Alles, was Ingenieur:innen über Deutsch wissen müssen
0214
2022
978-3-8385-5118-0
978-3-8252-5118-5
UTB
Lydia Prexl
10.36198/9783838551180
"Dem Ingenieur ist nichts zu schwör." Das wusste bereits Daniel Düsentrieb vor über 65 Jahren. Doch was bringt die ausgefeilteste Konstruktion, wenn man diese textlich nicht verständlich und prägnant präsentieren kann?
Lydia Prexl verrät in ihrem Ratgeber, auf was es bei guten Texten ankommt, wie Sie Ihre Texte verständlich formulieren und was einen guten Stil auszeichnet. Auch auf Schreibhürden und -blockaden geht die Autorin ein und gibt hilfreiche Tipps, wie Sie diese überwinden.
Zahlreiche Beispiele, Checklisten und Übungen illustrieren den Stoff.
<?page no="0"?> Lydia Prexl Alles, was Ingenieur: innen über Deutsch wissen müssen <?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Brill | Schöningh - Fink · Paderborn Brill | Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen - Böhlau Verlag · Wien · Köln Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Narr Francke Attempto Verlag - expert verlag · Tübingen Psychiatrie Verlag · Köln Ernst Reinhardt Verlag · München transcript Verlag · Bielefeld Verlag Eugen Ulmer · Stuttgart UVK Verlag · München Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld Wochenschau Verlag · Frankfurt am Main utb 5118 <?page no="2"?> Dr. Lydia Prexl ist Dozentin und PR-Managerin. 2019 wechselte sie zu einem Start-up und baute die Kommunikation dort von der Pike auf. <?page no="3"?> Lydia Prexl Alles, was Ingenieur: innen über Deutsch wissen müssen UVK Verlag · München <?page no="4"?> © UVK Verlag 2022 ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart CPI books GmbH, Leck utb-Nr. 5118 ISBN 978-3-8252-5118-5 (Print) ISBN 978-3-8385-5118-0 (ePDF) ISBN 978-3-8463-5118-5 (ePub) Umschlagabbildung: © af_istocker · iStockphoto; Autorenfoto: © privat Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 9 15 1 17 1.1 21 1.2 22 1.3 26 1.4 29 1.5 31 1.6 35 2 39 2.1 40 2.2 44 2.3 47 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bevor es losgeht - Was macht gute Texte eigentlich aus? . . . . Der Ingenieur als Märchenonkel? Warum Texte eine Geschichte brauchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Magnetbotschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wenn Pyramiden Kopfstand machen . . . . . . . . . . Ein Loblied auf das Imrad - Wie Einleitung und Schluss den Text umrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . Alle Macht dem Publikum oder warum der rote Faden so wichtig ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alles klar oder was? Die goldene Regel des Schreibens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fastfood für Texte - Was Hamburger und Absätze gemeinsam haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? Texte verständlich formulieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischen Fachsprache und Kauderwelsch - Ein Plädoyer für mehr Verständlichkeit . . . . . . . . . . . Die Phänomenalysierung der Sprache . . . . . . . . . Gut geschachtelt ist halb verloren . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 2.4 50 2.5 55 2.6 57 2.7 59 2.8 63 2.9 65 2.10 67 2.11 70 2.12 73 2.13 76 2.14 78 2.15 81 2.16 85 2.17 89 2.18 93 2.19 95 2.20 98 Entrümpelte Sprache - Wie Sie Ihren Text von unnötigem Ballast befreien . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nominalstil für Fortgeschrittene - Warum konkret, wenn es auch abstrakt geht? . . . . . . . . . Hilfsverberitis - Warum zurückhaltend gedacht nicht unbedingt gekonnt ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . Männlich, weiblich, unsäglich - Ein Geschlecht auf Abwegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sache mit dem Ung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wider das Passiv - Es lebe das Aktiv! . . . . . . . . . Richtige Ottograffi oder was? . . . . . . . . . . . . . . . . Von Großschreibung und anderen Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Apostroph auf Rei’sen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Man, es, wir? - Die Frage nach dem Wörtchen „ich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Über, unter, meta-was? Den Text sprachlich kommentieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eine Ode an das Komma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bin ich zu alt - oder ist das einfach kein Deutsch? Denglisch - ein Win-win für alle? . . . . . . . . . . . . Ein Erfolg, zwei Erfolge, viele Erfolgens . . . . . . . Auf der Spur des Allereinzigsten - oder warum Hyperlative unsinnig sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mal ehrlich: Heißt es Mal oder mal? . . . . . . . . . . Inhalt 6 <?page no="7"?> 3 103 3.1 103 3.2 106 3.3 109 3.4 114 3.5 117 3.6 121 3.7 124 3.8 127 4 133 4.1 134 4.2 137 4.3 141 4.4 143 4.5 147 4.6 149 4.7 152 4.8 156 165 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fremde Federn taugen nicht - Vom Plagiat zum korrekten Verweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Quellen ohne Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von wissenschaftlichen und anderen Quellen . . Die Kraft der Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Zahlen, Daten und Fakten - Oder warum weniger Präzision manchmal mehr ist . . . . . . . . . Tipps für einen schlechten Vortrag . . . . . . . . . . . . Wo geht es in die Zeitung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wenn Männer Hunde beißen oder Pressearbeit für Ingenieur: innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was, wenn’s mal nicht klappt? Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schreibschmerz - Die Rahmenbedingungen kennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die hohe Kunst der Textrückmeldung . . . . . . . . . Auch Texte kennen Vorfahrtsregeln . . . . . . . . . . Keine Chance für Zeitdiebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heute schon einen Frosch gefrühstückt? . . . . . . . Tomaten für mehr Disziplin . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischen Eichhörnchen und Abenteurer: Die verschiedenen Schreibtypen . . . . . . . . . . . . . . . . . Was tun, wenn es stockt? Der Umgang mit Schreibschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anstelle eines Nachworts: Üben, üben, üben - und Ruhe bewahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 7 <?page no="8"?> 167 173 173 175 177 180 182 187 Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Checkliste I: Die wichtigsten Stilregeln im Überblick . . . Checkliste II: Die wichtigsten Kommaregeln . . . . . . . . . . Checkliste III: Den eigenen Text überarbeiten . . . . . . . . . Checkliste IV: Rückmeldung auf fremde Texte geben . . . Checkliste V: Richtig zitieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 8 <?page no="9"?> Vorwort „Dem Ingenieur ist nichts zu schwör.“ - Das wusste schon Daniel Dü‐ sentrieb vor über 65 Jahren. Doch was Ingenieur: innen im Beruf zu aus‐ gefeilten technischen Konstruktionen und Prozessen bewegt, schlägt sich in Texten manchmal als unverständliches Kauderwelsch nieder. Dort ist dann die Rede von „Tauchmotorenpumpen-Instandhaltungs‐ kosten“ und „Leichtbetonstein-Direktschalldämmungsmaßnahmen“, von „Highlights und Best-Practices im Upcycling“, von der „Durchfüh‐ rung der Überprüfung der Wirkung der Sanierungstechnologien“ oder vom „Multi-Flow-Prinzip zur Reduzierung der Luftverwirbelungen in Verbindung mit einem eingelassenen Softeinlass zur Pulsationsreduk‐ tion“. Kommt Ihnen bekannt vor? Wenn Sie sich an solchen Formulie‐ rungen nicht stören, dann sollten Sie das Buch aus der Hand legen. Vielleicht gehören Sie aber zu jenen Ingenieur: innen, die es gerne besser machen möchten und nur nicht wissen, wie? Genau an diese Leser: innen richtet sich dieses Buch. Denn gute und verständliche Texte zu verfassen ist zwar anspruchsvoll, aber kein Hexenwerk. Sie können es lernen - auch ohne ein Sprachgenie zu sein. Doch was haben Ingenieurwissenschaften überhaupt mit Schreiben zu tun? Sehr viel, denn die schönsten Konstruktionen bringen nichts, wenn die Kundin oder Geldgeber Sie nicht versteht. Auch Inge‐ nieur: innen müssen mehr können als rechnen, planen, konstruieren und analysieren. Sie müssen ihre Ergebnisse anderen Menschen prä‐ sentieren und sie davon überzeugen. Der Ingenier: innen leben also - wie nahezu alle akademischen Berufe - von der Kommunikation, und diese Kommunikation ist häufig schriftlich. Sie schließt Analysen und Berichte ebenso ein wie Stellungnahmen, Powerpoint-Präsentationen und Forschungsbeiträge oder die tägliche Flut von E-Mails. <?page no="10"?> Vielleicht vorab: Ich bin keine Ingenieurin. Ich habe keine Ahnung, wie man ein Hochhaus gründet, einen Damm baut oder einen Elek‐ tromotor oder eine Hochdruckpumpe konstruiert. Ich verstehe nichts von Formeln und Zahlen - vermutlich habe ich mich deshalb dafür entschieden, Literaturwissenschaft zu studieren. Aber ich weiß, wie Texte funktionieren. Und wie man seine Botschaften so verpackt, dass es die Zielgruppe versteht und im besten Fall gerne liest oder hört. Dieses Wissen möchte ich weitergeben. So entstand die Idee zu diesem Buch aus meiner Tätigkeit in einer Ingenieurberatung. Als Pressereferentin verwendete ich einen großen Teil meiner Arbeitszeit darauf, Textentwürfe der Fachexpert: innen in ein verständliches Deutsch zu übersetzen. Auch bei meiner Tätigkeit bei einem großen Industriedienstleister und gegenwärtig in einem Startup bin ich umgeben von tollen Geschichten und Ideen, die unver‐ ständlich und umständlich zu Papier gebracht werden. Der Hang zu komplizierten Sätzen zieht sich scheinbar durch viele Branchen und ist keinesfalls auf Ingenieur: innen beschränkt. BWLer: innen werfen mit Marketingjargon und hochtrabenden Kennzahlen (KPIs) um sich; Tek‐ kies leiden unter Denglisch, und im Startup werfen die Gründer: innen mit Superlativen und „Bullshit-PR“ um sich, weil das „eben so üblich ist“. Der vorliegende Ratgeber will helfen. Dabei ist nichts von alldem in Stein gemeißelt. Stattdessen beruhen die nachfolgenden Kapitel ausschließlich auf meiner Erfahrung und jenem Wissen, dass ich mir in vielen Gesprächen und Recherchen angeeignet habe. Nicht alles, was folgt, wird für Sie persönlich oder Ihr Schreibprojekt relevant sein. Manchmal kann es sogar erforderlich sein, dass Sie sich von den Empfehlungen und Tipps distanzieren und einen anderen Weg einschlagen. Denken Sie beim Lesen dieses Buches daher immer daran, dass Sie der Autor oder die Autorin Ihrer Texte sind. Sie kennen die konkreten Anforderungen oder Konventionen Ihrer Fachdisziplin und Vorwort 10 <?page no="11"?> Sie wissen am besten, welche Strategie für Sie persönlich funktioniert und welche nicht. Um gleich aus dem Nähkästchen zu plaudern und es anschaulich zu machen: In früheren Büchern von mir war ich eine überzeugte An‐ hängerin des generischen Maskulinums. Meine Argumentation: Immer die weibliche Form mitnennen ist lang und umständlich und erschwert das Textverständnis; Abkürzungen mit Binnen-I oder Schrägstrich empfinde ich ebenfalls als unleserlich. In diesen Büchern findet sich daher immer ein Passus, in dem ich darauf hinweise, dass weibliche Leser, Autoren, Wissenschaftler selbstverständlich mit eingeschlossen sind (mehr dazu auch in Kapitel 2.7). Mittlerweile glaube ich, dass es nicht reicht, Frauen nur mitzu‐ meinen. Gleichzeitig werden Sie bei aufmerksamer Lektüre feststellen, dass ich nicht immer beide Geschlechter nenne. Wenn ich von der Lesersicht schreibe, müsste ich auch die Leserinnensicht nennen. Gleiches gilt für Worte wie Autorschaft, Leserschaft, Leserorientierung und dergleichen zusammengesetzte Nomen mehr. Ich habe also selbst noch keine Lösung gefunden, die einerseits beiden Geschlechtern und andererseits meinem subjektiven Empfinden für Sprachästhetik gerecht wird. Sprache formt die Wirklichkeit, und so sehe ich es heute als meine Pflicht, mich mit dem Thema einer gendersensiblen und vorurteils‐ freien, klischeearmen Sprache auseinanderzusetzen. Das Ergebnis sind gewisse Inkonsistenzen - mal spreche ich nur vom männlichen, mal vom weiblichen Geschlecht, mal von beiden. Und bei Wortzusammen‐ setzungen- ich will es ganz offen zugeben - erschien mir die maskuline Form als die verständlichere. Verstehen Sie dieses Buch daher bitte nicht als Regelwerk - der Duden ist hier ein sehr viel besserer Lehrer als ich es je sein könnte. Mein Ziel ist es, Sie dazu anzuregen, über Ihre mündliche und schrift‐ liche Ausdrucksweise nachzudenken. Ja, Sie werden ihn finden, den erhobenen, mahnenden Zeigefinger, aber zugleich soll es Ihnen Spaß Vorwort 11 <?page no="12"?> machen, die Texte zu lesen. Ich will nicht an das Schreckensbild eines qualvollen, längst überstanden geglaubten Deutschunterrichts anknüpfen, sondern bei Ihnen vor allem die Lust am Schreiben wieder wecken. Ich wünsche Ihnen eine unterhaltsame Lektüre und frohes Schreiben! Schriesheim, August 2021 Lydia Prexl Das sollten Sie vorab über dieses Buch wissen Das Buch gliedert sich in vier Teile. Der erste Teil widmet sich der Frage, was gute Texte eigentlich auszeichnet. Das ist insbesondere eine präzise Botschaft und daraus abgeleitet eine klare Struktur. Der zweite Teil befasst sich konkret mit der Sprache. Stil ist etwas sehr Subjektives - das haben Sie sicher schon bei eigenen Text erfahren: Der eine mag es detailliert und variantenreich, der andere kurz und knapp. Und doch gibt es gewisse Prinzipien, die sich für informative Texte bewährt haben. Was Sie dagegen in Ihrer Freizeit poetisch ersinnen, ist von diesem Prinzipien unbenommen. Der dritte Teil widmet sich konkreten Textsorten und dem „Drumherum“ - etwa Fragen zum Abstract, zum Zitieren oder zu Pressemeldungen. Der vierte Teil schließlich setzt sich mit der Frage auseinander, was Sie tun können, wenn es mit dem Schreiben nicht klappt - wie Sie also Schreibhürden überwinden können. Wo es mir sinnvoll erschien, habe ich Übungen eingebaut - eine emögliche Lösung finden Sie am Ende des Buches. Sie können das Buch von vorne bis hinten „durcharbeiten“ - dann benötigen Sie etwa drei Stunden Lesezeit. Sie können die einzelnen Kapitel jedoch auch unabhängig voneinander kreuz und quer lesen - je nach Lust und Laune. In diesem Fall lässt sich das Buch auch als Vorwort 12 <?page no="13"?> eine Art „Nachschlagewerk“ auffassen. Am Ende des Buches finden Sie einige Checklisten, um das Gelesene zu vertiefen. Hinweis! Gendern In diesem Buch wird die weibliche Form in der Regel mit einem Doppelpunkt abgetrennt oder beide Geschlechter genannt. Bei zusammengesetzten Substantiven wird nur die männliche Form genutzt. Vorwort 13 <?page no="15"?> Bevor es losgeht - Was macht gute Texte eigentlich aus? Was macht einen guten Text aus? Wenn ich Workshops zum Schreiben halte, ist das immer meine erste Frage. Die zweite Frage lautet: Welche Fähigkeiten braucht es, um einen guten Text zu schreiben? Beide Fragen zeigen auf der Hand, sich nur wenige Menschen haben sich schon einmal damit befasst. Weshalb auch? Und doch wissen wir eigentlich alle, was zu einem guten Text dazu gehört und was nicht. Eine klare Struktur beispielsweise und eine prä‐ zise Sprache. Schachtelsätze, Fremdwörter, Anglizismen und kompli‐ zierte Genitivkonstruktionen machen einen Text dagegen eher sperrig. Es ist erstaunlich, wie viele Dinge den Seminarteilnehmer: innen ein‐ fallen, wenn sie erst einmal beginnen, sich mit der Frage zu befassen. Nicht weniger erstaunlich ist, dass selbst heterogene Gruppen immer wieder zu den gleichen Antworten kommen. Studierende unterschied‐ lichster Fachdisziplinen, Ingenieur: innen, BWLer, Beamtinnen im öffentlichen Dienst, Mitarbeiter: innen der Universitätsbibliotheken, Menschen aus sozialen Einrichtungen - sie alle haben ein instinktives Gespür dafür, was einen guten Text ausmacht. Es scheint also ein universales Prinzip guter Texte zu geben, das wir uns nur nicht bewusst machen. Die Übung zeigt auch, dass wir ebenfalls wissen, was es braucht, um einen guten Text zu schreiben. Zumindest in der Theorie. Ausdauer ge‐ hört dazu und Disziplin, Kreativität, Motivation und Zeitmanagement, Fachkenntnisse und Stilkompetenz, rhetorisches Geschick, Wortge‐ wandtheit, und vieles mehr. Das ist der Grund, weshalb Schreiben nicht immer leicht ist: Wir müssen viele Fähigkeiten gleichzeitig <?page no="16"?> beherrschen und können nicht erst einen Punkt abarbeiten, bevor wir uns dem nächsten widmen. Die wichtigsten zwei Eigenschaften, die einen guten Text ausma‐ chen, sind dennoch sehr einfach: ■ Man braucht eine Botschaft und … ■ man muss diese Botschaft klar kommunizieren. Das erste setzt voraus, dass man etwas zu sagen hat. Wer nichts zu sagen hat, sollte auch nichts schreiben. So einfach ist das. Inhaltsleere Texte gibt es leider schon in Hülle und Fülle. Das zweite setzt ein wenig Übung und Fleiß voraus. Doch gutes Schreiben ist ein Handwerk - es lässt sich lernen. Der erste Teil des Buches widmet sich der Frage nach einem guten Text auf der Makroebene, also auf Ebene der Inhalte und der Struktur. Im zweiten Teil geht es dann um die Mikroebene, also die Ebene des Satzbaus und der Wortwahl. Bevor es losgeht - Was macht gute Texte eigentlich aus? 16 <?page no="17"?> 1 Der Ingenieur als Märchenonkel? Warum Texte eine Geschichte brauchen Menschen lieben Geschichten - ob spannend, gruselig, romantisch oder rätselhaft. Davon können auch sachliche Texte profitieren. Längst ist der Begriff des Storytelling zu einem geflügelten Wort im Marketing und in der Pressearbeit geworden. Nicht Zahlen und Fakten, sondern Geschichten sollen Kund: innen zum Kauf von Produkten animieren oder das Image eines Unternehmens verbessern. Doch was ist dran am Geschichtenerzählen und inwiefern lässt sich die Idee auf Fachtexte anwenden? Seit jeher erzählen sich Menschen Geschichten - ganz freiwillig, an allen Orten und in allen Gesellschaften. Das Geschichtenerzählen ist so alt wie die Menschheit selbst und tief in uns verwurzelt. Aus diesem Grund bezeichnete der schottisch-amerikanische Philosoph Alasdair MacIntyre den Menschen als storytelling animal, denn die Fähigkeit, Geschichten zu erfinden und zu teilen ist eine Besonderheit, die uns von allen anderen Tieren abhebt. Schön, werden Sie denken, doch was hat das mit sachlichen Gut‐ achten, nüchternen Berichten oder präzisen Fachartikeln zu tun? Nun, Kommunikation im Berufsleben hat vor allem die Funk‐ tion, die Geschäftspartner: innen, Kund: innen, Kolleg: innen oder Mit‐ arbeiter: innen zu überzeugen: von der eigenen Kompetenz, von der Qualität der Leistungen, vom Unternehmen oder Ähnlichem. Laut Robert McKee, US-amerikanischer Dozent für kreatives Schreiben und Drehbücher, gibt es zwei Wege, um Menschen zu überzeugen: rational durch Zahlen und Fakten, oder emotional durch eine Geschichte. Der erste Weg ist Ihnen bestens vertraut: Indem Sie sich auf Fakten und Ihr Fachwissen berufen, etablieren Sie sich als Experte oder <?page no="18"?> Expertin. Das ist auch gut so, schließlich wollen Sie ja als kompetent wahrgenommen werden, seien Sie nun in Ihrer Rolle als Gutachter: in, Dienstleister: in, Vorgesetzte: r , Mitarbeiter: in oder Teammitglied an‐ gesprochen. Fachwissen und Zahlen und Fakten müssen also sein, keine Frage. Doch müssen sie immer und an erster Stelle stehen? Ich will hier eine Lanze brechen für den zweiten Weg: Überzeugen durch Geschichtenerzählen. Geschichten berühren uns. Sie unterhalten uns. Sie machen uns neugierig. Eine gute Geschichte bringt uns dazu, uns die Nacht um die Ohren zu schlagen, weil wir wissen wollen, wer der Mörder ist oder ob die Liebenden zu einem Happy End finden. Einer guten Geschichte sind wir quasi hilflos ausgeliefert. Warum das so ist, darüber gibt es mittlerweile dicke Abhandlungen und Theorien. Fest steht: Wir können gar nicht anders als mitfiebern und mitfühlen. Das hat mehrere Gründe. Geschichten sind zum Bei‐ spiel einfacher zu verstehen und zu merken als trockene Fakten. Sie sprechen auch unsere Gefühle und damit unser emotionales Ge‐ dächtnis an. Und sie stellen eine Nähe zwischen der Botschaft hinter der Geschichte und den Leser: innen her - die Aufmerksamkeit ist also höher. Machen Sie sich diese Vorliebe beim nächsten Vortrag oder dem nächsten Text zu Nutze und erzählen Sie Ihrem Publikum eine Ge‐ schichte. Spätestens jetzt werden einige von Ihnen vermutlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sich fragen, ob ich jetzt völlig übergeschnappt bin? ! Gewiss - nicht immer ist es möglich oder sinnvoll, sämtliche Inhalte in einer Geschichte zu verpacken. Das gilt etwa für Gutachten, Protokolle oder Angebotsunterlagen. Diese Texte unterliegen klaren Gepflogenheiten und teilweise expliziten Normen hinsichtlich Sprach‐ stil und Struktur. Ich meine auch nicht, dass Sie einen Krimi oder Detektivroman schreiben sollen. 1 Der Ingenieur als Märchenonkel? Warum Texte eine Geschichte brauchen 18 <?page no="19"?> Und dennoch bleibe ich dabei: Präsentationen und Texte sollten erzählend sein, und zwar dahingehend, als sie die Zuhörer: innen bzw. Leser an die Hand nehmen und stringent durch den Vortrag oder den Text leiten. Sie können vielleicht nicht das Was - also den Inhalt der Geschichte - bestimmen, aber das Wie - also die Struktur - beeinflussen. Und dieses Wie sollte aussagekräftig und schlüssig sein. Wissen! PAIN-GAIN-MAGIC Die Geschichte, die Sie dabei erzählen, lässt sich oft (nicht immer) auf das Muster PAIN - GAIN - MAGIC herunterbrechen. Am Anfang steht also ein Problem, dass bislang noch nicht, zu wenig oder mit anderen Methoden und Daten bearbeitet wurde. Sie gehen strukturiert und methodisch überlegt an die Lösung des Problems heran und nutzen andere Annahmen, Modelle, Berech‐ nungen, Konzepte, Herangehensweisen oder was auch immer, um das beobachtete Phänomen oder den Sachverhalt zu erklären oder zu konkretisieren. Und - tataaa! - am Ende, wer hätte es vermutet, gibt es hoffentlich ein glückliches Ende oder aber zumindest die Aussicht auf ein solches, wenn Ihr Adressat Ihnen Glauben schenkt und Sie beauftragt oder mit Ihnen zusammenar‐ beitet, oder, oder, oder. Das ist zugegeben stark vereinfacht, aber letztendlich funktionieren fast alle Geschichten so: Junge trifft Mädchen, die beiden verlieben sich, es gibt eine Komplikation, eine Hürde oder eine Verstrickung, die ausgeräumt werden muss und dann… Sie wissen schon. Oder die heile Welt wird von einer bösen Macht heimgesucht und muss das Böse besiegen. 1 Der Ingenieur als Märchenonkel? Warum Texte eine Geschichte brauchen 19 <?page no="20"?> Jedenfalls bleibe ich dabei: Narrative Elemente schaden nicht. Im Gegenteil. Hier ein kleines Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie müssen einen allgemein verständlichen Text darüber schreiben, wie wichtig ein gezielter Hochwasserschutz für Unternehmen ist. Sie können natürlich mit Fakten einsteigen: Jedes Jahr gibt es soundsoviele Hoch‐ wasserereignisse, die soundsoviel Schaden anrichten und soundsoviele Menschenleben kosten. Das mag dramatisch sein, aber emotional greifbar? Sie können aber auch szenisch einsteigen. Journalist: innen sprechen hier von einem angefeaturten Bericht. Das Feature bezeichnet eine Darstellungsform, die anhand konkreter erzählerischer Beispiele ein Thema mittels Fakten behandelt. Sachverhalte werden durch kleine Geschichten, Szenen und Zitate in Bilder übersetzt, die dem Alltags‐ wissen der Rezipient: innen entsprechen. Ihr könntet also auch so beginnen: „Mit dem Jahrhunderthochwasser der Ahr im Jahr 2021 verlor Elena Woznik ihr Zuhause. Ihre Hoffnung verlor sie nicht. Stattdessen arbeitet sie emsig am Wiederaufbau des nahezu vollständig zerstörten Dorfes…“ Oder à la BILD-Zeitung: „Bis in den ersten Stock stand das Wasser. Als die Fluten wichen, blieb der Schlamm zurück. Elena Woznik ist 43 Jahre alt. Im Sommer 2021 war ihr Leben ein Scherbenhaufen. Und zwar wortwörtlich: Denn damals, beim Jahrhunderthochwasser der Ahr, verlor sie ihr Zuhause.“ Ist zwar dramatisch, aber emotional. Und es geht ja auch ein paar Nummern kleiner. In diesem Sinne: frohes Geschichtenerzählen. 1 Der Ingenieur als Märchenonkel? Warum Texte eine Geschichte brauchen 20 <?page no="21"?> 1.1 Die Magnetbotschaft Ein guter Text lebt von einer klaren Botschaft. Sie hilft Ihnen, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen. Damit ein Text gut wird, brauchen Sie eine klare Botschaft. Diese Botschaft ist für Ihren Text wie ein Magnet: Sie ordnet Ihre Gedanken und trennt Wesentliches von Unwesentlichem, so wie ein Magnet dafür sorgt, dass sich Eisenspäne in konzentrischen Kreisen um ein Zentrum anordnen, während sich Holzspäne oder andere nicht-magnetische Materialien einfach wegpusten lassen. Um diese Magnetenbotschaft herauszuarbeiten, hilft es, wenn Sie eine klare Fragestellung formulieren. Eine Frage, die mit einem Fragezeichen endet. Schreiben Sie sich diese Fragestellung auf und pinnen Sie sie in die Nähe Ihres Arbeitsplatzes oder Ihres Computers. Ich betone das an dieser Stelle so stark, weil jede Frage eine Antwort verlangt. Auf diese zentrale Antwort schreiben Sie hin - es ist Ihre Magnetenbotschaft. Wie Sie dabei beim Schreiben vorgehen, ist Ihnen überlassen: Manche produzieren sehr schnell sehr viel Text; andere gehen mit einem genauen Plan an die Rohfassung heran. Ich durfte einen Studenten kennenlernen, der die Arbeit „rückwärts“ schrieb und immer mit den Schlussfolgerungen loslegte. Unabhängig von Ihrem jeweiligen Schreibtyp geht es an dieser Stelle vor allem darum, Ihre Gedanken aufs Papier zu bringen. Es muss nicht perfekt sein - über‐ arbeiten können Sie später. Damit Ihr Text jedoch nicht ausufert und Sie den Fokus nicht verlieren, kann es hilfreich sein, wenn Sie sich immer wieder auf Ihre Magnetenbotschaften besinnen. Was wollen Sie in diesem Kapitel oder in diesem Abschnitt sagen? Was ist die zentrale Aussage Ihres Absatzes? Vielleicht müssen Sie mit einem Absatz 1.1 Die Magnetbotschaft 21 <?page no="22"?> nochmal neu ansetzen oder zwei oder drei Varianten schreiben, ehe Sie Ihre Idee gut in Worte packen können. Der US-amerikanische Makro- und Finanzökonom John Howland Cochrane spricht in diesem Zusammenhang auch davon, dass Sie den wesentlichen Beitrag Ihrer Arbeit („the one central and novel contri‐ bution of your paper“) herausarbeiten sollen. Möglicherweise fällt es Ihnen in der Phase der Überarbeitung leichter, die Kernbotschaften zu präzisieren. Vielleicht können Sie die Kernbotschaften aber auch als Impulse nutzen, um fokussierter zu schreiben. Im Grunde lässt sich ein guter Text auf diese zwei Forderungen reduzieren. Machen Sie den Leser: innen klar, warum sie ihre Zeit dafür investieren sollte, das jeweilige Kapitel zu lesen. Bedenken Sie, dass Sie aus der überlegenen Expertenrolle schreiben und das Publikum an die Hand nehmen müssen. Warum steht das Kapitel an dieser Stelle im Text und wie hängt es mit den vorherigen und den nachfolgenden Kapiteln zusammen? Wenn Sie einzelne Sätze, Textabschnitte und Kapitel aufeinander beziehen, ist dies ein guter Indikator für einen stimmigen roten Faden - und damit für eine gute Geschichte. 1.2 Wenn Pyramiden Kopfstand machen Wer Zeitung liest, ist mit dem Prinzip vertraut: Das Wichtigste kommt zuerst. Die umgekehrte Pyramide hilft jedem, der Informationen schnell vermitteln will. 48 Minuten - so viel Zeit verbringen die Deutschen im Schnitt damit, Tageszeitungen, Zeitschriften und Bücher zu lesen. Studien zeigen, dass Printmedien immer weniger gelesen werden - gleichzeitig steigt 1 Der Ingenieur als Märchenonkel? Warum Texte eine Geschichte brauchen 22 <?page no="23"?> jedoch unsere tägliche Lesezeit. Wir lesen also mehr, aber auf anderen Kanälen: im Smartphone, auf dem Tablet, dem E-Reader oder am Bildschirm. Für einen Schreiber oder eine Schreiberin heißt das: Um das Interesse seiner Zielgruppe zu wecken, bleiben ihm meist nur wenige Sätze - manchmal sogar nur wenige Zeichen. Wer eine Tageszeitung liest, überfliegt meist nur die Überschriften und manchmal die ersten Sätze einer Meldung. Und nur wenn die interes‐ sant sind, liest er weiter. In der Fachsprache wird diese Lesetechnik als Skimming bezeichnet. Acht Minuten verbringen die Bundesbürger durchschnittlich mit einer Tageszeitung - da bleibt für mehr als ein sehr oberflächliches Drüberlesen keine Zeit. Wissen! Umgekehrte Pyramide Journalist: innen schreiben Meldungen und Berichte daher immer nach dem Prinzip der umgekehrten Pyramide. Dieses Prinzip be‐ sagt, dass Informationen nach abnehmender Wichtigkeit geordnet werden. Der erste Satz einer Meldung (der sogenannte Lead) beantwortet also die wichtigsten W-Fragen (Wer hat was wann wo wie und warum getan und woher stammt die Information, d. h. aus welcher Quelle? ) Und die Überschrift wiederum kondensiert noch einmal die wichtigsten Fakten des ersten Satzes (meistens Wer? und Was? ) Nach diesem Einstieg folgen nähere Einzelheiten, am Schluss stehen meist Hintergründe, Ursachen, Wirkungen oder eine Einordnung in den Gesamtkontext. Der Grund der umgekehrten Pyramide reicht weit in die Vergangen‐ heit zurück: Als die Druckformen für Zeitungen noch mit einzelnen Bleilettern gesetzt wurden, brauchte der Setzer eine Möglichkeit, Texte 1.2 Wenn Pyramiden Kopfstand machen 23 <?page no="24"?> flexibel zu kürzen. Bei der umgekehrten Pyramide konnte er Sätze so lange vom Ende her streichen, bis der Text auf die Druckseite passte. Mittlerweile hat sich das Prinzip bei allen informationsbasierten Nachrichtenformaten durchgesetzt, auch im Radio, im Fernsehen und bei Online-Texten. Das Wichtigste kommt zuerst. Und zwar sowohl bezogen auf die einzelne Meldung als auch auf das große Ganze, also etwa die gesamte Zeitung oder die ganze Nachrichtensendung. Und warum schreibe ich das alles? Tja, weil sich diese umgekehrte Pyramide auch wunderbar auf viele andere Texte anwenden lässt. Man denke nur an die täglichen E-Mails. Wie schön wäre es doch, wenn die Betreffzeile jeder E-Mail aussagekräftig und passend zum Rest der E-Mail wäre! Ich weiß, ich mache das auch nicht immer, aber stellen Sie es sich doch einmal vor… Oder wenn jedem zweibis dreiseitigen Dokument eine Mini-Zusammenfassung der wichtigsten Kernaussagen vorangestellt wäre? Oder wenn jeder Text sinnvoll mit Zwischenüberschriften versehen wäre? Oder Präsentationen, in denen der Referent oder die Referentin mit den Schlussfolgerungen beginnt und erst danach aufdröselt, wie er oder sie dorthin gekommen ist. Kurz und gut: Fangen Sie doch mal mit dem Ergebnis an! Ihre Kund: innen, Kolleg: innen, Vorgesetzte oder Partner: innen werden es Ihnen danken! Schließlich haben Sie selbst ja auch keine Lust, sich durch Berge an Papier zu quälen, um dann in einem Nebensatz auf der vorletzten Seite das Ergebnis einer Studie oder Untersuchung zu finden. Gerade bei längeren Texten hilft ein Abstract oder eine Kurzbeschreibung (Executive Summary) den Leser: innen dabei, das Wichtigste schnell zu erfassen. Wie die Spitzfindigen unter Ihnen sicher schon bemerkt haben, gilt das Prinzip der umgekehrten Pyramide für meinen eigenen Text nur bedingt. Das liegt daran, dass es sich bei diesem Text nicht um eine 1 Der Ingenieur als Märchenonkel? Warum Texte eine Geschichte brauchen 24 <?page no="25"?> Nachricht, sondern eher um eine Glosse handelt - es geht also immer auch um meine persönliche Meinung. Zu diesen subjektiven, meinungsbetonten Textformen zählen auch Porträts, Kommentare und Reportagen - also jene journalistischen Formate, die auch unter‐ halten wollen. Übung! Meldung schreiben Wer an einer Journalistenschule das kleine Einmaleins des Nachrichtenschreibens lernt, wird immer mit einem sehr inter‐ essanten Korrespondenbericht aus dem Jahr 1914 konfrontiert. Damals berichtete die „Vossische Zeitung“ in Berlin über jenes Attentat, das den Ersten Weltkrieg auslösen sollte, in chronolo‐ gischer Reihenfolge. Achten Sie mal darauf, in welchem Satz der Thronfolger stirbt. Hier der Text: Sarajewo, 28. Juni. (Telegramm unseres Korrespondenten) Als der Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin, die Herzogin von Hohenburg, sich heute vormittag zum Empfange in das hiesige Rathaus begaben, wurde gegen das erzherzogliche Automobil eine Bombe geschleudert, die jedoch erst explodierte, als das Automobil des Thronfolgers die Stelle bereits passiert hatte. In dem darauffolgenden Wagen wurden der Major Graf Boos-Waldeck von der Militärkanzlei des Thronfolgers und Oberstleutnant Merizzi, der Personaladju‐ tant des Landeshauptmanns von Bosnien, erheblich verwundet. Sechs Personen aus dem Publikum wurden schwer verletzt. Die Bombe war von einem Typographen namens Cabrinowitsch geschleudert worden. Der Täter wurde sofort verhaftet. Nach dem festlichen Empfang im Rathause setzte das Thronfolger‐ paar die Rundfahrt durch die Straßen der Stadt fort. Unweit des Regierungsgebäudes schoß ein Gymnasiast der achten Klasse 1.2 Wenn Pyramiden Kopfstand machen 25 <?page no="26"?> (Primaner) namens Prinzip aus Grabow aus einem Browning mehrere Schüsse gegen das Thronfolgerpaar ab. Der Erzherzog wurde im Gesicht, die Herzogin im Unterleib getroffen. Beide verschieden, kurz nachdem sie in den Regierungskonak ge‐ bracht worden waren, an den erlittenen Wunden. Auch der zweite Attentäter wurden verhaftet, die erbitterte Menge hat die beiden Verbrecher nahezu gelyncht. Wie würde wohl heute dazu die Meldung lauten? Eine Lösung finden Sie am Ende des Buches. 1.3 Ein Loblied auf das Imrad - Wie Einleitung und Schluss den Text umrahmen Jeder längerer Text besteht aus einer Einleitung, einem Hauptteil und einem Schluss - egal, ob es sich um ein mehrere hundert Seiten dickes Buch oder einen kurzen Artikel handelt. Die IMRaD-Formel hilft, Texte zu strukturieren. Im letzten Beitrag hatte ich darüber geschrieben, dass Informationen in kurzen Texten am besten nach abnehmender Wichtigkeit geordnet werden - nach dem Prinzip der umgekehrten Pyramide. Doch was machen wir bei längeren Texten wie Gutachten oder Berichten? Sicher, eine vorangestellte Zusammenfassung der wesentlichen Inhalte hilft der Leserin oder dem Leser schon mal weiter. Auch ein Inhaltsverzeichnis und die äußere Gliederung sind wichtige Hilfen, um sich rasch in einem Text zurechtzufinden. Daneben hat sich jedoch auch eine typische Struktur von Texten herausgebildet. Sie gilt vorwiegend für ausführliche Abschlussberichte oder wissenschaft‐ liche Fachartikel, lässt sich aber praktisch auf alle Textdokumente übertragen, vom Gutachten bis zur E-Mail. 1 Der Ingenieur als Märchenonkel? Warum Texte eine Geschichte brauchen 26 <?page no="27"?> Wissen! IMRaD-Folge Die Rede ist von der sogenannten IMRaD-Folge. Das Akronym IMRaD steht für die englischen Begriffe Introduction, Methods, Results and Discussion und meint folgende Bestandteile: Einleitung: Was sind Veranlassung und Ziel? Worum geht es? Methoden: Welches Vorgehen (Methoden, Theorien, Konzepte, Daten, Messverfahren, Analysen etc.) kommen zum Einsatz? Wie wird das Ziel erreicht? Ergebnisse: Was sind die zentralen Ergebnisse? Diskussion: Wie zufriedenstellend wurde das Ziel erreicht? Welche Rückschlüsse sind anhand der Ergebnisse möglich? Die IMRaD-Folge ist nicht auf die Ingenieurwissenschaften be‐ schränkt, sondern ist eine Struktur, die sich aus dem Forschungspro‐ zess ableitet. Daher findet sie sich in vielen empirischen und oft auch in qualitativen Untersuchungen und wird von Leserinnen und Lesern geradezu vorausgesetzt. Überlegen Sie doch selbst einmal, was Sie von Texten erwarten. Selbst E-Mails beginnen oft mit dem Beweggrund oder Kommunika‐ tionsanlass. „Ich wende mich an Sie, weil ich…“ oder „Ich schreibe Ihnen, um Sie einzuladen…“ Es folgen weitere Informationen zum Ziel und zu Details des Vorgehens, bevor Ergebnisse festgehalten und Empfehlungen geäußert werden. Das hat auch einen einfachen Grund: Leserinnen und Leser wollen früh entscheiden, ob der folgende Text für sie relevant ist. Ich habe einen sehr netten Kollegen, der jedoch die etwas nervige Eigenheit besitzt, erst am Ende einer Besprechung zum Punkt zu kommen. „Der eigentliche Grund des Gesprächs..“, „Was ich noch 1.3 Wie Einleitung und Schluss den Text umrahmen 27 <?page no="28"?> fragen wollte…“… Vielleicht kennen Sie in Ihrem Arbeitsumfeld auch Personen, die um den heißen Brei herumreden, und Sie sich in dieser Zeit fragen, worum es dem Gegenüber eigentlich geht? Stellen Sie sich vor, jeder Text begänne mit einer klaren Absicht und würde Ihnen kurz erklären, weshalb Sie den Text lesen sollten? Start with why heißt ein vielzitierter Buchtitel des britisch-amerikanischen Autors Simon Sinek. Sinek bezieht sich zwar auf die Daseinsberechti‐ gung von Unternehmen, doch die Grundbotschaft lässt sich auf viele Bereiche übertragen. Medienmacher, Regisseurinnen, Dramaturgen, Schriftstellerinnen - sie alle wissen um die Bedeutung der ersten Zeile oder der ersten Sekunden. Es geht darum, dass Publikum zu fesseln und seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit zu gewinnen. Gewiss: Im Berufsalltag steht die Information im Vordergrund, nicht die Unterhaltung. Dennoch liefert die Einteilung von Texten in Veranlassung, Ziel, Vorgehen, Ergebnis und Schluss‐ folgerungen eine gute Orientierung, um diese Informationen zu gliedern. Den größten Fehler, den Sie machen können, ist übrigens, Einleitung und Schluss lieblos „runterzuschreiben“. Denn diese Teile Ihres Texts werden wahrscheinlich besonders intensiv gelesen. In meiner Zeit als Schreibberaterin bin ich vielen Studierenden begegnet, die kurz vor knapp eine Nachtschicht einlegten und den Schluss hinpfuschten. Das ist fatal. Denken Sie nur daran, wie Sie selbst Texte konsumieren: Meistens lesen Sie Überschrift und - wenn vorhanden - Abstract, Zusammenfassung, oder Teaser; im nächsten Schritt Einleitung und Schluss und nur bei sehr relevanten Texten lesen Sie auch den Haupt‐ teil ganz oder zumindest auszugsweise. Warum sollten Ihre eigenen Leserinnen und Leser sich anders verhalten? 