Ertragsteuern
1114
2022
978-3-8385-5792-2
978-3-8252-5792-7
UTB
Christoph Freichel
Gernot Brähler
Andreas Krenzin
Christian Lösel
10.36198/9783838557922
Mit diesem Lehrbuch wird dem Einsteiger ein umfassender Überblick über grundlegende Aspekte des Ertragsteuerrechts vermittelt. Es beinhaltet zahlreiche Beispiele sowie veranschaulichende Abbildungen und Tabellen. Am Ende der Kapitel finden sich jeweils eine Zusammenfassung in Form von Kernaussagen über wesentliche Erkenntnisse, Fragen sowie individuelle Literaturhinweise.
Für die siebte Auflage wurden die gesamten Ausführungen überarbeitet und aktualisiert, um das Buch dem aktuellen Erkenntnis- und Rechtsstand anzupassen.
Das Buch dient der Klausurvorbereitung im Bachelor- sowie im Masterstudium, die auf die betriebswirtschaftliche Steuerlehre bzw. das Steuerrecht ausgerichtet sind. Es eignet sich ebenso für die Berufspraxis. Hier sind Steuerberatung, Steuerfachangestellte sowie Steuerfachwirte angesprochen.
<?page no="0"?> Freichel | Brähler Lösel | Krenzin Ertragsteuern 7. Auflage <?page no="1"?> utb 2549 Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Brill | Schöningh - Fink · Paderborn Brill | Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen - Böhlau · Wien · Köln Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Narr Francke Attempto Verlag - expert verlag · Tübingen Psychiatrie Verlag · Köln Ernst Reinhardt Verlag · München transcript Verlag · Bielefeld Verlag Eugen Ulmer · Stuttgart UVK Verlag · München Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld Wochenschau Verlag · Frankfurt am Main <?page no="2"?> Prof. Dr. Christoph Freichel, WP, StB, FBIStR, ist Professor für Allge‐ meine Betriebswirtschaftslehre, Rechnungswesen und Betriebliche Steuer‐ lehre an der htw saar. Prof. Dr. Gernot Brähler ist als Dozent und Autor für das Würzburger Lehrgangswerk WLW tätig. Darüber hinaus ist er Autor zahlreicher Lehr‐ bücher und der NWB-QuizApp „Wer wird Steuer-Experte? “. Dr. Christian Lösel, StB, ist Altoberbürgermeister der Stadt Ingolstadt. Dr. Andreas Krenzin ist Steuerberater und Partner der Kastl & Dr. Krenzin Steuerberatungsgesellschaft. <?page no="3"?> Christoph Freichel, Gernot Brähler, Andreas Krenzin, Christian Lösel Ertragsteuern 7., vollständig überarbeitete Auflage UVK Verlag · München <?page no="4"?> 6., überarbeitete und aktualisierte Auflage 2018 5., überarbeitete und aktualisierte Auflage 2012 4., überarbeitete und aktualisierte Auflage 2010 3., überarbeitete und aktualisierte Auflage 2008 2. Auflage 2006 DOI: https: / / doi.org/ 10.36198/ 9783838557922 © UVK Verlag 2022 ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Ver‐ vielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Sei‐ ten sind stets die jeweiligen Anbieter: innen oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung CPI books GmbH, Leck utb-Nr. 2549 ISBN 978-3-8252-5792-7 (Print) ISBN 978-3-8385-5792-2 (ePDF) ISBN 978-3-8463-5792-7 (ePub) Umschlagabbildung: © iStock MicroStockHub Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 9 11 1 19 1.1 19 1.2 19 1.3 22 1.4 23 1.4.1 23 1.4.2 26 1.4.3 29 1.4.4 33 2 36 2.1 36 2.1.1 36 2.1.2 43 2.1.3 44 2.1.4 55 2.1.5 71 2.2 76 2.2.1 77 2.2.2 90 2.2.3 159 2.2.4 167 2.2.5 176 2.2.6 197 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung in das Ertragsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung der Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerbelastung und Steuergerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . Die drei Steuerwissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Steuersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einnahmen des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Steuerarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffe der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ertragshoheit über Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen der Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Charakterisierung, Bedeutung und Prinzipien der Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönliche und sachliche Einkommensteuerpflicht . . . . . Persönliche Einkommensteuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachliche Einkommensteuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitliche Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens . . . . . . Ermittlung der Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die sieben Einkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte . . . . . . . . . . . Die steuerliche Behandlung von Verlusten . . . . . . . . . . . . . Sonderausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außergewöhnliche Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 2.2.7 207 2.2.8 213 2.3 244 2.3.1 246 2.3.2 257 3 261 3.1 261 3.1.1 264 3.1.2 265 3.1.3 267 3.2 267 3.2.1 267 3.2.2 270 3.2.3 271 3.2.4 306 3.3 309 4 313 4.1 313 4.1.1 313 4.1.2 315 4.1.3 318 4.2 319 4.2.1 321 4.2.2 329 4.2.3 337 4.2.4 338 4.3 342 4.4 343 4.5 344 Der Familienleistungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bemessungsgrundlage und Tarif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitunternehmereinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Gesellschafter einer Personengesellschaft . . . . . . Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wesensmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönliche Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerbemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung des zu versteuernden Einkommens . . . . . . . . . . Anpassungen der Handelsbilanz an die Steuerbilanz . . . . . Hinzurechnungen und Kürzungen zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens außerhalb der Bilanz . . . . . . . Vom Gesamtbetrag der Einkünfte zur verbleibenden Körperschaftsteuerzahlung/ -erstattung . . . . . . . . . . . . . . . . Optionsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Charakterisierung der Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuergegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönliche Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinn aus Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinzurechnungen gemäß § 8 GewStG . . . . . . . . . . . . . . . . . Kürzungen gemäß § 9 GewStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlustvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freibetrag, Steuermesszahl, Hebesatz und Vorauszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer . . . . . . . Abschlussaufgabe zur Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> 5 348 5.1 348 5.2 350 6 357 6.1 357 6.2 358 6.3 359 6.4 361 6.4.1 361 6.4.2 362 370 374 377 Rechtsformneutralität der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzip der Rechtsformneutralität der Besteuerung . . . . . . Ansätze zur Umsetzung einer rechtsformneutralen Besteuerung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übergreifender Abschlussfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angaben zur Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angaben zur Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Falllösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung des zu versteuernden Einkommens/ GewSt-/ KSt-Rückstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechnung der Steuerschuld für 2022 . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Inhalt <?page no="9"?> Vorwort Das deutsche Ertragsteuerrecht unterliegt permanenten Änderungen. Mit der vorliegenden Auflage des Lehrbuches „Ertragsteuern“ wird die im Jahre 2018 veröffentlichte 6. Auflage der Autoren abgelöst. Zwischenzeit‐ lich haben gravierende Ertragsteuerändungen das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Angesichts der hohen Komplexität einzelner Regelungen ist es uns ein Anliegen, die ertragsteuerlichen Grundlagen systematisch und anschaulich darzustellen. Um bislang nicht versierte Leser in die Welt dieser Steuern einzuführen, verzichten wir auf die Erläuterungen von (zu) komplexen Regelungsberei‐ chen (z. B. §§ 4k, 4i EStG). Etliche Berechnungsschemata, Abbildungen und Beispiele sollen das Verständnis fördern und die Grundlage dafür bilden, sich ggf. zu einem späteren Zeitpunkt auch den diesbezüglich komplexeren Themen widmen zu können. Mit diesem Lehrbuch wird dem Einsteiger ein umfassender Überblick über grundlegende Aspekte des Ertragsteuerrechts vermittelt. Nach einer Einführung in das Ertragsteuerrecht wird die Einkommensteuer (Kapitel 2) als Schwerpunkt analysiert. Hierzu gehören die Charakterisierung, die Bedeutung und die Prinzipien der Einkommensteuer, die persönliche und sachliche Steuerpflicht sowie die zeitliche Zuordnung der Einkünfte. Die Erläuterungen bzgl. der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens sowie der festzusetzenden Einkommensteuer stehen im Mittelpunkt dieses Kapitels. Anschließend werden die Grundlagen der Körperschaftsteuer (Kapitel 3) und der Gewerbesteuer (Kapitel 4) dargestellt. Die Erläuterungen beschränken sich dabei jedoch nicht auf die jeweiligen Grundlagen, sondern beziehen sich u. a. auch auf Fragen zur Steuerpflicht und zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens bzw. des Gewinns aus dem Gewerbe‐ betrieb. Auch bei diesen Steuerarten wird anhand zahlreicher Beispiele aufgezeigt, wie die jeweilige Steuerfestsetzung konkret vonstattengeht. Kapitel 5 widmet sich den Ansätzen des Gesetzgebers zur Umsetzung einer Rechtsformneutralität der Besteuerung in Deutschland. Hierbei war der Einführung einer Option für Personenhandelsgesellschaften zur Kör‐ perschaftsteuer erstmalig mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2022 in dieser Neuauflage Rechnung zu tragen. Die Ausführungen dieses Lehrbuchs zur Einkommen-, Körperschaftsowie Gewerbesteuer werden durch einen <?page no="10"?> übergreifenden Abschlussfall (Kapitel 6) ergänzt, in dem die Zusammen‐ hänge der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens bzw. des Gewinns aus dem Gewerbebetrieb, die ggf. notwendigen jeweiligen Rückstellungen sowie die Berechnung der relevanten Steuerschulden unter Berücksichti‐ gung der im Fall genannten Besonderheiten aufgezeigt werden. Für die siebte Auflage wurden die gesamten Ausführungen überarbeitet und aktualisiert, um das Buch dem aktuellen Erkenntnis- und Rechtsstand anzupassen. Um die didaktischen Anforderungen zu erfüllen, beinhaltet das Werk zahlreiche praktische Beispiele sowie veranschaulichende Ab‐ bildungen und Tabellen. Am Ende der Kapitel finden sich jeweils eine Zusammenfassung in Form von Kernaussagen über wesentliche Erkennt‐ nisse, Fragen sowie individuelle Literaturhinweise, die zu einem vertiefen‐ den themenspezifischen Literaturstudium geeignet sind. Das umfangreiche Sachverzeichnis hilft bei der Suche nach konkreten Inhalten. Das Buch ist der ideale Begleiter zur zielorientierten Vorbereitung für Klausuren im Bachelorsowie im Masterstudium an Hochschulen, die auf die betriebswirtschaftliche Steuerlehre bzw. das Steuerrecht ausgerichtet sind. Zudem eignet es sich hervorragend zum Selbststudium. Zielgruppen sind daher sowohl Studentinnen und Studenten, Dozentinnen und Dozenten im Bereich der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre sowie des Steuerrechts. Das Werk eignet sich auch für Praktikerinnen und Praktiker, die ihr für den Berufsalltag nützliches Grundlagenwissen verbessern möchten. Hier sind Assistentinnen und Assistenten der Steuerberatung, Steuerfachangestellte sowie Steuerfachwirte und nicht zuletzt auch Steuerberater angesprochen. Bedanken möchten wir uns bei Herrn Leonhard Arweiler und Herrn Lukas Biermann von der Moore Treuhand Kurpfalz GmbH Wirtschaftsprü‐ fungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft für die Unterstützung bei der Manuskripterstellung. Für die sehr angenehme Zusammenarbeit danken wir Herrn Dr. Jürgen Schechler vom UVK Verlag. Für Verbesserungsvorschläge, Hinweise auf Schreibfehler und Anregun‐ gen sind wir dankbar und verweisen auf die folgenden E-Mail-Adressen. Das Buch basiert auf dem Rechtsstand 01.07.2022. Christoph Freichel (christoph.freichel@htwsaar.de) Gernot Brähler (gernot.braehler@stb-braehler.de) Christian Lösel (christian.loesel@gmx.de) Andreas Krenzin (andreas.krenzin@kastl-krenzin.de) 10 Vorwort <?page no="11"?> Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung Abs. Absatz abzgl. abzüglich a. F. alte Fassung AfA Absetzung für Abnutzung AG Arbeitgeber; Aktiengesellschaft AK Anschaffungskosten allgem. allgemein(e/ em) AltEinkG Alterseinkünftegesetz AN Arbeitnehmer a. o. außerordentlich (e) AO Abgabenordnung Art. Artikel AStG Außensteuergesetz Aufl. Auflage ausschließl. ausschließlich ausl. ausländisch (e) BA Betriebsausgaben BAföG Bundesausbildungsförderungsgesetz BB Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bd. Band BE Betriebseinnahmen BewG Bewertungsgesetz BfA Bundesversicherungsanstalt für Angestellte BGB Bürgerliches Gesetzbuch <?page no="12"?> BGBl. Bundesgesetzblatt BilMoG Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz BIP Bruttoinlandsprodukt BFH Bundesfinanzhof BMF Bundesministerium der Finanzen BMG Bemessungsgrundlage Bsp. Beispiel bspw. beispielsweise Bst. Buchstabe BStBl. Bundessteuerblatt BVV Betriebsvermögensvergleich BVerfG Bundesverfassungsgericht bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise B Z Bemessungsgrundlagenbestandteil Co. Compagnie DBA Doppelbesteuerungsabkommen DBst. Doppelbuchstabe DG Dachgeschoss d. h. das heißt DIHK Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V. DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) € Euro EBITDA Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amorti‐ sation (Ertrag vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Vermö‐ gensgegenstände) EFTA European Free Trade Association EG Erdgeschoss; Europäische Gemeinschaft 12 Abkürzungsverzeichnis <?page no="13"?> EigZulG Eigenheimzulagengesetz EnergieSt Energiesteuer ErbSt Erbschaftsteuer ESt Einkommensteuer EStDV Einkommensteuer-Durchführungsverordnung EStG Einkommensteuergesetz EStH Einkommensteuer-Hinweise EStR Einkommensteuer-Richtlinien etc. et cetera, und so weiter EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof evtl. eventuell EWR Europäischer Wirtschaftsraum f. folgende FB Freibetrag ff. fortfolgende FR Finanz-Rundschau (Zeitschrift) gem. gemäß GewSt Gewerbesteuer GewStG Gewerbesteuergesetz GewStDV Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung GewStR Gewerbesteuerrichtlinien ges. gesamt(e) GFB Grundfreibetrag GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GoB Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung 13 Abkürzungsverzeichnis <?page no="14"?> grds. grundsätzlich GrESt Grunderwerbsteuer GrSt Grundsteuer GrStG Grundsteuergesetz GuV Gewinn- und Verlustrechnung GWG Geringwertige Wirtschaftsgüter, geringwertiges Wirt‐ schaftsgut H Hinweis HGB Handelsgesetzbuch HRG Hochschulrahmengesetz Hrsg./ hrsg. Herausgeber/ herausgegeben Hs. Halbsatz i. d. R. in der Regel i. H. v. in Höhe von inkl. inklusive InvStG Investmentsteuergesetz i. R. d. im Rahmen des i. S. d. im Sinne des/ r i. S. v. im Sinne von i. V. m. in Verbindung mit IWB Internationale Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift) JStG Jahressteuergesetz jur. juristisch (e) JÜ Jahresüberschuss KapESt Kapitalertragsteuer KfzSt Kraftfahrzeugsteuer KG Kommanditgesellschaft KGaA Kommanditgesellschaft auf Aktien 14 Abkürzungsverzeichnis <?page no="15"?> Kfz Kraftfahrzeug KfzSt Kraftfahrzeugsteuer KSt Körperschaftsteuer KStG Körperschaftsteuergesetz KStR Körperschaftsteuer-Richtlinien KV Krankenversicherung kwh Kilowattstunde l. u. f. wirtsch. land- und forstwirtschaftlichen lit. litera LSt Lohnsteuer LStDV Lohnsteuer-Durchführungsverordnung LStR Lohnsteuer-Richtlinien lt. laut LVA Landesversicherungsanstalt max. maximal MinöSt Mineralölsteuer Mio. Million (en) Mrd. Milliarde (n) n. F. neue Fassung Nr. Nummer, Nummern NWB Neue Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift) od. oder o. g. oben genannte (n) OG Obergeschoss OHG Offene Handelsgesellschaft § Paragraph p. a. per annum PB Pauschbetrag 15 Abkürzungsverzeichnis <?page no="16"?> PC Personal Computer PKW Personenkraftwagen PV Pflegeversicherung R Richtlinie RSt Rückstellung RV Rentenversicherung S. Seite (n) SE Societas Europaea sog. so genannte(n) SolZ Solidaritätszuschlag St Steuer StB Steuerberater stpfl. steuerplichtige/ s/ r StSenkG Steuersenkungsgesetz StuW Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) SWI Steuer und Wirtschaft International (Zeitschrift) S Z Steuer auf Bemessungsgrundlage T Tausend Tab. Tabelle (n) TabakSt Tabaksteuer tat. tatsächlich (er) TÜV Technischer Überwachungsverein u. und u. a. und andere; unter anderem USA United States of America (Vereinigte Staaten von Amerika) USt Umsatzsteuer usw. und so weiter u. U. unter Umständen 16 Abkürzungsverzeichnis <?page no="17"?> v. a. vor allem vGA verdeckte Gewinnausschüttung vgl. vergleiche v. H. von Hundert vs. versus, gegen, gegenüber gestellt Vss. Voraussetzungen VSt Vorsteuer, Vermögensteuer V & V Vermietung und Verpachtung VW Volkswagen VZ Veranlagungszeitraum WK Werbungskosten z. B. zum Beispiel z. v. zu versteuerndes z. v. E. zu versteuerndes Einkommen zzgl. zuzüglich zzt. zurzeit 17 Abkürzungsverzeichnis <?page no="19"?> 1 Einführung in das Ertragsteuerrecht 1.1 Bedeutung der Steuern Steuern sind ein wichtiger Teil des Wirtschaftslebens jedes Staatsbürgers. Die Steuerpflicht begleitet ihn von der Geburt bis zu seinem Tod. Sie wird ihm vom staatlichen Gemeinwesen zur Finanzierung der Staatsaufgaben auferlegt und beeinflusst sein ökonomisches Handeln. Bei der Besteuerung muss der Staat bestimmte Grundsätze beachten, z. B. die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Insbesondere soll sich die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen richten. Will er nachhaltig am Erfolg privaten Wirtschaf‐ tens teilhaben, darf der Staat nicht unverhältnismäßig auf den einzelnen Staatsbürger zugreifen (Erdrosselungswirkung). Ungleichmäßige Besteue‐ rungen können zu Ausweichreaktionen seitens der Wirtschaftssubjekte führen und Glaubwürdigkeits- und Legitimitätsprobleme aufwerfen, die u. U. einen Rückgang des Steueraufkommens bewirken können. Schon aus diesem Grund muss ein Staat darauf bedacht sein, eine rechtmäßige, nachvollziehbare und als gerecht empfundene Besteuerung vorzunehmen, die das Spannungsverhältnis von Eigentumsschutz und So‐ zialpflichtigkeit des Eigentums widerspiegelt. Bei der Besteuerung ist daher stets die Gegenläufigkeit der Ziele und Interessen, die im Rahmen der Besteuerung eine Rolle spielen, zu berücksichtigen. Wirtschaftssubjekte wollen und müssen, u. a. unter dem Druck der Globalisierung, die Steuerlast minimieren. Andererseits finanzieren die Steuern Aufgaben, deren Erfül‐ lung den Wirtschaftssubjekten zugutekommen kann, und sie geben dem Staat die Möglichkeit, u. U. zum Vorteil Aller, lenkend in den Wirtschafts‐ prozess einzugreifen. 1.2 Steuerbelastung und Steuergerechtigkeit Moderne Industriestaaten nehmen eine Reihe von sozial-, ordnungs- und wirtschaftspolitischen Aufgaben wahr. Der Umfang der dem jeweiligen Staatswesen übertragenen Aufgaben spiegelt sich in seiner sog. Staatsquote <?page no="20"?> wider, die die Höhe der staatlichen Ausgaben im Verhältnis zum Bruttoin‐ landsprodukt (BIP) angibt. Im Jahr 2020 betrug diese Quote in Deutschland 50,8 %: Abb. 1: Staatsquote in Staatsausgaben 1.710,4 Mrd. € Deutschland 2020 Bruttoinlandsprodukt 3.368,0 Mrd. € Staatsquote (2020) = = = 50,8 % Abb. 1: Staatsquote in Deutschland 2020 32,9 37,138,5 48,8 46,9 45,2 43,6 48,7 47,8 46,848,1 44,1 44,4 44,2 44,345 50,8 30 40 50 60 70 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Staatsquote in % BRD Abb. 2: Entwicklung der Staatsquote in Deutschland von 1960 bis 2020 Zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben werden von Staaten Abgaben v. a. in Form von Steuern erhoben. Eine hohe Staatsquote bringt daher re‐ gelmäßig eine hohe Steuer- und Abgabenbelastung der Wirtschaftssubjekte mit sich. Diese Steuer- und Abgabenbelastung wird durch die sog. Abgaben‐ quote ausgedrückt, die das Verhältnis von Steuern und Sozialabgaben zum Bruttoinlandsprodukt angibt. Im Jahr 2020 belief sich diese Abgabenquote auf 41,0 %: 20 1 Einführung in das Ertragsteuerrecht <?page no="21"?> Steuern + Abgaben 739,7 Mrd. € + 641,2 Mrd. € Bruttoinlandsprodukt 3.368 Mrd. € Abgabenquote (2020) = = 41,0 % = Abb. 3: Abgabenquote in Deutschland 2020 Steuern beeinflussen die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Menschen und verändern deren Konsum-, Investitions- und Sparverhalten. Aus diesem Grunde müssen Steuern „gerecht“ ausgestaltet sein. „Gerecht“ heißt dabei, die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen, denn nur maßge‐ schneiderte Regelungen verhindern im Einzelfall pauschale und damit ungerechte Rechtsfolgen. Je stärker aber Steuergesetze Einzelheiten berück‐ sichtigen, desto unübersichtlicher werden sie und desto schwerer sind sie anzuwenden bzw. auszuführen. Die durch ausufernde Einzelfallregelungen hervorgerufene Komplexität der Steuernormen bedingt - genauso wie eine zu geringe Regelungsdichte - Ungerechtigkeiten, da es nur demjenigen, der über entsprechend kompetente Beratung verfügt, gelingt, seine Verhältnisse steueroptimal zu gestalten. Der nicht bzw. schlecht beratene Steuerpflichtige befindet sich aufgrund seiner mangelnden Kenntnisse gegenüber dem gut beratenen im Nachteil, da er die Möglichkeiten zur Steuervermeidung nicht in Anspruch nehmen kann. In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff der „Dummensteuer“ verwendet. Daher heißt „gerecht“ auch, das Steuersystem nicht überzuregulieren, sondern handhabbar und verständlich für den Großteil der Steuerpflichtigen zu gestalten. Abgesehen von überbordenden Einzelfallgestaltungen ist ein weiterer Grund für die Komplexität unseres Steuersystems die Tatsache, dass die Erhebung von Steuern nicht nur der Einnahmenbeschaffung des Staates dient, sondern im Rahmen der Wirtschafts- und Sozialpolitik auch zur Lenkung des Verhaltens der Individuen eingesetzt wird. Steuern sollen steuern! Statt direkte Ge- oder Verbote zu erlassen, belastet der Gesetzgeber unerwünschtes Verhalten mit zusätzlichen Steuern und fördert erwünschtes Verhalten und förderungswürdige Güter (sog. meritorische Güter) durch Steuerentlastungen (z. B. geringerer Umsatzsteuersatz für Lebensmittel und Zeitschriften i. H. v. 7 % statt üblicherweise 19 %). So verfolgt der Staat mit der Steuererhebung nicht nur fiskalische Interessen, sondern auch Lenkungszwecke (z. B. Einschränkung des Zigarettenkonsums durch die 21 1.2 Steuerbelastung und Steuergerechtigkeit <?page no="22"?> Tabaksteuer, Forcierung des Energiesparens durch die Ökosteuer, Reduzie‐ rung des Konsums bestimmter Alkoholika durch die Alkopopsteuer). 1.3 Die drei Steuerwissenschaften Aufgrund der allokativen und distributiven Bedeutung, die Steuern für den Staat und seine Wirtschaftssubjekte haben, beschäftigen sich mehrere wissenschaftliche Forschungsrichtungen mit ihren Wirkungen, ihrer Ver‐ wendung bzw. ihrer Verteilung. Die Steuerwissenschaften lassen sich in die drei Teilbereiche Steuerrechtswissenschaft, Finanzwissenschaft und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre untergliedern. Das Erfahrungsobjekt aller drei Disziplinen ist das Phänomen „Steuern“, ihr Untersuchungsgegen‐ stand ist hingegen unterschiedlich. Die Grenzen zwischen den einzelnen Bereichen verlaufen fließend. Die Steuerrechtswissenschaft versteht die Besteuerung als Rechtsvor‐ gang. Sie ist juristisch ausgerichtet und beschäftigt sich mit dem Steuer‐ rechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger. Gegenstand sind bspw. Pro‐ bleme der Auslegung von Steuernormen oder deren Prüfung hinsichtlich ihrer Verfassungsmäßigkeit bzw. EU-Konformität. Die Finanzwissenschaft ist Teilgebiet der Volkswirtschaftslehre und daher makroökonomisch orientiert. Erkenntnisobjekt ist das wirtschaftliche Handeln des Staates, so weit damit Einnahmen und Ausgaben verbunden sind. Die Finanzwissenschaft beschäftigt sich bspw. mit Fragen der volks‐ wirtschaftlich gerechten Verteilung der Steuereinnahmen (Distribution) oder der Minimierung von negativen Steuerwirkungen auf Produktion, Kon‐ sum und Wettbewerb (Beeinflussung der Ressourcenverteilung (Allokation), Minimierung des Wohlfahrtsverlustes). Gegenstand der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre ist die Beschäf‐ tigung mit Problemen, die sich aus der Tatsache der Besteuerung für das Wirtschaften in Unternehmen ergeben. Innerhalb der Betriebswirtschaft‐ lichen Steuerlehre werden fünf wissenschaftliche Hauptaufgabengebiete unterschieden: ■ Problemorientierte Erfassung des Steuerrechts (Rechtsnormendarstel‐ lung): Die Kenntnis der wichtigsten nationalen und internationalen Steuerrechtsnormen ist für die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre von grundlegender Bedeutung. 22 1 Einführung in das Ertragsteuerrecht <?page no="23"?> ■ Betriebswirtschaftliche Steuerwirkungslehre: Analyse und Beschrei‐ bung des Einflusses der Besteuerung auf die für die Entscheidung der Wirtschaftssubjekte wesentlichen Größen. ■ Betriebswirtschaftliche Steuerplanungslehre: Beratung der Entschei‐ dungsträger eines Unternehmens bei der Ausübung von steuerlichen Wahlrechten und Gestaltung geplanter Sachverhalte mit dem Ziel, die steuerliche Gesamtbelastung zu minimieren. ■ Wertend-normative Betriebswirtschaftliche Steuerlehre: Kritische Stel‐ lungnahme zum aktuellen Stand des Steuerrechts (de lege lata) und zu geplanten Änderungen (de lege ferenda). ■ Empirische Forschung in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre: Anwendung empirischer Methoden, z. B. Umfragen, Experimente, Auswertungen von steuerrelevanten Daten, um Aussagen über die tat‐ sächlichen Auswirkungen der Besteuerung auf die Wirtschaftssubjekte treffen zu können. Da das Steuerrecht einerseits den Rahmen, innerhalb dessen die Steuerge‐ staltungsmaßnahmen erfolgen, und andererseits das Instrument der Steuer‐ gestaltung darstellt, ist es unabdingbare Voraussetzung, sich zuerst mit dem Steuerrecht im Sinne der Rechtsnormendarstellung auseinander zu setzen. Darauf aufbauend können die Steuerwirkungen untersucht werden, um anschließend eine zielführende Steuerplanung vorzunehmen. Es gibt drei verschiedene Teilbereiche der Steuerwissenschaft: ■ Steuerrechtswissenschaft, ■ Finanzwissenschaft und ■ Betriebswirtschaftliche Steuerlehre 1.4 Das Steuersystem 1.4.1 Einnahmen des Staates Der öffentliche Sektor finanziert sich durch ordentliche und außerordentli‐ che Einnahmen. Ordentliche Einnahmen fließen dem Staat endgültig zu und stehen ihm somit dauerhaft zur Verfügung. Dabei ist zwischen staatlichen 23 1.4 Das Steuersystem <?page no="24"?> Erwerbseinkünften und (hoheitlichen) Zwangsabgaben zu differenzieren. Erwerbseinkünfte des Staates erwachsen aus der Teilnahme des öffentli‐ chen Sektors am Markt, z. B. durch privatwirtschaftliche Betriebe mit staatlicher Beteiligung (Deutsche Post, Deutsche Bahn, Deutsche Telekom sowie Banken, Forschungszentren, Hafen-, Flughafen- und Wohnungsbau‐ gesellschaften etc.). Zwangsabgaben sind in Steuern, Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben zu unterteilen. Außerordentliche Einnahmen stehen dem Staat nur vorübergehend zur Verfügung und müssen nach Ablauf einer bestimmten Frist zurückgezahlt werden. Zu diesen außerordentlichen Einnahmen zählt die staatliche Kreditaufnahme. Abb. 4: Finanzierungsquellen des Staates 1.4.1.1 Steuern In allen Industriestaaten, so auch in Deutschland, haben Steuern den größten Anteil an den Einnahmen der öffentlichen Haushalte. Gemäß der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 AO sind Steuern „Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.“ Der Steuerbegriff weist damit folgende Merkmale auf: ■ Zwangsabgaben: Steuern werden von öffentlich-rechtlichen Körper‐ schaften kraft ihrer Finanzhoheit erhoben. Der Steuerpflichtige muss 24 1 Einführung in das Ertragsteuerrecht <?page no="25"?> bei Erfüllung bestimmter, gesetzlich geregelter Voraussetzungen diese Abgaben leisten. Es besteht keine Freiwilligkeit. ■ Geldleistungen: Steuern sind per Definition Geld- und keine Natu‐ ralleistungen. Sie können einmalige (z. B. Erbschaftsteuer, Grunder‐ werbsteuer) oder periodisch wiederkehrende (Einkommensteuer, Kör‐ perschaftsteuer, Gewerbesteuer) Zahlungsverpflichtungen sein. ■ Keine Gegenleistung: Steuern begründen weder einen Anspruch auf eine staatliche Gegenleistung noch wird das Steuerniveau unmittelbar nach den vom Steuerpflichtigen empfangenen Staatsleistungen bemessen. Die Bemessung der Steuern erfolgt also nicht nach dem Äquivalenzprinzip. ■ Öffentlich-rechtliches Gemeinwesen: Zur Steuererhebung ist eine Steuerhoheit notwendig. Diese steht in Deutschland dem Bund, den Län‐ dern, den Gemeinden sowie den Religionsgemeinschaften mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu. ■ Gesetzliche Grundlagen: Steuern müssen bei allen erhoben werden, die den Tatbestand erfüllen, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Steuern dürfen nicht erhoben werden, wenn die gesetzliche Grundlage hierzu fehlt. ■ Einnahmenerzielung auch als Nebenzweck: Steuern dienen nicht nur der Einnahmenerzielung, sondern auch wirtschafts- und gesell‐ schaftspolitischen (Lenkungs-)Zwecken. In der Finanzwissenschaft wird daher auch auf die Möglichkeit hingewiesen, mit Steuern das Verhalten der Steuerpflichtigen zu beeinflussen (z. B. „CO 2 -Steuer“). Die Steuererhebung wird flankiert durch sog. steuerliche Nebenleistungen. Dies sind nach § 3 Abs. 4 AO Verzögerungsgelder, Zuschläge, Säumniszu‐ schläge, Zwangsgelder, Kosten und Verspätungsgelder. Ziel des Gesetzge‐ bers ist hierbei nicht die Einnahmenerzielung, sondern die Herbeiführung eines bestimmten Verhaltens des Steuerpflichtigen. Steuerliche Nebenleis‐ tungen werden eingefordert, wenn die dem Steuerpflichtigen auferlegten, steuerlichen Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden. 1.4.1.2 Gebühren (Öffentlich-rechtliche) Gebühren sind ebenfalls Abgaben, die der Staat zur Einnahmenerzielung erhebt. Im Gegensatz zu den Steuern steht hier jedoch der Leistung des Bürgers in Form der Gebühr eine konkrete Gegenleistung des Staates gegenüber. Sie werden also für die tatsächliche, individuelle 25 1.4 Das Steuersystem <?page no="26"?> Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtungen auferlegt; es gilt das Äquivalenzprinzip. Es ist zu unterscheiden zwischen: ■ Verwaltungsgebühren (z. B. Passgebühr, Kfz-Zulassungsgebühr), ■ Benutzungsgebühren (z. B. Straßen-Maut, Gebühr für den Besuch des städtischen Freibads, Müllabfuhrgebühr) und ■ Verleihungsgebühren (z. B. für Konzessionsabgaben). 1.4.1.3 Beiträge Beiträge stellen auferlegte Aufwendungsersatzleistungen für die potenzielle Inanspruchnahme einer konkreten Gegenleistung der öffentlichen Einrich‐ tungen dar. Sie dienen ebenfalls der Finanzbedarfsdeckung. Während aber bei Gebühren eine konkrete Gegenleistung erbracht wird, besteht bei Bei‐ trägen für den Beitragspflichtigen lediglich die Möglichkeit, eine solche Gegenleistung in Anspruch zu nehmen. Der Beitragspflichtige muss der Zahlungspflicht nachkommen, auch wenn er die Gegenleistung nicht in Anspruch nimmt (z. B. Fremdenverkehrsabgabe). 1.4.1.4 Sonderabgaben Sonderabgaben sind Abgaben, die nicht zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staates von der Allgemeinheit der Steuerpflichtigen erhoben werden, sondern der Finanzierung besonderer Aufgaben dienen und nur von bestimmten Gruppen von Bürgern erhoben werden. Neben dem Finanzierungszweck sollen auch Lenkungszwecke verfolgt werden; so soll ein Anreiz zu einem bestimmten Verhalten gegeben und unerwünschtes Verhalten bestraft werden. Ein Beispiel ist die Ausgleichsabgabe von Arbeit‐ gebern nach dem Schwerbehindertengesetz, wenn nicht eine bestimmte Mindestzahl an Schwerbehinderten beschäftigt wird. 1.4.2 Einteilung der Steuerarten Das Steuersystem umfasst die Gesamtheit der in einem Staat erhobenen Einzelsteuern und die Art und Weise ihrer Erhebung. Angesichts der Viel‐ zahl von Bundes-, Landes- und Gemeindesteuern, die in Deutschland von unterschiedlichen Steuersubjekten, -objekten und Bemessungsgrundlagen in unterschiedlichen Erhebungsformen - zum Teil mit Dependenzen und Interdependenzen - erhoben werden, erweist sich das deutsche Steuersys‐ 26 1 Einführung in das Ertragsteuerrecht <?page no="27"?> tem als äußerst komplex. So umfasst das Steuer- und Abgabenrecht der Bundesrepublik Deutschland über 100 Gesetze und Rechtsverordnungen sowie etliche Hundert BMF-Schreiben. Hinzu kommt eine nicht bezifferbare Anzahl von Gesetzen, die zwar keine Steuergesetze sind, aber dennoch Relevanz für steuerliche Sachverhalte besitzen. In der Wissenschaft wurden verschiedene Ansätze zur Systematisierung der (Einzel-) Steuern entwickelt. Abb. 5: Systematisierungsansätze ■ Direkte und indirekte Steuern: Diese Unterscheidung stammt aus der Finanzwissenschaft und bezieht sich auf die vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit zur Überwäl‐ zung der Steuerlast. Bei direkten Steuern sind Steuerschuldner, -träger und -zahler identisch (z. B. Einkommensteuer). Kennzeichen der indi‐ rekten Steuern ist die intendierte Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger. So ist bei der Umsatzsteuer zwar Steuerschuldner und -zahler der Unternehmer, wirtschaftlich belastet werden soll jedoch der private Endkonsument (Steuerträger). Direkte Steuern: Keine Überwälzung der Steuerlast vorgesehen Indirekte Steuern: Überwälzung der Steuerlast vorgesehen 27 1.4 Das Steuersystem <?page no="28"?> ■ Personen- und Sachsteuern: Personenbzw. Subjektsteuern sind Steuern, bei denen personenbezo‐ gene Merkmale (z. B. Familienstand, Alter) berücksichtigt werden. Die wichtigsten Personensteuern sind die Einkommensteuer (ESt), die Erbschaftsteuer (ErbSt) aber auch die Körperschaftsteuer (KSt). Ein wesentliches Kennzeichen der Personensteuer ist darüber hinaus die Unterscheidung zwischen unbeschränkter und beschränkter Steu‐ erpflicht. Bei Sachbzw. Objektbzw. Realsteuern hingegen wird die Höhe der Steuer grundsätzlich nur durch objektbezogene Merkmale bestimmt. Beispiele für Sachsteuern sind die Gewerbesteuer (GewSt) und die Grundsteuer (GrSt). ■ Abzugs- und Veranlagungssteuern: Zur Deckung des permanenten Finanzbedarfs des Staates werden mit der Lohnsteuer und der Kapitalertragsteuer Abzugsteuern vom Lohnbzw. Gehalt bzw. von bestimmten Kapitalerträgen z. B. auf monatlicher Basis erhoben. Bei den Ertragsteuern werden die Steuern ansonsten im Wege der Veranlagung i. d. R. unter Anrechnung der jeweiligen Abzugsteuern erhoben. ■ Gliederung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten: Bei der Betrachtung wirtschaftlicher Gesichtspunkte bzw. der steuerli‐ chen Bemessungsgrundlage kann zwischen folgenden Steuergruppen unterschieden werden: □ Ertragsteuern (Bemessungsgrundlage ist der wirtschaftliche Erfolg; z. B. bei ESt, KSt und GewSt), □ Substanzsteuern (Bemessungsgrundlage ist der Mittelbestand; z. B. bei GrSt und ausgesetzter Vermögensteuer (VSt)), □ Verkehrssteuern (knüpfen i. d. R. an Rechtsgeschäfte an; z. B. bei GrESt), Verbrauchsteuern (knüpfen am Verbrauch an, praktisch erfolgt die Besteuerung aber meist bereits beim Erzeuger; z. B. bei MinöSt und TabakSt). Die Umsatzsteuer kann in das vorstehende Schema nicht eindeutig einge‐ ordnet werden. Sie ist technisch als Verkehrssteuer ausgestaltet und erfasst den Übergang der Verfügungsmacht. Da der Letztverbraucher belastet werden soll, ist sie nach der Gesetzesintention aber eine Verbrauchsteuer. Weitere Gliederungsgesichtspunkte wurden insbesondere im Bereich der Finanzwissenschaften entwickelt. Diesbezüglich kann etwa nach den Ertragsberechtigten (Bundes-, Landes-, Gemeindesteuern oder Gemein‐ 28 1 Einführung in das Ertragsteuerrecht <?page no="29"?> schaftssteuern) oder nach der Maßeinheit der Bemessungsgrundlage (spezi‐ fische Steuern oder ad valorem-Steuern) unterschieden werden. Spezifische Steuern beziehen sich auf physische Größen wie Menge, Gewicht oder Stückzahl (z. B. Liter für MinöSt, kWh für Stromsteuer). Die Bemessungs‐ grundlage von ad valorem-Steuern sind dagegen Wertgrößen (z. B. zu versteuerndes Einkommen bei der ESt). 1.4.3 Begriffe der Besteuerung 1.4.3.1 Steuerpflichtiger bzw. Steuersubjekt Steuersubjekt ist die Person, die zur Besteuerung herangezogen wird. Dies kann sowohl eine natürliche Person (Einkommensteuer) als auch eine juristische Person (Körperschaftsteuer), wie beispielsweise eine Kapitalge‐ sellschaft, sein. 1.4.3.2 Steuergegenstand bzw. Steuerobjekt Steuergegenstand und Steuerobjekt sind synonym verwendete Begriffe, die eine Sache, Handlung oder Geldsumme bezeichnen können. Die Existenz des Steuergegenstandes bzw. des Steuerobjekts begründet die Steuerpflicht. Beispielsweise knüpfen die Einkommenbzw. Körperschaftsteuer an das erzielte Einkommen an. Auch ein Wirtschaftsgut (z. B. Grundstück, Gewer‐ bebetrieb, Kraftfahrzeug) oder ein wirtschaftlicher Vorgang (z. B. Umsatz) können Anknüpfungspunkt einer Steuer sein. 1.4.3.3 Steuerbemessungsgrundlage Die Steuerbemessungsgrundlage gibt Auskunft darüber, in welchem Um‐ fang ein Steuergegenstand zur Besteuerung herangezogen wird. Sie ist der quantifizierte Steuergegenstand. Die Bemessungsgrundlage ist häufig ein Geldwert (z. B. Einkommen). Sie kann aber auch eine technische bzw. phy‐ sikalische Größe wie der Hubraum (z. B. KfzSt) oder Liter einer Flüssigkeit (z. B. MinöSt) sein. 1.4.3.4 Freigrenze, Freibetrag, Absetzbetrag Eine Freigrenze ist derjenige Teil der Bemessungsgrundlage, bis zu dessen Obergrenze eine Steuer nicht erhoben wird. Wird die Freigrenze über‐ 29 1.4 Das Steuersystem <?page no="30"?> schritten, erfasst die Besteuerung die Bemessungsgrundlage zur Gänze. Klassisches Beispiel ist die Freigrenze bei Einkünften aus privaten Veräu‐ ßerungsgeschäften gem. § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG i. H. v. 600 €. Sinn und Zweck einer Freigrenze ist die Entlastung der Steuerverwaltung, die nicht mit Kleinstbeträgen beschäftigt werden soll. Ein Freibetrag bleibt unabhängig von der Höhe der Bemessungsgrund‐ lage steuerfrei. Er ist ein bei der Berechnung der Steuerbemessungsgrund‐ lage abzugsfähiger Betrag, der i. d. R. jedoch nur insoweit gewährt wird, als die Bemessungsgrundlage dadurch nicht negativ wird. Ein Beispiel dafür ist der Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG i. H. v. 10.347 € (2022), der das Existenzminimum des Steuerpflichtigen von der Besteuerung freistellt. Freibeträge begünstigen aufgrund der progressiv ausgestalteten Einkommensteuer Steuerpflichtige mit hohen Einkommen mehr als Steuerpflichtige mit niedrigeren Einkommen, da bei Beziehern höherer Einkommen das Produkt aus Bemessungsgrundlagenminderung und Steuersatz größer ist als bei Beziehern niedrigerer Einkommen. Ein Absetzbetrag wird nicht von der Bemessungsgrundlage, sondern unmittelbar von der Steuerschuld abgezogen. Er mindert somit direkt den zu zahlenden Steuerbetrag. Während der Freibetrag bei einem progressiven Steuertarif mit steigender Bemessungsgrundlage zu einer stärkeren Entlas‐ tung führt, entlasten Absetzbeträge alle Steuerpflichtigen in gleichem Maße und werden daher als gerechter empfunden. Beispiel für einen Absetzbetrag ist der Abzug von Spenden natürlicher Personen an politische Parteien i. H. v. 50 % der Ausgaben, maximal 825 € (§ 34g Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 EStG). Eine Freigrenze ist der Teil der Bemessungsgrundlage, bis zu dessen Erreichen von einer Besteuerung abgesehen wird. Ein Freibetrag ist der Teil der Bemessungsgrundlage, der von der Besteuerung befreit ist. Ein Absetzbetrag wird von der Steuerschuld des Steuerpflichtigen abgezogen. 1.4.3.5 Steuersatz und Steuertarif Der Steuersatz gibt an, welcher Prozentsatz der Bemessungsgrundlage oder welcher absolute Betrag pro Einheit der Bemessungsgrundlage als 30 1 Einführung in das Ertragsteuerrecht <?page no="31"?> Steuer vom Fiskus erhoben wird. Ist der Steuersatz nicht über die ganze Bemessungsgrundlage konstant, wird von einem Steuertarif gesprochen. Ein Steuertarif besteht somit aus einer Abfolge von Steuersätzen. Steuertarife können einfache Tarife (nur von einer Variablen abhängig, z. B. Einkommensteuertarif, der nur von der Höhe des zu versteuernden Einkommens abhängt) oder kombinierte Tarife (von mehreren Variablen abhängig, z. B. ErbSt-Tarif, der sowohl von der Höhe des Erbanfalls als auch vom Verwandtschaftsgrad abhängig ist) sein. Tarife von personenbezogenen Steuern sind in der Regel progressiv aufgebaut, d. h. der Steuersatz und damit die durchschnittliche Steuerbelastung steigen mit zunehmender Be‐ messungsgrundlage. Der Eingangssteuersatz ist derjenige Steuersatz, der für den ersten Euro der steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage gezahlt werden muss. Der Spitzensteuersatz hingegen ist der höchste von einem Steuertarif vorgesehene Steuersatz (= maximaler Grenzsteuersatz). Der Durchschnittssteuersatz ergibt sich durch Division des Steuerbe‐ trages durch seine Bemessungsgrundlage. Soll der Steuersatz in Prozenten ausgedrückt werden, ist das Ergebnis mit dem Faktor 100 zu multiplizieren. Der Grenzsteuersatz oder marginale Steuersatz ist der Steuersatz, mit dem die letzte (höchste) Einheit der erzielten Bemessungsgrundlage besteuert wird. Den Grenzsteuersatz erhält man aus der ersten Ableitung der Steuer‐ funktion. Der Differenzsteuersatz ist derjenige Steuersatz, der auf einen zusätzlich hinzukommenden Bemessungsgrundlagenbestandteil (B Z ) durchschnittlich erhoben wird. Bezeichnet man mit S Z die Steuer auf die Bemessungsgrund‐ lage einschließlich B Z und mit S die Steuer ohne diesen Bemessungsgrund‐ lagenbestandteil, errechnet sich der Differenzsteuersatz als (S Z - S)/ B Z . 31 1.4 Das Steuersystem <?page no="32"?> Lediglich der Spitzensteuersatz in Deutschland beträgt 45 %. Der Durchschnittssteuersatz ist aufgrund des Steuertarifs regelmäßig (deutlich) niedriger. Der Tarif kann als Durchrechnungstarif oder als Anstoßtarif (Staffelta‐ rif) aufgebaut sein. Beim Durchrechnungstarif gilt der Satz, der auf die letzte Besteuerungseinheit zur Anwendung kommt, für die gesamte Bemessungs‐ grundlage. Beim Anstoß- oder Staffeltarif wird die Bemessungsgrundlage in Teile zerlegt, auf die jeweils ein bestimmter Steuersatz anzuwenden ist. Der Einkommensteuertarif in Deutschland ist als Anstoßtarif ausgestaltet. Im Jahr 2022 gestaltet sich dieser wie folgt: Von 0 € bis 10.374 €: Grundfreibetrag; es erfolgt keine Besteue‐ rung (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG). Von 10.348 € bis 14.926 €: Übergang zum linear-progressiven Ver‐ lauf. Der Grenzsteuersatz steigt vom Ein‐ gangssteuersatz i. H. v. 14 % bis auf 23,97 % (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG). Von 14.927 € bis 58.596 €: linear-progressiver Verlauf mit schnelle‐ rem Anstieg des Grenzsteuersatzes bis auf 42 % (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG). Von 58.597 € bis 277.825 €: proportionaler Verlauf mit einem Grenz‐ steuersatz i. H. v. 42 % (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EStG). Ab 277.826 €: proportionaler Verlauf mit dem Spitzen‐ steuersatz i. H. v. 45 % (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG), sog. Reichensteuer. 32 1 Einführung in das Ertragsteuerrecht <?page no="33"?> Spitzensteuersatz Steuertarif Durchschnittssteuersatz B z S z - S 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 0 25 50 250 zu versteuerndes Einkommen in T€ Einkommensteuersatz in % Eingangssteuersatz Abb. 6: Der Steuertarif des Jahres 2022 Zusätzlich zur Einkommensteuer wird in Deutschland der Solidaritätszu‐ schlag i. H. v. grundsätzlich 5,5 % auf die festgesetzte Einkommensteuer erhoben (§ 4 Abs. 1 SolZG). Durch das Gesetz zur Rückführung des Solida‐ ritätszuschlags 1995 v. 10.12.2019 wird durch die Erhöhung der Freigrenzen in § 3 SolzG im Ergebnis erreicht, dass rund 90 % der Zahler der veranlagten Einkommensteuer und der Lohnsteuer nicht mehr mit dem Solidaritätszu‐ schlag belastet werden, so dass nunmehr nur noch die Spitzenverdiener den SolZ entrichten müssen. 1.4.4 Ertragshoheit über Steuern Die Verteilung des Steueraufkommens auf Bund, Länder und Gemeinden ist in Art. 106 GG geregelt. Die meisten Steuerarten werden ausschließlich einer einzigen, im Grundgesetz bestimmten Gebietskörperschaft zugeordnet (Trennsystem). Das Aufkommen der ergiebigsten Steuerarten, insbesondere der Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer (Gemeinschaftssteuern), wird jedoch zwischen Bund und Ländern nach einem festgelegten Vertei‐ lungsschlüssel aufgeteilt (Verbundsystem). Vorteil des Verbundsystems ist, dass durch die Aufteilung des Steueraufkommens auf die Gebietskörper‐ schaften keine Mehrfachbesteuerung durch unterschiedliche Ebenen entste‐ 33 1.4 Das Steuersystem <?page no="34"?> hen kann. Die Ertragshoheit des Steueraufkommens kann folgendermaßen eingeteilt werden: Die Einkommen- und die Körperschaftsteuer sind Gemeinschaftssteuern. Die Grund- und Gewerbesteuer sind Gemeindesteuern. Abb. 7: Einordnung der Steuern nach der Ertragshoheit Zusammenfassung ■ Die Finanzierung der Staatsausgaben erfolgt v. a. mittels Erhebung von Steuern. ■ Die Legaldefinition des Steuerbegriffs ist in § 3 Abs. 1 AO gegeben. ■ Verschiedene Wissenschaftsdisziplinen haben als Erkenntnisobjekt die Steuern. ■ Steuerarten: □ Sach- und Personensteuern □ Direkte und indirekte Steuern □ Gliederung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten □ Gliederung nach den ertragsberechtigten Gebietskörperschaften 34 1 Einführung in das Ertragsteuerrecht <?page no="35"?> ■ Besteuerungsbegriffe: □ Steuerpflichtiger bzw. -subjekt □ Steuergegenstand bzw. -objekt □ Steuerbemessungsgrundlage □ Freigrenze / Freibetrag / Absetzbetrag □ Steuersatz / Steuertarif Fragen 1. Welche Wissenschaftsdisziplinen beschäftigen sich mit Steuern? 2. Welche Arten von Einnahmen erzielt der Staat? 3. Welche Abgaben können unterschieden werden? 4. Was ist ein Freibetrag, was eine Freigrenze und was ein Absetzbetrag? Wodurch unterscheiden sie sich? 5. Was ist der Unterschied zwischen Grenz-, Durchschnitts- und Diffe‐ renzsteuersatz? 6. Welche Steuern werden allein vom Bund, allein von den Bundesländern oder allein von den Gemeinden erhoben? Welche werden im Verbund erhoben? Literatur Heinz Kußmaul, Steuern, Berlin/ Boston, 4. Aufl., S. 1-23. Dieter Schneeloch, Stephan Meyering, Guido Patek, Betriebswirtschaftliche Steuer‐ lehre, Bd. 1: Grundlagen der Besteuerung, Ertragsteuern, München, 7. Aufl. 2016, S. 1-42. Klaus Tipke, Joachim Lang, Steuerrecht, Köln, 24. Aufl. 2021, S. 1-70, 295. 35 1.4 Das Steuersystem <?page no="36"?> 2 Einkommensteuer 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer 2.1.1 Charakterisierung, Bedeutung und Prinzipien der Einkommensteuer 2.1.1.1 Rechtsgrundlagen Die Erhebung der Einkommensteuer erfolgt in Ausführung der Gesetze. Gem. § 4 AO gilt: „Gesetz ist jede Rechtsnorm.“ Eine Besteuerung ohne Rechts‐ grundlage ist nicht zulässig. Als Rechtsgrundlagen der Einkommensteuer sind zu nennen: ■ Formelle Gesetze: 1. Verfassung: Grundgesetz v. 23.05.1949 2. Einfache Gesetze: z. B. Abgabenordnung (AO) oder Einkommen‐ steuergesetz (EStG), ■ Rechtsverordnungen: Einkommensteuer‐Durchführungsverord‐ nung (EStDV) und Lohnsteuer‐Durchführungsverordnung (LStDV). Gesetze und Rechtsverordnungen sind allgemein verbindlich. Einen erheb‐ lichen Einfluss auf die Rechtsanwendung haben außerdem die: ■ Rechtsprechung des BVerfG, des BFH und der Finanzgerichte, ■ Verwaltungsvorschriften: Einkommensteuer‐Richtlinien (EStR), Lohn‐ steuer‐Richtlinien (LStR), Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen, Ländererlasse oder Verfügungen der Oberfinanzdirektionen. Die Rechtsprechung erfolgt nur für den Einzelfall. Da davon ausgegangen werden muss, dass die Gerichte in ähnlichen Fällen gleich entscheiden, wirkt die Rechtsprechung aber über den Einzelfall hinaus. Die Verwal‐ tungsvorschriften binden dagegen lediglich die Verwaltung, nicht aber die Steuerpflichtigen. <?page no="37"?> Verwaltungsvorschriften binden nur die Verwaltung, nicht aber den Steuerpflichtigen selbst. 2.1.1.2 Charakteristika und Abgrenzung der Einkommensteuer Die Einkommensteuer zählt, ebenso wie die Körperschaftsteuer und die Ge‐ werbesteuer, zur Gruppe der Ertragsteuern. Darunter sind alle Steuerarten zu verstehen, deren Steuerbemessungsgrundlage der wirtschaftliche Erfolg ist. Als Erfolgsgrößen werden dabei bspw. der Gewinn, der Ertrag, der Überschuss oder auch das Einkommen herangezogen. Als Personensteuer knüpft die Einkommensteuer an das Steuersubjekt „natürliche Person“ an. Dabei wird dem Prinzip der persönlichen Leistungs‐ fähigkeit Rechnung getragen, indem die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen bei der Einkommensermittlung berücksichtigt werden. Zwei Beispiele hierfür sind das Existenzminimum als Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG sowie der Ansatz von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 3a i. V. m. Abs. 4 EStG. Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ist das sog. zu versteuernde Einkommen (z. v. E.). Als Personensteuer ist die Einkommensteuer gem. § 12 Nr. 3 EStG nicht von ihrer eigenen Bemessungsgrundlage abzugsfähig. Dies gilt gem. § 10 Nr. 2 KStG auch für die Körperschaftsteuer. Die Gewerbesteuer als Objektsteuer knüpft hingegen an die sachliche Leistungsfähigkeit des (Gewerbe-)Betriebs als Steuerobjekt an. Die Bemessungsgrundlage ist der Gewerbeertrag. Obwohl die Gewerbesteuer betrieblich veranlasst ist und folglich einen betrieblichen Aufwand darstellt, kann sie dennoch nicht als Betriebsausgabe bei der Gewinnermittlung abgezogen werden (vgl. § 4 Abs. 5b EStG). 37 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="38"?> Tab. 1: Abgrenzung der Ertragsteuerarten 2.1.1.3 Fiskalische und wirtschaftspolitische Bedeutung 268 219 45 38 24 14,7 9,5 0 50 100 150 200 250 300 ESt USt GewSt EnergieSt KSt TabakSt KfzSt Betrag in Mrd. € Abb. 8: Aufkommen ausgewählter Steuerarten im Jahr 2020 Im Jahre 2020 betrug das Aufkommen der Einkommensteuer rund 268 Mrd. €. Sie stellt damit zusammen mit der Umsatzsteuer die wichtigste Steuer dar. 38 2 Einkommensteuer <?page no="39"?> 2.1.1.4 Prinzipien der Einkommensbesteuerung Das Fundamentalprinzip des deutschen Steuersystems ist das Leistungsfä‐ higkeitsprinzip, das durch verschiedene Unterprinzipien konkretisiert wird. Diese Prinzipien sind zwar expressis verbis nicht kodifiziert, d. h. in die Form von Gesetzen gegossen, spiegeln sich jedoch in zahlreichen Regelungen wider: ■ Prinzip der Berücksichtigung der persönlichen Leistungsfähig‐ keit: Jeder Steuerpflichtige soll nach seiner Leistungsfähigkeit an der Aufbringung des Steueraufkommens beteiligt werden. Umstritten ist, wie die Leistungsfähigkeit gemessen werden kann. Oft werden Indika‐ toren wie Einkommen, Vermögen oder Konsum herangezogen. Einig‐ keit besteht darüber, dass Steuerpflichtige in gleichen Positionen gleich besteuert werden sollen (horizontale Gleichbehandlung), während Steuerpflichtige in unterschiedlichen Positionen - der Eigenart des Unterschieds entsprechend - unterschiedlich behandelt werden sollen (vertikale Ungleichbehandlung). ■ Objektives Nettoprinzip: Aufwendungen, die zur Erzielung der Einnahmen getätigt werden und die in direktem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dieser Einnahmenerzielung stehen, mindern die steuerliche Bemessungsgrundlage. Auch Verluste finden bei der Ein‐ kommensermittlung Berücksichtigung, da sie die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindern. So sind Verluste aus einer Einkunftsart mit Einkünften anderer Einkunftsarten ausgleichsfähig. Der Ausdruck für die Verwirklichung des objektiven Nettoprinzips bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens ist die Abzugsfähigkeit der Betriebs‐ ausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) und Werbungskosten (§§ 9, 9a EStG) sowie die Formen des Verlustausgleichs (§§ 2 Abs. 3, 10d EStG). ■ Subjektives Nettoprinzip: Aufwendungen zum Erhalt der Existenz des Steuerpflichtigen sind von der Besteuerung freizustellen. Damit werden Merkmale, die allein in der Privatsphäre des Steuerpflichtigen liegen, berücksichtigt. Beispiele hierzu sind der im EStG kodifizierte Grundfreibetrag von derzeit 10.347 € sowie der zulässige Abzug von Sonderausgaben und von außergewöhnlichen Belastungen. ■ Prinzip der persönlichen Universalität: Jede natürliche Person, welche die Voraussetzungen für die Steueranknüpfung erfüllt, wird ohne Rücksicht auf ihren gesellschaftlichen Stand, Status oder ihre Herkunft zur Besteuerung herangezogen. Ausnahmen, die in der Person 39 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="40"?> des Steuerpflichtigen begründet sind (z. B. Bundespräsident, Adel etc.), gibt es nicht. ■ Prinzip der sachlichen Universalität: Jeder Besteuerungsgegenstand ist, unabhängig von seiner Art oder Zusammensetzung (z. B. Immobilie, Kapi‐ talvermögen, Wertpapiere, Geld), gleichmäßig zu besteuern. Unterschiede in der Besteuerung, die sich aufgrund der Art des Besteuerungsgegenstands ergeben, sind zu vermeiden. Dieses Prinzip wird allerdings zunehmend durchbrochen, z. B. hinsichtlich der Besteuerung der Kapitalerträge, die dem Privatvermögen einer natürlichen Person zufließen, mit der Abgel‐ tungsteuer bzw. der Beschränkung bei der Verrechnung von Verlusten aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 6 EStG. ■ Prinzip der Progression der Einkommensteuer: Die Progression des Steuertarifs ist Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips. Demnach soll eine größere Leistungsfähigkeit - gemessen an einem höheren Einkommen - auch zu einer überproportional höheren Steuerzahlung führen. Das Ziel der Ausgestaltung des Tarifs in progressiver Form ist die Einforderung des leistungsgerechten Beitrags zum Gemeinwesen. ■ Prinzip der Abschnittsbesteuerung: Dieses Prinzip ist nicht Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips, sondern eine fiskalische Notwendig‐ keit. Das Leistungsfähigkeitsprinzip fordert als gerechte Bemessungs‐ grundlage das Lebenseinkommen, welches sich jedoch erst nach dem Tod des Steuerpflichtigen ermitteln lässt. Um die ihm zugewiesenen Aufgaben durchführen zu können, ist der Staat jedoch auf fortlaufende Steuereinnahmen angewiesen. Zur Sicherstellung eines gleichmäßigen Steueraufkommens ist der Einkommensteuertarif daher gem. § 32a EStG als Jahrestarif ausgestaltet. Vorgänge außerhalb des aktuellen Einkunftsermittlungszeitraums bleiben im betrachteten Veranlagungs‐ zeitraum (VZ) grundsätzlich unberücksichtigt. Dem Prinzip der Lebens‐ einkommensbesteuerung soll allerdings durch die Möglichkeit eines Verlustvortrags und -rücktrags Rechnung getragen werden. 2.1.1.5 Die beiden Erhebungsformen der Einkommensteuer Bei der Einkommensteuer ist zwischen zwei Erhebungsformen zu unter‐ scheiden: 40 2 Einkommensteuer <?page no="41"?> Abb. 9: Erhebungsformen der Einkommensteuer Die Veranlagung ist die grundsätzliche Erhebungsform, der Abzug an der Quelle ist hingegen die Ausnahme für bestimmte Arten von Einkünften. Im Rahmen der Veranlagung hat der Steuerpflichtige die während des Kalenderjahres erwirtschafteten Einkünfte in einem Formular aufzulisten und zu erklären. Nach Überprüfung der abgegebenen Einkommensteuer‐ erklärung setzt das Finanzamt die Steuer in einem Steuerbescheid fest. Es wird zwischen der Einzelveranlagung und der Zusammenveranlagung differenziert. Grundsätzlich wird das kalenderjahrbezogene zu versteuernde Einkommen (z. v. E.) für jede natürliche Person einzeln berechnet (Ein‐ zelveranlagung, § 25 Abs. 1 EStG). Darunter fallen Ledige, Geschiedene, Verwitwete und dauernd getrennt Lebende. Bei der Zusammenveranlagung gem. § 26b EStG, die nur verheiratete Paare beantragen können, wird davon ausgegangen, dass jeder Ehegatte zur Hälfte am Einkommen des Partners beteiligt ist. Gem. § 32a Abs. 5 EStG beträgt im Falle einer Zusammenver‐ anlagung die tarifliche Einkommensteuer das Doppelte des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte des gemeinsam zu versteuernden Einkommens ergibt. Dieses Verfahren wird als Ehegattensplitting bezeichnet. 41 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="42"?> Kumulative Voraussetzungen für die Veranlagung in Form des Ehe‐ gattensplittings ■ nach bürgerlichem Recht verheiratet bzw. Heirat im Laufe des Kalenderjahres ■ unbeschränkte Einkommensteuerpflicht beider Eheleute ■ nicht dauernd getrennt lebend Die Ausnahme von der Veranlagung ist der Abzug der Steuer an der Quelle der Einkommensentstehung. Die Abzugsbzw. Quellensteuern sind nicht als eine eigene Steuerart zu betrachten, sondern stellen lediglich eine Voraus‐ zahlung der Einkommensteuer dar, die nach Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer auf diese angerechnet werden kann. Der Zweck der Abzugssteuern ist u. a. die Sicherung des Steueraufkommens für den Staat. So wird die Lohnsteuer bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit vom Arbeitslohn durch den Arbeitgeber abgezogen und von diesem an das Finanzamt abgeführt. Im Falle der Kapitalertragsteuer erfolgt der Abzug und die Abführung an den Fiskus durch die auszahlende Gesellschaft (z. B. GmbH bei Gewinnausschüttung) bzw. durch das auszahlende Institut (z. B. Bank bei Zinsgutschrift). Eine Ausnahme stellt die sog. Abgeltungsteuer i. S. d. § 32d EStG dar. Kapitalerträge, die dem Privatvermögen einer natürlichen Person zufließen, sind i. d. R. mit einem ermäßigten Steuersatz i. H. v. 25 % zu besteuern. Die Steuerschuld ist in diesen Fällen bereits durch den Abzug der Kapitalertragsteuer abgegolten, und die Kapitalerträge müssen nicht mit den restlichen Einkünften des Steuerpflichtigen veranlagt werden (vgl. § 43 Abs. 5 EStG). Ist der Sondertarif des § 32d Abs. 1 EStG hingegen nicht anzuwenden, so behält die Kapitalertragsteuer ihren Charakter als Einkommensteuervorauszahlung. Die Abzugsbzw. Quellensteuer ist keine eigenständige Steuerart, sondern stellt lediglich eine besondere Erhebungsform zur Sicherung des Steueraufkommens dar. Dadurch hat sie den Charakter einer Vorauszahlung auf die Einkommensteuer. 42 2 Einkommensteuer <?page no="43"?> Zusammenfassung ■ Die Einkommensteuer zählt zu den Ertragsteuern. Sie ist zusammen mit der Umsatzsteuer die wichtigste Steuer (gemessen am gesamten Steueraufkommen). ■ Es ist zwischen den beiden Erhebungsformen Veranlagung und Abzug an der Quelle zu unterscheiden. ■ Wichtige Rechtsgrundlagen sind das Grundgesetz, die Abgabenord‐ nung, das Einkommensteuergesetz sowie die Einkommensteuer- und Lohnsteuer-Durchführungsverordnung. ■ Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist oberster Grundsatz des Einkommen‐ steuerrechts und wird zur Konkretisierung in mehrere Unterprinzipien untergliedert. Fragen 1. Nennen Sie die wichtigsten Rechtsgrundlagen der Einkommensteuer. 2. Wodurch kann die Einkommensteuer von den anderen Ertragsteuern abgegrenzt werden? 3. Welche Bedeutung hat die Einkommensteuer? 4. Welche Erhebungsformen sind zu unterscheiden? 5. Auf welchen Haupt- und Unterprinzipien basiert das deutsche Einkom‐ mensteuerrecht? 2.1.2 Persönliche und sachliche Einkommensteuerpflicht Zur Bestimmung der Einkommensteuerpflicht sind zwei Prüfungsschritte notwendig: Zunächst ist zu klären, welche Personen zur Entrichtung der Einkommensteuer herangezogen werden (persönliche Einkommensteu‐ erpflicht). Im zweiten Schritt muss geprüft werden, welche Tatbestände von der Einkommensbesteuerung erfasst werden (sachliche Einkommen‐ steuerpflicht). 43 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="44"?> Abb. 10: Persönliche und sachliche Einkommensteuerpflicht 2.1.3 Persönliche Einkommensteuerpflicht Die Einkommensteuer ist eine Personensteuer. Steuerpflichtig im Sinne des Einkommensteuergesetzes sind alle natürlichen Personen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG) und zwar unabhängig von Alter, Staatsbürgerschaft und Geschäftsfähigkeit. Daher sind auch Minderjährige oder sonst geschäftsun‐ fähige Personen steuerpflichtig; ihre steuerlichen Pflichten werden durch ihre gesetzlichen Vertreter wahrgenommen. Im Gegensatz dazu unterliegen juristische Personen nicht der Einkommensteuer, sondern der Körper‐ schaftsteuer. Personengesellschaften (insb. OHG und KG) - steuerlich als Mitunternehmerschaften bezeichnet - werden weder von der Einkom‐ mensteuer noch von der Körperschaftsteuer erfasst. Gewinne dieser Gesell‐ schaften werden bei den einzelnen Gesellschaftern entsprechend der Höhe ihrer Beteiligung mit dem jeweiligen individuellen Steuersatz besteuert. Die persönliche Steuerpflicht einer natürlichen Person beginnt mit ihrer Geburt und endet mit dem Tod. Von der Wiege bis zur Bahre! Gemäß § 1 Abs. 1 und 4 EStG ist bei der Einkommensteuer zwischen der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht zu unterscheiden. Diese Unterscheidung bezieht sich auf den Umfang des zu versteuernden Einkommens. Die unbeschränkte Steuerpflicht differenziert zwischen der unbeschränkten, erweiterten unbeschränkten und fiktiv unbeschränkten Steuerpflicht. Die beschränkte Einkommensteuerpflicht gliedert sich in die allgemeine beschränkte und die erweiterte beschränkte Steuerpflicht. 44 2 Einkommensteuer <?page no="45"?> Abb. 11: Persönliche Einkommensteuerpflicht 2.1.3.1 Arten der unbeschränkten Steuerpflicht a) Unbeschränkte Steuerpflicht i. S. d. § 1 Abs. 1 EStG § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG bestimmt: „Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.“ Die Voraussetzungen für die Erfüllung der un‐ beschränkten Steuerpflicht sind somit: ■ Natürliche Personen, d. h. alle lebenden Menschen von der Geburt bis zum Tod. ■ Inland, d. h. das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland inkl. dem Anteil am Festlandsockel gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG. ■ Wohnsitz, definiert in § 8 AO. Die Voraussetzungen sind das Innehaben einer Wohnung sowie die Beibehaltungs- und Nutzungsabsicht des Steuerpflichtigen. ■ Gewöhnlicher Aufenthalt, definiert in § 9 AO. Als gewöhnlicher Aufenthalt (im Gegensatz zum vorübergehenden Aufenthalt) wird ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten bezeichnet. Kurzfristige Unterbrechungen werden bei der Berechnung der Aufenthaltszeit nicht berücksichtigt. Die Staatsbürgerschaft ist bei der Prüfung, ob eine unbeschränkte Steuer‐ pflicht vorliegt, irrelevant. 45 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="46"?> Beispiel: Armin ist türkischer Staatsangehöriger. Am 2. Mai reist er nach Deutschland ein, wo er keinen Wohnsitz begründet. Er fährt am 5. August für zwei Wochen in sein Heimatland, kommt jedoch danach wieder nach Deutschland zurück, wo er sich bis zum 23. Dezember aufhält. Trotz der Unterbrechung des Aufenthalts durch die Rückkehr in die Türkei ist Armin während des gesamten Zeitraums vom 2. Mai bis 23. Dezember in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Der Inlandsaufenthalt betrug mehr als sechs Monate (§ 9 Satz 2 Hs. 1 AO). Die Heimfahrt bleibt gem. § 9 Satz 2 Hs. 2 AO unberücksichtigt. Die fehlende deutsche Staatsbürgerschaft von Armin spielt keine Rolle. Im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen sämtliche in- und ausländischen Einkünfte - das sog. Welteinkommen - der deutschen Besteuerung (Welteinkommensprinzip). b) Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht i. S. d. § 1 Abs. 2 EStG Durch § 1 Abs. 2 EStG wird der Kreis der unbeschränkt steuerpflichtigen Personen des Abs. 1 erweitert auf diejenigen Personen, die ■ deutsche Staatsbürger sind, ■ im Inland weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt haben, ■ ein Dienstverhältnis zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts begründet haben und dafür aus einer inländischen öffentlichen Kasse Arbeitslohn beziehen und ■ in ihrem Wohnsitzbzw. Aufenthaltsstaat lediglich der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Das Gleiche gilt für die zum selben Haushalt gehörenden Angehörigen, wel‐ che die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder keine oder ausschließlich im Inland einkommensteuerpflichtige Einkünfte beziehen. Deutsche Botschafter und Konsularbeamte sind in Deutschland erwei‐ tert unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. 46 2 Einkommensteuer <?page no="47"?> Beispiel: Götz lebt mit seiner Frau Elisabeth in den USA, wo er als Botschafter Deutschland diplomatisch vertritt. Elisabeth bezieht keine Einkünfte. Götz und Elisabeth sind deutsche Staatsangehörige, haben aber weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland. Götz steht als Botschafter in einem Dienstverhältnis mit dem Auswärtigen Amt und bezieht sein Gehalt aus einer deutschen öffentlichen Kasse. Elisabeth erfüllt die Voraus‐ setzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 EStG. Götz wird in den USA lediglich in einem der beschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang herangezogen. Damit ist auch die Voraussetzung des § 1 Abs. 2 Satz 2 EStG gegeben. Beide Eheleute sind somit in Deutschland erweitert unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. c) Fiktive unbeschränkte Steuerpflicht i. S. d. § 1 Abs. 3 und § 1a EStG Personen, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, aber aus anderen Staaten (z. B. der Schweiz, Österreich, den Niederlanden, Polen oder Tschechien) zur Verrichtung ihrer Arbeit nach Deutschland einpendeln, nennt man Grenzpendler. Diese Personen sind mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 EStG in Deutschland nur beschränkt und in ihrem Wohnsitzstaat unbeschränkt steuerpflichtig. In Deutschland können die persönlichen Verhältnisse der Steuerpflichtigen (Existenzminimum, Sonderausgaben etc.) nicht berücksichtigt werden, da dies im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht - also im ausländischen Heimatstaat - erfolgen sollte. Grenzpendler erwirtschaften ihre Einkünfte aber überwiegend oder ausschließlich in Deutschland und erzielen dem‐ entsprechend in ihrem Wohnsitzstaat keine bzw. nur geringe Einkünfte. Sie können daher die persönlichen Aspekte auch im Ausland mangels zu versteuernden Einkommens nicht geltend machen. Aus diesem Grund laufen die Grenzpendler Gefahr, im Vergleich zu „normalen“ Berufstätigen diskriminiert zu werden, da weder im Tätigkeitsstaat noch im Wohnsitzstaat ihre persönlichen Verhältnisse berücksichtigt werden. Aufgrund eines Ur‐ teils des EuGH vom 14.02.1995 (sog. Schumacker-Urteil), bei dem diese Diskriminierung Gegenstand der Klage war, werden die Grenzpendler nun‐ mehr auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt. Die unbeschränkte Steuerpflicht wird hierbei fingiert. Allerdings ist dies nur möglich, wenn (fast) ausschließlich Einkünfte bezogen werden, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen. 47 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="48"?> Voraussetzungen der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht sind: ■ Antragstellung, ■ mindestens 90 % der gesamten Einkünfte unterliegen der deut‐ schen Einkommensteuer oder ■ die nicht in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte übersteigen nicht den Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG i. H. v. 10.347 € ■ Bescheinigung des ausländischen Fiskus über die Höhe der aus‐ ländischen Einkünfte. Bei Vorliegen der Voraussetzungen können die Vergünstigungen für unbe‐ schränkt Steuerpflichtige in Anspruch genommen werden. Dazu zählen: Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen, Kindergeld bzw. -freibe‐ trag und Grundfreibetrag. Beispiel: Karl, dessen einziger Wohnsitz sich in der Schweiz befindet, erzielt ausschließlich Einkünfte, die der deutschen ESt unterliegen. Die Voraussetzungen für den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland liegen nicht vor. Die erforderliche Be‐ scheinigung über die Höhe der im Heimatland erzielten Einkünfte wird vorgelegt. Karl ist in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig i. S. d. § 1 Abs. 1 EStG, da sich weder sein Wohnsitz noch sein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland befinden. § 1 Abs. 2 EStG trifft ebenfalls nicht zu. Ohne Antrag ist Karl somit in Deutschland beschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG). Da er einen Antrag stellt und ausschließlich deutsche Einkünfte erzielt, wird gem. § 1 Abs. 3 EStG nach Vorlage der schweizerischen Bescheinigung die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland fingiert. Dies hat für Karl den Vorteil, dass er bspw. Sonderausgaben geltend machen kann, was bei beschränkter Steuerpflicht nicht möglich gewesen wäre (§ 50 Abs. 1 Satz 4 EStG). Es besteht jedoch das Problem, dass das deutsche EStG subjektbzw. familienbezogene Begünstigungen enthält, die nicht nur die unbeschränkte Steuerpflicht des Einkünfteerzielers selbst voraussetzen, sondern auch die unbeschränkte Steuerpflicht des Ehegatten. Gerade bei Grenzpendlern liegt Letzteres regelmäßig nicht vor, so dass ohne weitere Regelungen weder 48 2 Einkommensteuer <?page no="49"?> eine Zusammenveranlagung mit Splittingtabelle noch das sog. Realsplitting gewährt werden könnte. § 1a EStG beinhaltet daher eine zusätzliche Be‐ günstigung im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht sowie der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht, die allerdings nach dem Wortlaut der Vor‐ schrift ausschließlich den Angehörigen der EU bzw. des EWR zugutekommt. Die EU hat mit der Schweiz im Jahr 1999 ein Abkommen geschlossen, das die Freizügigkeit zwischen der Schweiz und den EU-Staaten entsprechend der Ausgestaltung innerhalb der EU gewährleisten soll. Auf dieser Grundlage hat der EuGH im Urteil vom 28. Februar 2013 entschieden, dass gegen EU-Recht verstoßen wird, wenn die Zusammenveranlagung versagt wird, weil der Wohnsitz des Ehepartners in der Schweiz liegt. Die deutsche Finanzverwaltung folgt diesem Urteil und gewährt die Vergünstigung des § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG, wenn der Ehegatte den Wohnsitz in der Schweiz hat. Dies gilt entsprechend für die Vergünstigung gem. § 1a Abs. 1 Nr. 1 EStG. Angehörige der EU bzw. des EWR und der Schweiz können das Ehegattensplitting und das Realsplitting in Anspruch nehmen, ■ wenn bzgl. des Realsplittings der Empfänger der Leistungen i. S. d. § 10 Abs. 1a EStG nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, und seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der EU, im EWR bzw. der Schweiz hat und die Besteuerung der Leistung oder Zahlung beim Empfänger durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird oder ■ bzgl. des Ehegattensplittings der nicht dauernd getrenntlebende Ehe‐ gatte ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der EU bzw. im EWR oder in der Schweiz hat und seinerseits die Besteuerung zur unbeschränk‐ ten Steuerpflicht beantragt. Sofern die Regelungen der fiktiven unbe‐ schränkten Steuerpflicht in Anspruch genommen werden, ist auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) zu verdoppeln. Beispiel: Richard, österreichischer Staatsbürger, wohnt mit seiner Frau Silvia in Wien. Er pendelt täglich nach Deutschland ein, um dort seiner Arbeit nachzugehen. Die erforderliche Bescheinigung über die Höhe der im Heimatland erzielten Einkünfte wird vorgelegt. 49 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="50"?> Richard ist in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig, da sich weder sein Wohnsitz noch sein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland befinden. § 1 Abs. 2 EStG trifft nicht zu. Ohne Antrag ist Richard somit in Deutschland beschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG). Da er einen Antrag stellt und ausschließlich Einkünfte in Deutschland erzielt, wird nach Vorlage der österreichischen Bescheinigung die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland fingiert. Gem. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG wird Richard als EU-Bürger zusätzlich die Anwendung des Splittingtarifs i. S. d. § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG gewährt, da seine Ehefrau in Wien lebt. Silvia wird auf Antrag für die Anwendung des Splitting‐ verfahrens in Deutschland ebenfalls als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt. Wäre Richard kein EU/ EWR-Bürger bzw. schweizerischer Staatsangehöriger, könnte er zwar z. B. Sonderausgaben in Deutschland geltend machen, nicht aber das Ehegattensplitting nutzen. Besteuerung der Grenzpendler aus Drittstaaten (§ 1 Abs. 3 EStG) Zusätzliche Privilegien für EU/ EWR-Bürger (§ 1a EStG) • Sonderausgaben • Außergewöhnliche Belastungen • Kindergeld/ Kinderfreibetrag • Grundfreibetrag • Zusammenveranlagung mit Splittingtarif (§ 26 Abs. 1 EStG) • Realsplitting (§ 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG) • Abzug von Versorgungsleistungen an nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Empfänger (§ 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG) • Abzug von Ausgleichszahlungen in Form von Kapitalzahlungen an nicht unbeschränkt steuerpflichtige Empfänger (§ 10 Abs. 1a Nr. 3 bzw. Nr. 4 EStG) Tab. 2: Grenzpendler und EU/ EWR-Bürger Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) trat am 01.01.1994 in Kraft und umfasst die damals zwölf EU-Staaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, Nie‐ derlande, Portugal und Spanien) sowie sechs der damals sieben EFTA-Staa‐ ten (Finnland, Island, Liechtenstein, Österreich, Norwegen und Schweden). Vom EU/ EWR-Privileg werden daher heute sämtliche EU-Staaten zzgl. Island, Liechtenstein und Norwegen erfasst, aufgrund des Brexits allerdings nicht mehr Großbritannien. Seit 2013 sind schweizerische Staatsangehörige 50 2 Einkommensteuer <?page no="51"?> bzw. ist für die Anwendung des Realbzw. des Ehegattensplittings der Wohnsitz in der Schweiz privilegiert. Die Anwendungsbereiche des § 1 Abs. 3 sowie des § 1a EStG sollen noch einmal wie folgt veranschaulicht werden: Tab. 3: Anwendungskreis der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht 2.1.3.2 Arten der beschränkten Steuerpflicht a) Allgemein beschränkte Steuerpflicht i. S. d. § 1 Abs. 4 EStG Hat eine natürliche Person weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und hat sie nicht für die fiktive unbeschränkte Steu‐ erpflicht optiert, so ist sie beschränkt steuerpflichtig, wenn und soweit sie inländische Einkünfte i. S. d. § 49 EStG erzielt. Voraussetzungen der beschränkten Steuerpflicht: ■ natürliche Person, ■ im Inland weder Wohnsitz noch gewöhnlicher Aufenthalt und keine Optierung und ■ Erzielung von inländischen Einkünften i. S. d. § 49 EStG. Beispiel: Die deutsche Staatsangehörige Juliane lebt in Australien. Sie bezieht aus Deutsch‐ land Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG). Juliane hat weder 51 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="52"?> ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Die Ver‐ mietungseinkünfte sind inländische Einkünfte i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Somit ist Juliane in Deutschland mit diesen Einkünften beschränkt steuerpflichtig. Sie kann im Gegenzug einkunftsbezogene Werbungskosten i. S. d. § 9 EStG geltend machen. Tab. 4: Anwendungskreis der beschränkten Steuerpflicht Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht unterliegen nur die inländischen Einkünfte der deutschen Besteuerung (Quellenprinzip), nicht aber das Welteinkommen. b) Erweiterte beschränkte Steuerpflicht i. S. d. §§ 2 und 5 AStG Um eine rein steuerlich motivierte Verlegung des Wohnsitzes in ein Niedrig‐ steuerland (z. B. Monaco, Liechtenstein, bestimmte Kantone in der Schweiz) zu erschweren, unterliegen deutsche Staatsangehörige nach ihrem Wegzug der erweiterten beschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Die Vorausset‐ zung hierfür ist allerdings, dass sie weiterhin wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland haben. Ein Niedrigsteuerland ist gem. § 2 Abs. 2 AStG dann gegeben, wenn die ausländische Belastung um mehr als ein Drittel niedriger ist als die vergleichbare deutsche Belastung. Wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland liegen gem. § 2 Abs. 3 AStG dann vor, wenn der Steuerpflichtige in Deutschland Unternehmer bzw. Mitunternehmer ist oder die in Deutschland erwirtschafteten Einkünfte bzw. das in Deutschland belegene Vermögen bestimmte Beträge oder Vermögens‐ verhältnisse überschreitet. In den letzten zehn Jahren vor dem Wegzug aus Deutschland muss zudem mindestens fünf Jahre lang eine unbeschränkte 52 2 Einkommensteuer <?page no="53"?> Steuerpflicht in Deutschland bestanden haben. Der Personenkreis der er‐ weitert beschränkt Steuerpflichtigen ist für den Zeitraum von zehn Jahren nach Wohnsitzverlagerung mit allen Einkünften, die nicht ausländische Ein‐ künfte i. S. d. § 34d EStG sind, in Deutschland steuerpflichtig. Der Umfang dieser Einkünfte geht somit über die in § 49 EStG genannten inländischen Einkünfte hinaus (z. B. Erfassung von privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 Abs. 1 EStG) und stellt daher eine Verschärfung der allgemeinen beschränkten Steuerpflicht dar. Voraussetzungen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht: ■ natürliche Person, ■ Auswanderung in ein Niedrigsteuerland, ■ in den letzten Jahren vor dem Wegzug als Deutscher mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig und ■ wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland. Beispiel: Der deutsche Staatsbürger Karl, der von Geburt (10.02.1976) an in Deutschland lebt, verlegt Anfang 2022 seinen Wohnsitz nach Monaco. Er bleibt weiterhin Mitunternehmer der deutschen Stella-OHG. Vor dem Wegzug aus Deutschland war Karl als deutscher Staatsangehöriger mehr als 30 Jahre im Inland unbeschränkt steuerpflichtig. Durch seinen Wegzug verliert er seinen Wohnsitz bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, d. h. die Voraussetzungen für die unbeschränkte Steuerpflicht werden nicht erfüllt. Da sich der neue Wohnsitz in einem Niedrigsteuerland befindet und Karl (bedingt durch seine Mitunternehmerschaft) weiterhin wesentliche wirt‐ schaftliche Interessen in Deutschland hat, wird er der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht unterworfen. Behält er seinen Wohnsitz in Monaco bei, so besteht die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht bis zum Jahr 2032. Hätte Karl seinen Wohnsitz dagegen nicht in ein Niedrigsteuerland, sondern etwa nach Frankreich verlegt, würde er lediglich der beschränkten, nicht aber der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Die verschiedenen Möglichkeiten der Steuerpflicht in Deutschland sollen durch das Abfrageschema in Abb. 12 noch einmal zusammengefasst werden. 53 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="54"?> Abb. 12: Unbeschränkte vs. beschränkte (persönliche) Steuerpflicht 54 2 Einkommensteuer <?page no="55"?> 2.1.3.3 Problem der Doppelbesteuerung Durch das Nebeneinander von beschränkter und unbeschränkter Steuer‐ pflicht kommt es häufig zu Überschneidungen der Steueransprüche ver‐ schiedener Staaten, was zu einer mehrfachen steuerlichen Belastung der‐ selben Einkünfte führen kann. Zur Reduzierung bzw. Vermeidung solcher Doppelbesteuerungen existieren sowohl unilaterale (nationale) Vorschriften als auch bilaterale Verträge (sog. Doppelbesteuerungsabkommen). Letztere sehen verschiedene Einschränkungen vom Grundsatz der Besteuerung des gesamten Welteinkommens bei unbeschränkter Steuerpflicht bzw. vom Grundsatz der Besteuerung des Inlandseinkommens bei beschränkter Steu‐ erpflicht vor. Im Ergebnis werden dadurch im Idealfall die Besteuerungs‐ rechte jedes Staates so weit durch die Schrankennormen eines Doppel‐ besteuerungsabkommens eingeschränkt, dass sich die Besteuerungsrechte nicht mehr überschneiden und sich keine Doppelbesteuerung ergibt. 