Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.30419/TuS-2020-0023
1201
2020
675-6
JungkZuverlässiger Anlagenbetrieb durch anwendungsbezogene Ölauswahl für Kompressoren
1201
2020
Daniela Posselthttps://orcid.org/https://orcid.org/0000-0001-9934-8805
Michael Adler
Erwin Haberda
Die Rolle von Schmierstoffen in Kompressoren wird trotz ihres großen Einflusses auf den zuverlässigen und sicheren Betrieb von Anlagen oft unterschätzt. Im Rahmen dieser Arbeit wurde in Anlehnung an die Norm DIN ISO 51506 [1] ein vertiefendes, anwendungsnahes Freigabeverfahren entwickelt. Durch Vergleich mit bewährten Schmierstoffen wurden neue Grenzwerte definiert. Um zusätzlich die Langzeitstabilität und Materialverträglichkeit des Öls zu bewerten wurden ergänzende Tests eingeführt. Darüber hinaus wird vor einer abschließenden Freigabe ein Feldtest mit regelmäßiger Probenziehung und Bewertung durchgeführt. Das daraus resultierende Verfahren ermöglicht eine anwendungsorientierte Bewertung von Ölen. Dadurch können schmierölverschuldete Ausfälle reduziert und besonders in Bezug auf Kompressoren in der Öl- und Gasexploration erhöhte Sicherheit gewährleistet werden.
tus675-60007
Einleitung Kompressoren sind weltweit aus vielen industriellen Prozessen nicht mehr wegzudenken. Eine entscheidende, wenn auch häufig zu wenig beachtete, Komponente zum sicheren und stabilen Betrieb ist der Schmierstoff. Er ist essenziell für den ökonomischen Einsatz der Maschine und der damit ausgeführten Tätigkeiten. Er dient primär dem Schutz der Bauteile vor Korrosion und reibungsinduziertem Verschleiß, übernimmt aber auch die Aufgabe der Wärmeabfuhr und der Dichtung. Synthetische oder mineralische Basisöle werden in Verbindung mit hoch wirksamen und gut abgestimmten Additiven ebenso zu einer Hightech-Komponente wie die in der Maschine verbauten Werkstoffe [2]. Durch stetiges Streben nach Maximierung der potenziellen Nutzungsdauer bei gleichzeitiger Ausfallsicherheit steigen die Anforderungen an den Schmierstoff. Kompressoren nehmen vor allem in der Energiegewinnung eine Schlüsselrolle ein. Bei der Gewinnung und Aus Wissenschaft und Forschung 7 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 5-6/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0023 Zuverlässiger Anlagenbetrieb durch anwendungsbezogene Ölauswahl für Kompressoren Daniela Posselt, Michael Adler, Erwin Haberda* Eingereicht: 16. 9. 2020 Nach Begutachtung angenommen: 11. 11. 2020 Die Rolle von Schmierstoffen in Kompressoren wird trotz ihres großen Einflusses auf den zuverlässigen und sicheren Betrieb von Anlagen oft unterschätzt. Im Rahmen dieser Arbeit wurde in Anlehnung an die Norm DIN ISO 51506 [1] ein vertiefendes, anwendungsnahes Freigabeverfahren entwickelt. Durch Vergleich mit bewährten Schmierstoffen wurden neue Grenzwerte definiert. Um zusätzlich die Langzeitstabilität und Materialverträglichkeit des Öls zu bewerten wurden ergänzende Tests eingeführt. Darüber hinaus wird vor einer abschließenden Freigabe ein Feldtest mit regelmäßiger Probenziehung und Bewertung durchgeführt. Das daraus resultierende Verfahren ermöglicht eine anwendungsorientierte Bewertung von Ölen. Dadurch können schmierölverschuldete Ausfälle reduziert und besonders in Bezug auf Kompressoren in der Öl- und Gasexploration erhöhte Sicherheit gewährleistet werden. Schlüsselwörter Kompressoröle, Schmierstoffspezifikation, Langzeitstabilität, Schmierstoffalterung, Betriebssicherheit, Anlagenwartung