1 Der Ingenieur als Märchenonkel? Warum Texte eine Geschichte brauchen 28 <?page no="29"?> 1.4 Alle Macht dem Publikum oder warum der rote Faden so wichtig ist Der rote Faden ist zu einem geflügelten Wort einer guten Struktur ge‐ worden. Doch wie finden Sie diesen berühmten roten Faden, der Ihren Text zusammenhält? Einst hörte man „von einer besondern Einrichtung bei der englischen Marine. Sämtliche Tauwerke der königlichen Flotte, vom stärksten bis zum schwächsten, sind dergestalt gesponnen, dass ein roter Faden durch das Ganze durchgeht, den man nicht herauswinden kann, ohne alles aufzulösen, […] der alles verbindet und das Ganze bezeichnet.“ Mit diesen Worten beschreibt Johann Wolfgang von Goethe in seinem 1809 erschienenen Roman Die Wahlverwandtschaften jenen besonderen Faden, der seither bildlich für eine klare Struktur steht. Um ihn herauszuarbeiten, gibt es einen wichtigen Rat: Denken Sie von der Zielgruppe her. Klingt leichter, als es ist. Denn Sie kennen die Zusammenhänge und Kernaussagen, während Ihre Leser: innen in die Rolle der Schüler: innen einnehmen. Versuchen Sie also, den Text aus der Brille Ihrer Zielgruppe wahrzunehmen. Bräuchten Ihre Leser: innen vielleicht mehr Informationen oder einen anderen Über‐ gang zwischen den Absätzen? Warum steht das Kapitel an dieser Stelle im Text und wie hängt es mit den vorherigen und den nachfolgenden Kapiteln zusammen? Fehlen Zwischenschritte in der Argumentation, die das Verständnis erleichtern würden? An welchen Stellen könnten Leser: innen Mühe haben, den Text zu verstehen? Wenn Sie einzelne Sätze, Textabschnitte und Kapitel aufeinander beziehen, ist dies ein guter Indikator für einen stimmigen roten Faden - und damit für eine gute Geschichte. Die Leserorientierung ist also eine Grundvoraussetzung für einen gut strukturierten Text. Sie beschreibt eine Haltung, die Sie sich immer 1.4 Alle Macht dem Publikum oder warum der rote Faden so wichtig ist 29 <?page no="30"?> zu eigen machen sollten. Der Leser ist König. Und die Leserin ist Königin. Doch die Leserorientierung allein reicht nicht - es gibt noch eine zweite Regel: Jeder Abschnitt, jeder Absatz, jeder einzelne Satz und im Grunde sogar jedes Wort sollte einen Beitrag dazu leisten, um Ihre Botschaft zu vermitteln. Diesen Beitrag sollten Sie Ihren Leserinnen und Lesern klar machen: Warum sollten sie ihre Zeit dafür investieren, den Text zu lesen? Welchen Mehrwert besitzt der gesamte Beitrag, der einzelne Abschnitt oder der einzelne Satz? Der rote Faden ergibt sich von dieser Warte aus betrachtet aus dem Zusammenspiel von äußerer Gliederung und innerer Ordnung. Die äußere Gliederung beschreibt die formale Einteilung in Kapitel und Unterkapitel, Anhänge und Verzeichnisse. Gemeint ist hier also die Übersichtlichkeit des Texts durch einen klaren formalen Aufbau, ein stimmiges Layout und aussagekräftige Überschriften. Wichtig ist die Selektion: Es ist Aufgabe des Autors oder der Autorin, zusam‐ menhängende Teile übersichtlich zu gruppieren und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Die innere Ordnung bezieht sich auf die Logik der Argumentation, also auf die Folgerichtigkeit des Texts durch eine logische Abfolge der Teilabschnitte und Aussagen. Hier geht es darum, Zusammenhänge zwischen den einzelnen Textteilen aufzuzeigen und fließende Über‐ gänge zu gestalten. Beides greift ineinander, denn ohne äußere Gliederung bleibt Ihr Text ein Fließtext ohne erkennbare optische Struktur; und ohne eine überzeugende und logische Darbietung der Inhalte nützt Ihnen die schönste äußere Hülle nichts. Damit jedes Kapitel bzw. Unterkapitel und jeder Abschnitt einen deut‐ lichen Bezug zum Gesamtthema aufweist, hilft es, wenn Sie eine Frage 1 Der Ingenieur als Märchenonkel? Warum Texte eine Geschichte brauchen 30 <?page no="31"?> formulieren. Denn jede Frage verlangt nach einer Antwort. Sie müssen diese Frage nicht in den Text schreiben - es reicht, wenn Sie sie vor dem inneren Auge behalten. Auf diese Weise arbeiten Sie in der schriftlichen Darstellung systematisch darauf hin, Ihre Fragestellung zu beantworten. Übrigens: Den roten Faden können Sie strenggenommen erst bewerten, wenn Sie eine erste Fassung Ihres Texts geschrieben haben. Gerade die Struktur und Stringenz der Argumentation ergibt sich oft erst, nachdem ein erster Rohtext steht. Denn erst zu diesem Zeitpunkt können Sie klar beurteilen, ob Sie Ihre ursprünglich formulierte Fragestellung auch tatsächlich beantworten oder ob Sie die Fragestellung unter Umständen modifizieren müssen. Erst durch das Schreiben verfestigen sich die Gedanken, Argumente und Inhalte. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Sie den roten Faden am Ende des Schreibprozesses nochmal überprüfen. Dies heißt freilich nicht, dass Sie die Route Ihrer Arbeit nicht im Vorfeld planen sollten. Doch erst wenn Sie am Ziel sind, können Sie beurteilen, ob ein anderer Weg nicht vielleicht kürzer oder in einer anderen Weise zielführender gewesen wäre. 1.5 Alles klar oder was? Die goldene Regel des Schreibens Wer schreibt, sollte eine wichtige Regel beachten: Seien Sie klar. Klar in Ihrer Botschaft, klar in Ihrer Struktur und klar in Ihrer Wortwahl. Alles andere ist nebensächlich. Sie alle kennen Menschen, die sich gerne gewählt ausdrücken. Im Fernsehen werden sie gern als Expertinnen und Experten zitiert; 1.5 Alles klar oder was? Die goldene Regel des Schreibens 31 <?page no="32"?> im privaten Umfeld passt man sein eigenes Sprachregister an. In ihrer Gegenwart nutzen wir mehr Fremdworte, sprechen klarer, und setzen vielleicht sogar bewusst den Genitiv „meinetwegen“ statt „wegen mir“. Warum passend, wenn es auch adäquat geht? Warum offensichtlich, wenn stattdessen auch die Evidenz der Ergebnisse zu Tage treten kann? Kurz: Warum einfach, wenn es auch verschachtelt und sperrig geht? Vielleicht liegt die Antwort darin begründet, dass wir uns schlauer fühlten, wenn wir uns kompliziert ausdrücken? Ein bisschen so, wie wenn ich die ZEIT lese und regelmäßig auf ein Fremdwort stoße, das ich nicht kenne. (Manchmal glaube ich ja, dass es einen internen Wettbewerb unter ZEIT-Journalist: innen gibt, bei dem jene Person einen Preis bekommt, die das seltsamste und unnötigste Fremdwort aller Zeiten in seinen Text untermogelt und den Lesenden damit vor Augen führt, wie unwissend sie sind… Aber das ist ein anderes Thema. Vielleicht waren wir zu faul, um verständlich zu schreiben? Denn lange um den heißen Brei herumreden kann jeder; die Kunst liegt darin, die Inhalte auf den Punkt zu bringen. Wie bereits der Sprachkritiker Wolf Schneider betonte, muss sich immer einer plagen - entweder die Autorin oder der Leser. Allzu oft habe ich den Eindruck, als entziehe sich der Autor seiner Pflicht und wälze die Plackerei auf die Leser: innen ab. Doch das ist nicht nur unhöflich, sondern auch kurzsichtig: Warum sollten sich die Leserinnen und Leser den Kopf zerbrechen, wenn doch der Autor oder die Autorin eine Botschaft loswerden will? Möglicherweise wussten wir es damals nicht besser. Doch so richtig glaube ich das nicht. Als ehemalige Dozentin an der Universität hatte ich früher die Ehre, vielen Studierenden und Nachwuchswissenschaft‐ lern die Kunst des akademischen Schreibens näher zu bringen. In meinen Vorlesungen fragte ich zum Einstieg immer, welche Kriterien einen guten Text auszeichnen. Das Überraschende: Auch ohne dass ich überhaupt ein Wort dazu verloren hatte, lieferte jede Gruppe hervorragende Ergebnisse. Offensichtlich wissen wir durchaus, was 1 Der Ingenieur als Märchenonkel? Warum Texte eine Geschichte brauchen 32 <?page no="33"?> Texte aus Lesersicht gut macht - und dennoch halten wir uns als Verfasser: innen nicht daran. Vielleicht trauten uns nicht, mit Konventionen zu brechen? Nach dem Motto: Wenn die Dozenten so schreiben, dann erwarten sie das auch von uns? Vermutlich liegt die Wahrheit in einem Sammelsurium an Gründen begraben. Das ändert jedoch nichts daran, dass unsere Texte - zumin‐ dest meine - aus stilistischer Sicht nicht gut waren. Ein Kauderwelsch an Fachbegriffen und sinnloser Komplexität. Womit ich bei der ent‐ scheidenden Frage wäre: Was macht denn nun einen Text verständlich? Wissen! Hamburger Modell Etwas ausführlicher befassen sich die drei Hamburger Psycho‐ logen Inghard Langer, Friedemann Schulz von Thun und Reinhard Tausch mit der Frage, was Texte verständlich macht. Die Autoren identifizieren vier Kriterien, die auch als Hamburger Modell zusammengefasst werden. Demzufolge sollten Texte einfach und prägnant formuliert, strukturiert und leserorientiert sein. Der Reihe nach: Das Kriterium der Einfachheit bezieht sich auf die Wortwahl und den Satzbau. Begriffe der Alltagssprache (oder zumindest vertraute Wörter) und kurze Sätze sind also vorzuziehen, Fremdworte und komplizierte Sätze zu vermeiden. Das Kriterium der Prägnanz meint, dass Textlänge und Informati‐ onsziel zusammen passen müssen. Eine extreme Weitschweifigkeit ist dabei ebenso wenig zuträglich wie eine zu dichte Schreibweise, die vollständig auf Erläuterungen oder Beispiele verzichtet. Auf Satzebene heißt das etwa, Füllwörter oder leere Floskeln zu streichen. Umgekehrt müssen Sie Wichtiges jedoch erläutern. Gerade Expert: innen laufen oft Gefahr, zu viel Wissen vorauszusetzen. 1.5 Alles klar oder was? Die goldene Regel des Schreibens 33 <?page no="34"?> Beim Kriterium der Strukturiertheit unterscheiden Langer, Schulz von Thun und Tausch zwischen einer klaren formalen, optischen Struktur des Texts und der inneren Ordnung der Inhalte. Es ist also Ihre Aufgabe, zusammenhängende Teile übersichtlich zu gruppieren und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Neben dieser äußeren Struktur muss der Text auch einer inneren argumentativen Logik folgen. Das Kriterium der Leserorientierung zielt auf all jene Zusätze, die das Interesse der Leser: innen wecken. Viele dieser sogenannten anregenden Zusätze wie eine gezielte Ansprache, Witze oder rhetori‐ sche Fragen sind in Fachtexten unpassend. Dennoch ist es auch hier möglich, die Inhalte leserfreundlich aufzubereiten - zum Beispiel mit nützlichen Grafiken und Tabellen oder aussagekräftigen Zitaten. Kennen Sie die Kindersendungen Checker Tobi und Willi wills wissen? Das sind Reportagen für Kinder, in denen komplizierte Themen sehr anschaulich aufbereitet werden. Physikalische Gesetze werden hier ebenso erklärt wie mikrobiologische Vorgänge in der Zelle oder die Frage, was künstliche Intelligenz ist. Das Geheimnis: anschauliche Vergleiche, mit denen Kinder etwas anfangen können. Und das funk‐ tioniert natürlich nicht nur bei Kindern. Fernsehformate wie Quarks nutzen ebenfalls Modelle und Vergleiche, wenn sie naturwissenschaft‐ liche Themen einem breiten Publikum zugänglich machen. In der Schreibberatung gibt es daher einen beliebten Trick. Die Frage lautet: Wie würden Sie das jetzt einem zehnjährigen Kind erklären? Oder alternativ: Schreiben Sie einen kurzen Beitrag für die Sendung mit der Maus. Im Journalismus nennt man das den „Küchenzuruf “; unter Manager: innen den „Elevator Pitch“. Das Prinzip ist das Gleiche: In wenigen Sätzen fassen Sie die wichtigsten Informationen für ihr Gegenüber zusammen, und zwar im Alltagsdeutsch. 1 Der Ingenieur als Märchenonkel? Warum Texte eine Geschichte brauchen 34 <?page no="35"?> Soweit die Theorie, nun zur Praxis: Die vier Kriterien sind gut und ehrenwert, und doch wird es Ihnen nur selten gelingen, sie gleichzeitig zu erfüllen. Denn die Kriterien fordern oft unterschiedliche Vorgehens‐ weisen. Denken Sie beispielsweise an Fachworte, die definiert werden müssen. Das macht den Text zwar verständlicher, aber zwangsläufig länger - Einfachheit und Kürze kollidieren. Auch zwischen einer an‐ gemessenen Anzahl an Beispielen und einem prägnanten Text besteht oft nur ein schmaler Grat. In all diesen Fällen müssen Sie abwägen. Und so komme ich zurück zu meiner Ausgangsthese: Seien Sie klar. Alles andere ergibt sich dann von allein. 1.6 Fastfood für Texte - Was Hamburger und Absätze gemeinsam haben Eine ausgewogene Ernährung besteht aus Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett. Ein guter Absatz braucht die gleichen Bestandteile. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was einen stimmigen Absatz auszeichnet? Ich will es Ihnen verraten: Ein guter Absatz lebt von drei Dingen: ■ belastbaren Aussagen, ■ schmackhaften Beispielen und Belegen und ■ geschmeidigen Übergängen. Jeder Absatz sollte eine Sinneinheit bilden. Ist der Gedanke ausgeführt, kommt ein neuer Absatz. Was in der Theorie leicht klingt, lässt sich in der Praxis manchmal nur schwer umsetzen: Wann hört ein Gedanke auf und wann beginnt ein neuer? Manche Autorinnen und Autoren gehen deshalb dazu über, nur Fließtext zu schreiben. Das ist keine gute Lösung, denn die 1.6 Fastfood für Texte - Was Hamburger und Absätze gemeinsam haben 35 <?page no="36"?> Absätze sind für Leserinnen und Leser eine wichtige Gliederungs- und Orientierungshilfe. Wieder andere Schreibende definieren einen Absatz nach der Länge: Ein Absatz sollte demnach aus mindestens drei bis fünf Sätzen bestehen und nicht viel länger als eine halbe Seite sein. In der Tat ist dies eine gute Richtschnur; viel entscheidender ist jedoch der Inhalt: Ein Absatz führt eine zentrale Idee aus, und diese zentrale Idee bestimmt den Aufbau und die Länge des Absatzes. Hilfreich sind hier die Regeln des Paragraph Writing aus dem angloamerikanischen Sprachraum. Diese Regeln sind insbesondere für den Essay wichtig, der in England und den USA eine klassische Form des wissenschaftlichen Schreibens darstellt. In Deutschland ist diese Form des wissenschaftlichen Essays weniger verbreitet und am besten zu vergleichen mit der Erörterung. Wissen! Paragraph Writing Der Grundgedanke des Paragraph Writing ist denkbar einfach: Jeder Absatz sollte sich demnach einer zentralen Idee widmen. Häufig, aber nicht immer, steht diese zentrale Idee im ersten Satz, dem sogenannten topic sentence. Im weiteren Verlauf wird diese Idee dann an Beispielen konkretisiert, mit Argumenten belegt oder interpretiert. Der letzte Satz fasst den Kerngedanken nochmal in anderen Worten zusammen oder leitet zum nächsten Absatz über. In angloamerikanischen Ratgebern wird die Absatzstruktur oft mit einem Hamburger verglichen: Die Brötchenhälften - also Kern- und Schlusssatz - halten den Absatz zusammen, sind für sich genommen aber trocken. Schmackhaft werden sie erst durch die Füllung: Unter‐ stützende Beispiele oder Belege, die Ihre Kernaussage anreichern und unterfüttern. 1 Der Ingenieur als Märchenonkel? Warum Texte eine Geschichte brauchen 36 <?page no="37"?> Nicht alles, was bei einem zweiseitigen argumentativen Essay gut funktioniert, lässt sich auf einen wissenschaftlichen Fachartikel 1: 1 übertragen. Dennoch ist die Hamburger-Struktur ein gutes Sinnbild für einen gelungenen Absatz, die Sie daran erinnert, pro Absatz nur eine zentrale Idee (gewissermaßen nur ein Brötchen) zu nutzen. Umgekehrt fehlt einem Absatz der Zusammenhalt, wenn er - um bildlich zu bleiben - nur aus Salat, Tomaten und Fleisch besteht. Versuchen Sie daher, beide Fehler zu vermeiden, indem Sie in jedem Absatz die Kernaussage unterstreichen oder ein Schlagwort dazu notieren (etwa „Methode“, „Vorgehen“, „Kritik“, „Modell“, „Definition“, „Herleitung“ etc.). Falls Ihnen das schwerfällt, haben Sie vielleicht mehr als eine - oder keine - zentrale Idee formuliert. In diesem Sinne: Lassen Sie sich Ihren Text schmecken. 1.6 Fastfood für Texte - Was Hamburger und Absätze gemeinsam haben 37 <?page no="39"?> 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? Texte verständlich formulieren Bei Fach- und Sachtexten zählt vor allem der Inhalt. Doch jeder Inhalt ist unmittelbar an Sprache gebunden. Aus diesem Grund kommen Sie kaum umhin, sich auch Gedanken über den Stil zu machen. Der Sprachwissenschaftler Harald Weinrich bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „Wir treffen in der Art und Weise, wie wir die Ergebnisse unserer Forschung präsentieren, immer auch eine ästhetische Wahl. […] Denn die Sprache ist zwar nicht die Sache, aber sie formt die Sache mit, und so kommt es, dass […] in allen Wissenschaften die Sprache zur Sache gehört.“ Was Weinrich für die Wissenschaft attestiert, gilt für sämtliche Texte - egal, zu welcher Gattung sie zählen. behandeln sie auch abstrakte Themen, so sind sie immer an konkrete Worte gebunden. Was heißt das nun für uns als Schreibende? Laut Sprachwissen‐ schaftlerin Deirdre McCloskey gibt es beim Schreiben eine einzige goldene Regel: „The one genuine rule, a golden one, is Be Clear.“ Sach- und Fachtexte wollen informieren und nicht unterhalten. Sie sind bereits wegen ihres Inhalts anspruchsvoll und bedürfen keiner zusätzlich komplexen Darbietung. Wenn ich diese Maxime des verständlichen Schreibens in Seminaren und Workshops erläutere, regt sich meist unmittelbar ein leichter Protest. „Alle wissenschaftlichen Texte sind kompliziert und sperrig. Das muss so sein. Das kann sie doch nicht ernst meinen! “ Während die Beobachtung leider viel zu oft zutrifft - tatsächlich sind viel zu viele wissenschaftlichen Texte in einem pseudowissen‐ schaftlichen Kauderwelsch verfasst -, ist die Schlussfolgerung voreilig. <?page no="40"?> Nur weil viele Wissenschaftler: innen - und übrigens nicht nur sie - glauben, dass Fachbegriffe von großer Belesenheit und Intelligenz zeugen, muss es noch lange nicht wahr sein. Die berühmtesten Wis‐ senschaftler: innen der Welt zeichnen sich dadurch aus, ihre Theorien und Modelle auch für den Laien anschaulich erklären zu können. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und behaupten: Nur wer seine wissenschaftliche Forschung auch einem Kind näher bringen kann, hat sein Thema wirklich verstanden. Bitte verlieren Sie beim Schreiben Ihr Publikum nicht aus dem Blick. Solange Ihre Arbeit verständlich ist, brauchen Sie sich um wissenschaftliche Stilsünden keine Gedanken machen. Denn was bringt es Ihnen, wenn Ihre Botschaften aufgrund Ihres elaborierten Fremdwortgebrauchs oder Nominalstils nicht bei Ihren Leser: innen ankommen? Eine Checkliste mit den wichtigsten Stilregeln finden Sie im Anhang (siehe Checkliste I). 2.1 Zwischen Fachsprache und Kauderwelsch - Ein Plädoyer für mehr Verständlichkeit Manchmal ist weniger mehr. „The secret is in the line“ - Das Geheimnis liegt in der Zeile.“ Das sagte der US-amerikanische Dichter Charles Bu‐ kowski. Und er hatte Recht. Vor einigen Jahren schrieb ich einen Text über die Sanierung ehema‐ liger Braunkohletagebaue in der Lausitz. Aus „bodenphysikalischen Kippenbodendatenbanken“ hatte ich schlicht eine Datenbank gemacht und den Fachbegriff „Setzungsfließen“ mit dem Sandburgenbau in Kindheitstagen verglichen, bei dem die Bauwerke in sich zusammen‐ sacken, sobald man einen Eimer Wasser darüber schüttet. Der Text war nicht perfekt, aber gut zu lesen. Dem Projektmanager gefiel er leider 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 40 <?page no="41"?> nicht. Zu unpräzise und unsachlich. Ich war frustriert; der Projektma‐ nager verärgert. Am Ende einigten wir uns auf einen Kompromiss, mit dem wir beide nicht wirklich glücklich waren. Wer hatte nun Recht? Aus fachlicher Sicht natürlich der Experte. Und bei Texten, die ein informiertes Fachpublikum adressieren, wäre ich ganz seiner Meinung gewesen. Der Text richtete sich jedoch an die allgemeine Bevölkerung, also an Menschen wie Sie und ich, die sich vielleicht für Forschung interessieren, aber kein spezielles Vorwissen mitbringen. In diesem Fall finde ich es zulässig, zugunsten der Leserfreund‐ lichkeit zu vereinfachen. Mag sein, dass diese Meinung meinem Beruf geschuldet ist: Als Kommunikationsreferentin lebe ich davon, die unterschiedlichsten Themen in einer Weise aufzubereiten und zu vermitteln, dass sie verständlich und idealerweise spannend sind. Das ist zumindest der Anspruch, den Journalist: innen und Presseleute haben - auch wenn sie ihn manchmal nicht erfüllen. Doch auch Expert: innen oder Manager: innen müssen immer wieder Texte für eine breite Zielgruppe schreiben - seien es nun die Mitglieder eines Gemeinde- oder Stadtrats, die Aktionär: innen oder die Anwoh‐ nerinnen und Anwohner am Standort. Die deutsche Sprache hat da freilich ihre Tücken und legt geflis‐ sentlichen Sprachpuristen so manch ein Hindernis in den Weg. So ist es im Deutschen etwa problemlos möglich, (beliebig) viele Substan‐ tive aneinander zu reihen. Das Ergebnis sind dann Wortungetüme wie „Schaltschrankbodeneinbauplatten“ und „Braunkohleflugasche‐ zwangsmischer“. Beliebt sind auch mehrfache Genitive in Kombina‐ tion mit Substantivierungen (z. B. „Durchführung der Überprüfung der Wirkung der Sanierungsmaßnahmen“). Bei Sachtexten kommen zudem Fachbegriffe, Zitate und Verweise, komplexere Satzstrukturen und ein unpersönlicher Stil im Passiv hinzu. 2.1 Zwischen Fachsprache und Kauderwelsch 41 <?page no="42"?> Gerade bei Sachtexten wie wissenschaftlichen Beiträgen, tech‐ nischen Dokumentationen oder Gutachten lassen sich einige dieser Besonderheiten mit den besonderen kommunikativen An‐ forderungen an diese Textform begründen. So zielen Sachtexte darauf ab, Informationen präzise zu verdichten und möglichst neutral darzustellen. Aus diesem Grund kommen Sie etwa nicht umhin, Fachbegriffe zu verwenden, denn der Präzisionsgrad der Allgemeinsprache reicht häufig nicht aus. Auch das Passiv ist in jenen Fällen angemessen, wenn es dazu dient, den Fokus auf die Handlung oder das Ergebnis einer Handlung zu richten. Bei Veröffentlichungen sind zudem Zitate und Verweise selbst‐ verständlich, auch wenn sie den Text sperriger machen. Andere Gepflogenheiten machen den Text dagegen unnötig kompli‐ ziert. Doch die meisten Sachtexte sind bereits wegen ihres Inhalts anspruchsvoll; sie bedürfen keiner zusätzlich komplexen Darbietung. Der US-amerikanische Schriftsteller und Journalist William Zinsser vergleicht die Tätigkeit des Schreibens treffend mit dem Handwerk des Tischlers: Lehrlinge müssen zuerst in der Lage sein, Holz zu sägen und Nägel einzuhämmern, bevor sie sich an die Verzierung und Politur machen können. Gleiches gilt fürs Schreiben. So betont Zinsser: „Vergessen Sie nie, dass Sie ein Handwerk ausüben, das auf bestimmten Prinzipien beruht. Wenn die Nägel dünn sind, wird Ihr Haus einstürzen. Wenn Ihre Verben schwach sind und Ihre Syntax wackelig ist, werden Ihre Sätze auseinanderfallen.“ 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 42 <?page no="43"?> Wissen! Vermeidung des Passivs Das Passiv gilt im Vergleich zum Aktiv als sperriger. Dennoch ist es in wissenschaftlichen Texten oft angebracht, und zwar dann, wenn nur das Verfahren oder das Ergebnis interessiert. In solchen Fällen sollten Sie das Passiv durchaus einsetzen und bewusst variieren. Die üblichste und wohl bekannteste Form des Passivs ist das sogenannte werden-Passiv. Die deutsche Sprache kennt jedoch zahlreiche andere Passivkonstruktionen, z. B. ■ bekommen (erhalten, etc.) + Partizip Perfekt: Sie bekamen die Ergebnisse erklärt. ■ unpersönliche Reflexivkonstruktion: Diese Darstellung er‐ schließt sich zunächst nicht. ■ sich lassen + Infinitiv: Die Ergebnisse lassen sich wie folgt interpretieren. ■ sein + zu + Infinitiv: Die Ursache ist gut zu erkennen. ■ bleiben + zu + Infinitiv: Eine weitergehende Erforschung bleibt abzuwarten. ■ sein + Adjektiv auf -bar, -lich, -fähig: Die Maßnahmen er‐ weisen sich als realisierbar. Die Methode ist verbesserungs‐ fähig. Falls der Agent der Handlung allerdings bekannt ist, so sind aktive Formulierungen besser. Übung! Formulieren Sie um Im Folgenden lesen Sie einen Text, der fast komplett im werden-Passiv geschrieben ist. Bitte schreiben Sie den Text um, indem Sie das Passiv gezielt einsetzen und variieren. Die mit der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung festgelegten Vorsorgewerte und analogen Anforderungen an 2.1 Zwischen Fachsprache und Kauderwelsch 43 <?page no="44"?> näher zu spezifizierende andere Stoffe werden durch den Beirat als geeigneten Ansatz zur Umsetzung der Vorsorgepflichten an‐ gesehen und die darin erstmalig getroffene klare und verständ‐ liche Unterscheidung der materiellen Anforderungen an die Gefahrenabwehr einerseits und die Vorsorge andererseits wird von ihm begrüßt. Zur Fortentwicklung und zur Sicherstellung eines bundeseinheitlichen Vollzugs der Vorsorge hinsichtlich der Schadstoffbelastung von Böden sollte laut Beirat angeregt werden, einschlägige Regelungen anderer Rechtsbereiche zu überprüfen, inwieweit durch diese ein vorsorgender Schutz der Böden und Bodenfunktionen gewährleistet wird. Außerdem wird durch den Bereit festgehalten, dass die Ableitung von Vorsorgewerten für weitere Stoffe notwendig scheint, insbeson‐ dere auch zur Vermeidung von Ermessens- und Abwägungsun‐ sicherheiten bei der sachlichen Ausstrahlung der bodenschutz‐ rechtlichen Anforderungen in andere Rechtsbereiche. 2.2 Die Phänomenalysierung der Sprache Fachtexte leben von präziser Fachsprache. Das sollte Sie jedoch nicht dazu verleiten, in ein hochtrabendes oder gestelzt klingendes Fachchinesisch zu verfallen. Ich war noch nicht lange in der Kommunikationsabteilung meines ehemaligen Arbeitgebers tätig, da begegnete ich einem sehr langen Wort. Vielleicht sogar dem längsten Wort, dem ich je begegnet war: Trinkwasseraufbereitungsanlagensanierungsplanung. Eine wun‐ derbare Konstruktion! Sie müssen das Wort einfach mehrmals schnell hintereinander sagen und dann dem Klang lauschen: 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 44 <?page no="45"?> Trinkwasseraufbereitungsanlagensanierungsplanung. Das klingt schon so wahnsinnig wichtig. Und sehr anspruchsvoll. Zugegeben: Im Original hatte es der Autor mit Bindestrich geschrieben. Doch auch dann bleibt die Trinkwasseraufbereitungsanlagen-Sanierungsplanung ein Zungenbrecher. Stellt sich die Frage: Geht es auch anders? Die ehrliche Antwort: Ich weiß es nicht genau. Ich wünsche es mir, denn aus Sicht des Lesers oder der Leserin ist ein solches Wortungetüm eine Ungeheuerlichkeit. Ja, fast schon eine Unverschämtheit. Und doch sind Fachbegriffe manchmal zwingend. Das gilt in jedem Fall für wissenschaftliche Aufsätze und in gewissem Umfang auch für Gutachten, Berichte und Präsentationen. Denn die Fachsprache unter‐ scheidet sich von der Alltagssprache insbesondere dadurch, dass sie präziser ist. Dafür brauchen Sie Fachbegriffe, denn der Präzisionsgrad der Allgemeinsprache ist oft nicht ausreichend. Wissen! Randscharfe und kernprägnante Bedeutung Der Sprachwissenschaftler Harald Weinrich weist in diesem Zu‐ sammenhang auf den Unterschied zwischen randscharfen und kernprägnanten Bedeutungen eines Begriffs hin: Während die Fachsprache den Bedeutungsumfang eines Begriffes genau abgrenzt (also randscharf ist), orientiert sich die Allgemeinsprache an einem prototypischen Bedeutungskern und ist nicht so präzise wie möglich, sondern so präzise wie nötig. Weinrich erläutert diesen Unterschied zwischen Kernprägnanz und Randschärfe am Beispiel der Katze und des Rindes: Unter dem Begriff der Katze verstehen wir in der Regel eine Hauskatze. Es ist für uns im Alltag irrelevant, dass auch Tiger oder Löwen zur Gattung der Katzen zählen. Und auch das Geschlecht spielt meist eine untergeordnete Rolle: Da wird der Kater zur Katze, die Hündin zum Hund und Hengst 2.2 Die Phänomenalysierung der Sprache 45 <?page no="46"?> und Stute zum Pferd, aus die Maus. Die Wissenschaft hingegen braucht randscharfe Bedeutungen und trennt daher genau zwischen der Haus‐ katze oder der felis domestica und der Familie der Feliden. Anders beim Rind: Da hier das Geschlecht entscheidend für die Nutzung ist, differenziert auch die Gemeinsprache stärker in Kuh, Ochse oder Stier. Soweit, so gut. Fachbegriffe sind also wichtig für Ihre Texte, auch wenn Sie sie im Zweifelsfall definieren sollten. Unnötig - um nicht zu sagen: unverhältnismäßig - sind dagegen Fremdworte, für die es gute deutsche Entsprechungen gibt. Ich hatte in meiner Zeit als Dozentin etwa einen Studenten, der in seiner Bachelorarbeit mehrfach von der Magnifizenz der Ergebnisse schrieb. Er fand, das Wort „klinge so wissenschaftlich“, deshalb hatte er es in ungefähr jedem dritten Absatz verwendet. Vermutlich hatte er von der Evidenz sprechen wollen, doch während der Begriff „evidence“ in englischen Fachartikeln sehr häufig ist, findet sich das Substantiv in deutschen Texten selten. Wie dem auch sei, die Episode ist prototypisch für einen hartnä‐ ckigen Irrtum deutscher Fach- und Wissenschaftssprache: Viele Men‐ schen glauben, Wissenschaftssprache müsse kompliziert und gepaart mit vielen Fremdworten sein. Doch das Gegenteil ist richtig: Gerade weil bereits die For‐ schungsinhalte komplex und abstrakt genug sind, sollte die Sprache so einfach wie möglich sein. Was hat nun dieser Exkurs in wissenschaftlichen Fachjargon mit Ihnen zu tun? Im besten Fall: nichts. Im schlimmsten Fall: sehr viel. Denn die unnötige Verkomplizierung von Sprache findet sich auch in nicht-wissenschaftlichen Texten - seien es Gutachten, Sachtexte oder amtliche Schreiben von Behörden. Behördendeutsch, möchte ich sagen, ist neben Juristendeutsch das Unansehnlichste. Ich frage mich oft, woher das kommt, und habe leider noch keine Erklärung gefunden. 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 46 <?page no="47"?> Gerade Texte von Behörden sollte jede Bürgerin und jeder Bürger - auch jene, die keine Muttersprachler sind - verstehen. Stattdessen habe ich die Erfahrung gemacht, dass manchmal selbst ein Studium nicht ausreicht, um ohne fremde Hilfe einen amtlichen Antrag auszufüllen - wie es soll da den Mitbürgerinnen und Mitbür‐ gern gehen, für die Deutsch nicht die Muttersprache ist? Ganz zu schweigen von Ungetümen wie der Trinkwasseraufberei‐ tungsanlagensanierungsplanung. Sie können ja mal überlegen, ob es vielleicht auch kürzer ginge… 2.3 Gut geschachtelt ist halb verloren Bei einem Schachtelsatz verliert man manchmal den Überblick, bevor das Satzende überhaupt in Sicht ist. In literarischen Werken ein gezieltes Stilmittel, im beruflichen Kontext dagegen ein Ärgernis. An der Universität hatte ich einen Literaturprofessor, der die Gabe hatte, zehn Minuten lang zu sprechen und dabei nur einen einzigen, dafür aber sehr langen Satz zu sagen. Er war imstande, unzählige Ne‐ bensätze und Einschübe anzuführen und jede Satzklammer dennoch präzise zu schließen - und zwar auf deutsch und auf englisch. Bei diesem Professor mitzuschreiben war nahezu unmöglich, da zwischen Subjekt und Verb oft mehrere Minuten und viele anspruchsvolle Gedanken lagen. Warum ich das erzähle? Nun, so sehr ich diesen Professor als hervorragenden Kenner seines Faches schätze, so anstrengend war es, seinen Vorträgen zu folgen - von seinen Texten ganz zu schweigen. Und doch war dieser Professor für uns ein Vorbild, dem wir nachei‐ ferten: In seiner Gegenwart wurden meine Sätze automatisch länger, verschachtelter, sperriger. 2.3 Gut geschachtelt ist halb verloren 47 <?page no="48"?> Es brauchte eine kleine Standpauke meiner Doktormutter, um zu erkennen, dass Schachtelsätze ungefähr das genaue Gegenteil verständlicher Texte sind. „Ein Text ist dann gut, wenn ich ihn abends im Bett zum Einschlafen lesen und verstehen kann.“ Auf Schachtelsätze trifft diese Forderung nicht zu. Ein Schachtelsatz ist nicht dasselbe wie ein langer Satz. Sätze können durchaus sehr lang und dennoch verständlich sein, wie das folgende Beispiel aus dem Grimm’schen Märchen „Sterntaler“ zeigt: „Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war Vater und Mutter gestorben und es war so arm, dass es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte.“ Bei einem Schachtelsatz dagegen sind mehrere Nebensätze oder Partizipialkonstruktionen ineinander verschachtelt, ähnlich wie die bunt bemalten russischen Matrjosckka-Puppen. Dadurch entstehen komplizierte Strukturen mit mehrfachen Unterord‐ nungen. Hier nochmal ein erfundenes Beispiel über das Sterntaler-Mädchen: Ein Mädchen, dessen Vater und Mutter gestorben waren, nachdem sie krank geworden waren, und das mit dem Tod der Eltern auch sein Zuhause, mitsamt seinem Bett, das in einer Kammer gestanden hatte, verlor, sodass es nichts mehr zum Schlafen hatte, war so arm, dass der einzige Besitz die Kleider, die es auf dem 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 48 <?page no="49"?> Leib trug, sowie ein Stückchen Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte, waren. Sie mögen vielleicht schmunzeln, doch wer wollte solch ein Märchen lesen? In der Praxis finden sich dennoch zahlreiche unnötig kompli‐ zierte Schachtelsätze. Hier ein Beispiel zum Bodenschutz mitsamt einem Lösungsvorschlag: „Nach § 13 BBodSchG soll die zuständige Behörde bei Altlasten, bei denen wegen der Verschiedenartigkeit der erforderlichen Maßnahmen ein abgestuftes Vorgehen notwendig ist oder von denen auf Grund von Art, Ausbreitung oder Menge der Schadstoffe in besonderem Maße schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen, vom Verpflichteten die notwendigen Untersuchungen zur Entscheidung über Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen verlangen.“ Lösungsvorschlag: Die zuständige Behörde entscheidet über Art und Umfang der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen. Sie soll dazu nach § 13 BBodSchG vom Verpflichteten die notwendigen Untersu‐ chungen verlangen, und zwar bei Altlasten: 1. die sehr verschiedene Maßnahmen erfordern und daher ein abgestuftes Vorgehen benötigen. 2. die den Einzelnen oder die Allgemeinheit in besonderem Maße gefährden oder den Boden stark schädigen. Fazit: Der Schachtelsatz mag grammatikalisch erlaubt sein; schön ist er nicht. Zumindest nicht in solchen Texten, die vorwiegend informieren wollen - sei es nun ein Fachartikel, ein journalistischer Text oder eine Email. Daher fünf Tipps gegen Schachtelsätze. 2.3 Gut geschachtelt ist halb verloren 49 <?page no="50"?> Im Deutschen dürfen beliebig viele Worte zwischen Subjekt und Prädikat stehen. Was grammatikalisch erlaubt ist, ist aber nicht immer guter Stil. Wissen! Schachtelsätze Bitte ergänzen: Die folgenden fünf Tipps helfen Ihnen, Schachtel‐ sätze zu vermeiden: ■ Versuchen Sie, Subjekt und Prädikat nah beisammen zu lassen. ■ Packen Sie die wichtigsten Informationen in den Hauptsatz. ■ Formulieren Sie pro Satz einen Sachverhalt, einen Gedanken oder ein Argument. ■ Gehen Sie sparsam mit Nebensätzen und Einschüben um. ■ Lesen Sie sich lange Sätze selbst vor. Wenn Sie zwischendurch Luft holen müssen, ist das ein Hinweis darauf, dass der Satz zu lang ist. Zerschlagen Sie ihn. 2.4 Entrümpelte Sprache - Wie Sie Ihren Text von unnötigem Ballast befreien Die Kunst guten Schreibens liegt nicht darin, Einfaches zu verkompli‐ zieren, sondern Kompliziertes verständlich auszudrücken. Manchmal hilft es ja, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Da ich keine Pferdeexpertin bin, kann ich das nicht beurteilen. Doch das Vorgehen hilft, um Sie für einen schlechten Stil zu sensibilisieren. Nehmen wir ein Beispiel. Stellen Sie sich vor, ein Kollege will sich mit Ihnen und einem dritten Kollegen zusammensetzen, um eine gemeinsame Veranstaltung zu planen. Er hat Ihnen dazu eine E-Mail 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 50 <?page no="51"?> geschrieben und einen Termin vorgeschlagen; und Sie beantworten nun diese E-Mail. Beginnen wir mit ein paar ganz einfachen, verständ‐ lichen Zeilen: Beispiel! E-Mail „Danke für deinen vorgeschlagenen Termin kommenden Don‐ nerstag. Gerne können wir uns austauschen und den Workshop näher planen. Ich melde mich nochmal, sobald ich weiß, ob Jürgen auch Zeit hat.“ Schritt 1: Ersetzen Sie möglichst alle Verben durch Substan‐ tivierungen. Fügen Sie wo immer möglich weitere Substan‐ tive hinzu. „Besten Dank für deinen Terminvorschlag kommenden Don‐ nerstag. Gerne können wir einen Austausch zur Planung des Workshops anvisieren. Ich gebe eine Rückmeldung, sobald ich Kenntnis darüber erlangt habe, ob Jürgen auch Zeit hat.“ Schritt 2: Formulieren Sie den Text möglichst unpersönlich. „Besten Dank für den Terminvorschlag kommenden Donnerstag. Ein Austausch zur Planung des Workshops ist wünschenswert. Der Adressat dieses Schreibens erteilt eine Rückmeldung, sobald er Kenntnis darüber erlangt hat, ob der weitere Beteiligte Zeit hat.“ Schritt 3: Nutzen Sie passive Formulierungen. „Für den Terminvorschlag kommenden Donnerstag wird ein Dank ausgesprochen. Ein Austausch zur Planung des Workshops ist wünschenswert. Eine Rückmeldung wird erteilt, sobald dem Adressaten dieses Schreibens die Kenntnis darüber zuteil wurde, ob freie Zeit seitens des weiteren Beteiligten besteht.“ Schritt 4: Falls möglich, fügen Sie Fremdworte, präpositio‐ nale Wendungen, Füllwörter und weitere sperrige Formu‐ lierungen hinzu. 2.4 Wie Sie Ihren Text von unnötigem Ballast befreien 51 <?page no="52"?