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Finanzprodukte

Analyse und Bewertung mit Excel

0116
2023
978-3-8385-5994-0
978-3-8252-5994-5
UTB 
Georg Plötz
10.36198/9783838559940

Die Funktionsweisen der Finanzmarktinstrumente sind mitunter so komplex, dass Marktteilnehmer vom Einsatz dieser Instrumente oftmals Abstand nehmen. Hier schafft der Autor Abhilfe. In diesem Buch werden die wichtigsten Finanzprodukte dargestellt, finanzmathematisch analysiert und bewertet sowie beispielhaft anhand von Excel-Anwendungen vertieft geübt. Ziel dieses Buches ist es, umfassend und anwendungsorientiert in das breite Spektrum der Finanzprodukte einzuführen. Dies erfolgt stets in drei Schritten: Zunächst werden die Finanzprodukte beschrieben und charakterisiert. Dann wird anhand des vorhandenen finanzmathematischen Instrumentariums die Analyse und Bewertung des Finanzinstruments durchgeführt und mit einem realen Beispiel veranschaulicht. Im dritten Schritt erfolgt die Modellierung des jeweiligen Beispiels mit Microsoft Excel.

<?page no="0"?> Georg Plötz Finanzprodukte Analyse und Bewertung mit Excel <?page no="1"?> utb Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Brill | Schöningh - Fink · Paderborn Brill | Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen - Böhlau · Wien · Köln Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Narr Francke Attempto Verlag - expert verlag · Tübingen Psychiatrie Verlag · Köln Ernst Reinhardt Verlag · München transcript Verlag · Bielefeld Verlag Eugen Ulmer · Stuttgart UVK Verlag · München Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld Wochenschau Verlag · Frankfurt am Main <?page no="2"?> Dr. Georg Plötz war für eine amerikanische Investmentgesellschaft als Finanzberater tätig. Er ist Certified Financial Modeler und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung als Dozent und Professor. <?page no="3"?> Georg Plötz Finanzprodukte Analyse und Bewertung mit Excel UVK Verlag · München <?page no="4"?> Umschlagmotiv: © Maximusnd · iStockphoto Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung CPI books GmbH, Leck utb-Nr. 5994 ISBN 978-3-8252-5994-5 (Print) ISBN 978-3-8385-5994-0 (ePDF) <?page no="5"?> für Hui und Susanne <?page no="7"?> Vorwort Die Internationalisierung und die damit einhergehende Deregulierung der Finanzmärkte hat eine Vielzahl vertretbarer und nicht vertretbarer Finanzprodukte (Finanzinnovationen) hervorgebracht, mit denen öffentliche Haushalte, Unternehmen und Privatpersonen ihre Liquiditäts-, Ertrags- und Risikostrukturen erheblich verbessern können. Die Funktionsweisen dieser Finanzmarktinstrumente sind jedoch mitunter sehr komplex, so dass Marktteilnehmer vom Einsatz dieser Instrumente oftmals Abstand nehmen. Ziel dieses Buches ist es, umfassend und anwendungsorientiert in das breite Spektrum der Finanzprodukte einzuführen. Dies erfolgt jeweils in drei Schritten: Zunächst werden die Finanzprodukte beschrieben und charakterisiert. Dann werden anhand des vorhandenen finanzmathematischen Instrumentariums (mit der klassischen Finanzmathematik) die (Risiko-)Analyse und Bewertung des Finanzinstruments durchgeführt und mit einem praktischen Beispiel veranschaulicht. Im dritten Schritt erfolgt die Modellierung des jeweiligen Beispiels mit Microsoft Excel. Die Excel-Tabellen werden erläutert und verschaffen dem Leser einen tiefen Einblick in die einzelnen Komponenten des Finanzmarktprodukts, reduzieren die Komplexität und tragen aufgrund der ausführlichen Erläuterungen der methodischen Vorgehensweise wesentlich zum Verständnis des Finanzprodukts bei. Inhalt Das Augenmerk wird auf diejenigen Finanzprodukte gelegt, die sich gut mit Microsoft Excel modellieren lassen. Es sind dies insbesondere kurz-, mittel- und langfristige Kredite, Immobilieninvestitionen, nicht-börsennotierte Schuldverschreibungen, Zinsinstrumente (Anleihen), Aktien, Optionen, Forward- und Futures-Kontrakte. Zielgruppen Zielgruppen dieses Buches sind Studenten und Dozenten an Universitäten und Hochschulen, insbesondere der Fachrichtungen Finanzierung, BWL, Wirtschaftsmathematik und Wirtschaftsrecht, aber auch alle Personen, die beruflich mit Finanzprodukten zu tun haben, wie Finanz- und Controlling-Abteilungen, Banken und Versicherungen und Finanzdienstleister, die ihr Praxiswissen mit theoretisch fundierten Kenntnissen auffrischen und ihr Verständnis für die wichtigsten an den Finanzmärkten angebotenen Produkte verbessern wollen. Besonderer Dank gebührt Dr. Jürgen Schechler vom UVK-Verlag, der die Buch-Idee aufgegriffen und umgesetzt hat. Vielen Dank auch an meine Tochter Susanne, die geduldig die Kapitel und Excel-Dateien in Hinblick auf etwaige Fehler überprüft hat. Da jedoch nicht nur Märkte, sondern manchmal auch Autoren unvollkommen sind, bitte ich alle Leserinnen und Leser, etwaige Fehler, Kritikpunkte und Anregungen an info@narr.de weiterzuleiten. Begleitmaterial (die für das Buch verwendeten Excel-Dateien) zum Herunterladen finden Sie unter http s: / / files.n arr.d igital / 9783825259945/ material.zip <?page no="9"?> Inhalt Vorwort.................................................................................................................................... 5 1 Einführung ......................................................................................................15 2 Kurz- und mittelfristige Kredite ..............................................................16 2.1 Kontokorrentkredit........................................................................................... 16 2.2 Lieferantenkredit .............................................................................................. 22 2.3 Diskontkredit..................................................................................................... 27 2.4 Lombardkredit ................................................................................................... 29 2.5 Ratenkredit......................................................................................................... 31 2.6 Hersteller- und Händlerkredit ........................................................................ 36 2.7 Kundenkredit ..................................................................................................... 38 2.8 Leasing ................................................................................................................ 40 2.8.1 Grundlagen ........................................................................................................ 40 2.8.2 Kalkulation und Berechnung der Leasingraten ........................................... 42 2.8.3 Berechnung des Effektivzinssatzes ................................................................ 47 2.8.4 Vergleich Kreditkauf und Leasing ................................................................. 50 2.8.5 Berechnung der Restschuld bei vorzeitiger Vertragsauflösung ................ 55 2.9 Factoring und Forfaitierung ............................................................................ 57 2.9.1 Factoring............................................................................................................. 57 2.9.2 Auswirkung des Factorings auf die Bilanz ................................................... 61 2.9.3 Forfaitierung ...................................................................................................... 63 3 Langfristige Kredite......................................................................................63 3.1 Grundlagen ........................................................................................................ 63 3.2 Annuitätendarlehen.......................................................................................... 66 3.2.1 Jährliche Zins- und Tilgungsverrechnung.................................................... 66 3.2.2 Unterjährliche Zins- und Tilgungsverrechnung.......................................... 71 3.3 Abzahlungsdarlehen ......................................................................................... 74 3.3.1 Jährliche Zins- und Tilgungsverrechnung.................................................... 74 3.3.2 Unterjährliche Zins- und Tilgungsverrechnung.......................................... 77 3.4 Endfälliges Darlehen ........................................................................................ 79 3.5 Spezielle Formen der Schuldentilgung .......................................................... 81 <?page no="10"?> 8 Inhalt 3.5.1 Tilgungsstreckung............................................................................................. 81 3.5.2 Zahlungsaufschub ............................................................................................. 85 3.5.3 Berücksichtigung eines Disagios .................................................................... 88 3.5.4 Tilgung in Prozentannuitäten ......................................................................... 90 3.6 Bauspardarlehen ................................................................................................ 95 4 Immobilieninvestition .............................................................................. 110 4.1 Die Immobilie als Anlageobjekt....................................................................110 4.2 Bewertung von Immobilien ...........................................................................111 4.2.1 Ermittlung des Vergleichswertes..................................................................111 4.2.2 Ermittlung des Ertragswertes........................................................................112 4.2.3 Ermittlung des Sachwertes ............................................................................114 4.2.4 Ermittlung des Beleihungswertes.................................................................115 4.3 Renditeberechnung aus der Sicht eines Endinvestors ..............................116 4.3.1 Statische „Anfangsrendite“ ............................................................................118 4.3.2 Objektbezogene dynamische Rendite ..........................................................118 4.3.3 Subjektbezogene dynamische Rendite .........................................................119 4.3.4 Methode des vollständigen Finanzplans (VOFI-Methode) .......................121 5 Nicht-börsennotierte Schuldverschreibungen .................................. 137 5.1 Sparbriefe mit festem Zinssatz......................................................................137 5.1.1 Sparbrief mit jährlicher Zinszahlung ...........................................................137 5.1.2 Aufgezinster Sparbrief mit festem Zinssatz................................................137 5.1.3 Abgezinster Sparbrief mit festem Zinssatz .................................................139 5.2 Sparbriefe mit steigenden Zinssätzen ..........................................................140 5.2.1 Aufgezinster Sparbrief mit steigenden Zinssätzen ....................................140 5.2.2 Abgezinster Sparbrief mit steigenden Zinssätzen .....................................142 5.2.3 Sparbrief mit steigenden Zinsätzen und jährlicher Zinsausschüttung ..143 6 Zinsinstrumente .......................................................................................... 147 6.1 Grundlagen.......................................................................................................147 6.2 Geldmarktinstrumente ...................................................................................149 6.2.1 Diskontpapiere.................................................................................................150 6.2.2 Geldmarktpapiere mit Zinszahlung bei Fälligkeit .....................................154 6.3 Anleihen............................................................................................................155 6.3.1 Charakteristika ................................................................................................155 <?page no="11"?> 9 6.3.2 Bewertung von Nullkupon-Anleihen .......................................................... 157 6.3.3 Bewertung von Kuponanleihen bei flacher Zinsstruktur ........................ 161 6.3.4 Bewertung von Kuponanleihen unter Berücksichtigung der Zinsstruktur............................................................................................................. 173 6.3.5 Analyse des Barwertansatzes........................................................................ 176 6.3.6 Renditeorientierte Beurteilung von Anleihen............................................ 178 6.3.7 Portfoliorendite ............................................................................................... 181 6.3.8 Ertragsanalyse und Total Return ................................................................. 185 6.3.9 Risikoanalyse von Anleihen und Volatilitätskennzahlen ........................ 196 7 Aktien ............................................................................................................. 228 7.1 Grundlagen ...................................................................................................... 228 7.2 Aktienindizes ................................................................................................... 230 7.3 Kennzahlen zur Beurteilung von Aktien .................................................... 233 7.4 Dividendendiskontierungsmodell ................................................................ 236 7.5 Rendite und Risiko.......................................................................................... 240 7.5.1 Diskrete Rendite.............................................................................................. 241 7.5.2 Stetige Rendite................................................................................................. 243 7.5.3 Vergleich diskreter und stetiger Renditen.................................................. 246 7.5.4 Statistische Verteilung von Aktienrenditen ............................................... 248 7.5.5 Risikobeurteilung ............................................................................................ 252 7.5.6 Korrelationsanalyse ........................................................................................ 255 7.6 Rendite und Risiko im Portfoliokontext...................................................... 260 7.6.1 Problemstellung .............................................................................................. 260 7.6.2 Portfoliorendite und Portfoliorisiko ............................................................ 261 7.6.3 Rendite und Risiko im Mehr-Wertpapier-Fall und Diversifikation eines gleich gewichteten Portfolios ............................................................. 271 7.6.4 .......................................................... 275 7.7 Aktienkursverlaufshypothesen .................................................................... 283 7.7.1 Random-Walk-Modell .................................................................................... 283 7.7.2 Normalverteilung und Aktienkurse............................................................. 287 7.7.3 Aktienkursverlaufshypothese nach Black-Scholes (Wiener-Prozess).... 299 7.7.4 Simulation eines Aktienkursprozesses ........................................................ 301 8 Optionen ........................................................................................................ 304 8.1 Grundlagen des börsenmäßigen Optionshandels ...................................... 304 <?page no="12"?> 10 Inhalt 8.2 Elementare Bewertungsansätze ....................................................................307 8.3 Handelsstrategien mit Optionen...................................................................310 8.3.1 Long- und Short-Position in einer Aktie .....................................................311 8.3.2 Long- und Short-Position in einer Call Option ..........................................313 8.3.3 Long- und Short-Position in einer Put Option ...........................................316 8.3.4 Hedge-Strategien .............................................................................................319 8.3.5 Spreads ..............................................................................................................324 8.3.6 Straddles und Strangles ..................................................................................327 8.3.7 Synthetische Aktienposition .........................................................................329 8.4 Optionspreis Determinanten .........................................................................331 8.5 Wertober- und Wertuntergrenzen für Optionen .......................................335 8.5.1 Wertober- und Wertuntergrenzen für Kaufoptionen und die vorzeitige Ausübung amerikanischer Kaufoptionen.......................................336 8.5.2 Wertober- und Wertuntergrenzen für Verkaufsoptionen und die vorzeitige Ausübung amerikanischer Verkaufsoptionen ...............................342 8.6 Put-Call-Paritätsbeziehungen .......................................................................346 8.6.1 Put-Call-Parität Europäischer Optionen ohne Dividendenberücksichtigung .........................................................................................................346 8.6.2 Put-Call-Parität Europäischer Optionen unter Berücksichtigung von Dividendenzahlungen.....................................................................................351 8.6.3 Put-Call-Parität Amerikanischer Optionen ................................................353 8.6.4 Put-Call-Parität Amerikanischer Optionen unter Berücksichtigung von Dividendenzahlungen .............................................................................354 8.7 Das Binomialmodell nach Cox/ Ross/ Rubinstein........................................356 8.7.1 Vorbemerkungen zur Optionspreistheorie .................................................356 8.7.2 Bewertung von Kaufoptionen .......................................................................359 8.7.3 Bewertung von Verkaufsoptionen ...............................................................378 8.7.4 Berücksichtigung von Dividendenzahlungen.............................................381 8.8 Das kontinuierliche Optionspreismodel nach Black-Scholes ..................382 8.8.1 Darstellung des Modells .................................................................................382 8.8.2 Bewertung von Kaufoptionen .......................................................................384 8.8.3 Bewertung von Verkaufsoptionen ...............................................................389 8.8.4 Verteilung der Aktienkursrenditen ..............................................................392 8.8.5 Berücksichtigung von Dividendenzahlungen.............................................398 8.8.6 Sensitivitätskennzahlen von Optionen ........................................................399 <?page no="13"?> 11 9 Forward- und Futures-Kontrakte.......................................................... 409 9.1 Forward-Kontrakte ......................................................................................... 409 9.2 Futures-Kontrakte........................................................................................... 410 9.3 Motive für den Handel mit Terminkontrakten .......................................... 411 9.3.1 Hedging ............................................................................................................ 411 9.3.2 Spekulationsgeschäfte .................................................................................... 416 9.3.3 Arbitrage .......................................................................................................... 417 9.4 Preisbildung von Forward- und Futures-Kontrakten ............................... 417 9.4.1 Forward-Preis für Investitionsgüter ohne Ertrag ...................................... 417 9.4.2 Forward-Preis auf ein Investitionsgut mit Ertrag ..................................... 418 9.4.3 Zur Bewertung von Forward-Kontrakten................................................... 420 9.5 Preisbildung ausgewählter Futures-Kontrakte .......................................... 422 9.5.1 Aktienindex-Futures....................................................................................... 422 9.5.2 Futures auf Währungen ................................................................................. 423 9.5.3 Futures auf Waren .......................................................................................... 424 9.5.4 Zins-Futures..................................................................................................... 425 Literaturverzeichnis ............................................................................................................ 429 Stichwortverzeichnis .......................................................................................................... 431 <?page no="15"?> 1 Einführung Zur Herstellung von Gütern werden Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital, Boden) benötigt, die finanziert werden müssen. Durch die zeitliche Divergenz aus Kapitalbedarf und Kapitalrückfluss aus dem betrieblichen Umsatzprozess entsteht ein Finanzierungsbedarf, welcher entweder durch Eigenkapital oder durch Fremdkapital gedeckt werden muss. Finanzierung ist demnach die Beschaffung und Bereitstellung von finanziellen Mitteln. Zum Eigenkapital zählt man die Einlagen der Unternehmensgründer bzw. der Gesellschafter oder Aktionäre und die im Unternehmensprozess erwirtschafteten monetären Gegenwerte. Unter Fremdkapital versteht man Kapital in Form von Krediten, welches dem Unternehmer von außen zeitlich begrenzt überlassen wird. Eigenkapital- und Fremdkapitalfinanzierung werden auch als externe Finanzierung bezeichnet. Gelingt es einem Unternehmen. die benötigten finanziellen Mittel aus eigener Kraft, ohne die Hilfe externer Kapitalgeber aufzubringen, spricht man von interner Finanzierung. Dazu zählen die Finanzierung durch die Einbehaltung von Gewinnen, die Finanzierung aus Abschreibungen und die Finanzierung durch die Einbehaltung von Rückstellungen. Ein Eigenkapitalgeber erwirbt mit der Bereitstellung seiner finanziellen Mittel eine Beteiligung am Unternehmen, eine Eigentümerposition. Die Höhe der finanziellen Beteiligung im Verhältnis zu den anderen Eigenkapitalgebern drückt sich im Anteil oder in der Quote aus, die von der gesamten Eigentümerposition auf ihn entfällt. Die Entlohnung des Eigentümers einer Unternehmung ist an den Erfolg oder Misserfolg der Unternehmung geknüpft. Erwirtschaftet die Unternehmung einen Gewinn, dann ist ein Eigentümer seinem Anteil entsprechend daran beteiligt. Im Falle eines Verlustes müssen diese so lange mitgetragen werden, bis das Kapital, wenn er beschränkt haftet, aufgezehrt ist. Haftet er unbeschränkt, muss er darüber hinaus auch noch mit seinem Privatvermögen für Zahlungsverpflichtungen der Unternehmung aufkommen. Ob ein Eigenkapitalgeber beschränkt oder unbeschränkt haftet, hängt von der Rechtsform der Unternehmung ab. Unbeschränkt haften der Eigentümer einer Einzelunternehmung, ebenso die Eigentümer von sogenannten Personengesellschaften wie der offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder der Kommanditgesellschaft (KG), wobei in der letzteren lediglich Eigenkapitalgeber, die die Position eines Komplementärs einnehmen, mit ihrem Privatvermögen haften, während die andere Gruppe von Eigenkapitalgebern, die sogenannten Kommanditisten, nur ihre Kommanditeinlage verlieren können und somit der beschränkten Haftung unterliegen. Eine auf den Verlust der Kapitaleinlage beschränkte Haftung gilt auch für alle Eigenkapitalgeber von Kapitalgesellschaften, wie der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und der Aktiengesellschaft (AG). Mit der Beteiligung an einer Unternehmung stellt ein Eigenkapitalgeber der Unternehmung unbefristet Kapital zur Verfügung. Sein Finanzierungsverhältnis endet erst dann, wenn die Unternehmung aufgelöst wird oder er sein Beteiligungsverhältnis aufgekündigt, wie es bei Personengesellschaften möglich ist, oder wenn er seine Beteili- <?page no="16"?> 16 2 Kurz- und mittelfristige Kredite gung an einen neuen Eigenkapitalgeber verkauft, wie es für die Eigenkapitalgeber einer AG ohne weiteres möglich ist, wenn seine Beteiligung durch eine oder mehrere Aktien verbrieft ist. In diesem Falle (bei Verkauf der Beteiligung) steht der Unternehmung das Kapital auch weiterhin unbefristet zur Verfügung. Im Gegensatz zur Position eines Eigenkapitalgebers ist die Position eines Fremdkapitalgebers dadurch charakterisiert, dass er mit der Hingabe seiner finanziellen Mittel einen Anspruch auf die Rückzahlung des Nominalwertes des überlassenen Kapitals erwirbt. Da er nicht Eigner, sondern Gläubiger einer Unternehmung ist, ist die Entlohnung seiner finanziellen Leistung vom Erfolg der Unternehmung unabhängig. Der Fremdkapitalgeber hat Anspruch auf die fristgerechte Rückzahlung seines Kapitals und Anspruch auf die Zahlung der für die Kapitalüberlassung vereinbarte Verzinsung. Kann die Unternehmung den Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Gläubigern nicht nachkommen und kommt es zum Insolvenzfall der Unternehmung, wird auch der Fremdkapitalgeber am Misserfolg der Unternehmung beteiligt. Der Gläubiger muss dann einen Ausfall von Zins- und Tilgungszahlungen hinnehmen. Da jedoch diese Beteiligung am Misserfolg den Ausnahmefall darstellt, ist der Fremdkapitalgeber - im Gegensatz zum Eigenkapitalgeber - auch nicht berechtigt, auf die Unternehmensleitung Einfluss zu nehmen. 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Kredite sind Gelder, die einem Unternehmen oder Privatpersonen zur zeitlich begrenzten Nutzung mit unterschiedlichen Laufzeiten zur Verfügung stehen. Im Vorfeld einer Kreditgewährung prüfen die Gläubiger (z.B. Banken, Versicherungen) die Kreditfähigkeit und Kreditwürdigkeit potenzieller Schuldner. Die Kreditfähigkeit besteht in der Möglichkeit, einen Kreditvertrag rechtswirksam abschließen zu können. Dazu sind unbeschränkt geschäftsfähige natürliche Personen sowie juristische Personen und Personengesellschaften imstande. Kreditwürdig sind solche Personen und Unternehmen, von denen eine vertragsgemäße Erfüllung der eingegangenen Kreditverpflichtung zu erwarten ist. In der Regel wird der Gläubiger vom Schuldner Sicherheiten (z.B. Bürgschaften, Grundschuld, Hypothek) verlangen, um die Kreditrisiken zu reduzieren und somit die Kreditwürdigkeit zu erhöhen. Im Folgenden wird im Rahmen der kurz- und mittelfristigen Kreditfinanzierung der Kontokorrentkredit, der Lieferantenkredit, der Diskontkredit, der Ratenkredit, der Lombardkredit, der Hersteller- und Händlerkredit und der Kundenkredit näher betrachtet und analysiert. 2.1 Kontokorrentkredit Der Kontokorrentkredit, auch Überziehungskredit oder bei Privatpersonen Dispositionskredit genannt, wird Firmen bzw. Privatpersonen durch Einräumung einer Kreditlinie von Seiten eines Kreditinstituts gewährt. Dabei stellt die zugesagte Kreditlinie den Höchstbetrag dar, bis zu dem das Kontokorrentkonto überzogen werden darf. Der Kontokorrentkredit wird in der Regel für ein Jahr oder „bis auf weiteres“ gewährt und kann bei ordnungsmäßiger Kontoführung prolongiert werden, so dass aus einem <?page no="17"?> 2.1 Kontokorrentkredit 17 formal kurzfristigen Kredit ein mittel- oder langfristiger Kredit wird. Die Kosten des Kontokorrentkredites setzen sich zusammen aus den Zinsen auf den in Anspruch genommenen Kreditbetrag, ggf. einem Zinszuschlag (Überziehungsprovision), falls die Kreditlinie überschritten wird und ggf. weiteren Kostenbestandteilen wie Bereitstellungsprovision, Kontoführungsgebühren und Bearbeitungsgebühren. Die Höhe des Zinssatzes ist in der Regel nicht fest vereinbart, sondern variabel. Die Bank behält sich entweder eine jederzeitige Anpassung der Kreditkonditionen vor (bei Dispositionskrediten an Privatpersonen) oder der Soll-Zinssatz wird als Zuschlag zu einer anderen Zinsgröße, z.B. dem Zinssatz für kurzfristige Refinanzierungsgeschäfte bei der Zentralbank festgelegt (vor allem für Kredite an Unternehmen). Die Soll-Zinsen werden in der Regel quartalsweise nachschüssig berechnet und zusammen mit den sonstigen Gebühren dem Kontokorrentkonto belastet. Dadurch ergibt sich ein Effektivzinssatz, der höher ist als der zugrundeliegende Soll-Zinssatz. Bevor die Bank dem Kunden eine Kreditlinie einräumt, erfolgt die bankenübliche persönliche und materielle Kreditwürdigkeitsprüfung des potenziellen Kreditnehmers. Als Kreditsicherheiten kommen Bürgschaften, Forderungsabtretung, Sicherungsübereignung, die Abtretung von Lebensversicherungen u.a. in Betracht. Oft wird der Kreditnehmer verpflichtet, alle finanziellen Verpflichtungen über das Kreditinstitut abzuwickeln (Ausschließlichkeitserklärung), wodurch dem Kreditinstitut die laufende Überwachung der wirtschaftlichen Entwicklung des Schuldners wesentlich erleichtert wird. Der Kontokorrentkredit kann flexibel in Anspruch genommen werden und ist nicht zweckgebunden. Für Firmen eignet er sich als kurzfristiger Betriebsmittelkredit zur Finanzierung des Umsatzprozesses, als Saisonkredit zur Finanzierung eines saisonal bedingten Kapitalbedarfs und als Überbrückungsbzw. Dispositionskredit. Eine nicht ausgenutzte Kreditlinie steht als potenzielle Liquiditätsreserve zur Verfügung und erlaubt es dem Betrieb, geringere liquide Mittel ersten Grades zu halten. Beispiel 2.1 Ein Kontokorrentkonto weist am 1.1.2014 einen Kontostand von 100.000 Euro auf. Während des gesamten Jahres sollen keine Ein- und Auszahlungen erfolgen. Der Soll- Zinssatz beträgt 12% p.a. Es sollen der Kontostand am Ende des Jahres und der effektive Jahreszinssatz berechnet werden. Mit dem Quartalszinssatz von 0 12 0 03 oder 3% 4 i , , m erhält man die Quartalszinsen zu 100 000 0 03 3 000 . , . . Diese werden dem Kontostand nach jedem Quartal hinzugeschlagen und verzinsen sich weiter. Dabei ist der Kontostand am Ende eines jeden Quartals gleich dem Kontostand zu Beginn des folgenden Quartals. <?page no="18"?> 18 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Kontostand zu Beginn des 1. Quartals 100.000,00 + Zinsen für das 1. Quartal 3.000,00 = Kontostand am Ende des 1. Quartals 103.000,00 + Zinsen für das 2. Quartal 3.090,00 = Kontostand am Ende des 2. Quartals 106.090,00 + Zinsen für das 3. Quartal 3.182,70 = Kontostand am Ende des 3. Quartals 109.272,70 + Zinsen für das 4. Quartal 3.278,18 = Kontostand am Ende des 4. Quartals 112.550,88 Der Kontostand am Ende des Jahres beträgt nicht etwa 112.000 Euro, sondern ist höher, da die erste Zinszahlung bereits nach drei Monaten erfolgt und darauf in der Folgezeit Zinseszinsen anfallen. Das Gleiche gilt für die zweite und dritte Zinsbelastung. Dadurch ergibt sich ein Effektivzinssatz von 4 4 1 1 1 03 1 12 55 4 e i i , , % . Excel-Umsetzung Die Umsetzung des Beispiels 2.1 mit Microsoft Excel erfolgt analog zur oben aufgezeigten Vorgehensweise. Zunächst werden die Input-Parameter (Kreditbetrag, Soll- Zinssatz und Zinsverrechnung) in das Excel-Arbeitsblatt eingetragen, auf die in der nachfolgenden Berechnung zurückgegriffen wird. Bild 2.1 Abrechnung eines Kontokorrentkredits (Beispiel 2.1) <?page no="19"?> 2.1 Kontokorrentkredit 19 Die nachfolgende Tabelle zeigt die Berechnung einzelner Positionen. Position Inhalt Excel-Umsetzung E12 Zinsen 1. Quartal =E11*E7/ 4 E19 Kontostand 1. Quartal =E11+E12 E19 Kontostand Jahresende =E17+E18 E21 effektiver Jahreszinssatz =(1+E7/ 4)^4-1 Beispiel 2.2 Eine Bank rechnet das Girokonto eines Kunden ab, dem ein Überziehungskredit von 5.000 Euro eingeräumt wurde. Der Zinssatz und die sonst noch anfallenden Gebühren für Privatkonten sind dem unten aufgeführten Preisverzeichnis zu entnehmen. Guthabenzinssatz 0,5% Soll-Zinssatz (veränderlich) 10,5% Zinssatz für geduldete Überziehungen 12,5% Grundgebühr Girokonten (Euro) 5,00 Tageszählkonvention 30/ 360 Die folgenden Kontobewegungen wurden verbucht: Valutatag Geschäftsvorfall Betrag 31.12.2013 Übertrag (Soll) 2.000,00 02.01.2014 Dauerauftrag 1.800,00 12.01.2014 Abbuchung 200,50 13.01.2014 Scheckausstellung 2.000,00 30.01.2014 Überweisungseingang 3.800,50 30.01.2014 Überweisungseingang 95,00 02.02.2014 Dauerauftrag 1.800,00 06.02.2014 Überweisungsauftrag 400,00 12.02.2014 Abbuchung 115,50 14.02.2014 Scheckeinlösung 4.500,00 28.02.2014 Überweisungseingang 3.630,20 01.03.2014 Dauerauftrag 1.800,00 07.03.2014 Überweisungseingang 960,30 12.03.2014 Abbuchung 115,50 15.03.2014 Barabhebung 2.500,00 17.03.2014 Abbuchung 80,50 23.03.2014 Barabhebung (Geldautomat) 400,90 26.03.2014 Scheckausstellung 2.630,80 30.03.2014 Überweisungseingang 3.800,20 Bild 2.2 Geschäftsvorfälle eines Girokontos (Beispiel 2.2) <?page no="20"?> 20 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Das Konto soll nach drei Monaten abgerechnet werden und es ist der Kontostand am Quartalsende zu ermitteln. Die Zinsen werden tagegenau berechnet. Ausgehend von der Tagezählkonvention 30/ 360 und der Formel für einfache Zinsen erhält man für Position 1 zwei Zinstage. Der Kontostand (Übertrag) von -2.000 wird für zwei Tage mit dem Soll-Zinssatz von 12,5% verzinst. Die Zinsen Z betragen demnach 2 000 0 105 2 1 1667 360 . , Z , . Nach Abbuchung des Dauerauftrages in Höhe von 1.800 Euro beträgt der Kontostand Euro -3.800. Dieser verzinst sich 10 Tage lang und die Zinsen betragen -11,0833 Euro. Entsprechend werden die restlichen Transaktionen abgerechnet. Zu beachten ist, dass für Beträge, die über dem eingeräumten Kreditlimit von 5.000 Euro liegen (in der Rechnung Beträge, die kleiner als 5.000 Euro sind), Soll-Zinsen von 12,5% belastet werden. Ist ein positiver Saldo vorhanden (z.B. bei Position 10), dann werden Zinsen guteschrieben. Abrechnung des Girokontos Kontostand 30.03.2014 753,20 Guthabenzinsen 0,58 - Zinsen Dispokredit - 64,24 - Überziehungszinsen - 5,91 - Grundpreis je Quartal - 5,00 Kontostand 31.03.2014 678,64 Position Datum Eingang (+) Ausgang (-) Kontostand Saldo Zinstage Guthaben Zinsen Zinsen Dispokredit Zinsen Überziehung Zinsen gesamt Übertrag 31.12.2013 -2.000,00 1 02.01.2014 -1.800,00 -3.800,00 2 0,0000 -1,1667 0,00 -1,17 2 12.01.2014 -200,50 -4.000,50 10 0,0000 -11,0833 0,00 -12,25 3 13.01.2014 -2.000,00 -6.000,50 1 0,0000 -1,1668 0,00 -13,42 4 30.01.2014 -3.800,50 -2.200,00 17 0,0000 -29,7525 -5,91 -49,08 5 30.01.2014 95,00 -2.295,00 0 0,0000 0,0000 0,00 -49,08 6 02.02.2014 -1.800,00 -4.095,00 2 0,0000 -1,3388 0,00 -50,41 7 06.02.2014 -400,00 -4.495,00 4 0,0000 -4,7775 0,00 -55,19 8 12.02.2014 -115,50 -4.610,50 6 0,0000 -7,8663 0,00 -63,06 9 14.02.2014 4.500,00 -110,50 2 0,0000 -2,6895 0,00 -65,75 10 28.02.2014 3.630,20 3.519,70 14 0,0000 -0,4512 0,00 -66,20 11 01.03.2014 -1.800,00 1.719,70 3 0,1467 0,0000 0,00 -66,05 <?page no="21"?> 2.1 Kontokorrentkredit 21 12 07.03.2014 960,30 2.680,00 6 0,1433 0,0000 0,00 -65,91 13 12.03.2014 -115,50 2.564,50 5 0,1861 0,0000 0,00 -65,72 14 15.03.2014 -2.500,00 64,50 3 0,1069 0,0000 0,00 -65,62 15 17.03.2014 -80,50 -16,00 2 0,0018 0,0000 0,00 -65,61 16 23.03.2014 -400,00 -416,00 6 0,0000 -0,0280 0,00 -65,64 17 26.03.2014 -2.630,80 -3.046,80 3 0,0000 -0,3640 0,00 -66,01 18 30.03.2014 3.800,20 753,20 4 0,0000 -3,5546 0,00 -69,56 Quartalsende 31.03.2014 678,64 Bild 2.3 Abrechnung eines Girokontos (Beispiel 2.2) Excel-Umsetzung Die Umsetzung in Excel ist in Bild 2.4 dargestellt (die Zeilen 21 bis 30 sind ausgeblendet). Nach Eingabe der Input-Daten werden zunächst die Zahlungseingänge und -ausgänge eingetragen, der Saldo berechnet und die dazugehörigen Zinstage aus dem gegebenen Datum ermittelt. Anschließend werden die Zinsen für Guthaben, die Zinsen für den Dispokredit und die Zinsen für die Überziehung des eingeräumten Kreditlimits berechnet. Die in den Zellen E18 bis J18 enthaltenen Formeln können dann nach unten kopiert werden und man erhält unmittelbar die gesuchten Daten. Anhand der gewonnenen Ergebnisse kann dann das Girokonto abgeschlossen werden. Die Berechnung einzelner Positionen ist in nachfolgender Tabelle zusammengefasst. Position Inhalt Excel-Umsetzung E18 Kontostand Saldo =E17+D18 F18 Zinstage =TAGE360(C17; C18; WAHR) G18 Guthabenzinsen =WENN(E17>0; E17*$E$6*F18/ 360; 0) H18 Zinsen Dispokredit =WENN(E17<0; E17*$E$8*F18/ 360; 0) I18 Zinsen Überziehung =WENN(E17<-$E$7; (E17+$E$7)*$E$9*F18/ 360; 0) J18 Zinsen akkumuliert =J17+G18+H18+I18 E36 Kontostand 31.03.2014 =E35+J35+D44 D40 Guthabenzinsen =SUMME(G18: G35) D41 Zinsen Dispokredit =SUMME(H18: H35) D42 Zinsen Überziehung =SUMME(I18: I35) D43 Zinsen gesamt =SUMME(D40: D42) D44 Grundpreis je Quartal =-E11 D45 Kontostand 31.03.2014 =E35+D43+D44 <?page no="22"?> 22 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Bild 2.4 Abrechnung eines Girokontos (Beispiel 2.2) 2.2 Lieferantenkredit Der Lieferantenkredit ist ein Handelskredit, der von einem Handelspartner eines Unternehmens gewährt wird. Beim Einkauf auf Ziel gewährt der Verkäufer (Lieferant) dem Käufer ein Zahlungsziel, d.h. der Käufer muss die bezogene Ware erst zum vereinbarten Zahlungstermin begleichen. Für den Käufer ist dies eine Form der Finanzierung, da er die Ware schon bekommen hat, diese aber erst später bezahlen muss. In der Regel werden Zahlungsziele von 10 bis 90 Tagen ausgehandelt. Als Anreiz für den Käufer, seine Rechnungen möglichst schnell und noch vor Ablauf des Zahlungsziels zu bezahlen, räumt der Lieferant häufig eine Skontofrist ein. Der Skonto ist ein Preisnachlass auf Rechnungen, wenn diese innerhalb der Skontofrist bezahlt werden. Eine Skontovereinbarung kann wie folgt aussehen: Bei Zahlung innerhalb von 7 Tagen können 2% vom Rechnungsbetrag abgezogen werden, ansonsten zahlbar innerhalb von 30 Tagen ohne Abzug. Die Inanspruchnahme eines Lieferantenkredits und der Verzicht auf die Nutzung des gewährten Skontos können beim Kunden zu einem hohen Zinsaufwand führen. Daher kann es für den Kunden von Vorteil sein, den Rechnungsbetrag unter Ausnutzung des Skontos mit einem Kontokorrentkredit zu begleichen. Als Maß für die Kosten dient der jährliche Zinssatz i, der als effektiver Jahreszinssatz interpretiert werden kann. <?page no="23"?> 2.2 Lieferantenkredit 23 Aus 0 1 360 n i t K K folgt: = = und = 0 360 Unter Zinsbetrag Z muss hier der Skontobetrag verstanden werden, da dieser bezahlt werden muss, wenn der Skonto nicht ausgenutzt wird, also der Lieferantenkredit nicht in Anspruch genommen wird und am Ende des Zahlungsziels der volle Rechnungsbetrag gezahlt werden muss. Der Nettorechnungsbetrag abzüglich des Skontobetrages ist der Kreditbetrag . Das Zahlungsziel abzüglich der Skontofrist kann als Kreditlaufzeit t interpretiert werden. Die obige Formel kann dann wie folgt modifiziert werden: 360 Skontobetrag i Nettorechnungsbetrag Skontobetrag Zahlungsziel Skontofrist Werden der Skontobetrag und der Nettorechnungsbetrag in Prozent ausgedrückt, erhält man: % 360 100% Skontosatz in i Skontosatz Zahlungsziel Skontofrist Wenn der errechnete Zinssatz größer ist als der Zinssatz des Kontokorrentkredits, sollte der Lieferantenkredit nicht genutzt werden, stattdessen sollte die Rechnung mit Hilfe des Kontokorrentkredites beglichen werden. Ist der errechnete Zinssatz kleiner als der Zinssatz des Kontokorrentkredits, dann sollte der Lieferantenkredit in Anspruch genommen werden, um somit eine höhere Zinsbelastung durch den Kontokorrentkredit zu vermeiden. Beispiel 2.3 Rechnungsbetrag 120.000 Euro Skontofrist 10 Tage Skonto bei Zahlung innerhalb von 10 Tagen 2% Zahlungsziel (Zahlung ohne Nachlass) 30 Tage Zinssatz Kontokorrentkredit 12% p.a. Es ergeben sich die folgenden Rechengrößen: Skontobetrag 120.000 0, 02 2.400 Nettorechnungsbetrag - Skontobetrag 120.000 2.400 117.600 Zahlungsziel - Skontofrist 30 10 20 2.400 360 0, 3673 oder 36,73% 120.000 2.400 30 10 i In diesem Falle sollte der Lieferantenkredit nicht in Anspruch genommen werden, sondern die Rechnung mit Hilfe des Kontokorrentkredits beglichen werden. <?page no="24"?> 24 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Excel-Umsetzung Die Excel-Umsetzung des obigen Beispiels bedarf keiner weiteren Erläuterung. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Berechnung einzelner Positionen. Position Inhalt Excel-Umsetzung D15 Skontobetrag =D7*D10 D17 Zinsen Kontokorrentkredit =D7*D12*(D8-D9)/ D11 D18 Differenz =D16-D17 D22 effektiver Jahreszinssatz =D15/ (D7-D15)*D11/ (D8-D9) Bild 2.5 Lieferantenkredit und Effektivzinssatzberechnung (Beispiel 2.3) Der Lieferantenkredit ist gewöhnlich teurer als ein Bankkredit, wird aber dennoch aufgrund der entfallenden Formalien häufig in Anspruch genommen. Banken sind zur Kreditprotokollierung verpflichtet und zur Hereinnahme von Sicherheiten angehalten. Lieferanten hingegen bedienen sich lediglich des Eigentumsvorbehalts, und auf eine zeit- und kostenaufwendige Protokollierung wird meist verzichtet. Die Vorteile des Lieferantenkredits liegen demnach in der Schnelligkeit und der Formlosigkeit der Kreditgewährung, im Fehlen einer systematischen Kreditprüfung und in der Entlastung der Kreditlinie bei Banken. Im folgenden Beispiel wird die Analyse vertieft und der effektive Jahreszinssatz wird über drei verschiedene Wege ermittelt. <?page no="25"?> 2.2 Lieferantenkredit 25 Beispiel 2.4 Ein Unternehmer bekommt eine Rechnung über 100.000 Euro für gelieferte Waren. Am Ende der Rechnung befindet sich folgender Hinweis: Zahlbar innerhalb von 30 Tagen rein netto; bei Zahlung innerhalb von 8 Tagen werden von der Rechnungssumme 2% Skonto gewährt. Der Unternehmer wird hier vor die Wahl gestellt, entweder bis zum 8. Tag nach Rechnungseingang 98.000 Euro (100.000 abzüglich 2%) zu zahlen oder am 30. Tag 100.000 Euro. Damit wird deutlich, dass die Inanspruchnahme eines Kredits von 98.000 Euro ab dem 8. bis 30. Tag Zinsen in Höhe von 2.000 Euro verursachen. Gegeben sind demnach: Kredithöhe 98.000 Euro Kreditlaufzeit 22 Tage Zinsaufwand für 22 Tage 2.000 Euro Tilgungsform endfällig in einem Betrag Der effektive Jahreszinssatz e i für diesen Kredit kann auf verschiedene Art und Weise berechnet werden. a) Überschlagsrechnung ohne Berücksichtigung von Zinseszinsen = 2.000 98.000 365 22 = 33,86% b) Exakte Ermittlung unter Berücksichtigung des Zinseszinseffekts Die Anzahl der unterjährigen Perioden pro Jahr mit einer Länge von 22 Tagen (Kreditlaufzeit) beträgt 365 Tage/ Jahr 22 Tage/ Periode = 16,59 Perioden pro Jahr Der Zinssatz für 22 Tage beträgt . . = 0,0204 oder 2,04% . Die Umrechnung des Periodenzinssatzes von 2,04% in den effektiven Jahreszinssatz ergibt (1,020408) , 1 = 0,3982 oder 39,82% . Dasselbe Ergebnis erhält man mit = . . , 1 = 0,3982 oder 39,82% . Excel-Umsetzung Die dafür notwendigen Eingaben in das Arbeitsblatt sind in Bild 2.6 vorgegeben (die Zeilen 32 bis 47 sind ausgeblendet). Mit Hilfe der Funktion IKV(), die mit Alt+m+i aufgerufen wird, erhält man den effektiven Tageszinssatz, da es sich bei den unterjährigen Perioden um Tage handelt. Dieser Tageszinssatz wird dann - wie oben aufgezeigt - auf ein Jahr hochgerechnet. Die folgende Tabelle zeigt die Berechnung einzelner Positionen. <?page no="26"?> 26 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Position Inhalt Excel-Umsetzung C28 Rechnungsbetrag abzgl. Skonto =F6-F6*F9 B29 Laufzeit mit Abbruchbedingungen =WENN(B29<($F$7- $F$8); B29+1; "") C29 Zahlungsstrom mit Abbruchbedingungen =WENN(B29<($F$7-$F$8); 0; WENN(($F$7-$F$8)=B29; -$F$6; "")) G28 effektiver Tageszinssatz =IKV(C28: C118) G29 effektiver Jahreszinssatz =(1+G28)^F10-1 Im Ergebnis ist die Inanspruchnahme von Skonti hochrentabel. Die effektive Skontoverzinsung beträgt im Beispiel nahezu 40%. Unter dieser Voraussetzung wäre auch die Überziehung des Kontokorrentrahmens sinnvoll, auch wenn dann ein Zinssatz von 17% (12% Soll-Zinssatz innerhalb der Kreditlinie und zuzüglich 5% Überziehungszinsen). Bild 2.6 Lieferantenkredit und Effektivzinssatzberechnung (Beispiel 2.4) <?page no="27"?> 2.3 Diskontkredit 27 2.3 Diskontkredit Der Diskontkredit ist ein kurzfristiger Kredit (Wechselkredit), den ein Kreditinstitut durch den Ankauf von noch nicht fälligen Wechseln gewährt. Häufig wird zwischen der Bank und dem Unternehmen eine Diskontkreditlinie vereinbart, die das maximale Volumen, bis zu dem die Bank bereit ist, Wechsel mit zuvor definierten Qualitätsmerkmalen anzunehmen, festlegt. Der Wechsel ist ein Zahlungsinstrument, welches strengen, im Wechselgesetz festgelegten Formvorschriften unterliegt. Der folgende Ablauf ist typisch für einen Diskontkredit. Ein Unternehmen (Lieferant) liefert Ware an einen Abnehmer „auf Ziel“. Der Rechnungsbetrag ist demnach erst nach einer bestimmten Frist, beispielsweise nach 90 Tagen fällig. Der Lieferant stellt dann einen Wechsel in Höhe des Rechnungsbetrages aus mit der Anweisung, zum Fälligkeitstermin die geschuldete Summe zu zahlen. Man sagt, der Lieferant als „Aussteller“ „zieht“ einen Wechsel auf seinen Abnehmer, dem „Bezogenen“. Dieser „gezogene“ Wechsel (auch Tratte genannt) wird dem Bezogenen vorgelegt, der mit seiner Unterschrift die wechselrechtliche Zahlungsverpflichtung akzeptiert. Der nun auch als „Akzept“ bezeichnete Wechsel wird anschließend an den Lieferanten zurückgegeben. Dieser kann den Wechsel bis zur Fälligkeit im Bestand halten oder bei der Bank zum Diskont einreichen, die ihm dann den Barwert des Wechsels zur Verfügung stellt. Der Barwert des Wechsels ist die Wechselsumme (Nominalwert) abzüglich des Diskontbetrages (Zinsen für die Laufzeit). Werden davon noch die anfallenden Diskontspesen abgezogen, erhält man den Auszahlungsbetrag. Der Diskontbetrag und die Diskontspesen stellen die Kosten für den Kreditnehmer dar. Der Diskont ist in seiner Höhe von den Geldmarktzinssätzen abhängig, die mit unterschiedlichen Fristen am Interbankenmarkt gehandelt werden. Hinzu kommt eine Marge, deren Höhe von der Kreditwürdigkeit und der Marktmacht des Unternehmens determiniert wird. Die Diskontspesen sind relativ niedrig und fallen vor allem für das Wechselinkasso (Einzug fälliger Wechselforderungen durch die Bank) und das Einholen von Auskünften an. Der effektive Jahreszinssatz kann vereinfacht berechnet werden, indem man die Kreditkosten auf den effektiv verfügbaren Kreditbetrag (Auszahlungsbetrag) bezieht und das Ergebnis auf ein Jahr hochrechnet. Das Jahr wird mit 360 Tagen angesetzt. 360 e Diskontbetrag Diskontspesen i Wechselbetrag Diskontbetrag Diskontspesen Wechsellaufzeit Der Wechselbetrag abzüglich des Diskontbetrages und der Diskontspesen stellt den effektiv verfügbaren Kreditbetrag dar. Die Formel berücksichtigt nicht, dass die Verzinsung unterjährig ist und der Diskont im Voraus abgezogen wird. Beispiel 2.5 Firma A liefert am 1. Juni 2014 Waren im Wert von 100.000 Euro (Rechnungsbetrag) an die Firma B. Firma A gewährt Firma B eine Stundung der Forderung über 100.000 Euro um 90 Tage (bis zum 30. September 2014) in der Form, dass sie einen Wechsel in Höhe von 100.000 Euro auf die Firma B ausstellt, den diese akzeptiert. Firma A reicht den Wechsel anschließend bei ihrer Bank zum Diskont ein, die einen Diskontierungszinssatz von 4% p.a. und eine Marge von 5% berechnet. Zusätzlich wird eine Diskontprovision in Höhe von 0,3% der Wechselsumme in Rechnung gestellt. <?page no="28"?> 28 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Es soll der effektive Jahreszinssatz des Diskontkredits ermittelt werden. Diskontbetrag für 90 Tage und Diskontprovision belaufen sich auf 90 100 000 0 09 100 000 0 003 2 250 00 300 2 550 00 360 . , . , . , . , . Damit ergibt sich ein Auszahlungsbetrag von 100 000 00 2 550 00 97 450 00 . , . , . , und der effektive Jahreszinssatz beträgt 2 550 360 0 1047 oder 10,47% 97 450 90 e . i , . . Die Bank legt am 30. September 2014 den Wechsel der Firma B zur Einlösung vor und bekommt von ihr 100.000 Euro. Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Input-Daten werden zunächst der Diskontbetrag und der Auszahlungsbetrag berechnet. Der effektive Jahreszinssatz ergibt sich, indem der Diskontbetrag durch den Auszahlungsbetrag dividiert wird und anschließend das Ergebnis annualisiert wird. Position Inhalt Excel-Umsetzung E13 Diskontbetrag =E6*((E7+E8)*E10/ E11+E9) E14 Auszahlungsbetrag =E6-E13 E15 effektiver Jahreszinssatz =E13/ E14*E11/ E10 Bild 2.7 Diskontkredit und Effektivzinssatzberechnung (Beispiel 2.5) <?page no="29"?> 2.4 Lombardkredit 29 Der Diskontkredit ist im Vergleich zum Kontokorrentkredit und Lieferantenkredit relativ kostengünstig. Nachteile ergeben sich aus den strengen wechselrechtlichen Vorschriften. Seit Einführung der europäischen Währungsunion und der Übertragung der Geldpolitik von der Deutschen Bundesbank auf die europäische Zentralbank wurde die Rediskontpolitik als Instrument der Geldmengensteuerung aufgegeben. Dadurch entfiel die Refinanzierungsmöglichkeit von Kreditinstituten bei der Gewährung von Diskontkrediten. Aus diesem Grunde ist die Bedeutung von Diskontkrediten seit 1999 stark gesunken. Seit der Einführung des Euro werden jedoch Wechsel als Kategorie- II-Sicherheit (marktfähige Sicherheiten mit besonderer Bedeutung für nationale Finanzmärkte und Sicherheiten) vom europäischen System der Zentralbanken akzeptiert. Kreditinstitute können deshalb unter gewissen Voraussetzungen diskontierte Wechsel zur Kreditaufnahme bei den Landeszentralbanken nutzen. 2.4 Lombardkredit Der Lombardkredit ist ein kurzbis mittelfristiger Kredit, den ein Kreditinstitut einem Kreditnehmer gegen die Verpfändung von Vermögensgegenständen als Besicherung zur Verfügung stellt. Dabei werden die verpfändeten Gegenstände, wie Wertpapiere, Forderungen, Wechsel, Waren und Edelmetalle, nicht in der vollen Höhe ihrer Werte beliehen, die Beleihungsgrenzen sind je nach Pfandgegenstand unterschiedlich und sind im Wesentlichen abhängig von der Wertbeständigkeit, der Liquidierbarkeit und dem Risiko von Wertschwankungen während der Laufzeit. Die Beleihungsgrenzen der verpfändeten Vermögenswerte liegen unter 100% ihrer Marktwerte und sind von Bank zu Bank verschieden. Üblich ist die Beleihung von Wertpapieren (auch als Wertpapierkredit oder Effektenkredit bezeichnet) und bereitet in der Regel keine Schwierigkeiten, zumal diese vielfach bereits vom Kreditinstitut verwahrt werden. So kann die Beleihungsgrenze festverzinslicher Wertpapiere und anderer sicherer Wertpapiere bei 80% des Marktwertes liegen, Aktien werden bis zu 50-60% beliehen. Fällt der Wert der Sicherheit unter die in Anspruch genommene Kreditsumme, dann verlangt die Bank einen entsprechenden Nachschuss, also eine Nachlieferung von Sicherheiten. Ist der Kreditnehmer dazu nicht in der Lage, kann die Bank das Wertpapierdepot ganz oder teilweise liquidieren. Schwieriger gestaltet sich die Verpfändung von Waren. Diese müssen haltbar und marktfähig sein und die Ermittlung ihres Wertes kann schwierig sein und erfordert oft einen Sachverständigen. Die Beleihungsgrenze liegt um die 50% des ermittelten Wertes. Die Waren werden in der Regel dem Kreditinstitut nicht übergeben, sondern auf dem Namen des Kreditinstituts in einem Lagerhaus eingelagert, wobei der Lagerschein dem Kreditinstitut übergeben wird. Der Verpfändung von Wechseln, Forderungen und Edelmetallen kommt im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Banken keine besondere Bedeutung zu. Die Kosten des Lombardkredits orientieren sich seit der Abschaffung des Diskont- und Lombardsatzes zum 01.01.1999 am Zinssatz für Spitzenrefinanzierungsfazilitäten der Europäischen Zentralbank. Aufgeschlagen werden können kundenindividuelle, vom Risiko des Kreditnehmers abhängige Margen. Weitere Kosten können für die Bewertung und die Verwahrung und Verwaltung (Depot-, Lager- und Versicherungskosten) der Vermögensgegenstände entstehen. <?page no="30"?> 30 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Beispiel 2.6 Im Umlaufvermögen eines Unternehmens befinden sich die folgenden lombardfähigen Wertpapiere und Waren: Kurswert Bundesanleihen 300.000 Euro Kurswert Aktien (Rating AAA) 200.000 Euro Marktwert Waren 500.000 Euro Die Bundesanleihen können mit 80%, die Aktien mit 60% und die Waren mit 50% beliehen werden. Der Zinssatz für die Inanspruchnahme eines Lombardkredites beträgt 5,8%. Es sind der Beleihungswert (maximale Kreditvolumen) und die Kreditkosten zu ermitteln, wenn 80% des Beleihungswertes für 9 Monate in Anspruch genommen werden. Wertpapier / Waren Kurswert / Marktwert Beleihungsgrenze Beleihungswert Bundesanleihe 300.000 80% 240.000 Aktien 200.000 60% 120.000 Waren 500.000 50% 250.000 Optionsscheine 50.000 0% 0 Gesamt 1.000.000 610.000 Durch die Beleihung der Wertpapiere und Waren verschafft sich das Unternehmen eine zusätzliche Liquidität in Höhe von 610.000 Euro. Optionsscheine können nicht beliehen werden. Die Kreditkosten belaufen sich für die Inanspruchnahme von 80% des Beleihungswertes für den Zeitraum von 9 Monaten auf 610.000 0,8 0, 058 9 21.228 12 . Excel-Umsetzung Die Excel-Umsetzung bedarf keiner weiteren Erläuterung. In der nachfolgenden Tabelle sind einzelne Berechnungen aufgeführt. Position Inhalt Excel-Umsetzung E23 Beleihungswert =C23*D23 E27 Summe der Beleihungswerte =SUMME(E23: E26) C29 Zinskosten =E27*D16*D17*D18/ 12 <?page no="31"?> 2.5 Ratenkredit 31 Bild 2.8 Lombardkredit (Beispiel 2.6) 2.5 Ratenkredit Ratenkredite werden privaten Haushalten in der Regel zur Anschaffung langlebiger Gebrauchsgüter (Auto, Ausbildungsmaßnahmen, Reisen etc.) von Kreditinstituten und Kreditvermittlern zur Verfügung gestellt. Andere Bezeichnungen für Ratenkredit sind Konsumentenkredit, Anschaffungsdarlehen und Privatdarlehen. Die Laufzeit liegt gewöhnlich zwischen drei und sechs Jahren. Der Kreditbetrag schwankt zwischen einigen tausend und einigen zehntausend, liegt aber in der Regel unter 50.000 Euro. Die Tilgung erfolgt meist in gleichbleibenden Monatsraten. Zum anfänglichen Schuldbetrag kommt häufig eine Bearbeitungsgebühr von ca. 2% des Nennwertes hinzu. Die Zinsen werden oft als Monatsprozentsatz ausgedrückt und unabhängig von der erbrachten Tilgungsleistung auf die ursprüngliche Kreditsumme berechnet. Diese traditionelle Gestaltung hat zur Folge, dass der daraus resultierende effektive Jahres- <?page no="32"?> 32 2 Kurz- und mittelfristige Kredite zinssatz im Gegensatz zum nominellen Jahreszinssatz entsprechend hoch ausfällt und vom Kreditnehmer häufig unterschätzt wird. Dies ergibt sich aus folgenden Tatsachen: (1) Die Angabe des Monatszinssatzes wirkt optisch niedriger als die Angabe des zwölfmal so großen Jahreszinssatzes. (2) Die Zinsen werden immer auf die Anfangsschuld berechnet, obwohl die verbleibende Restschuld aufgrund der Tilgung ständig abnimmt. (3) Die Zinszahlungen sind monatlich fällig und nicht erst am Jahresende. (4) Die ausgewiesene Bearbeitungsgebühr erhöht den effektiven Jahreszinssatz. Das folgende Beispiel soll diesen Sachverhalt verdeutlichen. Eine Konsumentenbank vergibt einen Kredit in Höhe von 30.000 Euro zu folgenden Konditionen: Laufzeit 3 Jahre, d.h. 36 Monate Tilgung 36 nachschüssige Monatsraten Zinssatz 0.5% pro Monat der ursprünglichen Kreditsumme Bearbeitungsgebühr 2% der Kreditsumme Der vom Schuldner zu leistende Kapitaldienst berechnet sich wie folgt: Kreditbetrag 30.000 Euro Zinsen (0.5% von 30.000 x 36) 5.400 Euro Bearbeitungsgebühr 600 Euro Gesamtbetrag 36.000 Euro Der monatliche Kapitaldienst beträgt dann: 36.000 Monatszahlung 1.000 Euro 36 Die moderne Variante der Abrechnung von Ratenkrediten vermeidet diese Nachteile und gestaltet Ratenkredite als Annuitätendarlehen, wie es bei Hypotheken- und Grundschulddarlehen üblich ist. Sparkassen, Genossenschaftsbanken und zahlreiche private Kreditbanken bieten seit etlichen Jahren standardmäßig Ratenkredite an. Zudem gibt es Kreditbanken, wie beispielsweise Banktöchter von Automobilherstellern, deren Geschäftsfeld in der Vergabe von Konsumentenkrediten an Privatleute ist. Viele dieser spezialisierten Institute sind zwischenzeitlich dazu übergegangen, einerseits ihr Aktivgeschäft über die Vergabe von Ratenkrediten über private Haushalte hinaus auch Unternehmen anzubieten und andererseits zur Refinanzierung auch Spar-. Termin- und Sichteinlagen entgegenzunehmen. Zur Besicherung von Ratenkrediten werden die Sicherungsübereignung (insbesondere bei Krediten zur Anschaffung langlebiger Gebrauchsgüter wie z.B. Autos), die sicherungsweise Abtretung von Lohn- oder Gehaltsansprüchen sowie die Mitverpflichtung anderer Personen, insbesondere Ehegatten, herangezogen. Oft erfolgt die Verknüpfung eines Ratenkredits mit einer Restschuldversicherung. In diesem Falle wird bei Eintritt des Schadensfalls, z.B. bei Erwerbslosigkeit oder im Todesfall, die vereinbarte Versicherungsleistung vom Versicherungsunternehmen an den Begünstigten (Kreditinstitut) ausgezahlt. <?page no="33"?> 2.5 Ratenkredit 33 Beispiel 2.7 Der Kaufpreis eines Autos beträgt 24.000 Euro. Als Anzahlung sind 10% des Kaufpreises zu begleichen. Für die Restkaufsumme (nicht Restschuld! ) werden monatlich 0,5% Zinsen vereinbart, zudem wird eine Bearbeitungsgebühr von 2% der Kreditsumme fällig, die dem Kreditbetrag zugeschlagen wird. Tilgung und Zinszahlung sollen in 40 gleichen Monatsraten jeweils am Ende eines jeden Monats erfolgen. Es sind ein Tilgungsplan zu erstellen und der effektive Jahreszinssatz zu berechnen. Kreditbetrag 24.000 abzüglich 10% Anzahlung 21.600 Euro Bearbeitungsgebühr 2% von 21.600 432 Euro Zinsen für 40 Monate (0,5% von 21.600) x 40 4.320 Euro Gesamt 26.352 Euro Die pro Monat zu leistende Zahlung beträgt demnach: 26.352 Monatszahlung 658,80 Euro 40 Der Tilgungsplan ist in Bild 2.9 dargestellt. Monat Schuldbetrag Monatsanfang Zinsen Tilgung Gesamtzahlung pro Monat 1 22.032,00 108,00 550,80 658,80 2 21.481,20 108,00 550,80 658,80 … … … … … 40 550,80 108,00 550,80 658,80 Summe 4.320 22.032,00 26.352,00 Bild 2.9 Tilgungsplan eines Ratenkredits (Beispiel 2.7) Die Zinsen berechnen sich aus dem Kreditbetrag von 21.600 Euro. Da die Bearbeitungsgebühr dem Kreditbetrag zugeschlagen wird, ergibt sich eine Anfangsschuld von 22.032 Euro, die in 40 gleichen Monatsraten getilgt wird. Der hohe Effektivzinssatz ergibt sich aus der Tatsache, dass die Zinsbelastung in Bezug auf die noch verbleibende Restschuld ständig zunimmt. Im ersten Monat werden 108 Euro Zinsen auf den Kreditbetrag von 21.600 Euro bezahlt, das sind 0,5% Monatszinsen; im vierzigsten Monat werden 108 Euro an Zinsen für eine Restschuld von 550,80 Euro bezahlt, das sind 21,6% Monatszinsen. Zum (einfachen) effektiven Jahreszinssatz gelangt man, indem man vom Mittelwert der Restschuld, also von 22 032 550 80 11 291 40 2 . , . , ausgeht, die Kosten (Zinsen und Bearbeitungsgebühr) auf den Mittelwert bezieht und das Ergebnis auf ein Jahr hochrechnet. Damit erhält man den effektiven Jahreszinssatz zu 4.320 432 12 0,1263 oder 12,63% 11.291, 40 40 e i . <?page no="34"?> 34 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Die exakte Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes wird in der Excel-Umsetzung gezeigt. Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Input-Daten (Zeile 6 bis 11) und den Zwischenrechnungen (Zeile 13 bis 17) wird der eigentliche Tilgungsplan (Bereich B27: H68) aufgestellt. Zunächst wird in Zeile 27, Zelle G27, der anfängliche Schuldbetrag 22.032 Euro und in Zelle H27 der zur Auszahlung kommende (Netto-) Kreditbetrag in Höhe von 21.600 Euro eingetragen. Der Zahlungsstrom dient der Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes. In Spalte B soll die Nummer für den laufenden Monat erscheinen. In Zeile 28 wird deshalb durch Eingabe der Funktion =WENN($E$8<B27+1; "SUMME"; B27+1 in Zelle B28 nach dem Laufzeitende gefragt; ist t n , soll der Text „Summe“ eingetragen werden. Ist der Wert der vorangehenden Zelle kleiner als die Gesamtlaufzeit, soll eine 1 hinzugefügt werden. Der Schuldbetrag am Monatsanfang (C28) entspricht dem Schuldbetrag am Monatsende des vorhergehenden Monats (G27); auf diesen Betrag werden in jedem der folgenden Monate die Zinsen (D28) berechnet. Den Tilgungsbetrag (E28) erhält man, indem der Schuldbetrag (Kreditbetrag und Bearbeitungsgebühr) durch die Laufzeit dividiert wird. Zins- und Tilgungsbetrag ergeben die monatliche Zahlung (F28). Zieht man vom Schuldbetrag am Monatsanfang die Tilgung ab, erhält man die Restschuld zum Monatsende (G28). In der Zahlungsreihe ist schließlich noch die Zahlung in Höhe der monatlichen Belastung mit negativem Vorzeichen zu berücksichtigen, da diese einen Cash-Outflow darstellt. In Zeile 29 werden die Berechnungen zusätzlich um Abbruchbedingungen ergänzt, da die Werte in den Zellen B28: H67 nur dann ausgegeben werden sollen, wenn der Wert innerhalb der Laufzeit liegt, d.h., wenn in der Spalte B die Nummer für den laufenden Monat erscheint. Nach Eingabe aller Formeln in Zeile 29 wird diese nach unten kopiert und man erhält den in Abb. 2.10 dargestellten Tilgungsplan (die Zeilen 31 bis 64 sind ausgeblendet). Die Berechnung einzelner Positionen ist in der folgenden Tabelle aufgezeigt. Position Inhalt Excel-Umsetzung H27 Kreditbetrag =E13 B28 Laufzeit mit „Summe“ =WENN($E$8<B27+1; "SUMME"; B27+1) C28 Schuldbetrag Monatsanfang =G27 D28 Berechnung der Zinsen =WENN(B28>$E$8; ""; $E$13*$E$11) E28 Berechnung der Tilgung =WENN(B28>$E$8; ""; ($E$13+$E$14)/ $E$8) <?page no="35"?> 2.5 Ratenkredit 35 F28 monatliche Zahlung =WENN(B28>$E$8; ""; D28+E28) G28 Schuldbetrag Monatsende =WENN(ODER(B28="SUMME"; B28>$E$8); ""; C28-E28) H28 Zahlungsstrom =WENN(ODER(B28="SUMME"; B28>$E$8); ""; -F28) B29 Laufzeit mit Abbruchbedingungen =WENN(ODER(B28="SUMME"; B28=""); ""; WENN($E$8<B28+1; "SUMME"; B28+1)) C29 Schuldbetrag =WENN(ODER(B29="SUMME"; B29=""); ""; G28) D29 Berechnung der Zinsen =WENN(B29="SUMME"; SUMME($D$28: D28); WENN(B29>$E$8; ""; $E$13*$E$11)) E29 Berechnung der Tilgung =WENN(B29="SUMME"; SUMME($E$28: E28); WENN(B29>$E$8; ""; ($E$13+$E$14)/ $E$8)) F29 monatliche Zahlung =WENN(B29="SUMME"; SUMME($F$28: F28); WENN(B29>$E$8; ""; D29+E29)) G29 Schuldbetrag Monatsende =WENN(ODER(B29="SUMME"; B29>$E$8); ""; C29-E29 H29 Zahlungsstrom =WENN(ODER(B29="SUMME"; B29>$E$8); ""; -F29) <?page no="36"?> 36 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Bild 2.10 Tilgungsplan eines Ratenkredits (Beispiel 2.7) 2.6 Hersteller- und Händlerkredit Händlerkredite bzw. Herstellerkredite sind klassische Ratenkredite, bei denen einzig der Kaufpreis erworbener Waren finanziert wird. Bei dieser sogenannten Händlerfinanzierung, die aus dem Bereich des PKW-Absatzes bekannt ist und mittelweile auch beim Möbelhändler, Elektronikhändler und im Modehaus genutzt werden kann, handelt es sich um Kredite, die mit sehr niedrigen effektiven Jahreszinssätzen bis hin zur 0% Finanzierung beworben werden und die vor allem der Absatzförderung dienen sollen. Meist handelt es sich bei dem günstigen Finanzierungsangebot nur um eine andere Form des Preisnachlasses, den ein Käufer, der die Ware sofort bezahlt, in Form eines Barzahlungsrabattes bekommt. Der Nachteil der geringen Zinsen manifestiert sich in der Tatsache, dass der Käufer kaum mehr Verhandlungsspielraum beim Listenpreis hat, denn zusätzliche Preisnachlässe würden die Gewinnmarge des Herstellers bzw. Händlers noch weiter verringern. Das folgende Beispiel soll das Dilemma, in dem sich der Kunde befindet, verdeutlichen. Beispiel 2.8 Ein Landwirt beabsichtigt den Kauf eines Traktors, der zu 80.000 Euro angeboten wird. Der Kaufpreis könnte über einen Händlerkredit mit einem effektiven Zinssatz von 3% finanziert werden. Der Kredit hat eine Laufzeit von 3 Jahren, wobei Zins und Tilgung in 36 gleichgroßen Monatsraten zu je 2.325,07 Euro zu bezahlen sind. Da der Landwirt genügend Eigenmittel hat, möchte er auf eine Kreditfinanzierung verzichten und den Traktor bar bezahlen. Das Marktzinsniveau für Bankkredite beträgt zum Kaufzeitpunkt bei 3-jähriger Zinsfestschreibung 6%. Zu diesem Zinssatz kalkuliert auch der Traktorverkäufer. Zunächst soll geprüft werden, ob sich bei der Kreditsumme von 80.000 Euro und den vom Händler angegebenen Monatsraten von 2.325,07 Euro ein effektiver Jahreszinssatz von 3% ergibt. Dann möchte der Landwirt wissen, welchen Rabatt er auf den Preis von 80.000 Euro erhalten muss, damit er für die Nichtinanspruchnahme des zinsgünstigen Händlerkredites angemessen entschädigt wird. Da die Kapitaldienstraten monatlich fällig und betragsmäßig gleich groß sind, handelt es sich um ein Annuitätendarlehen (vgl. Kap. 3.2). Es muss daher geprüft werden, ob der dem effektiven Jahreszinssatz von 3% entsprechende effektive Monatszinssatz bei einer Laufzeit von 36 Monaten dem angegebenen Kapitaldienst von 2.325,07 Euro entspricht. Der effektive Monatszinssatz berechnet sich aus: = (1,03) 1 = 0,002466 oder 0,2466% <?page no="37"?> 2.6 Hersteller- und Händlerkredit 37 Die monatliche Annuität erhält man durch Multiplikation des Kreditbetrages mit dem Annuitätenfaktor: 36 36 1, 002466 0, 002466 80.000 2.325, 07 1, 002466 1 A Der vom Händler angegebene effektive Jah reszinssatz ist demnach korrekt. Bei der Berechnung des Rabattes kann man von folgender Überlegung ausgehen: Wenn der Händler den am Markt gültigen Kalkulationszinssatz von 6% unterstellt, dann repräsentiert der Barwert der 36 Monatsraten von 2.325,07 Euro den aus seiner Sicht ökonomisch gleichwertigen Barzahlungspreis. Die Differenz zwischen dem Barzahlungs- und dem Finanzierungspreis ergibt dann den vom Landwirt zu erzielenden Barzahlungsrabatt auf den Finanzierungspreis von 80.000 Euro. Zunächst wird der Monatszinssatz ermittelt, der einem (effektiven) Jahreszinssatz von 6% entspricht. i 1, 06 12 1 1 0, 004868 Dann wird der (Renten-)Barwert der 36 Monatsraten von 2.325,07 Euro bestimmt. = 2.325,07 ( , ) , ( , ) = 76.608,63 Der zu erwartende Rabatt bei Barzahlung berechnet sich dann aus folgender Äquivalenzgleichung: 36 36 1, 004868 1 80.000 2.325, 07 76.608, 63 0, 004868 1, 004868 Rabatt Daraus ergibt sich ein Rabatt von 80.000 76. 608,63 = 3.391,37 Euro. Der Landwirt könnte unter den angegebenen Bedingungen bei Verzicht auf das angebotene Händlerdarlehen mit einem Rabatt von 3.391,37 Euro rechnen. Excel-Umsetzung Zur Ermittlung des effektiven Jahreszinssatzes werden zunächst die monatliche Rate mit der Excel-Funktion RMZ() bestimmt und die Zahlungsreihe für 36 Monate aufgestellt. Aus dieser wird mit Hilfe der Excel-Funktion IKV() der effektive Monatszinssatz bestimmt, der dann in bekannter Weise auf ein Jahr hochgerechnet wird (vgl. Bild 2.11; die Zeilen 20 bis 47 sind ausgeblendet). Der mögliche Rabatt, den der Käufer des Traktors bei Nichtinanspruchnahme des zinsgünstigen Händlerdarlehens beanspruchen könnte, berechnet sich aus der Differenz zwischen dem Kaufpreis (H6) und dem Barwert der zukünftigen Cashflows (G16), der mit der Funktion NPV() bestimmt wird. Die Berechnung der relevanten Positionen ist in nachfolgender Tabelle aufgeführt. Position Inhalt Excel-Umsetzung D10 monatlicher Zinssatz =(1+D8)^(1/ 12)-1 D11 monatliche Rate =RMZ(D10; D7; -D6; ; 0) <?page no="38"?> 38 2 Kurz- und mittelfristige Kredite D12 monatlicher Effektivzinssatz =IKV(C16: C52) D13 effektiver Jahreszinssatz =(1+D12)^12-1 G16 Barwert des Zahlungsstroms =NBW(H11; G17: G52) Bild 2.11 Händlerdarlehen (Beispiel 2.8) 2.7 Kundenkredit Der Kundenkredit, auch Abnehmerkredit, Vorauszahlungskredit oder Kundenanzahlung genannt, ist wie der Lieferantenkredit ein Handelskredit und beinhaltet eine vertragliche Vereinbarung zwischen einem Kunden und einem Lieferanten, wobei der Kunde Kreditgeber und der Lieferant Kreditnehmer ist. Anzahlungen von Kunden sind insbesondere dann üblich, wenn zwischen Planung und Fertigstellung eines Wirtschaftsgutes erhebliche Zeit liegt und ein hoher Kapitaleinsatz erforderlich ist (z.B. im Großanlagenbau, Maschinenbau, Schiffsbau und Wohnungsbau). Die Bereitstellung von Kundenkrediten erhöht die Liquidität des Lieferanten und gewährt eine gewisse Sicherheit dafür, dass der Kunde auch weiterhin an der Erstellung des in Auftrag gegebenen Wirtschaftsgutes interessiert ist und nach Fertigstellung abnimmt. Die Höhe des Kundenkredites und die Zeitpunkte der Zahlungen sind unterschiedlich geregelt und hängen von der Marktstellung des Lieferanten und seiner Auftragslage ab. Auch wenn beim Kundenkredit üblicherweise keine Zinsen berechnet werden, finden diese eine kalkulatorische Berücksichtigung. Der Rechnungspreis des Lieferanten wird demnach umso höher sein, je später die Zahlungen von Seiten des Kunden erfolgen. Wird das Wirtschaftsgut erst nach der Fertigstellung bezahlt, dürfte der in Rechnung gestellte Preis am höchsten sein. <?page no="39"?> 2.7 Kundenkredit 39 Beispiel 2.9 Ein Kunde beauftragt eine Firma mit der Herstellung einer Spezialmaschine, die innerhalb von vier Jahren erstellt werden soll. Der Preis der Maschine betrage nach Fertigstellung am Ende des vierten Jahres 1.2000.000 Euro. Zwischen Kunde und Lieferanten wird folgende Vereinbarung getroffen: Zu zahlen in vier gleichen Raten, fällig jeweils am Jahresende. Der Kalkulationszinssatz beträgt 10%. Zur Bestimmung des Rechnungsbetrages wird zunächst die jährliche Rate A berechnet. Vergleicht man die Barwerte beider Zahlungsvarianten (Äquivalenzprinzip), erhält man aus der Gleichung 4 4 4 1,1 1 1.200.000 1,1 0,1 1,1 A die Höhe der zu zahlenden Raten durch Multiplikation des später fälligen Betrages mit dem Restwertverteilungsfaktor: 4 0,1 1.200.000 258.564, 96 1,1 1 A Der gesamte Rechnungsbetrag vermindert sich damit von 1.200.000 Euro auf 258.564,96 4 = 1.034.259,86 Euro , eine Ersparnis von 165.740,14 Euro. Excel-Umsetzung Nach Eintragung der Input-Werte wird zur Bestimmung des Rechnungsbetrages zunächst die jährliche Rate berechnet. Diese erhält man durch Multiplikation des am Ende des vierten Jahres fälligen Kaufpreises mit dem Restwertverteilungsfaktor. Die Summe dieser Raten ergibt den Rechnungsbetrag, in dem die Zinsen kalkulatorisch berücksichtigt werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung E10 jährliche Rate =$E$6*$E$8/ ((1+$E$8)^$E$7-1) C19 Summe der Raten (Rechnungsbetrag) =WENN(B19="SUMME"; SUMME($C$15: C18); WENN(B19>$E$7; ""; $E$10)) E12 Ersparnis =E6-E11 <?page no="40"?> 40 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Bild 2.12 Kundenkredit (Beispiel 2.9) 2.8 Leasing 2.8.1 Grundlagen Leasing bedeutet ins Deutsche übersetzt so viel wie mieten oder pachten und stellt eine Sonderform der Fremdfinanzierung dar, weil sie ohne den Einsatz von Kredit- und Eigenmitteln Investitions- und Kapazitätserweiterungen im Betrieb ermöglicht. Im Rahmen von Leasingverträgen verpflichtet sich der Eigentümer des Wirtschaftsgutes, der sog. Leasinggeber, diesen Gegenstand dem Leasingnehmer gegen Zahlung eines in regelmäßigen Abständen zu erbringenden Entgelts, der sog. Leasingraten, für eine bestimmte Zeitdauer zur Nutzung oder zum Gebrauch zu überlassen. Als Leasinggeber treten Hersteller von Produkten, aber auch herstellerunabhängige Leasinggesellschaften auf. Leasingverträge existieren in unterschiedlichster Ausgestaltung. Diskriminiert man die verschiedenen Formen nach dem Verpflichtungscharakter des Leasingvertrages, dann lassen sich zwei grundsätzlich zu unterscheidende Leasingformen gegeneinander abgrenzen. Beim Operate-Leasing handelt es sich um die Vermietung fungibler Güter, für die in der Regel kurzlaufende (bis zu einem Jahr), für den Leasinggeber und -nehmer beidseitig kündbare Verträge abgeschlossen werden. Der Leasinggeber wird das Gut mehrmals vermieten müssen, da ein einziger Leasingvertrag die Kosten der Anschaffung oder Herstellung, der Finanzierung und Verwaltung nicht amortisieren wird. Das Objektrisiko, d.h. die Gefahr des zufälligen Untergangs, des Diebstahls, der Überalterung etc. trägt wie bei herkömmlichen Mietverträgen der Leasinggeber. Deshalb wird dem Leasingnehmer die Gebrauchsüberlassung oft nur in Verbindung mit einem Vertrag über Service- und Wartungsleistungen angeboten. Die weiteren Ausführungen beschränken sich auf das Finanzierungsleasing, da es der Alternative „Kreditkauf“ am nächsten kommt. Beim Finanzierungsleasing erwirbt der Leasingnehmer nicht das Eigentum am Leasinggegenstand, sondern für eine längere Zeitspanne ein Nutzungsrecht. Dieser Zeitraum wird als Grundmietzeit bezeichnet und beträgt in der Regel 60 bis 80% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer, die den AfA-Tabellen der Finanzverwaltung zu entnehmen ist. Der Leasingnehmer kann während der Grundmietzeit nicht kündigen. Die Verträge (unbeschadet der Unterscheidung in Vollamortisations- oder Teilamortisationsverträge) sind typischerweise so ausgestaltet, dass die Anschaffungsbzw. <?page no="41"?> 2.8 Leasing 41 Herstellungskosten, die Finanzierungskosten und die Verwaltungskosten des Leasinggebers durch eine etwaige Sonderzahlung zu Vertragsbeginn, die laufenden Leasingraten und eine etwaige Abschlusszahlung zum Vertragsende (Restwert) voll amortisiert sind. Trägt der Leasingnehmer während der Grundmietzeit das volle Investitionsrisiko, d.h., trägt er die Reparatur- und Instandhaltungskosten, das Risiko der Verschlechterung und des zufälligen Untergangs des Leasingobjektes, dann ist er auch im wirtschaftlichen Sinn Eigentümer des Objektes. Dennoch werden die Verträge aus steuerlichen Gründen so gestaltet, dass der Leasinggegenstand nicht beim Leasingnehmer, sondern beim Leasinggeber bilanziert wird. Damit stehen diesem die Abschreibungen und die durch die Anschaffung des Leasingobjektes anfallenden Zinskosten für Fremdmittel als steuerlicher Aufwand zu. Demgegenüber kann der Leasingnehmer die zu zahlenden Raten steuerlich als Aufwand geltend machen. Zur quantitativen Analyse von Leasingverträgen, von denen eine Vielzahl von Varianten angeboten wird, muss der Zahlungsstrom eingeschätzt werden, der sich aus dem Leasingvertrag ergibt. Dazu muss festgestellt werden, wer zu welchen Anteilen die Anschaffungskosten des Leasingobjektes bezahlt, wie hoch die Leasingrate ist und in welchen Perioden sie bezahlt werden muss, und welche Ein- und Auszahlungen am Ende der Grundmietzeit mit der Verwertung des Leasingobjektes zu erwarten sind. Sind diese Grundfragen geklärt, kann der Zahlungsstrom ermittelt werden, und mit Hilfe der Kapitalwertmethode oder der internen Zinssatzmethode ein Leasing mit einem Kreditkauf verglichen werden. Manche Leasingverträge vereinbaren zu Beginn der Grundmietzeit eine einmalige Sonderzahlung, d.h. der Leasingnehmer finanziert die Anschaffung des Leasinggegenstandes anteilig mit. Während der Grundmietzeit sind dann vom Leasingnehmer die Leasingraten zu zahlen, wobei der Leasinggegenstand immer noch Eigentum des Leasinggebers ist. Am Ende der Grundmietzeit sehen viele Leasingverträge Rechte oder Pflichten am Restwert des Leasinggegenstandes vor, die wie folgt unterteilt werden können: Besteht keine Vereinbarung zum Restwert, dann geht der Leasinggegenstand an den Leasinggeber zurück und der Leasingnehmer hat keine Ansprüche am Restwert. Wird eine Kaufoption zugunsten des Leasingnehmers vereinbart, dann hat der Leasingnehmer das Recht, jedoch nicht die Verpflichtung, zu einem vertraglich festgelegten Preis den Leasinggegenstand vom Leasinggeber zu erwerben. Wird eine Mietverlängerungsoption zugunsten des Leasingnehmers getroffen, kann der Leasingnehmer das Leasingobjekt vom Leasinggeber für einen bestimmten Zeitraum nach der Grundmietzeit zu einer vertraglich festgelegten Rate weiterleasen. Wird ein Restwert festgelegt, dann hat der Leasingnehmer das Leasinggut zum vertraglich fixierten Restwert am Ende der Grundmietzeit zu übernehmen. Besteht ein Andienungsrecht zugunsten des Leasinggebers, dann hat der Leasinggeber das Recht, das Leasinggut dem Leasingnehmer am Ende der Grundmietzeit anzudienen. Übt der Leasinggeber sein Andienungsrecht aus, dann ist der Leasing- <?page no="42"?> 42 2 Kurz- und mittelfristige Kredite nehmer verpflichtet, den bereits zu Vertragsbeginn fixierten Restwert zu zahlen und das Leasinggut zu kaufen. Der Leasinggeber wird immer dann von seinem Recht Gebrauch machen, wenn der Marktwert des Leasingobjektes unter den vertraglich festgelegten Andienungspreis liegt. Anderenfalls wird er es selbst am Markt zu einem höheren Preis verkaufen. Wird eine Mehrerlösbeteiligung zugunsten des Leasingnehmers vereinbart, dann wird im Vertrag ein Restwert festgelegt, den der Leasinggeber zur vollen Kostendeckung benötigt. Zudem wird vereinbart, dass der Leasingnehmer am Erlös, der über den vertraglich fixierten Restwert liegt (Mehrerlös), zu einem bestimmten Prozentsatz beteiligt wird. Das folgende Beispiel soll die Wirkung einer Mehrerlösbeteiligung verdeutlichen. Folgende Ausgangsdaten sind gegeben: Anschaffungskosten des Leasingobjektes 100.000 Euro Festgelegter Restwert am Ender der Grundmietzeit 20.000 Euro Mehrerlösbeteiligung zugunsten des Leasingnehmers (in %) 75% Mehrerlösbeteiligung zugunsten des Leasinggebers (in %) 25% Verkaufserlös des Leasinggutes am Ende der Grundmietzeit 32.000 Euro Der Mehrerlös beträgt 32.000 20.000 = 12.000 Euro Davon erhält der Leasingnehmer 12.000 0,75 = 9.000 Euro Der Anteil des Leasinggebers beträgt 12.000 0,25 = 3.000 Euro Zur Refinanzierung verwenden Leasinggesellschaften unter anderem Bankdarlehen, wobei die künftigen Leasingraten als Sicherheit dienen können. Eine andere Möglichkeit der Refinanzierung besteht im Verkauf der künftigen Leasingraten zu ihrem Barwert (Forfaitierung von Leasingraten), dabei wird ein Diskontierungszinssatz verwendet, der wegen des von der forfaitierenden Bank übernommenen Debitorenrisikos über den Darlehenszinsen liegt. Möglich ist auch der Verkauf von großen Beständen an Leasingforderungen an eine Zweckgesellschaft, welche die erworbenen Forderungen in Form von Asset Backed Securities (ABS) über den Kapitalmarkt refinanziert. 