Medienpolitik
Grundlagen für Wissenschaft und Praxis
0213
2023
978-3-8385-4378-9
978-3-8252-4378-4
UTB
Manuel Puppis
10.36198/9783838543789
Digitalisierung, Transnationalisierung und Kommerzialisierung stellen die Medienpolitik vor große Herausforderungen. Wie kann sichergestellt werden, dass Medien und Plattformen ihre wichtige Funktion in einer demokratischen Gesellschaft erfüllen?
In diese Thematik führt Manuel Puppis systematisch und umfassend ein. Er vermittelt die Grundlagen für eine kritische Auseinandersetzung mit Medienpolitik, Medienregulierung und Media Governance. Problemorientiert und international vergleichend diskutiert er die verschiedenen Themenbereiche der Medienpolitik in Europa - von Medienkonzentration über den öffentlichen Rundfunk, Medienförderung, Plattformen und Algorithmen bis hin zu Medienkompetenz und Datenschutz.
<?page no="0"?> Manuel Puppis Medienpolitik 3. Auflage <?page no="1"?> utb 2881 Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Brill | Schöningh - Fink · Paderborn Brill | Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen - Böhlau · Wien · Köln Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Narr Francke Attempto Verlag - expert verlag · Tübingen Psychiatrie Verlag · Köln Ernst Reinhardt Verlag · München transcript Verlag · Bielefeld Verlag Eugen Ulmer · Stuttgart UVK Verlag · München Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld Wochenschau Verlag · Frankfurt am Main <?page no="2"?> Manuel Puppis ist Professor für Medienstrukturen und Governance am Departement für Kommunikati‐ onswissenschaft und Medienforschung der Universität Freiburg (Schweiz). <?page no="3"?> Manuel Puppis Medienpolitik Grundlagen für Wissenschaft und Praxis 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage UVK Verlag · München <?page no="4"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.36198/ 9783838543789 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2., überarbeitete Auflage 2010 1. Auflage 2007 © UVK Verlag 2023 ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Ver‐ vielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: in‐ nen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de · eMail: info@narr.de Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung CPI books GmbH, Leck utb-Nr. 2881 ISBN 978-3-8252-4378-4 (Print) ISBN 978-3-8385-4378-9 (ePDF) Umschlagabbildung: © LeManna · iStock Autorenfoto: © Universität Freiburg (Schweiz) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 5 Inhalt Abbildungen ...................................................................................................11 Tabellen ..........................................................................................................13 Vorwort zur 3. Auflage ....................................................................................15 Einleitung...................................................................................................... 17 1 «So what? » Zur Relevanz von Medienpolitik...................................... 19 1.1 Medienstrukturen ................................................................................20 1.1.1 Strukturperspektive...................................................................20 1.1.2 Definition von Medien .............................................................24 1.1.3 Definition von Plattformen.......................................................26 1.2 Medienstrukturen und Medienpolitik ..................................................29 1.3 Aufbau des Buches ...............................................................................31 Grundlagen ................................................................................................... 35 2 Medienpolitik..................................................................................... 37 2.1 Was ist Medienpolitik? .........................................................................37 2.2 Dimensionen von Medienpolitik..........................................................42 2.2.1 Polity: Politische Strukturen .....................................................44 2.2.2 Politics: Politischer Prozess und daran beteiligte Akteure...........46 2.2.3 Policy: Politische Inhalte und Entscheidungen ..........................53 2.3 Medienpolitik und Gender ..................................................................53 <?page no="6"?> Inhalt 6 2.4 Medienpolitik erklären.........................................................................55 2.4.1 Theorien aus der Politikfeldanalyse ...........................................55 2.4.2 Kritische Theorien ....................................................................60 2.4.3 Framing-Ansatz ........................................................................64 3 Medienregulierung ............................................................................. 67 3.1 Was ist Medienregulierung? .................................................................67 3.2 Entwicklung der Medienregulierung ....................................................70 3.2.1 Modelle der Medienregulierung ................................................71 3.2.2 Liberalisierung: Übergang zu Wettbewerb.................................75 3.2.3 Konvergenz: Folgen der Digitalisierung ....................................92 3.3 Medienregulierung erklären .................................................................98 3.3.1 Interessentheorien.....................................................................99 3.3.2 Neoinstitutionalismus .............................................................100 3.3.3 Ideentheoretische Ansätze .......................................................103 4 Media Governance ........................................................................... 107 4.1 Was ist Media Governance? ...............................................................107 4.2 Von Government zu Governance .......................................................111 4.2.1 Von der nationalen auf die europäische und globale Ebene .....111 4.2.2 Von staatlicher Regulierung zu Co- und Selbstregulierung ......113 4.2.3 Von kollektiver zu organisationaler Governance......................117 4.2.4 Von formellen Regeln zu informellen Normen und Technologie............................................................................119 4.3 Media Governance erklären ...............................................................121 5 Begründungen für medienpolitische Eingriffe.................................. 125 5.1 Technische Begründungen .................................................................125 <?page no="7"?> Inhalt 7 5.2 Ökonomische Begründungen.............................................................128 5.2.1 Markt und Marktversagen ......................................................128 5.2.2 Folgen von Marktversagen ......................................................139 5.3 Gesellschaftlich-politische Begründungen...........................................145 5.3.1 Gesellschaftliche Bedeutung von Medien und Plattformen......145 5.3.2 Konsequenzen für die Medienpolitik ......................................150 6 Medienpolitik erforschen ................................................................. 155 6.1 Der Forschungsprozess .......................................................................156 6.1.1 Planung ..................................................................................156 6.1.2 Durchführung ........................................................................158 6.1.3 Verwertung.............................................................................158 6.2 Methoden der Datenerhebung und Datenauswertung ........................160 6.3 Vergleichende Medienpolitikforschung ..............................................161 6.3.1 Was ist ein Vergleich? .............................................................162 6.3.2 Formen von Vergleichen.........................................................164 6.3.3 Schritte vergleichender Medienpolitikforschung......................167 6.3.4 Typologien von Mediensystemen............................................168 Inter- und transnationale Medienpolitik ..................................................... 175 7 Medienpolitik auf europäischer Ebene ............................................. 177 7.1 Europarat...........................................................................................177 7.1.1 Entstehung und Struktur ........................................................177 7.1.2 Medienpolitik .........................................................................178 7.2 OSZE ................................................................................................183 7.2.1 Entstehung und Struktur ........................................................183 7.2.2 Medienpolitik .........................................................................184 <?page no="8"?> Inhalt 8 7.3 Europäische Union ............................................................................184 7.3.1 Entstehung und Struktur ........................................................184 7.3.2 Medienpolitik .........................................................................188 7.4 Selbst- und Co-Regulierung auf europäischer Ebene ..........................203 8 Medienpolitik auf globaler Ebene .................................................... 205 8.1 ITU ...................................................................................................208 8.1.1 Entstehung und Struktur ........................................................208 8.1.2 Medienpolitik .........................................................................209 8.2 WIPO................................................................................................210 8.2.1 Entstehung und Struktur ........................................................210 8.2.2 Medienpolitik .........................................................................211 8.3 UNESCO ..........................................................................................213 8.3.1 Entstehung und Struktur ........................................................213 8.3.2 Medienpolitik .........................................................................213 8.4 WTO ................................................................................................216 8.4.1 Entstehung und Struktur ........................................................216 8.4.2 Medienpolitik .........................................................................218 8.5 OECD...............................................................................................225 8.5.1 Entstehung und Struktur ........................................................225 8.5.2 Medienpolitik .........................................................................225 8.6 Organisationen der Internet Governance............................................226 8.6.1 Internetkernressourcen............................................................226 8.6.2 Multistakeholderismus ............................................................228 Bereiche der Medienpolitik ......................................................................... 233 9 Marktzugang und Wettbewerb......................................................... 235 9.1 Regulierung des Marktzugangs ...........................................................235 <?page no="9"?> Inhalt 9 9.2 Harmonisierung und Zuweisung von Funkfrequenzen .......................238 9.3 Ökonomischer Wettbewerb und Marktmacht ....................................240 9.3.1 Grundlagen ............................................................................240 9.3.2 Wettbewerbsordnung in Europa .............................................242 9.4 Publizistischer Wettbewerb und Meinungsmacht ...............................245 9.4.1 Grundlagen ............................................................................245 9.4.2 Medienkonzentrationsregulierung in Europa ..........................247 10 Produktion ....................................................................................... 253 10.1 Öffentlicher Rundfunk ......................................................................253 10.1.1 Grundlagen ............................................................................254 10.1.2 Öffentlicher Rundfunk in Europa ...........................................261 10.2 Medienförderung ...............................................................................274 10.2.1 Grundlagen ............................................................................275 10.2.2 Medienförderung in Europa ...................................................278 10.3 Förderung der audiovisuellen Industrie ..............................................288 10.4 Medienethische Standards und Sorgfaltspflichten ...............................291 11 Inhalte .............................................................................................. 295 11.1 Governance von Medien- und Onlineinhalten ...................................295 11.1.1 Grundlagen ............................................................................296 11.1.2 Governance von Medien- und Onlineinhalten in Europa........298 11.2 Werberegulierung ..............................................................................315 12 Verbreitung ...................................................................................... 321 12.1 Infrastrukturausbau und Universaldienst............................................321 12.1.1 Grundlagen ............................................................................321 12.1.2 Infrastrukturausbau und Universaldienst in Europa ................323 12.2 Standardisierung und Internetkernressourcen.....................................325 <?page no="10"?> Inhalt 10 12.3 Sicherstellung von Wettbewerb ..........................................................326 12.3.1 Elektronische Kommunikationsnetze und -dienste ..................326 12.3.2 Rundfunkübertragung ............................................................329 12.3.3 Netzneutralität........................................................................331 12.3.4 Plattformen ............................................................................334 12.4 Priorisierung und Auffindbarkeit von Inhalten ...................................337 12.4.1 Rundfunk und Streaming .......................................................337 12.4.2 Plattformen ............................................................................339 13 Nutzung ........................................................................................... 347 13.1 Medienkompetenzförderung ..............................................................347 13.1.1 Grundlagen ............................................................................347 13.1.2 Medienkompetenzförderung in Europa...................................350 13.2 Datenschutz .......................................................................................352 13.2.1 Grundlagen ............................................................................352 13.2.2 Datenschutz in Europa ...........................................................354 13.3 Verbraucher·innenschutz....................................................................359 Konklusion .................................................................................................. 363 14 Medienpolitische Reformen und die Rolle der Kommunikationswissenschaft .......................................................... 365 14.1 Medienpolitik unter veränderten Bedingungen ..................................365 14.2 Medien(politik)forschung und praktische Medienpolitik....................367 14.3 Demokratiegerechte Reform von Medienpolitik.................................369 14.4 Medienreform durch Medienpolitikreform ........................................376 Lösungen ......................................................................................................379 Literatur- und Dokumentenverzeichnis .........................................................391 <?page no="11"?> 11 Abbildungen Abb. 1: Klassische Gebiete der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft........................................................ 21 Abb. 2: Einbettung von Medien in der Gesellschaft ................................... 22 Abb. 3: Structure-Conduct-Performance-Modell ....................................... 23 Abb. 4: Gestaltung von Medienstrukturen durch Medienpolitik ................ 30 Abb. 5: Phasen des Policy-Zyklus............................................................... 48 Abb. 6: Governance als horizontale und vertikale Ausweitung von Government................................................................................ 108 Abb. 7: Kollektive und organisationale Media Governance ...................... 118 Abb. 8: Rekursivität von Media Governance ............................................ 122 Abb. 9: Anzeigen-Auflagen-Spirale (Werbespot-Reichweiten-Spirale)....... 136 Abb. 10: Dreieckstausch der Werbefinanzierung ........................................ 141 Abb. 11: Stufen des Forschungsprozesses ................................................... 159 Abb. 12: Struktur der WTO-Abkommen .................................................. 217 Abb. 13: Public Service als Beziehungsnetzwerk ......................................... 256 Abb. 14: Höhe von Rundfunkgebühr/ -abgabe (2022; absolut und kaufkraftbereinigt)....................................................................... 269 Abb. 15: Formen der Medienförderung ..................................................... 275 Abb. 16: Mehrwertsteuersätze für die Presse (2022) ................................... 280 Abb. 17: «Kijkwijzer»-Symbole .................................................................. 304 <?page no="13"?> 13 Tabellen Tab. 1: Dimensionen von Politik............................................................... 43 Tab. 2: Typen von Demokratien ............................................................... 44 Tab. 3: Steuerungsmedien, -programme und -instrumente ........................ 68 Tab. 4: Modelle der Medienregulierung .................................................... 74 Tab. 5: Dreischritt der Liberalisierung in Westeuropa................................ 78 Tab. 6: Zulassung von Privatfernsehen im Zeitablauf ................................ 84 Tab. 7: Regulierungstheorien im Überblick ............................................... 98 Tab. 8: Government und Governance im Vergleich................................. 110 Tab. 9: Ursachen und Folgen von Marktversagen .................................... 129 Tab. 10: Güter nach Rivalität und Ausschließbarkeit ................................. 130 Tab. 11: Formen der Medienkonzentration ............................................... 144 Tab. 12: Differenz- und Konkordanzmethode ........................................... 165 Tab. 13: Vergleich der vier Dimensionen von Mediensystemen ................. 169 Tab. 14: Zuständigkeiten der Europäischen Union (EU) ........................... 186 Tab. 15: Werbefinanzierter Privatrundfunk und öffentlicher Rundfunk im Vergleich................................................................................ 254 Tab. 16: Finanzierungsmodelle des Public Service (2022) .......................... 265 Tab. 17: Höhe der Rundfunkgebühren, -abgaben oder -steuern (2022) ..... 268 Tab. 18: Betriebsförderung für textbasierte Medien (2022)........................ 282 Tab. 19: Zuständigkeit für direkte Presseförderung.................................... 285 Tab. 20: Höhe der direkten Presseförderung (2021; in Mio. EUR)............ 286 Tab. 21: Mindeststandards für Inhalte in EÜGF und AVMD-Richtlinie ... 299 Tab. 23: Herkunft fiktionaler TV-Produktionen in den EU28 (2017)....... 300 Tab. 22: Vorschriften für Inhaltsmoderation im DSA................................ 313 Tab. 24: Mindeststandards für Fernsehwerbung in EÜGF und AVMD- Richtlinie .................................................................................... 316 <?page no="15"?> 15 Vorwort zur 3. Auflage Rund 15 Jahre nach dem ersten Erscheinen liegt nun die dritte Auflage von «Medienpolitik» vor. Diese war überfällig - seit der zweiten Auflage aus dem Jahr 2010 haben sich Medien und Öffentlichkeit grundlegend gewandelt. Um ihr Ziel der für demokratische Gesellschaften notwendigen Sicherstellung einer funktionierenden Öffentlichkeit weiterhin erreichen zu können, musste die Medienpolitik auf diesen Wandel reagieren. Im Zuge dessen wurde Medienpolitik thematisch breiter als je zuvor: Neben klassische Themen wie den öffentlichen Rundfunk, Medienkonzentration oder den Jugendmedienschutz sind mit Algorithmen oder Datenschutz zahlreiche weitere getreten. Auch das Reformtempo hat sich deutlich erhöht. Der Druck, auf die Digitalisierung und ihre Folgen zu reagieren, ist auf nationaler wie auf europäischer Ebene spürbar. Doch nicht nur die enorme thematische Breite und das Reformtempo der Medienpolitik stellten für die Überarbeitung dieses Buches eine Herausforderung dar. Auch die kaum mehr überschaubare Menge an relevanter wissenschaftlicher Literatur zu recherchieren, zu lesen und zu verarbeiten war eine entmutigende Perspektive. Je mehr Zeit verstrich, desto weniger schien eine Neuauflage bewältigbar. Eine Pandemie später ist es aber so weit: Eine fast komplett neu geschriebene dritte Auflage steht bereit. Diese zeichnet sich durch drei große Neuerungen aus. Erstens wird mit dieser Neuauflage der Vorschlag unterbreitet, Medienpolitik konzeptionell neu zu fassen als jene Politik, welche die Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation zum Gegenstand hat. Damit rücken nicht allein Massenmedien, sondern auch Plattformen in den Fokus. Zweitens ist der Überblick über Medienpolitik in Europa nicht länger nach den historisch bedeutsamen, aber durch die Digitalisierung überholten Regulierungsmodellen von Print, Rundfunk und Telekommunikation unterteilt, sondern entlang des Kommunikationsprozesses in Bereiche der Medienpolitik gegliedert. Und drittens erhalten theoretische Grundlagen mehr Gewicht. Hingegen wurde auf einige empirische Details, die schnell wieder veraltet sind, verzichtet. Geblieben ist der Anspruch, die für ein besseres Verständnis der praktischen Medienpolitik und für Medienpolitikforschung notwendigen Kompetenzen zu vermitteln. Hierzu wird an einer konsequenten Problemorientierung festgehalten. Unverändert ist auch die vergleichende Perspektive auf Medienpolitik in Europa. <?page no="16"?> Vorwort 16 Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Situation in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie der Rolle von Europäischer Union und Europarat. Und schließlich wird auch in der Neuauflage auf eine angemessene didaktische Umsetzung Wert gelegt. Lernziele, Übungen, Merksätze, Kästchen mit empirischen Beispielen und Studien sowie weiterführende Literaturhinweise sollen den Leser·innen den Einstieg in die Thematik erleichtern und zu einer vertieften Beschäftigung mit praktischer Medienpolitik und Medienpolitikforschung anregen. Auch zur dritten Auflage haben wieder zahlreiche Personen beigetragen. Danken möchte ich Otfried Jarren (Berlin & Zürich) für hilfreiche Diskussionen und Anmerkungen. Einzelne Kapitel oder Auszüge durchgesehen haben und mir mit ihrer fachlichen Expertise beigestanden sind Mark D. Cole (Luxemburg & Saarbrücken), Stephan Dreyer (Hamburg), Natascha Just (Zürich), Matthias C. Kettemann (Innsbruck & Hamburg), Josef Trappel (Salzburg) und René Wehrlin (Biel); Sabrina Heiland hat sich um die sorgfältige Prüfung des Manuskripts gekümmert. Die Verantwortung für sämtliche Fehler und Fehlinterpretationen liegt aber allein bei mir. Bei UVK haben Uta C. Preimesser und Rainer Berger die Publikation professionell begleitet. Mein Dank gilt auch den Studierenden an der Universität Freiburg/ Fribourg, denen ich in den letzten Jahren Medienpolitik näherbringen durfte und die mit ihren Fragen und Ideen einen wichtigen Beitrag geleistet haben. Und natürlich danke ich meiner Frau, Severina Müller, die im Homeoffice während der Pandemie Freud und Leid des Verfassens einer vollständig überarbeiten Neuauflage hautnah miterleben konnte. Das Titelbild des Buches verdeutlicht die Relevanz des Themas: Medienpolitische Weichenstellungen sind umstritten und haben weitreichende gesellschaftliche Konsequenzen. Daneben ist es aber auch persönlich stimmig: Wenn nicht in der Wissenschaft, hätte ich mein Glück wohl bei den Schweizerischen Bundesbahnen versucht. Wo auch immer die medienpolitische Reise hingeht: Ich hoffe, dass diese Neuauflage von «Medienpolitik» für Forscher·innen, Student·innen und Expert·innen in Politik, Verwaltung, Medienbranche und Zivilgesellschaft eine verständliche, bereichernde und inspirierende Lektüre bietet. Rückmeldungen sind jederzeit willkommen. Manuel Puppis Freiburg und Zürich, im Dezember 2022 manuel.puppis@unifr.ch <?page no="17"?> Einleitung <?page no="19"?> 19 1 «So what? » Zur Relevanz von Medienpolitik Inhalt und Lernziele Warum sollen wir uns eigentlich mit Medienpolitik beschäftigen? Das folgende Kapitel verdeutlicht, dass öffentlich vermittelte Kommunikation für demokratische Gesellschaften von zentraler Bedeutung ist. Die Produktion und Distribution von Inhalten, die in der Öffentlichkeit durch Medien und Plattformen vermittelt werden, werden geprägt durch Medienstrukturen. Und diese Medienstrukturen werden wiederum durch Medienpolitik gestaltet. Nach diesem Kapitel können Sie den Einfluss von Medienstrukturen auf die öffentliche Vermittlung von Kommunikation durch Medien und Plattformen erklären. Medien und Plattformen definieren. die Bedeutung von Medienpolitik aufzeigen. Wenn wir uns als Mediennutzer·innen über traditionelle Massenmedien oder «Social Media» unterhalten, geht es selten um Medienpolitik. Zumeist stehen bestimmte Inhalte im Mittelpunkt: Wir tauschen uns aus über die neueste Folge einer Serie, die wir bei Netflix geschaut haben, lachen oder ärgern uns über die Ereignisse bei Reality- und Castingshows wie «Der Bachelor» oder «The Voice», diskutieren über einen Zeitungsartikel, den wir auf Papier oder in unserem Facebook-Newsfeed gelesen haben, oder teilen im Freundeskreis ein Video, das wir auf TikTok entdeckt haben. Hingegen machen sich die wenigsten Zuschauer·innen und Leser·innen in ihrem Alltag Gedanken über die Existenz des öffentlichen Rundfunks, die Umwälzungen im Pressesektor oder den Einfluss von Internetkonzernen. Doch wie können wir erklären, dass sich das Fernsehangebot beispielsweise in den USA, Deutschland und der Schweiz deutlich unterscheidet? Wie können wir erklären, dass Zeitungsverlage immer mehr Journalist·innen entlassen und ihre publizistische Leistung abbauen? Und wie können wir erklären, welche Inhalte uns von sozialen Netzwerken oder Video-Sharing-Diensten angezeigt und empfohlen werden und welche nicht? Hierzu müssen wir uns mit Medienstrukturen und der Rolle von Medienpolitik beschäftigen. <?page no="20"?> Einleitung 20 1.1 Medienstrukturen Welche Inhalte von Medienorganisationen produziert werden, welche Inhalte Plattformen für uns auswählen, und welche Inhalte uns als Nutzer·innen damit überhaupt angeboten werden, beruht nicht auf Zufälligkeiten. Die Produktion und Distribution von Inhalten, die in der Öffentlichkeit vermittelt werden, lassen sich nur erklären, wenn wir neben Individuen auf der Mikroebene auch Medienstrukturen auf der Meso- und Makroebene berücksichtigen. In der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft wird die Beschäftigung mit Medienstrukturen als Strukturperspektive bezeichnet (vgl. Puppis, 2023). Um auf die genannten Beispiele zurückzukommen: Unterschiede im Fernsehangebot verschiedener Länder lassen sich mit politischen, ökonomischen und kulturellen Unterschieden zwischen Mediensystemen erklären. Die Leistung, die einzelne (Online-)Zeitungen erbringen, hängt nicht zuletzt von der dahinterstehenden Medienorganisation und ihrer Finanzierung ab. Und die News im Facebook- Feed oder die Videoempfehlungen auf YouTube basieren auf Algorithmen, deren Programmierung von Plattformen mit kommerziellen Eigeninteressen in Auftrag gegeben wurde. Kurz gesagt: «Structures matter» (McChesney, 2008: 129). Medienstrukturen sind entscheidend, um zu verstehen, wie und welche Inhalte von Medien und Plattformen in der Öffentlichkeit vermittelt werden. 1.1.1 Strukturperspektive Die Bedeutung von Medienstrukturen für die publizistische Leistung der Medien wurde in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft schon früh erkannt. Bereits in den 1940er-Jahren haben Lazarsfeld und Merton (1965 [1948]) in einem viel beachteten Aufsatz auf drei Wirkungen von Massenmedien hingewiesen: Mit der Wirkung der Existenz von Medien verweisen sie auf Funktionen, welche Massenmedien für die Gesellschaft erfüllen, und problematisieren dabei auch deren narkotisierende Dysfunktion. Mit der Wirkung der Eigentums- und Herrschaftsstrukturen von Medien meinen die Autoren, dass «the social effects of the media will vary as the system of ownership and control varies» (Lazarsfeld & Merton, 1965: 465). Beispielsweise würden werbefinanzierte Medien in kapitalistischen Mediensystemen zur Systemerhaltung beitragen. <?page no="21"?> «So what? » Zur Relevanz von Medienpolitik 21 Mit der Wirkung von Medieninhalten diskutieren sie schließlich auch die Effekte der Nutzung bestimmter Medieninhalte durch Individuen. Doch trotz der hohen Bedeutung, die Lazarsfeld und Merton sozialen Funktionen und Dysfunktionen von Medien sowie Eigentumsstrukturen zuschrieben, hat nur der dritte Wirkungsbereich größere Beachtung erfahren. Entsprechend standen in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft über Jahrzehnte ausgehend von einfachen Kommunikationsmodellen Sender·innen, Botschaften und Empfänger·innen auf der Mikroebene im Mittelpunkt der Forschung. Medienstrukturen hingegen wurden kaum untersucht. Die berühmte Lasswell-Formel «Who says what in which channel to whom with what effect? » (Lasswell, 1960 [1948]: 117) verweist exemplarisch auf die klassischen Forschungsgebiete Kommunikator-, Inhalts-, Medien-, Rezeptions- und Wirkungsforschung (siehe Abb. 1). Abb. 1: Klassische Gebiete der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Quelle: Eigene Darstellung Diese klassischen Forschungsgebiete sind von unverminderter Relevanz. Die Erforschung von Journalist·innen, Medieninhalten, Mediennutzer·innen und Medienwirkungen beim Publikum ist nach wie vor wichtig. Um aber zu verstehen, wie und welche Medieninhalte produziert und distribuiert werden, genügt es nicht, einzelne Individuen und ihre Handlungen auf der Mikroebene zu untersuchen. Vielmehr müssen auch Medienstrukturen auf der Meso- und der Makroebene in die Analyse einbezogen werden (vgl. Künzler & Jarren, 2010). Denn einerseits produzieren Journalist·innen Medieninhalte innerhalb von Medienorganisationen, andererseits existieren diese Medienorganisationen nicht in einem Vakuum, sondern sind Teil eines Mediensystems (siehe Abb. 2). Who… says what… in which channel… to whom… with what effect? Kommunikator·in Medieninhalt Kanal Rezipient·in Kommunikatorforschung Inhaltsforschung Medienforschung Rezeptionsforschung Wirkungsforschung <?page no="22"?> Einleitung 22 Abb. 2: Einbettung von Medien in der Gesellschaft Quelle: Eigene Darstellung Auf der Mesoebene haben Medienorganisationen einen entscheidenden Einfluss auf die tagtägliche Arbeit ihrer Mitarbeiter·innen. Medienschaffende, deren Handlungen letztlich zu einer bestimmten publizistischen Medienleistung führen, handeln innerhalb organisationaler Rahmenbedingungen wie redaktioneller Linie und Vorgaben der Eigentümer·innen, internen Regeln und Arbeitsprozessen, Hierarchien und zur Verfügung gestellten Budgets (vgl. Jarren, 2003; Puppis, Jarren & Künzler, 2013). Auf der Makroebene wiederum beeinflussen Eigenschaften des Mediensystems die Entstehung, Ausgestaltung und Funktionsweise von Medienorganisationen. So machen staatliche Akteure durch medienpolitische und rechtliche Entscheidungen Vorgaben für Medienorganisationen; gesellschaftliche Akteure fordern von Medien bestimmte Leistungen ein und beteiligen sich am medienpolitischen Prozess; und ökonomische Akteure prägen die Bedingungen auf Medienmärkten, auf denen Medienhäuser tätig sind (vgl. Jarren & Meier, 2002; Puppis, Jarren & Künzler, 2013). Je nach politischer Tradition, Kommerzialisierungsgrad und Größe eines Mediensystems unterscheidet sich dessen Leistung. Insbesondere die vergleichende Erforschung von Mediensystemen hilft aufzuzeigen, wie sich Unterschiede und Gemeinsamkeiten auf der Makroebene auf Handlungen von Medienorganisationen und die Produktion von Inhalten auswirken. Beispielsweise existiert in großen Mediensystemen wie jenen Deutschlands oder Frankreichs eine viel größere Zahl von Fernsehsendern und es werden mehr inländische Serien produziert als in kleinen Mediensystemen wie jenen Österreichs oder der Schweiz. Mediensystem Medienorganisation Kommunikator·in Medieninhalt Kanal Rezipient·in <?page no="23"?> «So what? » Zur Relevanz von Medienpolitik 23 Diese Verbindung zwischen Mediensystem, Medienorganisation und Medieninhalt lässt sich auch mit dem sogenannten Structure-Conduct-Performance-Modell veranschaulichen (siehe Abb. 3). Abb. 3: Structure-Conduct-Performance-Modell Quelle: Eigene Darstellung McQuail (1992: 87-91) hat dieses Modell auf den Mediensektor angewendet, um zu zeigen, dass das Mediensystem («Structure») das Handeln von Medienorganisationen («Conduct») beeinflusst, was sich wiederum auf die publizistische Leistung von Medien («Performance») auswirkt: «Structure refers to all matters relating to the media system, including its form or organization and finance, ownership, form of regulation, infrastructure, distribution facilities, and so on. Conduct refers to the manner of operation at the organizational level, including the methods of selecting and producing content, editorial decision-making, […] and so on. Performance essentially refers to content: to what is actually transmitted to an audience» (McQuail & Deuze, 2020: 203). Genauso wie die publizistische Leistung der Medien nicht nur mit individuellen Einstellungen und Interessen von Medienschaffenden erklärt werden kann, brauchen wir die Strukturperspektive auch, um die Vermittlungsleistung von Plattformen verstehen zu können. Auf der Mesoebene hat die Organisation, die die Plattform betreibt, einen Einfluss auf die Arbeit ihrer Angestellten. Interne Regeln, Arbeitsprozesse oder auch das Geschäftsmodell der Organisation prägen die Auswahl der Inhalte, die Plattformen ihren Nutzer·innen anzeigen. Und auf der Makroebene sind Plattformen Teil eines Systems, das wiederum das Handeln der Organisation und deren Leistung beeinflusst. Medienstrukturen sind entscheidend, um zu verstehen, wie und welche Inhalte in der Öffentlichkeit vermittelt werden. Mediensysteme prägen Medienorganisationen und deren Handeln; Medienorganisationen wiederum prägen das Handeln der Journalist·innen, das zu einer bestimmten publizistischen Medienleistung führt. Genauso wird auch die Vermittlungsleistung von Plattformen durch Strukturen auf der Meso- und Makroebene geprägt. Structure Conduct Performance <?page no="24"?> Einleitung 24 1.1.2 Definition von Medien Jetzt wissen wir, wie wichtig Medienstrukturen für die Medienleistung sind. Wir müssen aber noch klären, was unter dem Begriff Medien genau zu verstehen ist. Ganz vereinfacht gesagt dient ein Medium der Kommunikation. Heute werden mit dem Begriff Medien zumeist Massenmedien wie Zeitungen, Zeitschriften, Radio, Fernsehen, Buch, Film oder publizistische Onlineangebote bezeichnet, die der Massenkommunikation dienen. Traditionellerweise wird unter Massenkommunikation jene Form der Kommunikation verstanden, «bei der Aussagen öffentlich durch technische Verbreitungsmittel indirekt und einseitig an ein disperses Publikum vermittelt werden» (Maletzke, 1963: 32). Wenn wir die Strukturperspektive ernst nehmen, so lassen sich Massenmedien aber nicht auf ihre Rolle als technische Kommunikationskanäle für diesen Prozess der Massenkommunikation beschränken (vgl. Jakubowicz, 2012). Ein kontinuierlicher Prozess der Massenkommunikation wird erst durch eine dahinterstehende Medienorganisation ermöglicht (vgl. McQuail & Deuze, 2020: 31). Entsprechend hat Saxer (1999: 6) Medien als «komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen» definiert. Damit betont er, dass Medien nicht nur technische Kommunikationskanäle sind, die Text, Bild und Ton an ein Massenpublikum übertragen können, sondern auch Organisationen, Institutionen und Systeme. Medien sind Organisationen, die zur Herstellung, Beschaffung und Bündelung publizistischer Inhalte zu Medienprodukten sowie deren Distribution bestimmte Strukturen und Prozesse ausgebildet haben. Die meisten Medienorganisationen verfolgen nicht nur publizistische, sondern auch kommerzielle Ziele. Und je nach Geschäftsmodell finanzieren sich Medienorganisationen direkt über ihre Nutzer·innen und/ oder indirekt über Werbung. Wie bereits diskutiert lenkt die Strukturperspektive nun den Blick darauf, dass Eigenschaften der Organisation auch deren publizistische Leistung prägen. Medien sind aber auch Institutionen und als solche prägend für das Handeln anderer Organisationen in der Gesellschaft. Politische, wirtschaftliche und andere Akteure sind darauf angewiesen, mit ihren Positionen in den Medien Berücksichtigung zu finden. Entsprechend orientieren sie sich in ihrer Kommunikation immer stärker an der Art und Weise, wie Medien funktionieren und Ereignisse für die Berichterstattung auswählen (der sogenannten Medienlogik). Dieser Anpassungsprozess an die Institution Medien wird auch als Mediatisierung bezeichnet (vgl. Donges, 2006; Donges & Jarren, 2022: 70-71; Jarren & Meier, 2002). <?page no="25"?> «So what? » Zur Relevanz von Medienpolitik 25 Und schließlich sind einzelne Medienorganisationen Teil des Mediensystems. Ein Mediensystem können wir verstehen als Gefüge unterschiedlicher Medienorganisationen und deren Beziehungen untereinander, zu Akteuren auf vor- und nachgelagerten Märkten (z. B. Werbewirtschaft, Distributionsunternehmen) sowie zu Akteuren aus anderen gesellschaftlichen Teilsystemen wie Politik, Kultur und Wirtschaft innerhalb bestimmter politisch-geografischer Grenzen (vgl. Künzler, 2013b; Künzler & Jarren, 2010; Puppis, Jarren & Künzler, 2013). Mediensysteme setzen sich also nicht nur aus Medienorganisationen und ihren Beziehungen, sondern auch aus medienspezifischen Verbänden und Beziehungen zu verschiedensten gesellschaftlichen Akteuren zusammen (vgl. Jarren, 2003). Als System erbringen Medien bestimmte Funktionen und Leistungen für die Gesamtgesellschaft und andere Teilsysteme. Hierbei wird häufig zwischen sozialen, ökonomischen und politischen Funktionen unterschieden (vgl. Burkart, 2019: 327-354). Mit Blick auf soziale Funktionen sind etwa der Beitrag der Medien zu Sozialisation, sozialer Orientierung und Integration zu nennen. Als Werbeträger unterstützen Medien das kapitalistische Wirtschaftssystem. Und die Herstellung von (politischer) Öffentlichkeit ist zentral für demokratische Gesellschaften: Medien erlauben uns die Meinungs- und Willensbildung, indem sie uns über relevante Themen und Meinungen informieren, sie bieten ein Forum für gesamtgesellschaftliche Debatten über Probleme und konkurrierende Lösungsvorschläge und sie nehmen eine Kritik- und Kontrollfunktion gegenüber politischen Eliten wahr. Überhaupt sind die meisten Erfahrungen, die wir jeden Tag machen, medienvermittelt. Medien leisten folglich einen zentralen Beitrag zu unserer Wahrnehmung der Welt und zur Herausbildung unserer sozialen Identität (vgl. McQuail & Deuze, 2020: 7): «Collectively, informational and entertainment texts contribute strongly to our sense of who we are, of what it means to be a woman or a man, an African or an Arab, a Canadian or a New Yorker, straight or queer. They shape our sense of how we might live together in modern societies, of how democracy, justice and rights might operate. They are the way in which we come to form our opinions about the rights and wrongs of consumerism, and the prospects for the future of the planet» (Hesmondhalgh, 2019: 7-8). Als zentrale Merkmale von Massenmedien können folglich die technische Vermittlung öffentlicher Kommunikation an ein Massenpublikum, die Medienorganisation, welche die Produktion und Distribution publizistischer Inhalte erst ermöglicht, und die so erbrachte Leistung für die Gesellschaft identifiziert werden (vgl. ähnlich auch Jakubowicz, 2012). <?page no="26"?> Einleitung 26 Massenmedien sind Organisationen, die durch die Bündelung und öffentliche Vermittlung eigen- und fremdproduzierter publizistischer Inhalte eine spezifische gesellschaftliche Leistung erbringen. 1.1.3 Definition von Plattformen Seit der Entstehung moderner demokratischer Nationalstaaten im 18. und 19. Jahrhundert wurde die öffentliche Vermittlung von Kommunikation auf gesamtgesellschaftlicher Ebene durch Massenmedien sichergestellt - zuerst in Form der Partei- und Gesinnungspresse, später durch primär privatwirtschaftlich organisierte Medien (vgl. Habermas, 1990 [1962]; Imhof, 2006). Doch seit Ende des 20. Jahrhunderts hat sich die öffentliche Vermittlung von Kommunikation in der Gesellschaft grundlegend verändert. Zwar machen wir weiterhin einen Großteil unserer Erfahrungen nicht direkt, sondern sie werden vermittelt - aber nicht mehr allein durch Medien. Mit sogenannten Plattformen sind neue Vermittler·innen (oder Intermediäre) entstanden. Deshalb ist auch von einem digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit die Rede (vgl. Eisenegger, 2021; Habermas, 2021). Aber was sind Plattformen? Ganz allgemein sind sie auf zwei- oder mehrseitigen Märkten tätig und bringen damit Kund·innengruppen mit komplementären Bedürfnissen zusammen (vgl. Rochet & Tirole, 2003). Beispielsweise können so Fahrer·innen und Passagiere (z. B. Uber) oder Vermieter·innen und Übernachtungsgäste (z. B. AirBnB) miteinander «verkuppelt» werden. Dafür wird die Plattform bezahlt, ohne selbst Fahr- oder Übernachtungsdienstleistungen anzubieten. Auch im Kommunikationssektor sind zahlreiche Plattformen entstanden. Suchmaschinen (z. B. Google), soziale Netzwerke (z. B. Facebook, Instagram oder TikTok), Video-Sharing-Dienste (z. B. YouTube) und Nachrichtenaggregatoren (z. B. Apple News oder MSN) bringen Anbieter·innen und Nutzer·innen von Inhalten sowie Werbetreibende miteinander in Kontakt. Anders als Medien beschäftigen sich Plattformen nicht mit der Produktion und Distribution eigener Inhalte, sondern sie bündeln und verbreiten Inhalte, die von professionellen Medienorganisationen, aber auch von Einzelpersonen, politischen Akteuren (z. B. Parteien und Verbänden) oder Unternehmen erstellt wurden. Diese können Plattformen benutzen, um mit ihren Botschaften eine potenziell große Zahl von Nutzer·innen zu erreichen. Gleichzeitig können Plattformen auch für die Individualkommunikation verwendet werden - die Grenzen zwischen öffentlich und privat sind fließend. Castells (2009) hat diese neue Form der Kommunikation im Internet als <?page no="27"?> «So what? » Zur Relevanz von Medienpolitik 27 Massenselbstkommunikation bezeichnet. Dabei bezieht sich der Begriff «Masse» sowohl auf die potenziellen Empfänger·innen als auch auf die Sender·innen von Botschaften (vgl. McQuail & Deuze, 2020: 76). «It is mass communication because it can potentially reach a global audience […]. At the same time, it is self-communication because the production of the message is self-generated, the definition of the potential receiver(s) is self-directed, and the retrieval of specific messages or content […] is self-selected» (Castells, 2009: 55). Plattformen sind damit mehr als einfach nur eine technische Infrastruktur für die Vermittlung von Kommunikation. Genauso wie bei Medien können wir auch bei Plattformen zwischen ihren Eigenschaften als Organisation, Institution und System unterscheiden (vgl. Donges & Jarren, 2022: 79; Puppis, 2020). Für den Betrieb der Plattformen ist eine Organisation nötig, welche die technische Infrastruktur für die Interaktion ihrer Kund·innen auf zwei- oder mehrseitigen Märkten zur Verfügung stellt. Zudem legt diese Organisation nicht nur die Spielregeln für die Interaktion auf der Plattform fest, sondern sie kann auch die bei der Nutzung anfallenden Daten sammeln und auswerten, was als «Datafizierung» bezeichnet wird (vgl. van Dijck, Poell & de Waal, 2018: 31-37). Da die Nutzung gratis ist, verdienen Plattformen ihr Geld damit, dass sie diese Daten monetarisieren: Durch die Sammlung und Auswertung riesiger Mengen an Nutzungsdaten ermöglichen sie es Unternehmen und politischen Akteuren, personalisierte Werbung zu schalten. Diese Personalisierung beschränkt sich nicht auf Werbung: «The logical next step from the perspective of platform owners is to tailor not only advertising but also content to specific users» (Mansell & Steinmueller, 2020: 66). Der Feed von Facebook, Instagram & Co. oder die Videoempfehlungen auf YouTube werden von Algorithmen zusammengestellt, die zur Verwirklichung der kommerziellen Ziele von Plattformen programmiert wurden. Entsprechend werden den Nutzer·innen Inhalte angezeigt, die diese möglichst lange auf der Plattform halten sollen, damit ihnen auch mehr Werbung angezeigt werden kann. Algorithmen bestimmen darüber, welchen Nutzer·innen welche Inhalte von welchen Anbieter·innen angezeigt werden und welche nicht. Plattformen sind also nicht neutrale Vermittler·innen, sondern nehmen selbst Einfluss. Diese algorithmische Selektion weist darauf hin, dass Plattformen auch Institutionen sind. Genauso wie Massenmedien nehmen Plattformen ständig Selektionsentscheidungen vor, doch die Selektionslogik von Medien und Plattformen unterscheidet sich. Damit unterscheidet sich auch die Konstruktion sozialer Realität durch Plattformen von der Wirklichkeitskonstruktion durch Massenmedien (vgl. Gillespie, 2010; Just & Latzer, 2017; Napoli, 2014). Andere gesellschaftliche <?page no="28"?> Einleitung 28 Akteure wissen um die Funktionsweise von Plattformen und passen ihre Kommunikation entsprechend an (vgl. Donges & Jarren, 2022: 13). Analog zur Mediatisierung kann von einer Plattformisierung gesprochen werden (vgl. Eisenegger, 2021; Poell, Nieborg & van Dijck, 2019). Nicht zuletzt passen sich auch Medien an Plattformen an und treffen ihre eigenen Selektionsentscheidungen vermehrt danach, welche Inhalte auf sozialen Netzwerken mehr Beachtung versprechen (vgl. Caplan & boyd, 2018). Und schließlich können Plattformen als Teil eines Systems betrachtet werden. Genauso wie Medien erbringen Plattformen bestimmte Funktionen und Leistungen für die Gesamtgesellschaft und andere Teilsysteme. Mit ihrer Vermittlungsleistung stellen sie Öffentlichkeit her und prägen unsere Wahrnehmung der Welt. Eine maßgebliche Leistung von Plattformen ist es, dass sie grundlegend verändern, wer Zugang zur Öffentlichkeit hat. Heute können sich auch Akteure öffentlich äußern, die von den Massenmedien wenig Beachtung fanden. Für die Massenmedien stellt die Nutzung der von ihnen produzierten Inhalte auf Plattformen statt auf ihren eigenen Websites und Apps eine große finanzielle Herausforderung dar (siehe Kapitel 10.2). So zentral diese Veränderung der Öffentlichkeit durch Plattformen ist: Die technische Möglichkeit, selbst Inhalte zu erstellen, sagt noch nichts über deren Beachtung aus. Die Kontrolle darüber, welche Inhalte von welchen Anbieter·innen welche Nutzer·innen tatsächlich erreichen, liegt bei den Plattformen. Und auch heute noch stammt ein Großteil der genutzten Inhalte von Medienorganisationen, die auf die kontinuierliche Produktion publizistischer Angebote spezialisiert sind (vgl. Curran, Fenton & Freedman, 2016: 23-34, 157-158; Hesmondhalgh, 2019: 271-272; McQuail & Deuze, 2020: 7, 59). Dieser Strukturwandel der Öffentlichkeit führt also nicht dazu, dass Massenmedien verschwinden. Vielmehr sind neben die Massenmedien mit Plattformen neue öffentliche Vermittler·innen von Kommunikation getreten. Und Massenmedien sind mit ihren Inhalten auch auf Plattformen vertreten. Wir haben es folglich weniger mit einem Übergang von einer massenmedialen zu einer Plattformöffentlichkeit zu tun, als vielmehr mit der Herausbildung einer hybriden intermediären Öffentlichkeit (vgl. Schade, 2021), in der mit Medien und Plattformen verschiedene öffentliche Vermittler·innen von Kommunikation neben- und miteinander existieren (vgl. Beck & Donges, 2020; Donges & Jarren, 2022: 13). Um zu verstehen, wie und welche Inhalte in der Öffentlichkeit vermittelt werden, müssen wir folglich Medien und Plattformen in einer Strukturperspektive als Organisationen, Institutionen und Systeme in den Blick nehmen. <?page no="29"?> «So what? » Zur Relevanz von Medienpolitik 29 Plattformen sind auf zwei- oder mehrseitigen Märkten tätige Organisationen, die Spielregeln für die von ihnen ermöglichte Interaktion festlegen und durch die öffentliche Vermittlung eines basierend auf der Sammlung und Auswertung von Nutzungsdaten algorithmisch selektionierten Bündels von Inhalten Dritter eine spezifische gesellschaftliche Leistung erbringen. 1.2 Medienstrukturen und Medienpolitik Medienstrukturen sind also zentral, um die öffentliche Vermittlung von Kommunikation zu verstehen, d. h., wie und welche Inhalte produziert und distribuiert werden. Doch was hat das jetzt mit Medienpolitik zu tun? Medienstrukturen entstehen nicht auf natürliche Weise, sondern sie werden bewusst politisch gestaltet. Anders ausgedrückt: Medienstrukturen sind auch das Resultat von Medienpolitik (vgl. Freedman, 2008: 1). Und Medienpolitik ist wiederum das Ergebnis eines politischen Prozesses, der je nach Land anders abläuft: «When we talk about media, what most of us are concerned with, ultimately, is the content the media system produces and the effect that has upon our lives. But the content is shaped to a significant extent by the […] structures of media systems […]. And […] structures are determined by policies and subsidies, which are in turn determined by the policymaking process» (McChesney, 2008: 135). Wie wir im nächsten Kapitel noch sehen werden, versuchen zahlreiche Akteure mit je unterschiedlichen Interessen und ideologischen Vorstellungen auf diesen medienpolitischen Prozess Einfluss zu nehmen, um so bestimmte Entscheidungen herbeizuführen und Medienstrukturen zu schaffen, die ihren Vorstellungen entsprechen. Die Gestaltung von Medienstrukturen durch Medienpolitik ist aber kein Selbstzweck. Demokratische Gesellschaften sind auf bestimmte Funktionen und Leistungen von Medien und Plattformen angewiesen. Mit Medienpolitik versucht die Gesellschaft nun, «ihre» Medien und die öffentliche Vermittlung von Kommunikation zu gestalten, indem indirekt durch die Gestaltung von Medienstrukturen auf die Vermittlungsleistung von Medien und Plattformen eingewirkt werden soll (vgl. McQuail, 1992: 95; Napoli, 2001: 138; siehe Abb. 4). <?page no="30"?> Einleitung 30 Abb. 4: Gestaltung von Medienstrukturen durch Medienpolitik Quelle: Eigene Darstellung Traditionellerweise wurde durch die Gestaltung von Medienstrukturen versucht, die Medienleistung von Medienorganisationen zu beeinflussen. Dadurch, dass ein öffentlicher Rundfunk existiert, private Medien gefördert werden oder Medienkonzentration Beschränkungen unterliegt, sollen letztlich bestimmte inhaltliche Ziele wie Vielfalt und Qualität verwirklicht werden. Mit dem Aufkommen von Plattformen stellen sich für die Medienpolitik viele neue Fragen - doch das Ziel bleibt das gleiche: Medienstrukturen zu schaffen, die eine funktionierende Öffentlichkeit und damit den Bürger·innen die Teilhabe an demokratischen Prozessen ermöglichen. Dass Medienpolitik bei der Verfolgung dieses Ziels nicht direkt an den Inhalten ansetzt, hat einen triftigen Grund. Zwar kann Medienpolitik durchaus gewisse inhaltliche Vorgaben umfassen (etwa um andere Grundrechte oder bestimmte Bevölkerungsgruppen zu schützen). Doch einer zu starken Einflussnahme des Staates auf öffentliche Debatten und Medieninhalte ist in demokratischen Staaten dadurch, dass sich Individuen in der Öffentlichkeit frei äußern dürfen (Meinungsäußerungsfreiheit) und die Medien unabhängig vom Staat funktionieren sollen (Medienfreiheit), eine notwendige Grenze gesetzt. Paradoxerweise fristet Medienpolitik trotz der großen Bedeutung, die Medien und Plattformen in der Gesellschaft spielen, und der sich daraus ergebenden Tragweite medienpolitischer Entscheidungen für die Demokratie häufig ein Schattendasein (vgl. Just & Puppis, 2012). Zwar gibt es Ausnahmen: Die Finanzierung des öffentlichen Rundfunks, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Zeitungsbranche oder auch die Angst vor «Filterblasen» und «Fake News» können heftige Debatten auslösen. Meistens aber erhält Medienpolitik nur wenig Aufmerksamkeit. Umso wichtiger ist es, dass sich die wissenschaftliche Forschung mit Medienpolitik beschäftigt. Forscher·innen aus der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, der Politikwissenschaft, den Wirtschaftswissenschaften, der Rechtswissenschaft sowie weiteren Disziplinen beschäftigen sich intensiv mit den Herausforderungen durch den digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit. Wissen- Medienpolitik Medienstrukturen Vermittlungsleistung <?page no="31"?> «So what? » Zur Relevanz von Medienpolitik 31 schaftliche Forschung hilft uns zu verstehen, welche Optionen zur Lösung bestimmter Probleme zur Auswahl stehen, wie Medienpolitik gemacht wird und welche Akteure sich dabei durchzusetzen vermögen, wie Medienpolitik umgesetzt wird und welche Folgen medienpolitische Entscheidungen für die öffentliche Vermittlung von Kommunikation und die Gesellschaft haben (vgl. Hansen et al., 1998: 67). Und schon Lasswell (1970) hat dafür plädiert, dieses Wissen dann auch in den medienpolitischen Prozess einzubringen. Medienstrukturen haben einen entscheidenden Einfluss auf die öffentliche Vermittlung von Kommunikation in der Gesellschaft. Medienstrukturen entstehen aber nicht auf natürliche Weise, sondern sind das Resultat von Medienpolitik. Durch die medienpolitische Gestaltung von Medienstrukturen wird versucht, indirekt auf die Leistung von Medien und Plattformen einzuwirken. 1.3 Aufbau des Buches Das vorliegende Buch soll Sie nicht nur dabei unterstützen, mehr über Medienpolitik zu erfahren, sondern insbesondere auch Analyse- und Reflexionskompetenzen vermitteln, um Medienpolitik beschreiben, verstehen und kritisch beurteilen zu können. Nach dieser Einleitung bringt Ihnen der zweite Teil des Buches Grundlagen für die Analyse von Medienpolitik näher. Kapitel 2 beginnt mit einer Definition von Medienpolitik, bevor verschiedene Dimensionen von Politik eingeführt werden, die es erlauben, zwischen politischen Strukturen, dem politischen Prozess und den daran beteiligten Akteuren sowie politischen Inhalten und Entscheidungen zu unterscheiden. Kapitel 3 führt dann den Begriff der Medienregulierung ein und stellt dar, wie sich die Regulierung von Presse, Rundfunk, Telekommunikation und Internet entwickelt hat. Kapitel 4 widmet sich der Media Governance, welche neben Regulierung durch Staat und Branche auch die Bedeutung von Technologie zur Gestaltung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation in den Fokus rückt. Alle drei Kapitel führen auch in Theorien ein, die es uns erlauben, Medienpolitik, Medienregulierung und Media Governance zu erklären. Kapitel 5 stellt dann die Frage, weshalb überhaupt medienpolitische Eingriffe in die öffentliche Vermittlung von Kommunikation für notwendig erachtet werden, und nennt hierfür technischen, ökonomische und gesellschaftlich-politische Begründungen. Kapitel 6 schließlich thematisiert, wie wir Medienpolitik erforschen können. Dabei <?page no="32"?> Einleitung 32 werden die einzelnen Schritte des Forschungsprozesses sowie wichtige Methoden der Datenerhebung und Datenauswertung kurz angesprochen, bevor insbesondere auf vergleichende Medienpolitikforschung eingegangen wird. Der dritte Teil des Buches zeigt auf, dass Medienpolitik nicht nur auf nationalstaatlicher Ebene gemacht wird, sondern dass es auch inter- und transnationale Medienpolitik gibt. Kapitel 7 führt in die Medienpolitik auf europäischer Ebene ein und widmet sich insbesondere der Rolle von Europarat und Europäischer Union. Anschließend thematisiert Kapitel 8 Medienpolitik auf globaler Ebene, die nicht nur im Rahmen internationaler Regierungsorganisationen stattfindet, sondern vermehrt auch in Form transnationaler Zusammenarbeit. Entlang des Kommunikationsprozesses werden im vierten Teil des Buches verschiedene Bereiche der Medienpolitik unterschieden. Noch vor der Produktion von Inhalten sowie deren Verbreitung und Nutzung widmet sich Kapitel 9 Fragen von Marktzugang und Wettbewerb - und damit auch der Zulassung von Rundfunk und der Regulierung von Medienkonzentration. Kapitel 10 stellt die Produktion publizistischer Inhalte durch Medienorganisationen in den Mittelpunkt. Hierbei werden der öffentliche Rundfunk, die Förderung privater Medien und der audiovisuellen Industrie sowie medienethische Fragen behandelt. Kapitel 11 diskutiert Beschränkungen der und Anforderungen an die Inhalte in den Medien und im Internet, bevor Kapitel 12 die Verbreitung von Inhalten genauer anschaut und neben der elektronischen Kommunikationsinfrastruktur insbesondere auch die Macht von Plattformen durch algorithmische Selektion thematisiert. Und Kapitel 13 lenkt den Blick schließlich auf die Nutzung von Inhalten, wobei neben Medienkompetenz auch Daten- und Verbraucher·innenschutz betrachtet werden. Als Konklusion des Buches widmet sich Kapitel 14 abschließend nicht nur der Notwendigkeit medienpolitischer Reformen, sondern auch dem Verhältnis von Medien(politik)forschung und praktischer Medienpolitik. Jedes Kapitel beginnt mit einem kurzen Überblick über den Kapitelinhalt und die Lernziele und endet mit Übungen und Literaturtipps. Zudem werden immer wieder Studien und Beispiele aus der medienpolitischen Praxis vorgestellt. Medienpolitik ist angesichts der Bedeutung von Medien und Plattformen für moderne Demokratien ein gesellschaftlich hoch relevantes Thema. Zu begreifen, wie Medienstrukturen die öffentliche Vermittlung von Kommunikation beeinflussen und wie Medienstrukturen durch Medienpolitik geprägt werden, ist eine wichtige Kompetenz für Ihre universitäre und berufliche Zukunft. Auf geht’s! <?page no="33"?> «So what? » Zur Relevanz von Medienpolitik 33 Übungen 1. Definieren Sie Massenmedien und Plattformen. 2. Erklären Sie, wie Medien und Plattformen in einer Strukturperspektive die öffentliche Vermittlung von Kommunikation beeinflussen. 3. Zeigen Sie auf, welche Rolle Medienpolitik für die öffentliche Vermittlung von Kommunikation durch Medien und Plattformen spielt. Literaturtipps Lazarsfeld, P. F., & Merton, R. K. (1965). Mass Communication, Popular Taste and Organized Social Action. In B. Rosenberg & D. M. White (Hrsg.), Mass Culture. The Popular Arts in America (S. 457-473). New York: The Free Press. Ein Grundlagentext der Kommunikationswissenschaft, der auch die Bedeutung von Medienstrukturen aufzeigt. Puppis, M. (2023). Medienstrukturen. In K.-D. Altmeppen, E. Klaus, & U. Röttger (Hrsg.), Kommunikationswissenschaft. Eine Einführung in die kommunikativen und medialen Grundlagen der Gesellschaft. Wiesbaden: Springer VS. Diese Einführung in die Strukturperspektive diskutiert, Medien, Journalismus und Plattformen als Organisationen, Institutionen und Systeme. McQuail, D. (1992). Media Performance. Mass Communication and the Public Interest. London: Sage. [Kapitel 7] McQuail legt dar, wie Strukturen des Mediensystems, das Handeln von Medienorganisationen und die Medienleistung zusammenhängen. Just, N., & Latzer, M. (2017). Governance by Algorithms: Reality Construction by Algorithmic Selection on the Internet. Media, Culture & Society, 39(2), 238-258. Der Artikel thematisiert die Bedeutung von Algorithmen für öffentliche Kommunikation und die Unterschiede von algorithmischer und journalistischer Selektion. <?page no="35"?> Grundlagen <?page no="37"?> 37 2 Medienpolitik Inhalt und Lernziele Das folgende Kapitel beginnt mit einer Definition des Begriffs Medienpolitik. Danach werden mit Polity (politische Strukturen), Politics (politischer Prozess und daran beteiligte Akteure) und Policy (politische Inhalte und Entscheidungen) drei Dimensionen von Politik vorgestellt. Und schließlich führt das Kapitel in Theorien ein, die für eine Analyse von Medienpolitik geeignet sind. Nach diesem Kapitel können Sie Politik und Medienpolitik definieren. politische Strukturen, Prozesse und Inhalte unterscheiden. den Einfluss unterschiedlicher Akteure in der Medienpolitik darlegen. den Nutzen verschiedener Theorien für die Erklärung medienpolitischer Prozesse beurteilen. 2.1 Was ist Medienpolitik? Im ersten Kapitel haben wir gelernt, dass Medienstrukturen durch Medienpolitik geprägt werden: Durch die medienpolitische Gestaltung von Medienstrukturen soll indirekt auf die Vermittlungsleistung von Medien und Plattformen eingewirkt werden. Bleibt die Frage, was Medienpolitik denn eigentlich ist. Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zuerst den Begriff der Politik definieren. Eine verbreitete Definition von Politik stammt von Patzelt (2013: 22): «Politik ist jenes menschliche Handeln, das auf die Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regelungen und Entscheidungen (d. h. von ‹allgemeiner Verbindlichkeit›) in und zwischen Gruppen von Menschen abzielt». Diese Definition betont zwei Aspekte von Politik: Politik als menschliches Handeln sowie die Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regeln und Entscheidungen. Menschliches Handeln ist immer geprägt von bestimmten Normen, Interessen, Wertvorstellungen und Weltanschauungen. Zudem beziehen Menschen ihr <?page no="38"?> Grundlagen 38 Handeln auf das Handeln anderer Menschen, weshalb auch von sozialem Handeln gesprochen wird. Politisches Handeln ist dabei jene Teilmenge sozialen Handelns, welche auf die Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regeln und Entscheidungen abzielt. Und politisches Handeln bringt eine bestimmte politische Wirklichkeit hervor und verändert diese. Allgemeine Verbindlichkeit dagegen verweist darauf, dass menschliches Zusammenleben Regeln erfordert: Je komplexer eine Gesellschaft ist, desto größer der Regelungsbedarf. Regeln und Entscheidungen, die für alle Mitglieder der Gesellschaft allgemein verbindlich sind, können nur von der Politik herbeigeführt werden. Die Bemühungen, allgemeine Verbindlichkeit herzustellen, müssen indes nicht erfolgreich sein: Politisches Handeln muss nicht gelingen, sondern kann auch scheitern (vgl. Patzelt, 2013: 22-28). Und Politik kann auch nicht-intendierte Konsequenzen nach sich ziehen. Weiter verdeutlicht diese Definition auch, dass Politik nicht vom Staat allein gemacht wird. Auch wenn das politisch-administrative System (Regierung, Verwaltung und Parlament) überaus wichtig ist: Am Prozess der Herstellung und Durchsetzung von Politik ist eine ganze Reihe weiterer Akteure beteiligt, wie wir später noch sehen werden (siehe Kapitel 2.2.2). Dieses Verständnis von Politik als Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regeln und Entscheidungen lässt sich auf Medienpolitik genauso anwenden wie auf jedes andere Politikfeld von der Asylbis zur Verkehrspolitik. Damit ist aber noch nicht geklärt, was denn jetzt der Gegenstand von Medienpolitik ist. Doch das ist nicht so eindeutig. Erstens existieren mit Kommunikationspolitik und Informationspolitik konkurrierende Begriffe, 1 und zweitens stoßen klassische Definitionen von Medienpolitik aufgrund des digitalen Strukturwandels der Öffentlichkeit an ihre Grenzen. Beginnen wir mit dem ersten Problem. Medienpolitik beschäftigt sich traditionell mit Massenmedien (und insbesondere dem Rundfunk), die publizistische Inhalte produzieren, bündeln und distribuieren (vgl. Iosifidis, 2011: 3; Picard, 2020: 8). Eine gängige Definition von Freedman (2008: 14) versteht Medienpolitik als «the development of goals and 1 Ferner wird auch vermehrt von Digital-, Internet- oder Netzpolitik gesprochen, womit allgemein verbindliche Regeln über technische und inhaltliche Aspekte des Internets gemeint sind (vgl. Jakobi, 2019). Dieser Begriff ist für dieses Buch aber zugleich zu breit und zu eng: Durch den Fokus auf das Internet werden einerseits viele Themen erfasst, die nichts mit Kommunikation zu tun haben, andererseits aber die Massenmedien ausgeschlossen. <?page no="39"?> Medienpolitik 39 norms leading to the creation of instruments that are designed to shape the structure and behaviour of media systems». Schatz, Habig und Immer (1990: 332) haben Medienpolitik als jene Maßnahmen definiert, «die direkt oder indirekt auf die Produktion, Distribution und den Konsum (Rezeption) massenmedial verbreiteter Inhalte einwirken». Und in einer früheren Auflage dieses Buches wurde Medienpolitik definiert als jenes Handeln, welches auf die Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regeln und Entscheidungen über Medienorganisationen und die massenmediale öffentliche Kommunikation abzielt. Neben Medienpolitik findet in der wissenschaftlichen Literatur schon lange auch der Begriff Kommunikationspolitik Verwendung. Kommunikationspolitik wird meist als der Medienpolitik übergeordnet begriffen und umfasst «jenes Handeln, das auf die Durchsetzung rechtsverbindlicher Regeln für die Individual- und Massenkommunikation zielt» (Kepplinger, 1994: 116). Entsprechend bezieht sich Kommunikationspolitik sowohl auf Massenmedien als auch auf Telekommunikation (vgl. Iosifidis, 2011: 7; Kutsch & Ravenstein, 1996; Tonnemacher, 2003: 21; Wittkämper, 1996). 2 Noch breiter ist der Begriff Informationspolitik, der von Braman in die Debatte eingeführt wurde. Damit bezeichnet sie jegliche Politik «affecting information creation, processing, flows, and use or, more casually, policy for information, communication, and culture» (Braman, 2006: 77). Informationspolitik umfasst also mannigfaltige Themen von «intelligenten» Waffensystemen über die technische Kontrolle der Einhaltung von Urheberrechten und Formen algorithmischer Personalisierung bis hin zu Datensätzen, die Politik zugrunde liegen. Für welchen Begriff man sich auch immer entscheiden mag: Wichtig ist offenzulegen, was darunter verstanden wird. Hier wird dem Begriff Medienpolitik der Vorzug gegeben. Während einige Wissenschaftler·innen argumentieren, Kommunikationspolitik erlaube es, das Zusammenwachsen verschiedener Kommunikationsformen aufgrund der Digitalisierung und die durch das Internet entstandenen Kommunikationsmöglichkeiten besser zu erfassen (vgl. Kleinsteuber & Thomaß, 2009; Latzer, 2007), gibt es dennoch gute Gründe, die für den Begriff Medienpolitik sprechen. Insbesondere hat öffentliche Kommunikation - ob nun medienvermittelt oder nicht - auch im digitalen Zeitalter für die Gesellschaft eine andere Bedeutung als private Individualkommunikation (vgl. Garnham, 2000: 173- 2 In der deutschsprachigen Publizistik- und Kommunikationswissenschaft wurde Kommunikationspolitik von Ronneberger (1966) als analytisches Konzept entwickelt. Zu Kontinuitäten in seinem wissenschaftlichen Werk siehe «Die Spirale des Schweigens. Zum Umgang mit der nationalsozialistischen Zeitungswissenschaft» (Duchkowitsch, Hausjell, & Semard, 2004). <?page no="40"?> Grundlagen 40 174; Freedman, 2008: 21), selbst wenn die Grenzen mit Plattformen und Messengerdiensten fließend geworden sind. Hinzu kommt, dass öffentliche Kommunikation der zentrale Gegenstand der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft ist (vgl. Bonfadelli, Jarren & Siegert, 2010). 3 Informationspolitik wiederum ist ein faszinierendes und intellektuell anspruchsvolles Konzept, aber für das Thema dieses Buches viel zu umfassend - denn es gibt praktisch keinen Gesellschaftsbereich mehr, für den Informationstechnologien nicht eine entscheidende Rolle spielen würden. Braman (2004) selbst vertritt deshalb die Position, dass es weiterhin Sinn ergibt, zwischen Informationspolitik und Medienpolitik zu unterscheiden. Damit zum zweiten Problem: Die genannten Definitionen von Medienpolitik sind angesichts des digitalen Strukturwandels der Öffentlichkeit (siehe Kapitel 1.1.3) zu eng gefasst. Braman (2004) schlägt deshalb eine alternative Definition vor. Sie argumentiert, dass herkömmliche Definitionen zu stark auf den Prozess der Vermittlung von Botschaften zwischen Sender·innen und Empfänger·innen durch Medien fokussiert hätten. Die Frage, was denn eigentlich vermittelt werde, sei dagegen nicht gestellt worden. Statt den Massenmedien als Vermittler·innen müsse vielmehr das Produkt der Vermittlung (also die Vermittlungsleistung) in den Mittelpunkt gestellt werden: die Konstitution von Öffentlichkeit. «Typically, the media have been understood to mediate between sender and receiver, entities involved in the process of mediation. Alternatively, however, the word could be used to refer to the product of mediation - the public» (Braman, 2004: 179). Entsprechend definiert sie Medienpolitik als «policy that deals with those technologies, processes and content by which the public itself is mediated» (Braman, 2004: 153). Konkret meint Braman (2004: 179-181) damit, dass Medienpolitik durch Regeln für Organisationen, Kommunikationstechnologien und Inhalte letztlich die Beschaffenheit von Öffentlichkeit beeinflusst, die wiederum eine Voraussetzung dafür ist, dass wir als Mitglieder der Gesellschaft politisch handlungsfähig sind und gesellschaftliche Probleme miteinander lösen können. Nur wenn eine öffentliche Debatte über Probleme und politische Lösungsoptionen möglich 3 Weiter sprechen auch praktische Gründe für die Wahl des Begriffs Medienpolitik: In der Politikwissenschaft und in der praktischen Politik selbst ist nicht von Kommunikations-, sondern von Medienpolitik die Rede. Zudem dient Kommunikationspolitik in der Betriebswirtschaftslehre als Bezeichnung für die Marketingstrategien von Unternehmen, was verwirrend sein kann (vgl. Jarren, 1998; Tonnemacher, 2003: 21). <?page no="41"?> Medienpolitik 41 ist, kann eine demokratische Gesellschaft funktionieren und weiter bestehen. Insofern ist Medienpolitik auch eine Voraussetzung für jedes andere Politikfeld, denn Medienpolitik schafft den kommunikativen Raum, in dem öffentliche Diskurse stattfinden, und beeinflusst die Informationen, die in diesen Diskurs einfließen (vgl. Braman, 2004: 169-170). Medienpolitik ist also nicht jene Politik, die sich mit Massenmedien befasst, sondern mit einer bestimmten Vermittlungsleistung, nämlich der Konstitution von Öffentlichkeit. Dieses Verständnis passt auch zu den bereits vorgestellten Definitionen von Medien und Plattformen als Organisationen, die durch die öffentliche Vermittlung von Kommunikation eine Leistung für die Gesellschaft erbringen (siehe Kapitel 1.1). Basierend auf diesen Überlegungen wird hier die folgende Definition von Medienpolitik vorgeschlagen: Medienpolitik ist jenes Handeln, welches auf die Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regeln und Entscheidungen über die von Medienorganisationen und Plattformen erbrachte Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation abzielt, die insbesondere auch für eine funktionierende demokratische Gesellschaft konstitutiv ist. Ziel von Medienpolitik ist es also, die Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation und damit eine funktionierende Öffentlichkeit sicherzustellen, die eine Voraussetzung für demokratische Gesellschaften ist - und zwar unabhängig davon, ob diese Leistung nun von Medien oder Plattformen erbracht wird. Hierfür kann entlang des Kommunikationsprozesses an Marktzugang und Wettbewerb, an der Produktion durch Medienorganisationen, den Inhalten, der Verbreitung von Inhalten über elektronische Kommunikationsnetze und -dienste und durch Plattformen sowie der Mediennutzung angesetzt werden. Jetzt handelt es sich nicht nur um Medienpolitik, wenn tatsächlich allgemein verbindliche Regeln und Entscheidungen entwickelt und implementiert werden. Auch Nicht-Handeln ist Politik, denn es handelt sich dabei um eine bewusste Entscheidung, keine Regeln zu erlassen und nicht zu intervenieren (vgl. Freedman, 2008: 29; Hansen et al., 1998: 68). Dazu später (siehe Kapitel 2.4.2.1). Ebenso dürfen wir nicht vergessen, dass die öffentliche Vermittlung von Kommunikation nicht nur von Medienpolitik beeinflusst wird. Auch andere Politikfelder sind von Bedeutung. Beispielsweise haben die Industriepolitik, welche sich der Standortförderung verschrieben hat, die Wettbewerbspolitik, welche den Missbrauch von Marktmacht verhindern soll, die Kultur- und Bildungspolitik, die Technologie- und Infrastrukturpolitik oder die Innovationspolitik Auswirkungen auf den Medien- und Kommunikationssektor (vgl. Picard, 2020: 10). <?page no="42"?> Grundlagen 42 Medienpolitik ist jenes Handeln, das auf die Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regeln und Entscheidungen über die von Medienorganisationen und Plattformen erbrachte Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation abzielt. 2.2 Dimensionen von Medienpolitik In der Politikwissenschaft ist es üblich, drei Dimensionen von Politik zu unterscheiden, die mit den englischsprachigen Begriffen Polity, Politics und Policy bezeichnet werden (vgl. beispielsweise Donges & Jarren, 2022: 4-5; Patzelt, 2013: 28-30). Diese Unterscheidung erlaubt es, verschiedene Aspekte von Politik zu analysieren (siehe Tab. 1). Polity bezeichnet die politischen Strukturen und versteht Politik als Rahmen. Diese formale Dimension von Politik umfasst Normen und Regeln (z. B. die Verfassung), die vorgeben, wie das politische System und seine Institutionen (Regierung, Parlament etc.) funktionieren. Sinnbildlich kann Polity mit einem Flussbett verglichen werden, in welchem der politische Prozess fließt: Die politischen Strukturen begrenzen und ermöglichen politisches Handeln. Und selbstverständlich können politische Strukturen auch verändert werden. Politics bezeichnet die Prozessdimension von Politik. Fokussiert wird auf den Prozess der Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Entscheidungen sowie die an diesem Prozess beteiligten Akteure und deren Einflussversuche. Die verschiedenen Akteure haben je eigene Interessen und ideologische Vorstellungen, die ihr Handeln prägen. Politics fokussiert auf Machtverhältnisse und Akteurskonstellationen sowie Konflikte und Kooperationen zwischen Akteuren. Diese Sichtweise ist vor allem Input-orientiert, geht es doch um die Herbeiführung bestimmter Entscheidungen. Policy schließlich ist die Umschreibung für die politischen Inhalte, welche für allgemein verbindlich erklärt werden sollen: Probleme sollen gelöst, die Gesellschaft gestaltet werden. Policy stellt den politischen Output, also die tatsächlich gefällten Regeln und Entscheidungen, in den Mittelpunkt. Dieser dreiteilige Politikbegriff kann auf jedes Politikfeld und damit auch auf die Medienpolitik angewendet werden: Medienpolitik ist das Ergebnis einer Interaktion von Akteuren, welche wiederum innerhalb bestimmter politischer Strukturen stattfindet (vgl. Napoli, 2001: 5; Picard, 2020: 5, 9). <?page no="43"?> Medienpolitik 43 Tab. 1: Dimensionen von Politik Dimension Polity Politics Policy versteht Politik als Rahmen Prozess Inhalt verwendet Begriffe wie Normen, Regeln, Institutionen Interessen, Macht, Konflikte, Einfluss, Akteure Probleme, Gestaltung, Gesetze, Lösung Anwendung auf Medienpolitik strukturelle Bedingungen von Medienpolitik Akteure und ihre Einflussnahme auf den Prozess der Herstellung und Durchsetzung von Medienpolitik medienpolitische Regeln und Entscheidungen Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Donges & Jarren (2022: 4) Mit Polity sind die strukturellen Bedingungen gemeint, welche Medienpolitik prägen. Die Charakteristika des politischen Systems haben einen Einfluss darauf, wie der Prozess der Entstehung von Medienpolitik aussieht und welche medienpolitischen Akteure wie Einfluss nehmen können. Politics verweist auf den politischen Prozess der Entstehung und Umsetzung von Medienpolitik sowie auf die an diesem Prozess beteiligten Akteure und ihre Interessen und ideologischen Vorstellungen. Policy schließlich sind die Inhalte der Medienpolitik, also die medienpolitischen Regeln und Entscheidungen, die für allgemein verbindlich erklärt werden sollen. Auf alle drei Dimensionen von Politik wird im Folgenden detailliert eingegangen. Mit Polity (politische Strukturen), Politics (politischer Prozess) und Policy (politische Inhalte) lassen sich analytisch drei Dimensionen von Politik unterscheiden. Medienpolitische Entscheidungen sind das Ergebnis eines politischen Prozesses, auf den zahlreiche Akteure Einfluss zu nehmen versuchen und der je nach politischem System anders funktioniert. <?page no="44"?> Grundlagen 44 2.2.1 Polity: Politische Strukturen Die politischen Strukturen von Nationalstaaten unterscheiden sich. Die größten Unterschiede finden sich sicher zwischen Autokratien, also autoritären und totalitären Staaten, und Demokratien. Aber nur schon bei Demokratien lassen sich verschiedene Typen unterscheiden (siehe Tab. 2). Tab. 2: Typen von Demokratien Typen Unterscheidungsmerkmal präsidentielle Demokratie vs. parlamentarische Demokratie Abberufbarkeit der Regierung Repräsentativdemokratie vs. Direktdemokratie Ausübung von Herrschaft Konkurrenzdemokratie vs. Verhandlungsdemokratie zentraler Entscheidungsmechanismus Mehrheitsdemokratie vs. Konsensdemokratie Machtausübung Quelle: Eigene Darstellung Erstens kann anhand der Abberufbarkeit der Regierung durch das Parlament zwischen parlamentarischen und präsidentiellen Demokratien unterschieden werden. In parlamentarischen Demokratien besteht eine enge Verbindung zwischen der Parlamentsmehrheit und der Regierung. Entzieht die Parlamentsmehrheit der Regierung das Vertrauen, ist diese gezwungen, zurückzutreten. Weiter sind Regierungschef·in und Staatsoberhaupt nicht die gleiche Person. Die meisten westlichen Staaten sind parlamentarische Demokratien, so auch Deutschland und Österreich. Präsidentielle Systeme dagegen zeichnen sich durch eine strikte Trennung von Parlament und Regierung aus. Die Regierung erhält ihre Legitimation nicht vom Parlament, sondern die oder der Präsident·in wird durch die Bürger·innen direkt gewählt und ist zugleich Regierungschef·in und Staatsoberhaupt. Die Regierung kann damit nicht vom Parlament abberufen werden, dieses aber umgekehrt auch nicht auflösen. Klassisches Beispiel sind die USA. Allerdings gibt es auch Mischsysteme mit Staatspräsident·in und Ministerpräsident·in, wobei let- <?page no="45"?> Medienpolitik 45 zere·r je nach System in unterschiedlichem Maße von Parlament und Staatspräsident·in abhängig ist. Frankreich ist ein Beispiel für eine solche Mischung (vgl. Donges & Jarren, 2022: 60-62; Schmidt, 2019: 303-317). Zweitens kann mit Blick auf die Ausübung von Herrschaft zwischen Repräsentativ- und Direktdemokratie unterschieden werden. Während in einer Repräsentativdemokratie die Herrschaft durch von den Bürger·innen gewählte Repräsentant·innen in Parlament und Regierung ausgeübt wird, entscheiden die Bürger·innen in einer Direktdemokratie in Form von Abstimmungen selbst. Auch in Repräsentativdemokratien kann es aber direktdemokratische Elemente geben. Kein Land bietet den Bürger·innen so viele Möglichkeiten zur Beteiligung wie die Schweiz. Einerseits kann gegen Gesetze, die das Parlament verabschiedet hat, ein Referendum ergriffen werden. Hierzu müssen 50 000 Unterschriften gesammelt werden. Bei bestimmten Beschlüssen wie Verfassungsänderungen ist ein Referendum gar obligatorisch. Um die Gefahr einer Niederlage tief zu halten, sind Regierung und Parlament bestrebt, referendumsfähige Gruppen frühzeitig einzubinden und ihre Forderungen zu berücksichtigen. Andererseits können mit einer Volksinitiative, für deren Einreichung 100 000 Unterschriften gesammelt werden müssen, auch Anliegen auf die politische Agenda gesetzt werden. Durch diese direktdemokratischen Elemente verändert sich der politische Prozess (siehe Kapitel 2.2.2). Aber natürlich gibt es auch in der Schweiz Regierung und Parlament - entsprechend ist meist von einer halb-direkten Demokratie die Rede (vgl. Sager, Ingold & Balthasar, 2018: 23; Schmidt, 2019: 353-370). Drittens lassen sich Demokratien entlang des zentralen Entscheidungsmechanismus in Konkurrenz- und Verhandlungsdemokratien unterteilen. Während in einer Konkurrenzdemokratie die gewählte Mehrheit die Entscheidungen fällt (beispielsweise in Großbritannien), wird in Verhandlungsdemokratien versucht, über strittige Angelegenheiten einen Konsens der wichtigsten gesellschaftlichen Segmente herbeizuführen. Gerade in gespaltenen Gesellschaften bergen Mehrheitsentscheidungen großes Konfliktpotenzial. Klassisches Beispiel für eine Verhandlungsdemokratie ist die Schweiz, wo die größten Parteien Mitglieder in den Bundesrat (die Regierung) entsenden und referendumsfähige Gruppen in den Gesetzgebungsprozess eingebunden werden. Auch Österreich konnte zu den Zeiten der «Großen Koalition» als Verhandlungsdemokratie bezeichnet werden (vgl. Schmidt, 2019: 319-328). Und viertens schlägt Lijphart (2012) mit Mehrheits- und Konsensdemokratie zwei Idealtypen vor, die sich darin unterscheiden, wie Macht ausgeübt wird. Während sich die Mehrheitsdemokratie durch Machtkonzentration auszeichnet, setzt <?page no="46"?> Grundlagen 46 die Konsensdemokratie auf Machtaufteilung. In Mehrheitsdemokratien ist die Exekutive in den Händen einer allein regierenden Partei, die auch die Legislative dominiert, die nur aus einer Parlamentskammer besteht. Weiter handelt es sich um Zweiparteiensysteme mit Mehrheitswahlrecht, pluralistischem Interessengruppensystem und zentralistischem Staatsaufbau. Regierung und Parlamentsmehrheit können ihre Macht also ohne große Einschränkungen ausüben. In Konsensdemokratien hingegen finden sich Koalitionsregierungen und es besteht ein Kräftegleichgewicht zwischen der Exekutive und der Legislative, die über zwei Parlamentskammern verfügt. Konsensdemokratien sind auch Vielparteiensysteme mit Verhältniswahlrecht, korporatistischer Interessenvertretung und einem föderalistischen Staatsaufbau. Entsprechend ist die Macht zwischen verschiedenen politischen Kräften und föderalen Ebenen aufgeteilt. Um zu prüfen, wie nahe reale Demokratien diesen Idealtypen kommen, hat Lijphart diese entlang von zwei Achsen eingeteilt. Dabei wird deutlich, dass nicht nur der Unterschied zwischen Mehrheit und Konsens zentral ist, sondern auch jener zwischen Zentralismus und Föderalismus. Deshalb kann zwischen einheitsstaatlichen Mehrheitsdemokratien (z. B. Großbritannien), föderalen Mehrheitsdemokratien (z. B. USA), einheitsstaatlichen Konsensdemokratien (z. B. nordische Staaten und Beneluxländer) sowie föderalistischen Konsensdemokratien (z. B. Deutschland, Österreich und die Schweiz) unterschieden werden (vgl. Lijphart, 2012; Schmidt, 2019: 329-342). Demokratien können in verschiedene Typen unterteilt werden, beispielsweise in präsidentielle vs. parlamentarische, in Repräsentativvs. Direkt-, in Konkurrenzvs. Verhandlungs- oder auch in Mehrheitsvs. Konsensdemokratien. Diese Eigenschaften von Demokratien sind politische Strukturen, die beeinflussen, wie politische Prozesse ablaufen und welche Einflussmöglichkeiten verschiedene Akteure auf den politischen Prozess haben. 2.2.2 Politics: Politischer Prozess und daran beteiligte Akteure Politische Strukturen geben den Rahmen für den politischen Prozess vor. Auf diesen Prozess der Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regeln und Entscheidungen versuchen nun ganz unterschiedliche Akteure Einfluss zu nehmen. Im Folgenden wird aufgezeigt, welche Phasen des (medien-)politischen Prozesses sich unterscheiden lassen, was Akteure überhaupt sind und welche medienpolitischen Akteure es gibt. <?page no="47"?> Medienpolitik 47 2.2.2.1 Medienpolitischer Prozess Auf Lasswell (1956) geht die Idee zurück, den politischen Prozess als Abfolge analytisch voneinander unterscheidbarer Phasen darzustellen, die eine Policy durchläuft. Modelle des Policy-Zyklus unterscheiden heute zumeist zwischen fünf Phasen: Problemdefinition, politisches Agenda-Setting, Politikformulierung, Politikimplementierung und Politikevaluation (vgl. Blum & Schubert, 2018: 153-202; Jann & Wegrich, 2014; siehe Abb. 5): Problemdefinition: Am Anfang des politischen Prozesses muss ein bestimmter Zustand als Problem definiert werden, das einer politischen Lösung bedarf. Die vorgebrachten Anliegen werden in Medien und auf Plattformen öffentlich diskutiert und Medienberichterstattung hat einen Einfluss darauf, welche Probleme als dringlich erachtet werden. Akteure haben aber unterschiedliche Wahrnehmungen davon, was überhaupt ein Problem ist, was seine Ursachen sind und ob sich die Politik darum kümmern soll. Politisches Agenda-Setting: Ein als relevant wahrgenommenes Problem muss nun auf die politische Agenda gesetzt werden, damit die Politik dieses auch bearbeitet. Von unterschiedlichen Akteuren vorgebrachte Probleme stehen dabei in Konkurrenz zueinander, denn Politik kann sich aufgrund begrenzter Kapazitäten nicht allen Problemen widmen. Entsprechend ist eine Selektion nötig, die zumeist abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit unter Beteiligung von Verwaltung, Interessenverbänden und Expert·innen stattfindet. Akteure versuchen nicht nur bestimmte Probleme auf die Agenda zu bekommen, sondern auch andere von der Agenda fernzuhalten. Politikformulierung: Nun geht es darum, mögliche Policies zu entwickeln, mit denen ein Problem gelöst werden könnte. Dabei werden mehrere Handlungsalternativen vertieft diskutiert, wobei nicht nur das Problemlösungspotenzial, sondern auch die Mehrheitsfähigkeit einer Policy für deren Auswahl entscheidend ist. Am Ende ist dann eine Entscheidung für oder gegen eine konkrete Maßnahme zu fällen. Die Politikformulierung ist Aufgabe des politischen Entscheidungszentrums, also von Regierung und Parlament, und findet (von Parlamentsdebatten abgesehen) vorwiegend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Allerdings werden oft Expert·innen und Interessenverbände angehört. Politikimplementierung: Eine beschlossene Policy muss schließlich durch die Verwaltung umgesetzt werden. Die Umsetzung ist häufig entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg einer politischen Maßnahme, denn Gesetze erlauben hierbei einen erheblichen Interpretationsspielraum. <?page no="48"?> Grundlagen 48 Politikevaluation: Ob eine Policy wirklich zur Lösung eines Problems beiträgt, wird mit Evaluationen untersucht. Die Ergebnisse einer Evaluation informieren darüber, ob der politische Prozess abgeschlossen werden kann, weil eine Policy ihre Ziele erreicht, oder ob es eine Anpassung der Maßnahmen braucht und ein neuer politischer Prozess initiiert werden muss (beispielsweise, weil die Maßnahme zu wenig erfolgreich ist oder nicht-intendierte Folgen hat). Abb. 5: Phasen des Policy-Zyklus Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Jann & Wegrich (2014: 106) Je nach Phase haben die verschiedenen medienpolitischen Akteure unterschiedliche Einflussmöglichkeiten auf den politischen Prozess. Sie sind dabei auch in unterschiedlichem Maße auf Medienberichterstattung angewiesen, wobei die Beobachtungsmöglichkeiten und das Interesse der Medien an Berichterstattung von den verschiedenen Phasen des politischen Prozesses abhängig sind (vgl. Donges & Jarren, 2022: 180-181; von Beyme & Weßler, 1998). Der genaue Ablauf des politischen Prozesses wird von den politischen Strukturen bestimmt. In einer halbdirekten Demokratie wie der Schweiz (siehe Kapitel 2.2.1) läuft dieser Prozess deshalb etwas anders ab. Mit einer Volksinitiative kann ein Problem direkt auf die politische Agenda gesetzt und eine Entscheidung über eine vorgeschlagene Lösung durch die Stimmbürger·innen erwirkt werden. Und Problemdefinition politisches Agenda-Setting Politikformulierung Politikimplementierung Politikevaluation Politikterminierung <?page no="49"?> Medienpolitik 49 die ständige Möglichkeit eines Referendums verändert die Phase der Politikformulierung, weshalb diese weiter in eine vorparlamentarische, eine parlamentarische und eine Referendumsphase unterteilt werden kann (vgl. Sciarni, 2007). Um das Risiko eines Referendums zu senken, wird in der vorparlamentarischen Phase eine öffentliche Konsultation («Vernehmlassung») über Gesetzesentwürfe durchgeführt. Auf Basis der eingegangenen Stellungnahme wird dann der Entwurf überarbeitet, bevor er von der Regierung verabschiedet und an das Parlament übermittelt wird. Sofern nach Annahme eines Gesetzes im Parlament erfolgreich das Referendum ergriffen wird, findet vor Inkrafttreten eine Abstimmung statt. Während der Abstimmungskampagne haben die verschiedenen Akteure die Möglichkeit, die Stimmbürger·innen von ihrer Position zu überzeugen. Dies gibt Verbänden und Bewegungen eine zusätzliche Möglichkeit zur Einflussnahme und schwächt die Rolle der Parteien im politischen Prozess (vgl. Donges & Jarren, 2022: 61, 181-183; Schmidt, 2019: 359-365). Der politische Prozess besteht aus Problemdefinition, politischem Agenda- Setting, Politikformulierung, Politikimplementierung und Politikevaluation. Die Einflussmöglichkeiten verschiedener medienpolitischer Akteure sind je nach Phase unterschiedlich ausgeprägt. 2.2.2.2 Medienpolitische Akteure Akteure mit unterschiedlichen Interessen und ideologischen Vorstellungen versuchen, auf den politischen Prozess Einfluss zu nehmen. Dabei unterscheiden sich die Einflussmöglichkeiten je nach Phase des politischen Prozesses. Akteure zeichnen sich durch folgende Merkmale aus (vgl. Donges & Jarren, 2022: 31-33): Interessen: Akteure haben Interessen und versuchen diese durchzusetzen; Ideologische Vorstellungen: Akteure handeln basierend auf bestimmten Weltanschauungen und Wertvorstellungen; Ressourcen: Akteure verfügen über gewisse Ressourcen (z. B. Geld, Einfluss, Personal, Unterstützer·innen, Mitglieder); Strategiefähigkeit: Akteure besitzen die Fähigkeit, Ressourcen und die sich aus Interessen und ideologischen Vorstellungen ergebenden Ziele mittels einer Strategie zu kombinieren; Selbst- und Fremdbeschreibung: Akteure verstehen sich selbst als Akteur und werden von anderen als Akteur anerkannt. <?page no="50"?> Grundlagen 50 Auch auf Akteure in der Medienpolitik lassen sich diese Merkmale anwenden. Medienpolitische Akteure haben Eigeninteressen, die oftmals auch ökonomischer Natur sind. Ihre Partikularinteressen stellen sie in der politischen Auseinandersetzung manchmal auch so dar, als entsprächen ihre Forderungen dem öffentlichen Interesse der Allgemeinheit, um so ihre eigennützigen Ziele als vorteilhaft für die Gesellschaft erscheinen zu lassen (vgl. McQuail, 1992: 27; Napoli, 2001: 250). Neben Interessen haben medienpolitische Akteure bestimmte ideologische Vorstellungen darüber, wie die öffentliche Vermittlung von Kommunikation durch Medien und Plattformen vonstattengehen und welche Rolle der Staat dabei spielen soll. Konkurrierende Interessen und Ideologien führen zu teils heftigen Auseinandersetzungen über die «richtige» Medienpolitik. Oder, wie es Freedman in seinem Buch mit dem eingängigen Titel «The Politics of Media Policy» ausdrückt: «Media policy […] is a deeply political phenomenon» (Freedman, 2008: 1). Über welche Ressourcen medienpolitische Akteure dann für die Verfolgung ihrer Ziele verfügen, ist aber sehr unterschiedlich. In der Medienpolitik gibt es zahlreiche Akteure mit je eigenen Interessen und ideologischen Vorstellungen, die sie im politischen Prozess durchzusetzen versuchen (vgl. bspw. Jarren, 1998; Kleinsteuber, 1998; Kleinsteuber & Thomaß, 2009; Vowe, 2003): Medienorganisationen (Verlage, private und öffentliche Rundfunkorganisationen, Streamingdienste) und Plattformbetreiber·innen; Distributionsunternehmen (Telekommunikationsfirmen, Kabelnetz- und Satellitenbetreiber·innen), «Over-the-Top»-Anbieter·innen, Werbewirtschaft, Filmproduktionsfirmen und Hersteller·innen von Unterhaltungselektronik; branchenspezifische Interessenverbände wie Verbände von Zeitungsverlagen, Rundfunkveranstaltern oder Medienschaffenden (Gewerkschaften); politische Parteien; Akteure des politisch-administrativen Systems inklusive Regierung, Ministerien, Parlament, Verwaltung, Regulierungsbehörden und Gerichte; zivilgesellschaftliche Akteure wie Bewegungen, Kirchen oder Wissenschaft. Medienorganisationen und Plattformbetreiber·innen, über die in der Medienpolitik entschieden wird, sind also selbst wichtige medienpolitische Akteure (vgl. Freedman, 2008: 87; Kutsch & Ravenstein, 1996; Mansell & Steinmueller, 2020: 84). Das ist nicht ungewöhnlich. Auch in anderen Politikfeldern wie der Gesundheits- oder Verkehrspolitik bringen sich betroffene Unternehmen (z. B. Spitäler oder Bahnunternehmen) im politischen Prozess ein. Sie betreiben Lobbying und Öffentlichkeitsarbeit, können Medien und Plattformen aber nicht direkt kontrollieren. Die <?page no="51"?> Medienpolitik 51 Medien wirken als Resonanzboden und Filter für Anliegen dieser Akteure: Durch die Berichterstattung respektive Nicht-Berichterstattung über ein Thema verteilen sie Chancen auf Aufmerksamkeit und politischen Einfluss. Doch sie tun dies aus publizistischen (sowie kommerziellen und/ oder ideologischen) Gründen und nicht, weil sie selbst von Entscheidungen in diesem Politikfeld betroffen wären. In der Medienpolitik ist das anders. Die betroffenen Unternehmen betreiben zwar auch Lobbying und PR (vgl. Dogruel, Wolf & Knox, 2017). Darüber hinaus kontrollieren sie aber auch die öffentliche Vermittlung von Kommunikation. Sie erzeugen Öffentlichkeit «in einer Situation, in der sie selbst und die sie betreffenden Entscheidungen Gegenstand dieser Öffentlichkeit sind» (Pfetsch, 2003: 237). Eine neutrale Medienberichterstattung über Medienpolitik (z. B. über die Einführung strengerer Mediengesetze) und Probleme im Mediensystem, über welche die Öffentlichkeit nur aus den Medien erfahren könnte, ist aufgrund von Partikularinteressen potenziell gefährdet (vgl. Freedman, 2010). Genauso könnten Plattformen versucht sein, die algorithmische Selektion medienpolitischer Themen in ihrem eigenen Interesse zu beeinflussen. Medien und Plattformen können nicht nur versuchen, eine medienpolitische Entscheidung in die eine oder andere Richtung zu lenken, sondern sie können auch versuchen zu verhindern, dass bestimmte Themen überhaupt politisch diskutiert werden. Die Kritische Politische Ökonomie der Medien ist eine Theorie, die sich für solche Fragen von Macht und Einfluss in der Medienpolitik interessiert (siehe Kapitel 2.4.2.1). Ob sich die Partikularinteressen von Medien und Plattformen aber tatsächlich auf die Medienberichterstattung auswirkt, ist letztlich eine empirische Frage. In der Liste der medienpolitischen Akteure fällt auf, dass jemand fehlt: das Publikum. Obwohl die einzelnen Mitglieder des Publikums von Medienpolitik betroffen sind (und sich als Individuen an Politik beteiligen können), erfüllen sie als Kollektiv die Merkmale eines Akteurs nicht, d. h., das Publikum ist nicht handlungsfähig und kann nicht am medienpolitischen Prozess teilnehmen. «Das Publikum trifft Entscheidungen, verfügt über Ressourcen, orientiert sich an bestimmten Angeboten, doch es ist sich seiner selbst nicht bewusst. […] Mit dem Handeln wird durchaus ein kollektives Ziel, beispielsweise sich zu informieren oder sich zu unterhalten, verfolgt, aber dem Handeln liegt keine vorab ausgemacht Strategie zugrunde» (Donges & Jarren, 2017: 30). Somit fließen Publikumsinteressen, solange sie nicht organisiert werden, nur indirekt in die Medienpolitik ein, beispielsweise in Form von Daten zur Mediennutzung oder wenn andere Akteure von sich behaupten, für das Publikum zu sprechen (vgl. Lunt & Livingstone, 2012: 11). Abhilfe schaffen könnte lediglich <?page no="52"?> Grundlagen 52 die Gründung von Organisationen, die die Nutzer·innen vertreten (vgl. Hasebrink, 2011). Generell sind zivilgesellschaftliche Akteure in der Medienpolitik auch aufgrund fehlender Ressourcen nur unzureichend vertreten (siehe Studie 1). Die medienpolitische Debatte wird dominiert von Unternehmen und ihren Verbänden, Parteien und den Akteuren des politisch-administrativen Systems. Studie 1: Rolle der Zivilgesellschaft in der flämischen Medienpolitik Donders, Van den Bulck und Raats (2019) haben mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse von Dokumenten öffentliche Konsultationsverfahren zu geplanten medienpolitischen Entscheidungen über den flämischen öffentlichen Rundfunk VRT untersucht. Sie kommen zum Schluss, dass der Zusammenhang zwischen den eingereichten Stellungnahmen von Akteuren und den gefällten Entscheidungen völlig unklar ist, und dass die zuständigen politischen Entscheidungsträger·innen Rosinenpickerei betreiben: Sie berücksichtigen nur Stellungnahmen von Akteuren, die ihre eigene Position stützen. Damit dienten Konsultationen erstens zur Legitimation von Entscheidungen, ohne etwas am Inhalt der Entscheidung zu ändern. Zweitens führe dieser fehlende Einfluss zu einer «Consultation Fatigue», weshalb zahlreiche Akteure nicht mehr teilnehmen würden. Und drittens erhielten kommerzielle Medienunternehmen durch Konsultationen eine zusätzliche Möglichkeit, gegen den öffentlichen Rundfunk zu lobbyieren, während zivilgesellschaftlichen Akteuren die Ressourcen (Geld, technische und rechtliche Expertise, persönliches Netzwerk) fehlen würden, um sich erfolgreich einzubringen. Als Fazit halten die Autor·innen deshalb fest: «[M]ultistakeholderism does not necessarily make media policymaking more inclusive but, instead, reinforces (certain) commercial competitors’ interests» (Donders, Van den Bulck & Raats, 2019: 349). Ein Akteur versucht seine Interessen durchzusetzen und handelt basierend auf Ideologien, verfügt über Ressourcen, hat die Fähigkeit, strategisch zu handeln, versteht sich selbst als Akteur und wird von anderen als solcher anerkannt. In der Medienpolitik spielen zahlreiche Akteure eine Rolle, darunter Unternehmen, Interessenverbände, Parteien und staatliche Akteure. Insbesondere die von Medienpolitik betroffenen Medien und Plattformen sind einflussreiche Akteure. Das Publikum hingegen ist kein Akteur. <?page no="53"?> Medienpolitik 53 2.2.3 Policy: Politische Inhalte und Entscheidungen Mit Policy, den politischen Inhalten, sind jene Regeln und Entscheidungen gemeint, welche für allgemein verbindlich erklärt werden sollen. Medienpolitische Entscheidungen «are a product of a political process in which multiple interested stakeholders, each with potentially conflicting interests and different influence tools available to them, attempt to affect policy outcome» (Napoli, 2001: 226). Policies können analytisch in verschiedene Typen differenziert werden. Verbreitet ist die Unterscheidung in distributive, redistributive und regulative Policies (vgl. Lowi, 1964; von Beyme & Weßler, 1998). Während distributive Policies eine (konsensuale) Verteilung von Leistungen darstellen, bei der niemand verliert (z. B. allgemeine Steuererleichterungen), kommt es bei redistributiven Policies zu einer (konflikthaften) Umverteilung von Einkommen und Leistungen (z. B. Sozialhilfe). Regulative Policies beinhalten Vorschriften zur Verhaltensbeeinflussung und stellen damit den «Normalfall» von Politik dar (z. B. Umweltschutzgesetz). Mit Blick auf Medienpolitik finden sich hauptsächlich regulative Policies, die bestimmte Vorschriften für die öffentliche Vermittlung von Kommunikation enthalten. Es gibt aber auch distributive Policies wie beispielsweise Steuererleichterungen für Medienunternehmen und redistributive Policies wie die Finanzierung des öffentlichen Rundfunks. Anders als regulative und distributive Policies sind redistributive Policies meistens hoch umstritten und lösen entsprechend eine umfangreiche Medienberichterstattung aus (vgl. von Beyme & Weßler, 1998). Solche Policies bieten für medienpolitische Akteure damit auch bessere Möglichkeiten, sich in der öffentlichen Debatte zu profilieren. Allgemein verbindliche Regeln und Entscheidungen sind das Ergebnis des politischen Prozesses. Dabei kann zwischen distributiven, redistributiven und regulativen Policies unterschieden werden, die unterschiedlich konfliktiv sind. 2.3 Medienpolitik und Gender Die Genderperspektive spielt in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft eine wichtige Rolle, doch ein Bezug zu Medienpolitik wird selten hergestellt. Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern und aufgrund von Intersektionalität (also der Überschneidung verschiedener Diskriminierungskategorien wie <?page no="54"?> Grundlagen 54 Gender, Sexualität, Race/ Ethnizität und/ oder Klasse) sind aber auch für die Medienpolitik von zentraler Bedeutung: «policy-making is seldom gender-neutral, and […] policy choices may impact differently on women and on men» (Gallagher, 2011: 452). Eine Lösung für solche Ungleichheiten wird im sogenannten Gender-Mainstreaming von Medienpolitik gesehen. Dies bedeutet einerseits sicherzustellen, dass alle Geschlechter sich im politischen Prozess einbringen können, und andererseits, die geschlechtsspezifischen Auswirkungen geplanter Maßnahmen zu prüfen (vgl. Gallagher, 2011; Padovani, 2016; Padovani & Bozzon, 2020). Dennoch stellt eine Beschäftigung mit Geschlechterfragen in der Medienpolitikforschung noch immer die Ausnahme dar (vgl. aber Martin & Goggin, 2016; Nenadic & Ostling, 2017; Padovani, 2016; Padovani & Bozzon, 2020; Sarikakis & Nguyen, 2009; Shade, 2016). Dabei ist eine Genderperspektive auf Medienpolitik nicht nur relevant, sondern eröffnet auch zahlreiche neue Themen und Fragestellungen in allen drei Dimensionen von Politik (vgl. Kantola & Lombardo, 2017: 18-19): Polity: Geschlechterungleichheiten in der Politik werden geprägt durch politische Strukturen, die die Möglichkeiten zu politischem Handeln begrenzen und ermöglichen. Politics: Hinsichtlich des politischen Prozesses lässt sich thematisieren, wie sich Ungleichheiten auf die Repräsentation und Partizipation der Geschlechter auswirken. So ist die Diversität der medienpolitischen Akteure zumeist gering. Auch welche gesellschaftlichen Zustände als Problem wahrgenommen werden, welche Probleme es auf die Agenda schaffen, welche Lösungen vertieft diskutiert werden und wie verabschiedete Maßnahmen implementiert werden hängt zusammen mit Machtunterschieden zwischen den Geschlechtern (vgl. Gallagher, 2011; Padovani, 2016; 2018; Padovani & Bozzon, 2020). Policy: Mit Blick auf die politischen Inhalte geht es darum, ob und wie medienpolitische Maßnahmen Geschlechterungleichheiten adressieren. Beispielsweise kann nach den Auswirkungen von Medienpolitik auf die Konstruktion von Geschlecht in und durch Medien - und damit letztlich auf Geschlechterverhältnisse in der Gesellschaft - gefragt werden. Neben der Repräsentation und stereotypen Darstellung von Frauen in den Medien können aber auch die Untervertretung und Diskriminierung von Frauen in Medienorganisationen, Geschlechterunterschiede im Zugang zu Informationstechnologien oder die Auswirkungen von Algorithmen auf die Geschlechter Gegenstand von Medienpolitik sein (vgl. Gallagher, 2011; Padovani, 2018). <?page no="55"?> Medienpolitik 55 Darüber hinaus wird in der politikwissenschaftlichen Genderforschung argumentiert, dass die Berücksichtigung von Gender in Analysen von Politik ein Neudenken von Theorien und Methoden bedinge, um einen Gender Bias auch in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Politik zu vermeiden (vgl. Kantola & Lombardo, 2017: 4, 9). Die Genderperspektive macht deutlich, dass medienpolitische Prozesse von Geschlechterungleichheiten geprägt sind und dass medienpolitische Maßnahmen unterschiedliche Auswirkungen auf die Geschlechter haben. 2.4 Medienpolitik erklären Die Unterscheidung verschiedener Dimensionen von Medienpolitik hilft dabei, den Blick auf Strukturen, Prozesse oder Inhalte zu lenken. Und der Policy-Zyklus ist ein wichtiges heuristisches Modell (also ein Werkzeug), um einzelne Phasen des politischen Prozesses zu unterscheiden und genauer zu untersuchen. Allerdings ist das Modell eine Vereinfachung der empirischen Realität (so sind Überlappungen zwischen Phasen, eine veränderte Reihenfolge oder auch ein Wegfall von Phasen möglich), das vor allem der Deskription dient. Um erklären zu können, wie und warum bestimmte medienpolitische Entscheidungen zustande kommen oder welche Akteure sich durchzusetzen vermögen, braucht es Theorien. Theorien aus der Politikfeldanalyse bieten Erklärungen, wie politische Prozesse ablaufen und weshalb bestimmte Policies verabschiedet werden oder nicht. Kritische Theorien wie die Kritische Politische Ökonomie fokussieren generell auf gesellschaftliche Machtverhältnisse und können auch auf Medienpolitik angewendet werden. Der Framing-Ansatz schließlich thematisiert, welche Sichtweisen sich in der Medienpolitik durchsetzen. 2.4.1 Theorien aus der Politikfeldanalyse 2.4.1.1 Advocacy-Koalitionen-Ansatz Das ursprünglich von Sabatier und Jenkins-Smith (1993) entwickelte Advocacy Coalition Framework (ACF) ist in der Politikfeldanalyse ein weitverbreiteter An- <?page no="56"?> Grundlagen 56 satz (vgl. Bandelow, 2015; Sabatier & Weible, 2007) und findet auch in der Medienpolitikforschung Beachtung (vgl. Sundet & Syvertsen, 2021; Van den Bulck & Donders, 2014a; 2014b; siehe auch Studie 8 in Kapitel 7.3.2 sowie Studie 16 & Studie 17 in Kapitel 10.1.1.3). Das ACF geht davon aus, dass alle Akteure, die sich innerhalb eines geografischen Raums mit einem bestimmten politischen Problem befassen, zu einem politischen Subsystem gehören (z. B. Medienpolitik in Österreich). Die Akteure in einem Subsystem würden sich auf Basis ihrer Überzeugungen zu konkurrierenden Koalitionen zusammenschließen, um gemeinsam mehr Einfluss auf den politischen Prozess zu haben. Zwischen den Koalitionen kann es Vermittler·innen (Policy Broker) geben, die es ermöglichen, Kompromisse zu finden. Die Überzeugungen (Belief Systems) von Akteuren prägen deren Handeln. Dabei können Überzeugungen in drei Typen mit abnehmender Stabilität differenziert werden: Allgemeine Kernüberzeugungen (Deep Core Beliefs) sind kaum veränderbare Wertvorstellungen und Ansichten über die Welt, Policy-bezogene Kernüberzeugungen (Policy Core Beliefs) sind auf Medienpolitik bezogene Werte und sekundäre Überzeugungen (Secondary Beliefs) sind Präferenzen, mit welchen politischen Instrumenten die Kernüberzeugungen verwirklicht werden sollen. Allerdings wird der Handlungsspielraum der Akteure im politischen Subsystem von stabilen und dynamischen externen Faktoren begrenzt. Zu den stabilen Faktoren gehören Eigenschaften des politischen Systems und des Politikfeldes; leichter verändern können sich hingegen politische Mehrheitsverhältnisse, die Wirtschaftslage, die öffentliche Meinung oder andere politische Subsysteme. Die Vertreter·innen des ACF gehen davon aus, dass sich politischer Wandel nur langsam vollzieht. Zwar sind kleinere politische Veränderungen als Resultat politischen Lernens möglich (bspw. Erfahrungen mit früher verabschiedeten politischen Maßnahmen) und erfordern lediglich eine Verschiebung der präferierten Instrumente zur Lösung des politischen Problems auf Ebene der sekundären Überzeugungen. Doch zu grundlegenden politischen Veränderungen kommt es nur als Reaktion auf Schocks (z. B., wenn sich die dynamischen externen Faktoren durch Wahlen oder eine Wirtschaftskrise verändern). Dann sei es möglich, dass die bisher dominierende Koalition von einer anderen abgelöst werde oder sich Kernüberzeugungen der Akteure änderten. <?page no="57"?> Medienpolitik 57 2.4.1.2 Multiple-Streams-Ansatz Das Multiple Streams Framework (MSF), das auf Kingdon (1995) zurückgeht, erfreut sich in der Politikfeldforschung ebenfalls großer Beliebtheit (vgl. Herweg, 2015; Zahariadis, 2007) und wird auch für Analysen medienpolitischer Prozesse herangezogen (vgl. Herzog & Karppinen, 2014; Jääsaari, 2013; Rashid & Simpson, 2021; Sundet & Syvertsen, 2021; siehe auch Studie 15 in Kapitel 10.1.2.2). Das MSF will erklären, weshalb bestimmte Probleme auf die politische Agenda kommen und weshalb in der Entscheidungsphase bestimmte Lösungsvorschläge eine Mehrheit finden. Kingdon geht davon aus, dass rationale Entscheidungen aufgrund von Ambiguität nicht möglich sind. Vielmehr kommen Entscheidungen zustande, wenn es Policy-Entrepreneuren gelingt, in einem Policy-Fenster (Policy Window) die drei voneinander unabhängig fließenden Problem-, Policy- und Politics-Ströme zu koppeln. Der Problemstrom besteht aus öffentlich wahrgenommenen Problemen, für die eine medienpolitische Lösung gewünscht wird. Der Policy-Strom besteht aus alternativen Lösungen für politische Probleme. Der Politics-Strom verweist auf die Bedeutung politischer Konstellationen und ist beeinflusst von öffentlicher Meinung, Kampagnen von Interessengruppen sowie Zusammensetzung von Regierung und Parlament. Ein Policy-Fenster öffnet sich für kurze Zeit, wenn es ein drängendes Problem gibt oder ein politisches Ereignis (z. B. Wahlen) auftritt. Policy-Entrepreneure versuchen dieses Fenster zu nutzen und die drei Ströme zu koppeln, also ein anerkanntes Problem mit verfügbarer Lösung handlungswilligen politischen Entscheidungsträger·innen zu unterbreiten. Das Zusammentreffen der drei Ströme erhöht die Chance, ein Problem auf die politische Agenda zu setzen oder eine bestimmte Lösung zu verabschieden. Das MSF eignet sich folglich zur Erklärung grundlegenden Politikwandels. 