> „Für den anvisierten Terminvorschlag kommenden Donnerstag wird ein Dank ausgesprochen. Eine auf Austausch und Gedan‐ kenaktivierung beruhende Konversation im Hinblick auf eine detailliertere Planung des anberaumten Workshops ist sicherlich und weiterhin sowohl wünschenswert als auch notwendig. Eine hoffentlich zeitnahe Rückmeldung kann alsbald erteilt werden, sobald dem Adressaten dieses Schreibens die Kenntnis darüber zuteil wurde, ob in Bezugnahme auf die Ressource der Zeit bezogene Kapazitäten seitens des weiteren Beteiligten bestehen.“ Wir könnten das Beispiel sicher noch auf die Spitze treiben, aber ich denke, Sie haben das grundlegende Prinzip verstanden. Fühlen Sie sich ein klein wenig ertappt? Wie schnell schleichen sich Substanti‐ vierungen und Passivformulierungen ein! Kaum hat man nicht aufgepasst, und schwupps, schon hat sich ein unpersönliches „man“ in den Satz gemogelt. Oder wurde es hinein gemogelt? Vielleicht ist es Opfer einer „Gemogelung“ geworden? Ein echter Könner würde vermutlich schreiben: „Ein Moment unachtsamer Ignoranz seitens des Autors bedingte die Tatsache, dass ein unpersönliches „man“ durch Gemogelung integraler Bestandteil des geschriebenen Wortes wurde.“ Und wer hinterfragt bei so viel Erhabenheit noch die Sinnhaf‐ tigkeit des Textes? Selbst Nicht-Wörter werden im Beisein von pseudo-wissenschaftlicher Sprache salonfähig. Für die Leser: innen sind solche Texte einfach nur eine Zumutung. Deshalb will ich Sie von Herzen ermutigen, in einfachen Worten und Sätzen zu kommunizieren. Klar und präzise. Die Kunst liegt nicht darin, Dinge kompliziert und scheinbar wissenschaftlich auszu‐ drücken, sondern schwierige Sachverhalte auch für Laien verständlich und anschaulich zu formulieren. Damit Ihnen das gelingt, hier noch ein - dieses Mal leider echtes - Beispiel eines typischen Behördentexts: 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 52 <?page no="53"?> Beispiel! Behördentext „Im Bereich der Pensionsrückstellungen wurde im Hinblick auf eine Vereinheitlichung der Rechnungslegung auf das Wahlrecht bezüglich der Bewertungsmethoden innerhalb der Neufassung verzichtet.“ Hier wurde so gut wie alles kompliziert gemacht, was nur geht: Der Satz steht im Passiv; Subjekt (implizit: es) und Verb liegen maximal weit auseinander; die präpositionalen Wendungen sind sperrig (im Bereich der; im Hinblick auf; bezüglich der) und es gibt eine unnötige Substantivierung (Vereinheitlichung, die anderen Ung-Wörter lassen sich nicht ohne weiteres auflösen). Gehen wir den Satz Schritt für Schritt durch: Schritt1: Kürzer formulieren! „Bei den Pensionsrückstellungen wurde wegen einer Vereinheitli‐ chung der Rechnungslegung auf das Wahlrecht bei den Bewertungs‐ methoden innerhalb der Neufassung verzichtet." Schritt 2: Aktiv formulieren! „Bei den Pensionsrückstellungen verzichtet die Neufassung im Hin‐ blick auf eine Vereinheitlichung der Rechnungslegung auf das Wahl‐ recht bei den Bewertungsmethoden.“ Schritt 3: Substantivierung entfernen! „Bei den Pensionsrückstellungen verzichtet die Neufassung auf das Wahlrecht bei den Bewertungsmethoden, um die Rechnungslegung zu vereinfachen.“ Schon besser, aber geht es nicht noch einfacher und klarer? Aus meiner Sicht schon. Ich bin keine Spezialistin für Pensionsrückstellungen, daher mag dieser letzte Schritt den Inhalt verzerren. Das bitte ich zu entschuldigen. Nach meinem Dafürhalten ist der Verzicht auf ein 2.4 Wie Sie Ihren Text von unnötigem Ballast befreien 53 <?page no="54"?> Wahlrecht jedoch gleichbedeutend damit, die Bewertungsmethoden zu standardisieren. Daher mein Vorschlag: „Bei den Pensionsrückstellungen verzichtet die Neufassung auf unterschiedliche Bewertungsmethoden, um die Rechnungslegung zu vereinfachen.“ Übung! Formulieren Sie um Und weil’s so schön war, gleich noch einmal. Aber dieses Mal sind Sie dran. (Die Lösung finden Sie am Ende des Buches.) [1]: Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 76/ 207/ EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirkli‐ chung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen. [2]: Der Verband fordert die Umweltministerkonferenz dazu auf, mit der Gesundheitsministerkonferenz Gespräche über die Entwicklung und Anwendung von Verfahren zur Begrenzung der Einleitung von Arzneimitteln in Krankenhäusern oder dia‐ gnostischen Praxen sowie über die Entwicklung neuer Darrei‐ chungsformen und Therapiekonzepten bei der Anwendung von Medikamenten und Röntgenkontrastmitteln insbesondere im ambulanten Bereich zu führen. 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 54 <?page no="55"?> 2.5 Nominalstil für Fortgeschrittene - Warum konkret, wenn es auch abstrakt geht? Der Nominalstil kommt in vielen Gewändern. Als Heit, Keit oder Schaft getarnt, hängt er sich an Verben und Adjektive und verwandelt sie in Nomen. Die deutsche Sprache ist voll von diesen Nachsilben, die Texte oft sperrig machen. Der Nominalstil ist weiter auf dem Vormarsch. Unter Sprachwis‐ senschaftlerinnen und Sprachwissenschaftlern gilt er als äußerst widerstands- und anpassungsfähig. Empfehlungen für verständli‐ ches Schreiben prallen meist ebenso an ihm ab wie Korrektur‐ schleifen. Neben Ingenieurinnen und Ingenieuren schätzen ihn auch Beamt: innen, Politiker: innen und Wissenschaftler: innen, da er ihre Aussagen (scheinbar) sachlicher, unpersönlicher und wichtiger klingen lässt. Richtig eingesetzt, verkompliziert der Nominalstil Texte so stark, dass sie selbst für promovierte Akademiker: innen nicht mehr entschlüsselt werden können; und ist daher besonders häufig in Über‐ schriften sowie amtlichen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen anzutreffen. Aufgrund seines sperrigen Ausdrucks verbreitet sich der Nominalstil noch stärker als der Hang zu Hyperlativismus, der Abkürzungitis und Veranglisierungen und wird derzeit nur von Kom‐ mafehlern in den Schatten gestellt. Der Nominalstil formt andere Worte, meist Verben und Ad‐ jektive, zu Nomen um. Soweit eine offizielle Beschreibung des Sachverhalts. Nun zu seinen konkreten Erscheinungsformen: Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Nominalisierung. Meist wird dabei eine substantivische Endung wie -heit, -keit, -ung, -schaft, -tum, -ion, -nis oder -sal angehängt: Taubheit, Kaltherzigkeit, Diskrimi‐ 2.5 Warum konkret, wenn es auch abstrakt geht? 55 <?page no="56"?> nierung, Herrschaft, Eigentum, Organisation, Finsternis oder Trübsal. Möglich ist auch, Wörter mit einem Artikel zu versehen und groß zu schreiben, also etwa das Grün, das Böse, das Essen, das Lesen, das Miteinander oder das Böse. Nominalisierungen sind nicht per se schlecht. Häufen sich in einem Satz jedoch die Nomen, so ist er schwerer zu verstehen. Dies gilt umso mehr, als Nominalisierungen oft aneinandergereiht werden. Ingenieurinnen und Ingenieure sind wahre Könner bei dieser an‐ spruchsvollen Aufgabe. Sie erarbeiten Empfehlungen zur Einhaltung aller gesetzlichen und technischen Anforderungen bei der Abwehr von Gewässergefährdungen, entwickeln Konzepte zur Aufrechter‐ haltung der Abwasserreinigung bei Beeinträchtigungen durch Mi‐ neralölprodukte, oder überwachen die Inbetriebnahme von Absorp‐ tionsverfahren zur Verlangsamung der globalen Erwärmung durch Abtrennung von Treibhausgasemissionen. Das ist grammatikalisch richtig, fühlt sich beim Lesen aber wie Denksport an. Oder hätten Sie Lust, Schneewittchen im Nominalstil zu hören? Hier eine kleine, wenngleich überspitzte, Kostprobe: Beispiel! Nominalstil Im Winter kam es zu einem Ereignis, bei dem das Fallen der Schneeflocken Ähnlichkeit zum Fallen von Federn aus dem Himmel hatte. Eine Königin ging während des Sitzens an einem Fenster der Beschäftigung des Nähens nach, wobei das Fenster im Besitz eines Rahmens war, der in seiner Beschaffenheit die Erinne‐ rung von schwarzem Ebenholz hervorrief. Beim Nähvorgang kam es zum Stechen der Nadel in den Finger, was die Verunreinigung des Schnees durch das Herabfallen dreier Tropfen Blut zur Folge hatte. Die Beobachtung der roten Farbe im weißen Schnee rief in der Königin den Wunsch nach dem Vorhandensein eines Kindes 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 56 <?page no="57"?> wach, bei dessen äußerer Gestalt den Bedingungen „weiß wie Schnee, rot wie Blut und schwarz wie das Holz an dem Rahmen“ Rechnung getragen werden sollte. 2.6 Hilfsverberitis - Warum zurückhaltend gedacht nicht unbedingt gekonnt ist „Eigenlob stinkt“ und „Hochmut kommt vor dem Fall“ weiß der deutsche Volksmund. Vielleicht neigen wir deshalb dazu, auch beim Schreiben vorsichtig zu sein? Kürzlich las ich im Wartezimmer eines Arztes folgenden Satz in einer Frauenzeitschrift: „Zur Erleichterung der Gräfin konnten die Experten keine Anzeichen für einen gewaltsamen Einbruch feststellen. Sie konnten die Ermittlungen abschließen.“ Kommt Ihnen dieser Satz ganz normal vor? Dann sind auch Sie von der Hilfsverberitis heimgesucht. Die Hilfsverberitis ist eine Krank‐ heit, die insbesondere in Behörden und staatlichen Einrichtungen grasiert, gelegentlich jedoch auch Ingenieurinnen und Ingenieure trifft. Symptomatisch für dieses Krankheitsbild ist ein ausgiebiger, doch unreflektierter Gebrauch von Hilfsverben. Die Hilfsverberitis tarnt sich gern im tugendhaften Mantel der Bescheidenheit. Die Deutschen prahlen nicht gern; wer mutig auftritt, wird schnell als Angeber, Hochstaplerin oder Schaumschläger betitelt. Wenn sich eine Architektin jedoch hinter der Aussage versteckt, dass die Schneelast „unter Umständen vielleicht dazu führen könnte, dass das Hausdach eventuell nachgeben könnte“, ist es ein Ärgernis. Stürzt das Dach nun ein oder hält es? „Jedes zweite Wort von Ingenieurinnen und Ingenieure ist ein Hilfsverb“, pflegte mein Vorgesetzter gerne zu schimpfen. „Können“ 2.6 Warum zurückhaltend gedacht nicht unbedingt gekonnt ist 57 <?page no="58"?> und „müssen“ waren ihm ein Dorn im Auge. Ich muss zugeben: So ganz habe ich seine Ablehnung von Hilfsverben nie verstanden - wohl auch, weil ich sie selbst gerne nutze. Doch von der Warte einer Sprachpuristin aus betrachtet gebe ich ihm Recht: Viele Hilfsverben sind unnötig. Hier ein paar Beispiele aus Gutachten, Projektbeschrei‐ bungen und Protokollen. Beispiele! Hilfsverben „Durch den Erhalt der Außenwände und der Bodenplatte konnten diese Elemente in der Bauphase als Baugrubensicherung dienen und großformatige Baugruben bzw. kostenintensive Ver‐ bauarbeiten konnten vermieden werden.“ „Mit fortschreitendem Bauvolumen konnte die Ballastierung sukzessive reduziert und mit dem Einbau der Decken vollständig ausgebaut werden.“ „Im Rahmen der Baugrunduntersuchungen konnten nach dem Technischen Regelwerk der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall keine Überschreitungen festgestellt werden.“ „Es muss festgehalten werden, dass nur die Standorte und Bautypen, welche die grundlegenden Anforderungen erfüllen können, weiter konzipiert und beschrieben und einer vertiefenden Variantenbetrachtung anhand relevanter Bewertungskriterien unterzogen werden.“ „Wir sichern die Qualität der Bauausführung durch begleitende Untersuchungen und können auch die fachliche Betriebsbe‐ treuung von Brunnenanlagen übernehmen.“ „Der Vorsitzende musste über ein weiteres Vertragsverletzungs‐ verfahren im Hinblick auf die Regelung zur Auftragswertermitt‐ lung für Planungsleistungen nach § 3 Abs. 7 VgV berichten.“ 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 58 <?page no="59"?> „Bei Bagatellbzw. Routinefällen sowie Maßnahmen, wo aus ähn‐ lich gelagerten Fällen geeignete Sanierungsszenarien abgeleitet werden können, oder ein geeignetes und verhältnismäßiges Sanierungsszenario ganz offensichtlich auf der Hand liegt, kann sich der Aufwand deutlich reduzieren.“ Bleibt festzuhalten: Wenn Sie etwas können oder tun müssen, dann machen Sie’s doch einfach. 2.7 Männlich, weiblich, unsäglich - Ein Geschlecht auf Abwegen Schreiberinnen und Schreiber, Schreibende mit Sternchen, Binnen-I oder Unterstrich, sagt, wie haltet ihr es mit dem Gendern? Überlegungen zu einer geschlechtssensiblen Sprache. Kürzlich erhielt ich einen Brief, der mit der Anrede begann: „Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder, gerne laden wir Sie zu unserer Jahres‐ tagung ein. …“ Ich stutzte kurz: Mitgliederinnen? Gibt es dieses Wort überhaupt? Die Antwort verrate ich weiter unten, es soll ja spannend bleiben. Es ist seit mehreren Jahren die Gretchenfrage in Redaktionen, PR-Abteilungen, öffentlichen Einrichtungen und Behörden: Wie sieht ein geschlechtergerechter Sprachgebrauch aus? Denn dass es grund‐ sätzlich wichtig ist, die Geschlechter auch sprachlich gleich zu behan‐ deln, das gilt unter Kommunikationsverantwortlichen und in vielen Organisationen mittlerweile als unstrittig. Der Grund: Wenn Frauen immer nur implizit mitgemeint sind, bleiben sie unsichtbar. 2.7 Männlich, weiblich, unsäglich - Ein Geschlecht auf Abwegen 59 <?page no="60"?> Übung! Assozieren Sie Testen Sie sich selbst: Die Ärzte operierten acht Stunden lang. Welches Bild sehen Sie vor Ihrem geistigen Auge? Die Mehrheit der Probandinnen und Probanden assoziiert hier eine Gruppe von männlichen Ärzten. Anders ist es, wenn im Text explizit die Rede von Ärztinnen und Ärzten die Rede ist. In diesem Fall assoziieren die Teilnehmenden eine Gruppe von Männern und Frauen in weißen Kitteln. Klingt vielleicht nach Haarspalterei. Doch Studien zeigen, dass sich Grundschulkinder seltener vorstellen können, in einem mathema‐ tisch-naturwissenschaftlichen Beruf zu arbeiten, wenn ihnen nur die männlichen Berufsbezeichnungen genannt werden. Und das gilt für Jungen und Mädchen gleichermaßen. Ich selbst habe viele Jahre lang gegenderte Texte belächelt. Ich empfand es als mühsam und umständlich und ehrlich gesagt auch als unnötig. Mittlerweile sehe ich das anders. Sprache schafft Realität. Worte sind mächtig. Wir müssen verantwortungsvoll mit ihnen um‐ gehen. Dazu gehört auch, Frauen bewusst Raum zu schaffen. Wissen! Duden Die 28. Auflage des Rechtschreibduden aus dem Jahr 2020 kennt mittlerweile neben dem Arzt auch die Ärztin als eigenen Eintrag; nach und nach sollen alle rund 12.000 Personen- und Berufsbe‐ zeichnungen in männlicher und weiblicher Form aufgenommen werden. Konkrete Vorgaben macht der Duden bislang jedoch nicht. Stattdessen heißt es dort: „Das Deutsche bietet eine Fülle an Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu formulieren. Es gibt dafür allerdings keine Norm.“ 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 60 <?page no="61"?> In der Tat existieren derzeit viele Varianten. Das Gendersternchen zählt derzeit zu den beliebtesten Formen, um die Vielfalt der Geschlechter deutlich zu machen. Die Variante mit Schrägstrich findet sich vorwiegend in amtlichen Texten. Daneben wird mit weiteren typographischen Zei‐ chen experimentiert. Die verbreitetsten Möglichkeiten sind: Wissen! Gendervarianten im Überblick Generisches Maskulinum (Ingenieur): Angeblich geschlechts‐ neutral, Frauen sollen mitgemeint sein. Wird vielfach kritisiert. Generisches Femininum (Ingenieurinnen): Die männliche Form ist hier zwar drin, doch Männer fühlen sich nicht mitge‐ meint. Schrägstrich-Lösung (Ingenieur/ -in): Amtlich korrekte Schreibung - für alle, die auf Nummer sicher gehen wollen. Binnen-I (IngenieurIn): Seit den 1980ern häufig in Gebrauch, um in einem Wort Männer und Frauen zu nennen. Gender Gap (Ingenieur_in): Lücke für geschlechtliche Varia‐ tionen. Die kleine Pause beim Sprechen ist in Radio und TV immer öfter zu hören. Gendersternchen (Ingenieur*in): Es gibt nicht nur Männer und Frauen. Der Asterisk steht für geschlechtliche Vielfalt. Das Problem: Das Gendersternchen ist nicht barrierefrei und wird von Programmen, wie sie etwa Blinde zum Vorlesen nutzen, als Sternchen ausgesprochen. Ausrufezeichen (Ingenieur! n): Alternative zu Genderstern‐ chen und Gender-Gap Doppelpunkt (Ingenieur: in): Neuester Vorschlag; mühelos um‐ zusetzen bei einer Zehn-Finger-Schreibweise auf der Tastatur. Weiterer Vorteil: Sprachprogramme erkennen den Doppelpunkt als kleine Pause. 2.7 Männlich, weiblich, unsäglich - Ein Geschlecht auf Abwegen 61 <?page no="62"?> Substantiviertes Adjektiv (Ingenieurschaffende): Geschlechts‐ neutraler Oberbegriff für alle, die in Ingenieurberufen arbeiten. Die Ingenieurinnen und Ingenieure sind sich indes uneins. In vielen Verbänden scheint das Thema noch nicht angekommen zu sein; fast überall findet sich das generische Maskulin. Ausnahmen gibt es allerdings; beispielsweise spricht die Bundesarchitektenkammer vereinzelt von „Architekt/ -in, Innenarchitekt/ -in, Landschaftsarchi‐ tekt/ -in und Stadtplaner/ -in“; beim VDI heißt es an mehreren Stellen „Ingenieur*innen“, bei der Bundesingenieurkammer finden sich „Inge‐ nieure(innen)“ und der Verband Beratender Ingenieure nennt beide Ge‐ schlechter („Ingenieurinnen und Ingenieuren“ sowie „Architektinnen und Architekten“). Bis sich eine Variante durchsetzt, bleibt es jedem und jeder einzelnen überlassen, ob und wie sie gendert. Ich plädiere daher für eine gewisse Leichtigkeit und Flexibilität - das erscheint mir wichtiger als starre Regeln. Denn die goldene Regel der Verständlichkeit gilt auch für gendersensible Texte. Das letzte Wort hat übrigens der Rat für Deutsche Rechtschreibung. Denn obwohl der Duden einen großen Einfluss auf den deutschen Sprachgebrauch hat, ist er nicht die letzte Instanz. Bis der Rat für Deutsche Rechtschreibung eine Richtlinie verabschiedet, werden je‐ doch vermutlich noch etliche Sternchen, Binnen-Is und Schrägstriche gedruckt werden. Vorerst hat das Gremium die Entscheidung über korrektes Gendern vertagt, weil noch zu viel hin und her probiert werde. Damit fällt es auf uns alle zurück, uns darüber zu verständigen, welche Variante wir für die Beste erachten. Und nun zur Mitgliederin: Dieses Wort gibt es nicht. Zwar ist es in vielen Fällen möglich, das weibliche Geschlecht durch die Nachsilbe 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 62 <?page no="63"?> „-in“ sichtbar zu machen, aber eben nicht in allen Fällen. Das Wort Mit‐ glied ist nämlich geschlechtsneutral und meint den Teil eines Ganzen, in diesem Fall einer Organisation. Warum also ein „-in“ anhängen? Wenn überhaupt, so analysiert der Blog des Journalistinnenbundes Genderleicht.de, müsse es „Mitgliedin“ heißen. Ähnlich gibt es auch keine „Kindinnen“ (für Mädchen) oder „Menschinnen“. Insofern: ge‐ schlechtergerechte Sprache ja, auf die Spitze getrieben ist es einfach nur Unsinn. Bei unserem Startup gibt es seit ein paar Monaten eine genderneut‐ rale Toilette. Sie befindet sich - wie sollte es anders sein - genau in der Mitte zwischen Damen- und Herrentoilette, und sie ist immer leer. Nur wenn alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für eine Stunde in der Woche zusammenkommen und das Wichtigste aus ihren Teams präsentieren, benutzt der eine oder die andere verstohlen die Toilette - ganz so, als wollte niemand geschlechtsneutral sein. Seit kurzem hängt ein Zettel an der Tür. „Meetingraum 5“ steht darauf. Ob das helfen wird? 2.8 Die Sache mit dem Ung Substantivierte Wörter sind ein fester Teil unserer Sprache geworden - und manchmal auch ein sprachliches Ärgernis. Am Schlimmsten ist das Ung. Ingenieur: innen mögen Ungs. Oder vielmehr: Das Ung mag Inge‐ nieur: innen. Und es mag Geolog: innen, Naturwissenschaftler: innen und eigentlich fast alle Menschen, die Gutachten, wissenschaftliche Arbeiten, Fachbeiträge oder andere Sachtexte schreiben müssen. Doch bleiben wir der Einfachheit halber beim Ingenieur. Ein Ingenieur ohne Ung ist wie ein Lehrer ohne Schüler oder eine Pilotin ohne Flugzeug. Das Ung klebt am Ingenieur wie ein zähes Kaugummi an der Schuhsohle. Es schleicht sich heimlich in seine Texte und schlimmer noch, in seine Gedanken. 2.8 Die Sache mit dem Ung 63 <?page no="64"?> Gilt natürlich auch für Ingenieurinnen. Denn das Ung ist tückisch. Ein Schmarotzer unter den Suffixen sozusagen. Es ist allgegenwärtig und anpassungsfähig und wirkt dabei so unschuldig, dass sich fast niemand dagegen auflehnt. Einzig ein paar Sprachfanatiker (mich eingeschlossen) haben dem Ung den Kampf angesagt. Aus der Erkundung wird dann wieder erkunden und anstelle der Durchführung der Planungsleistung planen wir einfach nur noch. Schlicht und schön. Doch wie ist dieser sogenannte Nominalstil zu erklären? Vieles hat mit unkritisch übernommenen Konventionen zu tun. Hinzu kommt das Bedürfnis, Informationen zu verdichten und auf die Sache bezogen (also unpersönlich) zu präsentieren. Das ist nicht zwangsläufig ver‐ kehrt oder schlechter Stil, doch es führt dazu, dass Texte schwieriger zu lesen sind. Nehmen wir ein Beispiel: Beispiel! Ung-Substantive „Zur Erfassung und Bewertung der durch Rückbau und Neubau bedingten Verformungen des Baugrundes wurde die Durchfüh‐ rung einer engen geotechnischen Überwachung der Nachbarbau‐ werke zur Voraussetzung.“ Kommt Ihnen das bekannt vor? Ich meine nicht den Satz, sondern die Art und Weise, wie er formuliert ist. Das ist zugegeben übertrieben, doch weniger gravierende Beispiele finden Sie sicher zuhauf in Ihrem Alltag. Dabei ginge es auch anders. Zum Beispiel so: „Um durch Rückbau und Neubau bedingte Verformungen des Baugrundes zu erfassen und zu bewerten, wurden die Nachbarbauwerke geotechnisch überwacht.“ Ich erinnere mich noch gut an die erste Lektion meines Volonta‐ riats. Für eine Mitarbeiterzeitung sollte ich einen Artikel schreiben. Frisch von der Uni und das Gehirn bis oben mit Wissenschaftsjargon, Passiv- und Genitivkonstruktionen und komplexen Satzgefügen zuge‐ 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 64 <?page no="65"?> kleistert, machte ich mich an die Recherche. Heraus kam ein einseitiges Pamphlet, bei dem einzig die Zitate fehlten, um es mit dem „Ich schreib‘ so kompliziert, weil dann alle denken, ich bin schlau”-Preis für unverständliches Kauderwelsch zu würdigen. Angesichts dieses misslungenen Erstversuchs bin ich meinem damaligen Mentor noch heute dankbar, dass er mir meinen stolz präsentierten Text nicht ein‐ fach um die Ohren warf. Stattdessen gab er mir eine klare Aufgabe: Ich sollte alle Wörter, die auf -ung, -heit, -keit oder -ion endeten, mit Gelb markieren und möglichst viele davon entfernen. „Ausmerzen“ war das Wort, das mein Mentor wählte. Was zunächst als unlösbare Aufgabe schien, entpuppte sich bald als eines der wichtigsten Werkzeuge, um Texte verständlicher zu machen. Und die Moral von der Geschicht‘? Vergessen Sie vor Ungs die Verben nicht! 2.9 Wider das Passiv - Es lebe das Aktiv! Manchmal geschehen Dinge. Sie passieren einfach. Ohne unser Zutun. Noch öfter werden Dinge und Ereignisse allerdings passiviert. Ein Loblied auf aktive Verben. Julius Cäsar, kam, sah und siegte - und ging in die Geschichte ein. Eine Akademikerin oder ein Akademiker hätte den Satz vielleicht eher im Passiv verfasst: Nachdem Julius Cäsar durch ein Pferd zum Ort des Geschehens gebracht worden war, wurden die Ereignisse von ihm bewertet, woraufhin er durch seine exakte Analyse zum Sieger der Schlacht wurde. Rezepte, Gebrauchsanweisungen und amtliche Dokumente - sie alle lieben das Passiv. In allen anderen Texten sollen Sie es nur sparsam einsetzen. Der amerikanische Schriftsteller William Zinsser bringt es 2.9 Wider das Passiv - Es lebe das Aktiv! 65 <?page no="66"?> auf den Punkt, wenn er sagt, dass der Unterschied zwischen Aktiv und Passiv gleich groß sei wie der Unterschied zwischen Leben und Tod. Gestatten Sie ein Beispiel. Kürzlich stolperte ich über den folgenden Satz: „Angeregt durch unseren Partner wurde der Schritt einer koordi‐ nierten Information der Öffentlichkeit erfolgreich gegangen.“ Moment. Das ist doch frech. Da hat sich der Schritt so mir nichts, dir nichts verselbständigt und kurzerhand beschlossen, sich selbst zu gehen. Geht das überhaupt? Ich bin mir nicht sicher. Aber eines weiß ich: Schön ist der Satz nicht. Das liegt daran, dass dem Satz ein echtes Subjekt fehlt. Einen Schritt gehen können nur Personen oder vielleicht noch Pferde. Selbst Störche schreiten und Gänse gehen im Marsch und Mäuse machen vielleicht kleine Trippelschritte. Ist im Grunde auch egal, wer den Schritt wie geht. Wichtig ist, dass der Autor oder die Autorin hier von einem aktiven Tun spricht, und zwar im Passiv. Und damit bin ich auch schon bei meinem Thema: unpassende oder wenigstens unnötige Passivformulierungen. Und davon gibt es viele. Zu viele. Gerade in technischen oder behördlichen Texten wimmelt es nur so vom „werden-Passiv“ und anderen Passivformulierungen, die zwar meist grammatikalisch korrekt sind, aber die Texte sperrig machen. Zum Beispiel hier: „Die über 60 Jahre alte Brücke weist derart starke Schäden auf, dass durch die zuständige Behörde Verkehrsbeschrän‐ kungen vorgenommen wurden.“ Hier wird das Passiv ad absurdum geführt, und zwar aus einem einfachen Grund: Es ist immer dann angemessen, wenn es dazu dient, den Fokus auf eine Handlung oder das Ergebnis einer Handlung zu richten. Bei obigem Beispiel wird der Handelnde jedoch explizit genannt. Eine aktive Formulierung wäre hier eindeutig besser: „Die über 60 Jahre alte Brücke weist derart starke Schäden auf, dass die zuständige Behörde den Verkehr beschränken musste.“ Ähnliches gilt für folgende Sätze: „Durch zwei Privatleute wurde gegen Lärmimmissionen während der Bauzeit geklagt.“ Oder hier: „Derzeit wird der Bauvertrag durch den Kunden vorbereitet.“ Um es 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 66 <?page no="67"?> kurz zu machen: Ich will das Passiv nicht verteufeln. Im Gegenteil. Es ist gerade in wissenschaftlichen Texten, Berichten und Gutachten immer dann sinnvoll, wenn ein Zustand oder Geschehen im Vorder‐ grund stehen. Die Sprachwissenschaftl unterscheidet hier zwischen dem Vorgangspassiv, das eine Handlung betont (z. B. „Die Proben wurden ausgewertet.“) und dem Zustandspassiv, das das Ergebnis einer solchen Handlung betont (z. B. „Die Ergebnisse sind ausgewertet.“) In beiden Fällen tritt der Handelnde in den Hintergrund.In den anderen Fällen aber plädiere ich dafür, dass Sie selbstbewusst von sich selbst schreiben. Schließlich sind Sie es, die etwas analysieren, untersuchen, bewerten, bemessen, berechnen und so weiter und so fort. Das ge‐ schieht nicht von selbst. Und es hat noch einen weiteren Vorteil: Es lässt sich leichter lesen. Behaupte ich. Aber die Entscheidung will ich Ihnen überlassen, und vielleicht sehen Sie das anders? 2.10 Richtige Ottograffi oder was? 1996 wurde das Regelwerk der deutschen Rechtschreibung umfassend reformiert und seither immer wieder modifiziert. Oft sind nun mehrere Schreibweisen als Varianten zugelassen. Ein Freifahrtschein für Beliebig‐ keit ist das jedoch nicht. Kürzlich hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, 80 Klausuren einer Einführungsvorlesung für Erstsemester zu korrigieren. „Grundlagen der Medien“ hieß die Veranstaltung, doch schon nach der ersten Klausur merkte ich, dass dies ein Fehler war. Denn die Studierenden hatten nicht nur erstaunlich wenig Ahnung von den Inhalten der Vorlesung, sondern noch viel weniger Ahnung von Rechtschreibung und Grammatik. Die „Kriese der Demockratie“ las ich da, verursacht durch einen Mangel an unabhängigen „Redaktören“. Wohl eher bedingt durch 2.10 Richtige Ottograffi oder was? 67 <?page no="68"?> mangelnde Aufmerksamkeit im Deutschunterricht. Das Komma schien den Studierenden gänzlich unbekannt. Immerhin: Dass man „das“ manchmal mit einem doppelten „s“ schreibt, wussten sie - nur leider kannten sie die Regel nicht. So schrieb ein Student: „Dass Medienver‐ halten der Menschen zwischen 14 und 29 Jahren ist geprägt davon, das Onlinemedien immer mehr genutzt werden.“ Wissen! dass oder das Das „dass“ mit doppel „s“ sorgt bei vielen Menschen für Verwir‐ rung. Dabei sind „das“ und „dass“ zwei ganz verschiedene Wörter und haben nicht viel miteinander zu tun. „Das“ ist ein Pronomen, das Sie durch „dieses“, „jenes“ oder „welches“ ersetzen können. „Dass“ hingegen ist eine Konjunktion und lässt sich nicht er‐ setzen. Die Regel ist also ganz einfach: Immer dann, wenn man es nicht durch die Pronomen „dieses“, „jenes“ oder „welches“ ersetzen kann, verwendet man die Schreibweise mit doppelten „s“. Und nach 80 Klausuren sollte ich diese Eselsbrücke vermutlich erweitern: Es gibt keine Regel, die besagt, dass jedes „das“ nach einem Komma mit doppeltem „s“ geschrieben wird. Kurz: Ich war schockiert. Und ein bisschen - das muss ich ehrlich zugeben - fühlte ich mich persönlich angegriffen. Solche fehlerhaften Texte abzugeben zeugt von mangelnder Wertschätzung gegenüber seinen Leserinnen und Lesern. Immerhin, dachte ich mir, besteht für meinen Sohn in der zweiten Klasse noch Hoffnung. Der schreibt nämlich nach Gehör - das solle die Lust der Kinder beim Schreiben fördern. „Am Anfang sollen die Kinder einfach ins Schreiben kommen und sich ausdrücken. Langsam werden dann Regeln eingeführt.“ So wurde uns das Konzept beim Elternabend erklärt. Klang super - Schreiben ohne Druck, und noch bevor sie das 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 68 <?page no="69"?> ganze Alphabet beherrschen. Doch mein Sohn ist leider, was Regeln angeht, sehr beharrlich. Und so ließ das Unglück nicht lange auf sich Warten: An einem Dienstagnachmittag kam es zwischen ihm und mir zu einem handfesten Streit. Im Mathematikunterricht wurde gerade das Thema „Geld“ eingeführt. 1 Oiro und 50 Sent. Fast eine Stunde lang versuchte ich ihm zu erklären, dass man „Euro“ nun mal mit „eu“ schreibt, bevor ich dann einen Brief an die Mathematiklehrerin und die Deutschlehrerin schrieb, sie sollten das Problem doch bitte untereinander lösen. In Zeiten der Word-Autokorrektur, der Schreiben‐nach‐Gehör‐ Philosophie und eines ehemaligen US-Präsidenten, der nur im 140-Zeichen-Telegrammstil kommunizierte, mag es nicht verwundern, dass junge Erwachsene von Rechtschreibung keine Ahnung mehr haben. Dabei haben die Schöpferinnen und Schöpfer der neuen deut‐ schen Rechtschreibung durchaus vieles zum Positiven verändert. Ich kann nun sitzen bleiben oder liegenbleiben, meine Haare rot färben oder blaufärben, und kann meine Spagetti mit Tunfisch, aber zweimal ohne „h“ bestellen. Doch die vielen zugelassenen Varianten haben leider auch dazu geführt, dass manche Menschen ganz eigene Regeln aufstellen. Und ein bisschen muss ich mich selbst an der eigenen Nase packen. Ich gehöre nämlich ebenfalls zu den Menschen, die in Kurznachrichten und privaten E-Mails viel zu wenig auf Groß- und Kleinschreibung oder andere Fehler achten. Ich selbst erhielt meine Lektion in sauberer Orthografie von einem früheren Chef. Ich war dort zum Vorstellungsgespräch für die Position einer PR-Referentin gewesen und wollte mich im Nachgang nochmal für seine Zeit bedanken und Textproben schicken. Es war abends, die Kinder sahen gerade das Sandmännchen im Fernsehen, und zwischen Spülmaschine ausräumen und Abendessen richten verfasste ich die E-Mail und klickte auf „Senden“. 2.10 Richtige Ottograffi oder was? 69 <?page no="70"?> Einen Tag später bekam ich die folgende Antwort: „Sehr geehrte Frau Prexl, auch Ihnen vielen Dank für Ihre Zeit und die Textproben. Reichlich irritiert hat mich jedoch Ihre E-Mail, in der Sie es geschafft haben, in drei Sätzen zwei Rechtschreib- und einen Grammatikfehler zu machen. Für jemanden, der sich auf eine Kommunikationsstelle bewirbt, hätte ich bessere Kenntnisse erwartet.“ Unter diesem Anschreiben hatte mein späterer Chef meinen Origi‐ naltext kopiert und mit gelbem Leuchtstift meine Fehler markiert. Ich versank in Grund und Boden, schrieb dennoch eine aufrichtige Entschuldigung und verabschiedete mich von der Vorstellung, jemals wieder von diesem Menschen zu hören. Wie hoch erfreut war ich über eine Einladung zum zweiten Vorstellungsgespräch und das spätere Jobangebot! Sie können sich vorstellen, dass ich jeden einzelnen Text an meinen Chef mehrmals Korrektur las, und jedes Mal entsetzt war, wenn er dennoch einen Fehler fand. Insofern versuche auch ich nun, die Klausuren der Studierenden mit wohlwollenderen Augen zu lesen. Ärgern tue ich mich dennoch. Aber dann lese ich einen Brief meines Sohnes, der neben meinem Schreibtisch hängt. Darauf steht: „Libe Mama wie get es dir du bist net unt ich mak dich.“ Was soll ich da noch sagen? 2.11 Von Großschreibung und anderen Schwierigkeiten Ob groß oder klein - eigentlich alles banane. Oder ist es doch eher Banane? In Alsbach wird derzeit das Treppenhaus „Renoviert“. Da laufen wir lächelnd vorbei und denken uns vielleicht, dass uns so ein Fehler nicht passieren würde. 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 70 <?page no="71"?> Die fünf wichtigsten Regeln zum Großschreiben besagen: Sub‐ stantive, substantivierte Adjektive und Verben, Satzanfänge, Eigennamen und die Höflichkeitsanrede „Sie“ mit den entspre‐ chenden Anredepronomen (Ihr, Ihnen) werden großgeschrieben. Nach einem Doppelpunkt schreibt man ebenfalls groß, aber nur, wenn ein ganzer Satz folgt. Klingt einfach, ist es aber nicht immer. Mir kann draußen etwas Schönes passiert sein, obwohl es zu Hause am schönsten ist. Weshalb? Weil es sich hier nur um die Steigerung des Adjektivs „schön“ handelt. Der Beste bekommt also den Preis, und zwar jenen, der am besten ist. Gestern versuchte ich meinem siebenjährigen Sohn etwa zu er‐ klären, dass man „acht“ klein schreibt, weil man die „acht“ nicht anfassen kann und es deshalb kein Namenwort ist. Ihm fiel gleich ein, dass er ein Puzzle mit einer „acht“ darauf besitzt, und man das sehr wohl anfassen kann. Von „Acht geben“ oder „sich in Acht nehmen“ ganz zu schweigen, aber das lasse ich lieber außer Acht. Zumal das mit dem „Anfassen“ ohnehin keine taugliche Definition eines Namenwortes ist, schließlich gibt es genügend abstrakte Begriffe, die man dennoch großschreibt. Tja, und weil mein Sohn gerade das „ch“ lernt, war das nächste Wort „ich“. Tja, und warum wird das „ich“ jetzt kleingeschrieben, obwohl er doch eine Person ist und einen Namen hat? Kaum ein Thema ist im Deutschen so komplex wie die Groß- und Kleinschreibung. Ich kann im Winter eislaufen oder Schlittschuh laufen. Ich kann Rad fahren und kopfstehen. In beiden Fällen muss ich Achtgeben, ich kann aber auch achtgeben. Eine Investition kann ge‐ winnbringend oder Gewinn bringend sein. Und manchmal sind sogar drei Varianten möglich, etwa beim zu zugrunde liegenden Sachverhalt (wegen: zugrunde liegen). Der kann nämlich auch zugrundeliegend oder zu Grunde liegend sein. Besonders anschaulich wird das bei dem Wort recht/ Recht. Heißt es nun recht haben oder Recht haben? 2.11 Von Großschreibung und anderen Schwierigkeiten 71 <?page no="72"?> Grundsätzlich werden im Deutschen Adjektive und Adverbien kleingeschrieben, Substantive dagegen groß. Entsprechend schreibt man „recht“ klein, wenn es als Adjektiv im Sinne von „angemessen“ oder „richtig“ verwendet wird. Das Wort recht gibt dann eine Antwort auf die Frage, wie etwas ist oder geschieht, also etwa: Es ist ihm recht. Alles, was recht ist, aber das ist nicht der rechte Zeitpunkt. Man kann es dir nie recht machen. Geht um um alles, was das Thema „Recht“ betrifft, handelt es sich um einen substantivischen Gebrauch: Er besteht auf seinem Recht. Die Richterin spricht Recht. Von Rechts wegen ist das schwierig. Mit dieser Eselsbrücke lässt sich auch die Frage beantworten, ob es zu Recht oder zurecht heißt: Sie handelt zu Recht so, auch wenn er damit überhaupt nicht zurecht kommt. Ob ich nun Recht habe oder recht habe, ist damit jedoch noch offen. Das Portal für Rechtschreibung korrekturen.de hält hierzu fest: „Einerseits wird haben häufiger mit Substantiven verbunden: Angst haben; Spaß haben; Zeit haben. Dies spräche dafür, dass wir es auch hier mit dem Substantiv Recht zu tun haben. Gestützt wird diese Ansicht dadurch, dass es ganz ähnliche Wendungen gibt, bei denen wir es explizit mit dem Substantiv Recht zu tun haben: „Dazu hast du kein Recht! “ […] Für die Kleinschreibung spricht hingegen, dass sich »recht haben« mit näher bestimmenden Adverbien wie »sehr; ganz; vollkommen« erweitern lässt, was bei zum Beispiel »Spaß haben« nicht geht: »Da hast du ganz recht« oder »Er hat sehr recht« - aber: »Er hat viel (nicht: sehr) Spaß«. Auch die Möglichkeit der Satzstellung »Wie recht du doch hast! « weist auf ein Adjektiv hin, denn »Wie Spaß du doch hast! « wäre zweifellos ungrammatisch.“ Hinzu kommt, dass der Duden bei manchen Wendungen wie bei „da hast ja so recht“ nur die Kleinschreibung duldet. Die Autor: innen kommen daher zu dem Fazit, dass sich vor diesem Hintergrund „kaum noch Argumente dafür finden [lassen], „du hast recht“ großzu‐ schreiben“. 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 72 <?page no="73"?> Ähnlich kompliziert ist die Getrennt- und Zusammenschrei‐ bung. Auch hier kennt der Duden allein fünfzehn Regeln, und selbst diese sind nach eigener Aussage nicht erschöpfend. Oft entscheidet allein die Betonung. Ein Projekt kann beispielsweise mehrere Phasen durchlaufen, wenn ein Mensch hingegen durch eine Gasse läuft, dann ist das Verb „durchlaufen“ trennbar. Ein Kind kann mit einem Streich davonkommen, die Marmeladenflecken auf dem Tischtuch sind hingegen davon gekommen, dass der Löffel herunterfiel. Wenn jemand „eine Zwei“ schreibt, ist das Zahlwort groß, zwei Liter Bier sind klein, in drei Viertelstunden kann ich so viel erledigen wie in einer Dreiviertelstunde, und wenn dem Zahlwort ein Pronomen oder ein Artikel vorangeht, wird ebenfalls kleingeschrieben („ihr drei“, „die ersten vier“). Und das ist nur ein kleiner Auszug zum Thema Zahlwörter. Ebenfalls Kopfzerbrechen bereiten Zeitangaben: Die Bezeich‐ nungen von Tageszeiten nach Adverbien wie gestern, heute, morgen werden als Substantive angesehen und großgeschrieben, also „gestern Abend“ und „heute Morgen“, aber „dienstags nachmittags“. Und weil ich letzte Woche gefragt wurde, ob die Butter im Kühl‐ schrank „für alle“ oder „für Alle“ sei, hier nun die verspätete Antwort: Es heißt „für alle“. Denn laut Duden wird „all-“ auch in Verbindung mit einem Artikelwort (fast) immer kleingeschrieben. Das gilt auch für das adjektivistisch genutzte „banane“. Dem allen habe ich nichts hinzuzufügen. Ist ja eigentlich auch total banane. 