2.8.2 Kalkulation und Berechnung der Leasingraten Grundlage für die Berechnung der Leasingraten ist die Leasingraten-Bemessungsgrundlage, der folgendes Kalkulationsschema zugrunde liegt: Anschaffungs-/ Herstellungskosten + Anschaffungsnebenkosten = Anschaffungs-/ Herstellungskosten netto + Zinsaufwand für erhaltene Anzahlungen und Zwischenfinanzierungen = Bemessungsgrundlage Die Bemessungsgrundlage ist der Betrag an direkt dem Leasingobjekt zurechenbaren Kosten, der bei Verträgen mit Vollamortisation durch die Leasingraten in der Grund- <?page no="43"?> 2.8 Leasing 43 mietzeit amortisiert werden muss. Bei Teilamortisationsverträgen muss von der Bemessungsgrundlage noch der kalkulierte Barwert des Restwertes abgezogen werden. Zur Bemessungsgrundlage wird die Leasinggesellschaft noch eine Marge zur Abdeckung der anfallenden Verwaltungs- und Betriebskosten sowie eine angemessene Gewinnmarge hinzurechnen (beides sind Kostenbestandteile, die allein die Leasinggesellschaft verursacht), die ebenfalls zu amortisieren sind. Im Ergebnis erhält man die Leasingsumme, auf deren Basis der Leasinggeber unter Zugrundelegung eines Kalkulationszinssatzes, der bei voller Refinanzierung mindestens dem Refinanzierungszinssatz entspricht, die Leasingrate ermitteln wird. Für den Leasingnehmer stellt die Leasingsumme die insgesamt eingegangene Verpflichtung dar, die durch die regelmäßige Zahlung der Leasingraten im Zeitablauf aufgelöst wird. Bezeichnet man mit L die Leasingsumme, mit n die Leasingdauer (Grundmietzeit) und mit i den Kalkulationszinssatz, dann berechnen sich die nachschüssigen Leasingraten R zu 1 1 1 n n i i R L i und für die vorschüssigen Leasingraten R' erhält man 1 1 1 1 1 1 1 1 1 n n n n i i i i R L L i i i . Die Leasingsumme wird hier mit dem vorbzw. nachschüssigen Annuitätenfaktor (auch Kapitalwiedergewinnungsfaktor genannt) multipliziert, der einen heutigen Betrag unter Berücksichtigung des Zeitwertes des Geldes in uniforme und äquidistante Zahlungen umrechnet. Die Leasingsumme kann in den Formeln je nach Gestaltung des Leasingvertrags verschiedene Werte annehmen. Einige davon sind im Folgenden aufgeführt, wobei hier auf die Einflussfaktoren abgestellt wird, die den größten Einfluss auf die Leasingrate haben. Seien A die Netto-Anschaffungsbzw. Herstellungskosten, G der stets einkalkulierte Gewinn, S die Sonderzahlung zu Vertragsbeginn, und RW der Restwert bzw. die Abschlusszahlung. Unterstellt man, dass keine Sonderzahlung zu Vertragsbeginn und kein Restwert am Ende der Grundmietzeit vereinbart sind, nimmt die Leasingsumme L den Wert L A G an und die nachschüssige Leasingrate R berechnet sich zu 1 1 1 n n i i R A L i . Wird zu Vertragsbeginn eine Sonderzahlung geleistet, aber kein Restwert berücksichtig, nimmt die Leasingsumme den Wert L A G S an, und als Leasingrate erhält man <?page no="44"?> 44 2 Kurz- und mittelfristige Kredite 1 1 1 n n i i R A G S i . Sind eine Sonderzahlung und ein Restwert am Ende der Grundmietzeit zu berücksichtigen, beträgt die Leasingsumme 1 n RW L A G S i und die Leasingrate berechnet sich zu 1 1 1 1 n n n i i RW L A G S i i . Die Berechnung vorschüssiger Leasingraten erfolgt analog der aufgezeigten Vorgehensweise, es ist lediglich der nachschüssige Annuitätenfaktor durch den vorschüssigen Annuitätenfaktor zu ersetzen. Ist eine Verlängerungsmiete M für den Zeitraum zu berücksichtigen, wobei die Grundmietzeit und die Gesamtmietzeit darstellen, ergibt sich der Zeitwert der Mietzahlungen zum Zeitpunkt zu 2 1 2 1 1 1 1 n n n n i M i i und zum heutigen Zeitpunkt erhält man den Barwert 2 1 2 1 1 1 1 1 1 1 n n n n n i M i i i . Für den Fall, dass die Verlängerungsmietzahlungen am Anfang des Jahres erfolgen, müssen die beiden letztgenannten Formeln noch um den Faktor 1 + multipliziert werden. Bei der Berechnung unterjährlicher Leasingraten sind der Zinssatz und die Laufzeit entsprechend anzupassen. Beispiel 2.10 Für eine Maschine sind die folgenden Basisdaten (Geldbeträge in Euro) gegeben: Anschaffungskosten 300.000 Anschaffungsnebenkosten 11.000 Erhaltene Rabatte 15.500 Erhaltene Sonderzahlungen zu Vertragsbeginn 50.000 Restwert (20% der Anschaffungskosten) Gewinnspanne (8% der Anschaffungskosten) 60.000 24.000 Es soll die Leasingrate für die folgenden Fälle berechnet werden, wenn ein Kalkulationszinssatz von 9% zugrunde gelegt wird und die Raten am Monatsende gezahlt werden. Der Gewinn sei stets einkalkuliert. <?page no="45"?> 2.8 Leasing 45 a) Es soll die Leasingrate für eine Grundmietzeit von 48, 36 und 24 Monaten berechnet werden, wenn keine Sonderzahlung und kein Restwert berücksichtigt werden. b) Es soll die Leasingrate für eine Grundmietzeit von 24 Monaten berechnet werden, wenn zu Vertragsbeginn eine Sonderzahlung von 50.000 Euro geleistet wird. c) Es soll die Leasingrate für eine Grundmietzeit von 24 Monaten bestimmt werden, wenn am Vertragsende ein Restwert von 60.000 Euro zu berücksichtigen ist. d) Es soll die Leasingrate für eine Grundmietzeit von 24 und 36 Monaten berechnet werden, wenn zu Vertragsbeginn eine Sonderzahlung von 50.000 Euro und am Vertragsende ein Restwert von 60.000 Euro zu berücksichtigen ist. Die Ergebnisse sind in den beiden folgenden Tabellen zusammengefasst. Exemplarisch soll die Leasingrate für eine Grundmietzeit von 24 Monaten berechnet werden, wenn zu Vertragsbeginn eine Sonderzahlung von 50.000 Euro und am Vertragsende ein Restwert von 60.000 Euro zu berücksichtigen sind (Fall d). Die Leasingsumme beträgt 24 60.000 300.000 11.000 15.500 24.000 50.000 219.350,12 1, 0075 L Damit erhält man als monatliche Leasingrate 24 24 1, 0075 0, 0075 219.350,12 10.020, 95 1, 0076 1 L Gewinn Sonderzahlung Restwert Grundmietzeit Leasingsumme Leasingrate 24.000 - - 48 319.500 7.950,77 24.000 - - 36 319.500 10.160,01 24.000 - - 24 319.500 14.596,28 24.000 50.000 - 24 269.500 12.312,04 24.000 - 60.000 24 259.500 11.855,19 24.000 50.000 60.000 24 209.500 9.570,95 24.000 50.000 60.000 36 209.500 6.662,04 Bild 2.13 Nachschüssige Leasingraten bei verschiedenen Grundmietzeiten unter Berücksichtigung einer Sonderzahlung zu Vertragsbeginn und eines Restwertes Gewinn Sonderzahlung Restwert Grundmietzeit Leasingsumme Leasingrate 24.000 - - 48 319.500 7.891,58 24.000 - - 36 319.500 10.084,38 24.000 - - 24 319.500 14.487,62 <?page no="46"?> 46 2 Kurz- und mittelfristige Kredite 24.000 50.000 - 24 269.000 12.220,39 24.000 - 60.000 24 259.500 11.766,94 24.000 50.000 60.000 24 209.500 9.499,71 24.000 50.000 60.000 36 209.500 6.612,45 Bild 2.14 Vorschüssige Leasingraten bei verschiedenen Grundmietzeiten unter Berücksichtigung einer Sonderzahlung zu Vertragsbeginn und eines Restwertes Aus den Bildern 2.13 und 2.14 ist ersichtlich, dass die Leasingrate bei gegebener Leasingsumme umso niedriger ist, je länger die Laufzeit ist. Auch kann leicht nachgeprüft werden, dass die Leasingrate bei einer höheren Sonderzahlung zu Vertragsbeginn und/ oder einem höheren Restwert geringer ausfällt. Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Grunddaten kann die Leasingrate mit der Excel-Funktion RMZ(), die über die Tastenkombination Alt + m + i aufgerufen wird, direkt berechnet werden. Dabei ist zu beachten, dass im Funktionsassistenten der relative Zinssatz eingegeben und mittels $-Zeichen feste Zellbezüge hergestellt werden, das Funktionsargument Barwert mit negativem Vorzeichen versehen wird und das Funktionsargument Fälligkeit (F) entsprechend der Zahlungsweise (nach- oder vorschüssig) mit 0 bzw. 1 eingegeben wird. Anschließend kann die Zelle G20 nach unten kopiert werden. Die Berechnung der vorschüssigen Leasingraten erfolgte durch Eingabe der Formel. Die folgende Tabelle zeigt die Berechnung einzelner Positionen bei nachschüssiger Zahlungsweise. Position Inhalt Excel-Umsetzung G20 Leasingrate ohne Sonderzahlung und Restwert =RMZ($E$14; E20; -F20; ; 0) G23 Leasingrate bei Sonderzahlung zu Vertragsbeginn =RMZ($E$14; E23; -F23; ; 0) G24 Leasingrate bei Restwert =RMZ($E$14; E24; -F24; ; 0) G25 Leasingrate bei Sonderzahlung zu Vertragsbeginn und Restwert =RMZ($E$14; E25; -F25; ; 0) <?page no="47"?> 2.8 Leasing 47 Bild 2.15 Berechnung von Leasingraten unter Berücksichtigung des Gewinns, einer Sonderzahlung und eines Restwertes bei nachschüssiger Zahlungsweise (Beispiel 2.10) 2.8.3 Berechnung des Effektivzinssatzes Die aus einem Leasingvertrag resultierende Effektivverzinsung hängt im Wesentlichen von der Vertragsgestaltung ab. Vorauszahlungen, Kautionszahlungen, die Höhe des Restwertes am Ende der Grundmietzeit sowie die Zahlungsweise der Raten bestimmen unter anderem den Effektivzinssatz eines Leasingengagements. Das folgende Beispiel soll den Einfluss solcher Zahlungen auf den Effektivzinssatz demonstrieren. Beispiel 2.11 Eine Firma benötigt eine Maschine, die wegen mangelnder Grundschuldabsicherung von der Hausbank mit einem Kredit zu einem Zinssatz von 13% finanziert werden könnte. Bestünde die Absicherung des Kredits über eine Grundschuld, könnte der Kredit nach Auskunft der Bank zu einem Zinssatz von 9% aufgenommen werden. Als der Geschäftsführer der Firma dem Maschinenhändler die Probleme mit der Kreditfinanzierung schildert, weist dieser auf die Möglichkeit des Leasings hin. Die mit ihm zusammenarbeitende Leasingfirma unterbreitet daraufhin folgendes Angebot: Leasingobjekt Maschine Kaufpreis 120.000 Euro Leasingdauer (Grundmietzeit) 36 Monate monatliche Leasingrate (nachschüssig) 3.650 Euro Leasingsonderzahlung zu Vertragsbeginn 12.000 Euro <?page no="48"?> 48 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Es wird folgende Restwertvereinbarung getroffen: Der Leasinggeber hat das Recht, die Maschine der Leasingnehmerin am Vertragsende zu einem Preis von 22.500 Euro (das sind 25% des Kaufpreises abzüglich der Leasingsonderzahlung) anzudienen. Macht der Leasinggeber von seinem Andienungsrecht Gebrauch, dann muss der Leasingnehmer die Maschine zu dem angegebenen Preis vom Leasinggeber kaufen. Der Leasinggeber wird natürlich nur dann von seinem Andienungsrecht Gebrauch machen, wenn der Marktwert der Maschine am Ende der Grundmietzeit nicht höher als der vertraglich festgesetzte Andienungspreis ist. Steuerliche Aspekte sind derzeit und in naher Zukunft für die anstehende Entscheidung nicht relevant, da die Firma noch mit steuerlichen Verlusten zu kämpfen hat. a) Es soll der effektive Jahreszinssatz ohne Berücksichtigung eines Restwertes bestimmt werden. b) Es soll der effektive Jahreszinssatz für den Fall berechnet werden, dass die Leasingnehmerin am Ende der Grundmietzeit die Maschine zum fixierten Restwert von 22.500 Euro übernimmt. c) Es soll der effektive Jahreszinssatz ermittelt werden, wenn der Marktwert der Maschine am Ende der Grundmietzeit bei 30% bzw. 40% des Kaufpreises liegt. Die Ergebnisse sind in Bild 2.16 zusammengefasst. Kaufpreis Sonderzahlung Restwert Grundmietzeit Leasingrate effektiver Monatszinssatz effektiver Jahreszinssatz 120.000 12.000 - 36 3.650 1,10% 14,04% 120.000 12.000 22.500 36 3.650 1,80% 23,82% 120.000 12.000 36.000 36 3.650 2,13% 28,76% 120.000 12.000 48.000 36 3.650 2,39% 32,75% Bild 2.16 Ermittlung des effektiven Jahreszinssatzes unter Berücksichtigung einer Sonderzahlung und verschiedenen Restwerten (Beispiel 2.11) Eine Sonderzahlung zu Vertragsbeginn hat einen höheren Effektivzinssatz zur Folge. Würden weder eine Sonderzahlung zu Vertragsbeginn geleistet noch ein Restwert in Ansatz gebracht, läge der effektive Jahreszinssatz bei 6,18%. Im Ergebnis wird die Firma das Angebot der Bank annehmen, da der effektive Jahreszinssatz beim Leasing im günstigsten Fall bei 14,04%, wahrscheinlich aber zwischen 23 und 33% liegen wird. Der im Gegensatz zum (abgesicherten) Bankdarlehen höhere effektive Zinssatz bei Leasing lässt sich damit begründen, dass beim Finanzierungsleasing immer ein Akteur mehr (Leasinggesellschaft) beteiligt ist als bei der Bankfinanzierung. Die Leasinggesellschaft muss ihre Kosten decken und trägt ein höheres Kreditrisiko. Sie wird deshalb in ihre Effektivverzinsung eine höhere Risikoprämie einfließen lassen, da sie als Sicherheit lediglich das Eigentum am Leasingobjekt hat. Excel-Umsetzung Zur Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes wird zunächst aus dem Zahlungsstrom (vgl. Bild 2.17) mit Hilfe der Excel-Funktion IKV() der dazugehörige interne <?page no="49"?> 2.8 Leasing 49 Zinssatz berechnet. Dieser bezieht sich auf die Zeitperioden, in die der Zahlungsstrom eingeteilt ist. Da es sich hier um Monate handelt, muss dieser Monatszinssatz noch zum effektiven Jahreszinssatz hochgerechnet werden. Die Berechnung einzelner Positionen ist in der nachfolgenden Tabelle aufgezeigt. Position Inhalt Excel-Umsetzung F26 Kaufpreis abzüglich Sonderzahlung =F6-F9 F27 Leasingrate =WENN(B27=""; ""; WENN(E26+1<$F$7; -$F$8; -($F$8+$F$10))) F62 Leasingrate und Restwert =WENN(B62=""; ""; WENN(E61+1<$F$7; -$F$8; -($F$8+$F$10))) G16 effektiver Monatszinssatz =IKV(C26: C62) H16 effektiver Jahreszinssatz bei Sonderzahlung zu Vertragsbeginn =(1+G16)^12-1 H17 effektiver Jahreszinssatz bei Sonderzahlung zu Vertragsbeginn und Restzahlung =(1+G17)^12-1 In Bild 2.17 sind die effektiven Jahreszinssätze bei Berücksichtigung einer Leasingsonderzahlung zu Vertragsbeginn und verschiedener Restwertvereinbarungen am Ende der Grundmietzeit zusammengefasst. Bild 2.17 Zusammenfassung effektiver Jahreszinssätze unter Berücksichtigung einer Sonderzahlung zu Vertragsbeginn und eines Restwertes (Beispiel 2.11) In Bild 2.18 sind zwei Zahlungsströme dargestellt, aus denen der effektive Monatszinssatz und der effektive Jahreszinssatz berechnet werden. Die Zeilen 30 bis 59 sind ausgeblendet. <?page no="50"?> 50 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Bild 2.18 Darstellung des Zahlungsstroms zur Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes unter Berücksichtigung einer Sonderzahlung zu Vertragsbeginn und eines Restwertes (Beispiel 2.11) 2.8.4 Vergleich Kreditkauf und Leasing In diesem Abschnitt soll im Rahmen der quantitativen Analyse gezeigt werden, wie Finanzierungs-Leasing mit einer alternativ möglichen Kreditfinanzierung verglichen werden kann. Dabei werden die Zahlungsströme der Investition und der Finanzierung einerseits bei Kauf mit Kreditfinanzierung und andererseits bei Leasing einander gegenübergestellt und anhand der Kapitalwertmethode die Vorteilhaftigkeit beider Alternativen ermittelt. Das folgende Beispiel (vgl. Zantow, 2007) demonstriert die Vorgehensweise. Beispiel 2.12 Ein Unternehmen steht vor der Wahl, den Kauf einer Maschine über Leasing oder über Kredit zu finanzieren. Folgende Grunddaten (Geldbeträge in Euro) sind gegeben: Anschaffungspreis 200.000 Jährliche Nettoeinzahlungen aus der Investition (ohne Abzug der Darlehens- und Leasingraten) 38.000 Betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer (lineare Abschreibung) 5 Jahre <?page no="51"?> 2.8 Leasing 51 Rabatt für die Leasinggesellschaft aufgrund ihrer starken Marktstellung auf den Anschaffungspreis 3% Kreditfinanzierung (Tilgungsdarlehen) Darlehensbetrag 200.000 Tilgungsrate (entspricht der Abschreibung) 20% Darlehenszinssatz p.a. 10 % Leasing Grundmietzeit 4 Jahre Die Leasinggesellschaft berechnet die Leasingraten auf Annuitätenbasis und nachschüssig. Kalkulatorische Verzinsung ihres Kaufpreises (Refinanzierungszinssatz der Leasingfirma plus Risiko- und Gewinnzuschlag) 9 % Verlängerungsmiete (Anschlussleasingrate) für 5 Jahre 12.000 Der Gewinn entspricht dem endgültigen Einzahlungsüberschuss, der mit 45% besteuert wird. Das Unternehmen rechnet mit einem Kalkulationszinssatz von 12% vor Steuer. Ein Restwert am Ende der Investitionsdauer von 9 Jahren fällt nicht an. Die der Investition zurechenbaren Einzahlungen vor Abzug der Finanzierungsraten sind über die Lebensdauer der Maschine unverändert. Zins- und Tilgungszahlungen, sowie die Zahlung der Leasingraten erfolgen nachschüssig. Kreditfinanzierung Aus der Kreditsumme in Höhe von 200.000 Euro ergeben sich die in Bild 2.19 aufgeführten Kapitaldienstzahlungen (Zinsen und Tilgung). Da es sich um ein Tilgungsdarlehen (vgl. Kapitel 3.3) handelt, berechnet sich die Tilgungsrate zu 40.000 Euro pro Jahr während der Grundmietzeit. Die Zinsen werden auf die jeweilige Restschuld berechnet. Die steuerlichen Wirkungen bei Kauf der Maschine über Kredit beschränken sich auf die Zinszahlungen und die Abschreibung. Werden diese mit den Einzahlungen verrechnet, ergibt sich der Gewinn bzw. Verlust vor Steuern. Wird davon die Steuer (Grenzsteuersatz 45%) abgezogen (vereinfachend wird angenommen, dass diese im gleichen Jahr auftritt), erhält man für jedes Jahr der Investitionsdauer den Gewinn/ Verlust nach Steuern. Dieser wird mit dem Kalkulationszinssatz von 12% auf den gegenwärtigen Zeitpunkt diskontiert und man erhält den Kapitalwert der Investition. Jahr Einzahlungen netto Kreditzinsen Tilgung/ Abschreibung Gewinn/ Verlust vor Steuern Gewinn/ Verlust nach Steuern Barwert Gewinn/ Verlust nach Steuern 0 1 38.000 20.000 40.000 -22.000 -12.100 -10.803,57 2 38.000 16.000 40.000 -18.000 -9.900 -7.892,22 3 38.000 12.000 40.000 -14.000 -7.700 -5.480,71 <?page no="52"?> 52 2 Kurz- und mittelfristige Kredite 4 38.000 8.000 40.000 -10.000 -5.500 -3.495,35 5 38.000 4.000 40.000 -6.000 -3.300 -1.872,51 6 38.000 0 0 38.000 20.900 10.588,59 7 38.000 0 0 38.000 20.900 9.454,10 8 38.000 0 0 38.000 20.900 8.441,16 9 38.000 0 0 38.000 20.900 7.536,75 Summe 6.476,24 Bild 2.19 Steuerwirkungen und Kapitalwert der Investition bei Kreditfinanzierung (Beispiel 2.12) Leasingfinanzierung Erfolgt die Finanzierung über Leasing, dann sind die Leasingraten beim Leasingnehmer steuerlich ansetzbar. Diese werden mit den Einzahlungsüberschüssen verrechnet und unter Berücksichtigung des Steuersatzes wiederum mit dem Kalkulationszinssatz von 12% abgezinst. Die Ergebnisse sind in Bild 2.20 zusammengefasst. Jahr Einzahlungen netto Leasing- Raten Gewinn/ Verlust vor Steuern Gewinn/ Verlust nach Steuern Barwert Gewinn/ Verlust nach Steuern 0 1 38.000 58.647,05 -20.647,05 -11.355,88 -10.139,17 2 38.000 58.647,05 -20.647,05 -11.355,88 -9.052,83 3 38.000 58.647,05 -20.647,05 -11.355,88 -8.082,89 4 38.000 58.647,05 -20.647,05 -11.355,88 -7.216,86 5 38.000 11.800,00 26.200,00 14.410,00 8.176,62 6 38.000 11.800,00 26.200,00 14.410,00 7.300,55 7 38.000 11.800,00 26.200,00 14.410,00 6.518,35 8 38.000 11.800,00 26.200,00 14.410,00 5.819,96 9 38.000 11.800,00 26.200,00 14.410,00 5.196,39 Summe -1.479,88 Bild 2.20 Steuerwirkungen und Kapitalwert der Investition bei Leasing (Beispiel 2.12) Aus den Berechnungen wird ersichtlich, dass auch unter Berücksichtigung der Steuern der Kapitalwert bei Kreditfinanzierung größer ist als bei Leasing und demnach der Kreditkauf der Leasingalternative vorzuziehen ist. Da der Kapitalwert bei Leasing negativ ist, kann der Kalkulationszinssatz von 12% nicht realisiert werden. Der interne Zinssatz der Investition liegt demnach unter 12%. Excel-Umsetzung Die Input-Daten werden um die Berechnung die Leasingrate ergänzt, die zur Bestimmung des Kapitalwertes der Investition bei Leasing erforderlich ist. Diese wird unter <?page no="53"?> 2.8 Leasing 53 der Berücksichtigung des Rabattes von 5% des Anschaffungspreises und auf Basis der Grundmietzeit entweder durch direkte Eingabe der Annuitätenformel (wie im Beispiel) oder mit der Excel-Funktion RMZ() berechnet. Da der Kreditfinanzierung ein Tilgungsdarlehen zugrunde liegt, ergibt sich die jährliche Tilgungsrate durch Division der Darlehenssumme mit der Grundmietzeit. Die Zinsen werden auf die jeweilige Restschuld berechnet. Zur Bestimmung des Kapitalwertes wird sowohl bei der Kreditfinanzierung als auch bei Leasing der Gewinn bzw. Verlust nach Steuern mit dem Kalkulationszinssatz über die Investitionsdauer diskontiert und zum Barwert aufsummiert. Die Alternative mit dem größten Kapitalwert (hier die Kreditfinanzierung) wird realisiert. Die Berechnung einzelner Positionen ist in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt. Position Inhalt Excel-Umsetzung C23 Auswahlkriterium =WENN(H38>G54; "Kreditfinanzierung"; "Leasingfinanzierung") F21 Leasingrate =(F6-F7)*(1+F20)^F18*F20/ ((1+F20)^F18-1) C23 Ergebnis =WENN(H38>G54; "Kreditfinanzierung"; "Leasingfinanzierung") D29 Kreditzinsen =WENN(ODER(B29="SUMME"; B29=""); ""; WENN(B28<$F$15; $F$16*($F$14- SUMME($E$28: E28)); 0)) E29 Tilgung =WENN(ODER(B29="SUMME"; B29=""); ""; WENN(B28<$F$15; $F$14/ $F$15; 0)) F29 Gewinn/ Verlust vor Steuern =WENN(ODER(B29="SUMME"; B29=""); ""; C29-(D29+E29)) G29 Gewinn/ Verlust nach Steuern =WENN(ODER(B29="SUMME"; B29=""); ""; F29*(1-$F$11)) H29 Barwert Gewinn/ Verlust nach Steuern =WENN(B29>$F$10; ""; G29/ (1+$F$12)^B29) <?page no="54"?> 54 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Bild 2.21 Kapitalwert der Investition bei Kreditkauf (Beispiel 2.12) Bild 2.22 Kapitalwert der Investition bei Leasing (Beispiel 2.12) Wegen der unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen, die sowohl für Leasing als auch für den Kreditkauf gelten, und der Geschäftspolitik von Leasingfirmen und Kreditinstituten ist eine Beurteilung der Vorteilhaftigkeit auf rein quantitativer Analyse oft nicht ausreichend. Darüber hinaus ist deshalb die Analyse qualitativer Faktoren, wie die Liquiditätswirkung, Bilanzierungsaspekte und die Frage, inwieweit die Risikosituation des Investors durch die Wahl zwischen Leasing und Kreditkauf beeinflusst wird, zur Entscheidungsfindung notwendig. <?page no="55"?> 2.8 Leasing 55 2.8.5 Berechnung der Restschuld bei vorzeitiger Vertragsauflösung Kommt es aus welchen Gründen auch immer vor Ablauf der Grundmietzeit zur Auflösung eines Leasingvertrages und ist der Kündigungsgrund von Leasingnehmer zu vertreten, dann steht dem Leasinggeber ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung des Leasingvertrages zu. Bei Finanzierungsleasingverträgen errechnet sich dieser Anspruch aus den noch ausstehenden Leasingzahlungen (Leasingraten und Restwert, etc.), die mit dem Refinanzierungszinssatz diskontiert werden. Ein Erlös aus der Verwertung des Leasingobjektes mindert nach Abzug von Verwaltungs- und Verwertungskosten (Transportkosten, Maklerprovisionen etc.) die Schadenssumme. Beispiel 2.13 Eine Firma least für eine Grundmietzeit von 48 Monaten ein Fahrzeug mit einem Anschaffungspreis von 76.800 Euro. Die monatlich vorschüssig zu leistende Leasingrate beträgt 1.920 Euro. Der Restwert (Abschlusszahlung) nach 48 Monaten betrage noch 25% des Anschaffungspreises. a) Es soll zunächst der dem Leasingvertrag (Teilamortisationsvertrag) zugrundeliegende effektive Jahreszinssatz ermittelt werden. b) Nach einem Jahr, als bereits 13 Leasingraten (wegen der vorschüssigen Zahlungsweise) gezahlt wurden, wird der Leasingvertrag wegen eines Totalschadens des Fahrzeuges zurück abgewickelt. Die Kaskoversicherung hat für das Fahrzeug einen Zeitwert von 85% festgesetzt und in dieser Höhe auch den Schaden übernommen. Es soll nun geprüft werden, ob und in welcher Höhe noch Ansprüche gegen die Leasingnehmerin bestehen. Dabei soll davon ausgegangen werden, dass die Leasingfirma für den entgehenden Gewinn und die Refinanzierungs- und Kreditausfallrisikokosten einen Zinssatz in Höhe von 4,75% p.a. ansetzt. Der Schrottwert des Fahrzeuges wurde abzüglich entstandener Verwertungskosten mit 1.500 Euro festgestellt. Der effektive Monatszinssatz m e i errechnet sich aus der Äquivalenzgleichung 76.800 = 1.920(1 + ) ( ) ( ) . durch Anwendung eines Näherungsverfahrens zu 0,81% m e i . Wird dieser auf ein Jahr hochgerechnet, dann ergibt sich ein effektiver Jahreszinssatz von 12 1 0, 0081 1 0,1010 oder 10,10% e i . Zur Berechnung der Ansprüche gegen die Leasingnehmerin werden zunächst der Barwert der ausstehenden Leasingraten und der Barwert des Restwertes ermittelt. Dabei wird der Zinssatz verwendet, der den entgehenden Gewinn, und die Refinanzierung- und Ausfallrisikokosten des Leasinggebers repräsentiert. Der Barwert der noch verbleibenden Leasingraten (35 Raten) beträgt nach einem Jahr <?page no="56"?> 56 2 Kurz- und mittelfristige Kredite 35 0 35 1, 005 1 1.920 61.507, 91 0, 005 1, 005 R und der Barwert der Restzahlung ist 0 36 19.200 16.044, 38 1, 005 R . Zusammen mit den bereits gezahlten Leasingraten ergibt sich eine Vertragssumme von 24.960 77.572, 30 102.512, 30 . Werden von diesem Betrag die bereits gezahlten Raten von 24.960 Euro, die Schadensausgleichsumme von der Versicherung in Höhe von 65.280 Euro und der noch vereinnahmte Schrottwert von 1.500 Euro abgezogen, erhält man die Restausgleichszahlung der Leasingnehmerin in Höhe von 10.772,30. Excel-Umsetzung Der Barwert der noch ausstehenden Leasingraten kann mit der Excel-Funktion BW() oder durch Eingabe der Formel berechnet werden. Bei Verwendung der Barwert- Funktion ist zu beachten, dass die Leasingrate (F7) mit einem negativen Vorzeichen versehen wird, da sie einen Cash-Outflow darstellt. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Raten über 35 Monate diskontiert werden. Der effektive Monatszinssatz wird mit der Funktion ZINS() ermittelt, und dann auf ein Jahr hochgerechnet. Position Inhalt Excel-Umsetzung F17 Barwert der ausstehenden Leasingraten =BW(F10/ F11; F13-1; -F7; ; 0) F19 Barwert des Restwertes =F18/ (1+F10/ F11)^F13 F20 effektiver Monatszinssatz =ZINS(F8; -F7; F6; ; 1) F21 effektiver Jahreszinssatz =(1+F20)^F11-1 F32 Restausgleichszahlung =F26-F31 <?page no="57"?> 2.9 Factoring und Forfaitierung 57 Bild 2.23 Ermittlung der Restschuld bei vorzeitiger Vertragsauflösung (Beispiel 2.13) 2.9 Factoring und Forfaitierung 2.9.1 Factoring Unter Factoring versteht man den Ankauf noch nicht fälliger Forderungen aus Lieferungen und Leistungen durch eine darauf spezialisierte Finanzinstitution, die Factoring-Gesellschaft (kurz Factor genannt). Dabei werden nicht einzelne Forderungen, sondern Forderungsbündel angekauft. Beim echten Factoring (Non Recourse Factoring) übernimmt die Factoring Gesellschaft nicht nur das Inkasso der Forderungen bei Fälligkeit, sondern nach Durchführung von Bonitätsprüfungen (die im Ergebnis zur Festlegung eines Limits führt) und gegen Bezahlung auch das Forderungsausfallrisiko (Delkrederefunktion). Beim unechten Factoring (Recourse Factoring) übernimmt der Factor kein Delkredere-Risiko. Weitere Dienstleistungen, die vom Factor übernommen werden können, sind die Debitorenbuchhaltung, das Mahn- und Inkassowesen und Beratungsleistungen (Dienstleistungsfunktion). Im Rahmen der Finanzierungsfunktion kann die Finanzierung der angekauften Forderungen kann vom Factor in zwei Formen betrieben werden. Sieht der Factoring Vertrag vor, dass der Klient erst bei Fälligkeit oder zum durchschnittlichen Fälligkeitstag der eingereichten Rechnungen Zahlung erhält, dann spricht man von Factoring ohne Vorfinanzierung (Maturity Factoring). Der Klient wird von dieser Finanzierungsform immer dann Gebrauch machen, wenn er über eine ausreichende Liquidität verfügt und die Übertragung der Dienstleistungs- und Delkrederefunktion anstrebt. Erfolgt hingegen die Finanzierung der angekauften Forderungen vor Fälligkeit oder vor dem durchschnittlichen Fälligkeitstag (Standard Factoring), dann erfolgt auch die Auszahlung des Gegenwertes nach Abzug eines Kürzungsbetrages von 10 bis 20% wenige Tage nach Einreichung der Rechnungsdurchschriften. Der Factor schreibt dem Klienten 80 bis 90% der Forderungswerte gut, der Restbetrag wird auf einem Sperrkonto gutgeschrieben und soll zum Ausgleich von Beanstandungen, Rechnungs- <?page no="58"?> 58 2 Kurz- und mittelfristige Kredite kürzungen und Warenrückgaben dienen. Der Factor kann einzelne Forderungen, die seinen Bonitätsansprüchen nicht genügen, von Ankauf ausschließen. Standardfactoring macht die eigentliche Finanzierungsfunktion des Factors aus und erhöht, wie beispielsweise eine Kreditaufnahme, die Liquidität des Unternehmens. Factoring-Gesellschaften berechnen bei der Kreditierung der Forderungen Zinsen für die Vorfinanzierung, zudem wird für die Übernahme factoring-spezifischer Dienstleistungen eine Gebühr (Factoring-Gebühr) erhoben, die etwa 0,5% bis 3% vom Umsatz ausmacht. Die Delkredere-Gebühr, das Entgelt für das übernommene Forderungsausfallrisiko, schwankt zwischen 0,1% und 1% vom Umsatz. Beispiel 2.14 Eine Leasingfirma verkauft zur Refinanzierung ihres Kfz-Leasinggeschäfts im Jahresdurchschnitt 1/ 5 ihrer gewerblichen Leasingforderungen in Höhe von 50 Mio. Euro an eine Factoring-Bank. Der Jahresumsatz (gewerbliche Leasingverträge) der Leasingfirma beträgt 250 Mio. Euro. Die Factoring-Bank bietet der Leasingfirma für den Forderungsankauf folgende Konditionen an: Factoring-Gebühr 0,15% auf den Jahresumsatz Soll-Zinsen 12% p.a. auf die angekauften Leasingraten Bonitätsprüfungsgebühr 0,015% der angekauften Leasingraten Habenzinsen auf das Bardepot 6% p.a. Auszahlung bei Ankauf (Sperrbetrag 10%) 90% des Forderungsbetrages Bardepot 10% des Forderungsbestandes Es sollen der Liquiditätsgewinn für die Leasingfirma und die Factoring-Kosten ermittelt werden. Der Liquiditätsgewinn ergibt sich aus dem Bestand des Forderungsverkaufs abzüglich des Sperrguthabens und beträgt 50.000.000 50.000.000 0,1 = 45.000.000 Euro. Die Kosten des Factorings (in Euro) berechnen sich wie folgt: Factoring-Gebühr 375.000 + Soll-Zinsen 6.000.000 + Bonitätsprüfungsgebühr 7.500 300.000 = Kosten des Factorings 6.082.500 Die Kosten des Factorings betragen 6.082.500 Euro, das sind etwa 12,17% der Leasingforderungen von 50 Mio. Euro. Excel-Umsetzung Die Berechnung der Factoring-Kosten ist einfach und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Position Inhalt Excel-Umsetzung G16 Factoring-Gebühr =G8*G6 G17 Soll-Zinsen =G7*G9 <?page no="59"?> 2.9 Factoring und Forfaitierung 59 G18 Bonitätsprüfungsgebühr =G7*G10 G19 Habenzinsen =G7*G13*G11 G20 Factoring-Kosten =SUMME(G16: G18)-G19 In Bild 2.24 ist die Berechnung der Factoring-Kosten abgebildet. Bild 2.24 Berechnung der Factoring-Kosten (Beispiel 2.14) Die Beurteilung, ob die Forderungen an einen Factor verkauft werden sollen, darf sich nicht nur an den Factor-Kosten orientieren, es müssen vielmehr auch die sich ergebenden Einsparungen berücksichtigt werden. Beispiel 2.15 Ein Unternehmen möchte seine Liquidität erhöhen und überlegt, ob es seine Forderungen an eine Factoring-Gesellschaft verkaufen oder sie zur Sicherung eines Kredits an die Hausbank abtreten soll. Dabei sollen zunächst die Aufwendungen beim Factoring ermittelt werden, um dann zu prüfen, ob dem Unternehmen nach Einführung von Factoring bei vollständiger Forderungsübernahme ein Kostenvorteil entsteht. Es liegen folgende Unternehmensdaten vor (Beträge in Euro): Jahresumsatz 60.000.000 Außenstände (Forderungen) 6.174.000 Forderungsausfälle 1% des Umsatzes jährlicher Wareneinsatz 25.716.000 Skontosatz bei Wareneinkauf 3% <?page no="60"?> 60 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Kurzfristige Bankverbindlichkeiten 3.600.000 Zinssatz für Kontokorrentkredit p.a. 9% Unter Zugrundelegung dieser Daten macht die Factoring-Gesellschaft das folgende Angebot: Dienstleistungsgebühr bezogen auf den Jahresumsatz 1,8% Delkredere-Gebühr bezogen auf den Jahresumsatz 1,0% Finanzierungskosten bezogen auf die angekauften Forderungen abzüglich eines Sperrbetrages von 15% 9% Aus der Betriebsabrechnung des Unternehmens stehen folgende Daten zur Verfügung: Gehalt eines Debitorenbuchhalters p.a. 50.400 Gehalt einer Inkassokraft p.a. 36.000 Lohnnebenkosten (in % der Gehälter) 65% Auskünfte und Mahnungen 10.600 Gerichts- und Anwaltskosten 8.200 Büromaterial 4.500 Das Unternehmen beabsichtigt, in Zukunft die Wareneinkäufe zu skontieren und die kurzfristige Kreditfinanzierung zu reduzieren. Die Summe der Factoring-Kosten setzt sich aus der Dienstleistungs- und Delkrederegebühr und den Finanzierungskosten zusammen und beläuft sich auf 60.000.000 0,018 + 60.000.000 0,01 + 6.174.000 (1 0,1) 0,09 = 2.300.094 Euro. Der sich aus den Daten der Betriebsabrechnung ergebenden Einsparungen bei Forderungsankauf durch den Factor betragen lediglich 2.197.340 Euro, so dass das Unternehmen nach Einführung von Factoring keine Kostenersparnis erzielen würde. Excel-Umsetzung Die Modellierung in Excel stellt keine Herausforderung dar. Die Berechnung einzelner Positionen enthält die folgende Tabelle. Position Inhalt Excel-Umsetzung F25 Summe der Factoring-Kosten =SUMME(F22: F24) L23 Summe der Einsparungen =SUMME(L15: L22) L25 Mehrkosten durch Factoring =L24-L23 <?page no="61"?> 2.9 Factoring und Forfaitierung 61 Bild 2.25 Kostenersparnis bei Forderungsübernahme durch einen Factor (Beispiel 2.15) 2.9.2 Auswirkung des Factorings auf die Bilanz Der Verkauf der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an eine Factoring-Gesellschaft hat eine Bilanzverkürzung zur Folge, da diese nicht mehr in der Bilanz erscheinen. Damit erhöht sich die Eigenkapitalquote (sie ist eine entscheidende Kenngröße bei der Erstellung eines Ratings) des Unternehmens, was einen positiven Einfluss auf die Kreditkonditionen hat. Mit einem zielgerechten Einsatz der Erlöse aus dem Verkauf der Forderungen können darüber hinaus Lieferantenverbindlichkeiten reduziert, Kredite abgelöst und weitere Bilanzkennzahlen verbessert werden. Das folgende Beispiel soll diesen Sachverhalt veranschaulichen. Beispiel 2.16 Ein Klient eines Factoring-Unternehmens gibt einen Jahresumsatz von 60 Mio. Euro an. Der Wareneinkauf p.a. beträgt 36 Mio. Euro. Der Factor kauft alle Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an und behält 10% als Sperrbetrag ein, der beim Kunden zunächst als Forderung gegen den Factor zu verbuchen ist. Der Kunde verwendet die vom Factor erhaltene Zahlung zunächst zur Tilgung der Bankverbindlichkeiten, die über die Kreditlinie von 3,3 Mio. hinausgehen, der Rest wird zum Abbau der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen verwendet. Die Bilanz des Kunden (Durchschnittsgrößen pro Jahr) vor Inanspruchnahme des Factorings stellt sich wie folgt dar: Bilanz vor Factoring (in Tsd. Euro) Anlagevermögen 4.500 Eigenkapital 1.500 Vorräte 3.000 Darlehen 4.500 Forderungen aus L & L 6.000 Verbindlichkeiten aus L & L 3.000 liquide Mittel 1.500 Bankverbindlichkeiten 6.000 Bilanzsumme 15.000 Bilanzsumme 15.000 Der Kunde erhält vom Factor ohne Berücksichtigung der Gebühren und Zinsen einen Betrag von 6 Mio. Euro abzüglich des Sperrbetrages von 0,6 Mio. Euro, also 5,4 Mio. Davon werden 2,7 Mio. Euro für den Abbau der kurzfristigen Bankverbindlichkeiten verwendet, um sich wieder innerhalb des Kreditrahmens zu bewegen. Die restlichen 2,7 Mio. Euro werden zum Abbau der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen herangezogen. Wird das Jahr mit 360 Tagen angesetzt, entfallen bei einem Wareneinkauf von 36 Mio. Euro auf einen Tag 0,1 Mio. Euro, d.h., dass beim Kunden nur noch Rechnungen der letzten drei Tage offenbleiben. <?page no="62"?> 62 2 Kurz- und mittelfristige Kredite Die Bilanz nach Factoring stellt sich beim Kunden nun wie folgt dar: Bilanz nach Factoring (in Tsd. Euro) Anlagevermögen 4.500 Eigenkapital 1.500 Vorräte 3.000 Darlehen 4.500 Forderungen aus L & L 0 Verbindlichkeiten aus L & L 300 Forderungen an Factor 600 Bankverbindlichkeiten 3.300 liquide Mittel 1.500 Bilanzsumme 9.600 Bilanzsumme 9.600 Durch den Verkauf der Forderungen erhöht sich die Kapitalumschlaghäufigkeit (sie gibt an, wie schnell das eingesetzte Kapital über die Umsatzerlöse wieder zurückfließt) von 60/ 15 = 4 auf 60/ 9,6 = 6,25 im Jahr. Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Input-Daten werden die Beträge ermittelt, die für den Abbau der kurzfristigen Bankverbindlichkeiten und die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen verwendet werden. Der Sperrbetrag von 10% der aufgekauften Forderungen wird beim Kunden als Forderung gegen den Factor verbucht. In der folgenden Tabelle ist die Berechnung einzelner Positionen aufgezeigt. Position Inhalt Excel-Umsetzung F11 Abbau der Bankverbindlichkeiten =H22-F10 F12 Abbau der Verbindlichkeiten aus L & L =F8*(1-F9)-F11 F14 Kapitalumschlaghäufigkeit vor Factoring =F6/ D23 F15 Kapitalumschlaghäufigkeit nach Factoring =F6/ D32 <?page no="63"?> 3.1 Grundlagen 63 Bild 2.26 Auswirkungen des Factorings auf die Bilanz (Beispiel 2.16) 2.9.3 Forfaitierung Forfaitierung ist der Verkauf von meist relativ hohen mittel- und langfristigen Forderungen im Bereich Außenhandelsfinanzierung. Der Forfaiteur (Forderungskäufer) kauft Forderungen von einem Forfaitisten (Forderungsverkäufer) im Regelfall ungekürzt und ohne Selbstbehalt und unter Verzicht auf einen Rückgriff gegen den Verkäufer (echte Forfaitierung) zu einem abgezinsten Zeitwert. Der Forfaitist übernimmt dabei das Ausfallrisiko sowie die Finanzierungsfunktion, womit eine große Ähnlichkeit zum Factoring besteht. Die Käufer der Forderungen sind meist spezialisierte Institute oder Banken. Auch wenn die Forfaitierung ein klassisches Instrument der Exportfinanzierung ist, hat sie auch im Inlandskreditgeschäft bei der finanziellen Abwicklung von Leasingforderungen, Forderungen der öffentlichen Hand im Bereich des Public Private Partnerships (PPP) bzw. bei Öffentlich Privaten Partnerships (ÖPP), sowie bei modernen Finanzierungskonstruktionen, wie beispielsweise Asset Backed Securities (ABS) erheblich an Bedeutung gewonnen. 3 Langfristige Kredite 3.1 Grundlagen Langfristige Kredite kommen in unterschiedlichen Formen vor. Wenn man die Tilgungsmodalitäten als Beurteilungskriterium zugrunde legt, lassen sich drei Hauptgruppen von Darlehen unterscheiden: Annuitätendarlehen Abzahlungsdarlehen endfälliges Darlehen Diese Darlehensarten werden in den folgenden Abschnitten nach Erläuterung einiger Fachbegriffe näher betrachtet und analysiert. <?page no="64"?> 64 3 Langfristige Kredite Der Nominalbetrag ist das dem Kreditnehmer für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung gestellte Geldvolumen und ist maßgeblich für die Berechnung der Zins- und Tilgungszahlungen. Er entspricht in der Regel dem Betrag, der an den Kreditgeber zurückzuzahlen ist (Tilgungsbetrag). Davon zu unterscheiden ist der Auszahlungsbetrag, der den tatsächlich beim Kreditnehmer ankommenden Betrag ausmacht. Die Erhebung eines Disagios (oder Damnums) führt neben anderen Kosten und Gebühren dazu, dass der Kreditnehmer der Bank einen höheren Betrag schuldet als er von dieser bekommt. Aus wirtschaftlicher Sicht stellt das Disagio im Grunde eine Zinsvorauszahlung dar, die unter sonst gleichen Bedingungen die künftige Zinszahlung mindert. Der Zeitraum, für den der Nominalzinssatz vertraglich festgeschrieben ist, wird als Zinsbindungsdauer bezeichnet. Während der Zinsbindungsdauer kann der Zinssatz fest vereinbart sein (z.B. für 5 Jahre fest oder 10 Jahre fest) oder variabel. Ist der Zinssatz für eine bestimmte Zeit fest vereinbart, dann betreffen Veränderungen der Kapitalmarktzinsen den Kreditnehmer während der Zinsbindungsdauer nicht. Bei einer variablen Zinsvereinbarung wird der Zinssatz im Normalfall vierteljährlich an das Kapitalmarktzinsniveau angepasst, wobei Verträge mit oder ohne Bindung an einen vereinbarten Referenzzinssatz (z.B. EURIBOR. Euro Interbank Offered Rate) möglich sind. Die Kreditlaufzeit, auch als Tilgungsdauer bezeichnet, ist meist an einen bestimmten Zweck gebunden (Hypotheken- und Grundschulddarlehen haben typischerweise lange Laufzeiten (bis zu 35 Jahre) und bestimmt zusammen mit der Tilgungs- und Darlehensform die Höhe der Tilgungsrate. Der Kreditzinssatz (Nominalzinssatz) hängt von der Bonität des Schuldners ab. Werden Kredite an Personen oder Unternehmen vergeben, bei denen ein gewisses Risiko besteht, dass sie ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen (Kreditrisiko. Ausfallrisiko. Bonitätsrisiko), dann wird auf den risikolosen Zinssatz ein Aufschlag vorgenommen, der als Risikoprämie bezeichnet wird. Je höher das Ausfallrisiko des Kreditnehmers eingeschätzt wird, desto höher werden die Risikoprämie und damit der geforderte Zinssatz sein. Die Verzinsung kann vorschüssig oder nachschüssig berechnet werden. Falls nicht ausdrücklich etwas anderes angegeben ist, wird von nachschüssiger Zins- und auch Tilgungsverrechnung ausgegangen. Neben jährlicher Verzinsung wird auch die unterjährliche Verzinsung vereinbart, gebräuchlich sind die halbjährliche, vierteljährliche, monatliche und die tägliche unterjährliche lineare Verzinsung. Mit der Kreditgewährung sind gewöhnlich neben dem Nominalzinssatz weitere Kosten in Form einer Bearbeitungsgebühr (meist einmalig ein bestimmter Prozentsatz vom Kreditbetrag und bei Abschluss fällig) und einer periodischen Kontoführungsgebühr verbunden. Die zu bezahlenden Gebühren und Spesen und ihre Zahlungsweise (einmalig, periodisch, jährlich, monatlich etc.) sind im Kreditvertrag festgelegt oder sind Bestandteil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Kreditbetrag (nominal), vereinbarte Verzinsung, Laufzeit, Tilgungsform sowie Gebühren und Spesen werden unter dem Begriff Kreditkonditionen zusammengefasst. Da Kredite mit den unterschiedlichsten Ausstattungsmerkmalen angeboten werden und neben dem Nominalzinssatz in der Regel weitere Kosten wie Bearbeitungsgebühren oder Wertermittlungskosten anfallen, stellt sich die Frage, wie diese Kredite ver- <?page no="65"?> 3.1 Grundlagen 65 glichen werden können. In der Praxis wird hierfür der effektive Jahreszinssatz, der als offizieller Preis des Kreditvertrages gilt, in Ansatz gebracht. Der Effektivzinssatz ist identisch mit dem internen Zinssatz, der sich aus dem tatsächlich ablaufenden Zahlungsstrom zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer bestimmen lässt. Aus der Sicht des Kreditgebers stellt der Effektivzinssatz die Rendite des eingesetzten Kapitals dar. Stehen die Zinsen jeweils nur für die Zinsbindungsdauer fest, dann kann der effektive Jahreszinssatz auch nur für die Zinsfestschreibungsdauer ermittelt werden und man spricht dann vom anfänglichen effektiven Jahreszinssatz. Neben den oben erwähnten und im Voraus feststellbaren expliziten Kosten können dem Kreditnehmer auch implizite Kosten entstehen, die zum Zeitpunkt der Kreditvergabe meist nicht quantifizierbar sind. Die Gewährung zusätzlicher Sicherheiten, die Bindung an vereinbarte Vertragsklauseln sowie die Forderung nach Mitsprachemöglichkeiten oder Zusatzgeschäften (z.B. Abschluss von Versicherungen) sind solche impliziten Kosten und haben meist die Eigenschaft von Opportunitätskosten. Kredite können auf verschiedene Weise getilgt werden. Die Tilgungsform gibt an, wie ein Kredit zurückzuzahlen ist. Bei der konstanten Tilgung wird der Kreditbetrag in gleich große Teilbeträge (Raten) zerlegt, die in jeder Periode zurückzuzahlen sind. Charakteristisch für die Annuitätentilgung ist die konstante Zahlungsbelastung, die aus sich ändernden Zins- und Tilgungsanteilen besteht. Bei der endfälligen Tilgung erfolgt die Rückzahlung des Kredits am Ende der Laufzeit. Von einer Zerobond-Tilgung spricht man, wenn Tilgung und Zinsen (inklusive Zinseszinsen) in einem Betrag am Vertragsende beglichen werden. Eine Tilgung gemäß Einzahlungsüberschüssen orientiert sich an der Höhe der Cashflows, die nach Abzug von Zinsen für die Tilgung zur Verfügung stehen. Sobald Geld verfügbar ist, wird es zur Tilgung eingesetzt. Zu erwähnen bleibt noch die beliebige Tilgung, deren Verlauf von den zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer getroffenen Vereinbarungen abhängt. In den folgenden Abschnitten wird im Rahmen der langfristigen Kreditfinanzierung das Tilgungsdarlehen, das Annuitätendarlehen und das endfällige Darlehen näher betrachtet. Der Analyse liegen folgende Notationen zugrunde: t K Kreditbetrag zum Zeitpunkt t ( 0, 1, 2, , t n ) t A Annuität im Zeitpunkt t t Z Zinsbetrag im Zeitpunkt t t T Tilgungsbetrag im Zeitpunkt t i (Nominal-)Zinssatz p.a. n Laufzeit des Kredits, Tilgungsdauer m Zahl der unterjährlichen Zahlungsperioden pro Jahr k tilgungsfreie Jahre p n mn Laufzeit in unterjährlichen Zahlungsperioden r i / i m relativer unterjährlicher Zinssatz m e i effektiver Zinssatz pro Periode e i effektiver Jahreszinssatz Sind der Kreditbetrag , der Zinssatz i und die Laufzeit n des Darlehens gegeben und sind die Tilgungsmodalitäten (Annuitätentilgung, Ratentilgung, endfällige Tilgung) <?page no="66"?> 66 3 Langfristige Kredite bekannt, dann können die folgenden vier Grundgleichungen formuliert werden. Die erste Grundgleichung besagt, dass sich die Annuität unabhängig von der Form der Tilgung aus Zins- und Tilgungsbetrag zusammensetzt, d.h. t t t A Z T . Die Restschuld des laufenden Jahres t ergibt sich, indem man von der Restschuld des Vorjahres 1 t K den Tilgungsbetrag des laufenden Jahres abzieht. Die zweite Grundgleichung lautet demnach: 1 t t t K K T Werden die Zinsen jährlich nachschüssig verrechnet, dann erhält man den Zinsbetrag des laufenden Jahres t dadurch, dass die Restschuld des Vorjahres 1 t K mit dem Zinssatz i multipliziert wird, also 1 t t Z K i . Die Tatsache, dass die Summe aller Tilgungsbeträge dem ursprünglichen Darlehensbetrag 0 K entsprechen muss, kommt in der Gleichung 0 1 n t t K T zum Ausdruck. Ausgehend von diesen vier grundlegenden Gleichungen werden in den folgenden Abschnitten weitere Gleichungen entwickelt, mit denen auch ohne Kenntnis des Tilgungsplans alle Elemente des Tilgungsplans berechnet werden können. 3.2 Annuitätendarlehen 3.2.1 Jährliche Zins- und Tilgungsverrechnung Ein Annuitätendarlehen ist durch periodisch gleichbleibende Annuitäten gekennzeichnet. d.h. = = = = . Da die Annuität A, die jährliche Zahlung aus Zins und Tilgung, über die Laufzeit des Darlehens konstant ist, gilt: = + für 1, 2, , t n . Die Berechnung der Annuität ergibt sich aus folgenden Überlegungen. Werden keine Tilgungszahlungen geleistet, wächst der Kreditbetrag nach n Jahren auf 0 1 n n K K i an. Für die Annuitätenzahlungen erhält man nach n Jahren den Endwert 1 1 n n i K A i . <?page no="67"?> 3.2 Annuitätendarlehen 67 Da die Annuität so berechnet wird, dass der Kreditbetrag nach n Jahren zurückgezahlt ist, muss gelten: 0 1 1 1 0 n n i K i A i . Daraus ergibt sich die Annuität zu 0 1 1 1 n n i i A K i . Die Annuität berechnet sich demnach durch Multiplikation der Darlehensschuld mit dem Annuitätenfaktor. Damit die Annuität über die Laufzeit konstant bleibt, müssen die aufgrund der Tilgung eingesparten Zinsen in jeder Periode der Tilgung hinzugerechnet werden. Beispiel 3.1 Ein Darlehen über 100.000 € mit einer Laufzeit von 5 Jahren wird zu einem Zinssatz von 6% aufgenommen und ist jährlich mit gleichen Annuitäten zu tilgen. Zins- und Tilgungsverrechnung erfolgen jeweils am Jahresende. Es sollen ein Tilgungsplan aufgestellt und der effektive Jahreszinssatz bestimmt werden. Die Annuität berechnet sich zu 5 5 1, 06 0, 06 100.000 23.739, 64 1, 06 1 A . Der Zinsbetrag beläuft sich im ersten Jahr auf 1 100.000 0, 06 6.000, 00 Z . Die Tilgung im ersten Jahr ergibt sich aus 1 23.739, 64 6.000 17.739, 64 T . Die Restschuld am Ende des ersten Jahres beträgt 1 100.000 17.739, 64 82.260, 36 K . Die über die gesamte Laufzeit von 5 Jahren zu zahlenden Zinsen betragen 0 5 23.739, 64 100.000 18.698, 20 Z nA K . Der Tilgungsplan ist in Bild 3.1 dargestellt. <?page no="68"?> 68 3 Langfristige Kredite Jahr Schuldbetrag Zinsen Tilgung Annuität Schuldbetrag Jahresende Jahresanfang 0 100.000,00 1 100.000,00 6.000,00 17.739,64 23.739,64 82.260,36 2 82.260,36 4.935,62 18.804,02 23.739,64 63.456,34 3 63.456,34 3.807,38 19.932,26 23.739,64 43.524,08 4 43.524,08 2.611,44 21.128,20 23.739,64 22.395,89 5 22.395,89 1.343,75 22.395,89 23.739,64 0,00 Summe 18.698,20 100.000,00 118.698,20 Bild 3.1 Tilgungsplan eines Annuitätendarlehens bei jährlicher Zins- und Tilgungsverrechnung (Beispiel 3.1) Der effektive Jahreszinssatz berechnet sich aus der Äquivalenzgleichung 5 5 1 1 100.000 23.739, 64 1 e e e i i i und kann über ein Näherungsverfahren (z.B. lineare Interpolation) bestimmt werden. Er ist in diesem Falle gleich dem nominellen Jahreszinssatz von 6%, da die Zins- und Tilgungsverrechnung jährlich, jeweils am Ende des Jahres, stattfindet und neben den Nominalzinsen keine weiteren Kosten anfallen. Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Input-Daten wird die Annuität nach obiger Formel oder mit der Excel-Funktion RMZ () bestimmt. Für den Zinssatz und die Tilgungsrate müssen mittels $-Zeichen feste Zellbezüge hergestellt werden. Zusätzlich werden die Formeln in Zeile 19 und 20 derart ergänzt, dass die Zinszahlungen, sowie die Tilgungs- und Annuitätenzahlungen aufsummiert werden und die Zeilen nach dem letzten Laufzeitjahr und nach Bildung der Summe leer bleiben. Im Ergebnis muss die Summe der Tilgungszahlungen (E23) die ursprüngliche Darlehenssumme (E6) ergeben und die Differenz zwischen der Summe der Annuitäten (F23) und der Tilgungszahlungen (E23) die gesamten Zinszahlungen (D23) bzw. (E11). Im Tabellenblatt ist eine zusätzliche Spalte (Spalte H) eingerichtet, in der die Ein- und Auszahlungen jeder Periode abgebildet sind. Aus diesem Zahlungsstrom wird in Zelle E12 der effektive Jahreszinssatz mittels der Funktion =IKV() berechnet. Unter den vorgegebenen Annahmen entspricht der effektive Jahreszinssatz dem nominellen Jahreszinssatz von 6%, da Zins- und Tilgungszahlungen jährlich, jeweils am Jahresende, erfolgen und außer den Nominalzinsen keine weiteren Kosten anfallen. Am Ende der Tabelle wird noch eine Summenzeile eingerichtet, mit der die Richtigkeit der Berechnungen überprüft werden kann. Die Berechnung einzelner Positionen des Tilgungsplans ist in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst. <?page no="69"?> 3.2 Annuitätendarlehen 69 Position Inhalt Excel-Umsetzung E10 Berechnung der Annuität =E6*(1+E7)^E8*E7/ ((1+E7)^E8-1) E11 Zinsen gesamt =E8*E10-E6 E12 effektiver Jahreszinssatz =IKV(H17: H47) G17 Schuldbetrag am Jahresanfang =E6 H17 Schuldbetrag (Einzahlung) =G17 B18 Laufzeit mit „Summe“ =WENN($E$8<B17+1; "SUMME"; B17+1) C18 Schuldbetrag am Jahresanfang =G17 D18 Berechnung der Zinsen =WENN(B18>$E$8; ""; E6*$E$7) E18 Berechnung der Tilgung =WENN(B18>$E$8; ""; F18-D18) F18 Annuität =WENN(B18>$E$8; ""; $E$10) G18 Schuldbetrag am Jahresende =WENN(ODER(B18>$E$8; B18=""); ""; C18-E18) H18 Annuität (Auszahlung) =WENN(ODER(B18>$E$8; B18=""); ""; -F18) B19 Laufzeit mit Abbruchbedingungen =WENN(ODER(B18="SUMME"; B18=""); ""; WENN($E$8<B18+1; "SUMME"; B18+1)) C19 Restschuld am Jahresanfang =WENN(ODER(B19>$E$8; B19=""); ""; G18) D19 Berechnung der Zinsen =WENN(B19="SUMME"; SUMME($D$18: D18); WENN(B19>$E$8; ""; C19*$E$7)) E19 Berechnung der Tilgung =WENN(B19="SUMME"; SUMME($E$18: E18); WENN(B19>$E$8; ""; F19-D19)) F19 Annuität =WENN(B19="SUMME"; SUMME($F$18: F18); WENN(B19>$E$8; ""; $E$10) G19 Restschuld am Jahresende =WENN(ODER(B19="SUMME"; B19>$E$8); ""; C19-E19) H19 Annuität (Auszahlung) =WENN(ODER(B19="SUMME"; B19>$E$8); ""; -F19) <?page no="70"?> 70 3 Langfristige Kredite Bild 3.2 Tilgungsplan eines Annuitätendarlehens bei jährlicher Zins- und Tilgungsverrechnung (Beispiel 3.1) Die Restschuld, der Zinsbetrag, die Tilgungsrate eines beliebigen Jahres können auch ohne Kenntnis des Tilgungsplans ermittelt werden. Da nach < Jahren die Darlehensschuld noch nicht vollständig getilgt ist, ergibt sich die Restschuld t K am Ende des Laufzeitjahres t aus der Differenz der aufgezinsten Schuld und den bis dahin gezahlten Annuitäten: t t 0 1+ i 1 K = K 1+ i A i t Ersetzt man die Annuität A durch 0 1 1 1 n n i i A K i erhält man n t t 0 0 n 1+ i i 1+ i 1 K = K 1+ i K i 1+ i 1 t . Nach wenigen Umformungen erhält man die Restschuld nach t Jahren in Abhängigkeit vom Zinssatz i zu 0 1 1 1 1 n t t n i i K K i . Die Zinszahlung in t ergibt sich aus der Restschuld des Vorjahres zu 1 t t Z K i . Durch Einsetzen von <?page no="71"?> 3.2 Annuitätendarlehen 71 1 1 0 1 1 1 1 n t t n i i K K i erhält man schließlich 1 0 1 1 1 1 n t t n i i Z K i i . Die Tilgungsrate in t T , die im Zeitpunkt t fällig ist, erhält man aus t t T A Z . Die Substitution von A und t Z führt zu 1 0 0 1 1 1 1 1 1 1 n n t t n n i i i i T K K i i i . Nach Umformen erhält man die Tilgungsrate zu 1 0 1 1 1 t t n i T K i i . Oft ist die Annuität vorgegeben, und der Darlehensnehmer will wissen, wie lange es dauert, bis die Schuld zurückgezahlt ist. Ist t A Z , dann kann die Laufzeit des Darlehens n direkt aus n n n 0 n 1+ i i K = K 1+ i A 1+ i 1 berechnet werden. Das Auflösen der Gleichung nach n ergibt: 0 ln 1 ln 1 K i A n i Ersetzt man A durch 0 1 1 1 n n i i K i , erhält man die Laufzeit als Funktion des Zinssatzes i zu 1 1 ln 1 1 ln 1 n n i i n i . 3.2.2 Unterjährliche Zins- und Tilgungsverrechnung In der Praxis erfolgt die Zins- und Tilgungsverrechnung meist nicht jährlich, sondern in anderen Abständen, z.B. halbjährlich, vierteljährlich oder monatlich. In diesem Falle müssen der Zinssatz und die Laufzeit angepasst werden. <?page no="72"?> 72 3 Langfristige Kredite Für die Zinsberechnung ist entscheidend, wie der nominelle Jahreszinssatz auf die unterjährlichen Perioden verteilt wird, als relativer (zeitproportionaler) oder als konformer Zinssatz. In den folgenden Abschnitten wird der unterjährliche relative Zinssatz verwendet. Der nominelle Jahreszinssatz i geht über in den Periodenzinssatz i i = m r und die Laufzeit beträgt dann p n = mn Perioden. Werden die Zinsen und die Tilgung unterjährlich verrechnet, dann wird bei der Ermittlung der Annuität die Laufzeit in die entsprechende Anzahl der Zinsperioden umgerechnet und anstelle des Jahreszinssatzes wird der unterjährliche Zinssatz verwendet. Damit erhält man 0 1 1 1 mn mn i i m m A K i m . Alle anderen im vorhergehenden Abschnitt hergeleiteten Formeln behalten ihre Gültigkeit, wenn der Jahreszinssatz durch den relativen Zinssatz und die Jahre durch die Laufzeitperioden ersetzt werden. Beispiel 3.2 Ein Darlehen über 100.000 Euro mit einer Laufzeit von 5 Jahren wird zu einem Zinssatz von 6% aufgenommen und ist monatlich annuitätisch zu tilgen. Zins- und Tilgungsverrechnung erfolgen jeweils am Monatsende. Es sollen ein Tilgungsplan mit den ersten und den letzten beiden Zeilen aufgestellt werden und der effektive Jahreszinssatz berechnet werden. Mit = 12 berechnet sich der Periodenzinssatz zu 0, 06 0, 005 oder 0,5% 12 i m und die Laufzeit beträgt = 12 5 = 60 Monate. Damit erhält man Annuität bei unterjährig linearer Verzinsung zu 60 60 1, 005 0, 005 100.000 1.933, 28 1, 005 1 A Der Schuldbetrag zu Beginn des 59. Monats ist identisch mit der Restschuld des 58. Monats und beträgt 58 58 58 1, 005 1 100.000 1, 005 1.933,58 3.817, 75 0, 005 K <?page no="73"?> 3.2 Annuitätendarlehen 73 Der Tilgungsplan bei unterjährlicher Annuitätentilgung wird analog zur Vorgehensweise bei jährlicher Annuitätentilgung erstellt und ist in Bild 3.3 auszugsweise dargestellt. Monat Schuldbetrag Zinsen Tilgung Annuität Schuldbetrag Monatsende Monatsanfang 0 100.000,00 1 100.000,00 500,00 1.433,28 1.933,28 98.566,72 2 98.576,72 492,83 1.440,45 1.933,28 97.126,27 … … … … … … 59 3.837,75 19,19 1.914,09 1.933,28 1.923,66 60 1.923,66 9,62 1.923,66 1.933,28 0,00 Summe 15.996,81 100.000,00 115.996,81 Bild 3.3 Tilgungsplan eines Annuitätendarlehens mit unterjährlicher Zins- und Tilgungsverrechnung (Beispiel 3.2) Zur Bestimmung des effektiven Jahreszinssatzes wird zunächst der effektive Monatszinssatz aus der Äquivalenzgleichung 100.000 = 19.333,28 (1 + ) 1 (1 + ) berechnet. Dieser beträgt 0,5%. Damit ergibt sich der effektive Jahreszinssatz zu 12 1 0, 005 1 6,17% e i . Excel-Umsetzung Nach Umrechnung des Jahreszinssatzes in einen Periodenzinssatz und nach Anpassung der Laufzeit entspricht die Vorgehensweise in Excel weitgehend der in Abschnitt 3.2.1. Der sich aus dem Zahlungsstrom ergebende effektive Zinssatz bezieht sich auf einen Monat und muss in einen Jahreszinssatz umgerechnet werden. Einzelne Elemente des Tilgungsplans sind in nachfolgender Tabelle zusammengefasst. Position Inhalt Excel-Umsetzung E13 Berechnung der Annuität =E6*(1+E10)^E11*E10/ ((1+E10)^E11-1) E14 Effektivzinssatz pro Periode =IKV(H20: H80) E15 effektiver Jahreszinssatz =(1+E14)^E9-1 <?page no="74"?> 74 3 Langfristige Kredite Der Tilgungsplan zum Beispiel 3.2 ist in Bild 3.4 dargestellt. Die Zeilen 24 bis 77 sind ausgeblendet. Bild 3.4 Tilgungsplan eines Annuitätendarlehens mit unterjährlicher Zins- und Tilgungsverrechnung (Beispiel 3.2) 3.3 Abzahlungsdarlehen 3.3.1 Jährliche Zins- und Tilgungsverrechnung Abzahlungsdarlehen, auch Tilgungsdarlehen, oder Darlehen mit konstanter Tilgung genannt, sind durch jährlich gleichbleibende Tilgungsraten gekennzeichnet. 1 2 n T T T T Da die Summe der Tilgungsbeträge dem ursprünglichen Darlehensbetrag entspricht, gilt: 0 1 n t K T nT Aufgelöst nach T erhält man die Tilgungsrate zu 0 K T = n , die über die Laufzeit des Darlehens konstant bleibt. <?page no="75"?> 3.3 Abzahlungsdarlehen 75 Beispiel 3.3 Ein Darlehen über 100.000 Euro wird zu einem Zinssatz von 6% aufgenommen und ist in 5 Jahren in gleichen Raten zu tilgen. Zins und Tilgungsverrechnung erfolgen jeweils am Jahresende. Zunächst soll die Tilgungsrate berechnet werden und dann ein Tilgungsplan über fünf Jahre aufgestellt werden. Die jährliche Tilgungsrate berechnet sich aus 100.000 20.000 5 T . Der komplette Tilgungsplan bei jährlicher Ratentilgung aus der Perspektive des Darlehensnehmers ist in Bild 3.5 abgebildet. Jahr Schuldbetrag Zinsen Tilgung Annuität Schuldbetrag Jahresanfang Jahresende 0 100.000,00 1 100.000 6.000 20.000 26.000 80.000 2 80.000 4.800 20.000 24.800 60.000 3 60.000 3.600 20.000 23.600 40.000 4 40.000 2.400 20.000 22.400 20.000 5 20.000 1.200 20.000 21.200 0 Summe 18.000 100.000 118.000 Bild 3.5 Tilgungsplan eines Abzahlungsdarlehens (Beispiel 3.3) Die Zinsen im ersten Jahr betragen 1 Z = 100.000 × 0, 06 = 6.000 . Die jährliche Tilgungsrate berechnet sich zu 100.000 20.000 5 T . Die Annuität des ersten Jahres ist die Summe aus Zinsen und Tilgung: 6.000 + 20.000 = 26.000 A 1 Da der Zinsaufwand durch die fortschreitende Rückzahlung des Darlehens geringer wird, nimmt die gesamte Jahresleistung des Schuldners ab und es ergeben sich in > 1 fallende Annuitäten. Die Differenz des geringer werdenden Zinsaufwandes zur gleichbleibenden Annuität dient hier nicht der zusätzlichen Tilgung. Die Restschuld am Jahresende beträgt 1 100.000 20.000 80.000 K . Die Berechnung des Zinsbetrages, der Annuität und der Restschuld im Jahre t kann verallgemeinert werden, so dass auch ohne Tilgungsplan die einzelnen Elemente berechnet werden können. Die Restschuld am Jahresende verringert sich linear und beträgt nach t Jahren <?page no="76"?> 76 3 Langfristige Kredite 0 0 1 ) t t t K K tT K n . Die Berechnung des jährlichen Zinsbetrages t Z in t erfolgt aus 1 0 1 1 t t t Z K i K i n . Die gesamten Zinsen, die bei konstanter Tilgungsrate für die gesamte Laufzeit n gezahlt werden müssen, erhält man mit = 1 + 2 + + = 0 1 ( 1 + 2 + + 1 ) Der Ausdruck in der runden Klammer ist eine arithmetische Reihe und führt zu 0 1 1 2 n n Z K i n n Nach weiteren Umformungen erhält man schließlich die gesamten Zinsen zu 0 1 2 n Z K i . Die Berechnung der Annuität erfolgt aus der Beziehung t t t A Z T . Einsetzen führt zu 0 1 1 1 t t A K i n n . Damit liegen alle für die Ratentilgung relevanten Formeln vor. Excel-Umsetzung Nach Berechnung der Tilgungsrate wird analog zur Vorgehensweise beim Annuitätendarlehen der Tilgungsplan erstellt. Zu beachten ist, dass für den Zinssatz und die Tilgungsrate mittels $-Zeichen feste Zellbezüge hergestellt werden. Aus dem Zahlungsstrom wird mit der Excel-Funktion IKV() der effektive Jahreszinssatz berechnet, der dem nominellen Jahreszinssatz von 6% entspricht, da Zins- und Tilgungszahlungen jährlich, jeweils am Jahresende, erfolgen und außer den Nominalzinsen keine weiteren Kosten anfallen. Einzelne Elemente des Tilgungsplans sind in der folgenden Tabelle aufgeführt. Position Inhalt Excel-Umsetzung E10 Berechnung der Tilgungsrate =E6/ E8 E11 Berechnung der Zinsen =E6*E7*(1+E8)/ 2 E12 Effektiver Jahreszinssatz =IKV(H17: H47) <?page no="77"?> 3.3 Abzahlungsdarlehen 77 Der Tilgungsplan des Abzahlungsdarlehens von Beispiel 3.3 ist in Bild 3.6 dargestellt. Bild 3.6 Tilgungsplan eines Abzahlungsdarlehens (Beispiel 3.3) 3.3.2 Unterjährliche Zins- und Tilgungsverrechnung Werden die Zinsen und die Tilgung unterjährlich verrechnet, dann müssen die Laufzeit und der Zinssatz angepasst werden. Wird der unterjährliche relative Zinssatz verwendet, dann geht der nominelle Jahreszinssatz i in den Periodenzinssatz r i i m über, und die Laufzeit beträgt mn Perioden. Durch entsprechende Substitution des Zinssatzes und der Laufzeit können alle im vorhergehenden Abschnitt hergeleiteten Formeln verwendet werden; t ist dabei als Laufzeitperiode zu interpretieren. Beispiel 3.4 Ein Darlehen über 100.000 Euro wird zu einem Zinssatz von 6% aufgenommen und ist in 5 Jahren in gleichen Raten zu tilgen. Zins und Tilgungsverrechnung erfolgen jeweils zum Quartalsende. Zunächst soll die Tilgungsrate berechnet und dann ein Tilgungsplan über fünf Jahre (20 Quartale) aufgestellt werden. Die Tilgungsrate pro Quartal berechnet sich zu 100.000 5.000 4 5 T und ist über die Laufzeit konstant. Der Tilgungsplan ist in Bild 3.7 dargestellt. <?page no="78"?> 78 3 Langfristige Kredite Quartal Schuldbetrag Quartalsanfang Zinsen Tilgung Annuität Schuldbetrag Quartalsende 0 100.000 1 100.000 1.500 5.000 6.500 95.000 2 95.000 1.425 5.000 6.425 90.000 … … … … … … 18 15.000 225 5.000 5.225 10.000 19 10.000 150 5.000 5.150 5.000 20 5.000 75 5.000 5.075 0 Summe 15.750 100.000 115.750 Bild 3.7 Tilgungsplan eines Abzahlungsdarlehens bei unterjährlicher Zins- und Tilgungsverrechnung (Beispiel 3.4) Excel-Umsetzung Nach Berechnung der Tilgungsrate pro Quartal (E13), der Umrechnung des Jahreszinssatzes in einen unterjährlichen Zinssatz (E10) und der Anpassung der Laufzeit (E11) entspricht die Vorgehensweise bei der Erstellung des Tilgungsplans der bei jährlicher Ratentilgung. Die gesamten Zinsen (E14) wurden zur Kontrolle mit der oben hergeleiteten Formel berechnet und sind identisch mit der Summe aller Zinszahlungen im Tilgungsplan (D42). Der effektive Jahreszinssatz ist hier höher als der nominelle Jahreszinssatz, da die Zins- und Tilgungsverrechnung unterjährlich (quartalsweise) erfolgt. Einzelne Berechnungsschritte des Beispiels 3.4 sind in der folgenden Tabelle aufgeführt. Position Inhalt Excel-Umsetzung E13 Berechnung der Tilgungsrate =E6/ $E$11 E14 Berechnung der Zinsen =E6*E10*((E11-1/ E11*(E11-1)*E11/ 2)) E15 effektiver Periodenzinssatz =IKV(H21: H41) E16 effektiver Jahreszinssatz =(1+E15)^E9-1 In Bild 3.8 ist der Tilgungsplan auszugsweise dargestellt. Die Zeilen 25 bis 37 sind ausgeblendet. <?page no="79"?> 3.4 Endfälliges Darlehen 79 Bild 3.8 Tilgungsplan eines Abzahlungsdarlehens mit unterjährlicher Zins- und Tilgungsverrechnung (Beispiel 3.4) 3.4 Endfälliges Darlehen Endfällige Darlehen (auch Zinsdarlehen genannt) sind dadurch gekennzeichnet, dass während der Laufzeit lediglich die Zinsen gezahlt werden und die Tilgung der Schuld am Ende der Laufzeit in einer Summe erfolgt. Die gesamten Zinsen berechnen sich aus 0 Z nK i bzw. bei unterjährlicher Zinsverrechnung 0 0 i Z mnK nK i m . Da während der Laufzeit keine Tilgung vorgenommen wird, werden die Zinsen stets auf das Anfangskapital berechnet. Beispiel 3.5 Ein Darlehen über 100.000 Euro mit einer Laufzeit von fünf Jahren wird zu einem Zinssatz von 6% aufgenommen und ist am Ende der Laufzeit in einer Summe zu tilgen. Die Zinsverrechnung erfolgt jährlich zu Jahresende. Es soll ein Tilgungsplan über fünf Jahre aufgestellt werden. <?page no="80"?> 80 3 Langfristige Kredite Jahr Schuldbetrag Jahresanfang Zinsen Tilgung Annuität Schuldbetrag Jahresende 0 100.000,00 1 100.000 6.000 0 6.000 100.000,00 2 100.000 6.000 0 6.000 100.000,00 3 100.000 6.000 0 6.000 100.000,00 4 100.000 6.000 0 6.000 100.000,00 5 100.000 6.000 100.000 106.000 0,00 Summe 30.000 100.000 130.000 Bild 3.9 Tilgungsplan eines endfälligen Darlehens (Beispiel 3.5) Zinsdarlehen werden häufig bei der Finanzierung mit Lebensversicherung angewandt. Dabei wird eine Kapitallebensversicherung mit einer Finanzierung zeitlich derart verknüpft, dass bei Fälligkeit der Versicherung das Darlehen mit der Versicherungsleistung vollständig getilgt werden kann. Der Vorteil für die Darlehensgeberin (Bank, Versicherungsgesellschaft) besteht darin, dass sie wegen der Tilgungsaussetzung laufend hohe Zinseinnahmen hat und für die Vermittlung der Lebensversicherung Provisionseinnahmen vereinnahmt. Die Vorteile beim Darlehensnehmer bestehen darin, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Gewinne aus der Lebensversicherung steuerfrei sind und die Darlehenszinsen steuerlich geltend gemacht werden können. Das Risiko besteht darin, dass die zur Rückzahlung der Darlehensschuld aufzubringende Ablaufleistung nicht garantiert ist. Excel-Umsetzung Der für das Annuitäten- und Abzahlungsdarlehen aufgestellte Tilgungsplan für die unterjährliche Zins- und Tilgungsverrechnung kann im Wesentlichen für das endfällige Darlehen übernommen werden. Eine Anpassung erfolgt lediglich bei der Tilgung. Die Berechnung einzelner Elemente des Tilgungsplans kann für den Fall der jährlichen Zins- und Tilgungsverrechnung der folgenden Tabelle entnommen werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung E13 Tilgungsbetrag =E6 E14 gesamte Zinsen =E11*E6*$E$10 E16 effektiver Jahreszinssatz =IKV(H21: H26) E22 Tilgung =WENN(B22>$E$8; ""; WENN(B22=$E$11; E13; 0)) E23 Tilgung mit Abbruchbedingungen =WENN(B23="SUMME"; SUMME($E$22: E22); WENN(B23>$E$11; ""; WENN(B23=$E$11; $E$13; 0))) Der Tilgungsplan für das endfällige Darlehen ist in Bild 3.10 dargestellt. <?page no="81"?> 3.5 Spezielle Formen der Schuldentilgung 81 Bild 3.10 Tilgungsplan eines endfälligen Darlehens (Beispiel 3.5) 3.5 Spezielle Formen der Schuldentilgung Von der Vielzahl der individuellen Gestaltungsmöglichkeiten, die in einen Kreditvertrag einfließen können, sollen in diesem Abschnitt zins- und tilgungsfreie Zeiten, Gebühren und das Disagio und die Tilgung mit Prozentannuitäten am Beispiel eines Annuitätendarlehens berücksichtigt werden. In der Praxis ist es oft üblich, die Tilgung am Anfang der Kreditlaufzeit für einige Perioden auszusetzen. Dabei muss unterschieden werden, ob es sich um eine Tilgungsstreckung oder einen Zahlungsaufschub handelt. Der Kreditvergabepraxis entspricht es auch, neben den durch den Nominalzinssatz vorgegebenen regelmäßigen Zinszahlungen meist einmalige Kreditgebühren zu erheben und Zinsvorauszahlungen in Form eines Disagios zu akzeptieren, die als Prozentsatz des Darlehens vereinbart und auf verschiede Weise verrechnet werden können. Im Folgenden werden diese verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten anhand eines Annuitätendarlehens näher betrachtet. 3.5.1 Tilgungsstreckung Bei der Tilgungsstreckung werden im Rahmen der tilgungsfreien Perioden lediglich die Zinsen gezahlt, es wird aber keine Tilgung vorgenommen. Die tatsächliche Tilgung der Schuld beginnt mit einer zeitlichen Verzögerung von k Jahren bzw. mk Perioden. Die Annuität wird dann auf Basis von n-k Jahren berechnet und beträgt <?page no="82"?> 82 3 Langfristige Kredite 0 1 ' 1 1 n k n k i i A K i bzw. bei Perioden 0 1 ' 1 1 mn mk mn mk i i m m A K i m . Da sich bei Berücksichtigung von tilgungsfreien Perioden die Annuität auf einen kürzeren Zeitraum bezieht, wird die Annuität höher ausfallen als bei Darlehen ohne tilgungsfreie Perioden. Die in Abschnitt 3.2.1 vorgestellten Formeln behalten weiterhin ihre Gültigkeit, wenn die Zeitparameter um k Jahre ( Perioden) reduziert werden, d.h., wenn anstelle der Laufzeit n (Perioden mn) die Tilgungsdauer n k ( ) tritt. Damit wird auf die Zeitperioden 1, 2, , t k k n ( 1, 2, , t mk mk mn ) abgestellt, in denen Tilgungen stattfinden. Für ( t mk ) ist 0 t T . Beispiel 3.6 Ein Darlehen über 100.000 Euro mit halbjährlicher Annuitätentilgung ist mit einer Laufzeit von 5 Jahren und einem Nominalzinssatz von 6% ausgestattet. Zusätzlich wird eine Tilgungsstreckung von einem Jahr vereinbart. Es sollen ein Tilgungsplan für die ersten vier und die letzten zwei Perioden aufgestellt und die 4. Zeile des Tilgungsplans berechnet werden. Zudem soll der effektive Jahreszinssatz dieser vertraglichen Vereinbarung ermittelt werden. Wegen der tilgungsfreien Zeit von einem Jahr (zwei Halbjahresperioden) wird die Annuität auf Basis von = 2 5 2 1 = 8 Perioden berechnet. Mit dem Halbjahreszinssatz von = = , = 0,03 oder 3% erhält man die Annuität bei unterjährlicher linearer Verzinsung zu 10 2 10 2 1, 03 0, 03 ' 100.000 14.245, 64 1, 03 1 A . Zur Ermittlung der 9. Zeile des Tilgungsplans muss die Schuld am Ende der 8. Periode berechnet werden. Diese beträgt unter Berücksichtigung der tilgungsfreien Perioden 8 2 8 2 8 1, 03 1 100.000 1, 03 14.245, 64 27.258, 60 0, 03 K . Der Tilgungsplan ist in Bild 3.11 dargestellt. <?page no="83"?> 3.5 Spezielle Formen der Schuldentilgung 83 Halbjahresperiode Schuldbetrag Periodenanfang Zinsen Tilgung Annuität Schuldbetrag Periodenende 0 100.000,00 1 100.000,00 3.000,00 0 3.000,00 100.000,00 2 100.000,00 3.000,00 0 3.000,00 100.000,00 3 100.000,00 3.000,00 11.245,64 14.245,64 88.754,36 4 88.754,36 2.662,63 11.583,01 14.245,64 77.171,35 … … … … … … 9 27.258,60 817,76 13.427,88 14.245,64 13.830,72 10 13.830,72 414,92 13.830,72 14.245,64 0,00 Summe 19.965,11 100.000,00 119.965,11 Bild 3.11 Tilgungsplan eines Annuitätendarlehens mit zwei tilgungsfreien Perioden (Beispiel 3.6) Bei der Ermittlung der 4. Zeile des Tilgungsplans wird zunächst die Anfangsschuld berechnet, die der Restschuld der 3. Periode entspricht. 3 2 3 2 3 1, 03 1 100.000 1, 03 14.245, 64 88.754, 36 0, 03 K Die Zinsen in 4 t betragen 10 2 4 1 2 4 10 2 1, 03 1, 03 100.000 0, 03 2.662, 63 1, 03 1 Z . Für die Tilgung erhält man 4 1 2 4 10 2 1, 03 100.000 0, 03 11.583, 01 1, 03 1 T . Und die Restschuld am Ende der 4. Periode beträgt 4 2 4 2 4 1, 03 1 100.000 1, 03 14.245, 64 77.171, 35 0, 03 K . Zur Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes wird zunächst aus der Gleichung 8 2 8 2 1 1 3.000 3.000 1 100.000 14.245, 64 1 1 1 1 m e m m m m m e e e e e i i i i i i der effektive Halbjahreszinssatz = 0,03 oder 3% berechnet. Damit ergibt sich der effektive Jahreszinssatz zu 2 1, 03 1 0, 0609 oder 6,09% e i . <?page no="84"?> 84 3 Langfristige Kredite Excel-Umsetzung Die Annuität wird hier mit der Excel-Funktion RMZ() berechnet. Zu beachten ist, dass dabei der unterjährliche Zinssatz verwendet wird, der Kreditbetrag mit negativem Vorzeichen eingetragen wird und die Annuität auf acht Laufzeitperioden beruht. Die Tilgung des Darlehens beginnt nach einem Jahr (zwei Halbjahresperioden). Von diesen Anpassungen abgesehen, kann der Tilgungsplan des Beispiels 3.2 direkt übernommen werden. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Berechnung einzelner Elemente des Tilgungsplans auf. Position Inhalt Excel-Umsetzung E15 Berechnung der Annuität =RMZ(E7/ E9; E8*E9-E13; -E6; ; 0) E16 Effektivzinssatz pro Periode =IKV(H22: H32) E17 effektiver Jahreszinssatz =(1+E16)^E9-1 E23 Berechnung des Tilgungsbetrags =WENN(B23>$E$13; WENN(B23=""; ""; $E$15-D23); 0) E24 Tilgungsbetrag mit Abbruchbedingungen =WENN(B25="SUMME"; SUMME($E$23: E24); WENN(B25>$E$13; WENN(B25=""; ""; $E$15- D25); 0)) In Bild 3.12 ist der Tilgungsplan eines Annuitätendarlehens mit unterjährlicher Zins- und Tilgungsverrechnung und zwei tilgungsfreien Perioden dargestellt. <?page no="85"?> 3.5 Spezielle Formen der Schuldentilgung 85 Bild 3.12 Tilgungsplan eines Annuitätendarlehens mit unterjährlicher Zins- und Tilgungsverrechnung und zwei tilgungsfreien Perioden (Beispiel 3.6) 3.5.2 Zahlungsaufschub Bei einem Zahlungsaufschub für Zins- und Tilgungszahlungen beginnt die Zahlung der Zinsen und Tilgung nicht sofort, sondern erst nach einer Verzögerung von k Jahren. Da während der tilgungsfreien Zeit = 1, 2, … , keine Zinsen bezahlt werden, erhöht sich der ursprüngliche Kreditbetrag um die nicht bezahlten Zinsen und Zinseszinsen (man sagt, die Zinsen werden kapitalisiert). Nach k Jahren ergibt sich somit eine Schuld von 0 0 1 k k K K i K und die in den verbleibenden Laufzeitjahren 1, 2, , t k k n zu zahlende Annuität berechnet sich zu 0 1 ' 1 1 1 n k k n k i i A K i i oder 0 1 ' 1 1 n n k i i A K i . Bei unterjährlicher Zins- und Tilgungsverrechnung wächst die Schuld auf 0 1 mk mk i K K m an. Beispiel 3.7 Ein Darlehen über 100.000 Euro mit halbjährlicher Annuitätentilgung ist mit einer Laufzeit von 5 Jahren und einem Nominalzinssatz von 6% ausgestattet. Zusätzlich wird ein Zahlungsaufschub für Zins- und Tilgungszahlungen von einem Jahr gewährt. Es sollen die Annuität berechnet und ein Tilgungsplan für die ersten vier Perioden und die letzten zwei Perioden aufgestellt werden. <?page no="86"?> 86 3 Langfristige Kredite Nach zwei zins- und tilgungsfreien Perioden wächst die ursprüngliche Schuld von 100.000 Euro auf 2 2 100.000 1, 03 106.090 K an, die dann über eine Laufzeit von 8 Halbjahresperioden getilgt wird. Die Annuität wird wieder auf Basis von 8 Halbjahresperioden berechnet und beträgt 8 8 1, 03 0, 03 106.090 15.113, 20 1, 03 1 A . Die Anfangsschuld des 9. Halbjahres entspricht der Restschuld am Ende des 8. Halbjahres. Diese berechnet sich unter Berücksichtigung der tilgungsfreien Perioden zu 6 6 8 1, 03 1 106.090 1, 03 15.113, 20 28.918, 65 0, 03 K . Der Tilgungsplan mit zwei zins- und tilgungsfreien Perioden ist in Bild 3.13 dargestellt. Halbjahres- Periode Schuldbetrag Periodenanfang Zinsen Tilgung Annuität Schuldbetrag Periodenende 0 100.000,00 1 100.000,00 0 0 0 103.000,00 2 103.000,00 0 0 0 106.090,00 3 106.090,00 3.182,70 11.930,50 15.113,20 94.159,50 4 94.159,50 2.824,79 12.288,41 15.113,20 81.871,09 … … … … … … 9 28.918,65 867,56 14.245,64 15.113,20 14.673,01 10 14.673,01 414,19 14.673,01 15.113,20 0,00 Summe 14.815,59 100.000,00 120.905,59 Bild 3.13 Tilgungsplan eines Annuitätendarlehens mit zins- und tilgungsfreien Perioden (Beispiel 3.7) Excel-Umsetzung Der Tilgungsplan in Bild 3.12 kann direkt übernommen werden, es sind lediglich die Zinszahlungen der ersten und zweiten Periode zu unterdrücken und der Anfangsschuld unter Berücksichtigung von Zinseszinsen hinzuzurechnen. Einzelne Berechnungsschritte sind in nachfolgender Tabelle aufgeführt. <?page no="87"?> 3.5 Spezielle Formen der Schuldentilgung 87 Position Inhalt Excel-Umsetzung E15 Kreditbetrag =E6*(1+E10)^E13 E16 Berechnung der Annuität =E15*(1+$E$10)^($E$11- $E$13)*$E$10/ ((1+$E$10)^($E$11-$E$13)-1) E16 Effektivzinssatz pro Periode =E15*(1+$E$10)^($E$11-$E$13)*$E$10/ ((1+$E$10)^($E$11-$E$13)-1) E17 effektiver Jahreszinssatz =(1+E17)^E9-1 E24 Berechnung der Zinsen =WENN(B24>$E$13; WENN(B24=""; ""; C2 4*$E$10); 0) E25 Berechnung der Zinsen mit Abbruchbedingungen =WENN(B25="SUMME"; SUMME($D$24: D24); WENN(B25>$E$13; WENN(B25=""; ""; C25* $E$10); 0)) Bild 3.14 Tilgungsplan eines Annuitätendarlehens mit unterjährlicher Zins- und Tilgungsverrechnung und zwei zins- und tilgungsfreien Perioden (Beispiel 3.7) <?page no="88"?> 88 3 Langfristige Kredite 3.5.3 Berücksichtigung eines Disagios Der Kreditvergabepraxis entspricht es auch, neben den durch den Nominalzinssatz vorgegebenen regelmäßigen Zinszahlungen meist einmalige Kreditgebühren zu erheben, die als Prozentsatz g des Darlehens vereinbart und auf verschieden Weise verrechnet werden können. Wird das Darlehen in voller Höhe ausgezahlt und die Gebühren der Anfangsschuld hinzugerechnet, dann erhält man ' 0 0 0 1 K K g K . In diesem Falle wirkt sich die um die Gebühren erhöhte Anfangsschuld auch erhöhend auf die Zins- und Tilgungszahlungen aus. Bleibt hingegen der auf der vereinbarten Anfangsschuld beruhende Tilgungsplan unverändert, während das ausgezahlte Darlehen um die einbehaltenen Gebühren verringert wird, dann ergibt sich ' 0 0 0 0 1 o K K gK K g K . Ein prozentualer Abschlag 0 vom Darlehensbetrag hat dieselbe Wirkung und wird als Disagio (Abgeld) oder in Zusammenhang mit Hypotheken- und Grundschulddarlehen auch als Damnum bezeichnet. Es stellt bei entsprechender Höhe im Grunde eine einmalige Zinsvorauszahlung durch den Kreditnehmer dar und dient damit zur Steuerung der Nominalverzinsung. Durch diese Zinsvorauszahlung mindert sich ceteris paribus normalerweise die spätere laufende Zinszahlung. Die Erhebung eines Disagios führt dazu, dass man zu Beginn der Kreditlaufzeit der Bank einen höheren Betrag schuldet, als man von ihr bekommt. Beide Kostenbestandteile, Gebühren und Disagio, gehen neben den Zinskosten und der Häufigkeit der Zinsverrechnung in den effektiven Jahreszinssatz ein. Beispiel 3.8 Ein Darlehen über 100.000 Euro mit halbjährlicher Annuitätentilgung ist zur Verringerung der laufenden Zinszahlung mit einem Disagio von 5% ausgestattet. Der nominelle Jahreszinssatz beträgt bei einer Laufzeit von 5 Jahren 6%. Zusätzlich wird eine Tilgungsstreckung von einem Jahr und eine Bearbeitungsgebühr von 2% des ausgezahlten Kredits vereinbart. Das Disagio dient hier der Steuerung der Nominalverzinsung und bezieht sich auf die volle Laufzeit des Darlehens. Die Bearbeitungsgebühr von 2% des ausgezahlten Kreditbetrages mindert nicht zusätzlich den Auszahlungsbetrag, sondern soll in die Schuld eingehen. Der zur Auszahlung kommende Betrag beträgt: 0 100.000 1 0, 05 95.000 K . Auf diesen Betrag werden 2% Bearbeitungsgebühren berechnet und dem Nominalbetrag des Darlehens (100.000 Euro) hinzugerechnet. Damit beträgt die Darlehensschuld unter Berücksichtigung von Disagio und Bearbeitungsgebühr 0 1 95.000 0, 02 101.900 1 0, 05 K . Wegen der tilgungsfreien Zeit von einem Jahr (zwei Halbjahresperioden) wird die <?page no="89"?