2.1.4 Sachliche Einkommensteuerpflicht Für die Zwecke der Einkommensteuererhebung hat der Gesetzgeber zu definieren, was als Einkommen und damit als Bemessungsgrundlage für die Steuererhebung heranzuziehen ist. Diese Aufgabe erfüllt § 2 EStG. Da der deutsche Gesetzgeber 1946 von den Alliierten verpflichtet worden war, Spitzensteuersätze von 95 v. H. festzulegen, diese Steuersätze aber die sich langsam wieder regenerierende Wirtschaft absehbar erdrosselt hätten, konnte die Steuerbelastung nur durch eine entsprechende Durch‐ löcherung der steuerlichen Bemessungsgrundlage auf einem erträglichen Niveau gehalten werden. Das Ergebnis dieser Maßnahmen ist die bis heute herrschende Problematik der überhöhten Steuersätze, die auf eine ausge‐ dünnte Bemessungsgrundlage angewandt werden. 2.1.4.1 Die Einkunftsarten Die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer ist das während des Ka‐ lenderjahres vom Steuerpflichtigen erwirtschaftete Einkommen. Dadurch wird dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung Rechnung getragen. Zur Bestimmung des Begriffs „Einkommen“ bestehen im Wesentlichen zwei finanzwissenschaftliche Lehrmeinungen: 55 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="56"?> ■ Quellentheorie: Das Einkommen ist das, was dem Steuerpflichtigen aus einer ständig sprudelnden Einkommensquelle zufließt. Demnach gehören einmalige oder völlig unregelmäßig anfallende Einkünfte - bspw. Erbschaften und Lotteriegewinne - nicht zum Einkommen. ■ Reinvermögenszugangstheorie: Das Einkommen ist der um die damit in Zusammenhang stehenden Ausgaben verminderte (reine) Vermögenszuwachs. Somit ist es unerheblich, ob es sich um wiederkeh‐ rende oder um einmalige Vorgänge handelt und aus welcher Quelle das Einkommen stammt. Der Einkommensbegriff ist bei der Reinvermö‐ genszugangstheorie somit weiter gefasst als der Einkommensbegriff bei der Quellentheorie, der eine regelmäßig sprudelnde Quelle voraussetzt. Das deutsche Einkommensteuergesetz hat keine der beiden Lehrmeinungen in Reinform übernommen, sondern hat einen Kompromiss zwischen den Theorien bei seiner Definition des Einkommensbegriffs geschlossen. § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG bestimmt in abschließender Aufzählung die sieben Einkunftsarten, welche in den §§ 13 bis 24 EStG explizit geregelt sind: ■ Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG), ■ Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG), ■ Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG), ■ Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), ■ Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), ■ Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) sowie ■ Sonstige Einkünfte i. S. d. § 22 EStG. Obwohl das Einkommensteuergesetz den Begriff des Einkommens für seine Zwecke selbständig definiert, sind die finanzwissenschaftlichen Theorien im Hintergrund zu erkennen. Nach der Art der Einkunftsermittlung lassen sich gem. § 2 Abs. 2 EStG die einzelnen Einkunftsarten in Gewinneinkunfts‐ arten (alternativ: betriebliche Einkunftsarten) (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG) und Überschusseinkunftsarten (alternativ: Haushaltseinkunfts‐ arten) (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG) untergliedern: 56 2 Einkommensteuer <?page no="57"?> Abb. 13: Gliederung der Einkünfte nach der Art der Einkunftsermittlung Grundsätzlich folgen die Gewinneinkunftsarten der Reinvermögenszu‐ gangstheorie, die Überschusseinkunftsarten dagegen der Quellenthe‐ orie. Beispiel: Wilhelm und Marianne besitzen seit 2010 je ein Grundstück in München und erzielen daraus Mieteinkünfte. Marianne hält das Grundstück in ihrem Privat‐ vermögen, Wilhelm dagegen in seinem gewerblichen Betriebsvermögen. Beide haben ihre Grundstücke im Februar 2022 verkauft. Die Mieteinkünfte stellen für Marianne Einkünfte aus Vermietung und Verpach‐ tung (§ 21 EStG) dar. Bei Wilhelm dagegen liegen betriebliche Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) vor, da das Grundstück zum Betriebsvermögen gehört. Daraus ergibt sich für Wilhelm allerdings der Nachteil, dass der Veräußerungsgewinn bei ihm steuerpflichtig ist (= Reinver‐ mögenszugangstheorie), wohingegen der Veräußerungsgewinn für Marianne grundsätzlich nicht steuerpflichtig ist (= Quellentheorie), da der Verkauf keine ständig sprudelnde Quelle darstellt. 57 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="58"?> 1 Vgl. BFH, 24.10.2017, DStR 2017, S. 2801. Tab. 5 veranschaulicht die Einkunftsermittlungsschemata sowie die zu‐ grunde liegenden Theorien und Normen beider Einkunftsarten: Tab. 5: Gewinnvs. Überschusseinkunftsarten Der zuvor dargestellte Grundsatz wird jedoch zunehmend durchbrochen. Ein Beispiel hierfür ist die Abgeltungsteuer. Hierbei werden nicht wie bisher nur die laufenden Kapitalerträge, wie bspw. Zinsen und Dividenden, erfasst, sondern auch bestimmte Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von Kapi‐ talanlagen. Im Gegenzug kann der Ausfall einer Kapitalforderung in der privaten Vermögenssphäre im Rahmen der Restriktionen des § 20 Abs. 6 EStG zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust führen, sofern feststeht, dass der Forderungsausfall endgültig ist. 1 Somit folgen die Einkünfte aus Kapitalvermögen sowohl der Quellenals auch der Reinvermögenszugangs‐ theorie. Darüber hinaus lassen sich die einzelnen Einkunftsarten bzgl. ihrer Rangordnung auch in Haupteinkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 EStG) und Nebeneinkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 bis 7 EStG) unterscheiden. Die Nebeneinkunftsarten sind grundsätzlich subsidiär, d. h. wenn die Einkünfte sowohl einer der Hauptals auch einer der Nebenein‐ kunftsarten zugeordnet werden können, geht die Haupteinkunftsart vor. 58 2 Einkommensteuer <?page no="59"?> Beispiel: Im vorstehenden Beispiel hatte Wilhelm ein Grundstück, das seinem Betriebs‐ vermögen zuzurechnen ist, vermietet. Denkbar wären somit Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 EStG (= Haupteinkunftsart) sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG (= Nebeneinkunftsart). Da die Haupteinkunftsarten den Nebeneinkunftsarten vorgehen, erzielt Wilhelm Ein‐ künfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 EStG. Abb. 14: Gliederung der Einkünfte nach ihrer Rangordnung Der Steuerpflichtige kann Einkünfte aus mehreren Einkunftsarten gleich‐ zeitig beziehen. In diesem Fall setzt sich das Einkommen aus verschiedenen Einkunftsarten zusammen. Werden die Einkünfte zu einem einheitlich zu versteuernden Einkommen zusammengefasst, welches als Ganzes einem Steuertarif unterliegt, spricht man von einer sog. synthetischen Einkom‐ mensteuer. Dies entspricht auch der Grundsystematik des deutschen Einkommensteuersystems. 59 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="60"?> Wird hingegen jede Einkunftsart separat einem gesonderten Tarif unter‐ worfen, so spricht man von einem sog. Schedulensystem. Diese Systematik ist bspw. in Großbritannien und in Lateinamerika sowie in Deutschland im Rahmen der Abgeltungsteuer anzutreffen. Beispiel: Hermann besitzt ein Haus, in dem er einen Friseursalon betreibt. Die beiden Wohnungen, die sich ebenfalls in dem Gebäude befinden und die nicht in das betriebliche Vermögen eingelegt wurden, vermietet Hermann an zwei Parteien zu Wohnzwecken. Als Besitzer des Friseursalons bezieht Hermann Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG), als Vermieter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG). Die Summe der Einkünfte, evtl. vermindert um den Altersentlastungsbetrag, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende und den Abzug nach § 13 Abs. 3 EStG, ergibt den Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG). Nach dem Abzug von Sonderausgaben, einem eventuellen Verlustabzug und nach dem Abzug von außergewöhnlichen Belastungen erhält man das Einkommen (§ 2 Abs. 4 EStG). Das Einkommen, ggf. vermindert um den Kinderfreibetrag, bildet das zu ver‐ steuernde Einkommen. Dieses stellt als Ganzes die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer von Hermann dar (§ 2 Abs. 5 Satz 1 EStG). Es werden somit die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht separat erfasst und besteuert. 60 2 Einkommensteuer <?page no="61"?> Abb. 15: Synthetische Einkommensermittlung nach deutschem Recht Eine Besonderheit bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens ergibt sich jedoch bei den Kapitaleinkünften, die der Abgeltungsteuer nach §§ 32d Abs. 1 und 43 Abs. 5 EStG unterliegen. Diese bleiben bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte, des Einkommens sowie des zu versteuernden Einkommens in der Regel unberücksichtigt. Im Zusammenhang mit der Ermittlung der Einkünfte ist § 12 Nr. 1 EStG von großer Bedeutung, demzufolge Ausgaben der privaten Lebensführung bei den einzelnen Einkunftsarten nicht abgezogen werden dürfen. 61 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="62"?> Beispiel: Ferdinand geht in seiner Freizeit häufig ins Kino und isst dort Kartoffelchips. Diese Ausgaben dürfen steuerlich nicht geltend gemacht werden (§ 12 Nr. 1 EStG), da sie nicht mit einer Einnahmeerzielung in Zusammenhang stehen, sondern privat veranlasst sind. Wegen dieses Verbots werden häufig kostspielige Hobbys (z. B. privater Reitsport, Jagd oder Imkerei) als steuerpflichtige Gewerbebetriebe getarnt, um auf diese Weise die eindeutig privat verursachten Ausgaben (z. B. Un‐ terhalt für die Pferde) in steuerwirksame Betriebsausgaben umzuwandeln, die von anderen positiven Einkünften abgezogen werden sollen. Solche Kosten, die im Rahmen der Ausübung eines Hobbys ohne eine Gewinnerzie‐ lungsabsicht anfallen, werden als sog. Liebhaberei bezeichnet und steuerlich nicht anerkannt. Sie mindern somit nicht das zu versteuernde Einkommen; korrespondierend dazu stellen Erträge, die durch eine Liebhabereitätigkeit entstehen, keine steuerpflichtigen Einnahmen dar. Beispiel: Ferdinand ist Arzt und erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Seine Frau Margarete ist Hobbyreiterin und besitzt ein Pferd, für das Kosten i. H. v. 100.000 € p. a. anfallen. Margarete will nun 1 Stunde Reitunterricht pro Jahr (! ) für 10 € geben, so dass grundsätzlich Betriebseinnahmen i. H. v. 10 € vorliegen, welche um die Ausgaben zu kürzen sind, die dann Betriebsausgaben darstellen. Dadurch entstünde ein betrieblicher Verlust i. H. v. 99.990 €, der mit den positiven Einkünften aus selbständiger Arbeit von Ferdinand verrechnet werden könnte. ABER: Der Reitunterricht wird im Rahmen der Ausübung eines Hobbys von Margarete erteilt und ist offensichtlich nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Die Kosten für das Pferd können nicht als Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Ebenso wenig werden die 10 € für die Reitstunde als Betriebseinnahme angesetzt, so dass insoweit auch keine Einkünfte vorliegen. Im Rahmen der Zusammenveranlagung kann Ferdinand seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit somit nicht um die Kosten des Reitsports seiner Ehefrau kürzen. Einkünfte, die nicht unter eine der sieben Einkunftsarten fallen, sind nicht steuerbar und unterliegen somit nicht der Einkommensteuer (z. B. Lotterie‐ gewinne, Erbschaften und Schenkungen). Die siebte Einkunftsart (Sonstige Einkünfte i. S. d. § 22 EStG) bildet dabei keinen Auffangtatbestand für Einkünfte, die nicht bereits unter die ersten sechs Einkunftsarten fallen. 62 2 Einkommensteuer <?page no="63"?> Unter diese Einkunftsart fallen vielmehr nur die explizit in § 22 EStG aufgezählten Bezüge. Beispiel: Alfons gewinnt bei einem Kreuzworträtsel einen Betrag i. H. v. 5.555 €. Der Gewinn lässt sich in keine der sieben Einkunftsarten einordnen und unterliegt somit nicht der Einkommensteuer. Wenn er diesen Betrag jedoch anschließend bei einer Bank Gewinn bringend anlegt und hieraus Zinsen erzielt, sind diese der Abgeltungsteuer gem. § 32d Abs. 1 EStG zu unterwerfen. 2.1.4.2 Ermittlung der Einkommensteuer § 2 Abs. 6 EStG differenziert zwischen der tariflichen und der festzuset‐ zenden Einkommensteuer. Die tarifliche Einkommensteuer ergibt sich i. d. R. aus der Anwendung des Grundtarifs (§ 32a Abs. 1 EStG) bzw. für zu‐ sammenveranlagte Ehegatten aus der Anwendung des Splittingtarifs (§ 32a Abs. 5 EStG) auf das zu versteuernde Einkommen. Nach Abzug bestimmter Steuerermäßigungen bzw. nach Hinzurechnung von Steuererhöhungen er‐ hält man die festzusetzende Einkommensteuer ( Jahressteuerschuld). Mit der Anrechnung von bereits entrichteten und einbehaltenen Beträgen (Einkom‐ mensteuervorauszahlung, entrichtete Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer, § 36 Abs. 2 EStG) auf die festzusetzende Einkommensteuer ergibt sich die effektive Abschlusszahlung (Einkommensteuer-Schuld) bzw. der Erstattungsbetrag (Einkommensteuer-Guthaben). 63 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="64"?> Abb. 16: Ermittlung der Einkommensteuerschuld 2.1.4.3 Einteilung der Einnahmen und Ausgaben Die Einkünfte aus einer Einkunftsart ergeben sich aus der Differenz zwischen den steuerpflichtigen Einnahmen und den abzugsfähigen Aus‐ gaben. In die Berechnung des zu versteuernden Einkommens müssen jedoch bestimmte Einnahmen nicht einfließen. Umgekehrt dürfen sich auch nicht alle Ausgaben des Steuerpflichtigen steuermindernd auswirken. a) Einnahmen Einnahmen können sowohl als Betriebseinnahmen als auch als Einnahmen im nicht betrieblichen Bereich (Haushaltseinkünfte) bezogen werden. In beiden Fällen sind steuerfreie und steuerpflichtige Einnahmen zu unter‐ scheiden. 64 2 Einkommensteuer <?page no="65"?> Abb. 17: Einteilung der Einnahmen ■ Steuerfreie Einnahmen/ Betriebseinnahmen: Steuerfreie Einnah‐ men/ Betriebseinnahmen sind aufgrund gesetzlicher Normen von der Besteuerung befreit. Die §§ 3, 3a und 3b EStG listen die steuerfreien Ein‐ nahmen/ Betriebseinnahmen abschließend auf. Beispiele hierfür sind: Gründerzuschuss, Arbeitslosengeld, Leistungen aus einer Kranken-, Pflege oder gesetzlichen Unfallversicherung, Sanierungserträge i. S. d. § 3a EStG sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit unter den Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 EStG. Der Hintergrund ist, dass es z. B. nicht sinnvoll ist, das vom Staat bezogene Arbeitslosengeld zu besteuern, da sonst Teile der erhaltenen Unterstützung wieder an die öffentliche Hand zurückfließen würden. ■ Steuerpflichtige Einnahmen/ Betriebseinnahmen sind: Steuerpflichtige Einnahmen: Gem. § 8 Abs. 1 EStG sind Einnahmen „alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichti‐ gen im Rahmen der Überschusseinkünfte zufließen“. Steuerpflichtige Betriebseinnahmen: Für den Begriff der Betriebs‐ einnahmen existiert im Einkommensteuergesetz keine Legaldefinition. In Anlehnung an § 4 Abs. 4 EStG werden Betriebseinnahmen als „Erträge, die durch den Betrieb veranlasst sind“ aufgefasst. 65 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="66"?> Beispiel: Steuerberater Johann erhält von seinem Mandanten, dem Gärtner Martin, für seine beratende Tätigkeit 200 € in bar sowie drei Obstbäume. Die 200 € und der Geldwert der Obstbäume fließen Johann im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) zu und stellen somit Betriebseinnahmen dar. b) Ausgaben Die Ausgaben müssen eingeteilt werden in solche Ausgaben, die im Rahmen der Einkunftsermittlung als Betriebsausgaben oder als Werbungskosten abzugsfähig oder nicht abzugsfähig sind, und in solche Ausgaben, die nicht der Einkunftserzielung, sondern als Privatausgaben dem privaten Bereich eines Steuerpflichtigen zuzurechnen sind. Ausnahmsweise können Privatausgaben steuerlich abzugsfähig sein. Abb. 18: Einteilung der Ausgaben Grundsätzlich erfordert das objektive Nettoprinzip den Abzug von Betriebs‐ ausgaben und Werbungskosten: Abzugsfähige Betriebsausgaben: Während eine Legaldefinition des Begriffs „Betriebseinnahmen“ fehlt, sind die Betriebsausgaben durch § 4 Abs. 4 EStG definiert als „Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind“. Sie fallen nur im Rahmen der Gewinneinkünfte an. Abzugsfähige Werbungskosten: Werbungskosten i. S. v. Erwerbsauf‐ wendungen sind im Allgemeinen solche Aufwendungen, die durch die auf Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen gerichtete Tätigkeit veranlasst sind (Veranlassungsprinzip). § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nennt als Voraussetzun‐ gen: 66 2 Einkommensteuer <?page no="67"?> ■ Erwerbung, ■ Sicherung und ■ Erhaltung der Einnahmen. Die Werbungskosten sind im Rahmen der Überschusseinkunftsarten abzugsfähig. § 9 EStG listet nicht sämtliche Werbungskosten auf, sondern nur eine Auswahl der in der Praxis bedeutsamsten Werbungskosten. Nicht abzugsfähige Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten: Ob‐ wohl bestimmte Aufwendungen die Eigenschaften von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten aufweisen, dürfen sie bei der Ermittlung der Ein‐ künfte nicht geltend gemacht werden. Es handelt sich hierbei in erster Linie um solche Aufwendungen, die eine gewisse Nähe zur privaten Lebens‐ führung haben, aber auch um solche Ausgaben, die aus fiskalischen oder anderen Gründen nicht oder nur beschränkt abzugsfähig sind. Die entspre‐ chenden Regelungen finden sich in den §§ 4 Abs. 5 bis 6, 9 Abs. 5 EStG. § 12 EStG mit der Folge, dass ein Betriebsausgabenbzw. Werbungskostenabzug ausgeschlossen ist, gilt auch dann, wenn die oben genannten Ausgaben grundsätzlich betrieblich oder beruflich veranlasst sind. ■ Betriebsausgaben fallen im Rahmen von Gewinneinkünften an. ■ Werbungskosten fallen im Rahmen von Überschusseinkünften an. Beispiel: Zementhändler Hermann wurde wegen illegaler Preisabsprachen zu einer Geld‐ strafe von 100.000 € verurteilt. Obwohl die Geldstrafe betrieblich verursacht wurde, darf sie bei der Gewinnermittlung nicht abgezogen werden (§ 12 Nr. 4 EStG), da sonst der Strafcharakter abgemildert würde. 67 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="68"?> Tab. 6: Ausgewählte, nicht abzugsfähige Betriebsausgaben 68 2 Einkommensteuer <?page no="69"?> 2 BVerfG v. 06.07.2010, 2 BvL 13/ 09, BStBl II 2011, S. 318. In diesem Zusammenhang konnten auch Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich nicht abgezogen werden, es sei denn, das Ar‐ beitszimmer bildete den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruf‐ lichen Betätigung. Nach dem Beschluss des BVerfG 2 , das diese Regelung für verfassungswidrig erklärte, wurde die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer neu geregelt. Demnach sind Aufwendun‐ gen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann abzugsfähig, wenn dem Steuerpflichtigen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall ist der Abzugsbetrag aber auf 1.250 € begrenzt. Die Aufwendungen sind nur dann voll abzugsfähig, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Betätigung bildet. Beispiel: Im Schulgebäude steht der Deutschlehrerin Christina kein Arbeitsplatz für Korrekturarbeiten zur Verfügung. Aus diesem Grund erledigt sie diese Tätigkei‐ ten in ihrem häuslichen Arbeitszimmer. Die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer kann Christina bis zu einem Höchstbetrag von 1.250 € als Wer‐ bungskosten abziehen. Da der Mittelpunkt ihrer beruflichen Betätigung sich weiterhin in dem Schulgebäude befindet, ist ein voller Abzug der Aufwendungen nicht möglich. Ausgaben, die in Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, dür‐ fen nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden (§ 3c EStG). Beispiel: Der arbeitslose Hans erhält Arbeitslosengeld. Da das Arbeitslosengeld gem. § 3 Nr. 2 EStG steuerfrei ist, kann Hans die Fahrtkosten zum Arbeitsamt gem. § 3c Abs. 1 EStG steuerlich nicht geltend machen. Die Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen beruht auf dem objektiven Nettoprinzip. Dieses Grundprinzip wird jedoch bei der Einkommensteuer durch die Vorschrift des § 4h EStG durchbrochen, der die Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen unter bestimmten Voraussetzungen einschränkt. Für Kapitalgesellschaften gelten zudem die Sonderregelungen des § 8a KStG (vgl. Kapitel Körperschaftsteuer). Der Gesetzgeber wollte auf diese Weise eine übermäßige und vor allem aus steuerlichen Gesichtspunkten 69 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="70"?> motivierte Finanzierung mit Fremdkapital steuerlich unattraktiver machen, da insbesondere Konzerne in der Vergangenheit auf diese Weise Gewinne ins Ausland verlagert haben. Die Grundsystematik i. Z. m. der sog. Zins‐ schranke wird im Kapitel Körperschaftsteuer detailliert erläutert. Darüber hinaus ist mit Wirkung ab 01.01.2018 die Vorschrift des § 4j neu in das EStG eingefügt worden, wodurch Aufwendungen für Rechteüberlassungen, die im Ausland einer Niedrigbesteuerung unterliegen, in Deutschland nicht bzw. nur eingeschränkt als Betriebsausgaben abzugsfähig sein können (sog. Lizenzschranke). Zudem versucht der Gesetzgeber, den Betriebsausgabenabzug im Inland bei Besteuerungsinkongruenzen, die bei Vorgängen mit Auslandsbezug auftreten können, einzuschränken (§§ 4i und § 4k EStG). § 4i EStG, der mit Wirkung des VZ 2017 eingeführt wurde, fokussiert dabei auf Besteuerungs‐ inkongruenzen, die sich aus der Besteuerung von Personengesellschaften mit Auslandsbezug aus einer unterschiedlichen Konzeptionierung des Be‐ steuerungssystems von Personengesellschaften und deren Gesellschafter im Inbzw. Ausland ergeben können. § 4k EStG regelt mit Wirkung des VZ 2020 - kurz angesprochen - z. B. Fälle bei Geschäften mit sog. naheste‐ henden Personen (damit sind z. B. Geschäfte in einem Konzernverbund gemeint), dass im Inland bestimmte Betriebsausgabenabzüge nicht möglich sind, wenn im Ausland die korrespondierenden Erträge nicht besteuert werden (sog. No Inclusion i. S. v. „Nichteinbezug in die Ertragsbesteuerung im Ausland“) oder auch im Ausland aus dem selben Sachverhalt ebenso ein Betriebsausgabenabzug möglich ist (sog. Double Deduction i. S. v. „doppelter Betriebsausgabenabzug“). Gem. § 12 Nr. 1 EStG dürfen Aufwendungen für die private Lebensfüh‐ rung nicht abgezogen werden. Darunter fallen die Ausgaben für Kleidung, Nahrung und Wohnung des Steuerpflichtigen. Diese Aufwendungen weisen keinen Bezug zur Einkunftserzielung auf und stellen weder Betriebsausga‐ ben noch Werbungskosten dar. Das Abzugsverbot für die Privatausgaben ist vor dem Hintergrund einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit konsequent. Die Privatausgaben mindern nicht die Leis‐ tungsfähigkeit, sondern sind vielmehr ein Ausdruck der Leistungsfähigkeit. Zu den nach § 12 EStG nicht abzugsfähigen Aufwendungen gehören vor allem: 70 2 Einkommensteuer <?page no="71"?> ■ Aufwendungen für den Haushalt und den Unterhalt der Familienange‐ hörigen des Steuerpflichtigen (§ 12 Nr. 1 EStG), ■ freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG), ■ Personensteuern (z. B. Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Solidari‐ tätszuschlag) (§ 12 Nr. 3 EStG), ■ Geldstrafen (nicht: Geldbußen) sowie sonstige Rechtsfolgen vermö‐ gensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt (§ 12 Nr. 4 EStG). Sonderausgaben und Außergewöhnliche Belastungen stellen als Aus‐ druck des subjektiven Nettoprinzips eine Durchbrechung des Grundsatzes dar, dass Aufwendungen der privaten Lebensführung gem. § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbar sind. Die anzuerkennenden Aufwendungen sind in den §§ 10 bis 10c, 10e bis 10 g EStG und §§ 33 bis 33b EStG abschließend aufgelistet. 2.1.5 Zeitliche Zuordnung 2.1.5.1 Veranlagungszeitraum und Ermittlungszeitraum Die Einkommensteuer ist als Jahressteuer ausgestaltet (§ 2 Abs. 7 Satz 1 EStG) und trägt somit dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung Rechnung. Gem. § 2 Abs. 7 Satz 2 EStG sind die Grundlagen für ihre Festsetzung jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln. Außerhalb des Besteuerungszeitraums liegende Besteuerungsmerkmale bleiben bei der Ermittlung des zu versteu‐ ernden Einkommens grundsätzlich unberücksichtigt. Eine Ausnahme davon bilden bspw. der nach § 10d EStG zulässige Verlustvor- oder Verlustrücktrag. Es ist grundsätzlich zwischen dem Veranlagungszeitraum und dem Er‐ mittlungszeitraum zu differenzieren: ■ Veranlagungszeitraum: Dies ist der Zeitraum, für den die Steuer fest‐ gesetzt wird. Bei der Einkommensteuer ist dieser Zeitraum stets das Ka‐ lenderjahr (§ 25 Abs. 1 EStG). Das Einkommen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat, ist der Einkommensteuer zugrunde zu legen. ■ Ermittlungszeitraum: Dies ist der Zeitraum, innerhalb dessen die Besteuerungsgrundlagen ermittelt werden (§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG). Die Grenzen des Ermittlungszeitraums werden durch die bilanzsteuerli‐ 71 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="72"?> chen Gewinnrealisierungsgrundsätze oder das Zufluss-Abfluss-Prinzip gezogen. Beispiel: Der Steuerpflichtige Franz erhält die Telefonrechnung für den Monat Dezember des Jahres 2021 am 15.01.2022 und bezahlt sie sofort per Banküberweisung. Das Geld wird am 17.01.2022 von seinem Konto abgebucht. Fraglich ist nun, welchem Monat die Telefonaufwendungen zuzurechnen sind. Das Prinzip der zeitlichen Zuordnung der Einnahmen bzw. Ausgaben ist davon abhängig, ob eine Buchführung vorliegt. Eine Buchführung kann auf freiwilliger Basis oder aufgrund einer Buchführungspflicht vorliegen. Demnach ist zwischen dem Zu‐ fluss-Abfluss-Prinzip einerseits und dem Realisationsprinzip andererseits zu differenzieren. Die Ermittlung des Gewinns erfolgt bei den betrieblichen Einkunftsarten grundsätzlich (Ausnahmen existieren, wenn der Gewinn nach der sog. Ein‐ nahmen-Überschuss-Rechnung oder nach der Durchschnittssatzrechnung ermittelt wird, siehe hierzu Abschnitt 2.2.1) durch den Betriebsvermögens‐ vergleich. Dabei gilt das Realisationsprinzip (Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung). Das Realisationsprinzip besagt, dass die Gewinne bei dem Steuerpflichtigen in dem Jahr als erwirtschaftet gelten, in dem diese nach den steuerbilanziellen Grundsätzen erzielt wurden. Vor allem für Überschusseinkünfte findet hingegen grundsätzlich (Aus‐ nahmen existieren z. B. für Ausgaben für Wirtschaftsgüter, deren Nutzung erfahrungsgemäß länger als ein Jahr möglich ist) das Zufluss-Abfluss-Prin‐ zip Anwendung. Beim Zufluss-Abfluss-Prinzip gelten die Einnahmen als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Ausgaben sind für das Kalenderjahr an‐ zusetzen, in dem sie geleistet wurden (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG). Eine weitere Ausnahme besteht jedoch bei regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen und Ausgaben, die kurze Zeit - bis zu 10 Tage - vor Beginn oder nach Beendigung des Kalenderjahres, zu dem sie wirtschaftlich gehören, anfallen; diese sind dann dem Kalenderjahr zuzurechnen, zu dem sie wirtschaftlich gehören (§ 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG, H 11 „Allgemeines“ EStR). 72 2 Einkommensteuer <?page no="73"?> Tab. 7: Realisationsvs. Zufluss-Abfluss-Prinzip Fortsetzung des Beispiels: ■ bei Buchführungspflicht (z. B. bei bestimmten gewerblichen Gewinneinkünften i. S. v. § 4 Abs. 1 bzw. § 5 EStG): Nach den bilanzsteuerrechtlichen Gewinn‐ realisierungsgrundsätzen ist der Aufwand dem Monat zuzuordnen, in dem er entstanden ist bzw. dem er wirtschaftlich zuzurechnen ist. Dies wäre der Monat Dezember 2021, da in diesem Monat die Anrufe getätigt worden sind. ■ bei fehlender Buchführungspflicht (z. B. bei Überschusseinkünften): Nach dem Zufluss-Abfluss-Prinzip ist die wirtschaftliche Zugehörigkeit grundsätzlich irrelevant; entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt des Abflusses der liqui‐ den Mittel. Wenn Franz nicht bilanziert, wäre der Aufwand demnach dem Monat Januar 2022 zuzurechnen und somit steuerlich ein Jahr später als nach den bilanzrechtlichen Grundsätzen zu berücksichtigen. Dieses Prinzip ist vor allem bei Überschusseinkunftsarten sowie bei der Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG für bestimmte Gewinneinkunftsarten relevant. 2.1.5.2 Wirtschaftsjahr Die Ermittlung der Einkünfte erfolgt bei den betrieblichen Einkunftsarten für das Wirtschaftsjahr. Der Gewinnermittlungszeitraum wird im Han‐ delsrecht als Geschäftsjahr (§ 240 Abs. 2 HGB), im Steuerrecht (§ 4a Abs. 1 Satz 1 EStG) hingegen als Wirtschaftsjahr bezeichnet. Das Wirtschaftsjahr 73 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="74"?> umfasst grundsätzlich einen Zeitraum von 12 Monaten und deckt sich i. d. R. mit dem Kalenderjahr. Bei den Überschusseinkünften und bei Gewerbetreibenden, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, stimmt das Wirtschaftsjahr zwingend mit dem Kalenderjahr überein (§ 4a Abs. 1 Nr. 3 EStG). Die Gewerbetreibenden, deren Firma im Handelsregister eingetragen ist, können ein abweichendes Wirtschaftsjahr haben. Der Gewinn gilt als in dem Kalenderjahr erwirtschaftet, in dem das Wirtschaftsjahr endet (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG). Umfasst das Wirtschaftsjahr weniger als 12 Monate, spricht man von einem Rumpfwirtschaftsjahr. Ein Rumpfwirtschaftsjahr entsteht dann, wenn ein Betrieb während des Wirtschaftsjahres eröffnet, erworben, veräußert oder aufgegeben wird oder aber beim Wechsel des Gewinnermittlungszeitraums von einem Kalenderjahr auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr und umgekehrt. Da dieser Wechsel steuerpolitisch entspre‐ chend genutzt werden kann, ist die Umstellung des Wirtschaftsjahres auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum steuerlich nur dann wirksam, wenn sie im Einvernehmen mit dem Finanzamt vorgenommen wird (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG). Möglichkeiten für abweichende Wirtschaftsjahre: ■ Land- und Forstwirte: Wirtschaftsjahr (= Erntejahr) dauert i. d. R. vom 01.07. bis 30.06. des darauffolgenden Jahres. ■ Gewerbetreibende, die im Handelsregister eingetragen sind, kön‐ nen kalenderjahrgleiche oder -abweichende Wirtschaftsjahre ha‐ ben. Beispiel: Das Wirtschaftsjahr der im Handelsregister eingetragenen Anton-GmbH beginnt am 01.04. eines Jahres und endet am 31.03. des darauf folgenden Jahres. Im Wirtschaftsjahr 2021/ 2022 betrug der von der Anton-GmbH erzielte Gewinn 120.000 €. 74 2 Einkommensteuer <?page no="75"?> Der von der Anton-GmbH erzielte Gewinn i. H. v. 120.000 € gilt gem. § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG als in demjenigen Kalenderjahr erwirtschaftet, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Das Wirtschaftsjahr der Anton-GmbH endet in 2022, d. h. sie muss den Gewinn im Jahr 2022 versteuern. Zusammenfassung ■ Nur natürliche Personen können zur Entrichtung der Einkommensteuer herangezogen werden. ■ Von der unbeschränkten Steuerpflicht wird das Welteinkommen erfasst, während bei der beschränkten Steuerpflicht nur die Inlandseinkünfte besteuert werden. ■ Das EStG unterscheidet sieben Einkunftsarten. Einkünfte, die sich in keine Einkunftsart einordnen lassen, unterliegen nicht der Einkommen‐ steuer. ■ Es ist zwischen den steuerfreien und den steuerpflichtigen Einnahmen sowie zwischen den abzugsfähigen und den nicht abzugsfähigen Aus‐ gaben zu unterscheiden. ■ Das Prinzip der zeitlichen Zuordnung der Einnahmen bzw. Ausgaben ist davon abhängig, ob eine Buchführung vorliegt. Demnach ist zwi‐ schen dem Realisationsprinzip und dem Zufluss-Abfluss-Prinzip zu differenzieren. Bei Gewerbetreibenden kann - muss aber nicht - das Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr abweichen. Fragen 1. Wer ist in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, und welche Folgen zieht die unbeschränkte Steuerpflicht nach sich? 2. Wie werden die Begriffe „Inland“, „Wohnsitz“ und „gewöhnlicher Auf‐ enthalt“ definiert, und in welchen Normen sind sie jeweils geregelt? 3. Wer ist beschränkt steuerpflichtig, und welche Folgen resultieren dar‐ aus? 4. Weshalb kann es zu einer Doppelbesteuerung kommen und wie kann dieses Problem gelöst werden? 5. Wie wird das zu versteuernde Einkommen ermittelt und welche §§ re‐ geln den Ermittlungsvorgang? 75 2.1 Grundlagen der Einkommensteuer <?page no="76"?> 6. Was ist der Unterschied zwischen der tariflichen und der festzusetzen‐ den Einkommensteuer? 7. Welche Systematisierungskriterien gibt es für die Einteilung der sieben Einkunftsarten? Welche Bezeichnungen werden dafür jeweils verwen‐ det? 8. Welche Einnahmen und Ausgaben sind zu unterscheiden? 9. Nennen Sie Beispiele für nicht abzugsfähige Betriebsausgaben. Warum wurde die Abzugsfähigkeit vom Gesetzgeber eingeschränkt? 10. Weshalb dürfen Aufwendungen der privaten Lebensführung nicht gel‐ tend gemacht werden? Gibt es Ausnahmen? 11. Was besagen das Zufluss-Abfluss-Prinzip und das Realisationsprinzip, und von welchen Steuerpflichtigen sind sie jeweils zu beachten? 12. Was versteht man unter dem Veranlagungszeitraum, Ermittlungszeit‐ raum und Wirtschaftsjahr? 13. „Das Wirtschaftsjahr stimmt mit dem Kalenderjahr überein.“ Stimmt diese Aussage? Wenn nein, begründen Sie Ihre Antwort. Literatur Heinz Kußmaul, Steuern, Berlin/ Boston, 4. Aufl. 2020, S. 25-36. Gernot Brähler, Internationales Steuerrecht, Wiesbaden, 8. Aufl. 2014, S. 9-102. Dieter Schneeloch, Stephan Meyering, Guido Patek, Betriebswirtschaftliche Steuer‐ lehre, Bd. 1: Grundlagen der Besteuerung, Ertragsteuern, München, 7. Aufl. 2016, S. 43-56. Klaus Tipke, Joachim Lang, Steuerrecht, Köln, 24. Aufl., S. 265-288. 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens folgt dem oben darge‐ stellten und in § 2 EStG kodifizierten Grundschema. Danach unterliegen der Einkommensteuer gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG die sieben bereits kurz vorgestellten Einkunftsarten. Die Einteilung der Einkunftsarten in Gewinneinkunftsarten und Überschusseinkunftsarten spiegelt nicht nur die ihnen zugrunde liegenden Einkommenstheorien wider, sondern bestimmt auch die Art der Ermittlung der in das zu versteuernde Einkommen einflie‐ ßenden Einkünfte. Bevor die einzelnen sieben Einkunftsarten ausführlicher 76 2 Einkommensteuer <?page no="77"?> erläutert werden, sollen daher im folgenden Kapitel die für die einzelnen Einkünfte geltenden Einkunftsermittlungsarten veranschaulicht werden. 2.2.1 Ermittlung der Einkünfte 2.2.1.1 Überblick über die Einkunftsermittlungsarten Abb. 19: Methoden der Einkunftsermittlung Nach § 2 Abs. 1 und 2 EStG sind die Einkünfte der ersten drei Einkunftsarten „der Gewinn“ und die Einkünfte aus den restlichen vier Einkunftsarten „der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten“. Während die Ermittlung des Überschusses für alle vier Überschusseinkunftsarten einheit‐ lich durch den Abzug der Ausgaben i. S. d. § 9 EStG von den Einnahmen i. S. d. § 8 EStG erfolgt, kann der Gewinn der Gewinneinkunftsarten auf 77 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="78"?> drei Arten - durch den Betriebsvermögensvergleich, mittels der Einnah‐ men-Überschuss-Rechnung und für Land- und Forstwirte auch auf Basis der Durchschnittssatzrechnung - ermittelt werden. 2.2.1.2 Gewinnermittlung a) Die Gewinnermittlungsmethoden Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1, § 5 EStG Die bedeutendste Methode der Gewinnermittlung ist der sog. Betriebs‐ vermögensvergleich. Als Betriebsvermögen ist in diesem Zusammenhang Eigenkapital gemeint. Ihren Namen generiert diese Gewinnermittlungsme‐ thode aus der Vorgehensweise bei der Ermittlung des Gewinns. Hierbei wird, wie in § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG kodifiziert, der Gewinn als „Unterschieds‐ betrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen“ errechnet: Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres ./ . Betriebsvermögen am Schluss des vergangenen Wirtschaftsjahres + Entnahmen ./ . Einlagen = Gewinn Bild_S71.pdf Die korrekte Erfassung des Gewinns verlangt die strikte Trennung der betrieblichen von der privaten Sphäre des Steuerpflichtigen. Aus diesem Grund dürfen Entnahmen aus dem Betriebsvermögen den steuerlichen Gewinn nicht mindern und dementsprechend Einlagen den Gewinn nicht erhöhen. Gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG gilt: „Entnahmen sind alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat.“ Die Entnahmen werden folgendermaßen bewertet: 78 2 Einkommensteuer <?page no="79"?> ■ Bei der Entnahme von liquiden Mitteln wird der Nominalwert ange‐ setzt, sodass sich keine Bewertungsprobleme ergeben. ■ Sachentnahmen, d. h. Entnahmen von Wirtschaftsgütern sowohl des Anlageals auch des Umlaufvermögens, sind mit dem Teilwert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Der Teilwert entspricht im Regelfall dem Verkehrswert oder dem Marktpreis. ■ Eine Aufwandsentnahme erfolgt durch die betriebsfremde Nutzung betrieblicher Wirtschaftsgüter oder durch die Inanspruchnahme von betrieblichen Leistungen zu betriebsfremden Zwecken. Als Entnahme‐ wert werden die anteiligen, auf die betriebsfremde Nutzungs- oder Leistungsinanspruchnahme entfallenden Betriebsausgaben angesetzt. Die Aufwendungen werden also insoweit neutralisiert, als sie nicht für betriebliche Zwecke angefallen sind. Es kann daher zu keiner Gewinn‐ realisierung kommen. Besondere Regelungen bestehen hinsichtlich der privaten Nutzung eines betrieblichen Kfz (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 f. EStG). Die eigene Arbeitskraft kann nicht entnommen werden. Erbringt der Steu‐ erpflichtige persönlich für private Zwecke berufliche Leistungen, liegt keine Aufwandsentnahme vor. Einlagen sind gem. § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG „alle Wirtschaftsgüter (Barein‐ zahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat“. Analog zu den Entnahmen sind Bareinlagen, Sacheinlagen und Aufwandseinlagen zu unterscheiden. ■ Eine Bareinlage liegt dann vor, wenn der Steuerpflichtige sein Un‐ ternehmen mit zusätzlichen liquiden Mitteln ausstattet. Bewertungs‐ probleme ergeben sich hierbei nicht, da diese mit dem Nominalwert angesetzt werden. ■ Sacheinlagen liegen dann vor, wenn dem Betrieb sonstige Wirtschafts‐ güter zugeführt werden. Grundsätzlich erfolgt die Bewertung zum Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG). Damit soll verhindert werden, dass Wertsteigerungen im Privatvermögen, die nicht steuerbar sind, steuerpflichtig werden. Durch den Teilwertansatz werden steuerlich nur solche Wertveränderungen berücksichtigt, die sich während der Zeit der Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen ergeben. ■ Abweichend hiervon sind Einlagen höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten, wenn 79 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="80"?> □ das eingelegte Wirtschaftsgut innerhalb der letzten drei Jahre angeschafft oder hergestellt wurde (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Bst. a EStG), □ das zugeführte Wirtschaftsgut eine mindestens 1 %-ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG darstellt (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Bst. b EStG), oder □ Wirtschaftsgüter (z. B. Wertpapiere) i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG oder im Sinne des § 2 Abs. 4 InvStG betroffen sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Bst. c EStG). Beispiel: Gustav erwirbt im Jahr 2020 A-Aktien im Wert von 8.000 € und B-Aktien im Wert von 20.000 €. Diese legt er 2022 in sein Betriebsvermögen ein. Der Teilwert zum Zeitpunkt der Einlage beträgt bei den A-Aktien 6.000 € und bei den B-Aktien 25.000 €. Die A-Aktien sind mit dem Teilwert von 6.000 € zu bewerten, da dieser geringer ist als die Anschaffungskosten. Die B-Aktien müssen hingegen mit den Anschaf‐ fungskosten in Höhe von 20.000 € angesetzt werden. Bei einer späteren Veräu‐ ßerung müsste Gustav die im Privatvermögen entstandenen Wertsteigerungen versteuern. Bei der Einlage von abnutzbaren Wirtschaftsgütern sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um die Absetzung für Abnutzung zu kürzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG). ■ Durch Aufwandseinlagen werden betrieblich veranlasste Aufwen‐ dungen berücksichtigt, die der Steuerpflichtige privat oder über einen anderen ihm gehörenden Betrieb getragen hat. Es dürfen nur die tatsächlich vom Steuerpflichtigen getragenen Aufwendungen berück‐ sichtigt werden. Das deutsche Einkommensteuerrecht unterscheidet zwischen dem ■ Betriebsvermögensvergleich i. S. d. § 4 Abs. 1 EStG und ■ dem Betriebsvermögensvergleich i. S. d. § 5 EStG. Für beide gilt aber die Gewinndefinition des § 4 Abs. 1 EStG. 80 2 Einkommensteuer <?page no="81"?> Sowohl § 4 Abs. 1 EStG als auch § 5 EStG setzen eine auf gesetzlicher oder freiwilliger Basis existierende Buchführung voraus, deren Kontenab‐ schluss zu einem Jahresabschluss - bestehend aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung - führt. Sie unterscheiden sich durch den adressierten Personenkreis und die rechtlichen Grundlagen, aus denen sie sich ableiten. Die Pflicht zur Buchführung wird in den §§ 140 und 141 AO geregelt. § 140 AO normiert: „Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, hat die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen.“ Ein solches „anderes Gesetz als die Steuergesetze“ ist das Handelsgesetz‐ buch, in dem die handelsrechtliche Buchführungspflicht für Kaufleute ge‐ regelt ist. Der Ausgangspunkt der handelsrechtlichen Buchführungspflicht ist § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB: „Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen.“ Durch das Zusammenspiel des § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB, der die han‐ delsrechtliche Buchführungspflicht kodifiziert, mit § 140 AO, der an diese Buchführungspflicht für steuerliche Zwecke anknüpft, ergibt sich, dass grundsätzlich jeder, der nach dem HGB buchführungspflichtig ist, auch steuerrechtlich zur Buchführung verpflichtet ist. Das Steuerrecht leitet in diesem Fall seine Buchführungspflicht aus dem HGB ab. Aus diesem Grunde wird die Bestimmung in § 140 AO auch als sog. derivative steuerliche Buchführungspflicht bezeichnet. Derivativ steuerlich buchführungspflichtig ist, wer typischerweise nach dem HGB schon buchführungspflichtig ist. Für kleine Einzelkaufleute ist die Verknüpfung zwischen der Kaufmanns‐ eigenschaft und der handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungs‐ pflicht teilweise aufgehoben; unter den Voraussetzungen des § 241a HGB können sie von den Pflichten gem. §§ 238 bis 241 HGB befreit werden. Einzelkaufleute, die in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren kumu‐ lativ nicht mehr als 600.000 € Umsatzerlöse und 60.000 € Jahresüberschuss aufweisen, können die Befreiung in Anspruch nehmen. Bei der Neugrün‐ 81 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="82"?> dung eines Unternehmens greift die Befreiung von der handelsrechtlichen Buchführungspflicht bereits bei der Unterschreitung der Schwellenwerte am ersten Abschlussstichtag. Die Werte des § 241a HGB wurden bewusst an den nachfolgend erläuterten § 141 AO angenähert, der hinsichtlich der Buchführungspflicht für gewerbliche Unternehmer und Landwirte entspre‐ chende Merkmale für Umsatz und Gewinn vorsieht. Um den verfassungsmäßigen Auftrag der Gleichmäßigkeit der Besteue‐ rung zu garantieren, normiert § 141 AO (über zuvor erläuterte derivative steuerliche Buchführungspflicht hinaus) eigens eine originäre steuerliche Buchführungspflicht. Zu diesem Zweck werden in § 141 AO Größenkrite‐ rien angeführt, bei deren Überschreitung ebenfalls die Buchführungspflicht eintritt. Unter § 141 AO fallen Landwirte und Gewerbetreibende, die nicht schon nach § 238 HGB zur Buchführung verpflichtet sind. Sogenannte Selbständige i. S. d. § 18 EStG haben insofern eine Sonderstellung inne, als dass sie trotz betrieblicher Einkunftsart steuerlich weder nach § 140 noch nach § 141 AO zur Buchführung verpflichtet sind. Originär steuerlich buchführungspflichtig ist, wer nicht derivativ buchführungspflichtig ist, aber die (Größen-)Kriterien des § 141 AO überschreitet. § 5 EStG wendet sich ausschließlich an Gewerbetreibende, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften (§§ 140 und 141 AO) oder auf freiwilliger Basis Bücher führen. Der Betriebsvermögensvergleich nach § 5 EStG wird auch als qualifizierter Bestandsvergleich bezeichnet, da über die steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften §§ 4-7i EStG hinaus die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, insbesondere §§ 238 ff. HGB, beachtet werden müssen. Das Realisationsprinzip ist für die Zuordnung der Betriebsausgaben bzw. Betriebseinnahmen zum jeweiligen Wirtschafts‐ jahr entscheidend. Dabei sind gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG die handelsrecht‐ lichen GoB grundsätzlich anzuwenden, sofern für Zwecke der Steuerbilanz keine abweichenden steuerlichen Vorschriften angewendet werden können (Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz - Maßge‐ blichkeitsprinzip). Auch wenn diese Regelung ausdrücklich nur für steu‐ erliche Zwecke existierende Wahlrechte umfasst, wird das handelsrechtliche Maßgeblichkeitsprinzip ebenso und vor allem dann durchbrochen, wenn 82 2 Einkommensteuer <?page no="83"?> steuerliche Vorschriften existieren, die eine zwingende abweichende Bilan‐ zierung in der Steuerbilanz anordnen (sog. Ansatz- und Bewertungsvorbe‐ halte gem. § 5 Abs. 2 ff. EStG). Eine besondere Regelung existiert mit § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG bzgl. der Berechnung der Herstellungskosten. Hiernach brauchen angemessene Teile der Kosten für die allgemeine Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung i. S. d. § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB bei der Berechnung der Herstellungskosten nicht einbezogen zu werden, wenn dieses Wahlrecht in Übereinstimmung zur Handelsbilanz ausgeübt wird. Beispiel: Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG kann bei Wirtschaftsgütern des Umlaufver‐ mögens der niedrigere Teilwert bei voraussichtlich dauernder Wertminderung angesetzt werden. Handelsrechtlich besteht unabhängig vom Vorliegen einer dauernden Wertminderung aufgrund des strengen Niederstwertprinzips gem. § 253 Abs. 4 HGB eine Abwertungspflicht. Steuerlich existiert somit unabhängig vom Bilanzansatz in der Handelsbilanz ein Wahlrecht, die Teilwertabschreibung vorzunehmen oder auf diese zu verzichten. Das Maßgeblichkeitsprinzip gilt im Übrigen auch dann, wenn Gewerbetrei‐ bende aufgrund des HGB nicht zur Buchführung verpflichtet sind. Für Steuerpflichtige, die nicht als Gewerbetreibende Bücher führen, gilt nicht § 5 EStG, sondern § 4 Abs. 1 EStG (allgemeiner Bestandsvergleich). Obwohl kein ausdrücklicher Hinweis auf die Anwendung der einschlägigen handelsrechtlichen Vorschriften, §§ 238, 240 bis 242 Abs. 1 HGB sowie §§ 243 bis 256 HGB, besteht, sind diese beim Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG anzuwenden. Der Maßgeblichkeitsgrundsatz ist in solchen Fällen jedoch nicht zu beachten. Von § 4 Abs. 1 EStG werden nur Selbständige i. S. d. § 18 EStG und Land- und Forstwirte erfasst, die freiwillig Bücher führen. Die derivative steuerliche Buchführungspflicht gem. § 140 AO trifft für Selbständige i.S.d § 18 EStG nicht zu, da diese keine Kaufleute sind und daher das Handelsrecht für sie nicht anwendbar ist. Die originäre steuerliche Buchführungspflicht gem. § 141 AO findet ebenfalls keine Anwendung, da auch § 141 Abs. 1 Satz 1 AO nur für „gewerbliche Unternehmer“ sowie für Land- und Forstwirte Pflichten begründet. Für steuerliche Zwecke können Freiberufler sich freiwillig für das Führen von Büchern und damit für den Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 EStG entscheiden. Die 83 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="84"?> Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG ist jedoch ausgeschlossen, da diese nur von Gewerbetreibenden i. S. d. § 15 Abs. 1 EStG vorzunehmen ist. Da aber der Betriebsvermögensvergleich - auch derjenige nach § 4 Abs. 1 EStG - z. B. mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden ist, der detaillierte buchungstechnische Kenntnisse erfordert, wenden Selbständige i. S. d. § 18 EStG und Gewerbetreibende, die gesetzlich nicht zur Buchfüh‐ rung verpflichtet sind, regelmäßig die nachfolgend erläuterte vereinfachte Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (= Einnahmen-Überschuss-Rech‐ nung) an. Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (Einnahmen-Überschuss-Rechnung) Die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (auch als § 4 Abs. 3-Rechnung oder Einnahmen-Überschuss-Rechnung bezeichnet) wird von ■ Kleingewerbetreibenden (die weder handelsnoch steuerrechtlich zur Buchführung verpflichtet sind und die auch nicht freiwillig Bücher führen), ■ Selbständigen i. S. d. § 18 EStG (die nicht freiwillig Bücher führen) bzw. von ■ Land- und Forstwirten (die weder handelsnoch steuerrechtlich zur Buchführung verpflichtet sind und die ihren Gewinn auch nicht nach Durchschnittssätzen ermitteln) angewandt. Im Unterschied zum Realisationsprinzip, das für die Gewinnermitt‐ lung durch Betriebsvermögensvergleich gilt, fußt die Einnahmen-Ausga‐ ben-Rechnung bzgl. der Zuordnung der Betriebseinnahmen bzw. Betriebs‐ ausgaben zum jeweiligen Kalenderjahr auf dem Zufluss-Abfluss-Prinzip. Dabei werden die Betriebseinnahmen den Betriebsausgaben gegenüberge‐ stellt, und zwar im Zeitpunkt ihres Zu- oder Abflusses. Trotz dieser im Vergleich zur Bilanzierung vereinfachten Gewinnermittlung führt die Ein‐ nahmen-Überschuss-Rechnung über die gesamte Lebensdauer des Unter‐ nehmens zum gleichen Totalgewinn, wie wenn der Gewinn auf der Basis einer doppelten Buchführung ermittelt wird. Hinsichtlich der periodenge‐ rechten Gewinnabgrenzung können sich zwischen den einzelnen Perioden aber Differenzen im Vergleich der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG und der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1 und 5 EStG) ergeben, die sich spätestens bei Betriebsveräußerung oder -aufgabe (zwingender Übergang zur Bilanzierung) aufheben. 84 2 Einkommensteuer <?page no="85"?> Abweichungen vom Zufluss-Abfluss-Prinzip ergeben sich bei: ■ durchlaufenden Posten (§ 4 Abs. 3 Satz 2 EStG): Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die im Namen und für Rechnung eines Dritten einbehalten und ausgezahlt werden, berühren die Gewinnermittlung nicht. Beispiel: Der Fahrlehrer Max vereinnahmt die TÜV-Prüfungsgebühr von seinem Fahr‐ schüler Franz und leitet sie an den TÜV weiter. Da es sich lediglich um einen durchlaufenden Posten handelt, stellt die Einnahme der Gebühr keinen Ertrag und die Auszahlung der Gebühr an den TÜV keine Betriebsausgabe dar. ■ Anschaffungskosten abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevermö‐ gens (§ 4 Abs. 3 Satz 3 EStG): Die Anschaffungskosten von abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens wirken sich nur in Form jährlicher Abschreibungen gewinnmindernd aus. Bei der Veräußerung solcher Wirtschaftsgüter ist der Restbuchwert als Betriebsausgabe ab‐ zusetzen. ■ Anschaffungskosten nicht abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlage‐ vermögens (§ 4 Abs. 3 Satz 4 EStG): Erst im Veräußerungszeitpunkt werden die Anschaffungskosten als Betriebsausgaben berücksichtigt. ■ Darlehen: Die Darlehensaufnahme/ -gewährung ist weder als Betriebs‐ einnahme noch als Betriebsausgabe zu erfassen, da es sich um keine erfolgswirksamen Zahlungen handelt. Gleiches gilt entsprechend für Darlehenstilgungen. Zinszahlungen sind dagegen Betriebsausgaben. ■ Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben (§ 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG): Diese gelten als zu dem Kalenderjahr der wirtschaftlichen Verursachung gehörig, wenn sie innerhalb von bis zu 10 Tagen vor oder nach diesem Kalenderjahr zubzw. abgeflossen sind. Bei der Einnahmen-Überschuss-Rechnung gilt das Zufluss-Ab‐ fluss-Prinzip des § 11 EStG. Sie kann von den folgenden Personen‐ gruppen angewandt werden: ■ Kleingewerbetreibenden, ■ Selbständigen i. S. d. § 18 EStG, ■ Landwirte, deren Betrieb die Größengrenzen des § 13a EStG überschreitet. 85 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="86"?> Beispiel: Mietaufwendungen für den Monat Dezember 2021, die erst am 02.01.2022 abflie‐ ßen und somit eigentlich das Jahr des Abflusses, d. h. 2022, belasten sollten, gehören als wiederkehrende Ausgaben trotzdem zum Jahr 2021. Der Vorteil der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG besteht in der erleichterten buchungstechnischen Handhabung und der Möglichkeit, Ge‐ winnbeeinflussungen durch die geschickte Wahl des Zahlungszeitpunkts vornehmen zu können. Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gem. § 13a EStG Die hier nur der Vollständigkeit halber erwähnte Gewinnermittlung nach § 13a EStG ist ein pauschales Verfahren zur Schätzung des Gewinns bei Land- und Forstwirten in Abhängigkeit vom Hektarwert der landwirtschaftlichen Nutzung. Diese Gewinnermittlungsart führt zu einer Vereinfachung der Gewinnberechnung und begünstigt die Land- und Forstwirtschaft durch eine i. d. R. zu niedrige Bewertung. Grundsätzlich wenden Land- und Forstwirte die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gem. § 13a EStG an. Werden die in § 13a Abs. 1 EStG genannten Grenzen überschritten, besteht jedoch die Notwendigkeit der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG oder § 4 Abs. 3 EStG. Da Land- und Forstwirte keinen Gewerbebetrieb i. S. d. § 15 Abs. 1 EStG unterhalten, kommt die Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG nicht infrage. 86 2 Einkommensteuer <?page no="87"?> Tab. 8: Methoden der Gewinnermittlung b) Anwendungsbereiche der Gewinnermittlungsmethoden Nicht jede der drei Gewinnermittlungsmethoden steht somit jedem Unter‐ nehmer offen. Werden sämtliche die Art der Gewinnermittlung bestimmen‐ den handels- und steuerrechtlichen Vorschriften zusammengefasst, ergeben sich die in Tab. 8 gezeigten Methoden der Gewinnermittlung. 2.2.1.3 Ermittlung der Überschusseinkünfte Die Überschussbzw. Haushaltseinkünfte ermitteln sich als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten: Einnahmen ./ . Werbungskosten = Einkünfte Bild_S79.pdf Gem. § 8 Abs. 1 EStG gilt: „Einnahmen sind alle Güter, die in Geld oder Geldes‐ wert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten 87 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="88"?> des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen.“ Etwaige Wertsteigerungen des Vermögens bleiben dabei grundsätzlich unberücksichtigt. Eine Ausnahme bilden die Veräußerungsgewinne der §§ 17, 23 und 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 EStG. Für den Zufluss der Einnahmen (§ 11 EStG) ist grundsätzlich die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ausschlaggebend (z. B. Zahlung, Bankgutschrift oder Entgegennahme eines Schecks). Werbungskosten i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind „Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.“ § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG enthält eine beispielhafte Aufzählung von Aufwendungen, die als Wer‐ bungskosten anerkannt sind. Andere als die dort genannten Aufwendungen können insoweit geltend gemacht werden, als sie durch die Erzielung von Überschusseinkünften veranlasst sind (Veranlassungsprinzip). Die Wer‐ bungskosten sind von den Kosten für die private Lebensführung zu trennen (§ 12 EStG). Sind Aufwendungen entstanden, ohne dass bereits Einnahmen erzielt wurden (oder für fehlgeschlagene Projekte), können diese abgezogen werden, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zu den beabsichtigten Einnahmen erkennbar ist (z. B. Aufwendungen für Stellengesuche, wie Zeitungsinserate und Bewerbungskosten), sog. vorweggenommene Wer‐ bungskosten. Gleiches gilt auch für nachträgliche Werbungskosten. Rückerstattete, aber bereits geltend gemachte Werbungskosten sind wie Einnahmen zu behandeln, bspw. Erstattungen des Arbeitgebers. Für den Abzug von Werbungskosten gilt das Veranlassungsprinzip, d. h. es können nur diejenigen Aufwendungen durch den Steuer‐ pflichtigen geltend gemacht werden, die durch die Erzielung von Überschusseinkünften veranlasst sind. Beispiel: Der Wohnungseigentümer Ferdinand vermietete im Jahr 2021 seine 2-Zimmer-Woh‐ nung in Saarbrücken an einen Studenten. Im Januar 2022 verkauft Ferdinand diese Wohnung. Zuvor hatte er das Bad im Juni 2021 noch aufwendig renoviert. Hierfür nahm er einen Kredit über 2 Jahre auf. Nach finaler Definition (§ 9 Abs. 1 i. V. m. § 11 EStG) wären die Zinsen keine Werbungskosten, da die Einnahmenerzielung in der Vergangenheit liegt. Gleichwohl sind die Zinsaufwendungen durch die auf Einnahmenerzielung gerichtete Tätigkeit veranlasst. Aufgrund der herrschenden kausalen Auslegung des § 9 EStG kann Ferdinand die Zinsen dennoch im Jahr 88 2 Einkommensteuer <?page no="89"?> 2022 als nachträgliche Werbungskosten absetzen, da die Badrenovierung als sofort abziehbarer Erhaltungsaufwand im Rahmen von Vermietungseinkünften für das Jahr 2021 beurteilt werden konnte. Voraussetzung ist hierfür allerdings, dass der Veräußerungserlös zur Tilgung des Darlehens verwendet wurde. Übersteigen die Ausgaben für ein abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens den Wert von 800 € netto nicht und erfüllt das Wirtschaftsgut zugleich die Voraussetzungen eines sog. GWG, können die Ausgaben sofort abgeschrieben werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 2 EStG). Sind diese Voraussetzungen nicht kumulativ erfüllt, ist das Wirtschaftsgut auf die Nutzungsdauer laut AfA-Tabelle verteilt abzuschreiben. Insofern verweist § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 Satz 1 EStG auf die Vorschriften über die Absetzungen für Abnutzung und Substanzverringerung, Sonderabschreibungen nach § 7b und erhöhte Absetzungen, die gem. §§ 7 ff. EStG für die Ermittlung des Gewinns gelten. Aktuell ist von großer Wichtigkeit, dass durch das BMF-Schreiben v. 22.02.2022 die Nutzungsdauer für Computerhardware und -software auf 1 Jahr festgelegt wurde; darüber hinaus erlaubt das BMF-Schreiben, dass die Abschreibung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe vorgenommen werden darf. Beispiel: Die Studienrätin Julia kauft im Jahr 2022 einen Computer für 1.500 €, um damit nachmittags ihre Lehrveranstaltungen vorzubereiten. Die Kosten für diesen Com‐ puter kann Julia sofort im ersten Jahr des Erwerbs zur Gänze als Werbungskosten geltend machen. Der Verwaltungs- und Aufzeichnungsvereinfachung dienen die Werbungs‐ kosten-Pauschbeträge. Diese sind dann anzusetzen, wenn der Steuer‐ pflichtige keine oder geringere Werbungskosten als die in § 9a EStG genann‐ ten Beträge nachweist. Es ist zu unterscheiden zwischen Pauschbeträgen für bestimmte Einkunftsarten, für bestimmte Anlässe und für bestimmte Berufsgruppen: ■ Pauschbeträge für bestimmte Einkunftsarten: □ § 9a Satz 1 Nr. 1: Für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) der sog. Arbeitnehmer-Pauschbetrag i. H. v. 1.200 € (bzw. 102 € bei Einkünften in Form von Versorgungsbezügen). □ § 9a Satz 1 Nr. 3: Für Einkünfte i. S. v. § 22 Nr. 1, 1a und 5 EStG i. H. v. 102 €. 89 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="90"?> □ § 20 Abs. 9 Satz 1: Für Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) ein sog. Sparer-Pauschbetrag i. H. v. 801 €. Ein Abzug der tatsäch‐ lichen Werbungskosten ist in diesem Fall aber ausgeschlossen. ■ Pauschbeträge für bestimmte Anlässe, wie Verpflegungsmehraufwand, Entfernungspauschale, Umzugskosten etc. Der Abzug der Werbungskosten-Pauschbeträge kann zu keinen negativen Einkünften führen (§ 9a Satz 2 EStG). Weist der Steuerpflichtige jedoch explizit höhere Werbungskosten gem. § 9 Abs. 1 EStG nach, werden die Verluste anerkannt. Beispiel: Alfons erzielt Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) i. H. v. 900 €. Er weist: a) keine Werbungskosten nach. Alfons kann lediglich den Arbeitnehmer-Pausch‐ betrag anteilig i. H. v. 900 € nutzen, sodass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 0 € betragen. Die restlichen 300 € des Arbeitnehmer-Pauschbetrags bleiben ungenutzt, da durch einen Pauschbetrag kein Verlust entstehen darf. b) Werbungskosten i. H. v. 1.500 € nach. Alfons weist höhere tatsächliche Werbungskosten (als der Pauschbetrag) nach. Die (negativen) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit betragen damit ./ . 600 € (= 900 € ./ . 1.500 €), d. h. Alfons erwirtschaftet einen Verlust i. H. v. 600 €. 2.2.2 Die sieben Einkunftsarten Während im vorangegangenen Kapitel auf die grundlegenden Gemeinsam‐ keiten und die Unterschiede der Einkünfte bzgl. der Gewinn- und Über‐ schussermittlung eingegangen wurde, werden die sieben Einkunftsarten nun einzeln dargestellt. Hierbei wird der Verständlichkeit halber zwischen den Gewinn- und den Überschusseinkunftsarten differenziert. 2.2.2.1 Die Gewinneinkunftsarten a) Gemeinsame Grundmerkmale Die nachfolgenden, in § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG expressis verbis genannten Grundmerkmale müssen als Tatbestandsvoraussetzungen bei allen betrieb‐ lichen Einkunftsarten vorhanden sein: 90 2 Einkommensteuer <?page no="91"?> ■ Selbständigkeit Das Merkmal der Selbständigkeit ist die Übernahme eigener Unterneh‐ merinitiative und das Tragen des eigenen Unternehmerrisikos; d. h. ein Selbständiger handelt auf eigene Rechnung bzw. Gefahr und trägt das Risiko für den Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens. Das Merkmal dient der Abgrenzung zur Unselbständigkeit, die bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) gegeben ist. Entscheidend ist letztlich das Gesamtbild der Verhältnisse. Indizien für die Einordnung können sein (vgl. Tabelle 9). Tab. 9: Abgrenzung der Selbständigkeit von der Unselbständigkeit 91 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="92"?> ■ Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit ist dann gegeben, wenn die Tätigkeit mit der Absicht der regelmäßigen Wiederholung ausgeübt wird und geplant ist, aus der Tätigkeit eine ständige Erwerbsquelle zu machen. Auch eine einmalige Tätigkeit kann dann nachhaltig sein, wenn sie mit Wiederholungsab‐ sicht ausgeübt wird oder ein innerer Zusammenhang zwischen mehre‐ ren Einzeltätigkeiten besteht (bspw. der Bau eines Tunnels). Beispiel: Johann ist Mitarbeiter der Automobilfirma Audi-AG. Als solcher erhält er alle zwei Jahre einen Pkw zum Vorzugspreis. Das Fahrzeug veräußert Johann jeweils nach Ablauf von zwei Jahren mit Gewinn. Der Veräußerungsgewinn ist nicht einkommensteuerpflichtig. Es ist keine Nachhaltigkeit gegeben, da Johann nur alle zwei Jahre einen Umsatz tätigt. ■ Gewinnerzielungsabsicht Des Weiteren ist erforderlich, dass ein Überschuss der Betriebseinnah‐ men über die Betriebsausgaben und damit eine Betriebsvermögensmeh‐ rung in Gestalt eines Totalgewinns angestrebt wird. Soll die Tätigkeit lediglich zu einer Minderung der Steuern vom Einkommen führen, indem Verluste im Wege des Verlustausgleichs bzw. Verlustabzugs mit anderen Einkünften saldiert werden, wird keine Gewinnerzielungsab‐ sicht unterstellt (§ 15 Abs. 2 Satz 2 EStG). Die Gewinnerzielungsabsicht muss anhand objektiver Umstände nachvollziehbar sein. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung geeignet ist, von der Gründung bis zur Aufgabe einen Totalgewinn zu erzielen. Dabei ist nicht entscheidend, ob tatsächlich Gewinne erzielt werden, sondern dass Maßnahmen ersichtlich sind, die auf die Absicht, Gewinn zu erzielen, schließen lassen. Das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht ist in Form der Über‐ schusserzielungsabsicht auch bei den Haushaltseinkünften erforderlich. Fehlt es an der Gewinnerzielungsabsicht, liegen steuerlich irrelevante Liebhabereitätigkeiten vor (§ 12 EStG). ■ Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr Diese liegt dann vor, wenn sich der Steuerpflichtige mit seiner Tätigkeit an eine (auch beschränkte) Allgemeinheit wendet und dieser seine Leis‐ tungen gegen Entgelt anbietet. Eine bestimmte Anzahl an Abnehmern ist nicht erforderlich. Ausreichend ist bereits, wenn der Unternehmer 92 2 Einkommensteuer <?page no="93"?> für nur einen Vertragspartner bzw. für einen bestimmten Kundenkreis tätig wird. Wichtig ist aber, dass die Tätigkeit nach außen hervortritt. Die Produktion für den Eigenbedarf bildet daher keine steuerbare Tätigkeit. Die vier Positivkriterien der Gewinneinkunftsarten sind: ■ Selbständigkeit ■ Nachhaltigkeit ■ Gewinnerzielungsabsicht ■ Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr Beispiel: Maximilian wäscht jede Woche für 30 € das Auto seiner Frau Maria. Es liegt keine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vor, da Maximilian für den Eigenbedarf tätig wird. b) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG) Allgemeine Voraussetzungen für das Vorliegen land- und forstwirtschaft‐ licher Tätigkeit sind die Erfüllung der allgemeinen Positivmerkmale der Gewinneinkunftsarten (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG) sowie eine Tätigkeit i. S. d. § 13 EStG. Unter der Land- und Forstwirtschaft ist die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung und Verwertung von Pflanzen und Tieren (Urproduktion) zu verstehen. Das Einkommen‐ steuergesetz enthält keine explizite Definition des Begriffs „Land- und Forstwirtschaft“, sondern listet in § 13 Abs. 1 und 2 EStG die Einkünfte auf, welche den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen sind. Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören insbesondere: 93 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="94"?> ■ Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Wein- und Gartenbau sowie Tierzucht und Tierhaltung (innerhalb der Grenzen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG), ■ Einkünfte aus der Jagd, wenn ein Zusammenhang zum land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gegeben ist, ■ Einkünfte aus einem land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieb; d. h. □ aus Nebenleistungen, □ aus land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieben oder □ aus einer Produktionsaufgaberente, ■ Einkünfte aus der Veräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, eines Teilbetriebs oder eines Anteils an einem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen (§ 14 i. V. m. § 14a bzw. § 16 EStG). 94 2 Einkommensteuer <?page no="95"?> Land- und Forstwirte, die gem. § 140 oder § 141 Abs. 1 AO zur Buchführung verpflichtet sind oder freiwillig Bücher führen, ermitteln ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 EStG. Bei steuerpflichti‐ gen Land- und Forstwirten, die nicht der Buchführungspflicht unterliegen und auch nicht freiwillig Bücher führen, erfolgt die Gewinnermittlung grundsätzlich nach Durchschnittssätzen (§ 13a EStG). Besteht weder die Pflicht zur Buchführung noch zur Durchschnittssatzrechnung, so kann der Gewinn auch durch die Einnahmen-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermittelt werden. Zu den Vergünstigungen, die Land- und Forstwirten zustehen, zählen: ■ Freibetrag für Land- und Forstwirte i. H. v. 900 € bei einer Summe der Einkünfte von höchstens 30.700 € (§ 13 Abs. 3 EStG), ■ keine Gewerbesteuerpflicht. Voraussetzungen für das Vorliegen von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft: ■ Erfüllung der allgemeinen Positivmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG ■ Einkünfte i. S. d. § 13 Abs. 1 und 2 EStG c) Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) Ebenso wie bei der Land- und Forstwirtschaft und der selbständigen Arbeit i. S. d. § 18 EStG müssen auch hier die allgemeinen Positivmerkmale der betrieblichen Einkunftsarten erfüllt sein. Allerdings werden die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und selbständiger Arbeit i. S. d. § 18 EStG gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG explizit ausgeschlossen (negative Tatbestandsmerkmale). 95 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="96"?> 3 BFH v. 25.06.1984, GrS 4/ 82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, S. 751, BFH v. 14.07.2016, IV R 34/ 13, BStBl II 2017, S. 175. Zudem hat die Rechtsprechung in Anlehnung an § 14 AO das dritte Negativmerkmal „keine bloße Vermögensverwaltung“ entwickelt. 3 Durch das Tatbestandsmerkmal „keine bloße Vermögensverwaltung“ sollen private Handlungen, die auf die reine Verwaltung des eigenen Ver‐ mögens gerichtet sind, aus den gewerblichen Einkünften eliminiert werden. Auch der private Vermieter erfüllt nämlich die allgemeinen Positivmerkmale der gewerblichen Einkünfte. Wegen der Subsidiarität der Vermietungsein‐ künfte gegenüber den gewerblichen Einkünften gem. § 21 Abs. 3 EStG würde der Vermieter ohne dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal 96 2 Einkommensteuer <?page no="97"?> Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen. Die Unterscheidung zwischen der reinen Vermögensverwaltung und einer gewerblichen Tätigkeit kann sich im Einzelfall als sehr kompliziert erweisen. Einerseits stellen der An- und der Verkauf von Wirtschaftsgütern grundsätzlich eine gewerbliche Tätig‐ keit dar. Andererseits umfasst die private Vermögensverwaltung ebenso das Umschichten des Vermögens. Zur Abgrenzung lässt sich festhalten: Eine private Vermögensverwaltung liegt dann vor, wenn die Tätigkeit in einer reinen Administration des eigenen Vermögens bei entsprechender Fruchtziehung besteht und die Vermögensumschichtung dabei nicht im Vordergrund steht. Demgegenüber liegen gewerbliche Einkünfte dann vor, wenn die Verwertung des Vermögens durch Umschichtung entscheidend zur Gewinnerzielung beiträgt (R 15.7 EStR). Abb. 20: Merkmale der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 97 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="98"?> Tab. 10: Abgrenzung der Vermögensverwaltung von der gewerblichen Tätigkeit Beispiel: Alfons ist auf den Erwerb vermieteter Wohnungen spezialisiert. Wenn die Mieter ihr Mietverhältnis gekündigt haben, werden die Wohnungen von ihm umfassend renoviert und weiterveräußert. Auf diese Weise werden durchschnittlich vier Wohnungen pro Jahr erworben und veräußert. Nach gegebenem Sachverhalt muss von einem gewerblichen Grundstückshan‐ del ausgegangen werden. Die erworbenen Wohnungen sollen in erster Linie durch Weiterveräußerung und nicht durch Vermietung genutzt werden. Infolge der Qualifikation als gewerbliche Einkünfte sind nicht nur die Mieteinkünfte steuerpflichtig, sondern auch die Gewinne aus den Veräußerungsgeschäften. Die erzielten Gewinne unterliegen neben der Einkommensteuer zusätzlich der Gewerbesteuer. Die folgende Abbildung zeigt den Umfang der Einkünfte aus Gewerbebe‐ trieb. 98 2 Einkommensteuer <?page no="99"?> Abb. 21: Umfang der Einkünfte aus Gewerbebetrieb Beim gewerblichen Einzelunternehmen ist nicht das Einzelunternehmen Steuersubjekt der Einkommensteuer, sondern der dahinterstehende Inhaber als natürliche Person. Eine Personengesellschaft als ein Zusammenschluss von Personen besitzt nämlich nur die Teilrechtsfähigkeit und ist per Definition nicht einkom‐ mensteuerpflichtig. Die Gesellschafter sind in diesem Fall nämlich die Steuersubjekte i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Hierbei beziehen sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb anteilig in Höhe ihrer Beteiligung, wenn die Personengesellschaft selbst einen Gewerbebetrieb unterhält (= Gewer‐ bebetrieb kraft gewerblicher Betätigung) oder wenn eine oder mehrere Kapitalgesellschaften - bei fehlender gewerblicher Betätigung - alleinige persönlich haftende Gesellschafter der Personengesellschaft sind und nur diese oder Nichtgesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt sind (= Gewerbebetrieb kraft gewerblicher Prägung). Darüber hinaus muss der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sein. Dies ist dann der Fall, wenn er Unternehmerrisiko trägt und Unternehmerinitiative entfaltet. Siehe Abschnitt 2.3 in diesem Buch zu weitergehenderen Erläuterungen bzgl. der Besteuerung von Personengesellschaften. 99 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="100"?> Sowohl bei Einzelunternehmen als auch bei Personengesellschaften erfolgt die Versteuerung der Einkünfte über den Inhaber bzw. Gesell‐ schafter als natürliche Personen im Rahmen der privaten Einkommen‐ steuerveranlagung. Nach § 16 EStG werden folgende Veräußerungsgeschäfte eines Betriebs unterschieden: 1. Veräußerung eines ganzen Gewerbebetriebs (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 1. Alternative EStG): Hierbei werden die wesentlichen Grundlagen des Betriebs unter Aufrechterhaltung des geschäftlichen Organismus entgeltlich auf den Erwerber übertragen. Die tatsächliche Fortführung des Betriebs ist hierbei nicht erforderlich (R 16 Abs. 1 EStR). Unschädlich ist auch das Zurückbehalten von Wirtschaftsgütern, die nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören, um sie später bei einer sich bietenden Gelegenheit zu verkaufen. 2. Veräußerung eines Teilbetriebs (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 2. Alternative EStG): Ein Teilbetrieb ist ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist (z. B. Gastwirtschaft, die zu einer Brauerei gehört). Als Teilbetrieb gilt auch eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die das gesamte Nennkapital der Gesellschaft umfasst. 3. Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils oder Komplementär‐ anteils (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG). 4. Aufgabe des Gewerbebetriebs oder eines Anteils i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG). Beispiel: Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs Hermann veräußert seine Kfz-Werkstatt für 500.000 € an Dorothea. Er überträgt die Forderungen und Verbindlichkeiten sowie das gesamte Inventar der Werkstatt auf die Erwerberin. Veräußert ein Mitunternehmer einer Personengesellschaft nur einen Teil seiner Beteiligung, so ist gem. § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG der hieraus erzielte Veräußerungsgewinn ein laufender Gewinn i. S. v. § 15 EStG und kein begünstigter Gewinn i. S. v. § 16 EStG. 100 2 Einkommensteuer <?page no="101"?> Der Veräußerungsgewinn ermittelt sich gem. § 16 Abs. 2 EStG wie folgt: Veräußerungspreis ./ . Veräußerungskosten ./ . Steuerlicher Buchwert des Eigenkapitals (Betriebsvermögen nach §§ 4 Abs. 1 oder 5 EStG) = Veräußerungsgewinn (-verlust) Bild_S90.pdf Veräußerungsgewinne i. S. d. § 16 EStG können steuerbegünstigt sein. Die steuerliche Begünstigung von Veräußerungsgewinnen bezweckt, den zusammengeballten Gewinn aus der Realisierung aller stillen Reserven am Ende der unternehmerischen Tätigkeit steuerlich zu entlasten. Dies geschieht durch zwei Begünstigungsvorschriften: ■ Gewährung eines Freibetrags gem. § 16 Abs. 4 EStG. Demnach erhält ein Steuerpflichtiger, der sein 55. Lebensjahr vollendet hat oder dauernd berufsunfähig ist, auf Antrag einen Freibetrag i. H. v. 45.000 €. Dieser Freibetrag kann nur einmal (im Leben) vom Steuerpflichtigen in An‐ spruch genommen werden. Er verringert sich jedoch um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn 136.000 € übersteigt. Insbesondere kleinere Veräußerungsgewinne werden somit von der steuerlichen Belastung zur Gänze ausgenommen. ■ Der verbleibende Veräußerungsgewinn wird mit einem ermäßigten Steuersatz i. S. d. § 34 Abs. 1 EStG („Fünftelregelung“) oder stattdes‐ sen auf Antrag des Steuerpflichtigen - unter bestimmten Vorausset‐ zungen - mit dem Sondertarif des § 34 Abs. 3 EStG („reduzierter Durchschnittssteuersatz“) besteuert. Siehe hierzu die Erläuterungen in Abschnitt 2.2.8.3 in diesem Buch. Kumulative Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Veräuße‐ rungsfreibetrags: ■ Betriebsveräußerung oder -aufgabe i. S. d. § 16 EStG ■ 55. Lebensjahr vollendet oder dauernd berufsunfähig ■ Freibetrag noch nie in Anspruch genommen 101 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="102"?> Beispiel: Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs Wilhelm veräußert seinen ganzen Gewerbebetrieb zum 31.12.2022 für 420.000 € an Friedrich. Im Zusammenhang mit dem Verkauf fallen Beratungskosten i. H. v. 5.000 € an. Die Bilanz des Gewerbebetriebs weist im Veräußerungszeitpunkt folgende Positionen aus: Beispiel_S91.pdf Aktiva Bilanz zum 31.12.2022 Passiva Anlagevermögen 275.000 € Eigenkapital 250.000 € Umlaufvermögen 125.000 € Verbindlichkeiten 150.000 € Bilanzsumme 400.000 € Bilanzsumme 400.000 € Wilhelm bezieht Einkünfte gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, da er seinen ganzen Gewerbebetrieb mit Gewinn an Friedrich veräußert hat. Der Veräußerungsge‐ winn berechnet sich gem. § 16 Abs. 2 EStG wie folgt: Beispiel_S92_1.pdf Veräußerungspreis ./ . Veräußerungskosten ./ . Buchwert des Kapitals 420.000 € ./ . 5.000 € ./ . 250.000 € = Veräußerungsgewinn ./ . Freibetrag (§ 16 Abs. 4 EStG) Kürzung (165 T€ ./ . 136 T€) 45.000 € ./ . 29.000 € 16.000 € = 165.000 € ./ . 16.000 € = steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn = 149.000 € Der Veräußerungsgewinn i. H. v. 149.000 € stellt gem. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG außerordentliche Einkünfte i. S. d. § 34 EStG dar. Demzufolge wird der Gewinn mit dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG („Fünftelregelung“) oder wahlweise - auf Antrag und wenn die Voraussetzungen gegeben sind - mit dem Sondertarif des § 34 Abs. 3 EStG („reduzierter Durchschnittssteuersatz“) weiter steuerlich begünstigt. Siehe hierzu die Erläuterungen in Abschnitt 2.2.8.3 in diesem Buch. Bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils entspricht dessen Buchwert dem Kapitalkonto des Mitunternehmers und seinem etwai‐ gen Sonderbetriebsvermögen. 102 2 Einkommensteuer <?page no="103"?> Beispiel: Veräußerung eines Mitunternehmeranteils An der Teufel-OHG sind Heinrich, Margarete und Valentin zu gleichen Teilen beteiligt. Zum 31.12.2022 veräußert Heinrich seinen Anteil an Lieschen für 800.000 €. Untenstehende Bilanz zeigt die Buchwerte und die tatsächlichen Werte der einzelnen Posten: Aktiva Bilanz zum 31.12.2022 der Teufel-OHG (T € ) Passiva Buchwert tats. Wert Buchwert tats. Wert Firmenwert — 300 Kapital Heinrich 600 800 Grund u. Boden 300 600 Kapital Margarete 600 800 Gebäude 600 600 Kapital Valentin 600 800 Waren 900 900 Bilanzsumme 1.800 2.400 Bilanzsumme 1.800 2.400 Beispiel_S92_2.pdf Heinrich veräußert seine Anteile an den einzelnen Wirtschaftsgütern nicht zu den Bilanzwerten, sondern zu den tatsächlichen Werten an Lieschen. Da die stillen Reserven aufgedeckt werden, erzielt Heinrich einen begünstigten Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Der Veräußerungspreis ermittelt sich gem. § 16 Abs. 2 EStG wie folgt: Beispiel_S93.pdf Veräußerungspreis ./ . Veräußerungskosten ./ . Buchwert des Eigenkapitals 800.000 € ./ . 0 € ./ . 600.000 € = Veräußerungsgewinn ./ . Freibetrag (§ 16 Abs. 4 EStG) Kürzung (200 T€ ./ . 136 T€) 45.000 € ./ . 64.000 € = 200.000 € = ./ . 0 € = steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn = 200.000 € Der Veräußerungsgewinn i. H. v. 200.000 € stellt außerordentliche Einkünfte i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG dar. Demzufolge wird der Gewinn mit dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG („Fünftelregelung“) oder wahlweise - auf Antrag und wenn die Voraussetzungen gegeben sind - mit dem Sondertarif des § 34 Abs. 3 EStG („reduzierter Durchschnittssteuersatz“) weiter steuerlich begünstigt. Siehe hierzu die Erläuterungen in Abschnitt 2.2.8.3 in diesem Buch. 103 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="104"?