2.4.1.3 Punktiertes-Gleichgewicht-Theorie Bedeutsam ist in der Politikfeldanalyse auch die Punctuated Equilibrium Theory (PET) von Baumgartner und Jones (1993). Diese versucht zu erklären, weshalb lange Perioden von Stabilität (Gleichgewicht) plötzlich von sprunghaftem (punktiertem) Politikwandel unterbrochen werden (vgl. Beyer, Boushey & Breunig, 2015; True, Jones & Baumgartner, 2007). <?page no="58"?> Grundlagen 58 Die Vertreter·innen der PET unterscheiden mit inkrementeller Politik und weitreichendem Wandel zwei Möglichkeiten. Üblicherweise dominiert in einem politischen Subsystem ein bestimmtes Verständnis eines politischen Problems und dessen Lösung (Policy Image), womit eine Gruppe von Akteuren ein Policy- Monopol innehat. Diese Gruppe kann Entscheidungen in einer von ihr dominierten Arena (Policy Venue) fällen, weshalb es nur zu marginalen Änderungen kommt. Wenn Umweltveränderungen (beispielsweise die Digitalisierung) jedoch dazu führen, dass die öffentliche Aufmerksamkeit auf neue Dimensionen eines politischen Problems oder ein völlig neues Thema gelenkt wird, dann kann es zu einem starken Politikwandel kommen: Bestehende politische Maßnahmen werden infrage gestellt, indem das Policy-Monopol durch neue Akteure mit konkurrierenden Vorstellungen von Problemen und Lösungen aufgebrochen wird und sich dadurch auch die Entscheidungsarena verändert. Nach diesem starken Politikwandel kommt es schließlich zu einem neuen Gleichgewicht. 2.4.1.4 Narrative-Policy-Ansatz Von Shanahan, McBeth und Hathaway (2011) sowie Shanahan et al. (2018) wurde das Narrative Policy Framework (NPF) entwickelt. Das NPF fokussiert auf die Rolle von Erzählungen (sogenannten Narrativen) im politischen Prozess. Politische Akteure, die wie im ACF zu konkurrierenden Koalitionen in einem politischen Subsystem gehören, setzen in ihrer Kommunikation (z. B. in Reden, Medienmitteilungen etc.) Narrative strategisch ein, um politische Präferenzen (beispielsweise der Bürger·innen) zu beeinflussen. Damit wird das Ziel verfolgt, auf den politischen Prozess einzuwirken und einer bestimmten Lösung für ein politisches Problem zum Durchbruch zu verhelfen. Dabei ist zwischen Form und Inhalt von Narrativen zu unterscheiden: Form: Ein politisches Narrativ besteht aus einem Schauplatz (dem Kontext des politischen Problems), Figuren (Akteuren), einem Handlungsbogen (dem Ablauf) und einer Moral der Geschichte (der politischen Lösung). Inhalt: Ein politisches Narrativ verwendet bestimmte Erzählstrategien und beruft sich auf bestimmte Überzeugungen. Für Kommunikationswissenschaftler·innen ist nicht neu, dass strategische Kommunikation im politischen Prozess von zentraler Bedeutung ist. Doch in den bisher vorgestellten Ansätzen der Politikfeldanalyse wurde dies kaum beachtet und das NPF bietet eine wichtige Ergänzung. Unklar ist allerdings die Abgrenzung <?page no="59"?> Medienpolitik 59 zum kommunikationswissenschaftlichen Framing-Ansatz (siehe Kapitel 2.4.3). Und dass Medien im NPF als politische Akteure verstanden werden, die selbst strategisch politische Narrative einsetzen, überrascht, ist aber mit Blick auf medienpolitische Analysen interessant. 2.4.1.5 Media-Policy-Field-Ansatz Theorien aus der Politikfeldanalyse werden nicht nur für Untersuchungen medienpolitischer Prozesse herangezogen, sondern mit dem Media Policy Field Approach (MPF) wurde gar ein neuer Ansatz für die Analyse von Medienpolitik entwickelt (vgl. Steen-Johnsen, Sundet & Enjolras, 2019; Sundet, Ihlebæk & Steen- Johnsen, 2020; Ihlebæk & Sundet, 2021; siehe auch Studie 19 in Kapitel 10.2.2.1 & Studie 22 in Kapitel 12.3.4). Dazu wurde das MSF mit einer Theorie aus der Organisationsforschung kombiniert, die davon ausgeht, dass Akteure in einer Branche sich in dominierende und weniger einflussreiche Unternehmen (Incumbents vs. Challengers) unterteilen lassen und Teil eines strategischen Handlungsfelds (Strategic Action Field) sind, welches sich durch eine gemeinsame Vorstellung (Collective Frames) von Zielen, Beziehungen und Regeln auszeichnet. Der MPF versucht zu erklären, wie im Policy-Strom durch ein Zusammenspiel von Branche und Politik Lösungen entstehen. Unter stabilen Rahmenbedingungen gelingt es den dominierenden Unternehmen, eine etablierte Vorstellung des Feldes und ihre eigene machtvolle Position aufrechtzuerhalten. Doch unter dem Druck externer Veränderungen wie beispielsweise der Digitalisierung werden diese Vorstellungen angefochten und bestehende Machtverhältnisse zwischen etablierten Unternehmen und Herausforder·innen kommen ins Wanken. Policy- Entrepreneure können nun versuchen, mittels neuer Vorstellungen über die Funktionsweise des Feldes eine Koalition von Akteuren zu mobilisieren und während eines Policy-Fensters einen Politikwandel herbeizuführen. Ob sie sich gegen die mächtigeren etablierten Unternehmen durchsetzen können, ist aber nicht sicher. Die Autor·innen verweisen diesbezüglich auch auf die Besonderheit, dass von Medienpolitik betroffene Unternehmen über eigene Medien verfügen, mit denen sie die öffentliche Wahrnehmung eines Feldes und von Policies beeinflussen können. Der neue Ansatz hilft dabei zu erklären, weshalb Akteure mit ökonomischer Macht in medienpolitischen Prozessen meist obsiegen, in Umbruchphasen aber auch kleine und neue Marktakteure Einfluss erhalten. <?page no="60"?> Grundlagen 60 2.4.2 Kritische Theorien 2.4.2.1 Kritische Politische Ökonomie der Medien Die Kritische Politische Ökonomie (Critical Political Economy, CPE) der Medien beschäftigt sich mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen und fragt nach den Zusammenhängen zwischen Medien, Kapitalismus und Demokratie. Die CPE stellt die Bedeutung von Medienstrukturen in den Vordergrund: «Critical political economy of media examines how the political and economic organisation (‹political economy›) of media industries affects the production and circulation of meaning, and connects to the distribution of symbolic and material resources that enable people to understand, communicate, and act in the world» (Hardy, 2014: 9). Es handelt sich um einen kritischen Ansatz, der davon ausgeht, dass kapitalistische Medien den Status quo (also die bestehenden Machtverhältnisse und sozialen Ungleichheiten) aufrechterhalten. Entsprechend wird ein Gegensatz zwischen der kommerziellen Institutionalisierung von Medien und den an Medien gerichteten demokratischen Anforderungen postuliert. Die Produktion und Distribution von Medien - dasselbe gilt auch für die Vermittlungsleistung von Plattformen - wird geprägt von Profitstreben, Eigentumsverhältnissen und Herrschaftsstrukturen, was Folgen für die verfügbaren Inhalte und die darin enthaltenen Ideen über die Funktionsweise der Gesellschaft hat. Die Eignung marktlich bereitgestellter Medien, ihre wichtige Rolle in der Öffentlichkeit wahrzunehmen, wird also infrage gestellt und Medienmacht kritisiert (vgl. Hardy, 2014: 62-64; Hesmondhalgh, 2019: 104-107, 430-444; Meier, 2003; Murdock & Golding, 2005). Vertreter·innen der CPE interessieren sich erstens für die Funktionsweise der Medien- oder Kulturindustrie, womit Fragen von Medieneigentum und Medienkonzentration, der Finanzierung von Medien durch Werbung und natürlich der Medienpolitik im Fokus liegen. Dabei geht es explizit auch darum, wie diese Medienstrukturen sich auf die Leistung von Medien und Plattformen auswirken. Zweitens wird die Organisation der kulturellen Produktion in Medienunternehmen thematisiert, und damit auch Arbeitsbedingungen und die kreativen Freiräume des Personals. Und drittens werden die Auswirkungen von unter kapitalistischen Bedingungen produzierten und distribuierten Inhalten auf die Aufrechterhaltung oder Veränderung gesellschaftlicher Machtverhältnisse thematisiert (vgl. Hardy, 2014: 9, 70-71; Hesmondhalgh, 2019: 7-13). <?page no="61"?> Medienpolitik 61 Da Medienstrukturen eine zentrale Bedeutung beigemessen wird, ist es auch wenig überraschend, dass sich die CPE für medienpolitischer Prozesse und Entscheidungen interessiert, die diese Strukturen prägen: «[T]he outcome of policy decisions affecting how communications resources and services are organised are immensely important. […] If policy matters to CPE because of outcomes, analysts have also been concerned to examine how policy-making processes influence those outcomes. […] policy is political action marked by conflict» (Hardy, 2014: 177-178). Zum einen betont die CPE, dass Medienpolitik nicht in Widerspruch zu freien Medien und freien Märkten steht, wie dies Medienunternehmen häufig behaupten. Denn auch «freie Medienmärkte» existieren schließlich nicht einfach so, sondern existierende Medienstrukturen werden durch Medienpolitik bewusst gestaltet (siehe Kapitel 1.2). Für kritische Politökonom·innen geht es damit nicht um die Frage, ob Medienpolitik wünschenswert ist oder nicht, sondern darum, welche Medienpolitik hergestellt und durchgesetzt wird - und in wessen Interesse diese liegt. Dabei ist auch der Verzicht auf eine bestimmte medienpolitische Maßnahme eine bewusste politische Entscheidung, mit der Medienstrukturen geprägt werden. Und da Medienstrukturen das Resultat von Medienpolitik sind, lassen sie sich auch ändern (vgl. Baker, 2007: 202; Freedman, 2010; Hardy, 2014: 64; McChesney, 2008: 135, 139). Zum anderen lässt sich mit der CPE untersuchen, wie von Medienpolitik betroffene Medien und Plattformen Einfluss auf den politischen Prozess nehmen. Während viele Theorien zwar anerkennen, dass die im Wettbewerb miteinander stehenden politischen Akteure nicht über die gleichen Ressourcen und Einflussmöglichkeiten verfügen, wird dennoch davon ausgegangen, dass kein einzelner Akteur den Prozess dominieren kann. Doch aus Sicht der CPE ist das in der Medienpolitik nicht der Fall. Zwar seien viele Akteure am politischen Prozess beteiligt, doch sei dieser dennoch undemokratisch, da er von den betroffenen Medien dominiert werde (vgl. Freedman, 2008: 80-104; siehe auch Studie 2). Die CPE kritisiert zudem, dass viele Theorien nur auf die direkte Ausübung von Macht in konkreten Entscheidungssituationen fokussieren würden. Neben diesem ersten gibt es aber auch ein zweites «Gesicht» (oder Dimension) von Macht (vgl. Bachrach & Baratz, 1962): Akteure können versuchen zu verhindern, dass ein bestimmtes Thema überhaupt auf die medienpolitische Agenda kommt (das Thema wird damit zu einem «Non-Issue» gemacht), womit auch nicht darüber entschieden werden muss (Nicht-Entscheidung oder «Non-Decision-Making»). <?page no="62"?> Grundlagen 62 Studie 2: Einfluss von Medienunternehmen auf die Medienpolitik Freedman (2008) untersucht in seinem Buch «The Politics of Media Policy» anhand ausgewählter Fallbeispiele die Medienpolitik in Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Dabei widmet er sich auch der Funktionsweise des medienpolitischen Prozesses. Auch wenn von offizieller Seite die Bedeutung von Wettbewerb, Transparenz und Expert·innenwissen betont werde, sehe die empirische Realität anders aus: Nur eine kleine Elite von Akteuren habe wirklich Einfluss (darunter die Medien selbst); der Prozess sei intransparent und von Lobbying geprägt; Expert·innenwissen werde selektiv ausgewählt und diene als Grund, um Akteure, die sich keine eigene Forschung leisten können, vom Prozess auszuschließen. Deshalb komme es zu einer «Neoliberalisierung» der Medienpolitik, die im Interesse der Medienunternehmen auf minimale Eingriffe in Medienmärkte setzt. Macht in diesem Sinne besteht aus der Kontrolle der politischen Agenda, was das Fernhalten von unliebsamen Themen aus der politischen Diskussion erlaubt (vgl. Freedman, 2010). Und hier kommt die Besonderheit ins Spiel, dass in der Medienpolitik Medien eigene Interessen verfolgen: «[T]he corporate media are in an ideal position to control the public perception, or lack thereof, of any possible debate regarding the control and structure of the media. The media have shown two basic responses to efforts to challenge their legitimacy. First, they simply ignore the issue or provide it minimal coverage. […] Second, the […] media distort the issues to suit their own purposes» (McChesney, 2008: 350). Dadurch, dass medienpolitische Themen in der Medienberichterstattung nicht («Media Policy Silence») oder nur verzerrt («Media Policy Bias») behandelt werden, können Medien starken Einfluss auf das politische Agenda-Setting und damit auf die Realisierungschancen einer bestimmten Medienpolitik ausüben (vgl. Ali & Puppis, 2018; Freedman, 2010). Studien konnten eine verzerrte Berichterstattung immer wieder nachweisen (vgl. bspw. Beck, 2001; Kemner, Scherer & Weinacht, 2008; Löblich, 2011; Maier & Dogruel, 2016; Udris et al., 2021; Weiß, 1986; siehe auch Studie 12 in Kapitel 9.4.2 & Studie 14 in Kapitel 10.1.1.2). Doch Macht kann nicht nur durch intentionales Handeln ausgeübt werden, weshalb noch ein drittes «Gesicht» der Macht identifiziert werden kann (vgl. Lukes, 2005 [1974]: 25-29). Die in einer Gesellschaft vorherrschende Ideologie prägt, <?page no="63"?> Medienpolitik 63 was überhaupt als Problem erachtet wird und welche Lösungen in Betracht gezogen werden. Für die Medienpolitik ist das folgenreich, denn «the corporate media have actively cultivated […] the ideology that the status quo is the only rational media structure for a democratic and freedom-loving society» (McChesney, 2008: 345). Damit werden Alternativen zu den existierenden Medienstrukturen und entsprechende medienpolitische Maßnahmen kaum diskutiert oder als Angriff auf die Medienfreiheit diskreditiert (vgl. Ali & Puppis, 2018; Freedman, 2010). 2.4.2.2 Kritische Diskursanalyse Die Kritische Diskursanalyse ist nicht eine einheitliche Theorie, sondern umfasst verschiedene theoretische Perspektiven, die sich kritisch mit Diskursen auseinandersetzen, weshalb unterdessen auch von Critical Discourse Studies (CDS) die Rede ist. In Studien zur Medienpolitik kommen Diskursanalysen ebenfalls zum Einsatz (vgl. Ali, 2017; Lentz, 2013). Die CDS gehen davon aus, dass Herrschaft durch Diskurse ausgeübt wird, weshalb Machtstrukturen analysiert werden, die sich in der von Akteuren verwendeten Sprache manifestieren. So soll aufgezeigt werden, wie mächtige Akteure Sprache benutzen, um ihre Interessen durchzusetzen. Dabei ist aber zentral, dass Diskurse nicht einfach nur von gesellschaftlichen Strukturen geprägt werden, sondern diese auch schaffen, aufrechterhalten oder verändern (vgl. Wodak & Meyer, 2016). Auf Medienpolitik übertragen bedeutet dies, dass Diskurse Machtverhältnisse nicht nur verschleiern können, sondern für ihre Aufrechterhaltung konstitutiv sind (vgl. Streeter, 2013). Zwar kann mit Diskursanalysen gezeigt werden, dass mächtige Akteure ihre ökonomischen Interessen hinter anderen Aussagen verstecken (beispielsweise indem Medienfreiheit als Argument gegen neue medienpolitische Maßnahmen verwendet wird, obwohl es nur um ökonomische Eigeninteressen geht). Doch viel grundlegender ist die Erkenntnis, dass durch Diskurse erst die Voraussetzungen für bestimmte Medienstrukturen geschaffen werden: «Policy discourse often plays a role in making market relations make sense» (Streeter, 2013: 495). Denn durch die Verwendung von Sprache - beispielsweise das Fehlen bestimmter Ideen oder den Einsatz populärer, aber mehrdeutiger Begriffe - werden medienpolitische Entscheidungen beeinflusst. <?page no="64"?> Grundlagen 64 2.4.3 Framing-Ansatz Neben Theorien aus der Politikfeldanalyse und kritischen Theorien findet auch der Framing-Ansatz für medienpolitische Analysen Verwendung. Während das Medien-Agenda-Setting anschaut, welche Themen es in die Medien schaffen, interessiert sich der Framing-Ansatz für die «Rahmung» von Themen in den Medien. Dadurch, dass bestimmte Aspekte eines Themas hervorgehoben oder vernachlässigt werden, werden den Nutzer·innen gewisse Bewertungen und Entscheidungen nahegelegt. Entsprechend versuchen politische Akteure, ihre «Frames» in die Medien zu bringen und damit öffentliche Unterstützung für ihre Anliegen zu generieren (vgl. Hänggli, 2020: 5, 21-22; Matthes, 2012). Frames sind also ausgewählte Sichtweisen auf ein Thema und bestehen aus einer Problemdefinition, einer Ursachenzuschreibung, einer Bewertung und einer Handlungsempfehlung (vgl. Entman, 1993: 52). Der Ansatz eignet sich einerseits, um Frames in der Berichterstattung über Medienpolitik zu untersuchen (vgl. Löblich, 2011; Schejter & Obar, 2009; siehe auch Studie 14 in Kapitel 10.1.1.2). Anders als in anderen Politikfeldern sind Medien in der Medienpolitik selbst politische Akteure mit Eigeninteressen (siehe Kapitel 2.2.2.2), was sich auf das Framing medienpolitischer Themen auswirken kann. Andererseits kann die strategische Kommunikation medienpolitischer Akteure analysiert werden, mit der diese ihre Frames in Medien und Öffentlichkeit etablieren wollen (sogenanntes Frame-Building), um so eine medienpolitische Entscheidung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Politische Akteure müssen beispielsweise entscheiden, wie viel Gewicht sie substanziellen Frames (die sich auf Policy beziehen, also das gerade diskutierte medienpolitische Thema) oder Wettbewerbsframes (die sich auf Politics beziehen, also den Wettbewerb zwischen verschiedenen Akteuren) geben wollen, oder welche Frames für interne und für öffentliche Kommunikation verwendet werden sollen (vgl. Hänggli, 2020: 24-35). Theorien aus der Politikfeldanalyse bieten Erklärungen, wie medienpolitische Prozesse ablaufen und weshalb bestimmte medienpolitische Maßnahmen verabschiedet werden oder nicht. Kritische Theorien wie die Kritische Politische Ökonomie interessieren sich für gesellschaftliche Machtverhältnisse und können auch auf Medienpolitik angewendet werden. Der Framing-Ansatz schließlich untersucht die Rahmung von Medienpolitik in öffentlichen Debatten. <?page no="65"?> Medienpolitik 65 Übungen 1. Definieren Sie Medienpolitik. 2. Erläutern Sie anhand der unterschiedlichen politischen Strukturen, wie sich der politische Prozess in Deutschland und Österreich von jenem in der Schweiz unterscheidet. 3. Begründen Sie anhand der verschiedenen Merkmale von Akteuren, weshalb das Publikum kein Akteur ist. 4. In der Medienpolitik sind Medien politische Akteure mit eigenen Interessen, die über andere Einflussmöglichkeiten verfügen als von Politik betroffene Unternehmen in anderen Politikfeldern. Überlegen Sie sich, inwiefern die verschiedenen vorgestellten Theorien dieser Besonderheit Rechnung tragen. Literaturtipps Braman, S. (2004). Where has Media Policy gone? Defining the Field in the Twenty- First Century. Communication Law & Policy, 9(2), 153-182. Braman leitet her, wie sich Medienpolitik angesichts der zahlreichen Veränderungen im Medien- und Kommunikationssektor sinnvoll definieren lässt. Freedman, D. (2008). The Politics of Media Policy. Cambridge: Polity Press. [Kapitel 1, 2 & 4] Neben Grundlagen der Medienpolitik diskutiert Freedman in seinem Buch, welche Akteure Einfluss auf den medienpolitischen Prozess haben. Jann, W., & Wegrich, K. (2014). Phasenmodelle und Politikprozesse: Der Policy- Cycle. In K. Schubert & N. C. Bandelow (Hrsg.), Lehrbuch der Politikfeldanalyse (3. Auflage, S. 97-132). München: De Gruyter Oldenbourg. Eine gut verständliche Einführung in die verschiedenen Phasen des Policy-Zyklus. <?page no="67"?> 67 3 Medienregulierung Inhalt und Lernziele Nach einer Definition des Begriffs der Medienregulierung stellt das folgende Kapitel verschiedene Modelle der Medienregulierung vor und diskutiert deren Entwicklung. Dabei stehen insbesondere die Liberalisierung von Rundfunk und Telekommunikation, die Bedeutung von Regulierungsbehörden sowie die Konvergenz verschiedener Distributionstechnologien im Fokus. Eine Vorstellung verschiedener Theorien zur Erklärung von Medienregulierung schließt das Kapitel ab. Nach diesem Kapitel können Sie Regulierung und Medienregulierung definieren. Unterschiede zwischen drei Modellen der Medienregulierung aufzeigen. Ursachen und Folgen der Liberalisierung und Konvergenz im Medien- und Kommunikationssektor darlegen. die Entstehung und Aufgaben von Regulierungsbehörden erläutern. den Nutzen verschiedener Theorien für die Erklärung von Medienregulierung beurteilen. 3.1 Was ist Medienregulierung? Bisher haben wir den Begriff der Politik kennengelernt, der auf den (je nach politischen Strukturen anders funktionierenden) politischen Prozess der Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regeln und Entscheidungen und die daran beteiligten Akteure fokussiert. Doch wir können uns auch die Instrumente, mit denen bestimmte politische Ziele erreicht werden sollen, etwas genauer anschauen. Vedung (1998: 29-30) unterscheidet mit Geboten/ Verboten, ökonomischen Anreizen und Information - oder umgangssprachlich «the stick, the carrot, and the sermon» (Peitsche, Zuckerbrot und Predigt) - drei Arten von Instrumenten, die der Staat einsetzen kann, um Handeln zu beeinflussen oder Risiken zu bewältigen: <?page no="68"?> Grundlagen 68 Gebote und Verbote sind Regeln, die bestimmte Handlungen verpflichtend vorschreiben oder untersagen. Beispiele wären etwa die obligatorische Schulpflicht oder das Verbot, bei Rot über die Straße zu gehen. Ökonomische Anreize machen es billiger oder teurer, bestimmte Handlungen zu vollziehen, erzwingen aber nicht eine bestimmte Handlung. So können für erwünschte Handlungen Subventionen gesprochen werden und für unerwünschte Handlungen (z. B. Umweltverschmutzung) höhere Steuern anfallen. Informationen sollen Akteure durch das Aufzeigen von Konsequenzen von bestimmten Handlungen überzeugen (z. B. Safer Sex praktizieren) oder abbringen (z. B. Rauchen unterlassen). Zudem kann auch versucht werden, Handlungen durch die Kommunikation von Erwartungen gegenüber der regulierten Branche und durch «Naming and Shaming» zu beeinflussen (vgl. Yeung, 2005; siehe auch Studie 3). In der Steuerungstheorie, die in der deutschsprachigen Forschung ein wichtiger Ansatz zur Analyse staatlicher Interventionen ist, wird ähnlich zwischen den «Steuerungsmedien» Macht, Geld und Wissen differenziert (siehe Tab. 3). Dabei wird argumentiert, dass in modernen Gesellschaften viele Probleme nicht mehr mit Geboten und Verboten oder finanziellen Anreizen gelöst werden können. Vielmehr müsse der Staat den Akteuren in den gesellschaftlichen Teilsystemen Wissen zur Problemlösung zur Verfügung stellen (vgl. Willke, 2001). Die Trennung ist dabei eine rein analytische, denn für das politische System bildet Macht die Grundlage für den Einsatz anderer Steuerungsmedien. Tab. 3: Steuerungsmedien, -programme und -instrumente Steuerungsmedien Steuerungsprogramme Steuerungsinstrumente Macht Regulative Programme Gebote, Verbote Geld Anreizprogramme Positive oder negative finanzielle Anreize Wissen Kommunikative Programme Information, Überzeugung Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Donges (2002: 150) In der Literatur gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, welche dieser Instrumente unter den Begriff der Regulierung fallen. Basierend auf Baldwin, Cave und Lodge (2012: 3) lassen sich ein enges und weites Verständnis von staatlicher Regulierung unterscheiden: <?page no="69"?> Medienregulierung 69 Ein enges Verständnis begreift staatliche Regulierung als Menge von Anordnungen und beschränkt den Begriff auf Gebote und Verbote (sogenannte «Command and Control Regulation») für das Handeln von Akteuren. Andere Arten staatlicher Einflussnahme werden nicht erfasst. Ein weites Verständnis hingegen versteht staatliche Regulierung als bewussten Staatseinfluss und umfasst nicht nur Gebote und Verbote, sondern auch andere Instrumente wie das Setzen ökonomischer Anreize oder die Bereitstellung von Informationen zur Problemlösung. Beide Sichtweisen haben ihre Berechtigung. Hier wird dem weiten Verständnis gefolgt, das alle drei Instrumente umfasst, mit denen Staaten intervenieren. Definitionen von Regulierung betonen zwei weitere wichtige Aspekte. Einerseits impliziert Regulierung die Intention, Handeln zu beeinflussen oder Risiken zu bewältigen, um vorher festgelegte politische Ziele zu erreichen (vgl. Black, 2002; 2014). Andererseits bezieht sich Regulierung nicht nur auf die Festlegung von Regeln, sondern auch auf die Aufsicht über deren Einhaltung und die Sanktionierung allfälliger Verstöße (vgl. Black, 2002; Koop & Lodge, 2017; Yeung, 2018). Damit kann staatliche Regulierung definiert werden als intentionaler Versuch der Beeinflussung von Handeln oder Bewältigung von Risiken mittels Geboten/ Verboten, finanziellen Anreizen und Informationen zur Erreichung politisch festgelegter Ziele, was die Festlegung von Regeln, die Aufsicht über ihre Einhaltung und die Sanktionierung von Regelverstößen umfasst. Studie 3: Regulierung durch Kommunikation Puppis et al. (2014) haben untersucht, wie in Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und Irland Regulierungsbehörden im Rundfunk-, Telekommunikations- und Finanzsektor Kommunikation zur Regulierung einsetzen. Basierend auf qualitativen Expert·inneninterviews mit Vertreter·innen von Regulierungsbehörden und Branchenverbänden sowie quantitativen Inhaltsanalysen von Pressemitteilungen der Regulierungsbehörden zeigt die Studie auf, dass es deutliche Unterschiede zwischen Ländern und Sektoren beim Einsatz von öffentlicher Kommunikation als Regulierungsinstrument gibt. Vor allem im Finanzsektor wird Kommunikation verwendet, um Erwartungen an das Handeln regulierter Unternehmen zu transportieren. Ein «Naming and Shaming» von Unternehmen, die gegen Regeln verstoßen, ist hingegen selten und findet sich vor allem im britischen Finanzsektor. Offen bleibt allerdings, inwiefern dieses öffentliche an den Pranger stellen auch Wirkung zeigt. <?page no="70"?> Grundlagen 70 Von staatlicher Regulierung zu unterscheiden ist hingegen die direkte staatliche Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen. Auch wenn dies bis in die 1980er- Jahre hinein von größerer Bedeutung war als heute (siehe Kapitel 3.2.2), so erbringen öffentliche anstelle privater Unternehmen immer noch zahlreiche Angebote selbst, beispielsweise in der Wasser- und Energieversorgung oder im öffentlichen Personenverkehr. Das ist aber etwas anderes, als das Handeln von Unternehmen und Individuen zu regulieren (vgl. Vedung, 1998). Dieses Verständnis von Regulierung lässt sich natürlich auch auf die öffentliche Vermittlung von Kommunikation durch Medienorganisationen und Plattformen übertragen. Während Medienpolitik sich breit mit medienpolitischen Auseinandersetzungen zwischen Akteuren mit je unterschiedlichen Interessen und Vorstellungen über wünschenswerte Medienstrukturen beschäftigt, ist Medienregulierung ein engeres Konzept, das auf die konkreten Instrumente fokussiert, mit denen Medienstrukturen und die Vermittlung von Kommunikation gestaltet werden (vgl. Freedman, 2008: 13-14). Staatliche Medienregulierung bezeichnet folglich den intentionalen Versuch der Beeinflussung von Handeln oder Bewältigung von Risiken zur Erreichung medienpolitischer Ziele mittels Geboten/ Verboten, finanziellen Anreizen und Informationen, was neben der Festlegung von Regeln für die von Medienorganisationen und Plattformen erbrachte Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation auch die Aufsicht über die Einhaltung der Regeln und die Sanktionierung von Regelverstößen umfasst. Staatliche Medienregulierung bezeichnet den intentionalen Versuch der Beeinflussung von Handeln oder Bewältigung von Risiken zur Erreichung medienpolitischer Ziele mittels Geboten/ Verboten, finanziellen Anreizen und Informationen und umfasst Regelsetzung, Aufsicht und Sanktionierung. 3.2 Entwicklung der Medienregulierung In der Medienregulierung haben sich unterschiedliche Modelle für Printmedien, Netzbetreiber·innen und Rundfunk herausgebildet, die über relativ lange Zeit Bestand hatten. Im Folgenden wird dargestellt, wie diese Modelle entstanden sind und wie sie sich entwickelt haben. Während die Liberalisierung der 1970er- und 1980er-Jahre zwar zu massiven Veränderungen in der Regulierung geführt hat, stellt die durch die Digitalisierung möglich gewordene Konvergenz die Abgrenzung in drei unterschiedliche Modelle ganz grundsätzlich infrage. <?page no="71"?> Medienregulierung 71 3.2.1 Modelle der Medienregulierung In absolutistischen Staaten unterlagen Zeitungen einer strengen Kontrolle mittels Lizenzierung und Zensur. Dies änderte sich erst ab Ende des 18. Jahrhunderts. Die Pressefreiheit ist einer der Grundpfeiler moderner demokratischer Staaten und eng verbunden mit dem Niedergang vordemokratischer Eliten (dem «ancien régime») und der zunehmenden sozialen und politischen Macht der kapitalistischen Mittelklasse (vgl. Humphreys, 1996: 18-21). Pressefreiheit ist letztlich die Umwandlung des Rechts auf individuelle Meinungsäußerungsfreiheit in das (wirtschaftliche) Recht, ein Verlagsunternehmen zu betreiben. Neben diesem Verzicht auf die Einschränkung der Publikationsfreiheit meint Pressefreiheit aber auch einen Verzicht auf Zensur der Inhalte. Beides sind Voraussetzungen für freie politische Debatten in den Zeitungen und damit für politische Partizipation (vgl. Humphreys, 1996: 21-22; McQuail, 1992: 103-104). Der Staat ist aber nicht die einzige Gefahr für die Pressefreiheit: Zeitungen werden von Unternehmen mit eigenen ökonomischen und politischen Interessen herausgegeben und die Vielfalt der Meinungen steht durch Konzentrationsprozesse erheblich unter Druck. Dennoch ist der Pressesektor bis heute von einer starken staatlichen Zurückhaltung geprägt (vgl. van Cuilenburg & McQuail, 2003). Von der Entstehung einer eigentlichen Medienpolitik und davon abgeleiteter Medienregulierung kann allerdings erst mit der Markteinführung elektronischer Kommunikationstechnologien Mitte des 19. Jahrhunderts gesprochen werden (vgl. van Cuilenburg & McQuail, 2003). Zum Zeitpunkt der Erfindung von Telegrafie und Telefonie war das Postwesen ein staatliches Monopol. Grund hierfür war die hohe militärische und sicherheitspolitische Relevanz, die dem Briefverkehr zugeschrieben wurde. Diese staatliche Lösung erlaubte eine direkte Kontrolle über die Kommunikationsflüsse in den einzelnen Ländern. Die in den 1830er-Jahren eingeführte Telegrafie wurde «fast ausschließlich als militärisches Kommunikationsinstrument wahrgenommen» (Schneider, 1999: 253). Auf dem europäischen Festland bildete die Telegrafie deshalb von Beginn an eine Organisationseinheit innerhalb der Militär- oder der allgemeinen Staatsverwaltung und wurde später mit dem Postwesen zusammengelegt. In Großbritannien entstanden zwar private Telegrafieunternehmen, wurden dann aber verstaatlicht und ebenfalls in die Post integriert. In Nordamerika hingegen wurde die Telegrafie von einem Monopol resp. Oligopol privater Firmen bereitgestellt. Bei der Telefonie war ein institutioneller Start außerhalb des staatlichen Bereichs die Regel. Dies lag auch daran, dass das Telefon vom Staat <?page no="72"?> Grundlagen 72 erst später als ein funktionales Äquivalent zur Telegrafie erkannt wurde. Dass private Märkte auch im Telefonbereich nur ein vorübergehender Zustand waren, hatte allerdings einen weiteren Grund: Aufgrund der hohen Fixkosten für den Aufbau des Telefonnetzes endete der private Wettbewerb mehrerer Unternehmen immer in einem privaten Monopol. «Reine Privatmonopole waren auf lange Sicht politisch inakzeptabel. Sie verlangten überhöhte Gebühren, orientierten ihren Netzausbau nur an Gewinnerwartungen und vernachlässigten bestimmte infrastrukturelle Bedürfnisse» (Schneider, 1999: 254). In Europa wurden die privaten Monopole verstaatlicht und zusammen mit Briefpost und Telegrafie in einer staatlichen Post-, Telefon- und Telegrafengesellschaft (PTT) organisiert. In den USA hingegen wurde das Telefoniemonopol der «American Telephone and Telegraph Company» (AT&T) staatlich reguliert (vgl. Schneider, 1999: 244-258; van Cuilenburg & McQuail, 2003). Seit Beginn des 20. Jahrhunderts existierte damit ein Modell der Telekommunikationsregulierung mit den beiden Ausprägungen staatlich reguliertes Privatmonopol in den USA und staatliches Monopol in Westeuropa (vgl. Hardy, 2008: 139; Latzer, 1997: 54; van Cuilenburg & McQuail, 2003). «This was in keeping with the wider pattern of American exceptionalism - little soccer and socialism, no PTT» (Drake, 2000: 129). Dieses Regulierungsmodell diente der Errichtung einer flächendeckenden Kommunikationsinfrastruktur, zu der alle Bürger·innen einen fairen Zugang zu angemessenen Preisen hatten, um so die nationale Identität und wirtschaftliche Entwicklung zu fördern (vgl. Hesmondhalgh, 2019: 143). Pressefreiheit in Deutschland, Österreich und der Schweiz In der Schweiz begann mit dem Einmarsch französischer Truppen 1798 der 50 Jahre dauernde Übergang zu einem liberalen demokratischen Nationalstaat. Ein Bürgerkrieg, der Sonderbundskrieg, führte 1848 zur Gründung des Schweizer Bundesstaates und damit zur Ausdehnung der Pressefreiheit auf alle Kantone. Mit dem Erstarken des Bürgertums in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Pressegesetze sogar in Ländern gelockert, die weiterhin autoritär regiert wurden. In der Donaumonarchie wurde die Vorzensur 1862 abgeschafft. Im Wilhelminischen Kaiserreich wurden die Lizenzierung von Zeitungen und die Vorzensur 1874 beseitigt. Allerdings kam es während beider Weltkriege wieder zu Einschränkungen der Pressefreiheit und unter der NS- Diktatur zur Gleichschaltung der Presse. Heute ist die Pressefreiheit in Deutschland in Art. 5 des Grundgesetzes, in Österreich in Art. 13 des Staatsgrundgesetzes und in der Schweiz in Art. 17 der Bundesverfassung garantiert. <?page no="73"?> Medienregulierung 73 Beim Radio - und später auch beim Fernsehen - waren von Beginn weg nicht nur knappe Funkfrequenzen, sondern auch gesellschaftlich-politische Gründe ausschlaggebend für Regulierung, denn dem Rundfunk wurden starke Wirkungen auf die Nutzer·innen unterstellt. Nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen mit Rundfunkpropaganda in faschistischen Staaten und mit Zeitungsmonopolen wurde zwischen und nach den Weltkriegen in den meisten Ländern Westeuropas entschieden, dass der Rundfunk nicht in die Hände weniger privater Eigentümer·innen fallen soll. Die Erfahrungen aus der Kriegszeit und die Befürchtung einer einseitigen politischen Berichterstattung führten zur Institutionalisierung öffentlicher Rundfunkorganisationen, die über lange Zeit ein Monopol besaßen. In den USA hatten sich die politischen Rahmenbedingungen ebenfalls verändert. Zwar wurde der Rundfunk von wenigen privaten Unternehmen betrieben, diese unterlagen jedoch strenger Regulierung. So bestand die Pflicht zu ausgewogener Berichterstattung, in der eine Vielfalt von Standpunkten abgebildet wird (vgl. Hardy, 2008: 42-47; Pickard, 2014; van Cuilenburg & McQuail, 2003). In der Medienregulierung lassen sich folglich drei verschiedene Regulierungsmodelle unterscheiden, die sich durch unterschiedliche Zielsetzungen und Markteingriffe auszeichnen (vgl. Pool, 1983): Das Printmedienmodell für die Presse, das Netzbetreiber·innen- oder «Common-Carrier»-Modell für die Telekommunikation und das Rundfunkmodell für Radio und Fernsehen (siehe Tab. 4). Printmedienmodell: Der Marktzugang unterliegt keinen staatlichen Einschränkungen. Von ökonomischen Hürden abgesehen (Markteintrittsbarrieren durch hohe Fixkosten für Produktion und Distribution) steht es allen frei, eine Zeitung herauszugeben. Auf Seite der Nutzer·innen besteht ebenfalls ein freier Zugang zu den verbreiteten Inhalten. Die Inhalte unterliegen keiner staatlichen Regulierung (von strafrechtlich relevanten Aspekten abgesehen) und werden gänzlich der Selbstregulierung überlassen. Allerdings wird in vielen Mediensystemen versucht, die Pressevielfalt zu erhalten oder zu fördern, indem Pressekonzentration beschränkt (siehe Kapitel 9.4) und die Presse mit Subventionen unterstützt wird (siehe Kapitel 10.2). Netzbetreiber·innenmodell: Die Regulierung in der Telekommunikation befasst sich mit der Infrastruktur (siehe Kapitel 12), nicht aber mit den übertragenen Inhalten. Alle Nutzer·innen können selbst Inhalte übermitteln, deren Empfang ist aber auf ausgewählte Adressat·innen (z. B. die angerufenen Personen) beschränkt. Für das Internet war das «Common-Carrier»-Modell in der Anfangszeit ebenfalls prägend, da die elektronische Kommunikationsinfrastruktur auch Zugang zum Internet bietet. <?page no="74"?> Grundlagen 74 Rundfunkmodell: Radio und Fernsehen unterliegen einer starken Regulierung der Infrastruktur (siehe Kapitel 12.3.2) und (teilweise) der Inhalte (siehe Kapitel 11). Auch der Marktzugang ist eingeschränkt: Um selbst einen Rundfunksender zu betreiben, ist in vielen Mediensystemen immer noch eine vom Staat vergebene Lizenz oder Konzession nötig (siehe Kapitel 9.1). Der Zugang der Nutzer·innen zu Rundfunkinhalten wird hingegen nicht staatlich beschränkt. Zudem greifen Staaten in den Rundfunksektor durch die Regulierung von Medienkonzentration (siehe Kapitel 9.4), die Einrichtung eines öffentlichen Rundfunks (siehe Kapitel 10.1) und die Förderung privater Anbieter·innen (siehe Kapitel 10.2) ein. Tab. 4: Modelle der Medienregulierung Printmedien Netzbetreiber·innen Rundfunk Infrastrukturregulierung keine stark stark Inhaltsregulierung keine keine stark Zugang Sender·in offen offen geschlossen Zugang Empfänger·in offen geschlossen offen Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Latzer (1997: 175) und McQuail & Deuze (2020: 258) Das grundlegende Kriterium für die Unterscheidung dieser drei Modelle ist die verwendete Distributionstechnologie. Allerdings ist eine getrennte Regulierung keine zwingende Konsequenz verschiedener Technologien: «There is no intrinsic reason for the variations in the degree of freedom or the strict allocation of different means of distribution to different forms of control» (van Cuilenburg & McQuail, 2003: 191). Weder bestimmt eine Technologie, wie Regulierung aussehen soll, noch war diese Trennung in verschiedene Modelle im Voraus geplant. Es existiert eine Reihe von Gründen für die Entstehung der drei Modelle (vgl. Feintuck & Varney, 2006: 80-81; McQuail & Deuze, 2020: 258; van Cuilenburg & McQuail, 2003): <?page no="75"?> Medienregulierung 75 Historische und politische Umstände zur Zeit der Einführung der verschiedenen Distributionstechnologien können die Entstehung verschiedener Regulierungsmodelle teilweise erklären. Zeitungen können sich anders als der Rundfunk auf die hart umkämpfte und gewonnene Pressefreiheit berufen; Telegrafie und Telefonie wurden Jahrzehnte vor dem Rundfunk eingeführt. Das Ausmaß der Regulierung hängt von dem einem Medium zugeschriebenen Einfluss auf die Gesellschaft ab. Rundfunkinhalten etwa wurden starke Wirkungen unterstellt, weshalb Radio und Fernsehen stärker reguliert werden. Der Regulierungsgrad wird davon beeinflusst, wie gut sich Regulierung bei verschiedenen Distributionstechnologien durchsetzen lässt. Die Stärke von Regulierung wird davon berührt, ob eine Verteilung knapper Ressourcen (z. B. Frequenzen) notwendig ist. Zufall, historische Umstände sowie Interessen von Industrie und Staat führten folglich zu diesen drei verschiedenen Regulierungsmodellen im Mediensektor und nicht einfach die für die Distribution benutzte Technologie. In der Medienregulierung können drei Modelle unterschieden werden. Die Printmedien werden aus historischen Gründen kaum reguliert. Die Telekommunikation unterliegt einer Regulierung der Infrastruktur, nicht aber der Inhalte. Und im Rundfunk wurden von Beginn an sowohl Infrastruktur als auch Inhalte und Marktzugang reguliert. 3.2.2 Liberalisierung: Übergang zu Wettbewerb 3.2.2.1 Deregulierung, Privatisierung und Reregulierung Als eine weltweite Wirtschaftskrise dem seit Ende des Zweiten Weltkriegs andauernden Aufschwung in den 1970er-Jahren ein Ende setzte, wurde vermehrt Kritik an der Leistungserbringung durch staatliche Monopole und der Regulierung privater Unternehmen geäußert. Aber auch aus ideologischen Gründen wurde von Vertreter·innen des Neoliberalismus ein Rückzug des Staates gefordert (vgl. Hesmondhalgh, 2019: 113-117). In der Folge kamen unter Präsident Ronald Reagan in den USA und Premierministerin Margaret Thatcher in Großbritannien Regierungen ins Amt, die sich durch ein starkes Vertrauen in «freie» Märkte auszeichneten. Weitere westeuropäische Länder folgten. Entsprechend begann eine Liberalisierungswelle, um durch die Privatisierung staatlicher Monopolbetriebe <?page no="76"?> Grundlagen 76 und die Deregulierung zuvor stark regulierter Märkte mehr Wettbewerb einzuführen (vgl. Dahlgren, 2000; Herman & McChesney, 1997: 26). Der Begriff Liberalisierung wird aber zu Recht als beschönigend kritisiert, da es nicht um eine «Befreiung» des Marktes vor angeblich unnötigen Einschränkungen, sondern einzig um eine Ausweitung von Marktprinzipien geht. Alternativ kann deshalb auch von «Vermarktlichung» gesprochen werden (vgl. Hesmondhalgh, 2019: 142). Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslage in den USA und Westeuropa - Regulierung privater Monopole vs. staatliche Monopole - erfolgte auch die Liberalisierung unterschiedlich. Während in den USA die regulierten Märkte dereguliert und für Konkurrenz geöffnet wurden, waren in Europa zusätzlich eine Privatisierung der öffentlichen Monopolbetriebe und die Schaffung neuer Regulierungsbehörden notwendig. Deregulierung ist als «mirror image of regulation» (Hancher & Moran, 1989: 130) zu verstehen, womit das Verständnis des Begriffes notwendigerweise vom zugrunde liegenden Regulierungsbegriff abhängig ist. Definiert man staatliche Regulierung als die Beeinflussung von Handeln oder Bewältigung von Risiken durch Gebote/ Verbote, finanzielle Anreize und Informationen, was Regelsetzung, Aufsicht und Sanktionierung umfasst, dann meint Deregulierung die Aufhebung oder Ersetzung dieser Regeln. Auch wenn mit Deregulierung meist eine Aufhebung von Regeln assoziiert wird, ist die Ersetzung einer bestehenden Regel durch eine weniger weitreichende, dafür detailliertere Regel weitaus häufiger anzutreffen. Deregulierung bedeutet also nicht das Ende aller Regulierung. Letztlich ist der Begriff irreführend, da das Ziel von Deregulierung meist nicht in der Beseitigung von Regeln liegt, sondern darin, Regulierung effizienter zu gestalten. Insofern handelt es sich eigentlich um eine Reregulierung (vgl. Cerny, 1991). Privatisierung bezeichnet ganz allgemein eine Übertragung aus dem öffentlichen in den privaten Sektor (vgl. Czada, 1998): Etwas bisher Staatliches wird also in den nicht-staatlichen Bereich verlagert. Dabei kann sich Privatisierung auf eine Organisation, auf Vermögen oder auf eine Aufgabe beziehen (vgl. König & Benz, 1997; Schuppert, 1997): Organisationsprivatisierung (formelle Privatisierung): Ein öffentliches Unternehmen wird in eine private Rechtsform (z. B. Aktiengesellschaft) überführt, wobei der Staat Eigentümer der Organisation bleibt. Vermögensprivatisierung: Eine Organisation, die bisher im Eigentum des Staates war, wird an private Investor·innen verkauft. Aufgabenprivatisierung (materielle Privatisierung): Bisher staatliche Aufgaben werden ganz oder teilweise in den privaten Sektor verlagert. <?page no="77"?> Medienregulierung 77 Genauso wie Deregulierung zog auch Privatisierung eine Reregulierung nach sich. Mit Privatisierung wurden zwar staatliche Monopole beseitigt, doch Privatisierung bedeutet keinen Rückzug des Staates, sondern einen Funktionswandel - den Übergang vom Leistungszum Regulierungsstaat: Statt Güter und Dienstleistungen selbst bereitzustellen, reguliert der Staat den neu entstandenen Markt. Die Leistungserbringung durch einen staatlichen Monopolbetrieb kann also als funktionales Äquivalent zur staatlichen Regulierung privater Anbieter·innen verstanden werden (vgl. Grande, 1998; Majone, 1996a; 1996c). Für die Regulierung dieser neuen Märkte gibt es zwei Gründe. Zum einen ist die Zulassung mehrerer Anbieter·innen nicht ausreichend, um Wettbewerb zu generieren, da der ehemalige Monopolbetrieb große Marktmacht besitzt und den Markt dominiert. Zum anderen werden mit Regulierung häufig auch gesellschaftlich-politische Ziele verfolgt, die durch ökonomischen Wettbewerb nicht erreicht werden können. Die Regulierung dieser neu entstandenen Märkte wurde in den meisten Ländern und Politikfeldern an hierzu geschaffene unabhängige Regulierungsbehörden übertragen (vgl. Gilardi, 2008). Eine Regulierungsbehörde ist eine Organisation, die strukturell von dem für das entsprechende Politikfeld zuständigen Ministerium getrennt ist, dadurch über eine gewisse Autonomie verfügt und für Regelsetzung, Aufsicht und Sanktionierung von Regelverstößen zuständig ist (vgl. Jordana & Sancho, 2004; Puppis, 2009a: 33; Thatcher, 2002). Doch warum sind nicht allein Ministerien für die Regulierung zuständig? Argumentiert wird häufig, dass Regulierungsbehörden effizienter seien und über mehr Fachwissen verfügen würden als die staatliche Verwaltung. Damit ist aber noch nicht erklärt, warum die Politik Regulierung an eine unabhängige Behörde delegiert, die sich von gewählten Politiker·innen schlecht beeinflussen lässt. Den Unternehmen kann so glaubhaft versichert werden, dass die Regulierung sich nicht bei jedem Regierungswechsel komplett ändert und berechenbar ist. Gleichzeitig können Regierungen die Schuld für unpopuläre Entscheidungen an Regulierungsbehörden abschieben. Und schließlich lässt sich die Institutionalisierung solcher Behörden auch mit der Imitation anderer Länder und Politikfelder erklären (vgl. Gilardi, 2004; Irion & Radu, 2013; Puppis & Maggetti, 2012; Thatcher, 2002; siehe Kapitel 3.3.2). Die tatsächliche Unabhängigkeit (de facto) von Regulierungsbehörden sowohl von der Politik als auch von den regulierten Unternehmen kann sich aber von den formalen Vorgaben in Gesetzen (de jure) unterscheiden (vgl. Gilardi & Maggetti, 2011). Liberalisierung kann damit als Dreischritt aus Deregulierung, Privatisierung und Reregulierung verstanden werden (vgl. Puppis, 2009a: 30-31; siehe Tab. 5): <?page no="78"?> Grundlagen 78 Tab. 5: Dreischritt der Liberalisierung in Westeuropa Monopol Liberalisierung (oder Vermarktlichung) Wettbewerb staatlicher Monopolbetrieb 1. Deregulierung: Marktöffnung für private Anbieter·innen regulierter Wettbewerb 2. Privatisierung: Umwandlung staatlicher Monopolbetriebe 3. Reregulierung: Neue Regulierung und Institutionalisierung von Regulierungsbehörden Quelle: Puppis (2009a: 31) Während Deregulierung die Aufhebung oder Ersetzung von Regeln bezeichnet, meint Privatisierung eine Verlagerung aus dem öffentlichen in den privaten Sektor. Die Deregulierung von Märkten mit der Zulassung privater Unternehmen und die Privatisierung staatlicher Monopole bedingten eine Reregulierung. Die Regulierung dieser neuen Märkte wurde in den meisten Ländern und Politikfeldern an unabhängige Regulierungsbehörden delegiert. 3.2.2.2 Liberalisierung von Telekommunikation und Rundfunk Diese Entwicklungen gingen auch an Telekommunikation und Rundfunk nicht spurlos vorbei. Ab den 1980er-Jahren wurde der Telekommunikationssektor in Westeuropa mit der Privatisierung staatlicher Monopolbetriebe und der Marktöffnung für private Anbieter·innen komplett liberalisiert. Und im Rundfunksektor wurden in immer mehr Mediensystemen private Sender zugelassen, die neben den etablierten öffentlichen Rundfunk traten. Gründe für die Liberalisierung Die Möglichkeit für Wettbewerb wurde erst durch die technische Entwicklung geschaffen. In der Telekommunikation hatte sich ursprünglich ein Monopol gebildet, da eine flächendeckende Versorgung mit Telekommunikationsdiensten sehr <?page no="79"?> Medienregulierung 79 teuer war. Der technologische Fortschritt veränderte die Kostenstruktur der Telekommunikation aber maßgeblich. Zudem haben Fortschritte in der Informationstechnologie das Zusammenschalten der Netze verschiedener Anbieter·innen (und damit auch den Wechsel des oder der Anbieter·in für die Endkund·innen) erleichtert (vgl. Geradin & Kerf, 2004). Im Rundfunk war die Zahl der Sender, die verbreitet werden kann, aufgrund der Frequenzknappheit sehr klein. Mit der Einführung von Distributionstechnologien wie Kabelnetzen und Satelliten entstanden erst die Kapazitäten, um mehr Sender zu übertragen (vgl. Dyson & Humphreys, 1989; Hardy, 2008: 59-60; Humphreys, 1996: 164-168). Technologie kann aber die Liberalisierung nicht erklären. Diese war eine bewusste medienpolitische Entscheidung. Für die Liberalisierung von Telekommunikation und Rundfunk waren die gleichen Gründe ausschlaggebend wie in anderen Sektoren der Wirtschaft auch: die Wirtschaftskrise und der ideologische Wandel in der Politik. Die neoliberale Vorstellung, dass sich politische Ziele am besten durch mehr Markt und Wettbewerb erreichen lassen, setzte sich weitgehend durch. Während die Monopolbetriebe in der Telekommunikation sich tatsächlich durch wenig Innovation und überteuerte Preise auszeichneten, sind erhebliche Zweifel angebracht, ob Wettbewerb im Rundfunk für die Verwirklichung medienpolitischer Ziele tatsächlich ausreichend ist (siehe Kapitel 5.3). Gleichzeitig war das Konzept der Informationsgesellschaft, das die zunehmende Bedeutung von Information und Wissen für post-industrielle Gesellschaften postulierte, in der Politik damals sehr einflussreich. Entsprechend wurde im Telekommunikationssektor ein riesiges wirtschaftliches Potenzial erkannt - und zwar nicht nur als eine wichtige Wachstumsbranche, sondern auch als Grundlage für das Wachstum in anderen Wirtschaftssektoren (vgl. Bauer, 2010b; Collins & Murroni, 1996: 18- 20; Dahlgren, 2000; Geradin & Kerf, 2004; Hesmondhalgh, 2019: 114-117; Humphreys & Simpson, 2018: 18-24; Jin, 2005; Picard, 2020: 38). Doch daneben gab es weitere Gründe für die Liberalisierung. Erstens sind wirtschaftliche Interessen von Unternehmen zu nennen (vgl. Hesmondhalgh, 2019: 117-124). Telekommunikationsfirmen erhofften sich von einer Liberalisierung die Erschließung neuer Geschäftsfelder und eine Expansion auf dem Weltmarkt (vgl. Drake, 2000; Latzer, 1997: 66). «The privatization and deregulation of communication has also been stimulated by the desire for profits by telecommunication firms and the investment bankers who coordinate these privatizations» (Herman & McChesney, 1997: 111). Auch ein liberalisierter Rundfunkmarkt versprach Investor·innen anzulocken. Um im internationalen Standortwettbewerb <?page no="80"?> Grundlagen 80 bestehen und günstige Bedingungen offerieren zu können, verzichteten viele Staaten auf eine strikte Rundfunkregulierung. Gleichzeitig lobbyierten inländische Unternehmen für eine Liberalisierung. Die werbetreibende Wirtschaft und die Werbeindustrie wollten den Rundfunk als zusätzlichen Werbeträger nutzen; existierende Medienunternehmen wie Verlage und Filmproduktionsfirmen waren an einem neuen lukrativen Markt interessiert (vgl. Dyson & Humphreys, 1989; Humphreys, 1996: 170-176): «In many cases advertising interests were joined in the push for commercial broadcasting by media companies hungry to expand into electronic media» (Hallin & Mancini, 2004: 275-276). Zweitens waren für die Liberalisierung des Rundfunks auch soziokulturelle Veränderungen von Bedeutung. Seit den 1960er-Jahren ist ein Wertewandel festzustellen, der eine Individualisierung und neue Lebensstile beförderte. Damit sind auch neue Bedürfnisse an Medien entstanden, doch den öffentlichen Rundfunkmonopolen gelang es nicht, diese vielfältigen Ansprüche zu erfüllen. Gleichzeitig suchten soziale Bewegungen nach Medien, in denen sie sich selbst ausdrücken konnten (vgl. Dahlgren, 2000; Hallin & Mancini, 2004: 275-276; Hesmondhalgh, 2019: 124-126; van Cuilenburg & McQuail, 2003). Drittens waren die Liberalisierungsentscheidungen der (zumeist rechten) Regierungen nicht nur von neoliberaler Ideologie, wirtschaftlichen Überlegungen und Nähe zu Unternehmen geprägt, sondern auch von parteipolitischen Erwägungen. Der öffentliche Rundfunk wurde oft als links wahrgenommen und von der neuen privaten Konkurrenz eine größere Empathie für die eigenen politischen Positionen erwartet (vgl. Dyson & Humphreys, 1989; Humphreys, 1996: 174). Ein letzter Faktor, der die Liberalisierung von Telekommunikation und Rundfunk begünstigte, war schließlich auch die Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes in beiden Wirtschaftssektoren durch die Europäische Union (vgl. Drake, 2000; Dyson & Humphreys, 1989; siehe Kapitel 7.3). Damit wird klar, dass der Übergang vom Leistungszum Regulierungsstaat in der Telekommunikation und im Rundfunk - genauso wenig wie heutige medienpolitische Weichenstellungen - nicht allein mit technologischem Fortschritt erklärt werden kann und nicht alternativlos ist (vgl. Humphreys & Simpson, 2020: 4). Vielmehr handelte es sich um eine bewusste politische Entscheidung: «It cannot be emphasized enough that these changes were consciously and deliberately brought about in order to support the interests of large, commercial, cultural industry companies. Governments did this because they wanted their own cultural industry companies to be able to compete in a new global cultural industries sector» (Hesmondhalgh, 2019: 147-148). <?page no="81"?> Medienregulierung 81 Nicht einfach nur der technologische Fortschritt, sondern neoliberale Vorstellungen «freier» Märkte und die Globalisierung der Kommunikation prägen die Medienpolitik (vgl. Gibbons & Humphreys, 2012: 3). Liberalisierung im Telekommunikationssektor Ausgangspunkt der Liberalisierung im Telekommunikationssektor waren die USA. Über Jahrzehnte wurden einzelne Marktsegmente, die als wettbewerbsfähig erachtet wurden, dereguliert. Den Höhepunkt dieser Entwicklung bildete 1984 die Zerschlagung des langjährigen Monopolunternehmens in der Telefonie, AT&T, um so einen Wettbewerb mehrerer Telekommunikationsunternehmen zu schaffen (vgl. Bauer, 2010b). «Danach breitet sich der Wandel als Reformwelle über Druck und Sog auf die übrigen Länder aus» (Schneider, 1999: 258). Reformen sind für jene Länder, die ihre Märkte zuerst öffnen, international gesehen zu Beginn von Nachteil: Ausländische Firmen hatten bereits die Möglichkeit, im US-Markt zu investieren, während dies US-Unternehmen im Ausland noch versagt blieb. Aus diesem Grund übten die USA politischen und wirtschaftlichen Druck auf die anderen Länder aus, damit diese den Telekommunikationssektor ebenfalls liberalisieren. Je mehr Länder dies bereits getan haben, desto größer wird der Privatisierungssog für die verbliebenen Länder, denn staatliche Monopolbetriebe haben gegenüber privaten Unternehmen deutliche Wettbewerbsnachteile (vgl. Latzer, 1997: 67; Schneider, 1999: 258). Wie in den USA wurden auch in Europa einzelne Marktsegmente sukzessive dereguliert und damit für private Anbieter·innen geöffnet. Wettbewerb wurde als Erstes bei den Endgeräten eingeführt, bevor die Märkte für Mehrwertdienste und Mobilfunk geöffnet wurden. Als Letztes wurde Wettbewerb bei den klassischen Basisdiensten im Festnetz (v. a. Sprachtelefonie) zugelassen (vgl. Bauer, 2010b; Drake, 2000; Geradin & Kerf, 2004; Schneider, 1999: 7). 1998 war der Telekommunikationssektor in der EU vollständig liberalisiert. Zusätzlich zur Deregulierung war auch eine Privatisierung der PTTs in den verschiedenen Ländern nötig. Dies bedeutete in einem ersten Schritt die Ausgliederung aus der staatlichen Verwaltung und die Überführung in eine private Rechtsform (formelle Privatisierung). Erst in einem zweiten Schritt fand ein teilweiser oder vollständiger Verkauf der staatlichen Anteile an diesem Unternehmen im Sinne einer Vermögensprivatisierung statt (vgl. Jin, 2005; Schneider, 1999: 251). Für die Regulierung des neu entstandenen Wettbewerbs wurden Regulierungsbehörden geschaffen. Eine ihrer Hauptaufgaben ist es, Marktsegmente zu beaufsichtigen, in denen das ehemalige Monopolunternehmen erhebliche Marktmacht besitzt (vgl. Bauer, 2010b). Dies <?page no="82"?> Grundlagen 82 ist insbesondere bei der sogenannten «Letzten Meile» der Fall, also den Anschlüssen in den einzelnen Haushalten, da (fast) alle Anbieter·innen von Telekommunikationsdienstleistungen auf diese Leitungen des Ex-Monopolbetriebs angewiesen sind, um die Endkund·innen zu erreichen (siehe Kapitel 12.3.1). Heute haben sich Nordamerika und Europa in der Telekommunikationsregulierung weitgehend angenähert: Ein durch unabhängige Behörden regulierter Wettbewerb privater Anbieter·innen ist nun beidseits des Atlantiks die gewählte Lösung. Die Liberalisierung hat für die Endkund·innen durchaus Vorteile mit sich gebracht. In jenen Marktsegmenten, in denen der Wettbewerb funktioniert, profitieren sie von tieferen Preisen, einem größeren Angebot an Dienstleistungen und höherer Qualität. Die Liberalisierung hat aber auch Schattenseiten. Hohe Kosten für den Aufbau eigener Netze und ein Preiskampf zwischen den Anbieter·innen lösten bei vielen der neuen Telekommunikationsunternehmen Probleme aus. «Liberalization and privatization of telecom industries in many countries were carried out too fast and too far, impairing the ability of telecom firms to establish viable businesses» (Jin, 2005: 301). Heute dominieren in vielen Ländern wenige, häufig international tätige Unternehmen den Markt. Zudem scheint ein Wettbewerb privater Anbieter·innen weniger geeignet als ein staatliches Monopol, den flächendeckenden Auf- und Ausbau der elektronischen Kommunikationsinfrastruktur (bspw. Breitbandinternet) zu gewährleisten, da private Firmen sich auf lukrative, dicht besiedelte Gebiete konzentrieren (vgl. Bauer, 2010b). Telekomprivatisierung in Deutschland, Österreich und der Schweiz Auch in den deutschsprachigen Ländern wurde die Privatisierung der ehemaligen PTTs vollzogen. Die staatliche Deutsche Bundespost wurde 1989 in drei öffentliche Unternehmen aufgeteilt: Postdienst, Postbank und Telekom. Auf Anfang 1995 wurden diese formell privatisiert und in Aktiengesellschaften umgewandelt (Deutsche Post AG, Postbank und Deutsche Telekom AG). Noch heute hält der Staat etwas mehr als 30 % der Aktien der Deutschen Telekom. Die österreichische Post- und Telegrafenverwaltung wurde 1996 in die Post und Telekom Austria AG umgewandelt. Das Unternehmen wurde 1998 aufgespalten in die Österreichische Post AG und in die Telekom Austria AG. Die Österreichische Beteiligungs AG, welche die Beteiligungen der Republik Österreich verwaltet, hält weiterhin über 28 % der Aktien der Telekom Austria. Die schweizerische PTT wurde auf Anfang 1998 in die Schweizerische Post AG und die Swisscom AG aufgeteilt. Die Eidgenossenschaft hält derzeit noch 51 % der Aktien der Swisscom. <?page no="83"?> Medienregulierung 83 Liberalisierung im Rundfunksektor Im Rundfunksektor wurden in den USA in den 1980er-Jahren zahlreiche Pflichten für Rundfunksender abgeschafft, darunter die Pflicht zu ausgewogener Berichterstattung, was erst die Entstehung parteiischer Talkradio- und Fernsehnachrichtensender ermöglichte. Hinter diesem «marketplace approach to broadcast regulation» (Fowler & Brenner, 1983) stand die Überzeugung, dass Medien nicht reguliert werden sollen. Mark Fowler, der von Ronald Reagan ernannte Vorsitzende der US-amerikanischen Regulierungsbehörde für Rundfunk und Telekommunikation, meinte damals in einem Interview, Fernsehen unterscheide sich nicht von anderen Haushaltsgeräten, sondern sei «a toaster with pictures» (Fowler, 2013: 736). In Europa sah man das allerdings weiterhin anders. Zwar wurden private Sender zugelassen, der öffentliche Rundfunk aber fast nirgends privatisiert. «There was limited political wish or will […] to discard the existing public sector (broadcasting) or to harm various social and cultural interests. The sacrifice of monopoly was about as far as governments would go to create space for new competitors in the media marketplace» (van Cuilenburg & McQuail, 2003: 196). Damit traten neben die etablierten öffentlichen Sender private Konkurrent·innen. In diesem Zusammenhang wird von dualen Rundfunksystemen gesprochen, die aus einer öffentlichen und einer privaten Säule bestehen. Beim Privatrundfunk ist zusätzlich zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Sendern («Community-Medien») zu unterscheiden, weshalb letztere manchmal auch als dritte Säule des Rundfunks bezeichnet werden. Ausnahme Frankreich: Privatisierung im Rundfunk Als 1986 eine konservative Regierung ins Amt kam, wurde beschlossen, eine Vermögensprivatisierung des ersten öffentlichen Fernsehsenders TF1 durchzuführen. Dadurch wurde die französische Rundfunklandschaft durchgeschüttelt. Die beiden übrig gebliebenen öffentlichen Fernsehsender A2 und FR3 (heute France 2 und France 3) haben sich nur langsam von diesem Schlag erholt. Und der neu gegründete private Sender La Cinq ging 1992 Konkurs, weil er im Kampf mit dem übermächtigen Konkurrenten TF 1 kapitulieren musste. Ende der 1980er-Jahre stellte Frankreich das am meisten deregulierte und kommerzialisierte Fernsehsystem Europas dar (vgl. Hoffmann-Riem, 1996: 187-188; Humphreys, 1996: 182, 232-233; Meise, 1995: 212-283). <?page no="84"?> Grundlagen 84 Tab. 6: Zulassung von Privatfernsehen im Zeitablauf 1980 1990 2000 öffentliches Monopol AT, BE, CH, DE, DK, ES, FI, FR, GR, IE, IS, NL, NO, PT, SE AT, CH, DK, IE, IS, NL, PT AT nur private Sender LU LU LU duales System IT, UK BE, DE, ES, FI, FR, GR, IT, NO, SE, UK BE, CH, DE, DK, ES, FI, FR, GR, IE, IS, IT, NL, NO, PT, SE, UK Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Siune & Hultén (1998: 27) Die Liberalisierung des Rundfunks erfolgte nicht in ganz Westeuropa gleichzeitig (siehe Tab. 6). Trotz gleicher Herausforderungen, mit denen die Länder konfrontiert waren, reagierten diese teilweise unterschiedlich, was sich mit ihren politischen und kulturellen Besonderheiten erklären lässt (vgl. Humphreys, 1996: 177). Viele Kleinstaaten haben privaten Rundfunk nur zögerlich zugelassen (siehe auch Studie 6 in Kapitel 3.3.3). Ein Grund dafür ist, dass die Mediensysteme kleiner Länder sich durch einige strukturelle Besonderheiten auszeichnen (siehe Kapitel 6.3.4.3), weshalb stark auf den öffentlichen Rundfunk vertraut wurde und wird. Mit der Deregulierung in großen Ländern und der durch Satelliten eingeläuteten Ära des grenzüberschreitenden Rundfunks entstand dann aber die Möglichkeit zur Umgehung des inländischen Rundfunkmonopols. So wurden beispielsweise skandinavische Sender in Großbritannien gegründet, bevor Privatfernsehen in ihren Zielländern zugelassen wurde. Und in zahlreichen Ländern brachen Piratenradiosender, die aus dem Ausland oder von Hochseeschiffen sendeten, das Monopol. Im Inland Privatrundfunk weiterhin zu verbieten, beinhaltete folglich die Gefahr, dass Rundfunkunternehmen sich in Ländern mit vorteilhafteren Bedingungen ansiedeln würden. Entsprechend haben dann auch Kleinstaaten privaten Rundfunk zugelassen, weshalb von importierter Deregulierung die Rede ist: «Victims of wide scale ‹imported deregulation›, in fact, most small countries, bowed during the 1980s to the inevitable and introduced their own deregulation and liberalisation designed to encourage a response from indigenous commercial interests» (Humphreys, 1996: 189). <?page no="85"?> Medienregulierung 85 Rundfunkliberalisierung in Deutschland Parteipolitische Motive spielten bei der Einführung von Privatrundfunk eine wichtige Rolle. Die konservativen Unionsparteien CDU und CSU erachteten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als zu links und erhofften sich vom privaten Rundfunk eine stärkere Berücksichtigung ihrer eigenen Standpunkte. Da in Deutschland aber die Bundesländer für Medienpolitik zuständig sind, kam es zu einer Blockade: Die von der Union regierten Bundesländer drängten auf eine Deregulierung des Rundfunks, die SPD-regierten Länder widersetzten sich. Die Ministerpräsident·innen der Bundesländer einigten sich 1978 lediglich auf Kabelpilotprojekte, um Kabelfernsehen zu testen. Als 1982 die neue konservative Bundesregierung unter Helmut Kohl an die Macht kam, wurde mit einer massiven Verkabelung (West-)Deutschlands begonnen. Dies war trotz der fehlenden Kompetenzen der Bundesregierung im Medienbereich möglich, da Kabelnetze als Infrastruktur in die Zuständigkeit des Bundes fallen. Damit wurden die Voraussetzungen für Privatfernsehen erst geschaffen. Noch bevor die Pilotprojekte beendet waren, hatten viele konservativ regierte Bundesländer Fakten geschaffen, indem sie Landesmediengesetze erließen und auf ihrem Gebiet private Radio- und Fernsehsender lizenzierten. Als erster privater Fernsehsender ging 1984 der Vorgänger von Sat.1 auf Sendung; der erste private Radiosender startete im Sommer 1986. Da Niedersachsen das erste Bundesland war, das ein Landesrundfunkgesetz erließ, klagten SPD- Abgeordnete gegen dieses Gesetz beim Bundesverfassungsgericht. Das Gericht entschied in seinem 4. Rundfunkurteil («Niedersachsen-Urteil») von 1986, dass privater Rundfunk zulässig ist, solange der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Grundversorgung sicherstelle. 1987 schließlich wurde von den Bundesländern der erste Rundfunkstaatsvertrag verabschiedet, welcher den Startschuss für die bundesweite Zulassung von Radio und Fernsehen bedeutete (vgl. Eifert & Hoffmann-Riem, 1999; Schwarzkopf, 1999). Eine Ausnahme stellt Luxemburg dar: Während 60 Jahren, von 1931 bis 1991, verfügte die Vorgängerin der RTL Group, die «Compagnie Luxembourgeoise de Télédiffusion» (CLT) über ein privates Monopol. Die Regierung wollte damit das Wachstum der Rundfunkindustrie fördern. Neben der CLT profitierte von dieser Politik auch die «Société Européenne des Satellites» (SES), welche die ASTRA- Satelliten betreibt (vgl. Humphreys, 1996: 178). Ebenso fällt auf, wie früh in Großbritannien und Italien privates Fernsehen eingeführt wurde. Während in Italien ein unregulierter Wildwuchs lokaler Sender <?page no="86"?> Grundlagen 86 zu beobachten war, zeichnete sich Großbritannien bis zur Liberalisierung in den 1990er-Jahren durch ein stark reguliertes Duopol aus. Schon im Herbst 1955 startete das ITV-Network, das aus 15 regionalen Fernsehgesellschaften bestand, die in ihrem Verbreitungsgebiet außer der BBC keine Konkurrenz hatten. Trotz des Sendestarts von ITV konnte eine Verschlechterung der Programmqualität verhindert werden, denn das Duopol von BBC und ITV kannte keine Konkurrenz auf der Einnahmenseite. Während die BBC sich gänzlich aus Gebühren finanzierte, hatten die ITV-Gesellschaften ein regionales Fernsehwerbemonopol. Das Duopol habe einen Wettbewerb um Einnahmen verhindert und einen Wettbewerb um Programmqualität ermöglicht. Zudem wurde ITV auch stark reguliert und sah sich mit vielen inhaltlichen Vorgaben konfrontiert (vgl. Feintuck & Varney, 2006: 41-42; Hoffmann-Riem, 1996; 71-80; Humphreys, 1996: 125- 129, 229) «The point here is not that advertising per se is bad for public-service broadcasting […]. Rather, it is competition for commercial sources of revenue that is pernicious on the quality of service provision» (Humphreys, 1996: 244). Durch die Liberalisierung hat sich der Rundfunk in Europa grundlegend verändert. Statt eines öffentlichen Rundfunkmonopols findet sich heute eine riesige Zahl von Sendern, die durchaus auch für Innovation sorgten. Mit der Einführung von Privatrundfunk ging aber eine starke Kommerzialisierung des Sektors einher (vgl. Humphreys & Simpson, 2018: 24; Meier & Jarren, 2001; Michalis, 2013). Rundfunkliberalisierung in Österreich Der Rundfunksektor wurde in Österreich erst spät dereguliert. Regionale Privatradios sind seit Anfang 1994 erlaubt. Da allerdings die unterlegenen Bewerber·innen um eine Radiolizenz beim Obersten Gerichtshof Beschwerde einlegten, konnten 1995 nur zwei Stationen auf Sendung gehen. Erst 1998 starteten weitere Sender und setzten der «Alleinstellung» des ORF im Radiosektor ein Ende. Seit 2001 sieht das Gesetz auch ein bundesweites privates Radio vor. Privatfernsehen dagegen ist erst seit 2001 zulässig. Dies, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits 1993 festgehalten hatte, dass die Alleinstellung des ORF gegen die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Medienfreiheit verstößt. 2003 ging dann mit ATV ein terrestrisches nationales Programm auf Sendung (vgl. Künzler, 2009: 203-223, 278-294; Steinmaurer, 2009). <?page no="87"?> Medienregulierung 87 Rundfunkliberalisierung in der Schweiz In der Schweiz wurde Privatrundfunk nur zögerlich zugelassen. Die Kabelrundfunkverordnung von 1977 ermöglichte die Verbreitung lokaler Radio- und Fernsehprogramme über Gemeinschaftsantennenanlagen (Kabelnetze) zu Versuchszwecken. Allerdings blieben Werbung und eine terrestrische Verbreitung untersagt. Parallel zu diesem offiziellen Versuchsbetrieb breitete sich eine intensive Radiopiraterie aus. Bekanntestes Beispiel ist der von Roger Schawinski gegründete Sender Radio 24, der von einem italienischen Berg, dem Pizzo Groppera, über die Alpen direkt bis nach Zürich sendete. Auf Anfang 1983 setzte der Bundesrat deshalb die «Verordnung über lokale Rundfunk- Versuche» (RVO) in Kraft. Diese ließ terrestrisch verbreiteten, werbefinanzierten Rundfunk auf lokaler und regionaler Ebene zu. Mit der RVO ist eine kontrollierte Deregulierung und Etablierung privater elektronischer Medien in der Schweiz verfolgt worden. Ende 1987 waren 33 Radio- und fünf Fernsehsender in Betrieb. Diese waren häufig im Besitz von Regionalzeitungsverlagen, die damit ein multimediales Monopol innehatten. Der ursprünglich auf fünf Jahre angelegte Versuch wurde bis Anfang 1991 verlängert, als das erste Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) in Kraft trat und privates Radio und Fernsehen offiziell eingeführt wurde. (vgl. Bonfadelli & Meier, 2007; Dumermuth, 2007; Künzler, 2009: 179-202, 251-277; Meier, 1993). Zum einen stehen immer mehr privat-kommerzielle Rundfunksender miteinander in einem intensiven Wettbewerb um begrenzte Werbegelder. Das hat auch Auswirkungen auf die Inhalte. Da kommerzielle Sender profitabel sein müssen, haben sie jeden Grund, sich auf Sendungen zu beschränken, welche eine Maximierung des Marktanteils bei werberelevanten Zielgruppen auf dem Publikumsmarkt versprechen und zugleich mit relativ tiefen Kosten verbunden sind. Bei weitem nicht alle Sender leisten sich Eigenproduktionen und inhaltlich ist trotz der großen Zahl von Sendern eine Homogenisierung festzustellen (vgl. Hallin & Mancini, 2004: 277-282; Michalis, 2013). Zum anderen hat sich der öffentliche Rundfunk nach der Deregulierung in einer Konkurrenzsituation mit privaten Sendern auf dem Publikums- und in vielen Mediensystemen auch auf dem Werbemarkt wiedergefunden (vgl. Humphreys, 1996: 230-232; Meier & Jarren, 2001). Öffentliche Rundfunkorganisationen in ganz Europa mussten herausfinden, was die Existenz privater Konkurrent·innen für ihre eigenen Angebote bedeutet. Weder eine Imitation privater Sender (und damit eine Selbstkommerzialisierung), noch eine Beschränkung <?page no="88"?> Grundlagen 88 auf Inhalte, die diese nicht anbieten (und damit eine Marginalisierung), wurden als sinnvoll erachtet: «Without public interest goals there is no rationale for continuing, but, without audiences, public service goals cannot really be achieved» (McQuail, 2005: 180). Stattdessen wurde häufig ein Mittelweg zwischen Erfüllung des Programmauftrags und Berücksichtigung von Publikumsbedürfnissen empfohlen (vgl. Hultén & Brants, 1992). Da sich der öffentliche Rundfunk an die gesamte Bevölkerung und nicht nur an werberelevante Zielgruppen richte, würde er sich auch dann noch von privaten Sendern unterscheiden. Damit sei er das letzte verbliebene Massenmedium (vgl. Syvertsen, 1999). Durch die neue Konkurrenz hat sich auch der Legitimationsdruck für den öffentlichen Rundfunk erhöht: Sein Auftrag und seine Finanzierung werden seit der Zulassung von Privatrundfunk vermehrt infrage gestellt. Diese Diskussionen haben sich im Zuge der Digitalisierung noch weiter intensiviert (siehe Kapitel 10.1.1). Die Einführung des privaten Rundfunks hat zwar zu einer Angebotsausweitung geführt, doch viele der mit der Deregulierung verbundenen Hoffnungen wurden nicht erfüllt. Rückblickend fällt die Bewertung eher kritisch aus: «Mit der Dualisierung der Rundfunkordnung wurde bewusst die Marginalisierung des öffentlichen Rundfunks betrieben und zugleich eine neue Wirtschaftsbranche etabliert» (Meier & Jarren, 2001: 155-156). Studie 4: Unabhängigkeit von Rundfunkregulierungsbehörden Mit der «INDIREG»-Studie wurde erstmals die De-jure- und De-facto-Unabhängigkeit von Rundfunkregulierungsbehörden in Europa untersucht. Da sich Unabhängigkeit aber schlecht erfassen lässt, haben die beteiligten Forscher·innen stattdessen das Risiko einer Einflussnahme durch externe Akteure (politisch Entscheidungsträger·innen und regulierte Unternehmen) gemessen. Dabei wurden fünf Dimensionen berücksichtigt: Status und Befugnisse, finanzielle Autonomie, Autonomie der Behördenleitung, Expertise sowie Rechenschafts- und Transparenzpflichten. Die Resultate wurden für jede Behörde in einem Spinnendiagramm visualisiert, um so in den fünf Dimensionen Unterschiede zwischen formaler und tatsächlicher Unabhängigkeit einfach erkennbar zu machen. Insgesamt zeigt die Studie, dass das institutionelle Design einer Behörde noch keine Schlüsse über deren Unabhängigkeit und Leistung zulässt, da politische und kulturelle Besonderheiten der verschiedenen Länder einen entscheidenden Einfluss ausüben (vgl. Irion & Ledger, 2013). <?page no="89"?> Medienregulierung 89 Aufgrund der Liberalisierung des Rundfunks wurden in Westeuropa (und nach Ende des Kalten Krieges dann auch in Mittel- und Osteuropa) neue Rundfunkregulierungsbehörden eingerichtet. In den USA hingegen, wo es schon viel länger privaten Rundfunk gab, wurde bereits 1934 die «Federal Communications Commission» (FCC) gegründet, die bis heute für die Regulierung des gesamten Kommunikationssektors verantwortlich ist (vgl. Kleinsteuber, 1996). Wie in anderen Politikfeldern auch sahen die meisten Länder einen Vorteil darin, dass nicht das für Medienpolitik zuständige Ministerium, sondern eine unabhängige Behörde sich der Regulierung des Rundfunks annimmt. Im Mediensektor gibt es mit der Staatsferne des Rundfunks zur Sicherstellung der Medienfreiheit sogar noch einen zusätzlichen Grund, der für die Einrichtung von unabhängigen Regulierungsbehörden spricht (vgl. Irion & Radu, 2013). Wie unabhängig die Behörden von der Regierung (und der regulierten Branche) aber tatsächlich sind, ist letztlich eine empirische Frage (siehe Studie 4). Föderalistische Rundfunkregulierung in Deutschland In Deutschland ist der Bund für Wettbewerbsfragen und Telekommunikation zuständig. Die Kulturhoheit liegt aber bei den Bundesländern, womit Landesmedienanstalten (LMAs) auf Länderebene für den Rundfunk verantwortlich zeichnen. Alle 14 LMAs verfügen über ein aus Repräsentant·innen relevanter gesellschaftlicher Gruppen zusammengesetztes Gremium als Hauptentscheidungsorgan sowie eine·n geschäftsführende·n Direktor·in mit Mitarbeiter·innen zur Umsetzung der Entscheidungen. Länderübergreifende Aufgaben werden durch gemeinsame Kommissionen wahrgenommen: Die «Kommission für Zulassung und Aufsicht» (ZAK) ist u. a. für die Lizenzierung und Aufsicht bundesweiter Sender und audiovisueller Onlineangebote zuständig, die «Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich» (KEK) prüft die Einhaltung der Bestimmungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt im bundesweiten Privatfernsehen, die «Kommission für Jugendmedienschutz» (KJM) ist für Jugendschutz im Privatrundfunk und im Internet verantwortlich und zu den Aufgaben der «Gremienvorsitzendenkonferenz» (GVK) gehört u. a. die Zuteilung von Frequenzen. Zudem kooperieren die LMAs im Rahmen der «Direktorenkonferenz» (DLM) und haben mit der «Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten» (ALM) eine gemeinsame Geschäftsstelle eingerichtet (vgl. Seufert & Gundlach, 2017: 204-211). <?page no="90"?> Grundlagen 90 Zuständigkeit für Rundfunkregulierung in Österreich Mit der «Kommunikationsbehörde Austria» (KommAustria) existiert in Österreich eine unabhängige Regulierungsbehörde für den Rundfunksektor. Diese ist für die Lizenzierung (und Frequenzzuteilung) für private Sender sowie für die Aufsicht über den privaten und den öffentlichen Rundfunk zuständig. Zudem ist die Behörde auch für die Presseförderung verantwortlich. Unterstützt wird die KommAustria in ihrer Arbeit durch den Fachbereich Medien der «Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH» (RTR). Die RTR vergibt aber auch in eigener Zuständigkeit Fördermittel im Rundfunksektor. Diesbezüglich besteht ein Weisungsrecht des oder der Bundeskanzler·in. Während Ministerien für die medienpolitische Strategieentwicklung verantwortlich sind und die Regierung bei der Ausarbeitung von Gesetzen unterstützen, fallen die meisten operativen Aufgaben wie die Vergabe von Lizenzen für Privatrundfunk, die Aufsicht über die Einhaltung von Gesetzen und Lizenzbestimmungen durch private Radio- und Fernsehsender oder der Erlass von Richtlinien und Ausführungsbestimmungen in vielen Ländern in die Zuständigkeit von Regulierungsbehörden. Die Rundfunkregulierungsbehörde ist oft zumindest teilweise auch für den öffentlichen Rundfunk zuständig. Welche Sanktionen Regulierungsbehörden bei Regelverstößen zur Verfügung stehen, ist von Mediensystem zu Mediensystem sehr unterschiedlich. Das Spektrum reicht von Verwarnungen über Bußen und Lizenzsuspendierungen bis hin zu deren Entzug (vgl. Robillard, 1995: 272-282). Die Leitung von Regulierungsbehörden wird zumeist durch die Exekutive ernannt, in einigen Ländern ist auch die Legislative involviert. Nur selten sind gesellschaftliche Gruppen an der Nomination von Mitgliedern beteiligt (vgl. Robillard, 1995: 268-272). Teilweise finden sich Vorgaben zur angemessenen Vertretung der Geschlechter in Leitungsgremien. In den meisten europäischen Ländern agieren Rundfunkregulierungsbehörden auf nationaler Ebene. Drei Ausnahmen gibt es: In Belgien liegt die Zuständigkeit für Medienpolitik bei den drei Sprachgemeinschaften, in Deutschland bei den Bundesländern. Und in Spanien gibt es neben einer nationalen Behörde in zwei Regionen auch regionale Rundfunkregulierungsbehörden. <?page no="91"?> Medienregulierung 91 Ausnahme Schweiz: Ablehnung einer unabhängigen Behörde In der Schweiz findet sich zwar mit der «Eidgenössischen Kommunikationskommission» (ComCom) eine unabhängige Regulierungsbehörde für Telekommunikation und mit der «Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen» (UBI) auch eine solche für die Behandlung von Programmbeschwerden. Doch ansonsten ist für den Rundfunksektor das «Bundesamt für Kommunikation» (BAKOM) zuständig, das Teil der «Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation» (UVEK) und damit direkt einem Mitglied des Bundesrats unterstellt ist. Die Umwandlung des BAKOM in eine unabhängige Regulierungsbehörde ist bereits zweimal gescheitert. Bei der Totalrevision des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG) 2006 lehnte das Parlament eine solche ab. Und 2019 ließ der Bundesrat nach negativem Feedback in der Vernehmlassung ein neues Bundesgesetz über elektronische Medien fallen, das ebenfalls eine unabhängige Regulierungsbehörde vorsah. Neben den sektorspezifischen Regulierungsbehörden für Rundfunk und/ oder Telekommunikation sind in der Medienpolitik auch Wettbewerbsbehörden von Bedeutung. Aufgabe dieser Regulierungsbehörden für Wettbewerb ist die Sicherstellung eines funktionierenden ökonomischen Wettbewerbs und die Verhinderung des Missbrauchs von Marktmacht durch große Unternehmen. Wettbewerbsbehörden sind für alle Wirtschaftssektoren zuständig - und damit auch für Presse-, Rundfunk-, Telekommunikations- und Onlinemärkte. Sie betrachten Märkte aber ausschließlich unter ökonomischen Gesichtspunkten. Ausnahme Spanien: Eine Behörde für alles Spanien hat 2013 sämtliche sektorspezifischen Regulierungsbehörden - inklusive jene für Rundfunk und für Telekommunikation - mit der Wettbewerbsbehörde zur «Comisión Nacional de los Mercados y la Competencia» (CNMC) zusammengelegt. Zwar wird die allgemeine Wettbewerbsordnung nicht als ausreichend erachtet, um in allen Sektoren einen funktionierenden ökonomischen Wettbewerb sicherzustellen, weshalb spezielle Abteilungen sich um zusätzliche sektorspezifische Regulierung u. a. für Telekommunikation und audiovisuelle Medien kümmern. Über die Sicherstellung ökonomischen Wettbewerbs hinausgehende Regulierung ist, selbst wenn es um die öffentliche Vermittlung von Kommunikation geht, nicht vorgesehen. <?page no="92"?> Grundlagen 92 Die technologische Entwicklung machte eine Liberalisierung von Telekommunikation und Rundfunk erst möglich, entscheidend waren aber ökonomische Faktoren und ein ideologischer Wandel in der Politik. Im Telekommunikationssektor wurden staatliche Monopole privatisiert und private Anbieter·innen zugelassen. Im Rundfunksektor hingegen kam es zu einer Dualisierung: Neben den öffentlichen Rundfunk traten neue private Konkurrent·innen. Dies hatte eine Kommerzialisierung des Rundfunks zur Folge. 3.2.3 Konvergenz: Folgen der Digitalisierung Trotz aller Umwälzungen - nicht zuletzt durch die Liberalisierung - blieben die drei Modelle der Medienregulierung seit Beginn des 20. Jahrhunderts unverändert bestehen. Aufgrund verschiedener Distributionstechnologien waren Presse, Telekommunikation und Rundfunk gut voneinander zu unterscheiden. Und mit den unterschiedlichen Technologien ließ sich auch eine unterschiedliche Regulierung einfach begründen (siehe Kapitel 3.2.1). Zwar war die Abgrenzung zwischen Telekommunikation und Rundfunk nie so eindeutig, wie die drei Modelle es nahelegen. Beispielsweise kann die Radiotechnologie für Zweiwegkommunikation eingesetzt werden und in vielen Ländern wurden Radiosender mit dem Drahtfunk (in der Schweiz: Telefonrundspruch) auch über das Telefonnetz ausgestrahlt. Doch mit der Digitalisierung wurde die historische Zufälligkeit hinter der Unterscheidung in drei Regulierungsmodelle offensichtlich: «The essentially hybrid and interactive nature of new communication technologies has exposed more sharply than ever the lack of logic in the traditional regulatory division intro three main sectors» (van Cuilenburg & McQuail, 2003: 197). Aufgrund der Digitalisierung lösen sich die Grenzen zwischen verschiedenen Kommunikationsformen auf. Zuerst in der Telekommunikation, später auch im Rundfunk wurde die analoge durch die digitale Technologie aus dem Computersektor abgelöst. Das bedeutet, dass jegliche Inhalte - beispielsweise Text, Sprache und Töne, Bilder, Videos - in binären Code (sprich: Einsen und Nullen) übersetzt werden. Damit kann auch jeder Inhalt über jedes elektronische Kommunikationsnetz (z. B. Festnetz, Mobilfunknetz, Fernsehkabelnetz) transportiert und auf Computern verarbeitet und gespeichert werden. Dies führte erstens dazu, dass über das Telefonnetz nicht mehr nur Telefonanrufe, sondern auch Radio- und Fernsehsender verbreitet werden konnten, und dass über das Fernsehkabel- <?page no="93"?> Medienregulierung 93 netz plötzlich auch Telefonie möglich war. Zweitens, und von viel größerer Tragweite, bieten beide Distributionstechnologien Zugang zum Internet, das nicht nur die multimediale Kombination von Text, Bild, Audio und Video erlaubt, sondern auch die Grenzen zwischen privater und öffentlicher Kommunikation verwischt. Die Distributionstechnologie und die darüber verbreiteten Inhalte wurden durch die Digitalisierung also definitiv voneinander entkoppelt. Dieses Verschwimmen der vormals getrennten Technologien hinter Computersektor, Telekommunikation und Massenmedien wird als technische Konvergenz bezeichnet (vgl. Humphreys & Simpson, 2018: 5-6; Latzer, 1997: 63-64, 76-77; McQuail & Deuze, 2020: 173). «Technological convergence means […] that the boundaries between information technologies and communication networks are technologically blurring» (van Cuilenburg & McQuail, 2003: 197). Latzer (1997) spricht in Zusammenhang mit der Konvergenz von Massenmedien und Telekommunikation von Mediamatik. Konvergenz findet aber nicht nur auf technischer, sondern auch auf Angebots- und Branchenebene statt (vgl. Flew, 2016; Iosifidis, 2011: 79, 169-183; Latzer, 1997: 77-82; Murdock, 2000). Zum einen sind neue hybride Angebote entstanden, die sich nicht mehr eindeutig einem der drei Modelle zuordnen lassen. Hier ist natürlich in erster Linie das Internet zu nennen, das E-Mail, Telefonie und Videokonferenzen, die Distribution traditioneller Medienangebote, aber auch Streaming (Audio- und Video-on-Demand) und Plattformen (bspw. soziale Netzwerke oder Suchmaschinen) umfasst. Zum anderen verschwimmen die Grenzen zwischen vormals getrennten Medien- und Kommunikationsindustrien. Telekommunikations- und Kabelfernsehunternehmen bieten Telefonie, Fernsehen und Internet aus einer Hand an; Zeitungsverlage und Rundfunkorganisationen sind nicht nur auf ihren traditionellen Märkten, sondern auch im Internet präsent; global tätige Plattformen, Softwarefirmen und Hersteller·innen von Unterhaltungselektronik sind aus der Distribution von Medieninhalten nicht mehr wegzudenken. Zudem kommt es zu Allianzen und Fusionen von Unternehmen aus diesen vormals getrennten Branchen. Diese Veränderungen auf Ebene von Technologie, Angebot und Branche haben Folgen für die Medienregulierung. Wenn jeder Inhalt über jedes Netz verbreitet werden kann, neuartige Angebote entstehen und Unternehmen auf mehreren Märkten tätig sind, so werden verschiedene Modelle der Medienregulierung basierend auf der verwendeten Distributionstechnologie grundsätzlich infrage gestellt. Einerseits besteht die Gefahr, dass gleiche Inhalte in Abhängigkeit vom Dis- <?page no="94"?> Grundlagen 94 tributionskanal unterschiedlich reguliert werden. Soll eine Zeitung auf Papier anders reguliert werden als die gleiche Zeitung im Internet, ein Fernsehsender über Satellit anders als der gleiche Sender über Streaming? «It will no longer be adequate to define regulatory responsibilities in terms of the method of distribution, since increasingly the same distribution method will be used for a variety of different kinds of content» (Levy, 1999: 14). Andererseits ist bei neuen Onlineangeboten unklar, ob sie sich überhaupt einem der drei Modelle zuordnen lassen. Zwar wurde das Internet in seinen Anfangszeiten als «Common Carrier» behandelt, da es auf der Telekommunikationsinfrastruktur aufbaut. Angesichts seiner heutigen Bedeutung erscheint das als wenig sinnvoll (vgl. McQuail & Deuze, 2020: 261). Doch ist ein Streamingdienst wie Netflix nun Rundfunk oder Telekommunikation? Ist eine Onlinezeitung, die auch Podcasts anbietet, Presse, Rundfunk oder Telekommunikation? Und in welche Schublade lässt sich ein soziales Netzwerk wie TikTok stecken? Durch diese Schwierigkeiten nehmen willkürliche und interessenbezogene Zuordnungen zu einem der traditionellen Modelle (und damit einhergehend eine unterschiedlich starke Regulierung) zwangsläufig zu, was die Rechtsunsicherheit für die betroffenen Unternehmen erhöht (vgl. Latzer, 1997: 79, 176). Entsprechend wird in Forschung und Politik auch immer wieder eine Konvergenz der Regulierung gefordert, also die Aufhebung der Trennung in verschiedene Modelle der Medienregulierung entlang des technischen Distributionskanals und eine einheitliche Regulierung für sämtliche Kommunikationsformen (vgl. Collins & Murroni, 1996: 173; Latzer, 1997: 174-175). Was aber schon bei der Entstehung der drei Modelle und bei der Liberalisierung von Telekommunikation und Rundfunk galt, gilt auch hier: Technologische Entwicklungen geben nicht vor, wie Regulierung auszusehen hat. «Much of the discussion about the regulatory implications of convergence are characterised by differing forms of determinism which assume that consumer behaviour will be led by technological change and that regulation should follow suit. At its most extreme this view asserts that if communications technologies converge, then there must be a converged regulatory framework across the communications sector […]. Many of these assertions are highly questionable» (Levy, 1999: 143). Die technische Konvergenz bedingt also keine Konvergenz der Regulierung - und schon gar keine Deregulierung im Interesse der betroffenen Unternehmen. Diese drängen nämlich insbesondere deshalb auf eine einheitliche Regulierung, weil sie sich erhoffen, dass die weniger strenge Telekommunikationsregulierung auf den <?page no="95"?> Medienregulierung 95 gesamten Kommunikationssektor ausgedehnt wird. Technologische Veränderungen werden gerne als Begründung für eine Regulierungsreform vorgeschoben, doch eigentlich geht es um wirtschaftliche Interessen: «the most influential causes of change are probably the ambitions of media corporations and governments alike to benefit from the economic opportunities offered by communication technology» (van Cuilenburg & McQuail, 2003: 197). Wie der konvergente Kommunikationssektor reguliert wird, ist keine logische Folge der technischen Entwicklung. Die technische Konvergenz verändert weder die Ziele der Medienpolitik, noch macht sie eine Deregulierung nötig. Die künftige Regulierung des Sektors ist das Ergebnis eines medienpolitischen Prozesses und bedarf einer bewussten politischen Entscheidung (vgl. Hardy, 2008: 135; Hoffmann-Riem, Schulz & Held, 2000: 25-27; Meier, 2000). Das bedeutet nun nicht, dass die Medienpolitik die sozialen und ökonomischen Folgen der Konvergenz vernachlässigen soll. Denn die Konvergenz führt dazu, dass eine nach Distributionskanal getrennte Regulierung überholt ist. Und sie schafft auch neue Probleme, die potenziell der Regulierung bedürfen. Zu berücksichtigen ist hier insbesondere der Strukturwandel der Öffentlichkeit und die Bedeutung von Plattformen für die öffentliche Vermittlung von Kommunikation. Entsprechend ist es nötig, die bisherigen Modelle der Medienregulierung grundsätzlich zu überdenken (vgl. Flew, 2016; Levy, 1999: 12). Eine häufig vorgeschlagene Lösung besteht darin, nicht mehr nach verschiedenen Mediengattungen zu unterscheiden, sondern nach Infrastruktur und Inhalten getrennt zu regulieren (vgl. Latzer, 2007; Levy, 1999: 152). Dies bedeutet erstens, die elektronische Kommunikationsinfrastruktur technologieneutral zu regulieren: Jede Distributionstechnologie (beispielsweise ein Mobilfunknetz oder ein Kabelfernsehnetz) wird dann gleichbehandelt und einheitlich reguliert. Und zweitens werden die übertragenen Inhalte nicht mehr unterschiedlich reguliert, nur weil ihre Distribution über unterschiedliche Netze erfolgt. Das heißt aber nicht, dass jeder Inhalt, der von Medien und Plattformen öffentlich vermittelt wird, gleich reguliert werden muss. Vielmehr soll für den Grad der Regulierung statt der Übertragungstechnologie die gesellschaftliche Bedeutung der Inhalte ausschlaggebend sein (vgl. Collins & Murroni, 1996: 171, 174). «There are reasons […] for having a coherent set of principles […], but this does not mean that all kinds of content have to be treated equally» (van Cuilenburg & McQuail, 2003: 202). Einige Inhalte haben eine größere soziale, kulturelle oder politische Bedeutung als andere (bspw. Politikberichterstattung vs. Teleshopping). Und nicht alle Inhalte bergen das glei- <?page no="96"?> Grundlagen 96 che Risiko, schützenswerte Gruppen zu beeinträchtigen (bspw. Gewaltdarstellungen). Entsprechend kann auch die Regulierung von Inhalten und deren Anbieter·innen abgestuft erfolgen. Bar und Sandvig (2008) weisen zudem darauf hin, dass Infrastruktur nicht nur die physische Hardware wie Glasfaserleitungen oder Sendemasten umfasst, sondern auch die Software, die Kommunikation über diese Netze ermöglicht: «With the advent of convergence, the configuration of a communication network is determined less by its underlying hardware infrastructure than by control software» (Bar & Sandvig, 2008: 545). Spätestens mit Plattformen, auf denen die angezeigten oder empfohlenen Inhalte von Algorithmen zusammengestellt werden, ist die Bedeutung von Software für die öffentliche Kommunikation offenkundig geworden. Entsprechend muss Regulierung sich auch um die Software kümmern, welche die «Architektur» von Kommunikationsnetzen und Plattformen festlegt. Auf die Bedeutung von Software als Form von Governance kommen wir später noch zurück (siehe Kapitel 4.2.4). Im Zusammenhang mit der Konvergenz von Medien und Telekommunikation wird nicht nur eine Regulierung in Abhängigkeit von der verwendeten Distributionstechnologie hinterfragt, sondern auch die Zuständigkeit verschiedener Behörden für Telekommunikation und Rundfunk kritisiert. Stattdessen brauche es eine einzige Regulierungsbehörde für den ganzen Medien- und Kommunikationssektor, einen sogenannten «Single Regulator» (vgl. Collins & Murroni, 1996: 186; Irion & Radu, 2013). Vorreiter Italien und Grossbritannien: AGCOM & Ofcom Die 1997 gegründete italienische «Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni» (AGCOM) war die erste konvergente Regulierungsbehörde in Europa. Sie ist heute für Telekommunikation, Rundfunk und On-Demand-Angebote, Presse sowie Post zuständig. Auch innerhalb der Behörde wird nicht zwischen verschiedenen Medien, sondern zwischen Infrastruktur und Netzen sowie Angeboten und Produkten differenziert. Die AGCOM war auch Vorbild für die Gründung des britischen «Office of Communications» (Ofcom). Das Ofcom übernahm 2003 die Aufgaben von insgesamt fünf Regulierungsbehörden, die für Telekommunikation, Privatradio, Privatfernsehen, Funkfrequenzen und Programmbeschwerden zuständig waren. Heute fällt auch die Aufsicht über den öffentlichen Rundfunk BBC, Video-on-Demand-Angebote und die Post in den Zuständigkeitsbereich der Behörde. <?page no="97"?> Medienregulierung 97 Allerdings ist eine einheitliche Behörde noch keine Garantie für einen konvergenten Regulierungsansatz, denn innerhalb einer Regulierungsbehörde können unterschiedliche Abteilungen für (audiovisuelle) Medien und elektronische Kommunikationsdienste zuständig sein. Aufgrund der zunehmenden Relevanz von Plattformen hat die EU zwischenzeitlich begonnen, nicht nur Rundfunk und Telekommunikation, sondern auch Plattformen zu regulieren (siehe Kapitel 7.3.2.2). Die Mitgliedstaaten müssen festlegen, ob eine bestehende oder eine neue Behörde für Plattformregulierung zuständig sein soll, womit die Diskussionen über einen «Single Regulator» neue Relevanz erhalten hat. Auch wenn die Konvergenz alle Länder gleichermaßen betrifft und zahlreiche Regulierungsreformen angestoßen wurden, so gibt es weiterhin beträchtliche nationale Unterschiede in der Medienregulierung (vgl. Flew, 2016). Ein neues Modell, das zwischen einer einheitlichen Regulierung der Infrastruktur und einer abgestuften Regulierung von Inhalten und Anbieter·innen differenziert, ist erst vereinzelt erkennbar. Auch Behörden für die gesamte Rundfunk- und Telekommunikationsregulierung existieren bisher nur in sehr wenigen europäischen Ländern. Keine «Single Regulators» in Deutschland, Österreich und der Schweiz In Deutschland ist die Regulierung von Telekommunikation und audiovisuellen Medien und Onlineangeboten auch wegen der unterschiedlichen Kompetenzen von Bund und Ländern grundsätzlich getrennt. Während die «Bundesnetzagentur» für Infrastrukturmärkte wie die Telekommunikation zuständig ist, sind Landesmedienanstalten für privaten Rundfunk und (teilweise) für Plattformen verantwortlich. In Österreich gibt es mit der «Kommunikationsbehörde Austria» (KommAustria) und der «Telekom-Control-Kommission» (TKK) ebenfalls zwei verschiedene Regulierungsbehörden. Die «Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH» (RTR) unterstützt die Arbeit von beiden und besitzt auch eigene Kompetenzen in beiden Sektoren. Und während in der Schweiz mit dem «Bundesamt für Kommunikation» (BAKOM) die öffentliche Verwaltung für den Rundfunk zuständig ist, existiert für die Telekommunikation eine unabhängige Behörde, die «Eidgenössische Kommunikationskommission» (ComCom), die in ihrer Arbeit aber vom BAKOM unterstützt wird. <?page no="98"?> Grundlagen 98 Technische Konvergenz bezeichnet das Verschwimmen der vormals getrennten Technologien hinter Telekommunikation und Massenmedien, das durch die Digitalisierung ermöglicht wurde. Konvergenz findet auch auf Angebots- und Branchenebene statt, weshalb häufig eine Konvergenz der Regulierung gefordert wird. Eine Regulierungsreform ist indes keine logische Folge technischer Veränderungen, sondern bedarf einer politischen Entscheidung. Eine mögliche Antwort auf die Konvergenz besteht darin, zu einem Modell einheitlicher Infrastruktur- und abgestufter Inhaltsregulierung überzugehen. 3.3 Medienregulierung erklären Bisher haben wir gelernt, was Medienregulierung ist und wie sie sich entwickelt hat. Doch um über eine Beschreibung hinauszugehen und zu erklären, weshalb bestimmte Regulierungsmaßnahmen implementiert werden oder warum es nationale Unterschiede gibt, müssen wir Theorien heranziehen. Diese Theorien versuchen Regulierung anhand von Interessen, Institutionen oder Ideen zu erklären (vgl. Jarren et al., 2002: 56-73; Puppis, 2009a: 84-96; siehe Tab. 7). Tab. 7: Regulierungstheorien im Überblick Fokus Ansätze Interessen Public-Interest-Theorie: Durchsetzung des öffentlichen Interesses Regulierungsversagen: «Capture» von Regulierungsbehörden Private-Interest-Theorie: Durchsetzung von Partikularinteressen Institutionen Rational-Choice-Institutionalismus: Delegation von Kompetenzen an und Kontrolle von Regulierungsbehörden Historischer Institutionalismus: Einfluss von Pfadabhängigkeiten Soziologischer Institutionalismus: Bedeutung von Imitation aufgrund von Selbstverständlichkeitsannahmen Ideen Bedeutung von Leitbildern und normativen Vorstellungen Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Puppis (2009a: 84, 91) <?page no="99"?> Medienregulierung 99 3.3.1 Interessentheorien Interessentheoretische Ansätze betrachten Regulierung als Instrument, um bestimmte Interessen durchzusetzen. Zur Erklärung von Regulierung müsse deshalb betrachtet werden, in wessen Interesse Regulierung liegt und wie Kosten und Nutzen in der Gesellschaft verteilt sind (vgl. Wilson, 1980). 3.3.1.1 Public-Interest-Theorie Die Public-Interest-Theorie ist ein normativer Ansatz, der dem Staat die Aufgabe zuschreibt, mittels Regulierung das öffentliche Interesse (also das Gemeinwohl) gegenüber Partikularinteressen von Unternehmen zu verteidigen. Regulierung dient dabei aber nicht nur dem ökonomischen Ziel, Marktversagen zu korrigieren (siehe Kapitel 5.2), sondern auch der Verwirklichung sozialer Ziele. In der Medienregulierung spielte das öffentliche Interesse immer eine zentrale Rolle, um staatliche Eingriffe zu begründen (siehe Kapitel 5.3). Die Erklärungskraft der Theorie ist aber umstritten. Kritisiert wird etwa, dass der Einfluss der regulierten Unternehmen auf die Regulierung und das Eigeninteresse der Regulierenden unterschätzt würden. Ebenso sei die Definition dessen, was denn nun im öffentlichen Interesse liege, umstritten. Empirische Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass es mit Regulierung nicht immer gelingt, die propagierten Ziele tatsächlich zu erreichen (vgl. Baldwin, Cave & Lodge, 2012: 40-43). 3.3.1.2 Regulierungsversagen und Private-Interest-Theorie Aus der Kritik an der Public-Interest-Theorie sind positive Ansätze entstanden, die nicht versuchen, Regulierung normativ zu begründen, sondern aufzuzeigen, welche Akteure ein Interesse an Regulierung haben. Diese ökonomischen Ansätze gehen davon aus, dass sämtliche Akteure versuchen, ihren eigenen Nutzen zu maximieren. Ansätze des Regulierungsversagens («Regulatory Failure») wie die «Capture»-Theorie gehen davon aus, dass sich Regulierungsbehörden im Laufe ihrer Existenz von ressourcenstarken ökonomischen Akteuren gefangen genommen oder vereinnahmt werden. Deshalb würden sie sich immer weniger um die Durchsetzung des öffentlichen Interesses kümmern und stattdessen die privaten Interessen der regulierten Unternehmen in den Mittelpunkt stellen (vgl. Horwitz, <?page no="100"?> Grundlagen 100 1989). Die Private-Interest-Theorie erklärt das damit, dass die auf ihre Wiederwahl bedachten Politiker·innen mit mächtigen ökonomischen Akteuren einen Tausch eingehen würden: vorteilhafte Regulierungsentscheidungen gegen (Wahlkampf-)Gelder und/ oder Wähler·innenstimmen. Entsprechend dient Regulierung der Verwirklichung der privaten Interessen von Unternehmen und Regulierenden. Kritisiert wurde die Private-Interest-Theorie unter anderem für das unterstellte Selbstinteresse aller Beteiligten. Neben der (ökonomischen) Nutzenmaximierung können auch Beweggründe wie Altruismus oder Ideologie Entscheidungen von Regulierungsbehörden beeinflussen. Kommt hinzu, dass politikwissenschaftliche Studien die Annahmen der ökonomischen Theorien oftmals nicht bestätigen und untersuchte Regulierungsmaßnahmen so nicht erklären konnten (vgl. Baldwin, Cave & Lodge, 2012: 43-49; Majone, 1996b: 31-34). 3.3.2 Neoinstitutionalismus Regulierung wird aber nicht nur von den Interessen der beteiligten Akteure beeinflusst. Neoinstitutionalistische Ansätze betonen die Bedeutung von Institutionen für das Handeln von Akteuren und die Ausgestaltung von Regulierung. Dabei kann zwischen dem Rational-Choice-, dem Historischen und dem Soziologischen Institutionalismus unterschieden werden (vgl. Hall & Taylor, 1996). 3.3.2.1 Rational-Choice-Institutionalismus Im Rational-Choice-Institutionalismus (RCI) sind Akteure wie in anderen ökonomischen Ansätzen rationale Nutzenmaximierer·innen. Ihr Handeln wird aber durch Institutionen - verstanden als Spielregeln - beeinflusst, die das Resultat bewusster Gestaltung sind (vgl. Hall & Taylor, 1996). Auf Regulierung wird insbesondere das Prinzipal-Agenten-Modell angewendet, um die Delegation von Kompetenzen an und die politische Kontrolle von Regulierungsbehörden zu untersuchen. Das Modell bietet zum einen funktionale Erklärungen, weshalb ein Prinzipal (in diesem Falle Regierung und Parlament) Kompetenzen an einen Agenten (hier an eine Regulierungsbehörde) delegiert (siehe auch Kapitel 3.2.2.1). Eine solche Delegation erfolge nur, wenn sie für politische Entscheidungsträger·innen klare Vorteile mit sich bringe. Dazu zählen die Erhöhung der eigenen Glaubwürdigkeit, die Verpflichtung künftiger Regierungen und <?page no="101"?> Medienregulierung 101 die Möglichkeit, die Verantwortung für unpopuläre Entscheidungen abzuschieben (vgl. Baldwin, Cave & Lodge, 2012: 54-58; Gilardi, 2004; Majone, 1996b: 40-44). Zum anderen können Probleme in der Aufsicht über Regulierungsbehörden untersucht werden. Da eine Informationsasymmetrie zwischen Prinzipal und Agent besteht, kann der Agent dies potenziell zum eigenen Vorteil ausnutzen. Damit stellt sich die Frage, mittels welcher Kontrollmechanismen der Agent daran gehindert werden kann, Eigeninteressen zu verfolgen, statt die ihm vom demokratisch gewählten Prinzipal zugeteilten Aufgaben zu erfüllen (vgl. Majone, 1996b: 34-40). 3.3.2.2 Historischer Institutionalismus Anders als der RCI lehnt der Historische Institutionalismus (HI) die Vorstellung ab, dass Institutionen das Ergebnis intendierten Handelns von Akteuren sind. Institutionen werden verstanden als formelle und informelle Prozesse, Normen und Konventionen, die innerhalb bestimmter politischer Strukturen handlungsprägend sind. In der Theorie sind drei Annahmen von Bedeutung (vgl. Bannerman & Haggart, 2015; Hall & Taylor, 1996). In Institutionen drücken sich gesellschaftliche Machtverhältnisse aus, was bestimmte Akteure in der Politik begünstigt. Institutionen sorgen für die Pfadabhängigkeit von Politik, d. h., vergangene Entscheidungen prägen künftige Entscheidungen. Zu Wandel kommt es nur zu besonderen Zeitpunkten («Critical Junctures») durch exogene Schocks. Die in Institutionen eingebetteten Ideen prägen die Wahrnehmung und Präferenzen von Akteuren. Der HI, und insbesondere das Konzept der Pfadabhängigkeit, kann erklären, wie Regulierung von den Besonderheiten eines Landes und den Traditionen in einem Politikfeld geprägt wird. Damit lässt sich beispielsweise besser verstehen, wieso in verschiedenen Ländern unterschiedlich auf identische Herausforderungen wie die Liberalisierung des Rundfunks oder die Konvergenz reagiert wurde (vgl. Gibbons & Humphreys, 2012; Humphreys, 1996; Jääsaari, 2007; siehe auch Studie 5). Und während die funktionalen Erklärungen für die Entstehung von Regulierungsbehörden, die der RCI bietet, überall identische Lösungen erwarten lassen würden, können mit der Pfadabhängigkeit Unterschiede zwischen Ländern und Politikfeldern erklärt werden (vgl. Gilardi, 2004; Thatcher, 2002). Die Theorie <?page no="102"?> Grundlagen 102 wird ebenso herangezogen, um «Critical Junctures» wie politische oder technologische Veränderungen und ihren Einfluss auf Regulierungsreformen zu untersuchen (vgl. Pickard, 2014): «when change does occur, such as under the force of powerful exogenous pressures such as technological change and internationalizing markets, the reforms follow characteristic national paths» (Humphreys, 2012: 170). Studie 5: Pfadabhängigkeit der Medienregulierung In der vergleichenden Studie von Gibbons und Humphreys (2012) wurde der Einfluss von Globalisierung und Digitalisierung auf die Medienregulierung in Deutschland, Frankreich, Kanada und Großbritannien untersucht. Die beiden Forscher vermuteten, dass der Standortwettbewerb zwischen den Ländern eine Deregulierung (ein «Race to the Bottom») begünstigen würde. Hierzu untersuchten sie die Regulierung des öffentlichen Rundfunks und von Medienkonzentration, Subventionen für audiovisuelle Produktionen sowie inhaltliche Vorgaben im Rundfunk. Mit Ausnahme der Konzentrationsregulierung kam es aber zu keiner weitreichenden Deregulierung und national unterschiedliche kulturelle Prioritäten blieben für die Medienregulierung unvermindert von Bedeutung: Trotz gleicher Herausforderungen folgten die vier Länder bei Anpassungen ihrer Medienregulierung also einem nationalen Pfad. «Despite the challenges, these countries’ respective cultural policy toolkit models appear robust and demonstrate a striking degree of political support with path-dependent policy-making» (Gibbons & Humphreys, 2012: 191). 3.3.2.3 Soziologischer Institutionalismus Der Soziologische Institutionalismus (SI) lehnt die Vorstellung rational handelnder Akteure ab und hat ein sehr breites Verständnis von Institutionen. Institutionen werden als Teil der Umwelt von Organisationen verstanden und prägen deren Strukturen und Prozesse über Selbstverständlichkeitsannahmen, moralische Verpflichtung und Zwang. Organisationen passen sich an ihre Umwelt nicht an, weil dies besonders effizient wäre, sondern weil sie so ihre Legitimität erhöhen können (vgl. Hall & Taylor, 1996; Meyer & Rowan, 1991 [1977]; Scott, 2013: 59-70). Doch Organisationen befolgen institutionelle Anforderungen nicht einfach, sondern sie können auch strategisch auf sie reagieren und versuchen, ihre Umwelt zu beeinflussen (vgl. Barley & Tolbert, 1997; Oliver, 1991). <?page no="103"?> Medienregulierung 103 Der SI bietet erstens eine alternative Erklärung für die Entstehung von Regulierungsbehörden. Nicht Vorteile für politische Entscheidungsträger·innen oder Pfadabhängigkeiten, sondern die Imitation von als erfolgreich wahrgenommenen Vorbildern in anderen Ländern oder Politikfeldern sei für die Gründung solcher Behörden ausschlaggebend gewesen (vgl. Gilardi, 2004). Genauso würden Regulierungsbehörden bestimmte Strukturen und Prozesse nicht aufgrund von Effizienz implementieren, sondern weil sie dadurch ihre Legitimität erhöhen können (vgl. Puppis, 2009a: 95-96, 132-136; siehe auch Studie 7 in Kapitel 4.2.2). Zweitens lässt sich der SI nicht nur auf Regulierungsorganisationen, sondern auch auf die regulierten Organisationen - also Medien und Plattformen - anwenden: Regulierung ist dann Teil ihrer institutionellen Umwelt und die Befolgung von Regulierung sichert Organisationen Legitimität. Regulierung wird nicht einfach befolgt, weil sonst Sanktionen drohen, sondern auch aufgrund von moralischer Verpflichtung und Selbstverständlichkeitsannahmen. Gleichzeitig können Medien und Plattformen aber auch strategisch auf Regulierungsversuche reagieren, indem sie bspw. die Nichtbefolgung verschleiern oder auf eine Änderung von Regeln hinwirken (vgl. Ali & Puppis, 2018; Löblich, 2017; Puppis, 2009a: 136-139). Wir werden uns dies in Zusammenhang mit Media Governance noch genauer anschauen (siehe Kapitel 4.3). 