Specification procedure for application-specific oil selection for compressors The role of lubricants in compressors is often underestimated although they greatly influence the operational safety and reliability of plants. In this work an in-depth, application-oriented approval procedure was developed based on the DIN ISO 51506 standard [1]. By comparison with established lubricants, new limits were defined, and additional tests were introduced to evaluate long-term stability and material compatibility. In addition, a field test with regular sampling is carried out before a final assessment. The resulting procedure allows an applicationoriented evaluation of oils. This can reduce failures caused by lubricating oil and ensures increased safety, especially with regard to compressors in oil and gas exploration. Keywords Compressor oils, lubricant specification, long-term stability, lubricant ageing, operational safety, plant maintenance Kurzfassung Abstract * Daniela Posselt, Bsc (Corresponding author) Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0001-9934-8805 Ing. Michael Adler AC2T research GmbH, 2700 Wiener Neustadt, Austria DI Msc. Erwin Haberda Leobersdorfer Maschinenfabrik GmbH, 2544 Leobersdorf, Austria TuS_5_6_2020.qxp_TuS_Muster_2020 09.12.20 16: 08 Seite 7 fordernisse nicht hinreichend erfüllt, können verkürzte Wartungszyklen oder große Schäden an der Anlage die Folge sein. Das aktuell am weitesten verbreitete Verdichtermodell betreibet zwei separate Schmierkreisläufe für Kurbelgehäuse und Zylinderschmierung (siehe Bild 1). Im Kurbelgehäuse wird die rotatorische Bewegung der Kurbelwelle mithilfe des Pleuels und eines Kreuzkopfes in eine lineare Bewegung umgewandelt. Eine Ölpumpe sorgt für durchgängige Druck-Umlaufschmierung in den Gleitlagern. Im Zylinder kommt hingegen Verlustschmierung zur Anwendung. Bei der Kompression des gewünschten Gases garantiert diese einen durchgängigen Schmierfilm zwischen dem Kolben bzw. dessen Dichtelementen und dem ummantelnden Zylinder. Der Schmierstoff übernimmt dabei auch selbst einen Teil der Gasabdichtung zwischen den Dichtelementen am Kolben und der Zylinderwand. Hierbei muss mit Temperaturen von bis zu 220 °C und durch das zu verdichtende Gas eingetragene Verunreinigungen gerechnet werden. Diese Kontaminationen können neben Feuchtigkeit ebenso Partikel, flüchtige Schwefelverbindungen und kondensierende Kohlenwasserstoffe sein. Beim Einsatz von mobilen Kompressorsystemen mit geringen Abmessungen auf Schiffen oder LKWs steigt mit der Komplexität der Konstruktion auch der Anspruch an die Schmierung [10]. Durch das geringere Ölvolumen kommt es hier potenziell zu stärkerer Kontaminationsbelastung, höheren Betriebstemperaturen, dadurch begünstigt steigender Oxidation und folglich zu einem rascheren Qualitätsverlust des Schmierstoffes. Aus Wissenschaft und Forschung 8 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 5-6/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0023 Verarbeitung von fossilen Brennstoffen sind Verdichter in beinahe allen Prozessschritten im Einsatz. Ungeachtet des sinkenden Ölpreises und der damit einhergehenden Ölkrise [3] erwartet die OPEC (Organization of the Petroleum Exporting Countries) für die nächsten Jahre eine weiterhin steigende Nachfrage an fossilen Rohstoffen. Dies bedeutet, dass trotz der Forschung