> Erfolgt die Veräußerung nicht zum Ende des Wirtschaftsjahres, ist die Aufstellung eines Zwischenabschlusses erforderlich. Die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft ist danach zu unterscheiden, ob sie im Privat- oder Betriebsvermögen gehalten werden. ■ Im Betriebsvermögen liegen, unabhängig von der Höhe der Beteili‐ gung und der Behaltefrist, Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 EStG vor. Etwaige Veräußerungsgewinne unterliegen dem individuellen Steuertarif unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gem. § 3 Nr. 40 Bst. a EStG. ■ Beim Privatvermögen ist zunächst die Höhe der Beteiligung festzu‐ stellen: □ Bei einer Beteiligung unter 1 % liegen unabhängig von der Behal‐ tefrist Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 2 EStG vor, welche der Abgeltungsteuer nach § 32d EStG unterliegen. □ War hingegen die Beteiligungshöhe zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre größer als 1 %, so werden unabhän‐ gig von der Behaltefrist Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 17 EStG erzielt. Diese werden mit dem individuellen Steuertarif unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gem. § 3 Nr. 40 Bst. c EStG versteuert. Die unterschiedliche Besteuerung der Veräußerungsgeschäfte wird in der folgenden Abbildung veranschaulicht. 104 2 Einkommensteuer <?page no="105"?> Abb. 22: Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Antei‐ len an einer Kapitalgesellschaft zählen gem. § 17 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung zu irgendeinem Zeitpunkt am Kapital der Gesellschaft zu mindestens 1 % beteiligt war. Ursprünglich (bis 1998) betrug diese Betei‐ ligungsgrenze 25 %. Eine Beteiligung in dieser Höhe wertete der Gesetzgeber als einem Mitunternehmer ähnliches unternehmerisches Engagement und rechtfertigte damit die Besteuerung der stillen Reserven in der Beteiligung. Im Zeitraum vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2001 betrug die Beteiligungs‐ grenze 10 %. Mit der Absenkung dieser Grenze auf 1 % seit dem Jahr 2002 ist diese Argumentation nicht mehr stichhaltig, sodass die Zuordnung des § 17 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb sehr kritisch zu sehen ist. Beispiel: Beteiligung i. S. d. § 17 EStG Therese ist seit Jahren mit 5 % an der Meister-AG beteiligt. Am 12.08.2022 veräußerte sie die Hälfte ihrer Anteile (= 2,5 % an der Meister-AG), die sie im 105 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="106"?> Privatvermögen hält. Therese war innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens 1 % an der Meister-AG beteiligt. Somit stellt der Veräußerungsgewinn Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar und ist nach § 17 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 3 Nr. 40 Bst. c EStG zu versteuern. Hält Therese hingegen 0,5 % an der Meister-AG in ihrem Privatvermögen, so erzielt Therese bei einem Verkauf unabhängig von der Behaltefrist, Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 EStG. Die Versteuerung erfolgt in diesem Fall durch die Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1 EStG. Darüber hinaus ist zu beachten, dass laufende Einkünfte aus im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften Kapitaleinkünfte i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG darstellen. Nur wenn Anteile i. S. d. § 17 EStG veräußert werden, liegen nicht Einkünfte i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG, sondern Einkünfte aus Gewerbe‐ betrieb vor. Die Veräußerung von Anteilen im Sinne des § 17 EStG führt zu Einkünften aus Gewerbebetrieb. Die laufenden Kapitalerträge aus solchen Anteilen (= Dividenden) führen aber zu Einkünften im Sinne des § 20 EStG. Veräußerungsgewinne i. S. d. § 17 EStG unterliegen nicht der Abgeltung‐ steuer, sondern werden nach den Grundsätzen des sog. Teileinkünftever‐ fahrens besteuert. Gem. § 3 Nr. 40 Bst. c EStG unterliegen lediglich 60 % des Veräußerungspreises der Besteuerung mit dem individuellen Steuersatz. Im Gegenzug dürfen gem. § 3c Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 EStG auch nur 60 % der Veräußerungs- und Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns abgezogen werden. Der Veräußerungsgewinn wird durch den Freibetrag gem. § 17 Abs. 3 EStG gemindert. Die Höhe des Freibetrags richtet sich danach, welcher Anteil am gesamten Nennkapital veräußert wird. Werden sämtliche Ge‐ sellschaftsanteile veräußert, beträgt der Freibetrag 9.060 €. Die Höhe der Begünstigung ermäßigt sich dann entsprechend, wenn nur ein Teil der Gesellschaftsanteile veräußert wird. Wird z. B. eine 25 %ige Beteiligung verkauft, beträgt der Freibetrag folglich 2.265 € (25 % von 9.060 €). § 17 Abs. 3 Satz 2 EStG schränkt den Freibetrag dadurch weiter ein, dass er sich um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn den Teil von 36.100 € übersteigt, der dem veräußerten Anteil an der Kapitalgesellschaft entspricht, verringert. Aufgrund der bereits ermäßigten Besteuerung durch das Teileinkünfteverfahren wird der Veräußerungsgewinn nicht zusätzlich 106 2 Einkommensteuer <?page no="107"?> durch § 34 EStG begünstigt. In § 34 Abs. 2 EStG werden Gewinne i. S. d. § 17 EStG daher nicht genannt. Siehe zur Besteuerung von außerordentlichen Einkünften Abschnitt 2.2.8.3 in diesem Buch. Beispiel: Margarete erwirbt eine 30 %ige Beteiligung an der Friedrich-AG für 128.000 € am 07.08.2021. Einige Zeit später veräußert sie die Anteile, die sie im Privatvermögen hält, für 153.000 €. Die Veräußerungskosten belaufen sich auf 3.000 €. Wie hoch ist der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn für den Fall, dass sie die Anteile am 24.01.2022 veräußert? Margarete erzielt Einkünfte aus § 17 EStG, da sie innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unmittelbar zu 30 % an der Friedrich-AG beteiligt war. Die Behaltefrist ist hierbei nicht von Bedeutung. Der Veräußerungsgewinn unterliegt dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Bst. c i. V. m. § 3c Abs. 2 EStG. Die Begünstigung des § 17 EStG kann hierbei in Anspruch genommen werden: Beispiel_S96.pdf 60% des Veräußerungspreises (§ 3 Nr. 40 Bst. c EStG) ./ . 60% der Veräußerungskosten (§ 3c Abs. 2 EStG) ./ . 60% der Anschaffungskosten (§ 3c Abs. 2 EStG) 91.800 € ./ . 1.800 € ./ . 76.800 € = Veräußerungsgewinn = 13.200 € ./ . Freibetrag (§ 17 Abs. 3 EStG) Mögl. Freibetrag (30% x 9.060 €) Ermäßigungsbetrag (13.200 € ./ . 30% x 36.100 €) Verbleibender Freibetrag 2.718 € ./ . 2.370 € 348 € ./ . 348 € = steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn = 12.852 € Der durch das Teileinkünfteverfahren begünstigte Veräußerungsgewinn i. S. d. § 17 EStG beträgt 12.852 €. Eine weitere Begünstigung durch die Abgeltungsteuer oder durch § 34 EStG ist nicht möglich. 107 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="108"?> d) Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) Damit Einkünfte aus selbständiger Arbeit vorliegen, müssen folgende drei Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Erfüllung der allgemeinen Positivmerkmale des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG sowie 2. eine Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 EStG, 3. die auf Dauer ausgelegt ist; sie darf zwar vorübergehend oder neben‐ beruflich, aber nicht nur gelegentlich sein § 18 Abs. 2 EStG. Eine gelegentliche Tätigkeit fällt unter § 22 Nr. 3 EStG. 108 2 Einkommensteuer <?page no="109"?> Abb. 23: Merkmale der Einkünfte aus selbständiger Arbeit Der Einsatz von Kapital bzw. Betriebsvermögen tritt bei einer selbständigen Tätigkeit gegenüber der persönlichen (geistigen und körperlichen) Arbeits‐ kraft des Steuerpflichtigen in den Hintergrund, da die Tätigkeit auf der Ausbildung und dem Können des Berufsträgers beruht. Hierbei können die Einkünfte aus selbständiger Arbeit sowohl von einzelnen Personen als auch von Personenzusammenschlüssen erzielt werden. Hat der Steuerpflichtige zur Mithilfe bei der Verrichtung seiner freien Berufstätigkeit geschulte Ar‐ beitskräfte angestellt und übernimmt er die Verantwortung und Leitung gegenüber seinen Mitarbeitern, ist seine Tätigkeit weiterhin als eine selbstän‐ dige Tätigkeit zu klassifizieren (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 und 4 EStG). Das Einkommensteuergesetz differenziert zwischen den vier grafisch dargestell‐ ten, unterschiedlichen Gruppen selbständiger Tätigkeiten (s. Abb. 24). 109 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="110"?> Abb. 24: Umfang der Einkünfte aus selbständiger Arbeit Die wichtigste Gruppe bilden die freiberuflichen Einkünfte gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Kennzeichen der ersten Unterkategorie (selbständige wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit) sind: ■ Wissenschaftlich arbeitend sind solche Personen, die forschend tätig sind und ihre Arbeit nach wissenschaftlichen Methoden verrichten. ■ Künstlerisch tätig sind die Personen, die eigenschöpferische Leistun‐ gen erbringen und die in ihren Werken eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreichen. ■ Schriftstellerisch tätig sind diejenigen Personen, die ihre eigenen Gedanken und Ideen in schriftlichen Werken veröffentlichen. ■ Unterrichtend tätig sind solche Personen, die an andere Personen Fähigkeiten und Wissen weitergeben (z. B. Sprach-, Fahr- oder Tanz‐ lehrer). 110 2 Einkommensteuer <?page no="111"?> ■ Erzieherisch tätig sind diejenigen Personen, die planmäßig auf die (geistige und körperliche) Entwicklung junger Menschen einwirken. Die in der zweiten Unterkategorie aufgelisteten Katalogberufe sind bei‐ spielhaft, d. h. nicht nur die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erwähnten Berufe zählen zu den Katalogberufen. Es werden dabei v. a. die Heilberufe, die wirtschafts- und rechtsberatenden sowie technischen Berufe erfasst, bei denen die persönliche Ausbildung und die persönliche qualifizierte Arbeitsleistung des Berufsträgers ausschlaggebend sind. Aufgrund der sich im Laufe der Zeit wandelnden Berufsbilder und -felder wurde § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG um die dritte Unterkategorie („ähnliche Berufe“) erweitert. Dabei müssen die zugrunde liegende Ausbildung und die berufliche Tätigkeit mit einem einzelnen oder mehreren aufgeführten Berufen vergleichbar sein. Zu den katalogähnlichen Berufen zählen z. B. Hebammen, Masseure und Diplom-Informatiker. Aufgrund der fehlenden Legaldefinition der freiberuflichen Tätigkeit ist die Abgrenzung zur Ge‐ werblichkeit in der Praxis oftmals nicht eindeutig, z. B. sind Mode- und Werbefotografen nicht künstlerisch tätig und üben somit ein Gewerbe aus. H15.6 „Abgrenzung selbständige Arbeit/ Gewerbebetrieb“ EStR listet beispielhaft selbständige und gewerbliche Tätigkeiten auf. Die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit umfassen: 1. die Katalogberufe 2. staatliche Lotterieeinnehmer 3. Testamentsvollstrecker, Vermögensverwalter, Aufsichtsratsmit‐ glieder 4. Einnahmen aus Beteiligungen an vermögensverwaltenden Gesell‐ schaften Die Aufzählung der in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG genannten Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit (Vergütungen für Testamentsvollstreckun‐ gen, für Vermögensverwaltung und Aufsichtsratstätigkeiten) ist ebenfalls nur beispielhaft. Darunter sind alle Arten einer verwaltenden Tätigkeit zu verstehen, wenn sie nicht im Rahmen eines Gewerbebetriebs ausgeübt werden. 111 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="112"?> 4 Vgl. BFH, 11.07.1991, BStBl. 1992 II, S. 353. Die Unterscheidung, ob eine selbständige oder aber eine gewerbli‐ che Tätigkeit vorliegt, ist von grundlegender Bedeutung, da bei einer Selbständigkeit die Einkünfte u. a. von der Gewerbesteuerpflicht befreit sind. Außerdem haben Gewerbetreibende grundsätzlich umfangreichere Buchführungs- und Bilanzierungspflichten zu erfüllen. Eine selbständige Tätigkeit liegt nur dann vor, wenn sie § 18 EStG ent‐ spricht. Wird neben einer freiberuflichen eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, sind gem. H 15.6 „gemischte Tätigkeit“ EStR die beiden Tätigkeiten steuerlich entweder getrennt oder einheitlich zu behandeln. Hierbei ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob ein Einzelunternehmen oder eine Personengesellschaft betrachtet wird. Personengesellschaften können grundsätzlich Gewinnein‐ kunftsarten und Überschusseinkunftsarten erzielen. Gewinneinkünfte erzie‐ lende Personengesellschaften können entweder nur gewerbliche Einkünfte oder ausschließlich Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit erzielen. Im Ge‐ gensatz dazu können Einzelunternehmen sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit nebeneinander ausüben. Die getrennte Behandlung ist bei Einzelunternehmen dann der Fall, wenn die natürliche Person sowohl eine gewerbliche als auch eine selbständige Tätigkeit ausübt und zwischen den beiden Tätigkeiten kein oder nur ein gewisser sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Somit werden nebeneinander Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) und selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) erzielt. Es handelt sich um eine sog. trennbar gemischte Tätigkeit. 4 Beispiel: Silvia ist Rechtsanwältin und erzielt hiermit Einkünfte aus § 18 EStG. Gleichzeitig hat sie auf ihrem Familienhaus eine Photovoltaikanlage installiert und erzielt hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 EStG. Lassen sich Einkünfte aus verschiedenen Erwerbsquellen nicht trennen, da eine Trennung eine innerlich zusammenhängende Tätigkeit zerreißen würde, ist eine untrennbar gemischte Tätigkeit gegeben. Entsprechend dem Schwerpunkt der Tätigkeit liegt letztendlich eine Selbständigkeit i.S.d. § 18 EStG oder Einkünfte gem. § 15 EStG vor. Ausschlaggebend hierbei ist das Gesamtbild der Tätigkeit. Ein Gewerbe wird dann angenommen, wenn die Tätigkeit nach der Verkehrsauffassung als eine Einheit anzusehen ist und die Freiberuflichkeit eine untergeordnete Rolle spielt. Entscheidend ist 112 2 Einkommensteuer <?page no="113"?> 5 Vgl. BFH, 02.10.2003, BStBl. 2004 II, S. 363. 6 Vgl. BFH, 28.06.2001, BStBl. 2002 II, S. 338. 7 Vgl. BFH, 27.06.1974, BStBl. 1975 II, S. 147. hier nicht das relative Verhältnis von Umsatz oder Gewinn, sondern welche Einkunftsquelle die Gesamttätigkeit prägt. 5 Spielen im umgekehrten Fall bei Einzelunternehmen die gewerblichen Einkünfte eine untergeordnete Rolle, so sind die Einkünfte insgesamt freiberuflich. Beispiel: Alfons ist Steuerberater und übernimmt für seine Mandanten neben der Aufstel‐ lung der Jahresbilanz und der Erstellung der Steuererklärung auch die Buchfüh‐ rung. Die Buchführung im Auftrag des Mandanten stellt dem Grunde nach eine gewerbliche Tätigkeit gem. § 15 EStG dar. 6 Hingegen ist die Steuerberatung und die Bilanzaufstellung eine freiberufliche Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Es liegt aber eine untrennbar gemischte Tätigkeit vor, da die Tätigkeiten sich gegenseitig bedingen und derartig miteinander verflochten sind, dass der ganze Betrieb nach der Verkehrsauffassung als einheitlich anzusehen ist, d. h. das Ergebnis der einen Tätigkeit ist ohne die andere Tätigkeit unbrauchbar. 7 Da aber die Buchführung in der Regel im steuerlichen Betreuungsvertrag von untergeordneter Bedeutung ist, ist die gesamte Tätigkeit hieraus als freiberufliche Tätigkeit anzusehen. Üben mehrere Personen eine freiberufliche Tätigkeit i. S. d. § 18 EStG gemeinsam in Form einer Personengesellschaft aus, erzielt jeder Gesell‐ schafter Einkünfte aus einem freien Beruf. Ein Beispiel hierfür wäre ein Zusammenschluss von drei Ärzten zu einer Gemeinschaftspraxis. Übt die Personengesellschaft allerdings zusätzlich zu der freiberuflichen eine gewerbliche Tätigkeit aus, erfolgt - mit Ausnahme einer untrennbar gemischten Tätigkeit zu einer überwiegend als freiberuflich zu quali‐ fizierenden Tätigkeit - die Einteilung in selbständige oder gewerbliche Einkünfte durch die Geprägetheorie oder die Abfärbebzw. Infektionsthe‐ orie gem. § 15 Abs. 3 EStG. Hiernach ist es Personengesellschaften bei trennbar gemischter Tätigkeit grundsätzlich nicht möglich, freiberuflich und zugleich gewerblich tätig zu sein. Die Geprägetheorie geht der Frage nach, ob die Tätigkeit einer Per‐ sonengesellschaft gewerblich oder freiberuflich ist. Bei einer tatsächlich land- und forstwirtschaftlichen oder freiberuflichen Personengesellschaft 113 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="114"?> 8 BFH v. 27.08.2014, BStBl. 2015 II, S. 996. wird nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG eine ausgeübte Tätigkeit insgesamt als gewerblich angesehen, wenn der persönlich haftende Gesellschafter (Komplementär) eine oder mehrere Kapitalgesellschaften sind und nur diese oder ein Nicht-Gesellschafter zur Geschäftsführung befugt sind. In diesem Fall handelt es sich dabei um eine sog. gewerblich geprägte Personenge‐ sellschaft, z. B. eine GmbH & Co. KG. Im Gegensatz zum Einzelunternehmen kann eine trennbar gemischte Tätigkeit der Personengesellschaft nicht in zwei Einkunftsarten aufgeteilt werden. Erzielt eine Personengesellschaft bei trennbar gemischter Tätigkeit auch nur geringfügig gewerbliche Einkünfte, so färbt die gewerbliche Ein‐ kunftsart auf alle anderen Tätigkeitsbereiche ab. Sie erzielt daher regelmäßig insgesamt und in vollem Umfang gewerbliche Einkünfte (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). Zu einer Infizierung kommt es ausnahmsweise dann nicht, wenn ■ die gewerblichen Nettoumsatzerlöse eine Bagatellgrenze i. H. v. 3 % der Gesamtnettoumsätze der Gesellschaft und ■ darüber hinaus den Höchstbetrag von 24.500 € im Veranlagungszeit‐ raum nicht überschreiten. 8 Die Abfärbetheorie gilt nur für Personengesellschaften, da sich eine klare Trennung der verschiedenen Einkunftsarten bei einer Vielzahl von Mitun‐ ternehmern als schwieriger erweist als bei Einzelunternehmen. Zudem wird Mitunternehmerschaften die Möglichkeit eingeräumt, durch steuerliche Gestaltung, insbesondere durch Gründung einer weiteren Personengesell‐ schaft, die Anwendung der Abfärberegelung zu vermeiden. 2.2.2.2 Die Überschusseinkunftsarten a) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) Arbeitnehmer beziehen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. d. § 19 EStG. § 1 Abs. 1 LStDV definiert Arbeitnehmer als „Personen, die in öffentli‐ chem oder privatem Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem Dienstverhältnis oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Arbeitnehmer sind auch die Rechtsnachfolger dieser Personen, soweit sie Arbeitslohn aus dem früheren Dienstverhältnis ihres Rechtsvorgängers beziehen.“ Ein Dienstverhältnis liegt dann vor, wenn der Angestellte dem 114 2 Einkommensteuer <?page no="115"?> Arbeitgeber seine Arbeitskraft derart schuldet, dass er in der Betätigung seines geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (§ 1 Abs. 2 LStDV). Einkünfte i. S. d. § 19 EStG umfassen: ■ Laufende und einmalige Bar- und Sachbezüge ■ aus einem früheren oder bestehenden Dienstverhältnis eines Arbeitnehmers ■ bestimmte Zuwendungen anlässlich von Betriebsveranstaltungen ■ bestimmte Zahlungen des Arbeitgebers an betriebliche Versor‐ gungssysteme 115 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="116"?> § 19 EStG umfasst alle laufenden und einmaligen Zahlungen, die einem Arbeitnehmer oder seinem Rechtsnachfolger anlässlich eines bestehenden oder früheren öffentlichen oder privaten Dienstverhältnisses zufließen. Dabei können die Zahlungen sowohl in Geld als auch in Sachleistungen (sog. Sachbezüge) bestehen. Abb. 25: Umfang der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Sachbezüge i. S. d. § 8 Abs. 2 EStG sind bspw. freie Wohnung, Kost, die private Nutzung eines Dienstwagens oder Waren und Dienstleistungen. Sie stellen lediglich einen abgekürzten Zahlungsweg dar und gehören somit zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die dabei erhaltenen Vergünstigungen bilden einen geldwerten Vorteil und unterliegen als Ar‐ beitslohn grundsätzlich dem Lohnsteuerabzug. Die Sachbezüge sind mit den üblichen Endpreisen am Abgabeort, d. h. mit dem Einzelhandelspreis inkl. Umsatzsteuer, zu bewerten. Davon sind 4 % Bewertungsabschlag abzuziehen. Der verbleibende Betrag ist um das tatsächlich gezahlte Entgelt des Arbeitnehmers zu kürzen. Danach ist der sog. Rabattfreibetrag i. H. v. 1.080 € (§ 8 Abs. 3 Satz 2 EStG) abzuziehen. Der Restbetrag ist als Arbeits‐ lohn i. S. d. § 19 EStG zu versteuern. Als verkaufsüblicher Endpreis wird regelmäßig der Angebotspreis angenommen. Nach der Rechtsprechung des BFH sind die üblichen Preisnachlässe bei der Besteuerung von Beleg‐ schaftsrabatten zu berücksichtigen, da in einigen Branchen die tatsächlich gezahlten Preise häufig deutlich unter den ausgezeichneten Preisen liegen. Vom Angebotspreis kann laut BFH immer dann abgewichen werden, wenn 116 2 Einkommensteuer <?page no="117"?> 9 Vgl. BFH, 17.06.2009, VI R 18/ 07, DStR 2009, S. 1803. nach den Gepflogenheiten im allgemeinen Geschäftsverkehr tatsächlich ein niedrigerer Preis gefordert wird, z. B. in der Automobilbranche. 9 Der steuerpflichtige Arbeitslohn in Form von Sachbezügen wird somit wie folgt ermittelt: ./ . Angebotspreis üblicher Rabatt für Privatkunden = ./ . verkaufsüblicher Endpreis 4 % des verkaufsüblichen Endpreises = ./ . verbleibender Endpreis tatsächlich gezahltes Entgelt des Arbeitnehmers = ./ . Arbeitslohn (geldwerter Vorteil) Rabattfreibetrag (1.080 €) = steuerpflichtiger Arbeitslohn (zu versteuernder geldwerter Vorteil) Bild_S104.pdf Beispiel: Albert ist Arbeitnehmer der Audi-AG, die Automobile herstellt. In der Automo‐ bilbranche wird ein Privatkundenrabatt von 10 % angenommen. Er kauft einen Pkw der Marke Audi mit folgender Rechnung: Beispiel_S104.pdf Pkw-Listenpreis ./ . Personalrabatt 20% 25.000 € ./ . 5.000 € = Verkaufspreis = 20.000 € 117 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="118"?> Der steuerpflichtige Arbeitslohn von Albert berechnet sich wie folgt: Beispiel_S105.pdf Angebotspreis ./ . üblicher Preisnachlass 25.000 € ./ . 2.500 € = verkaufsüblicher Endpreis ./ . 4% des verkaufsüblichen Endpreises = 22.500 € ./ . 900 € = verbleibender Endpreis ./ . tatsächlich gezahltes Entgelt des Arbeitnehmers = 21.600 € ./ . 20.000 € = Arbeitslohn (geldwerter Vorteil) ./ . Rabattfreibetrag = 1.600 € ./ . 1.080 € = steuerpflichtiger Arbeitslohn (zu versteuernder geldwerter Vorteil) = 520 € Albert muss den Betrag von 520 € als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit versteuern. Ob und inwieweit Zuwendungen aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zu Arbeitslohn führen, ist mit Wirkung vom 1.1.2015 erstmals gesetzlich in § 19 Abs. 1 Nr. 1a EStG geregelt. Demnach führen Zuwendungen aus Anlass einer Betriebsveranstaltung grundsätzlich zu Arbeitslohn. Dies gilt nicht für Zuwendungen bis zu 110 € je Betriebsveranstaltung und je teilnehmenden Arbeitnehmer und für bis zu zwei Betriebsveranstaltungen jährlich. Zu den Einkünften aus einem früheren Dienstverhältnis i. S. d. § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG zählen insbesondere Beamtenpensionen und Betriebsrenten (= Versorgungsbezüge) - nicht jedoch Rentenbezüge von einem Versiche‐ rungsträger (z. B. Sozialversicherungsrenten). Diese zählen zu den sonstigen Einkünften i. S. d. § 22 EStG. Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2004 waren Versorgungsbezüge grundsätzlich voll steuerpflichtig, während Sozialversicherungsrenten als sonstige Einkünfte i. S. d. § 22 Nr. 1 EStG nur mit ihrem Ertragsanteil besteu‐ ert wurden. Um diesen steuerlichen Vorteil der Sozialversicherungsrenten auszugleichen, gab es bereits seit Langem den sog. Versorgungs-Freibe‐ trag nach § 19 Abs. 2 EStG, der bis zu 40 % der Versorgungsbezüge steuerfrei gestellt hat. Seit dem 01.01.2005 erfolgt eine schrittweise Anpassung der Besteuerung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung an die nachgelagerte Besteuerung von Beamtenpensionen. Damit einhergehend werden auch die Vergünstigungen des Versorgungs-Freibetrags nach und nach über einen Zeitraum bis 2040 vollständig abgeschmolzen. Dabei wird der Prozentsatz, 118 2 Einkommensteuer <?page no="119"?> der für die Höhe des Freibetrags maßgeblich ist, zunächst in Schritten von jeweils 1,6 Prozentpunkten p. a. (ausgehend von 40 % der Versorgungsbezüge bei einem Versorgungsbeginn bis einschließlich 2005) abgesenkt. Ab dem Jahr 2021 erfolgt die Abschmelzung in 0,8-Prozentpunkt-Schritten. Parallel dazu wird der Höchstbetrag von 3.000 € (für Bestandsfälle und den Pensi‐ onärsjahrgang 2005) bis zum Jahr 2040 schrittweise auf 0 € herabgesetzt. Die Ermittlung des tatsächlich gewährten Versorgungs-Freibetrags rich‐ tet sich dabei nach dem jeweiligen Jahr des Versorgungsbeginns. Fällt dieses in einen Zeitraum vor 2005, ist auf das Zwölffache des Versorgungsbezugs für Januar 2005 als Bemessungsgrundlage abzustellen. Bei einem späteren Versorgungsbeginn sind die zwölffachen Bezüge des ersten vollen Monats heranzuziehen (§ 19 Abs. 2 Satz 4 EStG). Zu beachten bleibt, dass der einmal ermittelte Freibetrag gem. § 19 Abs. 2 Satz 8 EStG grundsätzlich - d. h., wenn es zu keinen unregelmäßigen Anpassungen, wie z. B. Einkommens‐ anrechnungen, kommt - für die gesamte Laufzeit des Versorgungsbezugs festgeschrieben wird. Beispiel: Der 35-jährige Armin verlor bei einem Autounfall im März 2017 sein Sehvermö‐ gen. Seinen Beruf als Beamter kann Armin daher nicht mehr ausüben. Seit April desselben Jahres erhält er Beamtenpensionszahlungen i. H. v. 1.000 € pro Monat. In welcher Höhe kann Armin im Jahr 2022 den Versorgungs-Freibetrag geltend machen? Die Beamtenpensionen stellen gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Bst. a EStG Versorgungsbezüge dar. Die Ermittlung des Freibetrags richtet sich nach dem Jahr des Versorgungsbeginns (2017). Bemessungsgrundlage ist das Zwölffache des Versorgungsbezugs des ersten vollen Monats (12×1.000 € = 12.000 €). Nach § 19 Abs. 2 Satz 3 EStG sind 20,8 % der Bezüge - d. h. 2.496 € - steuerfrei. Armin kann aber maximal 1.560 € als Versorgungs-Freibetrag ansetzen. Mit Wirkung zum 1.7.2021 hat der deutsche Gesetzgeber mit § 19a EStG eine Sondervorschrift für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei Vermö‐ gensbeteiligungen eingeführt. Dadurch sollen Kapitalbeteiligungen von Mitarbeitern an dem jeweiligen Arbeitgeber, z. B. an Start-Up-Unternehmen, steuerlich attraktiver gestaltet werden. Eine Besteuerung des geldwerten Vorteils im Fall eines unentgeltlichen oder verbilligten Anteilserwerbs durch das Personal, der vom Arbeitsgeber zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird, erfolgt erst spätestens nach zwölf Jahren. Werden die Anteile bereits früher übertragen oder das Arbeitsverhältnis beendet, 119 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="120"?> erfolgt die Besteuerung zum entsprechenden Zeitpunkt. Für die Bewertung des steuerpflichtigen geldwerten Vorteils ist auf den Zeitpunkt der Anteils‐ übertragung auf die Mitarbeiter abzustellen. Die tatsächliche Besteuerung erfolgt ggf. erst viel später. Ein eventueller Wertverlust der Anteile zum Besteuerungszeitpunkt kann bei der Besteuerung des geldwerten Vorteils berücksichtigt werden. Generell ist ein Freibetrag für Vermögensbeteiligun‐ gen gem. § 3 Nr. 39 EStG i. H. v. 1.440 € pro Jahr nutzbar. Beispiel: Im März 2022 und März 2023 überlässt die Kalodion GmbH ihrer Arbeitnehmerin Katharina unentgeltlich jeweils 100 Geschäftsanteile, weil der Geschäftsführer David der Meinung ist, dass Katharina entsprechend incentiviert werden sollte. Für das Jahr 2022 betrage der nicht besteuerte Vorteil 2.000 € (nach Abzug des Freibetrages i. H. v. 1.440 €) bzw. 2.500 € (wiederum nach Abzug des Freibetrages i. H. v. 1.440 €) für das Jahr 2023. Katharina stimmt der Besteuerung in einem späteren Zeitpunkt nach § 19a Abs. 2 EStG zu. Im August 2026 veräußert Katharina 150 Aktien. Lösung: Durch die Veräußerung der 150 Aktien ist der Besteuerungstatbestand des § 19a Absatz 4 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllt. Im August 2026 sind 100 / 100 Aktien x 2.000 € = 2.000 € (für 2022) sowie 50 / 100 Aktien x 2.500 € = 1.250 € (für 2023), also zusammen 3.250 € steuerpflichtig. Im März 2035 - also zwölf Jahre nach Übertragung im Jahr 2023 - ist der Besteuerungstatbestand des § 19a Abs. 4 Nr. 2 EStG erfüllt. Demnach unterliegen die Vorteile i. H. d. Restbetrags von 1.250 €, also 2.000 € nicht besteuert im März 2022 zuzüglich 2.500 € nicht besteuert im März 2023 abzüglich der im August 2026 besteuerten Vorteile von 3.250 €, der Besteuerung. Daneben tritt die Besteuerung nach § 20 bzw. § 17 EStG im Zeitpunkt der Veräußerung der 50 Geschäftsanteile, die Katharina im März 2035 noch hat. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören auch sog. Zu‐ kunftssicherungsleistungen. Dies sind Ausgaben eines Arbeitgebers, „um einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 LStDV). § 19 Abs. 1 Nr. 3 EStG ergänzt diese Vorschrift und stellt klar, welche Zahlungen des Arbeitgebers an betriebliche Versorgungssysteme zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit 120 2 Einkommensteuer <?page no="121"?> zählen. Hierzu gehören bspw. Beiträge und Sonderzahlungen für eine nicht kapitalgedeckte Altersversorgung. Von den Einnahmen i. S. d. § 19 EStG können neben dem Versor‐ gungs-Freibetrag Werbungskosten abgezogen werden. § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG listet wichtige beruflich veranlasste Aufwendungen beispielhaft auf. Dazu gehören insbesondere: ■ Beiträge zu Berufsverbänden (z. B. Gewerkschaftsbeiträge), ■ Aufwendungen für den Weg bzw. die Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, ■ Aufwendungen für Arbeitsmittel (z. B. Fachliteratur, Werkzeuge), ■ Absetzung für Abnutzung (z. B. für PC, Drucker) und ■ Kontoführungsgebühren (pauschal werden 16 € anerkannt). Die Aufwendungen für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. erster Tätigkeitsstätte, sofern mehrere Tätigkeitsstätten bestehen, werden grundsätzlich durch eine Entfernungspauschale abgegolten. Damit sind sämtliche laufende Kosten abgegolten (z. B. Parkkosten). Nach (str)enger Lesart des § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG erstreckt sich die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale eigentlich auf sämtliche fahrzeug- und wegstrecken‐ bezogenen Mobilitätskosten und damit grundsätzlich auch auf Unfallkosten, die während einer Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte entstehen. Die Finanzverwaltung lässt hingegen den Abzug von Aufwen‐ dungen für Unfallschäden während beruflich bedingter Fahrten neben der Entfernungspauschale als allgemeine Werbungskosten zu, weil sie die Entfernungspauschale nur auf die Abgeltung laufender Aufwendungen bezieht. Unfallkosten sind außergewöhnliche Aufwendungen und deshalb nicht durch die Entfernungspauschale abgegolten. Ein Abzug von tatsäch‐ lichen Aufwendungen erfolgt ansonsten nur bzgl. Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel aber nur dann, soweit diese tatsäch‐ lichen Aufwendungen den im Kalenderjahr insgesamt als Entfernungspau‐ schale abziehbaren Betrag übersteigen bzw. generell bei Menschen mit Behinderung unter den in § 9 Abs. 2 EStG genannten Voraussetzungen. Die Entfernungspauschale beträgt 0,30 € für jeden vollen Entfernungskilometer zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Für das Jahr 2021 gilt ab dem 21. Entfernungskilometer eine erhöhte Entfernungspauschale von 0,35 € und für die Jahre 2022 bis 2026 von 0,38 €, höchstens 4.500 € pro Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4.500 € ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt. Für die 121 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="122"?> Entfernungen bis zu 20 km ist unverändert eine Entfernungspauschale von 0,30 € zu berücksichtigen. Beispiel: Benjamin ist Arbeitnehmer der Moore Treuhand Kurpfalz GmbH in Mannheim. Er benutzt von Januar 2021 bis September 2021 (an 165 Arbeitstagen) für die Wege von seiner Wohnung in Homburg (Saar) zur 80 km entfernten ersten Tätigkeitsstätte in Mannheim und zurück den eigenen PKW. Da ihm das tägliche Fahren von 160 km (Hin- und Rückfahrt) zu weit ist, er jedoch seinen Arbeitgeber nicht wechseln möchte, weil er sich ausgezeichnete Karrierechancen verspricht, verlegt Benjamin seinen Wohnsitz nach Mannheim. Von der neuen Wohnung aus gelangt er ab Oktober 2021 (an 55 Arbeitstagen) zur nunmehr nur noch 5 km entfernten ersten Tätigkeitsstätte mit dem Bus. Hierfür entstehen ihm tatsächliche Aufwendungen in Höhe von (3 x 70 € =) 210 €. Für die Strecken mit dem eigenen Kraftwagen ergibt sich eine Entfernungspauschale von 165 Arbeitstagen x 20 km x 0,30 € = 990 € zuzüglich 165 Arbeitstage x 60 km x 0,35 € = 3.465 €, also in Summe 4.455 €. Für die Strecke mit dem Bus errechnet sich eine Entfernungspauschale von 55 Arbeitstagen x 5 km x 0,30 € = 82,50 €. Die insgesamt im Kalenderjahr anzusetzende Entfernungspauschale beträgt 4.537,50 € (4.455 € + 82,50 €). Obwohl die tatsächlich angefallenen Aufwendungen für den Bus (210 €) höher sind als die im Rahmen der Entfernungspauschale berücksichtigten diesbezügli‐ chen Beträge (82,50 €), können die tatsächlich angefallenen Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel gem. § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG dennoch nicht angesetzt werden, weil dies erst dann zum Tragen kommt, soweit die tatsächlich angefallenen Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrs‐ mittel den im Kalenderjahr insgesamt als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag (in Benjamins Fall 4.537,50 €) übersteigen. Soweit sich der Werbungskostenabzug aus der erhöhten Entfernungspau‐ schale ab dem 21. vollen Entfernungskilometer steuerlich nicht auswirkt, weil das jeweilige zu versteuernde Einkommen den Grundfreibetrag unter‐ schreitet, können Steuerpflichtige gem. §§ 101 ff. EStG die Auszahlung einer Mobilitätsprämie in Höhe von 14 % des den Grundfreibetrag unterscheiten‐ den Betrages des zu versteuernden Einkommens beantragen, wenn diese Prämie mehr als 10 € beträgt. Für die Jahre bis 2022 kann gem. § 9 Abs. 5 i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG eine Homeoffice-Pauschale in Höhe von 5 € pro Tag, maximal 600 € pro Jahr, für jeden Tag Kalendertag angesetzt werden, an dem die berufliche Tätigkeit 122 2 Einkommensteuer <?page no="123"?> ausschließlich in der häuslichen Wohnung ausgeübt wird und keine außer‐ halb der häuslichen Wohnung belegene Betätigungsstätte aufgesucht wird. Liegen die tatsächlichen Werbungskosten des Steuerpflichtigen unter dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1 EStG), so wird dieser an deren Stelle gewährt. Übersteigen die tatsächlichen Aufwendungen den Pauschbetrag, können diese als Werbungskosten angesetzt werden, wenn ein entsprechender Nachweis (z. B. Rechnungen, Kontoauszüge etc.) erbracht wird. Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag beläuft sich dabei ab 01.01.2022 grundsätzlich auf 1.200 €. Bei Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Form von Versorgungsbezügen i. S. d. § 19 Abs. 2 EStG wird jedoch lediglich eine Werbungskosten-Pauschale von 102 € gewährt. Der weitgehende Wegfall des als Kompensationselement bislang auch für Ver‐ sorgungsbezüge gewährten Pauschbetrags erklärt sich aus der Angleichung der Besteuerung von Renten und Pensionen. In der Übergangsphase wird die Wirkung dieser Maßnahme allerdings gemildert, indem in den betreffenden Fällen ein Zuschlag zum Versorgungs-Freibetrag gewährt wird. Dieser wird - in Einklang mit den korrespondierenden Regelungen - von 900 € bei einem Versorgungsbeginn bis 2005 auf 0 € für den Pensionsjahrgang 2040 abgeschmolzen und zusammen mit dem Versorgungs-Freibetrag für die gesamte Versorgungsdauer festgeschrieben. Fortsetzung des Beispiels: Da Armin als Bezieher von Versorgungsbezügen lediglich einen Werbungskos‐ ten-Pauschbetrag i. H. v. 102 € ansetzen kann, wird ihm ein Zuschlag zum Versorgungs-Freibetrag gewährt. Dieser beläuft sich laut der Tabelle zu § 19 Abs. 2 EStG auf 486 € und richtet sich wiederum nach dem Jahr des Versorgungsbeginns (2017). Insgesamt bleiben somit 2.028 € (1.560 € + 468 €) steuerfrei. Dieser Betrag wird grundsätzlich für die gesamte Dauer des Versorgungsbezugs festgeschrie‐ ben. Somit ergeben sich 2022 für Armin folgende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit: Beispiel_S108.pdf Einnahmen (12 x 1.000 €) ./ . Versorgungs-Freibetrag (mit Zuschlag) ./ . Werbungskosten-Pauschbetrag 12.000 € ./ . 2.028 € ./ . 102 € = Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit = 9.870 € 123 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="124"?> Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit berechnen sich somit wie folgt: Bruttoarbeitslohn aus bestehenden und früheren Dienstverhältnissen i. S. d. § 19 Abs. 1 Nr. 1, 1a und 2 EStG + vom Arbeitgeber gezahlte sog. Zukunftssicherungsleistungen i. S. d. § 19 Abs. 1 Nr. 3 EStG + Besteuerungstatbestände gem. § 19a Abs. 4 EStG (bisher nicht besteuerte Vorteile aus Vermögensbeteiligungen) ./ . Versorgungs-Freibetrag (zzgl. Zuschlag) bei Empfängern von Versorgungsbezügen nach § 19 Abs. 2 EStG ./ . tatsächliche Werbungskosten oder Arbeitnehmer-Pauschbetrag §§ 9, 9a Satz 1 Nr. 1 Bst. a oder b EStG = Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. d. § 19 EStG Bild_S108.pdf ■ Der Versorgungs-Freibetrag für Pensionen und alle übrigen von § 19 Abs. 2 EStG erfassten Versorgungsbezüge wird bis 2040 auf 0 € abgeschmolzen. ■ Der Werbungskosten-Pauschbetrag beträgt bei Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Form von Versorgungsbezügen le‐ diglich 102 € (sonst: 1.200 €). Zum Ausgleich wird während des Übergangs zur steuerlichen Gleichbehandlung der gesetzlichen Renten und Pensionen ein Zuschlag zum Versorgungs-Freibetrag gewährt. 124 2 Einkommensteuer <?page no="125"?> b) Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) § 20 EStG regelt die Besteuerung der Kapitaleinkünfte und listet in Abs. 1 und 2 deren Umfang auf. In Tabelle 11 werden ausgewählte Einkünfte aus Kapitalvermögen ge‐ zeigt. Neben den laufenden Einnahmen aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 EStG werden - entgegen der Prinzipien der Quellentheorie - durch § 20 Abs. 2 EStG auch die Veräußerungstatbestände erfasst. Dies betrifft insbesondere Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren, die nach dem 31.12.2008 angeschafft wurden. 125 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="126"?> Abb. 26 veranschaulicht die Grundsystematik der Besteuerung von Di‐ videnden und Zinserträgen. Entscheidend ist die Zuordnung der Kapitaler‐ träge zum Privat- oder Betriebsvermögen. Abb. 26: Grundsystematik der Besteuerung von Kapitalerträgen 126 2 Einkommensteuer <?page no="127"?> Tab. 11: Umfang ausgewählter Einkünfte aus Kapitalvermögen Die Art und Höhe der Besteuerung ist abhängig von der Zuordnung der Kapitalerträge zum Privat- oder Betriebsvermögen. Zunächst wird aber eine einheitliche KapESt i. H. v. 25 % erhoben. Die Abgeltung im Privatvermögen erfolgt grundsätzlich schedulenhaft in Form eines gesonderten Steuertarifs i. H. v. 25 % zzgl. SolZ, d. h. in der Summe 26,375 %. Im Fall der Kirchensteuerpflicht werden zusätzlich je nach Bundesland 8 % oder 9 % erhoben. Unter Berücksichtigung der Kirchensteuer als Sonderausgabe ergibt sich hieraus eine Abgeltungsteuer i. H. v. von 27,82 % bzw. 27,99 % (§ 32d Abs. 1 Satz 3 EStG). Damit werden Einkünfte aus privaten Kapitalerträgen im Vergleich zu anderen Einkunftsarten begünstigt. Gerechtfertigt wurde die Einführung der Abgel‐ tungsteuer mit der Verwirklichung eines effektiven Steuervollzugs sowie zur Beseitigung etwaiger struktureller Vollzugsdefizite, vor allem i. Z. m. im Ausland befindlichen Vermögens. Ob dies geeignet ist, ist jedoch fraglich. 127 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="128"?> Es stellt sich daher die Frage, ob die Abgeltungsteuer mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist oder gegen die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung verstößt. Sind die Kapitalerträge hingegen den Einkünften aus Land- und Forstwirt‐ schaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung zuzuordnen, greift die Subsidiaritätsregel des § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 20 Abs. 8 EStG. Dividenden unterliegen in diesen Fällen gem. § 3 Nr. 40 Bst. d EStG dem Teileinkünfteverfahren, wonach lediglich 60 % der Bezüge steuerpflichtig sind. Im Gegenzug können auch nur 60 % der Betriebsausgaben, die mit den Einnahmen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, geltend gemacht werden (§ 3c Abs. 2 EStG). Zinsen, die dem Betriebsvermögen zufließen, werden hingegen nicht durch das Teileinkünfteverfahren begünstigt und sind in voller Höhe mit dem indivi‐ duellen Einkommensteuersatz zu versteuern. In beiden Fällen fungiert die KapESt als Einkommensteuervorauszahlung. Tabelle 12 verdeutlicht noch‐ mals die unterschiedlichen steuerlichen Konsequenzen einer Zuordnung der Kapitalerträge zum Privat- oder Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen. Gem. § 32d EStG werden Kapitaleinkünfte, die dem Privatvermögen zufließen, grundsätzlich einer Abgeltungsteuer i. H. v. 25 % unterworfen. In diesem Fall verliert die Kapitalertragsteuer ihren Charakter als Einkom‐ mensteuervorauszahlung, und die Steuerschuld ist mit dem pauschalen Steuerabzug an der Quelle abgegolten (§ 43 Abs. 5 Satz 1 EStG). Von diesem Grundsatz gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmen (vgl. Abb. 27). Der Schuldner der KapESt bleibt gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 EStG auch weiterhin der Gläubiger der Erträge. Die Steuer entsteht zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG). Die ausschüttende Kapitalgesellschaft (z. B. bei inländischen Dividenden) oder die auszahlende Stelle der Kapitalerträge (= Depotbank) sind zum Abzug der Kapitalertragsteuer verpflichtet (z. B. bei ausländischen Dividenden, Zinszahlungen oder steuerpflichtigen Kursgewinnen [§ 44 Abs. 1 EStG]). 128 2 Einkommensteuer <?page no="129"?> Tab. 12: Steuerliche Konsequenzen aus der Zuordnung der Kapitalerträge zum Privat- oder Betriebsvermögen Der Steuerpflichtige ist jedoch nicht in jedem Fall an den Abgeltungsteu‐ ersatz gebunden, sondern hat gem. § 32d Abs. 6 EStG die Möglichkeit, die tarifliche Veranlagung zu wählen (sog. Veranlagungsoption). Dies ist immer dann vorteilhaft, wenn der persönliche Grenzsteuersatz des Steuerpflichtigen unter 25 % liegt, z. B. bei geringen Einkünften, hohen Werbungskosten, Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen oder bei Verlusten aus anderen Einkunftsarten. Möchte der Steuerpflichtige die Veranlagungsoption in Anspruch nehmen, so kann er sich von seinem Kreditinstitut eine Steuerbescheinigung i. S. d. § 45a Abs. 2 EStG über die Kapitalerträge ausstellen lassen. Auf Antrag des Steuerpflichtigen prüft das Finanzamt anhand dieser Bescheinigung von Amts wegen, ob die tarifliche Veranlagung zu einer niedrigeren Steuer führt (sog. Günstigerprüfung). 129 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="130"?> Der Antrag kann jedoch gem. § 32d Abs. 6 Satz 3 und 4 EStG für den jeweiligen Veranlagungszeitraum nur einheitlich für sämtliche Kapitalein‐ künfte des Steuerpflichtigen und bei zusammenveranlagten Ehegatten nur für sämtliche Kapitalerträge beider Ehegatten gestellt werden. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen fließen dann in die Summe der Einkünfte mit ein und unterliegen somit dem persönlichen Einkommensteuersatz des Steu‐ erpflichtigen. Wird zur Veranlagung optiert, können positive Einkünfte aus Kapitalvermögen mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden. Eine Verrechnung negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen ist jedoch auf diese Weise nicht möglich. Abb. 27: Systematik des § 32d EStG Beispiel: Hans ist Rentner und unterliegt einem Grenzsteuersatz von 20 %. Von einem Sparbuch erhält er Zinseinnahmen i. H. v. 2.000 €. Da seine Zinseinkünfte jedoch der Abgeltungsteuer i. H. v. 25 % unterliegen, rät ihm sein Steuerberater dazu, die sog. Veranlagungsoption des § 32d Abs. 6 EStG auszuüben und beim Finanzamt zu beantragen, seine Kapitaleinkünfte zusammen mit den restlichen Einkünften zu veranlagen. Dazu benötigt Hans jedoch eine Steuerbescheinigung, die er gem. § 45a Abs. 2 EStG bei seinem Kreditinstitut beantragen muss. Anhand der Beschei‐ nigung prüft das Finanzamt von Amts wegen, ob die Anwendung der allgemeinen einkommensteuerlichen Regelungen zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung führt (sog. Günstigerprüfung). Sollte dies nicht der Fall sein, so gilt der Antrag als nicht gestellt. 130 2 Einkommensteuer <?page no="131"?> Der Steuerpflichtige kann durch die Antragstellung gem. § 32d Abs. 6 EStG nicht schlechter gestellt werden, da das Finanzamt lediglich die Vorteilhaftigkeit des Antrags für den Steuerpflichtigen zu prüfen hat. Bei der sog. Abgeltung über die Veranlagung gem. § 32d Abs. 3 und 4 EStG sind zwei Fälle zu unterscheiden, in denen der Abgeltungsteuersatz erst im Wege der Veranlagung zur Anwendung kommt. 1. Bei der Pflichtveranlagung nach § 32d Abs. 3 EStG hat der Steuer‐ pflichtige diejenigen Kapitalerträge, auf die bisher keine Kapitalertrag‐ steuer erhoben wurde, in seiner Einkommensteuererklärung anzugeben (z. B. Erträge aus ausländischen Depots und Konten, Zinsen zwischen Privatpersonen, Veräußerung von GmbH-Anteilen bei nicht wesent‐ licher Beteiligung). Diese Kapitalerträge unterliegen ebenfalls dem Sondertarif des § 32d EStG i. H. v. 25 %. Da keine Kapitalertragsteuer einbehalten wurde, erhöht sich die tarifliche Einkommensteuer um 25 % der entsprechenden Einkünfte (§ 32d Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG). Beispiel: Viktor ist seit dem 02.01.2022 Kleingesellschafter der mymoria GmbH. Seine Beteiligung beträgt weniger als 1 %. Die Anschaffungskosten betragen 5.000 €. Ende 2022 verkauft er die Beteiligung mit einem Veräußerungserlös i. H. v. 15.000 €. Zudem hat Viktor 2.000 € Veräußerungskosten zu tragen. Viktors Sparer-Pauschbetrag ist bereits durch andere Kapitalerträge ausgeschöpft. Der Veräußerungsgewinn gehört gem. § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen und ermittelt sich gem. § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG durch den Abzug der Anschaffungs- und Veräußerungskosten von den Einnahmen aus der Veräußerung: Beispiel_S114.pdf Einnahmen aus der Veräußerung ./ . Anschaffungskosten ./ . Veräußerungskosten 15.000 € ./ . 5.000 € ./ . 2.000 € = Veräußerungsgewinn i.S.d. § 20 Abs. 4 EStG = 8.000 € Da der Veräußerungsgewinn als steuerpflichtiger Kapitalertrag nicht der Abgeltungsteuer unterlegen hat, ist dieser in Viktors Einkom‐ 131 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="132"?> mensteuererklärung anzugeben (§ 32d Abs. 3 EStG). Die tarifliche Einkommensteuer erhöht sich ohne Berücksichtigung des SolZ um (25 %×8.000 € =) 2.000 € (§§ 32d Abs. 3 Satz 2 i. V. m. 2 Abs. 6 Satz 1 EStG). 2. Eine weitere Form der Abgeltung über die Veranlagung stellt das Veranlagungswahlrecht des § 32d Abs. 4 EStG dar. Dieses kommt immer dann zur Anwendung, wenn einerseits Kapitalertragsteuer er‐ hoben wurde, andererseits jedoch steuermindernde Tatbestände unbe‐ rücksichtigt geblieben sind. § 32d Abs. 4 EStG listet hierzu eine nicht abschließende Reihe von Tatbeständen auf, die es dem Steuerpflichti‐ gen ermöglichen, nicht berücksichtigte steuermindernde Sachverhalte nachträglich geltend zu machen. Zudem ist eine Überprüfung des Steuereinbehalts dem Grunde oder der Höhe nach möglich. Aufgrund dieser Regelung kann der Steuerpflichtige bspw. einen nicht berück‐ sichtigten Verlust oder einen noch nicht vollständig ausgeschöpften Sparer-Pauschbetrag im Rahmen der Veranlagung nutzen. Um dies zu erreichen, erfolgt in einem ersten Schritt gem. § 32d Abs. 3 Satz 2 EStG eine Erhöhung der tariflichen Einkommensteuer um 25 % der nun durch die Tatbestände geminderten Einkünfte. In einem zweiten Schritt ist die bereits einbehaltene KapESt auf die Einkommensteuerschuld gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anzurechnen. Dies ist notwendig, da die bereits einbehaltene KapESt ohne Berücksichtigung der steuermindern‐ den Tatbestände erhoben wurde und somit höher ist als der bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegte Betrag. Beispiel: Christian hat bei der Bank A einen Freistellungsauftrag i. H. v. 801 € gestellt. Darüber hinaus erzielte er Verluste aus der Veräußerung von Aktien i. H. v. 1.000 €. Bei der Bank B erzielt er hingegen Gewinne aus der Veräußerung von Aktien i. H. v. 2.000 €. Die Bank B behält daraufhin gem. §§ 44 Abs. 1 i. V. m. 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG 25 % Kapitalertragsteuer i. H. v. 500 € ein. Die von der Bank B einbehaltene Kapitalertragsteuer hat grundsätzlich abgel‐ tende Wirkung (§ 43 Abs. 5 Satz 1 EStG). Jedoch wurden weder der Sparer-Pausch‐ betrag noch der gem. §§ 43a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. 20 Abs. 6 Satz 7 EStG verrechenbare Verlust im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs berücksichtigt. Christian kann daher gem. § 32d Abs. 4 EStG i. V. m. § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG die Berücksichtigung dieser Tatbestände im Rahmen seiner Veranlagung beantragen. 132 2 Einkommensteuer <?page no="133"?> Beispiel_S115.pdf Einkünfte aus Kapitalvermögen ./ . Verrechenbare Verluste gem. §§43 Abs. 3 Satz 3 i.-V.-m. 20 Abs. 6 Satz 7 EStG 2.000 € ./ . 1.000 € = Summe der Einkünfte aus Kapitalvermögen ./ . Sparer-Pauschbetrag gem. 3 20 Abs. 9 EStG = 1.000 € ./ . 801 € = Steuerbemessungsgrundlage des Sondertarifs gem. § 32d Abs. 1 EStG Steuersatz 25% = 199 € = Steuerbelastung ./ . Einbehaltene KapESt = 50 € ./ . 500 € = Steuererstattung = ./ . 450 € Nach Berücksichtigung aller steuermindernden Umstände ergibt sich für Chris‐ tian eine Steuererstattung i. H. v. 450 €. Diese resultiert daraus, dass sich die tarifliche Einkommensteuer gem. § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG um 50 € erhöht (§ 32d Abs. 4 EStG). Im Gegenzug wird jedoch die einbehaltene Kapitalertragsteuer i. H. v. 500 € gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die Einkommensteuerschuld angerechnet. Bei der Veranlagungsoption bzw. der sog. Abgeltung über die Veranlagung, bei denen die Kapitalerträge zwar grundsätzlich unter den Sondertarif des § 32d EStG fallen, der Steuerpflichtige jedoch gezielt die Veranlagung wählt, um so eine niedrigere Steuerbelastung zu erreichen (Ausnahme der Höhe nach), entfällt die abgeltende Wirkung der KapESt. Darüber hinaus findet die Abgeltungsteuer keine Anwendung bei Kapitalerträgen, die einer Haupteinkunftsart zugerechnet werden können oder die unter die Ausnahmetatbestände gem. § 32d Abs. 2 EStG fallen (Ausnahmen dem Grunde nach). 133 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="134"?> Abb. 28: Ausnahmen vom Sondertarif des § 32d EStG 1. Subsidiarität der Nebeneinkunftsart § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG bestimmt i. V. m. § 20 Abs. 8 EStG, dass Kapitalerträge nicht unter die Abgeltungsteuer fallen, sofern sie den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung zugeordnet werden können. Aufgrund dieser Zuordnung ist eine Verrechnung mit anderen Einkunftsarten möglich. Beispiel: Yannick betreibt ein Kaffeehaus in der Saarbrücker Innenstadt und ist zu 20 % an der Kaiser-GmbH beteiligt. Auf seinem Bankkonto werden ihm im Jahr 2022 Gewinnausschüttungen i. H. v. 75.000 € gutgeschrieben. Zur Finanzierung der Anteile hat Franz ein Darlehen aufgenommen, die Finanzierungskosten betragen 30.000 €. Zudem werden Yannick 3.000 € Zinsen aus einem Geldmarktkonto gutgeschrieben, das er bei der Max-Bank unterhält. Wie stellt sich die steuerliche Behandlung der Einkünfte dar, wenn die GmbH-Anteile und das Geldmarktkonto a) dem Privatvermögen b) dem Einzelunternehmen von Yannick zuzuordnen sind und er einem Steuersatz von 40 % unterliegt? Der Sparer-Pauschbetrag wird vernachlässigt. a) Sowohl die Gewinnanteile als auch die Zinszahlungen stellen Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 7 EStG dar und können, da Pri‐ vatvermögen, keiner Haupteinkunftsart zugerechnet werden. Somit unterliegen 134 2 Einkommensteuer <?page no="135"?> sie dem Sondertarif des § 32d EStG i. H. v. 25 %. Die KapESt, die gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 7 i. V. m. § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG erhoben wurde, hat gem. § 43 Abs. 5 EStG abgeltende Wirkung. Ein Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten ist hingegen ausgeschlossen (§ 20 Abs. 9 Satz 1 EStG). Beispiel_S117.pdf Nettoeinnahmen aus Kapitalvermögen + einbehaltene KapESt 78.000 € + 26.000 € = Bruttoeinnahmen aus Kapitalvermögen = 104.000 € = Steuerbelastung (Abgeltungsteuer 25 %) = 26.000 € b) Da die Kapitalerträge dem Betriebsvermögen zuzuordnen sind, greift die Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 20 Abs. 8 EStG. Somit liegen der Art nach zwar Kapitaleinkünfte vor, die jedoch im Rahmen der betrieb‐ lichen Einkünfte besteuert werden. Die einbehaltene KapESt hat somit keine abgeltende Wirkung (§ 43 Abs. 5 Satz 2 EStG), sondern behält ihren Charakter als Einkommensteuervorauszahlung und kann auf die Einkommensteuerschuld von Yannick angerechnet werden. Folglich ist auch der Betrag, der als KapESt einbehalten wurde, den Einkünften hinzuzurechnen (§§ 43a Abs. 2 Satz 1, 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Die ausgeschütteten Gewinne der GmbH sind gem. § 3 Nr. 40 Bst. d EStG zu 40 % steuerfrei. Die Finanzierungskosten stellen Betriebsausgaben dar, die mit den Ausschüttungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, und können gem. § 3c Abs. 2 EStG zu 60 % abgezogen werden. Die Zinsen sind in vollem Umfang steuerpflichtig. Die steuerpflichtigen Einkünfte und die Einkommensteuerschuld ermitteln sich wie folgt: Beispiel_S118_1.pdf GmbH-Gewinnausschüttung Nettoeinnahmen aus Kapitalvermögen + anrechenbare KapESt (§§ 43a Abs. 2 Satz 1, 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) 75.000 € + 25.000 € = Bruttoeinnahmen aus Kapitalvermögen davon 60% (§ 3 Nr. 40 Bst. d EStG) ./ . Werbungskosten 60% v. 30.000 € (§ 3c Abs. 2 EStG) = 100.000 € = 60.000 € ./ . 18.000 € = Einkünfte aus Kapitalvermögen = 42.000 € = 42.000 € 135 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="136"?> Beispiel_S118_2.pdf Zinsen Nettoeinnahmen aus Kapitalvermögen + anrechenbare KapESt (§§ 43a Abs. 2 Satz 1, 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) 3.000 € + 1.000 € = Bruttoeinnahmen aus Kapitalvermögen = steuerpflichtige Einkünfte gem. § 20 EStG Einkommensteersatz 40% = Steuerbelastung (tarifliche Einkommensteuer) ./ . anrechenbare KapESt (§§ 43a Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG) = 4.000 € = 4.000 € = 46.000 € = 18.400 € ./ . 26.000 € = steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn = 7.600 € Yannick ist daher zu raten, seine GmbH-Beteiligung im Betriebsvermögen zu halten, um einen Abzug der Finanzierungskosten als Betriebsausgaben zu ermög‐ lichen (Steuerersparnis: 100.000 € × 25 % ./ . 42.000 € × 40 % = 8.200 €). Die Zinseinkünfte sollten jedoch möglichst dem Privatvermögen zufließen, um in den Genuss der Abgeltungsteuer zu kommen (Steuerersparnis: 4.000 € × 40 % ./ . 4.000 € × 0,25 % = 600 €). 2. Ausnahmeregelungen des § 32d Abs. 2 EStG § 32d Abs. 2 EStG listet eine Reihe von Kapitalerträgen auf, bei denen die Abgeltungsteuer nicht zur Anwendung kommt, sondern welche gemeinsam mit den anderen Einkunftsarten veranlagt werden (vgl. Tabelle 13). a) Durch die Einführung der pauschalen Abgeltungsteuer sah der Gesetz‐ geber die Gefahr, dass betriebliche Gewinne durch gestalterische Maß‐ nahmen (insbesondere Gesellschafterdarlehen) aus den Unternehmen „abgesaugt“ werden und Eigenkapital zunehmend durch Fremdkapital ersetzt wird. § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG erfasst insbesondere Fremdkapi‐ talzinsen, die von der Gesellschaft an nahestehende Personen oder Gesellschafter fließen, die zu mehr als 10 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind. Sind die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG er‐ füllt, unterliegen die Kapitalerträge nicht der Abgeltungsteuer, sondern werden in voller Höhe zusammen mit den restlichen Einkünften des Steuerpflichtigen veranlagt. Im Gegenzug gelten für diese Einkünfte jedoch auch die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen zum Verlustausgleich und zum Werbungskostenabzug (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG). 136 2 Einkommensteuer <?page no="137"?> Tab. 13: Ausnahmetatbestände des § 32d Abs. 2 EStG b) § 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG betrifft Leistungen aus bestimmten Lebens‐ versicherungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG. Diese werden bereits dadurch begünstigt, dass nur die Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen der Versicherungsleistung und den geleisteten Beiträgen als Ertrag anzusetzen ist. Eine nochmalige Begünstigung durch die Abgeltungsteuer soll vermieden werden. Der steuerpflichtige Ertrag wird daher ebenfalls mit den restlichen Einkünften veranlagt. c) Die Regelung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG trägt dem Umstand Rechnung, dass der Erwerb von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften durch Privatpersonen oftmals unternehmerisch bedingt ist und nicht nur als reine Kapitalanlage eingestuft werden kann. Ist der Steuerpflichtige zu mindestens □ 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt oder □ 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig, so steht ihm ein Wahlrecht zu, die Gewinnausschüttungen nicht der Abgeltungsteuer zu unterwerfen, sondern sie unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens zusammen mit seinen restlichen Einkünften zu veranlagen. Der Vorteil dieser Regelung besteht darin, dass auf diese 137 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="138"?> Weise ein Abzug von Werbungskosten (z. B. für die Fremdfinanzierung der Beteiligung) zu 60 % gem. § 3c Abs. 2 EStG ermöglicht wird. Beispiel: Alberto und Lena gründen eine GmbH zum Betrieb eines Optikgeschäfts. Als Existenzgründer bringen sie das Stammkapital je zur Hälfte durch Bareinlagen auf. Während Lena ihr erspartes Privatkapital einbringen kann, muss Alberto bei der Bank einen Kredit aufnehmen, um seine Bareinlage leisten zu können. Hierfür fallen Darlehenszinsen an, die Alberto gerne steuerlich geltend machen möchte. Im Rahmen der Abgeltungsteuer ist ein Werbungskostenabzug für die Zinsen jedoch ausgeschlossen, da der Sparer-Pauschbetrag keinen sonstigen Werbungskostenabzug zulässt. Alberto optiert daher nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG zum Teileinkünfteverfahren und kann so zumindest 60 % der Darlehenszinsen in seiner privaten Steuererklärung geltend machen. Kapitaleinkünfte i. S. d. § 32d Abs. 2 EStG werden zusammen mit den restlichen Einkünften des Steuerpflichtigen veranlagt. Insoweit sind die allgemeinen Regelungen zum Verlustausgleich und Werbungskos‐ tenabzug anzuwenden (§§ 32d Abs. 2 Satz 2 i. V. m. 20 Abs. 6 und 9 EStG). Ein Abzug des Sparer-Pauschbetrags kommt nicht in Betracht! d) § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG betrifft Bezüge hinsichtlich verdeckter Ge‐ winnausschüttungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG und Einnah‐ men i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 2. HS EStG. Einnahmen durch verdeckte Gewinnausschüttungen führen grundsätzlich zu Einnahmen aus Kapitalvermögen und unterliegen damit der Abgeltungsteuer. Je‐ doch findet die Abgeltungsteuer nur Anwendung, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung bereits auf Ebene der leistenden Gesellschaft der Körperschaftsteuer unterlag. Für den Fall, dass die verdeckte Gewinn‐ ausschüttung das Einkommen der leistenden Körperschaft tatsächlich gemindert hat und damit nicht der Körperschaftsteuer unterlag, erfolgt die Besteuerung mit dem individuellen Einkommensteuersatz. Zwar gehören die Einkünfte aus Kapitalvermögen auch weiterhin syste‐ matisch zu den Überschusseinkunftsarten, jedoch ist bei Anwendung der Abgeltungsteuer ein Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskos‐ ten nicht mehr möglich. Besonders betroffen sind hiervon die Kosten 138 2 Einkommensteuer <?page no="139"?> für die Finanzierung der Anschaffung von Kapitalvermögen. Stattdessen gewährt § 20 Abs. 9 EStG dem Steuerpflichtigen den Sparer-Pauschbetrag i. H. v. 801 € bzw. 1.602 € bei zusammenveranlagten Ehegatten. Dieser gilt sowohl für laufende Erträge gem. § 20 Abs. 1 EStG als auch für Veräußerungsgeschäfte nach § 20 Abs. 2 EStG. Der Sparer-Pauschbetrag ist auf beide Ehegatten in gleichen Teilen aufzuteilen, wobei die Übertragung eines nicht ausgeschöpften Pauschbetrags auf den anderen Ehegatten gem. § 20 Abs. 9 Satz 3 EStG zulässig ist. Ein uneingeschränkter Werbungskostenabzug ist nur für solche Kapi‐ talerträge möglich, die von der Abgeltungsteuer gem. §§ 20 Abs. 8 und 32d Abs. 2 EStG ausgenommen sind. Abb. 29 verdeutlicht, inwieweit ein Werbungskostenabzug möglich ist oder lediglich der Sparer-Pauschbetrag Anwendung findet. Abb. 29: Werbungskosten bei Kapitalerträgen Für die in § 20 Abs. 2 EStG hinzugekommenen Kapitalerträge aus Veräu‐ ßerungsgeschäften ist der Gewinn nach den Vorgaben des § 20 Abs. 4 EStG zu ermitteln. Demnach werden von den Veräußerungseinnahmen die Anschaffungskosten und die unmittelbar mit der Veräußerung zusammen‐ hängenden Aufwendungen abgezogen. Die Vorschrift lehnt sich hierbei an die vergleichbaren Regelungen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage in den Veräußerungsfällen der §§ 17 und 23 EStG an. 139 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="140"?> 10 BFH, 24.10.2017, DStR 2017, S. 2801. Einnahmen der Veräußerung ./ . Anschaffungskosten ./ . Veräußerungskosten = Veräußerungsgewinn i.S.d. § 20 Abs. 4 EStG Bild_S122.pdf Verluste mindern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflich‐ tigen. Nach einer Entscheidung des BFH 10 führt der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre auch nach der Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG. Dem objektiven Nettoprinzip entsprechend müssten sie daher grundsätzlich auch mit positiven Einkünften ausgleichsfähig sein. Diesem Grundsatz wird im deutschen Einkommensteuerrecht durch den intraperiodischen (§ 2 Abs. 3 EStG) und interperiodischen Verlustausgleich (§ 10d Abs. 1 und 2 EStG) Rechnung getragen (siehe hierzu Abschnitt 2.2.4 in diesem Buch). Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes erfolgt jedoch durch die Einschränkung der Verrechnung von Verlusten aus Kapitalvermö‐ gen mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten. Dies betrifft sowohl die Verrechnung von bestimmten Verlusten aus Kapitalvermögen innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie die Verrechnung mit Gewinnen aus anderen Einkunftsarten. § 20 Abs. 6 EStG normiert dazu mehrere geschlossene Verrechnungskreise: Zunächst wird gem. § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG der Verrechnungskreis der Einkünfte aus Kapitalvermögen und der Verrechnungskreis der restlichen Einkunftsarten unterschieden. Beide Verrechnungskreise sind strikt voneinander zu trennen, da für sie jeweils unterschiedliche Steuersätze gelten. Für Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG gilt die begünstigende 25 %ige Abgeltungsteuer, für alle anderen Einkünfte i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, 6 und 7 EStG der Tarif gem. § 32a EStG. Durch die Trennung der Verrechnungskreise soll ausgeschlossen werden, dass die nicht begünstigten Einkunftsarten mit der begünstigten Einkunftsart des § 20 EStG verrechnet werden. Innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen gibt es weitere Verlust‐ verrechnungsbeschränkungen. Es gibt hier besondere Verlustverrech‐ nungskreise. Ob diese Verlustverrechnungsbeschränkungen letztlich im Einklang mit den Regelungen des Grundgesetzes sind, wird das Bundesver‐ 140 2 Einkommensteuer <?page no="141"?> 11 BFH, 17.11.2020, DStR, S. 1339. fassungsgericht zu entscheiden haben. 11 De lege lata existieren die folgenden Beschränkungen: Erstens dürfen gemäß § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG seit 2014 Verluste aus Kapitalvermögen aus der Veräußerung von Aktien nur mit Ge‐ winnen aus Kapitalvermögen aus der Veräußerung von Aktien desselben VZ oder zukünftigen VZ - veranlagungszeitraumbezogen jedoch betragsmäßig uneingeschränkt - ausgeglichen werden. Eine Verrechnung mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen ist nicht zulässig. Zweitens existiert ein besonderer Verlustverrechnungskreis für Verluste aus Termingeschäften i. S. v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG. Diese dürfen seit VZ 2021 gem. § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG nur i. H. v. 20.000 € pro Jahr und pro Person (kein Verlustrücktrag möglich) im Rahmen einer Mindestbesteuerung mit Gewinnen aus entsprechenden Geschäften oder aus Stillhaltergeschäften i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG verrechnet werden. Auch hier ist also eine Verrechnung mit Gewinnen anderen Einkunfsarten nicht möglich. Schließlich gibt es einen dritten und besonderen Verlustverrechnungskreis für private Kapitalanleger betreffend (i) Verluste aus Kapitalvermögen aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, (ii) aus der Ausbuchung wertloser Wirtschaftsgüter aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG bzw. (iii) der Übertragung ebensolcher Wirtschaftsgüter auf einen Dritten oder (iv) aus einem sonstigen diesbezüglichen Vermögensaus‐ fall. Es gilt hier ebenfalls eine gewisse Mindestbesteuerungsregelung, die jedoch im Vergleich zur zuvor angesprochenen Regelung etwas positiver ausgestaltet ist. Solche Verluste dürfen seit VZ 2020 zwar nur in Höhe von 20.000 € pro Person und pro Jahr (kein Verlustrücktrag möglich), jedoch immerhin ansonsten ohne Einschränkung mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden. § 20 Abs. 6 Satz 7 EStG macht den Verlustausgleich oder -abzug zusätzlich davon abhängig, dass eine Bescheinigung nach § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG vorliegt. Im Hinblick auf § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG ist zu beachten, dass es innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG zudem unabhängig von den zuvor beschriebenen Aspekten zwei unterschiedliche Ebenen gibt, auf denen bzw. durch die positive und negative Einkünfte verrechnet werden können: die Ebene der „auszahlenden Stelle“ - üblicherweise ein Kredit‐ institut - und die Ebene des Steuerpflichtigen. Es findet der mögliche Ver‐ lustausgleich und -abzug vorrangig zunächst gem. § 43a Abs. 3 Sätze 2 bis 4 EStG durch die auszahlende Stelle im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs 141 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="142"?> statt. Die auszahlende Stelle hat bei ihr anfallende negative Kapitalerträge (einschließlich gezahlter Stückzinsen) unter Berücksichtigung der zuvor genannten Verlustverrechnungsbeschränkungen gem. § 20 Abs. 6 Sätze 4 und 5 EStG bis zur Höhe der bei ihr anfallenden positiven Kapitalerträge auszugleichen. Bei Ehegatten mit gemeinsamem Freistellungsauftrag gilt dies kontenbzw. depotübergreifend. Hierdurch werden anfallende negative Kapitalerträge bereits auf Ebene der auszahlenden Stelle im Umfang der dort anfallenden positiven Kapitalerträge verrechnet. Beispiel: Die Ehegatten Julia und Martin haben bei der X-Bank jeweils ein eigenes Depot. Julia und Martin haben bei dieser Bank einen gemeinsamen Freistellungsauftrag in Höhe von 500 € gestellt. Julia erzielt bei der X-Bank positive Kapitalerträge i. H. v. 1.500 €, Martin negative Kapitalerträge i. H. v. ./ . 1.000 €. Durch den gemeinsamen Freistellungsauftrag i. S. d. § 43a Abs. 3 Satz 2 EStG werden die Kapitalerträge nun zunächst auf Ebene der Bank depotübergreifend unter den Ehegatten verrechnet. Die danach verbleibenden positiven Kapitalerträge i. H. v. 500 € (= 1.500 € ./ . 1.000 €) sind durch den gemeinsamen Freistellungsauftrag i. H. v. 500 € von der Abgeltungsteuer befreit. Bei der Verrechnung auf Ebene der auszahlenden Stelle ist jedoch zu beachten, dass die auszahlende Stelle gem. § 43a Abs. 3 Satz 2 EStG zwei Verlustverrechnungstöpfe pro Steuerpflichtigem zu führen hat. Den Topf der Verluste aus Aktienverkäufen und den Topf der Verluste aus Verkäufen des anderen Kapitalvermögens. Beide Topfarten dürfen nicht miteinander verrechnet werden. Beispiel: Die Ehegatten Caroline und Christoph haben bei der X-Bank ebenfalls jeweils ein eigenes Depot. Caroline und Christoph haben bei dieser Bank einen gemein‐ samen Freistellungsauftrag in Höhe von 500 € gestellt. Caroline erzielt bei der X-Bank positive Kapitalerträge aus Anleihenverkäufen i. H. v. 1.500 €, Christoph negative Kapitalerträge aus Verkäufen von Aktien i. H. v. ./ . 1.000 €. Durch den gemeinsamen Freistellungsauftrag i. S. d. § 43a Abs. 3 Satz 2 EStG würden die Kapitalerträge nun zunächst auf Ebene der Bank depotübergreifend unter den Ehegatten verrechnet. Die danach verbleibenden positiven Kapitalerträge i. H. v. 500 € (= 1.500 € ./ . 1.000 €) wären durch den gemeinsamen Freistellungs‐ auftrag i. H. v. 500 € von der Abgeltungsteuer befreit. Da jedoch die Verluste von Christoph aus Aktienverkäufen bzw. Termingeschäften stammen, die nur 142 2 Einkommensteuer <?page no="143"?> mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet werden können, muss Caroline auf die den Freistellungsauftrag übersteigenden Kapitalerträge Abgeltungsteuer zahlen, während Christoph die Verluste aus Aktienverkäufen vortragen muss, bis er in der Zukunft Gewinne aus Aktienverkäufen erzielen wird. Verbleiben nach der Verrechnung auf Ebene der auszahlenden Stelle in den Töpfen positive Einkünfte, unterliegen diese dort der Abgeltungsteuer. Verbleiben nach der Verrechnung auf Ebene der auszahlenden Stelle in einem oder beiden Töpfen negative Einkünfte aus Kapitalvermögen, besteht für den Steuerpflichtigen ein Wahlrecht. Er kann diese Verluste nun auf Ebene der auszahlenden Stelle stehen lassen, damit sie in weiteren Jahren dort mit positiven Kapitalerträgen topfartbezogen verrechnet werden. Er kann jedoch die Verluste auf Antrag nach § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG unter Ausstellung einer Bescheinigung auch topfartbezogen zur weiteren Verrechnung auf die Ebene des Steuerpflichtigen übertragen. Dies ist not‐ wendig, um bspw. im Rahmen des Veranlagungswahlrechts gem. § 32d Abs. 4 EStG die Verluste mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen bei einer anderen auszahlenden Stelle ausgleichen zu können. Ein Ausgleich mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten ist jedoch gem. § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG nicht erlaubt (Schedulensystem; kein vertikaler Verlustausgleich). Ebenso ist gem. § 20 Abs. 6 Satz 1 Hs. 2 EStG auch kein Ausgleich mit anderen Einkunftsarten über den in Abschnitt 2.2.4 noch de‐ taillierteren Verlustabzug gem. § 10d EStG zulässig. Zudem unterliegen die negativen Einkünfte aus dem Verkauf von Aktien innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen auch auf Ebene des Steuerpflichtigen der speziellen Abzugsbeschränkung und dürfen auch hier nur mit Gewinnen aus dem Verkauf von Aktien (z. B. bei einer anderen auszahlenden Stelle) verrechnet werden. Ziel dieser Regelung ist es, im Falle von sinkenden Börsenkursen eine Verlustverrechnung mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen (z. B. Zinsen und Dividenden) zu verhindern und so ein drastisches Absinken des Steueraufkommens zu vermeiden. Die jeweiligen Verluste können aber innerhalb ihrer Verrechnungskreise sinngemäß nach § 10d Abs. 4 EStG in künftige Veranlagungszeiträume vorgetragen werden, um sie dort mit späteren Gewinnen zu verrechnen (§ 20 Abs. 6 Satz 2 und 3 EStG). Ein Verlustrücktrag ist jedoch ausgeschlossen. Bislang werden für Verluste aus den Verlustverrechungskreisen gem. § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG sowie für solche gem. § 20 Abs. 6 EStG mangels Nennung in § 43a Abs. 3 Satz 2 EStG keine Verlustverrechnungstöpfe auf der Ebene der auszahlenden Stelle geführt. 143 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="144"?> Diese Verlustverrechnungskreise können im Kapitalertragsteuerabzugsver‐ fahren nicht berücksichtigt werden. Die richtige Besteuerung kann nur über die Veranlagung erreicht werden. c) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) Steuerpflichtig i. S. d. § 21 EStG sind diejenigen Personen, die mit den Rechten und Pflichten eines Vermieters bzw. Verpächters nicht in Geld bestehende, zum Privatvermögen gehörende Sachen und Rechte an Dritte zur Nutzung überlassen. § 21 Abs. 3 EStG weist auf das Subsidiaritätsprin‐ zip der Nebeneinkunftsarten hin. Danach sind Einkünfte nur dann unter § 21 EStG zu subsumieren, wenn sie nicht bereits einer der anderen Ein‐ kunftsarten zuzurechnen sind. Die Abgrenzung zwischen den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und den Einkünften aus Gewerbebetrieb ist in der Praxis jedoch oft schwierig. Die Einnahmen, welche zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehören, listet § 21 Abs. 1 144 2 Einkommensteuer <?page no="145"?> Satz 1 EStG abschließend auf. Als Einnahmen sind grundsätzlich die Brut‐ tomietzahlungen - d. h. der Mietzins inkl. Nebenkosten - anzusetzen. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung umfassen: ■ Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Ver‐ mögen, z. B. Grundstücken, Gebäuden und Gebäudeteilen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). ■ Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Sachinbegriffen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Unter Sachinbegriffen ist eine Vielzahl an beweglichen Sachen, die wirtschaftlich eine Einheit bilden (z. B. Büroeinrichtung, Bibliothek, Mobiliar eines Zimmers), zu verstehen. Die Vermietung einzelner beweglicher Wirtschaftsgüter führt hingegen nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern zu sonstigen Einkünften i. S. d. § 22 Nr. 3 EStG. ■ Einkünfte aus zeitlich begrenzter Überlassung von Rechten, z. B. von Urheberrechten (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Hingegen sind Einkünfte aus der Überlassung solcher Rechte durch den Urheber oder Erfinder selbst freiberufliche Einkünfte i. S. d. § 18 EStG. ■ Einkünfte aus der Veräußerung von Miet- und Pachtzinsforderungen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG). Abb. 30: Umfang der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Von den Einnahmen sind die Werbungskosten, die in Zusammenhang mit den Einkünften i. S. d. § 21 EStG stehen, abziehbar. Dabei müssen die Aufwendungen durch den Steuerpflichtigen stets einzeln nachgewiesen werden. Ein Werbungskosten-Pauschbetrag (wie z. B. bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aus Kapitalvermögen) existiert bei den Ein‐ künften aus Vermietung und Verpachtung nicht. Werbungskosten sind z. B.: 145 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="146"?> ■ Schuldzinsen, ■ Erhaltungsaufwendungen (R 21.1 EStR), ■ Absetzung für Abnutzung (AfA) (§ 7 Abs. 4 und 5 EStG) sowie ■ sonstige Werbungskosten (z. B. Grundsteuer, Kosten für den Hausmeis‐ ter und die Hausverwaltung, Warmwasser-, Heizungskosten, Müllab‐ fuhrgebühren, Versicherungen, Öltank-Kontrollkosten). Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung werden wie folgt ermittelt: Einnahmen ./ . Werbungskosten = Einkünfte i.S.d. § 21 EStG Bild_S127.pdf Beispiel: Laurence hat im Jahr 2005 auf seinem Grundstück ein Dreifamilienhaus errichten lassen (Grund und Boden waren bereits vorhanden). Die Herstellungskosten beliefen sich auf 1.000.000 €. Alle drei Wohnungen sind gleich groß. Die Dach‐ geschosswohnung (DG) nutzt Laurence zu eigenen Wohnzwecken, die anderen Wohnungen (EG und 1. OG) werden zu jeweils 600 € monatlich an Privatleute vermietet. Für das Gebäude sind im Jahr 2022 folgende Aufwendungen entstan‐ den: laufende Aufwendungen i. H. v. 6.000 € und Schuldzinsen i. H. v. 12.000 €. Für den von Laurence selbst genutzten und bewohnten Teil des Dreifamilienhau‐ ses wird keine Miete vereinnahmt. Kosten, die auf diesen Teil des Gebäudes entfallen, können somit nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Die Ein‐ nahmen aus Vermietung und Verpachtung werden wie folgt ermittelt: Beispiel_S127.pdf EG: 1.OG: DG: 600 € x 12 600 € x 12 0 € 7.200 € 7.200 € 0 € Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung = 14.400 € Die Aufwendungen des Jahres 2022 müssen zu je 1/ 3 auf die drei Wohnungen aufgeteilt werden. Die Werbungskosten für die vermieteten Wohnungen werden wie folgt berechnet: 146 2 Einkommensteuer <?page no="147"?> Beispiel_S128.pdf Laufende Aufwendungen Schuldzinsen AfA degressiv (§ 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Bst. c EStG): EG: 1.OG: EG: 1.OG: EG: 1.OG: 1/ 3 x 6.000 € 1/ 3 x 6.000 € 1/ 3 x 12.000 € 1/ 3 x 12.000 € 1/ 3 x 0,025 x 1 Mio. € 1/ 3 x 0,025 x 1 Mio. € = 2.000 € = 2.000 € = 4.000 € = 4.000 € = 8.333 € = 8.333 € 4.000 € 8.000 € 16.667 € = Werbungskosten gesamt = 28.667 € Die Einkünfte ermitteln sich somit folgendermaßen: Einnahmen ./ . Werbungskosten 14.400 € ./ . 28.667 € = Verlust aus Vermietung und Verpachtung =./ . 14.267 € d) Sonstige Einkünfte (§ 22 EStG) Unter § 22 EStG fallen diejenigen Einkünfte, die nicht bereits einer der ersten sechs Einkunftsarten i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG zu subsumieren sind, aber dennoch einer Besteuerung unterliegen. Dabei bildet § 22 EStG allerdings keinen Auffangtatbestand. Vielmehr werden lediglich die in § 22 EStG abschließend aufgezählten Einkünfte erfasst. Es lassen sich sechs Arten von Einkünften nach § 22 EStG unterscheiden: Abb. 31: Umfang der sonstigen Einkünfte 147 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="148"?> Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 EStG) „Wiederkehrende Bezüge sind als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG zu erfassen, wenn sie nicht zu anderen Einkunftsarten gehören und soweit sie sich bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht als Kapitalrückzahlungen, z. B. Kaufpreisraten, darstellen. Wiederkehrende Bezüge setzen voraus, dass sie auf einem einheitlichen Entschluss oder einem einheitlichen Rechtsgrund beruhen und mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederkehren. Sie brauchen jedoch nicht stets in derselben Höhe geleistet zu werden.“ (R 22.1 EStR). Zu unter‐ scheiden sind Renten (z. B. Zeit- und Leibrenten, Bezüge aufgrund dauernder Lasten und sonstige wiederkehrende Bezüge). Zeitrenten haben eine genau 148 2 Einkommensteuer <?page no="149"?