> 3.5 Spezielle Formen der Schuldentilgung 89 Annuität auf Basis von 8 Perioden berechnet. Mit dem Halbjahreszinssatz von 3% erhält man: 8 8 1, 03 0, 03 ' 101.900 14.516, 31 1, 03 1 A Die Anfangsschuld des 9. Halbjahres entspricht der Restschuld am Ende des 8. Halbjahres und berechnet sich zu: 6 6 8 1, 03 1 101.900 1, 03 14.516, 31 27.776,51 0, 03 K Der Tilgungsplan ist in Bild 3.15 dargestellt. Halbjahres- Periode Schuldbetrag Periodenanfang Zinsen Tilgung Annuität Schuldbetrag Periodenende 0 101.900,00 1 101.900,00 3.057,00 0 3.057,00 101.900,00 2 101.900,00 3.057,00 0 3.057,00 101.900,00 3 101.900,00 3.057,00 11.459,31 14.516,31 90.440,69 4 90.440,69 2.713,22 11.803,09 14.516,31 78.637,61 … … … … … … 9 27.776,51 833,30 13.683,01 14.516,31 14.093,50 10 14.093,50 422,81 14.093,50 14.516,31 0,00 Summe 20.344,45 101.900,00 122.244,45 Bild 3.15 Tilgungsplan eines Annuitätendarlehens mit unterjährlicher Zins- und Tilgungsverrechnung, tilgungsfreien Perioden, Disagio und Bearbeitungsgebühren (Beispiel 3.8) Excel-Umsetzung Zuerst wird der zur Auszahlung kommende Kreditbetrag unter Berücksichtigung des Disagios und der Bearbeitungsgebühr bestimmt. Von diesem Kreditbetrag wird die Annuität mit der Excel-Funktion RMZ() auf Basis von acht Halbjahresperioden (zwei Halbjahresperioden sind tilgungsfrei) und dem Halbjahreszinssatz berechnet. Der Effektivzinssatz pro Periode kann mit der IKV() Funktion bestimmt werden und ist dann in den effektiven Jahreszinssatz umzurechnen. Zu beachten ist, dass im Zahlungsstrom der zur Auszahlung kommende Betrag in Höhe von 95.000 angesetzt wird. Position Inhalt Excel-Umsetzung E18 Kreditbetrag =E7*(1-E15)*(1/ (1-E15)+E16) E19 Annuität =RMZ(E11; E12-E14; -E18; ; 0) E20 Effektivzinssatz pro Periode =IKV(H26: H386) E21 effektiver Jahreszinssatz =(1+E20)^E14-1 H26 Zahlungsstrom Periode 0 =E7*(1-E15) <?page no="90"?> 90 3 Langfristige Kredite Bild 3.16 Tilgungsplan eines Annuitätendarlehens mit unterjährlicher Zins- und Tilgungsverrechnung, tilgungsfreien Perioden, Disagio und Bearbeitungsgebühr (Beispiel 3.8) 3.5.4 Tilgung in Prozentannuitäten Bei manchen Kreditgeschäften, insbesondere bei Hypotheken- und Grundschulddarlehen, wird die Tilgung als Prozentsatz p der Darlehensschuld vereinbart. Der Passus „Die jährliche Tilgung beträgt anfänglich 2% der Darlehenssumme und erhöht sich jährlich um die durch die Tilgungsbeträge eingesparten Zinsen“ ist typisch in einem solchen Kreditvertrag. Der Kreditnehmer erhält den Kreditbetrag und verpflichtet sich, für Zins und Tilgung jährliche Annuitäten in Höhe von 0 A K i p zu zahlen. Da bei der Annuitätentilgung typischer Weise die ersparten Zinsen der Tilgung hinzugeschlagen werden, bezieht sich der Tilgungssatz p lediglich auf das erste Jahr. Da bei Prozent-Annuitäten die Tilgungsdauer nicht explizit gegeben ist, ist sie dennoch Vertragsgegenstand und kann berechnet werden, wenn der Darlehensbetrag , der Zinssatz i und der Tilgungsprozentsatz p gegeben sind. <?page no="91"?> 3.5 Spezielle Formen der Schuldentilgung 91 Mit 0 1 1 1 n n i K A i i erhält man durch Substitution von A 0 0 1 1 1 n n i K K i p i i oder 1 1 1 1 n n i i p i i . Nach weiteren Umformungen ergibt sich schließlich die Laufzeit einer Prozentannuität zu ln ln 1 i p p n i . Im Allgemeinen wird die Anzahl der Jahre, über die sich die Tilgung erstreckt, nicht ganzzahlig sein, so dass man die Laufzeit in die zwei Komponenten 1 int n n 2 1 n n n zerlegen kann. Der Kreditnehmer leistet demnach volle Annuitäten in Höhe von A und für das darauffolgende angebrochene Jahr eine Ausgleichszahlung, die entweder zu Beginn oder am Ende der Tilgungsdauer entrichtet wird. Erfolgt die Zahlung am Ende der Laufzeit, d.h. am Ende des ( + 1)-ten Jahres, dann ergibt sich eine Restzahlung (Annuität) von 1 1 1 1 0 1 1 1 n n n i A K i A q i . Wird die Ausgleichszahlung bereits im ersten Jahr vorgenommen, dann berechnet sich die Vorleistung aus 1 1 1 0 1 1 1 1 n n i A K i A i i . Beispiel 3.9 Eine Bank bietet ein Darlehen von 100.000 Euro mit jährlicher Annuitätentilgung an, das mit einem nominellen Jahreszinssatz von 6% und einem anfänglichen Tilgungsprozentsatz von 2% versehen ist. Es ist ein Tilgungsplan zu erstellen für den Fall, dass eine eventuelle Ausgleichszahlung a) am Ende der Laufzeit und b) zu Beginn der Laufzeit erfolgt. <?page no="92"?> 92 3 Langfristige Kredite Mit einer Annuität von 100.000 0, 06 0, 02 8.000 A berechnet sich die Laufzeit zu 0, 06 0, 02 ln 0, 02 23, 79 ln 1, 06 n . Erfolgt die Ausgleichszahlung am Ende der Laufzeit, dann beträgt die Restzahlung am Ende des Jahres 23 bzw. am Anfang des Jahres 24 23 23 24 1, 06 1 100.000 1, 06 8.000 1, 06 6.368,85 0, 06 A . Der Tilgungsplan ist in Bild 3.17 dargestellt. Jahr Schuldbetrag Jahresanfang Zinsen Tilgung Annuität Schuldbetrag Jahresende 0 100.000,00 1 100.000,00 6.000,00 2.000,00 8.000,00 98.000,00 2 98.000,00 5.880,00 2.120,00 8.000,00 95.880,00 3 95.880,00 5.752,80 2.247,20 8.000,00 93.632,80 … … … … … … 22 20.014,55 1.200,87 6.799,13 8.000,00 13.215,42 23 13.215,42 792,93 7.207,07 8.000,00 6.008,34 24 6.008,34 360,50 6.008,34 6.368,85 0,00 Summe 90.365,85 100.000,00 190.365,85 Bild 3.17 Tilgungsplan eines Annuitätendarlehens mit Prozentannuität und Ausgleichszahlung am Laufzeitende (Beispiel 3.9a) Excel-Umsetzung Zunächst wird die Annuität, die sich aus dem nominellen Jahreszinssatz und dem Tilgungsprozentsatz zusammensetzt, bestimmt. Im nächsten Schritt wird die Laufzeit des Annuitätendarlehens berechnet. Die Laufzeit von 23,79 Jahren impliziert, dass 24 Jahre zur Tilgung des Darlehens benötigt werden (Zins- und Tilgungszahlungen erfolgen am Jahresende). Da die Restschuld zu Beginn des Jahres 24 nur noch 6.008,14 beträgt, ist die Annuität in diesem Jahr geringer als in den vorhergehenden Jahren (reduzierte Annuität). Position Inhalt Excel-Umsetzung E10 Annuität =E6*(E7+E8) E11 Laufzeit =LN((E7+E8)/ E8)/ LN(1+E7) E12 effektiver Jahreszinssatz =LN((E7+E8)/ E8)/ LN(1+E7) <?page no="93"?> 3.5 Spezielle Formen der Schuldentilgung 93 B18 Laufzeitperioden mit „Summe“ =WENN(AUFRUNDEN($E$11; 0)<B17+1; "SUMME"; B17+1) B19 Laufzeitperioden mit Abbruchbedingungen =WENN(ODER(B18="SUMME"; B18=""); ""; WENN(AUFRUNDEN($E$11; 0)<B18+1; "SUMME"; B18+1)) E41 Tilgung am Laufzeitende =WENN(B41="SUMME"; SUMME($E$18: E40); WENN(B41=AUFRUNDEN($E$11; 0); C41; WENN(B41>AUFRUNDEN($E$11; 0); ""; F41-D41))) F41 Ausgleichszahlung am Laufzeitende =WENN(B41="SUMME"; SUMME($F$18: F40); WENN(B41=AUFRUNDEN($E$11; 0); D41+E41; WENN(B41>AUFRUNDEN($E$11; 0); ""; $E$10))) Bild 3.18 Tilgungsplan eines Annuitätendarlehens mit Prozentannuität und Ausgleichszahlung am Laufzeitende (Beispiel 3.9a) Erfolgt die Ausgleichszahlung bereits im ersten Jahr, dann ergibt sich eine Zahlung von 23 1 23 1, 06 1 100.000 1, 06 8.000 7.572, 97 0, 06 1, 06 A Der sich hieraus ergebende Tilgungsplan ist in Bild 3.19 dargestellt. Jahr Schuldbetrag Jahresanfang Zinsen Tilgung Annuität Schuldbetrag Jahresende 0 100.000,00 1 100.000,00 6.000,00 1.572,97 7.572,97 98.427,03 <?page no="94"?> 94 3 Langfristige Kredite 2 98.427,98 5.905,62 2.094,38 8.000,00 96.332,65 3 96.332,65 5.779,96 2.220,04 8.000,00 94.112,61 … … … … … … 22 21.384,10 1.283,05 6.716,95 8.000,00 14.667,14 23 14.667,14 880,03 7.119,97 8.000,00 7.547,17 24 7.547,17 452,83 7.547,17 8.000,00 0,00 Summe 91.572,97 100.000,00 191.572,97 Bild 3.19 Tilgungsplan eines Annuitätendarlehens mit Prozentannuität und Ausgleichszahlung zu Beginn Laufzeit (Beispiel 3.9b) Excel-Umsetzung Bei einem Annuitätendarlehen mit Prozentannuität und Ausgleichszahlung zu Beginn der Laufzeit erfolgt die reduzierte Tilgungszahlung (Zelle F18) im ersten Jahr. In den Folgejahren besteht die Annuität aus 6% Zinsen und 2% Tilgung. Der effektive Jahreszinssatz ist mit dem nominellen Zinssatz identisch. Die Struktur des Tilgungsplans ist im Wesentlichen mit dem in Bild 3.18 identisch. Position Inhalt Excel-Umsetzung E10 Annuität =E6*(E7+E8) E11 Laufzeit =LN((E7+E8)/ E8)/ LN(1+E7) E12 effektiver Jahreszinssatz =LN((E7+E8)/ E8)/ LN(1+E7) C18 Schuldbetrag Jahresanfang =G17 F18 Ausgleichszahlung zu Beginn der Laufzeit =WENN(B18>AUFRUNDEN($E$11; 0); ""; $E$6*(1+$E$7)$E$10*((1+$E$7)^GANZ- ZAHL($E$11) -1)/ ($E$7*(1+$E$7)^GANZZAHL($E$11))) <?page no="95"?> 3.6 Bauspardarlehen 95 Bild 3.20 Tilgungsplan eines Annuitätendarlehens mit Prozentannuität und Ausgleichszahlung zu Beginn der Laufzeit (Beispiel 3.9b) 3.6 Bauspardarlehen Bausparkassen bieten zweckgebundene Darlehen, sogenannte Bauspardarlehen, an, die nur für wohnwirtschaftliche Zwecke verwendet werden dürfen, also in erster Linie zur Finanzierung des Erwerbs oder der Modernisierung von Immobilien. Der Bausparvertrag wird auf eine bestimmte Bausparsumme abgeschlossen und berechtigt nach Erreichen eines bestimmten Mindestguthabens (40% oder 50% der Bausparsumme) und einer Mindestsparzeit, die durch eine individuelle Bewertungszahl zum Ausdruck kommt, zur Auszahlung der Bausparsumme. Der Bausparer schuldet der Bausparkasse dann die Differenz zwischen der Bausparsumme und dem angesparten Bausparguthaben. Zur Aufnahme eines Darlehens ist er jedoch nicht verpflichtet, er kann den Vertrag weiter ansparen, ihn ruhen lassen oder sich das angesparte Guthaben auszahlen lassen. Das während der Ansparphase entstehende Guthaben wird für die gesamte Vertragsdauer mit einem einheitlich festgelegten, relativ niedrigen Zinssatz von derzeit 0,25% bis 1% pro Jahr verzinst, abhängig von der gewählten Vertragsvariante. Davon gehen eine Abschlussgebühr von 1% oder 1,6% der Bausparsumme, die mit den ersten Sparbeiträgen verrechnet oder getrennt zu zahlen ist und nicht bei einer etwaigen Kündigung nicht zurückerstattet wird, ab. Meist fallen auch jährliche Kontogebühren von bis zu 30 Euro an. Ein Bausparvertrag bietet die Möglichkeit, sich vor einem möglichen Zinsanstieg für eine spätere Immobilienfinanzierung zu schützen, denn der relativ niedrige Zinssatz für ein Bauspardarlehen ist für die gesamte Vertragslaufzeit fixiert und liegt in der Regel zwischen 2% bis 4% pro Jahr. Die Tilgung des Darlehens dauert je nach Bauspartarif zwischen 6 und 14 Jahre. Bauspardarlehen werden in der Regel bis zu einer Gesamtbelastung von 80% des Beleihungswertes als Annuitätendarlehen gewährt. Der Beleihungswert repräsentiert den Wert einer Kreditsicherheit, der sich langfristig zu jedem beliebigen Zeitpunkt realisieren lässt und stellt eine Obergrenze dar, bis zu der ein Kreditinstitut aufgrund interner Vorschriften Darlehen gewähren darf. Die Besicherung von Bauspardarlehen erfolgt über die Bestellung von Grundpfandrechten. Im Vergleich zu Hypothekenkrediten akzeptieren jedoch Bausparkassen Grundpfandrechte an zweiter Rangstelle. Wird im Wege einer Zwangsversteigerung ein Grundstück verwertet, dann wird vom erzielbaren Versteigerungserlös zunächst der Gläubiger der ersten Hypothek befriedigt und die Bausparkasse erhält nur den <?page no="96"?> 96 3 Langfristige Kredite darüberhinausgehenden Betrag. Das folgende Beispiel soll den Sachverhalt verdeutlichen. Der Beleihungswert einer Immobilie betrage 200.000 Euro. Ein Bausparer hat bei der Bausparkasse A einen Bausparvertrag mit einer Bausparsumme von 40.000 Euro und einem Bausparguthaben von 16.000 Euro und bei der Bausparkasse B einen Bausparvertrag mit einer Bausparsumme von 60.000 Euro, der ein Guthaben von 30.000 Euro aufweist. Unter der Annahme, dass der Kaufpreis der Immobilie dem Beleihungswert entspricht, könnte sie wie folgt finanziert werden: Hypothekarkredit bei einer Bank 100.000 Euro, Bauspardarlehen A 24.000 Euro, Bauspardarlehen B 30.000 Euro, Eigenmittel aus Bausparguthaben 46.000 Euro. Zur Absicherung der Darlehen würde eine erstrangige Hypothek zugunsten der Bank über 100.000 Euro (50% des Beleihungswertes) eingetragen und zwei nachrangige, untereinander gleichrangige Hypotheken zugunsten der beiden Bausparkassen über 24.000 Euro und 30.000 Euro eingetragen. Der Beleihungsrahmen ist demnach zu 77% ausgeschöpft. Wird die Immobilie vor der ersten Tilgungszahlung wegen Zahlungsunfähigkeit versteigert und ergibt sich ein Versteigerungserlös von 180.000 Euro, dann werden alle Darlehensgeber befriedigt und die restlichen 26.000 Euro stehen dem Eigentümer der Immobilie zu. Beträgt hingegen der Versteigerungserlös nur 130.000 Euro, dann erhält die Bank als Inhaber der ersten Hypothek die vollen 100.000 Euro und die restlichen 30.000 Euro werden im Verhältnis der Darlehenssummen von 2,4 zu 3 auf die beiden Bausparkassen aufgeteilt. A erhält 13.333,33 Euro und B 16.666,67 Euro. Hat ein Bausparer einen Kreditbedarf bevor der Bausparvertrag zuteilungsreif ist, kann er mit der Bausparkasse oder einem Kreditinstitut eine Zwischenfinanzierung beantragen, wenn die Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Ist dann der Bausparvertrag zuteilungsreif, wird der Zwischenkredit durch die Bausparsumme zurückgeführt. Die Besicherung des Kredits erfolgt durch das bereits angesparte Bausparguthaben und/ oder durch die Eintragung eines Grundpfandrechtes, das nach Ablösung als Sicherheit für das nachfolgende Bauspardarlehen verwendet werden kann. Tritt ein Kreditinstitut als Zwischenkreditgeber auf, können das Grundpfandrecht und die Ansprüche aus dem Bausparvertrag zunächst zugunsten der Bank eingetragen werden, die sie später an die Bausparkasse abtritt. Das folgende Beispiel stellt die Kosten eines Bausparvertrages denen einer Kreditfinanzierung gegenüber. Steuerliche Aspekte und staatliche Zuschüsse werden dabei nicht berücksichtigt. Beispiel 3.10 Der Kauf eines Grundstücks soll entweder über die Bausparkasse oder mit einem Bankdarlehen finanziert werden. Die Bausparsumme beträgt 100.000 Euro, davon müssen 40% angespart werden. Die Zuteilung erfolgt in sieben Jahren, der Guthabenzins beträgt 1% p.a. Es erfolgt eine Zwischenfinanzierung über die Bausparkasse bis zur Zuteilung nach sieben Jahren zu einem Zinssatz von 4%. Alternativ könnte die Summe von 100.000 Euro auch über ein Darlehen eines Kreditinstituts mit einer Laufzeit von 14 Jahren zu einem Zinssatz von 5% p.a. finanziert werden. Die Zwischenfinanzierung, das Bauspardarlehen und der Bankkredit werden in Form eines Annuitätendarlehens gewährt, wobei die Zins- und Tilgungsverrechnung jährlich nachschüssig erfolgt. Steuerliche Aspekte sowie staatliche Zuschüsse bleiben <?page no="97"?> 3.6 Bauspardarlehen 97 unberücksichtigt. Die Finanzierungsform mit den geringsten Kosten (Zinsen) soll gewählt werden. Zunächst wird der Bausparvertrag bis zu einer Summe von 40.000 Euro (40% der Bausparsumme) angespart. Die Ermittlung der jährlichen Sparrate A erfolgt in zwei Schritten. Zuerst wird der Endwert von 40.000 Euro auf den gegenwärtigen Zeitpunkt abgezinst, sodann wird der Barwert des Endwertes mit Hilfe des Annuitätenfaktors auf n Perioden, hier 7 Jahre, verteilt. Man erhält die Äquivalenzgleichung 7 7 7 1, 01 1 40.000 1, 01 0, 01 1, 01 A , aus der sich eine jährliche Sparrate von 7 0, 01 40.000 5.545,13 1, 01 1 A ergibt. Der jährliche Zinsaufwand für die Zwischenfinanzierung von 100.000 Euro beträgt bei einem Zinssatz von 4% 4.000 Euro pro Jahr, das sind 28.000 Euro über sieben Jahre. Nach sieben Jahren wird der Bausparvertrag zugeteilt. Das Bauspardarlehen in Höhe von 60.000 Euro wird über sieben Jahre annuitätisch getilgt. Bei einem Zinssatz von 3% ergibt sich ein Kapitaldienst (Annuität) von 7 7 1, 03 0, 03 60.000 9.630, 38 1, 03 1 A . Die Zinsbelastung über sieben Jahre beträgt 9.630, 38 7 60.000 7.412, 67 . Der Gesamtbetrag an Zinsen macht bei der Finanzierung des Darlehens über die Bausparkasse 35.412,67 Euro aus. Die Finanzierung des Darlehens über ein Kreditinstitut bei gleicher Laufzeit (14 Jahre) und einem Darlehenszinssatz von 5% beträgt hingegen 10.102,40 14 100.000 = 41.433,60 . Die Darlehensfinanzierung über die Bausparkasse ist demnach um 6.020,93 Euro günstiger. Der Grenzzinssatz, bei dem beide Finanzierungsalternativen gleichwertig sind, kann aus der Beziehung 14 14 1 35.412, 67 100.000 14 100.000 1 1 i i i durch Gegenüberstellung der Zinskosten beider Alternativen bestimmt werden. Bei einem Zinssatz von 4, 3269 i % sind die Darlehenszinsen bei Finanzierung durch ein Kreditinstitut genauso hoch wie die beim Bauspardarlehen und der Zinsvorteil von 6.020,93 verschwindet. Excel-Umsetzung Die Modellierung in Excel stellt keine besondere Herausforderung dar. Der jährliche Sparbeitrag (F12) wird ermittelt, indem das anzusparende Mindestguthaben von 40.000 Euro mit dem Restwertverteilungsfaktor multipliziert wird. Dies geschieht <?page no="98"?> 98 3 Langfristige Kredite durch direkte Eingabe der Formel oder mithilfe der Funktion RMZ(). Dabei ist zu beachten, dass das Funktionsargument BW mit dem Barwert des Mindestguthabens belegt wird, da das anzusparende Mindestguthaben den zukünftigen Wert nach sieben Jahren darstellt. Die Berechnung der Annuitäten erfolgt ebenfalls durch die direkte Eingabe der Formel oder mit der RMZ() Funktion. Der Grenzzinssatz des Bankdarlehens kann mit der Funktion Zielwertsuche ermittelt werden, die über die Tastenkombination Alt v w aufgerufen wird. Dabei ist in die Zielzelle der Wert in Zelle F20 einzutragen, der Zielwert wird mit 0 angegeben und die veränderbare Zelle ist der Zinssatz in Zelle J8. Als Ergebnis erhält man den Grenzzinssatz von 4,33%. Einzelne Berechnungsschritte sind in nachfolgender Tabelle aufgeführt. Position Inhalt Excel-Umsetzung F12 jährlicher Sparbeitrag =F9*(F11/ ((1+F11)^F10-1)) F17 jährlicher Zinsaufwand =F15*F16 F23 Annuität Bauspardarlehen =F20*((1+F22)^F21*F22)/ ((1+F22)^F21-1) F25 Zinsen Zwischenfinanzierung =F17*F10 F26 Zinsen Tilgungsphase des Bauspardarlehens =F23*F21-F20 F27 Gesamtbetrag an Zinsen =F25+F26 F29 Vorteil/ Nachteil des Bausparens =J12-F27 J10 Annuität Bankdarlehen =J7*((1+J8)^J9*J8)/ ((1+J8)^J9-1) J12 Zinsen Bankdarlehen =J10*J9-J7 <?page no="99"?> 3.6 Bauspardarlehen 99 Bild 3.21 Vergleich der Finanzierung eines Darlehens über die Bausparkasse und über ein Kreditinstitut (Beispiel 3.10) Neben der Aussicht auf ein zinsgünstiges Bauspardarlehen stellt die staatliche Förderung des Bausparens durch den Staat einen weiteren Grund für die Verbreitung des Bausparens dar. Eine staatliche Wohnungsbauprämie können Bausparer bekommen, wenn ihr zu versteuerndes Einkommen im Sparjahr 25.000 Euro bei Alleinstehenden und 51.200 Euro bei zusammen veranlagten Verheirateten nicht überschreitet. Die Wohnungsbauprämie beträgt jährlich 8,8% der geleisteten prämienbegünstigten Aufwendungen. Die prämienbegünstigten Höchstbeiträge belaufen sich bei Alleinstehenden auf 512 Euro und bei Verheirateten auf 1.024 Euro p.a. und die entsprechenden Wohnungsbauprämien betragen maximal 45,06 Euro bzw. 90,11 Euro p.a. (Stand 2015). Die gewährten Prämien erhöhen jedoch nicht jedes Jahr während der Sparphase das zinsbringende Bausparguthaben, sondern stellen lediglich buchmäßige Forderungen des Bausparers an das Finanzamt dar. Die Gesamtforderung der auf den Bausparvertrag entfallenden Wohnungsbauprämien wird dem Bausparer erst zum Zuteilungszeitpunkt nach einer Sperrfrist von 7 Jahren in einer Summe gutgeschrieben. Die Zinserträge erhöhen während der Ansparphase als Einkünfte aus Kapitalvermögen das zu versteuernde Einkommen, wenn der betreffende Freibetrag überschritten wird. Demgegenüber sind die Zinsaufwendungen aus dem Bauspardarlehen (wie sonstige Fremdkapitalzinsen) absetzbar, wenn eine Wohnimmobilie zu Vermietungszwecken finanziert wird. Da es hinsichtlich der Bauspartarife und der steuer- und förderrechtlichen Behandlung von Bausparverträgen eine Vielzahl unterschiedlicher Varianten gibt, sollte im konkreten Einzelfall immer eine individuelle Beratung von einem Bausparexperten in Anspruch genommen werden. Das folgende Beispiel dient der Einschätzung der Renditechancen von Bausparverträgen unter Berücksichtigung der staatlichen Förderung. Beispiel 3.11 Ein verheirateter Bausparer mit einem zu versteuernden Einkommen, das auch in den nächsten Jahren 51.200 Euro nicht übersteigen wird, beabsichtigt, nach 7 Jahren sein privates Wohnhaus zu renovieren. Da seine bisherigen Einkünfte aus Kapitalvermögen weit unter dem Freibetrag von 1.602 Euro liegen, kann er weitere Zinserträge ohne zusätzliche steuerliche Belastung haben. Schuldzinsen aus dem Bauspardarlehen zur Renovierung können steuerlich nicht angesetzt werden, da das Wohnhaus privat genutzt wird. Eine Bausparkasse bietet ihm die folgenden Konditionen an: <?page no="100"?> 100 3 Langfristige Kredite Bausparsumme individuell vereinbar Mindestansparung der Bausparsumme 40% Mindestsparzeit 7 Jahre Guthabenzinssatz p.a. 1,5% Einmalige Abschlussgebühr in % der Bausparsumme 1% Kontoführungsgebühren p.a. während der Sparphase 15 Euro Kontoführungsgebühren pro Monat während der Darlehensphase 1,50 Euro Form des Bauspardarlehens Annuitätendarlehen Nominalzinssatz des Bauspardarlehens p.a. 3,6% Tilgung in % des Nennwertes pro Monat 1% Einmalige Darlehensgebühr, dem Nennwert hinzuzurechnen. 2% a) Es soll zunächst die Höhe der Bausparsumme und das Bauspardarlehen ermittelt werden, wenn er mit dem Bausparvertrag die maximal für ihn mögliche Wohnungsbauprämie erzielen möchte. b) Dann soll der effektive Jahreszinssatz des Bauspardarlehens ermittelt werden, wenn alle Zahlungen am Monatsende erfolgen. c) Es soll die Rendite der in den Bausparvertrag eingezahlten Sparraten und erhaltenen Wohnungsbauprämien ermittelt werden für den Fall, dass der Bausparer am Ende der Ansparzeit das Bauspardarlehen nicht benötigt, weil die Renovierung auf unbestimmte Zeit verschoben werden muss. d) Schließlich soll die Rendite der in den Bausparvertrag eingezahlten Sparraten und erhaltenen Wohnungsbauprämien ermittelt werden für den Fall, dass der Bausparer exakt zum Zuteilungszeitpunkt das Bauspardarlehen benötigt und dadurch einen Bankkredit vermeidet, der einen um zwei Prozentpunkte höheren Effektivzinssatz ausweist. Bei verheirateten Bausparern mit einem zu versteuernden Einkommen von jährlich unter 51.200 Euro wird eine jährliche Sparleistung von höchstens 1.024 Euro mit einer Wohnungsprämie von 8,8% gefördert. Während der 7-jährigen Ansparphase zahlt der Bausparer 1.024 Euro in den Bausparvertrag ein. Da jedoch eine Kontoführungsgebühr von 15 Euro pro Jahr erhoben wird, beträgt das zu verzinsende Guthaben lediglich 1.009 Euro. Werden die Zahlungen zu Beginn des Jahres geleistet, ergibt sich nach der 7-jährigen Ansparzeit unter Berücksichtigung eines Guthabenzinssatzes von 1,5% ein Bausparguthaben von 7 7 1, 015 1 1.009 1, 015 7.499, 73 0, 015 K . Am Ende der Ansparzeit kommt noch die Wohnungsbauprämie in Höhe von 630,78 Euro (7 1.024 0,088) hinzu. Daraus ergibt sich ein Gesamtguthaben am Ende des 7-ten Jahres von 8.130,52 Euro. Die abzuschließende Bausparsumme lässt sich dann aus der Beziehung Bausparguthaben = Bausparsumme · Mindestansparung (in %) <?page no="101"?> 3.6 Bauspardarlehen 101 ermitteln. Mit den Zahlen des Beispiels ergibt sich die gesuchte Bausparsumme zu 8.130,52 Bausparsumme 20.326, 30 0, 4 . Die Höhe des Bauspardarlehens beträgt dann 20.326, 30 8.130,52 12.195, 78 Euro. Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Input-Daten wird zunächst das gesamte Sparguthaben nach 7 Jahren ermittelt (G31). Dabei ist zu beachten, dass die Sparleistungen am Jahresanfang eingezahlt werden. Wird das gesamte Sparguthaben (D18) durch den Prozentsatz der Mindestansparung dividiert, erhält man die Bausparsumme (D19). Das Bauspardarlehen errechnet sich aus der Differenz zwischen Bausparsumme und Gesamtguthaben und beträgt 60% der Bausparsumme (D20). Einzelne Berechnungsschritte sind in nachfolgender Tabelle aufgezeigt. Position Inhalt Excel-Umsetzung D18 Gesamtguthaben =G31+F7*F8*F9 D19 Bausparsumme =D18/ F6 D20 Bauspardarlehen =D19-D18 G31 Guthaben zu Jahresende =WENN(B31=""; ""; E31+F31) <?page no="102"?> 102 3 Langfristige Kredite Bild 3.22 Ermittlung von Gesamtguthaben, Bausparsumme und Bauspardarlehen (Beispiel 3.11a) Zur Ermittlung des Effektivzinssatzes des Bauspardarlehens (Teilaufgabe b) müssen der Auszahlungsbetrag, die Höhe der monatlichen Annuitäten und die Laufzeit des Darlehens herangezogen werden. Bei der Berechnung der monatlichen Annuität muss zum Auszahlungsbetrag von 12.195,78 Euro noch die Darlehensgebühr von 243,92 (2% vom Auszahlungsbetrag) Euro hinzugerechnet werden, so dass sich der Nennwert des Bauspardarlehens auf 12.439,70 Euro beläuft. Der monatliche Kapitaldienst beträgt dann bei einem Monatszinssatz von 0,036/ 12 = 0,3% und einem Tilgungssatz von 1% 12.439,70 0,013 = 161,72 Euro. Die Laufzeit des Bauspardarlehens beträgt 12.439, 70 0, 003 ln 1 161, 72 87,59 ln 1, 003 n Monate. Die Laufzeit von 87,59 Monaten impliziert, dass der am Ende des 88. Monats zu zahlende Kapitaldienst geringer sein muss als 161,72 Euro. Zur Bestimmung der Äquivalenzgleichung für die Berechnung des Effektivzinssatzes muss die 88. Zeile des Tilgungsplanes berechnet werden. Da die Anfangsschuld des 88. Monats identisch ist mit der Restschuld am Ende des 87. Monats, erhält man: 87 87 87 1, 003 1 12.439, 70 1, 003 161, 72 94,52 0, 003 K . Auf diese Anfangsschuld im 88. Monat fallen noch 94,13 0,003 = 0,28 Euro an Zinsen an, so dass sich im 88. Monat ein Kapitaldienst von 94,52 + 0,28 = 94,80 Euro ergibt. Zum Kapitaldienst der Monate 1 bis 87 in Höhe von 161,72 Euro und zum Kapitaldienst des 88. Monats muss jeweils noch die Kontoführungsgebühr von 1,50 Euro hinzugerechnet werden. Da diese einen zusätzlichen Kostenfaktor darstellt, ist sie auch bei der Berechnung des Effektivzinssatzes zu berücksichtigen. In Bild 3.23 ist der Tilgungsplan des Bauspardarlehens dargestellt. <?page no="103"?> 3.6 Bauspardarlehen 103 Monat Schuldbetrag Monatsanfang Zinsen Tilgung Kontogebühr Annuität Schuldbetrag Jahresende 0 12.439,70 1 12.439,70 37,32 124,40 1,50 163,22 12.315,30 2 12.315,30 36,95 124,77 1,50 163,22 12.190,53 3 12.190,53 36,57 125,14 1,50 163,22 12.065,38 … … … … … … … 85 575,93 1,73 159,99 1,50 163,22 415,94 86 415,94 1,25 160,47 1,50 163,22 255,47 87 255,47 0,77 160,95 1,50 163,22 94,52 88 94,52 0,28 94,52 1,50 96,30 0,00 Summe 1.724,40 12.439,70 14.296,10 Bild 3.23 Tilgungsplan des Bauspardarlehens und Ausgleichszahlung am Ende der Laufzeit (Beispiel 3.11b) Den effektiven Monatszinssatz p e i erhält dann man mittels eines numerischen Näherungsverfahrens aus der Äquivalenzgleichung 87 88 87 88 88 1 1 1 1 94,80 12.195, 78 161, 72 1,50 1 1 1 p p e e p p p p p e e e e e i i i i i i i zu 0,3692%. Der effektive Jahreszinssatz beträgt dann 12 1, 003692 1 4,52% e i . Der im Gegensatz zum nominalen Jahreszinssatz von 3,6% höhere effektive Jahreszinssatz von 4,52% entsteht durch die Darlehensgebühr, die Kontoführungsgebühren und die Unterjährigkeit des zu leistenden Kapitaldienstes (Annuitäten). Excel-Umsetzung Die Umsetzung in Excel ist dieselbe wie in Beispiel 3.9a, jedoch erfolgen hier die Zins- und Tilgungszahlungen monatlich. Auch hier kommt die Prozentannuität zur Anwendung, wobei die Ausgleichszahlung am Monatsende erfolgt. Zudem wird eine Kontoführungsgebühr in Ansatz gebracht, die der Annuität hinzugerechnet wird. Der effektive Monatszinssatz wird wiederum mit der Excel-Funktion IKV() berechnet. Einzelne Berechnungsschritte können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung F16 monatlicher Kapitaldienst =F8*(F11+F12) F17 Laufzeit des Darlehens =-LN(1-(F8*F11)/ E16)/ (LN(1+F11)) F18 effektiver Monatszinssatz =IKV(I24: I112) <?page no="104"?> 104 3 Langfristige Kredite F19 effektiver Jahreszinssatz =(1+E18)^F10-1 B25 laufender Monat =WENN(AUFRUNDEN($E$17; 0)<B24+1; "SUMME"; B24+1) C25 Schuld Monatsanfang =H24 D25 Zinsen =WENN(B25>AUFRUNDEN($E$17; 0); ""; C25*$F$11) E25 Tilgung =WENN(B25>AUFRUNDEN($E$17; 0); ""; $E$16-D25) F25 Kontogebühr =WENN(B25>AUFRUNDEN($E$17; 0); ""; F13) G25 Annuität =WENN(B25>AUFRUNDEN($E$17; 0); ""; $E$16+$F$13) H25 Schuld Monatsende =WENN(ODER(B25>AUFRUNDEN($E$17; 0); B25=""); ""; C25-E25) I25 Zahlungsstrom =WENN(ODER(B25>AUFRUNDEN($E$17; 0); B25=""); ""; -G25) B26 laufender Monat =WENN(ODER(B25="SUMME"; B25=""); ""; WENN(AUFRUNDEN($E$17; 0)<B25+1; "SUMME"; B25+1)) C26 Schuld Monatsanfang =WENN(ODER(B26>AUFRUNDEN($E$17; 0); B26=""); ""; H25) D26 Zinsen =WENN(B26="SUMME"; SUMME($D$25: D25); WENN(B26>AUFRUN- DEN($E$17; 0); ""; C26*$F$11)) E26 Tilgung =WENN(B26="SUMME"; SUMME($E$25: E25); WENN(B26=AUFRUNDEN($E$17; 0); C26; WENN(B26>AUFRUNDEN($E$17; 0); ""; $E$16- D26))) F26 Kontogebühr =WENN(B26>AUFRUNDEN($E$17; 0); ""; $F$13) G26 Annuität =WENN(B26="SUMME"; SUMME($G$25: G25 ); WENN(B26=AUFRUNDEN($E$17; 0); D26+E26+F26; WENN(B26>AUFRUN- DEN($E$17; 0); ""; $E$16+$F$13))) H26 Schuld Monatsende =WENN(ODER(B26="SUMME"; B26>AUF- RUNDEN($E$17; 0)); ""; C26-E26) I26 Zahlungsstrom =WENN(ODER(B26="SUMME"; B26>AUF- RUNDEN($E$17; 0)); ""; -G26) C23 Ergebnis =WENN(H38>G54; "Kreditfinanzierung"; "Leasingfinanzierung") <?page no="105"?> 3.6 Bauspardarlehen 105 Bild 3.24 Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes des Bauspardarlehens (Beispiel 3.11b) Um die Rendite für das in den Bausparvertrag investierte Geld zu ermitteln (Teilaufgabe c), müssen zunächst die möglichen Ertragsquellen bei Bausparverträgen bestimmt werden. Aus den vorherigen Berechnungen geht hervor, dass das ausgezahlte Bausparguthaben, die eventuell mögliche Wohnungsbauprämie (Riester-Bausparverträge werden hier nicht berücksichtigt) und eine voraussichtliche Einsparung an Kapitaldienst durch das zinsgünstigere Bauspardarlehen im Vergleich zu einem normalen Bankdarlehen renditebestimmende Faktoren darstellen. Für den ersten Fall, dass das Bauspardarlehen nicht beansprucht wird, ergeben sich nur zwei Ertragsquellen, nämlich die Verzinsung während der Ansparphase und die Wohnungsbauprämie. Bei der Ermittlung der Rendite, die dem effektiven bzw. internen Jahreszinssatz entspricht, muss den sieben vorschüssigen Sparraten in Höhe von je 1.024 Euro und der bei Abschluss des Bausparvertrages zu leistenden Abschlussgebühr von 203,26 Euro (1% der Bausparsumme) das zum Zuteilungszeitpunkt vorhandene gesamte Bausparguthaben von 8.130,52 Euro, das sich aus dem Bausparguthaben von 7.499,74 Euro (7 Sparraten zu je 1.009 Euro plus Zins- und Zinseszinsen) und der 7 Wohnungsbauprämien in Höhe von insgesamt 630,78 Euro zusammensetzt, gegenübergestellt werden. Aus der Gleichung 6 7 1 1 1.227, 36 1 1.024 1 8.130,52 e e e e i i i i erhält man mittels eines Näherungsverfahrens eine Rendite von 2,40%. <?page no="106"?> 106 3 Langfristige Kredite Excel-Umsetzung Zur Ermittlung der Rendite bei Nichtinanspruchnahme des Bauspardarlehens muss zunächst der Zahlungsstrom ermittelt werden. Dieser setzt sich zum einen aus den erbrachten Sparraten C24: C31 zusammen, die jeweils am Anfang des Jahres erfolgen und Auszahlungen darstellen, zum anderen aus dem zum Zuteilungspunkt (Jahr 7) erreichten gesamten Bausparguthaben (C31). Aus diesem Zahlungsstrom wird dann mit Hilfe der Excel-Funktion IKV() der interne Zinssatz ermittelt, der die Rendite des in den Bausparvertrag investierten Geldes (E19) abbildet. Einzelne Berechnungsschritte sind in Nachfolgender Tabelle dargestellt. Position Inhalt Excel-Umsetzung E16 Bausparguthaben aus Sparleistung =(F8-F13)*(1+F11)*((1+F11)^F10-1)/ F1 E17 Wohnungsbauprämie =F8*F9*F10 E18 gesamtes Bausparguthaben =E16+E17 E19 Rendite (interner Zinssatz) =IKV(C24: C31) C24 Sparleistung zuzgl. Abschlussgebühr =-(F8+$F$7*$F$12) B25 laufendes Jahr =WENN(B24<$F$10; B24+1; "") C25 Sparleistung =WENN(B25<$F$10; $F$8; WENN(B25=$F$10; $E$18; "")) <?page no="107"?> 3.6 Bauspardarlehen 107 Bild 3.25 Ermittlung der Rendite aus dem Bausparvertrag für den Fall, dass das Bauspardarlehen nicht in Anspruch genommen wird (Beispiel 3.11c) Für den Fall, dass der Bausparkredit exakt zum Zuteilungszeitpunkt beansprucht wird (Teilaufgabe d), müssen zusätzlich noch die Kapitaldienstvorteile berücksichtigt werden. Dazu wird zunächst der effektive Jahreszinssatz des Bankkredits ermittelt, der um 2% höher sein soll als der effektive Jahreszinssatz des Bauspardarlehens. Im nächsten Schritt muss der effektive Monatszinssatz bestimmt werden, um den monatlichen Kapitaldienst (monatliche Annuität) des Bankkredits ermitteln zu können. Die Kapitaldienstvorteile ergeben sich dann einerseits aus den sich in der Ansparphase von 7 Jahren (84 Monate) ergebenden Zahlungen und den sich in der Darlehensphase aus der Differenz zwischen Bankkredit und Bauspardarlehen ergebenden Kapitaldienstvorteilen. Da die Daten für das Bauspardarlehen bereits vorhanden sind, müssen zur Bestimmung der Kapitaldienstvorteile noch der effektive Jahreszinssatz des Bankkredites und der sich daraus ergebende effektive Monatszinssatz, sowie die Annuität des Bankkredites berechnet werden. Der effektive Monatszinssatz, der einem effektiven Jahreszinssatz von 6,5213% (4,5213% +2%) entspricht ergibt sich zu 1 12 (1, 065213) 1 0,5278 p e i . Um beide Darlehen vergleichbar zu machen, muss die Laufzeit des Bankkredites der Laufzeit des Bausparkredites entsprechen (87,59 Monate) und die Höhe des Bankkredites muss gleich dem Auszahlungsbetrag des Bauspardarlehens (12.195,78 Euro) sein, da der Effektivzinssatz auf diesen Basisdaten berechnet wurde. Eventuelle Kontoführungsgebühren, die beim Bankkredit anfallen, sind bereits im Effektivzinssatz berücksichtigt. Die Annuität für die Monate 1 bis 88 beträgt 88 88 1, 005278 0, 005278 12.195, 78 173, 62 (1, 005278) 1 p A . Damit ergeben sich in den Monaten 85 bis 171 Kapitaldienstvorteile von 173,62 163,22 = 10,40 Euro und im Monat 172 ein Vorteil von 173,62 96,30 = 77,32 Euro. Die Monatsrendite (effektiver Monatszinssatz) ergibt sich aus der Äquivalenzgleichung <?page no="108"?> 108 3 Langfristige Kredite 12 24 36 48 60 72 84 87 87 84 172 1.024 1.024 1.024 1.024 1.024 1.024 8.130,52 1.227, 26 1 1 1 1 1 1 1 1 1 77, 31 10, 40 0 1 1 1 e e e e e e e e e e e e i i i i i i i i i i i i i zu 0,3883%. Die jährliche Rendite (effektiver Jahreszinssatz) beträgt dann 12 (1, 003883) 1 0, 04760 oder 4, 76% e i . Excel-Umsetzung Die Input-Daten (E7: E18) werden zum Teil von aus den Daten der vorhergehenden Berechnungen (Bsp. 3.11b und Bsp. 3.11c) übernommen, d.h. es wird hier blattübergreifend gearbeitet. In Excel wird der Blattname vor dem Zellenbezug gesetzt und als Trennzeichen dient das Ausrufezeichen. Man erhält <Blatt-Name>! <Zelle>. Beispiel: Die Zelle 'Bauspardarlehen (Bsp. 3.11c)'! F8 enthält den Wert 1.024,00. Zu beachten ist, dass sich bei einer Änderung der Daten in Blatt 'Bauspardarlehen (Bsp. 3.11c)' dann auch die Daten in Blatt 'Bauspardarlehen (Bsp. 3.11d)' ändern. Zur Renditeberechnung kann der Zahlungsstrom der ersten 7 Jahre direkt übernommen werden und wird in die entsprechenden Monate 12, 24, usw. bis Monat 84 eingetragen. Zu beachten ist hier lediglich, dass die Zahlungen jeweils am Monatsanfang erfolgen, die geleisteten Sparraten Auszahlungen darstellen und die sich am Ende des 7. Jahres ergebende gesamte Bausparguthaben eine Einzahlung ist und demnach als positiver Wert angezeigt wird. Für Monate 85 bis 172 müssen zuerst die sich aus dem Bauspardarlehen und dem Bankkredit (hier erfolgen die Zahlungen jeweils am Monatsende) ergebenden Kapitaldienstvorteile ermittelt werden, die sich aus der Differenz der Monats-Annuitäten des Bankkredites und des Bauspardarlehens ergeben. Die Monats-Annuität des Bauspardarlehens kann direkt aus den Berechnungen des Beispiels 2.11b übernommen werden. Zur Bestimmung der Monats-Annuität des Bankkredites wird zunächst aus dem effektiven Jahreszinssatz der effektive Monatszinssatz des Bankkredits bestimmt und dann durch direkte Eingabe der Formel oder mittels der Excel-Funktion RMZ() die Annuität berechnet. Die Rendite wird aus dem Zahlungsstrom der Monate 0 bis 172 (G29: G201) mit der Excel-Funktion IKV() berechnet und entspricht dem internen Zinssatz des Zahlungsstroms. Einzelne Berechnungen können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Inhalt Position Excel-Umsetzung E21 effektiver Monatszinssatz Bankkredit =(1+E17)^(1/ E15)-1 E22 Annuität Bankkredit =E11*((1+E21)^(AUFRUNDEN(E14; 0))*E21)/ ((1+E21)^(AUFRUNDEN(E14; 0))-1) E23 Monatsrendite =IKV(G29: G201; 0,004) <?page no="109"?> 3.6 Bauspardarlehen 109 E24 Jahresrendite =(1+E23)^E15-1 B30 laufender Monat =WENN(B29<$E$10+AUFRUNDEN($E$14; 0); B29+1; "") C30 Sparrate Bausparvertrag =WENN(ODER(B30>$E$18; B30=""); ""; WENN(B 29+1= $E$15; -$E$8; WENN(B29+1=$E$15+$E$15; -$E$8; WENN(B29+1=$E$15+$E$15+$E$15; - $E$8; WENN(B29+1=$E$15+$E$15+$E$15+$E$1 5; - $E$8; WENN(B29+1=$E$15+$E$15+$E$15+$E$1 5+$E$15; - $E$8; WENN(B29+1=$E$15+$E$15+$E$15+$E$1 5+$E$15+ $E$15; $E$8; WENN(B29+1=$E$15+$E$15+$E$1 5+$E$15+ $E$15+$E$15+$E$15; $E$9; 0)))))))) D30 Zahlungsstrom Bauspardarlehen =WENN(ODER(B30>$E$18; B30=""); ""; WENN(B 29+1<$E$10; 0; WENN(B30=$E$10; $E$11; WENN (B30=$E$18; $E$13; $E$12)))) E30 Zahlungsstrom Bankkredit =WENN(ODER(B30>$E$18; B30=""); ""; WENN(B2 9+1<$E$10; 0; WENN(B30=$E$10; $E$11; $E$22))) F30 Kapitaldienstvorteil =WENN(ODER(B30>$E$18; B30=""); ""; WENN(B 29+1<$E$10; 0; E30-D30)) G30 Zahlungsstrom für Renditeberechnung =WENN(ODER(B30>$E$18; B30=""); ""; C30+F30) <?page no="110"?> 110 4 Immobilieninvestition Bild 3.26 Ermittlung der Rendite aus dem Bausparvertrag für den Fall, dass das Bauspardarlehen in Anspruch genommen wird (Beispiel 3.11d) 4 Immobilieninvestition 4.1 Die Immobilie als Anlageobjekt Immobilien sind eine weitverbreitete Form der Geldanlage zur privaten Vermögensbildung. Es gibt Immobilien, die gewerblich genutzt werden (z.B. Bürogebäude und Einzelhandelsflächen) und Wohnimmobilien, in die Privatleute direkt investieren können. Für viele Anleger sind Wohnimmobilien Teil einer langfristigen Altersvorsorge. Bei Selbstnutzung spart man sich die Miete, als Vermieter erhält man regelmäßige Mieteinnahmen. Da für die meisten Anleger der Kauf einer Immobilie die größte Anschaffung ihres Lebens darstellt, will diese Investition besonders gut überlegt und geplant sein. Grundvoraussetzung ist, dass der Investor genügend Eigenkapital zur Verfügung (20 bis 30 Prozent der Kaufsumme inklusive Nebenkosten wie Grunderwerbssteuer, Grundbuchkosten, Notarkosten, Maklerprovision) hat und über ein sicheres regelmäßiges und ausreichendes Einkommen verfügt. Letzteres dient dazu, den Kapitaldienst (Zinsen und Tilgung) für die Fremdfinanzierung zahlen zu können. Der Wohnimmobilienkauf kann sich als äußerst aufwendig darstellen. Oft ist es schwierig, ein Objekt vor allem in Großstädten zu einem vernünftigen Preis zu finden. Zudem sind Immobilienpreise nicht in Beton gegossen, sie können steigen, aber genauso fallen. In den USA stürzten die Immobilienpreise ab, nachdem sich 2007 abzeichnete, dass viele Käufer ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten. In den vergangenen Jahren waren die Preise stark gestiegen und die Amerikaner hofften, dass sich dieser Trend auch in Zukunft fortsetzen würde, und haben ihre Immobilie unsolide finanziert. Der Ausgang ist hinreichend bekannt. Die Folge war eine globale Bankenkrise, die sich in einigen Ländern Europas zur Staatsschuldenkrise ausweitete und zur Destabilisierung des Euro führte. Immobilien haben einen entscheidenden Nachteil, da sie nicht jederzeit schnell verkauft und zu Geld gemacht werden können. Ein Immobilienkauf kann Monate und <?page no="111"?> 4.2 Bewertung von Immobilien 111 nicht selten Jahre in Anspruch nehmen, selbst dann, wenn der Verkäufer Preiszugeständnisse macht. Wer in Immobilien investiert, sollte daher sicher sein, dass sie solide finanziert sind und er in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren nicht auf das Geld angewiesen ist. 4.2 Bewertung von Immobilien Die Werte und Methoden, auf denen die Bewertung von Immobilien beruht, sind von der Zielsetzung der Bewertung anhängig. Soll eine Immobilie verkauft werden, dann muss der zum Zeitpunkt des Verkaufs gültige Wert, der Verkehrswert, ermittelt werden. Dieser Immobilienwert ist demnach ein stichtagsbezogener Wert. Grundlage für die Ermittlung des Verkehrswertes bilden die Wertermittlungsverordnung (WertV) und die Wertermittlungsrichtlinien 1991 (WertR 1991). Nach diesen Vorschriften (§7 WertV) sind zur Ermittlung des Verkehrswertes das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren, das Sachwertverfahren oder mehrere dieser Verfahren heranzuziehen. Der Verkehrswert ergibt sich dann aus den angewandten Verfahren unter Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt. Der durch das herangezogene Verfahren ermittelte Wert stellt somit einen Zwischenwert dar, der unter Berücksichtigung der aktuellen Marktlage fortgeschrieben wird. Soll der Wert zum Zwecke der Beleihung von Grundstücken bestimmt werden, der als Sicherheit für die Kreditvergabe dienen soll, dann wird der Beleihungswert ermittelt, der primär auf die bleibende Werthaltigkeit der Immobilie abzielt. Dient die Wertermittlung zum Zwecke der Besteuerung, dann wird der Einheitswert oder der Grundbesitzwert ermittelt. Der Einheitswert dient der Berechnung der Grundsteuer, der Grundbesitzwert wird für die Berechnung der Erbschafts- und Schenkungssteuer herangezogen. Die Ermittlung des Versicherungswertes zielt auf die Bestimmung der Wiederherstellungskosten im Falle der Zerstörung des Gebäudes ab, wobei hier die Baukosten im Mittelpunkt stehen und der Bodenwert sowie Lagefaktoren unberücksichtigt bleiben. Grundlage sind meist die Baukosten von 1914, die dann mit einem Baukostenindex fortgeschrieben werden, um den aktuellen Versicherungswert zu bekommen. 4.2.1 Ermittlung des Vergleichswertes Bei der Anwendung des Vergleichswertes (§ 15-16 ImmoWertV) sind Kaufpreise solcher Grundstücke heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen, d.h. vergleichbar sind. Demnach ist dieses Verfahren für die Bewertung unbebauter Grundstücke geeignet, die sich an den Angaben der Bodenrichtwertkarte ergeben. Der Bodenrichtwert ist ein amtlicher Durchschnittswert aus amtlich gesammelten Kaufpreisen von Grundstücken in einer bestimmten Region und beeinflusst vom Entwicklungsstand der Lage des Grundstückes. Ebenso geeignet ist dieses Verfahren für die Bewertung von Eigentumswohnungen, bei denen eine hinreichende Anzahl vergleichbarer Objekte vorhanden sind. Bei der Ermittlung des Verkehrswertes nach dem Vergleichswertverfahren werden zunächst die Kaufpreise vergleichbarer Grundstücke oder grundstücksgleicher Rechte (z.B. Eigentumswohnungen, Erbbaurechte, Abbaurechte) gesucht. Die so ermittelten Vergleichspreise werden dann dahingehend abgetastet, ob sie durch ungewöhnliche <?page no="112"?> 112 4 Immobilieninvestition oder persönliche Verhältnisse beeinflusst sind. Analysiert werden zudem der Verkaufsfall und die sich seit dem Verkauf ergebende Wertsteigerung des Grundstücks. Aus allen herangezogenen Vergleichspreisen wird dann der mit höchster Wahrscheinlichkeit erzielbare Preis auf Basis des einfachen oder gewogenen Mittels berechnet. Gegebenenfalls erfolgt noch eine Anpassung des so ermittelten Vergleichspreises an den Verkehrswert, falls die aktuelle Situation am Grundstücksmarkt noch nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Das folgende Beispiel soll den Sachverhalt verdeutlichen. Für fünf vergleichbare Grundstücke sind die folgenden realen Verkaufspreise i. S. von § 15 ImmoWertV gegeben: Grundstück 1 60.000 Euro Grundstück 2 62.000 Euro Grundstück 3 58.000 Euro Grundstück 4 65.000 Euro Grundstück 5 63.000 Euro Daraus errechnet sich ein Durchschnittswert (Marktwert) von 61.600 Euro. Da eine große Nachfrage nach derartigen Grundstücken besteht, kann auf dem „open“-Market ein Verkaufspreis von 63.000 Euro erzielt werden. Für den Fall, dass das Vergleichswertverfahren nicht angewendet werden kann, weil die Immobilie zu spezifisch ist oder nicht genügend Vergleichsobjekte vorhanden sind, müssen zur Beurteilung andere Verfahren wie das Ertragswertverfahren oder das Sachwertverfahren herangezogen werden. 4.2.2 Ermittlung des Ertragswertes Beim Ertragswertverfahren (§§ 17-20 ImmoWertV) wird der Ertragswert auf Grundlage marktüblich erzielbarer Erträge ermittelt. Während in der bisherigen WertV bei der Anwendung des Ertragswertverfahrens gleichbleibende Reinerträge über die Restnutzungsdauer kapitalisiert wurden, kann in der ImmoWertV der Ertragswert auch auf der Basis unterschiedlicher Erträge ermittelt werden, wenn diese Veränderungen unterliegen oder wesentlich von den marktüblich erzielbaren Erträgen abweichen. Das Ertragswertverfahren wird bei Objekten angewendet, bei denen die Erzielung von Erträgen im Vordergrund steht. Wohnobjekte ab drei Wohneinheiten, gemischt genutzte Immobilien, Gewerbeobjekte sowie Management- und Betreiberimmobilien (z.B. Freizeitimmobilien, Hotels, Krankenhäuser) sind solche Immobilieninvestitionen. Zur Ermittlung des Ertragswertes wird zunächst der Bodenwert auf Grundlage des Vergleichswertverfahrens ermittelt und davon ausgehend die Bodenwertverzinsung mit Hilfe des Liegenschaftszinssatzes (nach ImmoWertV sind „der Liegenschaftszinssatz Zinssätze, mit denen Verkehrswerte von Grundstücken je nach Grundstücksart im Durchschnitt jährlich verzinst werden“) bestimmt. Im nächsten Schritt wird der nachhaltig erzielbare Jahresreinertrag (Jahresrohertrag abzüglich nicht umlagefähiger Bewirtschaftungskosten) um die Verzinsung des Bodens gekürzt, woraus sich der Reinertrag der baulichen Anlage ergibt. Dieser Jahresreinertrag wird dann mit einem Vervielfältiger (der Vervielfältiger ist finanzmathematisch gesehen der Renten- <?page no="113"?> 4.2 Bewertung von Immobilien 113 barwertfaktor) multipliziert, der sich aus der Restnutzungsdauer des Gebäudes und dem Liegenschaftszinssatz ergibt. Rechnet man zu dem so ermittelten Ertragswert des Gebäudes noch den Bodenwert (ermittelt auf Basis des Vergleichswertverfahrens) hinzu, erhält man den Ertragswert des zu bewertenden Objektes. Schließlich erfolgt noch eine Anpassung des ermittelten Ertragswertes an den Verkehrswert, indem die Situation auf dem Grundstückmarkt in Betracht gezogen wird. Das folgende Beispiel soll die Vorgehensweise verdeutlichen. Beispiel 4.1 Es soll der Ertragswert einer Wohnanlage mit 5.000 m 2 Wohnfläche und einer Restnutzungsdauer von 80 Jahren ermittelt werden. Das Grundstück hat eine Fläche von 6.000 qm, der Preis je m 2 beträgt 120 Euro. Die Verzinsung des Bodens (Liegenschaftszinssatz) liegt bei 5%. Der Jahresreinertrag der baulichen Anlage sei 360.000 Euro. Zur Feststellung des Verkehrswertes wird eine Anpassung des Ertragswertes um 6% nach unten an die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt vorgenommen. Ermittlung des Bodenwertes auf Vergleichswertbasis 6.000 m 2 x 120 Euro/ m 2 720.000 Bodenwertverzinsung bei 5% Liegenschaftszinssatz 36.000 Jahresreinertrag der baulichen Anlage 360.000 36.000 = Reinertrag der baulichen Anlage 324.000 Vervielfältiger (Rentenbarwertfaktor) bei einer Restnutzungsdauer von 80 Jahren und 5% Liegenschaftszinssatz 19,60 Ermittlung des Ertragswertes der baulichen Anlage Reinertrag der baulichen Anlage x Vervielfältiger 6.350.400 + Bodenwert 720.000 = Ertragswert der Immobilie 7.070.400 Feststellung des Verkehrswertes (Anpassung des Ertragswertes an die Marktverhältnisse, Abschlag 6% vom Ertragswert der Immobilie) 6.646.176 Bild 4.1 Ermittlung des Ertragswertes einer Wohnanlage Excel-Umsetzung Die Umsetzung der Ermittlung des Ertragswertes einer baulichen Anlage stellt keine besondere Herausforderung dar. Der Berechnungsvorgang ist in Bild 4.2 dargestellt. <?page no="114"?> 114 4 Immobilieninvestition Bild 4.2 Ermittlung des Ertragswertes einer Wohnanlage (Beispiel 4.1) 4.2.3 Ermittlung des Sachwertes Beim Sachwertverfahren (§§ 21-23 ImmoWertV) wird der Sachwert eines Grundstücks aus dem Sachwert der nutzbaren baulichen und sonstigen Anlagen, sowie dem Bodenwert ermittelt, wobei auch hier die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt zu berücksichtigen sind. Der Sachwert der baulichen Anlagen (ohne Außenanlagen) wird auf Basis der Herstellungskosten unter Berücksichtigung der Alterswertminderung ermittelt. Der Sachwert der baulichen Außenanlagen und der sonstigen Anlagen wird nach Erfahrungssätzen oder nach den gewöhnlichen Herstellungskosten bestimmt, soweit sie nicht vom Bodenwert miterfasst werden. Das Sachwertverfahren wird hauptsächlich im selbst genutzten Wohnimmobilienbereich angewendet, wenn das Vergleichswertverfahren nicht anwendbar ist. Der Verkehrswert wird nach folgender Vorgehensweise ermittelt. Zunächst wird der Bodenwert anhand des Vergleichswertverfahrens ermittelt. Dann wird der Wert der baulichen Anlage ermittelt. Hierzu müssen die Herstellungskosten, die Alterswertminderung des Gebäudes, gegebenenfalls Abschläge wegen baulicher <?page no="115"?> 4.2 Bewertung von Immobilien 115 Mängel und Schäden und Zu- und Abschläge für sonstige wertbeeinflussende Faktoren berücksichtigt werden. Im nächsten Schritt wird der Wert der Außenanlagen und sonstiger Anlagen ermittelt. Die Ermittlung des Sachwertes soll an folgendem Beispiel gezeigt werden. Ermittlung des Bodenwertes 500 qm x 150 Euro/ m 2 75.000 Ermittlung des Wertes der baulichen Anlage 300 Euro/ m 3 x 800m 3 240.000 Ermittlung des Wertes der Außenanlagen und sonstiger Anlagen 20.000 Ermittlung des Sachwertes 335.000 Festlegung des Verkehrswertes nach Anpassung an die Marktverhältnisse 320.000 Bild 4.3 Ermittlung des Sachwertes 4.2.4 Ermittlung des Beleihungswertes Die Kreditgewährung und die Höhe der Finanzierungskosten werden maßgeblich von der Bewertung der zu finanzierenden Immobilie bestimmt. Grundlage hierfür ist der Beleihungswert, der nach den Vorschriften der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) ermittelt werden muss. In der Wertermittlungsverordnung heißt es sinngemäß, dass zur Ermittlung des Beleihungswertes der Ertragswert und der Sachwert des Beleihungsobjektes getrennt zu ermitteln sind, bei Wohnungs- und Teileigentum ergänzend das Vergleichswertverfahren als Kontrollwert zu berücksichtigen ist und dass für die Ermittlung des Beleihungswertes der Ertragswert maßgeblich ist, der nicht überschritten werden darf. Einzelheiten zur Anwendung des Vergleichswert-, Ertragswert- und Sachwertverfahrens sind ebenfalls in der BelWertV festgelegt. Bei der Ermittlung des Ertragswertes muss bei wohnwirtschaftlich genutzten Immobilien ein Kapitalisierungszinssatz von mindestens fünf Prozent zugrunde gelegt werden, bei gewerblich genutzten Objekten muss mit mindestens mit sechs Prozent gerechnet werden. In Ausnahmefällen kann bei gewerblichen Immobilien der Mindestkapitalisierungszinssatz um 0,5% unterschritten werden. In den Anlagen der Bel- WertV sind zudem Bandbreiten (zwischen fünf und acht Prozent) für die anzuwendenden Kapitalisierungszinssätze in Abhängigkeit von der Art und Weise der Objektnutzung, Mindestvorgaben zu den Bewirtschaftungskosten, die als Grundlage für die Ermittlung des Reinertrags dienen, sowie Erfahrungswerte zur Nutzungsdauer baulicher Anlagen festgehalten. Die Vorgehensweise bei der Ermittlung des Sachwert- und Vergleichswertverfahrens im Rahmen der Beleihungswertermittlung orientiert sich an den Vorgaben der ImmoWertV, jedoch ist bei beiden Verfahren ein Sicherheitsabschlag von mindestens zehn Prozent vom jeweils ermittelten Wert vorzunehmen (§ 19 BelWertV). Auf der Basis der aufgezeigten Bewertungsverfahren wird ein unabhängiger Sachverständiger der finanzierenden Bank den Beleihungswert der Immobilie feststellen. Dabei bildet nach § 16, Absatz 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Pfandbriefrechts der Verkehrswert (Marktwert) die oberste Grenze für die Festsetzung des Beleihungswertes. <?page no="116"?> 116 4 Immobilieninvestition Zur Objektprüfung gehört bei Ertragswertobjekten neben der Ermittlung des Beleihungswertes auch die Ermittlung der Kapitaldienstgrenze. Diese Kennzahl definiert die maximal zu gewährende Kreditsumme, die dann erreicht ist, wenn mit den nachhaltig erzielbaren Einnahmen aus der Immobilie (Reinerträge) der Kapitaldienst (Zinsaufwand und Tilgungen) bezahlt werden kann. Ist der jährlich erzielbare Reinertrag geringer als der jährlich zu erbringende Kapitaldienst, dann muss die sich ergebende Unterdeckung durch andere dauerhafte Einkünfte ausgeglichen werden. Bei einem jährlich erzielbaren Reinertrag von 265.000 Euro, einem Zinssatz von 4% und einem Tilgungssatz von 2% ergibt sich eine Kapitaldienstgrenze von Jahresreinertrag 265.000 Kapitaldienstgrenze 4.416.667 Zins- und Tilgungssatz 0, 06 . Bei der Gewährung eines Kredits in Höhe von maximal 4.416.667 Euro kann die Zins- und Tilgungsleistung in Höhe von jährlich 265.000 Euro gerade erbracht werden und die Objektrentabilität ist ausgeglichen. 4.3 Renditeberechnung aus der Sicht eines Endinvestors Bei der Renditeberechnung von Immobilieninvestitionen muss unterschieden werden, ob es sich um einen Endinvestor oder einen Zwischeninvestor handelt. Im Folgenden wird zunächst die Renditeberechnung für einen Endinvestor betrachtet. Von einem Endinvestor spricht man, wenn er langfristig in die Immobilie investiert. Die Verzinsung des aufgewendeten Kapitals ergibt sich aus der Erzielung von langfristigen und nachhaltigen Mieterträgen bzw. Reinerträgen und der Wertentwicklung der Immobilie. Kann von einer dauerhaften Vermietung und Wertentwicklung ausgegangen werden, dann ist für einen Zwischeninvestor (Bauträger, Projektentwickler) die Vermarktung der Immobilie unproblematisch, d.h. er kann einen Endinvestor finden, der das Objekt erwirbt und langfristig im Eigentum behält. Die Berechnung der Rendite einer Immobilie setzt die Erfassung aller Zu- und Abflüsse im Zeitablauf voraus. Die Bedeutung des zeitlichen Anfalls der Ein- und Auszahlungen ist umso wichtiger, je länger der betrachtete Zeitraum ist, in dem die Immobilie in Bestand gehalten wird. Die für die Renditeberechnung aus Sicht eines Endinvestors zahlungswirksamen Ein- und Ausgaben können nach ihrem zeitlichen Anfall unterschieden werden. Die Auszahlungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind im Wesentlichen der Kaufpreis bzw. das eingesetzte Eigenkapital, die Erwerbsnebenkosten (Notar- und Amtsgerichtsgebühren, Grunderwerbssteuer), Gutachten und Studien und die Maklerprovision. Im Zeitablauf anfallende Auszahlungen sind nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten (Mietausfallwagnis, Instandhaltungsrücklage, Instandhaltungskosten, Versicherungskosten, Verwaltergebühren), Aufwendungen für Modernisierung und Umnutzung, sowie die Kapitaldienstraten. Zahlungswirksame Ausgaben am Ende der Investitionszeit (Verkaufszeitpunkt) sind Aufwendungen für den Verkauf der Immobilie und die Tilgung der Restschuld. Den zahlungswirksamen Ausgaben müssen die zahlungswirksamen Einnahmen gegenübergestellt werden. Diese sind im Zeitablauf die Nettokaltmiete, die Steuerrück- <?page no="117"?> 4.3 Renditeberechnung aus der Sicht eines Endinvestors 117 flüsse und sonstige Zulagen und gewährte Zuschüsse. Am Ende des Investitionszeitraumes wird dann der Verkaufserlös der Immobilie realisiert. Die berechnete Rendite hängt maßgeblich von der Güte der oben genannten Ein- und Auszahlungen und vom zugrundeliegenden Zeithorizont ab. Die Prognose dieser Zahlungsströme wird hinsichtlich ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit umso unsicherer, je länger der betrachtete Zeitraum ist. Dies gilt insbesondere für erwartete Verkaufspreise jenseits eines Zeitraums von zehn Jahren und mehr. Bei der Renditeberechnung für eine Immobilie können verschiedene Renditemaße in Ansatz gebracht werden. Man unterscheidet zwischen statischer „Anfangsrendite“, objektbezogener dynamischer Rendite, und subjektbezogener dynamischer Rendite. Das folgende Beispiel (in Anlehnung an Kerry-U. Brauer 2013), soll nun demonstrieren, zu welchen Ergebnissen die Anwendung der verschiedenen Renditemaße führt. Beispiel 4.2 Ein Investor kauft ein Mehrfamilienhaus in einem unsanierten Zustand. Bereits beim Kauf werden die Instandsetzung und Modernisierung (nachträgliche Herstellungskosten) der Immobilie vereinbart. Der Investor beabsichtigt, die Immobilie 10 Jahre in Bestand zu halten. Es sollen die statische „Anfangsrendite“, die objektbezogene dynamische Rendite und die subjektivbezogene dynamische Rendite des Objekts berechnet werden. Daten zum Immobilienobjekt (objektbezogene Daten): Unsaniertes Mehrfamilienhaus im Sanierungsgebiet mit 12 Wohnungen. Grundstücksfläche: 1.300 qm Grundstückspreis: 140 Euro/ qm Wohnfläche: 1.000 qm Anschaffungs- und Herstellungskosten Kaufpreis (300 Euro/ qm Wohnfläche) 300.000 Euro Nachträgliche Herstellungskosten (900 Euro/ qm Wohnfläche) 900.000 Euro Investitionskosten ohne Erwerbsnebenkosten 1.200.000 Euro Erwerbsnebenkosten (5% der Investitionskosten für Notar, Amtsgericht, Grundbuch) 60.000 Euro Gesamte Investitionskosten 1.260.000 Euro Ertragserzielung Rohertrag (7 Euro/ qm Wohnfläche und Monat) 84.000 Euro Nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten Verwaltergebühr (15 Euro/ Einheit und Monat) 2.160 Euro Instandhaltungsrücklage (1 Euro/ qm Wohnfläche und Monat) 12.000 Euro <?page no="118"?> 118 4 Immobilieninvestition Mietausfallwagnis (5% des Rohertrags) 4.200 Euro Reinertrag 65.000 Euro Immobilienwertsteigerung p.a. 1,5% bezogen auf Investitionskosten ohne Erwerbsnebenkosten über 10 Jahre 1.392.649 Euro 4.3.1 Statische „Anfangsrendite“ Mit den gegebenen Daten kann die statische „Anfangsrendite“ berechnet werden. Hierzu werden die zu Beginn einer Immobilieninvestition anfallenden Einnahmen und Ausgaben zueinander in Verhältnis gesetzt. Nicht berücksichtig werden Zu- und Abflüsse während der Investitionszeit und der Immobilienwert am Ende des Investitionszeitraumes. Es fließen ausschließlich objektbezogene Daten in die Berechnung ein. Bei dieser Größe handelt es sich genau genommen um keine Rendite, sondern bestenfalls um eine Orientierungsgröße für den Vergleich verschiedener Investitionsalternativen. Bei der Berechnung der statischen „Anfangsrendite“ wird der Rohertrag bzw. Reinertrag ins Verhältnis zu den Investitionskosten gesetzt. Dabei können die Investitionskosten entweder mit oder ohne Erwerbsnebenkosten angesetzt werden. Statische "Anfangsrendite" I = Rohertrag Investitionskosten ohne Erwerbsnebenkosten = 84.000 1.200.000 = 7,00% Statische "Anfangsrendite" II = Rohertrag Gesamte Investitionskosten = 84.000 1.260.200 = 6,67% Statische "Anfangsrendite" III = Reinertrag Investitionskosten ohne Erwerbsnebenkosten = 65.640 1.200.000 = 5,47% Statische "Anfangsrendite" IV = Reinertrag Gesamte Investitionskosten = 65.640 1.260.000 = 5,21% 4.3.2 Objektbezogene dynamische Rendite Die objektbezogene dynamische Rendite beinhaltet alle objektbezogenen Zahlungen, wobei der zeitliche Anfall der Zu- und Abflüsse berücksichtigt wird. Diese Rendite bezieht sich auf die Immobilie und subjektive, wobei die vom jeweiligen Investor abhängige Daten, wie die Art der Finanzierung und der Steuersatz, nicht berücksichtigt werden. Zur Berechnung der objektbezogenen dynamischen Rendite muss der Barwert der relevanten Zahlungen ermittelt werden. Durch Addition der Barwerte aller Einzahlungen und Subtraktion der Barwerte aller Auszahlungen erhält man den Kapitalwert der Investition. Setzt man den Kapitalwert gleich Null, dann kann die Rendite (effektiven Zinssatz) der Investition, die dem internen Zinssatz der Investition entspricht, mittels eines Näherungsverfahrens bestimmt werden. Aus 10 10 10 1 1 1.392.649 1.260.000 65.640 0 1 1 e e e e i i i i Daraus ergibt sich eine objektbezogene dynamische Rendite von 6,01%. <?page no="119"?> 4.3 Renditeberechnung aus der Sicht eines Endinvestors 119 4.3.3 Subjektbezogene dynamische Rendite Zur Berechnung der subjektbezogenen dynamischen Rendite müssen die bereits vorhandenen Daten um die subjektiven Daten des Investors ergänzt werden. subjektbezogene Daten zur Finanzierung und Steuer Investitionszeitraum 10 Jahre Eigenkapital (30% der gesamten Investitionskosten) 378.000 Euro Fremdkapital (70 % der gesamten Investitionskosten) 882.000 Euro Darlehenszinsen (Endfälliges Darlehen, Zinssatz 6% p.a.) 52.920 Euro Grenzsteuersatz des Investors 42% Im nächsten Schritt müssen die Abschreibungsbasis und dann die Abschreibungsbeträge ermittelt werden. Zur Ermittlung der Abschreibungsbasis muss zunächst der Kaufpreis von 300.000 Euro in den Grundstücksanteil und den Gebäudeanteil aufgespaltet werden. Anschließend werden die Erwerbsnebenkosten anteilig auf den Grundstücksanteil, den Gebäudeanteil und auf die nachträglichen Herstellungskosten umgelegt. Ermittlung der Abschreibungsbasis und der Abschreibungsvolumina Abschreibungsbasis Grundstücksanteil am Kaufpreis (1.300 qm x 140 Euro/ qm) 182.000 Euro Gebäudeanteil am Kaufpreis (300.000 Euro - 182.000 Euro) 118.000 Euro nachträgliche Herstellungskosten 900.000 Euro Zurechnung der Erwerbsnebenkosten zum Grundstücksanteil (182.000 + 182.000/ (182.000 + 118.000 + 900.0000) x 60.000) 191.100 Euro Zurechnung der Erwerbsnebenkosten zum Gebäudeanteil (118.000 + 118.000/ (182.000 + 118.000 + 900.0000) x 60.000) 123.900 Euro Zurechnung der Erwerbsnebenkosten zu den Herstellungskosten (900.000 + 900.000/ (182.000 + 118.000 + 900.0000) x 60.000) 945.000 Euro Abschreibungsvolumina Abschreibung Grundstücksanteil (keine Abschreibung) 0 Euro Abschreibung Gebäudeanteil (linear 2%, 123.900 x 0,02) 2.478 Euro Abschreibung Herstellungskosten (degressiv, 1. bis 8. Jahr, 9%, 945.000 x 0,09) 85.050 Euro Abschreibung Herstellungskosten (degressiv, 9. bis 10. Jahr, 7%, 945.000 x 0,07) 66.150 Euro <?page no="120"?> 120 4 Immobilieninvestition Ein weiterer Schritt zur Berechnung der subjektbezogenen dynamischen Rendite ist die Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und des daraus resultierenden Steuerrückflusses (vgl. Bild 4.4). Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erhält man, indem vom Reinertrag die Fremdkapitalzinsen und die Gebäudeabschreibung abgezogen werden. Negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung führen zu einer Steuerersparnis, positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu einer zusätzlichen Steuerbelastung. Der Steuerrückfluss ergibt sich durch Multiplikation der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit dem Grenzsteuersatz von hier 42%. Jahr Reinertrag Fremdkapitalzinsen Afa Gebäude Einkünfte aus Vermietung / Verpachtung Steuerrückfluss bei 42% Grenzsteuersatz 0 1 65.640 52.920 87.528 -74.808 31.419 2 65.640 52.920 87.528 -74.808 31.419 3 65.640 52.920 87.528 -74.808 31.419 4 65.640 52.920 87.528 -74.808 31.419 5 65.640 52.920 87.528 -74.808 31.419 6 65.640 52.920 87.528 -74.808 31.419 7 65.640 52.920 87.528 -74.808 31.419 8 65.640 52.920 87.528 -74.808 31.419 9 65.640 52.920 68.628 -55.908 23.481 10 65.640 52.920 68.628 -55.908 23.481 Bild 4.4 Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und des Steuerrückflusses (Beispiel 4.2) Im letzten Schritt wird der Zahlungsstrom ermittelt. Dieser beinhaltet alle für den betrachteten Investor relevanten Zu- und Abflüsse, wie den Reinertrag, die Steuerrückflüsse, die Fremdkapitalzinsen und gegebenenfalls Tilgungszahlungen, sowie den Verkaufspreis der Immobilie am Ende des Investitionszeitraumes. Jahr Reinertrag Fremdkapitalzinsen Steuerrückfluss Erlös aus Objektverkauf minus Restschuld Nettozahlungsstrom 0 -378.000 1 65.640 52.920 31.419 44.139 2 65.640 52.920 31.419 44.139 3 65.640 52.920 31.419 44.139 <?page no="121"?> 4.3 Renditeberechnung aus der Sicht eines Endinvestors 121 4 65.640 52.920 31.419 44.139 5 65.640 52.920 31.419 44.139 6 65.640 52.920 31.419 44.139 7 65.640 52.920 31.419 44.139 8 65.640 52.920 31.419 44.139 9 65.640 52.920 23.481 36.201 10 65.640 52.920 23.481 510.649 546.850 Bild 4.5 Ermittlung des Nettozahlungsstromes zur Berechnung der Rendite (Beispiel 4.2) Schließlich werden die Nettorückflüsse auf den gegenwärtigen Zeitpunkt diskontiert. Aus der Kapitalwertgleichung 8 8 9 10 1 1 36.201 546.850 378.000 44.139 0 1 1 1 e e e e e i i i i i errechnet sich die subjektbezogene dynamische Rendite zu 13,31%. 4.3.4 Methode des vollständigen Finanzplans (VOFI-Methode) Eine weitere Möglichkeit, die Rendite einer Immobilieninvestition besteht in der Anwendung der Methode des vollständigen Finanzplans. Im Gegensatz zur internen Zinssatzmethode, bei der nur ein Zinssatz zur Anwendung kommt (Geldanlage- und Kreditzins sind gleich), wird bei der VOFI-Methode mit unterschiedlichen Zinssätzen (Soll- und Habenzinsätzen) gearbeitet, die darüber hinaus in jeder Periode variiert werden können. Zahlungsüberschüsse werden mit einem Habenzinssatz (Geldanlagezinssatz) und Zahlungsdefizite mit einem Soll-Zinssatz (Kreditzinssatz) berücksichtigt. Auf diese Weise können die Zahlungsströme realitätsnäher abgebildet werden. Zur Ermittlung der Rendite auf Basis der VOFI-Methode wird für alle Zahlungen der Endwert berechnet. Der Endwert setzt sich aus den aufgezinsten, periodischen Zahlungen während des Investitionszeitraums und dem Immobilienwert am Ende des Betrachtungszeitraums zusammen. Unter Einbeziehung der Anfangsinvestition wird dann die Rendite r nach der Formel 1 0 1 n n K r K ermittelt. Die Anwendung der Methode des vollständigen Finanzplans soll am Beispiel 4.2 fortgeführt werden. Zur Ermittlung des Endwertes werden zunächst die Nettozahlungen auf das Ende des Investitionszeitraumes (Jahr 10) mit dem Zinssatz von 3% aufgezinst. Am Ende des 10. Jahres muss noch unter Berücksichtigung der Restschuld von 882.000 Euro (diese entspricht dem ursprünglich aufgenommenen Kredit, das es sich um ein endfälliges Darlehen handelt) der Zufluss aus dem Verkauf der Immobilie in Höhe von 1.392.649 Euro. Damit ergibt sich ein Endwert von <?page no="122"?> 122 4 Immobilieninvestition = 44.139 ( , ) , (1,03) + 36.201 (1,03) + 36.201 + 1.392.649 882.000 = 1.000.539 Euro . Die Rendite r beträgt dann 1 10 1.000.539 1 10, 22% 378.000 r . Bild 4.6 demonstriert die Berechnung der Rendite in tabellarischer Form. Jahr Nettozahlungen aufgezinste Zahlungen Zinssatz 3% Zufluss aus Objektverkauf minus Restschuld aufgezinste Zahlungen plus Zufluss aus Verkauf kumulierter Zahlungsstrom 0 1 44.139 57.592 57.592 57.592 2 44.139 55.914 55.914 113.506 3 44.139 54.286 54.286 167.792 4 44.139 52.705 52.705 220.497 5 44.139 51.170 51.170 271.666 6 44.139 49.679 49.679 321.346 7 44.139 48.232 48.232 369.578 8 44.139 46.827 46.827 416.405 9 36.201 37.287 37.287 453.693 10 36.201 36.201 510.649 546.850 1.000.543 Bild 4.6 Ermittlung des Endwertes der Zahlungsströme (Beispiel 4.2) Excel-Umsetzung Zur Lösung des Beispiels 4.2 mit Excel werden zunächst alle Input-Daten erfasst und gegebenenfalls Zwischenrechnungen angestellt. Mit diesen Daten wird dann die statische „Anfangsrendite“ ermittelt. Zur Berechnung der objekt- und subjektbezogenen dynamischen Rendite wird der Zahlungsstrom für den Betrachtungszeitraum von 10 Jahren aufgestellt, aus dem dann mit der Excel-Funktion IKV() die Rendite (interner Zinssatz der Investition) berechnet wird. <?page no="123"?> 4.3 Renditeberechnung aus der Sicht eines Endinvestors 123 Bild 4.7 Input-Daten zur Berechnung der statischen „Anfangsrendite“, und der objekt- und subjektbezogenen dynamischen Rendite (Beispiel 4.2) Bild 4.8 Input-Daten zur Berechnung der statischen „Anfangsrendite“ und der objekt- und subjektbezogenen dynamischen Rendite (Beispiel 4.2) Fortsetzung Einzelne Berechnungsschritte zur statischen „Anfangsrendite“ und zur objektbezogenen dynamischen Rendite sind in nachfolgender Tabelle aufgeführt. <?page no="124"?> 124 4 Immobilieninvestition Position Inhalt Excel-Umsetzung E57 statische „Anfangsrendite“ I =G23/ G16 E65 objektbezogene dynamische Rendite =IKV(C70: C80) B71 Laufzeitjahr =WENN(B70<$G$21; B70+1; "") C71 Berechnung des Zahlungsstroms =WENN(B71=""; ""; WENN(B71= $G$21; $G$29+$G$28; $G$28)) Bild 4.9 Berechnung der statischen „Anfangsrendite“ und der objektbezogenen dynamischen Rendite (Beispiel 4.2) Zur Ermittlung der subjektbezogenen dynamischen Rendite werden alle für den Investor relevanten Zu- und Abflüsse berücksichtigt. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren erhält man den Nettozahlungsstrom, aus dem mittels der Funktion IKV() die Rendite berechnet werden kann. Diese beträgt 13,31%. <?page no="125"?> 4.3 Renditeberechnung aus der Sicht eines Endinvestors 125 Einzelne Berechnungsschritte sind in nachfolgender Tabelle aufgeführt. Position Inhalt Excel-Umsetzung E84 subjektbezogene dynamische Rendite =IKV(G105: G115) B90 Laufzeitjahr =WENN(B89<$G$21; B89+1; "") C90 Reinertrag =WENN(B90>$G$21; ""; $G$28) D90 Fremdkapitalzinsen =WENN(B90>$G$21; ""; $G$35) E90 Abschreibung (1. bis 8. Jahr) =WENN(B90=""; ""; WENN(B89<$E$50; $ G$49+$G$50; $G$49+$G$51)) F90 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung =WENN(B90>$G$21; ""; C90-D90-E90) G90 Steuerrückfluss =WENN(B90>$G$21; ""; -F90*$G$37) <?page no="126"?> 126 4 Immobilieninvestition Bild 4.10 Berechnung der subjektivbezogenen dynamischen Rendite (Beispiel 4.2) Zur Ermittlung der Rendite nach der VOFI-Methode werden die Zahlungen auf das 10. Jahr hin diskontiert und der Nettoverkaufserlös (Erlös aus dem Objektverkauf abzüglich der noch vorhandenen Restschuld) hinzuaddiert. Akkumuliert man diesen Zahlungsstrom, erhält man den Endwert im 10. Jahr. Die Akkumulation von Zahlen kann mit der Funktion SUMME() bewerkstelligt werden, dabei muss aber für die erste Zahl ein fester Zellbezug hergestellt werden (vgl. H126). Zur Renditeberechnung wird der Endwert ins Verhältnis zum eingesetzten Eigenkapital gesetzt und annualisiert. Einzelne Positionen zur Berechnung der Rendite nach VOFI sind in folgender Tabelle aufgezeigt. Position Inhalt Excel-Umsetzung E120 Rendite nach VOFI-Methode =(G135/ G32)^(1/ G21)-1 B126 laufendes Jahr =WENN(B125<$G$21; B125+1; "") C126 Nettozahlungen =WENN(B126=""; ""; $G$28-$G$35+G90) D126 auf das 10. Jahr aufgezinste Zahlungen =WENN(B126=""; ""; C126*(1+$G$36)^($G$ 21-B126)) E126 Zufluss aus Objektverkauf =WENN(B126=""; ""; WENN(B126=$G$21; $G$29-$G$33; "")) F126 aufgezinste Zahlungen plus Zufluss aus Objektverkauf =WENN(B126=""; ""; WENN(B126=$G$21; D126+E126; D126)) G126 akkumulierter Zahlungsstrom =WENN(B126=""; ""; SUMME($F$126: F126)) <?page no="127"?> 4.3 Renditeberechnung aus der Sicht eines Endinvestors 127 Bild 4.11 Ermittlung des Endwertes der Zahlungsströme und Berechnung der Rendite (Beispiel 4.2) Ein weiteres Beispiel soll die Renditeberechnung einer Immobilieninvestition verdeutlichen. Beispiel 4.3 Ein mittelständischer Unternehmer verfügt gegenwärtig (Jahr 2014) über 160.000 Euro, die er außerbetrieblich für die nächsten 12 Jahre sicher und rentabel anlegen möchte und entscheidet sich für eine Investition in ein Mietshaus. Anhand der folgenden Daten sollen die objektbezogene dynamische Rendite und die subjektbezogene dynamische Rendite (nominale Rendite des Eigenkapitals) berechnet werden. Zum Investitionsobjekt und dessen Finanzierung sind die folgenden Daten gegeben. Objektbezogene Daten Doppelhaushälfte Grundstücksgröße 400 qm Preis für baureifes Land 250 Euro/ qm Wohnfläche 120 qm Baukosten ohne Erwerbsnebenkosten je qm Wohnfläche 3.200 Euro/ qm Anschaffungs-/ Herstellungskosten Kaufpreis Grundstück (400 qm x 250 Euro/ qm) 100.000 Euro Herstellungskosten (120 qm x 3.200 Euro/ qm) 384.000 Euro Investitionskosten ohne Erwerbsnebenkosten 484.000 Euro Erwerbsnebenkosten (5% von 484.000 Euro) 24.200 Euro Summe der Investitionskosten 508.200 Euro Finanzierungsmöglichkeiten Eigenkapital 160.000 Euro Fremdkapital als Annuitätendarlehen Zinssatz fest für 15 Jahre 6% Laufzeit 15 Jahre <?page no="128"?> 128 4 Immobilieninvestition Ertragserzielung Rohertrag Euro/ qm Wohnfläche und Monat 12 Euro Instandhaltungs- und Versicherungskosten je Jahr in % der Baukosten 1% erwartete jährliche Steigerungsrate der Kaltmiete, der Instandhaltungs- und Versicherungskosten 2% erwartete jährliche Steigerung des Verkehrswertes der DHH 3% Steuerliche Betrachtung Abschreibung 2% auf Anschaffungs- und Herstellungskosten, da es sich um ein Gebäude im Privatbesitz handelt, das nach dem 31.12.1925 fertiggestellt wurde. 2% Grundstücksanteil an den Erwerbsnebenkosten (100.000/ 484.000) 21% Gebäudeanteil an den Erwerbsnebenkosten (384.000/ 484.000) 79% Grenzsteuersatz 40% Ein Veräußerungsgewinn ist nach 10 bis 12 Jahren steuerfrei, da sich das Objekt in Privatbesitz befindet. 4.3.4.1 Berechnung der objektbezogenen dynamischen Rendite Zur Berechnung der objektbezogenen dynamischen Rendite muss der Zahlungsstrom ermittelt werden, der die objektbezogenen Daten beinhaltet. In Bild 4.12 ist dieser Zahlungsstrom dargestellt. Jahr Rohertrag pro Jahr Unterhalt/ Versicherung pro Jahr Reinertrag pro Jahr Erlös aus Objektverkauf nach 12 Jahren Netto- Zahlungsstrom 0 -508.200,00 1 17.280,00 3.840,00 13.440,00 13.440,00 2 17.625,60 3.916,80 13.708,80 13.708,80 3 17.978,11 3.995,14 13.982,98 13.982,98 … … … … … 10 20.651,20 4.589,16 16.062,04 16.062,04 11 21.064,22 4.680,94 16.383,29 16.383,29 12 21.485,51 4.774,56 16.710,95 690.068,27 706.779,22 Bild 4.12 Ermittlung des Zahlungsstromes zur Berechnung der objektbezogenen dynamischen Rendite (Beispiel 4.3) Aus dem objektbezogenen Zahlungsstrom kann nun mittels eines Näherungsverfahrens die objektbezogene dynamische Rendite berechnet werden. Diese beträgt 5,15%. <?page no="129"?> 4.3 Renditeberechnung aus der Sicht eines Endinvestors 129 4.3.4.2 Berechnung der subjektbezogenen dynamischen Rendite Zur Ermittlung der subjektbezogenen dynamischen Rendite empfiehlt sich folgende Vorgehensweise: Zunächst werden der gesamte Finanzierungsbedarf, die Höhe des aufzunehmenden Darlehens und der daraus resultierende Kapitaldienst bestimmt. Im nächsten Schritt wird der Reinertrag vor Steuern während der 12-jährigen Betrachtungsperiode ermittelt. Dann wird die steuerliche Auswirkung des Vorhabens während der 12-jährigen Planungsperiode aufgezeigt. Schließlich werden am Ende des 12. Jahres der Verkaufserlös und die verbleibenden Eigenmittel nach Abzug der Sondertilgung der Restschuld und der eventuell beim Verkauf anfallenden Steuern ermittelt. Daraus ergibt sich der Zahlungsstrom (Nettorückfluss) nach Steuern, aus dem dann die Rendite berechnet werden kann. Der gesamte Finanzierungsbedarf (entspricht der Summe der Investitionskosten) ergibt sich aus dem Kaufpreis des Grundstücks, den Baukosten und den Erwerbsnebenkosten und beträgt 508.200 Euro. Da 160.000 Euro an Eigenmittel vorhanden sind, müssen 348.200 Euro fremdfinanziert werden. Bei einem Zinssatz von 6% und einer Laufzeit von 15 Jahren ergibt sich eine Annuität von 15 15 1, 06 0, 06 348.200 35.851, 63 1, 06 1 A . Der Tilgungsplan für das benötige Darlehen ist in Abb. 4.13 dargestellt. Jahr Schuldbetrag Jahresanfang Zinsen Tilgung Annuität Schuldbetrag Jahresende 0 348.200,00 1 348.200,00 20.892,00 14.959,63 35.851,63 333.240,37 2 333.240,37 19.994,42 15.857,21 35.851,63 317.383,15 3 317.383,15 19.042,99 16.808,65 35.851,63 300.574,51 … … … … … … 10 176.294,11 10.577,65 25.273,99 35.851,63 151.020,13 11 151.020,13 9.061,21 26.790,43 35.851,63 124.229,70 12 124.229,70 7.453,78 28.397,85 35.851.63 95.831,85 Restschuld 95.831,85 Bild 4.13 Tilgungsplan für das benötigte Darlehen im Planungszeitraum von 12 Jahren (Beispiel 4.3) Am Ende des 12.Jahres, wenn die Immobilie verkauft werden soll, verbleibt noch eine Restschuld von 95.831,85 Euro. Diese kann auch direkt aus der Beziehung <?page no="130"?> 130 4 Immobilieninvestition 12 12 13 1, 06 1 348.200 1, 06 35.851, 63 95.831,85 0, 06 K berechnet werden, wobei die Restschuld am Ende des 12 Jahres der Restschuld am Anfang des 13. Jahres entspricht. Als nächstes wird der Reinertrag pro Jahr im Verlauf des 12-jährigen Betrachtungszeitraumes bestimmt. Diese errechnet sich aus der Differenz zwischen dem Rohertrag und den Instandhaltungs- und Versicherungskosten und ist in Bild 4.14 dargestellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Rohertrag und die Instandhaltungs- und Versicherungskosten um jährlich 2% steigen. Jahr Rohertrag pro Jahr Instandhaltungs- und Versicherungskosten pro Jahr Reinertrag pro Jahr 1 17.280,00 3.840,00 13.440,00 2 17.625,60 3.916,80 13.708,80 3 17.978,11 3.995,40 13.982,98 … … … … 10 20.651,20 4.589,16 16.062,04 11 21.064,22 4.680,94 16.383,29 12 21.485,51 4.774,56 16.710,95 Bild 4.14 Rohertrag und Reinertrag im 12-jähringen Betrachtungszeitraum (Beispiel 4.3) Im nächsten Schritt wird die steuerliche Auswirkung des Bauvorhabens aufgezeigt (vgl. Abb. 4.15). Die Baukosten und die anteiligen Erwerbsnebenkosten können mit 2% jährlich abgeschrieben werden. Zur Ermittlung der Abschreibung müssen die Investitionskosten ohne Erwerbsnebenkosten von 484.000 Euro in den Grundstücksanteil und den Gebäudeanteil aufgeteilt werden. Der Grundstücksanteil beträgt 21% (100.000/ 484.000) und die anteilige Zurechnung der Erwerbsnebenkosten von 24.200 Euro ergibt 5.082 Euro (24.200 x 0,21); dieser Betrag kann nicht abgeschrieben werden. Der Gebäudeanteil beträgt 79% (384.000/ 484.000) und die anteilige Zurechnung der Erwerbsnebenkosten von 24.200 Euro ergeben 19.200 Euro (24.200 x 0,79); dieser Betrag kann zusammen mit den Baukosten in Höhe von 384.000 Euro mit jährlich 2% abgeschrieben werden. Die Abschreibung beträgt dann jährlich 8.064 Euro. Der Grenzsteuersatz des Bauherrn wird mit 40% angesetzt. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erhält man, wenn vom jeweiligen Rohertrag die Instandhaltungs- und Versicherungskosten, die Darlehenszinsen und die Gebäudeabschreibung abgezogen werden. Multipliziert man die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit dem Grenzsteuersatz von 40%, ergibt sich die Steuerwirkung über den Betrachtungszeitraum von 12 Jahren. Für die ersten 11 Jahre ergibt sich ein steuerlicher Verlust, während im Jahre 12 ein steuerlicher Gewinn anfällt. <?page no="131"?