Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.30419/TuS-2020-0016
81
2020
673
JungkBeeinflussen von Reibung und Verschleiß durch mikrostrukturierte Oberflächen
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2020
Volker Frankehttps://orcid.org/10.30419/TuS-2020-0016
George Pätzold
Udo Klotzbach
Thomas Kuntze
Der Beitrag gibt einen Überblick zu technologischen Möglichkeiten der hochpräzisen Laser-Mikrostrukturierung tribologisch beanspruchter Oberflächen. Die tribologische Wirkung von mit diesem Verfahren generierten mikroskaligen Oberflächenstrukturen werden erläutert. Dazu zählen die Reservoir-Wirkung, hydrodynamische Wirkung, Wirkung auf die Oberflächenspannung, Öl-Leitstrukturen und das Ableiten von abrasiven Partikeln. Neue Möglichkeiten ergeben sich durch die Kombination von mikrostrukturierten Oberflächen mit superharten Kohlenstoffschichten. Potentiale werden anhand von Anwendungsbeispielen präsentiert.
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Die tribologische Wechselwirkung wird von einer Vielzahl Faktoren beeinflusst, unter anderem der Materialpaarung, Art und Menge eines Schmierstoffes, Temperatur, Lastzustand, Reibgeschwindigkeit und Oberflächentopografie der Reibpartner. Präzisionsbearbeiten mit Laserstrahlung ermöglicht das Erzeugen auch mikrometerfeiner Oberflächenstrukturen auf nahezu beliebigen Werkstoffen. Werden die tribologischen, d.h. reibungs- und verschleißbezogenen, Kennwerte mechanisch kommunizierender Oberflächen durch Strukturieren beeinflusst, bieten sich vor allem für ansonsten technisch bereits ausgereifte Systeme erhebliche Energie- und Materialeinsparpotentiale. Prominente Beispiele sind automobile Anwendungen. Für die Lasertechnik besteht die Aufgabe darin, dauerbeanspruchte Komponenten, z.B. Kolbenringe, oberflächlich in mikroskopischem Maßstab zu modifizieren, ohne ihre makroskopische Funktionsfähigkeit, z.B. ihre Abdicht- und Wärmeableiteigenschaften, zu beeinträchtigen. Aus Wissenschaft und Forschung 34 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 3/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0016 Einleitung Reibungsverluste sind Energieanteile, die beim bewegten Zusammentreffen zweier Oberflächen ungenutzt verlorengehen. Der Verschleiß an diesen Oberflächen führt dazu, dass die Lebensdauern der Bauteile oder des Gesamtsystems oft kürzer ausfallen als gewünscht. Bis zu 23% des globalen Primärenergieverbrauches resultieren aus Energieverlusten infolge von Reibung. Realistische Schätzungen gehen davon aus, dass durch die Reduktion von Reibungsverlusten langfristig bis zu 8,66% weniger Primärenergie verbraucht werden kann. Daraus resultierte ein enormes Potential zur Einsparung von CO 2 - Emissionen [1]. Beeinflussen von Reibung und Verschleiß durch mikrostrukturierte Oberflächen Volker Franke, George Pätzold, Udo Klotzbach, Thomas Kuntze* Der Beitrag gibt einen Überblick zu technologischen Möglichkeiten der hochpräzisen Laser-Mikrostrukturierung tribologisch beanspruchter Oberflächen. Die tribologische Wirkung von mit diesem Verfahren generierten mikroskaligen Oberflächenstrukturen werden erläutert. Dazu zählen die Reservoir-Wirkung, hydrodynamische Wirkung, Wirkung auf die Oberflächenspannung, Öl-Leitstrukturen und das Ableiten von abrasiven Partikeln. Neue Möglichkeiten ergeben sich durch die Kombination von mikrostrukturierten Oberflächen mit superharten Kohlenstoffschichten. Potentiale werden anhand von Anwendungsbeispielen präsentiert. Schlüsselwörter