> 12 Vgl. BStBl. II 2009, S. 296. vordefinierte Laufzeit. Leibrenten sind abhängig von der Lebensdauer des Rentenberechtigten, d. h. sie enden mit dem Tod des Empfängers. Dauernde Lasten (wiederkehrende Geld- oder Sachleistungen) unterscheiden sich von Renten durch ihre in der Höhe nicht gleichbleibenden und unregelmäßig zufließenden Zahlungen. Insbesondere die steuerliche Behandlung von Leibrenten wurde aufgrund der demografischen Entwicklungen und der verfassungsrechtlichen Vor‐ gaben durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) 12 zum 1. Januar 2005 signifikant geändert. Seit seiner Einführung werden die Alterseinkünfte zunehmend nachgelagert besteuert. Im Gegenzug wird der Steuerpflichtige entlastet, indem die Vorsorgeaufwendungen weitgehend und nur durch großzügig gewählte Höchstbeträge begrenzt als Sonderausgaben abgezogen werden können. Bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2004 unterlagen die Renten nur mit ihrem Ertragsanteil, also mit dem Zinsertrag aus dem Rentenrecht, der Einkommensteuer. Im Gegenzug war aber auch nur ein Teil der Vor‐ sorgeaufwendungen als Sonderausgaben abziehbar. Damit sind die neuen Regelungen mit ihrem erhöhten Sonderausgabenabzug für den Steuerpflich‐ tigen i. d. R. mit einer Entlastung verbunden. Aufgrund der Minderung der Bemessungsgrundlage kommt es im Vergleich zur alten Rechtslage zu einem Progressionsvorteil. Unter den Anwendungsbereich des § 22 Nr. 1 Satz 3 Bst. a DBst. aa EStG fallen dabei: Leibrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, den landwirtschaft‐ lichen Alterskassen, den berufsständischen Versorgungseinrichtungen so‐ wie den kapitalgedeckten Leibrentenversicherungen ab 2005 i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Bst. b EStG. Da das AltEinkG eine schrittweise Freistellung der Altersvorsorgeauf‐ wendungen gem. § 10 Abs. 3 EStG vorsieht, erfolgt auch der Übergang zur Besteuerung der Altersbezüge damit korrespondierend nicht sofort in vollem Umfang. Vielmehr hat der Gesetzgeber für alle Renten, die im Veranlagungszeitraum 2005 bereits bestanden (sog. Bestandsrenten) bzw. in diesem Jahr erstmalig gewährt wurden, einen steuerpflichtigen Anteil von 50 % festgelegt. Dieser Besteuerungsanteil erhöht sich zunächst für jede neue „Rentenkohorte“ - also jeden neu hinzugekommenen Rent‐ nerjahrgang - um zwei Prozentpunkte. Ab dem Jahr 2020 sind dann Sprünge 149 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="150"?> von jeweils einem Prozentpunkt p. a. vorgesehen, sodass bei der Kohorte, die 2040 erstmals die Rente erhält, schließlich 100 % der Altersbezüge der Besteuerung unterliegen werden. Der Besteuerungsanteil ist allein abhängig vom Jahr des Renteneintritts. ■ Korrespondierend mit der schrittweisen Freistellung der Alters‐ vorsorgeaufwendungen erfolgt der Übergang zur nachgelagerten Besteuerung von Leibrenten nicht sofort in vollem Umfang. ■ Der Rentenfreibetrag, der im Folgejahr des Renteneintritts gebil‐ det wird, behält seine Gültigkeit grundsätzlich für die gesamte Laufzeit der Rente. Ist der steuerpflichtige Anteil der Rente bestimmt, folgt die Ermittlung des Rentenfreibetrags als Differenz zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem Besteuerungsanteil. Dieser Freibetrag wird gesondert festgestellt. Dabei ist zu beachten, dass gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Bst. a DBst. aa Satz 5 EStG grundsätzlich (d. h. falls im Zeitablauf keine unregelmäßigen Rentenan‐ passungen, wie Einkommensanrechnungen, erfolgen) eine betragsmäßige Festschreibung des Freibetrags für die gesamte Laufzeit der Rente erfolgt. I. d. R. wird der Steuerpflichtige in seinem Renteneintrittsjahr jedoch keine volle Jahresrente erhalten, weil der Tag des Rentenbeginns selten auf den 1. Januar fällt. Aus diesem Grunde erfolgt die Ermittlung des Rentenfreibetrags stets erst im Folgejahr des Renteneintritts. Beispiel: Eduard bezieht ab dem 01.08.2018 eine Altersrente aus der gesetzlichen Renten‐ versicherung i. H. v. 2.000 € pro Monat. Gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Bst. a DBst. aa EStG beträgt der Besteuerungsanteil der Rente 76 %. Die sonstigen Einkünfte berechnen sich damit folgendermaßen: Beispiel_S131_1.pdf 2018 Brutto-Rente (5 Monate x 2.000 €) Besteuerungsanteil (76% x 10.000 €) ./ . Werbungskosten-Pauschbetrag gem. § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG 10.000 € 7.600 € ./ . 102 € = Sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 EStG = 7.498 € 150 2 Einkommensteuer <?page no="151"?> Beispiel_S131_2.pdf 2019 Brutto-Rente (12 Monate x 2.000 €) Besteuerungsanteil (76% x 24.000 €) ./ . Werbungskosten-Pauschbetrag gem. § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG 24.000 € 18.240 € ./ . 102 € = Sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 EStG = 18.138 € 2019 ist das Folgejahr des Renteneintritts. Daher wird erst hier der Rentenfreibe‐ trag i. H. v. 5.760 € für die Zukunft festgeschrieben: Beispiel_S131_3.pdf Jahresbetrag der Rente ./ . Besteuerungsanteil 24.000 € 18.240 € = Rentenfreibetrag = 5.760 € Beispiel_S131_4.pdf 2020 Brutto-Rente (12 Monate x 2.000 €) ./ . Rentenfreibetrag ./ . Werbungskosten-Pauschbetrag gem. § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG 24.000 € ./ 5.760 € ./ . 102 € = Sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 EStG = 18.138 € Einkünfte aus Zahlungen nach § 10 Abs. 1a EStG (§ 22 Nr. 1a EStG) § 22 Nr. 1a EStG ist das Gegenstück zu § 10 Abs. 1a EStG. Die gesetzli‐ che Verknüpfung zwischen diesen Vorschriften stellt sicher, dass einem Sonderausgabenabzug bzgl. der Zahlungen nach § 10 Abs. 1a EStG beim Geber eine Versteuerung als sonstige Einkünfte beim Empfänger folgt. Inhaltlich haben diese Zahlungen vor allem Unterhaltsleistungen, wieder‐ kehrende Versorgungsleistungen und Ausgleichszahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs zum Gegenstand. Unterhaltsleistungen sind beim Unterhaltsempfänger als sonstige Einkünfte zu versteuern, wenn sie der leistende geschiedene oder dauernd getrenntlebende Ehegatte - im beiderseitigen Einvernehmen - als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG abzieht. Die Höhe des Betrags, der als Sonderausgaben abgezogen wird, entspricht der Höhe des Betrags, der als sonstige Einkünfte zu versteuern ist. Er ist jedoch auf maximal 13.805 € begrenzt. Werden darüber hinaus Bei‐ träge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den getrenntlebenden oder geschiedenen Ehepartner übernommen, so können diese zusätzlich geltend gemacht werden (§ 10 Abs. 1a Nr. 1 Satz 2 EStG). Die Durchführung dieses 151 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="152"?> sog. Realsplittings führt zu steuerlichen Vorteilen, wenn der Leistende (z. B. der geschiedene Ehemann) einem höheren Steuersatz unterliegt als der Empfänger (z. B. die geschiedene Ehefrau). Seit der Einführung dieser Norm im VZ 2008 sind die Einkünfte aus auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende, lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Be‐ tracht bleiben, auf Seiten des Leistungsempfängers zu versteuern, wenn sie vom Zahlungspflichtigen als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG geltend gemacht werden. Hauptanwendungsfall ist die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen im Rahmen der sog. vorweggenommenen Erbfolge, bei der bspw. die Eltern zu Lebzeiten einen Betrieb auf ihre Kinder übertragen. Diese verpflichten sich im Gegenzug zu monatlichen Geldleistungen, die sich am Versorgungsbedürfnis der Eltern orientieren. Eine kaufmännische Abgewogenheit der Leistungen liegt dabei nicht vor, d. h. die wiederkehrenden Leistungen werden unabhängig vom Wert des zu übertragenden Vermögens allein nach dem Versorgungsbedürfnis des Berechtigten und nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Ver‐ pflichteten bemessen. In dem Vorgang wird daher ertragsteuerlich eine unentgeltliche Vermögensübergabe gesehen. Der Begriff „schuldrechtlicher Versorgungsausgleich“ stammt aus dem Familienrecht (§ 1587 ff. BGB). Ehegatten erwerben während der Ehezeit Anwartschaften oder Aussichten auf verschiedene Versorgungsan‐ sprüche (z. B. Altersversorgung, Renten wegen verminderter Erwerbsfähig‐ keit). Übersteigen die während der Ehe erworbenen Anrechte des einen Partners diejenigen des anderen Partners, so steht im Falle der Scheidung dem Ehegatten mit dem niedrigeren Saldo die Hälfte der Differenz zu (sog. Zugewinnausgleich). Der Ausgleich erfolgt entweder durch einen sog. öffentlich-rechtlichen oder einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich. Die schuldrechtliche Lösung stellt dabei einen Transfer von steuerbaren und steuerpflichtigen Einkünften von einem Ehepartner zum anderen dar. Der berechtigte Ehepartner hat die Leistung gem. § 22 Nr. 1a EStG zu versteuern, sofern der zum Ausgleich verpflichtete Ehepartner die ge‐ leisteten Zahlungen als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1a Nr. 4 EStG abzieht. 2015 wurden die Abzugstatbestände in § 10 Abs. 1a EStG um einen weiteren Tatbestand ergänzt. Ausgleichszahlungen zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs nach Ehescheidung bzw. Auflösung einer Lebenspartnerschaft sind als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1a Nr. 3 EStG 152 2 Einkommensteuer <?page no="153"?> 13 Vgl. BGBl. I S. 1427. abzugsfähig, sofern diese beim Ausgleichsempfänger der Besteuerung gem. § 22 Nr. 1a EStG unterliegen. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 EStG (§ 22 Nr. 2 EStG) Als weitere Ausnahme von der Quellentheorie sind neben den §§ 17 und 20 Abs. 2 EStG auch bestimmte private Veräußerungsgeschäfte steuerpflichtig. § 23 EStG listet hierbei die nur zum Privatvermögen ge‐ hörenden Veräußerungsgeschäfte auf. Zu diesen gehören ausschließlich Veräußerungsgewinne von Wirtschaftsgütern, die im Privatvermögen ge‐ halten werden und bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ■ bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten nicht mehr als zehn Jahre beträgt (Ausnahme zu eigenen Wohnzwecken genutzte Immobilie in den in § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Zeiträumen) oder ■ bei anderen Wirtschaftsgütern (nicht Wertpapiere! ) nicht mehr als ein Jahr beträgt. Dieser Zeitraum erhöht sich auf zehn Jahre, sofern das Wirtschaftsgut als Einkunftsquelle dient. Dies gilt z. B. für die Veräußerung von Kryptowährungen. ■ Eine spekulative Absicht ist nicht erforderlich. Der BFH entschied mit Urteil vom 22.04.2008 13 , dass die Steuerverstrickung bei einem Verkauf innerhalb eines Jahres nach der Anschaffung auch für Gegenstände des täglichen Gebrauchs gilt. So konnten u. a. Verluste aus der Veräußerung eines privaten Pkws steuermindernd geltend gemacht werden. Um die durch dieses Urteil befürchteten Steuerausfälle zu verhindern, wurde durch das Jahressteuergesetz 2010 die Veräußerung von Gegenständen des täglichen Gebrauchs als steuerlich nicht relevant erklärt (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Beispiel: Der Steuerpflichtige Wolfgang kaufte am 01.01.2021 einen Gebrauchtwagen für 36.500 €. Bereits im August des Folgejahres veräußert er diesen für 29.000 €. Er kann den Verlust. i. H. v. 7.500 € steuerlich nicht geltend machen. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass auch ein etwaiger Gewinn aus der Veräußerung des Pkw 153 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="154"?> steuerfrei ist. Eine Ausnahme würde jedoch eine Veräußerung von Antiquitäten oder Oldtimern darstellen. Fortsetzung Beispiel: Im August 2021 erwarb Wolfgang einen Oldtimer. Diesen veräußerte er jedoch be‐ reits im Februar 2022. Einen etwaigen Verlust aus diesem Veräußerungsgeschäft könnte er mit Gewinnen aus anderen Veräußerungsgeschäften des Jahres 2022 verrechnen, da die Gesetzgebung hierbei von einer Gewinnerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen ausgeht. Der Veräußerungsgewinn ermittelt sich grundsätzlich folgendermaßen, soweit das in Rede stehende Wirtschaftsgut im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte abgeschrieben worden ist (§ 23 Abs. 3 Satz 4 EStG): Veräußerungspreis ./ . ./ . Fortgeführte Anschaffungskosten (AK + Anschaffungsnebenkosten + Nachträgliche AK ./ . AfA) Werbungskosten (durch die Veräußerung veranlasst) = Veräußerungsgewinn i.S.d. § 23 EStG Bild_S134.pdf Beispiel: Jan beteiligt sich am 01.10.2022 an einem Container-Leasing-Modell. Er erwirbt von einer Anlagegesellschaft einen Container für ein Frachtschiff, den er für a) 11 Jahre b) 5 Jahre gegen Entgelt vermietet. Anton versteuert die Miete abzüglich AfA als Einkünfte aus sonstigen Leistungen. Die Anlagegesellschaft muss den Container nach Ende des Mietvertrags zu einem vorher vereinbarten Preis zurückkaufen. a) Jan nutzt das Container-Leasing-Modell als Einkunftsquelle, die Behaltefrist verlängert sich somit auf 10 Jahre. Der Veräußerungsgewinn ist für Jan trotzdem steuerfrei, da der Verkauf außerhalb der 10-Jahresfrist erfolgt. b) Auch hier gilt die 10-Jahresfrist, denn Jan erzielt durch den Container Einnahmen. Die Veräußerung ist steuerpflichtig, da Jan den Container bereits nach 5 Jahren wieder verkauft. 154 2 Einkommensteuer <?page no="155"?> Übersteigt der Gesamtgewinn aus allen Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr nicht die Freigrenze i. H. v. 600 €, so bleibt er gem. § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG steuerfrei. Bei Überschreiten dieser Freigrenze ist der Veräußerungsgewinn in voller Höhe einkommensteuerpflichtig. Private Veräußerungsverluste dürfen gem. § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG nur mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften ausgeglichen werden. Ein Verlustabzug nach § 10d EStG ist ausgeschlossen. Einkünfte aus sonstigen Leistungen (§ 22 Nr. 3 EStG) „Leistung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und das eine Gegenleis‐ tung auslöst“ (H 22.8 EStR). Dazu zählen z. B. die Vermietung einzelner beweglicher Wirtschaftsgüter oder gelegentliche Vermittlungen. Betragen die Einkünfte aus sonstigen Leistungen weniger als 256 € im Kalenderjahr, so bleiben sie gem. § 22 Nr. 3 Satz 2 EStG steuerfrei. Bei Überschreiten dieser Freigrenze sind die Einkünfte zur Gänze einkommensteuerpflichtig. Übersteigen die Werbungskosten die Einnahmen, so darf der übersteigende Betrag bei der Ermittlung des Einkommens mit anderen Einkunftsarten nicht ausgeglichen werden. Es ist lediglich ein interperiodischer Verlustab‐ zug (siehe hierzu Abschnitt 2.2.4 in diesem Buch) möglich. Einkünfte aufgrund von Abgeordnetengesetzen, vergleichbare Bezüge (§ 22 Nr. 4 EStG) Zu diesen Einkünften zählen nur die nach einem Abgeordnetengesetz gezahlten Bezüge an Abgeordnete des Europäischen Parlaments, des Bun‐ destages sowie der Landtage. Als Werbungskosten können ausschließlich durch das Mandat verursachte Aufwendungen angesetzt werden, die nicht durch Aufwandsentschädigungen abgegolten werden (§ 22 Nr. 4 Satz 2 EStG) oder die keine Wahlkampfkosten darstellen (§ 22 Nr. 4 Satz 3 EStG). Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen (§ 22 Nr. 5 EStG) § 22 Nr. 5 EStG ist anzuwenden bei Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen i. S. d. § 82 EStG (sog. Riester-Rente), bei Leistungen aus Pensionsfonds (§ 4e EStG), Pensionskassen (§ 4c EStG) und Direktversicherungen (§ 4b EStG). Die abschließend aufgezählten Altersvorsorgeprodukte unterliegen der sog. 155 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="156"?> nachgelagerten Besteuerung, d. h. Altersbezüge werden in der Auszahlungs‐ phase als sonstige Einkünfte i. S. d. § 22 Nr. 5 EStG besteuert, während für Beiträge, Zahlungen, Erträge und Wertsteigerungen in der Anzahlungsphase Steuerfreiheit gewährt wird. Für den Umfang der Besteuerung ist entscheidend, inwieweit die Beiträge in der Ansparphase von der Besteuerung ausgenommen wurden (§ 3 Nr. 63 und 66 EStG), durch Sonderausgabenabzug (§ 10a EStG) und Altersvorsorgezulage (§§ 79 ff. EStG) gefördert worden sind oder durch steuerfreie Zuwendungen nach § 3 Nr. 56 EStG erworben wurden. Die Beiträge sind gem. § 10a Abs. 2 EStG als Sonderausgaben nur dann abzugsfähig, wenn dies günstiger ist als die Gewährung der Altersvorsorgezulage. Die Günstiger‐ prüfung wird von Amts wegen vorgenommen. Von den in § 22 Nr. 5 EStG abschließend aufgezählten Vorsorgeprodukten hat die sog. Riester-Rente eine zentrale Bedeutung. Deren Einführung stellt eine Reaktion auf die Kürzungen der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung dar und soll einen Anreiz zur Bildung einer freiwilligen privaten oder betrieblichen kapitalgedeckten Altersvorsorge bieten. Die Förderung erfolgt dabei durch einen progressionswirksamen Sonderausga‐ benabzug (§ 10a EStG), eine progressionsunabhängige Altersvorsorgezulage (§ 83 EStG) bzw. durch die steuerliche Freistellung von Vorsorgebeiträgen gem. § 3 Nr. 63 und 66 EStG. Damit steht diese spezielle Möglichkeit der Altersvorsorge neben den steuerlichen Begünstigungen, die sich bei Abschluss einer privaten Leib‐ rentenversicherung i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Bst. b EStG im Rahmen der Basis-Rente (sog. Rürup-Rente) ergeben. Entrichtet der Steuerpflichtige während seiner Erwerbsphase Beiträge für einen eigens für die Riester-Rente zertifizierten Altersvorsorgevertrag einer Versicherungsgesellschaft, erwächst ihm ein Anspruch auf die staatliche Förderung. Ein evtl. gewährter Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG wirkt sich insofern nicht auf die Höchstbeträge gem. § 10 Abs. 3 EStG aus. 2.2.2.3 Entschädigungen und Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit (§ 24 EStG) Bezüge in Form von Entschädigungen oder Einkünften aus einer ehemaligen Tätigkeit können in allen sieben Einkunftsarten anfallen. Von den §§ 13 bis 23 EStG werden jedoch ausschließlich laufende Einkünfte erfasst, sodass Entschädigungen und Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit nicht der jeweiligen Einkunftsart zugerechnet werden können. 156 2 Einkommensteuer <?page no="157"?> Die Bezüge i. S. d. § 24 EStG stellen keine eigene Einkunftsart dar. § 24 EStG ergänzt lediglich die Vorschriften der §§ 13 bis 23 EStG. Zu den Einkünften i. S. d. § 24 EStG zählen: Entschädigungen (§ 24 Nr. 1 EStG) ■ Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 24 Nr. 1 Bst. a EStG). Solche liegen dann vor, wenn eine Abfindung wegen Auflösung eines Dienstverhältnisses gezahlt wird und die Beendigung dieses Dienstverhältnisses durch den Arbeitgeber erfolgte. ■ Bei Entschädigungen für die Nichtausübung einer Tätigkeit (§ 24 Nr. 1 Bst. b EStG) kann die Beendigung des Dienstverhältnisses auch freiwil‐ lig durch den Arbeitnehmer veranlasst worden sein. ■ Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter nach § 89b HGB (§ 24 Nr. 1 Bst. c EStG). Diese Entschädigungsbezüge sind jeweils derjenigen Einkunftsart zuzurech‐ nen, unter welche die entgangenen Bezüge subsumiert würden, wenn sie tatsächlich erzielt worden wären. Gem. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG zählen die Bezüge i. S. d. § 24 Nr. 1 EStG zu den außerordentlichen Einkünften. Auf sie kann damit der ermäßigte Steuersatz i. S. d. § 34 Abs. 1 EStG (Fünftel‐ regelung) angewandt werden, der den entstehenden Progressionsnachteil durch die Zusammenballung von Einkünften ausgleichen soll (siehe hierzu Abschnitt 2.2.8.3 in diesem Buch). Beispiel: Fernfahrer Joachim hat bei Abschluss seines Arbeitsvertrags mit seinem Ar‐ beitgeber das Wahlrecht vereinbart, nach dem vollendeten 45. Lebensjahr aus dem Unternehmen auszuscheiden. Für den Fall der Ausübung würde ihm eine Abfindung i. H. v. 20.000 € gezahlt werden. Übt Joachim das Wahlrecht aus, so ist die Abfindung als Entschädigung i. S. d. § 24 Nr. 1 Bst. b EStG anzusehen. Die Bezüge sind den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i. S. d. § 19 EStG zu subsumieren. 157 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="158"?> Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit (§ 24 Nr. 2 EStG) Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit (§ 24 Nr. 2 EStG), auch wenn die Bezüge nicht dem ursprünglich Tätigen, sondern seinem Rechtsnachfolger zufließen. Diese Einkünfte unterliegen dem normalen Einkommensteuertarif. Beispiel: Maler Richard verstirbt. Er hinterlässt seinem Sohn Ferdinand einige Bilder, die von Ferdinand verkauft werden. Obwohl Ferdinand selbst nie als Maler tätig war, führt der Bilderverkauf bei ihm zu nachträglichen Einkünften aus selbständiger (künstlerischer) Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 24 Nr. 2 EStG. Nutzungsvergütungen für die Inanspruchnahme von Grundstücken (§ 24 Nr. 3 EStG) Nutzungsvergütungen für die Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke sowie Zinsen auf solche Nutzungsvergütungen sowie auf Entschädigungen, die mit der Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke zusammenhängen zählen zu den Einkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 EStG. Abb. 32: Umfang der Bezüge i. S. d. § 24 EStG 158 2 Einkommensteuer <?page no="159"?> Wie die Einkünfte i. S. d. § 24 Nr. 1 EStG gehören auch diese Einkünfte zu den außerordentlichen Einkünften (§ 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG), soweit sie für einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren nachgezahlt werden, und unterliegen damit dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG (Fünftelregelung, siehe hierzu Abschnitt 2.2.8.3 in diesem Buch). 2.2.3 Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte 2.2.3.1 Altersentlastungsbetrag 159 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="160"?> Der Altersentlastungsbetrag nach § 24a EStG wurde ursprünglich für Steu‐ erpflichtige eingeführt, die das 64. Lebensjahres vollendet haben und keine Renten- oder Pensionszahlungen erhalten, sondern bspw. Einkünfte, die aus einer aktiven Tätigkeit des Steuerpflichtigen oder einer anderweitigen Quelle stammen. Dieser soll die Begünstigungen u. a. der Sozialversiche‐ rungsrenten (Besteuerung nur des Ertragsanteils) und der Versorgungsbe‐ züge nach § 19 Abs. 2 EStG (Gewährung eines Versorgungs-Freibetrags) ausgleichen (§ 24a Satz 2 Nr. 1-5 EStG). Zusammen mit dem schrittweisen Übergang zu einer nachgelagerten Besteuerung werden jedoch genau diese Begünstigungen nach und nach abgebaut. Korrespondierend dazu wird auch der Altersentlastungsbetrag reduziert, bis er schließlich im Veranlagungs‐ zeitraum 2040 komplett entfällt. Dieser kann bis zur endgültigen Abschmel‐ zung vom Gesamtbetrag der Einkünfte in Form eines jährlich fallenden Prozentsatzes (Kohortenprinzip), aber begrenzt durch den Höchstbetrag, abgezogen werden. Seine Abzugsfähigkeit ist allerdings an bestimmte per‐ sönliche und sachliche Voraussetzungen geknüpft (Tab. 14). Die Bemessungsgrundlage für den Altersentlastungsbetrag ermittelt sich in einem zweistufigen Verfahren. Gem. § 24a Satz 1 i. V. m. Satz 2 EStG setzt sich die Bemessungsgrundlage aus dem Bruttoarbeitslohn (nicht zu verwechseln mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit! ) - ohne Versorgungsbezüge - und der positiven Summe der Einkünfte aus den übrigen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und 5 bis 7 EStG) - ohne die in § 24a Satz 2 EStG aufgezählten Bezüge - zusammen. Die ausgeschlossenen Alterseinkünfte sind bereits durch die oben genannten Maßnahmen privilegiert und dürfen daher nicht in die Bemessungsgrund‐ lage mit einfließen. Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage stellt sich wie folgt dar: BMG Teil 1: Arbeitslohn (ohne Versorgungsbezüge) + BMG Teil 2: + Positive Summe der übrigen Einkunftsarten (ohne die in § 24a Satz 2 EStG aufgezählten Bezüge) = Bemessungsgrundlage für den Altersentlastungsbetrag Bild_S140.pdf Ebenso wie bei der Ermittlung des Renten- und des Versorgungs-Freibetrags erfolgt auch hier eine gesonderte Feststellung und Festschreibung des Al‐ tersentlastungsbetrages für die restliche Lebensdauer des Steuerpflichtigen. 160 2 Einkommensteuer <?page no="161"?> Der Zeitpunkt dieser Festschreibung ist das auf die Vollendung des 64. Lebensjahres folgende Kalenderjahr. Tab. 14: Voraussetzungen für den Abzug des Altersentlastungsbetrags Im Gegensatz zu den oben genannten Freibeträgen bezieht sich die Fest‐ schreibung des Altersentlastungsbetrags nicht auf absolute Größen. Viel‐ mehr wird aufgrund der starken Schwankungen, denen die zugrunde liegen‐ den Einkünfte unterworfen sein können, auf einen konstanten Prozentsatz der Einkünfte i. S. d. § 24a EStG abgestellt. Andernfalls (also dann, wenn doch eine betragsmäßige Fixierung erfolgen würde) ergäbe sich bei in den Folgejahren sinkenden Einkünften ein Altersentlastungsbetrag, der sich relativ zu diesen Einkünften erhöhen, statt wie gewünscht, verringern würde. Zu beachten ist schließlich, dass gem. § 24a Satz 4 EStG bei Zusammen‐ veranlagung jedem Ehegatten ein eigener Altersentlastungsbetrag zusteht. Beispiel: Der 70-jährige Jürgen hat im VZ 2022 folgende Einnahmen bzw. Einkünfte bezogen: Beispiel_S141_1.pdf • Arbeitslohn • Davon Versorgungsbezüge • Einnahmen aus Kapitalvermögen: • Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: 29.000 € 3.000 € 3.000 € ./ . 4.000 € 161 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="162"?> Der Altersentlastungsbetrag von Jürgen ermittelt sich wie folgt: Beispiel_S141_2.pdf Bemessungsgrundlage Teil 1: Arbeitslohn ./ . Versorgungsbezüge 29.000 € ./ . 3.000 € = BMG Teil 1 = 26.000 € Beispiel_S141_3.pdf Bemessungsgrundlage Teil 2: Einnahmen aus Kapitalvermögen Sparer-Pauschbetrag 3.000 € ./ . 801 € = Einkünfte aus Kapitalvermögen Eink. aus Vermietung u. Verp. = 2.199 € ./ . 4.000 € BMG Teil 1: + BMG Teil 2: (negative Summe nicht möglich) 26.000 € + 0 € = Bemessungsgrundlage = 26.000 € Summe der übrigen Einkunftsarten ./ . 1801 € Der maßgebende Prozentsatz des Altersentlastungsbetrags wurde für Jürgen in demjenigen Jahr festgeschrieben, das auf die Vollendung seines 64. Lebensjahres folgte (2017; aus der Tabelle in § 24a EStG folgt: Prozentsatz = zeitlebens 20,8 %, Höchstbetrag = zeitlebens 988 €). Der Altersentlastungsbetrag für 2018 beträgt also 20,8 % von 26.000 € (= 5.408 €), maximal jedoch 988 €. Jürgen kann von der Summe der Einkünfte den Altersentlastungsbetrag i. H. v. 988 € abziehen (§ 2 Abs. 3 Satz 1 EStG). 162 2 Einkommensteuer <?page no="163"?> 2.2.3.2 Entlastungsbetrag für Alleinerziehende Alleinstehende Steuerpflichtige können gem. § 24b EStG einen Entlas‐ tungsbetrag i. H. v. 4.008 € im Kalenderjahr von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt ein Kind gehört, für das ihnen der sog. Kinderfreibetrag i. S. d. § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zustehen. Für jedes weitere Kind i. S. d. § 24b Abs. 1 EStG erhöht sich der vorgenannte Betrag um 240 €. Die Haushaltszugehörigkeit umfasst die Verantwortung für das materielle (z. B. Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterielle Wohl (z. B. Fürsorge und Betreuung) des Kindes und ist dann anzunehmen, wenn das Kind in der Wohnung des alleinstehenden Steuerpflichtigen gemeldet 163 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="164"?> ist. Als alleinstehend i. S. d. Vorschrift sind grundsätzlich diejenigen Steu‐ erpflichtigen anzusehen, die nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens nach § 26 Abs. 1 EStG erfüllen oder verwitwet sind und keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Per‐ son bilden. Der Sinn des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende ist demnach, einen Ausgleich für den alleinstehenden Steuerpflichtigen nicht zugänglichen Splitting-Tarif zu schaffen. 2.2.3.3 Abzug für Land- und Forstwirte Nur der Vollständigkeit halber soll der Abzug für Land- und Forstwirte gem. § 13 Abs. 3 EStG erwähnt werden. Dieser kürzt die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft um 900 € unter der Voraussetzung, dass die Summe der Einkünfte 30.700 € nicht übersteigt. Zusammenfassung ■ Es wird zwischen der Gewinnermittlung (bei den betrieblichen Ein‐ kunftsarten) und der Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten (bei den Haushaltseinkunftsarten) differenziert. ■ Der Gewinn ist grundsätzlich durch den Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 bzw. § 5 EStG zu ermitteln. Unter bestimmten Voraus‐ setzungen kann die Einnahmen-Überschuss-Rechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG durchgeführt werden. ■ Im Rahmen bestimmter Überschusseinkunftsarten ist der Abzug eines Werbungskosten-Pauschbetrags möglich. ■ Die gemeinsamen Merkmale der betrieblichen Einkunftsarten sind: Selbständigkeit, Nachhaltigkeit, Gewinnerzielungsabsicht und Beteili‐ gung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. ■ Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb weisen neben den allgemeinen Positivmerkmalen zusätzlich drei Negativmerkmale (keine Land- und Forstwirtschaft, keine selbständige Arbeit und keine bloße Vermögens‐ verwaltung) auf. ■ Die den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zuzurechnenden Einkünfte sind in § 13 Abs. 1 und 2 EStG aufgelistet. ■ Einkünfte i. S. d. §§ 15 Abs. 1 Satz 1, 16 und 17 EStG sind den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu subsumieren. 164 2 Einkommensteuer <?page no="165"?> ■ Einkünfte aus selbständiger Arbeit setzen eine Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 EStG voraus. Es kann sich dabei um freiberufliche Einkünfte, Ein‐ künfte der Einnehmer einer staatlichen Lotterie, Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit sowie um Veräußerungsbzw. Aufgabegewinne handeln. ■ Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit können grundsätzlich nur von Arbeitnehmern bezogen werden. Sie umfassen Einkünfte aus bestehen‐ den und früheren Dienstverhältnissen. Handelt es sich um Versorgungs‐ bezüge, kann der Versorgungs-Freibetrag abgezogen werden. ■ Die Einkünfte aus Kapitalvermögen umfassen sowohl die laufenden Erträge als auch die Veräußerungsgewinne aus Kapitalvermögen. Die Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen, welches im Privat‐ vermögen gehalten wird, ist grundsätzlich mit der Abgeltungsteuer i. H. v. 25 % abgegolten. Ein Betrag i. H. v. 801 € bzw. 1.602 € (Spa‐ rer-Pauschbetrag) bleibt steuerfrei. ■ Steuerpflichtige, deren individueller Steuersatz unter 25 % liegt, kön‐ nen im Rahmen der sog. Veranlagungsoption beantragen, dass ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen zusammen mit ihren restlichen Ein‐ künften der tariflichen Veranlagung unterworfen werden. Ein Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten ist jedoch auch in diesem Fall ausgeschlossen (§ 20 Abs. 9 EStG). ■ Durch das Veranlagungswahlrecht des § 32d Abs. 4 EStG kann der Steuerpflichtige steuermindernde Tatbestände, die nicht im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs berücksichtigt wurden, nachträglich in seiner Steuererklärung geltend machen. ■ Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, aus der Vermietung von Sachinbegriffen, aus der zeitlich begrenzten Überlassung von Rechten und aus der Veräußerung von Miet- und Pachtzinsforderungen stellen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. S. d. § 21 EStG dar. ■ Die sonstigen Einkünfte umfassen nur die explizit in § 22 EStG genann‐ ten Einkünfte: Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen (Basis-Rente), aus Versorgungsleistungen, aus Leistungen aufgrund eines schuldrecht‐ lichen Versorgungsausgleichs, aus privaten Veräußerungsgeschäften, aus sonstigen Leistungen, aus Unterhaltsleistungen sowie Leistungen aufgrund von Abgeordnetengesetzen und aus Altersvorsorgeverträgen. ■ In Folge des Alterseinkünftegesetzes erfolgt ein schrittweiser Übergang zu einer nachgelagerten Besteuerung der Leibrenten aus der gesetz‐ 165 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="166"?> lichen Rentenversicherung bzw. vergleichbaren privaten Rentenversi‐ cherungen. ■ Die in § 24 EStG aufgezählten Einkünfte sind der Einkunftsart zuzurech‐ nen, zu der sie gehören würden, wenn sie als laufende Einkünfte erzielt worden wären. § 24 EStG stellt somit keine eigene (neue) Einkunftsart dar. ■ Der Abzug des Altersentlastungsbetrags soll der privilegierten Stellung von Sozialversicherungsrenten und Versorgungsbezügen entgegenwir‐ ken. Er wird bis VZ 2040 schrittweise abgebaut. ■ Der Abzug des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende soll der privi‐ legierten Stellung von Ehegatten entgegenwirken. Fragen 1. Weshalb ist die Zuordnung der Einkünfte zu den einzelnen Einkunfts‐ arten von großer Bedeutung? 2. Nennen und erläutern Sie die Grundmerkmale aller betrieblichen Ein‐ kunftsarten. 3. Wie können die Einkünfte aus Gewerbebetrieb charakterisiert werden und welche Einkünfte fallen unter § 15 EStG? 4. Welche Einkünfte werden von den Einkünften aus selbständiger Arbeit erfasst? 5. Wer erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit? Wie berechnen sich diese Einkünfte? Gibt es Besonderheiten bei der Einkunftsermitt‐ lung? 6. Welche Erträge werden von den Einkünften aus Kapitalvermögen erfasst? Inwieweit und in welcher Form wird Kapitalertragsteuer er‐ hoben? Beschreiben Sie die Grundsystematik der Besteuerung von Kapitalerträgen in Abhängigkeit davon, ob die Erträge dem Privat- oder Betriebsvermögen zugeordnet werden können. 7. Welche Einkünfte werden von den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfasst? Wie berechnen sich diese Einkünfte? 8. Welche Einkünfte werden als sonstige Einkünfte erfasst? 9. Welche Einkunftsermittlungsarten sind zu unterscheiden? 10. Erklären Sie kurz die Gewinnermittlung mittels Betriebsvermögensver‐ gleich und durch Einnahmenüberschussrechnung. 166 2 Einkommensteuer <?page no="167"?> 11. Wie werden die Haushaltseinkünfte ermittelt? Welchem Prinzip wird dabei Rechnung getragen? 12. Welche Einkünfte werden durch § 24 EStG erfasst? 13. Welcher Zweck wird durch den Abzug des Altersentlastungsbetrags verfolgt? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Wie ermittelt sich die Bemessungsgrundlage für den Altersentlastungsbetrag? Was ist bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten zu beachten? 2.2.4 Die steuerliche Behandlung von Verlusten Dem objektiven Nettoprinzip entsprechend mindern Aufwendungen, die zur Erzielung von Einkünften getätigt werden und in direktem wirt‐ schaftlichem Zusammenhang mit der Erzielung der Einnahmen stehen, die Steuerbemessungsgrundlage. Verwirklicht wird dieses Prinzip durch § 2 Abs. 2 EStG, der als Einkünfte nur die Nettogrößen normiert und damit die grundsätzliche Abzugsfähigkeit der Betriebsausgaben und Werbungs‐ kosten impliziert. Aber auch Verluste müssen mit positiven Einkünften ausgleichsfähig sein, da sie ebenso die Leistungsfähigkeit des Steuerpflich‐ tigen beeinträchtigen. Dabei ist jedoch zwischen dem intraperiodischen Verlustausgleich (§ 2 Abs. 3 EStG) und dem interperiodischen Verlustabzug mit Verlust‐ rücktrag (§ 10d Abs. 1 EStG) und Verlustvortrag (§ 10d Abs. 2 EStG) zu unterscheiden. 2.2.4.1 Verlustausgleich Unter Verlustausgleich versteht man die Saldierung positiver Einkünfte mit negativen Einkünften desselben Steuerpflichtigen im gleichen Ver‐ anlagungsjahr. Unterschieden wird zwischen dem horizontalen und dem vertikalen Verlustausgleich. Dabei können gem. § 2 Abs. 3 EStG grundsätzlich positive und negative Einkünfte im laufenden Jahr sowohl innerhalb einer Einkunftsart als auch zwischen verschiedenen Einkunfts‐ arten verrechnet werden. Zu beachten ist jedoch, dass der Gesetzgeber zahlreiche Vorschriften geschaffen hat, um den horizontalen und vertikalen Verlustausgleich wenigstens in aus seiner Sicht nicht gerechtfertigten Fällen entgegen des objektiven Nettoprinzips einzuschränken. Hiermit sind die in §§ 2a, 15 Abs. 4, § 15a, § 15b, 20 Abs. 1 Nr. 4, 20 Abs. 6, 22 Nr. 3 sowie 22 Nr. 2 i. V. m. 23 EStG normierten Fälle gemeint. 167 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="168"?> Beim intraperiodischen Verlustausgleich i. S. d. § 2 Abs. 3 EStG werden positive und negative Einkünfte desselben Veranlagungszeitraums in unbegrenzter Höhe ausgeglichen. Abb. 33: Verlustausgleich Der Verlustausgleich hat Vorrang vor dem Verlustabzug! Beispiel: Matthias betreibt ein Bauunternehmen. Im Wirtschaftsjahr 2022 hat er einen Verlust i. H. v. ./ . 200.000 € erwirtschaftet. Gleichzeitig unterhält er einen Geträn‐ kemarkt, aus dem er im selben Wirtschaftsjahr einen Gewinn i. H. v. + 150.000 € erzielt hat. Zusätzlich hat Matthias Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. + 62.000 € erzielt. Sonderausgaben sowie außergewöhnliche Belastungen werden aus Vereinfachungsgründen nicht berücksichtigt. 168 2 Einkommensteuer <?page no="169"?> Beispiel_S147.pdf Horizontaler Ausgleich Verlust aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (Bauunternehmen) Gewinn aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (Bauunternehmen) ./ . 200.000 € + 150.000 € Summe Einkünfte aus Gewerbebetrieb ./ . 50.000 € Vertikaler Ausgleich Einkünfte aus § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Vermietung und Verpachtung) + 62.000 € Summe der Einkünfte = 12.000 € 2.2.4.2 Verlustabzug 169 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="170"?> Negative Einkünfte, die beim intraperiodischen Verlustausgleich nicht ver‐ rechnet werden können, sind vom Gesamtbetrag der Einkünfte in einem anderen Veranlagungszeitraum vorrangig vor Sonderausgaben, außerge‐ wöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen. Dies erfolgt zum einen durch den Verlustrücktrag gem. § 10d Abs. 1 EStG und zum anderen durch den Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 EStG. a) Verlustrücktrag § 10d Abs. 1 EStG Ist ein Verlustausgleich mit Einkünften desselben Jahres nicht möglich, so kann der Steuerpflichtige gem. § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG den Verlust ab VZ 2024 bis zu einem Höchstbetrag von 1.000.000 € rückwirkend mit dem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbaren Vorjah‐ res und der Jahre davor ausgleichen. Dabei erfolgt der Verlustrücktrag zunächst in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum der Verlustentstehung. Sollte der Ausgleich der negativen Einkünfte nicht oder nur teilweise möglich sein, erfolgt der Verlustrücktrag insoweit in den zweiten Veranlagungszeitraum, vor der Verlustentstehung. Bei zusammen‐ veranlagten Ehegatten verdoppelt sich der Höchstbetrag auf 2.000.000 €. Aufgrund der Coronapandemie gelten für Verluste der VZ 2020 bis 2023 temporär entsprechend höhere Beträge i. H. v. 10.000.000 € bzw. 20.000.000 €, die jeweils lediglich ein Jahr zurückgetragen werden konnten. Das Verfahren ist ansonsten gleichgeblieben. Gem. § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG kann auf Antrag des Steuerpflichtigen von der Anwendung des § 10d Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG abgesehen werden, d. h. es besteht die Möglichkeit, sich insgesamt gegen die Anwendung des Verlustrücktrages zugunsten des noch zu erläuternden Verlustvortrages zu entscheiden. Nach Ausübung des Verlustrücktrags sind gem. § 10d Abs. 1 Satz 4 und 5 EStG bereits erlassene Steuerbescheide zu ändern. Stellt der Steuerpflichtige keinen Antrag, auf den Verlustrücktrag insgesamt verzichten zu wollen, so erfolgt im Rahmen des Verlust‐ rücktrags gem. § 10d Abs. 1 EStG ab dem Verlustentstehungsjahr 2022 bis 2023 ein Ausgleich mit dem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte bis zu einem Höchstbetrag von 10.000.000 € (bei Zusammen‐ veranlagung 20.000.000 €) im unmittelbar dem Verlustentstehungsjahr vorangegangenen VZ. Sollte ein Ausgleich der negativen Einkünfte in jenem VZ nicht oder nur teilweise möglich sein, erfolgt ein Rück‐ 170 2 Einkommensteuer <?page no="171"?> trag entsprechend vom Gesamtbetrag der Einkünfte in den zweiten, dem Verlustentstehungsjahr vorangegangenen VZ. Ab VZ 2024 wer‐ den die Betragsgrenzen auf 1.000.000 € (bei Zusammenveranlagung 2.000.000 €) zurückgeführt. Beispiel: Der ledige Max hat im Kalenderjahr 2022 mit seinem Geflügelzuchtbetrieb einen Verlust i. H. v. 13.150.000 € erzielt. Darüber hinaus vermietet Max noch mehrere Eigentumswohnungen und erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. 50.000 €. Im Jahr 2021 hatte der Gesamtbetrag der Einkünfte 1.100.000 € betragen. Beispiel_S148_1.pdf 1. Intraperiodischer Verlustausgleich gem. § 2 Abs. 3 EStG Verlust aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ./ . Versorgungsbezüge VZ 2022 ./ . 13.150.000 € + 50.000 € = Summe der Einkünfte ./ . 13.100.000 € Somit stehen 13.100.000 € zunächst für einen Verlustrücktrag in den VZ 2021 zur Verfügung. Da Max keinen Antrag gem. § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG gestellt hat, auf den Verlustrücktrag gem. § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG sowie § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG insgesamt zu verzichten, wird der Verlustrücktrag bis zur Höhe des Gesamtbetrages der Einkünfte des VZ 2021 in Höhe von 1.100.000 € durchgeführt. Beispiel_S148_2.pdf 2. Verlustrücktrag gem. § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG Gesamtbetrag der Einkünfte ./ . Verlustrücktrag (max. 10.000.000 €) VZ 2021 1.100.000 € ./ . 1.100.000 € = Einkommen 2021 = 0 € Nach Durchführung des interperiodischen Verlustabzugs in den dem Verlus‐ tentstehungsjahr unmittelbar vorangegangenen VZ 2021 ist ein Ausgleich der negativen Einkünfte des VZ 2022 nur teilweise möglich. Daher erfolgt ein Rücktrag entsprechend vom Gesamtbetrag der Einkünfte in den zweiten, dem Verlustentstehungsjahr 2022 vorangegangenen VZ 2020 bis zu max. 10.000.000 €. 3. Interperiodischer Verlustabzug gem. § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG Gesamtbetrag der Einkünfte 2020 ./ . Verlustrücktrag (max. 10.000.0000 €) VZ 2020 11.700.000 € ./ . 10.000.000 € = Einkommen 2020 = 1.700.000 € 171 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="172"?> Zum 31.12.2022 verbleibt damit für das Jahr 2023 und weitere Jahre ein vortrags‐ fähiger Verlust i. H. v. 2.000.000 €. Dieser ist gem. § 10d Abs. 4 EStG getrennt nach Einkunftsarten gesondert festzustellen. b) Verlustvortrag § 10d Abs. 2 EStG Soweit negative Einkünfte weder durch einen Verlustausgleich noch durch einen Verlustrücktrag verrechnet wurden, sind sie gem. § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG in den folgenden Veranlagungszeiträumen vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Der Verlustvortrag ist dabei zeitlich unbefristet, d. h. verbleibende Verluste, die aus nachfolgend zu beschreibenden Beschränkungen nicht unmittelbar in den Veranlagungszeitraum nach ihrer Entstehung vorgetra‐ gen werden können, sind auch in den danach folgenden Jahren noch vortragsfähig, müssen aber frühestmöglich ausgeglichen werden. Ist der Verlustrücktrag nicht möglich oder wird er auf Antrag nicht durchgeführt, so sind die Verluste in den folgenden Veranlagungszei‐ träumen bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1.000.000 € unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 % des diesen Sockelbetrag übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte abzuziehen. Einschränkungen ergeben sich aber in betragsmäßiger Hinsicht: Nicht ausgeglichene negative Einkünfte, die nicht nach § 10d Abs. 1 EStG (Ver‐ lustrücktrag) abgezogen worden sind, sind gem. § 10d Abs. 2 EStG in den folgenden Veranlagungszeiträumen bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1.000.000 € unbeschränkt (sog. Sockelbetrag), darüber hinaus bis zu 60 % des 1.000.000 € übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastun‐ gen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen. Bei zusammenveranlagten Eheleuten beträgt der Sockelbetrag 2.000.000 €. Die Einschränkung des Verlustvortrags ist v. a. auf das große Vortrags‐ potenzial auf Unternehmensseite zurückzuführen. Durch das zeitliche Strecken der Abzugsmöglichkeit (d. h., das durch die betragsmäßige Be‐ schränkung erreichte Vortragen überschaubarer Beträge in nachfolgende Veranlagungszeiträume) wird die Kalkulierbarkeit des Steueraufkommens erhöht und gleichzeitig eine Mindestbesteuerung sichergestellt. Dabei ist zu 172 2 Einkommensteuer <?page no="173"?> beachten, dass kein Verlustpotenzial endgültig verlorengeht. Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag ist gem. § 10d Abs. 4 EStG getrennt nach Einkunftsarten gesondert festzustellen. Beispiel: Im Kalenderjahr 2023 beläuft sich der Gesamtbetrag der Einkünfte von Max auf 2.200.000 €. Gem. § 10d Abs. 4 EStG wurde zum 31.12.2022 ein verbleibender Verlustvortrag i. H. v. 2.000.000 € gesondert festgestellt. Beispiel_S150.pdf 3. Verlustvortrag gem. § 10d Abs. 2 EStG Gesamtbetrag der Einkünfte ./ . Sockelbetrag (uneingeschränkter Verlustrücktrag) ./ . 60% x 1.200.000 €, max. 1 Mio. € restlicher Verlust (eingeschränkter Verlustvortrag) VZ 2023 2.200.000 € ./ . 1.000.000 € ./ . 720.000 € = Einkommen = 480.000 € Der zum 31.12.2022 festgestellte Verlustvortrag von 2.000.000 € konnte im VZ 2023 lediglich i. H. v. 1.720.000 € abgezogen werden. Somit ist zum 31.12.2023 ein Verlustvortrag i. H. v. 280.000 € gesondert festzustellen. Der Sinn dieser Regelung besteht darin, einen bestimmten Betrag der Einkünfte des Steuerpflichtigen sofort zu besteuern. Ohne Berücksichtigung der Mindestbesteuerung bzw. der minimum tax hätte sich ein Einkommen i. H. v. 200.000 € ergeben. Abb. 34 zeigt abschließend die Funktionsweise der Verlustverrechnung zur Gänze. 173 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="174"?> Gesamtbetrag der Einkünfte Jahr - 1 Gesamtbetrag der Einkünfte Jahr - 2 Verlust Gesamtbetrag der Einkünfte Jahr 1 Verlustrücktrag Verlustrücktrag Gewinn Verlustvortrag Jahr - 2 Jahr - 1 Jahr 0 Jahr 1 Verminderter G. d. E. Jahr 1 Verfügbarer Verlust max. 10 Mio. (20 Mio.) max. 10 Mio. (20 Mio.), nach dem ersten intraperiodischen Verlustausgleich max. 1 Mio. + 60 % des G. d. E. der 1 Mio. übersteigt 1. Schritt: Intraperiodischer Verlustausgleich 2. Schritt: Erster interperiodischer Verlustrücktrag 3. Schritt: Zweiter interperiodischer Verlustrücktrag 4. Schritt: Verlustvortrag Abb. 34: Die steuerliche Behandlung von Verlusten ab VZ 2022 und 2023 174 2 Einkommensteuer <?page no="175"?> Zusammenfassung ■ Durch den Verlustausgleich i. S. d. § 2 Abs. 3 EStG werden die posi‐ tiven und negativen Einkünfte desselben Veranlagungszeitraums in unbegrenzter Höhe ausgeglichen. Es ist zwischen dem horizontalen und vertikalen Verlustausgleich zu unterscheiden. ■ Ist der Verlustausgleich mit den Einkünften desselben Jahres nicht mög‐ lich, so ist der Gesamtbetrag der Einkünfte anderer Veranlagungszei‐ träume um den Verlust zu mindern (Verlustabzug). Hierbei ist zwischen dem Verlustrücktrag und dem Verlustvortrag zu unterscheiden. ■ Im Rahmen des Verlustrücktrags ist der Verlust in den VZ 2022 sowie 2023 bis zu einem Maximalbetrag von 10.000.000 € (bei zusammen‐ veranlagten Ehegatten 20.000.000 €) mit dem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte des Vorjahres auszugleichen. Ab VZ 2024 wurden die Betragsgrenzen auf 1.000.000 € (bei zusammenveranlagten Ehegatten 2.000.000 €) zurückgeführt. Ab dem Verlustentstehungsjahr 2022 wird der Verlustrücktrag auf zwei Jahre erweitert. Zunächst erfolgt ein Verlustrücktrag in den unmittelbar, dem Verlustentstehungsjahr voran‐ gegangenen VZ. Sollte ein Ausgleich nicht oder nur teilweise möglich sein, erfolgt der Rücktrag in den zweiten, dem Verlustentstehungsjahr vorangegangenen VZ. ■ Ist der Verlustrücktrag nicht möglich oder wird er auf Antrag nur zum Teil oder vollständig nicht durchgeführt, so sind die Verluste in den folgenden Veranlagungszeiträumen vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Für einen Gesamtbetrag der Einkünfte ab einem Sockelbe‐ trag von 1.000.000 € (bei zusammenveranlagten Ehegatten 2.000.000 €) ergibt sich eine Mindestbesteuerung. Fragen 1. Welche Verlustausgleichsmöglichkeiten sind zu unterscheiden? 2. Welche Verlustabzugsmöglichkeiten sind zu unterscheiden? 3. Erläutern Sie die Vorgehensweise beim Verlustrücktrag. 4. Erläutern Sie die Vorgehensweise beim Verlustvortrag. 5. Was verstehen Sie unter dem Begriff „Mindestbesteuerung“? 6. Durch welche Vorschriften wird in Deutschland zurzeit eine Mindest‐ besteuerung verwirklicht? 175 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="176"?> 2.2.5 Sonderausgaben 2.2.5.1 Begriff der Sonderausgaben Im Gegensatz zu den Werbungskosten und Betriebsausgaben findet sich keine Legaldefinition des Begriffs Sonderausgaben im Einkommensteuer‐ gesetz. Eine Definition lässt sich nur aufgrund der abschließenden Aufzäh‐ lungen in den §§ 10, 10a, 10b EStG erschließen (Enumerationsprinzip). Privat veranlasste Aufwendungen (§ 12 EStG) dürfen grundsätzlich nicht vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, da sie keinen Zusammenhang mit den erzielten Einkünften aufweisen. Dieses Prinzip 176 2 Einkommensteuer <?page no="177"?> wird jedoch durch die Abzugsfähigkeit der Sonderausgaben durchbrochen. Somit sind bestimmte Aufwendungen der privaten Lebensführung, die den Steuerpflichtigen wirtschaftlich belasten und vom Gesetzgeber aus wirtschafts-, sozial- und kulturpolitischen Gründen zur Minderung der Steuerbemessungsgrundlage zugelassen sind, abzugsfähig. Weiterhin kön‐ nen Aufwendungen des Steuerpflichtigen nur dann als Sonderausgaben behandelt werden, wenn sie weder Werbungskosten noch Betriebsausgaben sind, auf einer eigenen Verpflichtung des Steuerpflichtigen beruhen und von ihm tatsächlich geleistet werden. Die Vorschriften zu den Sonderausgaben haben somit gegenüber dem Abzugsverbot privater Ausgaben Vorrang. Beispiel: Ferdinand zahlt im Veranlagungsjahr Beiträge an eine private Haftpflichtversi‐ cherung. Wie sind diese Ausgaben steuerlich zu behandeln? Um das Existenzmi‐ nimum zu sichern, hat der Gesetzgeber Beiträge für bestimmte Versicherungen, zu denen auch private Haftpflichtversicherungen zählen, (beschränkt) abzugsfä‐ hig gestaltet (§ 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG). Daher sind die Versicherungsbei‐ träge als Sonderausgaben zu berücksichtigen und können grundsätzlich vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (subjektives Nettoprinzip). Sonderausgaben können nur insoweit geltend gemacht werden, wie die jeweiligen Einzelvorschriften dies vorsehen. Letztlich wirkt sich Einkom‐ men, welches durch Sonderausgaben negativ wird, steuerlich nicht aus, weil nur negative Einkünfte im Rahmen der Regelungen zum Verlustab‐ zug berücksichtigt werden können. Sie werden unterteilt in unbeschränkt abzugsfähige und beschränkt abzugsfähige Aufwendungen. ■ Unbeschränkt abzugsfähige Aufwendungen unterliegen keinerlei Abzugsbeschränkung und können in voller Höhe geltend gemacht werden. ■ Beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben dürfen nur im Rahmen von Höchstbeträgen abgesetzt werden. Sonderausgaben sind nur in demjenigen Kalenderjahr abzugsfähig, in dem sie gezahlt werden. Es gilt das Zufluss-Abfluss-Prinzip gem. § 11 EStG. 177 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="178"?> Merkmale von Sonderausgaben: ■ Wirtschaftliche Belastung des Steuerpflichtigen ■ Weder Werbungskosten noch Betriebsausgaben ■ Persönliche Verpflichtung des Steuerpflichtigen ■ Tatsächliche Zahlung bzw. Leistung des Abzugsberechtigten ■ Abzug vom Gesamtbetrag der Einkünfte ■ Es gilt das Zufluss-Abfluss-Prinzip gem. § 11 EStG 2.2.5.2 Unbeschränkt abzugsfähige Sonderausgaben a) Versorgungsleistungen Der Hauptanwendungsfall des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG sind lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen, die im Rahmen der sog. vorweggenommenen Erbfolge geleistet werden. Dabei soll die Übertra‐ gung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, Gewerbebetrieben und Betriebsvermögen Selbständiger begünstigt werden. Neben Einzelunterneh‐ men und Anteilen an Personengesellschaften ist auch die Übertragung von 50 % der Anteile an einer GmbH begünstigt, sofern der Übergeber als Geschäftsführer tätig war und der Übernehmer diese Tätigkeit fortführt. Durch diese Regelung sollen Mitnahmeeffekte und missbräuchliche Gestal‐ tungen verhindert werden. Daher wurde die begünstigte Übertragung von Privatvermögen, insbesondere von Geldvermögen, Wertpapieren, typisch stillen Beteiligungen und selbst genutztem Wohneigentum, ausgenommen. 178 2 Einkommensteuer <?page no="179"?> Abb. 35: Die verschiedenen Arten der Sonderausgaben 179 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="180"?> Die Versorgungsleistungen können beim Zahlungsverpflichteten in vollem Umfang als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn der Leistungsemp‐ fänger unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist und die Versorgungsleis‐ tungen seinerseits in vollem Umfang als sonstige Einkünfte i. S. d. § 22 Nr. 1a EStG versteuert (sog. Korrespondenzprinzip). Hiervon abweichend ist ein Sonderausgabenabzug auch dann zu gewähren, wenn der Empfänger der Leistung nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, jedoch seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen EUbzw. EWR-Mitgliedstaates hat und somit als fiktiv unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird (§ 1a Abs. 1 Nr. 1a EStG). Beispiel: Wilhelm bekommt gegen die Zusage einer geringen Rente, entsprechend dem Versorgungsbedürfnis des Vaters und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Wilhelm, von seinem Vater dessen Einzelunternehmen geschenkt. Da die Rente nicht als ein angemessenes Entgelt für das übertragene Unternehmen anzusehen ist, sondern auf freiwilliger Basis zur Versorgung des ehemaligen Inhabers geleistet wird, kann sie gem. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG als Sonderausgabe geltend gemacht werden, sofern das Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG nicht greift. b) Leistungen zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs Ausgleichszahlungen zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs sind beim Geber als Sonderausgaben abzugsfähig, soweit der Verpflichtete dies mit Zustimmung des Berechtigten beantragt und der Berechtigte unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Gleichzeitig wurde das Korres‐ pondenzprinzip auch für diese Leistungen gesetzlich festgeschrieben. Der Abzugsberechtigung nach § 10 Abs. 1a Nr. 3 EStG steht gesetzlich die Steuerpflicht nach § 22 Nr. 1a EStG gegenüber. c) Leistungen aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs Leistungen aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs können grundsätzlich ebenfalls in voller Höhe als Sonderausgaben abgezo‐ gen werden. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG folgt daher ebenfalls dem Korrespon‐ denzprinzip, d. h. ein Sonderausgabenabzug ist beim Ausgleichsverpflich‐ teten nur in dem Umfang möglich, in dem der Ausgleichsempfänger die Leistungen als sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 1a EStG der Besteuerung unterwirft. Vergleichbares gilt für Ausgleichszahlungen zur Vermeidung 180 2 Einkommensteuer <?page no="181"?> eines Versorgungsausgleichs gem. § 10 Abs. 1a Nr. 3 EStG. Die Besteuerung erfolgt beim Empfänger ebenfalls nach dem Korrespondenzprinzip gem. § 22 Nr. 1a EStG. Beispiel: Liegt dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich eine Leibrente zugrunde, die beim Empfänger gem. § 22 Nr. 1a EStG nur mit dem Ertragsanteil versteuert werden muss, so ist ein Sonderausgabenabzug für den Zahlungspflichtigen gem. § 10 Abs. 1a Nr. 4 EStG auch nur in Höhe des Ertragsanteils möglich. Beruht die Leistung hingegen bspw. auf Versorgungsbezügen, die beim Ausgleichsver‐ pflichteten gem. § 19 EStG grundsätzlich in vollem Umfang zu versteuern sind, so ist ein Abzug der Ausgleichszahlung als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1a Nr. 4 EStG in vollem Umfang möglich. d) Kirchensteuer Nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist die gezahlte Kirchensteuer grundsätzlich als Sonderausgabe abzugsfähig. Für den Ansatz als Sonderausgabe ist es dabei unbeachtlich, ob es sich um Abschlusszahlungen, Vorauszahlungen oder um eine einbehaltene Kirchensteuer bei Lohnzahlungen handelt. Die als Sonderausgabe anzusetzende Kirchensteuer ist um die Kirchensteuerers‐ tattungen, die im Laufe des Kalenderjahres zugeflossen sind, zu kürzen. Beispiel: Charlotte überweist im Kalenderjahr 2022 laut Kirchensteuerbescheid 480 € an das Kirchensteueramt. Ihr wird im selben Jahr eine Erstattung der Kirchensteuer in Höhe von 120 € überwiesen. Diese Erstattung bezog sich auf die Veranlagung 2021. Charlotte kann als Sonderausgaben 360 € (= 480 € ./ . 120 €) im Jahr 2022 berücksichtigen. Es spielt dabei keine Rolle, auf welches Kalenderjahr die Erstattung der Kirchen‐ steuer zurückzuführen ist. Eine Ausnahme ergibt sich im Rahmen der Abgeltungsteuer, wonach die Kirchensteuer nicht als Sonderausgabe geltend gemacht werden kann, da bei der Berechnung des Steuersatzes der Abgeltungsteuer bereits der Sonder‐ ausgabenabzug berücksichtigt wurde. Da die steuermindernde Wirkung der Kirchensteuer bereits auf diese Weise geltend gemacht wurde, ist ein Abzug der Kirchensteuer im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung insoweit ausgeschlossen. 181 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="182"?> e) Kinderbetreuungskosten Nachgewiesene Kosten für die Betreuung von Kindern können gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG ohne Angabe von besonderen Umständen als Sonderaus‐ gaben abgesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass das Kind das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder aufgrund einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu versorgen. Ein Sonderausgabenabzug ist aber nur in Höhe von zwei Drittel der angefallenen Betreuungskosten, jedoch maximal 4.000 € pro Kind, möglich. Nicht begünstigt sind Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten oder für sportliche oder andere Freizeitbeschäfti‐ gungen. Beispiel: Die verheiratete Mutter Judith geht an zwei Nachmittagen der Woche in ein Fitnessstudio. In dieser Zeit kümmert sich ein Babysitter für 900 € um ihre fünf‐ jährige Tochter Chrissi. Judith meint zudem, ihr Kind solle musikalisch gefördert werden. Eine entsprechend ausgebildete Pädagogin erhält hierfür weitere 1.500 €. Die Kosten für den Babysitter können gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG als Sonderaus‐ gaben i. H. v. (2/ 3 × 900 € =) 600 € abgezogen werden. Ein Abzug der Kosten für den Musikunterricht ist dagegen nicht möglich. Kinder sind an vielen Stellen des Steuerrechts begünstigt, insbeson‐ dere: 1. Elterngeld 2. Kindergeld, Kinderfreibetrag 3. Kinderbetreuungskosten 4. Freibetrag für Alleinerziehende 5. Bestimmte Schul-/ Ausbildungskosten f) Steuerberatungskosten § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG wurde im Veranlagungszeitraum 2006 gestrichen, so‐ dass private Steuerberatungskosten nicht mehr als Sonderausgaben abgezo‐ gen werden können. Steuerberatungskosten, die im Zusammenhang mit einer Einkunftsart stehen und somit als Betriebsausgaben bzw. Werbungs‐ kosten berücksichtigt werden können, sind dagegen weiterhin abzugsfähig. 182 2 Einkommensteuer <?page no="183"?> Folglich sind nur diejenigen Beratungs- und Erstellungsleistungen, die nicht mit Einkünften im Zusammenhang stehen, von dem Abzugsverbot betroffen. Beispiel: Einzelunternehmerin A erzielt im VZ 2022 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Dane‐ ben ist sie als Teilzeitkraft in einem Friseursalon angestellt. Aus dieser Tätigkeit erzielt sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. A hat ein Kind und außerdem Aufwendungen für Altersvorsorge und Krankheitskosten. Ihre Steuererklärung lässt A von Steuerberater B anfertigen. Dieser rechnet folgende Vorgänge ab: ■ Ausfüllen des Mantelbogens (Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastun‐ gen) ■ Ausfüllen der Anlage K (Kind) ■ Ausfüllen der Anlage G (gewerbliche Einkünfte) ■ Ausfüllen der Anlage N (nichtselbständige Arbeit) Die Kosten für das Ausfüllen der Anlage G stellen Betriebsausgaben dar, dieje‐ nigen für das Ausfüllen der Anlage N Werbungskosten. Die Kosten für das Ausfüllen des Mantelbogens und der Anlage Kind sind hingegen steuerlich nicht berücksichtigungsfähig. Zur Vereinfachung der Steuerermittlung ist ein Abzug von Steuerberatungskosten bis zu 100 € stets in vollem Umfang zulässig. g) Sonderausgaben-Pauschbetrag Falls keine höheren tatsächlich angefallenen Kosten nachgewiesen werden, steht dem Steuerpflichtigen gem. § 10c Abs. 1 EStG ein Pauschbetrag i. H. v. 36 € bzw. 72 € bei Ehegattenveranlagung zu. Dieser deckt die Sonderausgaben i. S. d. §§ 10 Abs. 1 Nr. 4, 5, 7, 9 sowie Abs. 1a und 10b EStG ab. 2.2.5.3 Beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben a) Unterhaltszahlungen an den Ehegatten Unterhaltszahlungen an den geschiedenen oder dauernd getrenntlebenden, unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten sind abzugsfähig als: 183 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="184"?> 14 BGBl. I S. 1427. ■ Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG (sog. Realsplitting) Wählt der Steuerpflichtige die Möglichkeit des Sonderausgabenabzugs, so kann er einen Höchstbetrag von 13.805 € im Kalenderjahr abziehen. Werden darüber hinaus Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den getrenntlebenden oder geschiedenen Ehepartner übernommen, so können diese zusätzlich geltend gemacht werden. Beim Empfänger unterliegt gem. § 22 Nr. 1a EStG der Unterhalt in gleicher Höhe der Besteuerung. Die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug sind ein Antrag des Leistenden und die Zustimmung des Empfängers der Unterhaltszahlungen. Zudem ist die erteilte Identifikationsnummer (§ 139b AO) der unterhaltenen Person in der Steuererklärung des Unterhaltsleistenden anzugeben, wenn die unterhaltene Person der beschränkten oder unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. ■ Außergewöhnliche Belastungen gem. § 33a Abs. 1 EStG Entscheidet sich der Steuerpflichtige für den Abzug der Unterhalts‐ zahlungen als außergewöhnliche Belastung, so kann er diese bis zu einer Höhe von 9.984 € absetzen. Auch hier können die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zusätzlich geltend gemacht werden, wenn die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Einkommen hat. Die Zahlungen bleiben beim Empfänger steuerfrei. Voraussetzung für den Abzug der Aufwendungen ist die Angabe der erteilten Identifika‐ tionsnummer (§ 139b AO) der unterhaltenen Person in der Steuerer‐ klärung des Unterhaltsleistenden, wenn die unterhaltene Person der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unterliegt. Übersteigen die Zahlungen den jeweiligen Höchstbetrag von 9.984 € bzw. 13.805 €, so kann der Mehrbetrag nicht darüber hinaus als Sonderausgaben bzw. außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden. b) Vorsorgeaufwendungen Mit der Umsetzung des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) 14 zum 01.01.2005 werden die Leibrenten nicht mehr ausschließlich mit ihrem Ertragsanteil der Einkommensteuer unterworfen, sondern schrittweise nachgelagert be‐ steuert. Zum Ausgleich können die Vorsorgeaufwendungen (unabhängig davon, ob für die gesetzliche Rentenversicherung oder vergleichbare 184 2 Einkommensteuer <?page no="185"?> private Versicherungen geleistet), im Gegensatz zur vorherigen Regelung weitgehend und nur durch großzügig gewählte Höchstbeträge begrenzt als Sonderausgaben abgezogen werden. Seit dem Veranlagungszeitraum 2005 sind Alterseinkünfte in der Auszahlungsphase des Steuerpflichtigen grundsätzlich in vollem Um‐ fang zu versteuern. Damit korrespondierend bleiben Beiträge zur Altersvorsorge in der Erwerbsphase weitgehend steuerfrei (Prinzip der nachgelagerten Besteuerung). Der Übergang zu dieser nachgelagerten Besteuerung - also der Besteue‐ rung der Alterseinkünfte in der Auszahlungsphase bei korrespondierender Steuerfreiheit der Beiträge für die Altersvorsorge in der Erwerbsphase - ist aus aufkommenspolitischen Gründen jedoch nicht in einem Schritt voll‐ ziehbar. Deshalb sind eine Reihe von Übergangsregelungen zu beachten. Diese betreffen sowohl die Altersvorsorgeaufwendungen als auch die sog. sonstigen Altersvorsorgeaufwendungen, deren getrennte Betrachtung sich als unmittelbare Folge der Änderungen des Alterseinkünftegesetzes ergibt. In der nachfolgenden Abbildung werden die unterschiedlichen Formen der Altersversorgung und deren steuerliche Behandlung veranschaulicht. Abb. 36: Formen der Altersversorgung und deren Besteuerung 185 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="186"?> Ausdrücklich nicht in die Reihe der privilegierten Vorsorgemaßnahmen gehören die Kapitallebensversicherungen. Die Beiträge, die auf Kapitalle‐ bensversicherungsverträgen beruhen, deren Laufzeit nach dem 31.12.2004 beginnt, sind in keiner Weise begünstigt. Liegen Altverträge vor (Laufzeit‐ beginn vor dem 31.12.2004), so können die in diesem Kontext geleisteten Beiträge wiederum im Rahmen der sonstigen Altersvorsorgeaufwendungen angesetzt werden. Sonstige Vorsorgeaufwendungen gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 3a EStG Die in § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 3a EStG genannten Beiträge dienen nicht der Altersvorsorge und gehören zu den sonstigen Vorsorgeaufwendungen. Von Bedeutung sind hier vor allem: a) Aufwendungen gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG □ für Krankenversicherung und □ Pflegeversicherung. b) Aufwendungen gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG □ gegen Arbeitslosigkeit, □ für Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen, die ein nicht ergänzender Bestandteil einer Leibrentenversicherung i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Bst. b EStG sind (§ 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG), □ für Unfall- und Haftpflichtversicherung, □ für (reine) Risikolebensversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen, □ für Rentenversicherungen i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Bst. b EStG (Altverträge) und □ für Kapitallebensversicherungen (Altverträge), falls die Laufzeit der jeweiligen Verträge vor dem 01.01.2005 begonnen hat und die Beitragszahlungen schon vor diesem Zeitpunkt stattgefunden haben. In diesen Fällen ist § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 bis 6 und Abs. 2 Satz 2 EStG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Die Beiträge zu einer Krankenversicherung können unbegrenzt als Son‐ derausgaben geltend gemacht werden, sofern die Versicherungsleistung in Art, Umfang und Höhe mit denen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist. Damit hat der Gesetzgeber auf die vom Bundesverfassungs‐ gericht beanstandete Ungleichbehandlung und die begrenzte Abzugsfähig‐ 186 2 Einkommensteuer <?page no="187"?> keit von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungsbeiträgen reagiert. Daher sind sowohl (Pflicht-)Beiträge (Arbeitnehmeranteil) zur gesetzlichen Krankenversicherung, der sog. Basiskrankenversicherung, als auch private Krankenversicherungsbeiträge nach Abzug steuerfreier Zuschüsse, die der Basiskrankenversicherung entsprechen, in unbegrenzter Höhe als Sonder‐ ausgaben abzugsfähig. Allerdings dürfen Beiträge für eine Zusatzversor‐ gung (z. B. Krankengeld, Chefarztbehandlung) nicht berücksichtigt werden. Entsprechend sind die abzugsfähigen Bestandteile der privaten Krankenver‐ sicherungsbeiträge aus dem Gesamtbetrag heraus zu rechnen. Beinhaltet der Krankenversicherungsbeitrag einen Krankengeldanspruch oder eine vergleichbare Leistung, so ist der Beitrag pauschal um 4 % zu vermindern (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Bst. a EStG). Ebenfalls abzugsfähig sind gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Bst. b EStG Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung. Den eigenen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gleichgestellt und letztlich in unbegrenzter Höhe abzugsfähig (rein technisch im Fall des sog. Realsplittings durch die Erhöhung des Höchstbetrages gem. § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 EStG bzw. gem. § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG) sind die Beiträge für: ■ mitversicherte Kinder, ■ Ehe- oder eingetragener Lebenspartner, ■ zusätzlich zu den Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrenntlebenden, unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten geleistete Beiträge im Rahmen des sog. Realsplittings (§ 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG), und ■ übernommene Beiträge für gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen i. S. d. § 33a Abs. 1 EStG. Die geleisteten Beiträge sind im Fall des Realsplittings vom Unterhaltsemp‐ fänger als sonstige Einkünfte i.S.d § 22 Nr. 1a EStG zu versteuern. Der Höchstbetrag für die Steuerpflichtigen, welche die Aufwendungen für ihre Krankenversicherung und Krankheitskosten vollständig aus eige‐ nen Mitteln tragen (insbesondere Selbständige), beträgt 2.800 €. Für Steu‐ erpflichtige, die ganz oder teilweise ohne eigene Aufwendungen einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Erstattung oder Übernahme von Krankheitskosten haben oder für deren Krankenversicherung Leistungen i. S. d. §§ 3 Nr. 62 oder 3 Nr. 14 EStG erbracht werden (also z. B. sozial‐ versicherungspflichtige Arbeitnehmer, für die der Arbeitgeber steuerfreie Beiträge zur Krankenversicherung leistet oder in der gesetzlichen Kranken‐ 187 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="188"?> versicherung ohne eigene Beiträge familienversicherte Angehörige), wurde ein Höchstbetrag von 1.900 € festgesetzt (§ 10 Abs. 4 EStG). Bei zusammenveranlagten Ehegatten wird gem. § 10 Abs. 4 Satz 3 EStG ein gemeinsamer Höchstbetrag gebildet, der sich aus den jeweiligen Höchstbeträgen beider Partner zusammensetzt. Vorrangig werden die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge berück‐ sichtigt. Sofern die Kranken- und Pflegeversicherungsaufwendungen den Höchstbetrag nicht ausschöpfen (z. B. bei Geringverdienern), kann mit an‐ deren sonstigen Vorsorgeaufwendungen „aufgefüllt“ werden. Übersteigen bereits die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge den Höchstbetrag, können die Beiträge ab dem VZ 2010 trotzdem in vollem Umfang abgezogen werden (§ 10 Abs. 4 Satz 4 EStG). Ein weiterer Abzug sonstiger Vorsorgeauf‐ wendungen i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG ist dann allerdings ausgeschlossen. Beispiel: Gustav ist lediger Arbeitnehmer und privat krankenversichert. Er zahlt im Jahr einen Krankenversicherungsbeitrag i. H. v. 1.600 €, worin 10 % für eine Zusatz‐ versorgung enthalten sind. Der Anteil für die Basiskrankenversicherung beträgt somit 1.440 €. Für die gesetzliche Pflegeversicherung hat er 200 € gezahlt und andere sonstige Vorsorgeaufwendungen i. H. v. 600 € getätigt. Der Höchstbetrag gem. § 10 Abs. 4 Satz 2 EStG i. H. v. 1.900 € wird durch die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von 1.640 € nicht voll ausgeschöpft. Die anderen sonstigen Vorsorgeaufwendungen können zusätzlich i. H. v. 260 € angesetzt werden. Würde Gustav für seine private Krankenversicherung 2.300 € bezahlen, worin wiederum 10 % für die Zusatzversorgung enthalten sind, beliefe sich der Anteil für die Basiskrankenversicherung auf 2.070 €. Für die gesetzliche Pflegeversicherung wendet er auch diesmal 200 € auf. Die weiteren sonstigen Vorsorgeaufwendungen betragen analog zum obigen Beispiel 600 €. Bereits mit den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen überschreitet Gustav den Höchstbetrag von 1.900 €. Gem. § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG ist jedoch ein Abzug in vollem Umfang möglich. Die Berücksichtigung weiterer sonstiger Vorsorgeaufwendungen ist jedoch ausgeschlossen. Somit kann Gustav einen Sonderausgabenabzug i. H. v. 2.270 € (= 2.070 € + 200 €) geltend machen. 188 2 Einkommensteuer <?page no="189"?> ■ Ab VZ 2010 sind sowohl die gesetzlichen als auch die priva‐ ten Krankenversicherungsbeiträge grundsätzlich in unbegrenzter Höhe abzugsfähig (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Bst. a i. V. m. Abs. 4 EStG). ■ Die gesetzliche Pflegeversicherung ist ebenfalls in vollem Umfang absetzbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Bst. b i. V. m. Abs. 4 EStG). ■ Eine „Auffüllung“ mit sonstigen Vorsorgeaufwendungen i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG ist zulässig, wenn der Höchstbetrag nicht überschritten wurde. ■ Der Höchstbetrag für Arbeitnehmer beträgt 1.900 € und für Selbständige 2.800 € (§ 10 Abs. 4 EStG). Zusammenfassende Übersicht: Steuerliche Behandlung eines Arbeitneh‐ mers Berechnung der monatlichen Abzüge (VZ 2022) Arbeitnehmer (AN) 3.500 € ./ . 326 € ./ . 287 € ./ . 42 € ./ . 53 € ./ . 520 € ./ . 42 € 2.230 € monatl. Bruttolohn Rentenversicherung (9,3%) Krankenversicherung (8,2%)* Arbeitslosenversicherung (1,2%) Pflegeversicherung (1,525%)* Lohnsteuer 2022 Kirchensteuer (8%) monatl. Nettolohn Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit Beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG) 20,575% von 3.500 € = 720 € (AN-Anteil) nicht abzugsfähig § 12 Nr. 3 EStG abzugsfähig § 12 Nr. 3 EStG wird an den AN ausbezahlt Der Arbeitgeber (AG) bezahlt die andere Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge: 326 € (RV) + 255 € (KV) + 42 € (AV) steuerfrei gem. § 3 Nr. 62 EStG + 45 € (PV) = 668 € (AG-Anteil) * Seit dem 01.07.2005 hat der Arbeitnehmer einen Zuschlag zur Krankenversicherung (0,9%) und einen Kinderlosenzuschlag (0,25%) zu entrichten. Bild_S169.pdf 189 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="190"?> d) Berufsausbildungs- und Weiterbildungskosten Gem. § 4 Abs. 9 und § 9 Abs. 6 EStG stellen die Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium, das zu gleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten oder Betriebsausgaben dar. Sie dienen der Vorsorge für die persönliche Existenz und sind deshalb der privaten Lebens‐ führung zuzurechnen. Eine Ausnahme ergibt sich lediglich dann, wenn die Bildungsmaßnahme im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet, bspw. im Rahmen eines dualen Ausbildungssystems oder eines berufsbegleitenden Erststudiums, wenn die Maßnahme also beruflich veranlasst ist. Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung, die nicht als Werbungs‐ kosten oder Betriebsausgaben abziehbar sind, können nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Sonderausgaben bis zu einer Höhe von 6.000 € je Kalenderjahr abgezogen werden. Unter Berufsausbildung ist das Erwerben erstmaliger Kenntnisse und Fertigkeiten zu verstehen, also der Erwerb von Grundla‐ genkenntnissen für den künftigen Beruf mit der erkennbaren Absicht der späteren Berufsausübung. Der Gesetzgeber hat in § 9 Abs. 6 Sätze 2 ff. EStG diesbezüglich Konkretisierungen vorgenommen. Eine Berufsausbildung als Erstausbildung liegt demnach vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird. Eine geordnete Ausbildung liegt vor, wenn sie auf der Grundlage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers durchgeführt wird. Ist eine Abschlussprüfung nach dem Ausbildungsplan nicht vorgesehen, gilt die Ausbildung mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung als abgeschlos‐ sen. Eine Berufsausbildung als Erstausbildung hat auch abgeschlossen, wer die Abschlussprüfung einer durch Rechts- oder Verwaltungsvorschrif‐ ten geregelten Berufsausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bestanden hat, ohne dass er zuvor die entsprechende Berufsausbildung durchlaufen hat. Davon wird auch ein Erststudium erfasst, da die von Hoch‐ schulen angebotenen Studiengänge gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 HRG i. d. R. zu einem berufsqualifizierenden Abschluss führen. Zu den als Sonderausgaben abziehbaren Aufwendungen gehören u. a.: ■ Lehrgangs-, Schul- oder Studiengebühren, Arbeitsmittel, Fachliteratur, ■ Fahrten zwischen Wohnung und Ausbildungsbzw. Arbeitsort, ■ Mehraufwendungen für Verpflegung, ■ Mehraufwendungen wegen auswärtiger Unterbringung und ■ Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer. 190 2 Einkommensteuer <?page no="191"?> 15 Vgl. BFH, 18.06.2009, VI R 14/ 07. BFN/ NV 2009, S. 1875. 16 BFH, v. 28.7.2011 - VI R 5/ 10, DStR 2011, S. 1745; BFH, v. 28.7.2011 - VI R 7/ 10, DStR 2011, S. 1559. Nach der Rechtsprechung können die Kosten für ein Erststudium als vorweg‐ genommene Werbungskosten angesetzt werden, wenn diesem eine bereits abgeschlossene Berufsausbildung vorausgegangen ist, auch wenn dieses in keinem Zusammenhang mit der erstmaligen Ausbildung steht. Hierzu hat der BFH in einem Urteil aus dem Jahr 2009 eindeutig Stellung genommen. 15 Als Grund führte der BFH den Zusammenhang mit späteren Einnahmen aus der angestrebten Tätigkeit auf. Somit seien die Aufwendungen beruflich veranlasst und als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, auch wenn sie nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgen. Seit 2004 sind aus fiskalischen Gründen die Aufwendungen für eine Erstausbildung oder ein Erststudium nur als Sonderausgabenabzug mög‐ lich, obwohl diese eigentlich in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerpflichtigen Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit stehen und somit beruflich veranlasst wären. Der BFH hat im Jahr 2011 in zwei Urteilen entschieden, dass die Begrenzung des Abzugs von Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung und ein Erststudium aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Formulierung ins Leere läuft und entsprechende Aufwendungen daher unbegrenzt als Werbungskosten abzugsfähig sein müssen. 16 Ende 2011 wurden die Vorschriften allerdings (leider) durch den Gesetzgeber überarbeitet. Damit wird die alte Rechtslage erneut festge‐ schrieben, nach der Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung und ein Erststudium nur begrenzt als Sonderausgaben abzugsfähig sind. Zur Klarstellung: Ein vortragsfähiger Verlust i. S. d. § 10d Abs. 2 EStG kann durch Werbungskosten, nicht aber durch Sonderausgaben geschaffen werden. Aus diesem Grund ist die Qualifikation der Bildungskosten als Wer‐ bungskosten oder Sonderausgaben von erheblicher praktischer Relevanz. Fortbildung ist die berufliche Weiterbildung in einem ausgeübten Beruf, die nicht auf den Wechsel in einen anderen Beruf ausgerichtet ist. Es muss dabei ein objektiver Zusammenhang zu dem ausgeübten Beruf bestehen und die Fortbildung muss der Förderung dieses Berufs dienen. 191 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="192"?> 17 BFH, Urteil v. 12. Februar 2020, VI R 17/ 20 (VI R 64/ 12), BVerfG, Beschluss v. 19.11.2019 2 BvL 22-27/ 14 18 Vgl. BFH, 4.12.2002, VI R 120/ 01, BStBl. II 2003, 403. Entschließt sich ein Steuerpflichtiger hingegen nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder einem abgeschlossenem Erststudium zu einer beruf‐ lichen Fort- oder Weiterbildung, deren Kosten er selbst trägt, so stellen die dafür anfallenden Aufwendungen Werbungskosten (bei Arbeitnehmern) oder Betriebsausgaben (bei Selbständigen) dar. Entscheidend dabei ist, dass die Aufwendungen beruflich veranlasst sind und somit in einem hinrei‐ chend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerpflichtigen Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit stehen. Anderenfalls liegen nichtabzugsfähige Aufwendungen der privaten Lebensführung vor. 17 Die Fort- und Weiterbildungskosten sind allerdings nicht von einem Dienstverhältnis abhängig. Somit können z. B. auch Arbeitslose, Mütter und Väter im Erziehungsurlaub vorab entstandene Werbungskosten geltend machen, wenn sie sich in dem Beruf fortbilden, in dem sie künftig arbeiten werden. Die Aufwendung für ein Zweit-, Ergänzungs- oder Aufbaustudium nach einer abgeschlossenen Ausbildung oder einem bereits absolvierten Studium sind grundsätzlich als Werbungskosten absetzbar, vorausgesetzt, die beruf‐ lichen Chancen des Arbeitnehmers werden im Zusammenhang mit dem Erststudium durch das Zweitstudium verbessert. Zu unterscheiden sind Fortbildungskosten (Werbungskosten), Aus‐ bildungskosten (Sonderausgaben) und Kosten der Allgemeinbildung (Abzugsverbot). Kosten für eine Umschulung sind ebenfalls als (vorab entstandene) Wer‐ bungskosten abzugsfähig, unabhängig davon, ob der Umschüler fest ange‐ stellt oder arbeitslos ist. Eine Umschulung soll den Wechsel von einem zuvor erlernten Beruf in eine andere geeignete berufliche Tätigkeit ermöglichen. Bei der Umschulung handelt es sich somit um eine zweite Berufsausbildung und nicht um eine Fortbildung im ursprünglich erlernten Beruf. 