2.12 Ein Apostroph auf Rei’sen Der liebevoll genannte „Deppenapostroph“ greift zunehmend um sich. Woran Sie ihn erkennen und wie Sie sich davor schützen. Gerade las ich in meinen E-Mail’s die Info’s über eine ernst zu neh‐ mende sprachliche Grausamkeit: der s-Apostroph vereinnahmt sämt‐ 2.12 Ein Apostroph auf Rei’sen 73 <?page no="74"?> liche Plural-s und Genitiv-s. Der Apostroph-s gilt als gefährlich, da er eine Mutation des im angloamerikanischen Sprachraum vollkommen harmlosen und grammatikalisch korrekten Genitiv-s darstellt. Hierzu‐ lande hingegen greift er um sich wie eine Krankheit und steht überall, wo er nicht hingehört. Das Bistro hat dann auch Sonntag’s geöffnet und es gibt Mittags‘ Tisch und dazu - grati’s - Franzi’s Kochtipp’s. Die Apostrophitis hat derzeit in Deutschland ihren Höhepunkt erreicht. Zunächst wurde das Genitiv-s aus dem Englischen über‐ nommen: Im Englischen kennzeichnet das ’s einen Besitz (es wird daher auch possessive s genannt). Anna’s dog ist also der Hund, der Anna gehört. Steht der Besitzer schon in der Mehrzahl, so wird nur der Apostroph gesetzt, also etwa: ■ The girls’ dog ■ The Smiths’ dog Bei Eigennamen, die auf „s“ enden, haben Sie die Wahl. Sie können ein ’s setzen (also Thomas’s dog, das ist die üblichere Variante) oder nur den Apostroph (Thomas’ dog). Was im Englischen aber korrekt ist, gilt nicht für die deutsche Sprache. Es heißt immer noch Annas Hund, Omas Käsekuchen oder Brechts Dramen. Bei fortschreitenden Symptomen der Krankheit werden Plural‐ formen apostrophiert. Vorreiter waren hier der stationäre Einzel‐ handel, Autowerkstätten und Restaurantbesitzer, die Auto’s, Kiwi’s, Handy’s und Pomme’s anboten. Im letzten Stadium der Apostrophitis wird - anscheinend wahllo’s - der letzte Buchstabe durch einen Apostroph abgetrennt. Als Eröffnung’s Angebot gibt es samstag’s von morgen’s bis abend’s dann diverse Snack’s und Getränke in Mutti’s Imbi’ss Stube. Um die Krankheit in den Griff zu bekommen, hier ein paar kurze Erläuterungen: 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 74 <?page no="75"?> Wissen! Den Apostroph richtig setzen Der Apostroph kommt im Deutschen in der Regel nur dann ins Spiel, wenn ein Buchstabe oder mehrere Buchstaben ausgelassen worden sind - insbesondere, wenn mündliche Sprache schriftlich wiederge‐ geben wird. Zum Beispiel: „So’n Quatsch hab ich selten gehört.“ Oder: „‚s ist früh, lass mich noch schlafen.“ Oder „M’gladbach“. Bei Namen steht der Apostroph dagegen nur in drei Fällen: ■ Wenn der Name bereits auf einem s-Laut endet, also Günter Grass‘ Blechtrommel oder Joachim Ringelnatz’ Gedichte. ■ Wenn Sie den Namen von anderen Namen abgrenzen oder die Grundform des Namens besonders hervorheben wollen, z. B. Andrea’s Bücherstube (im Gegensatz zu Andreas’ Bü‐ cherstube) und Thoma’s Würstchenbude (im Gegensatz zu Thomas‘ Würstchenbude) ■ Vor der Adjektivendung -sch, z. B. die Grimm’schen Märchen Vollkommen absurd ist der Apostroph dagegen vor dem Plural-s. Es sind und bleiben immer noch Lkws und CDs sowie Infos. Und natürlich E-Mails. Und falls Sie denken, es geht nicht schlimmer: mitnichten. Mittlerweile greift der Apostroph auch ander’e Wortendung’en an und drängt sich immer inflationär’er in die deutsche Sprach’e. Na dann: Pros’t. 2.12 Ein Apostroph auf Rei’sen 75 <?page no="76"?> 2.13 Man, es, wir? - Die Frage nach dem Wörtchen „ich“ Wenn ein erwachsener Mensch von sich selbst in der dritten Person spricht, ruft das Kopfschütteln hervor. Bei Fachtexten empfinden wir das gleiche Verhalten als normal. Ein Widerspruch? „Ich oder nicht ich“ - so könnte eine Person Shakespeares existenzi‐ elle Frage umdeuten, wenn sie wieder über einem Text brütet. Die Frage nach dem „ich“ gehört zu den häufigsten Unsicherheiten von Verfasser: innen wissenschaftlicher Fachbeiträge oder Sachtexte. Darf man in einem Artikel das Wort „ich“ verwenden? Ist das unsachlich? Oder gibt es sogar ein explizites Ich-Verbot? Die Meinungen gehen wie so oft auseinander: Da gibt es vehe‐ mente Ich-Befürworter: innen auf der einen und ebenso vehemente Ich-Gegner auf der anderen Seite. Tja, und nun? Um es vorwegzunehmen: Ein offizielles Ich-Verbot gibt es nicht. Und doch gibt es noch immer zahlreiche Wissen‐ schaftler: innen, Herausgeber: innen und Lektor: innen, die dem „ich“ den Kampf angesagt haben. Das ist aus stilistischer Sicht zwar be‐ dauerlich, doch natürlich sollten Sie die sogenannte Selbstreferenz vermeiden, wenn die Zeitschrift das wünscht. Für alle anderen Autor: innen gilt: Das „ich“ ist in Ordnung, solange Sie sich nicht selbst beweihräuchern. Lassen Sie mich diese Meinung erläutern: Sachtexte verfolgen das Ziel, Informationen möglichst neutral und exakt zu formu‐ lieren. Der Autor oder die Autorin tritt also gewissermaßen hinter seinen Text zurück, um den Blick auf die Sache zu lenken. Diese sachorientierte Sichtweise ist berechtigt, schließlich will ich als Leserin eines solchen Texts nicht in einen Erlebnisauf‐ satz eintauchen oder mich an lyrischer Lautmalerei ergötzen, 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 76 <?page no="77"?> sondern mir in irgendeiner Form möglichst objektives, verall‐ gemeinerbares Wissen aneignen - unabhängig von jedweden persönlichen Sichtweisen einer einzelnen Person. Und doch hat die Sache einen Haken: Ohne Sie als Autor: in würde es den Text ja überhaupt nicht geben - er stammt aus Ihrer ganz persön‐ lichen, individuellen Feder. Das fängt bereits beim Thema des Texts an und endet bei der Wahl bestimmter Worte oder eines bestimmten Satzbaus. Sie als Autor: in bestimmen, was Sie wie untersuchen, wie Sie den Text strukturieren und wie Sie die Ergebnisse interpretieren und diskutieren. Dabei gibt es Spielräume und durch diese Spielräume entsteht ein Diskurs. Denn nicht alle qualitativen oder quantitativen Erhebungen und statistischen Befunde sprechen für sich; sie sind auslegungsbedürftig und lassen in der Regel immer mehr als nur eine Schlussfolgerung zu. Insofern ist es in jedem Text notwendig, dass Sie sich (mehr oder weniger explizit) einbringen, Ihr Vorgehen darlegen und Position beziehen. Die Selbstreferenz können Sie also nicht komplett vermeiden. Sie können sie aber auf vielfältige Weise ausdrücken. Die wichtigste Vermeidungstaktik ist - Sie haben es sicher erraten - das Passiv. Das beherrschen die meisten von Ihnen sicher in all seinen Spielarten zur Genüge (sehr zu meinem Bedauern). Es gibt aber noch sehr viele andere Techniken, zum Beispiel ■ das majestätische Wir, bei dem der Autor oder die Autorin von sich im Plural schreibt, weil das bescheidener wirkt (ist aber veraltet), ■ das kollegiale Wir, das neben der Autorin und dem Autor auch die Leserin und den Leser einschließt (ist aber vereinnahmend) ■ oder die Personifikation, die dem Text selbst die Fähigkeit zuspricht, aktiv zu handeln, etwa: „Kapitel 2 geht der Frage nach…“ oder „Die vorliegende Untersuchung zeigt…“ 2.13 Man, es, wir? - Die Frage nach dem Wörtchen „ich“ 77 <?page no="78"?> Und damit sind die Ich-Vermeidungsstrategien noch lange nicht erschöpft. Denken Sie an Formulierungen wie „ist zu diskutieren“, „ist erkennbar“, „der zu behandelnde Aspekt“ oder „findet im nächsten Kapitel Berücksichtigung“. In diesen Formulierungen ist der Autor oder die Autorin präsent, ohne sich in den Vordergrund zu stellen. Ich selbst fand in meiner Doktorarbeit die fantasievollsten Kon‐ struktionen, um mich selbst nicht zu nennen. Meine Doktormutter machte mit diesen Formulierungen kurzen Prozess: „Es ist Ihre Inter‐ pretation, also stehen Sie gefälligst dazu.“ Fünfzig „ichs“ später war schließlich auch ich von diesem ungewohnten Stil überzeugt. Mittlerweile bin ich eine große Befürworterin der Selbstreferenz. Warum der Aufwand, das „ich“ zu vermeiden, wenn es auch einfacher geht? Warum sollten Sie sich hinter geschwurbelten Konstruktionen verstecken, wenn das „ich“ für die Leser: innen verständlicher ist? Ich finde, gerade weil wir beim Schreiben kontinuierlich Entschei‐ dungen treffen und Behauptungen aufstellen oder Sachverhalte inter‐ pretieren, ist es scheinheilig, wenn wir uns nicht klar benennen. Und was meinen Sie? 2.14 Über, unter, meta-was? Den Text sprachlich kommentieren Eine guter Text lebt davon, dass Sie Ihre Leserinnen und Leser an die Hand nehmen und durch Ihren Text führen. Machen wir oft unbewusst, deshalb ist es an der Zeit, einmal über die Sprache zu sprechen, die wir dabei nutzen: die Metasprache. Wer einen Text liest, will wissen, wohin die Reise geht. Was erwartet sie oder ihn? Unterhaltung? Spannung? Oder im Falle von Ingenieu‐ rinnen und Ingenieuren eher weitere Erkenntnisse und Ergebnisse von Untersuchungen? Lese ich einen Krimi, blättere ich besser nicht auf 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 78 <?page no="79"?> die letzten Seiten. Bei einem wissenschaftlichen Gutachten dagegen interessiert mich möglicherweise nur das Fazit oder der Methodenteil. In einer E-Mail entscheide ich anhand des Betreffs, ob ich sie sofort lese, später öffne oder vielleicht ungelesen in den Papierkorb schiebe. Wissen! Metasprache Mit Sprache über Sprache (oder einen Text) sprechen - im Fach‐ jargon heißt das Metasprache. Die Bezeichnung „Meta“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „hinter“ oder „über“. Die Metasprache ist also eine Sprache, mit der wir hinter die Kulissen einer Sprache blicken oder eines Texts blicken. Mit metasprachlichen Kommentaren erläutern wir den Textaufbau. Um einzelne Sätze, Absätze und größere Abschnitte aufeinander zu beziehen und Ihre Informationen in einer sinnvollen, logischen Rei‐ henfolge darzubieten, helfen Ihnen sprachliche Gliederungssignale weiter. Im Englischen spricht man hier auch von signposting, was übersetzt so viel heißt wie Beschilderung oder Fahrbahnmarkierung. Zu den wichtigsten Gliederungssignalen zählen Konnektoren und metasprachliche Textkommentare. Konnektoren verknüpfen Verbindungen von Wörtern, Wort‐ gruppen, Sätzen oder Teilsätzen und bereiten die Leserin und den Leser auf einen Wechsel in der Argumentation vor. Sie werden funk‐ tional definiert und bilden daher keine Wortart im klassischen Sinn. Stattdessen sind sie als eine Mischklasse zu verstehen, zu denen ver‐ schiedene Wortarten gehören. Insgesamt zählen zu den Konnektoren im Deutschen etwa 350 Ausdrücke; am häufigsten sind dabei die Konjunktionen und Adverbien. Manchmal setzen Autorinnen und Autoren die Konnektoren wi‐ dersinnig ein. Doch einem „einerseits“ muss auch ein „andererseits“ folgen und wer „sowohl“ schreibt, kann nicht mit „und“ weitermachen. 2.14 Über, unter, meta-was? Den Text sprachlich kommentieren 79 <?page no="80"?> Achten Sie deshalb darauf, dass Ihre Botschaft und der Konnektor zusammenpassen. So drücken Sie Kausalität etwa mit Wendungen wie „denn, weil, obwohl, da“ aus; mit temporalen Konjunktionen können Sie zeitliche Abläufe angeben („während, nachdem, seitdem, bis“); mit komparativen Konjunktionen stellen Sie Vergleiche an („als ob, als wenn, genauso“); und konditionale Konnektoren wie „wenn, falls, sofern, andernfalls, sonst“ legen eine Bedingung fest. Beispiel! Konnektoren richtig einsetzen Wie wichtig Konnektoren sind, sehen Sie an folgenden Sätzen: „Kommunen wollen Schäden durch Starkregen wirkungsvoll vor‐ beugen. Viele Personen müssen eng miteinander zusammenar‐ beiten. Überflutungsvorsorge ist eine kommunale Gemeinschafts‐ aufgabe.“ Ohne Konnektoren klingt dieser Text nicht nur holprig - er ist fast schon unverständlich, da er nicht zwischen Kernaussage und Nebensätzen trennt. Besser wäre es so: „Um Schäden durch Starkregen wirkungsvoll vorzubeugen, müssen viele Personen eng miteinander zusammenarbeiten, denn Überflutungsvorsorge ist eine kommunale Gemeinschafts‐ aufgabe.“ Neben Konnektoren helfen Ihnen auch Textkommentare dabei, den roten Faden herauszuarbeiten. Textkommentare sind Formen der Metasprache, da Sie hier mit Sprache über Sprache (oder hier: über den Text) kommunizieren. Insofern haben Textkommentare keine unmit‐ telbare inhaltliche Relevanz, sondern dienen dazu, die Aufmerksamkeit Ihrer Leser: innen und Leser gezielt zu steuern. Besonders häufig sind metasprachliche Kommentare in Einlei‐ tungen, Überleitungen oder Zusammenfassungen anzutreffen - also immer dort, wo Sie als Autorin bzw. als Autor spätere Textteile oder 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 80 <?page no="81"?> Handlungen ankündigen (z. B. „Ziel der vorliegenden Arbeit ist es …“), auf inhaltliche Beziehungen zwischen Textteilen aufmerksam machen oder auf bereits Geschriebenes verweisen (z. B. „Wie in Kapitel 3 erläutert…“). Auch Verweise auf Tabellen und Schaubilder zählen zu den Textkommentaren (z. B. „Tabelle 2 fasst die Ergebnisse der Umfrage zusammen.“). Allerdings sollten Sie es mit metasprachlicher Kommunikation auch nicht übertreiben: Bei einem Sachtext von 10 bis 20 Seiten können zu viele eingeschobene Rück- oder Ausblicke auch lästig sein. Versuchen Sie deshalb stets, aus Sicht Ihrer Zielgruppe zu denken. Bräuchten Ihre Leserinnen und Leser vielleicht mehr Informationen oder einen anderen Übergang zwischen den Absätzen? Fehlen Zwischenschritte in der Argumentation oder andere Informationen, die das Verständnis erleichtern würden? An welchen Stellen könnte das Publikum Mühe haben, den Text zu verstehen? Anstatt „Was will ich als Autor: in in dem Text sagen? “ sollten Sie besser fragen „Was müssen die Rezipient: innen wissen, um meine Botschaft zu verstehen? “ Der Rest ergibt sich dann fast von allein. 2.15 Eine Ode an das Komma Das Komma bereitet vielen Menschen Kummer. Wie kein anderes Satz‐ zeichen wird es entweder geflissentlich ignoriert oder aber alle naselang willkürlich eingestreut. In beiden Fällen mangelt es an Textstruktur. Welch Freude! Es gibt sie noch, die kleinen schwarzen Helferlein, diese Striche im Nichts, die so oft missachtet und beschimpft werden, diese in Vergessenheit geratenen Helden, die unauffällig und unprätentiös zwischen Kohärenz und Geschwafel unterscheiden; jene wunderbaren Werkzeuge, ohne die ein Satz keine Struktur, keine Melodie und allzu oft keinen Sinn hätte. Die Rede ist - wer ahnt es nicht - von den 2.15 Eine Ode an das Komma 81 <?page no="82"?> Kommata, den treuesten Gefährten von Thomas Mann, der sie wie kaum ein anderer Schriftsteller zu nutzen wusste. Das Komma stiftet Klarheit. Es macht fürwahr einen Unterschied, ob es heißt: „Ich bekam den Preis nicht, aber meine Freundin.“ oder: „Ich bekam den Preis, nicht aber meine Freundin.“ Und das Komma vermeidet Missverständnisse. Wenn Felix Müller, ein Nachbar, und Claus einen Kaffee bestellen - so bestellen sie zwei Kaffee. Bestellen dagegen Felix Müller, ein Nachbar und Claus einen Kaffee - so handelt es sich um drei unterschiedliche Personen. Ja, liebes Komma, was ist nur geschehen, dass du so unflätig behandelst und teilweise vollkommen verbannt worden bist, obwohl du wie kein anderes Satzzeichen Haupt- und Nebensätze trennst, Einschübe verdeutlichst und Aufzählungen gliederst? Ich habe keine Antwort, nur eine leise Vermutung: Wir wissen nicht mehr, an welchen Stellen im Satz du dich wohlfühlst. Ist ja auch kein Wunder angesichts der vielen Rechtschreibreformen, die mittlerweile den Schluss nahelegen, jede und jeder könne nach eigenem Gutdünken schreiben. Oder angesichts der Tweets und Sprachnachrichten, die einen größeren Wert auf Emojis als auf korrekte Rechtschreibung und Zeichensetzung legen. Da würde sich Thomas Mann sicher im Grabe umdrehen, wenn er versuchen müsste, seine Romane im 140-Zei‐ chen-Jargon zu verfassen. Und weil es immer weniger Menschen gibt, die Kommata richtig setzen, fehlen uns die Leitplanken. Schließlich halten sich selbst Journalist: innen, die die deutsche Sprache eigentlich perfekt beherrschen sollten, nicht immer an die Regeln (mich einge‐ schlossen). Und so kommt es, dass ich eigentlich dachte, es sei gestorben, das arme Komma. Doch dann begegnete es mir völlig unerwartet an einem 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 82 <?page no="83"?> Aushang in unserem Treppenhaus. „Aus gegebenem Anlass, möchten wir Sie darauf hinweisen dass in der Tiefgarage keine brennbaren Gegenstände gelagert werden dürfen.“, konnte ich da lesen. Und da war es, das von mir so geliebte und lang vermisste Komma. Zwar an der falschen Stelle, aber immerhin, es lebte noch. Von da an tauchte das Komma immer wieder an unvermuteten Orten auf. Zum Beispiel nach adverbialen Bestimmungen des Ortes oder der Zeit („Im vergangenen Jahr, konnten wir einen steigenden Auftragseingang verzeichnen.“), oder vor sowie („Er mag Literatur, sowie Musik.“). Vielleicht ist der Zeitpunkt gekommen, um von einer Auferstehung des Kommas zu sprechen? Freilich keiner sinnvollen, denn allzu oft wird das Komma nun sorglos über Texte gestreut, so nach dem Motto: „Ein paar Kommata würden diesem Text sicher gut stehen… Ich mach’ da mal eins hin, da war ja schon lange keins mehr.“ Um übrigens auf Thomas Mann zurückzukommen: Von ihm können wir lernen wie von keinem Zweiten. Hier der dritte Satz aus seinen Buddenbrooks (erster Teil, erstes Kapitel): „Die Konsulin Buddenbrook, neben ihrer Schwiegermutter auf dem geradlinigen, weiß lackierten und mit einem goldenen Löwenkopf verzierten Sofa, dessen Polster hellgelb überzogen waren, warf einen Blick auf ihren Gatten, der in einem Armsessel bei ihr saß, und kam ihrer kleinen Tochter zu Hilfe, die der Großvater am Fenster auf den Knien hielt.“ Der Hauptsatz ist im Grunde trivial: Die Konsulin Buddenbrook warf einen Blick auf ihren Gatten und kam ihrer kleinen Tochter zu Hilfe. Davon abgetrennt sind die drei Relativsätze, die das Sofa, den Gatten und die Tochter näher umschreiben („dessen Polster hellgelb überzogen waren“, „der in einem Armsessel bei ihr saß“ sowie „die der Großvater am Fenster auf den Knien hielt“. Auch der Einschub, der zusätzliche Informationen über die Konsulin enthält, muss abgetrennt werden („neben ihrer Schwiegermutter auf dem geradlinigen, weiß lackierten und mit einem goldenen Löwenkopf verzierten Sofa“). Das 2.15 Eine Ode an das Komma 83 <?page no="84"?> letzte Komma gliedert die Aufzählung der Beifügungen „geradlinig“, „weiß lackiert“ und „mit einem goldenen Löwenkopf verziert“. Übung! Setzen Sie Kommata Und jetzt sind Sie dran: Hier ist der Beginn von Thomas Manns Tod in Venedig, bei dem insgesamt 15 Kommata fehlen. „Gustav Aschenbach oder von Aschenbach wie seit seinem fünf‐ zigsten Geburtstag amtlich sein Name lautete hatte an einem Frühlingsnachmittag des Jahres 19.. das unserem Kontinent monatelang eine so gefahrdrohende Miene zeigte von seiner Wohnung in der Prinz-Regentenstraße zu München aus allein einen weiteren Spaziergang unternommen. Überreizt von der schwierigen und gefährlichen eben jetzt eine höchste Behut‐ samkeit Umsicht Eindringlichkeit und Genauigkeit des Willens erfordernden Arbeit der Vormittagsstunden hatte der Schrift‐ steller dem Fortschwingen des produzierenden Triebwerks in seinem Innern jenem »motus animi continuus« worin nach Cicero das Wesen der Beredsamkeit besteht auch nach der Mittagsmahlzeit nicht Einhalt zu tun vermocht und den entlas‐ tenden Schlummer nicht gefunden der ihm bei zunehmender Abnutzbarkeit seiner Kräfte einmal untertags so nötig war.“ Die wichtigsten Kommaregeln finden Sie in Checkliste II im Anhang. 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 84 <?page no="85"?> 2.16 Bin ich zu alt - oder ist das einfach kein Deutsch? Deutsche sind nicht nur Meister der langen Wörter, sondern auch der Abkürzungen. Das gilt m. M. n. sowohl i. Allg. als auch i. Bes.. Zumindest i. d. R.. Hätte Ihnen vor zwanzig Jahren jemand erzählt, dass es bald möglich sein würde, in Echtzeit und 24 Stunden am Tag mit dem ganzen Planeten zu kommunizieren - sie hätten ihn für verrückt gehalten. Längst beeinflussen soziale Medien und Kurznachrichtendienste un‐ sere Alltagskommunikation. Sprachökonomie ad Absurdum geführt. Vor knapp zwölf Monaten habe ich neu in eine Startup als Presse‐ referentin angefangen. Alle Klischees, die über Startups kursieren, sind dort im positiven Sinne erfüllt: Super schickes Büro, in dem sogar die Salz- und Pfefferstreuer zum restlichen Design passen, Clubmate, kostenlose gesunde Snacks und natürlich der obligatorische Tischki‐ cker. Alle rennen leger gekleidet in Hoodies mit Firmenlogo herum; es gibt ausschließlich Apple-Notebooks, und jeder arbeitet wo und wann und wie er will: sei es an einem Stehtisch am Fenster, gemütlich mit Chai Latte auf dem gelben oft oder einfach im Schneidersitz und mit Kopfhörern bewaffnet auf dem Boden. In diesem Startup und mit so motivierten jungen Menschen arbeiten zu dürfen, ist das Beste, was mir in meinem Berufsleben bislang passiert ist. Zum ersten Mal arbeite ich hier mit Menschen zusammen, die für eine Sache „brennen“, und nicht einfach nur arbeiten, um Geld zu verdienen. Diese Begeisterung steckt an, und ich freue mich jeden Tag aufs Neue, mit diesem Team zusammenzuarbeiten. Soweit die Lobeshymne. Aus sprachlicher Sicht ist es zuweilen jedoch erschreckend. Mit meinen 33 Jahren zähle ich im Startup fast schon zu den Omas. Und das spiegelt sich auch sprachlich wider. Bei uns ist alles „mega“, gerne in Kombination mit „krass“, „geil“ oder 2.16 Bin ich zu alt - oder ist das einfach kein Deutsch? 85 <?page no="86"?> „happy“. Sei es nun eine Idee oder der Blick aus dem Fenster - Super‐ lative sind an der Tagesordnung. Schlechte Ideen sind übrigens „mega 2000er“ oder „mega fucked up“. Und wenn ich Kolleg: innen montags nach ihrem Wochenende frage, sind sie entweder ebenfalls „mega busy“, „mega fucked up“, waren „voll chillig“ oder „so family-style mäßig unterwegs“. Manche sind auch „hippie happy“ oder „happy hippie“ oder nur „so semi“, wenn es ihnen weder richtig gut noch schlecht geht. Besonders faszinierend finde ich jedoch den Gebrauch von Emoti‐ cons und Abkürzungen. Ich war keine zwei Tage da, als ich gebeten wurde, „OKRs und KPIs“ zu formulieren. Ich sollte mir also Ziele for‐ mulieren und passende Kennzahlen überlegen, um messen zu können, ob und inwieweit ich meine Ziele erreicht habe. Das fand ich jedoch nur Dank Google heraus. Denn um zu veranschaulichen, was mein Chef von mir erwartete, schickte er mir eine Folie aus dem Marketing, die mich mehr verwirrte, als dass sie zur Aufklärung beigetragen hätte. Die OKRs des Marketings bestanden nämlich aus möglichst niedrigen CACs bei hohem CSAT, hohem NPS und hohem x-selling, und zwar über die gesamte CLV. Dann ist ja alles klar! Gut, dass BizDev seinen LOI an den TPA geschickt hat und die FNOLs frühzeitig vom CS bearbeitet werden. Die Devs freuen sich über das neue PAS, das eine bessere UX ermöglicht, auch wenn noch ein NDA unterzeichnet werden muss. Oder war es ein CDA? Ist auch egal, denn fyi: YOLO, da bleibt nur zu feiern. Der CPO freut sich (rofl), der COO schließt sich an (lmao) - bald knallen die Sektkorken, wobei der Ort noch tba und die Uhrzeit tbd ist. Ich sehne mich nach der guten alten Zeit zurück, als sich die BLs der einzelnen GBs noch um FTEs und Budgets stritten und es nicht so viele Abkürzungen gab. Vom HSEQ-Verantwortlichen oder der QA-Managerin mal abgesehen (der übrigens nicht mit den Q&A zu verwechseln ist). Gewiss, auch damals musste ich einige PMs asap mit 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 86 <?page no="87"?> den PMs besprechen und auf SoMe verteilen, doch das ist eben das tägliche Brot der PR. IMO sollten Abkürzungen ausgeschrieben und erklärt werden. Ist vielleicht alte Schule, aber zumindest brauche ich nicht Google, um eine E-Mail zu entschlüsseln. Gewiss, mit längerer Betriebszugehörig‐ keit fällt Mitarbeiter: innen der Firmenjargon kaum noch auf. Doch AFAIC empfinde ich diese Abkürzungen als unhöflich gegenüber Außenstehenden. Ich fühle mich dann OOP. Deshalb rate ich allen: Schluss mit den vielen Abkürzungen. So viel Zeit muss sein. Übrigens hat das nichts mit Startups zu tun: Seltsame Abkürzungen finden sich in jedem Unternehmen, angefangen vom Handwerkerbe‐ trieb bis zum großen DAX-Konzern. Der Versuch, die kryptischen Abkürzungen in Schreiben der deutschen Behörden zu entschlüsseln, ist bisweilen eine außergewöhnliche Herausforderung - auch für deutsche Muttersprachler: innen. Deshalb gilt: Jede Abkürzung muss erläutert werden - mit Ausnahme jener Abkürzungen, die im Duden stehen (also etwa z. B., etc., DDR, PC, usw., i. A.) Mein CTO ist da anderer Ansicht, denn als wahrer Tekkie kommuni‐ ziert er sehr gerne mit so wenigen Buchstaben wie möglich. „AFAIR: C MMs or rtfm.“ Bleibt mir nur zu sagen: TGIF. Genießt das WoE. Und wen es interessiert, hier noch eine Legende: ■ m. M. n.: meiner Meinung nach ■ i. Allg. im Allgemeinen ■ i. Bes.: im Besonderen ■ i. d. R.: in der Regel ■ OKR: Objectives and key results ■ KPI: Key Performance Indicator ■ CAC: Customer Acquisition Costs 2.16 Bin ich zu alt - oder ist das einfach kein Deutsch? 87 <?page no="88"?> ■ CSAT: Customer Satisfaction) ■ NPS: Net Promotor Score ■ x-selling: cross-selling ■ CLV: Customer Lifetime Value ■ BizDev: Business Development ■ LOI: Letter of Intent ■ TPA: Third-party administrator ■ FNOL: first notice of loss ■ CS: Customer Support ■ Devs: Developer ■ PAS: policy administration system ■ NDA: Non-Disclosure Agreement ■ CDA: Confidentiality Agreement ■ fyi: for your information ■ YOLO: you only live once ■ CPO: Chief Product Officer ■ rofl: rolling on the floor laughing ■ COO: Chief Organization Officer ■ lmao: laughing my ass off ■ tba: to be announced ■ tbd: to be decided ■ BL: Bereichsleiter ■ GB: Geschäftsbereich ■ FTE: Full time equivalent ■ HSEQ: Health, Safety, Environment, Quality ■ QA: Quality assessment ■ Q&A: Questions and answers ■ PM: Pressemitteilungen ■ asap: as soon as possible ■ PM: Projektmanager ■ SoMe: Social Media ■ PR: Public Relations 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 88 <?page no="89"?> ■ IMO: in my opinion ■ AFAIC: as far as I’m concerned ■ OOP: out of place ■ CTO: Chief Technical officer ■ AFAIR: C MMs: As far as I remember: see meeting minutes ■ rtfm: Read the fucking manual ■ TGIF. Thank God It’s Friday ■ WoE: Wochenende 2.17 Denglisch - ein Win-win für alle? Was wäre die deutsche Sprache ohne Rendezvous und Chance, ohne Teams und Jobs, ohne Paprika, orange, Chor und Piano? Sie wäre um viele wunderbare Worte ärmer. Manche Worte sind laut Duden zwar eingedeutscht, klingen aber so abscheulich, dass sie auf die schwarze Liste gehören. Ein solches Wort ist meines Erachtens nach zum Beispiel: „brainstormen“. Wir haben ge‐ brainstormt. Klingt gruselig. Und als Synonym gibt der Duden, auf den ich eigentlich große Stücke halte, den Vorschlag „ein Brainstorming durchführen“ an. Ernsthaft? Nicht etwa: Ideen sammeln? Oder frei assoziieren? Ungefiltert Gedanken äußern und Konzepte bewerten? Mittlerweile beginnt der Tag mit einem Coffee to go und den Brea‐ king News im Livestream der Nachrichtensender - natürlich bequem per App. Im Büro angekommen, machen wir ein bisschen Smalltalk, zum Beispiel über unser neuestes Workout, das wir in unserem letzten All-inclusive-Urlaub kennengelernt haben, den gestrigen Blockbuster im Fernsehen, oder unser neues Highlight: eine High Speed Camera. Wo wir gerade bei High Speed sind: Mittlerweile gibt es auch schon High-Speed-Diäten, die auf Low Carb und eine hohe Zufuhr an Prote‐ 2.17 Denglisch - ein Win-win für alle? 89 <?page no="90"?> inen setzen, die übrigens mit der Lean-Body-Mass-Formel berechnet wird. Wir sind abgeschweift, also back to the roots. Oder müsste es back to business heißen? Jedenfalls zurück zum eigentlichen Thema. Wir managen unsere Tools und nutzen Charts zum Monitoring. Mit Laptop unter dem Arm geht es in den ersten Call, in dem wir Feedback zum Rollout des letzten All-Hands-Meeting geben oder unsere Performance besprechen. Besonders dann, wenn wir schlecht performen. Oder wir planen die Roadmap für den Website-Relaunch, der state of the art ist. Wie voll die deutsche Sprache mit englischen Begriffen ist, wird be‐ sonders deutlich, wenn man mit einem Erstklässler durch die Straßen spaziert, der stolz versucht, jedes Schild vorzulesen. Das fängt bei Discounter an („Mama, was ist Disko und er? “) und endet bei den Hot Prices im Summer Sale, wobei es bei einem Erstklässler eher wie Sumeers-Allee klingt und ziemlich lange dauert, bevor Sie ihn verstehen… Doch wie schlimm ist es tatsächlich? Wer das Gefühl hat, von Angliszismen überschwemmt zu werden, dem sei gesagt: Laut Duden liegt der Anteil der Fremdwörter in aktuellen Zeitungs‐ artikeln im Schnitt bei etwa acht bis neun Prozent. Berücksichtigt man ausschließlich aus dem Englischen entlehnte Begriffe, so schrumpft der Anteil auf vier Prozent. Also ein falscher Alarm? Nicht ganz. Denn gerade bei jungen Men‐ schen erfreut sich Denglisch großer Beliebtheit. Wer sich selbst ein Bild machen möchte, dem sei YouTube empfohlen - ein wunderbarer Ort, um neue Trends in der Sprachentwicklung zu beobachten (und nicht nur das! ). Hier durfte ich vor Kurzem einen befremdliches Gespräch hören: Lion, ein junger Mann, der sich selbst als Influencer bezeichnet und eine erstaunliche Anzahl an Followern aufweisen kann, stellt sich 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 90 <?page no="91"?> in berühmte Einkaufsstraßen mit vielen Luxusboutiquen und befragt junge Menschen (meist ebenfalls Männer), wie teuer die Kleidung ist, die sie am Körper tragen. Heraus kommen dabei oft unvorstellbare hohe vierbis fünfstellige Beträge für erstaunlich geschmacklose Kleidung. Hier nun der Dialog: Beispiel! Denglish im Alltag Lion: Hey, check man, ey, sag mal, was trägst du denn Schönes? Typ: Ja, also das sind ein paar Sneaker von x. Lion: Nice. Was kosten die? Typ: Ja, also ich hab die retail im Store gekauft, da kosten sie so um die 200, aber resell gehen die schon für um die 350. Lion: Bei Sneakers wundert mich ja kein Preis mehr… Und was hast du sonst noch an? Typ: Ja, also die Jeans, die sind von x, die sind auch echt comfy. Lion: Chillig. Nicer Style, Mann. Typ: Ja, danke. Ich bin bei meinen Outfits auch echt committed. … Die vielen unnötigen Anglizismen nerven. Ob Mode, IT, Marketing, Musik oder Finazszene - immer mehr Bereiche ticken englisch. Dabei ist die deutsche Sprache wunderbar vielseitig. So zählte der Duden‐ korpus im Jahr 2020 über 18 Millionen unterschiedliche Wörter. Eine unvorstellbare Anzahl, verglichen damit, dass der Bundesbürger und die Bundesbürgerin im Alltag mit schätzungsweise 16.000 Wörtern auskommt. Sogar Goethe benutzte nachweislich „nur“ 93.000 Wörter und ist damit Spitzenreiter unter den Literaturschaffenden. 2.17 Denglisch - ein Win-win für alle? 91 <?page no="92"?> Wissen! Einflüsse anderer Sprachen Und doch ist die deutsche Sprache seit jeher von anderen Sprachen beeinflusst. Im Mittelalter wurde die deutsche Sprache besonders vom Lateinischen geprägt. Ab der Renaissance und später unter Napoleon wurde der Einfluss des Französischen besonders stark. Adresse, Balkon, Cousin, Etage, Fassade, Illusion, Jalousie, Mas‐ sage, Möbel, Mode, Parfum, Reportage, Rivale, Romanze, Serviette, Turnier, Zigarette … die Liste ließe sich lange weiterführen. Mit der Industrialisierung verstärkt sich der Einfluss der englischen Sprache auf das Deutsche und nimmt seit dem 20. Jahrhundert - insbesondere geprägt von am amerikanischen Englisch - kon‐ tinuierlich zu. Kein Wort sollte abgelehnt oder gar verteufelt werden, weil es aus einer anderen Sprache stammt. Das ist jedoch ebenso wenig ein Freifahrtschein dafür, fremde Worte unüberlegt zu übernehmen. Gut sind Worte aus fremden Sprachen dann, wenn sie eine Wort‐ lücke schließen oder Inhalte präzise auf den Punkt bringen. Ein App Store oder Smartphone muss nicht deutscher werden - diese Begriffe haben sich etabliert. Controlling meint sowohl Steuerung als auch Kontrolle. Und wenn Sie von Big Data in der Cloud sprechen, muss das nicht in große Datenmengen in der Wolke übersetzt werden. Umgekehrt gilt jedoch auch: Wenn ein deutsches Wort ebenso geeignet ist, dann benutzen Sie es auch. Ein Management Board ist noch immer die Geschäftsführung, ein CEO der Vorstandsvorsitzende und ein Meeting eine Besprechung. Was zählt ist, dass ihre Leserinnen und Leser Sie verstehen. Makes sense? 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 92 <?page no="93"?> 2.18 Ein Erfolg, zwei Erfolge, viele Erfolgens Nicht alles ist Gold, was glänzt, sagte immer meine Großmutter. Und nicht alles ist ein erfolg. Besonders aber ist nicht alles Gold, was erfolgt. Es war einmal ein Substantiv namens Erfolg. Erfolg war sehr beliebt, jeder wollte ihn haben. Schnell kamen einige Präfixe und Suffixe und hängten sich an Erfolg dran. So kam es, dass Erfolg plötzlich weit verbreitet war: Es gab erfolgreich oder erfolglos, erfolgversprechend oder den Misserfolg. Da wurde das Verb Erfolgen eifersüchtig und dachte bei sich: „Was Erfolg kann, kann ich schon lange. Schließlich war ich zuerst da.“ Und in der Tat ist das Substantiv „Erfolg“ eine Rückbildung aus dem Verb „erfolgen” im Sinne von „geschehen“. Erfolg bedeutete also zunächst „Ausgang, Wirkung“, später dann „Erreichen eines Ziels“. Dem beleidigten Verb war das egal. Es suchte sich ein leichtes Opfer, und wurde schnell bei den Behörden fündig. Besonders die Polizei mochte das Verb. Da erfolgte der Zugriff genau zum richtigen Zeit‐ punkt, wobei die Festnahme durch Spezialkräfte erfolgte. Auch die Einsätze der Feuerwehr oder der Rettungskräfte erfolgten fortan um die Mittagszeit, am frühen Nachmittag oder spät in der Nacht - natürlich erst, nachdem die Alarmierung erfolgte, oder nachdem ein Unglück oder Unwetter erfolgten. Die Politiker finden das „erfolgen“ auch toll, denn wenn etwas erfolgt, dann geschieht es ja quasi wie von selbst, ohne dass man die Akteure beim Namen nennen müsste. Da werden schnell Forderungen laut, es müssten umfassende Datenspeicherungen erfolgen, während Kritiker einwenden, dass derartig weitgehende Eingriffe nicht vor‐ eilig erfolgen dürften, und dann streiten sich die Parteien eifrig 2.18 Ein Erfolg, zwei Erfolge, viele Erfolgens 93 <?page no="94"?> darüber, welche Überprüfungen etwa durch die Vorlage amtlicher Dokumente erfolgen könne oder welche Ausgaben und Maßnahmen und Beschlüsse im kommenden Jahr für die innere Sicherheit erfolgen sollten. Das ließe sich beliebig fortsetzen, doch schließlich wollen wir ja nicht andere kritisieren, sondern vor der eigenen Türe kehren. Und da sieht es nicht unbedingt besser aus. Kürzlich stolperte ich über den folgenden Satz: „Die Planung der äußeren Wasserhaltung erfolgte durch X; die Planung der inneren Grundwasserentspannung erfolgte durch Y.“ Die Formulierung „durch jemanden oder etwas erfolgen“ ist dabei besonders unschön, da sie die unpersönliche Umschreibung des Vorgangs konterkariert. Denn das Verb „erfolgen“ drückt ja aus, dass etwas geschieht, eintritt, stattfindet, sich ereignet oder vor sich geht, wobei der Inhalt des Tuns im Subjekt des Satzes steckt. Deshalb ist das Verb „erfolgen“ auch oft an eine Substantivierung gekoppelt, die leicht aufgelöst werden kann. Wenn die Auszahlung der Gehälter, die Änderung der Steuerklasse oder die Bekanntgabe der Gewinner also Mitte des Monats erfolgt, so können die Gehälter ebenso gut ausgezahlt, die Steuerklasse geändert oder die Gewinner bekannt gegeben werden. Und wenn die Planung jedoch durch X erfolgt, dann könnte X auch einfach planen. Ist leichter verständlich, kürzer und aktiv. In diesem Sinne: Viel Erfolg, aber wenige Erfolgens! 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 94 <?page no="95"?> 2.19 Auf der Spur des Allereinzigsten - oder warum Hyperlative unsinnig sind Manchmal ist perfekt nicht gut genug. Wenn es um die Allereinzigste im Leben ist, reicht nur die optimalste Idee, um das perfekteste Geschenk zu finden. Da darf die deutsche Grammatik auch mal totalst missachtet werden. Es gibt Mutmaßungen, die erscheinen so abwegig, dass man sie vehe‐ ment zurückweisen möchte. Dann reicht es der oder dem Betroffenen möglicherweise nicht aus, zu sagen, dass der Sachverhalt ein anderer ist. Um die eigene Entrüstung in Worte zu fassen, wirken bestehende Formulierungen wie überhaupt nicht, absolut nicht, keinesfalls, nicht im Entferntesten zu schwach. Da hilft nur, kreativ zu werden und die Steigerung nochmal zu steigern: „Diese Behauptungen treffen in keinster Weise zu.