Grundwissen Internet
Perspektiven der Medien- und Kommunikationswissenschaft
1114
2022
978-3-8385-5909-4
978-3-8252-5909-9
UTB
Joan Kristin Bleicher
10.36198/9783838559094
Von der Datenautobahn zum Mitmachnetz Das Internet entwickelte sich in verschiedenen Phasen schnell und grundlegend von einer Datenautobahn zum Mitmachnetz. Mittlerweile ist diese digitale Parallelwelt aus dem Alltag vieler Menschen gar nicht mehr wegzudenken.
Joan Kristin Bleicher beleuchtet umfassend zentrale Aspekte der Medialität des Internets. Im Fokus stehen dabei nicht nur Rahmenbedingungen und die historische Entwicklung. Es werden auch Angebotsschwerpunkte, theoretische Fragen, Ästhetik, Nutzungs- und Wirkungspotenziale des Internets sowie Regulierungstendenzen thematisiert.
Das Buch hat einführenden Charakter und richtet sich an Studierende der Medien-, Kultur- und Kommunikationswissenschaft. Es eignet sich auch für Interessierte anderer Fachrichtungen, die sich über dieses Schlüsselmedium unserer Zeit informieren möchten.
<?page no="0"?> Joan Kristin Bleicher Grundwissen Internet Perspektiven der Medien- und Kommunikationswissenschaft <?page no="1"?> utb 5909 Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Brill | Schöningh - Fink · Paderborn Brill | Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen - Böhlau · Wien · Köln Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Narr Francke Attempto Verlag - expert verlag · Tübingen Psychiatrie Verlag · Köln Ernst Reinhardt Verlag · München transcript Verlag · Bielefeld Verlag Eugen Ulmer · Stuttgart UVK Verlag · München Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld Wochenschau Verlag · Frankfurt am Main <?page no="2"?> Prof. Dr. Joan Kristin Bleicher lehrt am Institut für Medien und Kommunikation der Universität Hamburg. <?page no="3"?> Joan Kristin Bleicher Grundwissen Internet Perspektiven der Medien- und Kommunikationswissenschaft UVK Verlag · München <?page no="4"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.36198/ 9783838559094 © UVK Verlag 2022 ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Ver‐ vielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: in‐ nen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung CPI books GmbH, Leck utb-Nr. 5909 ISBN 978-3-8252-5909-9 (Print) ISBN 978-3-8385-5909-4 (ePDF) ISBN 978-3-8463-5909-9 (ePub) Umschlagabbildung: © scyther5 | iStock Autorinnenfoto: © Sebastian Engels Fotografie Icon: © pop_jop | iStock Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 9 11 1 17 2 19 3 37 3.1 38 3.2 39 3.3 43 3.4 45 3.5 46 4 49 4.1 50 4.2 51 4.3 52 4.4 55 4.5 56 4.6 57 4.7 58 4.8 60 4.9 61 5 65 5.1 65 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeittafel | Meilensteine in der Entwicklung des Internets . . . . . . . . . . . . Was Sie vorher wissen sollten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung in Theorien, Forschungsschwerpunkte und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internet: Infrastruktur, Lebenswelt und Medium . . . . . . . . . . . . . . Das Internet als Lebenswelt und Kulturraum . . . . . . . . . . . Das Internet als Medium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Soziale Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veränderungen in der Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medientheoretische Charakterisierungen des Internets . . . Technische, ökonomische und kulturelle Rahmenbedingungen . Netzwerkstrukturen des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursprüngliche technische Voraussetzungen und Funktionsweisen des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ökonomische Rahmenbedingungen des Internets . . . . . . . Geschäftsmodelle der sozialen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . Plattform-Paradigma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsmodelle des Datenhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung von Geschäftsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aspekte der Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Amateur: innenkultur als Gegenbewegung zur Ökonomisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Historische Entwicklung des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wunschkonstellation und Konzeptphase des Internets . . . <?page no="6"?> 5.2 67 5.3 68 5.4 69 5.5 71 5.6 76 5.7 77 5.8 80 5.9 83 6 87 6.1 88 6.2 89 6.3 92 6.4 93 6.5 94 6.6 97 6.7 98 6.8 100 6.9 101 6.10 102 6.11 104 6.12 105 7 109 7.1 109 7.2 111 7.3 113 7.4 114 7.5 115 7.6 117 7.7 118 7.8 119 7.9 121 7.10 122 Erprobungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frühphase der Angebotsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchsetzungsphase: Institutionalisierung und Ausdifferenzierung der Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Etablierungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Mobilisierung des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung sozialer Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen des Plattform-Paradigmas . . . . . . . . . . . . . . Bisherige und aktuelle Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Ästhetik und Design des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medienhistorische Vorbilder der Internetästhetik . . . . . . . . Einflüsse von Medienkunst, Netzkunst und digitaler Bildästhetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Webdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Metamorphosen des Webdesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seitenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grafische Gestaltungselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellungskomponenten des Textdesigns . . . . . . . . . . . . . Ästhetik der Onlinewerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzungsorientierte Kategorisierungsansätze . . . . . . . . . . . Bewegtbildästhetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medienhistorische Vorbilder der Bewegtbildästhetik . . . . . Sound . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ordnungsmodelle des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Dispositiv Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technische Strukturmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ordnungsmodelle Hypertext und Hypermedia . . . . . . . . . . Modelle der Selektion und Anordnung von Inhalten . . . . . Ordnungsmodelle von Intermediären . . . . . . . . . . . . . . . . . . Distributionsmodelle: Plattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Algorithmen als Grundlage von Angebotsplanung und Empfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Raummodelle und ihre kulturhistorischen Vorbilder . . . . . Spielräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachliche Steuerungselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> 7.11 124 7.12 124 8 131 8.1 132 8.2 133 8.3 135 8.4 137 8.5 137 8.6 138 8.7 139 8.8 141 8.9 142 9 147 9.1 148 9.2 150 9.3 152 9.4 153 9.5 154 9.6 155 9.7 156 9.8 158 10 161 10.1 162 10.2 164 10.3 165 10.4 166 10.5 167 10.6 168 10.7 169 10.8 169 10.9 170 Orientierungsangebote im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Suchmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angebotsschwerpunkte Information, Dokumentation, Wissen . . Angebotschwerpunkt Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angebotsformen des Onlinejournalismus . . . . . . . . . . . . . . Strukturen des Onlinejournalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digital Storytelling als transmediale Informationsvermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Newsgames . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blogs als Mischform zwischen Journalismus und Tagebuch Angebotsschwerpunkt Selbstdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . Angebotsschwerpunkt Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . Angebotsschwerpunkt Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angebotsschwerpunkt Kultur: Grenzgänge zwischen Fakten, Fiktion, Literatur, Theater, Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzgänge zwischen Fakten und Fiktion . . . . . . . . . . . . . . Netzliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Netztheater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Webserien als additive Erzählformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fiktionale Spielfilme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intermediale Videogenres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Netzkunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Webcomics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angebotsschwerpunkt Unterhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stars als personalisierte Unterhaltungsangebote . . . . . . . . . Musikvideos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Comedy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transmediale Unterhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Online-Video-Genres des Amateur: innenfilms . . . . . . . . . . Onlinepornografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Onlinespiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Let’s-Play-Videos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Inhalt <?page no="8"?> 11 175 11.1 177 11.2 179 11.3 179 12 183 12.1 184 12.2 186 12.3 188 12.4 188 12.5 190 12.6 191 12.7 193 12.8 195 12.9 195 12.10 197 12.11 198 12.12 199 12.13 200 13 205 207 225 Angebotsschwerpunkte Werbung, PR, politische Kommunikation Influencer: innen-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . PR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politische Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzungs- und Wirkungspotenziale des Internets . . . . . . . . . . . . . Veränderungen der Netznutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . We the Media - individuelle Medienproduktion im Internet Erscheinungsformen der virtuellen Identitätskonstruktion Aspekte der Wirkung: Das Internet als Öffentlichkeitsraum der digitalen Gesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politische Wirkungspotenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veränderungen von Mediensystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Internet als Medium der Wissensgesellschaft . . . . . . . Ökonomische Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digitale Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Probleme der Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konflikt- und Problempotenziale des Internets . . . . . . . . . . Herausforderungen an die Medienethik . . . . . . . . . . . . . . . . Onlinekriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Inhalt <?page no="9"?> Vorwort Als fester Bestandteil des Medienensembles ebenso wie des menschlichen Alltags bilden das Internet und seine Veränderungen den Untersuchungs‐ schwerpunkt vielfältiger medienwissenschaftlicher Forschungs- und Publi‐ kationsaktivitäten. Das vorliegende Buch beschreibt in einer kompakten Gesamtdarstellung zentrale Aspekte der Medialität des Internets. Eine Basis sind zentrale Ergebnisse der bisherigen kultur-, medien- und kommunikati‐ onswissenschaftlichen Forschung. Im Fokus der Abschnitte stehen Rahmen‐ bedingungen, historische Entwicklung, Ästhetik, Angebotsschwerpunkte, Nutzung, Wirkung und Aspekte der Regulierung. Der Band stellt zentrale Bereiche und Forschungsschwerpunkte vor. Wissensboxen beinhalten be‐ sonders relevante Inhalte. Im Text werden nicht alle englischen Zitate übersetzt. In den letzten zehn Jahren durchlief das Internet gleich mehrere Metamor‐ phosen. Sie wurden begleitet von wechselnden Metaphern und Begriffen wie Datenautobahn, Cyberspace, Web 2.0, das Mitmachnetz oder soziale Medien. Diese Begriffe signalisieren grundlegende Veränderungen der ursprünglichen Verbreitung und Vernetzung von Daten hin zu Formen der technisch basierten sozialen Gemeinschaftsbildung und der Verbindung technischer Geräte. Veränderungen der gesellschaftlichen Wirkung des Internets markieren Buch- und Vortragstitel wie Manuel Castells „Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft“ (2017), Michael Seemanns und Sebastian Giessmanns „Die Plattformgesellschaft“ (re: publica 2015), Roberto Sima‐ nowskis „Facebook-Gesellschaft“ (2016). Hier zeigt sich, dass technische Entwicklungen und die Ökonomie die Strukturen, Angebotsformen, Distri‐ bution und Nutzung des Internets verändern. Aus der Vernetzung von Daten und Menschen entstand die Infrastruktur der Digitalen Gesellschaft und die Daseinsvorsorge der Nutzer: innen. Ich bedanke mich bei Heinz Hiebler für viele hilfreiche Anregungen, Diskussionen, Hinweise und Korrekturen und bei Felicitas Hoppe, Benjamin Johl und Lisa Thomae für ihre engagierte Mitarbeit. Hamburg, im Herbst 2022 Prof. Dr. Joan Kristin Bleicher <?page no="11"?> Zeittafel | Meilensteine in der Entwicklung des Internets 1945 Vannevar Bush veröffentlicht „As We May Think“ im „Atlantic Monthly“ und stellt das Memexmodell einer elektronischen Datenspeicherung und -vermittlung vor. 1957 Die UdSSR startet den ersten Satelliten SPUTNIK in eine Weltumlaufbahn. Die USA müssen militärisch reagieren und gründen die ARPA (Advan‐ ced Research Projects Agency), die in das Verteidigungsministerium integriert ist. Die Aufgabe der ARPA besteht darin, neue Technologien im Bereich Kommunikation und Datenübertragung zu entwickeln, um den USA einen technischen Vorsprung gegenüber der UdSSR zu verschaffen. 1963 Douglas Engelbart (ARPA IPTO) entwickelt das Dokumentationssystem oN Line System (NLS), um Dokumente gleichzeitig auf dem Bildschirm darstellen, speichern und suchen zu können. 1964 Paul Baran (RAND Corporation) betreibt Studien zum dezentralisierten Netzwerk ohne Zentralcomputer. 1965 Ted Nelson prägt den Begriff Hypertext. 1968 In Europa interessiert man sich für das Internet. Derek Barber übernimmt die Leitung eines neu gegründeten Projektes zum Aufbau eines European Informatics Network (EIN). 1969 Das Unternehmen BBN entwickelt an unterschiedlichen Standorten das IMP-Netzwerk als Basis des ARPAnet. Dieses Netzwerk bildet die Kern‐ einheit des heutigen Internets. Am 29. Oktober 1969 findet der erste Kommunikationsvorgang zwi‐ schen einem UCLA-Computer und dem IMP II Rechner am Stanford Research Institute statt, um die Buchstaben LOG (für „Login“) zu vermitteln. 1970 Die Verbindung zwischen der West- und Ostküste der USA steht. Die Hosts des ARPANET benutzen das NCP (Network Control Protocol). Es ist das erste Host to Host Protocol. 1971 Ray Tomlinson von der Firma BBN erfindet das E-Mail-Programm. Er kann kurze Nachrichten über das Netz schicken. 1972 Die Leiter europäischer und amerikanischer Vernetzungsprojekte schlie‐ ßen sich mit dem Ziel verbesserter Koordination zur International Net‐ work Working Group (INWG) zusammen. 1973 Bob Metcalfe in Harvard bringt die erste Idee für das ETHERNET. Das Konzept wurde auf XEROX PARCs ALTO-Computern getestet und das erste ETHERNET-Netzwerk wurde Alto Aloha System getauft. <?page no="12"?> 1974 Durch das Transmission Control Protocol (TCP) als einheitliche Ver‐ netzungssoftware wird die internationale Kommunikation ermöglicht und beschleunigt. 1976 Die englische Königin Elizabeth II. schickt aus den USA an ihre Bürger die erste E-Mail durch das Netz und informiert sie über die Verbindung des englischen mit dem amerikanischen Netzwerk. 1977 Apple Computer Inc. stellt mit dem beginnenden Verkauf preisgünstiger Mikrocomputer die für die Internetnutzung erforderlichen Empfangsgeräte bereit. 1978 Das Protokoll TCP wird gesplittet in TCP und IP. 1979 Das Usenet (Netzwerk von Diskussionsforen) wird als Verbindung zweier Unix-Rechner gegründet. Erschaffer sind Tom Truscott, Jim Ellis und Steve Bellovin. Sämtliche Gruppen werden unter der Hirarchie.net eingetragen. 1980 Der WWW-Konstrukteur Tim Berners-Lee entwickelt bei der Firma D. G. Nash Ltd. Mikroprozessorsoftware, um „einen abstrakten Informations‐ raum aufzubauen“. 1981 Das erste E-Mail-Transport-Protokoll SMTP begünstigte durch seine leichte Handhabung die schnelle Verbreitung der elektronischen Post. 1982 DCA und ARPA etablieren das TCP (Transmission Control Protocol) und das IP (Internet Protocol) als den Protokollstandard für das ARPANET, bekannt als TCP/ IP. Dies ist die erste festgelegte Definition für das INTERNET als eine Gruppe von Netzwerken, die speziell dieses Protokoll verwenden. Das DoD der USA deklarierte TCP/ IP zum Standard für DoD. Es entsteht das EUnet (European UNIX Network), geschaffen von EUUG, um EMAIL und USENET-Service anzubieten. Die ersten Verbindun‐ gen waren zwischen Holland, Dänemark, Schweden und England. 1983 Das ARPANET löst sich mit seinem eigenen Netzwerk MILNET endgül‐ tig von bisherigen Kooperationen, so dass nun Unternehmen und wis‐ senschaftliche Einrichtungen gemeinsam das zivile Internet betreiben. Deutschland (Stuttgart) und Korea kommen ins Netz. 1984 Das Namenssystem für Domains (DNS) wird eingeführt. 1987 Die Anzahl der Hosts (Computersystem mit registrierter IP-Adresse) übersteigt 10.000. 1988 Fuji produziert die erste ausschließlich digitale Kamera. Am 2. November 1988 jagt der Virus Internet Worm durch das Internet. 6.000 der mittlerweile 60.000 Hosts werden infiziert. 1989 Die Anzahl der Hosts im Netz bricht die Schallmauer von 100.000. 1990 Das ARPANET hört auf zu existieren. 12 Zeittafel | Meilensteine in der Entwicklung des Internets <?page no="13"?> 1991 Das WORLD WIDE WEB (WWW) geht über CERN ins Netz. Entwickler und Erfinder ist Tim Berners-Lee. Das an der Universität von Minnesota entwickelte Informationssystem GOPHER stellt durch eine grafische Menüführung eine komfortable Na‐ vigation durch die Datenbestände des Netzes bereit. 1992 Die Weltbank geht online. Die ISOC (Internet Society) wird gegründet. Die Anzahl der Hosts im Internet übersteigt eine Million. Die Universität von Nevada bringt mit Veronica die erste Suchmaschine heraus. 1994 Am 25. Oktober 1994 stellt die Zeitschrift „Der Spiegel“ nach einer ein‐ jährigen Experimentierphase auf der Frankfurter Buchmesse ihren ersten öffentlichen Onlineauftritt vor. Die ersten Onlinegeschäfte tauchen im Internet auf. Cadabra wird in Seattle gegründet - der Vorläufer von Amazon. 1995 Am 23. Mai 1995 bringt SUN die Sprache JAVA heraus. Die Real-Audio-Technologie lässt das Netz nahezu in Echtzeit Musik hören. Am 14. September 1995 wird die Registrierung von Domain-Namen kostenpflichtig. 1996 Der Krieg der WWW-Browser, der hauptsächlich zwischen Netscape und Microsoft tobt, führt zu einer neuen Ära der Softwareentwicklung. Neue Programmversionen erscheinen alle drei Monate und werden in sogenannten BETA-Versionen von einer breiten Masse getestet. 1997 John Barger richtet ein Web-Logbuch ein, um seine Internetaktivitäten zu dokumentieren. Ihm wird die Urheberschaft für den Begriff Weblog zugeschrieben. Die Informatikstudenten Larry Page und Sergey Brin entwickeln an der Stanford University in Palo Alto, Kalifornien den Algorithmus, der der Suchmaschine Google zugrunde liegt. 1999 Am 22. Februar 1999 nimmt die erste Onlinebank, die First Internet Bank of Indiana, ihren Geschäftsbetrieb auf. Shawn Fanning erfindet die Software Napster für den Musikaustausch zwischen Nutzer: innen. 2000 Das Internet 2 erhält eine eigene zentrale Datenleitung, so dass sich 2002 ca. 200 Universitäten am wissenschaftlichen Datenaustausch beteiligen können. Eine Gruppe von Informatiker: innen und IT-Ingenieur: innen der Techni‐ schen Hochschule in Atlanta (Georgia) arbeitet an einem Projekt mit dem Namen Aware Home, das als Vorläufer des Smarthome gilt. 13 Zeittafel | Meilensteine in der Entwicklung des Internets <?page no="14"?> 2000- 2001 Die Dotcom-Blase platzt, da die damaligen Entwicklungen und Produkte nicht den Bedürfnissen der Nutzer: innen entsprechen. Am 23. November 2001 gehen die Internetunternehmer Jimmi Wales und Larry Sanger mit ihrem der interaktiven Netznutzung angepasstem Lexikon WIKIPEDIA online. 2002 Das Unternehmen Universal bietet mit popfile.de das erste kommerzielle Downloadangebot an. Reid Hoffmann gründet LinkedIn als Plattform für die Vermittlung von Arbeitsplätzen. 2003 Das Blackberry Quark kommt auf den Markt und leitet die weitere Entwicklung der Smartphones ein. 2016 wird der Verkauf angesichts der wachsenden Konkurrenz eingestellt. 2004 Der ehemalige MTV-Moderator Adam Curry entwickelt ein eigenes kleines Programm, das nach MP3-Dateien sucht und diese für den mobilen Emp‐ fang laden kann. Für dieses Verfahren wählt Curry den Begriff Podcasting. Facebook wird als soziales Netzwerk für Studierende verschiedener Uni‐ versitäten gegründet. 2006 wird sich der Zugang für Nutzer: innen mit einer E-Mail-Adresse erweitern. Die Fotoplattform Flickr erblickt das Licht der Welt. Tim O’Reilly kreiert den Begriff Web 2.0. 2005 Am 22. Mai 2005 veröffentlicht der Amerikaner Steven Chen ein Video seiner springenden Hauskatze Pajamas im Internet und signalisiert so das Interesse an Bildbeiträgen aus dem privaten Lebensumfeld. Die Erfolgs‐ story von YouTube beginnt. 2006 Bundesweit sind 60 % der Jugendlichen ab 14 Jahren online. Hansenet offeriert mit Alice Home TV das erste IPTV-Angebot in Deutschland. Twitter ist neu auf dem Markt. Nutzer: innen sollen auf eine einfache Frage antworten: „What are you doing? “ Am 21. März 2006 verbreitet Jack Dorsey den ersten Tweet: „just setting up my twttr“. 2008 Am 10. Juli 2006 beginnt Apple mit dem Verkauf von Apps in seinem App Store. Airbnb wird gegründet. Mit der Webseite MYBO organisiert Barack Obama seinen Wahlkampf. 2009 Im Januar 2009 geht der Instant-Messaging-Dienst WhatsApp online und löst bei vielen Nutzer: innen die klassische SMS ab. Am 19. Februar 2014 wird Facebook den Dienst übernehmen. Uber entsteht. Das US-Verteidigungsministerium informiert über den Datendiebstahl von Bauplänen für ein Kampfflugzeug. 14 Zeittafel | Meilensteine in der Entwicklung des Internets <?page no="15"?> 2010 Zum 5. Februar 2010 hat Facebook laut eigenen Angaben 400 Millionen Nutzer: innen weltweit. Weltweit soll es ca. 200 Millionen Weblogs geben. Das Handy von Nokia ermöglicht das mobile Versenden von SMS. Kevin Systrom gründet das soziale Netzwerk Instagram, das zwei Jahre später von Facebook gekauft werden wird. Die Behörden gehen gegen Wikileaks vor. Am 3. April 2010 wird das erste iPad in den USA verkauft. Juli Michael Hayden (NSA) bittet die Teilnehmer: innen der Hacker: in‐ nenkonferenz „Black Hat“ um Unterstützung bei der Neugestaltung der Sicherheitsarchitektur des Internets. Die Einführung von Google Street View löst in Deutschland starken Widerstand aus. Nicolas Sarkozy fordert die Durchsetzung eines Minimums an Werten und Regeln im Internet, auf die man sich weltweit geeinigt habe. 2011 In Stanford erfinden Studierende den Messenger-Dienst Snapchat, der Posts nach einer bestimmten zeitlichen Frist automatisch löscht. 2016 AlphaGo, eine von Google entwickelte Software, gewinnt ein Go-Turnier. Dies gilt als wichtiger Entwicklungsschritt für die KI. Die Plattform TikTok für das Teilen kurzer Videos wird gegründet. Kontroverse Diskussionen begleiten in Deutschland die Einführung einer neuen Datenschutzgrundverordnung. 2018 Facebook verändert seine Newsfeeds. Statt der bisherigen Dominanz der Beiträge von Unternehmen werden nun Beiträge von Privatpersonen be‐ vorzugt, die der Individualkommunikation und sozialen Vernetzung dienen. Diese Änderungen sollen das Wohlbefinden der Nutzer: innen steigern. 15 Zeittafel | Meilensteine in der Entwicklung des Internets <?page no="17"?> 1 Was Sie vorher wissen sollten Ein Grundproblem der medienwissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Internet bildet die hohe Dynamik seiner Veränderungen, die eine konti‐ nuierliche begleitende Forschung erfordert. Im Vergleich zu etablierten Massenmedien wie dem Fernsehen beschleunigten sich die historischen Phasen Konzeption, Entwicklung, Durchsetzung und Etablierung des Inter‐ nets. Auf die Vernetzung der Daten im World Wide Web (WWW) folgte die Vernetzung der Menschen in den sozialen Medien und das auf ihren Daten basierende, durch Künstliche Intelligenz geprägte Internet der Dinge (IoT). Das Internet als technische Infrastruktur der Digitalisierung ist für seine Nutzer: innen nicht nur ein Informationsmedium, sondern ein virtueller Kultur-, Spiel-, Kommunikations- und Lebensraum. In den wissenschaftlichen Fachdisziplinen bildeten sich unterschiedliche Forschungsschwerpunkte heraus. Diese umfassen u. a. Zusammenhänge zwischen technischer Basisstruktur (Informatik) und Angebotsstruktur, das Angebotsformenspektrum, ästhetische Grundlagen, Kennzeichen der digitalen Kultur (Medienwissenschaft) sowie die individuelle Nutzung und gesellschaftliche Wirkung sozialer Medien (Kommunikationswissenschaft). Soziologie und Politikwissenschaft interessieren sich für den Einfluss des Internets auf die Gesellschaft (Hierarchiestrukturen, Sozialgemeinschaften) und den Einfluss des Internets auf die politische Kommunikation. Zu den Themenschwerpunkten der Pädagogik zählen u. a. Digitale Bildung sowie der Einfluss der Internetnutzung auf die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen. Psycholog: innen befassen sich mit Identitätskonstruktion im Internet ebenso wie mit Erscheinungsformen von Onlinesucht. Kritisch begleitet werden die Entwicklungen des Internets nicht nur von der Forschung, sondern auch durch Sachbücher wie die „Google-Ge‐ sellschaft“ (Lehmann/ Schetsche 2005), „Das Zeitalter des Überwachungska‐ pitalismus“ (Zuboff 2018) oder Romane wie „Ich hasse dieses Internet“ (Kobek 2017). Diese Buchtitel sind exemplarisch für die wachsende Kritik an dem immer enger werdenden Zusammenhang aus ökonomischer Mono‐ polbildung, dem Datenhandel, dem Verlust von Privatheit und der Beein‐ flussung der öffentlichen Kommunikation etwa durch das Zusammenspiel von Fake News mit Folgen wie Hass und Cybermobbing. Der Verlust an Meinungs- und Informationskomplexität in unterschiedlichen Filterblasen <?page no="18"?> beeinträchtige, so Kritiker: innen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Als Gefährdung der Demokratie gilt der Einfluss von Intermediären auf die politische Meinungsbildung (Weber, Mangold, Hofer, Koch 2019). 18 1 Was Sie vorher wissen sollten <?page no="19"?> 2 Einführung in Theorien, Forschungsschwerpunkte und Methoden Zwar bildet das Internet das Zentrum der digitalen Welt, dennoch können etablierte theoretische Reflexionen der analogen Welt als Erklärungsmuster für unterschiedliche Aspekte dieser technischen Welt fungieren. Generell beinhalten Theorien unterschiedliche Fragestellungen, Bedeutungsschwer‐ punkte und Funktionen. Als Systeme wissenschaftlich begründeter Aussa‐ gen tragen sie zur Erklärung bestimmter Phänomene und ihrer mögli‐ chen Ursachen bei. Wissenschaftliche Theorien bestimmter Teildisziplinen beinhalten fachspezifische Themenschwerpunkte, Begriffe und Prinzipien. Daher befassen sich Theorien zumeist mit Antworten auf spezifische Fragen in spezifischen Kontexten, zu deren besserem Verständnis sie beitragen (vgl. Hepp 1999, 17). Theorien entwerfen nicht nur grundlegende Fragestellun‐ gen, sie reflektieren auch zentrale Probleme. Auf diese Weise beinhalten sie Erklärungspotenziale für unterschiedliche Teilbereiche der technischen Grundlagen, der Ökonomie, der Medienangebote sowie der Medienvermitt‐ lung, -wirkung und -nutzung. Erst die Vielfalt unterschiedlicher Theorien ermöglicht eine hohe Erklärungsleistung für die sehr komplexen Phäno‐ mene des Internets. Der Netzstruktur des Internets entspricht die thematische Vielfalt von Theorien und Methoden der interdisziplinären Forschung. Bereits der fran‐ zösische Philosoph Michel Foucault beschrieb die Vernetzung unterschied‐ licher Elemente als spezifisches Dispositiv des 20. Jahrhunderts: „Wir sind in der Epoche des Simultanen, […] des Nebeneinanders, des Auseinan‐ der. Wir sind, glaube ich, in einem Moment, wo sich die Welt weniger als ein großes, sich durch die Zeit entwickelndes Leben erfährt, sondern eher als ein Netz, das seine Punkte verknüpft und sein Gewirr durchkreuzt.“ (Foucault 1992, 34) An dieses Zitat lässt sich die Kurzdiagnose „Alles hängt mit allem zusam‐ men“ anschließen. Sie erfasst Grenzauflösungen und themenbezogene Verknüpfungen von Theorieansätzen der Internetforschung unterschiedli‐ cher wissenschaftlicher Teildisziplinen (vgl. Warnke 2011). Diese nähern sich den jeweiligen Phänomenen mit unterschiedlichen fachspezifischen Re‐ <?page no="20"?> flexionen. So sind Verschwörungsmythen nicht nur ein Gegenstandsbereich literaturwissenschaftlicher Narrationstheorien, sondern auch von Manipu‐ lationstheorien und weiteren Theoriemodellen der Politikwissenschaften. Im folgenden Abschnitt werden anhand ausgewählter Fragestellungen und Themenschwerpunkte zentrale theoretische Ansätze und Forschungs‐ schwerpunkte vorgestellt, die die bisherige Entwicklung des Internets be‐ gleiteten. Etablierte Fragestellungen, beispielsweise der Philosophie wie „Was ist der Mensch? “, stellen sich angesichts internetbezogener Phänomene etwa digitaler Identitäten wie Influencer: innen, Avataren oder Trolle neu. Simulations- und Virtualitätstheorien reflektieren Aspekte virtueller Welten im Internet und ihre Folgen für die menschliche Wahrnehmung und sozialen Beziehungen. Das Verhältnis von Medien und Macht, aber auch die Beziehungen zwischen Medien und Wirklichkeit gehören zu den Kernthemen von Medientheorien und -forschung. Techniktheorien Gut zu wissen | Technikbegriff Techniktheorien reflektieren die materiellen Grundlagen von Medien und ihrer Kommunikation. Der Technikbegriff umfasst dabei vor allem Infrastruktur, Maschinen, Apparate und Hardware. Medientheorien gehen davon aus, dass die Materialität der Medien als technische Grund‐ lage eine wesentliche Rolle für die medialen Angebote und Funktionen wie etwa Information spiele (Spahr 1997, 170). Auch die Wahrnehmung sei in entscheidendem Maße von der Medientech‐ nik geprägt. Bereits Marshall McLuhan verstand die Medien als „technische Strukturen der Welterschließung“ (Hartmann 2003, 57). Die Einheit der Weltwahrnehmung, die noch in der Schrift möglich war, zerfalle durch zusätzliche technische Codes in Wahrnehmungsspezifika von Medienange‐ boten (Kittler 1995, 311). In der Mediengeschichte zeigt sich die Abhängigkeit der Entwicklung neuer Medientechnologien von militärischen Nutzungsinteressen (Kitt‐ ler 1986, 149). So basieren auch die frühen Netzwerkentwicklungen des US-Militärs auf dem Ziel einer funktionsfähigen Computerkommunikation auch im Falle militärischer Zerstörungen. Andere Medientheoretiker: innen 20 2 Einführung in Theorien, Forschungsschwerpunkte und Methoden <?page no="21"?> reflektieren die Frage, „mit welchen Medientechniken welche Symbole auf welche Weise gehandhabt werden“ (Winkler 1997, 335). Technische Medien wie das Internet seien „Mechanismen zur Herstellung sekundärer Wirklichkeiten oder Medienwirklichkeiten“ (Hartmann 2003, 50). Als „Instrumente der Wirklichkeitserzeugung“ (Hartmann 2003, 54) verändern sie Weltwahrnehmung und Wirklichkeitsvorstellung ihrer Nutzer: innen. Ökonomische Theorien Kritisch reflektiert werden Konzepte der ökonomischen Verwertung des kostenlos produzierten Amateur: innencontents bei gleichzeitiger Ver‐ schleierung von Unternehmensstrukturen und -interessen. Mirko Tobias Schäfer illustriert die ökonomische und technische Verwertung des von Amateur: innen produzierten Contents am Beispiel der Applikation Google Maps. Durch Integration weiten aus seiner Sicht Organisationen und Unterneh‐ men ihre Produktion in die Sphäre der Nutzer: innen aus, so dass diese am Entwicklungsprozess teilnehmen. Der Service Google Maps sei ein Beispiel für diese Integration. Die App habe nicht nur großes Interesse erzeugt. Die Entwickler: innencommunity entwarf mit dem weitgehend offenen Application Programming Interface (API) eine Vielzahl von neuen Nutzungsmöglichkeiten und beteiligte sich an der Entwicklung des Pro‐ grammcodes des API (Schäfer 2010, 13). Gut zu wissen | Überwachungskapitalismus Soshana Zuboffs Theorie des Überwachungskapitalismus (Zuboff 2018) erfasst Wechselwirkungen zwischen sozialen Medien, Ökonomie und Politik auf Basis der Bereitstellung von Nutzer: innendaten. Ein Fokus liegt auf der Unternehmensgeschichte mit den jeweiligen Geschäftsmo‐ dellen von Google und Facebook. Produkte aus dem Bereich Gesund‐ heitskommunikation wie etwa Fitnessarmbänder sind laut Zuboff eine wichtige Grundlage des Datenhandels und der subjektiven Adressie‐ rung von Werbung. Trotz der ständig wachsenden Anzahl an Medien- und Online-Inhalten steigerte sich die Aufmerksamkeit der Menschen nicht im vergleichbaren 21 2 Einführung in Theorien, Forschungsschwerpunkte und Methoden <?page no="22"?> Maße. So bildet Aufmerksamkeit als zentraler Mangel den Ausgangspunkt eigener ökonomischer Konzepte. Die klassische Ökonomie der kapitalisti‐ schen Industriegesellschaft basierte auf dem Prinzip der Knappheit von Warenangeboten. In der neuen Ökonomie schaffen Unternehmen rund um das mangelnde Gut Aufmerksamkeit einen neuen mentalen Kapita‐ lismus, der die Geldökonomie ersetze (Franck 1998). Die Bewältigung der medial erzeugten Informationsflut wird zur zentralen Kompetenz der gesell‐ schaftlichen Positionierung. Dass mit immateriellen Waren hohe materielle Gewinne erzielt werden, gerät bei den Verschleierungsdiskussionen um die Ökonomie der Aufmerksamkeit gerne in Vergessenheit. Auf Basis der Aufmerksamkeitsökonomie werden auch Verän‐ derungen der Starkonstruktion und -wirkung reflektiert (vgl. Franck 1998, 159 ff.). Stars bilden als Oberschicht der neuen sozialen Hierarchiebildung den Fokus unterschiedlicher Bereiche des Internets, ins‐ besondere der sozialen Medien. Veränderungen des Berühmtheitsstatus basieren u. a. auf der Selbstwahrnehmung und -darstellung: „The most obvious change in the nature of fame over the last twenty or so years has been the increasing self-consciousness among the audience, the media, and the famous about the process, and the desire to stage that self-consciousness as part of the general staging of fame itself.“ (IASC o. J) Das Selbst ist Inszenierung, Produkt und Schauobjekt in Personalunion. Kulturtheorien Verschiedene Studien rekonstruieren die Kulturgeschichte der Digitalisie‐ rung (Baricco 2019; Burkhardt 2018) als Grundlage aktueller Entwicklun‐ gen. Gut zu wissen | Convergence Culture Diagnosen des internetbasierten kulturellen Wandels wie etwa das Entstehen einer Convergence Culture ( Jenkins 2006) markieren Zusam‐ menhänge zwischen ökonomischen Verwertungsketten, der kulturellen Produktion, medientechnischen Innovationen und grundlegenden Ver‐ änderungen des Mediensystems. Der vielschichtige Konvergenzbegriff umfasst Bewegungen von Plattformen, Unternehmen und Publika. 22 2 Einführung in Theorien, Forschungsschwerpunkte und Methoden <?page no="23"?> „By convergence, I mean the flow of content across multiple media platforms, the cooperation between multiple media industries, and the migratory behaviour of media audiences who will go almost anywhere to search of the kinds of entertainment experience they want.“ ( Jenkins 2006, 2 f.) Der Begriff Prosumer Culture wiederum zeigt, dass die Nutzer: innen nicht nur Inhalte konsumieren, sondern selbst produzieren (vgl. Reichert 2008, 12). So sei das Internet „innerhalb weniger Jahre zum zentralen Konvergenzraum medial vermittelter Kommunikation geworden. Die Vervielfachung der Publikations- und Kommu‐ nikationsformate hat dazu geführt, dass Millionen von Usern/ Userinnen ihre Alltagskommunikation öffentlich im Kontext digitaler Netzwerke ausbreiten.“ (Reichert 2008, 11) Veränderungen etablierter Strukturen von Kultur und Produktion (Bruns 2008) bilden einen Fokus etwa von Theorien zur Digitalen Kul‐ tur (Stalder 2016) oder zur Amateur: innenkultur (Schäfer 2011; Rei‐ chert 2015). Im Kontext der Reflexionen von Amateur: innenkultur im Internet wird die Medialisierung des Alltags unter dem Einfluss der sozialen Medien als neue Form alltagskultureller Kommunikation, kollektiver Beziehungen und Selbstpraktiken beschrieben (Reichert 2008, 7). In einer erweiterten theore‐ tischen Perspektive bildet die digitale Kultur eine Fusion unterschiedlicher Medien- und Kulturbereiche auf Grundlage einer einheitlichen digitalen Speicherung (Stalder 2016). Literatur- und Theaterwissenschaftler: innen diagnostizieren Erweiterungen der Ausdrucksmöglichkeiten von Literatur und Theater (Glesner 2015). Dazu zählen die Loslösung von räumlichen Begrenzungen als eine Basis globaler Distribution sowie Veränderungen der Produktion kultureller Artefakte etwa in Formen der kooperativen Literatur. Die Amateur: innenkultur sei u. a. durch den User Generated Content im Internet entstanden (Schäfer 2011). Medialitätstheorien Die Frage, ob das Internet als Medium verstanden werden kann und durch welche Merkmale es sich konstituiert, knüpft an etablierte Medialitäts- und Dispositivtheorien an. 23 2 Einführung in Theorien, Forschungsschwerpunkte und Methoden <?page no="24"?> Gut zu wissen | Medialität Als Medialität wird ein (jeweils kulturhistorisch situiertes) Geflecht aus semiotischen Möglichkeiten, ästhetischen Eigenschaften, Konventio‐ nen, Technologien und gesellschaftlich institutionalisierten Gebrauchs‐ weisen verstanden (vgl. Hickethier 2010, 26). So zielt der Begriff u. a. darauf, wie mediale Verfahren inhaltliche Repräsentationen bzw. die Wahrnehmung und Konstruktion von Wirklichkeit prägen (vgl. Fischer-Lichte 2001; Tholen 2002). Auch wird aus medien- und kulturtheoretisch erörtert, auf welche Weise sich Medien durch ihre Vermittlungsverfahren selbst konstruieren. Dies brachte bereits Marshall McLuhan mit „The medium is the message“ zum Ausdruck (McLuhan 1964). So verstanden konstruieren Medien u. a. durch ihre Darstellungsweisen Grenzen zu anderen Medien (vgl. Fohrmann 2004; Tholen 2002; Andriopoulos et al. 2001). Im Zuge des Medienwandels werden Grenzen und Beziehungen zwischen Medien neu ausgehandelt. Dabei ist ein Spannungsfeld von Hybridbildungen und gleichzeitigen Profilierungen spezifischer Medialitäten zu beobachten (ebd.; Ochsner 2008). Theorien wie beispielsweise die Medienökologie reflektieren die Folgen von Konkurrenz und Wechselwirkungen zwischen etablierten und Online‐ medien. Ein besonderes Erklärungspotenzial der Medienökologie „besteht darin, nicht einzelne Medien, sondern deren Zusammenschlüsse zu fokus‐ sieren und besonders die Wechselwirkungen zwischen Medien und ihren Benutzern zu untersuchen“ (Löffler, Sprenger 2016, 15). Einen Schwerpunkt bilden etablierte nationale und globale Mediensys‐ teme. Hier verändern sich Inhalte und Funktionsschwerpunkte der Einzel‐ medien nicht nur in der Profilneubildung der medialen Identität, sondern auch in medienübergreifenden Angeboten oder Verwertungsketten wie Konvergenz, Crossmedialität und Transmedialität. Der Fokus liegt auf den Beziehungen von Printmedien zu Erscheinungsformen des Onlinejour‐ nalismus (Matzen 2014) oder des Fernsehens zu Video-Stream-Plattformen (Snickars, Vonderau 2009; Richter 2020 u. a.). Beide Beziehungen sind exemplarisch für Veränderungen von Ökonomie, Kultur, Produktion und Rezeption: 24 2 Einführung in Theorien, Forschungsschwerpunkte und Methoden <?page no="25"?> „Welcome to convergence culture, where old and new media collide, where grassroots and corporate media intersect, where the power of the media and the power of the media consumer interact in unpredictable ways.“ ( Jenkins 2006, 2) Unterschiedliche Perspektiven erfassen die digitalisierungsbasierten Verän‐ derungen des Mediensystems: „Setzt doch die wissenschaftliche Analyse und kulturelle Mitgestaltung der sich neu strukturierenden Medienlandschaft, in der Presse, Radio, Fernsehen und Video via Internet digital miteinander vernetzt sind, eine transdisziplinäre Wissensstruktur voraus, in der pragmatische, dekonstruktivistische, phänomeno‐ logische, existenzphilosophische, system- und diskurstheoretische Perspektiven fächerübergreifend miteinander auf problemorientierte Weise verflochten sind.“ (Sandbothe, Marotzki 2000, 9) Die Vernetzung der Medien resultierte in Reflexionen der Post-Mass-Me‐ dia als Loslösung von der bisherigen Einzelmedienforschung (Augenblick, Heft 80, 2021). Veränderungen Privatheit - Öffentlichkeit in sozialen Medien Im Kontext dieser Veränderungen erweitern vielfältige Formen der Präsen‐ tation von Privatheit nichtprominenter Menschen vor allem in sozialen Medien das Angebotsspektrum traditioneller Weltvermittlung etwa via ak‐ tueller Informationen von öffentlicher Relevanz (vgl. Trepte, Dienlin 2014). Auch in den Angeboten etablierter Massenmedien wie dem Fernsehen ist eine Steigerung der Thematisierung von Privatheit, etwa in den Formaten des Realitätsfernsehens, zu beobachten (vgl. Bleicher 2018). Ein häufig kritisierter Kernbereich, sowohl der ökonomischen als auch der politischen Verwertung der sozialen Medien, ist der Verzicht auf Privatheit zugunsten des Informations- und Kommunikationszugewinns. „Die neuen Ausdifferenzierungen der digitalen Kommunikation sind von einem emphatischen Individualitätskonzept geprägt: Weblogs, Wikis und soziale Netz‐ werkseiten fungieren als subjektzentrierte Praktiken und Machtverhältnisse, die von den Internetnutzern die Bereitwilligkeit abverlangen, immer mehr Informa‐ tionen und Daten über ihre Person und ihr Leben zu veröffentlichen, die jederzeit und weltweit mittels Netzrechner abgerufen werden können.“ (Reichert 2008, 7) Gleichzeitig steigt das Bedürfnis nach der Sicherung von Privatsphäre im Bereich sozialer Medien (vgl. Ruddigkeit, Penzel, Schneider 2013). 25 2 Einführung in Theorien, Forschungsschwerpunkte und Methoden <?page no="26"?> Eine wesentliche Grundlage der Funktionsfähigkeit von Netzwerkplatt‐ formen ist, „dass Menschen Aspekte ihrer selbst auf einer Profilseite zugäng‐ lich machen, also zum Beispiel Namen und Wohnort, oder auch musikali‐ sche Vorlieben, politische Orientierungen oder Freizeitinteressen“ (Schmidt 2012, 216). Schmidt konstatiert das Entstehen eines neuartigen Typs von Öffentlichkeit, „den man als ‚persönliche Öffentlichkeit‘ bezeichnen kann“ (Schmidt 2012, 218). Er unterscheide sich in dreierlei Hinsicht von den journalistisch herge‐ stellten massenmedialen Öffentlichkeiten: ● durch die persönliche Relevanz der Auswahl von Informationen, ● durch ein Publikum, das aus sozialen Kontakten bestehe, ● durch den Modus des ‚Konversation Betreibens‘ (Schmidt 2012, 219). Posthumanismus Das Figurenensemble des Internets modifizierte Themenschwerpunkte be‐ stehender Theorien zu Veränderungen des Menschenbildes. „Ein kyberne‐ tisches Welt- und Menschenbild, das den Menschen schon vor seiner technischen Transformation als Maschine deutet, bildet die Voraussetzung für alle posthumanistischen Visionen.“ (Krüger 2019) Gut zu wissen | „Cyborg Manifesto“ Bereits in der Frühphase der Internetentwicklung konstatierte das „Cyborg Manifesto“ (Haraway 1985) eine Hybridisierung von Mensch und Maschine, von Organismus und Maschinenwelt und betonte die Herrschaft der Informatik. Notwendig sei eine Neudefinition von Natur und Kultur durch die Existenz von Cyborgs als technisch-biologische Mischwesen. Es entstehe die „Forderung einer weitestgehenden Mechanisierung des menschlichen Körpers bis hin zum Upload des menschlichen Geistes in einen Computer. Der biologische Körper soll durch einen in allen physischen und psychischen Qualitäten leistungsfähigeren Maschinenkörper ersetzt werden - der Mensch wird zur Maschine.“ (Krüger 2019) Im Kontext von Religionstheorien bewegt sich das Verständnis der Maschine als eine Imitation des Göttlichen. Diese Thesen finden sich auch 26 2 Einführung in Theorien, Forschungsschwerpunkte und Methoden <?page no="27"?> im aktuell viel diskutierten Posthumanismus innerhalb der allgemeinen Philosophie. Der technologische Posthumanismus verhandele „im Hinblick auf die Unsterblichkeit vor allem zwei miteinander verwobene, fun‐ damentale Fragen. Zum einen: Wie kann der Mensch seine perfekte Simulation im Speicher eines Computers generieren? Und zum anderen: Wie gelangen wir in diese verheißungsvolle Zukunft? “ (Krüger 2019) Diese Diskurse lassen sich auch als Reaktion auf die Digitalisierung des Menschen werten. So erfolgt in der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) die Gleichsetzung technischer und humaner Akteure. Simulations- und Manipulationstheorien Gingen traditionelle Theorieansätze von Referenzbezügen zwischen Medien und Wirklichkeit aus, so betonen Simulationstheorien (vgl. Baudrillard 1981) - dem allgemeinen Konstruktivismus vergleichbar (vgl. Schmidt, Weischen‐ berg, Merten 1994) - die eigene mediale Wirklichkeitskonstruktion. Diese Theorien finden in den virtuellen Onlinewelten ihre digitale Realisation. Die spezifische Nutzung von Onlinewelten als virtueller Illusions- und Lebensraum erfassen Immersionstheorien. Gut zu wissen | Simulacrum Der Begriff Simulacrum (Trugbild, Blendwerk) umfasst die Diagnose, dass sich die Wirklichkeit längst in einen Bilder- und Datenstrom aufgelöst habe (Baudrillard 1981). Die Medien haben eine eigene Medi‐ enwirklichkeit geschaffen, die den Zugang zur wirklichen Wirklichkeit verstelle. Eng verknüpft mit den Simulationstheorien sind Manipulationstheorien, die eine intentionale Verfälschungen mit dem Ziel von Meinungs- und Verhaltensänderungen reflektieren (Groys 2000). Angebotstheorien Die Integration und Modifizierung bestehender medialer Angebotsschwer‐ punkte wie Information, Fiktion, Bildung, Unterhaltung und Werbung bildet eine Herausforderung für die medienwissenschaftliche Theoriebildung. An‐ gebotstheorien umfassen spezialisierte Ansätze verschiedener wissenschaft‐ 27 2 Einführung in Theorien, Forschungsschwerpunkte und Methoden <?page no="28"?> licher Disziplinen. Figurentheorien befassen sich mit Erscheinungsformen der personalisierten Bedeutungskonstruktion. Reflektiert werden u. a. For‐ men und Funktionen von Rollenmustern der Selbstdarstellung prominenter und nichtprominenter Menschen, aber auch die Besonderheiten virtueller Personen wie Avatare und Trolle. Erzähltheorien reflektieren grundlegende Angebotsformen, Themen und Strukturen sowie an diese geknüpfte Wirkungsprinzipien fiktionaler und nonfiktionaler Angebote. Genretheorien erfassen thematische und formale Besonderheiten dieser Erzählungen. Dokumentarfilmtheorien beinhalten Referenzbezüge oder Fragen nach den Möglichkeiten des Abbil‐ des von Wirklichkeit. Wissenstheorien umfassen Besonderheiten der kollektiven Produktion und Zirkulation von Bildungsangeboten im Internet. Das Zirkulations‐ prinzip des Wissens (Breidbach 2008) münde in einen „knowledge space“, den Lévy als „cosmopedia“ bezeichnet (Lévy 2001). Verschiedene Theorieansätze reflektieren die Wiederverwendung bereits bestehender Medieninhalte und Darstellungsformen. Diese basiert auf der unbegrenzten Verfügbarkeit, Kopierbarkeit, Speicherbarkeit, Bearbeitbar‐ keit und Verbreitbarkeit digitaler Medienangebote. Unterschieden wird zwischen: ● reinen Wiederholungen („repeat“), ● der Neuanordnung von Bestandteilen („remix“), ● der Integration eines alten Medienangebots als Bestandteil eines neuen Angebots („remediate“). Alte Medien werden zu Inhalten jeweils neuer Medien: „[W]e call the repre‐ sentation of one medium in another remediation, and we will argue that remediation is a defining characteristic of the new digital media.” (Bolter, Grusin 1999, 45) Unterschiedliche Bedeutungsfacetten des Begriffs reichen von der den Medien inhärenten Bezugnahme auf andere Medien über die Nichttrennbarkeit von Mediation und Realität bis hin zur Zielsetzung neuer Medien, andere Medien neu zu interpretieren bzw. zu „reformieren“ (ebd., 55). Remediationsprozesse verknüpfen Ästhetik und Wirkung in unterschiedlichen Medien. 