18 192 2 Einkommensteuer <?page no="193"?> Abb. 39: Ausbildungs- und Fortbildungskosten Beispiele: 1. Die in einer Kanzlei tätige Steuerfachangestellte Luise bereitet sich in Samstagskursen auf ihre Prüfung zur Bilanzbuchhalterin vor. Da Luise bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, stellen die ihr entstandenen Fortbildungskosten Werbungskosten dar, welche unbeschränkt abzugsfähig sind. 2. Walter studiert an einer deutschen Universität, die zum Ausbau des Verwal‐ tungsapparats Studiengebühren eingeführt hat. Diese kann Walter neben seinen Aufwendungen für Literatur sowie für Fahrten zwischen Wohn- und Studienort bis zu einer Höhe von 6.000 € pro Jahr als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen. 3. Die gelernte Buchhalterin Sabine studiert an einer deutschen Universität Grundschullehramt. Die ihr entstehenden Aufwendungen kann Sabine als vorweggenommene Werbungskosten in unbegrenzter Höhe geltend machen, da sie bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung absolviert hat. 193 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="194"?> e) Steuerbegünstigte Zuwendungen Zuwendungen (Spenden und Mitgliedsbeiträge) sind zu unterteilen in: ■ Zuwendungen zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke i. S. d. § 10b Abs. 1 EStG, ■ Spenden in den Vermögensstock einer Stiftung i.S.d. § 10b Abs. 1a EStG, ■ und Zuwendungen an politische Parteien i. S. d. § 10b Abs. 2 EStG. Spenden und Mitgliedsbeiträge i. S. d. § 10b Abs. 1 EStG zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke i. S. d. §§ 52 bis 54 AO können bis zu 20 % des Gesamtbetrags der Einkünfte oder bis zu 4 von Tausend der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Von einem Abzug sind hingegen gem. § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG Mitgliedsbeiträge an Körperschaften ausgeschlossen, die insbesondere die aktive kulturelle Betätigung ihrer eigenen Mitglieder fördern (z. B. Sportver‐ eine, Laientheater, Vereine für Heimatpflege, Tierzucht usw.). Übersteigen die Zuwendungen in einem Veranlagungszeitraum die zulässigen Höchst‐ grenzen oder können Zuwendungen nicht berücksichtigt werden, so können diese zeitlich unbegrenzt vorgetragen und in den folgenden Veranlagungs‐ zeiträumen als Sonderausgaben abgezogen werden. Zusätzlich zu den Höchstbeträgen nach § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG können auf Antrag des Steuerpflichtigen Spenden in den Vermögensstock einer Stiftung i. S. d. § 10b Abs. 1a Satz 1 EStG bis zu einem Umfang von 1 Mio. € steuerlich geltend gemacht werden. Begünstigt werden nicht nur die Spenden, die anlässlich der Neugründung einer Stiftung getätigt werden, sondern auch die sog. Zustiftungen in den Vermögensstock einer bereits bestehenden Stiftung. Der Sonderausgabenabzug kann dabei vom Spender innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren beliebig auf die einzelnen Zeit‐ räume verteilt werden. § 10d Abs. 4 EStG ist dabei sinngemäß anzuwenden, d. h. ein abzugsfähiger Spendenbetrag, der noch nicht steuermindernd berücksichtigt wurde, ist gesondert festzustellen und auf diese Weise in die Zukunft fortzuschreiben. 194 2 Einkommensteuer <?page no="195"?> Abb. 40: Höchstbeträge zum Abzug von Spenden i. S. d. § 10 Abs. 1 und 2 EStG Der Sonderausgabenabzug von Parteispenden i. S. d. § 10b Abs. 2 EStG folgt anderen Höchstbegrenzungsregeln. Die Zuwendungen an politische Parteien können nur dann als Sonderausgaben berücksichtigt werden, wenn die begünstigte politische Vereinigung eine Partei i. S. d. § 2 Parteiengesetz darstellt. Als Sonderausgaben können jedoch nur diejenigen Beträge abge‐ setzt werden, welche nicht bereits aufgrund des Absetzbetrags nach § 34g EStG steuerlich berücksichtigt wurden. Gem. der sog. Kleinspendenregelung des § 34g EStG werden Spendenbeiträge durch einen direkten Abzug von der tariflichen Einkommensteuer begünstigt. Die Ermäßigung beträgt 50 % der Ausgaben und ist auf einen maximalen Absetzbetrag i. H. v. 825 € (bei Zusam‐ menveranlagung 1.650 €) begrenzt. Folglich müssen mindestens 1.650 € (bei Zusammenveranlagung 3.300 €) gespendet werden, um den Absetzbetrag voll ausschöpfen zu können. Nur der Teil des Spendenbetrags, der nicht im Zusammenhang mit dem maximalen Absetzbetrag berücksichtigt wurde, kann somit gem. § 10b Abs. 2 EStG als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Allerdings ist dieser Sonderausgabenabzug ebenfalls nur bis zu einem Betrag von 1.650 € (bei Zusammenveranlagung 3.300 €) möglich. Das zweistufige Abzugsverfahren liegt begründet im demokratischen Prinzip, wonach die politische Willensbildung, zumindest auf der ersten Stufe, nicht von der Höhe des Einkommens abhängig sein soll. 195 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="196"?> Abb. 41: Berechnungsschema einer Parteispende Beispiel: Single Franz mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 45.000 € spendet 2.400 € an die Universität, an der seine Schwester studiert. Er spendet außerdem an seine Heimatpfarrei 5.000 €, an das städtische Museum 2.600 € und 2.000 € an politische Parteien. Beispiel_S176.pdf Zuwendungen für Zwecke i.S.d. §§ 52-54 AO Abzugsfähiger Höchstbetrag (20% von 45.000 €) 10.000 € ./ . 9.000 € 9.000 € Vortragsfähiger Restbetrag gem. § 10b Abs. 1 Satz 3 EStG 1.000 € Beispiel_S177.pdf Abzugsfähiger Spendenbetrag gem. § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG Zuwendungen an politische Parteien i.S.d. § 2 Parteiengesetz Abzugsfähiger Betrag gem. § 34g EStG 50% v. 1.650 € Abzugsfähiger Restbetrag gem. § 10b Abs. 2 EStG 2.000 € ./ . 825 € ./ . 350 € 9.000 € Franz kann 9.000 € von insgesamt 10.000 € als Sonderausgaben i. S. d. § 10b Abs. 1 EStG geltend machen. Der verbleibende Restbetrag i. H. v. 1.000 € wird gem. § 10b Abs. 1 Satz 9 i. V. m. § 10d Abs. 4 EStG gesondert festgestellt und 196 2 Einkommensteuer <?page no="197"?> zeitlich unbegrenzt in die folgenden Veranlagungszeiträume vorgetragen. Die im aktuellen VZ nicht berücksichtigten Beträge werden dann zusammen mit den laufenden Zuwendungen in den folgenden Veranlagungszeiträumen im Rahmen der Höchstbeträge als Sonderausgaben berücksichtigt. Darüber hinaus konnte er seine Spende an politische Parteien gem. §§ 34g, 10b Abs. 2 EStG im Umfang von 1.175 € geltend machen. f) Schulgeld für Ergänzungs- und Ersatzschulen Nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG sind 30 % des im Kalenderjahr gezahlten Schulgelds an eine Privatschule als Sonderausgabe abzugsfähig, falls der Steuerpflichtige für das Kind einen Anspruch auf Kindergeld oder den Kinderfreibetrag hat, höchstens jedoch 5.000 € je Kind und Elternpaar. Die Voraussetzung ist, dass die Schule in einem EU-/ EWR-Mitgliedstaat ansässig und staatlich anerkannt ist. Die im Schulgeld möglicherweise enthaltenen Entgelte für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung werden dabei nicht berücksichtigt. Beispiel: Amalia geht auf eine private Wirtschaftsschule, die als Ergänzungsschule in Bay‐ ern staatlich anerkannt ist. Ihre Eltern zahlen pro Jahr 30.000 € an Schulgeld. Darin sind Getränke (2.000 €) und die Internatsübernachtungen (7.000 €) enthalten. Die Eltern erhalten für Amalia Kindergeld. Die Eltern von Amalia können 30 % von 21.000 € (= 30.000 € ./ . 9.000 €) = 6.300 €, höchstens jedoch 5.000 €, bei den Sonderausgaben berücksichtigen. 2.2.6 Außergewöhnliche Belastungen 2.2.6.1 Begriff der außergewöhnlichen Belastung Außergewöhnliche Belastungen mindern wie die Sonderausgaben den Ge‐ samtbetrag der Einkünfte und somit das zu versteuernde Einkommen und decken den existenznotwendigen außergewöhnlichen Lebensbedarf ab. 197 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="198"?> Beispiel: Johannes muss aufgrund eines Autounfalls eine Woche im Krankenhaus verbrin‐ gen und bezahlt pro Tag 100 € Eigenanteil für seinen Krankenhausaufenthalt. Wie sind diese Ausgaben steuerlich zu behandeln? Krankheitsaufwendungen gelten als private Aufwendungen, weil sie keinen unmittelbaren Zusammenhang mit erzielten Einkünften aufweisen. Private Ausgaben dürfen gem. § 12 EStG den Gesamtbetrag der Einkünfte nicht min‐ dern. Erwachsen diese Aufwendungen allerdings zwangsläufig und hat der Steuerpflichtige dadurch größere Aufwendungen als die überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands, so 198 2 Einkommensteuer <?page no="199"?> charakterisiert der Gesetzgeber diese Aufwendungen nach § 33 Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastungen und lässt sie zum Abzug zu. Dem Steuerpflichtigen entstehen Aufwendungen gem. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und die Aufwendungen den Umständen nach notwendig und angemessen sind. Lösung des Beispiels: Da die Krankheitskosten dem Steuerpflichtigen aus einem außergewöhnlichen Ereignis zwangsläufig entstanden sind und der Höhe und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen, sind die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu qualifizieren. Durch die Abzugsfähigkeit der außergewöhnlichen Belastungen wird die Einkommensteuer ihrem Charakter als Personensteuer gerecht, da auf diese Weise die Minderungen der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen steuerlich erfasst werden, deren Ursachen im privaten Bereich liegen. Außergewöhnliche Belastungen sind weder Werbungskosten, Betriebs‐ ausgaben noch Sonderausgaben und können nur in demjenigen Jahr berück‐ sichtigt werden, in dem die Zahlung der angefallenen Kosten stattgefunden hat. Es gilt das Zufluss-Abfluss-Prinzip nach § 11 EStG. Bei außergewöhnlichen Belastungen unterscheidet der Gesetzgeber zwi‐ schen außergewöhnlichen Belastungen in allgemeinen Fällen (§ 33 EStG), welche individuell sind und nicht einheitlich behandelt werden können, und außergewöhnlichen Belastungen in normierten Fällen (§§ 33a bis 33b EStG), die durch eine Typisierung weitestgehend schema‐ tisch oder pauschal geregelt werden können. Zu beachten ist allerdings, dass die außergewöhnlichen Belastungen in normierten Fällen grundsätzlich Vorrang gegenüber den allgemeinen Fällen haben. 199 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="200"?> Abb. 42: Die verschiedenen Arten der außergewöhnlichen Belastungen Merkmale der außergewöhnlichen Belastungen: ■ Ausgaben ■ Zwangsläufigkeit der Ausgaben ■ Wirtschaftliche Belastung ■ Außergewöhnlichkeit der Ausgaben ■ Keine Werbungskosten, Betriebsausgaben oder Sonderausgaben ■ Zufluss-Abfluss-Prinzip nach § 11 EStG 200 2 Einkommensteuer <?page no="201"?> 19 BFH, 19.01.2017, BStBl. 2017 II, S. 684. 2.2.6.2 Außergewöhnliche Belastungen in allgemeinen Fällen Die allgemeinen Fälle i. S. d. § 33 EStG erfassen vor allem Krankheitskosten, Kurkosten sowie Bestattungskosten, soweit sie den Wert des Nachlasses übersteigen. Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozess‐ kosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenz‐ grundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Die Aufwendungen mindern allerdings erst nach dem Abzug der zumut‐ baren Belastung gem. § 33 Abs. 3 EStG als außergewöhnliche Belastungen den Gesamtbetrag der Einkünfte. Die zumutbare Belastungsgrenze soll sicherstellen, dass der Steuerpflich‐ tige die ihm entstandenen Aufwendungen in Abhängigkeit von seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit teilweise oder vollständig selbst tragen muss. Erst für die über das zumutbare Maß hinausgehenden Belastungen soll die Allgemeinheit durch Reduzierung des Steueranspruchs zu den persönlichen Ausgaben des betroffenen Steuerpflichtigen beitragen. Die zumutbare Belastung errechnet sich aus dem gesetzlich festgelegten Prozentsatz gem. § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG, dessen Höhe sich je nach dem Familienstand, der Anzahl der Kinder und dem Gesamtbetrag der Einkünfte bestimmt. Die zumutbare Eigenbelastung ergibt sich durch Mul‐ tiplikation des Prozentsatzes mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte, wobei der Abgeltungsteuer unterliegende Kapitalerträge nicht zu berücksichtigen sind. Abweichend von der bisherigen, durch die Rechtsprechung gebilligten Verwaltungsauffassung hat der BFH 19 entschieden, die Regelung des § 33 Absatz 3 Satz 1 EStG sei so zu verstehen, dass die bei den außergewöhnlichen Belastungen zu berücksichtigende zumutbare Belastung stufenweise zu berechnen ist. Beispiel: Der ledigen, kinderlosen Juliane entstanden im Jahr 2022 Krankheitskosten in Höhe von 5.500 €. Ihre Krankenkasse erstattete ihr 2.200 €. Der Gesamtbetrag der Einkünfte beläuft sich auf 20.000 €. Da Juliane keine Kinder hat, nach dem Grundtarif veranlagt wird und ihr Gesamtbetrag der Einkünfte zwischen 15.341 € und 51.130 € liegt, berechnet sich die zumutbare Belastung nach einem zweistufigen Verfahren. Bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 201 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="202"?> 15.340 € ist die zumutbare Belastung 5 % des Gesamtbetrags der Einkünfte, also 767 €. Für den Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der 15.340 € übersteigt, beträgt die zumutbare Belastung 6 %. Bezügliches dieses Teils des Gesamtbetrags der Einkünfte (4.660 €) resultiert eine zumutbare Belastung in Höhe von 280 €. Es ergibt sich für Juliane somit eine zumutbare Belastung in Höhe von 1.047 €. Beispiel_S181.pdf Krankheitskosten ./ . Erstattung von der Krankenversicherung 5.500 € ./ . 2.200 € = Außergewöhnliche Belastung ./ . Zumutbare Belastung = 3.300 € ./ . 1.047 € = Abziehbare außergewöhnliche Belastung = 2.253 € Juliane kann als außergewöhnliche Belastungen 2.253 € in ihrer Einkommensteu‐ ererklärung geltend machen. 2.2.6.3 Außergewöhnliche Belastungen in normierten Fällen Bei außergewöhnlichen Belastungen in normierten Fällen wird die Ab‐ zugsfähigkeit der Aufwendungen durch bestimmte Höchstbeträge bzw. Pauschbeträge beschränkt. a) Unterhaltsleistungen an unterhaltsberechtigte Personen Falls das Realsplitting im Rahmen der Sonderausgaben keine Anwendung findet, kann ein zum Unterhalt verpflichteter Steuerpflichtiger gem. § 33a Abs. 1 EStG die von ihm oder seinem Ehegatten geleisteten Unterhalts‐ zahlungen bis zu einem Höchstbetrag von 9.984 € für jede gesetzlich unterhaltsberechtigte Person als außergewöhnliche Belastung geltend ma‐ chen. Der Höchstbetrag erhöht sich um die übernommenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG, sofern sie nicht bereits als Sonderausgaben abzugsfähig waren. Die Voraussetzung für den Abzug nach § 33a Abs. 1 EStG ist, dass weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf ein Kindergeld für die unterhaltene Person haben und die unterhaltene Person über kein oder nur über ein geringes Vermögen verfügt. Ein angemessenes Hausgrundstück bleibt unberücksichtigt, wenn dieses die in § 90 Abs. 2 Nr. 8 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Anforderungen erfüllt. Der Höchstbetrag vermindert sich allerdings gem. § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG, falls der Unterhaltsempfänger Einkünfte oder 202 2 Einkommensteuer <?page no="203"?> Bezüge über 624 € im Kalenderjahr sowie Ausbildungshilfen oder Förde‐ rungszuschüsse erhalten hat, welche zur Bestreitung seines Lebensunter‐ halts bestimmt sind. Voraussetzung für den Abzug der Aufwendungen ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer der unterhaltenen Person in der Steuererklärung des Unterhaltsleistenden, wenn die unterhaltene Person unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist. b) Ausbildungsfreibetrag Der allgemeine Ausbildungsbedarf eines Kindes wird im Familienleistungs‐ ausgleich berücksichtigt. Ein gesonderter Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 924 € wird gem. § 33a Abs. 2 EStG gewährt, wenn das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat, sich in einer Berufsausbildung befindet, auswärtig untergebracht ist und die Eltern einen Anspruch auf Kindergeld bzw. auf Kinderfreibetrag i. S. d. § 32 Abs. 6 EStG haben. Der Ausbildungsfreibetrag vermindert sich allerdings gem. § 33a Abs. 3 Satz 3 EStG, falls das Kind Zuschüsse als Ausbildungshilfe aus öffentlichen Mitteln (z. B. BAföG) erhal‐ ten hat. Eigene Einkünfte und Bezüge der unterhaltsberechtigten Person mindern den Ausbildungsfreibetrag nicht. c) Behinderten-Pauschbetrag, Hinterbliebenen-Pauschbetrag und Pflege-Pauschbetrag Für körperbehinderte Menschen ergeben sich aufgrund ihrer Behinderung besondere außergewöhnliche Belastungen, die anstelle der Vorschriften des § 33 EStG mit einem Pauschbetrag abgegolten werden können. Der Pauschbetrag für behinderte Menschen wird gem. § 33b Abs. 3 Satz 2 EStG in Abhängigkeit vom (dauernden) Grad der Behinderung gewährt. Für behinderte Menschen, die hilflos sind, für Blinde und Taubblinde erhöht sich der Pauschbetrag gem. § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG auf 7.400 €. Hinterbliebenen steht ein Pauschbetrag in Höhe von 370 € zu, wenn laufende Hinterbliebenenbezüge bewilligt wurden und diese gem. § 33b Abs. 4 EStG insbesondere nach dem Bundesversorgungsgesetz, dem Bundes‐ entschädigungsgesetz bzw. beamtenrechtlichen Vorschriften an einen Hin‐ terbliebenen eines an den Folgen eines Dienstunfalls verstorbenen Beamten oder auf der Basis von Regelungen der gesetzlichen Unfallversicherung gezahlt werden. Dieser Hinterbliebenen-Pauschbetrag hat wirtschaftlich keine Berechtigung, da dem Hinterbliebenen - gegenüber anderen allein‐ stehenden - keine zusätzlichen Aufwendungen erwachsen. 203 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="204"?> Steuerpflichtige, die aufgrund der Pflege einer nicht nur vorübergehend hilflosen Person außergewöhnliche Aufwendungen zu tragen haben, kön‐ nen gem. § 33b Abs. 6 EStG alternativ zu den Vorschriften des § 33 EStG einen Pflege-Pauschbetrag geltend machen. Die Voraussetzung für den Abzug ist, dass der Steuerpflichtige für die Pflege der Person kein Entgelt erhält sowie der Steuerpflichtige die Pflege entweder in seiner Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich durchführt und diese Wohnung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat gelegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist. Als Pflege-Pauschbetrag wird 600 € bei Pflegegrad 2, 1.100 € bei Pflegegrad 3 bzw. 1.800 € bei Pflegegrad 4 oder 5 sowie für gepflegte Personen, die hilflos im Sinne des § 33b Absatz 3 Satz 4 EStG sind, gewährt. Voraussetzung für die Gewährung des Pflege-Pausch‐ betrags ist die Angabe der erteilten Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) der gepflegten Person in der Einkommensteuererklärung des Steuerpflichtigen. Bei außergewöhnlichen Belastungen in normierten Fällen wird die Abzugsfähig keit der Aufwendungen durch Höchstbzw. Pauschbe‐ träge begrenzt. Nur in den Fällen des § 33b EStG kann alternativ eine Behandlung nach § 33 EStG (allgemeine Fälle) gewählt werden. Bei allen anderen normierten außergewöhnlichen Belastungen (§ 33a) besteht keine Wahlmöglichkeit. Grad der Behinderung Pauschbetrag ab 20% 384 € ab 30% 620 € ab 40% 860 € ab 50% 1.140 € ab 60% 1.440 € ab 70% 1.780 € ab 80% 2.120 € ab 90% 2.460 € ab 100% 2.840 € Tab. 15: Behinderten-Pauschbeträge in Abhängigkeit vom Grad der Behinderung gem. § 33b Abs. 3 EStG 204 2 Einkommensteuer <?page no="205"?> Zusammenfassung ■ Die Abzugsfähigkeit von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Be‐ lastungen stellt eine Durchbrechung des in § 12 EStG normierten Prinzips dar, dass Privatausgaben steuerlich nicht abzugsfähig sind. ■ Es ist zwischen unbeschränkt und beschränkt abzugsfähigen Sonder‐ ausgaben zu differenzieren. ■ Unbeschränkt abzugsfähige Sonderausgaben sind bspw. Versorgungs‐ leistungen, Leistungen aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungs‐ ausgleichs und die Kirchensteuer. Werden keine höheren Aufwendun‐ gen nachgewiesen, wird der Sonderausgaben-Pauschbetrag i. H. v. 36 € bzw. 72 € von Amts wegen abgezogen. ■ Beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben sind: Vorsorgeaufwendun‐ gen, Unterhaltsleistungen an den geschiedenen Ehegatten, Kinderbe‐ treuungskosten, Berufsausbildungskosten, Beiträge und Spenden an politische Parteien sowie Schulgeld für Ergänzungs- und Ersatzschulen. ■ Es ist zwischen Alters- und sonstigen Vorsorgeaufwendungen zu un‐ terscheiden. ■ Seit dem Veranlagungszeitraum 2005 werden Altersvorsorgeaufwen‐ dungen grundsätzlich in der Erwerbsphase freigestellt. Damit korre‐ spondiert die volle Besteuerung der Alterseinkünfte in der Auszah‐ lungsphase (nachgelagerte Besteuerung). ■ Der Übergang zur nachgelagerten Besteuerung erfolgt aus aufkommens‐ politischen Gründen schrittweise. ■ Die Voraussetzung für die Anerkennung von Ausgaben als außerge‐ wöhnliche Belastung ist, dass dem Steuerpflichtigen durch die Auf‐ wendungen stärkere Belastungen erwachsen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögens‐ verhältnisse und gleichen Familienstands. ■ Es ist zwischen außergewöhnlichen Belastungen in allgemeinen und in normierten Fällen zu differenzieren. ■ Außergewöhnliche Belastungen in allgemeinen Fällen sind vor allem Krankheits-, Kur- und Pflegekosten. Es ist dabei die zumutbare Belas‐ tungsgrenze zu berücksichtigen. ■ Außergewöhnliche Belastungen in normierten Fällen sind durch Höchstbzw. Pauschbeträge begrenzt. Dazu zählen Unterhaltsleistungen, geson‐ derter Ausbildungsfreibetrag und Behinderten-Pauschbetrag. 205 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="206"?> Fragen 1. Was versteht man unter Sonderausgaben, und wie sind sie steuerlich zu behandeln? 2. Welche Aufwendungen zählen zu den unbeschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben? 3. Welche Aufwendungen zählen zu den beschränkt abzugsfähigen Son‐ derausgaben? 4. Erläutern Sie das System der nachgelagerten Besteuerung. 5. Welche Höchstbeträge sind im Rahmen der Vorsorgeaufwendungen zu beachten? 6. Was ist bei Spenden im Rahmen des Sonderausgabenabzugs zu beach‐ ten? 7. Was versteht man unter außergewöhnlichen Belastungen, und wie sind sie steuerlich zu behandeln? 8. Welche Aufwendungen zählen zu den außergewöhnlichen Belastungen in allgemeinen Fällen, und was ist dabei zu beachten? 9. Welche Aufwendungen zählen zu den außergewöhnlichen Belastungen in normierten Fällen? 206 2 Einkommensteuer <?page no="207"?> 2.2.7 Der Familienleistungsausgleich Die Ehe und die Familie stehen, dem Grundgesetz entsprechend, unter dem besonderen Schutz des Staates. Daher berücksichtigt das deutsche Sozialrecht den Familienstand und die Kinder, um die Bereitschaft für ein Leben mit Familie und Kindern zu erhöhen. Auch das Steuerrecht ist bemüht, den Familien Steuerentlastungen zu gewähren. Als bedeutendste steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Familien gelten das Splitting-Verfahren für zusammenveranlagte Ehegatten gem. § 32a Abs. 5 EStG und der Familienleistungsausgleich, gesetzlich geregelt in § 31 EStG. Durch den Letzteren sollen die finanziellen Belastungen ausgeglichen werden, die sich aus der Kindererziehung ergeben. Das Einkommensteuergesetz sieht 207 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="208"?> beim Familienleistungsausgleich durch ein Optionsmodell eine duale Ent‐ lastungsmöglichkeit vor. So haben die Eltern gem. § 31 Satz 1 EStG einen Anspruch auf ein Kindergeld oder auf einen Kinderfreibetrag zuzüglich ei‐ nes Sammelfreibetrags. Beide Maßnahmen sind zwei Varianten des gleichen Familienleistungsausgleichs, die vom Anspruchsberechtigten alternativ in Anspruch genommen werden können. Abb. 43: Das duale System des Familienleistungsausgleichs Das Kindergeld ist im Abschnitt X des EStG (§§ 62 bis 78 EStG) geregelt. Es wird grundsätzlich nicht an das Kind selbst, sondern an den Kindergeld‐ berechtigten, i. d. R. die Eltern, ausgezahlt. Die notwendige Voraussetzung für einen Anspruch auf Kindergeld ist gem. § 62 Abs. 1 EStG, dass der Kindergeldberechtigte in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist oder als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird. Voraussetzung für den Anspruch nach Satz 1 ist, dass der Berechtigte durch die an ihn vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der AO) identifiziert wird. Ein Ausländer hat nur dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. Die Kinder, die einen Kindergeldanspruch auslösen (§ 63 EStG), sind vor allem die mit dem Kindergeldberechtigten im ersten Grad verwandten Kinder. Darunter fallen leibliche Kinder und Adoptivkinder. Des Weiteren werden für die Gewährung von Kindergeld auch Pflegekinder, Stiefkinder und in den Haushalt aufgenommene Enkel berücksichtigt. Voraussetzung für die Berücksichtigung ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b AO). Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 AO), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren. Das Kindergeld beträgt gem. § 66 Abs. 1 EStG derzeit für das erste und zweite Kind jeweils 219 € monatlich (jährlich 2.628 €), für das dritte Kind 225 € monatlich (jährlich 2.700 €) und für jedes weitere Kind jeweils 250 € monatlich (jährlich 3.000 €). Gem. § 67 Satz 1 EStG erfolgt die Auszahlung durch die zuständigen Familienkassen 208 2 Einkommensteuer <?page no="209"?> nach schriftlichem Antrag durch den Kindergeldberechtigten. Durch das Kindergeld soll gem. § 31 Satz 1 EStG der existenznotwendige Grundbe‐ darf des Kindes inklusive Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf gesichert werden. Aus diesem Grund wird das Kindergeld selbst nicht der Einkommensbesteuerung unterworfen. Gesetzestechnisch wird dies durch § 31 Satz 3 EStG erreicht, der das Kindergeld als Steuervergütung behandelt. Soweit die Jahressumme des Kindergelds die Steuerbelastung des existenznotwendigen Einkommens überschreitet, dient das Kindergeld gem. § 31 Satz 2 EStG der Förderung der Familie. Die Höhe des Kindergelds richtet sich somit ausschließlich nach der Anzahl der Kinder; individuelle Einkommensverhältnisse der Bezieher haben auf die Höhe keinen Einfluss. Die zweite Möglichkeit, den existenznotwendigen Grundbedarf des Kin‐ des sicherzustellen, wird gem. § 31 Satz 1 EStG durch den Kinderfreibetrag bewirkt. Außerdem wird zusätzlich ein Bedarfsfreibetrag für die Betreuung und Erziehung oder Ausbildung des Kindes (Sammelfreibetrag) gem. § 31 Satz 1 EStG gewährt. Der Kinderfreibetrag beträgt 2022 gem. § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG jährlich 5.460 € für jedes zu berücksichtigende Kind bei zusammenveranlagten Ehegatten und 2.730 € bei Einzelveranlagten. Der Sammelfreibetrag beläuft sich gem. § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG auf 1.464 € für Einzelveranlagte und verdoppelt sich bei Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Im Gegensatz zum progressionsu‐ nabhängigen Kindergeld mindern die pauschalen Freibeträge des § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG das Einkommen gem. § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG und sind daher progressionsabhängig. Zur Förderung der Familien nach dem Bedürftigkeitsprinzip sind der Kinderfreibetrag und der Sammelfreibetrag als Abzüge von der Steuerbemessungsgrundlage jedoch wenig geeignet, weil sie Steuerzahlern mit höheren Einkommen im Widerspruch zum Bedürftigkeitsprinzip einen höheren finanziellen Vorteil verschaffen. Im Vergleich zu den Steuerpflichtigen ohne Kinder ist aber der Kinderfreibetrag eine geeignete Maßnahme, um die Mehraufwendungen auszugleichen. Der Kinderfreibetrag beträgt 2022 bei Ehegatten: 5.460 € Der Sammelfreibetrag beträgt bei Ehegatten: 2.928 € Alternativ hierzu beträgt das Kindergeld: 2.628 € 209 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="210"?> Anspruchsberechtigte, denen grundsätzlich sowohl das Kindergeld als auch die Freibeträge des § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG zustehen, können gem. § 31 Satz 1 EStG nicht beide Varianten des Familienleistungsausgleichs gleichzeitig in Anspruch nehmen. Das Finanzamt ermittelt von Amts wegen durch Vergleichsberechnung (Günstigerrechnung) die für den Steuerpflichtigen günstigere Alternative. Sind der Kinderfreibetrag bzw. der Sammelfreibetrag die günstigere Variante, so ist das bereits gezahlte Kindergeld wieder zurückzuzahlen, weil es sonst ohne diese Rückforderung zu einer Doppel‐ berücksichtigung käme. Welche Variante vorteilhafter für den Steuerpflich‐ tigen ist, hängt von der Höhe des zu versteuernden Einkommens sowie der Anzahl der Kinder ab. Generell kann konstatiert werden, dass bei steigendem Einkommen aufgrund der höheren Progressionsstufe und der damit verbundenen höheren Steuerentlastung der Kinderfreibetrag und der Sammelfreibetrag für den Steuerpflichtigen zunehmend günstiger werden als das Kindergeld. Beispiel: Günstigerrechnung Die zusammenveranlagten Ehegatten Theresa und Friedrich haben ein gemein‐ sames Kind im Alter von 5 Jahren. Im Jahr 2022 beträgt ihr Einkommen 150.000 €. Welche Variante des Familienleistungsausgleichs ist für Theresa und Friedrich vorteilhafter? Der Kinderfreibetrag beträgt im Jahr 2022 gem. § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG bei zusammenveranlagten Ehegatten jährlich 5.460 €. Der Sammelfreibetrag beläuft sich gem. § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG auf 2.928 €. Somit beträgt die Summe der Freibeträge 8.388 €. Für Theresa und Friedrich ergibt sich dadurch eine Steuerentlastungswirkung i. H. v. 3.523 €, die sich wie folgt berechnet: Beispiel_S189.pdf Einkommensteuer für 2022 auf 150.000 € (ohne Berücksichtigung der Freibeträge i.H.v. 8.388 €! ) ./ . Einkommensteuer für 2022 auf 141.612 € (150.000 € ./ . 8.388 € = 141.612 €) 44.464 € ./ . 40.941 € = Einkommensteuerersparnis durch Kinderfreibeträge = 3.523 € An Kindergeld bekommen Theresa und Friedrich gem. § 66 Abs. 1 EStG aber jährlich nur 2.628 € (12 × 219 € = 2.628 €) ausbezahlt. Folglich sind für Theresa und Friedrich die Freibeträge des § 32 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 EStG günstiger als das Kindergeld. Das bereits gezahlte Kindergeld ist gem. § 31 Satz 4 EStG wieder an die öffentlichen Kassen zurückzuzahlen, indem das zurückzuzahlende Kinder‐ 210 2 Einkommensteuer <?page no="211"?> geld mit der Einkommensteuernachzahlung oder Einkommensteuererstattung verrechnet wird. Es stellt sich nun die Frage, in welchen Fällen der Kinderfreibetrag günstiger ist. Dies ist zum einen abhängig von der Anzahl der Kinder und somit von der Höhe des Kindergelds und zum anderen von der Höhe des zu versteuernden Einkommens. In der nachfolgenden Grafik werden konfessionslose Alleinerziehende und konfessionslose zusammenveranlagte Ehegatten verglichen. Der Ein‐ fachheit halber wurde bei den Alleinerziehenden angenommen, dass der Kindsvater Unterhalt leistet und dementsprechend die Hälfte des Kinder‐ gelds zugerechnet bekommt. Die Günstigerprüfung wird gem. H 31 EStH für jedes Kind getrennt durchgeführt, beginnend beim ältesten Kind. Bei der Prüfung eines jüngeren Kindes ist der Kinderfreibetrag des älteren Kindes vom z. v. E. abzuziehen, wenn dessen Günstigerprüfung zugunsten des Freibetrags ausgefallen ist. Unter Berücksichtigung der Kindergeld-, Kinderfreibetragsbzw. Sam‐ melfreibetragserhöhung im Jahre 2022 ist ab einem z. v. E. von rund 69.700 € bei zusammenveranlagten Ehegatten bzw. ca. 34.900 € bei Alleinerziehenden der Kinderfreibetrag günstiger. 0,0 T€ 10,0 T€ 20,0 T€ 30,0 T€ 40,0 T€ 50,0 T€ 60,0 T€ 70,0 T€ 80,0 T€ 90,0 T€ 1 2 3 4 34,9 T€ 37,0 T€ 39,7 T€ 44,4 T€ 69,7 T€ 73,9 T€ 79,5 T€ 88,7 T€ alleinerziehend verheiratet Abb. 44: Günstigerprüfung für den Kinderfreibetrag 2022 211 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="212"?> Sowohl das Kindergeld als auch der Kinderfreibetrag bzw. der Sammelfrei‐ betrag können gem. § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG i. V. m. § 32 Abs. 3 EStG von den anspruchsberechtigten Steuerpflichtigen grundsätzlich nur für die Kinder geltend gemacht werden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Erweitert wird dieser Personenkreis gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG um arbeitslose Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und um Kinder unter 25 Jahren, welche die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllen (d. h. insbesondere für einen Beruf ausgebildet werden). Kinder mit abgeschlossener Berufsausbildung werden nur berücksichtigt, wenn sie nicht erwerbstätig sind. Unschädlich ist aller‐ dings eine Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von bis zu 20 Stunden, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis mit einer Entlohnung von maximal 450 €. Für körperlich, geistig oder seelisch behinderte Kinder wird gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG unabhängig vom Alter Kindergeld gezahlt, sofern die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Hinweis: Studierende werden im Rahmen des Familienleistungsausg‐ leichs als Kinder gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Bst. a EStG berücksichtigt. Eltern erhalten somit einen Anspruch auf Kindergeld oder auf die Freibe‐ träge des § 32 Abs. 6 EStG, bis das Kind sein 25. Lebensjahr vollendet hat. Nach Abschluss eines Erststudiums (z. B. Bachelorstudium) gilt dies jedoch wiederum nur, wenn der Student/ die Studentin keiner Erwerbstätig‐ keit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit ist allerdings unschädlich, wenn die wöchentliche Arbeitszeit 20 Stunden nicht überschreitet, bzw. ein Ausbil‐ dungsverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis mit einem monatlichen Verdienst von maximal 450 € vorliegt. Darüber hinaus können die Eltern, falls die Voraussetzungen des § 33a Abs. 2 EStG erfüllt sind, den Ausbildungsfreibetrag i. H. v. 924 € je Kalenderjahr vom Gesamtbetrag ihrer Einkünfte abziehen. Zusammenfassung ■ Beim Familienleistungsausgleich ist zwischen dem Kindergeld und dem Kinderfreibetrag sowie dem Sammelfreibetrag zu differenzieren. ■ Das Kindergeld wird an den Kindergeldberechtigten ausgezahlt. Die Höhe des Kindergelds ist abhängig von der Anzahl der Kinder. 212 2 Einkommensteuer <?page no="213"?> ■ Der Kinderfreibetrag beträgt 2022 2.730 € (5.460 €). Zusätzlich wird für die Betreuung und Erziehung bzw. Ausbildung ein Sammelfreibetrag i. H. v. 2.730 € (2.928 €) gewährt. Die genannten Freibeträge werden vom Einkommen abgezogen. Fragen 1. Wie können finanzielle Belastungen, die dem Steuerpflichtigen durch die Kindererziehung erwachsen, steuerlich ausgeglichen werden? 2. Welche Möglichkeiten des Familienleistungsausgleichs können unter‐ schieden werden? Erläutern Sie die Alternativen. 2.2.8 Bemessungsgrundlage und Tarif 2.2.8.1 Das zu versteuernde Einkommen 213 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="214"?> Gem. § 2 Abs. 5 Satz 1 Hs. 1 EStG ist das Einkommen gem. § 2 Abs. 4 EStG, vermindert um den Kinderfreibetrag nach §§ 31, 32 Abs. 6, das zu versteuernde Einkommen. Dieses stellt gem. § 2 Abs. 5 Satz 1 Hs. 2 EStG die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer dar. Im Folgenden wird das nebenstehende Schema weiterentwickelt, um vom zu versteuernden Einkommen zur endgültigen Abschlusszahlung oder -erstattung zu gelangen. 2.2.8.2 Tarifliche Einkommensteuer Zur Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer ist auf das zu versteuernde Einkommen als Bemessungsgrundlage der einkommensteuerliche Tarif anzuwenden. Dabei ist zwischen den Normal- und den Sondertarifen (z. B. für außerordentliche Einkünfte) zu differenzieren. Darüber hinaus ist im Rahmen des Normaltarifs zwischen dem Grund- und dem Splittingtarif zu unterscheiden. Grundsätzlich wird bis zur Höhe des steuerlichen Existenzminimums (Grundfreibetrag) keine Einkommensteuer erhoben. Der Eingangssteuer‐ satz beträgt derzeit 14 % und steigt mit wachsendem Einkommen auf bis zu 45 % (Spitzensteuersatz) ab einem zu versteuernden Einkommen i. H. v. 277.826 €. Bei Alleinstehenden oder Ehegatten, die getrennt veranlagt werden, gilt der Grundtarif. Bei Ehegatten, die zusammenveranlagt werden, kommt 214 2 Einkommensteuer <?page no="215"?> der Splittingtarif zur Anwendung. Gem. § 32a Abs. 5 EStG gilt: „Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, beträgt die tarifliche Einkommensteuer vorbehaltlich der §§ 32b, 32d, 34, 34a, 34b und 34c das Zweifache des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens nach Absatz 1 ergibt (Splitting-Verfahren).“ Der Grundfreibetrag verdoppelt sich dabei auf 20.694 €. Der Vorteil des Ehegattensplittings besteht in einer Minderung der Progression. Dadurch wird die höchstmögliche Progressionsmilderung erreicht, wenn nur einer der Ehegatten Einkünfte erzielt. Der grundsätzliche Wirkungsmechanismus des Splitting-Verfahrens soll anhand des folgenden Beispiels erläutert werden. Prinzipiell gilt der Normaltarif (in Form des Grund- und Splittingtarifs) des § 32a EStG für die Berechnung der Einkommensteuer. Beispiel: Einzelveranlagung Ehemann Ehefrau Summe z. v. Einkommen 200.000 € 0 € 200.000 € ⇓ ⇓ ⇓ Einkommensteuer 74.663 € 0 € 74.663 € Aufgrund der Einkommensteuerprogression wäre es für das Ehepaar günstiger, wenn jeder Ehepartner genau die Hälfte des Gesamteinkommens von 200.000 € versteuern müsste, d. h. jeder einen Betrag i. H. v. 100.000 €. Einzelveranlagung Ehemann Ehefrau Summe z. v. Einkommen 100.000 € 100.000 € 200.000 € ⇓ ⇓ ⇓ Einkommensteuer 32.663 € 32.663 € 65.326 € 215 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="216"?> Dies ergäbe eine Steuerersparnis aufgrund des Progressionsvorteils i. H. v. 9.337 € (= 74.663 € ./ . 65.326 €). Das Splitting-Verfahren fingiert nun diese optimale hälftige Einkommensverteilung, sodass sich folgende Berechnung ergibt: Zusammenveranlagung Ehemann Ehefrau Summe z. v. Einkommen 200.000 € 0 € 200.000 € ⇓ ⇓ ⇓ Einkommensteuer 65.326 € 0 € 65.326 € Daher bietet das Splitting-Verfahren immer dann keine steuerlichen Vorteile gegenüber der Einzelveranlagung, wenn beide Ehepartner exakt dasselbe Einkommen erwirtschaften. Im Anhang des Einkommensteuergesetzes sind die Grundbzw. Split‐ tingtabellen beigefügt, aus denen die tarifliche Einkommensteuer - ohne Anwendung der durch § 32a Abs. 1 bzw. Abs. 5 EStG kodifizierten Formel - unmittelbar abgelesen werden kann. 2.2.8.3 Sondertarife gem. §§ 34 und 34a EStG Abb. 45: Umfang der außerordentlichen Einkünfte Der Normaltarif i. S. d. § 32a EStG gilt jedoch nicht für alle Arten von Einkünften. Neben dem Sondertarif im Rahmen der Abgeltungsteuer gem. § 32d EStG und der nachfolgend unter c) in diesem Abschnitt noch er‐ 216 2 Einkommensteuer <?page no="217"?> läuterten Begünstigung nicht entnommener Gewinne gem. § 34a EStG sind auch im Falle von sog. außerordentlichen Einkünften Sondervorschriften zu beachten. Liegen außerordentliche Einkünfte i. S. d. § 34 Abs. 2 EStG vor, so kommen die Sondertarife des § 34 Abs. 1 (Fünftelregelung) oder Abs. 3 (reduzierter Durchschnittssteuersatz) EStG zur Anwendung. Da sich bei außerordentlichen Einkünften oft ein deutlich höheres zu versteu‐ erndes Einkommen ergibt, sollen unbillige Härtefälle (bedingt durch eine entsprechend hohe Steuerbelastung) aufgrund der geballten Realisierung stiller Reserven durch die Sondertarife des § 34 Abs. 1 und 3 EStG vermieden werden. Der ermäßigte Steuertarif in Form der Fünftelregelung gilt für sämt‐ liche außerordentliche Einkünfte i. S. d. § 34 Abs.2 EStG. a) Fünftelregelung gem. § 34 Abs. 1 EStG Die Fünftelregelung gilt grundsätzlich für sämtliche außerordentliche Einkünfte. Sie normiert einen ermäßigten Steuersatz, der sich wie folgt ermittelt: 1. Schritt: Ermittlung der ESt auf das z. v. E. ohne a. o. Einkünfte (d. h. auf verbleibendes z. v. E.) 2. Schritt: Ermittlung der ESt auf das verbleibende z. v. E. zzgl. 1/ 5 der a. o. Einkünfte 3. Schritt: Ermittlung des Differenzbetrags zwischen der ESt nach Schritt 1 und Schritt 2 4. Schritt: Tarifliche ESt = ESt nach Schritt 1 zzgl. das Fünffache des Differenzbetrags nach Schritt 3. b) Reduzierter Durchschnittssteuersatz gem. § 34 Abs. 3 EStG Für die Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes i. S. d. § 34 Abs. 3 EStG (reduzierter Durchschnittssteuersatz) müssen hingegen weitere Voraussetzungen erfüllt sein: ■ Veräußerungsgewinne i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG, ■ Antragstellung durch den Steuerpflichtigen, 217 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="218"?> ■ der Steuerpflichtige hat das 55. Lebensjahr vollendet oder ist dau‐ ernd berufsunfähig, ■ der ermäßigte Steuersatz wurde nicht bereits schon früher einmal gewährt, d. h. er wird nur einmal im Leben gewährt. Für Gewinne bis zu 5 Mio. € kann der Steuerpflichtige anstelle der allge‐ meinen Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG die Besteuerung mit dem reduzierten Durchschnittssteuersatz beantragen. Diese Regelung dient der Sicherung der Altersvorsorge von aus dem Berufsleben ausscheidenden Unternehmern. Der reduzierte Durchschnittssteuersatz muss gem. § 34 Abs. 3 Satz 2 EStG mindestens 14 % entsprechen. Der reduzierte Durch‐ schnittssteuersatz berechnet sich wie folgt: 1. Schritt: Ermittlung der ESt auf das gesamte z. v. E. (inkl. ordentliche und außerordentliche Einkünfte) nach dem allgemeinen Tarif des § 32a EStG 2. Schritt: Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes durch Division der sich ergebenden Steuerzahllast durch das z. v. E. 3. Schritt: Ermittlung von 56 % des Durchschnittssteuersatzes 4. Schritt: Anwendung des reduzierten Durchschnittssteuersatzes, aber min‐ destens 14 % auf die a. o. Einkünfte 5. Schritt: Ermittlung der ESt auf das z. v. E. ohne die a. o. Einkünfte 6. Schritt: Tarifliche ESt = Summe der ESt aus Schritt 4 zzgl. der ESt aus Schritt 5 Der ermäßigte Steuertarif in Form des reduzierten Durchschnittssteu‐ ersatzes gilt nur für Veräußerungsgewinne i. S. d. § 34 Abs.2 Nr. 1 EStG, die ein mindestens 55-jähriger oder dauernd berufsunfähiger Steuerpflichtiger erzielt. Er kann nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden. Beispiel: Der 60-jährige ledige Andreas veräußert seinen Gewerbebetrieb im Jahr 2022 für 412.600 €. An Rechtsberatungskosten im Zusammenhang mit dem Verkauf fallen 5.000 € an. Das buchmäßige Eigenkapital des Gewerbebetriebs beträgt 250.000 €. Des Weiteren erzielt Andreas im gleichen Zeitraum Einkünfte aus Vermietung 218 2 Einkommensteuer <?page no="219"?> und Verpachtung i. H. v. 25.000 €. An Sonderausgaben fallen 5.000 € an. Ermitteln Sie die tarifliche Einkommensteuer. Lösung: Andreas erfüllt sowohl die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 EStG als auch die des § 34 Abs. 3 EStG. Fraglich ist daher, ob er die Begünstigung durch die Fünftelregelung oder durch den reduzierten durchschnittlichen Steuersatz wählen soll. Berechnung des Veräußerungsgewinns: Beispiel_S198_1.pdf Veräußerungspreis ./ . Veräußerungskosten ./ . Buchwert des Eigenkapitals 412.600 € ./ . 5.000 € ./ . 250.000 € Veräußerungsgewinn ./ . Freibetrag (§ 16 Abs. 4 EStG) abzgl. Übersteigender Betrag (157.600 € ./ . 136.000 €) 45.000 € ./ . 21.600 € 23.400 € = 157.600 € ./ . 23.400 € = Stpfl. Veräußerungsgewinn = 134.200 € (I) Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 EStG): Berechnung der Steuerschuld ohne Berücksichtigung der außerordentlichen Einkünfte: Beispiel_S198_2.pdf Vermietungseinkünfte (nicht begünstigt) = Gesamtbetrag der Einkünfte ./ . Sonderausgaben 25.000 € = 25.000 € ./ . 5.000 € = z.v.E. 20.000 € Steuer ohne Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns 2.138 € Berechnung der Steuerschuld (lt. Grundtabelle) mit Berücksichtigung der außer‐ ordentlichen Einkünfte: Beispiel_S198_3.pdf Veräußerungsgewinn 134.200 €, ermäßigt zu besteuern davon ein Fünftel + Vermietungseinkünfte (nicht begünstigt) 26.840 € + 25.000 € = Gesamtbetrag der Einkünfte ./ . Sonderausgaben = 51.840 € ./ . 5.000 € = z.v.E. = 46.840 € 219 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="220"?> Beispiel_S198_4.pdf Steuer lt. Tabelle mit Berücksichtigung eines Fünftels des Veräußerungsgewinns Differenzsteuerbetrag (10.621 € ./ . 2.138 €) 10.621 € 8.483 € Steuer ohne Veräußerungsgewinn + 5 x Differenzsteuer auf den Veräußerungsgewinn (5 x 8.483 €) 2.138 € + 42.415 € = Steuer gesamt = 44.553 € (II) Reduzierter Durchschnittssteuersatz (§ 34 Abs. 3 EStG): Beispiel_S199.pdf 1. Ermittlung der ESt für das gesamte zu versteuernde Einkommen nach allgem. Tarif Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Veräußerung) + Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 134.200 € + 25.000 € = Gesamtbetrag der Einkünfte ./ . Sonderausgaben = 159.200 € ./ . 5.000 € = z.v.E. = 154.200 € ESt (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 EStG) = 154.200 € x 0,42 ./ . 9.337 € = 55.427 € 2. Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes 55.427 € = 0,35944877 = 35,944877 % 154.200 € 3. Ermittlung des reduzierten Durchschnittssteuersatzes 35,944877 % x 56 % = 20,129131 % 4. Ermittlung der ESt für den begünstigten Teil des z.v.E. 134.200 € x 20,129131 % = 27.013 € 5. Ermittlung der ESt für den nicht begünstigten Teil des z.v.E. ESt auf 20.000 €: 2.138 € 6. Berechnung der tariflichen ESt 27.013 € + 2.138 € = 29.151 € Vergleich der beiden ermäßigten Tarife (I) - (II): Tarifliche ESt mit Fünftelregelung: 44.553 € Tarifliche ESt mit reduziertem Durchschnittssteuersatz: 29.151 € (Tarifliche ESt ohne Begünstigungen: 55.427 €) Durch die Anwendung des reduzierten Durchschnittssteuersatzes erfolgt eine um 15.402 € geringere Belastung mit Einkommensteuer als durch die Anwendung 220 2 Einkommensteuer <?page no="221"?> der Fünftelregelung. Aus diesem Grunde ist Andreas die Wahl des § 34 Abs. 3 EStG zu raten. c) Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG Einzelunternehmen und Personengesellschaften besteuern ihre Gewinne bei der Gewerbesteuer als eigenständige Steuersubjekte. Bei der Einkom‐ mensteuer werden Personenunternehmen hingegen transparent besteuert, d. h. Steuersubjekt ist nicht das Einzelunternehmen bzw. die Personenge‐ sellschaft, sondern die natürlichen oder juristischen Personen, die als Einzel- oder Mitunternehmer hinter dem Unternehmen stehen (sog. Transparenz‐ prinzip). Gewinne können somit erst dann im Unternehmen reinvestiert werden, wenn sie auf der Ebene des Gesellschafters als Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Besteuerung mit dessen persönlichem Einkommensteu‐ ersatz unterlegen haben. Bei Einzel- und Mitunternehmern, die natürliche Personen sind, kann sich daraus eine Grenzsteuerbelastung von bis zu 45 % ergeben (§ 32a EStG). Personenunternehmen werden somit im Vergleich zu Kapitalgesellschaften deutlich benachteiligt, da letztere als eigenständige Steuersubjekte i. d. R. einer steuerlichen Gesamtbelastung von unter 30 % unterliegen (15 % KSt + 5,5 % von 15 % = 0,825 % SolZ + durchschnittlich 14 % GewSt). Das nachfolgende Beispiel soll die Problematik veranschaulichen. Beispiel: Alois ist Alleingesellschafter einer GmbH und betreibt gleichzeitig als Einzelkauf‐ mann eine Buchhandlung. Beide Unternehmen erzielen einen Gewinn i. H. v. 1.000.000 €. Bei einer Grenzbetrachtung unterliegt Alois einem persönlichen Einkom‐ mensteuersatz i. H. v. 45 %. Die Körperschaftsteuer beträgt 15 % und die Gewerbe‐ steuer bei einem Hebesatz von 380 % (Messzahl 3,5 %×Hebesatz 380 % =) 13,3 %. Der Gewerbesteuerfreibetrag für Personenunternehmen gem. § 11 GewStG i. H. v. 24.500 € sowie der SolZ werden aus Vereinfachungsgründen nicht berücksichtigt. Beispiel_S200.pdf GmbH Einzelunternehmen Gewinn ./ . Gewerbesteuer (13,3%) ./ . Körperschaftsteuer (15%) 1.000.000 € ./ . 133.000 € ./ . 150.000 € 1.000.000 € ./ . 133.000 € ./ . Einkommensteuer + GewSt-Anrechnung gem. § 35 EStG 3,8 x (3,5% x 1 Mio. €) ./ . 450.000 € + 133.000 € ./ . 317.000 € = Gewinn nach Steuern Belastung in % = 717.000 € 28,30 % = 550.000 € 45,00 % 221 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="222"?> Werden die Gewinne in der GmbH thesauriert und nicht an die Anteilseigner ausgeschüttet, ergibt sich somit im Vergleich zum Einzelunternehmen eine deutlich geringere Belastung. Das Ziel des Sondertarifs gem. § 34a EStG ist es, Einkünfte natürlicher Personen aus Gewinneinkunftsarten steuerlich in vergleichbarer Weise wie Kapitalgesellschaften zu belasten (sog. Rechtsformneutralität der Be‐ steuerung). Dies soll dadurch erreicht werden, dass die nicht entnommenen Gewinne (§ 34a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 EStG) auf Antrag des Steuerpflich‐ tigen einem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Die Höhe des Sondertarifs von 28,25 % (zzgl. SolZ) orientiert sich an dem Körperschaftsteuersatz i. H. v. 15 % (§ 23 KStG) und der durchschnittlichen Gewerbesteuerbelastung von 14 %. Der SolZ (5,5 %) ist zusätzlich zu berücksichtigen, wird jedoch in den folgenden Ausführungen vernachlässigt. Sind in dem zu versteuernden Einkommen eines Steuerpflichtigen nicht entnommene Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit (Gewinneinkunftsarten) enthalten, so kann der Steuerpflichtige beantragen, diese ganz oder teilweise dem ermäßigten Steuersatz i. H. v. 28,25 % zu unterwerfen und nicht in die tarifliche Veranlagung mit einzubeziehen (§ 32a Abs. 1 Satz 1 EStG). Der hierfür notwendige Antrag ist für jeden Betrieb oder Mitunternehmeranteil und für jeden Veranlagungszeitraum gesondert zu stellen. Die Thesaurierungs‐ begünstigung greift also nicht auf der Ebene der Personengesellschaft, sondern auf der Ebene des einzelnen Mitunternehmers. Folglich steht es jedem Mitunternehmer frei, die Begünstigung zu wählen oder darauf zu verzichten. Um in den Genuss der Thesaurierungsbegünstigung zu kommen, sind jedoch neben dem Antrag noch weitere Voraussetzungen kumulativ zu erfüllen: ■ Keine Begünstigung der Gewinne durch □ den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG, □ den reduzierten Durchschnittssteuersatz gem. § 34 Abs. 3 EStG und □ durch § 3 Nr. 40 S. 1 Bst. a i. V. m. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG (Vergütungen einer Beteiligung einer vermögensverwaltenden Gesellschaft). ■ Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ■ Gewinnanteil des Mitunternehmers > 10 % oder > 10.000 € 222 2 Einkommensteuer <?page no="223"?> Beispiel: Anton und Berta sind zu je 50 % an der A&B-OHG beteiligt, die einen laufenden Gewinn von 100.000 € erzielt. Die A&B-OHG hält ihrerseits eine Beteiligung an der IN-OHG (sog. doppelstöckige Personengesellschaft) mit einem Buchwert von 10.000 €. Die Beteiligung wird für 40.000 € veräußert. Anton nimmt für seinen Anteil am Veräußerungsgewinn i. H. v. [(40.000 € ./ . 10.000 €) / 2 = ] 15.000 € die Begünstigungen des § 16 Abs. 4 EStG in Anspruch. Berta verzichtet hierauf. Lösung: Da Anton für den Veräußerungsgewinn die Begünstigung des § 16 Abs. 4 EStG in Anspruch nimmt, kann er die Thesaurierungsbegünstigung nur für seinen Anteil am laufenden Gewinn i. H. v. 50.000 € in Anspruch nehmen. Berta hat hingegen auf eine begünstigte Besteuerung des Gewinns verzichtet. Sie kann den Sondertarif des § 34a EStG somit für ihren laufenden Gewinnanteil i. H. v. 50.000 € und ihren Anteil am Veräußerungserlös i. H. v. 15.000 € in Anspruch nehmen. Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Tarifbegünstigung des § 34a EStG sind: ■ Antrag des Steuerpflichtigen ■ Keine anderweitige Begünstigung der Gewinne ■ Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ■ Bei Mitunternehmerschaften: Gewinnanteil > 10 % oder > 10.000 € Abb. 46: Ermittlung des begünstigten Gewinns i. S. d. § 34a EStG 223 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="224"?> Der Sondertarif des § 34a EStG kann nur für den sog. Begünstigungsbetrag in Anspruch genommen werden. Dies ist gem. § 34a Abs. 3 Satz 1 EStG „der im Veranlagungszeitraum nach Absatz 1 Satz 1 auf Antrag begünstigte Gewinn“. Die Ermittlung des Begünstigungsbetrags folgt dem Schema in Abb. 46. Der Ausgangspunkt ist der durch den Betriebsvermögensvergleich ermittelte Gewinn nach §§ 4 Abs. 1 und 5 EStG. Dieser ist um den positiven Saldo aus den Entnahmen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) und Einlagen (§ 4 Abs. 1 Satz 8 EStG), die während des Wirtschaftsjahres getätigt wurden, zu vermindern. Entnahmen fließen aus dem Unternehmen ab und sollen daher nicht begünstigt besteuert werden. Dies gilt allerdings nur insoweit, als den Entnahmen keine Einlagen entgegenstehen. Einlagen werden bis zur Höhe der Entnahmen berücksichtigt und gleichen diese innerhalb des Wirtschaftsjahres aus. Im Ergebnis erhält man den nicht entnommenen Gewinn i. S. d. § 34a Abs. 2 EStG. Gem. § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG hat der Steuerpflichtige das Wahlrecht, den nicht entnommenen Gewinn dem ermäßigten Einkommen‐ steuertarif i. H. v. 28,25 % zu unterwerfen. Der Antrag kann sich auch lediglich auf einen Teil des nicht entnommenen Gewinns erstrecken. Der nicht auf Antrag begünstigt besteuerte Gewinn wird zusammen mit den restlichen Einkünften des Steuerpflichtigen dem Normaltarif des § 32a EStG unterworfen. Beispiel: Der bilanzierende Marketingexperte Sepp ist Einzelunternehmer und erzielt einen Gewinn i. H. v. 100.000 €. Während des Wirtschaftsjahres entnimmt er 150.000 € und a) tätigt eine Einlage über 10.000 € b) tätigt eine Einlage über 110.000 € c) tätigt eine Einlage über 170.000 € Beispiel_S203.pdf Gewinn ./ . Positiver Saldo aus Entnahmen und Einlagen = Nicht entnommener Gewinn (§ 34a Abs. 2 EStG) Fall a) 100.000 € ./ . 140.000 € = 0 € Fall b) 100.000 € ./ . 40.000 € = 60.000 € Fall c) 100.000 € ./ . 0 € = 100.000 € Im Fall a) übersteigt der positive Saldo aus Entnahmen und Einlagen den Jahresgewinn. Dieser gilt somit vollständig als entnommen und kann daher 224 2 Einkommensteuer <?page no="225"?> nicht begünstigt werden. Im Fall b) kompensieren die Einlagen die Entnahmen teilweise, sodass nur 40.000 € des Jahresgewinns als entnommen gelten; für die restlichen 60.000 € kann der Sondertarif in Anspruch genommen werden. Im Fall c) kann der gesamte Jahresgewinn begünstigt besteuert werden, da die Einlagen die Entnahmen vollständig kompensieren. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist auf den nicht entnomme‐ nen Gewinn beschränkt. Der Ausgangspunkt für dessen Ermittlung ist der Steuerbilanzgewinn. Dieser darf jedoch nicht mit den steuerpflichtigen Einkünften verwechselt werden. Im Rahmen der Gewinnermittlung wurden die nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben gewinnmindernd berücksichtigt. Bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte sind die nicht abzugs‐ fähigen Betriebsausgaben dem Steuerbilanzgewinn jedoch außerhalb der Bilanz wieder hinzuzurechnen und erhöhen somit die einkommensteuerli‐ che Bemessungsgrundlage. Insoweit unterliegen die nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben nicht dem Sondertarif i. H. v. 28,25 %, sondern dem einkommensteuerlichen Normaltarif. Abb. 47 verdeutlicht nochmals diesen Zusammenhang. Abb. 47: Steuerpflichtige Einkünfte vs. Steuerbilanzgewinn Beispiel: Der Einzelunternehmer Otto erzielt einen Steuerbilanzgewinn von 100.000 €. Während des Wirtschaftsjahres wurden keine Entnahmen getätigt. Im Rahmen der Gewinnermittlung wurden 20.000 € nicht abzugsfähige Betriebsausgaben gewinnmindernd erfasst. 225 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="226"?> Die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage beträgt 120.000 €. Diese setzt sich zusammen aus dem Steuerbilanzgewinn i. H. v. 100.000 € und den außerhalb der Bilanz hinzuzurechnenden Betriebsausgaben i. H. v. 20.000 €. Der gem. § 34a Abs. 1 EStG begünstigungsfähige nicht entnommene Gewinn wird auf Grundlage des Steuerbilanzgewinns ermittelt und beträgt 100.000 €. Otto kann daher beantragen, diesen Gewinn dem ermäßigten Steuersatz gem. § 34a EStG oder dem Normaltarif gem. § 32a EStG zu unterwerfen. Die nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben i. H. v. 20.000 € unterliegen jedoch in jedem Fall dem einkom‐ mensteuerlichen Normaltarif. Außerbilanzielle Hinzurechnungen, wie bspw. nichtabzugsfähige Be‐ triebsausgaben, sind zwar im zu versteuernden Einkommen, nicht aber im Steuerbilanzgewinn enthalten. Daher liegen diesbezüglich keine nicht entnommenen Gewinne vor. Diese Beträge wurden näm‐ lich tatsächlich verausgabt und sind somit nicht entnahmefähig. Daher kommt eine Begünstigung nach § 34a EStG insoweit nicht in Betracht! Gewinne, für welche die Thesaurierungsbegünstigung in Anspruch genom‐ men wurde, können grundsätzlich zeitlich unbegrenzt im Unternehmen verbleiben. Personenunternehmen bilden folglich im Zeitablauf einen Pool, in dem die begünstigt besteuerten Gewinne gesammelt werden (sog. nach‐ versteuerungspflichtiger Betrag gem. § 34a Abs. 3 Satz 2 EStG). Dieser ist für jeden Betrieb und Mitunternehmeranteil jährlich gesondert festzustellen und über die Zeit fortzuschreiben. Die thesaurierten Gewinne sind jedoch nur so lange begünstigt, wie sie im Unternehmen verbleiben. Übersteigen in einem späteren Wirtschaftsjahr die Entnahmen den laufenden Gewinn zzgl. der Einlagen, so gelten die begünstigt besteuerten Gewinne in dieser Höhe als entnommen. Es kommt somit zu einer Nachversteuerung dieser Überent‐ nahme. Die Einkommensteuer auf diesen sog. Nachversteuerungsbetrag beträgt in Anlehnung an die Abgeltungsteuer 25 % zzgl. SolZ (§ 32a Abs. 4 Satz 2 EStG). 226 2 Einkommensteuer <?page no="227"?> Abb. 48: Ermittlung des nachversteuerungspflichtigen Betrags Abb. 48 verdeutlicht die Ermittlung des nachversteuerungspflichtigen Be‐ trags. Der Ausgangspunkt ist der nicht entnommene Gewinn i. S. d. § 34a Abs. 2 EStG. Dieser ist um den Teil des Gewinns zu kürzen, der nicht auf Antrag des Steuerpflichtigen begünstigt werden soll. Als Ergebnis erhält man den sog. Begünstigungsbetrag i. S. d. § 34a Abs. 3 EStG, d. h. den auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG begünstigten Gewinn. Der Begünstigungsbetrag ist zunächst um die Einkommensteuer i. H. v. 28,25 % (zzgl. SolZ) zu kürzen. Der hieraus resultierende Begünstigungsbe‐ trag nach Steuern ist anschließend um verschiedene Hinzurechnungen und Kürzungen zu korrigieren. Beispiel (Fortführung Fall b) Sepp möchte von dem nicht entnommenen Gewinn i. H. v. 60.000 € für 40.000 € die Begünstigung des § 34a EStG in Anspruch nehmen. Der SolZ wird vernachlässigt. Beispiel_S206.pdf Nicht entnommener Gewinn (§ 32a Abs. 2 EStG) ./ . dem Normaltarif unterliegender Gewinn 60.000 € ./ . 20.000 € = Begünstigungsbetrag gem. § 34a Abs. 3 Satz 1 EStG ./ . Einkommensteuer (28,25 %) = 40.000 € ./ . 11.300 € = Begünstigungsbetrag nach Steuern = 28.700 € 227 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="228"?> Der Begünstigungsbetrag i. H. v. 40.000 € unterliegt dem Sondertarif des § 34a EStG. Nach Abzug von Steuern verbleibt somit ein Thesaurierungsbetrag von 28.700 €. Die verbleibenden 20.000 € unterliegen zusammen mit dem Teil des Gewinns, der schon während des Wirtschaftsjahres entnommen wurde und daher nicht begünstigt werden darf (d. h. dem positiven Saldo aus Entnahmen und Einlagen i. H. v. 40.000 €), dem Normaltarif des § 32a EStG. Der Begünstigungsbetrag nach Steuern erhöht sich um den gem. § 34a Abs. 3 Satz 3 EStG gesondert festgestellten nachversteuerungspflichtigen Betrag des Vorjahres und um die nachversteuerungspflichtigen Beträge, die gem. § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG von einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen überführt oder übertragen werden. Da die Wirtschaftsgüter im letzten Fall weiterhin betrieblich genutzt werden, soll eine Nachversteuerung vermieden werden. Dies hat zur Folge, dass der nachversteuerungspflichtige Betrag gedanklich zusammen mit dem Wirtschaftsgut aus dem einen Betrieb entnommen und in einen anderen Betrieb eingelegt wird. Beispiel (Fortsetzung): Im Vorjahr wurde für Sepps Einzelunternehmen ein nachversteuerungspflichti‐ ger Betrag i. H. v. 31.300 € festgestellt. Zudem überträgt Sepp einen Spezialdrucker mit einem Buchwert von 10.000 € aus seinem Sonderbetriebsvermögen bei der 228 2 Einkommensteuer <?page no="229"?> X-OHG, an der er ebenfalls zu 50 % beteiligt ist, zum Buchwert in sein Einzel‐ unternehmen. Der auf den Mitunternehmeranteil an der X-OHG entfallende nachversteuerungspflichtige Betrag beträgt 15.000 €. Der Antrag i. S. d. § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG wurde gestellt. Beispiel_S207.pdf Begünstigungsbetrag nach Steuern + Nachversteuerungspflichtiger Betrag des Vorjahres + Nachversteuerungspflichtiger Betrag aus der Übertragung von Wirtschaftsgütern gem. § 34a Abs. 5 Satz 2 EStG 28.700 € + 31.300 € + 10.000 € = Nachversteuerungspflichtiger Betrag vor Kürzungen = 70.000 € Spiegelbildlich zu den Hinzurechnungen wird der nachversteuerungspflich‐ tige Betrag durch bestimmte Kürzungen reduziert. Dies ist grundsätzlich immer dann der Fall, wenn der positive Saldo aus den Entnahmen und Einlagen des Wirtschaftsjahres den nach § 4 Abs. 1 EStG oder § 5 EStG ermittelten Gewinn übersteigt. In diesem Fall liegt eine Überentnahme vor. Sofern ein nachversteuerungspflichtiger Betrag in entsprechender Höhe vorhanden ist, führt dies grundsätzlich zu einer Nachversteuerung i. H. v. 25 % (§ 34a Abs. 4 Satz 1 EStG). 229 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="230"?> Beispiel (Fortführung): Die Entnahme des Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen der X-OHG führt unter den Voraussetzungen des § 34a Abs. 4 EStG (Überentnahme) grund‐ sätzlich zu einer Nachversteuerung. Dies ist auch dann der Fall, wenn das Wirtschaftsgut in das Einzelunternehmen eingelegt wird (§ 34a Abs. 4 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 EStG). Da Sepp jedoch einen entsprechenden Antrag gestellt hat, findet gedanklich neben der Übertragung des Wirtschaftsguts auch eine Übertragung des nachversteuerungspflichtigen Betrags statt (§ 34a Abs. 5 Satz 2 EStG). Der auf den Mitunternehmeranteil an der X-OHG entfallende nachvers‐ teuerungspflichtige Betrag verringert sich entsprechend von 15.000 € auf 5.000 €, also genau in dem Umfang, in dem sich der nachversteuerungspflichtige Betrag bei dem Einzelunternehmen erhöht. § 34a Abs. 6 EStG führt eine Reihe von Tatbeständen auf, bei deren Vorliegen eine Nachversteuerung des gesamten nachversteuerungspflichtigen Betrags nach Maßgabe des Abs. 4 durchzuführen ist. Diese umfassen bspw. ■ die Betriebsveräußerung oder -aufgabe, ■ die Einbringung oder den Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft, ■ den Wechsel der Gewinnermittlungsart zur Einnahmen-Über‐ schuss-Rechnung sowie ■ den Antrag des Steuerpflichtigen, die Nachversteuerung des nachver‐ steuerungspflichtigen Betrages gem. § 34 Abs. 4 EStG durchführen zu wollen. In den Fällen der Veräußerung, Aufgabe oder Einbringung bzw. Formwech‐ sel in eine Kapitalgesellschaft unterhält der Steuerpflichtige den Betrieb oder Mitunternehmeranteil nicht mehr. Somit besteht auch kein Anspruch auf die Gewährung des Steuervorteils. Gem. § 34a Abs. 6 Satz 2 EStG kann die geschuldete Einkommensteuer in diesen Fällen jedoch auf Antrag des Steuerpflichtigen über einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren zinslos gestundet werden, wenn ihre alsbaldige Einziehung mit erheblichen Härten für den Steuerpflichtigen verbunden wäre. 2.2.8.4 Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG normiert, dass sich aus der um die Steuerermäßigun‐ gen geminderten und um bestimmte Erhöhungen vermehrten tariflichen Einkommensteuer die festzusetzende Einkommensteuer ergibt. Zu den 230 2 Einkommensteuer <?page no="231"?> Steuerermäßigungen gehören insbesondere der Gewerbesteuer-Tarifentlas‐ tungsbetrag gem. § 35 EStG sowie der Absetzbetrag gem. § 34g EStG. Ferner muss der tariflichen Einkommensteuer das Kindergeld zugerechnet werden, falls der Kinderfreibetrag günstiger ist (§ 2 Abs. 6 Satz 3 EStG). Gegebenenfalls ist die Einkommensteuer zusätzlich um die Steuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG zu erhöhen. a) Der Gewerbesteuer-Tarifentlastungsbetrag i. S. d. § 35 EStG Gem. § 35 EStG ist die tarifliche Einkommensteuer zu mindern ■ „bei Einkünften aus gewerblichen Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 um das Vierfache des Gewerbesteuermessbetrages“ (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) ■ „bei Einkünften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder (…) Nr. 3 um das Vierfache des anteiligen Gewerbesteuermessbetrages“ (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Auf diese Weise soll die doppelte Belastung der gewerblichen Einkünfte mit Einkommen- und Gewerbesteuer gemildert werden. Die Steuerermäßigung 231 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="232"?> ist dabei auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer begrenzt (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG). Aus diesem Grund sind bei Mitunternehmerschaften neben dem GewSt-Messbetrag auch die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer und der auf den einzelnen Mitunternehmer entfallende Anteil gesondert und einheitlich i. S. d. §§ 179, 180 AO festzustellen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 EStG). Abb. 49: Anrechnung der Gewerbesteuer gem. § 35 EStG Beispiel: Der Gewerbesteuermessbetrag des als Einzelunternehmer tätigen Goldschmieds Christian beträgt für den VZ 2022 2.000 €. Der GewSt-Tarifentlastungsbetrag beträgt 8.000 € (2.000 €×4). Die tarifliche Einkommensteuer von Christian wird um 8.000 € ermäßigt. Alternative Berechnungsmöglichkeit: Die Gemeinde Ingolstadt wendet auf den Gewerbesteuermessbetrag ihren Hebesatz von 400 % an, sodass sich für Christian eine Gewerbesteuer-Schuld i. H. v. 8.000 € ergibt. Der GewSt-Tarifentlastungsbe‐ trag beträgt daher 8.000 € / 4 = 2.000 €×4 = 8.000 €. b) Zuwendungen an politische Parteien i. S. d. § 34g EStG Gem. § 34g Satz 1 EStG mindert sich die tarifliche Einkommensteuer um die Zuwendungen an politische Parteien i. S. d. § 2 des Parteigesetzes und an Vereine ohne Parteicharakter (sog. Wählervereinigungen). Bei der Begünstigung des § 34g EStG handelt es sich um einen Absetzbetrag. Zuwendungen i. S. d. dieser Norm sind Mitgliedsbeiträge und Spenden. § 10b 232 2 Einkommensteuer <?page no="233"?> Abs. 2 Satz 2 EStG bestimmt, dass die Steuerermäßigung gem. § 34g EStG Vorrang vor dem Abzug als Sonderausgaben genießt. Hierdurch wird das demokratische Prinzip der politischen Willensbildung, unabhängig von der Höhe des Einkommens, verwirklicht. Die Ermäßigung beträgt gem. § 34g Satz 2 EStG 50 % der Zuwendungen, maximal 825 € (bei Zusammenveranla‐ gung 1.650 €). D. h. es muss mindestens das Doppelte (1.650 € bzw. 3.300 €) an politische Parteien gespendet worden sein, um den vollen Höchstbetrag von der tariflichen Einkommensteuer abziehen zu können. Übersteigen die Parteispenden den Betrag von 1.650 € (bei Zusammenveranlagung 3.300 €), so sind sie gem. § 10b Abs. 2 Satz 1 EStG - ebenfalls bis zu einem Höchstbetrag i. H. v. 1.650 € bzw. 3.300 € - als Sonderausgaben abzugsfähig. Beispiel: Die ledige Elisa spendet im Jahr 2022 an politische Parteien: a) 1.300 €. Gem. § 34g Satz 2 EStG sind 50 % der Zuwendungen von der tariflichen Einkommensteuer abzuziehen. Die tarifliche Einkommensteuer von Elisa mindert sich um 650 (50 % von 1.300 €). 233 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="234"?> b) 2.500 €. Gem. § 34g Satz 2 EStG sind 50 % der Zuwendungen - maximal jedoch 825 € - von der tariflichen Einkommensteuer abzuziehen. Die Steuerermä‐ ßigung von Elisa beträgt 825 € (Höchstbetrag). Der den Betrag von 1.650 € übersteigende restliche Spendenbetrag ist gem. § 10b Abs. 2 Satz 1 EStG als Sonderausgaben abzugsfähig. D. h. als Sonderausgaben können noch 850 € (2.500 € ./ . 1.650 €) angesetzt werden. Die maximale Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer i. S. d. § 34g EStG beträgt: ■ bei Einzelveranlagung: 825 € ■ bei Zusammenveranlagung: 1.650 € Darüber hinaus können Parteispenden, für die eine Steuerermäßigung nach § 34g EStG nicht gewährt wurde, als Sonderausgaben (§ 10b Abs. 2 EStG) bis zu einem Höchstbetrag i. H. v. 1.650 € (3.300 €) abgezogen werden. c) Verrechnung des Kindergelds, wenn der Kinderfreibetrag günstiger ist 234 2 Einkommensteuer <?page no="235"?> Wie bereits im Kapitel zum Familienleistungsausgleich dargestellt, ist das Kindergeld gem. § 31 Satz 4 EStG wieder an die öffentlichen Kassen zurückzuzahlen, wenn sich der Kinder- und der Sammelfreibetrag für den Steuerpflichtigen als günstiger erweisen sollten. Dies ist nicht dahingehend zu verstehen, dass tatsächlich eine Überweisung an das Finanzamt statt‐ findet, sondern es erfolgt lediglich eine Verrechnung mit dem höheren Steuervorteil aufgrund der Freibetragsregelungen des § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG. d) Steuer nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG Gem. § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG erhöht sich die tarifliche Einkommensteuer um die Steuer, die sich aus der Anwendung des § 32d Abs. 3 und 4 EStG (sog. Abgeltung über die Veranlagung) ergibt. 2.2.8.5 Die Ermittlung der Abschlusszahlung bzw. des Erstattungsanspruchs Auf die festzusetzende Einkommensteuer werden die geleisteten viertel‐ jährlichen Vorauszahlungen (§ 37 EStG) sowie die entrichtete Lohn- und 235 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="236"?> Kapitalertragsteuer (§§ 38 ff., §§ 43 ff. EStG) angerechnet (§ 36 Abs. 2 EStG), soweit diese auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte entfallen und keine Erstattung beantragt oder durchgeführt worden ist. Daraus ergibt sich die endgültige Abschlusszahlung bzw. der endgültige Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen. a) Der Abzug der Einkommensteuervorauszahlungen § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG bestimmt, dass am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer zu entrichten sind, die der Steuerpflichtige für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich schulden wird. Grundsätzlich richtet sich die Höhe der festzusetzenden Vorauszahlung „nach der Einkommensteuer, die sich nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge [z. B. Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer] bei der letzten Veranlagung ergeben hat“ (§ 37 Abs. 3 Satz 2 EStG). Die Bemessungsgrundlage für die Vorauszahlungen ist somit die in der Ver‐ gangenheit tatsächlich gezahlte Einkommensteuer. Die Bemessung beruht auf der Annahme, dass die Einkommensverhältnisse des Steuerpflichtigen auch im folgenden Veranlagungszeitraum keiner wesentlichen Änderung unterliegen werden. Die berechnete Vorauszahlung ist gleichmäßig auf die entsprechenden Vorauszahlungszeitpunkte aufzuteilen. 236 2 Einkommensteuer <?page no="237"?> Die Einkommensteuervorauszahlungen sind am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember an das Finanzamt zu entrichten. b) Der Abzug von einbehaltener Lohn- und Kapitalertragsteuer Lohnsteuerabzug Auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. d. § 19 EStG wird die Einkommensteuer durch direkten Abzug an der Einkommensquelle (sog. Lohnsteuerabzug) erhoben. Die Lohnsteuer ist in den §§ 38 bis 42g EStG geregelt und stellt keine eigene Steuerart, sondern nur eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer dar. Die Lohnsteuer ist eine besondere Erhebungsform der Einkommen‐ steuer und kann nur bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i. S. d. § 19 EStG erhoben werden. Die Lohnsteuer hat den Charakter einer Einkommensteuervorauszahlung. Seit dem 1. Januar 2013 wurde die Lohnsteuerkarte durch ein elektronisches Verfahren ersetzt, welches in den ausschließlichen Verantwortungsbereich des Finanzamts fällt. Die gespeicherten Angaben des elektronischen Ver‐ fahrens werden als Elektronische Lohnsteuer Abzugsmerkmale (ELStAM) bezeichnet. 237 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="238"?> Anstelle der Lohnsteuerkarte benötigt der Arbeitgeber seitdem nur noch einmalig die steuerliche Identifikationsnummer (§ 139b AO) des Arbeitneh‐ mers, sein Geburtsdatum sowie eine Auskunft darüber, ob es sich um das Haupt- oder ein Nebenarbeitsverhältnis handelt. Durch das elektronische Verfahren ergeben sich jedoch keinerlei Änderungen bei der Lohnberech‐ nung und der Steuererklärung. Ebenso speichert das Finanzamt nur die Informationen, die auf der Vorderseite der Lohnsteuerkarte eingetragen waren (z. B. Steuerklasse, Anzahl der Kinderfreibeträge bzw. sonstige Frei‐ beträge sowie die Religionszugehörigkeit). Es werden darüber hinaus keine weiteren persönlichen Daten erhoben. Gemäß § 39e Abs. 4 Satz 1 EStG hat der Arbeitnehmer jedem seiner Arbeitgeber bei Eintritt in das Dienstverhältnis zum Zweck des Abrufs der ELStAM seine Identifikationsnummer, sein Geburtsdatum sowie etwaige Freibeträge gem. § 39a EStG mitzuteilen. Zusätzlich hat der den Arbeitgeber zu informieren, ob es sich um das Hauptdienstverhältnis oder um ein weite‐ res Dienstverhältnis handelt. Der Arbeitgeber des Hauptdienstverhältnisses hat bezüglich der ELStAM des Arbeitnehmers grundsätzlich weitgehendere Informationsmöglichkeiten als ein Arbeitgeber eines weiteren Dienstver‐ hältnisses. Jenem steht nur ein Teil der ELStAM zur Verfügung (Steuerklasse 6, Religionszugehörigkeit und ggf. ein Freibetrag). Generell kann der Arbeit‐ nehmer auf Antrag beim zuständigen Finanzamt selbst bestimmen, welchem 238 2 Einkommensteuer <?page no="239"?> Arbeitgeber er die Berechtigung zum Abruf der bereitgestellten Daten erteilt und welchen Arbeitgeber er hiervon ausschließt. Der Arbeitgeber benötigt diese Daten in Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung zur Berechnung und Abführung der Lohnsteuer, des Solidaritätszuschlags und ggf. der Kirchensteuer (§ 38 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 41a Abs. 1 Satz 1 EStG). Bezüglich der Lohnsteuerklassen gem. § 38b EStG ist - in Abhängigkeit vom Familienstand und von der Kinderzahl des Steuerpflichtigen - zwischen sechs Steuerklassen zu differenzieren (vgl. Tabelle 16): Mit VZ 2010 wurde gem. § 39f EStG die Steuerklasse IV mit Faktor (sog. Faktorverfahren) für Ehegatten, die beide Arbeitslohn beziehen, ein‐ geführt. Diese soll eine Alternative zu der Steuerklassenkombination III/ V bieten. Das Ziel ist es, dem Ehegatten mit dem geringeren Arbeitslohn einen höheren Nettolohn zu ermöglichen, indem beim geringer Verdienen‐ den die Vorteile der Steuerklasse IV angewandt werden. Dabei wird der Grundfreibetrag und anhand des Faktors die steuermindernde Wirkung des Splittingtarifs berücksichtigt. Die anderen Steuerklassen berücksichtigen bereits die einkommensteu‐ erlichen Vergünstigungen, wie z. B. den Arbeitnehmer-Pauschbetrag, den Grundfreibetrag und die Sonderausgabenpauschale. Die Höhe der Lohnsteuer bemisst sich grundsätzlich nach dem Jahresar‐ beitslohn (§ 38a Abs. 1 Satz 1 EStG). Auf der Grundlage der einkommen‐ steuerlichen Grund- und Splittingtabellen wurden die Lohnsteuertabellen aufgestellt, welche die entsprechenden Lohnsteuerbeträge für die einzelnen Steuerklassen ausweisen. Bei geringfügigen und kurzfristigen Beschäfti‐ gungsverhältnissen kann jedoch die Lohnsteuer pauschaliert werden. 239 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="240"?> Tab. 16: Einteilung der Steuerklassen Der Schuldner der Lohnsteuer ist gem. § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG der Arbeit‐ nehmer. Sie wird mit dem Zeitpunkt begründet, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Jedoch ist der Arbeitgeber zur Einbehaltung und Abführung an das Finanzamt verpflichtet (§§ 38 Abs. 3 Satz 1, 41a Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Lohnsteuer ist spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums (der i. d. R. dem Kalendermonat entspricht) vom Arbeitgeber anzumelden und abzuführen. Grundsätzlich gilt die Einkommensteuer durch den Lohnsteuerabzug als abgegolten (sog. Abgeltungswirkung der Lohnsteuer, § 46 Abs. 4 EStG). Bei Steuerpflichtigen, die lediglich Einkünfte i. S. d. § 19 EStG als Arbeitnehmer beziehen, erfolgt daher keine Veranlagung zur Einkommensteuer (§ 46 Abs. 2 EStG). Es kann jedoch eine Veranlagung aufgrund der gesetzlichen 240 2 Einkommensteuer <?page no="241"?> Bestimmungen (Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1-7 EStG) oder auf Antrag (freiwillige Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) erfolgen. Die freiwillige Veranlagung wird auf Antrag des Steuerpflichtigen bspw. dann durchgeführt, wenn der Steuerpflichtige Aufwendungen aufweist, die höher sind als die Pauschbeträge. Wurde im Laufe des Kalenderjahres Lohnsteuer erhoben, so ist diese gem. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG von der festzusetzenden Einkommensteuer abzuziehen. Beispiel: Anton ist Arbeitnehmer und hat gleichzeitig einen gewerblichen Betrieb. Die Lohnsteuer, die während des VZ 2022 von seinem Arbeitslohn einbehalten wurde, beträgt laut Lohnsteuerkarte 1.500 €. Für sein Einkommen hat er zudem für das Jahr 2022 Vorauszahlungen i. H. v. 4.000 € geleistet. Seine Steuerschuld des Jahres 2022 beläuft sich insgesamt auf 9.000 €. Die Abschlusszahlung für Anton berechnet sich wie folgt: Von der festzusetzenden Einkommensteuer i. H. v. 9.000 € sind die Einkommensteuervorauszahlungen (4.000 €) und die einbehaltene Lohnsteuer (1.500 €) abzuziehen: Beispiel_S218.pdf Festzusetzende Einkommensteuer ./ . ESt-Vorauszahlungen ./ . entrichtete Lohnsteuer 9.000 € ./ . 4.000 € ./ . 1.500 € = Abschlusszahlung = 3.500 € Die Abschlusszahlung von Anton für den VZ 2022 beträgt 3.500 €. Der Abzug der Kapitalertragsteuer Bei bestimmten Einkünften aus Kapitalvermögen wird die Einkommen‐ steuer durch direkten Abzug an der Einkommensquelle (Kapitalertrag‐ steuer) erhoben. Die KapESt stellt - wie die Lohnsteuer - keine eigene Steuerart dar, sondern lediglich eine besondere Erhebungsform der Einkom‐ mensteuer. Die §§ 43 bis 45e EStG regeln die Kapitalertragsteuer. Die Kapitalertragsteuer wird nur auf die in § 43 Abs. 1 EStG explizit genannten inländischen Kapitalerträge erhoben. Gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 und 2 gilt: „Schuldner der Kapitalertragsteuer ist […] der Gläubiger der Kapitaler‐ träge. Die Kapitalertragsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitaler‐ träge dem Gläubiger zufließen.“ Für den Abzug der Kapitalertragsteuer bzw. deren Abführung bis zum 10. des Folgemonats an das Finanzamt haftet der 241 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="242"?> Schuldner der Kapitalerträge bzw. die auszahlende Stelle (§ 44 Abs. 1 Satz 3 und 5 EStG). Des Weiteren besteht für sie die Verpflichtung i. S. d. § 45a Abs. 2 Satz 1 EStG, für den Gläubiger der Kapitalerträge eine Steuerbescheinigung über die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer zur Vorlage beim Finanzamt auszustellen. Wurde im Laufe des Kalenderjahres Kapitalertragsteuer entrichtet, so ist sie gem. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG auf die festzusetzende Einkommen‐ steuer anzurechnen. Die Kapitalertragsteuer ist eine besondere Erhebungsform der Ein‐ kommensteuer und wird nur bei bestimmten Einkünften aus Kapital‐ vermögen i. S. d. § 20 EStG erhoben. Die Kapitalertragsteuer hat - ebenso wie die Lohnsteuer - den Charakter einer Steuervorauszah‐ lung. Eine Besonderheit ergibt sich seit der Einführung der Abgeltungsteuer. Fließen Kapitalerträge dem Privatvermögen des Steuerpflichtigen zu, so hat der Einbehalt der Kapitalertragsteuer grundsätzlich eine abgeltende Wirkung (§ 43 Abs. 5 Satz 1 EStG). Fließen die Kapitalerträge hingegen dem Betriebsvermögen oder im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Ver‐ pachtung (§ 21 EStG) zu bzw. ist eine der Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 EStG erfüllt, stellt die Kapitalertragsteuer lediglich eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer dar (§ 43 Abs. 5 Satz 2 EStG). Beispiel: Es gelten die Angaben des letzten Beispiels. Auf Rechnung von Anton hat die auszahlende Gesellschaft im VZ 2022 Kapitalertragsteuer (für Dividenden‐ einkünfte laut Steuerbescheinigung aus einer Beteiligung, die Anton in seinem Betriebsvermögen hält) i. H. v. 300 € einbehalten und abgeführt. Die Höhe der Abschlusszahlung bzw. des Erstattungsanspruchs berechnet sich wie folgt: Von der festzusetzenden Einkommensteuer werden in diesem Fall geleistete Vorauszahlungen und einbehaltene Lohn- und Kapitalertragsteuer abgezogen: Beispiel_S219.pdf Festzusetzende Einkommensteuer ./ . ESt-Vorauszahlungen ./ . entrichtete Lohnsteuer ./ . entrichtete Kapitalertragsteuer 9.000 € ./ . 4.000 € ./ . 1.500 € ./ . 300 € = Abschlusszahlung = 3.200 € 242 2 Einkommensteuer <?page no="243"?> Anton hat einen Betrag i. H. v. 3.200 € als Abschlusszahlung an das Finanzamt zu entrichten. Zusammenfassung ■ § 32a EStG regelt den einkommensteuerlichen Normaltarif. Dabei ist zwischen dem Grundtarif (§ 32a Abs. 1 EStG) und dem Splittingtarif (§ 32a Abs. 5 EStG) zu differenzieren. ■ Für außerordentliche Einkünfte gilt der ermäßigte Tarif des § 34 Abs. 1 bzw. 3 EStG (Fünftelregelung bzw. reduzierter Durchschnittssteuersatz). ■ Für den sog. nicht entnommenen Gewinn i. S. d. § 34a Abs. 2 EStG kann auf Antrag der ermäßigte Steuersatz i. H. v. 28,25% in Anspruch genommen werden. Werden im laufenden Wirtschaftsjahr begünstigt besteuerte Gewinne zu einem späteren Zeitraum wieder entnommen, ist grundsätzlich eine Nachversteuerung i. H. v. 25 % vorzunehmen. ■ Die tarifliche Einkommensteuer ist um den Gewerbesteuertarifentlas‐ tungsbetrag und um 50 % der Zuwendungen an politische Parteien (max. 825 €) zu mindern. ■ Die festzusetzende Einkommensteuer ist um die Einkommensteuervo‐ rauszahlungen und um die einbehaltenen Lohn- und Kapitalertragsteu‐ erbeträge zu kürzen, um die Höhe der Abschlusszahlung bzw. des Erstattungsanspruchs zu ermitteln. Fragen 1. Welche Norm regelt den Normaltarif ? 2. Welcher Vorteil resultiert aus der Zusammenveranlagung von Ehegat‐ ten? 3. Welche Vergünstigungen kommen für außerordentliche Einkünfte in‐ frage? 4. Was ist der Unterschied zwischen dem Nachversteuerungsbetrag und dem nachversteuerungspflichtigen Betrag? 5. Wie ermittelt sich der sog. nachversteuerungspflichtige Betrag? 6. Wie ermittelt sich die festzusetzende Einkommensteuer? 7. Wie hoch ist der Gewerbesteuertarifentlastungsbetrag? 8. Was ist bei Parteispenden zu beachten? 243 2.2 Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens <?page no="244"?> 9. Wie werden Abschlusszahlungsbzw. der Steuererstattungsbetrag er‐ mittelt? 10. Welche Steuerpflichtigen müssen Vorauszahlungen leisten? Wann sind die Vorauszahlungen zu leisten? 11. Charakterisieren Sie kurz die Lohnsteuer. Welche Aufgabe kommt der Lohnsteuerkarte zu? 12. Charakterisieren Sie kurz die Kapitalertragsteuer. Wie kann der Steuer‐ pflichtige beim Finanzamt die entrichtete Kapitalertragsteuer nachweisen? Literatur Heinz Kußmaul, Steuern, Berlin/ Boston, 4. Aufl. 2020, S. 37-122. Dieter Schneeloch, Stephan Meyering, Guido Patek, Betriebswirtschaftliche Steuer‐ lehre, Bd. 1: Grundlagen der Besteuerung, Ertragsteuern, München, 7. Aufl. 2016, S. 58-91, 95-139. Klaus Tipke, Joachim Lang, Steuerrecht, Köln, 24. Aufl. 2021, S. 329-563. 2.3 Personengesellschaften Die Personengesellschaften als teilweise selbständige Rechtsgebilde neh‐ men steuerlich eine Zwischenstellung zwischen Kapitalgesellschaften und Einzelunternehmungen ein. Kapitalgesellschaften als juristische Personen sind nämlich rechtlich selbständig und stellen somit eigene Steuersubjekte dar. Daraus folgt, dass eine Kapitalgesellschaft als solche neben ihren Gesellschaftern einer eigenen Steuerpflicht unterliegt (sog. Trennungsprinzip). Demgegenüber ist das betriebliche Vermögen eines Einzelunternehmers rechtlich nicht eigenständig. Das Unternehmensergeb‐ nis wird beim Einzelunternehmer der Einkommensteuer unterworfen (sog. Transparenzprinzip). Verträge des Einzelunternehmers mit seinem Un‐ ternehmen sind weder in zivilnoch in steuerrechtlicher Hinsicht möglich. Bei Personengesellschaften ist es abhängig von der Steuerart, ob die Personengesellschaft ein eigenes Steuersubjekt darstellt. Somit erlangen Personengesellschaften hinsichtlich der Besteuerung eine gewisse steu‐ errechtliche Teilrechtsfähigkeit. Bezüglich der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer ist die Personengesellschaft kein Steuersubjekt, sondern nur Subjekt der Einkünfteerzielung und -ermittlung. Es gilt das Transparenzprinzip. Aufgrund der fehlenden einkommenbzw. körper‐ 244 2 Einkommensteuer <?page no="245"?> schaftsteuerlichen Steuersubjekteigenschaften erfolgt ein Durchgriff durch die Personengesellschaft auf die Ebene der Gesellschafter. Dies bedeutet, dass nicht die Personengesellschaft selbst, sondern die Gesellschafter der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer unterliegen. Beispiel: Monika und Andrea gründeten nach Abschluss ihres Universitätsstudiums in Mün‐ chen die Glock’n-OHG, an der sie beide zu gleichen Teilen beteiligt sind. Die OHG erzielt bereits im ersten Jahr einen Gewinn i. H. v. 200.000 €. Die OHG ist selbst für Zwecke der Einkommensteuer nicht steuerpflichtig, sondern ihre Gesellschafter mit den jeweiligen anteiligen Einkünften. Somit müssen Monika und Andrea je 100.000 € (1/ 2 von 200.000 €) als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) versteuern. Tab. 17: Steuersubjektivität der Gesellschaft Für andere Steuerarten (z. B. GewSt, USt) besitzt die Personengesellschaft jedoch Steuersubjekteigenschaft. Über eine Personengesellschaften kön‐ nen deren Gesellschafter sowohl Gewinnals auch Überschusseinkünfte erzielen. Bezieht die Personengesellschaft Gewinneinkünfte oder ist die Gesellschaft gewerblich geprägt, liegt eine Mitunternehmerschaft vor, die grundsätzlich Betriebsvermögen bildet. Werden dagegen Überschussein‐ künfte bezogen, ist die Gesellschaft eine sog. vermögensverwaltende Personengesellschaften. In diesem Fall stellt die Personengesellschaft 245 2.3 Personengesellschaften <?page no="246"?> lediglich ein Subjekt der Einkünfteerzielung und -ermittlung dar, die kein Betriebsvermögen bildet mit der Folge, dass diesbezüglich die Quellen‐ theorie mit all ihren Ausnahmen gilt. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf gewerbliche Mitunternehmerschaften. Da eine Personengesellschaft Teilrechtsfähigkeit besitzt (vgl. §§ 124, 161 Abs. 2 HGB), sind zivilrechtliche Verträge zwischen der Personengesell‐ schaft und ihren Gesellschaftern - im Gegensatz zu einem Einzelunterneh‐ men - möglich. Ebenso werden diese Verträge handelsrechtlich gemäß der zivilrechtlichen Rechtslage bilanziert. 2.3.1 Mitunternehmereinkünfte a) Voraussetzungen der Mitunternehmereigenschaft Abb. 50: Kumulative Voraussetzungen der Mitunternehmereigenschaft Um den Gesellschafter einer Personengesellschaft (z. B. OHG, KG, BGB-Ge‐ sellschaft) als Mitunternehmer qualifizieren zu können, müssen folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: ■ Gesellschafterstellung: Der Steuerpflichtige muss zivilrechtlich Ge‐ sellschafter einer Personengesellschaft sein. ■ Mitunternehmerrisiko: Der Gesellschafter muss am Erfolg der Ge‐ sellschaft beteiligt sein. Neben der Teilhabe an Gewinnen und Verlusten bedeutet dies auch eine Beteiligung an den stillen Reserven und am Firmenwert. ■ Mitunternehmerinitiative: Der Steuerpflichtige muss an unterneh‐ merischen Entscheidungen (z. B. durch Stimm-, Kontroll- und Wider‐ spruchsrechte) partizipieren können. 246 2 Einkommensteuer <?page no="247"?> Der Mitunternehmerbegriff ist ein „offener Typusbegriff “, d. h. er lässt sich nicht durch Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen, sondern ist nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen zu beschreiben. Ob der Gesellschafter als Mitunternehmer zu qualifizieren ist, hängt vom Gesamtbild der Verhältnisse ab. Gem. H 15.8 Abs. 1 EStR können die Merkmale im Einzelfall mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. b) Gewinnermittlung Für die Gewinnermittlungsart ist entscheidungserheblich, ob die Perso‐ nengesellschaft Gewinneinkünfte (Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder Einkünfte aus selbständiger Arbeit) erzielt oder lediglich Überschussein‐ künfte (z. B. Einkünfte aus Kapitalvermögen, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) erwirtschaftet. Steuerlich ist zudem nur bei Personen‐ gesellschaften, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, eine Gewinner‐ mittlung auf der Basis des qualifizierten Bestandsvergleichs obligatorisch. Sofern die Personengesellschaft Einkünfte aus selbständiger Arbeit bezieht, ist eine Gewinnermittlung auf der Basis einer Einnahmen-Ausgaben-Über‐ schussrechnung möglich. Personengesellschaften, die keine Gewinnein‐ kunftsarten beziehen, ermitteln einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich aus‐ schließlich auf Mitunternehmerschaften, also Personengesellschaften, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen. Trotz mangelnder Steuersubjek‐ teigenschaft (hinsichtlich der Einkommen- und Körperschaftsteuer) muss die Personengesellschaft ihren Gewinn selbständig ermitteln. Ertragsteuer‐ lich findet die Ermittlung des Ergebnisses daher zunächst auf Ebene der Gesellschaft statt. Erst in einem zweiten Schritt wird das von der Perso‐ nengesellschaft erzielte Ergebnis anteilig als originäre eigene Einkünfte auf die Gesellschafter verteilt und je nach Eigenschaft der Gesellschafter als natürliche oder juristische Person der Einkommenbzw. Körperschaft‐ steuer unterworfen. Dabei werden ggf. auch sog. Sondervergütungen berücksichtigt, die zusammen mit dem zuvorgenannten Gewinnanteil den Gesamtgewinnanteil eines Mitunternehmers darstellen. Der ermittelte Gesamtgewinn aller Mitunternehmer unterliegt bei der Personenge‐ sellschaft selbst der Gewerbesteuer. Für Zwecke der Einkommensteuer bemessen sich die gewerblichen Einkünfte jedes einzelnen Mitunternehmers gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nach dessen 247 2.3 Personengesellschaften <?page no="248"?> Anteil am Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft. Der Ermittlung dieses Gesamtgewinns liegt die aus der Handelsbilanz abgeleitete Steuerbilanz zugrunde. Eine Handelsbilanz darf jedoch keine Wirtschaftsgüter enthalten, die nicht der Personengesellschaft gehören. Mit anderen Worten wird dort nur Betriebsvermögen erfasst, welches als gemeinschaftliches Vermögen aller Gesellschafter zu sehen ist (Gesamthandsvermögen). Steuerrechtlich müssen hingegen auch Wirtschaftsgüter, die einem der Mitunternehmer gehören, unter bestimmten Umständen zum Betriebsvermögen der Mitun‐ ternehmerschaft als sog. Sonderbetriebsvermögen gerechnet werden. Zum einen ist das der Fall, wenn das Wirtschaftsgut der Personengesellschaft dazu dient, ihre gewerbliche Betätigung auszuführen und ihr zu diesem Zweck vom Mitunternehmer zur Nutzung überlassen worden ist (notwen‐ diges Sonderbetriebsvermögen I). Zum anderen zählen Wirtschaftsgü‐ ter zum Sonderbetriebsvermögen, die unmittelbar zur Begründung oder Stärkung der Beteiligung eines Gesellschafters an der Gesellschaft dienen (notwendiges Sonderbetriebsvermögen II), also etwa Anteile, die ein Kommanditist an der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG hält. Wirtschaftsgüter, die objektiv geeignet und subjektiv dazu bestimmt sind, den Betrieb der Gesellschaft bzw. die Beteiligung des Gesellschafters zu fördern, können gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen darstellen. ■ Eine Handelsbilanz darf nur das sog. Gesamthandsvermögen enthalten. ■ Steuerrechtlich müssen u. U. Wirtschaftsgüter, die nur einem Mit‐ unternehmer gehören, zum Betriebsvermögen gerechnet werden (Sonderbetriebsvermögen). Dieses „besondere“ Betriebsvermögen wird steuerlich jedoch nicht in der Bilanz der Gesellschaft, sondern in gesonderten Bilanzen der jeweiligen Gesellschafter erfasst (Sonderbilanzen). Dadurch wird in erster Linie eine klare bilanzielle Abgrenzung des Vermögens des einzelnen Gesellschafters vom Gesellschaftsvermögen erreicht. Zum anderen ermöglicht diese Vorge‐ hensweise eine grundsätzliche Aufrechterhaltung der Identität der Steuerbi‐ lanz hinsichtlich der in der Handelsbilanz ausgewiesenen Wirtschaftsgüter (vgl. Maßgeblichkeitsprinzip). 248 2 Einkommensteuer <?page no="249"?> Sonderbetriebsvermögen wird in Sonderbilanzen der jeweiligen Ge‐ sellschafter erfasst. Das Ergebnis dieser Sonderbilanzen, die das Sonderbetriebsvermögen des betreffenden Gesellschafters je nach Sachverhalt aktiv bzw. passiv auswei‐ sen, beinhaltet bei Vorliegen entsprechender schuldrechtlicher Verträge zwischen Gesellschafter und Gesellschaft auch sog. Sonderbetriebseinnah‐ men. Diese werden buchungstechnisch in der Sonder-GuV erfasst. Dabei kommen üblicherweise folgende Sachverhalte in Betracht (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG): ■ Vergütungen, die ein Gesellschafter für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft bezogen hat. ■ Zinsen für Darlehen, die der Gesellschafter der Gesellschaft gewährt. ■ Miete für ein dem Gesellschafter gehörendes Gebäude, das er der Gesellschaft vermietet hat. Forderungen, die dem Gesellschafter in diesem Zusammenhang gegenüber der Gesellschaft erwachsen, werden ebenfalls in der Sonderbilanz ausgewie‐ sen. Somit erfordert die Ermittlung der (gewerblichen) Einkünfte eines Mitun‐ ternehmers ein Vorgehen in zwei Schritten (siehe Abb. 51): 1. Schritt: Der Gesamtgewinn der Personengesellschaft wird nach handelsbzw. steuerrechtlichen Vorschriften ermittelt. Schuldrechtliche Beziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter sind dabei zur Gänze erfolgswirk‐ sam als Aufwand zu berücksichtigen. Der so ermittelte Gesamtgewinn ist nach dem Gewinnverteilungsschlüssel auf die Gesellschafter aufzuteilen (sog. gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung, §§ 179, 180 AO). 2. Schritt: Die an die Gesellschafter gezahlten Sondervergütungen (für Arbeitsleis‐ tung sowie für die Überlassung von Kapital und anderen Wirtschaftsgütern) werden dem nach dem ersten Schritt berechneten Gewinnanteil des Ge‐ sellschafters wieder hinzugerechnet (sog. additive Gewinnermittlung). Damit wird der aus den Verträgen mit den Gesellschaftern stammende Aufwand neutralisiert. Mit der Erzielung von Sonderbetriebseinnahmen in 249 2.3 Personengesellschaften <?page no="250"?> Verbindung stehende Aufwendungen (Sonderbetriebsausgaben) werden subtrahiert (z. B. AfA für einen der Gesellschaft überlassenen PC). Auf diese Weise wirken sich Vergütungen, die von der Personengesell‐ schaft für Leistungen des Gesellschafters an diesen gezahlt werden (sog. Sondervergütungen = Sonderbetriebseinnahmen beim betreffenden Gesell‐ schafter) nicht gewinnmindernd aus. Im Ergebnis werden damit schuld‐ rechtliche Verträge zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter steu‐ erlich nicht anerkannt. Derartige Verträge führen, da die Gewerbesteuer auf das Gesamtergebnis der Mitunternehmerschaft anknüpft, also auf das Ergebnis des 2. Schritts, auch nicht zu einer Minderung der gewerbesteuer‐ lichen Bemessungsgrundlage. Abb. 51: Ermittlung der gewerblichen Einkünfte des Gesellschafters 250 2 Einkommensteuer <?page no="251"?> Grundsätzlich sind Gehaltsbezüge unter die Einkünfte aus nichtselbstän‐ diger Arbeit (§ 19 EStG), Zinseinnahmen unter die Einkünfte aus Kapi‐ talvermögen (§ 20 EStG) und Mieteinnahmen unter die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) zu subsumieren. Handelt es sich dabei jedoch um Einkünfte, die von einem Mitunternehmer im Rahmen einer Mitunternehmerschaft erzielt werden, so sind diese gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren. Diese Umqualifizierung gilt jedoch nur steuerrechtlich, nicht zivilrechtlich sowie handelsrechtlich. Daher verbleibt die buchungstechnische Behandlung der Zahlungen an den Gesellschafter als betrieblicher Aufwand. Abb. 52: Ermittlung des steuerlichen Gesamtgewinns Anzumerken bleibt, dass der BFH mit Urteil vom 06.06.2002 entschieden hat, dass Tätigkeitsvergütungen für Gesellschafter von Personengesellschaften 251 2.3 Personengesellschaften <?page no="252"?> der Umsatzsteuer unterliegen, falls sie in Form eines gesonderten Entgeltes (d. h. die Vergütung ist gewinnunabhängig) gestaltet sind und weiterhin das Tatbestandsmerkmal der Selbständigkeit des die Leistungen ausführenden gegenüber der Gesellschaft erfüllt wird (was regelmäßig der Fall ist). Beispiel: An der Fürsten-OHG sind Max und Götz zu gleichen Teilen beteiligt. Aus Vereinfachungsgründen sollen Umsatzerlöse i. H. v. 200.000 € und sonstige Aufwendungen i. H. v. 10.000 € angenommen werden. Max bezieht für Geschäfts‐ führungs- und Vertretungsleistungen ein Gehalt i. H. v. 5.000 € pro Monat von der OHG. Götz vermietet der Gesellschaft ein Grundstück (Buchwert 250.000 €) für 30.000 € p. a. Sowohl das Gehalt als auch die Mietzahlungen wurden von der OHG richtigerweise als Aufwand gebucht. Ermitteln Sie die Gewinnanteile von Max und Götz sowie den steuerlichen Gesamtgewinn der OHG. 1. Schritt: Zunächst ist das Handelsbzw. Steuerbilanzergebnis der Fürsten-OHG zu ermitteln. Der sich ergebende Gewinn ist auf die Gesellschafter nach dem Gewinnverwendungsschlüssel aufzuteilen: Beispiel_S229_1.pdf GuV der OHG Sonst. Aufwendungen Gehalt Miete Gewinn 10.000 € 60.000 € 30.000 € 100.000 € Umsatzerlöse 200.000 € 200.000 € 200.000 € Gewinn lt. Handels-/ Steuerbilanz: Beispiel_S229_2.pdf 2. Schritt: Im zweiten Schritt der Gewinnermittlung werden nun die Leistungsbe‐ ziehungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft abgebildet. Der Tätigkeits‐ vergütung und den Mietzahlungen, die auf der ersten Stufe der Gewinnermitt‐ lung zutreffend als Betriebsausgaben behandelt wurden, stehen nun auf Ebene der Gesellschafter Sonderbetriebseinnahmen gegenüber. Sonderbilanzen, welche 252 2 Einkommensteuer <?page no="253"?> das Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter enthalten, sind zu erstellen. Anschließend werden die von der OHG gezahlten Sondervergütungen dem jeweiligen Gesellschafter zugerechnet. Der von der OHG gebuchte Aufwand wird dadurch im Ergebnis wieder neutralisiert. Beispiel_S229_3.pdf Sonderbilanz Götz Grund und Boden Mietforderung 250.000 € 30.000 € Kapital 01.01. + Gewinn Kapital 31.12. 250.000 € 30.000 € 280.000 € 280.000 € 280.000 € Sonder-GuV Götz Gewinn 30.000 € Miete 30.000 € 30.000 € 30.000 € Allgemein lässt sich festhalten, dass die Tätigkeitsvergütungen, die die Perso‐ nengesellschaft an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer zahlt, bei der Personen‐ gesellschaft (zutreffend) abzugsfähige Betriebsausgaben i. S. d. § 4 Abs. 4 EStG darstellen. In der Sonderbuchhaltung des Gesellschafter-Geschäftsführers sind die geschuldeten Vergütungen als Ertrag und gleichzeitig a) bei Zahlung als Entnahme i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG, oder b) bei unterlassener oder aufgeschobener Zahlung als Forderung gegenüber der Gesellschaft zu verbuchen: 1. 31.01. Privatent‐ nahme 5.000 € an Sondervergütun‐ gen (Ertrag) 5.000 € … 11. 30.11. Privatent‐ nahme 5.000 € an Sondervergütun‐ gen (Ertrag) 5.000 € 12. 31.12. Forderungen 5.000 € an Sondervergütun‐ gen (Ertrag) 5.000 € Da Max das Gehalt für Dezember erst im Januar des Folgejahres überwiesen bekommt, ist im Rahmen seiner Sonderbuchführung eine Forderung über 5.000 € einzustellen. 253 2.3 Personengesellschaften <?page no="254"?> Sonderbilanz Max Forderungen 5.000 € Kapital 5.000 € 5.000 € 5.000 € Sonder-GuV Max Gewinn 60.000 € Tätigkeitsvergütung 60.000 € 60.000 € 60.000 € Damit ergibt sich für die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung (§§ 179, 180 AO): Beispiel_S230_2.pdf Max Götz Gewinnanteil Sonderbetriebseinnahmen 50.000 € + 60.000 € Gewinnanteil Sonderbetriebseinnahmen 50.000 € + 30.000 € Einkünfte i.S.d. § 15 EStG = 110.000 € Einkünfte i.S.d. § 15 EStG = 80.000 € In der Summe werden 190.000 € (110.000 € + 80.000 €) als Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 EStG versteuert. Die schuldrechtlichen Verträge zwischen der Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern (Gehalt und Miete) werden steuerlich nicht anerkannt. ↓ | Der von der Gesellschaft gebuchte Aufwand wurde durch die Hinzurechnung im Rahmen des zweiten Schritts wieder neutralisiert. Der sich ergebende Betrag i. H. v. 190.000 € ist zugleich der steuerliche Gewinn der Mitunternehmerschaft und unterliegt bei der OHG der Gewerbesteuer. Somit wird die gewerbesteuerli‐ che Bemessungsgrundlage letztlich nicht durch Verträge zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern gemindert. Die Einkünfte i. H. v. 110.000 € bei Max und i. H. v. 80.000 € bei Götz unterliegen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. d. § 15 EStG jeweils der Einkommensteuer. Zu beachten bleibt, dass Sonderbilanzen nicht die einzigen speziell nur für einen Gesellschafter aufzustellenden Bilanzen sind. Daneben können auch sog. Ergänzungsbilanzen existieren, die mit den erstgenannten 254 2 Einkommensteuer <?page no="255"?> nicht verwechselt werden dürfen und in erster Linie im Falle eines Ge‐ sellschafterwechsels von Bedeutung sind. Steuerliche Konsequenzen eines Gesellschafterwechsels ergeben sich lediglich für den veräußernden sowie den erwerbenden Gesellschafter, jedoch nicht für die Mitunternehmerschaft selbst. Zusammen mit der Gesellschaftsbilanz weist die Ergänzungsbilanz den steuerlich zutreffenden Wert des Anteils am Gesamthandsvermögen für den einzelnen Mitunternehmer aus und ist somit bei der Gewinnermittlung auf der ersten Stufe miteinzubeziehen, obwohl es sich um rein persönliche Steuermerkmale des einzelnen Gesellschafters handelt. Sonderbilanzen hin‐ gegen sind erst auf der zweiten Stufe für die Ermittlung der Einkünfte relevant. Sind die Anschaffungskosten des Mitunternehmeranteils höher als der Buchwert des Kapitalkontos des Gesellschafters, ist der Unter‐ schiedsbetrag in einer Ergänzungsbilanz zu erfassen, so dass der Mehraufwand in der Gesamthandsbilanz außer Ansatz bleibt. Der Erwerb eines Mitunternehmeranteils ist z. B. im Rahmen eines Gesell‐ schafterwechsels für den neueintretenden Gesellschafter gem. § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG mit den Anschaffungskosten auszuweisen. Der ausscheidende Gesellschafter erzielt einen Veräußerungsgewinn bzw. -verlust. Dabei ist zu bedenken, dass ein Gesellschaftsanteil aus steuerlicher Perspektive (im Unterschied zur zivilrechtlichen sowie handelsrechtlichen Wertung als Vermögensgegenstand) kein Wirtschaftsgut darstellt. Vielmehr erwirbt der neueintretende Gesellschafter Anteile an sämtlichen zum Gesellschafts‐ vermögen gehörenden Wirtschaftsgütern. Die Anschaffungskosten liegen jedoch oftmals aufgrund vorhandener stiller Reserven im Vermögen der Gesellschaft regelmäßig über den Buchwerten. Da eine Aufstockung des Kapitalkontos des Gesellschafters und der Wertansätze der Wirtschaftsgü‐ ter in der Gesamthandsbilanz oftmals nicht zulässig sind bzw. ansonsten gewöhnlich vermieden werden sollen, weist der betreffende Gesellschafter den den Buchwert des anteiligen Eigenkapitals übersteigenden Kaufpreis in einer Ergänzungsbilanz auf der Passivseite als Mehrkapital aus. Auf der Aktivseite der Ergänzungsbilanz wird der Mehraufwand auf diejenigen Wirtschaftsgüter aufgeteilt, die ihn aufgrund der ihnen innewohnenden stillen Reserven verursacht haben. Der Mehraufwand für den anteiligen 255 2.3 Personengesellschaften <?page no="256"?> Erwerb der Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft bleibt somit in der Gesamthandsbilanz außer Ansatz. Das bereits bestehende Kapitalkonto des ausscheidenden Gesellschafters in der Gesamthandsbilanz wird in gleicher Höhe durch das Kapitalkonto des neu eintretenden Gesellschafters ersetzt. Würde der Mehrbetrag der Anschaffungskosten in der Gesellschaftsbilanz erfasst werden, ergäben sich für alle Gesellschafter Gewinnauswirkungen. Ergänzungsbilanzen enthalten also gesellschafterspezifische Korrektur‐ posten, die bewirken, dass die Besteuerungsanteile der einzelnen Gesell‐ schafter einer Mitunternehmerschaft richtig erfasst werden. Zum Tragen kommt dies u. a. bei: ■ Ausscheiden des Gesellschafters, ■ Auflösung der Gesellschaft und ■ Abgang oder Verbrauch von Wirtschaftsgütern der Gesellschaft, für die ein korrigierender Posten in einer Ergänzungsbilanz eines Gesellschaf‐ ters eingestellt worden ist, weil dann die dort erfassten Wertansätze erfolgswirksam aufzulösen sind. Werden also Wirtschaftsgüter der Gesellschaft, für die in einer „ergänzen‐ den“ Bilanz eines Gesellschafters ein Korrekturposten existiert, gewinnbrin‐ gend veräußert, führt dies zu einer Verringerung des steuerlich relevan‐ ten Gewinnanteils des betreffenden Mitunternehmers. Da stille Reserven bereits bei Anschaffung des Mitunternehmeranteils versteuert wurden, ist der Gewinnanteil des erwerbenden Gesellschafters auf Grundlage der Gesellschaftsbilanz um den Mehrbuchwert lt. Ergänzungsbilanz zu kor‐ rigieren. Letzterer repräsentiert die beim Gesellschafterwechsel auf das entsprechende Aktivum entfallenen aufgedeckten stillen Reserven. Die Be‐ gründung dieser Systematik liegt demnach in der zutreffenden Besteuerung der stillen Reserven bei demjenigen Gesellschafter, der - nach Einbeziehung des Veräußerungsbzw. Anschaffungspreises des Gesellschaftsanteils - auch tatsächlich einen Gewinn durch den Verkauf der Wirtschaftsgüter vereinnahmt. Beispiel: A und B sind zu gleichen Teilen an der S-OHG beteiligt. B veräußert seinen Mitunternehmeranteil zum 01.01.2022 an C für 300.000 €, wobei das Kapitalkonto des B in der Gesellschaftsbilanz mit 200.000 € ausgewiesen war. Der Mehraufwand i. H. v. 100.000 € ist auf anteilige stille Reserven im Buchwert eines Grundstücks (60.000 €) und eines Patents (40.000 €) zurückzuführen. 256 2 Einkommensteuer <?page no="257"?> Beispiel_S233_1.pdf Steuerbilanz der S-OHG Grund und Boden 120.000 € Kapital A Kapital B 200.000 € 200.000 € 400.000 € 400.000 € übrige Aktiva 280.000 € Da der Kaufpreis des Gesellschaftsanteils (bzw. der Kaufpreis für die Anteile an den Wirtschaftsgütern der Gesellschaft) den Buchwert übersteigt, C aber das Kapitalkonto des B in der OHG-Bilanz oftmals fortführen möchte, muss eine Ergänzungsbilanz aufgestellt werden: Beispiel_S233_2.pdf Ergänzungsbilanz C Mehrwert Grund und Boden Mehrwert Patente 60.000 € 40.000 € Mehrkapital 100.000 € 100.000 € 100.000 € Fortsetzung Beispiel: Nun wird das Grundstück, das mit einem Buchwert von 120.000 € in der OHG-Bi‐ lanz aktiviert ist, für 500.000 € verkauft. Nach Erfassung dieses Geschäftsvorfalls beträgt der Gewinn der S-OHG auf Gesellschaftsebene 380.000 €. Der Gewinnan‐ teil der C ermittelt sich wie folgt: Beispiel_S233_3.pdf Gewinnanteil auf Grundlage der OHG-Bilanz abzgl. Mehrwert lt. Ergänzungsbilanz 190.000 € ./ . 60.000 € Steuerlich maßgebender Gewinnanteil des C = 130.000 € Die stillen Reserven, die im Zusammenhang mit dem Grundstück bei der Übernahme des Mitunternehmeranteils aufgedeckt wurden, hat C bereits über den Anschaffungspreis bezahlt. Diese 60.000 € unterliegen dementsprechend auf Seiten des ausscheidenden Gesellschafters B der Besteuerung. Folgerichtig versteuert C lediglich seinen tatsächlichen Gewinn i. H. v. 130.000 €. 2.3.2 Sonstige Gesellschafter einer Personengesellschaft Liegt keine Mitunternehmerschaft vor, sind Geschäftsvorfälle der Personen‐ gesellschaft mit den Gesellschaften entweder abzugsfähige Betriebsausga‐ ben der Gesellschaft oder werden z. B. bei rein vermögensverwaltenden Personengesellschaften entsprechend der jeweiligen Beteiligungsquote des 257 2.3 Personengesellschaften <?page no="258"?> in Rede stehenden Gesellschafters für steuerliche Zwecke negiert, also nicht anerkannt. Der Gesellschafter hat diese Zahlungen entsprechend der Qualifikation der zugrunde liegenden Einkunftsquelle zu versteuern. Keine Mitunternehmer sind bspw. Gesellschafter einer typisch stillen Gesellschaft i. S. d. §§ 230 ff. HGB oder Gesellschafter einer lediglich ver‐ mögensverwaltenden Personengesellschaft. Der stille Gesellschafter wird gegen Leistung einer Einlage notwendig am Gewinn und i. d. R. auch am Verlust beteiligt, hat aber bei Auflösung der Gesellschaft lediglich Anspruch auf die Rückzahlung seiner Kapitaleinlage. Er ist damit weder an den stillen Reserven noch am Firmenwert des Unternehmens beteiligt. Über reine Kontrollrechte hinausgehende Mitwirkungsrechte fehlen. Mangels Vorliegen einer Mitunternehmerschaft sind Gewinnanteile des stillen Ge‐ sellschafters auf Ebene des Inhabers des Handelsgewerbes abzugsfähige Betriebsausgaben und führen beim stillen Gesellschafter zu Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG). Aufgrund der dispositiven gesetzlichen Regelungen kann die stille Gesellschaft aber auch so ausgestaltet sein, dass diese die Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft erfüllt (atypische stille Gesellschaft), z. B. durch vertraglich vereinbarte Mitwirkungsrechte und die Beteiligung an den stillen Reserven. In diesem Fall erzielt der aty‐ pisch stille Gesellschafter als Mitunternehmer Einkünfte aus Gewerbetrieb (§ 15 EStG). Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften werden den Gesellschaftern die Ergebnisse der Personengesellschaft entsprechend der entsprechenden Beteiligungsquote ohne Berücksichtigung der jeweili‐ gen ggf. zivilrechtlich existierenden Gesellschafts-/ Gesellschafter-Vertrags‐ beziehung unter der Einkunftsart zugewiesen, die die vermögensverwal‐ tende Personengesellschaft erzielt (also i. d. R. Vermietungseinkünfte oder Kapitaleinkünfte). Zusammenfassung ■ Die Personengesellschaft nimmt bzgl. der Steuerpflicht und Steuersub‐ jekteigenschaft eine Zwischenstellung zwischen Kapitalgesellschaft und Einzelunternehmung ein. ■ Bzgl. der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer ist die Perso‐ nengesellschaft kein Steuersubjekt, allerdings bzgl. der Gewerbesteuer und Umsatzsteuer. 258 2 Einkommensteuer <?page no="259"?> ■ Kumulative Voraussetzungen für die Mitunternehmereigenschaft sind: Gesellschafterstellung, Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerini‐ tiative. ■ § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nennt die Bestandteile der mitunterneh‐ merischen Einkünfte. ■ Eine Handelsbilanz darf nur das sog. Gesamthandsvermögen enthalten. Im Steuerrecht können Wirtschaftsgüter, die einem Gesellschafter ge‐ hören, unter bestimmten Umständen zum Betriebsvermögen gehören (Sonderbetriebsvermögen). ■ Sonderbetriebsvermögen wird in gesonderten Bilanzen der betreffen‐ den Gesellschafter erfasst. ■ Die Ermittlung des Gewinnanteils aus der Mitunternehmerschaft erfolgt in einem zweistufigen Verfahren: Zunächst ist das Gesamtergebnis der Per‐ sonengesellschaft zu ermitteln und nach dem Gewinnverteilungsschlüssel auf die Gesellschafter zu verteilen. Danach sind dem Gewinnanteil der Gesellschafter die jeweiligen Sondervergütungen hinzuzurechnen. ■ Ergänzungsbilanzen stellen sicher, dass der steuerlich zutreffende Anteil eines Gesellschafters am Gesamthandsvermögen richtig erfasst wird. ■ Liegen die Voraussetzungen der Mitunternehmereigenschaft nicht vor, greift § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht mit der Folge, dass die Zahlun‐ gen auch steuerlich als Betriebsausgaben der Gesellschaft anzuerken‐ nen und vom Gesellschafter im Rahmen seiner Überschusseinkünfte zu versteuern sind. Fragen 1. Ist die Personengesellschaft Steuersubjekt der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer? 2. Auf welches Merkmal kommt es bei Beteiligungen an Personengesell‐ schaften an? Welche Voraussetzungen müssen dabei erfüllt sein? 3. Was versteht man unter einer Sonderbilanz? 4. Aus welchen Bestandteilen setzt sich der Gewinnanteil aus der Mitun‐ ternehmerschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zusammen? 5. Auf welche Art und Weise wird der Gewinnanteil aus der Mitunterneh‐ merschaft ermittelt? 259 2.3 Personengesellschaften <?page no="260"?> 6. Was versteht man unter einer Ergänzungsbilanz? 7. Welche steuerliche Behandlung erfahren Gesellschafter, die nicht als Mitunternehmer zu qualifizieren sind? Literatur Ulrich Niehus, Helmut Wilke, Die Besteuerung der Personengesellschaft, Stuttgart, 8. Aufl. 2020, S. 29-37 sowie 69-144. Dieter Schneeloch, Stephan Meyering, Guido Patek, Betriebswirtschaftliche Steuer‐ lehre, Bd. 1: Grundlagen der Besteuerung, Ertragsteuern, München, 7. Aufl. 2016, S. 92-94. Klaus Tipke, Joachim Lang, Steuerrecht, Köln, 24. Aufl. 2021, S. 717-758. 260 2 Einkommensteuer <?page no="261"?> 3 Körperschaftsteuer 3.1 Grundlagen Körperschaften besitzen als juristische Personen eine eigene Rechtsper‐ sönlichkeit. Sie sind daher eigenständiges Steuersubjekt der Körperschaft‐ steuer, Umsatzsteuer, Grunderwerbsteuer etc. Die Körperschaftsteuer als Ertragsteuer besteuert das Einkommen von Körperschaften nach einem proportionalen Tarif. Da Kapitalgesellschaften im Wirtschaftsleben die wichtigste Art von Körperschaften darstellen, wird im Rahmen der folgen‐ den Ausführungen überwiegend auf Kapitalgesellschaften abgestellt. Aufgrund ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit ist zwischen der Rechts‐ sphäre der Kapitalgesellschaft und der Rechtssphäre ihrer Anteilseigner zu trennen (sog. Trennungsprinzip). Thesauriert eine Kapitalgesellschaft ihre Gewinne, erhöht sich als Folge des Trennungsprinzips die steuerliche Leistungsfähigkeit ihrer Anteilseigner nicht, so dass sich für diese keine Steuerpflicht ergibt. Erst im Ausschüttungsfall werden die Dividenden auf Ebene des Anteilseigners besteuert, so dass eine Doppelbesteuerung desselben Gewinns gegeben ist. Beispiel: Sowohl der KSt-Satz als auch der ESt-Satz betrage aus Vereinfachungsgründen 50 %. Erzielt eine Kapitalgesellschaft einen Gewinn i. H. v. 100.000 €, müsste sie eine KSt i. H. v. 50.000 € zahlen. Im Ausschüttungsfall erhält der Anteilseigner, der eine natürliche Person sei, eine Dividende in Höhe der verbleibenden 50.000 €, die als Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erneut der Besteuerung unterliegen, und zwar mit 50 % ESt, d. h. 25.000 €. Werden die KSt- und die ESt-Belastung addiert, ergibt sich eine Ertragsteuerlast von 75 %. In diesem Fall würden nur noch in seltensten Fällen Kapitalgesellschaften als Investitionsalternative gewählt werden, da die Besteuerung von Einzelunterneh‐ men bzw. Personengesellschaften günstiger wäre. Aus diesem Grunde ist es notwendig, die von der Kapitalgesellschaft ge‐ zahlte Körperschaftsteuer bei der Dividendenbesteuerung des Anteilseig‐ ners zu berücksichtigen bzw. durch eine begünstigte Besteuerung auf Ebene <?page no="262"?> der Kapitalgesellschaft und des Anteilseigners zu gewährleisten, dass sich die Doppelbesteuerung wirtschaftlich in Grenzen hält. Es lassen sich fol‐ gende Körperschaftsteuersysteme unterscheiden: a) Das Klassische System: Die Besteuerung der Gewinne der Kapitalgesellschaften erfolgt eigen‐ ständig. Die steuerliche Belastung kann bei Ausschüttung oder The‐ saurierung differieren. Die modernen Systeme sehen jedoch im Allge‐ meinen einen von der Gewinnverwendung unabhängigen einheitlichen Steuersatz vor. Zusätzlich werden die ausgeschütteten Gewinne beim Anteilseigner der Einkommensteuer (im Fall einer natürlichen Person) bzw. der Körperschaftsteuer (im Fall einer Kapitalgesellschaft) unter‐ worfen. Da die gezahlte Körperschaftsteuer nicht vom Anteilseigner auf seine Steuerschuld angerechnet werden kann, spricht man von der Definitivbelastung mit Körperschaftsteuer. Um die Benachteiligung der Doppelbelastung gegenüber Einzelbzw. Personenunternehmen auszugleichen, wird zum einen der Körper‐ schaftsteuersatz niedrig gehalten. Zum anderen werden für die Divi‐ dendeneinkünfte natürlicher Personen verschiedene Begünstigungen vorgesehen, z. B. in Deutschland das sog. Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 Bst. d EStG bzw. die Abgeltungsteuer nach § 32d EStG. Zur Vermeidung einer Mehrfachbelastung innerhalb eines Konzerns, d. h. bei Ausschüttungen zwischen Kapitalgesellschaften, werden die Beteiligungserträge bei Kapitalgesellschaften üblicherweise steuerfrei gestellt. Dies wird jedoch in Deutschland von einer Mindestbeteili‐ gungsquote abhängig gemacht, die von Beginn des Kalenderjahrs an unmittelbar mindestens 10 % betragen muss. b) Das Anrechnungssystem: Der Gewinn der Kapitalgesellschaft wird auf Ebene der Kapitalge‐ sellschaft der Körperschaftsteuer unterworfen. Allerdings gilt diese Körperschaftsteuer nur als Vorauszahlung auf die persönliche Steuer‐ schuld des Anteilseigners. Ist der Anteilseigner eine natürliche Person, versteuert dieser seine ihm zugeflossene Dividende einschließlich der darauf entfallenden Körperschaftsteuer mit seinem individuellen Einkommensteuersatz, darf aber die von der Kapitalgesellschaft bereits gezahlte Körperschaftsteuer auf seine Einkommensteuerschuld anrech‐ nen. Damit erfolgt letzten Endes die Besteuerung des Anteils am 262 3 Körperschaftsteuer <?page no="263"?> Gewinn der Kapitalgesellschaft jeweils zum individuellen Steuersatz des Anteilseigners. Ist der Anteilseigner seinerseits eine Kapitalgesellschaft, stimmt die auf die erhaltene Dividende zu zahlende Körperschaftsteuer mit der anre‐ chenbaren Körperschaftsteuer der ausschüttenden Kapitalgesellschaft überein. Es entsteht keine Mehrbelastung mit Körperschaftsteuer. Als grundlegende Körperschaftsteuersysteme gelten das klassische System und das Anrechnungssystem. Weitere theoretische Ansätze wie die ausschließliche Besteuerung auf Ebene der Kapitalgesellschaft bzw. auf Ebene des Anteilseigners werden aus erhebungstechnischen Gründen und Steuergerechtigkeitsaspekten nicht weiterverfolgt. Bis einschließlich 1976 wurden ausgeschüttete Gewinne durch das in Deutschland damals gültige klassische System reiner Ausprägung grund‐ sätzlich doppelt belastet. Diese Doppelbelastung wurde durch die Einfüh‐ rung des Vollanrechnungssystems mit gespaltenem Steuersatz im Jahr 1977 beseitigt. Einbehaltene (thesaurierte) Gewinne wurden zuletzt mit einem KSt-Satz i. H. v. 40 % besteuert, ausgeschüttete Gewinne hingegen nur mit einem KSt-Satz i. H. v. 30 %. Mit Beginn des VZ 2001 wurde dieses Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren durch das Halbeinkünftever‐ fahren abgelöst. Dieses entspricht dem oben beschriebenen klassischen System mit der Besonderheit, dass die Dividenden bei Ausschüttung an na‐ türliche Personen nur zur Hälfte, bei Ausschüttung an Kapitalgesellschaften hingegen überhaupt keiner Besteuerung unterliegen. Zum 01.01.2009 wurde das Halbeinkünfteverfahren wiederum durch das Teileinkünfteverfahren bzw. die Abgeltungsteuer i. S. d. § 32d EStG ersetzt. Dabei folgt das Teilein‐ künfteverfahren grundsätzlich den Prinzipien des Halbeinkünfteverfahrens, es führt jedoch lediglich zu einer 40-prozentigen Steuerfreistellung und ist darüber hinaus nur anzuwenden, falls die betreffenden Gewinnausschüttun‐ gen beim Empfänger der betrieblichen Sphäre zuzurechnen sind. Ausschüt‐ tungen an Kapitalgesellschaften sind gem. § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreit, was jedoch seit VZ 2013 vor allem von einer Mindestbeteiligungsquote i. H. v. 10 % (§ 8b Abs. 4 KStG) abhängig gemacht wird. In allen anderen Fällen kommt der Sondertarif der Abgeltungsteuer nach § 32d EStG zur 263 3.1 Grundlagen <?page no="264"?> Anwendung, der eine einheitliche Steuerbelastung beim Empfänger der Ausschüttung i. H. v. 25 % durch Abzug an der Quelle herbeiführt. In beiden Körperschaftsteuersystemen wurde und wird von den ausge‐ schütteten Gewinnen Kapitalertragsteuer erhoben. Durch die Einbehal‐ tung dieser Steuer auf Ebene der Körperschaft soll das Steueraufkommen gesichert werden. Die Kapitalertragsteuer ist jedoch auf die Steuerschuld des Anteilseigners anrechenbar, insofern ihr nicht durch den Gesetzgeber bereits explizit eine abgeltende Wirkung zugesprochen wurde. Außerdem ist wie bei der Einkommensteuer ein Solidaritätszuschlag i. H. v. 5,5 % der festgesetzten Körperschaftsteuer als Ergänzungsabgabe zu entrichten. 3.1.1 Wesensmerkmale Die Körperschaftsteuer ist wie die Einkommensteuer eine Personenbzw. Subjektsteuer. Sie wird deshalb auch als Einkommensteuer der juristi‐ schen Personen bezeichnet. Die Körperschaftsteuer ist sowohl als direkte Steuer als auch als Ertragsteuer zu klassifizieren. Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer ist das zu versteuernde Einkommen der Körperschaft, das sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und Körper‐ schaftsteuergesetzes ermittelt. Dadurch wird dem Nettoprinzip Rechnung getragen. Persönliche Merkmale, die nur bei natürlichen Personen vorliegen können (z. B. Alter, Familienstand) und die damit einhergehende Berück‐ sichtigung von Ausgaben der privaten Lebensführung (Sonderausgaben/ au‐ ßergewöhnliche Belastungen), bleiben naturgemäß unberücksichtigt. R 8.1 KStR nennt die nach Auffassung der Finanzverwaltung anwendbaren Vor‐ schriften des Einkommensteuerrechts. Dazu gehören insbesondere: ■ die Regelungen über die Gewinnermittlung der §§ 4 ff. EStG, ■ die Bestimmungen über die einzelnen Einkunftsarten (vgl. aber § 8 Abs. 2 KStG) sowie ■ die Vorschrift über den Verlustabzug des § 10d EStG. Kennzeichen der Körperschaftsteuer: ■ Direkte Steuer ■ Ertragsteuer ■ „Einkommensteuer der juristischen Person“ 264 3 Körperschaftsteuer <?page no="265"?> Aufgrund des Trennungsprinzips ist die Besteuerung des Einkommens juristischer Personen unabhängig von der steuerlichen Leistungsfähigkeit ihrer Anteilseigner. Schüttet bspw. eine Kapitalgesellschaft keine Gewinne aus, so kann beim Gesellschafter keine Steuerschuld entstehen. Aus diesem Grunde kann auch ein eventuell anfallender Verlust der Kapitalgesellschaft nicht mit positiven Einkünften ihres Gesellschafters verrechnet werden. Der Verlust findet nur auf Ebene der Kapitalgesellschaft Berücksichtigung. Weitere wichtige Konsequenz des Trennungsprinzips ist, dass zwischen Körperschaften und ihren Gesellschaftern schuldrechtliche Leistungsbezie‐ hungen wie Darlehens- und Dienstverhältnisse bestehen können, welche grundsätzlich wie Verträge zwischen fremden Dritten steuerrechtlich aner‐ kannt werden. Zur Erinnerung: Verträge zwischen einer Personengesellschaft (Mitunternehmer‐ schaft) und ihren Gesellschaftern (Mitunternehmern) werden nicht mit steuerlicher Wirkung anerkannt (kein Trennungsprinzip)! 3.1.2 Persönliche Steuerpflicht Die Steuerpflicht von Körperschaften beginnt und endet gewöhnlich mit ihrer Rechtsfähigkeit als juristische Person. Die Steuerpflicht beginnt grund‐ sätzlich mit der Eintragung in das Handelsregister und endet durch die Löschung im Handelsregister. 3.1.2.1 Unbeschränkte Steuerpflicht Gem. § 1 Abs. 1 KStG sind folgende Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder ihren Sitz (§ 11 AO) im Inland haben, unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig: ■ Kapitalgesellschaften (Europäische Gesellschaften (SE), Aktiengesell‐ schaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit be‐ schränkter Haftung, Unternehmergesellschaften [haftungsbeschränkt] sowie entsprechende (steuerlich gem. des sog. Rechtstypenvergleichs anerkannte) ausländische Kapitalgesellschaften), ■ Genossenschaften einschließlich der Europäischen Genossenschaften, 265 3.1 Grundlagen <?page no="266"?> ■ Versicherungs- und Pensionsfondsvereine auf Gegenseitigkeit, ■ Sonstige juristische Personen des privaten Rechts, ■ Nichtrechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckver‐ mögen des privaten Rechts, ■ Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 4 KStG). Aus dieser abschließenden Aufzählung folgt im Umkehrschluss, dass für nicht aufgeführte Rechtsgebilde keine Körperschaftsteuerpflicht besteht. Dies gilt insbesondere für juristische Personen des öffentlichen Rechts (z. B. Gebietskörperschaften) sowie für Personengesellschaften (OHG, KG und GmbH & Co. KG). Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich aufgrund des Welteinkom‐ mensprinzips auf sämtliche in- und ausländischen Einkünfte (§ 1 Abs. 2 KStG). Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen mit Sitz oder Geschäftsleitung in Deutschland sind in Deutschland unbe‐ schränkt körperschaftsteuerpflichtig (Welteinkommensprinzip). 3.1.2.2 Beschränkte Steuerpflicht Beschränkt steuerpflichtig i. S. d. § 2 KStG sind: ■ Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG, die weder ihre Geschäftsleitung (§ 10 AO) noch ihren Sitz (§ 11 AO) im Inland haben, aber Einkünfte im Inland erzielen (§ 2 Nr. 1 KStG). Beispiel: ausländische Aktiengesellschaft mit Betriebsstätte in Deutschland. ■ Sonstige Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmas‐ sen, die nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind, mit den inländischen Einkünften, von denen ein Steuerabzug vorzunehmen ist (§ 2 Nr. 2 KStG). Beispiel: Die Stadt Hamburg erhält Dividendenzahlungen auf‐ grund eines Beteiligungsverhältnisses an einer inländischen Aktienge‐ sellschaft. 266 3 Körperschaftsteuer <?page no="267"?> Der beschränkten Steuerpflicht unterliegen nur inländische Einkünfte (Ter‐ ritorialitätsprinzip). Abb. 53: Überblick über die Körperschaftsteuerpflicht 3.1.3 Steuerbefreiung Aus sozial- und wirtschaftspolitischen Gründen werden gem. § 5 KStG bestimmte Unternehmen des Bundes (z. B. Staatsbanken) oder juristische Personen, die kirchliche, gemeinnützige oder mildtätige Zwecke verfolgen, ganz oder teilweise (§ 6 KStG) von der Körperschaftsteuer befreit. 3.2 Steuerbemessungsgrundlage 3.2.1 Ermittlung des zu versteuernden Einkommens Die Körperschaftsteuer ist wie die Einkommensteuer eine Jahressteuer (§ 7 Abs. 3 Satz 1 KStG) und bemisst sich nach dem zu versteuernden Einkommen des entsprechenden Kalenderjahres (§ 7 Abs. 1 KStG). Die Bil‐ dung eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres ist möglich (§ 7 Abs. 4 KStG). Gem. § 8 Abs. 1 KStG bestimmt sich das Einkommen 267 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="268"?> nach dem Einkommensteuergesetz und den ergänzenden Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes. Körperschaften können grundsätzlich Einkünfte aus allen sieben Ein‐ kunftsarten haben. Kapitalgesellschaften hingegen sind auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb beschränkt. Grundsätzlich können körperschaftsteuerpflichtige Gebilde Einkünfte aus allen sieben Einkunftsarten gem. § 2 EStG erzielen. Allerdings sind bspw. Kapitalgesellschaften als Formkaufleute (§ 6 HGB) gem. § 238 HGB zur ordnungsmäßigen Buchführung verpflichtet, woran § 8 Abs. 2 KStG die Folge knüpft, dass alle Bezüge als Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. d. § 15 EStG behandelt werden. Aufgrund der handelsrechtlichen Buchfüh‐ rungspflicht müssen sie ihren Gewinn mittels eines Betriebsvermögensver‐ gleichs gem. § 5 Abs. 1 EStG ermitteln. Grundlage des Vermögensvergleichs nach § 5 Abs. 1 EStG ist üblicherweise eine aus der Handelsbilanz abgeleitete Steuerbilanz (derivative Steuerbilanz). Das Steuerbilanzergebnis entspricht allerdings gewöhnlich nicht dem zu versteuernden Einkommen. Dieses wird für Zwecke der Körperschaft‐ steuer durch Modifikationen aufgrund von einkommen- und körper‐ schaftsteuerlichen Sondervorschriften (§§ 7 ff. KStG) abgeändert. § 9 KStG führt eine Reihe von abzugsfähigen Aufwendungen an, während § 10 KStG die nichtabziehbaren Aufwendungen aufzählt. Anzuwendende Sondervorschriften des Einkommensteuergesetzes sind insbesondere § 4 Abs. 5 und Abs. 5b EStG sowie §§ 4g-4k EStG. 268 3 Körperschaftsteuer <?page no="269"?> 4h, § 5b Abs. 1 S. 2 EStG) 4k, k Abb. 54: Ermittlung der Körperschaftsteuer Frage: Warum sind bei der Körperschaftsteuer Modifikationen durch Sondervor‐ schriften notwendig? Warum ist der Steuerbilanzgewinn i. d. R. nicht identisch mit dem zu versteuernden Einkommen? 269 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="270"?> Antwort: Beispielhaft soll die Hinzurechnungsvorschrift des § 10 Nr. 2 KStG erläutert werden. Aufgrund dieser Vorschrift sind sämtliche Körperschaftsteuervo‐ rauszahlungen als nichtabziehbare Aufwendungen zu behandeln mit der Folge, dass diese Zahlungen, die Aufwand in der Handelsbilanz der Kapi‐ talgesellschaft darstellen, ihre Aufwandswirksamkeit verlieren und außer‐ halb der Bilanz wieder hinzugerechnet werden müssen. Körperschaftsteu‐ ervorauszahlungen werden als nichtabziehbar behandelt, da „persönliche“ Steuer(voraus)zahlungen den Gewinn nicht mindern dürfen. Die Zahlung der Steuer ist in der Buchhaltung zwingend als Aufwand zu erfassen. Da eine Kapitalgesellschaft aber über keinen Privatbereich verfügt, ist eine Korrektur zur Neutralisierung der Gewinnauswirkung außerhalb der Bilanz vorzunehmen. Abb. 54 zeigt die notwendigen Modifikationen des Handelsbilanzergeb‐ nisses auf, um das zu versteuernde Einkommen einer Kapitalgesellschaft zu ermitteln. 3.2.2 Anpassungen der Handelsbilanz an die Steuerbilanz Nach § 5b Abs. 1 S. 2 EStG müssen sämtliche Bilanzansätze der Handelsbi‐ lanz, welche nicht den steuerlichen Vorschriften entsprechen, durch Zusätze oder Anmerkungen den steuerlichen Vorschriften angepasst werden. Alter‐ nativ ist auch die Aufstellung einer eigenen Steuerbilanz möglich (§ 5b Abs. 1 S. 3 EStG). Durch die besonderen Vorschriften der steuerlichen Gewinnermittlung können sich erhebliche Unterschiede zwischen der Han‐ dels- und der Steuerbilanz ergeben. Verantwortlich dafür sind hauptsächlich unterschiedliche Ansatz- und Bewertungsvorschriften. Ein Beispiel hierfür ist die Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, bei der handelsrechtlich ein Passivierungsgebot gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB besteht, in der Steuerbilanz jedoch grundsätzlich ein Passivierungsverbot gem. § 5 Abs. 4a EStG. 270 3 Körperschaftsteuer <?page no="271"?> § 5b Abs. 1 S. 2 EStG 4 - 7k EStG, Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des BilMoG insbe‐ sondere durch die Abschaffung des Prinzips der umgekehrten Maßgeblich‐ keit eine Emanzipation der Steuerbilanz von der Handelsbilanz stattgefun‐ den hat, die noch stärker das Aufstellen einer eigenständigen Steuerbilanz erforderlich macht. Im Ergebnis werden durch die unter diesem Punkt vorzunehmenden Anpassungen jene Vorschriften des Steuerrechts berücksichtigt, die im Rahmen von Um- und Nachbuchungen, d. h. durch Buchungssätze, erfasst werden können. Dieser Schritt soll nur der Vollständigkeit halber erklärt werden, um den Unterschied zwischen dem Handelsbilanz- und dem Steuerbilanzgewinn zu verdeutlichen. 3.2.3 Hinzurechnungen und Kürzungen zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens außerhalb der Bilanz Sämtliche im Folgenden zu behandelnden Anpassungen des Steuerbilanzge‐ winns zur Bestimmung des zu versteuernden Einkommens werden außer‐ halb der Bilanz korrigiert, d. h. es findet keine Berücksichtigung durch einen Buchungssatz statt, sondern die Korrektur erfolgt in einer gesondert vorzunehmenden Nebenrechnung. Beispiel: Um einen für das Überleben des Unternehmens wichtigen Auftrag zu erhalten, lädt Manuel, der Geschäftsführer der Brüder-GmbH, seine Geschäftsfreunde zu einem Abendessen im Rotlichtmilieu ein und zahlt dafür per Banküberweisung 10.000 €. Die Idee war von Erfolg gekrönt und sichert der GmbH tatsächlich den Auftrag. 271 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="272"?> Gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 bzw. Nr. 7 EStG sind diese Kosten jedoch nicht abzugsfähige Betriebsausgaben. Durch den Begriff „Betriebsausgaben“ wird der betriebliche Charakter der Aufwendungen nicht in Frage gestellt, da diese Ausgaben im vorliegenden Fall tatsächlich betriebsnotwendig waren. Allerdings soll die Allgemeinheit nicht durch Anerkennung des Betriebsausgabenabzugs mit den Aufwendungen für einen Bordellbesuch belastet werden. Aus diesem Grunde ist es verständlich, diesen Ausgaben für steuerliche Zwecke den Abzug zu verwehren. Fraglich ist, wie eine solche Korrektur vorzunehmen ist. Da die Zahlung das betriebliche Bankkonto betroffen hat, müsste ein auf der Sollseite anzusprechendes Gegenkonto gefunden werden. Die Buchung gegen ein Konto aus dem Privatbereich ist nicht möglich, da Kapitalgesellschaften über keinen Privatbereich verfügen. Es bleibt somit nur die erfolgswirk‐ same Verbuchung als Aufwand. Dieser Aufwand wird außerhalb der Bilanz dem Ergebnis wieder hinzugerechnet, so dass im Ergebnis keine Gewinnminderung eintritt. Die gleiche Argumentation gilt für das Beispiel der Körperschaftsteuer‐ vorauszahlungen. Diese dürfen keinesfalls das zu versteuernde Einkommen mindern, haben allerdings richtigerweise den Steuerbilanzgewinn bereits verringert, da Vorauszahlungen als Aufwand in der Bilanz gebucht wurden. Aus diesem Grunde bestimmt § 10 Nr. 2 KStG eine Hinzurechnung außerhalb der Bilanz, um den gebuchten Aufwand rückgängig zu machen. Als Grundsatz ist festzuhalten, dass nur diejenigen Beträge außerhalb der Bilanz hinzugerechnet bzw. gekürzt werden müssen, die bereits im Rahmen der laufenden Buchhaltung erfolgswirksam als Aufwand bzw. Ertrag behandelt wurden. 272 3 Körperschaftsteuer <?page no="273"?> 3.2.3.1 Verdeckte Gewinnausschüttungen § 5b (1) S. 2 EStG Der wirtschaftliche Zweck einer Kapitalgesellschaft liegt im Allgemeinen in der Erzielung von Gewinnen. Diese Gewinne können anschließend an die Anteilseigner der Kapitalgesellschaft ausgeschüttet werden. Zu den Gewinnausschüttungen zählen vornehmlich Dividenden aus Aktienbesitz oder dem Besitz von Anteilen an einer GmbH. Bei der Kapitalgesellschaft gehören Gewinnausschüttungen zur Einkommensverwendung, die das zu versteuernde Einkommen der Kapitalgesellschaft keinesfalls mindern dür‐ fen. Gem. § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG ist es daher für die Ermittlung des Einkommens ohne Bedeutung, ob der Gewinn ausgeschüttet wird oder nicht. Gewinnausschüttungen können entweder offen oder verdeckt vorge‐ nommen werden. Im Folgenden werden diese zwei Arten von Gewinnaus‐ schüttungen näher erläutert. 273 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="274"?> Abb. 55: Abgrenzung der offenen und verdeckten Gewinnausschüttung Unter einer offenen Gewinnausschüttung ist eine Gewinnausschüttung zu verstehen, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften ent‐ sprechenden Beschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr beruht. In dem sog. Gewinnverteilungsbeschluss wird i. d. R. nach Ablauf des Wirtschaftsjahres festgelegt, inwieweit das erwirtschaftete Ergebnis der Gesellschaft an die Gesellschafter ausgeschüttet bzw. den Rücklagen zuge‐ führt werden soll. Eine offene Gewinnausschüttung wird in Folge eines gesellschafts‐ rechtlichen Beschlusses für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr vorge‐ nommen. Beispiel: Die Gesellschafterversammlung der Elisabeth-GmbH beschließt am 09.06.2022 eine Vollausschüttung des Gewinnes der Jahre 2021 und 2020. 274 3 Körperschaftsteuer <?page no="275"?> Eine Sonderform der offenen Gewinnausschüttung ist die Vorabausschüt‐ tung. Vorabausschüttungen liegen vor, wenn eine Gewinnausschüttung vorgenommen wird, bevor der Jahresabschluss festgestellt ist. Damit kann eine Vorabausschüttung sowohl vor Ablauf, z. B. bei der GmbH, als auch nach Ablauf desjenigen Wirtschaftsjahres, dessen Gewinn ausge‐ schüttet wird, beschlossen werden. Da es sich bei Gewinnausschüttungen, die vor Ablauf des Wirtschaftsjahres ausgeschüttet werden, um Ausschüt‐ tungen auf das zu erwartende Jahresergebnis handelt, haben Vorabausschüt‐ tungen stets nur vorläufigen Charakter. Der Vorabausschüttungsanspruch steht somit unter der auflösenden Bedingung, dass in der Handelsbilanz zum Ende des Geschäftsjahres ein entsprechender ausschüttungsfähiger Gewinn ausgewiesen wird. Ergeben festgestellter Jahresabschluss und Gewinnver‐ teilungsbeschluss keine endgültige Dividende in entsprechender Höhe, ist der bereits ausgezahlte Gewinn von den Gesellschaftern zurückzuzahlen. Die steuerlichen Wirkungen der Gewinnausschüttung bleiben jedoch be‐ stehen, d. h. die Gesellschafter beziehen steuerpflichtige Einnahmen aus Kapitalvermögen. Bei der ausschüttenden Kapitalgesellschaft wird die Rück‐ zahlung des Anteilseigners als Einlage behandelt. Bei der AG kann nur nach Ablauf des Geschäftsjahres eine Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn geleistet werden, ansonsten sind Vorabausschüttungen nicht möglich. Offene Gewinnausschüttungen werden im Allgemeinen nach Feststel‐ lung des Jahresabschlusses vorgenommen. Nur Vorabausschüttungen als Sonderform der offenen Gewinnausschüttung erfolgen vor Fest‐ stellung des Jahresabschlusses. Die offene Gewinnausschüttung wird - im Gegensatz zu einer verdeckten Gewinnausschüttung - erfolgsneutral verbucht. Daher ist eine Korrektur bei der Ermittlung des Einkommens nicht notwendig. Der Buchungssatz lautet (verkürzt und ohne Berücksichtigung der Kapitalertragsteuer): „Per Gewinnrücklagen an Bank“. Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG stellen offene Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften an ihre Anteilseigner, sofern es sich um natürliche Personen handelt, grundsätzlich Einkünfte aus Kapitalvermögen dar. Bei der Besteuerung der offenen Gewinnausschüttung ist zu unterscheiden, ob es sich um 275 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="276"?> ■ Beteiligungen im Betriebsvermögen oder ■ Anteilen im Privatvermögen des Anteilseigners handelt. Unter 3.2.3.3 wird erläutert, wie die Besteuerung erfolgt, wenn der Anteilseigner eine Kapitalgesellschaft ist. a) Beteiligungen im Betriebsvermögen Dividenden aus Anteilen an Kapitalgesellschaften, die zum Betriebsvermö‐ gen von Einzelunternehmen oder Mitunternehmerschaften gehören, zählen aufgrund der Subsidiarität der Kapitaleinkünfte gem. § 20 Abs. 8 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb und unterliegen gem. § 3 Nr. 40 Bst. d dem Teileinkünfteverfahren. Dabei wird die Gewinnausschüttung in einen 40 %igen Anteil, der steuerfrei bleibt, und einen 60 %igen Anteil, der einer Besteuerung zum persönlichen Steuersatz des Steuerpflichtigen unterliegt, aufgeteilt. Bei der Besteuerung gemäß dem Teileinkünftever‐ fahren sind ebenfalls gem. § 3c Satz 1 EStG 60 % der Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn diese mit der Dividendenerzielung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. b) Beteiligungen im Privatvermögen Werden die Anteile an Kapitalgesellschaften im Privatvermögen des An‐ teilseigners gehalten, handelt es sich um private Kapitalerträge, die gem. § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG einer pauschalen Abgeltungsteuer von 25 % zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag unterliegen. Ein Abzug von tatsächlich angefal‐ lenen Werbungskosten wird dem Steuerpflichtigen nicht gestattet. Gem. § 20 Abs. 9 EStG wird stattdessen der Abzug eines Sparer-Pauschbetrages gewährt. Anteile, die im Betriebsvermögen gehalten werden, unterliegen dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Bst. d EStG, während Anteile, die dem Privatvermögen zuzuordnen sind, der Abgeltungsteuer gem. § 32d EStG unterliegen. Allerdings wird dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG eingeräumt, wonach auf Antrag von der Anwendung der Abgeltungsteuer abgesehen werden kann und die Gewinnausschüttung den 276 3 Körperschaftsteuer <?page no="277"?> Regelungen des Teileinkünfteverfahrens unterliegt. Die Inanspruchnahme des Wahlrechts setzt voraus, dass der Gesellschafter ■ zu mindestens 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist oder ■ zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig ist. Ist der Empfänger der Dividende wiederum eine Kapitalgesellschaft, so ist die Ausschüttung bei ihr gem. § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahrs mindestens 10 % des Grund- oder Stammkapitals betragen hat (§ 8b Abs. 4 Satz 1 KStG). Beispiel: Die Elisabeth-GmbH hat zum 31.12.2021 folgende Bilanz aufgestellt: Beispiel_S252_1.pdf Aktiva Bilanz Elisabeth-GmbH zum 31.12.2021 Passiva Anlagevermögen 100.000 € Stammkapital 100.000 € Bank 200.000 € Gewinnrücklagen Jahresüberschuss 2021 180.000 € 20.000 € Bilanzsumme 300.000 € Bilanzsumme 300.000 € Am 15.08.2022 möchte die Alleingesellschafterin Maria eine Gewinnausschüt‐ tung i. H. v. 100.000 € vornehmen. Weitere Geschäftsvorfälle sollen aus Vereinfa‐ chungsgründen im Jahr 2022 nicht eingetreten sein. Auch die KapESt und der SolZ sollen unberücksichtigt bleiben. Die Anteile an der Elisabeth-GmbH hält Maria im Privatvermögen. Weitere Einkünfte und Betriebsausgaben sind nicht angefallen. Der persönliche Steuersatz von Maria beträgt 42 %. Zum 31.12.2022 weist die Bilanz der Elisabeth-GmbH folgende Posten aus: Beispiel_S252_2.pdf Aktiva Bilanz Elisabeth-GmbH zum 31.12.2022 Passiva Anlagevermögen 100.000 € Stammkapital 100.000 € Bank 100.000 € Gewinnrücklagen Jahresüberschuss 2022 100.000 € 0 € Bilanzsumme 200.000 € Bilanzsumme 200.000 € Auf Ebene der Kapitalgesellschaft führt die offene Gewinnausschüttung zu einer Verminderung der Gewinnrücklagen (Anfangsbestand der Gewinnrücklagen 01.01.2022 = Stand der Gewinnrücklagen 31.12.2021 i. H. v. 180.000 € zzgl. 277 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="278"?> Jahresüberschuss 2021 i. H. v. 20.000 € = 200.000 €) i. H. v. 100.000 €. In gleicher Höhe vermindert sich das Bankguthaben. Auf Ebene des Gesellschafters erzielt Maria Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, die entsprechend zu versteuern sind. Da Maria die Anteile an der Elisabeth-GmbH im Privatvermögen hält, unterliegt die Gewinnausschüttung i. H. v. 100.000 € dem pauschalen Abgeltungsteuersatz von 25 % gem. § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Einkünfte der Alleingesellschafterin betragen nach der Besteuerung nur noch 75.000 €. Allerdings ist Maria zu 100 % an der Elisabeth-GmbH beteiligt. Sie erfüllt somit die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG und könnte von dem Wahlrecht Gebrauch machen, die Gewinnausschüttung i. H. v. 100.000 € gemäß dem Teileinkünfteverfahren zu besteuern. Demnach würden 60 % der Dividende i. H. v. 100.000 €, d. h. 60.000 €, dem persönlichen Einkommensteuersatz der Alleingesellschafterin i. H. v. 42 % unterliegen. Die Steuerschuld würde in diesem Fall 25.200 € betragen. Bei einer Besteuerung nach der Abgeltungsteuer wäre die Steuerschuld somit um 200 € geringer. Daher sollte Maria keine Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren beantragen. Die Behandlung der verdeckten Gewinnausschüttungen unterscheidet sich insofern von der der offenen Gewinnausschüttung, als die Verbuchung auf Gesellschaftsebene nicht erfolgsneutral, sondern erfolgswirksam als Auf‐ wand vorgenommen wird. Ausgangspunkt hierfür ist, dass schuldrechtliche Verträge zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter prinzipiell zuläs‐ sig sind und die daraus resultierenden Vergütungen bei der steuerlichen Gewinnermittlung - im Gegensatz zu schuldrechtlichen Verträgen zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter - grundsätzlich als abzugsfähiger Aufwand anerkannt werden. Voraussetzung für die steuerliche Anerken‐ nung ist allerdings, dass die Verträge zu Bedingungen wie unter fremden Dritten abgeschlossen werden (sog. Fremdvergleich). Sofern die getroffe‐ nen Vereinbarungen zulasten der Gesellschaft über das hinausgehen, was voneinander unabhängige Dritte zu fremdüblichen Konditionen vereinbart hätten, indem sie dem Gesellschafter unangemessene Vorteile gewähren, haben sie ihre eigentliche Grundlage im gesellschaftsrechtlichen Verhältnis. Sie werden daher als unangemessen angesehen und insoweit in verdeckte Zuwendungen von Gewinnen (sog. verdeckte Gewinnausschüttungen, vGA) umqualifiziert (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Üblicherweise werden vGA erst im Rahmen von Betriebsprüfungen und somit erst im Nachhinein aufgedeckt. Daher sind vGA im Gegensatz zu den offenen Gewinnausschüt‐ 278 3 Körperschaftsteuer <?page no="279"?> tungen i. d. R. keine geplanten oder gewollten Ausschüttungen, sondern Umqualifizierungen von aus Sicht des Steuergesetzgebers unangemessenen Gestaltungen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung beinhaltet gem. R 8.5 Abs. 1 KStR im Allgemeinen ■ eine bei der Körperschaft eingetretene Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, ■ die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist (d. h. wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Vermögensminde‐ rung oder verhinderte Vermögensmehrung gegenüber einem fremden Dritten nicht hingenommen hätte), ■ die sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt (d. h. Aufwand oder nicht vereinnahmter Ertrag bei der Gesellschaft darstellt) und ■ nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechen‐ den Gewinnverteilungsbeschluss beruht. Bei beherrschenden Gesellschaftern ist eine verdeckte Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft auch bereits dann anzunehmen, wenn es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe für die Leistung des Gesellschafters ein Entgelt gezahlt wird (R 8.5 Abs. 2 KStR). Abb. 56: Der Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung 279 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="280"?> Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt daher beispielsweise vor bei: ■ einem überhöhten Geschäftsführergehalt, ■ einem vom Gesellschafter gegebenen Darlehen, für das von der Gesell‐ schaft zu hohe Zinsen gezahlt werden oder bei einem Darlehen, das der Gesellschafter zu einem zu niedrigen Zinssatz von der Gesellschaft erhalten hat, ■ Kauf, Miet- und Pachtverträgen, Dienstleistungen, Pensionszusagen sowie Bürgschaftsübernahmen zu unangemessenen Bedingungen zu Lasten der Körperschaft. Im Rahmen der vGA wird dabei grundsätzlich nur der unangemessene Teil des schuldrechtlichen Vertrags korrigiert, nicht aber der angemessene Teil. Dies bedeutet z. B. im Fall des überhöhten Geschäftsführergehalts, dass nur der Teil, der als unangemessen anzusehen ist, als vGA qualifiziert wird. Liegt jedoch eine sog. vGA dem Grunde nach vor - z. B. bei Verstößen, die zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit i. Z. m. beherrschenden Gesellschaftern führen - wird der gesamte Teil korrigiert, selbst wenn Teile des vermeintlich wirksamen schuldrechtlichen Vertrages durchaus angemessen wären. Beispiel: Anton erhält als Gesellschafter-Geschäftsführer ein Geschäftsführergehalt von seiner GmbH i. H. v. 100.000 €. Aufgrund der Gewinnsituation der GmbH wäre lediglich ein Gehalt i. H. v. 80.000 € als angemessen anzusehen. Die vGA beträgt somit 20.000 €. Der angemessene Teil des Gehalts unterliegt keinen steuerlichen Modifikationen. Halten die getroffenen Vereinbarungen einem Fremdvergleich nicht stand, wird das Geschäft als verdeckte Gewinnausschüttung klassifiziert. Gesell‐ schaft und Gesellschafter werden so gestellt, als ob das Geschäft zu ange‐ messenen Bedingungen geschlossen worden wäre. Da sie sich - definitions‐ gemäß - auf die Höhe des Einkommens ausgewirkt hat, wurde die vGA als Aufwand im Rahmen der laufenden Buchhaltung behandelt. Aus diesem Grunde ist der Betrag der vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG außerhalb der Bilanz dem Steuerbilanzgewinn wieder hinzuzurechnen. Analoge Überlegungen gelten, wenn die Erträge nicht in angemessener Höhe verein‐ nahmt wurden. Auf diese Weise erhöht sich bei der Kapitalgesellschaft in entsprechender Höhe die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer. 280 3 Körperschaftsteuer <?page no="281"?> Offene Gewinnausschüttungen werden erfolgsneutral gebucht. Eine außerbilanzielle Hinzurechnung zum Steuerbilanzgewinn ist nicht notwendig. Verdeckte Gewinnausschüttungen hingegen müssen au‐ ßerhalb der Bilanz korrigiert werden, da sie erfolgswirksam als Auf‐ wand verbucht wurden. Beispiel: Maria, die Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der Elisabeth-GmbH, erhält ein Jahresgehalt für das Jahr 2021 i. H. v. 100.000 €. Im Rahmen einer Betriebsprüfung im Jahr 2022 ermittelt der Prüfer, dass die vertraglich geregelte Arbeitszeit nur 20 Stunden/ Woche betragen hat. Darüber hinaus lässt die Ge‐ winnsituation der Elisabeth-GmbH ein derart hohes Gehalt nicht zu. Aus diesem Grund hält der Prüfer lediglich ein Jahresgehalt i. H. v. 70.000 € für angemessen und qualifiziert den Betrag i. H. v. 30.000 € in eine verdeckte Gewinnausschüttung um. Vor Aufdeckung der vGA hat die GmbH einen Aufwand i. H. v. 100.000 € gewinnmindernd berücksichtigt. Nach Aufdeckung der vGA wirken sich lediglich 70.000 € gewinnmindernd aus, da der Prüfer den Gewinn außerhalb der Bilanz um 30.000 € erhöht hat. Dadurch erhöht sich die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer und der Gewerbe‐ steuer um den Betrag der vGA von 30.000 €. Das Bankkonto minderte sich allerdings tatsächlich um 100.000 €: 70.000 € davon sind Gehaltsaufwendungen, 30.000 € stellen eine Gewinnausschüttung dar. Auf Ebene der Gesellschafterin spiegelt sich diese Umqualifizierung der Auszah‐ lung bei der Kapitalgesellschaft als vGA entsprechend wider: Vor Aufdeckung der vGA hat Maria ausschließlich Einkünfte aus nichtselbstän‐ diger Arbeit gem. § 19 EStG i. H. v. 100.000 € erzielt. Nach Aufdeckung der vGA stellen nur noch 70.000 € Einkünfte aus nichtselbst‐ ändiger Arbeit dar. Die restlichen 30.000 € werden als Einkünfte aus Kapitalver‐ mögen gem. § 20 EStG behandelt. Auch bei der vGA ist die Zuordnung der Anteile zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen für die Besteuerung der Gewinnausschüttung relevant. Der Betrag i. H. v. 30.000 € unterliegt den Be‐ stimmungen des Teileinkünfteverfahrens, wenn die Anteile der Elisabeth-GmbH im Betriebsvermögen gehalten werden, d. h. es erfolgt die Besteuerung von 60 % (= 18.000 €) der Einkünfte. Erfolgt eine Zuordnung der Anteile zum Privatvermögen der Gesellschafterin, ist die pauschale Abgeltungsteuer von 25 % auf den Betrag 281 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="282"?> von 30.000 € anzuwenden. Somit wird die verdeckte Gewinnausschüttung auf Ebene der Gesellschafterin wie eine offene Gewinnausschüttung behandelt. Verdeckte Gewinnausschüttungen unterliegen nur so weit der Abgeltungsteuer, wie diese das Einkommen der leistenden Körperschaft erhöht haben (§ 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG). Wenn die vGA das Einkommen der Elisabeth-GmbH tatsächlich gemindert hätte und damit nicht der Körperschaftsteuer unterlegen hätte, würde die Besteuerung der vGA nunmehr mit dem individuellen Einkommensteuersatz der Gesellschafterin Maria erfolgen. Frage: Warum sind verdeckte Gewinnausschüttungen in der Praxis von so großer Bedeutung? Es findet doch lediglich eine Verlagerung der Besteuerung von der Ebene der Kapitalgesellschaft auf die Ebene des Gesellschafters statt. Zudem wäre die Steuerbelastung des Gesellschafters bei einer offenen Gewinnausschüttung doch wesentlich niedriger. In dem obigen Beispiel hätte die GmbH ohne das Rechtsinstitut der vGA einen Aufwand i. H. v. 100.000 €. Demgegenüber müsste die Gesellschafterin aber 100.000 € als Einkünfte aus § 19 EStG versteuern. Was ist also der Vorteil einer derartigen Gestaltung? Warum ist das Finanzamt daran interessiert, den Betrag von 30.000 € in eine vGA umzuqualifizieren? Antwort: Für die Kapitalgesellschaft stellt der Betrag von 100.000 € eine Betriebs‐ ausgabe dar, die neben der körperschaftals auch die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage mindert. Die Gesellschafterin dagegen unterliegt als Privatperson mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht der Gewerbesteuer. Aus diesem Grunde werden z. B. überhöhte Geschäfts‐ führerbezüge insbesondere dazu genutzt, Gewerbesteuer zu sparen: Zwar erzielt die Gesellschafterin höhere Einkünfte, diese unterliegen aber nicht der Gewerbesteuer, während die Kapitalgesellschaft aufgrund höherer Be‐ triebsausgaben sowohl Körperschaftsteuer als auch Gewerbesteuer einspart. Die Einstufung als vGA darf jedoch keinesfalls mit der Aufdeckung einer Steuerhinterziehung verwechselt werden. Bei einer vGA handelt es sich regelmäßig nur um offengelegte, unangemessene schuldrechtliche Vereinbarungen, die durch das Gesellschaftsverhältnis bedingt sind. Diese unterliegen zur Vermeidung eines Gestaltungsmissbrauchs (insbesondere Kürzung der Gewerbesteuer) einer speziellen Behandlung. 282 3 Körperschaftsteuer <?page no="283"?> 3.2.3.2 Verdeckte Einlagen 7k EStG, Abb. 57: Abgrenzung vGA und verdeckte Einlage Als Pendant zu den Gewinnausschüttungen sind Einlagen Vermögensvor‐ teilszuwendungen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft. Dabei sind offene und verdeckte Einlagen zu unterscheiden. Diese begriffliche Unterscheidung ist aber für steuerliche Zwecke irrelevant, da beide Formen der Einlage im Körperschaftsteuerrecht gleichbehandelt werden. ■ Für die Ermittlung der Körperschaftsteuer soll das am Markt erzielte Einkommen als Ausgangswert dienen. Somit dürfen auch nur betrieb‐ lich veranlasste Vermögensmehrungen den Gewinn eines Unterneh‐ mens steigern. Vermögensmehrungen, die auf Einlagen beruhen und gesellschaftsrechtlich veranlasst sind, erhöhen zwar das Eigenkapital, 283 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="284"?> sind jedoch nicht Bestandteil des steuerpflichtigen Gewinns (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1, 5 EStG), da sie von der Gesellschaft nicht erwirtschaftet worden sind. Gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG sind Einlagen auf Ebene der Gesellschaft generell mit dem Teilwert anzusetzen. Dieser Grundsatz des Teilwertansatzes wird aber dahingehend durchbrochen, dass Einlagen höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen sind, wenn bereits eine der Tatbestandvoraussetzung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 erfüllt ist. Abb. 58: Bewertung von Einlagen Offene Einlagen werden als handelsrechtliche Einlagen steuerrechtlich nachvollzogen und bedürfen somit steuerrechtlich keiner Korrektur, wohin‐ gegen verdeckte, in ein anderes Rechtsgewand gekleidete Einlagen oft erst im Rahmen von steuerlichen Außenprüfungen von den Finanzbehörden als solche qualifiziert werden. Die Finanzverwaltung definiert verdeckte Einlagen gem. R 8.9 Abs. 1 KStR als Zuwendung eines einlagefähigen Vermögensvorteils an die Gesell‐ schaft von einem Gesellschafter oder von einer ihm nahestehenden Person, wenn die Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Eine Veranlassung durch das Gesellschafterverhältnis ist dann gegeben, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns der Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht eingeräumt hätte. 284 3 Körperschaftsteuer <?page no="285"?> Verdeckte Einlagen liegen nach der Rechtsprechung insbesondere dann vor, wenn ■ der Gesellschafter der Gesellschaft ein Wirtschaftsgut unentgeltlich oder zu einem unangemessen niedrigen Preis überträgt, ■ die Gesellschaft ihrem Gesellschafter ein Wirtschaftsgut zu einem unangemessen hohen Preis verkauft, die Gesellschaft dem Gesellschafter für das Erbringen von Leistungen ein überhöhtes Entgelt berechnet oder ■ der Gesellschafter auf eine Darlehensforderung gegen die Gesellschaft verzichtet. Halten die getroffenen Vereinbarungen dem Fremdvergleich nicht stand, werden die zugrunde liegenden Geschäfte als verdeckte Einlagen klassifi‐ ziert. Gesellschaft und Gesellschafter werden so gestellt, als ob eine offene Einlage des Gesellschafters stattgefunden hätte. Da verdeckte Einlagen handels- und steuerbilanziell gewinnerhöhend gewirkt haben, müssen diese Gewinnerhöhungen außerhalb der Bilanz durch eine entsprechende Kürzung korrigiert werden. In Höhe der Korrektur erhöhen sich die Anschaffungskosten der Anteile des Gesellschafters an der Gesellschaft (§ 6 Abs. 6 Satz 2 EStG). Dieser Grundsatz des § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG, wonach verdeckte Einlagen das Einkommen der Gesellschaft nicht erhöhen, setzt jedoch voraus, dass die verdeckte Einlage weder als Betriebsausgabe noch als Werbungskosten zu einer Minderung des Einkommens des Gesellschafters führt, der die Einlage tätigt (§ 8 Abs. 3 Satz 4 EStG). Ist diese Bedingung nicht erfüllt, so behält die verdeckte Einlage ihre ursprüngliche gewinnerhöhende Wirkung bei. 285 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="286"?> Abb. 59: Auswirkungen der vE Beispiel 1: Der Einzelunternehmer Hermann betreibt eine Kühlhalle zur Lagerung von Tiefkühlkost. Gleichzeitig ist er Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Wilhelm-GmbH, die Kühlaggregate herstellt und vertreibt. Im Jahr 2021 verkauft die Wilhelm-GmbH an das Einzelunternehmen Kühlaggregate zum Preis von 100.000 €. Im Rahmen der steuerlichen Außenprüfung bei der Wilhelm-GmbH im Jahr 2022 ermittelt der Betriebsprüfer, dass die in 2021 verkauften Kühlaggregate an fremde Dritte üblicherweise zum Preis von 60.000 € verkauft wurden. Da Hermann als sorgfältig handelnder, ordentlicher Kaufmann den überhöhten Preis von 100.000 € nicht akzeptiert, sondern die Kühlaggregate zum niedrigeren Marktpreis von 60.000 € gekauft hätte, stellt der Betriebsprüfer eine verdeckte Einlage des Hermann in die Wilhelm-GmbH i. H. v. 40.000 € fest. Vor Aufdeckung der verdeckten Einlage hat die Wilhelm-GmbH einen Ertrag i. H. v. 100.000 € gewinnerhöhend berücksichtigt. Nach Aufdeckung der verdeckten Einlage beträgt der Ertrag lediglich 60.000 €, da der Betriebsprüfer den Steuerbilanzgewinn außerhalb der Bilanz um 40.000 € kürzen wird. Auf diese Weise verringert sich die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer um den Betrag der verdeckten Einlage von 40.000 €. Auf Ebene des Gesellschafters führt die Aufdeckung der verdeckten Einlage zu einer Erhöhung der Anschaffungskosten der Anteile des Hermann an der Wilhelm-GmbH um 40.000 €. Außerdem verringern sich die Anschaffungskos‐ 286 3 Körperschaftsteuer <?page no="287"?