> 4.3 Renditeberechnung aus der Sicht eines Endinvestors 131 Jahr Rohertrag pro Jahr Unterhalt Versicherung/ Jahr Zinsen für Darlehen Afa Gebäude Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Steuerrückfluss 40% Grenzsteuersatz 1 17.280,00 3.840,00 19.440,00 8.064,00 -15.516,00 6.206,40 2 17.625,60 3.916,80 18.604,80 8.064,00 -14.349,62 5.739,85 3 17.978,11 3.995,14 17.719,50 8.064,00 -13.124,01 5.249,61 … … … … … … … 10 20.651,20 4.589,16 9.842,50 8.064,00 -2.579,60 1.031,84 11 21.064,22 4.680,94 8.431,45 8.064,00 -741,92 296,77 12 21.485,51 4.774,56 6.935,74 8.064,00 1.193,17 -477,27 Bild 4.15 Ermittlung des Steuerrückflusses im 12-jährigen Betrachtungszeitraum (Beispiel 4.3) Im letzten Schritt wird der Nettorückfluss ermittelt, wie in Bild 4.16 dargestellt. Dazu wird der Reinertrag mit dem Kapitaldienst und dem steuerlichen Gewinn bzw. Verlust aufgerechnet. Im 12. Jahr wird die Immobilie zum Verkehrswert von 12 12 484.000 1, 03 690.068, 27 K verkauft. Davon wird die Darlehensrestschuld in Höhe von 95.831,85 Euro beglichen. Damit ergibt sich ein steuerfreier Verkaufserlös von 594.236,42, da die Immobilie in Privatbesitz gehalten wird. Zieht man davon noch das laufende Liquiditätsdefizit nach Steuern im Jahr 12 von Liqudit ä tsdefizit = 16.710,95 35.851,63 477,27 = 19.617,95 ab, erhält man den Nettobetrag von 574.618,47 Euro. Aus dem resultierenden Zahlungsstrom über den Betrachtungszeitraum von 12 Jahren kann dann die subjektbezogene dynamische Rendite mittels eines Näherungsverfahrens berechnet werden. Diese beträgt unter den getroffenen Annahmen 5,57% nach Steuern. Jahr Reinertrag Kapitaldienst Steuerrückfluss Erlös Objektverkauf minus Restschuld Netto- Zahlungsstrom 0 -160.000,00 1 13.440,00 35.851,63 6.206,40 -16.205,23 2 13.708,80 35.851,63 5.739,85 -16.402,99 3 13.982,98 35.851,63 5.249,61 -16.619,05 … … … … … 10 16.062,04 35.851,63 1.031,84 -18.757,75 <?page no="132"?> 132 4 Immobilieninvestition 11 16.383,29 35.851,63 296,77 -19.171,58 12 16.710,95 35.851,63 -477,27 594.236,42 574.618,47 Bild 4.16 Ermittlung des Zahlungsstroms zur Berechnung der subjektbezogenen dynamischen Rendite (Beispiel 4.3) Excel-Umsetzung Zur Berechnung der objektbezogenen dynamischen Rendite muss der Nettozahlungsstrom ermittelt werden. Dieser ergibt sich aus dem Reinertrag pro Jahr (Rohertrag abzüglich der Instandhaltungs- und Versicherungskosten) und dem Zufluss aus dem Objektverkauf nach 12 Jahren. Aus dem sich ergebenden Nettozahlungsstrom wird dann unter Berücksichtigung der gesamten Investitionskosten mittels der Excel- Funktion IKV() die Rendite berechnet, die dem internen Zinssatz der Kapitalwertfunktion entspricht. Einzelne Berechnungsschritte zur objektbezogenen dynamischen Rendite können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. <?page no="133"?> 4.3 Renditeberechnung aus der Sicht eines Endinvestors 133 Bild 4.17 Input-Daten zur Berechnung der objekt- und subjektbezogenen dynamischen Rendite (Beispiel 4.3) In der nachfolgenden Tabelle sind einzelne Schritte zur Berechnung der objektbezogenen dynamischen Rendite aufgezeigt. Position Inhalt Excel-Umsetzung D45 objektbezogene dynamische Rendite =IKV(G50: G62) B51 laufendes Jahr =WENN(B50+1<$F$13; B50+1; "") C51 Rohertrag pro Jahr =WENN(B51=""; ""; $F$10*$F$28*$F$30* (1+$F$29)^B50) D51 Instandhaltungs-/ Versicherungskosten je Jahr =WENN(B51=""; ""; $F$10*$F$11*$F$32* (1+$F$29)^B50) E51 Reinertrag pro Jahr =WENN(B51=""; ""; C51-D51) F51 Zahlung aus Objektverkauf WENN(B51=$F$13; $F$18*(1+$F$31)^$F $13; "") G51 Nettozahlungsstrom =WENN(B50+1>$F$13; ""; WENN(B50+1 <$F$13; E51; E51+F51)) Bild 4.18 Berechnung der objektbezogenen dynamischen Rendite (Beispiel 4.3) <?page no="134"?> 134 4 Immobilieninvestition Zur Berechnung der subjektbezogenen dynamischen Rendite wird zunächst der Tilgungsplan des Annuitätendarlehens über eine Laufzeit von 15 Jahren aufgestellt. Die Annuität von 35.851,63 Euro wird entweder durch Eingabe der Formel oder mit der Excel-Funktion RMZ() ermittelt. Die Restschuld am Ende des 12-jährigen Betrachtungszeitraumes in Höhe von 95.831,95 Euro kann direkt vom Tilgungsplan abgelesen werden. In der nachfolgenden Tabelle sind einzelne Schritte zur Aufstellung des Tilgungsplans aufgezeigt. Position Inhalt Excel-Umsetzung D68 subjektbezogene dynamische Rendite =IKV(G113: G125) G75 Schuldbetrag am Jahresanfang =$F$20-$F$23 D72 Berechnung der Annuität =(F20-F23)*(1+F24)^F25*F24/ ((1+F24)^F25-1) B76 laufendes Jahr =WENN($F$13<B75+1; "RESTSCHULD"; B75+1) C76 Anfangsschuld =WENN(ODER(B76>$F$13; B76=""); ""; G75) D76 Zinsen =WENN(ODER(B76>$F$13; B76=""); ""; C76*$F$24) E76 Tilgung =WENN(ODER(B76>$F$13; B76=""); ""; $F$76-D76) F76 Annuität =WENN(ODER(B76>$F$13; B76=""); ""; $D$72) G76 Schuldbetrag am Jahresende =WENN(ODER(B76>$F$13; B76=""); ""; C76-E76) B77 laufendes Jahr =WENN(ODER(B76="RESTSCHULD"; B76=""); ""; WENN($F$13<B76+1; "RESTSCHULD"; B76+1)) C77 Schuldbetrag am Jahresanfang =WENN(B77="RESTSCHULD"; G76; WENN(ODER(B77>$F$13; B77=""); ""; G76)) <?page no="135"?> 4.3 Renditeberechnung aus der Sicht eines Endinvestors 135 Bild 4.19 Tilgungsplan für das benötigte Fremdkapital zur Berechnung der subjektbezogenen dynamischen Rendite (Beispiel 4.3) Im nächsten Schritt werden die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ermittelt. Diese erhält man, indem vom Rohertrag die Instandhaltungs- und Versicherungskosten, die Fremdkapitalzinsen und die Gebäude-Afa abgezogen werden. Multipliziert man die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit dem Steuersatz von hier 40%, erhält man den Steuerrückfluss. Im 12. Jahr ergibt sich wegen der positiven Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eine Steuerbelastung von 477,27 Euro. Einzelne Berechnungsschritte zur Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und des Steuerrückflusses sind in Bild 4.20 aufgeführt. Position Inhalt Excel-Umsetzung B95 Laufzeitjahr =WENN(B94<$F$13; B94+1; "") C95 Rohertrag pro Jahr =WENN(B95=""; ""; C51) D95 Instandhaltungs-/ Versicherungskosten pro Jahr =WENN(B95=""; ""; D51) E95 Fremdkapitalzinsen =WENN(B95=""; ""; ($F$10*$F$11+$F$37* $F$19)*$F$38) F95 Gebäude Abschreibung =WENN(B95=""; ""; C51) G95 Einkünfte aus V+V =WENN(B95=""; ""; C95-D95-E95-F95) H95 Steuerrückfluss =WENN(B95=""; ""; -G95*$F$35) Bild 4.20 Ermittlung des Steuerrückflusses der Immobilieninvestition (Beispiel 4.3) <?page no="136"?> 136 4 Immobilieninvestition Schließlich wird der Nettozahlungsstrom ermittelt. Dieser setzt sich aus dem eingesetzten Eigenkapital von 160.000 Euro und den Auszahlungen der Jahre 1 bis 12 zusammen. Im Jahre 12 ergibt sich zusätzlich ein Zufluss in Höhe des Erlöses aus dem Objektverkauf von 690.068,27 Euro abzüglich der Restschuld am Ende des 12. Jahres von 85.831,85 Euro, also 594.236,42 Euro. Aus dem Nettozahlungsstrom wird dann mittels der Excel-Funktion IKV() die Rendite berechnet. Diese beträgt 5,57%. Einzelne Berechnungsschritte sind in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt. Position Inhalt Excel-Umsetzung B114 laufendes Jahr =WENN(B113<$F$13; B113+1; "") C114 Reinertrag pro Jahr =WENN(B114=""; ""; E51) D114 Kapitaldienst (Annuität) =WENN(B114=""; ""; F76) E114 Steuerrückfluss =WENN(B114=""; ""; H95) F114 Zufluss Objektverkauf minus Restschuld =WENN(B114=$F$13; $F$18*(1+$F$31)^$F$13- $C$88; "") G114 Nettozahlungsstrom =WENN(B114=""; ""; WENN(B114=$F$13; F114+ C114-D114+E114; C114-D114+E114)) Bild 4.21 Ermittlung des Zahlungsstromes zur Berechnung der subjektbezogenen dynamischen Rendite (Beispiel 4.3) <?page no="137"?> 5.1 Sparbriefe mit festem Zinssatz 137 5 Nicht-börsennotierte Schuldverschreibungen Schuldverschreibungen sind Mittel der Fremdfinanzierung und dienen zur Deckung des langfristigen Kapitalbedarfs. Als Emittenten können öffentliche Institutionen wie Staaten, Länder und Provinzen oder private Institutionen wie Banken auftreten. Der Inhaber einer Schuldverschreibung ist Gläubiger einer Forderung, die sich gegen den Aussteller der Urkunde richtet. Im Allgemeinen handelt es sich um börsen- oder nicht börsennotierte Wertpapiere, die mit einem festen Zinssatz ausgestattet sind. In diesem Abschnitt werden über mehrere Jahre laufende Schuldverschreibungen analysiert, die nicht an der Börse gehandelt werden und von Banken als sogenannte Sparbriefe oder Wachstumszertifikate angeboten werden. Bundesschatzbriefe, die wohl prominentesten, nicht börsengehandelten Schuldverschreibungen der Bundesrepublik Deutschland, die zur Vermögensbildung breiter Bevölkerungsschichten geschaffen wurden, sind ab 2013 aus Kostengründen nicht mehr aufgelegt worden. 5.1 Sparbriefe mit festem Zinssatz Sparbriefe und Sparschuldverschreibungen sind nicht an der Börse gehandelte mittelfristige bzw. langfristige Schuldverschreibungen von Banken oder Sparkassen. Für die Kreditinstitute sind sie ein vielgenutztes Instrument der mittelbis langfristigen Refinanzierung, für die Sparer sind sie ein begehrtes Anlageinstrument, da sie wegen des Wertpapiercharakters der Produkte im Allgemeinen höher verzinst werden als vergleichbare Einlagen auf Sparbüchern. Sparbriefe und Sparschuldverschreibungen sind grundsätzlich über die gesamte Laufzeit mit einem festen Zinssatz ausgestattet, und die Höhe des späteren Rückkaufwertes steht bereits beim Kauf fest. Sparbriefe werden in verschiedenen Zinsvarianten angeboten. 5.1.1 Sparbrief mit jährlicher Zinszahlung Beim Sparbrief mit jährlicher Zinsauszahlung werden die Zinsen jährlich ausgeschüttet und am Ende der Laufzeit wird das investierte Kapital (Nennwert des Sparbriefs) zurückgezahlt. Die im Jahr t zur Auszahlung kommenden Zinsen t Z berechnen sich zu 0 t Z K i t , wobei die Anlagesumme ist, i der Zinssatz und t der Zeitraum (ein Jahr), der der Zinsberechnung zugrunde liegt (vgl. auch Abschnitt 5.2.3). 5.1.2 Aufgezinster Sparbrief mit festem Zinssatz Beim aufgezinsten Sparbrief mit festem Zinssatz werden die Zinserträge jährlich gutgeschrieben und in den Folgejahren mitverzinst. Am Laufzeitende wird das investierte Kapital einschließlich der Zinsen und Zinseszinsen ausgezahlt. Der Zinssatz bleibt über die Laufzeit konstant. Beispiel 5.1 Ein Sparbrief mit einem Nennwert von 5.000 Euro hat eine Laufzeit von 5 Jahren und ist mit einem Festzinssatz von 2,5% ausgestattet. Am Ende der Laufzeit wird der Nenn- <?page no="138"?> 138 5 Nicht-börsennotierte Schuldverschreibungen wert des Sparbriefs einschließlich der Zinsen in einer Summe zurückgezahlt. Es sollen der Nennwert des Sparbriefs zuzüglich der Zins- und Zinseszinszahlungen am Ende Laufzeit ermittelt und die Rendite berechnet werden. Die Auszahlung am Ende des 5. Jahres beträgt 5 5 5.000 1, 025 5.657, 04 K . Die Rendite entspricht der Effektivverzinsung und berechnet sich zu 1 5 5.657, 04 1 0, 025 oder 2,5% 5.000 e i Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Input-Daten Nennwert, Zinssatz und Laufzeit wird der Zahlungsstrom ermittelt, aus dem mit der Excel-Funktion IKV() die Rendite berechnet wird. Position Inhalt Excel-Umsetzung C10 Rendite =IKV(F13: F23) F13 Anlagebetrag =-E6 B14 laufendes Jahr =WENN(B13<$E$8; B13+1; "") C14 Kapital zu Jahresbeginn =WENN(B14=""; ""; E6) D14 Berechnung der Zinsen =WENN(B14=""; ""; C14*$E$7) E14 Kapital am Jahresende =WENN(B14=""; ""; C14+D14) F14 Zahlungsstrom =WENN(B14=""; ""; WENN(B14=$E$8; C14+D14; 0)) Bild 5.1 Renditeberechnung eines aufgezinsten Sparbriefs mit fester Verzinsung (Beispiel 5.1) <?page no="139"?> 5.1 Sparbriefe mit festem Zinssatz 139 5.1.3 Abgezinster Sparbrief mit festem Zinssatz Beim abgezinsten Sparbrief mit Festzinssatz werden die Zinsen und Zinseszinsen im Voraus vom Anlagebetrag (Nennwert) abgezogen. Bei Fälligkeit zahlt die Bank den vollen Nennwert des Sparbriefs aus. Der jährlich gutgeschriebene Zinsbetrag steigt, weil die Zinsen des Vorjahres dem Kapital zugerechnet und in den Folgejahren mitverzinst werden. Der Anlagebetrag berechnet sich durch Diskontierung des Nennwertes mit dem Nominalzinssatz i zu 0 1 n n K K i . Der effektive Jahreszinssatz entspricht wiederum den Nominalzinssatz. Beispiel 5.2 Für einen abgezinsten Sparbrief mit einem Festzinssatz von 3%, einem Nennwert von 10.000 Euro und einer Laufzeit von 6 Jahren soll der Anlagebetrag und die Rendite ermittelt werden. Der Anlagebetrag ergibt sich zu 0 5 10.000 8.626, 09 1, 03 K . Die Rendite entspricht dem Nominalzinssatz, da 1 5 10.000 1 0, 03 oder 3% 8.626, 09 e i . Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Input-Daten Nennwert, Zinssatz und Laufzeit wird zunächst der Auszahlungsbetrag und dann der Zahlungsstrom ermittelt, aus dem dann mittels der Excel-Funktion IKV() die Rendite berechnet wird. Position Inhalt Excel-Umsetzung E10 Anlagebetrag =E6/ (1+E7)^E8 E11 Rendite =IKV(F14: F24) F14 Anlagebetrag =-E10 B15 laufendes Jahr =WENN(B14<$E$8; B14+1; "") C15 Kapital zu Jahresbeginn =WENN(B15=""; ""; E10) D15 Zinsen =WENN(B15=""; ""; C15*$E$7) E15 Kapital am Jahresende =WENN(B15=""; ""; C15+D15) F15 Zahlungsstrom =WENN(B15=""; ""; WENN(B15=$E$8; C15+D15 ; 0)) <?page no="140"?> 140 5 Nicht-börsennotierte Schuldverschreibungen Bild 5.2 Ermittlung des Auszahlungsbetrages und der Rendite eines abgezinsten Sparbriefs mit Festzins (Beispiel 5.2) 5.2 Sparbriefe mit steigenden Zinssätzen Sparbriefe mit steigenden Zinssätzen, auch Wachstumszertifikate genannt, sind Sparbriefe mit einem von Jahr zu Jahr ansteigenden Zinssatz. Der Verkauf eines Sparbriefs entspricht der direkten Kreditaufnahme der Banken bei den Sparern. Mit der Ausgabe von Sparbriefen mit während der Laufzeit wachsenden Zinssätzen verfolgen die Banken zwei Ziele. Zum einen verringert sich für Banken tendenziell das Risiko eines Kapitalentzugs, da die Anleger bei steigenden Zinsen eher geneigt sind, ihr Kapital länger zu investieren, um in den Genuss der späteren höheren Zinssätze zu kommen, zum anderen handelt es sich um eine gebührenfreie und flexibel verfügbare Anlage. 5.2.1 Aufgezinster Sparbrief mit steigenden Zinssätzen Beim aufgezinsten Sparbrief mit steigenden Zinssätzen wird am Ende der Laufzeit der Nennwert des Sparbriefs zuzüglich der über die Jahre aufgelaufenen Zinsen und Zinseszinsen ausgezahlt. Wegen des dynamischen Zinssatzes steigt auch die Rendite von Jahr zu Jahr. Beispiel 5.3 Ein aufgezinster Sparbrief mit steigenden Zinssätzen ist mit folgenden Konditionen ausgestattet: Nennwert 1.000 Euro, Laufzeit 5 Jahre, Auszahlung Ende des 5. Jahres zum Nennwert. Zinsstaffel: 1. Jahr 1,5%, 2. Jahr 2%, 3. Jahr 2,5%, 4.Jahr 3%; 5.Jahr 3,5%. Es sollen ein Rückzahlungsplan aufgestellt und die Rendite bestimmt werden. <?page no="141"?> 5.2 Sparbriefe mit steigenden Zinssätzen 141 Die finanzmathematisch exakte Berechnung der Rendite (effektiver Jahreszinssatz) ergibt sich aus folgender Gleichung: 1 5 1.131, 27 1 2,50% 1.000 e i Die Rendite entspricht dem arithmetischen Mittel der Zinssätze. Excel-Umsetzung Nach Eingabe des Nennwertes, der Häufigkeit der Zinszahlungen pro Jahr, der Laufzeit und der ansteigenden Zinssätze kann der Zahlungsstrom generiert werden, aus dem dann die Rendite mit der Excel-Funktion IKV() berechnet wird. Position Inhalt Excel-Umsetzung E15 Rendite =IKV(F19: F24) F18 Zahlungsstrom =-E7 B19 laufendes Jahr =WENN(B19<$E$9; B19+1; "") C19 Kapital zu Jahresbeginn =WENN(B20=""; ""; E7) D19 Berechnung der Zinsen =WENN(B20=""; ""; C20*$E$10) E19 Kapital am Jahresende =WENN(B20=""; ""; C20+D20) F19 Zahlungsstrom =WENN(B20=""; ""; WENN(B20=$E$9; C20+D2 0; 0)) <?page no="142"?> 142 5 Nicht-börsennotierte Schuldverschreibungen Bild 5.3 Ermittlung der Rendite eines aufgezinsten Sparbriefs mit steigenden Zinssätzen (Beispiel 5.3) 5.2.2 Abgezinster Sparbrief mit steigenden Zinssätzen Ein abgezinster Sparbrief mit steigenden Zinssätzen wird unter dem Nennwert ausgegeben und am Laufzeitende zum Nennwert zurückgezahlt. Den Anlagebetrag erhält man, indem der Nennwert über die Laufzeit mit dem jeweiligen Jahreszinssatz diskontiert wird. Auch hier steigt der Zinssatz dynamisch an und am Ende der Laufzeit, wenn der Nennwert erreicht ist, wird der Sparbrief zu diesem Nennwert zurückgezahlt. Beispiel 5.4 Ein abgezinster Sparbrief mit steigenden Zinssätzen ist mit folgenden Konditionen ausgestattet: Nennwert 5.000 Euro, Laufzeit 5 Jahre, Auszahlung Ende des 5. Jahres zum Nennwert. Zinsstaffel: 1. Jahr 1,5%, 2. Jahr 2%, 3. Jahr 2,5%, 4.Jahr 3%; 5.Jahr 3,5%. Es soll der Anlagebetrag ermittelt die Rendite bestimmt werden. Den Anlagebetrag erhält man durch Diskontierung des Nennwertes mit dem jeweils geltenden Jahreszinssatz: 0 5.000 4.419,80 1, 015 1, 02 1, 025 1, 03 1, 035 K Die Rendite beträgt 0,2 5, 000 1 2,5% 4.419,80 e i . Excel-Umsetzung Analog zur oben aufgezeigten Vorgehensweise wird der Anlagebetrag und der Zahlungsstrom ermittelt, aus dem die Rendite mit der Excel-Funktion IKV() berechnet wird. Position Inhalt Excel-Umsetzung E14 Anlagebetrag =E6/ ((1+E8)*(1+E9)*(1+E10)*(1+E11)*(1+E12)) E15 Rendite =IKV(F18: F23) F18 Zahlungsstrom =-E14 <?page no="143"?> 5.2 Sparbriefe mit steigenden Zinssätzen 143 B19 laufendes Jahr =WENN(B18<$E$7; B18+1; "" C19 Kapital zu Jahresbeginn =WENN(B19>$E$7; ""; E14) D19 Berechnung der Zinsen =WENN(B19>E7; ""; C19*E8) E19 Kapital am Jahresende =WENN(B19>$E$7; ""; C19+D19) F19 Zahlungsstrom =WENN(B19>E7; ""; WENN(B19=$E$7; C19+D1 9; 0)) Bild 5.4 Ermittlung des Anlagebetrags und der Rendite eines abgezinsten Sparbriefs mit steigenden Zinssätzen 5.2.3 Sparbrief mit steigenden Zinsätzen und jährlicher Zinsausschüttung Anders als bei auf- oder abgezinsten Sparbriefen, bei denen die Zinsen bis zum Ende der Laufzeit angesammelt und mitverzinst werden, werden beim jährlichen Sparbrief mit Zinsausschüttung die Zinsen jährlich ausgezahlt. Dieser Typ von Sparbriefen ist aus steuerlichen Gründen oft günstiger, da die Zinserträge den jährlichen Steuerfreibetrag nicht in voller Höhe bei Fälligkeit des Sparbriefs belasten, sondern über die gesamte Laufzeit verteilt werden. <?page no="144"?> 144 5 Nicht-börsennotierte Schuldverschreibungen Im folgenden Beispiel wird ein Sparbrief mit steigenden Zinssätzen und jährlicher Zinsausschüttung betrachtet, der dieselbe Konstruktion aufweist wie ein Bundesschatzbrief vom Typ A. Beispiel 5.5 Ein Sparbrief mit jährlicher Zinsausschüttung und jährlich steigenden Zinssätzen hat einen Nennwert von 1.000 Euro, eine Laufzeit von 5 Jahren und ist mit den folgenden Zinskonditionen ausgestattet: 1. Jahr 2%, 2. Jahr 2,5%, 3. Jahr 3%, 4. Jahr 3,5%, 5. Jahr 4%. a) Zunächst soll gezeigt werden, dass die nominale Rendite des Sparbriefs nicht mit dem arithmetischen Mittel der fünf gebotenen Jahreszinssätze übereinstimmt. b) Welche nominale Rendite erzielt ein Anleger, wenn er einem Grenzsteuersatz von 40% unterliegt und den steuerlichen Freibetrag für Einkünfte aus Kapitalvermögen bereits ausgeschöpft hat? c) Mit welcher realen Rendite nach Steuern kann der Anleger rechnen, wenn er annimmt, dass die jährliche Inflationsrate während der 5-jährigen Laufzeit des Sparbriefs 2% beträgt? a) Die finanzmathematisch exakte (nominale) Rendite des Sparbriefs errechnet sich aus folgendem Zahlungsstrom: 2 3 4 5 20 25 30 35 1.040 1.000 1 1 1 1 1 e e e e e i i i i i Daraus ergibt sich mittels eines Näherungsverfahren eine Rendite von 2,97%. Das arithmetische Mittel der 5 Jahreszinssätze beträgt: 2% 2,5% 3% 3,5% 4% 3% 5 Dem finanzmathematisch nicht geschulten Anleger täuscht diese Konstruktion des Sparbriefs eine höhere Rendite vor, da viele Sparer glauben, das arithmetische Mittel aller Zinssätze während der Anlagedauer entspräche der Rendite. b) Die Berechnung der Rendite nach Steuer berechnet sich aus dem Nachsteuer-Zahlungsstrom des Anlegers. Aus 2 3 4 5 12 15 18 21 1.024 1.000 1 1 1 1 1 e e e e e i i i i i ergibt sich eine Rendite nach Steuer von 1,79%. c) Die reale Rendite berechnet sich aus dem inflationsbereinigten nominalen Zahlungsstrom nach Steuern: 2 2 3 3 4 4 5 5 12 15 18 21 1.024 1.000 1, 02 1 1, 02 1 1, 02 1 1, 02 1 1.02 1 e e e e e i i i i i Die reale Rendite nach Steuern des Sparbriefs bei einem Grenzsteuersatz von 40% und einer erwarteten Inflationsrate von 2% beträgt -0,21%. <?page no="145"?> 5.2 Sparbriefe mit steigenden Zinssätzen 145 Excel-Umsetzung Aus dem Zahlungsstrom vor Steuer und nach Steuer und dem Zahlungsstrom nach Steuer unter Berücksichtigung der Inflationsrate werden mit der Funktion IKV() die Renditen berechnet. Position Inhalt Excel-Umsetzung E16 nominale Rendite =IKV(F25: F30) E17 arithmetisches Mittel =SUMME(E8: E12)/ E7 E18 Rendite (nominal) nach Steuer =IKV(L25: L30) E19 reale Rendite =IKV(E36: E41) B26 laufendes Jahr =WENN(B25<$E$7; B25+1; "") C26 Kapital zu Jahresbeginn =WENN(B26>$E$7; ""; E6 D26 Zinsen =WENN(B26>$E$7; ""; C26*$E$8) E26 Kapital am Jahresende =WENN(B26>$E$7; ""; C26) F26 Zahlungsstrom =WENN(B26>$E$7; ""; WENN(B26=$E$7 ; C26+D26; D26)) H26 laufendes Jahr =WENN(H25<$E$7; H25+1; "") I26 Kapital am Jahresanfang =WENN(H26>$E$7; ""; E6) J26 Zinsen (nach Steuer) =WENN(H26>E7; ""; I26*E8*(1-$E$13)) K26 Kapital am Jahresende =WENN(H26>$E$7; ""; I26) L26 Zahlungsstrom =WENN(H26>E7; ""; WENN(H26=$E$7; I 26+J26*(1$E$13); J26)) B36 laufendes Jahr 0 C36 Zahlungsstrom nach Steuer =-E6 D36 Abzinsungsfaktor bei 2% Inflation =WENN(B36>$E$7; ""; 1/ (1+$E$14)^B36) E36 realer Zahlungsstrom =WENN(B36>$E$7; ""; C36*D36) <?page no="146"?> 146 5 Nicht-börsennotierte Schuldverschreibungen Bild 5.5 Renditeberechnung eines Sparbriefs mit steigenden Zinssätzen und jährlicher Zinsausschüttung unter Berücksichtigung von Steuer und Inflation (Beispiel 5.5) Bild 5.6 Ermittlung des Zahlungsstroms eines Sparbriefs mit steigenden Zinssätzen und jährlicher Zinsausschüttung unter Berücksichtigung von Steuer und Inflation (Beispiel 5.5) <?page no="147"?> 6 Zinsinstrumente 6.1 Grundlagen Die in diesem Kapitel betrachteten Zinsinstrumente sind im Rahmen der Finanzmärkte (vgl. Bild 6.1) dem Kassamarkt zuzuordnen. Der Kassamarkt ist dadurch gekennzeichnet, dass Abschluss und Erfüllung des Vertragsinhaltes zeitlich unmittelbar aufeinander (d.h. Erfüllung bis zum zweiten Börsentag nach Vertragsabschluss) erfolgen. Bei Börsentermingeschäften hingegen erfolgt die Erfüllung des Vertrages zu einem späteren Zeitpunkt als zu demjenigen, zu dem der Preis (Kurs) vereinbart wurde. Die hier betrachteten Zinsinstrumente können entweder dem Geldmarkt oder dem Kapitalmarkt zugeordnet werden. Zinsinstrumente sind ebenso wie die in den Kapiteln 2 und 3 vorgestellten Kreditarten der Fremdfinanzierung zuzuordnen. Auch hier stellt ein Kapitalgeber (Gläubiger) dem Kapitalnehmer (Schuldner) für einen bestimmten Zeitraum einen Geldbetrag zur Verfügung und erwirbt somit Ansprüche auf zukünftige Zins- und Tilgungszahlungen, die - im Gegensatz zu Beteiligungspapieren (Aktien) - vom wirtschaftlichen Erfolg des Schuldners unabhängig sind. Auch wenn herkömmliche Kredite die gleichen Eigenschaften aufweisen wie Zinsinstrumente, so besteht der wesentliche Unterschied darin, dass letztere verbriefte, und somit an den Finanzmärkten handelbare Kredite darstellen. Dabei dient das Wertpapier als Beweisurkunde für das bestehende Schuldverhältnis und qualifiziert den Inhaber, die mit dem Wertpapier verbundenen Rechte bzw. Ansprüche auszuüben. Zinsinstrumente lauten auf einen bestimmten Nennwert, ihr aktueller Kurs wird relativ zum Nennwert notiert und determiniert die Höhe des Rückzahlungsanspruchs. In den meisten Fällen erfolgt die Tilgung am Ende der Laufzeit genau zu diesem Nennwert; man spricht dann von endfälliger Tilgung. Neben der Höhe des Nennwertes sind im Finanzkontrakt auch der Zeitpunkt der Kapitalrückzahlung, die Zinstermine und die Höhe der Zinszahlungen festgelegt, weshalb sich für diese Art von Wertpapieren auch der englische Begriff Fixed Income Securities etabliert hat. Hinsichtlich der Fristigkeit (Ursprungslaufzeit) der gehandelten Gläubiger- und Schuldnerbeziehungen können Zinsinstrumente dem Geldmarkt oder dem Kapitalmarkt zugeordnet werden. Der Geldmarkt (Money Market) ist der Markt für kurzfristige Geldanlagen und Kredite, die unter den Banken vergeben und gehandelt werden, mit Laufzeiten von wenigen Tagen bis zu einem Jahr. Wesentlicher Bestandteil des Geldmarktes ist der Interbankenmarkt, auf dem Refinanzierungsgeschäfte der Geschäftsbanken untereinander und mit der Zentralbank stattfinden. Dabei können Geldmarktkredite in Form von Tages- oder Termingeld, die dem kurzfristigen Liquiditätsausgleich von einem auf dem nächsten Tag dienen, und Termingelder, die zu festen Terminen in der Zukunft mit Laufzeiten von wenigen Tagen bis zu 12 Monaten, zurückbezahlt werden. Die Zinssätze, die für derartige Geschäfte verrechnet werden, konstituieren wichtige Referenzzinssätze in einer Volkswirtschaft und dienen als Bestimmungsgrößen für variabel verzinste Finanzprodukte. Bekannte Zinssätze sind der EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate), der für auf Euro lautende Termingelder unterschiedlicher Laufzeiten (1 Woche, 2 Wochen, 1 Monat, 2, 3, 6, 9 und 12 Monate) errechnet wird, oder der LIBOR (London Interbank Offered Rate), ein täglich fest- <?page no="148"?> 148 6 Zinsinstrumente gelegter Referenzzinssatz für unbesicherte Geldmarktkredite, der am Finanzplatz London zwischen den wichtigsten, international tätigen Banken für zehn verschiedene Währungen ermittelt wird. Ebenfalls den Geldmarktkrediten zuzuordnen sind Wertpapierpensionsgeschäfte, die die kurzfristige Aufnahme von Krediten durch Finanzinstitute gegen die Übertragung von Wertpapieren, verbunden mit der Verpflichtung, diese zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückzukaufen, beinhalten. Während im Euro-Währungsgebiet Wertpapierpensionsgeschäfte hauptsächlich mit der Zentralbank durchgeführt werden, stellen die in den USA als Repurchase Agreements (Repos) bezeichneten Wertpapierpensionsgeschäfte mit dem Nicht-Banken-Sektor eines der bedeutendsten Geldmarktsegmente dar. Neben den genannten kurzfristigen Geldern (Forderungen und Verbindlichkeiten) werden auf dem Geldmarkt auch Fazilitäten in verbriefter Form gehandelt. Zu diesen Geldmarktpapieren zählen Schuldtitel, die von Staaten emittiert werden, wie beispielsweise Treasury Bills, oder Geldmarktpapiere, die von erstklassigen Industrie- und Handelsunternehmen zur kurzfristigen Kapitalbedarfsdeckung begeben werden, sogenannte Commercial Papers, aber auch Einlagenzertifikate (Certificates of Deposit), die von Banken zur Beschaffung kurzfristiger Finanzmittel ausgegeben werden. Geldmarktprodukte können als Diskontpapiere oder als zinstragende Papiere (Kuponinstrumente) ausgestaltet sein. Während Diskontpapiere, wie z.B. Treasury Bills und Commercial Papers, mit einem Abschlag vom Nennwert (Diskont) ausgegeben und zum Nennwert zurückgezahlt werden, werden zinstragende Papiere zum Nennwert emittiert und bei Fälligkeit zum Nennwert einschließlich einer Zinszahlung (Kupon) getilgt. Die Notierung von Geldmarktpapieren kann entweder durch einen Zinssatz oder einen Diskontsatz erfolgen. Wird beispielsweise für ein am Interbankenmarkt durchgeführtes Geschäft von 1.000 Euro und einer Laufzeit von einem Jahr ein Zinssatz von 1,5% p.a. verrechnet, dann beträgt der Rückzahlungsbetrag bei Fälligkeit 1.015 Euro. Die Zinsen betragen 15 Euro und die Verzinsung des eingesetzten Kapitals ist 1,5% p.a. In diesem Fall spricht man von Zinssatz-Notierung. Wird hingegen der Diskontsatz angegeben (Diskontsatz-Notierung), dann stellt dieser den Abschlag des Papiers vom Nennwert (Rückzahlungsbetrag) dar. Wird beispielsweise ein Commercial Paper mit einem Nennwert von 1.000 Euro und einer Laufzeit von einem Jahr begeben und mit einem Diskontsatz von 1,5% emittiert, dann erfolgt die Ausgabe des Papiers mit einem Abschlag von 1,5% vom Nennwert, also zu 985 Euro. Die Rückzahlung (Tilgung) erfolgt jetzt zu 1.000 Euro, was wiederum einen Ertrag von 15 Euro ausmacht. Die Verzinsung des eingesetzten Kapitals beträgt jedoch hier 1,52% (15/ 985) p.a. Der Kapitalmarkt (Capital Market) hingegen ist der Markt für langfristige Geldanlagen, also Kredite und Beteiligungskapital mit Laufzeiten über einem Jahr, und dient dem Staat, Unternehmen und Haushalten zur Finanzierung von Investitionen und anderen Ausgaben. Betrachtet werden in diesem Kapitel Gläubigerpapiere in Form von Anleihen (Bonds), die von öffentlichen Schuldnern wie Staaten, Kommunen und öffentlichrechtlichen Unternehmen (Staatsanleihen, Gouvernement Bonds), von Unternehmen (Unternehmensanleihen, Corporate Bonds) oder von Banken (Bankschuldverschreibungen, Bank Obligations) zum Zwecke der mittel- und langfristigen Finanzierung auf dem Kapitalmarkt begeben werden. Wegen der relativ hohen Emissionsvolumina wird der zu emittierende Kreditbetrag in Teilschuldverschreibungen aufgeteilt, die dann <?page no="149"?> 6.2 Geldmarktinstrumente 149 von institutionellen und privaten Investoren erworben werden können. Jede Teilschuldverschreibung lautet auf einen bestimmten Nennwert (z.B. 100 Euro oder 1.000 US-$) und kann auf dem Kapitalmarkt (Börse) jederzeit, auch während der Laufzeit, zum geltenden Kurs veräußert werden. Das Emissionsvolumen ergibt sich aus der Anzahl der ausgegebenen Anleihen und ihrem Nennwert. Bild 6.1 Finanzmärkte und Finanzmarktinstrumente (vgl. Brauneis/ Mestel, 2015, S. 14) Während der Geldmarkt eine wichtige Rolle bei der Liquiditätsbeschaffung der Finanzinstitute spielt, besteht die Hauptaufgabe des Kapitalmarkts in der effizienten Allokation der Kapitalströme. Die Allokationsfunktion bezieht sich in der Hauptsache auf den Primärmarkt, an dem vor allem von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen neue geschaffene Finanztitel platziert werden. Am Sekundärmarkt werden dann die bereits emittierten Wertpapiere unter den Marktteilnehmern gehandelt. Durch den Handel am Sekundärmarkt können Marktteilnehmer ihre Vermögensstruktur bei Bedarf anpassen, Fristen beliebig zu transformieren, Risiken gegen Entgelt auf andere Investoren abzuwälzen oder neue Risiken auf sich zu nehmen. Dieser Nutzen verstärkt die Bereitschaft der Marktteilnehmer, Wertpapiere am Kapitalmarkt zu erwerben. Eine effiziente Allokation von Finanzmitteln setzt eine transparente Preisbildung und Renditestruktur voraus. Neben der Informationsverarbeitung sind Marktpreise für Investoren wichtige Eingangsdaten für ihre Anlageentscheidungen, daher steht bei der nachfolgenden Analyse der Zinsinstrumente die Preisbildung am Geldbzw. Kapitalmarkt im Mittelpunkt der Betrachtung. 6.2 Geldmarktinstrumente In dem meisten Fällen werden auf dem Geldmarkt Papiere ohne laufende Zinszahlung mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr gehandelt. Dabei wird im Gegensatz zu Kapitalmarktpapieren mit einfachen Zinsen gerechnet. Finanzmärkte Kassamarkt Terminmarkt Zinsinstrumente Aktien FX- Instrumente bedingte Termingeschäfte unbedingte Termingeschäfte - Geldmarktpapiere - Kapitalmarktpapiere - Stammaktien - Vorzugsaktien - Devisen - Valuten - Optionen - Optionsscheine optionsähnliche Instrumente (z.B. Caps, Floors) - Forwards - Futures - FRAs - Swaps Investmentfonds und Investmentzertifikate <?page no="150"?> 150 6 Zinsinstrumente Die Zinstage werden entsprechend der jeweiligen Zinsberechnungsmethode (Tageszählkonvention) bestimmt und sind von Land zu Land verschieden. In der Regel werden die wirklich abgelaufenen Tage (actual) gezählt und durch die Basisperiode von einem Jahr geteilt. Dabei wird das Jahr mit 360 Tagen (USA, Euro- Raum) oder mit 365 Tagen (Großbritannien) angesetzt. Die Tageszählkonvention 30/ 360 beispielsweise besagt, dass jeder Monat mit 30 Tagen berechnet wird und das Jahr mit 360 Tagen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass entweder der erste Tag in die Berechnung miteinbezogen wird oder der letzte, nicht aber der erste und der letzte Tag. 6.2.1 Diskontpapiere Geldmarktpapiere in Form von Diskontpapieren werden mit einem Abschlag vom Nennwert (Diskont) emittiert und bei Fälligkeit zum Nennwert zurückgezahlt. In diesem Falle ergibt sich der Ertrag aus der Differenz zwischen Nennwert und Ausgabekurs. Beispiele für solche Papiere sind Treasury Bills, Schatzwechsel und Commercial Papers. Ist der Nennwert (Maturity Value, Face Value, Par Value) M, die Geldmarktrendite (Simple Yield to Maturity) y, die Haltedauer t und das Basisjahr in Tagen (360 oder 365) gegeben, dann kann der Preis P durch einfache Diskontierung des Nennwertes nach der Beziehung 1 360 M P y t berechnet werden. Dabei wurde das Basisjahr mit 360 Tagen angesetzt. Bei gegebenem Preis erhält man die Geldmarktrendite (Simple Yield to Maturity) zu 360 1 M y P t bzw. 360 360 M P D y P t P t . Dabei stellt M P D den Diskont dar, so dass gilt: 360 D y P t Wird das Papier nach der Emission auf dem Geldmarkt gekauft und vor dem Fälligkeitstag verkauft, so ergibt sich der Ertrag während der Haltedauer aus der Differenz zwischen dem Verkaufskurs und dem Kaufkurs. Beispiel 6.1 Folgende Daten sind zu einem Diskontpapier gegeben: Abrechnungstag 18.6.2015 Fälligkeit 3.10.2015 Preis 98,75 Nominalwert 100 <?page no="151"?> 6.2 Geldmarktinstrumente 151 Es sollen die Rendite (Simple Yield to Maturity) und die effektive Verzinsung des Papiers berechnet werden, wenn a) die Tageszählkonvention 30/ 360 b) die Tageszählkonvention actual/ 360 zugrunde gelegt wird. Legt man die Tageszählkonvention 30/ 360 zugrunde, erhält man 105 Tage, bei actual/ 360 ergeben sich 107 Tage. Daraus ergibt sich folgende Rendite: a) 100 98, 75 360 4, 34% 98, 75 105 y b) 100 98, 75 360 4, 26% 98, 75 107 y Excel-Umsetzung Die Modellierung von Geldmarktinstrumenten mit Excel bereitet keine Schwierigkeiten. Zunächst muss die Anzahl der Tage nach der jeweiligen Tageszählkonvention ermittelt werden. Bei vorgegebenem Ausgangsdatum und Enddatum kann die Anzahl der Tage mit der Funktion Tage360() ermittelt werden, die mit Alt + M2 + 9 aufgerufen wird. Dabei geht diese Funktion davon aus, dass jeder Monat 30 Tage hat. Wird die Differenz zwischen beiden Daten gebildet (=E7-E6), wird die tatsächliche Anzahl der Tage ermittelt. Die Berechnung der Rendite erfolgt schließlich durch Eingabe der Formel. Position Inhalt Excel-Umsetzung E14 Anzahl der Tage (jeder Monat hat 30 Tage) =TAGE360(E6; E7; WAHR) E15 Anzahl der tatsächlichen Tage zwischen zwei Daten =E7-E6 E17 Rendite (Usance 30/ 360) =((E9-E8)/ E8)*E10/ E14 E18 Rendite (actual/ 360) =((E9-E8)/ E8)*E10/ E15 <?page no="152"?> 152 6 Zinsinstrumente Bild 6.2 Renditeberechnung eines Diskontpapiers (Beispiel 6.1) Soll die Rendite für unterschiedliche Basisperioden berechnet werden, kann sie aufgrund des linearen Zusammenhangs mit der Beziehung 365 360 365 360 y y umgerechnet werden. Ist die Rendite eines Geldmarktinstruments gegeben, kann der Preis durch lineare Diskontierung des Nennwertes mit der Rendite über die Beziehung 1 360 M P y t berechnet werden. Beispiel 6.2 Es soll der Preis eines Diskontpapiers mit einem Nennwert von 100.000 Euro und einer Laufzeit von 90 Tagen berechnet werden, wenn die Geldmarktrendite 2,5% beträgt. Es ergibt sich ein Preis von 100.000 99.378,88 0, 025 90 1 360 P . Excel-Umsetzung Nach Eingabe der erforderlichen Parameter wird der Preis des Papiers durch lineare Diskontierung des Nennwertes berechnet. Position Inhalt Excel-Umsetzung D11 Preis des Diskontpapiers =D6/ (1+(D7*D8/ D9)) <?page no="153"?> 6.2 Geldmarktinstrumente 153 Bild 6.3 Preisberechnung eines Diskontpapiers (Beispiel 6.2) An den US-Märkten erfolgt die Notierung von Treasury Bills in Form eines Diskontsatzes (Diskontsatz-Notierung), wobei der Diskont auf den Nennwert des Papiers bezogen wird und nicht auf den Kurs. Als Rendite erhält man dann: 360 360 d M P D y M t M t Diese Rendite wird als Yield on a Bank Discount Basis bezeichnet und auf Basis von 360 Tagen auf ein Jahr hochgerechnet. Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen. Ein US-Treasury Bill mit einem Nennwert von $100.000, einer Laufzeit von 90 Tagen und einem Kurs von $98.500 würde mit 5,4% notieren. Mit = 100.000 98.500 = 1.500 erhält man: 1.500 360 6% 100.000 90 d y Bei gegebener Rendite kann der Preis berechnet werden. Dazu wird zunächst der Diskont bestimmt: 90 0, 06 100.000 1.500 360 360 d t D y M Der Kurs P ergibt sich dann aus zu: 100.000 1.500 98.500 P Um die Verzinsung von US-Treasury Bills mit der Verzinsung anderer Diskontpapiere vergleichbar zu machen, wird die Money Market Equivalent Yield berechnet. Dabei wird der Diskont nicht auf den Nennwert, sondern - wie sonst üblich - auf den Kurs bezogen: 360 D y P t Für das obige Beispiel ergibt sich: 1.500 360 6, 09% 98.500 90 y Bei gegebener Yield on a Bank Discount Basis kann diese einfach durch folgende Formel in die Money Market Equivalent Yield umgerechnet werden: <?page no="154"?> 154 6 Zinsinstrumente 360 Money market equivalent yield 360 d d y t y Für das Beispiel erhält man: 360 0, 06 Money market equivalent yield 0, 0609 oder 6,09% 360 90 0, 06 6.2.2 Geldmarktpapiere mit Zinszahlung bei Fälligkeit In manchen Fällen werden Geldmarktpapiere zum Nennwert ausgegeben und bei Fälligkeit einschließlich einer Zinszahlung zurückgezahlt. Da diese Papiere mit einem Nominalzinssatz (Kupon) ausgestattet sind, müssen beim Kauf Stückzinsen berücksichtigt werden. Ist M der Nominalwert (Rückzahlung) des Papiers, C der Nominalzins (Kupon), n die Laufzeit und t die Haltedauer, dann erhält man bei gegebenen Preis P die Rendite zu 360 M n C P C n t y P C n t t . Dabei macht der Betrag ( ) die Stückzinsen aus, die der Käufer dem Verkäufer des Papiers zum Kaufzeitpunkt zu vergüten hat. Beispiel 6.3 Für ein Geldmarktpapier mit einmaliger Zinszahlung bei Fälligkeit sind folgende Daten gegeben: Emission 15.6.2015 Kauftag (Valutatag) 18.7.2015 Fälligkeit 15.9.2015 Nennwert 100 Euro Preis (Kurs) 99,875 Nominalzinssatz 3% Geldmarktusance 30/ 360 Die Laufzeit des Papiers beträgt = 90 Tage, die Haltedaue r = 57 Tage, die Tage, für die Stückzinsen zu vergüten sind, sind = 33 Tage. Damit erhält man eine Rendite von 90 33 100 3 99,875 3 360 360 360 3, 78% 33 57 99,875 3 360 y Excel-Umsetzung Mit der Excel-Funktion TAGE360() werden ausgehend von einem Jahr, das 360 Tage (12 Monate mit je 30 Tagen) umfasst, die Anzahl der relevanten Tage bestimmt und anschließend die Rendite berechnet. <?page no="155"?> 6.3 Anleihen 155 Position Inhalt Excel-Umsetzung E15 Berechnung der Tage =TAGE360(E6; E8) E19 Berechnung der Rendite = ((E9+E9*E11*E15/ E13-E10 E9*E11*E16/ E13)/ (E10+E9*E11*E16/ E13))* E13/ E17 Bild 6.4 Rendite eines Geldmarktpapiers mit Zinszahlung bei Fälligkeit (Beispiel 6.3) 6.3 Anleihen 6.3.1 Charakteristika Anleihen, auch Rentenpapiere oder Obligationen genannt, im Angelsächsischen als Bonds bezeichnet, sind Gläubigerpapiere mit Ursprungslaufzeiten von mehr als einem Jahr und sind daher dem Kapitalmarkt zu zuordnen. Es handelt sich dabei um Wertpapiere, die Fremdkapital und daher einen Kreditvertrag verbriefen. Emittenten sind öffentliche Schuldner (Staaten, Gebietskörperschaften, öffentlich-rechtliche Unternehmen, ausländische Staaten) und private Unternehmen finanzieller und nicht-finanzieller Unternehmen. In der Regel beträgt das Emissionsvolumen solcher Institutionen viele Millionen und bei Staatspapieren regelmäßig sogar mehrere Milliarden, so dass der über eine emittierte Anleihe aufgenommene Kreditbetrag auf viele sogenannte Teilschuldverschreibungen aufgeteilt wird, die dann von institutionellen und privaten Investoren erworben werden können. Der Handel dieser Gläubiger- und Schuldnerbeziehungen auf <?page no="156"?> 156 6 Zinsinstrumente dem Kapitalmarkt (Sekundärmarkt) ermöglicht den jederzeitigen Kauf und Verkauf während der Laufzeit, ohne dass die Zustimmung des Schuldners erforderlich ist. Bei der Emission einer Anleihe wird die Ausstattung des Wertpapieres festgelegt. Dabei sind die folgenden Charakteristika zu berücksichtigen. Der Emissionskurs (Subscription Price, Issue Price) ist der Geldbetrag, der von den Kapitalgebern bei der Emission der Anleihe zu zahlen ist und wird in der Regel in Prozent des Nennwertes angegeben. Liegt der Emissionskurs über (unter) dem Nennwert, dann wird die Anleihe über pari (unter pari) mit einem Agio (Disagio) begeben. Erfolgt die Emission zum Nennwert, spricht man von einer pari-Emission. Für das Agio bzw. Disagio gilt: Tilungskurs Emissionskurs Agio bzw. Disagio Tilgungskurs Der Tilgungskurs ist der Betrag, den der Emittent zum Tilgungstermin zurückzahlt. Die Tilgung kann zum Nennwert oder über dem Nennwert (über-pari-Tilgung) erfolgen, wobei letztere Variante für den Anleihenkäufer eine zusätzliche Ertragskomponente darstellt. Ein Tilgungs-Agio ist bei Anleihen häufig dann anzutreffen, wenn der Schuldner berechtigt ist, bereits vor Ende des Rückzahlungstermins Tilgungszahlungen vorzunehmen oder das gesamte Kapital vorzeitig zurückzuzahlen. Der Nominalwert oder Nennwert (Nominal Value, Face Value, Par Value) ist der Wert, auf den sich die monetären Rechte (Zins- und Tilgungsleistungen) aus dem Besitz der Anleihe beziehen. Dieser ist vom Kurswert der Anleihe zu unterscheiden, der sich auf dem Sekundärmarkt ergibt, und über oder unter dem Nennwert liegen kann. Der Nominalzins, bei Anleihen auch als Kupon (Coupon Payment) bezeichnet, definiert den Anteil am Nennwert, den der Inhaber der Anleihe regelmäßig während der Laufzeit zu den festgelegten Kuponterminen als nachschüssige Zahlungen erhält. Dabei kann der Nominalzins über die Laufzeit konstant sein, einer im Voraus festgesetzten Zinsstaffel unterliegen (Step-up- und Step-down-Anleihen) oder wie bei Anleihen mit variabler Verzinsung (Floating Rate Notes, FRN) an eine zeitvariable Referenzgröße (z.B. EURIBOR) gekoppelt sein und mit Zinsbegrenzungen nach oben (Cap), nach unten (Floor) oder auch in beide Richtungen (Collar) ausgestattet sein können. Bei Reverse Floatern entwickelt sich die Verzinsung entgegengesetzt zum zugrundeliegenden Basiszins. In Hinblick auf die Fälligkeit der Zinszahlungen sind die laufende Zinszahlung (jährlich oder halbjährlich) und die einmalige Zinszahlung in einem Betrag am Fälligkeitstermin der Anleihe zu unterscheiden. Da bei der zweiten Variante keine laufenden Zinszahlungen geleistet werden, spricht man von Nullkupon-Anleihen (Zero Bonds). Da Anleihen mit unterschiedlichen Nennwerten ausgestattet sein können, erfolgt die Notierung an den Märkten in der Regel in Prozent des Nennwertes. Damit werden die Preise unmittelbar vergleichbar. Anleihen können mit Kündigungsrechten ausgestattet sein. Hat der Emittent das Recht, die Anleihen vor Ablauf der regulären Laufzeit zu kündigen und seine Schuld zurückzuzahlen, spricht man von Callable Bonds. Er wird von dieser Option Gebrauch machen, wenn die Zinsen auf dem Anleihemarkt gesunken sind und er die hochverzinslichen Anleihen durch die Ausgabe neuer Anleihen mit einem niedrigeren Zinssatz ersetzen kann. Da für den Kapitalgeber eine vorzeitige Kündigung ein Risiko <?page no="157"?> 6.3 Anleihen 157 darstellt, wird dieser in der Regel mit höheren Kuponzahlungen entschädigt. Bei Putable Bonds hat der Schuldner das Recht, eine vorzeitige Rückzahlung der Anleihe zu verlangen. Die Rückzahlung einer Anleihe erfolgt in der Regel bei Fälligkeit, sie kann jedoch auch vorgezogen werden und mittels jährlicher Rückzahlung bzw. Rückzahlung im Losverfahren erfolgen. In diesem Falle wird ein bestimmter Prozentsatz der ausgegebenen Anleihen nach dem Zufallsprinzip ausgelost und komplett zurückbezahlt. Dieses Verfahren kann für den Anleger sowohl positiv als auch negativ sein, je nachdem, ob die entgangene Rendite für die Restlaufzeit der Anleihe über oder unter dem aktuellen Zinsniveau auf dem Kapitalmarkt liegt. Zur Bewertung von Anleihen werden folgende Notationen verwendet: Nennwert (Nominalwert) der Anleihe Kuponrate Kupon (Nominalverzinsung) (Markt-)Zinssatz (synonym verwendet werden Rendite, effektiver Jahreszinssatz, Yield to Maturity) Spot-Rate von heute bis t, 1, , t n / Marktzinssatz pro Periode Kuponperioden pro Jahr, Anzahl der unterjährlichen Zahlungsperioden pro Jahr Laufzeit in Jahren Laufindex in Jahren, 1, 2, , t n Preis der Anleihe Teilperiode (eines Jahres oder halben Jahres) Portfoliorendite Duration Modified Duration Konvexität 6.3.2 Bewertung von Nullkupon-Anleihen Nullkupon-Anleihen, auch Zero Bonds genannt, sind Anleihen ohne laufende Zinszahlung (Kuponzahlung). Die Rückzahlung der Anleihe erfolgt am Ende der Laufzeit einschließlich der Zinsen und Zinseszinsen. Man unterscheidet zwischen Abzinsungsanleihen (auch echte Nullkupon-Anleihen genannt), die unter pari emittiert werden und zum Nennwert zurückgezahlt werden, und Aufzinsungsanleihen (unechte Nullkupon-Anleihen), die zum Nennwert ausgegeben und zu einem höheren Tilgungskurs zurückgezahlt werden. Wirtschaftlich besteht zwischen beiden Formen kein Unterschied. Nullkupon-Anleihen bieten für den Emittenten den Vorteil, dass während der Laufzeit der Anleihe keine Zinsen zu zahlen sind und sich dadurch für das Unternehmen während dieser Zeit die Liquidität erhöht. Aus diesem Grund sind auch die Verwaltungskosten (z.B. Kosten für die Überweisung von Zinszahlungen) niedriger. <?page no="158"?> 158 6 Zinsinstrumente Für den Zeichner einer Nullkupon-Anleihe ergibt sich der Ertrag aus der Differenz zwischen Emissionskurs und Tilgungskurs bzw. zwischen Kauf- und Verkaufskurs, wenn die Anleihe am Sekundärmarkt erworben wird. Zudem entfällt das Wiederanlagerisiko der Kuponzahlungen, welches sich aus der Unsicherheit über die Entwicklung der zukünftigen Marktzinsen ergibt. Die Bewertung von Nullkupon-Anleihen erfolgt durch Diskontierung des Nennwertes mit dem Marktzinssatz (Marktrendite) vergleichbarer Anleihen (gleiche Laufzeit und vergleichbares Bonitätsrisiko) auf den Bewertungszeitpunkt. Damit erhält man den Preis (Kurs) einer echten Nullkupon-Anleihe in = 0 zu 1 n M P r . Erfolgen wie beispielsweise in den USA die Kupons einer Kuponanleihe halbjährlich, dann muss dieser Sachverhalt bei der Bewertung einer Nullkupon-Anleihe ebenfalls berücksichtigt werden. Nach Anpassung der Marktrendite und der Laufzeit erhält man: 2 1 / 2 n M P r . Ist eine Teilperiode zu berücksichtigen, dann muss der Nennwert über 1 + Jahre bzw. bei halbjährlicher Kuponzahlung über 2 1 + Perioden diskontiert werden, wobei eine Teilperiode eines Jahres bzw. eines Halbjahres ist. Beispiel 6.4 Ein Industrieunternehmen beabsichtigt die Aufnahme von Fremdkapital durch die Emission börsengehandelter Nullkupon-Anleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren. Die Kapitalmarktrendite vergleichbarer Anleihen (gleiche Risikoklasse und Laufzeit) betrage 5%. Emissionskosten bleiben unberücksichtigt. a) Welchen Ausgabekurs kann der Emittent maximal verlangen, wenn er in den Anleihebedingungen verspricht, in 10 Jahren den Nennwert der Anleihe von 100 Euro zurückzuzahlen? b) Wie hoch ist die Effektivverzinsung aus Sicht des Unternehmens, wenn die Emissionskosten (Konsortialprovision, Börseneinführungsprovision, Börsenzulassungsgebühren, Druckkosten, Kosten der Sicherheitenbestellung) 2% vom Nominalwert der Anleihe betragen? c) Welche Rendite erzielt ein Investor, der die Anleihe zum Ausgabekurs kauft und 5 Jahre später bei einer erwarteten Kapitalmarktrendite von 7% verkauft? d) Wie hoch sind die Zinsen, die das Unternehmen über die gesamte Laufzeit der Anleihe zahlen muss? Lösung zu a) Der Emissionskurs berechnet sich zu 10 100 61, 39 1, 05 P . <?page no="159"?> 6.3 Anleihen 159 Lösung zu b) Zur Berechnung des effektiven Zinssatzes aus Sicht des Unternehmens muss der vereinnahmte Nettobetrag (Anleihekurs abzüglich der Emissionskosten) dem Barwert der künftigen Zahlungen gegenübergestellt werden. 10 100 61, 39 100 0, 02 (1 ) r Daraus ergibt sich ein effektiver Jahreszinssatz von 5,35%. Lösung zu c) Nach 5 Jahren beträgt die Restlaufzeit der Anleihe noch 5 Jahre. Der Nennwert muss demnach über 5 Jahre mit dem neuen Marktzins von 7% diskontiert werden. Der Investor kann einen Kurs von 71,30 Euro erwarten. 5 100 71, 30 1, 07 P Die Rendite des Investors beträgt dann 1 5 71, 30 1 3, 04% 61, 39 r . Lösung zu d) Die vom Unternehmen zu zahlenden Zinsen Z pro Anleihe ergeben sich aus der Differenz zwischen Nennwert der Anleihe und Emissionskurs. 100 61, 39 38, 61 Z Bild 6.5 Kursverlauf einer Nullkupon-Anleihe mit einem Nennwert von 100 als Funktion der Laufzeit bei einem Marktzinssatz von 5% (Beispiel 6.4) Excel-Umsetzung Der Kurs der Nullkupon-Anleihe, der Effektivzinssatz des emittierenden Unternehmens sowie die Rendite des Investors werden hier mit den oben beschriebenen Formeln berechnet. Bei der Berechnung des effektiven Zinssatzes ist zu beachten ist, dass der Quotient aus Nennwert und Emissionskurs (im Emissionskurs sind die Emissionskosten berücksichtigt) nicht negativ wird. Dies wird durch den Einbau einer WENN- Funktion bewerkstelligt. <?page no="160"?> 160 6 Zinsinstrumente Position Inhalt Excel-Umsetzung E14 Emissionskurs der Nullkupon-Anleihe =E6/ (1+E9)^(E7) E15 Effektivzinssatz des Unternehmens =WENN(E6/ (E14-E10*E6)<0; "N/ A"; (E6/ (E14-E10*E6))^(1/ E7)-1) E16 Effektivzinssatz des Unternehmens mit IKV-Funktion =IKV(E23: E33) E17 Kurs am Ende des Anlagehorizonts =E6/ (1+E12)^(E7-E11) E18 Rendite des Investors =(E17/ E14)^(1/ E11)-1 E19 vom Unternehmen zu zahlende Zinsen =E6-E14 <?page no="161"?> 6.3 Anleihen 161 Bild 6.6 Berechnung des Emissionskurses, des Effektivzinssatzes des Emittenten, der Investorenrendite und der Zinsbelastung des Unternehmens einer Nullkupon-Anleihe (Beispiel 6.4) 6.3.3 Bewertung von Kuponanleihen bei flacher Zinsstruktur Die Bewertung von Kuponanleihen dient der Feststellung eines marktgerechten Ausgabekurses vor der Emission und der Ermittlung von angemessenen Kauf- und Verkaufskursen für börsengehandelte Papiere. Analysiert und bewertet wird die weltweit gängigste Form von Anleihen, eine endfällige Anleihe, die einen fixen Zinssatz (Kupon) aufweist und am Laufzeitende vom Emittenten durch die Rückzahlung des Nennwertes getilgt wird (Straight Bond, Plain Vanilla Bond). Anleihen verbriefen einen Anspruch auf zukünftige Zahlungen in Form von Zins- und Tilgungszahlungen. Zur Bewertung dieses Zahlungsstroms wird das Barwertkonzept angewendet, d.h., es werden alle künftigen Zahlungen mit einem geeigneten Zinssatz auf den Betrachtungszeitpunkt diskontiert. Dadurch kommt zum Ausdruck, dass Zahlungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten auch ein unterschiedlicher Wert beizumessen ist. Prinzipiell gilt, dass Anleihen eine ihrem Risiko entsprechende Verzinsung erwirtschaften sollen. Demnach sind für Anleihen mit hohem (niedrigerem) Risiko auch höhere (niedrigere) Zinssätze heranzuziehen. Unter den Prämissen, dass die zukünftigen Cash Flows sicher sind, der risikoadäquate Marktzinssatz bekannt ist und für unterschiedliche Fristigkeiten gleiche Zinssätze gelten (flache Zinsstruktur) gelten, dann ergibt sich der Preis einer Anleihe unmittelbar nach einem Kupontermin (glatte Restlaufzeit) in = 0 zu: 2 1 1 1 1 1 1 1 n n n t n t C C C M C M P r r r r r r Da die Kuponzahlungen als nachschüssige Rentenzahlungen interpretiert werden können, kann man auch schreiben: 1 1 1 1 n n n r M P C r r r Dabei stellt der erste Term der Bewertungsgleichung den Barwert der Kuponzahlungen dar und der zweite den Barwert des Nennwertes. Formt man die Gleichung etwas um, 1 1 1 1 n n r P C M r r erkennt man, dass alle Kuponzahlungen zur gegenwärtigen Marktrendite reinvestiert werden. Ist = 0, erhält man die Bewertungsformel für Nullkupon-Anleihen. An ausländischen Anleihemärkten wie beispielsweise in Großbritannien und den USA erfolgen die Kuponzahlung halbjährlich ( = 2 ). Der Preis einer Anleihe zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist dann: <?page no="162"?> 162 6 Zinsinstrumente 2 2 2 2 2 1 / 2 / 2 / 2 / 2 1 / 2 1 / 2 1 / 2 1 / 2 1 / 2 1 / 2 n n n t n t C C C M C M P r r r r r r Usance auf den Anleihemärkten ist es, den Jahreszinssatz in den Periodenzinssatz / 2 umzuformen. Daraus ergibt sich bei gegebenem Preis ein effektiver Zinssatz , der größer ist als der nominelle Jahreszinssatz. Aus der Gleichung 2 2 2 / 2 / 2 / 2 1 / 2 1 / 2 1 / 2 1 / 2 n n C C C M P r r r r erhält man zunächst den effektiven Halbjahreszinssatz / 2 , der dann mit 2 1 / 2 1 r r in den effektiven Jahreszinssatz umgerechnet wird. Beispiel 6.5 Ein Unternehmen begibt eine endfällige Kuponanleihe mit einem Nominalbetrag von 10.000.000 Euro. Die Laufzeit beträgt 10 Jahre, die Kuponrate (Nominalzinssatz) 6% p.a. bei jährlicher Kuponzahlung. Der Emissionskurs wird mit 98,5% festgelegt, der Tilgungskurs beträgt 100%. Bei der Emission der Anleihe fallen 2,5% des Nominalwertes an Emissionskosten an, während der Laufzeit werden jährlich für die Abwicklung der Kuponzahlungen 5.000 Euro fällig. Es sollen der Tilgungsplan für den Emittenten aufgestellt und der effektive Zinssatz berechnet werden. Der durch die Emission vereinnahmte Betrag (Emissionserlös) ist 10.000.000 0,985 = 9.850.000 Euro. Für den Emittenten ergibt sich folgender Tilgungsplan (in Tsd. Euro) Laufzeit Emissionserlös Zinsen Tilgung Kosten Restschuld Zahlungsstrom 0 9.850 250 10.000 9.600 1 600 5 10.000 -605 2 600 5 10.000 -605 … … … … … … … 9 600 5 10.000 -605 10 600 10.000 5 0 -10.605 Bild 6.7 Tilgungsplan für den Emittenten einer endfälligen Kuponanleihe (Beispiel 6.5) Aus der Äquivalenzgleichung (der vereinnahmte Nettobetrag muss gleich dem Barwert der zukünftigen Auszahlungen sein) 10 10 10 1 1 10.000 10.000 0, 985 10.000 0, 025 605 1 1 r r r r kann mittels eines Näherungsverfahrens der effektive Jahreszinssatz berechnet werden. Er beträgt 6,61%. <?page no="163"?> 6.3 Anleihen 163 Excel-Umsetzung Der effektive Jahreszinssatz für das emittierende Unternehmen wird aus dem Zahlungsstrom mit der Excel-Funktion IKV() berechnet und beträgt 6,61%. Position Inhalt Excel-Umsetzung F14 Emissionserlös =F6*F7 F15 Effektiver Jahreszinssatz des Emittenten =IKV(H20: H30) C20 Emissionserlös =F14 F20 Emissionskosten und laufende Kosten =$F$6*$F$11 G20 Restschuld =$F$6 H20 Zahlungsstrom =C20-F20 B21 laufendes Jahr =WENN(B20<$F$10; B20+1; "") D21 Zinsen (Kuponzahlungen) =WENN(B21=""; ""; $F$6*$F$9) F21 laufende Kosten =WENN(B21=""; ""; $F$12) G21 Restschuld =WENN(B21=""; ""; WENN(B21=$F$10; 0; $F$6)) H21 Zahlungsstrom =WENN(B21=""; ""; WENN(B21=$F$10; -($F$6+$F$6*$F$9+F12); -($F$6*$F$9+$F$12))) E30 Tilgungsbetrag =WENN(B30=""; ""; WENN(B30=$F$10; $ F$6; "")) <?page no="164"?> 164 6 Zinsinstrumente Bild 6.8 Tilgungsplan (in Tsd. Euro) und Effektivverzinsung einer endfälligen Kuponanleihe aus Sicht des Emittenten (Beispiel 6.5) Beispiel 6.6 Ein Investor zeichnet von der Anleihe in Beispiel 6.5 Teilschuldverschreibungen mit einem Nennwert von 50.000 Euro. Die Kaufspesen hierfür betragen 0,8% des gezeichneten Nennwertes. Es sollen ein Tilgungsplan für den Investor erstellt und die Rendite vor Steuern ermittelt werden. Bei einem Emissionskurs von 98,50% muss der Investor für die Anleihen 49.250 Euro bezahlen. Hinzu kommen Kaufspesen in Höhe von 400 Euro, so dass er insgesamt 49.690 Euro für das Investment zu zahlen hat. Der Forderungsstand gegenüber dem Emittenten beträgt bis zur Tilgung im 10. Jahr 50.000 Euro. Damit ergibt sich für den Investor folgender Tilgungsplan: Laufzeit Kaufpreis Kupon Tilgung Kaufspesen Forderungsstand Zahlungsstrom 0 49.250 400 50.000 -49.650 1 3.000 50.000 3.000 2 3.000 50.000 3.000 … … … … … … … 9 3.000 50.000 3.000 10 3.000 50.000 0 50.300 Bild 6.9 Tilgungsplan für den Investor einer endfälligen Kuponanleihe (Beispiel 6.6) Aus der Gleichung 10 10 10 1 1 50.000 49.650 3.000 1 1 r r r r ergibt sich für den Investor ohne Berücksichtigung von Steuern eine Rendite von aufgerundet 6,10%. <?page no="165"?> 6.3 Anleihen 165 Excel-Umsetzung Die Rendite für den Investor wird aus dem Zahlungsstrom mit der Excel-Funktion IKV() berechnet und beträgt aufgerundet 6,10%. Position Inhalt Excel-Umsetzung F14 Kaufpreis der Anleihe =F6*F7 F15 Rendite des Investors =IKV(H20: H30) C20 Kaufpreis der Anleihe =F6*F7 F20 Kaufspesen =F6*F12 G20 Forderungsstand =F6 H20 Zahlungsstrom =-(C20+F20) B21 laufendes Jahr =WENN(B20<$F$10; B20+1; "") D21 Kuponzahlung =WENN(B21=""; ""; $F$6*$F$9) G21 Forderungsstand =WENN(B21=""; ""; WENN(B21=$F$10; 0; $F$6) H21 Zahlungsstrom =WENN(B21=""; ""; WENN(B21=$F$10; D21+E21; D21)) E30 Tilgung =WENN(B30=$F$10; $F$6; "") <?page no="166"?> 166 6 Zinsinstrumente Bild 6.10 Tilgungsplan und Rendite einer endfälligen Kuponanleihe aus Sicht des Investors (Beispiel 6.6) In der Regel wird die (Rest-)Laufzeit von Anleihen nicht ganzzahlig sein, was immer dann zutrifft, wenn eine Anleihe zwischen zwei Kuponterminen gekauft wird. In diesem Falle ist eine Teilperiode vorhanden, die abhängig von m (Anzahl der Kuponzahlungen pro Jahr) Teil eines Jahres oder einer anderen Periode ist. Zudem müssen die aufgelaufenen Stückzinsen berücksichtigt werden, die der Käufer der Anleihe dem Verkäufer zu vergüten hat. Sei die Teilperiode vom Abrechnungstag (Valutatag) bis zur nächsten Kuponzahlung angegeben in Jahren und n die Anzahl der Jahre von der letzten Kuponzahlung bis zur Fälligkeit, dann lässt sich die (Rest-)Laufzeit darstellen als 1 + , mit 0 < < 1 . Damit erhält man den Preis der Anleihe bei jährlicher Kuponzahlung als 1 1 1 1 1 + 1 1 1 1 1 n t n t n t C C C M C M P r r r r r . Da die Kuponzahlungen als nachschüssige Rentenzahlungen aufgefasst werden können, kann man auch schreiben: 1 1 1 1 1 1 n n n r M P C r r r Bei den Formeln ist zu beachten, dass n eine ganzzahlige Größe darstellt. Für die Bewertung einer Anleihe zwischen zwei Kuponterminen ist die tatsächliche Restlaufzeit n‘ auf die nächsthöhere ganze Zahl ( = ) aufzurunden und liegt zwischen 0 und 1. So bedeutet beispielsweise eine Restlaufzeit von 5,25 Jahren, dass in der Gleichung = 6 (n ist die Anzahl der Jahre zwischen der letzten Kuponzahlung und dem Fälligkeitstermin, was gleichbedeutend ist mit der Anzahl der noch verbleibenden Kuponzahlungen) und = 0,25 Jahre gesetzt wird. Zur Diskontierung der Teilperiode bieten sich zwei Möglichkeiten an, lineare Diskontierung oder exponentielle Diskontierung. Nach dem Standard der ISMA (International Securities Market Association) wird die Teilperiode exponentiell diskontiert, was zu einem etwas höherem Preis führt als die lineare Diskontierung. Der mit den oben dargestellten Formeln berechnete Preis stellt den Preis inklusive der aufgelaufenen Stückzinsen (Accrued Interest) dar und wird als Full Price oder Dirty Price, , bezeichnet. Die dem Verkäufer der Anleihe zustehenden Stückzinsen berechnen sich wie folgt: 1 Aufgelaufene Stückzinsen C Dabei ist 1 die Anzahl der Tage von der letzten Kuponzahlung bis zum Abrechnungstag dividiert durch die Tage in der Kuponperiode. <?page no="167"?> 6.3 Anleihen 167 Werden vom Dirty Price die aufgelaufenen Stückzinsen abgezogen, erhält man den Preis ohne Kuponanteil, den Clean Price, , der auch als börsennotierter Nettokurs bezeichnet wird. clean dirty P P aufgelaufene Stückzinsen Es sei noch darauf hingewiesen, dass die Stückzinsen auch exponentiell ermittelt werden können. In der Praxis wird jedoch immer die oben aufgezeigte lineare Berechnung der Stückzinsen in Ansatz gebracht. Die meisten Anleihen werden ohne Stückzinsen notiert, um Kursschwankungen zu vermeiden, die lediglich auf die Stückzinsenproblematik zurückzuführen sind. Erfolgen die Kuponzahlungen halbjährlich, müssen der Kupon, die Laufzeit und die Marktrendite angepasst werden. Man erhält für den Preis der Anleihe: 2 1 2 1 1 2 1 1 / 2 / 2 / 2 / 2 + 1 / 2 1 / 2 1 / 2 1 / 2 1 n t n t n t C C C M C M P r r r r r bzw. 2 2 1 2 1 1 / 2 1 / 2 / 2 1 / 2 1 / 2 n n n r M P C r r r Es ist zu beachten, dass hier Teilperiode eines halben Jahres ist. Beispiel 6.7 Folgende Daten einer Anleihe Emission sind gegeben: Emissionsvolumen 100.000.000 Euro Nennwert 100 Euro je Teilschuldverschreibung Kuponrate 5% per annum Emissionskosten 2,5% des Emissionsvolumens laufende Kosten 0,12% des Emissionsvolumens pro Jahr Emissionsdatum 1.1.2015 Rückzahlung 31.12.2024 Kuponzahlung halbjährlich (jeweils am 31.12 und am 1.6.) Kapitalmarktrendite 5,25% a) Zunächst soll der Ausgabekurs der Anleihe berechnet werden. b) Wie hoch ist der Emissionserlös nach Abzug der Emissionskosten? c) Wie groß ist der effektive Jahreszinssatz des Emittenten? Die Laufzeit der Anleihe beträgt 10 Jahre oder 20 Halbjahresperioden. Die Emissionskosten belaufen sich auf 2.5 Mio. Euro, die laufenden Kosten (Abwicklung der Kuponzahlungen) betragen 50.000 Euro je Halbjahresperiode. Lösung zu a) Der Ausgabekurs berechnet sich zu 20 20 20 1, 02625 1 100 2,5 98, 07 0, 02625 1, 02625 1.02625 P . <?page no="168"?> 168 6 Zinsinstrumente Lösung zu b) Emissionserlös 1.000.000 98, 07 2.500.000 95.570.000 95.570.000 Emissionserlös pro Anleihe 95,57 1.000.000 Lösung zu c) Der effektive Halbjahreszinssatz errechnet sich mit einem Näherungsverfahren aus der Gleichung 20 20 20 1 / 2 1 100 95,57 2, 62 / 2 1 / 2 1 / 2 r r r r . Daraus ergibt sich ein effektiver Halbjahreszinssatz von / 2 = 2,92% Der effektive Jahreszinssatz beträgt dann 2 1, 0292 1 5, 92% r . Excel-Umsetzung Zunächst wird die Laufzeit in Jahren berechnet. Mit der Excel-Funktion Tage360() wird die Laufzeit in Tagen ermittelt. Dividiert man diese mit 360, erhält man die Laufzeit in Jahren. Dabei wird die Tageszählkonvention 30/ 360 zugrunde gelegt. Multipliziert man die Laufzeit in Jahren mit der Anzahl der Kuponzahlungen pro Jahr (hier zwei pro Jahr), erhält man die Anzahl der für die Kursbestimmung relevanten Perioden (Halbjahresperioden). Zur Bestimmung des Emissionskurses wird der Barwert der einzelnen Cash Flows (laufende Kuponzahlungen und Nennwert am Ende Laufzeit) bestimmt. Die Summe dieser Barwerte ergibt den Emissionspreis der Anleihe. Der Kurs kann auch mit der Excel-Funktion KURS() ermittelt werden und wird pro 100 Euro Nennwert der Anleihe zurückgegeben. Aus dem Zahlungsstrom, der die Emissionskosten sowie die laufenden Kosten berücksichtigt, wird zunächst der effektive Halbjahreszinssatz ermittelt, der dann auf bekannte Art und Weise in einen Jahreszinssatz hochgerechnet wird. Position Inhalt Excel-Umsetzung F19 Anzahl der Jahre =TAGE360(F12; F13)/ F14 F20 Anzahl der Halbjahresperioden =F19*F16 F22 Emissionskurs =SUMME(D32: D51) F23 Emissionskurs mit Excel-Funktion =(KURS(F12; F13; F9; F17; 100; F16; 4)) F24 Emissionserlös =F7/ F8*ABRUNDEN(F22; 2)-F7*F10 F25 Emissionserlös pro Anleihe =F22-F8*F10 F26 effektiver Halbjahreszinssatz =IKV(F31: F51 F27 effektiver Jahreszinssatz =(1+F25)^F16-1 <?page no="169"?> 6.3 Anleihen 169 E32 Emissionskosten =F8*F10 F32 Emissionserlös pro Anleihe =SUMME(D33: D52)-E32 B33 Laufende Periode =WENN(B32<$F$20; B32+1; "") C33 Kuponzahlung =WENN(B33=""; ""; WENN(B33=$F$20; $F$8*$F$9/ I17; $F$8*$F$9/ $F$16)) D33 Barwert der Kuponzahlung =WENN(B33=""; ""; C33/ (1+$F$17/ $F$ 16)^B33) E33 Laufende Kosten =WENN(B33=""; ""; $F$8*$F$11) F33 Zahlungsstrom =WENN(B33=""; ""; -(C33+E33)) <?page no="170"?> 170 6 Zinsinstrumente Bild 6.11 Emissionskurs und Effektivverzinsung des Emittenten einer Anleihe bei halbjährlicher Kuponzahlung (Beispiel 6.7) Beispiel 6.8 Ein Investor kauft am 15.5.2016 (Abrechnungstag) von der Anleihe aus Beispiel 6.7 Teilschuldverschreibungen mit einem Nominalwert von 20.000 Euro am Sekundärmarkt und hält sie bis zur Fälligkeit am 31.12.2024. Die Kapitalmarktrendite vergleichbarer Anleihen zum Kaufzeitpunkt beträgt 4,75% p.a. Die Bank verrechnet Kaufspesen von 0,8% des Nennwertes der Anleihe. a) Es sollen der Kaufkurs inklusive Stückzinsen (dirty price) und der börsennotierte Nettokurs (clean price) berechnet werden. b) Welche Rendite erzielt der Investor, wenn er die Anleihe am 15.5.2016 kauft und bis zur Endfälligkeit hält? Lösung zu a) Da keine glatte Restlaufzeit vorliegt, ist eine Teilperiode zu berücksichtigen. Die Restlaufzeit beträgt 8 Jahre und 225 Tage (8,625 Jahre) bzw. 17,25 Halbjahresperioden. Mit = 18 und der Teilperiode = 45/ 180 = 0,25 einer Halbjahresperiode erhält man den Kaufpreis (inklusive Stückzinsen) zu 18 17,25 17,25 1, 02375 1 100 2, 5 103, 62 0, 02375 1, 02374 1, 02375 P Die aufgelaufenen Stückzinsen betragen 2,5 (1 0,25) = 1,88 . Damit erhält man den börsennotierten Nettokurs zu 103, 62 1,88 101, 74 P . Lösung zu b) Die Halbjahresrendite erhält man aus der nachfolgenden Gleichung, die dem investierten Betrag den Barwert der zukünftigen Zahlungen gegenüberstellt. 18 17,25 17,25 1 / 2 1 100 104, 42 2, 5 / 2 1 / 2 1 / 2 r r r r bzw. 18 17,25 17,25 1 / 2 1 100 104, 42 2, 5 0 / 2 1 / 2 1 / 2 r r r r Die Rendite r soll nun mit linearer Interpolation ermittelt werden. Dabei muss der erste Zinssatz so gewählt werden, dass sich ein positiver NPV (Kapitalwert) ergibt, <?page no="171"?> 6.3 Anleihen 171 während der zweite Zinssatz einen negativen NPV ergeben muss. Die Approximation wird umso genauer, je näher die beiden Versuchszinsätze zusammenliegen. Wählt man einen Halbjahreszinssatz / 2 = 2,2% , ergibt sich ein NPV (Kapitalwert) von 1,471. Dieser Zinssatz ist zulässig, da der NPV positiv ist. Wählt man als zweiten Halbjahreszinssatz 2 / 2 2, 4% r , erhält man einen NPV von -1,154. Auch dieser Zinssatz kann verwendet werden, da der NPV negativ ist. Mit der Interpolations-Formel 2 1 1 1 1 2 / 2 / 2 ( / 2) / 2 / 2 ( / 2) ( / 2 r r NPV r r r NPV r NPV r erhält man dann die Halbjahresrendite zu 2, 4 2, 2 1, 471 / 2 2, 2% 2, 31% 1, 471 1,154 r . Damit beträgt die Jahresrendite annähernd 2 (1, 023121) 1 4, 6776% r oder aufgerundet 4,68%. Excel-Umsetzung Zur Bestimmung des Kurses der Anleihe werden alle Cash Flows (die halbjährlichen Kuponzahlungen und der Nennwert der Anleihe) mit der Kapitalmarktrendite r/ 2 auf den Bewertungszeitpunkt diskontiert. Die Summe der diskontierten Zahlungen ergibt den Preis der Anleihe (dirty price). Der börsennotierte Nettokurs (clean price) kann durch Abzug der Stückzinsen vom dirty price ermittelt werden oder mit der Excel-Funktion KURS(). Die Berechnung der aufgelaufenen Stückzinsen erfolgt durch Gewichtung des Halbjahreskupons mit 1 , der Anzahl der Tage von der letzten Kuponzahlung geteilt durch die Anzahl der Tage in der Kuponperiode. Zieht man die Stückzinsen vom dirty price ab, erhält man den clean price, der dem börsennotierten Nettokurs entspricht. Bei der Ermittlung des Zahlungsstroms, der zur Berechnung der Rendite dient, ist zu beachten, dass sich die anfängliche Investition in die Anleihe aus dem gegenwärtigen Kurs inklusive der Stückzinsen (dirty price) und den Kaufspesen zusammensetzt. Die Berechnung der Rendite erfolgt mit der Excel-Funktion XINTZINSFUSS(), die der Funktion IKV() gleicht. Im Gegensatz zu IKV() bewertet diese unregelmäßige Zahlungen (der Zeitabstand und die Höhe der Zahlungen können variieren) und greift auf das Datum der Zahlungen zurück. Das Ergebnis ist ein Jahreszinssatz, ein Effektivzinssatz mit der Definition actual/ 365 und exponentieller Zinsberechnung. Es ergibt sich hier eine geringfügige Abweichung, da im Beispiel die Tageszählkonvention 30/ 360 zugrunde gelegt wird. Position Inhalt Excel-Umsetzung G18 Restlaufzeit in Jahren =TAGE360(G9; G10; WAHR)/ G11 G19 Restlaufzeit in Halbjahresperioden =G18*G14 G20 Tage vom Kauf (Abrechnungstag) bis zum nächsten Zinstermin =G18*G14 <?page no="172"?> 172 6 Zinsinstrumente G21 Tage vom Kauf (Abrechnungstag) bis zum nächsten Zinstermin mit Excel-Funktion =ZINSTERMTAGNZ (G9; G10; G14; 4) G22 Tage von der letzten Kuponzahlung bis Kauftag (Abrechnungstag) =G12-G21 G23 Tage von der letzten Kuponzahlung bis Kauftag (Abrechnungstag) mit Excel-Funktion =ZINSTERMTAGVA (G9; G10; G14; 4) G25 Kaufpreis (dirty price) der Anleihe =SUMME(E35: E52) G26 aufgelaufene Stückzinsen =G7*G8/ G14*G22/ G12 G27 Nettokurs (clean price) =G25-G26 G28 Nettokurs (clean price) mit Excel- Funktion =KURS(G9; G10; G8; G16; 100; 2; 4) G29 Investoren-Rendite =XINTZINSFUSS(G34: G52; B34: B52) B34 Datum =DATUM(2016; 5; 15) F34 Kaufspesen =G15*G7 F35 Zahlungsstrom =-(G25+F34) B35 Datum =DATUM(2016; 6; 30) C35 Halbjahresperiode =$G$20/ $G$12 D35 Halbjahreskupon =$G$7*$G$8/ G14 E35 Barwert des Halbjahreskupons =D35/ (1+$G$16/ $G$14)^C35 G35 Zahlungsstrom =D35 B36 Datum mit Abbruchfunktion =WENN(B36<DATUM(2024; 12; 31); DATUM(JAHR(B35); MONAT(B35) +$G$13; TAG(B35)); "") <?page no="173"?> 6.3 Anleihen 173 Bild 6.12 Berechnung des Börsenkurses, der Stückzinsen und der Rendite aus Investoren-Sicht (Beispiel 6.8) 6.3.4 Bewertung von Kuponanleihen unter Berücksichtigung der Zinsstruktur Bis jetzt wurden bei der Bewertung von Anleihen alle zukünftigen Zahlungen mit dem gleichen Zinssatz diskontiert. Da jedoch in der Realität für unterschiedliche Laufzeiten auch unterschiedliche Zinssätze vergütet werden, muss dieser Sachverhalt auch bei der Bewertung berücksichtigt werden. Die unterschiedlichen Zinssätze in Abhängigkeit von der Laufzeit finden ihren Ausdruck in der Zinsstruktur, deren graphische Veranschaulichung Zinskurve oder Zinsstrukturkurve genannt wird. Erklärungsversuche, warum die Höhe des Zinssatzes von der Laufzeit bzw. der Bindungsdauer abhängig ist, findet man bei den sogenannten Zinsstrukturhypothesen (Erwartungshypothese, Liquiditätspräferenzhypothese und Marktsegmentierungshypothese), auf die hier nicht weiter eingegangen wird. Zinskurven können verschiedene Ausformungen haben. Bei einem horizontalen Verlauf sind die Zinssätze in den Laufzeitsegmenten annähernd gleich und man spricht dann von einer flachen Zinskurve (Flat Yield Curve). Geht man von der Annahme aus, dass der Markt eine Liquiditäts- und Risikoprämie zahlt, bedeutet dies, dass fallende Zinsen erwartet werden. Bei steigender Kurve, auch als normale Zinskurve genannt (Normal Yield Curve), werden für längere Bindungsdauern höhere Zinssätze bezahlt. Das kann Ausdruck dafür sein, dass der Markt in Zukunft höhere Zinsen erwartet. Eine längere Bindungsdauer wird in der Regel mit einer höheren Liquiditäts- und Risikoprämie abgegolten. Werden für längere Laufzeiten niedrigere Zinsen bezahlt als <?page no="174"?> 174 6 Zinsinstrumente für kürzere, spricht man von einer fallenden Zinskurve ( inverted yield curve). Eine buckelige Zinskurve liegt vor, wenn die Kurve zunächst steigt und nach einer gewissen Laufzeit in eine fallende übergeht. Im Folgenden soll die Bewertung von Anleihen anhand einer normalen Zinsstruktur demonstriert werden. Liegt eine normale Zinsstruktur vor, dann müssen die jeweiligen Zahlungen der Anleihe mit den fristigkeitsäquivalenten (periodenbezogenen) Kassazinssätzen, den sogenannten Spot Rates, diskontiert werden. Bezeichnet man mit den Jahreszinssatz (spot rate), der für eine Anlage von heute ( = 0) bis t, mit = 1, 2, … , , gezahlt wird, dann kann der Preis einer Anleihe durch folgenden Barwertansatz ermittelt werden: 2 1 1 2 + 1 1 1 1 1 n n t n t n t n C C C M C M P s s s s s Bei Anleihen mit Halbjahreskupon ermittelt sich der Preis durch Diskontierung der Kupon- und Tilgungszahlungen mit der in den zukünftigen Halbjahresperioden geltenden Spot-Rate. Beispiel 6.9 Für eine Anleihe mit einer Restlaufzeit von 5 Jahren und einem jährlichen Kupon von 4% soll der Preis und der effektive Zinssatz für den ermittelten Preis berechnet werden. Am Markt wird die folgende hypothetische Zinsstruktur beobachtet (vgl. Bild 6.13): 1 2 3 4 5 2%, s 2,5%, s 2,8%, s 3, 0%, s 3,1% s Für die Anleihe ergibt sich ein Preis von 2 3 4 5 4 4 4 4 104 104, 24 1, 02 1, 025 1, 028 1, 030 1, 031 P Für den Preis von 104,24 ergibt sich der effektive Jahreszinssatz r aus der Gleichung 2 3 4 5 4 4 4 4 104 104, 24 1 1 1 1 1 r r r r r zu 3,07%. Dieser effektive Zinssatz entspricht der Rendite oder Yield to Maturity und stellt einen Durchschnittszinssatz dar. Die Zinsstruktur geht damit verloren und sie wird nunmehr durch einen einzigen Zinssatz beschrieben. Bild 6.13 Verlauf der Spot-Rate-Kurve (Beispiel 6.9) 1,00% 1,50% 2,00% 2,50% 3,00% 3,50% 0 1 2 3 4 5 6 Spot Rates Laufzeit <?page no="175"?> 6.3 Anleihen 175 Excel-Umsetzung Zur Ermittlung des Preises werden die Kuponzahlungen und der Nennwert am Laufzeitende mit den periodengerechten Kassazinssätzen (Spot Rates) diskontiert und aufsummiert. Der effektive Jahreszinssatz wird mit der Excel-Funktion IKV() aus dem Zahlungsstrom berechnet. Position Inhalt Excel-Umsetzung D17 Preis der Anleihe =SUMME(E22: E26) D18 effektiver Jahreszinssatz =IKV(F21: F26) F21 Zahlungsstrom =-D17 B22 laufendes Jahr =WENN(B21<$D$9; B21+1; "") C22 Kuponzahlung =WENN(B22=""; ""; WENN(B22=$D$9; $D$7 +$D$7*$D$8; $D$7*$D$8)) D22 Spot Rate =WENN(B22=""; ""; D11) E22 Barwert der Kuponzahlung =WENN(B22=""; ""; C22/ (1+D11)^B22) F22 Zahlungsstrom =WENN(B22=""; ""; C22) <?page no="176"?> 176 6 Zinsinstrumente Bild 6.14 Preis und Effektivzinssatz einer Kuponanleihe bei gegebenen Spot Rates (Beispiel 6.9) 6.3.5 Analyse des Barwertansatzes Aus dem Barwertansatz erkennt man unmittelbar, dass der Preis einer Anleihe als Summe aller diskontierten zukünftigen Zahlungen von den vier Größen Nennwert, Kuponrate bzw. Kuponzahlung, Marktzinssatz und (Rest-)Laufzeit abhängig ist, d.h. ( , , , ) P P M C r n . Bei der hier betrachteten Ceteris-Paribus-Analyse (unter der Voraussetzung, dass außer der betrachteten Variablen alle anderen gleichbleiben) besteht zwischen dem Preis einer Anleihe und den Kuponzahlungen bzw. dem Preis und dem Nennwert der Anleihe ein direkter Zusammenhang: Je höher der Kupon bzw. je größer der Nennwert, umso höher ist auch der Preis. Vergleicht man die Kuponrate c, wobei = / , mit dem Marktzinssatz, dann ergibt sich bei glatter Restlaufzeit folgender Zusammenhang: Ist = , dann entspricht der Preis dem Nennwert Ist > , dann liegt der Preis über dem Nennwert Ist < , dann liegt der Preis unter dem Nennwert Das folgende Beispiel, das sich wiederum auf einen Zeitpunkt unmittelbar nach einer Kuponzahlung bezieht (glatte Restlaufzeit), soll dies verdeutlichen. Betrachtet wird eine 8% Kuponanleihe mit einem Nennwert von 100 und einer Restlaufzeit von 20 Jahren. Der Preis der Anleihe bei einem Kapitalmarktzinssatz von 8% beträgt 20 20 20 1, 08 1 100 8 100 0, 08 1, 08 1, 08 P . Bei einem Kapitalmarktzinssatz von 10% ergibt sich ein Preis von 82,97. Ist die Kapitalmarktrendite 6%, erhält man einen Preis von 122,94. Da bei der betrachteten Analyse Kupon und Nennwert konstant sind, kann von ihnen keine Veränderung des Preises ausgehen. Anders hingegen verhält es sich mit der Einflussgröße Laufzeit. Wegen der sich stetig verkürzenden Restlaufzeit müssen für Preisveränderungen eintreten. Es besteht folgender Zusammenhang: Ist = , dann entspricht der Preis dem Nennwert und der Preis ändert sich im Zeitablauf nicht. Ist > , dann liegt der Preis über dem Nennwert und der Preis verringert sich im Zeitablauf stetig, bis er am Laufzeitende den Nennwert erreicht hat. Ist < , dann liegt der Preis liegt unter dem Nennwert und der Preis nimmt ständig zu, bis er am Laufzeitende den Tilgungsbetrag erreicht hat. Im obigen Beispiel wird sich bei > ( < ) der Preis von 122,94 (82,97) c.p. sukzessive bis zum Laufzeitende dem Nennwert von 100 annähern. <?page no="177"?> 6.3 Anleihen 177 Aus der Barwertanalyse und seiner Einflussfaktoren können über eine Anleihe folgende Aussagen gemacht werden: Der Marktzinssatz bewirkt gegenläufige Preisänderungen: Steigt (fällt) der Marktzinssatz, fällt (steigt) der Preis der Anleihe (vgl. Bild 6.15) Höhere Kuponzahlungen verursachen zwar eine größere Veränderung der absoluten Preise, sie dämpfen jedoch die relativen Preisänderungen: Je höher die Kuponzahlungen, desto geringer sind die relativen Preisänderungen. Die Höhe der Preisänderung ist von der Laufzeit abhängig: Je länger die (Rest-) Laufzeit, desto größer die Preisschwankungen. Bild 6.15 Preis einer 20-jährigen, 5%-Kuponanleihe als Funktion des Marktzinssatzes Die Bedeutung dieser Aussagen besteht beispielsweise für einen Portfoliomanager darin, dass er in Erwartung fallender (steigender) Marktzinsen das Portefeuille derart umschichtet, dass er Anleihen mit langen (kurzen) Laufzeiten und niedrigem (hohem) Kupon hält. Damit erzielt er bei sinkenden Marktzinsen möglichst hohe Kursgewinne und begrenzt bei steigenden Marktzinsen die Kursverluste. Ist eine Teilperiode vorhanden, dann müssen die aufgelaufenen Stückzinsen berücksichtigt werden. In Abschnitt 6.3.3 wurden diese entsprechend der Marktkonvention linear verrechnet. Der finanzmathematisch genaue Wert der über die Periode von 1 aufgelaufenen Stückzinsen ergibt sich aus folgender Überlegung: Die jährliche Kuponzahlung C kann bei gegebenem Marktzinssatz r durch Anlage eines Kapitals in Höhe von C/ r erzielt werden. Die über die Periode von 1 aufgelaufenen Stückzinsen betragen dann 1 1 1 1 1 C r C C r r r r . Stellt man die so ermittelten Stückzinsen der linearen Kuponverrechnung (ohne Berücksichtigung von Zinseszinsen bzw. ohne Berücksichtigung des geltenden Marktzinssatzes) gegenüber, dann gilt für < 1 : 1 1 1 1 C C r r Demnach werden bei linearer Kuponverrechnung zu hohe Stückzinsen verrechnet. Betrachtet man beispielsweise eine Anleihe mit einem Nennwert von 100, einem Kupon von 5 und einer Restlaufzeit von 8,25 Jahren, dann erhält man bei einem Markt- 0 25 50 75 100 125 150 0% 5% 10% 15% 20% 25% Preis Marktzinssatz <?page no="178"?