“ Das ist, zumindest aus grammatikalischer Sicht, Blödsinn. Wenn etwas in keiner Weise stimmt, dann ist es zu 100 Prozent falsch und zu 0 Prozent richtig. Die zusätzliche Negation macht es zwar falscher, aber nur in grammatischer Sicht. Ebensowenig können Sie für einen Menschen die oder der Einzigste sein. Das ist vielleicht nett gemeint, doch einzig drückt bereits aus, dass es Sie nur einmal gibt. Einzig ist ein sogenanntes Absolutadjektiv, das sich nicht steigern lässt. Es drückt eine Eigenschaft aus, die per se schon absolut ist. In die gleiche Kategorie fallen perfekt, voll, tot, schwanger, leer, extrem, taub, blind, stumm, ideal, enorm, minimal, falsch und optimal. Und doch reicht ein Blick in die Werbung, um zu erkennen, dass es manchmal eben einfach mehr sein muss. Da gibt es den perfektesten Urlaub mit optimalstem Erholungsfaktor am idealsten Sandstrand. Die Politik verspricht ein hartes Durchgreifen bei Rasern, deren Verhalten in keinster Weise hinnehmbar sei (womit sie in der Sache natürlich 2.19 Auf der Spur des Allereinzigsten 95 <?page no="96"?> recht haben, grammatikalisch aber leider daneben liegen). Im Radio klingen die „aktuellsten Verkehrsmeldungen“, und die Thai-Massage nebenan verkündet die „totalste Entspannung“. Klingt doch vollkom‐ menst! Wissen! Hyperlative im Alltag Wenn Adjektive gesteigert werden, die nicht steigerbar sind, gibt es dafür einen Fachbegriff: den Hyperlativ. Hyperlative sind laut Standardsprache zwar nicht logisch und daher regelwidrig, aus der Alltagssprache sind sie aber fast nicht mehr wegzudenken. Denn was, wenn die S-Bahn heute voller war als an den anderen Wochentagen? War sie dann nicht am vollsten? Oder wenn ein Wahl‐ forscher das Ergebnis genauer prgnostiziert als sein Kollege - lag er dann nicht richtiger und sein Kollege falscher? Und wenn eine Extremsportlerin noch besser ist als andere, ist sie dann nicht am extremsten? Hyperlative werden im Alltag oft als Stilmittel genutzt, um eine Aussage und ihre Bedeutung zu betonen und zu verstärken. Geschieht die Verwendung bewusst, so handelt es sich um sogenannte Elative. Das findet sich bereits bei Goethe, und wer sich auf Goethe berufen kann … Nun, da hilft nur, sich in keinster Weise aufzuregen. Wo wir gerade bei Übertreibungen sind: Manchmal werden auch zusammengesetzte Adjektive fehlerhaft - nämlich doppelt - gesteigert. Die Rede ist dann vom meistgelesensten Autor, der bestaussehendesten Schauspielerin oder der schlechtestmöglichsten Variante. Doch wäh‐ rend diese doppelten Superlative falsch sind, stellt sich die Frage, wel‐ 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 96 <?page no="97"?> cher Bestandteil des zusammengesetzten Adjektivs gesteigert werden muss? Bei vielen zusammengesetzten Adjektiven lässt sich nur einer von beiden Teilen semantisch sinnvoll steigern. Meist ist das der erste Teil. So ist das bestmögliche Ergebnis besser als jedes andere, nicht aber möglicher. Der bestbezahlte Beruf ist besser bezahlt als andere Berufe, nicht aber gut bezahlter. Der höchstgelegene Tunnel liegt höher als alle anderen Tunnel, ist aber nicht gelegenster. Klingt logisch, doch müsste es dann nicht auch meistversprechend, nässestkalt und dunkelstrot heißen? Die Antwort lautet nein: Gelten zusammengesetzte Adjektive als dauerhafte Verbindungen, werden sie als Ganzes gesteigert. Ein Winter ist also nasskalter als der vorherige; und von allen Kleidern trägt Klara das dunkelroteste. Manchmal sind auch beide Varianten korrekt, wobei es Unter‐ schiede zwischen der wörtlichen und übertragenen Bedeutung geben kann. Ein Gesetz kann sowohl weiter reichende Folgen haben als auch weitreichendere Folgen. Und ein besonders hochwertiger Mantel kann sowohl der höchstwertige als auch der hochwertigste Mantel sein. Übrigens: In meinem Beruf als Pressesprecherin gehöre auch ich zu der Zunft jener, die gerne mal noch eins obendrauf setzen. Vor einigen Wochen fragte mich meine Kollegin, ob unser Unternehmen zu den schnellstwachsenden oder schnellwachsendsten gehöre. Zu fortgeschrittener Stunde keine leichte Frage. Während schnellstwach‐ send die richtige Antwort gewesen wäre, so waren wir beide müde und einigten uns daher darauf, den Satz umzuformulieren: Unser Unternehmen wächst sehr schnell. Im Zweifel die eleganteste und vor allem verständlichste Lösung. 2.19 Auf der Spur des Allereinzigsten 97 <?page no="98"?> 2.20 Mal ehrlich: Heißt es Mal oder mal? Manchmal schreiben wir mal groß und dann wieder klein. Aber wie ist es denn nun richtig? Das ist mal wieder so eine Frage, bei der viele ein ums andere Mal nicht sicher sind. Jede Mutter und jeder Vater kennt die Bitte: „Nur noch einmal. Ein einziges Mal. Das allerletzte Mal.“ Und dann, kaum hat man sich breitschlagen lassen, ist es ein ums andere mal dasselbe: Einmal in Kinderaugen ist keinmal, und daher beginnen die Verhandlungen von vorn. Um Erziehungstipps soll es hier allerdings nicht gehen, dafür bin ich ohnehin die Falsche, denn nach zehn Jahren Muttersein bin ich in Punkto konsequentem Verhalten genauso gut vorangekommen, als hätte ich versucht, einem Stein das Reden beizubringen. Doch ich schweife ab, denn das Thema ist das unauffällige Wörtchen „mal“, das es faustdick hinter den Ohren hat. Wissen! So schreiben Sie mal/ Mal Die Frage, ob wir das Wort mal groß- oder kleinschreiben, hängt davon ab, ob es sich um ein Nomen handelt oder nicht. Als Nomen schreiben wir Mal groß: beim dritten Mal, zum hundertsten Mal, dieses Mal, nächstes Mal, drei Millionen Mal. In allen anderen Fällen wird mal kleingeschrieben. Also dreibis viermal, einmal mehr, noch einmal, manchmal, allemal, diesmal. Eigentlich ganz einfach. Allerdings: In einigen Fällen können wir sowohl das Nomen als auch das Adverb verwenden. Wenn beide Schreibweisen möglich sind, spielt die Betonung eine wichtige Rolle. Die folgenden Varianten sind also beide zulässig: 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 98 <?page no="99"?> ■ Ich habe nur einmal geklingelt. ■ Ich habe nur ein (einziges) Mal geklingelt. ■ Ich habe ihm schon tausendmal gesagt, dass er ■ Ich habe es ihm schon tausend Mal gesagt, dass er Nach soviel Theorie ein wenig Praxis - jetzt sind Sie dran. Im Folgenden geht es darum, die Tipps zum guten Formulieren umzu‐ setzen. Sie sollen etwa Substantivierungen und unnötige Passivformu‐ lierungen auflösen, das Wesentliche zuerst nennen, Satzklammern entlasten und vor allem mehrere Sätze bilden. Teilweise reicht es bereits aus, Dopplungen oder Füllwörter zu streichen. Schritt 1: Bitte überprüfen Sie, was an dem Satz nicht gelungen ist. Schritt 2: Formulieren Sie dann in einem zweiten Schritt eine Alternative. Eine Musterlösung finden Sie am Ende des Buches. Übung! Gekonnt formulieren 1. In der Studie wurden zentrale bodenmechanische Labor‐ versuche konzipiert und auf ihre Anwendbarkeit hin‐ sichtlich der zentralen Problemstellung, die Klassifikation und Charakterisierung der Böden hinsichtlich ihrer Festig‐ keits- und Verformungseigenschaften sowie die geohyd‐ raulischen Eigenschaften zu erhöhen, überprüft. 2. Bei der gerichtlichen Überprüfung der sofortigen Voll‐ ziehbarkeit von Deponiezulassungen auf entsprechende Rechtsbehelfe von Umweltverbänden ist es in der letzten Zeit zu einer Neujustierung des Prüfungsmaßstabs durch die Gerichte gekommen. 2.20 Mal ehrlich: Heißt es Mal oder mal? 99 <?page no="100"?> 3. Die Zusammenfassung soll es ermöglichen, eine Abgren‐ zung zwischen den aufgeführten Begriffen durch den Autor zu ermöglichen. 4. Die Forscher haben weder den Versuch unternommen, die Ergebnisse ihrer Studie einer gezielten und kritischen Prüfung zu unterziehen, noch haben sie eine Erklärung dafür geliefert, wie der Zusammenhang zwischen Boden‐ feuchtedürren und Niedrigwasser in dem Modell Berück‐ sichtigung gefunden hat. 5. Im Zuge der weiterhin anhaltenden Wachstums des Internets im Hinblick auf das Datenvolumen und die Teilnehmerzahlen sowie aufgrund der gestiegenen An‐ forderungen in Folge des ständig wachsenden Aufgaben‐ spektrums lassen sich zahlreiche online-basierte Anwen‐ dungen nur noch als Cloud-Lösung realisieren. 6. Eine urbane Sturzflut, die im Folgenden definiert wird als eines aus einem oftmals lokal auftretenden Starkregen resultierende Überschwemmung eines Siedlungsgebietes, kommt im Zuge des Klimawandels zukünftig vermehrt auch fernab von Gewässern vor, wobei sie überwiegend während der Sommerzeit auftritt, wo sie in kürzester Zeit sehr große Niederschlagsmengen auf Flächen von wenigen Quadratkilometern bringt. 7. Durch die Einführung und Anwendung der BIM-Methode treten geänderte Leistungsbilder gegenüber einer klassi‐ schen Planung auf, die aufgrund zusätzlicher Leistungsan‐ forderungen bspw. mit 5-D Planungen zu erhöhten Kosten unter anderem bei Betriebsmitteln und Aktivitäten führen. 8. Neben der HOAI waren die Themen VgV und Auftrags‐ wertberechnung, Fragen der Innenentwicklung der Städte, die lange Verfahrensdauer von Genehmigungsverfahren 2 Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? 100 <?page no="101"?> trotz anstehender erheblicher Herausforderungen im In‐ frastrukturbereich sowie der Erhalt des bestehenden Sys‐ tems der Trennung von Planung und Ausführung Gegen‐ stand der Diskussion, die in konstruktiver Atmosphäre stattfand und angesichts der Vielzahl von Themen eine baldige Fortsetzung finden sollte. 9. Die Flexibilisierung der Stellplatzpflicht zu Gunsten der örtlichen Verkehrsinfrastruktur und die Möglichkeit, da‐ durch zur Reduzierung der Flächenversiegelung, zur Kosteneinsparung und zur Schadstoffreduzierung durch Optimierung des motorisierten Individualverkehrs beizu‐ tragen, ist ein sinnvoller Schritt für die Kommunen. 10. Die Bearbeitung der in Abbildung 1 dargestellten Arbeits‐ schritte sollte nicht starr nacheinander durch den Gut‐ achter erfolgen, vielmehr ist durch eine kontinuierliche Berücksichtigung der unterschiedlichen Einflussgrößen und Teilergebnisse sowie eine ständige Abstimmung zwi‐ schen den an der Sanierungsuntersuchung Beteiligten eine effektive Projektbearbeitung zu gewährleisten. 2.20 Mal ehrlich: Heißt es Mal oder mal? 101 <?page no="103"?> 3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein Sie haben Ihren Text fertig geschrieben - Glückwunsch. Dann haben Sie die meiste Arbeit hinter sich. In diesem Teil geht es um das Drumherum von Texten, angefangen von der Überschrift über Quel‐ lenangaben bis hin zum Abstract. Und weil Sie Ihre Ergebnisse sicher auch mal mündlich oder schriftlich präsentieren oder einem Laien verständlich erklären müssen, widme ich mich auch diesen Themen. 3.1 Fremde Federn taugen nicht - Vom Plagiat zum korrekten Verweis Wer fremde Inhalte und Ideen nutzt, ohne diese zu zitieren, verstößt nicht nur gegen die gebotene wissenschaftliche Sorgfalt, sondern auch gegen das Urheberrecht. Doch wie können Autor: innen Plagiate vermeiden? „E pluribus unum“, „Aus vielem eines“ - so lautete das Motto, unter dem vor über 215 Jahren die amerikanischen Staaten zur Union zu‐ sammenfanden. Ein Motto, das programmatisch zu verstehen ist.“ Mit diesen Worten beginnt Karl-Theodor zu Guttenberg seine Disser‐ tation, die er 2006 an der Universität Bayreuth einreichte. Tatsächlich stammen die beiden Sätze aus der Feder der Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig, die in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen Artikel über die Vorbildrolle der USA für das politische System der Europäischen Union verfasste. Man mag die „Causa Guttenberg“ als übertrieben, nebensächlich oder genugtuend empfinden - fest steht, der ehemalige Vorzeigepo‐ litiker hat auch seine eigene Arbeit unter das Motto „Aus vielem <?page no="104"?> eines“ gestellt und Textstellen, ganze Passagen und einzelne Ideen von anderen Autor: innen übernommen und die Autorenschaft verschleiert. Kurz: Er hat plagiiert. Wissen! Plagiate Plagiate sind dabei nicht nur als wissenschaftliches Fehlverhalten zu verstehen, sondern verletzen auch das Urheberrecht (UrhG). Denn nach dem Urheberrecht genießen Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst als Ergebnis der persönlichen geistigen Schöpfung einen besonderen Schutz. Sie dürfen nicht ohne Er‐ laubnis des Urhebers vervielfältigt oder verbreitet werden. Weil es in der Forschung jedoch nicht praktikabel ist, jeden Urheber um eine Freigabe zu bitten, erlaubt der Gesetzgeber eine wichtige Ausnahme - das Zitat. So heißt es in § 51 UrhG: „Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbrei‐ tung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.“ Dieser besondere Zweck ist laut § 51 Abs. 1 UrhG beispielsweise dann erfüllt, „wenn einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden“. Sofern das Zitat also einen Zweck innerhalb der eigenen Argu‐ mentation erfüllt, entfällt die Zustimmungspflicht des Urhebers oder der Urheberin und etwaige Vergütungsansprüche. Dennoch müssen Sie den Verfasser oder die Verfasserin nennen und Änderungen des Zitats kenntlich machen. Was im wissenschaftlichen Kontext - nicht zuletzt auch durch die prominenten Plagiatsfälle von Annette Schavan, Veronica Saß, Silvana 3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein 104 <?page no="105"?> Koch-Mehrin oder eben Karl-Theodor zu Guttenberg - dem Grunde nach fest verankert ist, wird im Berufsalltag manchmal vergessen. Wissen! Zitierpflicht unbedingt beachten In Vorträgen, Schulungsunterlagen, nicht-akademischen Texten oder Leitfäden sind fremde Quellen korrekt zu zitieren. Dabei gilt die Zitierpflicht auch für Nicht-Texte wie etwa Kartenmaterial, Tabellen, Diagramme, Fotos und andere urheber‐ rechtlich geschützte Werke. Gerade Fotos in Präsentationen und Vorträgen dienen oft nur der Illustration. Damit verstoßen solche Übernahmen - selbst wenn die Quelle angegeben ist - streng genommen gegen das Urheberrecht. Anders sieht es aus, wenn Sie Fotos nutzen, die Sie selbst gemacht haben, die unter einer Crea‐ tive Commons Lizenz veröffentlicht wurden oder bei denen Sie die Nutzungsrechte erworben haben. Im Zweifelsfall gilt: Zitieren Sie lieber einmal zu viel als einmal zu wenig. Indem Sie zitieren, untermauern Ihre Argumentation, machen Sie sich weniger angreifbar und ermöglichen es der Leserin und dem Leser, sich anhand Ihrer Quellenangaben weiter in den Literaturraum zu vertiefen. Fremde Quellen zu zitieren schmälert also nicht Ihre eigene Leis‐ tung - vorausgesetzt, Sie setzen sich mit den zitierten Quellen kritisch auseinander und zitieren nicht zum Selbstzweck. Und bei Fotos: Wenn die Bildrechte nicht klar geregelt sind, verzichten Sie besser auf eine Nutzung. Dann sind Sie auf der sicheren Seite. 3.1 Fremde Federn taugen nicht - Vom Plagiat zum korrekten Verweis 105 <?page no="106"?> 3.2 Von Quellen ohne Wasser Im letzten Beitrag hatte ich darüber geschrieben, was beim Thema Plagiate zu beachten ist. Doch wie sieht ein korrektes Zitat eigentlich aus? Eine kleine Auffrischung des Wissenschafts-Einmaleins. „Ein Buch zu zitieren, aus dem man einen Satz übernommen hat, heißt Schulden zahlen. Einen Autor zitieren, von dem man einen Gedanken oder eine Information verwendet hat, heißt Schulden zahlen.“ Mit diesem Worten bringt Umberto Eco die Bedeutung des wissenschaft‐ lichen Zitierens auf den Punkt. Mit der Quellenangabe honorieren Sie die Fremdleistung, ohne die Ihre eigene Arbeit nicht möglich wäre. Allerdings haben Sie auch selbst etwas davon: Indem Sie zitieren, sichern Sie sich gegen Fehler ab, stützen Ihre Argumentation und stellen eine Verbindung zwischen Ihren eigenen Überlegungen und dem Gelesenem her. Außerdem ermöglichen Sie es dem Leser oder der Leserin, sich anhand der von Ihnen gemachten Verweise weiter in den Literaturraum zu vertiefen. Soviel zum Warum des Zitierens. Kommen wir zum Wie. Grundsätzlich kennen die Ingenieurwissenschaften drei Mög‐ lichkeiten, um fremde Texte in Ihre eigene Arbeit zu integrieren: ■ Entweder übernehmen Sie die Inhalte wörtlich als direktes Zitat; ■ oder Sie geben die Gedanken des bzw. der anderen in eigenen Worten als Paraphrase wieder; ■ oder aber Sie verweisen auf den gesamten Beitrag eines Autors bzw. einer Autorin in einer allgemeinen Referenz. 3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein 106 <?page no="107"?> Wissen! Zitate und Verweise Direkte Zitate stehen in Anführungszeichen und müssen exakt dem Original entsprechen (also zeichen- und buchstabengetreu übernommen werden). In den Ingenieurwissenschaften werden direkte Zitate kaum verwendet. Sie kommen dann vor, wenn es um den exakten Wortlaut geht, etwa bei einer Definition. Bei indirekten Zitate geben Sie die Inhalte sinngemäß als Para‐ phrase wieder; die Anführungszeichen entfallen. Indirekte Zitate sollten Sie wählen, wenn Sie etwa Argumente, Modellannahmen, theoretische Prämissen oder Ergebnisse anderer Autor: innen nutzen und diese wiedergeben. Als dritte Form der Referenz ist der allgemeine Verweis zu nennen. Dabei beziehen Sie sich nicht auf eine konkrete Textstelle, sondern auf die Quintessenz eines gesamten Aufsatzes, etwa auf eine ganze Argumentationslinie, auf eine gesamte Theorie oder ein gesamtes Modell. So weit, so gut. Doch mit den drei unterschiedlichen Formen der Referenz ist jedoch noch nichts darüber gesagt, an welcher Position Sie nun die Referenz in Ihren Text einarbeiten. Auch hier gibt es drei verschiedene Zitiersysteme: ■ das numerische System, ■ das Autor-Jahr-System und ■ das Fußnotenbzw. Endnotensystem. Die Ingenieure nutzen in der Regel das numerische System. Dabei wird dem Zitat eine Zahl in eckigen Klammern nachgestellt, die auf ein Werk im Literaturverzeichnis verweist. Das Literaturver‐ zeichnis ist folglich nicht alphabetisch geordnet, sondern folgt der Reihenfolge der im Fließtext vergebenen Nummern. 3.2 Von Quellen ohne Wasser 107 <?page no="108"?> Der verbreitetste numerische Zitierstil stammt vom Institute of Electrical and Electronical Engineers (IEEE). Auch die DIN ISO 690 wird in der technischen Fachwelt oft genutzt. In einigen Feldern der Ingenieurwissenschaften findet sich zudem das sogenannte Autor-Jahr-System. Dabei machen Sie Kurzangaben zum Verfasser oder zur Verfasserin, zum Jahr und gegebenenfalls zur Seite direkt im Text. Der Kurzbeleg im Fließtext wird dann im Literaturverzeichnis am Ende der Arbeit aufgelöst Das Fußnotenbzw. Endnotensystem arbeitet mit hochgestellten Referenznummern, die am Seitenbzw. Textende aufgelöst werden. Die Fußnoten und Endnoten belegen dabei nicht nur die Fundstellen, sondern dienen auch dazu, Quellen zu kommentieren oder ergänzende Inhalte und Argumente zu erläutern. Es wird insbesondere in den Geisteswissenschaften angewendet. In den Ingenieurwissenschaften ist dieses System hingegen unüblich. Bleibt nach dem Warum und Wie das Was. Neben Textstellen müssen Sie auch übernommene Abbildungen, Daten, Definitionen, Gleichungen und Tabellen als Zitate zu kennzeichnen. Nicht zu belegen sind (fachspezifisches oder lexikalisches) Allgemeinwissen, eigenständig erhobene Daten oder Ihre selbständigen Überlegungen, Interpretationen und Analysen. Ansonsten gilt: besser einmal zu viel als zu wenig zitieren. Der wer möchte schon gern den Zwangsvollstre‐ cker vor der Tür stehen haben? Mehr zu den Formalia des Zitierens finden Sie in Checkliste V im Anhang. 3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein 108 <?page no="109"?> 3.3 Von wissenschaftlichen und anderen Quellen Wenn Sie einen Fachaufsatz schreiben, können Sie auf unzählige Arten an Literatur zurückgreifen. Klar ist: Nicht jede Quelle ist ein guter Treffer. Die Suche nach der „richtigen“ Literatur ist mitunter schwierig. Manchmal kann es vorkommen, dass Sie einen Zeitschriftenaufsatz für ein Fachmagazin schreiben sollen. Wesentliches Merkmal eines solchen Textes ist es, dass er sich auf andere wissenschaftliche Beiträge bezieht. Doch welche Quellen sind gut? Vereinfacht könnte ich sagen: Zeitungen gibt es am Kiosk, Bücher kaufen Sie im Buchhandel - und wenn Sie Fachliteratur suchen, gehen Sie in eine Universitätsbibliothek und nutzen dort die Datenbanken. Doch ganz so offensichtlich ist es nicht. Denn gerade im Internet finden Sie mittlerweile relevante öffentliche Daten sowie Informationen von Verbänden und branchenbezogenen Zeitschriften, die Ihnen helfen, einen guten und aktuellen Überblick zu gewinnen und bei aktuellen Trends, Veränderungen oder neuen Rechtsgrundlagen und Verord‐ nungen auf dem Laufenden zu bleiben. Eine gute Quelle sollte daher drei Kriterien genügen: Sie sollte relevant, zitierfähig und zitierwürdig sein. Am wichtigsten ist das Kriterium der Relevanz: Nur wenn eine Quelle einen konkreten Bezug zu Ihrem Thema und Ihrer Fragestellung aufweist, sollten Sie diese verwenden - und nicht etwa, weil Sie Ihre Belesenheit oder Ihren Fleiß unter Beweis stellen wollen. Ein aufgeblähtes Literaturverzeichnis wird nicht honoriert, auch nicht unter Ingenieurinnen und Ingenieuren. 3.3 Von wissenschaftlichen und anderen Quellen 109 <?page no="110"?> Das Kriterium der Zitierfähigkeit ist gegeben, wenn die Leserin oder der Leser uneingeschränkt auf die Quelle zugreifen kann. Das trifft auf alle Werke zu, die Sie über den Buchhandel, Bibliotheken, Archive oder Dokumentenlieferservices beziehen können oder die im Internet beispielsweise über einen permanenten Link dauerhaft hinterlegt sind. Schwieriger sieht es bei sogenannter ‚grauer Literatur‘ aus, also Publikationen, die nicht allgemein zugänglich sind. Dies trifft etwa auf Studien- und Masterarbeiten, unveröffentlichte Skripte und Arbeitspapiere oder unternehmensinterne Informationen zu. Deutlich schwammiger ist dagegen die Frage nach der Zitierwür‐ digkeit. Als zitierwürdig gilt eine Quelle, wenn sie den wissenschaftli‐ chen Qualitätskriterien entspricht, also insbesondere nachvollziehbar, inhaltlich anspruchsvoll, theoriegeleitet und möglichst aktuell und generalisierbar ist. Auch präzise Fachsprache, Referenzen und eine klare Gliederung zählen zu den Gütekriterien für die wissenschaftliche Qualität eines Textes. Nichtsdestotrotz bleibt es Ihrem persönlichen Urteil überlassen, ob Sie die Quelle als zitierwürdig erachten oder nicht - genaue Bewertungsregeln gibt es nicht. Um die Zitierwürdigkeit einer Quelle etwas genauer zu beur‐ teilen, bieten sich insbesondere zwei Fragen an: die Frage nach dem Autor bzw. der Autorin und die Frage nach dem Publikati‐ onsmedium. Wer ist der Autor oder die Autorin? Ist die Person ein Wissenschaftler bzw. eine Wissenschaftlerin, finden sich im Internet meist problemlos andere ihrer Forschungsarbeiten, anhand derer Sie Rückschlüsse auf ihr Forschungsfeld ziehen können. Auch Nicht-Wissenschaftler: innen können Sie oft gut im Internet suchen und anhand der Ergebnisse deren Expertenstatus überprüfen. Ist hingegen keine Autorenschaft ersichtlich, sollten Sie sich näher ansehen, wer Herausgeber: in ist. Manchmal tauchen hier Organisationen oder Verbände auf, die einen 3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein 110 <?page no="111"?> parteiischen oder werblichen Ansatz verfolgen. So sind Studien zum Thema Müllvermeidung von Greenpeace sicherlich anders zu bewerten als vom Statistischen Bundesamt. Nehmen wir als weiteres Beispiel eine Publikation der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH. In der Broschüre „Der Immobilienmarktbericht 2014 der Metropol‐ region Rhein-Neckar“ finden Sie unter anderem zahlreiche Zahlen und Fakten über den Wirtschaftsstandort, die Sie sicherlich in einer wissenschaftlichen Arbeit über diese Region zitieren können. Andere Aussagen und Botschaften aus dieser Broschüre sind hingegen weniger neutral. So ist der nachfolgende Satz vermutlich nicht falsch: „Die drei Oberzentren Heidelberg, Ludwigshafen und Mannheim bilden zusammen mit mittelgroßen Städten wie Worms, Speyer und Bensheim eine ausgewogene Raumstruktur.“ Er dient an dieser Stelle jedoch dem Standortmarketing und will Investor: innen anlocken. Damit hat dieser Satz einen anderen Stellenwert als wenn er in einer unabhängigen Studie eines Forscherteams auftauchen würde. Wo wurde publiziert? Verlässliche Fachliteratur finden Sie in der Regel bei Fachverlagen und in Fachzeitschriften und nicht auf Seiten wie gutefrage.de. Mittlerweile publizieren auch immer mehr Wissenschaftler: innen ihre Bücher und Forschungsergebnisse im Selbstverlag, etwa über Books on Demand (BoD). Hier sollten Sie mehr über den Autor oder die Autorin herausfinden, um die Qualität der Quelle zu bewerten. Bei Zeitschriften sollten Sie überprüfen, ob es ein Review-Verfahren gibt. Wissen! Peer-Review-Verfahren Das gängigste Verfahren der Qualitätsprüfung vor der Veröffent‐ lichung der Artikel ist das sogenannte Peer-Review-Verfahren. Dabei begutachten unabhängige Wissenschaftler: innen des glei‐ chen Fachgebietes (die „Peers“) den wissenschaftlichen Beitrag und geben eine Stellungnahme ab. Bei Institutionen und Organi‐ 3.3 Von wissenschaftlichen und anderen Quellen 111 <?page no="112"?> sationen als Herausgeber: innen sollten Sie kritisch fragen, welche möglichen nicht-wissenschaftlichen Interessen diese mit der Pu‐ blikation verfolgen. Oft werden Studien durch die Bundesregie‐ rung oder ein Ministerium in Auftrag gegeben und finanziert. Diese Studien sind dann meist unabhängiger, als wenn ein Kon‐ zern oder eine Interessensvertretung hinter solchen Publikationen stehen. Im Zweifelsfall vertrauen Sie am besten Ihrer eigenen Einschätzung der Quelle. Als Autor: in sind Sie gut mit Ihrem Thema und Ihrer Fragestellung vertraut und wissen daher am zuverlässigsten, ob Sie die Quelle tatsächlich brauchen oder ob Sie nur zu bequem oder zu stark unter Zeitdruck sind, um nach seriöseren Quellen zu suchen. Haben Sie selbst beim Zitieren der Quelle Bauchschmerzen, dann lassen Sie besser die Finger davon. Übung! Quellen bewerten Und weil’s so schön ist, hier eine kleine Übung. Bitte sehen Sie sich nachfolgende Quellen zum Thema „Tunnelvortrieb“ an. Wie bewerten Sie diese Quellen anhand der Kriterien „Zitierfähigkeit“, „Zitierwürdigkeit“ und „Relevanz“? Gehen Sie hinsichtlich des Anspruchs davon aus, dass es sich um einen Aufsatz für Ingenieu‐ rinnen und Ingenieure der gleichen Fachrichtung handelt. 1. Deutsche Bauindustrie/ Industriegewerkschaft Bauen‐ Agrar‐Umwelt/ Berufsgenossenschaft der Bauwirt‐ schaft (2019): Branchenlösung Staubminimierung im Tunnelbau, online unter: www.bauindustrie.de/ media/ documents/ Branchenl%C3%B6sung_Staub_im_Tunnelbau_0 3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein 112 <?page no="113"?> 2_07_2019_final_abgestimmt_PDF.pdf, abgerufen am 25.03.2021. 2. Panova, P. (2014): Ressourcenbedarf des innerstädtischen U-Bahnbaus, Wien [Diplomarbeit]. 3. Grimm, R. (2019): Was ist Spritzbeton? [Blogeintrag auf dem Blog Baustoff Wissen], veröffentlicht am 04.06.2021, online unter: https: / / bit.ly/ 31rr2GJ, abgerufen am 25.03.2021. 4. Haack A., Boley C., Zimbelmann J. (2012): Tunnelbau und unterirdischer Hohlraumbau. In: Boley C. (Hrsg.): Handbuch Geotechnik, Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden, 781-873, https: / / doi.org/ 10.1007/ 978-3-8348-8272-1_13 5. Deutsche Gesellschaft für Geotechnik e. V. (Herausgeber) (2021): Taschenbuch für den Tunnelbau, 45. Auflage, Ernst und Sohn, Berlin. 6. Haack, A. (2005): Weiterentwicklung bei der Abdichtung bergmännisch gebauter Tunnel; Tunnel 24, Heft 3, 16-22. 7. Stadtbahn Europaviertel Projektbaugesellschaft (2021): Zweiter Vortrieb Ende Januar gestartet [Ein‐ trag Bautagebuch], veröffentlicht am 09.02.2021 unter www.sbev-frankfurt.de/ de/ bautagebuch/ einzelansich t/ zweiter-vortrieb-ende-januar-gestartet/ , abgerufen am 25.03.2021. 8. Wittenbrink, P. (2019): Entwicklung eines Prozessmodells zur Produktivitätsoptimierung des maschinellen Tunnelvortrieb s unter Anwendung von Lean Methoden, München, online unter: https: / / athene-forschung.unibw.de/ doc/ 128380/ 12838 0.pdf, abgerufen am 25.03.2021. [Dissertation] 9. Deutscher Ausschuss für Mauerwerk e. V. (2020): Eurocode 6 - DIN EN 1996 mit Nationalen Anhängen: Bemessung 3.3 Von wissenschaftlichen und anderen Quellen 113 <?page no="114"?> und Konstruktion von Mauerwerksbauten. Kommentierte Fassung. Ernst & Sohn, Berlin. 10. Schwarz, K. (2021): Bahn lehnt Tunnel zum Flughafen ab [Meldung], in: Stuttgarter Zeitung vom 10.03.2021, online unter https: / / bit.ly/ 3rsPQZr, abgerufen am 25.03.2021. 11. Fillibeck, J. (2012): Oberflächensetzungen beim Tunnelvor‐ trieb im Lockergestein - Prognose, Messung und Beeinflus‐ sung, Schriftenreihe - Lehrstuhl und Prüfamt für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau der Techni‐ schen Universität München Nr. 50, München. [Dissertation] 12. Möller, G. (2016): Geotechnik: Bodenmechanik, Ernst & Sohn, Berlin. 13. Wikipedia (2021): Schildvortrieb, online unter: https: / / de.wi kipedia.org/ wiki/ Schildvortrieb, abgerufen am 25.03.2021. 3.4 Die Kraft der Bilder Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte. Das weiß schon ein altes Sprichwort. Nutzen Sie das! Wie bereits der deutsche Volksmund sagt, lassen sich komplizierte Sachverhalte mit einem Bild manchmal besser erklären oder greifbarer machen als durch einen langen Text. Versuchen Sie doch einmal, die exakte Lage der Leber im menschlichen Körper in Worte zu fassen oder die Farbe Gelb zu beschreiben. Zugegeben, mit solchen Aufgaben werden Sie als Ingenieurin und Ingenieur wohl kaum konfrontiert sein. Und doch profitieren gerade zahlenlastige Texte - wie sie bei ingenieurwissenschaftlichen Fachtexten und Gutachten üblich sind - von einer ergänzenden visuellen Darstellung. 3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein 114 <?page no="115"?> Am häufigsten werden Ihnen dabei Tabellen begegnen. Sie ermöglichen es, statistische Daten strukturiert und gebündelt darzustellen und Zusammenhänge zwischen Variablen deutlich zu machen. Gerade wenn Sie selbst Daten erheben, werden Sie ohne Tabellen nicht auskommen. Eine zunehmende Komplexität der Tabelle geht jedoch zu Lasten ihrer Übersichtlichkeit. Umso wichtiger ist es, dass Sie kurz in einem Satz erläutern, worum es in der jeweiligen Tabelle geht. Nach dieser Einführung können Sie näher auf die wichtigsten Ergebnisse der Tabelle eingehen. Dabei ist es nicht notwendig, dass Sie jeden einzelnen Wert erläutern. Wichtig ist stattdessen der Fokus auf Kernaussagen: Welche Botschaft sollen die Leser: innen von der Tabelle mitnehmen? Die US-amerikanische Ökonomin und Professorin Deirdre McCloskey betont zu Recht, dass auch Tabellen und Diagramme Geschriebenes seien und daher die üblichen Regeln des Schreibens gelten. Das heißt: Denken Sie an Ihr Publikum. Versuchen Sie, sich klar auszudrücken. Fassen Sie sich kurz. Kopieren Sie deshalb nicht gedankenlos komplette Tabellen aus Softwareprogrammen, ohne kritisch zu hinterfragen, welche Informa‐ tionen zum Verständnis Ihrer Argumentation tatsächlich notwendig sind. Der Leser oder die Leserin möchte verständliche Statistiken und keine Überfrachtung mit Zahlen mit acht Nachkommastellen. Sie können die vollständigen Datenauswertungen als Anhang abdrucken und im Hauptteil nur Auszüge aus Tabellen verwenden. Die gleichen Prinzipien gelten für Diagramme und andere grafi‐ sche Darstellungen. Komplexe Daten verständlich in Infografiken auf‐ zubereiten ist mittlerweile ein nachgefragtes Spezialgebiet. Denn auch Daten erzählen eine Geschichte. Daher sollten auch Ihre Abbildungen 3.4 Die Kraft der Bilder 115 <?page no="116"?> so selbsterklärend und fokussiert wie möglich sein. Bedenken Sie, dass sich nicht jedes Diagramm für jeden Inhalt eignet. Wissen! Diagrammtypen kennen Balkendiagramme werden beispielsweise vor allem für die Darstellung von Rangfolgen verwendet. Säulendiagramme hin‐ gegen eignen sich gut bei der Analyse von Zeitreihen (Aufzeigen von Trends) oder Häufigkeiten. Kreisbzw. Kuchendiagramme stellen das Verhältnis zwischen dem Ganzen und seinen Teilen dar (z. B. die Aufteilung des Werbebudgets auf einzelne Medien‐ gattungen). Linienbzw. Punktdiagramme zeigen in der Regel mehrere Zeitverläufe parallel an und stellen diese vergleichend gegenüber. Je nachdem, welche Aussage Sie mit Hilfe Ihrer Ab‐ bildungen unterstreichen wollen, kommen auch Blasen-, Ring-, Netz- oder Flussdiagramme sowie Zeitstrahle und andere Visualisierungen in Frage. Bei der Gestaltung der Tabellen und Diagramme empfiehlt sich ein minimalistisches Design mit genügend Kontrast und einem leserlichen Font. Überfrachten Sie die Leser: innen nicht mit unnötigen Informa‐ tionen - entscheidend ist, dass sind übersichtliche, verständliche Grafiken. Niemand möchte mit dem Vergrößerungsglas mühsam das Kleingedruckte entziffern. Unterlegen Sie aus dem gleichen Grund Ihre Grafiken und Abbildungsbeschriftungen nicht mit farbigen Flächen oder Grauschattierungen. Wenn Sie Ihre Arbeit später ausdrucken, sollten Sie zudem auf eine hohe Auflösung der Abbildungen und eine ausreichende Schriftgröße achten. 3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein 116 <?page no="117"?> Jede Abbildung braucht einen Titel und eine genaue Achsen‐ beschriftung. Gerade bei Zahlen ist es notwendig, die Achsen zu beschriften und anzugeben, ob es sich um Prozentangaben, Durchschnittswerte oder Preise in Mio. Euro handelt. Bei Ta‐ bellen kommt meist eine Legende hinzu, in der Sie die Variablen und Datenquelle angeben. Scheuen Sie sich dabei nicht vor Wiederholungen: Die Abbildung sollte verständlich sein, ohne dass der Leser oder die Leserin im Text nach Erläuterungen suchen muss. Das Gleiche gilt umgekehrt. Übrigens: Ob Sie Abbildungen zitieren müssen, ist davon ab‐ hängig, ob Sie die Abbildung selbst entwickelt oder von anderen Autor: innen übernommen haben. Dabei ist es irrelevant, ob Sie die Abbildung in Excel, Powerpoint oder mit Hilfe anderer Software selbst nachbauen - solange die Idee zur Abbildung nicht von Ihnen stammt, ist eine Quellenangabe Pflicht. Wenn Sie eine Abbildung modifizieren, beschreiben Sie möglichst genau, was Sie am Original verändert haben. Gleiches gilt für die Datenquelle: Sofern Sie fremde Daten nutzen, müssen Sie dies kenntlich machen. 3.5 Von Zahlen, Daten und Fakten - Oder warum weniger Präzision manchmal mehr ist Zahlen, Daten und Fakten gehören zum Ingenieursalltag wie das Salz zur Suppe. Ohne sie sind Planung, Konstruktion und Projektsteuerung nicht möglich. Manchmal sind weniger Details jedoch die bessere Alternative. Was wäre eine Ingenieurin ohne ihre Planungen, Zeichnungen und Berechnungen? Wie ein Kapitän ohne Schiff, ein Lehrer ohne Schüler, eine Ärztin ohne Patienten. Zahlen, Daten und Fakten sind die Grund‐ lage vieler Ingenieurberufe - das will ich nicht in Abrede stellen. Und 3.5 Von Zahlen, Daten und Fakten 117 <?page no="118"?> doch gilt für journalistische Texte, für Präsentationen, Konferenzen, und alltägliche Kommunikation: Weniger Präzision ist manchmal mehr. Vielleicht schlagen Sie jetzt die Hände über dem Kopf zusammen. „Die hat gut reden, die hat ja keine Ahnung davon! “ Das stimmt. Ich weiß nicht, wie man die Statik einer Brücke berechnet; einen Motor konstruiert oder die chemische Belastung einer Bodenprobe berechnet. Doch ich war oft genug auf Fachkonferenzen und in Besprechungen und habe erlebt, wie die Zuhörenden ab Folie 3 beginnen, lieber auf ihr Smartphone zu blicken. Zahlen und Daten sind wichtig, doch zu viel davon erschlägt den Adressaten. Brechen Sie es herunter. Besprechen Sie nicht jeden Wert einer einseitigen Tabelle, sondern fokussieren Sie sich auf die wichtigsten drei Ergebnisse. Jede und jeder kann selbst die Details anhand der Tabelle schriftlich vertiefen. Bei Daten ist die Leserlenkung noch wichtiger als bei Prosa. Wie sollen die Adressatinnen und Adressaten die Zahlen interpretieren? Ist 6,5 ein hoher oder ein niedriger Wert? Nutzen Sie Vergleiche und setzen Sie die Zahlen zueinander in Beziehung. Je anschaulicher der Vergleich, desto eher holen Sie Ihr Publikum da ab, wo es steht. Das ist wichtig. Ich will Ihnen zwei Beispiele nennen: Vor einiger Zeit schrieb ich einen Text über die Einführung eines Oberleitungssystems für den Güterverkehr auf der Straße. Der Text begann so: „Jedes Jahr befördern Lkws etwa 500 Cheopspyramiden quer durch die Bundesrepublik - zumindest im übertragenen Sinne. Denn so viel wiegen die Güter, die jedes Jahr auf deutschen Straßen umgeschlagen werden.“ Nicht besonders präzise, aber anschaulich und besser zu greifen als 3,6 Milliarden Tonnen. 3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein 118 <?page no="119"?> Ähnliches gilt für abstrakte Sachverhalte wie diesen hier: Geschätzt alle zwei Jahre verdoppeln sich die weltweit verfügbaren Daten. Bis 2025 sollen es 163 Zettabyte sein. Doch was heißt das? Machen Sie es konkret: Ein Zettabyte ist eine 1 mit 21 Nullen oder über 200 Mal so viel, wie es Sandkörner auf den Stränden der Erde gibt. Soweit zum Inhalt. Nun noch zur richtigen Schreibweise, die gerade bei komplexen Zahlen oder in Verbindung mit Einheiten nicht immer ganz einfach ist. Grundsätzlich werden Zahlen, die als Adjektiv gebraucht werden, zusammengeschrieben: ein sechsstöckiges Haus, ein zweigeteilter Hof, eine Dreieinhalbzimmerwohnung. Wenn Sie zu 95 Prozent sicher sind, dann können Sie das mit fünfundneunzig‐ prozentiger Sicherheit sagen. Üblicher ist in diesem Fall jedoch eine Schreibweise mit Ziffern: 95-prozentige oder 95%ige Sicherheit. Wissen! Zahlen richtig schreiben In Buchstaben geschriebene Zahlen schreibt man zusammen, wenn sie kleiner als eine Million sind, und getrennt, wenn sie größer als eine Million sind (beispielsweise sechszehntausenddreihunder‐ tacht, fünfzehn Milliarden oder acht Millionen zweihunderttausend). Ordinalzahlen werden generell zusammengeschrieben (der zwei‐ millionste Teil). Dezimalzahlen schreibt man als Wortgruppe, zum Beispiel acht Komma fünf (aber: achteinhalb). Zusammensetzungen mit Maßeinheiten schriebt man zusammen. Handelt es sich dagegen um Zusammensetzungen aus Zahl, abge‐ kürzter Maßeinheit und Worten, nutzt man Bindestriche. Wenn die Zahlen komplexer werden oder einen hohen Informations‐ wert haben (was bei beruflicher Kommunikation standardmäßig der Fall ist), empfiehlt es sich meiner Meinung nach jedoch auch in nicht technischen Texten, Ziffern statt Worte zu verwenden. Dabei gilt: 3.5 Von Zahlen, Daten und Fakten 119 <?page no="120"?