28 2 Einführung in Theorien, Forschungsschwerpunkte und Methoden <?page no="29"?> Ästhetiktheorien Gut zu wissen | Internetästhetik Medienästhetische Theorien konstatieren komplexe Zusammenhänge zwischen Gestaltung, Angeboten, Nutzung und Wirkung (Schnell 2000). Die Internetästhetik bewege sich, so Lev Manovich, an den Schnittstel‐ len von Kino, Architektur und Software (Manovich 2001). Deutlich werde dies etwa in der Gestaltung virtueller Räume. Ästhetik beeinflusse nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch die Nut‐ zung. Designtheorien befassen sich mit dem Zusammenspiel von anwen‐ dungsorientierter Gestaltung und Wirkung im Webdesign. Die Bausteine der Gestaltung wie Bild, Ton und Text gelten etwa innerhalb semiotischer Theorien als Teile der allgemeinen Bedeutungskonstruktion. Theorien der Ordnungsmodelle „Die Wiege des Cyberspace liegt in der Kybernetik.“ (Baumann, Schwen‐ der 2000, 82) Zur Beschreibung interaktiver Steuerungsmodelle, wie etwa dem Feedback, verknüpft die Kybernetik Raumvorstellungen und gezielte -bewegungen. Neben Raumstrukturen und Steuerungsmodellen wird auch der Einfluss der Hypertextstruktur auf die Inhalte reflektiert. Inwieweit führt die Verlinkung von Modulen zur Auflösung bestehender Ordnungs‐ prinzipien und damit zu Veränderungen der Informationsvermittlung? Plattformtheorien befassen sich mit dem Verhältnis technischer Grund‐ lagen, Unternehmensstrategien, etwa im Bereich des Datenhandels, spe‐ zifischen Angebotsproduktionen, der partizipativen Nutzung und den Möglichkeiten der Regulierung. In diesem Kontext befassen sich Algorith‐ mentheorien mit grundlegenden Strukturen und datenbasierten Verfahren - u. a. im Bereich der automatischen Adressierung individueller Nutzer: innen - und ihren Auswirkungen. Sie bilden einen Brückenschlag zu allgemeinen Reflexionen von Formen und Funktionen der Künstlichen Intelligenz (KI) (vgl. Medienwissenschaft, Heft 21, 2019). 29 2 Einführung in Theorien, Forschungsschwerpunkte und Methoden <?page no="30"?> Politiktheorien Wechselwirkungen zwischen Medien und Politik bilden einen Schwerpunkt der medien- und politikwissenschaftlichen Reflexion (Meyer 2001). Erkenn‐ bar ist eine Anpassung der bisherigen Theoriebildung an die medialen Besonderheiten des Internets. Demokratietheorien der Politikwissenschaft befassen sich mit Formen und Funktionen der Ausweitung politischer Kommunikation durch Partizipation. Das Internet adaptiere auch etablierte Kontrollfunktionen der Medien wie beispielsweise Enthüllungen von Missständen durch Plattformen wie Wikileaks. Digitale Politik der Parteien ereignet sich im Internet etwa im Bereich des Wahlkampfs. Selbstdarstellungen von Parteien und Poli‐ tiker: innen sind ein Gegenstandsbereich von Diskursanalysen der politi‐ schen Kommunikation. Diagnosen von Filterblasen und Echokammern sind Teil von Untersuchungen der Radikalisierung politischer Meinungen in sozialen Medien. Frühe Visionen der Demokratisierungspotenziale der Many-to-Many-Kommunikation (Barlow 1996) mündeten in Diagnosen des Neuen Kommunismus (Barbrook 2001). In der Konkurrenz zwischen Ökonomie und Politik bezeichnen Social-Media-Unternehmen die Demo‐ kratie als ein veraltetes Regierungsmodell (siehe Zuboff 2018). Wirkungs- und Nutzungstheorien Soziolog: innen reflektieren internetbezogene Veränderungen gesellschaft‐ licher Strukturen. Den zentralen Einfluss des Internets auf gesellschaftliche Entwicklungen erfassen Diagnosen wie die Bezeichnungen Netzwerkge‐ sellschaft (Castell 2004), Wissensgesellschaft oder Facebook-Gesellschaft (Simanowski 2016). Ein weiteres Interesse gilt der Konstruktion von Sozial‐ gemeinschaften im Internet (u. a. Rheingold 1993). Im internetbezogenen Modell des öffentlichen Kommunikationsraums sind auch unterschiedliche Formen individueller Selbstdarstellung möglich (Turkle 1995). Psychologische und kommunikationswissenschaftliche Theorien erfassen Motive, Formen und Funktionen der Internetrezeption und -nut‐ zung. Interaktions- und Partizipationstheorien befassen sich mit For‐ men der aktiven Rezeption. Dienste und Apps gelten als Grundlage der anwendungsorientierten Integration der Internetnutzung in den Alltag. Der Managementbegriff bildet die Grundlage der Kategorisierung der Bereiche Identität (vgl. Turkle 1995) und Beziehung als Nutzungsschwerpunkte von sozialen Medien (Schmidt 2017). Situativ ist die Kategorie des Mood-Ma‐ 30 2 Einführung in Theorien, Forschungsschwerpunkte und Methoden <?page no="31"?> nagements ausgerichtet (Zillmann 1988). Die Virtualisierung sozialer Bezie‐ hungen löst Fragen nach der Beeinflussung menschlichen Verhaltens aus. Gut zu wissen | Mediendispositiv Der Begriff Mediendispositiv betont in Anschluss an Foucault (Foucault 1977) die Präfiguration der kommunikativen Situation (bzw. häufig verkürzt: vor allem der Rezeption) eines Mediums durch die spezifischen technischen, rechtlichen, ökonomischen und weiteren Rahmenbedin‐ gungen. Einen zentralen Aspekt der kulturellen Veränderungen bilde die Interaktivi‐ tät der Nutzer: innen in den beobachtbaren Zirkulationsprozessen: „This cir‐ culation of media content - across different media systems, competing media economies, and national boarders - depends heavily on consumer’s active participation“ ( Jenkins 2006, 3). Die Zirkulation zwischen Mediennutzer: in‐ nen löst sich von traditionellen Modellen linearer Medienentwicklungen wie etwa dem von Lasswell (Lasswell 1948). Methoden Gut zu wissen | Quantitative vs. qualitative Methoden Die Forschung kennzeichnet eine grundlegende Unterscheidung zwi‐ schen quantitativen und qualitativen Methoden. Zu den quantitativen Methoden zählt die Analyse von Datensätzen. Qualitative medienwis‐ senschaftliche Methoden analysieren hingegen Angebotsstrukturen und Darstellungsformen wie etwa die visuelle Vermittlung. Durch Bildanalysen lässt sich das Wechselverhältnis von Schrift und Bildern etwa in den Memen (vgl. von Gehlen 2021, 11) erfassen, das an die Emb‐ lemata des Barocks erinnert. Wie bei den Emblemata haben Bildmotive der Meme ohne Text keine Bedeutung (von Gehlen 2021, 30). Aus der medienwissenschaftlichen Genreanalyse abgeleitet ist die Untersuchung von spezifischen inhaltlichen und formalen Merkmalen der Angebote. Onlinetagebücher sind eine Methode aus dem Bereich der qualitativen Nutzungsforschung. 31 2 Einführung in Theorien, Forschungsschwerpunkte und Methoden <?page no="32"?> Abhängig von den jeweiligen Forschungsinteressen finden sich in den wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedliche Methoden. So zählen Log‐ file-Analysen oder Onlinebefragungen zu den Methoden der kommunikati‐ onswissenschaftlichen Nutzungsforschung. Ethnologische Feldstudien bil‐ den methodische Schwerpunkte von Forschungsvorhaben aus dem Bereich der sozialen Medien. Onlinebasierte Methoden zählen zum Untersuchungs‐ repertoire der Digital Humanities. Das für das Internet typische Zusammenspiel aus Angebot und Partizi‐ pation (etwa durch Kommentare oder Weiterverbreitung der Angebote) beschreibt Dirk von Gehlen (von Gehlen 2021) als Prozess. Diese für die Angebotsforschung neue Perspektive bildet eine Herausforderung für etablierte Methoden der Medienwissenschaft, die sich häufig auf einzelne Artefakte beziehen. Das Konzept einer interdisziplinären Webwissenschaft (Scherfer, Vol‐ pers 2013) ist eng verknüpft mit flexiblen Methodenkombinationen. Zu den häufigsten Methoden zählen Diskursanalyse, Inhaltsanalyse, Bildanalyse, Sprachanalyse, Digitale Analyse (vgl. Hiebler 2021, 29), Onlinebefragungen, Experteninterviews oder ethnologische Methoden wie die teilnehmende Beobachtung. Mit wechselnden Forschungsschwerpunkten verändert sich auch das Ensemble der verwendeten Untersuchungsmethoden. Literaturverzeichnis Andriopoulos, Stefan (Hrsg.) (2001): Die Adresse des Mediums. Köln: DuMont. Barbrook, R. (2001): Cyber-Kommunismus: Wie die Amerikaner den Kapitalismus im Cyberspace aufheben. In: Maresch, Rudolf/ Rötzer, Florian (Hrsg.). Cyberhypes: Möglichkeiten und Grenzen des Internet. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 76- 101. Baricco, Alessandro (2019): The game: Topographie unserer digitalen Welt. Ham‐ burg: Hoffmann und Campe. Barlow, John Perry (1995): Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace. 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Diese Metaphorik erfasst die grundlegende Bedeutung der technischen Vernetzung und seiner globalen Reichweite für Gesellschaft, Kultur und den einzelnen Menschen (Fischermann, Ha‐ mann 2011, 171). Das Internet bildet auf diese Weise den bisherigen End‐ punkt der Medialisierung von Kultur, Gesellschaft und Lebenswelt. Diese Diagnose impliziert auch Bezeichnungen wie das postmediale Zeitalter, das u. a. durch Partizipationsmöglichkeiten geprägt ist (Zeitschrift Augenblick, Heft 80, 2021). Für die Beschreibung des Internets häufig verwendete metaphorische An‐ gebots- und Funktionsbezeichnungen verweisen auf zentrale Aspekte seiner medialen Identität ( Jamet 2010). Metaphern unterschiedlicher Publikationen zum Internet spiegeln nicht nur seine Komplexität wider, sie erfassen auch technische Grundlagen und Analogien zu bestehenden Institutionen, Medien sowie Angebots- und Nutzungsformen. Gut zu wissen | Hybridisierung Maßgebliche Grundlage dieser für das Internet charakteristischen Funk‐ tionsvielfalt ist die Hybridisierung von Inhalten, Diensten, Kommu‐ nikationsmöglichkeiten und Nutzungsformen. So bilden interaktive Kommunikationsformen wie Chats oder Blogs eine Grundlage virtueller Sozialgemeinschaften. Diese können auch ökonomische Funktionen etwa im Bereich des personalisierten Marketings erfüllen. Das Internet bildet die technische Infrastruktur (von Gehlen 2018, 14) für vielfältige kollektive und individuelle Funktionen. Dazu zählen u. a.: ● Archiv umfassender Wissensbestände (Verlag, Museum und Bibliothek) ● Plattform unterschiedlicher Medienangebote ● Kommunikations- und Diskussionsraum, ● Konsumraum, ● Gesundheitsberatung, <?page no="38"?> ● Sozialgemeinschaft, ● Spielplatz, ● Informations-, Kultur- oder Unterhaltungsmedium, ● Schreibwerkstatt und Atelier. 3.1 Das Internet als Lebenswelt und Kulturraum Diese Funktionsvielfalt des Internets setzt bestehende Auflösungen der Grenzen zwischen Mediendiegese und Lebenswelt (vgl. Silverstone 2007) etwa im Bereich des Fernsehens fort. So wird beispielsweise das Internet von vielen Jugendlichen eher als stets verfügbares Kommunikationsinstrument denn als Medium wahrgenommen. Das Internet sei selbstverständlicher Teil des Alltags und „tief verankerter Bestandteil unseres Lebens geworden“ (Gehlen 2018, 12). So bildet das Internet die technische Grundlage für vielfältige Formen der Lebensführung in Beruf und Freizeit. Auf diese Weise realisiert sich das ursprüngliche Entwicklungskonzept des Internetpioniers Tim Berners-Lee: „[D]as Web ist eher ein gesellschaftliches als ein technisches Produkt. Ich wollte die Zusammenarbeit erleichtern - und nicht ein technisches Spielzeug entwickeln. Das höchste Ziel des Web ist Unterstützung und Verbesserung einer netzartigen Lebensform.“ (Berners-Lee, Fischetti 1999) Raummetaphern beschreiben spezifische Angebote und Funktionen etwa im Bereich der Kommunikation. Friedrich Krotz bezeichnet aus der Nut‐ zungsperspektive das Internet als elektronisch mediatisierten Kommuni‐ kationsraum, der sowohl Formen der Massenals auch der Individual‐ kommunikation beinhaltet (Krotz 1997, 113). Er betont weiterhin, dieser elektronisch mediatisierte Kommunikationsraum sei nicht rein technisch bestimmt, er sei nicht herrschaftsfrei, sondern organisatorisch und ökono‐ misch in die Gesellschaft eingebunden (ebd., 117). Das Netz als sozialer Raum kommunikativer Begegnungen besitzt das Potenzial, zum Zentrum der Gesellschaft zu werden ( Jones 1998, 2). Webpionier Vint G. Cerf bewertete das Internet als Spiegel der globalen Gesellschaft (vgl. von Gehlen 2018, 17). Auch Auffassungen vom Internet als kulturellem Raum werden mit politischen Aspekten etwa hinsichtlich einer Selbstregulierung verknüpft (ebd., 4). Generell kennzeichne den Kulturraum „a loose collection or ‚ecosystem‘ of subcultures rather than a monolithic culture“ (Healy 1996, 65). 38 3 Internet: Infrastruktur, Lebenswelt und Medium <?page no="39"?> Raum- und Transportmetaphern verweisen häufig auf einen Kontrast zwischen sozialer, kultureller und ökonomischer Nutzung des Internets. So betont die Metapher des Cyberspace soziale und kulturelle Aspekte, während in den 1990er-Jahren die Metapher der Datenautobahn auf tech‐ nische und kommerzielle Funktionen der Vernetzung hindeutet (Strate, Jacobson, Gibson 1996, 5). Die aktuelle Angebots- und Nutzungskomplexität beschreibt die geografische Metapher der Extrawelt oder der Landschaften, die man bereisen kann (Baricco 2019). 3.2 Das Internet als Medium Hinsichtlich seiner Vermittlungsformen unterscheidet sich das Internet in seinem spezifischen medialen Charakter von anderen Massenmedien, da es seine Angebote nicht zu bestimmten Zeiten verbreitet, sondern für Nutzer: innen unabhängig von Raum- und Zeitgrenzen etwa auf Plattformen bereitstellt. Gut zu wissen | Pull-Kommunikation Das traditionelle Push-Modell der Massenkommunikation, bei dem eine Botschaft von ein: er Kommunikator: in über ein Medium zu ein: er Emp‐ fänger: in gesendet wird, verändert sich im Internet zur Pull-Kommuni‐ kation, bei der Nutzer: innen gezielt ihre Angebote selbst selektieren. Die traditionell lineare Vermittlung wird so zu einer Netzwerkstruktur der Verbindung. Auf diese Weise verändert sich der einseitige Kommu‐ nikationsprozess traditioneller Massenmedien, der von passiven Rezipi‐ ent: innen ausgeht, hin zu einer interaktiven, partizipativen Nutzung. Mit der rapide steigenden Ausweitung der Netzangebote und -nutzung ging im Verlauf der 1990er-Jahre eine allmähliche Rückführung der Pullin die klassische Push-Kommunikation einher. Massenkommunikation im traditionellen Sinne löste sich im Netz nicht auf, sondern wurde zum Spe‐ zialfall der elektronisch mediatisierten Kommunikation (Krotz 1995, 450). Die Entwicklung sozialer Medien seit der Jahrtausendwende erweiterte die interaktive Nutzung zur Produsage (Bruns 2008), da Nutzer: innen selbst Inhalte produzieren und verbreiten. 39 3.2 Das Internet als Medium <?page no="40"?> Das Internet beinhaltet mehrere Ebenen der Kommunikation: ● „mass, ● interpersonal, ● group, ● organizational etc.“ ( Jones 1998, 9). Diese Kommunikationsebenen lassen sich in einer medialen Doppelstruktur aus „medium of communication“ und „medium of choice“ bündeln (ebd.). Beide sind Teilbereiche des „personalized mass media“ (ebd., 3). Nutzer: in‐ nen bleiben nicht nur auf die Rezeption beschränkt, sondern können zu Produzent: innen werden und selbst Botschaften der Massen- und der Indi‐ vidualkommunikation anbieten. Das Internet als Teil des Mediensystems Trotz seiner allgemeinen Funktionsvielfalt und Breitenwirkung wurde das Internet von Wissenschaftler: innen vor allem dem Mediensystem zugeord‐ net, dessen technische, politische, ökonomische und rechtliche Rahmen‐ bedingungen, Angebote und Funktionspotenziale von unterschiedlichen Interessen der Gesellschaft, Wirtschaft und Nutzer: innen beeinflusst sind. Gut zu wissen | Medienbegriff Fasst man die zentralen Aspekte bisheriger Definitionen zusammen, umfasst der Medienbegriff technisch basierte Träger von informativen und unterhaltenden Inhalten, die als visuelle, akustische oder sprach‐ liche Zeichen von Anbieter: innen an Mediennutzer: innen vermittelt werden. Printmedien, Radio, Fernsehen und Internet fungieren als Institutionen gesellschaftlicher Information und Kommunikation, bilden aber auch eine wichtige Grundlage für die subjektive Identitätskonstruktion. Ihre Fi‐ nanzierungsform ist politisch geregelt, das inhaltliche Spektrum rechtlich (beispielsweise in den Rundfunkstaatsverträgen) eingegrenzt. Die Finanzie‐ rung der Anbieter wie Verlage, Rundfunk- oder Fernsehanstalten erfolgt durch Gebührenzahlungen der Nutzer: innen oder durch die Produktwer‐ bung von Wirtschaftsunternehmen. 40 3 Internet: Infrastruktur, Lebenswelt und Medium <?page no="41"?> Kurz und bündig | Medialität des Internets Die Medialität des Internets besteht in der Kombination aus Massen- und Individualkommunikation, der Verbindung unterschiedlicher Me‐ dienästhetiken und der interaktiven Nutzung. Das Internet ist als Infra‐ struktur der Digitalisierung auch Teil der menschlichen Lebenswelt. Mit den gesellschaftlichen Entwicklungen verändern sich die Anforderun‐ gen an die Medien. Kontinuierlich vorhanden ist der Bedarf an aktuellen Informationen, an fiktionalen Formen der Welterklärung und an einer psychologischen Stabilisierung durch Unterhaltungsangebote. In Krisen‐ zeiten erfolgt eine Stabilisierung gesellschaftlicher Verhältnisse, die Glo‐ balisierung wiederum erfordert die Vermittlung flexibler Lebensmodelle (Prokop 2001, 410 ff.). Durch die Entstehung neuer Medien wird das bis‐ herige Angebots- und Funktionsspektrum vor allem in den traditionellen Schwerpunkten Information, Bildung und Unterhaltung neu organisiert. So kennzeichnen Konkurrenz und Wechselwirkungen das Verhältnis etablierter Medien zum Internet. Durch die Präsenz von Medienunterneh‐ men und -angeboten im Internet entstehen digitale Parallelstrukturen zu etablierten Mediensystemen. Aus medienhistorischer Perspektive verlaufen Veränderungen von Me‐ diensystemen in gleichförmigen Prozessen. Medieneinführungen sind mit sehr unterschiedlichen Erwartungshaltungen verknüpft, welche die Struk‐ tur und Nutzung jeweils neuer Medien entscheidend beeinflussen. Erwar‐ tungshaltungen wie etwa die umfassende Informations- und Wissensver‐ mittlung oder interaktive Nutzungsmöglichkeiten richteten sich auch an das Internet. Mögliche Begrenzungen der tatsächlichen Nutzungsweisen lösen Wunschkonstellationen aus, die zu weiteren Medienentwicklungen führen können (vgl. Winkler 1997). Das Internet als Hybridmedium Das Internet lässt sich durch die parallele Existenz von Diensten wie E-Mails oder Chats, Sozialgemeinschaften wie den Communitys oder Gruppen der sozialen Medien, Konsummöglichkeiten, Tauschbörsen sowie Wissens-, Informations-, Unterhaltungs- und Ratgeberangeboten als Hybridmedium bezeichnen. 41 3.2 Das Internet als Medium <?page no="42"?> Das Internet umfasst, wie Tabelle 1 zeigt, sowohl Angebote der Massenwie auch Formen der Individualkommunikation. Formen der Massenkommunikation Formen der Individualkommunikation Information, Bildung, Kultur individuelle Selbstdarstellung fiktionale und non-fiktionale Unterhal‐ tung, Service (Onlinedienste), Werbung Virtualisierung individueller Kommu‐ nikation: Onlinetelefon, Chats, E-Mail, Spiele Speicher, Datenbankkommunikation individuelle Nutzung der Serviceange‐ bote als Virtualisierung von Alltagsak‐ tivitäten soziale Kommunikation (Posts, Chatgroups) mediale Konstruktion von Identitäts‐ modellen und sozialen Bindungen Ratgeber, Realitäts- und Identitätskon‐ struktion, Wertevermittlung Tab. 1: Formen der Massen- und der Individualkommunikation, Quelle: eigene Darstellung. Nicht nur die Doppelstruktur als Massen- und Individualkommunikations‐ medium (Neverla 1998) bildet eine der Grundlagen der besonderen Brei‐ tenwirkung. Das Internet integriert sowohl kulturelle als auch mediale Angebotsformen: Informationsangebote berichten über aktuelle Ereignisse, Dokumentationen bieten aber auch Beschreibungen kollektiv gültiger Wirklichkeitsvorstellungen an. Fiktionale Angebote wie etwa Filme und Serien vermitteln auch Lebens- und Konfliktlösungsmodelle. Es existieren Formen der massenmedialen Kommunikation aus den Bereichen Print, Film, Hörfunk und Fernsehen neben künstlerischen Vermittlungsformen aus den Bereichen Bildende Kunst, Musik, Literatur und Theater sowie Formen der Individualkommunikation wie E-Mails, aber auch Chatrooms und Onlinespiele als Räume der sozialen Begegnung. Neue Hybridfor‐ men zwischen massenmedialer und individueller Kommunikation passen, etwa in Personalized News, Nachrichten als traditionelle massenmediale Angebote den subjektiven Interessen der Nutzer: innen an. Auch flexible Veränderungen der Angebote durch Partizipationsmöglichkeiten steigern potenziell die Informations- und Erlebnisqualität. 42 3 Internet: Infrastruktur, Lebenswelt und Medium <?page no="43"?> Gut zu wissen | Interaktivität Der Begriff Interaktivität charakterisiert ein spezifisches Nutzungsver‐ fahren, für das häufig auch der Begriff der Zwei-Wege-Kommunikation verwendet wird: Informationen können abgerufen (Ein-Weg-Kommu‐ nikation) und zusätzlich Informationen bereitgestellt werden. Interak‐ tionen bilden den Kern sozialer Medien (Zwei-Wege-Kommunikation). Das Internet als Hybrid aus Medium und Kommunikation verändert die One-to-Many-Kommunikationsstruktur des traditionellen Broadcas‐ tings zur Many-to-Many-Kommunikation etwa der sozialen Medien. So ist das Internet „innerhalb weniger Jahre zum zentralen Konvergenzraum medial vermittelter Kommunikation geworden. Die Vervielfachung der Publikations- und Kommu‐ nikationsformate hat dazu geführt, dass Millionen von Usern/ Userinnen ihre Alltagskommunikation öffentlich im Kontext digitaler Netzwerke ausbreiten.“ (Reichert 2008, 11) 3.3 Soziale Medien Die Alltagskommunikation findet vor allem in E-Mails und sozialen Medien statt. Soziale Medien umfassen weitere vielfältige Angebots- und Funktions‐ schwerpunkte, die Ramon Reichert wie folgt kategorisiert: „Soziale Netzwerkseiten wie MySpace, Xing(OpenBC), Facebook, kooperative und kollaborative Softwaretechnologien für das Informations- und Wissensma‐ nagement wie Wikipedia, soziale Bookmarkmanager wie del.icio.us, Furl, Mister Wong, 3D-Rollensimulationen wie Second Life, The Sims, Foto- und Video-Sha‐ ring-Portale wie YouTube, sevenload.de, Flickr, Literaturverwaltungen wie Lib‐ raryThing.com, BibSonomy, CitULike, Office Suites wie ThinkFree, Google Mail, Google Docs, Spreadsheets, EchoSign, Zoho, personalisierte Startseiten wie My.Yahoo, Netvibes, Surprglu oder Karten wie Google Maps, Google Earth, World Wind 1.3 und Twitter vision werden heute als neuer Trend in der Globalisierung des Internets präsentiert.“ (Reichert 2008, 8) Mittlerweile haben sich diese Angebote und Funktionsschwerpunkte wei‐ ter ausdifferenziert. Die Komplexität von Angeboten der sozialen Medien 43 3.3 Soziale Medien <?page no="44"?> basiert auf vielfältigen Verbindungen von massenmedialen Inhalten und individuellen Kommunikationsformen. Jan Schmidt kennzeichnet dies mit den Begriffen Publikation und Konversation (Schmidt 2020, 10). Gut zu wissen | Produsage Insbesondere der Wechsel zwischen Produktion und Rezeption, den der Begriff Produsage erfasst (Bruns 2008), löst die traditionellen Sen‐ der-Empfänger-Rollen der Massenkommunikation auf. Dies erweitert und verändert die traditionellen medialen Angebotsschwerpunkte. Die Informationsvermittlung der Print- und Rundfunkmedien konkurriert mit Nachrichten der sozialen Medien. Die wachsende Zahl non-professioneller Akteur: innen und der sinkende Einfluss von Gatekeeper: innen veränderten schrittweise das Angebotsspektrum der Informationsvermittlung. „Zunächst senkten Blogs und Wikipedia die Hürden für das Erstellen, Verbreiten und Verarbeiten von Informationen aller Art.“ (Schmidt 2020, 9) Der Wegfall der Gatekeeper: innen traditioneller Nachrichten wie etwa Redaktionen gilt als fruchtbarer Boden für die Verbreitung von Fake News. Die Bildungsangebote des Mitmachnetzes (Schmidt 2020) basieren auf dem Konzept Weisheit der Masse. Zu den Angebotsformen zählen Onlinevorlesun‐ gen sowie die Vermittlung von Alltagswissen in How-to-Videos oder Tutori‐ als. In diesen Videos kommt es zur Verknüpfung von Bildung und Werbung. Eine Ausdifferenzierung der traditionellen Werbung erfolgt auch durch Haul-Videos als YouTube-Genre und der personalisierten Influencer: innen-Werbung etwa via Instagram. Im Bereich fiktionaler Sendungsangebote konkurrieren und kooperieren Sendeanstalten mit Video-Streaming-Plattformen wie Netflix vor allem im Bereich von Serien. Ihr auf additiven Erzählweisen basierender zeitlicher Umfang trägt zur Nutzer: innenbindung bei. Intermediäre Die wachsende Angebotskomplexität sozialer Medien löst einen hohen Orientierungsbedarf bei den Nutzer: innen aus, der zum Entstehen eigener Dienste führte. Intermediäre sind Dienste, „die durch Aggregation, Se‐ lektion und Präsentation Aufmerksamkeit für Inhalte erzeugen […]. Das betrifft auch Inhalte, die die Meinungsbildung der Gesellschaft und unsere öffentliche Kommunikation beeinflussen können“ (netz.politik.org 2018). 44 3 Internet: Infrastruktur, Lebenswelt und Medium <?page no="45"?> Ein Medienintermediär ist demzufolge ein „Telemedium, das auch journa‐ listisch-redaktionelle Angebote Dritter aggregiert, selektiert und allgemein zugänglich präsentiert, ohne diese zu einem Gesamtangebot zusammenzu‐ fassen“ (netz.politik.org 2018). Zu den Medienintermediären zählen: „a) Suchmaschinen, b) Soziale Netz‐ werke, c) App Portale, d) User Generated Content Portale, e) Blogging Portale, f) News Aggregatoren“ (netz.politik.org 2018). Gut zu wissen | Funktionsbereiche von Intermediären Es lassen sich verschiedene Funktionsbereiche von Intermediären un‐ terscheiden: Sie vermitteln zwischen Dritten, aus deren Interaktion Öffentlichkeit entsteht (Privatpersonen, journalistisch-redaktionelle Medien, Unternehmen, Politik und Verwaltung). Sie verbreiten und/ oder erschließen von Dritten erstellte Inhalte. Diese Inhalte würden basierend auf eigenen Prinzipien zum Einschätzen der Relevanz neu zusammengefügt und die Bedingungen des Zugangs und die Mechanis‐ men des Matchings bestimmen. Für die Relevanzeinschätzung und Auswahl angezeigter Inhalte nutzen sie Prozesse algorithmischer Entscheidungsfindung (Lischka, Stöcker 2017, 14). Intermediäre besitzen einen besonderen Einfluss auf die Nutzung von Informationen. „Zahlen von TNS Infratest zufolge nutzen über 57 Prozent aller deutschen Internetnutzer regelmäßig solche Intermediäre, um sich zu informieren“ (ebd.). 3.4 Veränderungen in der Rezeption Mit der Loslösung von linearen Vermittlungsmodellen der traditionellen Massenkommunikation geht auch eine grundlegende Veränderung der Re‐ zeption einher. Die traditionelle Push-Kommunikation der massenmedia‐ len Vermittlung von Inhalten weicht der Pull-Kommunikation als gezielte Nutzung spezifischer Inhalte, Kommunikations- und Unterhaltungsange‐ boten. An der Seite der gezielten Nutzung steht auch die Produktion eigener Inhalte, die auch private Informationen, etwa aus dem Alltagsleben, umfassen. Freund: innen in den sozialen Medien fungieren als Publika der eigenen Selbstdarstellung. Im Rahmen der Many-to-Many-Kommunikation 45 3.4 Veränderungen in der Rezeption <?page no="46"?> trifft Micro-Celebrity auf Micro-Audience. Hier setzen sich bisherige Entwicklungen der Ausdifferenzierung des Starsystems und der Zielgrup‐ pen etwa im Bereich des Fernsehens fort. Das Microcasting der Produktion und Nutzung von Inhalten einzelner Anbieter durch einzelne Nutzer: innen bildet den bisherigen Endpunkt der stetig differenzierter werdenden Zielgruppenorientierungen etablierter Massenmedien wie dem Fernsehen. Auch die Rezeption hat sich verändert: „The term participatory cul‐ ture contrasts with older notions of passive media spectatorship“ ( Jen‐ kins 2006, 3). Das Konzept der aktiven Teilhabe ersetzt das traditionelle Modell der passiven Rezeption massenmedialer Inhalte. Identitäts-, Bezie‐ hungs- und Informationsmanagement bilden Funktionsschwerpunkte der Nutzung sozialer Medien (Schmidt 2018). Communitys markieren unterschiedliche Formen der Gruppenbildung, der Angebots-/ Kommunikationsschwerpunkte und der Reichweiten der Vernetzung von Menschen. Virtuelle Freund: innen bilden globale Mei‐ nungs- und Glaubensgemeinschaften, die sich wechselseitig bestätigen. Diese isolierte Gemeinschaftsbildung wird von Kritiker: innen als Zerfall der Gesellschaft in verschiedene Teilöffentlichkeiten gewertet. Soziale Medien und Smartphones haben es den Nutzer: innen ermöglicht, unab‐ hängig von der gesellschaftlichen Öffentlichkeit „ihre eigene persönliche Öffentlichkeit zu schaffen“ (Schmidt 2020, 9). 3.5 Medientheoretische Charakterisierungen des Internets Neben diesen medialen Zuordnungen entstanden unterschiedliche theoreti‐ sche Charakterisierungen des Internets. In Anlehnung an das einflussreiche Modell der medialen Erweiterung menschlicher Wahrnehmungsorgane - Radio: Ohr, Fernsehen: Auge (McLuhan 1992) - fungiere das Internet als „elektronisches Gedächtnis“, das menschliche Hirnfunktionen simuliere (Flusser 1989, 49). Es realisiere alte Utopien und Visionen des umfassenden Wissens: „Die Vision vom ‚Global Brain‘, beschrieben von Autoren wie Peter Russell und Howard Bloom, vorgedacht aber von dem Jesuitenpater Pierre Teilhard de Chardin und dem Russen Wladimir Wernadskij in den 1920er Jahren, sieht eine 46 3 Internet: Infrastruktur, Lebenswelt und Medium <?page no="47"?> erdumspannende Intelligenz wachsen, hervorgebracht von einer immer enger vernetzten Menschheit“ (Gleich 2002, 285). Diagnostiziert wird auch eine Neuerfindung der Natur am Beispiel von Primaten, Cyborgs und Frauen (Haraway 1995). Das Internet durchbre‐ che die bisherige Dichotomie von Mensch und Maschine; Medientechnik und Nutzer: innenkörper beginnen zu verschmelzen (Haraway 1995), was schließlich in die Diagnose Posthumanismus mündet (vgl. Braidotti 2016). Gut zu wissen | Artificial Intelligence Diese Reflexionsmodelle der Verknüpfung von Mensch, Körper und Maschine setzt sich in den aktuellen Theorien zur Künstlichen Intelli‐ genz (KI) fort. Artificial Intelligence und Machine Learning sind eng verknüpft, denn auf Basis vernetzter Daten können Maschinen lernen und sich selbst optimieren. Literaturverzeichnis Baricco, Alessandro (2019): The game: Topographie unserer digitalen Welt. Ham‐ burg: Hoffmann und Campe. Berners-Lee, Tim/ Fischetti, Mark (1999): Der Web-Report. Der Schöpfer des World Wide Web über das grenzenlose Potenzial des Internet. Berlin. Braidotti, Rosi (2016): Jenseits des Menschen. Posthumanismus. Bundeszentrale für politische Bildung. Bruns, Axel (2008): Blogs, wikipedia, second life, and beyond. From production to produsage. Berlin u. a.: Peter Lang. Fischermann, Thomas/ Götz Hamann (2011): Zeitbombe Internet: Warum unsere vernetzte Welt immer störanfälliger und gefährlicher wird. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 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Marburg: Schüren Verlag. 48 3 Internet: Infrastruktur, Lebenswelt und Medium <?page no="49"?> 4 Technische, ökonomische und kulturelle Rahmenbedingungen Als Grundlagen der im ersten Kapitel beschriebenen Aspekte der Medialität thematisiert dieses Kapitel zentrale technische und ökonomische Konzepte, Funktionsweisen, Institutionen und Unternehmen, die auf unterschiedliche Weise die Internetentwicklung prägten. Zu den Ursprungskonzepten der technischen Entwicklung zählten Netzwerkverbindungen als Basis daten‐ basierter Information und Kommunikation. Produktions-, Verbreitungs- und Empfangstechnik, aber auch Software‐ entwicklungen ermöglichen Auswahl, Produktion, Gestaltung, Distribution und Wirkung von Inhalten. Die spezifische technische Grundlage für die Produktions-, Angebots- und Funktionskomplexität des Internets bildet die Vernetzung leistungsfähiger Computer. Dieses Vernetzungsprinzip fin‐ det seine Strukturanalogie auf der Ebene der Verbindung von Angeboten (Hypertextprinzip der Verlinkung von Inhalten) und auf der Ebene der individuellen und kollektiven Wirkung etwa in der Communitybildung, durch die Vernetzung von Menschen. Die Vernetzung ihrer Daten ermög‐ licht die Funktionsfähigkeit der Künstlichen Intelligenz (KI) im Bereich des Internets der Dinge. Kurz und bündig | Technische Rahmenbedingungen Die ursprüngliche technische Struktur ist Grundlage der spezifischen Angebotsstruktur des jeweiligen Mediums (Kittler 1986). Das technische Basisprinzip des Internets kennzeichnet auch die Vernetzung von Men‐ schen in sozialen Medien und von Geräten im Internet der Dinge. Der Computer als Kerngerät der Internetvermittlung ist ein Hybridmedium, da er den Nutzer: innen erlaubt, zwischen einer Vielzahl unterschiedli‐ cher Angebots-, Kommunikations- und Nutzungsformen zu wechseln (Höflich 1996). <?page no="50"?> 4.1 Netzwerkstrukturen des Internets Gut zu wissen | Metanetzwerk Internet Der Begriff Internet ist eine Kurzform der Bezeichnung Interconnected Net. Definitionen des Internets etwa als weltumspannendes Computer‐ netzwerk erfassen die Reichweite der elektronischen Verbindungen zwischen unterschiedlichen Rechnern (vgl. Zehnder 1998, 4). Innerhalb des Metanetzwerks Internet betreiben als Institutionen etwa Telefon‐ gesellschaften, Hochschulen, Streaming Plattformen oder Computerun‐ ternehmen unterschiedliche Teilnetze. Mailboxnetze wie das Usenet dienten neben dem Datentransfer der Übertragung von elektronischen Briefen und Diskussionsbeiträgen. Wirtschaftsunternehmen nutzen In‐ tranets für interne Mitarbeiter: innenkommunikation. „Computernetzwerke, die mit Hilfe der Paketvermittlung miteinander spre‐ chen“ (Gillies, Cailliau 2002, 6), besitzen unterschiedliche Reichweiten. Auf eine Region begrenzt sind die Local Area Networks (LAN), an die Reich‐ weite ihres Unternehmens angepasst sind firmeninterne Intranets (sie sind nur für Mitarbeiter: innen zugänglich) und Extranets (sie stehen externen Nutzer: innen mit einer besonderen Zugangserlaubnis zur Verfügung). Von Ländergrenzen unabhängig sind großflächigere Netze wie die Middle Area Networks (MAN), Wide Area Networks (WAN) und Netzwerke großer Unternehmen wie Netflix. Verbindungen erfolgen durch weltweite Telekommunikations-, Satelli‐ ten- oder Datenleitungen sowie Computer und Netzwerke, die sich durch gemeinsame Sprachen (Protokolle) verständigen. Grundlegende Kompo‐ nenten organisieren die Übertragung: Adressen (Uniform Resource Lo‐ cators = URLs), das Hypertext Transfer Protocol (http) - für die Verknüpfung von Inhalten - und die Hypertext Markup Language (HTML), als Programmiersprache für die Erstellung von Webseiten. Text-, Ton-, Grafik- oder Videodateien bieten Nutzer: innen eine Vielzahl von Diensten und Interaktionsmöglichkeiten (Fritz 2001, 21). Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Internet (als Bezeichnung für die technische Vernetzung) und World Wide Web (WWW; als Bezeichnung für die komplexe Angebotsfläche) meistens synonym verwendet. Die weltweite Vernetzung von Servern mit umfassenden Datenspeichern determiniert die 50 4 Technische, ökonomische und kulturelle Rahmenbedingungen <?page no="51"?> große Bandbreite der Angebote und die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten des WWW. Seine Hypertext- und Linkstruktur passt sich der technischen Netzstruktur und ihren Knotenpunkten an. Auf diese Weise determiniert die technische Struktur die Angebotsstruktur. 4.2 Ursprüngliche technische Voraussetzungen und Funktionsweisen des Internets Der Datenaustausch basiert auf unterschiedlichen technischen Kompo‐ nenten wie Computern, Servern und Datenleitungen. Die Verknüpfung der Netze erfolgt durch ein System aus Datenleitungen, Satelliten, leistungsfähi‐ gen Rechnern, Routern oder Gateways, die als Knotenpunkte Verbindungen zwischen Netzwerken herstellen (Fritz 2001, 32). Backbones bilden als leistungsstarke Netze zentrale Datenleitungen. Den Transfer regelt das Transfer Control Protocol (TCP), das Daten wie im Postverkehr in einzelne Pakete aufteilt, nummeriert, adressiert, versendet und vom empfangenden Computer wieder anhand der Nummern zusammensetzt (Berners-Lee 1999, 37). Die Adressierung folgt dem einheit‐ lichen Schema des Uniform Resource Locators (URL). Eine typische Adresse ist etwa <http: / / www.uni-hamburg.de>. Die Router an den Knoten des Netzes nutzen das Internet Protocol (IP), um die Pakete an die richtigen Adressen weiterzuleiten. Sollte ein Paket verloren gehen, fordert das TCP automatisch eine erneute Übertragung an. Browser organisieren den Datenaustausch für die Nutzer: innen u. a. via Telefonleitung und stellen zur Erleichterung der Nutzung die Codierung und Decodierung der Datenpakete grafisch dar. Ethernetprotokolle steuern die Kommunikation in kleineren Netzwerken, etwa in Unternehmen. Gut zu wissen | Darknet Im Darknet als Teil des nicht für die breite Öffentlichkeit zugänglichen Deep Web verhindern Anonymisierungsdienste wie TOR die Identifi‐ zierung der Nutzer: innen. Ein Vergleich mit dem Verkehrssystem beschreibt die Funktionen der ver‐ schiedenen Protokolle, die in Schichten strukturiert sind. Die unterste Protokollschicht kann als das „Straßensystem“ des Internets beschrieben 51 4.2 Ursprüngliche technische Voraussetzungen und Funktionsweisen des Internets <?page no="52"?> werden; die weiteren Schichten regeln Ablauf, Art und Richtung des Ver‐ kehrs (Gillies, Cailliau 2002, 32). Für Nutzer: innen bildet die Anwendungs‐ schicht die sichtbare Oberfläche des Internets: Sie enthält die verschiedenen Dienste, Kommunikations- und Informationsangebote. Die darunterliegen‐ den Schichten sind die technischen Träger dieser Angebote, die als Daten transferiert werden. Alle anderen Schichten bleiben als technische Verbin‐ dungen für Nutzer: innen zwar unsichtbar, sind aber dennoch maßgeblich für die Funktionsfähigkeit. Auch auf der Ebene der Technik verschiebt sich die in traditionellen Kommunikationsmodellen enthaltene Trennung von Produktions- und Empfangsapparat. Es besteht die Möglichkeit, Empfangsgeräte auch für die Produktion eigener Inhalte zu nutzen: „In the many-to-many environment of the net, every desktop is a printing press, a broadcasting station and place of assembly“ (Rheingold 2000, 171). Beschreibungen des Internets als technische Plattform treten an die Stelle bisheriger Beschreibungen massenmedialer Kommunikation. Das in der Kommunikationswissenschaft weit verbreitete linear strukturierte Lasswell’sche Modell mit seinen Instanzen Sender, Kanal und Empfänger (Lasswell 1948) wird durch eine Verbreitungstechnik modifiziert, die nicht nur eine Vielzahl von Sendern, sondern auch eine Umkehrung des Kommunikationsprozesses ermöglicht. 4.3 Ökonomische Rahmenbedingungen des Internets Medienökonomische Eigentumsverhältnisse und an sie geknüpfte Strate‐ gien beeinflussen diese medientechnischen Grundlagen, Angebotsstruktu‐ ren und Funktionsweisen. Im Internet waren zunächst durch die kostenlose Verbreitung von Inhalten und Dienstleistungen ökonomische Verwertungs‐ interessen für viele Nutzer: innen nicht transparent. Eine frühe Utopie bildete eine demokratische, von Eigentumsverhältnissen unabhängige Netz‐ struktur: „It isn’t a thing; it isn’t an entity; it isn’t an organization. No one owns it; no one runs it. It is simply everyone’s computer. Connected“ (Gleick 1994, 57). Diese Utopie wurde durch die schrittweise erfolgende Ökonomisierung der technischen Infrastruktur verhindert. So besitzen Unternehmen der Telekommunikationsbranche oder Monopolisten wie Netflix Teile des Netzes. Auf diese Weise setzt sich das Internet aus Netz‐ werken von Unternehmen und Institutionen zusammen. 52 4 Technische, ökonomische und kulturelle Rahmenbedingungen <?page no="53"?> Ein vielschichtiges System an Eigentums- und Kontrollverhältnissen um‐ fasste bereits in frühen Phasen der der Internetentwicklung Unternehmen und Institutionen. Dazu zählen Provider (u. a. AOL, Yahoo, Microsoft, Lycos), Kabelbetreiber (u. a. Alternet, ANS, MCI, Sprint), Hardwareprodu‐ zenten (u. a. Cisco, IBM), Softwareproduzenten (u. a. IBM, Microsoft), Suchmaschinen (Google, AOL, Yahoo, Lycos, Infoseek). Supranationale Medienkonzerne wie WarnerMedia sehen das Internet als „weltweiten Programm-, Werbungs- und Handelsmarktplatz“ (Prokop 2001, 416) an. Als US-amerikanische Dachverbände fungieren das World Wide Web Consor‐ tium (W3C), das für die Entwicklung technischer Standards zuständig ist; die amerikanische Internet Society (ISOC) kontrolliert Grundsatzentscheidun‐ gen über technische Standards. Aufsichtsbehörden, u. a. die Kartellbehörden und die Wettbewerbsaufsicht der EU, sollen Monopolbildungen verhindern. Gut zu wissen | Onlinemonopole Doch dominieren einflussreiche Unternehmenskonzepte die Macht‐ strukturen im Internet. Google veränderte sich durch die schrittweise Ökonomisierung des Unternehmens vom Dienstleister im Bereich Orientierung zum Monopolisten alphabet. Als Weiterentwicklung eta‐ blierter Organisationstrukturen von traditionellen Medienunternehmen kennzeichnet die Verschachtelung unterschiedlicher Geschäftsmodelle Onlinemonopole wie alphabet, Meta oder Amazon. Die Entwicklung datenbasierter Geschäftsmodelle verschiedener Unternehmen wie Face‐ book Inc. (mittlerweile in Meta umbenannt) begleiten ethische Probleme (vgl. Zuboff 2018). Zur Vermeidung von Interessenkonflikten zwischen Institutionen und Un‐ ternehmen etabliert das World Wide Web Consortium (W3C) seit 1994 rechtliche und politische Regulierungen, die für alle Anbieter: innen und Nutzer: innen verbindlich sind. Als „Regierung“ des Internets fungiert die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN). Die von Institutionen wie der ICANN festlegten Domainnamen ermögli‐ chen als Adressen die zielgerichtete Kommunikation im Internet. Dieses Adressierungsmodell greift kulturhistorische Vorbilder zielgerichteter und dennoch vernetzter Kommunikation wie etwa der Post auf. Um die Zah‐ lenkombinationen der IP-Adressen übersichtlicher zu gestalten, werden im Domain-Name-System Zahlenkombinationen durch Buchstabenkombi‐ 53 4.3 Ökonomische Rahmenbedingungen des Internets <?page no="54"?> nationen ersetzt. Dazu zählen Ländernamen wie .us für die USA oder .fr für Frankreich sowie Bereichsnamen wie .gov für Regierung oder .com für Commerce. An der Auffindbarkeit von Inhalten sind für die Nutzer: innen weniger Adressen, sondern vor allem die Suchmaschinen beteiligt. Wird die Webseite von dem Algorithmus als nicht relevant eingestuft, ist sie für die Nutzer: in‐ nen nicht verfügbar. Diese Inhalte lassen sich dem Opaque Web als Teil der nicht erfassten Daten des Deep Webs zuordnen (Sherman, Price 2001). Neben dem Darknet, das eine anonyme Nutzung ermöglicht, umfasst das Deep Web auch Seiten, die sich an bestimmte Nutzer: innen richten oder die nur gegen Bezahlung zugänglich sind. Abb. 1: Surface Web, Deep Web und Darknet, Quelle: Pixabay. Die Vermarktung technischer Funktionsweisen bildet einen Teilbereich der Onlineökonomie. Kommerzielle Onlinedienste wie AOL oder Compuserve stellten in den 1990er-Jahren den Nutzer: innen gegen eine Gebühr ihre Server und Datenleitungen zur Verfügung. 54 4 Technische, ökonomische und kulturelle Rahmenbedingungen <?page no="55"?> Gut zu wissen | Affiliate-Programme Verschiedene Finanzierungsmodelle verknüpfen Netzangebote und Werbung. Sogenannte Affiliate-Programme zahlen den Anbieter: innen von Netzangeboten Gebühren für Nutzer: innen, die dem Link auf einer Seite folgen. Auf diese Weise lässt sich mit der Aufmerksamkeit der Nutzer: innen und erfolgreichen Querverweisen zwischen Webseiten Geld verdienen. Provider: innen stellen auf bestimmten Servern (Ports) spezifische Dienste bereit, die gegen Zahlung einer Nutzungsgebühr interaktiv genutzt werden. Medienökonom: innen verweisen auf die wachsende Bedeutung der Creative Industry (Cunningham 2013). Ein Forschungsinteresse gilt der Monopolbil‐ dung von Onlineunternehmen wie alphabet, Meta, Amazon und ihrem potenziellen Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen (vgl. Zuboff 2018). Trotz der Globalisierungsdiagnose bilden große Medienkonzerne in China wie die Alibaba Group staatlich kontrollierte nationale Parallelwelten zur westlichen Onlineökonomie. Ökonomische Studien zu Wirtschaftsmodellen erfassen u. a. den Handel mit Nutzer: innendaten und neue Werbeformen als Finanzierungsquellen etwa von Google und sozialen Medien wie Facebook (Zuboff 2018). Teile des Geschäftsmodells von Medienkonzernen sind die kostenlose Produktion von Daten durch die Nutzer: innen sozialer Medien und die grundlegende Transmedialität von Angeboten zwischen unterschiedlichen Unterneh‐ mensbereichen (Gillan 2011). Strukturierte Planungsstrategien bestimmen Spezialisierungen und Wechselwirkungen der in das Unternehmen inte‐ grierten Medien und ihrer Angebotsschwerpunkte. 4.4 Geschäftsmodelle der sozialen Medien Vielen Nutzer: innen sind die Eigentumsverhältnisse und Unternehmens‐ strukturen sozialer Medien unklar, da für sie Nutzungsfunktionen des Identitäts- und Beziehungsmanagements im Vordergrund stehen (vgl. Schmidt 2012). Die individuellen Nutzungsebene dominiert trotz ihrer Einbindung in den Rahmen der ökonomischen und technischen Ebenen. Sie besitzen einen direkten und indirekten Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen (Michelis 2012). 55 4.4 Geschäftsmodelle der sozialen Medien <?page no="56"?> Facebook Inc. wurde 2004 gegründet und erreichte, bedingt durch das hohe Wachstum an Nutzer: innenzahlen, schnell eine Monopolstellung. Neben der Vernetzung von Personen wurden immer mehr zusätzliche Funktionen wie beispielsweise Stellenbörsen angeboten und gleichzeitig die von Nutzer: innen kostenlos bereitgestellten Daten ökonomisch, etwa für individualisierte Produktwerbung, verwertet. Facebook finanziert sich u. a. durch auf der Basis vorhandener Nutzer: innendaten individualisierte Werbung und kostenpflichtige Facebookprofile für Unternehmen, Institu‐ tionen und Prominente. Das Unternehmen kategorisiert die Akteur: innen in lokale Unternehmen oder Orte; Unternehmen, Organisation oder Insti‐ tution; Marke oder Produkt; Künstler: in, Band oder öffentliche Person; Unterhaltung; guter Zweck oder Gemeinschaft. Unternehmen nutzen ihre Facebook-Seiten nicht nur für PR, sondern auch um durch Unterhaltungs‐ angebote wie interaktive Gewinnspiele eine engere Kund: innenbindung zu erreichen. 4.5 Plattform-Paradigma Gut zu wissen | Plattform-Paradigma Der Begriff Plattform-Paradigma erfasst die spezifische Ökonomie der Bereitstellung von Angeboten oder Diensten für die Distribution und Nutzung, statt eigener Content Produktion (vgl. Burgess, Green 2018). Das Distributionsmodell Plattform löst sich von klassischen Transport‐ modellen der medialen Distribution zugunsten von komplexen Struktu‐ ren, die auf eine aktive und selektive Rezeption zielen. Aus Sicht der deutschen Landesmedienanstalten ist eine Medienplattform ein Dienst, der „Rundfunk oder rundfunkähnliche Telemedien zu einem vom Anbieter bestimmten Gesamtangebot zusammenfasst“ (netzpolitik.org 2018). Plattformen besitzen ein großes Funktionspotenzial für die komplexen Akteur: innenkonstellationen des Internets. In der derzeitigen digitalen Me‐ dienumgebung liegt der Fokus ökonomischer Innovationen in der Entwick‐ lung von Plattformen, die versuchen, von ihrer Koordination komplexer, multipler Interaktionen zwischen Stakeholder: innen zu profitieren. Zu die‐ sen Stakeholder: innen zählen Publika, Amateur: innen, Pro-Amateur: innen 56 4 Technische, ökonomische und kulturelle Rahmenbedingungen <?page no="57"?