3.3.3 Ideentheoretische Ansätze Zur Erklärung von Regulierung können neben Interessen und Institutionen auch Ideen herangezogen werden. Ideen sind entscheidend dafür, wie politische Entscheidungsträger·innen die soziale Realität wahrnehmen, was letztlich ihre Regulierungsentscheidungen und ihre Präferenz für bestimmte Regulierungsinstrumente prägt (vgl. Baldwin, Cave & Lodge, 2012: 49-53). Der Begriff der Idee wird dabei für unterschiedliche Arten von normativen Vorstellungen, Wahrnehmungen und Zielsetzungen benutzt (z. B. Leitbilder, Deutungsmuster oder Paradigmen). Erstens lenken Ideen die Wahrnehmung von Problemen und bestimmen ein Stück weit mit, was überhaupt als Regulierungsproblem angesehen wird. Zweitens liefern Ideen Annahmen darüber, welche Regulierung sich zur Lösung eines bestimmten Problems anbietet. Und drittens bieten Ideen den Akteuren eine Vorstellung davon, was in einer bestimmten Gesellschaft überhaupt erstrebenswert ist (vgl. Künzler, 2009: 103-111, 336-337). <?page no="104"?> Grundlagen 104 Studie 6: Rundfunkliberalisierung in Kleinstaaten Künzler (2009) untersuchte in seiner vergleichenden Studie über die Zulassung von Privatrundfunk in den Kleinstaaten Irland, Österreich und Schweiz mittels einer qualitativen Dokumentenanalyse, welche Ideen in Parlamentsdebatten ausgedrückt wurden. Dabei unterschied er zwischen Deutungsmustern (Wahrnehmung von Phänomenen und deren normative Bewertung) und Leitbildern (Vorstellung, wie Normen zu erzielen sind). Bezüglich der Deutungsmuster wurde in allen drei Ländern auf die Notwendigkeit verwiesen, auf den medientechnischen Wandel zu reagieren. Doch nur in Österreich und der Schweiz wurden die strukturellen Besonderheiten von kleinen Mediensystemen und der damit einhergehende Wettbewerb mit ausländischen Sendern, und nur in Irland und der Schweiz das Monopol des öffentlichen Rundfunks als problematisch erachtet. Entsprechend war laut Künzler das Leitbild «Medien- und Meinungsvielfalt» in Irland und der Schweiz für die Zulassung von Privatrundfunk ausschlaggebend, während in Österreich das Leitbild «Rechtsstaatliche Anforderungen» zentral war. Hintergrund dazu ist, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden hatte, das Verbot von Privatrundfunk verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (siehe Kapitel 7.1.2.1). In Irland war zudem das Leitbild «Investitionen auslösen und Arbeitsplätze schaffen» von Bedeutung, womit auch wirtschaftliche Ziele verfolgt wurden (vgl. Künzler, 2009: 324-342). Die Studie kann damit erklären, weshalb die Liberalisierung trotz ähnlicher Ausgangsbedingungen in den drei Ländern sehr unterschiedlich vonstattenging. Angewendet auf Medienregulierung können ideentheoretische Ansätze beispielsweise verwendet werden, um die unterschiedlichen Regulierungstraditionen in den USA und (West-)Europa zu erklären. Der Siegeszug kommerzieller Rundfunksender in den USA kann nicht nur mit deren größerem Einfluss, sondern auch mit der Kompatibilität mit vorherrschenden Werten erklärt werden (vgl. Vos, 2010). Und Ideen haben auch die Liberalisierung des Rundfunks in europäischen Kleinstaaten geprägt (vgl. Künzler, 2009; siehe auch Studie 6). <?page no="105"?> Medienregulierung 105 Medienregulierung lässt sich mit Interessen, Institutionen oder Ideen erklären. Interessentheoretische Ansätze sehen Regulierung als Mittel zur Durchsetzung entweder des öffentlichen Interesses oder der privaten Interessen von regulierten Unternehmen und Entscheidungsträger·innen. Neoinstitutionalistische Ansätze thematisieren, wie Institutionen das Handeln prägen. Im Rational-Choice-Institutionalismus wird das Verhältnis zwischen Politik und Regulierungsbehörden untersucht; der Historische Institutionalismus zeigt die Bedeutung von Pfadabhängigkeiten auf; und der Soziologische Institutionalismus interessiert sich für das Verhältnis zwischen institutionellen Umwelten und Organisationen. Ideentheoretische Ansätze schließlich zeigen auf, welche Leitbilder und Deutungsmuster hinter Regulierung stehen. Übungen 1. Definieren Sie Medienregulierung. 2. Beschreiben Sie, wie sich die drei Modelle der Medienregulierung unterscheiden. 3. Begründen Sie, weshalb es zur Einführung von Privatrundfunk gekommen ist. Überlegen Sie auch, welche Folgen die Dualisierung des Rundfunks hatte. 4. Erklären Sie die Gründung von Regulierungsbehörden im Rundfunk- und Telekommunikationssektor mit den drei verschiedenen neoinstitutionalistischen Theorien. 5. In einigen Ländern ist eine einzige Regulierungsbehörde für Rundfunk und Telekommunikation zuständig. Zeichnen Sie mögliche Organigramme, wie ein solcher «Single Regulator» intern aufgebaut sein könnte. 6. Überlegen Sie sich je eine Fragestellung, die sich mit interessen-, institutionen- und ideentheoretischen Ansätzen untersuchen lässt. <?page no="106"?> Grundlagen 106 Literaturtipps Ali, C., & Puppis, M. (2018). When the Watchdog neither Barks nor Bites: Communication as a Power Resource in Media Policy and Regulation. Communication Theory, 28(3), 270-291. Die Autoren verknüpfen Kritische Politische Ökonomie und Neoinstitutionalismus, um den Einfluss von Medienunternehmen auf Regulierung zu beleuchten. Gilardi, F. (2004). Institutional Change in Regulatory Policies: Regulation Through Independent Agencies and the Three New Institutionalisms. In J. Jordana & D. Levi-Faur (Hrsg.), The Politics of Regulation: Institutions and Regulatory Reform in the Age of Governance (S. 67-89). Cheltenham: Edward Elgar. Mit den drei neoinstitutionalistischen Ansätze erklärt Gilardi die Entstehung von Regulierungsbehörden in Europa. Humphreys, P. (1996). Mass Media and Media Policy in Western Europe. Manchester: Manchester University Press. [Kapitel 5 & 7]. In diesem Meilenstein der vergleichenden Medienpolitikforschung untersucht Humphreys auch die Liberalisierung des Rundfunksektors in Westeuropa. Latzer, M. (1997). Mediamatik - Die Konvergenz von Telekommunikation, Computer und Rundfunk. Opladen: Westdeutscher Verlag. [Kapitel 2]. Latzer beschreibt detailliert die Telematik und Mediamatik, also die Konvergenz von Computersektor, Telekommunikation und Rundfunk. Hesmondhalgh, D. (2019). The Cultural Industries (4. Auflage). London: Sage. [Kapitel 5 & 6] In seiner hervorragenden Einführung in die Kulturindustrien analysiert Hesmondhalgh auch die Veränderungen durch Liberalisierung und Konvergenz. van Cuilenburg, J., & McQuail, D. (2003). Media Policy Paradigm Shifts. Towards a New Communications Policy Paradigm. European Journal of Communication, 18(2), 181-207. Dieser grundlegende Artikel erörtert die Entwicklung der Medienregulierung von ihren Anfängen im 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. <?page no="107"?> 107 4 Media Governance Inhalt und Lernziele Das folgende Kapitel beginnt mit einer Definition des Begriffs der Media Governance. Mit Governance wird betont, dass die öffentliche Vermittlung von Kommunikation durch Medien und Plattformen nicht nur durch staatliche Regulierung auf nationaler Ebene beeinflusst wird. Der Blick wird damit auf die europäische und globale Ebene, auf Selbst- und Co-Regulierung durch die Branche, auf Selbstorganisation sowie auf informelle Normen und das Design von Technologie ausgeweitet. Das Kapitel endet mit einer Anwendung der Soziologischen Institutionalismus auf Media Governance. Nach diesem Kapitel können Sie Media Governance definieren. die bedeutende Rolle von Selbst- und Co-Regulierung in der Medienpolitik begründen. die Relevanz des Designs von Technologie in der Media Governance beurteilen und erläutern, was mit «Code is Law» gemeint ist. 4.1 Was ist Media Governance? Bisher haben wir uns mit Medienpolitik und staatlicher Medienregulierung befasst. Auch wenn zahlreiche Akteure versuchen, auf den medienpolitischen Prozess Einfluss zu nehmen, so lag der Fokus dennoch unverkennbar auf dem Staat oder Government. Doch Regeln für die öffentliche Vermittlung von Kommunikation durch Medien und Plattformen werden nicht nur in Nationalstaaten und nicht nur durch staatliche Akteure festgelegt. Zudem findet eine Beeinflussung von Handeln oder der Bewältigung von Risiken nicht nur mittels formeller Regeln statt. Das ist kein völlig neues Phänomen. Gerade im Rundfunk und in der Telekommunikation war staatliche Regulierung aufgrund der Wahrung der Medienfreiheit und des <?page no="108"?> Grundlagen 108 grenzüberschreitenden Charakters von Kommunikation schon immer nicht die einzige Form, wie öffentliche Kommunikation geregelt wurde. Dass Alternativen zu staatlicher Regulierung in Politik und Wissenschaft seit Ende des 20. Jahrhunderts an Aufmerksamkeit gewonnen haben, hängt aber auch damit zusammen, dass der Regulierungsstaat sich mit zahlreichen gesellschaftlichen Veränderungen konfrontiert sieht. So wird etwa argumentiert, dass die Komplexität der zu lösenden Probleme, die Fragmentierung des für Regulierung benötigten Wissens, die wachsende Autonomie verschiedener Teile der Gesellschaft und auch die Interdependenzen zwischen Akteuren es schwieriger machen, politische Ziele mit staatlicher Regulierung zu erreichen (vgl. Black, 2002: 4-8). In der Medienpolitik tragen die zunehmende Transnationalisierung und die zentrale Bedeutung von Technologie ebenfalls dazu bei, dass staatliche Regulierung an ihre Grenzen stößt. Mit Governance wird deshalb ein Perspektivenwechsel vollzogen, der verdeutlicht, dass nicht alle Probleme mit staatlicher Regulierung gelöst werden können. Mayntz (2004: 66) definiert Governance «als das Gesamt aller nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte». Abb. 6: Governance als horizontale und vertikale Ausweitung von Government Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Puppis (2010: 140) europäische Ebene staatliche Regulierung Co- Regulierung Selbstregulierung horizontale Ausweitung vertikale Ausweitung globale Ebene Government Governance <?page no="109"?> Media Governance 109 Damit umfasst Governance zusätzlich zu staatlicher Regulierung nicht nur die internationale Zusammenarbeit von Staaten auf europäischer und globaler Ebene (siehe Kapitel 4.2.1), sondern auch Regulierung durch nicht-staatliche Akteure auf Branchenebene (Selbstregulierung) und Co-Regulierung durch Staat und Branche (siehe Kapitel 4.2.2). Insofern kann von einer vertikalen und horizontalen Ausweitung von Government gesprochen werden (vgl. Puppis, 2010; siehe Abb. 6). Beide Entwicklungen - das Zusammenspiel mehrerer Ebenen und die Einbeziehung privater Akteure - finden oftmals gleichzeitig statt, was als transnationale Zusammenarbeit bezeichnet wird. «Increasingly, governance decisions are made in complicated networks encompassing supranational, national and subnational actors - public, semi-public and private» (Van Kersbergen & Van Waarden, 2004: 155). Auch für medienpolitische Analysen bietet sich eine Ausweitung von Government hin zu Governance an. Schließlich zeichnet sich Medienpolitik traditionell durch eine Vielzahl interdependenter Akteure auf verschiedenen Ebenen aus (vgl. Raboy & Padovani, 2010). Entsprechend kann Media Governance in Anlehnung an Mayntz (2004) als «the entirety of forms of rules that aim to organize media systems» (Puppis, 2010: 138) definiert werden. Zwar wird der Blick damit schon deutlich über staatliche Regulierung auf nationaler Ebene ausgeweitet, doch der Fokus auf Formen der kollektiven Regelung lässt außer Acht, dass auch einzelne Organisationen Regeln setzen können (Selbstorganisation; siehe Kapitel 4.2.3). Zudem kann soziale Ordnung nicht nur durch formelle Regeln, sondern auch durch informelle Normen und durch das Design von Technologie (siehe Kapitel 4.2.4) gebildet werden. In diesem Sinne kann Governance noch breiter definiert werden als alle Formen der sozialen Ordnungsbildung (vgl. Bevir, 2009: 14) oder als Koordination von «Interdependenzbewältigung zwischen Akteuren» (Lange & Schimank, 2004: 19) innerhalb bestimmter Strukturen. Benz (2004: 19-21) hat den Unterschied zwischen Government und Governance anhand der drei Dimensionen von Politik veranschaulicht (siehe Tab. 8). Anders als bei klassischer Politik muss bei Governance der institutionelle Rahmen nicht der Staat sein und es ist auch nicht zwingend das politisch-administrative System, das am Ende eines politischen Prozesses (an dem sich verschiedenste Akteure beteiligen können) die Entscheidung fällt. Vielmehr kann die Koordination der voneinander abhängigen Akteure auch in internationalen Foren, in privaten Branchenorganisationen, innerhalb einzelner Medien- oder Plattformunternehmen oder in einem informellen Rahmen vonstattengehen, wobei nicht alle Akteure überall den gleichen Zugang haben. Staatliche Regulierung ist also nur eine mögliche Form der sozialen Ordnungsbildung. <?page no="110"?> Grundlagen 110 Tab. 8: Government und Governance im Vergleich Government Governance Polity Demokratischer Staat Institutionelle Regelungsstruktur Politics Einflussnahme verschiedener Akteure auf politischen Prozess, aber Entscheidung durch das politisch-administrative System Koordination zwischen interdependenten Akteuren Policy allgemein verbindliche Entscheidungen und Umsetzung durch staatliche Regulierung soziale Ordnungsbildung Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Benz (2004: 21) Auch mit Blick auf Media Governance ist ein solch breiteres Verständnis, das über formelle Regeln hinausgeht, nötig (vgl. Katzenbach, 2018: 44-46, 64). In diesem Sinne können wir Media Governance definieren als intentionalen Versuch der Bildung einer auf der Koordination interdependenter Akteure auf verschiedenen Ebenen beruhenden sozialen Ordnung, die der Beeinflussung von Handeln oder Bewältigung von Risiken bezüglich der von Medienorganisationen und Plattformen erbrachten Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation dient. Oder einfacher ausgedrückt: Media Governance umfasst sämtliche Formen intentionaler sozialer Ordnungsbildung (also formelle Regeln wie staatliche Regulierung, Co-Regulierung, Selbstregulierung auf Branchenebene und Selbstorganisation einzelner Medien und Plattformen, informelle Normen sowie das Design von Technologie) auf nationaler, europäischer und globaler Ebene, welche die öffentliche Vermittlung von Kommunikation gestalten (siehe auch Recommendation CM/ Rec(2022)11). Folglich ist Media Governance mehr als nur eine Governance der Medien, sondern eigentlich eine «Mediation Governance», eine Governance von Vermittlung (vgl. Puppis, 2020). Media Governance bezeichnet den intentionalen Versuch der Bildung einer auf der Koordination interdependenter Akteure auf verschiedenen Ebenen beruhenden sozialen Ordnung, die der Beeinflussung von Handeln oder Bewältigung von Risiken bezüglich der von Medienorganisationen und Plattformen erbrachten Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation dient. <?page no="111"?> Media Governance 111 4.2 Von Government zu Governance Media Governance lenkt den Blick über Medienpolitik in Nationalstaaten und staatliche Regulierung hinaus auf andere Formen der sozialen Ordnungsbildung. Neben einer vertikalen Ausweitung auf die europäische und globale Ebene und einer horizontalen Ausweitung auf nicht-staatliche Formen der kollektiven Regelung müssen auch Regeln einzelner Organisationen, informelle Normen und das Design von Technologie berücksichtigt werden. Im Folgenden schauen wir uns diese verschiedenen Formen der sozialen Ordnungsbildung etwas genauer an. 4.2.1 Von der nationalen auf die europäische und globale Ebene Die vertikale Ausweitung von Government verdeutlicht, dass die öffentliche Vermittlung von Kommunikation durch ein Zusammenspiel verschiedener Ebenen geregelt wird: Neben der nationalen Ebene sind auch die europäische und die globale Ebene von Bedeutung, wodurch staatliche Medienregulierung in Europa zu einer European und Global Media Governance erweitert wird. Aufgrund von Interdependenzen zwischen Nationalstaaten und des grenzüberschreitenden Charakters von Kommunikation wurde traditionelles nationalstaatliches Regieren («Governance by Government») im Mediensektor schon früh durch internationales Regieren, also eine Zusammenarbeit von Staaten («Governance with Government»), ergänzt (vgl. Tietje, 2009; Zürn, 2005). Diese internationale Zusammenarbeit findet vielfach in durch multilaterale völkerrechtliche Verträge geschaffenen «International Governmental Organizations» (IGOs; Internationale Regierungsorganisationen) statt. Mitglieder von IGOs sind die einzelnen Nationalstaaten und in der Regel verfügt jedes Land über eine Stimme (vgl. MacLean, 2011). Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass die Staaten auch dadurch Macht ausüben können, dass sie wichtige Posten in den Leitungsgremien besetzen oder die Zahlung ihrer Mitgliedsbeiträge von ihnen genehmen Entscheidungen abhängig machen (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 144-145). Internationales Regieren hat in den meisten Fällen ein großes Manko: Ein Großteil der internationalen Rechtsinstrumente (Deklarationen, Resolutionen) ist nicht verbindlich. Sie entfalten nur eine Wirkung, wenn die einzelnen Staaten sich an ihre Versprechen halten. Zwar existieren auch bindende Instrumente wie Verträge, doch selbst dann fehlt es in den meisten Fällen an durchsetzbaren Sanktionen, womit die Gefahr besteht, dass die Verträge nicht eingehalten werden (vgl. <?page no="112"?> Grundlagen 112 Ó Siochrú & Girard, 2002: 20, 136-137). Die Möglichkeiten nicht-staatlicher Akteure, sich international in den politischen Prozess einzubringen, sind viel beschränkter als auf nationaler Ebene. IGOs verfügen in der Regel nicht über Beteiligungsmechanismen für nicht-staatliche Akteure, die über eine Beratungsfunktion hinaus gehen (vgl. MacLean, 2011). Allerdings arbeiten Unternehmen mit nationalstaatlichen Delegationen in der Ausarbeitung von Vorschlägen häufig eng zusammen: «the interests of the private sector are closely aligned by some governments with the general national interest» (Ó Siochrú & Girard, 2002: 147). Auf europäischer Ebene finden sich mit dem Europarat (siehe Kapitel 7.1) und der OSZE (siehe Kapitel 7.2) zwei IGOs, die für Medien und öffentliche Kommunikation von Bedeutung sind. Doch die European Media Governance wird vor allem auch von der Europäischen Union (EU; siehe Kapitel 7.3) stark geprägt. Die Zusammenarbeit innerhalb der EU unterscheidet sich in Qualität und Intensität deutlich von IGOs, weshalb von Supranationalität gesprochen wird. Auch auf globaler Ebene existieren mehrere IGOs, die den Medien- und Kommunikationssektor prägen. Die ITU kümmert sich vor allem um technische Fragen wie Frequenzen und Standardisierung (siehe Kapitel 8.1), die WIPO um urheberrechtliche Aspekte (siehe Kapitel 8.2). Und während die UNESCO sich mit Bildung, Wissenschaft und Kultur befasst und entsprechend auch Medien unter einem kulturellen Blickwinkel betrachtet (siehe Kapitel 8.3), dient die WTO der Liberalisierung des Welthandels, was auch Auswirkungen auf Medien und Telekommunikation hat (siehe Kapitel 8.4). Zudem hat die OECD mit ihrer Steuerpolitik Auswirkungen auf Plattformen (siehe Kapitel 8.5). Neben dem internationalen existiert aber auch ein transnationales Regieren («Governance without Government»), womit die grenzüberschreitende Regelung durch nicht-staatliche Akteure bezeichnet wird (vgl. Zürn, 2005). Grenzüberschreitend agierende Unternehmen (Transnational Corporations, TNCs) und Nichtregierungsorganisationen (Non-Governmental Organizations, NGOs) können auf der europäischen und globalen Ebene allein oder in Zusammenarbeit mit Staaten Regeln ausarbeiten, womit bereits die horizontale Ausweitung von Government ins Spiel kommt (siehe Kapitel 4.2.2). Transnationales Regieren ist gerade auch für die Governance des Internets von Bedeutung. Das Internet ist ein weltweites Netzwerk, was herkömmliche nationalstaatliche Regulierung vor erhebliche Schwierigkeiten stellt. Zwar ist das Internet keine rechtsfreie Zone und es gilt der Grundsatz, dass das, was offline illegal ist, auch online illegal ist. Doch je nach Land unterscheiden sich nicht nur die <?page no="113"?> Media Governance 113 Regulierung, sondern auch die vorherrschenden Moralvorstellungen. Zudem haben die einzelnen Staaten außerhalb ihrer Rechtshoheit keine Möglichkeit, Regeln durchzusetzen und Regelverstöße zu sanktionieren. Entsprechend bedarf es eine Zusammenarbeit auf globaler Ebene. Die Internet Governance findet aber nicht im Rahmen einer IGO statt, sondern basiert auf einer neuartigen Kooperation staatlicher und nicht-staatlicher Akteure (siehe Kapitel 8.6). Die öffentliche Vermittlung von Kommunikation wird folglich durch ein komplexes Zusammenspiel der nationalen, der europäischen und der globalen Ebene geprägt, weshalb auch von Mehrebenen- oder Multi-Level-Governance die Rede ist (vgl. Bevir, 2009: 134-137; Raboy & Padovani, 2010). Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nationalstaatliche Regulierung weiterhin zentral ist (vgl. Iosifidis, 2011: 142) und Nationalstaaten auch in IGOs die Hauptakteure sind (vgl. MacLean, 2011). Neben der nationalstaatlichen Ebene spielen auch die europäische und globale Ebene in der Media Governance eine wichtige Rolle. Die internationale Zusammenarbeit von Nationalstaaten findet hauptsächlich innerhalb von internationalen Regierungsorganisationen statt. Doch auch die transnationale Zusammenarbeit nicht-staatlicher Akteure gewinnt an Bedeutung. 4.2.2 Von staatlicher Regulierung zu Co- und Selbstregulierung Die horizontale Ausweitung von Government verdeutlicht, dass es noch andere Formen der kollektiven Regelung als staatliche Regulierung gibt. Wenn nicht der Staat, sondern eine von den regulierten Unternehmen gegründete private Organisation auf Branchenebene für die Regulierung zuständig ist, dann wird von Selbstregulierung gesprochen (vgl. Black, 1996): «an industry-level […] organization sets rules and standards […] relating to the conduct of firms in the industry» (Gunningham & Rees, 1997: 364-365). Anstelle einer staatlichen Regulierungsbehörde ist eine Selbstregulierungsorganisation für die Regelsetzung, Aufsicht und Sanktionierung zuständig. Selbstregulierung bedeutet also keinen Regulierungsverzicht und ist nicht gleichbedeutend mit einer Koordination des wirtschaftlichen Geschehens durch den Markt. In Anlehnung an die Definition staatlicher Medienregulierung (siehe Kapitel 3.1) bezeichnet Selbstregulierung den intentionalen Versuch der Beeinflussung von Handeln oder Bewältigung von Risiken durch eine private Organisation auf Branchenebene und umfasst Regelsetzung, <?page no="114"?> Grundlagen 114 Aufsicht und Sanktionierung. Wie bei staatlicher Regulierung kann auch Selbstregulierung auf Gebote/ Verbote, finanzielle Anreize und Information setzen (vgl. Black, 2001). Angesichts häufig nur schwacher Sanktionsmöglichkeiten spielt insbesondere «Naming and Shaming» durch das Veröffentlichen von Verstößen eine wichtige Rolle (vgl. Sonninen & Laitila, 1995). Mit Selbstregulierung wird eine ganze Reihe potenzieller Vorteile in Verbindung gebracht (vgl. zusammenfassend Puppis, 2009a: 36-37): Selbstregulierung sei äußerst flexibel und biete einen Geschwindigkeitsvorteil gegenüber staatlicher Regulierung. Selbstregulierungsorganisationen würden über mehr Fachwissen verfügen als staatlich eingesetzte Regulierungsbehörden. Selbstregulierung sei für den Staat kostengünstiger, da die Kosten von der regulierten Branche getragen werden. Die regulierten Unternehmen würden selbst gesetzte Regeln als sinnvoller erachten und sich somit stärker zur Einhaltung der Regeln verpflichtet fühlen. Selbstregulierung funktioniere unabhängig von Landesgrenzen. Selbstregulierung wird deshalb häufig als Alternative zu traditioneller staatlicher Regulierung propagiert, die ihre Ziele nicht immer zu erreichen vermag. Mit Blick auf Medien und öffentliche Kommunikation gibt es allerdings noch einen weiteren wichtigen Grund, der für Selbstregulierung spricht. Medienpolitik steht in demokratischen Ländern immer vor einem grundlegenden Zielkonflikt: Auf der einen Seite herrscht trotz aller Regulierungsschwierigkeiten weitgehend Einigkeit darüber, dass eine Regulierung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation durch Medien und Plattformen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Bedeutung notwendig ist. Die Bedingungen, unter denen öffentliche Kommunikation stattfindet, haben schließlich weitreichende Folgen für die Demokratie. Auf der anderen Seite müssen die Meinungsäußerungs- und die Medienfreiheit garantiert sein. Selbstregulierung stellt einen möglichen Ausweg aus diesem klassischen Dilemma der Medienpolitik dar. Potenzielle Nachteile von Selbstregulierung sind indes zu bedenken (vgl. zusammenfassend Puppis, 2009a: 37-39): Selbstregulierung ist im Normalfall reaktiv: Nicht der Wunsch nach mehr Regeln veranlasst die Branche zu Selbstregulierung, sondern das Bestreben, staatliche Regulierung zu verhindern. Die Verbindlichkeit von Selbstregulierung wird in Zweifel gezogen, da die Durchsetzung von Regeln nicht garantiert sei und kaum Sanktionen zur Verfügung stünden. Entsprechend diene Selbstregulierung lediglich der Kosmetik. <?page no="115"?> Media Governance 115 Selbstregulierung könne zur Durchsetzung von Partikularinteressen missbraucht werden. Weiter wird die fehlende demokratische Legitimität von Selbstregulierungsorganisationen kritisiert. Allerdings ist es nicht sinnvoll, Selbstregulierung und staatliche Regulierung als unvereinbare Gegensätze zu begreifen. Staatliche und nicht-staatliche Komponenten von Regulierung lassen sich auch miteinander kombinieren. Eine Beteiligung des Staates an Selbstregulierung kann als Möglichkeit gesehen werden, um die potenziellen Nachteile zu vermeiden: «the most effective self-regulatory initiatives have involved an underpinning of government regulation, or third-party oversight, or more commonly both» (Gunningham & Rees, 1997: 406). Formen der Selbstregulierung, an denen der Staat beteiligt ist, werden als Co- Regulierung (oder regulierte Selbstregulierung) bezeichnet (vgl. Black, 2001; Gunningham & Rees, 1997). So kann der Staat die Branche gesetzlich zu Selbstregulierung verpflichten, gewisse Mindestanforderungen an die Selbstregulierung festlegen und/ oder die Arbeit der Selbstregulierungsorganisation und das Funktionieren der Selbstregulierung überwachen. Somit kann Co-Regulierung definiert werden als Regelsetzung, Aufsicht und Sanktionierung durch eine Selbstregulierungsorganisation auf Branchenebene, die im Auftrag des Staates und/ oder innerhalb eines staatlich festgelegten Rahmens handelt. Um die Medienfreiheit zu wahren spielen Selbst- und Co-Regulierung im Mediensektor, insbesondere wenn immer es um Inhalte geht, eine wichtige Rolle. Journalismus: Presse- oder Medienräte sind Selbstregulierungsorganisationen, die (zumeist auf Basis von Rezipient·innenbeschwerden) Verstöße von Medien in journalistischen Arbeitsprozessen und Berichterstattung gegen bestimmte ethische Richtlinien untersuchen und nötigenfalls sanktionieren (vgl. Puppis, 2009a: 68; siehe Kapitel 10.4). Heute sind Presse- und Medienräte in Europa weitverbreitet (siehe auch Studie 7). Jugendmedienschutz: Um Kinder und Jugendliche vor der Rezeption von für sie als ungeeignet erachteten Inhalten zu schützen, existiert in zahlreichen Ländern eine Co-Regulierung im Bereich des Jugendmedienschutzes. Während Staaten Verstöße gegen Jugendschutzvorschriften aufgrund des Zensurverbots erst im Nachhinein ahnden können, haben Selbstregulierungsorganisationen die Möglichkeit, Inhalte bereits im Vorfeld zu prüfen. Sie können dann die Verbreitung bestimmter Inhalte untersagen oder mit Auflagen versehen. Dies betrifft je nach Mediensystem Film und Fernsehen, Games, Streamingdienste, Video-Sharing-Dienste und andere Onlineangebote (siehe Kapitel 11.1.2.3). <?page no="116"?> Grundlagen 116 Onlineinhalte: Zudem finden sich auch Formen der Selbst- und Co-Regulierung von Internet-Service-Providern und Plattformen, um den Zugang zu illegalen oder legalen, aber potenziell schädlichen Inhalte einzuschränken (siehe Kapitel 11.1.2.4). Werbung: Ähnlich den Presseräten existieren auch Selbstregulierungsorganisationen der Werbewirtschaft (z. B. Deutscher Werberat, Österreichischer Werberat oder Schweizerische Lauterkeitskommission; siehe Kapitel 11.1.2.4). Wenn in Anzeigen, Werbespots, Plakaten etc. gegen bestimmte Regeln verstoßen wird, so ist eine Beschwerde bei diesen Gremien möglich. Studie 7: Presse- und Medienräte als Selbstregulierungsorganisationen In seiner Studie führte Puppis (2009a) erstens basierend auf der Auswertung von Dokumenten einen Vergleich sämtlicher europäischer Presseräte durch. Dabei zeigte sich, dass Formen der Co-Regulierung selten sind und dass die meisten Räte für alle Medien und nicht nur für die gedruckte Presse zuständig sind, sich aus Vertreter·innen aus Journalismus, Verlagen und Öffentlichkeit zusammensetzen, und nur über schwache Sanktionsmöglichkeiten wie Rügen verfügen (vgl. Puppis, 2009a: 220-230). Zweitens wurden die Presseräte in Deutschland, Großbritannien, Irland und der Schweiz mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse von Dokumenten und Expert·inneninterviews vertieft untersucht, um die Strukturen und Prozesse dieser Selbstregulierungsorganisationen erklären zu können. Als theoretische Grundlage dieser Studie diente der Soziologische Institutionalismus (siehe Kapitel 3.3.2.3). Die Resultate zeigen, dass die Presseräte in allen vier Ländern mit Selbstverständlichkeitsannahmen (Befolgung nationaler Traditionen und Imitation von als erfolgreich wahrgenommenen Vorbildern), normativem Druck (Erwartungen anderer Akteure) und Zwang (drohende staatliche Regulierung und Einfluss der regulierten Branche) konfrontiert waren. Diesen Umweltanforderungen wurde vielfach durch eine Anpassung der internen Strukturen und Prozesse entsprochen, um so Legitimität zu erhalten. Doch auf normativen Druck und Zwang wurde auch mit Kompromissen, Verweigerung und dem Versuch zur Veränderung von Umweltanforderungen reagiert. Von nicht hinterfragbaren Selbstverständlichkeitsannahmen abgesehen werden Presseräte also nicht von ihrer Umwelt determiniert, sondern können strategisch auf Anforderungen reagieren und so ihre eigene Legitimität managen (vgl. Puppis, 2009a: 320-337). <?page no="117"?> Media Governance 117 Neben staatlicher Regulierung spielten Selbst- und Co-Regulierung in der Media Governance eine wichtige Rolle. Während mit Selbstregulierung die Regulierung durch eine private Organisation auf Branchenebene bezeichnet wird, meint Co-Regulierung eine Selbstregulierung im Auftrag des Staates und/ oder innerhalb eines staatlich festgelegten Rahmens. 4.2.3 Von kollektiver zu organisationaler Governance Neben der kollektiven Regelung durch Staat und Branche werden Regeln auch durch einzelne Organisationen formuliert und durchgesetzt. Entsprechend deckt Media Governance nicht nur kollektive, sondern auch organisationale Regeln ab (vgl. Puppis, 2010; 2020). Solche Selbstorganisation ist von branchenweiter Selbstregulierung zu unterscheiden und bezeichnet den intentionalen Versuch der Beeinflussung von Handeln oder Bewältigung von Risiken durch eine einzelne private Organisation wie eine Medienorganisation oder eine·n Plattformbetreiber·in und umfasst Regelsetzung, Aufsicht und Sanktionierung. Analog zu Co-Regulierung ist auch bei Selbstorganisation ein staatlicher Regulierungsrahmen möglich (vgl. Black, 1996). Im Mediensektor verfügen Medienorganisationen in vielen Ländern über interne Redaktionsstatuten oder Beschwerdestellen für die Rezipient·innen. Mit dem Internet hat sich die Relevanz organisationaler Governance nun aber deutlich erhöht. Während diese früher nur innerhalb einer Organisation zur Anwendung kam, legen allgemeine Geschäftsbedingungen, Nutzungsbedingungen oder «Community Standards» von Medien und Plattformen Regeln für die von Nutzer·innen erstellen Inhalte fest («Content Moderation»). Entsprechend werden durch einzelne Unternehmen heute Spielregeln für die öffentliche Vermittlung von Kommunikation definiert (vgl. Katzenbach, 2018: 46, 279-280; Mansell & Steinmueller, 2020: 80-83; siehe Abb. 7 sowie Studie 20 in Kapitel 11.1.2.4). Private Organisationen fällen damit Entscheidungen darüber, welche Äußerungen in der Öffentlichkeit zulässig sind und welche nicht. «Both in terms of their impact on public discourse, and for the lived experience of its users, the rules these platforms impose themselves probably matter more than the legal restrictions under which they function» (Gillespie, 2018b: 262). <?page no="118"?> Grundlagen 118 Abb. 7: Kollektive und organisationale Media Governance Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Puppis (2020: 197) Zur Regelsetzung, Aufsicht und Sanktionierung kommen im Onlinebereich vermehrt Algorithmen zum Einsatz. Medien und Plattformen ergänzen die menschliche Moderation illegaler oder schädlicher Inhalte mit einer automatisierten Moderation durch Algorithmen (siehe auch Kapitel 11.1.2.4). Algorithmen erlauben es einerseits, eine viel größere Menge von Inhalten zu kontrollieren und deren Ersteller·innen gegebenenfalls automatisch zu sanktionieren als das menschenmöglich wäre. Andererseits können Algorithmen mittels «Machine Learning» in den bei der Nutzung von Plattformen anfallenden Daten Zusammenhänge finden, die Menschen nicht entdecken könnten. Dies erlaubt es potenziell, Verhalten zu prognostizieren, was präventive Eingriffe ermöglicht (vgl. Yeung, 2018). Aber natürlich treffen auch Algorithmen Fehlentscheidungen. Noch folgenreicher ist der Einsatz von Algorithmen, wenn es nicht um eine Automatisierung bei der Durchsetzung formeller Regeln geht, sondern wenn das Design von Technologie selbst eine Form von Governance ist (siehe Kapitel 4.2.4). Regeln für die öffentliche Vermittlung von Kommunikation werden nicht nur durch Staat und Branche, sondern auch durch einzelne Organisationen formuliert und durchgesetzt. Mit Selbstorganisation wird der intentionale Versuch der Beeinflussung von Handeln oder Bewältigung von Risiken durch eine einzelne private Organisation bezeichnet. organisationsweit Ebene der Formulierung und Durchsetzung der Regeln innerhalb Organisation außerhalb Organisation gesellschaftlich/ branchenweit Kollektive Media Governance Organisationale Media Governance Reichweite der Regeln Interne Selbstorganisation Regulierungsrahmen für interne Selbstorganisation Nutzungsbedingungen Staatliche, Co- und Selbstregulierung Regulierungsrahmen für Nutzungsbedingungen <?page no="119"?> Media Governance 119 4.2.4 Von formellen Regeln zu informellen Normen und Technologie Wenn von Media Governance die Rede ist, so liegt der Fokus häufig auf formellen Regeln. Doch eine Stärke der Governance-Perspektive ist es, dass auch informelle Normen und das Design von Technologie als Möglichkeiten zur sozialen Ordnungsbildung in den Blick genommen werden (vgl. Black, 2001; Katzenbach, 2018: 44; Puppis, 2020). Zur Ergänzung oder bei Fehlen formeller Regeln können informelle Normen eine handlungsprägende Wirkung entfalten. Ein Beispiel hierfür sind Bereiche, in denen rechtlich nicht oder nur teilweise geschützte Ideen von Bedeutung sind, etwa Witze von Stand-Up-Comedians (vgl. Oliar & Sprigman, 2008), Rezepte von Köch·innen in der französischen Haute Cuisine (vgl. Fauchart & von Hippel, 2008) oder Formate von Fernsehsendungen (vgl. Hallenberger, 2009). Die Urheber·innen dieser Schöpfungen sind rechtlich nicht gegen Nachahmungen geschützt und dennoch werden Witze, Rezepte oder Fernsehformate nicht einfach kopiert, da sich informelle Normen herausgebildet haben. Wer sich nicht an diese Normen hält, muss mit Ausgrenzung aus der professionellen Gemeinschaft rechnen (vgl. Katzenbach, 2018: 285-292). Auch im Journalismus spielen informelle Normen neben Selbstregulierung und Selbstorganisation eine wichtige Rolle (vgl. Fengler, 2016). Das Design von Technologie stellt eine weitere Form von Governance dar, die in der Medienpolitik von höchster Relevanz ist. Damit ist gemeint, dass nicht durch die Hardware, sondern durch die Programmierung von Software (dem sogenannten Code) festgelegt wird, über welche Handlungsmöglichkeiten die Nutzer·innen einer Technologie verfügen (vgl. Burri, 2013; Helberger, Pierson & Poell, 2018; Just & Latzer, 2017; Katzenbach, 2018). Ob beispielsweise auf einem Fernsehgerät (der Hardware) ein bestimmter Sender einfach auffindbar ist, hängt von der Benutzungsoberfläche (der Software) ab. Wie Kommunikation im Internet auf der physischen Kommunikationsinfrastruktur (also der Hardware bestehend aus Leitungen und Mobilfunknetzen sowie den eingesetzten Endgeräten und Servern) funktioniert, wird durch den Code festgelegt. Mit seiner Formulierung «Der Code ist das Gesetz» («Code is Law») brachte Lessig (2001: 24) diese Ordnungsbildung durch das Design von Technologie auf den Punkt. Eine anschauliche Metapher für Code ist Architektur: Der Code stellt «eine Regulierung dar, die ähnlich funktioniert wie im realen Raum die Regulierung durch Architektur» (Lessig, 2001: 163). Die Architektur des Internets bestimmt also letztlich darüber, was die Nutzer·innen online tun können und was nicht. <?page no="120"?> Grundlagen 120 Auch die Algorithmen auf den Websites und in den Apps von Medien und Plattformen sind ein Fall von Governance durch das Design von Technologie. Algorithmen strukturieren die Produktion, Distribution und Rezeption von Inhalten. So stellen Algorithmen beispielsweise einen Newsfeed zusammen oder empfehlen Artikel und Videos, die wir dann liken oder teilen können. Aufgrund der Konvergenz gilt das heute für alle Medien, da diese in digitaler Form nicht mehr ohne Technologie genutzt werden können: «Information in the form of text, data, sound, speech, pictures, and videos can only be utilized efficiently via software applications and is consequently shaped by this software» (Just & Latzer, 2017: 242). Die Werte, die in die Programmierung von Algorithmen eingeflossen sind, und die (Nicht-)Berücksichtigung von Faktoren wie Gender oder Diversität legen fest, welche Handlungsmöglichkeiten den Nutzer·innen zur Verfügung stehen. Zudem prägen sie unsere Wahrnehmung der Welt und nehmen damit eine Konstruktion sozialer Realität vor (siehe Kapitel 1.1.3). Das Design von Technologie beeinflusst aber nicht nur das Handeln und Denken von Akteuren, sondern es bestimmt auch über die Regulierbarkeit der mittels einer Technologie vorgenommenen Handlungen der Nutzer·innen (vgl. Burri, 2013). «Ob Teile des Cyberspace […] reguliert werden können, hängt […] von der Beschaffenheit des Codes ab» (Lessig, 2001: 48). Die große Bedeutung, welche Governance durch das Design von Technologie heute spielt, ist problematisch, denn die Algorithmen, die bei der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation zum Einsatz kommen, werden hauptsächlich innerhalb global tätiger Onlinekonzerne entwickelt. Entsprechend fließen deren ideologische Vorstellungen und kommerzielle Interessen in die Programmierung ein (vgl. Just & Latzer, 2017; Nissenbaum, 2011). Der Einfluss von Nationalstaaten und zivilgesellschaftlichen Akteuren auf den von Unternehmen programmierten Code ist hingegen stark eingeschränkt. Allerdings lässt sich der Code auch verändern. Onlinekonzerne können etwa dazu verpflichtet werden, das öffentliche Interesse bei der Programmierung ihrer Algorithmen zu berücksichtigen: «Once we accept the notion that technology is inscribed with social choices and values, the question of whether technology can or will be regulated is rendered irrelevant. The real questions are, rather, which values and interests will technology be designed to serve, and whether those values will be defined publicly or privately, nationally or globally» (Mody, Trebing & Stein, 2010: 410). <?page no="121"?> Media Governance 121 Die Programmierung und der Einsatz von Algorithmen können staatlich reguliert werden, um nicht-kommerzielle Werte zu verteidigen (vgl. Saurwein, Just & Latzer, 2015; siehe Kapitel 12.4.2). Konzerne müssen also auch bei einer Governance durch das Design von Technologie nicht allein bestimmen, unter welchen Bedingungen die öffentliche Vermittlung von Kommunikation stattfindet. Neben formellen Regeln von Staat, Branche und einzelnen Organisationen wird die von Medien und Plattformen erbrachte Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation auch durch informelle Normen und das Design von Technologie geprägt. Der Code bestimmt, was Nutzer·innen online tun können und inwiefern deren Handlungen reguliert werden können. 4.3 Media Governance erklären Media Governance ist ein doppeldeutiger Begriff: Zum einen wird damit eine Veränderung in der Art und Weise, wie Medienpolitik gemacht wird, behauptet. Zum anderen ist Governance eine neue analytische Perspektive auf Medienpolitik, mit der andere Aspekte gesehen werden (vgl. Benz, 2004) - unabhängig davon, ob sich Medienpolitik auch selbst verändert hat. So oder so bietet Media Governance mit der integralen Sichtweise auf die verschiedenen Formen und Ebenen der sozialen Ordnungsbildung einen deutlichen Mehrwert. Die Governance- Perspektive hebt hervor, dass die von Medienorganisationen und Plattformen erbrachte Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation nicht nur durch staatliche Regulierung auf nationaler Ebene geprägt wird, sondern dass Branche und einzelne Organisationen, informelle Normen und das Design von Technologie ebenso bedeutsam sind. Doch wie soll nun die geeignete Form von Governance für ein bestehendes Problem aus dieser Vielzahl von Möglichkeiten ausgewählt werden? Ansätze der Governance Choice bieten der praktischen Medienpolitik eine Hilfestellung. Schulz und Held (2004) unterscheiden zwischen den beiden Stufen «Adequacy» und «Compliance». So sei zuerst zu analysieren, ob bestimmte Maßnahmen zur Erfüllung des Regulierungsziels angemessen und ausreichend sind. Darauf aufbauend erfolgt eine Prüfung des Funktionierens dieser Maßnahmen in der Praxis. Ähnlich unterscheiden Latzer, Saurwein und Just (2019) zwischen der Machbarkeit einer Governance-Form, ihrer Angemessenheit zur Lösung des Problems und <?page no="122"?> Grundlagen 122 der Leistung dieser Governance-Form zur Verwirklichung des öffentlichen Interesses. Hierbei müssten auch Kontextfaktoren und die konkrete Ausgestaltung angeschaut werden, welche die Leistung beeinträchtigen können. Um auch die Entstehung, Umsetzung und Folgen von Media Governance erklären zu können, bedarf diese analytische Perspektive einer theoretischen Fundierung. Hierfür können beispielsweise jene Theorien herangezogen werden, die in den Kapiteln zu Medienpolitik (siehe Kapitel 2.4) und Medienregulierung (siehe Kapitel 3.3) vorgestellt wurden. In der kommunikationswissenschaftlichen Diskussion wurde bisher meistens auf den Soziologischen Institutionalismus (SI; siehe Kapitel 3.3.2.3) zurückgegriffen (vgl. Ali & Puppis, 2018; Donges, 2007; Katzenbach, 2018; Puppis, 2010; 2020; siehe Abb. 8). Abb. 8: Rekursivität von Media Governance Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Puppis (2009a: 136) Mit dieser Theorie wird Media Governance erstens als Teil der institutionellen Umwelt von Medien und Plattformen gefasst. Governance - ob nun formelle Regeln, informelle Normen oder das Design von Technologie - erzielt ihre handlungsprägende Wirkung gemäß des SI über Selbstverständlichkeitsannahmen (Handlungsalternativen sind undenkbar), moralische Verpflichtung (Erwartungen, denen man sich nicht entziehen kann) und Zwang (drohende Sanktionen). Staatliche Regulierung wird also nicht allein aufgrund der abschreckenden Wirkung von Sanktionen eingehalten (vgl. Suchman & Edelman, 1996); Selbstregulierung nicht wegen meist gar nicht vorhandener Sanktionen befolgt (vgl. Gunningham & Rees, 1997); und die Nichteinhaltung informeller Normen lässt sich nicht einfach mit Erwartungen anderer Akteure erklären, sondern kann reale Sanktionen nach sich ziehen (vgl. Fauchart & von Hippel, 2008). Zweitens zeigt die Theorie auf, dass das Verhältnis von institutioneller Umwelt und Organisationen rekursiv ist. Das bedeutet, dass Organisationen ihrer Umwelt nicht einfach ausgeliefert sind: Governance zu befolgen ist nicht die einzige Op- Institutionelle Umwelten Medien und Plattformen Media Governance Einflussnahme <?page no="123"?> Media Governance 123 tion für Organisationen. Vielmehr nehmen Medien und Plattformen sowohl strategisch als auch nicht-intendiert Einfluss auf die Entstehung und Veränderung von Governance (vgl. Ortmann, Sydow & Türk, 2000; Ortmann & Zimmer, 2001). Formelle Regeln, informelle Normen und Technologie, die letztlich die öffentliche Vermittlung von Kommunikation prägen, sind das Resultat eines medienpolitischen Prozesses, den zahlreiche Akteure mit unterschiedlichen Interessen und ideologischen Vorstellungen zu beeinflussen versuchen. Media Governance als analytische Perspektive ist theoretisch offen, wurde aber bisher zumeist mit dem Soziologischen Institutionalismus kombiniert. Diese Theorie erklärt die handlungsprägende Wirkung von Governance mit Selbstverständlichkeitsannahmen, moralischer Verpflichtung und Zwang. Zudem wird die Rekursivität von Governance betont. Übungen 1. Definieren Sie Media Governance und erklären Sie die Unterschiede zu Government anhand der drei Dimensionen von Politik. 2. Nennen Sie Argumente, weshalb Selbstregulierung und Co-Regulierung im Medienbereich eine so bedeutende Rolle spielen. 3. Algorithmen können einerseits zur Regelsetzung, Aufsicht und Sanktionierung bei (Selbst-)Regulierung und Selbstorganisation eingesetzt werden, andererseits können Algorithmen als eine Form der Governance durch das Design von Technologie verstanden werden («Code is Law»). Zeigen Sie am Beispiel von Facebook auf, welche Rolle diese beiden Aspekte spielen. 4. Der Soziologische Institutionalismus erklärt die handlungsprägende Wirkung von Media Governance mit Selbstverständlichkeitsannahmen, moralischer Verpflichtung und Zwang. Erklären Sie damit, wie Selbstregulierung und informelle Normen ihre Wirkung entfalten. <?page no="124"?> Grundlagen 124 Literaturtipps Katzenbach, C. (2018). Die Regeln digitaler Kommunikation. Governance zwischen Norm, Diskurs und Technik. Wiesbaden: Springer VS. [Kapitel 5] In seiner Dissertation diskutiert Katzenbach den Stellenwert von Technik in der Kommunikationswissenschaft und der Governance-Forschung. Latzer, M., Saurwein, F., & Just, N. (2019). Assessing Policy II: Governance-Choice Method. In H. Van den Bulck, M. Puppis, K. Donders, & L. Van Audenhove (Hrsg.), The Palgrave Handbook of Methods for Media Policy Research (S. 557-574). Cham: Palgrave Macmillan. Eine Vorstellung der Governance-Choice-Methode zur Beurteilung der Angemessenheit verschiedener Governance-Formen. Lessig, L. (2001). Code und andere Gesetze des Cyberspace. Berlin: Berlin Verlag. Das Buch von Lessig bietet eine anschauliche Auseinandersetzung mit der Bedeutung des Codes für die Nutzung und Regulierbarkeit des Internets. <?page no="125"?> 125 5 Begründungen für medienpolitische Eingriffe Inhalt und Lernziele Mit staatlicher Regulierung und anderen Formen der Governance wird auf die von Medien und Plattformen erbrachte Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation Einfluss genommen. Doch warum eigentlich? Im folgenden Kapitel werden technische, ökonomische und gesellschaftlich-politische Begründungen für medienpolitische Eingriffe unterschieden. Dabei wird deutlich, dass sich ökonomische und kommunikationswissenschaftliche Perspektiven auf Medienpolitik stark unterscheiden. Nach diesem Kapitel können Sie verschiedene Begründungen für medienpolitische Eingriffe erläutern. aufzeigen, durch welche Besonderheiten sich Medien- und Plattformmärkte auszeichnen. erklären, welche Folgen ein Marktversagen für die öffentliche Vermittlung von Kommunikation hat. begründen, weshalb sich die Bewertung medienpolitischer Eingriffe durch Vertreter·innen einer ökonomischen und einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive unterscheidet. 5.1 Technische Begründungen Medienpolitische Eingriffe lassen sich bei Radio, Fernsehen, Telekommunikation und Internet mit technischen Notwendigkeiten begründen, nämlich der Allokation knapper Frequenzen und der technischen Standardisierung. Die terrestrische Verbreitung von Funksignalen bedingt die Nutzung von Funkfrequenzen. Dies gilt nicht nur für den Empfang von Radio und Fernsehen über den «Äther» (also mit einer Antenne am Gerät oder auf dem Hausdach), sondern auch für den Mobilfunk (Mobiltelefonie und mobiles Internet). Die Frequenzen sind öffentliches Eigentum und werden vom Staat vergeben (siehe Kapitel 9.2). Mit der staatlichen Allokation von Frequenzen wird zum einen dafür <?page no="126"?> Grundlagen 126 gesorgt, dass jede Frequenz nur von einem Sender benutzt wird. Ansonsten würde es zu Interferenzen kommen, womit der Empfang gestört wäre. Dies ist auch deshalb von Relevanz, weil Funksignale nicht an Landesgrenzen haltmachen, was eine internationale Kooperation bedingt (siehe Kapitel 8.1). Zum anderen muss entschieden werden, wer eine Frequenz nutzen darf, denn das Frequenzspektrum ist begrenzt (sogenannte Frequenzknappheit). Diese Knappheit war früher von größerer Bedeutung als heute. Bis in die 1970er-Jahre wurden Radio- und Fernsehsender nämlich ausschließlich über Antenne empfangen (im Radio dominiert noch heute der terrestrische Empfang). Zudem konnte vor der Digitalisierung nur eine sehr kleine Anzahl von Rundfunksendern im verfügbaren Frequenzspektrum verbreitet werden. Entsprechend gab es meistens mehrere Bewerber·innen um die knappen Frequenzen. Die Frequenzknappheit hat im Rundfunksektor durch technische Entwicklungen aber an Bedeutung eingebüßt. In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden mit Kabelnetzen und Satelliten neue Distributionskanäle für Radio und Fernsehen eingeführt. Damit wurden erst die Kapazitäten geschaffen, um eine größere Zahl von Sendern übertragen zu können, was auch eine Voraussetzung für die Zulassung von Privatrundfunk war (siehe Kapitel 3.2.2.2). 4 Und später ermöglichte die Digitalisierung eine Kompression der Rundfunksignale, womit sich die Anzahl übertragbarer Sender ein zweites Mal stark erhöhte. So können über DVB (Digital Video Broadcasting) bis zu zehnmal mehr Fernsehsender übertragen werden als analog. «Digital compression technologies […] are reducing the impact of spectrum scarcity in limiting the number of broadcast TV channels» (Levy, 1999: 4). Auch DAB+ (Digital Audio Broadcasting) erhöht die Kapazität gegenüber UKW- Radio deutlich. Trotz der zusätzlichen Übertragungskapazität durch die Kompression der Signale bleibt das Frequenzspektrum aber letztlich begrenzt (vgl. Iosifidis, 2011: 206). Entsprechend benötigen Medienorganisationen, die ihre Radio- oder Fernsehsender terrestrisch verbreiten möchten, Multiplexbetreiber·innen, welche die Sender technisch verbreiten, und Telekommunikationsunternehmen, die Mobilfunknetze betreiben, eine Erlaubnis zur Nutzung von Frequenzen. Die Digitalisierung erlaubte aber auch die Konvergenz der hinter Computer, Massenmedien und Telekommunikation stehenden Technologien und die Entstehung des Internets mit seiner multimedialen Kombination von Text, Bild, Audio und Video (siehe Kapitel 3.2.3). Radio- und Fernsehsender können damit 4 Die Plätze für geostationäre Satelliten (die von der Erde aus gesehen immer am selben Ort bleiben) sind ebenfalls knapp. Zudem benötigen auch Satellitenbetreiber·innen Frequenzen für den Up- und Downlink der Signale. Die Vergabe wird international koordiniert (siehe Kapitel 8.1). <?page no="127"?> Begründungen für medienpolitische Eingriffe 127 auch ohne Rundfunktechnologie im Internet verbreitet werden, wo es keine Begrenzung der Zahl möglicher Sender gibt. Damit stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch eine terrestrische Verbreitung mittels Rundfunktechnologie braucht oder ob Radio und Fernsehen nicht einfach über mobiles Internet verbreitet werden sollen. Doch es gibt gute Gründe für die Rundfunktechnologie. Der terrestrische Empfang von Radio und Fernsehen war immer frei - wer ein Empfangsgerät besitzt, kann die Sender nutzen. Ein Empfang via Mobilfunk erfordert hingegen ein kostenpflichtiges Mobilfunkabonnement mit einem Datenpaket. Zudem begeben sich Sender wie Nutzer·innen in eine Abhängigkeit von Telekommunikationsunternehmen mit eigenen Interessen. Eine Alternative könnte 5G Broadcast sein, das den Rundfunkempfang über das Mobilfunknetz ohne Abo, Datenverbrauch oder Involvierung einer Telekommunikationsfirma ermöglicht. Damit elektronische Kommunikationsnetze, die übertragenen Dienste und die von den Nutzer·innen verwendeten Endgeräte miteinander kompatibel sind, braucht es eine Standardisierung der verwendeten Technologie (vgl. Iosifidis, 2011: 206). Um Radio- und Fernsehsignale empfangen zu können, müssen die Signale und Geräte die gleiche «Sprache» sprechen (bspw. DVB-S für Satellitenfernsehen oder DAB+ für Digitalradio). In der Telekommunikation braucht es gemeinsame Standards, damit verschiedene Kommunikationsnetze zusammengeschaltet werden können (sogenannte Interkonnektion). Ansonsten ist ein Telefonanruf aus dem Netz eines oder einer Anbieter·in in das Netz eines oder einer konkurrierenden Anbieter·in oder aus einem Land in ein anderes Land nicht möglich (vgl. Latzer, 1997: 213). Letzteres bedingt auch eine internationale Kooperation (siehe Kapitel 8.1). Allerdings haben konkurrierende Unternehmen häufig ein Interesse daran, die von ihnen erfundene Technologie durchzusetzen, was die Einigung auf gemeinsame Standards erschwert (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 40). «There is […] a clear regulatory role in ensuring that the dominant player does not impose proprietary standards» (Collins & Murroni, 1996: 51). Auch für das Funktionieren des Internets sind technische Standards zentral. Nur so ist es möglich, dass verschiedenste Netzwerke und Computer unabhängig von der benutzten Hardware und Software zusammengeschaltet werden und miteinander kommunizieren können. Das «Transmission Control Protocol/ Internet Protocol» (TCP/ IP) legt fest, wie der Datenaustausch zwischen Computern abläuft und wie Rechner adressiert werden; das «Hypertext Transfer Protocol Secure» (HTTPS) erlaubt eine sichere Datenübertragung. Zusätzlich ist ein Management weiterer Internetkernressourcen - IP-Adressen, Domainnamen und Rootserver - notwendig (vgl. Hofmann & Holitscher, 2004; Kleinwächter, 2000; <?page no="128"?> Grundlagen 128 Ó Siochrú & Girard, 2002: 105; siehe Kapitel 8.6.1). Die Architektur oder der Code des Internets ist also über seine weitreichende Bedeutung für die Ermöglichung und Beschränkung der Möglichkeiten im Internet hinaus (siehe Kapitel 4.2.4) auch eine technische Notwendigkeit. Mit der Notwendigkeit zur Allokation knapper Funkfrequenzen und zur Standardisierung lassen sich medienpolitische Eingriffe technisch begründen. 5.2 Ökonomische Begründungen Medienpolitische Eingriffe können nicht nur mit technischen Notwendigkeiten, sondern auch ökonomisch begründet werden. Neoklassische Ansätze in der Medienökonomie behandeln Medien wie alle anderen Güter - etwa Brötchen, Pullover, Matratzen oder Rotwein: Güter werden auf dem Markt gehandelt, und solange der Markt funktioniert, besteht in dieser Perspektive kein Grund für Regulierung. Das zentrale Argument lautet nun, dass Medienmärkte eben nicht oder nur unzureichend funktionieren, d. h., es kommt zu einem Marktversagen, womit Regulierung ökonomisch gerechtfertigt ist. 5.2.1 Markt und Marktversagen Der Markt ist der ökonomische Ort des Tausches: Auf dem Markt treffen Angebot und Nachfrage aufeinander und es bilden sich Preise. Dadurch kommt es zu einem Gleichgewicht zwischen dem durch die Produktionskosten bestimmten Angebot und der durch Konsument·innenpräferenzen bestimmten Nachfrage. Der Markt ist also ein Koordinationsmechanismus und dient der Ressourcenallokation. In der neoklassischen Ökonomie wird davon ausgegangen, dass bei vollkommenem Wettbewerb der Markt zu einer effizienten (oder optimalen) Allokation knapper gesellschaftlicher Ressourcen führt. Das heißt nichts anderes, als dass auf dem Markt aus den vorhandenen Ressourcen das Maximum an nützlichen Gütern und Dienstleistungen herausgeholt wird (vgl. Kiefer & Steininger, 2014: 82-83). In diesem Zusammenhang wird von produktiver und allokativer Effizienz gesprochen (vgl. Heinrich, 2001: 51): Produktive Effizienz ist dann gewährleistet, wenn so kostengünstig wie möglich produziert wird. <?page no="129"?> Begründungen für medienpolitische Eingriffe 129 Allokative Effizienz ist dann gewährleistet, wenn das Güterangebot entsprechend den Präferenzstrukturen der Konsument·innen erstellt wird. Allerdings stellt das Marktmodell eine Vereinfachung der ökonomischen Realität dar. Nicht immer werden auf dem Markt produktive und allokative Effizienz erreicht. Wenn gewisse Bedingungen nicht erfüllt sind, spielt der Wettbewerb nicht richtig und die optimale Ressourcenallokation ist nicht gewährleistet. Man spricht von einem Marktversagen. Ein solches Marktversagen kann es auch auf Medien- und Plattformmärkten geben. Dabei können wir zwischen verschiedenen Arten von Marktversagen unterscheiden, die jeweils andere Ursachen und Folgen haben (siehe Tab. 9). Im Folgenden schauen wir uns diese verschiedenen Arten genauer an. Tab. 9: Ursachen und Folgen von Marktversagen Art des Marktversagens Ursachen Folgen öffentliche Güter Nicht-Rivalität Nicht-Ausschließbarkeit Trittbrettfahrer·innen- Syndrom Informationsmängel Qualitätsintransparenz adverse Auslese externe Effekte Auswirkungen auf unbeteiligte Dritte Unterresp. Überproduktion Netzwerkeffekte Nutzen aus anderen Nutzer·innen Monopolisierung Subadditivität Economies of Scale Economies of Scope Monopolisierung Quelle: Eigene Darstellung 5.2.1.1 Öffentliche Güter Normale Güter werden private Güter genannt. Beispiele wären ein Brötchen, ein Pullover oder eine Flasche Rotwein. Die gleiche Flasche Wein kann nicht von mehreren Personen konsumiert werden: Trinkt Person A die Flasche leer, bleibt nichts für Person B übrig (Rivalität im Konsum). Zudem musste Person A im Lebensmittelgeschäft für die Flasche bezahlen und kann diese nur deshalb konsumieren (Ausschließbarkeit vom Konsum). Private Güter sind damit vollständig <?page no="130"?> Grundlagen 130 marktfähig. Das ist bei öffentlichen Gütern anders. Bei diesen gibt es weder Rivalität im Konsum, noch kann jemand von der Nutzung ausgeschlossen werden (vgl. Heinrich, 2001: 71-72; Kiefer & Steininger, 2014: 134-137; siehe Tab. 10): Nicht-Rivalität im Konsum: Ein Gut kann von vielen Personen gleichzeitig konsumiert werden, ohne dass dadurch der Konsum einer anderen Person eingeschränkt wird. Nicht-Ausschließbarkeit vom Konsum: Nicht-Zahler·innen können nicht von der Nutzung des Gutes ausgeschlossen werden. Bei Gütern, bei denen ein Ausschluss vom Konsum möglich ist, aber keine Konsumrivalität besteht, wird von einem Clubgut gesprochen. Den umgekehrten Fall - Konsumrivalität, aber Nicht-Auschließbarkeit - nennt man Allmendegut. Tab. 10: Güter nach Rivalität und Ausschließbarkeit Rivalität im Konsum ja nein Ausschließbarkeit vom Konsum ja Private Güter (z. B. Rotwein) Clubgüter (z. B. Autobahn mit Maut) nein Allmendegüter (z. B. Atemluft) Öffentliche Güter (z. B. Straßenbeleuchtung) Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Kiefer & Steininger (2014: 135) Was sind nun die Folgen? Da bei Nicht-Rivalität durch zusätzlichen Konsum keine Kosten verursacht und keine Ressourcen verbraucht werden, ist es nicht effizient, Preise durchzusetzen. Und bei Nicht-Ausschließbarkeit können Preise nicht durchgesetzt werden. Ökonomisch rational handelnde Konsument·innen sind aber nicht bereit, für ein Gut - z. B. die Straßenbeleuchtung - zu bezahlen, wenn sie bei Zahlungsverweigerung nicht vom Konsum ausgeschlossen werden können (sogenanntes Freerider- oder Trittbrettfahrer·innen-Syndrom). Bezahlen die Konsument·innen für ein Gut nicht, ist auch kein privates Unternehmen bereit, das Gut zu produzieren. Das Gut wird zwar gewünscht, doch niemand will dafür bezahlen, was in einer Unterproduktion resultiert: Der Markt versagt (vgl. Heinrich, 2020). Damit das Gut (z. B. die Straßenbeleuchtung) trotzdem bereitgestellt wird, braucht es eine öffentliche Finanzierung und Bereitstellung. Wie sieht das bei Medien aus? Medieninhalte sind klar durch Nicht-Rivalität im Konsum gekennzeichnet: Medieninhalte verbrauchen sich bei der Nutzung nicht, d. h., der Konsum einer Sendung oder eines Artikels durch eine Person <?page no="131"?> Begründungen für medienpolitische Eingriffe 131 schränkt den Konsum der gleichen Sendung oder des gleichen Artikels durch eine andere Person nicht ein. Die Ausschließbarkeit der Nicht-Zahler·innen vom Konsum hängt hingegen vom «Träger» des Medieninhalts ab. Unverschlüsselter Rundfunk via Antenne oder Satellit, Gratiszeitungen und kostenlose Onlineangebote können genutzt werden, ohne zu bezahlen, und erlauben damit keinen Ausschluss. Folglich handelt es sich um öffentliche Güter. Bei kostenpflichtigen Printmedien und Kabelrundfunk hingegen ist ein Ausschluss nicht zahlender Nutzer·innen möglich. Und mit der Digitalisierung wurde der Ausschluss im Rundfunk via Verschlüsselung deutlich günstiger: Bei vielen Sendern handelt es sich heute um Pay-Radio und Pay-TV. Auch Streamingdienste für Musik und audiovisuelle Produktionen erlauben einen Ausschluss, genauso Onlinejournalismus mit einer Paywall. Bei den meisten Medien handelt es sich also um Clubgüter (vgl. Doyle, 2013: 93-94; Kiefer & Steininger, 2014: 134-137, 156-158; Heinrich, 2020; von Rimscha & Siegert, 2015: 25). Medien, die Clubgüter sind, sind prinzipiell marktfähig. Angesichts der positiven Externalitäten, die bei der Nutzung bestimmter Inhalte erwartet werden, ist der Ausschluss von Nutzer·innen gesellschaftlich gesehen aber gar nicht wünschenswert (siehe Kapitel 5.2.1.3). Zudem hängt die Marktfähigkeit auch von der Größe des Marktes und der Kaufkraft der Zielgruppe ab. Medien, die öffentliche Güter sind, werden eigentlich nicht marktlich bereitgestellt. Die Präferenz und die Zahlungsbereitschaft für diese Medien sind nicht deckungsgleich, da die Inhalte auch unentgeltlich genutzt werden können. Damit ist aber auch niemand bereit, diese Inhalte herzustellen: Ein klares Marktversagen, da diese Inhalte eigentlich gewünscht werden. Damit es sich für Medienunternehmen lohnt, diese Medieninhalte dennoch zu produzieren, sind sie auf eine alternative Finanzierungsquelle angewiesen. Nur so können sie ihre Produktionskosten decken. Möglich ist eine öffentliche Finanzierung oder eine Finanzierung mittels Werbung (vgl. Heinrich, 2020; siehe Kapitel 5.2.2.1). Bei Plattformen besteht ebenfalls keine Rivalität im Konsum, ein Ausschluss von Nutzer·innen ist aber prinzipiell möglich, da für die meisten Funktionen ein Benutzer·innenkonto eröffnet werden muss (vgl. Barwise & Watkins, 2018). Dennoch werden zumeist keine (monetären) Preise verlangt. Stattdessen wird zur Finanzierung auf Werbung gesetzt (siehe Kapitel 5.2.1.4). Medien und Plattformen sind Clubgüter. Medien ohne Ausschließbarkeit sind öffentliche Güter, die auf eine alternative Finanzierung angewiesen sind. <?page no="132"?> Grundlagen 132 5.2.1.2 Informationsmängel Bei gewöhnlichen Gütern wie einem Pullover, einer Matratze oder elektronischen Geräten können die Konsument·innen diese vor dem Kauf inspizieren und dann ihre Entscheidung treffen. Doch neben solchen Inspektionsgütern gibt es auch Erfahrungs- und Vertrauensgüter (vgl. Heinrich, 2001: 98-99; Kiefer & Steininger, 2014: 141-143): Bei Erfahrungsgütern lässt sich deren Qualität und Nutzen erst nach dem Gebrauch beurteilen (z. B. ein Essen in einem Restaurant). Bei Vertrauensgütern können Qualität und Nutzen auch nach dem Konsum nur schwer beurteilt werden (z. B. ein Arztbesuch oder ein Theaterstück). Wenn eine Beurteilung von Qualität und Nutzen aber nicht vor dem Kauf möglich ist, so können die Konsument·innen ihre Präferenzen für bestimmte Güter nicht mit ihrer Zahlungsbereitschaft zum Ausdruck bringen. Folge davon ist die sogenannte adverse Auslese. Die Konsument·innen sind nicht bereit, hohe Preise für Güter zu zahlen, deren Qualität und Nutzen sie nicht kennen. Damit haben die Produzent·innen keinen Anreiz, gute Qualität zu höheren Kosten herzustellen. Nur schlechtere (also billigere) Qualität kommt deshalb auf den Markt. Ein klares Marktversagen, da die Konsument·innen ja eigentlich bereit wären, für die bessere Qualität zu bezahlen, wenn sie denn nur sicher sein könnten, diese auch zu bekommen (vgl. Heinrich, 2020). Bei Medien besteht eine starke Informationsasymmetrie zwischen Produzent·innen und Konsument·innen. Die Qualität und der Nutzen von Medien ist für die Rezipient·innen vor dem Kauf häufig unklar. «Vor dem Konsum von Information kann man ihre Qualität nicht beurteilen und nach dem Konsum entfällt die Notwendigkeit, sie zu bezahlen» (Heinrich, 2020: 156). Während Unterhaltungsangebote Erfahrungsgüter darstellen, zählen journalistische Angebote zu den Vertrauensgütern (vgl. von Rimscha & Siegert, 2015: 31). Das liegt daran, dass journalistische Produkte sehr komplex sind, ihr Konsum zeitaufwendig ist und sie permanent in neuer Qualität produziert werden. Auf Medienmärkten kommt es somit zur geschilderten adversen Auslese. Die mangelnde Zahlungsbereitschaft hat eine Unterproduktion qualitativ hochwertiger Inhalte zur Folge - jedenfalls, wenn keine alternative Finanzierungsquelle zur Verfügung steht. Allerdings verbessert der wiederholte Konsum bestimmter Medienangebote die Fähigkeiten der Konsument·innen, die Qualität und den Nutzen zu beurteilen. Medien bemühen sich zudem, durch die Bereitstellung von Informationen die Konsu- <?page no="133"?> Begründungen für medienpolitische Eingriffe 133 ment·innen von der Hochwertigkeit ihrer Produkte überzeugen (sogenanntes Signaling). Beispiele hierfür sind Werbung, Markenbildung oder der Aufbau einer bestimmten Reputation (vgl. Kiefer & Steininger, 2014: 143, 321-325). Auch bei Plattformen besteht eine starke Informationsasymmetrie (vgl. Barwise & Watkins, 2018). Einzuschätzen, welche Quellen vertrauenswürdig sind, wie Inhalte produziert wurden oder wie die eingesetzten Algorithmen funktionieren, ist aufwendig oder nur beschränkt möglich. Medien und Plattformen sind Erfahrungs- und teilweise Vertrauensgüter, was zu einer adversen Auslese führt. 5.2.1.3 Externe Effekte Im Normalfall sind Kosten und Nutzen eines Gutes internalisiert. Ein Brötchen oder ein Pullover haben einen Nutzen für den oder die Konsument·in und im Preis sind die Produktionskosten vollständig berücksichtigt. Güter mit externen Effekten (oder Externalitäten) hingegen haben unmittelbare Auswirkungen auf unbeteiligte Dritte (vgl. Heinrich, 2020; Kiefer & Steininger, 2014: 137-138): Ein Gut mit positiven Externalitäten hat einen höheren gesellschaftlichen Nutzen als nur den Nutzen für den oder die Konsument·in (bspw. Bildung). Dieser Nutzen ist aber nicht im Marktpreis enthalten und das Gut zu teuer, was zu einer Unterproduktion führt. Mit Subventionen kann dafür gesorgt werden, dass mehr von diesem Gut produziert (resp. dieses günstiger angeboten) wird. Der gesellschaftliche Nutzen wird also internalisiert. Ein Gut mit negativen Externalitäten hat höhere gesellschaftliche Kosten als nur die Kosten für das produzierende Unternehmen (bspw. Umweltverschmutzung). Diese Kosten sind aber nicht im Marktpreis enthalten und das Gut zu billig, was zu einer Überproduktion führt. Mit Steuern kann dafür gesorgt werden, dass weniger von diesem Gut produziert (resp. dieses teurer angeboten) wird. Die gesellschaftlichen Kosten werden also internalisiert. Die Nutzung von Medieninhalten hat offensichtlich eine Vielzahl positiver wie negativer Externalitäten (vgl. Baker, 2002: 41-62; Heinrich, 2001: 95-96). Journalistische Informationsangebote von Medien haben wichtige positive Externalitäten. Ihre Nutzung führt zu besser informierten Bürger·innen, was für eine funktionierende Demokratie entscheidend ist. Zudem erhöht Journalismus die Wahrscheinlichkeit, dass Korruption und Fehlverhalten aufgedeckt werden. Allerdings <?page no="134"?> Grundlagen 134 kann eine populistische und einseitige Berichterstattung auch negative externe Effekte haben. Gleiches gilt für auf Plattformen verbreitete Desinformation. Zudem können sich Medienberichterstattung und auf Plattformen verfügbare Inhalte positiv wie negativ auf betroffene Akteure auswirken, beispielsweise auf Karrieren von Politiker·innen, den Erfolg von Parteien oder die Börsenkurse oder Reputation von Unternehmen. Die Konsument·innen lassen die zahlreichen positiven Externalitäten von Medien aber außer Acht. Ihre Zahlungsbereitschaft beschränkt sich auf den privaten Nutzen von Medien. Hingegen sind sie nicht bereit, einen höheren Preis für den gesellschaftlichen Nutzen von Medien zu zahlen. Entsprechend kommt es - zumindest ohne alternative Finanzierungsquelle wie Subventionen - zu einer Unterproduktion. Ein klares Marktversagen. Medien und Plattformen haben eine Reihe positiver wie negativer Externalitäten, die eine Unterresp. Überproduktion gewisser Inhalte zur Folge haben. 5.2.1.4 Netzwerkeffekte Netzwerkeffekte sind eine besondere Form externer Effekte. Kosten und Nutzen eines Netzwerkgutes ergeben sich nicht nur aus den Eigenschaften dieses Gutes (wie das sonst der Fall ist), sondern hängen von der Gesamtzahl der Nutzer·innen des Gutes ab. Dabei kann zwischen direkten und indirekten Netzwerkeffekten unterschieden werden (vgl. Barwise & Watkins, 2018; Dewenter & Rösch, 2020; Kiefer & Steininger, 2014: 144-146): Bei direkten Netzwerkeffekten hängt der Wert eines Gutes von der Anzahl der anderen Nutzer·innen dieses Gutes ab. Je mehr Nutzer·innen es gibt, desto größer ist der Nutzen für jede·n Einzelne·n. Das klassische Beispiel ist das Telefon: Wenn niemand einen Telefonanschluss hat, hat dieser keinen Nutzen: Weder kann man jemanden anrufen noch selbst angerufen werden. Doch je mehr andere Personen sich einen Telefonanschluss zulegen, desto größer ist der Nutzen für alle. Neben diesen positiven gibt es aber auch negative Netzwerkeffekte: Wenn zu viele Personen gleichzeitig einen Anruf tätigen wollen, kann es zu einer Überlastung des Netzes kommen. Indirekte Netzwerkeffekte kommen bei zwei- oder mehrseitigen Märkten zum Tragen, die Kund·innengruppen mit komplementären Bedürfnissen zusammenbringen (vgl. Rochet & Tirole, 2003; siehe Kapitel 1.1.3). Der Wert eines Gutes hängt von der Anzahl der Nutzer·innen auf der anderen Marktseite ab <?page no="135"?> Begründungen für medienpolitische Eingriffe 135 und umgekehrt. Beispielsweise vermittelt ein Einkaufszentrum Endkund·innen an Verkaufsgeschäfte. Der Wert des Einkaufszentrums hängt für die Endkund·innen von der Anzahl Verkaufsgeschäfte ab, für die Verkaufsgeschäfte von der Anzahl Endkund·innen. Netzwerkeffekte begünstigen Konzentrationsprozesse, da der Nutzen von der Größe des Netzwerks abhängt. Deshalb wird auch von «Winner-Take-All-Märkten» gesprochen. Netzwerkeffekte (und Skaleneffekte; siehe Kapitel 5.2.1.5) waren auch ein zentraler Grund für die Entstehung von Monopolen in der Telekommunikation (siehe Kapitel 3.2.1). Damit die Nutzer·innen aber auch bleiben und die Anbieter·innen von Netzwerken ihre dominante Position behalten, versuchen sie, die Nutzer·innen an sich zu binden und einen Anbieter·innenwechsel zu erschweren (sogenannter Lock-in-Effekt). Die technische Inkompatibilität verschiedener Netzwerke kann etwa verhindern, dass das Netzwerk gewechselt wird (vgl. Kiefer & Steininger, 2014: 144-145). Bei Medien finden sich direkte und - je nach Finanzierungsmodell - auch indirekte Netzwerkeffekte. Nutzer·innen bestimmter Medieninhalte profitieren direkt von gesteigerten Gesprächsmöglichkeiten, je mehr Personen die gleichen Inhalte rezipiert haben (vgl. Kiefer & Steininger, 2014: 160). Ökonomisch bedeutender sind die indirekten Netzwerkeffekte bei (teilweise) werbefinanzierten Medien, da diese auf dem Publikums- und auf dem Werbemarkt tätig sind. Die beiden Märkte sind miteinander verknüpft. Steigt die Reichweite des Mediums auf dem Publikumsmarkt, wird es für die Werbewirtschaft bei einem gleichbleibenden Preis für Werbung günstiger, 1000 Personen zu erreichen. Entsprechend steigt die Nachfrage nach Werberaum (Mengeneffekt). Nach einer Weile wird der Preis für Werbung an die gestiegene Reichweite angepasst (Preiseffekt). Beides steigert den Gewinn des Medienunternehmens. Die Mehreinnahmen können dafür genutzt werden, die Reichweite auf dem Publikumsmarkt weiter zu erhöhen, beispielsweise durch eine Senkung des Preises auf dem Publikumsmarkt, durch eine Verbesserung der publizistischen Leistung (wobei unklar ist, ob der Gewinn in die Inhalte investiert wird und ob eine Qualitätssteigerung von den Rezipient·innen angesichts von Informationsasymmetrien auch erkannt würde) oder durch Marketingmaßnahmen. Kommt diese sogenannte Anzeigen-Auflagen-Spirale (oder Werbespot-Reichweiten Spirale; siehe Abb. 9) erst einmal in Gang, so steigt der Marktanteil des reichweitenstärksten Mediums in einem Markt kontinuierlich an, während die schwächeren Medien langfristig aus dem Markt gedrängt werden (vgl. Dewenter & Rösch, 2020; Doyle, 2013: 55-56; Heinrich, 2001: 129-131; <?page no="136"?> Grundlagen 136 Kiefer & Steininger, 2014: 307-309; Meier, Trappel & Siegert, 2010; von Rimscha & Siegert, 2015: 117-119). Damit verstärkt der Verbund von Publikums- und Werbemarkt die Monopolisierungstendenzen in Medienmärkten (siehe Kapitel 5.2.2.2). Abb. 9: Anzeigen-Auflagen-Spirale (Werbespot-Reichweiten-Spirale) Quelle: Eigene Darstellung Noch wichtiger sind Netzwerkeffekte bei Plattformen wie Suchmaschinen, sozialen Netzwerken, Video-Sharing-Diensten und Nachrichtenaggregatoren. Zum einen bestehen bei sozialen Netzwerken (z. B. Facebook, Instagram oder TikTok) starke direkte Netzwerkeffekte (vgl. Doyle, 2013: 55; Lobigs, 2018). Wie beim Telefon hängt der Wert einer solchen Plattform von der Anzahl anderer Nutzer·innen ab. «Je stärker derartige Web-Angebote genutzt werden und je mehr Mitglieder sie haben, desto interessanter werden sie für weitere Nutzer, die auch dorthin gehen, und desto schwieriger wird es für alternative Angebote, mit den bereits etablierten auf Augenhöhe zu konkurrieren» (Dolata, 2018: 106). Zum anderen sind indirekte Netzwerkeffekte von zentraler Bedeutung, da Plattformen auf zwei- oder mehrseitigen Märkten tätig sind. YouTube zum Beispiel bringt Anbieter·innen und Nutzer·innen von Videoinhalten sowie Werbetreibende zusammen (vgl. Lobigs, 2018). Der Erfolg auf einer Marktseite beeinflusst den Erfolg auf anderen Marktseiten: «Ein dominierendes soziales Netzwerk oder mehr Reichweite auf dem Publikumsmarkt mehr Nachfrage nach Werberaum mehr Einnahmen Maßnahmen zur Reichweitensteigerung <?page no="137"?> Begründungen für medienpolitische Eingriffe 137 eine oft genutzte Suchmaschine werden für Anzeigenkunden besonders interessant, die aufgrund der Reichweite der Angebote ihre Werbeaktivitäten ebenfalls dort bündeln» (Dolata, 2018: 106). Die bei der Nutzung von Plattformen anfallenden Daten können von diesen auch genutzt werden, um ihre Angebote zu verbessern und ihre dominante Stellung abzusichern. Zusätzlich gibt es bei Plattformen einen erheblichen Lock-in-Effekt. Die Wechselkosten für die Nutzer·innen sind sehr hoch, da sie ihre Daten (z. B. erstellte Inhalte, Gespräche mit Kontakten etc.) nicht zu einer anderen Plattform mitnehmen können (Datenportabilität) und die Kommunikation von einem sozialen Netzwerk in ein anderes (Interoperabilität) meistens nicht möglich ist (vgl. Barwise & Watkins, 2018; Doyle, 2013: 57; Mansell & Steinmueller, 2020: 39). Die Werbefinanzierung von Medien sowie direkte und indirekte Netzwerkeffekte bei Plattformen begünstigen Konzentrationsprozesse. 5.2.1.5 Subadditivität Die Gesamtkosten der Produktion eines Gutes bestehen aus Fixkosten (die unabhängig von der Produktionsmenge anfallen) und variablen Kosten (die sich mit der Produktionsmenge verändern). Je mehr nun produziert wird, desto tiefer werden die fixen Kosten pro Stück (was als Fixkostendegression bezeichnet wird), aber desto höher werden die variablen Kosten pro Stück. Wird die Produktionsmenge also gesteigert, so sinken zu Beginn die Durchschnittskosten, doch ab einer bestimmten Produktionsmenge beginnen sie zu steigen. Unternehmen produzieren nun jene Menge eines Gutes, die die tiefsten Durchschnittskosten (Kosten pro Stück) aufweist - denn das ist am billigsten. Es ist auch die Menge, bei der die Durchschnittskosten den Grenzkosten (Kosten für die Produktion einer zusätzlichen Einheit) entsprechen. Eine weitere Ausdehnung der Produktionsmenge lohnt sich für ein Unternehmen nicht und das führt dazu, dass es mehrere Anbieter·innen in einem Markt gibt. Ein Beispiel: Je mehr Flaschen ein·e Rotweinproduzent·in abfüllt, auf desto mehr Flaschen können die Fixkosten (bspw. Personal, Produktionsstätte, Maschinen) verteilt werden. Gleichzeitig steigen aber die variablen Kosten pro Stück, da jede zusätzliche Flasche Kosten verursacht (mehr Wein, mehr Flaschen, Stromverbrauch etc.). Die oder der Rotweinproduzent·in produziert so lange mehr Flaschen, wie die Durchschnittskosten noch sinken. <?page no="138"?> Grundlagen 138 Jetzt gibt es aber Branchen mit besonderen Kostenstrukturen: Die Kosten pro Stück sinken mit steigender Produktionsmenge immer weiter, was als Subadditivität bezeichnet wird. Dies bedeutet, dass die Produktion durch ein Unternehmen kostengünstiger ist als die Bereitstellung eines Gutes durch mehrere konkurrierende Unternehmen - es kommt zu einem Monopol. Hierbei kann zwischen Economies of Scale und Scope unterschieden werden (vgl. Heinrich, 2001: 73- 74; Kiefer & Steininger, 2014: 177-180): Economies of Scale (Größenvorteile) existieren in allen Branchen, da bei einer Ausweitung der Produktionsmenge die Durchschnittskosten zu Beginn sinken. In Branchen mit hohen Fixkosten (und damit einer starken Fixkostendegression) und sehr tiefen variablen Kosten (und damit auch sehr tiefen Grenzkosten) sinken die Durchschnittskosten immer weiter. Ein Beispiel ist die Wasserversorgung: Die hohen Fixkosten für Wasserleitungen führen zu einer starken Fixkostendegression; die Grenzkosten, um einen Haushalt mehr zu beliefern, sind praktisch inexistent. Die Kosten pro beliefertem Haushalt sind in einem Monopol deshalb tiefer als bei einem Wettbewerb mehrerer Anbieter·innen. Economies of Scope (Verbundvorteile) führen dazu, dass die Herstellung mehrerer Produkte durch dasselbe Unternehmen billiger ist als die Produktion dieser Produkte durch verschiedene Unternehmen. Füllt beispielsweise ein·e Orangensaftproduzent·in auch andere Getränke wie Apfel-, Trauben- oder Tomatensaft ab, so ist dies billiger, als wenn für jedes Getränk ein eigener Produktionsbetrieb gegründet würde. Im Mediensektor spielt Subadditivität eine zentrale Rolle. Erstens existieren dank einer ausgeprägten Fixkostendegression und zugleich tiefen Grenzkosten starke Größenvorteile. Die Fixkosten zur Herstellung der «First Copy» einer Fernsehsendung oder einer Zeitungsausgabe sind sehr hoch. Zwar hat die Digitalisierung die Fixkosten verringert: Nicht nur wurde die technische Produktion audiovisueller Inhalte günstiger; journalistische Onlineangebote brauchen anders als Zeitungen keine Druckmaschinen und kein Vertriebsnetz. Dennoch bleiben die Fixkosten der Inhaltsproduktion hoch (insbesondere Kosten für eine Redaktion). Die Vervielfältigung der einmal erstellen Inhalte ist dann aber sehr günstig. Während bei Printmedien noch Grenzkosten für den Druck jedes zusätzlichen Exemplars anfallen, tendieren die Grenzkosten im Rundfunk und bei Onlinemedien gegen null. Die Kosten für die Medienproduktion sind also weitgehend unabhängig von der tatsächlichen Zahl der erreichten Rezipient·innen und die Durchschnittskosten sinken immer weiter: Je höher die Einschaltquoten einer Fernsehsendung oder <?page no="139"?> Begründungen für medienpolitische Eingriffe 139 je mehr Leser·innen ein Printmedium hat, desto tiefer sind die Kosten pro Rezipient·in. Ein Monopol produziert damit auch in Medienmärkten am billigsten, was zu einem Verdrängungswettbewerb oder zu Zusammenschlüssen führt (vgl. Doyle, 2013: 42; Heinrich, 2020; Kiefer & Steininger, 2014: 177-185). Zweitens können Medienunternehmen, die sich nicht auf eine Mediengattung beschränken oder in mehreren geografischen Märkten tätig sind, auch Verbundvorteile realisieren. Zum einen können Inhalte mehrfach verwertet werden, was die Kosten senkt. Beispielsweise kann eine Redaktion gleichzeitig eine Printzeitung, einen Radiosender und deren Websites beliefern. Oder ein Medienunternehmen besitzt Zeitungen oder Rundfunksender in mehreren Regionen und kann alle überregionalen Inhalte in einer Zentralredaktion produzieren. Zum anderen können auch im nicht-inhaltlichen Bereich Kosten eingespart werden, beispielsweise durch eine gemeinsame Anzeigenakquisition, Verwaltung oder Kund·innenbetreuung (vgl. Doyle, 2013: 16). Größen- und Verbundvorteile begünstigen damit Konzentrationsprozesse im Mediensektor (siehe Kapitel 5.2.2.2). «The presence of both economies of scale and scope in the media implies a natural gravitation towards oligopoly market structures and large-scale multi-product firms» (Doyle, 2013: 44). Das Gleiche gilt auch für Plattformmärkte: Hohe Fixkosten und gegen null tendierende Grenzkosten führen zu einer starken Konzentration (vgl. Barwise & Watkins, 2018; Lobigs, 2018; Mansell & Steinmueller, 2020: 39). Größenvorteile (hohe Fix- und tiefe Grenzkosten) und Verbundvorteile begünstigen Konzentrationsprozesse in Medien- und Plattformmärkten. 5.2.2 Folgen von Marktversagen In Medien- und Plattformmärkten kann es also zu einem Marktversagen kommen: «Unter dem Regime des Marktes erfolgt für Medien als Wirtschaftsgut […] keine optimale Allokation der Ressourcen» (Heinrich, 2020: 158). Zum einen ist die Zahlungsbereitschaft der Rezipient·innen für Medienangebote wie gezeigt oftmals gering. Um eine Unterproduktion bestimmter Medieninhalte zu vermeiden, braucht es deshalb eine alternative Finanzierung. Zum anderen führen Netzwerkeffekte und Subadditivität zu starken Konzentrationstendenzen in Medien- und Plattformmärkten. Dabei besteht die Gefahr, dass Marktmacht missbraucht wird. Auf beide Aspekte wird im Folgenden eingegangen. <?page no="140"?> Grundlagen 140 5.2.2.1 Alternative Finanzierung Viele Medien bekunden Mühe, ihre Inhalte auf dem Publikumsmarkt zu refinanzieren - dies, weil Nicht-Zahler·innen nicht ausgeschlossen werden können (öffentliche Güter), weil Qualität und Nutzen vor dem Kauf und Konsum unklar sind (Informationsmängel) und weil für den über den individuellen Nutzen hinausgehenden gesellschaftlichen Nutzen keine Zahlungsbereitschaft besteht (positive Externalitäten). Manche Märkte sind auch schlicht zu klein, als dass sich ein Medienangebot nur mit Zahlungen der Nutzer·innen finanzieren lässt. Entsprechend sind Medien auf eine alternative Finanzierungsquelle angewiesen. Infrage kommen eine öffentliche Finanzierung oder Werbung (vgl. Heinrich, 2020; Kiefer, 1999): Öffentliche Finanzierung: Private Medienunternehmen können mit Steuergeldern subventioniert werden (siehe Kapitel 10.2). Und der öffentliche Rundfunk wird je nach Mediensystem aus Gebühren, Abgaben oder Steuermitteln finanziert (siehe Kapitel 10.1.2.2). Solche medienpolitischen Eingriffe lassen sich also auch ökonomisch begründen. Werbung: Viele Medien (z. B. Privatrundfunk, Gratiszeitungen und viele journalistische Onlineangebote) und Plattformen finanzieren sich ausschließlich mit Werbung. Zeitungen und Zeitschriften (inklusive deren Onlineausgaben) setzten hingegen häufig auf eine Mischfinanzierung aus Publikumsentgelten (Abonnements und Einzelverkauf) und Werbung. Ganz oder teilweise werbefinanzierte Medien sind auf zwei Märkten präsent, dem Publikums- und dem Werbemarkt (vgl. Kiefer & Steininger, 2014: 267; Meier, Trappel & Siegert, 2010; siehe auch Kapitel 5.2.1.4): Publikumsmarkt: Medien versuchen, werblich interessante Zielgruppen mit möglichst attraktiven Inhalten zu bedienen. Dabei stehen sie im Wettbewerb mit anderen Medien und Freizeitangeboten, und zwar bezüglich der zur Verfügung stehenden Zeit und des Haushaltsbudgets. Es geht also darum, die Aufmerksamkeit der Rezipient·innen zu erhalten. Werbemarkt: Medien sind auch Werbeträger auf dem Werbemarkt. Auf diesem Markt ist das mit den Inhalten generierte Publikum eine Ware: Der werbetreibenden Wirtschaft wird eine Zugangschance zum Publikum und dessen Aufmerksamkeit verkauft. Anders als auf dem Publikumsmarkt sind Medien auf dem Werbemarkt ein privates Gut, das voll marktfähig ist. Die Werbefinanzierung ermöglicht es Medien, ihre Angebote auf dem Publikumsmarkt günstiger oder kostenlos anzubieten. Ähnlich funktioniert das auch <?page no="141"?> Begründungen für medienpolitische Eingriffe 141 bei Plattformen, die ihre Dienste meistens kostenlos anbieten und sich über personalisierte Werbung finanzieren. Diese indirekte Finanzierung über den Werbestatt über den Publikumsmarkt hat einen Dreieckstausch zur Folge (siehe Abb. 10): Abb. 10: Dreieckstausch der Werbefinanzierung Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Heinrich (1999: 278) Die werbetreibende Wirtschaft zahlt Medienunternehmen Geld für Werberaum und damit für die Aufmerksamkeit bestimmter Zielgruppen. Diese liefern Medieninhalte und Werbebotschaften an die Rezipient·innen. Die Rezipient·innen wiederum schenken Aufmerksamkeit und haben - so das Ziel - eine erhöhte Konsumneigung. Dies soll für einen gesteigerten Produktabsatz sorgen. Bei Plattformen funktioniert dies prinzipiell gleich - mit dem Unterschied, dass die Nutzer·innen viele Inhalte selbst gratis erstellen (vgl. Doyle, 2013: 70). Bei vollständig werbefinanzierten Angeboten gibt es keine monetäre Austauschbeziehung zwischen Rezipient·in und Medienunternehmen - Geld fließt nur auf dem Werbemarkt. Folglich ist nicht das Publikum, sondern die Werbewirtschaft der relevante Marktpartner. Medien richten ihre Inhalte deshalb nach den Präferenzen der werbetreibenden Wirtschaft aus. Selbst bei teilweise publikumsfinanzierten Medien stößt die Berücksichtigung von Rezipient·innenpräferenzen an Grenzen, die durch den Werbemarkt gesetzt werden. Aber was sind nun die Präferenzen der Werbewirtschaft? Für die Werbetreibenden sind die Medieninhalte zweitrangig. Sie dienen einfach dazu, bestimmte werblich interessante Zielgruppen möglichst kostengünstig mit Werbebotschaften zu erreichen und ein geeignetes Werbeumfeld zu schaffen. Das schränkt das Spektrum der werblich finanzierbaren Inhalte merklich ein. Insbesondere werden vorrangig werblich relevante Zielgruppen bedient (vgl. Kiefer & Steininger, 2014: 261-269). Aus neowerbetreibende Wirtschaft werbefinanzierte Medien Rezipient·innen Geld Medieninhalte Aufmerksamkeit/ Erhöhung Konsumneigung <?page no="142"?> Grundlagen 142 klassischer Perspektive lässt sich das Problem der mangelnden Zahlungsbereitschaft der Rezipient·innen mit einer alternativen Finanzierung durch Werbung also lösen. Vertreter·innen kritischerer Ansätze thematisieren dagegen weitere Probleme, welche die Werbefinanzierung für die Medienproduktion mit sich bringt (siehe Kapitel 5.3.1). Allerdings ist die werbetreibende Wirtschaft nicht mehr zwingend auf Medien angewiesen, um ihre Botschaften zu verbreiten. Über Plattformen gelingt es, die definierten Zielgruppen viel genauer und personalisiert zu erreichen. Entsprechend kommt den Medien diese alternative Finanzierungsquelle immer mehr abhanden. Medienunternehmen setzen deshalb vermehrt auf Bezahlmodelle und Einnahmen aus neuen Geschäftsfeldern wie beispielsweise E-Commerce (vgl. Puppis, Hofstetter & Ingenhoff, 2017). Aber auch über eine öffentliche Finanzierung in Form von Medienförderung wird in der Medienpolitik vermehrt diskutiert (siehe Kapitel 10.2). Aufgrund der mangelnden Zahlungsbereitschaft der Rezipient·innen sind viele Medien auf eine alternative Finanzierungsquelle angewiesen. Ganz oder teilweise werbefinanzierte Medien sind gleichzeitig auf dem Publikums- und auf dem Werbemarkt präsent, was auch inhaltliche Folgen hat. 5.2.2.2 Konzentration Die ausgeprägte Fixkostendegression bei zugleich tiefen oder gegen null tendierenden Grenzkosten, Verbundvorteile und direkte wie indirekte Netzwerkeffekte führen zu starken Konzentrationstendenzen in Medien- und Plattformmärkten. Mit Konzentration wird ganz allgemein die Zusammenballung ökonomischer Größen bezeichnet, wodurch die Anzahl selbstständiger Unternehmen im Markt abnimmt. Die im Markt verbleibenden Unternehmen bauen so ihre ökonomische Macht aus, was sich negativ auf den Wettbewerb auswirken kann. Konzentration ist aus ökonomischer Perspektive nicht grundsätzlich negativ zu bewerten, da Wettbewerb nicht immer die effizienteste Form der Leistungserbringung ist. Zudem wird nur externes Unternehmenswachstum durch Fusionen und Übernahmen als problematisch erachtet. Internes Unternehmenswachstum hingegen (also Erfolg aufgrund innovativer Wettbewerbsstrategien) ist ökonomisch gesehen unproblematisch. Nur wenn Konzentration dazu führt, dass das Marktergebnis nicht effizient ist (und damit eine optimale Ressourcenallokation beeinträchtigt wird), <?page no="143"?> Begründungen für medienpolitische Eingriffe 143 ist aus ökonomischer Sicht eine Regulierung von Medien- und Plattformmärkten gerechtfertigt. Dabei wird in erster Linie auf die Wettbewerbsordnung vertraut, welche die Sicherstellung eines funktionierenden ökonomischen Wettbewerbs zum Ziel hat (siehe Kapitel 9.3). Mit Blick auf Medien und Öffentlichkeit geht es bei Konzentration aber nicht einfach um die Entstehung von Marktmacht, sondern vor allem von Meinungsmacht. Entsprechend wird mit Medienkonzentration auch eine Zusammenballung publizistischer Größen (bspw. Marktanteil oder Reichweite der einem Unternehmen zurechenbaren Medien) bezeichnet. Das Problem sind weniger die Auswirkungen auf eine ökonomisch effiziente Leistungserbringung als jene auf die Medien- und Meinungsvielfalt aufgrund einer Abnahme eigenständiger publizistischer Einheiten (vgl. Heinrich, 2001: 120; Kiefer & Steininger, 2014: 111-113). Auch die Konzentration in Plattformmärkten kann Auswirkungen auf die öffentliche Kommunikation haben. Dieser Aspekt von Konzentration interessiert aus neoklassischer Perspektive nicht - in der kommunikationswissenschaftlichen Auseinandersetzung steht dies hingegen im Vordergrund (siehe Kapitel 5.3.1). In Bezug auf Medien lassen sich vier Formen der Medienkonzentration unterscheiden (vgl. Doyle, 2013: 40-51; Heinrich, 1999: 240-250; 2001: 128-134; Meier, Trappel & Siegert, 2010; siehe Tab. 11): Horizontale Konzentration bezeichnet eine Zusammenballung ökonomischer und publizistischer Größen innerhalb eines Marktes (also von Unternehmen, welche derselben Tätigkeit nachgehen) aufgrund von Subadditivität und Netzwerkeffekten. Ein Beispiel wäre die Fusion von zwei Zeitungen. So bestehen in vielen Bundesländern und Kantonen regionale Zeitungsmonopole, die durch Konzentrationsprozesse entstanden sind. Oder es werden «Senderfamilien» gebildet. In Deutschland etwa dominieren die «Mediengruppe RTL Deutschland» und «ProSiebenSat.1 Media SE», die beide zahlreiche Fernsehsender betreiben, den Privatfernsehmarkt. Verbundvorteile begünstigen zudem das Regionen übergreifende Eigentum von Regionalzeitungen oder Regionalradios. Drängen Unternehmen in vor- oder nachgelagerte Märkte, wird von vertikaler Konzentration gesprochen. Dies bedeutet, dass ein Unternehmen, das sich mit der Distribution beschäftigt, einen Produktionsbetrieb kauft oder umgekehrt. So können Filmstudios, die Filme und Serien herstellen, Streamingdienste, Fernsehsender und Kabelnetze ein und demselben Unternehmen gehören. Die Walt-Disney-Studios haben beispielsweise den großen amerikanischen Fernsehsender ABC gekauft und den Streamingdienst Disney+ gegründet. Und das Kabelnetzunternehmen Comcast hat NBC Universal mit dem Fernsehsender <?page no="144"?> Grundlagen 144 NBC und den Universal-Studios erworben. Vertikale Konzentration hat den Vorteil, dass Fernsehsender sich nicht ständig nach geeigneten Programmen umsehen und sich Produktionsstudios nicht ständig um Abnehmer·innen für ihre Produktionen kümmern müssen, womit sogenannte Transaktionskosten (z. B. Such- und Vertragskosten) eingespart werden. Mit multimedialer Konzentration wird das gattungsübergreifende Eigentum von Medien bezeichnet (beispielsweise Zeitungen, Radiosender, Fernsehsender oder Onlineangebote). Solche «Cross Ownership» wird durch Verbundvorteile begünstigt, also die Aussicht auf die Mehrfachverwertung von Inhalten. Das Eigentum verschiedener Medien erlaubt auch eine Vermarktung über Mediengrenzen hinweg (Cross Promotion). Zudem verringert sich für das Unternehmen die Abhängigkeit von der Entwicklung eines einzelnen Marktes, womit multimediale Konzentration auch der Risikostreuung dient. Viele große nationale und internationale Medienkonzerne sind gleichzeitig auf verschiedensten Medienmärkten tätig. Und auch auf regionaler Ebene werden Radio und Fernsehen oftmals von Zeitungsverlagen veranstaltet. Konglomerate Konzentration meint Zusammenschlüsse von Medienunternehmen mit Unternehmen außerhalb des Mediensektors. Für solche Mischkonzerne spricht in erster Linie eine Risikostreuung. Tab. 11: Formen der Medienkonzentration horizontale Konzentration Zusammenschluss von Unternehmen innerhalb eines Medienmarktes vertikale Konzentration Zusammenschluss von Unternehmen auf vor- und nachgelagerten Märkten multimediale Konzentration (mediendiagonale Konzentration) Zusammenschluss von Unternehmen aus verschiedenen Medienmärkten konglomerate Konzentration (branchendiagonale Konzentration) Zusammenschluss von Medienunternehmen mit anderen Unternehmen (Mischkonzerne) Quelle: Eigene Darstellung Medien- und Plattformmärkte tendieren also zur Entstehung von Oligopolen und Monopolen. Aus ökonomischer Sicht rechtfertigt dies eine Regulierung zur Verhinderung des Missbrauchs von Marktmacht. Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive braucht es hingegen weitergehende Regulierung, die auch die Gefahren von Meinungsmacht adressiert (siehe Kapitel 5.3.2 & 9.4). <?page no="145"?> Begründungen für medienpolitische Eingriffe 145 Medienkonzentration bezeichnet die Zusammenballung ökonomischer und publizistischer Größen. Dabei kann zwischen horizontaler, vertikaler, multimedialer sowie konglomerater Konzentration unterschieden werden. 5.3 Gesellschaftlich-politische Begründungen In der neoklassischen Medienökonomie werden Medien wie alle anderen Güter behandelt. Unterhaltende und informierende Medieninhalte sind Wirtschaftsgüter, die einen privaten Nutzen haben und deshalb nachgefragt werden. Und Medienmärkte werden danach bewertet, wie effizient sie zu einer optimalen Ressourcenallokation führen. Doch Medien sind «not just any other business» (McQuail & Deuze, 2020: 235). Sie unterscheiden sich von Brötchen, Pullovern, Matratzen oder Rotwein. Medien sind nicht nur Wirtschaftsgüter, sondern auch Kulturgüter, die wichtige Funktionen für die Gesellschaft erbringen (vgl. Heinrich, 2020; Kiefer & Steininger, 2014: 21; von Rimscha & Siegert, 2015: 23-24). Insbesondere sollen sie mit ihrer publizistischen Leistung zu einer funktionierenden demokratischen Öffentlichkeit beitragen. Diese Argumentation lässt sich auch auf Plattformen übertragen. Im Folgenden werden gesellschaftlich-politische Begründungen für medienpolitische Eingriffe sowie die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Medienpolitik vorgestellt. 5.3.1 Gesellschaftliche Bedeutung von Medien und Plattformen Mit der von ihnen erbrachten Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation sind Massenmedien und Plattformen von zentraler Bedeutung für die Gesellschaft (siehe auch Kapitel 1.1). Die meisten Erfahrungen, die wir in unserem Leben machen, werden durch Medien und Plattformen vermittelt. Diese Feststellung gipfelt in Aussagen, dass wir in einer Mediengesellschaft leben (vgl. Imhof et al., 2004), nichts mehr außerhalb der Medien existiert (vgl. McQuail & Deuze, 2020: 5) und wir es mit einer «mediation of everything» (Livingstone, 2009: 13) zu tun haben. In der Tat erleben wir nur einen Bruchteil der Ereignisse, die tagtäglich stattfinden, selbst. Und sogar diese Primärerfahrungen werden zum Gegenstand von Vermittlung, sofern wir sie online teilen (vgl. McQuail & Deuze, 2020: 113). <?page no="146"?> Grundlagen 146 Unser Wissen über die Welt, aber auch unsere Vorstellung von uns selbst, werden damit durch die Informations- und Unterhaltungsangebote professioneller Medien sowie algorithmisch zusammengestellte Inhalte auf Plattformen geprägt. Mit ihrer Vermittlungsleistung beeinflussen Medien und Plattformen unsere Wahrnehmung der Realität, sie tragen durch die Verbreitung von Werten, Normen und Wissen zu Sozialisation, Orientierung und Integration bei, und sie bieten vielfältige Möglichkeiten zur Darstellung und zum Ausdruck von Kultur (vgl. Burkart, 2019: 383-390; Hesmondhalgh, 2019: 7; McQuail & Deuze, 2020: 7, 108-110). «Our sense of belonging, of being part of a wider community, a society, a culture, a nation, a single human race is more and more ‹mediated trough media›» (Ó Siochrú & Girard, 2002: 3). Besonders hervorgehoben wird die politische Bedeutung von Medien. «The centrality of the media to democracy, as the primary information source, cannot be overemphasised» (Feintuck & Varney, 2006: 5). Neben der Berichterstattung über relevante Themen, Meinungen und Ereignisse bieten Medien ein Forum für politische Debatten. Sie sorgen also dafür, dass politische Inhalte und Positionen allgemein bekannt werden und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Meinungs- und Willensbildung der Bürger·innen. «In respect of politics, the media provide an arena of debate and a set of channels for making policies, candidates, relevant facts and ideas more widely known» (McQuail & Deuze, 2020: 7). Darüber hinaus nehmen Medien eine Kritik- und Kontrollfunktion gegenüber politischen Eliten wahr (vgl. Burkart, 2019: 390-397). Auch Plattformen spielen heute für die Herstellung von Öffentlichkeit eine wichtige Rolle und erlauben es zahlreichen politischen Akteuren, sich zu artikulieren und ihre Ansichten in politische Debatten einzubringen. In der Ökonomie werden Güter, die eine solch wichtige gesellschaftliche Bedeutung haben, als meritorische Güter bezeichnet. Dabei wird unterstellt, dass die Konsument·innen den Nutzen dieser Güter nur unzureichend beurteilen können, weshalb die Nachfrage tiefer ausfällt als gesellschaftlich erwünscht. Beispiele wären Gesundheit, Bildung oder Kultur (vgl. Heinrich, 2001: 101-103; Kiefer & Steininger, 2014: 138-141). Zumindest gewisse Medieninhalte wie politische Informationen oder Kultursendungen können als meritorische Güter bezeichnet werden: «There are some forms of content that are collectively desirable and that everyone benefits from […] but which viewers, on an individual basis, might not tune into or be prepared to pay for» (Doyle, 2013: 95). Viele Ökonom·innen betrachten die Argumentation mit meritorischen Gütern allerdings als eine Form von Paternalismus (vgl. Seufert & Gundlach, 2017: 113). <?page no="147"?> Begründungen für medienpolitische Eingriffe 147 In der Ökonomie werden gesellschaftlich-politische Begründungen für medienpolitische Eingriffe also meist abgelehnt (obwohl diese sich nicht stark von einer Argumentation mit positiven Externalitäten unterscheiden). In der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft hingegen wird der Doppelcharakter von Medien als Wirtschafts- und Kulturgüter betont. Die Folgen von Marktversagen - eine alternative Finanzierung durch Werbung und die starke Medienkonzentration - werden deshalb kritischer beurteilt als in der Ökonomie. Wie bereits gezeigt, ist für werbefinanzierte Medien das Publikum lediglich eine Ware, dessen Aufmerksamkeit an die Werbewirtschaft verkauft wird. Die publizistischen Inhalte dienen dazu, ein für die Werbetreibenden interessantes Publikum zu schaffen, was das Spektrum der Inhalte einschränkt (siehe Kapitel 5.2.2.1). Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive ist dies problematisch. Erstens werden Rezipient·innen, die nicht zu einer werblich relevanten Zielgruppe gehören, nicht bedient. Dies betrifft insbesondere weniger kaufkräftige Bevölkerungsgruppen. Zweitens wird die Reichweite selbst in den für die Werbewirtschaft relevanten Zielgruppen mit möglichst kostengünstigen Inhalten maximiert. Es besteht kein Anreiz, in teure Qualität zu investieren, wenn die gleiche Reichweite auch billiger erzielt werden kann. Drittens müssen Medien ein geeignetes Werbeumfeld bieten, weshalb kontroverse oder gesellschaftskritische Themen teilweise vermieden werden. Viertens werden - insbesondere im werbefinanzierten Fernsehen - Inhalte leichter konsumierbar gemacht und Unterhaltungsprogramme bevorzugt. Und fünftens steigen die Hürden, um kritisch über Unternehmen zu berichten, die wichtige Werbekund·innen sind (vgl. Baker, 2002: 26; Heinrich, 1999: 279-281; Kiefer & Steininger, 2014: 269-271). «[A]dvertisers typically favor the following: content that is not critical of their products or their corporate activities; content that encourages a buying mood (which often means an uncritical mind-set); content that does not alienate any relevant group of potential customers; and formats and content that appeal to or create audiences that advertisers see as appropriate for their marketing goals» (Baker, 2002: 89). Dadurch komme es zu einer Kommerzialisierung des alltäglichen kulturellen Erlebens der Nutzer·innen und zu einer Glorifizierung der Konsumgesellschaft. Gleichzeitig würden die Nutzer·innen immer weniger ermutigt, sich selbst als Bürger·innen zu sehen, sondern auf ihre Rolle als Konsument·innen reduziert (vgl. Hesmondhalgh, 2019: 430-435). Dieser Einfluss der Werbung auf die Inhalte ist aber nicht intentionaler, sondern struktureller Natur: Die Inhalte sind <?page no="148"?> Grundlagen 148 für die Werbewirtschaft nebensächlich - sie sollen einfach die richtigen Zielgruppen möglichst kostengünstig erreichen (vgl. Kiefer & Steininger, 2014: 270). Auch Plattformen wie Suchmaschinen, Video-Sharing-Dienste und soziale Netzwerke sind werbefinanziert. Den Nutzer·innen werden diese Dienstleistungen ohne monetäre Gegenleistung angeboten. Dafür werden die bei der Nutzung anfallenden Daten gesammelt und ausgewertet, um der Werbewirtschaft personalisierte Werbung zu ermöglichen. Aber nicht nur die Werbebotschaften, sondern auch die anderen Inhalte werden mittels Algorithmen personalisiert - und zwar im kommerziellen Eigeninteresse der Plattformen. Den Nutzer·innen werden Inhalte angezeigt, die diese möglichst lange auf der Plattform halten, um ihnen auch möglichst viel Werbung anzeigen zu können. Gerade mit Blick auf die politische Kommunikation online ist dies nicht unproblematisch: «The danger is that greater attention may be given to those who shout the loudest, make emotive and unsupported claims, and employ the tools of demagoguery» (Mansell & Steinmueller, 2020: 73). Neben der Werbefinanzierung wird auch die starke Konzentration in Medien- und Plattformmärkten kritisch beurteilt. Denn diese ist nicht nur ein ökonomisches Problem aufgrund der Entstehung von Marktmacht, sondern kann durch die Entstehung von Meinungsmacht auch negative Konsequenzen für die Medien- und Meinungsvielfalt haben (siehe Kapitel 5.2.2.2). Medienkonzentration: Zwei Ligen von Giganten In der Medienbranche dominieren global gesehen einige wenige Konzerne, die meistens vertikal und multimedial integriert sind. Dazu gehören Comcast (inkl. NBC Universal und Sky), Warner Bros. Discovery (inkl. CNN und HBO) und die Walt Disney Company (inkl. ABC, 20th Century Studios und Hulu). Zu ihnen sind in den letzten Jahren große Internet- und Technologiekonzerne gestoßen, die heute aus der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation nicht mehr wegzudenken sind: Die US-amerikanischen Unternehmen Google (resp. die Dachgesellschaft Alphabet), Apple, Facebook (resp. Meta), Amazon und Microsoft (manchmal als GAFAM bezeichnet) sowie die chinesischen Unternehmen Alibaba, Baidu und Tencent. Doch neben dieser ersten Liga auf globaler Ebene existiert auf nationaler Ebene eine zweite Liga von Medienkonzernen, die in ihren jeweiligen Ländern eine dominante Rolle spielen (vgl. Herman & McChesney, 1997: 52-53; Hesmondhalgh, 2019: 239-240). <?page no="149"?> Begründungen für medienpolitische Eingriffe 149 Mit Blick auf die Medien werden publizistische Folgen von Konzentration thematisiert. Da Medienstrukturen die publizistische Leistung prägen, wird von einem Zusammenhang zwischen einer Vielzahl unabhängiger Medienorganisationen und der Vielfalt der von diesen produzierten Inhalte ausgegangen (vgl. Knoche, 1999). So gesehen beinhalten Konzentrationsprozesse die Gefahr, die Medien- und Meinungsvielfalt zu beeinträchtigen (vgl. Heinrich, 2001: 138-145). Doch Konzentration kann sowohl vielfaltsbeschränkende wie auch vielfaltsfördernde Auswirkungen haben. Allgemein akzeptierte empirische Erkenntnisse zum Zusammenhang von Konzentration und inhaltlicher Vielfalt finden sich kaum, da weder über die Messung der publizistischen Leistung noch über die Abgrenzung von Märkten oder die Schwelle, ab wann Konzentration problematisch ist, ein Konsens besteht. Medienkonzentration ist aber nicht nur problematisch, wenn ein Einfluss auf die publizistische Leistung empirisch nachgewiesen werden kann (vgl. Freedman, 2014a; 2014b: 51-52). Baker (2007: 5-43) nennt grundsätzliche demokratische Bedenken gegen Medienkonzentration: Demokratische Verteilung von Medienmacht: So wie in der Demokratie jede Person eine Stimme hat, solle auch Medieneigentum möglichst egalitär in der Gesellschaft verteilt sein, damit alle gesellschaftlichen Gruppen in der Öffentlichkeit vertreten sind. Solch eine demokratische Verteilung von Medienmacht betrachtet Baker als Wert an sich, unabhängig davon, wie vielfältig die Inhalte letztlich sind - nicht nur das Resultat ist wichtig, sondern auch der Prozess. Absicherung gegen den Missbrauch von Medienmacht: Durch die Verteilung von Medienmacht werde auch das Risiko eines Missbrauchs der Berichterstattung durch die Medieneigentümer·innen zur Verwirklichung ihrer eigenen politischen oder ökonomischen Interessen reduziert. Verhinderung des Abbaus der publizistischen Leistung: Medienkonzentration erlaubt Medienunternehmen die Einsparung von Kosten und die Nutzung von Synergien. Dies hat zumeist negative Auswirkungen auf die Vielfalt der Berichterstattung. Eine Verteilung von Medienmacht kann dem entgegenwirken. Weiter zeigt Freedman (2014a; 2014b: 52) unter Rückgriff auf die Theorie der Kritischen Politischen Ökonomie der Medien auf, dass existierende Eigentumsverhältnisse und Konzentrationsprozesse oftmals als alternativlos dargestellt werden. Doch dem ist nicht so: Er weist zu Recht darauf hin, dass sich Medienstrukturen mit Medienpolitik gestalten und damit auch verändern lassen. Auch im Internetzeitalter besteht das Problem der Medienkonzentration weiter. Zum einen behalten bestehende Medienkonzerne ihre dominante Position. Die Fixkosten für die Produktion hochwertiger publizistischer Inhalte bleiben <?page no="150"?> Grundlagen 150 hoch; die Internetnutzung konzentriert sich auf wenige sehr beliebte Websites, zu denen auch traditionelle Medienangebote gehören; und nur große Medien sind in der Lage, ihre Websites so zu optimieren, dass sie im Internet erfolgreich sind (vgl. Baker, 2007: 113; Hindman, 2018: 13, 163-164). Zum anderen findet zwar ein digitaler Strukturwandel der Öffentlichkeit statt, der das Geschäftsmodell traditioneller Medien infrage stellt. Doch dadurch kommt es nicht einfach zu einer egalitäreren Verteilung von Meinungsmacht, sondern mit Plattformen sind neue mächtige Vermittler·innen entstanden: «This is extraordinarily unsettling for the media industry but is not evidence of a transformation that directly empowers publics at the expense of intermediaries» (Freedman, 2014b: 110). Dass eine kleine Zahl von Plattformen mit ihren Nutzungsbestimmungen und Algorithmen die öffentliche Vermittlung von Kommunikation und die Konstruktion sozialer Realität beeinflusst, ist für demokratische Gesellschaften genauso besorgniserregend wie Medienmacht. Medien und Plattformen sind nicht nur Wirtschafts-, sondern auch Kulturgüter. Ihre gesellschaftliche und insbesondere ihre politische Bedeutung stellt eine wichtige Begründung für medienpolitische Eingriffe dar. 5.3.2 Konsequenzen für die Medienpolitik Medien sind also nicht nur Wirtschafts-, sondern auch Kulturgüter. Doch unter «dem Regime des Marktes können beide Aufgaben nur unvollkommen erfüllt werden» (Heinrich, 2020: 162). Weder kommt es auf Medienmärkten immer zu einer optimalen Ressourcenallokation, noch sind Märkte darauf ausgerichtet, nicht-ökonomische Ziele wie die Produktion von Meinungsvielfalt und Qualität, die Selbstbeobachtung der Gesellschaft oder die Herstellung von Öffentlichkeit zu realisieren (vgl. Heinrich, 2001: 80). In diesem Sinne kann von einem doppelten Marktversagen gesprochen werden: «[T]he term ‹market failure› tends to be used in two different ways. In one sense it refers to any failure by the market system […] to allocate resources efficiently. In another sense, it may refer to the failure of the market to advance socially desirable goals other than efficiency, e.g. preserving democracy and social cohesion» (Doyle, 2013: 92). Aus ökonomischer Perspektive sind staatliche Eingriffe in den Markt nur gerechtfertigt, um Marktversagen (im ökonomischen Sinne) zu korrigieren und den <?page no="151"?