> Zusammensetzungen aus Zahl, abgekürzter Maßeinheit und Wort werden korrekt mit zwei Bindestrichen geschrieben. Es heißt also 50-m-Stütze, 2-t-Betonpfahl und 10-l-Kanister. Gleiches gilt für Zusammensetzungen mit einzelnen Ziffern: 8-Zylinder, 3-Tonner, 3,2-prozentige Lösung. Bindestriche stehen auch dann, wenn die Maßeinheit oder das Gezählte nicht abgekürzt wird: 50-Meter-Stütze, 2-Tonnen-Betonpfahl und 10-Liter-Kanister. (Nur der Vollständigkeit wegen: Werden die Zahlen ausgeschrieben, so heißt es amtlich Fünf‐ zigmeterstütze, Zweitonnenbetonpfahl und Zehnliterkanister.) Zusammensetzungen mit Maßeinheiten werden zusammenge‐ schrieben: ein zentimeterbreiter Riss (einige Zentimeter breit), eine millimeterdicke Bohrung (wenige Millimeter dick), aber: eine 1.000 Tonnen schwere Tunnelbohrmaschine und ein mehrere Zentimeter breiter Riss. Der Wortbestandteil -fach kann mit oder ohne Bindestrich an die Ziffer angehängt werden. Es sind also sowohl 8-fach als auch 8fach korrekt. Bei Substantivierung ist nach dem Bindestrich großzu‐ schreiben: das 8fache oder 8-Fache der Summe. Die Schreibweise von Bruchzahlen ist nicht ganz einfach. 1/ 2 kg ist ein halbes Kilogramm; 1/ 4 kg ist ein viertel Kilogramm; und 1,75 Kilogramm sind eindreiviertel Kilogramm. Gerade im letzten Fall ist die Verwechslungsgefahr hoch. Denn es macht einen Untershcied, ob Sie für Ihr Backvorhaben ein Dreiviertelkilogramm Mehl (= 0,75 kg) oder eindreiviertel Kilogramm Mehl (= 1,75 kg) benötigen. Gut, dass Sie vermutlich selten Rezepte aufschreiben. 3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein 120 <?page no="121"?> 3.6 Tipps für einen schlechten Vortrag Ausschweifend, detailverliebt, nicht unter einer Stunde - schon haben Sie die wichtigsten Zutaten für einen schlechten Vortrag. Wenn Sie den Text nun noch ablesen, können Sie sicher sein, dass Ihnen niemand mehr zuhört. Kennen Sie das Bedürfnis, bei einem langweiligen Vortrag einfach laut gähnen oder aufstehen zu wollen? Gestern war ich bei einer Tagung zur Wasser- und Abfallwirtschaft; und ich bin sicher, dass mindestens die Hälfte des Publikums bereits während der Begrüßungsansprache diesen Drang verspürte. Aber niemand will unhöflich sein, daher warfen die meisten nach kurzer Zeit mehr oder weniger verstohlene Blicke auf ihre Smartphones, beantworteten E-Mails oder surften schlicht im Internet. Man darf darüber diskutieren, wer hier weniger respektvoll war: Die Rednerin, eine junge und fachlich versierte Ingenieurin, die sich ihrem Thema verlor und vollkommen ungeachtet ihrer Zielgruppe drauflos schwadronierte, oder die Zuhörer: innen, die diesem Schwall an Informationen mit verächtlicher Ignoranz begegneten? Ich glaube, wer sich in sein Publikum hineinversetzt und sich im Vorfeld Gedanken macht, kann jeden Vortrag spannend aufbereiten. In meiner Freizeit höre ich gerne TED-Talks. Ich habe mir schon die seltsamsten Vorträge angehört - einfach weil die Sprecherinnen und Sprecher mich mit ihrer Begeisterung in ihren Bann zogen. Nicht jede ist als große Rednerin geboren; nicht jeder ein rheto‐ risch versierter Wortkünstler. Gerade introvertierten Menschen fällt es schwer, vor anderen Menschen zu sprechen. Das kann ich gut nachvollziehen - deshalb schreibe ich Reden für andere. Ich fühle mich im Schatten sehr viel wohler und überlasse es anderen, im Rampenlicht zu stehen. Die folgenden Ratschläge für einen schlechten Vortrag sollen Ihnen als Maßstab dienen, es besser zu machen: 3.6 Tipps für einen schlechten Vortrag 121 <?page no="122"?> ■ Beginnen Sie auf keinen Fall direkt mit Ihrem Thema. Das könnte die Zuhörenden überfordern. Besser, Sie begrüßen erst alle Anwesenden und erklären dann sehr ausführlich, worüber Sie zu Sprechen gedenken. Ein Exkurs gleich zu Beginn hat noch keinem Vortrag geschadet. Sinnvoll ist auch, wenn Sie sich noch einmal persönlich vorstellen und genau erklären, worin Ihre Expertise liegt - vor allem dann, wenn die Moderatorin das bereits getan hat. Wir alle wissen: Doppelt hält besser. ■ Das Publikum schätzt es, belehrt zu werden. Schwerer, kom‐ plexer Stoff sollte daher besonders umständlich erklärt werden. Das verleiht Ihnen Autorität. Je weniger die Zuhörerinnen und Zuhörer verstehen, umso mehr sind sie beeindruckt von Ihrem überlegenen Wissen. Hilfreich ist es, wenn Sie wenigstens zehn Botschaften entwickeln, besser deutlich mehr. ■ Menschen lieben Zahlen. Sie stehen für Objektivität und sind unanfechtbar. Je mehr Zahlen Sie verwenden, umso mehr wird das Publikum Sie lieben. Vermeiden Sie jede Form von Ge‐ schichte oder gar Emotion. Ein guter Vortrag lebt von der Distanz zum Publikum. Schließlich sind Sie ja nicht im Theater. ■ Bleiben Sie abstrakt. Konkrete Beispiele, Bilder oder greifbare Vergleiche sind Gift für jeden Vortrag. Sie lenken ab und können im schlimmsten Fall das Interesse des Publikums für einen kurzen Moment wecken. ■ Lassen Sie keine Fragen offen. Erklären Sie sämtliche Grund‐ lagen. Sie wissen ja nicht, wer Ihr Publikum ist, daher gehen Sie besser auf Nummer sicher. Laien sind fasziniert, wenn sie mit theoretischen Abhandlungen konfrontiert werden. Ihr Vortrag wird sie ermuntern, sich näher mit dem Thema zu befassen. Und falls Sie vor Kolleginnen und Kollegen sprechen, noch besser. Wer schätzt es nicht, seine Wissenslücken zu füllen? ■ Lesen Sie den Vortrag ab. Denn eine Person, die frei spricht, ist das Schlimmste. Sie wissen ja selbst, wohin Cicero seine Reden 3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein 122 <?page no="123"?> gebracht haben! Gut sind lange Schachtelsätze, das hält die Zuhörenden bei der Stange. ■ Gehen Sie auf Nummer sicher und packen Sie den gesamten Vortrag auf einige PowerPoint-Folien. Dann können die Zuhörer selbst mitlesen, falls Ihnen versehentlich ein Fehler unterkommt. Apropos Folien: Gehen Sie äußerst sparsam mit dem Platz auf den Folien um. 54 Stichpunkte pro Folie nicht in Schriftgröße 6 sind eindeutig zu wenig. Nutzen Sie jedes Fleckchen weiß, und packen Sie am besten viele Abbildungen und Tabellen mit kleingedrucktem Text darauf. Denn das schätzt Ihr Publikum: Wenn es sich selbst durch das Wirrwarr an Details wurschteln darf und parallel Ihrem Vortrag lauscht. Das ist Multitasking, und das wollen wir trainieren. ■ Gönnen Sie Ihrem Publikum auch etwas fürs Auge und beweisen Sie ästhetisches Gespür, indem Sie möglichst viele verschnör‐ kelte und unterschiedliche Schriftarten in verschiedenen Größen und Farben miteinander kombinieren. Das i-Tüpfelchen Ihrer Präsentation sind Animationen, doch das ist nur etwas für Könner. Lassen Sie die Texte von links einfliegen, von rechts erscheinen, von oben langsam als Quadrate einschweben und in Zeitlupe auflösen. Nur wenn Sie auch wirklich alle Animationen einbauen, können Sie Ihr Publikum beeindrucken. ■ Die Zuhörenden sind gekommen, um Ihnen zuzuhören. Nutzen Sie diese Gelegenheit. Sagen Sie alles, was Sie schon immer mal loswerden wollten. Vorträge von unter einer Stunde sollten Sie bedenkenlos ablehnen. Reden Sie ohne Pause, aber mit viel Umschweife. Wenn Sie unbedingt das Publikum einbinden wollen, wovon ich ausdrücklich abrate, bauen Sie Testfragen ein. ■ Kündigen Sie das Ende Ihres Vortrags früh an und reden Sie dann weiter. Gut sind Formulierungen wie: „Bevor ich zum Ende des Vortrags komme,… “ oder „Lassen Sie uns das Gesagte nochmal zusammenfassen. Zuvor erlauben Sie mir jedoch noch einmal…“. 3.6 Tipps für einen schlechten Vortrag 123 <?page no="124"?> Dieses Stilmittel können Sie mehrfach, auch an anderer Stelle, einbauen. Schließlich ist Vorfreude die schönste Freude. Stellen Sie sich vor, wie verzückt das Publikum ist, wenn Sie Erwar‐ tungen wecken, die Sie dann erst verzögert erfüllen? ■ Planen Sie mindestens eine Zugabe ein. Falls am Ende Ihres Vor‐ trags noch jemand anwesend und gar wach sein sollte, wirken eine weitere Zusammenfassung oder eine weitere Statistik Wunder. 3.7 Wo geht es in die Zeitung? „Bitte platzieren Sie das in den Medien! “ Bei dieser Aussage sträuben sich Medienmacherinnen und PRlern die Haare. Dabei sind die Kriterien, um in die Medien zu kommen, sehr handfest. Vom großen global agierenden Konzern bis zum kleinen Büro - Inge‐ nieurinnen und Ingenieure arbeiten in ganz unterschiedlich großen Unternehmen. Je größer das Unternehmen, umso seltener werden Ingenieurinnen und Ingenieure in Berührung mit der Presse kommen. Denn dort gibt es meist eigene Kommunikations- und Marketingabtei‐ lungen, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit kümmern. Anders sieht es in kleineren Firmen aus. Hier kommt es durchaus vor, dass die Chefin persönlich Pressemeldungen schreibt oder der Projektmanager eine Journalistin zur feierlichen Einweihung des Pro‐ jekts einlädt. Noch wahrscheinlicher ist allerdings, dass das Thema Öffentlichkeitsarbeit im Berufsalltag links liegen bleibt. Dabei ist Medienarbeit kein Hexenwerk. Dazu sollten Sie eines über Journalist: innen vorneweg wissen: Sie lieben Geschichten. Neue Geschichten, spannende Ge‐ schichten, spektakuläre Geschichten. 3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein 124 <?page no="125"?> Der Tod von Lady Diana - so tragisch und traurig er für die Angehö‐ rigen war, für die Medien war und ist er bis heute ein steter Quell von Spekulationen und Gerüchten. Erst letztes Jahr - ganze 21 Jahre nach ihrem Tod - zeigte der Nachrichtensender n-tv eine Dokumentation, der die Umstände des Autounfalls nochmal genauer analysierte. Prominenz, Affäre, Tod - bei Lady Diana kommt alles zusammen. Marilyn Monroe, Romy Schneider, Whitney Houston, Michael Jackson - viele Geschichten der Boulevard-Presse leben von diesen Zutaten. Gepaart mit ein paar Gerüchten, einem passenden Schnappschuss und angeblichen Insider-Informationen entsteht aus dem banalen Spazier‐ gang eines drittklassigen Promis mit einem gutaussehenden Model plötzlich ein handfester Ehestreit, weil die beiden nicht verliebt und turtelnd in die Kamera lächeln. Heidi Klum muss zum zwanzigsten Mal den Zickenkrieg ihrer Topmodels schlichten; der Vertreter irgendeines Könighauses wurde bei einer Peinlichkeit ertappt; und wenn das alles nicht reicht, wird darüber spekuliert, ob Helene Fischer schwanger ist. Warum das alles? Weil wir Menschen gerne in Geschichten eintau‐ chen; und wenn es nicht gerade die Dame aus der Nachbarschaft ist, die schon wieder so unfreundlich beim Metzger war, dann müssen eben Schauspieler: innen, Musiker, Politiker: innen und andere Menschen des öffentlichen Interesses für Klatsch und Tratsch herhalten. Viele Menschen verkennen dabei, dass ihre eigenen beruflichen Themen und Tätigkeiten für „die Welt da draußen“ weitaus weniger spannend sind als für sie selbst. Da verbessert eine Umweltingenieurin nach jahrelanger Berufspraxis ein Verfahren zur Altlastensanierung und kein Hahn kräht danach. Oder ein anderer entwickelt eine tolle Lösung für einen Kunden, die ihm Tausende von Euro jedes Jahr spart. Ein Mittelständler engagiert sich erstmals mit einer aus seiner Sicht stattlichen Summe Geld für ein soziales Projekt und keiner erfährt es. Das ist für die betroffene Person oder das betroffene Unter‐ nehmen frustrierend, wo es andererseits doch auch ganz unspannende, 3.7 Wo geht es in die Zeitung? 125 <?page no="126"?> geradezu banale Dinge in die Zeitung, ins Radio oder ins Fernsehen schaffen. Doch was heißt das nun für die Bauingenieurin, der die Baugrube für ein Hochhaus berechnet hat? Oder für den Maschinenbauer, der die Energieeffizienz einer Industrieanlage verbessert hat? Oder für die Elektrotechnikerin, die die Netzinfrastruktur eines Unternehmens auf den Prüfstand stellt? Als Ottonormalverbraucher: in ist es natürlich schwieriger, mediales Interesse zu wecken. Unmöglich, wie manche glauben, ist es aber nicht. Wichtigste Voraussetzung: Man braucht eine gute Geschichte. Geschichten gibt es wie Sand am Meer - man muss nur den Blick dafür schulen. In meiner Zeit im Ingenieurbüro schätzten Geotechniker beispiels‐ weise die Baugrundrisiken für den Bau eines Gepäcktunnels zum geplanten Terminal 3 am Frankfurter Flughafen ein. Im Vergleich zum Gesamtprojekt eine kleine Teilaufgabe, doch mit dem richtigen Dreh eine Reportage in der Frankfurter Rundschau wert. Wussten Sie etwa, dass die Gepäckförderanlage am Frankfurter Flughafen pro Stunde über 20.000 Koffer transportiert? Jedes Jahr sind es über 27 Millionen Koffer. Insgesamt haben die Förderbänder eine Länge von 81 km. Damit die Gepäckstücke zuverlässig ihr Ziel erreichen, liegen sie einzeln in einer codierten Plastikwanne. An jeder Weiche entscheidet ein Lesegerät, in welche Richtung das Gepäckstück weitergeleitet wird - und zwar extrem schnell: Bis zu 5 Meter pro Sekunde legen die Koffer zurück. Diese kuriosen Details machen Medienmacherinnen und Jour‐ nalisten neugierig. Was ist das Besondere an einem Gepäcktunnel? Darüber machen sich die meisten Menschen keine Gedanken, aber logistisch und technisch 3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein 126 <?page no="127"?> ist es keine leichte Aufgabe, so viele Koffer ins richtige Flugzeug zu bringen. Aus Bausicht gab es natürlich ganz andere Herausforderungen zu bewältigen: In den Sanden und Kiesen unterhalb des Grundwasserspie‐ gels einen Tunnel unter den Start- und Landebahnen graben, der sich trotz dynamischer Verkehrsbelastung nicht oder nur minimal setzt, und zwar bei laufendem Flugbetrieb. Für die Geotechniker hieß das, dass sie den Baugrund bei laufendem Betrieb und teilweise in der Nacht erkundeten. Erschwerend kam hinzu, dass unter den Start- und Lande‐ bahnen keine Aufschlussbohrungen oder Überflurausbauten möglich waren. Unter der Überschrift „Karussell der Koffer“ ist das durchaus eine Meldung in der Zeitung wert. Wie Sie Journalist: innen am besten ansprechen, lesen Sie im nächsten Kapitel. 3.8 Wenn Männer Hunde beißen oder Pressearbeit für Ingenieur: innen Um in die Medien zu kommen, brauchen Sie kein großes Kommunikati‐ onsteam oder Vitamin B. Eine gute Idee vorausgesetzt, reicht oft schon eine E-Mail an die richtige Person. Und eine Pressemeldung. Im vorherigen Kapitel hatte ich schon erklärt, dass Journalistinnen und Journalisten das Außergewöhnliche, Kuriose, Dramatische und Emotionale mögen. Und sie mögen Aktuelles, einen lokalen Bezug, Informationen von hoher Relevanz für ihre Zielgruppe oder Pro‐ minenz. Ein Sprichwort sagt, wenn ein Hund einen Mann beißt, sind das keine Neuigkeiten. Beißt dagegen ein Mann einen Hund, ist der Nachrichtenwert hoch. Das ist auch der Grund, weshalb in den Nachrichten nur der Flugzeugabsturz erwähnt wird, nicht jedoch die vielen Tausend sicher 3.8 Wenn Männer Hunde beißen oder Pressearbeit für Ingenieur: innen 127 <?page no="128"?> gelandeten Flugzeuge. Die Ausnahme ist berichtenswert, nicht der Normalfall. Für Ihren Tag der offenen Tür, eine neue Produktionsan‐ lage oder Ihre technische Expertise interessieren sich Journalist: innen in der Regel wenig bis gar nicht - es sei denn, Sie bekommen einen Auftrag aus Nordkorea oder Ihr Vorstand steht wegen eines Delikts vor Gericht. Haben Sie eine spannende Geschichte, so gehen Sie in zwei Schritten vor: Schreiben Sie eine Pressemeldung. Und recher‐ chieren Sie ein geeignetes Medium und einen geeigneten Journalisten oder eine geeignete Journalistin. Geeignet meint hier: Ein Medium, das sich an die für Sie relevante Ziel‐ gruppe richtet und eine Person, die sich wahrscheinlich für Ihren Themenvorschlag begeistert. Dem Hamburger Abendblatt ist eine Großbaustelle in München gleich‐ gültig. Ein neuartiges Produktionsverfahren interessiert einen Journa‐ listen im Politikressort nicht die Bohne. Wenn Sie wissenschaftlich über neue Robotik- und Automationstechniken berichten wollen, sind Sie in einer Fachpublikation besser aufgehoben als in der BILD-Zei‐ tung. Interessant oder relevant sind also auslegungsbedürftige Be‐ griffe. Wenn Ihr Unternehmen einen Tag der offenen Tür für Familien veranstaltet, ist das in der lokalen Zeitung vielleicht eine Meldung wert - in die ZEIT, Süddeutsche oder Frankfurter Allgemeine werden Sie es damit kaum schaffen. Ähnliches gilt für spezielle Themen, die sich eher an ein Fachpublikum richten. Hier sind Fachjournalist: innen gute Ansprechpartner. 3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein 128 <?page no="129"?> Wichtig ist daher zunächst die Recherche: Für welche Medien ist die Geschichte relevant? Welche Redakteure haben in der Vergangenheit darüber berichtet? Ist es eine technische Innovation? Ein großes Bauprojekt? Adressieren Sie Bürgerinnen und Bürger vor Ort oder wollen Sie Entscheider aus Politik und Wirtschaft erreichen? Überlegen Sie, wer Ihre Adressaten sind und welche Redakteure in Frage kommen. In die Zeitung zu kommen ist wesentlich einfacher als Radio oder Fernsehen. Haben Sie eine: n Ansprechpartner: in gefunden, gilt es als nächstes, Ihre Idee zu skizzieren - am besten per E-Mail. Ein lang ausformulierter Text ist dabei eher kontraproduktiv. Halten Sie Ihre E-Mail lieber kurz (Stichworte sind oft übersichtlicher) und kommen Sie auf den Punkt. Ist der Journalist oder die Journalistin interessiert, liefern Sie Informationen nach. Um eine Geschichte auszuarbeiten, ist die Pressemeldung noch immer Mittel der Wahl. Dass es Ihr Text 1: 1 in die Medien schafft, ist zwar eher unwahrscheinlich - schließlich sind Journalist: innen einer möglichst objektiven Berichterstattung verpflichtet und nicht dazu da, Ihr Unternehmen oder Ihre Organisation bekannter zu machen oder gut dastehen zu lassen. Dennoch bietet die Pressemeldung einen Vorteil: Sie zwingt Sie, sich zu fokussieren und das Wesentliche her‐ auszuarbeiten. Wissen! Die Pressemeldung richtig schreiben Eine gute Pressemeldung ist so lang wie nötig und so kurz wie möglich und wurde nach journalistischen Kriterien aufbereitet. Sie hat einen aktuellen Bezug und ist sachlich geschrieben. Pressemeldungen folgen einem bestimmten Muster. Sie beginnen mit einer Überschrift und einem Vorspann, dem sogenannten 3.8 Wenn Männer Hunde beißen oder Pressearbeit für Ingenieur: innen 129 <?page no="130"?> Lead. Der Lead beantwortet die wichtigsten W-Fragen; meistens sind das die Fragen Wer? Wo? Was? Wann? Warum? und Wie? Auch die Überschrift ist inhaltlich substanziell und fasst wiederum die wichtigsten Informationen des Vorspanns zusammen. Meist beantwortet die Überschrift die Fragen Wer? und Was? . Zu Beginn des Leads wird oft eine sogenannte Spitzmarke gesetzt, die Ort und Datum nennt mit vertiefenden Informationen. Oft finden sich hier auch sogenannte O-Töne. O-Töne bezeichnen Kernaussagen einer Person, meist eines Entscheidungsträgers, die im Zeitungsbericht als Zitate erscheinen würden. Sie haben oft nicht nur eine inhaltliche, sondern auch eine dramaturgische Funktion, und sollen den Beitrag lebendiger wirken lassen. Insbe‐ sondere Interpretationen, Wertungen und persönliche Meinungen geben Sie besser in einem O-Ton wider. Es ist nicht notwendig, dass Sie ein wörtliches Zitat nutzen. Stattdessen bestimmen Sie den Inhalt des Zitats selbst, und zwar so, dass es möglichst gut in das Gesamtgefüge passt. Legen Sie dem Zitatgeber bzw. der Zitatgeberin den O-Ton zur Freigabe vor. Ist die Person mit der Aussage einverstanden, so wird das so gewertet, als wäre der Satz tatsächlich so gesagt worden. Am Ende der Pressemeldung steht der sogenannte Abbinder (auch Boilerplate genannt), der das Unternehmen oder die Or‐ ganisation in wenigen Sätzen beschreibt. Der Abbinder legt Ge‐ schäftsfelder, Branche, Mitarbeiteranzahl und Umsatz ebenso da wie die Unternehmensvision oder das Geschäftsmodell. Wichtig ist, den Abbinder auf wenige Sätze zu beschränken. Zuletzt wird in jeder Pressemeldung ein Ansprechpartner für Rückfragen ge‐ nannt. Damit kennen Sie bereits das grundlegende Handwerkszeug jeder Pressesprecherin. Mit der Zeit werden Sie ein Gespür dafür entwickeln, 3 Ein guter Stil und nun? Auch das Drumherum will gelernt sein 130 <?page no="131"?> welche Informationen für die Presse taugen und welche nicht. Und Sie werden besser einschätzen können, welche Medien für welche Geschichte geeignet sind. Zu werbliche Selbstbeweihräucherungen landen sofort im elektronischen Papierkorb. Und sie wird auf die Bedürfnisse der Zielgruppe angepasst: Ein technisch-orientiertes Fach‐ publikum braucht weniger Erklärungen und dafür technisches Detail‐ wissen als eine überregionale Tageszeitung; eine Wirtschaftszeitung interessiert sich stärker für Finanzkennzahlen und nicht für eine Veranstaltung. Daher mag ich Ihnen an dieser Stelle Mut zu sprechen: Versuchen Sie es einfach. Mehr als eine Absage können Sie nicht kassieren. Und auch das gehört dazu. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass immer ein Fünkchen Glück im Spiel ist. Ich hatte schon aufwendig recherchierte Geschichten mit tollen Grafiken, bei denen ich sicher war, sie würden groß aufgegriffen. Die Resonanz: Von etwa einhundert Medien berichtete nur eine einzige Zeitung darüber. Und ich hatte den Umkehrfall. Meldungen, an die ich selbst nicht richtig glaubte, die zig-fach gedruckt wurden. In der Welt der Medien spielen viele Faktoren eine Rolle, die Sie nicht beeinflussen können. Dazu zählen etwa die allgemeine Nachrichten‐ lage, aber auch die Frage, wie gut Redaktionen besetzt sind. Gab es gerade einen thematischen Schwerpunkt zum Umweltschutz, sind Sie mit Ihrem Umweltgutachten vielleicht einfach einen Tag zu spät. Und die spannendste Geschichte geht unter, wenn am gleichen Tag Bundeskanzlerin Merkel zurücktritt, die Börsenmärkte einstürzen oder ein Terroranschlag geschieht. Nehmen Sie es daher sportlich und bleiben Sie hartnäckig. Denn auch das ist eine wichtige Lehre meiner Berufspraxis: Höflich nachfassen und (maximal zweimal) nachhaken erhöhen die Chancen. 3.8 Wenn Männer Hunde beißen oder Pressearbeit für Ingenieur: innen 131 <?page no="133"?> 4 Was, wenn’s mal nicht klappt? Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten Gute Texte fallen nicht vom Himmel - sie werden gemacht, und das kann zuweilen mühsam sein. Rituale und kleine Tricks helfen dabei, die Angst vor dem weißen Blatt zu überwinden oder weniger Text für den elektronischen Papierkorb zu produzieren. Oft hilft es schon, das eigene Verhalten beim Schreiben besser zu verstehen. Menschen, die eine feste Struktur brauchen, haben mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen als jene, die einfach drauf los schreiben. Einen Königsweg gibt es nicht; entscheidend ist, was für Sie persönlich funktioniert. Genau darum geht es in den folgenden Kapiteln. Sie erfahren, welche Schreibtypen es gibt, wie Sie Ihre Zeit gezielt einteilen und wie Sie Ihren Text überarbeiten. Außerdem lernen Sie, wie Sie Feedback richtig nutzen und was Sie tun können, wenn es mit dem Schreiben partout nicht geht. Den wichtigsten Tipp gibt’s dabei gleich hier: Tipp! Schreiben Sie einfach Fangen Sie an. Egal wie, auch wenn es schlecht ist, auch wenn es täglich nur fünf Minuten sind, handschriftlich auf einem Bierde‐ ckel oder mit Notizen auf dem Smartphone. Das Wie spielt keine Rolle, solange Sie ins Schreiben kommen. Warum nicht spielerisch versuchen, einen möglichst schlechten Satz zu schreiben; ja, viel‐ leicht den schlechtmöglichsten Satz aller Zeiten? Das nimmt den Druck, und oft sind die ersten Versionen mit Abstand betrachtet ganz passabel. <?page no="134"?> Den Grund für diesen Tipp will ich Ihnen nicht vorenthalten: Den un‐ verständlichsten Satz, den furchtbarsten Absatz, den grauenhaftesten Text können Sie verbessern. Ein leeres Blatt hingegen bleibt einfach ein leeres Blatt. 4.1 Schreibschmerz - Die Rahmenbedingungen kennen Die meisten Texte entstehen durch wiederholtes Neuschreiben und müh‐ same Korrekturen. Spaß ist etwas anderes. Vielleicht erinnern Sie sich noch an Ihre letzte Deutschklausur in der Schule? Wenn Sie - wie ich - zu den Deutschstrebern gehörten, hatten Sie vielleicht ein paar Interpretationshilfen oder andere zusätzliche Literatur gelesen und den Schulstoff im Vorfeld wiederholt. Während der eigentlichen Prüfung hatten Sie dann vermutlich drei bis fünf Stunden Zeit, um die Fragestellung(en) der Klausur zu beantworten und Ihr angeeignetes Wissen zu demonstrieren. In dieser Zeit machten Sie sich ein paar Stichpunkte oder entwarfen eine grobe Gliederung, schrieben dann Ihren Text und hatten im besten Fall am Ende noch 15 Minuten, um das Geschriebene Korrektur zu lesen. Kommt Ihnen dieses Szenario bekannt vor? Ich erwähne es an dieser Stelle, weil sich viele Schreiberinnen und Schreiber dem Verfassen so nähern, wie sie es in der Schule gelernt haben. Die meisten Schreibe‐ rinnen und Schreiber verstehen unter der Überarbeitung daher jene Phase, in der die Arbeit nochmal auf Rechtschreib- und Kommafehler überprüft wird - wie in der Schule eben. Wenn überhaupt, planen sie für diese Phase nur wenige Stunden ein und missachten, dass Texte in der Regel mehr als nur einmal im Hinblick auf die äußere Struktur, die innere Anordnung der Argumente oder auch stilistisch redi‐ giert werden müssen. 4 Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten 134 <?page no="135"?> Doch was im Deutschunterricht notgedrungen funktionieren musste, ist bei längeren Texten - ja eigentlich sogar bei fast allen professionellen Texten - zum Scheitern verurteilt: Sie sollen nicht Ihr Wissen schnell runterschreiben, sondern eine meist komplexe Fragestellung präzise und strukturiert beantworten. Das ist etwas grundlegend Anderes als das schulische Schreiben, bei dem gleich Ihr „Erstlingswerk“ benotet wird. Ein guter Text ent‐ steht in einem kleinschrittigen und langwierigen Prozess des ständigen Neuschreibens und Feilens. Dennoch wird die Phase der Überarbeitung von Schreibenden fast immer unterschätzt und zwar aus einem naheliegenden Grund: Im Beruf sind Sie fast ausschließlich mit Endfassungen konfrontiert. Sie lesen keine Texte, die noch in einem rohen und unfertigen Stadium sind. Wissen! Gute Texte brauchen Zeit und Disziplin In vorangegangenen Kapiteln habe ich mehrfach behauptet, dass gute Texte vor allem von einer klaren Botschaft leben, aus der sich dann ein roter Faden der Struktur ergibt. Damit ein Text gut wird, braucht es noch zwei weitere Dinge: Zeit und Disziplin. Zeit benötigen Sie, weil ein Text, bevor er fertig ist, in der Regel mehrere Male überarbeitet werden muss. Und das können Sie oft erst dann sinnvoll, tun, wenn Sie Distanz dazu aufgebaut haben. Andernfalls sind Sie Ihren Formulierungen noch zu sehr verhaftet, als dass Sie mit der nötigen Schärfe all jene Passagen rigoros streichen könnten, die Sie nicht brauchen. Disziplin brauchen Sie vor allem deshalb, weil es zuweilen äu‐ ßerst mühsam ist, das bereits Geschriebene und mehrfach Gelesene nochmal zu korrigieren und auf seine Stichhaltigkeit und Sinnhaftig‐ keit hin zu überprüfen. Je häufiger Sie einen Text liegen lassen, umso mehr Kleinigkeiten fallen Ihnen auf, die noch nicht richtig passen. 4.1 Schreibschmerz - Die Rahmenbedingungen kennen 135 <?page no="136"?> Der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway nennt das Kind beim Namen, wenn er sagt: „Der erste Entwurf ist immer scheiße.“ Über ihn wird berichtet, dass er den letzten Satz seines Buches Farewell to Arms neununddreißigmal umschrieb. Seine Begründung: Die Worte hätten die achtunddreißigmal davor nicht gestimmt. Der Satz lautet wie folgt: „After a while I went out and left the hospital and walked back to the hotel in the rain.“ Es ist ein einfacher Satz. Er besteht aus so kurzen und alltäglichen Worten, dass ihn jedes Kindergartenkind versteht. Und doch hat dieser Satz eine unglaubliche Kraft, gerade weil er so einfach ist. Hemingway hätte den Satz auch in zahlreichen Varianten schreiben können. Etwa so: „After having waited a while in the hospital, I left and walked back to the hotel, even though the rain was falling heavily.“ Oder: After a while I left the hospital and walked to my hotel. It was late and it was raining. Oder: When I left the hospital some time later, it was still raining. I walked back to the hotel, alone in the dark and empty night, with my feet fighting against the slippery ground. Worauf ich hinaus will: Ein: e Autor: in hat eine klare Botschaft im Kopf, die er oder sie den Leser: innen transportieren will. Das ist das Was. Das Was muss klar sein, sonst brauche ich mir um den Rest keine Gedanken zu machen. Aber dann kommt das Wie. Wie vermittle ich nun diese Botschaft? Dafür gibt es unzählige Varianten, und viele davon sind gut. Die meisten von uns haben an ihre Texte sicher nicht den Anspruch eines Ernest Hemingway. Wer nicht vom Schreiben lebt oder bestrebt ist, den Literaturnobelpreis zu bekommen, für den ist ein solches Vorgehen oft nicht praktikabel. Gebrauchstexte wie E-Mails oder Protokolle müssen schnell geschrieben oder Gutachten abgegeben werden; da hilft es nichts, an jeder Formulierung endlos zu feilen. Ir‐ 4 Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten 136 <?page no="137"?> gendwann werden Ihre Texte auch nicht mehr besser, sondern lediglich anders. Und doch sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass Schreiben nicht per se einfach ist. Sie müssen das Was in das Wie übersetzen und dabei immer Ihre Leser: innen im Blick behalten, den einzelnen Satz an den vorherigen Satz und den vorherigen Abschnitt anschließen, die passenden Worte wählen und zugleich schon daran denken, wie es nach dem Satz weiter gehen soll. In diesem Sinne mag ich nochmal Hemingway zitieren, der wunderbar pointiert und nüchtern festhält: „Schreiben ist nichts Besonderes. Man setzt sich an die Schreibma‐ schine und blutet.“ 4.2 Die hohe Kunst der Textrückmeldung Es heißt neudeutsch Feedback und meint schlicht, einer Person eine Rückmeldung zu geben. Klingt einfacher als es ist. Im letzten Artikel habe ich darüber geschrieben, wie wichtig es ist, dass Sie Ihren Text frühzeitig aus der Hand geben. Von dieser Proto‐ typen-Theorie bin ich felsenfest überzeugt. Was ich Ihnen bislang verschwiegen habe ist, wie anspruchsvoll es ist, Feedback richtig nutzen, und zwar für beide Seiten. Die ratsuchende Person muss einen unfertigen Text aus der Hand geben und sehr präzise formulieren, welche Art des Feedbacks sie sich wünscht. Und die ratgebende Person muss sich auf den Text einlassen und dabei eine demütige Haltung einnehmen. Beides möchte ich etwas näher erläutern. Viele Jahre lang habe ich Texte von Studierenden und Doktoranden, später von Volontär: innen, Praktikant: innen und Mitarbeiter: innen gelesen. Das Phänomen ist fast immer das Gleiche: ich bekomme einen fertig formatierten Text auf meinen Schreibtisch gelegt mit der Bitte, „doch mal drüber zu lesen“. Anfangs machte ich genau das. Ich las 4.2 Die hohe Kunst der Textrückmeldung 137 <?page no="138"?> den Text und klebte ihn zurück mit einen Zettel, auf dem stand: „Habe drübergelesen.“ Meistens blickte ich dann in ratlose Gesichter. „Ja und, was meinst du, ist er gut? “ Meine Antwort lautet dann immer gleich: „Das hast du mich nicht gefragt.“ Wissen! Ein präzises Textfeedback einholen Ein gutes Textfeedback braucht eine präzise Arbeitsanwei‐ sung. Möchten Sie eine Rückmeldung zum Aufbau? Zu den Grafiken? Geht es Ihnen rein um den Stil des Texts oder nur noch um eine Rechtschreib- und Zeichensetzungskontrolle? Als Ratsuchender sollten Sie genau definieren, worauf Ihr Gegenüber beim Lesen achten soll, und sich auf einen oder zwei Punkte beschränken. Denn es ist kaum möglich, einen Text im Hinblick auf alle Aspekte simultan zu lesen. Und auch für die ratgebende Person ist es nicht damit getan, ihre Mei‐ nung unreflektiert zu äußern. Ich selbst musste in meinem Volontariat schmerzhaft mitansehen, wie meine Chefin so energisch in meinem Text herumfuhrwerkte und korrigierte, dass sie den darunter liegenden Tisch mit Kugelschreiber anmalte. Sie fand den Text so schlecht, dass sie in ihrer direkten und uneinfühlsamen Art Löcher in das Blatt Papier riss bei dem Versuch, meine Formulierungen auszumerzen. Ich war damals 24 Jahre alt, kam frisch von der Uni, und mir kamen die Tränen. Kleinlaut erklärte ich, dass ich den Text nochmal schreiben würde, ging an meinen Schreibtisch gegenüber und heulte. Meine Chefin war, auch wenn das an dieser Stelle nicht deutlich wird, keine hartherzige Führungskraft. Sie war stellenweise etwas unempathisch und definitiv kein mütterlicher Typ. Dennoch habe ich ihr viel zu verdanken. Und mit ihrer Kritik hatte sie in jedem Punkt Recht. Mein erster Entwurf war schlecht. Nur die Art, wie sie mir das sagte, war nicht in Ordnung. 4 Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten 138 <?page no="139"?> Ich kenne jedoch auch den umgekehrten Fall: Mein erstes Kapitel meiner Doktorarbeit gab ich einigen Freundinnen zu lesen. Sie alle nahmen sich Zeit und lasen fast 150 Seiten. Zurück kamen ein paar we‐ nige Anregungen, ein paar Rechtschreib- und Kommafehler. Niemand hatte den Mut mir zu sagen, dass die 150 Seiten viel zu ausschweifend - man könnte fast sagen, am Thema komplett vorbei geschrieben waren. Das machte erst meine Doktormutter, die mich aufforderte, das Kapitel auf maximal 40 Seiten einzudampfen. Ich war damals vor den Kopf gestoßen - verfluchte meine Doktor‐ mutter - die wie meine Chefin während des Volontariats mit ihrer fachlichen Meinung vollkommen richtig lag. Doch warum hatten mir meine Freundinnen das nicht gesagt? Vielleicht wussten sie es nicht. Ich vermute jedoch, dass sie mich nicht verletzen oder entmutigen wollten. Sie waren höflich, und das ehrt sie. Eine gute Textrückmeldung muss aber aufrichtig sein, andern‐ falls führt sie zu nichts. Sie kann schlimmstenfalls sogar zu noch größerem Frust führen, dann nämlich, wenn Sie den Autor oder die Autorin in dem Glauben lassen, dass sein Text perfekt sei und er später dafür Kritik erntet. Das Grundprinzip jedes Feedbacks ist daher Ehrlichkeit. Jetzt wissen Sie also, wie Textfeedback nicht funktioniert. Doch wie kann es gelingen? Textfeedback heißt: Ein Leser spiegelt Ihnen seine subjektiven Leseeindrücke und gibt Ihnen Anregungen, wie Sie Ihren Text überarbeiten können. Welche Anregungen Sie als Autor: in anschließend umsetzen, bleibt Ihnen überlassen - Sie müssen sich nicht rechtfertigen. Beim Textfeed‐ back überprüfen Sie also, welche Wirkung Ihr Text auf Ihre Leserinnen 4.2 Die hohe Kunst der Textrückmeldung 139 <?page no="140"?> und Leser hat. Es handelt sich dabei um ein Feedback unter Gleichran‐ gigen - Ihr Gegenüber soll den Text nicht bewerten, sondern möglichst wertfrei formulieren, wie es ihm oder ihr während des Lesens erging und wo Fragen aufkamen. Die ratgebende Person sollte sich zurücknehmen und stets die Haltung einnehmen, dass sich der Autor oder die Autorin etwas dabei gedacht hat, den Text so und nicht anders zu schreiben. Anstatt Sätze oder Passagen zu korrigieren, sollte ein: e gute: r Feedback-Geber: in mit Fragen und Ich-Botschaften arbeiten. „Mir fehlt hier eine Definition oder ein Beispiel.“ „Ich verstehe hier den Zusammenhang nicht. Ich habe das Gefühl, dass mir ein Beispiel helfen könnte.“ „Hast du für diese Aussage einen Beleg? “ „Warum bringst du dieses Argument an dieser Stelle? Was war deine Überlegung? “ In der Checkliste IV erfahren Sie mehr dazu. Ganz oft zeigt sich, dass sich der Autor oder die Autorin sehr viele Gedanken gemacht hat, und diese manchmal nur nicht stringent umsetzen konnte. Bei einem echten Textfeedback gibt es daher zwei weitere Regeln: Der Feedback-Nehmer hört sich erstens das Feedback an, ohne sich zu rechtfertigen. Er hört einfach zu. Und zweitens: Es ist sein Text und er entscheidet am Ende, welches Feedback er umsetzt und welches nicht. Übrigens: Einen richtigen Zeitpunkt für Feedback gibt es nicht. Je früher Sie den Text aus der Hand geben, umso besser können Sie Mängel in der Gedankenführung oder inhaltliche Fehler korrigieren. Kurz vor der Abgabefrist sind Sie dagegen meist nur noch in der Lage, Schönheitsfehler verbessern. Um in die Struktur einzugreifen oder Passagen neu zu schreiben, ist es dann meist zu spät. Hinzu kommt, dass Sie sowohl sich selbst als auch Ihre Feedback-Gebende Person entlasten, wenn Sie den Feedback-Prozess entzerren: Sie können sich einem anderen Kapitel widmen und haben keinen Leerlauf, und Ihr: e 4 Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten 140 <?page no="141"?