> und professionelle Produzent: innen von Inhalten; Medienpartner: innen, Werbetreibende und neue Intermediäre wie Multichannel Networks (MCNs) (Burgess, Green 2018, 9). Auch Tarleton Gillespie betont, dass Plattformen ein breites Interessenspektrum von Nutzer: innen ebenso bedienen wie die Stakeholder: innen-Interessen (vgl. Gillespie 2010). Mit dem Ziel, möglichen Regulierungen zu entgehen, löst sich der Bereich der Distribution scheinbar von Produktion und Rezeption. Plattformen vertrauen auf die Idee, dass sie neutrale Intermediäre sind, die die Verantwortung für Inhalte und Verhalten an Nutzer: innen und Partner zurückgeben (Burgess, Green 2018, 10). Doch bestimmen Distributionsformen auch die Angebotsplanung, -produktion und -entwicklung. Neben den Plattformen von Medienunternehmen gibt es auch kulturelle Plattformen wie etwa Future Architecture, die von Institu‐ tionen wie Museen betrieben werden. Sie werden von einem Programm der Europäischen Union finanziell gefördert. Technologiekonzerne wie alphabet ökonomisieren bislang zum staatli‐ chen Public Service zählende Bereiche wie etwa Gesundheitswesen oder Bildung. So erfolge eine Infrastrukturierung von Plattformen und die Platt‐ formisierung von Infrastruktur (vgl. Busch 2021). 4.6 Geschäftsmodelle des Datenhandels Gut zu wissen | Datenhandel Der Datenhandel ist ein zentrales Geschäftsmodell der Onlineökonomie. Google verknüpft Nutzung und Vermarktung: Google entwickelte eine Möglichkeit, Zielgruppenwerbung mit Suchanfragen der Nutzer: innen zu verknüpfen. Davon ausgehend, dass ein Interesse der Nutzer: innen besteht, erscheinen Werbeanzeigen nur im Zusammenhang mit spezifi‐ schen Suchanfragen. Als Effekt revolutionierte Google die Werbewirt‐ schaft durch die Rekonfiguration der Beziehungen zwischen Werbetrei‐ benden und Internetnutzer: innen (Gawer, Cusumano 2008). Der Konzern gilt als Pionier in der Unternehmenslandschaft des Überwa‐ chungskapitalismus „sowohl in der Theorie als auch in der Praxis; Google hatte das Geld für Forschung und Entwicklung; Google bahnte hinsichtlich Experiment und Implementierung den Weg.“ (Zuboff 2018, 24) Mittlerweile gäbe es mit Meta, Microsoft, Apple und Amazon weitere Akteur: innen zu 57 4.6 Geschäftsmodelle des Datenhandels <?page no="58"?> nennen (Zuboff 2018, 24). Insbesondere Google und die sozialen Medien werden hinsichtlich ihrer globalen Datensammlungsaktivitäten und Ver‐ marktung kritisiert. Daten fungieren als das digitale Öl, das veranschaulicht etwa der Verkauf von Facebook-Daten an Cambridge Analytica oder von Smarthome-Daten an Unternehmen wie amazon. Dieser Datenhandel bildet den Kern des Über‐ wachungskapitalismus im Zusammenspiel aus Ökonomie, KI-Technik und Privatheit. Der Überwachungskapitalismus beanspruche einseitig mensch‐ liche Erfahrung als Rohstoff zur Umwandlung in Verhaltensdaten. Ein Teil dieser Daten diene der Verbesserung von Produkten und Diensten, den Rest erkläre man zu proprietärem Verhaltensüberschuss, aus dem man mithilfe KI-basierter fortgeschrittener Fabrikationsprozesse Vorhersagepro‐ dukte fertige, die erahnen, was sie künftig tun. „Und schließlich werden diese Vorhersageprodukte auf einer neuen Art von Marktplatz für Verhaltensvor‐ hersagen gehandelt, den ich als Verhaltensterminkontraktmarkt bezeichne“ (Zuboff 2018, 22). 4.7 Entwicklung von Geschäftsmodellen Änderungen der Geschäftsmodelle lassen sich in Phasen einteilen, etwa in der Unternehmensentwicklung von YouTube. Bei seiner Gründung 2005 bildeten das Unternehmen auf der einen, die Videoproduzent: innen und das Publikum auf der anderen Seite einen zweiseitigen Markt. Zu diesem Zeitpunkt war die Nutzung kostenlos (Ross, Weghake 2015). Nach dem Kauf des Unternehmens durch Google 2006 begann eine Phase der Kommerzialisierung. Die zweite Phase der YouTube-Entwick‐ lung sei von der Integration von Werbung bestimmt. Erst im Zeitraum zwischen Mitte 2007 bis Ende 2008 habe sich der Wandel von YouTube vom zweiseitigen Markt (Videokünstler: innen und Publikum) zum dreiseitigen Markt (Videokünstler: innen, Publikum und Werbende) vollzogen. In diesem Zeitraum sei es möglich geworden, Werbung auf verschiedene Arten mit den Videos zu verknüpfen (ebd.). Jede: r Videokünstler: in müsse selbst entscheiden, ob in Verbindung mit ihren Videos Werbung geschaltet werde. YouTube bezeichne dies als ‚Inhalte monetarisieren‘. Grundvoraussetzung, damit ein: e Videokünstler: in diese Option nutzen kann, sei es, dass sie am Partner: innenprogramm teilnehme (Google o. V. d), das im Dezember 2007 gestartet wurde (ebd.; Google o. V. b). 58 4 Technische, ökonomische und kulturelle Rahmenbedingungen <?page no="59"?> Ein neuer Wirtschaftszweig von YouTube entstand ab 2011 durch Multi‐ channel Networks. Sie unterstützen Videoproduzent: innen „in den Bereichen ‚Produktentwicklung, Zusammenstellung des Programms, Finanzierung, Cross Promotion, Partner-Management, Verwaltung digitaler Rechte, Monetarisierung, Vertrieb und/ oder Aufbau eines Publikums‘ (YouTube o. V. b). Für diese Dienste bekommt das MCN einen Anteil der Werbeeinahmen (Davidson 2013)“ (ebd.). Eine wichtige Finanzierungsform des Unternehmens lag in den 2010er-Jah‐ ren im Bereich des Abonnements von Kanälen. Seit Mai 2013 waren kostenpflichtige Kanäle eine Einnahmequelle (vgl. ebd.). Mit dem Ziel, die Interessen der Werbekund: innen optimal zu berücksichtigen, zensiert oder demonetarisiert YouTube seit 2019 Videos mit politisch radikalen (u. a. IS-Videos), LGBT- oder sonstigen möglicherweise kontroversen In‐ halten etwa aus dem Bereich Verschwörungstheorien. Beide, Zensur und Demonetarisierung, bilden einen finanziellen Verlust für die jeweiligen YouTube-Videoproduzent: innen, die bislang die Reichweite ihrer Videos als zentrale Einnahmequelle nutzten. Die bei der Unternehmensgründung angestrebte Mobile-Phone-Nut‐ zung konnte seit den 2010er-Jahren durch verschiedene Apps realisiert wer‐ den (Burgess, Green 2018, 3). Auch verschiedene Weiterentwicklungen im Bereich des Designs, wie etwa die Visualisierung der Kommentarfunktion, intendieren, das Nutzer: innenverhalten zu steuern. Diese Angebots- und Nutzungskomplexität resultierte in einer Monopolstellung von YouTube im Bereich der Videoplattformen. Kurz und bündig | Angebotsstruktur des Internets Die ökonomischen Rahmenbedingungen und technischen Funktions‐ weisen des Internets bestimmen maßgeblich seine Angebotsformen, Funktionspotenziale und Nutzungsformen. Die Basisstruktur der Ver‐ netzung beeinflusst auch Angebotsstruktur und Nutzung: Der Vernet‐ zung von Daten und Inhalten entspricht die Vernetzung der Menschen und der Dinge. 59 4.7 Entwicklung von Geschäftsmodellen <?page no="60"?> 4.8 Aspekte der Regulierung Die globale Reichweite des Internets potenziert seine Gefährdungspoten‐ ziale etwa für die Datensicherheit in den Bereichen Wirtschafts- und Cyberkriminalität, Persönlichkeits- und Urheberrechte und internationaler Terrorismus. Als Reaktionen auf den Regulierungsbedarf sollen u. a. Institu‐ tionen der Selbstkontrolle die Netzsicherheit gewährleisten und gleichzeitig eine globale Kontrolle verhindern. Es stellen sich in der Monopolkontrolle der Onlineökonomie beson‐ dere Regulierungsprobleme: Kritiker: innen fordern eine demokratische Kontrolle von Internetmonopolen wie etwa alphabet, Meta oder Amazon (Busch 2021). Doch lehnen diese Unternehmen eine Kontrolle und Regulie‐ rung ihrer Inhalte und Geschäftsmodelle ab. Sie fungieren nach eigener Auffassung als Plattformanbieter, „die keine eigenen Inhalte produzieren und zudem den transportierten oder erschlossenen Informationen grundsätzlich neutral gegenüberträten. Dieses In‐ sistieren auf die Vermittler*innen-Rolle diente vor allem dazu, die Verantwortung für die Abläufe und Inhalte auf der eigenen Plattform möglichst umfassend abzuwehren und der Politik keinen Anlass zu bieten, sie in das Regime der Medienregulierung einzugliedern.“ (Schmidt 2020, 9) Doch sei deutlich geworden, „dass die sogenannten ‚sozialen Medien‘ zwar anders als publizistische Medien funktionieren, aber deshalb nicht weniger prägend für Meinungsbildung und Medienöffentlichkeit sind. Denn sie setzen durch ihre technische Gestaltung und die zugrundeliegenden Geschäftsmodelle wesentliche Rahmenbedingungen für Kommunikation und Informationsaustausch.“ (Ebd.) Dies mache Google, Facebook, Instagram und Co zu Intermediären, zu eigenständigen und machtvollen Eckpfeilern der gegenwärtigen Medienöf‐ fentlichkeit (ebd.). Studien zur Plattformregulierung unterscheiden grundlegende Regulie‐ rungsbereiche: ● Information, ● Kommunikation, ● Handel. 60 4 Technische, ökonomische und kulturelle Rahmenbedingungen <?page no="61"?> Es lasse sich auch eine Zunahme der Ökonomisierung von Dienstleistungen und gesellschaftlicher Infrastruktur etwa im Bereich des Nahverkehrs be‐ obachten. So trete Uber als Partner im öffentlichen Nahverkehr der USA auf (Busch 2021). Die europäischen Regulierungsaktivitäten bewegen sich zwischen unterschiedlichen juristischen Bereichen wie Unternehmens- oder Strafrecht. 2021 liegen Entwürfe für einen „Digital Market Act“ und einen „Digital Service Act“ vor. 4.9 Amateur: innenkultur als Gegenbewegung zur Ökonomisierung Gut zu wissen | Amateur: innenkultur Eine Gegenbewegung zur Ökonomisierung bildet die Amateur: innen‐ kultur. Mit der steigenden Bedeutung von Individuen als medialen Akteur: innen (vgl. Reichert 2015) verändern sich bestehende mediale Angebotsschwerpunkte der professionellen Produktion hin zu Formen der Selbstdarstellung und Individualkommunikation. Weitere zentrale Phänomene der Amateur: innenkultur sind: Produsage, Protestkulturen, kostenlose Bereitstellung von Daten und Inhalten für soziale Medien, aber auch Selbstvermarktung auf YouTube und Instagram. Eine Medialisierung des Alltags unter dem Einfluss des Social Web gilt als neue Kultur der Selbstpraktiken. Es sind in der im nächsten Kapitel beschriebenen historischen Entwicklung des Internets unterschiedliche Wechselwirkungen zwischen Technik, Angebotsentwicklung und Funkti‐ onsschwerpunkten erkennbar: Beispielsweise wurde das Memexmodell als Vorläufer des Internets von Vannevar Bush zunächst als Medium für den wissenschaftlichen Austausch und Datenverkehr konzipiert. Dieses Ursprungskonzept bildete nicht nur die Grundlage weiterer technischer Entwicklungen, sondern auch der Ausdifferenzierung von Angebots- und Funktionsschwerpunkten. 61 4.9 Amateur: innenkultur als Gegenbewegung zur Ökonomisierung <?page no="62"?> Literaturverzeichnis Berners-Lee, Tim (1999): Der Web-Report. Der Schöpfer des World Wide Webs über das grenzenlose Potential des Internets. München: Econ. Burgess, Jean/ Green, Joshua (2018): YouTube: online video and participatory culture. Cambridge, UK/ Medford, MA: Polity. Busch, Christoph (2021): Regulierung digitaler Plattformen als Infrastrukturen der Daseinsvorsorge. Friedrich-Ebert-Stiftung. Cunningham, Stuart (2013): Hidden Innovation: Policy, Industry and the Creative Sector. The Creative Economy and Innovation Culture. Queensland, Australia: University of Queensland Press. Abrufbar unter: https: / / eprints.qut.edu.au/ 5765 4/ (letzter Zugriff: 28.06.2021). 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Frankfurt am Main/ New York: Campus Verlag. 63 4.9 Amateur: innenkultur als Gegenbewegung zur Ökonomisierung <?page no="65"?> 5 Historische Entwicklung des Internets Die Geschichte des Internets wird wie bestehende Medienentwicklungen (u. a. Radio und Fernsehen, Lenk 1997) in unterschiedliche Phasen unterteilt: Aus den vorhandenen gesellschaftlichen und individuellen Wunschkons‐ tellationen in Bezug auf Medienangebote und Funktionen gehen in der ersten Phase Konzepte hervor, deren Funktionspotenziale erprobt werden. Erweisen sich die zentralen technischen Entwicklungen schließlich als funk‐ tionsfähig, so kann die Phase der Ausdifferenzierung von Angeboten und Funktionen beginnen, die zu einer Steigerung der Breitenwirkung des neuen Mediums und damit zu seiner Durchsetzung führt. Die nun folgende Etab‐ lierungsphase bestimmter Angebots- und Nutzungsformen geht mit einer Schwerpunktbildung einher. Dadurch entstehen wiederum Begrenzungen in der Angebots- und Funktionsvielfalt, die neue Wunschkonstellationen und damit neue Medienentwicklungen auslösen (vgl. Winkler 1997). 5.1 Wunschkonstellation und Konzeptphase des Internets Die Geschichte des Internets ist verknüpft mit allgemeinen Entwicklungen der Digitalisierung. Deren Ursprung und Ziel als technologische und geistige Revolution sind unklar (Baricco 2019, 16). „Wir glauben, dass die geistige Revolution eine Wirkung der technologischen Revolution ist, aber wir sollten einsehen, dass es sich genau umgekehrt ver‐ hält. […] Eine neue Form von Intelligenz hat die Computer hervorgebracht.“ (Baricco 2019, 31) Der Digitalisierung lag die Entscheidung zugrunde, eine Parallelwelt zu schaffen, in die man alle existierenden Welten hineinversetzen könne (Baricco 2019, 42). Als eine wichtige gesellschaftliche Wunschkonstellation trieb das Bedürf‐ nis nach Überwindung bisheriger räumlicher und zeitlicher Begrenzungen der Information und medialen Kommunikation technische Konzepte des Internets voran. Hinzu traten weitere Wunschvorstellungen wie etwa: <?page no="66"?> ● die Archivierung bestehender Wissensbestände, ● ein beschleunigter Informations- und Wissenstransfer, ● die Perfektionierung der Illusionsbildung fiktionaler Weltentwürfe, ● die Optimierung medialer Erlebnisangebote, ● die Steuerung gesellschaftlicher Entwicklungen und persönlicher Mei‐ nungen. Bereits während des Zweiten Weltkriegs wurde im Office of Scientific Research and Development (OSRD) unter der Leitung von Vannevar Bush kriegsrelevante Forschung betrieben. Das Institut bildete eine Schnittstelle zwischen Militär und Wissenschaft (Hauben 2001, 27). 1945 präsentierte Bush als Vizepräsident des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in dem Zeitschriftenaufsatz „As We May Think“ (Atlantic Monthly) seine Vision eines Wissenstransfers und stellte das von ihm konzipierte Memex‐ modell einer elektronischen Datenspeicherung und -vermittlung vor (Bush 1945). Bereits in den 1940er-Jahren orientierten sich weitere Netzwerkentwicklungen, etwa von Douglas Engelbart und Leonard Kleinrock, an Bushs Vorstellungen eines elektronischen Texttransfers. Wissenschaftliche Institutionen wie das MIT kooperierten durch diverse Forschungsaufträge mit dem amerikanischen Militär, insbesondere seiner Advanced Research Projects Agency (ARPA), die einen sicheren Datenaustausch in militärischen Konflikten anstrebte. Auch internationale Forschungsprojekte, etwa in Europa, entwickelten vergleichbare Konzepte der Computervernetzung. Neben dem gemeinsamen Ziel des sicheren Datentransfers durch Netzwerke verfolgten Forschungseinrichtungen, Wirtschaftsunternehmen und Regierungen in den 1960er-Jahren unterschiedliche Einzelinteressen. Das 1952 von verschiedenen europäischen Ländern in Genf gegründete CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) führte Wissenschaft‐ ler: innen zu gemeinsamen Forschungsprojekten zusammen, an denen sich auch außereuropäische Länder beteiligten. Kurz und bündig | Konzeptphase des Internets An der Konzeption und Entwicklung des Internets beteiligten sich mili‐ tärische Einrichtungen ebenso wie Wissenschaftler: innen, Studierende und Unternehmen aus unterschiedlichen Ländern. Ein Ziel war die sichere Vernetzung von Daten und Informationen. 66 5 Historische Entwicklung des Internets <?page no="67"?> 5.2 Erprobungsphase Bis das Internet in den 1990er-Jahren seine Breitenwirkung erreichen konnte, wurden sehr unterschiedliche Hard- und Software-Entwicklungen verschiedener Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen kombiniert. Als in den 1960er-Jahren erste Ergebnisse zu technischen Netz‐ werken und Software-Entwicklungen vorlagen, erkannte das amerikanische Militär den Nutzwert der Netzwerktechnologie für die Informationsvermitt‐ lung und die militärische Kommunikation. Die Telekommunikationsindus‐ trie hingegen blieb skeptisch, da sie keine Vermarktungsmöglichkeiten erkannte und traditionelle Marktbereiche bedroht schienen. Dennoch entwickelten Unternehmen Modelle, die bis heute die Inter‐ netstruktur bestimmen: So veröffentlichte die RAND (Research & Deve‐ lopment) Corporation, allen voran der Informatiker Paul Baran, 1964 einen eigenen Netzwerkentwurf, der die Datenübertragung durch den Verzicht auf eine zentral steuernde Instanz auch beim Ausfall eines Teils der Vermittlungsrechner garantierte. Das Modell verband ein Netz aus zahlreichen Knoten mit mehreren Nachbarknoten. Jeder Rechner an den Knoten (Router) besaß eine Routentabelle des gesamten Netzwerks, die als „Verkehrslenkungstabelle“ den Transport und die Verteilung koordinierte. War die optimale Route für eine Vermittlung gestört, wählte die Tabelle die zweitbeste Route aus. Die im Netzwerk vermittelten Informationen wurden in gleich große Pakete zerlegt, über verschiedene Wege an das Ziel vermittelt und am Zielort in ihrer Reihenfolge wiederhergestellt. Paul Baran leistete einen Transfer zwischen Wirtschaft und Militär und beeinflusste mit seinem Konzept weitere Entwicklungen des Datentransfers im Internet. Die Gründung eines militärischen Netzes erfolgte in den USA sehr schnell. Bereits 1969 entwickelte und installierte das Unternehmen BBN an unterschiedlichen Standorten das IMP-Netzwerk als Basis des ARPAnet. Dieses Netzwerk bildet die Kerneinheit des heutigen Internets. Vernetzt wurden zunächst Rechner von Universitäten, die mit der Vernetzung und mit Protokollen als Verständigungsform experimentierten. Im ARPAnet waren 1969 zunächst Computer der UCLA (University of California, Los Angeles), der UCSB (University of California, Santa Barbara), des Stanford Research Institute (SRI) in Palo Alto und der University of Utah in Salt Lake City (UUSLC) verbunden. Unternehmen konzipierten gemeinsam mit Wissen‐ schaftler: innen als gemeinsame „Sprache“ Protokolle für die Verständigung zwischen den Rechnern verschiedener Netzwerke. Ein Schichtenmodell 67 5.2 Erprobungsphase <?page no="68"?> sollte die Anpassung bestehender Protokolle an technische Weiterentwick‐ lungen erleichtern. 5.3 Frühphase der Angebotsentwicklung In frühen Phasen der Internetentwicklung war es problematisch, adäquate Ordnungssysteme und Angebotsformen für die technische Vernetzung zu finden. Wissenschaftler: innen konnten bei der Datenbanknutzung und dem Wissenstransfer auf Vorläufer elektronischer Informationsvermittlung wie diverse Videotextsysteme zurückgreifen. Gut zu wissen | oN Line System (NLS) Im Auftrag der ARPA-Forschungsabteilung IPTO entwickelte Douglas Engelbart ab 1963 das Dokumentationssystem oN Line System (NLS), um Dokumente gleichzeitig auf dem Bildschirm darstellen, speichern und suchen zu können. Die einzelnen Texte und Bilder waren auf dem Bildschirm als Kacheln nebeneinander angeordnet und bildeten eine Vorform der Frames des Webdesigns. Nutzer: innen konnten sich durch Hyperlinks in den Texten bewegen und zu anderen Dateien wechseln. NLS fungierte auch als Quelle für im Internet vorhandene Informationen (Hafner, Lyon 1997, 91). Zusätzlich entstanden verschiedene Hypertextkon‐ zepte, um Inhalte zu verknüpfen. Ted Nelson verwendete bereits 1965 den Begriff Hypertext für die Vernetzung unterschiedlicher Text- und Informationseinheiten. In den 1960er-Jahren bildeten Computerpioniere erste Communitys: „Ein Beispiel für eine Online-Community dieser Periode ist PLATO. Das PLATO-System war in den frühen 1960er-Jahren auf dem Urbana Campus der University of Illinois für ein computerbasiertes Lernen entwickelt worden. Aber viele Leute nutzten das System lieber als unkompliziertes Kommunikationssys‐ tem (vgl. Woolley 1994).“ (Ebersbach 2016, 15) Universitäten entwickelten netzspezifische Kommunikationsformen wie etwa elektronische Briefe. Mitarbeiter: innen verständigten sich bereits in den 1960er-Jahren mit Vorformen der E-Mail (wie etwa der MIT-Mailbox) im Umfeld ihrer eigenen Großrechner (Hafner, Lyon 1997, 13). Am 29. Oktober 68 5 Historische Entwicklung des Internets <?page no="69"?> 1969 fand der erste Versuch eines Kommunikationsvorgangs zwischen einem UCLA-Computer und dem IMP-II-Rechner am Stanford Research Institute statt, um die Buchstaben LOG (für „Login“) zu vermitteln, jedoch stürzten die Rechner ab. Trotz dieser Probleme wurde die Entwicklung der Computerkommunikation weiter optimiert. 5.4 Durchsetzungsphase: Institutionalisierung und Ausdifferenzierung der Angebote Technische Verbesserungen im Bereich des Datentransfers und eine zunehmende Anzahl an vernetzten Rechnern in wissenschaftlichen und militärischen Einrichtungen erhöhten die Reichweite des Internets. Seit 1970 gab es eine Verbindung zwischen der West- und Ostküste der USA, es folgten Verknüpfungen mit europäischen Netzwerken. 1970 verbreitete sich das ARPA-Netzwerk durch die langsame Rechnerproduktion mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von einem Knoten pro Monat. Auch bei den Softwarekapazitäten kam es zu Engpässen, die das Netzwerkwachstum in den 1970er-Jahren im Vergleich zur rapiden Ausweitung der 1990er-Jahre einschränkten. Zu Beginn der 1970er-Jahre begannen Wissenschaftler: innen die bishe‐ rige Struktur der Wide Area Networks (WAN) durch kleinere Netzwerke, die Local Area Networks (LAN), zu ergänzen. Parallel zu dieser Lokalisierung entwickelte sich auch die bisherige Globalisierung bestehender Netzwerke weiter. Eine Basis hierfür war das Konzept Internetworking, indem durch das Transmission Control Protocol (TCP) als einheitlicher Vernetzungssoftware die internationale Kommunikation ermöglicht und beschleunigt wurde. TCP konnte Datenpakete in beliebiger Reihenfolge übertragen und stellte erst bei ihrer Ankunft die richtige Reihenfolge wieder her. 1973 funktionierte das Internet wie ein Schienensystem, auf dem Informationen als adressierte Pakete verpackt und zwischen verschiedenen Netzwerken transferiert wer‐ den konnten. Im Zuge der technischen Verbesserungen des Datentransfers und der zunehmenden Zahl an vernetzten Rechnern verstärkte sich auch der mili‐ tärische Einfluss auf weitere Entwicklungen. Um der möglichen Kritik an einer militärischen Nutzung vorzubeugen, nannte man ARPA (Advanced Research Projects Agency) in DARPA (Defence Advanced Research Project 69 5.4 Durchsetzungsphase: Institutionalisierung und Ausdifferenzierung der Angebote <?page no="70"?> Agency) um: Die Abkürzung D für Defence sollte friedliche Absichten demonstrieren. Die DARPA stellte ihre bisher internen technischen Netzwerkentwick‐ lungen im Oktober 1972 während der International Conference on Compu‐ ter Communications (ICCC) in Washington einer Fachöffentlichkeit vor. Präsentiert wurden u. a. Simulationen, Konversationsprogramme, Spiele und eine computergesteuerte Roboterschildkröte an der UCLA, die von Washington aus gelenkt werden konnte. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren die späteren Angebotsschwerpunkte Information, Simulation, partizipative Unterhaltung und Kommunikation erkennbar. Gut zu wissen | Personal Computer Durch die Medienberichterstattung über die Vorführung der DARPA erfuhr erstmals auch die Öffentlichkeit von den Entwicklungen der Computernetzwerke. Doch die massenhafte Verbreitung des Internets ermöglichte - trotz des nun bestehenden allgemeinen Interesses - erst die Verbilligung der erforderlichen Computer. Apple Computer Inc. stellte 1977 mit dem beginnenden Verkauf preisgünstiger Personal Computer die für die Internetnutzung erforderlichen Empfangsgeräte bereit. In den 1970er-Jahren beschleunigte sich die Entwicklung der Kommuni‐ kationsformen durch unterschiedliche E-Mail-Angebote, die sich jedoch nur schwer vereinheitlichen ließen. 1972 ermöglichte Ray Tomlinsons ers‐ tes funktionsfähiges E-Mail-Programm auf Basis eines Protokolls, Daten sowohl zu senden als auch zu empfangen. Für seine elektronische Post entwickelte Tomlinson ein eigenes Adressschema mit einem Zeichen, das er auf seinem Rechner nie benutzte: @. Tomlinsons Schemastruktur „Be‐ nutzername@Name des Hostcomputers“ setzte sich gegenüber anderen Modellen durch. Bereits 1973 stellte eine ARPA-Studie fest, dass drei Viertel des Datenverkehrs im ARPAnet aus E-Mails bestanden (Hafner, Lyon 1997, 230). Um die massenhaft ein- und ausgehenden E-Mails zu organisieren, entwickelten Mitarbeiter: innen E-Mail-Manager, die das Aufrufen, Ablegen und Löschen der E-Mails erleichterten (Hafner, Lyon 1997, 234 ff.). Diese Entwicklungen ermöglichten auch weitere Communitybildun‐ gen. 1975 entstand eine elektronische Diskussionsgruppe zu Kommuni‐ kationsdienst-Entwicklungen, die den Namen „Messages Service Group“ 70 5 Historische Entwicklung des Internets <?page no="71"?> (MsgGroup) erhielt (Winston 1998, 330). Die ca. 1.000 Gruppenmitglieder verwendeten für ihre Diskussionen erstmals Mailinglisten. Dieses Verbrei‐ tungssystem an bestimmte Adressat: innengruppen setzte sich schnell u. a. bei Fangruppen durch (Hafner, Lyon 1997, 238 ff.). Kevin MacKenzie erfand am 12. April 1979 Emoticons wie als Zeichen für emotionale Befind‐ lichkeiten, um Missverständnisse in der Kommunikation zu vermeiden (Winston 1998, 330). Gut zu wissen | Onlinespiele In den 1970er-Jahren erweiterten neben dem bislang dominierenden Informations-, Kommunikations- und Datenvermittlungsbereich auch Unterhaltungsformen wie Onlinespiele („Dungeons and Dragons“, 1976) das Angebotsspektrum. Gleichzeitig wurde die Nutzung erleichtert, da Programme wie Smalltalk durch visuelle Oberflächen die Computernut‐ zung auch ohne Kenntnis von Programmiersprachen ermöglichten. Durch die Gründung von Kontroll- und Regulierungsgremien etablier‐ ten sich seit den 1970er-Jahren immer stärkere Organisations- und Hie‐ rarchiestrukturen. 1972 schlossen sich die Leiter: innen europäischer und amerikanischer Vernetzungsprojekte mit dem Ziel verbesserter Koordina‐ tion zur International Network Working Group (INWG) zusammen. Im Juli 1975 waren die bisherigen technischen Entwicklungen abgeschlossen, so dass die Defence Communications Agency das ARPAnet als arbeitendes Netzwerk nutzen konnte. Die DARPA erklärte 1975, dass sie das ARPAnet nicht mehr als Forschungsprojekt betrachte, und übergab es der Defence Communications Agency für die ausschließlich militärische Nutzung. Die Entwicklung des E-Mail-Transport-Protokoll SMTP 1981 ist exemplarisch für die Loslösung aus den bisherigen militärischen Einflüssen. 5.5 Etablierungsphase 1983 löste sich das ARPAnet mit seinem eigenen Netzwerk Milnet endgültig von bisherigen Kooperationen, so dass nun Unternehmen und wissenschaft‐ liche Einrichtungen gemeinsam das zivile Internet betrieben. Die kontinu‐ ierliche Erweiterung der Netzwerke und die kontinuierlich ansteigende Zahl vernetzter Rechner steigerten den Bedarf an einheitlichen Adressie‐ 71 5.5 Etablierungsphase <?page no="72"?> rungen. Mit dem von der DARPA 1986 eingeführten DomainNamen-System (Winston 1998, 331) konnten Adressen durch Kürzel (beispielsweise .edu = Universität) identifiziert werden. Nutzer: innen waren nicht nur an einem Datenaustausch interessiert, sie wollten die Rechnervernetzung für eigene „Gespräche“ nutzen. Ab 1981 verbreitete Ira Fuchs (City University of New York) in seinem „Because It’s There Network“ (BITNET) Sofortnachrichten (Instant Messages) an Wissenschaftler: innen (Hafner, Lyon 1997, 289). Andere Communitys zeig‐ ten politische Aktivitäten. „Im Jahr 1985 gründete Stewart Brand und Larry Brilliant das Whole Earth ’Lectronic Link (WELL) in San Francisco, eine der ältesten noch aktiven Online-Communitys im Internet. Über dieses Forum fanden dann auch die Gründer der Electronic Frontier Foundation zusammen, einer Organisation der Free-Speech-Bewegung. Dies ist neben den Hackern ein weiteres Beispiel für die enge Verzahnung von politischen Bewegungen mit progressiven Szenen in der Medienwelt.“ (Ebersbach 2016, 18) Die Kommerzialisierung des Internets setzte in den 1980er-Jahren ein: „Für unser heutiges Bild vom Internet war jedoch der Aufstieg der ersten Onlinedienstleister und hier vor allem der kommerziellen Onlinedienste, wie CompuServe, The SOURCE und AOL in den 1980er-Jahren prägender. Diese Unternehmen wandten sich zunächst nur an Großkunden, boten aber bald auch normalen PC-Besitzern Zugänge zu Computernetzwerken. Diese separaten Netze richteten Ende der 1980er-Jahre Gateways zum Internet ein, über die sie seither E-Mail und News austauschen können.“ (Ebersbach 2016, 18) Diese Kommerzialisierung ging mit einer Globalisierung von Produk‐ tionen und Dienstleistungen einher. In den 1980er-Jahren etablierte sich das Internet schrittweise als Informationsmedium, das neben der One-to-Many-Kommunikation traditioneller Massenmedien auch Formen der Many-to-Many-Kommunikation zwischen Nutzer: innen ermöglichte. Das 1983 entwickelte Fido, ein Mailbox- und E-Mail-System, diente dem Transfer aktueller Informationen. Seit den 1980er-Jahren passte das Internet Werbeformen etablierter Massenmedien seinen interaktiven Möglichkeiten an und entwickelte sich mit seiner wachsenden Reichweite und Angebots‐ vielfalt immer mehr zu einem konkurrenzfähigen Werbemedium. Wunschkonstellationen einer stärkeren Individualisierung der bisheri‐ gen Netzkommunikation lösten weitere Entwicklungen aus. Der 1988 in 72 5 Historische Entwicklung des Internets <?page no="73"?> Finnland entwickelte Internet Relay Chat (IRC) ermöglichte eine zeitgleiche Kommunikation der Nutzer: innen. Seit Mitte der 1990er-Jahre erleichterten Webbrowser die Chats und damit ihre massenhafte Verbreitung und thema‐ tische Ausdifferenzierung. Die steigende Zahl an Kommunikationsmöglichkeiten und Angebotsfor‐ men erhöhte das Interesse an verbesserten Orientierungsmöglichkeiten, übersichtlichen Organisationsstrukturen und Netzsicherheit. Entwicklun‐ gen, etwa des Programms Archie 1989 (für Archiv - im Englischen „archive“ - nur ohne V), sollten das Angebot an zum Herunterladen bereitgestell‐ ten File-Transfer-Protocol-Dateien (FTP-Dateien) und kostenloser Software übersichtlicher gestalten. Das Wide Area Information Servers Projekt (WAIS) suchte Dateien nach bestimmten Schlüsselwörtern ab: Nutzer: innen konnten nun entweder Töne, Fotos oder Texte ermitteln. Diese verbesserte Angebotsvielfalt und Nutzungsmöglichkeiten resultier‐ ten seit dem Beginn der 1990er-Jahre in einer größeren Breitenwirkung. Tim Berners-Lee entwickelte die leicht nutzbare, flexible Angebotsfläche des World Wide Web. Er „vervielfältigt den Inhalt der Schubladen in digitalen Abbildern und stellt sie an einen Ort, den er […] site, Ort, Platz, Stelle, nennt. Er stellt sie sich vor wie einen Baum, der sich mit seinen Ästen und Zweigen im Raum ausdehnt: Jedes Blatt ist eine Seite, eine Webseite.“ (Baricco 2019, 52) Hypertexte bildeten Netze, deren Verbindungen sich immer wieder neu knüp‐ fen lassen konnten (Gillies, Cailliau 2002, 204 ff.). Nutzer: innen war es nun möglich, Adressen bereits besuchter Webpages abzuspeichern und diese Seiten mit der eigenen Seite zu verknüpfen. Zur Veranschaulichung der Daten auf dem Computerbildschirm diente Software wie der Browser Viola (1991). Gut zu wissen | Java Auf Basis weiterer technischer Entwicklungen vollzog sich eine Visua‐ lisierung des Webdesigns und bot neue Möglichkeiten der Weltvermitt‐ lung. 1991 setzten an der Universität Cambridge Wissenschaftler: in‐ nen, die mit Netzwerken experimentierten, erstmals eine Webcam zur Beobachtung und Überwachung ihrer gemeinsamen Kaffeemaschine ein. Nach der Einführung der Grafiksoftware Java 1995 veränderten sich textbasierte Onlinespiele immer mehr zu „virtual environments“ (VRML), was ihre immersive Wirkung steigerte. 73 5.5 Etablierungsphase <?page no="74"?> Auch politische Bewegungen nutzten die Ausweitung des WWW und schufen seit den 1990er-Jahren eigene Institutionen, wie die Electronic Frontier Foundation (EFF), um die Unabhängigkeit des Netzes zu fördern. Mit der Internet Society (ISOC) entstand ab 1992 ein Forum für unterschied‐ liche Interessen der Nutzer: innen, Unternehmen und Regierungen (Gillies, Cailliau 2002, 71). Politische Gruppen konnten ihre Inhalte selbstbestimmt und unabhängig von der Gatekeeper-Funktion traditioneller Massenmedien verbreiten. Die Gruppen waren somit nicht mehr von Zeitvorgaben und thematischen Restriktionen seitens der Redaktionen abhängig. Eine umfas‐ sende Vernetzung der Beiträge konnte die traditionellerweise bestehende Kontrolle des Informationsflusses etwa durch Regierungen umgehen. Po‐ litische Bewegungen, Parteien und Politiker: innen nutzen bis heute das Internet zur personen- oder themengebundenen Selbstdarstellung. Das Internet veränderte schrittweise auch etablierte Mediensysteme. Seit den 1990er-Jahren verwenden Medienunternehmen, Rundfunk- und Fernsehsender das Internet zunächst als zusätzliche Distributionsplattform. Am 25. Oktober 1994 stellte der Spiegel auf der Frankfurter Buchmesse sei‐ nen ersten öffentlichen Onlineauftritt vor (Patalong 2007). Noch im selben Jahr nutzte das Onlinemagazin Hotwired die etablierte Finanzierungsform Werbung und platzierte die erste Onlineanzeige mit dem Slogan „Have you ever clicked your mouse right here? “. Animierte Grafiken oder Online‐ werbespots näherten sich immer stärker dem Erscheinungsbild etablierter Werbefilme an. Softwareentwicklungen ermöglichen seit 1995 die Übertragung von Rundfunk- und Fernsehsendungen. „Aus Sicht der Produzenten und Nutzer wurde das Internet allmählich multime‐ dial. Die ersten regelmäßigen ‚Radiosendungen‘ im Netz waren die Audiodateien von Interviews mit Netzpionieren, die Carl Malamud ab 1993 unter dem Namen Internet Talk Radio ins Netz stellte.“ (Ebersbach 2016, 21) Als erstes Onlineradio nahm Radio HK seinen 24-stündigen Programmbe‐ trieb auf. Seit Ende 1996 realisierten Programme wie RealMedia Architecture das Abspielen von Bild- und Tonsignalen zeitgleich zum Ladeprozess. Die BBC entwickelte den iPlayer als technische Grundlage für das Streamen von Fernsehsendungen über das Internet. Die erste Vollversion wurde 2007 gestartet (Chatfield 2013, 66). Audio- und Videoinhalte vergangener Sendungen konnten durch den iPlayer genutzt werden. 74 5 Historische Entwicklung des Internets <?page no="75"?> Gut zu wissen | Crossmedialität So konnte sich das Internet schrittweise als Plattform für die Vermittlung massenmedialer Angebote etablieren. Es bildeten sich crossmediale An‐ gebotsstrukturen heraus: Informationssendungen im Fernsehen wurden von Onlinehintergrundinformationen begleitet, Onlinespiele enthielten Verweise auf Fernsehsendungen (zum Beispiel „Wer wird Millionär“, RTL), unterschiedliche Formen von Gesprächs- und Diskussionsplatt‐ formen boten eine Zusatzkommunikation zu Zeitungsartikeln. Ende der 1990er-Jahre schien durch die rapide steigende Zahl vernetzter Rechner eine schnelle Datenvermittlung nicht mehr möglich. Engpässe lösten die Entwicklung des Internet 2 aus, das für einen ausschließlich wissenschaftlichen Datentransfer vorgesehen war (Winston 1998, 335). Im Jahr 2000 erhielt das Internet 2 eine eigene zentrale Datenleitung. Weiterent‐ wicklungen der Internetverbindungen ermöglichten einen beschleunigten und datenintensiven Transfer. Auch die Ausdifferenzierung der Netzwerke setzte sich fort. Einzelne Länder und Unternehmen wie etwa Netflix nutzten eigene geschlossene Netzwerke. Im Jahr 2000 arbeitete eine Gruppe von Informatiker: innen und IT-Inge‐ nieur: innen der Technischen Hochschule in Atlanta, Georgia, an einem Projekt mit dem Namen „Aware Home“, das als Vorläufer des Smarthome die weitere Entwicklung beeinflusste (Zuboff 2018, 20). Schließlich bildet die 1994 von der schwedischen Firma Ericsson entwickelte drahtlose Netz‐ werktechnik Bluetooth die technische Grundlage für das Internet der Dinge (Chatfield 2013, 73). Kurz und bündig | Etablierungsphase des Internets Das Internet veränderte sich vom Medium der Datenvernetzung hin zum Social Web als interaktivem Kommunikationsraum und durch die Vernetzung technischer Geräte zum Internet der Dinge. Mit der Entwicklung von Peer-to-Peer-Filesharing-Angeboten avan‐ cierte die traditionelle Tauschökonomie im Internet zur Konkurrenz eta‐ blierter Märkte. Kurz nach dem Start der Tauschbörse Napster 1999 verbrei‐ teten immer mehr Nutzer: innen Musikdateien im Web (Freiwald 2004, 15 ff.). 75 5.5 Etablierungsphase <?page no="76"?> Die zur Jahrtausendwende wachsende Zahl neugegründeter Unterneh‐ men bezeichnete der Begriff New Economy. Er steht beispielhaft für die Vorstellung der globalen Vernetzung als Grundlage eines neuen Marktes, in dem unabhängig von Zeit- und Raumgrenzen produziert und konsumiert wird. Onlineauktionen steigerten ihren Beliebtheitsgrad und bilden bis heute ein zentrales Element der Internetökonomie. In der wachsenden Zahl der seit den 1990er-Jahren verbreiteten Weblogs als Hybride aus Onlinetagebüchern, Diskussionsforen und individuellen Linkverzeichnissen mischen sich Selbstdarstellung, aktuelle Informations‐ vermittlung und thematisch gebundene Diskussionsforen. Bereits in den frühen 1990er-Jahren richtete der WWW-Erfinder Tim Berners-Lee eine Vorform der Blogs ein, indem er auf der Website <http: / / info.cern.ch> eine aktuelle und chronologisch angeordnete Liste neuer Websites bereitstellte. Als eigentlicher Beginn der Durchsetzung von Blogs gilt das Jahr 1997, als sich mit Cameron Barrets <www.camworld.com> die erste an erotischen Inhalten interessierte Weblogcommunity entwickelte. „Im Oktober 1998 startete der Dienst Open Diary, mit dem man bloggen konnte, ohne eine eigene Website zu haben.“ (Chatfield 2013, 48) Weitere Blogdienste und die Ausdifferenzierung des Themenspektrums bildeten Grundlagen für die heutige Blogosphäre. Gut zu wissen | Suchmaschine Google 1998 konnten Nutzer: innen erstmals die Suchmaschine Google ver‐ wenden, um in den damals 320 Millionen Webseiten gezielt nach Informationen zu suchen. Google etablierte sich als Gatekeeper, der über die Auffindbarkeit von Inhalten bestimmt und gleichzeitig die Zahl der eigenen Angebote immer weiter ausdifferenziert und so eine Monopolstellung im Internet erreichte. Gerade die Archivierung ganzer Bibliotheksbestände wird von Autor: innen und Verlagen aus urheber‐ rechtlichen Gründen kritisiert. 5.6 Die Mobilisierung des Internets Einen wichtigen Schritt hin zur mobilen Nutzung des Internets bildete 2004 die Entwicklung der Webinfrastruktur des Podcastings zusammen mit Programmen, die nach MP3-Dateien suchten und diese für den mobilen 76 5 Historische Entwicklung des Internets <?page no="77"?> Empfang laden konnten. Seitdem in Deutschland der erste Podcast 2004 gesendet wurde, erweiterte sich das Angebot auch durch Empfangsgeräte wie den iPod kontinuierlich. Apple bringt 2007 das erste iPhone heraus, dass eine mobile Internetnut‐ zung ermöglicht. Das Smartphone steigert seine Bedeutung als mobiles Empfangsgerät von Internetangeboten wie etwa Handyfilmen. Es fungiert auch als wichtiges Kommunikationsinstrument der sozialen Medien. Die auch durch die verstärkte Verbreitung von Smartphones mögliche Onlinepräsenz wird zur virtuellen Erweiterung des eigenen Lebens. Mit der Gründung des Apple Store 2008 begannen Apps als Software der mobilen Internetnutzung immer mehr Teilbereiche des Lebens zu digitalisieren. So veränderte Airbnb das Reisen und Uber das Verkehrssystem. Parallel verläuft eine Ausdifferenzierung sozialer Medien. 5.7 Entwicklung sozialer Medien Gut zu wissen | Mitmachnetz Begriffe wie Mitmachnetz (vgl. Schmidt 2013) oder Social Software (Ebersbach 2016, 22) erfassen grundlegende historische Veränderungen von der Vernetzung von Daten hin zur Vernetzung von Wissen und Menschen. Verschiedene interaktive Angebotsformen förderten die Ent‐ stehung sozialer Medien. Ward Cunningham entwickelte 1995 mit dem Portland Pattern Repository das erste Wiki (Hawaiianisch für „schnell“), in dem Nutzer: innen Inhalte bereitstellen und bearbeiten können (Pentzold 2007, 12). Nupedia intendierte 2000 als erste freie Onlineenzyklopädie Wissensbestände für andere verfüg‐ bar zu machen (Kohlenberg 2006, 4). Am 23. November 2001 gingen die Internetunternehmer Jimmi Wales und Larry Sanger mit ihrem interaktiven Lexikon Wikipedia online. Nutzer: in‐ nen veröffentlichten ihre Kenntnisse zu einem Stichwort und wurden durch andere korrigiert. Wikipedia etablierte sich innerhalb weniger Jahre als wichtiger Wissensbestand der „Weisheit der Massen“ (Surowiecki 2005). Es setzte auch einen Gegenpol zur Kommerzialisierung des Internets. 77 5.7 Entwicklung sozialer Medien <?page no="78"?> „Mit Wikipedia besetzte zum ersten Mal ein nicht-kommerzielles Projekt einen absolut zentralen Kommunikationsknoten. Nach Google ist Wikipedia der zweite Rechercheort für Erstinformationen. Die Blogosphäre zeigte neue Möglichkeiten dezentraler Nachrichtenverbreitung.“ (Ebersbach 2016, 22) Seit 2003 filtern Aggregatoren Informationen, um ihre Nutzung zu ermög‐ lichen. Formen digitaler Aggregation passen sich den Bedürfnissen der Nutzer: innen an und beruhen auf von ihnen ausgewählten Informations‐ quellen oder sie werden von anderen zentral gesteuert und erfolgen auto‐ matisch (Chatfield 2013, 52). Die Verknüpfung von Datensammlungen mit dem Sortierungsmodell des Rankings verspricht eine besondere Relevanz und versucht auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Nutzer: innen für bestimmte Daten zu erreichen. Zu erfolgreichen Aggregationswebsites zählen seit 2006 u. a. Arts & Letters Daily und BuzzFeed, die Schlagzeilen und Boulevardmeldungen unterschiedlicher Printmedien verbreiten (Chat‐ field 2013, 55). Niklas Zennström und Janus Friis von der Filesharing Plattform Kazaa entwickelten den Videotelefoniedienst Skype, der 2003 seinen offiziellen Betrieb aufnahm. Die erste übermittelte Frage lautete in Fortführung frühe‐ rer Onlinekommunikationsentwicklungen: „Kannst du mich hören? “ Der damalige Student Mark Zuckerberg sammelte 2003 an der Universität Harvard mit Facemash gehackte Daten seiner Kommiliton: innen, die mit „Hot or Not“ bewertet werden konnten. Doch entfernte die Universitätslei‐ tung diese ohne Zustimmung erhobenen Daten. Zuckerberg wurde nach der Gründung von Facebook 2004 von drei seiner Kommilitonen Cameron Winklevoss, Tyler Winklevoss und Divya Narendra Ideendiebstahl vorge‐ worfen. Trotz dieser Konflikte verbreitete sich das soziale Netzwerk schnell an US-Universitäten, was die Gründung eines Unternehmens ermöglichte. Bereits 2004 begann eine Finanzierung durch Investor: innen wie Peter Thiel (Ex-Mitarbeiter von PayPal). Die weitere Unternehmensentwicklung kennzeichnete ein schnelles Wachstum von Angeboten und Nutzungszahlen trotz der Konkurrenz mit anderen sozialen Medien wie Myspace. Bereits 2006 betrug die Zahl der Seitenaufrufe eine Milliarde. Nutzer: in‐ nen können in Facebook eigene Profile erstellen und sich mit Freund: innen vernetzen. Institutionen und Medienanbieter nutzen Facebook als Distribu‐ tionsplattform für Inhalte und Informationen. 2012 ging Facebook Inc. an die Börse, doch durch fehlende Informationen für die Anleger: innen sank 78 5 Historische Entwicklung des Internets <?page no="79"?> der Aktienkurs zunächst. Durch den gezielten Ankauf von Unternehmen der Creative Industry steigerte Facebook seine Angebots- und Nutzungsvielfalt. Bis 2018 präferierte Facebook in seinen Newsfeed Beiträge von Unter‐ nehmen gegenüber Beiträgen von Privatpersonen, die dem Ziel der Indivi‐ dualkommunikation und sozialen Vernetzung dienten. Eine grundlegende Änderung dieses Konzepts soll das Wohlbefinden der Nutzer: innen durch bedeutsame soziale Beziehungen sichern (dpa Meldung 12.01.2018). Doch bildet das Wohlbefinden eine wichtige Grundlage der Unternehmensstrate‐ gie. Die Transparenz der Identitätskonstruktion werde für den Verkauf per‐ sonalisierter Werbung genutzt. Das Geschäftsmodell und das Unterneh‐ mensziel sei darauf ausgerichtet, Nutzer: innen zum häufigen Teilen zu ermutigen. Gründer Mark Zuckerberg gibt an, bei dem Webseitendesign von dem Ethos radikaler Transparenz geleitet worden zu sein. Seine Ethik der Tugenden radikaler Transparenz spiegelt sich im Geschäftsmodell von Facebook: Die Identitäten der Nutzer: innen werden zur Marke für den Verkauf von Werbung auf Facebook. Der Verkauf basiere auf selbstidentifizierten Interessen der Nutzer: in‐ nen. Facebook instrumentalisiere diesen Aspekt sozialer Netzwerke, um Werbetreibende dazu zu ermutigen, nichtaufdringliche Anzeigen zu platzie‐ ren, die auf die individuellen Nutzungsinteressen abgestimmt sind (Mari‐ chal 2012, 7). 2006 erfolgte die Gründung der Enthüllungsplattform Wikileaks mit dem Ziel der Veröffentlichung von Dokumenten, die der staatlichen Geheimhaltung unterliegen. Diese Dokumente und Videos verdeutlichten den Machtmissbrauch und die Verletzung von Menschenrechten. Aufgrund von Regulierungen ist seit 2010 ein Datentransfer zu Wikileaks nicht mehr möglich. Der Mitbegründer Julian Assange wurde juristisch verfolgt und flüchtete in eine Botschaft, in der er 2019 festgenommen wurde und noch Anfang 2022 in der Abschiebehaft auf seine Auslieferung wartete. Auch in anderen Ländern erfolgen staatliche Maßnahmen gegen Onlineaktivist: in‐ nen, was die Meinungsfreiheit im Internet behindert. 79 5.7 Entwicklung sozialer Medien <?page no="80"?> 5.8 Entwicklungen des Plattform-Paradigmas Ab der Jahrtausendwende setzt sich die Ökonomisierung des Internets endgültig durch. Kurz und bündig | Geschäftsmodelle Entwicklungen unterschiedlicher Teilbereiche verlaufen nicht linear, sondern bilden komplexe Wechselwirkungen. Erst integrierte das WWW die Angebotskomplexität der etablierten Medien, dann inte‐ grierten die sozialen Medien die Angebotskomplexität des WWW und kombinierten sie mit Kommunikation, dem User Generated Content - etwa in Form von individuellen Informationen der Nutzer: innen, Suchmaschinen (YouTube), Spielen - und mit Diensten. Die Nutzung dieser Angebote wiederum bildet die Grundlage des Datenhandels als zentrales Geschäftsmodell des Überwachungskapitalismus (vgl. Zuboff 2018). Aus medienökonomischer Perspektive vollzog sich innerhalb der sich zwi‐ schen der zweiten Hälfte der 2000er- und der zweiten Hälfte der 2010er-Jahre vollziehenden Entwicklungen zu „multisided markets“ das Aufkommen eines Plattform-Paradigmas (Burgess, Green 2018, 9). Dieses Paradigma bestimme die Reflexion über die Landschaft sozialer Medien und beeinflusse die aufkeimende Ökonomie der Verbindung von Nutzer: innen und ihren kreativen Inhalten (ebd.). Im Jahr 2015 sei die Plattform zur dominanten Infrastruktur und zum ökonomischen Modell der sozialen Medien aufge‐ stiegen (ebd.). Diese Entwicklung beeinflusse auch Gesellschaft und Medi‐ enkultur. Soziale und kulturelle Aktivitäten erfolgen auf Plattformen, die sich im Besitz von wenigen, sehr großen Unternehmen befinden (ebd.). Zu diesen Unternehmen gehören Alphabet, Facebook und Tencent (China). Sehr weitreichende Gründungskonzepte und der gezielte Kauf von Unternehmen und Plattformen setzen bestehende Tendenzen zur Konzentrationsbildung von Medienunternehmen fort. Bereits ein Jahr nach der Gründung kaufte Google im Jahr 2006 das Unternehmen YouTube. Mittlerweile übersteigt die Zahl der dort täglich hochgeladenen Videos den Programmumfang des traditionellen Fernsehens deutlich. Zwei Jahre nach der 2010 erfolgten Gründung von Instagram kaufte Facebook 2012 das Unternehmen. Eine Grundlage der Finanzierung war 80 5 Historische Entwicklung des Internets <?page no="81"?> der Börsengang, doch beeinflussten zunächst fehlende Informationen für die Anleger: innen die Entwicklung des Aktienkurses. Mit weiteren Kom‐ munikations- und Nutzungsmöglichkeiten etwa im Bereich von Onlinespie‐ len versuchte Facebook die Verweildauer der Nutzer: innen zu erhöhen. Gleichzeitig dienten die von Nutzer: innen selbst bereitgestellten Inhalte und Daten der Individualisierung von Werbung. 