> ten für die Kühlaggregate um 40.000 € mit der Folge geringerer AfA-Beträge. Hermann und die GmbH werden daher so gestellt, als ob eine offene Einlage geleistet worden wäre. In diesem Fall hätte Hermann lediglich 60.000 € für das Kühlaggregat bezahlt und die restlichen 40.000 € in bar als Einlage in die GmbH eingezahlt. Frage: Warum werden verdeckte Einlagen überhaupt getätigt? Welchen Vorteil verspricht sich der Gesellschafter bzw. die Gesellschaft davon? Antwort: Verdeckte Einlagen werden oft zur Vermeidung einer Gewinnrealisierung auf Ebene des Gesellschafters getätigt, welche zu einer unerwünschten Steuerpflicht führen würde. Beispiel 2: Im Rahmen der steuerlichen Außenprüfung bei der Wilhelm-GmbH wird eine weitere verdeckte Einlage im Jahre 2021 aufgedeckt. Der Einzelunternehmer veräußerte einen zu seinem Betriebsvermögen gehörenden Lkw mit einem Verkehrswert i. H. v. 15.000 € und einem Buchwert i. H. v. 10.000 € an die Wil‐ helm-GmbH zum Preis von lediglich 10.000 €. Auf diese Weise möchte Hermann verhindern, dass die im Einzelunternehmen vorhandenen stillen Reserven des Lkws i. H. v. 5.000 € durch den Verkauf aufgedeckt werden und somit seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erhöhen. Da Hermann für den Lkw als sorgfältig handelnder, ordentlicher Kaufmann einen Verkaufspreis von 15.000 € gefordert und auf dem Markt auch bekommen hätte, stellt der Betriebsprüfer eine verdeckte Einlage i. H. v. 5.000 € fest. Diese führt im Einzelunternehmen zu einer Auflösung der stillen Reserven i. H. v. 5.000 € und zu einer entsprechend höheren Steuerschuld von Hermann. Darüber hinaus erhöhen sich die Anschaffungskosten der Anteile des Hermann an der Wilhelm-GmbH um den gleichen Betrag. Die GmbH aktiviert den Lkw zu den Anschaffungskosten i. H. v. 15.000 €. Im Ergebnis wird somit eine offene Einlage fingiert: Es wird der Zustand hergestellt, als hätte Hermann den Lkw zum Fremdvergleichspreis von 15.000 € veräußert und hätte anschließend 5.000 € in bar in die GmbH eingelegt. Fortführung des Beispiels 1: In Beispiel 1 hat Hermann das Kühlaggregat zu einem Preis von 100.000 € erworben, obwohl der Marktpreis lediglich 60.000 € betragen hat. Veräußert Her‐ mann unmittelbar nach dem Erwerb das Aggregat zu einem Preis von 100.000 €, 287 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="288"?> hätte sich ohne Aufdeckung der verdeckten Einlage kein Veräußerungsgewinn bei Hermann ergeben, da der Veräußerungserlös i. H. v. 100.000 € abzüglich Anschaffungskosten i. H. v. ebenfalls 100.000 € einen Gewinn von 0 € ergeben hätte. Nach Aufdeckung der verdeckten Einlage muss Hermann allerdings einen Gewinn i. H. v. 40.000 € versteuern. Wie bei der verdeckten Gewinnausschüttung wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der Klassifizierung als verdeckte Einlage nicht um die Aufdeckung einer Steuerhinterziehung handelt, sondern um zulässige schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft, die aus steuerli‐ chen Gründen jedoch keine Anerkennung finden. 3.2.3.3 Steuerfreie Beteiligungserträge gem. § 8b Abs. 1 KStG § 5b (1) S. 2EStG Buchungstechnisch und handelsrechtlich werden Ausschüttungen von an‐ deren Körperschaften unter der Position Beteiligungserträge erfolgswirk‐ sam erfasst. Würde - wie bei natürlichen Personen - 60 % des Ausschüt‐ tungsbetrags einer Besteuerung unterliegen, würde sich die Dividende bei Weiterausschüttung durch die daraus folgende kumulierte Besteuerung aufzehren (sog. Kaskadeneffekt). Um bei Beteiligungsketten zwischen Ka‐ pitalgesellschaften eine kumulierte Steuerbelastung desselben mehrmals ausgeschütteten Gewinns zu vermeiden, müssen die Beteiligungserträge von anderen Gesellschaften von der Körperschaftsteuer befreit werden. Nur dann bleibt es bei einer einmaligen Belastung des Gewinns mit dem Körper‐ schaftsteuersatz, bis der Gewinn die Ebene der Körperschaften verlässt und an eine natürliche Person ausgeschüttet wird. 288 3 Körperschaftsteuer <?page no="289"?> Abb. 60: Behandlung der Ausschüttung beim Empfänger Die Befreiung der Beteiligungserträge gilt für alle abschließend in § 8b Abs. 1 KStG genannten Beteiligungserträge, d. h. insbesondere für alle offenen und verdeckten Gewinnausschüttungen, die von inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaften vorgenommen werden. Die Steuerbe‐ freiung gem. § 8b Abs. 1 KStG gilt jedoch nur, wenn eine unmittelbare Min‐ destbeteiligungsquote von 10 % seit Beginn des Kalenderjahrs besteht. Für Beteiligungsquoten unter 10 % (sog. Streubesitz) wird die Steuerbefreiung der Beteiligungserträge nicht gewährt. Es erfolgt bei Streubesitzdividenden daher eine kumulierte Steuerbelastung desselben ausgeschütteten Gewinns. Neben den Beteiligungserträgen sind gem. § 8b Abs. 2 KStG auch sämtliche Gewinne aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft von der Körperschaftsteuer befreit. Diese Befreiung der Veräußerungsgewinne ist damit zu begründen, dass eine Veräußerung als Gesamtausschüttung angesehen werden kann. Aus diesem Grunde muss dieser Vorgang genauso besteuert werden wie die laufenden Bezüge gem. § 8b Abs. 1 KStG aus derselben Beteiligung. Da die laufenden Bezüge steuerfrei gestellt sind, muss auch der Veräußerungsge‐ winn steuerfrei sein, da anderenfalls die zu veräußernde Kapitalgesellschaft zuerst sämtliche Gewinne steuerfrei ausschütten würde. Anschließend würden die Gesellschafter die Anteile an der - im Idealfall substanzlosen - Kapitalgesellschaft veräußern. Es ist zu beachten, dass im Zusammenhang mit Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an einer in- oder ausländi‐ schen Kapitalgesellschaft im Unterschied zu den Beteiligungserträgen keine Mindestbeteiligungsquoten oder Mindesthaltefristen vorausgesetzt werden. 289 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="290"?> Im Rahmen der laufenden Buchhaltung werden sowohl die Beteiligungs‐ erträge als auch die Veräußerungsgewinne erfolgswirksam als Ertrag er‐ fasst. Um die Steuerfreiheit dieser Erträge zu gewährleisten, muss daher der Steuerbilanzgewinn außerhalb der Bilanz um die Beteiligungserträge und Veräußerungsgewinne wieder gekürzt werden. Beispiel (ohne Berücksichtigung der Kapitalertragsteuer): Die Wilhelm-GmbH ist mit 25 % an der Werner-AG beteiligt und hat von dieser im Jahr 2022 eine Dividende in Höhe von 20.000 € bezogen, welche als Ertrag erfolgswirksam verbucht wurde (per Bank an Beteiligungserträge 20.000 €). Um diese Beteiligungserträge von der Körperschaftsteuer bei der Wilhelm-GmbH zu befreien, erfolgt eine außerbilanzielle Kürzung des Steuerbilanzgewinns der Wilhelm-GmbH um 20.000 €. Die Belastung durch das Teileinkünfteverfahren bzw. die Abgeltungsteuer i. S. d. § 32d EStG tritt erst dann in Kraft, wenn die Wilhelm-GmbH ihrerseits eine Ausschüttung an ihren Alleingesellschafter Hermann als natürliche Person vor‐ nimmt. 3.2.3.4 Nichtabziehbare Aufwendungen gem. § 10 KStG 7k EStG, Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens sind gem. § 10 KStG folgende Ausgaben nicht abziehbar: ■ Aufwendungen für satzungsmäßige oder sonstige Zwecke (Nr. 1), ■ Personensteuern (KSt, VSt (außer Vollzug gesetzt)) und deren Neben‐ leistungen wie z. B. Nachzahlungszinsen (Nr. 2), 290 3 Körperschaftsteuer <?page no="291"?> ■ Geldstrafen etc. (Nr. 3), ■ die Hälfte der Aufsichtsratsvergütungen etc. (Nr. 4). Da diese Ausgaben das zu versteuernde Einkommen nicht mindern dürfen, in der Finanzbuchhaltung aber als Aufwand behandelt wurden, ist der Steuerbilanzgewinn außerhalb der Bilanz um diese Beträge wieder zu erhöhen. Zu beachten ist, dass die Gesellschaft durch diese außerbilanzielle Hinzu‐ rechung nicht nur die Aufwendungen selbst, sondern auch die durch die Nichtanerkennung als Betriebsausgabe hierauf lastende Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und den Solidaritätszuschlag tragen muss (sog. Schatten‐ wirkung). Beispiel: Die Werner-AG hat in 2022 eine Geldstrafe über 1.000 € gewinnmindernd erfasst. Welchen Gewinn muss die Werner-AG erwirtschaften, um die Geldstrafe bezahlen zu können? Die Finanzierung einer Geldstrafe von 1.000 € erfordert einen Gewinn vor Steuern i. H. v. 1.425 € (! ). Bei einem GewSt-Hebesatz von 400 % beträgt die Gewerbesteuer 199 €; die Körperschaftsteuer beläuft sich bei einem Satz von 15 % zuzüglich 5,5 % Solidaritätszuschlag auf 226 €. 3.2.3.5 Nichtabzugsfähige Aufwendungen gem. §§ 4 Abs. 5, Abs. 5b, 4h, 4j EStG, §§ 8a, 8b Abs. 3, Abs. 5 KStG 4k, 7k EStG, 291 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="292"?> Gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG ermittelt sich das Einkommen einer Kapital‐ gesellschaft nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes. Somit gelten die Vorschriften des Ein‐ kommensteuergesetzes auch für das Körperschaftsteuerrecht, soweit das Körperschaftsteuergesetz diesen nicht entgegensteht bzw. keine eigenen, spezielleren Regelungen enthält. Neben den nicht abzugsfähigen Aufwen‐ dungen i. S. d. § 10 KStG sind bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens einer Gesellschaft deswegen auch die in § 4 Abs. 5 EStG an‐ geführten nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben sowie die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleistungen, die gem. § 4 Abs. 5b EStG keine Betriebsausgaben sind, zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind § 8a KStG, der auf die Regelungen der Zinsschranke i. S. d. § 4h EStG verweist und §§ 8b Abs. 3, Abs. 5 KStG, von hoher Bedeutung. Die bereits in den Kapiteln zur Einkommensteuer ausführlich erläuterten, in § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG aufgezählten nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben umfassen unter anderem: ■ Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft sind, wobei für jede beschenkte Person eine Freigrenze in Höhe von 35 € für sämtliche Geschenke eines Wirtschaftsjahres gilt (Nr. 1), ■ 30 v. H. der geschäftlich veranlassten Bewirtungskosten (Nr. 2) sowie ■ Bestechungsgelder (Nr. 10). Ebenso sind gem. § 4 Abs. 5b EStG auch die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleistungen den nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben zuzuordnen. Darüber hinaus stellt die bereits erwähnte Zinsschranke i. S. d. § 4h EStG einen zusätzlichen Tatbestand für nichtabzugsfähige Betriebsausgaben dar. Diese gilt gem. § 8a KStG auch für Kapitalgesellschaften. Jedoch weisen die Regelungen zur Zinsschranke für Kapitalgesellschaften zusätzliche Ein‐ schränkungen auf. Zinsaufwendungen bei Kapitalgesellschaften werden nach dem im § 8a Abs. 1 KStG i. V. m. § 4h Abs. 1 EStG normierten Grundsatz berücksichtigt. Dementsprechend sind Zinszahlungen eines Betriebes nur bis zur Höhe der Zinserträge desselben Wirtschaftsjahres vollständig abzugsfähig. Darüber hinausgehende Zinsaufwendungen unterliegen einer Abzugsbeschränkung. Für einen derartig verbleibenden Nettozinsaufwand, der sich durch Sal‐ dierung der Zinserträge von den Zinsaufwendungen ergibt (sog. negativer Zinssaldo), ist lediglich ein Betriebsausgabenabzug bis zu einer Höhe von 292 3 Körperschaftsteuer <?page no="293"?> 30 % des steuerlichen EBITDA (= verrechenbares EBITDA) zulässig. Soweit das verrechenbare EBITDA die um die Zinserträge geminderten Zinsaufwendungen des Betriebs übersteigt, ist es in die folgenden fünf Wirt‐ schaftsjahre vorzutragen (EBITDA-Vortrag) und steht somit fünf Jahre lang zur Verrechnung mit zukünftig vorliegenden negativen Zinssalden zur Verfügung. Danach verbleibende Zinsaufwendungen sind gesondert festzu‐ stellen und können durch den Steuerpflichtigen gem. § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG in nachfolgende Wirtschaftsjahre vorgetragen werden (= Zinsvortrag). In den folgenden Veranlagungszeiträumen erhöhen diese Zinsvorträge dann den Betrag der Zinsaufwendungen, nicht aber den maßgeblichen Gewinn des jeweiligen Wirtschaftsjahres bei der abermaligen Berechnung des EBITDA. Abb. 61: Grundprinzip der Zinsschranke Beispiel: Die Wilhelm-GmbH weist im Jahr 2022 Verbindlichkeiten i. H. v. 150 Mio. € auf, die mit 5 % verzinst werden. Zinserträge sind keine angefallen. Das steuerliche EBITDA der Wilhelm-GmbH beträgt 20 Mio. €. Da keine Zinserträge bei der Wilhelm-GmbH angefallen sind, ist ein Abzug der Zinsaufwendungen i. H. v. 7,5 Mio. € (5 % von 150 Mio. €) nur bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA zulässig. Dieses beträgt 6 Mio. € (30 % des EBITDA i. H. v. 20 Mio. €). Die verbleibenden Zinsaufwendungen i. H. v. 1,5 Mio. € sind im Jahr 2022 nicht abzugsfähig, können jedoch durch den Steuerpflichtigen gem. § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG in nachfolgende Wirtschaftsjahre vorgetragen werden (= Zinsvortrag). Er erhöht in den folgenden Wirtschaftsjahren den Zinsaufwand und ist im Rahmen der für die jeweils folgenden Wirtschaftsjahre geltenden Zinsschrankenregelungen abzugsfähig. Das steuerliche EBITDA ist von dem betriebswirtschaftlichen EBITDA, das auf Basis der Zahlen der Handelsbilanz erstellt wird, zu unterscheiden. Zwar liegt beiden Größen das gleiche Ermittlungsschema zugrunde, die darin enthaltenen Größen weichen jedoch voneinander ab. 293 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="294"?> Ausgangspunkt der Ermittlung des steuerlichen EBITDA ist der maßgeb‐ liche Gewinn. Jedoch tritt bei Körperschaften gem. § 8a Abs. 1 Satz 1 KStG das maßgebliche Einkommen an dessen Stelle. Die Verwendung des maßgeblichen Einkommens für Zwecke der Zinsschranke stellt sicher, dass für Körperschaften auch (neben den Vorschriften des EStG) die Rege‐ lungen des KStG berücksichtigt werden. Das steuerliche EBITDA einer Körperschaft wird insbesondere durch nicht abziehbare Betriebsausgaben und verdeckte Gewinnausschüttungen erhöht sowie durch verdeckte Ein‐ lagen und steuerfreie Beteiligungserträge i. S. d. § 8b Abs. 1 KStG bzw. Veräußerungsgewinne i. S. d. § 8b Abs. 2 KStG vermindert. Ausgehend vom Handelsbilanzergebnis ergibt sich nach Maßgabe der Vorschriften zur steuerlichen Gewinnermittlung der Steuerbilanzgewinn. Aus diesem wird gemäß der Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften des KStG mit Ausnahme der Vorschriften über die Zinsschranke gem. § 4h EStG, den Verlustausgleich gem. § 10d EStG und den Spendenabzug gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG das maßgebliche Einkommen ermittelt. Das Ergebnis nach Abzug der Zinserträge und Hinzurechnung der Zinsaufwendungen sowie der Abschreibungen stellt das steuerliche EBITDA einer Kapitalgesellschaft dar. Nach Multiplikation des steuerlichen EBITDA mit 30 % ergibt sich das verrechenbare EBITDA, welches den maximalen Zinsabzug für dieses Wirtschaftsjahr bestimmt. Gewinn nach HGB +/ ./ . Vorschriften der steuerlichen Gewinnermittlung (§§ 4-7k EStG) = Steuerbilanzgewinn +/ ./ . Hinzurechnungen und Kürzungen nach KStG = Summe der Einkünfte nach EStG/ KStG Keine Berücksichtigung von §§ 4h, 10d EStG + Spenden (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG) = maßgebliches Einkommen gem. § 8a Abs. 1 KStG + Zinsaufwendungen ./ . Zinserträge + Abschreibungen nach § 6 Abs. 2 Satz 1, Abs. 2a Satz 2 und § 7 EStG = steuerliches EBITDA × 30 % = verrechenbares EBITDA 294 3 Körperschaftsteuer <?page no="295"?> Einer Unterwerfung unter die Einschränkungen der Zinsschranke kann sich eine Kapitalgesellschaft - analog zu Personengesellschaften und Einzelun‐ ternehmern - nur in drei Ausnahmefällen entziehen: ■ Gem. § 8a Abs. 1 KStG i. V. m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. a EStG ist ein unbegrenzter Abzug von Zinsaufwendungen auch dann zulässig, falls der negative Zinssaldo unterhalb einer Freigrenze von 2.999.999 € verbleibt. Bei einem Nettozinsaufwand ab 3.000.000 € greift die Ausnah‐ meregelung nicht mehr. Der Betrag ist somit zur Gänze nicht abzugsfä‐ hig. Durch diese Regelung werden vor allem kleine und mittelständische Unternehmen entlastet. Große Konzerne überschreiten dagegen mit ihren Nettozinsaufwendungen häufig die Freigrenze. ■ Auch bei Erfüllung der sog. Stand-alone-Klausel i. S. d. § 8a Abs. 1 KStG i. V. m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. b EStG ist ein unbegrenzter Abzug von Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben gestattet. Diese Klausel setzt jedoch zwingend voraus, dass die Kapitalgesellschaft nicht oder nur anteilmäßig einem Konzern zuzurechnen ist. Anteilmäßig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Kapitalgesellschaft - wenn überhaupt - lediglich durch Quotenkonsolidierung bzw. Equitykonsolidierung in einen Konzernabschluss einbezogen wird. Gem. § 4h Abs. 3 Satz 5 EStG ist eine Konzernzugehörigkeit allerdings gegeben, falls ein Betrieb nach dem für die Anwendung des § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. c EStG zugrunde gelegten Rechnungslegungsstandard mit einem oder mehreren anderen Betrieben im Wege der Vollkonsolidierung einbezogen wird oder wer‐ den könnte. ■ Letztlich ist ein unbegrenzter Abzug von Zinsaufwendungen als Be‐ triebsausgaben auch im Falle von konzernzugehörigen Betrieben ge‐ stattet, falls diese die sog. Escape-Klausel nach § 8a Abs. 1 KStG i. V. m. § 4h Abs. 2 Satz 1 Bst. c EStG erfüllen. Dies setzt jedoch voraus, dass die Eigenkapitalquote des betreffenden Betriebs die Konzern-Eigenka‐ pitalquote um nicht mehr als zwei Prozent unterschreitet. Ausnahmen der Zinsschranke gem. § 8a KStG i. V. m. § 4h EStG: ■ Freigrenze i. H. v. 2.999.999 € ■ sog. Stand-alone-Klausel ■ sog. Escape-Klausel 295 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="296"?> Das Trennungsprinzip besagt, dass die Kapitalgesellschaft und der An‐ teilseigner rechtlich selbstständig sind. Demnach wird die Gesellschafter‐ fremdfinanzierung auch im Steuerrecht grundsätzlich anerkannt und ist nicht als Einlage, sondern als Fremdkapital zu behandeln. Bei der Gründung einer Kapitalgesellschaft sowie bei einem später auftretenden Finanzbedarf kann der Gesellschafter somit frei entscheiden, ob und in welchem Umfang die Kapitalgesellschaft mit Eigen- oder mit Fremdkapital finanziert werden soll. Es gilt der Grundsatz der Finanzierungsfreiheit. Die Auswirkungen dieser Entscheidung auf die Leistungsfähigkeit der Ka‐ pitalgesellschaft sind erheblich. Vergütungen für Fremdkapital sind grund‐ sätzlich als Betriebsausgaben abzugsfähig und mindern somit den Betrag, der der Besteuerung unterworfen wird. Demgegenüber stehen Vergütun‐ gen für Eigenkapital, welche die steuerlich zu erfassende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nach § 8 Abs. 3 KStG nicht mindern. Die Vergütungen für Eigenkapital unterliegen auf Ebene der Kapitalgesellschaft in voller Höhe der Gewerbesteuer, der körperschaftsteuerlichen Tarifbelastung so‐ wie dem Solidaritätszuschlag. Demzufolge stellt die Finanzierung durch Fremdkapital für die Gesellschafter eine reizvolle Alternative zur Eigenfi‐ nanzierung dar. Anteilseigner tendieren daher z. T. dazu, die Kapitalgesell‐ schaft überwiegend mit Fremdkapital auszustatten, um die Steuerbelastung möglichst gering zu halten. Durch die steigende Fremdfinanzierung von Kapitalgesellschaften durch bestimmte Gesellschaftergruppen wird die Be‐ steuerung von Dividenden vermieden, und ein erhebliches Steuervolumen geht verloren. Um Finanzierungsgestaltungen zum Nachteil des deutschen Fiskus durch übermäßige Gesellschafterfremdfinanzierung einer Ka‐ pitalgesellschaft zu verhindern, wird ein Abzug des Zinsaufwands nach § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG generell nur noch beschränkt zugelassen. Da die Gesellschafterfremdfinanzierung besonders für Kapitalgesellschaften ein beliebtes Instrument zur Reduzierung der Steuerlast darstellt, sind bei den Vorschriften zur Zinsschranke für Kapitalgesellschaften gegenüber den Vorschriften zur Zinsschranke für Personengesellschaften und Einzelunter‐ nehmen zusätzliche Anforderungen zu beachten. § 8a KStG normiert dazu für Kapitalgesellschaften zwei zusätzliche Rückausnahmen schädlicher Gesellschafterfremdfinanzierung. Diese beschneiden die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme der Ausnah‐ meregelungen der Stand-alone-Klausel i. S. d. § 4h Abs. 2 Bst. b EStG bzw. der Escape-Klausel i. S. d. § 4h Abs. 2 Bst. c EStG erheblich. Ein durch diese beiden Ausnahmen begründeter unbeschränkter Abzug von Zinsauf‐ 296 3 Körperschaftsteuer <?page no="297"?> wendungen als Betriebsausgaben ist demnach bei Kapitalgesellschaften nur zulässig, falls keine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung vorliegt (§ 8a Abs. 2 bzw. Abs. 3 KStG). Eine derartige steuerschädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung ist ge‐ geben, wenn durch die Kapitalgesellschaft Vergütungen für Fremdkapital, deren Anteil am Zinssaldo mehr als 10 % beträgt, an: ■ einen zu mehr als 25 % mittelbar oder unmittelbar am gezeichneten Kapital beteiligten Anteilseigner oder ■ eine diesem nahestehende Person oder ■ einen Dritten, der auf den zu mehr als einem Viertel am gezeichneten Kapital beteiligten Anteilseigner oder eine diesem nahestehende Person zurückgreifen kann, geleistet werden. Abb. 62: Ausnahmen zur Zinsschrankenregelung gem. § 8a KStG i. V. m. § 4h Abs. 2 EStG Beispiel: Die Verbindlichkeiten der Capitol AG, die mit 5 % verzinst werden, betragen im Jahr 2022 120 Mio. €. Zinserträge sind i. H. v. 2 Mio. € und Abschreibungen i. H. v. 1,5 Mio. € angefallen, die alle im Jahresüberschuss von 2022 i. H. v. 4,5 Mio. € berücksichtigt sind. Die Ausnahmetatbestände des § 8a KStG i. V. m. § 4h Abs. 2 EStG kommen nicht zur Anwendung. Ermittlung des Nettozinsaufwands: Beispiel_S271.pdf Zinsaufwand (5% von 120 Mio. €) ./ . Zinsertrag 6 Mio. € 2 Mio. € = negativer Zinssaldo/ Nettozinsaufwand 4 Mio. € 297 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="298"?> Die Zinsaufwendungen der Capitol AG sind zunächst nur bis zur Höhe der Zinserträge desselben Wirtschaftsjahres i. H. v. 2 Mio. € abzugsfähig. Ein Abzug des verbleibenden Nettozinsaufwand i. H. v. 4 Mio. € ist nur bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA zulässig. Berechnung des steuerlichen EBITDA: Beispiel_S272.pdf Steuerbilanzieller Gewinn 2022 ./ . Zinsertrag + Zinsaufwendungen + Abschreibungen 4,5 Mio. € 2 Mio. € 6 Mio. € 1,5 Mio. € = EBITDA 10 Mio. € Das verrechenbare EBITDA beträgt 3 Mio. € (30 % des EBITDA i. H. v. 10 Mio. €). Demnach ist im Wirtschaftsjahr 2022 insgesamt ein Zinsabzug i. H. v. 5 Mio. € (2 Mio. € Zinsertrag + 3 Mio. € verrechenbares EBITDA) möglich. Nach Abzug der Zinsaufwendungen i. H. v. 6 Mio. € verbleibt eine Differenz i. H. v. 1 Mio. €. Daher sind die verbleibenden Zinsaufwendungen i. H. v. 1 Mio. € als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben umzuqualifizieren. Der Steuerpflichtige kann diese im Jahr 2022 nicht abzugfähigen Zinsaufwendungen gem. § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG in nachfolgende Wirtschaftsjahre vortragen (= Zinsvortrag). Der Zinsvortrag erhöht in den folgenden Wirtschaftsjahren den Zinsaufwand und kann unter den Voraussetzungen der Zinsschranke in den Folgejahren geltend gemacht werden. Eine Schwäche der Zinsschranke ist die Ergebnisabhängigkeit des Höchst‐ betrags abzugsfähiger Zinsaufwendungen. Dies bedeutet, dass bei schlechter wirtschaftlicher Entwicklung des Betriebes das EBITDA sinkt und sich somit auch der abziehbare Zinsbetrag vermindert. Folglich könnte ausgerechnet in wirtschaftlichen Krisenzeiten die Steuerbelastung von Betrieben steigen, weil ihre Zinsen steuerlich nicht mehr abzugsfähig sind. In Verlustzeiten könnte die Zinsschranke demnach zu einer Verschärfung einer Unterneh‐ menskrise beitragen. Durch die Einführung eines sog. EBITDA-Vortrags wurde die Zinsschrankenregelung in Krisenzeiten entschärft. Dadurch wird vermieden, dass Unternehmen, die in der Vergangenheit die Zinsschranke unterschritten haben, in einem wirtschaftlich schlechten Jahr mit Ergebnis‐ einbruch ohne Weiteres von der Zinsabzugsbeschränkung betroffen sind. 298 3 Körperschaftsteuer <?page no="299"?> Die Anwendung des EBITDA-Vortrags setzt voraus: ■ verrechenbares EBITDA > Zinssaldo ■ keine Inanspruchnahme der Ausnahmetatbestände gem. § 4h Abs. 2 EStG Der EBITDA-Vortrag ergibt sich, wenn in wirtschaftlich erfolgreichen Jahren das verrechenbare EBITDA den negativen Zinssaldo (Zinsaufwen‐ dungen ./ . Zinserträge) übersteigt und somit das verrechenbare EBITDA nicht vollständig ausgeschöpft wird. Die Zinsaufwendungen sind demnach nicht nur vollständig abzugsfähig, sondern es hätten noch mehr als die tat‐ sächlich angefallenen Zinsenaufwendungen abgezogen werden können. Die daraus resultierende positive Differenz aus dem Höchstbetrag abzugsfähiger Zinsaufwendungen und den tatsächlichen Zinsaufwendungen ist gesondert festzustellen und kann vom Steuerpflichtigen in die folgenden fünf Wirt‐ schaftsjahre vorgetragen werden. Sofern zukünftig in den folgenden fünf Wirtschaftsjahren die Zinsaufwendungen den Höchstbetrag überschreiten, können durch die Nutzung des EBITDA-Vortrags mehr Zinsaufwendungen abgezogen werden als 30 % des relevanten EBITDA. Durch diese Nutzung des EBITDA-Vortrags kann somit eine Zinsabzugsbeschränkung in den Folgejahren eingeschränkt bzw. vollständig vermieden werden. Allerdings ist zu beachten, dass der EBITDA-Vortrag nicht in den Wirtschaftsjahren entstehen kann, in denen der Steuerpflichtige die Freigrenze, die Konzern‐ klausel oder den die Escape-Klausel gem. § 4h Abs. 2 EStG in Anspruch nehmen muss, um der Zinsschranke zu entgehen. Abb. 63: Grundprinzip des EBITDA-Vortrags Beispiel: Im Jahr 2022 weist die Helios-GmbH Verbindlichkeiten i. H. v. 80 Mio. € auf. Die Verbindlichkeiten werden mit 5 % verzinst. Die Abschreibungen betragen 2 Mio. €. 299 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="300"?> Zinserträge sind keine angefallen. Die Helios-GmbH erwirtschaftet im Jahr 2022 einen steuerlichen Jahresüberschuss i. H. v. 12 Mio. €. Die Ausnahmetatbestände des § 8a KStG i. V. m. § 4h Abs. 2 EStG kommen nicht zur Anwendung. Ermittlung des Nettozinsaufwands: Beispiel_S274_1.pdf Zinsaufwand (5% von 80 Mio. €) ./ . Zinsertrag 4 Mio. € - - - - = Zinssaldo/ Nettozinsaufwand = 4 Mio. € Berechnung des steuerlichen EBITDA: Beispiel_S274_2.pdf Steuerbilanzieller Gewinn 2022 + Nettozinsaufwand + Abschreibungen 12 Mio. € + 4 Mio. € + 2 Mio. € = EBITDA 18 Mio. € Das verrechenbare EBITDA beträgt im Jahr 2022 5,4 Mio. € (30 % des EBITDA i. H. v. 18 Mio. €). Da keine Zinserträge angefallen sind, ist in diesem Wirtschafts‐ jahr insgesamt ein Zinsabzug i. H. v. 5,4 Mio. € zulässig. Es sind aber nur 4 Mio. € Zinsaufwendungen angefallen. Nach Abzug dieser Zinsaufwendungen i. H. v. 4 Mio. € verbleibt eine positive Differenz i. H. v. 1,4 Mio. €. Diese Differenz stellt den EBITDA-Vortrag dar, der in die folgenden Wirtschaftsjahre vorgetragen wird. Somit wird im Jahr 2022 nicht nur eine Zinsabzugsbeschränkung vermieden, vielmehr hat die Helios-GmbH für die folgenden fünf Wirtschaftsjahre ein Guthaben i. H. v. 1,4 Mio. €, durch das ein höherer Zinsabzug in den folgenden Jahren gewährleistet wird. Internationale Konzerne versuchen aber nicht nur, Gewinne von Hochst‐ euerländern in Niedrigsteuerländer durch Finanzierungsgestaltungen zu verlagern, sondern auch durch die Erhebung von Lizenzgebühren. Insbe‐ sondere Unternehmen mit hohen immateriellen Vermögensgegenständen wie z. B. Lizenz- und Patentrechte haben in der Vergangenheit diese Rechte auf Konzerneinheiten in Niedrigsteuerländern übertragen, die anschließend Lizenzgebühren von den Konzerneinheiten in den Hochsteuerländern (z. B. Deutschland) eingefordert haben. Durch diese Steuergestaltung haben es insbesondere namhafte Internet-Unternehmen auf scheinbar legalem Wege geschafft, trotz hoher Gewinne nur äußerst geringe Steuerlasten in den Hochsteuerländern zu entrichten. 300 3 Körperschaftsteuer <?page no="301"?> Um diese als missbräuchlich empfundene Konstruktion einzuschränken, hat der deutsche Gesetzgeber mit Wirkung ab 01.01.2018 die Vorschrift des § 4j EStG eingeführt, wodurch die Aufwendungen für Rechteüber‐ lassungen in Deutschland eventuell nicht bzw. nur eingeschränkt als Betriebsausgaben abzugsfähig sein können. Werden somit Aufwendungen für die Überlassung von Rechten von einem deutschen Unternehmen an eine Konzerneinheit im Ausland getätigt und unterliegen diese Aufwendungen im Ausland einer niedrigen Besteuerung, werden die Aufwendungen nur im Rahmen des § 4j Abs. 3 EStG zum Abzug zugelassen. Die dort genannte Formel geht davon aus, dass der nicht abziehbare Anteil um so höher ist, desto niedriger die Besteuerung der Lizenzgebühren im Ausland ist. Neben der Zins- und der Lizenzschranke sind in der Praxis die nichtab‐ zugsfähigen fiktiven Betriebsausgaben gem. § 8b Abs. 3 und 5 KStG von großer Bedeutung. Danach gelten pauschal 5 % der Einnahmen aus steuerfreien Beteiligungserträgen i. S. d. § 8b Abs. 1 KStG und aus steuer‐ freien Veräußerungsgewinnen i. S. d. § 8b Abs. 2 KStG als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben. Zu beachten ist, dass in der Finanzbuchhaltung nichtab‐ zugsfähige Betriebsausgaben erfolgswirksam als Aufwand verbucht werden. Aus diesem Grunde muss der Steuerbilanzgewinn außerbilanziell durch eine Hinzurechnung korrigiert werden. Dies gilt auch für den fiktiven 5 %igen Anteil, wobei die tatsächlichen Aufwendungen (z. B. Zinsauf‐ wendungen aufgrund eines darlehensfinanzierten Beteiligungserwerbs) für die Hinzurechnung irrelevant sind. Die 5 %ige Hinzurechnung erfolgt auch dann, wenn überhaupt keine tatsächlichen Aufwendungen vorliegen. Die Vorschrift stellt somit eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass nur diejenigen Beträge außerhalb der Bilanz wieder dem Gewinn hinzugerech‐ net werden dürfen, die bereits vorher im Rahmen der laufenden Buchhaltung als Aufwand geltend gemacht wurden. Im Gegenzug erklärt § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG bzw. § 8b Abs. 3 Satz 2 EStG die Vorschrift des § 3c Abs. 1 EStG für steuerfreie Einnahmen von Kapitalgesellschaften i. S. d. § 8b Abs. 1 bzw. 2 KStG für nicht anwendbar. Damit sind - mit Ausnahme des fiktiven Anteils von 5 % der steuerfreien Bezüge - sämtliche mit den steuerfreien Einnahmen zusammenhängenden Betriebsausgaben voll abzugsfähig. Beispiel: Die Wilhelm-GmbH hat zur Refinanzierung ihrer Beteiligung an der Werner-AG ein Darlehen aufgenommen. In 2022 sind somit neben den steuerfreien Betei‐ 301 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="302"?> ligungserträgen i. H. v. 20.000 € mit diesen unmittelbar zusammenhängende Betriebsausgaben in Form von Darlehenszinsen i. H. v. 10.000 € angefallen. Diese Finanzierungskosten werden in der Finanzbuchhaltung erfolgswirksam als Aufwand erfasst (per Zinsaufwand an Bank 10.000 €). Im Übrigen belaufen sich die Erträge der Wilhelm-GmbH auf 200.000 €. Innerhalb der Bilanz: Beispiel_S276_1.pdf Steuerbilanzgewinn + Dividende gem. § 8b Abs. 1 Satz 1 ./ . Nicht abzugsfähige Betriebsausgaben gem. § 8b Abs. 5 KStG (20.000 x 5%) 210.000 € + 20.000 € ./ . 1.000 € = zu versteuerndes Einkommen = 191.000 € Innerhalb der Bilanz sind die tatsächlich im Zusammenhang mit der Dividende angefallenen Betriebsausgaben i. H. v. 10.000 € zu berücksichtigen. Die Betriebs‐ ausgaben (Zinsaufwendungen) bleiben steuerlich zu 100 % gewinnmindernd wirksam, da sie innerhalb der Bilanz geltend gemacht werden und außerhalb der Bilanz gem. § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG i. V. m. § 3c Abs. 1 EStG nicht wieder hinzugerechnet werden dürfen. Außerhalb der Bilanz: Beispiel_S276_1.pdf Steuerbilanzgewinn + Dividende gem. § 8b Abs. 1 Satz 1 ./ . Nicht abzugsfähige Betriebsausgaben gem. § 8b Abs. 5 KStG (20.000 x 5%) 210.000 € + 20.000 € ./ . 1.000 € = zu versteuerndes Einkommen = 191.000 € Außerhalb der Bilanz ist die Dividende zur Vermeidung der Besteuerung abzu‐ ziehen. Allerdings sind gem. § 8b Abs. 5 KStG pauschal 5 % der Bezüge wieder hinzuzurechnen. M. a. W. werden also lediglich 95 % der Dividendenbezüge freigestellt. Selbst wenn keine tatsächlichen Aufwendungen im Zusammenhang mit den steuerfreien Beteiligungserträgen angefallen wären, so hätten gem. § 8b Abs. 5 KStG ungeachtet dessen 5 % von 20.000 € = 1.000 € außerhalb der Bilanz dem Gewinn hinzugerechnet werden müssen. 302 3 Körperschaftsteuer <?page no="303"?> 5 % der Einnahmen aus steuerfreien Beteiligungserträgen und Veräu‐ ßerungsgewinnen gelten pauschal als nichtabzugsfähige Betriebsaus‐ gaben. In der Finanzbuchhaltung werden nichtabzugsfähige Betriebsausga‐ ben i. S. d. §§ 4 Abs. 5, Abs. 5b, § 3c EStG, § 8a, §§ 8b Abs. 3, Abs. 5 KStG erfolgswirksam als Aufwand verbucht. Aus diesem Grund ist der Steuerbilanzgewinn außerhalb der Bilanz durch eine Hinzurechnung zu korrigieren. 3.2.3.6 Spenden Im Gegensatz zur Abzugsfähigkeit von Spenden einer natürlichen Person als Sonderausgaben nach § 10b EStG ist bei Kapitalgesellschaften mangels Privatsphäre die Abzugsfähigkeit als Betriebsausgaben gesondert gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG geregelt. Diese Abzugsfähigkeit ist ebenso wie bei der Einkommensteuer der Höhe nach begrenzt und an bestimmte Zwecke gebunden. Der Abzug von Spenden ist sowohl der Höhe als auch dem Zweck nach begrenzt. Da die Spenden nur im Rahmen eines Höchstbetrags abziehbar sind, muss eine zweistufige Ermittlung der abziehbaren Spenden erfolgen: Zunächst sind gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 KStG sämtliche Spenden - somit auch Spenden an politische Parteien - zur Ermittlung der Summe der Einkünfte zum Steuer‐ bilanzergebnis außerhalb der Bilanz hinzuzuaddieren. Die sich ergebende Summe der Einkünfte ist die Bemessungsgrundlage für den Spendenabzug. Nach Ermittlung des abzugsfähigen Teils ist dieser in der zweiten Stufe von der Summe der Einkünfte wieder abzuziehen. Die Ermittlung des Zwischen‐ ergebnisses „Summe der Einkünfte“ dient somit lediglich zur Berechnung des abzugsfähigen Teils der Spenden. Gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG sind Zuwendungen zur Förderung gemein‐ nütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke i. S. d. §§ 52 bis 54 AO bis zu einem allgemeinen Höchstbetrag von 20 % des Einkommens oder bis 303 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="304"?> zu 4 % der Summe aus den gesamten Umsätzen und den im Kalenderjahr aufgewendeten Löhnen und Gehältern als Betriebsausgaben abzugsfähig. Das Einkommen wird dabei - speziell für Zwecke des Spendenabzugs - in § 9 Abs. 2 Satz 1 KStG definiert. Im Ergebnis ist die Bemessungsgrundlage für den Spendenhöchstbetrag die im Schema abgebildete Summe der Einkünfte. Für Beträge, die die Höchstsätze übersteigen, besteht darüber hinaus gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KStG die Möglichkeit eines Abzugs im Rahmen der Höchstbeträge in nachfolgenden Perioden (Spendenvortrag). Dies setzt jedoch gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satz 9 i. V. m. § 10d Abs. 4 EStG voraus, dass die betreffenden Beträge zuvor gesondert festgestellt wurden. § 5b Abs. 1 S. 2 KStG) 4k, 7k EStG, Spenden an politische Parteien sind wegen möglicher zusätzlicher Ein‐ flussnahme auf politische Parteien durch die hinter der Kapitalgesellschaft stehenden natürlichen Personen - im Gegensatz zur einkommensteuerli‐ chen Regelung (§ 10b Abs. 2 EStG) als Sonderausgaben für natürliche Personen - nicht abzugsfähig (§ 4 Abs. 6 EStG). Der nicht abziehbare Anteil der Spenden erhöht aufgrund der Hinzurech‐ nung aller Spenden im Rahmen der ersten Stufe und des begrenzten Abzugs der abzugsfähigen Spenden das zu versteuernde Einkommen. Beispiel: Die Wilhelm-GmbH erzielt im Jahr 2022 einen Gesamtumsatz von 4.000.000 €; an Löhnen und Gehältern wurden 2.500.000 € ausbezahlt. Der in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) ausgewiesene Steuerbilanzgewinn beträgt 300.000 €. Als Betriebsausgaben berücksichtigt sind: 304 3 Körperschaftsteuer <?page no="305"?> KSt-Vorauszahlungen 300.000 € Spende an den Bund der Kriegsblinden Deutschlands e. V. 25.000 € Spende an die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt 200.000 € Spende an eine politische Partei 5.000 € Das zu versteuernde Einkommen berechnet sich unter Berücksichtigung der abzugsfähigen Spenden wie folgt: Beispiel_S278.pdf Steuerbilanzgewinn + KSt-Vorauszahlungen + Gesamtbetrag Spenden 300.000 € + 300.000 € + 230.000 € = Summe der Einkünfte = 830.000 € Berechnung der Höchstbeträge: 20 % aus 830.000 € 166.000 € 0,4 % aus 6.500.000 € (= ∑ der Umsätze, Löhne, Gehälter) 26.000 € Der abzugsfähige Höchstbetrag für Zuwendungen für mildtätige und wissen‐ schaftliche Zwecke beträgt somit 166.000 €. Dieser Betrag ist höher als der aufgrund der alternativen Berechnung anhand der Summe aus Umsätzen, Löhnen und Gehältern ermittelte Betrag von 26.000 €. Beispiel_S279.pdf Summe der Einkünfte ./ . abzugsfähiger Teil der Spenden 830.000 € ./ . 166.000 € = zu versteuerndes Einkommen = 664.000 € Die Spende an die politische Partei ist nicht abzugsfähig. Der den zulässigen Höchstbetrag von 166.000 € übersteigende Anteil der abzugsfähigen Spenden i. H. v. 59.000 € ist gesondert festzustellen und in den Folgeperioden im Rahmen der jeweiligen zulässigen Abzugsgrenzen einkommensmindernd zu berücksich‐ tigen. 305 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="306"?> 3.2.4 Vom Gesamtbetrag der Einkünfte zur verbleibenden Körperschaftsteuerzahlung/ -erstattung Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer ist wie bei der Einkommen‐ steuer nicht der Gesamtbetrag der Einkünfte, sondern das zu versteuernde Einkommen. Verlustabzug Um das zu versteuernde Einkommen zu ermitteln, ist als erster Schritt ein eventueller (interperiodischer) Verlustabzug gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 10d EStG vorzunehmen. Da Kapitalgesellschaften ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. d. § 15 EStG erzielen, entfällt für diese der vertikale Verlustausgleich. Im Rahmen des interperiodischen Verlustabzugs werden negative Ein‐ künfte mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte anderer Veranlagungszei‐ träume verrechnet. Diese Regelung entspricht der Vorgehensweise bei der Einkommensteuer. Zunächst werden im Rahmen des Verlustrücktrags gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG ab VZ 2024 bis zu 1.000.000 € (VZ bis 2023 jeweils 10.000.000 €) vom Gesamtbetrag der Einkünfte des dem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Veranlagungs‐ zeitraums abgezogen; soweit dies nicht möglich ist, ist der Verlust vom Gesamtbetrag der Einkünfte des zweiten dem VAZ vorangeganenen VAZ abzuziehen (§ 8 Abs. 1 S. 1 KStG i. V. m. § 10d Abs. 1 S. 2 EStG). Allerdings wird auf Antrag gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 10d Abs. 1 Satz 6 EStG ganz von einem solchen Verlustrücktrag abgesehen, so dass ein Wahlrecht bzgl. des Verlustrücktrags gegeben ist. Verbleibende negative Einkünfte werden im Rahmen des Verlustvortrags gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. 306 3 Körperschaftsteuer <?page no="307"?> § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG frühestmöglich vom Gesamtbetrag der Einkünfte in den folgenden Veranlagungszeiträumen abgezogen. Gem. § 10d Abs. 2 EStG ist auch für Kapitalgesellschaften eine Mindestbesteuerungsvorschrift zu beachten. Demnach sind bislang nicht ausgleichbare Verluste bis zu einer Einkommenshöhe von 1 Mio. Euro unbeschränkt, darüber hinaus zu 60 % vom Einkommen abziehbar. Der Gesamtbetrag der Einkünfte eines Veranlagungszeitraums wird somit gegebenenfalls durch den Verlustrücktrag bzw. den Verlustvortrag aus der nachfolgenden bzw. den vorausgegangenen Periode(n) gekürzt. Freibeträge Nach Vornahme des Verlustabzugs verringert sich das so errechnete Ein‐ kommen für bestimmte Körperschaften um die persönlichen Freibeträge, maximal aber um das Einkommen selbst. Der Freibetrag gem. § 24 KStG i. H. v. 5.000 € wird Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermö‐ gensmassen gewährt, die weder Vereine im Sinne des § 25 KStG noch Körperschaften bzw. Personenvereinigungen sind, deren Leistungen bei den Empfängern zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG gehö‐ ren. Da zu diesen Einnahmen insbesondere Dividenden und Gewinnanteile zählen, sind sämtliche Kapitalgesellschaften von der Anwendung dieses Freibetrags ausgeschlossen. Der Freibetrag nach § 25 KStG i. H. v. 15.000 € wird lediglich Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften bzw. Vereinen, welche ausschließlich Land- und Forstwirtschaft betreiben, gewährt. Tarifbelastung Das nach einem evtl. vorgenommenen Verlustabzug und einem u. U. zu berücksichtigenden Freibetrag errechnete zu versteuernde Einkommen un‐ terliegt der Tarifbesteuerung. Der Tarifsteuersatz beträgt gem. § 23 Abs. 1 KStG 15 %. Die Finanzbehörden setzen unter Anwendung des jeweiligen Tarifsteuer‐ satzes die Körperschaftsteuer fest. Allerdings ist diese festzusetzende Kör‐ perschaftsteuer von der jeweiligen Körperschaft im Allgemeinen nicht zu entrichten, weil sie bereits in einem bestimmten Umfang getilgt wurde: Zum 307 3.2 Steuerbemessungsgrundlage <?page no="308"?> einen sind zur Sicherung der laufenden Einnahmen der Gebietskörperschaf‐ ten gem. § 31 Abs. Satz 1 KStG i. V. m. § 37 Abs. 1 EStG auf die voraussicht‐ liche Körperschaftsteuerschuld eines Veranlagungszeitraums quartalsweise Vorauszahlungen zu leisten (jeweils am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember). Zum anderen wird wie bei der Einkommensteuer zur Sicherung des Steueraufkommens von Beteiligungs- und Zinserträgen gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. §§ 43 ff. EStG Kapitalertragsteuer einbehalten. Diese Quellensteuer ist - wie bei der Einkommensteuer auch - lediglich eine Erhebungsform der Körperschaftsteuer. Anzurechnende Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer Es ist zu beachten, dass Beteiligungserträge trotz ihrer späteren Befreiung von der Körperschaftsteuer bei ihrer Ausschüttung dem Kapitalertragsteu‐ erabzug unterliegen. Da es sich bei den Vorauszahlungen der einbehaltenen Kapitalertrag‐ steuer um Vorausleistungen auf die Körperschaftsteuerschuld handelt, sind die entsprechenden Beträge gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG auf die festzusetzende Körperschaftsteuer‐ schuld anzurechnen. Die danach verbleibende Körperschaftsteuerschuld führt dann entweder zu einer Nachzahlung oder zu einer Erstattung von Körperschaftsteuer. Beispiel: Der Gesamtbetrag der Einkünfte der Wilhelm-GmbH beträgt im Jahr 2022 100.000 €. Die Wilhelm-GmbH hat eine Dividendenzahlung der Werner-AG, an der die Wilhelm GmbH seit Jahren mit mehr als 20 % beteiligt ist, i. H. v. 15.000 € erhalten, von der bereits in korrekter Weise Kapitalertragsteuer i. H. v. 5.000 € (= 25 % der Bruttodividende von 20.000 €) einbehalten wurde. Der Gesamtbetrag der Einkünfte berücksichtigt bereits die Steuerfreiheit der Dividende aufgrund der Kürzungsvorschrift des § 8b Abs. 1 KStG. Im Jahr 2021 hat die GmbH ein negatives zu versteuerndes Einkommen i. H. v. ./ . 50.000 € erwirtschaftet. Dementsprechend wurden für 2022 keine Körperschaftsteuervorauszahlungen geleistet. Ein Verlustrücktrag in VZ 2020 wurde nicht durchgeführt. Die Körperschaftsteuer für das Jahr 2022 berechnet sich wie folgt: 308 3 Körperschaftsteuer <?page no="309"?> Beispiel_S282.pdf Gesamtbetrag der Einkünfte ./ . Verlustabzug (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 10d EStG) 100.000 € ./ . 50.000 € = Einkommen ./ . Freibetrag für bestimmte Körperschaften (§§ 24, 25 KStG) = 50.000 € - - - - = zu versteuerndes Einkommen x Tarifbelastung durch KSt gem. § 23 KStG = festzusetzende KSt ./ . anzurechnende KSt (z.B. Vorauszahlungen) ./ . anzurechnende KapESt = 50.000 € x 15 % = 7.500 € ./ . 0 € ./ . 5.000 € = verbleibende KSt-Nachzahlung = 2.500 € Nach dem Verlustabzug gem. § 10d Abs. 2 EStG beträgt das Einkommen der Wil‐ helm-GmbH in 2022 50.000 €. Ein Freibetrag nach § 24 KStG oder § 25 KStG wird der Wilhelm-GmbH nicht gewährt, da die Ausschüttungen an die Anteilseigner Einkünfte i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellen und die Wilhelm-GmbH keine Land- und Forstwirtschaft betreibt. Bei Anwendung der Tarifbelastung in Höhe von 15 % gem. § 23 Abs. 1 KStG ergibt sich eine festzusetzende Körperschaftsteuer i. H. v. 7.500 €. Von der Dividende wurden von der Werner-AG gem. § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG 25 % KapESt, d. h. 5.000 €, einbehalten und abgeführt, die entsprechend auf die Körperschaftsteuer-Schuld der Wilhelm-GmbH angerechnet werden kann. Somit ergibt sich eine verbleibende Körperschaftsteuer-Nachzahlung der Wilhelm-GmbH i. H. v. 2.500 €. 3.3 Optionsmodell Durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.06.2021 wurde in § 1a KStG mit Wirkung ab dem 01.01.2022 Personen‐ gesellschaften die Möglichkeit gewährt, für steuerliche Zwecke wie eine Kapitalgesellschaft behandelt zu werden. Wichtig ist, dass diese Option zur Körperschaftsbesteuerung nur für steuerliche Zwecke gilt und somit keinerlei Auswirkungen auf die handels- und gesellschaftsrechtliche Behandlung der fortbestehenden Personenge‐ sellschaft hat. Gemäß § 1a Abs. 1 S. 2 KStG ist der Antrag von der Personenhandels‐ gesellschaft nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfern‐ übertragung bei dem für die gesonderte und einheitliche Feststellung der 309 3.3 Optionsmodell <?page no="310"?> Einkünfte nach § 180 AO zuständigen Finanzamt spätestens einen Monat vor Beginn des Wirtschaftsjahrs zu stellen, ab dem die Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft gelten soll. Nach § 1a Abs. 2 KStG gilt der Übergang zur Körperschaftsbesteuerung als Formwechsel und ist gem. umwandlungss‐ teuerrechtlichen Vorschriften grundsätzlich steuerneutral zum Buchwert möglich. Wird die Option von der Personengesellschaft ausgeübt (sog. optierende Gesellschaft), wird nicht nur die Gesellschaft steuerlich wie eine Kapitalgesellschaft behandelt, sondern auch die Gesellschafter werden so behandelt, als hielten sie für steuerliche Zwecke nunmehr eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (§ 1a Abs. 3 S. 1 KStG). Die Option kann für Gesellschafter vorteilhaft sein, welche die günstigere Thesaurierungsbelastung einer Kapitalgesellschaft wünschen (15 % KSt, 14 % GewSt und 5,5 % SolZ, d. h. in der Summe 29,825 %), die einer Personengesellschaft grundsätzlich nicht möglich ist (hier Belastung auf Ebene der Gesellschafter von 42 % bzw. 45 % Spitzensteuersatz ohne The‐ saurierungsbegünstigung). Zusammenfassung ■ Grundsätzlich sind zwei Körperschaftsteuersysteme zu differenzieren: das klassische System und das Anrechnungssystem. ■ In Deutschland gilt in der betrieblichen Sphäre das Teileinkünftever‐ fahren und in der privaten Sphäre grundsätzlich die Abgeltungsteuer. Die Besteuerung vollzieht sich dabei in beiden Verfahren in zwei voneinander unabhängigen Schritten - auf Ebene der Körperschaft (Belastung mit Körperschaftsteuer) und im Ausschüttungsfall auf Ebene des Anteilseigners (Belastung mit Einkommensteuer). ■ Die Körperschaftsteuer ist eine Personensteuer; Steuersubjekt sind juristische Personen, Steuerobjekt das Einkommen. ■ Es ist zwischen unbeschränkter und beschränkter Körperschaftsteu‐ erpflicht zu unterscheiden. Bestimmte juristische Personen sind aus wirtschafts- und sozialpolitischen Gründen von der Körperschaftsteuer befreit. ■ Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens als Bemessungs‐ grundlage für die Körperschaftsteuer gelten die Vorschriften des Ein‐ kommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes. 310 3 Körperschaftsteuer <?page no="311"?> ■ Der handelsbilanzielle Gewinn ist Ausgangspunkt der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens für die Körperschaftsteuer. ■ Zunächst wird der Handelsbilanzgewinn an den Steuerbilanzgewinn angepasst. ■ Der Steuerbilanzgewinn ist mittels einer Nebenrechnung (außerhalb der Bilanz) zu korrigieren. Dabei sind Kürzungen von Erträgen und Hinzurechnungen von Aufwendungen vorzunehmen, welche innerhalb der Bilanz erfolgswirksam behandelt wurden. ■ Zu den Hinzurechnungen zählen: □ Verdeckte Gewinnausschüttungen □ Nicht abzugsfähige Aufwendungen i. S. d. § 10 KStG □ Nicht abzugsfähige Aufwendungen i. S. d. § 4 Abs. 5, Abs. 5b, § 4h und 4h, 4j, 4k EStG sowie §§ 8a, 8b Abs. 3, Abs. 5 KStG Spenden i. S. d. § 9 Abs. 2 Satz 1 KStG □ Spenden i. S. d. § 9 Abs. 2 Satz 1 KStG ■ Zu den Kürzungen zählen: □ Verdeckte Einlagen □ Steuerfreie Ausschüttungen i. S. d. § 8b Abs. 1 KStG ■ Der Körperschaftsteuersatz beträgt - unabhängig davon, ob die Ge‐ winne thesauriert oder ausgeschüttet werden - einheitlich 15 %. ■ Dividendenerträge, die von Körperschaften erzielt werden, sind gem. § 8b Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 KStG zu 95 % steuerfrei, sofern keine Streubesitzdividenden i. S. d. § 8b Abs. 4 KStG vorliegen ■ Veräußern Körperschaften Beteiligungen an in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften, ist der dadurch erzielte Gewinn zu 95 % steuerfrei (§ 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 KStG). ■ § 1a KStG führt die Optionsmöglichkeit von Personengesellschaften zur Körperschaftsbesteuerung ein. Diese Möglichkeit gilt nur für steu‐ erliche Zwecke und wirkt sich auf das Handels- und Gesellschaftsrecht nicht aus. Fragen 1. Wer unterliegt der Körperschaftsteuerpflicht? Gibt es Besonderheiten bzw. Ausnahmen? 2. Was ist die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer, wie wird sie ermittelt? 311 3.3 Optionsmodell <?page no="312"?> 3. Welche Modifikationen der Steuerbilanz sind vorzunehmen? Auf wel‐ che Art und Weise werden sie vorgenommen? 4. Was ist der Unterschied zwischen offener und verdeckter Gewinnaus‐ schüttung? 5. Wie kann es zu verdeckten Gewinnausschüttungen kommen? Weshalb sind verdeckte Gewinnausschüttungen von großer praktischer Bedeu‐ tung? 6. Was versteht man unter verdeckten Einlagen? Wie werden sie i. R. d. Ermittlung des zu versteuernden Einkommens behandelt? 7. Wie sind Gewinnausschüttungen an Anteilseigner zu versteuern, wenn die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft zum einen im Betriebsvermö‐ gen und zum anderen im Privatvermögen des Anteilseigners gehalten wird? 8. Weshalb sind Gewinnausschüttungen einer Kapitalgesellschaft an eine Kapitalgesellschaft, die keine Streubesitzdividenden i. S. d. § 8b Abs. 4 KStG darstellen, von der Besteuerung befreit? Was ist hinsichtlich der Betriebsausgaben zu beachten? 9. Welche nichtabzugsfähigen Aufwendungen können unterschieden werden? Nennen Sie jeweils drei Beispiele. 10. Was ist bei Spenden von Kapitalgesellschaften zu beachten? 11. Was bedeutet die Option zur Körperschaftsteuer für Personenhandels‐ gesellschaften? Literatur Heinz Kußmaul, Steuern, Berlin/ Boston, 4. Aufl. 2020, S. 129-165. Dieter Schneeloch, Stephan Meyering, Guido Patek, Betriebswirtschaftliche Steuer‐ lehre, Bd. 1: Grundlagen der Besteuerung, Ertragsteuern, München, 7. Aufl. 2016, S. 151-184. Klaus Tipke, Joachim Lang, Steuerrecht, Köln, 24. Aufl. 2021, S. 777-829. 312 3 Körperschaftsteuer <?page no="313"?> 4 Gewerbesteuer 4.1 Grundlagen 4.1.1 Charakterisierung der Gewerbesteuer Die Gewerbesteuer ist gem. § 3 Abs. 2 AO eine Realbzw. Objektsteuer. Steuergegenstand von Realsteuern sind Sachen bzw. Sachinbegriffe und Objekte. Im Falle der Gewerbesteuer ist der Steuergegenstand der Gewer‐ bebetrieb. Im Gegensatz zur Einkommenbzw. Körperschaftsteuer werden bei der Gewerbesteuer keine persönlichen Aspekte des Steuersubjekts berücksichtigt, da durch die Gewerbesteuer die objektivierte Ertragskraft des Gewerbebetriebs besteuert werden soll. Diese Ertragskraft ist strikt von der persönlichen Leistungsfähigkeit der Person des Gewerbetreibenden zu trennen. Kennzeichen der Gewerbesteuer: ■ Real-/ Objektsteuer ■ Ertragsteuer ■ Gemeindesteuer ■ Inlandsteuer ■ Jahressteuer Die Gemeinden sind berechtigt, die Gewerbesteuer als Gemeindesteuer zu erheben (§ 1 GewStG). Gem. Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG fällt das Aufkommen der Gewerbesteuer größtenteils den Gemeinden zu. Bund und Länder sind allerdings gem. Art. 106 Abs. 6 Satz 4 und 5 GG durch eine Umlage an der Gewerbesteuer beteiligt. Gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder inländische Betrieb der Gewerbesteuer. Daraus lässt sich ihr Inlandscharakter ableiten. Auslän‐ dische Gewerbebetriebe eines inländischen Steuerpflichtigen unterliegen nicht der Gewerbesteuer. Bemessungsgrundlage ist der Gewerbeertrag (§ 6 GewStG). <?page no="314"?> Die Gewerbesteuer ist eine Jahressteuer. Gem. § 14 Satz 2 und 3 GewStG ist der Erhebungszeitraum das Kalenderjahr. Auch bei der Gewerbesteuer ist die Bildung eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres möglich (§ 10 Abs. 2 GewStG). In diesem Fall gilt der Gewerbeertrag als in dem Er‐ hebungszeitraum bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Das Finanzamt ermittelt auf der Grundlage der Gewerbesteuererklärung (§ 14a GewStG) den Steuermessbetrag und erlässt den Gewerbesteuermessbescheid. Der Gewerbesteuer-Bescheid wird von der Gemeinde ausgefertigt, indem sie den Steuermessbetrag mit ihrem Hebesatz multipliziert. Politisch ist die Gewerbesteuer stark umstritten. Weder das Leistungs‐ fähigkeitsnoch das Äquivalenzprinzip können die Gewerbesteuer hinrei‐ chend rechtfertigen. Der Begründung der Gewerbesteuer durch das Leis‐ tungsfähigkeitsprinzip stehen bspw. entgegen: ■ Das Nettoprinzip wird nicht beachtet, d. h. der Abzug bestimmter betrieblicher Aufwendungen, wie bspw. Schuldzinsen oder Mietauf‐ wendungen, ist nur eingeschränkt möglich. ■ Die Gewerbesteuer stellt, sofern nicht auf die Einkommensteuer anre‐ chenbar, eine Sondersteuer für Gewerbebetriebe (Einzelunternehmen, Mitunternehmerschaften bzw. Kapitalgesellschaften) dar, da weder Land- und Forstwirte noch Freiberufler besteuert werden. ■ Es liegt eine standortabhängige Unternehmensbelastung vor, da der Hebesatz von jeder einzelnen Gemeinde eigenständig festgelegt wird. Auch die Begründung durch das Äquivalenzprinzip ist nicht frei von Wi‐ dersprüchen: ■ Eine Belastung der Gemeinden durch Gewerbebetriebe, die eine spezi‐ elle Steuer rechtfertigen würde, ist nur schwer nachzuweisen. ■ Es besteht kein Zusammenhang zwischen dem Gewerbeertrag und der Belastung der Gemeinde durch den Gewerbebetrieb. ■ Auch Freiberufler und land- und forstwirtschaftliche Betriebe nutzen die Leistungen der Gemeinden, unterliegen aber nicht der Gewerbe‐ steuer. Diese Kritik führte in der Vergangenheit immer wieder zu Diskussionen um die Gewerbesteuer, deren Steueraufkommen 2020 in Deutschland lt. statistischem Bundesamt 45,3 Mrd. € betrug. 314 4 Gewerbesteuer <?page no="315"?> 4.1.2 Steuergegenstand Steuergegenstand der Gewerbesteuer ist der Gewerbebetrieb. Das Gewer‐ besteuergesetz kennt zwei Arten des Gewerbebetriebs. Der Gewerbesteuer unterliegt einerseits jeder stehende Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG) und andererseits Reisegewerbebetriebe (§ 35a Abs. 1 GewStG). Gem. § 1 GewStDV ist jeder Gewerbebetrieb ein stehender Gewerbebetrieb, sofern er keinen Reisegewerbebetrieb i. S. d. § 35a GewStG darstellt. Die Besonderheit eines Reisegewerbebetriebes ist, dass keine feste Betriebsstätte unterhalten wird und daher unklar ist, welche Gemeinde die Gewerbesteuer einfordern darf. Gem. § 35a Abs. 3 GewStG wird die Steuer von derjenigen Gemeinde erhoben, in der der Schwerpunkt der gewerblichen Tätigkeit des Reisegewerbebetriebes liegt. Abb. 64: Die Arten des Gewerbebetriebs Wird sowohl ein stehendes Gewerbe als auch ein Reisegewerbe betrieben, ist zu unterscheiden, ob ein einheitlicher Betrieb oder zwei selbständige Betriebe vorliegen. Im Rahmen eines einheitlichen Gewerbebetriebs ist der gesamte Betrieb, bestehend aus Reisegewerbe und stehendes Gewerbe, in vollem Umfang als stehendes Gewerbe zu behandeln. Die besonderen Regelungen zum Reisegewerbebetrieb kommen nicht zur Anwendung. Darüber hinaus lassen sich drei Formen des stehenden Gewerbebetriebs unterscheiden: 315 4.1 Grundlagen <?page no="316"?> ■ Ein Gewerbebetrieb kraft gewerblicher Betätigung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG) liegt vor, wenn ein gewerbliches Unternehmen i. S. d. Einkommensteuergesetzes gegeben ist, d. h., wenn eine selbständige, nachhaltige, mit Gewinnerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr dar‐ stellt, ausgeübt wird (R 2.1 Abs. 1 GewStR, H 2.1 Abs. 1 GewStH). Dabei darf es sich nicht um eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit, die Ausübung eines freien Berufes bzw. reine Vermögensverwaltung handeln. Unter den Gewerbebetrieb kraft gewerblicher Betätigung fallen bspw. Personengesellschaften, die eine Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausüben und deren Gesellschafter als Mitunter‐ nehmer anzusehen sind. Personengesellschaften können auch ohne ei‐ gene gewerbliche Betätigung einen Gewerbebetrieb unterhalten, wenn persönlich haftende Gesellschafter ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften sind und nur diese Kapitalgesellschaften oder Nichtgesellschafter Geschäftsführer sind (sog. gewerblich geprägte Personengesellschaft gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG). ■ Ein Gewerbebetrieb kraft Rechtsform ist stets bei Kapitalgesell‐ schaften gegeben (§ 2 Abs. 2 GewStG). Es muss nicht mehr geprüft werden, ob die Tätigkeit ein Gewerbe darstellt, da die Gewerbesteuer‐ pflicht an die Rechtsform anknüpft. ■ Gewerbebetriebe kraft wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (§ 2 Abs. 3 GewStG) liegen vor, wenn sonstige juristische Personen (bspw. eingetragene Vereine) und nichtrechtsfähige Vereine (bspw. Arbeitsge‐ meinschaften) einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i. S. d. § 14 AO ausüben. Dieser ist bei Vorliegen einer selbständigen, nachhaltigen Tätigkeit, durch die Einnahmen erzielt werden und die über den Rah‐ men einer bloßen Vermögensverwaltung hinausgeht, gegeben. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Beispiel: Der steuerbefreite, gemeinnützige Fußballverein DJK Ingolstadt unterhält auch eine Vereinsgaststätte. Bedingung für die Erhebung der Gewerbesteuer ist, dass der Gewerbebetrieb im Inland liegt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Das bedeutet, dass im Inland eine Betriebsstätte unterhalten werden muss. Eine Betriebsstätte ist jede feste 316 4 Gewerbesteuer <?page no="317"?> Einrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient (§ 12 AO). Dazu zählen vornehmlich: ■ die Stätte der Geschäftsleitung, ■ Zweigniederlassungen, ■ Geschäftsstellen, ■ Fabrikations- oder Werkstätten, ■ Ein- und Verkaufsstellen. Nicht alle Betriebe unterliegen der Gewerbesteuer. In § 3 GewStG werden bestimmte von der Gewerbesteuer befreite Betriebe genannt, wie z. B. gemeinnützige Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögens‐ massen. Diese Regelung korrespondiert mit § 5 KStG. So ist bspw. eine gemeinnützige Körperschaft i. S. d. §§ 51 ff. AO gem. § 3 Nr. 6 GewStG von der Gewerbesteuer befreit. Voraussetzungen für die Besteuerung: ■ Gewerbebetrieb i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 oder § 35a Abs. 1 GewStG ■ Gewerbebetrieb liegt im Inland Unterhalten Mitunternehmerschaften und Kapitalgesellschaften mehrere Gewerbebetriebe, so sind diese als einheitlicher Gewerbebetrieb zu betrach‐ ten, auch wenn unterschiedliche Geschäftszweige zusammengefasst sind. Demnach können Mitunternehmerschaften und Kapitalgesellschaften je‐ weils nur über einen einzigen Gewerbebetrieb verfügen. Beispiel: Die Blaues Wunder AG betreibt in Dresden einen Designer Outlet Shop, ein Delikatessen Restaurant in Leipzig, eine Schreinerei in Chemnitz und ein Elekt‐ ronikgeschäft in Freiberg. Die Blaues Wunder AG unterhält einen einzigen Gewerbebetrieb mit vier Be‐ triebsstätten. Bei natürlichen Personen hingegen liegt nur ein einzelner Gewerbebetrieb vor, soweit die verschiedenen gewerblichen Tätigkeiten des Einzelunter‐ nehmens nach der Verkehrsauffassung und nach den Betriebsverhältnissen als Teile eines einzigen gewerblichen Betriebes anzusehen sind. Demnach bilden gleichartige und sachlich (insbesondere wirtschaftlich, finanziell und 317 4.1 Grundlagen <?page no="318"?> organisatorisch) innerlich zusammenhängende Betriebe eine Einheit und stellen nur ein Steuerobjekt dar. Beispiel: Der Einzelunternehmer Fritz betreibt in Ilmenau eine Metzgerei und eine räum‐ lich damit verbundene Gaststätte. Metzgerei und Gaststätte des Einzelunternehmers Fritz sind als einziger Gewer‐ bebetrieb anzusehen. Handelt es sich aufgrund der Verschiedenartigkeit der Betriebe um mehrere wirtschaftliche Einheiten, wird jedes dieser Einheiten als ein eigenes Steu‐ erobjekt betrachtet. Beispiel: Der Einzelunternehmer Kalle betreibt ein Eishockey Fanartikel Geschäft in Erfurt und eine chemische Fabrik in Jena. Bei mehreren gewerblichen Tätigkeiten von Mitunternehmerschaften und Kapitalgesellschaften ist immer von einem einheitlichen Gewer‐ bebetrieb auszugehen. Bei Einzelunternehmen sind die Betriebsver‐ hältnisse und die Verkehrsauffassung entscheidend dafür, ob ein oder mehrere Steuerobjekte vorliegen. 4.1.3 Persönliche Steuerpflicht Die persönliche Steuerpflicht wird bei der Gewerbesteuer als Realsteuer über die Steuerschuldnerschaft konkretisiert. Steuerschuldner der Gewer‐ besteuer ist der Unternehmer (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Als Unternehmer gilt derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen betrieben wird (§ 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Im Rahmen der Gewerbesteuer ist eine Personengesellschaft - im Un‐ terschied zur Behandlung bei der Einkommensteuer - selbst Steuerschuld‐ ner (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Dies lässt sich mit der Teilrechtsfähigkeit der Personengesellschaft begründen. Bei Einzelunternehmen ist der Inhaber Steuerschuldner, im Falle einer Kapitalgesellschaft ist es die Gesellschaft. 318 4 Gewerbesteuer <?page no="319"?> Gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG ist die Personengesellschaft selbst Steuerschuldner und damit gewerbesteuerpflichtig. 4.2 Gewinn aus Gewerbebetrieb Ausgangspunkt für die Berechnung der Gewerbesteuerbemessungsgrund‐ lage ist gem. § 7 Satz 1 GewStG der Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und/ oder des Körperschaftsteuergesetzes ermittelt wurde. Definitionsgemäß unterliegen nur die Einkünfte aus § 15 EStG der Gewerbesteuer. Daraus folgt, dass insbesondere Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit gem. § 18 EStG nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Aus der Formulierung des § 7 Satz 1 GewStG „der nach den Vorschriften des EStG oder KStG ermittelt wurde“ folgt, dass das Gewerbesteuergesetz in ei‐ nem ersten Schritt sämtliche Aufwands- und Ertragsanpassungen auf‐ grund von Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Kör‐ perschaftsteuergesetzes (z. B. § 4 Abs. 5 EStG, § 10 KStG) übernimmt. Allerdings normiert das Gewerbesteuergesetz in einem zweiten Schritt die Vornahme eigener Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften. Diese eigenen, in den §§ 8 und 9 GewStG aufgeführten Anpassungsvorschriften 319 4.2 Gewinn aus Gewerbebetrieb <?page no="320"?> gelten ausdrücklich nur für die Gewerbesteuer und sind daher nicht in die einkommensteuerliche bzw. körperschaftsteuerliche Bemessungsgrund‐ lage miteinzubeziehen. Ziel der Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschrif‐ ten ist es, dem Charakter der Gewerbesteuer als Realbzw. Objektsteuer Rechnung zu tragen - indem die „objektivierte“ Ertragskraft des Betriebes ermittelt wird - sowie den Inlandscharakter der Gewerbesteuer zu gewähr‐ leisten. Zudem vermeiden bzw. vermindern Kürzungsvorschriften eine Doppelbelastung mit Gewerbesteuer bzw. Realsteuern. Da sich sämtliche gewerbesteuerlichen Anpassungsvorschriften nur auf die Gewerbesteuer beziehen, müssen diese Korrekturen immer außerhalb der Bilanz erfolgen. Der Gewinn nach dem EStG oder KStG ist der Ausgangswert für die Ermittlung der Gewerbesteuerbemessungsgrundlage. Zudem sind bei der Berechnung eigene im Gewerbesteuergesetz normierte Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften zu beachten. Für Einzelunternehmen sind die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Gewinn nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Bei Personengesellschaften ist die Ausgangsgröße zur Ermittlung der Gewerbesteuer der Gewinn der Mitun‐ ternehmerschaft gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Zu dem Gewinn der Mitunternehmerschaft zählen sowohl die Gewinnanteile an der Personen‐ gesellschaft als auch die Sondervergütungen an die Gesellschafter i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Als Gewinn aus Gewerbebetrieb gilt für Kapitalgesellschaften das körperschaftsteuerliche Einkommen gem. § 8 Abs. 1 KStG. Abb. 65: Ziele der gewerbesteuerlichen Modifikationen 320 4 Gewerbesteuer <?page no="321"?> Aufgrund der Selbständigkeit der Ertragsermittlung dürfen weder der Ver‐ lustabzug nach § 10d EStG noch die Freibeträge gem. §§ 24, 25 KStG den Gewinn aus Gewerbebetrieb mindern (R 7.1 Abs. 4 GewStR). Zum Gewerbeertrag gehören bei Einzelgewerbetreibenden und bei Per‐ sonengesellschaften grundsätzlich nur laufende Gewinne, während ein‐ malige Gewinne nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Laufende Gewinne werden durch die zur „normalen“ Geschäftstätigkeit gehörenden Vorgänge bestimmt. Außerordentliche Gewinne nach § 16 EStG, wie z. B. Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe des Gewerbebetriebs, bleiben deshalb bei der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage außer Ansatz. Hierfür wird jedoch vorausgesetzt, dass der Gewinn unmittelbar auf natürliche Personen entfällt. Dahingegen normiert § 7 Satz 2 GewStG eine Ausnahme, nach der Gewerbesteuerpflicht besteht, falls die Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe ■ des ganzen Betriebes oder eines Teilbetriebes einer Mitunternehmer‐ schaft, ■ eines Mitunternehmeranteils, ■ des Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Komman‐ ditgesellschaft auf Aktien nicht auf natürliche Personen als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer, sondern auf unmittelbar beteiligte Personenbzw. Kapitalgesellschaften entfallen. Diese Gewinne sind folglich in den Gewerbeertrag einzubeziehen. 4.2.1 Hinzurechnungen gemäß § 8 GewStG Das Gewerbesteuergesetz normiert in § 8 GewStG eigene Hinzurechnungs‐ vorschriften. Dadurch werden bereits geltend gemachte Betriebsausgaben für Zwecke der Gewerbesteuer vom Abzug ausgeschlossen. Die Hinzu‐ rechnungen erhöhen die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage, wirken sich aber nicht auf die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer oder der Körperschaftsteuer aus. 321 4.2 Gewinn aus Gewerbebetrieb <?page no="322"?> Nachfolgend werden zunächst die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG näher betrachtet. Diese Regelung erfordert eine Hinzurechnung von 25 % der Summe aller Einzelbeträge i. S. d. § 8 Nr. 1 Bst. a bis f GewStG. Dabei werden nachfolgende Sachverhalte erfasst: + Alle Entgelte für Schulden, die wirtschaftlich mit dem Gewerbebe‐ trieb verbunden sind (§ 8 Nr. 1 Bst. a GewStG). Unter „Entgelt für Schulden“ versteht man insbesondere Zinsen, aber auch gewinnabhän‐ gige Zinszuschläge, Damnum oder Disagio (R 8.1 Abs. 1 GewStR). Voraussetzung für die Hinzurechnung von Fremdkapitalzinsen ist, dass die entsprechenden Betriebsausgaben zuvor bei der Ermittlung des Gewinns abzugsfähig waren. Bei der Hinzurechnung von Zinsen bzw. Lizenzen ist daher zu beachten, dass ihre Abzugsfähigkeit nicht durch die Regelungen zur Zinsschranke gem. § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG bzw. durch die Regelungen zu den Aufwendungen für Rechteüberlassung gem. § 4j EStG oder § 4k EStG begrenzt wurde. Eine Hinzurechnung unterbleibt des Weiteren auch dann, wenn die Zinsen als Sonderbe‐ triebseinnahmen eines Gesellschafters wieder hinzugerechnet werden. Gewährte Kundenrabatte und Skonti sowie ähnliche wirtschaftliche Vorteile im Zusammenhang mit der Erfüllung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen vor Fälligkeit werden hingegen nur als Entgelte erfasst, falls sie nicht dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entsprechen (z. B. bei unüblich langen Zahlungszielen für Skonti). 322 4 Gewerbesteuer <?page no="323"?> Ziel dieser Hinzurechnung ist es, eine weitgehend finanzierungsneutrale Gewerbesteuerbelastung zu ermitteln. Es soll für Zwecke der Gewerbesteuer keinen Unterschied machen, ob der Betrieb mit Eigenkapital oder mit Fremdkapital finanziert wird. Erfolgt eine Finanzierung mit Eigenkapital, fallen keine Schuldzinsen an. Aus diesem Grunde werden für den Fall, dass eine Fremdfinanzierung vorliegt, 25 % der Schuldzinsen als nicht abzugsfähig behandelt und somit dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet. Auf diese Weise erfolgt eine Angleichung der beiden Finan‐ zierungsarten. Abb. 66: Hinzurechnungen i. S. d. § 8 Nr. 1 GewStG + Sämtliche Renten und dauernde Lasten sind gem. § 8 Nr. 1 Bst. b GewStG der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage wieder hinzu‐ zurechnen. Bei der Hinzurechnung sind nur aufwandswirksame Kom‐ ponenten, wie z. B. der Zinsanteil, zu berücksichtigen. Dies entspricht dem Grundsatz, dass nur der Teil außerhalb der Bilanz korrigiert werden muss, der bereits in der Gewinn- und Verlustrechnung aufwandswirk‐ sam verrechnet wurde. Darüber hinaus erfolgt gem. § 8 Nr. 1 Bst. b Satz 2 GewStG keine Hinzurechnung von Pensionsverpflichtungen aus Direktzusagen eines Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern. Grund dieser Hinzurechnung ist wie bei der Hinzurechnung gem. 323 4.2 Gewinn aus Gewerbebetrieb <?page no="324"?> § 8 Nr. 1 Bst. a GewStG, dass eine möglichst finanzierungsneutrale Gewerbesteuerbelastung ermittelt werden soll. + Die Gewinnanteile von stillen Gesellschaftern i. S. d. § 230 HGB sind gem. § 8 Nr. 1 Bst. c GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen. In diesem Zusammenhang muss zwischen typisch und atypisch stillen Gesellschaftern unterschieden werden. Beteiligt sich jemand als typisch stiller Gesellschafter, d. h. er ist kein Mitunternehmer, sondern erzielt Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 EStG, am Handelsgewerbe eines Dritten, so mindert - für einkommensteuerliche Zwecke - der Gewinnanteil des stillen Gesellschafters als abzugsfähige Betriebsausgabe den Gewinn aus Gewerbebetrieb des Inhabers des Handelsgewerbes. Um die Neutralität der Finanzierung und damit den Objektcharakter der Gewerbesteuer sicherzustellen, müssen die Gewinnanteile hinzugerechnet werden, da die typisch stille Gesellschaft als Form der Fremdfinanzierung zu qualifizieren ist. Der atypisch stille Gesellschafter ist hingegen Mitunternehmer. Sein Ergebnisanteil min‐ dert daher den Gewinn der Mitunternehmerschaft, die Steuersubjekt der Gewerbesteuer ist, nicht. Eine Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Bst. c GewStG erübrigt sich daher. Beispiel: Herr Max ist als typisch stiller Gesellschafter am Handelsgewerbe von Herrn Moritz beteiligt. Die Beteiligung hält Herr Max im Privatvermögen. Im Jahr 2022 beläuft sich der Gewinnanteil des Herrn Max auf 20.000 €. Herr Moritz verbucht den Betrag in voller Höhe als Betriebsausgabe. Der erzielte Gewinnanteil i. H. v. 20.000 € stellt bei Herrn Max gem. § 20 EStG Einkünfte aus Kapitalvermögen dar und unterliegt bei ihm somit nicht Gewerbesteuer. Da Herr Moritz den Gewinnanteil als Betriebsausgabe erfasst hat, wurde sein einkommensteuerlicher Gewinn und somit der Ausgangspunkt für die Berech‐ nung der Gewerbesteuerbemessungsgrundlage gemindert. Deshalb greift die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 1 Bst. c GewStG hinsichtlich des als Aufwand verbuchten Gewinnanteils i. H. v. 20.000 €. + Zu den Hinzurechnungen zählt gem. § 8 Nr. 1 Bst. d GewStG „ein Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen“. Als Beispiel hierfür sind Entgelte für gemietete bzw. geleaste Maschinen oder Pkw zu nennen. Durch diese 324 4 Gewerbesteuer <?page no="325"?> Vorschrift soll der Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer dadurch gewahrt werden, dass die Gewerbesteuer unabhängig davon sein soll, ob der gewerbesteuerpflichtige Unternehmer selbst Eigentümer der Wirtschaftsgüter ist oder die Wirtschaftsgüter gegen Zahlung von Miet- oder Pachtzinsen zur Verfügung gestellt werden. Aus diesem Grunde sind 20 % der hierfür als Aufwand geltend gemachten Miet- und Pachtzinsen der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage wie‐ der hinzuzurechnen. Der effektive Hinzurechnungssatz für Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens beträgt somit 5 %. + Darüber hinaus erfordert § 8 Nr. 1 Bst. e GewStG eine Erhöhung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage um 50 % der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Ei‐ gentum eines anderen stehen. Als Beispiel hierfür sind u. a. Entgelte für angemietete Räumlichkeiten anzuführen. Auch diese Regelung dient der Wahrung des Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer. Der effektive Hinzurechnungssatz für Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens beträgt somit 12,5 %. + Zudem ist gem. § 8 Nr. 1 Bst. f GewStG eine Hinzurechnung i. H. v. 25 % der Aufwendungen für die zeitlich befristete überlassung von Rechten vorzunehmen (effektiver Hinzurechnungssatz 6,25 %). Hiervon sind insbesondere Aufwendungen für Konzessionen und Li‐ zenzen betroffen, die der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer hinzuzurechnen sind. Eine Ausnahme stellen diesbezüglich jedoch Li‐ zenzvereinbarungen dar, die lediglich das Recht, abgeleitete Rechte des Lizenzgebers Dritten zur Verfügung zu stellen, zum Gegenstand haben (sog. Zwischenlizenzen). Derartige Vereinbarungen entsprechen einem reinen Vertriebsvertrag und werden nicht durch § 8 Nr. 1 Bst. d GewStG erfasst. Gem. § 8 Nr. 1 GewStG sind die Einzelbeträge der Bst. a bis f aufzuaddieren, um anschließend 25 % der ermittelten Summe der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage hinzuzurechnen. Zuvor ist die Summe der Einzelbe‐ träge jedoch um einen Freibetrag i. H. v. 200.000 € zu kürzen (§ 8 Nr. 1 GewStG). 325 4.2 Gewinn aus Gewerbebetrieb <?page no="326"?> Neben § 8 Nr. 1 GewStG sind noch weitere Hinzurechnungen im Rahmen der Ermittlung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage zu berück‐ sichtigen: + Gem. § 8 Nr. 5 GewStG werden Dividenden, die gem. § 3 Nr. 40 EStG zu 40 % oder gem. § 8b Abs. 1 KStG vollständig steuerbefreit sind, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet, wenn die Voraussetzungen für das sog. gewerbesteuerliche Schachtelprivileg gem. § 9 Nr. 2a, 7 GewStG nicht gewährt werden kann. Aus diesem Grunde werden die Vergünstigungen durch das Teileinkünfteverfahren sowohl für natürliche Personen (Versteuerung nur zu 60 %) als auch für Kapitalgesellschaften (Steuerfreistellung zur Gänze, sofern keine Streubesitzdividenden vorliegen) für Zwecke der Gewerbesteuer wieder rückgängig gemacht, wenn nicht die Voraussetzungen der korrespon‐ dierenden Kürzungsvorschrift gem. § 9 Nr. 2a, 7 GewStG gegeben sind. Aufwendungen, die mit diesen Dividenden im Zusammenhang stehen und bisher ebenfalls ganz oder teilweise außer Ansatz geblieben sind, dürfen ergebnismindernd berücksichtigt werden. Gem. § 9 Nr. 2a GewStG ist bei Dividendenausschüttungen inländischer Kapitalgesell‐ schaften die Kürzung zu gewähren, wenn der Gesellschafter zu Beginn des Erhebungszeitraumes zu mindestens 15 % beteiligt ist (nationales gewerbesteuerliches Schachtelprivileg). Bei Dividendenausschüttungen ausländischer Kapitalgesellschaften ist gem. § 9 Nr. 7 GewStG für die Steuerfreistellung eine mindestens 15 %ige Beteiligung ununterbro‐ chen seit Beginn des Erhebungszeitraumes Voraussetzung. Darüber hinaus muss die ausländische Kapitalgesellschaft auch aktiv i. S. d. § 8 Abs. 1 AStG tätig sein, d. h. es darf sich z. B. nicht um eine Briefkasten‐ gesellschaft handeln (internationales gewerbesteuerliches Schachtelpri‐ vileg). Durch das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg wird die gleiche Zielsetzung verfolgt wie mit der Kürzung von Gewinnanteilen an Per‐ sonengesellschaften: Die Besteuerung soll bei dem Rechtsträger, der die Erfolge erwirtschaftet hat, vorgenommen werden. Dem widersprechend kommt es allerdings bei einer Beteiligung von weniger als 15 % an einer Kapitalgesellschaft zu einer gewerbesteuerlichen Mehrfachbelastung, sofern die Anteile an der Kapitalgesellschaft zum Gewerbebetrieb des Gesellschafters gehören. 326 4 Gewerbesteuer <?page no="327"?> Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg hat zum Ziel, dass die Be‐ steuerung nur bei demjenigen Rechtsträger erfolgt, der die Erfolge erwirtschaftet hat. Beispiel: An der inländischen Kerner AG ist a) die Heisterkamp-GmbH b) der Einzelgewerbetreibende Martin seit mehreren Jahren zu 12 % beteiligt. Die Beteiligung an der Kerner AG wird im Betriebsvermögen gehalten. Im Jahr 2022 entfällt eine Dividende i. H. v. 50.000 € auf diese 12 %ige Beteiligung. In unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit dieser Dividende stehen Zinsen i. H. v. 7.000 €, die zur Finanzierung der Beteiligung aufgewendet wurden. a) Gem. § 8b Abs. 1 KStG sind im Rahmen der körperschaftsteuerlichen Gewinnermittlung die Dividendeneinnahmen i. H. v. 50.000 € steuerfrei. Allerdings gelten gem. § 8 Abs. 5 KStG 5 % dieser Einnahmen, d. h. 2.500 € (5 % von 50.000 €), als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben, so dass lediglich 95 % der Dividendenbezüge freigestellt werden. Demnach beläuft sich die Gewinnkorrektur auf 47.500 €. Die tatsächlichen Aufwendungen i. H. v. 7.000 € sind in vollem Umfang abziehbar. Da die Heisterkamp-GmbH nur zu 12 % an der Kerner AG beteiligt ist, sind die Voraussetzungen für das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg nicht erfüllt. Gem. § 8 Nr. 5 GewStG hat bei der Ermittlung des Gewerbeertrags eine Hinzurechnung des Korrekturbetrags i. H. v. 47.500 € zu erfolgen. Die nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben i. H. v. 2.500 € haben die Ausgangsgröße zur Ermittlung der Gewerbesteuer bereits erhöht. Die körperschaftsteuerliche Steuerbefreiung wird somit gewerbesteuerlich wieder rückgängig gemacht. Nach Abzug der Aufwendungen i. H. v. 7.000 € sind letztendlich 43.000 € gewerbesteuerpflichtig. Zudem sind 25 % der Zinsen i. H. v. 7.000 € nach § 8 Nr. 1 Bst. a GewStG als Entgelte für Schulden hinzuzurechnen, da sie die Ausgangsgröße gemindert haben. b) Die Dividendeneinnahme wird bei der Ermittlung des einkommensteuerli‐ chen Gewinns gem. § 3 Nr. 40 Bst. d EStG zu 60 %, d. h. i. H. v. 30.000 € angesetzt. Zudem sind 60 % der Zinsen, d. h. 4.200 €, abziehbar. 327 4.2 Gewinn aus Gewerbebetrieb <?page no="328"?> Auch im Falle des Einzelgewerbetreibenden Martin sind die Voraussetzun‐ gen des § 9 Nr. 2a GewStG nicht erfüllt. Folglich hat eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG zu erfolgen. In der Ausgangsgröße für die Gewerbesteuer sind bisher nur 60 % der Dividendenerträge enthalten. Es muss somit eine Hinzurechnung des steuerfreien 40 %igen Anteils der Dividende i. H. v. 20.000 € erfolgen, damit die Dividendenerträge vollständig in der gewerbe‐ steuerlichen Bemessungsgrundlage erfasst sind. Die Hinzurechnung erfolgt unter Abzug der bislang außer Ansatz gebliebenen Zinsaufwendung i. H. v. 2.800 € (40 % von 7.000 €). Letztendlich ist somit ein Betrag i. H. v. 17.200 € hinzuzurechnen. Insgesamt sind Einkünfte aus der Streubesitzdividende i. H. v. 43.000 € gewerbesteuerpflichtig. Auch hier sind 25 % der Zinsen i. H. v. 7.000 € nach § 8 Nr. 1 Bst. a GewStG als Entgelte für Schulden hinzuzurechnen. + Die Verlustanteile an einer in- oder ausländischen Personenge‐ sellschaft (Mitunternehmerschaft) müssen gem. § 8 Nr. 8 GewStG dem Ergebnis wieder hinzugerechnet werden. Bezüglich der Hinzurech‐ nung der Verlustanteile an inländischen Personengesellschaften ist der Zweck darin zu sehen, dass sowohl ein Gewinn als auch ein Verlust für Zwecke der Gewerbesteuer nur auf der Ebene der Perso‐ nengesellschaft berücksichtigt werden darf. Eine Auswirkung auf die einzelnen Mitunternehmer soll sich nicht ergeben. Der Verlust einer Personengesellschaft, der anteilig dem Gesellschafter zuzurechnen ist, muss, damit der Verlust der Personengesellschaft keine Auswirkung auf die Gewerbesteuer des Gesellschafters haben kann, für Zwecke der Gewerbesteuer auf Ebene des Gesellschafters wieder hinzuaddiert wer‐ den. Bezüglich der Hinzurechnung der Verlustanteile an ausländischen Personengesellschaften ist der Zweck der Norm darin zu sehen, dass der Inlandscharakter der Gewerbesteuer gewährleistet bleibt. Verluste aus ausländischen Personengesellschaften haben dadurch - ebenso wie Verlustanteile an inländischen Personengesellschaften - keine Aus‐ wirkung auf die Gewerbesteuer des Gesellschafters. Diese Vorschrift korrespondiert mit der Kürzung von Gewinnen einer in- oder ausländi‐ schen Mitunternehmerschaft (§ 9 Nr. 2 GewStG). Hinzurechnungen i. S. d. § 8 GewStG sind: ■ ein Viertel der Schuldzinsen, ■ ein Viertel der Renten und dauernden Lasten, 328 4 Gewerbesteuer <?page no="329"?