Laser, Mikrostrukturen, Oberfläche, Kolbenring, Gleitlager, DLC Controlling friction and wear by micro-patterned surfaces This paper gives an overview of the technological capabilities of high precision laser micro material processing of tribologically stressed surfaces. The tribological effects of micro-scaled surface patterns created by the use of this technique are explained. This includes reservoir effect, hydrodynamic effect, influence on the surface tension, oil guiding effects as well as trapping of abrasive particles. The combination of micro-patterned surfaces with super-hard carbon coatings gives new promising opportunities for reduced friction and wear in highly loaded conditions. Application examples show the technological potentials. Keywords laser, micro structures, surface, piston ring, friction bearing, DLC Kurzfassung Abstract * Dipl.-Ing (FH) Volker Franke Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-5948-1932 George Pätzold Prof. Dr. Udo Klotzbach Dipl.-Ing (FH) Thomas Kuntze Fraunhofer Institut für Werkstoff- und Strahltechnik 01277 Dresden TuS_3_2020.qxp_TuS_3_2020 18.08.20 11: 24 Seite 34 Reibungsverhalten und Verschleiß beeinflussen sich wechselseitig, fast immer ist auch der Einfluss eines Schmiermittels zu berücksichtigen. Es gilt, in diesem Spannungsfeld eine aus Anwendersicht optimale Lösung zu erarbeiten. Wirkungen mikrostrukturierter Oberflächen Generelle Ziele für eine Oberflächenstrukturierung stellen die Funktionsoptimierung und die Steigerung der Effektivität von Produkten dar. Die Minimierung tribologischer Negativeffekte eines Systems kann durch unterschiedliche Wirkungen von Mikrostrukturen in den wechselwirkenden Oberflächen adressiert werden, u.a.: • Schmierstoff-Reservoire • Hydrodynamische Wirkung („Aufschwimmen“) • Verändern der Oberflächenspannung • Öl-Leitstrukturen • Auffangen und Ableiten von Partikeln Grundsätzlich führt das Strukturieren glatter Oberflächen zur Verringerung der in direktem Kontakt stehenden Flächen und kann allein hierdurch zu einer Verringerung der Reibkräfte führen [2]. Berücksichtigt werden muss hierbei die einhergehende Erhöhung der Flächenpressung insbesondere in Bezug auf den Verschleiß. Die Oberflächen müssen ausreichend verschleißresistent sein, erreichbar z.B. durch den Einsatz von superharten diamantartigen Kohlenstoffschichten. Strukturdimensionen, -form und -anordnung sind entscheidende Einflussgrößen für die Nutzung von Mikrostrukturen im Bereich der Tribologie, welche anwendungsspezifisch an die jeweiligen tribologischen Randbedingungen angepasst werden müssen. [3] Mikroskalige Vertiefungen in den Oberflächen können Schmiermittel (z.B. Öl oder Festschmierstoffe) aufnehmen und unter reibenden Bedingungen wieder abgeben. Hierdurch wird eine örtliche Schmiermittelverarmung verringert und die Schmiermittelmenge am gegenwärtigen Kontakt verglichen mit glatten Oberflächen erhöht. Diese Ölbevorratung durch eine angepasste Oberflächentopographie erleichtert den Übergang zum Vollschmierungszustand. Die Vertiefungen wirken beim Vorhandensein von Misch- oder Vollschmierung als mikrohydrodynamische Gleitlager [4]. Der Festkörperkontakt wird vermieden und dadurch Verschleiß und Reibungserscheinungen reduziert. Für diese Reservoir-Wirkung werden bevorzugt tiefere Strukturen genutzt, um ein signifikantes Schmierstoffvolumen aufnehmen zu können. Typisch sind Strukturtiefen von 5 µm und deutlich darüber [5]. Die hydrodynamische Wirkung von Oberflächenstrukturen entsteht in