2016 gewann AlphaGo, eine von Google entwickelte Software, ein Go-Turnier. Dieses Ereignis gilt als ein wichtiger Entwicklungsschritt für die Künstliche Intelligenz (Baricco 2019, 197). Die KI wiederum gilt als Grundlage des Internets der Dinge. Entwicklungen von Video- und Video-Stream-Plattformen Plattformen wie Myspace, Facebook, Xing oder Studi VZ veränderten ab der Jahrtausendwende die ursprüngliche Vernetzung der Daten hin zu einer Vernetzung von Menschen. Es entstanden auch Plattformen, die den Nutzer: innen die Veröffentlichung eigener Bildbeiträge ermöglichten, wie etwa Homemovie.com (seit 1999) oder Guba (seit 1998). Am 22. Mai 2005 veröffentlichte der Amerikaner Steven Chen ein Video seiner sprin‐ genden Hauskatze Pajamas im Internet und signalisierte so das Interesse an Beiträgen aus dem privaten Lebensumfeld. Private Videos ermöglich‐ ten die Erfolgsgeschichte der Plattform YouTube, die mittlerweile auch zur Verbreitung von Fernsehsendungen und Filmen genutzt wird (vgl. Bleicher 2009). Die Linearität des traditionellen Broadcastings wird durch unterschiedliche Formen der Many-to-Many-Kommunikation und des Microcasting ersetzt. Smartphones haben aber „auch eine ‚Zwei-Bildschirme-Kultur‘ aufblühen lassen, bei der man gleichzeitig eine Übertragung oder ein Live-Event anschaut und parallel dazu das Smartphone nutzt, um über soziale Netze Kommentare zu verschicken, Links auszutauschen, auf Freunde zu reagieren und gleichzeitig dem ständigen Strom der Antworten in Echtzeit zu folgen“ (Chatfield 2013, 79). 2006 entwickelt Jack Dorsey den Microbloggingdienst Twttr. Nutzer: in‐ nen sollen die einfache Frage „What are you doing? “ beantworten. Am 21. März 2006 verbreitet Jack Dorsey den ersten Tweet: „just setting up my twttr“. Die Namensänderung zu Twitter erfolgte schnell. Kurzinfor‐ mationen von zunächst maximal 140 Zeichen ergänzten den etablierten Journalismus (vgl. Simon, Bernhardt 2008). Ab 2007 erleichtern Hashtags 81 5.8 Entwicklungen des Plattform-Paradigmas <?page no="82"?> die Orientierung in den Tweetfluten. Bereits 2008 gab es über eine Million registrierte Nutzer: innen, 2010 waren es 105 Millionen. Damit erhöhte sich auch der Anteil von Werbung. Fotos von einem abgestürzten Flugzeug im Hudson River 2009 verdeutlichten den zeitlichen Vorsprung von Twitter gegenüber den traditionellen Berichterstattungsmedien im Bereich der In‐ formationsvermittlung. Im gleichen Jahr ging der Instant-Messaging-Dienst WhatsApp online und löst bei vielen Nutzer: innen die klassische SMS ab. Am 19. Februar 2014 integriert Facebook auch diesen Dienst in sein Unternehmensmonopol. Gut zu wissen | Plattformprofile Es lässt sich eine zunehmende Ausdifferenzierung von Plattformpro‐ filen, Diensten, Apps und Zielgruppen beobachten. 2011 gründeten Robert „Bobby“ Murphy und Evan Spiegel Snapchat für Bild- und Videonachrichten von Jugendlichen. Auch die App TikTok richtet sich vorzugsweise mit Tanzvideos an jugendliche Nutzer: innen. Als Plattfor‐ men für berufliche Netzwerkbildung fungieren beispielsweise XING oder LinkedIn. Seit der YouTube-Gründung 2005 erweiterte sich das Spektrum an On‐ line-Video-Plattformen und Video-Stream-Plattformen wie Netflix mit un‐ terschiedlichen Angebotsschwerpunkten und Funktionspotenzialen. Im Jahr 2019 nahmen weitere Video-Stream-Plattformen wie etwa Disney+ ihren Sendebetrieb auf. Neben diesen genannten gibt es weitere Videoplatt‐ formen und soziale Medien in China (u. a. das Unternehmen Ali Baba) oder soziale Netzwerke politisch radikaler Gruppierungen wie Telegram. Entwicklungen von Problemen in der Extrawelt Internet Diese stetige Erweiterung von Angeboten, Kommunikationsformen und Funktionen verdeutlicht die zentrale Rolle des Internets als Verknüpfung verschiedener Netzwerke wissenschaftlicher, ökonomischer und privater Kommunikation und als mediale Parallelwelt, die auch als Extrawelt be‐ zeichnet wird (vgl. Baricco 2019). Das Web biete den Menschen eine kom‐ primierte Version der Welt an (Baricco 2019, 83). Der Begriff Webbing erfasse die Einrichtung einer digitalen Extrawelt, die mit der ersten Welt 82 5 Historische Entwicklung des Internets <?page no="83"?> in Rotation versetzt werde. So entstehe ein auf einem doppelten Antrieb gegründetes Wirklichkeitssystem (Baricco 2019, 84). Es zeigen sich im Kontext dieser Entwicklungen auch wachsende Pro‐ bleme etwa in den Bereichen Datensicherheit und Schutz der Privat‐ sphäre (vgl. Fischermann, Hamann 2011). Beispielsweise löste die Einfüh‐ rung von Google Street View 2010 in Deutschland starken Widerstand in der Bevölkerung aus. In Spanien erkämpften sich Bürger: innen das Recht der Löschung ihrer Daten bei Google (vgl. ebd.). Auch die staatliche Kontrolle und Nutzung der Daten nahm zu. 2013 wurde die Überwachung globaler Daten durch die amerikanische Sicher‐ heitsbehörde NSA bekannt. Im Oktober 2015 beschloss die deutsche Bun‐ desregierung die Vorratsdatenspeicherung. Grundrechte der Bürger: innen und der Journalist: innen werden eingeschränkt. Kontroverse Diskussionen begleiteten 2016 die Einführung einer neuen europäischen Datenschutz‐ grundverordnung. Auch weitere Konzepte zur Regulierung von Plattformen sind umstritten (vgl. Busch 2021). 5.9 Bisherige und aktuelle Veränderungen Bisherige Phasen der historischen Entwicklung des Internets lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Phase der abstrakten Entwicklung von Wunschkonstellationen und Konzepten legte die Grundlage für die Kon‐ kretisierungen von Technik, Angeboten und Funktionen in der Test- und Etablierungsphase. Beschreibt man die Veränderungen in Strukturmodellen, so folgen auf Netzwerke verschiedene Immersionsangebote von Onlinespie‐ len des Web 2.0 und das Plattform-Paradigma der sozialen Medien. Zu den aktuellen technischen Entwicklungen zählt die Vernetzung von Objekten (Web 3.0) statt von Menschen (Web 2.0). Auf diese Weise erfolgt die Ergänzung von Computern und Smartphones als Onlineempfangsgeräte durch intelligente Geräte wie Smart-TVs oder Kühlschränke. Weitere Ent‐ wicklungen befassen sich mit der Unterstützung menschlicher Aktivitäten durch Miniaturcomputer etwa im Bereich der Intelligenten Kleidung. Die im Rahmen dieser Vernetzung ermittelten Daten zum Nutzer: innenverhalten bilden eine Grundlage der KI. 83 5.9 Bisherige und aktuelle Veränderungen <?page no="84"?> Gut zu wissen | Entwicklungshistorie Die historische Entwicklung des Internets lässt sich in eine Konzept-, Erprobungs-, Durchsetzungs- und Etablierungsphase untergliedern. Es ist eine Ausdifferenzierung der Unternehmen und Angebotsformen erkennbar. Entwicklungen von Techniken, Geschäftsmodellen, Angebo‐ ten und Nutzung des Internets erfolgten im Vergleich zu bisherigen Medienentwicklungen deutlich schneller. Literaturverzeichnis Baricco, Alessandro (2019): The game: Topographie unserer digitalen Welt. Ham‐ burg: Hoffmann und Campe. Bleicher, Joan Kristin (2009): Poetik des Internets: Geschichte, Angebote und Ästhe‐ tik. Berlin/ Münster: LIT. Burgess, Jean/ Green, Joshua (2018): YouTube. Online video and participatory cul‐ ture. Cambridge, UK/ Medford, MA: Polity. Bush, Vannevar (1945): As We May Think. 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Lenk, Carsten (1997): Die Erscheinung des Rundfunks. Einführung und Nutzung eines neuen Mediums 1923-1932. Opladen: Westdeutscher Verlag. 84 5 Historische Entwicklung des Internets <?page no="85"?> Maresch, Rudolf/ Rötzer, Florian (2001): Cyperhypes. Möglichkeiten und Grenzen des Internet. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Marichal, Jose (2012): Facebook Democracy. The architecture of Disclosure and the Threat to Public Life. London/ New York: Routledge. Patalong, Frank (2007): Ruckel ’n’ Roll. Web Event „Live Earth“. In: Spiegel Online vom 09.07.2007. Abrufbar unter: http: / / www.spiegel.de/ netzwelt/ web/ 0,1518,493 263,00.html (letzter Zugriff: 07.03.2022). Pentzold, Christian (2007): Wikipedia. Diskussionsraum und Informationsspeicher im neuen Netz. München: Fischer. Schmidt, Jan-Hinrik (2013): Social Media. Wiesbaden: Springer VS. Simon, Nicole/ Bernhardt, Nikolaus (2008): Twitter. Mit 140 Zeichen zum Web 2.0. München: Open Source Press. 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Medienästhetische Theorien konstatieren, dass Medieninhalte auf tech‐ nischen Grundlagen basieren und erst durch ihre Gestaltung ihre spezifische Wirkung erhalten (Schnell 2000). Kategorien für die Beschreibung der Internetästhetik umfassen u. a. den digitalen Code als technische Grundlage der Ästhetik, die Modularität als Analogie zwischen Netzwerk- und Ange‐ botsstruktur und die Variabilität der Angebotsentwicklung (Manovich 2001). Bildbearbeitungssoftware wie Photoshop und diverse Apps optimieren die Ästhetik digitaler Bildmotive etwa in der Selbstdarstellung von Körpern in sozialen Medien wie Instagram. Aus der Filmproduktion bekannte digitale Effekte finden sich auch in Onlinevideos etwa auf YouTube. Ihren Gegenpol bildet die analoge Ästhetik des Amateur: innenfilms auch in privaten Vide‐ oblogs. Charakteristische Erscheinungsformen der Pull-Kommunikation des In‐ ternets erfordern spezifische Gestaltungsformen, um die Aufmerksamkeit der Nutzer: innen zu erreichen. Das Design intendiert als intentionale Inter‐ netästhetik die Steuerung des Nutzer: innenverhaltens. Die grundlegende Modulstruktur des statischen Designs der Webseiten beeinflusst auch die Kombinationsästhetik von Bewegtbildangeboten. Kurz und bündig | Internetästhetik Bereits im bisherigen Verlauf der Medienentwicklungen erweiterten technische Innovationen die Darstellungsmöglichkeiten grundlegender Gestaltungselemente wie Sprache, Töne und Bilder. Jeweils neue Medien griffen ästhetische Gestaltungsmittel bisheriger kultureller Ausdrucks‐ formen und Medien auf und passten sie den eigenen Vermittlungskon‐ ventionen an (siehe dazu Bolter, Grusin 1999). <?page no="88"?> 6.1 Medienhistorische Vorbilder der Internetästhetik Auch die medienästhetische Identität des Internets basiert auf der Integration und Variation kultureller und medialer Ästhetiken und etablierter Erscheinungs‐ formen der Mediengestaltung. Ausgehend von den Basiseinheiten visueller, sprachlicher und akustischer Zeichen werden Text-, Bild- und Videomodule in Webseiten, Plattformen und Onlinespielwelten gestaltet. Das Konzept des 3D-Internets radikalisiert mediale Raummodelle zu modellierten Parallelwelten von Unternehmen und Onlinespielen (vgl. u. a. Fiutak 2007). Diese Gestaltungskonzepte und -formen orientieren sich an etablierten kulturellen und medialen Vorbildern wie etwa dem Layout der Printmedien, dem Bildaufbau in Plakaten, Fotos, Comics, Film und Fernsehen, Videos und Computerspielen. Bildbearbeitungssoftware wie Photoshop und diverse Apps optimieren die Ästhetik digitaler Bildmotive etwa in der Selbstdar‐ stellung von Körpern in sozialen Medien wie Instagram (vgl. Ullrich 2019). Aus der Filmproduktion bekannte digitale Effekte finden sich in Onlinevi‐ deos etwa auf YouTube. Ihren Gegenpol bildet die analoge Ästhetik des Amateur: innenfilms beispielsweise in privaten Videoblogs. In Remediationverfahren integriert die Internetästhetik Vorbilder aus unterschiedlichen Traditionslinien der Kunst und der Mediengestaltung. So fungiert das Internet nicht nur „als Tankstelle für Texte und Zeichen“ der Printmedien (Ehling 2000, 30), sondern auch für Formen der Bildgestaltung, des Bildaufbaus und der Montage u. a. aus Film und Fernsehen und der Soundgestaltung des Radios. Gut zu wissen | Hybridmedium Diese Verfahren der Integration und Kombination bilden den typischen Gestaltungsstil des Hybridmediums Internet (Storrer 2002). Begriffe wie Hybridmedium und Transmedium verweisen auf neue Formen der Ver‐ knüpfung von Bild, Sprache und Schrift im Internet (Sandbothe 1997, 13). Diese Hybridisierung resultiert in einem umfassenden Zeichenraum mit komplexen Bedeutungsdimensionen und Funktionspotenzialen. Die historischen Wurzeln der Internetästhetik liegen sowohl im Bereich der künstlerischen Gestaltungsformen - wie etwa der Malerei, der Literatur, des Comics und des Theaters, der Medienästhetik von Printmedien, Radio, Fotografie, Film und Fernsehen - als auch im Bereich der ökonomisch 88 6 Ästhetik und Design des Internets <?page no="89"?> ausgerichteten Designs von Print- und elektronischen Massenmedien und der Amateur: innenfilmästhetik. So basiert die Selfieästhetik auf kunst‐ historischen Vorbildern etwa aus dem Bereich der Porträtmalerei (vgl. Ullrich 2019). Erscheinungsformen der Bildkachelästhetik beispielsweise von Zoom bilden das digitale Äquivalent zur traditionellen Fensterform etwa des Fernsehens oder des Interfacedesigns von Windows. Bereits die grundlegende Aufteilung der Webinhalte in Seiten zeigt Ana‐ logien zum traditionellen Buch- und Zeitschriftenlayout. Den Printmedien vergleichbar leiten Homepages als Titelseiten von Webangeboten Nutzer: in‐ nen zu den anderen Webseiten (Untersites oder innere Seiten) weiter. Mit‐ hilfe der in Film- oder Werbespotproduktionen verwendeten Storyboards lässt sich die Aufteilung von Inhalten und Abläufe grafisch skizzieren, ihre Gestaltung und ihre Verlinkung planen (Skopec 2004, 90 f.). Besonders häufig sind lineare Strukturen und Baumstrukturen der Verlinkung (vgl. Hiebler 2021, 24). Gut zu wissen | Montage Der aus Film- und Fernsehproduktion stammende Begriff Montage erfasst die Organisation visueller Elemente oder Bewegtbilder zu einem neuen Gesamtbild (vgl. Skopec 2004, 60). Die Montage fügt einzelne Elemente zu Bedeutungseinheiten zusammen. Auch die Produktions- und Empfangstechnik und Software-Entwicklungen beeinflussen Ge‐ staltung, Erscheinungsbilder und ihre Nutzung. 6.2 Einflüsse von Medienkunst, Netzkunst und digitaler Bildästhetik Die Medien- und Netzkunst beeinflusst Gestaltungsformen der Internetäs‐ thetik, da im künstlerischen Freiraum Formensprachen entstehen, die bei‐ spielsweise das Webdesign in einen Nutzungszusammenhang überführen kann. So veranschaulichen Experimente innerhalb der Netzkunst standar‐ disierte Grundmuster der Gestaltung wie etwa das Text-Bild-Verhältnis, die Unterteilung der Seite in Rahmen oder Blöcke mit unterschiedlichen Informationseinheiten, die Gestaltung des Bildhintergrunds und die Bild‐ rahmung. Experimentelle Videos aus den Bereichen Medienkunst und Musik 89 6.2 Einflüsse von Medienkunst, Netzkunst und digitaler Bildästhetik <?page no="90"?> beeinflussen durch ihre ästhetischen Innovationen die Gestaltung von Onlinevideos. Mit dem Verschwinden der Technik hinter die gestaltete Oberfläche steigert sich das Illusionspotenzial des Internets. Eine umfassende Einbe‐ ziehung der Nutzer: innen in virtuelle Umgebungen zeigt Analogien der Ästhetik mit jener des Theaters im Bereich der Repräsentation von Aktionen (Laurel 1993). Die mit dem Immersionsbegriff beschriebene vollständige Einbeziehung der Nutzer: innen in virtuelle Umgebungen findet vor allem in Onlinewelten von Spielen statt. Als Speicher und Distributionsmedium nutzt das Internet die ästhetischen Konzepte und Darstellungsformen digitaler Bilder. Ihre Entwicklung (vgl. Maulko 2013) war geprägt von komplexen Rahmenbedingungen, dem Zusammenspiel unterschiedlicher Einzelkomponenten und der spezifischen Materialität der Bildproduktion (Maulko 2013). Im Internet sind Bilder flexible, temporäre Konstrukte (Fahlenbrach 2019, 167), die modifiziert und etwa als Meme weiterverbreitet werden (von Gehlen 2021). Dirk von Gehlen sieht in Memen mächtige Aufmerksamkeitsmaschi‐ nen, die auf den Kategorien Reproduktion, Rekombination und Referenz basieren (Gehlen 2021, 16 f.) Aufmerksamkeit bilde die zentrale Ressource des Informationszeitalters (Gehlen 2021, 22). Gut zu wissen | Meme Meme fungieren im Internet als visuelle „kreative Ausdrucksformen mit vielen Beteiligten, durch die kulturelle und politische Identitäten kommuniziert und verhandelt werden“ (Shifman 2014). Aus Shifmans Sicht weisen Internetmeme gemeinsame Eigenschaften in Inhalt, Form und/ oder der Haltung auf. Meme werden in bewußter Auseinanderset‐ zung mit anderen Memen erzeugt und von vielen Nutzer: innen „über das Internet verbreitet, imitiert und/ oder transformiert“ (Shifman 2014, 180) Diese globale Grenzüberschreitung gilt als zentrales Merkmal (Gehlen 2021, 46). Das Spektrum von Meme Genres basiere u. a. auf der gehäuften, schnell wechselnden Nutzung in bestimmten medienhistorischen Phasen (Shif‐ man 2014). Dirk von Gehlen kategorisiert Meme auf der Basis von Motiven wie beispielsweise „Advice Animals“ oder „Distracted Boyfriend“. Auf der Nutzung basieren Bezeichnungen wie „Reaction GIFs“ (Gehlen 2021, 12). 90 6 Ästhetik und Design des Internets <?page no="91"?> Gehlen beschreibt die virale Verbreitung von Memen, die auf dem Wechsel vom Empfänger zum Sender basiere (Gehlen 2021, 17). Erfolgreiche Meme werden in unterschiedlichen Kontexten wiederverwendet (Gehlen 2021, 24 ff.). Versuche der Digitalisierung von Bildern und ihrer Archivierung reichen bis in die 1960er-Jahre zurück (vgl. Fahlenbrach 2019, 163). Videokünst‐ ler: innen erweiterten experimentell die Darstellungsmöglichkeiten auf den Bewegtbildbereich (vgl. Maulko 2013). Dabei legten sie die Grundlage für Veränderungen etablierter Referenzbezüge der Darstellung. Bewegtbilder wie etwa Webvideos kennzeichne ein Spiel mit etablierten Medien- und Genreästhetiken (Ahl 2013, 192 ff.). Während digitale Bilder ihre Umwelt optisch erfassen und digital über‐ setzen, erzeugen ausschließlich Programme simulierte Bilder (vgl. Schrö‐ ter 2004, 338). In den 1980er-Jahren wurde eine Entmaterialisierung tech‐ nischer Bilder durch den codierten Transfer diagnostiziert (Flusser 1985). Digitale Medienbilder teilen auf der bildgestalterischen und -sprachlichen Ebene mit ihren analogen Vor-Bildern oft mehr Gemeinsamkeiten als mit den ikonischen Special Outputs der wissenschaftlichen Computersimula‐ tion (Maulko 2013, 149). Das Metakonzept Fotorealismus gehe über reine Rekonstruktion hinaus und ahme gezielt kulturell etablierte Darstellungsnormen nach: „Leitende Strategien der Bildproduktion sind Pragmatismus und Reduktionis‐ mus. […] Man will vor allem glaubwürdige Illusionswelten erzeugen und richtet sich dabei insbesondere nach dem Faktor Wahrnehmungsrelevanz.“ (Maulko 2013, 518) Der glaubwürdige Gesamteindruck bildet den Endpunkt einer aufwändigen digitalen Bildproduktion. Digitale Bilder verändern ihren dokumentarischen Charakter, indem sie sich zwischen den Polen des Fotorealismus und spielerischer, selbstreflexiver Bildeffekte bewegen (Fahlenbrach 2019, 164). Zu den Bildeffekten zählen u. a. sichtbare Mehrfachüberlagerungen und Tiefenstaffelungen. Internetfotografie verknüpft digitale Bildbearbeitung mit einem realistischen Gesamteindruck. Gut zu wissen | Selfieästhetik Nutzer: innen sozialer Medien nutzen Apps für die Optimierung ihrer visuellen Selbstdarstellung oder Produktpräsentation. Dies zeigt sich bei‐ 91 6.2 Einflüsse von Medienkunst, Netzkunst und digitaler Bildästhetik <?page no="92"?> spielsweise in den Glossy Images der Selfieästhetik und werbewirksamen Nahrungsmittel-Fotos. Schönen Bilderwelten stehen die Messy Images ge‐ genüber, die das Unübersichtliche, Unsaubere, Uneindeutige in vernetzten Bildkulturen betonen (vgl. hierzu die Beiträge aus Montage AV 2021). 6.3 Webdesign Das Mediendesign dient einer einheitlichen, schnell identifizierbaren for‐ malen Gestaltung von Inhalten der Anbieter: innen und der „Herstellung sinnvoller Ordnungen“ (Papanek 1972, 17), indem es einen Gesamtzusam‐ menhang der Inhalte suggeriert. Das Webdesign umfasst unterschiedliche Bereiche wie u. a. die Gestaltung von Benutzer: innenoberflächen, Webseiten und -videos. Gut zu wissen | Interfacedesign Das Webdesign basiert u. a. auf Darstellungsprinzipien des Computer‐ designs. Der Begriff Interfacedesign bezeichnet die Gestaltung der Be‐ nutzer: innenoberfläche des Bildschirms (Skopec 2004, 7). Die durch den Computerhersteller Apple eingeführte visuelle Interface-Gestaltung er‐ leichterte Lai: innen den Umgang mit Rechnern und setzte den Computer als Massenmedium durch. Icons „übersetzten den alphanumerischen, also aus Buchstaben und Zah‐ len gebildeten Code aus dem Innern des Rechners in die symbolischen, metasprachlichen Zeichen seiner Außenhaut“ (Schnell 2000, 244). Die gra‐ fische Oberfläche der Computerbildschirme reduziert die Komplexität der Programme auf visuell sichtbare Handlungsanweisungen, die Nutzer: innen durch Klicks aktivieren können. So beeinflusst die Darstellung von Inhalten, Bildern, Videos und Diensten das Nutzungsverhalten. In den sozialen Medien und dem Internetfernsehen vermitteln individualisierte Bildwelten auch professionell produzierte Medieninhalte. Video- und Video-Stream-Plattformen passen die Gestaltung ihrer Webseiten den durch Algorithmen ermittelten Interessen einzelner Nutzer: innen an (vgl. Richter 2020). Damit entspricht die Ästhetik der indi‐ 92 6 Ästhetik und Design des Internets <?page no="93"?> vidualisierten Nutzer: innenadressierung der Many-to-Many-Vermittlungs‐ struktur. 6.4 Metamorphosen des Webdesigns Es lassen sich verschiedene Phasen von Veränderungen des Webdesigns unterscheiden. Zunächst versuchten Webdesigner: innen durch traditionelle Formen des Mediendesigns die Aufmerksamkeit zu steuern. So war die Präsentation des Onlineauftritts von Tages- und Wochenzeitungen zunächst an das Erscheinungsbild der „Printmütter“ geknüpft. Erst schrittweise passte sich das Webdesign mit einer stärkeren Aufteilung der Inhalte in einzelne Textmodule der spezifischen Angebots- und Nutzungsstruktur des Internets an. Gut zu wissen | Usability-Prinzip Den Prozess zunehmender Anpassung des Designs an Nutzer: inneninteressen erfasst der Begriff Usability. Das dem Usability-Prinzip fol‐ gende Design zielt auf einen übersichtlichen und einfachen Umgang mit den jeweiligen Angeboten einer Webseite (Nielsen 2001). Schrittweise löst sich die Internetnutzung vom Computer als Empfangsge‐ rät, was auch zu Veränderungen des Usability-Designs führte. Mit der zunehmenden Mobilisierung der Internetnutzung durch Empfangsgeräte wie dem Smartphone passt sich das Webdesign u. a. durch Veränderungen der Oberflächengestaltung wie der Schriftgrößen dem Empfang auf kleinen Bildschirmen an. Auch die Entwicklung zu den sozialen Medien veränderte bestehende Ge‐ staltungsformen zugunsten eines interaktiven Umgangs mit bestehendem Bildmaterial: „[R]emediation is the process of reusing or reworking material from one media in a different media. Furthermore, in the process of doing so new meaning is generated […]. ‚With reuse comes a necessary redefinition, but there may be no conscious interplay between media. The interplay happens, if at all, only for the reader or viewer who happens to know both versions and can compare them (Bolter/ Grusin 1999, 45)‘“ (Rizzo 2008, 7). 93 6.4 Metamorphosen des Webdesigns <?page no="94"?> Mit ihren vielfältigen Erscheinungsformen schließen Remediation-Verfah‐ ren an Erscheinungsformen der bisherigen Samplingkultur an. Dazu zählen neben Bereichen elektronischer Musik auch Zitatmontagen der zeitgenös‐ sischen Literatur (vgl. die Romane von Thomas Meinecke). Grundlegende Kompositionsformen von Montage und Collage beinhalten unterschiedliche Formen des Umgangs mit der Zeit: „The resulting whole is greater than the sum of its parts and many collages exploit the dissonance of source, materiality and referenced temporality to great effect. But montage, the durational assemblage of divergent materials, relies upon sequence and ever-changing context for its effect.“ (Uricchio 2009, 33) Die mit den sozialen Medien an Bedeutung gewinnenden Erscheinungsfor‐ men der Produsage flexibilisieren die Internetästhetik. Nutzer: innen haben die Möglichkeit, beispielsweise auf der Foto- und Videoplattform Instagram eigene ästhetische Konzepte zu realisieren und bestehende Darstellungs‐ formen etwa in partizipativen Dokumentationen (vgl. Kermanchi 2019) zu verändern. Dabei sind Einflüsse von Konzepten und Motiven der Ama‐ teur: innenfotos, -filme und -videos erkennbar, die jedoch mit Formen digi‐ taler Bildbearbeitung optimiert werden. Gut zu wissen | Mashup-Ästhetik Eine Mashup-Ästhetik kennzeichnet unterschiedliche Erscheinungsfor‐ men des kreativen Umgangs mit vorhandenem Bildmaterial auf Vi‐ deoplattformen oder sozialen Medien (vgl. Bleicher 2017). Found-Foo‐ tage-Videos fügen Bilder und Töne zu Erzählungen oder Formen der darstellerischen Argumentation zusammen (vgl. ebd.). Das Bildmaterial des Internets wird in einem umgekehrten Remediatisie‐ rungsverfahren in die Angebotsformen (diverse Videoshowformate) und Ästhetik etablierter Medien wie dem Fernsehen (etwa „Klick Stars“, RTL II) integriert. 6.5 Seitenstruktur Die Struktur von Webseiten beeinflusst die Informationsvermittlung. So ermöglichen es nichtlineare Textangebote: 94 6 Ästhetik und Design des Internets <?page no="95"?> ● die Gewichtungen der Beiträge auszudrücken (Hierarchisierung), ● das Beitragsangebot zu strukturieren (Ordnungsfunktion), ● Lektürepfade anzubieten (Kohärenzfunktion), ● die Nutzer: innen anzusprechen (Anmutung), ● die Inhalte anschaulich zu vermitteln (Schaufensterfunktion), ● das Nutzungsverhalten durch Orientierungsangebote zu steuern (Navi‐ gationsfunktion) (Bucher 2002, 159). Dieses Kategoriensystem erfasst verschiedene Nutzungsinteressen, deren Spektrum von der Orientierung bis hin zur Erlebnisdimension reicht. Webseiten umfassen unterschiedliche Bild- und Textflächen, typografi‐ sche, fotografische, mediale, illustrative und funktionsorientierte Darstel‐ lungselemente (Skopec 2004, 26). Grundlegend ist die Unterscheidung der Seitengestaltung zwischen: ● klassischem Stil: Navigation am Kopf und/ oder links, Inhalt rechts und/ oder darunter sowie ● freiem Seitendesign: schwebende Komposition der ganzen Seite, Schwerpunkt auf Interaktivität und Multimedialität (Hiebler 2021, 21). Gut zu wissen | Webseitentopologie Die Webseitentopologie, also das Verhältnis von Bildern, Textrahmen und Interaktionselementen (Skopec 2004, 88), basiert auf Konventionen des Computer-Interface-Designs. Nach dem Vorbild der Printmedien dienen typografische Elemente der Seitenorganisation (Titel, Navigati‐ onselemente u. a.) und der Vermittlung von Inhalten (ebd. 2004, 25 ff.). Es entstanden angebotsspezifische Formen des Seitenlayouts: Suchmaschi‐ nen und Portale reihen Textblöcke aneinander und heben einzelne Begriffe grafisch hervor. Onlinezeitungsartikel sind häufig linear angeordnet und werden nach Themen vernetzt. Chats und Kommentare in sozialen Medien erleichtern durch Einrückungen einzelner Zeilen von Gesprächsabläufen die Orientierung der Gesprächspartner: innen. Funktionselemente „ermögli‐ chen das Auslösen von Aktionen, das Bearbeiten von Inhalten und Objekten, das Navigieren durch verschiedene Bildschirmseiten und vieles mehr“ (ebd. 2004, 55). Sie bilden eine ästhetische Basis der interaktiven Internet‐ nutzung, indem sie als Zeichen die jeweiligen Nutzungsmöglichkeiten illustrieren. 95 6.5 Seitenstruktur <?page no="96"?> Formale und inhaltliche Beziehungen verknüpfen Seiten. Die Startseite bietet eine Übersicht zu verschiedenen Inhalten und Funktionsmöglichkei‐ ten an und entspricht in ihrem Erscheinungsbild den folgenden Seiten. Die Seitenstruktur umfasst die Integration von: ● Dachzeilen (Hinweise auf die Urheber: innen der Seiten, Ressortangaben oder Zuordnung des Themas wie etwa Politik, Wirtschaft etc.), ● Titeln (kurze Einführung in den Sachverhalt), ● Einstiegsabsätzen mit Spannungsbögen, die zum Weiterlesen motivie‐ ren sollen, ● Zwischenüberschriften im Fließtext, ● Grafiken, Bewegtbildanimationen oder Fotos, ● Audioinhalten wie etwa gesprochene Kommentare. Interne Links bilden Verknüpfungen zwischen Webseiten des eigenen An‐ gebots. Externe Links wiederum können auf Textmodule außerhalb des eigenen Angebots verweisen. Die Webseitengestaltung basiert auf formalen Strukturelementen des Plakatdesigns wie Fläche und Raum. Dabei finden vor allem rechteckige, aber auch quadratische, runde oder ovale Formen der Flächengestaltung Anwendung. Wie auf Plakaten sind Bilder oder Grafiken häufig im Zentrum der Webseiten platziert. Auch Farbgestaltungen oder Texturen des Bildhin‐ tergrundes und Rahmen, die sich wie ein Mosaik über die Seite verteilen, setzen bereits von Plakaten bekannte visuelle Aufmerksamkeitssignale. In Rahmen und Modulen sind einzelne Wörter oder Wortfolgen etwa durch Unterstreichungen oder einer besonderen Farbmarkierung (zum Beispiel in Rot) als optische Bezugspunkte hervorgehoben. Verschiedene Darstellungs‐ prinzipien und Perspektiven bestimmen die modulare Aufbereitung. Zu den möglichen Gliederungsformen zählen: ● Aktualität, ● Akteursebenen, ● thematische Einteilungen, ● auf bestimmte Interessen bezogene Fragen (Meier 1999, 57). Der Webseitenaufbau lässt auch den Einfluss architektonischer Grundfor‐ men erkennen. Als Säulen angeordnet strukturieren meistens zwei oder drei Text- oder Bildleisten den visuellen Gesamteindruck einer durch ein Dach und eine Fußleiste geschlossenen Fläche. Im Kopfbereich der Seite sind oft unsichtbar der Seitentitel und Schlagworte platziert, an denen sich einige 96 6 Ästhetik und Design des Internets <?page no="97"?> Suchmaschinen bei ihrer Recherche orientieren. Für Nutzer: innen sichtbar weisen die Navigationsleisten Dächer, Rahmen, Säulen und Fußleisten, Standortinformationen und Webseiten auf weitere Inhalte hin. Innerhalb der Navigationsleisten fassen einzelne Stichwörter die vorhandenen Ange‐ bote zusammen, geben eine Übersicht über die jeweiligen Artikel oder Serviceangebote und tragen so als Paratexte (Genette 1989) zur Steuerung des Nutzer: innenverhaltens bei. Die Überblicks-, Orientierungs-, und Er‐ schließungsleistung der Navigationselemente (Bucher 2000, 164 ff.) passen sich den spezifischen Anforderungen der Netznutzung an. Nutzer: innen können auf unterschiedlichen Wegen auf eine Webseite gelangen: über Suchmaschinen, Plattformen, Portale, Lesezeichenverzeichnisse oder Links von anderen Seiten (Nielsen 2001, 25). Das Grundmodell der in unterschiedlichen Säulen strukturierten Web‐ seite differenzierte sich in alternative Formen des Verhältnisses von Fläche, Raum und Text aus. Designer: innen verteilen Schrift räumlich flexibler auf den Seiten oder überlagern Schrift und Bild in Formen, die sich teilweise in ständiger Bewegung befinden und so den Eindruck besonderer Dynamik erzeugen. Webseiten sind hier als mobile Palimpseste, also als Überlagerung unterschiedlicher Schriften und Bilder, gestaltet. 6.6 Grafische Gestaltungselemente Zunächst spielen Farbimages bei der Webseitengestaltung eine zentrale Rolle. Die Bedeutung und Bewertung von Farben unterscheiden sich je nach Kulturkreis. So stehe beispielsweise die Farbe Grün in Europa für Natur, in arabischen Ländern für den Islam, in Japan für Technologie und in den USA für Anachronismus (Skopec 2004, 38). Gut zu wissen | Pixel Aus technischer Perspektive ist der Pixel oder Bildpunkt „das kleinste grafische Element eines digitalen Layouts […]. Aus dieser kleinsten Einheit setzt sich alles zusammen, was auf dem Display visualisiert wird“ (Skopec 2004, 31). Linien ordnen und grenzen die verschiedenen auf den Webseiten enthaltenen Teilelemente voneinander ab. Es entstehen vielfältige Kombination aus Bild- oder Videokacheln und Textleisten. 97 6.6 Grafische Gestaltungselemente <?page no="98"?> Im Interfacedesign entwickelte visuelle Zeichen wie etwa Ordner, Sanduh‐ ren oder Fenster fungieren als Icons. Kulturgeschichtlich etablierte Symbole mit ihrem festgelegten Bedeutungsgehalt ermöglichen es den Nutzer: innen, die jeweils mit den Icons verbundenen Angebote und Nutzungsmöglichkei‐ ten schnell zu identifizieren. Beispielsweise signalisiert ein Einkaufswagen einen möglichen Kaufvor‐ gang oder eine Eieruhr den Zeitfaktor. Viele Icons wie Ordner, Drucker, Papiere sind dem Bereich der Arbeitswelt entlehnt. Diese Symbole lassen sich dem Bereich der Gebrauchsbilder zuordnen, deren Einsatz Prozesse und Anwendungen in Gang setzt (Distelmeyer 2017, 97). 6.7 Darstellungskomponenten des Textdesigns Grundlegende Darstellungskomponenten des Textdesigns besitzen ver‐ schiedene Reichweiten. Beitragsinterne Formen des Textdesigns sind Titel und Links. Zu den modulinternen Formen des Textdesigns gehören das Bei‐ tragslayout, Linien, Pop-up-Fenster oder Thumbnails, die Elemente zu Modulen zusammenfassen. Beitragsübergreifende Formen des Textdesigns sind Signets, Leitfarben, Links, Logos, die Beiträge zu Themenblöcken zusammenfassen. Makrostrukturelle Formen des Textdesigns sichern die Kohärenz des Gesamtangebotes (ausführlicher dazu vgl. Bucher 1999). Dazu zählen: ● Seitenlayout, ● Ressorteinteilung, ● Gliederungsmittel, ● Inhaltsverzeichnisse, ● Navigationssysteme, ● Sitemaps, ● Table-of-Content. Adressen und die Titel von Homepages signalisieren den Nutzer: innen das je‐ weilige Themenspektrum und steuern ihre Lektüre. Etablierten journalistischen Strukturprinzipien entsprechend werden wichtige Informationen nach der allge‐ meinen Rubrikbezeichnung und einer Überschrift in einem kurzen Abschnitt, der auch als Teaser bezeichnet wird (vgl. hierzu Hooffacker 2001), platziert. Der Teaser ist durchaus verwandt mit dem Leadsatz, dem ersten Satz einer Meldung, und dem Leadabsatz, dem ersten Absatz eines Berichts in Printmedien. 98 6 Ästhetik und Design des Internets <?page no="99"?> Unter diesem Teaser oder Leadtext ist entweder ein Link angeordnet, der zu Hintergrundinformationen auf verschiedenen Webseiten führt oder es folgen im selben Text immer detailliertere Inhalte. Die Themenschwerpunkte sind durch Zwischenüberschriften kenntlich gemacht. Links als Textverknüpfungen beinhalten Komponenten wie den Linkur‐ sprung, das Linkziel, semantische oder funktionale Verknüpfungstypen zwischen Modulen oder bestimmten Textstellen (Storrer 2002). In variablen Bezügen verknüpfen interne Links Module im selben Text oder derselben Website, externe Links hingegen verweisen auf andere Webseiten. Wörter, Grafiken oder Symbiosen aus Sprache und Bildern markieren Verbindungen zu anderen Texten oder Abbildungen. Symbole des Interfacedesigns zeigen Links grafisch an: Die Lupe signalisiert seiteninterne Suchdienste, ein Haus führt zur Eröffnungsseite zurück. Gut zu wissen | Hotspot-Struktur Die von Bildern ausgehenden Informationsbezüge erfasst der Begriff Hotspot-Struktur. „Der Begriff Hotspot bezeichnet die Möglichkeit, in einem Bild eine weitere Information (meist Grafik, Bild, Text, ein Fenster oder eine weitere Seite) aufzudecken“ (Röll 2001, 15). Diese Struktur wird als Etagen-Ästhetik bezeichnet (ebd.). Die visuelle Information legt sich als Folie über die sprachliche Information. Optisches Design wird zum Bestandteil sprachlicher Information. Visuelle und sprachliche Gestaltungselemente gehen enge Wechselwirkungen ein, bei denen sich unterschiedliche Text-Bild-Beziehungen unterscheiden las‐ sen (Schmitz 2001, 222): ● Diskrepanz: Text und Bild lenken voneinander ab (in der Regel das Bild vom Text). ● Neutralität: Text und Bild stehen gleichgültig nebeneinander. ● Ergänzung: Der Text ergänzt das Bild (oder das Bild den Text) durch zu‐ sätzliche Informationen, die in dem anderen Medium nicht ausgedrückt werden (insbesondere nicht werden können). ● Wechselseitige Erhellung: Text und Bild erläutern einander. Trotz oder gerade wegen der immer aufwändigeren visuellen Effekte bleibt die Sprache in Form der Schrift von zentraler Bedeutung. Mit un‐ terschiedlichen Gestaltungsformen wie Kontrasten zwischen Schrift und 99 6.7 Darstellungskomponenten des Textdesigns <?page no="100"?> Bildhintergrund, Schriftgröße und -form, Unterstreichung, Schattenbildung oder Schriftbewegungen wird die Optimierung der Informationsvermittlung intendiert. 6.8 Ästhetik der Onlinewerbung Neben dem Einfluss der Medienkunst auf das Mediendesign bietet auch die Gestaltung von Werbung wichtige Impulse. Im Ensemble etablierter Medienangebote bildet die Werbung traditionell die Avantgarde der Darstel‐ lungsformen (Zurstiege 2005). Gut zu wissen | Cross-Media-Marketing Webseiten verknüpfen auf unterschiedliche Weise Werbung und Infor‐ mation etwa in Videos durch Bildüberlagerungen oder unterschiedliche Werbebanner, die einen visuellen Rahmen für die in der Seitenmitte angeordneten Informationstexte oder Videos bilden. Pop-ups tauchen als eigenes Modul vor der eigentlich aufgerufenen Webseite auf. Im Bereich der Onlinewerbung erregen animierte Links Neugier für das jeweils mit dem Bild verknüpfte Angebot. 3D-Effekte präsentieren im Bereich des E-Commerce die angebotenen Produkte. Trailer lassen sich innerhalb von Webseiten in eigenen Rahmen auch als Werbeträger für Angebote anderer Medien (Cross-Media-Marketing) wie etwa des Fernsehens nutzen. In standardisierten Webpages sind Werbebanner mit statischen oder be‐ wegten Bildern als obere Seitenbegrenzung oder als Bildmitte angeordnet, während meistens links ein Inhaltsverzeichnis platziert ist. Vertikal ausge‐ richtete Skyscraper-Banner können die Bildrahmungen bilden. Bei den Ban‐ nern sind die Bildweite und -größe entscheidende Kriterien der Erringung von Aufmerksamkeit: „Size makes Sense“. Die Größen der Werbebanner sind standardisiert, was die Gestaltung erleichtert. Einige Bannerformen verknüpfen grafische und animierte Elemente: ● Mousemove-Banner bewegen sich parallel zur Maus. ● Rich-Media-Banner enthalten neben 3D-Komponenten auch Audio- oder Videoangebote. 100 6 Ästhetik und Design des Internets <?page no="101"?> ● Nanosite- oder Microsite-Banner bilden eine Miniwebseite mit In‐ teraktionsmöglichkeiten in der gerade aufgerufenen Webseite. ● Scroll-Leisten werden mit unvollständig gezeigten Bildern kombi‐ niert, um die Nutzer zum Klicken zu animieren. ● Am rechten Bildschirmrand bewegen sich Freeze-Screenposi‐ tion-Banner, auch als Sticky Ads bezeichnet, mit der jeweiligen Scrollbewegung und bleiben so immer im Blick der Nutzer: innen. ● Transaktive Banner bieten ein breites Spektrum an Interaktions- und Konsummöglichkeiten an. Als Unterbrechung der Nutzung fungiert die plötzlich erscheinende Pop-up-Werbung. Sie ist als Fenster im Bild gestaltet, das aber nicht die Seitenrezeption verändert, sondern höchstens von ihr ablenkt. On‐ linewerbung passt sich häufig wie ein Chamäleon der allgemeinen Web‐ seitengestaltung an und tarnt sich so als Informations-, Unterhaltungs- oder Serviceangebot. Symbole wie der Pfeil des Computerscrolls lenken Nutzer: innen, die sich eigentlich nur auf der Seite bewegen wollen, per Klick auf das Werbeangebot. Auch gefälschte Fehlermeldungen im Stil von Microsoft-Meldungen fordern Nutzer: innen zu Reaktionen und damit zum Abruf der Werbeinhalte heraus. Gut zu wissen | Product-Placements Erscheinungsformen des Product-Placements sind ein zentrales Teilele‐ ment des Influencer: innen-Marketings. Produkte werden in die von Influencer: innen geposteten Bildwelten integriert und in der direkten Nutzer: innenadressierung verbal als scheinbar persönliche Empfehlun‐ gen beworben. Hashtags verweisen auf den Werbecharakter der Posts. 6.9 Nutzungsorientierte Kategorisierungsansätze Nutzungsorientierte Gestaltungsformen greifen Prinzipien von Multimedia‐ angeboten auf. So ist im Bereich des E-Commerce die Benutzer: innenober‐ fläche „[alles] in einem: Marketingmaterial, Ladentheke, Schaufenster, Ver‐ kaufspersonal, Kundendienst“ (Nielsen 2001, 14). Kategorisierungsansätze unterscheiden verschiedene Funktionsbereiche der Webästhetik: 101 6.9 Nutzungsorientierte Kategorisierungsansätze <?page no="102"?> ● Die Depotästhetik sei an einer optimalen Unterbringung von Informa‐ tionen interessiert. Sie bestimme u. a. die Gestaltung von Hochschul‐ seiten. ● Die Informationsästhetik auf den Seiten von Verbänden oder Insti‐ tutionen arrangiere Inhalte nach gestalterischen Gesichtspunkten, um Inhalte einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. ● Die Verlautbarungsästhetik etwa von Webauftritten politischer Par‐ teien nutze das Internet als Verbreitung der eigenen Botschaft. Gleich‐ gesinnte sollen sich mit dem Angebot identifizieren können, es werde aber auch versucht, potenzielle Interessenten zu werben. ● Die Merkantilästhetik, die sich im Bereich des E-Commerce finde, nutze eine maximal zumutbare Affektivierung, um Kund: innen anzu‐ werben und zu binden. ● Die Selbstdarstellungsästhetik präsentiere Ansichten oder Überzeu‐ gungen als Lebensentwürfe. ● Bei der Unterhaltungsästhetik gehe es um die Erzielung von Spaß und Zeitvertreib. ● Die Erlebnisästhetik stelle die Aktivierung und Motivierung ins Zentrum. Beispielsweise präsentieren sich Unternehmen als Erlebnis‐ lieferanten (Röll 2001, 13 ff.). Bislang dominiert die Nutzer: innenperspektive die Bewertung der Websei‐ tengestaltung. Als Bewertungskriterien fungieren die Angemessenheit des Umfangs und der Qualität von Darstellung und Inhalt, die Zugänglichkeit, die Nutzer: innenfreundlichkeit und Personalisierung der Information sowie die Interaktionsmöglichkeiten (Fritz 2001, 144). Dieser Kriterienkatalog wird von ökonomischen Interessen bestimmt, andere Interessenskonstellationen würden andere Bewertungskriterien zur Folge haben. Jedoch bleibt die zentrale Rolle der Gestaltung für die Wirkung der Onlineangebote festzuhalten. 6.10 Bewegtbildästhetik Die allgemeine Modulästhetik des Internets beeinflusst auch die Produk‐ tion und Erscheinungsformen von Online-Bewegtbild-Angeboten. „It is a modular scan of data to build a gesture, a signal, a form of speech, mood, temperature, and climate.” (Lovink, Treske 2020, 12) Die spezifische 102 6 Ästhetik und Design des Internets <?page no="103"?> Ästhetik von Webvideos kennzeichne ein Spiel mit etablierten Medien- und Genreästhetiken (Ahl 2013, 192 ff.). Die Gestaltung bewegter Bilder im Internet orientiert sich an ästheti‐ schen Konventionen von Kunst, Werbung, Film, Fernsehen und Videos. Der pseudoauthentische Charakter vieler Onlinevideos basiert auf der Ver‐ wendung von Stilmitteln aus den Bereichen der Dokumentarfilm- oder Amateur: innenfilmästhetik. Die Ästhetiken von Überwachungskameras und Livestreams fungieren als dauerhafte Beobachtung und visuelle Do‐ kumentation von Orten, Personen oder Ereignissen. Gestaltungsformen des Amateur: innenvideos und der Fotografie beein‐ flussen die Ästhetik der Selbstdarstellung in Selfies oder Storys etwa auf Instagram oder Facebook. Die Ästhetik von Fotos oder Fernsehbeiträgen des Journalismus kennzeichnet u. a. die Darstellung von Nachrichten- und Reisevideos, aber auch der Bildhintergründe von Selfies. Printmedien integrieren Videos als Visualisierung ihrer Onlinebeiträge. Die Gestaltung berücksichtige etwa durch das Verhältnis Bewegtbild - Text die Einbindung von Kommentarfunktionen als die spezifischen partizipativen Nutzungsfor‐ men sozialer Medien (Ahl 2013, 192 ff.). Online-Bewegtbild-Angebote kombinieren Formsprachen künstlerischer Videos und Werbespots, um ihre visuelle Attraktivität zu optimieren und damit die Aufmerksamkeit der Nutzer: innen zu erreichen. Anima‐ tionen veranschaulichen abstrakte Inhalte in Bildungsvideos oder Tutori‐ als. Im Bereich von Onlinedokumentationen entstand in den 2010er-Jah‐ ren eine Hinwendung zur umfassenden räumlichen Darstellung etwa in 360-Grad-Videos, die von Nutzer: innen gesteuert werden können. Kom‐ plexe Raumwelten sind ein wesentlicher Faktor der partizipativen Bewegt‐ bildästhetik von Onlinespielen. Raumbewegungen steigern nicht nur die Informations- oder Illusionspotenziale, sie bilden auch den Rahmen für Nutzer: inneninteraktionen. Die Gestaltung politischer Amateur: innenvideos setzt Traditionslinien der Darstellungsformen von Protestvideos, etwa der Bürger: innenbewegun‐ gen in den 1980er-Jahren, fort (vgl. Della Ratta 2018). Onlinenachrichten nutzen die Ästhetik von informationsorientierten Beiträgen der Fernseh‐ nachrichten. Livestreamvideos greifen die Ästhetik von Liveübertragungen des Fernsehens auf. 103 6.10 Bewegtbildästhetik <?page no="104"?> 6.11 Medienhistorische Vorbilder der Bewegtbildästhetik Von Amateur: innen produzierte Bewegtbilder nutzen häufig Motive und Gestaltungsformen der Fotografie wie etwa Porträts, Fotos von Familienfei‐ ern oder Landschaften. Die fehlende Professionalität von Aufnahmen (etwa gehäufte unsichere Bildbewegungen wie Schwenks), Bildeinstellungen und Montagen suggeriert eine scheinbar direkte Präsentation der eigenen Person oder Ausschnitten des eigenen Lebens via Kameradokumentation. In den vielfältigen Erscheinungsformen von Bewegtbildangeboten findet sich die Amateur: innenfilmästhetik in Videoblogs ebenso wie in Webserien wie „lonelygirl15“ (vgl. Kuhn 2012). Gut zu wissen | Mashup-Ästhetik Mashup-Ästhetik kombiniert bestehendes akustisches und visuelles Material zu neuen Bedeutungseinheiten (vgl. Bleicher 2017). So lassen sich Bildmontagen mit verschiedenen musikalischen oder sprachlichen Off-Tönen kombinieren, so dass vom ursprünglichen Bedeutungsgehalt abweichende unterschiedliche Formen der Erzählung oder Kommentie‐ rung entstehen. Den Nutzer: innen sind grundlegende Formen der visuellen Vermittlung wie etwa Kameraführung oder die Bildorganisation durch die Montage ebenso vertraut wie Formen des Bildaufbaus. So sind wie in der Malerei wichtige Motive oder Informationen im Bildzentrum platziert. Bildrahmen ermöglichen die mosaikartige Aufteilung der Webseiten von Video- und Vi‐ deo-Stream-Plattformen durch Bildkacheln mit unterschiedlichen Bewegt‐ bildangeboten, die auch Textelemente mit Informationen zu den jeweiligen Inhalten enthalten. Innerhalb der Online-Bewegtbild-Angebote erleben Darstellungsprinzi‐ pien der frühen Filmästhetik wie etwa das Cinema of Attraction ihre Renaissance. Wie in der Stummfilmzeit fungieren visuelle Attraktionen und die direkte Adressierung der Zuschauer: innen als Instrumente der Aufmerksamkeitsgewinnung: Tom Gunning beschrieb das Kino vor 1906 als „cinema of attractions“ (Gunning 1990, 56). Im Unterschied zum aktuellen Erzählkino, das auf einen voyeuristisch betrachtenden Blick abziele, sei das frühe Kino ein exhibitionistisches Kino, das seine Betrachter: innen an‐ erkenne und zum Sehen einlade. Der „cinema showman“ wende sich mit dem 104 6 Ästhetik und Design des Internets <?page no="105"?> Versprechen einer Attraktion direkt an das Publikum (Gunning 1990, 58). Dieses Kino basierte auf dem Spektakel, dem Schock und der Sensation. Viele YouTube-Videos weisen erstaunliche Parallelen zu diesen frühen Filmen auf. Auch hier findet sich die direkte Publikumsadressierung, der exhibitionistische Charakter, Sensationen und Schocks (Rizzo 2008, 1). In der Kombination von Bildwelten unterschiedlicher medialer Herkunft sehen Bolter und Grusin eine ästhetische Besonderheit der digitalen Kultur (Bolter, Grusin 2009). 6.12 Sound Das Internet instrumentalisiert akustische Signale, die sich bereits in an‐ deren Medien etablierten, für unterschiedliche Vermittlungs- und Gestal‐ tungsformen. Die vielfältige Soundgestaltung von Features bildet einen Einfluss auf Podcasts als akustische Angebotsform des Internets. Aus dem Hörfunk bekannte akustische Jingles und Soundelemente fungieren als Aufmerksamkeitssignale im Bereich der Bannerwerbung. Der Transfer etablierter Aufmerksamkeitssignale erleichtert durch die Bekanntheit eta‐ blierter Tonkombinationen die Orientierung. Diese Integration von Sound‐ elementen geht einher mit der Integration von anderen Medienangeboten wie dem Internetradio oder der aus anderen Medien bekannten Jingles von Werbespots. Gut zu wissen | Podcasts Podcasts, online abrufbare gesprochene Kommentare oder von Spre‐ cher: innen gelesene Artikel von Printausgaben, führen getrennte Ver‐ mittlungsformen von Hörfunk und Printjournalismus zusammen. Der Inhalt eines Mediums geht in die Präsentationsform eines anderen Mediums über und wird vom Verbreitungsmedium Internet zum Abruf bereitgestellt. Musikalische Angebote von Onlineradios begleiten als akustische Klangku‐ lisse die Onlinenutzung. Mit diesen unterschiedlichen Angeboten und Funk‐ tionspotenzialen hat sich der Sound als fester Bestandteil der Netzästhetik etabliert. Wechselwirkungen traditioneller und digitaler Darstellungsfor‐ 105 6.12 Sound <?page no="106"?