> 178 6 Zinsinstrumente zinssatz von 6% und einer Teilperiode von = 0,25 bei linearer Verrechnung der Stückzinsen einen Betrag von Stückzinsen = 5 ( 1 0,25 ) = 3,75 . Unter Berücksichtigung von Zinseszinsen ergibt sich: 0,75 5 Stückzinsen 1, 06 1 3, 72 0, 06 . Die sich zwischen linearer und exponentieller Verrechnung der Stückzinsen ergebende Differenz (im Beispiel 0,03) fällt umso geringer aus, je kleiner 1 ist (Stückzinsen müssen dann nur für einen kurzen Zeitabschnitt vergütet werden), je kleiner ist (es muss nahezu der gesamte Kupon erstattet werden) und je geringer die Effektivverzinsung (Marktzinssatz) ist. 6.3.6 Renditeorientierte Beurteilung von Anleihen In der Anlagepraxis werden neben der bereits betrachteten Effktivverzinsung, auf die unten noch näher eingegangen wird, noch andere Zinssätze zur Beurteilung von Anleihen herangezogen. Die Nominalverzinsung ist der vom Emittenten versprochene Zinssatz, der in der Kuponzahlung zum Ausdruck kommt. Da der Nominalzins weder den unterschiedlichen Kapitaleinsatz noch die möglicherweise unterschiedliche Rückzahlung berücksichtigt, ist sie als Entscheidungskriterium für die Auswahl einer Anleihe eher untauglich. Der Nominalzinssatz sagt lediglich aus, wie viel Geld einem Investor jährlich oder in anderen Zeitabschnitten zufließt. Die laufende Verzinsung (Current Yield) ist der Quotient aus der Nominalverzinsung (Kupon) und dem aktuellen Preis (Kurs) der Anleihe. Kupon Laufende Verzinsung Kurs Diese Kennzahl bringt zum Ausdruck, dass eine gleiche Nominalverzinsung bzw. ein gleicher Kupon bei geringerem Kapitaleinsatz eine höhere Rendite bringen muss. Da jedoch auch hier Disagio-Gewinne oder -Verluste (Differenz zwischen Rückzahlung und Kurs) unberücksichtigt bleiben, ist die laufende Verzinsung ein sehr ungenaues Maß für die Rendite eines Wertpapiers. Das folgende Beispiel soll die Aussagekraft der Renditemaße darstellen. Beispiel 6.10 Einem Investor stehen für den Kauf zwei Anleihen gleicher Bonität und Laufzeit zur Auswahl. Es soll zunächst die laufende Verzinsung ermittelt werden. Anleihe A Anleihe B Nennwert 100 100 Nominalzinssatz (Kuponrate) 6% 4% Laufzeit in Jahren 5 5 Preis (Kurs) 104 95 <?page no="179"?> 6.3 Anleihen 179 Laufende Verzinsung ( Anleihe A ) = 6 104 = 5,77% Laufende Verzinsung ( Anleihe B ) = 4 95 = 4,21% Nach dieser Berechnung ist wegen der höheren laufenden Verzinsung Anleihe A der Anleihe B vorzuziehen. Eine genaue Berechnung des Effektivzinssatzes erfordert, dass der Nominalzinssatz (Kuponrate), der Kaufkurs, der Verkaufskurs bzw. Nennwert, die Tilgungsmodalitäten und der Zeitwert des Geldes berücksichtigt werden. Die gute Abschätzung wird mit der einfachen Effektivverzinsung (Simple Yield to Maturity) erreicht. Bei dieser Methode werden der Kupon und der Rückzahlungsgewinn linear über die Laufzeit verteilt und auf das eingesetzte Kapital bezogen. Einfache Effektivverzinsung Rückzahlung Kurs Kupon Laufzeit Kurs Für das Beispiel 6.10 erhält man folgende einfache Effektivverzinsungen: 100 104 6 5 Einfache Effektivverzinsung (Anleihe A) 5, 00% 104 100 95 4 5 Einfache Effektivverzinsung (Anleihe B) 5, 26% 95 Zieht man als Entscheidungskriterium die einfache Effektivverzinsung heran, ist Anleihe B vorzuziehen. Die einfache Effektivverzinsung kann als Annäherung für den mathematisch genau berechneten Effektivzinssatz betrachtet werden und eignet sich als Indikation für die Versuchszinssätze bei Iterationsverfahren. Der Zeitwert des Geldes wird jedoch nicht berücksichtig und bleibt auf jährliche Kuponzahlungen beschränkt. Für eine exakte Berechnung des Effektivzinssatzes muss deshalb auf die finanzmathematisch richtige Methode zurückgegriffen werden. Der Effektivzinssatz (Internal Rate of Return) ist derjenige Zinssatz, mit dem man alle zukünftigen Zahlungen (Kupons und Nennwert) diskontieren muss, damit der Barwert und der Kurs der Anleihe identisch sind. 2 + 1 1 1 n C C C M P r r r Unter Anwendung der Nettobarwertformulierung erhält man: 2 + 0 1 1 1 n C C C M P r r r Derjenige Zinssatz, der die Gleichung löst bzw. der dem Net Present Value (Kapitalwert) den Wert Null zuordnet, ist der effektive Zinssatz oder interne Zinssatz. Da es sich im Normalfall um eine Gleichung n-ten Grades handeln wird, muss die Lösung <?page no="180"?> 180 6 Zinsinstrumente durch systematisches Probieren (Trial and Error) oder durch ein Iterationsverfahren (z.B. lineare Interpolation) gefunden werden (vgl. Beispiel 6.8). Für das Beispiel 6.10 beträgt der effektive Jahreszinssatz von Anleihe A 5,07% und der von Anleihe B 5,16%. Demnach wäre Anleihe B vorzuziehen. Excel-Umsetzung Die Berechnung der Renditen bedarf keiner näheren Erläuterungen. Zur Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes kann die Excel-Funktion IKV() verwendet werden, da gleichlange Perioden (hier Jahre) vorliegen. Position Inhalt Excel-Umsetzung D13 Nominalzinssatz (Kuponrate) =D9 D14 laufende Verzinsung =D8*D9/ D11 D15 einfache Effektivverzinsung =(D8*D9+(D8-D11)/ D10)/ D11 D16 effektiver Jahreszinssatz =IKV(C21: C26) <?page no="181"?> 6.3 Anleihen 181 Bild 6.16 Gegenüberstellung von Nominalzinssatz, laufender Verzinsung, einfacher Effektivverzinsung und effektiven Jahreszinssatz (Beispiel 6.10) Das Beispiel zeigt, dass unterschiedliche Renditemaße zu verschiedenen Ergebnissen führen. Die finanzmathematisch exakte Berechnung des effektiven Jahreszinssatzes kann als Beurteilungskriterium für Anlageentscheidungen in Anleihen herangezogen werden, da die maßgeblichen zinsbestimmenden Komponenten berücksichtigt werden. Demnach sind Anleihen mit vergleichsweise hoher Effektivverzinsung zu präferieren, da ein hoher Effektivzinssatz aus niedrigen Börsenkursen resultiert (vgl. Abschnitt 6.3.5). Der resultierende effektive Jahreszinssatz bezieht sich auf eine Periode (z.B. auf ein halbes Jahr bei halbjährlicher Kuponzahlung) und muss, um mit anderen Zinssätzen vergleichbar zu sein, in einen Jahreszinssatz umgerechnet werden. Bei m Zinsperioden pro Jahr erhält man den effektiven Jahreszinssatz zu 1 1 m r r m . Liegen keine äquidistanten Perioden vor, was immer dann der Fall ist, wenn eine Anleihe zwischen zwei Kuponterminen gekauft wird, dann liegt zwischen dem Abrechnungstag und dem nächsten Kupontermin eine Teilperiode vor, die Teil eines Jahres oder einer anderen Periode ist und kürzer ist als die nachfolgenden Perioden. Bezeichnet man mit die Teilperiode zwischen dem Abrechnungstag und dem nächsten Kupontermin, dann muss bei jährlichen Kuponzahlungen aus der Gleichung 1 1 1 1 1 n C C C M P r r r der effektive Jahreszinssatz (Yield to Maturity) r bestimmt werden. 6.3.7 Portfoliorendite Zur Bestimmung der Rendite eines Anleiheportfolios sollen hier zwei Renditemaße vorgestellt werden, die 1) gewichtete durchschnittliche Portfoliorendite (Weighted Average Portfolio Yield) und die 2) interne Verzinsung eines Portfolios (Portfolio Internal Rate of Return). Die gewichtete Portfoliorendite wird aus dem gewichteten Durchschnitt der einzelnen Anleihen, aus denen das Portfolio gebildet ist, berechnet. Bezeichnet man mit die gewichtete durchschnittliche Portfoliorendite, mit die Gewichte oder relativen Anteile, die den wertmäßigen Anteil der Anleihe i am gesamten Marktwert des Portfolios angeben, mit die Rendite der Anleihe i und mit k die Anzahl der Anleihen im Portfolio, dann berechnet sich die gewichtete Portfoliorendite wie folgt: 1 1 2 2 1 k P k k i i i R w r w r w r w r mit 1 1 k i i w <?page no="182"?> 182 6 Zinsinstrumente Beispiel 6.11 Gegeben sei das folgende Anleihe-Portfolio: Anleihe Kuponrate (%) Laufzeit (Jahre) Nennwert (Euro) Marktwert (Euro) Rendite (%) A 5 5 20.000 20.438 4,5 B 4 8 10.000 10.000 4,0 C 3,5 3 30.000 29.748 3,9 Der gesamte Marktwert des Portfolios beträgt 60.186 Euro, = 3 und die Gewichte der einzelnen Anleihen berechnen sich zu: 1 20.438 0, 3396 60.186 w 1 10.000 0,1662 60.186 w 1 29.748 0, 4943 60.186 w Die gewichtete Portfoliorendite beträgt dann 0, 3396 4,5 0,1662 4, 0 0, 4943 3, 9 4,12 P R %. Diese noch häufig angewandte Methode vermittelt jedoch wenig Einblick in die Renditestruktur eines Portfolios. Dies sei an einem einfachen Beispiel dargestellt: Betrachtet wird ein Portfolio, das aus zwei Anleihen besteht. Anleihe A hat eine Laufzeit von einem Jahr und eine Rendite von 10%, Anleihe B hat eine Laufzeit von 25 Jahren und weist eine Rendite von 2% aus. Ferner wird angenommen, dass Anleihe A einen Anteil von 98% am gesamten Portfolio hat und Anleihe B lediglich 2%. Damit ergibt sich eine gewichtete Portfoliorendite von 9,84%, die wesentlich durch die hohe Gewichtung der Anleihe A mit einer Laufzeit von nur einem Jahr determiniert wird und nicht von Anleihe B mit einer Laufzeit von 25 Jahren. Excel-Umsetzung Die Excel-Umsetzung bereitet keine Schwierigkeiten. Nach Eingabe der Input-Daten (Nennwert, Kuponrate, Laufzeit, Marktwert und Rendite) für jede Anleihe wird der Marktwert des Portfolios, die einzelnen Gewichte und schließlich die Portfoliorendite berechnet. Position Inhalt Excel-Umsetzung D13 Marktwert des Portfolios =SUMME(D10: F10) D14 Gewicht der Anleihe A =D10/ D13 E14 Gewicht der Anleihe B =E10/ D13 F14 Gewicht der Anleihe C =F10/ D13 D15 gewichtete durchschnittliche Portfoliorendite =D11*D14+E11*E14+F11*F14 <?page no="183"?> 6.3 Anleihen 183 Bild 6.17 Gewichtete durchschnittliche Portfoliorendite (Beispiel 6.11) Der interne Zinssatz (Internal Rate of Return) eines Portfolios ist derjenige Zinssatz, bei dem der Barwert der Cash Flows aller im Portfolio befindlichen Anleihen dem Marktwert des Portfolios entspricht, oder anderes ausgedrückt, derjenige Zinssatz, der dem Kapitalwert (Net Present Value) eines Portfolios den Wert Null zuordnet. Beispiel 6.12 Gegeben ist das Anleiheportfolio in Beispiel 6.11 mit einem Marktwert von 60.186 Euro. Vereinfachend wird angenommen, dass die Kuponzahlungen aller drei Anleihen zur gleichen Zeit erfolgen. Es soll die Internal Rate of Return des Portfolios berechnet werden. Die folgende Tabelle zeigt die Cash Flows der drei im Portfolio befindlichen Anleihen sowie die die Cash Flows des gesamten Portfolios. Jahr Anleihe A Anleihe B Anleihe C Portfolio 60.186 1 1.000 400 1.050 2.450 2 1.000 400 1.050 2.450 3 1.000 400 31.050 32.450 4 1.000 400 1.400 5 21.000 400 21.400 6 400 400 7 400 400 8 10.400 10.040 Bild 6.18 Cash Flow-Struktur der im Portfolio befindlichen Anleihen und Zahlungsstrom des Portfolios (Beispiel 6.12) <?page no="184"?> 184 6 Zinsinstrumente Aus der Gleichung 2 3 4 5 6 7 8 2.450 2.450 32.450 1.400 21.400 400 400 10.040 60.186 1 1 1 1 1 1 1 1 r r r r r r r r errechnet sich der interne Zinssatz des Portfolios zu 4,12%. Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Input-Daten werden die Cash Flows der einzelnen Anleihen bestimmt. Diese Cash Flows werden dann in jeder Periode aufsummiert und dem Marktwert des Portfolios gegenübergestellt. Mit der Funktion IKV() wird dann die Internal Rate of Return (Portfoliorendite) ermittelt. Beim horizontalen Aufsummieren der Cash Flows ist zu beachten, dass dies mit der Funktion SUMME() geschieht. Diese Funktion ignoriert Textwerte, hier das Zeichen ¨¨, das in den leeren Zellen vorhanden ist. Werden z.B. die Werte C22; D22 und E22 einzeln aufaddiert (C22+D22+E22), erfolgt die Fehlermeldung #WERT! Position Inhalt Excel-Umsetzung E13 Marktwert des Portfolios =SUMME(D10: F10) E14 Portfolio Internal Rate of Return =IKV(F17: F25) B18 laufendes Jahr =WENN(B17<MAX($D$9: $F$9); B17+1; "") C18 Cash Flow Anleihe A =WENN(B18=""; ""; WENN(B18>$D$9; ""; WENN(B18=$D$9; $D$7+$D$7*$D$8; $D$7* $D$8))) D18 Cash Flow Anleihe B =WENN(B18=""; ""; WENN(B18>$E$9; ""; WENN(B18=$E$9; $E$7+$E$7*$E$8; $E$7* $E$8))) E18 Cash Flow Anleihe C =WENN(B18=""; ""; WENN(B18>$F$9; ""; WENN(B18=$F$9; $F$7+$F$7*$F$8; $F$7* $F$8))) F18 Summe der Cash Flows der Anleihe A, B und C =WENN(B18=""; ""; SUMME(C18: E18)) <?page no="185"?> 6.3 Anleihen 185 Bild 6.19 Internal Rate of Return eines Portfolios (Beispiel 6.12) 6.3.8 Ertragsanalyse und Total Return Von den vorgestellten Renditemaßen ist die Yield to Maturity, also der effektive Jahreszinssatz, das beste Renditemaß, denn es berücksichtigt Disagio-Gewinne und -Verluste und der Zeitwert des Geldes wird durch die Diskontierung der Cash Flows in Ansatz gebracht. Die Barwertformel beinhaltet jedoch die Annahme, dass alle Kuponzahlungen mit der Kapitalmarktrendite (effektiver Jahreszinssatz), die die Anleihe heute ausweist, reinvestiert werden. Dies ist leicht ersichtlich, wenn man die Barwertgleichung etwas modifiziert: 1 1 1 1 n n r P C M r r Der erste Term in der geschweiften Klammer ist der Endwert der Kuponzahlungen, die in jeder Periode zur Kapitalmarktrendite r reinvestiert werden. Dieser wird dann zusammen mit dem Nennwert der Anleihe auf den Betrachtungszeitpunkt diskontiert. Die Effektivverzinsung, die die Anleihe heute ausweist, ist demnach eine versprochene Rendite (Promised Yield), die nur dann realisiert werden kann, wenn zwei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sind: (1) Die Anleihe wird bis zur Fälligkeit gehalten und (2) alle Kuponzahlungen werden zur gegenwärtigen Rendite (Yield to Maturity) reinvestiert. Ist eine der beiden Bedingungen nicht erfüllt, dann ist die tatsächliche Rendite höher oder niedriger als heute ausgewiesene Rendite. Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen. Einem Investor mit einem Anlagehorizont von 6 Jahren werden die folgenden drei Anleihen vorgestellt, die alle die gleiche Bonität haben. <?page no="186"?> 186 6 Zinsinstrumente Anleihe Kuponrate (%) Laufzeit (Jahre) Rendite (%) A 5,0 4,0 6,0 B 3,5 15 5,5 C 6,0 20 8,0 Der Investor könnte sich für Anleihe C entscheiden, da diese die höchste Rendite aufweist. Doch diese Rendite kann nur dann realisiert werden, wenn die Anleihe bis zur Fälligkeit gehalten wird und die Kuponzahlungen mindestens zur gegenwärtigen Rendite von 8% reinvestiert werden können. Beide Bedingungen sind hier nicht erfüllt. Nach 6 Jahren wird die Anleihe verkauft und der Verkaufspreis hängt vom dann geltenden Zinsniveau ab; dieser kann über oder unter dem Nennwert der Anleihe liegen. Die zweite Bedingung, dass alle Kuponzahlungen zu 8% über sechs Jahre reinvestiert werden können, ist ebenfalls nicht gegeben, da sich die Zinsen am Kapitalmarkt ständig ändern. Ähnlich verhält es sich mit Anleihe B. Anleihe A hat die zweithöchste Rendite und eine Laufzeit von vier Jahren, die kürzer ist als der Anlagehorizont des Investors. Der Investor bekommt nach vier Jahren den Nennwert der Anleihe, und wird das Geld für weitere zwei Jahre unter ungewissen Bedingungen investieren. Die weitere Bedingung, die Kuponzahlungen über den Zeitraum von vier Jahren zu 6% reinvestieren zu können, ist ebenfalls unrealistisch. Eine Anleihe bis zur Fälligkeit zu halten bzw. eine Anleihe zu finden, deren Restlaufzeit mit dem Anlagehorizont eines Investors identisch, dürfte in der Praxis kein Problem darstellen. Dass hingegen alle Kuponzahlungen zu der Rendite, die die Anleihe heute ausweist, wieder reinvestiert werden können, lässt sich aufgrund der sich ändernden Zinsen in der Regel nicht verwirklichen. Können die Kuponzahlungen nicht mindestens zur Yield to Maturity reinvestiert werden, spricht man vom Wiederanlagerisiko (Reinvestment Risk), das zusammen mit dem Zinsänderungsrisiko und dem Ausfallrisiko eines der signifikantesten Risiken einer Investition in eine Anleihe darstellt. Lediglich Zero Bonds unterliegen keinem Wiederanlagerisiko. Die Bedeutung des Wiederanlagerisikos erkennt man, wenn die Ertragskomponenten einer Anleihe analysiert und zueinander in Relation gesetzt werden. Der Gesamtertrag einer Investition in eine Anleihe ergibt sich aus den Kuponzahlungen, den Wiederanlagezinsen und einem möglichen Kursgewinn (ein Kursverlust reduziert den Gesamtertrag), wenn die Anleihe verkauft oder fällig wird. Geht man von jährlichen Kuponzahlungen aus, ergeben sich die Kuponzahlungen und Wiederanlagezinsen zu: Kuponzahlungen + Wiederanlagezinsen = (1 + ) 1 Zieht man davon die Kuponzahlungen ab, erhält man die Wiederanlagezinsen: Wiederanlagezinsen = (1 + ) 1 Die Höhe der Wiederanlagezinsen und damit das Wiederanlagerisiko hängt nun wesentlich von der Ausgestaltung der Anleihe ab. Dies soll an folgendem Beispiel demonstriert werden. <?page no="187"?> 6.3 Anleihen 187 Beispiel 6.13 Betrachtet wird eine Anleihe mit einem Nennwert von 1.000 Euro, einem Kupon von 5% und einer (Rest-)Laufzeit von 10 Jahren. Die Rendite dieser Anleihe bei einem Kurs von 926,40 Euro ist 6%. Die Kuponzahlungen erfolgen jährlich. Es sollen die einzelnen Ertragskomponenten und der gesamte Ertrag ermittelt werden, wenn die Anleihe bis zur Fälligkeit gehalten wird. Kuponzahlungen + Wiederanlagezinsen = 50 (1,06) 1 0,06 = 659,04 Kuponzahlungen = 50 10 = 500 Wiederanlagezinsen = 659,04 10 50 = 159,04 Kursgewinn = 1.000 926,40 = 73,60 Gesamtertrag = 732,64 Bezieht man die einzelnen Ertragskomponenten auf den Gesamtertrag, dann ergeben sich folgende Prozentsätze: Kuponzahlungen Gesamtertrag = 500 732,64 = 68,25% Wiederanlagezinsen Gesamtertrag = 159,04 732,64 = 21,71% Kursgewinn Gesamtertrag = 73,60 732,64 = 10,05% Die Wiederanlagezinsen machen demnach 21,71% des gesamten Ertrags aus. Beträgt die Laufzeit einer sonst identischen Anleihe hingegen 20 Jahre, dann machen die Kuponzahlungen 51,18%, die Wiederanlagezinsen 42,95% und der Kursgewinn 5,87% des Gesamtertrags aus. Das Beispiel zeigt, dass der prozentuale Anteil der Wiederanlagezinsen am Gesamtertrag bei gegebener Rendite und gegebener Kuponrate umso höher ausfällt, je länger die (Rest-)Laufzeit ist. Bei Variation der Kuponrate einer sonst identischen Anleihe kommt man zu dem selben Ergebnis: Je größer die Kuponrate bei gegebener Rendite und (Rest-)Laufzeit, desto höher ist der prozentuale Anteil der Wiederanlagezinsen am Gesamtertrag. Excel-Umsetzung Die Excel-Umsetzung bereitet keine Schwierigkeiten. Der Preis der Anleihe wird hier durch Multiplikation des Kupons mit den Rentenbarwertfaktor ermittelt und nicht mit der Excel-Funktion KURS(), da kein konkretes Abrechnungs- und Fälligkeitsdatum angegeben ist. Position Inhalt Excel-Umsetzung E11 Preis der Anleihe =E7*E8*((1+E10)^E9-1)/ (E10* (1+E10)^E9)+E7/ (1+E10)^E9 E15 Kupons plus Wiederanlagezinsen =E7*E8*((1+E10)^E9-1)/ E10 E16 Kuponzahlungen =E7*E8*((1+E10)^E9-1)/ E10 <?page no="188"?> 188 6 Zinsinstrumente E17 Wiederanlagezinsen =E15-E16 E18 Kursgewinn =E7-E11 E19 Gesamtertrag =E15+E18 E23 Kuponzahlungen in Prozent des Gesamtertrags =E16/ E19 E24 Wiederanlagezinsen in Prozent des Gesamtertrags =E17/ E19 E25 Kursgewinn in Prozent des Gesamtertrags =E18/ E19 Bild 6.20 Ertragskomponenten einer Kuponanleihe bei Variation der (Rest-)Laufzeit Ausgehend von der Tatsache, dass der Total Return vom Wiederanlagezinssatz und von der am Ende des Anlagehorizonts geltenden Marktrendite determiniert wird, sollen nun anhand einer Scenario-Analyse mögliche Entwicklungen in der Zukunft analysiert und ihre Auswirkungen auf die Performance einer oder mehrerer Anleihen- Investitionen aufgezeigt werden. Die Vorgehensweise soll zunächst anhand eines einfachen Beispiels demonstriert werden. Eine 6%-Kupon-Anleihe mit einem Nennwert von 1.000 Euro und einer Restlaufzeit von 10 Jahren notiert bei einem Kapitalmarktzins von 8% bei 865,80 Euro. Ein Anleger <?page no="189"?> 6.3 Anleihen 189 mit einem Anlagehorizont von 3 Jahren kauft diese Anleihe und erwartet, dass er die Kuponzahlungen mit jährlich 7% reinvestieren kann. Nach Ablauf der 5 Jahre soll die Anleihe bei einer prognostizierten Kapitalmarktrendite von 7,5% veräußert werden. Die Kuponzahlungen und Wiederanlagezinsen ergeben sich bei einem erwarteten Wiederanlagezinssatz von 7% zu Kuponzahlungen + Wiederanlagezinsen = 60 ( 1,07 ) 5 1 0,07 = 345,04 . Der Verkaufspreis bei einer verbleibenden Restlaufzeit von 5 Jahren und einer erwarteten Rendite am Ende des Anlagehorizonts von 7,5% beträgt: 5 5 5 1, 075 1 1.000 Verkaufspreis 60 939, 31 0, 075 1, 075 1, 075 Der Gesamtertrag beläuft sich auf 1.284,35 Euro. Damit ergibt sich ein Total Return von 1 5 1.284, 35 Total Return 1 8, 21% 865,80 . Im vorhergehenden Beispiel wurde ein über die gesamte Laufzeit konstanter Wiederanlagezinssatz unterstellt. Das folgende Beispiel soll nun demonstrieren, wir die Gesamtrendite berechnet wird, wenn während des Anlagezeitraums unterschiedliche Wiederanlagezinssätze unterstellt werden. Beispiel 6.14 Ein Investor mit einem Anlagehorizont von 5 Jahren kauft eine 5%-Kupon-Anleihe, die zu pari notiert (Nennwert 1.000). Die Kuponzahlungen erfolgen jährlich. Der Investor erwartet folgende Zinsentwicklung: Die ersten zwei Kuponzahlungen können vom Zeitpunkt der Auszahlung bis Ende des Anlagezeitraums mit jährlich 6% reinvestiert werden und die letzten drei Kuponzahlungen können vom Zeitpunkt der Auszahlung bis Ende des Anlagehorizonts mit jährlich 7% wieder angelegt werden. Die Marktrendite für Anleihen derselben Risikoklasse und einer Laufzeit von 10 Jahren betrage am Ende des Anlagehorizonts 8%. Es soll die Gesamtrendite ermittelt werden. Für die ersten zwei Jahre ergibt sich bei einem Wiederanlagezins von 6% ein Ertrag von 2 1, 06 1 Kuponzahlungen Wiederanlagezinsen 50 103, 00 0, 06 . Dieser Betrag wächst bis zum Ende des Anlagezeitraums bei einem Zinssatz von 6% auf 103,00( 1,06 ) 3 = 122,67 an. Für die restlichen drei Jahre erhält man bei einem Wiederanlagezins von jährlich 7% einen Ertrag von 3 1, 07 1 Kuponzahlungen Wiederanlagezinsen 50 160, 75 0, 07 . <?page no="190"?> 190 6 Zinsinstrumente Insgesamt ergibt sich aus den reinvestierten Kuponzahlungen für den Anlagezeitraum von 5 Jahren ein Ertrag von 122,67 + 160,75 = 283,42 . Bei einem erwarteten Marktzins von 8% am Ende des Anlagehorizonts errechnet sich ein Verkaufskurs von 10 10 10 1, 08 1 1.000 50 798, 70 0, 08 1, 08 1, 08 P . Damit beträgt der Gesamtertrag aus Kuponzahlungen, Wiederanlagezins und Verkaufspreis 283,42 + 789,70 = 1.082,12 . Die Gesamtrendite aus dem Investment beträgt dann: 1 5 1.082,12 Total Return 1 1,56% 1.000 Die Gesamtrendite von 1,6% ist niedrig, obwohl die Kuponzahlungen zu 6% bzw. 7% reinvestiert werden. Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, dass die Erträge hieraus in Höhe von 238,42 Euro fast gänzlich durch den Kursverlust von 201,30 Euro kompensiert werden. Der Kursverlust resultiert aus der hohen Kapitalmarktrendite von 8%, die den Verkaufskurs am Ende des Anlagehorizonts determiniert. Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Input-Daten werden der Ertrag aus den Kupons und den Wiederanlagezinsen und der Verkaufspreis am Ende des Anlagehorizonts berechnet. Diese drei Ertragskomponenten werden aufaddiert, zum gegenwärtigen Preis ins Verhältnis gesetzt und annualisiert. Position Inhalt Excel-Umsetzung E14 Ertrag aus Kupons und Wiederanlagezinsen =SUMME(E22: E26) E15 Verkaufspreis am Ende des Anlagehorizonts =E6*E7*((1+E12)^(E8-E11)-1)/ (E12*(1+E12)^(E8-E11))+E6/ (1+E12) ^(E8-E11) E16 Gesamtertrag =E14+E15 E17 Total Return =(E16/ E10)^(1/ E11)-1 <?page no="191"?> 6.3 Anleihen 191 Bild 6.21 Berechnung des Total Return bei verschiedenen Wiederanlagezinsen (Beispiel 6.14) Das folgende Beispiel demonstriert, wie ein aus mehreren Anleihen bestehendes Portfolio auf Basis verschiedener Zins-Szenarien analysiert wird. Ziel ist es, die Anleihe zu identifizieren, die bei einem erwarteten, zukünftigen Zinsniveau den höchsten Total Return aufweist. Beispiel 6.15 Ein Investor mit einem Anlagehorizont von 3 Jahren und 245 Tagen (3,68 Jahre) hat die folgenden vier Anleihen mit einem Nennwert von jeweils 100 Euro zur Auswahl. Die Kuponzahlungen erfolgen jährlich. Für welche Anleihe soll sich der Investor entscheiden, wenn alle Anleihen dieselbe Bonität aufweisen? <?page no="192"?> 192 6 Zinsinstrumente Anleihe Kuponrate (%) Laufzeit (Jahre) Rendite (%) Nettopreis (Clean Price) A 0,000 3,68 8,53 74,00 B 8,625 3,68 8,83 99,30 C 7,250 3,68 8,91 94,91 D 6,375 4,35 8,81 91,45 Bei der folgenden Szenario-Analyse werden ein Wiederanlagezinssatz und ein Marktzinssatz am Ende des Anlagehorizonts von jeweils 6%, 8% und 10% unterstellt. Anleihe A: Anleihe A ist eine Nullkupon-Anleihe. Da die Anleihe bis zur Fälligkeit gehalten wird und keine Zinszahlungen erfolgen, besteht kein Wiederanlagerisiko. Die erwartete Rendite entspricht daher immer der versprochenen Rendite von 8,53%: 1 3,68 100 1 8,53% 74 r Zinssatz (%) Kaufkurs inkl. Stückzinsen Kupons plus Wiederanlagezinsen Verkaufskurs inkl. Stückzinsen Gesamtertrag Total Return (%) 6 74,00 0 100 100 8,53 8 74,00 0 100 100 8,53 10 74,00 0 100 100 8,53 Anleihe B: Exemplarisch wird die Analyse mit dem Zinssatz von 6% durchgeführt. Der Kaufpreis der Anleihe (dirty price) errechnet sich aus dem Nettopreis zuzüglich der Stückzinsen und entspricht dem Barwert des künftigen Zahlungsstroms. Bei einer Rendite von 8,83% ergibt sich ein Preis von 4 3,68 3,68 1, 0883 1 1.000 8, 625 102, 06 0, 0883 1, 0883 1, 0883 P . Zum selben Ergebnis kommt man, wenn zum börsennotierten Nettopreis die aufgelaufenen Stückzinsen addiert werden: 99, 30 8, 625 0, 32 102, 06 P Der Gesamtertrag am Ende des Anlagehorizonts setzt sich aus den Kuponzahlungen, den Wiederanlagezinsen und dem Verkaufspreis der Anleihe am Ende des Anlagehorizonts zusammen. Da die Laufzeit der Anleihe mit der Anlagedauer übereinstimmt, entspricht der Verkaufspreis dem Nennwert der Anleihe. Bei einem Wiederanlagezins von 6% ergibt sich ein Gesamtertrag von: <?page no="193"?> 6.3 Anleihen 193 4 1, 06 1 Gesamtertrag 8, 625 100 137, 73 0, 06 Der Total Return über den Anlagezeitraum von 3,68 Jahren beträgt dann 1 3,68 137, 73 Total Return 1 8, 49% 102, 06 . Analog dazu berechnen sich die Renditen bei einem Zinssatz von 8% bzw. 10%. Die Ergebnisse sind in nachfolgender Tabelle zusammengefasst. Zinssatz (%) Kaufpreis inkl. Stückzinsen Kupons plus Wiederanlagezinsen Verkaufspreis inkl. Stückzinsen Gesamtertrag Total Return (%) 6 102,06 37,73 100 137,73 8,49 8 102,06 38,87 100 138,87 8,73 10 102,06 40,03 100 140,03 8,97 Anleihe C: Die Vorgehensweise bei der Analyse von Anleihe C entspricht der von Anleihe B. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Ergebnisse. Zinssatz (%) Kaufpreis inkl. Stückzinsen Kupons plus Wiederanlagezinsen Verkaufspreis inkl. Stückzinsen Gesamtertrag Total Return (%) 6 97,23 31,72 100 131,72 8,60 8 97,23 32,67 100 132,67 8,81 10 97,23 33,65 100 133,65 9,03 Anleihe D: Anleihe D hat im Gegensatz zu den anderen Anleihen eine Laufzeit, die mit 4,35 Jahren länger ist als der Anlagehorizont des Investors. Die Anleihe wird demnach nach 3,68 Jahren am Markt verkauft. Auch hier wird die Berechnung des Total Return exemplarisch mit dem Zinssatz von 6% durchgeführt. Der Kaufpreis der Anleihe entspricht bei einer gegenwärtigen Kapitalmarktrendite von 8,81% dem Barwert der künftigen Zahlungen oder einfach dem Nettopreis (Clean Price) plus den aufgelaufenen Stückzinsen. 5 4,35 4,35 1, 081 1 100 6, 375 95,59 0, 081 1, 081 1, 081 P Zum selben Ergebnis kommt man, wenn man zum gegebenen Nettopreis von 91,45 die aufgelaufenen Stückzinsen für 0,65 Jahre addiert. 91, 45 6, 375 0, 65 95,59 P <?page no="194"?> 194 6 Zinsinstrumente Der Gesamtertrag setzt sich aus den Kuponzahlungen, den Wiederanlagezinsen und dem Verkaufspreis nach 3,68 Jahren zusammen. Die Kuponzahlungen und Wiederanlagezinsen entsprechen dem Future Value nach 3,68 Jahren (zu beachten ist hier, dass bei der Berechnung der Wiederanlagezinsen diese nach Bestimmung des Future Value mit der nachschüssigen Rentenendwertformel nach vier Jahren nochmals über 0,33 Jahre aufzuzinsen sind) und der Verkaufspreis entspricht dem Barwert der Zahlungen (letzte Kuponzahlung und Nennwert) bei einer noch verbleibenden Restlaufzeit von 0,67 Jahren. Bei einem Wiederanlagezins und einem Marktzins am Ende der Anlagedauer von 6% errechnet sich demnach der Gesamtertrag wie folgt: 4 0,33 0,67 1, 06 1 106, 375 Gesamtertrag 6, 375 1, 06 130, 73 0, 06 1, 06 Damit ergibt sich ein Total Return von 1 3,68 130,87 Total Return 1 8, 91% 95,59 . Zinssatz (%) Kaufpreis inkl. Stückzinsen Kupons plus Wiederanlagezinsen Verkaufspreis inkl. Stückzinsen Gesamtertrag Total Return (%) 6 95,59 28,43 102,30 130,73 8,88 8 95,59 29,47 101,03 130,49 8,83 10 95,59 30,53 99,79 130,32 8,79 In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse zusammengefasst. Zinssatz (%) Total Return (%) Anleihe A Total Return (%) Anleihe B Total Return (%) Anleihe C Total Return (%) Anleihe D 6 8,53 8,49 8,60 8,88 8 8,53 8,73 8,81 8,83 10 8,53 8,97 9,03 8,79 Aus der Tabelle mit den zusammengefassten Ergebnissen und dem Bild 6.22 erkennt man, dass der Total Return der Kuponanleihen von der prognostizierten Zinsentwicklung abhängig ist. Anleihe A ist eine Nullkupon-Anleihe. Da sie bis zur Fälligkeit gehalten wird und keine Wiederanlage von Kuponzahlungen zu erfolgen hat, ist der Total Return immer identisch mit der aktuellen Rendite von 8,53%. Der Total Return von Anleihe B und C hängt hingegen von den Wiederanlagebedingungen ab. Je besser die Wiederanlagebedingungen aufgrund steigender Zinsen werden, desto höher werden die Total Returns dieser Anleihen. Ein völlig anderes Bild ergibt sich hingegen für die Anleihe D. Der Total Return schwankt hier zwischen 8,79% und 8,88% und weist somit eine geringere Schwankungsbreite auf als die <?page no="195"?> 6.3 Anleihen 195 Anleihen B und C. Zudem erkennt man, dass der Total Return dieser Anleihe steigt, wenn die Zinsen fallen. Der Grund hierfür liegt in der Duration der Anleihe, die in Kapitel 6.3.8 vorgestellt wird. Bild 6.22 Zins-Scenario und Total Return von vier Anleihen gleicher Bonität (Beispiel 6.15) Mit diesem relativ einfachen Zins-Scenario kann nun die eingangs gestellte Frage beantwortet werden. Erwartet der Investor steigende Zinsen, dann sollte er Anleihe C präferieren. Anleihe B wie auch Anleihe A sind offensichtlich zu teuer, was sich in der relativ geringen Rendite zeigt. Rechnet er hingegen in Zukunft mit fallenden Zinsen, dann sollte er Anleihe D den Vorzug geben. Excel-Umsetzung Exemplarisch wird hier die Anleihe D bei einem erwarteten Zinstrend von 6% aufgezeigt. Die Berechnungen als solche stellen keine besondere Herausforderung dar. Position Inhalt Excel-Umsetzung E66 Kaufpreis inkl. Stückzinsen =F10+C10*F12*(1-F14) E67 Kupons plus Wiederanlagezinsen =SUMME(E74: E77) E68 Verkaufspreis am Ende des Anlagehorizonts =(F12+F12*C10)/ (1+F16)^(D10-F15) E69 Gesamtertrag =E67+E68 E70 Total Return =(E69/ E66)^(1/ F15)-1 B74 laufendes Jahr =WENN(B73<AUFRUNDEN($F$15; 0); B73+1; "") C75 Kupon =WENN(B74=""; ""; $F$12*$C$10) D75 Wiederanlagezinssatz =WENN(B74=""; ""; $F$16) E75 Kupon plus Wiederanlagezinsen =WENN(B74=""; ""; C74*(1+D74)^($F$1 5-$F$13-B73)*(1+D74)^($F$13-$F$14)) 8,4% 8,5% 8,6% 8,7% 8,8% 8,9% 9,0% 9,1% 6% 8% 10% Total Return Erwartetes Zinsniveau A B C D <?page no="196"?> 196 6 Zinsinstrumente Bild 6.23 Scenario Analyse und Total Return von vier Anleihen (Beispiel 6.15) 6.3.9 Risikoanalyse von Anleihen und Volatilitätskennzahlen Anleihen sind wie alle anderen an den Börsen gehandelten Wertpapiere Investments, die risikobehaftet sind und Marktpreisschwankungen unterliegen. Neben den zukünftigen Zahlungsversprechen des Emittenten gibt es eine Vielzahl von Risiken, die sorgfältig abgeschätzt und analysiert werden müssen. Zu den wichtigsten Risiken zählen: Ausfallrisiko (Credit Risk, Default Risk) Zinsänderungsrisiko (Interest Rate Risk, Market Risk) Wiederanlagerisiko (Reinvestment Risk) Liquiditätsrisiko (Liquidity Risk) Wechselkursrisiko (Exchange Rate Risk, Currency Risk) Inflationsrisiko (Inflation Risk) <?page no="197"?> 6.3 Anleihen 197 Unter Ausfallrisiko wird das Risiko verstanden, dass der Emittent zahlungsunfähig wird, d.h. die laufenden Kuponzahlungen und/ oder die Rückzahlung des Nennwertes der Anleihe termingerecht nicht mehr zu leisten vermag. Bei großen, börsengehandelten Unternehmen wird das Ausfallrisiko durch Ratingagenturen (Standard & Poors, Moody’s, Fitch) in Form von Ratings beurteilt. Zudem werden von Banken und Investmentfirmen Research Abteilungen unterhalten, die das Kreditrisiko der Emittenten laufend beurteilen. Das Zinsänderungsrisiko, auch als Marktrisiko oder zinsinduziertes Kursrisiko bezeichnet, kommt in der Tatsache zum Ausdruck, dass jede Veränderung des Zinsniveaus eine Änderung der Marktwerte (Kurse) von Anleihen auslöst. Grundsätzlich gilt, dass bei steigendem Zinsniveau die Kurse fallen und bei fallendem Zinsniveau die Kurse steigen. Das Ausmaß der zinsinduzierten Kursveränderungen hängt von mehreren Faktoren ab, z.B. vom Ausmaß der Zinsänderung, von der Restlaufzeit und von der Struktur des Zahlungsstroms. Das Risiko für einen Investor besteht nun darin, dass beim Verkauf der Anleihe der Verkaufskurs aufgrund gestiegener Marktzinsen unter den Kaufkurs fällt und er somit einen Kursverlust realisiert. In engem Zusammenhang mit dem Zinsänderungsrisiko steht das Wiederanlagerisiko. Bei der Berechnung der Rendite einer Anleihe wird unterstellt, dass die zukünftigen Kupon- und Tilgungszahlungen zur gegebenen Rendite wieder reinvestiert werden können. Diese Prämisse ist jedoch aufgrund des sich ändernden Zinsniveaus unrealistisch. Bei steigenden Zinsen können die Cash Flows zu höheren Zinssätzen reinvestiert werden, bei fallendem Zinsniveau zu niedrigeren Zinssätzen. Besonders betroffen vom Wiederanlagerisiko sind Anleihen mit langen Laufzeiten und hohen Kuponzahlungen. Das Liquiditätsrisiko bezieht sich auf die Möglichkeit des Investors, die Anleihe zum fairen Marktpreis kaufen bzw. veräußern zu können. Anleihen mit einem hohen Umsatz weisen i.d.R. eine höhere Liquidität auf als Anleihen mit geringen Umsätzen. Ein Maß für die Höhe der Liquidität ist die Spanne zwischen dem Geld- und dem Briefkurs (Bid-Ask-Spread). Je größer der Spread, desto geringer ist die Liquidität und damit das Liquiditätsrisiko. Für Anleger, die beabsichtigen, die Anleihe bis zur Fälligkeit zu halten, ist das Liquiditätsrisiko von untergeordneter Bedeutung. Festverzinsliche Wertpapiere, deren Zahlungen in einer Fremdwährung erfolgen, sind in Bezug auf die einheimische Währung einem Währungsrisiko ausgesetzt. Das Risiko besteht für den Anleger darin, dass er aufgrund der Wechselkurskonstellation einen nur geringeren Zahlungsstrom vereinnahmen kann. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Kurs der (ausländischen) Währung, zu der die Zahlungen erfolgen, gegenüber der einheimischen Währung fällt. Für den Emittenten hingegen besteht das Risiko darin, dass er aufgrund der Wechselkurskonstellation höhere Zins- und Tilgungszahlungen leisten muss. Durch Wechselkurssicherungsgeschäfte kann dieses Risiko jedoch weitgehend eliminiert werden. Das Inflationsrisiko kommt zum Tragen, wenn aufgrund der Geldentwertung der eingehende Zahlungsstrom eine geringere Kaufkraft aufweist. Auch wenn tendenziell steigende Inflationsraten mit steigenden Zinsen einhergehen, bieten festverzinsliche Wertpapiere i.d.R. keinen Schutz gegen Inflation. In den folgenden Abschnitten werden die Sensitivitätskennzahlen Duration, modifizierte Duration und Konvexität vorgestellt, die eine Risikobeurteilung von Anleihen <?page no="198"?> 198 6 Zinsinstrumente erlauben und den Immunisierungszeitpunkt definieren, zu dem sich die durch Marktzinsänderungen induzierten gegenläufigen Kurs- und Wiederanlageeffekte kompensieren. 6.3.9.1 Duration, Modified Duration, Portfolio Duration und Effective Duration Bei der Analyse festverzinslicher Wertpapiere stellt die Kapitalbindungsdauer ein wichtiges Kriterium dar. Auch wenn häufig die Restlaufzeit zur Beurteilung unterschiedlicher Anleihen herangezogen wird, berücksichtigt diese Überlegung nicht, dass bereits vor der Fälligkeit Zinszahlungen erfolgen, die zum aktuellen Zinssatz wieder reinvestiert werden können. Als besseres Kriterium wurde daher die Duration entwickelt, die sich in modifizierter Form auch zum Abschätzen des Kursänderungsrisikos eignet. Das Konzept der Duration geht auf Frederick Macaulay (1938) zurück und wurde in den siebziger Jahren wiederentdeckt. Die Duration wird als mittlere Kapitalbindungsdauer interpretiert und wird zur Quantifizierung des Zinsänderungsrisikos eingesetzt. Der Duration liegt die Annahme einer flachen Zinsstruktur zugrunde, d.h. alle Cash Flows werden mit ein und demselben risiko- und laufzeitadäquaten Marktzinssatz auf den Bewertungstag diskontiert. Zudem wird unterstellt, dass Renditeänderungen, die Preisreaktionen auslösen, über alle Laufzeiten gleich stark in Form einer Parallelverschiebung der ursprünglichen flachen Zinsstrukturkurve erfolgen. In Abschnitt 6.3.3 wurde gezeigt, dass sich der Preis einer optionsfreien Anleihe mit glatter Restlaufzeit formal dem Barwert aller bekannten, zukünftigen Cash Flows (Kuponzahlungen und Nennwert) entspricht. Als Diskontierungszinssatz dient die laufzeitkongruente Kapitalmarktrendite r. Formal kann dann der Preis einer Anleihe wie folgt geschrieben werden: 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 n n t n n t n t t t C C C M C M CF P r r r r r r r Der Zusammenhang zwischen Zinsänderung und Marktpreisänderung ergibt sich, indem der Preis P der Anleihe bezüglich des Marktzinssatzes r abgeleitet wird. dP dy C y C y n C y n M y n n 1 1 2 1 1 1 2 3 1 1 Durch Umformung erhält man: 2 1 1 1 2 1 + 1 1 1 1 1 1 1 1 n n n t n t dP C C nC nM t C n M dr r r r r r r r r Die Gleichung gibt die absolute Änderung des Preises der Anleihe für marginale Zinssatzänderungen an. Stellt man auf relative Preisänderungen ab und dividiert die Gleichung auf beiden Seiten durch den Preis der Anleihe, dann erhält man die approximative prozentuale Änderung des Preises nach einer geringfügigen Zinsänderung: 2 1 1 1 1 2 1 1 1 + 1 1 1 1 1 1 1 1 n n n t n t dP C C nC n M t C n M dr P r r P r P r r r r r <?page no="199"?> 6.3 Anleihen 199 Der Ausdruck in der eckigen Klammer dividiert durch P wird als Duration D definiert. 1 1 1 1 n t n t t C n M D P r r Der Ausdruck kann weiter vereinfacht werden, fasst man die Kuponzahlungen und den Nennwert zu einer Cash-Flow-Zahl t CF zusammen. 1 1 1 1 1 1 1 n t t t n n t t t n t t t t t t CF r t CF r D t w P CF r Die Duration ist demnach die Summe der gewichteten Zeitpunkte, wobei die Gewichte die relativen Barwertanteile der jeweiligen Cash Flows (Kuponzahlungen und Nennwert) an der Summe sämtlicher Barwerte (= Marktpreis der Anleihe) darstellen. Die Duration wird als mittlere Kapitalbindungsdauer oder als barwertgewichtete Restlaufzeit interpretiert und ist ein Zeitmaß, nach dessen Erreichen die Hälfte des zeitlich gewichteten Barwerts an den Investor zurückgeflossen ist. Zudem ist sie wegen ihrer Immunisierungseigenschaft eine wichtige Kennzahl bei der Absicherung von festverzinslichen Wertpapieren gegen das Zinsänderungsrisiko. Die Duration kann auch zur Abschätzung des Marktpreises bei Renditeänderungen herangezogen werden. Dies geschieht mit Hilfe der Modified Duration, MD, die von Hicks 1939 in einem anderen Zusammenhang entwickelt wurde. Substituiert man den Bruch mit den Summenausdrücken der Differenzialgleichung 1 1 1 1 1 1 1 n t t t n t t t t CF r dP dr P r CF r mit D, dann ist die relative Änderung des Preises einer Kuponanleihe mit jährlicher Zinszahlung und glatter Restlaufzeit bei einer Marginalen Marktzinsänderung näherungsweise durch 1 1 dP D dr P r gegeben. Der Ausdruck / ( 1 + ) wird als Modified Duration definiert. 1 D MD r Damit ergibt sich zwischen Marktzinsänderung und Preisänderung folgender Zusammenhang: 1 dP MD dr P Die Modified Duration kann nun zur Berechnung von Preisschwankungen einzelner Anleihen oder eines Anleiheportfolios herangezogen werden. Graphisch kann die MD als Tangente an der Preisfunktion zur betrachteten Rendite dargestellt werden, wobei die Steigung der Tangente an der Preisfunktion MD entspricht (vgl. Abb. 6.24). <?page no="200"?> 200 6 Zinsinstrumente Stellt man anstelle der Marginalen Betrachtung der Differenzialgleichung auf diskrete Marktzinsänderungen ab und formt die Gleichung etwas um, dann erhält man die relative Änderung des Preises als Reaktion auf eine Änderung des Marktzinssatzes näherungsweise zu P MD r P . Die absolute Preisänderung kann mit P MD r P abgeschätzt werden. Bei den angestellten Überlegungen ist zu berücksichtigen, dass sich die Kursveränderung immer auf den Dirty-Preis der Anleihe bezieht. Die Zinsänderung wird bei einem Zinsanstieg als positiver Prozentsatz, bei einem Zinsrückgang als negativer Prozentsatz in die Formel eingetragen. Setzt man = 1% bei einem Anstieg des Marktzinssatzes und = 1% bei einem Rückgang des Marktzinssatzes um 1%, dann erhält man die approximative prozentuale Preisänderung bei einer Marktzinsänderung von 1% als: 1 P MD % P Bild 6.24 Preis einer Anleihe und Approximation über die Duration Die Modified Duration gibt demnach die approximative Veränderung des Kurses bei einer 1%-igen Marktzinsänderung an. 0 25 50 75 100 125 150 0% 5% 10% 15% 20% 25% Preis Marktzinssatz Preis der Anleihe Fehler bei Preisapproximation durch Duration (Konvexitätsfehler) Steigung MD <?page no="201"?> 6.3 Anleihen 201 In der Praxis werden Zinsänderungen häufig in Basispunkten (hundertstel Prozentpunkte) angegeben. Steigt (fällt) die Marktrendite um einen Basispunkt, dann sinkt (steigt) der Kurs approximativ um MD hundertstel Prozent, was in der Bankensprache als Present Value of One Basispoint bezeichnet wird. Beispiel 6.16 Für eine Kuponanleihe sind folgende Daten gegeben: Kaufvaluta: 15.06.2015 Fälligkeit: 15.06.2020 Kuponrate: 6% Marktrendite: 6,5% Die Kupons werden jährlich am 15.06. gezahlt. Die Anleihe hat eine Gesamtlaufzeit von 5 Jahren und wird am 15.6.2020 zum Nennwert von 100 Euro zurückgezahlt. Es sollen die Macaulay-Duration und die Modified Duration berechnet werden. Zudem soll die Marktpreisänderung mit der MD bei einer Renditeänderung von ±1% vorgenommen werden. Zunächst wird der Preis der Anleihe berechnet. 5 5 5 1 065 1 100 6 97 92 0 065 1 065 1 065 , P , , , , Die Duration in Jahren berechnet sich zu: 2 3 4 5 1 6 2 6 3 6 4 6 5 106 1 065 1 065 1 065 1 065 1 065 436 61 4 4587 97 72 97 72 , , , , , , D , , , Tabellarische Darstellung der Durations-Berechnung: Jahr Cash Flow Barwert (PV) der Cash Flows Gewichte PV/ P Duration t x Gewichte 1 6 5,6338 5,75% 0,0575 2 6 5,2899 5,40% 0,1080 3 6 4,9670 5,07% 0,1522 4 6 4,6639 4,76% 0,1905 5 106 77,3673 79,01% 3,9505 Summe 97,9221 100,00% 4,4587 Bild 6.25 Berechnung der Duration einer 6%-Kupon-Anleihe mit einer Laufzeit von 5 Jahren bei einer Marktrendite von 6,5%. <?page no="202"?> 202 6 Zinsinstrumente Die Modified Duration beträgt 4 47 4 1866 1 065 , MD , , . Die Modified Duration kann nun zur Preisabschätzung herangezogen werden. Steigt der Marktzinssatz von 6,5% um 1% auf 7,5%, dann beträgt die absolute Preisänderung annähernd 4 1866 1 97 9222 4 0996 P , % , , . Damit ergibt sich ein Preis von 97 9222 4 0996 93 8226 P , , , . Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man die relative Preisänderung berechnet. 4 1866 1 0 041866 oder 4 1866 P , % , , % P . Der Preis nach einem Anstieg des Marktzinssatzes um 1% beträgt dann annähernd 97 9222 1 0 0419 93 8226 P , , , . Der exakte Preis bei einem Marktzinssatz von 7,5% berechnet sich nach der Barwertformel zu 5 5 5 1 075 1 100 6 93 9312 0 075 1 075 1 075 , P , , , , . Bis zu einer Marktzinssatzänderung von 1% ist die Abschätzung der Kursänderung relativ genau. Die Abweichung vom Kurs berechnet mit der Barwertformel beträgt hier lediglich 0,1156%. Für größere Änderungen des Marktzinssatzes wird die Preisapproximation zunehmend ungenauer. Dieselben Überlegungen können bei einem Rückgang des Marktzinssatzes um 1% angestellt werden. Erfolgen die Kuponzahlungen halbjährlich und erfolgt die nächste Kuponzahlung in exakt einem halben Jahr, dann müssen die Kuponzahlungen und die Laufzeit angepasst werden. Die Duration in Jahren berechnet sich dann zu: Duration in Halbjahres-Perioden Duration in Jahren 2 Allgemein gilt für die Berechnung der Duration in Jahren bei m Kuponzahlungen pro Jahr: Duration in Perioden pro Jahr Duration in Jahren m m Für die Anleihe in Beispiel 6.16 berechnet sich die Duration in Halbjahren wie folgt: 2 10 10 1 3 2 3 10 3 10 100 1, 0325 1, 0325 1, 0325 1, 0325 8, 7705 97, 22 D 8, 7705 Duration in Jahren 4, 3853 2 Die Modified Duration ist <?page no="203"?> 6.3 Anleihen 203 4, 3853 4, 2472 1, 0325 MD . Die Duration kann auch ohne die oben aufgeführten aufwendigen Berechnungen direkt mit nachfolgender Kurzformel berechnet werden, deren Herleitung in Appendix A aufgezeigt ist. 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 m m m m m m mn mn m m r mn c r r n c r D r r c r c r c r c r wobei m die Häufigkeit der Kuponzahlungen pro Jahr ist. Angewandt auf das Beispiel 6.16 erhält man bei jährlichen Kuponzahlungen ( = 1 ): 5 1 065 5 0 06 0 065 1 1 4 4587 0 065 0 06 1 065 0 06 0 065 , , , D , , , , , , . Und bei halbjährlicher Kuponzahlung ( = 2 ) ergibt sich: 10 1 0325 5 0 06 0 065 1 1 0 065 2 0 06 1 0325 0 06 0 065 , , , D , , , , , 4,3853 Die Formel für die Duration von Kuponanleihen und die Excel-Modellierung lassen unschwer erkennen, dass die Duration im Vergleich zur Restlaufzeit ceteris paribus umso kürzer ist, je höher die Kuponzahlungen sind (vgl. Bild 6.26). Die Duration eines Zero Bonds entspricht seiner Laufzeit. Werden fallende Marktzinsen erwartet, dann sollten Anleihen mit relativ langen Durationen ins Portfolio genommen werden. In diesem Fall wird das Portfolio von einem überproportional steigenden Marktwert profitieren, der die schlechteren Wiederanlagebedingungen fälliger Kuponzahlungen überkompensiert. Werden steigende Marktzinsen erwartet, sollten Anleihen mit relativ kurzen Durationen aufgenommen werden, um die daraus resultierenden Kursverluste zu minimieren und von den besseren Reinvestitionsmöglichkeiten der Kupons zu profitieren. Bild 6.26 Duration als Funktion der Kuponrate (Restlaufzeit 23 Jahre, Marktrendite 10%) 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 0% 2% 4% 6% 8% 10% 12% 14% 16% 18% 20% Duration Kuponrate <?page no="204"?> 204 6 Zinsinstrumente Auch der Marktzinssatz und die Häufigkeit der Kuponzahlungen haben einen Einfluss auf die Duration. Ein höherer Marktzinssatz sowie mehrfache Kuponzahlungen pro Jahr verkürzen ceteris paribus die Duration. Die Duration nimmt unter sonst gleichen Bedingungen mit zunehmender Restlaufzeit zu, jedoch mit abnehmender Rate (vgl. Bild 6.27). So hat beispielsweise die Anleihe in Beispiel 6.16 bei einer Restlaufzeit von 20 Jahren eine Duration von 11,93 Jahren, bei 30 Jahren Laufzeit ergibt sich eine Duration von 14,11 Jahren, und bei einer Laufzeit von 50 Jahren weist dieselbe Anleihe eine Duration von 15,80 Jahren auf. Allen Kuponanleihen ist gemeinsam, dass die Duration für gegen den Grenzwert (1 + )/ konvergiert. Die Duration der Anleihe in Beispiel 6.16 nähert sich demnach dem Wert (1,065)/ 0,065 = 16,39 Jahre an. Bild 6.27 Duration als Funktion der Laufzeit (Kuponrate 5%, Marktrendite 10%) Excel-Umsetzung Bei der Ermittlung der Duration wird hier zunächst die Summe der Barwerte der Cash Flows (Kuponzahlungen und Nennwert) ermittelt. Damit erhält man den Preis der Anleihe. Anschließend werden die Zeitpunkte (Fälligkeiten der Cash Flows) mit dem Barwert der Cash Flows multipliziert und kumuliert. Die Summe der mit den Barwerten der Cash Flows gewichteten Zeitpunkte dividiert durch den Preis der Anleihe ergibt die Duration. Die Berechnung der Duration könnte mit der Excel Formel DURATION() vorgenommen werden, da ein konkretes Abrechnungs- und Fälligkeitsdatum gegeben ist. Da jedoch bei Änderung der Laufzeit der Anleihe die Duration durch Eingabe der neuen Laufzeit in die Formel erneut berechnet werden muss, wird hier auf die Anwendung verzichtet. Stattdessen kann zur Berechnung der Duration im Modell auf die Tabelle zurückgegriffen werden. Mit der Funktion MAX() wird der größte Wert in der der Spalte F in der Tabelle identifiziert, der die Duration in Laufzeitperioden repräsentiert. Um die Duration in Jahren zu erhalten, muss dieser Wert noch durch die Anzahl der Kuponzahlungen pro Jahr (Häufigkeit) dividiert werden. 0 2 4 6 8 10 12 14 0 20 40 60 80 100 Duration Laufzeit <?page no="205"?> 6.3 Anleihen 205 Besonders geeignet ist die Berechnung der Duration mit der oben aufgezeigten Kurzformel in Zelle E18 bzw. F18, da diese nicht nur die veränderte Laufzeit, sondern auch die Unterjährigkeit der Kuponzahlungen erfasst. Die restlichen Berechnungen erfolgen entsprechend der oben aufgezeigten Vorgehensweise. Position Inhalt Excel-Umsetzung E16 Preisberechnung nach Barwertmodell =(E11/ E12)*((1+E13/ E12)^(E12*E9)-1)/ ((E13/ E12*(1+E13/ E12)^(E12*E9)))+E6/ (1+E13/ E12)^(E12*E9) E17 Berechnung der Duration nach Tabelle =MAX(F28: F108)/ 2 E18 Berechnung der Duration mit Kurzformel =1/ E13+1/ E12*1-((1+1/ E12*E13)+E9*(E10- E13))/ (E10*(1+1/ E12*E13)^(E12*E9)-(E10- E13)) E19 Modified Duration =E17/ (1+E13/ E12) E20 absolute Preisänderung nach Zinsanstieg =-E18*E14*E16 E21 Preis nach Zinsanstieg =E16+E19 E22 relative Preisänderung nach Zinsanstieg =-E18*E14 E23 Preis nach Zinsanstieg =E16+E16*E21 E24 Preis nach Zinsanstieg mit Barwertformel =E11/ E12*(((1+(E13+E14)/ E12))^(E12*E9)-1)/ ((E13+E14)/ (E12)*((1+(E13+E14)/ E12))^(E12* E9))+E6/ (1+(E13+E14)/ E12)^(E12*E9) B28 Zeitpunkte =WENN($E$12*$E$9<B27; "SUMME"; B27+1) C28 Cash Flow =WENN(ODER(B28="SUMME"; B28=""); ""; WENN(B28=$E$12*$E$9; $E$11/ $E$12+$E$6; $E$11/ $E$12)) D28 Barwert des Cash Flow =WENN(ODER(B28="SUMME"; B28=""); ""; C2 8/ (1+$E$13/ $E$12)^B28) E28 Gewichte =WENN(ODER(B28="SUMME"; B28=""); ""; D28/ $E$16 F28 gewichtete Zeitpunkte (Duration) =WENN(ODER(B28="SUMME"; B28=""); ""; B28 *E28 B29 Zeitpunkte =WENN(ODER(B28="SUMME"; B28=""); ""; WENN($E$12*$E$9<B28+1; "SUMME"; B28+1)) C29 Cash Flow =WENN(ODER(B29="SUMME"; B29=""); ""; WENN(B29=$E$12*$E$9; $E$11/ $E$12+$E$6; $E$11/ $E$12)) D29 Barwert des Cash Flow =WENN(B29="SUMME"; SUMME($D$28: D28); WENN(B29=""; ""; C29/ (1+$E$13/ $E$12)^B29)) E29 Gewichte =WENN(B29="SUMME"; SUMME($E$28: E28); WENN(B29=""; ""; D29/ $E$16)) F29 gewichtete Zeitpunkte (Duration) =WENN(B29="SUMME"; SUMME($F$28: F28); WENN(B29=""; ""; B29*E29)) <?page no="206"?> 206 6 Zinsinstrumente Bild 6.28 Berechnung der Duration, Modified Duration und der approximativen Preisänderung (Beispiel 6.16) Beispiel 6.17 Für die in Beispiel 6.16 betrachtete Anleihe sollen der Preis, die absolute und relative Änderung des Preises, sowie die relative Preisänderung mit der Modified Duration berechnetet werden, wenn ausgehend vom gegebenen Marktzinssatz von 6,5% Marktzinsanstiege und -rückgänge von je 1%, das entspricht 100 Basispunkte (BP), unterstellt werden. Mit = 97,92 und einer MD von 4,19 erhält man bei den gegebenen Renditeänderungen die in Bild 6.29 dargestellten Ergebnisse. Rendite in % Änderung in bp Preis Änderung absolut Änderung in % Änderung in % mit MD 1,50% -500 121,52 23,60 24,10% 20,93% 2,50% -400 116,26 18,34 18,73% 16,75% 3,50% -300 111,29 13,37 13,65% 12,56% <?page no="207"?> 6.3 Anleihen 207 4,50% -200 106,58 8,66 8,85% 8,37% 5,50% -100 102,14 4,21 4,30% 4,19% 6,50% 0 97,92 0,00 0,00% 0,00% 7,50% 100 93,93 -3,99 -4,08% -4,19% 8,50% 200 90,15 -7,77 -7,94% -8,37% 9,50% 300 86,56 -11,36 -11,60% -12,56% 10,50% 400 83,16 -14,77 -15,08% -16,75% 11,50% 500 79,93 -18,00 -18,38% -20,93% Bild 6.29 Anleihepreise bei verschiedenen Marktzinssätzen (Beispiel 6.17) Damit ergeben sich für eine Anleihe unter Heranziehung von Bild 6.24 folgende Eigenschaften: Anleihepreise reagieren auf gleich große Renditeanstiege bzw. -rückgänge nicht mit betrags- und prozentual-gleichen Preisänderungen. Ein Renditerückgang von 300 Basispunkten hat einen Preisanstieg um 13,65% zur Folge, während dessen ein Renditeanstieg um 300 Basispunkte lediglich einen Preisrückgang um 11,60 % verursacht. Es existiert demnach ein nichtlinearer Preis-Rendite-Zusammenhang und nicht ein proportionaler (linearer) wie er bei der Modified Duration unterstellt wird. Die Preis-Rendite-Funktion hat einen konvexen Verlauf und es ergibt sich bei der Unterstellung eines linearen Zusammenhangs ein Schätzfehler, der umso größer wird, je höher die Renditeänderung ausfällt (vgl. Bild 6.24). Die Steigung der Tangente an der Barwertfunktion entspricht der Modified Duration. Die Preisänderung kann mit der Modified Duration bis zu einer Renditeänderung von 1% gut abgeschätzt werden. Ab einer Renditeänderung von mehr als einem Prozent wird die approximative Preisänderung zunehmend ungenauer und es entsteht ein systematischer Fehler dahingehend, dass bei einem Renditeanstieg der Preisrückgang überschätzt und bei einem Renditerückgang der Preisanstieg unterschätzt wird. Die vertikale Differenz zwischen der Kurve und Geraden (vgl. Bild 6.24) repräsentiert den Approximationsfehler zwischen dem finanzmathematisch errechneten und dem über die Modified Duration abgeschätzten Preis der Anleihe. Excel-Umsetzung Zunächst werden die Input-Parameter Preis, Duration und Modified Duration berechnet, um dann bei einem Rückgang bzw. einem Anstieg der Rendite um jeweils 1% den Preis, die absolute und relative Preisänderung und die relative Preisänderung mittels der Modified Duration zu berechnen. <?page no="208"?> 208 6 Zinsinstrumente Position Inhalt Excel-Umsetzung D10 Anleihepreis =D6*D7*((1+D9)^D8-1)/ (D9*(1+D9)^D8)+ D6/ (1+D9)^D8 D11 Duration =D6*D7*((1+D9)^D8-1)/ (D9*(1+D9)^D8)+ D6/ (1+D9)^D8 D12 Modified Duration =D11/ (1+D9) B15 Rendite =-($B$20-B15)*10000 C15 Renditeänderung in bp =-($B$20-B15)*1000 D15 Preis =$D$6*$D$7*((1+B15)^$D$8-1)/ (B15*(1+B15) ^$D$8)+$D$6/ (1+B15)^$D$8 E15 absolute Preisänderung =D15-$D$10 F15 relative Preisänderung =E15/ $D$10 G15 relative Preisänderung mit MD =-$D$12*(B15-$B$20) Bild 6.30 Anleihepreise für verschiede Marktzinssätze (Beispiel 6.17) <?page no="209"?> 6.3 Anleihen 209 Schließlich soll noch die Duration bei Existenz einer Teilperiode dargestellt werden, wobei die Teilperiode , mit 0 < < 1 , definiert ist als Anzahl der Tage vom Kaufvalutatag bis zum nächsten Kupontermin Anzahl der Tage in der Kuponperiode . Bildet man ausgehend von der Barwertgleichung 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 n n t n t n t t C M P C r M r r r die erste Ableitung nach der Marktrendite r, dann erhält man: 1 1 1 1 1 1 1 ( 1 ) 1 n t n t dP t C r n M r dr oder 1 1 1 1 1 1 1 1 1 n t n t t C n M dP dr r r r Dividiert man beide Seiten durch P, erhält man: 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 n t n t t C n M dP dr P r P r r Der Term in der eckigen Klammer dividiert durch P ist die Macaulay-Duration D bei Existenz einer Teilperiode . 1 1 1 1 1 1 1 1 n t n t t C n M D P r r Ist keine Teilperiode vorhanden, d.h. ist = 1 , dann erhält man wiederum die Duration bei glatter Restlaufzeit. Fasst man die Kuponzahlungen und den Nennwert der Anleihe zu einer Cash Flow- Zahl 1 t CF mit = 1, 2, … , und 0 < < 1 zusammen, dann kann man die Duration schreiben als: 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 n n n t t t t t t t t t t CF CF t CF D r P P r r r Mit 1 1 1 1 1 1 1 1 1 n n t t t t t t CF CF P r r r erhält man: 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 n n t t n t t t t t t t t CF CF D r CF r r r r <?page no="210"?> 210 6 Zinsinstrumente 1 1 1 1 1 1 n t n t t t t t t CF CF r r Substituiert man den Ausdruck im Nenner durch P, erhält man schließlich: 1 1 1 t n t t t CF r D P , wobei n die Anzahl der Jahre von der letzten Kuponzahlung bis zur Fälligkeit ist (die tatsächliche (Rest-)Laufzeit wird auf die nächsthöhere ganze Zahl aufgerundet), was der Anzahl der noch verbleibenden Kuponzahlungen bis zur Fälligkeit entspricht. Zur Berechnung der Duration bei Existenz einer Teilperiode wird also zunächst die Duration auf Basis von n Jahren berechnet. Diese wird dann um ein Jahr verkürzt und die Teilperiode , die Teilperiode eines Jahres ist, hinzuaddiert, was durch den Term 1 zum Ausdruck kommt. Aus dieser Darstellung der Duration erkennt man, dass sich, solange keine Zahlungen bzw. Reinvestitionen erfolgen, die Duration im selben Maß reduziert, wie sich die Zeit verkürzt. Zur Demonstration der Berechnung wird die Anleihe in Beispiel 6.16 jedoch mit einer Restlaufzeit von 4,25 Jahren herangezogen. Zunächst wird die Duration für eine Laufzeit von 5 Jahren berechnet, diese beträgt 4,46 Jahre. Die Duration bei einer Restlaufzeit von 4,25 Jahren ist dann = 4,46 + 0,25 1 = 3,71 Jahre. Erfolgen die Kuponzahlungen halbjährlich, muss die Formel entsprechend angepasst werden. 2 12 1 1 1 t n t t t CF r D P dabei ist 2n die Anzahl der Halbjahresperioden von der letzten Kuponzahlung bis zur Fälligkeit (die tatsächliche (Rest-)Laufzeit wird auf die nächsthöhere ganze Zahl aufgerundet), was der Anzahl der noch verbleibenden Kuponzahlungen bis zur Fälligkeit entspricht, und sind die halbjährlichen Kuponzahlungen. Zur Berechnung der Duration bei Existenz einer Teilperiode und halbjährlicher Kuponzahlung wird zunächst die Duration auf Basis von 2n Halbjahren berechnet. Diese wird dann um ein halbes Jahr verkürzt und die Teilperiode , die Teilperiode eines halben Jahres ist, hinzuaddiert, was durch den Term 1 zum Ausdruck kommt. Um die Duration in Jahren zu erhalten, muss das Ergebnis noch durch zwei dividiert werden. Die Duration kann auch bei nicht glatter Restlaufzeit direkt mit nachfolgender Kurzformel berechnet werden (die Herleitung ist in Appendix A aufgezeigt). Bei jährlichen Kuponzahlungen und einer Teilperiode erhält man 1 1 1 n r n c r D r c r c r . <?page no="211"?> 6.3 Anleihen 211 Wird diese Kurzformel für m Kuponzahlungen pro Jahr verallgemeinert, ergibt sich: 1 1 1 1 1 1 1 1 m m m m mn m r mn c r D r c r c r Dabei ist die Teilperiode die Zeit vom Abrechnungstag bis zur nächsten Kuponzahlung in der betrachteten Periode und mn die Anzahl der Perioden von der letzte Kuponzahlung bis zur Fälligkeit, was der Anzahl der noch verbleibenden Kuponzahlungen bis zur Fälligkeit entspricht. Dividiert man durch m, erhält man die Teilperiode in Jahren. Die Formel kann weiter vereinfacht werden, wenn als Teil eines Jahres definiert und im zweiten Term des Zählers ausgeklammert wird. Damit ergibt sich die Duration in Jahren zu 1 1 1 1 1 m mn m r n c r D r c r c r . Zu beachten ist, dass hier n die Anzahl der Perioden von der letzten Kuponzahlung bis zur Fälligkeit dividiert durch m ist. Beispiel 6.18 Betrachtet wird eine Anleihe mit einem Nennwert von $1,000, einer Kuponrate von 6% und einer Restlaufzeit von 3 Jahren und 90 Tagen. Die Kuponzahlungen erfolgen halbjährlich und die gegenwärtige Marktrendite vergleichbarer Anleihen (gleiche Risikoklasse und gleiche Laufzeit) sei 8%. Die Tagezählkonvention sei 30/ 360. Es sollen die Duration und die Modified Duration dieser Anleihe berechnet werden. Zur Berechnung des Preises und der Duration der Anleihe wird die Laufzeit von 3,25 Jahren zunächst in Halbjahresperioden umgerechnet. Man erhält 2 3,25 = 6,5 Halbjahresperioden. Aufgerundet auf die nächsthöhere ganze Zahl ergeben sich 7 Halbjahresperioden, was der Anzahl der Halbjahresperioden von der letzten Kuponzahlung bis zur Fälligkeit (oder der Anzahl der noch verbleibenden Kuponzahlungen bis zur Fälligkeit) entspricht. Gegeben sind weiterhin / 2 = 0,04 , = 0,5 (Teilperiode eines halben Jahres), = 7/ 2 = 3,5 (für die Kurzformel) und / 2 = 30 . Zunächst wird der Preis der Anleihe auf Basis von 7 Halbjahresperioden bestimmt. 7 7 7 1, 04 1 1.000 30 939,98 0, 04 1, 04 1, 04 P . Die Duration auf Basis von 7 Halbjahresperioden ist 2 7 7 1 30 2 30 7 30 7 1.000 1, 04 1, 04 1, 04 1, 04 6, 3953 939, 98 D . Die Duration auf Basis von 6,5 Halbjahresperioden beträgt 6, 395 0,5 1 5,8953 D und bei einer (Rest-)Laufzeit von 3,25 Jahren erhält man <?page no="212"?> 212 6 Zinsinstrumente 5,8953 2, 9477 2 D . Die Anwendung der Kurzformel führt zum gleichen Ergebnis: 7 1, 04 3,5 0, 06 0, 08 1 0, 25 2, 9477 0, 08 0, 06 1, 04 0, 06 0, 08 D . Die Modified Duration ist = , , = 2,8343 . Excel-Umsetzung Ausgehend von den gegebenen Input-Daten wird zunächst die Laufzeit in Halbjahresperioden (hier 6,5 Halbjahresperioden, F10) und die Teilperiode (0,5 Halbjahresperioden, F12) bestimmt. Dann wird der Preis der Anleihe auf Basis der Perioden von der letzten Kuponzahlung bis zur Fälligkeit (hier 7 Halbjahresperioden, F15) berechnet. Die Teilperiode findet hierbei keine Berücksichtigung. Die Duration kann nun auf verschiedene Weise bestimmt werden. Zum einen kann sie mit Hilfe der Tabelle auf Basis von 7 Halbjahresperioden berechnetet werden und wird dann mit 1 korrigiert. Damit ergibt sich die Duration auf Basis von 6,5 Halbjahresperioden (F16). Wird dieser Wert durch die Anzahl der Kuponzahlungen pro Jahr dividiert (hier 2), erhält man die Duration in Jahren (F17). Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Duration direkt mit der Kurzformel zu bestimmen (F18), was zum selben Ergebnis führt. Position Inhalt Excel-Umsetzung F10 Laufzeit in Perioden =F8*F9 F11 Perioden von letzter Kuponzahlung bis Fälligkeit =AUFRUNDEN(F8*F9; 0) F12 Teilperiode in Perioden =F10-GANZZAHL(F10) F15 Preis der Anleihe =F6*F7/ F9*((1+F13/ F9)^F11-1)/ ((F13/ F9* (1+F13/ F9)^F11))+F6/ (1+F13/ F9)^F11 F16 Duration ' Perioden letzte Kuponzahlung bis Fälligkeit ' =MAX(F24: F84) F17 Duration ' Laufzeit in Perioden ' =MAX(F23: F83)-1+F12 F18 Duration in Jahren =F16/ F9 F19 Duration in Jahren mit Kurzformel =1/ F13+F12/ F9-((1+F13/ F9)+F11/ F9*(F7- F13))/ ((F7*(1+F13/ F9)^(F9*F11/ F9)-(F7- F13))) F20 Modified Duration =F18/ (1+F13/ F9) <?page no="213"?> 6.3 Anleihen 213 Bild 6.31 Duration einer Anleihe bei nicht glatter (Rest-)Laufzeit (Beispiel 6.18) Die Duration kann wegen ihrer Additivitätseigenschaft auch für ein Anleiheportfolio berechnet werden. Dabei wird die Duration der einzelnen im Portfolio befindlichen Anleihen mit den wertmäßigen Portfolioanteilen gewichtet. Die Portfolioduration ist dann: 1 k P i i i D w D mit 1 1 k i i w Beispiel 6.19 Für die nachfolgenden drei Anleihen soll die Portfolioduration und die Modified Duration zur Abschätzung von Preisänderungen bei Marktzinsänderungen berechnet werden. Der Marktzinssatz sei gegenwärtig 5%. Anleihe 1 Anleihe 2 Anleihe 3 Summe Nennwert (Euro) 100 100 100 Kuponrate (%) 5% 6% 7% Restlaufzeit (Jahre) 15 10 8 <?page no="214"?> 214 6 Zinsinstrumente Nominalwert (Euro) 30.000 50.000 60.000 140.000,00 Marktwert (Euro) 30.000,00 53.860,87 67.755,86 151.616,72 Duration (Jahre) 10,90 7,89 6,50 Der Marktwert der drei im Portfolio befindlichen Anleihen beträgt 151.616,73 Euro. Damit können die wertmäßigen Portfolioanteile berechnet werden: 1 30.000 19, 79% 151.616, 73 w 2 5.860,87 35,52% 151.616, 73 w 3 67.755,86 44, 69% 151.616, 73 w Die Portfolioduration erhält man durch Multiplikation der Portfolioanteile mit den jeweiligen Durationskennzahlen. 0,1979 10, 90 0, 3552 7,89 0, 4469 6,50 7,86 p D Die Modified Duration des Portfolios beträgt 7, 33 6, 98 1, 05 MD . Bei einem Anstieg (Rückgang) des Marktzinssatzes um 1% ändert sich der Marktwert des Portfolios um annähernd 6,98% (+6,98%) auf 141.033,88 Euro (162.199,58 Euro). Excel-Umsetzung Zur Bestimmung der Portfolio Duration wird zunächst der Marktwert der Anleihen berechnet. Anschließend werden die Gewichte bestimmt, indem die Marktwerte der einzelnen Anleihen auf den gesamten Marktwert (G13) bezogen werden. Die Duration wird mit der Kurzformel berechnet, da weder Abrechnungsdatum noch Fälligkeitsdatum vorliegen. Um die Portfolio Duration zu erhalten, werden die einzelnen Durationen mit den Gewichten multipliziert und aufsummiert. Dividiert man die Portfolio Duration mit (1 + Marktzinssatz), erhält man die Modified Duration des Portfolios. Die Berechnung wird beispielhaft für Anleihe 1 durchgeführt. D13 Marktwert =(D8*D9*((1+C6)^D10-1)/ (C6*(1+C6)^D10)+D8/ (1+C6)^D10)*D11/ D8 D14 Gewicht =D13/ G13 D15 Duration =1/ C6+1-((1+C6)+D10*(D9-C6))/ (D9*(1+C6)^D10- (D9-C6)) D17 Portfolio Duration =D14*D15+E14*E15+F14*F15 D18 Modified Duration =D17/ (1+C6) <?page no="215"?> 6.3 Anleihen 215 Bild 6.32 Duration eines Portfolios aus drei Kuponanleihen (Beispiel 6.19) Im Gegensatz zur Macaulay-Duration berücksichtigt die Effective Duration (ED) nicht flache Zinsstrukturkurven. Die einzelnen Cash Flows werden demnach nicht mit einem einheitlichen Zinssatz, sondern mit dem in jeder Periode geltenden Kassazinssatz (Spot Rates) diskontiert. In Anlehnung an die Formel für die Duration erhält man für die Effective Duration: 1 1 1 1 1 1 1 n t t t t n n t t t t n t t t t t t t CF s t CF s ED t w P CF s Das folgende Beispiel (vgl. Beispiel 6.9) soll die Berechnung der Effective Duration verdeutlichen. Für eine Anleihe mit einer Restlaufzeit von 5 Jahren und einem jährlichen Kupon von 4% soll der Preis und die Effektive Duration berechnet werden. Am Markt wird die folgende hypothetische Zinsstruktur beobachtet: 1 2 3 4 5 2%, s 2,5%, s 2,8%, s 3, 0%, s 3,1% s Für die Anleihe ergibt sich ein Preis von 2 3 4 5 4 4 4 4 104 104, 24 1, 02 1, 025 1, 028 1, 030 1, 031 P . Die Effective Duration beträgt 2 3 4 5 1 4 2 4 3 4 4 4 5 104 1, 02 1, 025 1, 028 1, 03 1, 031 501,51 4,81 Jahre 104, 24 104, 24 ED . <?page no="216"?> 216 6 Zinsinstrumente 6.3.9.2 Konvexität Im vorhergehenden Abschnitt wurde gezeigt, dass die Duration den konvexen Zusammenhang zwischen Marktrendite und Preis einer Anleihe linear approximiert. Dadurch entsteht bei der Berechnung der Preisänderung ein Approximationsfehler (vgl. Bild 6.24), der auf den konvexen Verlauf der Preis-Rendite Funktion zurückzuführen ist. Dieser Fehler, der bei einem Renditerückgang stärker ausfällt als bei einem Renditeanstieg, ist umso größer ist, je stärker die Renditeänderung ausfällt. Auch wenn bei mäßigen Marktzinsänderungen ein Großteil der Preisveränderung bereits mit der Modified Duration erklärt werden kann, kann mit Hilfe der Konvexitätskennzahl die Approximation an den tatsächlichen Preisverlauf (Barwertkurve) noch verfeinert werden. Die Konvexität (Convexity) K misst die Krümmung der Kurve; sie ergibt sich aus der Taylor-Entwicklung auf Basis der ersten beiden Ableitungen: 2 2 2 2 1 1 1 1 2 2 MD Konvexität P P P r r MD r K r P r P r P Der erste Term der Taylor-Reihe gibt die approximative Preisänderung über die Modified Duration wieder, der zweite Term die Erweiterung über die Konvexität plus einem Störterm . Die Taylor-Reihe könnte beliebig weiterentwickelt werden, der Nutzen, der sich durch Hinzufügen weiterer Ableitungsterme ergibt, ist jedoch gering, da wegen < 1 die Approximationsbeiträge durch Multiplikation mit höheren Potenzen sehr stark abnehmen. Aus diesem Grund wird die Reihe im Allgemeinen nach dem zweiten Term abgebrochen. Erfolgen die Kuponzahlungen halbjährlich und ist eine Teilperiode eines halben Jahres zu berücksichtigen, dann geht die Konvexität aus der zweiten Ableitung der Preis- Rendite-Funktion hervor. 2 2 1 1 2 1 2 1 1 1 2 2 2 1 2 1 1 1 1 1 2 2 1 1 1 1 n n t n t n t t C M P C r M r r 2 1 1 2 1 1 1 1 1 2 2 2 1 1 1 (2 1 ) 1 n t n t dP t C r n M r dr Die zweite Ableitung ergibt: 2 2 1 2 1 1 2 2 2 1 2 1 2 1 2 1 1 1 1 2 1 1 (2 1 ) 1 n t t n d P t t C r n dr n M r Die zweite Ableitung reflektiert die Krümmung der Preis-Rendite-Funktion und ist ein Ergänzungsmaß zur deren Steigung. Durch weitere Umformungen und Division beider Seiten durch P erhält man die Konvexität. 2 2 2 1 2 2 1 2 1 1 1 2 2 2 1 1 1 1 1 2 (2 1 ) 1 n t n t d P K dr P t t C r n n M r P <?page no="217"?> 6.3 Anleihen 217 oder 2 2 2 1 2 2 1 2 1 1 1 2 2 2 1 2 1 2 1 1 1 1 2 2 2 1 1 1 1 2 (2 1 ) 1 1 1 n t n t n t n t d P K dr P t t C r n n M r C r M r Fasst man noch die Halbjahres-Kuponzahlungen und den Nennwert zu einer Cash Flow-Zahl t CF zusammen, dann kann man die Konvexität schreiben: 2 1 2 1 2 2 1 2 2 1 12 1 1 1 1 1 n t t t n t t t t t CF r d P K dr P CF r wobei Halbjahreskuponzahlungen sind und ist Teilperiode eines halben Jahres. Im Nenner des Bruches steht der Dirty-Preis der Anleihe. Durch weitere Umformung kann die Konvexität auf Basis von Halbjahresperioden und Existenz einer Teilperiode auch als 2 1 2 1 1 2 1 1 1 1 n t t t K t t CF P r geschrieben werden. Erfolgen die Kuponzahlungen jährlich und ist eine Teilperiode vorhanden, erhält man: 2 2 1 2 1 1 1 1 1 1 n t t t d P K t t CF dr P P r Erfolgen die Kuponzahlungen halbjährlich und ist keine Teilperiode vorhanden, d.h. ist = 1 , dann berechnet sich die Konvexität zu: 2 2 1 1 2 1 1 1 1 n t t t K t t CF P r Die Umrechnung der Konvexität in Jahre erfolgt allgemein durch die Beziehung: 2 Konvexität in Perioden pro Jahr Konvexität in Jahren m m Bei jährlichen Kuponzahlungen und glatter Restlaufzeit erhält man: 2 1 1 1 1 1 n t t t K t t CF P r Die Konvexität in Perioden einer Nullkupon-Anleihe reduziert sich zu 2 1 1 t t K r und kann durch obige Formel in Jahre transformiert werden. <?page no="218"?> 218 6 Zinsinstrumente Beispiel 6.20 Gegeben sei eine Anleihe mit einem Nennwert von 100 Euro, einer Kuponrate von 6% und einer Restlaufzeit von 5 Jahren. Die gegenwärtige Marktrendite sei 6,5% (vgl. Beispiel 6.16). Zunächst sollen der Preis, die Duration, die Modified Duration und die Konvexität berechnet werden. Dann soll für eine Renditeänderung vo n ±100 Basispunkten der Preis approximiert werden und der exakten Preisänderung gegenübergestellt werden. Der Preis der Anleihe berechnet sich zu 97,92 Euro, die Duration ist 4,46 Jahre und die Modified Duration beträgt 4,19%. Die Konvexität erhält man über die Formel 2 1 1 1 1 1 n t t t K t t CF P r . Zunächst wird tabellarisch die zweite Ableitung ermittelt: Jahre t t Cash Flow CF t 1/ (1+r) t+2 (t) · (t+1) (t) · (t+1) · CF t / (1+r) t+2 1 1 6 0,8278 2 4,9671 2 2 6 0,7773 5 23,3197 3 3 6 0,7299 10 43,7929 4 4 6 0,6853 17 69,9041 5 5 106 0,6435 26 1.773,5031 Summe 1.920,4539 Bild 6.33 Berechnung der Konvexität einer 5-jährigen 6%-Kupon-Anleihe bei einer aktuellen Rendite von 6,5% (Beispiel 6.21) Die Konvexität ergibt sich, indem die zweite Ableitung durch den Preis dividiert wird: 1.920, 4539 19, 61 97, 92 K Die absolute Preisänderung nach einem Renditeanstieg von 100 Basispunkten mittels Modified Duration und Konvexität ist 2 4,19 0, 01 0,5 19, 61 0, 01 97, 92 4, 00 P . Damit ergibt sich ein Preis von 97, 92 4, 00 93, 92 P Die relative Preisänderung beträgt 2 4,19 0, 01 0,5 19,56 0, 01 4, 09% P P <?page no="219"?> 6.3 Anleihen 219 womit man ebenfalls einen Preis von = 97,92 (1 0,0409) = 93,92 erhält. Der exakte Preis nach einem Renditeanstieg von 1% beträgt nach der Barwertformel 93,93. Die Preisabschätzung mit der Modified Duration und der Konvexität liefert einen Preis, der nahezu identisch ist mit dem Barwert der Kuponzahlungen und des Nennwertes. Bei einem Renditerückgang von 100 Basispunkten ergibt sich bei einer absoluten bzw. relativen Preisänderung von 4,20 Euro bzw. 4,28% ein geschätzter Preis von 102,12 Euro im Vergleich zum exakten Preis von 102,14 Euro. Auch hier ist die Abweichung in Höhe von 0,02 Euro sehr gering. Man erkennt, dass - bedingt durch die Konvexität der Preis-Rendite-Funktion - bei einer Renditeänderung von 1% der Preisanstieg mit 4,28% höher ist als der Preisrückgang mit 4,09% bei einer Renditeänderung von +1%. Excel-Umsetzung Nach der Berechnung des Preises, der Duration und der Modified Duration (vgl. Beispiel 6.18) wird zunächst die zweite Ableitung (G30) der Anleihe tabellarisch ermittelt. Dividiert man die zweite Ableitung mit dem Preis der Anleihe (F12), erhält man die Konvexität (F16). Die absolute bzw. relative Preisänderung mittels Modified Duration und Convexity ergibt sich aus der oben aufgezeigten Taylor-Reihe zweiter Ordnung. Für Laufzeiten größer als fünf Jahre müssen die Zellinhalte der Zeile 26 entsprechend der gewünschten Laufzeit nach unten kopiert werden. F15 zweite Ableitung der Preis-Rendite Funktion =MAX(G25: G100) F16 Konvexität =F15/ F12 F17 absolute Preisänderung nach Renditeanstieg mit Modified Duration und Convexity =(-F14*F10+1/ 2*F16*F10^2)*F12 F18 Preis nach Renditeanstieg =F12+F17 F19 relative Preisänderung nach Renditeanstieg mit Modified Duration und Convexity =-F14*F10+1/ 2*F16*F10^2 F20 Preis nach Renditeanstieg =F12+F12*F19 F21 exakter Preis nach der Barwertformel =F6*F7*((1+F9+F10)^F8-1)/ (F9+F10)* (1+F9+F10)^F8)+F6/ (1+F9+F10)^F8 <?page no="220"?> 220 6 Zinsinstrumente Bild 6.34 Preisapproximation einer 5-jährigen, 6% Kuponanleihe über Modified Duration und Konvexität (Beispiel 6.21) In Abschnitt 6.3.8.1 wurde gezeigt, dass mit der Modified Duration der Preis einer Anleihe bei einer Renditeänderung bis zu ±1% ausreichend gut abgeschätzt werden kann, bei einer größeren Renditeänderung die Preisapproximation hingegen zunehmend ungenauer wird. Anhand einer Scenarioanalyse soll nun am Beispiel der 5-jährigen, 6% Kuponanleihe (Beispiel 6.21) der Approximationsfehler der Modified Duration alleine und dann unter Einbezug der Konvexität zur Berechnung zinsänderungsbedingter Preisreaktionen analysiert werden. Beispiel 6.21 Am Beispiel der 5-jährigen 6%-Kuponanleihe (Beispiel 6.21) zeigt Bild 6.35 die Preise und die absoluten und relativen Preisänderungen bei Renditeanstiegen und -rückgängen von jeweils 100 Basispunkten, ausgehend von einem Renditeniveau von 6,5%. Rendite in % Änderung in Basispunkten exakter Preis exakte Preisänderung Preisänderung MD Schätzfehler MD Preisänderung MD und K Schätzfehler MD und K (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) 1,50 -500 121,52 23,60 20,50 3,10 22,89 0,70 2,50 -400 116,26 18,34 16,40 1,94 17,93 0,40 3,50 -300 111,29 13,37 12,30 1,07 13,16 0,20 4,50 -200 106,58 8,66 8,20 0,46 8,58 0,08 5,50 -100 102,14 4,21 4,10 0,11 4,20 0,02 <?page no="221"?> 6.3 Anleihen 221 6,50 0,00 97,92 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 7,50 100 93,93 -3,99 -4,10 0,11 -4,00 0,01 8,50 200 90,15 -7,77 -8,20 0,43 -7,82 0,04 9,50 300 86,56 -11,36 -12,30 0,94 -11,44 0,07 10,50 400 83,16 -14,77 -16,40 1,63 -14,87 0,10 11,50 500 79,93 -18,00 -20,50 2,50 -18,10 0,10 Bild 6.35 Schätzfehler bei der Preisberechnung über Modified Duration und Konvexität (Beispiel 6.22) Bei einer Rendite von 6,5% errechnen sich ein aktueller Preis von 97,92 Euro, eine Modified Duration von 4,19 und eine Konvexität von 19,61. Das Renditeniveau wird nun in Schritten von 100 Basispunkten gemäß Spalte 2 relativ zur Rendite von 6,5% erhöht bzw. gesenkt. Die korrespondierenden exakten Preise und die exakten absoluten Preisänderungen relativ zum aktuellen Preis von 97,92 Euro stehen in Spalte 3 bzw. 4. Die Spalte 5 enthält die Preisänderung, wenn zur Abschätzung die Modified Duration alleine verwendet wird, und Spalte 6 den daraus resultierenden Schätzfehler als Differenz zwischen den exakten und approximierten Preisen. Bild 6.36 zeigt, dass die Preisapproximation über die Modified Duration alleine die exakten Preise unabhängig von der Richtung der Renditeänderung unterschätzt. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Residuenkurve (Schätzfehler zwischen tatsächlichen und approximierten Preisen) als nach oben geöffnete Parabel verläuft, die jedoch nicht symmetrisch verläuft, da die Schätzfehler bei Renditerückgängen höher sind als bei Renditeanstiegen (vgl. Spalte 6 in Abb. 6.35). Spalte 7 gibt die Preisänderung an, wenn neben der Modified Duration auch noch die Konvexität zur Preisabschätzung herangezogen wird. Ein Vergleich der Spalten 8 und 6 verdeutlicht, dass die Höhe des Schätzfehlers unter Hinzunahme der Konvexität insbesondere bei großen Renditeänderungen stark abnimmt. Dennoch ist das positive Korrektiv der Konvexität bei einem starken Renditerückgang nicht groß genug, um die exakte Preisänderung abzubilden. Bei hoher Konvexität und starken Renditeanstiegen hingegen könnte die Korrektur zu hoch ausfallen, was dann durch negative Schätzfehler in Spalte 8 zum Ausdruck käme. Bild 6.35 zusammen mit Bild 6.36 verdeutlichen, dass die Konvexität eine Risikoasymmetrie erzeugt, wonach Zinsanstiege zu anderen Preisänderungen führen wie Zinsrückgänge. Der Asymmetrievorteil konvexer Anleihen besteht darin, dass das Chancenpotenzial aufgrund fallender Marktrenditen größer ist als das Risikopotenzial bei gleich stark steigenden Renditen. Dieser Asymmetrievorteil kann quantifiziert werden und entspricht der Differenz zwischen den absoluten Kursgewinnen und Kursverlusten bei jeweils gleich großem Renditerückgang bzw. -anstieg. Im betrachteten Beispiel bewirkt ein Renditeanstieg um 2% laut Bild 6.35 einen Preisrückgang um 7,77 Euro, wohingegen ein Renditerückgang um 2% einen Preisanstieg von 8,66 Euro verursacht. Daraus resultiert ein absoluter Asymmetrievorteil von 0,89 Euro oder bezogen auf den aktuellen Preis von 97,92 Euro ein relativer Asymmetrievorteil von 0,91%. <?page no="222"?> 222 6 Zinsinstrumente Bild 6.36 Schätzfehler bei Preisermittlung über Modified Duration und Convexity Aus der für einen Investor positiven Risikoasymmetrie kann gefolgert werden, dass Konvexität grundsätzlich eine wünschenswerte Eigenschaft ist und von ansonsten gleichwertigen Anleihen immer die mit der größten Konvexität präferiert werden sollte. Die Konvexitätskennziffer kann letztendlich wie folgt interpretiert werden: Je größer die Konvexität ist, desto geringer sind die Verluste bei steigenden Renditen und desto höher sind die Gewinne bei fallenden Renditen. Dieselbe Eigenschaft der Konvexität kann auf Portfolios mit gleicher Duration angewendet werden. Bei größerer Konvexität führt eine Zinssteigerung zu kleineren Verlusten und eine Zinssenkung zu größeren Gewinnen im Portfolio im Vergleich zu einer Preis-Rendite Kurve mit geringerer Konvexität. Die Konvexität wird wie die Duration einer Anleihe aus der Barwertformel abgeleitet und wird daher auch von den Faktoren Kupon, Laufzeit und Marktrendite beeinflusst. Es gelten folgende Zusammenhänge: Die Konvexität einer Anleihe ist umso größer, je kleiner die Kuponrate ist. Das Ausmaß des Asymmetrievorteils nimmt mit niedrigerer Kuponrate zu. Mit zunehmender Restlaufzeit (d.h. mit zunehmender Duration) nimmt die Konvexität zu. Die Formel für die Konvexität verdeutlicht, dass die Konvexität bei Verlängerung der Restlaufzeit quadratisch zunimmt. Der Einfluss der Marktrendite wirkt sich wie bei der Duration negativ auf die Konvexität aus. Je höher die Rendite, umso kleiner wird die Konvexität. Die Schwierigkeiten bei der Analyse und Anwendung der Konvexität liegen in den Annahmen. Es wird von einer Parallelverschiebung der Zinskurve und von konstanten Spreads (Renditedifferenzen) verschiedener Anleihen ausgegangen, was in der Realität nicht immer gegeben ist. Excel-Umsetzung Die Modellierung in Excel erfolgt nach der oben beschriebenen Vorgehensweise. -1,0 0,5 2,0 3,5 -500 -300 -100 100 300 500 Schätzfehler in Preispunkten Renditeänderung in Basispunkten Schätzfehler mit Modified Duration <?page no="223"?