Kombination mit fluiden Schmierstoffen. Durch die Gleitbewegung der Reibpartner wird auch das zwischen beiden vorhandene Fluid in eine Fließbewegung versetzt. Im Bereich ansteigender Kanten von Oberflächenkavitäten führt der Schmiermittelfluss zu einem lokalen Druckanstieg in der Flüssigkeit. Hierdurch kann ein „Aufschwimmen“ beider Reibpartner auf dem Flüssigkeitsfilm erfolgen, d.h. der Abstand beider Festkörper steigt leicht. Festkörper- und Mischreibungsanteile sinken, und der Anteil der Flüssigkeitsreibung steigt. Reibkräfte werden insgesamt geringer. Der Effekt tritt verstärkt bei hohen Gleitgeschwindigkeiten auf. Hohe Flächenpressungen verringern die erreichbare positive Wirkung. Grundsätzlich treten derartige hydrodynamische Reaktionen an einem breiten Spektrum an Mikrostrukturen auf. Erfahrungen zeigen, dass das „Aufschwimmen“ mit zunehmender Tiefe der Kavitäten abnimmt, da der Druckanstieg innerhalb des eingeschlossenen Ölvolumens abgebaut wird [6]. Strukturtiefen in der Größenordnung der Schmierfilmdicke (beispielsweise 0,5 bis 2 µm) sind typisch für Topografien mit positivem hydrodynamischem Effekt [7]. Die Oberflächenspannung beeinflusst die Eigenschaft einer Oberfläche, sich mit flüssigem Schmiermedium zu benetzten und den resultierenden Schmierfilm zu halten. Im Motorenbau werden zunehmend niedrigviskose Öle eingesetzt. Bei stehendem Motor - beispielsweise im Start-Stopp-Modus - besteht das Risiko, dass sich der Ölfilm auf den Motorkomponenten stark verringert. Beim erneuten Anlaufen des Motors kann dies zu ungenügender Schmierung und infolgedessen erhöhtem Verschleiß der Komponenten führen. Neben der stofflichen Zusammensetzung der Oberflächen sowie des Öles beeinflusst auch die Topografie der Festkörperoberfläche die Oberflächenspannung und das Benetzungsverhalten. Ziel einer Laser-Mikrostrukturierung kann es folglich sein, die Benetzung und damit die Schmierfilmlebensdauer auf der Oberfläche zu erhöhen [8]. Grundsätzlich wird auch der Zustand des Schmierfilms während des tribologischen Kontaktes von der Oberflächenspannung (oleophil bzw. oleophob) beeinflusst und infolgedessen auch das tribologischen Verhaltens [9]. Durch eine gezielte Orientierung, insbesondere linienförmiger Mikrostrukturen, kann die Bewegungsrichtung des zwischen den Reibpartnern vorhandenen Schmierstoffes beeinflusst werden. Die Funktion ist vergleichbar mit Profilrillen in Autoreifen, die das Wasser von der Reifenmitte nach außen transportieren und dadurch ein Aufschwimmen (Aquaplaning) verhindern. Bei reibenden Kontakten wird im Gegensatz dazu das Schmiermittel in die tribologisch beanspruchten Bereiche geführt. Ziel ist es, die Schmierfilmdicke zu erhöhen und so den Übergang zur Flüssigkeitsreibung zu fördern. Der Effekt ist insbesondere bei einer konstanten Vorzugsrichtung im Reibkontakt nutzbar, beispielsweise bei rotierenden Komponenten. Auf diese Bewegung werden die Konturen der Leitstrukturen ausgerichtet. Auch Kapillareffekte können für Leitstrukturen genutzt werden [10]. Aus Wissenschaft und Forschung 35 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 3/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0016 TuS_3_2020.qxp_TuS_3_2020 18.08.20 11: 24 Seite 35 Effekte ermöglichen unter anderem die hochpräzise Mikrobearbeitung von transparenten Werkstoffen wie Glas und Diamant. Fluenz und Intensität sind charakteristische Größen zur Beschreibung von Laserprozessen. Die eingestrahlte Energiemenge bezogen auf die bestrahle Fläche (Strahlquerschnitt) wird als Fluenz bezeichnet. Als Intensität ist die flächenbezogene Strahlungsleistung (Energiemenge geteilt durch die Bestrahlungsdauer bzw. Pulsdauer) definiert. Als Schwellfluenz bezeichnet man die Energiemenge, welche pro Flächeneinheit auf das Material übertragen werden muss, um einen Effekt in der Oberfläche in jeglicher Art und Weise hervorzurufen. Es kann sich hier um eine Materialmodifikation oder auch eine Ablation handeln. Die Abtragsschwelle im Speziellen beschreibt die Fluenz, ab welcher Ablation erfolgt. In bestrahlten Bereichen in denen die Fluenz die Abtragsschwelle überschreitet, erfolgt Ablation, die zur Strukturerzeugung genutzt wird. Schwellfluenzen sind für eine Wellenlänge und Pulsdauer materialabhängige Parameter. Die Pulsdauer des verwendeten Lasers beeinflusst wesentlich den Ablationsprozess und die Eigenschaften der resultierenden Mikrostrukturen. Es wird zwischen kurzen und ultrakurzen Laserpulsen unterschieden. Vereinfacht dargestellt, findet während der Einwirkung von ultrakurzen Laserpulsen (Pulsdauern unterhalb von ca. 1 Pikosekunde) keine Anregung von thermischen Gitterschwingungen im Material statt. Dadurch erfolgt der Materialabtrag ohne Aufschmelzen und annähernd ohne Erwärmung angrenzender Materialbereiche. Eine ungewollte Modifikation oder Schädigung des nicht abgetragenen Werkstoffs kann hierdurch weitgehend unterdrückt werden. Bei längeren Laserpulsen kommt es bereits während des Laserpulses zur Anregung von thermischen Gitterschwingungen und in deren Folge zur Ableitung von Wärme in das umgebende Material. Es entsteht eine Wärmeeinflusszone, deren Ausdehnung sich mit steigender Pulsdauer und Wärmeleitfähigkeit des Werkstoffes vergrößert. Die Wärmeeinflusszone kann u.a. durch Anschmelzungen, Gratbildung oder Änderungen von Gefüge und Härte gekennzeichnet sein. Abhängig davon, in welchem Umfang derartige Effekte für den konkreten Anwendungsfall toleriert werden können, erfolgt die Auswahl einer Laserstrahlquelle mit geeigneter Pulsdauer. Zur Erzeugung kleinster Strukturdetails bis in den Mikrometerbereich und um die für die Materialablation notwendigen Fluenzen bzw. Intensitäten zu erreichen, werden Laserstrahlen durch Optiken auf das Werkstück fokussiert. Je nach Strahleigenschaften und optischem Setup ist es möglich, den Strahl bis auf minimale Durchmesser von ca. 1 µm zu fokussieren. Durch eine Relativbewegung des Laserstrahls über das Werkstück können frei programmierbare Strukturgeometrien in der Bauteiloberfläche erzeugt werden. Für dieses sogenannte di- Aus Wissenschaft und Forschung 36 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 3/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0016 Partikel im Spalt zwischen tribologisch interagierenden Körpern erhöhen durch ihre abrasive Wirkung den Verschleiß. Sie können sowohl aus den reibenden Komponenten selbst stammen oder in Form von Schmutz von außen eingetragen werden. Kavitäten in den Oberflächen können Partikel aufnehmen und deren verschleißende Wirkung minimieren. Durch geeignetes Ausrichten von Oberflächenstrukturen ist es möglich, Partikel aus dem Tribokontakt herauszuführen [11]. Strukturieren von Oberflächen mit dem Laserstrahl Ziel ist das Erzeugen mikroskaliger Oberflächenstrukturen mit hoher Präzision (laterale und Tiefenauflösung). Für tribologische Anwendungen soll eine über die Struktur hinausgehende Veränderung oder Schädigung angrenzender Bauteilbereiche vermieden werden. Hierzu zählen insbesondere Gratbildung oder