> Begründungen für medienpolitische Eingriffe 151 Missbrauch von Marktmacht zu verhindern - also um die optimale Ressourcenallokation sicherzustellen. Medienpolitik, die über eine Sicherstellung ökonomischen Wettbewerbs hinaus geht, wird abgelehnt. Doch medienpolitische Eingriffe lassen sich auch mit den wichtigen Leistungen von Medien und Plattformen für die Gesellschaft begründen, für deren Realisierung ein funktionierender ökonomischer Wettbewerb eben nicht zwingend ausreichend ist (vgl. Hesmondhalgh, 2019: 51-52; Iosifidis, 2011: 209; Seufert & Gundlach, 2017: 102). Funktionierender ökonomischer Wettbewerb verbessert zwar die allokative und produktive Effizienz. «Das bedeutet nicht per se, dass ökonomischer Wettbewerb die Qualität von Produkten erhöht oder ihre Kosten senkt, sondern dass das Verhältnis von Qualität zu Kosten verbessert wird» (Heinrich, 2001: 108). Ökonomischer Wettbewerb ist also kein Wettbewerb um bessere Qualität (Qualitätswettbewerb), sondern ein Wettbewerb um tiefere Kosten (Kostenwettbewerb). Zudem zeichnen sich Medien- und Plattformmärkte durch starke Konzentration aus, die eben nicht nur aufgrund der Entstehung von Marktmacht, sondern vor allem auch wegen der Gefahr des Missbrauchs von Meinungsmacht problematisch ist. Wünscht die Gesellschaft eine höhere Qualität und Vielfalt, als sie der Markt allein bereitstellen würde, braucht es anstelle des ökonomischen einen publizistischen Wettbewerb. Qualitativ hochwertige und vielfältige Medieninhalte sind aber kostenintensiver in der Produktion und entsprechen auch nicht immer dem, was die Rezipient·innen individuell konsumieren würden. «Publizistischer Wettbewerb leistet sich den Luxus, Produktionskosten und/ oder Rezipientenpräferenzen ganz oder teilweise zu missachten» (Heinrich, 2001: 110). Folglich können sich medienpolitische Eingriffe nicht mit der Korrektur von Marktversagen begnügen: «regulatory interventions should lead not only to a […] commercial market, but also to a public sphere in which citizens can engage in ways that are consistent with public values» (Mansell & Steinmueller, 2020: 98). Die Vermittlungsleistung von Medien und Plattformen ist in dieser Perspektive zu wichtig für die Demokratie, als dass sie dem Markt überlassen werden kann: «It is clear that media output is not just another commodity but rather part of the lifeblood of democracy and therefore requires regulation going beyond the economic» (Feintuck & Varney, 2006: 249). Mit einer Medienpolitik im öffentlichen Interesse soll dafür gesorgt werden, dass Medien und Plattformen ihre wichtige Leistung für die Gesellschaft erbringen. Doch stehen medienpolitische Eingriffe nicht im Widerspruch zur Meinungsäußerungsfreiheit und der davon abgeleiteten Medienfreiheit? Der Verzicht auf eine staatliche Einmischung in die Medieninhalte war eine wichtige Errungenschaft <?page no="152"?> Grundlagen 152 bei der Gründung moderner Nationalstaaten. Und natürlich sind vom Staat unabhängige Medien von elementarer Bedeutung - deshalb setzt Medienpolitik ja zumeist bei den Medienstrukturen an und greift nicht direkt in die Medieninhalte ein. Doch ohne eine über die Korrektur von Marktversagen hinausgehende Medienpolitik droht die Medienfreiheit auf die Gewerbefreiheit reduziert zu werden (vgl. Splichal, 2007). Das wirtschaftliche Recht, ein Medium zu gründen und herauszugeben, reicht aber nicht aus, um Qualität und Vielfalt zu realisieren. Zusätzlich zur Gefahr einer Abhängigkeit vom Staat muss deshalb auch die Einschränkung der Medienfreiheit aus kommerziellen Gründen thematisiert werden: «[H]istorically, the proponents of ‹liberty of the press› directed their criticisms mainly against the state regulation of market-based communications media. Today, by contrast, friends of the ‹liberty of the press› must recognize that communications markets restrict freedom of communication […]. Media entrepreneurs certainly provide choices, but they are always within the framework of commercially viable alternatives. […] Individuals are treated as market-led consumers, not as active citizens with rights and obligations» (Keane, 1991: 89, 91). Insofern sollte Medienfreiheit nicht nur als negative Freiheit (Freiheit von), sondern auch als positive Freiheit (Freiheit zu) verstanden werden (vgl. Freedman, 2014b: 62-63). Zwar muss Medienpolitik zwingend die Freiheit von staatlichen Beschränkungen der Meinungsäußerung und die Unabhängigkeit der Medien respektieren, doch kann Medienpolitik auch dafür sorgen, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung realisiert werden kann und es eine funktionierende Öffentlichkeit gibt. Mit medienpolitischen Eingriffen können die strukturellen Bedingungen für unabhängige und vielfältige Medienleistungen und für eine demokratischen Ansprüchen genügende öffentliche Vermittlung von Kommunikation geschaffen werden (vgl. Freedman, 2008: 6-7; Humphreys, 1996: 114-116; McQuail, 1992: 4; Napoli, 2001: 24-26): «effective communication depends on effective regulation of communication» (Feintuck & Varney, 2006: 56). In dieser Sichtweise ist Medienpolitik also keineswegs unvereinbar mit der Medienfreiheit. Sollen Medien und Plattformen ihrer wichtigen gesellschaftlichen und politischen Bedeutung gerecht werden, so kann sich Medienpolitik nicht mit der Korrektur von Marktversagen begnügen. Mit Medienpolitik können die Bedingungen für eine demokratischen Ansprüchen genügende öffentliche Vermittlung von Kommunikation geschaffen werden. <?page no="153"?> Begründungen für medienpolitische Eingriffe 153 Übungen 1. Argumentieren Sie, weshalb trotz der Digitalisierung technische Begründungen für medienpolitische Eingriffe weiterhin bedeutsam sind. 2. Verschiedene Arten von Marktversagen führen dazu, dass Medien auf eine alternative Finanzierungsquelle angewiesen sind. Erläutern Sie, welche das sind und weshalb es zu einem Marktversagen kommt. 3. Verschiedene Arten von Marktversagen führen zu starken Konzentrationstendenzen in Medien- und Plattformmärkten. Erläutern Sie, welche das sind und weshalb es zu einem Marktversagen kommt. 4. Bei werbefinanzierten Medien und Plattformen ist die Werbewirtschaft der relevante Marktpartner. Zeigen Sie auf, welche Folgen dies für die Medieninhalte resp. die Vermittlungsleistung von Plattformen hat. 5. Nennen Sie Argumente für und gegen medienpolitische Eingriffe, die über die Sicherstellung ökonomischen Wettbewerbs hinausgehen. Literaturtipps Baker, C. E. (2007). Media Concentration and Democracy. Why Ownership Matters. Cambridge: Cambridge University Press. [Kapitel 1] Bakers Buch bietet eine fundierte Auseinandersetzung mit den Risiken von Medienkonzentration für demokratische Gesellschaften. Feintuck, M., & Varney, M. (2006). Media Regulation, Public Interest and the Law (2. Auflage). Edinburgh: Edinburgh University Press. [Kapitel 1, 2, 3 und 7] Das Buch diskutiert die gesellschaftliche und politische Bedeutung von Massenmedien als Begründung für medienpolitische Eingriffe. Heinrich, J. (2020). Mediengüter zwischen Wirtschafts- und Kulturgut. In J. Krone & T. Pellegrini (Hrsg.), Handbuch Medienökonomie (S. 145-164). Wiesbaden: Springer VS. In diesem Überblicksartikel thematisiert Heinrich die Doppelrolle von Medien als Wirtschafts- und Kulturgut sowie das Marktversagen auf Medienmärkten. Kiefer, M. L., & Steininger, C. (2014). Medienökonomik (3. Auflage). München: Oldenbourg. [Kapitel 4 und 7] Dieses Lehrbuch enthält eine umfassende Einführung in ökonomische Grundlagen von Medien inklusive Fragen von Marktversagen und Medienfinanzierung. <?page no="155"?> 155 6 Medienpolitik erforschen Inhalt und Lernziele Medienpolitikforschung hat zum Ziel, die Herstellung und Durchsetzung von Medienpolitik und ihre Auswirkungen auf Medien und Öffentlichkeit zu untersuchen. Das folgende Kapitel stellt zuerst die verschiedenen Schritte des Forschungsprozesses und häufig verwendete Methoden vor. Danach werden Grundlagen vergleichender Forschung thematisiert, die für die Medienpolitikforschung und die praktische Medienpolitik von großer Relevanz ist. Mit Vergleichen können medienpolitische Gemeinsamkeiten und/ oder Unterschiede zwischen Mediensystemen beschrieben und erklärt werden - und auch Ideen für medienpolitische Reformen entwickelt werden. Nach diesem Kapitel können Sie selbstständig ein Forschungskonzept für ein eigenes (vergleichendes) Forschungsprojekt entwickeln. die methodische Vorgehensweise bei Vergleichen erläutern. die Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener Typen von Mediensystemen darlegen. Mit der Entstehung von Medienpolitik Mitte des 19. Jahrhunderts (siehe Kapitel 3.2.1) kam auch die Idee auf, diese zu erforschen (vgl. Braman, 2003b). Doch von einer Institutionalisierung der Medienpolitikforschung als eigenes Forschungsfeld kann erst in den 1970er-Jahren gesprochen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich die Medienpolitik mit der Monopolsituation in Rundfunk und Telekommunikation und dem Verzicht auf Eingriffe im Pressesektor durch große Stabilität aus. Entsprechend waren das wissenschaftliche Interesse an diesem Politikfeld und der politische Bedarf für wissenschaftliche Analysen von Medienpolitik beschränkt (vgl. Just & Puppis, 2012). Doch: «All that has changed. Communication policy has emerged as a field of research» (Pool, 1974: 31). Die damals stark zunehmende Pressekonzentration, die Einführung von Privatrundfunk sowie die Privatisierung und Deregulierung in der Telekommunikation machten Medienpolitik zu einem interessanten Forschungsgegenstand und erhöhten das Interesse der Politik an wissenschaftlichen Erkenntnissen (vgl. Just <?page no="156"?> Grundlagen 156 & Puppis, 2012; Löblich, 2008). Seither hat das Forschungsfeld angesichts von Konvergenz, digitalem Strukturwandel der Öffentlichkeit, Transnationalisierung und Kommerzialisierung noch an Relevanz gewonnen (vgl. Just & Puppis, 2018). Medienpolitikforschung kann zu fundierteren politischen Entscheidungen beitragen, zeichnet sich durch Unabhängigkeit von Interessengruppen aus und kann Themen und Probleme einbringen, die von Branche und Politik zu wenig beachtet werden (vgl. Braman, 2003b; Just & Puppis, 2012). Entsprechend ist Medienpolitikforschung heute «a meaningful area of research and theory in communication studies» (Reinard & Ortiz, 2005: 594). Medienpolitikforschung dient dazu, den Prozess der Herstellung und Durchsetzung von Medienpolitik, konkrete Formen von Regulierung und Governance sowie Auswirkungen auf Medien und Öffentlichkeit zu untersuchen (vgl. Hansen et al., 1998: 67; Rowland, 1984: 423). Lasswell (1970: 3) betont zudem, dass die Erforschung von Politik «knowledge of the policy process as well as knowledge in the policy process» umfasse: Medienpolitikforschung dürfe sich nicht auf die Analyse von Medienpolitik beschränken, sondern soll ihre Erkenntnisse auch in den medienpolitischen Prozess einbringen und politischen Entscheidungsträger·innen zur Verfügung stellen. 6.1 Der Forschungsprozess Doch wie funktioniert Medienpolitikforschung eigentlich? Forschung kann mit einer Bergwanderung verglichen werden: Sie macht Spaß, ist aber manchmal anstrengend und ohne gute Planung können wir uns verlaufen oder abstürzen. Um sicher vom Talort (der ersten Forschungsidee) auf den Gipfel (den Forschungsbericht) zu kommen, hilft es zwischen drei Hauptstufen des Forschungsprozesses zu unterscheiden, die in weitere kleinere Stufen unterteilt werden können: Planung, Durchführung und Verwertung (vgl. Puppis & Van den Bulck, 2019; von Alemann & Tönnesmann, 1995; siehe Abb. 11). 6.1.1 Planung In der Planungsstufe geht es darum, eine erste Idee für das Thema des eigenen Forschungsprojekts zu entwickeln, Frage- und Problemstellung zu formulieren, Theorie und Forschungsstand aufzuarbeiten, die Fragestellung zu präzisieren und <?page no="157"?> Medienpolitik erforschen 157 (Hypo-)Thesen zu entwickeln, Forschungsdesign und Methoden festzulegen sowie ein Forschungskonzept zu schreiben (vgl. Hansen & Machin, 2013: 14-26; Puppis & Van den Bulck, 2019; von Alemann & Tönnesmann, 1995). Thema, Fragestellung und Problemstellung: Jedes Forschungsprojekt startet mit einer Idee für ein Thema. Die Inspiration dazu kann aus persönlicher Erfahrung, aktuellen medienpolitischen Problemen oder der wissenschaftlichen Literatur kommen. Schon schwieriger ist es, eine Fragestellung zu formulieren, welche dieses Thema eingrenzt. Diese muss beantwortbar sein, die Antwort darf aber auch nicht schon zu Beginn offensichtlich sein. Noch herausfordernder ist es, die Problemstellung zu formulieren: Welche Relevanz besitzt die geplante Forschung für Wissenschaft und Gesellschaft oder Medienpolitik? Theorie und Forschungsstand: Als Nächstes muss eine Theorie, mit der die Fragestellung bearbeitet werden kann, ausgewählt werden. Theorien liefern Annahmen darüber, wie das zu untersuchende Phänomen aussieht, und erlauben uns auch, unsere Resultate zu interpretieren. Weiter muss der Forschungsstand (also die bisherige empirische Forschung zum eigenen Thema) recherchiert und systematisch aufgearbeitet werden. Dies ist unverzichtbar, um das Thema besser zu verstehen, um zu erkennen, was bisher schon erforscht wurde und was nicht (und so eine Forschungslücke zu konstatieren), und um später die eigene empirische Erhebung zu planen. Der Forschungsstand sollte nicht aus einer Aneinanderreihung von Publikationen bestehen, sondern eine gründliche und kritische Synthese bisheriger Studien bieten. Präzisierung der Fragestellung und Entwicklung von (Hypo-)Thesen: Mit diesem Vorwissen ist es nun möglich, das eigene Forschungsprojekt zu fokussieren. Dazu gehört, die ursprünglich formulierte Fragestellung zu präziseren (und ggf. Unterfragen zu stellen) sowie Thesen oder Hypothesen zu entwickeln, die später empirisch überprüft werden sollen. Forschungsdesign und Methoden: Nun gilt es zu überlegen, wie die Fragestellung beantwortet werden kann. Dies erfordert erstens Entscheidungen bezüglich des Forschungsdesigns: Handelt es sich um eine Fallstudie oder einen Vergleich, um eine Querschnitt- oder eine Längsschnittstudie? Zweitens steht die Wahl der Methoden der Datenerhebung und Datenauswertung an. Hierbei hilft es, sich am Forschungsstand zu orientieren. Und drittens müssen die Grundgesamtheit und ggf. die Stichprobe festgelegt werden. Schreiben des Forschungskonzepts: Ob studentische Arbeit oder Forschungsprojekt - das Forschungskonzept ist ein wichtiges Arbeitsinstrument, das alle In- <?page no="158"?> Grundlagen 158 formationen zu Thema, Fragestellung und Problem, Theorie und Forschungsstand, (Hypo-)Thesen, Forschungsdesign und Methoden sowie einen Zeitplan und eine erste Gliederung des Forschungsberichts enthält. Ähnlich einer Wanderkarte sorgt das Forschungskonzept dafür, dass die Forscher·innen sich nicht verirren und am Schluss den Gipfel auch tatsächlich erreichen. 6.1.2 Durchführung Mit der Durchführungsstufe ist die empirische Phase des Projekts erreicht. Nach der Operationalisierung der theoretischen Konzepte geht es an die Erhebung, Aufbereitung und Auswertung der Daten (vgl. Hansen & Machin, 2013: 26-27; Puppis & Van den Bulck, 2019; von Alemann & Tönnesmann, 1995). Operationalisierung: Bevor die eigentliche Erhebung beginnen kann, muss ein Instrument für die Datenerhebung entwickelt werden (bspw. Fragebogen, Interviewleitfaden, Codebuch). Dies bedingt eine Operationalisierung der theoretischen Konzepte, um diese empirisch messbar zu machen. Datenerhebung: Nun gilt es, mit der Datenerhebung zu beginnen. Bei quantitativer Forschung wird eine standardisierte Erhebung durchgeführt (z. B. mit einem Fragebogen oder Codebuch), bei qualitativen Methoden wird nicht- oder teil-standardisiert (z. B. mit einem Interviewleitfaden) vorgegangen. Datenaufbereitung: Quantitative Daten müssen vor der Auswertung bereinigt werden. Aber auch qualitative Forschung erfordert teilweise eine Aufbereitung von Daten, beispielsweise die Transkription von Interviews. Datenauswertung: Während quantitative Daten statistisch ausgewertet werden, besteht das Datenmaterial bei qualitativer Forschung aus Texten (bspw. Dokumenten oder Interviewtranskripten). Diese gilt es mit einer geeigneten Methode zu codieren und zu interpretieren. 6.1.3 Verwertung Die Verwertungsstufe schließlich umfasst das Schreiben eines Forschungsberichts, Publikationen und Präsentationen sowie den Transfer von Forschungsresultaten in die Praxis (vgl. Hansen & Machin, 2013: 27-31; Puppis & Van den Bulck, 2019; von Alemann & Tönnesmann, 1995). Schreiben des Forschungsberichts: Ob Seminararbeit, Abschlussarbeit oder Auftragsforschung - zum Schluss gilt es, einen Forschungsbericht zu schreiben. <?page no="159"?> Medienpolitik erforschen 159 Ein solcher Bericht enthält eine Einleitung (inkl. Problem- und Fragestellung), einen Theorieteil, ein Kapitel zum Forschungsstand, ein Methodenkapitel, eine Darstellung der Resultate sowie eine Konklusion (inkl. Zusammenfassung, kritische Reflexion und Erkenntnisse für Wissenschaft und Gesellschaft/ Medienpolitik). Generell empfiehlt es sich, frühzeitig mit dem Schreiben zu beginnen und Entwürfe mehrmals zu überarbeiten. Publikationen und Präsentationen: Wissenschaftler·innen werden ihre Resultate vor allem in Form akademischer Publikationen und Vorträge veröffentlichen. Transferaktivitäten: Doch es gibt Publika jenseits der Wissenschaft - dies gilt für die Medienpolitikforschung in besonderem Maße. Um aber in Branche und Politik wahrgenommen zu werden, reichen Publikationen in wissenschaftlichen Büchern und Zeitschriften nicht aus. Dazu braucht es Produkte, die hinsichtlich Format und Sprache für Nicht-Wissenschaftler·innen zugänglich sind (bspw. Zusammenfassungen oder «Policy Briefs»). Auch Medienarbeit und Präsenz auf sozialen Netzwerken können helfen. Abb. 11: Stufen des Forschungsprozesses Transferaktivitäten Verwerten Publikationen und Präsentationen Schreiben des Forschungsberichts Datenauswertung Durchführen Datenaufbereitung Datenerhebung Operationalisierung Schreiben des Forschungskonzepts Planen Forschungsdesign und Methoden Präzisierung Fragestellung und Entwicklung (Hypo-)Thesen Theorie und Forschungsstand Thema, Fragestellung und Problemstellung Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Puppis & Van den Bulck (2019: 41) <?page no="160"?> Grundlagen 160 Der Prozess der Medienpolitikforschung besteht aus den drei Stufen Planung, Durchführung und Verwertung. Die Planung umfasst die Themenwahl und die Formulierung von Frage- und Problemstellung, die Aufarbeitung von Theorie und Forschungsstand, die Entwicklung von (Hypo-)Thesen, die Festlegung von Forschungsdesign und Methoden sowie das Schreiben eines Konzepts. Die Durchführung reicht von der Operationalisierung über die Erhebung und Aufbereitung bis hin zur Auswertung der Daten. Und zur Verwertung gehören neben dem Schreiben eines Forschungsberichts auch Publikationen, Präsentationen und Transferaktivitäten. 6.2 Methoden der Datenerhebung und Datenauswertung Für Medienpolitikforschung bieten sich je nach Fragestellung ganz verschiedene Methoden der Datenerhebung und Datenauswertung an. Grundsätzlich stehen uns quantitative Befragungen, Inhaltsanalysen von Medienberichterstattung oder Beiträgen auf sozialen Netzwerken und Experimente mit standardisierter Erhebung und statistischer Auswertung genauso zur Verfügung wie qualitative Analysen von Dokumenten, Interviews, Fokusgruppen oder Beobachtungen. Zu den wichtigsten Methoden der Datenerhebung in der Medienpolitikforschung gehören Interviews mit Expert·innen und die Dokumentenanalyse. Interviews mit Expert·innen: Das Ziel von Interviews mit Verantwortlichen in Politik und Branche (z. B. mit Vertreter·innen von Ministerien und Regulierungsbehörden, Politiker·innen oder Manager·innen von Medien- oder Plattformunternehmen) ist die Konstruktion von Deutungswissen. Expert·innen sind nicht einfach interessant wegen ihrer exklusiven Wissensbestände, sondern weil sie aufgrund ihrer Position mit ihren Deutungen das Handeln anderer Akteure prägen (vgl. Bogner, Littig & Menz, 2014: 17-22). Expert·inneninterviews werden meistens mit einem Interviewleitfaden durchgeführt und müssen vor der Auswertung transkribiert werden (vgl. Meuser & Nagel, 2009). Dokumentenanalyse: Im medienpolitischen Prozess entstandene Dokumente (wie z. B. Regierungsberichte, Parlamentsdebatten, Unterlagen parlamentarischer Kommissionen, Gesetze und Gesetzesentwürfe mit Erläuterungen, Stellungnahmen aus öffentlichen Konsultationen, Geschäftsberichte, Pressemitteilungen etc.) sind eine wichtige Quelle für medienpolitische Analysen. Für ein Projekt relevante Dokumente müssen aber nicht nur beschafft, sondern auch <?page no="161"?> Medienpolitik erforschen 161 einer Quellenkritik unterzogen werden, um ihren Zweck und Absichten der Verfasser·innen zu hinterfragen (vgl. Bowen, 2009; Reh, 1995). Bei Interviews und Dokumenten liegt das auszuwertende Datenmaterial in Form von Texten vor. Eine häufig verwendete Methode der Datenauswertung ist die von Mayring (2022) entwickelte qualitative Inhaltsanalyse. Diese ist sowohl für eine deduktive (d. h. aus der Theorie abgeleitete) als auch für eine induktive (d. h. aus dem empirischen Material entwickelte) Kategorienbildung geeignet. Nach der Codierung des Datenmaterials wird dieses anschließend regelgeleitet interpretiert, um so (Hypo-)Thesen zu überprüfen und die Fragestellung zu beantworten (vgl. Nawratil & Schönhagen, 2021; Puppis, 2019). Aber auch Methoden wie die thematische Analyse, Diskurs- oder Frameanalysen kommen für die Auswertung infrage (für einen Überblick vgl. Van den Bulck et al., 2019). In der Medienpolitikforschung kommen verschiedenste Methoden zum Einsatz. Zu den meistverwendeten Methoden der Datenerhebung gehören Expert·inneninterviews und Dokumentenanalysen; zur Datenauswertung kommt häufig die qualitative Inhaltsanalyse zum Einsatz. 6.3 Vergleichende Medienpolitikforschung In der Medienpolitikforschung werden häufig Vergleiche durchgeführt. Vergleichende Forschung bietet generell viele Vorzüge. Vergleiche erweitern den Horizont und erlauben so ein besseres Verständnis der eigenen Gesellschaft, «indem die bekannten Strukturen und Routinen mit denen anderer Systeme kontrastiert werden können» (Esser, 2003: 437). Vergleiche lenken unsere Aufmerksamkeit auf Aspekte des eigenen Mediensystems, die für selbstverständlich erachtet und nicht weiter hinterfragt werden. Vergleiche können beim Verstehen einer politisch und kulturell fragmentierten Welt helfen. Und Vergleiche bieten eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung von Theorien (vgl. Blumler, McLeod & Rosengren, 1992; Esser, 2013; Kleinsteuber, 2003a). Vergleichende Medienpolitikforschung hilft beispielsweise zu verstehen, weshalb verschiedene Länder auf ähnliche Herausforderungen so unterschiedlich reagieren: «while economic and technological developments point generally towards convergent outcomes, nationally specific political (and cultural) factors explain much of the enduring differences» (Gibbons & Humphreys, 2012: 12). Einfach ausgedrückt: «media systems can be <?page no="162"?> Grundlagen 162 expected to vary significantly across countries because politics and policy have made a difference» (Humphreys, 1996: 2). Doch für die Medienpolitikforschung sind Vergleiche auch deshalb von besonderem Interesse, weil gesellschaftliche und technische Veränderungen die praktische Medienpolitik vor große Herausforderungen stellen. Vergleichende Forschung erlaubt uns, von Erfahrungen in anderen Mediensystemen zu lernen. Wissen darüber, wie anderswo auf Prozesse der Digitalisierung, Transnationalisierung und Kommerzialisierung reagiert wird, hilft uns bei der Erarbeitung von medienpolitischen Ideen und Lösungsvorschlägen und stellt eine wertvolle Entscheidungsgrundlage für Regulierungsreformen dar (vgl. Puppis & d’Haenens, 2012; Verhulst & Price, 2008). Politik und Verwaltung geben deshalb immer wieder wissenschaftliche Gutachten und Studien in Auftrag. Allerdings dürfen Erkenntnisse über Medienpolitik in anderen Systemen auch nicht ohne Reflexion aus ihrem politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Kontext gerissen werden. Konkrete medienpolitische Eingriffe und Regulierungsmaßnahmen können in verschiedenen Mediensystemen ganz unterschiedliche Folgen haben (vgl. Kleinsteuber, 1993; Verhulst & Price, 2008). Im Folgenden befassen wir uns damit, was Vergleiche genau sind, welche verschiedenen Arten von Vergleichen es gibt, wie vergleichende Forschung funktioniert und welche Typologien von Mediensystemen es gibt. 6.3.1 Was ist ein Vergleich? Vergleichen bedeutet, mindestens zwei Gegenstände miteinander ins Verhältnis zu setzen und auf Unterschiede und/ oder Gemeinsamkeiten hin zu untersuchen (vgl. Kleinsteuber, 2003b). Kann man also alles vergleichen? Schließlich wird häufig behauptet, Äpfel und Birnen seien nicht vergleichbar. Die Wortwahl ist bei Vergleichen äußerst wichtig, denn Vergleichbarkeit und Gleichheit sind nicht dasselbe (vgl. Patzelt, 2013: 243-244). Zu behaupten, zwei Gegenstände seien vergleichbar, bedeutet noch nicht, dass diese gleich sind. Um dies herauszufinden, muss erst ein Vergleich durchgeführt werden. Und ist das Resultat des Vergleichs, dass zwei Gegenstände ungleich sind (sich unterscheiden), bedeutet das nicht, dass die beiden nicht vergleichbar sind (also nicht miteinander verglichen werden können). Vergleichbarkeit sagt noch nichts über das Resultat des Vergleichs aus (ob etwas gleich oder unterschiedlich ist). Äpfel und Birnen zu vergleichen ist also möglich. Ob es auch Sinn ergibt, hängt von der Fragestellung ab (siehe Kapitel 6.3.3). <?page no="163"?> Medienpolitik erforschen 163 Die komparative Forschung beschäftigte sich lange mit dem Vergleich von Nationalstaaten. Doch das ist zu eng gedacht (vgl. Puppis & d’Haenens, 2012): Zum einen können nicht nur Nationalstaaten, sondern auch andere geografische Räume verglichen werden. Für die Medienpolitikforschung sind auch kleinere oder größere politische Einheiten als Nationalstaaten interessant (vgl. Caramani, 2020; Lauth & Winkler, 2010), denn nationale Grenzen stimmen nicht immer mit Mediensystemen und medienpolitischen Zuständigkeiten überein. In einigen Nationalstaaten tragen subnationale politische Einheiten wie Bundesländer, Sprachgemeinschaften oder autonome Regionen die Verantwortung für Medienpolitik. Dies impliziert, dass politische Einheiten mit medienpolitischer Zuständigkeit auf verschiedenen Ebenen ebenfalls miteinander verglichen werden können, beispielsweise eine Sprachgemeinschaft (Flandern) und ein Nationalstaat (Irland). Aber auch größere geografische Räume wie Weltregionen lassen sich vergleichen. Und in der vergleichenden Kommunikationsforschung werden noch ganz andere Makroeinheiten (z. B. Journalismuskulturen, politische Kommunikationssysteme oder Medienmärkte) miteinander verglichen (vgl. Esser & Hanitzsch, 2012). Zum anderen können nicht nur geografische Räume zum selben Zeitpunkt (Querschnitts- oder synchroner Vergleich), sondern auch ein geografischer Raum zu verschiedenen Zeitpunkten (Längsschnittvergleich oder diachroner Vergleich) verglichen werden. Beides lässt sich auch miteinander kombinieren. Vergleichende Forschung impliziert folglich die Durchdringung von Raum und/ oder Zeit (vgl. Blumler, McLeod & Rosengren, 1992). Innerhalb der ausgewählten Fälle (geografische Räume zu ausgewählten Zeitpunkten) werden dann bestimmte Untersuchungsgegenstände analysiert. Beispielsweise lassen sich medienpolitische Prozesse und Akteure, medienpolitische Eingriffe und Regulierungsmaßnahmen, Medienorganisationen und deren interne Governance, die Funktionsweise von Regulierungsbehörden oder Selbstregulierungsorganisationen, aber auch Eigenschaften, Wissen oder Handlungen von Rezipient·innen (oder bestimmter sozialer Gruppen) bezüglich medienpolitisch relevanter Fragen über Raum und/ oder Zeit hinweg vergleichen. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Kontext einen Einfluss auf den Untersuchungsgegenstand hat. Vergleichende Forschung zielt also darauf ab, den jeweiligen Untersuchungsgegenstand vor dem Hintergrund der ausgewählten Fälle (geografische Räume und Zeitpunkte) auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin zu analysieren (vgl. Esser & Hanitzsch, 2012; Esser & Vliegenthart, 2017). So könnte beispielsweise die journalistische Innovationsförderung in Bayern und Nordrhein-Westfalen, <?page no="164"?> Grundlagen 164 die Finanzierung des öffentlichen Rundfunks in Flandern, Irland, Österreich und der Schweiz oder auch die Regulierung von Medienkonzentration in Schweden 1970, 1990 und 2010 untersucht werden. Nicht als Vergleich gelten hingegen Darstellungen einzelner Mediensysteme und deren Medienpolitik oder Handbücher. Letztere haben zumeist «the form of nation-by-chapter reporting which leaves the making of comparisons up to the reader» (Livingstone, 2003: 481). In Länderkapiteln werden ähnliche Fragen behandelt, doch ein Kapitel, welches sich dann dem Vergleich dieser Länder widmet, findet sich nicht. Dennoch bieten Handbücher einen wichtigen Überblick über Mediensysteme sowie ihre Medienpolitik. Vergleichen bedeutet, einen Untersuchungsgegenstand vor dem Hintergrund der ausgewählten Fälle auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin zu analysieren. Möglich sind nicht nur Vergleiche von Nationalstaaten, sondern auch von anderen geografischen Räumen und von verschiedenen Zeitpunkten. 6.3.2 Formen von Vergleichen Vergleiche können der Beschreibung, Erklärung oder Prognose von Phänomenen dienen (vgl. Caramani, 2020; Landman & Carvalho, 2017: 1-14). Entsprechend lässt sich zwischen deskriptiven Vergleichen und Kausalvergleichen unterscheiden (vgl. Puppis & d’Haenens, 2012). Bei deskriptiven Vergleichen besteht das Ziel darin, Gemeinsamkeiten und Unterschiede eines Untersuchungsgegenstands über die ausgewählten Fälle hinweg anhand bestimmter Dimensionen systematisch zu analysieren und dadurch mehr über das untersuchte Phänomen zu erfahren. Deskriptive Vergleiche erlauben es, Systematisierungen in Form von Klassifikationen und Typologien zu entwickeln (vgl. Caramani, 2020). Dazu werden die untersuchten Fälle nach ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden sortiert. Mit einer Klassifikation werden die Fälle nach einem einzigen Kriterium geordnet. Äpfel und Birnen können beispielsweise nach der Farbe der Frucht sortiert werden (z. B. rot, gelb etc.). Für eine Typologie werden zwei oder mehr Kriterien miteinander in Beziehung gesetzt. In der einfachsten Form ergibt sich so eine Vierfeldtabelle (2x2 Matrix). Äpfel und Birnen könnten so Typen zugeordnet werden, die aus der Kombination mehrerer Merkmale (z. B. Form und Farbe der Früchte) gebildet werden (vgl. Abromeit & Stoiber, 2006: 27-28; Lauth & Winkler, 2010). <?page no="165"?> Medienpolitik erforschen 165 Solche deskriptiven Vergleiche leisten einen wichtigen Beitrag, um unser Wissen über einen Untersuchungsgegenstand zu erweitern. Sie helfen uns zu verstehen, wie und warum etwas in einem Mediensystem passiert und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand gibt. Allerdings erlauben deskriptive Vergleiche keine Aussage über die Ursachen der festgestellten Gemeinsamkeiten und Unterschiede (also warum etwas in verschiedenen Mediensystemen gleich oder unterschiedlich passiert). Ursachen für Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu finden, ist das Ziel von Kausalvergleichen: «once things have been described and classified, the comparativist can then move on to search for those factors that may help explain and understand what has been described and classified» (Landman & Carvalho, 2017: 8). Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Untersuchungsgegenstand werden durch einen Hypothesentest mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden der ausgewählten Fälle (also beispielsweise dem Mediensystem als Kontext des Untersuchungsgegenstands) erklärt (vgl. Esser & Vliegenthart, 2017). Dabei ist zwischen Small-N- und Large-N-Vergleichen zu differenzieren. Bei Small-N-Vergleichen wird eine kleinere Zahl von Fällen untersucht. Die Fälle werden so ausgewählt, dass die Beziehung zwischen unabhängiger und abhängiger Variable kontrolliert untersucht werden kann. Eine Variable nach der anderen wird dann als Ursache (unabhängige Variable) eines Phänomens (abhängige Variable) ausgeschlossen. Hierfür gibt es zwei Vorgehensweisen (vgl. Esser & Vliegenthart, 2017; Kleinsteuber, 1993; Lauth & Winkler, 2010; siehe Tab. 12): Tab. 12: Differenz- und Konkordanzmethode Differenzmethode Konkordanzmethode Fall 1 Fall 2 Fall 3 Fall 1 Fall 2 Fall 3 unabhängige Variable 1 a 1 a 2 a 3 a 1 a 2 a 3 unabhängige Variable 2 b 1 b 1 b 1 b 1 b 2 b 3 unabhängige Variable 3 c 1 c 1 c 1 c 1 c 1 c 1 abhängige Variable x 1 x 2 x 3 x 1 x 1 x 1 Quelle: Eigene Darstellung <?page no="166"?> Grundlagen 166 Differenzmethode (Most Similar System Design): In sehr ähnlichen Mediensystemen (Most Similar System) unterscheidet sich das untersuchte Phänomen (Different Outcome). Trotz der Gemeinsamkeiten der Fälle ist die abhängige Variable different, d. h., sie hat nicht die gleiche Ausprägung (z. B. x 2 oder x 3 statt x 1 ). Ziel ist es nun, jene unabhängige Variable auf Ebene des Mediensystems zu finden, die ebenfalls eine unterschiedliche Ausprägung aufweist (hier die unabhängige Variable 1). Konkordanzmethode (Most Different System Design): In sehr unterschiedlichen Mediensystemen (Most Different System) findet sich ein identisches Phänomen (Similar Outcome). Trotz der Unterschiede der Fälle ist die abhängige Variable konkordant, d. h., sie hat die gleiche Ausprägung (z. B. x 1 ). Ziel ist es, jene unabhängige Variable auf Ebene des Mediensystems zu finden, die ebenfalls die gleiche Ausprägung aufweist (hier die unabhängige Variable 3). Meistens ist eine Konstellation von Ursachen für ein Phänomen verantwortlich. Mit der von Ragin entwickelten Qualitative Comparative Analysis (QCA) lassen sich mittels Boolescher Algebra Kombinationen von Kontextfaktoren auf Systemebene finden, die als Ursache für ein Phänomen infrage kommen. «QCA assumes that (a) causality is often a combination of ‹conditions› (explanatory variables) that in interaction eventually produces a phenomenon - the ‹outcome› (phenomenon to be explained); (b) several different combinations of conditions may produce the same outcome; and (c) depending on the context a given condition may very well have a different impact on the outcome» (Esser & Vliegenthart, 2017: 7). Bei Large-N-Vergleichen wird eine große Zahl an Fällen verglichen, indem Zusammenhänge zwischen Kontextvariablen und dem untersuchten Phänomen statistisch getestet werden. Dadurch sollen universell gültige Gesetze identifiziert werden. Dies funktioniert aber nur, wenn Datensätze verfügbar sind, die diese Kontextvariablen bereits enthalten (vgl. Esser & Vliegenthart, 2017). In der Medienpolitikforschung ist das kaum der Fall. Während deskriptive Vergleiche der Analyse von Gemeinsamkeiten und Unterschieden eines Phänomens in verschiedenen Mediensystemen dienen, erklären Kausalvergleiche diese Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden der untersuchten Fälle (d. h. geografischen Räumen wie z. B. Mediensystemen zu bestimmten Zeitpunkten). <?page no="167"?> Medienpolitik erforschen 167 6.3.3 Schritte vergleichender Medienpolitikforschung Vergleichende Medienpolitikforschung besteht aus vier Schritten: der Fallauswahl, der Auswahl der Vergleichsdimensionen, der Datenerhebung und -auswertung sowie dem eigentlichen Vergleich (vgl. Puppis & d’Haenens, 2012). Der erste Schritt ist die Fallauswahl, welche systematisch und theoriegeleitet erfolgen und auch begründet werden sollte (vgl. Abromeit & Stoiber, 2006: 30). Und damit kommen wir zurück zur Frage, wie sinnvoll es ist, Äpfel und Birnen zu vergleichen. Interessiert beispielsweise die Funktionsweise des öffentlichen Rundfunks, so ist es sinnlos, Länder mit einem öffentlichen Rundfunk (Äpfel) mit Ländern ohne öffentlichen Rundfunk (Birnen) zu vergleichen. Besteht das Ziel dagegen darin, Institutionalisierungsweisen des Rundfunks zu analysieren, dann lohnt sich dieser Vergleich von Äpfeln und Birnen durchaus. Damit dies gelingt, muss aber der Abstraktionsgrad erhöht werden (vgl. Abromeit & Stoiber, 2006: 19; Rosengren, McLeod & Blumler, 1992): Sowohl Äpfel und Birnen sind Früchte. Um sie vergleichen zu können, braucht man eine gute Theorie über Obst. Bei der Auswahl ähnlicher oder unterschiedlicher Mediensysteme sind existierende Typologien hilfreich (siehe Kapitel 6.3.4). Ebenfalls aus der Theorie lassen sich dann in einem zweiten Schritt die Vergleichsdimensionen ableiten, anhand derer der Untersuchungsgegenstand verglichen werden soll. Vergleichsdimensionen hängen natürlich stark von der konkreten Fragestellung und vom Untersuchungsgegenstand ab. Der dritte Schritt ist empirischer Natur und besteht aus der Datenerhebung und -auswertung in allen untersuchten Fällen. Dazu kann auf verschiedene quantitative und qualitative Methoden zurückgegriffen werden (siehe Kapitel 6.2). Der letzte Schritt besteht dann im eigentlichen Vergleich der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Untersuchungsgegenstände in den verschiedenen Vergleichsdimensionen über alle untersuchten Fälle hinweg (vgl. Rosengren, McLeod & Blumler, 1992). Daraus können Klassifikationen und Typologien entwickelt werden. Bei Kausalvergleichen sind zusätzlich die Hypothesen zu testen. Vergleichende Medienpolitikforschung besteht aus der Fallauswahl, der Auswahl der Vergleichsdimensionen, der Datenerhebung und -auswertung sowie dem eigentlichen Vergleich. <?page no="168"?> Grundlagen 168 6.3.4 Typologien von Mediensystemen Aus dem Vergleich von Mediensystemen wurden zahlreiche Typologien entwickelt, die Mediensysteme anhand bestimmter Kriterien ordnen und gruppieren. Diese helfen nicht nur dabei, mögliche Einflüsse des Mediensystems auf Medienpolitik zu identifizieren, sondern sind auch nützlich, um ähnliche oder unterschiedliche Fälle für eine eigene vergleichende Studie zu identifizieren. 6.3.4.1 Four Theories of the Press Bereits in den 1950er-Jahren haben Siebert, Peterson und Schramm (1956) mit den «Four Theories of the Press» eine Typologie von Mediensystemen entwickelt. Sie postulieren, dass die Ausgestaltung des Mediensystems vom jeweiligen politischen System abhängt, und unterscheiden zwischen einem libertären, sozialverantwortlichen, autoritären und sowjet-totalitären Modell. Schon die Terminologie macht deutlich, dass diese Typologie im Kalten Krieg entstand. Im libertären Modell wird Medienfreiheit als negative Freiheit verstanden, womit es für einen weitgehend unregulierten Medienmarkt steht. Medien müssen folglich auf dem Markt bestehen können. Von den Autoren wurde das USamerikanische Mediensystem diesem Modell zugeordnet. Im sozialverantwortlichen Modell sind die Medien ebenfalls unabhängig, doch eine aktive Medienpolitik dient dazu, die Kommerzialisierung des Mediensystems einzudämmen. Medien sollen nicht nur ökonomische, sondern auch gesellschaftliche Ziele verfolgen. Im autoritären Modell sind Massenmedien ein Instrument in den Händen einer (politischen oder religiösen) Elite, welche die Medien für ihre Zwecke einsetzt. Das Modell sagt nichts über die ideologische Ausrichtung der Elite aus; vielmehr geht es um eine bestimmte Kontrollweise der Medien. Im auf die Sowjetunion gemünzten sowjet-totalitären Modell übt die herrschende Partei die absolute Kontrolle über die Medien aus. Das Modell ließe sich auf andere moderne Diktaturen (z. B. Nazi-Deutschland) übertragen. An dieser Typologie wird unter anderem kritisiert, dass sie nicht auf einer empirischen Analyse beruht, stark ideologisch aufgeladen ist und mit einem USamerikanischen Blick entwickelt wurde (vgl. Hardy, 2012). So prägend diese vier Modelle für die Mediensystemforschung waren: Heute sind sie nur noch fachhistorisch von Bedeutung. <?page no="169"?> Medienpolitik erforschen 169 6.3.4.2 Drei Modelle von Medien und Politik Mit ihren drei Modellen von Medien und Politik verfolgen Hallin und Mancini (2004: xiii) das Ziel, «to identify systematic connections between political and mass media structures». Sie konzentrieren sich auf 18 entwickelte kapitalistische Demokratien in Westeuropa und Nordamerika. Um ihre Typologie zu bilden, berücksichtigten sie Dimensionen des Mediensystems und des politischen Systems. Bezüglich des Mediensystems werden die Entwicklung der Medienmärkte, der politische Parallelismus (Übereinstimmung zwischen Medienangeboten und politischen Strömungen), die journalistische Professionalisierung sowie der Umfang und die Art der Staatseingriffe in das Mediensystem betrachtet (siehe Tab. 13). Das politische System wurde erfasst durch die Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft, die Unterscheidung zwischen Konsens- und Mehrheitsdemokratie, den Gegensatz von Korporatismus und Pluralismus, den Zeitpunkt der Herausbildung einer legalen Herrschaftsordnung und den Unterschied zwischen moderatem und polarisiertem Pluralismus. Darauf aufbauend wurden drei Idealtypen entwickelt: Das liberale (oder nordatlantische) Modell zeichnet sich vor allem durch die Dominanz kommerzieller Medien und ein Vertrauen in den Markt aus. Der Einfluss des Staats auf die Medien ist relativ begrenzt. Zugeordnet wurden dem Modell die sehr unterschiedlichen Länder USA, Kanada, Großbritannien und Irland. Tab. 13: Vergleich der vier Dimensionen von Mediensystemen liberales Modell demokratischkorporatistisches Modell polarisiertpluralistisches Modell Entwicklung der Medienmärkte stark stark schwach Politischer Parallelismus schwach stark stark Professionalisierung stark stark schwach Rolle des Staates im Mediensystem schwach stark stark Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Hallin & Mancini (2004: 299) <?page no="170"?> Grundlagen 170 Für das demokratisch-korporatistische (oder nord- und mitteleuropäische) Modell ist eine Koexistenz kommerzieller Medien und politischen Gruppierungen nahestehender Medien charakteristisch. Der Staat spielt eine aktive Rolle in der Medienpolitik (starker öffentlicher Rundfunk; teilweise direkte Medienförderung), doch die Medienfreiheit bleibt gewahrt. Das Modell umfasst Deutschland, Österreich, die Schweiz, die Benelux- und die nordischen Staaten. Im polarisiert-pluralistischen (oder mediterranen) Modell sind Medien stark in die Parteipolitik eingebunden und es kommt zu einer Instrumentalisierung der Medien durch die Politik sowie zu staatlicher Einflussnahme. Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und Griechenland werden als diesem Modell zugehörig erachtet. Heute kommt kaum mehr eine vergleichende Studie ohne Verweis auf diese Typologie aus, und sei es nur, um die eigene Fallauswahl zu begründen. Und tatsächlich sind die drei Modelle ein Meilenstein der vergleichenden Mediensystemforschung. Dennoch gibt es auch Kritikpunkte. So wird die Zuordnung gewisser Länder zu den drei Modellen infrage gestellt, der enge Fokus auf Journalismus und politische Kommunikation kritisiert oder die Vernachlässigung anderer zentraler Eigenschaften von Mediensystemen wie die Größe des Medienmarktes (siehe Kapitel 6.3.4.3) bemängelt (vgl. Hardy, 2012; Humphreys, 2012). Zudem wurde auf Basis einer empirischen Überprüfung der Typologie auch eine Ausgliederung der nordischen Staaten in ein viertes Modell vorgeschlagen (vgl. Brüggemann et al., 2014; Büchel et al., 2016). Oft wurde versucht, die Typologie entgegen der Absicht der Autoren auf andere Länder anzuwenden. So wird das polarisiert-pluralistische Modell besonders gerne auf Mediensysteme in anderen Weltregionen angewendet. Doch es ist relativ unwahrscheinlich, dass sich der ganze Rest der Welt mit nur einem Modell sinnvoll beschreiben lässt. Nur schon die Länder Mittel- und Osteuropas zeichnen sich aus durch «different political histories before the communist period, transition experiences, and varying responses to European integration processes» (Peruško, 2013: 711). Entsprechend braucht es eigene Typologien für Mediensysteme außerhalb Westeuropas und Nordamerikas. Der digitale Strukturwandel der Öffentlichkeit wirft die Frage auf, inwiefern diese drei Modelle heute noch zutreffend sind. Hallin und Mancini (2017) sehen drei Möglichkeiten, wie das Internet Mediensysteme verändern könnte: Dass überall die gleichen kommerziellen Plattformen mit ihren Algorithmen zum Einsatz kommen, könnte zu einer Annäherung der drei Modelle führen. Mediensysteme könnten aber auch unterschiedlich auf diese Veränderungen reagieren und <?page no="171"?> Medienpolitik erforschen 171 die drei Modelle dadurch bestehen bleiben oder ganz neue Modelle von Mediensystemen entstehen. So oder so ist offensichtlich, dass die zunehmende Bedeutung von Plattformen Politik wie Medien verändern, was auch Folgen für die Medienpolitik hat: «Obviously, the state as an institution maintains an important role in shaping media systems but with interventions that are partly different from the ones played in the era of legacy media» (Mancini, 2020: 5770). 6.3.4.3 Größe von Mediensystemen Während viele Typologien am Verhältnis von Mediensystem und politischem System ansetzen, kann auch die Größe des Mediensystems als Ausgangspunkt dienen. Größe kann zwar auch relational verstanden werden (das kanadische Mediensystem ist klein im Vergleich mit dem US-amerikanischen), doch in der Mediensystemforschung wird meistens an absoluten Kriterien angesetzt. Verbreitet ist die Verwendung der Einwohner·innenzahl, da diese direkt die Größe des Medienmarktes bestimmt. Üblicherweise werden Mediensysteme mit mindestens 100 000 und maximal 18 oder 20 Millionen Einwohner·innen als kleine Mediensysteme bezeichnet (vgl. Lowe, Berg & Nissen, 2011; Puppis, 2009b). In einem mehrsprachigen Mediensystem wie der Schweiz ist der Medienmarkt noch kleiner, da es nicht einmal einen nationalen Medienmarkt gibt, sondern verschiedene sprachregionale Medienmärkte. Als weiteres Kriterium können die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen (bspw. in Form des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf in Kaufkraftstandards) herangezogen werden, da so zwischen reichen und armen Ländern unterschieden werden kann, was die Refinanzierungsmöglichkeiten von Medienunternehmen beeinflusst (vgl. Lowe, Berg & Nissen, 2011). So definierte kleine Mediensysteme unterscheiden sich von großen Mediensystemen durch vier strukturelle Besonderheiten (vgl. Bonfadelli & Meier, 1994; Meier & Trappel, 1992; Puppis, 2009b): Ressourcenknappheit: Auf der Produktionsseite sind Kapital, Know-how, Kreativität und professionelles Personal in kleinen Mediensystemen knapper verfügbar, was den Aufbau einer inländischen audiovisuellen Industrie erschwert. Kleine Werbe- und Publikumsmärkte: Auf der Verkaufsseite sind die Refinanzierungsmöglichkeiten von Medien eingeschränkt, da Werbe- und Publikumsmärkte klein, die Produktionskosten aber nicht viel niedriger als in großen Mediensystemen sind. Damit sind nur beschränkt Größenvorteile realisierbar. Abhängigkeit: Kleinstaaten sind von den medienpolitischen Entscheidungen in großen Staaten direkt betroffen und müssen sich deshalb flexibel anpassen. <?page no="172"?> Grundlagen 172 Was (angrenzende) Großstaaten im Medienbereich entscheiden, hat unmittelbare Auswirkungen auf Kleinstaaten. Die Liberalisierung des Rundfunksektors in Europa ist ein Beispiel hierfür (siehe Kapitel 3.2.2.2). Die Deregulierung startete in den wirtschaftlich starken Großstaaten und wurde dann unfreiwillig von den Kleinstaaten importiert. Verletzlichkeit: Durch die Grenznähe großer Teile des Landes und Übertragungstechnologien wie Satellitensysteme und Kabelnetze können in Kleinstaaten ausländische Sender problemlos empfangen werden. Diese «Kleinstaatenproblematik» betrifft Mediensysteme ohne exklusive Sprache, die große gleichsprachige Nachbarstaaten haben, besonders stark. Die Rezipient·innen verstehen aus dem Ausland einstrahlende Fernsehsender problemlos. In Österreich und der Deutschschweiz werden deutsche Fernsehsender genutzt, in der Suisse romande und in der Svizzera italiana französische respektive italienische Sender. Weitere Beispiele hierfür sind der französischsprachige Teil Belgiens, Irland oder Luxemburg. Ausländische Sender erreichen in diesen kleinen Mediensystemen - auch aufgrund attraktiver Unterhaltungsprogramme - hohe Zuschauer·innenmarktanteile. In großen Mediensystemen (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien) und in kleinen Mediensystemen mit exklusiver Sprache (Finnland, Griechenland, Portugal) hingegen spielen ausländische Fernsehsender kaum eine Rolle. Doch nicht nur auf dem Zuschauer·innenmarkt, auch auf dem Werbemarkt sind ausländische Sender aus großen gleichsprachigen Nachbarstaaten eine Konkurrenz. Private Sender aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien strahlen sogenannte Werbefenster aus, die sich an die Zuschauer·innen in Österreich und der Schweiz respektive Irland richten: Während also Zuschauer·innen in Deutschland auf einem Sender wie RTL deutsche Werbung sehen, sehen Zuschauer·innen in Österreich und der Schweiz stattdessen zur gleichen Zeit österreichische respektive schweizerische Werbung. Welche Folgen hat das nun für das Medienangebot? In kleinen Mediensystemen werden kostenintensive Inhalte von kommerziellen Fernsehsendern schlicht nicht produziert, da die Publikums- und Werbemärkte zu klein sind, um damit Gewinne zu erzielen. Medienökonomische Analysen zeigen, dass in kleinen Mediensystemen die Anzahl Sender, die Programmbudgets und der Anteil inländischer Produktionen deutlich tiefer sind als in großen Mediensystemen (vgl. Berg, 2011; Picard, 2011). In kleinen Mediensystemen mit großen gleichsprachigen Nachbarstaaten sind ausländische Sender eine starke Konkurrenz auf Zuschauer- und Werbemarkt, was die Refinanzierung inländischer Privatsender zusätzlich erschwert. <?page no="173"?> Medienpolitik erforschen 173 Zudem werden inländische öffentliche und private Fernsehsender von den Zuschauer·innen direkt mit ausländischen Sendern verglichen, die aber über weitaus höhere Budgets verfügen. Eine Identifikation mit den «eigenen» Sendern findet hauptsächlich über Informationsangebote und spezifisch «verösterreicherte» oder «helvetisierte» Sendungen statt. Diese Situation bedingt auch eine andere Medienpolitik als in großen Mediensystemen (vgl. Berg, 2011; Picard, 2011; Puppis, 2009b). Entsprechend wird dem öffentlichen Rundfunk eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung eines einheimischen Medienangebots mit inländischen Produktionen und Berichterstattung über inländische Ereignisse zugeschrieben (vgl. Burgelman & Pauwels, 1992). Doch Größe allein kann Medienpolitik nicht erklären, denn auch kleine Mediensysteme haben unterschiedliche politische und historische Traditionen. Puppis et al. (2009) haben deshalb vorgeschlagen, eine Typologie zu entwickeln, die Marktgröße und die Existenz eines gleichsprachigen großen Nachbarstaates mit den drei Modellen von Hallin und Mancini kombiniert. Typologien von Mediensystemen gruppieren diese nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten, bieten eine wichtige Grundlage, um den Einfluss des Mediensystems auf den verglichenen Untersuchungsgegenstand zu verstehen, und helfen bei der Auswahl ähnlicher oder unterschiedlicher Fälle. Übungen 1. Sie bekommen zwei Millionen Euro von einer Stiftung und können das medienpolitische Forschungsprojekt Ihrer Träume durchführen! Arbeiten Sie ein kurzes Forschungskonzept aus, das Angaben zu Thema, Fragestellung und Problem, Theorie und Forschungsstand, (Hypo-)Thesen, Forschungsdesign und Methoden enthält. 2. Wie unterscheiden sich die beiden Schritte «Fallauswahl» und «eigentlicher Vergleich» bei deskriptiven, Small-N- und Large-N-Vergleichen? 3. Sie erhalten den Auftrag, einen Vergleich der Regulierung des öffentlichen Rundfunks in Irland, Österreich und der Schweiz durchzuführen. Begründen Sie die Fallauswahl, überlegen Sie sich mögliche Vergleichsdimensionen, erläutern Sie die Methoden der Datenerhebung und -auswertung und beschreiben Sie das Vorgehen beim eigentlichen Vergleich. <?page no="174"?> Grundlagen 174 Literaturtipps Esser, F., & Vliegenthart, R. (2017). Comparative Research Methods. In J. Matthes, C. S. Davis, & R. F. Potter (Hrsg.), The International Encyclopedia of Communication Research Methods. https: / / doi.org/ 10.1002/ 9781118901731.iecrm0035. Dieser Überblicksartikel führt gut verständlich in die Grundlagen der vergleichenden Kommunikationsforschung ein. Hallin, D. C., & Mancini, P. (2004). Comparing Media Systems. Three Models of Media and Politics. Cambridge: Cambridge University Press. Hallin und Mancinis Typologie von Mediensystemen ist das Standardwerk der vergleichenden Kommunikationsforschung. Van den Bulck, H., Puppis, M., Donders, K., & Van Audenhove, L. (Hrsg.). (2019). The Palgrave Handbook of Methods for Media Policy Research. Cham: Palgrave Macmillan. Dieses Methodenhandbuch enthält Kapitel zu den verschiedenen Phasen des Forschungsprozesses sowie diversen Methoden der Datenerhebung und -auswertung. <?page no="175"?> Inter- und transnationale Medienpolitik <?page no="177"?> 177 7 Medienpolitik auf europäischer Ebene Inhalt und Lernziele Inter-, trans- und supranationale Aktivitäten auf europäischer Ebene geben den Rahmen vor für Medienpolitik auf nationaler Ebene. Im folgenden Kapitel werden die beiden internationalen Organisationen Europarat und OSZE vorgestellt, bevor auf die Medienpolitik der Europäischen Union, einem supranationalen Gebilde, eingegangen wird. Zum Schluss werden auch kurz Selbst- und Co-Regulierungsinitiativen auf europäischer Ebene betrachtet. Nach diesem Kapitel können Sie die Funktionsweise von Europarat und Europäischer Union beschreiben. die Bedeutung von Menschenrechten und Grundfreiheiten für die Medienpolitik in Europa aufzeigen. den Einfluss der Europäischen Union auf die nationale Medienpolitik von Mitgliedstaaten und Nicht-Mitgliedstaaten beurteilen. 7.1 Europarat 7.1.1 Entstehung und Struktur Dem 1949 gegründeten Europarat (Council of Europe; CoE) gehören heute 46 Mitgliedstaaten an, darunter alle EU-Mitgliedstaaten und die Schweiz. Zu den Zielen dieser internationalen Organisation gehören der Schutz der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in Europa (vgl. Collins, 1994: 122-133). Der Europarat verfügt über zahlreiche Organe: Das Ministerkomitee ist das Entscheidungsorgan des Europarates und setzt sich aus den Außenminister·innen der Mitgliedstaaten (respektive deren ständigen Vertreter·innen in Straßburg) zusammen. Das Ministerkomitee kann einerseits völkerrechtlich verbindliche internationale Verträge - sogenannte Abkommen, Übereinkommen oder Konventionen - verabschieden, die dann von den Mit- <?page no="178"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 178 gliedstaaten freiwillig unterzeichnet und ratifiziert werden können. Die Einhaltung wird mit Monitoringmechanismen überprüft. Andererseits - und weitaus häufiger - verabschiedet das Ministerkomitee weichere Instrumente wie nicht-verbindliche Empfehlungen an die Mitgliedstaaten oder Deklarationen. Dem Ministerkomitee sind Lenkungsausschüsse zugeordnet, die für die Arbeit in verschiedenen Themengebieten zuständig sind. Für Medienpolitik ist der Lenkungsausschuss für Medien und Informationsgesellschaft (Comité directeur sur les médias et la société de l’information; CDMSI) zuständig. Die Parlamentarische Versammlung berät das Ministerkomitee und wählt den oder die Generalsekretär·in, den oder die Menschenrechtskommissar·in und die Richter·innen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Sie besteht aus 324 Mitgliedern und deren 324 Stellvertreter·innen, die von den nationalen Parlamenten aus ihren eigenen Reihen gewählt werden. Auch der Kongress der Gemeinden und Regionen ist ein beratendes Gremium. Die 324 Mitglieder und deren 324 Stellvertreter·innen setzen sich aus Regierungsmitgliedern lokaler (Gemeinden) und regionaler (bspw. Bundesländer, Kantone) Gebietskörperschaften in den Mitgliedstaaten zusammen. Der in Straßburg ansässige Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) soll die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention (siehe Kapitel 7.1.2.1) sicherstellen. Die über 300 internationalen Nichtregierungsorganisationen (INGOs), die beim Europarat als Vertreter·innen der Zivilgesellschaft Mitwirkendenstatus besitzen, bilden die Konferenz der INGOs. Diese dient dazu, die Beteiligung von INGOs wirksam zu organisieren. Weiter verfügt der Europarat über eine·n Menschenrechtskommissar·in, um das Bewusstsein und den Respekt für Menschenrechte zu fördern. Das von einem oder einer Generalsekretär·in geleitete Generalsekretariat koordiniert und unterstützt die Aktivitäten des Europarats. 7.1.2 Medienpolitik 7.1.2.1 Europäische Menschenrechtskonvention Die Grundlage für die Medienpolitik des Europarats bildet die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK; Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten), die 1953 in Kraft trat. Jedes Mitglied des Europarats muss diese Konvention unterzeichnen. Die EMRK ist ein verbindlicher <?page no="179"?> Medienpolitik auf europäischer Ebene 179 völkerrechtlicher Vertrag, der einen Katalog von Menschenrechten und Grundfreiheiten enthält. Mit der EMRK werden alle Mitgliedstaaten des Europarates dazu verpflichtet, diese Rechte und Freiheiten allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen zu garantieren. Zu den Menschenrechten und Grundfreiheiten zählt auch die Freiheit der Meinungsäußerung, die in Artikel 10 festgehalten ist. Artikel 10 Absatz 1 stellt klar, dass Meinungsäußerungsfreiheit nicht nur das Recht umfasst, seine Meinung und Tatsachen zu äußern, sondern auch die Informationsfreiheit beinhaltet. Das bedeutet, dass man Informationen selbst erhalten und weitergeben darf. Aus Absatz 1, dem individuellen Recht auf freie Meinungsäußerung, wird auch die Medienfreiheit abgeleitet (vgl. Cole & Etteldorf, 2021a; McGonagle, 2018). Dabei wird die Meinungsäußerungsfreiheit aber nicht ausschließlich als negative Freiheit (also als Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen) verstanden, sondern der EGMR und das Ministerkomitee gehen davon aus, dass Staaten dafür sorgen müssen, dass diese Freiheit auch ausgeübt werden kann. Entsprechend sollen Staaten als Garanten der Medienvielfalt Maßnahmen zu deren Sicherstellung und Förderung ergreifen (vgl. Cole & Etteldorf, 2021a; Dörr, 2009; Holtz-Bacha, 2011: 262-263; Valcke, Voorhoof & Lievens, 2013). Art. 10 EMRK: Freiheit der Meinungsäußerung (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Hörfunk-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben. (2) Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung. <?page no="180"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 180 Doch kein Recht gilt ohne Einschränkungen. Artikel 10 Absatz 2 legt deshalb drei Bedingungen für die begrenzt zulässigen Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit fest: eine gesetzliche Grundlage, die Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft und ein legitimer Zweck wie bspw. die Verfolgung des öffentlichen Interesses oder der Schutz von Rechten Dritter (vgl. Holtz-Bacha, 2011: 60; McGonagle, 2018). Beispielsweise gilt es, die Meinungsäußerungsfreiheit gegen andere Grundrechte wie dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) abzuwägen. Die Konvention gründete auch den EGMR. Einzelpersonen und Staaten können nach Erschöpfung des nationalen Rechtsweges gegen Verletzungen der EMRK beim Gerichtshof Klage einreichen (spätestens sechs Monate nach der letzten nationalen Gerichtsentscheidung). Die Urteile sind bindend und können eine gerechte Entschädigung vorsehen. Die Rechtsprechung des EGMR hat Artikel 10 EMRK Konturen verliehen und ist damit von zentraler Bedeutung für die Medienpolitik auf nationaler und europäischer Ebene (vgl. Dörr, 2009; Schneider, 2012; für eine Übersicht der Urteile siehe Voorhoof et al., 2021). 7.1.2.2 Weitere medienpolitisch relevante Verträge Die EMRK ist aber nicht der einzige Vertrag, der für den Medien- und Kommunikationssektor von Bedeutung ist. Hier ist in erster Linie das Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen (EÜGF) zu nennen, das 1989 verabschiedet wurde und 1993 in Kraft trat. Mit der Liberalisierung des Rundfunks entstanden neue Sender, die auch über Satelliten und damit nicht nur in ihrem Heimatland empfangbar waren (siehe Kapitel 3.2.2.2). Um zu verhindern, dass nationale Medienpolitik durch einen ausländischen Sendestandort untergraben werden kann, begann deshalb die Arbeit an einem Übereinkommen für sämtliche grenzüberschreitenden Fernsehsender (vgl. Holtz-Bacha, 2011: 168). Die Vertragsparteien dürfen zwar weder die Empfangsfreiheit noch die Weiterverbreitung ausländischer Sender einschränken oder behindern (Art. 4) und es gilt einzig die Regulierung im Sendestaat (sogenanntes Sendestaats- oder Herkunftslandprinzip; Art. 5). Dies soll im Geist von Artikel 10 EMRK den freien Austausch von Informationen, Ideen und Meinungen gewährleisten. Daneben enthält das EÜGF einige Mindestvorschriften bezüglich Inhalten und Werbung, an die sich grenzüberschreitende Sender aus allen Vertragsparteien halten müssen (Art. 7-18b; siehe Kapitel 11.1.2.1 & 11.1.2.4). <?page no="181"?> Medienpolitik auf europäischer Ebene 181 Das EÜGF wurde gleichzeitig ausgehandelt wie die Fernsehrichtlinie der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG; heute die Europäische Union, siehe Kapitel 7.3.2.2). Während die EG eine ökonomische Perspektive auf den Rundfunk einnahm, erhofften sich die Mitgliedstaaten durch den Europarat die Stärkung kultureller Anliegen. Da für EG-Mitgliedstaaten beide Instrumente gelten würden, wurden diese vor Inkrafttreten weitgehend aneinander angepasst, um Inkonsistenzen zu vermeiden (vgl. Holtz-Bacha, 2011: 174-187, 197). Auch später bemühte man sich um eine möglichst große Übereinstimmung. Nach Umwandlung der EG-Fernsehrichtlinie in die neue Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste wollte der Europarat deshalb sein Übereinkommen anpassen, damit die beiden Instrumente weiterhin kompatibel sein würden. Neben zahlreichen Anpassungen der Mindestvorschriften sollte insbesondere der Geltungsbereich auf nicht-lineare Mediendienste (also Video-On-Demand-Angebote) ausgeweitet werden. Die Europäische Kommission untersagte aber den EU-Mitgliedstaaten die Unterzeichnung dieses revidierten Übereinkommens über grenzüberschreitende audiovisuelle Mediendienste, da dieses Bereiche betrifft, für die aus Sicht der Kommission die EU zuständig ist. Entsprechend bleibt das EÜGF unverändert in Kraft und ist für die Ratifikationsstaaten weiterhin bindend (vgl. Mac Síthigh, 2013; Schneider, 2012). Das EÜGF enthält unter anderem Quoten - also Mindestmengen - für die Ausstrahlung europäischer Inhalte. Damit allein konnte aber die audiovisuelle Produktion in Europa nicht ausreichend unterstützt werden. Deshalb hat der Europarat auch ein Übereinkommen über die Gemeinschaftsproduktion von Kinofilmen verabschiedet, welches der Förderung europäischer Koproduktionen dient. Dieses trat 1994 in Kraft und wurde 2017 durch ein revidiertes Abkommen ergänzt. Der Europarat leistet zudem über das Teilabkommen «Eurimages» Hilfestellung in Form rückzahlbarer Darlehen bei der Finanzierung von Koproduktionen europäischer Filme (vgl. Holtz-Bacha, 2011: 200, 290; Resolution CM/ Res(2020)8). Zwei Verträge befassen sich mit Medien und Minderheiten. Das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten verpflichtet die Vertragsparteien, Minderheiten zu schützen, wozu auch der freie Zugang zu Medien gehört (Art. 9). Und die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen verlangt, dass Minderheitensprachen u. a. dadurch geschützt werden sollen, dass sie in den Medien vorkommen. Die Vertragsparteien sollen den öffentlichen Rundfunk verpflichten, Radio- und Fernsehsender in Regional- oder Minderheitensprachen einzurichten, und private Medien ermutigen oder es ihnen erleichtern, Zeitungen, Radio- und Fernsehsender in solchen Sprachen zu betreiben (Art. 11). <?page no="182"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 182 Mit dem Übereinkommen über Computerkriminalität, das 2004 in Kraft trat, hat der Europarat auch das weltweit einzige internationale Rechtsinstrument zur Zusammenarbeit im Bereich online begangener Straftaten erlassen (vgl. Schneider, 2012). Dieses ist für die Medienpolitik deshalb relevant, weil es auch Vorschriften zu Urheberrechten (Art. 10) und zur Verbreitung illegaler Inhalte in der Form von Material über sexuellen Kindesmissbrauch (Art. 9) enthält. Ein Zusatzprotokoll zum Übereinkommen betrifft die Verbreitung rassistischer Inhalte mittels Computersystemen. Für den Datenschutz ist die Europäische Datenschutzkonvention von Bedeutung, die die Rechte von Individuen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten schützt. Ein Zusatzprotokoll modernisiert die Konvention und passt sie an die Onlinewelt an (siehe Kapitel 13.2). 7.1.2.3 Deklarationen und Empfehlungen Neben verbindlichen Verträgen hat der Europarat seit Beginn seiner Medienpolitik in den 1970er-Jahren zahlreiche nicht-verbindliche Instrumente ausgearbeitet. Das Ministerkomitee kann Deklarationen und Empfehlungen an die Mitgliedstaaten verabschieden. Diese Instrumente können sich einem Thema detaillierter widmen oder auch neue Probleme aufgreifen. In solchen Dokumenten wurde neben den traditionellen Massenmedien beispielsweise schon früh das Internet thematisiert. Entsprechend wirkt der Europarat als Vordenker und Inspirationsquelle für die Medienpolitik in Europa (vgl. Schneider, 2012). Der für Medienpolitik zuständige Lenkungsausschuss für Medien und Informationsgesellschaft (CDMSI) setzt regelmäßig Expert·innenkomitees ein, um bestimmte Themen zu bearbeiten und neue Dokumente zu erarbeiten. Diese werden dann anschließend - sofern die Mitgliedstaaten zustimmen - durch den Lenkungsausschuss und das Ministerkomitee verabschiedet. Dabei beschäftigen sich die Expert·innenkomitees mit einer Vielfalt von Themen, beispielsweise Medienkonzentration und Medienvielfalt; der Bedeutung, den Entwicklungsmöglichkeiten und der angemessenen Finanzierung des öffentlichen Rundfunks; Arbeitsbedingungen, Ausbildung, Ethik und Unabhängigkeit im Journalismus; der Governance von Plattformen oder Folgen von Künstlicher Intelligenz; sowie Medieninhalten (bspw. Jugendschutz, Wahlberichterstattung und stereotype Geschlechterdarstellungen). Zudem behandeln die Expert·innenkomitees auch Grundsatzfragen. 2011 wurde die Empfehlung «A new notion of media» verabschiedet. Darin wurde ein Kriterienkatalog entwickelt, um Medien <?page no="183"?> Medienpolitik auf europäischer Ebene 183 zu definieren. Während traditionelle Massenmedien alle Kriterien erfüllen, treffen auf neue Onlineangebote wie Plattformen nur gewisse Kriterien zu. Damit kann dann eine abgestufte Regulierung begründet werden, die Anbieter·innen für jene Kriterien in Verantwortung nimmt, die auch wirklich auf sie zutreffen (Recommendation CM/ Rec(2011)7). Und 2022 wurde eine neue Empfehlung zu «Principles for media and communication governance» verabschiedet, die fünf prozedurale (wie Governance entwickelt und umgesetzt werden soll) und zehn substanzielle (welchen Themen sich Governance annehmen muss) Prinzipien für die Governance von Medien und Plattformen formuliert (Recommendation CM/ Rec (2022)11). Empfehlungen besitzen durchaus eine Wirkung: «These texts, while not legally binding, are politically persuasive and […] they have been used by the European Court of Human Rights as sources of guidance» (McGonagle, 2018: 143). Die Nutzung weicher Instrumente hat aber auch einen pragmatischen Grund: Weder kann der Europarat die Mitgliedstaaten zur Unterzeichnung von Verträgen zwingen, noch besitzt er starke Sanktionsmöglichkeiten (vgl. Holtz-Bacha, 2011: 309). Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention bildet die Grundlage für die Medienpolitik des Europarates. Zusammen mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist die EMRK zentral für die nationale und europäische Medienpolitik. Der Europarat übt nicht nur mit zahlreichen Verträgen, sondern auch mit Empfehlungen und Deklarationen Einfluss auf eine menschenrechtskonforme Medienpolitik in Europa aus. 7.2 OSZE 7.2.1 Entstehung und Struktur Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist eine gesamteuropäische Sicherheitsorganisation, der heute 57 sogenannte Teilnehmerstaaten angehören - darunter auch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Die OSZE ist aus der KSZE, der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, hervorgegangen. Diese wurde 1973 als multilaterales Forum für Dialog zwischen Ost und West ins Leben gerufen (vgl. OSZE, 2018). Nach Ende des Kalten Krieges wurde die KSZE 1995 in OSZE umbenannt und in eine internationale Organisation umgewandelt. Bei der OSZE in Wien <?page no="184"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 184 haben alle Teilnehmerstaaten ständige Vertreter·innen, die zwischen den Gipfeltreffen der Regierungschef·innen und den Treffen der Außenminister·innen im Ministerrat die Länder im Ständigen Rat vertreten. Die Geschäfte führt ein Sekretariat, das von einem oder einer Generalsekretär·in geleitet wird (vgl. OSZE, 2018). 7.2.2 Medienpolitik Die historisch bedeutende Helsinki-Schlussakte, auf welche sich Ost und West 1975 im Rahmen der KSZE einigen konnten, enthält u. a. die Menschenrechte und damit auch Verpflichtungen bezüglich der Verbreitung von und dem Zugang zu Informationen, der Zusammenarbeit im Informationsbereich und der Arbeitsbedingungen von Journalist·innen. Spätere Dokumente bekräftigten die Bedeutung der Menschenrechte. Seit 1997 verfügt die OSZE über eine·n Beauftragte·n für Medienfreiheit (OSZE Ständiger Rat Beschluss Nr. 193). Diese·r hat die Aufgabe, Medienentwicklungen in den Teilnehmerstaaten zu beobachten und die Teilnehmerstaaten bei der Einhaltung ihrer Verpflichtungen im Hinblick auf freie Meinungsäußerung und Medienfreiheit zu unterstützen. Die OSZE und insbesondere ihr·e Beauftragte·r für Medienfreiheit versucht, die Unabhängigkeit der Medien und die Arbeitsbedingungen von Journalist·innen in den Teilnehmerstaaten zu schützen. 7.3 Europäische Union 7.3.1 Entstehung und Struktur Die Europäische Union (EU) ist das Ergebnis des europäischen Integrationsprozesses. Was die EU genau ist, ist schwierig zu bestimmen. In internationalen Organisationen bleiben Staaten souverän, auch wenn gemeinsame Entscheidungen getroffen werden. Die Organe der EU können aber selbst Rechtsakte erlassen, die für alle Mitgliedstaaten bindend sind. Damit unterscheidet sich die EU von internationalen Organisationen durch die Qualität und Intensität der Zusammenarbeit. Die EU ist aber auch kein Staat: Im Gegensatz zu Nationalstaaten beruhen <?page no="185"?> Medienpolitik auf europäischer Ebene 185 die Kompetenzen der EU auf der freiwilligen Übertragung von Souveränitätsrechten der Mitgliedstaaten. Im Zusammenhang mit der EU wird deshalb häufig von Supranationalität gesprochen. Der europäische Integrationsprozess begann in den 1950er-Jahren. 1952 trat der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) in Kraft (ausgelaufen 2002). Neben diesen traten 1958 der Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) und der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). 1967 fusionierten die drei Gemeinschaften zu den Europäischen Gemeinschaften. Mit der EWG wurde das Ziel einer Zollunion verfolgt, also einer Freihandelszone (Abschaffung von Binnenzöllen und gemeinsame Außenzölle). Dieses Ziel wurde 1968 erreicht. Die nächste Stufe des Integrationsprozesses stellte die Bildung eines gemeinsamen Binnenmarktes dar. Ein gemeinsamer Markt geht über eine Zollunion hinaus, indem ein freier Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr (sogenannte Grundfreiheiten) zwischen den Mitgliedstaaten umgesetzt wird. Dies wurde bis Ende 1992 verwirklicht. 1993 entstand dann mit dem Vertrag von Maastricht die EU: Erstens wurde die EWG in Europäische Gemeinschaft (EG) umbenannt und es wurde beschlossen, als nächste Integrationsstufe eine Wirtschafts- und Währungsunion zu errichten. Zweitens traten neben die EG zwei weitere Säulen: die «Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik» (GASP) und die «Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen» (PJZS). Diese beiden Säulen basierten aber lediglich auf einer internationalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. Der im Dezember 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon reformierte die EU von Grund auf. Mit dem Vertrag wurden die drei Säulen zusammengelegt, die EG wurde aufgelöst und die EU zu ihrer Rechtsnachfolgerin. Seither wird zwischen ausschließlichen, geteilten und unterstützenden Zuständigkeiten unterschieden, um eine eindeutigere Kompetenzabgrenzung zwischen EU und Mitgliedstaaten zu erreichen (Art. 2-6 AEUV; siehe Tab. 14). Gleichzeitig revidierte der Vertrag von Lissabon auch Aufgaben und Zusammenarbeit der EU-Organe: Der Europäische Rat setzt sich aus den Staats- und Regierungschef·innen der Mitgliedstaaten, dem oder der Präsident·in des Europäischen Rates sowie dem oder der Präsident·in der Kommission zusammen und trifft sich zweimal pro Halbjahr. Der Rat entscheidet über die allgemeine Ausrichtung und die Prioritäten der EU-Politik, hat aber keine Befugnis, Rechtsvorschriften zu erlassen. <?page no="186"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 186 Der Rat der Europäischen Union vertritt die einzelnen Mitgliedstaaten. Er setzt sich aus je einem oder einer Minister·in aus den Mitgliedstaaten zusammen. Je nach Politikfeld unterscheidet sich die konkrete Zusammensetzung (bspw. Finanzminister·innen, Medienminister·innen etc.). Der Rat der Europäischen Union teilt sich mit dem Europäischen Parlament die Gesetzgebungs- und die Haushaltskompetenz. Das Europäische Parlament wird von den Bürger·innen für fünf Jahre gewählt. Mit dem Rat der Europäischen Union teilt sich das Parlament die Gesetzgebungs- und die Haushaltskompetenz. Für audiovisuelle Medien ist der Ausschuss für Kultur und Bildung, für Plattformen der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucher·innenschutz, für die elektronische Kommunikationsinfrastruktur der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie zuständig. Die Europäische Kommission mit Sitz in Brüssel besteht aus verschiedenen Generaldirektionen, die sich unterschiedlichen Politikfeldern widmen. Für Medienpolitik sind insbesondere die Generaldirektionen «Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien» (DG CONNECT), «Bildung, Jugend, Sport und Kultur» (DG EAC) sowie «Wettbewerb» (DG COMP) von Interesse. Die Kommission besitzt das Monopol auf Gesetzgebungsinitiativen. Sie schlägt Rat und Parlament neue (medien-)politische Maßnahmen vor und setzt die Beschlüsse von Rat und Parlament um. Der Gerichtshof der Europäischen Union prüft Rechtsakte auf die Vereinbarkeit mit den Verträgen und entscheidet bei Streitigkeiten. Tab. 14: Zuständigkeiten der Europäischen Union (EU) Ausschließliche Zuständigkeit Geteilte Zuständigkeit Unterstützende Zuständigkeit Nur die EU kann verbindliche Rechtsakte erlassen Mitgliedstaaten können verbindliche Rechtsakte erlassen, sofern EU dies nicht bereits getan hat EU kann Maßnahmen der Mitgliedstaaten unterstützen oder koordinieren (aber keine Regelharmonisierung) Zollunion, Währungspolitik, Wettbewerb, gemeinsame Handelspolitik Binnenmarkt, Landwirtschaft/ Fischerei, Umwelt, Verbraucher·innenschutz, Verkehr, Energie etc. Gesundheit, Industrie, Kultur, Tourismus, Bildung etc. Quelle: Eigene Darstellung <?page no="187"?> Medienpolitik auf europäischer Ebene 187 Der politische Prozess auf EU-Ebene funktioniert grundsätzlich ähnlich wie auf nationalstaatlicher Ebene. Bevor die Kommission einen neuen Rechtsakt vorschlägt, beschreibt sie ihre Initiative, nimmt eine Folgenabschätzung vor und führt eine öffentliche Konsultation durch. Danach erstellt die Kommission unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen einen Entwurf, der eine interne Konsultation durchläuft. Der endgültige Vorschlag wird dann dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union übermittelt. Parlament und Rat diskutieren den vorgeschlagenen Rechtsakt in erster und wenn nötig zweiter Lesung. Können Sie sich nicht einigen, wird ein Vermittlungsausschuss eingesetzt, in dem auch die Kommission beobachtend Einsitz hat (sogenannter Trilog). Stimmen dann Parlament und Rat in dritter Lesung dem Verhandlungsergebnis zu, ist der Rechtsakt angenommen (Art. 294 AEUV). Tatsächlich werden die meisten Rechtsakte zur Beschleunigung des Prozesses bereits nach der ersten Lesung in einem informellen Trilog ausgehandelt und danach formell bestätigt. Die Verträge, die die Funktionsweise und Kompetenzen der EU festlegen, werden auch Primärrecht genannt. Der Vertrag über die Europäische Union (EUV) ist der Gründungsvertrag der EU und enthält grundsätzliche institutionelle Bestimmungen. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) regelt dagegen alle Details der Funktionsweise und Kompetenzen der EU. In den Politikfeldern, in denen die EU laut den Verträgen («Primärrecht») zuständig ist, kann sie eigenständig Rechtsakte («Sekundärrecht») erlassen (vgl. Donders, Loisen & Pauwels, 2014; Dörr, 2009; Art. 288 AEUV). Während Verordnungen in allen Teilen verbindlich sind und für alle Mitgliedstaaten unmittelbar gelten, sind bei Richtlinien zwar die Ziele verbindlich, doch wie die Mitgliedstaaten die Richtlinie in nationales Recht übertragen, bleibt ihnen selbst überlassen. Europaweite Harmonisierung von Regulierung bedeutet also nicht komplette Einheitlichkeit. Richtlinien enthalten eine Frist, bis wann sie in nationales Recht umzusetzen sind. Weiter gibt es auch noch Beschlüsse (bspw. Einzelfallentscheidungen), die für die davon betroffenen Parteien verbindlich sind, sowie nicht rechtsverbindliche Empfehlungen und Stellungnahmen, welche eher politischer Natur sind. Und schließlich kann die Europäische Kommission auch «Soft Law» wie Mitteilungen einsetzen, die nicht verbindlich sind, aber eine indirekte Wirkung entfalten können (vgl. Donders, Loisen & Pauwels, 2014). Mitteilungen können beispielsweise künftige Ziele in einem Politikfeld betreffen oder Hinweise zur präferierten Umsetzung von EU-Recht geben. <?page no="188"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 188 Der Einfluss der EU auf nationale Politik beschränkt sich nicht auf EU- Mitgliedstaaten (vgl. Sciarini, Fischer & Nicolet, 2004). Beitrittskandidaten haben einen Anreiz, sich dem EU-Rechtsrahmen anzupassen, um dadurch ihre Chancen auf eine Aufnahme zu erhöhen. Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) erweitert den europäischen Binnenmarkt auf Norwegen, Island und Liechtenstein. Entsprechend unterstehen diese drei Länder größtenteils den gleichen Regeln wie die EU-Mitgliedstaaten. Drittstaaten wie die Schweiz haben keine Verpflichtung, ihre Politik an die EU anzupassen. Dennoch findet eine Europäisierung der Schweizer Politik statt. Zum einen hat die Schweiz zahlreiche bilaterale Abkommen mit der EU abgeschlossen. Im Gegenzug für den privilegierten Zugang zum EU-Binnenmarkt muss die Schweiz in den entsprechenden Politikfeldern EU-Recht wie ein Mitgliedstaat in nationale Gesetze übertragen. Zum anderen findet eine Europäisierung auch unilateral statt, was als «autonomer Nachvollzug» bezeichnet wird: Um eine Benachteiligung inländischer Unternehmen zu vermeiden, passt die Schweiz den Inhalt und Rhythmus von Gesetzesvorhaben häufig an die EU an (vgl. Kux & Sverdrup, 2000; Schneider & Werle, 2007). 7.3.2 Medienpolitik Die EU ist nicht ein einheitlicher Akteur mit einer einheitlichen Vorstellung von Medienpolitik. Die Medienpolitik der EU ist wie auf nationalstaatlicher Ebene durch Konflikte und Kompromisse zwischen Akteuren mit unterschiedlichen Positionen geprägt. Zum einen sind sich die verschiedenen Mitgliedstaaten, die verschiedenen Organe der EU und die verschiedenen Generaldirektionen der Kommission nicht immer einig. «Policy has been shaped by conflicts and compromises between member states, rival power centres within the various institutions and within the Commission itself» (Hardy, 2008: 152). Zum anderen gibt es Konflikte um Zuständigkeiten zwischen der nationalen und der europäischen Ebene. Hinter diesen Konflikten stehen Auseinandersetzungen zwischen Dirigist·innen, die staatliche Regulierung gutheißen, und Wirtschaftsliberalen, die auf möglichst wenig über die Wettbewerbsordnung hinausgehende Regulierung vertrauen (vgl. Collins, 1994: 23; siehe auch Studie 8). Viele Mitgliedstaaten behalten sich die Möglichkeit zu medienpolitischen Eingriffen vor, die über die Sicherstellung ökonomischen Wettbewerbs hinausgehen, während die Europäische Kommission den Rundfunk vor allem als Wirtschaftsgut betrachtet (vgl. Michalis, 2014). <?page no="189"?> Medienpolitik auf europäischer Ebene 189 Studie 8: Advocacy-Koalitionen in der EU-Medienpolitik Van den Bulck und Donders (2014a) haben mithilfe des Advocacy-Koalitionen-Ansatzes (ACF) die den öffentlichen Rundfunk betreffende Politik der EU als Subsystem konzipiert, in dem konkurrierende Koalitionen mit geteilten Überzeugungen den politischen Prozess zu beeinflussen versuchen. Die Autorinnen argumentieren, dass die EU-Medienpolitik so breit sei, dass mehrere Subsysteme unterschieden werden müssten, in denen Akteure zu jeweils anderen Koalitionen gehören können. Mit Blick auf die öffentliche Rundfunkpolitik werden zwei Koalitionen unterschieden: «PSB Believers» und «PSB Skeptics». Diese unterscheiden sich in ihren allgemeinen Kernüberzeugungen (Dirigismus/ aktive Rolle des Staates vs. Wirtschaftsliberalismus/ möglichst unregulierter Markt), Policy-bezogenen Kernüberzeugungen (öffentlicher Rundfunk mit breitem Auftrag vs. Beschränkung auf Inhalte, die kommerzielle Unternehmen nicht anbieten) und sekundären Überzeugungen (Präferenz für bestimmte politische Instrumente). Zu Veränderungen in der Medienpolitik komme es nur aufgrund politischen Lernens auf Ebene der sekundären Überzeugungen, die Kernüberzeugungen hingegen seien stabil. Grundlage der EU-Medienordnung ist einerseits die ausdrückliche Anerkennung (Art. 6 (3) EUV) der Europäischen Menschenrechtskonvention und damit auch von Artikel 10 (siehe Kapitel 7.1.2.1). Der Vertrag von Lissabon sieht gar einen Beitritt der EU zur EMRK vor, der aber bisher nicht erfolgt ist (Art. 6 (2) EUV). Andererseits verleiht der Vertrag auch der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) Rechtsverbindlichkeit (Art. 6 (1) EUV). Diese enthält in Artikel 11 die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit. Absatz 1 ist mit der Formulierung in der EMRK identisch. Doch Absatz 2 nennt explizit die Achtung der Freiheit der Medien und ihrer Pluralität. Diese Formulierung spricht dafür, dass damit mehr als eine negative Freiheit (Abwehrrecht gegenüber dem Staat) gemeint ist (vgl. Cole & Etteldorf, 2021a). Die in Artikel 10 Absatz 2 EMRK enthaltenen Bedingungen für Einschränkungen der Medienfreiheit fehlen hingegen, da ein ähnlicher Schutz für sämtliche Grundrechte gilt (Art. 52 (1) GRC). Die Grundrechtscharta führt explizit nicht zu einer Erweiterung der in den Verträgen festgelegten Zuständigkeit der EU. Die Kommission besitzt durch Artikel 11 GRC lediglich «mehr Freiheit dazu, Vorschriften zum Medienpluralismus in ihren Empfehlungen und Leitlinien aufzunehmen, wenngleich diese dann regelmäßig die Einzelheiten der Sicherstellung von Freiheit und Pluralismus in den Medien den Mitgliedstaaten überlassen» (Cole & Etteldorf, 2021a: 553). <?page no="190"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 190 Art. 11 GRC: Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit (1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. (2) Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet. Die konkreten medienpolitischen Tätigkeitsbereiche der EU ergeben sich aus den Verträgen: Wettbewerb: Die Wettbewerbsordnung der EU gilt für alle Wirtschaftssektoren und damit auch für Medien-, Telekommunikations- und Plattformunternehmen (vgl. Holtz-Bacha, 2006: 185-186). Binnenmarkt: Die Mitgliedstaaten haben sich zur Errichtung eines Binnenmarktes verpflichtet. Die damit einhergehenden Grundfreiheiten sind für die EU-Medienpolitik von größerer Bedeutung als das Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit. Die Mitgliedstaaten dürfen weder den freien Warenverkehr (Art. 34-36 AEUV) noch den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 56-57 AEUV) in der Union ohne Rechtfertigung einschränken. Printmedien (sowie physische Medien) fallen unter die Freiheit des Warenverkehrs. Audiovisuelle Mediendienste (inkl. Rundfunk), Telekommunikation und Plattformen begreift die EU als Dienstleistungen, womit die Dienstleistungsfreiheit gilt (vgl. Cole & Etteldorf, 2021a; Dörr, 2009; Dreyer et al., 2020: 9). Unterstützende Maßnahmen: Durch einen Kulturartikel (Art. 167 AEUV) erhält die EU die Kompetenz, Fördermaßnahmen auch im audiovisuellen Sektor durchzuführen. Die Union besitzt aber nur eine unterstützende Zuständigkeit und eine Harmonisierung ist nicht erlaubt; Kultur fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Die EU ist allerdings verpflichtet, bei ihren anderen Tätigkeiten kulturellen Aspekten Rechnung zu tragen (Art. 167 (4) AEUV). Zudem kann die EU in weiteren Feldern die Mitgliedstaaten unterstützen, bspw. in der Bildung, die ebenfalls in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. 7.3.2.1 Wettbewerb Die europäische Wettbewerbsordnung gilt für alle Wirtschaftssektoren und findet damit auch auf Medien-, Telekommunikations- und Plattformmärkte Anwen- <?page no="191"?> Medienpolitik auf europäischer Ebene 191 dung. Sie dient der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts. Im Zentrum steht damit die Aufrechterhaltung eines funktionierenden ökonomischen Wettbewerbs (siehe Kapitel 9.3). Erstens gilt ein Kartellverbot, d. h., wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen konkurrierenden Unternehmen sind verboten (Art. 101 AEUV). Zweitens ist der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten (Art. 102 AEUV). Diese Missbrauchskontrolle greift aber erst im Nachhinein («ex post»), wenn ein potenzieller Missbrauch bereits stattgefunden hat. Drittens hat der Rat der Europäischen Union eine Verordnung zur Fusionskontrolle (FKVO; Verordnung (EG) 139/ 2004) erlassen. Zusammenschlüsse von Unternehmen sind meldepflichtig, wenn gewisse Umsatzschwellen überschritten werden, und können untersagt oder mit Auflagen versehen werden, wenn eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs droht. Viertens sind staatliche Beihilfen, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen den Wettbewerb verzerren, grundsätzlich verboten, sofern sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen (Art. 107 (1) AEUV). Die Besonderheiten von Medien und öffentlicher Kommunikation werden indes nicht berücksichtigt. Bemühungen, eine Richtlinie zum Thema Medienkonzentration zu erlassen, welche sich speziell mit Zusammenschlüssen im Mediensektor befassen sollte, sind in den 1990er-Jahren gescheitert, denn die Kompetenz für kulturelle Fragen liegt bei den Mitgliedstaaten. Allerdings dürfen Mitgliedstaaten zusätzliche Maßnahmen zum Schutz der Medienvielfalt ergreifen (Art. 21 (4) Verordnung (EG) 139/ 2004; vgl. Cole & Etteldorf, 2021a; 2021b; siehe Kapitel 9.3.2 & 9.4.2). Und vom Beihilfeverbot existieren Ausnahmen. Einerseits betrifft dies Unternehmen, die eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen (Art. 106 (2) AEUV), womit die öffentliche Finanzierung des Public Service unter bestimmten Bedingungen zulässig ist (siehe Kapitel 10.1.2.2). Andererseits sind auch Beihilfen für Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse, zur Förderung bestimmter Wirtschaftszweige und zur Förderung der Kultur erlaubt (Art. 107 (3) AEUV), was auch Subventionen an private Medien (siehe Kapitel 10.2.2.1), an die audiovisuelle Industrie (siehe Kapitel 10.3) und an Telekommunikationsunternehmen für den Breitbandausbau (siehe Kapitel 12.1.2) ermöglicht. <?page no="192"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 192 7.3.2.2 Binnenmarkt Medienfreiheit Im Herbst 2022 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine neue Verordnung, das Europäische Medienfreiheitsgesetz (European Media Freedom Act, EMFA; COM/ 2022/ 457 final), publiziert. Aufgrund der beschränkten Zuständigkeit der EU für das Thema Medienfreiheit wird der EMFA mit der Sicherstellung eines funktionierenden Binnenmarktes für Medien begründet. Ziel der Verordnung ist es insbesondere, eine staatliche Einflussnahme auf Medieninhalte zu verhindern. Die Mitgliedstaaten müssen die redaktionelle Unabhängigkeit von Medien (inkl. dem journalistischen Quellenschutz) respektieren, für Transparenz bei der Ernennung und Abberufung der Leitung und eine stabile Finanzierung des öffentlichen Rundfunks sorgen sowie eine nicht-diskriminierende Vergabe staatlicher Werbeaufträge (bspw. hinsichtlich der politischen Ausrichtung von Medien) garantieren. Zudem müssen Medien Transparenz über ihre Eigentumsverhältnisse herstellen und Mitgliedstaaten die Auswirkungen von Medienkonzentrationsvorgängen auf die Medienvielfalt und die redaktionelle Unabhängigkeit prüfen. Zur Umsetzung der Verordnung ist die Einrichtung eines «Europäischen Gremiums für Mediendienste» vorgesehen, in welchem die nationalen Medienregulierungsbehörden vertreten sein sollen. Der Ausschuss würde mit einer Zweidrittelmehrheit entscheiden können. Ob sich eine Mehrheit für den EMFA finden wird, ist noch nicht absehbar. Audiovisuelle Mediendienste Die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL; Richtlinie 2010/ 13/ EU) ist der wohl wichtigste Rechtsakt der EU im audiovisuellen Sektor. Als die erste Fassung 1989 verabschiedet wurde, bezog sich die Richtlinie lediglich auf traditionelle Fernsehsender und hieß deshalb EG-Fernsehrichtlinie. Das Aufkommen der Satellitentechnologie, welche grenzüberschreitendes Fernsehen ermöglichte, stellte für die damalige EG in den 1980er-Jahren eine Herausforderung dar. Entsprechend wurde wie beim Europarat (siehe Kapitel 7.1.2.2) mit der Arbeit an einem neuen Rechtsinstrument begonnen. Anders als das EÜGF galt die Richtlinie aber nicht nur für grenzüberschreitende, sondern für alle Fernsehsender in den Mitgliedstaaten. Und anders als der Europarat begreift die EU den Rundfunk auch nicht als Teil der Kultur, sondern als wirtschaftliche Dienstleistung auf <?page no="193"?> Medienpolitik auf europäischer Ebene 193 dem Binnenmarkt: Ziel der Richtlinie war es, einen gemeinsamen Binnenmarkt im Fernsehbereich zu etablieren (vgl. Holtz-Bacha, 2011: 180). Seit der Verabschiedung der EG-Fernsehrichtlinie hat sich der Mediensektor stark gewandelt. Nach einer ersten Anpassung 1997 begann die Kommission 2003 mit einer umfassenden Revision der Richtlinie. Kernstück der 2007 in Kraft getretenen AVMD-Richtlinie ist ein technologieneutraler Regulierungsansatz, der nicht zwischen verschiedenen Distributionskanälen, sondern zwischen linearen und nicht-linearen Mediendiensten unterscheidet. Unter linearen Diensten werden klassische Fernsehsender verstanden. Als nicht-lineare Dienste werden Video-on- Demand-Angebote wie Streamingdienste bezeichnet, bei denen die Rezipient·innen den Zeitpunkt des Abrufs und der Nutzung von Inhalten bestimmen. Der Anwendungsbereich wurde folglich über herkömmliche Fernsehsender hinaus ausgeweitet. Nach einer weiteren Revision gelten seit 2018 auch gewisse Grundregeln für Video-Sharing-Plattformen wie beispielsweise YouTube (siehe Kapitel 11.1.2.3, 11.1.2.4 & 11.1.2.4). Wichtigste Bestimmung der AVMD-Richtlinie ist das Herkunftslandprinzip, welches sich aus der Dienstleistungsfreiheit im AEUV ableitet: Mediendiensteanbieter·innen unterliegen der Regulierung des Herkunftslandes und ihre Weiterverbreitung in andere Mitgliedstaaten der EU darf von diesen nicht behindert werden (Art. 2 & 3 (1)). Um sicherzustellen, dass in allen Mitgliedstaaten gewisse Mindeststandards und einheitliche Wettbewerbsbedingungen gelten, enthält die Richtlinie darüber hinaus eine Reihe von Vorschriften zur Harmonisierung nationaler Regulierung (vgl. Collins, 1994: 58). Dabei gibt es Regeln, die für lineare und nicht-lineare audiovisuelle Mediendienste verbindlich sind, andere gelten nur für Fernsehsender (siehe Kapitel 11.1.2.1). Die einheitlichen Regeln in der Richtlinie gelten zwar für alle Mitgliedstaaten, stellen aber lediglich Mindeststandards dar. Eine sogenannte Inländerdiskriminierung ist gestattet: Mitgliedstaaten können strengere Bestimmungen erlassen als in der Richtlinie vorgesehen (Art. 4 (1)). Für die Umsetzung von Richtlinien sind die Mitgliedstaaten zuständig. Um aber sicherzustellen, dass der Einfluss von Regierungen auf den Mediensektor beschränkt wird, schreibt die Richtlinie der Mitgliedstaaten die Einrichtung unabhängiger Regulierungsbehörden vor (Art. 30). «Die Unabhängigkeit der Aufsicht über den audiovisuellen Bereich wird […] als zentral angesehen, um die Ziele der Richtlinie […] unter Wahrung der grundrechtlich vorgegebenen Staatsferne der Medien […] zu erreichen» (Cole & Etteldorf, 2021b: 612). Zudem wurde die <?page no="194"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 194 «European Regulators Group for Audiovisual Media Services» (ERGA) eingerichtet, die der besseren Koordination zwischen Europäischer Kommission und nationalen Rundfunkregulierungsbehörden dient und damit eine konsistente Implementierung der Richtlinie begünstigen soll (Art. 30b). Außerhalb der EU besteht mit der «European Platform of Regulatory Authorities» (EPRA) auch ein freiwilliges Netzwerk von Medienregulierungsbehörden, das nicht nur Behörden aus Mitgliedstaaten offensteht. Solche Netzwerke von Regulierungsbehörden dienen dem Informationsaustausch, der Koordination und der Kooperation (vgl. Puppis & Maggetti, 2012; Irion & Radu, 2013). Daneben setzt die EU insbesondere im Jugendmedienschutz auf Selbst- und Co-Regulierung. Konkret sollen die Mitgliedstaaten und die Kommission Co-Regulierung unterstützen und Selbstregulierung auf nationaler wie europäischer Ebene fördern, wobei die Anerkennung der Regeln durch die wichtigsten Branchenakteure sowie eine wirksame Durchsetzung und Sanktionierung vorausgesetzt werden (Art. 4a). Die AVMD-Richtlinie gilt für sämtliche audiovisuellen Mediendienste in den Mitgliedstaaten der EU und den Mitgliedstaaten des EWR. Das EÜGF hingegen betrifft zwar nur grenzüberschreitende Fernsehsender, gilt aber für zahlreiche weitere Länder. Damit ist es auch für grenzüberschreitende Fernsehsender zwischen EU-Mitgliedstaaten, die das EÜGF ratifiziert haben, und Nicht-EU- Mitgliedstaaten relevant. Da die Europäische Kommission eine Aktualisierung des EÜGF verhindert hat (siehe Kapitel 7.1.2.2), ergeben sich bei den Mindeststandards gewisse inhaltliche Widersprüche (vgl. Fink, 2014; siehe Kapitel 11.1.2.4). Zusätzlich zur AVMD-Richtlinie sind Medien insbesondere auch von Urheberrechtsinstrumenten der EU betroffen: Mit der InfoSoc-Richtlinie (Richtlinie 2001/ 29/ EG) wurde das Urheberrecht in Einklang mit dem WIPO-Copyright-Vertrag (siehe Kapitel 8.2.2) an die Digitalisierung angepasst und unionsweit harmonisiert. Angesichts der grenzüberschreitenden Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke im Binnenmarkt (bspw. Filme, Serien, Musik) ist die Richtlinie auch für Medien relevant (vgl. Cole, Etteldorf & Ullrich, 2021: 94). Die Satelliten- und Kabelrichtlinie (Richtlinie 93/ 83/ EWG) und die Online- Satelliten- und Kabelrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/ 789) befassen sich mit urheberrechtlichen Fragen und stellen sicher, dass via Satellit, Kabel und Internet verbreitete Radio- und Fernsehprogramme grenzüberschreitend verfügbar sind (vgl. Cole & Etteldorf, 2021b; Dreyer et al., 2020: 16-17). <?page no="195"?> Medienpolitik auf europäischer Ebene 195 Elektronische Kommunikationsnetze und -dienste Seit den 1990er-Jahren fand durch die Liberalisierung eine vollständige Transformation des Telekommunikationssektors in Europa statt (siehe Kapitel 3.2.2.2). Diese Entwicklung von einem staatlichen Monopol zu Wettbewerb wurde durch medienpolitische Reformen ermöglicht und begleitet (vgl. Cave, Genakos & Valletti, 2019). In der EU wurde auf 1998 eine unionsweite Liberalisierung der Märkte für Telekommunikationsnetze und Basistelekommunikationsdienste (inklusive der Sprachtelefonie) umgesetzt. Und um den neu eingeführten Wettbewerb zu regulieren, wurden nationale Regulierungsbehörden für Telekommunikation gegründet. Ziel war nicht nur eine Deregulierung und Privatisierung von Infrastruktur und Dienstleistungen, sondern auch die Verwirklichung eines europäischen Binnenmarktes, indem die Telekommunikationsregulierung europaweit harmonisiert wurde. Ein entscheidender Schritt war dann der Übergang von einer Regulierung von Telefonie zu einem technologieneutralen europäischen Rechtsrahmen für die gesamte elektronische Kommunikationsinfrastruktur, der 2003 in Kraft trat. Der einheitliche Rechtsrahmen heißt seit 2018 Europäischer Kodex für die elektronische Kommunikation (EKEK-RL; Richtlinie (EU) 2018/ 1972). Die Regulierung gilt für sämtliche elektronische Kommunikationsnetze (egal, ob es sich um Telefonnetze, Breitbandnetze, Kabelfernsehnetze oder Mobilfunknetze handelt) und Kommunikationsdienste (egal, ob es sich um Internetzugangsdienste, um die Übertragung von Rundfunksignalen oder um interpersonelle Kommunikationsdienste mit Telefonnummer wie Sprachtelefonie und SMS oder ohne Telefonnummer wie Voice-over-IP und Messenger handelt). Damit werden erstmals auch OTT- Dienste wie WhatsApp oder Skype von der Regulierung erfasst (vgl. Kiparski, 2019). Die Regulierung bezieht sich aber explizit nur auf die Infrastruktur und klammert die übertragenen Inhalte (bspw. Rundfunkprogramme oder Onlineinhalte) aus (vgl. Dörr, 2009). Anders als bei Mediendiensten ist das Herkunftslandprinzip nicht relevant, da Telekommunikations- und Internetzugangsdienste nicht bei Anbieter·innen in anderen Ländern abonniert werden können. Doch genau gleich wie bei Mediendiensten nimmt die EKEK-Richtlinie eine Harmonisierung nationaler Regulierung vor. Nur so kann ein Binnenmarkt realisiert werden, auf dem alle Kommunikationsnetze und -dienste bezüglich Marktzutritt, Frequenzvergabe, Netzzugang oder Verbraucher·innenschutz einer einheitlichen Regulierung unterliegen. <?page no="196"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 196 Grundsätzlich sieht die EKEK-Richtlinie eine über die nachträgliche Missbrauchskontrolle der Wettbewerbsordnung («ex post») hinausgehende asymmetrische Vorabregulierung («ex ante») vor in Teilmärkten, in denen ein Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügt. Dies bedeutet, dass diesem Unternehmen von vornherein aufgrund seines hohen Marktanteils bestimmte weitergehende Pflichten auferlegt werden. In diesem Fall wird davon ausgegangen, dass sich ein funktionierender ökonomischer Wettbewerb nicht allein über die Wettbewerbsordnung erreichen lässt, da marktmächtige Unternehmen ihre starke Position missbrauchen können (siehe Kapitel 12.3.1). Zusätzlich zur EKEK-Richtlinie wurden Verordnungen zu weiteren Themen erlassen. Erstens wird die Netzneutralität vorgeschrieben, also die gleichberechtigte und nichtdiskriminierende Behandlung des Internetverkehrs durch Internetzugangsdienste (Art. 3-5 Verordnung (EU) 2015/ 2120; siehe Kapitel 12.3.3). Zweitens wurden Preisobergrenzen für Anrufe ins EU-Ausland eingeführt (Art. 5a Verordnung (EU) 2015/ 2120). Drittens wurden Gebühren für Roaming unionsweit abgeschafft, d. h., bei Reisen ins Ausland sind Anrufe, SMS, Datennutzung nicht teurer als zu Hause (Art. 1 (1) & 4 Verordnung (EU) 2022/ 612). Und viertens wurden die Entgelte für die Zustellung von Anrufen zwischen Telekommunikationsanbieter·innen unionsweit harmonisiert (Delegierte Verordnung (EU) 2021/ 654). Um eine einheitliche und unabhängige Umsetzung durch die Mitgliedstaaten sicherzustellen, wurden einerseits in der EKEK-Richtlinie Anforderungen an die Kompetenzen und die Unabhängigkeit der zuständigen Regulierungsbehörden in den Mitgliedstaaten formuliert (Art. 5-11 Richtlinie (EU) 2018/ 1972). Andererseits wurde 2003 auch das «Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation» (GEREK) gegründet (heute geregelt in Verordnung (EU) 2018/ 1971). Mit dem GEREK soll die Zusammenarbeit der nationalen Regulierungsbehörden für Telekommunikation untereinander und mit der Europäischen Kommission verbessert werden. Neben dem GEREK existiert mit der «Independent Regulators Group» (IRG) zusätzlich ein freiwilliges Netzwerk von Telekommunikationsregulierungsbehörden, in dem auch Behörden aus Nicht-Mitgliedstaaten dabei sind. Ferner stellt die EU durch die Einrichtung der «Connecting Europe Facility» von 2021 bis 2027 über EUR 2 Mia. für den Bau von Breitbandnetzen (Glasfasernetze; 5G-Netze) bereit. Damit soll erreicht werden, dass jeder Haushalt einen schnellen Internetzugang erhält (Verordnung (EU) 2021/ 1153; siehe Kapitel 12.1.2). <?page no="197"?> Medienpolitik auf europäischer Ebene 197 Plattformen Für das Zurverfügungstellen von Onlineinhalten galt in der EU lange Zeit die E- Commerce-Richtlinie (ECRL; Richtlinie 2000/ 31/ EG). Diese fand auch auf Plattformen Anwendung. Die ECRL basiert auf dem Herkunftslandprinzip (Art. 3 (2)) und einer Harmonisierung nationaler Regulierung. Kernstück der Richtlinie ist ein abgestuftes Haftungsprivileg: Anbieter·innen von Durchleitungs- (v. a. Internetzugangsdienste), Caching- und Hostingdiensten sind nicht für über ihre Dienste verfügbare illegale Inhalte verantwortlich, sofern sie lediglich passiv von Dritten erstellte Inhalte verteilen und von der Illegalität der Inhalte keine Kenntnis haben. Illegale Inhalte müssen nur entfernt werden, wenn und sobald die Dienste davon Kenntnis erhalten. Auch dürfen die Dienste nicht zu einer aktiven Überwachung sämtlicher Inhalte verpflichtet werden (vgl. Cole & Etteldorf, 2021b). Als die Richtlinie im Jahr 2000 verabschiedet wurde, gab es aber noch keine Plattformen wie soziale Netzwerke oder Video-Sharing-Dienste. Die EU hat deshalb 2022 mit dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA; Verordnung (EU) 2022/ 2065) eine neue Verordnung verabschiedet, die sich mit der Verbreitung von Onlineinhalten durch Vermittlungsdienste befasst. Zusätzlich zum Herkunftslandprinzip gilt nun das Marktortprinzip (Art. 2 (1)). Damit müssen sich auch Unternehmen von außerhalb der EU, die ihre Dienstleistungen auf dem Binnenmarkt anbieten, an die harmonisierte Regulierung halten (vgl. Cole, Etteldorf & Ullrich, 2021: 108). Die Unterscheidung zwischen Durchleitungs-, Caching- und Hostingdiensten sowie deren Haftungsprivileg wurden aus der ECRL übernommen (Art. 4-6 & 8). Plattformen werden als Spezialform von Hostingdiensten definiert (Art. 3). Gleichzeitig führt der DSA neue Sorgfaltspflichten ein. Dabei basiert der DSA auf dem Prinzip abgestufter Verantwortung: Je näher ein Dienst an den Inhalten «dran» ist und je größer eine Plattform ist, desto striktere Vorgaben kommen zur Anwendung (vgl. Kalbhenn, 2021). Für Plattformen gelten nun strengere Regeln als für Hostingdienste; für «sehr große Onlineplattformen» (Very Large Online Platforms, VLOPs) sowie «sehr große Suchmaschinen» (VLOSEs) mit mehr als 45 Mio. monatlichen Nutzer·innen in der EU (ca. 10 % der Bevölkerung; Art. 33) strengere als für andere Plattformen. Die Regeln betreffen beispielsweise algorithmische Empfehlungssysteme (siehe Kapitel 12.4.2.2), die Moderation von Inhalten (siehe Kapitel 11.1.2.4) und Werbung (siehe Kapitel 11.1.2.4). <?page no="198"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 198 Während für VLOPs und VLOSEs die Kommission zuständig ist, ist es ansonsten jener Mitgliedstaat, in dem ein Dienst oder dessen Rechtsvertretung niedergelassen ist (Art. 56). Jeder Mitgliedstaat benennt eine unabhängige Regulierungsbehörde als «Koordinator für digitale Dienste», der die zuständigen nationalen Stellen koordiniert (Art. 49 & 50). Diese Koordinatoren sollen auch miteinander kooperieren, um die grenzüberschreitende Umsetzung sicherzustellen (Art. 57 & 58). Hierzu wurde das «Europäische Gremium für digitale Dienste» geschaffen, indem jede nationale Koordinationsstelle vertreten ist (Art. 61-63). Bei Verstößen gegen den DSA können Bussen bis zu einer Höhe von 6 % des weltweiten Umsatzes eines Vermittlungsdienstes ausgesprochen werden (Art. 52 & 74). Daneben setzt die EU auch auf Selbst- und Co-Regulierung. So werden Branchenlösungen für den Umgang mit illegalen Inhalten und systemischen Risiken wie bspw. Jugendschutz oder Desinformation (Art. 45) sowie in Bezug auf Onlinewerbung (Art. 46) angeregt (siehe Kapitel 11.1.2.3, 11.1.2.3 & 11.1.2.4). Ergänzend zum DSA schreibt die Platform-to-Business-Verordnung (P2B-VO; Verordnung (EU) 2019/ 1150) Suchmaschinen vor, verständliche Erläuterungen zu veröffentlichen, wie das Ranking von Suchresultaten zustande kommt (Art. 5 (2) & (3); siehe Kapitel 12.4.2.2). Ebenso wurden gewisse Ausnahmen vom Haftungsprivileg beschlossen. Die AVMD-Richtlinie enthält einige Vorgaben für Video-Sharing-Plattformen zum Schutz der Nutzer·innen vor problematischen Inhalten und Werbung (Art. 28a- 28b Richtlinie 2010/ 13/ EU; siehe oben und Kapitel 11.1.2.3, 11.1.2.3 & 11.1.2.4). Die Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt (DSM-RL; Richtlinie (EU) 2019/ 790) macht Sharing- Plattformen für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer·innen verantwortlich, wenn nicht der Nachweis erbracht werden kann, dass alle Anstrengungen unternommen wurden, damit solche Inhalte nicht verfügbar sind (Art. 17; siehe Kapitel 11.1.2.4). Und auf Basis der Verordnung zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte (TCO-VO; Verordnung (EU) 2021/ 784) müssen Hostingdienste wie Plattformen solche Inhalte auf Anweisung innert einer Stunde entfernen oder den Zugang zu diesen sperren (siehe Kapitel 11.1.2.4). Mit der DSM-Richtlinie wurde zudem das umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverlage eingeführt. Damit wird den Verlagen ein Anteil an den Einnahmen gesichert, die durch die Nutzung ihrer Inhalte auf Plattformen generiert werden (Art. 15 Richtlinie (EU) 2019/ 790; siehe Kapitel 10.2.2.1). Aber bei Plattformen geht es nicht nur um Inhalte: Zusammen mit dem DSA wurde 2022 eine weitere Verordnung, das Gesetz über digitale Märkte (Digital <?page no="199"?