> 6.3 Anleihen 223 Bild 6.37 Schätzfehler bei der Preisberechnung über Modified Duration und Convexity (Beispiel 6.22) 6.3.9.3 Immunisierungsstrategie Die Barwertformulierung geht von der Annahme aus, dass alle während der Laufzeit anfallenden Kuponzahlungen eben zur aktuellen Rendite bis zur Fälligkeit reinvestiert werden und die Anleihe bis zur Fälligkeit gehalten wird. Damit ergibt sich ein Endvermögen (Future Value) FV am Ende der Laufzeit n von 1 1 n n t t t FV C r M . Die sich aus dem Endvermögen und dem eingesetzten Kapital (Kurs der Anleihe) ergebende ex-post-Rendite oder Total Return, entspricht dann der Rendite r, die die Anleihe zum Investitionszeitpunkt ausweist. In der Realität wird jedoch das tatsächliche Endvermögen (und damit die ex-post- Rendite) von dem beim Kauf geplanten Endvermögen wegen Marktzinsänderungen und unterschiedlicher Anlagedauern abweichen, so dass sich ein Endvermögen bzw. eine Rendite ergibt, die entweder über oder unter der zum Investitionszeitpunkt ausgewiesenen Rendite (Yield to Maturity) liegt. Bei gegebenem Anlagehorizont h, mit h n , ergibt sich am Ende des Anlagehorizonts bei glatter Restlaufzeit und jährlicher Kuponzahlung ein Endwert von <?page no="224"?> 224 6 Zinsinstrumente 1 1 1 1 1 h n h h t h t t t n h t t C M FV C r r r . Demnach werden bei der Berechnung des Endwertes alle vor dem Anlagehorizont h liegenden Kuponzahlungen auf den Anlagehorizont h hin aufgezinst, und alle nach dem Anlagehorizont liegenden Kuponzahlungen sowie der Nennwert der Anleihe auf das Ende des Anlagehorizonts abgezinst. Zum Zeitpunkt der Duration, wenn h D , gleichen sich die marktzinsinduzierten, gegenläufigen Kurs- und Wiederanlageeffekte aus, so dass des Endvermögen gegen Zinsänderungen immunisiert ist (Immunisierungsstrategie). Allgemein lässt sich dieser Sachverhalt an folgender Überlegung veranschaulichen. Sei 0 1 h L V r der Barwert einer nach h Jahren fällig werdenden Verbindlichkeit L, wobei der Diskontierungszinssatz der gegenwärtigen Marktrendite r entspricht. Diese Verbindlichkeit soll nun mit einer Anleihe abgesichert werden, wobei für den Preis der Anleihe gilt: 1 1 n t t t C P r Erfolgt eine Änderung des Marktzinssatzes von r auf r r , dann ergibt sich der Wert der zukünftigen Verbindlichkeit zu 0 0 0 0 0 0 1 1 h dV h L V V V V V r dr r Und für den Wert der Anleihe erhält man: 1 1 1 n t t t dP tCF P P P P P r dr r Gleichsetzen beider Werte ergibt: 0 1 1 1 1 1 n t h t t h L tCF V r P r r r oder 1 1 1 1 1 n t h t t h L tCF r r . Mit 0 1 h L P V r erhält man 1 1 1 n t t t CF h P r <?page no="225"?> 6.3 Anleihen 225 und 1 1 1 1 n t t t tCF h P r Der zweite Term der Gleichung ist die Duration, so dass gilt: = . Damit ist gezeigt, dass ein Investor, dessen Planungshorizont mit der Duration der Anleihe identisch ist, unter den gegebenen Annahmen (flache Zinskurve, einmalige Marktzinsänderung unmittelbar nach dem Kauf der Anleihe und Parallelverschiebung der flachen Zinskurve, fixierter Planungshorizont, keine Entnahme von Beträgen während des Planungshorizonts und Reinvestition der bis zum Planungshorizont anfallenden Kuponzahlungen zum Marktzinssatz) gegen das Zinsänderungsrisiko immunisiert ist. Ein Investor kann somit die beim Kauf der Anleihe ermittelte Rendite (Yield to Maturity) auch ex-post erwirtschaften. Diese als Total Return bezeichnete Rendite (vgl. auch Abschnitt 6.3.8) berechnet sich allgemein aus der Beziehung 1 Gesamtertrag Total Return = 1 Investiertes Kapital h Der Gesamtertrag setzt sich aus den bis zum Ende des Anlagehorizonts erhaltenen Kuponzahlungen, den Zinseszinsen auf die reinvestierten Kuponzahlungen und dem Verkaufspreis der Anleihe am Ende des Anlagehorizonts zusammen. Das investierte Kapital entspricht dem Dirty-Preis der Anleihe zu Beginn des Anlagehorizonts. Beispiel 6.23 Eine Versicherungsgesellschaft erwartet, dass sie in sieben Jahren einen Betrag von 1 Million Euro an einen Kunden auszahlen muss. Um sich gegen das Zinsänderungsrisiko abzusichern, sollte die Versicherungsgesellschaft eine Anleihe (oder ein Anleiheportfolio) mit einer Duration von sieben Jahren kaufen. Die Versicherungsgesellschaft kauft eine 10-jährige 11%-Kuponanleihe, die gegenwärtig zu einem Kurs von 1.323,50 Euro gehandelt wird. Es soll nun gezeigt werden, dass unter der Annahme einer flachen Zinsstruktur die Rendite, die die Anleihe heute ausweist, im Nachhinein auch tatsächlich realisiert werden kann, wenn die Duration der Anleihe dem Anlagehorizont des Investors entspricht. Zunächst wird die Rendite der Anleihe ermittelt. Aus der Gleichung 10 10 10 1 1 1.000 1.323,50 110 1 1 r r r r ergibt sich eine Rendite von 6,5%. Dann wird die Anzahl der Anleihen ermittelt, die die Versicherungsgesellschaft kaufen muss, um nach sieben Jahren (am Ende des Anlagehorizonts) eine Million Euro an den Kunden auszahlen zu können. Dabei wird unterstellt, dass die Anleihe beliebig teilbar ist. 7 1.000.000 Anzahl der Anleihen 486, 22 1, 065 1.323,50 <?page no="226"?> 226 6 Zinsinstrumente Um gegen das Zinsänderungsrisiko immunisiert zu sein, muss gezeigt werden, dass die Duration der Anleihe mit dem Anlagehorizont der Versicherungsgesellschaft identisch ist. Die Duration berechnet sich mit der Kurzformel zu: 10 1, 065 10 0,11 0, 065 1 1 7, 00 0, 065 0,11 1, 065 0,11 0, 065 D Die Duration der Anleihe ist damit identisch mit dem Anlagehorizont des Investors. Schließlich soll noch gezeigt werden, dass die gegenwärtige Rendite der Anleihe von 6,5% unabhängig von der Marktzinsentwicklung auch tatsächlich erwirtschaftet werden kann. Hierzu wird angenommen, dass unmittelbar nach dem Kauf der Anleihe die Marktrendite von 6,5% auf 7% steigt bzw. von 6,5% auf 6% fällt. Fällt der Marktrendite auf 6%, dann ergibt sich der Gesamtertrag am Ende des Anlagehorizonts aus den Kuponzahlungen, den Wiederanlagezinsen und dem Verkaufspreis der Anleihe am Ende des Anlagehorizonts zu: 7 3 3 3 1, 06 1 1, 06 1 1.000 Gesamtertrag 110 110 923, 32 1.133, 61 2.056, 97 0, 06 0, 06 1, 06 1, 06 Der Total Return beträgt dann 1 7 2.056, 97 Total Return 1 6,5% 1.323,50 . Steigt die Marktrendite von 6,5% auf 7%, ergibt sich ein Gesamtertrag von 7 3 3 3 1, 07 1 1, 07 1 1.000 Gesamtertrag 110 110 951, 94 1.104, 97 2.056, 91 0, 07 0, 07 1, 07 1, 07 und der Total Return ist 1 7 2.056, 91 Total Return 1 6,5% 1.323,50 . Vergleicht man beide Ergebnisse, erkennt man, dass bei einem Renditerückgang (Renditeanstieg) der Betrag aus Kuponzahlungen und Wiederanlagezinsen niedriger (höher) ist, der Verkaufskurs jedoch höher (niedriger) ausfällt. Der geringere (höhere) Ertrag aus den Kuponzahlungen und den Wiederanlagezinsen wird durch den höheren (niedrigeren) Verkaufskurs kompensiert, so dass der Gesamtertrag gleichbleibt, was sich auch in der Rendite von 6,5% zeigt. Schließlich soll noch gezeigt werden, dass die Versicherungsgesellschaft am Ende des Anlagehorizonts auch tatsächlich 1 Million Euro zur Verfügung hat, um ihrer Verpflichtung gegenüber dem Kunden nachkommen zu können. Da 486,22 Anleihen gekauft wurden und der Ertrag pro Anleihe über sieben Jahre rund 2.057 Euro beträgt, ergibt sich ein Betrag von ca. 1,000155 Euro. Excel-Umsetzung Zur Implementierung der Immunisierungsstrategie werden zunächst die aktuelle Rendite der Anleihe, die Anzahl der zu kaufenden Anleihen und die Duration bestimmt. <?page no="227"?> 6.3 Anleihen 227 Die aktuelle Rendite wird aus dem Zahlungsstrom mit der Excel-Funktion IKV() berechnet, die Duration der Anleihe wird mit der Kurzformel berechnet. Da die Duration gleich dem Anlagehorizont des Investors ist, ist der Anleger unter den gegebenen Annahmen gegen das Zinsänderungsrisiko abgesichert. Dies kann durch die Berechnung des Gesamtertrags und des Total Return gezeigt werden; letzterer ist identisch mit der aktuellen Rendite der Anleihe. Schließlich wird der Gesamtertrag nach sieben Jahren bestimmt, der sich durch Multiplikation der Anzahl der gekauften Anleihen mit dem Ertrag pro Anleihe ergibt. Die Berechnungen können für unterschiedliche Zinsanstiege und -rückgänge modifiziert werden. Wird eine Anleihe mit einer Laufzeit über 10 Jahren betrachtet, dann muss die Zeile B28 entsprechend der neuen Laufzeit nach unten kopiert werden. Zudem muss, um eine Immunisierung zu erreichen, der Anlagehorizont der Duration angepasst werden. E15 aktuelle Rendite =IKV(D27: D37) E16 Anzahl der Anleihen =E6/ ((1+E15)^E11*E10) E17 Duration =1/ E15+1-((1+E15)+E9*(E8E15))/ (E8*(1+E15)^E9-(E8-E15)) E18 Gesamtertrag bei Zinsrückgang =E7*E8*((1+E15+E13)^E11-1)/ (E15+E13)+ E7*E8*((1+E15+E13)^(E9-E11)1)/ ((E15+E13)*(1+E15+E13)^(E9-E11))+E7/ (1+E15+E13)^(E9-E11) E19 Gesamtertrag bei Zinsanstieg =E7*E8*((1+E15+E12)^E11-1)/ (E15+E12)+ E7*E8*((1+E15+E12)^(E9-E11)-1)/ ((E15+E12)*(1+E15+E12)^(E9- E11))+E7/ (1+E15+E12)^(E9-E11) E20 Total Return bei Zinsrückgang =(E18/ E10)^(1/ E11)-1 E21 Total Return bei Zinsanstieg =(E19/ E10)^(1/ E11)-1 E22 Gesamtertrag nach 7 Jahren =E16*E18 <?page no="228"?> 228 7 Aktien Bild 6.38 Darstellung einer Immunisierungsstrategie (Beispiel 6.23) 7 Aktien 7.1 Grundlagen Der Käufer einer Aktie wird gegen Zahlung des Aktienpreises Miteigentümer an einem Unternehmen, der Aktiengesellschaft. Damit wird dokumentiert, dass der Inhaber von Aktien Geld in das Unternehmen eingebracht hat. Der Erlös aus dem Verkauf von Aktien kommt in vollem Umfang der Aktiengesellschaft zugute und dient zur Deckung ihres Kapitalbedarfs. Die Gesamtheit aller emittierten Aktien bildet das Grundkapital der Gesellschaft. Die wichtigsten Gremien einer Aktiengesellschaft sind die Hauptversammlung, der Aufsichtsrat und der Vorstand. Die Hauptversammlung setzt sich aus allen Aktionären zusammen und entscheidet über die Verwendung der Gewinne, legt die Höhe der zur Ausschüttung kommenden Dividende fest und wählt den Aufsichtsrat, welcher die Geschäftstätigkeit überwacht und den Vorstand einsetzt. Die Leitung der Geschäfte der Firma bestimmt der Vorstand und trägt somit die Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg bzw. Misserfolg des Unternehmens. Bedeutungsvolle Entscheidungen, wie der Verkauf von Unternehmensanteilen, müssen mit dem Aufsichtsrat abgestimmt werden. Mit dem Kauf einer Aktie erwirbt der Aktionär verschiedene Rechte. Zu diesen Rechten zählen das Recht auf Mitbestimmung, das Recht auf einen Anteil am Bilanzgewinn und das Recht auf Wahrung seines Anteils im Falle einer ordentlichen Kapital- <?page no="229"?> 7.1 Grundlagen 229 erhöhung. Zudem steht den Aktionären das Recht zu, seitens des Unternehmens mit Informationen versorgt zu werden, die für die Beschlussfassung von Punkten der Tagesordnung einer Hauptversammlung notwendig sind. Im Falle der Liquidierung der Gesellschaft hat der Aktionär nach Begleichung aller Verbindlichkeiten das Recht auf einen Anteil am Liquidationserlös. Aktien können hinsichtlich des Mitspracherechts und der Möglichkeit der Eigentumsübertragung unterschieden werden. Stammaktien (Common Stocks) sind mit dem Recht auf Beteiligung an dem zur Ausschüttung kommenden Gewinn und auf Teilnahme an der Hauptversammlung ausgestattet und berechtigen zum Bezug von jungen (neu ausgegebenen) Aktien. Demgegenüber besitzen die Inhaber von Vorzugsaktien (Preferred Stocks) bestimmte Vorrechte, die von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein können. Die Vorzüge bestehen meist in einer im Vergleich zu den Stammaktionären höheren Dividendenauszahlung, im Gegenzug dazu verzichten die Vorzugsaktionäre dann meist auf ihr Stimmrecht auf der Hauptversammlung. Inhaberaktien (Bearer Stocks) sind im Gegensatz zu Namensaktien (Registered Shares) nicht auf eine bestimmte Person ausgestellt und können daher ohne die Einhaltung besonderer Formalitäten weiterverkauft werden. Vinkulierte Namensaktien (Shares with Restricted Transferability) erfordern die Zustimmung der Aktiengesellschaft zum Besitzerwechsel, zudem ist eine Änderung des Aktienbuchs erforderlich. Dadurch können die Besitzverhältnisse gesteuert werden und Übernahmeabsichten sind frühzeitig erkennbar. Die erstmalige Ausgabe von Aktien kapitalsuchender Unternehmen erfolgt auf dem Primärmarkt (Primary Market) im Rahmen eines IPO (Initial Public Offering) unter Betreuung von Investmentbanken, die die Platzierung der Aktien auf Basis eines gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsprospektes begleiten und abwickeln. Von besonderer Bedeutung für den Erfolg eines Going Public ist die Ermittlung bzw. Festlegung des Ausgabekurses. Zu diesem Zweck wird vom Emissionskonsortium im Rahmen des Festpreisverfahrens (Fixed Price Method), des Bookbuilding-Verfahrens oder der Auktion (Auction) der Ausgabekurs ermittelt. Während sich beim Festpreisverfahren die betreuenden Banken und der Vorstand vor dem Börsengang auf einen Ausgabepreis einigen, werden beim Bookbuilding-Verfahren Kaufaufträge potenzieller Investoren innerhalb einer vorgegebenen Bookbuilding-Spanne gesammelt und auf dieser Basis nach Ende der Zeichnungsfrist der tatsächliche Emissionspreis festgelegt. Bei der Auktion reichen Investoren ihre Gebote ohne vorgegebene Preisspanne ein, die dann nach Ende der Zeichnungsfrist solange vom höchsten zum niedrigsten Gebot sortiert werden, bis alle Aktien verteilt sind. Das niedrigste noch zu bedienende Kaufangebot determiniert dann den endgültigen Ausgabekurs. Nach Emission der Aktien werden diese auf organisierten Aktienmärkten, den Präsenz- oder Computerbörsen, gehandelt. Der Bestimmung des Preises bzw. des Kurses einer Aktie kommt eine besondere Bedeutung zu. Im Allgemeinen wird der Kurs einer Aktie an den Börsen nach dem Prinzip „Angebot und Nachfrage“ bestimmt und reflektiert die Erwartung der Aktionäre hinsichtlich zukünftiger Gewinnaussichten. Eine positive Beurteilung künftiger Entwicklungen wird zu einer größeren Nachfrage und damit zu einem Kursanstieg führen, negative Prognosen hingegen zu einer geringeren Nachfrage und damit zu Kursrückgängen. <?page no="230"?> 230 7 Aktien 7.2 Aktienindizes Ein Aktienindex ist eine Kennzahl, die angibt an, wie sich der Wert einer definierten Gruppe von Aktien im Vergleich zu einem früheren Zeitpunkt verändert hat. Fließen in die Berechnung des Aktienindex lediglich die Kursänderungen der Aktien ein, dann spricht man von einem Kursindex (Price Index). Ein Beispiel hierfür ist der Dow Jones Index. Das folgende Beispiel demonstriert die Berechnung eines hypothetischen Aktienkorbs bestehend aus vier Titeln und seine Veränderung zu einem früheren Zeitpunkt. Beispiel 7.1 Im Aktienkorb eines Investors befinden sich am 15.1.2015 die in der Tabelle angegebenen Aktien. Die Kurse sind dem Internetportal Yahoo Finance (http: / / finance. yahoo.com) entnommen. Aktie Kurs am 15.1.2015 in Euro Anzahl der Aktien Anlagebetrag in Euro Allianz 143,95 15 2.159,25 Bayer 100,10 20 2002,00 Deutsche Bank 28,52 50 1.426,00 Siemens 94,65 25 2.366,25 Gesamtwert 7.953,50 Bild 7.1 Zusammensetzung eines Aktienkorbs am 15.1.2015 Es soll geprüft werden, wie sich der Aktienkorb nach einem Jahr ohne Berücksichtigung von Dividenden entwickelt hat. Dazu werden die Aktienkurse der vier Titel am 15.1.2016 betrachtet und der Gesamtwert berechnet. Aktie Kurs am 15.1.2016 in Euro Anzahl der Aktien Wert in Euro Allianz 149,25 15 2.238,75 Bayer 100,60 20 2.012,00 Deutsche Bank 19,80 50 990,00 Siemens 81,70 25 2.042,50 Gesamtwert 7.283,25 Bild 7.2 Zusammensetzung eines Aktienkorbs am 15.1.2016 Der Wert des Aktiendepots hatte am 15.1.2016 einen Wert, der das 7.283, 25 0, 916-fache 7.953,50 des Ausgangswertes vom 15.1.2015 betrug. Legt man den Ausgangswert wie bei der Einführung des Deutschen Aktienindexes (DAX) auf 1.000 Punkte fest, dann ist der Wert des Aktienkorbs bis 15.1.2016 auf 916 Punkte gefallen. <?page no="231"?> 7.2 Aktienindizes 231 Fließen in die Berechnung des Aktienindexes neben den Kursveränderungen auch Dividendenzahlungen ein, dann spricht man von einem Performanceindex. Dabei wird unterstellt, dass die ausgeschütteten Dividenden umgehend von den Aktionären wieder in Aktien des Unternehmens reinvestiert werden. Der Deutsche Aktienindex ist ein Beispiel für einen Performanceindex. Es wird der Aktienkorb mit den Daten von Beispiel 7.1 betrachtet. Neben der Kursentwicklung werden zusätzlich die Dividendenzahlungen berücksichtigt. Aktie Dividendentermin Dividende in Euro Aktienkurs in Euro Allianz 7.5.2015 6,85 147,65 Bayer 28.5.2015 2,25 133,40 Deutsche Bank 22.5.2015 0,75 28,79 Siemens 28.1.2015 3,30 95,02 Am 7.5.2015 wurde für eine Allianz-Aktie eine Dividende von 6,85 Euro gezahlt, insgesamt also 102,75 Euro. Dieser Betrag wird sofort wieder in Allianz-Aktien reinvestiert. Da der Kurs am 7.5.2015 bei 147,65 Euro stand, konnten zusätzlich 0,70 Aktien gekauft werden. Damit befinden sich 15,70 Allianz-Aktien im Depot mit einem Wert am 15.1.2016 von 2.342,61 Euro (die angegebenen Zahlen sind gerundet). Der Wert für die restlichen Aktien wird analog berechnet. Die folgende Tabelle fasst den Aktienkorb am 15.1.2015 und am 15.1.2016 zusammen. Aktie Anzahl der Aktien am 15.1.2015 Wert in Euro am 15.1.2015 Anzahl der Aktien am 15.1.2016 Wert in Euro am 15.1.2016 Allianz 15 2.159,25 15,70 2.342,61 Bayer 20 2002,00 20,34 2.045,20 Deutsche Bank 50 1.426,00 51,30 1.015,74 Siemens 25 2.366,25 25,87 2.112,76 Gesamtwert 7.953,50 7.516,31 Schließlich wird das Verhältnis zwischen Gesamtwert am 15.1.2016 und dem Anfangswert am 15.1.2015 bestimmt und mit 1.000 multipliziert. Damit erhält man am 15.1.2016 einen Indexwert von 945,22 Indexpunkten, nachdem er am 15.1.2015 mit 1.000 Punkten gestartet war. Allgemein gilt für die Berechnung eines Aktienindexes 2 I zum Zeitpunkt 2 t : 2 2 1 1 V I I V wobei der gegebene Aktienindex zum Zeitpunkt ist, der Gesamtwert des Aktienkorbes zurzeit und der Gesamtwert des Aktienkorbes zur Zeit . <?page no="232"?> 232 7 Aktien Excel-Umsetzung Die Kurse der im Aktienkorb enthaltenen Aktien können dem Internetportal Yahoo Finance entnommen werden. Nach Berechnung des Gesamtwertes des Aktienkorbes am 15.1.2015 und am 15.1.2016 kann der Kursindex berechnet werden, nachdem der Ausgangswert zum 15.1.2015 auf 1.000 Punkte festgelegt wurde. Position Inhalt Excel-Umsetzung E9 Anlagebetrag Allianz-Aktie =C9*D9 E13 Gesamtwert des Anlagekorbs am 15.1.2015 =SUMME(E9: E12) E22 Gesamtwert des Anlagekorbs am 15.1.2016 =SUMME(E18: E21) C27 Indexwert am 15.1.2016 =(E22/ E13)*C26 Bild 7.3 Berechnung eines Kursindexes ohne Berücksichtigung von Dividenden (Beispiel 7.1) Werden Dividendenzahlungen berücksichtigt und werden diese zu dem am Dividendentermin geltenden Aktienkurs reinvestiert, dann muss der Gesamtwert des Aktienkorbs unter Berücksichtigung der hinzugekauften Aktien zum 15.1.2016 neu berechnet werden. <?page no="233"?> 7.3 Kennzahlen zur Beurteilung von Aktien 233 Position Inhalt Excel-Umsetzung D42 Anlagebetrag der Allianz-Aktie am 15.1.2015 =C42*C9 E42 Anzahl der Allianz-Aktien nach Reinvestition der Dividenden =C42+D33*C42/ E33 F42 Anlagebetrag der Allianz-Aktie am 15.1.2016 =E42*C18 F46 Gesamtwert des Aktienkorbs am 15.1.2016 =SUMME(F42: F45) C51 Indexwert am 15.1.2016 =F46/ E13*C51 Bild 7.4 Berechnung eines Kursindexes unter Berücksichtigung von Dividenden (Beispiel 7.1) 7.3 Kennzahlen zur Beurteilung von Aktien Wertpapierbörsen, aber auch Finanzportale veröffentlichen neben Kurs- und Umsatzinformationen eine Reihe zusätzlicher Daten und Kennzahlen, die zur Beurteilung von Aktien herangezogen werden. Diese in der Anlagepraxis häufig eingesetzten und leichter handhabbaren Bewertungskonzepte resultieren aus den Schwierigkeiten, die sich bei der Ermittlung des inneren Wertes einer Aktie ergeben. Von der Vielzahl existierender Kennzahlen werden im Folgenden einige vorgestellt. Die Marktkapitalisierung ergibt sich aus dem Produkt des aktuellen Kurses und der Anzahl der ausgegebenen Aktien und kann als Börsenwert des Unternehmens inter- <?page no="234"?> 234 7 Aktien pretiert werden. Die Anzahl der ausgegebenen Aktien erhält man, indem das Grundkapital durch den Nennwert der Aktien dividiert wird. So beträgt beispielsweise die Marktkapitalisierung von Apple mit Stand 5.2.2016 USD 535,61 Milliarden, gefolgt von Google mit USD 486,65 Milliarden. Das Ergebnis je Aktie (Earnings Per Share, EPS) berechnet sich, indem der Bilanzgewinn durch die Anzahl der ausgegebenen Aktien dividiert wird. Die Dividende bzw. der auszuschüttende Betrag je Aktie repräsentiert den zur Ausschüttung kommenden Gewinn je Aktie. Aus dieser absoluten Zahl kann die Dividendenrendite berechnet werden. Darunter versteht man das Verhältnis von ausgeschütteter Dividende zum Aktienkurs. Zahlt ein Unternehmen beispielsweise eine Dividende von 8 Euro, und liegt der Aktienkurs bei 160 Euro, dann ergibt sich daraus eine Dividendenrendite von 5%. Als Kriterium für die Selektion einer Aktie ist die Dividendenrendite jedoch problematisch. So weisen insbesondere Aktien von etablierten Gesellschaften (Value Stocks) eine höhere Dividendenrendite und geringere Kursschwankungen aus als Aktien wachstumsstarker Unternehmen (Growth Stocks), bei denen Kursgewinne im Vordergrund stehen. Große Praxisrelevanz besitzt das Kurs-/ Gewinn-Verhältnis (KGV), im Englischen Price Earnings Ratio (PER) genannt, da es einen (groben) Vergleich mehrerer Aktien erlaubt. Das KGV ist eine Multiplikator Kennzahl; sie setzt den Kurs einer Aktie ins Verhältnis zum geschätzten Zukunftsgewinn und wird mit dem Durchschnitts-KGV der Branche oder des Gesamtmarktes verglichen. Kurs KGV Gewinn pro Aktie Aus einem bekannten Branchen-KGV kann der Kurs einer Aktie abgeleitet werden: Branche Kurs KGV Gewinn pro Aktie Ein niedriges (hohes) KGV indiziert, dass eine Aktie unterbewertet (überbewertet) ist und gekauft (verkauft) werden sollte. Die Heranziehung des KGV kann jedoch nur ein Element der Unternehmensanalyse sein. Zur gründlichen Analyse einer Aktie müssen weitere Aspekte berücksichtigt werden, wie die Ertragskraft und die Wachstumsdynamik des Unternehmens. Da die Maßzahl Gewinn pro Aktie steuerbar und durch Sondereffekte verzerrt sein kann, haben sich weitere Ertragskennzahlen wie beispielsweise EBIT (Earnings Before Interest and Taxes) und EBITDA (Earnings Before Interest and Taxes Depreciation and Amortisation) etabliert, die die operative Ertragskraft eines Unternehmens beschreiben und die internationale Vergleichbarkeit von Unternehmen zulassen. Neben operative Gewinnmaßzahlen werden zur Aktienbeurteilung auch Cash Flow orientierte Kennzahlen herangezogen, wie z.B. das Kurs-/ Cash Flow-Verhältnis (KCV) eines Unternehmens, das dann branchenintern und branchenübergreifend vergleichbar ist. Kurs KVC Cash Flow pro Aktie Als Cash Flow kann vereinfacht der Jahresüberschuss zuzüglich der Abschreibungen und der Erhöhung langfristiger Rückstellungen angesetzt werden. Wie beim KGV deutet ein niedriges KCV eher auf eine Unterbewertung und ein hohes KCV auf eine Überbewertung der Aktie hin. <?page no="235"?> 7.3 Kennzahlen zur Beurteilung von Aktien 235 Neben der Einschätzung die künftige Ertragskraft einer Aktie kann das langfristige Wachstum anhand des Gewinn-Momentums eingeschätzt werden. Momentum = Gewinnwachstum in Periode t Gewinnwachstum in Periode t 1 Ein steigendes Gewinnwachstum signalisiert einen Anstieg der prozentualen Zuwachsraten, ein neutrales Momentum bedeutet unveränderte Wachstumsraten und ein fallendes Momentum deutet auf eine Abschwächung des Gewinnwachstums hin. Aktien mit hohem Gewinnwachstum werden als Wachstumsaktien bezeichnet und werden mit einem höheren KGV bewertet. Eine Kennzahl für Aktien, die zur Analyse des Risikos herangezogen wird, ist die Volatilität. Sie ist ein Maß für die Schwankungen einer Aktie und wird über einen historischen Zeitraum ermittelt. Die Volatilität ist definiert als Standardabweichung periodisch ermittelter Veränderungen des Aktienkurses oder der Aktienrenditen und dient zur Schätzung künftiger Aktienkursbewegungen. Eine weitere Risikokennzahl ist das Beta oder auch Beta-Faktor genannt. Das Beta ist eine Sensitivitätskennzahl, die angibt, um wieviel sich die Aktienrendite bei einer Veränderung der Marktrendite ändert. Ein Beta-Faktor von 1 bedeutet, dass die Veränderung der Markt- und Aktienrendite gleich groß ist. Ein Beta von größer als 1 führt zu einer im Vergleich zum Markt höheren erwarteten Rendite und ein Beta kleiner als 1 lässt eine Aktienrendite erwarten, die kleiner ist als die erwartete Marktrendite. Neben den aufgeführten unternehmensbezogenen Kennzahlen, die der fundamentalen Aktienanalyse einzelner Aktien zuzuordnen sind, kommt in der Praxis auch die technische Aktienanalyse (Chartanalyse) zum Einsatz, die mittels charakteristischer Kurs- Umsatzfolgen und der sich daraus ergebenen Formationen (Charts) unter Einbeziehung der Gesamtmarktentwicklung versucht, Prognosen über das zukünftige Aktienkursverhalten zu erstellen. Bild 7.5 Linien-Chart der Adidas-Aktie vom 1.12.2010 bis 1.12.2015 mit Unterstützungslinie 20,00 40,00 60,00 80,00 100,00 01.12.2010 01.12.2011 01.12.2012 01.12.2013 01.12.2014 01.12.2015 Datum Adidas-Aktie Kurs <?page no="236"?> 236 7 Aktien Bild 7.5 zeigt das Linien-Chart der Adidas-Aktie von 1.12.2010 bis 1.12.2015. Die graphische Darstellung von Aktenkursen ist im Gegensatz zur tabellarischen Darstellung von Kursen insbesondere bei langen Beobachtungszeiträumen, die mit großen Datenmengen verbunden sind, übersichtlicher. Aus den Charts sind Auf-, Abwärts- und Seitwärtstrends erkennbar und unter Hinzunahme von Trendlinien, Unterstützungs- und Widerstandslinien entstehen Formationen, von denen mittels weiterer technischer Indikatoren wie z.B. Umsatzvolumen oder Marktbreitedaten, Kauf- und Verkaufssignale abgeleitet werden. Sowohl die technische als auch die fundamentale Aktienanalyse stehen im Gegensatz zur Effizienzmarkthypothese, nach der es mit keiner der beiden Methoden möglich sei, dauerhaft bessere Gewinne zu erzielen als der jeweilige Markt. 7.4 Dividendendiskontierungsmodell Wie bei der Bewertung von Anleihen, so kann auch bei der Aktienbewertung der Marktwert bzw. der Preis einer Aktie als Barwert der zukünftigen erwarteten Cash Flows aufgefasst werden. 0 1 1 n t t t E CF P r Dennoch gestaltet sich die Anwendung des Barwertkonzepts auf Aktien aus verschiedenen Gründen ungleich schwieriger. Aus der Sicht des Anlegers sollte der Preis einer Aktie die zukünftigen Einzahlungen aus der Investition widerspiegeln, und das Risiko dieser Investition angemessen berücksichtigen. Bei den zukünftigen Zahlungen handelt es sich dabei um keine fixierten Größen, die Höhe und der Zeitpunkt der Zahlungen sind unsicher und hängen von verschiedenen Umweltfaktoren ab. Der Diskontierungszinssatz muss demnach eine Risikoprämie beinhalten, die vom Unternehmensrisiko determiniert wird. Da dieses Risiko im Zeitablauf nicht konstant ist, müsste für jede Periode ein spezifischer Diskontierungszinssatz angesetzt werden, der, wie die künftigen Zahlungen, ebenfalls prognostiziert werden muss. Der Ermittlung des richtigen Diskontierungszinssatzes kommt eine besondere Bedeutung zu, da bereits geringfügige Abweichungen starke Änderungen der Marktwerte bewirken. Hinzu kommt, dass bei der Ermittlung des Barwertes festgelegt werden muss, welcher Zeithorizont n zugrunde gelegt werden soll. Aufgrund dieser Überlegungen ergibt sich die folgende Darstellungsform, die die Komplexität des Bewertungsansatzes aufzeigt. 1 2 0 ,1 ,1 ,2 , 1 1 , 1 1 1 1 1 1 1 n n E E E E t t n t t E t CF CF CF P r r r r CF r Um die Komplexität dieses Bewertungsansatzes insbesondere in Hinblick auf die Prognosefähigkeit der Daten zu reduzieren, werden zur Umsetzung des Barwertansatzes einige Vereinfachungen vorgenommen. Als künftige Cash Flows werden die Dividendenzahlungen zuzüglich der für den Planungshorizont prognostizierte Preis angesetzt und die Diskontierungszinssätze werden durch einen konstanten Zins- <?page no="237"?> 7.4 Dividendendiskontierungsmodell 237 satz ersetzt. Damit erhält man mit dem Dividendendiskontierungsmodell (Dividend Discount Model) folgende Bewertungsgleichung: 1 2 0 2 1 1 1 1 1 1 1 n n n n E E E E n t n t n t E E D D D P P r r r r D P r r Der Wert einer Aktie zum Zeitpunkt = 0 ergibt sich beispielsweise für eine zweiperiodige Haltedauer gemäß obiger Formel zu: 1 1 0 1 1 E E D P P r r Dabei ist die erwartete Dividende am Ende des ersten Jahres, der erwartete Preis am Ende des ersten Jahres und der risikoangepasste Zinssatz, der die Renditeerwartung der Aktionäre reflektiert. Um zu ermitteln, ist wie folgt vorzugehen: 2 2 1 1 1 E E D P P r r Substituiert man 1 P in die Ausgangsgleichung für 0 P , erhält man: 2 2 1 0 1 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 E E E E E E E D P D r r P r r D D P r r r Der Preis und alle weiteren Preise können analog ermittelt werden. Die Vorgehensweise soll an einem Beispiel demonstriert werden. Für die nächsten fünf Jahre erwartet man für eine Aktie die Dividendenzahlungen 1,50 Euro, 2,00 Euro, 2,20 Euro, 2,00 Euro und 2,10 Euro. Der Aktienkurs am Ende des fünften Jahres wird mit 35 Euro erwartet, die erwartete Rendite sei 10%. Der Barwert der erwarteten Dividenden (6,69 Euro) und der Barwert des erwarteten Aktienkurses am Ende des Betrachtungszeitraums (19,86 Euro) ergeben den Preis der Aktie. 0 2 3 4 5 5 1,50 2, 00 2, 20 2, 00 2,10 35, 00 26,82 1,12 1,12 1,12 1,12 1,12 1,12 P Unterstellt man einen unendlichen Planungszeitraum ( ), konstante Dividendenzahlungen und eine flache Zinsstruktur, dann lässt sich das Dividendenmodell wie folgt darstellen: 1 2 0 2 1 1 1 1 1 E E E t t t E E D D P P r r r D D r r Man erhält einen unendlichen Dividendenstrom und erkennt, dass die Preisprognose gegen unendlich verschoben wird und ihr Betrag den Wert Null annimmt. <?page no="238"?> 238 7 Aktien Anstelle der Gewinne nur die zur Ausschüttung kommenden Dividendenzahlungen anzusetzen ist insofern gerechtfertigt, weil einbehaltene Gewinne die Kapitalbasis erhöhen, auf der in Zukunft höhere Gewinne erwirtschaftet und Ausschüttungen möglich werden. Werden die Gewinne, die Dividenden und deren nominelles Wachstum korrekt erfasst und werden die Ausschüttungen und die zur Wiederanlage zur Verfügung stehenden Gewinnanteile richtig mit bewertet, dann macht es keinen Unterschied, ob die Wertermittlung über die Kapitalisierung der Gewinne oder der Dividendenzahlungen erfolgt. Seien der Gewinn zum Zeitpunkt t, e die als konstant angesehene Thesaurierungsquote als Prozentsatz von und g die konstante Wachstumsrate, dann wachsen die einbehaltenen Gewinne mit der Rate E g e r . Damit gilt: 0 1 t t G G g Da die Ausschüttung gleich Gewinn minus thesaurierten Gewinn ist, erhält man: 0 1 1 1 t t t D G e G g e Setzt man den Ausdruck in die obige Bewertungsgleichung für einen unendlichen Planungszeitraum ein, dann erhält man den Kurswert (Preis) der Aktie in Abhängigkeit von Gewinn und Gewinnwachstum zu: 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 t t t t t t E E G g e g P G e r r Durch Grenzwertbildung des Summenausdrucks erhält man: 1 1 0 0 1 1 1 E E E G e g D P G e r g r g r g Dabei entspricht die Dividende im nächsten Jahr der gegenwärtigen Dividende multipliziert mit dem Wachstumsfaktor (1 + ) . Die Gewinnwachstumsrate g ist wegen = und 0 < 1 immer kleiner als , d.h. < . Damit ist gewährleistet, dass der zu berechnende Kurswert nicht negativ und nicht unendlich groß (wenn = ) wird. Das einfache Gewinnmodell und das Dividendenwachstumsmodell (Constant Growth Model, Gordon Growth Modell) sind äquivalent, wenn gilt: 1 0 E E G D P r r g , mit 1 0 1 D D g oder 1 1 1 1 1 1 G e D G G e e Unterstellt man, dass der Wert und der Preis einer Aktie gleich sind, dann kann mit dem Gordon Growth Model die erwartete Rendite berechnet werden. Man erhält: 0 1 0 0 1 E D g D r g g P P <?page no="239"?> 7.4 Dividendendiskontierungsmodell 239 Beispiel 7.2 Die Aktie Münchener Rück hat in den Jahren 2007 bis 2016 die folgenden Dividenden (in Euro) ausgezahlt: Jahr 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Dividende 4,50 5,50 5,50 5,75 6,25 6,25 7,00 7,25 7,75 8,25 Es sollen zunächst die Wachstumsrate und dann der Preis der Aktie in 2016 nach dem Gordon Growth Model ermittelt werden, wenn die erwartete Rendite 12% beträgt. Die durchschnittliche Wachstumsrate berechnet sich zu 1 10 8, 25 1 0, 062488 oder 6,2488% 4,50 g . Der Preis im Jahre 2016 beträgt dann nach dem Gordon Growth Model 2016 8, 25 1, 062488 152, 41 0,12 0, 062488 P . Excel-Umsetzung Die Umsetzung in Excel bereitet keine Schwierigkeiten. Nach Eingabe der Input-Parameter erwartete Rendite und Dividende in 2016 wird zunächst die durchschnittliche Wachstumsrate und die Dividende in 2017 bestimmt. Mit diesen Daten können der Wert bzw. der Preis der Aktie in 2016 bestimmt werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung E8 durchschnittliche Wachstumsrate =(C24/ C15)^(1/ 10)-1 E9 Dividende in 2017 =E7*(1+E8) E10 Preis der Aktie in 2016 =E9/ (E6-E8) <?page no="240"?> 240 7 Aktien Bild 7.6 Berechnung des Aktienwertes am Beispiel der Münchener Rück nach dem Gordon Growth Model (Beispiel 7.2) Neben dem oben beschriebenen Dividend Discount Model gibt es verschiedene Varianten der sogenannten Discounted Cash Flow Verfahren (DCF-Verfahren), die ebenfalls auf dem Barwertkonzept beruhen, jedoch auf das Unternehmen als Ganzes angewendet werden. Durch Diskontierung der künftigen, aus der normalen und außerordentlichen Geschäftstätigkeit erzielbaren Einzahlungsüberschüssen (Cash Flows) auf den Bewertungszeitpunkt, wird der fundamentale Wert eines Unternehmens aus Investorensicht ermittelt. Diese Verfahren, der Weighted Average Cost of Capital (WACC)-Ansatz, der Adjusted Present Value-Ansatz und Equity-Ansatz, werden hier nicht weiterverfolgt. 7.5 Rendite und Risiko Zur Analyse und Beurteilung von Aktienkursentwicklungen sind die Renditen geeignetere Größen als die Kurse selbst. Sie erlauben es, Aussagen über die Ertragskraft einer Aktie zu machen und die Erträge alternativer Anlagemöglichkeiten miteinander zu vergleichen. Aus der Schwankungsbreite einzelner Renditen lässt sich weiterhin ein Risikomaß ableiten, mit dem das Ausmaß von Kursschwankungen quantifiziert werden kann. Die Rendite einer Anlage berechnet sich allgemein nach folgender Beziehung: Rendite = Gewinn eingesetztes Kapital Hinsichtlich der Größe Gewinn können Brutto- und Nettowerte unterschieden werden. Im Folgenden werden nur Bruttorenditen betrachtet, da Faktoren wie Kosten, Steuersatz und Abschreibungsmöglichkeiten, die bei der Nettorendite berücksichtigt werden, individuell verschieden und deshalb allgemein nicht quantifizierbar sind. Durch den täglichen Handel von Aktien an den Börsen werden eine Vielzahl von Preisdaten generiert, die in täglicher, wöchentlicher, monatlicher, jährlicher oder einer anderen beliebigen zeitlichen Auflösung vorliegen und für die Beurteilung einer Aktie herangezogen werden können. Demnach beziehen sich Renditen immer auf einen bestimmten Zeitraum (Tag, Woche, Monat oder Jahr). Zunächst wird die diskrete (einfache) und dann die stetige Rendite vorgestellt. Die Rendite wird dabei als die relative Wertänderung des Aktienkurses zuzüglich der laufenden Erträge (Dividenden) innerhalb einer Abrechnungsperiode verstanden. <?page no="241"?> 7.5 Rendite und Risiko 241 7.5.1 Diskrete Rendite Sei t P der Preis (Kurs) der Aktie zum Zeitpunkt t, der Preis der Aktie zum Zeitpunkt + 1 , t D zwischenzeitliche Kapitalerträge (z.B. Dividenden) und t die Bewertungsperiode, dann ist die diskrete Rendite definiert als: 1 d t t t t t P P D r P Wurde beispielsweise eine Aktie am 26.1.2015 zu einem Kurs von 36,50 Euro gekauft und am 26.1.2016 zum Kurs von 39,80 Euro verkauft, dann ergibt sich unter Berücksichtigung einer zwischenzeitlichen Dividendenzahlung von 1,50 Euro, die drei Monate nach dem Aktienkauf ausbezahlt und zu 3% reinvestiert wurde, eine Rendite bezogen auf ein Jahr von 9 12 39,80 36, 50 1, 50 1, 03 0,1324 oder 13,24% 36, 50 d t r . Berücksichtigt man aus Vereinfachungsgründen die zwischenzeitlich ausgeschütteten Kapitalerträge in 1 t P , dann ergibt sich mit 0 t D die Rendite zu 1 1 1 d t t t t t t P P P r P P . Für das obige Beispiel erhält man dann eine jährliche Rendite von 41, 30 36,50 0,1315 oder 13,15% 36,50 d t r . Bei gegebener Rendite kann der Preis der darauffolgenden Periode 1 t P bestimmt werden: 1 1 d d t t t t t t P r P P P r Auch hier wird vereinfacht unterstellt, dass alle in der Bewertungsperiode anfallenden Erträge in bzw. enthalten sind. Für das obige Beispiel ergibt sich ein Preis von 1 36, 50 1 0,1315 41, 30. t P Die diskrete Rendite zieht eine einmalig erfolgte Werteänderung von bis + 1 in Betracht und ist immer von der Bewertungsperiode abhängig. Dies bringt Probleme mit sich, wenn die Bewertungsperioden unterschiedlich lang sind. In diesem Falle sind Umrechnungen, Transformationen oder Verknüpfungen von Renditen erforderlich. Erzielt eine Aktie in n Perioden unterschiedliche Renditen, die sich aus + 1 Aktienkursen ergeben, dann erhält man für den gesamten (aus n Perioden bestehenden) Betrachtungszeitraum eine Rendite von 1 2 1 1 1 1 1 1 n d d d d d t n t t r n r r r r . Auch hier wird unterstellt, dass eventuelle Dividendenzahlungen bereits in den Kursen berücksichtigt sind. Beispiel 7.3 Gegeben sind die historischen Preise einer Aktie über einen Zeitraum von fünf Jahren und die dazugehörigen diskreten Jahresrenditen. <?page no="242"?> 242 7 Aktien 31.12.2011 31.12.2012 31.12.2013 31.12.2014 31.12.2015 Jahr 1 2 3 4 5 Preis der Aktie 39,98 32,60 36,02 42,50 37,27 diskrete Rendite (%) -18,46 10,49 17,99 -12,31 Aus diesen Daten kann nun die diskrete Rendite über den gesamten Zeitraum von vier Jahren berechnet werden. 31.12.2015 4 1 0,1846 1 0,1049 1 0,1799 1 0,1231 1 0, 0678 d r Die Aktie hat demnach über einen Zeitraum von vier Jahren einen Wertverlust von 6,78% erfahren. In vielen Fällen wird die Rendite eines Wertpapiers nicht durch Einzelrenditen, sondern durch Mittelwertbildung dargestellt. Die mittlere diskrete Rendite pro Periode für den aus n Perioden bestehenden Betrachtungszeitraum ergibt sich als geometrisches Mittel der Periodenrenditen des gesamten Zeitraums. 1 1 ( ) 1 1 n n d d t G t t r n r Für das obige Beispiel erhält man: 1 4 31.12.2015 (4) 1 0,1846 1 0,1049 1 0,1799 1 0,1231 1 0, 01738 oder 1, 74% d G r Die Aktie erzielte im Mittel eine diskrete Rendite von -1,74% über den Zeitraum von vier Jahren. Dieser Berechnungsmethodik unterstellt, dass einmalig in eine Aktie investiert wird, das eingesetzte Kapital bis zum Ende des Betrachtungszeitraums stehen bleibt und dabei Wertschwankungen ausgesetzt ist. Für den eher unrealistischen Fall, dass am Ende einer Periode Gewinne entnommen und Verluste stets ausgeglichen werden (in diesem Fall bleibt das eingesetzte Kapital gleich), wird das arithmetische Mittel der diskreten Periodenrenditen gebildet. 1 1 ( ) n d d t A t t r n r n Für das Beispiel ergibt sich das arithmetische Mittel der Periodenrenditen zu: 1 (4) 0, 4 1846 0,1049 0,1799 0,1231 0, 005725 oder 0, 5725% d t A r Die Aktie erzielte im Mittel über den betrachteten Zeitraum eine diskrete Rendite von etwa -0,57%. Dabei wird ein konstanter Kapitaleinsatz unterstellt, d.h., die zwischenzeitlichen Gewinne werden entnommen und Verluste ausgeglichen. In diesem Fall geht der Zinseszinseffekt verloren. Excel-Umsetzung Die Berechnung der Renditen mit Excel stellt keine besondere Herausforderung dar und ist in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt. Die geometrische Durchschnittsrendite wird durch Eingabe der Formel berechnet, da die Anwendung der Excel-Funktion <?page no="243"?> 7.5 Rendite und Risiko 243 GEOMITTEL() das geometrische Mittel einer Menge positiver Zahlen zurückgibt. Die Berechnung der arithmetischen Durchschnittsrendite kann auch mit der Excel-Funktion MITTELWERT() vorgenommen werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung E8 Gesamtrendite =((1+E13)*(1+E14)*(1+E15)*(1+E16)) -1 E9 geometrische Durchschnittsrendite =((1+E13)*(1+E14)*(1+E15)*(1+E16)) ^(1/ E6)-1 E10 arithmetische Durchschnittsrendite =1/ E6*SUMME(E13: E16) E14 Berechnung der diskreten Rendite =(D14-D13)/ D13 Bild 7.7 Geometrische und arithmetische Durchschnittsrendite (Beispiel 7.3) 7.5.2 Stetige Rendite Die stetige Rendite beschreibt eine kontinuierliche Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Aus der Beziehung 1 s t r t t P P e ergibt sich die stetige Rendite für den Zeitraum bis + 1 zu 1 1 ln ln ln s t t t t t P r P P P . <?page no="244"?> 244 7 Aktien Dabei ist e die Eulersche Zahl (2,718 281…) und ln der natürliche Logarithmus zur Basis e. Die Formel berücksichtigt eine Standardperiode von beispielsweise einem Jahr. Für eine Aktie, die am 26.1.2015 zu einem Kurs von 36,50 Euro gekauft und am 26.1.2016 zum Kurs von 39,80 Euro verkauft wird, ergibt sich unter Berücksichtigung einer zwischenzeitlichen Dividendenzahlung von 1,50 Euro, die in 1 t P berücksichtigt ist, eine stetige Rendite von 41, 30 ln ln 41, 30 ln 36,50 0,1236 oder 12,36% 36,50 s t r . Ist die Rendite gegeben, dann kann der zugehörige Preis berechnet werden: 0,1236 1 36,50 41, 30 t P e Entspricht die Bewertungsperiode nicht der Standardperiode, dann muss die Formel zur Berechnung der stetigen Rendite modifiziert werden. Definiert man m als die Bewertungsperiode in Jahreseinheiten, dann berechnet sich der Preis der Aktie zu: 1 s t r m t t P P e Dabei muss m nicht ganzzahlig sein, sondern kann beliebige Bruchteile eines Jahres annehmen. Im obigen Beispiel ist die Rendite der Aktie bezogen auf eine (Standard-)Periode von einem Jahr 12,36% und der daraus resultierende Preis ist 41,30 Euro. Für einen Zeitraum von 0,5 Jahren errechnet sich ein Preis von 0,1236 0,5 29.7.2015 36,50 38,83 P e . Die über n Perioden kumulierte Rendite ( ) erhält man durch Summation der Einzelrenditen: 1 2 1 n s s s s s t n t t r n r r r r Die durchschnittliche stetige Rendite pro Periode ergibt sich dann aus dem arithmetischen Mittel der Gesamtrendite über den n Perioden umfassenden Betrachtungszeitraum: 1 1 ( ) n s s t A t t r n r n Beispiel 7.4 Mit den Daten der Aktie von Beispiel 7.3 sollen die stetigen Renditen, die Wertsteigerung der Aktie über vier Jahre und die durchschnittliche stetige Rendite der Aktie pro Jahr berechnet werden. <?page no="245"?> 7.5 Rendite und Risiko 245 31.12.2011 31.12.2012 31.12.2013 31.12.2014 31.12.2015 Jahr 1 2 3 4 5 Preis der Aktie 39,98 32,60 36,02 42,50 37,27 stetige Rendite (%) -20,41 9,98 16,54 -13,13 Die Wertsteigerung der Aktie über den gesamten Zeitraum von vier Jahren beträgt 31.12.2015 4 0, 2041 0, 0998 0,1654 0,1313 0, 0702 oder 7, 02% s r . Die durchschnittliche stetige Rendite der Aktie pro Jahr im betrachteten Zeitraum berechnet sich zu . . (4) = [ 0,2041 + 0,0998 + 0,1654 0,1313] = ( 0,0702) = 0,0176 oder 1,75% . Excel-Umsetzung Die Berechnung der geometrischen Durchschnittsrendite wird durch Eingabe der Formel berechnet, da die Anwendung der Excel-Funktion GEOMITTEL() das geometrische Mittel einer Menge positiver Zahlen zurückgibt. Die Berechnung der arithmetischen Durchschnittsrendite erfolgt durch Eingabe der Formel, kann aber ebenso mit der Excel-Funktion MITTELWERT() vorgenommen werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung E8 Gesamtrendite =SUMME(E14: E17) E9 Gesamtrendite mit Excel-Funktion =LN(D17/ D13) E10 arithmetische Durchschnittsrendite =1/ E6*SUMME(E13: E16) E14 Berechnung der stetigen Rendite =LN(D14/ D13) Bild 7.8 Stetige Renditemaße (Beispiel 7.4) <?page no="246"?> 246 7 Aktien 7.5.3 Vergleich diskreter und stetiger Renditen Diskrete Renditen liefern durch ihre einfache Konstruktion eine anschauliche Vorstellung vom Aktienkursverlauf, da unmittelbar der prozentuale Gewinn bzw. Verlust berechnet wird. Zwischen positiven und negativen diskreten Renditen besteht jedoch eine Asymmetrie. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass in einem Zeitintervall eine Rendite von -50% im darauffolgenden (gleich großen) Zeitintervall durch einen Renditeanstieg von 100% ausgeglichen werden kann. Positive diskrete Renditen können beliebig groß werden, negative diskrete Renditen hingegen können höchstens -100% betragen, wenn = 0 . Der Nachteil diskreter Renditen zeigt sich, wenn Bewertungsperioden von der Standardperiode abweichen und die Anlagedauer keine ganze Zahl ist. Dann kann der Endwert einer Investition nicht mehr ohne weiteres berechnet werden, was bei stetigen Renditen keine Probleme bereitet. Hervorzuheben sind die Symmetrieeigenschaft und die Additivitätseigenschaft stetiger Renditen. Die Symmetrieeigenschaft stetiger Renditen kommt dadurch zum Ausdruck, dass beispielsweise eine stetige Rendite von -0,25 in einer Periode durch eine stetige Rendite von 0,25 in der darauffolgenden Periode kompensiert wird. Die Additivitätseigenschaft stetiger Renditen kann als Hauptgrund für den Einsatz stetiger Renditen angesehen werden. Sie besagt, dass die stetige Rendite über einen Gesamtzeitraum gleich der Summe der stetigen Renditen über die Teilperioden des Gesamtzeitraums ist. In Beispiel 7.4 beträgt die Summe der stetigen Renditen über vier Teilperioden von je einem Jahr -7,02%. Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn die stetige Rendite über den Gesamtzeitraum von vier Jahren gebildet wird: = = , , = 0,0702 oder -7,02% Einfache Renditen und stetige Renditen lassen sich einfach ineinander überführen, indem man die Diskontfaktoren gleichsetzt. Ist die betrachtete Periode ein Jahr, dann erhält man aus der Beziehung 1 s t r d t r e die stetige Rendite zu ln 1 s d t t r r . Ist die stetige Rendite gegeben, ergibt sich die diskrete Rendite zu 1 s t r d t r e . Betrachtet man die unterjährliche Verzinsung mit m Zinsperioden pro Jahr, dann liefert 1 s t m d r t r e m eine stetige Verzinsung von ln 1 d s t t r r m m und bei gegebener stetiger Verzinsung erhält man die unterjährliche diskrete Verzinsung zu <?page no="247"?> 7.5 Rendite und Risiko 247 1 s t r d t m r e m und die jährliche diskrete Verzinsung d t r zu 1 s t r d m t r m e . Soll beispielsweise der Endwert einer Investition von 5.000 Euro unter Anwendung der stetigen Verzinsung nach 3,75 Jahren bei gegebener diskreter Rendite von 6% p.a. berechnet werden, dann muss zunächst die diskrete Rendite in eine stetige Rendite umgerechnet werden. ln 1 ln 1, 06 0, 058269 s d t t r r . Der Endwert FV nach 3,75 Jahren ist dann = 5.000 , , = 6.221,12 Euro. Welche Rendite nun verwendet werden soll, hängt im Wesentlichen von der Zielsetzung ab. Bei Kapitalmarktuntersuchungen wie beispielsweise der Analyse von Aktienkursverläufen werden häufig statistische Methoden angewendet, die gewisse Voraussetzungen an das Datenmaterial stellen. Eine dieser Anforderungen kann die Normalverteilung der Daten sein, welche eher durch stetige als durch diskrete Renditen erreicht wird. Während stetige Renditen Werte zwischen und + annehmen können, sind diskrete Renditen durch einen möglichen Totalverlust des investierten Kapitals auf 100% begrenzt, was eher zu einer linksschiefen Verteilung diskreter Renditen führt als zu einer normalverteilten Form. Während im wissenschaftlichen Bereich die Verwendung stetiger Renditen im Vordergrund steht, wird in der Praxis häufig auf diskrete Renditen zurückgegriffen, da diese wegen der Angabe des prozentualen Gewinns bzw. Verlustes eine anschauliche Vorstellung vom Aktienkursverlauf liefern. Bild 7.9 veranschaulicht, dass für Renditen, die 5% sind, diskrete und stetige Renditen annähernd übereinstimmen und somit auch stetige Renditen eine gute Vorstellung über die Entwicklung einer Aktie liefern. Zeitraum diskrete Rendite stetige Rendite Differenz Jahr 5,00000% 4,87902% 0,12098% Halbjahr 2,46951% 2,43951% 0,03000% Monat 0,40741% 0,40658% 0,00083% Tag 0,01355% 0,01355% 0,00000% Bild 7.9 Vergleich diskreter und stetiger Renditen 5% für verschiedene Zeiträume <?page no="248"?> 248 7 Aktien 7.5.4 Statistische Verteilung von Aktienrenditen Statistische Untersuchungen von Aktienkursen bzw. Aktienrenditen vermitteln Kenntnisse über das Verhalten einzelner Aktien oder einzelner Aktien untereinander. Hierzu werden die Renditen gleicher aufeinander folgender Zeiträume über einen bestimmten Zeitraum erhoben und graphisch dargestellt. Im Folgenden soll die statistische Verteilung stetiger Aktienrenditen an einem Beispiel untersucht werden. Beispiel 7.5 In Bild 7.10 sind die stetigen Monatsrenditen der Adidas-Aktie im Zeitraum vom 3.1.2011 bis 1.12.2015 aufgeführt, basierend auf den jeweiligen Schlusskursen. Es sollen die absolute und relative Häufigkeitsverteilung dieser Renditen bestimmt und das Ergebnis graphisch dargestellt werden. Datum Rendite Datum Rendite Datum Rendite Datum Rendite 01.12.2015 -0,0185 01.09.2014 0,0380 03.06.2013 -0,0114 01.03.2012 -0,0075 02.11.2015 0,1161 01.08.2014 -0,0407 01.05.2013 0,0586 01.02.2012 0,0684 01.10.2015 0,1244 01.07.2014 -0,2192 01.04.2013 -0,0205 02.01.2012 0,0916 01.09.2015 0,0763 02.06.2014 -0,0625 01.03.2013 0,1481 01.12.2011 -0,0390 03.08.2015 -0,1099 01.05.2014 0,0233 01.02.2013 0,0195 01.11.2011 0,0213 01.07.2015 0,0814 01.04.2014 -0,0207 01.01.2013 0,0165 03.10.2011 0,1112 01.06.2015 -0,0411 03.03.2014 -0,0720 03.12.2012 -0,0043 01.09.2011 -0,0575 01.05.2015 -0,0261 03.02.2014 0,0181 01.11.2012 0,0283 01.08.2011 -0,0659 01.04.2015 -0,0037 01.01.2014 -0,1112 01.10.2012 0,0292 01.07.2011 -0,0547 02.03.2015 0,0595 02.12.2013 0,0343 03.09.2012 0,0259 01.06.2011 0,0431 02.02.2015 0,1263 01.11.2013 0,0627 01.08.2012 0,0178 02.05.2011 0,0415 01.01.2015 0,0601 01.10.2013 0,0475 02.07.2012 0,0791 01.04.2011 0,1227 01.12.2014 -0,1128 02.09.2013 0,0022 01.06.2012 -0,0640 01.03.2011 -0,0450 03.11.2014 0,1054 01.08.2013 -0,0464 01.05.2012 -0,0456 01.02.2011 0,0220 01.10.2014 -0,0205 01.07.2013 0,0079 02.04.2012 0,0734 03.01.2011 -0,0721 Bild 7.10 Stetige Monatsrenditen der Adidas-Aktie im Zeitraum vom 3.1.2011 bis 1.12.2015 Die weitere Vorgehensweise besteht darin, die gegebenen Aktienrenditen in Klassen einteilen, aus denen dann die absolute und die relative Häufigkeit bestimmt werden. Wie viele Klassen und welche Klassengrenzen zu wählen sind, hängt jeweils von der betrachteten Thematik ab. Ist die Klassenanzahl zu groß, bleiben viele Klassen unterbesetzt, bei zu geringer Klassenanzahl gehen Informationen verloren. Generell gilt, <?page no="249"?> 7.5 Rendite und Risiko 249 dass nicht zu viele und nicht zu schmale Klassen gebildet werden sollten. Für die Wahl der Klassenanzahl k und der Klassenbreite gibt es einige Empfehlungen, z.B. sollte 5 und max min 1 x x x k sein, wobei ist der größte und der kleinste Wert der gegebenen Datenmenge ist. Unter Anwendung dieser Regeln ergeben sich für das Beispiel 9 Klassen mit einer Klassenbreite von 0,0413. Damit erhält man die in Abb. 7.11 dargestellten Renditebereiche und die in diesen Intervallen liegenden absoluten und relativen Häufigkeiten. Renditebereich absolute Häufigkeit relative Häufigkeit [-0,2192; -0,1779) 1 0,02 [-0,1779; -0,1366) 0 0,00 [-0,1366; -0,0953) 3 0,05 [-0,0953; -0,0540) 7 0,12 [-0,0540; -0,0127) 11 0,18 [-0,0127; 0,0287) 15 0,25 [ 0,0287; 0,0700) 11 0,18 [ 0,0700; 0,1113) 7 0,12 [ 0,1113; 0,1526) 5 0,08 Bild 7.11 Renditebereich, absolute und relative Häufigkeit stetiger Monatsrenditen der Adidas- Aktie vom 3.1.2011 bis 1.12.2015 Bild 7.12 Häufigkeitsverteilung der stetigen Monatsrenditen der Adidas-Aktie vom 3.1.2011 bis 1.12.2015 0,00 0,05 0,10 0,15 0,20 0,25 0,30 -0,1779 -0,1366 -0,0953 -0,0540 -0,0127 0,0287 0,0700 0,1113 0,1526 -0,2192 -0,1779 -0,1366 -0,0953 -0,0540 -0,0127 0,0287 0,0700 0,1113 Relative Häufigkeit Renditebereich <?page no="250"?> 250 7 Aktien Die in Bild 7.12 dargestellte Abbildung der statistischen Verteilung der stetigen Renditen im betrachteten Zeitraum erinnert mit ihrer glockenförmigen Gestalt an eine Normalverteilung. Auch wenn Aktienkurse kein klar definiertes Verhalten aufweisen und empirische Untersuchungen zeigen, dass Aktienrenditen nicht normal verteilt sind, und ihre Entwicklung zufällig und nicht exakt berechenbar ist, ist es möglich, anhand statistischer Daten Wahrscheinlichkeitsaussagen über den künftigen Aktienkurs bzw. die künftige Aktienrendite zu machen. In nachfolgenden Abschnitten wird näher auf die Normalverteilung und ihre Verwendung bei der Modellierung von Aktienkursen eingegangen. Excel-Umsetzung Die Kurse der Adidas-Aktie vom 3.1.2011 bis 1.12.2015 stellen die Schlusskurse des jeweiligen Tages dar und wurden von Yahoo Finance (https: / / finance.yahoo.com) über den Internet Explorer in ein Excel-Arbeitsblatt importiert. Für die weitere Nutzung müssen die Daten jedoch aufbereitet werden, da diese ohne Trennung aneinandergereiht sind. Die folgende Vorgehensweise bietet sich an. 1. Markieren der Spalte A, da sich die Daten ausschließlich in dieser Spalte befinden. 2. Aufrufen des Textkonvertierungs-Assistenten über Alt + V + T. 3. Getrennt auswählen. 4. Weiter-Taste drücken. 5. Im folgenden Dialogfeld Komma als Trennzeichen festlegen. 6. Vorgang mit Weiter bestätigen. 7. Im folgenden Dialogfeld das Datenformat Standard auswählen und in den Zielbereich z.B. $A$1 eingeben. 8. Durch Klicken auf die Schaltfläche Fertig stellen wird der Assistent beendet und man erhält eine strukturierte Tabelle. Im nächsten Schritt werden alle Daten mit Ausnahme des Datums und der Schlusskurse gelöscht und die stetigen Renditen berechnet. Nach Bestimmung der Anzahl der Monatsrenditen, der minimalen und maximalen Rendite wird die Klassenzahl und die Klassenbreite mit den oben genannten Formeln bestimmt. Nach Darstellung der neun Renditebereiche werden die absoluten Häufigkeiten berechnet. Diese kann mit der Excel-Funktion HÄUFIGKEIT (aufrufbar mit Alt + M2 + M +S) ermittelt werden, die folgende Syntax aufweist: HÄUFIGKEIT(Daten; Klassen). Dazu wird der Zellbereich, in dem die Häufigkeitsverteilung angegeben werden soll, zuzüglich einer weiteren Zelle außerhalb der Klassen, markiert. Nach Eingabe der Formel, hier =HÄUFIG- KEIT(D26: D85; C14: C22), muss die Eingabe um eine Matrixformel zu erhalten mit der Tastenkombination Strg + Umschalt + Enter bestätigt werden. Excel setzt dabei automatisch die für die Matrixformeln bekannten geschweiften Klammern um die Formel. Die absoluten Häufigkeiten können auch einzeln mit der statistischen Funktion ZÄH- LENWENN() (aufrufbar mit Alt + M2 + M + S) ermittelt werden. Hierbei ist zu beachten, dass Bedingungen wie z.B. "<=-0,1779" in Anführungszeichen gesetzt werden müssen. Position Inhalt Excel-Umsetzung D7 Anzahl der Monatsrenditen =ANZAHL(D26: D85) D8 minimale Rendite =MIN(D26: D85) <?page no="251"?> 7.5 Rendite und Risiko 251 D9 maximale Rendite =MAX(D26: D85) D10 Klassenzahl =5*LOG(D7; 10) D11 Klassenbreite =(D9-D8)/ D10 B14 untere Grenze des Renditeintervalls =D8 C14 obere Grenze des Renditeintervalls =B14+D11 D14 absolute Häufigkeit =HÄUFIGKEIT(D26: D85; C14: C22) E14 relative Häufigkeit =D14/ $D$7 G14 absolute Häufigkeit mit ZÄHLEN- WENN =ZÄHLENWENN(D26: D85; "<= -0,1779") G15 absolute Häufigkeit mit ZÄHLEN- WENN =ZÄHLENWENN(D26: D85; "<= -0,1366")-ZÄHLENWENN (D26: D85; "<=-0,1779") D26 stetige Rendite =LN(C26/ C27) Bild 7.13 Statistische Verteilung stetiger Monatsrenditen der Adidas-Aktie vom 3.1.2011 bis 1.12.2015 (Beispiel 7.5) <?page no="252"?> 252 7 Aktien 7.5.5 Risikobeurteilung Zur Risikobeurteilung von Aktien können die statistischen Maße arithmetisches Mittel und Varianz bzw. Standardabweichung herangezogen werden. Zudem können mit Hilfe der Korrelationsanalyse Aussagen über Abhängigkeiten zwischen Renditen gleicher Zeiträume verschiedener Aktien oder Renditen aufeinanderfolgender Zeiträume einer Aktie gemacht werden. Das Risiko einer Aktie kann durch die Kenngrößen Drift und Volatilität einer Aktie beschrieben werden, die das Verhalten vergangener Aktienkurse charakterisieren. Als Drift wird das arithmetische Mittel der n Renditen (z.B. die letzten n Monatsrenditen) über einen bestimmten Zeitraum bezeichnet, gibt die durchschnittliche Kursänderung eines bestimmten Zeitraumes an und ist somit ein Trendmaß und kann als durchschnittliche Wachstumsrate interpretiert werden. Sie ist (ohne Differenzierung nach Art der Renditen) wie folgt definiert: 1 1 n t t r r n Das arithmetische Mittel der Renditen gibt die durchschnittliche Kursänderung des betrachteten Zeitraums und ist ein Trendmaß für die Aktienkursentwicklung. Die Volatilität wird durch die Varianz 2 bzw. die Standardabweichung (Wurzel aus der Varianz) der Renditen definiert und ist ein Streuungsmaß, welches die durchschnittliche Abweichung der einzelnen Kursänderungen vom Mittelwert der Kursänderungen angibt. Die Standardabweichung besitzt die gleiche Dimension wie die Beobachtungdaten, im betrachteten Fall Prozent, in denen auch die Aktienrenditen angegeben sind. 1 2 2 2 1 1 1 1 n n t t t t r r r r n n Je größer die Standardabweichung bzw. die Volatilität einer Aktie ist, desto stärker sind die Kursänderungen nach oben oder nach unten. Damit steigt die Chance auf Gewinne, aber in gleicher Weise auch das Risiko von Kursverlusten. Damit stellt die Standardabweichung ein Chancen- und in eingeschränkter Weise auch ein Risikomaß dar. Liegt anstatt einer Grundgesamtheit (Population) eine Stichprobe vor, dann erhält man die empirische Standardabweichung s zu: 1 2 2 2 1 1 1 1 1 1 n n t t t t s r r r r n n Bezieht sich die empirische Standardabweichung auf einen Zeitraum, der kleiner ist als ein Jahr, z.B. ein Monat, und soll die Standardabweichung annualisiert werden, dann erhält man die jährliche Standardabweichung wie folgt: ann s s n wobei n die Anzahl der Perioden im Jahr ist, auf die sich die Standardabweichung bezieht. <?page no="253"?> 7.5 Rendite und Risiko 253 Ist beispielsweise die monatliche Standardabweichung 5%, dann ergibt sich die jährliche Standardabweichung mit = 12 zu = 0,05 12 = 0,1732 oder 17,32. Für die in Beispiel 7.5 berechneten Renditen soll die empirische Standardabweichung berechnet werden. 31.12.2011 31.12.2012 31.12.2013 31.12.2014 31.12.2015 Jahr 1 2 3 4 5 Preis der Aktie 39,98 32,60 36,02 42,50 37,27 diskrete Rendite (%) -18,46 10,49 17,99 -12,31 Das arithmetische Mittel r der diskreten Renditen beträgt 1 0,1846 0,1049 0,1799 0,1231 0, 0057 4 r . Die empirische Varianz berechnet sich zu: 2 2 2 2 2 1 0,1846 0, 0057 0,1049 0, 0057 0,1799 0, 0057 0,1231 0, 0057 3 0, 0308 s Die empirische Standardabweichung ist dann 0, 0308 0,1756 oder 17,56% s . Damit beträgt die jährliche durchschnittliche Volatilität der betrachteten Aktie im Zeitraum vom 31.12.2011 bis 31.12.2015 17,56%. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass Volatilität nicht gleichzusetzen ist mit Risiko. Die Volatilität ist ein Maß für die historische Breite der Kursschwankungen. Diese können sich in Zukunft ändern, d.h. größer oder kleiner ausfallen, wenn sich das Marktgeschehen ändert. Zudem beinhaltet die Volatilität als Maßgröße nur eine Standardabweichung und deckt damit nur eine Wahrscheinlichkeit von 68,3% ab. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 31,7% ist demnach die zukünftige Kursschwankung größer als die errechnete Volatilität. Extreme Marktentwicklungen wie beispielsweise im Jahr 2008 können deshalb viel größere Verluste verursachen, als das Volatilitätsmaß selbst angibt. Beispiel 7.6 Für die Adidas-Aktie sollen ausgehend von den 61 Monatskursen eine statistische Untersuchung der sich daraus ergebenden 60 Renditen vorgenommen werden. Anhand der bereits berechneten stetigen Renditen (siehe Beispiel 7.5) sollen das arithmetische Mittel (Drift) und die empirische Varianz bzw. Standardabweichung (Volatilität) der Aktie ermittelt werden. Das arithmetische Mittel (Drift) der 60 stetigen Monatsrenditen erhält man zu: 1 0, 01850 0,1161 0,1244 0, 0450 0, 0220 0, 0721 0, 0102 60 r Die empirische Varianz ist <?page no="254"?> 254 7 Aktien 2 2 2 2 1 0, 0185 0, 0102 0,1161 0, 0102 0, 0721 0, 0102 60 1 0, 00495551 s und die monatliche Standardabweichung beträgt 1 s 0, 00495551 2 0, 0704 oder 7, 04% . Die Volatilität der Adidas-Aktie beträgt über den betrachteten Zeitraum vom 3.1.2011 bis 1.12.2015 monatlich durchschnittlich 7,04%. Daraus errechnet die jährliche Standardabweichung zu 24,39%. In Bild 7.14 ist die Volatilität der stetigen Renditen über den gleichen Zeitraum in einem Balkendiagramm graphisch dargestellt. Bild 7.14 Volatilität der stetigen Monatsrenditen der Adidas-Aktie im Zeitraum vom 3.1.2011 bis 1.12.2015 Excel-Umsetzung Die stetigen Monatsrenditen wurden bereits in Beispiel 7.5 berechnet und können direkt übernommen werden. Die Anzahl der stetigen Monatsrenditen kann mit der Excel- Funktion ANZAHL() ermittelt werden. Das arithmetische Mittel, die Varianz und die Standardabweichung können entweder direkt mit der jeweiligen Formel oder mit den Excel-Funktionen MITTELWERT(), VAR.S() und STABW.S() berechnet werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung D7 Anzahl der stetigen Monatsrenditen =ANZAHL(D19: D78) D8 arithmetisches Mittel (Drift) =SUMME(D19: D78)/ D7 D9 arithmetisches Mittel (mit Excel) =MITTELWERT(D19: D78 D10 Varianz =SUMME(F19: F78)/ (D7-1) D11 Varianz (mit Excel) =VAR.S(D19: D78) D12 Standardabweichung (Volatilität) =D10^0,5 D13 Standardabweichung (Excel) =STABW.S(D19: D78) -0,25 -0,20 -0,15 -0,10 -0,05 0,00 0,05 0,10 0,15 0,20 1 11 21 31 41 51 Stetige Renditen Monate <?page no="255"?> 7.5 Rendite und Risiko 255 Bild 7.15 Drift und Volatilität der Adidas-Aktie im Zeitraum vom 3.1.2011 bis 1.12.2015 Beispiel (7.6) 7.5.6 Korrelationsanalyse Die Korrelationsanalyse untersucht die gegenseitige Abhängigkeit zweier Variablen. Im Ergebnis soll eine Aussage über die Stärke und Richtung des Zusammenhangs gemacht werden. Bei der hier betrachteten Aktienanalyse werden demnach Abhängigkeiten zwischen den Renditen gleicher Zeiträume verschiedener Aktien analysiert. So stellt sich beispielweise die Frage, ob ein Kursanstieg der Allianz-Aktie einhergeht mit einem Kursanstieg der Münchener-Rück-Aktie. Als Maßzahl kommt hierfür die Kovarianz zur Anwendung. Diese bringt zum Ausdruck, ob sich die Renditen von zwei Aktien tendenziell gleich oder gegenläufig entwickeln und ist daher für Zwecke der Risikosteuerung von zentraler Bedeutung. Werden z.B. zwei Aktien mit gegenläufiger Tendenz in ihren Kursveränderungen erworben, dann kann man erwarten, dass die Verluste der einen Aktie durch entsprechende Gewinne der anderen Aktie kompensiert werden und vice versa. Für eine zweidimensionale Messreihe 1,1 2,1 , r r , 1,2 2,2 1, 2, , , n n r r r r <?page no="256"?> 256 7 Aktien erhält man für die beobachteten Renditen zweier Aktien 1 und 2 die empirischen Mittelwerte 1 1, 1 1 n t t r r n und 2 2, 1 1 n t t r r n sowie die empirischen Standardabweichungen 2 1 1, 1 1 1 1 n t t s r r n und 2 2 2, 2 1 1 1 n t t s r r n . Aus diesen Komponenten können zwei weitere Maßzahlen abgeleitet werden. Ist eine zweidimensionale Messreihe gegeben, dann heißt 1,2 1, 1 2, 2 1 1 1 n t t t Cov r r r r n die empirische Kovarianz für die beobachteten Renditen zweier Aktien 1 und 2. Hat die Kovarianz ein positives (negatives) Vorzeichen, so kann bei beiden Aktien von einer tendenziellen Gleichläufigkeit (Gegenläufigkeit) der Renditen ausgegangen werden. Mit der Kovarianz kann jedoch keine Aussage darüber getroffen werden, ob der Zusammenhang bzw. die Abhängigkeit beider Renditen stark oder schwach ausgeprägt ist. Die gegenseitige Abhängigkeit zweier Variablen kann mit der Korrelationsanalyse hinterfragt werden. Im Ergebnis kann damit eine Aussage über Stärke und Richtung des Zusammenhangs gemacht werden. Als normierte Maßzahl (normierte Kovarianz) wird hierzu der Korrelationskoeffizient herangezogen, der eine Beurteilung der Stärke des Zusammenhangs erlaubt und unabhängig von der Maßeinheit der Grunddaten bzw. Stichprobe ist. Der empirische Korrelationskoeffizient der beobachteten Renditen zweier Aktien 1 und Aktie 2 ist wie folgt definiert: 1,2 1,2 1 2 Cov Geschrieben als Quotient der Abweichungssummen erhält man: 1, 1 2, 2 1 1,2 2 2 1, 1 2, 2 1 1 n t t t n n t t t t r r r r r r r r Der Korrelationskoeffizient misst die durchschnittliche Korrelation der Renditepaare und kann stets Werte im Intervall zwischen 1 und +1 annehmen. Um Korrelationen aufzudecken, empfiehlt es sich, die Renditen zweier Aktien gleicher, aufeinanderfolgender Zeiträume zu einem Renditepaar zusammenzufassen und als Punkte in ein Koordinatensystem einzutragen. Liegt der Korrelationskoeffizient nahe bei +1, dann sind die Wertepaare der n Beobachtungen überwiegend positiv korreliert und man erhält eine Punktwolke, die in der Nähe einer Regressionsgeraden mit positiver Steigung liegt. Ist der Korrelationskoeffizient nahe 1 , dann sind die Wertepaare größtenteils negativ korreliert und man erhält eine Punktwolke, die in der Nähe der Regressionsgeraden mit negativer Steigung liegt. Ist der Korrelationskoeffizient nahe 0, dann sind <?page no="257"?> 7.5 Rendite und Risiko 257 positiv und negativ korrelierte Wertepaare gleichmäßig verteilt und die Punktwolke lässt keinen linearen Verlauf erkennen. Vertauscht man die Variablen , und , , dann ändert sich dadurch der Korrelationskoeffizient nicht und es gilt , = , . Bleibt noch anzumerken, dass bei > 0 nicht auf einen kausalen Zusammenhang zwischen den Geschäften der betrachteten Aktiengesellschaften geschlossen werden kann; ein ursächlicher Zusammenhang hingegen könnte vorliegen, muss aber nicht. Die Berechnung der Kovarianz und des Korrelationskoeffizienten und deren Interpretation soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Preise und die diskreten Renditen zweier Aktien A und B. 31.12.2011 31.12.2012 31.12.2013 31.12.2014 31.12.2015 Jahr 1 2 3 4 5 Preis der Aktie A 39,98 32,60 36,02 42,50 37,27 diskrete Rendite (%) von 1 -18,46 10,49 17,99 -12,31 Preis der Aktie B 12,78 11,96 12,65 13,20 12,68 diskrete Rendite (%) von 2 -14,24 5,77 13,79 -10,58 Das arithmetische Mittel 1 r der diskreten Renditen der Aktie A beträgt: 1 0,1846 0,1049 0,1799 0,1231 0, 0057 4 r Das arithmetische Mittel 2 r der diskreten Renditen der Aktie B ist: 1 0,1424 0, 0577 0,1379 0,1058 0, 01315 4 r Die empirische Varianz von Aktie A beträgt 2 2 2 2 2 1 1 0,1846 0, 0057 0,1049 0, 0057 0,1799 0, 0057 0,1231 0, 0057 0, 0308 3 s und die empirische Standardabweichung ist 1 0, 0308 0,1756 oder 17,56% s . Die empirische Varianz von Aktie B beträgt 2 2 2 2 2 2 1 0,1424 0, 0132 0, 0577 0, 0132 0,1379 0, 0132 0,1058 0, 0132 0, 0177 3 s und die empirische Standardabweichung ist 2 0, 0177 0,1331 s . Für beide Aktien ergibt sich eine Kovarianz von 1,2 0,1846 0, 0057 0,1424 0, 01350 0,1049 0, 0057 0, 0584 0, 01350 1 0, 0233 4 1 0,1799 0, 0057 0,1379 0, 01350 0,1231 0, 0057 0,1058 0, 01350 Cov <?page no="258"?> 258 7 Aktien Die Kovarianz hat ein positives Vorzeichen, so dass bei beiden Aktien von einer tendenziellen Gleichläufigkeit der Renditen ausgegangen werden kann. Es kann jedoch keine Aussage darüber getroffen werden, ob der Zusammenhang bzw. die Abhängigkeit beider Renditen stark oder schwach ausgeprägt ist. Dazu wird der Korrelationskoeffizient berechnet. 0, 0233 0, 9969 0,1756 0,1331 Der Korrelationskoeffizient ist nahezu bei +1, d.h. die Renditepaare beider Aktien sind stark positiv korreliert und weisen daher ein fast perfekt gleichläufiges Verhalten aus. Steigt (fällt) Aktie A, dann ist zu erwarten, dass auch Aktie B steigt (fällt). Beispiel 7.7 Es soll untersucht werden, ob zwischen der Allianz-Aktie und der Münchener-Rück- Aktie ein linearer Zusammenhang besteht. Dazu sollen ausgehend von 52 Wochenrenditen (Zeitraum vom 29.12.2014 bis 28.12.2015) der Mittelwert, die Varianz, die Standardabweichung, die Kovarianz und schließlich der Korrelationskoeffizient bestimmt werden. Zunächst werden die Schlusskurse beider Aktien über Yahoo Finance (wie in Beispiel 7.5 beschrieben) über den Internet Explorer in ein Excel-Arbeitsblatt importiert und aufbereitet. Nach Berechnung der stetigen Renditen werden die gesuchten statistischen Größen bestimmt, die entweder durch direkte Eingabe der Formel oder mittels der Excel-Funktionen, die über Alt + M2 + M + S aufgerufen werden, ermittelt werden. Die Berechnung wird anhand der Allianz-Aktie demonstriert. Position Inhalt Excel-Umsetzung E7 Anzahl der stetigen Monatsrenditen =ANZAHL(D23: D74) E8 arithmetisches Mittel =SUMME(D23: D74)/ E7 E9 arithmetisches Mittel (mit Excel) =MITTELWERT(D23: D74) E10 Varianz =SUMME(F23: F74)/ (E7-1) E11 Varianz (mit Excel) =VAR.S(D23: D74) E12 Standardabweichung (Volatilität) =E11^0,5 E13 Standardabweichung (Excel) =STABW.S(D23: D74) E14 Kovarianz =SUMMENPRODUKT (E23: E74; K23: K74)/ (E7-1) E15 Kovarianz (Excel) =KOVARIANZ.S(D23: D74; J23: J74) E16 Korrelationskoeffizient =E15/ (E12*K12) E17 Korrelationskoeffizient (Excel) =KORREL(D23: D74; J23: J74) <?page no="259"?> 7.5 Rendite und Risiko 259 Bild 7.16 Berechnung statistischer Kennzahlen am Beispiel von Wochenrenditen der Allianz- Aktie im Zeitraum vom 29.12.2014 bis 28.12 2015 (Beispiel 7.7) In Bild 7.17 sind die Renditepaare der Allianz-Aktie und der Münchener-Rück-Aktie im Zeitraum vom 29.12.2014 bis 28. 12.2015 graphisch dargestellt. Die Renditen lassen einen positiven Zusammenhang erkennen, d.h. sie sind positiv korreliert, was mit dem Korrelationskoeffizienten von 0,8488 bestätigt wird. Bild 7.17 Darstellung der Renditepaare gleicher Zeiträume (Wochen) der Allianz-Aktie und der Münchener-Rück-Aktie im Zeitraum vom 29.12.2014 bis 28.12.2015 -0,09 -0,06 -0,03 0,00 0,03 0,06 0,09 -0,08 -0,05 -0,02 0,01 0,04 0,07 Stetige Renditen der Münchener-Rück- Aktie Stetige Renditen der Allianz-Aktie <?page no="260"?> 260 7 Aktien 7.6 Rendite und Risiko im Portfoliokontext 7.6.1 Problemstellung Aktien und viele andere Anlagemöglichkeiten gewähren im Gegensatz zu festverzinslichen Wertpapieren keine festen und bekannten Zinszahlungen, vielmehr hängt ihr Ertrag von verschiedenen Einflussfaktoren ab wie beispielsweise der Konjunktur oder der Geschäftsentwicklung der Gesellschaft. Die Rendite kann daher nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden, sie ist - mathematisch ausgedrückt - eine Zufallsvariable. Über diese Zufallsgröße gilt es Aussagen zu bekommen, um die Renditen für die Zukunft abschätzen zu können. Das folgende Beispiel soll den Sachverhalt verdeutlichen. Ein Investor besitzt 100.000 Euro und möchte diese gewinnbringend anlegen. Als Anlagemöglichkeiten stehen ihm Festgeld oder Aktien zur Verfügung. Die Rendite der Festgeldanlage ist determiniert, die Rendite der Aktie hingegen ist eine Zufallsvariable und von den folgenden Eigenschaften abhängig: Geschäftsentwicklung k Rendite Wahrscheinlichkeit gut 1 10% 60% schlecht 2 -10% 20% sehr gut 3 20% 20% Ist die Geschäftsentwicklung der Gesellschaft gut, dann erzielt der Investor bei einer Anlage von 100.000 Euro in Aktien nach einem Jahr 10.000 €. Dieser Fall soll mit einer Wahrscheinlichkeit von 60% eintreten. Bei einer schlechten Geschäftsentwicklung kann ein Verlust von 10% eintreten, die Wahrscheinlichkeit hierfür ist 20%. Bei sehr guter Geschäftsentwicklung bringt eine Anlage in Aktien eine Rendite von 20%, für diesen Fall beträgt die Wahrscheinlichkeit ebenfalls 20%. Die Anlage in Festgeld soll eine Rendite von 3% bringen. Diese Rendite ist sicher und tritt mit einer Wahrscheinlichkeit von 100% ein, vorausgesetzt, dass das Ausfallrisiko der Bank gleich Null ist. Es stellt sich nun die Frage, welche der beiden Möglichkeiten präferiert werden sollte. Der Erwartungswert der Rendite ( ) , also die mit den Wahrscheinlichkeiten gewichtete Rendite beträgt bei der Aktienanlage 3 1 10% 0, 6 10% 0, 2 20% 0, 2 8%. A k k k E r r p Bei der Aktienanlage ist also eine Rendite von 8% zu erwarten, bei der Festgeldanlage ist die erwartete Rendite ( ) = 3% . Die Rendite bei der Aktienanlage ist also höher, man erkennt aber auch, dass das Risiko, gemessen mit der Varianz bzw. der Standardabweichung, größer ist. 3 2 1 2 2 2 0, 6 10% 8% 0, 2 10% 8% 0, 2 20% 8% 0, 0096 A k k A k Var r p r E r Das Risiko der Aktie, die Standardabweichung, ist die Wurzel aus der Varianz, also 9,8%. Das Risiko der Festgeldanlage ist 0%. <?page no="261"?> 7.6 Rendite und Risiko im Portfoliokontext 261 Es stellt sich nun die Frage, welche der Anlagen die bessere ist. Diese Frage kann nicht unmittelbar beantwortet werden, die Antwort hängt davon ab, wie risikobereit der Investor ist. Auch kann der Anlagebetrag auf beide Anlagen aufgeteilt werden. Diese Vorgehensweise heißt Diversifikation und sie ist immer dann sinnvoll, wenn nicht ausschließlich die Rendite oder ausschließlich das Risiko in Betracht gezogen wird. In der täglichen Veranlagungspraxis erfolgt die Auswahl von Anlagemöglichkeiten, die sogenannte Portfolio-Selection, mit den Kriterien Rendite, gemessen durch die durchschnittliche historische Rendite, und Risiko (Volatilität), gemessen durch die Standardabweichung. Die Portfoliotheorie, basierend auf den Kenngrößen Rendite und Risiko, wurde in den 1950er Jahren von Harry M. Markowitz entwickelt und u.a. von William F. Sharpe und Merton H. Miller weiter vorangebracht. Sie erhielten 1990 für ihre Arbeiten zur Finanzierungs- und Kapitalmarkttheorie den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Grundlage für die Berücksichtigung lediglich der beiden Kenngrößen Rendite und Risiko ist die in Kapitel 7.7.7 beschriebene Normalverteilungsannahme von Aktienrenditen. Da jedoch in der Praxis keine Verteilung vorgegeben ist und die Berechnung des Erwartungswertes und der Varianz einzelner Anlagen und Anlagemischungen nicht möglich ist, werden die Werte (Rendite und Risiko) aus Daten der Vergangenheit ermittelt. Die graphische Darstellung von Aktien erfolgt entsprechend ihrer Eigenschaften in einem Rendite-Risiko-Diagramm, welches, abgeleitet von den in der μ- -Diagramm bezeichnet wird. Bei der folgenden Analyse wird für die Rendite das Symbol r und für das Risiko (Standardabw 7.6.2 Portfoliorendite und Portfoliorisiko Betrachtet wird ein Portfolio in seiner einfachsten Form, das aus nur zwei Aktien besteht. Aus den historischen Daten beider Aktien wurden die folgenden mittleren Renditen und Standardabweichungen ermittelt: Aktie 1: = 6%, = 25% Aktie 2: = 26%, = 50% Trägt man die beiden Aktien in ein Rendite-Risiko-Diagramm ein, dann erhält man die in Bild 7.18 eingezeichneten Punkte. Bild 7.18 Risiko-Rendite-Diagramm 0 5 10 15 20 25 30 0 10 20 30 40 50 60 Rendite Risiko <?page no="262"?> 262 7 Aktien Mischt man beide Anlagen, dann kann die erwartete Rendite des Zwei-Wertpapier- Portfolios als Durchschnitt der erwarteten Renditen der einzelnen Aktien und gewichtet mit ihrem Portfolioanteil bzw. wie folgt bestimmt werden: 1 1 2 2 P r w r w r wobei + = 1 bzw. = 1 Werden beispielsweise 60% des Portfolios in Aktie 1 investiert und 40% in Aktie 2, dann ergibt sich die erwartete Portfoliorendite zu: 0, 6 6% 0, 4 26% 14% P r Während die Portfoliorendite einfach als gewichteter Durchschnitt der einzelnen Wertpapiere ermittelt werden kann, ist die Ermittlung des Risikos, gemessen mit der Varianz bzw. Standardabweichung, schwieriger. Zur Analyse der Varianz eines Portfolios aus zwei Aktien muss die Kovarianz bzw. die Korrelation zwischen beiden Werten berücksichtigt werden. Die Kovarianz ist hier das arithmetische Mittel des Produkts der Abweichungen der einzelnen Aktien von ihrem jeweiligen Mittelwert (vgl. Kapitel 7.5.6) und beschreibt eine gemeinsame Tendenz der beobachteten Aktien. Dividiert man die Kovarianz durch die beiden Standardabweichungen und , dann erhält man den Korrelationskoeffizienten , ein normiertes Maß für die Strenge des linearen statistischen Zusammenhangs. 12 12 1 2 und = Beträgt beispielsweise die historische Kovarianz zwischen Aktie 1 und Aktie 2 = 750 , dann ergibt sich der Korrelationskoeffizient zu: 12 750 0, 6 50 25 Der Korrelationskoeffizient ist mit 0,6 positiv, d.h. beide Aktien bewegen sich in die gleiche Richtung. Die Varianz des Portfolios setzt sich aus den gewichteten Einzelvarianzen zusammen, hinzu kommt die gewichtete Kovarianz. Aktie 1: 2 2 1 1 w und 1 2 12 1 2 12 1 2 w w w w Aktie 2: 2 2 2 2 w und 2 1 21 2 1 21 2 1 w w w w Da 12 21 und 12 21 gilt, erhält man die Portfoliovarianz 2 P zu: 2 2 2 2 2 1 1 1 2 12 1 2 2 2 2 1 21 2 1 2 2 2 2 1 1 2 2 1 2 12 1 2 2 P w w w w w w w w w w Wegen 12 12 1 2 kann obiger Ausdruck auch geschrieben werden als: 2 2 2 2 2 1 1 2 2 1 2 12 2 P w w w w <?page no="263"?