> men manifestieren sich in den in diesem Abschnitt vorgestellten vielfältigen Gestaltungsdimensionen des Internets. 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Medienwissenschaftliche Untersuchungen beschreiben Ordnungsmo‐ delle der Anordnung von Inhalten in enger Wechselwirkung mit ökonomi‐ schen Zielsetzungen und den jeweiligen medientechnischen Grundlagen. Das Internet nutzt Ordnungsprinzipien wie das an Programme von Fernsehsendeanstalten angelehnte Kanalsystem von Videoplattformen (u. a. das akteur: innen- und themenbasierte System von YouTube-Kanälen). Orientierungsangebote wie die traditionelle Fernsehansage oder Trailer (Bleicher, Armbrust 2014) werden durch algorithmisch gesteuerte individu‐ elle Adressierungen, etwa in sozialen Medien oder Video-Stream-Plattfor‐ men wie Netflix (Vgl. Richter 2020, 295ff.), ersetzt. Die Möglichkeit von Radio und Fernsehen, zeitgleich zwischen Sender und Empfänger Angebote zu vermitteln, beeinflusst Angebotsmodelle von Livestreams als Möglichkeiten virtueller Teilhabe an Veranstaltungen oder Ereignissen. 7.1 Das Dispositiv Internet In Mediendispositiven bilden Ordnungsmodelle der Anordnungen von Apparaten und Empfänger: innen eine Schnittstelle zwischen Produktion, <?page no="110"?> Angebot und Rezeption (vgl. Hickethier 1995). Das Internet passt etablierte Ordnungsmodelle seinem Dispositiv an und verändert auf diese Weise tradi‐ tionelle Angebotsstrukturen der Massenkommunikation. Das Dispositiv Internet umfasst unterschiedliche Teilbereiche wie: ● die Vernetzung von Computern und Menschen, ● Onlineunternehmen, ● die Zirkulation und individuelle Adressierung von Inhalten, ● die raum- und zeitunabhängige partizipative Nutzung. Smartphones tragen als Produktions- und Empfangsgeräte zur Mobilisie‐ rung dieses Dispositivs bei. Für etablierte massenmediale Dispositive rele‐ vante Ordnungsprinzipien wie Programm oder Sendung als Schnittstellen zwischen Produktion und Nutzung lösen sich im Internet in Segmentstruk‐ turen auf. Mit der Loslösung von bisherigen zeitlichen Bindungen wird aus dem traditionellen Raster der Programmankündigungen des Fernsehens auf Videoplattformen wie YouTube ein Interfacedesign mit mosaikartig ange‐ ordneten Bildkacheln abrufbarer Bewegtbildfragmente. Die Zusammenstel‐ lung dieser Fragmente erfolgt auf der Ebene der Akteur: innen beispielsweise in von Algorithmen erzeugten Verknüpfungen etwa von Videos des You‐ Tube-Interfaces oder durch die interaktiv selektive Angebotsauswahl der Nutzer: innen auf der Rezeptionsebene. Gut zu wissen | Raster und Flow Raster und Flow gelten in der Medienwissenschaft als grundlegende Strukturprinzipien der Angebotssortierung (vgl. Hickethier 1991), die auch in die Strukturmodelle des Internetdispositivs integriert sind. Video-Stream-Plattformen modifizieren den Flow zum Stream, der Nut‐ zer: innen die dauerhafte Möglichkeit des gezielten Abrufs von Inhalten suggeriert (vgl. Denecke 2017). Es lassen sich unterschiedliche Flow-Modelle der Distribution beobachten. Das transmediale Zyklusmodell umfasst den Flow-Verlauf von Ange‐ boten und Inhalten zwischen verschiedenen Medien und Plattformen (Gil‐ lan 2010). An diesen Strukturen sind neben Akteur: innen wie Medienunter‐ nehmen auch Nutzer: innen beteiligt, die Angebote in sozialen Medien teilen. In einer spezifischen Adaption des Flow-Modells erzeugt YouTube eine Autoplay-Ausstrahlung durch eine fortlaufende Platzierung ähnlicher 110 7 Ordnungsmodelle des Internets <?page no="111"?> Videos, um die Nutzungsdauer zu verlängern. So orientiert sich diese Au‐ toplay-Funktion an dem algorithmisch ermittelten Nutzer: innenverhalten. Sehen Nutzer: innen ein Video, wird als Entscheidungshilfe auf der Basis ihres bisherigen Nutzungsverhaltens direkt ein ähnliches Video eingespielt. Die spezifische interaktive Nutzung des Internetdispositivs erfordert Navigationsmodelle für die Steuerung des Nutzer: innenverhaltens. Unter‐ schiedliche Grundformen umfassen direkte Steuerungen oder hierarchische Systeme (Hiebler 2021, 25 ff.), die linear oder als Netz- oder Baumstrukturen organisiert sind (Hiebler 2021, 24). In diesen Grundformen werden Textlinks, Buttons und Menus als Navigationselemente eingesetzt (Hiebler 2021, 22). 7.2 Technische Strukturmodelle Beim Internet bildete die ursprüngliche technische Struktur der weltweiten Vernetzung von Servern und Computern die Grundlage für eine große Bandbreite von Angeboten, Kommunikations- und Nutzungsmöglichkeiten. Diese Komplexität stellt besondere Anforderungen an die Organisation von Inhalten, Diensten und Kommunikation. Es gilt die Auffindbarkeit der Inhalte ebenso zu gewährleisten wie die Nutzungssteuerung, die Kommuni‐ kationsprozesse und die Bewertungs- und Kommentierungsmöglichkeiten. Gut zu wissen | Rhizom Die technische Vernetzung zwischen Computern ist als Grundstruk‐ tur der Verknüpfung des Internets in unterschiedlichen theoretischen Zusammenhängen erfasst worden. Im Bereich der Medientheorie gilt das botanische Rhizom als ein Grundmodell der Vernetzung, etwa im Bereich des Wissens (Deleuze, Guatari 1977). Interdisziplinäre Theoriebildungen verknüpfen verschiedene Modelle zu komplexen Erklärungsmustern: „Im Modell des Netzes materialisiert sich das konnektionistische Denken. Biologi‐ sche und evolutionäre Theorien werden mit informationstheoretischen Ansätzen gekoppelt, meist mit dem vordergründigen Ziel, das Internet als Realisation eines globalen Gehirns zu etablieren“ (Fabo 2000). 111 7.2 Technische Strukturmodelle <?page no="112"?> Diese funktionsorientierte Metapher des globalen Gehirns orientiert sich an medientheoretischen Ansätzen, die Medien als technische Erweiterung der menschlichen Sinne beschreiben (McLuhan 1967). Beschreibungen des World Wide Web als medienhistorische Zäsur ergänzen diese Metapher des globalen Gehirns mit weiteren Aspekten wie etwa die globale Raumerwei‐ terung oder die Beschleunigung und Aktualisierung von Information und des intelligenten Netzes. Das Nervensystem des elektronischen Zeitalters werde Informationen sofort und direkt übermitteln, speichern und verarbeiten, und dies ohne Verlust oder Minderung des Informationsgehalts. Ein derart intelligentes Netz, das den ganzen Globus umspanne, könnte man als Global Brain, globales Gehirn, bezeichnen. Das Medium, das am besten geeignet scheine, ein solches dem Gehirn ähnliches, intelligentes Netz zu realisieren, sei das World Wide Web (Ascott 1997). Diese Grundform des Seins umfasse auch Gedächtnis- und Archivfunktionen: „Denn alles, was lebt und jemals gelebt hat, ist Teil eines kollektiven Gehirns, eines sich so weit wie möglich ausdehnenden neuronalen Netzes, eines von der Evolution bestimmten, weltweiten und viele Milliarden Jahre alten artenüber‐ greifenden Geistes“ (Bloom 2000). In der historischen Entwicklung bestimmte das Netzmodell nicht nur Raumstrukturen des Verkehrswesens, es kennzeichnete auch die Struktur unterschiedlicher Formen medialer Informationen und Kommunikation. Aus medienhistorischer Perspektive setzen die heutigen Strukturen des telegrafischen Raums des 19. Jahrhunderts fort (Burckhardt 1994). Im Laufe des 19. Jahrhunderts bildeten sich immer dichtere Netze der Telegrafie und Telefonie: „Vernetzte Telefone oder Computer gleichen hingegen individuel‐ len Verkehrsmitteln, die nicht zentral organisiert sind, auch wenn bestimmte Regeln einzuhalten und Standards vorgegeben sind“ (Rötzer 1995, 79). Spezifische Ordnungsmodelle erleichtern auf der Angebotsebene die Vernetzung von Inhalten und auf der Ebene der Nutzung die Navigation. Der Hypertext, in dem Inhalte durch Wörter oder Abbildungen verknüpft sind, löst sich von der klassisch linearen Aufbereitung von Informationen. Die Angebotskomplexität des Internets umfasst neben dieser textbasierten Struktur (Hypertext) auch räumliche Modelle (Cyberspace, Plattform) und beinhaltet spezifische Instrumente der Komplexitätsreduktion. 112 7 Ordnungsmodelle des Internets <?page no="113"?> 7.3 Ordnungsmodelle Hypertext und Hypermedia Der Text bildet ein etabliertes Modell für die Beschreibung von Angebots‐ komplexität und Bedeutungsstrukturen. Das Hypertextmodell adaptiert technische Vernetzungsstrukturen des Internets. Gut zu wissen | Hypertext Ted Nelson prägte 1965 den Hypertextbegriff für Formen des „nicht se‐ quenziellen Schreibens“. Wie Vannevar Bush in seinem visionären Kon‐ zept des elektronischen Schreibtischs Memex sah Nelson einen Bezug zur nichtsequenziellen Struktur menschlichen Denkens, da Pfade unter‐ schiedliche Textangebote wie Assoziationen verbinden. Unterpunkte müssen nicht mehr linear im Text präsent sein, sie lassen sich auf Wunsch via Link aufrufen. Statt des Zitats gibt es nun im Rahmen der Vernetzung unterschiedliche Möglichkeiten, ganze Texte zu einem Themengebiet miteinander zu verzah‐ nen. Traditionell lineare Textstrukturen, die Inhalte nach unterschiedlichen Relevanzkriterien nacheinander anordnen, werden durch Module ersetzt, die sich auch unabhängig voneinander lesen lassen. Das Hypertextmodell kennzeichnet spezifische Ordnungsstrukturen wie nichtlineare Formen der Texthierarchie und Vernetzungen unterschied‐ licher Texte. Hypertexte mobilisieren die Lektüre, indem sie Nutzer: innen durch ihre Verlinkung von Bedeutungseinheiten von einem Textangebot zum nächsten weiterleiten. Je nach Interesse verläuft die Lektüre anders. Es bilden sich thematische oder assoziative Gedankenverbindungen als Pfade zwischen unterschiedlichen Textangeboten. Gut zu wissen | Hypermedia Auf Basis technischer Entwicklungen erweiterte sich die Angebotsver‐ knüpfung neben Texten schrittweise auch auf Bild- und Tonelemente. Die gemeinsame Nutzung unterschiedlicher Dokumenttypen wie Töne, Grafiken, Fotos und Bewegtbilder wird als Hypermedia bezeichnet. Die Verknüpfung erfolgt durch elektronische Verweise, „die dem Leser/ Nut‐ zer dieses elektronischen Textes den einfachen und unmittelbaren Zu‐ griff auf die verknüpfte Informationseinheit erlauben“ (Kammer 2003). 113 7.3 Ordnungsmodelle Hypertext und Hypermedia <?page no="114"?> Je nach vorhandenem Interesse verläuft die Nutzung anders. Bei sogenann‐ ten Guided Tours können Nutzer: innen vorgegebenen Lektürepfaden folgen. Die gezielte Lektüre von Textelementen erfolgt u. a. über Verweise von Suchmaschinen, Posts in Gruppen der sozialen Medien oder sprachli‐ che und thematische Links. Angesichts der Angebotskomplexität können Nutzer: innen trotz vorhandener Orientierungs- und Navigationsangebote nur einen Bruchteil relevanter Inhalte identifizieren und erreichen. Nicht zielgerichtete, sondern spielerische Wechsel zwischen unterschiedlichen Seiten erfassen die Metaphern browsen und surfen. 7.4 Modelle der Selektion und Anordnung von Inhalten Gut zu wissen | Gatekeeper Unterschiedliche Ordnungsmodelle strukturieren Inhalte und Themen‐ schwerpunkte. Mit dem Ordnungsmodell des Filters lässt sich die Se‐ lektion der Inhalte etwa durch Redaktionen veranschaulichen. Dieser redaktionelle Einfluss wurde mit dem Begriff Gatekeeper beschrieben (Robinson 1973). Durch Redaktionen ausgewählte Beiträge der Printme‐ dien sind in thematische Rubriken unterteilt. Thematische und formale Spezialisierungen von Genres und Programmfor‐ men kennzeichnen die zeitbasierten Programmmodelle von Film, Hörfunk und Fernsehen. Hier finden sich auch übergeordnete Programmschwer‐ punkte wie Unterhaltung, Bildung, Dokumentation, Information etc., die jeweils unterschiedliche Genres umfassen. Ein kulturhistorischer Vorläufer dieser medialen Ordnungsmodelle ist das Theaterprogramm. Das im Bereich der Programmplanung des Theaters vorherrschende Prinzip der thematischen Auswahl, zeitlichen Planung und der Ankündigung von Angeboten kennzeichnet die Ordnungsmo‐ delle elektronischer Massenmedien. Es findet sich beispielsweise als zen‐ trales Ordnungsprinzip in der saisonal unterschiedlichen Planung des US-Fernsehens ebenso wieder wie im Bereich der Angebotsinformationen des Internets. Bereits in der Frühphase in den 1980er-Jahren vermittelten sogenannte Electronic Bulletin Boards“ (BBS) eine Auflistung vorhandener Angebote und neuester themenbezogener Nachrichten, die an die Rubri‐ kstruktur der Printmedien angepasst war. 114 7 Ordnungsmodelle des Internets <?page no="115"?> Themen- und zeitbasierte Strukturierungsmodelle wie Rubriken und Programme oder die Liste als Form der additiven Klassifikation von Inhalten in Kultur, Medien und Forschung prägen Strukturen der Onlineinhalte. Hashtags (#) fungieren nach dem Vorbild von Bibliotheken als Form der Ver‐ schlagwortung von Inhalten und Verlinkung von Texten. Die thematische Struktur der Rubriken von Tageszeitungen findet sich auch in den Angebo‐ ten des Onlinejournalismus und in den Indizierungen der Kataloge und Suchmaschinen. Etablierte mediale Ordnungsmodelle werden mit Formen der Nutzer: in‐ nenlenkung verknüpft. Genrebezeichnungen strukturieren die Angebote von Plattformen wie YouTube. Visuelle und sprachliche Paratexte fungieren im Rahmen der Umsetzung des Konzepts Clickbaiting als Instrumente der Adressierung mit dem Ziel der Nutzer: innensteuerung. Nach dem Vorbild von Bibliotheken und des Pay TV kommt es in verschiedenen Abonnement‐ modellen zur Bereitstellung der von Nutzer: innen ausgewählten Inhalte für eine zeitlich begrenzte Nutzung. 7.5 Ordnungsmodelle von Intermediären Die Trennung von Produktion und Distribution individueller und öffentli‐ cher Inhalte in Intermediären erfordert spezifische Ordnungsmodelle. Gut zu wissen | Medienintermediär Ein Medienintermediär fungiert als „Telemedium, das auch journalis‐ tisch-redaktionelle Angebote Dritter aggregiert, selektiert und allge‐ mein zugänglich präsentiert, ohne diese zu einem Gesamtangebot zusammenzufassen“ (netzpolitik.org 2018). Intermediäre nutzen die räumliche Anordnung wechselnder Text-, Bild- und Videobeiträge. Die algorithmische Auswahl auf Basis bisheriger Nutzungs‐ daten bleibt für Nutzer: innen unsichtbar. Für sie bilden Informationen einen Fokus von Filter und Nutzung. Die Strukturierung von Informationsange‐ boten der Facebook-Newsfeeds kombiniert unterschiedliche Mischformen. So sei der Newsfeed ein Angebot an möglicherweise Interessantem. Dieses Strukturmerkmal habe der Newsfeed im Prinzip mit Boulevardmedien gemeinsam. Doch zeigten sich Unterschiede bei den Quellen der Inhalte. Bei 115 7.5 Ordnungsmodelle von Intermediären <?page no="116"?> Facebook handle es sich um eine Mischung aus Meinungen, Unterhaltung, persönlicher oder medialer Kommunikation (Backstrom 2013). Wie sich diese Mischung zusammensetze, stimme Facebook mittels meh‐ rerer Signalkategorien ab. Dazu zählen: ● Eigenschaften und Präferenzen der Nutzer: innen, ● ihre Beziehungen zu Sendern, ● Eigenschaften der Inhalte, ● Reaktionen anderer Nutzer: innen auf Inhalte, ● menschliche Evaluation. Facebook werte für die Zusammenstellung der Feeds aus, welche Inhalte Nutzer: innen priorisieren (über „als erstes anzeigen“) oder verbergen. Beide Signale beruhten auf vergleichsweise zielgerichteten Handlungen. Facebook werte zur Strukturierung auch von Nutzer: innen unbewusst gesetzte Signale aus, zum Beispiel die Betrachtungsdauer bei bestimmten Elementen im Newsfeed. Wer an einer Stelle länger verharre, signalisiere Zustimmung ohne bewusste Interaktion (Oremus 2016; Bertelsmann Studie 2017, 25 f.). Nach Angaben von Facebook spielen ökonomische Interessen etwa von werbetreibenden Unternehmen bei den Algorithmen keine Rolle: „Der öffentlichen Darstellung nach scheint Facebook bei der Priorisierung alle Eigenschaften des Inhalts nur in Relation zur Wirkung auf Nutzer zu betrachten. In dieser Logik gibt es keine von den persönlichen Reaktionen unabhängigen Merkmale von Inhalten, die eine Priorisierung rechtfertigen. Das entspricht den sogenannten News Feed Values, die Facebook darlegt: ‚Die Inhalte, die eine Person informativ oder interessant findet, können sich von den Inhalten unterscheiden, die eine andere Person für informativ oder interessant hält […]. Unser Ziel besteht darin, die Meldungen zu liefern, von denen wir wissen, dass sie eine bestimmte Person am meisten interessieren‘ (a. a. O.).“ (Bertelsmann Studie 2017, 26) Doch diese Orientierung an individuellen Interessen führt potenziell zur Ausblendung von gesamtgesellschaftlich relevanten Informationen, die in eine soziale Isolierung mündet. So beeinflussen Intermediäre durch ihre Algorithmen die individuelle Nutzung insbesondere von Informationen. Auf dieser Basis lassen sich drei zentrale Funktionsbereiche unterscheiden: 1. „Sie vermitteln zwischen Dritten, aus deren Interaktion Öffentlichkeit entsteht. Dabei handelt es sich unter anderem um Privatpersonen, jour‐ nalistisch-redaktionelle Medien, Unternehmen, Politik und Verwaltung. 116 7 Ordnungsmodelle des Internets <?page no="117"?> 2. Sie verbreiten und/ oder erschließen von Dritten erstellte Inhalte. Dabei fügen Intermediäre diese Inhalte neu zusammen, basierend auf eigenen Prinzipien zur Einschätzung der Relevanz. Sie bestimmten die Bedin‐ gungen des Zugangs und die Mechanismen des Matchings. 3. Für die Relevanzeinschätzung und Auswahl angezeigter Inhalte nutzen sie Prozesse algorithmischer Entscheidungsfindung.“ (Bertelsmann Stu‐ die 2017, 14) Diese Funktionsbereiche der Intermediäre bilden Analogien zu vergleichba‐ ren medialen Auswahl- und Filterfunktionen, etwa traditioneller Redaktio‐ nen (vgl. Devito 2016). 7.6 Distributionsmodelle: Plattformen Intermediäre wie Facebook nutzen Plattformen zur Platzierung ihrer Inhalte und Dienste. Das Sprachbild Plattform impliziert, dass ein Angebot bereitge‐ stellt wird, seine Produktion und Nutzung jedoch in völlig unterschiedlichen Zusammenhängen erfolgen kann. Diese Distributionsbeschreibung löst sich von Transportmetaphern traditioneller Modelle der Massenkommunikation etwa von Shannon und Weaver aus den 1940er-Jahren (Shannon, Weaver 1949). Dem Dispositiv Internet entsprechend zielen Plattformen auf die inter‐ aktive Nutzung der Pull-Kommunikation ab. Plattformen ermöglichen Partizipation (Schmidt, Hamburger Mediensymposium 2021) und verändern so das Pull-Prinzip des traditionellen Broadcastings, also der zeitgleichen Übermittlung von Ereignissen an disperse Publika in Radio und Fernsehen. Gut zu wissen | Listicles Video- und Video-Stream-Plattformen kombinieren Orientierungsange‐ bote des Fernsehens und Navigationsmodelle des Internets. Der Begriff Listicles erfasst als Liste strukturierte Artikel, was Bezüge zu traditionel‐ len Programmankündigungen aufweist. Listicles sind häufig kombiniert mit Clickbaits wie „Platz 2 wirst du nie erraten“. Clickbaits zählen zu den charakteristischen Paratexten des Internet, die mit Sensationssignalen die Aufmerksamkeitsbereitschaft der Nutzer: innen 117 7.6 Distributionsmodelle: Plattformen <?page no="118"?> adressieren. Als Strukturelemente der YouTube-Webseiten ermöglichen Suchmaschinenleisten eine gezielte individuelle Auswahl der Nutzer: innen. Vom Unternehmen bereitgestellte Videolisten basieren auf den Kategorien Popularität („most popular“) und Aktualität („most recent“). Ein Video verweist auf eine Vielzahl anderer Videos (Broeren 2009, 163). Diese Kom‐ binationsstruktur umfasst auch den Zugang zu Ereignissen von öffentlichem Interesse oder zu subjektiven Nachrichten aus dem privaten Lebensumfeld auf Plattformen wie Twitter, Instagram oder YouTube. 7.7 Algorithmen als Grundlage von Angebotsplanung und Empfehlung Von grundlegender Bedeutung für individualisierte Angebotsmodelle sind datenbasierte maschinelle Lernverfahren: „Zum allgemeinen Kennzeichnen von Ansätzen des Machine Learning gehört, dass Computersysteme mit ihnen Probleme lösen und Aufgaben bewältigen können, ohne für diesen Zweck explizit programmiert worden zu sein (vgl. u. a. Mitchell 1997; Bishop 2006; Shalev-Shwartz/ Ben-David 2014). Auf der Basis solcher Lernalgorithmen können Computer befähigt werden, aus umfangreichen komplexen Daten (‚Big Data‘) Muster zu extrahieren, um quasi selbständig Un‐ terscheidungen vorzunehmen oder Vorhersagen zu treffen.“ (Sudmann 2017, 83) Algorithmische Empfehlungen basieren auf verallgemeinerten Annah‐ men, die in der Software als Regeln dargestellt werden, wie etwa die Relevanz von spezifischen Inhalten für spezifische Nutzer: innen zu prognos‐ tizieren oder ein Bouquet von Inhalten zusammenzustellen. „Algorithms do things, and their syntax embodies a command structure to enable this to happen.“ (Goffey 2008, 17) Algorithmen avancierten zu zentralen Mechanismen der Aufmerksam‐ keitslenkung (Schmidt, Sorensen, Dreyer, Hasebrink 2018). Gegenwärtige Empfehlungssysteme beziehen zumeist Ähnlichkeiten der Inhalte („con‐ tent-based filtering“) und/ oder der Nutzer: innen („collaborative filtering“) ein (ebd.). Algorithmen bilden beispielsweise die Grundlage der Programm‐ planung von Video-Stream-Plattformen wie Netflix. Es bleibt jedoch in‐ transparent, nach wessen Interessen welche Algorithmen nach welchen Kriterien über die Nutzungsangebote entscheiden. Die individuelle Adres‐ 118 7 Ordnungsmodelle des Internets <?page no="119"?> sierung basiert auf aufwändigen Datenanalyseverfahren. Unternehmen wie Netflix, aber auch Amazon, werten „dank maschineller Lernverfahren Tag für Tag riesige Mengen heterogener Daten aus, um das Erscheinungsbild der Webseiten für jeden Kunden gemäß seines Kaufverhaltens zu personalisieren und vor allem zu ermitteln, welche Produkte zu welchem individuellen Kunden passen. Und die Nutzer sind nur allzu bereit, den so generierten Empfehlungen Folge zu leisten, im Fall von Netflix immerhin 75 Prozent aller Abonnenten (Harris 2012). Insofern ist es wenig erstaunlich, dass Netflix fortlaufend an der Optimierung seiner algorithmischen Verfahren interessiert ist.“ (Sudmann 2017, 84) Vor dem Hintergrund dieser Bedeutung seines Streamingangebots konzen‐ triere sich das Unternehmen stärker auf die kontextuelle Erfassung und algorithmische Auswertung dessen, was tatsächlich abgespielt werde, und nicht so sehr darauf, wie Nutzer: innen Produkte evaluieren (ebd.). Die Intransparenz der Funktionsweisen von Algorithmen führt zu Einschrän‐ kungen der Angebotsübersicht und somit der Auswahl. 7.8 Raummodelle und ihre kulturhistorischen Vorbilder Kulturhistorisch etablierte räumliche Beschreibungsverfahren, wie etwa die Kartografie oder die Architektur, zeigen Analogien zwischen dem Angebotsspektrum des Internets und Raummodellen von Shoppingmalls, Bibliotheken und Freizeitparks. Gut zu wissen | Cyberspace Die Vielzahl der Internetangebote erfasste zunächst das abstrakte Raum‐ modell des Cyberspace. US-Schriftsteller William Ford Gibson erfand diesen Begriff in seinem Science-Fiction-Roman „Neuromancer“ (1984). In der technischen Definition ist das Cyberspace „der zusammenge‐ schaltete ‚Raum‘ des globalen Computernetzes“ (Wertheim 2000, 243), der sich durch kontinuierliche Erschaffungsprozesse bildet. Es entsteht eine aus vielen Einzelelementen zusammengesetzte virtuelle Gegenwelt zur körperlich erfahrbaren Wirklichkeit, die auch als Extrawelt bezeich‐ net wird (Baricco 2019). 119 7.8 Raummodelle und ihre kulturhistorischen Vorbilder <?page no="120"?> In dieser Extrawelt markieren Spielräume wie „World of Warcraft“ unter‐ schiedliche Handlungs- und Erlebniseinheiten. Es entwickelten sich eigene Märkte, in denen nicht nur Kleidung, sondern auch Medienprodukte käuflich erworben werden können. Diese im Cyberspace kombinierten Räume unterliegen, wie ihre realen Vorbilder, etablierten Vermarktungsfor‐ men. Es kostet in diesem globalen Marktplatz mehr „(an Hotelkosten oder Büromieten zum Beispiel) an Orten präsent zu sein, wo viele Leute sein wollen, als an Orten, wo weniger Leute sein wollen“ (Mitchell 1997, 15) Die Gestaltung der virtuellen Räume orientiert sich an der Architektur von realen Räumen. Im Verlauf der Internetgeschichte erweiterten sich Raumgestaltungen: Auf das virtuelle Büro folgte der Supermarkt, der sich zur virtuellen Stadt entwickelte, die schließlich zu einem Teil von virtuellen Parallelwelten wie etwa „Second Life“ wurde. Die Diegese von Online‐ spielen bildet eine Grundlage für Konzepte und die Gestaltung virtueller Welten. So schließt Facebook mit Metaverse an die Traditionslinie von Second-World-Online-Spielen an. Großräumige architektonische Ordnungsmodelle wie die Stadt illustrieren das Wechselverhältnis aus Angebots-, Service- und Nutzungsstruktur im Cy‐ berspace (vgl. u. a. Rötzer 1995; Winkler 1997). Städte unterteilen sich in Bewegungsrichtungen organisierter (Verkehrssystem, öffentlicher Transport) und nichtorganisierter Verkehrswege (individuelle Raumbewegungen). Nutzer: innen übernehmen Orientierungsangebote, um sich gezielt in virtuellen Räumen zu bewegen. So dient die Adresse parallel zur menschli‐ chen Lebenswelt als Instrument der Angebotskennzeichnung. Innerhalb des Cyberspace fungieren den Paratexten vergleichbare Raumelemente als Orientierungsangebote. Beispielsweise informieren Portale als Eingangs‐ bereich für die Netznutzung über Inhalte oder Dienstleistungen und fun‐ gieren als Eingangsbereich in Informations-, Konsum- und Unterhaltungs‐ angebote sowie in Kommunikationsräume. Wie in der Kirchenarchitektur das aufwändig gestaltete Eingangsportal den Zugang zu den geweihten Innenräumen gewährt, so führen auch die Internetportale über eine Vielzahl von Links zu verschiedenen Informations-, Unterhaltungs-, Service-, Kom‐ munikations- und Konsumangeboten. Gut zu wissen | Kommunikationsraum Ordnungsmodelle virtueller Räume des Internets umfassen eine Vielzahl von Angeboten und Funktionen. So impliziert das Modell des Kommuni‐ 120 7 Ordnungsmodelle des Internets <?page no="121"?> kationsraums die Sichtweise von wechselnden Kommunikationsrollen zwischen Kommunikator: innen und Rezipient: innen. Dabei können sich soziale Gruppen unabhängig von real existierenden Raumgrenzen zusammenfinden (vgl. Thimm 2000, 8), was sich in der wachsenden Zahl sozialer Medien und Videokonferenzangebote im Internet niederschlägt. In ihren Kommunikationsräumen können sich Menschen von raumzeitli‐ chen Begrenzungen, u. a. der Körperpräsenz des persönlichen Gesprächs, lösen. Formen der Individualkommunikation bilden auch Schwerpunkte der Nutzung sozialer Medien (vgl. Schmidt 2017). Soziale Medien umfassen in ihren Räumen Wirklichkeitsmodelle, die nur für verschiedene Teilöffentlichkeiten Gültigkeit besitzen. Auf Grundlage gemeinsamer Interessen bilden sich Kommunikationsgemeinschaften mit eigenen Konzepten und Idealen. So lassen sich in sozialen Medien beispiels‐ weise Ideale der Public Sphere als funktionsfähiger gesellschaftlicher Kommunikationsraum realisieren (Gauntlett 2000, 16). Die Vielfalt der Text-, Video- und Bildverbindungen bildet formale Grundlagen der Komplexität virtueller Kulturräume. Sie enthalten Zu‐ sammenführungen unterschiedlicher kultureller Darstellungsformen und Angebote (Hyperliteratur, Netztheater, -musik, -kunst) und fungieren als virtuelle Lebensräume medialer Subkulturen wie etwa Spiel- und Fangemeinschaften. Sowohl bei den Medienangeboten als auch im Bereich Literatur, Theater und bildende Kunst lösen sich bisherige Polaritäten von Künstler: innen und Nutzer: innen auf. Auch in Spielräumen schwinden die Grenzen von Literatur, Theater, Film und Spiel. 7.9 Spielräume Spielräume ermöglichen simulierte Konfrontation, Kooperation und Kom‐ munikation. Onlinespiele entwerfen „eine synthetische Welt, in der sich Spielerinnen und Spieler zurechtfinden wollen“ (Krotz 2002, 25). Die Erzähl‐ welten der Onlinespiele orientieren sich nicht nur an dem Genrespektrum von Literatur, Kino und Fernsehen, sondern auch an der Lebenswelt der Nutzer: innen. So beinhaltet das Simulationsspiel „The SIMS“ neben einer realistisch wirkenden Lebenswelt eine Vielzahl sozialer Kommunikations‐ möglichkeiten. Die virtuelle Spielwelt spiegelt in „The SIMS“ die Lebenswelt 121 7.9 Spielräume <?page no="122"?> ihrer Spieler: innen wider. Onlinespiele wie MUDs umfassen eine Vielzahl unterschiedlicher Spielräume, die Spieler: innen aus unterschiedlichen Län‐ dern „bewohnen“. Die Abkürzung MUD umfasst unterschiedliche raumorientierte Bedeu‐ tungen wie Multiple User Dimension, Multi-User-Dimension, Multiple User Dungeon, Multiple User Dialogue. In diesen künstlichen Welten können sich Nutzer: innen einloggen, um dort mit vorhandenen Figuren zu interagieren und diverse Anforderungen strategischer, kommunikativer oder kämpferi‐ scher Art zu erfüllen. Gut zu wissen | Avatare Onlinespiele kombinieren Elemente aus Genres wie Abenteuer-, Science-Fiction-, Strategie- und Kampfspiel. In vielen Spielräumen ge‐ stalten sich Spieler: innen ihre virtuelle Identität aus Handlungsrollen und Körperformen selbst. Diese Kunstfiguren werden als Avatare be‐ zeichnet. Spielräume spiegeln auch gesellschaftliche Hierarchien wider. Je nach Ver‐ weildauer im virtuellen Raum verändern sich Anforderungen und Aufstiegs‐ möglichkeiten in den sozialen Spielgemeinschaften. Gesammelte Erfahrun‐ gen in wechselnden Anforderungen von Raumbewegungen öffnen den Zugang zu höheren Hierarchiestufen. Die verschiedenen Hierarchien der Spielfiguren veranschaulichen unterschiedliche Machtkonstellationen. In Strategiespielen können Spieler: innen als Diktator: innen oder allmächtige Schöpfer: innen fungieren, dabei virtuelle Körperhüllen mit Leben füllen, aber auch Gruppen von Lebewesen beherrschen. Diese Vielzahl unterschied‐ licher Avatar- und Spieler: innentypen zeugt vom spezifischen Charakter der Onlinespielräume als „fully bodied space“ (Bukatman 1993, 223). 7.10 Sprachliche Steuerungselemente Gut zu wissen | Paratexte Navigationsangebote sind Instrumente der Steuerung des Nutzungsver‐ haltens. Medienwissenschaftler: innen untersuchten unterschiedliche Steuerungselemente mit dem von Gérard Genette entwickelten Para‐ 122 7 Ordnungsmodelle des Internets <?page no="123"?> textemodell der Literaturwissenschaft. Er definiert Paratexte als „alle jene Begleittexte […], die einem literarischen Werk auf seinem Weg durch die Öffentlichkeit zur Seite gehen“ (Genette 1987, 7). Das Modell kategorisiert Textsorten, die der Steuerung des Leser: innenverhaltens dienen. Dazu zählen u. a. Titel, Gliederung und Kapitelüberschriften. Veränderungen in der ökonomischen Struktur des Verlagswesens führen auch zu Modifikationen der Paratextgestaltung. Die Paratexte des Inter‐ nets umfassen u. a.: ● Suchmaschinenlisten, ● Linklisten, ● Rankinglisten, ● Videotitel. Dies lässt sich am Beispiel von Videoportalen illustrieren: Jost Broeren un‐ terscheidet als Ausgangspunkt der Nutzung zwei Eingänge in die Sammlung. Der erste systembasierte Eingang zeige Listen, die nach Status (besonders beliebt) oder chronologisch (aktuell) organisiert sind. Den zweiten Eingang bilde die Suchbox, mit der Nutzer: innen eine Schlagwortsuche in der Samm‐ lung vornehmen können. Dieser Eingang werde von den Nutzer: innen gewählt. Den dritten möglichen Eingangspunkt bilden direkte Links zu spezifischen Videos. In dieses System sei die Tatsache eingeschrieben, dass ein Film zu zahlreichen anderen Filmen weiterleite (Broeren 2009, 163). Eigene Kategoriensysteme erfassen die spezifische Verknüpfung von In‐ formationsvermittlung und interaktivem Nutzungsverhalten des Internets (u. a. Bordewijk/ Kaam 2003). Die Allokation beschreibt die traditionelle Form der zentralisierten Informationsvermittlung an disperse Rezipient: in‐ nengruppen. Die Kategorie Konsultation beschreibt die zentralisierte Bereitstellung von Information, die jedoch themenspezifisch und zeitunab‐ hängig individuell rezipiert werden. Bei der Registrierung werden zwar die Inhalte von der Peripherie produziert, jedoch sind sowohl die Themen als auch die Zeitpunkte der Nutzung determiniert. Konversation erfasst den an traditionelle Kommunikation angelehnten individuellen Austausch von Informationen. 123 7.10 Sprachliche Steuerungselemente <?page no="124"?> 7.11 Orientierungsangebote im Internet Diese Angebotskomplexität des Internets wird durch eine Kette unterschied‐ licher Filter reduziert. Bereits auf der grundlegenden Ebene der technischen Vermittlung fungiert der Computer als Datenfilter, der für die Nutzung relevante Informationen auf der Bildschirmoberfläche als Text oder Bild darstellt. Als Filter für die Vielfalt der Netzangebote nutzen Anbieter eta‐ blierte Programmstrukturmodelle: Die Gestaltung von Fernsehprogrammen in der Vergangenheit habe die Datenfilter von heute vorweggenommen ( Johnson 1999, 17). Beispielsweise setzen Internetportale diese medialen Ordnungsmuster fort, indem sie das Spektrum der angebotenen Inhalte und ihre Struktur bestimmen und darstellen. Gut zu wissen | Daily-News-Prinzip Nach dem Vorbild der Printmedien versorgen verschiedene Anbieter Nutzer: innen nach dem Daily-News-Prinzip - auch Daily Me genannt - mit aktuellen themenspezifischen Informationen, die ihren indivi‐ duellen Interessenprofilen entsprechen. Onlinelexika oder Linklisten, etwa in Onlinearchiven, ermöglichen themenkonzentrierte Recherchen. Sogenannte Supersites klassifizieren und kommentieren Webseiten zu einem bestimmten Themenkomplex (Nielsen 2001, 70). Innerhalb sozialer Medien erfolgt ein kommunikativer Austausch zu be‐ stimmten Themen innerhalb spezialisierter Gruppen. Mit der Zunahme unterschiedlicher Informations- und Wissensangebote potenzierte sich die Zahl der Nutzungsmöglichkeiten. So steigt auch die Nachfrage nach einem gezielten Zugriff auf themenspezifische Informationen kontinuierlich. 7.12 Suchmaschinen Bibliothekskataloge und Indizes als traditionelle Speicher- und Struktu‐ rierungsformen komplexer Wissensbestände bilden Vorbilder für die Ord‐ nungsmodelle der Suchmaschinen und der Kataloge wie Yahoo. Suchma‐ schinen erweitern ihr Potenzial, indem sie diese Traditionslinien der Recherche kombinieren und so erweiterte Suchmöglichkeiten anbieten. Sie fungieren als Filter für die gezielte Suche nach bestimmten Inhalten, 124 7 Ordnungsmodelle des Internets <?page no="125"?> Bildern oder Dienstleistungen. Im Internet existieren durch Suchmaschinen erfasste, redaktionell betreute und nicht organisierte Nutzungsangebote (individuelle, nicht von den Suchmaschinen erfasste Webseiten). Als Selektionshilfe und Steuerungsfaktoren der Netznutzung nutzen Suchmaschinen die Aus- und Eingrenzung von Informationen. Auf diese Weise übernehmen sie die Gatekeeper-Funktion, die in traditionellen Medien Redaktionen innehaben: Sie entscheiden über die Relevanz von Informationen und steuern auf diese Weise die Vermittlung. Suchmaschinen verknüpfen verfügbare Informationseinheiten und bilden so ein selektives Inhaltsverzeichnis des globalen Speichers. Generell lassen sich zwei grundlegende Formen des Suchvorgangs unter‐ scheiden: der Suchvorgang, mit dem Volltextsuchmaschinen Webseiten in ihre Datenbank aufnehmen und der Suchvorgang seitens der Nutzer: in‐ nen, bei dem diese Datenbanken nach bestimmten Begriffen auswerten. Daraus lassen sich eine Vielzahl unterschiedlicher Ordnungssysteme und Suchtechniken ableiten: Es existieren als Katalog strukturierte Suchsysteme, die auf einem System vordefinierter und hierarchisch strukturierter Schlag‐ worte basieren. Nutzer: innen müssen innerhalb der Kataloge erst das für sie geeignete Schlagwort suchen. Yahoo hat ein eigenes Kategoriensystem („the ontology“) entwickelt, dem Redakteur: innen systematisch neue Webseiten zuordnen. Die Unendlichkeit des Netzes wird auf eine endliche Zahl von Kategorien reduziert. Als Index strukturierte Suchmaschinen operieren ohne ein vordefiniertes Ordnungssystem und ohne menschliche Codierer: innen. Das Internet wird durch eine spezifische Software (Crawler oder Robots) nach neuen Seiten durchsucht. Google ist die gebräuchlichste Suchmaschine dieser Art. Als Kriterien für das Ranking der Suchergebnisse lassen sich unterscheiden: ● Anzahl oder Häufigkeit der gefundenen Suchwörter, ● die Position der Suchwörter, ● deren Abstand im Text, ● die Häufigkeit der Verlinkung der Webseite. Nach einem semantischen Modell funktionierende Suchmaschinen wie Swoogle untersuchen den Kontext, in dem die jeweiligen Begriffe auftreten. Synonyme, Homonyme und Worte desselben Wortstammes werden in ein Wortfeld gesetzt. Gesucht wird nach einer gemeinsamen Bedeutung. Statistische Kontextsuchen folgen dem Prinzip: Je öfter beim Indexieren von Webseiten Begriffe zusammen auftauchen, desto leichter lassen sie sich 125 7.12 Suchmaschinen <?page no="126"?> einem Thema oder Bedeutungsfeld zuordnen. Metasuchmaschinen wie meta-spinner.de durchsuchen mehrere Suchdienste gleichzeitig und zeigen die Anzahl der dort ermittelten Webseiten an. Den Nutzer: innen vermitteln sie so die jeweils besonders geeignete Suchmaschine. Cookies suchen nicht im Interesse der Nutzer: innen, sondern im In‐ teresse des jeweiligen Unternehmens nach Angeboten in der Produktpa‐ lette, die dem bisherigen Konsumverhalten der Nutzer: innen entsprechen. Agenten bezeichnen elektronische Programme, die selbstständig nach den vorhandenen Interessen der Nutzer: innen Informationen suchen. Gut zu wissen | Spider, Crawler und Robots Begriffe wie Spider, Crawler und Robots bezeichnen Programme, die für Volltextsuchmaschinen (Google, Altavista, Infoseek) Quellen und Links erkennen, identifizieren und indizieren. Automatisierte Verfahren der Volltextsuchmaschinen erfassen nach der Eingabe des Suchstichworts nicht unmittelbar das Web, sondern vielmehr eigene interne Datenban‐ ken. Die erzielten Ergebnisse basieren häufig allein auf Übereinstim‐ mungen des Suchbegriffs mit Wörtern einer Seite. Auf diese Weise sind komplexe Themen, die sich nicht in Schlagworte unter‐ gliedern lassen, über Suchmaschinen nur schwer recherchierbar. Doch ver‐ suchen Weiterentwicklungen der Software, Suchvorgänge zu optimieren. Gerade beim Spidering oder Crawling als Verfahren der Indexierung von Informationen verändern sich die Suchrichtungen, um mehr Informationen sammeln zu können. Die sachbezogene Suche ist beispielsweise ebenso möglich wie die personenbezogene Suche. Suchergebnisse werden in einer Reihung von Webadressen kombiniert mit Kurzinformationen vermittelt. Das Layout der Angebotsseiten von Suchmaschinen unterteilt sich in ver‐ schiedene Elemente wie den Rasterrahmen für individuelle Sucheingaben, Buttons, mit denen sich der Suchvorgang einleiten lässt, und Kategorienlis‐ ten. Diese gliedern sich wiederum in Themenverzeichnisse. Die Suchergeb‐ nisse werden in Rankinglisten präsentiert, folgen in ihrer Anordnung also einem hierarchischen Modell. Rankinglisten enthalten den Link, der den direkten Zugang zur jeweiligen Webseite ermöglicht und die Adresse des jeweils ermittelten Angebots. Einige Suchmaschinen vermitteln ihre Suchergebnisse auch in komplexen, ausdifferenzierten Formen. Um die Interaktion mit diesen speziellen Suchprogrammen zu erleichtern, treten 126 7 Ordnungsmodelle des Internets <?page no="127"?> teilweise Avatare als virtuelle Ansprechpartner: innen der Nutzer: innen auf. Diese Avatare vermitteln nicht nur Informationen, sondern unterstützen die Nutzer: innen bei der Anwendung. Die Ergebnisse von Suchmaschinen sind u. a. problematisch, weil die Suchkriterien häufig ebenso unklar bleiben wie die genauen Anforderun‐ gen an die Formulierung der Suche. War das Problem in der riesigen Universalbibliothek des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges noch der Archivar, der den Zugriff auf die Information verweigerte, so sind es nun die Begrenzungen der Internetkataloge und Suchmaschinen, die eine zielgerichtete Suche nach Informationen erschweren. Nutzer: innen können nicht überblicken, welche für sie relevanten Informationen nicht von der Suchmaschine vermittelt werden. Auch die Finanzierung der Suchmaschinen beeinflusst ihren Informati‐ onsgehalt. Einige Webseiten von Suchmaschinen nutzen Finanzierungs‐ formen wie etwa Rahmen aus Werbebannern oder den Verkauf von Ran‐ kingplätzen der Suchauswahl. Auf diese Weise ist etwa amazon.de häufig in den Spitzenplätzen vertreten. Mittlerweile entstand eine eigene Search Industry, die Einnahmequel‐ len und Strategien für die Platzierung in Suchmaschinen entwickelt. Mit der Kommerzialisierung der Rankings verwischen die in den bisherigen Massenmedien vorhandenen Grenzen zwischen Information und Werbung. Information verliert im Internet auf diese Weise ihren Charakter eines unabhängigen immateriellen Angebots. Suchmaschinen bilden im Netz die Schnittstelle zwischen inhaltlichen Angeboten, ökonomischen Marketinginteressen und den Orientierungsin‐ teressen der Nutzer: innen. Aus der Entwicklung von Google-Patenten lässt sich ablesen, auf welche Weise die Erfassung von Suchvorgängen immer stärker mit Datenerhebungen zum Nutzer: innenverhalten verknüpft wurde (vgl. Röhle 2010; Zuboff 2018). Mit der Ausweitung der Unterneh‐ mensbereiche konnte der Konzern nicht nur immer mehr Bereiche der Lebenswelt beeinflussen, sondern auch ausdifferenzierte Datenbestände an Unternehmen verkaufen. Dieses Geschäftsmodell bildet eine Grundlage des Überwachungskapitalismus (Zuboff 2018). 127 7.12 Suchmaschinen <?page no="128"?> Kurz und bündig | Ordnungsmodelle des Internets Die in diesem Kapitel dargestellte Kombination aus bestehenden media‐ len Ordnungssystemen, eigenen Ordnungsmodellen, spezifischen Navi‐ gationsformen und etablierten Formen der Rezeptionslenkung kommt den Herausforderungen der bestehenden Angebotskomplexität und den Wunschkonstellationen der Nutzer: innen entgegen. Literaturverzeichnis Ascott, Roy (1996): Der Geist des Museums. In: telepolis. 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Zuboff, Shoshana/ Schmid, Bernhard (2018): Das Zeitalter des Überwachungskapita‐ lismus. Frankfurt am Main/ New York: Campus Verlag. 130 7 Ordnungsmodelle des Internets <?page no="131"?> 8 Angebotsschwerpunkte Information, Dokumentation, Wissen Angebotsschwerpunkte bilden die Grundlage der jeweiligen Nutzungs- und Wirkungspotenziale eines Mediums. Es ist eine Herausforderung der medienwissenschaftlichen Forschung, Schwerpunkte der Angebotskom‐ plexität des Internets zu analysieren. So orientieren sich die folgenden Abschnitte an etablierten Schwerpunktbildungen von Medienangeboten. Auf Basis thematischer und funktionaler Kriterien kategorisiert die Medi‐ enwissenschaft vor allem folgende Bereiche: ● Information, ● Dokumentation, ● Bildung, ● Fiktion, ● Unterhaltung, ● Werbung. Hinzu kommen Dienste und Apps, die Funktionsschwerpunkte in den Berei‐ chen Lebensführung und subjektive Interessen, aber auch Verwaltungsvor‐ gänge öffentlicher Institutionen umfassen. Zu den technischen Grundlagen für diese dauerhafte Integration des Internets in die eigene Lebenswelt zählt die mobile Nutzung durch Smartphones. Diese Bereiche sind im Internet eng verschränkt und werden durch unter‐ schiedliche Formen der Individualkommunikation wie etwa E-Mails oder Chats und diverse Nutzungsangebote begleitet. Selbstdarstellung und Ratgeber‐ videos umfassen auch Produktwerbung. Spiele umfassen auch Information oder Wissen. Auf Basis flexibler ästhetischer Darstellungsformen lassen sich die verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen kombinieren. Gut zu wissen | Hybridmedium Internet Vielfältige Kombinationen aus medialen Angebotsschwerpunkten und In‐ dividualkommunikation, weiteren Diensten, Nutzungsformen und Funktio‐ nen machen den spezifischen Charakter des Internets als Hybridmedium aus und ermöglichen seine Integration in den Alltag und die Lebenswelt. <?page no="132"?> Veränderungen der technischen Funktionsweisen des Internets ermöglichen die Kopräsenz von netzspezifischen Inhalten, der Onlinepräsenz etablierter Massenmedien, traditionellen kulturellen und medialen Angeboten und Formen des User Generated Content. Nutzer: innen können selbst eigene „Informationen“ ohne den medialen Filter der Redaktionsauswahl u. a. via soziale Medien direkt im Netz präsentieren oder als Newsletter an interes‐ sierte Empfänger: innen versenden. Diese Verknüpfungen von Profis und Amateur: innen als Produzent: innen und Urheber: innen von Medienangebo‐ ten gelten als Grundlage einer durch Interaktionen und Grenzauflösungen gekennzeichneten Medienkultur (vgl. Jenkins 2006, 2). Dazu zählen Wech‐ selwirkungen zwischen Autor: innen, Nutzer: innen, Angeboten, Diensten sowie politischen, kulturellen und ökonomischen Entwicklungen. Kurz und bündig | Angebotsschwerpunkte des Internets In den unterschiedlichen Angebotsschwerpunkten Information, Doku‐ mentation, Bildung, Fiktion, Unterhaltung und Kommunikation bilden Verknüpfungen von Angebotsformen der Massen- und Individualkom‐ munikation die Grundlage für das Entstehen von Teilöffentlichkeiten. Sie führen damit zu einer Veränderung des Internets als Vernetzung von Daten hin zu unterschiedlichen Formen der Vernetzung von Menschen in sozialen Medien (Schmidt 2018). 8.1 Angebotschwerpunkt Information Im Kontext der Auflösung bestehender Grenzen zwischen den Angebots‐ schwerpunkten und Bewertungsformen scheinen Qualitätsunterschiede zwischen Fake News und journalistischen Inhalten keine Rolle mehr zu spielen (Hendricks, Vestergaard 2018). Fake News bilden „ein zweidimensionales Phänomen: da ist das Nachrichtengenre Fakenews, das sich auf die intentionale Produktion pseudojournalistischer Desinformation be‐ zieht; und da ist das Label Fake News, das die politische Instrumentalisierung des Begriffs durch politische Akteure beschreibt, die den Journalismus und Nachrichtenmedien delegitimieren wollen“ (Egelhofer, Lecheler 2019, 15). 132 8 Angebotsschwerpunkte Information, Dokumentation, Wissen <?page no="133"?> Gut zu wissen | Fake News Fake News gelten mittlerweile als Teil der politischen Kommunikation populistischer Parteien. Verschiedene Kategorisierungsansätze von Fake News und anderen Erscheinungsformen der Desinformation be‐ rücksichtigen auch die jeweiligen Zielsetzungen. Unterschieden wird u. a. zwischen „Misinformation“ als Verbreitung falscher Informationen, „Desinformation“ als Schädigung durch Falschinformationen und „Mal‐ information“ als Verbreitung von Tatsachen mit dem Ziel der Schädi‐ gung (Wardle, Derakhshan 2017). 8.2 Angebotsformen des Onlinejournalismus Der Journalismus unterscheidet sich als zentrale Form der öffentlichen Kommunikation durch Merkmale wie Objektivität, Aktualität, Neutralität von anderen Informationsformen wie etwa der PR. Das journalistische Angebotsspektrum richtet sich nach den jeweils intendierten Informations‐ funktionen: „Wer kurz informieren will, schreibt eine Nachricht; wer mehr Stoff und Platz hat, einen Bericht. Für Anschaulichkeit und Authentizität sorgen Reportage und Interview, für Vertiefung das Feature und der analysierende Beitrag“ (La Roche 1980, 20). Etablierte Textsorten der Printmedien (neben Nachrichten u. a. auch Kom‐ mentare und Glossen) werden auch im Onlinejournalismus verwendet und durch digitale Angebote, etwa aus dem Bereich der netzspezifischen Many-to-Many-Kommunikation, ergänzt. Dazu zählen: ● Personalized Webnews, ● Newsfeeds der sozialen Medien, ● Plattformen mit individuellen Kurznachrichten wie Twitter, ● themenbezogene Foren, ● Weblogs, ● Mailinglisten, ● Hypertextkolumnen wie perlentaucher.de. War die traditionelle Interaktivität noch auf Interaktionen der Leser: innen mit den Beitragsautor: innen begrenzt, so bestehen nun vielfältige partizi‐ 133 8.2 Angebotsformen des Onlinejournalismus <?page no="134"?