> Medienpolitik auf europäischer Ebene 199 Markets Act, DMA; Verordnung (EU) 2022/ 1925) verabschiedet, die sich mit der Marktmacht von Plattformen befasst. Wie beim DSA wird vom Marktortprinzip ausgegangen (Art. 1 (2)). Für zentrale Plattformdienste, die eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung zwischen verschiedenen Marktseiten spielen und damit als «Gatekeeper» klassifiziert werden, gilt eine über die Wettbewerbsordnung hinausgehende Vorabregulierung. So müssen Gatekeeper-Plattformdienste zahlreiche Verpflichtungen einhalten, um ihren gewerblichen Nutzer·innen ein faires Geschäftsumfeld anzubieten (Art. 5-6; siehe Kapitel 12.3.4). Weiter hat die Kommission eine Verordnung über Transparenz und gezielte politische Werbung (COM/ 2021/ 731 final) vorgeschlagen. Darin sind neue Regeln für politische Werbung auf Plattformen vorgesehen (siehe Kapitel 11.1.2.4). Zurückgestellt hat die Kommission hingegen Pläne für eine Digitalsteuer-Richtlinie (COM/ 2018/ 148 final). Erträge aus der Erbringung digitaler Dienstleistungen (bspw. Onlinewerbung und Aktivitäten von Plattformen) von Unternehmen mit einem unionsweiten Umsatz von über EUR 50 Mio. und einem globalen Umsatz von über EUR 750 Mio. sollten am Ort der Nutzung mit 3 % besteuert werden (vgl. Dreyer et al., 2020: 11). Stattdessen wird nun auf eine globale Lösung im Rahmen der OECD gesetzt (siehe Kapitel 8.5.2). Datenschutz Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO; Verordnung (EU) 2016/ 679) enthält Regeln für die Verarbeitung personenbezogener Daten. Die Verordnung basiert auf dem Marktortprinzip und gilt folglich auch für Unternehmen, die ihren Sitz außerhalb der EU haben, sofern diese ihre Dienste Nutzer·innen in der EU anbieten oder das Verhalten von Personen in der EU beobachten (Art. 3 (2)). Mit der Verordnung wurden die Vorschriften für die Verarbeitung von Daten unionsweit harmonisiert. Die Datenverarbeitung ist u. a. dann rechtmäßig, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung gegeben hat oder die Verarbeitung zur Erfüllung eines Vertrags mit der betroffenen Person oder rechtlicher Verpflichtungen notwendig ist (Art. 6 (1); siehe Kapitel 13.2.2.113.2.2). Für Aufsicht und Sanktionierung sind unabhängige Behörden in den Mitgliedstaaten zuständig (Art. 51-52), die auch miteinander kooperieren sollen (Art. 60). Hierfür wurde ein «Europäischer Datenschutzausschuss» gegründet, in welchem die nationalen Behörden Einsitz nehmen (Art. 68). Neben der DSGVO existiert auch noch die ePrivacy-Richtlinie (Richtlinie 2002/ 58/ EG), die für die Verarbeitung personenbezogener Daten in Zusammen- <?page no="200"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 200 hang mit der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsdienste Vorrang besitzt (siehe Kapitel 13.2.2.2). Die Richtlinie soll durch eine neue ePrivacy-Verordnung (COM/ 2017/ 010 final) abgelöst werden. Eine Einigung über den Inhalt der Verordnung wurde aber noch nicht erzielt. Verbraucher·innenschutz Neben dem allgemeinen Verbraucher·innenschutz und besonderen Vorschriften zum Schutz der Nutzer·innen elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste in der EKEK-Richtlinie (siehe oben) hat die EU mehrere Rechtsakte beschlossen, die sich spezifisch auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen beziehen (vgl. Dreyer et al., 2020: 13-14; siehe auch Kapitel 13.3). Die Digitale-Inhalte-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/ 770) garantiert für grenzüberschreitende Vertragsabschlüsse bei der Bereitstellung digitaler Inhalte unionsweit ein einheitliches Schutzniveau. Die Geoblocking-Verordnung (Verordnung (EU) 2018/ 302) verbietet Geoblocking für digitale Inhalte. Die Verordnung zur grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltediensten im Binnenmarkt (Verordnung (EU) 2017/ 1128) regelt die Nutzung von Musik- und Video-Streamingdiensten während eines vorübergehenden Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat. 7.3.2.3 Unterstützende Maßnahmen Kultur Die mit der 1989 verabschiedeten EG-Fernsehrichtlinie umgesetzte Deregulierung des Fernsehmarktes brachte das Risiko mit sich, dass günstigere amerikanische Produktionen im Privatfernsehen dominieren würden. «The principal beneficiaries […] were likely to be those producers who already had a dominant worldwide market position and who were therefore able to sell or distribute programmes at a competitively low price - in other words, American producers» (Humphreys, 1996: 278). Um dies zu verhindern, wurden in der Fernsehrichtlinie Quoten für europäische Inhalte vorgeschrieben. Zudem wurde 1991 basierend auf dem Kulturartikel (Art. <?page no="201"?> Medienpolitik auf europäischer Ebene 201 167 AEUV) mit dem MEDIA-Programm eine Förderung für die audiovisuelle Industrie in Europa etabliert, um so die Risiken der wirtschaftsfreundlichen Fernsehrichtlinie abzufangen (vgl. Kleinsteuber, 1990: 47-48). Inzwischen ist MEDIA ein Aktionsbereich des Förderprogramms «Kreatives Europa» (Verordnung (EU) 2021/ 818). Dieses verfolgt ein doppeltes Ziel: Die Wahrung, Entwicklung und Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt und des Kultur- und Spracherbes in Europa sowie die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und des wirtschaftlichen Potenzials des Kultur- und Kreativsektors (Art. 3 (1)). Für die Jahre 2021 bis 2027 stehen EUR 2.44 Mia. zur Verfügung; für MEDIA sind mindestens 58 % des Budgets (oder EUR 1.44 Mia.) vorgesehen (Art. 8). Anders als das Programm «Eurimages» des Europarates (siehe Kapitel 7.1.2.2) oder nationale Filmförderprogramme verzichtet die EU auf die Unterstützung von Produktionen. Die Förderschwerpunkte liegen in der Projektentwicklung, in der Aus- und Weiterbildung und v. a. im Vertrieb (siehe Kapitel 10.3). Allerdings werden wie bei «Eurimages» ausschließlich grenzüberschreitende Koproduktionen unterstützt (vgl. Graber, 2003: 245). Seit 2021 umfasst «Kreatives Europa» einen sektorübergreifenden Aktionsbereich, für den bis zu 9 % des Budgets (oder EUR 220 Mio.) zur Verfügung stehen (Art. 8). Darunter fällt auch die Förderung von Anpassungen im Medienbereich an den Strukturwandel, u. a. Maßnahmen zur Förderung von Medienvielfalt, Qualitätsjournalismus und Medienkompetenz (Art. 7 (1) (c); siehe Kapitel 10.2.2). Weitere unterstützende Maßnahmen Neben dem Programm «Kreatives Europa» hat die EU begonnen, in weiteren Bereichen Maßnahmen zur Unterstützung, Koordinierung und Ergänzung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu ergreifen. Da die Förderung von Medienfreiheit, Medienvielfalt, Journalismus und Medienkompetenz sowie zur Bekämpfung von Desinformation aber in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, sind die Aktionen sehr zurückhaltend formuliert oder es wird der Einsatz von Selbst- und Co-Regulierung empfohlen (vgl. Cole & Etteldorf, 2021b). Beispielsweise werden der «Media Pluralism Monitor» zur Erforschung der Vielfalt im Medienmarkt und diverse weitere Projekte in den Bereichen Medienfreiheit, investigativer Journalismus und Hilfe für Journalist·innen in Gefahr unterstützt. Zudem drängt die EU auf Selbstregulierung im Internetbereich. So wurden in den Bereichen Jugendschutz, Hassrede und Desinformation neue Verhaltenskodizes der Branche angeregt, deren Wirksamkeit auch überprüft wird (siehe Kapitel 7.4). Diese unterstützenden Maßnahmen werden in Aktionsplänen und Strategien gebündelt: <?page no="202"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 202 Die Strategie für ein besseres Internet für Kinder (Europäische Kommission, 2012) unterstützt hochwertige Onlineinhalte, Medienkompetenz, eine sichere Onlineumgebung und die Bekämpfung sexuellen Missbrauchs. In diesem Rahmen wird auch Selbstregulierung in Form eines Netzwerks von Safer-Internet- Zentren aus dem «Digital Europe Programme» finanziert. Mit dem Aktionsplan gegen Desinformation (Europäische Kommission & Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, 2018) sollen die Früherkennung von Desinformationskampagnen verbessert, die Bevölkerung durch Medienkompetenzmaßnahmen aufgeklärt sowie eine wirksamere Selbstregulierung durch Plattformen und Messengerdienste erreicht werden. Der Europäische Aktionsplan für Demokratie (EDAP; Europäische Kommission, 2020a) will die Integrität von Wahlen schützen und die demokratische Teilhabe fördern, freie und unabhängige Medien unterstützen sowie Desinformation bekämpfen. Bereits veröffentlicht wurden eine Empfehlung für die Sicherheit von Journalist·innen sowie Vorschläge für neue Verordnungen zur Medienfreiheit und zu politischer Onlinewerbung (siehe Kapitel 7.3.2.2). Weiter vorgesehen sind u. a. Maßnahmen zur Bekämpfung von Hassrede, die Unterstützung der Selbstregulierung durch Presse- und Medienräte, ein Monitoring der Eigentumsverhältnisse im Medienbereich, die Prüfung neuer Maßnahmen zur Förderung der Medienvielfalt, eine Verbesserung der bestehenden Selbstregulierung bezüglich Desinformation auf Plattformen sowie die Förderung von Medienkompetenz. Mit dem Europäischen Aktionsplan für Medien (Europäische Kommission, 2020b) sollen Investitionen in den audiovisuellen Sektor, Innovationen im Medienbereich sowie Talentförderung und Medienkompetenz unterstützt werden. Zudem wird die «News-Initiative» gestartet, um journalistischen Medien den Zugang zu Darlehen zu erleichtern und sie bei Investitionen in Innovationen finanziell zu unterstützen. Die EU prägt mit ihrer Wettbewerbsordnung, ihrer Zuständigkeit für den Binnenmarkt (Harmonisierung der Regulierung von audiovisuellen Mediendiensten, elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten, Plattformen, Urheberrecht, Daten- und Verbraucher·innenschutz) sowie unterstützenden Maßnahmen in den Bereichen Grundrechte, Filmförderung und Medienkompetenz den Medien- und Kommunikationssektor sowie die Medienpolitik auf nationaler Ebene grundlegend. <?page no="203"?> Medienpolitik auf europäischer Ebene 203 7.4 Selbst- und Co-Regulierung auf europäischer Ebene Nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene spielen Selbst- und Co-Regulierung eine wichtige Rolle in der Medienpolitik. Im Bereich des Jugendmedienschutzes ist die EU in zahlreiche Initiativen involviert (vgl. Cole, Etteldorf & Ullrich, 2020: 152-156). Zum einen werden Insafe und Inhope unterstützt, die ein Netzwerk nationaler Safer-Internet-Zentren betreiben. Diese Zentren stehen Minderjährigen als Anlaufstelle bei Problemen zur Verfügung und sammeln Meldungen über illegale Inhalte im Internet (siehe Kapitel 11.1.2.3). Zum anderen existieren zwischenzeitlich auch europaweite Initiativen, die auf Druck oder mit Unterstützung der EU zustande gekommen sind (vgl. European Commission, 2022): Die «Alliance to Better Protect Minors Online» und die «CEO Coalition for a Better Internet for Kids» wollen zu einer sicheren Onlineumgebung für Kinder und Jugendliche beitragen. Die «Safer Social Networking Principles» sind ein Verhaltenskodex sozialer Netzwerke, um minderjährige Nutzer·innen besser zu schützen. Das «European Framework for Safer Mobile Use by Younger Teenagers and Children» ist ein Verhaltenskodex von Mobilfunkbranche und Inhalteanbieter·innen, um den Zugang Minderjähriger zu schädlichen Inhalten auf ihren Mobiltelefonen zu verhindern. Aber auch unabhängig von der EU gibt es Selbstregulierung auf europäischer Ebene. Die «ICT Coalition for Children Online» von Medien-, Telekommunikations- und Plattformunternehmen hat sich auf Prinzipien zum Schutz Minderjähriger im Internet verpflichtet. Und von der Softwareindustrie wurde PEGI (Pan European Game Information) ins Leben gerufen, um Altersempfehlungen für Computerspiele auszusprechen. Neben dem Thema Jugendschutz kommen Selbst- und Co-Regulierung aber auch vermehrt bei Plattformen zum Einsatz. Auf Druck zur EU kamen der Verhaltenskodex zur Bekämpfung illegaler Hassreden im Internet sowie der Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation zustande. Diese beinhalten u. a. Vorgaben für die Moderation von Inhalten durch Plattformen (siehe Kapitel 11.1.2.4) und Vorschriften bezüglich politischer Werbung (siehe Kapitel 11.1.2.4). Und schließlich existieren mit CENELEC und ETSI Co-Regulierungsorganisationen, die für die Standardisierung von Rundfunktechnologie und Telekommunikation zuständig sind (vgl. Latzer & Saurwein, 2008). <?page no="204"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 204 Die Möglichkeiten für eine staatliche Regulierung von Inhalten sind begrenzt. Entsprechend spielen auch auf europäischer Ebene Selbst- und Co-Regulierung eine wichtige Rolle, die häufig von der EU initiiert wurden. Für die technische Standardisierung kommt ebenfalls Co-Regulierung zum Einsatz. Übungen 1. In Artikel 10 EMRK werden Medien nicht erwähnt - trotzdem wird daraus abgeleitet, dass Staaten verpflichtet sind, Medienvielfalt zu garantieren. Welche Überlegungen stehen dahinter? 2. Erläutern Sie die drei wichtigsten Prinzipien der AVMD-Richtlinie. 3. Wie unterscheiden sich das EÜGF des Europarats und die AVMD- Richtlinie der EU? 4. Welche Unterschiede in der Plattformregulierung bringt der Übergang von E-Commerce-Richtlinie zum Gesetz über digitale Dienste mit sich? Literaturtipps Cole, M. D., Etteldorf, C., & Ullrich, C. (2021). Updating the Rules for Online Content Dissemination. Legislative Options of the European Union and the Digital Services Act Proposal. Baden-Baden: Nomos. Der Band von Cole, Etteldorf und Ullrich bietet einen gut verständlichen Überblick über die Regulierung von Plattformen durch die EU. Collins, R. (1994). Broadcasting and Audio-Visual Policy in the European Single Market. London: John Libbey. Collins zeichnet in seinem Buch die Entstehung der Medienpolitik von EU und Europarat nach und analysiert die Rolle der daran beteiligten Akteure. Donders, K., Pauwels, C., & Loisen, J. (Hrsg.). (2014). The Palgrave Handbook of European Media Policy. Basingstoke: Palgrave Macmillan. Dieses Handbuch von Donders, Pauwels und Loisen umfasst Kapitel zur Entwicklung und zu den verschiedenen Tätigkeitsfeldern der EU-Medienpolitik. Holtz-Bacha, C. (2006). Medienpolitik für Europa & Holtz-Bacha, C. (2011). Medienpolitik für Europa II: Der Europarat. Wiesbaden: VS Verlag. Die beiden Bände von Holtz-Bacha widmen sich detailreich der Entwicklung der Medienpolitik von EU und Europarat. <?page no="205"?> 205 8 Medienpolitik auf globaler Ebene Inhalt und Lernziele Nach einer kurzen Darstellung, wie sich Medienpolitik auf globaler Ebene entwickelt hat, werden im folgenden Kapitel die Aktivitäten von ITU, WIPO, UNESCO, WTO und OECD diskutiert. Diese internationalen Organisationen gestalten die öffentliche Vermittlung von Kommunikation maßgeblich mit. Mit dem Internet gewinnen aber auch innovative Formen der Governance an Bedeutung, die eine Zusammenarbeit von Staaten, Unternehmen und Zivilgesellschaft vorsehen. Nach diesem Kapitel können Sie die Entwicklung von Medienpolitik auf globaler Ebene sowie die Funktionsweise und Tätigkeiten internationaler Organisationen im Medienbereich beschreiben. den Einfluss globaler Akteure auf die nationale und europäische Medienpolitik beurteilen und darlegen, welche Konsequenzen eine Liberalisierung des audiovisuellen Sektors im Rahmen des GATS haben könnte. die Entwicklung der Internet Governance aufzeigen und das Potenzial von Multistakeholderismus für die globale Medienpolitik einschätzen. Medienpolitik auf globaler Ebene findet größtenteils im Rahmen von «International Governmental Organizations» (IGOs) statt, deren Mitglieder Nationalstaaten sind (siehe Kapitel 4.2.1). Viele internationale Rechtsinstrumente, die IGOs verabschieden, sind nicht verbindlich, beispielsweise Deklarationen, Resolutionen, Empfehlungen oder Absichtserklärungen. Doch im Rahmen von IGOs werden auch völkerrechtlich verbindliche Verträge ausgehandelt: Sofern ein Staat diese unterzeichnet und ratifiziert, ist er in seiner nationalen Politik daran gebunden. Allerdings gibt es bei einer Nichteinhaltung selten Sanktionsmöglichkeiten. Zudem kommen Verträge nur in Bereichen zustande, in denen eine ausreichende Zahl von Staaten ein Interesse an internationaler Kooperation hat. Angesichts der deutlichen Unterschiede bezüglich wirtschaftlicher Situation und Regierungsform unterscheiden sich die Ziele und Interessen der einzelnen Nationalstaaten aber <?page no="206"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 206 teilweise stark. Weiter bestehen für nicht-staatliche Akteure aus der Zivilgesellschaft nur sehr beschränkt Möglichkeiten, sich in Entscheidungsprozesse bei IGOs einzubringen (vgl. MacLean, 2011; Ó Siochrú & Girard, 2002: 20, 136- 137; Picard, 2020: 95-99). Aufgrund von Interdependenzen zwischen Nationalstaaten und des grenzüberschreitenden Charakters von Kommunikation hat eine internationale Zusammenarbeit in der Medienpolitik eine lange Tradition. Die Entwicklung der Medienpolitik auf globaler Ebene lässt sich in drei Phasen unterteilen (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 119-127): In der ersten Phase (Mitte 19. Jahrhundert bis Zweiter Weltkrieg) ging der Impuls für internationale Zusammenarbeit und die Gründung von IGOs von der wirtschaftlichen Entwicklung aus. Die Markteinführung von Telegrafie und Telefonie sowie die Notwendigkeit, geistiges Eigentum zu schützen, führten zur Gründung der ITU (siehe Kapitel 8.1) und von Vorgängerorganisationen der WIPO (siehe Kapitel 8.2). Für die zweite Phase (Ende Zweiter Weltkrieg bis 1980er-Jahre) war die Gründung der Vereinten Nationen (UNO) als neuem Forum für die internationale Zusammenarbeit prägend. Die von der UNO verabschiedete «Allgemeine Erklärung der Menschenrechte» hält das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung fest. Dieses schließt die Freiheit ein, über Medien Informationen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten. Die Erklärung ist nicht völkerrechtlich verbindlich. 1966 verabschiedete die UNO-Generalversammlung aber den verbindlichen internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte. Dieser enthält auch das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung. Die UNO hat sich weiter auch dem Thema Medien und Gleichberechtigung der Geschlechter angenommen. Die 1995 verabschiedete «Pekinger Deklaration und Aktionsplattform» ruft Nationalstaaten und Medienorganisationen dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang von Frauen zu Medien und Entscheidungsgremien (bspw. Regulierungsbehörden und Medienmanagement) zu fördern und gegen Genderstereotypen in den Medieninhalten vorzugehen (Para. 234-245; vgl. Gallagher, 2011; Padovani, 2018). Von Bedeutung für den Mediensektor ist zudem die UNESCO, eine Unterorganisation der UNO, die sich kulturellen Themen verschrieben hat (siehe Kapitel 8.3). Die dritte Phase (seit den 1980er-Jahren) ist geprägt durch eine starke Gewichtung internationalen Freihandels und ökonomischer Fragen. Die UNO und ihre Unterorganisationen haben gegenüber den reichen Nationen und den in <?page no="207"?> Medienpolitik auf globaler Ebene 207 diesen beheimateten Großkonzernen sowie gegenüber einer IGO außerhalb der UNO-Familie, der WTO, an Boden verloren (siehe Kapitel 8.4). Mit der OECD besitzt zudem eine weitere wirtschaftlich orientierte Organisation Bedeutung für die Medienpolitik (siehe Kapitel 8.5). Auch das Internet bedingt eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Doch in der Internet Governance sind nicht IGOs tonangebend, sondern es ist eine innovative Zusammenarbeit von Staaten, Unternehmen und Zivilgesellschaft im Rahmen von ICANN, ISOC und IGF entstanden. Diese neue Form transnationaler Medienpolitik wird auch als Multistakeholder-Governance oder Multistakeholderismus bezeichnet (siehe Kapitel 8.6). Die UNO und die Meinungsäußerungsfreiheit Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte enthält in Artikel 19 das Recht auf freie Meinungsäußerung: «Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.» Im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte wurde dieses Recht dann in Artikel 19 auch völkerrechtlich verbindlich festgehalten: (1) Jedermann hat das Recht auf unbehinderte Meinungsfreiheit. (2) Jedermann hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke oder andere Mittel eigener Wahl sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben. Absatz 3 betont aber, dass die freie Meinungsäußerung «mit besonderen Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden» ist, weshalb auch Einschränkungen möglich sind - nicht zuletzt zur Achtung anderer Grundrechte wie dem Schutz vor willkürlichen Eingriffen ins Privatleben oder vor Ehrverletzungen, der in Artikel 17 garantiert ist. Menschenrechte werden dennoch weltweit verletzt, aber dieser Rechtsrahmen erlaubt es, politischen und rechtlichen Druck auf Staaten aufzubauen (vgl. Jørgensen, 2011). <?page no="208"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 208 8.1 ITU 8.1.1 Entstehung und Struktur Die Internationale Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU) ist die einzige Unterorganisation der UNO, welche sich exklusiv mit Kommunikationsfragen befasst. Eine der Vorgängerorganisationen der ITU wurde 1865 von zwanzig europäischen Ländern unter dem Namen Welttelegrafenverein (International Telegraph Union) gegründet. Damit ist die ITU die erste internationale Organisation überhaupt. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war Telegrafie eine nationale Angelegenheit. Grenzüberschreitende Nachrichten mussten an der Grenze abgeschrieben und im Netz des Nachbarlandes neu übermittelt werden. Der Telegrafenverein sollte nicht nur diesem Problem Abhilfe verschaffen, sondern auch die Tarife regeln. Mit der Markteinführung und Bedeutungszunahme der Telefonie erhielt der Verein auch die Zuständigkeit für diese kabelgebundene Technologie, um so grenzüberschreitende Anrufe zu ermöglichen. Die Radiotechnologie hingegen, welche für drahtlose Telegrafie eingesetzt wurde und eine Allokation knapper Funkfrequenzen bedingt, fiel in die Zuständigkeit des 1906 gegründeten Weltrundfunkvereins (International Radiotelegraph Union). 1932 fusionierten die beiden Organisationen und bekamen den heutigen Namen. Zu einer Unterorganisation der UNO wurde die ITU 1947 (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 38-39). Die Liberalisierung des Telekommunikationssektors in den 1980er- und 1990er- Jahren führte die ITU an ihre Grenzen. Große private Unternehmen, die in neue Technologien investierten, konnten und wollten nicht auf die langwierigen Standardisierungsentscheidungen warten. Und das Abrechnungssystem für internationale Telefongespräche war für die Ära ohne staatliche Telekommonopole nicht gerüstet. Die ITU wurde deshalb reorganisiert. So wurde privaten Akteuren die Mitgliedschaft ermöglicht, da die nicht bindenden Regeln der ITU ohne deren Beteiligung bedeutungslos wären (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 148). Allerdings ist das große Gewicht, das die Unternehmen so bekommen, auch nicht unproblematisch: «The ITU’s internal reforms reflected the subordination of conventional communication policy issues to the market […] as members of the private sector were endowed with new voting privileges alongside national governments» (Winseck, 2002: 395). Heute sind 193 Staaten und über 900 private Akteure (Unternehmen und NGOs) Mitglied der ITU, welche ihren Sitz in Genf hat. Oberstes Gremium ist <?page no="209"?> Medienpolitik auf globaler Ebene 209 die Generalbevollmächtigte Konferenz, welche sich aus Delegationen der Mitgliedstaaten zusammensetzt und alle vier Jahre tagt. Zu den Aufgaben gehören u. a. die Festlegung der allgemeinen Ziele und die Wahl des oder der Generalsekretär·in, welche·r das Generalsekretariat leitet (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 47) Unterhalb dieser Ebene ist die ITU in drei Sektoren unterteilt: ITU Radiocommunication Sector (ITU-R); ITU Telecommunications Standardization Sector (ITU-T); ITU Development Sector (ITU-D). Den Großteil der Arbeit innerhalb dieser drei Sektoren leisten Arbeitsgruppen, die sich aus Expert·innen aus der Telekommunikationsbranche zusammensetzen und die technischen Grundlagen für Empfehlungen und Abkommen der ITU erarbeiten. Diese haben folglich erheblichen Einfluss auf die letztendlich verabschiedeten Instrumente (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 48-49). 8.1.2 Medienpolitik Zu den Hauptaufgaben der ITU gehören die Allokation von Funkfrequenzen und Satellitenpositionen, die Entwicklung einheitlicher technischer Standards, die Koordination der Tarifierung von Telefon und Telegraf sowie Dienstleistungen für weniger entwickelte Länder (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 36). Die Allokation von Frequenzen und Satellitenpositionen ist notwendig, da beide knapp und zahlreiche Akteure an deren Nutzung interessiert sind. Zuständig ist die ITU-R. In einem völkerrechtlichen Vertrag, den Radio Regulations (Vollzugsordnung für den Funkdienst oder Radioreglement), wird die Zuordnung von Frequenzbereichen für bestimmte Funkdienste (bspw. Mobiltelefonie oder terrestrischer Rundfunk) vorgenommen (vgl. MacLean, 2011; Ó Siochrú & Girard, 2002: 38). Alle drei bis vier Jahre wird eine World Radiocommunication Conference durchgeführt, um den Vertrag zu aktualisieren. Die ITU-T ist für Standardisierung und Tarifierung zuständig. Eine technische Standardisierung, d. h. eine Abstimmung der verwendeten Technik, ist die Voraussetzung für grenzüberschreitende Telekommunikation. Nur dann lassen sich die Kommunikationsnetze verschiedener Länder (und verschiedener Telekommunikationsunternehmen) auch zusammenschalten (vgl. Latzer, 1997: 213). Weltweite Standards sollen die Unternehmen dazu bewegen, die gleiche Technologie zu benutzen und damit verhindern, dass sich für die Nutzer·innen Inkom- <?page no="210"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 210 patibilitäten aufgrund verschiedener rivalisierender Technologien ergeben. Allerdings haben konkurrierende Unternehmen häufig ein Interesse daran, die von ihnen erfundene Technologie durchzusetzen, was die Einigung auf gemeinsame Standards erschwert (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 40). Die Grundregeln für internationale Telekommunikation sind in einem Vertrag, den International Telecommunication Regulations (Vollzugsordnung für internationale Fernmeldedienste), festgehalten (vgl. MacLean, 2011). Die letzte breit akzeptierte Fassung stammt von 1988. Die neue Fassung von 2012 wurde von keinem westlichen Land unterzeichnet, da damit von einigen Staaten der Versuch unternommen wurde, das Internet stärker zu kontrollieren (vgl. Fidler, 2013). Die Festlegung von Tarifen für internationale Telefongespräche und die Verteilung der daraus resultierenden Einnahmen zwischen den beteiligten Telekommunikationsunternehmen war über lange Zeit ebenfalls ein wichtiges Thema (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 37). Die ITU-D schließlich widmet sich mit diversen Entwicklungsprojekten dem ungleichen Zugang zu Telekommunikation und der digitalen Spaltung zwischen westlichen Ländern und dem Globalen Süden. Zudem hat die Generalversammlung der UNO auf Vorschlag der ITU 2001 beschlossen, einen zweiteiligen World Summit on the Information Society (WSIS) durchzuführen. Dieser war auch ein Auftakt für Diskussionen über die angemessene Governance des Internets (siehe Kapitel 8.6.2). Die ITU beschäftigt sich erstens mit der Allokation von Funkfrequenzen und Satellitenpositionen. Zweitens fallen die technische Standardisierung und die Festlegung von Tarifen - beides Voraussetzungen für internationale Telekommunikation - in die Zuständigkeit. Die Organisation kümmert sich drittens um Entwicklungsprojekte im Bereich der Telekommunikation. 8.2 WIPO 8.2.1 Entstehung und Struktur Die Geschichte der Weltorganisation für geistiges Eigentum (World Intellectual Property Organization, WIPO) reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Der fehlende weltweite Schutz geistigen Eigentums stellte ein Hindernis für ökonomische <?page no="211"?> Medienpolitik auf globaler Ebene 211 und technologische Entwicklungen dar. Die Besitzer·innen geistigen Eigentums mussten fürchten, dass ihre Ideen in anderen Ländern gestohlen werden. Deshalb wurde die 1884 in Kraft getretene Pariser Konvention zum Schutz industriellen Eigentums (Paris Convention for the Protection of Industrial Property) ausgehandelt. Diese sorgt dafür, dass industrielle Erfindungen (Patente, Marken, industrielles Design) auch im Ausland geschützt sind. Für die Erfüllung administrativer Aufgaben wurde ein internationales Büro eingerichtet. Autor·innen und Künstler·innen kämpften mit ähnlichen Problemen: Der Verkauf und die Nutzung ihrer Werke (z. B. Literatur, Musik, Bilder etc.) waren im Ausland nicht geregelt, d. h., ihr Urheberrecht (Copyright) war nicht geschützt. «Copyright protects the right to control the use or expression of creative works, such as writing, songs, music, drawings, and sculptures» (Ó Siochrú & Girard, 2002: 85). Deshalb wurde die Berner Konvention zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Berne Convention for the Protection of Literary and Artistic Works) verabschiedet, welche 1886 in Kraft trat und ebenfalls ein Büro für administrative Aufgaben erhielt. 1893 wurden die beiden Büros zusammengelegt und bildeten fortan die Bureaux Internationaux Réunis pour la Protection de la Propriété Intellectuelle (BIRPI). 1970 wurden die BIRPI in die WIPO umgewandelt und 1974 wurde die WIPO zu einer Unterorganisation der UNO mit Sitz in Genf (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 87-89). Heute sind 193 Staaten Mitglieder der WIPO. Innerhalb der WIPO gibt es zwei Ebenen der Mitgliedschaft. Einerseits gibt es WIPO-Mitgliedstaaten, die eine oder mehrere der von ihr administrierten Konventionen unterzeichnet haben. Andererseits kann ein Staat Mitglied der WIPO sein, ohne eine Konvention unterzeichnet zu haben. Diese Unterscheidung ist relevant bezüglich der Teilnahme in den beiden obersten Gremien der WIPO: Während die Generalversammlung (General Assembly) aus denjenigen Mitgliedstaaten besteht, welche mindestens eine Konvention unterzeichnet haben, gehören der Konferenz (Conference) auch die übrigen Mitgliedstaaten an. Die Generalversammlung ernennt unter anderem den oder die Generaldirektor·in, welche·r dem Internationalen Büro vorsteht. 8.2.2 Medienpolitik Die WIPO hat zum Ziel, geistiges Eigentum weltweit zu schützen. Für den Mediensektor sind Urheberrechte hoch relevant. <?page no="212"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 212 Die Berner Konvention wurde wiederholt ergänzt und findet heute u. a. Anwendung auf Literatur, Musik, Theater, Film, Fotografie oder Malerei. Sie ist auch schon lange nicht mehr das einzige Abkommen der WIPO, das sich dem Thema Urheberrechte annimmt. Zentral ist die 1961 in Kraft getretene Römer Konvention, offiziell das Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen (International Convention for the Protection of Performers, Producers of Phonograms and Broadcasting Organisations). Dieses Abkommen dehnte den Schutz von Urheberrechten auf andere Personen als die Autor·innen von Werken aus (sogenannt verwandte Schutzrechte), beispielsweise Sänger·innen, Musiker·innen oder Schauspieler·innen, aber auch Plattenfirmen und Rundfunkorganisationen. Damit soll die unerlaubte Ausstrahlung und Aufnahme von Liveauftritten sowie Reproduktion von Aufnahmen verhindert werden. Als Reaktion auf die Digitalisierung und die Verbreitung des Internets wurden 1996 zwei neue Verträge verabschiedet. Der WIPO-Urheberrechtsvertrag gesteht den Autor·innen auch an der Verbreitung, Vermietung und öffentlichen Wiedergabe ihrer Werke via Internet Rechte zu. Zudem führt der Vertrag einen Urheberrechtsschutz für Computerprogramme und Datenbanken und Verbote zur Umgehung der digitalen Rechteverwaltung (Kopierschutz) ein. Der WIPO- Vertrag über Darbietungen und Tonträger weitet den Schutz von Sänger·innen, Musiker·innen und Plattenfirmen auf das Internet aus (vgl. MacLean, 2011). Mit dem 2020 in Kraft getretenen Vertrag von Peking über den Schutz von audiovisuellen Darbietungen wird ein ähnlicher Schutz auch Schauspieler·innen und anderen Personen, die in Film und Fernsehen etwas aufführen, zuteil. An der WIPO wird kritisiert, dass diese in erster Linie den Interessen der Industrienationen und großer Konzerne diene. Allerdings ist auch kein Unternehmen bereit, in einem Land zu investieren, welches geistige Eigentumsrechte nicht respektiert. Die WIPO hat keine Möglichkeit, Konventionen selbst durchzusetzen, sondern die Mitgliedstaaten sollten die eingegangenen Verpflichtungen in nationale Gesetze überführen (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 97). Damit stellt sich die Frage der Wirksamkeit, weshalb sich auch die WTO dem internationalen Schutz geistigen Eigentums angenommen hat (siehe Kapitel 8.4.2.3). Die WIPO hat den weltweiten Schutz geistigen Eigentums (Patente, Markenzeichen, Urheberrechte) zum Ziel. Für den Mediensektor ist insbesondere die Durchsetzung von Urheberrechten relevant. <?page no="213"?> Medienpolitik auf globaler Ebene 213 8.3 UNESCO 8.3.1 Entstehung und Struktur Die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, UNESCO) ist eine Unterorganisation der UNO. Ziel der 1945 gegründeten Organisation ist es, durch die Förderung internationaler Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation, einen Beitrag zum Weltfrieden zu leisten (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 71). Heute hat die UNESCO 193 Mitgliedstaaten und 11 Länder sind assoziierte Mitglieder. Die Mitgliedschaft in der UNO ist keine Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in der UNESCO. So ist die Schweiz etwa seit 1949 dabei - lange vor dem Beitritt zur UNO im Jahre 2002. Primäres Entscheidungsorgan ist die Generalkonferenz (General Conference), in welcher alle Mitgliedstaaten Einsitz nehmen. Diese legt Richtlinien, Programm und Haushalt der UNESCO fest. Die Generalkonferenz wählt auch die oder den Generaldirektor·in, welche·r dem Sekretariat in Paris vorsteht. Zurzeit existieren fünf Hauptprogramme, welche für die verschiedenen Aufgabenbereiche zuständig sind: Bildung, Kultur, Naturwissenschaften, Sozial- und Humanwissenschaften sowie Kommunikation und Information (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 81). Als Rechtsinstrumente stehen der UNESCO verbindliche Konventionen, die mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden müssen, sowie unverbindliche Empfehlungen und Deklarationen (Erklärungen) zur Verfügung (vgl. Graber, 2003: 85). 8.3.2 Medienpolitik 8.3.2.1 Konflikte um die Weltinformations- und Kommunikationsordnung Von Beginn an beschäftigte sich die UNESCO mit Medienfragen. Die Verfassung der UNESCO war das erste multilaterale Instrument, welches die Informationsfreiheit verankerte. «Die Mitgliedstaaten befürworteten in ihrer Mehrheit die Informationsfreiheit, international gesprochen: das Prinzip des freien Informationsflusses (‹Free Flow of Information›) über Staatsgrenzen hinweg» (Breunig, 1996: 69). Mit dem Beitritt der Sowjetunion und anderer kommunistischer Dik- <?page no="214"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 214 taturen in den 1950er-Jahren bahnten sich erste Konflikte über diesen freien Informationsfluss an. Bald verlagerte sich der Konflikt jedoch: Die Auseinandersetzung fand weniger zwischen Ost und West als zwischen Industrie- und Entwicklungsländern statt (vgl. Tietje, 2009). Viele europäische Kolonien erlangten in den 1960er-Jahren ihre Unabhängigkeit und brachten ihre Anliegen in IGOs ein. Die ehemaligen Kolonien waren über mögliche Auswirkungen importierter Medieninhalte und der mit diesen verbreiteten westlichen Werten auf die nationale Identität besorgt und befürchteten eine kulturelle Überfremdung. Sowohl die Kontrolle des Westens über Nachrichtenflüsse als auch die Dominanz westlicher Unterhaltungsprogramme wurden kritisiert. Der Ostblock machte sich von Anfang an zum Anwalt des Globalen Südens. Doch während diese Anliegen durchaus berechtigt waren, standen hinter dem Engagement der kommunistischen Länder andere Motive: Ziel war die Kontrolle des Nachrichtenflusses, um so unerwünschte Meldungen verhindern zu können (vgl. Breunig, 1996; Ó Siochrú & Girard, 2002: 77). In den 1970er-Jahren wurden in der UNESCO folglich erbitterte Debatten über die von Entwicklungsländern geforderte Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung (NWICO) geführt. Um einen Ausweg zu finden, wurde 1976 die MacBride-Kommission eingesetzt, welche Probleme der globalen Kommunikation untersuchen sollte. Zudem wurde 1978 als Kompromiss zwischen den drei Staatengruppen eine Deklaration über die Massenmedien verabschiedet. Darin war nicht mehr nur von einem freien Informationsfluss, sondern von «freeflow and wider and better balanced dissemination of information» (Art. 1 Resolution 20C/ 4/ 9.3/ 2) die Rede. 1980 schließlich präsentierte die MacBride-Kommission ihren Abschlussbericht mit einer Reihe von Vorschlägen (vgl. UNESCO, 1980). In der Folge jedoch traten 1984 die USA und 1985 Großbritannien (sowie Singapur) aus der UNESCO aus. Dies bedeutete nicht nur eine finanzielle Schwächung der Organisation (die beiden Staaten bestritten zusammen fast 30 % des Budgets), sondern unterminierte auch ihre Legitimität und Repräsentativität (vgl. Breunig, 1996). In der Folge war immer weniger von NWICO die Rede. 8.3.2.2 Kommunikation und Information Heute widmet sich die UNESCO innerhalb des Hauptprogramms «Kommunikation und Information» u. a. der Verteidigung und Förderung von Meinungsäußerungsfreiheit, Unabhängigkeit der Medien und Medienvielfalt sowie dem Zugang zu Informationen und der innovativen Nutzung digitaler Technologien. <?page no="215"?> Medienpolitik auf globaler Ebene 215 Hierzu entfaltet die UNESCO etwa Aktivitäten, die der Sicherheit von Journalist·innen, der Gleichberechtigung der Geschlechter in Medienorganisationen und Medieninhalten oder der Medienkompetenz dienen. Die Tätigkeiten werden durch zwei zwischenstaatliche Programme ergänzt. Das Information for All Programme (IFAP) widmet sich dem Zugang zu Informationen und der digitalen Spaltung zwischen armen und reichen Ländern. Das International Programme for the Development of Communication (IPDC) hat zum Ziel, Entwicklungsländer beim Aufbau freier und vielfältiger Medien zu unterstützen, beispielsweise durch Journalist·innenausbildung, Maßnahmen gegen Hassrede oder die Förderung von Selbstregulierung und Community-Medien (vgl. UNESCO, 2015). 8.3.2.3 Kulturelle Vielfalt Im Rahmen des Hauptprogramms «Kultur» geht es maßgeblich um die Förderung der kulturellen Vielfalt. 2001 wurde von der Generalkonferenz die unverbindliche Allgemeine Erklärung zur kulturellen Vielfalt (Universal Declaration on Cultural Diversity, Resolution 31C/ 25) verabschiedet, worin die kulturelle Vielfalt als gemeinsames Erbe der Menschheit bezeichnet wird. Darauf basierend wurde das verbindliche Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (Convention on the Protection and Promotion of the Diversity of Cultural Expression, CCD; Resolution 33C/ 41) erarbeitet. Diese wurde im Oktober 2005 durch die Generalkonferenz angenommen und trat im März 2007 in Kraft. Für die Medienpolitik ist das Übereinkommen hoch relevant (vgl. Puppis, 2008): Die CCD betont, dass kulturelle Aspekte für die Entwicklung genauso wichtig sind wie ökonomische (Art. 2 (5)). Den Vertragsparteien wird das Recht zuerkannt, Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt zu ergreifen (Art. 2 (2); Art. 5 (1)), inklusive der Unterstützung der Produktion und Distribution kultureller Güter und Dienstleistungen sowie Subventionen und Maßnahmen zur Förderung der Medienvielfalt, was auch den öffentlichen Rundfunk umfasst (Art. 6 (2)). Durch das Übereinkommen werden Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt erstmals durch internationales Recht legitimiert. Das Übereinkommen ist auch eine Antwort auf die drohende Liberalisierung des Mediensektors im Rahmen der WTO (siehe Kapitel 8.4.2.2), welche gewisse medienpolitische Maßnahmen verunmöglichen könnte. <?page no="216"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 216 Die UNESCO leistet einerseits Entwicklungshilfe beim Aufbau der Kommunikationsinfrastruktur und in der Journalist·innenausbildung. Andererseits soll die kulturelle Vielfalt gefördert werden. Zu diesem Zweck wurde ein verbindliches Übereinkommen verabschiedet. 8.4 WTO 8.4.1 Entstehung und Struktur Die Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) ist eine sehr junge internationale Organisation. Sie wurde erst 1995 gegründet, doch ihre Vorgeschichte reicht zurück bis in die Nachkriegszeit. 1947 unterzeichneten 23 Staaten das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT), das 1948 in Kraft trat. Das Abkommen diente dazu, Handelshemmnisse wie beispielsweise Zölle abzubauen und so den internationalen Warenhandel zu fördern. In mehreren Verhandlungsrunden wurden Zölle in immer mehr Sektoren immer weiter reduziert. Die umfangreichste dieser Verhandlungsrunden startete im Herbst 1986 in Punta del Este, Uruguay (Uruguay-Runde) und endet erst 1994. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Dienstleistungssektor in den reichen Ländern bereits einen wichtigen Stellenwert. Neben weiteren Liberalisierungsschritten im Warenhandel wurde deshalb auch über den Dienstleistungshandel und über handelsbezogene Aspekte des Schutzes geistigen Eigentums verhandelt. Gleichzeitig wurde entschieden, die Adhoc-Strukturen des GATT durch eine neue internationale Organisation zu ersetzen, die WTO (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 53-54; Pauwels & Loisen, 2003). Heute sind 164 Staaten Mitglied der Welthandelsorganisation (darunter alle EU-Mitgliedstaaten, die EU selbst und die Schweiz). Diese vereinen 98 % des Welthandels auf sich. Die WTO agiert außerhalb der UNO-Familie. Ziel ist die Beseitigung von Handelsbarrieren, womit die WTO ausschließlich auf handelsliberalisierende Aspekte fokussiert. Die von der WTO verwalteten Abkommen lassen sich in sechs Bereiche unterteilen (siehe Abb. 12): ein Rahmenabkommen, welches die WTO gründet (Agreement establishing the World Trade Organization); drei Abkommen für die drei Arbeitsbereiche der WTO, für Waren das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade, <?page no="217"?> Medienpolitik auf globaler Ebene 217 GATT), für Dienstleistungen das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS) und für geistiges Eigentum das Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an Geistigem Eigentum (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, TRIPS); ein Streitbeilegungsverfahren (Dispute Settlement Understanding); ein Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik (Trade Policy Review Mechanism). Abb. 12: Struktur der WTO-Abkommen Rahmenabkommen Agreement establishing the World Trade Organization Handelsabkommen GATT (Güter) GATS (Dienstleistungen) TRIPS (geistiges Eigentum) basic principles basic principles basic principles other goods agreements and annexes services annexes countries’ schedules of market access commitments countries’ schedules of market access commitments and MFN exemptions Streitbeilegung Dispute Settlement Understanding Transparenz Trade Policy Review Mechanism Quelle: Eigene Darstellung basierend auf WTO (2015: 24) GATT und GATS bestehen aus allgemeinen Regeln, Anhängen für spezifische Sektoren und detaillierten Listen (Schedules), welche die eingegangenen Verpflichtungen der einzelnen Mitgliedstaaten aufführen (vgl. WTO, 2015: 23). Die Organe der WTO sind Plenarorgane, was bedeutet, dass jeder Mitgliedstaat in jedem Organ Einsitz hat und stimmberechtigt ist. Oberstes Organ ist die Ministerkonferenz. Zentrales operatives Organ ist der Allgemeine Rat, welcher zwischen den Ministerkonferenzen deren Aufgaben wahrnimmt und sich aus den ständigen Vertreter·innen der Mitgliedstaaten zusammensetzt. Der Allgemeine Rat trifft sich auch in Gestalt des Dispute Settlement Body (DSB) und des Trade <?page no="218"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 218 Policy Review Body - lediglich die Aufgaben sind dann andere, nämlich die Schlichtung von Streitfällen und die Prüfung der Handelspolitik der Mitgliedstaaten. Mit dem DSB verfügt die WTO über große Macht: Bricht ein Mitgliedstaat seine eingegangenen Verpflichtungen, können die anderen Staaten dagegen klagen. Kommt keine Einigung zustande, so dürfen Handelssanktionen ergriffen werden. Das in Genf angesiedelte WTO-Sekretariat wird von einem oder einer von der Ministerkonferenz bestimmten Generaldirektor·in geleitet (vgl. Ó Siochrú & Girard, 2002: 51, 64-68; WTO, 2015: 101-103). 8.4.2 Medienpolitik 8.4.2.1 GATT: Medien und Warenhandel Das GATT befasst sich mit dem internationalen Warenhandel. Das Abkommen basiert auf Nichtdiskriminierung und offenem Marktzugang für ausländische Waren (vgl. Graber, 2003: 150-163; WTO, 2015: 10-11): Nichtdiskriminierung: Das Meistbegünstigungsprinzip (Most-Favoured-Nation Treatment, MFN) verbietet die Diskriminierung zwischen Dritten. Vorteile, die ein Mitglied einem Handelspartner einräumt, müssen allen WTO- Mitgliedstaaten gewährt werden (Art. I). Ausnahmen gelten für Zollunionen und Freihandelsabkommen (Art. XXIV), womit z. B. die EU umfassende Ausnahmen geltend machen kann. Das Prinzip der Inländerbehandlung (National Treatment) verbietet die Diskriminierung ausländischer Produkte gegenüber inländischen Produkten (Art. III). Durch die Anwendung beider Prinzipien soll ein fairer Wettbewerb gewährleistet werden. Das gilt aber erst, wenn die Waren im Inland sind. Marktzugangsbeschränkungen wie Zölle sind erlaubt. Marktzugang: Deshalb enthält das GATT auch Pflichten bezüglich des Marktzugangs. Die Mitgliedstaaten haben sich zu Zollsenkungen in verschiedenen Warensektoren verpflichtet, die in Listen (Schedules) festgehalten werden (Art. II). Zudem haben die WTO-Mitglieder auf mengenmäßige Beschränkungen bei Import und Export zu verzichten (Art. XI). Für den Medienbereich ist das GATT in zweierlei Hinsicht relevant. Erstens gelten die Vorschriften für den grenzüberschreitenden Handel mit kulturellen Gütern, worunter auch Bücher, Zeitungen und Zeitschriften fallen. Da Printmedienmärkte aber in der Regel Sprachraummärkte sind (bei den meisten Zeitungen und <?page no="219"?> Medienpolitik auf globaler Ebene 219 vielen Zeitschriften sogar nationale oder regionale Märkte), ist es unwahrscheinlich, dass es außerhalb eines Sprachraumes zu Konflikten innerhalb der WTO kommt (vgl. Graber, 2003: 40-41). Einmal indes musste sich das WTO- Streitbeilegungsgremium mit Zeitschriften befassen. Kanada versuchte seine Zeitschriftenindustrie gegen amerikanische Titel zu schützen, welche kanadische Publikationen auf dem Werbemarkt konkurrierten. So wurde eine Steuer auf kanadische Werbung in amerikanischen Zeitschriften verhängt und der Postvertrieb kanadischer Zeitschriften subventioniert. Letztlich wurde entschieden, dass die reduzierten Posttarife keine zulässige Ausnahme von der Inländerbehandlung darstellen (vgl. Graber, 2003: 232, 289-290). Zweitens enthält das Abkommen eine Ausnahme von der Inländerbehandlung für die Vorführung von Kinofilmen im Inland (Art. III (10), Art. IV). Demnach sind Spielzeitquoten unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, was die bevorzugte Behandlung inländischer Filme ermöglicht. Auf Spielfilme ist das GATT nur anwendbar, da Filmrollen physisch greifbar sind. Heute sind Spielzeitquoten weitgehend ohne praktische Bedeutung (vgl. Graber, 2003: 175-176). 8.4.2.2 GATS: Medien, Telekommunikation und Dienstleistungshandel Anders als bei Waren kann bei Dienstleistungen der Marktzutritt nicht durch die Erhebung von Zöllen an der Landesgrenze reguliert werden. Auch wenn sich das GATS am GATT anlehnt, waren also Modifikationen nötig, weshalb zwischen allgemeinen und spezifischen Verpflichtungen differenziert wird (vgl. Graber, 2003: 185-186; Luff, 2004; Pauwels & Loisen, 2003; WTO, 2015: 34-35). Die allgemeinen Verpflichtungen gelten direkt für alle Dienstleistungssektoren: Wie im Warenhandel müssen gemäß dem Meistbegünstigungsprinzip (Most- Favoured-Nation Treatment, MFN) alle Vorteile, die ein Mitglied Dienstleistungen und Dienstleistungsanbieter·innen aus einem Land einräumt, automatisch an alle Dienstleistungen und Dienstleistungsanbieter·innen aus allen WTO-Mitgliedstaaten weitergegeben werden (Art. II). Ausnahmen sind auch hier für Zollunionen und Freihandelsabkommen möglich (Art. V). Zudem wurde den Mitgliedstaaten gestattet, für eine beschränkte Zeit gewisse Dienstleistungssektoren von der Meistbegünstigung auszunehmen. Diese Sektoren sind in Negativlisten für jedes Land festgehalten (sogenannte MFN- Ausnahmen). Die Transparenzverpflichtung besagt, dass WTO-Mitglieder Regulierungsmaßnahmen, welche Dienstleistungen betreffen, veröffentlichen müssen (Art. III). <?page no="220"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 220 Damit sind ausländische Dienstleistungen aber noch nicht auf dem inländischen Markt erhältlich. Dazu kommt es nur, wenn ein Mitgliedstaat den Handel in einem Dienstleistungssektor bewusst liberalisiert und damit spezifische Verpflichtungen eingeht. Diese Verpflichtungen sind für jedes Land in Positivlisten (sogenannte Schedules of Market Access Commitments) aufgeführt: Der Grundsatz des Marktzugangs (Market Access) soll sicherstellen, dass Staaten keine Maßnahmen ergreifen, um den Zugang ausländischer Dienstleistungen und Dienstleistungsanbieter·innen zu ihrem Markt zu verhindern (Art. XVI). Das Prinzip der Inländerbehandlung (National Treatment) besagt, dass ausländische Dienstleistungen und Dienstleistungsanbieter·innen nicht schlechter behandelt werden dürfen als inländische (Art. XVII). Der Grund, weshalb im GATS anders als im GATT die Inländerbehandlung nicht automatisch gilt, liegt darin, dass damit - anders als im Warenbereich, wo Zölle als Marktzutrittsschranken bestehen - zugleich ein umfassender Marktzutritt gewährt würde (vgl. Pauwels & Loisen, 2003). Erst wenn Positivlisten (spezifische Verpflichtungen der Länder zur Gewährung von Marktzutritt und Inländerbehandlung) und Negativlisten (Ausnahmen von der Meistbegünstigung) betrachtet werden, wird klar, welches Land in welchen Dienstleistungssektoren den Handel liberalisiert hat. Für die Medienpolitik ist das GATS potenziell überaus folgenreich, denn das Abkommen findet auf sämtliche staatlichen Maßnahmen Anwendung, die Dienstleistungen betreffen (Art. I (1)) - und damit auch auf audiovisuelle Dienstleistungen und Telekommunikationsdienstleistungen. Welche Auswirkungen hat das GATS nun für audiovisuelle Dienstleistungen, zu denen Film- und Videoproduktion und -vertrieb, Filmvorführung, Radio- und Fernsehen, Radio- und Fernsehübertragung sowie Tonaufnahmen gehören? Derzeit sind die Auswirkungen gering. Dies liegt daran, dass weder die EU und ihre Mitgliedstaaten noch die Schweiz spezifische Verpflichtungen eingegangen sind und zugleich umfangreiche Ausnahmen von der Meistbegünstigung in ihre Listen eingetragen haben. Folglich gilt für den audiovisuellen Sektor in Europa momentan lediglich die Transparenzverpflichtung (vgl. Burri, 2014; Graber, 2003: 192, 195; Pauwels & Loisen, 2003; Puppis, 2008). Der Druck auf eine Liberalisierung des Sektors bleibt aber bestehen (siehe Kapitel 8.4.2.4). Bezüglich Telekommunikationsdienstleistungen hat das GATS bereits eine weitaus größere Wirkung entfaltet. Rund 100 Länder, darunter sämtliche Industriestaaten, sind durch die Unterzeichnung des Vierten Protokolls zum GATS spezifische Verpflichtungen zur vollständigen Liberalisierung des Sektors eingegangen. <?page no="221"?> Medienpolitik auf globaler Ebene 221 Damit gelten das Meistbegünstigungsprinzip, die Transparenzverpflichtung, die Marktzugangsverpflichtung und das Prinzip der Inländerbehandlung uneingeschränkt. Zudem haben sich über 80 Länder auch auf ein Reference Paper verpflichtet, das einige Grundprinzipien für die Regulierung enthält (vgl. Geradin & Kerf, 2004; Graber, 2003: 199-204; Luff, 2004). 5 8.4.2.3 TRIPS: Urheberrechte und Handel Mit dem TRIPS wurde der Schutz geistigen Eigentums in das Welthandelsrecht einbezogen. Ausgangspunkt sind die Inländerbehandlung (Art. 3) und das Meistbegünstigungsprinzip (Art. 4). Mit Blick auf das Urheberrecht verpflichtet das TRIPS-Abkommen alle WTO- Mitglieder auf die Berner Konvention der WIPO (Art. 9 (1); siehe Kapitel 8.2.2) - und zwar unabhängig davon, ob sie diese unterschrieben haben oder nicht. Nicht übernommen werden allerdings die persönlichkeitsrechtlichen Ansprüche von Autor·innen, womit die ökonomischen Rechte von Medienunternehmen höher gewichtet werden, wie es der angelsächsischen Copyrighttradition entspricht (vgl. Graber, 2003: 210, 213-214; Ó Siochrú & Girard, 2002: 91-95; Pauwels & Loisen, 2003). Zudem wird der Urheberrechtsschutz auf Computerprogramme und Datenbanken (Art. 10) sowie auf die Vermietung von Werken (Art. 11) ausgedehnt. Hingegen gelange es nicht, auch die Römer Konvention der WIPO in das TRIPS-Abkommen einzugliedern. Auf ausübende Künstler·innen, Plattenfirmen und Rundfunkorganisationen finden damit lediglich die im TRIPS selbst enthaltenen Bestimmungen (Art. 14) Anwendung (vgl. Graber, 2003: 210, 216-217). Als Gründe für die Verabschiedung des TRIPS gelten die eher langsame Funktionsweise der WIPO und deren fehlenden Sanktionsmöglichkeiten. Großkonzerne - auch aus der Medienbranche - setzten sich deshalb für eine effizientere Bekämpfung von Copyright- und Patentverletzungen in Entwicklungsländern ein (vgl. Pauwels & Loisen, 2003). Während die WIPO-Konventionen durch die ein- 5 Da der Telekommunikationssektor nicht nur ein eigener Wirtschaftssektor ist, sondern auch Grundlage für die grenzüberschreitende Lieferung weiterer Dienstleistungen, wurde zudem als integraler Bestandteil des GATS ein Annex on Telecommunications verfasst. Darin wird der gleichberechtigte Zugang zu und die Nutzung von öffentlichen Telekommunikationsnetzen und -diensten für ausländische Dienstleistungsanbieter·innen (in Sektoren, in denen spezifische Verpflichtungen eingegangen wurden) geregelt. Auf die Verbreitung von Radio- und Fernsehprogrammen findet der Annex explizit keine Anwendung (vgl. Graber, 2003: 200-201; Luff, 2004). <?page no="222"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 222 zelnen Vertragsparteien durchgesetzt werden, kann die Verletzung geistiger Eigentumsrechte nun auch über das Streitbeilegungsverfahren der WTO geahndet werden. Das Potenzial drastischer Handelssanktionen verbessert die Möglichkeiten großer Unternehmen, ihre Rechte durchzusetzen. 8.4.2.4 Künftige Auswirkungen auf den Mediensektor Die WTO ist eine der wichtigsten und mächtigsten internationalen Organisationen. Zusätzlich zu ihrer Bedeutung für den Telekommunikationssektor könnte sie auch erheblich an Einfluss im Mediensektor gewinnen: «[T]he WTO now plays a major role in the global governance of telecommunications equipment, infrastructure, and services, and is the power ‹in-waiting› in the area of cultural products such as books, films, television and other media. Combined with its decisive influence in IPRs [Intellectual Property Rights], the WTO can reasonably claim to be the single most powerful player in media and communications governance globally» (Ó Siochrú & Girard, 2002: 56). Vor allem die USA mit ihrer starken audiovisuellen Industrie drängen auf eine Liberalisierung des audiovisuellen Sektors, während die EU, ihre Mitgliedstaaten, die Schweiz und Kanada den Status quo beibehalten möchten. Dabei ist zwischen drei verschiedenen Veränderungen zu unterscheiden. Erstens beruht das GATS auf dem Prinzip der fortschreitenden Liberalisierung (Art. XIX), womit der audiovisuelle Sektor automatisch Gegenstand neuer Verhandlungsrunden ist. Insbesondere die USA möchten, dass mehr Länder spezifische Verpflichtungen eingehen (Inländerbehandlung und Marktzugang). Die EU hat sich bisher zu keinerlei Zugeständnissen bereit erklärt. Zudem waren die Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip eigentlich auf zehn Jahre beschränkt, doch finden sie immer noch Anwendung. Ein Auslaufen der MFN-Ausnahmen und das Eingehen spezifischer Verpflichtungen hätten Folgen für die nationale und europäische Medienpolitik (vgl. Bernier, 2004; Burri, 2014; Graber, 2003: 142-145; Pauwels & Loisen, 2003; Puppis, 2008): Bilaterale und multilaterale Koproduktionsabkommen wie das Übereinkommen des Europarats über die Gemeinschaftsproduktion von Kinofilmen stehen in Konflikt mit dem Meistbegünstigungsprinzip. Europäische Filmförderprogramme («Eurimages», MEDIA) sind inkompatibel mit dem Meistbegünstigungsprinzip; nationale Filmförderprogramme widersprechen der Inländerbehandlung. <?page no="223"?> Medienpolitik auf globaler Ebene 223 Quoten für europäische Inhalte auf Streamingdiensten und im Rundfunk (wie in AVMD-Richtlinie und EÜGF enthalten) konfligieren mit dem Meistbegünstigungsprinzip, solche für nationale Inhalte (z. B. einheimische Musik oder TV-Produktionen) mit der Inländerbehandlung. Beide Formen von Quoten sind mit einem Eingehen von Marktzugangsverpflichtungen unvereinbar. «Must-Carry»-Verpflichtungen, welche die Distribution nationaler Radio- und Fernsehsender begünstigen, widersprechen der Inländerbehandlung. Zweitens sind staatliche Subventionen in den Dienstleistungssektoren generell zulässig, sofern sie nicht gegen die allgemeinen und die allenfalls eingegangenen spezifischen Verpflichtungen in einem Sektor verstoßen. Die USA drängen auf die Verabschiedung eines Abkommens, das wie im Warenhandel die Zulässigkeit von Subventionen beschränkt. Ein solches könnte nicht nur Filmförderprogramme, sondern auch die Finanzierung des öffentlichen Rundfunks bedrohen (vgl. Bernier, 2004; Graber, 2003: 142-145; Pauwels & Loisen, 2003; Puppis, 2008). Drittens fordern die USA Reklassifikationen von Wirtschaftssektoren. Zum einen wird die Abgrenzung zwischen GATT und GATS infrage gestellt. Produkte, die über das Internet geliefert und heruntergeladen werden können (z. B. Filme, Fernsehsendungen oder Musik) sollen als virtuelle Güter klassifiziert werden, da sie ein greifbares Äquivalent haben (z. B. DVD oder CD). Damit würden diese Dienstleistungen nicht mehr unter das GATS, sondern unter das GATT fallen, was eine starke Liberalisierung zur Folge hätte. Zum anderen wird das bisherige Klassifizierungssystem innerhalb des GATS kritisiert. Aufgrund der Konvergenz sollen gewisse Bereiche, die bisher zu den audiovisuellen Dienstleistungen gezählt werden, neu dem stärker liberalisierten Telekommunikationssektor zugeordnet werden. Solche Reklassifikationen könnten dazu führen, dass Video-on-Demand-Angebote, Podcasts, Anwendungen im digitalen Fernsehen oder die Ausstrahlung von Rundfunksendern im Internet entweder als virtuelle Güter gelten und unter das GATT fallen oder als Telekommunikationsdienste betrachtet werden - beide Optionen würden zu einer weitgehenden Liberalisierung führen. Eine Regulierung digitaler Dienste könnte dadurch genauso verhindert werden wie Onlineangebote des öffentlichen Rundfunks (vgl. Bernier, 2004; Graber, 2003: 142-145; Pauwels & Loisen, 2003; Puppis, 2008). Eine ungeklärte Frage ist auch, wie die neue UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt (CCD; siehe Kapitel 8.3.2.3) mit dem GATS zu vereinbaren ist und inwiefern das Abkommen eine weitere Liberalisierung des audiovisuellen Sektors zu verhindern vermag. Solange die Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip <?page no="224"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 224 nicht auslaufen und Staaten keine spezifischen Verpflichtungen eingehen, entstehen keine Probleme. Andernfalls entstünden zwei Konflikte zwischen GATS und CCD (vgl. Grant, 2011; Puppis, 2008; Voon, 2006): Die Inländerbehandlung (Art. XVII GATS) und die Rechte von Staaten, Maßnahmen zum Schutz der kulturellen Vielfalt zu ergreifen (Art. 6 (2) CCD), widersprechen sich. In Konflikt stehen auch das Meistbegünstigungsprinzip (Art. II GATS) und die in der Konvention vorgesehenen Koproduktions- und Vertriebsabkommen (Art. 12 CCD) sowie die geforderte bevorzugte Behandlung von Entwicklungsländern (Art. 16 CCD). Was würde im Konfliktfall konkret passieren? Wahrscheinlich würde ein Staat, der medienpolitische Maßnahmen in Einklang mit der UNESCO-Konvention ergreift, dabei aber seine GATS-Verpflichtungen verletzt, beim Dispute Settlement Body der WTO eingeklagt. Mehr als eine Interpretationshilfe für dieses Gremium dürfte die CCD nicht sein - und selbst dies ist umstritten. Die Konvention ist eben eher von politischer denn von rechtlicher Bedeutung. Trotzdem sollte man ihr Signal für künftige WTO-Verhandlungsrunden nicht unterschätzen. Für die europäischen Staaten, welche sich gegen eine Liberalisierung des audiovisuellen Sektors wehren, ist die Konvention eine willkommene Rückendeckung. So oder so: Die Verhandlungen im Rahmen der WTO sind seit Jahren blockiert. Die USA sind deshalb dazu übergegangen, vermehrt bilaterale Handelsabkommen abzuschließen, die ihre Vertragspartner auf eine Liberalisierung des audiovisuellen Sektors verpflichten (vgl. Burri, 2014; Iosifidis, 2011: 128-129). Für den Medien- und Telekommunikationssektor ist insbesondere das GATS relevant. Dieses reguliert den Handel mit Dienstleistungen, worunter auch Rundfunk und Telekommunikation fallen. Während die Mitgliedstaaten im Telekommunikationssektor weitgehende Zugeständnisse eingegangen sind, bewirkt das GATS noch keine Liberalisierung im audiovisuellen Bereich. Ferner verpflichtet das TRIPS die WTO-Mitglieder auf die Berner Konvention und enthält weitere Vorgaben zum Schutz von Urheberrechten. <?page no="225"?> Medienpolitik auf globaler Ebene 225 8.5 OECD 8.5.1 Entstehung und Struktur Die 1948 gegründete Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit wurde 1961 in die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development, OECD) überführt. Diese versteht sich als Forum, das den Mitgliedstaaten die Einigung auf eine einheitliche Wirtschaftspolitik erleichtern soll. Die OECD hat ihren Sitz in Paris und derzeit sind 38 Staaten Mitglied, darunter Deutschland, Österreich und die Schweiz. Der aus Vertreter·innen der Mitgliedstaaten und der Europäische Kommission zusammengesetzte Rat ist das oberste Entscheidungsgremium. Die Arbeiten werden vom OECD-Sekretariat durchgeführt, das von einem oder einer Generalsekretär·in geleitet wird. 8.5.2 Medienpolitik Die Entscheidungen und Empfehlungen des Rates betreffen Unternehmen und Wirtschaftspolitik generell und damit auch den Mediensektor. Von einer eigentlichen Medienpolitik der OECD kann aber nicht gesprochen werden. Allerdings hat der Rat eine Empfehlung zu Breitbandanschlüssen verabschiedet. Staaten sollen durch die Förderung von Wettbewerb, Investitionen und Innovation allen Menschen Zugang zum Internet verschaffen. Zudem versuchen OECD und G20 im «Inclusive Framework on Base Erosion and Profit Shifting» die Steuervermeidung durch multinationale Unternehmen zu bekämpfen. 137 Länder haben sich auf zwei Maßnahmen geeinigt. Erstens sollen multinationale Unternehmen (darunter Plattformen) mit mehr als EUR 20 Mia. Umsatz und einer Profitabilität von 10 % einen Teil ihrer Gewinnsteuern nicht mehr an ihrem Hauptsitz bezahlen, sondern dort, wo sie ihre Dienstleistungen anbieten. Damit soll verhindert werden, dass einzelne Staaten im Alleingang Digitalsteuern für Plattformen implementieren. Länder, die bereits Digitalsteuern eingeführt haben (z. B. auf Onlinewerbung), haben sich verpflichtet, diese bei Inkrafttreten zurückzunehmen. Zweitens soll ein globaler Mindeststeuersatz von 15 % für multinationale Unternehmen eingeführt werden (vgl. OECD/ G20 BEPS Statement). Durch ihre Aktivitäten im Bereich der Steuerpolitik ist die OECD auch für multinational tätige Plattformen von Bedeutung. <?page no="226"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 226 8.6 Organisationen der Internet Governance Die Ursprünge des Internets reichen zurück bis in die 1960er-Jahre. Bei der Entwicklung standen militärische Überlegungen im Vordergrund und das Ziel der USA war es, ein dezentrales Kommunikationsnetz zu schaffen, das auch im Falle eines Krieges nicht ausfällt. Das Internet kam dann aber vor allem an USamerikanischen Universitäten und Forschungseinrichtungen zum Einsatz. In den späten 1980er-Jahren begann die Transnationalisierung des Internets, doch der Durchbruch kam erst Anfang der 1990er-Jahre mit der Entwicklung des World Wide Web (WWW). Wurde das Internet bis zu diesem Zeitpunkt vorwiegend von einer kleinen Gruppe zumeist US-amerikanischer Computerspezialist·innen aus dem akademischen Bereich benutzt, wurde es nun einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Damit hat gleichzeitig eine Kommerzialisierung eingesetzt (vgl. Hofmann & Holitscher, 2004). Die damalige eher informelle Praxis der Regelung technischer Aspekte durch die Entwickler·innen und Nutzer·innen selbst war einem global genutzten und kommerziellen Internet nicht gewachsen (vgl. Epstein, 2013; Kleinwächter, 2004). Auch jenseits technischer Fragen resultierte aus der wachsenden Bedeutung des Internets medienpolitischer Handlungsbedarf. Deshalb wurde nach neuen Governance-Lösungen gesucht. 8.6.1 Internetkernressourcen Die hinter Inhalten, Diensten und Apps kaum sichtbaren technischen Aspekte des Internets wie Protokolle, Domainnamen und IP-Adressen (auch Internetkernressourcen genannt) müssen geregelt werden, damit das Internet funktionieren kann. Doch die Architektur des Internets ist über diese technische Notwendigkeit hinaus von Bedeutung, denn sie hat Auswirkungen auf die Handlungsmöglichkeiten der Nutzer·innen: Das Design von Technologie ist eine Form von Governance (siehe Kapitel 4.2.4). Damit geht es bei technischen Aspekten der Internet Governance also nicht nur um eine Governance von Technologie, sondern auch um eine Governance durch Technologie (vgl. DeNardis & Musiani, 2016). Ein wichtiger Aspekt der Internet Governance ist die technische Standardisierung: Das Internet ist ein weltweites Rechnernetz, also ein Netz bestehend aus vielen miteinander verbundenen Netzen. Voraussetzung dafür, dass verschiedenste Netzwerke und Computer unabhängig von der benutzten Hardware <?page no="227"?> Medienpolitik auf globaler Ebene 227 und Software zusammengeschaltet werden und folglich miteinander kommunizieren können, ist die Einigung auf standardisierte Protokolle. Das sogenannte «Transmission Control Protocol/ Internet Protocol» (TCP/ IP) legt fest, wie der Datenaustausch zwischen Computern abläuft und wie Rechner adressiert werden, das «Hypertext Transfer Protocol Secure» (HTTPS) erlaubt eine sichere Datenübertragung (vgl. Hofmann & Holitscher, 2004; Kleinwächter, 2000). Solche Internetprotokollstandards werden durch verschiedene Gruppen unter dem organisatorischen Dach der Internet Society (ISOC) entwickelt. Die ISOC ist eine Non- Profit-Organisation, die seit 1992 besteht. Zentral ist die Internet Engineering Task Force (IETF), welche sich in erster Linie mit der Standardisierung der im Internet eingesetzten Kommunikationsprotokolle befasst. Von der Taskforce entwickelte Standards müssen von der Internet Engineering Steering Group (IESG) genehmigt werden. Der gesamte Standardisierungsprozess wird vom Internet Architecture Board (IAB) überwacht, das sich auch der strategischen Weiterentwicklungen des Internets widmet. Ferner ist für die Standardisierung aller das WWW betreffenden Techniken (z. B. HTML oder CSS) das 1994 gegründete World Wide Web Consortium (W3C) zuständig. Damit das Internet funktioniert, braucht es neben Protokollen auch eine geregelte Vergabe von Domainnamen und IP-Adressen. Wie dies aber in einem nunmehr weltweit genutzten und kommerzialisierten Internet gelöst werden sollte, war hoch umstritten. Der Vorschlag, eine eng mit der ITU zusammenarbeitende Organisation nach Schweizer Recht mit den Aufgaben zu betreuen, wurde von den USA vehement abgelehnt. Das Modell der US-Regierung, eine private Non- Profit-Organisation unter ihrer Aufsicht zu gründen, die eine Selbstregulierung von Domainnamen und Adressen ermöglichen würde, fand international keine Unterstützung. Trotzdem hielten die USA an ihrem Vorschlag fest. 1998 gründeten sie im Alleingang die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), eine private Non-Profit-Organisation nach kalifornischem Recht. Seither fällt die Verwaltung des Domain Name Systems (DNS), die Verteilung von IP-Adressen und die Organisation des Root-Server-Systems (Server, die alle nötigen Informationen enthalten, damit die Umwandlung von Domainnamen in IP- Adressen funktioniert) in die Zuständigkeit der ICANN. Zudem kümmert sich die Organisation um die Einführung neuer Top Level Domains (bspw. «.eu» oder «.swiss») sowie um Verfahren zur Schlichtung von Streitigkeiten über Domainnamen (vgl. Kleinwächter, 2000; Ó Siochrú & Girard, 2002: 108-110). Die USA gründeten die ICANN nicht nur, weil sie von der Effizienz dieser Lösung überzeugt waren, sondern auch, weil sie gute Rahmenbedingungen für die <?page no="228"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 228 eigene Internetindustrie schaffen und die Kontrolle über die neue Organisation behalten wollten (vgl. Hofmann & Holitscher, 2004; Kleinwächter, 2004). «Thus, in the ICANN regime, the United States succeeded in establishing a governance regime dominated by itself and by nonstate actors» (Mueller, Mathiason & Klein, 2007: 240). Anfangs leitete die ICANN ihre Autorität aus einer offiziellen Anerkennung durch das US-amerikanische Handelsministerium ab. Diese Sonderrolle der USA und die mangelnde Transparenz der Organisation sorgten immer wieder für Kritik. 2002 wurde deshalb eine Reform der ICANN vorgenommen. Seither existiert auch ein Governmental Advisory Committee (GAC), in dem Vertreter·innen nationaler Regierungen sowie internationaler Organisationen (z. B. ITU und WIPO) Einsitz haben (vgl. Kleinwächter, 2000; 2004). Trotz dieser Veränderungen wurde unvermindert Kritik an der ICANN und am Einfluss der USA geäußert. Erst im Zuge des NSA-Überwachungsskandals gaben die USA 2016 ihre Kontrolle über die ICANN auf (vgl. Mueller & Badiei, 2020). 8.6.2 Multistakeholderismus Die USA hatten mit der Gründung der ICANN zwar Fakten geschaffen, doch dadurch intensivierten sich die Diskussionen über den Einfluss der USA und die angemessene Rolle staatlicher und nicht-staatlicher Akteure in der Internet Governance noch. Am von der ITU organisierten zweiteiligen Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (World Summit on the Information Society, WSIS) war Internet Governance denn auch ein heftig debattiertes Thema. Ziel des WSIS war es, Unternehmen, Regierungen, Zivilgesellschaft und IGOs an einen Tisch zu bringen, um die Rolle von Informations- und Kommunikationstechnologien für die Gesellschaft zu diskutieren. Am WSIS waren Vertreter·innen der Zivilgesellschaft damit erstmals direkt in die globale Medienpolitik eingebunden. Auf dem ersten Gipfeltreffen in Genf 2003 prallten divergierende Interessen aufeinander. Während die USA und europäische Regierungen an der Selbstregulierung durch die ICANN festhalten und die Internet Governance auf technische Fragen beschränken wollten, forderten einige Länder wie China, Indien, Brasilien oder Südafrika ein breiteres Verständnis von Governance und eine stärkere Rolle für die ITU. Trotz ihrer Skepsis gegenüber der ICANN fand dieser Vorschlag keine Unterstützung durch zivilgesellschaftliche Akteure, da die Zuständigkeit einer internationalen Organisation auch den Einfluss von (teils autoritären) Regierungen auf das Internet verstärken würde (vgl. Kleinwächter, 2004; Weber, 2009: 32). <?page no="229"?> Medienpolitik auf globaler Ebene 229 Da ein Kompromiss nicht möglich war, wurde die Working Group on Internet Governance (WGIG) eingesetzt, welche bis zum zweiten Gipfeltreffen in Tunis 2005 einen Vorschlag ausarbeiten sollte (vgl. Cammaerts, 2011). Die WGIG präsentierte dann eine Definition von Internet Governance als «the development and application by Governments, the private sector and civil society, in their respective roles, of shared principles, norms, rules, decision-making procedures, and programmes that shape the evolution and use of the Internet» (WGIG, 2005: 4). Ein solches Verständnis von Internet Governance geht erstens weit über technische Aspekte hinaus (vgl. Mueller, Mathiason & Klein, 2007). Angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung des Internets stellen sich auch viele nicht-technische Fragen, etwa wie mit Ungleichheiten bezüglich des Zugangs, der grenzüberschreitenden Verbreitung von Inhalten oder Sicherheitsfragen umgegangen werden soll. Die Definition macht zweitens deutlich, dass Internet Governance einer Zusammenarbeit politischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Akteure bedarf. Die WGIG schlug hierzu die Schaffung eines globalen Internet Governance Forum (IGF) vor. Der WSIS hieß diese Idee willkommen, und so wurde das IGF 2006 vom damaligen UNO-Generalsekretär ins Leben gerufen. Die Ergebnisse des WSIS änderten also nichts an der faktischen Zuständigkeit der ICANN für Domainnamen und IP-Adressen. Doch mit der Gründung des IGF wurde die wichtige Rolle der Zivilgesellschaft in der Internet Governance anerkannt und eine neue Art der Governance namens Multistakeholderismus geschaffen (vgl. Epstein, 2013). Damit ist gemeint, dass mehrere Akteurstypen (Nationalstaaten, IGOs, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Akteure) beteiligt sind, und die Teilnehmer·innen sich bezüglich Themenspektrum, teilnahmeberechtigten Akteuren und Bedingungen der Teilnahme einig sind (vgl. Raymond & DeNardis, 2015). Oftmals wird damit die Hoffnung auf eine globale Repräsentation, eine Demokratisierung grenzüberschreitender Politik und bessere Entscheidungen verbunden (vgl. Hofmann, 2016). Das IGF gilt als ein erfolgreiches und innovatives Modell für Dialog über ein breites Themenspektrum zwischen allen an Internet Governance interessierten Akteuren und für eine stärkere Beteiligung der Zivilgesellschaft an globalen politischen Prozessen (vgl. Cammaerts, 2011; MacLean, 2011; siehe auch Studie 9 & Studie 10). Allerdings bleibt die Realität des Multistakeholderismus oft hinter den hochgesteckten Erwartungen zurück (vgl. Hofmann, 2016). Zum einen führt die Partizipation zivilgesellschaftlicher Akteure nicht zwingend zu demokratischeren und besseren Entscheidungen. Während auf die Gefahr des Einflusses von Unternehmen und (undemokratischen) Regierungen häufig hingewiesen wird, sind die <?page no="230"?> Inter- und transnationale Medienpolitik 230 fehlende demokratische Legitimität und Partikularinteressen zivilgesellschaftlicher Gruppierungen auch nicht unproblematisch. «Simply involving representatives of civil society in multistakeholder forums provides only the hope that key problems and controversies might be addressed in ways that are consistent with aspirations for the good society» (Mansell, 2012: 162). Zum anderen ist offen, ob Beteiligung auch wirklich gleichbedeutend mit Einfluss ist. Gerade am IGF wird kritisiert, dass es sich um ein Forum für Dialog handelt, aber keine Entscheidungen getroffen werden (vgl. Raymond & DeNardis, 2015). Immerhin entstand mit dem IGF ein Ort für Diskussionen zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren. «In this sense, the IGF has an important symbolic meaning as an institutional framework that allows coexistence of competing political interests and values - interest and values that will have to be included in any future Internet policy deliberation» (Epstein, 2013: 148). Und diese Diskussionen haben auch Auswirkungen auf politische und technische Entscheidungen. Studie 9 & Studie 10: Teilnehmer·innen und Themen am IGF Basierend auf einer Auswertung der Teilnehmer·innenliste des IGF von 2006 bis 2019 haben Tjahja, Meyer & Shahin (2021) untersucht, welche Akteure aus der Zivilgesellschaft tatsächlich teilgenommen haben. Von den insgesamt 2830 zivilgesellschaftlichen Organisationen stammen 39 % aus nur sechs Ländern (USA, Brasilien, Deutschland, Großbritannien, Indien, Frankreich; in den Top Ten ist auch die Schweiz vertreten). Drei Viertel der Organisationen haben Wissensaufbau als Zweck (bspw. Forschungseinrichtungen, Journalist·innenverbände), rund ein Fünftel setzt sich für die Lösung bestimmter gesellschaftlicher Probleme (bspw. Menschenrechte, Entwicklung) ein. Auch wenn also viele verschiedene Akteure am IGF teilnehmen, so zeigt sich eine geografische und thematische Dominanz weniger Akteurstypen. Cogburn (2020) hat hingegen mittels statistischem Textmining über 1000 Transkripte von IGF-Treffen von 2006 bis 2017 untersucht. Durch Häufigkeiten von Wörtern und Phrasen sowie Topic Modelling konnte er zeigen, dass Menschenrechte und die Meinungsäußerungsfreiheit über die ganze Zeit hinweg zu den meistdiskutierten Themen gehörten. <?page no="231"?> Medienpolitik auf globaler Ebene 231 Das Internet Governance Forum stellt mit seinem Multistakeholder-Ansatz ein innovatives Modell für die globale (Medien-)Politik dar. Übungen 1. Wie hat sich die globale Medienpolitik seit dem 19. Jahrhundert entwickelt? 2. Erläutern Sie die vier Grundprinzipien (allgemeine und spezifische Verpflichtungen) des GATS. Derzeit findet nur eines dieser vier Grundprinzipien auf den Fernsehsektor Anwendung. Welches und warum nur dieses? 3. Welche Konsequenzen könnte eine weitere Liberalisierung des audiovisuellen Dienstleistungssektors im Rahmen des GATS für die Medienpolitik haben? Denken Sie dabei auch an die Rolle der UNESCO. Literaturtipps Epstein, D. (2013). The Making of Institutions of Information Governance: The Case of the Internet Governance Forum. Journal of Information Technology, 28(2), 137- 149. In diesem Artikel werden die Hintergründe der Entstehung von WSIS, WGIG und IGF gut verständlich dargestellt. Kleinwächter, W. (2000). ICANN as the «United Nations» of the Global Information Society? The Long Road towards Self-Regulation of the Internet. International Communication Gazette, 62(6), 451-476. Den Auseinandersetzungen um die Verwaltung von Domainnamen und IP- Adressen und die Entstehung der ICANN ist dieser Artikel gewidmet. Ó Siochrú, S., & Girard, B. (2002). Global Media Governance. A Beginner’s Guide. Lanham: Rowman & Littlefield. Diese Einführung in die globale Medienpolitik bietet eine systematische und detaillierte Darstellung der verschiedenen relevanten internationalen Organisationen. Raymond, M., & DeNardis, L. (2015). Multistakeholderism: Anatomy of an Inchoate Global Institution. International Theory, 7(3), 572-616. Der Artikel von Raymond und DeNardis leitet theoretisch her, was Multistakeholderismus ist und wendet das Konzept dann auf die Internet Governance an. <?page no="233"?> Bereiche der Medienpolitik <?page no="235"?> 235 9 Marktzugang und Wettbewerb Inhalt und Lernziele Noch vor der Produktion von Inhalten sowie deren Verbreitung und Nutzung beschäftigt sich die Medienpolitik mit Fragen von Marktzugang und Wettbewerb. Dabei geht es einerseits um die grundlegende Entscheidung, welche Anbieter·innen überhaupt in den Markt eintreten dürfen. Andererseits sollen durch die Sicherstellung von ökonomischem wie publizistischem Wettbewerb die Entstehung und der Missbrauch von Marktmacht und Meinungsmacht verhindert werden. Nach diesem Kapitel können Sie die Regulierung des Marktzugangs im Rundfunksektor beschreiben. Unterschiede zwischen der für alle Branchen geltenden Fusionskontrolle und der Regulierung von Medienkonzentration erklären. Defizite der Medienkonzentrationsregulierung beurteilen. 9.1 Regulierung des Marktzugangs Während der Marktzugang im Pressesektor nicht durch den Staat beschränkt wird, sieht das im Rundfunksektor anders aus (siehe Kapitel 3.2.1). Der Betrieb privater Radio- und Fernsehsender bedingt traditionell die Erteilung einer Zulassung durch den Staat (sogenannte Lizenz oder Konzession). Bei analog-terrestrisch verbreiteten Sendern war und ist das nur schon eine technische Notwendigkeit, da diese eine knappe Funkfrequenz benötigen. Doch der Zugang zum Rundfunkmarkt wurde immer auch aus gesellschaftlich-politischen Gründen beschränkt (siehe Kapitel 5.3). Mit einem Zulassungsverfahren können Staaten die Medienstruktur unmittelbar gestalten. «[T]his structural regulation, i.e. political decisions about how many and which firms are privileged to enter the market, and on what conditions, prescribes programme diversity better than the economic terms stated by industry structure alone» (Aslama, Hellman & Sauri, 2004: 116). <?page no="236"?> Bereiche der Medienpolitik 236 Wo analoger Rundfunk noch nicht abgeschaltet wurde, werden verfügbare analog-terrestrische Lizenzen von der Regulierungsbehörde resp. dem zuständigen Ministerium ausgeschrieben. Die Auswahl zwischen den Bewerbungen erfolgt in europäischen Mediensystemen in der Regel nicht in Form einer Versteigerung, sondern anhand vorher festgelegter Kriterien (sogenannter «Beauty Contest»). Damit kann jene·r Bewerber·in ausgewählt werden, welche·r den publizistisch überzeugendsten Antrag einreicht. Der ausgewählte Sender wird dann in der Lizenz rechtlich auf die versprochene Programmleistung verpflichtet (vgl. Enli & Sundet, 2007; Hoffmann-Riem, 1996: 289, 291; Schweizer et al., 2014). Die Kriterien, die bei der Auswahl von Bewerbungen herangezogen werden, können die Programm- und Anbieter·innenvielfalt, das Programmkonzept, den Anteil lokaler resp. lokal produzierter Inhalte, das Finanzierungsmodell sowie die Erfahrung des oder der Bewerber·in betreffen (vgl. Schweizer et al., 2014). Auch Sender, die andere Verbreitungswege nutzen (digital-terrestrische Rundfunknetze, Kabelnetze, Satellit oder Internet), müssen in vielen Mediensystemen eine Zulassung beantragen. Da hier aber nur selten Konkurrenz um knappe Übertragungskapazität besteht, beschränkt sich das Verfahren vielfach auf eine formelle Prüfung des Antrags ohne «Beauty Contest». In einigen Mediensystemen wurde die Zulassung gar durch eine reine Meldepflicht bei der Regulierungsbehörde ersetzt (vgl. Schweizer et al., 2014). Zulassung von Privatrundfunk in Deutschland Private Rundfunksender benötigen eine Zulassung. Anträge für bundesweiten Rundfunk sind von der zuständigen Landesmedienanstalt an die ZAK und im Falle von TV-Sendern auch an die KEK weiterzuleiten. Letztere prüft, ob das antragstellende Unternehmen über vorherrschende Meinungsmacht verfügt, denn dann darf keine Zulassung erteilt werden. Sind sämtliche Voraussetzungen erfüllt, wird die Zulassung erteilt. Ausgenommen von der Zulassungspflicht sind Sender mit einer geringen Bedeutung für die Meinungsbildung oder mit weniger als 20 000 gleichzeitigen Nutzer·innen. (§§ 52 (1), 54 (1), 60 (3), 105 (1), 105 (3) & 107 (1) MStV). Lokale, regionale und landesweite Rundfunksender benötigen eine Zulassung durch die zuständige Landesmedienanstalt. Für terrestrische verbreitete Sender wird in der Regel eine Ausschreibung («Beauty Contest») durchgeführt. Keiner Zulassung bedürfen sogenannte «Telemedien», worunter auch Audio- und Video-on-Demand-Anbieter·innen fallen (§ 17 MStV). <?page no="237"?> Marktzugang und Wettbewerb 237 Zulassung von Privatrundfunk in Österreich Digital-terrestrische und via Satellit verbreitete Radio- und Fernsehsender müssen vor einem Antrag auf Zulassung bei der KommAustria eine Verbreitungsvereinbarung mit Multiplexresp. Satellitenbetreiber·innen abschließen. Nach Prüfung des Antrags wird die Zulassung für zehn Jahre erteilt (§§ 4 & 5 AMD-G; §§ 3 & 5 PrR-G). Analoge UKW-Radiosender bedürfen ebenfalls einer Zulassung. Diese werden von der KommAustria ausgeschrieben, wenn Übertragungskapazität zur Verfügung steht. Liegen mehrere Bewerbungen vor, wählt die KommAustria in einem «Beauty Contest» jene aus, die einen größeren Beitrag zur Meinungsvielfalt und mehr eigengestaltete Beiträge erwarten lässt. Die Zulassung wird für zehn Jahre erteilt und umfasst auch die für die Verbreitung benötigte Frequenz (§§ 3, 5, 6 & 13 PrR-G; § 13 (7) TKG AT). Fernsehsender, die nur via Kabel oder Internet, und Radiosender, die nur via Kabel verbreitet werden, müssen der KommAustria ihre Sendetätigkeit melden. Das gilt auch für Video-on-Demand-Anbieter·innen (§ 9 AMD-G; § 6a PrR-G). Internetradios sind nicht meldepflichtig. Für den Betrieb elektronischer Kommunikationsnetze (bspw. Fest-, Mobilfunk- oder Rundfunknetz) und -dienste (Internetzugang; interpersonelle Kommunikation wie Sprachtelefonie oder SMS; Rundfunkübertragung) braucht es in der EU keine Zulassung. Eine sogenannte Allgemeingenehmigung reicht aus (nummernunabhängige Kommunikationsdienste brauchen selbst das nicht). Die Mitgliedstaaten können indes eine Meldepflicht bei der zuständigen Regulierungsbehörde vorschreiben (Art. 12 Richtlinie (EU) 2018/ 1972). 6 Der Betrieb privater Radio- und Fernsehsender bedingt traditionell die Erteilung einer Zulassung durch den Staat, wofür häufig ein sogenannter «Beauty Contest» durchgeführt wird. Vermehrt ist aber eine Meldepflicht ausreichend. 6 In Deutschland und Österreich ist das für öffentliche Netze und Dienste der Fall (§ 5 TKG DE; § 6 TKG AT), in der Schweiz müssen sich Anbieter·innen gewisser Fernmeldedienste registrieren (Art. 4 FMG). In Deutschland ist zudem die Bündelung von Rundfunksendern oder On-Demand-Angeboten Dritter zu einem Gesamtangebot (bspw. Kabelnetze oder OTT-Angebote; im deutschen Recht «Medienplattformen» genannt) und die Bereitstellung von Benutzungsoberflächen für die Auswahl von Inhalten meldepflichtig (§ 79 (2) MStV). In Österreich gilt eine Meldepflicht für die Aggregation von Sendern zu Paketen (§ 9 (5) AMD-G). <?page no="238"?> Bereiche der Medienpolitik 238 Zulassung von Privatrundfunk in der Schweiz Private Rundfunksender sind nur noch meldepflichtig beim BAKOM. Private Sender können sich aber auch auf öffentlich ausgeschriebene Veranstalterkonzessionen für kommerzielle Regionalfernseh- und Lokalradiosender sowie nicht-kommerzielle Lokalradiosender bewerben (vgl. Künzler, 2013a: 287- 289). Eine Konzession verpflichtet zur Erfüllung eines publizistischen Leistungsauftrags, bietet im Gegenzug aber einen Anteil aus der Radio- und Fernsehabgabe sowie Verbreitungsprivilegien (früher Funkkonzession für eine UKW-Frequenz; heute Zugangsberechtigung zu DAB-Multiplexen sowie Kabelnetzen). Bei Konkurrenz um eine Konzession wird in einem «Beauty Contest» geprüft, welche·r Bewerber·in am besten in der Lage ist, den Leistungsauftrag zu erfüllen; bei Gleichstand wird jene·r bevorzugt, der oder die die Vielfalt am meisten bereichert. Konzessionen werden durch das UVEK erteilt (Art. 3, 38, 43, 45, 53 & 59 RTVG; Art. 2, 36 & 43 RTVV; Art. 22 FMG). 9.2 Harmonisierung und Zuweisung von Funkfrequenzen Um terrestrischen Rundfunk und Mobilfunk zu betreiben, werden Funkfrequenzen benötigt. Frequenzen sind öffentliches Eigentum und werden deshalb durch den Staat verwaltet (siehe Kapitel 5.1). Dabei ist zwischen der Koordination und Harmonisierung der Nutzung und der Zuweisung von Nutzungsrechten an einzelne Anbieter·innen zu unterscheiden. Um Störungen zu vermeiden und das Frequenzspektrum effizient zu nutzen, ist eine internationale Koordination und Harmonisierung nötig. Die Festlegung von Frequenzbereichen für bestimmte Funkdienste (z. B. Rundfunk) wird in den Radio Regulations der ITU vorgenommen, die an der «World Radiocommunication Conference» regelmäßig aktualisiert werden (siehe Kapitel 8.1.2). Die europäischen Staaten koordinieren die Frequenznutzung zusätzlich im Rahmen des «Electronic Communication Committee» (ECC) der «European Conference of Postal and Telecommunications Administrations» (CEPT). Die Mitgliedstaaten der EU sind zudem angehalten, die Nutzung von Funkfrequenzen untereinander zu koordinieren und zu harmonisieren (Art. 4 Richtlinie (EU) 2018/ 1972). Das ist nicht einfach eine technische Frage, denn um die Nutzung von Frequenzbereichen stehen verschiedene Industrien miteinander in Konkurrenz. Konflikte zwischen Rundfunk- und Telekommunikationsbranche traten etwa bei der <?page no="239"?> Marktzugang und Wettbewerb 239 Umstellung von der analogen zur digitalen Verbreitung im Rundfunk zutage. Dank der Digitalisierung benötigt ein einzelner Sender weniger Platz im Frequenzspektrum. Die neu vorhandene Übertragungskapazität kann nun entweder für weitere Rundfunksender oder aber für einen Ausbau des Mobilfunks genutzt werden (vgl. Humphreys & Simpson, 2018: 54-56). Auch die Zuweisung von Nutzungsrechten für bestimmte Frequenzen fällt in die Zuständigkeit des Staates. So muss festgelegt werden, wer welche Frequenzen in einem Land nutzen darf. Zahlreiche Funkfrequenzen dürfen von der Allgemeinheit frei genutzt werden (bspw. für WLAN oder drahtlose Mikrofone). Das ist aber nicht bei allen Anwendungen möglich. Sofern hohe Anforderungen an die Verfügbarkeit und Qualität eines Funkdienstes bestehen (also ein störungsfreier Betrieb gewährleistet sein muss) oder sich dies mit Zielen von allgemeinem Interesse begründen lässt, werden Frequenzen zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Dies trifft auf analoge Radio- und Fernsehsender sowie auf Betreiber·innen von digitalen Rundfunknetzen (sogenannten Multiplexen) und Mobilfunknetzen (Mobiltelefonie und mobiles Internet) zu. Liegen mehrere Anträge auf Zuweisung einer Frequenz vor, muss ein Vergabeverfahren organisiert werden. 7 Während analog-terrestrische Rundfunksender (z. B. UKW-Radios) eine Funkfrequenz meist zusammen mit ihrer Zulassung erhalten (siehe Kapitel 9.1), werden die Frequenzen für die Verbreitung digital-terrestrischer Rundfunksender Multiplex-Betreiber·innen zugewiesen (in der Regel Direktvergabe oder «Beauty Contest»), da in einem Multiplex mehrere Sender gemeinsam verbreitet werden. Die Sender müssen sich dann in Verhandlungen mit den Multiplex-Betreiber·innen über die Konditionen für die Verbreitung einigen. Sender, die selbst in einem «Beauty Contest» ausgewählt wurden, haben meist ein Anrecht auf Verbreitung. Analog-terrestrische Rundfunksender, digitale Rundfunksowie Mobilfunknetze benötigen durch den Staat zugewiesene Nutzungsrechte an Frequenzen. 7 Dabei ist zwischen einer Versteigerung und einer auf vorher festgelegten Kriterien basierenden Auswahl zu unterscheiden. In jedem Fall muss das Verfahren objektiv, transparent, nichtdiskriminierend und verhältnismäßig sein (Art. 46 (1), 48 (4) & 55 Richtlinie (EU) 2018/ 1972). Die EU erlaubt ihren Mitgliedstaaten, Radio und Fernsehen in für deren Verbreitung besonders geeigneten Frequenzbereichen gegenüber Telekommunikationsdiensten zu bevorzugen, da dies zur Förderung der Medienvielfalt beiträgt. Ebenso dürfen die Mitgliedstaaten bei der Vergabe von Frequenzen für den Rundfunk eigene Kriterien festlegen und von offenen Verfahren abweichen (Art. 45 (5), 48 (2) & 48 (3) Richtlinie (EU) 2018/ 1972). Im Mobilfunk wird hierfür meistens durch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation eine Auktion durchgeführt. <?page no="240"?> Bereiche der Medienpolitik 240 Frequenzen für Multiplexe in Deutschland, Österreich und der Schweiz Deutschland: Nach Zuordnung der benötigten Frequenzen durch die Ministerpräsident·innen der Länder an die Landesmedienanstalten und Mitteilung an die Bundesnetzagentur werden bundesweite Multiplexe durch die ZAK ausgeschrieben. Gibt es mehrere Bewerber·innen, erfolgt die Zuweisung für eine Dauer von zehn Jahren an jene·n Bewerber·in, dessen oder deren Angebot am ehesten die Vielfalt fördert, relevante Ereignisse abdeckt und bedeutsame Gruppen zu Wort kommen lässt. Eine Versteigerung ist ausgeschlossen (§§ 101 & 102 MStV; §§ 96 (1) & 100 (2) TKG DE). Auf Länderebene ist der Ablauf ähnlich. Frequenzen für regionale Multiplexe werden in der Regel ausgeschrieben und die dortige Landesmedienanstalt hat unter den eingegangenen Bewerbungen eine Auswahl zu treffen. Österreich: Zulassungen für Betreiber·innen von DAB- und DVB-Multiplexen werden von der KommAustria ausgeschrieben und für eine Dauer von zehn Jahren vergeben. Die Auswahlkriterien umfassen auch den Beitrag zur Meinungsvielfalt (§§ 23-25 AMD-G; §§ 15-15b PrR-G). Schweiz: Bei Konkurrenz werden Funkkonzessionen für DAB- und DVB- Multiplexe von der ComCom ausgeschrieben, die dann einen «Beauty Contest» durchführt. Die Selektionskriterien umfassen u. a. den Beitrag zur Medienvielfalt und die Wirtschaftlichkeit. Besteht keine Konkurrenz (und sind bestimmte Voraussetzungen erfüllt), wird die Konzession direkt vom BAKOM erteilt (Art. 22a FMG; Art. 23 & 27 VNF; vgl. ComCom, 2018). 9.3 Ökonomischer Wettbewerb und Marktmacht 9.3.1 Grundlagen Die allgemeine Wettbewerbsordnung gilt für alle Wirtschaftssektoren und damit auch für Medien-, Plattform- und Telekommunikationsmärkte. Damit soll ein funktionierender ökonomischer Wettbewerb gewährleistet und die Entstehung oder der Missbrauch von Marktmacht verhindert werden. Drei Elemente der Wettbewerbsordnung sind zu unterscheiden (vgl. Heinrich, 1999: 252): Kartellverbot: Absprachen zwischen Konkurrent·innen zum Zweck der Wettbewerbsbehinderung (z. B. Preisabsprachen) sind untersagt. <?page no="241"?> Marktzugang und Wettbewerb 241 Missbrauchskontrolle: Hat ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung, darf diese nicht missbraucht werden. Die Missbrauchskontrolle greift erst nachträglich («ex post»), also nachdem ein Missbrauch stattgefunden hat. Fusionskontrolle: Um Konzentration zu verhindern, unterliegen Fusionen, die bestimmte Umsatzschwellen überschreiten, einer staatlichen Kontrolle. Die Fusionskontrolle vollzieht sich in zwei Schritten. Zuerst wird geprüft, ob formelle Aufgreifkriterien erfüllt sind. Nur wenn das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen einen bestimmten Umsatz übersteigen würde, kann der Zusammenschluss von der Wettbewerbsbehörde geprüft werden. Unterhalb dieser Umsatzschwelle wird keine Untersuchung eingeleitet. Kommt es zu einer Untersuchung, prüft die Wettbewerbsbehörde den Zusammenschluss zweitens anhand materieller Eingreifkriterien. Dabei wird geprüft, ob ein Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung entstehen lässt oder noch verstärkt. Ist dies der Fall, kann die Fusion untersagt oder mit Auflagen versehen werden (vgl. Weber, 1995: 49). Um festzustellen, ob ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung innehat, muss zuerst der relevante Markt bestimmt werden. In Medienmärkten ist diese Marktabgrenzung besonders kompliziert. So müssen vor- und nachgelagerte Märkte sowie Publikums- und Werbemärkte unterschieden werden, die dann wiederum geografisch und sachlich (getrennte Märkte für verschiedene Mediengattungen vs. ein gemeinsamer Medienmarkt) abgegrenzt werden müssen (vgl. Heinrich, 2001: 123). Ob eine marktbeherrschende Stellung nachgewiesen werden kann, hängt stark davon ab, wie eng oder breit der Markt definiert wurde (vgl. Baker, 2007: 59). Ist der Markt erst einmal abgegrenzt, lassen sich die Marktanteile der einzelnen Unternehmen basierend auf ihrem Umsatz oder ihrem Publikumsmarktanteil berechnen und darauf aufbauend die Konzentration messen. Während mit der Konzentrationsrate (CR) der gemeinsame Marktanteil der bspw. drei (CR3), fünf (CR5) oder zehn (CR10) größten Unternehmen im Markt ausgewiesen wird, berücksichtigt der Herfindahl-Hirschman-Index (HHI) nicht nur alle Unternehmen in einem Markt, sondern trägt auch deren unterschiedlichen Größen Rechnung. Zur Berechnung des HHI werden zuerst die Marktanteile aller Unternehmen ins Quadrat gesetzt und dann miteinander addiert. In den USA gelten Märkte mit einem HHI über 2500 als hoch konzentriert (vgl. Heinrich, 2001: 122-123; Just, 2020). <?page no="242"?> Bereiche der Medienpolitik 242 9.3.2 Wettbewerbsordnung in Europa Eine Wettbewerbsordnung existiert auf europäischer und auf nationaler Ebene. In der EU sind Kartelle, der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und staatliche Beihilfen, die den Wettbewerb verzerren, verboten (Art. 101, 102 & 107 AEUV; siehe Kapitel 7.3.2.1). Zudem gilt für Zusammenschlüsse, die von Bedeutung für den gemeinsamen Binnenmarkt sind, die Fusionskontrollverordnung (FKVO; Verordnung (EG) 139/ 2004). Zusammenschlüsse müssen bei der Generaldirektion «Wettbewerb» der Europäischen Kommission angemeldet werden, wenn die beteiligten Unternehmen einen gemeinsamen weltweiten Umsatz von über EUR 5 Milliarden und mindestens zwei der Unternehmen einen gemeinschaftsweiten Umsatz von jeweils über EUR 250 Millionen auf sich vereinen. Daneben gibt es noch weitere Aufgreifkriterien. Hingegen findet keine Prüfung durch die Kommission statt, wenn die beteiligten Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Umsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat erzielen (Art. 1 (2) & (3)). Wenn durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird, ist dieser unzulässig (Art. 2 (3)) oder kann mit Auflagen verbunden werden (Art. 6). Auch auf nationaler Ebene sind Kartelle und der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten. Für die Fusionskontrolle sind die nationalen Wettbewerbsbehörden zuständig. Von Unterschieden bei den genauen Aufgreifkriterien abgesehen funktioniert die Fusionskontrolle überall sehr ähnlich. Die Fusionskontrolle kommt auch für Zusammenschlüsse zwischen Medienunternehmen zur Anwendung. Doch deren Effektivität ist mit Blick auf Medienfusionen umstritten. EU-Mitgliedstaaten ist es deshalb explizit erlaubt, Maßnahmen zum Schutz der Medienvielfalt zu treffen (Art. 21 (4) Verordnung (EG) 139/ 2004). Mit medienspezifischen Vorschriften in der Fusionskontrolle oder einer gesonderten Regulierung von Medienkonzentration (siehe Kapitel 9.4) können dann Zusammenschlüsse untersagt werden, die gemäß der regulären Fusionskontrolle eigentlich zulässig wären (vgl. Just, 2020). Die Fusionskontrolle kann einerseits mit Multiplikationsfaktoren ergänzt werden, die dafür sorgen, dass Zusammenschlüsse von Medienunternehmen auch dann geprüft werden müssen, wenn sie die Umsatzschwellen eigentlich nicht überschreiten. «With the multiplication of turnover it is acknowledged that the public-opinion-forming power and democratic functions of the media are far greater than their turnover might suggest at face value» (Just, 2020: 191). Andererseits kann eine Gefährdung der Medienvielfalt als Grund für die Untersagung von Zusammenschlüssen erklärt werden. <?page no="243"?> Marktzugang und Wettbewerb 243 Fusionskontrolle und Medien in Deutschland, Österreich und der Schweiz Deutschland: Das Bundeskartellamt (BKartA) prüft Zusammenschlüsse, wenn die beteiligten Unternehmen gemeinsam einen weltweiten Umsatz von mehr als EUR 500 Mio. erzielen und im Inland mindestens je ein beteiligtes Unternehmen mehr als EUR 50 Mio. resp. EUR 17.5 Mio. Umsatz macht. Für Presseverlage sind die Umsätze mit dem Faktor vier, für Rundfunkunternehmen mit dem Faktor acht zu multiplizieren. Fusionen, die die marktbeherrschende Stellung eines Verlags verstärken, sind zulässig, wenn der übernommene Verlag Verluste schreibt, ohne Übernahme in seiner Existenz gefährdet wäre und zuvor kein·e wettbewerbskonformere·r Käufer·in gefunden wurde (§§ 35 (1), 36 (1) & 38 (3) GWB). Österreich: Von der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) werden Fusionen geprüft, wenn die beteiligten Unternehmen einen gemeinsamen Umsatz von mehr als EUR 300 Mio. weltweit und im Inland von mehr als EUR 30 Mio. (davon mindestens zwei mehr als EUR 1 Mio.) erzielen sowie wenn mindestens zwei beteiligte Unternehmen einen weltweiten Umsatz von mehr als EUR 5 Mio. erwirtschaften. Für Medienzusammenschlüsse sind die Umsätze von Medienunternehmen mit dem Faktor 200, von sogenannten Medienhilfsunternehmen (bspw. Druck, Werbung und Vertrieb) mit dem Faktor 20 zu multiplizieren. Medienzusammenschlüsse sind auch dann zu untersagen, wenn durch die Fusion eine Beeinträchtigung der Medienvielfalt zu erwarten ist (§§ 8, 9 (1), 9 (3) & 13 KartG). Schweiz: Der Wettbewerbskommission (WEKO) sind Zusammenschlussvorhaben zu melden, bei denen die beteiligten Unternehmen gemeinsam einen Umsatz von mindestens CHF 2 Mia. weltweit oder mindestens CHF 500 Mio. in der Schweiz erzielt haben und mindestens zwei der beteiligten Unternehmen in der Schweiz mindestens einen Umsatz von CHF 100 Mio. erzielen (Art. 9 (1) KG). Tiefere Schwellenwerte für Medien wurden abgeschafft. Auch für Plattformunternehmen gilt diese allgemeine Wettbewerbsordnung. Plattformmärkte tendieren aufgrund von direkten und indirekten Netzwerkeffekte sowie Subadditivitäten zu starker Konzentration (siehe Kapitel 5.2.1). Doch mit den herkömmlichen Instrumenten der Wettbewerbsordnung lässt sich die Marktmacht von Plattformen, die auf zwei- oder mehrseitigen Märkten tätig sind, nur unzureichend fassen. <?page no="244"?> Bereiche der Medienpolitik 244 Wettbewerbsordnung und Plattformen in Deutschland und Österreich Mit der Anerkennung, dass ein Markt auch dann bestehen kann, wenn eine Leistung unentgeltlich erbracht wird, dass Netzwerkeffekte, Lock-In-Effekte, Datenzugang und die Vermittlungsrolle bei der Bewertung von Marktmacht zu berücksichtigen sind und dass Plattformen eine marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb haben können (§§ 18 (2a), (3a), (3b) & 19 GWB), nimmt die deutsche Politik eine Pionierrolle ein. Auch in Österreich wurden die Kriterien für Marktbeherrschung angepasst (§ 4 (1) KartG). Zudem können in Deutschland und Österreich Zusammenschlüsse geprüft werden, die unterhalb der Umsatzschwellen liegen, sofern ein hoher Kaufpreis (EUR 400 resp. 200 Mio.) bezahlt wird (§ 35 (1a) GWB; § 9 (4) KartG). Damit können Übernahmen von Internetunternehmen erfasst werden, die zwar einen geringen Umsatz, aber einen hohen Wert (z. B. Daten) haben. Indirekte Netzwerkeffekte führen dazu, dass es kein klares Verhältnis zwischen Grenzkosten und Preisen gibt. Damit kann eine Plattform ihre Dienste auf einer Marktseite deutlich über den Grenzkosten anbieten, auf der anderen Marktseite deutlich darunter oder gratis. Konkret zahlen die Nutzer·innen auf dem Publikumsmarkt also nicht mit Geld, sondern mit Aufmerksamkeit für Werbung oder mit Nutzungsdaten. Zudem wird der Wettbewerb über Nicht-Preisparameter wie Qualität, Innovation oder Datenschutz ausgetragen. Bisher setzt die Wettbewerbsordnung aber an monetären Preisen an, die für ein Produkt bezahlt werden. Darüber hinaus wird bisher kaum berücksichtigt, dass auch die Kontrolle über große Mengen von Nutzungsdaten Marktmacht begründen (vgl. Coyle, 2018; Graef, 2018; Just, 2018; 2020). Entsprechend wurde die Wettbewerbsordnung in einigen Ländern angepasst; in zahlreichen weiteren werden Anpassungen erwogen (siehe auch Studie 11). Das Ziel der Wettbewerbsordnung besteht darin, den ökonomischen Wettbewerb sicherzustellen und die Entstehung oder den Missbrauch von Marktmacht zu verhindern. Doch zum einen ist die Wettbewerbsordnung zur Sicherstellung ökonomischen Wettbewerbs nicht immer ausreichend. Deshalb wird in gewissen Märkten, in denen Anbieter·innen mit großer Marktmacht existieren, nicht nur auf die nachträgliche («ex post») Missbrauchskontrolle vertraut. Für elektronische Kommunikationsnetze existiert ergänzend eine Vorabregulierung («ex ante») für Netzbetreiber·innen mit beträchtlicher Marktmacht, die allerdings als Übergangslösung gedacht ist und seit der Liberalisierung des Telekommunikationssektors <?page no="245"?> Marktzugang und Wettbewerb 245 sukzessive abgebaut wird (vgl. Just, 2020; siehe Kapitel 12.3.1). Auch für Plattformen gibt es in der EU eine zusätzliche Vorabregulierung (siehe Kapitel 12.3.4). Zum anderen ist ökonomischer Wettbewerb allein nicht ausreichend, um auch nicht-ökonomische Ziele wie Vielfalt oder Qualität zu verwirklichen. Aus diesem Grund wird die Fusionskontrolle in vielen Mediensystemen durch eine Regulierung von Medienkonzentration ergänzt (siehe Kapitel 9.4). Studie 11: Einfluss von Akteuren auf Reformen der Wettbewerbsordnung Popiel (2020) untersuchte Anhörungen im US-Kongress über mögliche Reformen der Wettbewerbsordnung zur Einschränkung von Plattformmacht mittels einer qualitativen Auswertung von Dokumenten. Seine Resultate zeigen, dass es vier Gruppen von Akteuren gibt (Plattformen; Konkurent·innen von Plattformen; progressive Think Tanks; konservative Think Tanks), die sich hinsichtlich der Problemdefinition (worin besteht die Macht von Plattformen? ), der vorgeschlagenen Lösungen (ökonomischen Wettbewerb sicherstellen, zusätzliche Eingriffe oder gar Deregulierung? ) und damit der Wünschbarkeit einer staatlichen Regulierung von Plattformmärkten unterscheiden. Kartellverbot, Missbrauchskontrolle und Fusionskontrolle finden auch auf Medien-, Telekommunikations- und Plattformmärkte Anwendung. Um den Besonderheiten von Medien besser Rechnung tragen zu können, finden sich in der Fusionskontrolle teilweise besondere Bestimmungen für Zusammenschlüsse von Medienunternehmen. 9.4 Publizistischer Wettbewerb und Meinungsmacht 9.4.1 Grundlagen Aus ökonomischer Perspektive ist Konzentration ein Problem, weil Unternehmen dadurch Marktmacht erhalten oder verstärken, was sich negativ auf den ökonomischen Wettbewerb auswirken kann. Um dies zu verhindern, wird auf die Wettbewerbsordnung mit ihrer Fusionskontrolle gesetzt (siehe Kapitel 9.3). Doch mit Blick auf die öffentliche Vermittlung von Kommunikation ist Konzentration insbesondere deshalb problematisch, weil dadurch Meinungsmacht entsteht oder ausgebaut wird, die missbraucht werden kann. <?page no="246"?> Bereiche der Medienpolitik 246 Um Meinungsmacht zu verhindern und Medienvielfalt zu gewährleisten, reicht ökonomischer Wettbewerb aber nicht aus (siehe Kapitel 5.2.2.2 & 5.3.1), sondern es bedarf eines publizistischen Wettbewerbs, der durch die Regulierung von Medienkonzentration sichergestellt werden soll: «Media ownership restrictions are generally intended to protect political and cultural pluralism which, as a policy objective, is quite different from promoting competition» (Doyle, 2013: 181). Zur Beschränkung horizontaler Konzentration können verschiedene Modelle unterschieden werden (vgl. Mailänder, 2000: 289-321; Puppis, 2006; Weber, 1995: 133-144): Das Zulassungsmodell beschränkt die Anzahl der Sender, die ein Unternehmen betreiben darf. Das Beteiligungsmodell beschränkt die zulässige Höchstbeteiligung, die eine Person an einem Medienunternehmen halten darf. Das Zuschauer·innen-, Hörer·innenresp. Leser·innenanteilsmodell beschränkt den zulässigen Publikumsmarktanteil, den ein Unternehmen mit allen ihm zurechenbaren Sendern resp. Titeln erreichen darf. Die Anzahl der Medienangebote wird hingegen nicht beschränkt. Das Einnahmenanteilsmodell beschränkt den zulässigen Werbemarktanteil oder den Anteil am Umsatz auf einem Medienmarkt pro Unternehmen. Um den potenziellen Missbrauch von Meinungsmacht zu verhindern, wäre aber eine gattungsübergreifende Regulierung multimedialer Konzentration notwendig, «weil von der funktionalen Unteilbarkeit des für die Meinungsbildung relevanten Meinungsmarktes auszugehen ist und weil es für die Meinungsbildung und Meinungsvielfalt nicht darauf ankommen kann, in welchem Medium die Meinungen verbreitet werden» (Heinrich, 1999: 265). Auch hierfür gibt es verschiedene Modelle (vgl. Mailänder, 2000: 289-321; Puppis, 2006; Weber, 1995: 133-144): Mit Rezipient·innen- oder Einnahmenanteilsmodellen, die sämtliche Medienmärkte umfassen, lassen sich der zulässige Anteil von Unternehmen am Publikums- oder am Werbemarkt resp. am Umsatz im Mediensektor beschränken. Da nicht alle Mediengattungen für Meinungsmacht gleich relevant sind, gibt es auch Versuche der Gewichtung (vgl. Just, 2009; 2020). Mit dem Beteiligungsmodell kann eine starke Stellung in einem Medienmarkt als Grund für eine Begrenzung der Tätigkeit eines Unternehmens auf einem anderen Medienmarkt herangezogen werden. Mit dem sektoralen Begrenzungsmodell lässt sich die Anzahl der Medienmärkte, auf denen ein Unternehmen tätig sein darf, beschränken. <?page no="247"?> Marktzugang und Wettbewerb 247 Vertikale Konzentration findet zwar bei der Vorabregulierung von elektronischen Kommunikationsnetzen und Plattformen zur Sicherstellung ökonomischen Wettbewerbs Beachtung (siehe Kapitel 12.3), wird jedoch bislang nur selten unter dem Gesichtspunkt von Meinungsmacht reguliert. Doch Meinungsmacht entsteht nicht nur durch Medienkonzentration, sondern auch Kommunikationsnetze und Plattformen, die Zugang zu Inhalten bieten, müssen bei der Sicherung von Meinungsvielfalt berücksichtigt werden (vgl. Just, 2020; Neuberger, 2018). Während Medien die Vielfalt des Angebots beeinflussen, prägen Plattformen die Vielfalt, der die Nutzer·innen überhaupt begegnen. Umso wichtiger wird es, dass sich Medienpolitik auch mit der algorithmischen Selektion von Inhalten durch Plattformen beschäftigt (vgl. Helberger, 2018; 2020). Dabei geht es weniger um Beschränkungen von Beteiligungen, Umsätzen oder Reichweiten wie bei der Medienkonzentrationsregulierung, sondern vor allem um eine Governance von Algorithmen (siehe Kapitel 12.4.2). 9.4.2 Medienkonzentrationsregulierung in Europa Auf europäischer Ebene hat der Europarat mehrfach die Bedeutung der Regulierung von Medienkonzentration und der Transparenz von Medieneigentum betont (Recommendation CM/ Rec(2007)2, CM/ Rec(2018)1 und CM/ Rec(2022) 11). Durch die EU wird Medienkonzentration nicht gesondert reguliert. Die Arbeiten an einer Medienkonzentrationsrichtlinie sind in den 1990er-Jahren gescheitert (siehe Kapitel 7.3.2.1). Damals schlug die Kommission eine Begrenzung des maximal erlaubten Zuschauermarktanteils im Fernsehsektor auf 30 % vor. Eine ähnliche Regelung sollte für den Hörfunk gelten. Für Verflechtungen zwischen Rundfunk und Presse war eine Begrenzung des Rezipient·innenanteils auf 10 % vorgesehen (vgl. Mailänder, 2000: 330). Dagegen wehrten sich nicht nur private Medienunternehmen, sondern aufgrund der fehlenden Zuständigkeit der EU für kulturelle Fragen auch viele Mitgliedstaaten (vgl. Humphreys & Simpson, 2018: 144-145; Michalis, 2014). Im Vorschlag für ein Europäisches Medienfreiheitsgesetz sind lediglich Transparenzvorschriften für Medieneigentum enthalten. Damit liegt die Kompetenz für eine Regulierung von Medienkonzentration allein bei den Mitgliedstaaten, denen Maßnahmen zum Schutz der Medienvielfalt explizit erlaubt sind (Art. 21 (4) Verordnung (EG) 139/ 2004; siehe Kapitel 9.3). Ob und wie stark Medienkonzentration auf nationaler Ebene reguliert wird, unterscheidet sich je nach Mediensystem. Wenn es eine Regulierung gibt, beschränkt sie sich häufig auf den Rundfunk oder gar nur das Fernsehen. Das Ziel einer alle <?page no="248"?