thermisch induzierte Gefügeänderungen. Das Strukturieren erfolgt durch eine laserinduzierte Material-Ablation, d.h. ein schlagartiges Verdampfen bzw. Abtragen kleiner Materialvolumina. In der Mikromaterialbearbeitung werden hierfür vorwiegend kurz und ultrakurz gepulste Laser eingesetzt. Laserstrahlung wirkt als energetisches Werkzeug. Die Energie der elektromagnetischen Strahlung wird nur dann im Material wirksam, wenn eine ausreichend hohe Energiemenge vom Material absorbiert wird (gekennzeichnet durch den Absorptionsgrad A). Transmittierte und reflektierte Strahlungsanteile tragen nicht zum Prozess bei. Das Absorptionsverhalten ist abhängig von Material und Strahlungswellenlänge. Deshalb ist die Auswahl einer für das Material geeigneten Laserwellenlänge Voraussetzung für einen effizienten Prozess. Der Absorptionsgrad A gibt lediglich den im gesamten Material absorbierten Anteil der einfallenden Strahlung an. Er ist auch von der Materialdicke (bzw. Schichtdicke) abhängig. Entscheidend für die Beschreibung der Laser-Material-Wechselwirkung ist weiterhin der Absorptionskoeffizient α und die daraus abgeleitete optische Eindringtiefe l a . Sie gibt die Tiefe an, in der die Intensität auf das 1/ e-fache der ins Material eingedrungenen Strahlungsintensität abgefallen ist. (l a = α −1 ) [12]. Je kleiner die Eindringtiefe ist, desto kleiner ist das Volumen, in dem die absorbierte Strahlungsenergie wirksam wird. Folglich wird weniger Energie benötigt, um den Ablationsprozess zu initiieren. Bei geringen Eindringtiefen wird eine hohe Tiefenauflösung der Strukturierung erreicht und eine Beeinflussung tiefer liegender Werkstoffbereiche minimiert. Extrem hohen Strahlungsintensitäten (wie sie insbesondere bei ultrakurzen Laserpulsen erreicht werden) initiieren nichtlineare Absorptionseffekte (wie Mehrphotonenabsorption). Dies führt zur deutlichen Erhöhung der Absorption im Material, so dass beliebige Materialien bearbeitet werden können. Diese nichtlinearen optischen TuS_3_2020.qxp_TuS_3_2020 18.08.20 11: 24 Seite 36 rektschreibende Laserverfahren werden typischerweise hochdynamische Scannersysteme (Galvanometerscanner oder Polygonradscanner) genutzt. Hierdurch ist ein Strukturierungsprozess mit wirtschaftlichen Prozessgeschwindigkeiten möglich. Der Einsatz von strahlformenden Optiken erlaubt es, die Intensitätsverteilung im Laserstrahl zu verändern oder den Strahl in mehrere parallel arbeitende Teilstrahlen aufzuspalten. Dies wird genutzt, um den Prozess qualitativ und quantitativ (Bearbeitungsgeschwindigkeit) zu optimieren. Sollen definierte, tribologisch wirksame Mikrostrukturen in Bauteile eingebracht werden, müssen sowohl die Lasersystemtechnik (u.a. Wellenlänge, Optiksetup) als auch die Prozessparameter (u.a. Pulsdauer, Fluenz, Strahlablenkgeschwindigkeit) auf das Material und die Strukturdimensionen abgestimmt werden. Mit den am Fraunhofer IWS genutzten direktschreibenden Lasersystemen können in beliebigem Material gratfreie, hochpräzise Strukturgeometrien bis minimal ca. 2 µm (lateral) und 0,1 µm (Strukturtiefe) generiert werden. Durch Laserpulse im Nanosekundenbis Femtosekunden-Bereich wird eine thermische Beeinflussung minimiert. Praxisbeispiele für tribologisch wirksam strukturierte Oberflächen Durch Auftragsentwicklungen und eigene Vorlaufforschung wurden am Fraunhofer IWS Ergebnisse für eine Vielzahl von Anwendungen erarbeiten. Eine Auswahl wird im Weiteren präsentiert. Verschleißreduktion durch hydrodynamische Effekte In Kooperation mit einem Automobilzulieferer wurden Stahl-Komponenten aus dem Motorenbereich, die keine Dichtungsaufgaben erfüllen müssen, in ihrer Oberfläche durch Mikrostrukturen funktionalisiert und die Wirkung auf das Verschleißverhalten unter realen Einsatzbedingungen analysiert. Dabei wurden sowohl Geometrie als auch Dimension der mittels Ultrakurzpulslaser erzeugten Strukturen variiert. Ein positiver Effekt auf den Verschleiß konnte z.B. durch das Einbringen einer rotationssymmetrischen Anordnung von linienförmigen Strukturen geringerer Tiefe im Bereich 0,5 bis 1 µm erreicht werden. Bei lateralen Strukturabmessungen von ca. 200 µm x 25 µm waren im Motorenprüfstand verglichen mit unstrukturierten Bauteilen erst nach mehr als dreifacher Laufzeit deutlich Verschleißanzeichen nachweisbar. Die Wirkung konnte auf hydrodynamische Effekte der Strukturen zurückgeführt und durch Simulationen bestätigt werden. Ähnliche verschleißreduzierende Wirkungen flacher Strukturen konnte auch Rosenkranz [8] nachweisen. Oberflächenstrukturen in Kombination mit Kohlenstoffschichten Diamantähnliche Kohlenstoffschichten, insbesondere in Form der am Fraunhofer IWS entwickelten Diamor ® - Schichten aus tetraedrisch-amorphem Kohlenstoff (ta-C), werden zunehmend zur Veredlung von tribologisch hoch beanspruchten Komponenten, z.B. Kolbenringen, eingesetzt. Diese Schichten sind gekennzeichnet durch niedrige Reibkoeffizienten (trocken < 0,1, geschmiert < 0,05) und hohe Verschleißbeständigkeit (Härte 40 -70 GPa, E-Modul 400 - 600 GPa) [13]. Sie bilden daher einen idealen Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen zur Verbesserung der tribologischen Eigenschaften einer Vielzahl technischer Komponenten. Ziel aktueller Entwicklungsarbeiten ist es, die Vorteile der ta-C-Schichten mit den Potentialen der Laser-Oberflächenstrukturierung zu kombinieren. Hierfür werden zwei unterschiedliche Lösungsansätze verfolgt. Einerseits ist es möglich, die Mikrostrukturen bereits vor dem Beschichtungsprozess in die Bauteiloberflächen einzubringen. Andererseits lassen sich die ta-C-Schichten auch direkt mit dem Laser bearbeiten [14]. Durch ein Strukturieren vor dem Beschichten können Eigenschaftsänderungen an der Schicht infolge der Lasereinwirkung ausgeschlossen werden. Für die Anwendung gilt es insbesondere zu klären, in welchen Grenzen sich Strukturen durch die anschließende Beschichtung in ihren Abmessungen verändern. In ersten Untersuchungen wurden mit Ultrakurzpulslaserstrahlung auf Stahl-Flachproben linienförmige Strukturen mit Breiten zwischen 30 und 300 µm sowie Tiefen zwischen 0,2 und 8 µm erzeugt und anschließend beschichtet (Schichtdicke 5 µm). Eine Vermessung der Strukturen erfolgte vor und nach dem Beschichten. Es zeigt sich, dass die Geometrie der Strukturen durch den Beschichtungsprozess auch bei niedrigen Grabenbreiten und hohen Strukturtiefen weitgehend unbeeinflusst bleibt. Erste Ergebnisse weisen auf eine leichte Verringerung der Strukturtiefen um ca. 0,2 µm nach dem Beschichten hin. Eine mögliche Ursache für diese geometrischen Abweichungen können unterschiedliche Rauigkeiten (im Graben höher als auf der Oberfläche) sein. Abhängig von der Rauheit können Dichteunterschiede resultieren, die zu unterschiedlichen Schichtdicken führen. In geringerem Maße wurden Abschattungseffekte durch die Grabenwände beobachtet, die als konvexes Grabenbodenprofil im Querschnitt Aus Wissenschaft und Forschung 37 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 