> Feedback-Geber: in muss nicht einen kompletten Text in zwei Tagen durchlesen. Sie brauchen aus dem Prozess keine Philosophie an sich machen und möglichst jeden Menschen aus Ihrem Umfeld miteinbeziehen. Auch hier gilt das Sprichwort von den vielen Köchen, die den Brei unter Umständen verderben. Dennoch lohnt es sich, wenn Sie sich das Feedback von mehreren Personen einholen - schließlich nimmt jede Leserin und jeder Leser den Text anders wahr. Im Idealfall wissen Sie um die Stärken Ihrer Feedback-Geber und formulieren für jede Person ein anderes Anliegen. Eine Freundin ist vielleicht Expertin für Rechtschreibung und Zeichensetzung; ein Freund kann Ihnen eine Rückmeldung zu den Modellen oder der Datenauswertung geben; eine dritte Person achtet auf einen verständ‐ lichen Ausdruck. Nutzen Sie also die Stärken Ihrer Feedback-Geber bewusst, denn nicht jeder beherrscht die neuen Kommaregeln und nicht jeder hat Spaß daran, an der Satzmelodie zu feilen. Aber jede ehr‐ liche und konkrete Rückmeldung auf Ihren Text ist für Sie eine wert‐ volle Chance um herauszufinden, wie der Text bei Ihren Leser: innen ankommt. 4.3 Auch Texte kennen Vorfahrtsregeln Texte sind bekanntlich nie fertig. Sie könnten immer noch mehr und noch schöner und noch präziser schreiben. Daher gibt es eine einfache Regel. Sie lautet: Struktur vor Stil. In meiner Zeit als Schreibberaterin an der Universität begegnete ich einer Regel, von der ich wünschte, ich wäre ihr schon viele Jahre früher begegnet. Diese Regel ist gleichermaßen einfach wie wertvoll. Sie lautet: Struktur vor Stil. 4.3 Auch Texte kennen Vorfahrtsregeln 141 <?page no="142"?> Wenn Sie also Ihren Text überarbeiten, achten Sie zuerst auf strukturelle Probleme. Strukturelle Probleme betreffen den Text in seiner Gesamtheit. Sind die Kapitel logisch gegliedert? Führen Sie Ihre Leserinnen und Leser gut durch den Text? Ist die Argumentation schlüssig und nachvollziehbar? Hat der Text einen klaren Fokus, gibt es also einen roten Faden, der die einzelnen Kapitel zusammenhält? Wie sieht es mit den Überleitungen aus? Sind sie angemessen? Zu kurz? Zu lang? All das sind Fragen, die sich auf die Struktur des Texts beziehen. Wenn es dem Leser oder der Leserin auf dieser Ebene schwer fällt, Ihren Text zu verstehen, dann hapert es an Grundlegendem. Am Fundament. Ein Haus, das auf wackeligem Grund steht, können Sie nicht dadurch retten, dass Sie den Dachstuhl rot anmalen. Das Haus bleibt einsturzgefährdet. Wenn die Struktur passt, dürfen Sie sich so lange am Stil verausgaben, bis Sie keine Lust mehr haben (oder es die Rahmenbedingungen nicht zulassen). Hier gibt es nur eine sehr einfache Regel, die Sie schon mehrfach in diesem Buch kennengelernt haben: Ihr Text muss verständlich sein. Die komplexeste Methode oder ausgefeilteste Ar‐ gumentation bringen wenig, wenn sie die Leser: innen nicht verstehen. Wissenschaftliche Stilsünden wie ein ausgiebiger Fremdwortgebrauch oder ein sperriger Nominalstil zeugen oftmals nicht von der Intelligenz des Autors, sondern höchstens von dessen Ignoranz gegenüber seinen Leser: innen. Um im Bild zu bleiben: Stuck an der Decke oder ein toller Innenausbau nützen nichts, wenn die Türen kleine Klinken haben oder die Fenster fehlen. Strukturprobleme wiegen schwerer als Stilsünden - soweit, so gut. Doch einen Haken gibt es: Als Autor: in fehlt Ihnen oft die Zeit, um Texte einfach mal ruhen zu lassen. Für Sie ist es schwierig, zu erkennen, an welchen Stellen Ihre Leser: innen stolpern können. Sie haben sich 4 Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten 142 <?page no="143"?> über einen langen Zeitraum, vielleicht sogar viele Berufsjahre, mit Ihrem Thema befasst, sodass Sie für die Schwächen Ihres Texts blind geworden sind. Wissen! Prototypen bauen Abhilfe schafft die Prototypen-Korrektur-Schleife. Vor allem Entwicklerinnen und Entwickler nutzen das Konzept seit vielen Jahren. Es trägt verschiedenen Namen, die grundlegende Idee ist aber ähnlich: erst Prototypen bauen, diese testen und dann auf Basis des Kundenfeedbacks die Prototypen verbessern. Im Kern steht also die Anwenderin mit einem Problem, das durch den Prototypen gelöst werden soll. Auf Ihren Text übertragen heißt das: Machen Sie die Probe! Auch Texte wollen getestet werden. Schreiben Sie einen Text und geben Sie ihn Ihren Leserinnen und Lesern. Wer, wenn nicht diese Personen, sollte Ihnen sagen können, ob Ihr Text etwas taugt? In der Checkliste III im Anhang finden Sie Fragen, die Sie dabei unterstützen sollen, die äußere Gliederung und die innere Ordnung des Texts aufeinander abzustimmen. Da hilft leider nur: überprüfen und überarbeiten - und dann wieder von vorne. 4.4 Keine Chance für Zeitdiebe Ein gutes Zeitmanagement beim Schreiben ist wichtig. Aber worauf ist beim Zeitmanagement zu achten? Geht es Ihnen auch manchmal so, dass Sie sich viel zu viel vornehmen und abends frustriert sind, weil Sie noch nicht mal die Hälfte geschafft haben? Oder Sie zwar viel erledigt haben, aber eigentlich nur Sachen, 4.4 Keine Chance für Zeitdiebe 143 <?page no="144"?> die nicht wichtig sind? Oder Sie schieben Aufgaben so lange hinaus, bis Sie sie unter Hochdruck in zwei Nachtschichten fertig stellen? All das sind Anzeichen für ein weniger gutes Zeitmanagement. Das ist im Alltag vielleicht ärgerlich, aber nicht dramatisch. Bei längeren Texten oder großen Projekten sieht das aber anders aus. Während Sie an der Uni eine Hausarbeit vielleicht noch an einem Wochenende geschafft haben, ist das spätestens bei einem Fachbeitrag oder einem 30-seitigen Gutachten nicht mehr möglich. Wissen! Zeitmanagement Doch wie sieht ein gutes Zeitmanagement aus? Das Wichtigste vorweg: Sie müssen priorisieren und zwischen Muss-, Soll- und Kann-Aufgaben unterscheiden. Denn nur dann können Sie die verfügbare Zeit möglichst sinnvoll nutzen. Techniken gibt es dabei wie Sand am Meer. Sie haben teilweise abenteuerliche oder absurde Namen, der Grundgedanke ist jedoch immer der Gleiche: Die Zeit ist begrenzt, und deshalb müssen Sie das Wichtigste zuerst erledigen. Ich will Ihnen drei Beispiele vorstellen: Das Eisenhower-Prinzip, die 25.000-Dollar-Methode und das ALPEN-Prinzip. Das Eisenhower-Prinzip Eine weitverbreitete Technik aus dem Selbstmanagement ist das Ei‐ senhower-Prinzip. Seinen Namen verdankt es dem früheren US-Prä‐ sidenten Dwight D. Eisenhower, der das Verfahren angeblich selbst genutzt haben soll. Dabei teilen Sie Ihre Aufgaben anhand der beiden Kriterien Dringlichkeit und Wichtigkeit ein. Auf diese Weise ergibt sich eine Matrix mit A-, B-, C- und D-Aufgaben, mit denen Sie unterschiedlich umgehen sollten. 4 Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten 144 <?page no="145"?> ■ Wichtig und dringlich: A-Aufgaben sollten Sie sofort und per‐ sönlich erledigen. ■ Wichtig, aber nicht dringlich: B-Aufgaben terminieren Sie auf einen späteren Zeitpunkt, oder machen sie, wenn sie zu A-Auf‐ gaben werden. ■ Dringlich, aber nicht wichtig: C-Aufgaben sollten Sie zwar zeitnah bearbeiten, aber sie sind für Ihr Ziel nicht wichtig. Machen Sie das also möglichst dann, wenn Sie unkonzentriert sind oder eine Pause brauchen. Noch besser: Bitten Sie eine andere Person, die Aufgabe zu erledigen. ■ Weder wichtig noch dringlich: D-Aufgaben sollten Sie getrost von Ihrer To-Do-Liste streichen. Sie bedeuten nur unnötigen Ballast. Mit dem Eisenhower-Prinzip verschaffen Sie sich einen besseren Über‐ blick über anstehende Aufgaben. Allerdings hilft es nicht, falls Sie sehr viele A- und B-Aufgaben angesammelt haben, die alle zeitkritisch sind. Die 25.000-Dollar-Methode Hier hilft die 25.000-Dollar-Methode weiter. Sie geht nur von wichtigen Aufgaben aus und trägt stärker der Tatsache Rechnung, dass sich Prioritäten im Laufe der Zeit verändern können. Die Methode wird dem US-amerikanischen Journalisten und PR-Ex‐ perte Ivy Lee zugeschrieben. Er soll im Jahr 2018 von dem Manager der Stahlfirma Bethlehem Steel, Charles Michael Schwab, mit der Frage beauftragt worden sein, die Arbeitsprozesse im Unternehmen effizienter und profitabler zu gestalten. Angeblich wollte Lee kein festes Honorar, sondern bot Schwab an, dass er seine Methode so lange testen könne, wie er wolle, und danach einen Betrag zahlen könne, den er für angemessen hielt. Schwab willigte ein und nach einigen Wochen erhielt Lee einen Scheck über 25.000 Dollar. Die Begründung: 4.4 Keine Chance für Zeitdiebe 145 <?page no="146"?> Die Methode sei die wertvollste Lektion, die er in seinem ganzen Leben gelernt habe. Folgende Anweisungen hatte Lee gegeben: ■ Notieren Sie auf einem Blatt Papier die wichtigsten Aufgaben, die Sie am nächsten Tag erledigen wollen und nummerieren Sie diese Aufgaben nach Priorität. Aufgabe 1 ist die wichtigste. ■ Am nächsten Tag beginnen Sie mit Aufgabe 1 und arbeiten so lange daran, bis Sie diese abgeschlossen haben. ■ Danach überprüfen und ergänzen Sie die übrigen Aufgaben. Falls neue hinzugekommen sind, legen Sie eine neue Reihenfolge fest und arbeiten diese Punkt für Punkt ab - beginnend mit der nun wichtigsten Aufgabe. ■ Am Ende des Tages ziehen Sie Bilanz. Falls Sie nicht alle Auf‐ gaben geschafft haben, so ordnen Sie diese für den kommenden Tag neu. ■ Machen Sie sich dieses Vorgehen zur Routine. Lees Methode ist also alles andere als Zauberei. Dennoch hilft sie Ihnen, dass Sie sich auf eine - als besonders wichtig erachtete - Aufgabe konzentrieren und sich nicht mit mehreren gleichzeitigen Aufgaben verzetteln. Die ALPEN-Methode Die ALPEN-Methode geht auf den Sachbuchautor und Redner Lothar J. Seiwert zurück und soll Ihnen helfen, Ihren Tagesablauf besser zu strukturieren. Der Name ALPEN ist ein Akronym und verweist auf die fünf Schritte, die bei der Methode zu durchlaufen sind. Diese fünf Schritte sind: ■ Aufgaben notieren: In einem ersten Schritt halten Sie in einer einfachen To-do-Liste sämtliche Aufgaben und Aktivitäten fest, die Sie im Laufe des Tages erledigen wollen. 4 Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten 146 <?page no="147"?> ■ Länge schätzen: Im zweiten Arbeitsschritt schätzen Sie ein, wie viel Zeit Sie für jede Aufgabe realistisch benötigen. ■ Pufferzeiten einplanen: Im dritten Schritt legen Sie Pufferzeiten fest. Seiwert empfiehlt, 40 Prozent der Zeit als Puffer zu werten. ■ Entscheidungen treffen: Im vierten Schritt priorisieren Sie die Aufgaben. Dabei kann Ihnen das Eisenhower-Prinzip oder die 25.000 Dollar-Methode helfen. ■ Nachkontrolle: Am Ende des Tages ziehen Sie Bilanz. Was lief gut? Was nicht? Offene Aufgaben übernehmen Sie dann in den neuen Plan. Jetzt heißt es nur noch: umsetzen, üben, korrigieren. Und sich die Tipps zur Routine machen. In diesem Sinne: Frohes Arbeiten! 4.5 Heute schon einen Frosch gefrühstückt? Frösche zählen bekanntlich nicht zu den Delikatessen eines typisch kon‐ tinentalen Frühstücks. Warum sie trotzdem täglich auf dem Speiseplan stehen sollten. Die Essgewohnheiten der Menschen sind ja bekanntlich unterschied‐ lich. Während die Briten es deftig und üppig mögen und die Süd‐ länder eher süß und spärlich, lieben die Deutschen ihre Brötchen wahlweise herzhaft oder mit süßem Aufstrich. Doch einen Frosch zum Frühstück? Das kann nur ein Franzose empfehlen, mag manch Leser oder manche Leserin denken - schließlich sind Froschbeine dort eine Delikatesse. Oder vielleicht plant Disney eine neue Verfilmung des Froschkönigs? Beides weit gefehlt. Tatsächlich stammt der Ausspruch aber von einem Amerikaner, und zwar von dem Persönlichkeits- und Managementtrainer Brian Tracy. Und er ist auch nicht wörtlich, sondern metaphorisch zu verstehen. „Eat that frog“ - so lautet die 4.5 Heute schon einen Frosch gefrühstückt? 147 <?page no="148"?> Aufforderung, die uns dazu anhalten will, unliebsame Aufgaben nicht vor uns herzuschieben, sondern gleich zu Beginn anzupacken. Warum nun gerade ein Frosch? Anders als Kröten genießen Frösche meist einen besseren Ruf. Als Frosch Kermit haben sie es sogar in die Wohnzimmer und Kinderzimmer vieler Haushalte geschafft. Und doch sind Frösche bekanntlich recht glitschige Gesellen, die sich nur ungern fangen lassen. Kaum hat man sie gesehen, sind sie wieder entwischt. Frösche sind zudem Meister der Tarnung: sie verstecken sich im Schilf oder im Laub, zwischen Steinen und in Erdlöchern, und sind dabei kaum von ihrer Umgebung zu unterscheiden. Frösche sind zudem wahre Überlebenskünstler - ob an Land oder im Wasser, Frösche gibt es allen Lebensräumen, sogar in Wüstengebieten. Ihr lautes Quaken kann selbst Schlafende aus den Träumen reißen - mit bis zu 90 Dezibel ist ihr Gequake lauter als ein Presslufthammer. Und zu guter Letzt: Manche Frösche können durchaus giftig sein und dem Menschen gefährlich werden, wenn er sie bedroht. Insofern steht der Frosch symbolisch für alle jene unliebsamen Aufgaben, die wir gerne vor uns herschieben und die dennoch viel unserer Aufmerksamkeit und Energie auf sich ziehen. Wie der Frosch tarnt sich die Aufgabe unter einem Berg anderer Aufgaben, die wir als Ausreden nutzen. Wenn wir uns schließlich vornehmen, die Aufgabe endlich zu erledigen, lässt sie sich nicht richtig greifen. Stellen wir uns nun vor, wie müssten tatsächlich einen lebendigen Frosch essen. Dann bringt es nichts, zu warten und ihn lange anzu‐ gucken. Da hilft nur: Tatsachen schaffen. Genau so ist es mit den unliebsamen Aufgaben. Erfolgreiche Menschen sind oft jene, die ihren Träumen und Ideen auch Taten folgen lassen - sei es nun, regelmäßiger Sport zu machen, sich gesünder zu ernähren, Autor zu werden, eine Schachinitiative zu gründen oder einen Plan umzusetzen. Das „Täglich 4 Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten 148 <?page no="149"?> einen Frosch zum Frühstück-Prinzip“ ist universal. Und das Schöne ist: Wenn wir uns an den Frosch zum Frühstück gewöhnt haben, schmeckt er gar nicht mehr so schlecht. Daher hat Brian Tracy das Prinzip erweitert: Bei zwei Fröschen iss den Hässlicheren zuerst! Auf Ihr Schreibprojekt übertragen heißt das: Schieben Sie Unange‐ nehmes nicht hinaus, sondern beginnen Sie mit genau jener Aufgabe, die Sie andernfalls eine gefühlte Ewigkeit vor sich herschieben. Danach beginnen Sie mit der zweit schlimmsten Aufgabe. Und wenn wir gerade bei seltsamen Ernährungsgewohnheiten sind, will ich Ihnen eine zweite Redensart nicht vorenthalten. Elefanten sollten Sie portionsweise, in kleinen Häppchen, essen. Das macht auch jedes Schreibprojekt bekömmlicher: Teilen Sie Ihre Arbeit in viele kleine Aufgaben auf, die Sie in kurzen Zeitfenstern erledigen können. Dann erübrigt sich auch die gern genutzte Ausrede, dass es sich gar nicht lohnt, damit anzufangen. Denn bei sehr kleinen Aufgabenpaketen helfen auch schon 20 Minuten - und sei es auch nur, dass Sie etwas formatieren oder ein Zitat überprüfen. 4.6 Tomaten für mehr Disziplin In Stücken, Schnitzen oder Scheiben, mit Basilikum verfeinert, als Mark in der Soße, roh, gekocht oder gegrillt - was wäre die italienische Küche ohne Tomaten? Dem italienischen Unternehmensberater Francesco Cirillo zufolge helfen sie sogar beim Zeitmanagement. 4.6 Tomaten für mehr Disziplin 149 <?page no="150"?> Eigentlich halte ich nicht besonders viel von Tipps zum Zeitmanage‐ ment. Das mag daran liegen, dass ich sehr diszipliniert bin und meine Tage und Wochen ziemlich straff durchtakte. Während mein Mann morgens duscht, habe ich die Spülmaschine ausgeräumt, Schulbrote geschmiert, Kaffee gemacht, (ein verhältnismäßig karges) Frühstück gerichtet und den Luftbefeuchter nachgefüllt. Geduscht (und mich angezogen) habe ich natürlich auch. Dieser Aktivismus ist zwar sehr effizient, aber nicht immer effektiv. Ich erledige also viele Dinge, aber nicht selten sind es Dinge, die nicht so wichtig sind. Ein anderes Beispiel verdeutlicht das sicher anschaulicher als mein alltägliches Morgenritual. Nehmen wir an, Sie wollen mehr Licht im Arbeitszimmer haben und beschließen daher, die Hecke vor dem Fenster zurückzuschneiden. Sie können das mit einer Nagelschere machen, damit erreichen Sie irgendwann Ihr Ziel. Eine Nagelschere zu nutzen ist also effektiv, aber nicht effizient. Sie können auch eine Heckenschere nutzen, das ist deutlich effizienter. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, ob es nicht auch effekti‐ vere Mittel gäbe. Sie könnten beispielsweise auch den Schreibtisch ans Fenster rücken oder eine hellere Schreibtisch- oder Deckenleuchte in Arbeitszimmer anbringen. Oder es liegt gar nicht am Licht selbst, dass Ihnen das Lesen schwerfällt, sondern an einem zu kleinen Bildschirm oder an der Tatsache, dass Sie vielleicht eine Brille benötigen. Dann können Sie zwar immer noch die Hecke schneiden - wirklich zielfüh‐ rend ist das unter diesen Umständen aber nicht. Doch zurück zum Thema Zeitmanagement. Eigentlich wollte ich Ihnen nämlich eine Technik erläutern, die mich selbst sehr überrascht hat und mir immer wieder aufs Neue hilft, mich zu konzentrieren. Sie heißt Pomodoro-Technik und wurde von dem Italiener Francesco Cirillo entwickelt. Ihr Name leitet sich vom italienischen Wort pomo‐ doro für Tomate ab, weil Cirrillo einen Küchenwecker nutzte, der die Form einer Eiertomate hatte. 4 Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten 150 <?page no="151"?> Der Grundgedanke: mit der Zeit statt gegen die Zeit arbeiten. Dazu konzentrieren Sie sich 25 Minuten lang auf Ihre Aufgabe und verschieben mögliche Ablenkungen wie etwa die Wäsche aufhängen, eine WhatsApp-Nachricht verschicken oder eine E-Mail beantworten auf die vorgeschriebenen Pausen. Zur Vorbereitung benötigen Sie lediglich einen Wecker oder ein Handy mit Timer-Funktion und ein konkretes - und realistisches - Ziel, das Sie in zwei Stunden bearbeiten können (zum Beispiel zwei Texte zusammenfassen oder eine Seite zum Thema xy schreiben). Nun geht’s los: Übung! Pomodore-Technik anwenden Stellen Sie den Timer auf 25 Minuten ein und arbeiten Sie fokus‐ siert an der ausgewählten Aufgabe und lassen sie sich nicht ablenken. Störende Gedanken (etwa Dinge, die Sie noch dringend erledigen müssen) notieren Sie auf einem Blatt Papier arbeiten. Sobald die 25 Minuten um sind, machen Sie fünf Minuten Pause. Cirillo empfiehlt alle Aktivitäten, die wenig geistige Anstren‐ gung verlangen und nichts mit der eigentlichen Aufgabe zu tun haben. Sie sollten in der Pause also nicht nach einem re‐ levanten Artikel recherchieren oder Rechtschreibfehler verbes‐ sern. Stattdessen empfiehlt Cirillo einen kurzen Ortswechsel, aktivierende oder entspannende körperliche Übungen, kurze administrative Aufgaben, den Schreibtisch aufräumen oder Geschirr spülen. Diesen Turnus wiederholen Sie noch drei Mal. Nach vier Pomo‐ doros legen Sie eine größere Pause von etwa einer halben bis ganzen Stunde ein. Falls Sie Energie übrig haben, machen Sie eine zweite (und dritte) Pomodoro-Sequenz, aber überfordern Sie sich nicht. 4.6 Tomaten für mehr Disziplin 151 <?page no="152"?> Übrigens lässt sich die Pomodoro-Technik natürlich nicht nur für Schreibaufträge anwenden - auch andere berufliche Aufgaben lassen sich mit dieser Technik strukturieren. 4.7 Zwischen Eichhörnchen und Abenteurer: Die verschiedenen Schreibtypen Die wenigsten Menschen schreiben längere Texte strukturiert von Anfang bis Ende. Unter den Schreiberinnen und Schreibern tummeln sich wuselige Eichhörnchen, wagemutige Abenteurer und penible Architekten. Haben Sie sich schon mal gefragt, wie Sie einen Text schreiben? Wie Sie also beim Schreiben vorgehen? Die Frage klingt vielleicht naiv, ist sie aber nicht. Denn Schreiben ist komplex. Und es ist keineswegs damit getan, einigermaßen die deutsche Grammatik und Rechtschreibung zu beherrschen. Stattdessen müssen Sie viele Aufgaben simultan bewältigen: Zunächst müssen Sie sich Gedanken darüber machen, was Sie über‐ haupt sagen wollen. Dann müssen Sie diese Botschaft in eine lesbare Form übersetzen, also die passenden Wörter und Formulierungen auswählen. Natürlich dürfen Sie dabei den Überblick über das Ganze nicht verlieren, schließlich sollte die Botschaft zum restlichen Inhalt und zur Struktur des Texts passen. Parallel werten Sie Ihre Daten aus, arbeiten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu anderen Texten heraus und betten Ihr Fachwissen stringent in den Diskurs ein. Ach ja, und zu guter Letzt sollten Sie die Leser: innen nicht aus den Augen verlieren, der Ihr Werk natürlich gerne lesen soll. Sie sehen: Eine Meisterleistung, die bisweilen mühsam ist und neben Erfahrung auch Disziplin verlangt. Doch wie schreiben wir nun tatsächlich? 4 Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten 152 <?page no="153"?> Solange Sie Ihre Texte locker-flockig aus der Hüfte schießen, ist Ihnen die Antwort auf diese Frage vermutlich egal. Doch es gibt auch viele Menschen, denen das Schreiben nicht so leicht von der Hand geht. Vielleicht ist es sogar die Mehrheit. Und für diese Menschen ist es sinnvoll, sich den Schreibprozess näher anzusehen. Wissenschaftler: innen arbeiten hier gerne mit dem Konzept der Schreibtypen. Für jeden Schreibtyp ist eine andere Schreibstrategie charakteristisch. Solche Schreibstrategien gibt es viele, und jede geht mit anderen Vor- und Nachteilen einher. Allerdings bewegen sich alle Abstufungen zwischen zwei Polen: einem strukturiert-planerischen und einem ergebnisoffenen Vorgehen. Die wichtigsten will ich Ihnen kurz vorstellen (hier bewusst nur in männlicher Form, da es sonst sprachlich verwirrend sein könnte): Wissen! Schreibtypen und ihre Strategien im Überblick Der Planer (auch Architekt, Strukturfolger oder Top‐down‐ Schreiber genannt) kann erst loslegen, wenn er bereits eine genaue Struktur seines Texts im Kopf hat. Er verwendet viel Zeit für die Planung, überlegt bereits vor dem Schreiben die komplette Argumentation und arbeitet diese dann Punkt für Punkt und linear ab. Aus diesem Grund gerät der Planer beim Schreiben seltener auf Abwege, sondern behält in der Regel einen guten Überblick über den Text und die Kernaussagen. Dennoch hat auch das planerische Vorgehen Nachteile. So liegen die Gefahren hier zum einen in einer mangelnden Offenheit für neue Erkenntnisse, und zum anderen darin, zu spät mit dem eigentlichen Niederschreiben zu beginnen. Der Planer braucht daher lange, bis er konkrete Ergebnisse seiner Arbeit sieht. Zudem kann er wenig flexibel re‐ agieren, wenn die Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprechen sich die Zielsetzung des Texts ändert. 4.7 Die verschiedenen Schreibtypen 153 <?page no="154"?> Der Drauflosschreiber (auch Abenteurer, Strukturschaffer oder Bottom-up-Schreiber) verfährt nach dem umgekehrten Prinzip und schreibt erst einmal drauf los. Wie ein Abenteurer, der kein festes Ziel vor Augen hat, ergibt sich der rote Faden bei diesem Schreibtyp häufig erst beim Überarbeiten des Texts. Neue Ideen kann dieser Schreibtyp sofort für den eigenen Text nutzen und während des Schreibens weiterentwickeln. Dadurch sieht er früh die Ergebnisse seines Schaffens und ist dadurch oft motivierter als etwa der Planer, der sehr lange nachdenkt, bevor er die ersten Zeilen zu Papier bringt. Andererseits verliert sich der Drauflosschreiber häufiger in Exkursen und schweift häufiger vom eigentlichen Thema ab. Da es ihm schwer fällt, von Beginn an strukturierte Texte zu produzieren, muss er deutlich mehr Zeit für die Überarbeitung einplanen und am Ende möglicherweise viele Textpassagen wieder streichen, um eine roten Faden zu finden. Wie beim Planer kann daher auch der Drauflosschreiber am Ende in Zeitnot kommen, da gerade die Schlusskorrekturen oft langwieriger sind als vermutet. Der Versionenschreiber kommt schnell ins Schreiben hinein, da alles vorläufig ist. Schreibprobleme sind diesem Schreibtyp (ähnlich wie beim Drauflosschreiber) nahezu unbekannt, denn er produziert unbeschwert viel Text und kann beim Schreiben neue Ideen entwickeln. Aus mehreren Versionen wählt er am Ende die Beste aus und gelangt durch die Produktion mehrerer Textversionen zum eigentlichen Kern. Im Umkehrschluss fällt es dem Versionenschreiber mitunter schwer, sich auf eine Version festzulegen. Außerdem muss er viel Text verwerfen, bis er zum Ende kommt. Das ist zeitaufwendig und unter Umständen sehr frustrierend. 4 Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten 154 <?page no="155"?> Der Patchworkschreiber (Puzzler, Eichhörnchen) ist flexibel und kann, wenn es an einer Stelle stockt, an einer anderen Stelle weiterschreiben. Wie ein Eichhörnchen, das seine Nüsse sammelt und an verschiedenen Stellen im Boden vergräbt, sammelt der Patchworkschreiber Ideen, und springt innerhalb des Textes ständig hin und her, um diese Ideen in den passenden Kapiteln zu verar‐ beiten. Auf diese Weise unterteilt er das Schreibprojekt in viele Einzelschritte, entwickelt keine Angst vor dem Gesamtprojekt und vermeidet lähmenden Perfektionismus. Zugleich verliert der Patchworkschreiber schneller den Überblick über das Ganze. Ein‐ zelne Teile der Arbeit schreibt er möglicherweise mehrfach; andere schiebt er lange vor sich her. Deshalb sollten Patchworkschreiber relativ viel Zeit einplanen, um den roten Faden des Textes herauszu‐ arbeiten, Wiederholungen zu streichen und Übergänge zu glätten. Der Redakteur (Zehnkämpfer) nähert sich dem Text durch sti‐ listisches und strukturelles Redigieren. Ähnlich wie der Versio‐ nenschreiber beginnt er mit einer ersten unfertigen Fassung, die er dann in mehreren Schritten überarbeitet. Die Endfassung entsteht also nicht durch mehrere neue Versionen, sondern durch viele kleinschrittige Korrekturen, Streichungen und Ergänzungen. Dieses Prozedere trägt dazu bei, dass sprachlich anspruchsvolle und zugleich leserbezogene und verständliche Texte entstehen. Da der Redakteur ähnlich wie der Drauflosschreiber meist keinen exakten Plan erstellt, findet auch er schnell in den Schreibpro‐ zess hinein. Umgekehrt konzentriert sich der Redakteur oft darauf, Formulierungen zu perfektionieren und verliert dadurch manchmal den Blick für die gesamte Arbeit. Gerade weil der Redakteur die eigenen Texte so häufig überarbeitet, fällt es ihm am Ende schwer, sich dafür zu motivieren, die Gesamtstruktur nochmal zu überprüfen. 4.7 Die verschiedenen Schreibtypen 155 <?page no="156"?> Tja, und nun? Solange Ihre Schreibstrategie für Sie funktioniert, gibt es keinen Grund, daran zu rütteln. Denn es ist Ihnen überlassen, ob Sie mit der Einleitung beginnen oder mit dem Fazit; ob Sie die Struktur während des Schreibens erarbeiten oder davor; ob Sie morgens, mittags oder nachts arbeiten; und ob Sie bestimmte Rahmenbedingungen wie Musik, eine Tasse Tee oder Stimmengewirr aus dem Café brauchen. Wenn Sie jedoch auch nach langem Grübeln und trotz guter Vor‐ sätze Schreibschwierigkeiten habt, dann sollten Sie schnell weiterlesen - denn im nächsten Kapitel erfahren Sie mehr zu Schreibblockaden und wie Sie damit umgehen können. Ach übrigens: Ich bin eine gute Mischung aus Versionenschreiber und Redakteur. Manchmal produziere ich bis zu sechs Versionen von einem Satz, einem Absatz oder manchmal auch einem ganzen Abschnitt. Das kostet viel Zeit und der größte Teil meiner Texte landet im elektronischen Papierkorb. Für Außenstehende mag dieses Vorgehen vollkommen ineffizient erscheinen; dennoch ist es für mich persönlich der schnellste Weg, um zum gewünschten Text zu gelangen. 4.8 Was tun, wenn es stockt? Der Umgang mit Schreibschwierigkeiten Fast jeder Schreibende kennt das Gefühl, sich zu verzetteln oder auch nach langem Grübeln und trotz guter Vorsätze nicht in das Schreiben hineinzufinden. In solchen Fällen helfen Ihnen die folgenden Tipps. Kennen Sie das auch? Nachdem Sie den Bericht schon seit zehn Tagen vor sich herschieben und Ihre Vorgesetzte schon zweimal danach gefragt hat, nehmen Sie sich heute fest vor, die erste Seite endlich zu schreiben. Nach einem Acht-Stunden-Arbeitstag sind Sie über den Titel nicht hinausgekommen, obwohl Sie sogar den Telefonhörer zur Seite gelegt und sich ein freies Zeitfenster geschaffen haben? 4 Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten 156 <?page no="157"?> Nicht immer läuft der Schreibprozess reibungslos, vor allem, wenn man beruflich längere Texte schreiben muss. Fachartikel, Gutachten, Stellungnahmen, Protokolle, Dokumentationen - und das alles zwi‐ schen E-Mails, Teamabsprachen, Telefonaten mit Kund: innen und Begehungen vor Ort: Viele Ingenieurinnen und Ingenieure geraten beim Schreiben ins Stocken. Das Modell will noch nicht überzeugen; die Daten zeigen nicht die gewünschten Eigenschaften; oder das bisher Verfasste scheint inhaltsleer und nicht ansprechend genug formuliert. Es gibt viele Gründe, weshalb das Schreiben nicht reibungslos verläuft. Im Alltag fällt in diesem Zusammenhang schnell der Begriff der Schreibblockade. Diese Bezeichnung ist jedoch irreführend, denn sie suggeriert, dass Schreibende ausschließlich mit ihrer Angst vor dem leeren, weißen Blatt (bzw. Bildschirm) zu kämpfen hätten. Die Schwierigkeiten, denen sich Schreiberinnen und Schreiber gegenüber sehen, sind jedoch vielfältiger: Während einige unfähig sind, mit dem Schreiben zu beginnen, schreiben andere zwar viele, aber nicht verwertbare Textpassagen; wieder andere geben fertige Texte nicht ab aus Angst, zu versagen. Besser als von Schreibblockaden sollte man daher allgemeiner von Schreibproblemen sprechen, die immer dann vorliegen, wenn die Produktivität beim Schreiben eingeschränkt ist. Vom Schreibproblem zu unterscheiden ist die Schreibhemmung. Solche Schreibhemmungen sind ganz normal, da Sie eine gewisse Zeit benötigten, um Ihre Argumente klar zu fassen und zu formulieren. Die Alltagssprache prägte hierfür die Redewendung, mit einer Idee oder einem Gedanken „schwanger zu gehen“. In der Phase der Schreibhem‐ mung bilden Sie neue Gedanken oder Strukturen und verarbeiten das bisher Geschriebene und Gelesene. Erst wenn Sie längere Zeit auf der Stelle treten, sollten Sie Ihre grundsätzliche Arbeitsweise überdenken und eingefahrene Muster durchbrechen. Zugegeben: Das ist leichter gesagt als getan. Ihr Schreib‐ verhalten hat sich über viele Jahre und meist unbewusst entwickelt. Es ist gut möglich und sogar wahrscheinlich, dass Ihr Vorgehen beim 4.8 Was tun, wenn es stockt? Der Umgang mit Schreibschwierigkeiten 157 <?page no="158"?> Schreiben bislang immer gut funktioniert hat und erst jetzt - bei einer längeren schriftlichen Arbeit - an seine Grenzen stößt. Dennoch hat es sich bewährt, die eingefahrenen Muster gezielt zu durchbrechen. Werden Sie kreativ und machen Sie sich möglichst spielerisch daran, Ihre persönlichen Schwachpunkte zu identifizieren und zu verändern. Manchmal reicht es bereits aus, die Rahmenbedingungen zu ändern und etwa den Schreibort zu wechseln. Ich persönlich schreibe am liebsten im Café oder im Zug, da mir das Gemurmel der Menschen um mich herum hilft, mich besser zu konzentrieren. Außerdem laufe ich hier nicht Gefahr, im Internet zu surfen oder die Spülmaschine auszuräumen. Die Wahl des richtigen Schreiborts ist jedoch genauso individuell wie der Schreibvorgang selbst. Vielleicht schreiben Sie besser im stillen Kämmerlein zuhause als an Ihrem Arbeitsplatz? Oder in den frühen Morgenstunden mit einer Tasse Kaffee? Ich habe eine Frau kennengelernt, die sich für ihre Doktorarbeit in Geologie eine Netzkarte der Deutschen Bahn kaufte und quer durch die Bundesre‐ publik fuhr, weil sie sich nirgendwo so gut konzentrieren konnte wie im Zug. Experimentieren Sie einfach, was für Sie passt - auch wenn es unkonventionell ist. Neben einem Ortswechsel und guten Arbeitsbedingungen hilft es grundsätzlich auch, über das Schreiben zu sprechen. Wenn Sie erst einmal Ihre Schwierigkeiten benannt haben, stellt sich die Lösung oft von alleine ein. Außerdem können Sie inneren Druck abbauen, wenn Sie Ihrem Umfeld signalisieren, dass Sie gerade nicht so gut vorankommen. Sicher können sich einige Kolleginnen und Kollegen oder Freund: innen in Ihre Situation hineinversetzen. Auch die Rück‐ meldung potenzieller Leser: innen kann den Schreibfluss wieder in Gang bringen. Vielleicht ist das bisher Verfasste viel besser, als Sie vermuten? Machen Sie die Probe und geben Sie einer Person Ihres Vertrauens ein Probekapitel. Doch was, wenn ein Ortswechsel oder Sprechen alleine nicht helfen? Wenn Sie trotz dieser Versuche weiterhin vor Ihrem Bildschirm 4 Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten 158 <?page no="159"?> verzweifeln oder Sie einfach nicht ins Schreiben finden, probieren Sie einen der folgenden Tipps: 1. Schreiben Sie einen Brief an einen Freund oder eine Freundin: Schreiben Sie an einen netten Menschen, was Sie gerade beschäftigt. Berichten Sie von Ihren Schwierigkeiten, erklären Sie, was Ihr Ziel ist, was Sie bereits getan haben und was Sie noch erledigen müssen. Versuchen Sie, dem Adressaten oder der Adressatin Ihre Probleme an Beispielen verständlich zu machen, und schildern Sie Ihr Schreibprojekt so konkret wie möglich. Häufig reicht das Reflektieren schon aus, um wieder in Schwung zu kommen, und Sie können mit neuem Elan wei‐ terarbeiten. Andernfalls hilft es Ihnen vielleicht herauszufinden, worin genau die Schwierigkeit liegt. 2. Schreiben Sie einen Beitrag für LOGO oder Die Sendung mit der Maus: Manchmal geraten Schreibprojekte ins Stocken, weil Sie das Thema noch nicht griffig formuliert haben oder den Überblick über Ihre eigentliche Fragestellung verloren haben. Verfassen Sie dann einen Beitrag für die Kinder-Nachrichtensen‐ dung LOGO oder Die Sendung mit der Maus. Erklären Sie kind‐ gerecht, mit welchem Thema Sie sich beschäftigen, warum das interessant ist, was genau Sie untersuchen und was Sie hoffen, herauszufinden. Ein solcher Text kann helfen, Unklarheiten zu definieren. 3. Schreiben Sie einen freien Text (Freewriting): Schreiben Sie einen einseitigen Text zu einem Thema Ihrer Wahl. Das kann ein Märchen sein („Es war einmal eine Frau, die musste ein unheimlich schwieriges Gutachten schreiben …“), ein Gedicht, eine Ideensammlung zu einem willkürlich gewählten Thema, oder was immer gerade zu Ihrer Stimmung passt. Es kann auch hilfreich sein, über alles zu schreiben, was Sie gerade lähmt und quält. Lassen Sie Ihren ganzen aufgestauten Frust und Kummer 4.8 Was tun, wenn es stockt? Der Umgang mit Schreibschwierigkeiten 159 <?page no="160"?> raus. Wichtig ist, dass Ihnen die Textgattung gefällt und Sie einfach loslegen - so kommen Sie schnell wieder ins Schreiben zurück. 4. Arbeiten Sie mit Kreativitätstechniken: Machen Sie ein Cluster oder eine Mindmap von den Inhalten, die Sie gerade beschäftigen. Vielleicht entdecken Sie auf diesem Weg neue Fa‐ cetten Ihres Themas, können Ihre Gedanken klarer strukturieren oder finden einen neuen Schreibimpuls. 5. Stellen Sie die Schriftfarbe auf weiß: Um den inneren Zensor zum Schweigen zu bringen, stellen Sie die Schriftfarbe Ihres Bildschirms auf weiß und schalten Sie die automatische Rechtschreib- und Grammatikkontrolle aus. Dann können Sie schreiben, ohne gleich kritisch an den Formulierungen zu feilen. Vergegenwärtigen Sie sich, dass Sie diese zu einem späteren Zeitpunkt noch immer überarbeiten können und Ihre jetzigen Gedanken nicht bis in alle Ewigkeit in Stein gemeißelt sind. Dadurch nehmen Sie sich den inneren Druck, dass alles perfekt sein muss. Und wenn Sie ein paar Tage später das Geschriebene lesen, werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit feststellen, dass es längst nicht so schlecht ist, wie Sie dachten. 6. Nehmen Sie sich auf ein Diktiergerät auf: Manche Menschen können im Gespräch wunderbar erklären, was sie eigentlich ausdrücken möchten, können diese Gedanken jedoch nicht in ähnlich klarer Weise zu Papier bringen. Dann kann es hilfreich sein, den Text auf Band zu sprechen. So können Sie Stockungen beim Formulieren umgehen und eine erste grobe Struktur erar‐ beiten. 7. Begrenzen Sie Ihre Schreibzeit: Nehmen Sie sich eine kon‐ krete Schreibaufgabe vor (etwa eine halbe bis ganze Seite) und begrenzen Sie Ihre Arbeitszeit auf etwa zehn bis maximal dreißig Minuten. Stellen Sie sich einen Wecker und schreiben Sie kon‐ zentriert los, egal, ob das Telefon klingelt oder die Wäsche 4 Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten 160 <?page no="161"?> aufgehängt werden muss. Sie werden erstaunt sein, wie viel Text Sie in kurzer Zeit produzieren können. Gönnen Sie sich danach eine Pause. Gerade Menschen, die sich leicht ablenken lassen oder glauben, erst sämtliche Literatur zu einem Thema gelesen haben zu müssen, profitieren davon, ihre Schreibzeit langfristig auf täglich zwei Stunden einzuschränken. 8. Schreiben Sie nach Karten: Notieren Sie alles, was Sie gerne im Text unterbringen wollen, auf Karteikärtchen. Das können Zitate aus Quellen, einzelne Stichworte oder Ergebnisse eines Brainstormings sein. In der Regel bietet es sich an, kapitelweise vorzugehen und nicht sich nicht die gesamte Arbeit auf einmal vorzunehmen. Breiten Sie die Karten vor sich aus und bringen Sie sie in eine erste Ordnung. Das kann ein langwieriger und frus‐ trierender Prozess sein. Am Ende werden Sie jedoch mit einem sortierten Stapel an Karten belohnt. Nehmen Sie sich jeweils eine Karte und schreiben Sie dazu einen Satz oder Abschnitt und arbeiten Sie so Karte für Karte ab. 9. Überarbeiten Sie Ihren Text: Manchmal kann es hilfreich sein, das bisher Geschriebene zu überarbeiten. So können Sie Stockungen umgehen und finden vielleicht neue Anknüpfungs‐ punkte und Ideen für die nächsten Abschnitte. Allerdings sollten Sie sich einen zeitlichen Rahmen stecken, denn es bringt nichts, einen Text zu perfektionieren, den Sie nach einigen Wochen komplett umschreiben oder vielleicht sogar löschen werden. 10. Beenden Sie jeden Arbeitstag mit einem unvollständigen Halbsatz oder mit Stichpunkten: Dieser Tipp erscheint Ihnen möglicherweise vollkommen albern, aber probieren Sie es einmal aus. Formulieren Sie den Anfang des kommenden Absatzes oder Kapitels, bevor Sie Ihre Arbeit beenden. Alternativ können Sie auch in Stichworten notieren, welche Aspekte und Inhalte Sie am kommenden Tag vertiefen bzw. weiter schreiben wollen. Wenn Sie am nächsten Tag an Ihrem PC oder Laptop sitzen, wird Ihnen 4.8 Was tun, wenn es stockt? Der Umgang mit Schreibschwierigkeiten 161 <?page no="162"?