an alternativen Energiequellen, und den Bemühungen zum Einsatz dieser, noch bis mindestens 2040 mit steigender Exploration und Förderung von Erdgas und Erdöl zu rechnen ist [4]. Bereits zum Auffinden neuer Lagerstätten werden auf seismischen Explorationsschiffen Luftkompressoren installiert. Durch die erzeugte Druckwelle kann ein geophysikalisches Tiefenprofil des Meeresbodens erstellt und Öl- und Gasvorkommen tief im Meeresgrund erkannt werden. Wird eine Lagerstätte erschlossen, dienen Prozessgasverdichter zur Steigerung der Effizienz in der Ölförderung, indem Stickstoff in das Bohrloch gepumpt wird, um den Förderdruck zu erhöhen. Beim Transport von Erdgas über Pipelines unterstützen mobile Kompressorsysteme die Wartung einzelner Abschnitte der Rohrleitung. Dadurch wird die Erdgasemission in die Atmosphäre reduziert und beständige Sicherheit gewährleistet. Auch in großen chemischen und petrochemischen Anlagen übernehmen Kompressoren eine Vielzahl an wichtigen Prozessschritten. [5] Verdichter sind auch in Bezug auf alternative Energieträger bedeutend und zur Realisierung einer flächendeckenden „Wasserstoffmobilität“ [6] essenziell. Derartige Wasserstoffkompressor-Anlagen stehen bereits seit Anfang des 21. Jahrhunderts zunehmend im Fokus des Interesses [7]. 2005-2011 untersuchte das NREL (National Renewable Energy Laboratory) des US-Energieministeriums die Bedingungen für einen Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur in den USA und nannte Kompressoren als größten wirtschaftlichen Faktor [8]. Die Studie ermittelte in einer Kostenabschätzung, dass 65 % der Gesamtkosten für Wasserstoffkompression, -lagerung und -abgabe auf Kompressoren fallen [8], [9]. Allerdings stellen die Planung und Konstruktion von Wasserstofftankstellen völlig neue Ansprüche an Kompressoren. Durch höhere Arbeitsdrücke von bis zu 900 bar ist bei Antriebs- und Dichtungssystemen in vielerlei Hinsicht ein Umdenken notwendig, was ebenso neue Herausforderungen für den Schmierstoff bedeutet. Schmierstoffe in Kompressoren Innerhalb eines Kompressors ist der Schmierstoff verschiedenen Betriebsbedingungen ausgesetzt und hat unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. Werden die Er- Zylinder Kolben inkl. Kolbenstange Kreuzkopf Kurbelwelle Pleuel Ölversorgung Ölpumpe Ölfilter Zylinder Kurbelwelle Pleuel Bild 1: Das Pleuel überträgt die Bewegung der Kurbelwelle mithilfe des Kreuzkopfs auf den Zylinder. Die bewegten Teile werden über das Ölsystem (in blau dargestellt) mit Schmierstoff versorgt. TuS_5_6_2020.qxp_TuS_Muster_2020 09.12.20 16: 08 Seite 8 Um trotzdem langfristig einen sicheren Betrieb zu gewährleisten, müssen die Funktionen des Schmierstoffes auch nach längerer Nutzdauer und Einwirkung von Umweltbedingungen einwandfrei erfüllt werden. In der Kurbeltriebsschmierung steht vor allem die Langlebigkeit und damit die Oxidationsstabilität des eingesetzten Schmierstoffes im Vordergrund. Eine unzureichende Langzeitstabilität führt zu rasch ansteigender Viskosität und Versäuerung durch Oxidationsprodukte des Öls. Daraus resultierender Schmierverlust durch Viskositätsanstieg führt zu Schäden in den Lagern der Kurbelwelle. Die Versäuerung begünstigt Korrosion an metallischen Oberflächen und mögliche Reaktivität mit Prozessgasen. Ebenso kann die Ausschlammung von Abbauprodukten zur Verstopfung von Aggregaten führen.[11] Für den Einsatz als Zylinderschmiermittel ist vor allem die Hochtemperaturstabilität relevant. Eine unzureichende Hochtemperaturstabilität kann unter den vorherrschenden Bedingungen zu kohlenstoffhaltigen Ablagerungen des Öls führen. Aufgrund der Temperaturerhöhung während der Kompression können diese Glutnester bilden und in Verbindung mit reaktivem Prozessgas sind unkontrollierte Entzündungen die Folge. Bei der Auswahl des idealen Schmierstoffes müssen Kompressoren dieser Bauart beide Eigenschaften berücksichtigen, um die oben beschriebenen Probleme zu vermeiden. (Allerdings wird in der DIN 51506 - „Schmieröle VDL- Einteilung und Anforderungen“ - für Schmieröle in Luftkompressoren [1] diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen.) Besonders bei Übersee-Standorten im offwie on-shore Bereich mit schlechter Erreichbarkeit ergeben sich bei ungeplanten Standzeiten erhebliche finanzielle Verluste. Das Fassungsvermögen einer Kompressoranlage variiert zwischen 10 und 3 000 Liter Öl. In der Praxis sind daher möglichst lange Ölwechselintervalle angestrebt, bis zu 10 000 Stunden sind hier keine Seltenheit. Spezifikationsverfahren Als „Kompressoröl“ vertriebene Schmierstoffe müssen der VDL Norm DIN 51506 [1] entsprechen. Diese klassifiziert Öle gemäß eines vorgegebenen Anforderungsprofils und richtet sich nach allgemeinen Kriterien eines Einsatzes bei typischen Arbeitsbedingungen. Daher werden Sicherheitsparameter wie Entflammbarkeit des Öls und Reaktionen auf hohe Temperaturen beurteilt. Es werden jedoch weder die Langzeitstabilität des Öls noch die Verträglichkeit mit Werkstoffen und dem Prozessgas berücksichtigt. Langjährige Erfahrung und eingehende Untersuchungen aufgetretener Schadensfälle haben gezeigt, dass diese Klassifizierung alleine keine Garantie für eine uneingeschränkte Eignung darstellt. [11] Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Norm, wie oben erwähnt, nur einen Teil der möglichen Leistungsparameter berücksichtigt und spezifisch für Luftverdichter konzipiert ist. Um das optimale Produkt für den jeweiligen Anlagentyp einsetzen zu können, ist eine adaptierte Bewertung des Leistungsprofils erforderlich. Um den verschärften Bedingungen in der Öl- und Gasexploration gerecht zu werden wurde im Rahmen dieser Arbeit ein entsprechendes Freigabeverfahren erarbeitet welches sich mit den Aspekten zur Langzeitstabilität und Werkstoffverträglichkeit befasst. Zusätzlich zur qualitativen Eignung eines Kompressoröls besteht außerdem die Frage nach der Verfügbarkeit. Durch den weltweiten Einsatz von Kompressoren ist die lokale Verfügbarkeit geeigneter Schmierstoffe eine zusätzliche Herausforderung. Um den Mehraufwand für den Anlagenbetreiber zu minimieren, muss eine umfassende Liste an einsatztauglichen Ersatzschmierstoffen erstellt werden. So wird den Kompressorbetreibern die Anschaffung eines regional verfügbaren Produktes für Ölwechsel und Wartung erleichtert. Unter Herstellern von Hydraulikanlagen hat sich die Definition eigener Anforderungsprofile bereits etabliert. Diese Profile gehen über die Mindestanforderungen der Normen hinaus, wodurch potenzielle Probleme, welche durch die Qualitätsunterschiede der am Markt vertretenen Öle entstehen können präventiv vermieden werden [12]. Da ein solcher Konsens für Kompressoröle nicht besteht, soll im Rahmen dieser Arbeit ein realitätsnahes Spezifikationsverfahren für Kompressoröle definiert werden, welches eine klare Einteilung bezüglich der Eignung in Kompressoren der Öl- und Gasexploration ermöglicht. Methoden zur erweiterten Ölspezifikation Aufbauend auf den Testverfahren der Norm [1] wird in dieser Arbeit vertiefend auf die realen Anwendungsbedingungen eingegangen. Dabei wird besonders die Stabilität der Schmierstoffe hinsichtlich des Hochtemperatur- und Langzeitabbauverhaltens kritisch bewertet. Bild 2 zeigt schematisch das neu etablierte dreistufige Freigabeverfahren: i) Das Kernstück der Spezifikation ist die vertiefende Analyse des Ölkandidaten im Labor. Erfüllt es die Bedingungen des erweiterten Anforderungsprofils wird zur Validierung der Laboranalysen der Einsatz in einem Feldtest empfohlen. ii) Vor dem Feldversuch wird der Kompressor mit dem Schmierstoff gespült, um Kontaminationen aus dem zuvor verwendeten Schmierstoff vorzubeugen. Während der Versuchsdauer werden in regelmäßigen Abständen Ölproben gezogen. iii) Nach störumgsfreiem Abschluss des Feldtests werden die Gebrauchtölproben im Labor analysiert. Es folgt eine abschließende Beurteilung und die mögliche Freigabe für Kompressoren in der Öl- und Gasexploration. Zur Beurteilung der Schmierstoffeignung wurden Referenzöle definiert, die sich im Betrieb bewährt Aus Wissenschaft und Forschung 9 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 5-6/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0023 TuS_5_6_2020.qxp_TuS_Muster_2020 09.12.20 16: 08 Seite 9 weiteres Alterungsverfahren erweitert. Angelehnt an die Norm CEC L-48-A-95 wird die Zunahme der kinematischen Viskosität (ASTM D 7042-11A) und der Neutralisationszahl (DIN 51558-1) während der Versuchsdauer von 8 Tagen bei 160 °C unter Luftzufuhr ohne Katalysator beobachtet. Zusätzlich wird in der erweiterten Spezifikation das Schaumverhalten (ASTM D892-13) getestet. Um die Materialverträglichkeit des Öls mit den eingesetzten Werkstoffen zu analysieren wird das Analyseprogramm außerdem noch durch die DIN ISO 2160 und 7120 zur Abschätzung der Korrosionswirkung und des Korrosionsschutzes ergänzt. Die Laboranalyse im ersten Schritt des Freigabeprozesses bietet ein schnelles und wirtschaftliches Screening der in Frage kommenden Schmierstoffe. Die vollständige Liste aller Tests, welche im ersten Schritt des Aus Wissenschaft und Forschung 10 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 5-6/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0023 haben. Die Analysedaten dieser Referenzöle stellen damit die neuen Mindestanforderungen zur Freigabe von Verdichterölen in Kompressoren dar. Das entwickelte Ölspezifikationsverfahren wendet im ersten Schritt zunächst Teile der in der Norm beschriebenen Überprüfungsverfahren an. Die Methode DIN ISO 6617 bei 200 °C mit Eisen(III)oxid ist besonders für die Hochtemperatureignung von Bedeutung, da sie die Verkokungsneigung des Öls nach der Alterung verifiziert. Die in der Norm vorgeschriebenen Grenzwerte für den maximalen Koksrückstand wurden reduziert und der Verdampfungsverlust in die Bewertung mit aufgenommen. Auch für die Parameter Pourpoint und Viskositätsindex wurden die Grenzwerte entsprechend der Referenzöle strenger gewählt. Zur Beurteilung der Langzeitstabilität wurde der Spezifikationsprozess um ein Laboranalyse Ölkandidat Feldtest Ölfreigabe Laboranalyse Bild 2: Schema des neu entwickelten Ablaufs des Ölspezifikationsverfahren Tabelle 1: Die im ersten Schritt des erweiterten Spezifikationsverfahren