> ■ ein Viertel der Gewinnanteile typisch stiller Gesellschafter, ■ 5 % (= 25% × 20 %) der Miet- und Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter, ■ 12,5% (= 25% × 50 %) der Miet- und Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter, ■ 6,25% (= 25% × 25 %) der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten, ■ anteilig und vollständig steuerfreie Dividenden, wenn die Vor‐ aussetzungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs nicht erfüllt sind, ■ Verlustanteile an Personengesellschaften, ■ Spenden von Kapitalgesellschaften. + Kapitalgesellschaften müssen gem. § 8 Nr. 9 GewStG sämtliche Spenden i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG den Einkünften aus Gewerbebetrieb wieder hinzurechnen, da sich diese auf das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen ausgewirkt haben. Anschließend wird gem. § 9 Nr. 5 GewStG der abzugsfähige Teil der Spenden ermittelt, der die gewer‐ besteuerliche Bemessungsgrundlage verringern darf. Diese Vorgehens‐ weise entspricht der des Körperschaftsteuergesetzes, da auch hier erst eine Hinzurechnung sämtlicher als Aufwand geltend gemachten Spen‐ den erfolgt (§ 9 Abs. 2 Satz 1 KStG) und erst nach Ermittlung des abzugsfähigen Teils eine entsprechende Kürzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG) vorgenommen wird. 4.2.2 Kürzungen gemäß § 9 GewStG Im Folgenden werden die wichtigsten Kürzungstatbestände gem. § 9 GewStG erläutert. Wie im vorherigen Kapitel verdeutlicht wurde, korre‐ spondieren Kürzungsvorschriften häufig mit Hinzurechnungstatbeständen des § 8 GewStG. 329 4.2 Gewinn aus Gewerbebetrieb <?page no="330"?> Nochmals soll hervorgehoben werden, dass die Kürzungen ebenso wie die Hinzurechnungen nur für die Gewerbesteuer vorzunehmen sind und somit nicht die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer bzw. der Kör‐ perschaftsteuer beeinflussen. Durch den Abzug bestimmter Beträge vom Gewinn aus Gewerbebetrieb wird vor allem einer Doppelbzw. Mehrfachbe‐ lastung mit Gewerbesteuer entgegengewirkt. Ferner soll der Objektsteuer- und Inlandscharakter der Gewerbesteuer sichergestellt werden. ./ . Der Gewinn aus Gewerbebetrieb ist gem. § 9 Nr. 1 GewStG um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes zu kürzen. Die Kürzung dient der Vermeidung einer Doppelbelastung mit zwei Realsteuern bzw. mit zwei Steuern, die den Gemeinden zustehen. Dies sind die Grundsteuer (GrSt) und die Gewerbesteuer. Ob der Grundbesitz zum Betriebsvermögen zählt, hängt von den Vorschriften des EStG und KStG ab. Wenn z. B. ein Grundstück im Laufe des betreffenden Kalenderjahres veräußert wird, hat dennoch eine Kürzung zu erfolgen. Wird allerdings ein Grundstück im Laufe des Jahres erworben, erfolgt keine Kürzung. Maßgebend ist also der Stand zu Beginn des Kalenderjahres. Als Bemessungsgrundlage der Kürzung wird das 1,4-fache des auf den Wertverhältnissen vom 01.01.1964 beru‐ henden Einheitswertes herangezogen (§ 121a BewG). Darüber hinaus ist im Hinblick auf diese Kürzung jedoch zu berücksichtigen, dass sie nur 330 4 Gewerbesteuer <?page no="331"?> zulässig ist, falls der betreffende Grundbesitz nicht von der Grundsteuer befreit wurde (§ 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG). Beispiel: Zum Betriebsvermögen der Sissi GmbH zählen im Jahr 2022 mehrere bebaute Grundstücke mit einem Einheitswert i. H. v. insgesamt 400.000 €. Die Grundstücke sind nicht von der Grundsteuer befreit. Um eine Doppelbesteuerung mit zwei Realsteuern zu vermeiden, ist der Gewer‐ beertrag im Jahr 2022 zu kürzen. Der Kürzungsbetrag beträgt 1,2 % des um den Faktor 1,4 erhöhten Einheitswertes i. H. v. 400.000 €. Der erhöhte Einheitswert beträgt 560.000 € (140 % von 400.000 €). Somit ergibt sich ein Kürzungsbetrag i. H. v. 6.720 € (1,2 % von 560.000 €). ./ . Korrespondierend zur Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 8 GewStG wird der Gewinn aus Gewerbebetrieb um die Anteile am Gewinn einer inbzw. ausländischen Personengesellschaft gem. § 9 Nr. 2 GewStG gekürzt. Bezüglich der Kürzung der Gewinnanteile an inlän‐ dischen Personengesellschaften ist der Zweck darin zu sehen, dass die Personengesellschaft selbst als Steuersubjekt der Gewerbesteuer anzusehen ist und daher selbst Gewerbesteuer zu zahlen hat. Für Zwecke der Einkommensteuer gilt jedoch die Personengesellschaft nicht als Steuersubjekt, sondern die einzelnen Gesellschafter, die jeweils mit ihrem Gewinnanteil Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielen. Dieser Gewinnanteil unterlag jedoch auf Ebene der Personengesellschaft bereits der Gewerbesteuer, so dass zur Vermeidung einer Doppelbelastung mit Gewerbesteuer die Gewinnan‐ teile zur Berechnung der Gewerbesteuer des einzelnen Gesellschafters wieder abgezogen werden müssen. Diesen Zusammenhang verdeutlicht Abb. 67. Bezüglich der Kürzung von Gewinnanteilen ausländischer Personengesellschaften liegt der Zweck in der Wahrung des Inlands‐ charakters der Gewerbesteuer. 331 4.2 Gewinn aus Gewerbebetrieb <?page no="332"?> Abb. 67: Behandlung der Gewinnanteile von Gesellschaftern einer Personengesellschaft ./ . Durch die Kürzungsvorschriften des § 9 Nr. 2a GewStG bzw. § 9 Nr. 7 GewStG wird das nationale gewerbesteuerliche Schachtelprivileg bzw. internationale gewerbesteuerliche Schachtelprinzip geregelt, wel‐ ches korrespondierend zu § 8 Nr. 5 GewStG eine Kürzung der Erträge aus Ausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften vorsieht, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens 15 % beträgt. Ist jedoch in einem Doppelbesteuerungsabkommen eine nied‐ rigere Mindestbeteiligungsquote festgeschrieben, so ist diese gem. § 9 Nr. 8 GewStG für die Anwendung des internationalen Schachtelprivi‐ legs maßgebend. Die Kürzungsvorschriften des § 9 Nr. 2a, 7 GewStG sehen eine Kürzung der Schachteldividenden nur in der Höhe vor, in der diese Gewinnanteile zuvor in der Ausgangsgröße für die Ermittlung des Gewerbeertrags angesetzt wurden. Abgesehen vom 5 %igen Betriebsausgabenabzugsverbot sind Gewinn‐ anteile einer Kapitalgesellschaft, sofern keine Streubesitzdividenden i. S. d. Körperschaftsteuerrechts vorliegen, aufgrund ihrer Freistellung gem. § 8b Abs. 1 KStG bereits nicht in der Ausgangsgröße für die Ermittlung des Gewerbeertrags enthalten. Eine Kürzung dieser freige‐ stellten Gewinnanteile i. H. v. 95 % erübrigt sich insoweit. Somit bedarf es lediglich einer Kürzung der 5 %igen nicht abziehbaren Betriebsaus‐ 332 4 Gewerbesteuer <?page no="333"?> gaben, da diese zuvor in der Ausgangsgröße für die Ermittlung des Gewerbeertrags angesetzt wurden. Allerdings stellen diese nach § 8 Abs. 5 KStG nicht abziehbaren Betriebsausgaben keine Gewinne aus Anteilen dar (§ 9 Nr. 2a Satz 4 GewStG). Aus diesem Grund sind die pauschalisierten nicht abziehbaren Betriebsausgaben nicht Gegenstand der Kürzungsvorschriften, so dass für sie keine gewerbesteuerlichen Kürzungen gem. § 9 Nr. 2a, 7 GewStG in Betracht kommen. Letztendlich bleibt demnach eine gewerbesteuerliche Kürzung für Schachteldividen‐ den für Kapitalgesellschaften dem Grunde nach gegenstandslos. Bei Personenunternehmen wurden die Gewinnanteile gem. § 3 Nr. 40 Bst. d EStG mit dem steuerpflichtigen 60 %igen Anteil in der Ausgangs‐ größe für die Ermittlung des Gewerbeertrags angesetzt. Bei Erfüllung der Voraussetzungen kommen somit die Kürzungsvorschriften zur Anwendung. Die einkommensteuerpflichtigen verbliebenen 60 %igen Gewinnanteile werden gem. § 9 Nr. 2a, 7 GewStG aus dem Gewinn aus Gewerbebetrieb gekürzt. Allerdings ist dieser Kürzungsbetrag noch um die mit der nun mehr gewerbesteuerfreien Dividende im wirtschaftli‐ chen Zusammenhang stehenden Aufwendungen gem. § 9 Nr. 2a Satz 3 GewStG zu mindern. Beispiel: An der inländischen Müller GmbH sind im Jahr 2022 folgende inländische Gesellschafter beteiligt: ■ Einzelgewerbetreibender Heinrich zu 15 % ■ Elisabeth OHG zu 10 % ■ Sissi GmbH zu 40 % ■ Fritz AG zu 35 % Die Beteiligungen werden im Betriebsvermögen gehalten. Weiterhin wurde die Beteiligung der Sissi GmbH erst im Laufe des Jahres 2022 durch Anteilserwerb von zuvor 10 % auf 40 % erhöht. Für die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG ist auf die zu Beginn des Erhebungszeitraumes bestehende Beteiligungsquote abzustellen. Demnach erfüllen nur der Einzelgewerbetreibende Heinrich und die Fritz AG die Voraussetzung zur Inanspruchnahme der Kürzung nach § 9 Nr. 2a GewStG, da sie zu mindestens 15 % beteiligt sind. Die gem. § 3 Nr. 40 Bst. d EStG zu 60 % in der Ausgangsgröße für die Ermittlung des Gewerbeertrags enthaltenen Dividenden des Einzelgewerbetreibenden Heinrich sind bei der Gewerbeertragsermittlung zu kürzen. Aufgrund des § 8b Abs. 1 KStG bedarf es 333 4.2 Gewinn aus Gewerbebetrieb <?page no="334"?> bei der Fritz AG einer solchen Kürzung nicht. Bei den übrigen Beteiligten wurden die erhaltenen Dividenden gewerbesteuerlich besteuert. Abb. 68: Abgrenzung zwischen Schachtel- und Streubesitzdividenden ./ . Gewerbeerträge aus einer ausländischen Betriebsstätte kürzen gem. § 9 Nr. 3 GewStG den Gewinn aus Gewerbebetrieb. Diese Kürzung ist durch den Inlandscharakter der Gewerbesteuer zu begründen. ./ . Korrespondierend zur Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 9 GewStG regelt § 9 Nr. 5 GewStG den abzugsfähigen Höchstbetrag für geleistete Spenden. Der abzugsfähige Teil für Zuwendungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke i. S. d. §§ 52 bis 54 AO beträgt 20 % des um die Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 9 GewStG erhöhten Gewinns aus Gewerbebetrieb. Alternativ ist auch ein Abzug von 4 % der Summe aus den gesamten Umsätzen zuzüglich der im Wirt‐ schaftsjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter möglich. Überschreiten die Zuwendungen die zulässigen Höchstbeträge, so besteht gem. § 9 334 4 Gewerbesteuer <?page no="335"?> Nr. 5 Satz 8 GewStG die Möglichkeit, diese überschießenden Beträge in spätere Perioden vorzutragen. Abb. 69: Abzugsbeträge für Spenden und Mitgliedsbeiträge gem. § 9 Nr. 5 GewStG Für Spenden, durch die der Vermögensstock einer Stiftung des öffentlichen Rechts oder einer privaten Stiftung, die gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit sind, begründet oder erhöht wird, besteht auf Antrag eine zusätzliche Abzugsmöglichkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1 Mio. € (§ 9 Nr. 5 Satz 9 GewStG). Dieser Abzugsbetrag wird jedoch nur Einzelunternehmen und Personengesellschaften gewährt und kann darüber hinaus während eines Zeitraums von 10 Jahren lediglich einmal in Anspruch genommen werden. Diesbezüglich wird dem Steuerpflichtigen aber die Möglichkeit eingeräumt, den Abzugsbetrag beliebig über die betreffenden 10 Jahre zu verteilen. Kürzungen i. S. d. § 9 GewStG sind: ■ 1,2 % des Einheitswertes des zum Betriebsvermögen gehörenden und nicht von der GrSt befreiten Grundbesitzes, ■ Gewinnanteile an Personengesellschaften, 335 4.2 Gewinn aus Gewerbebetrieb <?page no="336"?> ■ Ausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften bei Beteili‐ gung von mindestens 15 %, ■ Gewerbeerträge aus ausländischen Betriebsstätten, ■ abzugsfähiger Höchstbetrag für Spenden. Tabelle 18 fasst die Ziele der einzelnen Hinzurechnungs- und Kürzungsvor‐ schriften zusammen. Tab. 18: Zusammenfassung der Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften 336 4 Gewerbesteuer <?page no="337"?> 4.2.3 Verlustvortrag Gem. § 10a GewStG wird der maßgebende Gewerbeertrag um die Fehlbe‐ träge gekürzt, die sich bei Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume unter Berücksichtigung der §§ 7-10 GewStG ergeben haben. Daraus folgt, dass nicht der Gewinn aus Gewerbebetrieb die relevante Bemessungsgrundlage darstellt, sondern der in der Abbildung dargestellte Gewerbeertrag (vor Verlustabzug). Somit beeinflussen insbesondere die Hinzurechnungen und Kürzungen die Höhe des Gewerbeertrages vor Verlustabzug. Es ist daher z. B. denkbar, dass einkommensteuerlich negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen, für Zwecke der Gewerbesteuer allerdings ein positives Ergebnis ermittelt wird. Das Gewerbesteuergesetz kennt nur den Verlustvortrag (§ 10a Satz 1 GewStG). Die Verrechnung von Verlusten zwischen einzelnen Gewerbebe‐ trieben eines Steuerpflichtigen ist nicht möglich. Der Gewerbeverlust kann demnach nur bei dem Gewerbebetrieb verrechnet werden, bei dem er entstanden ist (Unternehmensidentität). Diese Einschränkung beruht auf dem Objektcharakter der Gewerbesteuer, demzufolge auf den einzelnen Gewerbebetrieb als Steuerobjekt und nicht auf die Summe der gewerblichen Einkünfte abzustellen ist. Ebenso wenig ist ein Verlustrücktrag möglich. Dies ist zum Schutz kleinerer Gemeinden mit wenigen großen Gewerbe‐ 337 4.2 Gewinn aus Gewerbebetrieb <?page no="338"?> steuerzahlern gedacht, die anderenfalls u. U. beträchtliche Gewerbesteue‐ rerstattungen leisten müssten. Auch für die Gewerbesteuer gem. § 10a Satz 1 GewStG ist entsprechend § 10 Abs. 2 EStG die folgende Formel zu beachten: Ein unbegrenzter Abzug bisher noch nicht ausgeglichener Verluste ist demnach nur bis zu einer positiven Bemessungsgrundlage i. H. v. 1 Mio. € möglich. Übersteigt die Bemessungsgrundlage 1 Mio. €, ist ein Abzug der noch nicht berücksichtigten Fehlbeträge aus vorangegangenen Jahren nur bis zu 60 % des übersteigenden Betrags möglich. 4.2.4 Freibetrag, Steuermesszahl, Hebesatz und Vorauszahlungen Vor Abzug des Freibetrages i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 3 GewStG ist der Gewerbeertrag nach Verlustabzug auf volle 100 € nach unten abzurunden (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Hs. 1 GewStG). Im Anschluss daran wird der Freibetrag gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, 2 GewStG abgezogen. Gewerbebetriebe kraft wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes und Unternehmen juristischer Personen des öffentlichen Rechts erhalten einen Freibetrag i. H. v. 5.000 €. Personengesellschaften und Einzelunternehmen wird ein Freibetrag i. H. v. 24.500 € gewährt. Kapitalgesellschaften steht dagegen kein Freibetrag zu. Damit sollen gewerbesteuerliche Vorteile der Kapitalgesellschaften gegen‐ über natürlichen Personen und Personengesellschaften ausgeglichen wer‐ den, die darauf beruhen, dass zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Anteilseignern schuldrechtliche Verträge mit steuerlicher Anerkennung möglich sind. Beispielsweise wird das Geschäftsführergehalt eines Gesell‐ schafters einer Personengesellschaft als Sondervergütung auf Ebene der Personengesellschaft der Gewerbesteuer unterworfen, da diese Sonderver‐ gütungen einen Teil des Gewinns aus Gewerbebetrieb gem. § 7 GewStG darstellen. Diese Ungleichbehandlung soll durch die unterschiedliche Frei‐ betragsregelung wieder ausgeglichen werden. Personengesellschaften, die einen Antrag gem. § 1a KStG zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft gestellt haben, werden auch gewerbesteuerlich wie eine Kapitalgesellschaft behandelt. 338 4 Gewerbesteuer <?page no="339"?> Bei der Berechnung der Gewerbesteuer ist von einem Gewerbesteuer‐ messbetrag auszugehen (§ 11 GewStG). Zur Ermittlung dieses Steuermess‐ betrags ist der Gewerbeertrag nach den vorgeschriebenen Modifikationen und den abgezogenen Verlustvorträgen und Freibeträgen mit der sog. Steuermesszahl (§ 11 Abs. 2 GewStG) zu multiplizieren. Die Höhe dieser Steuermesszahl beträgt gem. § 11 Abs. 2 GewStG unabhängig davon, ob das Unternehmen als Personenunternehmen oder Kapitalgesellschaft betrieben wird, 3,5 %. Das Produkt aus Steuermesszahl und Gewerbeertrag ist der Gewerbe‐ steuermessbetrag (§ 14 Satz 1 GewStG). Die Gemeinden sind berechtigt, diesen Gewerbesteuermessbetrag mit ihrem Hebesatz zu multiplizieren, um die Gewerbesteuerschuld festzusetzen (§ 16 Abs. 1 GewStG). Die Gemeinden können die Höhe des jeweiligen Hebesatzes selbst festlegen (§ 16 Abs. 1 Hs. 2 GewStG). Dadurch stehen sie bzgl. ihres Wirtschaftsstandortes unter‐ einander im Wettbewerb. Allerdings ist zu beachten, dass § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG einen Mindesthebesatz von 200 % vorschreibt. Tab. 19 fasst die Hebesätze ausgewählter Gemeinden Deutschlands zu‐ sammen. Die Hebesätze dieser Gemeinden liegen zwischen 400 und 520 %, wobei zu beachten ist, dass sie in Großstädten tendenziell höher liegen. Im Durchschnitt lagen die Hebesätze der Städte mit über 20.000 Einwohnern gemäß einer Hebesatzumfrage des DIHK 2019 bei 436 %. Wie bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer sind vierteljähr‐ lich Gewerbesteuervorauszahlungen gem. § 19 Abs. 1 GewStG durch den 339 4.2 Gewinn aus Gewerbebetrieb <?page no="340"?> Steuerschuldner zu entrichten (zum 15.02., 15.05., 15.08., 15.11.). Die Höhe der Vorauszahlungen beträgt grundsätzlich ein Viertel der Steuer, die sich bei der letzten Erhebung ergeben hat (§ 19 Abs. 2 GewStG). Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags sind diese Gewerbesteuervoraus‐ zahlungen indirekt zu berücksichtigen. Die Gewerbesteuervorauszahlungen wurden i. d. R. im Rahmen der Buchführung korrekterweise aufwandswirk‐ sam erfasst. Da die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleis‐ tungen jedoch gem. § 4 Abs. 5b EStG nichtabzugsfähige Betriebsausgaben darstellen, dürfen die geleisteten Gewerbesteuervorauszahlungen weder die einkommensteuerliche oder körperschaftsteuerliche noch die gewerbesteu‐ erliche Bemessungsgrundlage mindern. GewSt-Hebesätze in ausgewählten Gemeinden Deutschlands Gemeinden Einwohner per 31.12.2020 Hebesätze in % GewSt 2021 2022 Berlin 3.769.926 410 410 Bremen 566.573 460 460 Dortmund 586.181 485 485 Düsseldorf 644.280 440 440 Duisburg 499.854 520 520 Essen 591.032 480 480 Frankfurt/ Main 758.847 460 460 Hamburg 1.904.444 470 470 Hannover 542.668 480 480 Ingolstadt 138.230 400 400 Saarbrücken 179.349 490 490 München 1.562.096 490 490 Stuttgart 608.260 420 420 Köln 1.088.040 475 475 Tab. 19: Gewerbesteuer-Hebesätze ausgewählter Gemeinden 340 4 Gewerbesteuer <?page no="341"?> Dies hat zur Folge, dass die als Aufwand behandelten Vorauszahlungen für die Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen wieder hinzu‐ addiert werden müssen. Die Hinzurechnung erfolgt außerbilanziell auf Ebene der Einkommenbzw. Körperschaftsteuer (§ 4 Abs. 5b EStG). Da der Gewinn nach EStG bzw. KStG den Ausgangspunkt für die Ermittlung des Gewerbeertrags darstellt, wird sichergestellt, dass sich die Gewerbe‐ steuervorauszahlungen auch für die Ermittlung der Gewerbesteuer nicht steuermindernd auswirken. Eine weitere Hinzurechnung der Gewerbesteu‐ ervorauszahlungen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags hat demnach nicht zu erfolgen. Nachdem die Gewerbesteuerschuld ermittelt wurde, können in einem letzten Schritt die Gewerbesteuervorauszahlungen wieder angerechnet wer‐ den (§ 20 Abs. 1 GewStG). Die verbleibende Schuld ist als Abschlusszahlung innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Gewerbesteuerbescheids zu begleichen (§ 20 Abs. 2 GewStG). Beispiel: Die Einzelunternehmerin Johanna berechnet ihre Gewerbesteuerrückstellung für das Jahr 2022. Johanna hat Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. v. 100.000 € erzielt. Hinzurechnungen und Kürzungen gem. §§ 8, 9 GewStG haben sich nicht ergeben. Die Gewerbesteuervorauszahlungen i. H. v. 10.000 € wurden im Rahmen der Buchführung zwar aufwandswirksam berücksichtigt, allerdings erfolgte bei der einkommensteuerlichen Einkünfteermittlung eine Hinzurechnung, die auch auf die Ermittlung des Gewerbeertrags durchschlägt. Der Hebesatz wird von der Gemeinde mit 500 % festgelegt. Beispiel_S311.pdf Einkünfte aus Gewerbebetrieb 100.000 € = Gewerbeertrag ./ . Freibetrag = Gewerbeertrag nach Freibetrag x Steuermesszahl = Steuermessbetrag x Hebesatz = GewSt-Schuld ./ . geleistete Vorauszahlungen = 100.000 € ./ . 24.500 € = 75.500 € 3,5 % = 2.643 € x 500 % = 13.215 € ./ . 10.000 € = GewSt-Rückstellung (Abschlusszahlung) = 3.215 € 341 4.2 Gewinn aus Gewerbebetrieb <?page no="342"?> 4.3 Zerlegung Die Gewerbesteuer ist gem. § 1 GewStG eine Gemeindesteuer. Eine Gemeinde ist zur Erhebung der Gewerbesteuer berechtigt, wenn eine Be‐ triebsstätte in ihrem Bereich liegt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Probleme treten auf, wenn das Unternehmen Betriebsstätten in mehreren Gemein‐ den unterhält, eine Betriebsstätte sich über mehrere Gemeinden erstreckt oder eine Betriebsstätte im Laufe des Jahres die Gemeinde gewechselt hat (§ 28 GewStG). Liegt eine der drei genannten Voraussetzungen vor, so muss der Steuermessbetrag auf die hebeberechtigten Gemeinden in Form von Zerlegungsanteilen verteilt werden (§ 4 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Diese Aufteilung der Gewerbesteuerschuld bezeichnet man als Zerlegung, die in den §§ 28-34 GewStG geregelt ist. Der Zerlegungsmaßstab ist gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG das Verhältnis der Summe der Arbeitslöhne von in allen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmern zu der Summe der Arbeitslöhne der Arbeitnehmer in der einzelnen Betriebsstätte der jeweiligen Gemeinde. Ausnahmen (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG) bestehen für Betriebe, die ausschließlich Anlagen zur Erzeu‐ gung von Strom und anderen Energieträgern sowie Wärme aus Windenergie und solarer Strahlungsenergie betreiben, weil in solchen Anlagen die in den Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer regelmäßig in den Hintergrund treten. Voraussetzungen für die Zerlegung: ■ Betriebsstätten des Unternehmens in mehreren Gemeinden, ■ Betriebstätte erstreckt sich auf mehrere Gemeinden oder ■ Betriebsstätte hat während des Jahres die Gemeinde gewechselt. Beispiel: Die Isabella-AG unterhält in Ingolstadt und in Eichstätt jeweils eine Betriebs‐ stätte. Der Hebesatz der Stadt Ingolstadt beträgt 400 %, der Hebesatz von Eichstätt 330 %. Die Summe der Löhne der in Ingolstadt beschäftigten Arbeitnehmer beläuft sich auf 6.000.000 €, die Lohnsumme der in Eichstätt beschäftigten Arbeitnehmer auf 3.000.000 €. Der bereits korrekt ermittelte Steuermessbetrag der Isabella-AG beträgt 180.000 €. 342 4 Gewerbesteuer <?page no="343"?> Beispiel_S312.pdf Ingolstadt Eichstätt Arbeits- Löhne 6.000.000 € 3.000.000 € Zerlegungsmaßstab 2/ 3 x 180.000 € = 1/ 3 x 180.000 € = Zerlegungsanteil 120.000 € 60.000 € GewSt 480.000 € 198.000 € 678.000 € 4.4 Die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer Natürliche Personen und Mitunternehmer unterliegen der Einkommen‐ steuer i. H. v. maximal 45 %, Kapitalgesellschaften der Körperschaftsteuer i. H. v. lediglich 15 %. Um die Zusatzbelastung mit Gewerbesteuer bei natür‐ lichen Personen gegenüber Kapitalgesellschaften zu mildern und damit eine weitgehend rechtsformneutrale Belastung mit Ertragsteuern zu erreichen, ist die anfallende Gewerbesteuer pauschaliert auf die Einkommensteuer‐ schuld anzurechnen. Gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vermindert sich die tarifliche Einkommensteuer bei gewerblichen Unternehmen i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG um das Vierfache des jeweiligen Gewerbesteuer‐ messbetrags. Bei Mitunternehmerschaften i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 EStG wird der anteilige Messbetrag herangezogen (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), der sich aus dem Gewinnverteilungsschlüssel ergibt. Jedoch ist der Abzug des Steuerermäßigungsbetrag gem. § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt. Bei Einzelunternehmern und Mitunternehmern mindert sich die tarif‐ liche Einkommensteuer um das Vierfache des (anteiligen) Gewerbe‐ steuermessbetrages. 343 4.4 Die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer <?page no="344"?> Beispiel: Beispiel_S313.pdf Der Hebesatz sei 420% Gewinn vor Steuern ./ . Gewerbesteuer (100.000 € ./ . 24.500 €) x 0.035 x 4,2 ./ . ESt (100.000 € x 0,42 ./ . 9.337 €) + Steuerermäßigung gem. § 35 EStG 4 x (100.000 € ./ . 24.500 €) x 0,035* ./ . SolZ 5,5 v.H. von (32.663 ./ . 10.570 €) Steuerbelastung EinzelU/ PersGes 100.000 € ./ . 11.099 € ./ . 32.663 € + 10.570 € ./ . 1.215 € = Nettoertrag nach Steuern = 65.593 € * Alternative Berechnungsmöglichkeit: 11.099 / 4,2 x 4 = 10.570 € 4.5 Abschlussaufgabe zur Gewerbesteuer Die auf den Bau von Befestigungsanlagen spezialisierte Schanzer-GmbH betreibt in Ingolstadt eine Betriebsstätte. Ermitteln Sie anhand der folgenden Daten die Gewerbesteuerschuld der Schanzer-GmbH für das Jahr 2022. 1. Der Steuerbilanzgewinn betrug im Jahr 2022 412.000 €. 2. Die Zinsen für Darlehen betrugen 220.000 €. Darüber hinaus fielen im Jahr 2022 Aufwendungen für die Anmietung zweier dem Anlagever‐ mögen der Schanzer-GmbH zugehörigen Firmen-Pkw i. H. v. 20.000 € an. Ebenso wurden durch die Schanzer-GmbH Leasing-Raten i. H. v. 75.000 € für diverse unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermö‐ gens beglichen. 3. Der Einheitswert der Grundstücke der Schanzer-GmbH betrug im Jahr 2022 200.000 €. Eine Befreiung von der Grundsteuer lag nicht vor. 4. Die GewSt-Vorauszahlungen 2022, die den Steuerbilanzgewinn gemin‐ dert haben, betrugen 38.000 €. 5. Der Hebesatz in Ingolstadt beträgt 400 %. Lösung: 1. Es liegt ein Gewinn aus Gewerbebetrieb gem. § 7 Satz 1 GewStG i. H. v. 450.000 € vor. 2. Der Gesamtbetrag der Darlehenszinsen (§ 8 Nr. 1 Bst. a GewStG) sowie 20 % der Mietaufwendungen für die beiden Firmen-Pkw (§ 8 Nr. 1 344 4 Gewerbesteuer <?page no="345"?> Bst. d GewStG) und 50 % der Leasingraten für diverse unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (§ 8 Nr. 1 Bst. e GewStG) sind zunächst aufzusummieren. Anschließend ist der ermittelte Wert gem. § 8 Nr. 1 GewStG um den Freibetrag i. H. v. 200.000 € zu kürzen. Von der verbleibenden Summe sind gem. § 8 Nr. 1 GewStG 25 % dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzuzurechnen. 3. Da die Grundstücke der Schanzer-GmbH nicht von der Grundsteuer befreit wurden, sind gem. § 9 Nr. 1 GewStG 1,2 % des Einheitswertes der Betriebsgrundstücke vom Gewinn aus Gewerbebetrieb abzuziehen. Als Bemessungsgrundlage ist das 1,4-fache des Einheitswertes heranzuzie‐ hen. Es sind demnach 3.360 € zu kürzen. 4. Die Vorauszahlungen i. H. v. 38.000 € sind bereits bei der einkom‐ mensteuerlichen Einkünfteermittlung gewinnerhöhend hinzugerech‐ net worden. Da die Gewerbesteuer an den nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes ermittelten Gewinn anknüpft, hat keine erneute Hinzurechnung für Zwecke der Gewerbesteuerberechnung zu erfolgen. Gewinn aus Gewerbebetrieb (Steuerbilanzgewinn zzgl. GewSt-VZ) 450.000 € + ./ . Hinzurechnungen (§ 8 Nr. 1) 100% der Entgelte für Schulden 20% der Mietzinsen für bewegl. WG 50% der Mietzinsen für unbewegl. WG Freibetrag (§ 8 Nr. 1) davon 25% Kürzungen (§ 9) + 220.000 € + 4.000 € + 37.500 € ./ . 200.000 € 61.500 € = 15.375 € +15.375 € ./ . 3.360 € = Gewerbeertrag (abgerundet) x Steuermesszahl (§ 11 Abs. 2 Nr. 2) = 462.000 € x 3,5% = Steuermessbetrag (§ 14 Satz 1) x Hebesatz (§ 16) = 16.170 € x 400% = Gewerbesteuer ./ . Vorauszahlungen = 64.680 € ./ . 38.000 € = Abschlusszahlung (§ 20 Abs. 2) = 26.680 € Bild_S314.pdf Zusammenfassung ■ Die persönliche Leistungsfähigkeit der gewerbetreibenden Person wird durch die Gewerbesteuer nicht berücksichtigt. 345 4.5 Abschlussaufgabe zur Gewerbesteuer <?page no="346"?> ■ Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist gem. § 6 GewStG der Gewerbeertrag. ■ Man unterscheidet zwei Arten von Gewerbebetrieben: □ stehende Gewerbebetriebe □ Reisegewerbebetriebe ■ Gewerbesteuer wird nur erhoben, sofern sich der Gewerbebetrieb im Inland befindet. ■ Steuerschuldner bei Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften ist die Gesellschaft. Steuerschuldner bei Einzelunternehmen ist der Inhaber. ■ Ausgangspunkt für die Ermittlung des Gewerbeertrags ist der Gewinn aus Gewerbebetrieb des jeweiligen Gewerbebetriebes. Dieser ist um Hinzurechnungen i. S. d. § 8 GewStG und Kürzungen i. S. d. § 9 GewStG zu modifizieren. ■ Des Weiteren ist der Gewerbeertrag (vor Verlustabzug) um den Verlust‐ vortrag und den Freibetrag (für Personenunternehmen) zu mindern. ■ Der Steuermessbetrag ergibt sich aus der Multiplikation des Gewerbe‐ ertrags mit der Steuermesszahl. ■ Das Produkt aus Steuermessbetrag und Hebesatz ist die Gewerbesteu‐ erschuld. ■ Die vierteljährlich geleisteten Vorauszahlungen sind von der Gewerbe‐ steuerschuld abzuziehen, um die Höhe der Abschlusszahlung bzw. des Erstattungsanspruchs zu ermitteln. ■ Eine Zerlegung der Gewerbesteuerschuld ist vorzunehmen, wenn □ sich die Betriebsstätten des Unternehmens in mehreren Gemeinden befinden, □ sich eine Betriebsstätte auf mehrere Gemeinden erstreckt, oder □ eine Betriebsstätte während des Jahres gewechselt hat. ■ Einzelunternehmer und Mitunternehmer können das Vierfache des (anteiligen) Gewerbesteuermessbetrages von der tariflichen Einkom‐ mensteuer abziehen. Fragen 1. Charakterisieren Sie die Gewerbesteuer. 2. Nennen Sie die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer. 346 4 Gewerbesteuer <?page no="347"?> 3. An welchen Steuergegenstand knüpft die Gewerbesteuer an? Gibt es dabei unterschiedliche Arten? 4. Wann sind mehrere Betriebe eines Steuerpflichtigen als einheitlicher Betrieb zu beurteilen? 5. Was ist die Ausgangsgröße für die Ermittlung der Bemessungsgrund‐ lage? 6. Aus welchem Grund sind gewerbesteuerliche Modifikationen vorzu‐ nehmen? 7. Welche Hinzurechnungen sind vorzunehmen? 8. Welche Besonderheit ergeben sich bei der Hinzurechnung von Finan‐ zierungsaufwendungen, die von der Zinsschrankenregelung betroffen sind? 9. Welche Kürzungen sind vorzunehmen? 10. Welche weiteren Modifikationen sind durchzuführen? 11. Wie werden Verluste berücksichtigt? 12. Wie ermittelt sich der Gewerbesteuermessbetrag, wie die Gewerbesteu‐ erschuld? 13. Wie erhält man die Abschlusszahlung bzw. den Erstattungsanspruch? 14. Wann und wie erfolgt eine Zerlegung des Steuermessbetrags? 15. Weshalb erfolgt bei Einzelunternehmern und Mitunternehmern eine pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf ihre Einkommen‐ steuerschuld? Literatur Heinz Kußmaul, Steuern, Berlin/ Boston, 4. Aufl. 2020, S. 167-183. Dieter Schneeloch, Stephan Meyering, Guido Patek, Betriebswirtschaftliche Steuer‐ lehre, Bd. 1: Grundlagen der Besteuerung, Ertragsteuern, München, 7. Aufl. 2016, S. 187-200. Klaus Tipke, Joachim Lang, Steuerrecht, Köln, 24. Aufl. 2021, S. 853-875. 347 4.5 Abschlussaufgabe zur Gewerbesteuer <?page no="348"?> 5 Rechtsformneutralität der Besteuerung 5.1 Prinzip der Rechtsformneutralität der Besteuerung Als zentrales Ziel der Unternehmensteuerreform 2008 nannte der Gesetz‐ geber die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Personenunternehmen durch die Gewährleistung einer weitgehend rechtsformneutralen Steuerbe‐ lastung. Hiermit sollte den Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt werden, die Rechtsform eines Unternehmens unbeeinflusst von steuerlichen Aspekten wählen zu können. Diese Zielsetzung resultierte aus den gravierenden Unterschieden bei der Steuerbelastung zwischen Kapitalgesellschaften einerseits und Einzelunter‐ nehmen bzw. Personengesellschaften andererseits. Ursache hierfür waren das Trennungsbzw. Intransparenzprinzip bei Kapitalgesellschaften sowie das Einheitsbzw. Transparenzprinzip bei Personenunterneh‐ men. Dem Trennungsprinzip folgend wurden Kapitalgesellschaften als selbständige Steuersubjekte im Fall der Gewinnthesaurierung lediglich einer relativ niedrigen Besteuerung durch die Körperschaftsteuer unterworfen, da das tatsächlich angestrebte Belastungsniveau erst durch eine erneute Besteuerung bei der Gewinnausschüttung an eine natürliche Person erreicht wurde. Im Gegensatz hierzu wurden alle Gewinne von Einzelunterneh‐ men und Personengesellschaften in Folge des Transparenzprinzips stets mit dem i. d. R. deutlich höheren persönlichen Einkommensteuersatz des (Mit-)Unternehmers belastet. Eine Unterscheidung zwischen thesaurierten und entnommenen Gewinnen - analog zur Vorgehensweise bei Kapitalge‐ sellschaften - wurde bei Personenunternehmen aus steuerlicher Sicht nicht getroffen. Durch diese Unterschiede in der Besteuerung wurden Kapital‐ gesellschaften im Thesaurierungsfall somit gegenüber Personenunterneh‐ men begünstigt, denen eine solche Thesaurierungsmöglichkeit vorenthalten blieb. Um die Problematik darzustellen, die auftritt, wenn Personengesellschaf‐ ten im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften keine Thesaurierungsmöglich‐ keit gewährt wird, soll anhand des nachfolgenden Belastungsvergleichs verdeutlicht werden, wie die Thesaurierung bei Kapitalgesellschaften bei gleichzeitiger Nichtthesaurierung bei Personengesellschaften wirkt. Dabei <?page no="349"?> wird von einem GewSt-Hebesatz i. H. v. 420 % sowie einem ESt-Grenzsteu‐ ersatz i. H. v. 45 % ausgegangen. Der nur Personenunternehmen gewährte gewerbesteuerliche Freibetrag i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GewStG wird nicht berücksichtigt. Bild_S318.pdf Einzelunternehmen / Personengesellschaft Kapitalgesellschaft Unternehmensgewinn ./ . Gewerbesteuer ./ . KSt ./ . ESt i.H.v. 45% + GewSt-Anrechnung ./ . SolZ 100.000 € ./ . 14.700 € - ./ . 45.000 € + 14.000 € ./ . 1.705 € 100.000 € ./ . 14,700 € ./ . 15.000 € - - ./ . 825 € = verbleibend = Steuerbelastung (bei Thesaurierung) = 52.595 € = 47.405 € = 69.475 € = 30.525 € Das Beispiel zeigt auf Basis der zuvorgenannten Prämissen die signifikanten Unterschiede der Besteuerung auf, wenn lediglich Kapitalgesellschaften „steuerpriviligiert“ thesaurieren könnten. Die bis zum VZ 2007 ausschließ‐ lich Kapitalgesellschaften zustehende Möglichkeit einer begünstigten Be‐ steuerung einbehaltener Gewinne führt zu einer Gesamtbelastung i. H. v. ca. 30 %. Im Vergleich hierzu unterläge ein nichtthesaurierungsfähiges Personenunternehmen aufgrund der fehlenden Unterscheidung zwischen einbehaltenen und ausgeschütteten Gewinnen einer deutlich höheren Steu‐ erlast von ca. 47,5 %. Weil in Deutschland eine unterschiedliche Steuerbelastung für the‐ saurierte und für ausgeschüttete Gewinne existiert, sollte jeder Steuer‐ belastungsvergleich neben der Besteuerung auf Gesellschaftsebene die Besteuerung auf der Gesellschafterebene berücksichtigen. Sofern Kapital‐ gesellschaften die Gewinne an natürliche Personen ausschütten, erhöht sich die Gesamtbelastung für die Anteilseigner um die Abgeltungsteuer, sofern die Anteile im Privatvermögen gehalten werden, ansonsten um die Effekte aus dem Teileinkünfteverfahren. Sind weitere Kapitalgesell‐ schaften in die Beteiligungskette eingeschaltet, tritt auf der Ebene jener Kapitalgesellschaft wiederum eine Körperschaftsowie Gewerbesteuerbe‐ lastung ein. Deren Höhe ist davon abhängig, ob das körperschaftund/ oder gewerbesteuerliche Schachtelprivileg greift. Unterstellt, dass die Anteile an der Kapitalgesellschaft im zuvorgenannten Beispiel unmittelbar von 349 5.1 Prinzip der Rechtsformneutralität der Besteuerung <?page no="350"?> einer natürlichen Person im Privatvermögen gehalten werden, beträgt im Ausschüttungsfall die zusätzliche Einkommensteuer einschließlich So‐ lidaritätszuschlag 18.324 €. Die Gesamtbelastung beträgt dann bei einer Vollausschüttung 48.849 € (30.525 € + 18.324 €). Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften ist die Höhe der Steuerbelastung (ohne die Berücksichtigung von Möglichkeiten der begünstigten Besteuerung thesau‐ rierter Gewinne) grundsätzlich unabhängig von der Gewinnverwendung und unterliegt bei der Entnahme durch den Einzelunternehmer bzw. Mitun‐ ternehmer keiner weiteren Steuerbelastung. Damit lässt sich festhalten, dass bei vollständiger Gewinnausschüttung Kapitalgesellschaften geringfügig stärker belastet werden (48.849 €) als Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften (47.405 €). Je geringer der persönliche Einkommensteuersatz des Einzelunternehmers bzw. Mitun‐ ternehmers ist, desto größer ist der Steuervorteil im Vergleich zur Steuer‐ belastung (von Gesellschaftseinschließlich der Gesellschafterebene) bei Kapitalgesellschaften. Als Zwischenergebnis ist festzustellen: die Wahl der steueroptimalen Rechtsform wird vor allem vom relevanten Einkommensteuersatz des Ein‐ zelunternehmers bzw. des Mitunternehmers sowie der Ausschüttungsquote des Gewinns beeinflusst. Im Extremfall der vollständigen Thesaurierung ist die Kapitalgesellschaft vorteilhafter, wohingegen im Extremfall der vollstän‐ digen Ausschüttung der Vorteil auf der Seite des Einzelunternehmens bzw. der Personengesellschaft liegt. Die nachfolgend dargestellte sog. Thesaurie‐ rungsbegünstigung kann die Besteuerungsunterschiede abmildern. Generell ist jedoch zu beachten, dass je niedriger der persönliche Einkommensteuer‐ satz des Einzelunternehmers bzw. des Mitunternehmers ist, desto größer ist der Steuervorteil der Einzelunternehmung bzw. Mitunternehmerschaft. 5.2 Ansätze zur Umsetzung einer rechtsformneutralen Besteuerung in Deutschland Als Versuch zur Realisierung der Rechtsformneutralität wurde Personenun‐ ternehmern im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 durch die Einfüh‐ rung der bereits in Kapitel 2.2.8.3 „Sondertarife gem. §§ 34 und 34a EStG“ dargestellten Thesaurierungsbegünstigung nun ebenfalls die Möglich‐ keit gegeben, auf Antrag nicht entnommene Gewinne einem ESt-Sondertarif i. H. v. 28,25 % (einschließlich Solidaritätszuschlag 29,8 %) zu unterwerfen. 350 5 Rechtsformneutralität der Besteuerung <?page no="351"?> Dies gilt bei Mitunternehmern nur, wenn der Gewinnanteil mindestens 10 % beträgt oder 10.000 € übersteigt. Sowohl bei Einzelunternehmern als auch bei Mitunternehmern ist Voraussetzung für die Theasaurierungsbegünstigung, dass der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ermittelt wird. In Verbindung mit der nur Personenunterneh‐ mern gewährten Anrechnungsmöglichkeit der Gewerbesteuer i. S. d. § 35 EStG sollte damit ein Besteuerungsniveau erreicht werden, das ungefähr der Steuerbelastung aus Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer i. V. m. einem durchschnittlichen Gewerbesteuerhebesatz entspricht. Die Abbildung 70 dient der Verdeutlichung dieser Vorgehensweise. Abb. 70: Realisierung einer rechtsformneutralen Besteuerung durch § 34a EStG Dieser Zielsetzung kann die Thesaurierungsbegünstigung i. S. d. § 34a EStG jedoch nur eingeschränkt gerecht werden, da die steuerliche Belastung ein‐ behaltener Gewinne von Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen mit Gewerbesteuer, Körperschaftbzw. Einkommensteuer sowie Solidari‐ tätszuschlag lediglich formal dasselbe Niveau aufweisen. Die tatsächliche Höhe der Steuerbelastung von im Personenunternehmen thesaurierten Gewinnen liegt jedoch - Grenzsteuersatz von 45 % unterstellt - deutlich über der von in Kapitalgesellschaften thesaurierten Gewinnen. Für diese Abweichung sind vor allem zwei Ursachen anzuführen: Zunächst führt das Transparenzprinzip dazu, dass der (Mit-) Unterneh‐ mer selbst als Steuersubjekt der Einkommensteuer und des Solidaritätszu‐ schlag anzusehen ist. Somit ist der Unternehmer auch dazu gezwungen, 351 5.2 Ansätze zur Umsetzung einer rechtsformneutralen Besteuerung in Deutschland <?page no="352"?> die auf seine Gewinnanteile entfallende Steuerschuld durch Entnahmen aus dem Unternehmen zu begleichen, sofern er sie nicht aus anderweitigen Einkünften oder aus seinem Privatvermögen leisten kann. In Höhe dieser (zwangsläufigen) Entnahmen kann er jedoch von der begünstigten Besteue‐ rung für einbehaltene Unternehmensgewinne nach § 34a EStG keinen Gebrauch machen, da ein möglicher Begünstigungsbetrag i. S. d. § 34a EStG in Höhe dieser Entnahmen zu reduzieren ist. Die Begünstigung des § 34a EStG führt nur z.T. zu einer rechtsform‐ neutralen Besteuerung. Aufgrund der fehlenden Berücksichtigung nichtabzugsfähiger Betriebsausgaben im Rahmen des Begünstigungs‐ betrags i. S. d. § 34a EStG sowie der Problematik oftmals zwangsläufiger Entnahmen zur Begleichung privater Steuern liegt das tat‐ sächliche steuerliche Belastungsniveau oftmals deutlich über dem gesonderten Tarif des § 34a EStG i. H. v. 28,25 % zuzüglich SolZ. Darüber hinaus wird der für eine begünstigte Besteuerung i. S. d. § 34a EStG zur Verfügung stehende Betrag durch nichtabzugsfähige Betriebs‐ ausgaben - insbesondere in Form der Gewerbesteuer - reduziert. Dies resultiert daraus, dass gem. § 34a Abs. 2 EStG der Steuerbilanzgewinn für die Bemessung des Begünstigungsbetrags maßgeblich ist. Im Rahmen der Ermittlung des Steuerbilanzgewinns wurde die Gewerbesteuer jedoch aufwandswirksam berücksichtigt. Die gem. § 4 Abs. 5b EStG erforderliche Hinzurechnung der Gewerbesteuer als nichtabzugsfähige Betriebsausgabe erfolgt aber erst nachträglich außerhalb der Bilanz. Somit wird die Gewerbe‐ steuerschuld aufgrund ihrer Nichtabzugsfähigkeit nicht dem begünstigten Steuertarif des § 34a EStG i. H. v. 28,25 %, sondern als Bestandteil der ge‐ werblichen Einkünfte dem persönlichen Steuersatz des (Mit-)Unternehmers unterworfen. Durch die folgende Beispielrechnung soll diese Problematik nochmals nachvollzogen werden: 352 5 Rechtsformneutralität der Besteuerung <?page no="353"?> Bild_S322.pdf Gewinn vor Abzug der Gewerbesteuer ./ . Gewerbesteuer 100.000 € ./ . 14.000 € = Steuerbilanzgewinn ./ . Saldo aus Entnahmen und Einlagen = 86.000 € ./ . 0 € = nicht entnommener Gewinn (begünstigungsfähig) + GewSt als nichtabzugsfähige Betriebsausgabe = 86.000 € + 14.000 € = gewerbliche Einkünfte = 100.000 € Infolge dieser beiden Sachverhalte wird die beabsichtigte Äquivalenz zwi‐ schen der steuerlichen Belastung von in Personenunternehmen thesaurier‐ ten Gewinnen und der steuerlichen Belastung von in Kapitalgesellschaften thesaurierten Gewinnen signifikant gestört. Für einen Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft besteht diese Problema‐ tik nicht, da Kapitalgesellschaften eine eigene Rechtspersönlichkeit besit‐ zen. Eine Ausschüttung von Gewinnen zur Begleichung der Steuerschuld ist somit nicht erforderlich, da die Gesellschaft selbst Steuerschuldner der Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer und des Solidaritätszuschlages ist. Dies wiederum gestattet eine vollständige Thesaurierung des nach Abzug von Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag verbleibenden Gewinns. Diese trotz Einführung der Thesaurierungsbegünstigung i. S. d. § 34a EStG auch weiterhin bestehende Besserstellung der thesaurierten Gewinne von Kapitalgesellschaften im Vergleich zu den thesaurierten Gewinnen von Personenunternehmen soll durch das nachfolgende Beispiel nochmals verdeutlich werden. Es wird hierbei erneut von einem GewSt-Hebesatz i. H. v. 420 % sowie einem ESt-Grenzsteuersatz i. H. v. 45 % ausgegangen. Gewerbesteuerliche Freibeträge i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GewStG, die ausschließlich Personenunternehmen zustehen, bleiben unberücksichtigt. Hierbei soll davon ausgegangen werden, dass der gesamte Gewinn mit Ausnahme der Steuerzahlungen thesauriert werden soll. 353 5.2 Ansätze zur Umsetzung einer rechtsformneutralen Besteuerung in Deutschland <?page no="354"?> Bild_S323.pdf Einzelunternehmen / Personengesellschaft Kapitalgesellschaft Unternehmensgewinn ./ . Gewerbesteuer ./ . KSt ./ . ESt auf nicht begünstigte Gewinne (GewSt + ESt + SolZ) i.H.v. 36.116 € ./ . ESt auf thesaurierte Gewinne i.H.v. 63.884 € + GewSt-Anrechnung ./ . SolZ 100.000 € ./ . 14.700 € - ./ . 16.252 € ./ . 18.047 € + 14.000 € ./ . 1.117 € 100.000 € ./ . 14,700 € ./ . 15.000 € - - - ./ . 825 € = verbleibend = Steuerbelastung (bei Thesaurierung) = 63.884 € = 36.116 € = 69.475 € = 30.525 € Berechnung der maximalen Thesaurierungsbegünstigung (T): Die Problematik bei der Berechnung der maximalen Thesaurierungsbe‐ günstigung gestaltet sich wie folgt: Der Sondertarif des § 34a EStG kann nur auf den nicht entnommenen Gewinn in Anspruch genommen werden. Die Einkommensteuer, die durch die Anwendung des Sondertarifs entsteht, stellt jedoch regelmäßig ihrerseits eine Entnahme dar und kann daher nicht begünstigt besteuert werden. Diese Problematik wird im Folgenden anhand des vorangegangenen Beispiels verdeutlicht. Die Herleitung erfolgt dabei in zwei Schritten: 1. Schritt: Zunächst ist der Gewinn nach GewSt (Gewinn nGewSt ) zu ermitteln. Die GewSt stellt gem. § 4 Abs. 5b EStG eine nicht abzugsfähige Betriebsausgabe dar und unterliegt daher in jedem Fall dem einkommensteuerlichen Nor‐ maltarif: Gewinn nGewSt = Gewinn ./ . GewSt = 100.000 € ./ . 14.700 € = 85.300 € 2. Schritt: Da sowohl die Einkommensteuer, die sich aus der Anwendung des § 34a EStG ergibt, als auch die Einkommensteuer, die auf die Gewerbesteuer entfällt, eine Entnahme darstellt und somit nicht begünstigt besteuert werden kann, ist der Gewinn nGewSt in einen steuerlich begünstigten Teil (T) und einen nicht begünstigten Teil aufzuteilen. Gewinn nGewSt = maximale Thesaurierungsbegünstigung(T) +ESt × (1 +SolZ) 354 5 Rechtsformneutralität der Besteuerung <?page no="355"?> Die Einkommensteuerschuld besteht aus drei Komponenten: I. II. III. ESt auf den Thesaurierungsbetrag (T) (Anwendung des Sondertarifs gem. § 34a EStG): ESt auf die Entnahme zur Begleichung der ESt-Schuld (Anwendung des Normaltarifs): ESt auf die Gewerbesteuer abzgl. der GewSt-Anrechnung T x 0,2825 (Gewinn nGewSt ./ . T) x 0,45 GewSt x 0,45 ./ . GewSt-Anrechnung Bild_S324_1.pdf Somit ergibt sich folgende Gleichung: ↔ ↔ Gewinn nGewSt Gewinn nGewSt 85.300 === T + [I. + II. + III.] x (1 + SolZ) T + [T x 0,2825 + (Gewinn nGewSt ./ . T) x 0,45 + GewSt x 0,45 ./ . GewSt-Anrechnung] x (1 + SolZ) T + [T x 0,2825 +(85.300 ./ . T) x 0,45 + 14,700 x 0,45 ./ . 13.300] x (1+ SolZ) Bild_S324_2.pdf = Durch entsprechendes Umformen und Auflösen der Gleichung ergibt sich die maximale Thesaurierungsbegünstigung T i. H. v. 63.884 €. Im Umkehr‐ schluss daraus ergibt sich eine Gesamtsteuerbelastung aus ESt und GewSt von 36.116 €. Als Reaktion auf diese Unzulänglichkeit hat der Gesetzgeber durch die Vorschrift des § 1a KStG nunmehr ab 1.1.2022 einen weiteren, sehr zu begrüßenden Versuch vorgenommen, eine rechtsformneutrale Besteuerung zu erreichen. Demnach haben Personengesellschaften die Möglichkeit, für Zwecke der Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft behandelt zu werden. Auf diese Weise können Personengesellschaften in den Genuss der Thesaurierungsbegünstigung von Kapitalgesellschaften gelangen, ohne die Nachteile des § 34a EStG in Kauf nehmen zu müssen. Auch die Gesellschafter einer optierenden Gesellschaft werden steuerlich wie Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft behandelt. Somit ergeben sich für Personengesellschaften drei verschiedene Mög‐ lichkeiten, um die Thesaurierungsbegünstigung einer Kapitalgesellschaft in Anspruch zu nehmen: 355 5.2 Ansätze zur Umsetzung einer rechtsformneutralen Besteuerung in Deutschland <?page no="356"?> 1. die Begünstigung der nicht entnommenen Gewinne gem. § 34a EStG (sehr problematisch, wie oben geschildert), 2. die Option zur Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft gem. § 1a KStG, handelsrechtlich liegt weiterhin eine Personengesellschaft vor, 3. der tatsächliche Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft gem. § 190 ff. UmwG, § 25 UmwStG. Es ist fraglich, ob der Gesetzgeber es in der Zukunft auch kleinen GmbHs ermöglichen wird, transparent wie eine Personengesellschaft besteuert zu werden, wie es in anderen Ländern (z. B. den USA) möglich ist. Literatur Heinz Kußmaul, Steuern, Berlin/ Boston, 4. Aufl. 2020, S. 274-277. Klaus Tipke, Joachim Lang, Steuerrecht, Köln, 24. Aufl. 2021, S. 877-883. Günter Wöhe, Ulrich Döring, Gerrit Brösel, Einführung in die Allgemeine Betriebs‐ wirtschaftslehre, München, 27. Aufl. 2020, S. 225-227. 356 5 Rechtsformneutralität der Besteuerung <?page no="357"?> 6 Übergreifender Abschlussfall 6.1 Angaben zur Körperschaftsteuer Das Energieversorgungsunternehmen Edwin-GmbH weist für das Ge‐ schäftsjahr (= Kalenderjahr) 2022 einen vorläufigen handelsbilanziellen Jahresüberschuss i. H. v. 1.100.000 € aus. Um einerseits die Zusammenhänge zwischen Handels- und Steuerbilanz herauszuarbeiten und andererseits häufig begangene Fehler aufzuzeigen, sollen bestimmte Positionen beson‐ ders hervorgehoben werden. Aus didaktischen Gründen wird daher der vor‐ läufige Handelsbilanzüberschuss mit 2.200.000 € angesetzt, so dass folgende Positionen, welche noch nicht berücksichtigt wurden, separat diskutiert werden können: Beteiligungserträge 1) + 200.000 € Rückstellung 2) ./ . 150.000 € KSt-VZ 2022 ./ . 200.000 € GewSt-VZ 2022 ./ . 100.000 € Geldstrafe 3) ./ . 250.000 € Zinsen für Darlehen ./ . 600.000 € Zu den einzelnen GuV-Posten liegen folgende ergänzende Angaben vor: 1) Die Edwin-GmbH ist seit Jahren 20 % an der Linden-AG beteiligt. Die Dividende für das Wirtschaftsjahr 2021 wurde in der Hauptversamm‐ lung am 20.06.2022 beschlossen. Auf die Edwin-GmbH entfiel davon eine Bardividende von 200.000 €, die am 01.07.2022 überwiesen wurde. 2) Aufgrund bestehender Lieferverpflichtungen muss die Edwin-GmbH handelsrechtlich gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften i. H. v. 150.000 € bilden. 3) Wegen illegaler Preisabsprachen wurde die Edwin-GmbH durch die Kartellbehörden mit einer Geldstrafe i. H. v. 250.000 € belegt. Hinweise: Auf die Berücksichtigung des SolZ wird aus Vereinfachungsgründen ver‐ zichtet. <?page no="358"?> 6.2 Angaben zur Einkommensteuer Edwin (ledig/ Jahrgang 1974, kinderlos) ist geschäftsführender Gesellschaf‐ ter der Edwin-GmbH. Auf seiner Lohnsteuerbescheinigung für 2022 sind folgende Beträge eingetragen: Bruttoarbeitslohn 120.000 € Einbehaltene Lohnsteuer 18.900 € Einbehaltene Kirchensteuer 1.512 € Kirchensteuer-Erstattungen hat Edwin 2022 nicht erhalten. Für seine Mit‐ gliedschaft bei der Gewerkschaft zahlt Edwin einen Jahresbeitrag i. H. v. 40 €. Außerdem sind ihm Fahrtkosten zum Arbeitsplatz mit dem privaten PKW i. H. v. 1.200 € (200 Arbeitstage, Entfernung Wohnung/ Arbeitsstätte 20 km) entstanden. Edwin erhält aufgrund seiner 40 %igen GmbH-Beteiligung, die er im Privatvermögen hält, eine Gewinnausschüttung i. H. v. 60.000 €. Nach Abzug von KapESt i. H. v. 15.000 € wird seinem Bankkonto im Mai 2022 ein Betrag i. H. v. 45.000 € gutgeschrieben. Für einen zur Finanzierung dieser Beteiligung aufgenommen Bankkredit überweist Edwin im Jahr 2022 30.000 € Zinsen an seine Hausbank. Zudem hat die Hausbank ihm im Jahr 2018 Gebühren i. H. v. 1.200 € für die Verwaltung der GmbH-Anteile in Rechnung gestellt. Darüber hinaus spendet Edwin im Jahr 2022 30.000 € an eine gemeinnüt‐ zige Organisation zur Rettung des Weltklimas. Aufgabe: a) Bitte ermitteln Sie das zu versteuernde Einkommen (z. v. E.), die GewSt-Rückstellung (Hebesatz: 400 %) sowie die KSt-Rückstellung der Edwin-GmbH. b) Berechnen Sie zudem die persönliche Einkommensteuerschuld von Edwin für 2022. 358 6 Übergreifender Abschlussfall <?page no="359"?> 6.3 Lösungshinweise Anhand der Tab. 20 soll Folgendes noch einmal graphisch veranschaulicht werden: 1. Die Änderungen der Handelsbilanz (1. Spalte) sowie die Anpassung der Handelsbilanz an die Steuerbilanz (2. Spalte) sind im Rahmen der laufenden Buchhaltung durch Buchungssätze (Um- und Nachbuchun‐ gen) vorzunehmen. Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens nach KStG (3. Spalte) sowie die Ermittlung des Gewerbeertrages nach GewStG (4. Spalte) ist durch eine gesonderte Nebenrechnung und damit außerhalb der Bilanz vorzunehmen. 2. Die Änderungen, die aufgrund von Vorschriften des EStG und KStG zur Ermittlung der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage vorge‐ nommen werden (3. Spalte), gelten auch für die GewSt. Aus diesem Grunde wird für die Berechnung der Gewerbesteuer (4. Spalte) das zu versteuernde Einkommen nach KStG übernommen. 3. Die Änderungen aufgrund gewerbesteuerlicher Spezialvorschriften (4. Spalte) gelten nur für die Gewerbesteuer und werden somit nicht in die körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage miteinbezogen. 4. Die Gewerbesteuer mindert über die aufwandswirksame Verbuchung der GewSt-Rückstellung sowohl den Handelsbilanzals auch den Steu‐ erbilanzgewinn. Sie mindert allerdings nicht die körperschaftsteuerli‐ che Bemessungsgrundlage. 5. Auch im Fall der KSt-Rückstellung erfolgt eine aufwandswirksame Verbuchung, die sowohl den Handelsbilanzals auch den Steuerbilanz‐ gewinn vermindert. 359 6.3 Lösungshinweise <?page no="360"?> Tab. 20: Zusammenhang Handelsbilanzgewinn / Steuerbilanzgewinn / zu versteuerndes Einkommen nach KStG / Gewerbeertrag nach GewStG 360 6 Übergreifender Abschlussfall <?page no="361"?> 6.4 Falllösung 6.4.1 Ermittlung des zu versteuernden Einkommens/ GewSt-/ KSt-Rückstellung Handelsbilanz Steuerbilanz z.v.E. nach KStG GewSt Vorläufiger Jahresüberschuss a) Beteiligungserträge 1) davon 5% nicht abzugsfähige Aufwendungen b) Rückstellung 2) c) KSt-VZ 2022 3) d) GewSt-VZ 2022 4) e) Geldstrafe 5) f) Zinsen 6) 2.200.000 € + 200.000 € ./ . 150.000 € ./ . 200.000 € ./ . 100.000 € ./ . 250.000 € ./ . 600.000 € 1.100.000 € +150.000 € 1.250.000 € ./ . 200.000 € + 10.000 € + 200.000 € + 100.000 € + 250.000 € 1.610.000 € +100.000 € = Ergebnis vor Steuern ./ . GewSt-RSt ./ . KSt-RSt 1.100.000 € ./ . 139.400 € ./ . 41.500 € 1.250.000 € ./ . 139.400 € ./ . 41.500 € 1.610.000 € 1.710.000 € = Ergebnis nach Steuern 919.100 € 1.069.100 € Bild_S331.pdf 1) Gem. § 8b Abs. 1 KStG erfolgt eine Kürzung bei der Ermittlung des z. v. E. nach KStG. Diese Kürzung gilt gem. § 9 Nr. 2a GewStG auch für die GewSt. Aufgrund der Vorschrift des § 8b Abs. 5 KStG werden aber im Ergebnis nur 95 % der Einkünfte freigestellt. 2) Steuerrechtlich ist gem. § 5 Abs. 4a EStG die Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften nicht zulässig. Es erfolgt eine Korrektur im Rahmen der Erstellung der Steuerbilanz. 3) KSt-Vorauszahlungen müssen gem. § 10 Nr. 2 KStG dem z. v. E. nach KStG wieder hinzugerechnet werden. 4) Da die GewSt-Vorauszahlungen gem. § 4 Abs. 5b EStG nichtabzugsfähige Betriebsausgaben darstellen, müssen sie außerhalb der Bilanz dem Steu‐ erbilanzgewinn wieder hinzugerechnet werden. 5) Die Geldstrafe ist gem. § 10 Nr. 3 KStG dem z. v. E. nach KStG wieder hinzuzurechnen. 6) Die Zinsen sind zunächst um einen Freibetrag i. H. v. 200.000 € zu kürzen. Anschließend erfolgt gem. § 8 Nr. 1 Bst. a GewStG eine Hinzurechnung i. H. v. 25 % des verbleibenden Betrags ((600.000 € ./ . 200.000 €)×25 % = 100.000 €). 361 6.4 Falllösung <?page no="362"?> Berechnung der GewSt-Rückstellung GewSt-Satz = 0,035 × 400 % = 0,14 GewSt-Schuld 1.710.000 × 0,14 = 239.400 € ./ . GewSt-VZ 2022 ./ . 100.000 € = GewSt-Rückstellung = 139.400 € Berechnung der KSt-Rückstellung KSt-Schuld 1.610.000 € × 0,15 = 241.500 € ./ . KSt-VZ 2022 ./ . 200.000 € = KSt-Rückstellung = 41.500 € 6.4.2 Berechnung der Steuerschuld für 2022 Für die Berechnung der Steuerschuld des Edwin wird das Berechnungs‐ schema des § 2 EStG verwendet. Abb. 71: Berechnungsschema der Einkommensteuer 362 6 Übergreifender Abschlussfall <?page no="363"?> 6.4.2.1 Anwendung der Abgeltungsteuer i. S. d. § 32d EStG a) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Das Geschäftsführergehalt von Edwin gehört gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Diese Einkünfte sind gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG als Überschuss der Einkünfte über die Werbungskosten zu ermitteln. Bild_S333_1.pdf Bruttoarbeitslohn (Einnahmen gem. § 8 i.V.m. § 19 EStG) ./ . Werbungskosten (§ 9 EStG) ./ . Fahrtkosten ./ . Kontoführungsgebühren (Pauschale) ./ . Gewerkschaftsbeitrag Werbungskosten gesamt 1.200 € 16 € 40 € 120.000 € ./ . 1.256 € = Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 2022 = 118.744 € Hinweis: Die Summe der Werbungskosten ist höher als der Pauschbetrag i. H. v. 1.200 €, so dass die tatsächlichen Kosten angesetzt werden (§ 9a Satz 1 EStG). b) Einkünfte aus Kapitalvermögen Edwin erzielt aus seinem Anteilsbesitz Dividenden, die gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören. Diese werden grundsätzlich der Abgeltungsteuer i. S. d. § 32d EStG unterworfen. Da Edwin jedoch über eine Beteiligung von mehr als 25 % an der Edwin-GmbH verfügt, ist eine Anwendung der Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Bst. a EStG zulässig. Diese gestattet Edwin auf Antrag eine Option für die Unterwerfung der Dividendeneinkünfte unter das Teileinkünfteverfah‐ ren i. S. d. § 3 Nr. 40 Bst. d EStG. Um eine geringstmögliche Steuerbelastung zu gewährleisten, sind daher beide Besteuerungsmöglichkeiten gegeneinander abzuwägen. 363 6.4 Falllösung <?page no="364"?> Bild_S333_2.pdf Einnahmen (Bruttodividende) Sparer-Pauschbetrag (§ 20 Abs. 9 Satz 1 EStG) Steuerbemessungsgrundlage der Abgeltungsteuer i.S.d. § 32d EStG Steuersatz i.H.v. 25% gem. § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG 60.000 € ./ . 801 € = 59.199 € 25% ESt-Belastung Einbehaltene Kapitalertragsteuer = 14.800 € ./ . 15.000 € Erstattungsanspruch = ./ . 200 € Hinweis: Die Steuerbelastung der Dividendeneinkünfte i. H. v. 15.000 € besitzt gem. § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG abgeltende Wirkung. Ein Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ist gem. § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG ausgeschlossen. Damit Erwin den Sparer-Pauschbetrag in Anspruch nehmen kann, sollte das Veranlagungswahlrecht im Rahmen der sog. Abgeltung über Veranlagung gem. § 32d Abs. 4 EStG beantragt werden. c) Summe und Gesamtbetrag der Einkünfte Da die Kapitalertragsteuer auf die Dividendeneinkünfte eine abgeltende Wirkung besitzt, fließen diese grundsätzlich nicht mehr in die Summe bzw. den Gesamtbetrag der Einkünfte ein. Somit betragen sowohl die Summe der Einkünfte als auch der Gesamtbetrag der Einkünfte 118.744 €. d) Sonderausgaben Unbeschränkt abzugsfähige Sonderausgaben Die einbehaltene Kirchensteuer i. H. v. 1.512 € ist gem. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG in voller Höhe als Sonderausgaben abzugsfähig. 364 6 Übergreifender Abschlussfall <?page no="365"?> Beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben Bild_S334_1.pdf Zuwendungen für Zwecke i.S.d. § 52 AO Abzugsfähiger Höchstbetrag (20% von 118.744 €) Vortragsfähiger Restbetrag (§ 10b Abs. 1 Satz 9 EStG) 30.000 € ./ . 23.749 € 6.251 € 23.749 € Abzugsfähiger Spendenbetrag (§ 10b Abs. 1 Satz 1 EStG) 23.749 € Summe Sonderausgaben: 23.749 € + 1.512 € = 25.261 € Sonderausgabenabzug für die Beiträge zur Sozialversicherung Die Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung sind als Altersvorsorge‐ aufwendungen abzugsfähig. Bild_S334_2.pdf 1. AN-Beitrag gesetzliche RV § 10 Abs. 1 Nr. 2 BSt. A EStG 2. AG-Beitrag gesetzliche RV § 10 Abs. 1 Nr. 2 BSt. A EStG 3. Summe der Beiträge 5. Höchstbetrag § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG 7.868 € 7.868 € 15.736 € 25.639 € (24,7% von 103.800 €) Bild_S335_1.pdf 6. Zu berücksichtigen 7. Davon 94% § 10 Abs. 3 Satz 4 u. 6 EStG 8. Abzüglich steuerfreier AG-Anteil § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG 9. Abzugsfähige Altersvorsorgeaufwendungen 15.736 € 14.792 € ./ . 7.868 € 6.924 € 10. Krankenu. Pflegeversicherung § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG 11. Arbeitslosenversicherung § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG 12. Summe der Beträge 13. Höchstbetrag § 10 Abs. 4 EStG 14. Mindestbetrag § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG 14. Abzugsfähige sonstige Vorsorgeaufwendungen 15. Summe der abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen vorbehaltlich der Günstigerprüfung 5.327 € 1.016 € 6.343 € 1.900 € 5.327 € 5.327 € 12.251 € Summe Sonderausgaben: 1.512 + 23.749 + 12.251 = 37.512 € 365 6.4 Falllösung <?page no="366"?> Die Günstigerprüfung nach § 10 Abs. 4a EStG wird von Amts wegen durchgeführt. Hinweis: Der nicht zum Sonderausgabenabzug zugelassene Spendenbetrag i. H. v. 6.251 € ist gesondert festzustellen. In späteren Veranlagungszeiträumen besteht die Möglichkeit, diesen im Rahmen der zulässigen Höchstbeträge als Sonderausgaben geltend zu machen. e) Tarif Die tarifliche Einkommensteuer für Edwin ergibt sich gem. § 32a Abs. 1 EStG durch Anwendung der Grundtabelle auf das zu versteuernde Einkommen. Bild_S335_2.pdf Gesamtbetrag der Einkünfte (§2 Abs. 3 EStG) ./ . Sonderausgaben Zu versteuerndes Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG) Festzusetzende Einkommensteuer 2022 (§ 32a EStG) ./ . einbehaltene LohnSt (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) ./ . einbehaltene KapESt (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) 118.744 € ./ . 37.512 € 81.232 € 24.780 € ./ . 18.900 € ./ . 200 € Einkommensteuernachzahlung 2022 5.680 € Hinweis: Auf die Berücksichtigung von Kirchensteuer und SolZ wird aus Vereinfa‐ chungsgründen verzichtet. Dies gilt auch für die nachfolgenden Betrachtun‐ gen. f) Einkommensteuerliche Gesamtbelastung Bild_S336_1.pdf Festzusetzende Einkommensteuer 2022 + Abgeltungsteuer auf Dividendeneinkünfte 24.780 € + 14.800 € Einkommensteuerliche Gesamtbelastung 2022 39.580 € 366 6 Übergreifender Abschlussfall <?page no="367"?> 6.4.2.2 Anwendung des Teileinkünfteverfahrens i. S. d. § 3 Nr. 40 Bst. d EStG a) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Bild_S336_2.pdf Bruttoarbeitslohn (Einnahmen gem. § 8 i.V.m. § 19 EStG 120.000 € ./ . Werbungskosten (§ 9 EStG) ./ . Fahrtkosten ./ . Kontoführungsgebühren (Pauschale) ./ . Gewerkschaftsbeitrag Werbungskosten gesamt 1.200 € 16 € 40 € ./ . 1.256 € Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 2022 118.744 € b) Einkünfte aus Kapitalvermögen Bild_S336_3.pdf Einnahmen (Bruttodividende) Davon 60% gem. § 3 Nr. 40 Bst. d EStG Werbungskosten (60% der Bankgebühren und Kreditzinsen gem. § 3c Abs. 2 EStG) 60.000 € 26.000 € ./ . 18.720 € Einkünfte aus Kapitalvermögen 2022 17.280 € Hinweis: Bei einer Entscheidung für die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens an‐ stelle der Abgeltungsteuer i. S. d. § 32d EStG wird kein Sparer-Pauschbetrag nach § 20 Abs. 9 EStG zur Minderung der Einkünfte aus Kapitalvermögen gewährt (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG). c) Summe und Gesamtbetrag der Einkünfte Somit betragen sowohl die Summe der Einkünfte als auch der Gesamtbetrag der Einkünfte (118.744 € + 17.280 € =) 136.024 €. 367 6.4 Falllösung <?page no="368"?> d) Sonderausgaben Unbeschränkt abzugsfähige Sonderausgaben Die einbehaltene Kirchensteuer i. H. v. 1.512 € ist gem. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG in voller Höhe abzugsfähig. Beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben Bild_S337_1.pdf Zuwendungen für Zwecke i.S.d. § 52 AO Abzugsfähiger Höchstbetrag (20% von 136.024 €) Vortragsfähiger Restbetrag (§ 10b Abs. 1 Satz 3 EStG) 30.000 € ./ . 27.205 € 2.795 € 27.205 € Abzugsfähiger Spendenbetrag (§ 10b Abs. 1 Satz 1 EStG) 27.205 € Abzugsfähige Sozialversicherungsbeiträge 12.251 € 27.205 € + 1.512 € + 12.251 € = 40.968 € Hinweis: Der nicht zum Sonderausgabenabzug zugelassene Spendenbetrag i. H. v. 2.795 € ist gesondert festzustellen. In späteren Veranlagungszeiträumen besteht die Möglichkeit, diesen im Rahmen der zulässigen Höchstbeträge als Sonderausgaben geltend zu machen. e) Tarif Die tarifliche Einkommensteuer für Edwin ergibt sich gem. § 32a Abs. 1 EStG durch Anwendung der Grundtabelle auf das zu versteuernde Einkommen. Bild_S337_2.pdf Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) ./ . Sonderausgaben Zu versteuerndes Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG) Festzusetzende Einkommensteuer 2022 (§ 32a EStG) ./ . einbehaltene LohnSt (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) ./ . einbehaltene KapESt (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) 136.024 € ./ . 40.968 € 95.056 € 30.587 € ./ . 18.900 € ./ . 15.000 € Einkommensteuererstattung 2022 3.313 € 368 6 Übergreifender Abschlussfall <?page no="369"?> Die Einkommensteuerbelastung weist in Abhängigkeit von der gewählten Besteuerungsmethodik für Kapitaleinkünfte signifikante Differenzen auf. Durch die Wahl der Abgeltungsteuer i. S. d. § 32d EStG unterliegt Edwin letztlich einer Gesamtbelastung i. H. v. 39.580 €. Demgegenüber fällt die festzusetzende Einkommensteuer bei Anwendung des Teileinkünfteverfah‐ rens i. S. d. § 3 Nr. 40 Bst.d EStG mit 30.587 € deutlich niedriger aus. Diese Differenz ist darauf zurückzuführen, dass § 20 Abs. 9 EStG den Ab‐ zug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten ausdrücklich untersagt. Zudem wirkt sich die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens positiv auf den maximal in VZ 2022 möglichen Spendenabzug aus (dafür reduzieren sich freilich die in der Zukunft abzugsfähigen diesbezüglichen Spendenvortrags‐ beträge entsprechend). In Anbetracht der ermittelten Ergebnisse ist Edwin somit zu einer Option für die Ausnahmeregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Bst. a EStG zu raten, die ihm die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens auf die erzielten Dividen‐ deneinkünfte und die damit verbundenen Werbungskosten gestattet. 369 6.4 Falllösung <?page no="370"?> Sachverzeichnis Abgeltungsteuer 262f., 363 Abschnittsbesteuerung 40 Absetzbetrag 30 Anstoßtarif 32 Aufenthalt gewöhnlicher 45 Aufwand 291 Aufwandseinlage 80 Aufwandsentnahme 79 Aufwendungen unbeschränkt abzugsfähige 177 Ausbildungsbedarf 203 Ausgaben 64 Bareinlage 79 Belastung zumutbare 201 Belastungen außergewöhnliche 71, 199 Berufsausbildung erstmalige 190 Bestandsvergleich qualifizierter 82 Besteuerung nachgelagerte 185 Besteuerungsanteil 149 Betriebsausgaben 303 abzugsfähige 66 nicht abzugsfähige 67 Betriebseinnahmen 65 Betriebsstätte ausländische 334 Betriebsvermögen 104 Buchführungspflicht originäre steuerliche 82 Buchungssätze 271 Definitivbelastung 262 Differenzsteuersatz 31 Dividende zugeflossene 262 Durchrechnungstarif 32 Durchschnittssteuersatz 31 reduzierter 217 Eingangssteuersatz 31 Einheitswert 330 Einkommen zu versteuerndes 214, 306 Einkommensteuer synthetische 59 Einkommensteuerpflicht persönliche 43 sachliche 43 Einkünfte inländische 51 Einkünfte aus Gewerbebetrieb 268 Einkunftsarten betriebliche 56 Einlage offene 285 Einlagen 79 Einnahmen 64 steuerfreie 65 steuerpflichtige 65 Einnahmenerzielung auch als Nebenzweck 25 <?page no="371"?> Entlastungsbetrag für Alleinerziehende 164 Entnahmen 78 Ergänzungsbilanzen 254 Ermittlungszeitraum 71 Erststudium 190 Ertrag 290 Familienleistungsausgleich 207 Finanzwissenschaft 22 Fortbildung 192 Freibetrag 101 Versorgungs- 118 Freigrenze 295 Fünftelregelung 217 Gegenleistung keine 25 Geldleistungen 25 Gemeinwesen öffentlich-rechtliches 25 Gesamtausschüttung 289 Gesellschafter-Fremdfinanzierung schädliche 297 Gesellschafterstellung 246 Gesetze 36 Gewerbebetrieb Gewinn aus dem 319 stehender 315 Gewerbebetrieb kraft gewerblicher Betätigung 99 Gewerbebetrieb kraft gewerblicher Prägung 99 Gewerbeerträge 334 Gewerbesteuer 313 Gewerbesteuermessbetrag 339 Gewinnausschüttung offene 274 verdeckte 278 Gewinne laufende 321 Gewinneinkunftsarten 56 Gewinnermittlung additive 249 Gewinnerzielungsabsicht 92 Gewinnminderung 272 Gleichbehandlung horizontale 39 Grenzpendler 47 Grenzsteuersatz 31 Günstigerrechnung 210 Halbeinkünfteverfahren 263 Haupteinkunftsarten 58 Haushaltseinkunftsarten 56 Hinzurechnungsvorschriften 319 juristische Personen 44 Kapitalertragsteuer 264 Kinderfreibetrag 209 Kindergeld 208 Kirchensteuer 181 Körperschaftsteueroption Optionsmodell 309 Korrekturposten 256 Korrespondenzprinzip 180 Kürzungsvorschriften 319 Leistungsfähigkeit persönliche 39 liquide Mittel Entnahme von 79 Maßgeblichkeitsprinzip 82 Mietzinsen 325 371 Sachverzeichnis <?page no="372"?> Mitunternehmerinitiative 246 Mitunternehmerrisiko 246 Mitunternehmerschaft 245 Nachbuchungen 271 Nachhaltigkeit 92 natürliche Personen 44 Nebeneinkunftsarten 58 Nebenrechnung 271 Nettoprinzip objektives 39 subjektives 39 Optionsmodell 309 Pachtzinsen 325 Parteispenden 195 Pauschbeträge 202 Personengesellschaft gewerblich geprägte 114 Personengesellschaften 44 ausländische 328 inländische 328 vermögensverwaltende 245 Personensteuern 28 Privatvermögen 104 Progression der Einkommensteuer 40 Quellenprinzip 52 Quellentheorie 56 Realsplitting 152 Rechtsprechung 36 Rechtsverordnungen 36 Reinvermögenszugangstheorie 56 Reisegewerbebetriebe 315 Rentenfreibetrag 150 Riester-Rente 156 Rürup-Rente 156 Sacheinlage 79 Sachentnahmen 79 Sammelfreibetrag 209 Schachtelprivileg 332 gewerbesteuerliches 326 Schedulensystem 60 Selbständigkeit 91 Sockelbetrag 172 Solidaritätszuschlag 33 Sonderausgaben 71, 303 beschränkt abzugsfähige 177 Sonderbetriebsausgaben 250 Sonderbetriebsvermögen 248 Sonderbilanzen 248 Spenden 334 Spitzensteuersatz 31 Staatsbürgerschaft 45 Stand-alone-Klausel 295 Steuerberatungskosten 182 Steuerbilanz derivative 268 Steuerlehre Betriebswirtschaftliche 22 Steuermesszahl 339 Steuerpflicht beschränkte 52 unbeschränkte 45 Steuerrechtswissenschaft 22 Steuersatz 30 ermäßigter 101 Steuertarif 31 stille Gesellschaft 258 Subjektsteuern 28 Tätigkeit trennbar gemischte 112 372 Sachverzeichnis <?page no="373"?> untrennbar gemischte 112 Teileinkünfteverfahren 262f. Territorialitätsprinzip 267 Transparenzprinzip 244 Trennungsprinzip 244, 261, 265 Überschusseinkunftsarten 56 Umbuchungen 271 Umschulung 192 Ungleichbehandlung vertikale 39 Universalität persönliche 39 Veranlagungsjahr 167 Veranlagungszeitraum 71 Veranlassungsprinzip 88 Veräußerungsgewinne 217 Verfassung 36 Verlustausgleich vertikaler 306 Verlustrücktrag 170 Verwaltungsvorschriften 36 Vorabausschüttung 275 Weiterbildung 192 Werbungskosten abzugsfähige 66 nicht abzugsfähige 67 Werbungskosten-Pauschbeträge 89 Wirtschaftsgüter einzelne bewegliche 155 Wohnsitz 45 Zwangsabgaben 24 373 Sachverzeichnis <?page no="374"?> Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Staatsquote in Deutschland 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Abb. 2: Entwicklung der Staatsquote in Deutschland von 1960 bis 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Abb. 3: Abgabenquote in Deutschland 2020 . . . . . . . . . . . . . . 21 Abb. 4: Finanzierungsquellen des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Abb. 5: Systematisierungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Abb. 6: Der Steuertarif des Jahres 2022 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Abb. 7: Einordnung der Steuern nach der Ertragshoheit . . . . 34 Abb. 8: Aufkommen ausgewählter Steuerarten im Jahr 2020 38 Abb. 9: Erhebungsformen der Einkommensteuer . . . . . . . . . . 41 Abb. 10: Persönliche und sachliche Einkommensteuerpflicht . 44 Abb. 11: Persönliche Einkommensteuerpflicht . . . . . . . . . . . . . 45 Abb. 12: Unbeschränkte vs. beschränkte (persönliche) Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Abb. 13: Gliederung der Einkünfte nach der Art der Einkunftsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Abb. 14: Gliederung der Einkünfte nach ihrer Rangordnung . 59 Abb. 15: Synthetische Einkommensermittlung nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Abb. 16: Ermittlung der Einkommensteuerschuld . . . . . . . . . . 64 Abb. 17: Einteilung der Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Abb. 18: Einteilung der Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Abb. 19: Methoden der Einkunftsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . 77 Abb. 20: Merkmale der Einkünfte aus Gewerbebetrieb . . . . . . 97 Abb. 21: Umfang der Einkünfte aus Gewerbebetrieb . . . . . . . . 99 Abb. 22: Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften 105 Abb. 23: Merkmale der Einkünfte aus selbständiger Arbeit . . 109 Abb. 24: Umfang der Einkünfte aus selbständiger Arbeit . . . . 110 Abb. 25: Umfang der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 116 Abb. 26: Grundsystematik der Besteuerung von Kapitalerträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Abb. 27: Systematik des § 32d EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Abb. 28: Ausnahmen vom Sondertarif des § 32d EStG . . . . . . . 134 Abb. 29: Werbungskosten bei Kapitalerträgen . . . . . . . . . . . . . 139 <?page no="375"?> Abb. 30: Umfang der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Abb. 31: Umfang der sonstigen Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Abb. 32: Umfang der Bezüge i. S. d. § 24 EStG . . . . . . . . . . . . . . 158 Abb. 33: Verlustausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Abb. 34: Die steuerliche Behandlung von Verlusten ab VZ 2022 und 2023 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Abb. 35: Die verschiedenen Arten der Sonderausgaben . . . . . 179 Abb. 36: Formen der Altersversorgung und deren Besteuerung 185 Abb. 39: Ausbildungs- und Fortbildungskosten . . . . . . . . . . . . 193 Abb. 40: Höchstbeträge zum Abzug von Spenden i. S. d. § 10 Abs. 1 und 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Abb. 41: Berechnungsschema einer Parteispende . . . . . . . . . . . 196 Abb. 42: Die verschiedenen Arten der außergewöhnlichen Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Abb. 43: Das duale System des Familienleistungsausgleichs . . 208 Abb. 44: Günstigerprüfung für den Kinderfreibetrag 2022 . . . 211 Abb. 45: Umfang der außerordentlichen Einkünfte . . . . . . . . . 216 Abb. 46: Ermittlung des begünstigten Gewinns i. S. d. § 34a EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Abb. 47: Steuerpflichtige Einkünfte vs. Steuerbilanzgewinn . . 225 Abb. 48: Ermittlung des nachversteuerungspflichtigen Betrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Abb. 49: Anrechnung der Gewerbesteuer gem. § 35 EStG . . . . 232 Abb. 50: Kumulative Voraussetzungen der Mitunternehmereigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Abb. 51: Ermittlung der gewerblichen Einkünfte des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Abb. 52: Ermittlung des steuerlichen Gesamtgewinns . . . . . . . 251 Abb. 53: Überblick über die Körperschaftsteuerpflicht . . . . . . 267 Abb. 54: Ermittlung der Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . 269 Abb. 55: Abgrenzung der offenen und verdeckten Gewinnausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Abb. 56: Der Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung . . . 279 Abb. 57: Abgrenzung vGA und verdeckte Einlage . . . . . . . . . . 283 Abb. 58: Bewertung von Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Abb. 59: Auswirkungen der vE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Abb. 60: Behandlung der Ausschüttung beim Empfänger . . . . 289 375 Abbildungsverzeichnis <?page no="376"?> Abb. 61: Grundprinzip der Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Abb. 62: Ausnahmen zur Zinsschrankenregelung gem. § 8a KStG i. V. m. § 4h Abs. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Abb. 63: Grundprinzip des EBITDA-Vortrags . . . . . . . . . . . . . . 299 Abb. 64: Die Arten des Gewerbebetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Abb. 65: Ziele der gewerbesteuerlichen Modifikationen . . . . . 320 Abb. 66: Hinzurechnungen i. S. d. § 8 Nr. 1 GewStG . . . . . . . . 323 Abb. 67: Behandlung der Gewinnanteile von Gesellschaftern einer Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Abb. 68: Abgrenzung zwischen Schachtel- und Streubesitzdividenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 Abb. 69: Abzugsbeträge für Spenden und Mitgliedsbeiträge gem. § 9 Nr. 5 GewStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Abb. 70: Realisierung einer rechtsformneutralen Besteuerung durch § 34a EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Abb. 71: Berechnungsschema der Einkommensteuer . . . . . . . . 362 376 Abbildungsverzeichnis <?page no="377"?> Tabellenverzeichnis Tab. 1: Abgrenzung der Ertragsteuerarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Tab. 2: Grenzpendler und EU/ EWR-Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Tab. 3: Anwendungskreis der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Tab. 4: Anwendungskreis der beschränkten Steuerpflicht . . . . . 52 Tab. 5: Gewinnvs. Überschusseinkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . 58 Tab. 6: Ausgewählte, nicht abzugsfähige Betriebsausgaben . . . 68 Tab. 7: Realisationsvs. Zufluss-Abfluss-Prinzip . . . . . . . . . . . . 73 Tab. 8: Methoden der Gewinnermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Tab. 9: Abgrenzung der Selbständigkeit von der Unselbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Tab. 10: Abgrenzung der Vermögensverwaltung von der gewerblichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Tab. 11: Umfang ausgewählter Einkünfte aus Kapitalvermögen . 127 Tab. 12: Steuerliche Konsequenzen aus der Zuordnung der Kapitalerträge zum Privat- oder Betriebsvermögen . . . . 129 Tab. 13: Ausnahmetatbestände des § 32d Abs. 2 EStG . . . . . . . . . 137 Tab. 14: Voraussetzungen für den Abzug des Altersentlastungsbetrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Tab. 15: Behinderten-Pauschbeträge in Abhängigkeit vom Grad der Behinderung gem. § 33b Abs. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . 204 Tab. 16: Einteilung der Steuerklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Tab. 17: Steuersubjektivität der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Tab. 18: Zusammenfassung der Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Tab. 19: Gewerbesteuer-Hebesätze ausgewählter Gemeinden . . 340 Tab. 20: Zusammenhang Handelsbilanzgewinn / Steuerbilanzgewinn / zu versteuerndes Einkommen nach KStG / Gewerbeertrag nach GewStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 <?page no="378"?> ISBN 978-3-8252-5792-7 Mit diesem Lehrbuch wird dem Einsteiger ein umfassender Überblick über grundlegende Aspekte des Ertragsteuerrechts vermittelt. Es beinhaltet zahlreiche Beispiele sowie veranschaulichende Abbildungen und Tabellen. Am Ende der Kapitel finden sich jeweils eine Zusammenfassung in Form von Kernaussagen über wesentliche Erkenntnisse, Fragen sowie individuelle Literaturhinweise. Für die siebte Auflage wurden die gesamten Ausführungen überarbeitet und aktualisiert, um das Buch dem aktuellen Erkenntnis- und Rechtsstand anzupassen. Das Buch dient der Klausurvorbereitung im Bachelorsowie im Masterstudium, die auf die betriebswirtschaftliche Steuerlehre bzw. das Steuerrecht ausgerichtet sind. Es eignet sich ebenso für die Berufspraxis. Hier sind Steuerberatung, Steuerfachangestellte sowie Steuerfachwirte angesprochen. Wirtschaftswissenschaften Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehr- und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel
