und TER Chemicals (Hamburg) für die Bereitstellung der Rohmaterialien. Weiterhin möchten wir Dr. Wolff vom Nano Structuring Center (NSC), TU Kaiserslautern, für die Durchführung der EDX-Analyse sowie Dr. Groß und Prof. Dr. Thiel, TU Kaiserslautern, für ihre Hilfe bei den FTIR Messungen und deren Interpretation danken. Literatur [1] K. Friedrich, A.K. Schlarb, eds., Tribology of Polymeric Nanocomposites: Friction and Wear of Bulk Materials and Coatings, Second Edi, Butterworth-Heinemann, Oxford, 2013. [2] L. Chang, Z. Zhang, H. Zhang, K. Friedrich, Effect of Nanoparticles on the Tribological Behaviour of Short Carbon Fiber Reinforced Poly(etherimide) Composites, Tribol. Int. 38 (2005) 966-973. [3] K. Friedrich, Z. Zhang, A.K. Schlarb, Effects of Various Fillers on the Sliding Wear of Polymer Composites, Compos. Sci. Technol. 65 (2005) 2329-2343. [4] V. Rodriguez, J. Sukumaran, A.K. Schlarb, P. De Baets, Influence of solid lubricants on tribological properties of polyetheretherketone (PEEK), Tribol. 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