> pative Möglichkeiten, eigene sprachliche oder visuelle Inhalte unabhängig von der Auswahl durch Redaktionen zu publizieren. An die Seite von Nach‐ richten mit öffentlicher Relevanz des traditionellen Journalismus treten etwa in den sozialen Medien individuelle Informationen aus dem privaten Umfeld und Fake News. Beispielsweise durch den Einfluss von Blogs wird eine Subjektivierung von Produktion und Schreibweisen des traditionellen Journalismus erkennbar (vgl. Matzen 2014). Auch etablierte Printmedien wie die Bild-Zeitung greifen immer stärker auf Fotos und Nachrichten der Leser: innen zurück. Die Many-to-Many-Kommunikation ermöglicht Nutzer: innen Rollenwechsel zwischen Rezeption und Produktion von Medienangeboten. So zeigen sie auf Videoplattformen wie YouTube selbst gedrehte Videos oder verbreiten eigene Kurznachrichten über Mikroblogging-Dienste wie Twitter. Gut zu wissen | Bürger: innenjournalismus Diese unterschiedlichen Interaktionsformen und Partizipationsmög‐ lichkeiten heben die einseitige Ausrichtung des traditionellen Informa‐ tionsprozesses von Sender: innen zu Empfänger: innen auf und ermögli‐ chen unterschiedliche Formen des Bürger: innenjournalismus (Gilmor 2004). Die Bezeichnung Bürger: innenjournalismus impliziert auch eine Entprofessionalisierung der journalistischen Produktion und gleichzei‐ tig eine Integration der subjektiven Perspektive. Ein Manifest propagierte 1995, das Internet habe den „Birth of Way New Journalism“ hervorgebracht (Quittner 1995). Journalist: innen können unter‐ schiedliche Darstellungsformen und Verknüpfungen nutzen: „Texte, Fotos, Ton und bewegte Bilder auf derselben Oberfläche darzustellen; die Verknüpfung unterschiedlicher Inhalte durch Hyperlinks, sei es zu anderen Artikeln, Informationsquellen oder den Autoren selbst; Interaktivität - die Ge‐ legenheit, Berichterstattung zu beeinflussen und mit anderen Nutzern oder Journalisten in Kontakt zu treten“ (Wieland/ Spielkamp 2003, 117). Mittlerweile fungieren Algorithmen als digitale Journalist: innen: Als Robo‐ terjournalismus bezeichnet man: „von Computerprogrammen automatisch generierte journalistische Texte. Grundlage bilden strukturierte und in der Regel aktuelle Daten sowie Textbau‐ 134 8 Angebotsschwerpunkte Information, Dokumentation, Wissen <?page no="135"?> steine, die vorab erstellt worden sind. Ein Algorithmus bildet das zentrale Element der Software. Im anglo-amerikanischen Raum ist auch von ‚automated journalism‘, ‚algorithmic journalism‘ oder ‚machine-written journalism‘ die Rede (vgl. Reichelt 2017: 16f.)“ (Kaiser 2018). Viele Medienunternehmen nutzen den Onlinejournalismus als Erweiterun‐ gen von etablierten medialen Informationsangeboten. Verleger: innen- und Redaktionspolitiken bestimmen, in welchem Verhältnis Onlineangebote zu den bestehenden Publikationsorganen eines Verlages stehen. Die traditio‐ nelle Redaktionsorganisation weicht bei Newsdesk-Konzepten vielfältigen Kooperationen von Teams im Bereich Contentproduktion und Onlinedesign (vgl. Moss 2016). Onlinejournalist: innen verknüpfen so unterschiedliche Tätigkeitsbereiche. 8.3 Strukturen des Onlinejournalismus Zu den grundlegenden Besonderheiten des Onlinejournalismus (vgl. Meier 2002) zählen: ● die Verknüpfung einzelner Informationseinheiten durch Links und die Selektionsmöglichkeiten für Leser: innen (Hypertext), ● der Computerbildschirm als Schnittstelle (Interface) zwischen der Prä‐ sentation und den Nutzer: innen, ● die Möglichkeit der ständigen Aktualisierung, ● die Möglichkeit der Individualisierung und Personalisierung von Infor‐ mationen, ● die multimediale Verbindung von Text, Bild, Ton, Video und Animation (Hypermedia), ● der Rückkanal per E-Mail, Diskussionsforum oder Liveunterhaltung, mithilfe dessen Leser: innen selbst schreiben, kritisieren, eben interagie‐ ren können. Dabei werde Interaktivität nicht als ‚Mensch-Computer-Kommunikation‘, sondern als ‚Mensch-zu-Mensch-Kommunikation‘ verstanden (Meier 2002). Diesen Besonderheiten entsprechen grundlegende Strukturen des Online‐ journalismus, die etablierte mediale Sortierungsprinzipien adaptieren. Wer‐ den im traditionellen Nachrichtenjournalismus der Printmedien die wich‐ tigsten Informationen am Textbeginn platziert, so dienen im Internet 135 8.3 Strukturen des Onlinejournalismus <?page no="136"?> vergleichbar konzipierte Leads der Steuerung des Leser: innenverhaltens. Der weitere Textaufbau umfasst auch andere Module bis hin zu eigenen themenbezogenen Seiten oder Videos mit Zusatzinformationen. Der linea‐ ren Textstruktur gedruckter Tageszeitungen entsprechen im Onlinejourna‐ lismus Texte mit additiven Informationseinheiten, die in einer linearen Abfolge auf einer Seite sichtbar oder in Modulen thematisch vernetzt sind (vgl. Matzen 2014). Auch im Bereich der visuellen Information gibt es Kombinationen netzspezifischer und etablierter Vermittlungsformen. Traditionelle Fernseh‐ nachrichten und Liveübertragungen werden mit netzspezifischen Formen der Direktvermittlung, etwa durch Webcams oder Livestreams, kombi‐ niert. Eine Vielzahl von Anbieter: innen unterschiedlicher Webdokus, In‐ sta-Storys oder Videoblogs etablierten eigene Beobachtungswirklichkeiten. Diese Erweiterungen der traditionellen Massenkommunikation durch die Many-to-Many-Kommunikation reduzieren den Einfluss bisheriger Gate‐ keeper-Instanzen, die Nachrichten aus einer Vielzahl von Ereignissen für die öffentliche Verbreitung auswählen. So verlieren neben Nachrichtenagentu‐ ren wie dpa auch Herausgeber: innen und Redaktionen an Bedeutung für die Verbreitung von Informationen. In der durch unterschiedliche Informationsformen entstehenden Vielzahl von Meldungen konkurrieren Nachrichten um die Aufmerksamkeit der einzelnen Leser: innen. Bereits die den individuellen Interessen angepasste Nachrichtenauswahl durch die Newsfeeds der sozialen Medien begrenzt die thematische Vielfalt. Durch diese Isolation verändert sich auch die Wirklichkeitswahrnehmung (Hendricks, Vestergaard 2018, 27). Mit dem Partizipationsbegriff lassen sich Veränderungen etablierter Angebots- und Rezeptionsmuster journalistischer Inhalte beschreiben: „Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass sich […] mit der wachsenden Ver‐ breitung digitaler vernetzter Medien, die Möglichkeiten vergrößert haben, als Mitglied des Publikums an journalistischen Angeboten zu partizipieren: Neben den etablierten Formen des nicht-öffentlichen Feedbacks wie Leserbriefen oder Anrufen in der Redaktion stehen auf vielen journalistischen Onlineangeboten Kommentarfunktionen zu einzelnen Artikeln oder in speziellen Redaktionsblogs zur Verfügung. Hinzu kommen weitere Möglichkeiten der Anschlusskommuni‐ kation wie das Weiterleiten, Bewerten oder Empfehlen von Beiträgen“ (Loosen, Schmidt 2013) 136 8 Angebotsschwerpunkte Information, Dokumentation, Wissen <?page no="137"?> 8.4 Digital Storytelling als transmediale Informationsvermittlung Gut zu wissen | Digital Storytelling Der Oberbegriff Digital Storytelling erfasst vielfältige narrative Vermitt‐ lungsformen bis hin zum Bereich der Unternehmenskommunikation (vgl. Schach 2017). In transmedialen journalistischen Formen des Digital Storytelling werden die Schwerpunkte eines Themas auf verschiedene Medien verteilt und multiperspektivisch dargestellt. Das wohl bekannteste Beispiel ist sicherlich John Branchs Reportage „Snowfall: The Avalanche at Tunnel Creek“ (Branch 2012) in der New York Times. Hier werden Textpassagen mit Grafiken und Videos gemischt, die in unterschiedlicher Reihenfolge von Nutzer: innen abgerufen werden können. In dieser Kombination von Inhalten und verschiedenen medialen Präsentationsformen werden Fakten des Textes durch subjektive Erzähl- und Augenzeug: innenperspektiven der am Geschehen beteiligten Personen ergänzt. Information, Visualisierung und Emotion bilden eine vielstimmige Vermittlung von Informationen und Erlebnissen. 8.5 Newsgames Gut zu wissen | Newsgame Die wachsende Bedeutung von Partizipation und Interaktivität kombi‐ niert mit Unterhaltung kennzeichnet auch Newsgames. „Kennzeichnend für diese spielerische Art journalistischer Inhaltsvermittlung ist das Wandeln im Grenzbereich zwischen Unterhaltung und Information, Entertainment und Ernsthaftigkeit“ (Hohmann 2017). Es werden mobile Spiele zu Nachrichtenthemen wie etwa Kinderarbeit im Rahmen der Smartphoneproduktion angeboten. Spieleinheiten sind als Handlungsstränge organisiert. Die partizipative Nutzung erweitert das etablierte Wirkungsspektrum des Journalismus hin zur interaktiven Er‐ 137 8.4 Digital Storytelling als transmediale Informationsvermittlung <?page no="138"?> fahrung von Inhalten (Stiftung Digitale Spielekultur 2013). Etablierte Struk‐ turmuster der Rhetorik lenken die Rezeption von Newsgames (Bogost 2010). Als ludischer Kommentar auf aktuelle Ereignisse kombinieren Newsga‐ mes journalistische Vermittlungsformen wie den Kommentar, traditionelle Elemente von Videogames, künstlerische Darstellungsformen und die inter‐ aktive Rezeption. Spielerische Formen der Immersion in historische oder aktuelle Ereignisse und Problembereiche ermöglichen Kombinationen aus Information, Fiktion und erlebnisorientierter partizipativer Rezeption. 8.6 Blogs als Mischform zwischen Journalismus und Tagebuch Als Mischformen zwischen Onlinejournalismus und traditionellen Tagebü‐ chern etablierten sich Weblogs, kurz Blogs, als „(meistens täglich) aktuali‐ sierte, relativ ‚persönliche‘ Websites mit kurzen Beiträgen, die link-intensiv sind“ (Praschl 2001). Die eigentliche Urheber: innenschaft für diesen Begriff Weblog wird John Barger zugeschrieben, der 1997 ein Weblogbuch einrich‐ tete, um seine Internetaktivitäten zu dokumentieren. Weblogs gelten „als authentisch, weil sie die Persönlichkeit des Autors repräsentieren. Weblogs sind dialogorientiert, weil sie bidirektionale Kommunikation innerhalb eines Angebots und über einzelne Angebote hinweg technisch unterstützen. Weblogs sind schließlich eine dezentrale Form des Austauschs, die Merkmale der öffent‐ lichen und der interpersonalen Kommunikation vereint und soziale Netzwerke unterschiedlicher Reichweite fundiert“ (Schmidt 2006, 9). Gut zu wissen | Blogosphäre Die durch Links erfolgte komplexe Vernetzung von Blogs bildet in ihrer Gesamtheit die sogenannte Blogosphäre. Das differenzierte Angebots‐ spektrum reicht vom virtuellen Tagebuch oder der Chronik eigener Webaktivitäten bis hin zum individuellen Linkfilter, der die Komplexität der Onlineangebote reduziert und sich als individualisiertes Naviga‐ tionsangebot bezeichnen lässt. Videoblogs und Videojournale bilden visualisierte Formen dieser frühen Onlinetagebücher. 138 8 Angebotsschwerpunkte Information, Dokumentation, Wissen <?page no="139"?> Nach dem Kriterium des zeitlichen Rhythmus von Einträgen werden Unter‐ kategorien wie Daily Vlogs, Day in the Life Of … oder monatliche Blogs wie „Every Day of April“ gebildet. Videoblogs sind auch eine Fortführung der Traditionslinie privater Amateur: innenfilme besonderer Familienereignisse oder Reisen. Der Wunsch nach medialer Selbstdarstellung, der im Fernse‐ hen noch durch die Gatekeeping-Funktion der Redaktionen eingeschränkt wurde, findet in Vblogs seinen potenziell ungehinderten Ausdruck. Als kommunikative Genres lösen Vblogs direkte Reaktionen aus. Sie sind die Grundlage für Debatten, Diskussionen und Kritik (Burgess, Green 2009, 94). Journalist: innen nutzen Redaktionsblogs, um als Form der transparenten Metakommunikation über ihre berufliche Tätigkeit zu berichten. So betreibe die „Tagesschau“ (ARD) seit 2007 einen Redaktionsblog, für das Chefre‐ dakteur: innen, teilweise auch Korrespondent: innen und Redakteur: innen, schreiben oder Videobeiträge produzieren. Inhaltlich behandelten die Blog‐ beiträge insbesondere die Darstellung redaktioneller Arbeitsweisen und Entscheidungsprozesse sowie individuelle Perspektiven und persönliche Meinungen. Damit diene das Blog im Wesentlichen der Öffnung und der Personalisierung der Redaktion, wodurch die anonyme Redaktion sichtbar werde, sowie der Herstellung von Transparenz und der Vermittlung von Wissen über journalistische Prozesse (Loosen, Schmidt 2013, 16 f.). Mittlerweile bilden Blogger: innen eigene themenbezogene virtuelle Com‐ munitys (vgl. hierzu Thiedeke 2000, 67), in denen Blogger: innen wech‐ selseitig ihre Inhalte kommentieren und durch digitale Tagebücher oder ihre Nutzung sozialer Medien Kontakt zu Menschen mit vergleichbaren Interessen oder Lebenssituationen suchen. Blogworlds, als Kombinationen verschiedener Blogs, sind feste Bestandteile der Angebotskomplexität des Internets. 8.7 Angebotsschwerpunkt Selbstdarstellung Erscheinungsformen und Themenschwerpunkte der Selbstdarstellung in sozialen Medien weisen unterschiedliche Analogien zu anderen Angebots‐ formen wie Blogs auf. Dazu zählen die thematische Vielfalt, narrative Vermittlungsformen ebenso wie die zeitliche Linearität der Posts. Eine Forschungsperspektive befasst sich mit dem Angebotsspektrum von Narra‐ tionen und Darstellungsformen der Lebensdarstellung von Nutzer: innen. So bestehe eine besondere Nähe der Erzählungen zu den Erfahrungen und 139 8.7 Angebotsschwerpunkt Selbstdarstellung <?page no="140"?> Identitätskonzepten ihrer Erzähler: innen (Lundby 2008, 2). „They are re‐ presentations in the first person. The ‚self ‘ is social, shaped in relationships, and through the stories we tell about who we are.“ (Lundby 2008, 5) Zu den Themenschwerpunkten der Selbstdarstellung zählen: ● Ereignisse aus dem Bereich des Privatlebens, ● Informationen über die eigene Netznutzung, ● Kombinationen aus Text, Sound, Bild und Videos, ● die wechselseitige Kommentierung. Kommunikationsziele bestimmen über Rollenmuster und Darstellungs‐ formen. Die Anpassung der visuellen Selbstpräsentation an etablierte Schönheitsideale erfolgt u. a. durch die Dokumentationen der Selbstoptimie‐ rung (Fitness, Kosmetik, Gesundheit) und durch die visuelle Optimierung mithilfe von Bildbearbeitungssoftware. Insbesondere virtuelle Figuren wie Instagram-Avatare kennzeichnet ein Optimum ästhetischer Idealisierung. Gut zu wissen | Identitätsmanagement Das Identitätsmanagement gilt in der Nutzungsforschung als zentrale Funktion der Selbstdarstellung. Es ist durch den Prozesscharakter und die Handlungsorientierung der Identitätskonstruktion gekennzeichnet. Maßgeblich seien auch normative gesellschaftliche und ökonomische Anforderungen (Schmidt 2017). „Weblogs, Wikis und soziale Netzwerkseiten fungieren als subjektzentrierte Praktiken und Machtverhältnisse, die von den Internetnutzern die Bereitwillig‐ keit abverlangen, immer mehr Informationen und Daten über ihre Person und ihr Leben zu veröffentlichen, die jederzeit und weltweit mittels Netzrechner abgerufen werden können“ (Reichert 2008, 7). Im Internet sei schrittweise eine spezifische Medienkultur der Selbst‐ praktiken entstanden, die vielfach die Form von Selbstführung und Bekenntnis, von Buchführung und akribischem Leistungsvergleich, von experimentellem Selbstverhältnis und Selbstinszenierung als ästhetische Praxis annehme (Reichert 2008, 7). Diese Selbstpraktiken kombinieren kon‐ zeptabhängig verschiedene etablierte Angebotsformen wie das Tagebuch, die Dokumentation, die Porträtfotografie und die Produktwerbung. 140 8 Angebotsschwerpunkte Information, Dokumentation, Wissen <?page no="141"?> 8.8 Angebotsschwerpunkt Dokumentation Im Angebotsschwerpunkt Dokumentation zeigen sich im Themen- und Genrespektrum Einflüsse des Kinodokumentarfilms ebenso wie Einflüsse von Fernsehdokumentationen. Doch das Angebotsspektrum passt sich auch den Strategien von Onlineunternehmen, Produktion, Distribution, Ordnungsmodellen, Darstellungsformen und Rezeption des Internets an. So bilden True-Crime-Formate einen dem seriellen Profil entsprechenden Schwerpunkt der Video-Stream-Plattform Netflix. YouTube-Dokumentatio‐ nen wiederum haben einen Schwerpunkt im Bereich dokumentarischer Amateur: innenfilme. Gut zu wissen | Webdokumentation und i-Docs Die spezifischen Angebotsformen werden in der Forschung mit unter‐ schiedlichen Begriffen wie Webdokumentationen oder i-Docs erfasst und kategorisiert. Definitionen beinhalten unterschiedliche Grade der Partizipationsmöglichkeiten etwa im Bereich Produsage. So gelten i-Docs als Projekte, die mit der Intention starten, sich mit der Wirklich‐ keit zu befassen, und die zur Verwirklichung dieser Intention interaktive digitale Technologien verwenden (vgl. i-Docs o. J.). Erscheinungsformen interaktiver Webdokus erfassen auch Begriffe wie Interactive oder Enhanced Documentary (vgl. Mundhenke 2016). Traditionell eher lineare Strukturen werden in Webdokumentationen von komplexen Fragment- und Vernetzungsstrukturen ersetzt. Gekenn‐ zeichnet sind Webdokumentationen häufig durch eine komplexe Diegese, in der räumliche Strukturen spezifische Einblicke in einen Themenschwer‐ punkt, aber auch in bestimmte Figurenkonstellationen ermöglichen. Es komme von einer „Angebotsstruktur der Repräsentation von Realität zu einer Struktur der Interaktion mit einer Repräsentation von Realität“ (Mund‐ henke 2016, 30). Modulare Gestaltungsformen des Internets ermöglichen eine mehr‐ schichtige Verknüpfung von Elementen des Dokumentarfilms und interak‐ tiven Strukturen des Computerspiels: „Damit sind Webdokumentationen dokumentarisch in ihrem Bezug auf Problem‐ felder der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Sie sind interaktiv, insofern sie nicht 141 8.8 Angebotsschwerpunkt Dokumentation <?page no="142"?> nur eine kognitive, sondern auch eine physische Betätigung vom Rezipienten erfordern“ (Mundhenke 2016, 32). Im Unterschied zu traditionellen Dokumentationen können Nutzer: innen an unterschiedlichen Knotenpunkten der Vermittlungsstrukturen eine Aus‐ wahl des weiteren Handlungsverlaufs treffen oder sich selbst auf verschie‐ dene Weise an der Bedeutungskonstruktion beteiligen (vgl. Figl 2015). 8.9 Angebotsschwerpunkt Wissen Wissen als anwendungsorientierter Umgang mit Informationen verknüpft Angebote, Nutzung und Handlungen. „Wissen […] ist die Summe von Kenntnissen, die wir verfügbar haben müssen, um unsere aktuelle Situation sowie uns neu erreichende Informationen angemessen bewerten und daraus optimale Lösungen für eigene wie gesellschaftsrelevante Handlungsvollzüge gewinnen zu können“ (Breidbach 2008, 20). Zeitabhängige Wissensstrukturen bestimmen über die Sortierung von Wis‐ sensbeständen und ihre Auffindbarkeit. So veränderte die komplexe Vernet‐ zungsstruktur des Internets bestehende Wissensstrukturen (vgl. Breidbach 2008, 70 ff.). Im Internet entstehen und modifizieren sich Strukturen durch die Häufigkeit der Nutzung. Doch stellen sich im Internet vor allem Probleme in den Bereichen Relevanz, Auffindbarkeit, Faktizität und Anwendbarkeit. Suchmaschinen kommt eine zentrale Orientierungsfunktion zu, obwohl sie nur einen Teilbereich des Internets abdecken. Datenbanken stellen archivierte Wissensbestände bereit. Die Ausla‐ gerung der Information aus dem eigenen Gedächtnis verändert die subjektive Erinnerung. „Wir horten Informationen, verlagern sie in ein weltumspannendes Netz und können dann sicher sein, daß sich in diesem Netz all das einfangen läßt, was wir wissen müssen.“ (Breidbach 2008, 11). Gut zu wissen | Collective Intelligence Zentrale Aspekte des Internets wie die Many-to-Many-Kommunikation und die Aufhebung etablierter Grenzen von Produktion und Rezeption werden in Phänomen der kollektiven Wissensproduktion verknüpft. Titel wie „The wisdom of crowds. Why the many are smarter than the few 142 8 Angebotsschwerpunkte Information, Dokumentation, Wissen <?page no="143"?> and how collective wisdom shapes business, economies, societies and nati‐ ons (Surowiecki 2004) verweisen auf Potenziale und Vorteile kollektiver Wissensproduktion. Dazu zählen Konzepte der Collective Intelligence und Visionen von einer „cosmopedia“ als „knowledge space“ (Lévy 1997). Diese Raummetaphorik veranschaulicht die Komplexität von Wissensange‐ boten. Sie führt zur Herausforderung des handlungsorientierten Umgangs mit riesigen Informationsmengen, der selbst spezifisches Wissen erfordert. Zur digitalen Medienkompetenz zählt Einordnung, Bewertung und handlungsorientierte Anwendung von Informationen im Internet. Bedingt durch den häufig fehlenden Einfluss von Gatekeeper: innen sollten etwa In‐ formationen aus dem Bereich des User Generated Content kritisch bewertet werden. Für die individuelle Bildung und Persönlichkeitsentwicklung sehen Pä‐ dagog: innen im Internet vielfältige Potenziale. Dazu zählt nicht nur die Vermittlung von Inhalten aus den Bereichen Lebensbildung und allgemeines Faktenwissen, sondern auch die Möglichkeit, unabhängig von etablierten Institutionen und Grenzen der Disziplinen, individuelle Bildungsange‐ bote unterschiedlicher Anbieter, wie etwa digitaler Akademien, nutzen zu können. Fragmentarisierte Vermittlungen von Wissensbeständen erfolgen u. a. in der Onlinedistribution ausgewählter Universitätsvorlesungen oder in einzelnen Beiträgen aus bildungsorientierten Fernsehmagazinen. Sie ermöglichen Nutzer: innen, sich unabhängig von zeitlichen und räumlichen Begrenzungen nur über sie interessierende Themen zu informieren. Dies bilde auch die Grundlage für Wissen als „die Summe von Kenntnissen, die wir verfügbar haben müssen, um unsere aktu‐ elle Situation sowie uns neu erreichende Informationen angemessen bewerten und daraus optimale Lösungen für eigene wie gesellschaftsrelevante Handlungs‐ vollzüge gewinnen zu können […]. Wissen entsteht geschichtlich. Es ist das Manifest einer kulturellen Tradition.“ (Breidbach 2008, 20) Die spezifische Many-To-Many Kommunikation sozialer Medien ermög‐ licht auch die Produktion und Verbreitung von Wissensangeboten durch die Nutzer: innen, nicht nur in Texten, sondern auch im auditiven und im Bewegtbildbereich. Podcasts und Erklärvideos nutzen die sprachliche Vermittlungskompetenz ihrer Protagonist: innen. Life-Hack-Videos bilden 143 8.9 Angebotsschwerpunkt Wissen <?page no="144"?> eine Form der ratgeberorientierten Vermittlung von spezifischen Formen des Alltagswissens. Zum Genrespektrum der visuellen Wissensvermittlung zählen u. a. die praktischen Anleitungen der sogenannten How-to-Videos, die schließlich in Tutorials übergingen. Sie umfassen sehr unterschiedliche Wissensbe‐ stände, etwa in den Bereichen Hobby, Alltags- oder berufliche Kompetenzen. Es lässt sich ein genderspezifisches Angebotsspektrum beobachten. Zu den stereotypisch „weiblichen“ Angeboten, die sich schwerpunktmäßig an weiblich gelesene Personen richten und diese gezielt ansprechen, zählen Tutorials mit Kosmetik oder Frisieranleitungen. An Männer oder männlich gelesene Personen richten sich schwerpunktmäßig Tutorials etwa in den Bereichen Sport und Computer. Dem Konzept des Visual Thinking folgende Animationsvideos ver‐ anschaulichen komplexe Zusammenhänge in grafischen Strukturen. Der Begriff Gamefication umfasst auch ludische Bildungsangebote etwa im Bereich der Simulation historischer Epochen oder Ereignisse. Dieses Phä‐ nomen lässt sich dem etablierten Konzept des Edutainments zuordnen. Videoessays schließen an verschiedene Traditionslinien etwa von Essay- oder Mashup-Videos an. An Erkenntnisprozesse der Zuschauer: innen rich‐ ten sich filmwissenschaftliche Videoproduktionen, die sich unter Verwen‐ dung von Ausschnitten mit den Bedeutungsdimensionen und Macharten einzelner Filme oder des Werks von Filmschaffenden auseinandersetzen: „[A] video essay is a short online video which cuts together footage from one or more films in order to reveal new insights about them.“ (Bernstein 2016). In Anlehnung an die literarische Form des Essays dominiert die sub‐ jektive Sichtweise der Filmemacher: innen die Struktur der filmischen Reflexion. Sie ist durch Formen der subjektiven Fragmentierung von Wahr‐ nehmung und der assoziativen Verknüpfung von Gedanken gekennzeichnet. Modelle assoziativer Verknüpfungen stehen konträr zu linearen, chrono‐ logischen oder kausallogischen Erklärungsmodellen und bilden so eine Analogie zur allgemeinen Netzstruktur des Internets. Literaturverzeichnis Bogost, Ian et al. (2010): Newsgames: Journalism at Play. Cambridge, MA: MIT Press. 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Im Bereich Theater, Film und Fernsehen verkörpern Schauspieler: innen die Figuren der den Produktionen zugrunde liegenden Texte. Als Fiktio‐ nalitätssignale fungieren extradiegetische Musik, scheinbar natürliches Licht, erkennbare Farbgestaltung und Stimmungskonstruktion. Als visuel‐ les Fiktionssignal gilt u. a. ein künstlerischer Bildaufbau, indem zentrale Information im Vordergrund und in der Bildmitte platziert sind. Ein weiteres Fiktionssignal ist die Präsenz von Schauspieler: innenkörpern und Gesich‐ tern. Zu den auditiven Elementen der Fiktionalisierung zählen Musik als Kommentierung oder Auslöser von Stimmungen und Emotionen, aber auch akustische Signale, wie das Kassenklingeln, die bestimmte Handlungsab‐ läufe hörbar machen. Faktualität ist gekennzeichnet durch Beobachten, Dokumentieren, Infor‐ mieren, Aufklären und echte Menschen als Akteur: innen. Die u. a. nach dem Kriterium der Relevanz festgelegten Informationseinheiten bilden eine Grundlage des Aufbaus von Texten oder Bildbeiträgen. Formen visueller Beobachtung nutzen Authentifizierungssignale wie etwa wiedererkenn‐ bare Handlungsorte, eine subjektive wackelnde Kameraführung, Bildun‐ <?page no="148"?> schärfen, schlechten Ton, Jump Cuts sowie direkte Publikumsadressierung. Zeigebilder (Hickethier 2001, 18) erfolgen etwa als Instanzen der Beobach‐ tung oder als Dokumentierung der Umsetzung von Handlungen. Beide Schwerpunkte kennzeichnet im Internet ein breites Spektrum unterschiedlicher sprachlicher und visueller Angebotsformen der literari‐ schen, künstlerischen und medialen Vermittlung. Neben etablierten Genres professioneller Narrationen der visuellen Medien Film, Fernsehen und Video entstanden unterschiedliche Angebotsformen der Amateur: innen‐ produktion. Fragmentarisierungen des Erzählens etwa im Bereich von Insta-Storys oder der für Mediatheken produzierten Serien zielen auf die digitale Distribution. 9.1 Grenzgänge zwischen Fakten und Fiktion Das Internet umfasst auf seiner Angebotsebene vielfältige Erscheinungsfor‐ men von Grenzgängen zwischen Fakten und Fiktion. Dazu zählen neben Fake News und in den Filterblasen der sozialen Medien verbreitete Ver‐ schwörungstheorien auch pseudoauthentische Webserien (Kuhn 2012) so‐ wie fiktionale Dokumentationen wie etwa Mockumentarys. Als Autor: in‐ nen fungieren neben professionellen Produzent: innen auch Amateur: innen, Bots oder Trolle. Interdiskursive Erscheinungsformen wie Verschwörungstheorien ver‐ knüpfen fiktionale und non-fiktionale Inhalte mit bestehenden gesellschaft‐ lichen Diskursen. Das Internet fungiert als Katalysator, „weil es Verschwö‐ rungstheorien, die nie völlig verschwunden waren, wieder sichtbarer macht und weil es in nicht unerheblichem Maße zu einer Fragmentierung der Öffentlichkeit beiträgt“ (Butter 2018, 17). Gut zu wissen | Verschwörungstheorien Zwar erreichen Verschwörungstheorien derzeit im Internet eine beson‐ dere globale Verbreitung, dennoch zählen sie zu den Konstanten der Kul‐ turgeschichte (vgl. Butter 2018). Sie umfassen gleichbleibende Themen, Motive, Denk- und Handlungsstrukturen und Figurenkonstellationen. Bei‐ spielsweise basieren viele antisemitische Einstellungen auf der wiederholten Behauptung, jüdische Bankiers strebten, u. a. durch die Steuerung der Flüchtlingskrise, die Weltherrschaft an (Butter 2018, 23 ff.). 148 9 Grenzgänge zwischen Fakten, Fiktion, Literatur, Theater, Kunst <?page no="149"?> Die gleichbleibende Denkstruktur von Verschwörungstheorien fasst die Feststellung: „Nichts ist, wie es scheint“ zusammen (vgl. Butter 2018, 15). Sie basiere auf der Grundannahme, nichts geschehe durch Zufall, alles sei miteinander verbunden (vgl. Butter 2018, 22): „Verschwörungstheorien behaupten, dass eine im Geheimen operierende Gruppe, nämlich die Verschwörer, aus niederen Beweggründen versucht, eine Institution, ein Land oder gar die ganze Welt zu kontrollieren oder zu zerstören.“ (Butter 2018, 21) Weitere Kernelemente sind unsichtbare Machthaber: innen (Strippenzie‐ her: innen), die den Verlauf der Geschichte bestimmen und die Bedrohung durch Fremde. Verschwörungstheorien postulieren fast immer eine ‚zeitlich weitaus größere Dimension konspirativen Wirkens‘, die einhergehe mit wesentlich ambitionierteren, aber gleichzeitig vageren Zielen bis hin zur Weltherrschaft (Butter 2018, 37). Daher werde den Gruppen eine ganze Reihe von Verbrechen zugeschrieben (vgl. Butter 2018, 37). Nicht nur die Handlungsstruktur, sondern auch die Argumentationsweise weist medien‐ übergreifende Konstanten auf. Gerade im digitalen Zeitalter würden Ver‐ schwörungsenthüllungen zwar ständig erweitert und in Teilen überarbeitet, doch die Stoßrichtung der Argumentation verändere sich dabei nicht (Butter 2018, 60). Themen und Handlungsstrukturen der Verschwörungsnarrationen lassen sich wie folgt zusammenfassen: „Sie handeln vom Kampf Gut gegen Böse, vom Konflikt zwischen im Geheimen agierenden Übeltätern, die die ahnungslose Masse manipulieren, und den weni‐ gen, die dem Komplott auf die Schliche gekommen sind und nun alles tun, um die Verschwörung zu vereiteln.“ (Butter 2018, 57) Internetdiskurse um Verschwörungstheorien, etwa in den sozialen Medien, sind von Argumentationsstrategien wie dem Reverse Labeling geprägt. Man bediene sich des Etiketts, das andere einem selbst anheften wollen, und tue deren Behauptungen als Verschwörungstheorien ab; die eigenen Verdächtigungen hingegen würden als wohl begründet und im Grunde schon erwiesen präsentiert (Butter 2018, 45). In Anlehnung an Foucaults Theorie des Zusammenhangs von Wissen und Macht sei der Begriff Ver‐ schwörungstheorie „eine Waffe, die dazu diene, bestimmte Ansichten als illegitim und falsch zu brandmarken“ (Butter 2018, 48). 149 9.1 Grenzgänge zwischen Fakten und Fiktion <?page no="150"?> 9.2 Netzliteratur Netzliteratur setzt bisherige Entwicklungen der Computerliteratur fort. Ei‐ nen Ursprung bildeten Experimente mit der Medientechnik als Autor: in. So entstand bereits 1959 folgendes von Computern auf Basis eines Programms mit 200 Befehlen geschriebenes Gedicht: „N I C H T J E D E R B L I C K I S T N A H . K E I N D O R F I S T S PÄT . E I N S C H L O S S I S T F R E I U N D J E D E R B A U E R I S T F E R N . J E D E R F R E M D E I S T F E R N : E I N T A G I S T S PÄT . J E D E S H A U S I S T D U N K E L : E I N A U G E I S T T I E F . N I C H T J E D E S S C H L O S S I S T A L T . J E D E R T A G I S T A L T . N I C H T J E D E R G A S T I S T WÜT E N D . E I N E K I R C H E I S T S C H MA L . K E I N H A U S I S T O F F E N U N D N I C H T J E D E K I R C H E I S T S T I L L . J E D E R W E G I S T N A H . N I C H T J E D E S S C H L O S S I S T L E I S E [… ]“ (Döhl 2000). Trotz der Programmbasis entsteht eine poetische Wirkung. Terminologi‐ sche Unterscheidungen klassifizieren die Vielzahl literarischer Inhalte. Gut zu wissen | Literatur im Netz Literatur im Netz erfasst die Onlineverbreitung bestehender Texte durch professionelle und nicht professionelle Autor: innen, die sich auf diese Weise von der Gatekeeping-Funktion traditioneller literarischer Verlage lösen können. Traditionelle Verlage wiederum nutzen ihre Webauftritte oder soziale Medien, um Leseproben vorhandener Texte oder innova‐ tive literarische Projekte zu verbreiten. Die Bezeichnung Netzliteratur erfasst neben der Textproduktion für die Onlinedistribution auch die Vernetzung von Texten und Autor: innen. Häufig wird mit der Verknüpfung sprachlicher und visueller Vermittlung experimentiert. Plattformen wie netzliteratur.net oder digitale Salons wie das inzwischen eingestellte Berliner Zimmer dienen der Verbreitung dieser Texte. Verbindungen aus Lyrik und Videokunst sind Teil des Angebotsspekt‐ rums von Videoplattformen. Unterschiedliche Formen der Netzliteratur und veränderte Lektürefor‐ men erfasst der Begriff Interfictions (Simanowski 2001): Leser: innen müs‐ sen sich zwischen Textabschnitten bewegen, von einem Bildschirm lesen und zum Teil selbst Änderungen in den Text eingeben. Leser: innen von 150 9 Grenzgänge zwischen Fakten, Fiktion, Literatur, Theater, Kunst <?page no="151"?> Hypertexten müssen selbst Zusammenhänge zwischen den einzelnen Text‐ elementen herstellen und eine Bedeutung ermitteln. Die Grenzen zwischen Autor: innen und Leser: innen verschwimmen zugunsten eher spielerischer Formen des Schreibens und Lesens, die sich an gemeinsam akzeptierten Regeln orientierten. Damit verändere sich auch eine der traditionellen Grundmotivationen des Lesens, nämlich die Vervollständigung der eigenen Identität, hin zum Spiel mit Identitäts- und Handlungskonzepten. Auch der Distributionskontext beeinflusst maßgeblich die Erzählformen. Twitter-Literatur ist durch ihre kommunikative Struktur ein Bestandteil des Diskursraumes der Plattform. Der Begriff Twitteratur beschreibt „platt‐ formgebundene digitale Kürzestliteratur im Netz“ (Drees, Meyer 2013, 18). In Anlehnung an allgemeine Charakteristika der sozialen Medien bezieht Twitteratur Kommentare und Dialoge mit den Nutzer: innen mit ein. Sie gilt als Innovation der literarischen Entwicklung und als Katalysator kultureller Veränderungen: „Was getwittert wird, ist nächste Literatur, weil hier lesend und schreibend mit Geräten experimentiert wird, die zu den Leitmedien der Gegenwart geworden sind. Die sind auf eigenartige Weise auf das ‚Nächste‘ verpflichtet. Sie sind die Treibsätze einer Kultur, die sich immer mehr für das nächste große Ding interessiert, die Vergangenheit entwertet und dabei vor der Gegenwart nicht Halt macht.“ (Porombka 2012, 52 f.) Die seit 2005 zu beobachtende Ausweitung der sozialen Medien zum Kom‐ munikations- und Lebensraum für eine Vielzahl von Menschen (vgl. Blei‐ cher 2010) resultiert auch in der literarischen Virtualisierung von Privatheit. Twitteratur ist von Möglichkeiten der fortlaufenden direkten Interaktion von Protagonist: innen und Nutzer: innen in Realzeit gekennzeichnet. Die fiktive Kunstfigur Renate Bergmann diskutiert in täglichen Tweets u. a. das aktuelle Geschehen, Fernsehsendungen, aber auch die eigene Alltagsgestal‐ tung mit Gesundheits- und Haushaltstipps (vgl. Bleicher 2019). Diese kontinuierliche verbale Interaktion lässt trotz der allgemeinen Technisierung datenbasierter Kommunikation den Eindruck von Nähe und Vertrautheit entstehen. Sie entspricht der allgemeinen Many-to-Many-Kom‐ munikationsstruktur des Internets. Die spezifische Diegese Twitterliteratur ist durch eine Vielzahl individualisierter Perspektiven auf öffentliche Dis‐ kurse gekennzeichnet. Gleichzeitig lassen Renate Bergmanns Tweets auf ihrer Darstellungsebene das für die Amateur: innenkultur der sozialen Medien typische Assemblage-Prinzip der Kombination unterschiedlicher 151 9.2 Netzliteratur <?page no="152"?> Materialien erkennen. Texte und Kommentare ihres Autors Torsten Rohde beziehen sich häufig auf Amateur: innenaufnahmen, deren Herkunft unklar ist. Typische Motive wie Familienfeiern oder Porträts werden als Fotos Teil der individuellen Timeline (vgl. Bleicher 2019). Das „reale“ Leben der Nutzer: innen und das „fiktive“ Leben der Figur verschränken sich linear und dauerhaft. 9.3 Netztheater Als Modellmedium der Intermedialität gilt das Theater (vgl. Meyer 2001). Das Netztheater hebt bisherige zeitliche und räumliche Grenzen traditio‐ neller Produktionen und Aufführungen von Dramen auf, flexibilisiert Sze‐ nenstrukturen und Dialoge. Szenische literarische Formen, die auch als „Internet-Performances“ bezeichnet werden (vgl. Glesner 2015) umfassen textbasierte und visuelle Formen von Performances und changieren auf diese Weise zwischen Theater und Literatur. „Vom Selbstverständnis her treten sie im Rahmen des Performativen, vom Wahrnehmungsmodus her im Rahmen der Literatur auf.“ (Glesner 2015, 321) Webdance nutzt den Wahrnehmungsmodus visueller Medien (vgl. Glesner 2015, 325). Die zeitgleiche Beobachtung durch die Zuschauer: innen wird durch den jeweiligen Bildausschnitt und die Bewegung der Kamera modifi‐ ziert. Erscheinungsformen des Netztheaters nutzen neben verschiedenen digi‐ talen Inhalten und Inszenierungsformen das Internet als Aufführungs‐ raum. Damit verändern sich bisherige Raumkonstellationen des Theaters (vgl. Glesner 2015, 156). Der soziale Raum der Bühne spiegelt die sozialen Räume und Werte des Internets, wie etwa die fehlende Bedeutung von physischer Kopräsenz, wider (vgl. Glesner 2015, 320). Eigene Netzwerke dienen der kooperativen Konzeption und Produktion digitaler Inszenierungen (siehe hierzu etwa: theaternetzwerk.digital). In Erweiterung traditioneller Spielplankonzepte etablierter Theaterinstitu‐ tionen entwickeln Autor: innen und Regisseur: innen internetspezifische Stoffe, Inszenierungs- und Aufführungsformen. Dazu zählen Audiotouren für Smartphones, Game-Theater und interaktive Spielanordnungen, in de‐ nen Zuschauer: innen partizipativ beteiligt sind. Die Onlinedistribution ermöglicht neben erweiterten szenischen Ausdrucksmöglichkeiten auch eine individuelle Rezeption nach selbstgewählten zeitlichen Vorgaben. 152 9 Grenzgänge zwischen Fakten, Fiktion, Literatur, Theater, Kunst <?page no="153"?> Das Netztheater integriert u. a. Themenschwerpunkte und Darstellungs‐ formen aus verschiedenen Bereichen des digitalen Lebens. Dazu zählen Veränderungen der Identitätskonstruktion ebenso wie die Kommerziali‐ sierung des Internets. Einige Inszenierungen wie beispielsweise „Hamnet“ (1993) setzen sich mit den Sprachmustern des Internets auseinander. So mu‐ tiert der berühmte Hamlet-Monolog hier zu „2b or not 2b“. Erscheinungsfor‐ men des Gedächtnistheaters bilden Strukturanalogien zu Formen szenischer Erinnerung (vgl. Matussek 2000). Während der Schließung der Spielstät‐ ten aufgrund der Coronapandemie nutzten einige Theaterinszenierungen auch digitale Stilmittel von Kommunikationsplattformen wie Zoom. Live‐ streams ermöglichten die direkte Teilhabe am Bühnengeschehen in Sälen ohne Publikum. So löste sich die Theater von der bisherigen Nutzung des Internets als Archiv vergangener Aufzeichnungen von Aufführungen. 9.4 Webserien als additive Erzählformen Webserien werden als additive Erzählformen für die Onlinedistribution konzipiert und produziert. Dabei lassen sich Anpassungen der Serienpro‐ duktionen und -narrationen an spezifische Verbreitungs- und partizipative Nutzungskonventionen des Internets beobachten. Beispielsweise können Zuschauer: innen in der Serienepisode „Black Mirror: Bandersnatch“ den Handlungsverlauf bestimmen und sind somit partizipativ am Erzählprozess beteiligt. Gut zu wissen | Webserien als Hybrid Webserien modifizieren grundlegende Strukturmodelle und das Genre‐ spektrum traditioneller Fernsehserien. Neben der Soap-Opera finden sich Einflüsse und Elemente weiterer Seriengenres wie etwa Krimiserien oder Sitcoms. So lässt sich die Webserie „Borscht.de“ als Hybrid aus Comedy- und Krimiserie werten. Es finden sich neben Genreparodien auch Hybridisierungen, etwa Science-Fiction- oder Zombie-Komödien. Weitere Hybridisierungen kombinieren Webserien und Computerspiele. Kategorisierungen von Webserien basieren auch auf Faktoren wie Epi‐ sodenlänge, Handlungsstrukturen und -orten. 153 9.4 Webserien als additive Erzählformen <?page no="154"?> Das Genre der pseudo-authentischen Webserie knüpft an Konventionen der Darstellung von Privatheit in der Amateur: innenkultur des Internets an. „Pseudo-authentische Webserien imitieren regelmäßiges Videoblogging, geben vor, aus scheinbar authentischen Filmclips zu bestehen, die ‚normale‘ User pro‐ duziert haben könnten, und werden auf Portalen wie YouTube erstveröffentlicht. Merkmale, die auf Privatheit und Unprofessionalität verweisen sollten, können als Authentifizierungsstrategie beschrieben werden. Bei pseudo-authentischen Webserien findet eine fingierte Medienkommunikation mit anderen Usern auf der äußeren Ebene statt.“ (Kuhn 2013, 6) Der Begriff digitale Serie erfasst kommerzielle Erscheinungsformen von Webserien. Die u. a. von Produzent: innen und Video-Stream-Plattformen verwendete Bezeichnung ist symptomatisch für eine Kommerzialisierung der ursprünglich vor allem von Amateur: innen produzierten Webserien, etwa bei Video-Stream-Plattformen wie Netflix. In dem Angebotsprofil die‐ ser Plattform münden regionale Handlungsorte und globale Erzählweisen in serielle Varianten der Glokalisierung. So kombiniert die in Deutschland produzierte Netflix-Serie „Dark“ die Genres Dorf- und Mystery-Serie mit dem Motiv der Zeitreise aus dem Genre Science-Fiction. Alle Folgen der ersten Staffel wurden 2017 gemeinsam hochgeladen, was ein Binge Vie‐ wing und somit eine hohe Verweildauer auf der Video-Stream-Plattform ermöglichte. Für das Verständnis der komplexen, non-linearen Handlung sind aktive Zuschauer: innen erforderlich. Im Unterschied zur traditionellen Distribution von Fernsehserien laden Netflix und andere Video-Stream-Plattformen zu einem bestimmten Zeit‐ punkt ganze Serienstaffeln hoch, um ihren Nutzer: innen das Binge Viewing, also die Rezeption mehrerer Serienepisoden oder ganzer Staffeln, zu ermög‐ lichen. Zu wesentlichen Wirkungselementen dieser Rezeptionsform zählt die Loslösung der distributiven Zeitbindung und die narrative Komplexität. Diese spezifische Nutzungsform erhöht die Verweildauer auf den Plattfor‐ men. 9.5 Fiktionale Spielfilme Das Angebotsspektrum fiktionaler Serien und Filme von Vi‐ deo-Stream-Plattformen konkurriert mit den etablierten medialen Ver‐ mittlungsinstanzen Fernsehen und Kino. Traditionell gelten Kino- und 154 9 Grenzgänge zwischen Fakten, Fiktion, Literatur, Theater, Kunst <?page no="155"?> Fernsehfilme als Kunstformen oder kommerzielle Medienprodukte (vgl. Hickethier 1979; Bleicher 2013). Doch prägen ökonomische Interessen Eigenproduktionen von Vi‐ deo-Stream-Plattformen. Regional unterschiedliche Filmproduktionen bewegen sich im Grenzbereich zwischen Kino- und Fernsehfilm. Mit der werbewirksamen Bezeichnung „Netflix Originals“ kennzeichnet das Unter‐ nehmen in seinen Ankündigungen auch Kinospielfilme, für die regional begrenzte, exklusive Verwertungsrechte gekauft wurden. Mit dem Ziel der Steigerung seiner Abonnent: innenzahlen kaufte Netflix 2010 für ca. eine Milliarde US-Dollar die Rechte am Onlinevertrieb von Filmen großer US-Filmstudios. Dies verdeutlicht, dass die Verantwortlichen des Internetdienstes ihre Marktstärke in der Konzentration auf Filme und Fernsehproduktionen sehen, „in expliziter Abgrenzung zu Programmspar‐ ten, die man größtenteils dem klassischen Fernsehen zurechnen würde: etwa News, Sport, Reality TV (vgl. ebd.)“ (Sudmann 2017, 82). Seit 2015 ist Netflix im Bereich Kauf- und Eigenproduktionen von Filmen tätig. Der Monopolist kauft Distributionsrechte oder produziert zwischen ca. 20 und 40 Spielfilmen pro Jahr. Mit dem Gewinn des US Academy Award für den Film „Roma“ 2019 etablierte sich Netflix als Akteur in der etablierten künstlerisch ausgerichteten Filmkultur, was strategisch zum Imagegewinn des Unternehmens angesichts der wachsenden Konkurrenz anderer Video-Stream-Anbieter beitragen sollte. 9.6 Intermediale Videogenres Das Angebotsspektrum von Videoplattformen wie YouTube umfasst inter‐ mediale Bezüge zu thematischen Schwerpunkten, Genres und Bildwelten bisheriger fiktionaler Vermittlungsformen. Gut zu wissen | Slash-Videos Im Genre Slash-Videos konstruieren Fans u. a. aus Serienvideos einen ihren Wünschen entsprechenden Idealplot, der etwa Liebesbeziehungen beinhaltet, die in den ursprünglichen Drehbüchern nicht vorgesehen waren. Das serielle Narrationsprinzip der Verschränkung unterschied‐ licher Handlungsstränge wird hier aus dem Kontext der Drehbuchvor‐ gaben gelöst und durch individuelle Rekompositionen ersetzt. 155 9.6 Intermediale Videogenres <?page no="156"?> Dabei ermöglicht vor allem das Schuss-Gegenschuss-Verfahren die Ver‐ knüpfung von Dialogen und Handlungssequenzen. Jonathan McIntosh kombiniert in „Buffy vs Edward: Twilight Remixed“ kurze Dialog- und Handlungssequenzen aus unterschiedlichen Serienepisoden und Filmszenen zu einer eigenen Episode über die vergebliche Liebe zwischen einem Vampir und einer Vampirjägerin. Die auf sechs Minuten begrenzte Dauer dieses YouTube-Videos folgt der klassischen Drei-Akt-Dramaturgie von Einfüh‐ rung, Konflikt und Konfliktlösung. Mashup-Videos fügen Szenen unterschiedlicher Serien und Spielfilme zu einer neuen Handlung zusammen. Als visuelle Form der Fanfiction können hier aus bestehenden Szenen neue, den Wünschen der Fans ent‐ sprechende Handlungsfolgen erzeugt werden. In „Star Trek vs Star Wars“ wird die jeweils bestehende Protagonist: innen-Antagonist: innen-Struktur aufgelöst, so dass die Protagonist: innen von „Star Trek“ durch die Mon‐ tage von Szenen und die digitale Integration einzelner Bildmotive aus Star-Wars-Filmen in Konflikt mit den Filmantagonist: innen geraten. Sogenannte Spoof-Videos rekombinieren bestehendes Bildmaterial be‐ kannter Filme nach den Konventionen kontrastierender Genres. So wirkt „The Shining Remix“ im Kontrast zum eigentlichen Horrorfilm wie ein Trailer zu einer netten, harmlosen Disney-Produktion. Bestehendes Material erhält in der Rekombination neue Bedeutungs- und Wirkungsdimensionen. 9.7 Netzkunst Vergleichbar mit Netzliteratur und -theater lässt sich auch im Bereich der Kunst die Archivierung und Verbreitung bestehender Kunstprodukte im Internet von Formen der für und/ oder mit dem Internet produzierten Netzkunst unterscheiden. So fungiert YouTube als globales Museum der Videokunst. In dem hier archivierten Bereich der Videokunst etablierten sich Darstellungsmittel wie Rückkopplung, Closed Circuit, Bildverzerrungen, Zeitlupe und die Detailaufnahme, die auch in der Netzkunst verwendet wer‐ den. Gerade die Wiederholung gleichförmiger Bildsequenzen als ein Mittel der Verfremdung von Medieninhalten ermöglicht neue Wahrnehmungen und Veränderungen standardisierter Darstellungsformen. Als Kennzeichen der Netzkunst gelten: 156 9 Grenzgänge zwischen Fakten, Fiktion, Literatur, Theater, Kunst <?page no="157"?> ● der kreative Umgang mit den technischen Eigenschaften des Internets, ● Immaterialität, ● Multimedialität, ● Konnektivität, ● Globalität (Baumgärtel 1999). Künstlerische Formen des politischen Widerstands sind mit der Hacker: in‐ nenbewegung verknüpft. Dazu zählt beispielsweise die Präsentation eines Computervirus auf der Biennale in Venedig 2001. Als ästhetische Adaptio‐ nen der Hybridstruktur des Internets fungieren Synästhesien unterschied‐ licher akustischer, sprachlicher und visueller Darstellungselemente. Sie er‐ möglichen Veränderungen der etablierten künstlerischen Wahrnehmung. Web | Hacker: innenkultur ● Link-Tipp [1] | Zu ihrer Geschichte: http: / / s.narr.digital/ sws4e ● Link-Tipp [2] | Zur New York Correspondence School: http: / / s.na rr.digital/ x2q2s ● Link-Tipp [3] | Zur Verbindung von Netzkunst und Hacker: innen‐ kultur: http: / / s.narr.digital/ 8m8v2 In Fortführung von Schwerpunkten der Medienkunst setzt sich Netzkunst interaktiv u. a. mit den formalen Möglichkeiten der Internetvermittlung auseinander. Mailart im Internet schließt an Traditionslinien des kreativen Umgangs mit Briefen als künstlerischem Material an (vgl. Wagner 2009). Vergleichbar der Mailart-Künstlergruppe New York Correspondance School (1962-1973) gibt es etwa im Bereich der bildenden Kunst partizipative Formen der Produktion, etwa in der Künstler: innengruppe net.art. Kunst löst sich im Internet von räumlichen und zeitlichen Begrenzungen. Einstige Artefakte der bildenden Kunst wie Bild oder Skulptur weichen kon‐ tinuierlichen Weiterentwicklungen und Veränderungen. Die Zuschauer: in‐ nen sind „aktives, handelndes und eingreifendes Element […]. Der Status des Betrach‐ ters verändert sich zu dem eines Teilhabers und Mitwirkenden. […] Zudem ist das Interface die Verknüpfungsstelle synästhetischer Qualitäten: Visualität, 157 9.7 Netzkunst <?page no="158"?