angewandten Tests TuS_5_6_2020.qxp_TuS_Muster_2020 09.12.20 16: 08 Seite 10 erweiterten Spezifikationsverfahren zur Anwendung kommen, sind in Tabelle 1 dargestellt. Erfüllt der Schmierstoff das erweiterte Anforderungsprofil, wird im zweiten Schritt des Spezifikationsverfahrens ein Feldtest im Kompressor eines Anlagenbetreibers über mindestens 8 000 Betriebsstunden durchgeführt. Von diesem werden in regelmäßigen Intervallen Ölproben gezogen. Ist die festgelegte Mindestbetriebsdauer störungsfrei verlaufen werden die Gebrauchtölproben im dritten Schritt anhand folgender Leistungsparameter beurteilt: ■ Änderung der Viskosität (ASTM D 7042-11A) ■ Änderung der Neutralisationszahl (DIN 51558-1) ■ Elementanalyse zur Bestimmung von Verschleiß (angelehnt an ASTM D 4951-14) Dadurch wird die Langzeitstabilität des Öls im Feld mit dem Verhalten der Laboralterung korreliert. Der Kompressortyp für den zweiten Teil der Freigabeprozedur richtet sich nach der Viskositätsklassen und Basisölgruppen des untersuchten Öls. Der Einfluss des Prozessgases wird weder im Labortest, noch im Feldtest berücksichtigt, sondern nur die resultierenden thermisch-oxidierenden Bedingungen. Zeigen diese keine Überschreitung der Grenzwerte der Prüfungsparameter wird das Öl für die Verwendung in Öl- und Gasexploration gemäß dem neu definierten, erweiterten Anforderungsverfahren freigegeben. Freigabe von Kompressorölen in Öl- und Gasexploration nach dem erweiterten Verfahren Zentrales Element des neuen Spezifikationsverfahrens stellt die thermisch-oxidative Stabilität dar. Zur Beurteilung der Langzeitstabilität wird ein Alterungsverfahren angelehnt an CEC-L-48-A-00 angewandt. Die Veränderung der Viskosität und der Versäuerung (dargestellt durch die Neutralisationszahl des Öls) während der Aus Wissenschaft und Forschung 11 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 5-6/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0023 Bild 3: Alterung nach CEC-L-48-A-00, 160 °C, Luftzufuhr 12 l/ min, Diagramm A: Veränderung der Neutralisationszahl, Diagramm B: Veränderung der kin. Viskosität bei 40 °C ISO VG 150 Mineralöl DIN ISO 51352-2* Schaumcharakt. Materialverträgl.** Langzeitstabilität Hochtemp.eignung Basisöl Additive Öl A Standard Standard Öl B Standard Variante 1 Öl C Standard Variante 2 Öl D Alternative Standard Öl E Alternative Variante 1 Öl F Alternative Variante 2 * Mit neu gesetzten Grenzwerten ** Korrosion an Kupfer und Stahl (DIN ISO 2160 und DIN ISO 7120) Tabelle 2: Beispiel für die Bewertung zur Freigabe von Schmierstoffen entsprechend des Spezifikationsprozesses zur Anwendung in LMF-Kompressoren für Mineralöle der Klasse ISO VG 150 TuS_5_6_2020.qxp_TuS_Muster_2020 09.12.20 16: 08 Seite 11 im Einsatz von Kompressoren in der Öl- und Gasexploration eingeht. Das Anforderungsprofil für Schmieröle in Kompressoren wurde daher im Rahmen dieser Arbeit erweitert und neue Grenzwerte festgelegt. Hierfür wurden außerdem die anwendungsspezifischen Anforderungen bezüglich der Langzeitstabilität und Materialverträglichkeit in Betracht gezogen. Das dreistufige Verfahren (Tabelle 3) der erweiterten Spezifikation evaluiert die Qualität des Öls zunächst mittels Laboranalysen. Die Vorevaluierung bietet ein schnelles und wirtschaftliches Screening der in Frage kommenden Schmierstoffe, bevor sie zu einem Feldtest zugelassen werden. In diesem werden dann in regelmäßigen Intervallen