3/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0016 Bild 1: hydrodynamisch wirksame Mikrostrukturen auf Motorenkomponente (polierter Stahl) TuS_3_2020.qxp_TuS_3_2020 18.08.20 11: 24 Seite 37 war es zunächst, den Einfluss räumlicher und zeitlicher Strahleigenschaften auf die Ausbildung tribologisch wirksamer Oberflächenstrukturen zu untersuchen. Ex- Aus Wissenschaft und Forschung 38 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 3/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0016 deutlich werden. Eine tiefergehende Analyse der Schichteigenschaften in den Oberflächenbereichen wird in weiterführenden Untersuchungen erfolgen. In dieser Form wurden beispielsweise Kolbenringe, welche anschließend mit einer ca. 2 µm dicken diamantähnlichen Kohlenstoffbeschichtung funktionalisiert wurden, radial mit einem versetzten Punktraster mit Abständen zwischen ca. 50 und 150 µm, Durchmessern von ca. 15 bis 50 µm und Tiefen von ca. 2-5 µm versehen. Diese Art der Laserstrukturierung bewahrt die Abdichteigenschaften der Kolbenringe und unterstützt signifikant die Reibungsminimierung durch Aufschwimmen auf einem hydrodynamisch erzeugten Schmierfilm. Die Analyseergebnisse induzieren eine Minimierung des Reibkoeffizienten um bis zu 25 %. Für die Variante einer direkten Laserstrukturierung bereits abgeschiedener DLC-Schichten müssen zwei Effekte der Laserbestrahlung unterschieden werden. Bei ausreichend hohen Strahlungsfluenzen tritt Materialabtrag durch Ablation auf, wodurch sich Vertiefungen erzeugen lassen. Bereits bei niedrigeren Fluenzen erfolgt durch die ins Material eingekoppelte Energie eine Modifikation im Atomgitter der ta-C-Schichten. In der Schicht verringert sich der Gehalt an sp3-Bindungen, während der Anteil an sp2-Bindungen steigt. Durch diese partielle Graphitisierung ändern sich in den bestrahlten Bereichen lokal begrenzt die Schichteigenschaften. Neben Änderungen von Härte und E-Modul der Schicht resultiert aus dem erhöhten sp2-Anteil auch eine Dichteabnahme, was sich in Form einer Aufwölbung der bestrahlten Bereiche zeigt. Ziel der bisherigen Arbeiten Bild 2: Topografie einer Grabenstruktur vor (a) und nach (b) dem Beschichten Bild 3: Kolbenringoberfläche mit punktförmigen Mikrostrukturen (oben) und Strukturdetails (unten) TuS_3_2020.qxp_TuS_3_2020 18.08.20 11: 24 Seite 38 perimentelle Studien erfolgten an ta-C-Schichten von ca. 1,9 µm Dicke mit einem sp3-Anteil von 70 %. Dabei wurde festgestellt, dass es mit einer steigenden Pulsdauer, Fluenz oder Wellenlänge zu einer Verstärkung der Graphitisierung kommt, wobei der Einfluss der Pulsdauer und der Fluenz deutlich größer ist, als der Einfluss der Wellenlänge [15], [16]. Auch bei hohen Fluenzen und einhergehendem Materialabtrag tritt immer auch eine Schichtmodifikation auf. Bei einer Bestrahlung mit einzelnen Laserpulsen überwiegt der Effekt der Volumenzunahme den des Materialabtrages, wodurch sich zunächst ein Anschwellen zeigt. Für das Erzeugen von Vertiefungen in der Schicht ist deshalb ein Abtrag mit mehrfacher Laserpulsexposition erforderlich. Der Effekt der Schichtmodifikation erfolgt primär thermisch. Bei Pulsdauern im ns-Bereich beginnt die Graphitisierung bereits während des Laserpulses, wodurch sich die Absorption im Material bereits erhöht. Durch Wärmeleitung in das Schichtvolumen wird der Effekt weiter begünstigt. Bei ultrakurzen Pulsen im fs-Bereich erfolgen die Umwandlungen erst nach dem Laserpuls. Dies erklärt auch die deutlich stärkere Abhängigkeit der beobachteten Schwellhöhen von