> das Schreiben leichter fallen, wenn bereits ein erster grober Fahrplan auf dem Bildschirm zu lesen ist. Allerdings sollten Sie es nicht übertreiben und Ihren Gedankenfluss künstlich unterbrechen, nur um einen unvollständigen Satz am Ende des Tages festzuhalten. Wenn Sie den zweiten Teil des Halbsatzes bereits kennen, schreiben Sie bitte weiter bis zu einem Punkt, an dem Sie erst noch einmal tiefer in die Literatur oder Ihre Daten eintauchen müssen. 11. Wechseln Sie die Perspektive: Schreiben Sie aus Sicht Ihres Texts oder Computers. Was verrät Ihr Schreibtisch oder Arbeits‐ platz über Sie? Was würde Ihr Text über Sie erzählen? Nach dem Motto: „Ich bin der Text von XY. ich möchte von keiner anderen Person geschrieben werden. Aber trotzdem habe ich es mit meinem Verfasser bzw. meiner Verfasserin nicht gerade leicht. Deshalb bin ich froh, das sich mit meinen Sorgen hierher kommen kann…“ 12. Führen Sie einen Dialog mit dem inneren Kritiker: Teilen Sie ein Blatt Papier in zwei Spalten. In die linke Spalte schreiben Sie in einem Brainstorming alles, was Ihnen der innere Kritiker sagt, z. B. „Deine Formulierung ist unpräzise.“; „Du schreibst viel zu chaotisch.“; oder „Das Argument ist nicht schlüssig und über‐ zeugt mich nicht.“ In die rechte Spalte schreiben Sie nun alles, was Ihnen als Antwort auf die Kritik einfällt, beispielsweise „Ich habe schon seit dem Studium keinen längeren Text mehr ver‐ fasst. Ich weiß noch nicht genau, wie ich strukturiert vorgehe.“ Oder „Ich werde Fachartikel lesen und meine Argumentation damit untermauern.“ 13. Schreiben Sie jeden Tag - auch wenn es nur wenig ist: Dieser Tipp geht in eine ähnliche Richtung wie die Begrenzung der Schreibzeit. Diesem Tipp liegt die Annahme zugrunde, dass es besser ist, etwas (vermeintlich) Schlechtes zu schreiben als gar nichts zu schreiben. Auf diese Weise bleiben Sie nicht nur 4 Von Schreibhürden und anderen Schwierigkeiten 162 <?page no="163"?> im Schreibprozess drin, sondern haben nach gewisser Zeit genü‐ gend Material zusammen, um es zu verbessern. Im Netz finden Sie dazu die nette Software 750words (http: / / 750words.com/ ). Wie der Titel vermuten lässt, geht es darum, jeden Tag 750 Worte (ca. drei Seiten) Text zu produzieren, wobei Sie Ihren Fortschritt in Schaubildern auswerten können. Schöner Nebeneffekt: Spie‐ lerisch lernen Sie mit Hilfe des Programms so manches Nützliche über Ihren Schreibprozess und Ihre produktivsten Zeitfenster. 4.8 Was tun, wenn es stockt? Der Umgang mit Schreibschwierigkeiten 163 <?page no="165"?> Anstelle eines Nachworts: Üben, üben, üben - und Ruhe bewahren Schreiben lernen Sie, indem Sie es tun. Was in der Theorie einfach klingt, ist in der Praxis oft schwierig umzusetzen. Nur wenn Sie Fehler machen, können Sie aus diesen Fehlern lernen und sich verbessern. Nutzen Sie die Schreibgelegenheiten, die sich Ihnen bieten - auch wenn Sie dafür vielleicht etwas mehr Zeit investieren müssen. Denken Sie daran, dass gutes Schreiben im Wesentlichen Handwerk ist: Sie können es lernen, und es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Schließen möchte ich dieses Buch mit einer Bitte: Seien Sie nicht so streng mit sich selbst. Gewiss: Sie könnten immer noch mehr und noch schöner und noch präziser schreiben. Aber Texte sind bekanntlich nie fertig. Ziehen Sie bewusst einen Schlussstrich und vertrauen Sie darauf, dass Sie Ihre Arbeit gut gemacht haben. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen frohes Schreiben und gutes Gelingen. <?page no="167"?> Lösungen Lösung zu Kapitel 1.3 Das österreichische Thronfolgerpaar ist tot Sarajewo: Das österreichische Thronfolgerpaar kam heute bei einem Anschlag ums Leben. Nach Angaben des Korrespondenten der „Vossischen Zeitung“ wurde auf Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau mehrfach bei einer Stadtrundfahrt geschossen. Beide erlagen später in einem Krankenhaus ihren schweren Verletzungen. Der mut‐ maßliche Attentäter wurde nach Informationen des Korrespondenten festgenommen. Es soll sich um einen Schüler handeln. Bereits zuvor war auf das Fahrzeug des Thronfolgerpaars eine Bombe geworfen worden. Sie explodierte jedoch erst, als das Automobil des Thronfol‐ gers die Stelle bereits passiert hatte, und verwundete zwei Insassen des darauffolgenden Wagens sowie sechs Personen aus dem Publikum. Auch dieser Täter wurde sofort verhaftet. Lösung zu Kapitel 2.1 Die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung legt Vorsorge‐ werte und analoge Anforderungen an näher zu spezifizierende andere Stoffe fest. Diesen Ansatz bewertet der Beirat als geeignet, um die Vor‐ sorgepflichten umzusetzen. Er begrüßt, dass die Verordnung erstmals klar und verständlich zwischen der Gefahrenabwehr einerseits und der Vorsorge andererseits unterscheidet. Gleichzeitig regt der Beirat an zu überprüfen, inwieweit Regelungen anderer Rechtsbereiche Böden und Bodenfunktionen vorsorgend schützen. Nur auf diese Weise können die zuständigen Behörden die Bundes-Bodenschutz- und Alt‐ lastenverordnung bundeseinheitlich vollziehen und weiterentwickeln. Aus dem gleichen Grund plädiert der Beirat dafür, Vorsorgewerte für weitere Stoffe abzuleiten. Ein solches Vorgehen sorgt für mehr <?page no="168"?> Rechtssicherheit - zumal bodenschutzrechtliche Anforderungen auch andere Rechtsbereiche betreffen können. Lösung zu Kapitel 2.4 [1] Beachten Sie den Schachtelsatz, die vielen Substantivierungen (Umsetzung, Verwirklichung, Gleichbehandlung) sowie die sperrigen Präpositionalfügungen (hinsichtlich des, in Bezug auf). In einem ersten Schritt hilft es, zwei Sätze zu machen: Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 76/ 207/ EWG des Rates vom 9. Februar 1976. Es dient der Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen. In einem zweiten Schritt entfernen Sie die Substantivierung: Dieses Gesetz setzt die Richtlinie 76/ 207/ EWG des Rates vom 9. Februar 1976 um. Die Richtlinie will den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen verwirklichen, und zwar hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen. In einem dritten Schritt vereinfachen wir den Text, ohne die Bot‐ schaft zu verzerren: Dieses Gesetz setzt die Richtlinie 76/ 207/ EWG des Rates vom 9. Februar 1976 um. Die Richtlinie will Männern und Frauen den gleichen Zugang zu Beschäftigung und Berufsbildung ermöglichen und für gleiche berufliche Aufstiegschancen und Arbeitsbedingungen sorgen. [2] Beachten Sie die vielen Ungs, die dadurch entstehenden Geni‐ tivkonstruktionen, das weit auseinander liegende Prädikat und die umständlichen Formulierungen. Hier eine entrümpelte Fassung: Der Verband fordert, dass sich Umwelt- und Gesundheitsminister darüber verständigen, welche Verfahren entwickelt und angewendet werden sollen, damit Krankenhäuser oder diagnostische Praxen we‐ niger Arzneimittel einleiten. Die Minister sollen auch diskutieren, Lösungen 168 <?page no="169"?> ob der ambulante Bereich Medikamente und Röntgenkontrastmittel anders verabreichen und nutzen kann. Lösung zu Kapitel 2.15 Gustav Aschenbach oder von Aschenbach, wie seit seinem fünfzigsten Geburtstag amtlich sein Name lautete, hatte an einem Frühlingsnach‐ mittag des Jahres 19.., das unserem Kontinent monatelang eine so gefahrdrohende Miene zeigte, von seiner Wohnung in der Prinz-Re‐ gentenstraße zu München aus, allein einen weiteren Spaziergang unternommen. Überreizt von der schwierigen und gefährlichen, eben jetzt eine höchste Behutsamkeit, Umsicht, Eindringlichkeit und Genau‐ igkeit des Willens erfordernden Arbeit der Vormittagsstunden, hatte der Schriftsteller dem Fortschwingen des produzierenden Triebwerks in seinem Innern, jenem „motus animi continuus“, worin nach Cicero das Wesen der Beredsamkeit besteht, auch nach der Mittagsmahlzeit nicht Einhalt zu tun vermocht und den entlastenden Schlummer nicht gefunden, der ihm, bei zunehmender Abnutzbarkeit seiner Kräfte, einmal untertags so nötig war. Lösung zu Kapitel 2.21 [1] Die Studie untersucht, ob und inwieweit Festigkeits-, Verformungs- und geohydraulischen Eigenschaften von Böden mit Hilfe boden‐ mechanischer Laborversuche besser klassifiziert und charakterisiert werden können. [2] Die Gerichte haben in der letzten Zeit auf entsprechende Rechts‐ behelfe von Umweltverbänden reagiert, die sofortige Vollziehbarkeit von Deponiezulassungen überprüft und den Prüfungsmaßstab neu justiert. [3] Die Zusammenfassung grenzt die aufgeführten Begriffe vonein‐ ander ab. [4] Die Forscher haben weder versucht, die Ergebnisse der Studie gezielt und kritisch zu prüfen, noch haben sie erklärt, wie sie den Lösungen 169 <?page no="170"?> Zusammenhang zwischen Bodenfeuchtedürren und Niedrigwasser in ihrem Modell berücksichtigt haben. [5] Zahlreiche online-basierte Anwendungen lassen sich nur noch mit Cloud-Lösungen realisieren. Gründe dafür sind die ständig stei‐ gende Teilnehmerzahl, das größere Datenvolumen und die wach‐ senden Anforderungen durch neue Anwendungen. [6] Eine urbane Sturzflut bezeichnet eine aus einem oftmals lokal auftretenden Starkregen resultierende Überschwemmung eines Sied‐ lungsgebietes. Sie kommt im Zuge des Klimawandels zukünftig ver‐ mehrt auch fernab von Gewässern vor. Dabei tritt sie überwiegend während der Sommerzeit auf und bringt in kürzester Zeit sehr große Niederschlagsmengen auf Flächen von wenigen Quadratkilometern. [7] Der Einsatz der BIM-Methode verändert die Leistungsbilder gegenüber einer klassischen Planung und erhöht unter anderem die Kosten bei Betriebsmitteln und Aktivitäten. So setzt etwa eine 5-D Planung eine höhere Rechenleistung voraus. [8] Auf der Agenda standen vier Themen: (1) HOAI, VgV und Auf‐ tragswertberechnung, (2) Fragen der Innenentwicklung der Städte, (3) lange Verfahrensdauer von Genehmigungsverfahren trotz großer Her‐ ausforderungen im Infrastrukturbereich sowie (4) eine fortgeführte Trennung von Planung und Ausführung. Die Gespräche fanden in konstruktiver Atmosphäre statt und sollen angesichts der Vielzahl von Themen bald fortgesetzt werden. [9] Kommunen sollte die Stellplatzpflicht zu Gunsten der örtlichen Verkehrsinfrastruktur flexibilisieren. Diese Regelung würde den mo‐ torisierten Individualverkehr optimieren und dazu beitragen, dass we‐ niger Flächen versiegelt, Kosten eingespart und Schadstoffe reduziert werden. [10] Der Gutachter sollte die in Abbildung 1 dargestellten Arbeits‐ schritte nicht starr nacheinander bearbeiten. Seine Aufgabe ist es, die Sanierungsuntersuchung effektiv zu gestalten, indem er sowohl die unterschiedlichen Einflussgrößen und Teilergebnisse kontinuierlich Lösungen 170 <?page no="171"?> berücksichtigt, als auch dafür sorgt, dass sich alle beteiligten Personen untereinander abstimmen. Lösung zu Kapitel 3.3 Zitierfähigkeit: Da alle Quellen grundsätzlich für die Leser: innen zugänglich sind, ist das Kriterium der Zitierfähigkeit in allen Fällen gegeben. Allerdings: Die Internetquellen [3] und [7] sind nicht über permanente Links zugänglich; hier wäre eine Archivierung sinnvoll. Der Wikipedia-Beitrag [13] ist aufgrund der möglichen Überarbeitung der Artikel und der nicht-überprüfbaren Autorschaft ebenfalls nur eingeschränkt zitierfähig. Zitierwürdigkeit: Die Zitierwürdigkeit ist - ohne die Quellen im Detail zu kennen - nur in Grenzen zu beurteilen. Allerdings legen die Titel und die Publikationsorte erste Vermutungen nahe. ■ So handelt es sich bei den Texten [4], [6] und [9] um Fachzeit‐ schriften, die zitierwürdig sind. ■ Quelle [5] hingegen ist eine praxisorientierte Handreichung, deren Qualität erheblich variieren kann. Ähnliches gilt für Quelle [1]. Zwar handelt es sich hier um ein amtliches Dokument der Bundesregierung, doch richtet sich das Dokument eher an Praktiker: innen und Laien und nicht an Wissenschaftler: innen. ■ Bei Quelle [12] handelt es sich um ein Lehrbuch, das sich insbesondere dazu eignet, einen guten Überblick zu gewinnen. Es ist in jedem Fall zitierwürdig, sollte jedoch um spezifischere Quellen ergänzt werden. ■ Die Diplomarbeit [2] gehört zur grauen Literatur und ist als Prüfungsleistung - nicht als wissenschaftlich zitierwürdiger Text - zu verstehen. ■ Anderes gilt für die Dissertationen [8] und [11], die sich meist sehr umfassend mit einem speziellen Thema befassen und die ak‐ tuelle Literatur zu diesem Forschungsgebiet fundiert aufarbeiten. Zwar existieren auch hier Unterschiede hinsichtlich der Qualität, Lösungen 171 <?page no="172"?> doch werden alle Dissertationen vor der Veröffentlichung begut‐ achtet, sodass Dissertationen grundsätzlich zitierwürdig sind. ■ Die Quellen [3], [7] und [10] sind journalistische oder öffentlich‐ keitswirksame PR-Texte, die sich bestenfalls eignen, um aktuelle Bezüge herzustellen, das Thema praxisbezogen zu verorten und konkrete Beispiele anzuführen. ■ Wikipedia [13] als Quelle zu nutzen ist umstritten. Grund der Skepsis ist die Tatsache, dass bei Wikipedia (und anderen Wikis) jeder Nutzer Inhalte hinzufügen, ändern oder entfernen kann und damit eine Qualitätssicherung wie bei renommierten Fach‐ lexika und Enzyklopädien fehlt. Dennoch gibt es auf Wikipedia zahlreiche Artikel von exzellenter Qualität, die den Vergleich mit Beiträgen in traditionellen Nachschlagewerken nicht scheuen müssen. Das grundsätzliche Problem aber bleibt bestehen: Der Laie kann nicht beurteilen, welche Information valide ist und welche nicht. Aus diesem Grund sollten Sie die Quelle zum Einlesen in ein Thema und für Ihre Recherchen nutzen. ■ Relevanz: Der Aspekt der Relevanz ist ohne Kenntnis der ge‐ nauen Fragestellung nicht zu beurteilen. Allerdings lässt sich sagen, dass die Quellen [4], [6], [8], [9], [11] und [12] mit Sicherheit relevanter sind als die übrigen Quellen. Lösungen 172 <?page no="173"?> Anhang Checkliste I: Die wichtigsten Stilregeln im Überblick Damit Sie nicht Gefahr laufen, sich in einem unverständlichen Fach‐ chinesisch mit komplexen Schachtelsätzen und Wortungetümen zu verlieren, will ich an dieser Stelle die vier wichtigsten Stilregeln auf Satz- und Wortebene wiederholen. Satzebene 1. Das Wichtigste zuerst: Bringen Sie das Subjekt möglichst nach vorne. Auf diese Weise wird der Satz meist verständlicher. 2. Hauptsachen in Hauptsätze: Packen Sie die Kernaussage in den Hauptsatz und nicht in den Nebensatz. 3. Schachtelsätze auflösen und Satzklammern entlasten: Ver‐ meiden Sie unnötig viele Einschübe und Nebensätze und versu‐ chen Sie, Subjekt und Verb möglichst nahe beisammen zu lassen. Oft sind zwei kurze Sätze verständlicher als ein langer. 4. Eindeutige Satzbezüge herstellen: Achten Sie darauf, dass die Satzbezüge klar sind. Gerade bei Einschüben und Nebensätzen ist das nicht immer gegeben. Wortebene 1. Präzision vor Abwechslung: Schreiben Sie konsistent und prä‐ zise. Die Forderung schließt ein, dass Sie nicht krampfhaft nach Synonymen suchen, sondern Fachbegriffe verwenden und diese notfalls wiederholen. Synonyme verwirren die Leser: innen. Wenn es um Proband: innen geht, sprechen Sie nicht zusätzlich <?page no="174"?> von Studienteilnehmer: innen, Versuchspersonen, Akteur: innen, Befragten oder Interviewten. 2. So einfache Worte wie möglich, so komplex wie nötig: Ver‐ wenden Sie möglichst vertraute Wörter und definieren Sie Fach‐ begriffe. Verbindungen aus Substantiv und Verb, die zusammen eine Tätigkeit bezeichnen, wirken schwerfällig und lassen sich fast immer durch ein einfaches Verb ersetzen (z. B. „berücksich‐ tigen“ statt „Berücksichtigung finden“ oder „beachten“ statt „Be‐ achtung schenken“). Auch Passiv- und Genitivkonstruktionen erschweren das Textverständnis. Abkürzungen müssen Sie er‐ klären. 3. Keine leeren Inhalte: Streichen Sie alle unnötigen Füllwörter (z. B. nämlich, auch, so, natürlich), Dopplungen, unnötigen Fremdworte und doppelten Verneinungen. Wortungetüme ver‐ bieten sich von selbst. 4. Distanz wahren: Schreiben Sie sachlich und distanziert. Seien Sie sparsam mit wertenden Adjektiven und nutzen Sie möglichst keine Anglizismen. Aufpassen sollten Sie bei Verallgemeine‐ rungen wie „alle“, „immer“, „jeder“ oder „stets“. Umgangssprache ist tabu, schließlich schreiben Sie keine Kurznachricht. Die vielen Regeln zu berücksichtigen ist nicht einfach und auch nicht immer notwendig. Jede Autorin und jeder Autor hat einen persönli‐ chen Stil, und das ist auch gut so. Daher komme ich an dieser Stelle zurück zu meiner Ausgangsthese, die ich schon in vorangegangen Kapiteln mehrfach betont habe: Seien Sie klar. Klar in Ihrer Botschaft, klar in Ihrer Struktur und klar in Ihrer Wortwahl. Der Rest ergibt sich dann wie von Zauberhand. Anhang 174 <?page no="175"?> Checkliste II: Die wichtigsten Kommaregeln Anbei habe ich die wichtigsten Kommaregeln für Sie zusammengestellt (übernommen und modifiziert aus dem Duden). [1] Das Komma steht zwischen den Teilen von Aufzählungen zwischen gleichrangigen Wörtern und Wortgruppen. Sind die Aufzäh‐ lungen mit Konjunktionen des Typs und/ oder verbunden, steht kein Komma. Ausnahme: Bei gereihten Hauptsätzen, die mit Konjunktionen des Typs und/ oder verbunden sind, darf ein Komma gesetzt werden: ■ Hier stehe ich, ich kann nicht anders. ■ Wir waren arm, aber gesund. ■ Er stand auf und ging. ■ Im Sack waren Nüsse und Datteln sowie Feigen und Mandarinen. ■ Nimm das Geld[,] oder lass es bleiben. ■ Anna liest die Zeitung[,] und Otto löst ein Kreuzworträtsel. ■ Er schätzte das süße, klebrige Getränk. → mit Komma, da gleichrangige Adjektive ■ Er schätzte die jüngsten politischen Entwicklungen. → kein Komma, da „jüngst“ die politischen Entwicklungen näher be‐ stimmt [2] Das Komma grenzt nachgestellte Zusätze vom Rest des Satzes ab. Ist ein Zusatz eingeschoben, steht am Anfang und am Ende je ein Komma (= paariges Komma): ■ Da kommt Michael, mein Bruder. ■ Michael, mein Bruder, kennt dich noch nicht. [3] Das Komma grenzt Nebensätze vom übergeordneten Satz ab. Ist der Nebensatz in den übergeordneten Satz eingeschoben, steht am Anfang und am Ende des Nebensatzes je ein Komma (= paariges Komma): Checkliste II: Die wichtigsten Kommaregeln 175 <?page no="176"?> ■ Sobald ich Zeit habe, komme ich bei euch vorbei. ■ Ich komme, sobald ich Zeit habe, bei euch vorbei. [4] Die Regeln 2 und 3 haben mehr Gewicht als die Regeln in Punkt 1. ■ Dieses Wissen ist hilfreich, wenn man zunächst nicht weiß, welche von zwei infrage kommenden Regeln zum Zug kommt. Das folgende Beispiel enthält einen Zusatz (→ Komma) und eine Aufzählung mit und (→ kein Komma). Die Regel 2 für Zusätze hat mehr Gewicht, und daher steht am Ende des Zusatzes ein Komma: ■ Sie liest viele Bücher, vor allem Romane, und diskutiert auch gern darüber. ■ Sie sagte, sie komme gleich wieder, und ging hinaus. [5] Manchmal gewähren die Kommaregeln einen gewissen Freiraum. Dies gilt insbesondere für Datums- und Wohnungsangaben, für Par‐ tizip- und Infinitivgruppen sowie Nebensatzeinleitungen, die aus einer Konjunktion und weiteren Wörtern bestehen (z. B. gerade weil, nicht weil oder sondern dass): ■ Sie wird Mittwoch, den 13. März[,] eintreffen. ■ Herr Meier aus Bonn, Lindenstraße 12[,] hat zwei Freikarten gewonnen. ■ Sie hat aus dem Brockhaus, 21. Auflage, Band 14[,] zitiert. ■ Das ist[,] grob gerechnet[,] die Hälfte. (Zwei Kommas oder gar keins! ) ■ Sie weigerte sich[,] uns zu helfen. ■ Angenommen[,] dass morgen gutes Wetter ist, gehen wir grillen. ■ Nicht was du sagst ist entscheidend, sondern dass du freundlich bist. Anhang 176 <?page no="177"?> [6] Hervorhebungen, Ausrufe und Anreden werden mit Komma abgetrennt. ■ Deine Mutter, die habe ich gut gekannt. ■ Ach, das ist aber schade. ■ Nur er, der Direktor, konnte der Täter sein. [7] Kein Komma ohne Grund! ■ (Falsch: ) Nach einer langen Reise mit Zug und Bus, kamen wir endlich am Nordkap an. → In diesem Satz liegt weder eine Reihung noch ein Zusatz oder ein Nebensatz vor. Es gibt daher keinen Grund für ein Komma. ■ (Richtig: ) Nach einer langen Reise mit Zug und Bus kamen wir endlich am Nordkap an. ■ Das schließende Komma eines vorangehenden Zusatzes oder Nebensatzes bleibt jedoch erhalten! ■ Mein Onkel, ein großer Tierfreund, sowie seine vierzehn Katzen leben jetzt in einer alten Mühle. ■ Wir hoffen, dass wir Ihre Bedenken hiermit zerstreut haben, und grüßen Sie … Checkliste III: Den eigenen Text überarbeiten Texte sind schwer zu verstehen, wenn sie kein klares Ziel verfolgen, es ihnen an einer schlüssigen Argumentation mangelt oder die Sätze schwer verständlich sind. Im ersten Fall hilft nur, den Text rigoros um‐ zuschreiben. In den beiden anderen Fällen gilt: Strukturprobleme sind wichtiger als Sprachprobleme und sollten daher vorrangig behoben werden. Checkliste III: Den eigenen Text überarbeiten 177 <?page no="178"?> ■ Strukturprobleme gehen über die Satzebene hinaus und betreffen insbesondere Struktur und Aufbau, Leserorientierung, Fokus und die Tonalität des Texts ■ Sprachliche Probleme sind Probleme auf Satzebene, z. B. Gram‐ matik, Rechtschreibung, Formulierungen, Wortgewandtheit, Verständlichkeit, Wortwahl, Bezugnahme auf fremde Quellen Im Stadium der Überarbeitung geht es also zunächst darum, den berühmten roten Faden des Texts sowie die Struktur der einzelnen Kapitel und Abschnitte gezielt herauszuarbeiten. Dabei wandert der Blick vom großen Ganzen auf immer kleiner werdende Einheiten. Übung! Sinneinheiten bilden Eine gute Möglichkeit, um zu testen, ob die Absätze zusam‐ menpassen und eine kohärente Einheit bilden, sind Kernsätze. Fassen Sie jeden Absatz in einem Satz zusammen. Macht die Abfolge an Kernsätzen Sinn? Wiederholen Sie diese Übung auf Ebene der Abschnitte, Unterkapitel und Kapitel. Erst zum Schluss geht es um sprachliche Mängel, Grammatik und Recht‐ schreibung. Die folgenden Fragen sollen Ihnen dabei helfen, den eigenen Text zu überarbeiten. Inhalt ■ Fokussiert der Text sich auf die Beantwortung der Fragestellung oder gibt es Textpassagen, die unwesentlich sind oder ablenken? ■ Was sind die Hauptaussagen des Textes? ■ Sind Aussagen undeutlich oder unklar? ■ Wo fehlt etwas? ■ Was ist widersprüchlich? Anhang 178 <?page no="179"?> ■ Wo könnten Beschreibungen, Abbildungen, Tabellen oder Bei‐ spiele den Text anschaulicher machen? ■ Wo wiederholen sich Aussagen? Was lenkt von der Beantwor‐ tung der Forschungsfrage ab und ist damit unwesentlich? Struktur ■ Wird die Fragestellung deutlich? Wird in der Arbeit eingehalten, was in der Einleitung angekündigt wurde? ■ Wird im Schlussteil die Fragestellung aufgegriffen und beant‐ wortet? ■ Ist die Unterteilung des Textes in Absätze logisch nachvoll‐ ziehbar? Hat der Text genügend oder zu viele oder zu wenige Absätze? ■ Könnten weitere Überschriften und Zwischenüberschriften den Text klarer strukturieren? Fassen die Zwischenüberschriften die wesentlichen Inhalte des entsprechenden Abschnitts zu‐ sammen? Ist der Text zergliedert? ■ Könnte eine Aufzählung in Listen- oder Tabellenform die Les‐ barkeit erhöhen? ■ Ist die Gliederung des Texts nachvollziehbar? ■ Gibt es einen roten Faden? Fehlen irgendwo Übergänge zwischen Textteilen? Sprache und Stil ■ Ist die Sprache verständlich? Gibt es störende Schachtelsätze oder zu umständliche Formulierungen? ■ Ist die Sprache dem Adressatenkreis angemessen? Gibt es um‐ gangssprachliche Formulierungen oder unnötige Anglizismen und Fremdworte? ■ Fallen Wortwiederholungen auf ? ■ Werden Abkürzungen bei der ersten Verwendung erklärt? ■ Werden zentrale Begriffe eingeführt und definiert? Checkliste III: Den eigenen Text überarbeiten 179 <?page no="180"?> Quellenarbeit ■ An welchen Stellen wird etwas behauptet, das belegt werden müsste? ■ Sind Zitate sinnvoll in den Text eingebunden worden? ■ Wird im Text an allen Stellen deutlich, wessen Gedanken wie‐ dergegeben werden? Checkliste IV: Rückmeldung auf fremde Texte geben Einem Menschen eine Rückmeldung auf ihren oder seinen Text zu geben, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die viel Einfühlungsvermögen erfordert. Wer schreibt, bringt automatisch sich selbst in den Text mit ein; Texte sind daher sehr persönliche Produkte. Gutes Feedback muss daher einige Anforderungen erfüllen: ■ Es ist produktiv, d. h. es bietet Perspektiven zur Überarbeitung ■ Es ist beschreibend, d. h. es ist weder analysierend noch bewer‐ tend ■ Es ist konkret, d. h. es ist bezogen auf einzelne Textstellen ■ Es ist subjektiv und respektvoll, d. h. der Feedbackgeber formu‐ liert seine individuellen Leseeindrücke als Ich-Botschaften und stellt insbesondere Fragen Wichtig ist, dass Sie vor dem Feedback-Geben den genauen Auftrag abstecken. Es bringt nichts, wenn Sie sehr detailliert eine Rückmel‐ dung geben, der Verfasser oder die Verfasserin den Text aber schon am nächsten Tag fertigstellen muss. Klären Sie daher die Randbedin‐ gungen: ■ Um was für eine Art von Text handelt es sich und welches Thema behandelt er? Wer ist der Adressat oder die Adressatin des Texts? Anhang 180 <?page no="181"?> ■ Welche Art der Rückmeldung erwartet der Autor oder die Au‐ torin? Was genau ist das Feedback-Anliegen? ■ Wieviel Zeit und wieviel Bereitschaft hat der Autor oder die Autorin zur Überarbeitung? Es empfiehlt sich, den Text zweimal zu lesen: einmal in normaler Lesegeschwindigkeit, und einmal etwas genauer. Im ersten Durchgang verschaffen Sie sich einen Überblick über die Hauptaussagen und die Struktur des Texts. Wenn Sie etwas nicht verstehen oder sonst im Text stolpern, markieren Sie kurz die betreffende Stelle, lesen Sie aber weiter. In einem zweiten Durchgang sehen Sie sich die Textstellen an, die Sie in Schritt 1 angestrichen haben, und versuchen Sie herauszu‐ finden, warum Sie hängen geblieben sind. Argumentieren Sie wenn möglich immer mit Hilfe des Texts. Folgende Fragen können Ihnen helfen: ■ Positives benennen: Was gefällt Ihnen an der Textprobe und weshalb? Können Sie am Text beispielsweise festmachen, warum Ihnen das Lesen Spaß gemacht hat? Vielleicht waren die Sätze besonders klar oder die Formulierungen sehr präzise? Vielleicht hat der Autor oder die Autorin ein schönes Bild benutzt, dass Sie sofort mitgerissen hat? ■ Strukturschwächen: Fehlt Ihnen ein roter Faden? Bitte über‐ legen Sie, was Ihnen an diesen Stellen das Verständnis erleichtern würde. Bräuchten Sie vielleicht mehr Informationen oder einen anderen Übergang zwischen den Absätzen? Fehlen Zwischen‐ schritte in der Argumentation, die nicht explizit genannt sind? ■ Sprachliche Schwächen: An welchen Stellen hatten Sie Mühe, den Text zu verstehen? Verwendet der Autor oder die Autorin vielleicht Fachbegriffe, die Sie nicht kennen? Sind die Sätze zu kompliziert? Checkliste IV: Rückmeldung auf fremde Texte geben 181 <?page no="182"?> Checkliste V: Richtig zitieren Was zitieren? Nicht jede Quelle ist ein guter Treffer. Grundsätzlich sollten die von Ihnen verwendeten Quellen jedoch drei Kriterien genügen: Sie sollte zitierfähig, zitierwürdig und relevant sein. [1] Zitierfähig ist eine Quelle dann, wenn der Leser oder die Leserin problemlos auf die zugreifen kann. Werke, die über den Buchhandel, Bibliotheken, Archive oder Dokumentlieferservices bezogen werden können oder die im Internet beispielsweise über einen permanenten Link dauerhaft hinterlegt sind, sind demnach grundsätzlich zitierfähig. Schwieriger sieht es bei sogenannter ‚grauer Literatur‘ aus, also Pu‐ blikationen, die nicht allgemein zugänglich sind. Dies trifft etwa auf interne Unternehmensinformationen, unveröffentlichte Skripte und Arbeitspapiere oder Privatkorrespondenz zu. [2] Zitierwürdig ist eine Quelle dann, wenn sie den wissenschaftli‐ chen Qualitätskriterien entspricht, also insbesondere nachvollziehbar, inhaltlich anspruchsvoll, theoriegeleitet und möglichst aktuell und generalisierbar ist. [3] Relevant ist eine Quelle dann, wenn sie einen konkreten Bezug zu Ihrem Thema und Ihrer Fragestellung aufweist. Fragen Sie beim Lesen daher immer, ob ein Zusammenhang zwischen dem Titel der gefundenen Publikation und dem eigenen Thema besteht. Allerdings gilt es auch hier zu priorisieren: Aktuelle Quellen aus renommierten Fachzeitschriften oder von renommierten Wissenschaftler: innen sind wichtiger als ältere Forschungsarbeiten oder Beiträge, die von Prak‐ tiker: innen oder Journalist: innen verfasst worden sind. Wörtlich oder indirekt zitieren Grundsätzlich unterscheidet man zwischen direkten und indirekten Zitaten. Direkte Zitate werden wörtlich übernommen, stehen in An‐ führungszeichen und müssen alle Änderungen gegenüber dem ge‐ nauen Wortlaut anzeigen (hierzu gleich mehr). Bei indirekten Zitaten Anhang 182 <?page no="183"?> hingegen fassen Sie fremde Inhalte sinngemäß in eigenen Worten (als Paraphrase) und ohne Anführungszeichen zusammen. Sowohl direkte als auch indirekte Zitate müssen drei Anforderungen erfüllen. Sie müssen unverfälscht, unmittelbar und zweckentsprechend sein. [1] Unverfälscht heißt, dass Sie die Meinung oder Aussage des Autors nicht durch Kürzungen oder Ergänzungen verzerren dürfen. [2] Unmittelbarkeit bei Zitaten meint, dass Sie das Originalwerk heranziehen. Schreiben Sie das Zitat dagegen von einem anderen Autor ab, so spricht man von einem Sekundär- oder Blindzitat. Hier handelt es sich also um ein „Zitat aus zweiter Hand“, sodass Sie nicht sicher sein können, ob das entlehnte Zitat möglicherweise verfälscht worden ist oder von einem: r anderen Autor: in bzw. einem anderen Beitrag stammt. Sekundärzitate sollten Sie daher nur verwenden, wenn Sie den Primärtext nicht mit vertretbarem Aufwand beschaffen können. [3] Damit ein Zitat zweckentsprechend ist, muss es einen Mehr‐ wert bieten. Es reicht demnach nicht, wenn Sie Zitate unkommentiert aneinanderreihen oder als puren Schmuck verwenden. Bei direkten Zitaten kommt eine vierte Anforderung hinzu: Sie müssen zusätzlich buchstaben- und zeichengetreu sein. Sie müssen also nicht nur den Wortlaut, sondern auch orthographische oder gram‐ matikalische Fehler übernehmen und alle Änderungen am Original kenntlich machen. Dazu haben sich bestimmte Konventionen zur Notation eingebürgert. Beachten Sie jedoch bitte, dass die Notation in manchen Fachgebieten geringfügig von der hier beschriebenen Version abweicht. ■ Inhaltliche und orthographische Fehler machen Sie durch ein [! ] oder [sic! ] kenntlich. ■ Änderungen durch eine andere Deklination (also eine Anpas‐ sung von Kasus, Numerus und/ oder Genus) werden in eckige Klammern gesetzt. Checkliste V: Richtig zitieren 183 <?page no="184"?> ■ Gleiches gilt für Einschübe und Anmerkungen, welche zum Verständnis des Zitats ergänzt werden müssen, z. B. „Sie [Die Landwirtschaft] zählt zu jenen Bereichen, die am stärksten vom Klimawandel betroffen ist.“ ■ Hervorhebungen im Originaltext (z. B. Unterstreichung, S p e r r u n g, KAPITÄLCHEN, Kursivdruck, fette Schrift etc.) werden im Zitat übernommen und mit der Anmerkung [Hervorhebung im Original] in eckigen Klammern kommentiert. Eigene Hervorhe‐ bungen versehen Sie mit der Anmerkung [d. Verf.] oder [eigene Hervorhebung]. ■ Auslassungen im Text werden meist durch drei Punkte in eckigen Klammern […] gekennzeichnet. ■ Lange wörtliche Zitate über drei oder mehr Zeilen rücken Sie ohne Anführungszeichen ein. Wahlweise können Sie solche Zitate zudem kursiv drucken oder durch einen geringeren Zei‐ lenabstand vom übrigen Text abheben. Das Literaturverzeichnis Das Literaturverzeichnis enthält alle Quellen, die Sie genutzt haben, und zwar sortiert nach der Reihenfolge der Nennung im Text. Nach‐ folgend finden Sie Zitierschemata für die wichtigsten Publikations‐ formen. ■ Monographie: [Nummer] V. Nachname, Titel. Untertitel. Ort: Verlag, Jahr. ■ Sammelband: [Nummer] V. Nachname, „Titel des Artikels,“ in Titel des Sammelbands, XYnd ed., cil. XY, V. Nachname Heraus‐ geber, Ed. Ort: Verlag, Jahr, pp. Seitenzahlen. ■ Periodika: [Nummer] V. Nachname, „Titel,“ Titel der Zeitschrift, vol. XY, pp. Seitenzahlen, Jahr. ■ Patente: [Nummer] V. Nachname, „Titel,“ Land Patentnummer, Monat Tag, Jahr. Anhang 184 <?page no="185"?> ■ Internetquelle: [Nummer] V. Nachname. ( Jahr, evt. Monat und Tag). Titel. [Online]. Verfügbar unter: URL (Zugriff am: Datum). Falls Angaben fehlen, nutzen Sie folgende Notation: ■ „o. V.“ (ohne Verfasser: in), falls der Autor oder die Autorin nicht bekannt ist ■ „o. J.“ (ohne Jahr), falls das Erscheinungsjahr nicht bekannt ist Checkliste V: Richtig zitieren 185 <?page no="187"?> Stichwortverzeichnis 25.000-Dollar-Methode 145 Abbildungen 117 Abbinder 130 Abkürzungen 86 Absolutadjektiv 95 Abstract 24 Adjektive 72 ALPEN-Methode 146 Anglizismen 91 Apostroph 73 Autor 110 Bedeutung kernprägnante 45 randscharfe 45 Behördentext 53 Beispiele 36 Belege 36 Bericht 26 Bilder 114 Boilerplate 130 Botschaft 16, 30, 135 Checkliste 173, 175, 177, 180, 182 Denglisch 89 Diagramme 116 Diskussion 27 Einfachheit 33 Einleitung 27f. Eisenhower-Prinzip 144 Elative 96 E-Mail 51 Emoticons 86 Endnoten 108 Ergebnisse 27 Erörterung 36 Essay 36 Fachbegriffe 42, 46 Fachjargon 46 Feature 20 Fremdwörter 32, 46 Fußnoten 108 Gendern 61f. Getrenntschreibung 73 Gliederung 26, 30, 36, 134 Glosse 25 goldene Regel 39 Gutachten 26 Hamburger Modell 33 Hauptsatz 83 Hilfsverb 57f. Hyperlative 96 Ich-Verbot 76 Inhaltsverzeichnis 26 Journalisten 124, 128 Kernbotschaft 22 Komma 82 Kommentar 25 <?page no="188"?> Komplexität 33 Konjunktion 68 Konnektoren 80 Korrektur 134 kuriose Details 126 Kurzbeschreibung 24 Lead 23 Leser 29, 34 -freundlichkeit 41 -lenkung 118 Literaturverzeichnis 184 Magnetbotschaft 21 Metasprache 79 Methoden 27 Nachricht 25 narrative Elemente 20 Nebensatz 47 Nomen 98 Nominalstil 55f. Öffentlichkeitsarbeit 124 PAIN-GAIN-MAGIC 19 Paragraph Writing 36 Partizipialkonstruktion 48 Passiv 42f., 65 Peer-Review-Verfahren 111 Plagiat 104 Pomodoro-Technik 151 Portrait 25 Prägnanz 33 Presse 124, 128 -meldung schreiben 129 Pronomen 68 Prototypen-Korrektur-Schleife 143 Quellen 106, 109, 112 Recherche 129 Relativsatz 83 Reportage 25 roter Faden 80, 142 Sachtexte 42 Schachtelsatz 48, 50 Schluss 28 Schreibblockade 157 Schreiben nach Gehör 69 Schreibort 158 Schreibschmerz 134 Schreibschwierigkeiten 156 Schreibstrategie 153 Schreibtipps 159 Schreibtypen 153 Selbstreferenz 78 signposting 79 Sinnheit 35 Skimming 23 Sprachökonomie 85 Storytelling 17 Stringenz 31 Struktur 31, 34, 142 Substantive 72 Suffix 64 Summary 24 Superlative 86 Text guter 15, 135 Textfeedback 138 Stichwortverzeichnis 188 <?page no="189"?> Thema 30 topic sentence 36 unliebsame Aufgabe 148 Urheberrecht 104 Verkomplizierung 46 wertfrei 140 W-Fragen 23, 130 Zahlen 119 Zeitmanagement 144 Zielgruppe 29, 121 Zitat direkt/ indirekt 107 Zitieren 105 wissenschaftliches 106 Zitierfähigkeit 110 Zitierwürdigkeit 110 Zungenbrecher 45 Zusammenschreibung 73 Stichwortverzeichnis 189 <?page no="190"?> BUCHTIPP Egon Freitag Kreativitätstechniken So finden Sie das richtige Werkzeug für Ihr Problem 1. Auflage 2020, 432 Seiten €[D] 29,90 ISBN 978-3-8252-5553-4 eISBN 978-3-8385-5553-9 Welche Kreativitätstechnik ist die richtige für mein Problem? Kreativität wird in allen Berufsgruppen verlangt. Dabei fällt es schwer, aus der Vielzahl der Kreativitätstechniken die passende für die eigene Aufgabe auszuwählen. Dieses Buch bietet eine wissenschaftliche Übersicht über bekannte und weniger bekannte Techniken. Informationen zu den theoretischen Hintergründen, Quellen und Entwicklungslinien, aber auch die Orientierung an berufspraktischen Herausforderungen machen den Band sowohl für Praktiker als auch für Studierende und Wissenschaftler gleichermaßen zu einem wichtigen Arbeitsbegleiter. expert verlag GmbH \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="191"?> BUCHTIPP Christoph Zahrnt Schreiben in Projekten Von der Leistungsbeschreibung bis zum Abschlussbericht 1. Auflage 2021, 227 Seiten €[D] 24,99 ISBN 978-3-7398-3111-4 eISBN 978-3-7398-8111-9 Schreiben will gelernt sein! Das Erstellen von Texten gehört zu den Tätigkeiten eines jeden Projektmitarbeitenden. Da schreiben im beruflichen Kontext jedoch Tücken mit sich bringen kann, ist eine verständliche, eindeutige und respektvolle Sprache gefragt. Der Autor dieses Buches vermittelt die entsprechenden Kompetenzen zur schriftlichen Kommunikation in Projekten, speziell für Leistungsbeschreibungen. Dabei zeigt er auf, wie Sie situationsgerecht und inhaltlich eindeutig schreiben, wie Sie Schreibprozesse strukturieren und wie Sie Risiken auf personaler Ebene vermeiden. Das Buch dient somit als Ratgeber für Projektleitende und Projektmitarbeitende in internen und externen Projekten sowie Projekten innerhalb einer Unternehmensgruppe. UVK Verlag. Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="192"?> ,! 7ID8C5-cfbbif! ISBN 978-3-8252-5118-5 „Dem Ingenieur ist nichts zu schwör.“ Das wusste bereits Daniel Düsentrieb vor über 65 Jahren. Doch was bringt die ausgefeilteste Konstruktion, wenn man diese textlich nicht verständlich und prägnant präsentieren kann? Lydia Prexl verrät in ihrem Ratgeber, auf was es bei guten Texten ankommt, wie Sie Ihre Texte verständlich formulieren und was einen guten Stil auszeichnet. Auch auf Schreibhürden und -blockaden geht die Autorin ein und gibt hilfreiche Tipps, wie Sie diese überwinden. Zahlreiche Beispiele, Checklisten und Übungen illustrieren den Stoff. Schlüsselkompetenzen Ingenieurwissenschaften Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehr- und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel Mit Übungen