gezogene Ölproben analysiert. Ein störungsfreier Abschluss des Feldtests über 8 000 h ist die Bedingung für die abschließende Beurteilung zur Freigabe. Das Verfahren ermöglicht den Vergleich mit bewährten Referenzölen und erlaubt eine zuverlässige Beurteilung der Ölkandidaten. Durch die Anwendung einer Liste an einsatztauglichen Ölen ergibt sich eine genaue Kenntniss des zu erwartenden Zustandes. Zusätzlich ergibt sich dadurch auch die Möglichkeit für Schmierstoffhersteller ihre Produktlinie an das Anforderungsprofil anzupassen. Somit kann eine signifikante Reduzierung der öl-verschuldeten Schäden an Kompressoren erzielt werden und zukünftige Einsparungen durch die Verlängerung der Ölwechselintervalle erzielbar sein. Aus Wissenschaft und Forschung 12 Tribologie + Schmierungstechnik · 67. Jahrgang · 5-6/ 2020 DOI 10.30419/ TuS-2020-0023 künstlichen Alterung sind beispielhaft in Bild 3 gezeigt. Das Beispiel zeigt das Verhalten eines Ölkandidaten (Mineralöl VG 150) während der Alterung. Die von der Referenz erreichten Werte werden in rot präsentiert, der Kandidat in blau. Während die kinematische Viskosität im Zuge des Alterungsprozesses bei beiden Ölen in gleichem Maße zunimmt, steigt die Neutralisationszahl des Ölkandidaten im Vergleich zum Referenzöl über die selbe Zeitspanne in geringerem Maße an. Damit erfüllt der Kandidat die durch das Referenzöl vorgegebenen Mindestanforderungen. Das Spezifikationsverfahren eröffnet die Möglichkeit, die Effekte einzelner Additiv-Pakete und verschiedener Basisöle auf die Freigabekriterien aufzuzeigen. Damit können alternative Formulierungen eines einzelnen Produktes erprobt werden und die gewonnen Kenntnisse geben Schmierstoffherstellern die Möglichkeit ihre Produktlinie an das Anforderungsprofil anzupassen. Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse einer solchen Studie, welche in Kooperation mit einem Ölkonzern durchgeführt wurde. Zusammenfassung Aufbauend auf der DIN 51506 für Schmieröle in Luftverdichtern wurde ein Freigabeverfahren entwickelt, welches speziell auf die realen Betriebsbedingungen Stufen zur Freigabe Laboranalysen Feldtest Laboranalysen Voraussetzung Öl muss DIN 51506 erfüllen Öl muss Laboranalyse bestehen Störungsfreier Ablauf des Feldtests Methoden Erweitertes Spezifikationsverfahren: Anlage wird für einen Feldtest ausgewählt: Analyse der Gebrauchtölproben: Hochtemperaturstabilität Wird mit Öl vorgespült und befüllt Bestimmung der Viskosität Langzeitstabilität Regelmäßige Probeziehung Bestimmung der Neutralisationszahl Materialverträglichkeit Enddauer 8.000 Stunden Elementanalyse zur Verschleißbeurteilung Eignungskriterium Mindestanforderungen müssen erreicht werden Feldtest muss störungsfrei ablaufen Gebrauchtölproben zeigen keine Auffälligkeiten Resultat Ölzulassung für den Feldtest Gebrauchtölproben werden im Labor bewertet Abschließende Beurteilung und Freigabe Tabelle 3: Die drei Stufen des erweiterten Spezifikationsverfahrens für Kompressoröle S S TuS_5_6_2020.qxp_TuS_Muster_2020 09.12.20 16: 08 Seite 12 Danksagung Diese Forschung, ausgeführt im „Exzellenzzentrum für Tribologie“ (AC2T research GmbH), wurde gefördert durch das österreichische „COMET-Programm“ (Projekt COMET K2 InTribology, Nr. 872176) im Wege der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG und den Ländern Niederösterreich und Vorarlberg. 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