der Laserfluenz bei ns-Pulsen verglichen mit ultrakurzen Pulsen (0,5 bis 5 ps). Das nachfolgende Bild 4 zeigt beispielhaft die Oberflächentopografie in einer mit Einzelpulsen bestrahlten ta-C- Schicht. In der Studie wurden Schwellhöhen im Bereich 0,1 bis 0,4 µm gemessen. Mittels Raman-Spektroskopie konnte nachgewiesen werden, dass sich die Änderung der Bindungsanteile (sp 3 zu sp 2 ) durch die Prozessbedingungen steuern lässt. Sie ist für lange Laserpulse am größten. Weiterführende Untersuchungen sollen klären, welche tribologischen Wirkungen durch unterschiedliche Varianten der Modifikation und Strukturierung von DLC- Schichten realisiert werden können. Denkbar ist beispielsweise, dass stark graphitisierte Bereiche unter reibenden Bedingungen leichte Vertiefungen ausbilden oder Graphit als Trockenschmierstoff bereitstellen. Tribologische Optimierung durch Schmierstoffreservoire In Kooperation mit der TU Dresden erfolgte das Laserpräzisionsstrukturieren von keramischen Gleitlagern als Ersatz für aktuell verwendete, metallische Gleitlager in mobilen Arbeitsmaschinen. Ziel war es, wartungsfreie, langlebige Lager zu entwickeln und dadurch die Betriebskosten deutlich zu reduzieren. Auf ein regelmäßiges Nachschmieren mit Fett sowie einen Tausch (resultierend in Kosten durch Maschinenstillstand) wie bei metallischen Lagern kann hierdurch perspektivisch verzichtet werden. Hierfür wird das enorme Verschleißreduzierungspotential von keramischen Werkstoffen wie Siliziumnitrid genutzt und mit einer Lebensdauerschmierung mit einem Festschmierstoff kombiniert, der in lasergenerierte Reservoire eingebettet ist. Durch das Bearbeiten mit Ultrakurzpulslaser wurden unterschiedliche Reservoir-Strukturen generiert, ohne die sprödharte Keramik zu schädigen. „Das so geschaffene Tribosystem aus Si 3 N 4 -Buchse, hartverchromtem Stahlbolzen, Festschmierstoff und Schmierdepots realisiert einen sehr geringen Reibwert von µ min ≈ 0,06. Auch der Vergleich zwischen feststoffgeschmierten Buchsen mit und ohne Schmierdepots zeigt die Effektivität dieser Maßnahme und steigert den erreichbaren Gleitweg um ca. +70 %.“ [17] Ein vergleichbarer Ansatz mit lasergenerierten Festschmierstoff-Depots wurde in der Oberfläche von Zerspanungswerkzeugen (Schaftfräser) umgesetzt. Hier war ein positiver Effekt auf die Spanbildung (verkürzte Spanlänge) nachweisbar. Aus Wissenschaft und Forschung 39 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 3/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0016 Bild 4: Dreidimensionale Falschfarben-Darstellung einer laser-modifizierten ta-C-Oberfläche Bild 5: Keramikgleitlager mit lasergenerierten, sinusförmigen Schmierdepots (REM-Bild mit Strukturdetail rechts) TuS_3_2020.qxp_TuS_3_2020 18.08.20 11: 24 Seite 39 [9] X. Hao, H. Li, X. Song, L. Li, N. He, Tribological Properties of Textured Cemented Carbide Surfaces of Different Wettability Produced by Pulse Laser, Journal of Microand Nano-Manufacturing Vol. 6, (2018) [10] T. Stark, T. Kiedrowski, H. Marschall and A. F. Lasagni, Avoiding Starvation in Tribocontact Through Active Lubricant Transport in Laser Textured Surfaces, Lubricants 2019, 7, 54, (2019) [11] A. Rosenkranz, S. Jaeger, C. Gachot, S. Vogel und F. Mücklich, Wear Behavior of Laser-Patterned Piston Rings in Squeeze Film Dampers, Advanced Engineering Materials 2015, 17, No. 8, (2015) [12] H. Hügel, T. Graf, Laser in der Fertigung, Vieweg + Teubner, (2009) [13] S. Makowski, F. 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