> 7.6 Rendite und Risiko im Portfoliokontext 263 Damit wird deutlich, dass das Portfoliorisiko von den Einzelrisiken (Varianzen) der beteiligten Wertpapiere, ihren Portfolioanteilen und der Kovarianz bzw. der Korrelation der Wertpapierrenditen untereinander abhängig ist. Dieser Zusammenhang soll nun beispielhaft an einem Zwei-Wertpapier-Portfolio aufgezeigt werden. Werden im Zwei-Wertpapier-Fall beispielsweise 60% des Portfolios in Aktie 1 investiert und 40% in Aktie 2, dann errechnet sich bei einem Korrelationskoeffizienten von = 0,6 eine Portfoliovarianz von 2 2 2 2 2 0, 6 25 0, 4 50 2 0, 6 0, 4 0, 6 25 50 625 360 985 p und die Standardabweichung (Risiko) beträgt 985 = 31,38% . Im Ergebnis kann durch Diversifikation die Rendite im Vergleich zu einer Einzelinvestition in Aktie 1 gesteigert werden (von 6% auf 14%) bei einem nur relativ geringen Anstieg des Risikos (von 20% auf 31,38%). Kombiniert man beide Aktien in verschiedenen Gewichtungsverhältnissen unter der Annahme, dass beide Aktien nicht korreliert sind ( = 0 ), dann ergeben sich hinsichtlich der erwarteten Rendite und des Risikos die in Bild 7.19 dargestellten Ergebnisse. Portfoliogewichte Aktie 1 Portfoliogewichte Aktie 2 erwartete Rendite Risiko (Volatilität) 1,00 0,00 6,00% 25,00% 0,80 0,20 10,00% 22,36% 0,60 0,40 14,00% 25,00% 0,40 0,60 18,00% 31,62% 0,20 0,80 22,00% 40,31% 0,00 1,00 26,00% 50,00% Bild 7.19 Erwartete Rendite und Risiko zweier Aktien mit verschiedenen Portfolioanteilen Stellt man diese Ergebnisse graphisch dar, dann erhält man die in Bild 7.20 dargestellte Rendite-Risiko-Kurve. Akzeptiert beispielsweise ein Investor ein Risiko bzw. eine Volatilität von 25% und investiert er in Aktie 1, dann kann er eine Rendite von 6% erwarten. Eine weitaus bessere Rendite in Höhe von 14% ließe sich erzielen, würden bei gleichem Risiko 60% in Aktie 1 und 40% in Aktie 2 investiert. Ein Portfolio ist immer dann ineffizient, wenn bezüglich der erwarteten Rendite und des Risikos ein besseres Portfolio existiert. Demnach ist eine Investition allein in Aktie 1 ineffizient, das gleiche gilt für alle Portfolios mit einem mehr als 80%igen Anteil in Aktie 1 (dunkelgrauer Teil der Kurve in Bild 7.20). Ineffiziente Portfolios sind für Investoren, die eine hohe Rendite und ein niedriges Risiko anstreben, nicht optimal. Verbindet man die effizienten Portfolios in Bild 7.20 durch einen Kurvenzug miteinander, dann erhält man die Menge aller effizienten Portfolios, die als Effizienzkurve (Efficient Frontier) bezeichnet wird. Die effizienten Portfolios repräsentieren hinsichtlich des Risikos und der Rendite ein optimales Portfolio. Zur rechnerischen Bestimmung der Effizienzkurve muss das Optimierungsproblem 2 1 1 min n n P i j ij i j w w <?page no="264"?> 264 7 Aktien unter Berücksichtigung der Nebenbedingungen 1 1 und 1 n n P i i i i i r w r w gelöst werden. Werden auch Leerverkäufe ausgeschlossen, dann wird 0 als weitere Nebenbedingung aufgenommen. Diese Optimierungsaufgabe kann mit Hilfe von Lagrange-Multiplikatoren oder andere Verfahren der nichtlinearen Optimierung gelöst werden. Hier wird das Optimierungsproblem anhand des Tabellenkalkulationsprogramms Microsoft Excel gelöst (vgl. Beispiel 7.8). In Bild 7.20 ist ersichtlich, dass Portfolios mit einem Anteil von mindestens 20% in Aktie 2 (hellgrauer Ast der Kurve in Bild 7.20) effizient sind. In diesem Falle existiert kein Zwei-Aktien Portfolio, das eine höhere erwartete Rendite mit einem niedrigeren Risiko liefert. Während nicht effiziente Portfolios als unterlegen ausgeschlossen werden können, ist es nicht möglich, einfach effiziente Portfolios abzurufen, da Investoren diese entsprechend ihren Risiko- und Renditepräferenzen auswählen. So wird ein extrem konservativer Investor, der nur sein Risiko minimieren möchte, das Portfolio mit dem geringsten Risiko wählen (80% in Aktie 1 und 20% in Aktie 2), während ein aggressiver Investor ungeachtet des höheren Risikos möglicherweise 100% in Aktie 2 investiert, da dieses Investment eine höhere Rendite erwarten lässt. Bild 7.20 Risiko und erwartete Rendite möglicher Portfolios aus zwei Aktien bei = 0 Aus der Beziehung 2 2 2 2 2 1 1 2 2 1 2 12 1 2 2 P w w w w erkennt man unmittelbar, dass die Portfoliovarianz (Portfoliorisiko) maßgeblich von der Beziehung der Renditen zueinander, also deren Korrelation, abhängt. Da der Korrelationskoeffizient Werte zwischen 1 und +1 annimmt, sollen die extremen Fälle = +1, = 0 und = 1 näher betrachtet werden. Die graphische Darstellung dieser Fälle wird in Bild 7.22 veranschaulicht. Bei einem Korrelationskoeffizienten von +1 ergibt sich für die Portfoliovarianz 2 2 2 2 2 1 1 2 2 1 2 1 2 2 P w w w w und für die Standardabweichung folgt: 0,25; 0,06 0,22; 0,10 0,25; 0,14 0,32; 0,18 0,40; 0,22 0,50; 0,26 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% erwartete Rendite Risiko (Standardabweichung) Aktie Aktie effiziente Portfolios ineffiziente Portfolios <?page no="265"?> 7.6 Rendite und Risiko im Portfoliokontext 265 1 1 2 2 P w w In diesem Fall ist das Gesamtrisiko die Summe der gewichteten Einzelrisiken und es liegt ein positiver linearer Zusammenhang vor, d.h. die Abweichung vom Mittelwert hat bei beiden Aktien immer die gleiche Richtung und es ist keine Reduktion des Risikos durch Diversifikation möglich. Für das Beispiel ergibt sich mit = +1 eine Portfoliovarianz von 2 2 2 2 0, 6 25 0, 4 50 2 0, 6 0, 4 25 50 625 600 1.225 P und eine Standardabweichung von = 1.225 = 35% , also rund 35%. Im zweiten Fall, bei einer Korrelation von 0 , ergibt sich: 2 2 2 2 2 1 1 2 2 P w w und 2 2 2 2 1 1 2 2 P w w Bei dieser Konstellation gibt es keinen statistischen Zusammenhang, und es ergibt sich für (fast) jede Wertpapiermischung ein geringeres Portfoliorisiko als (unter sonst gleichen Bedingungen) im ersten Fall. Es kann ein Portfolio gebildet werden, welches eine geringere Standardabweichung hat als jede der beiden einzeln betrachteten Wertpapiere. Bei einer Korrelation kleiner als 0 ist eine weitere Risikoreduzierung möglich. Für das Beispiel ergibt sich mit = 0 eine Portfoliovarianz von 2 2 2 2 2 0, 6 25 0, 4 50 625 P und eine Standardabweichung von = 625 = 25% Für den dritten Fall, mit = 1 erhält man: 2 2 2 2 2 1 1 2 2 1 2 1 2 2 P w w w w . und als Standardabweichung ergibt sich: 1 1 2 2 P w w In diesem Fall sind die Abweichungen vom Mittelwert gegeneinander gerichtet und es ist eine extreme Risikoreduzierung bis hin zur Risikoeliminierung möglich. Das Beispiel ergibt mit = 1 , eine Portfoliovarianz von 2 625 600 1 25 P und Standardabweichung von = 25 = 5 %. In diesem Fall ist das Risiko fast vollständig wegdiversifiziert. Man kann leicht erkennen, dass das Potenzial, Risiko durch Portfoliobildung zu streuen umso größer ist, je gegensätzlicher sich die Aktienrenditen verhalten. Durch Veränderung der Anteile an den beiden Aktien ergeben sich hinsichtlich der Rendite und des Risikos unterschiedliche Ergebnisse (dargestellt in Prozent), die in Bild 7.21 für = 0 , = 1 , = 0,5 und = 1 zusammengefasst sind. Die graphische Darstellung der Ergebnisse ergibt das in Bild 7.22 dargestellte Rendite-Risiko- Diagramm. <?page no="266"?> 266 7 Aktien Anteil Aktie 1 Anteil Aktie 2 erwartete Rendite Risiko bei 0 Risiko bei 1 Risiko bei 0, 5 Risiko bei 1 1,00 0,00 6,00 25,00 25,00 25,00 25,00 0,80 0,20 10,00 22,26 30,00 17,32 10,00 0,67 0,33 13,00 24,00 33,00 17,00 0,00 0,60 0,40 14,00 25,00 35,00 18,03 5,00 0,40 0,60 18,00 31,62 40,00 26,46 20,00 0,20 0,80 22,00 40,31 45,00 37,75 35,00 0,00 1,00 26,00 50,00 50,00 50,00 50,00 Bild 7.21 Erwartete Rendite und Risiko bei Variation der Portfolioanteile und der Korrelationskoeffizienten Bild 7.22 Lage möglicher Rendite-Risiko-Profile aus zwei Aktien für verschiedene Gewichtungen und Korrelationskoeffizienten In Bild 7.22 existiert für jede der dargestellten vier Portfoliolinien ein Punkt, der genau jene Kombination aus den Aktien 1 und 2 markiert, die bei gegebener Korrelation das geringste mögliche Risiko aufweist. Dieses spezielle Portfolio wird als Minimum- Varianz-Portfolio (MVP) bezeichnet. In Bild 7.23 sind für die beiden Aktien 1 und 2 mit den Korrelationen von 0 und -1 die MVPs dargestellt. Das MVP teilt die Portfoliolinie in zwei Bereiche. Auf dem Ast rechts unter befinden sich ausgehend vom MVP alle Portfolios, die als ökonomisch nicht effizient gelten. Das heißt, es gibt andere Gewichtungen der Aktien 1 und 2, die bei gleichem Risiko eine höhere Rendite aufweisen und daher präferiert werden. Effizient sind nur jene Portfolios, die ausgehend vom MVP am Ast nach rechts oben liegen, da es keine Kombinationen von Aktie 1 und 2 gibt, die bei gleichem Risiko eine höhere Rendite generieren bzw. bei gleicher Rendite ein geringeres Risiko in sich tragen. Daher wird dieser Teil der Portfoliolinie auch als Effizienzlinie oder Effizienzkurve bezeichnet. 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% Erwartete Rendite Risiko (Standardabweichung) = +1 = 0 = -0,5 = -1 Aktie 1 Aktie 2 = -1 <?page no="267"?> 7.6 Rendite und Risiko im Portfoliokontext 267 Bild 7.23 Lage der Minimum-Varianz-Portfolios für zwei Aktien Beispiel 7.8 Für ein Zwei-Wertpapier-Portfolio bestehend aus den Aktien BMW und SAP sind die jährlichen, (um Ausschüttungen und Splits) bereinigten Schlusskurse vom 01.06.2005 bis 01.06.2017 gegeben. Die Portfolioanteile betragen für die BMW-Aktie 60% und für die SAP-Aktie 40%. Es sollen zunächst die Portfoliorendite, das Risiko (Standardabweichung) des Portfolios und der Korrelationskoeffizient auf Basis der gegebenen Portfolioanteile ermittelt werden. Anschließend soll das das Minimum-Varianz-Portfolio berechnet und die Effizienzkurve graphisch dargestellt werden. Zunächst werden für jede Aktie und jedes Jahr die einfachen Renditen berechnet (vgl. hierzu Kapitel 7.5.1) und anschließend für jedes Jahr die Portfoliorendite bestimmt. Die Ergebnisse sind in Bild 7.24 zusammengefasst. Die durchschnittliche Portfoliorendite für die BMW-Aktie über den Zeitraum von 12 Jahren beträgt 14,58% und die für SAP 10,88%. Die Berechnungen erfolgen analog zu der in Kapitel 7.5.5 aufgezeigten Vorgehensweise. Damit erhält man die Portfoliorendite des Betrachtungszeitraums zu: 0, 6 14, 58% 0, 4 10, 88% 13,10% P r Die durchschnittliche Varianz über den Zeitraum von 12 Jahren beträgt für die BMW- Aktie 0,0749 und für die SAP-Aktie 0,036 und als Standardabweichung erhält man 27,36% für BMW und 18,97% für SAP. Die Berechnungen erfolgen analog zu der in Kapitel 7.5.6 aufgezeigten Vorgehensweise. Damit ergibt sich mit einem Korrelationskoeffizienten von 0,58 die Portfoliovarianz zu 2 2 2 2 2 0, 6 27, 36 0, 4 18, 97 2 0, 6 0, 4 0, 58 27, 36 18, 97 471, 56 P und eine Standardabweichung von 21,70%. 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% Erwartete Rendite Risiko (Standardabweichung) Aktie 1 Aktie 2 MVP MVP <?page no="268"?> 268 7 Aktien Datum BMW SAP Rendite BMW Rendite SAP Portfolio- Rendite 01.06.2017 84,92 105,79 19,50% 42,86% 28,85% 01.06.2016 71,06 74,05 -23,39% 8,63% -10,58% 01.06.2015 92,75 68,17 12,52% -7,35% 4,57% 01.06.2014 82,43 73,58 28,78% 7,68% 20,34% 01.06.2013 64,01 68,33 23,03% 24,51% 23,62% 01.06.2012 52,03 54,88 5,58% 0,42% 3,52% 01.06.2011 49,28 54,65 63,18% 40,89% 54,26% 01.06.2010 30,20 38,79 42,45% 10,23% 29,56% 01.06.2009 21,20 35,19 -28,40% -21,57% -25,67% 01.06.2008 29,61 44,87 -17,96% 3,51% -9,37% 01.06.2007 36,09 43,35 33,72% -1,50% 19,63% 01.06.2006 26,99 44,01 15,94% 22,25% 18,46% 01.06.2005 23,28 36,00 Mittlere Renditen vom 01.06.2005 bis 01.06.2017 14,58% 10,88% 13,10% Bild 7.24 Kurse und Renditen eines Zwei-Wertpapierportfolios aus den Aktien BMW und SAP Die Standardabweichung für BMW mit 27,36% und für SAP mit 18,97%, sowie der Korrelationskoeffizient mit 0,58 und das MVP werden mittels Microsoft Excel bestimmt (siehe unten Excel-Umsetzung). Bild 7.25 Effizienzkurve im Zwei-Wertpapier-Fall (Beispiel 7.8) 18,78%; 11,31% 18,87%; 11,62% 19,22%; 11,99% 19,83%; 12,36% 20,66%; 12,73% 21,70%; 13,10% 22,92%; 13,47% 24,28%; 13,84% 25,77%; 14,21% 27,36%; 14,58% 10% 11% 12% 13% 14% 15% 15% 18% 21% 24% 27% 30% erwartete Rendite Risiko (Standardabweichung) effiziente Portfolios ineffiziente Portfolios <?page no="269"?> 7.6 Rendite und Risiko im Portfoliokontext 269 Bild 7.25 zeigt die Effizienzlinie im Zwei-Wertpapier-Fall. Der hellgraue Ast zeigt die effizienten Portfolios an, der dunkelgraue Ast die ineffizienten Portfolios, die durch das Minimum-Varianz-Portfolio mit einer Standardabweichung von 18,78% und einer erwarteten Rendite von 11,31% determiniert wird. Excel-Umsetzung Zur Bestimmung der Effizienzlinie im Zwei-Wertpapier-Fall werden zunächst die einfachen Jahresrenditen für die BMW-Aktie und die SAP-Aktie und dann die Portfoliorendite im Zeitraum vom 1.6.205 bis 1.6.2017 bestimmt. Anschließend werden die erwartete Rendite, die Varianz und die Standardabweichung für beide Aktien berechnet. Die erwartete Rendite für das Portfolio ergibt sich, indem die Renditen der beiden Aktien mit ihren Portfolioanteilen (60% für BMW und 40% für SAP) gewichtet werden. Die Berechnung der Portfoliovarianz bzw. der -standardabweichung erfolgt nach der oben dargestellten Vorgehensweise, nachdem die Kovarianz und die Korrelation zwischen den beiden Aktien ermittelt wurden. Zur Bestimmung der Effizienzkurve werden die beiden Aktien mit Anteilen zwischen 0% und 100% gewichtet und das entsprechende Portfoliorisiko und die Portfoliorendite berechnet. Abschließend wird das Minimum-Varianz-Portfolio abgelesen und die Portfolios ermittelt, die als ökonomisch effizient beurteilt werden können. Position Inhalt Excel-Umsetzung E11 Rendite BMW =(C11-C12)/ C12 F11 Rendite SAP =(D11-D12)/ D12 H11 Portfoliorendite =$C$7*E11+$C$8*F11 E25 erwartete Rendite =SUMME(E11: E22)/ 12 E26 Varianz =VAR.S(E11: E22) E27 Standardabweichung =STABW.S(E11: E22) E28 Kovarianz =KOVARIANZ.S(E11: E22; F11: F22) E29 Korrelation =KORREL(E11: E22; F11: F22) H25 erwartete Portfolio Rendite =C7*E25+C8*F25 H26 Portfolio Varianz =C7^2*E27^2+C8^2*F27^2+2*C7*C8*E29* E27*F27 H27 Portfolio Standardabweichung =H26^0,5 L11 Portfolio Risiko =(J11^2*$E$27^2+K11^2*$F$27^2+2*J11* K11*$E$29*$E$27*$F$27)^0,5 M11 Portfolio Rendite =J11*$E$25+K11*$F$25 <?page no="270"?> 270 7 Aktien Bild 7.26 Minimum-Varianz-Portfolio für zwei Aktien (Beispiel 7.8) Bis jetzt wurden Portfolios betrachtet, bei denen ein positiver Betrag in Aktien investiert wurde, d.h. es wurde jeweils eine Long Position in Aktien eingegangen. Wird ein negativer Betrag in eine Aktie investiert, dann spricht man von einer Short-Position. Ein Leerverkauf (short selling) ist profitabel, wenn man einen Kursrückgang der Aktie erwartet, denn dann kann die Aktie zu einem niedrigeren Preis gekauft werden als sie verkauft wurde. Short selling kann aber auch vorteilhaft sein, wenn man einen Kursanstieg der Aktie erwartet und der Erlös hieraus in eine andere Aktie mit einer höheren erwarteten Rendite investiert wird. Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen. Ein Investor hat 20.000 Euro zur Verfügung. Er verkauft Aktie 1 ( = 6%, = 25% ) leer und erlöst dafür 10.000 Euro. Der Erlös von 10.000 Euro aus dem Leerverkauf und die zur Verfügung stehenden 20.000 Euro werden in Aktie 2 ( = 26%, = 50% ) investiert. Es sollen die erwartete Rendite und die Volatilität (Risiko) dieses Portfolios bei einem Korrelationskoeffizienten von = 0 bestimmt werden. Der Leerverkauf der Aktie 1 kann als negatives Investment in Höhe von -10.000 Euro aufgefasst werden. Zudem werden +30.000 Euro in Aktie 2 investiert. Der Portfoliowert beträgt demnach 30.000 10.000 = 20.000 Euro. Als Portfoliogewichte erhält man für Aktie 1 1 10.000 0, 5 20.000 w und für Aktie 2 ergibt sich 2 30.000 1, 5 20.000 w . Die Portfoliogewichte ergeben zusammen wiederum 1 bzw. 100%. Mit diesen Gewichten errechnet sich eine Portfoliorendite von 0, 5 6% 1, 5 26% 36% P r <?page no="271"?> 7.6 Rendite und Risiko im Portfoliokontext 271 und die Volatilität beträgt 0,5 2 2 2 2 0, 5 0, 25 1, 5 50 2 0, 5 1, 5 0 75% P . Es zeigt sich, dass Leerverkäufe die Portfoliorendite erhöhen, verbunden mit einer starken Zunahme des Risikos bzw. der Volatilität. 7.6.3 Rendite und Risiko im Mehr-Wertpapier-Fall und Diversifikation eines gleich gewichteten Portfolios Wird der Zwei-Wertpapier-Fall auf ein Portfolio mit n Wertpapieren erweitert, dann ergibt sich für ein Portfolio mit n Wertpapieren die Portfoliorendite zu 1 1 mit 1 n n P i i i i i r w r w und für die Portfoliovarianz erhält man: 2 1 1 n n P i j ij i j w w oder mit = : 2 1 1 n n P i j ij i j i j w w In der Literatur wird die Portfoliovarianz mitunter auch geschrieben als: 2 2 2 1 1 1 n n n P i i i j ij i i j i j w w w Da = gilt, ergibt sich die Portfoliovarianz aus der Summe der quadratisch gewichteten Einzelvarianzen zuzüglich zweimal der gewichteten Kovarianzen. Obiger Ausdruck kann daher weiter vereinfacht werden zu: 1 2 2 2 1 1 1 2 n n n P i i i j ij i i j i w w w Bei einer Erweiterung des Anlageuniversums von zwei auf beliebig viele Aktien verschwimmen bei einer großen Anzahl von Linien diese zu einer Fläche, auf der sich im Rendite-Risiko-Diagramm alle möglichen Portfolios befinden. Werden alle Portfolios nach den oben beschriebenen Kriterien (Maximierung der erwarteten Rendite bei konstanter Standardabweichung bzw. Minimierung der Standardabweichung bei gegebener Rendite) ausgewählt, dann erhält man eine Linie effizienter Portfolios, die sich hinsichtlich Form und Aufbau nicht vom oben analysierten Zwei-Wertpapier- Fall unterscheidet. Voraussetzung für die erfolgreiche Anwendung der Markowitz- Diversifikation ist die Kenntnis der Verteilung zukünftiger Wertpapierrenditen bzw. die hohe Stabilität der aus den Vergangenheitsdaten gewonnenen Parameter. Diese Voraussetzungen sind jedoch in der Realität nicht immer vorliegen. Hinzu kommt, dass die in der Praxis zu verarbeitenden Datenmengen (Schätzungen bzw. Prognosen von Varianzen und Kovarianzen) sehr hoch sind, was mit der nachfolgenden Varianz- Kovarianz-Matrix zum Ausdruck wird. <?page no="272"?> 272 7 Aktien 2 2 1 1 1 2 12 1 1n 2 2 2 2 1 21 2 2 2 2 2 2 1 1 2 2 n n n P n n n n n n w w w w w w w w w w w w w w w Aus dieser Darstellung geht hervor, dass neben den n Varianzen der Hauptdiagonale noch ( 1)/ 2 Kovarianzen (da = ) berechnet werden müssen. Für die Analyse von beispielsweise 100 Aktien müssten 100 Renditen, 100 Varianzen und 100 99/ 2 = 4.950 Kovarianzen geschätzt werden. Einen Ausweg aus dieser Situation bietet die sogenannte naive Diversifikation. Dabei werden zufällig möglichst viele Wertpapiere ohne detaillierte Kenntnis ihrer Eigenschaften und Renditeverteilungen (sogenannte „naive“ oder willkürliche Diversifikation) derart in ein Portfolio aufgenommen, dass entweder in jedes Wertpapier der gleiche Betrag investiert wird (das Gewicht eines Wertpapiers beträgt dann 1/ n) oder die Wertpapiere mit ihren Marktwerten gewichtet in das Portfolio aufgenommen werden. Dadurch wird eine Risikoreduktion allein aufgrund der Kovarianzeigenschaften erreicht. Die Kenntnis der Kovarianzen/ Korrelationen für die zur Auswahl kommenden Wertpapiere, wie sie bei der Markowitz-Diversifikation gefordert wird, ist bei der „naiven“ Diversifikation nicht erforderlich. Die erwartete Risikominderung hängt von der Anzahl der im Portfolio befindlichen Wertpapiere und von der durchschnittlichen Varianz und Kovarianz aller Renditen ab. Formal kann dieser Sachverhalt wie folgt dargestellt werden: Nimmt man an, dass in alle Wertpapiere der gleiche Betrag = 1/ investiert wird, ergibt sich die Portfoliovarianz eines gleich gewichteten Portfolios aus n Wertpapieren zu: 2 1 2 2 1 1 1 1 1 1 2 n n n P i ij i j i i j i n n n Durch Umformung erhält man: 2 1 2 1 1 1 2 1 1 1 n n n ij i j i P i i j i n n n n n n Mit = ergibt sich: 2 1 2 1 1 1 2 1 1 1 n n n ij i P i i j i n n n n n n Die beiden Klammerausdrücke stellen die Mittelwerte der (Einzel-)Varianzen ( ) bzw. die Mittelwerte der Kovarianzen ( ) dar, so dass gilt: 2 2 1 1 P n cov n n oder 2 2 1 1 1 P cov n n Ein Portfolio aus n Aktien besteht demnach aus n (Einzel-)Varianzen mit je einem Gewicht = 1/ (da = ), damit ergibt sich ein Gewicht von / = 1/ für die <?page no="273"?> 7.6 Rendite und Risiko im Portfoliokontext 273 durchschnittliche Varianz. Zudem gibt es Kovarianzen ( × Va rianzen/ Kovarianzen minus n (Einzel-)Varianzen) mit je einem Gewicht von = 1/ , womit sich ein Gewicht von ( )/ = 1 1/ für die durchschnittliche Kovarianz ergibt. 2 1 durchschnittliche Varianz der einzelnen Aktien 1 1 durchschnittliche Kovarianz zwischen den Aktien P n n Für die Standardabweichung des Portfolios erhält man: 0,5 2 1 1 1 P cov n n Aus dieser Darstellung erkennt man, dass das Risiko eines gleich gewichteten (naiv diversifizierten) Portfolios aus n Aktien von den durchschnittlichen (Einzel-)Varianzen, den durchschnittlichen Kovarianzen und von der Anzahl der im Portfolio befindlichen Wertpapiere abhängt. Betrachtet man eine große Anzahl von Wertpapieren, dann ergibt sich für : 2 1 0 cov n (erste Risikokomponente) 1 1 cov cov n (zweite Risikokomponente) 2 P Damit erhält man für die Portfoliovarianz: cov Das gesamte Risiko eines Portfolios (Portfoliovolatilität) kann somit in zwei Risikokomponenten aufgeteilt werden. Die erste Komponente ist das diversifizierbare oder unsystematische Risiko (auch anlageobjektspezifisches Risiko oder Residulalrisiko genannt), welches durch Portfoliobildung eliminiert werden kann. Die zweite Komponente stellt das nicht diversifizierbare oder systematische Risiko (auch Kovarianzrisiko oder gemeinhin Marktrisiko genannt) dar, welches alle Wertpapiere gleichermaßen beeinflusst und beim Investor verbleibt. Das Risiko eines vollständig naiv diversifizierten Portfolios besteht letztlich nur noch aus dem Kovarianzrisiko, d.h. aus dem Marktrisiko, das nicht wegdiversifiziert werden kann. Das folgende Beispiel veranschaulicht den Sachverhalt. Beispiel 7.9 Für ein großes Aktienportfolio einer bestimmten Branche wurde aus den vergangenen Monatsrenditen eine durchschnittliche Volatilität (Risiko) von = 45% und eine durchschnittliche Kovarianz von 0,04 ermittelt. Unter der Annahme, dass sich die Durchschnittswerte im Zeitablauf relativ stabil verhalten, soll das erwartete Risiko (Volatilität) bei sukzessiver Erhöhung der Aktienanzahl n berechnet und graphisch dargestellt werden. <?page no="274"?> 274 7 Aktien Das Portfoliorisiko wird mit der Formel 0,5 2 1 1 1 P cov n n berechnet. Besteht das Portfolio aus nur einer Aktie, dann ergibt sich ein Risiko von 0,5 2 1 1 0, 45 1 0, 04 45% 1 1 P . Bei Aufnahme einer weiteren Aktie ins Portfolio erhält man ein Portfoliorisiko von 0,5 2 1 1 0, 45 1 0, 04 34,82% 2 2 P und eine Risikoreduktion von (45,00 34,82)/ 45,00 = 22,62% Die Aufnahme weiterer Aktien ins Portfolio reduziert das Risiko zunehmend. Werden 20 Aktien im Portfolio gehalten, dann beträgt das Risiko noch 21,94% und die Risikominderung von 19 auf 20 Titel beträgt nur noch 0,44%. Bei einem Portfolio bestehend aus unendlich vielen Titeln ( ) besteht die Volatilität des Portfolios allein aus dem Kovarianzrisiko in Höhe von 0,04 = 20% . In Bild 7.27 ist der Sachverhalt graphisch dargestellt. Man erkennt, dass mit der Aufnahme zusätzlicher Aktien das Portfoliorisiko bzw. die Portfoliovolatilität sukzessive reduziert wird. Bei einem relativ geringen Portfolioumfang von 20 Aktien ist bereits eine hohe Diversifikation zu erwarten und der Effekt der zusätzlichen Risikoreduktion durch Hinzunahme weiterer Aktien ist nur noch gering (vgl. dazu unten die Excel-Berechnungen) und dürfte durch die Portfoliokosten (Halte-, Überwachungs- und Revisionskosten) kompensiert werden. Bild 7.27 Risikoreduktion bei einem gleich gewichteten Portfolio mit 25 Titeln Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Input-Parameter durchschnittliche Volatilität (Standardabweichung), Varianz und durchschnittlich Kovarianz werden das Portfoliorisiko für 100 Aktien berechnet und die Risikoreduktion ermittelt. 0% 10% 20% 30% 40% 50% 0 5 10 15 20 25 30 Portfolio Risiko Anzahl der Aktien Marktrisiko <?page no="275"?> 7.6 Rendite und Risiko im Portfoliokontext 275 Position Inhalt Excel-Umsetzung B12 Anzahl der Aktien im Portfolio =ZEILE(A1) C12 Portfoliorisiko =(1/ B12*$D$6^2+(1-1/ B12)*$D$8)^0,5 D12 Risikoreduktion =(C11-C12)/ C11 Bild 7.28 Risikoreduktion bei einem gleich gewichteten Aktienportfolio mit 25 Titeln 7.6.4 Capital Asset Pricing Model CAPM Das Capital Asset Pricing-Modell knüpft an die Erkenntnisse der Portfoliotheorie von Henry Markowitz an und ist eng mit den Namen John Lintner, Jan Mossin und vor allem William Sharp verbunden, die in den 1960er Jahren unabhängig voneinander ein Kapitalmarktmodell entwickelten, das nicht nur die allein Berechnung von Rendite und Risiko eines Wertpapiers erlauben, sondern auch eine explizite Beurteilung zulässt, ob die mit einem Investment zu erzielende Rendite auch dem damit verbundenen Risiko angemessen ist. Das CAPM gilt heute als richtungsweisend für die marktkonforme Bewertung von Wertpapieren (oder allgemein von Vermögensgegenständen). Markowitz und Sharp erhielten dafür 1990 gemeinsam den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Wie viele Modelle in der Volkswirtschaft, so geht auch das CAPM von idealtypischen Annahmen aus. Neben der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes und homogener Anlegererwartungen unterstellt auch das CAPM einen positiven Zusammenhang zwischen dem eingegangenen Risiko und der erwarteten Rendite. An den Finanzmärkten können demnach langfristig höhere Renditen nur bei Inkaufnahme eines höheren Risikos erwartet werden. Das Modell differenziert auch zwischen dem diversifizierbaren (unsystematischen) und nicht diversifizierbaren (systematischen) Risiko. Da das diversifizierbare Risiko durch entsprechende Portfoliobildung elimi- <?page no="276"?> 276 7 Aktien niert werden kann, verbleibt das Marktrisiko (systematische Risiko). Je höher dieses Risiko ist, desto höher sollte auch die mit dem Wertpapier verbundene Rendite sein. Das Modell geht ferner davon aus, dass es neben risikobehafteten Wertpapieranlagen auch eine risikofreie Anlagemöglichkeit ( = 0 ) gibt. In der Realität können dies beispielsweise kurzfristige Staatsanleihen erstklassiger Bonität (T-Bills) oder eine Veranlagung zum Geldmarktzinssatz sein. Durch die Hinzunahme eines risikofreien Investments müsste es zu einer Mischung der individuellen Wertpapierportfolios mit dem risikofreien Investment kommen. Nach der Portfoliotheorie von Markowitz können die individuellen Anlegerportfolios überall auf der Effizienzkurve liegen (vgl. hierzu Bild 7.29). Verbindet man den Achsenabschnitt auf der Ordinate mit den individuellen Portfolios auf der Effizienzkurve, erhält man die individuellen Portfoliogeraden für jeden Anleger. Wie in Bild 7.29 zu sehen ist, gibt es jedoch eine Gerade, die alle anderen Geraden in Bezug auf die Risikoeffizienz dominiert. Diese Gerade wird zum einen durch den Punkt und zum anderen durch den Tangentialpunkt M mit der Effizienzkuve determiniert, der das Marktportfolio repräsentiert, und heißt Kapitalmarktlinie (Capital Market Line). Betrachtet man beispielsweise die Aktie B in Bild 7.29, dann sieht man, dass diese durch ein Investment auf der Effizienzkurve dominiert wird und dieses Investment wiederum durch ein Investment, das sich auf der Kapitalmarktlinie befindet, da das Risiko bei gleichbleibender Rendite jeweils geringer ist. Nach der Theorie des CAPM setzt sich das Marktportfolio aus sämtlichen am Markt gehandelten Vermögensgegenständen (Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Währungen etc.) zusammen, die entsprechend ihrer Marktkapitalisierung gewichtet werden. In der Praxis wird das Marktportfolio durch große Börsenindizes (z.B. DAX, S&P 500, Nikkei 225) angenähert, die ähnlich konstruiert sind. Bild 7.29 Marktportfolio und Kapitalmarktlinie im CAPM Folgt man diesem Modellrahmen, dann halten alle Anleger nur zwei Anlagegüter (Assets), nämlich das risikofreie Portfolio und das Marktportfolio. Entsprechend ihrer persönlichen Risikopräferenzen kann nun ein Teil des zu veranlagenden Betrages risikofrei investieret werden, der andere Teil kann in das Marktportfolio, also in das Portfolio aus allen risikobehafteten Anlagen, angelegt werden (Tobin-Separation). Wird ein niedrigeres Risiko angestrebt, dann wird ein Teil des verfügbaren Anlage- 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% erwartete Rendite Risiko (Standardabweichung) Marktportfolio M = effizientes Portfolio risikofreie Anlage Aktie A Aktie C Aktie D Aktie B Kapitalmarktlinie, CML <?page no="277"?> 7.6 Rendite und Risiko im Portfoliokontext 277 betrages zum risikofreien Zinssatz angelegt (diese Portfolios liegen entlang der CML zwischen der risikofreien Anlage und dem Marktportfolio). Wird hingegen ein größeres Risiko angestrebt, dann muss ein Teil des Portfolios über Kreditaufnahme finanziert werden (diese Portfolios liegen entlang der CML rechts vom Marktportfolio). Damit erhöht sich zwar das Risiko, der Investor erzielt aber auch eine höhere Rendite. Ein Investor muss demnach entsprechend seiner Risikoneigung durch Zumischung einer risikofreien Anlage bzw. durch Teilfinanzierung des Portfolios das optimale Portfolio finden. Im Folgenden soll nun der oben beschriebene Sachverhalt formal dargestellt werden. Investiert ein Anleger Prozent in das Marktportfolio M mit einer Rendite von und (1 ) Prozent in eine risikofreie Anlage mit einer Rendite von , dann beträgt die erwartete Portfoliorendite: 1 P M M M f r w r w r Aus dieser Beziehung erkennt man, dass die erwartete Rendite eines Vermögenswertes entlang der Kapitalmarktlinie eine lineare Kombination aus der erwarteten Rendite des Marktportfolios M und der erwarteten Rendite der risikofreien Anlage ist, wobei die erwartete Rendite der risikofreien Anlage wegen = 0 der realen Rendite entspricht. Durch Umformung erhält man: P i M M f r r w r r Die Volatilität eines Vermögenswertes entlang der Kapitalmarktlinie beträgt: 2 2 2 2 2 1 2 1 P M M M i M M M i M i w w w w Dabei ist = der Korrelationskoeffizient bzw. die Kovarianz zwischen dem risikobehafteten und dem risikofreien Vermögenswert. Da das Risiko eines risikofreien Vermögenswertes gleich Null ist ( = 0) , erhält man: = bzw. = Löst man die Gleichung nach auf, erhält man: P M M w Durch Einsetzen von = / in die Ausgangsgleichung ergibt sich für die erwartete Portfoliorendite nach Umformung: M f P f P M r r r r Diese Gleichung bestimmt die Kapitalmarktlinie und der Ausdruck ( )/ ) ist der Steigungsparameter der Kapitalmarktlinie. Er determiniert die Risikoprämie des Marktes (auch Marktpreis des Risikos genannt) und stellt die zusätzliche Rendite des Marktportfolios M dividiert durch dar, d.h. es ist die zusätzliche Rendite, die das Marktportfolio für jede zusätzliche Risikoeinheit liefert. Ist beispielsweise der Marktpreis des Risikos 0,5, dann bekommt man für das Eingehen einer zusätzlichen Risiko- <?page no="278"?> 278 7 Aktien einheit 0,5 Prozent mehr Rendite. Nimmt man 10 Prozent mehr Risiko in Kauf, dann bekommt man 5 Prozent mehr Rendite. Im Modellrahmen des CAPM können nicht nur optimale Portfolios, die sich auf der Kapitalmarktlinie befinden, identifiziert werden, sondern es kann auch eine Bewertung von Einzelaktien vorgenommen werden. Dafür wird das oben beschriebene, perfekt diversifizierte und effiziente Marktportfolio im CAPM herangezogen, das nur noch das Marktrisiko enthält und nicht kostenlos vermieden werden kann. Mit dem Maßstab dieses Marktrisikos soll nun ermittelt werden, in welchem Ausmaß Einzelaktien dieses nicht kostenlos vermeidbare Risiko (Marktrisiko) enthalten. Wird das Gesamtrisiko einer Aktie (gemessen mit der Varianz bzw. der Standardabweichung der Renditen dieser Aktie) in das nicht vermeidbare Risiko (systematisches Risiko) und das mittels Diversifikation kostenlos vermeidbare, aktienspezifische Unternehmensrisiko (unsystematisches Risiko) aufgeteilt, und ist der Korrelationskoeffizient zwischen der Aktie und dem Marktportfolio, dann kann das Risiko (Varianz) der Aktie in die Komponenten systematisches Risiko und unsystematisches Risiko aufgeteilt werden: 2 2 2 2 2 1 i iM i iM i , mit 2 2 1 1 iM iM Da das unsystematische Risiko durch Diversifikation eliminiert werden kann und daher nicht vergütet wird, verbleibt nur noch das systematische Risiko: ( ) = bzw. ( ) = Hat eine Aktie beispielsweise eine Volatilität von = 30% und ist der Korrelationskoeffizient der Aktie mit dem Markt = 0,8, dann beträgt die systematische Volatilität der Aktie ( ) = 0,8 30% = 24% . Das unsystematische Risiko ist demnach 6%. Wird der Korrelationskoeffizient durch die Kovarianz ersetzt, dann ergibt sich mit / iM iM i M : iM i i i M sys Multipliziert man die rechte Seite der Gleichung noch mit / , dann erhält man nach Umformung: 2 iM i M M sys Die Kovarianz zwischen der Aktie i und dem Markt, dividiert durch die Varianz des Marktes ist der Steigungsparameter der Regressionsgeraden und wird im Allgemeinen mit (Beta) bezeichnet. Damit erhält man: i M sys Der -Faktor / ist eine Verhältniszahl, die ausdrückt, wie viel Marktrisiko eine Aktie enthält, dabei wird die Menge Marktrisiko im Marktportfolio auf Eins bzw. 100% normiert. Da = , kann der Beta-Faktor auch wie folgt geschrieben werden: <?page no="279"?> 7.6 Rendite und Risiko im Portfoliokontext 279 2 2 iM iM i M M M Beta ist eine Maßzahl, die angibt, wie stark eine Aktie im Vergleich zum Markt schwankt. Ist = 1 , dann verhält sich die Aktie in Bezug auf Risiko und Ertrag genauso wir der Markt. Ist < 1 , dann hat die Aktie ein geringeres Risiko als der Markt, aber auch einen geringeren erwarteten Ertrag. Ist hingegen > 1 , ist die Investition risikoreicher, lässt aber auch höhere Erträge erwarten. Substituiert man in der Gleichung der Kapitalmarktlinie M f P f P M r r r r durch ( ) = , dann erhält man die Rendite der betrachteten Aktie: i f M f r r r r Dieser Gleichung ist das Kernstück des CAPM, mit der die erwartete risikoäquivalente Rendite eines Vermögenswertes (Aktie, Anleihe etc.) in Abhängigkeit von Beta berechnet werden kann. Im Kapitalmarktgleichgewicht setzt sich die erwartete Rendite einer einzelnen risikobehafteten Anlage aus dem risikofreien Zinssatz zuzüglich einer Risikoprämie zusammen, die sich aus dem Marktpreis des Risikos ( ) multipliziert mit der Höhe des Risikos, die durch den Ausdruck = / gemessen wird. Bild 7.30 Wertpapiermarktlinie (Security Market Line, SML) In Bild 7.30 wird die Abhängigkeit der Rendite vom Beta-Wert durch die sogenannte Wertpapiermarktlinie (Security Market Line, SML) graphisch repräsentiert. In diesem Zusammenhang soll noch die Frage beantwortet werden, was passiert, wenn Aktien nicht auf der Wertpapiermarktline liegen, wie etwa Aktie A und Aktie B in Bild 7.30. Sollte Aktie A mit einem Beta von 0,5 gekauft werden? Natürlich nicht, denn die erwartete Rendite wäre höher sein, wenn die eine Hälfte des Geldes in eine risikofreie Anlage und die andere Hälfte in das Marktportfolio investiert würde. Wenn alle r f r M - r f r M Aktie B M Marktrisiko Rendite Aktie A Wertpapiermarktlinie, SML <?page no="280"?> 280 7 Aktien Investoren diese Sicht teilen, dann würde der Preis der Aktie A fallen und somit die Rendite der Aktie steigen, bis sie auf der Wertpapiermarktlinie liegt. Auch Aktie B sollte nicht gekauft werden, da sich bei gleichem Beta ein größerer Ertrag erzielen ließe, wenn man Geld aufnehmen und in das Marktportfolio investierte. Liegt eine Aktie oberhalb der Linie, wird sie gekauft, somit steigt ihr Preis und die Rendite fällt, bis sie ebenfalls auf der Wertpapiermarktlinie liegt. Beispiel 7.10 Für die folgenden drei Aktien wurden aus historischen Marktdaten die Renditen, die Volatilitäten (Standardabweichungen) und die Korrelationen zum Marktportfolio ermittelt. Zudem existiert eine risikofreie Anlagemöglichkeit mit einer Rendite von 1%. Mit Hilfe des CAPM soll nun ermittelt werden, ob die ermittelten Renditen modellkonform sind bzw. ob die Preise der Aktien adäquat bewertet sind. Rendite Volatilität Korrelation zum Marktportfolio Aktie A 3% 20% 0,2 Aktie B 4% 15% 0,6 Aktie C 9% 16% 0,9 Marktportfolio 6% 10% risikofreie Anlage 1% 0% Zunächst werden die Beta-Faktoren für die drei Aktien bestimmt. Für Aktie A erhält man: 2 0, 2 20 10 0, 4 10 A Für die Aktie B und Aktie C erhält man: = 0,9 und = 1,44 . Der Beta-Faktor der risikofreien Anlage ist Null, da ihre Kovarianz mit dem Marktportfolio 0 ist, und die Korrelation des Marktportfolios mit sich selbst beträgt 1. Damit ergeben sich folgende Modellrenditen: 0, 01 0, 06 0, 01 0, 04 3, 0% A r 0, 01 0, 06 0, 01 0, 09 5, 5% B r 0, 01 0, 06 0, 01 1, 44 8,2% C r In Bild 7.31 ist die Wertpapiermarktlinie mit dem Marktportfolio, den drei Aktien und der risikofreien Anlage graphisch dargestellt. Die Wertpapiermarktlinie wird durch die risikofreie Anlage und das Marktportfolio determiniert. Aktien, die auf der Linie liegen, sind modellkonform bewertet, d.h. ihre Preise befinden sich im Gleichgewicht. Aktien, die unter (über) der Linie liegen, erzielen eine zu geringe (zu hohe) Rendite, ihre Preise sind demnach zu hoch (zu niedrig). <?page no="281"?> 7.6 Rendite und Risiko im Portfoliokontext 281 Bild 7.31 Wertpapiermarktlinie (Security Market Line, SML) mit drei Aktien Die tatsächliche Rendite der Aktie A ist mit 3% identisch mit der Modellrendite von 3% und ist deshalb modellkonform bewertet. Aktie B erzielt eine tatsächliche Rendite von 4%, die gegenüber der Modellrendite von 5,5% zu niedrig ist; die Aktie ist daher preislich überbewertet. Aktie C weist eine tatsächliche Rendite von 9% aus, dem Modell folgend sind jedoch für das in der Aktie enthaltene Marktrisiko nur 8,2% gerechtfertigt. Die Rendite ist folglich zu hoch bzw. der Preis der Aktie zu niedrig; die Aktie ist demnach als unterbewertet einzustufen. Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Input-Parameter Rendite, Volatilität und Korrelation zum Marktportfolio für die drei Aktien, das Marktportfolio und die risikofreie Anlage können problemlos die Beta-Faktoren und die erwartete Rendite nach den oben aufgezeigten Formeln berechnet werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung C16 Beta-Faktor Aktie A =E7*D7*D10/ D10^2 C17 Beta-Faktor Aktie B =E8*D8*D10/ D10^2 C18 Beta-Faktor Aktie C =E9*D9*D10/ D10^2 D16 erwartete Rendite Aktie A =$C$11+($C$10-$C$11)*C16 D17 erwartete Rendite Aktie B =$C$11+($C$10-$C$11)*C17 D18 erwartete Rendite Aktie C =$C$11+($C$10-$C$11)*C18 0% 2% 4% 6% 8% 10% 0,00 0,50 1,00 1,50 erwartete Rendite Marktrisiko Aktie A Marktportfolio Aktie B Aktie C risikofreie Anlage <?page no="282"?> 282 7 Aktien Bild 7.32 Wertpapiermarktlinie mit drei Aktien (Beispiel 7.10) Aus dem CAPM können weitere Kennzahlen abgeleitet werden, die insbesondere im Investmentprozess (z.B. bei Investmentfonds) Anwendung finden und der Ertragsbeurteilung dienen. Die Sharp-Ratio (SR) eines Investments A ist wie folgt definiert: A f A A r r SR Hier wird die Mehr-Rendite eines Investments A gegenüber einer risikofreien Anlage ( ) zu dem mit dem Investment verbundenen Risiko (Marktrisiko und titelspezifisches Risiko) ins Verhältnis gesetzt und kann deshalb als Mehr-Rendite pro übernommener Risikoeinheit interpretiert werden. Höhere (geringere) Werte dieser Kennzahl bedeuten eine hohe (geringe) risikoadjustierte Ertragskraft. Eine weitere Kennzahl, die jedoch nur das Marktrisiko bei der risikoorientierten Ertragsbeurteilung zulässt, ist die Treynor-Ratio (TR). A f A A r r TR Im Gegensatz zur Sharp-Ratio normiert diese Kennzahl die erwartete Mehr-Rendite eines Investments über den Beta-Faktor des Investments ( ). Hohe (geringe) Werte dieser Kennzahl weisen auf eine hohe (geringe) marktrisikoadjustierte Ertragskraft hin. Jensen’s Alpha vergleicht die am Markt beobachtete Mehr-Rendite eines Investments A ( ) mit der durch das CAPM berechneten Model-Mehr-Rendite . A A f A M f r r r r Dabei signalisiert ein positives (negatives) Alpha eine höhere (niedrigere) tatsächliche Rendite, als durch das Modell (hier das CAPM) zu rechtfertigen wäre. Für drei Aktien A, B und C errechnen sich bei gegebener Rendite, Volatilität und Beta- Faktor und einer angenommenen Marktrendite von 6% und einer risikofreien Verzinsung von 1% die in der folgenden Tabelle aufgeführten Kennzahlen: Aktie Rendite Volatilität Beta SR TR Alpha A 10% 25% 1,60 0,360 5,625 1,000 B 5% 15% 0,80 0,267 5,000 0,000 C 3% 10% 0,50 0,200 4,000 -0,500 <?page no="283"?> 7.7 Aktienkursverlaufshypothesen 283 7.7 Aktienkursverlaufshypothesen Die in Abschnitt 7.5.4 durchgeführte statistische Analyse von Aktienrenditen zeigt, dass Aktienkurse nicht sicher prognostizierbar sind, vielmehr wechseln sich positive und negative Renditen in unvorhersehbarer Reihenfolge ab, gleichermaßen wie die zugrundeliegenden Aktienkurse steigen oder fallen. Kursänderungen folgen demnach keinem deterministischen Muster, sondern beschreiben auf effizienten Kapitalmärkten einen Random Walk (Zufallspfad, Irrfahrt). Im Rahmen von Modellannahmen können dann Aussagen darüber getroffen werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Aktienkurs in einem Bestimmten Bereich liegt. In den folgenden Abschnitten werden das Random-Walk-Modell, die Normalverteilung von Aktienkursen, der Wiener- Prozess und der dem Black Scholes-Modell zugrundeliegende Aktienkursprozess vorgestellt. 7.7.1 Random-Walk-Modell Ein Random Walk ist ein mathematisches Modell für eine Bewegung, bei der die einzelnen Schritte nicht deterministisch, sondern zufällig erfolgen. Hinsichtlich der Prognosemöglichkeit von Aktienkursen wird mit dem Random-Walk-Modell ein einfaches Modell vorgestellt, mit dem das zukünftige Aktienkursverhalten abgebildet werden soll. Die Beschreibung einer Aktienkursbewegung mit dem Random-Walk-Modell ist vergleichbar mit dem Werfen einer Münze in jeder der betrachteten Perioden. Erscheint Kopf, dann steigt der Aktienkurs in der betreffenden Periode auf 0 , erscheint Zahl, dann fällt der Kurs auf 0 . Die Wahrscheinlichkeit, dass Kopf bzw. Zahl erscheint, beträgt jeweils 1/ 2 , gleichermaßen steigt bzw. fällt der Aktienkurs ebenfalls mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/ 2 . Zahl und Kopf treten immer mit derselben Wahrscheinlichkeit auf und sind unabhängig davon, was die Münze im vorhergehenden Wurf anzeigte. Vergleichbar verhält es sich mit dem Aktienkurs. Unabhängig vom Anstieg oder Rückgang der Aktie in der vorhergehenden Periode steigt bzw. sinkt der Aktienkurs in der darauffolgenden Periode mit der Wahrscheinlichkeit von 1/ 2 . Folgende Modellannahmen werden im Random-Walk-Modell für das Kursverhalten getroffen: 1. Der betrachtete Zeitraum T wird in n Perioden (z.B. Tage, Wochen, Monate) der Länge / unterteilt und der Aktienkurs ändert sich nur am Ende einer Periode, zu den diskreten, äquidistanten Zeitpunkten / , 2 / , … , ( 1 ) / , . 2. Der Aktienkurs kann nach jeder Kursänderung nur jeweils zwei Werte annehmen (zweiwertige, binomische Verteilungshypothese), entweder steigt er auf oder fällt auf . Die Aufwärtsbewegung tritt mit einer Wahrscheinlichkeit von p ein und die Abwärtsbewegung mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 . Der Aktienkurs sei zum Zeitpunkt = 0 größer Null und es gilt 0 < < . 3. In jeder Periode steigt bzw. fällt der Aktienkurs unabhängig vom bisherigen Kursverlauf. Die Entwicklung des Aktienkurses lässt sich dann durch das in Abb. 7.33 dargestellte Zustandsdiagramm mit drei Perioden darstellen. <?page no="284"?> 284 7 Aktien 3 0 u S … 0 n u S 2 0 u S … 1 0 n u dS 0 uS 2 0 u dS … 0 S 0 udS mögliche Aktienkurse in T 0 dS 2 0 ud S … 2 0 d S … 1 0 n ud S 3 0 d S … 0 n d S Bild 7.33 Allgemeiner Baum (Binomial Tree) für die Kursentwicklung einer Aktie im Random- Walk-Modell Zum Zeitpunkt = 0 ist der Aktienkurs . Nach drei Perioden der Länge / 3 nimmt der Aktienkurs zum Zeitpunkt = einen der vier möglichen Werte an: 3 2 2 0 0 0 , , u S u dS ud S oder . Die damit korrespondierenden Wahrscheinlichkeiten p sind in der folgenden Tabelle angegeben. Wert für T S 3 0 u S 2 0 u dS 2 0 ud S 3 0 d S Wahrscheinlichkeit 3 p 3 (1 ) 3 (1 ) (1 ) Die dargestellten Wahrscheinlichkeiten im Random-Walk-Modell mit drei Perioden sind die einer Binomialverteilung mit den Parametern = 3 und p. Im Random-Walk- Modell ist der Aktienkurs eindeutig durch die Anzahl der Aufwärtsbewegungen bestimmt. Diese Anzahl ist binomialverteilt mit der Eintrittswahrscheinlichkeit p, da die einzelnen Bewegungen nach Annahme 3 vom bisherigen Kursverlauf unabhängig sind. Im Random-Walk-Modell mit n Perioden erhält man schließlich: 0 1 n k k n k k T n P S u d S p p k Da die Aktienrenditen symmetrisch um ihren Mittelwert verteilt sind, ist es folgerichtig, 1 / 2 p q zu wählen. Damit erhält man im n-Periodenmodell 0 1 2 n k n k T n P S u d S k , wobei 1 2 1 ! 1 2 k ! ! n n n n n k n k n k k , für . Schließlich muss noch gezeigt werden, wie die Wertänderungsparameter u und d zu wählen sind. Dazu erhält man von der Statistik Hinweise. Zum einen zieht man den Mittelwert (Drift) der stetigen Renditen heran, der die durchschnittliche Wachstumsrate der betrachteten Aktie repräsentiert, zum anderen setzt man eine Standard- <?page no="285"?> 7.7 Aktienkursverlaufshypothesen 285 abweichung stetiger Renditen als „typische“ Abweichung vom Mittelwert an. Steigt der Aktienkurs in einer Periode, so beträgt die Rendite + s, fällt der Aktienkurs in einer Periode, dann beträgt die Rendite r s u e r s d e Entsprechend erhält man bei diskreten Renditen die Wertänderungsparameter zu: 1 u r s 1 d r s Beispiel 7.11 Für die Adidas-Aktie in Beispiel 7.5 soll am 1.12.2015 die Aktienkursentwicklung für die nächsten 3 Monate „prognostiziert“ werden. Der Mittelwert der vergangenen 60 stetigen Monatsrenditen betrug 0,0102, die Standardabweichung 0,0704. Mit den gegebenen Daten errechnet sich im Random-Walk-Modell die stetige Rendite bei einem Kursanstieg zu 0,0102 + 0,0704 = 0,0806 und bei einem Kursrückgang erhält man 0,0102 0,0704 = 0,0602. Der Kurs der Adidas-Aktie stand am 1.12.2015 bei 89,91 Euro. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/ 2 steigt der Kurs am 1.1.2016 auf 0,0806 0 89, 91 97, 46 uS e und mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/ 2 sinkt er auf 0,0602 0 89, 91 84, 66 dS e . Die „prognostizierten“ Kurse der darauffolgenden zwei Monate sind in Abb. 7.34 dargestellt. Aktienkurs am 1.12.2015 1.01.2016 1.02.2016 1.03.2016 114,51 105,64 97,46 99,47 89,91 91,77 84,66 86,40 79,71 75,06 Bild 7.34 Random-Walk-Modell mit drei Perioden für die Adidas-Aktie zur „Prognose“ der zukünftigen Aktienkursentwicklung Nach dem Modell kann die Aktie am 1.03.2016 die Kurse 114,51 bzw. 75,06 mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/ 8 und die Kurse 99,47 bzw. 86,40 mit einer Wahrscheinlichkeit von 3/ 8 annehmen. Der tatsächliche Schlusskurs der Adidas-Aktie war am 1.01.2016 bei 94,98, am 1.02.2016 bei 98,46 und am 1.03.2016 bei 102,45. <?page no="286"?> 286 7 Aktien Das vorgestellte Random-Walk-Modell ist ein einfaches Modell zur Modellierung der Aktienkurse und muss kritisch hinterfragt werden. Die Annahme, dass der Aktienkurs nach einer Periode nur zwei Werte annehmen kann, ist unrealistisch. Zudem werden Kurse aus der Vergangenheit zur Prognose künftiger Kurse herangezogen. Darüber hinaus sind die Wertänderungsparameter u und d über den betrachteten Zeitraum konstant, also statisch. Dies ist deswegen problematisch, weil in die Kursprognosen über einen längeren Zeitraum neue Informationen wie beispielsweise unvorhersehbare Ereignisse, wirtschaftliche Änderungen oder firmeninterne Vorkommnisse nicht in die Bewertung einfließen. Das Aktienkursverhalten wird mit diesem Modell stark vereinfacht abgebildet. Excel-Umsetzung Die Umsetzung des Random-Walk-Modells in Excel bereitet keine Schwierigkeiten. Nach Eingabe der Input-Parameter Kurs, Drift und Volatilität werden die stetigen Renditen bei einem Kursanstieg und Kursrückgang bestimmt. Anschließend werden in einem Baumdiagramm die „prognostizierten“ Kurse berechnet. Position Inhalt Excel-Umsetzung E11 Rendite bei steigendem Kurs =E8+E9 E12 Rendite bei fallendem Kurs =E8-E9 C17 Kurs am Ende der 1. Periode nach Anstieg =B18*EXP(E11) C19 Kurs am Ende der 1. Periode nach Rückgang =B18*EXP(E12) D16 Kurs am Ende der 2. Periode nach Anstieg =C17*EXP(E11) D20 Kurs am Ende der 2. Periode nach Rückgang =C19*EXP(E12) <?page no="287"?> 7.7 Aktienkursverlaufshypothesen 287 Bild 7.35 Random-Walk-Modell mit drei Perioden für die Adidas-Aktie zur „Prognose“ der zukünftigen Aktienkursentwicklung (Beispiel 7.11) 7.7.2 Normalverteilung und Aktienkurse Die Normalverteilung, auch Gauß-Verteilung (nach Abraham De-Moivre und Carl Friedrich Gauß) oder einfach Gauß- oder Glockenkurve genannt, ist eine der wichtigsten stetigen Wahrscheinlichkeitsverteilungen in der Statistik und wird bei zahlreichen praktischen Problemen in Naturwissenschaften, Geistes- und Wirtschaftswissenschaften angewendet. Für die Beschreibung der nachfolgenden Verteilungen werden die in den einschlägigen Statistikbüchern gebräuchlichen Notationen verwendet. Eine stetige Zufallsgröße X ist normalverteilt mit den Parametern und ( , > 0 ), wenn sie für alle die Dichtefunktion 2 1 2 1 2 x f x e besitzt. Dabei sind = 2,71828 … und = 3,14159 … Man sagt auch: X besitzt eine Normalverteilung mit den Parametern und und schreibt dann: ( , 2 ) . Der Faktor sorgt dafür, dass die Fläche unter der Kurve gleich 1 wird, d.h. 1 f x dx . In Bild 7.36 ist die Dichtefunktion für ein normalverteiltes Merkmal x dargestellt. Sie hat einen glockenförmigen Verlauf, man spricht deshalb auch von einer Glockenfunktion. Bild 7.36 Dichtefunktion der Normalverteilung 0 0,01 0,02 0,03 f(x) <?page no="288"?> 288 7 Aktien Die Dichtefunktion hat folgende Eigenschaften: 1. Für alle x gilt ( ) > 0 und ( ) 0 für ± . 2. Die Dichtefunktion ist achsensymmetrisch zur Senkrechten = , so dass gilt: ( ) = ( + ) für alle . An dieser Stelle ist auch das einzige Maximum. 3. Die Fläche unter ( ) von bis entspricht der Fläche unter ( ) von bis + . Beide Flächen haben einen Flächeninhalt von jeweils 0,5. Die gesamte Fläche unter ( ) ist demnach eins. 4. Die Funktion ( ) besitzt an der Stelle = ein absolutes Maximum von 1 2 f . 5. Die Wendepunkte liegen bei 1 x und 2 x . 6. Aus der Symmetrie folgt für den Erwartungswert ( ) = . Für die Varianz ( ) einer ( ; ) -verteilten Zufallsvariable X gilt: 2 2 2 Var X E X x f x dx . Durch Integration der Dichtefunktion ( ) erhält man die Verteilungsfunktion ( ) der normalverteilten Zufallsvariable als 2 1 2 1 2 v x x F x P X x f x dv e dv In Bild 7.37 ist die Verteilungsfunktion einer normal verteilten Zufallsvariable dargestellt. Sie hat einen S-förmigen Verlauf, besitzt bei = einen Wendepunkt und es gilt: ( ) für und ( ) 1 für + . Bild 7.37 Verteilungsfunktion der Normalverteilung Der Kurvenverlauf der Normalverteilungsdichten hängt von den Parametern und ab. Wird konstant gehalten und variiert man nur , so wird die Kurve immer flacher (steiler), je größer (kleiner) wird. Bild 7.38 veranschaulicht diesen Sachverhalt. 0 0,5 1 F(x) <?page no="289"?> 7.7 Aktienkursverlaufshypothesen 289 Bild 7.38 Normalverteilte Dichtefunktionen für verschiedene Verändert man bei konstantem , dann kommt es zu einer Verschiebung der Kurve nach rechts (links), wenn größer (kleiner) wird (vgl. Bild 7.38). Es wird deutlich, dass es sich bei um einen Lageparameter und bei um einen Streuungsparameter der Verteilung handelt. Bild 7.39 Normalverteilte Verteilungsfunktionen für verschiedene Aus dem Bild 7.39 kann man unmittelbar ablesen, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Zufallsvariable X einen Wert kleiner oder gleich 80 bzw. 100 annimmt, gleich 50% ist. Verteilungsfunktionen nehmen Werte zwischen 0 und 1 an und sind monoton steigend. Beispiel 7.12 Aus einer Reihe von x-Werten von 0 bis 160 sollen die Dichtefunktionen und Verteilungsfunktion mit einem Mittelwert = 80 und einer Standardabweichung von = 15 und = 30 , sowie einem Mittelwert von 100 und einer Standardabweichung von = 20 mit Microsoft Excel berechnet und graphisch dargestellt werden. Excel-Umsetzung Dichte- und Verteilungsfunktionen mit verschiedenen Mittelwerten und Standardabweichungen können mit Excel problemlos dargestellt werden. Aus einer Reihe von x-Werten von 0 bis 160 mit einem Mittelwert von = 80 und einer Standardabwei- 0,00 0,01 0,02 0,03 -40 10 60 110 160 =80, =15 =80, =30 =100, =20 0,00 0,50 1,00 -40 10 60 110 160 =80, =30 =80, =15 =100, =20 <?page no="290"?> 290 7 Aktien chung von = 15 und = 30 (beliebig vorgegeben), sowie einem Mittelwert von = 100 und einer Standardabweichung von = 20 wird mit der Excel-Funktion NORM.VERT(), die mit Alt + M2 + M + S aufgerufen wird, die Dichtefunktion (Wahrheitswert für die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion ist FALSCH) bzw. die Verteilungsfunktion (Wahrheitswert für die kumulierte Verteilungsfunktion ist WAHR) berechnet. Die graphische Darstellung erfolgt dann mit dem Diagrammtyp Punkte mit interpolierten Linien. Position Inhalt Excel-Umsetzung D7 Mittelwert =MITTELWERT(B13: B173 D8 Standardabweichung vorgegeben C13 Dichte f(x) bei = 80, = 15 =NORM.VERT(B13; $D$7; $D$8; FALSCH) D13 Dichte f(x) bei = 80, = 30 =NORM.VERT(B13; $D$7; $D$9; FALSCH) E13 Verteilung F(x) bei = 80, = 15 =NORM.VERT(B13; $D$7; $D$8; WAHR) F13 Verteilung F(x) bei = 80, = 30 =NORM.VERT(B13; $D$7; $D$9; WAHR) G13 Dichte f(x) bei =100, =20 =NORM.VERT(B13; $G$7; $G$8; FALSCH) H13 Verteilung F(x) bei =100, =20 =NORM.VERT(B13; $G$7; $G$8; WAHR) Bild 7.40 Berechnung der Dichte- und Verteilungsfunktionen einer normalverteilten Zufallsvariable mit verschiedenen Mittelwerten und Standardabweichungen (Beispiel 7.12) <?page no="291"?> 7.7 Aktienkursverlaufshypothesen 291 Da bei stetigen Merkmalen die Zufallsvariable X unendlich viele mögliche Werte annehmen kann, ist bei normalverteilten Zufallsgrößen die Eintrittswahrscheinlichkeit gleich Null. Auf der y-Achse wird deshalb nicht die Wahrscheinlichkeit der einzelnen Zufallsgröße aufgetragen, sondern die Dichte ( ) der Wahrscheinlichkeitsverteilung. Bei stetigen Merkmalen können deshalb nur Wahrscheinlichkeiten für Intervalle angegeben werden. So kann mit der Dichtefunktion der Normalverteilung die Wahrscheinlichkeit P dafür, dass die Werte von X in einem beliebigen Intervall < liegen, wie folgt bestimmt werden: 2 2 2 1 1 1 2 2 2 1 1 1 2 2 2 v v v b a b a P a X b F b F a e dv e dv e dv Da jedoch für die Dichtefunktion der Normalverteilung keine elementare Stammfunktion existiert, werden derartige Wahrscheinlichkeitsberechnungen entweder mit dem Computer berechnet oder auf die tabellierte Standardnormalverteilung zurückgeführt. Eine Normalverteilung mit = 0 und = 1 heißt Standardnormalverteilung (normierte Verteilung) und wird als ( 0; 1 ) geschrieben. Übernimmt man die Notation einschlägiger Statistikbücher, dann wird eine standardnormalverteilte Zufallsgröße meist mit Z und deren Dichtefunktion mit bezeichnet. Damit lässt sich die Dichte schreiben als 2 2 1 2 z z e . Durch Integration der Dichtefunktion ( ) erhält man die Verteilungsfunktion ( ) der Standardnormalverteilung, die wie die Verteilungsfunktion der Normalverteilung einen S-förmigen Verlauf aufweist und die Wahrscheinlichkeit ( ) = ( ) angibt. 2 2 1 2 z z v z P Z z z dv e dv Ist nun X eine ( , 2 ) bzw. normalverteilte Zufallsvariable, kann diese durch eine spezielle lineare Transformation, nämlich die Standardisierung Z a bx mit = und = in eine ( 0; 1 ) bzw. standardnormalverteilte Zufallsvariable = überführt werden. Durch die Standardisierung wird der Erwartungswert ( ) = 0 und die Varianz ( ) = 1 , so dass gilt: ( , 2 ) = (0; 1) <?page no="292"?> 292 7 Aktien Bild 7.41 Dichtefunktion der Standardnormalverteilung Beispiel 7.13 Aus einer Reihe von x-Werten von 0 bis 160 mit dem Mittelwert 80 und der Standardabweichung von 15 sollen zunächst die z-Werte und dann die Dichte- und Verteilungsfunktion einer standard-normalverteilten Zufallsvariable mit Excel berechnet und graphisch dargestellt werden. Excel-Umsetzung Zur Bestimmung der Dichte- und Verteilungsfunktion einer standard-normalverteilten zufälligen Variable werden zunächst aus einer Reihe von x-Werten von 0 bis 160 der Mittelwert = 80 bestimmt und eine Standardabweichung von = 15 (beliebig) vorgegeben. Im nächsten Schritt werden die normalverteilten Zufallsvariablen durch lineare Transformation in z-Werte überführt. Dies geschieht entweder mittels der oben angegebenen Formel zur z-Transformation oder mit der Excel-Funktion STAN- DARDISIERUNG(), die mit Alt + M2 + M + S aufgerufen wird. Mit der Excel-Funktion NORM.S.VERT() kann dann die Dichtefunktion (Wahrheitswert FALSCH) bzw. die Verteilungsfunktion (Wahrheitswert WAHR) der Standardnormalverteilung mit einem Mittelwert von 0 und einer Standardabweichung von 1 bestimmt werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung D7 Mittelwert =MITTELWERT(B11: B171) C11 z-Wert =(B11-$D$7)/ $D$8 D11 Dichtefunktion der Standardnormalverteilung =NORM.S.VERT(C11; FALSCH) E11 Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung =NORM.S.VERT(C11; WAHR) -5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 (z) <?page no="293"?> 7.7 Aktienkursverlaufshypothesen 293 Bild 7.42 z-Transformation und Dichte- und Verteilungsfunktionen einer standard-normalverteilten Zufallsvariablen (Beispiel 7.13) Für die praktische Berechnung von Wahrscheinlichkeiten einer beliebigen nach ( ; ) -verteilten Zufallsvariable X gilt: X x x F x P X x P Damit erhält man folgende Wahrscheinlichkeiten: b P X b 1 a P X a Die Wahrscheinlichkeit, dass eine ( ; ) -verteilte Zufallsvariable X einen Wert zwischen a und b annimmt, ergibt sich aus b a P a X b F b F a . Die Werte von ( ) sind in Tabellen zur Standardnormalverteilung für Wahrscheinlichkeiten 0 aufgelistet. Bei negativen Werten von gilt wegen der Symmetrie der Dichte der Standardnormalverteilung bezüglich des Erwartungswertes 1 z z . Häufig benötigt man in der Praxis die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine normalverteilte Zufallsvariable Werte in einem symmetrisch zu gelegenen Intervall + , mit > 0 (sogenanntes -Intervall) annimmt. Diese ergibt sich zu <?page no="294"?> 294 7 Aktien k k P k X k 1 2 1 k k k k k . Für = 1, 2, 3 ergeben sich folgende Werte: 1 1 2 1 1 2 0,8413 1 0, 6826 2 2 2 2 1 2 0, 9772 1 0, 9544 3 3 2 3 1 2 0, 9986 1 0, 9972 P X P X P X Bei einer nach ( ; 2 ) verteilten Zufallsvariablen X liegen demnach etwa 68% der beobachteten Werte zwischen und + , etwa 95% der beobachteten Werte zwischen 2 und + 2 , etwa 99,7% der beobachteten Werte zwischen 3 und + 3 . Man erkennt, dass praktisch alle Realisationen von X im 3 -Intervall liegen. In vielen Fällen ist die Verteilung von Aktienrenditen näherungsweise eine Normalverteilung (vgl. Beispiel 7.5), so dass sich die Annahme einer Normalverteilung der stetigen Renditen gut zur Modellierung von Aktienkursen eignet. Wie sind jedoch und zu wählen, damit die Realität möglichst gut abgebildet wird? Als Schätzwerte wählt man den beobachteten Mittelewert sowie das Quadrat der empirischen Standardabweichung der Renditen. Die Begründung für die Festlegung der Parameter und beruht auf dem Gesetz der großen Zahlen. So liegt der Mittelwert aus vielen unabhängig beobachteten Werten einer normalverteilten Zufallsvariable X in der Nähe von , und die empirische Standardabweichung der beobachteten Werte in der Nähe von . Die Werte aus der Beobachtungsebene können somit als Schätzwerte für die Modellparameter herangezogen werden. Legt man die Normalverteilung als Modell für die Verteilung von Aktienrenditen zugrunde, dann können Wahrscheinlichkeitsaussagen zu künftigen Aktienkursen gemacht werden. Beispiel 7.14 Im Beispiel 7.5 wurden die stetigen Monatsrenditen der Adidas-Aktie im Zeitraum von 3.1.2011 bis 1.12.2015 untersucht. Anhand dieser Daten soll zunächst der Kurs der Adidas-Aktie mittels einer Normalverteilung modelliert und graphisch dargestellt werden (siehe Excel-Umsetzung). In einem weiteren Schritt sollen unter der Annahme, dass die monatliche Rendite eine normalverteilte Zufallsgröße ist, die Drift und die Volatilität s als Schätzwerte für den Erwartungswert und die Standardabweichung herangezogen werden. Ist die monatliche Rendite r mit den Parametern = 0,0102 und = 0,0704 annahmegemäß normalverteilt, dann können für die vorgegebenen neun Renditeintervalle die Wahrscheinlichkeiten, dass eine beliebige Monatsrendite in eines dieser Intervalle fällt, berechnet werden. Die Vorgehensweise zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit wird exemplarisch für das Intervall 0,0127 und 0,0287 demonstriert. Nach Bestimmung der z-Werte gibt die Verteilungsfunktion einer standardmäßigen, normalverteilten Zufallsvariable (NORM.S.VERT) die Werte und somit die gesuchten Wahrscheinlichkeiten zurück. <?page no="295"?> 7.7 Aktienkursverlaufshypothesen 295 0, 0287 0, 0102 0.0127 0, 0102 0, 0127 0, 0287 0, 0704 0, 0704 0, 2635 0, 3247 0, 2628 1 0, 3253 0, 6039 1 0, 6275 0, 6039 0, 3727 0, 2312 P r Die Berechnung der Wahrscheinlichkeit wurde mit Excel durchgeführt. Analog zu der oben aufgezeigten Vorgehensweise zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit werden für die übrigen Renditebereiche die Wahrscheinlichkeiten berechnet. Renditebereich ; a b relative Häufigkeit (gerundet) Wahrscheinlichkeit P r < b a [-0,2192; -0,1779) 0,02 0,0032 [-0,1779; -0,1366) 0,00 0,0148 [-0,1366; -0,0953) 0,05 0,0485 [-0,0953; -0,0540) 0,12 0,1140 [-0,0540; -0,0127) 0,18 0,1917 [-0,0127; 0,0287) 0,25 0,2312 [ 0,0287; 0,0700) 0,18 0,1985 [ 0,0700; 0,1113) 0,12 0,1222 [ 0,1113; 0,1526) 0,08 0,0539 Bild 7.43 Wahrscheinlichkeiten und relative Häufigkeiten für Renditebereiche unter der Annahme normalverteilter Renditen. In Bild 7.43 sind die relativen Häufigkeiten und die Wahrscheinlichkeiten der in Beispiel 7.5 betrachteten Adidas-Aktie gegenübergestellt. Ein Vergleich der Wahrscheinlichkeiten mit den tatsächlich aufgetretenen relativen Häufigkeiten zeigt eine annähernde Übereinstimmung. Excel-Umsetzung Zur Modellierung der Verteilung der Aktienrenditen der Adidas-Aktien mittels Normalverteilung werden im ersten Schritt wieder die stetigen Renditen, der Mittelwert und die Standardabweichung ermittelt. Die Renditen müssen nun aufsteigend sortiert werden. Hierzu werden die nicht-sortierten Renditen kopiert und in eine neue Spalte als Werte eingefügt (der Datenbestand ist damit losgelöst von seiner Berechnung), der Tabellenkursor in eine Zelle des Bereichs D24: D83 gesetzt (eine Markierung ist nicht erforderlich) und die Schaltfläche zum Sortieren angeklickt. Im nächsten Schritt werden mit der Excel-Funktion NORM.VERT(), die mit Alt + M2 + M + S aufgerufen wird, die Dichtefunktion (Wahrheitswert FALSCH) bzw. die Verteilungsfunktion (Wahrheitswert WAHR) berechnet. Die graphische Darstellung (vgl. Bild 7.44) kann mit dem Diagrammtyp Punkte mit interpolierten Linien erfolgen. Anschließend werden die z-Werte bestimmt und mit der Excel-Funktion NORM.S.VERT() kann dann die Dichtefunktion (Wahrheitswert FALSCH) der Standardnormalverteilung ermittelt werden. <?page no="296"?> 296 7 Aktien Bild 7.44 Modellierung der stetigen Monatsrenditen der Adidas-Aktie im Zeitraum von 3.1.2011 bis 1.12.2015 mittels Normalverteilung Bild 7.44 lässt erkennen, dass die empirische Verteilung von Aktienrenditen einer theoretischen Normalverteilung (vgl. Bild 7.36) sehr nahekommt, womit die häufige Verwendung dieses Konzepts begründet ist. Position Inhalt Excel-Umsetzung D8 Mittelwert =MITTELWERT(C27: C86) D9 Standardabweichung =STABW.S(C27: C86) C27 stetige Rendite =LN(B27/ B28) E27 Dichtefunktion normalverteilt =NORM.VERT(D27; $D$8; $D$9; FALSCH) F27 Verteilungsfunktion normalverteilt =NORM.VERT(D27; $D$8; $D$9; WAHR) G27 z-Wert =(D27-$D$8)/ $D$9 H27 Verteilungsfunktion standardnormalverteilt =NORM.S.VERT(G27; WAHR) Zur Berechnung der Intervall-Wahrscheinlichkeiten werden zunächst die z-Werte der Rendite-Ober- und der Rendite-Untergrenze bestimmt. Mit der Verteilungsfunktion einer standardmäßigen, normalverteilten Zufallsvariable (NORM.S.VERT) kann dann die gesuchte Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine bestimmte Monatsrendite zwischen einem beliebigen Intervall [a; b] liegt, berechnet werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung D14 z-Wert Obergrenze =(C14-$D$8)/ $D$9 E14 z-Wert Untergrenze =(B14-$D$8)/ $D$9 F14 Verteilungsfunktion standardisiert, Obergrenze =NORM.S.VERT(D14; WAHR) G14 Verteilungsfunktion standardisiert, Untergrenze =NORM.S.VERT(E14; WAHR) H14 Intervallwahrscheinlichkeit =F14-G14 -0,20 -0,10 0,00 0,10 <?page no="297"?> 7.7 Aktienkursverlaufshypothesen 297 Bild 7.45 Modellierung eines Aktienkurses mittels Normalverteilung und Berechnung von Intervallwahrscheinlichkeiten am Beispiel der Adidas-Aktie (Beispiel 7.14) Unter der Annahme, dass die stetigen Renditen der Adidas-Aktie mit den Parametern = 0,0102 und = 0,0704 (annähernd) normalverteilt sind, können weitere praxisrelevante Wahrscheinlichkeiten berechnet werden. Der Aktienkurs dieser Aktie lag am 1.12.2015 bei 89,91 Euro. a) Es soll die Wahrscheinlichkeit berechnet werden, dass der Aktienkurs einen Monat später auf über 98,90 Euro gestiegen ist. b) Es soll die Wahrscheinlichkeit berechnet werden, dass der Aktienkurs nach einem Monat um mehr als 25% gesunken ist. c) Es soll ein Intervall angegeben werden, in dem der Aktienkurs nach einem Monat mit 95%iger Wahrscheinlichkeit liegt. Die Berechnungen werden mit Excel durchgeführt. a) Der Aktienkurs soll nach einem Monat über 98,90 Euro steigen. Dies ist dann der Fall, wenn die stetige Rendite mindestens ln(98, 20/ 89,91) = 0,0953 ist, also rund 9,5% beträgt. Mit = 0,0102 und = 0,0704 erhält man: <?page no="298"?> 298 7 Aktien 0, 0953 0, 0102 0, 0953 1 0, 0953 1 1 1, 2095 1 0,8861 0, 0704 P r P r 0,1132 Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Aktienkurs einen Monat später auf über 98,90 Euro gestiegen ist, beträgt 11,32%. b) Der Aktienkurs soll nach einem Monat um mindestens 25% gesunken sein, Dies ist dann der Fall, wenn die stetige Rendite kleiner als (0,75 89,91/ 89,91) = 0,2877 ist, also 28,77% beträgt. Mit d 0, 2877 0, 0102 ln 0, 75 0, 2877 4, 2309 0 0, 0704 P r P r Hier beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass der Kurs nach einem Monat um mindestens 25% gesunken ist, annähernd null Prozent. c) Schließlich soll noch das Intervall bestimmt werden, in den der Aktienkurs nach einem Monat mit 95%iger Wahrscheinlichkeit liegt. Mit 2 = 0,0102 2 0,0704 = -0,1306 und + 2 = 0,0102 + 2 0,0704 = 0,1510 erhält man unter Berücksichtigung der stetigen Verzinsung den unteren Intervall- Wert aus , = 0,1306 zu = 89,91 , = 78,90 Der obere Intervall-Wert berechnet sich aus , = 0,1510 zu = 89,91 , = 104,57 Der Kurs liegt also mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% im Intervall [78,90; 104,57]. Die Modellierung von Aktienkursen mittels Normalverteilung ist hinsichtlich seiner Modellannahmen kritisch zu hinterfragen, da jedes Modell ein vereinfachtes Abbild der beobachteten Realität ist. Die Vorteile ergeben sich aus der einfachen Handhabung des Model dem passt das Modell die Verteilung der Aktienrenditen in einigen Bereichen gut an und trifft die Form der Verteilung gut. Nachteile des Modells sind darin zu sehen, dass die Drift und Volatilität einer Aktie in Zukunft als zeitlich konstant angenommen werden und die Güte der Prognose von der Genauigkeit der Schätzwerte anhängig ist. In der Mitte der Verteilung sowie an den Rändern existieren mitunter starke Abweichungen. So kann es sein, dass die beobachtete Verteilung in der Mitte wesentlich mehr Werte aufweist als das Modell vorgibt. Damit fällt die reale Verteilung gegenüber dem Modell steiler ab, besitzt aber gewichtigere Flanken, sogenannte fat tails (fette Verteilungsenden), die starke Kursschwankungen repräsentieren. Ein weiterer Nachteil besteht in der Nichtberücksichtigung firmenrelevanter Daten und anderer Faktoren wie Anlegermentalitäten oder unvorhersehbare Ereignisse. <?page no="299"?> 7.7 Aktienkursverlaufshypothesen 299 7.7.3 Aktienkursverlaufshypothese nach Black-Scholes (Wiener- Prozess) Der schottische Botaniker Robert Brown (1773-1858) hat im Jahre 1827 unter einem Mikroskop beobachtet, wie sich Blütenpollen in einem Wassertropfen unregelmäßig hin und her bewegen. Diese sogenannte Brownsche Molekularbewegung ist auf die zufällige Kollision der Blütenpollen mit den thermisch bewegten Wassermolekülen zurückzuführen. Nachdem im Jahre 1905 Albert Einstein (1879-1955) die physikalische Erklärung für die Brownsche Molekularbewegung lieferte, gelang es dem USamerikanischen Mathematiker Norbert Wiener (1894-1964) im Jahre 1923 das Ereignis mathematisch als einen stochastischen Prozess zu beschreiben. Der Wiener-Prozess, auch Brownsche Bewegung (Brownian Motion) genannt, wird in zahlreichen Gebieten der Natur- und Wirtschaftswissenschaften als Grundlage zur Simulation zufälliger Bewegungen herangezogen. Ein Wiener-Prozess ( ) ist ein zeitstetiger stochastischer Prozess, der normalverteilte, unabhängige Zuwächse hat und der durch nachfolgende Eigenschaften charakterisiert ist: 1. = 0 . Diese Eigenschaft bedeutet, dass der Prozess im Ursprung des Koordinatensystems beginnt. 2. Für 0 < ist eine normalverteilte Zufallsgröße mit dem Erwartungswert 0 und der Varianz , d. h. (0, ) . Die Varianz der zufälligen Positionsänderung hängt damit nur von der Länge des Zeitintervalls und nicht von der Position ( ; ) des Teilchens zur Zeit s ab. Die Bewegungen des Teilchens in x- und y-Richtung sind dabei voneinander unabhängig. 3. Für beliebige 0 < < sind die Zufallsgrößen und unabhängig. Die Positionsänderungen in sich nicht überlappenden Zeitintervallen sind voneinander unabhängig. Auf die Brownsche Bewegung bezogen bedeutet dies, dass sich die Richtung und Größe der Positionsänderungen nicht aus den vorangegangenen Teilchenbewegungen ableiten lässt. Die Positionsänderungen werden auch Zuwächse genannt und können positive und negative Werte annehmen. Das Black-Scholes-Modell ist wie das Random-Walk-Modell (vgl. Kapitel 7.7.1) ein mathematisches Modell zur Beschreibung von Aktienkursentwicklungen. Dabei wird angenommen, dass sich der stochastische Prozess der Renditeentwicklung aus einem deterministischen zeitlich linearen und einem zufälligen Anteil zusammensetzt. Der deterministische Anteil des Renditeprozesses kann als erwartete Rendite interpretiert werden. Da jedoch Aktienkurse keinem deterministischen Muster folgen, sondern eine zufällige Irrfahrt (Random Walk) begehen, unterliegen die Renditen auch einem stochastischen Prozess, der durch den stochastischen Anteil beschrieben wird. Dabei wird unterstellt, dass der stochastische Prozess der stetigen Renditen einem Wiener- Prozess folgt. Damit gilt: 0 t t r t W , wobei 0, und > 0 . Zudem sind und konstant. Mit dem Black-Scholes-Modell kann die Verteilung der Rendite bestimmt werden. Nach der zweiten Eigenschaft des Wiener-Prozesses und wegen = 0 ist die Zufallsgröße = normalverteilt mit den Parametern 0 und t. Da die Renditeentwicklung 0 t r linear von t W abhängt, folgt für den Erwartungswert von 0 t r : <?page no="300"?> 300 7 Aktien 0 E E E t t t r t W t W t Analog dazu kann die Varianz von 0 t r bestimmt werden: 2 2 0 Var Var Var t t t r t W W t Damit folgt, dass die Rendite normalverteilt ist mit den Parametern und , d.h. ~ ( , ) . Dabei können die in Abschnitt 7.4.4 ermittelten statistischen Kennzahlen arithmetisches Mittel und die Standardabweichung der stetigen Renditen als Schätzwerte für die Modellparameter und im Black-Scholes-Modell herangezogen werden. Bei bekanntem Aktienkurs zum Zeitpunkt = 0 und mit den Wahrscheinlichkeitsaussagen zu können über den Zusammenhang = ( / ) Wahrscheinlichkeitsaussagen über den Kurs der Aktie zum Zeitpunkt > 0 gemacht werden: 0 0 t r t S S e Die Modellierung eines Aktienkurses mit dem Black-Scholes-Modell soll anhand der Adidas-Aktie aus dem Beispiel 7.5 aufgezeigt werden. Der Mittelwert der vergangenen stetigen Monatsrenditen betrug 0,0102, die Standardabweichung 0,0704 und der Aktienkurs war am 1.12.2015 bei 89,91 Euro. Gesucht ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Aktienkurs drei Monate später über 95,00 Euro steigt. Aufgrund der Modellannahmen gilt: ~ (3 0,0102, 3 0,0704 ), also (0,0306, 0,0149) Für die Wahrscheinlichkeit, dass der Aktienkurs 95,00 Euro übersteigt, gilt dann: 3 0 3 P 95, 00 P 89, 91 95, 00 r S e = 3 0 95, 00 P ln 89, 91 r = 3 0 1 P 0, 0551 r = 2 0, 0551 3 0, 0102 1 3 0, 0704 0, 0551 0, 0306 1 0, 42 0,1219 Mit einer Wahrscheinlichkeit von 42% übersteigt der Aktienkurs in drei Monaten 89,91 Euro. Bisher wurden die Renditen und Aktienkurse im Intervall [0; t] betrachtet. Zieht man für die Verteilung der Renditen im Black-Scholes-Modell ein anderes Intervall [ ; t + ] heran, dann gilt, dass die Rendite ebenfalls normalverteilt ist mit den Parametern und . Es gilt: 0 0 0 0 0 0 / ln ln ln / t t t t t t t t t t t t S S S S S ln r r S S S S S . Unter Nutzung von 0t t r t W erhält man für und : 0 0 t t t t t t t t t r r t t W t W u W W Nach der zweiten Eigenschaft eines Wiener-Prozesses ist ( + ) eine normalverteilte Zufallsgröße mit den Parametern 0 und . Damit ist die Rendite = normalverteilt mit den Parametern und . Das Black-Scholes-Modell findet in der Praxis insbesondere bei der Optionspreisbewertung Verwendung. Aber auch dieses Modell weist wie andere mathematische Modelle kritische Stellen auf. So ist die zentrale Annahme normalverteilter Aktien- <?page no="301"?> 7.7 Aktienkursverlaufshypothesen 301 renditen nur eine grobe Annäherung. Statistische Analysen von Aktienrenditen zeigen, dass die Häufigkeitsverteilungen von Aktienrenditen in der Nähe des arithmetischen Mittels und an den Rändern im Vergleich zur Normalverteilung höher sind. Das heißt, dass insbesondere betragsmäßig kleine und betragsmäßig große Kursänderungen häufiger vorkommen als durch die Normalverteilung angenommen. Des Weiteren ist wie schon beim Random-Walk-Modell die im Zeitablauf als konstant angenommene Volatilität kritisch zu hinterfragen. Inzwischen kommen Modelle zur Anwendung, die die Aktienrenditen besser beschreiben und die Volatilität selbst als stochastischen Prozess betrachten. 7.7.4 Simulation eines Aktienkursprozesses Bei der folgenden Simulation eines Aktienkursprozesses nach dem Black-Scholes-Modell wird wiederum unterstellt, dass sich die Renditen aus einem deterministischen und einem stochastischen Anteil zusammensetzen. Dabei wird angenommen, dass der stochastische Anteil der stetigen Renditen einem Wiener-Prozess folgt. Sei der gegenwärtige Aktienkurs, = ein Wiener-Prozess, dann gilt für den Aktienkurs nach einem Zeitintervall t : t Z t t t t S e S oder ln t t t S t Z t S wobei eine standardnormalverteilte Zufallsvariable ist (Mittelwert = 0 und Standardabweichung 1). Ist = 0 , erhält man t t t t S e S oder t t t t S S e . In diesem Fall kann die Aktie als risikofreie Anleihe mit einem stetigen Zinssatz interpretiert werden. Ist hingegen > 0 , dann ist eine zufallsbedingte, normalverteilte Größe zu berücksichtigen. Die Simulation der Kursentwicklung soll das folgende Beispiel verdeutlichen. Beispiel 7.15 Der Aktienkurs zum Zeitpunkt sei = 38 . Der Mittelwert der vergangenen stetigen Jahresrenditen beträgt 15% , die Standardabweichung 30% . Diese Werte werden als Schätzwerte für die im Modell benötigten Parameter und verwendet. Eine Zeiteinheit sei mit 0,004 ein Tag (1 Jahr / 250 Handelstage pro Jahr) . Zur Simulation eines Aktienkurses zum Zeitpunkt + wird mit dem in Excel implementierten Zufallsgenerator eine standardnormalverteilte Zufallsgröße erzeugt, die hier mit -0,3002 (gerundet auf vier Stellen) angenommen wird. Der Aktienkurs zum Zeitpunkt + beträgt dann <?page no="302"?> 302 7 Aktien 0 0,18 0,004 0,35 0,3002 0,004 38 37, 78 t Z t t t S S e e Wäre eine andere Zufallszahl erzeugt worden, hätte sich ein anderer Aktienkurs ergeben. Excel-Umsetzung Bei der Umsetzung mit Excel bietet sich die folgende Vorgehensweise an: 1. Zunächst wird die durchschnittliche Wachstumsrate mit dem verstrichenen Zeitintervall multipliziert. Dadurch erhält man den deterministischen Anteil des Renditeprozesses. 2. Anschließend wird mit dem in Excel implementierten Zufallsgenerator eine standardnormalverteilte Zufallsvariable erzeugt, die mit multipliziert wird. Dadurch erhält man den zufälligen Anteil des Renditeprozesses. 3. Schließlich werden der deterministische und der stochastische Anteil aufaddiert und exponenziert. Die tägliche Rendite beträgt dann . Ist der Aktienkurs zum Zeitpunkt t, dann lässt sich zum Zeitpunkt + der Aktienkurs aus den derart bestimmten Renditen berechnen, denn es gilt: = Der in Excel implementierte Zufallsgenerator wird mit Alt + V + Y4 aufgerufen. Aus den angezeigten Analysetools wird die Funktion Zufallszahlengenerierung ausgewählt. Das sich öffnende Fenster wird dann mit den unten aufgeführten Daten versehen und mit OK beendet. Als Ergebnis erhält man 250 standardnormalverteile Zufallszahlen. Der Aktienkursverlauf wird innerhalb des angegebenen Zeitraums in einem Diagramm dargestellt. Bild 7.46 Zufallszahlengenerierung mit Microsoft Excel <?page no="303"?> 7.7 Aktienkursverlaufshypothesen 303 Position Inhalt Excel-Umsetzung E12 Startwert Aktienkurs =D6 B13 Zeiteinheit (ein Tag) =ZEILE(B2) C13 standardnormalverteilte Zufallszahl Erzeugung durch Excel-Funktion Zufallszahlengenerierung D13 Rendite =EXP($D$7*$D$9+$D$8*WURZEL($D$9)*C13) E13 Aktienkurs =E12*D13 Bild 7.47 Simulation eines Aktienkursprozesses mit dem Black-Scholes-Modell (Beispiel 7.15) Bild 7.48 Simulierter Aktienkursverlauf mit dem Black-Scholes-Modell ( = 38 , t = 0,004 , = 0,15 , = 30 ) 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 0 25 50 75 100 125 150 175 200 225 250 Kurs Tage <?page no="304"?