> Bereiche der Medienpolitik 248 Medienmärkte umfassenden Konzentrationsregulierung wird damit verfehlt. Zudem wurden in den letzten Jahren viele Regulierungsmaßnahmen abgeschafft, um die Wettbewerbsfähigkeit von Medienunternehmen zu erhöhen und im Standortwettbewerb zwischen Ländern (und in Deutschland auch zwischen Bundesländern) an Attraktivität zu gewinnen (vgl. Humphreys & Simpson, 2018: 141). Innovative Modelle für eine multimediale Regulierung von Medienkonzentration finden sich bisher nur wenige. In Italien wurde versucht, ein Einnahmenanteilsmodell auf den gesamten Medien- und Kommunikationssektor anzuwenden. Das sogenannte «Sistema integrato delle comunicazioni» umfasst audiovisuelle Mediendienste, Radio, Zeitungen, Zeitschriften, Onlinemedien, Kino und Werbebranche und verbietet, dass ein einzelnes Unternehmen mehr als 20 % Umsatz in diesem Markt erzielt. Faktisch erhielten große Medienunternehmen dadurch aber die Möglichkeit, sich in weiteren Medienmärkten auszubreiten (vgl. Just, 2009). Zuschauer·innenanteilsmodell für bundesweites Fernsehen in Deutschland Medienunternehmen dürfen bundesweit eine unbegrenzte Anzahl von Fernsehsendern veranstalten, solange sie keine vorherrschende Meinungsmacht erreichen. Dies wird bei einem Zuschauer·innenmarktanteil von 30 % unterstellt. Wenn das Unternehmen auf einem medienrelevanten verwandten Markt eine marktbeherrschende Stellung besitzt oder die Gesamtbeurteilung seiner Aktivitäten als äquivalent zu einem Zuschauer·innenmarktanteil von 30 % erachtet wird, gilt stattdessen nur ein Marktanteil von 25 % als zulässig. Zur Sicherung von Meinungsvielfalt sind die beiden reichweitenstärksten privaten Vollprogramme verpflichtet, regionale Fensterprogramme mit Informationssendungen auszustrahlen. Zudem müssen Vollprogramme und Informationsspartenprogramme mit 10 % Zuschauer·innenmarktanteil (und der größte Sender von Unternehmen mit 20 % Marktanteil) Sendezeit für Fensterprogramme unabhängiger Dritter bereitstellen. Im Gegenzug dürfen Medienunternehmen von ihrem realen Marktanteil zwei (regionale Fenster) resp. drei Prozentpunkte (Sendezeit für Dritte) abziehen (§§ 59 (4), 60 (1), 60 (2) & 60 (5) MStV). Folglich liegt die zulässige Höchstgrenze faktisch dennoch bei 30 %. Weder RTL Deutschland noch ProSiebenSat.1 Media laufen Gefahr, diese Grenze zu überschreiten. Auf Ebene der Bundesländer werden teilweise die Anzahl Zulassungen für Rundfunk, die ein Unternehmen halten darf, oder die Beteiligung an Rundfunksendern durch Zeitungsverlage beschränkt (vgl. Seufert & Gundlach, 2017: 214-215, 229-231). <?page no="249"?> Marktzugang und Wettbewerb 249 In Deutschland sah sich die KEK 2006 mit dem geplanten (aber letztlich abgeblasenen) Zusammenschluss des Fernsehkonzerns ProSiebenSat.1 Media und dem Axel-Springer-Verlag konfrontiert (siehe Studie 12). Um den Einfluss von Fernsehen, Tagespresse und Internet auf die Meinungsbildung miteinander vergleichen zu können, versuchte die KEK anhand der Kriterien Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft eine Gewichtung vorzunehmen, was überaus kontrovers diskutiert wurde. Neueren Datums ist der von den Landesmedienanstalten veröffentlichte Medienvielfaltsmonitor (https: / / medienvielfaltsmonitor.de). Dieser ermittelt auf Basis einer Befragung das Gewicht von Fernsehen, Radio, Tageszeitungen, Zeitschriften und Internet für die Meinungsbildung und berechnet so den Einfluss einzelner Medienunternehmen auf den Meinungsmarkt in Deutschland (vgl. Humphreys & Simpson, 2018: 154-155; Just, 2009; 2020). Beschränkung von Zulassungen und Reichweite in Österreich Medieneigentümer·innen dürfen mehrere Zulassungen für terrestrische Radio- und Fernsehsender halten, doch im Digitalfernsehen dürfen sich höchstens drei, im Digitalradio höchstens zwei und bei UKW-Radios keines der Sendegebiete überschneiden. Damit wird das gleichzeitige Eigentum bundesweiter und regionaler Sender teilweise eingeschränkt. Mit allen UKW-Sendern zusammen dürfen zudem maximal acht Millionen Menschen erreicht werden, was faktisch die Abdeckung des ganzen Landes erlaubt. Für Medienverbünde (Konglomerate aus Medieneigentümer·innen und mit diesen verbundene Unternehmen) gelten weniger strenge Regeln. Ein Medienverbund darf mit seinen UKW-Sendern maximal zwölf Millionen Menschen erreichen und keinen Ort des Bundesgebiets mit mehr als zwei analog- und zwei digital-terrestrischen Sendern versorgen (§ 11 (1) AMD-G; § 9 PrR-G). Auch multimediale Konzentration wird reguliert: Kein Fernsehen betreiben dürfen Medieneigentümer·innen, die entweder mit terrestrischem Radio, Tagespresse, Wochenpresse oder Kabelnetzen mehr als 30 % bundesweite Reichweite erzielen. Von nicht-bundesweitem terrestrischem Fernsehen ist ausgeschlossen, wer in mindestens zwei dieser vier Märkte mehr als 30 % Reichweite im Sendegebiet erreicht. Damit wird Konzentration in regionalen Medienmärkten aber nicht verhindert. Weiter dürfen Medienverbünde keinen Ort des Bundesgebiets mit mehr als einem terrestrischen Radiosender und einem Drittel der dort empfangbaren terrestrischen Fernsehsender versorgen (§§11 (2), (3) & (4) AMD- G; § 9 (3) PrR-G). <?page no="250"?> Bereiche der Medienpolitik 250 Studie 12: Berichterstattung über die ProSiebenSat.1/ Springer-Fusion Kemner, Scherer und Weinacht (2008) untersuchten anlässlich der geplanten Übernahme von ProSiebenSat.1 Media durch den Axel-Springer-Verlag mittels einer quantitativen Inhaltsanalyse, ob Zeitungen, die dem Springerverlag oder Konkurrenzverlagen gehören, in ihrer Berichterstattung über die Übernahme journalistische Qualitätsstandards eingehalten haben. Die Resultate zeigen systematische Unterschiede in der Darstellung und Bewertung des Themas und damit den Einfluss von Eigeninteressen auf die Berichterstattung. Um eine öffentliche Diskussion zu vermeiden, berichtete die Springerpresse zwar vordergründig sachlich. Doch die Übernahme wurde durch die Auswahl «opportuner Zeugen» (welche die eigene Position stützen) und die Instrumentalisierung «volatiler Themen» (die nicht eindeutig positiv oder negativ besetzt sind) deutlich positiver bewertet als von der Konkurrenz. Auch wenn zur Regulierung von Medienkonzentration zahlreiche Möglichkeiten bestehen, so vollziehen sich Konzentrationsprozesse national wie transnational unvermindert weiter. Medienmärkte sind in praktisch allen europäischen Ländern stark konzentriert. Horizontal wie multimedial dominieren zumeist einige wenige Unternehmen den Markt. Der «Media Democracy Monitor 2021» weist für Tageszeitungs-, Fernseh- und Radiomärkte in zahlreichen Ländern hohe CR3-Werte aus (vgl. Trappel & Tomaz, 2021). Der «Media Pluralism Monitor 2021» bewertet das Risiko für die Medienvielfalt, das sich in der EU aus der Konzentration von Nachrichtenmedien ergibt, mit 81 % als hoch ein. Auch das Risiko der Plattformkonzentration für die Vielfalt wird mit 77 % als hoch eingestuft (vgl. Bleyer- Simon et al., 2021: 49-56). Mildes Zulassungsmodell in der Schweiz In der Schweiz darf ein Unternehmen nicht mehr als zwei Konzessionen für Radio- und zwei Konzessionen für Fernsehsender besitzen. Allerdings ist eine Konzession heute gar nicht mehr nötig. Damit kann ein Unternehmen eine unbeschränkte Anzahl von Sendern ohne Konzession betreiben. Zudem soll das Zulassungsmodell sogar ganz abgeschafft werden. Ferner kann das UVEK Maßnahmen ergreifen, wenn ein Unternehmen durch den Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung die Meinungs- und Angebotsvielfalt gefährdet. Aber das muss erst einmal nachgewiesen werden (Art. 44 (3), 74 & 75 RTVG). <?page no="251"?> Marktzugang und Wettbewerb 251 Angesichts fortschreitender Konzentration wird die Wirksamkeit der existierenden Medienkonzentrationsregulierung von wissenschaftlicher Seite stark kritisiert. Die Politik orientiere sich zu stark an den wirtschaftlichen Interessen der Medienbranche und Konzentration würde in Kauf genommen, um inländische Medienunternehmen zu stärken (siehe Studie 13). Entsprechend fehle der Wille zu einer effektiven Medienkonzentrationsregulierung: Nicht Verhinderung, sondern Förderung von Konzentration sei das eigentliche Ziel der Politik und durch diese Konzentrationsförderung würden Wirtschaftsförderung und Standortpolitik betrieben (vgl. Knoche, 1996). Studie 13: Medienkonzentration und ihre Regulierung Im Rahmen eines umfassenderen Forschungsprojekts wurde auch die medienpolitische Debatte über Medienkonzentration in der Schweiz historisch (Schade, 2006) und mit einer qualitativen Dokumentenanalyse von Parlamentsprotokollen (Künzler & Ledergerber, 2006) untersucht. Die Resultate zeigen, dass Medienkonzentration zwar durchaus als Gefahr für die Demokratie wahrgenommen wurde, eine Regulierung aber dennoch nicht mehrheitsfähig war. Mitte-Rechts-Parteien, die im Parlament in der Mehrheit sind, sahen im Monopol des öffentlichen Rundfunks das größere Problem für die Vielfalt, das mit der Einführung von Privatrundfunk beseitigt werden konnte. Hingegen wurde bei den privaten Medien multimediale Konzentration im Zuge der Rundfunkliberalisierung bewusst in Kauf genommen: Regionalen Presseverlagen wurde es explizit erlaubt, sich an Regional- und Lokalsendern zu beteiligen, um die Verlage wirtschaftlich zu stärken und so ihre Eigenständigkeit zu erhalten. Zusätzlich zur Fusionskontrolle findet sich in vielen Ländern eine gesonderte Regulierung von Medienkonzentration. Damit sollen Medien- und Meinungsvielfalt gesichert werden. Allerdings fokussieren bestehende Modelle immer noch meistens auf einzelne Mediengattungen. <?page no="252"?> Bereiche der Medienpolitik 252 Übungen 1. Weshalb bedarf der Betrieb privater Rundfunksender traditionell einer Zulassung? 2. Welche unterschiedlichen Ziele werden mit der Fusionskontrolle und der Regulierung von Medienkonzentration verfolgt? 3. Erläutern Sie, welche Herausforderungen sich durch die Digitalisierung für die Regulierung von Markt- und Meinungsmacht ergeben. 4. Die Unternehmen in einem nationalen Fernsehmarkt haben folgende Marktanteile: 50.9, 21.1, 16.2, 3.7, 2.0, 1.2, 1.0, 0.6, 0.6 und 0.4. Berechnen Sie CR3 und HHI. Raten Sie: Um welches Land handelt es sich? Literaturtipps Heinrich, J. (1999). Medienökonomie. Band 2: Hörfunk und Fernsehen. Opladen/ Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. [Kapitel 7] In seinem Lehrbuch zur Medienökonomie stellt Heinrich Ursachen und Folgen von Konzentration sowie den Zusammenhang von Konzentration und Vielfalt dar. Just, N. (2009). Measuring Media Concentration and Diversity: New Approaches and Instruments in Europe and the US. Media, Culture & Society, 31(1), 97-117. Just diskutiert in ihrem Artikel verschiedene Ansätze einer multimedialen Konzentrationsregulierung. Knoche, M. (1996). Konzentrationsförderung statt Konzentrationskontrolle. Die Konkordanz von Medienpolitik und Medienwirtschaft. In C. Mast (Hrsg.), Markt - Macht - Medien. Publizistik im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und ökonomischen Zielen (S. 105-117). Konstanz: UVK. Knoche hinterfragt den politischen Willen zu einer effektiven Regulierung von Medienkonzentration aus der Perspektive der Kritischen Politischen Ökonomie. <?page no="253"?> 253 10 Produktion Inhalt und Lernziele Medien sind nicht nur Wirtschaftsgüter, sondern auch Kulturgüter, die in der Gesellschaft eine wichtige soziale, kulturelle und politische Rolle spielen. Entsprechend stellt die Gewährleistung der Produktion publizistischer Medieninhalte durch Medienorganisationen einen zentralen Bereich der Medienpolitik dar. Im folgenden Kapitel werden nacheinander der öffentliche Rundfunk, Medienförderung, die Förderung der audiovisuellen Industrie und medienethische Standards diskutiert. Nach diesem Kapitel können Sie erläutern, welche Bedeutung dem öffentlichen Rundfunk beigemessen wird und durch welche Besonderheiten er sich auszeichnet. verschiedene Formen der Medienförderung unterscheiden. medienpolitische Diskussionen über den öffentlichen Rundfunk und Medienförderung besser einordnen. Grundzüge der Regulierung des öffentlichen Rundfunks sowie der Förderung von Medien und audiovisueller Industrie in Europa darlegen. 10.1 Öffentlicher Rundfunk Mit der Liberalisierung des Rundfunks wurde das öffentliche Rundfunkmonopol in Westeuropa durch ein sogenannt duales System bestehend aus öffentlichem und privatem Rundfunk ersetzt (siehe Kapitel 3.2.2.2). Doch was ist öffentlicher Rundfunk eigentlich? Wie unterscheidet er sich von privatem Rundfunk? Und ist es im Internetzeitalter nicht überholt, weiterhin von Rundfunk zu sprechen? <?page no="254"?> Bereiche der Medienpolitik 254 10.1.1 Grundlagen 10.1.1.1 Begriffsklärung und Abgrenzung Zuallererst gilt es, eine Begriffsklärung vorzunehmen. In diesem Buch werden die Bezeichnung öffentlicher Rundfunk und der international gängige Begriff Public Service Broadcasting (PSB) oder kurz Public Service verwendet. In Deutschland und Österreich ist die Bezeichnung öffentlich-rechtlicher Rundfunk üblich, da der öffentliche Rundfunk in diesen Ländern eine öffentliche Rechtsform besitzt (in Deutschland Anstalten, in Österreich eine Stiftung des öffentlichen Rechts). Das ist aber nicht in allen Ländern der Fall (in der Schweiz beispielsweise ist der öffentliche Rundfunk als privatrechtlicher Verein organisiert). In der Schweiz wiederum findet der französischsprachige Begriff Service public Verwendung. Gemeint ist mit all diesen Begriffen aber grundsätzlich das Gleiche: ein nicht-kommerzieller Rundfunk, der einen Programmauftrag zu erfüllen hat und im Gegenzug aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Keinesfalls gleichzusetzen ist öffentlicher Rundfunk aber mit staatlichem Rundfunk, der in nicht-demokratischen Systemen der Regierung als Sprachrohr dient. Öffentlicher Rundfunk wird nicht innerhalb der staatlichen Verwaltung produziert, sondern von einer eigenständigen Organisation, die unabhängig vom Staat funktionieren soll. Tab. 15: Werbefinanzierter Privatrundfunk und öffentlicher Rundfunk im Vergleich werbefinanzierter Privatrundfunk öffentlicher Rundfunk Organisationsform For-Profit-Organisation Non-Profit-Organisation Organisationzweck Gewinnmaximierung Erfüllung Programmauftrag Angebotsorientierung Präferenzen der Werbewirtschaft Programmauftrag Versorgungsgrad gemäß Rentabilität Vollversorgung Publikum als Ware Bürger·in Finanzierung Werbung v. a. öffentliche Mittel Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Kiefer & Steininger (2014: 371) <?page no="255"?> Produktion 255 Öffentliche und werbefinanzierte privat-kommerzielle Rundfunkorganisationen unterscheiden sich deutlich (siehe Tab. 15). Öffentliche Rundfunkveranstalter sind Non-Profit-Organisationen, während privat-kommerzieller Rundfunk gewinnorientiert arbeitet. Damit steht beim Public Service nicht die Gewinnmaximierung durch eine Maximierung des Marktanteils in werberelevanten Zielgruppen im Mittelpunkt, sondern die Erfüllung eines Programmauftrags bei gleichzeitig wirtschaftlicher Haushaltsführung. Anders als private Medienunternehmen muss sich der Public Service nicht (allein) am Markt und an den Präferenzen der werbetreibenden Wirtschaft orientieren, sondern hat einen Programmauftrag zu erfüllen und für eine geografische und inhaltliche Vollversorgung der Bürger·innen zu sorgen. Für diese Leistung wird der Public Service aus öffentlichen Mitteln finanziert (vgl. Kiefer & Steininger, 2014: 370-377). Um öffentlichen Rundfunk konzeptionell fassen zu können, müssen drei Elemente kombiniert werden: seine inhaltliche Leistung, Organisationsform und Beziehung zur Gesellschaft (vgl. Jarren & Donges, 2005). Erstens kann öffentlicher Rundfunk unter dem Aspekt der zu erfüllenden Funktionen für die Gesellschaft und daraus abgeleiteter inhaltlicher Leistungen definiert werden. Von einem Public Service wird erwartet, dass er bestimmte soziale, kulturelle und politische Funktionen erfüllt (bspw. Sozialisation, Integration, Orientierung, Verständigung, Beitrag zum politischen Diskurs, Meinungsbildung), die marktlich finanzierte Rundfunkanbieter·innen zwangsläufig vernachlässigen. Dabei soll sich der öffentliche Rundfunk aber nicht auf Genres beschränken, die private Sender kaum anbieten wie Informations- oder Kultursendungen. Eine solche Marktversagensperspektive wird in einem Großteil der Literatur abgelehnt. Stattdessen soll der Public Service alle Genres abdecken und ein umfassendes Programm anbieten, das sich aber in seiner Machart unterscheidet («Distinctiveness»). Betont werden insbesondere die Ansprüche an hohe Qualität, Vielfalt, Innovation, Kreativität und Ausgewogenheit. Weiter wird darauf verwiesen, dass der öffentliche Rundfunk stärker als private Anbieter·innen in inländische Produktionen investieren kann, die einen Beitrag zum Ausdruck nationaler und regionaler Kultur, Sprache und Identität leisten (vgl. Blumler, 1993; Blumler & Hoffmann-Riem, 1992; Donders, 2021: 40-41, 82-84; Jakubowicz, 2010). Und schließlich wird vom Public Service eine geografische und inhaltliche Vollversorgung («Universality») erwartet. Die Angebote sollen für die gesamte Bevölkerung frei empfangbar sein und nicht nur die Bedürfnisse der Mehrheitsgesellschaft, sondern auch von Minderheiten und ökonomisch uninteressanten Zielgruppen abdecken (vgl. Donders, 2021: 82; van Cuilenburg & McQuail, 2003). <?page no="256"?> Bereiche der Medienpolitik 256 Wird Public Service einzig über Inhalte definiert, so wird damit unterstellt, dass auch kommerzielle Medienorganisationen diese Leistung erbringen könnten. Doch unter Bedingungen ökonomischen Wettbewerbs scheint dies zweifelhaft: «[W]hile commercial broadcasters may occasionally produce types of programming which achieve PSB end goals, commercial broadcasters cannot be relied on to do so, nor, in these days of subscription television, would any such programming be available to all» (Harrison & Woods, 2001: 485). Deshalb ist es zweitens nötig, öffentlichen Rundfunk an eine nicht-kommerzielle Organisationsform zu binden. Anders als kommerzielle Sender kann sich der Public Service als (hauptsächlich) öffentlich finanzierte Non-Profit-Organisation an seinem Programmauftrag orientieren und damit das Publikum in der Rolle als Bürger·in bedienen (vgl. Jarren & Donges, 2005; Kiefer, 1999). Doch die Entscheidung darüber, welche inhaltliche Leistung als Public Service gilt, kann nicht allein dem öffentlichen Rundfunk überlassen werden. Søndergaard (1999) schlägt deshalb als drittes Element vor, Public Service als Beziehung zur Gesellschaft zu konzipieren. «The concept of ‹public service› primarily refers to a set of relationships between electronic media and the society they operate in and are mandated to serve» (Søndergaard, 1999: 22). Abb. 13: Public Service als Beziehungsnetzwerk Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Jarren & Donges (2005: 183) Public Service Politik Publikum Private Medien <?page no="257"?> Produktion 257 Die konkrete Ausgestaltung von Public Service ist folglich abhängig von den spezifischen Gegebenheiten der jeweiligen Gesellschaft, welche wiederum dem sozialen Wandel unterliegen. Gesellschaftliche Veränderungen führen auch zu veränderten Ansprüchen an den öffentlichen Rundfunk. Dies erlaubt es, Leistung und Organisationsform immer wieder neu und gesellschaftsspezifisch auszuhandeln. Public Service als Beziehung zur Gesellschaft zu konzipieren, verweist auch auf die zentrale Rolle von Rechenschaftspflichten für die Aufrechterhaltung von dessen Legitimation. Dabei gilt es, eine Beziehung zu Politik, ökonomischen Akteuren (insbesondere privaten Medien) und Publikum zu unterhalten (vgl. Jarren & Donges, 2005; Moe, 2007; siehe auch Abb. 13). Die Rezipient·innen etwa müssen die Organisation und ihre Leistung als «distinctive, independent and reliable - and therefore worthy of public funding» (Moe, 2007: 59) wahrnehmen. 10.1.1.2 Von Public Service Broadcasting zu Public Service Media Mit der Digitalisierung und dem Internet hat sich die Mediennutzung stark verändert. Die Fülle verfügbarer Angebote und der zunehmende Einfluss von Gerätehersteller·innen und Plattformen auf die Auffindbarkeit von Inhalten machen es für Rundfunksender zunehmend schwieriger, die Nutzer·innen zu erreichen. Entsprechend wird von den meisten Forscher·innen (und dem öffentlichen Rundfunk selbst) eine Entwicklung von Public Service Broadcasting (PSB) hin zu Public Service Media (PSM) gefordert, also eine technologieneutrale Definition des Auftrags, welche lineare Rundfunksender und On-Demand-Angebote über neue Verbreitungswege umfasst. Denn ein Public Service könne seinen Auftrag nur erfüllen, wenn er die Bürger·innen auch erreicht. Unverändert ist dabei der Anspruch an die Unverwechselbarkeit der Angebote (vgl. Bardoel & Lowe, 2007; Donders, 2021: 43-47; Jakubowicz, 2010). Um im Internet erfolgreich zu sein, reicht es aber nicht, traditionelle Radio- und Fernsehinhalte online verfügbar zu machen. Vielmehr muss es dem Public Service hierfür möglich sein, mit neuartigen Inhalten und Darstellungsformen zu experimentieren. Zweitens muss neben der Produktion auch die Distribution der Inhalte stärker in den Fokus rücken. Durch die Entwicklung eigener, nicht-kommerzieller algorithmischer Empfehlungssysteme ist eine Personalisierung der Angebote möglich, die den Nutzer·innen dennoch relevante, vielfältige und überraschende Inhalte vorschlägt (vgl. Donders, 2021: 51-53; Sørensen & Hutchinson, 2018; Van den Bulck & Moe, 2018). Drittens wird häufig gefordert, der öffentliche Rundfunk müsse die Nutzer·innen durch mehr Dialog und Partizipation <?page no="258"?> Bereiche der Medienpolitik 258 sowie die gemeinsame Entwicklung von Inhalten aktiver einbeziehen als bisher. So plädieren Murdock (2005; 2018) und Schweizer (2019) dafür, den Public Service zusammen mit anderen öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken, Museen und Universitäten als Gemeinschaftsgüter oder «Commons» zu begreifen, die der Allgemeinheit einen nicht-kommerziellen öffentlichen Raum zur Verfügung stellen. Durch seine Onlineangebote ist der öffentliche Rundfunk aber in direkte Konkurrenz mit den ebenfalls im Internet tätigen Zeitungsverlagen geraten, was heftige medienpolitische Auseinandersetzungen über die Legitimation und den Auftrag des Public Service im digitalen Zeitalter zur Folge hat. Zum einen sind diese Debatten stark von den Interessen privater Medienunternehmen geprägt, die den öffentlichen Rundfunk im Internet möglichst einschränken möchten: «politics are a determining element in Public Service Media policies and […] commercial actors are often successful in instrumentalising power to advance the policy agenda in a certain way» (Donders, 2021: 115). Die Eigeninteressen können sich dabei auch auf die Berichterstattung privater Medien über den öffentlichen Rundfunk auswirken (siehe Kapitel 2.4.2.1 & Studie 14). Bisherige Forschung bietet kaum Hinweise, dass PSM private Medien verdrängen würden (vgl. Sehl, Fletcher & Picard, 2020) und zeigt stattdessen, dass sich das Onlinenachrichtenangebot von privaten Medien und Public Service Media klar unterscheidet (vgl. Sjøvaag, Pedersen & Owren, 2019). Studie 14: Framing in der Berichterstattung über öffentlichen Rundfunk Löblich (2011) untersuchte in ihrer Studie mithilfe des Framing-Ansatzes, wie private Medien in Deutschland über die Regulierung öffentlich-rechtlicher Onlineangebote berichten. Hierzu führte sie eine qualitative Inhaltsanalyse überregionaler Printmedien (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Der Spiegel, Süddeutsche Zeitung, taz) durch. In allen untersuchten Medien waren zwar mehrere Frames zu finden, was jedoch nicht gleichbedeutend mit einer vielfältigen Berichterstattung ist, in der auch verschiedene Deutungen vorkommen. Vielmehr legte die Berichterstattung unabhängig von der politischen Ausrichtung der Zeitung den Leser·innen eine negative Sicht auf die Onlineaktivitäten von ARD und ZDF nahe. Dadurch wurde die Meinungsbildung eingeengt. Die politische Orientierung war «offenbar weniger ausschlaggebend für die Richtung der Berichterstattung als das ökonomische Eigeninteresse der Verlagshäuser» (Löblich, 2011: 435). <?page no="259"?> Produktion 259 Zum anderen wird von einigen medienpolitischen Akteuren der öffentliche Rundfunk aus ideologischen Gründen abgelehnt. Oder es wird die Ansicht vertreten, dass in der digitalen Welt Marktversagen kein Problem mehr darstelle und sich Medien heute marktlich finanzieren ließen. Entsprechend bestehe auch nicht länger der Bedarf für einen Public Service. Doch ein funktionierender ökonomischer Wettbewerb ist auch unter digitalen Bedingungen noch kein Garant dafür, dass Medien ihre wichtige Leistung für die Gesellschaft erbringen (siehe Kapitel 5.3.2). «Private commercial media will cater for segments that are attractive either to advertisers or as subscribers insofar as such provision is sufficiently profitable» (Berg, Lowe & Lund, 2014: 119). Hingegen können nicht-kommerzielle PSM in vielfältige und gesellschaftlich relevante Inhalte investieren. Zudem sind viele private Medienangebote Clubgüter, während Public-Service-Angebote allen Bürger·innen zur Verfügung stehen (vgl. Humphreys & Simpson, 2018: 203). Die Zukunft des öffentlichen Rundfunks ist eines der umstrittensten Themen in der Medienpolitik. Ist er erfolgreich, wird der Public Service als Gefahr für kommerzielle Medien kritisiert - erreicht er zu tiefe Nutzungszahlen, so wird er als Geldverschwendung taxiert (vgl. Bardoel & Lowe, 2007). Diese oftmals interessengeleiteten und ideologisch geführten Debatten dürften andauern. Medienpolitische Abstimmungen in der Schweiz Von libertären Mitgliedern rechter Jungparteien wurde 2015 die Volksinitiative «Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren» («No-Billag-Initiative»; benannt nach der damals für die Erhebung der Rundfunkgebühren zuständigen Firma Billag) eingereicht. Nach Ansicht der Initiant·innen müssen sich Medien auf dem freien Markt finanzieren, weshalb die Erhebung von Gebühren und die Subventionierung des schweizerischen Service public untersagt werden sollen. Die Initiative wurde im März 2018 von 71.6 % der Stimmenden und allen Kantonen wuchtig abgelehnt. Dennoch wurde 2022 eine neue Initiative zur Halbierung der Radio- und Fernsehabgabe lanciert, deren Annahme die Zukunft des öffentlichen Rundfunks im mehrsprachigen Kleinstaat Schweiz infrage stellen würde. 10.1.1.3 Von der Gerätegebühr zu neuen Finanzierungsmodellen Zur Erfüllung des Programmauftrags und zur Verhinderung kommerzieller Einflüsse wird der Public Service (hauptsächlich) aus öffentlichen Geldern finanziert. <?page no="260"?> Bereiche der Medienpolitik 260 Traditionell kam hierzu eine pauschale Gebühr zum Einsatz, die alle Haushalte und Organisationen in Besitz eines Radio- oder Fernsehgeräts entrichten mussten. Der Gerätegebühr wird zugutegehalten, dass sie eine stabile Finanzierung bietet, eine Einflussnahme der Politik auf den öffentlichen Rundfunk (durch Drohung mit einem Entzug von Mitteln) verhindert und zugleich für eine direkte Beziehung zum Publikum sorgt. Durch die technische Konvergenz braucht es heute aber für die Nutzung von Radio- und Fernsehsendungen nicht mehr unbedingt ein Radio- oder Fernsehgerät. Damit besteht die Gefahr, dass immer weniger Haushalte eine Gerätegebühr entrichten und die für den Public Service zur Verfügung stehenden Mittel immer weiter sinken. Entsprechend wird über Reformen nachgedacht, darunter (vgl. Donders, 2021: 191-199; Engblom, 2012; 2013; Puppis & Van den Bulck, 2018): ein Festhalten an der Gerätegebühr und deren Ausweitung auf immer weitere Empfangsgeräte (bspw. Smartphones, Computer); eine pauschale Rundfunkabgabe, die von allen Haushalten und Unternehmen zu bezahlen ist (und nicht nur von jenen, die ein Empfangsgerät besitzen); eine zweckgebundene und einkommensabhängige Rundfunksteuer, die von allen Individuen und Unternehmen zu bezahlen ist; eine Finanzierung aus dem Staatshaushalt (also den regulären Steuereinnahmen des Staates). Eine Finanzierung aus dem Staatshaushalt wird in der Literatur - auch aufgrund praktischer Erfahrungen - überaus kritisch beurteilt (vgl. Puppis & Van den Bulck, 2018). Dadurch, dass der Umfang der bereitgestellten Mittel in den jährlichen Budgetdebatten im Parlament entschieden wird, erhöht sich erstens die Gefahr der Ausübung (partei-)politischen Drucks auf Organisation und Berichterstattung deutlich. Zweitens betreffen Kürzungen der Staatsausgaben in einer schlechten wirtschaftlichen Lage den öffentlichen Rundfunk unmittelbar. Und drittens fällt auch die direkte Verbindung zwischen Medienorganisation und Publikum weg. Der öffentliche Rundfunk unterscheidet sich von privaten Anbieter·innen durch seine inhaltliche Leistung, Organisationsform und Beziehung zur Gesellschaft. Aufgrund der Digitalisierung wird sein Auftrag zunehmend technologieneutral definiert, was heftige medienpolitische Debatten ausgelöst hat. Zudem kommt die traditionell zur Finanzierung des öffentlichen Rundfunks verwendete Gerätegebühr immer mehr unter Druck. <?page no="261"?> Produktion 261 10.1.2 Öffentlicher Rundfunk in Europa Das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt (siehe Kapitel 8.3.2.3) betont das Recht von Nationalstaaten, Maßnahmen zur Erhöhung der Medienvielfalt zu ergreifen, was explizit die Einrichtung eines öffentlichen Rundfunks umfasst (Art. 6 (2) CCD). Der Europarat hat aufgrund seines Engagements für Medienfreiheit und -vielfalt in zahlreichen Empfehlungen die zentrale Bedeutung eines unabhängigen Public Service hervorgehoben (bspw. Recommendation R(96)10, CM/ Rec(2011)7, CM/ Rec(2012)1, CM/ Rec(2018)1 und CM/ Rec(2022)11). Die Mitgliedstaaten der EU wiederum haben in einem rechtsverbindlichen Protokoll zu den Verträgen, dem sogenannten Amsterdamer Protokoll, die Bedeutung des Public Service für Demokratie und Medienvielfalt festgehalten und ihre eigene Zuständigkeit für die Festlegung des Auftrags und die Finanzierung des öffentlichen Rundfunks bestätigt: «Die Bestimmungen der Verträge berühren nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren, sofern die Finanzierung der Rundfunkanstalten dem öffentlich-rechtlichen Auftrag, wie er von den Mitgliedstaaten den Anstalten übertragen, festgelegt und ausgestaltet wird, dient und die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Union nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, wobei den Erfordernissen der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags Rechnung zu tragen ist» (Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten). Der öffentliche Rundfunk unterliegt weitaus stärkerer Regulierung als private Sender. So werden durch den Staat gewisse Vorschriften bezüglich der Organisationsform gemacht, zumindest ein Teil der strategischen Leitung ernannt sowie Rechenschaftspflichten auferlegt. Weiter werden von staatlicher Seite das Modell und die Höhe der Finanzierung festgelegt sowie der Programmauftrag formuliert. 10.1.2.1 Organisation In den meisten europäischen Mediensystemen existiert nur eine öffentliche Rundfunkorganisation, die Radio, Fernsehen und Onlineinhalte produziert. Getrennte Organisationen für Radio und Fernsehen (bspw. in Frankreich und Schweden) oder zusätzliche Organisationen mit einem besonderen Auftrag (bspw. für Bildungssendungen in Schweden oder für Sprachminderheiten in Irland) sind selten (vgl. Van den Bulck, d’Haenens & Raats, 2018). <?page no="262"?> Bereiche der Medienpolitik 262 Dezentraler Rundfunk in Deutschland als Ergebnis alliierter Politik Nach der Niederlage Deutschlands und dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur wollten die Westalliierten verhindern, dass der Rundfunk erneut politisch instrumentalisiert werden kann. «Die USA, Großbritannien und Frankreich versuchten, gegen vielfältigen Widerstand deutscher Nachkriegspolitiker, einen demokratischen Rundfunk unter gesellschaftlicher (statt staatlicher oder parteipolitischer) Kontrolle aufzubauen, der dezentral und frei […] organisiert sein sollte» (Beck, 2018: 234-235). In Westdeutschland wurde deshalb den Bundesländern die Kompetenz für Rundfunk zugeteilt, was das Bundesverfassungsgericht in seinem ersten Rundfunkurteil 1961 bestätigte. Durch Landesrundfunkgesetze wurden öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten eingerichtet, die mehrere Radiosender und je einen Fernsehsender («Dritte Programme») veranstalten. Diese kooperieren in der «Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland» (ARD) und veranstalten zusammen einen bundesweiten Sender («Das Erste»). Später wurden durch Staatsverträge zwischen den Ländern mit dem ZDF ein weiterer bundesweiter Fernsehsender und mit Deutschlandradio ein·e bundesweite·r Hörfunkbetreiber·in eingerichtet. In der DDR hingegen war der Rundfunk nicht unabhängig vom Staat. Nach der Wiedervereinigung wurden auch in Ostdeutschland Landesrundfunkanstalten gegründet. Den öffentlichen Rundfunkorganisationen werden in Gesetzen, Lizenzen oder ähnlichen Rechtsdokumenten Vorschriften bezüglich ihrer Organisationsstruktur und Funktionsweise gemacht sowie Rechenschaftspflichten auferlegt. Weiter obliegt es dem Staat, zumindest einen Teil der strategischen Leitung zu ernennen. Dies kann missbraucht werden, um politischen Einfluss auszuüben. Der Europarat betont deshalb die Notwendigkeit, die Unabhängigkeit und redaktionelle Autonomie des Public Service sicherzustellen. Insbesondere soll die Ernennung der strategischen Leitung auf klaren Kriterien beruhen und keine vorzeitige Abberufung im Fall von Konflikten möglich sein (Recommendation R(96) 10 & CM/ Rec(2012)1). Auch der Vorschlag der EU für ein Europäisches Medienfreiheitsgesetz sieht ähnliche Regeln vor. Zu den Aufgaben der strategischen Leitung gehört die Wahl der operativen Leitung, also von Generaldirektor·in oder Intendant·in, welche·r für das Tagesgeschäft zuständig ist und wiederum die Redaktions- und Programmverantwortlichen ernennt. Die strategische Leitung ist als Aufsichtsgremium auch für die interne Governance des Public Service verantwortlich und hat sicherzustellen, dass die Organisation ihren Auftrag erfüllt. <?page no="263"?> Produktion 263 Leitung des Public Service in Deutschland, Österreich und der Schweiz In Deutschland sind Rundfunk- (Landesrundfunkanstalten), Fernseh- (ZDF) oder Hörfunkräte (Deutschlandradio) als oberste Gremien zuständig für die Aufsicht über die Erfüllung des Programmauftrags und eine wirtschaftliche Haushaltsführung sowie für die Festlegung von Qualitätsstandards (§ 31 MStV 2023). Ihnen gehören Vertreter·innen gesellschaftlich relevanter Gruppen an, die die Interessen der Allgemeinheit wahrnehmen und die Kontrolle des Rundfunks durch den Staat oder eine mächtige Gruppe verhindern sollen. Teilweise bestehen Vorgaben zur Vertretung der Geschlechter. Allerdings wird kritisiert, dass die Räte entsprechend der parteipolitischen Mehrheitsverhältnisse zusammengesetzt und zu staatsnah sind (vgl. Seufert & Gundlach, 2017: 198). Die Gremien wählen den oder die Intendant·in, welche·r die jeweilige Rundfunkanstalt leitet und für das operative Geschäft verantwortlich ist, sowie den Verwaltungsrat, der die Geschäftsführung überwacht. Beim ORF in Österreich ist das interne Aufsichtsgremium der Stiftungsrat, dessen Mitglieder von Regierung, Bundesländern, Publikumsrat und Zentralbetriebsrat (als Vertretung der Mitarbeiter·innen) bestellt werden. Der oder die Generaldirektor·in wird vom Stiftungsrat gewählt. Zur Wahrung der Interessen des Publikums existiert neben dem Stiftungsrat auch ein Publikumsrat. In allen Organen und Gremien ist eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter vorgeschrieben (§§ 19-23, 28-30 & 30f ORF-G). Bei der Schweizer SRG ist die Delegiertenversammlung (DV), die sich aus Delegierten der vier Regionalgesellschaften und den Mitgliedern des Verwaltungsrats (VR) zusammensetzt, das oberste Organ des Vereins SRG. Die DV wählt den oder die Präsident·in der SRG, welche·r DV und VR vorsteht. Der VR besteht aus den Präsident·innen der vier Regionalgesellschaften, zwei vom Bundesrat ernannten Mitgliedern und drei von der DV gewählten Mitgliedern. Der VR ernennt den oder die Generaldirektor·in. Die vier Regionalgesellschaften sind mit Regionalrat (Pendant zur DV), Regionalvorstand (Pendant zum VR) und Präsident·in ähnlich aufgebaut. Auf Antrag des Regionalvorstands wählt der VR die Direktor·innen der Unternehmenseinheiten in den Sprachregionen. Die Geschäftsleitung des Unternehmens SRG setzt sich aus Generaldirektor·in, weiteren Direktor·innen aus der nationalen Generaldirektion sowie den Direktor·innen der Unternehmenseinheiten zusammen (vgl. Künzler, 2013a: 116-122; Art. 33 RTVG; Art. 32-34 SRG-Konzession). <?page no="264"?> Bereiche der Medienpolitik 264 Zudem hat die strategische Leitung gegenüber Politik und Öffentlichkeit über die Tätigkeit der Organisation Rechenschaft abzulegen. Dies geschieht beispielsweise in Form von Jahresberichten, Selbstverpflichtungen und Berichterstattung über die Zielerreichung, Evaluationen oder die Gründung von Gremien, in denen auch Vertreter·innen aus Publikum und/ oder Gesellschaft Einsitz nehmen. Föderalismus & gesellschaftliche Verankerung des Schweizer Service public Anders als in Belgien, wo es in jeder Sprachgemeinschaft eine andere öffentliche Rundfunkorganisation gibt, verfügt die Schweiz mit der SRG SSR über einen nationalen Service public, der aber föderal aufgebaut ist. Die SRG ist ein privater Verein, der aus vier Regionalgesellschaften (SRG.D, RTSR, Corsi und SRG.R) in den verschiedenen Sprachregionen besteht. Die Regionalgesellschaften in der Deutschschweiz und der Suisse romande sind noch weiter in lokale Genossenschaften und Vereine gegliedert. Mitglied werden kann jede·r. Damit soll die SRG in der Gesellschaft verankert werden. Der SRG wurde vom Bundesrat eine Konzession erteilt, die den Programmauftrag enthält. Zur Produktion des Audio- und Video-Angebots in vier Sprachen betreibt der Verein das Unternehmen SRG, das wiederum aus Unternehmenseinheiten in den vier Sprachregionen (SRF, RTS, RSI, RTR) sowie einem internationalen Angebot (SWI) besteht (vgl. Künzler, 2013a: 113-136; Art. 31- 32 RTVG; Art. 32-34 SRG-Konzession). 10.1.2.2 Finanzierung Der Europarat hat in Empfehlungen wiederholt festgehalten, dass die Finanzierung des Public Service zur Erfüllung des Auftrags ausreichen muss und dass das Modell und die Höhe der Finanzierung nicht missbraucht werden dürfen, um die Autonomie der Organisation und die redaktionelle Unabhängigkeit einzuschränken (Recommendation R(96)10 und CM/ Rec(2012)1). Innerhalb der EU bestätigt das «Amsterdamer Protokoll» die Kompetenz der Mitgliedstaaten, Auftrag und Finanzierung des öffentlichen Rundfunks auszugestalten. Dennoch ist die Europäische Kommission involviert, da die öffentliche Finanzierung des Public Service als staatliche Beihilfe gilt - solche sind verboten, wenn sie den Wettbewerb verzerren (Art. 107 (1) AEUV; siehe Kapitel 7.3.2.1). Allerdings kommt hier eine Ausnahme zur Anwendung: Unternehmen, die eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen, können <?page no="265"?> Produktion 265 Beihilfen erhalten (Art. 106 (2) AEUV). Um einen fairen Wettbewerb sicherzustellen, müssen aber bestimmte Bedingungen erfüllt werden, die die Kommission in einer Mitteilung für den öffentlichen Rundfunk präzisiert hat (vgl. Donders & Moe, 2014; Europäische Kommission, 2009a; Michalis, 2010; Ungerer, 2014): Definition: Die Mitgliedstaaten müssen den Programmauftrag definieren. Betrauung und Kontrolle: Der Public Service muss vom Mitgliedstaat mit der Erfüllung des Auftrags betraut und entsprechend kontrolliert werden. Verhältnismäßigkeit: Die Finanzierung muss der Erfüllung des öffentlichen Auftrags dienen und darf die Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt nicht übermäßig beeinträchtigen. Die Kommission ist der Ansicht, dass der Auftrag auch digitale Angebote umfassen darf. Indes verlangt sie von den Mitgliedstaaten bei «wesentlichen neuen Diensten» eine vorgängige Prüfung (sogenannter Ex-Ante-Test), um den gesellschaftlichen Nutzen des Angebots gegen die Auswirkungen auf den Markt abzuwägen (siehe Kapitel 10.1.2.3). Der Vorschlag der EU für ein Europäisches Medienfreiheitsgesetz sieht zudem Garantien für eine stabile Finanzierung vor, um die Unabhängigkeit des Public Service zu sichern. Mit Blick auf das Finanzierungsmodell (siehe Tab. 16) zeigt sich erstens, dass eine Mischfinanzierung aus öffentlichen Mitteln und Werbung in Westeuropa weitverbreitet ist. Nur in den nordischen Ländern, Großbritannien und Spanien wird gänzlich auf Werbung verzichtet. Wo Werbung erlaubt ist, gilt eine strengere Regulierung als für den Privatrundfunk (siehe Kapitel 11.1.2.4). Tab. 16: Finanzierungsmodelle des Public Service (2022) Werbung keine Werbung Gerätegebühr AT, GR, IE (RTÉ), IT, PT UK Rundfunkabgabe CH (SRG TV), DE (ARD, ZDF) CH (SRG Radio), DE (Deutschlandradio) Rundfunksteuer IS FI, SE Staatshaushalt BE/ Wallonie, BE/ Flandern (VRT Radio), FR, IE (TG4), NL BE/ Flandern (VRT TV), DK, ES, NO Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Schweizer & Puppis (2018: 117) <?page no="266"?> Bereiche der Medienpolitik 266 Zweitens wird die Gerätegebühr zunehmend durch neue Finanzierungsformen ersetzt. Während in den Niederlanden, der flämischen Gemeinschaft Belgiens und Spanien schon länger eine Finanzierung aus dem Staatshaushalt existiert, kam es in den vergangenen Jahren in zahlreichen weiteren Mediensystemen zu Reformen (vgl. Puppis, Van den Bulck & Bürdel, 2020; Saurwein, Eberwein & Karmasin, 2019; Schweizer & Puppis, 2018; siehe Studie 15): In der französischen Gemeinschaft (2018) Belgiens, Norwegen (2020) und Dänemark (2022) wurde die Gerätegebühr durch eine Finanzierung aus dem Staatshaushalt ersetzt. In Frankreich wurden die Gebühren 2022 zwar abgeschafft, aber wie die Finanzierung aus dem Staatsbudget künftig genau aussehen soll, ist noch unklar (derzeit Finanzierung aus der Mehrwertsteuer). Finnland (2013) und Schweden (2019) führten eine einkommensresp. umsatzabhängige Rundfunksteuer ein. Diese wird mit den regulären Steuern erhoben, ist aber zweckgebunden und kommt vollumfänglich dem Public Service zugute. Damit kann auch die Unabhängigkeit von der Politik gewahrt werden. Während in Finnland Individuen und Organisationen steuerpflichtig sind, sind in Schweden Organisationen von der Steuer befreit. Schon 2009 führte auch Island eine Rundfunksteuer ein. Dort ist die Steuer aber nicht einkommensabhängig und alle Individuen zahlen eine Pauschale. Deutschland (2013) und die Schweiz (2019) hingegen entschieden sich für eine getrennt von den Steuern erhobene pauschale Rundfunkabgabe, die von Haushalten und Organisationen zu entrichten ist. Studie 15: Multiple Streams und Reform der Public-Service-Finanzierung In einer vergleichenden Studie untersuchten Herzog und Karppinen (2014) mithilfe des Multiple-Streams-Ansatzes den medienpolitischen Prozess zur Einführung eines neuen Finanzierungsmodells für den Public Service in Deutschland und Finnland. Die Autoren können mit einer Dokumentenanalyse und Expert·inneninterviews zeigen, dass Reformen nur möglich sind, wenn in einem Policy-Fenster der Problem-, Policy- und Politics-Strom zusammentreffen. Im Problemstrom setzte sich in beiden Ländern die Ansicht durch, dass die Gerätegebühr aufgrund der technischen Entwicklung veraltet ist und es immer mehr Personen gibt, die die Gebühr nicht mehr bezahlen. Im Policy-Strom wurden durch Expert·innengruppen mehrere Alternativen geprüft. Aber erst als im Politics-Strom auch eine politische Mehrheit für eine bestimmte Lösung gegeben war, konnte ein neues Finanzierungsmodell tatsächlich verabschiedet werden. <?page no="267"?> Produktion 267 Die Entscheidung über die Höhe der öffentlichen Mittel, die dem Public Service zur Verfügung stehen, liegt in vielen Ländern in der Kompetenz von Parlament, Regierung oder zuständigem Ministerium. Diese Kompetenz kann dazu missbraucht werden, politischen Einfluss auszuüben. Einige Länder haben deshalb Vorkehrungen getroffen, um die Fixierung der Gebühren- oder Abgabenhöhe möglichst zu entpolitisieren, beispielsweise durch eine Indexierung an die Lebenshaltungskosten oder eine Festlegung für mehrere Jahre im Voraus (vgl. Puppis, Van den Bulck & Bürdel, 2020). Finanzierung des Public Service in Deutschland, Österreich und der Schweiz In Deutschland ist der Rundfunkbeitrag von allen Haushalten und Organisationen (in Abhängigkeit der Anzahl Betriebsstätten, Beschäftigten und Kraftfahrzeugen) zu entrichten (§§ 2 & 5 RBStV). Das achte Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts stellte klar, dass das Verfahren zur Festlegung der Beitragshöhe entpolitisiert sein muss. Deshalb prüft die aus unabhängigen Expert·innen zusammengesetzte «Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten» (KEF) den von den öffentlich-rechtlichen Sendern alle zwei Jahre angemeldeten Finanzbedarf und gibt eine Beitragsempfehlung an die Bundesländer ab. Sobald alle Landesparlamente zugestimmt haben, können die Ministerpräsident·innen die Beitragshöhe in einem Staatsvertrag festsetzen (§ 36 MStV; §§ 1 & 3 RFinStV). In seinem zwölften Rundfunkurteil hielt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Landesparlamente nur unter bestimmten Gründen von der Empfehlung der KEF abweichen dürfen. In Österreich müssen Haushalte und Organisationen das Programmentgelt bezahlen. Die Höhe legt der ORF-Stiftungsrat fest. Seine Entscheidung bedarf der Zustimmung des Publikumsrats und unterliegt einer Prüfung durch die KommAustria (§ 31 ORF-G). Die effektiv zu bezahlenden Rundfunkgebühren sind aber höher als das Programmentgelt, das dem ORF zugutekommt, und beinhalten zusätzlich Gebühren und Beiträge an den Bund sowie eine je nach Bundesland unterschiedlich hohe Landesabgabe. Derzeit muss nur zahlen, wer ein Radio- oder Fernsehgerät betreibt, nicht aber, wer den Empfang über Streaming realisiert. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Ungleichbehandlung als unrechtmäßig beurteilt (VfGH-Erkenntnis G 226/ 2021). Die Abgabe für Radio und Fernsehen müssen in der Schweiz Haushalte und Unternehmen (in Abhängigkeit ihres Umsatzes) entrichten. Die Abgabenhöhe wird von der Regierung festgelegt (Art. 68, 68a, 69a & 70 RTVG). <?page no="268"?> Bereiche der Medienpolitik 268 Tab. 17: Höhe der Rundfunkgebühren, -abgaben oder -steuern (2022) Land Steuer pro erwachsene Person FI 2.5 % des steuerbaren Einkommens, max. EUR 163.00 IS ISK 18 800.00 (EUR 127.37) SE 1 % des steuerbaren Einkommens, max. SEK 1329.00 (EUR 129.09) Land Abgabe pro Haushalt CH CHF 335.00 (EUR 322.97) DE EUR 220.32 Land Gebühr pro Haushalt AT EUR 245.50 (nur Programmentgelt für ORF) FR EUR 138.00 (im Sommer 2022 abgeschafft) IE EUR 160.00 IT EUR 90.00 UK GBP 159.00 (EUR 188.99) Quelle: Eigene Darstellung (Umrechnungskurs gemäß EZB am 03.01.2022) Die Höhe von Rundfunkgebühren, -abgaben oder -steuern unterscheidet sich je nach Mediensystem teilweise deutlich (siehe Tab. 17). Ein solcher Vergleich ist aber nur begrenzt aussagekräftig, da sich die Länder hinsichtlich Kaufkraft, Größe des Mediensystems und Angebot des Public Service klar unterscheiden. Eine Bereinigung von Kaufkraftunterschieden relativiert die Höhe der Gebühren oder Abgaben teilweise deutlich (siehe Abb. 14). Aber auch die Größe von Mediensystemen ist relevant: In großen Mediensystemen verfügt der öffentliche Rundfunk aufgrund der größeren Bevölkerungszahl und Märkte über deutlich höhere Einnahmen als in kleinen Mediensystemen. Die britische BBC beispielsweise erzielte 2020 aus den Rundfunkgebühren Einnahmen von GBP 3520 Mio. (EUR 3959.3 Mio.). Im kleinen Nachbarland Irland erhielt die RTÉ dagegen gerade mal EUR 196.6 Mio. an Gebührengeldern. Entsprechend liegen in Kleinstaaten die öffentlichen Mittel pro Kopf aufgrund der kleinen Bevölkerung und der hohen Fixkosten der Rundfunkproduktion deutlich über dem Durchschnitt (vgl. Saurwein, Eberwein & Karmasin, 2019). <?page no="269"?> Produktion 269 Abb. 14: Höhe von Rundfunkgebühr/ -abgabe (2022; absolut und kaufkraftbereinigt) Quelle: Eigene Darstellung (Berechnung der Kaufkraftparität mittels Preisniveauindex für Konsumausgaben privater Haushalte 2020 gemäß Eurostat) Und schließlich sind die Kosten in mehrsprachigen Mediensystemen deutlich höher, da der Public Service Angebote in verschiedenen Sprachen bereitstellen muss. Die Schweizer SRG etwa muss Inhalte in vier Sprachen produzieren. Ein Großteil der Einnahmen aus der Rundfunkabgabe wird in der Deutschschweiz als bevölkerungsreichstem Landesteil generiert. Damit aber auch ein gleichwertiges Angebot in den kleineren Sprachregionen bereitgestellt werden kann, werden die Gelder intern umverteilt (vgl. Künzler, 2013a: 138-139). Der Anteil der öffentlichen Einnahmen an den Gesamteinnahmen unterscheidet sich teilweise ebenfalls deutlich (vgl. Puppis, Van den Bulck & Bürdel, 2020; Saurwein, Eberwein & Karmasin, 2019; Schweizer & Puppis, 2018). In Ländern, in denen der öffentliche Rundfunk keine Werbung ausstrahlen darf, ist der Anteil natürlich am höchsten. In Österreich und Irland machen die öffentlichen Mittel nur gerade um die 60 % der Einnahmen aus. Je wichtiger aber Werbeeinnahmen sind, desto größer ist die Gefahr, dass kommerzielle Überlegungen sich auf die publizistische Leistung auswirken. Zudem unterliegt das Werbegeschäft konjunkturellen Schwankungen. Ein Verzicht auf Werbung dürfte in den meisten Ländern dennoch unrealistisch sein. Soll gleichzeitig eine Kürzung des Budgets vermieden werden, müssten die öffentlichen Mittel deutlich erhöht werden, was politisch kaum machbar wäre. 157.05 88.85 114.29 122.02 206.10 190.74 218.81 189.40 90.00 160.00 138.00 220.32 323.50 245.50 0.00 50.00 100.00 150.00 200.00 250.00 300.00 350.00 UK IT IE FR DE CH AT EUR KKP in EUR <?page no="270"?> Bereiche der Medienpolitik 270 10.1.2.3 Auftrag Der Europarat betont klar die Kompetenz seiner Mitgliedstaaten, den Auftrag des Public Service festzulegen. Als Elemente des Auftrags werden explizit der freie Zugang für die gesamte Bevölkerung, eine unabhängige und unparteiische Berichterstattung, innovative und vielfältige Inhalte und ein Beitrag zur Integration, zur öffentlichen Debatte sowie zur audiovisuellen Produktion genannt (Recommendation CM/ Rec(2007)3). Dabei betont der Europarat, dass der Auftrag auf neue Kommunikationstechnologien ausgedehnt werden soll (Recommendation R(96)10, CM/ Rec(2007)3, CM/ Rec(2011)7 und CM/ Rec(2022)11). In der EU hält das «Amsterdamer Protokoll» die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Formulierung des Auftrags fest. Dabei wird unterdessen auch von der Europäischen Kommission nicht mehr infrage gestellt, dass der Auftrag digitale Angebote umfassen darf (siehe Kapitel 10.1.2.2). In ihrer Mitteilung zum öffentlichen Rundfunk wird aber für «wesentliche neue Dienste» eine vorgängige Prüfung verlangt, die unterdessen in zahlreichen Ländern implementiert wurde (vgl. Europäische Kommission, 2009a). Solche Ex-Ante- oder Public-Value-Tests haben zum Ziel, den gesellschaftlichen Mehrwert («Public Value») und die Auswirkungen eines neuen Angebots auf den Markt («Market Impact») zu beurteilen. Drei-Stufen-Test in Deutschland Neue oder wesentlich geänderte Telemedienangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müssen einen Drei-Stufen-Test bestehen. Gegenüber dem zuständigen Gremium ist aufzuzeigen, (1) inwieweit das Angebot den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht, (2) in welchem Umfang das Angebot in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beitragen wird und (3) welcher finanzielle Aufwand erforderlich ist. Im zweiten Schritt sind die Quantität und Qualität bereits existierender frei zugänglicher Angebote, die Auswirkungen auf den Markt sowie der Beitrag zur Meinungsbildung zu berücksichtigen. Bevor das Gremium eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Angebots trifft, muss Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und ein Gutachten zu den Auswirkungen auf relevante Märkte eingeholt werden (§ 32 MStV). ARD und ZDF dürfen neuerdings bestehende Spartenfernsehsender ganz oder teilweise einstellen, in gleichartige Onlineangebote überführen oder durch andere Sender austauschen. Das zuständige Gremium entscheidet darüber, nachdem Dritten die Möglichkeit zur Stellungnahme gewährt wurde (§32a MStV 2023). <?page no="271"?> Produktion 271 Dadurch soll für private Anbieter·innen ein fairer Wettbewerb sichergestellt werden. Gleichzeitig wollte die Europäische Kommission den zahlreichen Beschwerden privater Medien gegen die öffentliche Finanzierung neuer Public-Service-Angebote Einhalt gebieten: «[I]t was a panic reaction to deal with aggressive private sector lobbying against a new media remit of public broadcasters and member states’ reluctance to adequately redefine the public broadcasters’ role in the digital age» (Donders, 2011: 29). Bei der nationalen Umsetzung der Tests zeigen sich große Unterschiede bezüglich des genauen Verfahrens, der Zuständigkeit und der Einbeziehung externer Akteure (vgl. Moe, 2010; Schweizer & Puppis, 2018). «Academic evaluations, too, have varied, some seeing them as legitimising PSB evolution into PSM providers by holding them to account for their use of public funds and their market impact, […] and others regarding them as burdens and limitations on public service actors, which indeed they can be if poorly implemented or taken out of the PSBs’ own hands and employed as a neo-liberal tool» (Humphreys & Simpson, 2018: 179-180). Die Aufträge in den einzelnen Ländern umfassen neben einer flächendeckenden geografischen Versorgung in erster Linie ein inhaltlich umfassendes Programmangebot, das Information, Kultur, Bildung und Unterhaltung bietet. Gleichzeitig wird die Erfüllung bestimmter Funktionen (bspw. Beitrag zur demokratischen Gesellschaft, Integration, Abbildung kultureller und sprachlicher Identität oder Stärkung inländischer Produktionen) erwartet und es werden Anforderungen an die Inhalte (bspw. qualitativ hochwertig, vielfältig, sachgerecht) formuliert (vgl. Schweizer & Puppis, 2018). Zum Teil finden sich Vorgaben zur angemessenen Darstellung und Vertretung der Geschlechter (z. B. Art. 3 (3) SRG-Konzession). Auftragsvorprüfung in Österreich Für neue oder geänderte Angebote des ORF, die wesentlich vom bestehenden Angebot abweichen, muss eine Auftragsvorprüfung erfolgen. In seinem Vorschlag hat der ORF zu begründen, wie dieses Angebot zur Erbringung des öffentlichen Auftrags beiträgt, und die Finanzierung sowie die Auswirkungen auf den jeweils relevanten Markt darzustellen. Nach einer öffentlichen Konsultation befinden der aus wissenschaftlichen Expert·innen zusammengesetzte Public-Service-Beirat der KommAustria und der Bundeswettbewerbssenat über den Beitrag des neuen Angebots zum öffentlichen Auftrag respektive seine Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation privater Medien. Anschließend fällt die KommAustria ihre Entscheidung (§§ 6-6c ORF-G). <?page no="272"?> Bereiche der Medienpolitik 272 Prägende Rolle des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland Das Bundesverfassungsgericht hat den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stark geprägt. In seinem vierten Rundfunkurteil von 1986 stellte das Gericht klar, dass ein von der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe weitgehend befreiter privater Rundfunk nur zulässig ist, solange die öffentlichrechtlichen Anstalten eine Grundversorgung wahrnehmen. Die Länder müssen dafür sorgen, dass die Rundfunkanstalten finanziell dazu in der Lage sind. Mit Grundversorgung, so das Gericht in seinem fünften Rundfunkurteil von 1987, ist kein Minimalangebot gemeint, sondern eine Vollversorgung der Bevölkerung mit Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung. Zudem besitze der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht nur eine Bestands-, sondern auch eine Entwicklungsgarantie. Entsprechend sind neue publizistische Formen und Technologien explizit zulässig (vgl. Beck, 2018: 240-243). Ein Onlineangebot gehört heute zum Auftrag dazu. Unbestritten ist, dass Radio- und Fernsehsendungen zur zeitversetzten On-Demand-Nutzung bereitgestellt werden. Allerdings finden sich in einigen Ländern zeitliche Beschränkungen und Sendungen dürfen nur für wenige Tage online verfügbar sein. Gewisse Angebote sind dem Public Service je nach Mediensystem auch ganz untersagt. Insbesondere finden sich teilweise Verbote für «presseähnliche» textbasierte Inhalte zum Schutz der Presse (vgl. Donders, 2021: 180-183; Schweizer & Puppis, 2018). Studie 16: Advocacy-Koalitionen und Public-Service-Auftrag in Flandern Der Auftrag des flämischen öffentlichen Rundfunks VRT wird jeweils in einem Vertrag zwischen VRT und Regierung für mehrere Jahre ausgehandelt. Van den Bulck und Donders (2014b) zeigen mit einer qualitativen Auswertung von Dokumenten, Interviews und Gruppendiskussionen, dass während der Verhandlungen zwei Advocacy-Koalitionen unterschieden werden können: Die Koalition «Soziale Verantwortung und Technologieoptimismus» setzte sich für ein umfassendes Onlineangebot von VRT ein, während die Koalition «Marktversagen und Technologiedeterminismus» bestehend aus privaten Medien und Mitte-rechts Parteien einen eng definierten Auftrag für ausreichend hielt. Der Unterschied zwischen den beiden Koalitionen hat nichts mit der Digitalisierung zu tun, sondern lässt sich auf Kernüberzeugungen über das richtige Ausmaß medienpolitischer Intervention zurückführen. <?page no="273"?> Produktion 273 Public Service Online in Deutschland, Österreich und der Schweiz Der Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio beinhaltet auch Telemedienangebote, insbesondere Sendungen auf Abruf und eigenständige audiovisuelle Onlineinhalte. Eingekaufte Filme und Serien dürfen maximal 30 Tage zum Abruf angeboten werden. Lokale Berichterstattung ist nicht zulässig, ebenso wenig presseähnliche Angebote (d. h., Text darf nicht im Vordergrund stehen). Das gilt nicht für die Aufbereitung von Inhalten aus einer konkreten Sendung und unterstützende Hintergrundinformationen (§ 30 MStV). Im Onlineangebot des ORF dürfen Sendungen zum Abruf nur für einen Zeitraum von bis zu sieben Tagen nach Ausstrahlung angeboten werden; sendungsbegleitende Inhalte mit vertiefenden Informationen dürfen bis längstens 30 Tage nach Ausstrahlung bereitgestellt werden. Eine Überblicksberichterstattung über die wichtigsten tagesaktuellen Ereignisse ist zulässig, darf aber für längstens sieben Tage verfügbar sein und muss sich vom Onlineangebot von Zeitungen und Zeitschriften unterscheiden. Die Regionalberichterstattung ist auf 80 Meldungen pro Woche und Bundesland beschränkt, eine umfassende lokale Berichterstattung unzulässig (§ 4e ORF-G). Für Sendungen auf Abruf sind Lockerungen, für Textinhalte weitere Restriktionen in Diskussion. Den Schwerpunkt der SRG-Onlineangebote bilden Audio- und Videoinhalte (Sendungen auf Abruf und Onlineproduktionen); 75 % der Textbeiträge müssen mit Audio- und Videoinhalten verknüpft sein. Bei Onlineinhalten ohne Sendungsbezug ist die Textlänge bezüglich Nachrichten, Sport, Regionales und Lokales auf 1000 Zeichen beschränkt (Art. 18 (2) SRG-Konzession). Der Public-Service-Auftrag wird je nach Mediensystem in Rundfunkgesetzen, -verordnungen oder -staatsverträgen, in Lizenzen und Pflichtenheften oder auch in Vereinbarungen und Verträgen festgehalten, die teilweise das Ergebnis von Verhandlungen zwischen dem zuständigen Ministerium und der öffentlichen Rundfunkorganisation sind (siehe auch Studie 16 & Studie 17). In Europa ist eine Mischfinanzierung des Public Service weitverbreitet. Die öffentlichen Mittel stammen aber in immer weniger Mediensystemen aus einer Gebühr auf den Besitz eines Empfangsgeräts. Der Auftrag ist europaweit ähnlich formuliert und umfasst auch ein Onlineangebot. In der EU ist für neue Angebote aber ein Ex-Ante-Test vorgesehen. <?page no="274"?> Bereiche der Medienpolitik 274 Studie 17: Koalitionen, Ströme und die Verhinderung von Politikwandel Sundet und Syvertsen (2021) untersuchten in einer vergleichenden Studie, weshalb es bei der Überprüfung des Programmauftrags von BBC und NRK in Großbritannien und Norwegen kaum zu Änderungen kam. Dazu verbinden die Autorinnen Advocacy-Koalitionen- und Multiple-Streams-Ansatz. Die qualitative Dokumentenanalyse zeigt, dass der Public Service in beiden Ländern ein geschickter Policy-Entrepreneur ist, dem es gelingt, durch die Neudefinition von Problemen und Lösungen das Policy-Fenster zu schließen und politischen Wandel zu verhindern. Beiden PSM schafften es erstens, Plattformen als Problem und sich selbst als Teil der Lösung (Partnerschaft mit privaten Medien gegen globale Plattformen) zu definieren, und zweitens, eine breite Koalition von Akteuren zur Unterstützung zu mobilisieren. 10.2 Medienförderung Nicht nur der Public Service, sondern auch private Medien können finanziell unterstützt werden. Allerdings ist Medienförderung eines der umstrittensten Themen in der Medienpolitik. Gegner·innen erachten Medienförderung als eine unnötige Marktverzerrung. Zudem diene Förderung lediglich der Strukturerhaltung, sei innovationsfeindlich, schwäche unternehmerische Eigeninitiative und führe zu einer Abhängigkeit der Medien vom Staat. Befürworter·innen hingegen halten Medienförderung für notwendig, um ein vielfältiges Medienangebot und das Überleben von Medien in kleinen Märkten sicherzustellen (vgl. Murschetz, 2020; Trappel, 2018). Angesichts des digitalen Strukturwandels der Öffentlichkeit sei Förderung sogar nötiger denn je: Die Werbung verlagert sich zunehmend ins Internet - und zwar nicht zu journalistischen Anbieter·innen, sondern zu Plattformen, die selbst keine publizistischen Inhalte produzieren. Der Journalismus steht damit vor erheblichen Refinanzierungsschwierigkeiten, was in den letzten Jahren massive Sparmaßnahmen, die Einstellung von Titeln und zunehmende Konzentrationsprozesse zur Folge hatte. Dies weckt Befürchtungen hinsichtlich der Konsequenzen dieser Medienkrise für die Demokratie, denn durch die schwindenden Ressourcen nehmen die Möglichkeiten ab, kritisch und umfassend über das gesellschaftliche Geschehen auf allen föderalen Ebenen zu berichten (vgl. Curran, 2010; McChesney & Nichols, 2010; Meier, 2017). In Wissenschaft wie Politik wird deshalb vermehrt über Medienförderung diskutiert. <?page no="275"?> Produktion 275 10.2.1 Grundlagen 10.2.1.1 Formen der Medienförderung Medienförderung umfasst alle medienpolitischen Maßnahmen, die zu einer finanziellen Besserstellung von Medienorganisationen führen. Dabei lassen sich die verschiedenen Formen von Medienförderung anhand zweier Dimensionen unterscheiden (vgl. Holtz-Bacha, 1994; Murschetz, 1998; siehe Abb. 15): Art der Begünstigung: Direkte Förderung bezeichnet eine finanzielle Zuwendung des Staates an Medienunternehmen. Indirekte Förderung begünstigt Medienunternehmen durch eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation mittelbar (insbesondere durch die Reduktion ihrer Kosten). Kreis der Empfänger·innen: Allgemeine Förderung kommt allen Medien eines Sektors zugute. Für selektive Förderung dagegen qualifizieren sich nur Medienangebote, die bestimmte Kriterien erfüllen. In der Regel handelt es sich um wirtschaftlich schwächere Publikationen (z. B. Zweitzeitungen in lokalen und regionalen Zeitungsmärkten), deren Überleben gesichert werden soll, um so strukturelle Vielfalt zu erhalten. Selektiv gefördert werden können auch Publikationen in Minderheitensprachen. Abb. 15: Formen der Medienförderung Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Holtz-Bacha (1994: 444) Mit Blick auf die direkte Medienförderung kann erstens der Betrieb von Medienorganisationen dauerhaft unterstützt werden. Damit steht Medien neben Publikums- und Werbemarkt eine weitere Erlösquelle für die Produktion von Journalismus zur Verfügung. Zweitens können einzelne Projekte zeitlich befristet subventioniert werden, bspw. Investitionen, Innovationen oder Recherchen. Drittens ist bei Printmedien und Rundfunk eine Beteiligung an den Distributionskosten Medienförderung direkte Medienförderung indirekte Medienförderung allgemein selektiv allgemein selektiv <?page no="276"?> Bereiche der Medienpolitik 276 möglich. Zu den indirekten Fördermaßnahmen gehören u. a. eine Reduktion oder Befreiung von der Mehrwertsteuer für Medienprodukte, Steuerabzüge für Medienunternehmen, reduzierte Tarife für den Postzeitungsdienst und den Bahntransport von Printmedien, Preisreduktionen für Zeitungspapier und Telekommunikationsdienstleistungen oder auch die finanzielle Unterstützung von Nachrichtenagenturen, journalistischer Aus- und Weiterbildung oder von Selbstregulierungsorganisationen wie Presseräten. Weiter kann danach unterschieden werden, ob es sich um eine sektorresp. gattungsspezifische Förderung handelt (bspw. nur Printzeitungen) oder ob die Förderung angesichts der Digitalisierung auch Onlinemedien umfasst oder sogar konvergent ausgestaltet ist. Einerseits kann bestehende Presseförderung von Printmedien auf Onlineausgaben von Zeitungen und neue textbasierte Onlineangebote resp. bestehende Rundfunkförderung von Radio- und Fernsehsendern auf Audio- und Videoangebote im Internet ausgedehnt werden. Andererseits ist auch eine gattungsübergreifende oder konvergente Medienförderung denkbar, die unabhängig von Mediengattung (Text, Audio, Video) und Verbreitungskanal (online und offline) an der journalistischen Leistung ansetzt (vgl. Haas, 2012: 187-188). 10.2.1.2 Folgen der Medienförderung Doch welche Folgen hat Medienförderung? Tangiert sie, wie von Kritiker·innen befürchtet, die Unabhängigkeit der Medien? Wie wirkt sie sich auf die ökonomische Situation von Medienunternehmen und deren publizistische Leistung aus? Zuerst zur Unabhängigkeit. Insbesondere direkte Medienförderung löst immer wieder die Befürchtung einer staatlichen Einflussnahme auf die Berichterstattung subventionierter Medien aus. Belastbare empirische Befunde gibt es hierfür aber keine. Die Existenz oder Inexistenz von Medienförderung jedenfalls ist noch kein Maßstab für staatliche Einflussnahme: «Just as subsidy does not necessarily mean government intervention in the content of the press, neither does its absence guarantee non-intervention» (Sparks, 1992: 48). Viele Länder mit einer langen Tradition direkter Medienförderung rangieren in Erhebungen zur Medienfreiheit regelmäßig auf den vordersten Plätzen. Förderung muss also nicht zu Abhängigkeit führen. Vielmehr kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an: Wichtig scheint, dass die Förderung weitgehend automatisiert aufgrund vordefinierter Kriterien erfolgt und den für die Vergabe zuständigen Stellen wenig Ermessensspielraum zukommt, der für (partei-)politische Entscheide missbraucht werden kann (vgl. Trappel, 2018). <?page no="277"?> Produktion 277 Hinsichtlich der ökonomischen Folgen zeigt sich, dass allgemeine Maßnahmen Konzentrationsprozesse nicht verhindern können, da große Medien von diesen proportional stärker profitieren als kleine. Selektive Maßnahmen sind eher geeignet, wirtschaftlich schwachen Medien einen Vorteil zu verschaffen und ihr Ausscheiden aus dem Markt zu verhindern. Allerdings bleiben die strukturellen Probleme kleiner Medienmärkte und wirtschaftlich schwächerer Medien trotz Förderung bestehen. Um kleinere Medien am Leben zu erhalten, bedarf es einer permanenten Unterstützung (vgl. Holtz-Bacha, 1994; Picard & Grönlund, 2003). Eigentumskonzentration wird durch Förderung indes nicht aufgehalten: Viele subventionierte Medien gehören zu einem größeren Verlagshaus (vgl. Ots, 2013). Zu den publizistischen Folgen gibt es nur wenige Erkenntnisse. Gemäß ökonomischen Modellrechnungen hängt es stark von der Ausgestaltung von Fördermaßnahmen ab, ob diese zu Investitionen in den Journalismus und zu Produktdifferenzierung führen (vgl. Kind & Møen, 2015). Norwegische Studien konnten anhand von Inhaltsanalysen der Onlineausgaben von Zeitungen zwar zeigen, dass sich geförderte und nicht geförderte Zeitungen bezüglich Themenvielfalt und Umfang der Lokalberichterstattung kaum unterscheiden. Doch nur dank Medienförderung können wirtschaftlich schwächere Medien überhaupt überleben (vgl. Sjøvaag & Pedersen, 2018; Sjøvaag, Pedersen & Lægreid, 2019). Zum einen kann dadurch, wie das Beispiel Norwegen zeigt, sichergestellt werden, dass im ganzen Land weiterhin journalistische Angebote produziert werden: «the press support therefore serves as an infrastructural measure - ensuring the presence of news media in all parts of the country» (Sjøvaag & Pedersen, 2018: 311). Zum anderen, so zeigt das Beispiel Schweden, gibt es aufgrund des Überlebens kleiner Zeitungen in vielen lokalen und regionalen Medienmärkten noch immer publizistischen Wettbewerb. Sogar wenn alle Angebote in einem Markt dem gleichen Unternehmen gehören, müssen die einzelnen Titel eigenständige Inhalte produzieren, um sich für die Förderung zu qualifizieren (vgl. Ots, 2013). Diese strukturelle Vielfalt verschiedener Medien auf nationaler wie lokal-regionaler Ebene erhöht die Chancen auf inhaltliche Vielfalt. Mit Medienförderung sind medienpolitische Maßnahmen gemeint, die eine finanzielle Besserstellung von Medienorganisationen zum Ziel haben. Dabei kann zwischen direkter und indirekter sowie zwischen allgemeiner und selektiver Förderung unterschieden werden. Medienförderung kann zwar die Strukturprobleme von Medien nicht lösen, aber das Überleben wirtschaftlich schwächerer Anbieter·innen ermöglichen. <?page no="278"?> Bereiche der Medienpolitik 278 10.2.2 Medienförderung in Europa Der Europarat hat sich aufgrund seines Einsatzes für Medienvielfalt in mehreren Empfehlungen klar für die Förderung publizistischer Medien ausgesprochen, dabei aber immer auch die Notwendigkeit zur Wahrung der Medienfreiheit betont (Recommendation CM/ Rec(2007)2, CM/ Rec(2018)1, CM/ Rec(2022)4 & CM/ Rec(2022)11). Innerhalb der EU sind staatliche Beihilfen, die den Wettbewerb verzerren, grundsätzlich verboten (Art. 107 (1) AEUV). Auch wenn Zweifel an den Auswirkungen von Medienförderung auf den Handel zwischen den EU-Mitgliedstaaten angebracht werden können, da nur wenige journalistische Angebote grenzüberschreitend genutzt werden, erachtet die Europäische Kommission Medienförderung als Beihilfe. Dennoch wurden Fördermaßnahmen aufgrund einer Ausnahme für Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige (Art. 107 (3) (c) AEUV) wiederholt als zulässig beurteilt, da sie der Förderung von Medienvielfalt dienen. Bedingung für die Zulässigkeit ist die Verhältnismäßigkeit der Subventionen, damit der Wettbewerb nicht übermäßig beeinträchtigt wird. Diese Zurückhaltung der Kommission dürfte auch mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Medienbranche zusammenhängen (vgl. Psychogiopoulou, 2013). Der Vorschlag der EU für ein Europäisches Medienfreiheitsgesetz sieht Transparenz- und Nichtdiskriminierungsregeln in der Medienförderung vor. Studie 18: «Eingefrorene» Förderung und «Policy Drift» In seiner vergleichenden Studie untersuchte Nielsen (2014) die Medienförderung in sechs Ländern (Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, USA) mittels einer qualitativen Auswertung von Dokumenten und Expert·inneninterviews. Fördermaßnahmen für Presse und Rundfunk (inklusive des Public Service) «remained largely frozen in their late-20th-century form» (Nielsen, 2014: 134). Trotz des Medienwandels werde weiterhin zwischen Presse und Rundfunk unterschieden und Onlinemedien würden kaum begünstigt. Gründe hierfür seien ein Desinteresse der Politik (da man mit Medienpolitik keine Wahlen gewinnen, sich aber die Finger verbrennen kann), der Einfluss traditioneller Medienunternehmen und die Unklarheit bezüglich geeigneter Reformen. Das Resultat dieses Nichtstuns sei aber nicht der Erhalt der derzeitigen Situation, sondern sogenannter «Policy Drift»: Bestehende Maßnahmen verlieren zunehmend ihre Wirkung, da sie nicht an veränderte Bedingungen im Mediensektor angepasst werden. <?page no="279"?> Produktion 279 Inzwischen wurde die EU selbst in der Medienförderung tätig. Das Programm «Kreatives Europa» umfasst seit 2021 einen sektorübergreifenden Aktionsbereich (Verordnung (EU) 2021/ 818; siehe Kapitel 7.3.2.3). In dessen Rahmen können beispielsweise Presseräte, Maßnahmen zum Schutz bedrohter Journalist·innen, grenzüberschreitende Projekte zur Stärkung des Journalismus oder auch Organisationen, welche Rechercheprojekte finanzieren, mit EU-Geldern unterstützt werden. Von dieser unterstützenden Tätigkeit abgesehen findet Medienförderung aber hauptsächlich in den einzelnen Mediensystemen statt. Dort werden Presse und Rundfunk trotz Konvergenz weiterhin unterschiedlich behandelt werden. Reformen der Medienförderung blieben lange komplett aus (siehe Studie 18). Erst mit deutlicher zeitlicher Verzögerung kam es in mehreren Ländern zu einer Anpassung bestehender Fördermodelle an die digitale Realität. In diesen medienpolitischen Prozessen spielten die Interessen der traditionellen Medienunternehmen eine zentrale Rolle (siehe Studie 19 in Kapitel 10.2.2.1). Neuere Forschung zeigt, dass zwar unterdessen auch Onlinemedien Unterstützung erhalten können, konvergente Fördermodelle aber weiterhin die Ausnahme darstellen (vgl. Puppis, Van den Bulck & Bürdel, 2020). Entsprechend wird im Folgenden zwischen Presse- und Rundfunkförderung differenziert. 10.2.2.1 Presse- und Onlinemedienförderung Indirekte Presseförderung ist weitverbreitet. In praktisch allen europäischen Staaten profitieren Presseunternehmen von einer Befreiung von oder einer Reduktion der Mehrwertsteuer auf den Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften (siehe Abb. 16). Seit dies auf EU-Ebene ermöglicht wurde (Anhang III (6) Richtlinie 2006/ 112/ EG), haben zahlreiche Mitgliedstaaten diese Ermäßigungen auf elektronische Zeitungen und Zeitschriften ausgedehnt. Die sich aus den Mehrwertsteuerprivilegien ergebenden Einsparungen für die Verlage sind erheblich. Diese Förderung soll den Verlagen erlauben, den Verkaufspreis von Presseprodukten zu senken, damit sie zusätzliche Nutzer·innen und folglich zusätzliche Werbeeinnahmen generieren können (vgl. Ots et al., 2016). Neuere ökonomische Forschung wirft aber Zweifel auf, ob dies tatsächlich der Fall ist (vgl. Kind & Møen, 2015). Dafür zeigen ökonomische Modelle, dass Steuerabzüge für die Kosten der journalistischen Produktion Anreize für höhere Investitionen von Medienunternehmen in den Journalismus setzen (vgl. Kind & Møen, 2015). Dennoch sind solche Fördermaßnahmen in Europa kaum zu finden. In Kanada hingegen können Medien <?page no="280"?> Bereiche der Medienpolitik 280 die Lohnkosten für redaktionelle Mitarbeiter·innen teilweise von der Steuer abgezogen werden. Abb. 16: Mehrwertsteuersätze für die Presse (2022) Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Taxes in Europe Database Die Subvention des Postzeitungsdienstes (verbilligter Posttransport) hat stark an Bedeutung verloren. In Belgien, Frankreich, Luxemburg, Italien und der Schweiz profitieren Verlage von ermäßigten Posttarifen für den Transport von Zeitungen (vgl. Puppis, Van den Bulck & Bürdel, 2020). In den einzelnen Ländern existieren zahlreiche weitere indirekte Fördermaßnahmen. Eine relativ neue Form der Unterstützung wurde mit der Revision der EU-Urheberrechtsrichtlinie eingeführt: das Leistungsschutzrecht für Presseverlage (Art. 15 Richtlinie (EU) 2019/ 790). Plattformen wie Suchmaschinen oder soziale Netzwerke müssen Verlage für die Verwendung von Artikeln entschädigen. Lediglich sehr kurze Textauszüge und Links sind davon ausgenommen. In vielen westeuropäischen Mediensystemen gibt es auch eine direkte Presseförderung (nicht aber in Deutschland, Großbritannien, Irland oder der Schweiz). Die Höhe der direkten Förderung ist allerdings - gerade verglichen mit indirekten Maßnahmen - meistens eher bescheiden. 0.0% 6.0% 0.0% 9.0% 3.0% 4.0% 9.0% 2.1% 10.0% 0.0% 7.0% 2.5% 6.0% 10.0% 20.0% 25.0% 25.0% 21.0% 17.0% 22.0% 23.0% 20.0% 24.0% 25.0% 19.0% 7.7% 21.0% 20.0% UK SE NO NL LU IT IE FR FI DK DE CH BE AT Normalsatz Presse <?page no="281"?> Produktion 281 Indirekte Presseförderung in Deutschland, Österreich und der Schweiz In Deutschland, Österreich und der Schweiz gilt ein reduzierter Mehrwertsteuersatz für gedruckte und elektronische Presseerzeugnisse (§ 12 (2) & Anlage 2 (49) (b) UstG DE; § 10 (2) & Anlage 1 (33) UstG AT; Art. 25 (2) MWSTG). Deutschland und Österreich haben auch bereits ein Leistungsschutzrecht eingeführt (§ 87g UrhG; § 76f Urheberrechtsgesetz). In Deutschland erhält der Beschwerdeausschuss des Presserats jährlich eine Subvention aus dem Bundeshaushalt (§ 1(1) PresseratG); in einzelnen Bundesländern werden Medienkompetenzprojekte und die journalistische Weiterbildung unterstützt. In Österreich findet sich eine Unterstützung von Organisationen der Journalist·innenausbildung, Leseförderung, Forschungsprojekten, Presseklubs und des Österreichischen Presserats (§§ 9-12a PresseFG 2004). In der Schweiz erhalten Organisationen der Journalismusausbildung und die Nachrichtenagentur Keystone-SDA Gelder aus der Radio- und Fernsehabgabe (Art. 44a & 72 RTVV); eine Unterstützung von Presserat und digitalen Infrastrukturen ist vorerst gescheitert. Weiter ist die Post verpflichtet, abonnierte Tages- und Wochenzeitungen mit einer Auflage von max. 40 000 Exemplaren (resp. 100 000 Exemplaren bei Kopfblattsystemen) sowie Zeitungen und Zeitschriften nicht gewinnorientierter Organisationen (Mitgliedschaftspresse) zu ermäßigten Tarifen zu transportieren. Für die beiden Aufgaben erhält die Post vom Bund jährlich CHF 30 Mio. resp. CHF 20 Mio. (Art. 16 PG; Art. 36 VPG). Weitverbreitet ist die direkt-selektive Betriebsförderung. Damit werden Medien unterstützt, die sich auf dem Markt nicht ausreichend finanzieren können, die aber einen Gewinn an publizistischer Vielfalt versprechen (z. B. Zweitzeitungen oder politische Tages- und Wochenzeitungen mit geringen Werbeeinnahmen) oder die sich an Sprachminderheiten richten. Die Vergabe der Gelder ist an vorher festgelegte Kriterien (wie bspw. Umfang der redaktionellen Leistung, Anzahl festangestellter Journalist·innen, Auflagenhöhe oder Umsatzanteil der Werbeeinnahmen) gekoppelt - wer diese erfüllt und einen Antrag stellt, bekommt die Gelder weitgehend automatisch. Entsprechend hat die für die Vergabe der Gelder zuständige Stelle kaum Ermessensspielraum. Auch findet keine Evaluation der redaktionellen Leistung statt. Diese Vorkehrungen dienen dazu, die Staatsferne der Förderung zu garantieren und eine politische Einflussnahme (bspw. eine Abstrafung für kritische Berichterstattung) zu verhindern. In vielen Mediensystemen wurde die Betriebsförderung von Printauf textbasierte Onlinemedien ausgeweitet (siehe Tab. <?page no="282"?> Bereiche der Medienpolitik 282 18). Eine konvergente Förderung, die sämtliche Mediengattungen gleichbehandelt, ist bisher aber die Ausnahme. Tab. 18: Betriebsförderung für textbasierte Medien (2022) keine Betriebsförderung Betriebsförderung textbasierter Medien konvergente Betriebsförderung Printmedien Onlinemedien CH, BE/ Flandern, DE, IE, UK AT, BE/ Wallonie, DK, FR, IT, LU, NO, SE FI (nur Medien für Minderheiten) AT (geplant), DK, IT, LU, NO, SE FI (nur Medien für Minderheiten) SE Quelle: Eigene Darstellung Insbesondere die skandinavischen Länder nehmen bei Reformen der Presseförderung eine Vorreiterrolle ein (vgl. Puppis, Van den Bulck & Bürdel, 2020): Dänemark hat 2013 die vorherige Vertriebsförderung für Zeitungen durch die redaktionelle Produktionsunterstützung für textbasierte Medien ersetzt. Antragsberechtigt sind Medien, die mindestens drei Journalist·innen beschäftigen und mindestens zur Hälfte aus redaktionellen Inhalten bestehen, von denen mindestens ein Sechstel selbst produziert wird. Kleine Publikationen werden zusätzlich unterstützt, wenn sie zu mindestens 75 % aus redaktionellen Inhalten bestehen, von denen mindestens ein Drittel selbst produziert wird. In Norwegen werden mit der Produktionsunterstützung Print- und Onlinepublikationen unterstützt. Gefördert werden können Monopol-, Marktführer- und Zweitmedien auf nationaler und lokaler Ebene. Eine Voraussetzung für Förderung ist, dass mindestens die Hälfte der Auflage im Abonnement verkauft wird. Zudem werden geförderten Verlagen Vorgaben zu Gewinn, Marge und Dividende gemacht. Ferner werden samischsprachige Zeitungen unterstützt. In Schweden existiert seit den 1960er-Jahren die Betriebsunterstützung für die Presse, die 1996 auf textbasierte Onlinemedien ausgeweitet wurde. Unterstützt werden Publikationen mit maximal 30 % Reichweite in ihrem Verbreitungsgebiet, um ihre benachteiligte Position auf dem Werbemarkt zu kompensieren. Damit handelt es sich faktisch um eine Förderung von Zweitzeitungen. Eigentumskonzentration konnte zwar nicht verhindert werden. Doch da mindestens 55 % der redaktionellen Inhalte selbst produziert werden müssen, gibt es auch in Regionen, in denen beide Zeitungen dem gleichen Unternehmen gehören, <?page no="283"?> Produktion 283 weiterhin zwei eigenständige Redaktionen (vgl. Ots, 2013). 2019 und 2020 wurde zusätzlich eine konvergente Medienförderung eingeführt, die unabhängig von Mediengattung (Text, Audio, Video), Distributionsform (offline oder online) und Geschäftsmodell (Kauf- oder Gratismedien) funktioniert. Unterstützt werden können Redaktionen, die keine Presseförderung erhalten, sowie Lokalmedien in publizistisch unterversorgten Gebieten (auch wenn diese bereits Presse- oder Redaktionsförderung beziehen). Voraussetzungen sind u. a., dass ein Medium zu 50 % aus redaktionellen Inhalten und zu 20 % aus selbst produzierten Inhalten besteht sowie medienethische Grundsätze einhält. Direkte Print- und Onlinemedienförderung in Österreich In Österreich werden Printzeitungen direkt gefördert. Ersten erhalten alle kostenpflichtigen Tages- und Wochenzeitungen mit einer bestimmten Mindestauflage, deren redaktioneller Teil überwiegend aus eigenständig gestalteten Beiträgen besteht und die eine bestimmte Zahl an Journalist·innen beschäftigen, Gelder aus der Vertriebsförderung. Zweitens gibt es zur Absicherung der Existenz von Zweitzeitungen in den Bundesländern eine Betriebsförderung namens «Besondere Förderung zur Erhaltung der regionalen Vielfalt der Tageszeitungen». Drittens wird mit der «Qualitätsförderung und Zukunftssicherung» ein Teil der Kosten für die interne Ausbildung und Auslandskorrespondent·innen übernommen. Für die Vergabe der Gelder ist die KommAustria zuständig, die von einer Presseförderungskommission unterstützt wird (§§ 2- 11 PresseFG). 2023 soll zusätzlich eine Betriebsförderung für textbasierte Medien (Print und Online) eingeführt werden (einzig die bisherige «Qualitätsförderung» wird dadurch ersetzt). Um davon zu profitieren, müssen Medien ähnliche Kriterien erfüllen wie bei der Printförderung; anders als bei dieser können aber auch Gratismedien unterstützt werden. Medien erhalten pro Journalist·in einen bestimmten Betrag; zuständig ist ebenfalls die KommAustria (Entwurf QJF-G). Schon 2022 eingeführt wurde eine konvergente Projektförderung zur Unterstützung der digitalen Transformation (§§ 33a-33k KOG). Problematischer als diese offizielle Förderung ist die Praxis der großzügigen Inseratenvergabe durch öffentliche Stellen und staatsnahe Betriebe. Auch wenn es gewisse Offenlegungspflichten gibt (§ 2 MedKF-TG): Inserate werden mit dem Ziel positiver Berichterstattung nach parteipolitischen Überlegungen vergeben (vgl. Murschetz, 2020). Davon profitieren gerade auch große kostenlose Boulevardzeitungen, die keine Presseförderung erhalten. <?page no="284"?> Bereiche der Medienpolitik 284 Scheitern der Betriebsförderung für Onlinemedien in der Schweiz Schon seit den 1960er-Jahren wurde in der Schweiz immer wieder über direkte Presseförderung diskutiert - zu einer Umsetzung kam es nie. Im Zuge der Medienkrise forderte das Parlament den Bundesrat 2009 und 2012 auf, Optionen für eine Förderung auszuarbeiten (vgl. Meier, 2015a). Erst 2019 stellte die Regierung ein Maßnahmenpaket vor, das auch eine direkte Förderung von Onlinemedien vorsah. Im Parlament fand das Paket zwar eine Mehrheit, doch dagegen wurde das Referendum ergriffen. In der Abstimmung im Februar 2022 wurde die Vorlage mit 54.6 % Neinstimmen abgelehnt. Nicht nur der Betrieb, auch die Distribution kann direkt gefördert werden, wovon natürlich nur Printmedien profitieren. Dies ist etwa in Österreich und Schweden der Fall. In Schweden werden Zeitungen finanziell unterstützt, die auf ein eigenes Vertriebssystem verzichten und stattdessen im Vertrieb kooperieren. Damit soll der Vertrieb kleiner Zeitungen erleichtert werden (vgl. Ots, 2013). Von einer solch dauerhaften Förderung ist eine zeitlich begrenzte Projektförderung zu unterscheiden. Einerseits können Innovationsprojekte unterstützt werden, worunter teilweise auch die Förderung von Neugründungen fällt. In den demokratisch-korporatistischen Mediensystemen findet sich eine Innovationsförderung in Skandinavien, den Niederlanden, Österreich (seit 2022) und einigen deutschen Bundesländern. In den Niederlanden beispielsweise werden innovative Projekte von Start-ups und bestehenden Medienorganisationen mit einem mehrmonatigen Coaching und Geld unterstützt. Andererseits können auch aufwendige Recherchen und investigativer Journalismus unterstützt werden. Dies ist der Fall in der flämischen und der französischen Gemeinschaft Belgiens und den Niederlanden (vgl. Puppis, Van den Bulck & Bürdel, 2020). Innovationsförderung in Deutschland Mehrere Bundesländer fördern Innovationsprojekte. Das «Media Lab Bayern» unterstützt Medieninnovationen von Start-ups und die Entwicklung innovativer Technologien. In Berlin und Brandenburg unterstützt das «Medieninnovationszentrum Babelsberg» die Entwicklung neuer Medienprodukte, in Hamburg fördert «nextMedia.Hamburg» innovative Geschäftsideen und Experimente in den Bereichen Inhalt und Technologie. Und das «Journalismus Lab» der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen fördert innovative digitale Medienprodukte von Start-ups und bei bestehenden Medien. <?page no="285"?> Produktion 285 In einigen demokratisch-korporatistischen Mediensystemen werden Entscheidungen über Förderanträge von Medien von unabhängigen Organisationen getroffen. Dies sind entweder bestehende Medienregulierungsbehörden, die von Presseförderungsbeiräten oder -kommissionen beraten werden, oder gesonderte Gremien, die nur für die Presseförderung zuständig sind. In anderen Mediensystemen hingegen liegt die Entscheidung beim zuständigen Ministerium, wobei es auch hier teilweise beratende Kommissionen gibt (siehe Tab. 19). Tab. 19: Zuständigkeit für direkte Presseförderung Regierung/ Ministerium Regulierungsbehörde mit Beirat/ Kommission gesondertes Gremium BE/ Wallonie, FI, LU AT, NO DK, NL, SE Quelle: Eigene Darstellung Die für die direkte Presseförderung zur Verfügung stehenden Mittel variieren stark. Unter den demokratisch-korporatistischen Mediensystemen sind die Fördersummen in den skandinavischen Ländern am höchsten (siehe Tab. 20). Studie 19: Media-Policy-Field-Ansatz und Medienpolitik in Norwegen Sundet, Ihlebæk & Steen-Johnsen (2020) untersuchten mit dem Media-Policy-Field-Ansatz, wie die norwegische Medienpolitik auf die Digitalisierung reagiert. Hierzu wurde eine qualitative Analyse der Presseberichterstattung über Medienpolitik und von Dokumenten aus den Jahren 1998 bis 2017 vorgenommen. Zwei Themen wurden untersucht: die Regulierung des öffentlichen Rundfunks und die Medienförderung. Dabei konnte die theoretische Annahme des MPF, dass die digitale Disruption neuen Herausforder·innen Einfluss auf die Medienpolitik verschafft und es folglich zu Politikwandel kommt, nicht bestätigt werden. Vielmehr gelang es den traditionellen Medien (Public Service und Verlagen) das Frame durchzusetzen, dass nationale Medien gegen den globalen Wettbewerb geschützt werden müssen, um die gesellschaftlich-politischen Ziele von Medienpolitik verwirklichen zu können. «Global media platforms may […] constitute the ‹perfect enemy› for creating policy windows and support for policy solutions that maintain the position of national players» (Sundet, Ihlebæk & Steen-Johnsen, 2020: 723). <?page no="286"?> Bereiche der Medienpolitik 286 Tab. 20: Höhe der direkten Presseförderung (2021; in Mio. EUR) Mediensystem Betriebsförderung Distributionsförderung Innovationsförderung Print Text konvergent AT 3.2 - - 3.9 - BE/ Wallonie 9.7 (2018) - - - - DK - 49.4 - - 2.6 LU - 7.9 - - - NO - 36.4 - - 2.1 SE - 67.6 22.9 5.0 (2020) 1.7 Quelle: Eigene Darstellung 10.2.2.2 Rundfunkförderung Nicht nur die Presse, auch der private Rundfunk wird in vielen europäischen Mediensystemen mit Subventionen unterstützt, wobei wiederum zwischen einer dauerhaften Betriebs- und einer Projektförderung unterschieden werden muss. In mehreren demokratisch-korporatistischen Mediensystemen wird der Betrieb von Radio- und Fernsehsendern gefördert. Anders als bei der Presse wird häufig die Erfüllung eines Programmauftrags vorgeschrieben. Zudem stammen die Mittel nicht immer aus dem Staatshaushalt, sondern in der Regel wird für die Förderung die gleiche Finanzierungsquelle benutzt wie für den Public Service im jeweiligen Mediensystem (vgl. Puppis, Van den Bulck & Bürdel, 2020). Bei der Betriebsförderung muss zwischen der nationalen und der lokal-regionalen Ebene sowie zwischen verschiedenen Typen privater Sender differenziert werden. In Europa dominieren zwar die kommerziellen Anbieter·innen, doch existiert mit dem nicht-kommerziellen Rundfunk auch eine «dritte Säule». Oftmals ist auch von offenen Kanälen, freiem Rundfunk, Bürger·innenmedien oder «Community Media» die Rede. Gemeint sind damit Radio- oder Fernsehsender, die als Non-Profit-Organisationen institutionalisiert sind, ihre Berichterstattung auf eine lokale Gemeinschaft ausrichten und deren Programme von Freiwilligen bestritten werden. Diese alternativen Sender tragen mit ihren Programmen zur Medienvielfalt, Meinungsäußerungsfreiheit und Bürger·innenbeteiligung bei und <?page no="287"?> Produktion 287 ihre Bedeutung wird auch immer wieder von UNESCO und Europarat hervorgehoben (vgl. Peissl & Tremetzberger, 2020; Recommendation CM/ Rec(2007) 2). In Dänemark, deutschen Bundesländern und der Schweiz werden nicht-kommerzielle Sender gefördert. In der flämischen und französischen Gemeinschaft Belgiens, Bayern, Dänemark und der Schweiz werden auch kommerzielle Sender auf lokal-regionaler Ebene im Gegenzug für die Erfüllung eines regionalen Informationsauftrags unterstützt. Mit RTL TV in Luxemburg und TV2 in Norwegen erhalten zwei nationale kommerzielle Sender öffentliche Gelder, die dafür einen Public-Service-Auftrag zu erfüllen haben. Und in Schweden steht die konvergente Medienförderung (siehe Kapitel 10.2.2.1) auch Radio- und Fernsehsendern offen. Rundfunkförderung in Deutschland, Österreich und der Schweiz In Deutschland können die Bundesländer einen Teil des Rundfunkbeitrags zur Förderung offener Kanäle verwenden (§ 112 (1) MStV). In zahlreichen Bundesländern werden auch der nicht-kommerzielle Hörfunk sowie die Distribution lokaler Rundfunksender unterstützt. In Bayern existiert eine Förderung lokaler und regionaler Fernsehsender (§ 122 MStV; § 23 BayMG). Kommerzielle und nicht-kommerzielle Radio- und Fernsehsender werden in Österreich aus dem «Privatrundfunkfonds» und dem «Nichtkommerziellen Rundfunkfonds» hauptsächlich bei der Produktion von Inhalten unterstützt. Pro Jahr stehen EUR 20 Mio. resp. EUR 3 Mio. aus den Rundfunkgebühren zur Verfügung. Ferner wird die Digitalisierung der Distribution gefördert (§§ 21 & 29-32 KOG). Über die Vergabe entscheidet anders als bei der Presseförderung nicht die KommAustria, sondern der oder die Geschäftsführer·in des RTR-Fachbereichs Medien nach Anhörung eines Beirats. Die Schweiz hingegen hat mit dem sogenannten «Abgabensplitting» (früher: «Gebührensplitting») eine Betriebsförderung implementiert. Private Sender können sich um eine Konzession bewerben, die einen Anteil aus der Radio- und Fernsehabgabe umfasst, müssen aber als Gegenleistung einen Programmauftrag erfüllen. Gefördert werden können privat-kommerzielle Lokalradiosender und privat-kommerzielle Regionalfernsehsender in Gebieten ohne ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten sowie nicht-kommerzielle Radiosender. Derzeit stehen hierfür 6 % aus der Radio- und Fernsehabgabe zur Verfügung, was etwa CHF 81 Mio. entspricht (Art. 38 & 40 (1) RTVG). Ob der Auftrag auch erfüllt wird, wird mit regelmäßigen Evaluationen und Programmanalysen überprüft (vgl. Künzler, 2013a: 289-290). <?page no="288"?> Bereiche der Medienpolitik 288 Neben dem Betrieb von Sendern können auch einzelne Sendungen mit öffentlichen Geldern unterstützt werden. In der flämischen (TV) und französischen (Radio) Gemeinschaft Belgiens, Dänemark (TV), Norwegen und Österreich können sich private Sender mit Projekten für Produktionen um Gelder bewerben. Die Presse profitiert von Mehrwertsteuererleichterungen und vielfach von einer direkt-selektiven Betriebsförderung, die in den letzten Jahren auf Onlinepublikationen ausgeweitet wurden. Auch Privatrundfunk wird in vielen Mediensystemen subventioniert, doch eine konvergente Förderung stellt eine Ausnahme dar. Medienförderung ist in Europa weiterhin stark pfadabhängig. 10.3 Förderung der audiovisuellen Industrie Von der Förderung publizistischer Medien ist die Förderung der audiovisuellen Industrie abzugrenzen, die in Form von Förderprogrammen und Produktionsquoten unterstützt werden kann. Produktionsquoten schreiben Fernsehsendern und Streamingdiensten vor, dass ein bestimmter Prozentsatz ihrer Einnahmen in nationale oder europäische Produktionen investiert werden muss. Die Förderung der audiovisuellen Industrie ist eher der Kulturdenn der Medienpolitik zuzuordnen. Dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit nicht nur kulturelle, sondern auch ökonomische Ziele wie die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Branche oder des Wirtschaftsstandorts verfolgt werden. Auf europäischer Ebene existieren das Förderprogramm «Eurimages» des Europarats (siehe Kapitel 7.1.2.2) und der Aktionsbereich MEDIA innerhalb des EU- Förderprogrammes «Kreatives Europa» (siehe Kapitel 7.3.2.3). Beide dienen der Unterstützung grenzüberschreitender Kooperationen, wobei mit MEDIA nicht die Produktion an sich, sondern Projektentwicklung, Aus- und Weiterbildung sowie Vertrieb gefördert werden können. Die AVMD-Richtlinie enthält zudem eine Ausstrahlungs- oder Produktionsquote für europäische Inhalte unabhängiger Produzent·innen, die für EU- und EWR-Staaten gilt und auch von der Schweiz übernommen wurde (siehe auch Kapitel 11.1.2.2): 8 10 % der Sendezeit, die nicht aus Nachrichten, Sport, Spielshows 8 Die Schweiz hat diese Quoten im Rahmen eines (zwischenzeitlich ausgelaufenen) bilateralen Abkommens zur Teilnahme am MEDIA-Filmförderprogramm der EU in nationales Recht übertragen (Art. 7 (1) RTVG; Art. 5 RTVV). <?page no="289"?> Produktion 289 und Werbung besteht, oder 10 % des Programmbudgets sind im Rahmen des praktisch Durchführbaren europäischen Inhalten unabhängiger Produktionsunternehmen vorbehalten. Davon wiederum ist ein angemessener Anteil für neuere Produktionen (nicht älter als fünf Jahre) reserviert (Art. 17 Richtlinie 2010/ 13/ EU). Auch in den einzelnen Mediensystemen findet sich in der Regel eine Förderung der audiovisuellen Industrie. Zwar sind innerhalb der EU staatliche Beihilfen, die den Wettbewerb verzerren, grundsätzlich verboten (Art. 107 (1) AEUV). Allerdings findet, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, auf Maßnahmen zur Förderung der audiovisuellen Industrie eine Ausnahme für Beihilfen zur Förderung der Kultur Anwendung (Art. 107 (3) (d) AEUV). Gemäß der Europäischen Kommission gelten staatliche Beihilfen für Kino- und Fernsehproduktionen als zulässig, wenn sie einem kulturellen Produkt zugutekommen und die Beihilfe 50 % des Produktionsbudgets (60 % bei Produktionen, die Förderung aus mehr als einem Mitgliedstaat erhalten) nicht übersteigt (vgl. Europäische Kommission, 2013a). In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind sowohl der Bund als auch einzelne Bundesländer resp. Kantone in der Filmförderung aktiv (vgl. Seufert & Gundlach, 2017: 348-353). In Österreich werden zudem mit dem «Fernsehfonds Austria» Fernsehproduktionen unabhängiger Produktionsfirmen mit jährlich EUR 13.5 Mio. aus den Rundfunkgebühren unterstützt. Über die Vergabe entscheidet der oder die Geschäftsführer·in des Fachbereichs Medien der RTR nach Anhörung eines Beirats (§§ 26-28 KOG). In den einzelnen Mediensystemen sind auch Produktionsquoten für Fernsehsender und Streamingdienste weitverbreitet. Diese können in Form einer Investitionspflicht in die inländische audiovisuelle Produktion und/ oder als Abgabe zuhanden nationaler Filmförderprogramme implementiert werden. In Abkehr vom Herkunftslandprinzip dürfen Mitgliedstaaten nicht nur inländische Fernsehsender und Streamingdienste dazu verpflichten, sondern auch ausländische Anbieter·innen, die sich an Zuschauer·innen im Inland richten (Art. 13 (2) Richtlinie 2010/ 13/ EU). Damit dürfen EU-Staaten erstmals auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Fernsehsender (die Programm- oder Werbefenster ausstrahlen) und Streamingdienste zugreifen, welche im Inland zwar Geld verdienen, bisher aber kaum in die inländische audiovisuelle Produktion investiert haben. Während kleine Mediensysteme schon lange ein Interesse daran hatten, den Abfluss von Geldern zu ausländischen Medien einzuschränken, hat erst das Aufkommen von Netflix & Co. in großen EU-Staaten zu einem Umdenken geführt. <?page no="290"?> Bereiche der Medienpolitik 290 Investitionspflichten in Deutschland, Österreich und der Schweiz Zusätzlich zu den Quoten aus der AVMD-Richtlinie gibt es in Deutschland und der Schweiz eine Produktionsquote. In Deutschland müssen Fernsehsender und Streamingdienste eine Filmabgabe an die Filmförderungsanstalt (FFA) zahlen. Diese Pflicht gilt auch für ausländische Streamingdienste (sofern sie am Ort des Unternehmenssitzes keiner ähnlichen Pflicht unterliegen). Die Abgabe beläuft sich für öffentlich-rechtliche Sender auf 3 % ihrer Kosten für Kinofilme, für private werbefinanzierte Sender je nach Anteil Kinofilmen an der Gesamtsendezeit auf zwischen 0.15 % und 0.95 % ihrer Nettowerbeumsätze, für Pay-TV-Sender auf 0.45 % ihrer Abonnementsumsätze und für Streamingdienste je nach Umsatz auf 1.8 % oder 2.5 % ihres mit der Verwertung von Kinofilmen erzielten Umsatzes (§§ 153-156 FFG). In einem Abkommen zwischen FFA, ARD und ZDF werden für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zudem Minimalbeiträge und weitere freiwillige Leistungen festgehalten (§§ 2, 4 & 5 Film-/ Fernsehabkommen ARD/ ZDF). In der Schweiz müssen Privatsender, die Filme zeigen, 4 % ihrer Bruttoeinnahmen in die Schweizer Filmproduktion investieren oder als Förderabgabe entrichten. Dies wurde 2022 auf Streamingdienste und ausländische Anbieter·innen, die sich an ein Schweizer Publikum richten (ausländische Fernsehsender mit Werbefenstern; ausländische Streamingdienste), ausgeweitet (Art. 24b FiG). Zwar wurde dagegen das Referendum ergriffen, doch die Ausweitung fand eine Mehrheit. Beim Service public hingegen wird mit Co-Regulierung gearbeitet: Die SRG muss eine Vereinbarung mit der Filmbranche über die Ausstrahlung von und Investitionen in den Schweizer Film treffen (Art. 26 & 27 SRG-Konzession). Resultat davon ist der «Pacte de l’Audiovisuel», der einen Beitrag von mehr als CHF 30 Mio. pro Jahr vorsieht. In Österreich gibt es keine Produktionsquote, doch haben das Filminstitut und der ORF ein Abkommen geschlossen, das einen jährlichen Beitrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Höhe von EUR 8 Mio. festlegt (§ 2 Film-/ Fernsehabkommen ORF). Neben Medienorganisationen profitiert auch die audiovisuelle Industrie von Förderprogrammen. Zusätzlich wird die Filmbranche mit Produktionsquoten unterstützt, die Fernsehsender und Streamingdienste zu Investitionen oder Abgaben in die Filmförderung verpflichten. <?page no="291"?> Produktion 291 10.4 Medienethische Standards und Sorgfaltspflichten Professionelle medienethische Standards sind in der Produktion publizistischer Inhalte, insbesondere von Journalismus, von höchster Bedeutung. Dabei handelt es sich um einen Bereich der Medienpolitik, der von staatlicher Regulierung kaum abgedeckt wird. Was legal ist und was ethisch ist, ist eben nicht immer deckungsgleich (vgl. Tambini, Leonardi & Marsden, 2008: 68). In Ländern, wo dies überhaupt Gegenstand von Gesetzen ist, gilt für Rundfunk und Presse lediglich die Vorgabe, sich an journalistische Grundsätze und Sorgfaltspflichten zu halten. Dies ist in Deutschland für die gedruckte Presse (Landespressegesetze), den Rundfunk (§ 6 MStV) und journalistisch-redaktionell gestaltete Onlineangebote (worunter neben Angeboten professioneller Medien auch solche von Influencer·innen fallen, sofern diese politische Informationen enthalten; § 19 MStV), in Österreich für den Rundfunk (§ 41 (5) AMD-G; § 16 (5) PrR-G) der Fall. In vielen europäischen Ländern wurden zur Sicherstellung der Einhaltung medienethischer Standards Presse- oder Medienräte eingerichtet, deren Bedeutung auch in Empfehlungen des Europarats betont wird (bspw. Recommendation CM/ Rec(2022)4). Bei diesen handelt es sich um Selbstregulierungsorganisationen auf Branchenebene, die vermutete Verstöße von Medien in journalistischen Arbeitsprozessen und Berichterstattung gegen ethische Richtlinien untersuchen und nötigenfalls sanktionieren (vgl. Puppis, 2009a: 68; siehe auch Studie 7 in Kapitel 4.2.2). Presse- oder Medienräte behandeln in der Regel Beschwerden, die von Rezipient·innen oder von Personen, die von der Berichterstattung betroffenen sind, eingereicht werden. Einige Räte können aber auch von sich aus Fälle aufgreifen. Die ethischen Richtlinien sind in den verschiedenen europäischen Ländern weitgehend ähnlich und betreffen Fragen publizistischer Verantwortung, journalistischer Fairness und Sorgfalt. «[T]he most common principles in the European codes emphasize different aspects of truthfulness, the need to protect the integrity and independence of journalists, the responsibility of journalists in forming public opinion, fair means in the gathering and presentation of information, protection of the rights of sources and referents, and the freedom to express and communicate ideas and information without hindrance» (Laitila, 1995: 538). Der erste Presserat wurde bereits 1916 in Schweden gegründet. Auslöser für die Gründung und Reformen von Presse- und Medienräten waren zumeist staatliche Drohungen mit Regulierung. Um dieser zu entgehen, war die Pressebranche jeweils bereit, sich selbst Regeln zu geben. <?page no="292"?> Bereiche der Medienpolitik 292 «Many European press councils were created in response to a crisis of some sort - e.g. discontent with intrusions by the press, dissatisfaction with low standards of journalism, etc. - that prompts […] a threat of legislation from the authorities, and as a reaction the industry offers to improve its performance by raising standards» (Tambini, Leonardi & Marsden, 2008: 66). Heute sind Presse- und Medienräte in Europa weitverbreitet (vgl. Puppis, 2009a: 220-230): Die meisten Räte arbeiten ohne staatliche Beteiligung. In einigen Mediensystemen, so auch Deutschland und Österreich, unterstützt der Staat den Presserat aber finanziell. Und teilweise findet sich auch eine Co-Regulierung, also eine gesetzliche Grundlage und/ oder eine staatliche Anerkennung der Organisation (bspw. in Dänemark, Irland und Luxemburg). Die meisten Presseräte befassen sich trotz ihres Namens mit sämtlichen journalistischen Medien; nur bei wenigen Räten ist die Zuständigkeit auf die Presse und ggf. deren Onlineangebote beschränkt (so auch in Deutschland, Großbritannien, Irland, Österreich und Schweden). Die Selbstregulierungsorganisationen werden zumeist gemeinsam von Verbänden der Journalist·innen und der Medieneigentümer·innen getragen. Presseräte in Deutschland, Österreich und der Schweiz Der Deutsche Presserat wurde 1956 gründet und ist für Print- und Onlinemedien zuständig. Eigenständige journalistische Onlinemedien können einer Regulierung durch die Landesmedienanstalten entgehen, wenn sie sich freiwillig dem Presserat unterstellen (§ 19 MStV). Der Presserat erhält jährlich einen Zuschuss des Bundes (§ 1 (1) PresseratG). Der Österreichische Presserat wurde 1961 gegründet (inaktiv von 2002 bis 2010) und wird mit öffentlichen Geldern unterstützt (§ 12a PresseFG). Dem Presserat sind Ombudspersonen vorgeschaltet. Diese versuchen, einvernehmliche Lösung zwischen Beschwerdeführer·in und Medium zu finden. Neben Printmedien und deren Onlineausgaben haben sich auch einige nicht-kommerzielle Rundfunksender dem Presserat unterstellt. Der 1977 gegründete Schweizer Presserat ist für Printmedien, redaktionelle Radio- und Fernsehsendungen sowie Onlinepublikationen zuständig. Die Behandlung von Beschwerden übernehmen sprachregionale Kammern. <?page no="293"?> Produktion 293 In den Gremien, die Beschwerden behandeln, sind bei den meisten Räten Journalist·innen und Vertreter·innen der Öffentlichkeit (unabhängige «Laienmitglieder»), teilweise als dritte Partei auch Eigentümer·innen vertreten. Presse- und Medienräte verfügen nur über schwache Sanktionsmöglichkeiten. Nur rund die Hälfte der Räte kann von einem Medium, das gegen die ethischen Richtlinien verstoßen hat, den Abdruck einer Rüge verlangen. «The publication of the notice given by the council is the most common sanction. This implies that the councils and the media industry rely on publicity of the violations as a sanction» (Sonninen & Laitila, 1995: 18). Zusätzlich zu dieser Governance auf Branchenebene nehmen sich auch einzelne Medienorganisationen dem Thema Ethik an (Selbstorganisation). So kann es interne Kodizes für die journalistische Arbeit und/ oder Ombudspersonen geben (vgl. Eberwein, Fengler & Karmasin, 2019). Zur Durchsetzung medienethischer Standards wird häufig auf eine Selbstregulierung durch Presse- oder Medienräte vertraut, die auf Basis von Beschwerden Verstöße gegen ethische Richtlinien untersuchen. Zusätzlich zu Governance auf Branchenebene können auch einzelne Medienorganisationen über interne Kodizes und Ombudspersonen verfügen. Übungen 1. Nachdem Sie Theorie und Empirie der Medienförderung nun kennen: Welche Formen der Förderung halten Sie für Erfolg versprechend? Begründen Sie Ihre Antwort. 2. Staatliche Beihilfen, die den Wettbewerb verzerren, sind in der EU grundsätzlich verboten. Aus welchen Gründen und unter welchen Bedingungen erachtet die Europäische Kommission die öffentliche Finanzierung des Public Service, Medienförderung und Filmförderung für zulässig? 3. Der öffentliche Rundfunk und seine Onlineaktivitäten sind in der Medienpolitik genauso wie Medienförderung sehr umstritten. Warum ist das so? Denken Sie an verschiedene Begründungen für medienpolitische Eingriffe und an unterschiedliche Interpretationen von Medienfreiheit. <?page no="294"?> Bereiche der Medienpolitik 294 Literaturtipps Donders, K. (2021). Public Service Media in Europe. Law, Theory and Practice. London: Routledge. Karen Donders’ Monografie befasst sich mit konzeptionellen Grundlagen des Public Service sowie seiner Organisation und Regulierung in Europa. Jarren, O., & Donges, P. (2005). Der öffentliche Rundfunk in der Gesellschaft. Begründung, Wandel und Konflikte um eine Leitidee am Beispiel Schweiz. In C.-M. Ridder, W. R. Langenbucher, U. Saxer, & C. Steininger (Hrsg.), Bausteine einer Theorie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (S. 177-195). Wiesbaden: VS Verlag. In ihrem Artikel stellen Jarren und Donges verschiedene theoretische Zugänge zur Konzeption von öffentlichem Rundfunk vor. Murschetz, P. (Hrsg.). (2013). State Aid for Newspapers. Theories, Cases, Actions. Heidelberg: Springer. Die Kapitel in diesem Sammelband widmen sich verschiedenen Aspekten der Presseförderung und der Situation in verschiedenen europäischen Ländern. Schweizer, C. (2019). Öffentliche Rundfunkorganisationen als Media Commons? Vorschlag eines neuen Leitbegriffs und vergleichende Analyse in 16 Ländern. Baden-Baden: Nomos. Die Studie von Schweizer bietet eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Public Service als Commons - und ist getreu dem Thema auch Open Access verfügbar. <?page no="295"?> 295 11 Inhalte Inhalt und Lernziele Medienpolitik befasst sich nicht nur mit Medienorganisationen, die Inhalte produzieren, sondern auch mit den Inhalten selbst - und das ist das Thema des folgenden Kapitels. Aufgrund von Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit werden Medieninhalte und im Internet verfügbare Inhalte zwar nur sehr zurückhaltend reguliert. Doch zum Schutz anderer Grundrechte und des öffentlichen Interesses befasst sich Medienpolitik auch mit der Beschränkung illegaler sowie legaler, aber schädlicher Inhalte. Gleichzeitig werden an Medien inhaltliche Anforderungen gestellt. Und nicht nur publizistische Inhalte, auch die kommerzielle Kommunikation unterliegt gewissen Regeln. Nach diesem Kapitel können Sie Schranken der Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit erläutern. Möglichkeiten zur Regulierung von Inhalten aufzeigen. den Stellenwert und die Grenzen nicht-staatlicher Formen der Governance von Inhalten bei Medien und Plattformen einschätzen. Grundzüge der Regulierung von Inhalten und kommerzieller Kommunikation in Europa darlegen. 