> Taktilität, Motorik, Sensorik werden miteinander in Verbindung gebracht.“ (Schnell 2000, 303) Die Kritik der künstlerischen Formensprache mit ihren eigenen Mitteln dient der Weiterentwicklung ästhetischer Ausdrucksmöglichkeiten . Diese finden häufig im Bereich des Webdesigns Anwendung. Meme und Gifs werden als Kurzformen der Netzkunst vor allem in den sozialen Medien verbreitet. Gifs sind kurze Fotos oder Bewegtbilder, die als visuelle Kommentierung oder Unterhaltungselement eingesetzt werden. Als Meme bezeichnet Shifman: „a) eine Gruppe digitaler Einheiten, die gemeinsame Eigenschaften im Inhalt, in der Form und/ oder der Haltung aufweisen; b) die in bewußter Auseinanderset‐ zung mit anderen Memen erzeugt und c) von vielen Nutzern über das Internet verbreitet, imitiert, und/ oder transformiert wurde.“ (Shifman 2014, 14) Gut zu wissen | Meme Meme kombinieren Text- und Bildelemente zu kurzen Bedeutungsein‐ heiten. Sie fungieren vor allem als Kommentare zu aktuellen Themen und Ereignissen. Ihre Verbreitung erfolgt durch Nutzer: innen in sozialen Medien. 9.8 Webcomics Webcomics bewegen sich zwischen den Schnittstellen Kunst und Litera‐ tur. Sie reflektieren experimentell mit standardisierten Produktionsformen, Genrekonventionen, Erzählweisen und Darstellungsformen. Dazu zählt etwa: ● das Ordnungsprinzip der Frames, ● lineare Abfolgen der Bilderzählungen, ● die Figurengestaltung, ● die räumliche Platzierung von Textelementen, ● die Schrift als visuelle Ausdrucksform (vgl. Bartosch 2021, 229 ff.). Webcomics etablierten sich als Bestandteil des transmedialen Erzählens, etwa in experimentellen Projekten wie „Deathbook“ des Rowohlt Verlages. 158 9 Grenzgänge zwischen Fakten, Fiktion, Literatur, Theater, Kunst <?page no="159"?> Grundlegende Veränderungen gegenüber traditionellen Erscheinungsfor‐ men der grafischen Literatur beeinflussen vor allem den Bereich der Distri‐ bution, etwa hinsichtlich der Veröffentlichung auf digitalen Plattformen, woraus sich neue Handlungsmöglichkeiten ergeben (vgl. Bartosch 2021, 256 ff., 280 ff.). Dazu zählen beispielsweise interaktive Rezeptionsmög‐ lichkeiten (vgl. Bartosch 2021, 262) und flexible Lektürefolgen (vgl. Bar‐ tosch 2021, 268). Auf Basis dieser grundlegenden Veränderungen entstehe die Frage, ob es sich beim Webcomic um Animationsfilme, Multimediapro‐ dukte oder letztlich ein anderes Medium handle (vgl. Bartosch 2021, 263). Alle vorgestellten künstlerischen Ausdrucksformen können als Teilele‐ mente der Transmedialität fungieren. Handlungsstränge von Erzählungen lassen sich auf Texte, bildende Kunst, szenische Aufführungen, Videos und Webcomics aufteilen. Diese komplexen Erzählformen werden beispiels‐ weise von Verlagen und audiovisuellen Medien eingesetzt. Kurz und bündig | Angebotsschwerpunkt Kultur Im Internet zeigen sich vielfältige Erscheinungsformen und Wechselwir‐ kungen der kulturellen Ausdrucksformen Literatur, Kunst, Webserien, Filme und Comics. Experimente tragen zur inhaltlichen und formalen Vielfalt bei. Literaturverzeichnis Bartosch, Sebastian (2021): Die Medialität des Comics. Unveröffentlichtes Disserta‐ tionsmanuskript. Baumgärtel, Tilman (1999): netart - Materialien zur Netzkunst. Nürnberg: Verlag für moderne Kunst. Bleicher, Joan Kristin (2010): Internet. Konstanz: UVK. 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Metzler, S. 201 f. 160 9 Grenzgänge zwischen Fakten, Fiktion, Literatur, Theater, Kunst <?page no="161"?> 10 Angebotsschwerpunkt Unterhaltung Neben dem Informations-, Kommunikations- und Wissenstransfer sowie den kulturellen Ausdrucksformen erweitern non-fiktionale Unterhaltungs‐ angebote das Angebotsspektrum des Internets. Dazu zählen neben Comedy und Musik auch Infotainment-Angebote, etwa in Erscheinungsformen des unterhaltungsorientierten Journalismus mit seinen Themenschwer‐ punkten Adel, Stars und Celebritys (Hennig, Schulz 2014). Bereits in den 1970er-Jahren entstanden im Internet ludische Unterhal‐ tungsschwerpunkte, wie sie auch die Angebotsstruktur des Fernsehens kennzeichnen (vgl. Foltin, Hallenberger 1990). Seinen medienspezifischen Möglichkeiten entsprechend bildete sich im Internet ein breites Spektrum interaktiver Unterhaltungsangebote heraus, deren Handlungsorte, etwa bei dem international verbreiteten Spiel „Pokémon“, nicht auf virtuelle Räume beschränkt blieben. Das Internet umfasst neben etablierten Angebotsformen der medialen Unterhaltung wie etwa Musik auch digitale Varianten traditioneller Spiele (u. a. Browser- oder Glücksspiele) und non-professionelle Unterhaltungs‐ angebote der Amateur: innenkultur. Doch kann die Rezeption von den Ursprungskonzepten der Angebotsschwerpunkte abweichen. So werden selbstgedrehte Videos, die etwa wie im Fall von „Star Wars Kids“ Kampfbe‐ wegungen dokumentieren sollten, als komisch rezipiert und weiterverbrei‐ tet. Dies entspricht der Diagnose aus dem Bereich der Nutzungsforschung, „Unterhaltung ist, was mich unterhält“ (Foltin 2001, 233). In der Rezeptionsforschung möchte man herausfinden, welche konativen, kognitiven und emotionalen Prozesse dem Unterhaltungserleben voraus‐ gehen, es begleiten und wie Unterhaltung wirkt. Im Hinblick auf das Unterhaltungserleben erhellten Konzepte wie Involvement (Donnerstag 1996), Identifikation (Cohen 2006), Flow (Csikszentmihalyi 1988) oder Presence (Lee 2004), wie sich Menschen fühlen und was in ihnen vorgeht, wenn sie sich unterhalten fühlen (Trepte, Reinecke 2010, 212). Dieses Unterhaltungsgefühl wird für verschiedene Formen der Persua‐ sionskommunikation etwa im Bereich Politik instrumentalisiert (vgl. Gab‐ ler 1999, 117 ff.) <?page no="162"?> 10.1 Stars als personalisierte Unterhaltungsangebote Stars bilden als Produkte populärindustrieller Konstruktion personalisierte Markenartikel der medialen Aufmerksamkeitsökonomie. Sie sind daher auch für die Unterhaltungsangebote des Internets von zentraler Bedeutung, zumal sie sich hier auch tatsächlich mit ihren Follower: innen „unterhalten“. Diese direkte Interaktion erweitert die bisherige Attraktivität von Stars als Grundlage der Fankultur. Gut zu wissen | Stars Unterschiedliche Definitionen erfassen verschiedene Aspekte der Starkonstruktion. Ein Star sei jemand, dessen Namen und Ruhm bis zu dem Punkt aufgebaut wurden, bei dem Referenzen, etwa durch Erwäh‐ nungen, mediatisierte Repräsentationen oder Liveauftritte, in sich als Promotionsantreiber fungieren können (Wernick 1991, 106). Stars seien Leitbilder einer Kultur der Attraktivität und „Unternehmer des Selbst‐ werts“ (Franck 1998, 159 ff.). Beachtung, Bekanntheit, Prestige, Reputation und Ruhm bilden die Hierar‐ chiestufen von Stars in der Aufmerksamkeitsökonomie (vgl. Franck 1998). Erst eine dauerhafte Medienpräsenz ermöglicht globalen Ruhm. In west‐ lichen Medienkulturen fungieren Stars als Ersatzgötter ihrer Fans (vgl. Dyer 1986). Doch veränderten soziale Medien dieses etablierte Starsystem grund‐ legend. Verschiedene Formen des Ego Casting wie personalisierte Web-TV-Kanäle (etwa von Boris Becker) fungieren als mediale Gegenbewe‐ gung zu etablierten Formen des Unterhaltungsjournalismus. So treten die Posts von Stars in den sozialen Netzwerken in Konkurrenz zur Angebots‐ formen des Boulevardjournalismus. Aus der Homestory der Boulevard‐ zeitschriften wird die Präsentation des eigenen Wohnumfelds der Stars auf Instagram. In einer seriellen Struktur erzählen ihre Posts von beruflichen Erfolgen oder vom Beziehungs- und Familienleben. Gut zu wissen | Micro-Celebritys In sozialen Medien bilden sich in Konkurrenz zur etablierten Aufmerk‐ samkeitsökonomie der Massenmedien neue Stars wie Micro-Celebritys, 162 10 Angebotsschwerpunkt Unterhaltung <?page no="163"?> die sich durch ihre Nähe zu den Nutzer: innen auszeichnen. Im Inter‐ net stellt bereits die Dauerpräsenz des Privaten als Präsentationsform nichtprominenter Menschen die Grundlage ihres Status als Micro-Cele‐ brity dar. Marwick beschreibt Micro-Celebrity als „a self-presentation technique in which people view themselves as a public persona to be consumed by others“ (Marwick 2015). Der Ursprung des Begriffs liege in der Studie von Terri Senft „Camgirls: Celebrity and Community in the Age of Social Networks“ (2008) und erfasse „einen neuen Performance Stil, indem Menschen Webcams, Videos, Audio, Blogs und soziale Medien nutzen, um ihre Popularität bei Leserinnen, Zuschauer*innen und denjenigen, mit denen sie vernetzt sind, zu verstärken“ (Senft 2008, 25). Marwick betont die Bedeutung der Fankultur: Micro-Celebrity könne als Denk- und Handlungsweise verstanden werden, in denen das Publikum als Fanbasis konstruiert werde. Ein dauerhaftes Fanmanagement erhalte die Popularität und die Selbstpräsentation sei auf die Nutzung durch andere ausgerichtet (Marwick 2015). Die Anforderung der dauerhaften Produktion von Fotos oder Bewegtbildinhalten aus dem eigenen Leben führt zu einer spezifischen Art Stream of Life in den Posts der sozialen Medien. Dies verändert und erweitert die bisherigen Flow-Phänomene des Fernsehprogramms. Die frühe Micro-Ce‐ lebrity Jennifer Ringley dokumentierte bereits in den 1990er-Jahren ihr Leben dauerhaft durch Webcamaufnahmen (vgl. Senft 2008). Schon damals bildeten ihre Liebesbeziehungen einen Themenschwerpunkt. Die Entwicklung von Internetstars steht im Kontext der bisherigen Mediengeschichte von Stars (vgl. Turner 2014). YouTube-Stars und Influ‐ encer: innen sind von Vorbildern der Bereiche Theater, Film, Fernsehen und Medien beeinflusst. So weisen etwa Schauspielstars des Fernsehens eine besondere Nähe zu den Figuren auf, die sie darstellen (vgl. Faulstich, Strobel 1998). Slogans wie „Broadcast Yourself“ der Plattform YouTube suggerieren die Möglichkeit für jede: n, im Internet ein Star zu werden. Nutzer: innen haben auf ihren Webseiten und den sozialen Medien die Möglichkeit der selbstbestimmten Medienrepräsentation. Werden sie jedoch zu professionellen Akteur: innen, etwa bei YouTube, müssen sie sich den Vorgaben und Vertragsbedingungen von Tochterunternehmen wie dem Multi-Channel-Network Mediacraft anpassen. 163 10.1 Stars als personalisierte Unterhaltungsangebote <?page no="164"?> Das einstige Massenkommunikationsphänomen Medienstar wird in den sozialen Medien individualisiert. So kommt es etwa auf Instagram in der Kombination aus Posts und Kommentaren zur scheinbar direkten Interak‐ tion zwischen Star und Fans. Häufig wird jedoch die Selbstdarstellung von Stars in sozialen Netzwerken von Social-Media-Manager: innen konzipiert, organisiert und betreut. Vergleichbar mit den traditionellen Erzählungen stimmen in dieser Form der professionellen Textproduktion Figur und Erzähler: in nicht überein. Wie bereits im bisherigen Verlauf der Mediengeschichte passe sich auch die Startypologie des Internets den spezifischen medialen Bedingungen an. Der komplexen Angebotsstruktur entsprechend komme es zur parallelen Präsenz etablierter Medienstars aus Film und Fernsehen und neuen On‐ linestars. In komplexen Vernetzungsstrukturen entstehen unterschiedliche Starsysteme. Etablierte Stars der Populärkultur erhalten Plattformen der Selbstpräsentation, die sich von der sonstigen fremdbestimmten Medienbe‐ richterstattung, etwa des Boulevardjournalismus, unterscheiden kann oder diese fortsetzt. Die Selbstdarstellung der Stars kommt dem Interesse der Fans am Menschen entgegen und integriert auch private Informationen, wie etwa Tagebücher oder Fotoalben mit Aufnahmen aus der Kindheit. Zentrale Themen und Motive der klassischen Homestory aus dem Bereich der Printmedien werden hier in die Selbstdarstellung im Web integriert. Social-Media-Posts und Instagram-Storys von Celebritys und Micro-Cele‐ britys bilden Äquivalente zum traditionellen Unterhaltungsangebot des Boulevardjournalismus. 10.2 Musikvideos Der allgemeinen Akteur: innen-Struktur des Internetfernsehens entspre‐ chend werden Musikvideos nicht nur von professionellen Produktionsun‐ ternehmen, sondern auch von Amateur: innen produziert. Justin Bieber gilt als exemplarisch für den Karriereverlauf zunächst selbst produzierter YouTube-Videos, deren Klickzahlen zu einer professionellen Vermarktung durch die Musikindustrie führten. Auch Tanzvideos von Amateur: innen wie „Gangnam Style“ lösten weltweite Trends und vielfältige Videokopien von Nutzer: innen aus. Das bestehende Angebots- und Genrespektrum von Musikvideos des Fernsehens erweiterte sich auf Videoplattformen und Apps wie TikTok: 164 10 Angebotsschwerpunkt Unterhaltung <?page no="165"?> „The genre can roughly be subdivided into three categories: People lip-synching original recordings of popular songs, people recording their own cover version of songs by their favourite artists, and people recording their own songs“ (Broeren 2009, 159). Gut zu wissen | Literal-Videos Literal-Videos ergänzen das etablierte Genrespektrum von Musikvideos. Dieses Genre ist parodistisch ausgerichtet und umfasst visuelle und sprachliche Deskription der Text- und Handlungsverläufe von Origi‐ nalvideos, die komische Effekte erzeugen. 10.3 Comedy Verschiedene Erscheinungsformen und Wirkungsdimensionen der Komik in der Kultur- und Mediengeschichte beeinflussen das Angebotsspektrum der Onlineunterhaltung ebenso wie seine Darstellungs- und Wirkungsfor‐ men. So ist die Commedia dell’Arte ein Vorbild für komische Figurenen‐ sembles und Rollenmuster (vgl. Thomsen 1983). Nach dem Prinzip des Nummernprogramms funktionieren non-fiktionale Unterhaltungsangebote wie additiv aufgebaute Sketchsendungen, Comedyshows und Videos mit Menschen oder Tieren in komischen Situationen, gefilmt von versteckten Kameras. Das Unterhaltungskonzept der Erniedrigungen kennzeichnet Un‐ terhaltungsangebote wie etwa YouTube-Pranks. In Kanalübersichten nutzen Plattformen wie YouTube Comedy als eigene Kategorie der Sortierung und Orientierung. In seinem eigenen Kanal „Co‐ medy Thema“ fügt YouTube Videos unterschiedlicher Herkunft zusammen. Zum ausdifferenzierten Angebotsspektrum zählen etwa Migrations- oder soziale Themen wie das Leben von Hartz-IV-Empfänger: innen. YouTube beinhaltet nicht nur eine Auswahl von Format- oder Sendungs‐ parodien aus Comedyreihen des Fernsehens wie „Switch“ oder „Kalkofes Mattscheibe“. Vergleichbare Fernseh-, Genre- und Sendungsparodien finden sich in eigenen Kanälen von Comedians wie „Y-Titty“ oder „DieLochis“. „Freshtorge“ (ehemals „freshaltefolie“) parodiert nicht nur kritisch-ironisch Film- und Fernsehinhalte oder -konventionen, sondern auch selbstreferen‐ tiell YouTube-Videos und ihre Akteur: innen wie etwa Simon Desue oder Sami Slimani. 165 10.3 Comedy <?page no="166"?> In sogenannten Poop-Videos (Burgess, Green 2009, 52) werden sinnfreie Montagen aus Werbespots, Cartoons und Animes erzeugt: „The edits are often abrupt and jarring, and the audio is manipulated through quick cuts, changing speeds, and the introduction of alternative soundtracks. The results frequently foregoes narrative and resembles something most akin to parody of video art“ (Burgess, Green 2009, 53). Fingershuffle-Videos kennzeichnet eine Mischung aus Real- und Anima‐ tionsfilm, in denen Finger als Darsteller: innen fungieren. Auch im Bereich des User Generated Content finden sich Reinszenie‐ rungen von Film- und Fernsehsendungen durch parodistische Selbstdarstel‐ lung. Narrationscollagen arbeiten mit bestehendem Bildmaterial, das mit neuen Inhalten synchronisiert wird. So mutiert beispielsweise eine Folter‐ szene aus der Erfolgsserie „24“ in einen WG-Konflikt, der im schwäbischen Dialekt ausgetragen wird. Gut zu wissen | Parodien Parodien der Nutzer: innen beziehen sich auch auf Wahlkampf- und Werbespots. „Hilary 1984“ führt Markenartikelwerbung (Apple) mit den Spots der Wahlwerbung zusammen. Die Konfrontation zwischen Kon‐ suminformation und politischer Information lässt die Gemeinsamkeiten beider Bereiche umso klarer hervortreten. Dieses Beispiel veranschau‐ licht die kritischen Potenziale von Parodien im Internet. 10.4 Transmediale Unterhaltung Diverse Showformate sind transmedial ausgerichtet, indem verschiedene Elemente auf unterschiedliche Medien verteilt werden. So ist der Casting‐ prozess von „Deutschland sucht den Superstar“ im traditionellen Fernsehen zu sehen. Per Telefonanruf oder SMS können die Zuschauer: innen über Erfolg oder Misserfolg der Kandidat: innen mitbestimmen. Boulevardmedien wie die Bild-Zeitung versorgen ihre Leser: innen mit Zusatzinformationen. Die Vorstellung und der Kontakt mit den Kandidat: innen erfolgt in sozialen Medien wie Facebook oder Instagram. Formate wie „Kliemannsland“ verknüpfen das televisionäre Prinzip der Dauerbeobachtung mit Comedyelementen und onlinespezifischen Ange‐ 166 10 Angebotsschwerpunkt Unterhaltung <?page no="167"?> botsformen wie etwa Challenges. Herausforderungen folgen mit der Frage „Scheitern oder Erfolg? “ der Dramaturgie des offenen Endes. 10.5 Online-Video-Genres des Amateur: innenfilms Auch Erscheinungsformen des traditionellen Amateur: innenfilms bilden im Internet eigene Genres, die auch als Unterhaltungsangebote genutzt werden können. Videoplattformen werden für die Verbreitung privater Aufnahmen, sogenannter Homevideos, genutzt, die auch traditionelle Motive wie Rei‐ sen oder Familienfeiern beinhalten. Als weiteres Genre kombinieren sogenannte Videos of Affinity in ihrer visuellen Kommunikation die Selbstdarstellung mit der an die Person der Filmemacher: in geknüpften Communitybildung. Diese Videos versuchen, so Patricia Lange, kommunikative Verbindungen zwischen Menschen, häu‐ fig Mitgliedern von sozialen Netzwerken, zu etablieren. Ihr Inhalt richte sich nicht an allgemeine Publika. Typischerweise lösen sie das Interesse abgegrenzter Gruppen aus, die partizipieren wollen und an der dauerhaften Verbindung mit den Videomacher: innen interessiert seien. Oft sei der Inhalt stereotyp, spontan und enthalte Insider-Witze und Referenzen, die allge‐ meine Zuschauer: innen nicht in der von der Filmemacher: in intendierter Weise verstehen (Lange 2009, 70, 73). Challenge-Videos widmen sich als Genre der Selbstdarstellung der Inszenierung (mehr oder weniger vorhandener) körperlicher Fähigkeiten. Diese Genrekategorie bestehe vor allem aus Menschen, die Stunts oder Zaubertricks vorführen (Broeren 2009, 161): „This category mostly con‐ sists of people performing stunts or tricks“ (ebd.). Die Dramaturgie von Challenge-Videos umfasst Elemente traditioneller Gameshows (spielerische Leistungsanforderungen), der Moderation von Sportübertragungen und der sozialen Medien wie etwa Partizipation und virale Verbreitung: „Selbst‐ darstellung, Steigerung, Variation - das sind Kernelemente der meisten Challenges“ (Helten 2019). Die Gestaltung dieser Videos orientiert sich an Sportsendungen oder Amateur: innenvideos eigener sportlicher Leistungen. 167 10.5 Online-Video-Genres des Amateur: innenfilms <?page no="168"?> Gut zu wissen | Fail-Compilation-Videos Fernsehformate wie „Pleiten, Pech und Pannen“ sind Vorbilder von Fail-Compilation-Videos. Prank-Videos dokumentieren Streiche. Im Un‐ terschied zum traditionellen Fernsehen darf sich auf Videoplattformen jede: r an diesen wechselnden sportlichen, artistischen oder Geschick‐ lichkeits-Herausforderungen beteiligen. Klickzahlen der Videos treten an die Stelle der traditionellen Formen der Preisvergabe. Auch Konventionen populärer Filmgenres beeinflussen die Struktur und die Gestaltung von Amateur: innenvideos. Dazu zählt die Selbstdarstellung US-amerikanischer Soldat: innen im Irak-Krieg in selbst gedrehten Com‐ bat-Videos ihrer Kampfeinsätze. Die filmische Konstruktion des Eigenen und des Fremden orientieren sich an medialen Held: innen- und Feind: innen‐ bildern. Die Ästhetik dieser Combat-Videos nutzte beispielsweise Brian de Palma als ästhetisches Vorbild für seinen Kinospielfilm „REDACTED“ (2006). Hier schließt sich der Kreis der Remediation vom Kinofilm zu YouTube wieder zurück zum Kinofilm. Tiervideos kombinieren die Wirkungsdimensionen ‚süß‘ und ‚komisch‘. Katzenvideos lassen sich als einen Schwerpunkt von Unterhaltungsangebo‐ ten im Internet bewerten; aber auch kurze Videos der Tierrettungen besitzen Mood-Management-Potenziale. 10.6 Onlinepornografie Sexuelle Inhalte sichern medienübergreifend Aufmerksamkeit und Reich‐ weite. Verschiedene Plattformen sind auf erotische Inhalte unterschiedli‐ cher sexueller Orientierungen oder Dienstleistungen etwa im Bereich der Partner: innenvermittlung spezialisiert. Sie werden auch von Jugendlichen genutzt (vgl. Quandt, Vogelgesang 2018). Angebotsformen der Onlinepor‐ nografie nutzen ästhetische Charakteristika wie die Webcam-Ästhetik und die partizipative Nutzung. Auf Basis von Abonnements inszenieren Webgirls und -boys dauerhaft ihre erotischen Reize oder erfüllen individu‐ elle erotische Wünsche der Kund: innen. 168 10 Angebotsschwerpunkt Unterhaltung <?page no="169"?> 10.7 Onlinespiele Gut zu wissen | Spielen im Netz vs. Onlinespiele Hinsichtlich Onlinespielen lässt sich die Unterscheidung zwischen Spie‐ len im Netz und Onlinespielen verwenden. Viele traditionelle Compu‐ terspiele sind auch als Onlineangebote verfügbar. Onlinespiele können ohne Raumbegrenzung von mehreren Teilnehmer: innen gespielt wer‐ den. Genuin für das Internet konzipierte Onlinespiele lassen Einflüsse von visuellen Narrationen, Chats, Netzliteratur und Theater erkennen. Viele Spiele enthalten sowohl sprachliche und handlungsorientierte In‐ teraktionen zwischen den Spieler: innen als auch sprachlich vermittelte Erzählabschnitte. In den Spieleinheiten von Rollenspielen wie etwa „World of Warcraft“ ist die Spieler: in selbst aktiv an der Konstruktion des Geschehens betei‐ ligt. Die Spielwelten wiederum bilden den Ausgangspunkt für das On‐ line-Film-Genre Machinima. Onlinespiele werden zunehmend auch Inhalt von Angeboten traditioneller Medien, etwa in der World-of-Warcraft-Epi‐ sode der Fernsehserie „Southpark“ und dem Film „BEN X“ des belgischen Regisseurs Balthasar. Seinen medienspezifischen Möglichkeiten entsprechend bildete sich im Internet ein breites Spektrum interaktiver Unterhaltungsangebote heraus, deren Handlungsräume nicht auf den Computer beschränkt blieben, son‐ dern mit der Wirklichkeit verschränkt sind. Seit 2003 stieg die Zahl der Flashmobs als im Internet organisierte gemeinsame Aktionen sich unbe‐ kannter Menschen, die den Handlungsort nach kurzer Zeit wieder verlassen. 10.8 Let’s-Play-Videos Gut zu wissen | Let’s-Play-Videos Die Zeitschrift „Bastard“ beschreibt Let’s Plays als eine Reihe von Videos, in denen die Autor: innen den vollständigen Verlauf eines Vide‐ ospiels aufzeichnen und eine Kommentierung durch informelle und idealerweise unterhaltsame Chats mit dem Zielpublikum bereitstellen 169 10.7 Onlinespiele <?page no="170"?> (The Bastard 2014, o. S.). Sumin Nam charakterisiert Let’s-Play-Videos als eine von Actionfilmen beeinflusste serielle Angebotsform. Ein wich‐ tiges Unterhaltungsprinzip sei die das Spiel begleitende humorvolle Moderation der Spieler: innen, die den Konventionen von Comedyshows entspreche (Nam 2013). Produzent: innen von Let’s-Play-Videos veröffentlichen ihre aufgezeich‐ neten Computerspiele in täglich erscheinenden Episoden auf ihrem per‐ sönlichen Videokanal. Zuschauer: innen können aus der Perspektive der Spieler: innen passiv am Spielverlauf teilnehmen. Ein wichtiges Unterhal‐ tungselement ist die das Spiel begleitende humorvolle Moderation der Spieler: innen, die den Konventionen von Comedyshows entspricht. Den Wirkungsprinzipien traditioneller Gameshows und Sportübertragungen des Fernsehens vergleichbar integrieren Let’s-Play-Videos das dramaturgische Spannungsprinzip des offenen Endes. Nutzer: innen haben wie in Game‐ shows den Eindruck des offenen Verlaufs und Ausgangs der gezeigten Spielhandlung, sie wissen nicht, wie sich die Spieler: innen bei den gestellten Aufgaben und Problemen bewähren werden. Es bildeten sich schrittweise verschiedene Subgenres von Let’s-Play-Vi‐ deos heraus. Showvideos präsentieren kommentierte Spielverläufe, die auch Elemente einer ironisch-kritischen Selbstbewertung beinhalten kön‐ nen. Walk-Through-Videos zeigen Spielverläufe ohne Kommentierung. Hier entstanden weitere Subgenres auf der Basis jeweiliger Spielgenres wie etwa Horror Walk Throughs. Populär sind auch Let’s-Play-Videos von Egoshootern wie „Counterstrike“. Erklär- und Ratgebervideos vermitteln Tipps zur Optimierung der Spielkompetenz. In partizipativen Let’s-Play-Videos können Zuschauer: innen den Spielverlauf der Spieler: innen mitbestimmen. 10.9 Sport Sport ist als Angebotsschwerpunkt zwischen Information, Unterhaltung und Werbung angesiedelt. Im Internet sind Sportereignisse ohne räumliche oder zeitliche Begrenzungen für die Nutzer: innen verfügbar. YouTube bein‐ haltet als Ergänzungsangebot zur medialen Berichterstattung etwa Videos von regionalen und lokalen Sportereignissen der Amateur: innen. Der Robo‐ terjournalismus setzt Spiel- oder Wettkampfergebnisse in automatisierte 170 10 Angebotsschwerpunkt Unterhaltung <?page no="171"?> Texte etwa für Liveticker um. Livestreams oder Liveticker von traditionellen und E-Sport-Veranstaltungen sind häufig auch in andere Angebote wie Onlinezeitungen integriert. Es gibt im Internet unterschiedliche Distributionsformen, so können Sportvereine eigene Web-TV-Kanäle betreiben. Die Plattform DAZN ist auf Sportangebote spezialisiert. Sport1 bietet neben Informationen auch Games wie Bundesligatipps an (vgl. Medau 2002). Sportblogs umfassen unterschied‐ liche Themenschwerpunkte und Perspektiven. Erfolgreiche Sportler: innen, wie die Fußballer Cristiano Ronaldo oder Lionel Messie, fungieren nicht nur als Werbeträger: innen in etablierten Medien, sondern auch in den sozialen Medien als Influencer: innen mit hohen Follower: innenzahlen. Kurz und bündig | Angebotsschwerpunkt Unterhaltung Diese verschiedenen Angebotsschwerpunkte der Unterhaltung im In‐ ternet schließen an etablierte Schwerpunkte wie Sport, Musik und Spiele an. Beobachtbar ist die Verknüpfung von Inhalten und Werbung, aber auch Veränderungen des Angebotsspektrums durch die partizipa‐ tive Nutzung. Stars modifizieren den Unterhaltungsjournalismus durch eigene Formen der Selbstdarstellung und die Kommunikation mit Nut‐ zer: innen. Literaturverzeichnis Broeren, Jost (2009): Digital Attractions: Reloading Early Cinema in Online Video Collections. In: Vonderau, Patrick/ Snickars, Pelle (Hrsg.). The YouTube Reader. Stockholm: National Library of Sweden, S. 154-165. Burgess, Jean/ Green, Joshua (2009): YouTube. Online Video and Participatory Cul‐ ture. Cambridge, UK/ Medford, MA: Polity. Cohen, J. (2006): Audience identification with media characters. In: Bryant, J./ Vor‐ derer, P. (Hrsg.). Psychology of Entertainment. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum, S. 183-198. 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Auch die traditionellen Grenzen zwischen Werbung und Konsum lösen sich im Internet auf. Im Onlinehandel passen sich Formen der Produktwer‐ bung in direkter Verknüpfung mit dem Konsumvorgang den bestehenden interaktiven Vermittlungsmöglichkeiten an. Die Push-Kommunikation klas‐ sischer Medienwerbung, die Konsumbotschaften an eine anonyme Masse potenzieller Adressat: innen richtet, trifft im Internet auf unterschiedliche Werbeformen, die eine interaktive Nutzung intendieren. Gut zu wissen | Cookies Dieses interaktive Vermittlungssystem richtet sich auch an Nutzer: in‐ nen, die ihre Wünsche zielgerichtet verfolgen. Die Ermittlung von Nutzer: innendaten (das sogenannte Profiling) erfolgt u. a. durch auto‐ matische Softwareprogramme, die sogenannten Cookies. Sie durchsu‐ chen die Festplatten der Nutzer: innen nach relevanten Daten über Interessen und Konsumverhalten. Auch Posts in sozialen Medien liefern Verhaltensdaten, die an werbetreibende Unternehmen verkauft werden (vgl. Zuboff 2018). Diese Daten ermöglichen es den Werbetreibenden, Kund: innen auf Basis ihrer besonderen Interessen, ihrer Lebensführung und ihres bisherigen Kaufverhaltens individuelle Konsumangebote zu machen. Es geht nicht mehr um die bloße Übermittlung von Konsumbotschaften, sondern auch um die Vermittlung interaktiver Erlebnisangebote. Auch verschiedene For‐ men des Eventmarketings realisieren enge Verknüpfungen von On- und <?page no="176"?> Offlineerfahrung, die sie an deutlich abgrenzbare Zielgruppen der am jeweiligen Event, wie etwa Musikkonzerten, Interessierten richten. Werbeformen Es existieren unterschiedliche Bezeichnungen für die vielfältigen Werbefor‐ men. Audio-Ads sind als soundbasierte Form in Streams wie „Deezer“ integriert. E-Mercials kombinieren Bild, Sound, Text (Sprache wird ent‐ weder visuell oder akustisch vermittelt), Bildaufnahmen oder Animation. Verbindungen von Texten und animierten Bildern besitzen ein hohes Akti‐ vierungspotenzial und einen hohen Erinnerungswert. Sie orientieren sich an Vorbildern der Spotwerbung aus Kino und Fernsehen. Auch Interstitials als Unterbrecherwerbung, die in die jeweils geöffneten Browserfenster eingefügt werden, oder als Roadblocker bezeichnete Webseiten, die sich zwischen Seitenwechsel schieben, funktionieren nach dem Modell der Un‐ terbrecherwerbung im Fernsehen. Superstitials nutzen eine große Band‐ breite an multimedialen Vermittlungsmöglichkeiten. Gut zu wissen | Targeting Durch das sogenannte Targeting wird Werbung nur an jeweils inten‐ dierte Nutzer: innenzielgruppen oder an einzelne Nutzer: innen adres‐ siert. Das Suchmaschinenmarketing kombiniert Suchergebnisse mit individualisierter Produktwerbung, die sich an den bisherigen Suchan‐ fragen orientiert. Übergänge von der traditionellen Werbung zu innovativen Angebotsformen der Onlinewerbung sind fließend. Beispielsweise bilden traditionelle Werbe‐ spots des Fernsehens ein kulturelles Vorbild des YouTube-Genres Haul-Vi‐ deos, in denen Nutzer: innen ihrer Einkäufe vorstellen und erläutern (vgl. Bauer 2011). YouTube nähert sich mit häufiger Unterbrecherwerbung u. a. vor und in den Videos der Distribution von Sendungen kommerzieller Fernsehsendeanstalten an. Mit der wachsenden Bedeutung von sozialen Medien ging eine stärkere Ausdifferenzierung der bisherigen Zielgruppenwerbung einher. So entwi‐ ckelte Facebook mithilfe eines der Google-Werbestrategien vergleichbaren Prinzips auf Basis der Nutzer: innendaten individualisierte Werbeangebote, die sich den algorithmisch ermittelten Interessen und Wunschkonstellatio‐ 176 11 Angebotsschwerpunkte Werbung, PR, politische Kommunikation <?page no="177"?> nen anpassten. Es entstanden seit 2010 Konzepte, die Werbung möglichst unauffällig zu gestalten. Diese Werbeformen werden als native Werbung oder international als Native Advertising bezeichnet. Im Bereich des Webdesigns passt sich die Werbung von Google dem Erscheinungsbild der Suchergebnisse an und wird auf der inhaltlichen Ebene mit bestehenden Suchabfragen verknüpft. Kund: innen können im Genre der Unboxing-Vi‐ deos, ihren nach der Werbung erfolgten Konsum dokumentieren und kommentieren ( Joel 2010). Das strategische Kommunikations- und Verbreitungskonzept der virtuel‐ len Mundpropaganda (diese wird auch als virales Marketing bezeichnet) richtet sich an Kund: innen, „denen eine Multiplikator-Funktion für die übermittelten Botschaften zukommt. Mit Hilfe dieser Multiplikatoren soll es gelingen, dass sich die Botschaften geradezu epidemisch verbreiten“ (Fritz 2001, 122). Charakteristische Elemente des viralen Marketings sind ungewöhnliche Spots, die Nutzer: innen in sozialen Medien posten, oder verdeckte Werbeformen, die die Verbreitung der Werbebotschaften bei‐ spielsweise durch elektronische Grußkarten motivieren. Mischformen zwischen Narrationen und Werbung finden sich im Story‐ telling als Teilbereich des Markenbrandings (vgl. Adlmaier-Herbst 2020). Diese wird für die Konstruktion produktbezogener Erfahrungen und Emo‐ tionen, aber auch für die Herstellung eines spezifischen Unternehmensima‐ ges instrumentalisiert. Dieser spezifischen Werbeform, die auch Kund: innen einbindet, wird ein hohes Wirkungspotenzial zugeschrieben. Wenn sich die Werte der Kund: innen an den Nutzwerten von Marken ausrichten und Kund: innen und Marken eine gemeinsame Erfahrung schaffen, die lohnenswert sei, in der digital vernetzten Welt geteilt zu werden, entstehe eine Kunst in Form einer Markenerzählung, die deutlich kraftvoller sei als traditionelle Werbeanzeigen und die mit den Kund: innen nachhalle (Moin 2020, 12). 11.1 Influencer: innen-Marketing Eine personalisierte Form von Werbung ist das Influencer: innen-Marketing. Die Bezeichnung Influencer: in verweist auf die potenzielle Vorbild- und Opinionleader-Funktion von sozialen Medien, die insbesondere für die Produktvermarktung instrumentalisiert wird: 177 11.1 Influencer: innen-Marketing <?page no="178"?> „Influencer werden definiert als Personen, die aufgrund ihrer medialen Präsenz und ihrer Bekanntheit in einem oder mehreren sozialen Netzwerken auch werbliche Dienste anbieten können. Influencer Marketing ist eine Form des Online-Marketings, bei der Auftraggeber mit Hilfe von Influencern über deren Social Media-Kanäle Werbung machen“ (BVDW 2017). Um als Werbeträger fungieren zu können, ist das Selfbranding, also die Konstruktion der virtuellen Identität als Marke, erforderlich. Durch dieses personalisierte Markenprofil soll eine hohe Reichweite generiert werden, die sich quantitativ in Follower: innenzahlen messen lässt. Diese wiederum bildet die Grundlagen der Einnahmen, die Influencer: innen durch ihre Posts erzielen. Auf diese Weise werden Fankulturen zu Konsumkulturen. Gut zu wissen | Parasoziale Werbeformen Influencer: innen nutzen in ihren kurzen Videos oder bebilderten Texten die scheinbar direkte Kommunikation mit ihren Follower: innen für parasoziale Werbeformen. Konsumbotschaften werden in der direkten Adressierung als subjektive Empfehlungen unter Freund: innen getarnt. Das Produkt ist in die visuelle Selbstdarstellung integriert, durch Hash‐ tags auffindbar und durch Links direkt konsumierbar. Influencer: innen setzen vor allem die Traditionslinie sogenannter It-Girls wie Paris Hilton fort, deren Bekanntheit auf häufiger Medienpräsenz basiert. Auf Grundlage dieses Ruhms fungieren sie als Walking Billboard, sie nut‐ zen also als ihre Körper als Werbefläche. Dabei lässt sich beobachten, dass sich Influencer: innen als Werbeträger: innen verschiedener Wirtschaftsbe‐ reiche wie Kosmetik, Mode, Tourismus untergliedern lassen. PewdiePie bewirbt in seinen Let’s-Play-Videos Produkte der Computerspielindustrie, Bibi vom Kanal „Bibis Beautypalace“ ist mit ihren Schminktipps einfluss‐ reiche Vertreterin der Kosmetikindustrie und vertreibt mittlerweile eigene Produktreihen in Drogeriemärkten. Dagi Bee bewirbt in ihren Reisevideos Angebote von Touristikunternehmen. Produkte sind in die Fotos, Videos Storys und Posts integriert. Als sprachliches Element der Produktvermarktung werden Links und Hash‐ tags eingesetzt, die sich auf den Markennamen und/ oder das produzie‐ rende Unternehmen beziehen. Die Wirkung dieser Empfehlungen ist von unterschiedlichen Faktoren wie Authentizität, Expertise und Produkttests 178 11 Angebotsschwerpunkte Werbung, PR, politische Kommunikation <?page no="179"?> abhängig (Brecht 2017). Weitere grundlegende Faktoren der Beeinflussung sind u. a.: ● soziale Autorität, ● Vertrauenswürdigkeit, ● Hingabe, ● konsistentes Verhalten (vgl. Cialdini 2009). 11.2 PR Der Bereich Public Relations umfasst die Steuerung der Außenwahrneh‐ mung durch gezielte Informationsverbreitung, aber auch fiktionale Unter‐ haltungsangebote. So produzierte die Castenow Agentur die Webserie „Die Rekruten“ (2016-2017) im Auftrag und in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr. Neben den traditionellen Medien ist die Präsenz in sozialen Medien Teil der digitalen Konstruktion und Distribution des Unternehmensprofils. Für Unternehmen ist ihre Präsenz in sozialen Medien kostenpflichtig. Sie wird neben der Produktwerbung etwa als Beziehungsmanagement der Kund: innenkommunikation genutzt. Ausgewählte Influencer: innen fungieren als Personalisierung des ange‐ strebten Unternehmensimages. Unternehmen beteiligen sich aber auch an Diskursen etwa durch die Posts von Mitarbeiter: innen in den Kommentar‐ spalten sozialer Medien. Diese Form des Einflusses der Unternehmens-PR bleibt für Nutzer: innen häufig intransparent. 11.3 Politische Kommunikation Die politische Kommunikation im Internet umfasst unterschiedliche Berei‐ che wie die Selbstdarstellung von Parteien, Politiker: innen oder Diskussio‐ nen zu politischen Themen. Als Besonderheit der politischen Kommunika‐ tion im Internet gelten: ● Popularisierung, ● Personalisierung, ● Polarisierung, ● kommunikative Prozesse (von Gehlen 2021, 53 ff.). 179 11.2 PR <?page no="180"?> Ein Schwerpunkt der visuellen Kommunikation bildet die Verbreitung von Memen, etwa durch Rechtspopulisten (vgl. von Gehlen 2021, 49 ff.). Zu den parodistischen Erscheinungsformen von Memen zählen von den ursprünglichen Kontexten losgelöste LipSyncs, die etwa Gestik, Mimik und die Inhalte der Reden des Ex-Präsidenten Trump zum Gegenstand haben. Als weitere nichtsprachliche Form der politischen Kommunikationen werden Flashmobs als politische Demonstrationen in sozialen Medien organisiert und dokumentiert. Gut zu wissen | Die Macht der sozialen Medien Sozialen Medien wird in unterschiedlichen Studien ein großer Ein‐ fluss auf politische Wahlkämpfe zugesprochen (vgl. Schmid, Stock, Walter 2018). So konnten Nutzer: innendaten von sozialen Medien von Cambridge Analytica für die Individualisierung von politischer Werbung instrumentalisiert werden. Im Anschluss an analoge Medien avancieren soziale Medien auf diese Weise zu einflussreichen Akteuren gesellschaftlicher Machtkonstellationen. Literaturverzeichnis Adlmaier-Herbst, Dieter Georg (2020): Digital Brand Storytelling - Geschichten am digitalen Lagerfeuer? In: Dänzler, Stefanie/ Heun, Thomas (Hrsg.). Marke und digitale Medien. Der Wandel des Marketingkonzepts im 21. Jahrhundert. Wiesbaden: Springer VS, S. 243-260. Bauer, Christian Alexander (2011): User Generated Content. 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Frankfurt am Main/ New York: Campus Verlag. 181 11.3 Politische Kommunikation <?page no="183"?> 12 Nutzungs- und Wirkungspotenziale des Internets Zu den zentralen Grundlagen der in vielen wissenschaftlichen Teildiszipli‐ nen angesiedelten Internetforschung zählen Zusammenhänge zwischen der technischen Basisstruktur bzw. der Angebotskomplexität des Internets und Erscheinungsformen der individuellen Nutzung sowie der gesellschaft‐ lichen, kulturellen und sozialen Bedeutung. Traditionelle Unterscheidungen zwischen Wirklichkeit und Medienwirklichkeit münden in die Digitalisie‐ rung der Lebenswelt. Das Internet entwickelte sich zur Grundlage einer digitalen Parallelwelt, einer Extrawelt (vgl. Baricco 2019), die immer stärker mit der analogen Welt verschmilzt. So zeigen sich auch Veränderungen eta‐ blierter Gesellschaftsformen und sozialer Hierarchien. Individuelle Nutzung und gesellschaftliche Wirkung sind eng verschränkt. Kurz und bündig | Nutzungspotentiale des Internets Mit der Erweiterung seiner Inhalte und Nutzungsmöglichkeiten löste sich das Internet von der traditionellen Medienfunktion der Vermittlung und wurde zum integralen Bestandteil der menschlichen Lebenswelt. In Erweiterung des bisherigen medialen Angebots- und Funktionsspekt‐ rums steht das Internet nun für scheinbar jedes Interesse und jede Wunschkonstellation zur Verfügung. Bezeichnungen wie Dienste erfas‐ sen den Aspekt der Virtualisierung unterschiedlicher Aktivitäten wie etwa Verwaltungsabläufe und Konsumvorgänge durch das Internet. Bei vielen Publikationen zu Aspekten von Wirkung und Nutzung des Internets lassen sich polare Strukturen der Beschreibung von Möglichkei‐ ten und negativen Auswirkungen beobachten. Information und Desinfor‐ mation, Communitybildung und Filterblasen, Kommunikationsraum und Hatespeech, Demokratisierung und Krise der demokratischen Partizipation. Die ursprüngliche Diagnose Digital Divide mündet in vielfältige Formen gesellschaftlicher Ungleichheit. <?page no="184"?> 12.1 Veränderungen der Netznutzung Empirische Studien und ihre Kategorisierungsversuche erfassen Verän‐ derungen der Netznutzung. Bei der ersten Repräsentativerhebung der ARD-Onlinestudie 1997 nutzten bundesweit erst 6,5 Prozent der Erwach‐ senen das Internet (Projektgruppe ARD/ ZDF-Multimedia 2007, 2). Der damalige „‚Internet-Pionier‘ war 20 bis 39 Jahre alt, berufstätig und formal hoch gebildet. Er nutzte das Internet stark zweck- und wenig unterhaltungsorientiert. Für ihn war es primär ein Instrument, das Kommunikation und Informationsbeschaffung extrem erleichterte“ (ebd.). Vor der Einführung sozialer Medien suchte die Gruppe der „Informations‐ manager*innen“ schnell und gezielt Informationen in Datenbanken, legte keinen Wert auf unterhaltende Elemente und lehnte Werbung ab. Auch „zeitknappe Nutzer*innen“ waren an maßgeschneiderter Fachinformation, schnellem Zugang zu Wissen sowie an akkuraten und ihren Interessen angepassten Resultaten interessiert. Häufig junge „PC Freaks“ suchten nach interaktiver Unterhaltung und Abenteuern (Chat, News, Spiele, MUDs). „Unterhaltungsorientierte“ erwarteten „medienreiche“, „multimediale“ In‐ halte (vgl. Riefler 1997, 56). Schon im Jahr 2006 waren 60 Prozent der Nutzer: innen ab 14 Jahren online, „eine in der Geschichte der Medien beispiellose Wachstumsdynamik“ (Projektgruppe ARD/ ZDF-Multimedia 2006, 1). Es sei ein gesellschaftlicher Druck erkennbar, der in der Furcht resultiere, ohne Internet von wichtigen Entwicklungen ausgeschlossen zu sein (ebd., 3). Diese Befürchtung bilde auch eines der zentralen Motive für die Internetnutzung der als Silver Surfer: innen bezeichneten Senior: innen (ebd., 4). Ihr Interesse gelte jedoch vor allem zielgruppenspezifischen Angeboten wie Ratgeber- und Frei‐ zeitinformationen, Senior: innennetzwerken, Gesundheitsseiten. Bei allen Nutzer: innen sei eine Tendenz zur Habitualisierung erkennbar, so etwa in der Nutzung von „Lieblings-Websites“ (ebd., 10). Kommunikationswissenschaftler: innen differenzierten seitdem anhand zahlreicher empirischer Studien immer wieder zwischen verschiedenen Nutzungstypen. Grundlegend waren dabei Unterscheidungen wie etwa zwischen aktiv-dynamischen und selektiv-zurückhaltenden Nutzer: innen (ebd., 12). Bezeichnungen wie junge Hyperaktive und Flaneur: innen, E-Con‐ sumer: innen, routinierte Infonutzer: innen, eher vorsichtig agierende Se‐ 184 12 Nutzungs- und Wirkungspotenziale des Internets <?page no="185"?> lektivnutzer: innen und Randnutzer: innen stehen exemplarisch für Grup‐ penbildungen (vgl. ebd., 12 f.). Angebotsinteressen bilden die Grundlage für Typologien wie Chatter: innen, Spieler: innen, Informationsjunkies oder Shopper: innen. Eigene Studien erfassen regelmäßig das Informationsverhal‐ ten (vgl. Reuters Studien). Die Jahrtausendwende markiert den Beginn der vorrangigen Nutzung internetspezifischer Angebote wie Onlineshopping oder Kontaktbörsen. Gleichzeitig etablierte sich das Internet im Zentrum des Mediensystems. Das Internet als All-in-One-Medium kann etwa bei Jugendlichen zu einem Rückgang der Nutzung des traditionellen Fernsehens führen (vgl. ARD ZDF Online Studien): „Insgesamt nutzen Jugendliche das Internet in vielen Bereichen intensiver als alle anderen Onliner: Kommunikation und Austausch mit anderen, Computerspiele, Nutzung von Audio- und Videofiles ebenso wie Radio- und TV-Sendungen im Livestream“ (Projektgruppe ARD/ ZDF-Multimedia 2006). In der Nutzung bilden sich verschiedene Medienrepertoires heraus (vgl. Hasebrink, Domeyer 2012). Mit der Einführung sozialer Medien etablierte sich das Internet nicht nur als Zentrum der Gesellschaft, der Ökonomie, des Mediensystems, sondern auch der Lebenswelt der Nutzer: innen. Da‐ bei bestimmen Profile der sozialen Medien, die aus ihnen resultierende Angebotsvielfalt und Kommunikationsmöglichkeiten auch Nutzungs- und Wirkungsformen. Soziale Medien sind für viele Nutzer: innen integraler Be‐ standteil ihres Lebens. Netzspezifische interaktive Formen des Alltagslebens werden von Unternehmen wie Facebook mit ökonomischer Vermarktung verknüpft. Gut zu wissen | Partizipation Die Partizipation gilt als Kernkonzept veränderter Medienpraktiken in sozialen Medien (vgl. Schäfer 2011). Aus dem traditionellen Publi‐ kum seien aktive Teilnehmer: innen und Produzent: innen kultureller und medialer Angebote geworden (vgl. Schäfer 2011, 9). Jenseits der Produktionskanäle konventioneller Industrien kreieren Nutzer: innen ihre eigenen Medientexte, zum Beispiel fiktionale Texte, Videos, Radio Programme, Musik, Software und Ähnliches, und verbreiten sie im Internet (ebd., 11). 185 12.1 Veränderungen der Netznutzung <?page no="186"?> Doch bleiben neben der Partizipation auch traditionelle Formen der Medi‐ ennutzung erhalten, „weil Menschen eben nicht immer ihre eigenen Programmdirektoren und Search Agents sein wollen; weil Menschen sich gerne auf das verlassen, was ihnen als verlässlich bekannt und damit für sie glaubwürdig ist; Menschen brauchen Hilfestellung durch Medien, um die Komplexität ihrer Lebenswelt reduzieren zu können; Menschen wollen miteinander über Dinge reden und können das nur, wenn sie gemeinsame Themen haben und gemeinsame Erlebnisse diskutieren können“ (Meckel 2007, 24). 12.2 We the Media - individuelle Medienproduktion im Internet Soziale Medien wie etwa Facebook kennzeichnen vielfältige Formen der Vernetzung durch Profile und visuelle Selbstdarstellung. YouTube wirbt mit dem Slogan „Broadcast Yourself“ und bringt mit den Videoclips seiner Produser: innen immer wieder Laienstars hervor: „Ein Heer von Freizeitforschern und Hobbyjournalisten, von Amateurfotografen, Nachwuchsfilmern und Feierabendmoderatoren hat das World Wide Web als Po‐ dium erobert. Das Internet ist zu einem bunten, chaotischen Mitmach-Marktplatz geworden, auf dem jeder nach Laune im Publikum sitzen oder die Bühne bespielen kann. Ein wahres Welt-Theater, dessen Konsequenzen noch gar nicht abschätzbar sind“ (Hornig 2006, 62). Mit diesem Erfolg interaktiver Angebote etablierte sich das Internet als eigenständiger virtueller Lebens- und Interaktionsraum. Angebote wie Google Earth präsentieren Abbilder realer Welträume und erfüllen so traditionelle Ideale der umfassenden medialen Weltvermittlung. Aus Sicht des Soziologen Pierre Bourdieu stellen Medien Unterscheidun‐ gen für die Bildung gesellschaftlicher Hierarchien durch Mediennutzung bereit (Bourdieu 1998). Einen ähnlichen Ansatz vertritt Georg Franck in seinem Modell der Aufmerksamkeitsökonomie: Nicht mehr das Einkom‐ men sei Grundlage der gesellschaftlichen Hierarchiebildung, sondern die mediale Aufmerksamkeit, die einer Person zukommt (Franck 1998). 186 12 Nutzungs- und Wirkungspotenziale des Internets <?page no="187"?> Gut zu wissen | Produsage Nun bieten sich im Internet u. a. in Communitys und Videoplattformen vielfältige Möglichkeiten der Medienpräsenz und Produktion eigener Inhalte an, die andere Medien durch diverse Kontrollinstanzen wie etwa Redaktionen erschweren. Begriffe wie Produsage (Bruns 2008) erfassen diese Veränderung der traditionellen Rezeption hin zur Produktion eigener Inhalte. Als Form der subjektiven Medienkritik reproduzieren Nutzer: innen Fernsehinhalte und verbreiten parodistische Formen der Medienkritik in sozialen Medien. Ein Vorbild der wachsenden Bedeutung des sogenannten User Generated Content bildet in traditionellen Medien wie dem Fernsehen die Präsenz nicht prominenter Akteur: innen in unterschiedlichen Reality-Formaten. Mit der ersten Staffel von „Big Brother“ (RTL II 2000) bot das Fernsehen nichtprominenten Menschen eine Plattform für ihre Selbstdarstellung und nutzte die Webcam-Ästhetik des Internets. Formate des Reality-TV ähneln in ihrer Präsentation von Alltagssituationen der Selbstinszenierung in sozialen Medien wie Instagram. Parallel zu dieser Integration des Alltags in die traditionellen Medien werden immer mehr Bereiche des menschlichen Alltags im Internet medialisiert. Onlineshopping, -partner: innensuche oder -spiele sind exemplarische Beispiele für die Virtualisierung von Alltagsak‐ tivitäten und -beziehungen. Innerhalb der bestehenden Angebotsvielfalt des User Generated Content tritt an die Seite des klassischen Journalismus der Citizen Journalism durch Menschen ohne journalistische Ausbildung, „die einfach schreiben, was ihnen wichtig ist. […] Bei größeren Ereignissen im Weltgeschehen spielt der Citizen Journalism eine Rolle, die auch auf die traditionellen Medien rückwirkt“ (Meckel 2007, 24). „Peer Production“ (ebd.) als demokratische Form der Inhaltsproduktion folge den Gesetzmäßigkeiten der Partizipation („Jeder kann sich an allen Kommunikationsprozessen beteiligen“), der emergenten Vernetzung („Jeder verändert mit seinem Beitrag Inhalt und Qualität des gesamten Angebots“) und der Transparenz („Jeder Beitrag kann diskutiert werden, in seinen Einzelteilen überprüft, bestätigt oder in Frage gestellt werden“) (ebd.). Citizen Journalists betonen den Reflexionscharakter kollektiver Angebote: Traditionelle Wege der Sammlung und Verbreitung von Nachrichten fallen schnell hinter das neue Paradigma zurück. „Wir glauben Nachrichten sind etwas, das von Menschen gemacht wird, denen 187 12.2 We the Media - individuelle Medienproduktion im Internet <?page no="188"?> es erlaubt ist, gemeinsam zu denken. Nachrichten sind eine Form des kollektiven Denkens“ (Ohmy News, zitiert nach Meckel 2007, 25). 12.3 Erscheinungsformen der virtuellen Identitätskonstruktion Das Internet erweitert bisherige Formen medialer Kommunikation hin zu vielfältigen offenen Formen, in denen Nutzer: innen beispielsweise in Onlinespielen einen virtuellen Avatarkörper konstruieren und auf diese Weise mit Identitäten experimentieren. Gut zu wissen | Working Self-Concept Das sogenannte Working Self-Concept (Markus, Wurf 1987) geht von ei‐ ner aktiven und sich verändernden Identitätskonstruktion aus, die auch die Mediennutzung einbezieht. Spielerische Formen der Identitätskon‐ struktion basieren auf der interaktiven Nutzung und der Anonymität der Kommunikationspartner: innen (Turkle 1995). Chats, Blogs und soziale Medien sind Instrumente des Identitätsmanagements (Schmidt 2006) oder fungieren als Bühne wechselnder Identitätsdarstellungen. Die Anonymität der Kommunikation ist ein Teilelement verschiedener Formen von Identitätsbildung. Anonymisierung lässt sich etwa durch die Wahl von Nicknames als Spitznamen selbst herstellen. Sie sind gleichzeitig ein zentrales Element der Selbstinszenierung von Identitäten in sozialen Medien. Als posthumane Akteur: innen agieren und kommunizieren Bots, Trolle und Influencer: innen-Avatare als virtuelle Identitäten. 12.4 Aspekte der Wirkung: Das Internet als Öffentlichkeitsraum der digitalen Gesellschaft? Wissenschaftler: innen diagnostizieren explizite und implizite Einflüsse des Internets auf gesellschaftliche Ordnungsmodelle. So weichen in der Akteurs-Netzwerk-Theorie (kurz ANT) des französischen Soziologen Bruno Latour eher hierarchische Modelle gesellschaftlicher Strukturen 188 12 Nutzungs- und Wirkungspotenziale des Internets <?page no="189"?> offenen Netzwerkmodellen mit verschiedenen Teilöffentlichkeiten. Begriffe wie Fluid Social Networks (Castells) erfassen flexible Strukturbildungen. Öffentlichkeit bildet einen Kommunikationsraum, in dem wichtige Be‐ lange einer Gesellschaft diskutiert werden. Als Instanzen der kommuni‐ kativen Verbindung von gesellschaftlichen Teilöffentlichkeiten fungieren traditionell Massenmedien. Sie setzen sich mit Themen von allgemeinem öffentlichem Interesse auseinander und fungieren dabei gleichermaßen als Ausdruck und Konstituenten der öffentlichen Meinung. „Das Medium ist die öffentliche Meinung selbst“ (Luhmann 1981, 171). Konsequenterweise wird das Internet als „Öffentlichkeitsraum der digita‐ len Gesellschaft“ (Schnell 2000, 271) bezeichnet. Dieser Öffentlichkeitsraum unterteilt sich in eine Vielzahl von Teilöffentlichkeiten, zu denen etwa die Gruppen sozialer Medien und andere Sozialgemeinschaften zählen. Nutzer: innen bilden u. a. auf Basis gemeinsamer Interessen länderüber‐ greifende unabhängige Sozialgemeinschaften, die sogenannten Virtual Communitys, die sich in geografische, demografische, themen- und bran‐ chenorientierte Gemeinschaften ausdifferenzieren (Fritz 2001, 155). Doch führt die wachsende Vielfalt virtueller Gemeinschaften zu einem Zerfall der Öffentlichkeit in verschiedene Teilöffentlichkeiten und somit zum potenzi‐ ellen Verlust eines einheitlichen öffentlichen Kommunikationsraums in der Gesellschaft. Das traditionelle Verständnis der gesellschaftlichen Öffentlichkeit „als die kollektiv wahrnehmbare Sphäre des Austausches von Informationen und der wechselseitigen Bezugnahme zu Themen von gesellschaftlicher Relevanz“ (Schmidt 2020, 8) und auch die Demokratie seien in modernen Ge‐ sellschaften untrennbar mit medialer Kommunikation verbunden (vgl. ebd.). Schmidt konstatiert das Entstehen eines neuartigen Typs von Öffentlichkeit, „den man als ‚persönliche Öffentlichkeit‘ bezeichnen kann“ (Schmidt 2012, 218). Er unterscheide sich in dreierlei Hinsicht von journalistisch hergestell‐ ten massenmedialen Öffentlichkeiten: durch die persönliche Relevanz der Auswahl von Informationen, ein Publikum, das aus sozialen Kontakten bestehe, und dem Modus des ‚Konversation-Betreibens‘ (Schmidt 2012, 219). Gezielte Desinformation etwa in Form von Fake News oder Verschwö‐ rungsmythen gilt als Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Demokratie (vgl. Benkler, Faris, Roberts 2018). Propagandistische, antidemokratische Bewegungen versuchen in Sozialen Medien und Messen‐ gerdiensten wie Telegram durch gezielte Fake News wie etwa kriminelle Aktivitäten von Flüchtlingen die Demokratiefeindlichkeit der Bevölkerung 189 12.4 Aspekte der Wirkung: Das Internet als Öffentlichkeitsraum der digitalen Gesellschaft? <?page no="190"?> zu fördern. Verschwörungsmythen und Fake News sind eng mit Hate‐ speech verknüpft (vgl. Böll Stiftung 2021). 12.5 Politische Wirkungspotenziale Das Internet galt bereits in der Frühphase seiner Entwicklung als politisches Gut, das wichtige Funktionen für die demokratische Entwicklung von Ge‐ sellschaften übernehmen könne (vgl. Introna, Nissenbaum 2000). So könne das Internet u. a. das Habermas’sche Ideal des herrschaftsfreien Diskurses verwirklichen. Diesem utopischen Ideal standen die weiteren Struktur- und Angebotsentwicklungen des Internets entgegen. Beispielsweise führten Selektions- und Sortierkriterien der Suchmaschinen zur Bevorzugung bestimmter Inhalte. Damit unterstützten sie bestehende Hierarchiestruktu‐ ren und gefährdeten bestehende Demokratisierungsideale (vgl. Röhle 2009). Gegenpositionen betonen die demokratisierenden Effekte von Such‐ maschinen, einerseits durch das zufällige Auffinden von Informationen, die das eigene Weltbild infrage stellen, andererseits durch die Möglichkeit, dass gebündelte Informationen zu politischen Themen leicht gefunden werden können (vgl. Röhle 2009, 27). Sozialen Medien wird ein Einfluss auf politische Meinungsbildung etwa im US-Wahlkampf von Barack Obama zugesprochen (vgl. Zuboff 2018). Sie gelten aber auch als Instrumente demokratiefeindlicher Bewegungen (vgl. Levitsky, Ziblatt 2018). Gut zu wissen | E-Democracy Politikwissenschaftliche Begriffe wie digitale Demokratie oder E-De‐ mocracy beschreiben den Einfluss des Internets auf eine größere Transparenz politischer Entscheidungsprozesse und die Mobilisierung gesellschaftlicher Strukturen (Leggewie, Maar 1998). Durch Formen der interaktiven Mitwirkung an Diskussionen oder Entscheidungen können soziale Medien die gesellschaftliche Demokratisierung verbessern (Fei‐ ler 2013). Bisherige Beschränkungen der Teilnahme an politischen Diskursen sind potenziell aufgehoben, da alle Nutzer: innen im Internet auch zur Urheber: in‐ nen eigener politischer Botschaften werden können. Soziale Medien ermög‐ 190 12 Nutzungs- und Wirkungspotenziale des Internets <?page no="191"?> lichen teilöffentliche Debatten und diskursive Formen der Meinungsbildung (vgl. Palm 2004, 166). Flashmobs als in sozialen Medien organisierte flexible Teilöffentlichkei‐ ten besitzen revolutionäre Potenziale (Rheingold 2003). Videos der Teilneh‐ mer: innen dienen der Dokumentation von Demonstrationen und Polizeiein‐ sätzen und schaffen eine politische Gegenöffentlichkeit zur allgemeinen medialen Berichterstattung im Internet (vgl. Gleich 2002, 237). 12.6 Veränderungen von Mediensystemen Mediensysteme fungieren als Produzenten und Steuerungsinstanzen der ge‐ sellschaftlichen Kommunikation. Im Verlauf seiner bisherigen Entwicklung festigte das Internet im bestehenden Medienensemble zunächst seine Posi‐ tion als zusätzliche Plattform für vorhandene Inhalte, ergänzte diese durch eigene Angebote und bietet nun auch vielfältige Verbreitungsmöglichkeiten für von den Nutzer: innen selbst produzierte Inhalte. Dies führt zu Funktionsverschiebungen innerhalb des Mediensystems: Das Internet etablierte sich schrittweise in unterschiedlichen Bereichen wie der aktuellen Informations- und Wissensvermittlung sowie der interaktiven Film- und Unterhaltungsangebote, während sich Hörfunk und Fernsehen in ihren Kernkompetenzen als Unterhaltungsmedien und die Printmedien im Bereich der tagesaktuellen Information behaupteten. Seit den 1990er-Jahren lösen in der durch internationale Konzentrations‐ bildung entstandenen Globalisierung der Medienkonzerne ökonomische Planungsfaktoren schrittweise traditionelle, regional begrenzte, publizisti‐ sche Zielsetzungen ab (vgl. Jarren, Meier 2001). Das Kerngeschäft der Medienindustrie konzentriere sich „auf die systematische Vermarktung von Erlebnissen und Erfahrungen (entertainment and experience economy)“ ( Jarren, Meier 2001, 154). Sendungsformate wie „Deutschland sucht den Superstar“ werden in unterschiedlichen Unternehmensbereichen vermark‐ tet (siehe Köhler, Hess 2004, 30-37) und die Lizenzen auf globalen Märk‐ ten in unterschiedliche Medienkulturen verkauft. Als Alternativen zu diesen traditionellen Vermarktungsformen medialer Unterhaltungsange‐ bote entstanden im Internet mit Tauschbörsen wie „Napster“ nutzer: innen‐ orientierte Verbreitungswege. Unternehmen der Unterhaltungsindustrie integrierten diese Tauschbörsen in ihre Vermarktungsketten (vgl. Ren‐ ner 2004, 151). 191 12.6 Veränderungen von Mediensystemen <?page no="192"?> Da die Auffindbarkeit der Angebote die entscheidende Grundlage für ihre Vermarktung ist, bilden Suchmaschinen eine zentrale Rolle in der Aufmerksamkeitsökonomie. Es entstand ein eigener Geschäftsbereich des Verkaufs von Listenplätzen und der gezielt an den individuellen Nutzer: in‐ neninteressen ausgerichteten Werbeanzeigen. Gut zu wissen | Crossmedia Funktionsverschiebungen machten sich auch in Wechselwirkungen von Angeboten der Einzelmedien bemerkbar. Der Begriff Cross-Me‐ dia-Promotion beschreibt die Strategie von Medienkonzernen, die Me‐ diennutzung zwischen ihren unterschiedlichen Produktbereichen zu transferieren. So bilden Artikel der Kernmarke „Spiegel“ die Grundlage der weiteren Verwertung in „Spiegel Online“, „Spiegel TV“ und schließ‐ lich als „Spiegel“-Buch. Im Rahmen dieser Crossmedialisierung sind medienübergreifende Verschränkungen von Formen, Inhalten und ihrer Wirkung erkennbar. Wechselwirkungen mit dem Internet verändern insbesondere die Fernseh‐ landschaft. Bisherige Aufteilungen in offene und geschlossene Systeme wie beim Free- und Pay-TV setzen sich mit der Unterscheidung zwischen IPTV und Web-TV fort (Breunig 2007, 490). Das Web-TV-Angebot umfasst u. a. Lokalsender, Stadt-TV-Sender, eigene Sender von Institutionen, Universi‐ täten, Kirchen, Vereinen (etwa Fußballvereinen), Automobilunternehmen, Verlagen und Nachrichtenagenturen. Grid TV fungierte als Anbieter von Fernsehsendenetzen für Web-TV-Angebote (Breunig 2007, 484). IPTV (Inter‐ net Protocol TeleVision) gilt als „die digitale auf dem Internetprotokoll basierende Übertragung von audiovisu‐ ellen Inhalten auf das Fernsehgerät […]. Im Gegensatz zu Web-TV im offenen Internet wird IPTV über von Netzbetreibern kontrollierte geschlossene IP-Netze angeboten“ (Breunig 2007, 478). Die sogenannte Walled-Garden-Strategie sieht als Finanzierungsform den Empfang nur für Abonnent: innen vor (vgl. Breunig 2007, 479). Die wichtigsten IPTV-Anbieter in Deutschland sind gleichzeitig auch Kabelnetz‐ betreiber, wie etwa die Telekom, die mit Triple-Pay-Paketen sowohl Telefon, Fernsehen als auch Internet anbieten. Quad-Play-Angebote integrieren auch Smartphones. Die Anbieter kombinieren in ihren IPTV-Angeboten aus 192 12 Nutzungs- und Wirkungspotenziale des Internets <?page no="193"?> dem Bereich des digitalen Fernsehens bekannte Senderbouquets mit der Video-on-Demand-Nutzung. Auch öffentlich-rechtliche Sendeanstalten wie ARD und ZDF stellen den Netzbetreiber: innen ihre digitalen Sender zur Ver‐ fügung. Web-TV und IPTV tragen zur Ausdifferenzierung der bestehenden Senderlandschaft des Fernsehens bei. Video-Stream-Plattformen wie Netflix reduzierten - u. a. durch verbesserte Produktions- und Distributionstech‐ niken, Angebote und flexible Nutzungsmöglichkeiten - schrittweise den Einfluss des IPTV. Um sich attraktive Inhalte zu sichern, kaufte Netflix 2010 für ca. eine Milliarde US-Dollar die Rechte am Onlinevertrieb von Filmen großer US-Filmstudios. Es folgte eine Ausdifferenzierung der Akteure und ihrer Angebote. Mit dem Ziel, das Monopol von Netflix zu durchbrechen, engagiert sich seit 2013 auch das Onlineversandunternehmen Amazon im Bereich serieller Eigenproduktionen. Gleichzeitig zeigt sich im Bereich der Nutzung eine Generationengap. Während viele Jugendliche fast ausschließ‐ lich Video-Stream-Plattformen nutzen, bleiben ältere Menschen in der traditionellen Fernsehnutzung verhaftet (siehe dazu Daten der wechselnden ARD ZDF Online Studien). 12.7 Das Internet als Medium der Wissensgesellschaft Seit der Frühphase technischer Netzentwicklungen zeichneten sich die besonderen Funktionspotenziale des Internets für die Generierung und Verbreitung von Wissen ab. So erwies sich die Hypertextstruktur als ideal für die thematische Vernetzung unterschiedlicher Publikationen. In der Weiterentwicklung sozialer Medien wuchs die Bedeutung kooperativer Produktion von Wissensbeständen. Bereits in den ersten fünf Jahren nach der Gründung von Wikipedia 2001 stieg die Zahl der englischsprachigen Artikel auf über eine Millionen Bei‐ träge (vgl. Hornig 2006, 61). Die gemeinsame Reflexion bildet die Grundlage des neuen Modells der „Weisheit der Masse“ (Surowiecki 2005). Die sozialwissenschaftliche Forschung konstatierte enge Wechselwirkun‐ gen zwischen ökonomischen Rahmenbedingungen, dem Medienwandel und den Entwicklungen der Wissensgesellschaft. Diagnostiziert werden drei zentrale Entwicklungen ökonomischer und gesellschaftlicher Veränderun‐ gen: „Wissen und Information werden zum Treiber des gesellschaftlichen und ökonomischen Fortschritts, der Wertschöpfungsanteil des Dienstleistungs‐ 193 12.7 Das Internet als Medium der Wissensgesellschaft <?page no="194"?> sektors weitet sich zu Lasten des industriellen und landwirtschaftlichen Sektors aus, es entsteht eine neue Berufsgruppe, deren Teilnehmer sich durch die Tätigkeit in wissensbasierten Industrien auszeichnen.“ (Bell 1975, 32 f., zitiert nach Holtrop, Döpfner, Wirtz 2003, 9) Ökonomie, Technik und die Vernetzung von Informations- und Wis‐ sensbeständen bilden die Grundlage neuer Gesellschaftsmodelle, die mit Begriffsbildungen wie Google-Gesellschaft charakterisiert werden. Spra‐ chen Soziolog: innen angesichts der wachsenden Bedeutung des Rundfunks in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts von einer Informations‐ gesellschaft, so bilden Angebote wie Suchmaschinen, Datenbanken oder partizipatorisch produzierte Onlinelexika wie Wikipedia Grundlagen für Diagnosen des Übergangs von der Informationsin die Wissensgesellschaft. Gut zu wissen | Informationsgesellschaft Die Informationsgesellschaft sei u. a. gekennzeichnet durch den fast unbegrenzten Zugang ihrer Mitglieder zu Informationen und Wissens‐ beständen aller Art. Der Besitz von Informationen sei immer weniger ein Privileg einzelner, etwa der Führung eines Unternehmens oder einer politischen Institution. Das neue Zeitalter demokratisiere somit den Zugang zu Informationen und Wissen. Im Prinzip könnte das ge‐ samte Wissen der Menschheit über das Internet jedermann zugänglich gemacht werden. In dem Maße, in dem dieses Wissen genutzt werde, wandle sich die Informationszur Wissensgesellschaft (Fritz 2001, 58). Wissenschaftler: innen weisen dem Bereich des elektronischen Wissenser‐ werbs, dem E-Learning, eine wachsende Bedeutung zu und verweisen dabei auf die vielfältigen Potenziale der Hybridisierung von Spiel- und Wirk‐ lichkeitsaneignung in Simulationen (Palm 2004, 130-140). Diese Potenziale resultieren aus Sicht von Norbert Bolz auch in einem Bedeutungsverlust tra‐ ditioneller Autoritäten wie etwa Wissenschaftler: innen oder Journalist: in‐ nen (Bolz 2006, 69) zugunsten der Weisheit der Massen (Surowiecki 2005) als Endergebnis der Vernetzung von Wissensbeständen und Reflexionen. 194 12 Nutzungs- und Wirkungspotenziale des Internets <?page no="195"?> 12.8 Ökonomische Veränderungen Gut zu wissen | New Economy Das Internet gilt als Grundlage neuer Wirtschaftsformen, die zunächst mit Begriffen wie New Economy beschrieben wurden. Die globale Vernetzung bildet die Grundlage neuer Märkte, in denen kaum Zu‐ gangsbarrieren existieren und unabhängig von Zeit- und Raumgrenzen produziert und konsumiert werden kann. Gerade die Unternehmen aus dem Bereich sozialer Medien sind mit Konzepten der globalen Kommunikation erfolgreich. Global agierende Konzerne passen ihre Geschäftsmodelle bestehenden langjährigen Erfahrungen im Bereich internationaler Beteiligungen und Produktvermarktung an. Das Internet ist nicht nur zentrales Mittel der Unternehmenskommunikation in der wirtschaftlichen Globalisierung, es fungiert auch als Quelle für Informationen aus dem Privatleben potenzieller Kund: innen. In sozialen Medien lassen sich mehr Daten über die Nutzer: in‐ nenprofile von Kund: innen erheben, als es bislang möglich war. Daten über Konsumgewohnheiten ermöglichen eine individuelle Adressierung der Per‐ suasionskommunikation. Der Verzicht auf das Grundrecht auf Privatheit gilt als Preis für die kostenlose Nutzung sozialer Medien (vgl. Zuboff 2018, 72). 12.9 Digitale Kultur Gut zu wissen | Digitale Kultur Das Internet realisiert bisherige kulturhistorische Modelle virtueller Welten (vgl. Palm 2004, 12 ff.; Burckhardt 2018). Die digitale Kultur basiert auf der Fusion unterschiedlicher Medien und Kulturbereiche auf Grundlage einer einheitlichen digitalen Speicherung. Ein Kennzeichen der digitalen Kultur ist die Auflösung bisheriger Zeichen-Referenz-Sys‐ teme. Durch die digitale Konstruktion der Zeichen gehen traditionelle Abbildfunk‐ tionen verloren, es kommt zum freien Spiel möglicher Bedeutungen und 195 12.8 Ökonomische Veränderungen <?page no="196"?> Realitätsbezüge. So verzichten Machinima-Filme auf Schauspieler: innen und reale Settings zugunsten von Avataren und den Bildwelten etablierter Onlinespiele. Das Internet bildet als technische Infrastruktur, aber auch als Lebensraum, die Grundlage der digitalen Kultur. Sie ist gekennzeichnet durch: ● Globalisierung, ● Verschiebungen von Hierarchien, ● neuen Akteurskonstellationen, ● Flexibilisierung von Inhalten und Darstellungsformen, ● Partizipation, ● Vernetzung, ● Zirkulation. Gut zu wissen | Mashup-Ästhetik Bezeichnungen wie Mashup, Palimpsest oder Found Footage erfassen unterschiedliche Formen des kreativen Umgangs mit bestehendem Bild- oder Textmaterial. Der traditionell zentrale Charakter des Originals geht in der Vielzahl kreativer Modifikationen und zirkulärer Distribu‐ tion verloren. Die Zirkulation als spezifische Verbreitung bestehender Inhalte und Formen im Internet erfolgt u. a. in sozialen Medien. Die auf der Verwandlung der Welt in Daten basierende Immaterialität gilt als weiteres grundlegendes Kennzeichen der digitalen Kultur (vgl. Ba‐ ricco 2019). Der Philosoph Allessandro Baricco veranschaulicht dies u. a. an der historischen Entwicklung von Spielen (Brettspiele, Flipper, Videospiele), die sich schrittweise immaterialisiere. Dies gelte auch für andere Bereiche wie etwa die Nutzung unterschiedlicher Dienste, für die bislang der Kontakt mit Menschen notwendig war. Generell bestimme das „Spielprinzip“ alle möglichen Bereiche der Internetnutzung. So werde in sozialen Medien der „Gewinn“ in Form von Likes angezeigt. Auch Onlineangebote im Bereich Bildung seien häufig als kleine Spieleinheiten konfiguriert. Das Internet schließt an bisherige Formen der Medialisierung von Kultur an. So lässt sich eine wachsende Vernetzung kultureller Ausdrucksformen beobachten. Das Theater verwendet Film- und Fernsehaufnahmen als Teil von Inszenierungen, die bildende Kunst bedient sich der Fernsehästhetik, Filme und Fernsehfilme wiederum nutzen literarische Stoffe. Onlinespiele 196 12 Nutzungs- und Wirkungspotenziale des Internets <?page no="197"?> bilden vielfältige Symbiosen aus Film, Fantasyliteratur und Computerspie‐ len (siehe dazu Kapitel 6). Als besonders typische Erscheinungsform grundlegender Veränderungen der Produktion gilt YouTube: Es sei symptomatisch für eine sich verän‐ dernde Medienumgebung, in der mit kultureller Produktion und Verbrauch verknüpfte Praktiken und Identitäten, kommerzielle und nichtkommerzielle Unternehmen, Professionalität und Amateur: innenkultur auf neue Weisen interagieren und konvergieren (Burgess, Green 2009, 9). William Uricchio betont, dass sich YouTube geschickt im Zentrum gesellschaftlicher und kultureller Bedeutung platziert habe (Uricchio 2009, 35). 12.10 Probleme der Globalisierung Mediale Funktionspotenziale sind eng mit Risiken, problematischen Ent‐ wicklungen und Wirkungen verbunden. Das Internet veränderte bestehende Gesellschaftsmodelle und Hierarchiebildungen unabhängig von Länder‐ grenzen. Die Vorstellung einer Weltgesellschaft manifestiert sich im Begriff Globalisierung. Kritiker: innen verweisen jedoch auf die Ausgrenzung weniger entwickelter Länder der Dritten Welt aus der globalen politischen und wirtschaftlichen Kommunikation durch den Mangel an notwendiger Infrastruktur, wie etwa leistungsfähigen Rechnern oder Datenleitungen. Es entstehen neue Hierarchien zwischen armen und reichen Ländern durch das Phänomen der sogenannten digitalen Spaltung, des Digital Divide. Die Diagnose der digitalen Spaltung bezieht sich auch auf Aspekte der Internetnutzung. In westlichen Gesellschaften bildet zunehmend Medien‐ kompetenz ein zentrales Kriterium sozialer Zugehörigkeit. Der kompetente Umgang mit medial vermittelten Informationsbeständen ist eine Grundlage beruflichen Erfolgs und damit eine Voraussetzung für gesellschaftlichen Aufstieg. Letztlich, so diagnostiziert die Digital-Divide-Theorie, teile sich die Gesellschaft in eine Informationselite, die das Internet als Lieferant von Informationen nutzen kann, und ein Informationsproletariat, das entweder nicht ans Internet angeschlossen ist oder Netzangebote nur als Unterhaltung nutzt. In diesem Modell wird die Nutzung medialer Wissenspotenziale zum maßgeblichen Kriterium der gesellschaftlichen Hierarchiebildung. 197 12.10 Probleme der Globalisierung <?page no="198"?> 12.11 Konflikt- und Problempotenziale des Internets Gut zu wissen | Hasskriminalität Im Internet organisierte Flashmobs, aber auch soziale Medien markie‐ ren vielfältige Überschneidungen zwischen virtueller und realer Welt. Hatespeech in sozialen Medien löste eine Reihe von Straftaten wie Attentate auf Politiker: innen aus. Dieses Phänomen erfasst der Begriff Hasskriminalität. Die globale Reichweite des Internets und die Identität der einzelnen Person bilden ein spannungsvolles Wechselverhältnis. Manuel Castells konstatiert als zentralen Konflikt: „Ich beschreibe den Gegensatz zwischen dem Netz und dem Ich. Auf der einen Seite gibt es das globale Netz auf der anderen Seite die lokale oder persönliche Identität. Diese Identitäten weigern sich einfach zu verschwinden. Sie bilden, im Namen von unterschiedlichen Werten, Widerlager - und zwar in dem Maße, wie diese Identitäten entwertet oder marginalisiert werden. Nach dem Motto: Wenn ich in deinem globalen kapitalistischen Netz keinen Platz habe, dann werde ich mein eigenes Netzwerk auf der Macht Gottes gründen“ (Castells 2009 54). Das Zusammenspiel aus religiöser und terroristischer Netzwerkbildung zählt zu einem der Gefahrenpotenziale des Internets (ebd.). Ein Rückblick in die bisherige Kultur- und Mediengeschichte zeigt die Kontinuität von Ängsten und Verdachtsmomenten. Die zentralen Motive und Argumentati‐ onsschwerpunkte kritischer Diskurse bilden: ● Wirklichkeitsverlust, ● Suchtverhalten, ● Manipulation durch Wirtschaft und Politik, ● Urheberrechtsverletzungen, ● der Handel mit Nutzer: innendaten, ● kriminelle Aktivitäten. Die Vernetzung von Texten, Bildern und Daten stellt Datenschutz und Urheberrecht vor besondere Herausforderungen. Die Interessen am Schutz des geistigen Eigentums stehen vielfältigen Nutzungsinteressen gegen‐ über. So wurde der „Digital Millenium Copyright Act“ (DMCA) für seine 198 12 Nutzungs- und Wirkungspotenziale des Internets <?page no="199"?> Nutzungsrestriktionen kritisiert (vgl. Palm 2004, 166). Hinsichtlich der Datensicherheit gab es bereits 2004 Hinweise darauf, dass Google mehr über Nutzer: innen wisse als diese „über die googleisierte Welt. Während wir noch suchen, hat Google längst gefunden, was die Welt im Innersten zusammenhält und entzweit: Uns“ (ebd., 172). Google selbst lehnt eine Regulierung seiner Unternehmensaktivitäten ab (vgl. Zuboff 2018). Deregulierungen ermöglichten u. a. in Großbritannien und den USA die Ausweitung des digitalen Kapitalismus bei gleichzeitig wachsender sozialer Ungleichheit. Ideologien wie der Neoliberalismus erklären diese Ungleichheit durch individuelle anstelle von gesellschaftlicher Verantwor‐ tung. Die digitale Ökonomie versprach, die Interessen der Individuen zu ver‐ treten, beraubte sie aber unterschiedlicher etablierter Grundrechte. Laut Soshana Zuboff (Zuboff 2018) erklärte Mark Zuckerberg 2010 das Ende des Rechts auf Privatheit. Ohne Genehmigung der Nutzer: innen informierte Beacon in Facebook-Posts über den aktuellen Erwerb von Produkten (vgl. Zuboff 2018, 67). Google wertete die Inhalte der über Google-Mail (Gmail) verbreiteten E-Mails aus und nutzte sie etwa für zielgerichtete Werbung. Durch Smarthomes wird KI in die Lebenswelt integriert, gleich‐ zeitig sammeln die Geräte Informationen über die Bewohner: innen (vgl. Zuboff 2018, 20 ff.). Vergleichbare Datensammlungen erfolgen nicht nur bei Unternehmen wie Amazon, sondern auch durch Smartphones und Smart-TVs. 12.12 Herausforderungen an die Medienethik Nicht nur die Komplexität und globale Reichweite des Internets bildet neue Herausforderungen an die Medienethik. Die Ausbreitung von Fake News, Verschwörungsmythen, Hatespeech und Cybermobbing löste einen Kontroll- und Regulierungsbedarf aus, der von Diskussionen möglicher ethischer Maßstäbe begleitet wird. Auch die zunehmende Bedrohung verschiedener Erscheinungsformen der Internetkriminalität wie Identitätsdiebstahl erhöhen die Kontrollan‐ forderungen. Erschwert wird die Strafverfolgung u. a. durch die Globali‐ sierung bisheriger Straftatbestände und Communitybildungen im Bereich organisierter Kriminalität, etwa durch Pädophilennetzwerke. 199 12.12 Herausforderungen an die Medienethik <?page no="200"?> 12.13 Onlinekriminalität Der Begriff Onlinekriminalität umfasst u. a. folgende Tatbestände: ● Cyberstalking: digitale Belästigung und Kontrolle, ● Betrug etwa durch Fake-Onlineshops, ● Drogenhandel, ● Organisierte Kriminalität, ● Heiratsschwindel (u. a. Kenia Connection), ● Erpressung via Spams, ● Datendiebstahl etwa via Spams, um an Bankdaten zu gelangen, ● Schleichwerbung im Bereich Onlineselbstdarstellung. Da eine globale Regulierung sich nicht juristisch durchsetzen ließ, obliegt die Kontrolle des Internets den unterschiedlichen Staaten, was etwa in China auch zur Ausweitung bestehender Zensurmaßnahmen führt. Aktuelle medienethischer Debatten befassen sich mit unterschiedlichen Aspekten der Künstlichen Intelligenz (KI) als Grundlage des Internets der Dinge: Auf welche Weise können KI-gesteuerte Geräte wie etwa elektroni‐ sche Fahrzeuge ethische Entscheidungen treffen? Lässt sich das Abhören privater Gespräche durch digitale Assistent: innen wie Alexa oder Smart-TVs verhindern? Bei den geschilderten Problemfeldern zeigen sich die Folgen der öko‐ nomischen Ausrichtung des Internet, eingeschränkte Regulierungsmög‐ lichkeiten und die Verknüpfung digitaler und analoger Phänomene wie Online- und Offlinehass. In ihrer Fragmentierung von Diskursräumen gelten Filterblasen als Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Technische Infrastruktur bestimmt die Kommunikationsmöglichkeiten. Die zentrale Rolle der KI in verschiedenen Bereichen des Internets erschwert die Transparenz und damit auch die Regulierung. Die sich in Begriffen wie Lügenpresse manifestierende wachsende medienkritische Haltung der Bevölkerung treten Diskurse zu Möglichkeiten und Formen der Medienregulierung entgegen. Politische und juristische Regulierungsansätze etwa in Europa legen ihre Schwerpunkte vor allem in den Bereichen Angebotskontrolle und Kontrolle der ökonomischen Mo‐ nopolbildung. Diese kennzeichnen beispielsweise die Ansätze der europäi‐ schen Regulierung. Hier bilden die Steigerung von Transparenz und die Bekämpfung von Diskriminierung Schwerpunkte der EU-Gesetzentwürfe. 200 12 Nutzungs- und Wirkungspotenziale des Internets <?page no="201"?> Unternehmen wie YouTube setzen auf automatisierte interne Regulierungs‐ verfahren. Literaturverzeichnis Baricco, Alessandro (2019): The game: Topographie unserer digitalen Welt. Ham‐ burg: Hoffmann und Campe. Bolz, Norbert (2006): „Exhibitionismus leichtgemacht“. In: Der Spiegel, Nr. 29 (17.07.2006), S. 68. Bourdieu, Pierre (1998): Über das Fernsehen. 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Es erweist sich als Katalysator gesellschaftlicher und kultureller Veränderungen, etwa im Bereich der Digitalisierung. Das In‐ ternet veränderte etablierte Kommunikationsformen und gesellschaftliche Diskursstrukturen u. a. auf der Basis neuer Akteur: innen und der flexiblen Modularisierung und Distribution von Inhalten. Die Übersicht der Angebotsschwerpunkte in diesem Band zeigte Wech‐ selwirkungen etablierter Medien mit den spezifischen Möglichkeiten des Internets. Insbesondere Grenzauflösungen etwa zwischen Broad- und Mic‐ rocasting, professionellen und non-professionellen Akteur: innen, Produk‐ tion und Rezeption, etablierten Genres, Inhalten und Werbung bildeten die Basis von Veränderungen. Die sozialen Medien kombinieren Massen- und Individualkommunika‐ tion (vgl. Hasebrink, Schmidt 2013, 9). So sind an der politischen Kommu‐ nikation in sozialen Medien nicht mehr nur professionelle Politiker: innen beteiligt, auch politische Aktivist: innen und Bürger: innen erhalten ein neues Forum. Die Produktions- und Distributionsstrukturen politischer Inhalte und Meinungen lösen sich von etablierten massenmedialen Vermitt‐ lungsformen. Distributions- und Ordnungsmodelle wie die Plattformen verändern etablierte Strukturen von Mediensystemen und -ökonomien. Möglichkeiten seiner dauerhaften flexiblen Nutzung u. a. via Smartphone ließen das Internet zum integralen Bestandteil unseres Alltags werden. Grundlage dieser Breitenwirkung bilden Charakteristika wie etwa die Vernetzung, die Verknüpfung von Inhalten und Kommunikation, Partizipa‐ tions- und Nutzungsmöglichkeiten. Vernetzungs- und Transportmeta‐ phern veranschaulichen spezifische Aspekte der Ordnungsmodelle und der Onlinedistribution. Strukturen wie die Modularisierung, die Fragmen‐ tierung und Mobilisierung von Bedeutungseinheiten bilden Grundlagen für die Zirkulation von Bildern oder Videos innerhalb der Vernetzung von Technik, Daten und Menschen. Diverse Forschungsprojekte befassten sich mit den Potenzialen und der Gefährdung von Demokratie durch soziale Medien (Baldwin 2018). Im Anschluss an die spezifische Many-to-Many Kommunikationsstruktur des <?page no="206"?> Internets beschreibt Helen Margetts Mikropartizipation in sozialen Medien als kleine demokratische Handlungen (Margetts et al. 2015). Hier zeigt sich exemplarisch, wie stark das Internet die digitale und analoge Wirklichkeit miteinander verschränkt. Dieser Band stellt das Medium Internet, seine Geschichte, seine Technik, seine Angebotsformen und seine Wirkungspotenziale aus der Perspektive des frühen 21. Jahrhunderts dar. Dabei erwies sich das Internet als ein flexibles Medium, das schnelle Entwicklungen und Veränderungen durch‐ läuft (vgl. Kamps, Nieland 2006). Die interdisziplinäre Forschung begleitete diese Entwicklungen mit wechselnden theoretischen Fragestellungen und analytischen Ansätzen. Auch weiterhin befinden sich die ökonomischen, kulturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die technische Entwicklung, die Netzangebote, ihr Erscheinungsbild und ihre Nutzung in einem kontinuierlichen Wandlungsprozess. Dies erfordert auch künftig eine kontinuierliche Beobachtung seiner Angebotsentwicklung und seiner Wirkung. 206 13 Fazit <?page no="207"?> Literaturverzeichnis Ahl, Jennifer (2013): Web-TV. Entstehungsgeschichte, Begriffe, Ästhetik. Manuskript der Dissertationsschrift. Andriopoulos, Stefan (Hrsg.) (2001): Die Adresse des Mediums. Köln: DuMont. Ascott, Roy (1996): Der Geist des Museums. In: telepolis. Abrufbar unter: http: / / ww w.heise.de/ tp/ r4/ artikel/ 6/ 6077/ 2.html (letzter Zugriff: 28.06.2021). 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Ästhetik 9, 28f., 87f., 90, 92, 94, 99, 103f., 168, 187 Audio-Ads 176 Aufmerksamkeitsökonomie 22, 162, 186, 192 Avatar 20, 188, 196 Blog 37, 44, 76, 134, 138f., 163, 188 Blogosphäre 76, 78, 138 Blogworlds 139 Boulevardjournalismus 162, 164 Broadcast Yourself 163, 186 Bürger: innenjournalismus 134 Celebritys 161, 164 Challenge-Video 167 Chatroom 42 Cinema of Attraction 104 Citizen Journalism 187 Clickbaiting 115 Collaborative Filtering 118 Combat-Video 168 Comedy 153, 161, 165 Commedia dell’Arte 165 Content-based Filtering 118 Convergence Culture 22 Cookies 126, 175 Crawler 125f. Crossmedialität 24, 192 Cross-Media-Marketing 100 Cross-Media-Promotion 192 Cyberspace 9, 29, 39, 112, 119f. Daily-News-Prinzip 124 Darknet 51, 54 DARPA (Defence Advanced Research Project Agency) 69-72 Datenaustausch 51, 66, 72 Datenautobahn 9, 39 Datenhandel 17, 21, 29, 57f., 80 Datensammlungen 78, 199 Datentransfer 66f., 69 Deep Web 51, 54 Demonetarisierung 59 Depotästhetik 102 Desinformation 132f., 183, 189 Dienste 30, 44, 52, 55, 59, 117, 131, 178, 183, 196 <?page no="226"?> Digital-Divide-Theorie 183, 197 Digitale Demokratie 190 Digitaler Kapitalismus 199 Digitale Serie 154 Digitalisierung 17, 22, 27, 37, 41, 65, 91, 183, 205 Digital Storytelling 137 Dokumentation 103, 114, 131f., 140f., 191 Drei-Akt-Dramaturgie 156 E-Commerce 100ff. E-Democracy 190 Edutainment 144 Egoshooter 170 Ein-Weg-Kommunikation 43 E-Mail 41ff., 70, 131, 199 E-Mercials 176 Erlebnisästhetik 102 Facebook 9, 21, 30, 43, 53, 55f., 58, 60, 78-82, 103, 115ff., 120, 166, 176, 185f., 199 Fail-Compilation-Video 168 Fake News 17, 44, 132ff., 148, 189f., 199 Faktualität 147 Fiktionalität 147 Fingershuffle-Video 166 Flashmob 169, 180, 191, 198 Flow 109f., 161 Flow-Phänomen 163 Fluid Social Networks 189 Found-Footage-Video 94 Fragmentierung 144, 148, 200, 205 Frame 68, 158 Gamefication 144 Gatekeeper 44, 74, 76, 114, 125, 136, 143 Genretheorien 28 Globalisierung 41, 43, 69, 72, 191, 195ff., 199 Glokalisierung 154 Google 17, 21, 43, 53, 55, 57f., 60, 63, 76, 78, 80f., 83, 125ff., 176, 186, 194, 199 Google-Gesellschaft 17, 194 Hashtag 81, 101, 115, 178 Hasskriminalität 198 Hatespeech 183, 190, 198f. Haul-Video 44, 176 Homestory 162, 164 Homevideo 167 How-to-Video 44, 144 Hybrid 43, 153 Hybridisierung 26, 37, 88, 194 Hybridmedium 41, 49, 88, 131 Hyperlink 68, 134 Hypertext 73, 113, 151 Hypertext Markup Language (HTML) 50 Hypertext Transfer Protocol (http) 50 Identifikation 161 Identität, virtuelle 188 i-Docs 141 Immaterialität 157, 196 Immersion 90 Individualisierung 72, 81, 135, 180 Individualkommunikation 38, 40ff., 61, 79, 121, 131f., 205 Influencer: in 20, 101, 163, 171, 177ff., 188 Influencer: innen-Marketing 101, 177 Influencer: innen-Werbung, personalisierte 44 Informationsästhetik 102 226 Register <?page no="227"?> Informations- und Wissenstransfer 66 Infotainment 161 Instagram 44, 60f., 80, 87f., 94, 103, 118, 140, 162, 164, 166, 187 Interaktivität 31, 43, 95, 133ff., 137 Interconnected Net 50 Interface 92, 95, 135, 157 Interfacedesign 95 Interfictions 150 Intermedialität 147, 152 Intermediär 18, 44f., 57, 60, 115ff., 129 Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) 53 Internet der Dinge 17, 49, 75, 81, 200 Internetnutzung, mobile 77 Internetökonomie 76 Internet Protocol (IP) 51 Interstitials 176 Involvement 161 IPTV (Internet Protocol TeleVision) 192f., 201 Java 73 Journalismus 81, 103, 132ff., 137, 145, 161, 187 Kombinationsästhetik 87 Kommerzialisierung 58, 72, 77, 127, 153f. Kommerzialisierung. 58 Konvergenz 24 Konversation 26, 44, 123, 189 Künstliche Intelligenz (KI) 17, 29, 47, 49, 81, 200 Kürzestliteratur 151 Laienstar 186 Lasswell’sches Modell 52 Let’s-Play-Video 169f., 178 Life-Hack-Video 143 Link 81, 96-100, 114, 120, 123, 126, 135, 138, 178 LinkedIn 82 Linkliste 123f. Listicles 117 Literal-Video 165 Local Area Networks (LAN) 50, 69 Machine Learning 47, 118 Machinima 169, 196 Mailart 157 Malinformation 133 Many-to-Many-Kommunikation 30, 43, 45, 72, 81, 133f., 136, 142 Marketing, virales 177 Mashup-Ästhetik 94 Massenkommunikation 39, 44f., 110, 117, 136 Massenmedien 17, 25, 39, 46, 72, 74, 89, 114, 127, 132, 162, 189 Medienästhetik 41, 87f. Mediendiegese 38 Mediendispositiv 31 Medienethik 199 Medienkultur der Selbstpraktiken 140 Medienrepertoire 185 Medienstar 164 Mediensystem 24, 74, 191 Medientransformation 147 Medien- und Genreästhetik 91 Medienwechsel 147 Mem 31, 90, 158, 180 Memexmodell 61, 66 Micro-Audience 46 Microcasting 46, 81, 205 Micro-Celebritys 46, 162ff. 227 Register <?page no="228"?> Middle Area Networks (MAN) 50 Mikroblogging-Dienst 134 Misinformation 133 Mitmachnetz 9, 44, 77 Mobile-Phone-Nutzung 59 Mockumentary 148 Module 96 Monopolstellung 56, 59, 76 Montage 88f., 92, 94, 104, 156 Multichannel Network 57, 59 Mundpropaganda, virtuelle 177 Musik 42, 89, 94, 147, 161, 171, 185 Native Advertising 177 Netzkunst 89, 156-159 Netzliteratur 150, 156, 169 Netztheater 156 Netzwerkverbindungen 49 Neuen Kommunismus 30 New Economy 76, 195 Newsfeed 79, 115f. Newsgame 137f. Nutzungsverhalten 95 Öffentlichkeit, massenmediale 26, 189 Öffentlichkeit, persönliche 26, 46, 189 Ökonomisierung 52f., 61, 80 One-to-Many-Kommunikationsstruktur 43 Onlinejournalismus 24, 115, 133, 135, 138 Onlinelexikon 124, 194 Onlineökonomie 54f., 57, 60 Onlinepornografie 168 Onlinespiele 42, 71, 73, 75, 121f., 169, 196 Onlinewerbung 100f., 176 Opaque Web 54 Opinionleader-Funktion 177 Paratextemodell 123 Parodie 166 Partizipation 30, 32, 117, 137, 167, 183, 185ff., 196 Peer-to-Peer-Filesharing-Angebot 75 Personal Computer 70 Personalized News 42 Personalized Webnews 133 Persuasionskommunikation 161, 175, 195 Pixel 97 Plattform 22, 24, 30, 39, 44, 50, 56f., 80- 83, 88, 92, 97, 104, 109f., 115, 117f., 133, 150, 154f., 159, 164f., 168, 193, 205 Plattform-Paradigma 56, 80, 83 Podcast 105, 143 Podcasting 76 Poop-Video 166 Prank 165 Presence 161 Product-Placement 101 Produsage 39, 44, 61, 94, 141, 187 Produser: in 186 Profiling 175 Prosumer Culture 23 Public Relations (PR) 56, 133, 179 Public Sphere 121 Publika 22, 45, 56, 117, 167 Publikation 44 Pull-Kommunikation 39, 45, 87, 117 Push-Kommunikation 39, 45, 175 Push-Modell der Massenkommunikation 39 Raster 109f. Reverse Labeling 149 Roadblocker 176 Roboterjournalismus 134, 170 228 Register <?page no="229"?> Robots 126 Search Industry 127 Selbstinszenierung 140, 187f. Selbstregulierung 38 Selbstvermarktung 61 Selfbranding 178 Selfie 103, 172 Selfieästhetik 89, 92 Showvideo 170 Simulacrum 27 Slash-Video 155 Smartphone 77, 81, 93, 137, 205 Smart-TV 83, 199f. Social Software 77 Social Web 61, 75 soziale Medien 9, 61, 82, 132, 150f., 162f., 180, 188, 190, 198, 205 Spams 200 Special Output 91 Spider 126 Spielen im Netz 169 Spoof-Video 156 Starkonstruktion und -wirkung 22 Storytelling 137, 177 Stream of Life 163 Suchmaschine 76, 125ff. Suchmaschinen 126 Superstitials 176 Targeting 176 Transfer Control Protocol (TCP) 51 Transmedialität 24, 55, 159 Transmedium 88 Transparenz 79, 139, 187, 190, 200 Trend 164, 202 Troll 20, 28, 148, 188 Tutorial 44, 103, 144 Twitter 43, 81, 118, 133f., 151 Twitteratur 151 Überwachungskapitalismus 17, 21, 57f., 80, 127 Uniform Resource Locators = URLs 50 Unterbrecherwerbung 176 Usability-Prinzip 93 User Generated Content 23, 45, 80, 132, 143, 166, 187 Vblog 139 Verfahren, algorithmische 119 Verschwörungsmythos 20, 189f., 199 Videoblog 87f., 104, 136, 138f. Videojournal 138 Videos of Affinity 167 Visual Thinking 144 Walking Billboard 178 Walk-Through-Video 170 Web 2.0 9, 83 Web 3.0 83 Webästhetik 101 Webbing 82 Webcam-Ästhetik 168 Webdance 152 Webdesign 29, 89, 92f. Webdokumentation 141 Weblog 25, 76, 133, 138, 140 Weblogbuch 138 Webpage 73, 100 Webserie 104, 148, 153f., 159 Webserie, pseudo-authentische 154 Web-TV 162, 171, 192f. Webwissenschaft, interdisziplinäre 32 Weisheit der Masse 44, 77, 193f. Werbeformen, parasoziale 178 229 Register <?page no="230"?> Werbung, native 177 Wide Area Networks (WAN) 50, 69 Wirkung 9, 17, 28f., 49, 65, 73, 87, 102, 116, 150, 178, 183, 188, 192, 206 Working Self-Concept 188 World Wide Web (WWW) 17, 50, 53, 73, 112, 186 XING 82 YouTube 43f., 58f., 61, 80ff., 87f., 105, 109f., 115, 118, 134, 141, 154ff., 163ff., 168, 170f., 176, 186, 197, 201 Zensurmaßnahme 200 Zirkulationsprinzip des Wissens 28 Zwei-Wege-Kommunikation 43 230 Register <?page no="231"?> BUCHTIPP Rainer Nübel, Susanne Doppler Storyporting Wie aus Storytelling und Reporting eine konstruktive Kommunikationsform entsteht 1. Auflage 2022, 232 Seiten €[D] 24,90 ISBN 978-3-7398-3120-6 eISBN 978-3-7398-8120-1 Storytelling hat seine Stärken u. a. in der anschaulichen Vermittlung von Erfahrungswissen. Doch in der öffentlichen Kommunikation werden Narrative zunehmend manipulativ missbraucht. Dieses Buch liefert die Storyporting-Methode: Seriöses Storytelling konvergiert mit evidenzbasiertem Reporting, woraus eine Kommunikationsform entsteht, die subjektive Wahrnehmung und Analyse verbindet und daraus lösungsorientierte Konzepte entwickelt. Praxisbeispiele und Tools zeigen die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des Storyportings, etwa bei Änderungsprozessen in Unternehmen, Kommunen und Organisationen. Das Buch richtet sich an Lehrende, Studierende, Funktionsträger: innen aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Medien und Bildung sowie an interessierte Bürger: innen. UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="232"?> BUCHTIPP Christian Schicha Medienethik Grundlagen - Anwendungen - Ressourcen 1. Auflage 2019, 321 Seiten €[D] 21,90 ISBN 978-3-8252-5102-4 eISBN 978-3-8385-5102-9 Nach einer Einführung in die Grundlagen der Medienethik zeigt der Autor auf spannende Weise Medienskandale auf und reflektiert die so genannten Fake News kritisch. Er thematisiert Aspekte der PR-, Werbe- und Internetethik ausführlich. Das Buch beginnt mit einer kurzen Darstellung der Moralphilosophie und den normativen Kernbegriffen der Medienethik: Information, Öffentlichkeit, Authentizität, Inszenierung und Qualität. Im zentralen Kapitel des Buches steht die Medienethik im engen Sinne. Hier behandelt der Autor Praxisfälle, das Spannungsfeld zwischen Ideal- und Praxisnormen, Werte-und Normensysteme des Medienhandelns, die Bezugsebenen medienethischer Verantwortung sowie Reichweite und die Ebenen der Argumentation. Danach behandelt er ausgewählte Spannungsfelder des Journalismus wie den Boulevardjournalismus, den Reisejournalismus, die Kriegsberichterstattung sowie die Amok- und Terrorberichterstattung. Das Buch wird durch medienethische Initiativen und eine kommentierte Auswahlbibliografie zur Medienethik abrundet. UVK Verlag. Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="233"?> BUCHTIPP Uwe Eisenbeis, Magdalena Ciepluch (Hrsg.) Künstliche Intelligenz in Nachrichtenredaktionen Begriffe, Systematisierung, Fallbeispiele 1. Auflage 2021, 100 Seiten €[D] 29,90 ISBN 978-3-7398-3114-5 eISBN 978-3-7398-8114-0 KI in der Nachrichtenproduktion, -aufbereitung und -distribution effektiv einsetzen Austria Presse Agentur, Axel Springer Verlag, Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten, Frankfurter Allgemeine Zeitung und Neue Osnabrücker Zeitung: Hier kommen Künstliche Intelligenz, Machine Learning, Robot Journalism, Natural Language Processing und Text-to-Speech- Technologie zum Einsatz. Die fünf Fallbeispiele gehen auf Ziele, Implementierung sowie Erfolgsfaktoren ein.Zudem führt das Buch in die wichtigsten Begrifflichkeiten ein und verortet die Implikationen der Technologien in Geschäftsmodell sowie Wertschöpfungskette. Das Buch richtet sich an alle, die sich für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Verlagsumfeld interessieren und hierzu Entscheidungen treffen. UVK Verlag. Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="234"?> ISBN 978-3-8252-5909-9 Von der Datenautobahn zum Mitmachnetz Das Internet entwickelte sich in verschiedenen Phasen schnell und grundlegend von einer Datenautobahn zum Mitmachnetz. Mittlerweile ist diese digitale Parallelwelt aus dem Alltag vieler Menschen gar nicht mehr wegzudenken. Joan Kristin Bleicher beleuchtet umfassend zentrale Aspekte der Medialität des Internets. Im Fokus stehen dabei nicht nur Rahmenbedingungen und die historische Entwicklung. Es werden auch Angebotsschwerpunkte, theoretische Fragen, Ästhetik, Nutzungs- und Wirkungspotenziale des Internets sowie Regulierungstendenzen thematisiert. Das Buch hat einführenden Charakter und richtet sich an Studierende der Medien-, Kultur- und Kommunikationswissenschaft. Es eignet sich auch für Interessierte anderer Fachrichtungen, die sich über dieses Schlüsselmedium unserer Zeit informieren möchten. Medien-, Kommunikations- und Kulturwissenschaft Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehr- und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel Mit Zeittafel