11.1 Governance von Medien- und Onlineinhalten Medienpolitik setzt zumeist an den Medienstrukturen an: Durch die Lizenzierung von Privatrundfunk, Medienkonzentrationsregulierung, die Einrichtung eines Public Service oder Medienförderung wird versucht, indirekt auf die Leistung von Medienorganisationen Einfluss zu nehmen. Bei einer direkten staatlichen Regulierung der Medieninhalte ist aufgrund der Medienfreiheit starke Zurückhaltung geboten. Gleiches gilt aufgrund der Meinungsäußerungsfreiheit für die Regulierung von Onlineinhalten. Doch auch die Medien- und die Meinungsäußerungsfreiheit unterliegen gewissen Schranken. Diese Schranken dann tatsächlich durchzusetzen, ist aber gerade im Internet alles andere als einfach. <?page no="296"?> Bereiche der Medienpolitik 296 11.1.1 Grundlagen 11.1.1.1 Schranken der Meinungsäußerungs- und der Medienfreiheit In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dem UNO-Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte, der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der Grundrechtscharta der EU und nationalen Verfassungen werden die Meinungsäußerungsfreiheit für Individuen sowie die Medienfreiheit garantiert und die Zensur verboten (Art. 5 (1) GG; Art. 13 Staatsgrundgesetz; Art. 16 & 17 BV). Doch diese Freiheiten gelten nicht grenzenlos. Für die begrenzt zulässigen Einschränkungen der Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit gelten indes strikte Bedingungen: Sie müssen zur Verhinderung von Willkür auf einer gesetzlichen Grundlage basieren, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein und einem legitimen Zweck dienen (Art. 10 (2) EMRK; Art. 52 (1) GRC). Ein solch legitimer Zweck ist der Schutz der Grundrechte Dritter. Damit ist die Medienfreiheit gegenüber den Grundrechten der von Berichterstattung betroffenen Personen abzuwägen. Gleiches gilt für Äußerungen im Internet. Der UNO- Pakt über bürgerliche und politische Rechte untersagt willkürliche Eingriffe in Privatleben und Schriftverkehr sowie Beeinträchtigungen von Ehre und Ruf (Art. 17). Ähnlich schützt die EMRK das Recht auf Privat- und Familienleben (Art. 8). Im Einklang mit diesen internationalen Verträgen existiert auf nationaler Ebene ein Persönlichkeits- und Ehrenschutz, der vor Beleidigungen und Verleumdungen schützt und das Recht am eigenen Bild gewährt. Ebenso besteht ein Schutz gegen Geschäftsschädigung und ein Recht auf Gegendarstellung. Immer wieder führt die Abwägung zwischen Medienfreiheit und anderen Grundrechten (insbesondere dem Recht auf Privatleben) zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, die manchmal vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) letztinstanzlich entschieden werden müssen. Der EGMR hat in seiner Rechtsprechung zudem klargestellt, dass sich Art. 10 EMRK nicht auf Äußerungen erstreckt, welche die Grundrechte bestimmter Gruppen von Menschen beschneiden wollen. Weiter stellt die Wahrung berechtigter öffentlicher Interessen einen legitimen Zweck zur Einschränkung der Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit dar. Der UNO-Pakt (Art. 19 (3)) und die EMRK (Art. 10 (2)) nennen explizit den Schutz der nationalen Sicherheit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sowie den Schutz von Gesundheit oder Moral. Auf dieser Grundlage finden sich in den <?page no="297"?> Inhalte 297 einzelnen Staaten strafrechtliche Bestimmungen, die u. a. die sogenannte Hassrede (bspw. aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Orientierung), grausame Gewaltdarstellungen oder extreme Pornografie betreffen. 11.1.1.2 Möglichkeiten der Inhaltsregulierung Bei der Inhaltsregulierung ist zwischen negativer (Beschränkungen) und positiver Regulierung (Anforderungen) zu unterscheiden (vgl. Bernier, 2004). Mit negativer Regulierung ist gemeint, dass gewisse Inhalte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zulässig sind. Dies betrifft erstens illegale Inhalte, die zum Schutz anderer Grundrechte oder zur Wahrung des öffentlichen Interesses nicht von der Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit gedeckt sind (z . B. Hassrede oder Material über sexuellen Kindesmissbrauch). Anders als bei Medien adressiert die Regulierung von im Internet verbreiteten illegalen Inhalten nicht nur deren Urheber·innen, auf die häufig nicht zugegriffen werden kann, sondern auch Vermittlungsdienste (d. h. Internetzugangs- und Hostingdienste; Plattformen), über welche die Inhalte den Nutzer·innen erst zugänglich gemacht werden. Zweitens gibt es auch Inhalte, die zwar legal, aber trotzdem potenziell schädlich für die Gesellschaft (bspw. Desinformation) oder für bestimmte Gruppen (bspw. für Minderjährige ungeeignete Inhalte) sind. Im Bereich von Rundfunk und nicht-linearen audiovisuellen Mediendiensten wird auch die Verbreitung solcher Inhalte reguliert. Die Problematik der Verbreitung legaler, aber potenziell schädlicher Inhalte stellt sich heute aber insbesondere mit Blick auf das Internet. Um die Medien- und Meinungsäußerungsfreiheit zu wahren, wird stark auf nichtstaatliche Formen der Governance gesetzt (siehe Kapitel 4.2.2 & 4.2.3). Diese umfassen einerseits die Selbstorganisation durch einzelne Unternehmen. Viele Medienorganisationen verfügen über interne Richtlinien bspw. zum Umgang mit Onlinekommentaren und anderen Formen von «User Generated Content» oder zum Jugendmedienschutz. Auch Plattformen haben eigene Regeln aufgestellt. Andererseits spielt Selbstregulierung auf Branchenebene eine zentrale Rolle. Der Staat kann für Selbstorganisation und Selbstregulierung im Sinne der Co-Regulierung auch einen staatlichen Regulierungsrahmen setzen. Inhalte sind aber nicht nur ein Thema für die Medienpolitik, wenn es um die Verhinderung oder Beschränkung der Bereitstellung illegaler sowie legaler, aber schädlicher Inhalte geht. Für den Rundfunk sowie nicht-lineare audiovisuelle Mediendienste findet sich auch positive Regulierung, also inhaltliche Anforderungen an die Gestaltung der Programme. Hierzu zählen allgemein gehaltene inhaltliche <?page no="298"?> Bereiche der Medienpolitik 298 Grundsätze wie Ausgewogenheit oder Vielfalt, Programm- oder Leistungsaufträge für den Public Service und geförderte Privatsender sowie Quoten. Letztere schreiben Sendern und Streamingdiensten vor, dass ein bestimmter Anteil der Sendungen resp. des Katalogs nationalen oder europäischen Ursprungs sein muss. Die Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit gelten nicht absolut, sondern dürfen zum Schutz der Grundrechte Dritter sowie zur Wahrung berechtigter öffentlicher Interessen unter gewissen Bedingungen eingeschränkt werden. Doch auch legale Inhalte können potenziell schädlich sein und sind deshalb Gegenstand von Governance. Rundfunk und Streamingdienste unterliegen zudem positiven Anforderungen an die Gestaltung ihrer Angebote. 11.1.2 Governance von Medien- und Onlineinhalten in Europa 11.1.2.1 Mindeststandards für audiovisuelle Mediendienste Fernsehsender und Video-on-Demand-Angebote werden europaweit weitgehend einheitlich reguliert. Das liegt daran, dass die AVMD-Richtlinie der EU (Richtlinie 2010/ 13/ EU; siehe Kapitel 7.3.2.2) und das EÜGF der Europarats (siehe Kapitel 7.1.2.2) sehr ähnliche Mindeststandards zur Harmonisierung nationaler Regulierung enthalten, darunter (siehe Tab. 21): die Achtung der Menschenwürde, insbesondere durch ein Verbot der Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen eine Gruppe von Personen (bspw. aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Glauben oder sexueller Orientierung); der Schutz Minderjähriger: Sendungen dürfen die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung nicht beeinträchtigen (siehe Kapitel 11.1.2.3); ein Recht auf Gegendarstellung; die Möglichkeit, ein Recht auf Kurzberichterstattung über Ereignisse von großem gesellschaftlichem Interesse festzulegen; die Möglichkeit festzulegen, dass Veranstaltungen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung nicht ausschließlich im Pay-TV verbreitet werden; Quoten für europäische Inhalte (siehe Kapitel 11.1.2.2). Die Bestimmungen des EÜGF und der AVMD-Richtlinie müssen von den einzelnen Staaten in nationales Recht umgesetzt werden. Zwar ist eine strengere Regulierung erlaubt, doch machen die einzelnen Länder davon selten Gebrauch. Für das Radio existieren keine europäischen Mindeststandards. <?page no="299"?> Inhalte 299 Tab. 21: Mindeststandards für Inhalte in EÜGF und AVMD-Richtlinie EÜGF AVMD-Richtlinie grenzüberschreitende Fernsehsender Fernsehsender Video on Demand Achtung Menschenwürde und Grundrechte; Verbot Aufstachelung zum Rassenhass (Art. 7 (1)) Achtung Menschenwürde; Verbot Aufstachelung zu Gewalt oder Hass und von Aufforderung zu terroristischer Straftat (Art. 6) Schutz Minderjähriger (Art. 7 (2)) Schutz Minderjähriger (Art. 6a) sachgerechte Darstellung Nachrichten (Art. 7 (3)) - - Gegendarstellungsrecht (Art. 8) Gegendarstellungsrecht (Art. 28) - Kurzberichterstattung (Art. 9) Kurzberichterstattung (Art. 15) - Übertragung von Großereignissen (Art. 9a) Übertragung von Großereignissen (Art. 14) - Quoten (Art. 10) Quoten (Art. 16-18) Quoten (Art. 13 (1)) keine Gefährdung Medienvielfalt (Art. 10a) - - Quelle: Eigene Darstellung Während das EÜGF für grenzüberschreitende Fernsehsender zwischen Vertragsparteien gilt, findet die AVMD-Richtlinie auf sämtliche linearen und nicht-linearen audiovisuellen Mediendienste in der EU und im EWR Anwendung. In der Schweiz unterliegen nicht-lineare Angebote vom Jugendmedienschutz abgesehen bisher keiner Regulierung. Zusätzlich zu den Bestimmungen in Medien- und Rundfunkgesetzen können einzelnen Sendern in ihren Lizenzen weitere Auflagen gemacht werden (siehe Kapitel 9.1). Für den öffentlichen Rundfunk gilt zudem ein Programmauftrag, der deutlich über diese harmonisierten Mindeststandards hinausgeht (siehe Kapitel 10.1.2.3). <?page no="300"?> Bereiche der Medienpolitik 300 Die Regulierung der Inhalte von Rundfunksendern und nicht-linearen audiovisuellen Mediendiensten ist aufgrund der Harmonisierung durch EÜGF und AVMD-Richtlinie in ganz Europa sehr einheitlich ausgestaltet. 11.1.2.2 Ausstrahlungs- und Bereitstellungsquoten Aufgrund der Mindeststandards in EÜGF und AVMD-Richtlinie existieren europaweit Quoten für europäische Inhalte - und je nach Land auch solche für nationale Inhalte. Genauso wie die Förderung der audiovisuellen Industrie (siehe Kapitel 10.3) dienen solche Quoten dazu, die Produktion und Verbreitung nationaler oder europäischer Inhalte zu forcieren. Damit werden zum einen kulturelle Ziele verfolgt, da ein hoher Anteil ausländischer (v. a. US-amerikanischer) Inhalte als Bedrohung für europäische Kulturen, Sprachen und Werte erachtet wird. Zum anderen geht es um das ökonomische Ziel, eine international wettbewerbsfähige audiovisuelle Industrie aufzubauen und Arbeitsplätze zu schaffen. Dies führt aber auch zu Zielkonflikten, da europäische Produktionen nicht automatisch von höherer Qualität sind. Entsprechend wird kritisiert, dass unter dem Deckmantel der Kultur wirtschaftlicher Protektionismus betrieben werde (vgl. Broughton Micova, 2013; Doyle, 2013: 174; McQuail & Deuze, 2020: 291). Doch warum werden so viele Filme und Serien aus den USA importiert? Mit der Liberalisierung des Rundfunks ist die Nachfrage nach audiovisuellen Produktionen stark angestiegen. Insbesondere zu Beginn wurde ein Großteil der Nachfrage mit US-Importen befriedigt. Auch 2017 machten US-amerikanische Produktionen mehr als 44 % der Sendestunden fiktionaler Fernsehproduktionen aus (siehe Tab. 22). Tab. 22: Herkunft fiktionaler TV-Produktionen in den EU28 (2017) Herkunft Anteil Sendestunden in Prozent Inland 26.0 % andere EU-Mitgliedstaaten 18.9 % andere europäische Staaten 04.5 % USA 44.3 % andere Staaten 06.3 % Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Fontaine & Jimenez Pumares (2019: 50-51) <?page no="301"?> Inhalte 301 Da die Produktionskosten bereits im großen US-Fernsehmarkt eingespielt wurden, können die Produktionen im Ausland zu einem Preis angeboten werden, der nicht die Produktionskosten widerspiegelt. US-Produktionen sind für Fernsehsender damit weitaus billiger als europäische Eigen- oder Auftragsproduktionen. Hinzu kommt, dass US-Produktionen bei den Rezipient·innen auf mehr Anklang stoßen als Importe aus anderen Ländern. Publika weltweit sind an Stars und Erzählstrukturen von Hollywood-Produktionen gewöhnt, während Europa in verschiedene Kultur- und Sprachräume unterteilt ist, deren Produktionen weniger vertraut wirken können (vgl. Hoskins & Mirus, 1988). Entsprechend haben der Europarat und die EU Quoten für europäische Inhalte im Fernsehen erlassen. In EÜGF und AVMD-Richtlinie findet sich eine Ausstrahlungsquote für europäische Inhalte im Fernsehen: Der Hauptanteil der Sendezeit, die nicht aus Nachrichten, Sport, Spielshows und Werbung besteht, ist im Rahmen des praktisch Durchführbaren europäischen Produktionen vorbehalten (Art. 16 (1) Richtlinie 2010/ 13/ EU; Art. 10 (1) EÜGF). Die AVMD-Richtlinie enthält zudem eine Ausstrahlungs- oder Produktionsquote für europäische Inhalte unabhängiger Produzent·innen (siehe auch Kapitel 10.2.2.2): 10 % der Sendezeit, die nicht aus Nachrichten, Sport, Spielshows und Werbung besteht, oder 10 % des Programmbudgets sind im Rahmen des praktisch Durchführbaren europäischen Inhalten unabhängiger Produktionsunternehmen vorbehalten. Davon wiederum ist ein angemessener Anteil für neuere Produktionen reserviert (Art. 17 Richtlinie 2010/ 13/ EU). Während die Quoten im EÜGF nur für grenzüberschreitende Fernsehsender zwischen Vertragsparteien gelten, finden jene in der AVMD-Richtlinie auf sämtliche Fernsehsender (mit Ausnahme von Lokalsendern) in EU- und EWR-Mitgliedstaaten Anwendung und wurden auch von der Schweiz übernommen. 9 Inzwischen enthält die AVMD-Richtlinie auch Bereitstellungsquoten für europäische Inhalte im Katalog von Video-on-Demand-Anbieter·innen (also Streamingdiensten). Diese müssen mindestens zu 30 % aus europäischen Werken bestehen, die für die Nutzer·innen auch gut sichtbar sein müssen (Art. 13 (1) Richtlinie 2010/ 13/ EU). In der Schweiz wurde eine entsprechende Regel zwischenzeitlich ebenfalls implementiert (Art. 24a FiG). Dagegen wurde das Referendum ergriffen, die Vorlage fand im Frühjahr 2022 aber eine Mehrheit. 9 Im Rahmen eines (zwischenzeitlich ausgelaufenen) bilateralen Abkommens zur Teilnahme am MEDIA-Filmförderprogramm der EU hat die Schweiz die Quoten für Fernsehsender aus der AVMD-Richtlinie in nationales Recht übertragen (Art. 7 (1) RTVG; Art. 5 RTVV). <?page no="302"?> Bereiche der Medienpolitik 302 Auch wenn die Einführung von Quoten für europäische Inhalte in der EU heftig umstritten war, ist ihre praktische Bedeutung in vielen Ländern aufgrund der sehr nachsichtigen Umsetzung und Durchsetzung beschränkt. Erstens zeichnen sich die schwammigen Formulierungen wie «Hauptanteil der Sendezeit» oder «im Rahmen des praktisch Durchführbaren» nicht durch eine besonders hohe Verbindlichkeit aus, womit die Quoten eher einer politischen Absichtserklärung gleichkommen. Zweitens lässt sich kritisieren, dass eine Nichterfüllung der Quoten keine Sanktionen nach sich zieht. Und drittens wird die Quote (von Sprachräumen abgesehen) hauptsächlich mit (günstigen) nationalen Produktionen erfüllt, nicht mit solchen aus anderen europäischen Staaten (vgl. Broughton Micova, 2013; Holtz-Bacha, 2006: 119-127; Michalis, 2010). Regelmäßige Berichte zur Umsetzung zeigen, dass die Quoten in fast allen EU-Staaten erfüllt werden. Allerdings handelt es sich um Durchschnittswerte. Insbesondere private Spartensender liegen zum Teil weit unter den geforderten Anteilen. Konsequenzen hat das für die Sender aber kaum (vgl. Holtz-Bacha, 2006: 150-158). Zahlreiche Länder haben zusätzliche Ausstrahlungsresp. Bereitstellungsquoten für inländische Inhalte oder solche in inländischen Sprachen erlassen. Je nach Mediensystem finden sich Quoten für audiovisuelle Produktionen im Fernsehen und im Katalog von Streamingdiensten sowie für im Radio gespielte Musik. Als Paradebeispiel für Quoten gilt Frankreich, das diese zum Schutz des Film- und Musikschaffens in französischer Sprache nutzt (vgl. Machill, 1997). Co-Regulierung statt Quoten für den Schweizer Service public Zur Unterstützung des einheimischen Film- und Musikschaffens durch den öffentlichen Rundfunk existiert in der Schweiz eine Co-Regulierung. Die SRG ist verpflichtet, mit der Filmbranche über die Ausstrahlung von und Investitionen in den Schweizer Film sowie mit der Musikbranche über die Berücksichtigung von Schweizer Musik im Radio Vereinbarungen zu treffen. Kommen keine Vereinbarungen zustande, kann das zuständige Departement Quoten festlegen (Art. 26-28 SRG-Konzession). Auf dieser Basis wurden der «Pacte de l’Audiovisuel» für die Filmförderung und die «Charta der Schweizer Musik» mit Quoten für die einzelnen SRG-Radiosender entwickelt. Mit Ausstrahlungs- und Bereitstellungsquoten werden wie mit der Förderung der audiovisuellen Industrie und Produktionsquoten zugleich kulturelle und ökonomische Ziele verfolgt. <?page no="303"?> Inhalte 303 11.1.2.3 Jugendmedienschutz Audiovisuelle Inhalte wie Serien, Filme oder Games sind Bestandteil des Alltags von Kindern und Jugendlichen. Entsprechend wichtig ist es, die Medienkompetenz von Minderjährigen zu fördern (siehe Kapitel 13.1) und sie gleichzeitig vor nicht altersgerechten Inhalten zu schützen. Der Jugendmedienschutz betrifft dabei nicht nur den Rundfunk und nicht-lineare audiovisuelle Mediendienste, sondern erstreckt sich auch auf Kinos, Trägermedien und das Internet. Jugendmedienschutz und Medienfreiheit schließen sich nicht gegenseitig aus. In Deutschland sieht das Grundgesetz (verhältnismäßige) Einschränkungen der Medienfreiheit aus Gründen des Jugendmedienschutzes sogar ausdrücklich vor (Art. 5 (2) GG). Doch aufgrund des Zensurverbots kann der Staat erst eingreifen, nachdem ein Inhalt veröffentlicht und ggf. bereits von zahlreichen Kindern und Jugendlichen genutzt wurde. Umso relevanter ist eine vorgängige Prüfung von Inhalten durch einzelne Medienorganisationen (Selbstorganisation) oder durch branchenweite Selbstregulierungsorganisationen. Allerdings dürfte aufgrund ökonomischer Eigeninteressen der Medien für einen funktionierenden Jugendmedienschutz Co-Regulierung (also ein staatlicher Rahmen für die Selbstregulierung) notwendig sein (vgl. Saurwein & Latzer, 2010). Die vorgängige Prüfung dient dazu festzustellen, ab welchem Alter ein bestimmter Inhalt geeignet ist. Diese Altersklassifikation (z. B. «ab 12» oder «ab 16») kann mit inhaltlichen Deskriptoren ergänzt werden, die die Gründe für die jeweilige Einstufung spezifizieren. Vergleichende Forschung zeigt, dass sich Altersklassifikationssysteme zwischen Mediensystemen und zwischen Mediengattungen (audiovisuelle Mediendienste, Kino, Trägermedien wie DVD/ Blu-ray, Games) meistens unterscheiden, was zu unterschiedlichen Klassifikationen der gleichen Inhalte führen kann (vgl. Gosselt, Van Hoof & De Jong, 2012; Schulz et al., 2015: 17-23). Ein länderübergreifendes Klassifikationssystem gibt es mit PEGI («Pan European Game Information») nur für Computerspiele (vgl. Tambini, Leonardi & Marsden, 2008: 190-198). Konvergente Altersklassifikationssysteme sind selten. Als Vorbild gilt das niederländische System «Kijkwijzer», das sämtliche audiovisuellen Medien umfasst. Das System wurde von der Selbstregulierungsorganisation NICAM (Niederländisches Institut für die Klassifikation audiovisueller Medien) entwickelt und umfasst eine Alterseinstufung, Inhaltsdeskriptoren, zulässige Sendezeiten im Fernsehen und Warnhinweise (siehe Abb. 17). NICAM wurde staatlich anerkannt, womit es sich um Co-Regulierung handelt. Audiovisuelle Mediendienste dürfen Inhalte, <?page no="304"?> Bereiche der Medienpolitik 304 die für unter 16-Jährige schädlich sein könnten, nur zeigen, wenn sie der NICAM angeschlossen sind (Art. 4.1-4.3 Mediawet). Kinos, Film- und DVD- Verleihfirmen sowie der Einzelhandel haben sich NICAM angeschlossen, obwohl dazu keine gesetzliche Verpflichtung besteht. Abb. 17: «Kijkwijzer»-Symbole Quelle: NICAM/ Kijkwijzer (verwendet mit Genehmigung) Die Festlegung einer Altersgrenze für einen Medieninhalt ist aber nur der erste Schritt. Zweitens ist eine Durchsetzung mittels Zugangshürden notwendig, die zeitlicher (Sendezeit im Fernsehen), technischer (Zugangsberechtigungssystem) oder physischer Natur (Alterskontrolle im Kino oder Einzelhandel) sein können (vgl. Gosselt, Van Hoof & De Jong, 2012; Schulz et al., 2015: 35, 39). Für die Zugangshürden bei Fernsehsendern und nicht-linearen audiovisuellen Mediendiensten machen EÜGF resp. AVMD-Richtlinie europaweit geltende Vorgaben: Sendungen, welche die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung Minderjähriger beeinträchtigen können, dürfen nur verbreitet werden, wenn bspw. durch die Wahl der Sendezeit oder technische Maßnahmen sichergestellt ist, dass Minderjährige sie nicht nutzen können. In der EU ist zudem vorgeschrieben, dass Mediendienste den Nutzer·innen Informationen über entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte bereitstellen müssen, wozu Co-Regulierung zum Einsatz kommen soll (Art. 7 (2) EÜGF; Art. 6a Richtlinie 2010/ 13/ EU). Auch Video-Sharing-Plattformen unterliegen in der EU gewissen Bestimmungen der AVMD-Richtlinie. Konkret müssen sie Maßnahmen zum Schutz vor Sendungen und nutzer·innengenerierten Videos treffen, die Minderjährige in ihrer körperlichen, geistigen oder sittlichen Entwicklung beeinträchtigen könnten. Hierzu soll Co-Regulierung zum Einsatz kommen (Art. 28b (1) & (4) Richtlinie 2010/ 13/ EU). In der Schweiz gilt das nicht. Dafür ist geplant, dass Plattformen, die Filme und Videospiele anbieten, mindestens ein Altersverifikationssystem und ein Meldesystem für ungeeignete Inhalte einrichten müssen (Art. 20 JSFVG). <?page no="305"?> Inhalte 305 Co-Regulierung im deutschen Jugendmedienschutz Für den Jugendschutz im Bereich der Trägermedien und der durch Nutzer·innen generierten Inhalte auf Plattformen hat der Bund Regeln erlassen. Die Prüfstelle der «Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz» (BzKJ) kann Bücher, Filme, Tonträger und Games auf die Liste jugendgefährdender Medien setzen (Indizierung), aber aufgrund des Zensurverbots erst nach der Veröffentlichung. Die vorgängige Altersklassifikation von Filmen (Kino, DVD, Blu-ray) und Games wurde deshalb an zwei Selbstregulierungsorganisationen delegiert, die FSK und die USK. Plattformen wiederum müssen Vorsorgemaßnahmen (z. B. Meldeverfahren; Systeme für die Alterseinstufung) treffen, damit der Jugendschutz auch bei von den Nutzer·innen hochgeladenen Inhalten gewährleistet ist (§§ 14, 18, 24a & 24b JuSchG). Für Rundfunk und Telemedien sind die Bundesländer zuständig, welche den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) ausgehandelt und die «Kommission für Jugendmedienschutz» (KJM) geschaffen haben. Gewisse Inhalte sind ganz verboten (wie Aufstachelung zu Hass und Gewalt oder Verstöße gegen die Menschenwürde) oder nur in Telemedien zulässig, zu denen mittels Altersverifikationssystemen nur Erwachsene Zugang haben (Pornografie, indizierte Inhalte). Entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte dagegen bedürfen einer Altersklassifikation, die mit technischen Mitteln oder durch die Wahl der Abruf- oder Sendezeit (Sendungen ab 16 nach 22 Uhr, ab 18 nach 23 Uhr) umzusetzen ist. Sendungen ab 16 müssen zudem akustisch angekündigt oder optisch kenntlich gemacht werden (§§ 4, 5 & 5c JMStV). Zur praktischen Umsetzung dieser Vorschriften hat die KJM vier Selbstregulierungsorganisationen anerkannt, die die Voraussetzungen hierfür erfüllt haben (§ 19 JMStV): für Privatfernsehen die «Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen» (FSF), für Internetangebote die «Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia- Diensteanbieter» (FSM) und für Filme und Games im Internet Ableger von FSK und USK. Die FSF prüft Fernsehsendungen (sofern vom Sender vorgelegt) vor der Ausstrahlung und nimmt eine Alterseinstufung vor. Die Freigabe kann mit Schnittauflagen verbunden werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk regelt den Jugendschutz intern. Die FSM anerkennt Internetfilterprogramme, Jugendschutzfunktionen von Streamingdiensten und Altersverifikationssysteme für Erwachseneninhalte. Zudem betreibt sie eine Beschwerdestelle für Nutzer·innen, die im Internet auf unzulässige Inhalte stoßen. <?page no="306"?> Bereiche der Medienpolitik 306 Co-Regulierung für audiovisuelle Mediendienste in Österreich Audiovisuelle Mediendienste müssen eine Selbstregulierungsorganisation einrichten, die von der KommAustria aber nur anerkannt und finanziell unterstützt wird, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind (§ 39 (4) AMD-G; § 10a (3) ORF-G; §§ 32a & 32b KOG). Deshalb haben private Fernsehsender, der ORF und Streamingdienste zusammen den «Verein zur Selbstkontrolle audiovisueller Medienangebote zum Schutz von Minderjährigen» gegründet. Dieser schreibt erstens eine Altersklassifikation von Sendungen vor. Dafür darf auf bestehende Einstufungen der FSK, der FSF sowie der Jugendmedienkommission (JMK), die in Österreich für die Altersklassifikation von Filmen zuständig ist, zurückgegriffen werden. Zweitens muss der Zugang durch technische Mittel oder die Abrufresp. Sendezeit auf geeignete Altersgruppen eingeschränkt werden. Und drittens müssen Sendung, die nur für bestimmte Altersgruppen geeignet sind, akustisch angekündigt und/ oder optisch gekennzeichnet sowie über den Grund für die Alterseinstufung (Gewalt, Angst, Desorientierung, Sex) informiert werden (§ 39 (2) AMD-G; § 10a ORF-G). Der Jugendmedienschutz für audiovisuelle Inhalte ist also klar geregelt und findet auch auf das Internet Anwendung. Bei sonstigen Onlineinhalten ist der Schutz Minderjähriger Teil der allgemeinen Governance von Onlineinhalten (siehe Kapitel 11.1.2.4): Internetzugangs- und Hostingdienste haben eigene Selbstregulierungskodizes entwickelt und nehmen über Internet-Hotlines Meldungen über illegale Inhalte entgegen («Notice and Takedown»). Ergänzend existieren in der EU Safer- Internet-Zentren, die Kindern und Jugendlichen bei der Konfrontation mit schädlichen Inhalten und Verhaltensweisen Hilfe bieten. Die EU unterstützt mit Inhope und Insafe die grenzüberschreitende Kooperation dieser Hotlines und Zentren (vgl. O’Neill, 2013; Tambini, Leonardi & Marsden, 2008: 114- 116, 120-124, 132-172). Plattformen nehmen eine Moderation von Inhalten vor, die illegal sind oder gegen ihre eigenen Regeln verstoßen. Selbstregulierungskodizes zur Bekämpfung von Hassrede und Desinformation und insbesondere der DSA definieren Mindeststandards für die Inhaltsmoderation. Ferner hat die EU zahlreiche Selbstregulierungsinitiativen im Bereich des Jugendmedienschutzes angeregt (vgl. European Commission, 2022; siehe Kapitel 7.4). <?page no="307"?> Inhalte 307 Die Schweiz auf dem Weg zu Co-Regulierung für Filme und Games In der Schweiz sind Fernsehsender lediglich dazu verpflichtet, durch die Wahl der Sendezeit oder sonstige Maßnahmen dafür zu sorgen, dass Minderjährige nicht mit Sendungen konfrontiert werden, die ihre Entwicklung gefährden sowie solche Sendungen akustisch anzukündigen oder optisch zu kennzeichnen (Art. 5 RTVG; Art. 4 RTVV). Ein Altersklassifikationssystem gibt es nicht. In der Deutschschweiz hat aber SRF (2016) interne Regeln erlassen. Für Kino, DVD/ Blu-ray und Videospiele kommen derzeit unterschiedliche Altersklassifikationssysteme zum Einsatz und in den meisten Kantonen gibt es keine Pflicht zur Alterskennzeichnung und -kontrolle. Ein neues Gesetz soll dies aber ändern: Filme und Games im Kino, auf Trägermedien und auf Abrufdiensten sollen künftig mit einer Alterseinstufung und Inhaltsdeskriptoren versehen werden; zudem soll im Kino, im Handel und bei Abrufdiensten das Alter kontrolliert werden. Hierzu soll die Branche je eine Selbstregulierungsorganisation für Film und Games gründen, deren Regeln dann vom Bundesrat für verbindlich erklärt werden. Kann sich die Branche nicht einigen, kann der Bundesrat selbst Regeln erlassen (Art. 6-19 JSFVG). Gegen das Gesetz wurde das Referendum ergriffen. Die Verbreitung von Inhalten, die die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen können, unterliegen gewissen Beschränkungen. Für audiovisuelle Mediendienste, Trägermedien und Kino finden sich in vielen Ländern Altersklassifikationssysteme, die aber nur selten konvergent ausgestaltet sind. Co-Regulierung wird häufig als Voraussetzung für deren Erfolg erachtet. 11.1.2.4 Haftungsprivileg und Inhaltsmoderation im Internet Grundsätzlich gilt: Was offline illegal ist, ist auch online illegal. Dies auch tatsächlich durchzusetzen, ist aber alles andere als einfach. Aufgrund des globalen Charakters des Internets bedarf dies häufig der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Dabei hilft etwa das Europarats-Übereinkommen über Computerkriminalität, welches Vorschriften bezüglich Urheberrechten und Material über sexuellen Kindesmissbrauch enthält (siehe Kapitel 7.1.2.2). Doch von wenigen Themen abgesehen unterscheidet sich oftmals von Land zu Land, was illegal ist. Holocaustleugnung etwa fällt in den USA unter die Redefreiheit, ist in mehreren <?page no="308"?> Bereiche der Medienpolitik 308 europäischen Staaten hingegen als Hassrede verboten. Noch schwieriger ist ein Konsens darüber, welche Inhalte als schädlich erachtet werden. Zudem ist es - anders als bei publizistischen Medien - im Internet häufig nicht möglich, auf die (anonymen) Urheber·innen von Inhalten zurückzugreifen. Entsprechend spielen Vermittlungsdienste wie Durchleitungs- (Internetzugang), Caching- (Zwischenspeicherung) und Hostingdienste (Speicherplatz für Websites) sowie Plattformen bei der Governance von Onlineinhalten eine wichtige Rolle. Da diese aber von illegalen Inhalten, die ihre User·innen hochladen, meistens gar nichts wissen, profitieren sie von einem Haftungsprivileg: Gemäß der EU- Verordnung «Gesetz über digitale Dienste» (DSA; Verordnung (EU) 2022/ 2065) sind Vermittlungsdienste nicht für über ihre Dienste verfügbare illegale Inhalte verantwortlich, sofern sie lediglich passiv von Dritten erstellte Inhalte verteilen und von der Illegalität der Inhalte keine Kenntnis haben. Auch dürfen sie nicht zu einer aktiven Überwachung sämtlicher Inhalte verpflichtet werden. Illegale Inhalte müssen nur entfernt werden, wenn die Dienste davon Kenntnis erhalten (Art. 4-6 & 8). Ohne Haftungsprivileg bestünde die Gefahr, dass Vermittlungsdienste sämtliche Inhalte, die sie als rechtliches Risiko für sich selbst einschätzen, entfernen und damit die Meinungsäußerungsfreiheit stark einschränken würden (vgl. DeNardis & Hackl, 2015). In der EU werden Vermittlungsdienste ermutigt, freiwillig gegen illegale Inhalte vorzugehen (Art. 7 Verordnung (EU) 2022/ 2065). Internetzugangs- und Hostingdienste haben in vielen Ländern eigene Selbstregulierungskodizes entwickelt und erhalten von illegalen Inhalten über sogenannte Internet-Hotlines oder -Beschwerdestellen Kenntnis, an die sich die Nutzer·innen wenden können. Die Hotlines kooperieren über das von der EU finanziell unterstützte Inhope-Netzwerk auch grenzüberschreitend (vgl. O’Neill, 2013; Tambini, Leonardi & Marsden, 2008: 114-116, 120-124, 132-172). Sobald dann ein Hostingdienst von einem illegalen Inhalt erfährt, ist dieser zu entfernen («Notice and Takedown»). «Notice and Takedown» in Deutschland, Österreich und der Schweiz Illegale Inhalte im Internet können in Deutschland der «Internet-Beschwerdestelle» (betrieben von der FSM und eco, dem Dachverband der Internetwirtschaft) und in Österreich «Stopline» (betrieben vom Verband der Internet Service Provider) gemeldet werden. Beide sind im Inhope-Netzwerk mit dabei. In der Schweiz gibt es keine Internet-Hotline, doch hat der Branchenverband Swico mit dem «Code of Conduct Hosting» im Sinne einer Selbstregulierung ein Notice-and-Takedown-Verfahren ausgearbeitet. <?page no="309"?> Inhalte 309 Bei Plattformen ist die Governance von Inhalten komplexer als bei sonstigen Vermittlungsdiensten. Fortlaufend wird eine Unmenge illegaler sowie legaler, aber schädlicher Inhalte hochgeladen. Zur Verbreitung dieser Inhalte tragen Nutzer·innen und «Social Bots» (also automatische Konten, die vorgeben, Menschen zu sein) durch das Teilen und Liken dieser Inhalte, maßgeblich bei (vgl. Saurwein & Spencer-Smith, 2020). Auch wenn Plattformen aufgrund des Haftungsprivilegs für die hochgeladenen Inhalte rechtlich nicht verantwortlich sind, haben sie dennoch im Sinne der Selbstorganisation (siehe Kapitel 4.2.3) eine Moderation von Inhalten («Content Moderation») eingeführt. Mit dieser Governance durch Plattformen nehmen sie direkt auf die öffentliche Vermittlung von Kommunikation Einfluss: In Geschäftsbedingungen («Terms of Service») und sogenannten «Community Standards» legen Plattformen fest, welche Inhalte in der Öffentlichkeit zulässig sind, und schränken damit die Meinungsäußerungsfreiheit ihrer Nutzer·innen ein (vgl. DeNardis & Hackl, 2015; Mansell & Steinmueller, 2020: 80). Diese Regeln werden von Plattformen intern ausgearbeitet (siehe Studie 20). Die Regeln betrafen anfangs vor allem sexuell freizügige Inhalte und Gewaltdarstellungen, umfassen heute aber auch Hassrede, extremistische Propaganda, Desinformation, Aufrufe zu illegalen Aktivitäten oder Selbstverletzung und Angriffe auf andere Nutzer·innen (vgl. Gillespie, 2018b: 263-264). Damit wollen Plattformen verhindern, dass Nutzer·innen und Werbetreibende durch problematische Inhalte vergrault werden. Die richtige Balance zu finden ist schwierig. Studie 20: Entwicklung der «Community Standards» bei Facebook Die «Community Standards», die bei Facebook intern ausgearbeitet werden, gelten für 2.7 Milliarden Nutzer·innen der Plattform. Kettemann und Schulz (2020) haben für ihre Fallstudie erstmals Einblick in diese interne Regelsetzung bei Facebook erhalten. Durch eine Kombination von teilnehmender Beobachtung, Expert·inneninterviews und Dokumentenanalyse können die Autoren einerseits zeigen, dass Facebook versucht, bei der Entwicklung oder Überarbeitung von Regeln eine möglichst repräsentative Gruppe externer Stakeholder einzubeziehen. Andererseits wird auf einen einwandfreien Prozess Wert gelegt. Beides soll die Legitimität der am Ende verabschiedeten Regeln erhöhen. Die beiden Forscher kommen allerdings auch zum Schluss, dass hier mit Absicht eine private normative Ordnung geschaffen wird, die weitgehend ohne Bezug zu nationalem oder internationalem Recht auskommt. <?page no="310"?> Bereiche der Medienpolitik 310 «[P]latforms face a double-edged sword: too little curation, and users may leave to avoid the toxic environment that has taken hold; too much moderation, and users may still go, rejecting the platform as either too intrusive or too antiseptic» (Gillespie, 2018a: 17). Da es aufgrund der Größe von Plattformen praktisch unmöglich ist, alle Inhalte im Voraus zu prüfen, setzen Plattformen auf die Kennzeichnung («Flagging») problematischer Inhalte durch User·innen und durch algorithmische Systeme. Algorithmen erlauben es, eine viel größere Menge von Inhalten zu kontrollieren als das menschenmöglich wäre. Die so identifizierten, oftmals abscheulichen Inhalte werden dann von Heerscharen von Billigarbeiter·innen geprüft, welche in kürzester Zeit entscheiden müssen, was zulässig ist und was nicht (vgl. Gillespie, 2018a: 74-77, 120-124). Neben der Löschung von Inhalten kann auch deren Sichtbarkeit durch Downranking oder durch Filterung für gewisse Nutzer·innen eingeschränkt werden. Ebenso können Konten der Urheber·innen geschlossen oder temporär gesperrt werden. Auch die Entscheidung über die Zulässigkeit von Inhalten wird zunehmend automatisiert. Inhaltsmoderation ist aber alles andere als einfach. Nicht immer ist eindeutig, ob ein Inhalt nun zulässig sein sollte oder nicht. Zudem machen Menschen und Algorithmen auch Fehler. Fehlentscheidungen führen schnell zu öffentlicher Empörung. Ein bekannter Fall ist die Entfernung eines preisgekrönten Pressefotos durch Facebook, das von der norwegischen Zeitung Aftenposten gepostet wurde und auf dem zu sehen ist, wie die neunjährige Phan Thị Kim Phúc nackt vor einem Napalmangriff im Vietnamkrieg flüchtet (vgl. Gillespie, 2018a: 1-5). Ein weiteres Problem ist, dass der Moderationsprozess intransparent ist und Entscheidungen kaum angefochten werden können, obwohl sie für betroffene Personen höchst folgenreich sind. Die Moderation von Inhalten durch Plattformen wirft zudem die grundsätzliche Frage auf, ob private US-amerikanische oder chinesische Unternehmen darüber entscheiden sollen, welche Inhalte in der Öffentlichkeit zulässig sein sollen oder nicht (vgl. DeNardis & Hackl, 2015). Aufgrund dieser Kritik wird nicht länger nur auf Selbstorganisation durch einzelne Plattformen vertraut und es kommt vermehrt Selbst- und Co-Regulierung auf Branchenebene zum Einsatz. Neben den «Safer Social Networking Principles» zum Schutz Minderjähriger sind auf Druck der EU auch Verhaltenskodizes bezüglich Hassrede und Desinformation ausgearbeitet worden (siehe Kapitel 7.4): Die Europäische Kommission einigte sich 2016 mit zahlreichen Plattformen auf den Verhaltenskodex zur Bekämpfung illegaler Hassreden im Internet. Darin verpflichten sich die Plattformen, Meldungen über illegale Hassrede innert 24 <?page no="311"?> Inhalte 311 Stunden zu prüfen und die Inhalte ggf. zu löschen respektive die verursachenden Konten zu sperren. 2018 einigten sich Plattformen und Werbeindustrie mit der Europäischen Kommission auf den Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation, der 2022 auf Druck der EU überarbeitet wurde. Dieser soll die Verbreitung von Desinformation u. a. dadurch eindämmen, indem das Geldverdienen mit Desinformation erschwert wird, Werbeinhalte geprüft werden und Plattformen gegen manipulative Verhaltensweisen wie «Fake Accounts» vorgehen wollen. Die Beteiligung ist aber freiwillig und Möglichkeiten zur Durchsetzung und Sanktionierung existieren keine (vgl. Cole & Etteldorf, 2021b). Deshalb setzt die EU mit dem 2022 verabschiedeten DSA (Verordnung (EU) 2022/ 2065; siehe Kapitel 7.3.2.2) auf einen staatlichen Rahmen für die Selbstorganisation und Selbstregulierung von Plattformen. An diese Governance von Plattformen müssen sich alle Plattformen halten, die ihre Dienstleistungen auf dem Binnenmarkt anbieten, auch wenn sie ihren Sitz außerhalb der EU haben (Art. 2 (1); vgl. Cole, Etteldorf & Ullrich, 2021: 108). Zum einen müssen Vermittlungsdienste auf staatliche Anordnung einzelne illegale Inhalte entfernen und Informationen über die verantwortlichen Personen bereitstellen (Art. 9 & 10). Zum anderen gelten für Vermittlungsdienste neue Sorgfaltspflichten und damit auch Mindestanforderungen an die Inhaltsmoderation. Die Anforderungen nehmen mit der Nähe eines Dienstes zum Inhalt und der Größe einer Plattform zu (vgl. Cole, Etteldorf & Ullrich, 2021: 69; Kalbhenn, 2021; siehe Tab. 23): Alle Vermittlungsdienste müssen in ihren Geschäftsbedingungen Informationen über ihre Inhaltsmoderation bereitstellen (Art. 14) und Transparenzberichte über Meldungen und Entscheidungen veröffentlichen (Art. 15). Hostingdienste und Plattformen müssen Meldesysteme zur Beanstandung von Inhalten einrichten (Art. 16), und ihre Entscheidungen gegenüber Personen, deren Inhalte entfernt oder deren Zugang gesperrt wurde, begründen (Art. 17). Plattformen müssen den Nutzer·innen darüber hinaus die Möglichkeit zu einer Beschwerde gegen ihre Entscheidung (Art. 20) und zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung bei Unzufriedenheit mit dem Resultat der Beschwerde bieten (Art. 21). Mitgliedstaaten können bestimmten Organisationen als vertrauenswürdige Hinweisgeber·innen («Trusted Flaggers») anerkennen, deren Meldungen von Plattformen dann prioritär zu behandeln sind (Art. 22). Zudem gelten zusätzliche Vorgaben für die Transparenzberichte und eine Veröffentlichungspflicht für Entscheidungen (Art. 24). <?page no="312"?> Bereiche der Medienpolitik 312 «Sehr große Onlineplattformen» (VLOPs) und «sehr große Suchmaschinen» (VLOSEs) mit mehr als 45 Mio. monatlichen Nutzer·innen in der EU (Art. 33) müssen die systemischen Risiken (u. a. Verbreitung illegaler Inhalte oder negative Auswirkungen auf Grundrechte, gesellschaftlichen Diskurs, Wahlen, Minderjährige etc.) bewerten, die sich durch Design, Funktionsweise und Nutzung ihrer Dienste ergeben. Dabei müssen sie auch darauf eingehen, wie sich ihre Inhaltsmoderation auf diese Risiken auswirkt (Art. 34). Aufbauend auf diesen Analysen sind Plattformen zu Risikominderungsmaßnahmen verpflichtet, die auch die Inhaltsmoderation betreffen können (Art. 35). Zudem muss jährlich eine unabhängige Prüfung der Einhaltung sämtlicher Vorschriften durchgeführt werden, die zu verbindlichen Empfehlungen führen kann (Art. 37). Zu all diesen Punkten müssen Plattformen jährlich einen Bericht veröffentlichen (Art. 42). Zur Bekämpfung illegaler Inhalte und systemischer Risiken setzt die EU zudem auf Selbst- und Co-Regulierung (Art. 45). Der Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation soll nach Inkrafttreten des DSA für VLOPs als anerkannte Form der Co-Regulierung und als Risikominderungsmaßnahme gelten. Der Europarat hat seinerseits an Plattformen die Erwartung formuliert, dass sie bei der Inhaltsmoderation Menschenrechte und Grundfreiheiten respektieren und bspw. betroffenen Nutzer·innen eine Beschwerdemöglichkeit bieten (Recommendation CM/ Rec(2012)4, CM/ Rec(2018)2 & CM/ Rec(2022)11). Governance von Plattformen in Deutschland, Österreich und der Schweiz Schon vor dem DSA haben Deutschland und Österreich Gesetze verabschiedet, um Plattformen stärker in die Verantwortung zu nehmen. Das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz und das österreichische Kommunikationsplattformen-Gesetz verpflichten Plattformen, offensichtlich rechtswidrige Inhalte innert 24 Stunden zu entfernen oder den Zugang zu diesen zu blockieren. In weniger klaren Fällen hat die Plattform sieben Tage Zeit. In Deutschland kann die Entscheidung auch an die FSM als anerkannte Selbstregulierungsorganisation delegiert werden. Weiter muss ein transparentes Beschwerdeverfahren für betroffene Nutzer·innen eingerichtet werden (§ 3 NetzDG; § 3 KoPl-G). Der DSA dürfte beide Gesetze zumindest teilweise ablösen. In der Schweiz wird derzeit geprüft, ob eine Regulierung ähnlich dem DSA notwendig ist. Ob es tatsächlich dazu kommen wird, ist noch nicht absehbar. <?page no="313"?> Inhalte 313 Tab. 23: Vorschriften für Inhaltsmoderation im DSA Alle Vermittlungsdienste Hostingdienste und Plattformen Plattformen VLOPs/ VLOSEs - Risikobewertung (Art. 34), Risikominderung (Art. 35), unabhängige Prüfung (Art. 37), Berichtspflicht (Art. 42) - Möglichkeit zur Beschwerde gegen Entscheidung (Art. 20) und zur außergerichtlichen Streitbeilegung (Art. 21); prioritäre Behandlung von Meldungen von «Trusted Flaggers» (Art. 22); Transparenzpflichten (Art. 24) - Einrichtung Meldeverfahren (Art. 16) und Begründung bei Takedown oder Sperrung (Art. 17) Transparenz über Regeln/ Umsetzung (Art. 14) und Transparenzbericht (Art. 15) Quelle: Eigene Darstellung Auch wenn die Notwendigkeit einer griffigeren Governance von Onlineinhalten kaum bestritten wird, so gibt es am DSA durchaus auch Kritik. Dadurch, dass Plattformen stärker in die Pflicht genommen werden, werde ihre machtvolle Rolle in der Öffentlichkeit noch weiter gestärkt. Zudem sei fraglich, ob sie diese Aufgabe ohne redaktionelle Erfahrung sowie Verständnis für das politisch-kulturelle Umfeld und die Geschichte verschiedener Länder tatsächlich sinnvoll wahrnehmen können (vgl. Helberger, 2020). Zudem lenke der starke Fokus auf die Governance von Inhalten von strukturellen Fragen wie der Markt- und Meinungsmacht von Plattformen sowie ihren Geschäftsmodellen ab (vgl. Winseck, 2020). Doch Medienpolitik kann das eine tun, ohne das andere zu lassen: Die Dominanz von Plattformen (siehe Kapitel 9.3.2 & 12.3.4) und die algorithmische Selektion von Inhalten (siehe Kapitel 12.4.2) sind ebenfalls zentrale Themen für die Medienpolitik. <?page no="314"?> Bereiche der Medienpolitik 314 Während der DSA trotz neuer Sorgfaltspflichten am Haftungsprivileg von Plattformen festhält, gibt es in anderen Rechtsakten der EU einige Ausnahmen, die Plattformen stärker in die Pflicht nehmen. Video-Sharing-Plattformen müssen Maßnahmen zum Schutz vor Sendungen und nutzer·innengenerierten Videos treffen, die Minderjährige in ihrer körperlichen, geistigen oder sittlichen Entwicklung beeinträchtigen könnten, in denen zu Gewalt oder Hass aufgestachelt oder zu Straftaten aufgefordert wird. Hierzu wird der Einsatz von Co-Regulierung angeregt (Art. 28b (1) & (4) Richtlinie 2010/ 13/ EU). Für die Umsetzung ist die Kooperation in Rahmen der ERGA zentral, da YouTube und Facebook als größte Anbieter·innen ihren europäischen Sitz in Irland haben (vgl. Cole & Etteldorf, 2021b). Sharing-Plattformen werden für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer·innen verantwortlich gemacht, wenn nicht der Nachweis erbracht werden kann, dass alle Anstrengungen unternommen wurden, damit diese Inhalte nicht verfügbar sind (Art. 17 Richtlinie (EU) 2019/ 790). Faktisch müssen Plattformen wie YouTube alle hochgeladenen Inhalte automatisiert auf Urheberrechtsverletzungen prüfen, wozu sogenannte Uploadfilter zum Einsatz kommen. Es kann davon ausgegangen werden, dass zur Vermeidung von Risiken wohl mehr gelöscht wird als nötig (vgl. Cole & Etteldorf, 2021b). Hostingdienste und Plattformen müssen terroristische Onlineinhalte auf Anweisung innert einer Stunde entfernen oder den Zugang zu diesen sperren. Zudem können sie verpflichtet werden, Maßnahmen zur Verhinderung der öffentlichen Verbreitung terroristischer Inhalte zu ergreifen (Art. 3 & 5 Verordnung (EU) 2021/ 784). Aufgrund des Haftungsprivilegs sind Vermittlungsdienste wie Hostingdienste und Plattformen für illegale Inhalte nur verantwortlich, wenn sie von diesen Kenntnis haben. Zudem dürfen sie nicht zu einer aktiven Überwachung sämtlicher Inhalte verpflichtet werden. Plattformen nehmen im Sinne der Selbstorganisation eine Moderation von Inhalten vor, die auf eigenen Regelwerken und Meldungen der Nutzer·innen beruht. Doch mit dem DSA werden sie nun vermehrt in die Pflicht genommen und müssen Entscheidungen begründen, eine Beschwerdemöglichkeit einrichten und systemische Risiken bewerten. Zusätzlich gibt es gewisse Ausnahmen vom Haftungsprivileg. <?page no="315"?> Inhalte 315 11.2 Werberegulierung Nicht nur die eigentlichen Inhalte, auch die kommerzielle Kommunikation (bspw. Werbung und Sponsoring) unterliegt gewissen Vorschriften. Diese können sowohl an werbetreibenden Unternehmen und Werbeindustrie als auch an einzelnen Werbeträgern wie Medien oder Plattformen ansetzen. Für werbetreibende Unternehmen und die Werbeindustrie gelten Vorschriften zum Schutz von Konkurrenzunternehmen und Verbraucher·innen. Innerhalb der EU sind die Richtlinien über unlautere Geschäftspraktiken (Richtlinie 2005/ 29/ EG) sowie irreführende und vergleichende Werbung (Richtlinie 2006/ 114/ EG) von Bedeutung. Für Produkte bestimmter Branchen gibt es weitere Werbevorschriften. Tabakwerbung etwa ist in der EU grundsätzlich verboten (Richtlinie 2003/ 33/ EG). Die diversen Richtlinien finden ihre Entsprechung in nationalen Gesetzen, die noch weitergehende Einschränkungen enthalten können (für Deutschland vgl. Seufert & Gundlach, 2017: 300-305). In den einzelnen Ländern gibt es zudem Selbstregulierungsorganisationen der Werbewirtschaft wie den Deutschen Werberat, den Österreichischen Werberat oder die Schweizerische Lauterkeitskommission, deren Kodizes bspw. Vorgaben zu geschlechterdiskriminierender Werbung enthalten. In Zusammenhang mit Medienpolitik relevanter ist die Regulierung von Werbung in den Medien und auf Plattformen. Die gedruckte Presse und journalistische Onlineangebote werden kaum reguliert. In der EU muss Onlinewerbung erkennbar sein, was auch für Medienangebote im Internet gilt (Art. 6 Richtlinie 2000/ 31/ EG). In Deutschland (Landespressegesetze; § 22 (1) MStV) und Österreich (§ 26 MedienG) ist die Kennzeichnung von Werbung auch für die Presse vorgeschrieben. Die Regulierung von kommerzieller Kommunikation in audiovisuellen Mediendiensten ist aufgrund der Mindeststandards in der AVMD-Richtlinie europaweit größtenteils identisch, wobei Fernsehwerbung stärker reguliert wird als Werbung in nicht-linearen audiovisuellen Mediendiensten. Die Werbevorschriften in der Richtlinie wurden aus ökonomischen Gründen mehrfach liberalisiert. Das vor fast 25 Jahren zum letzten Mal revidierte EÜGF ist deshalb deutlich strenger. Dies kann für EU-Mitgliedstaaten, die das EÜGF ratifiziert haben, im Verhältnis zu Nicht-EU-Mitgliedstaaten zu Widersprüchen führen (vgl. Fink, 2014). In der EU gelten für lineare und nicht-lineare audiovisuelle Mediendienste allgemeine Grundsätze wie der Schutz Minderjähriger, Werbeverbote für Tabak <?page no="316"?> Bereiche der Medienpolitik 316 und rezeptpflichtige Medikamente, Werbeeinschränkungen für Alkohol, Vorschriften zur Erkennbarkeit von Werbung sowie Vorgaben für Sponsoring und Produktplatzierung (Art. 9-11 Richtlinie 2010/ 13/ EU). Das EÜGF enthält ähnliche Vorschriften, aber nur für Fernsehsender (Art. 11, 13, 15, 17 & 18). Für Fernsehsender enthalten beide Dokumente Regeln bezüglich der maximalen Werbedauer und Unterbrecherwerbung (siehe Tab. 24). Tab. 24: Mindeststandards für Fernsehwerbung in EÜGF und AVMD-Richtlinie EÜGF AVMD-Richtlinie Dauer max. 15 %/ Tag und 20 %/ Stunde (Art. 12 (1) & 12 (2)) max. 20 % in den Zeiträumen 6-18 und 18-24 Uhr (Art. 23) Unterbrecherwerbung Filme 1x/ 45 Min.; andere Sendungen max. alle 20 Min.; Nachrichten, Dokus & Kindersendungen nur wenn min. 30 Min. lang; in Gottesdiensten verboten (Art. 14) keine Einschränkung außer: Filme & Nachrichten 1x/ 30 Min.; Kindersendungen 1x/ 30 Min., wenn länger als 30 Min.; in Gottesdiensten verboten (Art. 20 (2)) Quelle: Eigene Darstellung Regulierung von TV-Werbung in Deutschland, Österreich und der Schweiz Die Werberegulierung in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterscheidet sich kaum von der AVMD-Richtlinie. In Deutschland und der Schweiz sind politische und religiöse Werbung im Rundfunk und Unterbrecherwerbung in Kindersendungen, in Österreich und der Schweiz Spirituosenwerbung im Rundfunk verboten (§§ 8 (9) & 9 (1) MStV; § 42 AMD-G; Art. 10 (1) RTVG; Art. 18 (3) RTVV). Ebenso ist die Werbung in Österreich und der Schweiz auf 20 % pro Stunde beschränkt (§ 45 (1) AMD-G; Art. 11 (2) RTVG; Art. 19 (1) RTVV), in Deutschland darf Werbung in den Zeiträumen von 6-18, 18-23 und 23-24 Uhr max. 20 % ausmachen (§ 70 (1) MStV). Für nicht-konzessionierte, im Ausland nicht empfangbare Sender gelten in der Schweiz mit Ausnahme des Unterbrecherwerbungsverbots für Kindersendungen und Gottesdienste allerdings keine Begrenzungen bezüglich Werbedauer und Unterbrecherwerbung (Art. 18 (7) & 19 (2) RTVV). <?page no="317"?> Inhalte 317 «Gleich lange Spieße» für Schweizer Sender und Werbefenster In der Schweiz war Alkoholwerbung im Fernsehen lange verboten. Die Ausnahme vom Herkunftslandprinzip im EÜGF für Werbefenster bot die Möglichkeit, dies auch auf ausländischen Sendern durchzusetzen. Im Gegenzug für die (temporäre) Teilnahme am EU-Filmförderprogramm «MEDIA» musste sich die Schweiz zu einer Übernahme des Herkunftslandprinzips verpflichten. Um inländische Sender gegenüber Werbefenstern nicht zu benachteiligen («gleich lange Spieße»), hat die Schweiz deshalb Werbung für Bier und Wein im Inland zugelassen; Werbung für hochprozentige Alkoholika blieb verboten. An «MEDIA» nimmt die Schweiz aufgrund von Differenzen mit der EU seit 2014 nicht mehr teil, womit die Ausnahme im EÜGF wieder gilt - die Zulassung von Alkoholwerbung wurde dennoch nicht rückgängig gemacht. Die Werberegulierung in den einzelnen Staaten orientiert sich stark an diesen europäischen Mindeststandards. Strengere nationale Regulierung wäre erlaubt, doch die Mitgliedstaaten wollen vermeiden, den in ihren Ländern ansässigen Rundfunkunternehmen einen Wettbewerbsnachteil zu bescheren und damit die Attraktivität des eigenen Standortes zu schmälern. Das EÜGF beschäftigt sich zudem mit Werbefenstern, also wenn auf ausländischen Fernsehsendern inländische Werbung ausgestrahlt wird. So kann bspw. auf vielen deutschen Privatsendern Werbung für Österreich oder die Schweiz geschaltet werden (während die deutschen Zuschauer·innen gleichzeitig deutsche Werbung sehen), was den einheimischen Sendern zusätzliche Konkurrenz auf dem Werbemarkt beschert. Das EÜGF definiert für Werbefenster eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip und legt fest, dass Werbung, die sich an Zuschauer·innen in einem anderen Staat richtet, die Werberegulierung dieses Landes nicht umgehen darf. Allerdings dürfen ausländische Werbefenster nicht strenger reguliert werden als Werbung auf inländischen Sendern (Art. 16 EÜGF). Zwischen EU- Staaten gilt diese Ausnahme nicht, da die AVMD-Richtlinie Vorrang besitzt. Für Radiowerbung existieren genauso wie bei den Inhalten keine europäischen Mindeststandards, womit die Regulierung allein in der Kompetenz der einzelnen Länder liegt. In Ländern, in denen der öffentliche Rundfunk nicht nur aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, sondern auch Werbung ausstrahlen darf (siehe Kapitel 10.1.2.2), unterliegt er hierbei strengeren Regeln als private Sender. Werbedauer und Unterbrecherwerbung werden deutlich stärker limitiert. In diesem Zusammenhang ist auch von asymmetrischer Werberegulierung die Rede. <?page no="318"?> Bereiche der Medienpolitik 318 Werbung im Public Service in Deutschland, Österreich und der Schweiz Das Erste und das ZDF dürfen werktags vor 20 Uhr im Jahresschnitt max. 20 Minuten Werbung zeigen, wobei maximal 20 % Werbung pro Stunde erlaubt ist. Die Landesrundfunkanstalten dürfen im Hörfunk werktäglich im Jahresschnitt bis zu 90 Minuten Werbung ausstrahlen (§ 39 MStV). Der ORF darf pro Fernsehsender im Jahresschnitt max. 42 Minuten bundesweite Werbung pro Tag ausstrahlen, die 20 % pro Stunde nicht übersteigen darf. Unterbrecherwerbung ist mit Ausnahme von Sportsendungen unzulässig. Im Hörfunk muss ein Sender werbefrei bleiben; die anderen dürfen im Jahresschnitt zusammen max. 172 Minuten Werbung pro Tag ausstrahlen, wobei pro Sender nicht mehr als 8 % pro Tag zulässig sind. In Länderprogrammen sind 5 % Werbung pro Tag erlaubt. In den Onlineangeboten ist nur bundesweite und keine personalisierte Werbung zulässig (§§ 14 (4), 14 (5), 15 (2), 18 (4) & 18 (5) ORF-G). Die SRG darf im Fernsehen max. 15 % Werbung pro Tag ausstrahlen; Unterbrecherwerbung ist in der Prime Time (18-23 Uhr) und während Nachrichtensendung einmal pro 90 Minuten, ansonsten einmal pro 30 Minuten zulässig. Im Radio und Online ist Werbung verboten; Sponsoring ist im Radio aber erlaubt (Art. 14 (1) RTVG; Art. 22 (1), 22 (2) & 23 RTVV). Im Internet müssen - wie oben bereits erwähnt - innerhalb der EU kommerzielle Kommunikation und deren Auftraggeber·innen klar erkennbar sein (Art. 6 Richtlinie 2000/ 31/ EG). Das gilt für sämtliche Websites und damit auch für Medienangebote im Internet sowie für Influencer·innen auf sozialen Netzwerken, die Sponsoringpartnerschaften eingehen. Ferner ist unerbetene Werbung via E-Mail («Spam») verboten (Art. 13 Richtlinie 2002/ 58/ EG). Für Plattformen gelten mit Inkrafttreten des DSA (Verordnung (EU) 2022/ 2065) zusätzliche Vorschriften. Für die Nutzer·innen muss nicht nur erkennbar sein, dass es sich um Werbung handelt und wer die Auftraggeber·innen sind, sondern auch, weshalb eine Werbung jemandem angezeigt wird. Zudem ist eine Personalisierung auf Basis besonders sensibler personenbezogener Daten unzulässig; eine Personalisierung von an Minderjährige gerichteter Werbung ist ganz untersagt (Art. 26 & 28 (2); siehe auch Kapitel 12.4.2.2). Sehr große Plattformen und Suchmaschinen (VLOPs und VLOSEs) müssen Werbung in einem Archiv zur Verfügung stellen, das Informationen über Inhalte, Auftraggeber·innen, Zielgrup- <?page no="319"?> Inhalte 319 pen und die Anzahl erreichter Nutzer·innen enthält. Bei den regelmäßig durchzuführenden Bewertungen ihrer systemischen Risiken müssen VLOPs und VLO- SEs auch die Systeme zur Auswahl und Anzeige von Werbung einbeziehen (Art. 34 (2), 39). Weiter fördert die Europäische Kommission die Ausarbeitung von Selbstregulierungskodizes für Onlinewerbung (Art. 46). In Ergänzung dazu plant die EU eine neue Verordnung zu politischer Onlinewerbung (COM/ 2021/ 731 final). Damit soll einerseits die Transparenz durch Kennzeichnungs- und Informationspflichten (Finanzierungsquelle; Offenlegung der Verbindung zu einer Wahl oder Abstimmung) erhöht werden. Andererseits geht es um Einschränkungen bezüglich der Personalisierung politischer Werbung (keine Verwendung sensibler personenbezogener Daten; Information, weshalb Werbung einer bestimmten Person angezeigt wird). Bei Verstößen sind hohe Geldbußen vorgesehen. Viele dieser Punkte sind auch bereits im von der EU initiierten Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation enthalten. Darin verpflichten sich Plattformen und Werbewirtschaft, möglichst keine Werbung im Umfeld von Desinformation anzuzeigen, keine Desinformation via Werbung zu verbreiten und die Transparenz politischer Werbung sicherzustellen. Video-Sharing-Plattformen unterliegen weitergehenden Vorschriften. Zum einen gelten die gleichen Grundsätze, Verbote, Einschränkungen und Erkennbarkeitsregeln wie für audiovisuelle Mediendienste. Dies gilt für die von Video-Sharing-Plattformen selbst vermarktete Werbung ebenso wie für in den von Nutzer·innen hochgeladenen Videos enthaltene Werbung. Zum anderen muss die Plattform Maßnahmen treffen, um Minderjährige vor entwicklungsbeeinträchtigender kommerzieller Kommunikation und die Allgemeinheit vor kommerzieller Kommunikation zu schützen, in der zu Gewalt oder Hass aufgestachelt oder zu Straftaten aufgefordert wird. Zur Umsetzung empfiehlt die EU Formen der Co- Regulierung (Art. 28b Richtlinie 2010/ 13/ EU). Werbung in audiovisuellen Mediendiensten wird in Europa weitgehend einheitlich reguliert, wobei für Fernsehsender strengere Regeln gelten als für nicht-lineare Dienste. Auf eine Inländerdiskriminierung wird aus ökonomischen Gründen weitgehend verzichtet. Wo der öffentliche Rundfunk Werbung ausstrahlen darf, wird er stärker reguliert als der private Rundfunk. Inzwischen unterliegen auch Plattformen gewissen Werbevorschriften. <?page no="320"?> Bereiche der Medienpolitik 320 Übungen 1. Erklären Sie, weshalb sich Medienpolitik viel stärker mit Medienstrukturen als mit Inhalten befasst. 2. Bei der Beschränkung von Inhalten wird stark auf private Governance (Selbstorganisation und Selbstregulierung) gesetzt. Warum ist das so? 3. An der privaten Governance von Inhalten durch Medien und Plattformen gibt es aber auch Kritik. Welche Gründe sprechen dagegen? 4. Aufgrund der Probleme mit der Inhaltsmoderation von Plattformen werden diese nun mit dem DSA stärker in die Verantwortung genommen. Doch dazu gibt es auch kritische Stimmen. Was genau wird kritisiert? Literaturtipps DeNardis, L., & Hackl, A. M. (2015). Internet Governance by Social Media Platforms. Telecommunications Policy, 39(9), 761-770. In diesem Artikel steht im Fokus, wie Plattformen mit ihrer Governance das Internet prägen. Gillespie, T. (2018). Custodians of the Internet: Platforms, Content Moderation, and the Hidden Decisions that Shape Social Media. New Haven: Yale University Press. Plattformen wurden zu den «Wächtern» des Internets. Gillespie zeigt detailliert die Funktionsweise und Probleme der Inhaltsmoderation auf. Tambini, D., Leonardi, D., & Marsden, C. (2008). Codifying Cyberspace. Communications Self-Regulation in the Age of Internet Convergence. London: Routledge. Diese vergleichende Studie widmet sich Selbst- und Co-Regulierung im Medien- und Onlinebereich in Europa. <?page no="321"?> 321 12 Verbreitung Inhalt und Lernziele Mit Ausnahme von Printmedien gelangen Inhalte als elektronische Signale zu den Rezipient·innen. Entsprechend befasst sich die Medienpolitik auch mit elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten. Zudem werden Plattformen für die Verbreitung von Inhalten immer wichtiger. Das folgende Kapitel behandelt den Zugang der Nutzer·innen zum Internet, die Sicherstellung von Wettbewerb angesichts marktmächtiger Gatekeeper sowie Vorgaben zur Priorisierung und Auffindbarkeit von Inhalten. Nach diesem Kapitel können Sie die Folgen der Liberalisierung auf Investitionen in den Ausbau der elektronischen Kommunikationsinfrastruktur beurteilen. begründen, weshalb für Kommunikationsnetze und Plattformen zusätzlich zur Wettbewerbsordnung eine Vorabregulierung existiert. die Auswirkungen algorithmischer Selektion sowie Möglichkeiten zur Priorisierung und besseren Auffindbarkeit von Inhalten einschätzen. Grundzüge der Regulierung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste in Europa darlegen. 12.1 Infrastrukturausbau und Universaldienst 12.1.1 Grundlagen Während Printmedien physisch verteilt werden, bedingt die Verbreitung von Radio, Fernsehen, Telekommunikationsdiensten und Internetanwendungen elektronische Kommunikationsnetze. Deren Auf- und Ausbau ist häufig teuer. Für die Nutzung von Telekommunikationsdiensten und Internet braucht es zudem einen Anschluss resp. einen Vertrag, was für die Nutzer·innen mit wiederkehrenden Kosten verbunden ist. <?page no="322"?> Bereiche der Medienpolitik 322 Um einen sozialen Ausschluss zu verhindern, wird mit Medienpolitik traditionell das Ziel verfolgt, dass die gesamte Bevölkerung unabhängig von Wohnort und Einkommen Zugang zu Rundfunk und Telekommunikation haben soll. Unter Monopolbedingungen war das relativ einfach umzusetzen. Im Rundfunk musste der Public Service im ganzen Land frei empfangbar sein und hierfür ein Sendernetz aufbauen (siehe Kapitel 10.1.1.1). Und in der Telekommunikation wurde ein Universaldienst definiert, dessen Erfüllung dem Monopolbetrieb (in westeuropäischen Ländern der staatlichen PTT) mit einer Universaldienstverpflichtung («Universal Service Obligation», USO) auferlegt wurde: Das Monopolunternehmen musste nicht nur ein flächendeckendes Telefonnetz aufbauen, sondern auch allen Haushalten einen Telefonanschluss und einige Telekommunikationsdienste wie Lokalgespräche zu erschwinglichen Preisen anbieten. Möglich war das nur dank einer Quersubventionierung. Die hohen Kosten für den Universaldienst wurden durch rentable Geschäftsbereiche wie nationale Ferngespräche und internationale Anrufe gedeckt, wo die Preise über den Kosten lagen (vgl. Collins & Murroni, 1996: 81-85; Napoli, 2001: 177-201). Unter Wettbewerbsbedingungen funktioniert das aber nicht mehr, was die Erbringung eines flächendeckenden und erschwinglichen Universaldiensts gefährdet. Zwar hat die Liberalisierung des Telekommunikationssektors für Innovationen und Preissenkungen gesorgt, doch gewinnorientierte Unternehmen haben nur beschränkte Anreize, in den Unterhalt und Ausbau elektronischer Kommunikationsnetze zu investieren - zumindest in Gebieten, deren Erschließung bspw. aufgrund der dünnen Besiedelung sehr teuer und folglich unprofitabel ist. Entsprechend besteht die Gefahr, dass Netze nur in dicht besiedelten und damit lukrativen Gebieten modernisiert werden. Zudem wurde Wettbewerb in der Telekommunikation dadurch eingeführt, dass neue Anbieter·innen von Telekommunikationsdiensten das Netz des ehemaligen Monopolbetriebs mitbenutzen dürfen (siehe Kapitel 12.3.1). Dieser Wettbewerb ist ein Dienstewettbewerb auf einem Netz statt ein Infrastrukturwettbewerb zwischen verschiedenen Netzen. Deshalb hat kein Unternehmen einen Anreiz, in Netze zu investieren (vgl. Bauer, 2010a). Das Problem hat sich durch die zentrale Rolle, welche das Internet heute für die gesellschaftliche Teilhabe und für die wirtschaftliche Entwicklung spielt, noch verschärft. Immer datenintensivere Internetanwendungen erfordern den kostspieligen Aufbau leistungsfähiger Breitbandnetze (sogenannte «Next Generation Access Networks» wie Glasfasernetze und 5G-Mobilfunknetze). <?page no="323"?> Verbreitung 323 12.1.2 Infrastrukturausbau und Universaldienst in Europa Die EU und einzelne Länder haben verschiedene Maßnahmen ergriffen, um Infrastrukturausbau und Universaldienst zu gewährleisten. Erstens werden in der EKEK-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2018/ 1972) Anreize gesetzt, damit Unternehmen in Breitbandnetze investieren. Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht können von bestimmten Regulierungsmaßnahmen befreit werden, wenn sie beim Aufbau neuer Breitbandnetze Ko-Investitionen von Konkurrenzunternehmen zulassen, wodurch diese künftig nicht mehr auf das Netz des marktmächtigen Unternehmens angewiesen sind (Art. 76; siehe Kapitel 12.3.1). Zudem können die nationalen Regulierungsbehörden für Telekommunikation in Gebieten ohne Breitbandnetz versuchen, ein Unternehmen zu finden, welches ein solches bauen möchte (Art. 22 (3); vgl. Kiparski, 2019). Zweitens wird der Ausbau und Aufbau von Breitbandnetzen mit Subventionen unterstützt, da Unternehmen unter Bedingungen eines regulierten Wettbewerbs nur unzureichende Investitionen in die Infrastruktur getätigt haben (vgl. Humphreys & Simpson, 2018: 52-53). «This is a considerable shift in the thrust of public policy which, during the preceding decades, had predominantly been concerned with the regulatory measures required to facilitate the transition from monopoly to an open market environment. These reforms were based on the strong belief that competitive market organization would best support investment and innovation, a policy vision that is reassessed in the present rebalancing» (Bauer, 2010a: 66). Staatliche Beihilfen, die den Wettbewerb verzerren, sind in der EU grundsätzlich verboten (Art. 107 (1) AEUV; siehe Kapitel 7.3.2.1). Die staatliche Unterstützung des Breitbandausbaus ist aber aufgrund einer Ausnahme für Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige (Art. 107 (3) (c) AEUV) unter bestimmten Bedingungen zulässig. Aufgrund von Erhebungen, wo Breitbandnetze bereits existieren und wo Unternehmen einen Ausbau planen (Art. 22 Richtlinie (EU) 2018/ 1972), unterscheidet die Kommission zwischen verschiedenen Gebieten (vgl. Europäische Kommission, 2013b): In Gebieten, in denen kein Breitbandnetz vorhanden und kein Ausbau geplant ist («weiße Flecken»), sind Beihilfen zulässig. In Gebieten, in denen lediglich ein Breitbandnetz vorhanden oder der Ausbau eines Netzes geplant ist («graue Flecken»), ist eine vertiefte Prüfung nötig, ob Beihilfen nicht Investitionen privater Unternehmen verhindern würden. <?page no="324"?> Bereiche der Medienpolitik 324 In Gebieten, in denen mindestens zwei Breitbandnetze vorhanden oder deren Ausbau geplant ist («schwarze Flecken»), sind Beihilfen nicht zulässig, wobei Ausnahmen möglich sind. Im Rahmen des Programms «Connecting Europe Facility» unterstützt die EU zudem auch selbst den Bau leistungsfähiger Breitbandnetze von 2021 bis 2027 mit über EUR 2 Mia. (Verordnung (EU) 2021/ 1153). Drittens wurde der Universaldienst mit dem Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (EKEK-RL; Richtlinie (EU) 2018/ 1972) von einem Telefonanschluss auf Breitbandinternet ausgeweitet, um eine digitale Spaltung («Digital Divide») zwischen gut und schlecht verdienenden Bevölkerungsgruppen zu verhindern. Die EU-Mitgliedstaaten haben den erschwinglichen Zugang zu Sprachtelefonie und Breitbandinternet an einem festen Standort sicherzustellen, wobei sie die erforderliche Verbindungsgeschwindigkeit selbst festlegen. Wenn sie dies für nötig erachten, können sie auch Mobilfunk in den Universaldienst aufnehmen. Ist der Universaldienst nicht erschwinglich, können die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen. Und ist der Universaldienst nicht überall verfügbar, kann die Regulierungsbehörde einem oder mehreren Unternehmen eine Universaldienstverpflichtung auferlegen. Sofern die daraus entstehenden Kosten für das Unternehmen eine unzumutbare Belastung darstellen, ist eine Entschädigung aus öffentlichen Mitteln oder aus Abgaben sämtlicher im Markt tätiger elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste vorgesehen (Art. 84-86, 89-90). Allerdings wird auch kritisiert, dass sich das Problem sozialer Ungleichheit durch die Sicherstellung des Zugangs zu einem Breitbandnetz allein nicht beseitigen lässt. Denn nicht nur der Zugang, auch die Fähigkeiten zur Nutzung des Internets sind in der Gesellschaft ungleich verteilt (siehe Kapitel 13.1). Grundversorgungskonzession in der Schweiz Anders als in EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland oder Österreich, wo eine Universaldienstverpflichtung erst zur Anwendung kommt, wenn der Universaldienst nicht überall verfügbar ist, wird in der Schweiz durch die ComCom eine Grundversorgungskonzession ausgeschrieben, um die sich Unternehmen bewerben können. Gibt es keine Bewerbungen, kann ein Unternehmen auch verpflichtet werden. Die Konzession beinhaltet die Pflicht, flächendeckend einen Universaldienst (Festnetztelefonie und Internet) zu vorgegebenen Maximalpreisen anzubieten (Art. 14-18 & 38 FMG; Art. 12-16 & 22-25 FDV). <?page no="325"?> Verbreitung 325 Der Anschluss der Bevölkerung an leistungsfähige Breitbandnetze wird aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen für zentral erachtet. Der Aus- und Aufbau von Breitbandnetzen wird mit Anreizen für Investitionen und durch Subventionen unterstützt. Und um eine digitale Spaltung in der Gesellschaft zu verhindern, umfasst der flächendeckende und erschwingliche Universaldienst heute auch einen Breitbandinternetzugang. 12.2 Standardisierung und Internetkernressourcen Damit Rundfunk, Telekommunikation und Internet funktionieren, müssen nicht nur elektronische Kommunikationsnetze (und Endgeräte) vorhanden sein, sondern es bedarf auch einer Standardisierung der verwendeten Technologie. Nur so ist sichergestellt, dass elektronische Kommunikationsnetze, übertragene Dienste und Endgeräte miteinander kompatibel sind (siehe Kapitel 5.1). In der Telekommunikation sind gemeinsame Standards eine Voraussetzung für die Zusammenschaltung (oder Interkonnektion) von Kommunikationsnetzen verschiedener Unternehmen und aus verschiedenen Ländern. Nur dann kann ein Anruf aus einem Netz in ein anderes Netz getätigt werden (vgl. Latzer, 1997: 213). Im Telekommunikationssektor findet die Standardisierung im Rahmen der ITU statt (siehe Kapitel 8.1.2). Auf europäischer Ebene wird zur Standardisierung von Technologien für Rundfunk und Telekommunikation auf eine Co-Regulierung im Rahmen von CENELC und ETSI gesetzt (siehe Kapitel 7.4). Auch das Internet bedingt technische Standards. Damit Netzwerke und Endgeräte unabhängig von der benutzten Hard- und Software miteinander kommunizieren können, sind Protokolle wie beispielsweise TCP/ IP erforderlich. Für die Entwicklung von Internetprotokollstandards sind diverse Gruppen unter dem Dach der Internet Society (ISOC) zuständig; die Standardisierung in Zusammenhang mit dem WWW obliegt dem W3C (siehe Kapitel 8.6.1). Neben standardisierten Protokollen braucht es zum Funktionieren des Internets auch noch ein Management weiterer Internetkernressourcen wie IP-Adressen und Domainnamen. Jedes Gerät, das ans Internet angeschlossen wird, bekommt eine IP-Adresse zugeteilt - eine Art Telefonnummer. Da es aber einfacher ist, sich statt einer Nummer einen Namen zu merken, wurde das «Domain Name System» (DNS) eingeführt. Dieses übersetzt leicht merkbare Domainnamen (wie z. B. www.arte.tv) in IP-Adressen. Damit müssen die Nutzer·innen nicht die IP- <?page no="326"?> Bereiche der Medienpolitik 326 Adresse kennen, um eine Verbindung zu einem Server herzustellen (bspw. zur Website des Fernsehsenders arte). Zuoberst in der Struktur des DNS stehen die Root-Server, welche alle notwendigen Informationen enthalten, damit diese Umwandlung von Domainnamen in IP-Adressen auch funktioniert (vgl. Kleinwächter, 2000). Für die Verwaltung des DNS, die Verteilung von IP-Adressen und die Organisation der Root-Server ist die ICANN zuständig (siehe Kapitel 8.6.1). Damit Kommunikationsnetze und Internet funktionieren, bedarf es der Standardisierung und dem Management der Internetkernressourcen. 12.3 Sicherstellung von Wettbewerb In den meisten Branchen wird zur Sicherstellung ökonomischen Wettbewerbs einzig auf die allgemeine Wettbewerbsordnung gesetzt (siehe Kapitel 9.3). Es gibt aber Branchen, in denen sich ein funktionierender ökonomischer Wettbewerb nicht allein über die allgemeine Wettbewerbsordnung verwirklichen lässt. Der Grund liegt darin, dass einzelne Unternehmen aufgrund ihrer Marktmacht in der Lage sind, andere Marktteilnehmer·innen zu benachteiligen. In diesen Branchen wird deshalb zusätzlich zur Wettbewerbsordnung auf eine asymmetrische Vorabregulierung («ex ante») dieser marktmächtigen Unternehmen gesetzt. Dies bedeutet, dass solchen Unternehmen von vornherein aufgrund ihrer Marktmacht weitergehende Pflichten auferlegt werden - und nicht erst eingegriffen wird, sofern das Unternehmen seine Marktmacht auch tatsächlich missbraucht (vgl. Savin, 2018: 30). Dies ist etwa bei der elektronischen Kommunikationsinfrastruktur (inkl. Rundfunkübertragung und Internetverkehr) und bei Plattformen der Fall. 12.3.1 Elektronische Kommunikationsnetze und -dienste Als der Telekommunikationssektor liberalisiert wurde war klar, dass die Abschaffung des Monopols nicht einfach so zu einem funktionierenden Wettbewerb führen würde, da das ehemalige Monopolunternehmen über erhebliche Marktmacht verfügt hat (siehe Kapitel 3.2.2.2). «In a liberalized telecommunications environment the regulator […] does not inherit a ‹level playing field› on which new firms of equal power compete freely, but a playing field on which one of the players - the old incumbent - is larger, richer <?page no="327"?> Verbreitung 327 and in almost all respects more powerful than the others» (Collins & Murroni, 1996: 19). Um einen chancengleichen Wettbewerb zu fördern und wettbewerbswidriges Verhalten zu verhindern, ist eine asymmetrische Vorabregulierung notwendig, welche dem Ex-Monopolbetrieb weitergehende Pflichten auferlegt. Dadurch soll dafür gesorgt werden, dass kleinere Konkurrenzunternehmen ohne eigenes Kommunikationsnetz das Netz des Unternehmens mit beträchtlicher Marktmacht benutzen können, um den Endkund·innen ihre Kommunikationsdienste überhaupt anbieten zu können (sogenannter Dienstewettbewerb). Über 80 Länder haben sich deshalb im Rahmen der WTO auf ein Reference Paper mit gewissen Regulierungsprinzipien geeinigt (siehe Kapitel 8.4.2.2). So verpflichten sich die Länder dazu, Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht an wettbewerbswidrigem Verhalten zu hindern und die Zusammenschaltung mit Netzen dieser Unternehmen zu nichtdiskriminierenden Bedingungen und kostenorientierten Preisen sicherzustellen. In der Europäischen Union werden elektronische Kommunikationsnetze und elektronische Kommunikationsdienste (Internetzugangsdienste, nummernabhängige und nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste und die Übertragung von Rundfunksignalen) mit dem Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (EKEK-RL; Richtlinie (EU) 2018/ 1972) technologieneutral reguliert (siehe Kapitel 7.3.2.2). Grundsätzlich sieht die EKEK-Richtlinie in Teilmärkten eine asymmetrische Vorabregulierung vor, in denen ein Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügt (Art. 13 (2) Richtlinie (EU) 2018/ 1972). Ursprünglich hat die Europäische Kommission in 18 Teilmärkten einen Bedarf für Vorabregulierung festgestellt - heute sind es noch zwei. In allen anderen Teilmärkten geht die Kommission davon aus, dass der Wettbewerb ausreichend funktioniert. Das erklärte Ziel ist es, dass die elektronische Kommunikationsinfrastruktur am Ende nur noch der allgemeinen Wettbewerbsordnung unterliegt. Alle drei bis fünf Jahre wird überprüft, ob Vorabregulierung in einem Teilmarkt noch gerechtfertigt ist (vgl. Cave, Genakos & Valletti, 2019; Just, 2020; Vogelsang, 2019). In den wenigen verbleibenden Teilmärkten, in denen gemäß Europäischer Kommission die Auferlegung besonderer Verpflichtungen erforderlich sein kann, haben die nationalen Telekommunikationsregulierungsbehörden dann mit einer Marktanalyse zu prüfen, ob Vorabregulierung tatsächlich nötig ist. Nur wenn beträchtliche Marktzutrittsschranken bestehen, der Markt nicht zu einem wirksa- <?page no="328"?> Bereiche der Medienpolitik 328 men Wettbewerb tendiert und die Wettbewerbsordnung als nicht ausreichend erachtet wird, um das Marktversagen zu beheben, dürfen die nationalen Regulierungsbehörden dem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht Verpflichtungen bezüglich des Zugangs für andere Anbieter·innen auferlegen (die Europäische Kommission kann allerdings die Rücknahme oder die Änderung von vorgeschlagenen Maßnahmen verlangen). Zu diesen Verpflichtungen zählen Transparenz, Nichtdiskriminierung, eine getrennte Buchführung, der Zugang zu baulichen Anlagen, der Zugang zu Netzkomponenten (bspw. Zusammenschaltung oder entbündelter Zugang zum Anschluss in den Haushalten) sowie kostenorientierte Preise (Art. 32, 64 (1), 67 (1) & 68-74 Richtlinie (EU) 2018/ 1972). Wenn diese Verpflichtungen nicht ausreichen, um einen funktionierenden Wettbewerb herbeizuführen, kann von vertikal integrierten Netzbetreiber·innen verlangt werden, dass sie das Kommunikationsnetz funktionell vom restlichen Unternehmen trennen (Art. 77). Dadurch soll sichergestellt werden, dass eigene Kommunikationsdienste nicht mehr gegenüber jenen von Konkurrenzunternehmen bevorzugt werden können. All diese Maßnahmen betreffen Vorleistungsmärkte, also die Beziehungen zwischen Telekommunikationsunternehmen. Die Kommission geht davon aus, dass sich so auch Wettbewerbsprobleme in Endkund·innenmärkten beheben lassen. Wenn diese Vorabregulierung auf Vorleistungsmärkten nicht ausreicht, um wirksamen Wettbewerb in einem Endkund·innenmarkt herzustellen und ein Unternehmen in diesem Markt über beträchtliche Marktmacht verfügt, können diesem weitere Verpflichtungen wie Preisobergrenzen auferlegt werden (Art. 83). 10 Ergänzend zur EKEK-Richtlinie werden mit einer neuen Verordnung, dem «Gesetz über digitale Märkte» (DMA), nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste (also OTT-Dienste wie WhatsApp, Signal oder Skype), die aufgrund hoher Umsatz- und Nutzer·innenzahlen als «Gatekeeper» eingestuft werden (siehe Kapitel 12.3.3), zur Interoperabilität miteinander verpflichtet. Text- und Multimedia-Chats zwischen zwei Personen müssen umgehend, Gruppenchats innerhalb von zwei Jahren, Sprach- und Videoanrufe innerhalb von vier 10 Neben diesen Pflichten für marktmächtige Unternehmen hat die Europäische Kommission einen Höchstpreis festgelegt, den sich Telekommunikationsunternehmen bei der Zustellung von Anrufen gegenseitig verrechnen dürfen (Art. 75 Richtlinie (EU) 2018/ 1972; Delegierte Verordnung (EU) 2021/ 654). Mit dieser Regulierung des Zustellungsentgelts auf Vorleistungsmärkten soll indirekt auf die Preise auf den Endkund·innenmärkten eingewirkt werden. Zudem wurden die Zuschläge auf Anrufe, SMS und Datennutzung während Auslandsreisen (Roaming) innerhalb der EU verboten (Art. 1 (1) & 4 Verordnung (EU) 2022/ 612) und Preisobergrenzen für Anrufe und SMS in andere EU-Länder eingeführt (Art. 5a Verordnung (EU) 2015/ 2120). <?page no="329"?> Verbreitung 329 Jahren nach der Einstufung als «Gatekeeper» ermöglicht werden. Zudem wird die Verwendung personenbezogener Daten eingeschränkt und Datenportabilität vorgeschrieben, damit Nutzer·innen ihre Daten von einem Messengerdienst zu einem anderen mitnehmen können (Art. 6 (9) & 7 Verordnung (EU) 2022/ 1925). Dieser asymmetrischen Vorabregulierung von Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht wird zugutegehalten, dass damit relativ rasch ein funktionierender Dienstewettbewerb verschiedener Anbieter·innen auf dem Netz des Ex-Monopolbetriebs verwirklicht werden konnte. Jedoch fehlen Anreize für Investitionen in eigene Netze, die einen Infrastrukturwettbewerb ermöglichen würden. Für den Aus- und Aufbau leistungsfähiger Breitbandnetze ist das aber problematisch (vgl. Bauer, 2010a; Vogelsang, 2019). Um das zu ändern, sind in der EKEK- Richtlinie nun auch Ausnahmen von der Auferlegung besonderer Verpflichtungen für Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht vorgesehen, die zusammen mit Konkurrenzunternehmen Ko-Investitionen in Breitbandnetze tätigen (siehe Kapitel 12.1). Gleiches gilt für Unternehmen, die nicht auf Endkund·innenmärkten tätig sind (Art. 76 & 80 Richtlinie (EU) 2018/ 1972). In der Schweiz wird die Gewährung des Zugangs durch marktbeherrschende Unternehmen für andere Anbieter·innen sehr ähnlich, aber weniger detailliert reguliert als in der EU. Grundsätzlich müssen marktbeherrschende Unternehmen ihren Konkurrent·innen auf transparente und nichtdiskriminierende Weise zu kostenorientierten Preisen u. a. die Zusammenschaltung und entbündelten Zugang zum traditionellen Telefonanschluss in den Haushalten gewähren. Hierzu existieren Vorschriften beispielsweise bezüglich Transparenz, Nichtdiskriminierung oder kostenorientierter Preisgestaltung. Bei Streitigkeiten über die Zugangsbedingungen entscheidet die ComCom (Art. 11 & 11a FMG; Art. 51-63 FDV). 12.3.2 Rundfunkübertragung Für die Übertragung von Radio und Fernsehen existieren über diese für alle elektronischen Kommunikationsnetze und -dienste geltenden Regeln hinaus einige besondere Vorschriften. Denn Radio- und Fernsehsender können nicht nur beim Zugang zu einem bestimmten Kommunikationsnetz benachteiligt werden. Auch beim Zugang zu zugehörigen Diensten wie elektronischen Programmführern (Electronic Program Guide, EPG), Zugangsberechtigungssystemen (Conditional Access System, CAS) für den Empfang verschlüsselter Sender sowie Anwendungsprogrammierschnittstellen (Application Programming Interface, API) können <?page no="330"?> Bereiche der Medienpolitik 330 sich Distributionsunternehmen diskriminierend verhalten. Sie bestimmen, welche Sender Zugang zu ihrem Netz und den zugehörigen Diensten - und damit letztlich zu den Rezipient·innen - erhalten (vgl. Feintuck & Varney, 2006: 260- 261). Und wenn diese Distributionsunternehmen gleichzeitig noch eigene Rundfunksender betreiben, besteht die Gefahr, dass sie ihre Marktmacht missbrauchen und ihre eigenen Sender gegenüber der Konkurrenz bevorteilen: «When individual firms have exclusive control over a […] piece of infrastructure that all media suppliers need in order to reach viewers […] then, because of their control over the bottleneck, these firms are in a position to act as gatekeepers and to decide who may or may not be allowed market access. […] Gatekeepers are often vertically integrated firms […] that […] have both the means and the incentive to favour their own services and to exclude rivals» (Doyle, 2013: 184). Zugang für Rundfunksender in Deutschland, Österreich und der Schweiz In Deutschland gelten Vorgaben für die Bündelung von Rundfunksendern, On-Demand-Inhalten und Onlinepresse zu Gesamtangeboten (im deutschen Recht «Medienplattformen» genannt) und für Benutzungsoberflächen. Dabei kommt das Marktortprinzip zur Anwendung (§ 1 (8) MStV). «Medienplattformen» wie Kabelnetze, IPTV-Netze, Multiplexe und OTT-Dienste (bspw. Zattoo) dürfen Inhalteanbieter·innen bezüglich Zugangsbedingungen, CAS und API nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund ungleich behandeln oder ihren Zugang behindern. Ebenso müssen Benutzungsoberflächen (bspw. EPGs oder Steuerungen von Smart-TVs, TV-Boxen oder Streaming-Sticks) Angebote bei der Sortierung, Anordnung und Präsentation gleichbehandeln. Für «Medienplattformen» und Benutzungsoberflächen gilt eine Transparenzvorschrift hinsichtlich ihrer Auswahlkriterien (§§ 82-85 MStV). Auch in Österreich müssen Betreiber·innen von terrestrischen Multiplexen Rundfunksender und ihre Zusatzdienste zu fairen, gleichberechtigten und nichtdiskriminierenden Bedingungen verbreiten und im EPG darstellen sowie bezüglich Gestaltung, Auffindbarkeit und Übersichtlichkeit gleichberechtigt anbieten (§§ 25-27c AMD-G; § 15b (2) PrR-G). In der Schweiz müssen die Distributionsunternehmen den Sendern chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Zugang zu Verbreitung und zugehörigen Diensten (EPG, CAS) gewähren. Verzichtet wurde aber darauf, eine offene API vorzuschreiben (Art. 51 (2), 63 & 64 RTVG). <?page no="331"?> Verbreitung 331 Der Zugang wird in der EU je nach Engpass unterschiedlich reguliert. Anbieter·innen von Zugangsberechtigungssystemen müssen ihre Dienste zwingend allen Radio- und Fernsehsendern zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen anbieten (Art. 62 (1) & Anhang II Teil I Richtlinie (EU) 2018/ 1972). Zusätzlich können die zuständigen Regulierungsbehörden die Betreiber·innen von EPGs und APIs verpflichten, Rundfunksendern zu fairen, ausgewogenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen Zugang zu gewähren (Art. 61 (2) & Anhang II Teil II Richtlinie (EU) 2018/ 1972). Eine verbindliche, europaweite Zugangsverpflichtung besteht aber nicht. 11 Konflikte zwischen audiovisuellen Mediendiensten und Distributionsunternehmen sind auch bezüglich der Signalintegrität möglich. Fernsehsender lehnen eine Veränderung ihres Signals (bspw. Überspringen von Werbung; Überblendung mit neuer Werbung oder Drittinhalten) durch Kabelnetze oder OTT- Dienste aus redaktionellen und ökonomischen Gründen ab (vgl. Donders & Evens, 2014). Innerhalb der EU ist dies deshalb ohne ausdrückliche Zustimmung des audiovisuellen Mediendienstes nicht erlaubt (Art. 7b Richtlinie 2010/ 13/ EU). In der Schweiz gibt es eine ähnliche Vorschrift: Distributionsunternehmen, die zeitversetztes Fernsehen anbieten, dürfen ohne Zustimmung des Senders keine Veränderung an den Inhalten vornehmen (Art. 61a RTVG). 12.3.3 Netzneutralität 12.3.3.1 Grundlagen Eng mit der Vorabregulierung elektronischer Kommunikationsnetze ist auch das Thema der Netzneutralität verbunden. Insbesondere in den USA hat sich Netzneutralität zu einem bedeuteten medienpolitischen Thema entwickelt, das auch stark polarisiert. Grundsätzlich meint Netzneutralität die gleichberechtigte Behandlung des Internetverkehrs durch Internetzugangsdienste, ohne zwischen Inhalten 11 Ferner hat die EU Vorschriften zur Interoperabilität von Empfangsgeräten erlassen: Autoradios müssen DAB+ empfangen können; Vorschriften für andere Radiogeräte sind erlaubt; Digitalfernsehgeräte brauchen einen standardisierten Anschluss für Peripheriegeräte; Empfangsgeräte, die Fernsehsender entschlüsseln können, müssen unverschlüsselte Sender und mit einem standardisierten System verschlüsselte Sender empfangen können (Art. 113 & Anhang XI Richtlinie (EU) 2018/ 1972). Damit wird sichergestellt, dass die Nutzer·innen mit ihren Geräten die Sender verschiedenster Medienorganisationen empfangen können. <?page no="332"?> Bereiche der Medienpolitik 332 und Anwendungen, Ursprung, Destination oder benutzen Geräten zu diskriminieren. Durch die dezentralisierte Architektur des Internets auf Basis von Protokollen wie TCP/ IP wussten die Infrastrukturbetreiber·innen früher nicht, welche Inhalte sie übertragen. Heute ist es aber möglich, die übertragenen Datenpakete zu analysieren («Deep Packet Inspection»). Damit erhalten Internetzugangsdienste die Möglichkeit, die Übertragung bestimmter Websites und Apps zu blockieren («Blocking»), künstlich zu verlangsamen («Throttling»), gegen Bezahlung zu bevorzugen («Paid Prioritization») oder - bei mobilem Internet - nicht ans monatliche Datenvolumen anzurechnen («Zero Rating»). Entsprechend können sie sich als Gatekeeper verhalten, was zu Konflikten mit den Anbieter·innen von Inhalten und Apps führt, wozu natürlich auch Medienorganisationen gehören (vgl. Bauer & Obar, 2014; Just & Puppis, 2019; Mansell, 2017). Für die Medienpolitik stellt sich die Frage, ob eine solche Einflussnahme auf den Internetverkehr erlaubt werden soll oder ob es einer Netzneutralitätsregulierung bedarf. Tatsächlich besteht ohne Regulierung die Gefahr, dass die Provider ihre Kontrolle über den Internetverkehr dazu einsetzen, sich die schnelle Übertragung von Inhalten und Apps bezahlen zu lassen. Während etablierte Medienunternehmen sich das leisten können, würde dies zu einer Benachteiligung neuer Anbieter·innen und damit zu einer Abnahme von Innovation und Wettbewerb führen. Da Internetzugangsdienste häufig zu vertikal integrierten Unternehmen gehören, die selbst Inhalte anbieten, haben sie auch Anreize, andere Anbieter·innen zu diskriminieren. Es gibt aber nicht nur ökonomische Gründe für Regulierung. Die Analyse von Datenpaketen erlaubt die Überwachung der Internetnutzer·innen und hat potenziell drastische Auswirkungen auf deren Privatsphäre und Meinungsäußerungsfreiheit. Doch es gibt auch gute Gründe, die gegen eine Regulierung sprechen. Ohne die Möglichkeit zum Management des Internetverkehrs besteht die Gefahr von Netzwerküberlastungen. Zudem gibt es Dienste wie IPTV und Streaming, die eine bestimmte Übertragungsqualität bedingen («Quality of Service»), um sinnvoll genutzt werden zu können. Auch die Sperrung illegaler Inhalte auf behördliche Anordnung wäre ein Verstoß gegen eine strikt verstandene Netzneutralität. Und angesichts immer datenintensiverer Internetanwendungen sind hohe Investitionen in den Aufbau leistungsfähiger Breitbandnetze nötig (siehe Kapitel 12.1). Die Netzbetreiber·innen argumentieren, dass sich Streaming- und Video-Sharing-Dienste, die den zunehmenden Internetverkehr mit verursachen, an diesen Kosten beteiligen sollten (vgl. Bauer & Obar, 2014; Humphreys & Simpson, 2018: 77-81). <?page no="333"?> Verbreitung 333 12.3.3.2 Netzneutralität in Europa In der Europäischen Union wurde die Netzneutralität in einer Verordnung festgeschrieben. Folglich haben die Nutzer·innen das Recht, Inhalte, Anwendungen und Dienste auf Endgeräten ihrer Wahl zu nutzen. Die Internetzugangsdienste wiederum müssen allen Verkehr gleichbehandeln. Allerdings ist ein angemessenes Verkehrsmanagement erlaubt. Auch Spezialdienste neben dem eigentlichen Internetzugang wie bspw. IPTV sind zulässig, solange der reguläre Internetzugangsdienst dadurch nicht beeinträchtigt wird. Ferner müssen die Nutzer·innen transparent über Auswirkungen des Verkehrsmanagements sowie die Qualität und Geschwindigkeit des Internetzugangs informiert werden (Art. 3 & 4 (1) Verordnung (EU) 2015/ 2120). Da die Verordnung und die entsprechenden Leitlinien der GEREK ein Verbot von «Zero Rating» nicht ausdrücklich erwähnen, wurde dies weiterhin praktiziert. Der EuGH hat zwischenzeitlich aber in mehreren Urteilen klargestellt, dass «Zero Rating» der Netzneutralität widerspricht (vgl. Samek, 2021). Neben der EU setzt sich auch der Europarat für Netzneutralität ein (Recommendation CM/ Rec(2016)1). In der Schweiz wurde die Netzneutralität mit der letzten Revision des Fernmeldegesetzes verankert (Art. 12e FMG; siehe Studie 21). Der tatsächliche Nutzen der Regulierung bleibt aber fraglich. Erstens sind Verletzungen der Netzneutralität schwierig nachzuweisen. Zweitens gilt die Regulierung auch nur für den Transport von Inhalten zu den Endkund·innen, nicht aber für die Lieferung von Inhalten in die Netze der Internetzugangsdienste. Große Medienunternehmen wie Netflix und große Plattformen wie YouTube benutzen eigene Server, um ihre Inhalte weltweit bereitzustellen und bezahlen Internetzugangsdienste für eine direkte Verbindung zu deren Netzen (vgl. Vogelsang, 2019). Drittens ist Netzneutralität nicht geeignet, um die Macht großer Technologiekonzerne wie bspw. Plattformen einzuschränken. Zwar schützt Netzneutralität Medien und Plattformen vor einer Diskriminierung durch die Netzbetreiber·innen. Netzneutralität leistet jedoch keinen Beitrag dazu, Plattformen daran zu hindern, ihrerseits Anbieter·innen von Inhalten zu diskriminieren (vgl. Comeig, Klaser & Pinar, 2022). Die Auseinandersetzungen um Netzneutralität lenken damit von grundlegenderen medienpolitischen Fragen ab: «Retaining the end-to-end principal through network neutrality policies still matters, but it is the algorithmic techniques that are key to the capacity to control the information and communication subsystem and for interpreting vast quantities of <?page no="334"?> Bereiche der Medienpolitik 334 data. […] [The] principal focus […] on narrow network neutrality […] shifts attention away from the asymmetrical power of digital platforms and the military state» (Mansell, 2017: 18-19). Umso zentraler ist es, dass Medienpolitik sich auch mit der Marktmacht von und der algorithmischen Selektion durch Plattformen (siehe Kapitel 12.3.4 & 12.4.2) sowie der Überwachung der Nutzer·innen durch Staat und Unternehmen auseinandersetzt (siehe Kapitel 13.2). Studie 21: Netzneutralität gegen den Willen von Regierung und Industrie Mit einer qualitativen Inhaltsanalyse von Dokumenten untersuchten Just und Puppis (2019), welche Argumente in der Schweizer Medienpolitik 2010- 2019 für resp. gegen eine Regulierung von Netzneutralität vorgebracht wurden. Dabei zeigte sich, dass beide Gruppen vorwiegend ökonomisch (Wettbewerb, Investitionen, Innovation) argumentierten. Gesellschaftliche Argumente wie Informationsfreiheit oder Medienvielfalt spielten hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Vorschläge für eine Regulierung fanden im Parlament lange keine Unterstützung. Als dann der Bundesrat 2015 den Entwurf für ein neues Fernmeldegesetz vorlegte, war lediglich vorgesehen, dass Internetzugangsdienste über ihr Verkehrsmanagement transparent informieren müssen; von einer Verpflichtung zur Netzneutralität sah die Regierung ab. Während der öffentlichen Konsultation zum Entwurf lehnten Wirtschaftsverbände und Telekommunikationsunternehmen selbst dies ab und sprachen sich für eine Selbstregulierung aus. Dennoch entschied das Parlament 2019 gegen den Willen von Regierung und Industrie mit einer parteiübergreifenden Mehrheit, die Netzneutralität gesetzlich zu verankern. Wieso es zu diesem überraschenden Entscheid kam, kann mit der Studie aber nicht beantwortet werden. 12.3.4 Plattformen Plattformen verfügen aufgrund von direkten und indirekten Netzwerkeffekten, Lock-In-Effekten und hohen Fixkosten in der Regel über erhebliche Marktmacht (siehe Kapitel 5.2.1). Das hat Auswirkungen auf alle Unternehmen, die auf Plattformen angewiesen sind, um ihre Kund·innen zu erreichen. Mit Blick auf die öffentliche Vermittlung von Kommunikation bestimmen Plattformen die Bedingungen für die Interaktion zwischen Medien und anderen Anbieter·innen von <?page no="335"?> Verbreitung 335 Inhalten, werbetreibender Wirtschaft und Rezipient·innen. Und sie können die bei der Nutzung der Plattform anfallenden Daten sammeln, auswerten und monetarisieren. Ähnlich wie vertikal integrierte Netzbetreiber·innen haben Plattformen die Möglichkeit und den Anreiz, eigene Dienste zu bevorzugen: «[T]hose who own the means of communication have both the ability and the incentive to control and/ or influence the meaning of the messages they carry and consequently how people communicate with one another» (Winseck, 2020: 263). Mit der herkömmlichen Wettbewerbsordnung ist dieser starken Stellung von Plattformen auf mehrseitigen Märkten nur unzureichend beizukommen, weshalb Forderungen nach einer Regulierung von Plattformen laut werden (siehe Studie 22). Einzelne Länder haben begonnen, ihre Wettbewerbsordnung zu modernisieren (siehe Kapitel 9.3.2). Zudem wird vermehrt über eine von der Telekommunikation inspirierte Vorabregulierung mit Maßnahmen wie funktioneller Trennung, Interoperabilität oder Datenportabilität diskutiert (vgl. Winseck, 2020). Eine solche asymmetrische Vorabregulierung von Plattformen hat die EU mit der 2022 verabschiedeten Verordnung namens «Gesetz über digitale Märke» (DMA; Verordnung (EU) 2022/ 1925) eingeführt. Die Verordnung geht vom Marktortprinzip aus und gilt nicht nur für kommunikationsrelevante Plattformen wie Suchmaschinen, soziale Netzwerke und Video-Sharing-Dienste, sondern auch für sonstige Vermittlungsplattformen (bspw. Onlinemarktplätze, App Stores, Air- BnB, Uber etc.), nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste (sogenannte OTT-Dienste wie WhatsApp oder Skype), Betriebssysteme, Browser, virtuelle Assistent·innen, Cloud-Computing und für mit solchen Diensten verbundene Onlinewerbedienste (Art. 1 (2) & 2 (2)). Die Regulierung greift nur für Anbieter·innen, die eine bestimmte Größe erreichen und deshalb als «Gatekeeper» eingesetzt werden. Dafür muss ein Dienst (Art. 3): erhebliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben: unionsweiter jährlicher Umsatz von min. EUR 7.5 Mia. in den letzten drei Geschäftsjahren oder eine Marktkapitalisierung von min. EUR 75 Mia. im vergangenen Geschäftsjahr; als wichtiger Zugang zu den Endnutzer·innen dienen: eine Mindestnutzer·innenzahl von 45 Mio. monatlich aktive Endnutzer·innen und 10 000 jährlich aktiven gewerblichen Nutzer·innen im vergangenen Jahr; und während der letzten drei Geschäftsjahre eine gefestigte und dauerhafte Position im Markt innegehabt haben (oder eine solche muss absehbar sein). Für «Gatekeeper» gelten ohne weitere Marktanalyse bestimmte Verpflichtungen, um einen fairen Wettbewerb sicherzustellen (vgl. Cole, Etteldorf & Ullrich, 2021: 113-116; Kalbhenn, 2021). Dazu gehören Einschränkungen bei der Verwendung <?page no="336"?> Bereiche der Medienpolitik 336 personenbezogener Daten sowie Verbote der Ausnutzung von Marktmacht und der Bevorzugung eigener Dienste gegenüber der Konkurrenz. Weiter müssen «Gatekeeper» Werbetreibenden und Verlagen Auskunft über Preise und Vergütung erteilen und eine Prüfung ihrer Werbeleistung ermöglichen, gewerblichen Nutzer·innen zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen Zugang zu Suchmaschinen und sozialen Netzwerken gewähren, und Datenportabilität sicherstellen (Art. 5 & 6). Zudem sind der Europäischen Kommission geplante Zusammenschlüsse und Akquisitionen zu melden, die die formellen Aufgreifkriterien der Fusionskontrolle (siehe Kapitel 9.3.2) nicht erfüllen, aber andere Plattformen involvieren oder die Sammlung zusätzlicher Daten ermöglichen (Art. 14). Bei Verstößen sind Geldbußen bis zu einem Betrag von 10 % des weltweiten Umsatzes möglich (Art. 30). Ob die Sicherstellung von Wettbewerb aber ausreicht, um die Macht von Plattformen im Bereich der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation wirksam zu beschränken, wird vermehrt angezweifelt. Helberger (2020) etwa argumentiert, dass neben der Marktmacht auch die Meinungsmacht von Plattformen der Regulierung bedarf (siehe Kapitel 9.4.1 &12.4.2). Studie 22: Reaktion von Medien auf Plattformen und Streamingdienste Plattformen und Streamingdienste setzen etablierte nationale Medienorganisationen zunehmend unter Druck. Ihlebæk und Sundet (2021) analysierten mit dem Media-Policy-Field-Ansatz, welche Frames das Management norwegischer Medien einsetzt, um bestimmte medienpolitische Lösungen herbeizuführen. Anhand von Interviews und Dokumenten konnten sie zeigen, dass Medien die Bedrohung durch globale Unternehmen nutzen, um sich selbst als klein und schutzbedürftig darzustellen. Entsprechend werden der Ausbau bestehender Medienförderung und eine Regulierung von Plattformen gefordert. Netzbetreiber·innen und auf mehrseitigen Märkten tätige Plattformen verfügen über beträchtliche Marktmacht. Mit asymmetrischer Vorabregulierung werden deshalb der Zugang anderer Unternehmen zu Kommunikationsnetzen und -diensten sowie ein fairer Wettbewerb sichergestellt. Während die Vorabregulierung der elektronischen Kommunikationsinfrastruktur sukzessive abgebaut wird, wurde sie für Plattformen eben erst eingeführt. <?page no="337"?> Verbreitung 337 12.4 Priorisierung und Auffindbarkeit von Inhalten Die Vorabregulierung der elektronischen Kommunikationsinfrastruktur und von Plattformen kann zwar einen Beitrag zur Sicherstellung von Wettbewerb leisten, indem Inhalte und Anwendungen von Drittunternehmen zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen Zugang gewährt werden muss. Das heißt aber noch nicht, dass ein Angebot auch tatsächlich verbreitet wird. Und die Verbreitung allein garantiert noch lange nicht, dass die Nutzer·innen Inhalte, denen eine (wie auch immer definierte) besondere Bedeutung zu geschrieben wird (bspw. Inhalte von Public Service Media, Journalismus oder einheimische Produktionen), in der Fülle von Medienangeboten auch tatsächlich finden: Doch «[t]he effective exposure of users to diverse content is a crucial constituent of the realization of media diversity as a policy goal» (Helberger, 2011: 443). In der Rundfunkübertragung und in Benutzungsoberflächen können deshalb bestimmte Sender und Angebote bevorzugt behandelt werden. Mit Plattformen und deren algorithmischen Empfehlungssystemen wurde das Thema der Priorisierung und Auffindbarkeit von Inhalten nun noch deutlich komplexer. 12.4.1 Rundfunk und Streaming Um sicherzustellen, dass die gesamte Bevölkerung Zugang zu einem vielfältigen und kostenlosen Senderangebot hat und auch Sender verbreitet werden, die als besonders relevant für Meinungsbildung und Medienvielfalt erachtet werden, müssen sich Netzbetreiber·innen an Übertragungspflichten («Must Carry Obligations») halten (vgl. Feintuck & Varney, 2006: 27-28). In der EU dürfen die Mitgliedstaaten solche Pflichten elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten auferlegen, die von einer erheblichen Anzahl von Nutzer·innen als Hauptmittel für den Empfang von Radio und Fernsehen genutzt werden. Die Pflicht kann unentgeltlich oder gegen angemessenes Entgelt auferlegt werden (Art. 114 Richtlinie (EU) 2018/ 1972). «Must-Carry»-Status erhalten zumeist öffentliche Rundfunksender, aber auch regionale oder nationale Privatsender und Public-Service- Sender aus dem angrenzenden Ausland können davon profitieren. Damit die Nutzer·innen diese Sender dann auch tatsächlich finden, müssen diese in der Senderliste und im EPG bevorzugt werden. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Smart-TVs, TV-Boxen und Streaming-Sticks sowie zeitversetzter Nutzung ist es damit aber nicht getan. <?page no="338"?> Bereiche der Medienpolitik 338 «Must-Carry»-Verpflichtungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz In Deutschland gilt für die Übertragung von Rundfunk in sämtlichen Netzen (sogenannte «infrastrukturgebundene Medienplattformen») ein dreistufiges Modell zur Bereitstellung von Übertragungskapazität. Im Fernsehbereich ist ein Drittel der Kapazität für öffentlich-rechtliche Sender, Privatsender mit Regionalfenstern sowie regionale/ lokale Sender inkl. offene Kanäle reserviert («Must Carry»), ein Drittel können die Betreiber·innen unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Veranstalter·innen und der Vielfalt des Senderangebots belegen («Can Carry») und für ein Drittel bestehen keine Vorgaben. Die Radioübertragung wird ähnlich reguliert (§ 81 MStV). In Benutzungsoberflächen wiederum muss der Rundfunk leicht auffindbar sein. Innerhalb des Rundfunks müssen die öffentlich-rechtlichen Sender, Privatsender mit Regionalfenstern und Privatsender, die «in besonderem Maße» zur Meinungs- und Angebotsvielfalt beitragen, priorisiert werden. Auch unter den On-Demand- Angeboten müssen die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und zur Meinungs- und Angebotsvielfalt beitragender privater Anbieter·innen leicht auffindbar sein. Die jeweils zuständige Landesmedienanstalt legt anhand von Kriterien wie Anteil an Nachrichten, Regionalinformation und Eigenproduktionen fest, welche Sender und Angebote sich hierfür qualifizieren (§ 84 MStV). In österreichischen Kabelnetzen besitzen die Sender des ORF und maximal drei weitere Fernsehsender, die einen besonderen Beitrag zur Meinungsvielfalt leisten, «Must-Carry»-Status. Zudem müssen Betreiber·innen terrestrischer Multiplexe gegen angemessenes Entgelt die Fernsehsender ORF 1, ORF 2 und ATV sowie die drei österreichweiten und den jeweiligen bundeslandweiten ORF-Radiosender verbreiten (§§ 20 & 25 (2) AMD-G; § 15b (2) PrR-G). In der Schweiz besteht für die Sender der SRG und private Sender mit einem Leistungsauftrag terrestrisch und leitungsgebunden eine unentgeltliche Übertragungspflicht. Da DVB-T aber mangels Nutzung abgeschaltet wurde, gilt das bei der terrestrischen Verbreitung faktisch nur noch für Radiosender. Zudem hat der Bundesrat einige ausländische Public-Service-Sender in die leitungsgebundene «Must-Carry»-Verpflichtung aufgenommen. Weiter muss in Benutzungsoberflächen deutlich auf diese Sender hingewiesen werden (Art. 53, 59, 60 & 63 (2) RTVG; Art. 52, 53 & Anhang 3 RTVV). <?page no="339"?> Verbreitung 339 Nur wenn die Auffindbarkeit von «Must-Carry»-Sendern und On-Demand-Angeboten in den Benutzungsoberflächen solcher Geräte verpflichtend ist, lässt sich deren Wahrnehmung auch unter veränderten Nutzungsbedingungen sicherstellen. Deshalb dürfen EU-Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, damit audiovisuelle Mediendienste von allgemeinem Interesse angemessen herausgestellt werden (Art. 7a Richtlinie 2010/ 13/ EU). Davon wird bisher kaum Gebrauch gemacht. Diese Auffindbarkeitsregeln betreffen die prominente Darstellung bestimmter Sender (bspw. öffentlicher Fernsehsender) oder On-Demand-Angebote (bspw. Mediathek von Public Service Media) gegenüber anderen Sendern oder Streamingdiensten in übergeordneten Benutzungsoberflächen. Hingegen wird dadurch nicht berührt, welche Inhalte innerhalb einzelner Angebote priorisiert werden (also bspw. von Netflix empfohlen oder prominent dargestellt werden). Entsprechend stellt sich die Frage, ob Regeln zur Auffindbarkeit auch für die Kuratierung und die Empfehlungsalgorithmen von Streamingdiensten gelten sollten (vgl. Lobato & Scarlata, 2022; Mazzoli, 2020). In der EU gilt für Streamingdienste bisher einzig, dass deren Katalog zu mindestens 30 % aus europäischen Werken bestehen muss und diese auch herausgestellt werden müssen (Art. 13 (1) Richtlinie 2010/ 13/ EU; siehe Kapitel 11.1.2.2). 12.4.2 Plattformen 12.4.2.1 Grundlagen Algorithmen sind insbesondere im Zusammenhang mit Plattformen von Bedeutung. Plattformen prägen die öffentliche Vermittlung von Kommunikation nicht einfach nur durch die Moderation von Inhalten (siehe Kapitel 11.1.2.4), sondern durch die algorithmische Selektion von Inhalten, die den Nutzer·innen angezeigt oder empfohlen werden. Bei Plattformen kommt algorithmische Selektion u. a. bei der Zusammenstellung von Newsfeeds, Suchanfragen, Empfehlungen von Inhalten, vorgeschlagenen Kontakten etc. zur Anwendung. Aber was sind Algorithmen eigentlich und was hat das mit Media Governance zu tun? Algorithmen sind eine Reihe von Anweisungen zur Lösung eines Problems, die von Menschen programmiert werden, aber auf Basis bisher verarbeiteter Daten auch lernen können, eigene Schlüsse zu ziehen und so unbekannte Daten zu beurteilen («maschinelles Lernen»). Algorithmische Selektion bedeutet nun nichts anderes, als dass einem Inhalt automatisch eine bestimmte Relevanz zuge- <?page no="340"?> Bereiche der Medienpolitik 340 ordnet wird - beispielsweise auf Basis der von einer Person bisher genutzten Inhalte («inhaltsbasiertes Filtern») oder der von Personen mit ähnlichen Interessen genutzten Inhalten («kollaboratives Filtern»; Hunt & McKelvey, 2019). Die im Auftrag von Plattformen programmierten Algorithmen bestimmen also, welchen Nutzer·innen welche Inhalte angezeigt werden und welche nicht. Diese algorithmische Selektion unterscheidet sich von der Selektionslogik von Massenmedien und stellt eine Form der Konstruktion sozialer Realität dar (vgl. Gillespie, 2010; Napoli, 2014; siehe Kapitel 1.1.3). In diesem Zusammenhang ist auch von Governance durch Algorithmen die Rede (vgl. Just & Latzer, 2017; siehe Kapitel 4.2.4): Algorithmen prägen, welche Inhalte und Angebote prominent sichtbar werden und welche nicht (vgl. Napoli, 2015). Das hat einerseits Folgen für die Inhalte, mit denen die Nutzer·innen konfrontiert werden und damit auch für ihre Wahrnehmung der Realität. Andererseits bestimmen Plattformen dadurch auch, welche Medienorganisationen Aufmerksamkeit erhalten: «Maybe the platforms’ greatest structural impact on diversity is in the way that they affect diversity of exposure and media consumption and control the users’ attention. This way they can affect not only the diversity of contents and plurality of sources that users encounter within the social media platform but also the vitality and diversity of the overall media landscape (since the media rely for their economic survival on access to users, and users’ attention)» (Helberger, 2018: 162). Insbesondere große und ressourcenstarke Medienorganisationen können von der Aufmerksamkeit profitieren, die Plattformen verteilen (vgl. Hindman, 2018: 59- 61, 163-164). Aufgrund der durch algorithmische Selektion ermöglichten Personalisierung von Inhalten auf Plattformen wird auch immer wieder die Befürchtung geäußert, dass Filterblasen entstehen könnten, wir also nur noch mit Inhalten konfrontiert werden, die uns in unserer bestehenden Weltanschauung bekräftigen. Empirische Forschung weckt daran aber erhebliche Zweifel (vgl. Bruns, 2019; Stark, Magin & Jürgens, 2017; Zuiderveen Borgesius et al., 2016). Dennoch bringen Algorithmen auch Probleme mit sich (vgl. Puppis, 2020): Verzerrungen («Algorithmic Bias»): Algorithmen können verzerrte Resultate liefern, entweder, weil die verwendeten Daten bereits Verzerrungen enthalten (z. B. Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder Hautfarbe) oder weil in die Programmierung bewusst oder unbewusst bestimmte Werte eingeflossen sind (etwa durch die fehlende Diversität in Entwicklungsteams). Dadurch können Algorithmen bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten reproduzieren (vgl. Hunt & McKelvey, 2019; siehe Studie 23). <?page no="341"?> Verbreitung 341 Kommerzielle Eigeninteressen: Die Plattformen, welche die Programmierung dieser Algorithmen in Auftrag geben, sind gewinnorientierte Unternehmen. Algorithmen sollen deshalb Inhalte ausspielen, welche die Nutzer·innen möglichst lange auf der Plattform halten, um deren Aufmerksamkeit dann an Werbetreibende aus Wirtschaft und Politik verkaufen zu können. Diese Inhalte müssen aber gesellschaftlich nicht sonderlich relevant sein (vgl. Helberger, 2018; Hunt & McKelvey, 2019; Mansell & Steinmueller, 2020). Mangelnde Transparenz und Nachvollziehbarkeit: Wie die auf Plattformen zum Einsatz kommenden Algorithmen funktionieren, ist selten transparent. Hinzu kommt, dass aufgrund von maschinellem Lernen selbst für die Entwickler·innen nicht mehr zwingend nachvollziehbar ist, warum bestimmte Resultate zustande kommen (vgl. Hunt & McKelvey, 2019; Just & Latzer, 2017). Studie 23: Wie Algorithmen gesellschaftliche Ungleichheit reproduzieren In ihrem Buch «Algorithms of Oppression» kombiniert Noble (2018) die kritischen Ansätze des Black Feminism und der politischen Ökonomie, um zu untersuchen, wie der Suchalgorithmus von Google die Marginalisierung schwarzer Frauen verstärkt. Mit der aus der Literaturwissenschaft stammenden Methode des Close Readings interpretiert sie die Autovervollständigung im Suchfeld, die Suchresultate und die angezeigte Werbung vor dem Hintergrund der sozialen Konstruktion von Race und Gender in den USA. Selbst bei harmlosen Suchanfragen wie «Black Girls» dominierten zum Zeitpunkt der Untersuchung in den Resultaten fehlerhafte, stereotype und pornografische Darstellungen. Dieser rassistische und sexistische Bias lässt sich mit der Programmierung der hinter der Google-Suche stehenden Algorithmen erklären: Algorithmen sind nicht nur eine technische Angelegenheit, sondern enthalten bestimmte Werte und sind damit hoch politisch. Noble kritisiert, dass kommerzielle Plattformen den gesellschaftlichen Kontext vernachlässigen und Produkte ohne eine Analyse ihrer Auswirkungen auf marginalisierte Bevölkerungsgruppen entwickeln. Entwicklungsteams sind wenig divers zusammengesetzt und verfügen selten über sozialwissenschaftliche Expertise. Hinzu kommt, dass sich damit offensichtlich Werbeeinnahmen generieren lassen. Hinter der Diskriminierung stecke «a corporate logic of either willful neglect or a profit imperative that makes money from racism and sexism». Deshalb brauche es eine Medienpolitik «that advocates protection from the effects of unregulated and unethical artificial intelligence» (Noble, 2018: 5, 181). <?page no="342"?> Bereiche der Medienpolitik 342 All dies hat Folgen für die öffentliche Vermittlung von Kommunikation, für die Ausübung von Grundrechten und für das Funktionieren (demokratischer) Gesellschaften. Doch Plattformbetreiber·innen treffen Entscheidungen über Algorithmen in Eigenregie. Deshalb wird vermehrt eine Governance von Algorithmen (vgl. Saurwein, Just & Latzer, 2015) gefordert, mit welcher Plattformen für das Design und den Einsatz von Algorithmen zur Verantwortung gezogen werden. So werden beispielsweise mehr Transparenz und Erklärbarkeit bezüglich der Funktionsweise von Algorithmen, die Berücksichtigung von Medienvielfalt und demokratischen Werten bei der Programmierung von Algorithmen oder Wahlmöglichkeiten für die Nutzer·innen zwischen verschiedenen Empfehlungsalgorithmen gefordert (vgl. Cammaerts & Mansell, 2020; Helberger, Pierson & Poell, 2018; Hunt & McKelvey, 2019; Napoli, 2015). Doch ohne Änderungen am Geschäftsmodell - also der Monetarisierung von Daten ihrer Nutzer·innen - scheint es wenig realistisch, dass Plattformen bei der Programmierung andere Ziele als ihre kommerziellen Interessen berücksichtigen (vgl. Cammaerts & Mansell, 2020; van Dijck, Poell & de Waal, 2018: 146). Umso wichtiger ist, dass die Medienpolitik auch über Einschränkungen für den Einsatz von Algorithmen, für die Sammlung personenbezogener Daten und für die Personalisierung von Werbung nachdenkt. Darüber hinaus wird in der Wissenschaft auch über die Notwendigkeit von Public-Service-Plattformen als Alternative zu kommerziell getriebenen Anbieter·innen sowie andere nicht-kommerzielle Lösungen (bspw. das Fediverse mit Mastodon) diskutiert (vgl. Cammaerts & Mansell, 2020). 12.4.2.2 Governance von Algorithmen in Europa Angesichts der Bedeutung von Plattformen befasst sich die 2022 verabschiedete EU-Verordnung namens «Gesetz über digitale Dienste» (DSA; Verordnung (EU) 2022/ 2065) auch mit Algorithmen. An den DSA müssen sich alle Plattformen halten, die ihre Dienstleistungen auf dem Binnenmarkt anbieten, auch wenn sie ihren Sitz außerhalb der EU haben (Art. 2 (1); vgl. Cole, Etteldorf & Ullrich, 2021: 108). Für «sehr große Onlineplattformen und Suchmaschinen» (VLOPs und VLOSEs) mit mehr als 45 Mio. monatlichen Nutzer·innen in der EU (Art. 33) kommen dabei strengere Vorschriften zur Anwendung. Für alle Plattformen gilt, dass sie in verständlicher Sprache offenlegen müssen, welche Parameter in ihre algorithmischen Empfehlungssysteme einfließen, wie diese gewichtet werden und inwiefern Nutzer·innen die Parameter verändern <?page no="343"?> Verbreitung 343 können. Sofern eine Plattform verschiedene Empfehlungssysteme anbietet, muss den Nutzer·innen ein einfacher Wechsel zwischen diesen möglich sein (Art. 27). VLOPs und VLOSEs sind zusätzlich verpflichtet, ihren Nutzer·innen ein algorithmisches Empfehlungssystem ohne Profiling (also ohne die Verwendung individueller Nutzungsdaten) anzubieten (Art. 38). Weiter müssen sie der Europäischen Kommission und den zuständigen nationalen Regulierungsbehörden Auskunft über die Funktionsweise ihrer Algorithmen erteilen und der wissenschaftlichen Forschung Datenzugang gewähren (Art. 40). Darüber hinaus müssen VLOPs und VLOSEs jährlich die systemischen Risiken (u. a. Verbreitung illegaler Inhalte oder negative Auswirkungen auf Grundrechte, den gesellschaftlichen Diskurs, Wahlen, Minderjährige etc.) bewerten, die sich durch das Design, die Funktionsweise und die Nutzung ihrer Dienste ergeben. Dabei müssen sie u. a. darauf eingehen, wie sich ihre algorithmischen Empfehlungssysteme auf diese Risiken auswirken (Art. 34). Aufbauend auf diesen Analysen sind Plattformen zu Risikominderungsmaßnahmen verpflichtet, die auch das Design und die Funktionsweise der Plattform sowie ihre Empfehlungsalgorithmen betreffen können (Art. 35). Zudem muss jährlich auf eigene Kosten eine unabhängige Prüfung der Einhaltung sämtlicher Vorschriften durchgeführt werden, die zu verbindlichen Empfehlungen führen kann (Art. 37). Zu all diesen Punkten müssen Plattformen jährlich einen Bericht veröffentlichen (Art. 42). Schließlich dürfen Plattformen ihre Benutzungsoberfläche nicht so gestalten, dass die Nutzer·innen getäuscht oder in ihren Entscheidungen manipuliert werden (Art. 25). Zusätzlich zum DSA verpflichtet der auf Druck der EU zustande gekommene Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation Plattformen zum «Safe Design» ihrer Angebote. Folglich sollen Empfehlungsalgorithmen nicht zur Verbreitung von Desinformation beitragen und für die Nutzer·innen muss transparent sein, welche Inhalte priorisiert werden. Schon vor Inkrafttreten des DSA galt zudem die P2B-Verordnung (Verordnung (EU) 2019/ 1150), die Suchmaschinen zum Schutz ihrer gewerblichen Nutzer·innen (wozu auch Medienorganisationen gehören) vorschreibt, das Ranking von Suchresultaten verständlich zu erläutern (Art. 5). Auch mehrere Empfehlungen des Europarates befassen sich mit Plattformen und Algorithmen. Darin werden die Sicherstellung der Menschenrechte, die Ver- <?page no="344"?> Bereiche der Medienpolitik 344 besserung von Transparenz und Erklärbarkeit, alternative Formen der Personalisierung und Möglichkeiten zum «Opting Out» eingefordert (Recommendation CM/ Rec(2012)3, CM/ Rec(2018)2, CM/ Rec(2020)1 und CM/ Rec(2022)11). Neben diesen Versuchen, Plattformen zu einem gesellschaftsverträglicheren Design ihrer Algorithmen zu bewegen, gibt es auch erste Ansätze, die direkt am Geschäftsmodell von Plattformen ansetzen. In Deutschland dürfen journalistischredaktionelle Angebote nicht benachteiligt werden. Und innerhalb der EU wird es Plattformen im DSA untersagt, Werbung auf Basis besonders sensitiver personenbezogener Daten zu personalisieren. Bei Werbung, die an Minderjährige gerichtet ist, ist eine Personalisierung gänzlich verboten (Art. 26 (3) & 28 (2) Verordnung (EU) 2022/ 2065). In Ergänzung dazu sieht die vorgeschlagene Verordnung zu politischer Onlinewerbung (COM/ 2021/ 731 final) Einschränkungen bezüglich der Personalisierung politischer Werbung vor (siehe Kapitel 11.1.2.4). Regulierung von Algorithmen in Deutschland Für Plattformen, die auch journalistisch-redaktionelle Inhalte vermitteln (im deutschen Medienrecht «Medienintermediäre» genannt), gelten zur Sicherung der Meinungsvielfalt bestimmte Pflichten. Zum einen müssen die Kriterien für den Zugang von Inhalten zur Plattform sowie für die Aggregation, Selektion und Präsentation von Inhalten auf der Plattform in verständlicher Weise transparent gemacht werden, was auch Informationen über die Funktionsweise der eingesetzten Algorithmen umfasst. Zum anderen dürfen Plattformen journalistisch-redaktionelle Inhalte, «auf deren Wahrnehmbarkeit sie besonders hohen Einfluss haben», nicht diskriminieren. Dies bedeutet, dass bestimmte journalistisch-redaktionelle Angebote ohne sachlich gerechtfertigten Grund nicht bevorzugt oder benachteiligt werden dürfen. Ferner müssen in sozialen Netzwerken «Social Bots» kenntlich gemacht werden (§§ 93 & 94 MStV). Dabei kommt das Marktortprinzip zur Anwendung (§ 1 (8) MStV). Die Existenz eines Angebots ist noch keine Garantie, dass dieses von den Nutzer·innen auch wahrgenommen wird. Für Rundfunk und Streaming gibt es deshalb Übertragungspflichten und Auffindbarkeitsregeln. Plattformen müssen die Erklärbarkeit ihrer Empfehlungsalgorithmen sicherstellen, sehr große Plattformen auch Risiken ihrer algorithmischen Systeme prüfen. <?page no="345"?> Verbreitung 345 Übungen 1. Die Liberalisierung des Telekommunikationssektors hatte negative Auswirkungen auf Investitionen in den Netzausbau. Warum? Und was kann Medienpolitik dagegen tun? 2. Erläutern Sie, weshalb für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste sowie Plattformen zusätzlich zur Wettbewerbsordnung eine asymmetrische Vorabregulierung implementiert wurde. Gehen Sie auch auf Unterschiede zwischen den beiden Sektoren ein. 3. Sie sind als Expert·in zu einer Polittalkshow zum Thema Netzneutralität eingeladen. Überlegen Sie sich Argumente für und gegen eine Regulierung. 4. Als Reaktion auf die algorithmische Selektion von Inhalten schreibt der DSA sehr großen Plattformen Transparenz und Erklärbarkeit, Wahlmöglichkeiten, die Prüfung systemischer Risiken und Grenzen bezüglich der für die Personalisierung verwendeten Daten vor. Wie schätzen Sie diese Maßnahmen in Bezug auf die Berücksichtigung nicht-kommerzieller Ziele bei der Programmierung von Algorithmen ein? Literaturtipps Helberger, N. (2018). Challenging Diversity - Social Media Platforms and a New Conception of Media Diversity. In M. Moore & D. Tambini (Hrsg.), Digital Dominance. The Power of Google, Amazon, Facebook, and Apple (S. 153-175). Oxford: Oxford University Press. In diesem Artikel diskutiert Helberger die Auswirkungen algorithmischer Selektion durch Plattformen auf die Vielfalt der genutzten Medieninhalte. Hunt, R., & McKelvey, F. (2019). Algorithmic Regulation in Media and Cultural Policy: A Framework to Evaluate Barriers to Accountability. Journal of Information Policy, 9, 307-335. Algorithmische Selektion gewinnt an Bedeutung. Hunt und McKelvey plädieren dafür, dass sich Medienpolitik auch der Governance von Algorithmen annimmt. Napoli, P. M. (2015). Social Media and the Public Interest: Governance of News Platforms in the Realm of Individual and Algorithmic Gatekeepers. Telecommunications Policy, 39(9), 751-760. Napoli beschäftigt sich mit der Frage, wie das öffentliche Interesse in der Governance von Algorithmen stärker berücksichtigt werden kann. <?page no="347"?> 347 13 Nutzung Inhalt und Lernziele Auch wenn sich Medienpolitik hauptsächlich mit strukturellen Fragen wie Marktzugang, Wettbewerb, Produktion und Verbreitung sowie teilweise den Inhalten selbst befasst: Gewisse medienpolitische Maßnahmen betreffen direkt die Nutzung. Im folgenden Kapitel geht es um die Förderung von Medienkompetenz, Daten- und Verbraucher·innenschutz. Nach diesem Kapitel können Sie die Bedeutung und Grenzen von Medienkompetenz und Medienpolitikkompetenz beurteilen. den Stellenwert von Datenschutz angesichts der Bedeutung von Plattformen für die öffentliche Vermittlung von Kommunikation einschätzen. Grundzüge der Medienkompetenzförderung, des Datenschutzes und des medienbezogenen Verbraucher·innenschutzes in Europa darlegen. 13.1 Medienkompetenzförderung 13.1.1 Grundlagen Von den meisten Ereignissen, die auf der Welt passieren, erfahren wir nur durch Medien und Plattformen. Selbst Primärerfahrungen können zum Gegenstand von Vermittlung werden, wenn wir sie im Internet mit anderen teilen. Damit prägen Medien und Plattformen unser Wissen über die Welt und unsere Vorstellungen von uns selbst (siehe Kapitel 1.1 & 5.3.1). Zugleich spielen sie eine wichtige Rolle für gesellschaftliche und politische Beteiligung, (Aus-)Bildung und Arbeit. Entsprechend benötigen die Nutzer·innen auch bestimmte Fähigkeiten zum kompetenten Umgang mit diesen Intermediären (vgl. Schejter & Tirosh, 2016: 121). «Simply having access to information is not enough. Citizens must also be able to make judgments about the credibility of that information» (McGrew et al., 2018). <?page no="348"?> Bereiche der Medienpolitik 348 In diesem Zusammenhang ist von Medienkompetenz (auf Englisch «Media Literacy») die Rede. Genauso wie der Zugang zur elektronischen Kommunikationsinfrastruktur (siehe Kapitel 12.1.1), ist auch Medienkompetenz ungleich verteilt, was als zweite Stufe der digitalen Spaltung («Second-Level Digital Divide») bezeichnet wird: Die Möglichkeiten zum Umgang mit Medien und damit zur souveränen Lebensgestaltung und politischen Teilhabe in der digitalen Gesellschaft unterscheiden sich je nach sozialer Klasse, Gender, Race oder Alter teilweise deutlich. Medienkompetenz ist deshalb nicht nur von Relevanz, wenn es um Kinder und Jugendliche geht, sondern betrifft alle Bevölkerungsgruppen (vgl. Hesmondhalgh, 2019: 274-275; Livingstone & van der Graaf, 2010). In der angloamerikanischen Forschung hat sich zurückgehend auf Aufderheide (1993) eine Definition von «Media Literacy» als «the ability to access, analyze, evaluate, and create messages in a variety of forms» (Livingstone, 2004: 5) durchgesetzt. Damit werden über Fragen des Zugangs hinaus die Fähigkeiten zur Auseinandersetzung mit Inhalten, zu deren kritischen Prüfung vor dem Hintergrund bestehender Medienstrukturen und zur gesellschaftlichen Teilhabe durch die Gestaltung eigener Inhalte betont (vgl. Livingstone, 2004). Im deutschen Sprachraum ist Baackes (1997: 98-99) Differenzierung von Medienkompetenz in vier Fähigkeiten weitverbreitet (vgl. auch Süss, Lampert & Trültzsch-Wijnen, 2018: 116): Mediennutzung: Bedienung von Medien und Nutzung für eigene Anliegen; Medienkunde: Wissen über Medienstrukturen (bspw. Produktionsprozesse und ökonomische Hintergründe); Medienkritik: analytische Auseinandersetzung mit Inhalten und Medienstrukturen sowie Reflexion in Bezug auf die eigene Person; Mediengestaltung: Beteiligung an gesellschaftlichen Prozessen mittels Medien und Veränderung des Mediensystems. Medienkompetenz umfasst also ein breites Bündel an Fähigkeiten, das von Wissen über die Funktionsweise und Finanzierung von Medienorganisationen und Plattformen über die Interpretation medialer Inhalte und Darstellungsformen bis hin zur Nutzung für eigene Interessen und Vorstellungen reicht (vgl. Gapski, Oberle & Staufer, 2017). Damit steht ein reflektierter und selbstbestimmter Umgang mit der Vermittlungsleistung von Medien und Plattformen im Fokus. Ein expliziter Bezug zu Medienpolitik wird in den Diskussionen über Medienkompetenz selten hergestellt. Doch Wissen nicht nur über Medienstrukturen, sondern auch über deren Gestaltung durch Medienpolitik und die Funktionsweise medienpolitischer Prozesse ist eine Voraussetzung für eine stärkere Beteiligung der Nutzer·innen in der Medienpolitik. Entsprechend wird gefordert, dass <?page no="349"?> Nutzung 349 Medienkompetenz auch Medienpolitikkompetenz umfassen sollte (vgl. Donders et al., 2021; Hasebrink, 2012; Lentz, 2014; siehe auch Studie 24). «Media policy literacy […] refers to what people need to know about the governance of media institutions, legal principles undergirding media regulation, and the processes by which media policies and laws are formed, debated, enacted, and changed. […] Beyond an understanding of policy-making processes, media policy literacy is strengthened through competency in the workings of media systems» (Lentz, 2016: 20). Wissen über Medienpolitik ist aber nicht nur ein wichtiger Aspekt von Medienkompetenz, sondern die Förderung von Medienkompetenz ist auch eine zentrale Aufgabe der Politik. Zwar wird Medienkompetenz traditionell eher der Bildungspolitik zugeordnet, gerade wenn es um die Verankerung in den Lehrplänen von Schulen geht. Aber auch in der Medienpolitik spielt Medienkompetenz zwischenzeitlich eine große Rolle - nicht zuletzt, weil spätestens mit dem Internet klar geworden ist, dass es gar nicht mehr möglich ist, die Nutzer·innen vor sämtlichen potenziell schädlichen Inhalten zu schützen (vgl. Gapski, Oberle & Staufer, 2017; Livingstone & van der Graaf, 2010). Der Medienkompetenzförderung kommt die zweifelhafte Ehre zu, als von allen Akteuren akzeptierte Lösung für alle Arten medienpolitischer Probleme propagiert zu werden - wer kann schon gegen kompetente Nutzer·innen sein? Zudem ist der Begriff so vieldeutig, dass er ganz unterschiedliche Interpretationen zulässt, was nun wirklich getan werden soll (vgl. Wallis & Buckingham, 2013). Studie 24: Medienpolitikkompetenz in Flandern Mit einer repräsentativen Befragung der flämischen Bevölkerung und ergänzenden qualitativen Interviews untersuchten Donders et al. (2021), was die Nutzer·innen über Medienpolitik wissen und wie wichtig ihnen eine Beteiligung an medienpolitischen Entscheidungen ist. Die Resultate der Umfrage zeigen, dass der Wissensstand über Medienpolitik tief ist und am ehesten noch Kenntnisse über neuere Probleme wie Datenschutz vorhanden sind. Weiter hatten die interviewten Personen den Eindruck, dass ihre Beteiligung nichts an den getroffenen Entscheidungen ändern würde, und fühlten sich ungenügend qualifiziert, um sich sinnvoll zu beteiligen. «People feel disconnected from the field of policy, professionals and experts and even see themselves as inferior and, hence, not worthy to participate in media policy development» (Donders et al., 2021: 69). <?page no="350"?> Bereiche der Medienpolitik 350 Zahlreiche Akteure in der Medienpolitik vertreten ein reduktionistisches Verständnis von Medienkompetenz, mit dem Vorstellungen von Eigenverantwortung und unregulierten Märkten einhergehen. Zum einen werden dadurch gesellschaftliche Fragen ausgeblendet. Statt um die Kommunikationsrechte, Ermächtigung und Partizipation von Bürger·innen geht es darum, wie sich mündige Konsument·innen vor Risiken der Medienrezeption schützen und für den Arbeitsmarkt erforderliche digitale Kompetenzen aneignen können. «From the broader educational and social-democratic aspirations that appeared to promise much at the outset, media literacy was steadily reduced to a limited set of concerns to do with the protection from harm and with access to technology» (Wallis & Buckingham, 2013: 539). Dadurch gerät auch aus dem Blick, wie gesellschaftliche Machtverhältnisse überhaupt erst zu Kompetenzunterschieden zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen führen (vgl. Noble, 2018: 160). Zum anderen impliziert dieses Verständnis eine Verantwortungsverschiebung zu den einzelnen Nutzer·innen, da Medienkompetenz als Begründung für Deregulierung verwendet wird. Statt Medien- und Plattformunternehmen mit Regulierung in die Pflicht zu nehmen, sollen die Nutzer·innen sich selbst schützen. «[T]he political payoff is substantial: in so far as a media-literate public is attainable, it may become defensible to support a policy of market deregulation» (Lunt & Livingstone, 2012: 127). Doch so zentral Medienkompetenz auch ist, sie ist kein Ersatz für Regulierung (vgl. Lunt & Livingstone, 2012: 127-140; Mansell & Steinmueller, 2020: 139-140; McGonagle, 2013; Wallis & Buckingham, 2013). «Individualisierte Souveränität und Kompetenz allein sind nicht hinreichend, um das Leben in der digitalen Gesellschaft verantwortlich gestalten zu können» (Gapski, Oberle & Staufer, 2017: 20). 13.1.2 Medienkompetenzförderung in Europa Im Bereich der Medienkompetenzförderung sind auf globaler, europäischer, nationaler und lokal-regionaler Ebene zahlreiche Akteure aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, Schulen sowie Unternehmen aktiv. Auf globaler Ebene setzt sich insbesondere die UNESCO seit langem für das Thema ein. Unter dem Label «Media and Information Literacy», das verschiedene Verständnisse von Medien-, Informations- und Digitalkompetenz auf pragmatische Weise zusammengeführt hat, werden Nationalstaaten bei der Integration von Medienkompetenz in ihre Bildungs- und Medienpolitik beraten, Unterlagen für <?page no="351"?> Nutzung 351 Schulen entwickelt sowie die Aus- und Weiterbildung von Medienschaffenden unterstützt. Unter anderem wurden Richtlinien verfasst, welche den Mitgliedstaaten bei der Entwicklung ihrer Politik helfen sollen (vgl. UNESCO, 2013). Auch der Europarat verweist in zahlreichen seiner Empfehlungen auf die Notwendigkeit, Medienkompetenz zu fördern (vgl. McGonagle, 2013). Dabei wird aber auch betont, dass Medienkompetenz Staaten, Medien und Plattformen nicht von ihrer jeweiligen Verantwortung entbindet (Recommendation CM/ Rec(2007) 16; CM/ Rec(2018)1, CM/ Rec(2022)4 & CM/ Rec(2022)11). Die Europäische Union agiert beim Thema Medienkompetenz eher zurückhaltend (vgl. McGonagle, 2013). Die Europäische Kommission (2007; 2009b) definierte Medienkompetenz in einer Mitteilung und einer Empfehlung als die Fähigkeit, «Medien zu nutzen, die verschiedenen Aspekte der Medien und Medieninhalte zu verstehen und kritisch zu bewerten sowie selbst in vielfältigen Kontexten zu kommunizieren». Zudem empfahl die Kommission Mitgliedstaaten und Medienunternehmen, sich für eine Stärkung der Medienkompetenz einzusetzen. Doch erst mit der 2018 in Kraft getretenen revidierten AVMD-Richtlinie sind die Mitgliedstaaten zur Förderung von Medienkompetenz verpflichtet worden. Von Berichtspflichten abgesehen wurde allerdings auf weitere Vorgaben verzichtet (Art. 33a Richtlinie 2010/ 13/ EU). Zudem wird Medienkompetenz in der Richtlinie enger definiert und auf den Schutz von Konsument·innen beschränkt, statt die Bedeutung von Medienkompetenz für die Partizipation von Bürger·innen zu betonen (vgl. Livingstone & Lunt, 2011). «Die Zurückhaltung auf EU-Ebene […] ist einerseits der Tatsache geschuldet, dass die bisherigen Ansätze zur Medienkompetenzförderung in den Mitgliedstaaten sowohl im Hinblick auf den Umfang als auch hinsichtlich der Art und Grundlage stark voneinander abweichen. […] Andererseits ist die (digitale) Bildung ein Bereich, der deutlich in der Kulturpolitik der Mitgliedstaaten verwurzelt ist, sodass diesen ein weitgehender Handlungs- und Gestaltungsspielraum verbleibt und verbleiben muss und die EU nicht über die AVMD-Richtlinie regulierend eingreifen darf» (Cole & Etteldorf, 2021b: 608). Als ein Baustein zur Bekämpfung von Desinformation hat die Europäische Kommission zudem in ihren Aktionsplänen für Demokratie und Medien neue Maßnahmen zur Unterstützung von Medienkompetenz vorgesehen (vgl. Europäische Kommission 2020a; 2020b; siehe auch Kapitel 7.3.2.3). Auch wenn Medienkompetenzförderung aufgrund der AVMD-Richtlinie derweil zu einer wichtigen Aufgabe nationaler Medienregulierung geworden ist, so unterscheidet sich die Umsetzung aufgrund der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten <?page no="352"?> Bereiche der Medienpolitik 352 für Bildung und Kultur von Land zu Land (vgl. Grandío, Dilli & O’Neill, 2017). In den einzelnen Ländern finden sich zahlreiche Initiativen im Bereich der Medienkompetenzförderung. Indes arbeiten die für Bildung und Medien zuständigen Behörden vielfach nur unzureichend miteinander zusammen, die öffentliche Finanzierung ist oftmals mangelhaft und Unternehmen und zivilgesellschaftliche Akteure spielen in der Umsetzung und Finanzierung von Medienkompetenzprojekten eine entscheidende Rolle (vgl. Frau-Meigs, Velez & Flores Michel, 2017). Medienkompetenzförderung in Deutschland, Österreich und der Schweiz Es gibt unzählige Initiativen zur Förderung von Medienkompetenz, die von verschiedenen Behörden auf Bundes- und Länder-/ Kantonsebene, Medien- und Telekommunikationsunternehmen und zivilgesellschaftlichen Akteuren im schulischen und außerschulischen Bereich durchgeführt werden. An dieser Stelle kann nur auf einige zentrale Projekte hingewiesen werden. In Deutschland können die Landesmedienanstalten Projekte zur Förderung von Medienkompetenz finanziell unterstützen (Art. 112 MStV). Neben gemeinsam getragenen Projekten unterstützen einzelne LMAs zahlreiche Projekte auf Landesebene. In Österreich unterhält die KommAustria einen Medienkompetenzatlas (https: / / medienkompetenz.rtr.at). In der Schweiz ist neben den Kantonen das Bundesamt für Sozialversicherungen für die Förderung von Medienkompetenz zuständig (Art. 29 JSFVG). Das Bundesamt betreibt auch die nationale Plattform «Jugend und Medien» (https: / / www.jugendundmedien.ch). Zur Vermeidung einer digitalen Spaltung braucht es nicht nur Zugang zu Technologien, sondern auch Medienkompetenz zum reflektierten und selbstbestimmten Umgang mit Medien und Plattformen. In den einzelnen Ländern existieren deshalb zahlreiche Projekte zur Förderung von Medienkompetenz. 13.2 Datenschutz 13.2.1 Grundlagen Vor dem Aufkommen des Internets betraf die Datenverarbeitung nur wenige Lebensbereiche, da Daten mit Formularen erfasst sowie von Hand in einen Computer eingegeben werden mussten. Doch im Internet hinterlässt jede Handlung <?page no="353"?> Nutzung 353 Datenspuren und mit der Verbreitung von Smartphones hat sich das Datensammeln noch intensiviert. Auch bei der Nutzung der Websites und Apps von Medien und Plattformen fallen Daten an. Gleichzeitig hat der grenzüberschreitende Verkehr personenbezogener Daten deutlich zugenommen und Daten werden oftmals im Ausland verarbeitet. Prinzipiell kann dieser Sammlung und Auswertung von Daten durch Nichtnutzung entgangen werden - praktikabel ist das aber kaum. Zudem werden mit dem «Internet der Dinge» zwischenzeitlich mittels Sensoren und Trackern immer mehr Daten in der physischen Welt gesammelt (vgl. Poell, Nieborg & van Dijck, 2019; Roßnagel, 2018). «Aus dieser Welt und der in ihr stattfindenden Datenverarbeitung gibt es […] keinen Ausweg mehr» (Roßnagel, 2018: 19). Entsprechend hat der Datenschutz an Bedeutung gewonnen, der Individuen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche und private Organisationen schützen soll. Medien und Plattformen sind an personenbezogenen Daten interessiert, weil sie mit personalisierten Angeboten Geld verdienen wollen. Das Geschäftsmodell vieler Plattformen heißt «Datafizierung»: Sie bieten ihre Onlinedienste ohne monetäre Gegenleistung im Austausch für die Daten ihrer Nutzer·innen an. Ein Gebrauch der Plattform ohne Zustimmung zur Sammlung und Verwendung der Nutzungsdaten ist meistens nicht möglich. Diese Daten dienen dann dazu, Unternehmen und politischen Akteuren personalisierte Werbung zu verkaufen (vgl. Mansell, 2012: 113; Mansell & Steinmueller, 2020: 132-133; Poell, Nieborg & van Dijck, 2019; van Dijck, Poell & de Waal, 2018: 31-37; siehe Kapitel 1.1.3). «[T]he profound reliance of such technologies on capturing and selling information about users raises important and difficult questions about power and surveillance. Is allowing companies to capture information about us a worthwhile price for the conveniences and pleasures afforded by search engines and social media? Or does such information capture represent a worrying step in the way that societies conceive of people’s behaviour, habits, and values? » (Hesmondhalgh, 2019: 281-282). Der «Cambridge-Analytica»-Skandal um den Missbrauch der Daten von Facebook-Nutzer·innen für personalisierte Wahlwerbung im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 hat der Thematik große öffentliche Aufmerksamkeit verschafft. Zur kommerziell motivierten Datensammlung kommt noch die Problematik staatlicher Überwachung hinzu. Viele Regierungen - und zwar nicht nur in autoritären Systemen - sind aktiv an der Überwachung der eigenen Bevölkerung beteiligt. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 dient die Terrorismusbekämpfung als Argument für den Zugriff auf Daten zur Identifikation potenzieller <?page no="354"?> Bereiche der Medienpolitik 354 Bedrohungen (vgl. Murdock & Golding, 2005). Die von Edward Snowden 2013 enthüllte Massenüberwachung des Datenverkehrs durch amerikanische und britische Geheimdienste löste weltweit Empörung aus. Diese ständige Datensammlung ist nicht nur problematisch, weil dadurch die Privatsphäre von Menschen verletzt werden kann, sondern auch aufgrund der vorgenommenen Profilbildung («Profiling») mit diesen Daten. Anhand solcher Profile, die der Lebensrealität nicht immer gerecht werden, werden folgenreiche Entscheidungen über Personen gefällt (vgl. Mansell & Steinmueller, 2020: 59-61). Entsprechend wichtig ist eine Regulierung des Umgangs von Organisationen mit personenbezogenen Daten. Doch ein ausschließlicher Fokus auf den Datenschutz läuft Gefahr, die Überwachung durch Unternehmen und Staat als akzeptabel und unveränderbar hinzunehmen und Machtfragen auszublenden. Forscher·innen, die eine kritische Perspektive einnehmen, plädieren deshalb für eine Diskussion über Alternativen zum «datafizierten» Status quo (vgl. Cammaerts & Mansell, 2020; Fenton et al., 2020: 66-74). 13.2.2 Datenschutz in Europa 13.2.2.1 Allgemeiner Datenschutz Das erste internationale Abkommen im Bereich des Datenschutzes ist die Datenschutzkonvention des Europarats von 1981 (Konvention 108), die auch für Deutschland, Österreich und die Schweiz Gültigkeit besitzt (siehe Kapitel 7.1.2.2). Zwischenzeitlich wurde ein Zusatzprotokoll verabschiedet, um die Konvention an die Digitalisierung anzupassen (weshalb diese nun Konvention 108+ genannt wird). Die modernisierte Fassung wird im Herbst 2023 in Kraft treten, sofern das Zusatzprotokoll bis dann von einer ausreichenden Anzahl von Vertragsparteien ratifiziert wurde. Mit der Konvention soll das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) bei der Verarbeitung personenbezogener Daten geschützt werden (Art. 1 Konvention 108+). Die EU hat mit der 2018 in Kraft getretenen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO; Verordnung (EU) 2016/ 679) unionsweit einheitliche Regeln für die Verarbeitung personenbezogener Daten erlassen. Die Verordnung diente als Ersatz für die vormalige Datenschutzrichtlinie, welche in den einzelnen Mitgliedstaaten uneinheitlich umgesetzt wurde. Viele Plattformen wählten aufgrund der milden Durchsetzung der Richtlinie sowie tiefer Steuern bewusst Irland für ihre europäische Niederlassung, was ein unzureichendes Datenschutzniveau zur Folge <?page no="355"?> Nutzung 355 hatte. Zudem waren die in nationalen Gesetzen vorgesehenen Bußen für Verstöße selbst in Ländern, welche den Datenschutz ernster nahmen, fast vernachlässigbar (vgl. Hoofnagle, van der Sloot & Zuiderveen Borgesius, 2019). Die DSGVO soll nun einen einheitlichen Schutz personenbezogener Daten sicherstellen (Art. 1 Verordnung (EU) 2016/ 679), der in der EU explizit als Grundrecht gilt (Art. 8 GRC). Gemäß dem Marktortprinzip gilt die Verordnung für alle Organisationen, die Daten von Personen innerhalb der EU verarbeiten - sogar, wenn diese Organisationen ihren Sitz außerhalb der EU haben (Art. 3 (2) Verordnung (EU) 2016/ 679). Damit setzt die DSGVO weltweit Standards für den Datenschutz (vgl. Houser & Voss, 2018). Die Konvention 108+ und die DSGVO gelten beide sehr umfassend und betreffen jeden Vorgang in einer Organisation (inkl. Medien und Plattformen), der in Zusammenhang mit Daten steht, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen (Art. 2 Konvention 108+; Art. 4 Verordnung (EU) 2016/ 679). Damit fallen auch pseudonymisierte Daten, die durch das Hinzufügen weiterer Daten eine Identifikation der Person erlauben, in den Anwendungsbereich (vgl. Hoofnagle, van der Sloot & Zuiderveen Borgesius, 2019; Houser & Voss, 2018). Beide Instrumente enthalten Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten und Bedingungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, auferlegen den verarbeitenden Organisationen Pflichten und gestehen den betroffenen Personen Rechte zu. Zwingende Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten sind Rechtmäßigkeit, Fairness und Transparenz, eine Verwendung nur für die festgelegten Zwecke (Zweckbindung), eine Beschränkung auf die für den Zweck notwendigen Daten (Datenminimierung), die Richtigkeit der verwendeten Daten, eine zeitliche Begrenzung der Speicherung sowie die Sicherheit der Daten (Art. 5 Konvention 108+; Art. 5 Verordnung (EU) 2016/ 679). Die Datenverarbeitung erfolgt u. a. dann rechtmäßig, wenn die betroffene Person für den jeweiligen Zweck freiwillig, informiert und unmissverständlich ihre Einwilligung erteilt hat oder die Verarbeitung zur Erfüllung eines Vertrags mit der betroffenen Person oder rechtlicher Verpflichtungen notwendig ist (Art. 5 Konvention 108+; Art. 6 Verordnung (EU) 2016/ 679). Für besonders schützenswerte Daten wie Herkunft, Religion, politische Meinung, Sexualleben oder sexueller Orientierung gelten noch strengere Bedingungen für eine Verarbeitung (Art. 6 Konvention 108+; Art. 9 Verordnung (EU) 2016/ 679). Organisationen haben bei der Datenerhebung gegenüber den betroffenen Personen eine Informationspflicht. Bei gewissen Verletzungen des Datenschutzes <?page no="356"?> Bereiche der Medienpolitik 356 besteht eine Meldepflicht bei der zuständigen Regulierungsbehörde und der betroffenen Person (Art. 7 & 8 Konvention 108+; Art. 12-14 & 32-34 Verordnung (EU) 2016/ 679). Die DSGVO sieht darüber hinaus weitere Pflichten vor. Sofern eine Datenverarbeitung ein hohes Risiko für die Rechte betroffener Personen mit sich bringt, ist eine Datenschutzfolgenabschätzung erforderlich. Öffentliche Organisationen sowie private Organisationen, die große Datenmengen oder sensible Daten verarbeiten, müssen eine·n Datenschutzbeauftragte·n ernennen. Schließlich muss der Datenschutz bereits bei der Programmierung und in den Voreinstellungen berücksichtigt werden (Art. 25, 35-39 Verordnung (EU) 2016/ 679). Betroffene Personen haben zahlreiche Rechte, darunter Auskunft über die Verarbeitung ihrer Daten und den Zweck der Verarbeitung zu erhalten, Daten zu berichtigen oder löschen zu lassen, die Verarbeitung von Daten einzuschränken oder Widerspruch gegen eine Verarbeitung einzulegen. Die DSGVO sieht zusätzlich ein Recht auf Datenübertragbarkeit vor, womit sich Daten von einer Plattform zu einer anderen mitnehmen lassen (Art. 9 Konvention 108+; Art. 15-22 Verordnung (EU) 2016/ 679). Damit diese Regeln nicht umgangen werden können, ist eine Übermittlung personenbezogener Daten in einen Drittstaat nur erlaubt, wenn ein angemessenes Datenschutzniveau garantiert ist. Hierzu braucht es entweder einen Beschluss, dass die gesetzlichen Grundlagen in diesem Land ein angemessenes Schutzniveau bieten, oder verbindliche Garantien der betreffenden Organisation, den Datenschutz einzuhalten. Die USA gelten nicht als Land mit angemessenem Schutzniveau (Art. 14 Konvention 108+; Art. 44-46 Verordnung (EU) 2016/ 679). Die DSGVO sieht für Verstöße hohe Bussen vor, damit der Datenschutz von Unternehmen auch ernst genommen wird. Diese können sich - je nachdem, welcher Betrag höher ist - auf bis zu 4 % des weltweiten Jahresumsatzes oder EUR 20 Mio. belaufen (Art. 83 Verordnung (EU) 2016/ 679). Für die Schweiz gilt die DSGVO zwar nicht, aber Unternehmen aus der Schweiz, die personenbezogene Daten von Individuen aus der EU verarbeiten, müssen sich aufgrund des Marktortprinzips dennoch an die Regeln halten. Zudem hat die Schweiz ihr eigenes Datenschutzgesetz angesichts der Modernisierung der Datenschutzkonvention und der Notwendigkeit, als Drittstaat mit angemessenem Datenschutzniveau anerkannt zu werden, ebenfalls revidiert. Die Vorschriften sind größtenteils identisch mit der DSGVO, fallen aber teilweise weniger streng aus (vgl. Bühlmann & Metin, 2019). <?page no="357"?> Nutzung 357 Max Schrems gegen Facebook Da die USA nicht über einen mit der EU vergleichbaren Datenschutz verfügen, wurde im Jahr 2000 das «Safe-Harbor-Abkommen» ausgehandelt: Amerikanische Unternehmen, die sich auf die Einhaltung der darin enthaltenen Datenschutzregeln verpflichteten, galten damit auf unkomplizierte Weise als datenschutzkonform. Die Enthüllungen von Edward Snowden über die Massenüberwachung durch den amerikanischen Geheimdienst NSA bewiesen jedoch, dass der Datenschutz in den USA trotzdem nicht gewährleistet war. Der österreichische Facebook-Nutzer und Jusstudent Max Schrems reichte daraufhin bei der zuständigen irischen Datenschutzbehörde eine Beschwerde ein. Diese wies die Beschwerde ab; nach einer neuerlichen Beschwerde wurde der Fall an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergeleitet, der das Abkommen 2015 für ungültig erklärte. Daraufhin handelte die Europäische Kommission mit den USA ein neues Abkommen aus, den «EU-US Privacy Shield» (vgl. Houser & Voss, 2018). Auch dagegen reichte Schrems Beschwerde ein - und erhielt vom EuGH erneut recht, der das Abkommen 2020 annullierte. Der «Privacy Shield» garantiere nicht, dass bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in den USA ein angemessenes Datenschutzniveau eingehalten werde. Seither basiert der Datentransfer amerikanischer Unternehmen auf Standardvertragsklauseln oder verbindlichen Unternehmensregeln, die von den zuständigen Datenschutzbehörden einzeln auf ihre Angemessenheit bewertet werden müssen. 2022 haben die EU und die USA ein neues Abkommen, das «Trans-Atlantic Data Privacy Framework» angekündigt. 13.2.2.2 Medien- und kommunikationsspezifischer Datenschutz Dieser allgemeine Datenschutz wird in gewissen Branchen durch einen bereichsspezifischen Datenschutz ergänzt. Dies ist auch mit Bezug auf Journalismus und elektronische Kommunikation der Fall. Grundsätzlich gelten die allgemeinen Datenschutzvorschriften auch für Medien, bspw. wenn es um Nutzungsstatistiken, die Verwaltung von Abonnements, Marketing und personalisierte Werbung geht. Für journalistische Zwecke gelten aber Ausnahmen (das sogenannte Medienprivileg), um den Datenschutz mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung in Einklang zu bringen (Art. 11 Konvention 108+; Art. 85 Verordnung (EU) 2016/ 679). Um unterschiedlichen nationalen <?page no="358"?> Bereiche der Medienpolitik 358 Rechtstraditionen Rechnung zu tragen, sind hierfür die Mitgliedstaaten zuständig (vgl. Dreyer et al., 2020: 38-39; Hoofnagle, van der Sloot & Zuiderveen Borgesius, 2019). Auch für elektronische Kommunikationsdienste existiert ein bereichsspezifischer Datenschutz, der Vorrang vor den allgemeinen Regeln besitzt. Innerhalb der EU schreibt die ePrivacy-Richtlinie (Richtlinie 2002/ 58/ EG) die Sicherheit der Datenverarbeitung (Art. 4) und die Vertraulichkeit elektronischer Kommunikation (Art. 5 (1)) vor. Das Tracking der Nutzer·innen (z. B. mittels «Cookies») bedarf der Einwilligung (Art. 5 (3)). Zudem müssen bei der Nutzung anfallende Daten gelöscht oder anonymisiert werden, wenn sie für die Übertragung einer Nachricht nicht mehr nötig sind, und ihre weitere Verarbeitung bedarf der Einwilligung (Art. 6). Zusätzlich sind Einschränkungen für unerbetene Direktwerbung via E- Mail («Spam») enthalten (Art. 13). Datenschutz und Medien in Deutschland, Österreich und der Schweiz Um die journalistische Arbeit nicht zu gefährden, gelten in Deutschland bei der Verarbeitung personenbezogener Daten für journalistische Zwecke für die Presse, den Rundfunk und deren Onlineangebote umfangreiche Ausnahmen von der DSGVO. Eingehalten werden müssen einzig Vorschriften bezüglich Datengeheimnis (keine Verwendung für andere Zwecke) und Datensicherheit. Für den Rundfunk und seine Onlineangebote gelten auch nur sehr stark eingeschränkte Auskunftspflichten gegenüber von der Berichterstattung in ihren Persönlichkeitsrechten beeinträchtigten Personen (§§ 12 & 23 MStV; Landespressegesetze). Printmedien und ihre Onlineangebote sind selbst von diesen Auskunftspflichten sowie von Beschwerden bei Regulierungsbehörden und Bußen ausgenommen, sofern sie sich der Selbstregulierung durch den Presserat unterstellt haben (vgl. Deutscher Presserat, 2021). Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk existieren zur Wahrung der Staatsferne mit den Rundfunkdatenschutzbeauftragten gesonderte Regulierungsbehörden (§ 16 ZDF-StV; § 18 DLR-StV; Landesrundfunkgesetze). In Österreich befreit das Datenschutzgesetz Medien bei der Verarbeitung personenbezogener Daten für journalistische Zwecke weitgehend von den Vorschriften der DSGVO (§ 9 (1) DSG AT). In der Schweiz können Auskünfte zu Personendaten, die für Veröffentlichungen im redaktionellen Teil bearbeitet werden, verweigert werden (Art. 27 DSG CH). <?page no="359"?> Nutzung 359 Die Richtlinie soll durch eine neue ePrivacy-Verordnung abgelöst werden. Der Vorschlag der Europäischen Kommission sieht das Marktortprinzip, die grundsätzliche Vertraulichkeit elektronischer Kommunikationsinhalte und -metadaten auch im Internet sowie hohe Bußen vor (COM/ 2017/ 010 final; vgl. Voss, 2017). Bisher wurde aber noch keine Einigung über den Vorschlag erzielt. Doch selbst ohne diese Reform gilt die ePrivacy-Richtlinie bereits heute auch für nummernunabhängige OTT-Dienste (Messenger und Voice-over-IP), da die Definition elektronischer Kommunikationsdienste in der EKEK-Richtlinie modernisiert wurde (siehe Kapitel 7.3.2.2). In der Schweiz gelten für die Telekommunikation das Fernmeldegeheimnis, bestimmte Datenschutzvorschriften und die Einschränkung gewisser Werbeformen (Art. 43-46 FMG; Art. 80-83 FDV). Mit dem Internet hat der Datenschutz massiv an Bedeutung gewonnen. Die Datenschutzkonvention des Europarats und die Datenschutz-Grundverordnung der EU legen über Europa hinaus Standards für die Verarbeitung personenbezogener Daten fest. Diese gelten auch für Medien und Plattformen. Für journalistische Zwecke gibt es allerdings Ausnahmen, für elektronische Kommunikationsdienste gelten zusätzliche Vorschriften. 13.3 Verbraucher·innenschutz Der allgemeine Verbraucher·innenschutz auf europäischer und nationaler Ebene gilt auch für Kund·innen von Medien-, Telekommunikations- und Plattformunternehmen. Ergänzend finden sich aber auch Vorschriften, die sich spezifisch auf digitale Inhalte und auf elektronische Kommunikationsdienste beziehen. Zuerst zu den digitalen Inhalten. Innerhalb der EU gelten verschiedene Bestimmungen für elektronisch erbrachte Dienstleistungen (vgl. Dreyer et al., 2020: 13-14, siehe Kapitel 7.3.2.2). Erstens wird für grenzüberschreitende Vertragsabschlüsse, die die Bereitstellung digitaler Inhalte wie Software, Apps, Videos, Musik, Spiele oder Onlinepublikationen betreffen, ein in der ganzen EU einheitliches Schutzniveau garantiert (Richtlinie (EU) 2019/ 770). Eine monetäre Zahlung ist dabei nicht notwendig, sondern die Regeln greifen auch bei einer Zurverfügungstellung personenbezogener Daten. Damit werden praktisch alle gratis verfügbaren Medienangebote und Plattformen erfasst (vgl. Dreyer et al., 2020: 13). Zweitens wird die grenzüberschreitende Portabilität von Musik- und Videostreamingdiensten sichergestellt. Dies bedeutet, dass Abonnent·innen diese Dienste auch <?page no="360"?> Bereiche der Medienpolitik 360 bei einem vorübergehenden Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat ungehindert nutzen können (Verordnung (EU) 2017/ 1128). Und drittens ist das Geoblocking digitaler Inhalte untersagt. Das bedeutet, dass online erbrachte Dienstleistungen aus einem Mitgliedstaat den Endkund·innen in allen Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen müssen (Verordnung (EU) 2018/ 302). Für Anbieter·innen urheberrechtlich geschützter Werke wie Streamingdienste gilt das nur eingeschränkt, da sie nicht immer die Lizenzrechte für sämtliche Werke in allen Mitgliedstaaten besitzen (vgl. Dreyer et al., 2020: 14). Vorschriften zum Schutz der Nutzer·innen enthält auch der Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste. Innerhalb der EU kommt der technologieneutrale Europäische Kodex für elektronische Kommunikation (Richtlinie (EU) 2018/ 1972) zur Anwendung (vgl. Kiparski, 2019; siehe Kapitel 7.3.2.2). Einerseits untersagt dieser den Anbieter·innen eine Diskriminierung von Nutzer·innen bei Zugang und Nutzung von Netzen und Diensten (Art. 99) und verpflichtet die Mitgliedstaaten bei Einschränkungen von Zugang und Nutzung zur Wahrung der Grundrechte (Art. 100). Andererseits nimmt die EKEK-Richtlinie eine unionsweite Harmonisierung der Rechte von Endnutzer·innen vor (Art. 101). So gelten für Anbieter·innen von Internetzugangsdiensten und öffentlich zugänglichen interpersonellen Kommunikationsdiensten diverse Informations- und Transparenzpflichten (Art. 102-104) wie die Pflicht zu verständlichen Informationen in Verträgen, eine maximale Vertragslaufzeit sowie Vorschriften zum Kündigungsrecht und zum Anbieter·innenwechsel inkl. der Mitnahme der eigenen Telefonnummer (Art. 105-107). Die Regeln gelten auch für Angebotspakete (Art. 107). Ergänzend hat die EU Preisobergrenzen für Anrufe ins EU-Ausland eingeführt (Art. 5a Verordnung (EU) 2015/ 2120) sowie Gebühren für Roaming unionsweit abgeschafft, d. h., bei Reisen ins Ausland sind Anrufe, SMS und Datennutzung nicht teurer als zu Hause, wobei eine Fair-Use-Policy zur Anwendung kommt (Art. 1 (1), 4 & 5 Verordnung (EU) 2022/ 612; siehe Kapitel 12.3.1). Schließlich ist unerwünschte E-Mail-Werbung («Spam») verboten (Art. 13 Richtlinie 2002/ 58/ EG). Auch in der Schweiz existieren Informationspflichten, Vorgaben zur Nummernportabilität beim Anbieter·innenwechsel sowie Regeln für Roaming und Mehrwertdienste, wobei die Roaminggebühren aber nicht abgeschafft wurden (Art. 12a-12c FMG; Art. 10-10d & 34a-41 FDV). Zusätzlich zum allgemeinen Verbraucher·innenschutz profitieren die Nutzer·innen digitaler Inhalte und elektronischer Kommunikationsdienste von medienspezifischen Schutzmaßnahmen. <?page no="361"?> Nutzung 361 Übungen 1. Brauchen einzelne Nutzer·innen wirklich Medienpolitikkompetenz oder überschätzt die Kommunikationswissenschaft die Bedeutung von Medienpolitik? Überlegen Sie sich Argumente für und gegen die Förderung von Medienpolitikkompetenz. 2. So wichtig Datenschutz ist: Forscher·innen argumentieren, dass damit der «datafizierte» Status quo nicht infrage gestellt werde. Was ist damit gemeint? Und welche anderen Regulierungsmaßnahmen wären denkbar? Literaturtipps Lunt, P., & Livingstone, S. (2012). Media Regulation. Governance and the Interests of Citizens and Consumers. Los Angeles: Sage. [Kapitel 6] Am Beispiel Großbritanniens zeigen die Autor·innen auf, wie Medienkompetenz immer mehr auf ein Argument für Deregulierung reduziert wird. Frau-Meigs, D., Velez, I., & Flores Michel, J. (Hrsg.). (2017). Public Policies in Media and Information Literacy in Europe. Cross-Country Comparisons. London: Routledge. Diese vergleichende Studie untersucht Definitionen von Medienkompetenz und Maßnahmen der Medienkompetenzförderung in Europa. Fenton, N., Freedman, D., Schlosberg, J., & Dencik, L. (2020). The Media Manifesto. Cambridge: Polity. [Kapitel 3] In ihrem Buch widmen sich Fenton et al. auch der «Datafizierung». Sie argumentieren, dass Datenschutz das Problem von Plattformmacht nicht lösen kann. <?page no="363"?> Konklusion <?page no="365"?> 365 14 Medienpolitische Reformen und die Rolle der Kommunikationswissenschaft Inhalt und Lernziele Medienpolitik ist von zentraler Bedeutung für demokratische Gesellschaften. Doch angesichts von Digitalisierung, Transnationalisierung und Kommerzialisierung ist Medienpolitik reformbedürftig. Das folgende Kapitel diskutiert, welchen Beitrag die Medienpolitikforschung für Reformen der praktischen Medienpolitik leisten kann, und schlägt eine demokratiegerechte Reform von Gegenstand, Instrumenten sowie Inhalt und Prozess der Medienpolitik vor. Nach diesem Kapitel können Sie eigene Ideen für medienpolitische Reformen und für die stärkere Beteiligung der Nutzer·innen am medienpolitischen Prozess entwickeln. das Verhältnis von Medienpolitikforschung und praktischer Medienpolitik besser beurteilen. 14.1 Medienpolitik unter veränderten Bedingungen Noch vor wenigen Jahren befasste sich die praktische Medienpolitik ebenso wie der Großteil der Medienpolitikforschung hauptsächlich mit klassischen Massenmedien und insbesondere mit dem Rundfunk. Dieser Fokus muss geweitet werden, denn inzwischen haben Prozesse der Digitalisierung, Transnationalisierung und Kommerzialisierung Medien und Öffentlichkeit stark verändert. Mit der Digitalisierung haben sich die Grenzen zwischen vormals getrennten Mediengattungen aufgelöst und neben Medien sind mit Plattformen neue Vermittler·innen getreten, welche die Finanzierung von Journalismus erschweren. Transnationalisierung verweist darauf, dass zahlreiche Medienkonzerne und Technologiegiganten grenzüberschreitend tätig sind und ihre Angebote von Nutzer·innen rund um den Globus verwendet werden. <?page no="366"?> Konklusion 366 Kommerzialisierung und Eigentumskonzentration prägen nicht nur die Medien, sondern auch Plattformen funktionieren nach einer ökonomischen Logik und akkumulieren Markt- und Meinungsmacht. Zwar bleibt das Ziel von Medienpolitik trotz all dieser Veränderungen das gleiche: Durch die Gestaltung von Medienstrukturen soll die öffentliche Vermittlung von Kommunikation gewährleistet werden, die eine Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie darstellt (vgl. Jarren, 1998; siehe auch Kapitel 2.1). Um dieses Ziel aber weiterhin erreichen zu können, muss Medienpolitik mit der Transformation von Medien und Öffentlichkeit Schritt halten und an diese veränderten Bedingungen angepasst werden. Nicht nur stößt eine ausschließlich auf traditionelle Massenmedien ausgerichtete Medienpolitik an die Grenzen ihrer Wirksamkeit, sondern es entstehen auch neue Probleme, die medienpolitischer Eingriffe bedürfen. Dennoch ist die praktische Medienpolitik immer noch häufig pfadabhängig, nationalstaatlich geprägt und orientiert am Status quo. Pfadabhängigkeit: Trotz Digitalisierung und Konvergenz werden Presse, Rundfunk, Telekommunikation und Internet immer noch häufig getrennt behandelt und fallen in die Zuständigkeit unterschiedlicher Ministerien und Regulierungsbehörden. Damit einher geht eine Beschränkung medienpolitischer Eingriffe auf schon bisher regulierte Mediengattungen wie den Rundfunk. Nationalstaatliche Prägung: Trotz grenzüberschreitend tätiger Medienunternehmen und Plattformen und der grenzüberschreitenden Nutzung ihrer Inhalte und Dienstleistungen werden medienpolitische Entscheidungen immer noch hauptsächlich in Nationalstaaten hergestellt und durchgesetzt. Status-quo-Orientierung: Trotz kommerzialisierter Medienproduktion und Datafizierung sowie der Konzentration von Markt- und Meinungsmacht wird die bestehende Medienstruktur nur selten infrage gestellt. Stattdessen wird auf Selbstregulierung und Selbstorganisation durch die Branche gesetzt und die Verantwortung für Risiken auf individuelle Nutzer·innen abgewälzt. Angesichts dieser Veränderungen ist der Reformbedarf der Medienpolitik weitgehend unbestritten. Die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und insbesondere die Medienpolitikforschung können hierfür wichtige Impulse geben. Um trotz Digitalisierung, Transnationalisierung und Kommerzialisierung die öffentliche Vermittlung von Kommunikation weiterhin sicherstellen zu können, muss Medienpolitik reformiert werden. <?page no="367"?> Medienpolitische Reformen und die Rolle der Kommunikationswissenschaft 367 14.2 Medien(politik)forschung und praktische Medienpolitik Der Strukturwandel von Medien und Öffentlichkeit bedingt medienpolitische Reformen, womit der Bedarf von Entscheidungsträger·innen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen steigt (vgl. Braman, 2003a; Napoli & Gillis, 2006; Verhulst & Price, 2008). «Arguably, policy-makers and regulators require scientific knowledge more than ever» (Just & Puppis, 2018: 329). Das ist auch eine Chance für die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, ihre Erkenntnisse über die öffentliche Vermittlung von Kommunikation in die Politik einzubringen. Jedes Forschungsgebiet des Faches kann bei der Bereitstellung medienpolitisch relevanten Wissens einen wichtigen Beitrag leisten. Die Medienpolitikforschung mit ihren (häufig vergleichenden) Analysen medienpolitischer Prozesse und regulatorischer Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen ist hierfür ganz besonders prädestiniert - auch wenn von Forscher·innen immer wieder die eigene medienpolitische Irrelevanz beklagt wird. Dabei findet Medien(politik)forschung in der praktischen Medienpolitik durchaus Beachtung, was ein selbstbewussteres Auftreten des Forschungsfeldes rechtfertigt (vgl. Just & Puppis, 2012). Zweifelsohne bringt ein Engagement von Forscher·innen in der Medienpolitik auch gewisse Gefahren mit sich. Erstens kann die Vorstellung, Einfluss auf medienpolitische Entscheidungen ausüben zu können, verführerisch sein und zu Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen der eigenen Rolle als Forscher·in und als Aktivist·in führen. Zweitens kann uns das Interesse politischer Akteure an der Beantwortung bestimmter Fragen dazu verleiten, den Blick zu verengen und Forschungsfragen nach politischen Bedürfnissen auszuwählen. Und drittens kann Forschung von medienpolitischen Akteuren auch immer selektiv dazu benutzt werden, bereits gefällte Entscheidungen nachträglich zu legitimieren oder umstrittene Entscheidungen besser durchsetzen zu können (vgl. Braman, 2003b; Just & Puppis, 2012; Melody & Mansell, 1983). Dennoch sprechen gute Gründe für einen Transfer von Forschungsergebnissen in die medienpolitische Praxis. In erster Linie trägt Forschung zu fundierteren medienpolitischen Entscheidungen bei, indem sie bei der Interpretation von Problemen, der Abwägung von Handlungsoptionen und der Entwicklung möglicher Regulierungsmaßnahmen Unterstützung bietet. Gerade vergleichende Forschung kann eine Inspiration für die Entwicklung innovativer Lösungen sein. Darüber hinaus ist akademische Forschung aufgrund ihrer größeren Unabhängigkeit von Partikularinteressen in der Lage, unbequeme Themen aufzugreifen und Alternativen aufzuzeigen. Auch wenn die Politik nicht unbedingt auf kritische <?page no="368"?> Konklusion 368 Denkanstöße wartet, so kann dadurch der Raum des Möglichen erweitert werden (vgl. Braman, 2003a; Just & Puppis, 2012). Nicht ohne Grund stellt Lasswell (1970: 3) in seiner Definition von (Medien-)Politikforschung klar, dass diese nicht nur die Analyse von Medienpolitik, sondern auch das Einbringen wissenschaftlicher Erkenntnisse in den medienpolitischen Prozess umfasst (siehe Kapitel 6). Gerade wenn Forschung mit öffentlichen Geldern finanziert wurde, hat die Gesellschaft auch einen Anspruch darauf, dass Wissenschaftler·innen sich an medienpolitischen Debatten beteiligen (vgl. Picard, 2020: 211). Erkenntnisse erfolgreich in die Medienpolitik einzubringen, ist aber voraussetzungsreich. Einerseits muss Medienpolitikforschung theoretisch wie methodisch höchsten Standards genügen, um nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch gegenüber Politik und Branche glaubwürdig zu sein (vgl. Just & Puppis, 2012; 2018). «Gerade weil von einer Vielzahl von fallweise konfliktiven Verwertungszusammenhängen ausgegangen werden muss, können Antrags- und Auftragsforschung nur dann gelingen, wenn sie aus einer Position der qualitativen Stärke zu argumentieren in der Lage sind» (Meier, 2015b: 371-372). Andererseits ist es mit wissenschaftlichen Publikationen und Vorträgen nicht getan. Forschungsresultate müssen in eine Form und Sprache übersetzt werden, die von medienpolitischen Akteuren und Entscheidungsträger·innen wahrgenommen und verstanden werden (vgl. Braman, 2003b; 2008; Just & Puppis, 2012). Beispiele hierfür sind praxisorientierte Zusammenfassungen, Zeitungsartikel oder Workshops mit Vertreter·innen aus Politik, Branche und Zivilgesellschaft. Erfolgreicher Transfer erfordert also bestimmte Kompetenzen und ist zeitintensiv. Nicht immer sind Forscher·innen dafür geschult - und oftmals auch nicht dazu gewillt, denn medienpolitisches Engagement wird im Wissenschaftssystem nicht honoriert. Der Medienpolitik geht dadurch aber viel verloren. Der Bedarf medienpolitischer Akteure und Entscheidungsträger·innen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist durch den Strukturwandel von Medien und Öffentlichkeit deutlich angestiegen. Medien(politik)forschung kann zu fundierteren Entscheidungen beitragen und kritische Denkanstöße geben. <?page no="369"?> Medienpolitische Reformen und die Rolle der Kommunikationswissenschaft 369 14.3 Demokratiegerechte Reform von Medienpolitik Über die «richtigen» medienpolitischen Reformen bestehen sehr unterschiedliche Vorstellungen. Dass Medien- und Plattformunternehmen sich Regulierung wünschen, die mit ihren Eigeninteressen kompatibel ist, ist wenig überraschend. Aber auch libertäre Kreise in Politik und Gesellschaft stehen medienpolitischen Eingriffen, die über die Sicherstellung ökonomischen Wettbewerbs hinausgehen, äußerst skeptisch gegenüber und lehnen gesellschaftlich-politische Begründungen für Medienpolitik ab. In dieser Perspektive ist Medienpolitik weitgehend unnötig. Werden hingegen die gesellschaftliche Bedeutung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation und das öffentliche Interesse als Ausgangspunkt für Reformen genommen, so bedingt dies eine weitaus aktivere Medienpolitik. In der Wissenschaft besteht zwar Einigkeit über die Notwendigkeit medienpolitischer Reformen. Genauso wie in der Praxis gehen aber auch hier die Ansichten über die richtigen medienpolitischen Weichenstellungen - um das Titelbild dieses Buches aufzugreifen - auseinander. Lazarsfeld (1941) hat mit seiner Differenzierung zwischen administrativer und kritischer Forschung darauf hingewiesen, dass sich Forscher·innen unterscheiden bezüglich ihrer «allegiance […] to the status quo versus changes in existing political and economic institutionalized power relations» (Melody & Mansell, 1983: 109-110). Wer den gesellschaftlichen Status quo unterstützt oder infrage stellt, wird unterschiedliche Probleme für relevant erachten, andere Forschungsfragen untersuchen und bei der Interpretation von Forschungsresultaten divergente medienpolitische Reformvorschläge ausarbeiten und vertreten. Hier wird eine kritische Perspektive eingenommen: Medienpolitik darf sich nicht mit der Sicherstellung ökonomischen Wettbewerbs und der Verhinderung des Missbrauchs von Marktmacht begnügen, sondern muss eine funktionierende Öffentlichkeit und die Verhinderung von Meinungsmacht zum Ziel haben. Medienpolitikforschung sollte deshalb einen Beitrag für eine demokratiegerechte Reform von Medienpolitik leisten, indem sie Machtverhältnisse aufzeigt, bestehende Medienstrukturen und Medienpolitik hinterfragt, alternative Sichtweisen einbringt und damit Themen und Positionen Aufmerksamkeit verschafft, welche von mächtigen Akteuren mit Partikularinteressen übergangen werden (vgl. Donders, Van den Bulck & Raats, 2019; Freedman, 2010; Meier, 2015b). Als mögliche Antwort auf den Strukturwandel wird im Folgenden eine Reform von Gegenstand, Instrumenten sowie Inhalt und Prozess der Medienpolitik vorgeschlagen. <?page no="370"?> Konklusion 370 Gegenstand: Öffentliche Vermittlung von Kommunikation Angesichts der Veränderungen von Medien und Öffentlichkeit muss der Gegenstand von Medienpolitik angepasst werden. Das Verschwimmen vormals getrennter Medien- und Kommunikationsindustrien und die Entstehung hybrider Angebote (siehe Kapitel 3.2.3) machen eine konvergente Medienpolitik notwendig, die Medien unabhängig von ihrem Distributionskanal technologieneutral reguliert. «Regulation must absorb and act upon the implications of technological development and convergence and of corporate conglomeration in the media, and must replace the traditional, sectoral approach to regulation with a more holistic view of the media» (Feintuck & Varney, 2006: 248). Entsprechend bietet sich eine einheitliche Regulierung der elektronischen Kommunikationsinfrastruktur und eine abgestufte Regulierung der Inhalte in Abhängigkeit ihrer gesellschaftlichen Bedeutung und potenziellen Risiken an. Praktisch bedeutet dies beispielsweise, dass der öffentliche Rundfunk nicht auf traditionelle Radio- und Fernsehsender beschränkt, Medienförderung nicht an der Mediengattung festgemacht oder der Jugendmedienschutz medienübergreifend gedacht werden sollte. Doch das reicht nicht: Über Technologieneutralität hinaus (und entsprechend der Definition von Medienpolitik in diesem Buch), muss Medienpolitik die von Medien und Plattformen erbrachte Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation insgesamt in den Blick nehmen. Beispielsweise dürfen sich Maßnahmen gegen die Konzentration und den Missbrauch von Meinungsmacht oder Vorgaben zur Priorisierung und Auffindbarkeit von Inhalten nicht auf Medien beschränken, sondern müssen auch Plattformen und ihre Algorithmen umfassen. Medienpolitik sollte also einen breiten Blick auf die an der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation beteiligten Akteure und auf die Produktion, Verbreitung und Nutzung von Inhalten haben. Instrumente: Government und Governance Auch die Instrumente der Medienpolitik müssen angepasst werden. Mit Medienregulierung auf nationalstaatlicher Ebene lassen sich nicht alle medienpolitischen Probleme lösen. In den Werkzeugkasten der Medienpolitik gehören neben staatlicher Regulierung deshalb noch andere Formen der Governance (siehe Kapitel 4). Grenzüberschreitende Kommunikationsflüsse und global tätige Medien- und <?page no="371"?> Medienpolitische Reformen und die Rolle der Kommunikationswissenschaft 371 Plattformunternehmen machen in der Medienpolitik eine inter- und transnationale Kooperation notwendig. Schon seit dem 19. Jahrhundert arbeiten die einzelnen Staaten im Rahmen von IGOs auch im Kommunikationsbereich zusammen. Und in Europa gestalten der Europarat und die EU heutzutage die öffentliche Vermittlung von Kommunikation maßgeblich mit und setzen dadurch Standards mit globaler Ausstrahlung. Die Governance-Perspektive macht darüber hinaus deutlich, dass Branchen und einzelne Organisationen ebenfalls zur sozialen Ordnungsbildung beitragen. Aufgrund der Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit spielen Selbstregulierung und Selbstorganisation in der Medienpolitik eine wichtige Rolle. Die Bedeutung einzelner Organisationen zeigt sich zudem bei der Governance durch das Design von Technologie, worunter etwa die Programmierung der Algorithmen von Plattformen fällt. Diese vertikale und horizontale Ausweitung von Governance finden auch in Kombination statt: Innovative Ansätze der Multistakeholder-Governance prägen auf globaler Ebene die künftige Entwicklung des Internets. Nicht jede Form der Governance ist aber für jedes medienpolitische Problem geeignet. Während beispielsweise eine Regulierung von Meinungsmacht nicht den Unternehmen selbst überlassen werden kann, können sich private Akteure sehr wohl um medienethische Fragen oder schädliche Inhalte kümmern. Zudem bedeutet Governance durch private Akteure nicht, dass auf Rechenschaftspflichten und Mindestvorgaben durch den Staat im Sinne einer Co-Regulierung verzichtet werden muss. Die Herausforderung für die Medienpolitik besteht darin, die Wahl und Mischung der für bestimmte Probleme geeigneten Instrumente vorzunehmen. Inhalt und Prozess: Veränderung des Status quo Eine demokratiegerechte Reform von Medienpolitik muss zudem auf eine Veränderung des Status quo hinarbeiten. Dies bedeutet zuallererst kritisch zu hinterfragen, inwiefern bestehende Medienstrukturen dem öffentlichen Interesse entsprechen. Medien und Plattformen sind zumeist kommerziell institutionalisiert. Viele Medien funktionieren nach einer ökonomischen Logik, die Auswirkungen auf ihre publizistische Leistung hat. Auch die kommerziell getriebene Datafizierung durch Plattformen hat Folgen für die öffentliche Vermittlung von Kommunikation. Hinzu kommt, dass Medien- und Plattformmärkte meistens hoch konzentriert sind, was nicht nur wegen der Marktmacht einzelner Unternehmen problematisch ist, sondern insbesondere auch wegen der Meinungsmacht, die diese Unternehmen innehaben. «The sheer <?page no="372"?> Konklusion 372 possibility of the abuse of this immense power for one’s own political goals is in itself a threat for any functioning democracy» (Helberger, 2020: 850). Entsprechend sollte Medienpolitik über Möglichkeiten für strukturelle Veränderungen nachdenken. Aber statt Alternativen zu einer kommerzialisierten und vermachteten Öffentlichkeit zu entwickeln, begnügt sich Medienpolitik häufig mit Maßnahmen, die wenig an der heutigen Funktionsweise von Medien und Plattformen ändern. Statt strukturelle Eingriffe wie öffentlich finanzierte Alternativen zu kommerziellen Plattformen, die Zerschlagung von Konzernen, wirksame Vorabregulierung, Änderungen am Geschäftsmodell der Datafizierung oder das Verbot problematischer Formen der Personalisierung in Betracht zu ziehen, beschränkt sich Medienpolitik darauf, Plattformen Vorgaben für die Inhaltsmoderation zu machen, den Datenschutz auszubauen oder auf Medienkompetenz zu vertrauen (vgl. Mansell & Steinmueller, 2020: 86-95, 107-113, 136-140; Winseck, 2020). Damit einher geht eine Verschiebung von Verantwortung zu den einzelnen Nutzer·innen: Statt Medien und Plattformen in die Pflicht zu nehmen, beruht der Schutz vor potenziellen Risiken allein auf der individuell vorhandenen Medienkompetenz und Resilienz (vgl. Livingstone, 2019). «Devolving responsibility to individual consumers or citizens to self-regulate their interactions online to protect themselves against privacy intrusions or other potential harms is consistent with the prevailing neoliberal common sense […]. Thus, policy and regulatory measures that are contemplated in response to the dominant digital platforms are unlikely to fundamentally destabilize the digital platform’s business model of mass individualization» (Cammaerts & Mansell, 2020: 143). Doch Medienpolitik muss nicht zwingend der Aufrechterhaltung des Status quo dienen. So relevant die Regulierung von Inhalten, Datenschutz und Medienkompetenzförderung sind: Deswegen muss nicht auf einen starken Public Service, vielfaltsorientierte Medienförderung, Beschränkungen von Medienkonzentration und Meinungsmacht oder Eingriffe in demokratieunverträgliche Geschäftsmodelle von Plattformen verzichtet werden. Ein weiterer Aspekt der Hinterfragung bestehender Medienstrukturen betrifft die stärkere Berücksichtigung von Gender und gesellschaftlicher Diversität in der Medienpolitik. Fragen von Gleichberechtigung und Repräsentation finden aber kaum Beachtung. Zwar setzen sich internationale Organisationen wie UNO und Europarat für die Vertretung von Frauen und Minderheiten im Management von Medienorganisationen, in Redaktionen, in den Entwicklungsteams von Plattformen und in Medieninhalten sowie für die Vermeidung von Stereotypen ein. Auswirkungen auf die Medienpolitik und einzelne Medienorganisationen hatte das <?page no="373"?> Medienpolitische Reformen und die Rolle der Kommunikationswissenschaft 373 bisher dennoch nur vereinzelt. Viele Medien laufen damit Gefahr, den Anschluss an die gesellschaftliche Entwicklung zu verlieren. Um anstelle der Interessen von Unternehmen stärker die Bedürfnisse der Nutzer·innen in den Mittelpunkt zu stellen, wird teilweise vorgeschlagen, Sens Fähigkeitenansatz als Basis für eine gerechtigkeitsbasierte Medienpolitik zu verwenden. Aufgabe der Medienpolitik wäre es in dieser Perspektive, für eine gerechte Verteilung der Fähigkeiten zur Meinungsäußerung und demokratischen Partizipation zu sorgen (vgl. Litschka, 2019; Schejter & Tirosh, 2016: 3). Angesichts sozialer Unterschiede erfordert eine gerechte Verteilung von Fähigkeiten allerdings eine positive Diskriminierung benachteiligter Bevölkerungsgruppen. Die Befähigung von Menschen beschränkt sich nicht auf die Bereitstellung des Zugangs zu Kommunikationsnetzen und Medien, sondern umfasst auch die Verteilung der «social resources which make access usable» (Garnham, 1997: 27). Dies impliziert einerseits die Befähigung zur aktiven Nutzung von Kommunikationstechnologien als eine Voraussetzung für Teilhabe an der Gesellschaft. Die Fähigkeit zur aktiven Nutzung des Internets beispielsweise ist heute schon fast Voraussetzung für Partizipation, Bildung oder Arbeit. Andererseits stellt die Befähigung der Nutzer·innen auch Anforderungen an Medien und Plattformen: «We need to think of newspapers and broadcasting as enablers of a range of functionings rather than as a stream of content to be consumed» (Garnham, 1997: 32). Mit ihrer Vermittlungsleistung tragen Medien und Plattformen dazu bei, dass sich Menschen aktiv in Politik und Gesellschaft einbringen und ein selbstbestimmtes Leben führen können. Daraus folgt, dass Medienpolitik die Aufgabe hat, Medien und Plattform in die Lage zu versetzen, diese Vermittlungsleistung in der Öffentlichkeit auch tatsächlich zu erfüllen (vgl. Litschka, 2019). Zusätzlich zu dieser inhaltlichen Neuausrichtung von Medienpolitik auf eine Gestaltung von Medienstrukturen im öffentlichen Interesse muss auch der medienpolitische Prozess demokratisiert werden, der die bestehenden Medienstrukturen zur Folge hat. Seit Langem wird die Vermachtung des Politikfelds kritisiert: Medienpolitik wird dominiert von Unternehmen und ihren Verbänden, Parteien und den Akteuren des politisch-administrativen Systems. Über eine Einflussnahme via Lobbying hinaus besteht die Gefahr, dass sich die Eigeninteressen von Medienunternehmen auf ihre Berichterstattung über Medienpolitik auswirken (siehe Kapitel 2.2.2.2 & 2.4.2.1). Die (Nicht-)Thematisierung von Medienpolitik oder eine verzerrte Berichterstattung über medienpolitische Vorschläge prägt die öffentliche Wahrnehmung und die Handlungsmöglichkeiten anderer politischer <?page no="374"?> Konklusion 374 Akteure. Auch Plattformen sind mächtige Unternehmen, die es verstehen, ihre Interessen in die Politik einzubringen. Das Publikum hingegen hat kaum einen Einfluss auf medienpolitische Entscheidungen, da es die Merkmale eines medienpolitischen Akteurs nicht erfüllt. Entsprechend fließen Publikumsinteressen zumeist nur indirekt in die Medienpolitik ein. Zum einen geschieht dies über die Erhebung von Nutzungsdaten. Doch eine rein quantitative Reichweitenmessung betrachtet die Mitglieder des Publikums nur in ihrer Rolle als Konsument·innen bestimmter Angebote, nicht in ihrer Rolle als Bürger·innen, die auch Vorstellungen über die Funktionsweise und Bedeutung von Medien und Öffentlichkeit haben (vgl. Hasebrink, 2011). Zum anderen werden Publikumsinteressen in der Medienpolitik eingebracht, wenn Parteien und Verbände von sich behaupten, für das Publikum zu sprechen: «audiences are less often participant than co-opted, less heard than spoken for» (Livingstone & Lunt, 2011: 173). Angesichts der großen Bedeutung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation für Individuen und Gesellschaft mutet diese mangelnde Beteiligung des Publikums in der Medienpolitik paradox an: «Our lives are increasingly taken up with mediated interaction but we appear to have very little connection to or involvement in the policy debates that structure our communicative environment» (Freedman, 2015: 104). Dies liegt sicherlich auch an einem Mangel an Zeit, Ressourcen oder Interesse. Doch sind die Möglichkeiten zur Beteiligung auch begrenzt. Niederschwellige Möglichkeiten, um sich direkt einzubringen und grundsätzlich über medienpolitische Ziele und mögliche Lösungen für Probleme zu diskutieren, bestehen nur wenige. Öffentliche Partizipation beschränkt sich zumeist auf die Teilnahme an öffentlichen Konsultationen über neue Gesetzesvorhaben. Nicht alle Akteure verfügen aber über Expertise und Ressourcen, um sich daran zu beteiligen - und je offener Behörden sind, je häufiger Konsultationen durchgeführt werden, desto größer das Problem: «[P]rocesses of consultation are vulnerable to substantial inequalities in the resources to participate and, in consequence, can silence a number of constituencies» (Lunt & Livingstone, 2012: 189). Als Folge dieser Vermachtung des medienpolitischen Prozesses drohen Entscheidungen, die im privaten Interesse der regulierten Unternehmen liegen, nicht aber im öffentlichen Interesse. Entsprechend bedarf es einer Demokratisierung der Medienpolitik durch eine stärkere Beteiligung der Publikumsmitglieder in ihrer Rolle als Bürger·innen (vgl. Freedman et al., 2016; Rossi & Meier, 2012). Die Nutzer·innen müssen an me- <?page no="375"?> Medienpolitische Reformen und die Rolle der Kommunikationswissenschaft 375 dienpolitischen Debatten über Entscheidungen, die für die Gesellschaft weitreichende Folgen haben, beteiligt sein (vgl. Hasebrink, 2011). Einerseits kann dies durch qualitative Forschung über die Bedürfnisse, Wünsche und Ansichten des Publikums geleistet werden, welche die herkömmliche Marktforschung ergänzt. Damit lassen sich nicht nur medienpolitische Ziele formulieren, sondern auch Folgen medienpolitischer Entscheidungen für verschiedene Bevölkerungsgruppen besser verstehen (vgl. Hasebrink, 2011; Lunt & Livingstone, 2012: 78-79, 86). Andererseits können auch die Möglichkeiten zur Partizipation des Publikums in Medienorganisationen und in der Medienpolitik verbessert werden. Neben inhaltsbezogener Partizipation durch die Mitarbeit in der Medienproduktion plädiert Carpentier (2011: 68) für eine strukturelle Partizipation der Nutzer·innen in Entscheidungsgremien von Medienorganisationen. Strukturelle Partizipation umfasst aber auch die Medienpolitik (vgl. Aslama Horowitz & Napoli, 2014). Darunter fallen beispielsweise Publikumsvertreter·innen in Gremien (öffentlicher) Medienorganisationen, Regulierungsbehörden und Selbstregulierungsorganisationen, die Einrichtung von Diskussionsforen über Medienpolitik und Beschwerdemöglichkeiten - oder auch die Gründung neuer Organisationen, die die Interessen der Nutzer·innen vertreten (vgl. Hasebrink, 2011). Ebenso können Verwaltung und Regulierungsbehörden verpflichtet werden, zivilgesellschaftliche Organisationen zu Konsultationen einzuladen, den Nutzen und die Grenzen von Beteiligung offen zu kommunizieren und die allfällige Nicht-Berücksichtigung derer Ideen begründen zu müssen (vgl. Donders, Van den Bulck & Raats, 2019). Diese Optionen zur stärkeren Beteiligung des Publikums stellen auch eine Chance dar, die Diversität in der Gesellschaft besser abzubilden und ein Gender- Mainstreaming in der Medienpolitik sicherzustellen. Damit die verbesserten Möglichkeiten zur Beteiligung des Publikums in der Medienpolitik auch genutzt werden, bedarf es aber auch einer Stärkung von Medienpolitikkompetenz. Wissen über die Tragweite von Medienpolitik für die demokratische Gesellschaft und die Funktionsweise des medienpolitischen Prozesses sind Voraussetzungen dafür, dass sich Nutzer·innen einbringen wollen und auch wissen, wie sie das tun können (vgl. Hasebrink, 2012; Lentz, 2016). Um demokratischen Ansprüchen gerecht zu werden, sollte Medienpolitik die öffentliche Vermittlung von Kommunikation in den Blick nehmen, auf jeweils geeignete Formen der Governance setzen, darauf ausgerichtet sein, Medienstrukturen im öffentlichen Interesse zu gestalten, und das Publikum stärker in Entscheidungen einbeziehen. <?page no="376"?> Konklusion 376 14.4 Medienreform durch Medienpolitikreform Die Vielfalt und Qualität der Medien, aber auch Plattformen und ihr Einfluss auf die Demokratie werden immer wieder heftig kritisiert. Doch an der Leistung von Medien und Plattformen wird sich nichts ändern, wenn nicht bestehende Medienstrukturen reformiert werden. Baker (2007: 202) bringt dies prägnant auf den Punkt: «the mass media will continue to fail us without change to the structure that induces these failures». Das ist eine gute Nachricht, denn in diesem Buch haben wir nicht nur gelernt, dass Medienstrukturen die Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation durch Medien und Plattformen prägen, sondern auch, dass Medienstrukturen durch Medienpolitik gestaltet werden (vgl. Freedman, 2008: 1; McChesney, 2008: 135; McQuail, 1992: 95-96; siehe auch Kapitel 1.2). Medienstrukturen sind das Resultat von Medienpolitik und entsprechend lassen sie sich auch verändern. Zwar wird ein negatives Verständnis von Medienfreiheit gerne zur Delegitimierung von Reformbestrebungen benutzt. Doch die Schaffung der für unabhängige Medienleistungen und für eine demokratischen Ansprüchen genügende öffentliche Vermittlung von Kommunikation notwendigen strukturellen Bedingungen steht nicht im Widerspruch zu einem positiven Verständnis von Medienfreiheit - ganz im Gegenteil (siehe Kapitel 5.3.2). Zudem ist der Verzicht auf eine Reform im öffentlichen Interesse genauso politisch: Es ist die bewusste Entscheidung, den Status quo aufrechtzuerhalten. Wie Medienpolitik letztlich aussieht, ist das Resultat eines medienpolitischen Prozesses, an dem Akteure mit unterschiedlichsten Interessen und ideologischen Vorstellungen teilnehmen. Wissenschaftliche Forschung kann - gerade in vergleichender Perspektive - Erkenntnisse für Politik und Gesellschaft bereitstellen, Handlungsalternativen aufzeigen und damit einen wichtigen Beitrag zu einer demokratiegerechten Reform von Medienpolitik leisten. Doch Forscher·innen müssen auch akzeptieren, dass Politik nach ihrer eigenen Logik funktioniert. Zusätzlich zur theoretischen Fundierung und methodischen Stringenz der eigenen Forschung bedarf es medienpolitischen Grundwissens und einer kritischen Selbstreflexion über die Beziehung zur medienpolitischen Praxis, um für den Umgang mit Entscheidungsträger·innen gerüstet zu sein (vgl. Just & Puppis, 2012; Maletzke, 1983; Meier, 2015b). Damit noch eine gute Nachricht: Künftige Medienpolitikforscher·innen sind darauf besser vorbereitet als jede Generation vor ihnen: <?page no="377"?> Medienpolitische Reformen und die Rolle der Kommunikationswissenschaft 377 «[T]he next generation of communications policy scholars […] should have a more well-rounded training in the theoretical approaches and methods of communications policy research, as well as a more holistic perspective on the relationship between research and policymaking. This next generation of […] communications policy scholars should have much more to bring to the table» (Napoli & Friedland, 2016: 62). Als Leser·innen dieses Buches trifft das auch auf Sie zu. Die praktische Medienpolitik kann davon nur profitieren. Übungen 1. Welche Möglichkeiten sehen Sie für eine stärkere Beteiligung des Publikums in der Medienpolitik? 2. Welche Argumente sprechen für resp. gegen ein medienpolitisches Engagement von Forscher·innen? Literaturtipps Braman, S. (Hrsg.) (2003). Communication Researchers and Policy-Making. Cambridge: MIT Press. Der Band von Braman befasst sich mit der Beziehung zwischen Medienpolitikforschung und praktischer Medienpolitik und enthält zahlreiche Originaltexte. Cammaerts, B., & Mansell, R. (2020). Digital Platform Policy and Regulation: Toward a Radical Democratic Turn. International Journal of Communication, 14, 135- 154. Die beiden Autor·innen entwickeln eine kritische Perspektive auf Plattform-Governance und fordern eine radikale demokratische Wende der Medienpolitik. Garnham, N. (1997). Amartya Sen’s «Capabilities» Approach to the Evaluation of Welfare: Its Application to Communications. Javnost - The Public, 4(4), 25-34. In diesem Artikel zeigt Garnham das Potenzial von Sens Fähigkeitenansatz für die Kommunikationswissenschaft und die Medienpolitik auf. Hasebrink, U. (2011). Giving the Audience a Voice: The Role of Research in Making Media Regulation More Responsive to the Needs of the Audience. Journal of Information Policy, 1, 321-336. Hasebrink geht den Möglichkeiten nach, die Stimme des Publikums in der Medienpolitik zu stärken. <?page no="379"?> 379 Lösungen Kapitel 1 1. Massenmedien: Organisationen, die durch die Bündelung und öffentliche Vermittlung eigen- und fremdproduzierter publizistischer Inhalte eine spezifische gesellschaftliche Leistung erbringen. Plattformen: Organisationen, die durch die öffentliche Vermittlung eines basierend auf der Sammlung und Auswertung von Nutzungsdaten algorithmisch selektionierten Bündels von Inhalten Dritter eine spezifische gesellschaftliche Leistung erbringen. 2. Massenmedien: Als Systeme stellen sie Öffentlichkeit her und prägen das Handeln von Medienorganisationen; als Institutionen prägen sie die Kommunikation anderer gesellschaftlicher Akteure; als Organisationen prägen sie das Handeln der Journalist·innen, das zu einer bestimmten Medienleistung führt. Plattformen: Als Systeme verändern sie den Zugang zur Öffentlichkeit; als Institutionen prägen sie die Kommunikation anderer gesellschaftlicher Akteure inklusive der Medien; als Organisationen personalisieren sie mittels Algorithmen Inhalte und legen Spielregeln für die öffentliche Kommunikation fest. 3. Medienpolitik versucht indirekt durch die Gestaltung von Medienstrukturen auf die Vermittlungsleistung von Medien und Plattformen in der Öffentlichkeit einzuwirken. Kapitel 2 1. Medienpolitik ist jenes Handeln, das auf die Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regeln und Entscheidungen über die von Medienorganisationen und Plattformen erbrachte Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation abzielt. Diese Vermittlungsleistung ist auch eine Voraussetzung für das Funktionieren demokratischer Gesellschaften. 2. Obwohl alle drei Länder föderalistische Konsensdemokratien sind, unterscheidet sich der politische Prozess in der Schweiz als halb-direkte Demokratie und Verhandlungsdemokratie von jenem im Deutschland und Österreich. Alle größeren Gruppen werden bereits vor der Behandlung eines Gesetzes im Parla- <?page no="380"?> Lösungen 380 ment in den Gesetzgebungsprozess einbezogen (Vernehmlassung). Und Abstimmungskämpfe verschaffen Verbänden und Bewegungen zusätzliche Einflussmöglichkeiten. 3. Akteure zeichnen sich durch Interessen, ideologische Vorstellungen, Ressourcen, Strategiefähigkeit sowie Selbst- und Fremdbeschreibung aus. Das Publikum erfüllt nicht alle Merkmale: Weder ist sich das Publikum seiner selbst bewusst, noch liegt dem Handeln der einzelnen Nutzer·innen eine kollektive Strategie zugrunde. 4. Im ACF, MSF und PET sind Medien normale Akteure in der Politik. Auf den Spezialfall Medienpolitik wird nicht eingegangen. Dasselbe gilt für den NPF. Doch die Idee, dass Akteure politische Narrative einsetzen, ließe sich gut mit Berichterstattung über Medienpolitik verbinden. Der MPF wurde speziell für medienpolitische Analysen entwickelt und betont die Besonderheit, dass Medien die öffentliche Wahrnehmung von Medienpolitik beeinflussen können. Die CPE hat mit Konzepten wie «Media Policy Silence» und «Media Policy Bias» detailliert ausgearbeitet, wie Medien unliebsame Themen von der politischen Agenda fernhalten oder nur voreingenommen über diese berichten. Medien prägen zudem die Vorstellung in der Gesellschaft, dass Marktlösungen gegenüber medienpolitischen Eingriffen zu bevorzugen sind. In den CDS wird trotz der Fokussierung auf Diskurse nicht auf die besondere Rolle von Medien in der Medienpolitik eingegangen. Der Einfluss von Eigeninteressen von Medien auf das Framing medienpolitischer Themen wird hingegen reflektiert. Kapitel 3 1. Staatliche Medienregulierung bezeichnet den intentionalen Versuch der Beeinflussung von Handeln oder Bewältigung von Risiken zur Erreichung medienpolitischer Ziele mittels Geboten/ Verboten, finanziellen Anreizen und Informationen, was neben der Festlegung von Regeln für die von Medienorganisationen und Plattformen erbrachte Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation auch die Aufsicht über die Einhaltung der Regeln und die Sanktionierung von Regelverstößen umfasst. 2. Im Gegensatz zum Rundfunkmodell werden im Printmedienmodell weder Marktzugang noch Inhalte reguliert. Das Common-Carrier-Modell befasst sich lediglich mit der Infrastruktur, nicht mit den übermittelten Inhalten. 3. Die zunehmende Verbreitung neuer Distributionstechnologien schuf die Voraussetzung für eine Zulassung von Privatrundfunk. Ausschlaggebend waren <?page no="381"?> Lösungen 381 aber ein ideologischer Wandel in der Politik, wirtschaftliche Interessen und soziokulturelle Veränderungen. Zudem spielten parteipolitische Erwägungen und die Schaffung eines europäischen Binnenmarkts eine Rolle. Folge war eine Kommerzialisierung des Rundfunksektors mit Auswirkungen auf das Programmangebot und die Legitimation des öffentlichen Rundfunks. 4. Der RCI erklärt die Entstehung von Regulierungsbehörden funktional mit Vorteilen für Entscheidungsträger·innen (Erhöhung Glaubwürdigkeit; Bindung künftiger Regierungen; Blame-Shifting). Der HI erklärt nationale und sektorale Unterschiede bei der Entstehung mit Pfadabhängigkeiten. Der SI bietet die Imitation von als erfolgreich wahrgenommenen Vorbildern in anderen Ländern und Politikfeldern als Erklärung an. 5. Unterhalb der Behördenleitung sind entweder zwei getrennte Abteilungen für Rundfunk/ audiovisuelle Mediendienste und Telekommunikation oder zwei sektorübergreifende Abteilungen für Infrastruktur und Inhalte denkbar. 6. Interessentheoretische Ansätze: Inwiefern ist es Medienorganisationen gelungen, die Regulierungsbehörden für eigene Interessen zu instrumentalisieren? Institutionentheoretische Ansätze: Welchen Einfluss hat die Organisationsumwelt auf Strukturen und Prozesse von Regulierungsbehörden? Ideentheoretische Ansätze: Auf welche Leitbilder oder Deutungsmuster berufen sich Akteuren als Begründung für eine bestimmte Regulierung? Natürlich sind unzählige weitere Fragestellungen denkbar. Kapitel 4 1. Media Governance bezeichnet den intentionalen Versuch der Bildung einer auf der Koordination interdependenter Akteure auf verschiedenen Ebenen beruhenden sozialen Ordnung zur Beeinflussung von Handeln oder Bewältigung von Risiken bezüglich der von Medienorganisationen und Plattformen erbrachten Leistung der öffentlichen Vermittlung von Kommunikation. Im Unterschied zu Government kann nicht nur der Staat den institutionellen Rahmen bilden, sondern beispielsweise auch internationale Foren, Branchen oder Organisationen (Polity). Governance ist nicht zwingend Ergebnis eines klassischen politischen Prozesses, sondern kann auch auf anderen Formen der Koordination zwischen Akteuren beruhen (Politics). Und neben allgemein verbindlichen Entscheidungen, die mittels staatlicher Regulierung umgesetzt werden, gibt es andere Formen der sozialen Ordnungsbildung (Policy). <?page no="382"?> Lösungen 382 2. Selbstregulierung sei flexibler und schneller als staatliche Regulierung, die regulierte Branche verfüge über mehr Fachwissen, der Staat werde finanziell entlastet, regulierte Unternehmen fühlten sich stärker zur Einhaltung verpflichtet und Selbstregulierung funktioniere länderübergreifend. Im Medien- und Kommunikationssektor ist die Wahrung der Meinungsäußerungs- und die Medienfreiheit ein wichtiges Argument für Selbstregulierung. Doch Selbstregulierung hat auch klare Nachteile (fehlende Verbindlichkeit; Durchsetzung Partikularinteressen), die mit Co-Regulierung vermieden werden sollen. 3. Einerseits setzt Facebook Algorithmen ein, um die menschliche Moderation der geposteten Inhalte zu unterstützen. Damit kann eine viel größere Menge an Inhalten auf die Einhaltung der Nutzungsbedingungen geprüft werden. Andererseits prägen Algorithmen die Handlungsmöglichkeiten der Nutzer·innen und konstruieren durch die Selektion der Inhalte im Newsfeed eine bestimmte Realität. 4. Selbstregulierung wird nicht nur wegen (der häufig schwachen) Sanktionen eingehalten (Zwang), sondern auch weil ein Erwartungsdruck besteht (moralische Verpflichtung) und weil die Regulierten von der Sinnhaftigkeit der Regeln überzeugt sind (Selbstverständlichkeitsannahmen). Informelle Normen wiederum prägen Handeln nicht nur, weil sie als sinnvoll erachtet werden (Selbstverständlichkeitsannahmen) oder andere Akteure eine Einhaltung erwarten und damit ein normativer Druck besteht (moralische Verpflichtung). Vielmehr drohen bei Nichtbefolgung auch Sanktionen wie eine Ausgrenzung aus der professionellen Gemeinschaft (Zwang). Kapitel 5 1. Die Übertragungskapazität für terrestrischen Rundfunk, Mobiltelefonie und mobiles Internet bleibt letztlich beschränkt (Frequenzknappheit). Die Nutzung von Frequenzen muss klar geregelt sein, da es sonst zu Interferenzen kommt. Um Inkompatibilitäten in der elektronischen Kommunikation zu vermeiden, braucht es eine technische Standardisierung. Und für das Funktionieren des Internets müssen die Internetkernressourcen gemanagt werden. 2. Mangelnde Zahlungsbereitschaft der Rezipient·innen, wenn sie vom Konsum nicht ausgeschlossen werden können (öffentliche Güter), weil sie die Qualität (und Nutzen) nicht einschätzen können (Informationsmängel) und weil sie nicht bereit sind, für einen ihren persönlichen Nutzen übersteigenden gesellschaftlichen Nutzen (positive Externalitäten) zu zahlen. <?page no="383"?> Lösungen 383 3. Direkte (Telekom, soziale Netzwerke) und indirekte (Medien: Publikums- und Werbemarkt; Plattformen: Nachfrager·innen und Anbieter·innen von Inhalten sowie Werbewirtschaft) Netzwerkeffekte führen zu Konzentration, da der Nutzen von der Größe des Netzwerks abhängt. Größenvorteile in Branchen mit hohen Fixkosten (Fixkostendegression) sowie tiefen variablen Kosten und Grenzkosten führen dazu, dass im Monopol am kostengünstigsten produziert wird; Verbundvorteile führen dazu, dass mehrere Produkte günstiger durch ein Unternehmen bereitgestellt werden können als durch mehrere Unternehmen. 4. Werbefinanzierte Medien richten ihre Inhalte nach den Präferenzen der werbetreibenden Wirtschaft aus: Inhalte sollen werblich interessante Zielgruppen möglichst kostengünstig und vollständig erreichen. Andere Zielgruppen werden nicht bedient; Reichweite wird möglichst kostengünstig maximiert; Medien müssen ein geeignetes Werbeumfeld bieten; Inhalte werden leicht konsumierbar gemacht; kritische Berichterstattung über Werbekund·innen ist heikel. 5. Dagegen: Sicherstellung des ökonomischen Wettbewerbs ist ausreichend; stärkere Eingriffe gefährden Unabhängigkeit vom Staat (negative Interpretation Medienfreiheit). Dafür: Ökonomischer Wettbewerb ist ein Kosten-, kein Qualitätswettbewerb; aufgrund der großen Bedeutung von Medien und Plattformen für die Gesellschaft braucht es mehr Qualität und Vielfalt als marktlich bereitgestellt; mit Medienpolitik können die Bedingungen für eine demokratischen Ansprüchen genügende öffentliche Vermittlung von Kommunikation geschaffen werden (positive Interpretation Medienfreiheit). Kapitel 6 1. Wie Ihr Forschungsprojekt aussieht, hängt natürlich von Ihrem Thema und Ihrem Erkenntnisinteresse ab. Beachten Sie aber folgende Punkte: Die Fragestellung muss empirisch beantwortbar sein; Sie sollten eine wissenschaftliche und gesellschaftliche Problemstellung formulieren; die gewählte Theorie muss den Untersuchungsgegenstand erklären können; Theorie und Empirie müssen zusammenpassen. 2. Die Fallauswahl sollte in jedem Fall theoriegeleitet erfolgen und begründet werden. Bei deskriptiven und Large-N-Vergleichen gibt es sonst keine Einschränkungen; bei Small-N-Vergleichen müssen zwingend ähnliche (Differenzmethode) oder unterschiedliche (Konkordanzmethode) Fälle ausgewählt werden. Bei deskriptiven Vergleichen werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Vergleichsdimensionen beschrieben und die Fälle gruppiert <?page no="384"?> Lösungen 384 (Klassifikation oder Typologie), bei Kausalvergleichen ist eine Überprüfung des Zusammenhangs zwischen Kontext und Untersuchungsgegenstand nötig (bei Small-N-Vergleichen beispielsweise in Form einer QCA, bei Large-N-Vergleichen mittels statistischer Tests). 3. Fallauswahl: drei ähnliche Fälle, also kleine Mediensysteme mit großen gleichsprachigen Nachbarstaaten; Vergleichsdimensionen: Form, Höhe und Festlegung der Finanzierung, Umfang und Festlegung des Programmauftrags, Wahl der Leitung etc.; Methoden: bspw. Dokumentenanalyse (Gesetze, Verordnungen, Jahresberichte etc.) und Expert·inneninterviews (bei Ministerien, Regulierungsbehörden, öffentlichem Rundfunk), die qualitativ ausgewertet werden; eigentlicher Vergleich: bei deskriptivem Vergleich Gegenüberstellung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden und ggf. Bildung einer Typologie, bei Kausalvergleich Suche nach unabhängigen Variablen auf Ebene Mediensystem zur Erklärung von Unterschieden trotz der vielen Gemeinsamkeiten. Kapitel 7 1. Aus dem individuellen Recht auf freie Meinungsäußerung wird erstens die Medienfreiheit abgeleitet. Zweitens wird diese nicht ausschließlich als negative Freiheit verstanden, sondern als positive Freiheit, d. h., Staaten müssen dafür sorgen, dass diese Freiheit auch ausgeübt werden kann. 2. Herkunftslandprinzip (d. h. Regulierung des Herkunftslandes ausschlaggebend), Harmonisierung nationaler Regulierung (Festlegung von Mindeststandards für den gemeinsamen Binnenmarkt) und Möglichkeit zur Inländerdiskriminierung (strengere inländische Regulierung gestattet). 3. Erstens: Das EÜGF beruht auf einer menschenrechtlichen Grundlage, die AVMD-Richtlinie auf dem wirtschaftlichen Ziel der Errichtung eines Binnenmarktes. Das Herkunftslandprinzip wird deshalb unterschiedlich begründet (Medienfreiheit vs. Dienstleistungsfreiheit) und das EÜGF legt andere Schwerpunkte. Zweitens: Das EÜGF gilt nur für grenzüberschreitendes Fernsehen, die AVMD-RL für alle audiovisuellen Mediendienste (auch nicht-grenzüberschreitende). Drittens: Die AVMD-RL gilt für EU- und EWR-Staaten, das EÜGF für Unterzeichnerstaaten des Übereinkommens. 4. Erstens: Anders als die ECRL ist der DSA eine Verordnung und gilt unmittelbar, d. h., die Umsetzung in den Mitgliedstaaten erfolgt einheitlich. Zweitens: Neben dem Herkunftslandgilt neu auch das Marktortprinzip. Drittens: Zwar <?page no="385"?> Lösungen 385 wird am Haftungsprivileg festgehalten (keine Verantwortung für von Nutzer·innen hochgeladene illegale Inhalte, sofern ein·e Diensteanbieter·in davon keine Kenntnis hat), doch werden großen Plattformen strengere Vorschriften für die Moderation von Inhalten und Empfehlungsalgorithmen gemacht. Kapitel 8 1. Phase 1: Gründung von IGOs aus technischen und ökonomischen Gründen (ITU, WIPO). Phase 2: Gründung der UNO und Fokus auf Menschenrechte und Kultur (UNESCO). Phase 3: Starke Gewichtung von Freihandel und ökonomischen Kriterien (WTO, OECD). Neben diesen IGOs ist der Multistakeholderismus als neue Form der Zusammenarbeit in der Internet Governance zwischen Nationalstaaten, IGOs, Unternehmen und Zivilgesellschaft entstanden. 2. Allgemeine Verpflichtungen (alle Sektoren): Meistbegünstigung und Transparenz über Regulierung. Spezifische Verpflichtungen (in liberalisierten Sektoren): Marktzugang und Inländerbehandlung. In europäischen Staaten findet im Fernsehsektor derzeit nur die Transparenzverpflichtung Anwendung, da diese Staaten keine spezifischen Verpflichtungen eingegangen sind und Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip beantragt haben. 3. Fortschreitende Liberalisierung (Auslaufen MFN-Ausnahmen sowie Eingehen spezifischer Verpflichtungen) gefährdet Koproduktionsabkommen, Filmförderung, Quoten und «Must-Carry»-Verpflichtungen; Verbot staatlicher Subventionen gefährdet Filmförderung und öffentliche Finanzierung des Public Service; Reklassifikationen könnten Regulierung digitaler Angebote verhindern. CCD der UNESCO legitimiert solche medienpolitischen Maßnahmen zwar explizit, bietet aber eher politische Rückendeckung in Verhandlungen gegen eine Liberalisierung als einen rechtlichen Schutz für den Fall, dass ein Staat spezifische Verpflichtungen eingeht. Kapitel 9 1. Für terrestrische Sender ist die Zulassung aufgrund der benötigten Frequenzen eine technische Notwendigkeit. Doch es gab immer auch gesellschaftlich-politische Gründe für eine Regulierung des Marktzugangs, denn mit einem Zulassungsverfahren können in einem «Beauty Contest» jene Bewerber·innen ausgewählt werden, die den inhaltlich überzeugendsten Antrag einreichen. <?page no="386"?> Lösungen 386 2. Die Fusionskontrolle soll ökonomischen Wettbewerb sicherstellen und die Entstehung oder den Missbrauch von Marktmacht verhindern. Das reicht aber nicht, um nicht-ökonomische Ziele wie Medien- und Meinungsvielfalt zu gewährleisten. Hierzu braucht es eine Medienkonzentrationsregulierung, die auf eine Beschränkung von Meinungsmacht abzielt. 3. Marktmacht: Mit bisherigen Instrumenten der Wettbewerbsordnung lässt sich die Marktmacht von Plattformen nur unzureichend erfassen (bspw. Zahlung mit Daten oder Aufmerksamkeit; Datenmacht). Meinungsmacht: Aufgrund der Digitalisierung gewinnt eine multimediale Konzentrationsregulierung an Bedeutung. Doch eine Gewichtung der Bedeutung verschiedener Mediengattungen ist schwierig. Zudem stellt sich die Frage, wie Plattformen bei der Sicherung von Medien- und Meinungsvielfalt berücksichtigt werden können (bspw. Governance von Algorithmen). 4. CR3=88.2, HHI=3319.47. Es ist der deutsche Fernsehmarkt im Jahr 2021. In absteigender Reihenfolge: öffentlich-rechtliche Sender (alle zusammen), RTL Deutschland, ProSiebenSat.1Media, Warner Discovery, Comcast, Axel Springer, Disney, Paramount, Sport1 und Red Bull. Kapitel 10 1. Mögliche Antwort: Dauerhafte selektive Förderung ist wohl am ehesten geeignet, das Überleben wirtschaftlich schwächerer Publikationen zu ermöglichen (z. B. direkte Betriebsförderung oder indirekte Steuerabzüge für redaktionelle Kosten). Damit kann es gelingen, publizistischen Wettbewerb und/ oder die Existenz von Journalismus in allen Lokal-/ Regionalräumen sicherzustellen. Angesichts der Digitalisierung bietet eine konvergente Förderung Vorteile. Zur Sicherung der Unabhängigkeit der Medien scheint zudem eine weitgehend automatisierte Vergabe anhand vordefinierter Kriterien sinnvoll. 2. Die Finanzierung des Public Service ist zulässig, da dieser eine «Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse» erbringt, sofern der Auftrag definiert wird, der Public Service mit der Erfüllung betraut und die Erfüllung kontrolliert wird und die Finanzierung verhältnismäßig ist. Neue Angebote erfordern einen Ex-Ante-Test. Medienförderung wird mit einer Ausnahme zur Unterstützung gewisser Wirtschaftszweige akzeptiert, sofern sie verhältnismäßig ist. Auf die Filmförderung findet eine Ausnahme zur Förderung der Kultur Anwendung, sofern die Subvention 50 % des Budgets nicht übersteigt. <?page no="387"?> Lösungen 387 3. Zum einen haben Medienorganisationen starke Eigeninteressen, die sie in die Medienpolitik einbringen. Zum anderen kristallisieren sich an den Auseinandersetzungen über den Public Service und Medienförderung ideologische Kernüberzeugungen über das «richtige» Verhältnis von Medien und Staat heraus. Die eine Akteursgruppe ist überzeugt, dass ökonomischer Wettbewerb auch Qualität und Vielfalt ermöglicht (womit nur eine Korrektur von Marktversagen nötig ist), dass stärkere medienpolitische Eingriffe die Medienfreiheit verletzen und der Strukturerhaltung dienen. Die andere Akteursgruppe erachtet eine stärkere Regulierung von Medienmärkten mit Verweis auf Medienkonzentration und demokratische Erfordernisse für notwendig und sieht den Staat in der Pflicht, eine funktionierende Öffentlichkeit zu garantieren (positive Interpretation von Medienfreiheit). Kapitel 11 1. Medienpolitik versucht indirekt über die Gestaltung von Medienstrukturen auf die Leistungen von Medien und Plattformen einzuwirken. Direkte Eingriffe in Medieninhalte und via Internet verbreitete Inhalte erfolgen aufgrund von Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit sehr zurückhaltend. 2. Staatliche Stellen dürfen bei Inhalten aufgrund des Zensurverbots erst nach Veröffentlichung eingreifen. Deshalb kommt einer Vorprüfung und Altersklassifikation von Inhalten durch Selbstregulierungsorganisationen oder einzelne Medien (Selbstorganisation) eine wichtige Rolle zu. 3. Unter anderem: Zweifel an der Wirksamkeit (insbesondere, wenn ökonomische Eigeninteressen von Medien/ Plattformen und das öffentliche Interesse an Eingriffen nicht deckungsgleich sind); mangelnde Transparenz; willkürliche Entscheidungen ohne Beschwerdemöglichkeit; private Akteure entscheiden darüber, welche Aussagen in der Öffentlichkeit zulässig sind oder nicht, etc. 4. Die Macht von Plattformen in der Öffentlichkeit wird durch eine offizielle Anerkennung ihrer Zuständigkeit für Inhaltsmoderation noch gestärkt; Plattformen fehlt Know-how/ Erfahrung, um solche Entscheidungen zu fällen. Kapitel 12 1. Anders als heute konnte der Universaldienst unter Monopolbedingungen durch eine Quersubventionierung sichergestellt werden. Zudem schafft ein Dienstewettbewerb keine Anreize für Investitionen in die Infrastruktur. Der <?page no="388"?> Lösungen 388 Netzausbau kann durch Anreize für Investitionen (Befreiung von Regulierung) und durch Subventionen unterstützt werden. 2. Für marktmächtige Unternehmen gelten im Vergleich mit anderen Unternehmen zusätzliche Verpflichtungen (asymmetrische Regulierung). Zur Sicherstellung von Wettbewerb gelten diese direkt und greifen nicht erst im Nachhinein, sofern ein Unternehmen seine Marktmacht tatsächlich missbraucht hat (Vorabregulierung). Anders als bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten ist bei Plattformen keine Marktanalyse nötig, bevor solche Verpflichtungen auferlegt werden. 3. Pro: neue Diensteanbieter·innen können durch hohe Kosten für eine schnelle Übertragung benachteiligt werden; Provider können eigene Dienste bevorzugen; Überwachung der Nutzer·innen. Contra: Verkehrsmanagement nötig; Übertragungsqualität bestimmter Dienste muss sichergestellt werden; Diensteanbieter·innen beteiligen sich nicht an Investitionen für Netzausbau. 4. Eine mögliche Antwort: Transparenz/ Erklärbarkeit/ Wahlmöglichkeiten ändern nichts am Geschäftsmodell von Plattformen und dürften die hinter Algorithmen stehenden Ziele daher kaum verändern. Die Feststellung systemischer Risiken könnte zu Änderungen führen; Einschränkungen für die Datenverwendung und Personalisierung betreffen direkt das Geschäftsmodell. Kapitel 13 1. Für Medienpolitikkompetenz spricht, dass Medienpolitik folgenreich ist für die öffentliche Vermittlung von Kommunikation durch Medien und Plattformen und damit für die Funktionsweise der Demokratie. Der medienpolitische Prozess wird aber von Unternehmen und Parteien dominiert. Wissen über Medienstrukturen und Medienpolitik ist eine Voraussetzung dafür, dass sich Bürger·innen mit ihren Interessen und Vorstellungen kompetent in den medienpolitischen Prozess einbringen können. Dagegen spricht, dass die wenigsten Menschen sich (medien-)politisch engagieren möchten und dass Medienpolitikkompetenz nichts an den aufgrund fehlender Ressourcen stark eingeschränkten Einflussmöglichkeiten der Nutzer·innen in der Politik ändert. 2. Mit der Kritik wird angesprochen, dass Datenschutz nur Symptome bekämpft, aber die Überwachung durch Unternehmen und Staat nicht hinterfragt. Zusätzlich zum Schutz personenbezogener Daten wäre denkbar, die Sammlung und Verwendung von Daten für Zwecke zu verbieten, die soziale Ungleichheit verstärken könnten. <?page no="389"?> Lösungen 389 Kapitel 14 1. Im Kapitel genannt werden: qualitative Forschung; die Erleichterung der Teilnahme an öffentlichen Konsultationen; Vertretung in Entscheidungsgremien von Medienorganisationen, Regulierungsbehörden und Selbstregulierungsorganisationen; Diskussionsforen; Beschwerdemöglichkeiten; die Gründung neuer Organisationen. Fallen Ihnen weitere Möglichkeiten ein? 2. Pro: Grundlage für fundierte Entscheidungen; Unabhängigkeit von Partikularinteressen erlaubt es, andere Themen und Positionen einzubringen und Alternativen aufzuzeigen. Contra: Vermischung von Forschung und Aktivismus; Gefahr der Beschränkung auf politisch nachgefragte Forschung; selektive Verwendung von Ergebnissen durch die Politik. <?page no="391"?> 391 Literatur- und Dokumentenverzeichnis Literatur Abromeit, H., & Stoiber, M. (2006). Demokratien im Vergleich. Einführung in die vergleichende Analyse politischer Systeme. Wiesbaden: VS Verlag. Ali, C. (2017). Media Localism. The Policies of Place. Urbana: University of Illinois Press. Ali, C., & Puppis, M. (2018). When the Watchdog neither Barks nor Bites: Communication as a Power Resource in Media Policy and Regulation. Communication Theory, 28(3), 270-291. Aslama Horowitz, M., & Napoli, P. M. (2014). Diversity 2.0: A Framework for Audience Participation in Assessing Media Systems. Interactions: Studies in Communication & Culture, 5(3), 309- 326. Aslama, M., Hellman, H., & Sauri, T. (2004). Does Market-Entry Regulation Matter? 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Ein Aspekt des Buchs ist die Analyse der Veränderungen, die das Alltagsleben und die Alltagskommunikation erfahren haben. In der COVID-19-Pandemiekrise hat sich die rechte Ideologie mit Verschwörungstheorien und der Anti-Impf-Ideologie verbunden, um ausgeprägte COVID-19-Verschwörungstheorien zu schaffen. Das Buch analysiert, wie COVID-19-Verschwörungstheorien in den sozialen Medien kommuniziert, rezipiert, verbreitet und bekämpft wurden. Der Autor zeigt, dass Zeiten tiefer Krisen nicht nur Zeiten des sozialen Wandels sind, sondern auch Zeiten, in denen Kommunikation und Kommunikationstechnologien bei der Produktion, Verbreitung und Herausforderung von Ideologien eine Rolle spielen. Christian Fuchs Verschwörungstheorien in der Pandemie Wie über COVID-19 im Internet kommuniziert wird 1. Auflage 2022, 211 Seiten €[D] 24,90 ISBN 978-3-8252-5796-5 eISBN 978-3-8385-5796-0 UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="428"?> BUCHTIPP Rainer Nübel, Susanne Doppler Storyporting Wie aus Storytelling und Reporting eine konstruktive Kommunikationsform entsteht 1. Auflage 2022, 232 Seiten €[D] 24,90 ISBN 978-3-7398-3120-6 eISBN 978-3-7398-8120-1 Storytelling hat seine Stärken u. a. in der anschaulichen Vermittlung von Erfahrungswissen. Doch in der öffentlichen Kommunikation werden Narrative zunehmend manipulativ missbraucht. Dieses Buch liefert die Storyporting-Methode: Seriöses Storytelling konvergiert mit evidenzbasiertem Reporting, woraus eine Kommunikationsform entsteht, die subjektive Wahrnehmung und Analyse verbindet und daraus lösungsorientierte Konzepte entwickelt. Praxisbeispiele und Tools zeigen die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des Storyportings, etwa bei Änderungsprozessen in Unternehmen, Kommunen und Organisationen. Das Buch richtet sich an Lehrende, Studierende, Funktionsträger: innen aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Medien und Bildung sowie an interessierte Bürger: innen. UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="429"?> ISBN 978-3-8252-4378-4 Digitalisierung, Transnationalisierung und Kommerzialisierung stellen die Medienpolitik vor große Herausforderungen. Wie kann sichergestellt werden, dass Medien und Plattformen ihre wichtige Funktion in einer demokratischen Gesellschaft erfüllen? In diese Thematik führt Manuel Puppis systematisch und umfassend ein. Er vermittelt die Grundlagen für eine kritische Auseinandersetzung mit Medienpolitik, Medienregulierung und Media Governance. Problemorientiert und international vergleichend diskutiert er die verschiedenen Themenbereiche der Medienpolitik in Europa - von Medienkonzentration über den öffentlichen Rundfunk, Medienförderung, Plattformen und Algorithmen bis hin zu Medienkompetenz und Datenschutz. Medien-, Kommunikations- und Politikwissenschaft Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehr- und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel mit Übungen und Lösungen