> 8 Optionen 8.1 Grundlagen des börsenmäßigen Optionshandels Optionen finden in vielen Bereichen Anwendung, im Rechtswesen als Gestaltungsmöglichkeit bei Vertragsabschlüssen, im Warenhandel zur Verlagerung von Preisrisiken der Produzenten, Händler und Anbieter und vor allem weltweit im Bereich der Finanzmärkte, insbesondere an den Wertpapierbörsen und Terminbörsen. Optionsgeschäfte zählen zu den Börsentermingeschäften, ihre Abgrenzung erfolgt nach dem dem Geschäft zugrundeliegenden Erfüllungszeitpunkt. Während bei Kassageschäften Abschluss und Erfüllung des Vertragsinhalts zeitlich unmittelbar aufeinander erfolgen, erfolgt bei Börsentermingeschäften die Erfüllung des Vertrages zu einem späteren Zeitpunkt als zu demjenigen, an dem der Preis (Kurs) vereinbart wurde. In Hinblick auf die inhaltliche Ausgestaltung und die unterschiedliche Risikostruktur der Geschäfte lassen sich Börsentermingeschäfte in unbedingte (auch Festgeschäft genannt) und bedingte Börsentermingeschäfte unterscheiden. Ein unbedingtes Börsentermingeschäft liegt vor, wenn von einem Vertragspartner die Erfüllung des Vertragsinhaltes unbedingt verlangt werden kann. Kann hingegen die Erfüllung von einem Vertragspartner bestimmt werden, und ist das Risiko zugunsten dieses Teils auf den Verlust einer Prämie begrenzt, dann spricht man von einem bedingten Börsentermingeschäft. Optionsgeschäfte zählen somit zu den bedingten Börsentermingeschäften, da der Optionsinhaber rechtlich nicht unbedingt zur Erfüllung des Geschäfts verpflichtet ist und sein Risiko wirtschaftlich auf den Verlust des Kaufpreises der Option begrenzt ist. Börsentermingeschäfte lassen sich mit unterschiedlichen Objekten durchführen, z.B. mit Waren (Commodities), Wertpapieren (Securities) und Finanzkontrakten (Financial Instruments), die ihrerseits wiederum Bezugsobjekte börsengehandelter Optionen sein können. Im Folgenden wird das Börsentermingeschäft in Wertpapieren betrachtet und hier wiederum das Optionsgeschäft mit dem Wertpapier Aktie als ein Element der verschiedenen Arten von Wertpapieren als Bezugsobjekt. Die hier angewandte Terminologie gilt in analoger Weise für alle an den internationalen Börsen gehandelten Aktienoptionen und lässt sich auf Optionen mit anderen Basisobjekten (z.B. solche auf Waren, Devisen oder Aktienindizes) übertragen. Unter einer Option wird das verbriefte Recht, aber nicht die Verpflichtung verstanden, eine bestimmte Anzahl (Kontraktgröße) eines zum Optionshandel zugelassenen Gegenstandes (Basiswert) zu einem vereinbarten Preis (Ausübungspreis, Basispreis) innerhalb einer bestimmten Frist (Optionsfrist, Optionslaufzeit) zu kaufen (Kaufoption, Call Option) oder zu verkaufen (Verkaufsoption, Put Option). Der Preis, den der Käufer einer Option dem Verkäufer zu bezahlen hat, wird Optionspreis oder Optionsprämie genannt. Es muss zwischen zwei Arten von Optionen unterschieden werden, Call Optionen und Put Optionen, da sie dem Optionsinhaber verschiedene Rechte einräumen. Mit dem Kauf einer Call Option hat der Käufer der <?page no="305"?> 8.1 Grundlagen des börsenmäßigen Optionshandels 305 Option dem Verkäufer (auch Stillhalter genannt) den an der Börse gehandelten Optionspreis zu entrichten. Der Optionsverkäufer verpflichtet sich, dem Optionskäufer die Aktien, auf die sich die Option bezieht, auf Verlangen (bei Ausübung) gegen Bezahlung des Basispreises zu verkaufen. Im Falle einer Put Option verpflichtet sich der Optionsverkäufer, bei Ausübung die Aktien vom Optionskäufer zum Basispreis zu kaufen und erhält dafür als Gegenleistung für die eingegangene Verpflichtung den Kaufpreis der Option. Mit jedem Optionskontrakt ist ein Mindestabschluss über eine bestimmte Anzahl von Aktien verbunden. Die Liefermengen bzw. die der Abrechnung eines Optionskontraktes zugrunde gelegten Handelseinheiten bezeichnet man als Kontraktgröße (Contract Size). Die Kontraktgröße gibt demnach an, welche Menge vom zugrundeliegenden Basiswert bei Ausübung gekauft (Call Option) bzw. verkauft (Put Option) werden kann. Der einem Optionskontrakt zugrundeliegende Gegenstand wird als Basiswert (Underlying), Basisobjekt oder auch als Bezugsobjekt bezeichnet und wird im Optionsvertrag nach Qualität und Quantität genau bestimmt. Bezugsobjekt kann jede handelbare Ware sein (z.B. Finanzinstrumente wie Aktien, Aktienindizes, Anleihen, Devisen, oder bestimmte Waren Gold, Silber, Kupfer, Sojabohnen, oder Schweinebäuche). Das Bezugsobjekt eines standardisierten Optionskontraktes wird durch die Kontraktgröße mengenmäßig genau bestimmt (so liegen beispielsweise einem standardisierten Optionskontrakt auf Aktien 100 Aktien zugrunde). Die qualitative Ausgestaltung des Bezugsobjektes erfolgt durch festgelegte Mindestanforderungen hinsichtlich ihrer Beschaffenheit. Die qualitative Ausstattung von Waren ist einfach zu erkennen. Bei einer Aktie als Basiswert werden nach dem Börsengesetz an das Unternehmen bestimmte Mindestanforderungen gestellt, z.B. hinsichtlich der Höhe des Aktienkapitals, der Anzahl der ausgegebenen Aktien und der Unternehmensgewinne. Finanzinstrumente, deren Preis oder Kurs von einem zugrundeliegenden Basiswert abgeleitet wird, werden als Derivate bezeichnet. Derjenige Preis je Handelseinheit, zu dem der Inhaber der Option den Basiswert kaufen oder verkaufen kann, wird als Basispreis oder Ausübungspreis (Exercise Price, Striking Price) bezeichnet. Bei einer Aktienoption handelt es sich dabei um den Preis, zu dem der Inhaber einer Call Option (Put Option), der seine Option ausübt, kaufen (verkaufen) kann. Die möglichen Basispreise werden von den Optionsbörsen festgelegt und sind standardisiert. Jede Option hat eine begrenzte Laufzeit. Die Laufzeit oder Restlaufzeit (Time to Maturity) bestimmt den Zeitraum, in dem der Optionsinhaber sein Recht ausüben kann. Der letzte Tag, an dem eine Option ausgeübt, d.h. das verbriefte Recht wahrgenommen werden kann, heißt Verfallstag oder Verfalltermin (Expiration Date). Eine Option, die nicht vor dem Verfallstag ausgeübt oder glattgestellt wird, hört auf zu existieren, d.h. nach dem Verfallstag verliert der Käufer der Option (Optionsinhaber) sein Optionsrecht, der Verkäufer (Aussteller der Option) hat keine Verpflichtung mehr und der Optionskontrakt ist wertlos. Börsennotierte Kauf- und Verkaufsoptionen können ihrem Ausübungsmodus entsprechend in Europäische, Amerikanische und Asiatische Optionen diskriminiert werden. Optionen europäischen Typs können von Optionsinhaber nur innerhalb einer bestimmten Zeitperiode unmittelbar vor dem Verfallszeitpunkt der Option ausgeübt werden. Optionen amerikanischen Typs können zu jeder Zeit nach der Anschaffung <?page no="306"?> 306 8 Optionen bis hin zum Zeitpunkt des Verfalls ausgeübt werden. Eine Asiatische Option ist eine spezielle Form einer exotischen Option; ihr Hauptmerkmal ist, dass zum Ausübungstag der Wert der Option nicht durch den aktuellen Kurs des Basiswertes bestimmt wird, sondern über den Durchschnitt der Kurse bestimmter, in den Vertragsbedingungen spezifizierter vergangener Tage. Werden während der Optionslaufzeit auf die zugrundeliegende Aktie Bardividenden ausgeschüttet, dann stellt sich die Frage, ob diese dem Optionsinhaber bei Ausübung mitgeliefert werden. In den USA wie auch in der Bundesrepublik Deutschland sind Aktienoptionen nicht dividendengeschützt, d.h. der Inhaber einer Option ist nicht dividendenberechtigt und es erfolgt auch keine Anpassung des Basispreises in Höhe der ausgeschütteten Bardividende. Wollte der Inhaber einer Call Option in den Genuss der Dividende kommen, müsste er die Option vor dem ex-Dividende-Tag ausüben. Der Inhaber einer Put Option, der die zugrundeliegenden Aktien besitzt, dürfte die Option erst nach dem ex-Dividende-Tag ausüben, will er die Dividende vereinnahmen. Fallen während der Optionslaufzeit Stockdividenden, Aktiensplits oder Bezugsrechte an, erfolgt eine entsprechende Anpassung des Basispreises, um den wirtschaftlichen Wert des Optionsrechts zu sichern. Ein reibungsloser Börsenhandel setzt voraus, dass die Erfüllung der Kontrakte auch bei hohen Verlusten einer Partei gesichert ist. Um dies zu gewährleisten, verlangt das Clearing-House von dem Börsenmitglied, das den Kontrakt abgeschlossen hat, Sicherheiten (Geld oder Wertpapiere) in Form von Einschüssen (Margins). Seinerseits ist das Börsenmitglied verpflichtet, Sicherheiten in mindestens gleicher Höhe von dem Beteiligten zu verlangen, für die sie den Kontrakt abgeschlossen hat. Da der Käufer einer Option lediglich die Verpflichtung zur Zahlung des Optionspreises übernimmt und die Option nur dann ausübt, wenn damit ein Vermögenszuwachs verbunden ist, sind Solvenzprobleme ausgeschlossen. Eine Einschusspflicht des Optionskäufers besteht daher nicht. Demgegenüber kann die Ausübung der Option beim Optionsverkäufer zu einem Vermögensverlust führen. Die Erfüllung seiner Verpflichtungen wird daher durch einen Einschuss gesichert, der sich in einen Anfangseinschuss (Initial Margin) und einen potenziellen Nachschuss (Variation Margin), der bei eintretender Unterdeckung zu leisten ist, unterscheidet. Der Einschuss kann in Form der Hinterlegung bestimmter Wertpapiere oder in Form von Guthaben auf Konten erfolgen. Auf eine weitere Besonderheit des Optionshandels sei noch hingewiesen. Am Kapitalmarkt werden zwecks Kapitalbildung eine festgelegte Anzahl neuer Wertpapiere (z.B. Aktien oder Anleihen) innerhalb einer bestimmten Ausgabefrist zugeteilt und nach Platzierung an den Sekundärmärkten der Börsen weitergehandelt, wo sie oft Jahrzehnte bestehen. Im Gegensatz dazu werden Optionen durch die Marktteilnehmer selbst kreiert, im Falle von Aktienoptionen also nicht durch das betreffende Unternehmen. Die Ausgabe erfolgt nicht emissionsweise und in unbestimmter Zahl durch eine Vielzahl von Marktteilnehmern, fortlaufend und in einer nicht vorgegebenen Zeit. Gleich wie durch eine Eröffnungstransaktion (Opening Transaction) ein Marktteilnehmer in der Funktion als Käufer oder Verkäufer einer Option eine neue Position am Markt etabliert, so kann mit einer Glattstellungstransaktion (Closing Transaction) durch den Kauf oder Verkauf einer identischen Option die eingegangene Position liquidiert werden, wodurch die Option wieder vom Markt verschwindet. Die Anzahl der sich am Markt befindlichen Optionen kann deshalb ständig variieren und ist nicht als feste Zahl definierbar. Auch unterscheidet sich eine Option von den üblichen <?page no="307"?> 8.2 Elementare Bewertungsansätze 307 Kapitalanlagen dadurch, dass die Option ein schwindender Wert (Vasting Asset) ist. Kann die Option nicht spätestens am Verfallstag mit Gewinn ausgeübt werden, wird sie wertlos. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird nur insoweit auf die Spezifikationen und Usancen des Handels eingegangen, als es für das Verständnis der weiteren Ausführungen notwendig erscheint. Die vorausgegangene Darstellung erlaubt eine vollständige Beschreibung einer Option. Durch die Merkmale Optionstyp (Kauf- oder Put Option), zugrundeliegendes Wertpapier, Anzahl der Aktien, auf die sich die Option bezieht, Basispreis, Verfalltermin, Ausübungsmodus (europäischer oder amerikanischer Typ) und die Behandlung von Bardividenden und sonstiger Leistungen während der Optionsfrist ist eine Option hinreichend charakterisiert. 8.2 Elementare Bewertungsansätze Der Wert einer Option kann gedanklich als Summe von innerem Wert (Intrinsic Value) und Zeitwert (Time Value) aufgefasst werden. Der innere Wert ist die positive Differenz, die unberücksichtigt der Transaktionskosten bei Ausübung und gleichzeitiger Veräußerung der durch die Ausübung bezogenen Aktien realisiert werden könnte. Der innere Wert wird deshalb auch als Ausübungswert (Exercise Value) bezeichnet. Der Wert einer Option ist im Verfallszeitpunkt, dem letztmöglichen Zeitpunkt der Optionsausübung, immer gleich dem inneren Wert der Option. Ist am Verfallstermin der Aktienkurs geringer als der Basispreis, so lohnt es sich für den Inhaber einer Call Option nicht, diese auszuüben, da ein Direktkauf der Aktie zum aktuellen Börsenkurs billiger ist, und die Option verfällt wertlos. Sind Aktienkurs und Basispreis gleich, ist es gleichgültig, ob die Option ausgeübt wird oder nicht. Berücksichtigt man, dass das Ausübungsprozedere einen nicht unerheblichen Zeit- und Verwaltungsaufwand mit sich bringt, sollte auf eine Ausübung verzichtet werden und die Aktie direkt am Markt gekauft werden. Ist der Aktienkurs höher als der Basispreis, dann entspricht der Wert einer Call Option der (positiven) Differenz zwischen Aktienkurs und Basispreis, und die Option wird ausgeübt. Dieser Zusammenhang lässt sich in Symbolen ausdrücken und mathematisch formulieren. Transaktionskosten bleiben dabei unberücksichtigt. Es seien = der Wert der Kaufoption ( Call Option ) = der Wert der Verkaufsoption (Put Option) = der Aktienkurs im Verfallzeitpunkt = der Basispreis , dann erhält man den Wert einer Call Option zu für 0 für 0 T T T T S K S K C S K oder max 0, T T C S K Der Wert einer Call Option im Verfallszeitpunkt entspricht demnach dem Maximum von Null und der Differenz zwischen dem geltenden Aktienkurs und dem Basispreis, <?page no="308"?> 308 8 Optionen . Ist > , so sagt man, die Call Option verfällt im Geld (in the money), ist < , dann sagt man, die Call Option verfällt aus dem Geld (out of the money). In Bild 8.1 ist der Wert einer Call Option im Verfallszeitpunkt der Option (Pay off Diagram) graphisch dargestellt. Bild 8.1 Wert einer Long Position in einer Call Option im Verfallszeitpunkt der Option Die Tatsache, dass eine Call Option, die im Geld ist, am Verfallstermin genau einen Wert von = haben muss, kann mit dem Arbitrage Argument bewiesen werden. Ist diese Beziehung verletzt, d.h. ist < oder + > 0, dann ist risikolose Arbitrage möglich, die es in perfekten Märkten nicht geben soll. Durch den Kauf der Calls, der unmittelbaren Ausübung des Calls und durch den Verkauf der durch die Ausübung bezogenen Aktie kann ein positiver Cash Flow realisiert werden, ohne dabei ein Risiko einzugehen. In Bild 8.2 sind die Transaktionen wiedergegeben (Teil A). Das folgende Beispiel soll den Sachverhalt verdeutlichen. Angenommen, eine Call Option mit einem Basispreis von = 50 wird am Verfallstag bei einem Aktienkurs von = 54 für = 3,75 gehandelt. Um einen Arbitragegewinn zu erzielen, könnte jemand den Call für 3,75 Euro kaufen, ihn unmittelbar danach ausüben und die Aktie zu 50 Euro beziehen und diese dann am Markt zu 54 Euro verkaufen. Dadurch erzielte er einen Arbitragegewinn von 0,25 Euro pro Aktie. Teil A: < oder + > 0 Transaktionen Cash Flow Kauf Call -3,75 Ausübung des Calls und Erwerb der Aktie -50,00 Verkauf der Aktie + +54,00 Gesamt > 0 +0,25 Bild 8.2 Beweis Teil A, dass = , wenn eine Call Option im Geld verfällt Ist > oder + > 0, dann lässt sich durch den Verkauf des Calls, den Kauf der zugrundeliegenden Aktie und der Lieferung der Aktie zum Basispreis, Wert des Calls, C T Aktienkurs S T K Call verfällt aus dem Geld und ist wertlos. C T = 0, wenn S T < K. Call verfällt im Geld und hat Wert. C T = S T - K, wenn S T > K. <?page no="309"?> 8.2 Elementare Bewertungsansätze 309 falls der im Geld liegende Call ausgeübt wird, ein risikoloser Arbitragegewinn erzielen. In Bild 8.2 sind die Arbitragetransaktionen zusammengefasst (Teil B). Das folgende numerische Beispiel soll dies verdeutlichen. Angenommen, eine Call Option notiert bei = 4,25 bei einem Aktienkurs von = 54 und einem Basispreis von = 50 . Ein Arbitrageur kann den Call verkaufen und dabei 4,25 Euro vereinnahmen und die Aktie zu 54 Euro kaufen. Wird der im Geld liegende Call ausgeübt, kann er die Aktie zu 50 Euro liefern. Sein Arbitrageprofit beträgt dann 0,25 Euro pro Aktie. Teil B: > oder + > 0 Transaktionen Cash Flows Verkauf Call + +4,25 Kauf Aktie -54,00 Lieferung der Aktie, wenn Call ausgeübt wird + +50,00 Gesamt > 0 +0,25 Bild 8.3 Beweis Teil B, dass = , wenn eine Call Option im Geld verfällt Entsprechend wird der Inhaber einer Put Option von seinem Ausübungsrecht Gebrauch machen, wenn der Aktienkurs am Verfallstag unter dem Basispreis liegt. Liegt der Aktienkurs über dem Basispreis, wird er sein Optionsrecht nicht ausüben und die Option verfallen lassen. Der Wert einer Put Option im Verfallszeitpunkt entspricht dann dem Maximum von Null und der Differenz zwischen Basispreis und geltendem Aktienkurs und lässt sich wie folgt formulieren: für 0 0 für T T T T K S S K P S K oder = (0, ) . Ist < , verfällt die Put Option im Geld, ist > , verfällt die Put Option aus dem Geld. Ist > oder < , dann kann auch hier analog zu der in den Bildern 8.2 und 8.3 beschriebenen Vorgehensweise gezeigt werden, dass risikolose Arbitrage möglich ist. In Bild 8.4 ist der Wert einer Put Option im Verfallszeitpunkt der Option (Pay off Diagram) graphisch dargestellt. Bild 8.4 Wert einer Long Position in einer Put Option im Verfallszeitpunkt der Option Wert des Puts, P T Aktienkurs S T Put verfällt im Geld und hat Wert. P T = K - S T , wenn S T < K. Put verfällt aus dem Geld und ist wertlos. P T = 0, wenn S T > K. K <?page no="310"?> 310 8 Optionen Vor dem Verfallstag wird der Gesamtwert der Aktienoption über dem Ausübungswert liegen, also ein positiver Zeitwert vorliegen, da es für die verbleibende Restlaufzeit immer eine positive Wahrscheinlichkeit gibt, dass bis zum Verfallszeitpunkt der innere Wert noch anwächst. Eine Option kann deshalb in der vor dem Verfallszeitpunkt liegenden Zeitperiode (Restlaufzeit) einen Zeitwert aufweisen, wenn noch die Möglichkeit einer Kursveränderung der Aktie gegeben ist. Der Wert einer Option wird also nicht nur von ihrem inneren Wert bestimmt, sondern zu einem wesentlichen Teil von der Modellierung der zukünftigen Aktienkursentwicklung. Es ist einfach, eine Bewertung von Call und Put Optionen im Verfallszeitpunkt durch Gegenüberstellung von aktuellem Aktienkurs und Basispreis vorzunehmen, da sich zu diesem Zeitpunkt die verschiedenen Einflussfaktoren auf diese zwei Größen reduzieren. Die Ermittlung des Optionswertes vor Ablauf der Optionsfrist gestaltet sich weitaus schwieriger und ist Gegenstand der Optionspreistheorie. Hier soll es zunächst genügen, die Beziehung zwischen Aktienkurs und Basispreis vor dem Verfallstermin der Option darzustellen, wozu die nachfolgende Notation verwendet wird: = der aktuelle Wert der Call Option = der aktuelle Wert der Put Option = der aktuelle Kurs der zugrundeliegenden Aktie = der Basispreis Betrachtet man eine Amerikanische Option, die jederzeit vor dem Verfallstermin ausgeübt werden kann, dann muss für den Wert einer Call Option mindestens gelten = ( 0, ), und für den Wert einer Put Option = ( 0, ). Mit (0, ) bzw. (0, ) wird der Ausübungswert oder Paritätswert (Parity Value) einer Call Option respektive einer Put Option bezeichnet. Da eine Option vor Ablauf der Optionsfrist unausgeübt mehr wert ist als ausgeübt, kann ihr Wert den Paritätswert übersteigen. Die Differenz ( 0, ) für eine Call Option und ( 0, ) für eine Put Option wird daher als Prämie über dem Paritätswert oder als Zeitwert bezeichnet. Der Marktwert einer Option ergibt sich dann als Summe von Ausübungswert und Zeitwert. Ein Aktienkurs kann gegenüber dem Basispreis zu jeder Zeit drei Konstellationen einnehmen. Ist > , dann ist eine Call Option im Geld (in the money), ist = , dann ist sie am Geld (at the money) und ist < , dann ist sie aus dem Geld (out of the money). Entsprechendes gilt für eine Put Option. Ist < , dann ist sie im Geld, ist = , dann ist sie am Geld und ist > , dann ist die Put Option aus dem Geld. 8.3 Handelsstrategien mit Optionen Primäres Ziel eines jeden Investors ist die Mehrung seines Vermögens während der Zeit seines Kapitaleinsatzes. Diese Zielsetzung wird zum einen durch die Einnahme laufender Erträge (z.B. Zinseinnahmen und Dividenden) und zum anderen durch Wertsteigerungen der Anlagen erreicht. Da jedoch in den wenigsten Fällen vollständige und sichere Informationen über die Ertragsentwicklung der Anlagealternativen vorliegen dürften, erfolgt die Entscheidung über eine Anlage unter Unsicherheit und ist mit dem Risiko verbunden, dass das erwartete Ertragsziel nicht erreicht wird. Ein Investor wird daher bestrebt sein, durch Streuung (Diversifikation) seiner Anlagen oder mittels Absicherungsstrategien dieses Risiko so weit wie möglich auszuschalten. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür sind die Marktgängigkeit und Liquidierbarkeit der Anlagen. <?page no="311"?> 8.3 Handelsstrategien mit Optionen 311 Anders als beim Kauf und Verkauf von Aktien oder anderen Finanzprodukten kann mit Optionen als Terminmarktinstrumente wesentlich differenzierter auf die Markterwartung und die speziellen Bedürfnisse der Investoren eingegangen werden. Optionen eignen sich für Spekulations- und Absicherungszwecke. Spekulationsgeschäfte sind solche Wertpapiergeschäfte, durch die auf den Kassa- und Terminmärkten zur Gewinnerzielung aus erwarteten zeitlichen Preisunterschieden Kauf- und Verkaufspositionen eingegangen werden. Hedgegeschäfte dagegen beinhalten gleichzeitig gegensätzliche Positionen auf den Kassa- und Terminmarkt zum Zwecke der Absicherung drohender Verluste aus zeitlichen Preisunterschieden. Die Eignung von Optionen zu Spekulationszwecken ist insbesondere darin begründet, dass sich mit einem im Vergleich zu Kassamarktpositionen niedrigerem Kapitaleinsatz überdurchschnittliche Gewinne erzielen lassen (Leverage-Effekt), das Verlustrisiko jedoch auf das eingesetzte Kapital (Optionsprämie) beschränkt bleibt. Die Eignung zu Absicherungszwecken ist in der Möglichkeit begründet, Gegenpositionen zu Kassamarktpositionen derart aufzubauen, dass auch das gegen Diversifikationsmaßnahmen resistente marktabhängige Risiko (systematisches oder nicht diversifizierbares Risiko) neutralisiert werden kann. Im Rahmen der Verwendung von Optionen für Spekulations- und Hedgezwecke lassen sich in Abhängigkeit der zukünftigen Kurseinschätzung der Aktie eine Vielzahl von Handelsstrategien ableiten. Zur Demonstration der Anwendungsvielfalt werden in den folgenden Abschnitten vornehmlich die in der Praxis angewandten Investitionsstrategien betrachtet und ihre Chancen und Risiken aufgezeigt. Die Darstellung beschränkt sich dabei auf die Investitionsobjekte zugrundeliegende Aktie, Call Option und Put Option. Die Diagramme zeigen den absoluten, und nicht den prozentualen, auf den Einsatz bezogenen Gewinn und Verlust. Der Einfachheit halber wird unterstellt, dass während der Restlaufzeit der Option auf die zugrundeliegende Aktie keine Dividendenzahlungen oder sonstige Nebenrechte anfallen. Transaktionen, Steuern, sowie erforderliche Einschüsse bleiben unberücksichtigt. Betrachtungszeitpunkt ist der Verfallstermin der Option. Ein Zeitwert, sowie die Möglichkeit der vorzeitigen Veräußerung oder Ausübung werden dadurch vernachlässigt. Es werden die folgenden Symbole verwendet: = der Aktienkurs bei Positionseröffnung = der Basispreis = Marktpreis der Call Option = Marktpreis der Put Option = Zeitpunkt der Positionsschließung bzw. Verfallszeitpunkt der Option = Gewinn Die Gewinn- und Verlustfunktion der jeweiligen XY-Position in Abhängigkeit vom zukünftigen Aktienkurs sei ( ) . 8.3.1 Long- und Short-Position in einer Aktie Mit dem Kauf einer Aktie (Long Position in einer Aktie) erwartet der Investor steigende Aktienkurse. Die Position wird durch den Kauf der Aktie zum Kurs S eröffnet und durch den Verkauf dieser Aktie zum Kurs wieder geschlossen. Unter den gemachten Annahmen ergibt sich für ein Gewinn in Höhe und für < ein Verlust von . Mit einer Aktie Long Position ist der maximale Verlust auf das anfängliche Investment S limitiert, das Gewinnpotenzial dagegen ist (theoretisch) <?page no="312"?> 312 8 Optionen unbegrenzt. Damit ergibt sich in Abhängigkeit von dem bei Positionsschließung geltenden Aktienkurs die folgende Gewinn-/ Verlust-Funktion: , für 0 LA T T T G S S S S Graphisch kann das Gewinn- und Verlustpotenzial durch eine 45º Gerade mit positiver Steigung veranschaulicht werden. Gewinn und Verlust verlaufen proportional zur Kursentwicklung der Aktie. Bild 8.5 Gewinn-/ Verlust-Profil einer Long- und Short-Position in einer Aktie Eine Aktie-Leerverkaufsposition (Aktie Short-Position) wird durch den Verkauf einer ausgeliehenen Aktie zum Kurs von S eröffnet und durch den Kauf und die Rückgabe dieser Aktie zum Kurs T S wieder geschlossen. Der Investor erwartet dabei fallende Aktienkurse. Ist ( > ) ergibt sich ein Gewinn (Verlust) in Höhe von ( ) . Im Gegensatz zu einer Long Position in einer Aktie ist hier das Gewinn- G(S T ) S T Long Aktie S G(S T ) S T S Short Aktie <?page no="313"?> 8.3 Handelsstrategien mit Optionen 313 potenzial nach oben durch S begrenzt, während das Verlustpotenzial beliebig groß werden kann. Für die Gewinn-/ Verlust-Funktion einer Short-Position in einer Aktie gilt demnach: , für 0 SA T T T G S S S S Ein Leerverkauf bedingt den Verkauf einer Aktie, die man nicht besitzt. Dies wird dadurch bewerkstelligt, dass man sich die Aktie von einem Dritten, der die Aktie besitzt, ausleiht (in diesem Zusammenhang wird in Deutschland von einer Wertpapierleihe gesprochen). Das Ausleiheprozedere hierfür wird von der Bank oder dem Broker übernommen. Der Leerverkäufer ist verpflichtet, zu einem künftigen Zeitpunkt dieselbe Aktie wieder zurückzugeben. Er kann sie am Markt kaufen und dem Verkäufer liefern. Ganz offensichtlich profitiert der Verkäufer von einem Kursrückgang der ausgeliehenen Aktie. Werden während der Ausleihefrist Bardividenden gezahlt, ist der Leerverkäufer dem Verleiher gegenüber verpflichtet, diese in voller Höhe aus eigenen Mitteln zu vergüten, d.h. der Leerverkäufer erhält nicht nur nicht die Bardividenden, er muss sogar Ausgleichszahlungen vornehmen. 8.3.2 Long- und Short-Position in einer Call Option Der Käufer einer Call Option erwirbt vom Verkäufer der Option das Recht, die der Option zugrundeliegenden Aktien innerhalb der Optionsfrist zum vereinbarter Basispreis zu kaufen. Der Käufer einer Call Option erwartet steigende Aktienkurse. Mit dem Kauf des Calls (Long Call) ist der Optionspreis C zu entrichten. Befindet sich im Verfallszeitpunkt (bei Positionsschließung) der Kurs der zugrundeliegenden Aktie unter dem Basispreis, d.h. ist < , bleibt die Option unausgeübt und verfällt wertlos. Dadurch entsteht dem Optionskäufer ein Verlust in Höhe der gezahlten Optionsprämie C. Liegt dagegen der Aktienkurs über dem Basispreis, ist > , wird die Aktie durch Optionsausübung vom Optionsverkäufer (Stillhalter) zum Basispreis K erworben und gleichzeitig zum Preis von verkauft. Dabei entsteht ein Ausübungsgewinn von . Für den Optionskäufer ergibt sich immer dann ein Gewinn, wenn der Aktienkurs über der Gewinnschwelle + liegt, wenn > + ist. Für den Fall = + (Break-Even-Point) ist das anfängliche Investment gerade verdient. Liegt der Aktienkurs im Verfallszeitpunkt zwischen Basispreis und der Gewinnschwelle, gilt < < + , wird der Käufer das Calls unter Einbeziehung der Transaktionskosten entscheiden, ob eine Optionsausübung vorteilhaft ist. Für eine Long-Call-Position ergibt sich die folgende Gewinn-/ Verlust-Funktion: für 0 für T LC T T T C S K G S S K C S K Das Gewinn- und Verlustprofil einer Long Position in einer Call Option ist in Bild 8.6 dargestellt. Der Verkäufer einer ungedeckten Call Option (Uncovered Call Writing) geht die Verpflichtung ein, eine bestimmte Anzahl Aktien zu einem bestimmten Preis bis zu einem festgelegten Zeitpunkt zu verkaufen, falls der Optionskäufer von seinem Recht Gebrauch macht. Für die eingegangene Verpflichtung erhält der Optionsverkäufer (Stillhalter) als Gegenleistung die Optionsprämie C. Der Verkäufer einer ungedeckten Call Option erwartet stagnierende oder fallende Aktienkurse (ein Investor, der stark fallende Aktienkurse erwartet, sollte jedoch eine Put Option kaufen). <?page no="314"?> 314 8 Optionen Da mit der Eröffnung einer Long-Call-Position auf der Käuferseite gleichzeitig auf der Verkäuferseite eine Short-Call-Position eingegangen wird, ist der Gewinn (Verlust) des Verkäufers identisch mit dem Verlust (Gewinn) des Käufers. Abstrahiert man von den Transaktionskosten, dann sind Optionskontrakte Nullsummenspiele. Der Gewinn des einen, ist gleich dem Verlust des anderen. Ist im Verfallszeitpunkt , bleibt die Option unausgeübt. Dadurch entsteht für den Call Verkäufer ein Gewinn in Höhe der vereinnahmten Optionsprämie C. Ist dagegen > , wird die Option durch den Käufer ausgeübt. Der Optionsverkäufer muss dann, um seiner eingegangenen Verpflichtung nachzukommen, die Aktie zum aktuellen Marktpreis kaufen und zum vereinbarten Basispreis liefern. Er wird immer dann einen Verlust erleiden, wenn der Aktienkurs über der Gewinnschwelle + , d.h. wenn > + . Für ein Short Call Position ergibt sich damit die folgende Gewinn-/ Verlust-Funktion: für 0 für T SC T T T C S K G S C K S S K Das Gewinn- und Verlustprofil einer Short-Position in einer Call Option ist in Bild 8.6 dargestellt. Bild 8.6 Gewinn-/ Verlust-Profil einer Long- und Short-Position in einer Call Option G(S T ) S T - C K Long Call G(S T ) S T K Short Call C <?page no="315"?> 8.3 Handelsstrategien mit Optionen 315 Beispiel 8.1 Die XYZ-Aktie notiert gegenwärtig bei 17 Euro. Ein Investor möchte auf diese Aktie eine Call Option mit einem Basispreis von 15 Euro und einer Restlaufzeit von 3 Monaten kaufen. Die Call-Prämie beträgt 2,50 Euro. Es sollen für einen Long Call und Short Call die Markterwartung des Investors, der innere Wert und der Zeitwert der Option, der maximale Gewinn, der maximale Verlust und der Break-Even-Point bestimmt werden. Zudem soll festgestellt werden, bei welchen Kursen zwischen 0 und 25 Euro der Call ausgeübt wird und wie hoch der jeweilige Gewinn bzw. Verlust in diesem Bereich ist. Der Käufer (Verkäufer) einer Call Option erwartet steigende (stagnierende, leicht fallende) Kurse der zugrundeliegenden Aktie. Der innere Wert der Option beträgt 2 Euro und der Zeitwert 0,50 Euro. Der maximale Gewinn ist bei einem Long Call (Short Call) theoretisch unbegrenzt (auf die Optionsprämie von 2,50 Euro begrenzt), der maximale Verlust ist bei einem Long Call (Short Call) auf die Optionsprämie von 2 Euro begrenzt (theoretisch unbegrenzt). Der Break-Even-Point ist die Summe aus Basispreis und Optionspreis und liegt bei 17,50 Euro. Excel-Umsetzung Die Excel-Umsetzung bereitet keine Schwierigkeiten. Nach Eingabe der Input-Parameter Aktienkurs, Call Preis und Basispreis werden für die Positionen Long Call und Short Call die gesuchten Größen innerer Wert, Zeitwert, maximaler Gewinn und Verlust, sowie der Break-Even-Point berechnet und der Gewinn/ Verlust im Kursbereich von 0 Euro bis 30 Euro modelliert. Position Inhalt Excel-Umsetzung D10 innerer Wert =MAX(0; D6-D7) D11 Zeitwert =D8-D10 D12 maximaler Gewinn unbegrenzt D13 maximaler Verlust Long Call =D8 D14 Break-Even-Point =D7+D8 C18 Ausübung Long Call ja/ nein =WENN(B18>$D$7; "ja"; "nein") D18 Gewinn/ Verlust Long Call =WENN(B18>$D$7; B18-$D$7- $D$8; -$D$8) H12 maximaler Gewinn Short Call =H8 G19 Ausübung Short Call ja/ nein =WENN(F18>$D$7; "ja"; "nein") H19 Gewinn/ Verlust Short Call =WENN(F18>$H$7; - F18+$H$7+$H$8; $H$8) <?page no="316"?> 316 8 Optionen Bild 8.7 Gewinn-/ Verlust-Profil einer Long- und Short-Position in einer Call Option (Beispiel 8.1) 8.3.3 Long- und Short-Position in einer Put Option Der Käufer einer Put Option (Long Put) erwirbt gegen Zahlung des Optionspreises P das Recht, innerhalb der Optionsfrist die der Option zugrundeliegenden Aktien zum vereinbarten Basispreis zu verkaufen. Der Käufer einer Put Option erwartet fallende Aktienkurse. Ist im Verfallszeitpunkt der Aktienkurs über dem Basispreis, d.h. > , bleibt die Option unausgeübt und verfällt wertlos. Dem Optionskäufer entsteht dadurch ein Verlust in Höhe des gezahlten Optionspreises. Ist , wird die Aktie am Markt zum Kurs erworben und durch Optionsausübung zum Basispreis K an den Optionsverkäufer (Stillhalter) geliefert. Hierbei entsteht ein Ausübungsgewinn von . Für den Put Käufer ergibt sich jedoch erst dann ein Gewinn, wenn der Aktienkurs über der Gewinnschwelle liegt, wenn gilt, < . Für den Fall = ist die Put Prämie gerade verdient. Damit erhält man die folgende Gewinn-/ Verlust-Funktion: für für 0 T LP T T T P S K G S K S P S K Das Gewinn-/ Verlust-Profil einer Long-Put-Position ist in Bild 8.7 dargestellt. Der Verkäufer einer Put Option (Short Put) verpflichtet sich, gegen den Erhalt des Optionspreises eine bestimmte Anzahl Aktien innerhalb der Optionsfrist zum vereinbarten Basispreis zu übernehmen; er wird deshalb auch Stillhalter in Geld bezeichnet. Der Verkäufer einer Put Option erwartet stagnierende oder leicht steigende Aktienkurse. Ist im Verfallszeitpunkt , bleibt die Option unausgeübt und für den Optionsverkäufer entsteht ein Gewinn in Höhe der vereinnahmten Optionsprämie P. Ist < , wird die die Option durch den Käufer ausgeübt. Der Verkäufer muss die zugrunde- <?page no="317"?> 8.3 Handelsstrategien mit Optionen 317 G(S T ) S T Long K - P G(S T ) S T P Short K liegende Aktie zum Basispreis übernehmen und kann sie am Markt zum Kurs von verkaufen. Er wird immer dann einen Verlust erleiden, wenn der Aktienkurs unter der Gewinnschwelle liegt, wenn gilt. Daraus ergibt sich folgende Gewinn-/ Verlust-Funktion: für für 0 T SP T T T P S K G S P S K S K Das Gewinn-/ Verlust-Profil einer Short-Put-Position ist in Bild 8.8 dargestellt. Bild 8.8 Gewinn-/ Verlust-Profil einer Long- und Short-Position in einer Put Option Beispiel 8.2 Die XYZ-Aktie notiert gegenwärtig bei 13,00 Euro. Ein Investor möchte auf diese Aktie eine Put Option mit einem Basispreis von 15,00 Euro und einer Restlaufzeit von 9 Monaten kaufen. Die Put Prämie beträgt 5,00 Euro. Es sollen für einen Long Put und Short Put die Markterwartung des Investors, der innere Wert und der Zeitwert der Option, der maximale Gewinn, der maximale Verlust und der Break-Even-Point bestimmt werden. Zudem soll festgestellt werden, bei welchen Kursen zwischen 0 und 40 Euro der Put ausgeübt wird und wie hoch der jeweilige Gewinn bzw. Verlust in diesem Bereich ist. Der Käufer (Verkäufer) einer Put Option erwartet fallende (stagnierende, leicht steigende) Kurse der zugrundeliegenden Aktie. Der innere Wert der Option beträgt 2,00 Euro und der Zeitwert 3,00 Euro. Der maximale Gewinn beträgt beim Long Put beträgt 10,00 Euro und wird erreicht, wenn die Aktie auf Null fällt. Der maximale Gewinn des Short Put entspricht der Optionsprämie von 5,00 Euro. Der maximale Verlust bei einer <?page no="318"?> 318 8 Optionen Long-Put-Position ist auf die bezahlte Optionsprämie von 5,00 Euro begrenzt; bei der Short-Put-Position entspricht der maximale Verlust der Differenz zwischen der vereinnahmten Optionsprämie und dem Basispreis, also 10,00 Euro, und wird erreicht, wenn der Aktienkurs auf Null fällt. Der Break-Even-Point liegt bei 10,00 Euro. Excel-Umsetzung Die Excel-Umsetzung bereitet keine Schwierigkeiten. Nach Eingabe der Input-Parameter Aktienkurs, Put Preis und Basispreis werden für die Positionen Long Put und Short Put die gesuchten Größen innerer Wert, Zeitwert, maximaler Gewinn und Verlust, sowie der Break-Even-Point berechnet und der Gewinn/ Verlust im Kursbereich von 0 Euro bis 35 Euro modelliert. Position Inhalt Excel-Umsetzung D10 innerer Wert =MAX(0; D7-D6) D11 Zeitwert =D8-D10 D12 maximaler Gewinn Long Put =D7-D8 D13 maximaler Verlust Long Put =D8 D14 Break-Even-Point =D7-D8 C18 Ausübung Long Put ja/ nein =WENN(B18<$D$7; "ja"; "nein") D18 Gewinn/ Verlust Long Put =WENN(B18<$D$7; $D$7-B18-$D$8; -$D$8) H12 maximaler Gewinn Short Put =H8 G18 Ausübung Short Put ja/ nein =WENN(F18<$D$7; "ja"; "nein") H18 Gewinn/ Verlust Short Put =WENN(F18<$H$7; -$H$7+F18+$H$8 $H$8) Bild 8.9 Gewinn-/ Verlust-Profil einer Long- und Short-Position in einer Put Option (Beispiel 8.2) <?page no="319"?> 8.3 Handelsstrategien mit Optionen 319 8.3.4 Hedge-Strategien Ein Hedge ist ein Portfolio aus der zugrundeliegenden Aktie und einer oder mehrerer Optionen(en) desselben Typs (Call oder Put Optionen) derart, dass die Aktie die Option(en) oder die Option(en) die Aktie gegen ungünstige Kursentwicklungen absichert. Die Absicherung einer Long Aktie (Short Aktie) erfolgt durch eine Short Call Position (Short-Put-Position) oder durch eine Long-Put-Position (Long-Call-Position). 8.3.4.1 Long Position in einer Aktie und Short-Position in einer Call Option Eine Short Call Position gilt als gedeckt, wenn der Verkäufer der Call Option die zugrundeliegenden Aktien besitzt oder zeitgleich mit dem Verkauf der Call Option anschafft (Covered Call Writing). Der Verkäufer einer gedeckten Call Option (Covered Call Writer) erwartet unveränderte oder leicht steigende Aktienkurse und verfolgt das Ziel, durch den Verkauf des Calls zusätzliches Einkommen zu generieren, wodurch er in Höhe der vereinnahmten Optionsprämie gegen leichte Kursrückgänge der Aktie abgesichert ist. Das Bild 8.10 zeigt das Gewinn- und Verlustprofil aus dem Verkauf einer gedeckten Call Option im Verfallszeitpunkt T für den Fall = und > . Aus der Darstellung geht hervor, dass der maximal mögliche Gewinn auf die vereinnahmte Optionsprämie begrenzt ist. Ist > , wird die Option ausgeübt und der Verkäufer (Stillhalter) wird die als Sicherheit hinterlegte Aktie zum vereinbarten Basispreis liefern. Liegt der Aktienkurs zwischen dem Basispreis und der Gewinnschwelle , ist < < , entsteht für den Call Verkäufer noch ein Gewinn, der jedoch umso geringer ausfällt, je tiefer der Aktienkurs unter dem Basispreis liegt. Ist < , entsteht für den Verkäufer der Call Option ein Verlust. Die Gewinn-/ Verlust-Funktion ergibt sich, wenn man die Gewinn-/ Verlust-Funktionen der Long Aktie Position und der Short Call Position kombiniert. Damit erhält man für = die folgende Gewinn-/ Verlust- Funktion: , für für 0 T LS SC T T T C S K G S C S K S K Das Gewinn- und Verlustpotenzial bzw. der Grad der Absicherung kann variiert werden, wird auf die Aktie eine Call Option verkauft, die im Geld ( > ) oder aus dem Geld ( < ) ist. Die Absicherung gegen fallende Aktienkurse ist umso größer (geringer), je teurer (billiger) die verkaufte Option ist. Diesem niedrigeren (höheren) Risiko stehen aber auch geringere (größere) Gewinnchancen gegenüber. Für ergibt sich die folgende Gewinn-/ Verlust-Funktion: , für für 0 T LS SC T T T C K S S K G S C S S S K <?page no="320"?> 320 8 Optionen Bild 8.10 Gewinn-/ Verlust-Profil einer Long Position in einer Aktie kombiniert mit einer Short Position in einer Call Option für = und > . Analog zur aufgezeigten Vorgehensweise kann eine Short-Position in einer Aktie durch eine Short-Put-Position abgesichert werden. Beispiel 8.3 Ein Anleger kauft XYZ-Aktien zu 30 Euro und schreibt eine März-Call Option mit einer Restlaufzeit von 6 Monaten und einem Basispreis von 30 Euro für 2,00 Euro, um zusätzliches Einkommen zu generieren. Es sollen der maximale Gewinn, der maximale Verlust, der Break-Even-Point berechnet und die Cash Flows dieser Strategie im Bereich von 20 bis 40 Euro tabellarisch dargestellt werden. Der maximale Gewinn ist auf die vereinnahmte Optionsprämie begrenzt, der maximale Verlust beträgt 30 Euro abzüglich der vereinnahmten Optionsprämie von 2,00 Euro und wird erreicht, wenn die Aktie auf Null fällt. Die Gewinnschwelle liegt bei 28,00 Euro. Der Cash Flow bei Eingehen der Positionen, CF, beträgt: Kauf XYZ-Aktie 30,00 Verkauf XYZ März 30 Call + 2,00 Cash Flow 28,00 G(S T ) S T C Long Aktie Short Call K G(S T ) S T C Long Aktie Short Call K S <?page no="321"?> 8.3 Handelsstrategien mit Optionen 321 Aktienkurs in T, Verkauf XYZ-Aktie Kauf März 30 Call Cash Flow in T, CF T Gewinn/ Verlust CF + C F 20 + 20 0 +20 - 8 22 +22 0 +22 - 6 24 +24 0 +24 - 4 26 +26 0 +26 - 2 28 +28 0 +28 0 30 +30 0 +30 +2 32 +32 - 2 +30 +2 34 +34 - 4 +30 +2 36 +36 - 6 +30 +2 38 +38 - 8 +30 +2 40 +40 - 10 +30 +2 Bild 8.11 Cash Flows einer Long Position in einer Aktie und einer Short-Position in einer Call Option (Covered Call Writing) bei Positionsschließung. Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Input-Parameter Kaufkurs der Aktie, Basispreis und Optionsprämie können die gesuchten Größen problemlos berechnet werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung D10 Cash Flow bei Eingehen der Positionen =-D6+D8 D11 maximaler Gewinn =D8 D12 maximaler Verlust =D6-D8 D13 Break-Even-Point =D7-D8 D18 Kauf Call =WENN(B18<=$D$7; 0; $D$7-B18) E18 Cash Flow in T =C18+D18 F18 Gewinn/ Verlust in T =E18+$D$10 <?page no="322"?> 322 8 Optionen Bild 8.12 Gewinn-/ Verlust-Profil einer Long Position in einer Aktie kombiniert mit einer Short- Position in einer Call Option für = (Beispiel 8.3). 8.3.4.2 Long Position in einer Aktie und Long Position in einer Put Option Durch den Kauf einer Put Option zur Absicherung einer Aktie Long Position (Protective Put) wird das Verlustrisiko der Aktie limitiert, die Gewinnchancen bleiben dagegen uneingeschränkt erhalten. Das Erfolgspotenzial dieser Hedge-Strategie ist in Bild 8.13 für = und < dargestellt. Ein Gewinn aus dieser Position ergibt sich immer dann, wenn > + ist, wenn also bei Positionsschließung der Aktienkurs über dem Break-Even-Point + liegt. Für wird der maximal mögliche Verlust P realisiert. Damit erhält man für = folgende Gewinn-/ Verlust-Funktion: , ( ) = für 0 für > Ist ergibt sich folgende Gewinn-/ Verlust-Funktion: , ( ) = für 0 für > Analog zur aufgezeigten Vorgehensweise lässt sich eine Short-Position in einer Aktie durch eine Long Call Option absichern. Das Ergebnis der Absicherung kann zudem variiert werden, wenn die Anzahl der verkauften Optionen in einem ungleichen Verhältnis zur Anzahl der zugrundeliegenden Aktien steht. Man spricht dann von variablen Hedge-Strategien. Beispiel 8.4 Vor Monaten kaufte ein Anleger XYZ-Aktien zu einem Preis von 15 Euro pro Aktie. Die Aktie wird gegenwärtig zu 22 Euro gehandelt. Der Anleger erwartet innerhalb der nächsten 6 Monate einen Kursrückgang der Aktie, möchte aber seinen Buchgewinn von 7 Euro pro Aktie nicht verlieren und auch von steigenden Kursen profitieren, sollte die Aktie wider Erwarten steigen. Deshalb entschließt er sich, eine Juni 20 Put Option auf die XYZ-Aktie zu kaufen. Die Put-Prämie beträgt 2 Euro. Es sollen der maximale Gewinn und Verlust sowie die Gewinnschwelle dieser Hedge-Strategie bestimmt werden. Welchen Gewinn bzw. Verlust würde der Anleger realisieren, wenn der Aktienkurs im Verfallszeitpunkt der Option bei 15, 20 und 30 Euro stünde? Der Anleger sichert den gegenwärtigen Kurs von 22 Euro ab. Von 22 Euro auf 20 Euro erfolgt keine Absicherung, wodurch bei einem Aktienrückgang ein Verlust von 2 Euro entstehen kann. Ab 20 Euro erfolgt die Absicherung fallender Aktienkurse. Der maxi- <?page no="323"?> 8.3 Handelsstrategien mit Optionen 323 Bild 8.13 Gewinn-/ Verlust-Profil einer Long Position in einer Aktie kombiniert mit einer Long Position in einer Put Option für = und > . male Gewinn ist theoretisch unbegrenzt, der maximale Verlust beträgt 4 Euro und die Gewinnschwelle liegt bei 24 Euro. Bei einem Aktienkurs von 15 und 20 Euro beträgt der Verlust 4 Euro, bei einem Kurs von 30 Euro entsteht ein Gewinn von 6 Euro. Excel-Umsetzung Nach Eingabe des gegenwärtigen Aktienkurses (dieser soll abgesichert werden), des Basispreises und der Put Prämie können die gesuchten Größen berechnet werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung D10 Cash Flow bei Eingehen der Positionen =-D6-D8 D11 maximaler Gewinn unbegrenzt D12 maximaler Verlust =D6-D7+D8 D13 Break-Even-Point =D6+D8 C18 Verkauf Aktie =B18 G(S T ) S T - P K Long Put Long Aktie G(S T ) S T K S Long Put Long Aktie - P <?page no="324"?> 324 8 Optionen D18 Verkauf Put Option =WENN(B18<$D$7; $D$7-B18; 0) E18 Cash Flow in T =C18+D18 F18 Gewinn/ Verlust =$D$10+E18 Bild 8.14 Long Position in einer Aktie kombiniert mit einer Long Position in einer Put Option für > (Beispiel 8.4) 8.3.5 Spreads Eine Spread-Position entsteht durch den gleichzeitigen Kauf und Verkauf von Optionen gleicher Klasse (Call oder Put Optionen), aber unterschiedlicher Serien (verschiedene Basispreise oder Laufzeiten). Der Spread ist die Differenz zwischen bezahlten und erhaltenen Optionspreis. Ein Spread kann je nach Wahl der verschiedenen Optionen nach steigenden, gleichbleibenden oder fallenden Kursen der zugrundeliegenden Aktie ausgerichtet sein. Im Allgemeinen kommen der Vertikal Spread (auch Money Spread oder Price Spread genannt), der Horizontal Spread (auch Kalender Spread genannt) und der Diagonal Spread zur Anwendung. Nachfolgend wird aus der Vielzahl der sich durch verschiedene Kombinationsmöglichkeiten ergebenden Spread-Positionen der Bullish Vertical Spread betrachtet. Vertical Spreads können bullish (auf steigende Aktienkurse) oder bearisch (auf fallende Aktienkurse) ausgerichtet sein und mit Kauf- oder Verkaufsoptionen errichtet werden. Der Spread entsteht durch die unterschiedlichen Basispreise der Optionen. Die Funktionsweise von Spreads soll anhand eines Bullish Vertical Spreads mit Call und Put Optionen demonstriert werden. Ein Bullish Vertical Spread wird durch den gleichzeitigen Kauf und Verkauf zweier Call Optionen (Put Optionen) derselben Basisaktie, derselben Laufzeit, aber unterschiedlicher Basispreise errichtet, wobei die Call Option (Put Option ) mit dem niedrigeren Basispreis gekauft und die Call Option (Put Option ) mit dem höheren Basispreis verkauft wird. Mit dem Eingehen eines Bullish Vertical Spreads werden leicht steigende Aktienkurse erwartet. Da der Preis der Call Option (Put <?page no="325"?> 8.3 Handelsstrategien mit Optionen 325 Option ) mit dem niedrigeren Basispreis teuer (billiger) ist als der Preis der Call Option ) (Put Option ) mit dem höheren Basispreis, entsteht bei Positionseröffnung eine Debit-Saldo (Credit-Saldo) von ( 2 1 ). Ist bei Positionsschließung ( > ), verfallen beide Optionen aus dem Geld und damit unausgeübt, und es entsteht ein maximaler Verlust (Gewinn) in Höhe von ( ). Ist < ( < ), wird die Aktie durch Ausübung von ( ) vom Optionsverkäufer (Optionskäufer) zum Basispreis ( ) gekauft (verkauft) und am Markt zu verkauft (gekauft). Dadurch entsteht für den Optionskäufer (Optionsverkäufer) ein Ausübungsgewinn (Ausübungsverlust) von ( ). ( ) bleibt unausgeübt. Für den Optionskäufer (Optionsverkäufer) entsteht jedoch erst dann ein Gewinn (Verlust), wenn der Aktienkurs über (unter) die Gewinnschwelle von + ( + ) liegt, d.h., wenn > + ( < + ) ist. Ist > ( < 1 ), werden beide Optionen ausgeübt und es wird der maximal mögliche Gewinn (Verlust) von + ( + ) realisiert. Für einen Bullish Vertical Spread, errichtet mit Call Optionen, ergibt sich dann folgende Gewinn-/ Verlust-Funktion: 1 2 2 1 1 , 1 2 1 1 2 2 1 2 1 2 für 0 für für T LC SC T T T T C C S K G S S K C C K S K K K C C S K Für einen Bullish Vertical Spread errichtet mit Put Optionen gilt: 1 2 2 1 2 , 2 2 1 1 2 1 2 2 1 1 für für für 0 T LP SP T T T T P P S K G S S K P P K S K K K P P S K Beispiel 8.5 Ein Investor errichtet einen Bullish Vertical Spread mit Call Optionen auf die XYZ- Aktie. Die Prämie des Juli 15 Calls beträgt 4 Euro und die des Juli 20 Calls 2 Euro. Der gegenwärtige Kurs der Aktie liegt bei 17 Euro. Es sollen der maximale Gewinn, der maximale Verlust und der Break-Even-Point bestimmt werden. Zudem sollen der Gewinn bzw. Verlust des Spreads im Bereich zwischen 0 Euro und 30 Euro berechnet werden (siehe Excel-Darstellung). Bild 8.15 Gewinn-/ Verlust-Profil eines Bullish Vertical Spreads mit Call Optionen G(S T ) S T C 2 - C 1 K 1 K 2 Long Call Short Call <?page no="326"?> 326 8 Optionen Der maximale Gewinn wird erreicht, wenn der Aktienkurs über 20 Euro liegt, und beträgt 3 Euro. Der maximale Verlust von 2 Euro wird realisiert, wenn die Aktie unter 15 Euro fällt. Der Break-Even-Point liegt bei 17 Euro. Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Input-Parameter aktueller Aktienkurs, Basispreis des Long Calls, Basispreis des Short Calls und der Optionspreise können die gesuchten Größen berechnet werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung D12 anfänglicher Cash Flow, CF =-D9+D10 D13 maximaler Gewinn =D8-D7-D9+D10 D14 maximaler Verlust =D9-D10 D15 Break-Even-Point =D7+D9-D10 C20 Verkauf Juli 15 Call =WENN(B20<=$D$7; 0; B20-$D$7) D20 Kauf Juli 20 Call =WENN(B20<$D$8; 0; B20-$D$8) E20 Cash Flow in T =C20-D20 F20 Gewinn/ Verlust in T =E20+$D$12 Bild 8.16 Gewinn-/ Verlust-Profil eines Bullish Vertical Spread mit Call Optionen (Beispiel 8.5) <?page no="327"?> 8.3 Handelsstrategien mit Optionen 327 8.3.6 Straddles und Strangles Straddles und Strangles sind Beispiele für Kombinationen. Eine Kombination entsteht durch die Verknüpfung von Optionen unterschiedlichen Typs (Call und Put Optionen) derselben Basisaktie solchermaßen, dass beide Optionen entweder gekauft (Long Straddle oder Strangle) oder verkauft (Short Straddle oder Strangle) werden. Die Anzahl der konstruierbaren Kombinationen ist nahezu unbegrenzt. Zur inhaltlichen Demonstration werden hier der Straddle und eine synthetische Long Position in einer Aktie demonstriert. Ein Long Straddle (Short Straddle) wird durch den gleichzeitigen Kauf (Verkauf) eines Calls und eines Puts derselben Basisaktie, derselben Basispreise und derselben Laufzeit errichtet. Der Käufer (Verkäufer) eines Straddles erwartet stark steigende oder stark fallende (nahezu unveränderte) Kursveränderungen der zugrundeliegenden Aktie. Bild 8.17 zeigt das Gewinn-/ Verlust-Profil eines gekauften Straddles (Long Straddle) und verkauften Straddle (Short Straddle), wobei der Call und der Put Option jeweils der gleiche Basispreis zugrunde liegt. Bei Positionseröffnung entsteht durch den Kauf (Verkauf) der Call und Put Option ein Debit-Saldo (Credit-Saldo) von ( + ). Dieser Debit-Saldo (Credit-Saldo) stellt den maximal möglichen Verlust (Gewinn) dar und wird realisiert, wenn bei Positionsschließung der Kurs der Aktie mit dem Basispreis identisch ist, wenn gilt, = . Ist hingegen > + + oder < , ergibt sich aus der Position ein Gewinn. Für ein gekauften Straddle erhält man die folgende Gewinn-/ Verlust-Funktion: , ( ) = f ü r = f ü r > f ü r 0 Für einen Short Straddle erhält man: , ( ) = + f ü r = + + f ü r > + + f ü r 0 Bild 8.17 Long Straddle und Short Straddle mit Call Optionen Ist der Basispreis der gekauften (verkauften) Call Option mit dem Basispreis der gekauften (verkauften) Put Option nicht identisch, ergibt sich das Profil eines Long Strangle (Short Strangle). G(S T ) S T K - P - C Long Put Long Call - C - P <?page no="328"?> 328 8 Optionen Beispiel 8.6 Der gegenwärtige Aktienkurs der XYZ-Aktie sei 20 Euro. Es wird ein Straddle mit einer XYZ Juni 15 Call Option und einer XYZ Juni 15 Put Option gekauft. Es sollen der maximal mögliche Gewinn und Verlust sowie der Break-Even-Point berechnet und der mögliche Gewinn bzw. Verlust im Bereich von 0 Euro bis 30 Euro dargestellt werden (siehe Excel-Darstellung). Der anfängliche Cash Flow, wenn die Positionen eingegangen werden, kann wie folgt dargestellt werden: Kauf XYZ Juni 15 Call 2,50 Kauf XYZ Juni 15 Put + 2,00 Cash Flow, CF 4,50 Der anfängliche Cash Flow von 4,50 Euro stellt den maximal möglichen Verlust dar und wird realisiert, wenn der Aktienkurs bei 20 Euro steht. Die Gewinnschwelle liegt bei 19,50 Euro bzw. bei 10,50 Euro. Liegt der Aktienkurs im Verfallszeitpunkt unter oder über einen dieser Kurse, dann entsteht für den Käufer des Straddle ein Gewinn. Excel-Umsetzung Nach Eingabe des Basispreises und der Optionsprämien für Juni 20 Call Option und die Juni 20 Put Option können die gesuchten Größen bestimmt werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung E11 Cash Flow, CF =-E8-E9 E13 maximaler Gewinn nach unten =E7-E8-E9 E14 maximaler Verlust =E8+E9 E15 Break-Even-Point nach oben =E7+E8+E9 E16 Break-Even-Point nach unten =E7-E8-E9 C21 Verkauf XYZ Juni 20 Call =WENN(B21<=$E$7; 0; B21-$E$7) D21 Verkauf XYZ Juni 20 Put =WENN(B21<$E$7; $E$7-B21; 0 E21 Cash Flow in T =C21+D21 F21 Gewinn/ Verlust in T =$E$11+C21+D21 <?page no="329"?> 8.3 Handelsstrategien mit Optionen 329 Bild 8.18 Long Straddle (Beispiel 8.6) 8.3.7 Synthetische Aktienposition Eine synthetische Long (Short) Position in einer Aktie wird durch den gleichzeitigen Kauf (Verkauf) einer Call Option und den Verkauf (Kauf) einer Put Option desselben Basispreises und derselben Laufzeit erzeugt. Die Gewinn-/ Verlust-Funktion ergibt sich aus der kombinierten Gewinn-/ Verlust-Funktion der Long Call Position und der Short Put Position. Long Call: für 0 für T LC T T T C S K G S S K C S K Short Put: für für 0 T SP T T T P S K G S P S K S K Kombinierte Position: für 0 für T T LS T T T S K C P S K G S S K C P S K Das Gewinn- und Verlustprofil dieser synthetischen Long Stock Position ist in Bild 8.19 dargestellt. Bild 8.19 Synthetische Long Stock Position G(S T ) S T K <?page no="330"?> 330 8 Optionen Das folgende Beispiel soll verdeutlichen, dass das Eingehen einer synthetischen Long Position in einer Aktie gegenüber dem Direktkauf einer Aktie vorteilhaft sein kann. Beispiel 8.7 Der gegenwärtige Aktienkurs der XYZ-Aktie steht bei 119,25 Euro. Es soll das Gewinn-/ Verlust-Profil dieser Aktie durch den Kauf einer Juni 120 Call Option und den Verkauf einer Juni 120 Put Option, beide mit derselben Laufzeit, nachgebildet werden. Zudem soll gezeigt werden, dass das Eingehen einer synthetischen Long Position in der XYZ-Aktie gegenüber dem Direktkauf der Aktie vorteilhaft ist, wenn die Haltedauer 180 Tage beträgt und ein Jahreszinssatz von 8% zugrunde gelegt wird. Der anfängliche Cash Flow, wenn die Positionen eingegangen werden, kann wie folgt dargestellt werden: Kauf XYZ Juni 120 Call 6,75 Verkauf XYZ Juni 120 Put + 4,50 Cash Flow, CF 2,25 Damit ergibt sich für Aktienkurse zwischen 115 Euro und 127 Euro das in Bild 8.19 dargestellte Gewinn-/ Verlust-Profil. Excel Umsetzung Nach Eingabe der erforderlichen Parameter können die gesuchten Größen problemlos berechnet werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung E11 Cash Flow =E8+E9 C16 Verkauf XYZ Juni 120 Call =WENN(B16<=$E$7; 0; B16-$E$7) D16 Kauf XYZ Juni 120 Put =WENN(B16<$E$7; $E$7-B16; 0) E16 Cash Flow in T =C16-D16 F16 Gewinn/ Verlust =$E$11+E16 <?page no="331"?> 8.4 Optionspreis Determinanten 331 Bild 8.20 Synthetische Long Position in einer Aktie (Beispiel 8.7) Zur Beantwortung der Frage, ob das Eingehen einer synthetischen Long Position in einer Aktie gegenüber dem Direktkauf vorteilhaft sein kann, kann folgende Überlegung angestellt werden. Da einer Option 100 Aktien zugrunde liegen, würde der Kauf von 100 XYZ-Aktien ein Kapital von 11.925 Euro binden, der Kauf der synthetischen Aktie jedoch nur 225 Euro. Unterstellt man einen jährlichen Zinssatz von 8%, dann beträgt der entgangene Zinsgewinn für 180 Tage 461,59 Euro: 0, 08 180 11.925 225 461, 59 365 Damit wird der Verlust von 300,00 Euro (225 Euro anfänglicher Verlust durch die angeschafften Optionen und 75 Euro Verlust durch die Ausübung des Puts) mehr als kompensiert. 8.4 Optionspreis Determinanten Von der Vielzahl der Faktoren, die den Wert bzw. den Preis einer Option beeinflussen, sollen hier die Faktoren analysiert werden, die einen direkten und messbaren Einfluss auf den Wert einer Option ausüben. Die Determinanten mit direktem Einfluss auf den Wert von Call und Put Optionen sind: der aktuelle Aktienkurs S, der Basispreis K, die Restlaufzeit t, der risikofreie Zinssatz, r, die Volatilität der Aktie, , die erwarteten Dividendenzahlungen, D. Eine Variable übt dann einen direkten Einfluss auf den Wert einer Option aus, wenn die Änderung einer Variablen bei Konstanz der anderen Variablen den Optionswert verändert (Ceteris Paribus-Analyse). Mathematisch stellt dies die erste direkte partielle Ableitung des Optionspreises in Bezug auf die betrachtete Variable dar. So ergibt sich für eine Call Option: 0 0 0 0 0 0 C C C C C C S K t r D Die Bezeichnung / > 0 bedeutet beispielsweise, wenn der Kurs der Aktie um <?page no="332"?> 332 8 Optionen einen kleinen Betrag steigt, dann wird der Wert des Calls voraussichtlich ebenfalls steigen, wobei alle anderen Variablen (K, T, r, , D) unverändert bleiben. Im Folgenden soll es zunächst genügen, den Einfluss der Variablen intuitiv zu erklären. Der Aktienkurs und der Basispreis sind Variable, die sowohl vor Ablauf der Optionsfrist als auch im Verfallszeitpunkt der Option einen entscheidenden Einfluss auf den Optionswert ausüben. Je höher (niedriger) der der Aktienkurs für eine Call Option (Put Option), desto größer ist bezogen auf den Basispreis der Wert der Option. Der Einfluss des Aktienkurses auf den Wert der Option ist umso stärker, je weiter die Option im Geld liegt. Ist bei einer Call Option (Put Option) der Aktienkurs weit über (unter) dem Basispreis, so entspricht der Optionspreis hauptsächlich dem inneren Wert, und der Einfluss anderer preisbestimmender Faktoren ist gering. Der Zeitwert der Option wird geringer, je weiter die Option ins Geld kommt, und der Optionspreis schwankt annähernd gleich dem Aktienkurs. Die Option bekommt somit „Aktiencharakter“, und das mit dem Optionsengagement verbundene Risiko gleicht aufgrund des hohen Kapitaleinsatzes immer mehr dem einer Aktie. Bei Optionen, die am Geld und aus dem Geld sind, besteht der Optionspreis nur aus dem Zeitwert. Der Einfluss des Aktienkurses ist dann nicht mehr primär maßgebend, dafür bestimmen aber andere Einflussfaktoren wie die Volatilität der Aktie oder die Restlaufzeit umso mehr den Wert einer Option. Die Wahl des Basispreises bei Eingehen der Position übt im Gegensatz zum Kurs der zugrundeliegenden Aktie einen konträren Einfluss auf den Optionswert aus. Ein höherer Basispreis verringert ceteris paribus den Wert einer Kauoption, wirkt sich aber positiv auf den Wert einer Verkaufsoption aus. Bild 8.21 Zeitwert bei zunehmender Restlaufzeit Die an den Börsen gehandelten Kauf- und Verkaufsoptionen haben eine begrenzte Laufzeit und verfallen wertlos, wenn sie nicht spätestens vor den Verfallstermin verkauft bzw. ausgeübt werden. Die Restlaufzeit beeinflusst den Zeitwert einer Option und hat eine ähnliche Wirkung auf den Optionswert wie die Volatilität der Aktie. Je länger die Laufzeit ist, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit einer günstigen Kursentwicklung der Aktie, was aufgrund eines höheren Zeitwertes einen Wertzuwachs für die Option bedeutet. Mit zunehmend kürzer werdender Laufzeit nimmt der Zeitwert ständig ab, und der Wert der Option nähert sich tendenziell dem inneren Wert an. Dabei nimmt der Zeitwert nicht linear, sondern mit zunehmender negativer Steigung. Die Rate, mit der die Option an Zeitwert verliert, verhält sich proportional 0 1 2 3 0 2 4 6 8 10 Zeitwert Restlaufzeit <?page no="333"?> 8.4 Optionspreis Determinanten 333 zur Quadratwurzel der verbleibenden Restlaufzeit. So verliert beispielsweise eine Option mit dreimonatiger Laufzeit zweimal so viel an Zeitwert wie eine neunmonatige Option. In Bild 8.21 ist der Zeitwert bei abnehmender Restlaufzeit dargestellt. Neben dem das Kurspotenzial der zugrundeliegenden Aktie erhöhenden Zeiteffekt beeinflusst der Zeitfaktor den Barwert (Present Value) möglicher Basispreiszahlungen insbesondere bei Optionen europäischen Typs. Eine längere Laufzeit reduziert bei einer Call Option den bei Ausübung zu zahlenden bzw. den bei einer Put Option zu erhaltenden Barwert des Basispreises. Call und Put Optionen erfahren demnach eine unterschiedliche Bewertung. Der Käufer einer Call Option hat den Basispreis zum Ausübungszeitpunkt zu zahlen, für ihn sinkt die kapitalisierte Zahlungsbelastung bezogen auf frühere Auslauftermine, wodurch der Wert einer Call Option steigt. Für den Käufer einer Put Option ergibt sich der gegenteilige Effekt. Er vereinnahmt den Basispreis erst zum Ausübungszeitpunkt der Option. Durch diese spätere, von der Restlaufzeit abhängige Einnahme sinkt die Put Option im Wert. Es lässt sich feststellen, dass sich zusammen mit dem oben beschriebenen, das Kurspotenzial erhöhenden Zeiteffekt mit zunehmender Laufzeit der Wert einer Call Option erhöht. Diese Aussage kann eindeutig für Put Optionen nicht gemacht werden, da einerseits eine längere Laufzeit einen positiven Einfluss auf mögliche günstige Kursentwicklungen der Aktie ausübt, andererseits aber der Zeitfaktor über den Barwert eine Put Option ungünstig beeinflusst. Optionen amerikanischen Typs werden, da jederzeit ausübbar, durch die Diskontierung des Basispreises weniger stark beeinflusst, so dass eine längere Laufzeit den Wert von Call und Put Optionen gleichermaßen erhöht. Der Einfluss des Zinssatzes auf den Optionswert kann am einfachsten aus der Sicht des Optionsverkäufers (Stillhalters) gezeigt werden. Im Falle einer Call Option hält dieser die Aktie bis zum Verfallstermin und verzichtet solange auf eine Verzinsung der bei Veräußerung der Aktie anlegbaren Mittel. Je höher der Zinsverzicht ist, desto höher muss der für das Eingehen einer Stillhalterposition geforderte Optionspreis sein. Der Verkäufer einer Put Option hingegen ist Stillhalter „im Gelde“. Je höher der Zinsertrag ist, der bei Anlage der liquiden Mittel während der Optionsfrist erzielt werden kann, desto geringer kann die geforderte Prämie für die Stillhalterposition sein. Der Einfluss des Zinssatzes auf den Wert einer Option wird am deutlichsten, betrachtet man den Barwert des Basispreises, den der Käufer einer Call Option bei Ausübung zu zahlen verpflichtet ist bzw. den der Käufer einer Put Option bei Ausübung erhält. (1 + ) oder bei stetiger Verzinsung ist der Barwert des Basispreises einer Call oder Put Option, wobei hier r der Zinssatz risikoloser Geldanlagen (z.B. Treasury Bills) bezogen auf ein Jahr ist. Der Effekt eines steigenden Zinssatzes oder einer Laufzeitverlängerung auf den Barwert des Basispreises ist offensichtlich: Steigende Zinsen vermindern den Barwert des Basispreises, dadurch erhöht sich der Wert einer Call Option, und der Wert einer Put Option nimmt ab. Eine Laufzeitverlängerung wirkt sich ebenfalls über den Diskontierungsfaktor wertmindernd auf den Barwert des Basispreises aus, dabei werden der Wert einer Call Option begünstigt und der Wert einer Put Option ungünstig beeinflusst. Eine weitere Determinante ist die erwartete Kursentwicklung der Aktie während der Laufzeit der Option, die Volatilität der Aktie. Sie wird meist als Standardabweichung (oder Varianz) beobachteter oder geschätzter Aktienkurse gemessen. Je höher c.p. der Schwankungsbereich der Aktie ist, desto größer ist für den Optionskäufer die Wahr- <?page no="334"?> 334 8 Optionen scheinlichkeit einer günstigen, sich profitabel auswirkenden Kursentwicklung, eines Kursanstiegs bei Call Optionen und eines Kursrückgangs bei Put Optionen während der Restlaufzeit der Option. Zwar nimmt mit zunehmender Volatilität auch die Wahrscheinlichkeit ungünstiger Aktienkurse zu, diese führen aber nicht zu niedrigeren Optionswerten, da in diesem Fall die Option unausgeübt bleibt. Eine weitere Determinante, die den Kursverlauf der Aktie und somit auch den Optionspreis beeinflusst, sind die während der Optionsfrist erwarteten Dividendenzahlungen. Börsennotierte Call und Put Optionen werden Aktiensplits, Stockdividenden und sonstiger Nebenrechte angepasst, erfahren aber keinen Schutz gegen die Ausschüttung von Bardividenden. Die Auswirkungen hierfür auf nicht-dividendengeschützte Optionen zeigen sich in zweifacher Weise. Zum einen kommen Dividendenzahlungen einem Kursrückgang gleich, da sich der Kurs der Aktie am ex-Dividendetermin um den Betrag der gezahlten Dividende ermäßigt. Um dies zu verdeutlichen, sei S der Aktienkurs unmittelbar vor dem ex-Dividendetermin, der Aktienkurs unmittelbar danach und D die ausgeschüttete Dividende. Wäre > , würde also der Aktienkurs um weniger als die Dividende fallen, ließe sich unter Vernachlässigung von Transaktionskosten, Steuern und Sicherheitsleistungen durch den Kauf der Aktie unmittelbar vor dem ex-Dividende Termin und den Verkauf unmittelbar danach ein Gewinn von + erzielen, da + > gilt. Um diese Gewinnmöglichkeit auszuschließen, muss < gelten. In gleicher Weise ließe sich durch den Leerverkauf von S und den Rückkauf unmittelbar nach dem ex-Dividendetermin ein Gewinn erzielen, wäre < . Da solche Gewinnstrategien aus Arbitragegründen in der Regel nicht möglich sind, wird am ex-Dividendetermin ein Rückgang des Aktienkurses um den Betrag der ausgezahlten Dividende erwartet. Die Auswirkungen hiervon sind für Call und Put Optionen unterschiedlich. Durch den Rückgang des Aktienkurses sinkt, soweit vorhanden, der innere Wert der Call Option und der potenzielle Gewinn dieser Anlage verringert sich. Umgekehrt verhält es sich mit Put Optionen, deren Wert wird durch Dividendenzahlungen positiv beeinflusst. Der Wert einer Call Option (Put Option) wird demnach umso niedriger (höher) sein, je höher die erwarteten Dividenden vor Ablauf der Optionsfrist ausfallen. Die Ergebnisse, wenn sich eine dieser direkten Variablen ändern, während alle anderen konstant bleiben, sind in Bild 8.22 zusammengefasst. Dabei bedeutet ein +, dass eine Erhöhung im Wert der Variablen eine Erhöhung des Optionswertes zur Folge hat, ein bedeutet, dass eine Erhöhung im Wert der Variablen eine Verringerung des Optionswertes zur Folge hat. Variable Call Put aktueller Aktienkurs + Basispreis + Restlaufzeit + + risikoloser Zinssatz + Volatilität + Bardividenden + Bild 8.22 Zusammenfassung der Auswirkungen auf den Wert einer Aktienoption bei Erhöhung einer Variablen, wenn alle anderen Variablen konstant bleiben <?page no="335"?> 8.5 Wertober- und Wertuntergrenzen für Optionen 335 Neben den aufgezeigten fundamentalen Einflussgrößen, die für den Wert einer Option immer von Bedeutung sind, gibt es andere signifikante Faktoren, die ebenfalls den Optionswert beeinflussen, aber nicht in direkter Weise. Es sind dies: die Erwartungen über die Aktienkursentwicklung die Risikoneigung der am Optionshandel Beteiligten Charakteristika alternativer Anlagemöglichkeiten Transaktionskosten, Steuern und Sicherheitsleistungen Das Ergebnis, dass der Optionswert unabhängig davon ist, ob steigende oder fallende Aktienkurse erwartet werden, mag überraschen, da der Wert einer Call Option (Put Option) umso größer ist, je höher (niedriger) der Aktienkurs ist und es daher der Intuition entspräche, dass c.p. der aktuelle Wert einer Call Option (Put Option) umso größer ist, je höher (niedriger) der zukünftige Aktienkurs erwartet wird. Dies kann damit begründet werden, dass erwartete Aktienkurse, die sich nicht in der Volatilität niederschlagen, als risikolose Trends aufgefasst werden können und am Kassamarkt von den Marktteilnehmern eskomptiert werden und sich somit nicht im aktuellen Aktienkurs S niederschlagen. Insofern haben derartige Trenderwartungen keinen direkten, aber S einen indirekten Einfluss auf den Optionswert. Fasst man die Volatilität als multidimensionales Maß auf, das alle relevanten Informationen über die Wahrscheinlichkeitsverteilung zukünftiger Aktienkurse enthält, so sind weitere Variable überflüssig. Die Risikoneigung der Marktteilnehmer, wie auch das Vorhandensein alternativer Kapitalanlagen, beeinflusst die Bewertung von Vermögensgegenständen, so auch den Wert einer Option. Tatsächlich wird der Optionswert dadurch beeinflusst, aber wiederum auch nur indirekt, mittels ihrer Einwirkung auf den Aktienkurs, die Volatilität und die Zinssätze, Transaktionskosten, Steuern und Sicherheitsleistungen sind Variable, die dem institutionellen Umfeld zuzurechnen sind und deren Bedeutung für die Bewertung von Optionen sehr gering sein dürfte. Die mit dem Kauf und Verkauf von Optionen verbundenen, vom Umsatzvolumen abhängigen Kostenbelastungen in Form von Maklercourtage, Börsenumsatzsteuer, Gebühren der Liquidationskasse etc. üben auf den Ertrag der Optionsanlage und somit indirekt auf den Optionswert Einfluss aus. Dasselbe gilt für die Besteuerung der aus Optionsgeschäften anfallenden Gewinne und Verluste. Der Verkäufer einer Call oder Put Option hat, um die jederzeitige Erfüllung des Geschäftes zu gewährleisten, Sicherheitsleistungen in Form von Barmitteln oder in Form der Hinterlegung bestimmter Wertpapiere zu erbringen. Da im Allgemeinen der Ertrag aus hinterlegten Sicherheitsleistungen geringer ausfallen wird als der anderer Anlagemöglichkeiten, wird sich die (entgangene) Ertragsdifferenz über den Zinssatz, also auch wiederum nur indirekt, auf den Optionswert auswirken. 8.5 Wertober- und Wertuntergrenzen für Optionen In diesem Abschnitt werden mit Hilfe des Dominanzkriteriums und unter Heranziehung von Arbitrageargumenten allgemeingültige Aussagen über mögliche Ober- und Untergrenzen für Kauf- und Verkaufsoptionen gemacht. Diese können schon als Handlungsgrundlage für Investoren angesehen werden, da bereits vor Eingehen einer Position abgeschätzt werden kann, in welcher absoluten Größenordnung sich der <?page no="336"?> 336 8 Optionen Wert einer Kauf- oder Verkaufsoption während der Laufzeit bewegen kann. Die Analyse erfolgt unter der Annahme, dass die Märkte für Optionen, Anleihen und Aktien friktionslos und vollkommen sind, d.h., dass die Preisbildung nicht durch Transaktions- und Informationskosten, durch Sicherheitsleistungen und Steuern oder sonstige gesetzliche Vorschriften beeinträchtigt wird. Alle Marktteilnehmer streben nach Gewinn und haben uneingeschränkten Zugang zu den Märkten. Leerverkäufe sind unbegrenzt zulässig, und die Wertpapiere sind beliebig teilbar. Da diese Prämisse weder Annahmen über die Zeit- und Risikopräferenzen der Marktteilnehmer enthält, noch Annahmen über das stochastische Aktienkursverhalten, kann diese Bewertungsmethode als präferenz- und verteilungsfrei gelten. Mit diesem Bewertungskonzept lässt sich der Optionswert bei Ablauf der Optionsfrist bestimmen. Vor Ablauf der Optionsfrist lässt sich hingegen kein exakter Lösungsansatz zur Bestimmung des Optionswertes ableiten, es kann lediglich eine Eingrenzung des Optionswertes vorgenommen werden. Im weiteren Verlauf werden folgende Symbole verwendet: = aktueller Aktienkurs = Aktienkurs im Verfallszeitpunkt der Option = Basispreis = diskreter, risikofreier Zinssatz für eine Laufzeit von T = Restlaufzeit der Option, Verfallszeitpunkt der Option = Wert einer amerikanischen Kaufoption = Wert einer amerikanischen Verkaufsoption = Wert einer europäischen Kaufoption = Wert einer europäischen Verkaufsoption = Bardividende = verbleibende Restlaufzeit nach Dividendenzahlung j, = 1, 2, … , Es ist zu beachten, dass mit r der risikolose Nominalzinssatz und nicht der Realzinssatz zum Ansatz kommt. Zudem wird > 0 vorausgesetzt, da sonst eine risikolose Anlage gegenüber Bargeld keine Vorteile aufweisen würde. Im Falle von < 0 wäre in der Tat Bargeldhaltung einer risikolosen Anlage vorzuziehen. 8.5.1 Wertober- und Wertuntergrenzen für Kaufoptionen und die vorzeitige Ausübung amerikanischer Kaufoptionen In diesem Abschnitt werden zunächst Wertober- und -untergrenzen für Kaufoptionen aufgezeigt. Diese Preisgrenzen sind unabhängig von besonderen Annahmen über die in Abschnitt 8.4 aufgezeigten Optionspreis-Determinanten, außer dass > 0 . Übersteigt eine Option die Wertobergrenze oder fällt sie unter die Wertuntergrenze, dann ergibt sich eine risikolose, gewinnbringende Arbitrage. Restriktion 1: Der Wert einer Kaufoption ist nicht negativ. Aus den vorangegangenen Betrachtungen und gemäß der Definition eines Optionskontraktes - eine Option beinhaltet für den Käufer ein Recht und keine Verpflichtung - kann eine Kaufoption aufgrund der ihr eigentümlichen beschränkten Haftung einen negativen Wert annehmen. Es muss daher gelten: <?page no="337"?> 8.5 Wertober- und Wertuntergrenzen für Optionen 337 0 und 0 c C Restriktion 2: Eine amerikanische Kaufoption muss mindestens so hoch bewertet sein wie eine anderweitig identische europäische Kaufoption. Da eine amerikanische Kaufoption mit den gleichen Rechten ausgestattet ist wie eine europäische Kaufoption und zusätzlich noch das Privileg der vorzeitigen Ausübung besitzt, muss gelten: c C Restriktion 3: Der Wert einer Kaufoption ist niemals höher als der Wert der zugrundeliegenden Aktie. Der Inhaber einer Kaufoption erwirbt das Recht, die zugrundeliegende Aktie zum Basispreis zu erwerben. Der Wert der Aktie kann größer sein als der Kaufoptionswert, da diese mit Dividenden, Stimmrechten und sonstigen Sonderrechten ausgestattet ist, die der Kaufoption nicht eigentümlich sind. Der Wert einer Kaufoption kann deshalb den Wert der Aktie nicht übersteigen, so dass gilt: und c S C S Restriktion 3 legt die Wertobergrenze für eine Kaufoption fest. Restriktion 4: Im Verfallszeitpunkt T entspricht der Wert einer Kaufoption dem Maximum von Null und der Differenz zwischen geltenden Aktienkurs und dem Basispreis. Bei Ablauf der Optionsfrist, wenn = 0 , hat der Inhaber einer Kaufoption die Möglichkeit, diese auszuüben oder verfallen zu lassen. Eine Ausübung wird sinnvollerweise nur dann vorgenommen, wenn > . In allen anderen Fällen, wenn , wird die Kaufoption unausgeübt verfallen ohne zusätzliche Auszahlungen zu verursachen. Im Verfallszeitpunkt der Option entspricht daher der Wert einer europäischen und amerikanischen Kaufoption dem Maximum von Null und der Differenz zwischen geltendem Aktienkurs und dem Basispreis, so dass gilt: max 0, und max 0, T T c S K C S K Restriktion 5: Vor Ablauf der Optionsfrist muss der Wert einer amerikanischen Kaufoption mindestens der Differenz zwischen Aktienkurs und Basspreis entsprechen. Da eine amerikanische Kaufoption vor Ablauf der Optionsfrist ( > 0) zu jedem beliebigen Zeitpunkt ausgeübt werden kann, kann ihr Wert nicht niedriger sein als der innere Wert . Es muss daher gelten: max 0, C S K Restriktion 5 legt, bedingt durch die jederzeitige Ausübbarkeit, den Minimalwert bzw. die Wertuntergrenze für eine amerikanische Kaufoption fest. Wird diese Beziehung verletzt, wäre < , dann ließe sich durch den Kauf der Option, die sofortige Ausübung und den unmittelbaren Verkauf der durch die Ausübung bezogene Aktien ein risikoloser Gewinn erzielen. Restriktion 5 muss nicht für europäische Kaufoptionen gelten, da diese während der Optionsfrist nicht ausgeübt werden können und somit keine Arbitrage möglich ist. Arbitrage ist erst am Verfallstag möglich. Restriktion 6: Der Wert einer Kaufoption ist niemals niedriger als der Aktienkurs minus dem Barwert des Basispreises minus dem Barwert der während der Optionslaufzeit zur Ausschüttung kommenden Dividende(n). Die durch Restriktion 5 festgelegte Wertuntergrenze für Kaufoptionen lässt sich verfeinern, bezieht man den Zeitwert des <?page no="338"?> 338 8 Optionen Geldes in die Analyse mit ein. Dies ist gerechtfertigt, da für eine Kaufoption europäischen Typs der Basispreis erst zum Zeitpunkt der Ausübung, d.h. am Verfallstag der Option, gezahlt werden muss. Wäre vor dem Verfallstermin ( > 0) = 0 , dann ließe sich durch den Kauf von c, den Leerverkauf von S und durch die Anlage von K zu Zinssatz i bei Ablauf der Optionsfrist ein risikoloser Arbitragegewinn in Höhe der Zinsen auf den Basispreis (1 + ) mit einem Barwert von [ (1 + ) ](1 + ) = (1 + ) erzielen. Dieses Ergebnis wird erreicht, wenn zum Bewertungszeitpunkt der Barwert des Basispreises in Ansatz gebracht wird. Zusammen mit Restriktion 2 ergibt sich für eine europäische und amerikanische Kaufoption, die dividendengeschützt ist oder deren zugrundeliegende Aktie keine Dividende zahlt, unter Berücksichtigung des Zeitwertes: max 0, 1 und max 0, 1 T T c S K r C S K r Restriktion 6 ist eine strengere Bedingung als Restriktion 5. Da die Entscheidung über die Ausübung der Option grundsätzlich bis zum Verfallszeitpunkt T verschoben werden kann, bildet auch der Barwert des in T gültigen Optionswertes, (1 + ) , eine Wertuntergrenze. In Bild 8.23 sind die Wertober- und Wertuntergrenze für europäische und amerikanische Kaufoptionen graphisch dargestellt. Die Bestimmung der Wertuntergrenze für eine dividendenlose Aktie soll an einem Beispiel erläutert werden. Der Aktienkurs sei 61 Euro, der Basispreis 60 Euro, die Restlaufzeit betrage 6 Monate und der risikolose Zinssatz sei 10% per annum. Mit = 61 , = 60 , = 0,5 und = 0,1 berechnet sich die Wertuntergrenze zu 61 60 (1,1) , = 3,79 Euro. Bild 8.23 Wertober- und Wertuntergrenzen für eine Kaufoption auf dividendenlose Aktien Die Gültigkeit von Restriktion 6 soll nun für den Fall < (1 + ) bewiesen werden. Ist < (1 + ) oder + (1 + ) > 0, d.h. der Kaufoptionswert fällt unter die Wertuntergrenze, dann kann durch den Kauf des Calls, den Verkauf der Aktie und eine Geldanlage in Höhe von ( 1 + ) ein risikoloser Arbitragegewinn erzielt werden. Die Transaktionen sind in Bild 8.24 dargestellt. C S K(+r) -T K <?page no="339"?> 8.5 Wertober- und Wertuntergrenzen für Optionen 339 Cash Flow im Verfallstermin T Transaktionen heute > < Kauf Call +( ) 0 Verkauf Aktie + Geldanlage (1 + ) + + Gesamt > 0 0 + > 0 Bild 8.24 Arbitragetransaktionen bei Verletzung der Wertuntergrenze Werden während der Optionsfrist Dividenden ausgeschüttet und ist die Kaufoption nicht dividendengeschützt, dann muss der nach Restriktion 6 ermittelte Minimalwert um den Betrag der gezahlten Dividenden nach unten korrigiert werden. Wird während der Optionslaufzeit einmalig eine Dividende in Höhe von bei einer verbleibenden Restlaufzeit von 1 t ausgeschüttet, dann muss für den Wert einer europäischen und amerikanischen Kaufoption gelten: 1 1 1 1 max 0, 1 1 und max 0, 1 1 T t T T t T c S D r K t C S D r K t Werden während der Optionsfrist mehrere Dividenden , = 1, 2, … , bei einer jeweils korrespondierenden Restlaufzeit von ausgezahlt, dann erhält man: 1 1 max 0, 1 1 und max 0, 1 1 j j n n T t T T t T j j j j c S D r K r C S D r K r Der Wert einer nicht dividendengeschützten Kaufoption muss demnach mindestens so groß sein wie die Differenz zwischen geltendem Aktienkurs und dem diskontierten Basispreis, vermindert um den diskontierten Wert der ausgeschütteten Dividende(n). Aufgrund der bisher gewonnenen Ergebnisse ist der Wertebereich einer amerikanischen Kaufoption durch folgende Relation genau bestimmt: 1 max 0, , 1 1 j n T t T j j S C S K S D r K r Die linke Seite der Ungleichung stellt den Maximalwert und die rechte Seite den Minimalwert des Kaufoptionswertes dar. Die gleiche Aussage lässt sich für eine europäische Kaufoption machen. Die Gültigkeit der Wertuntergrenze soll nun für den Zwei-Dividenden-Fall bewiesen werden. Dabei wird angenommen, dass die während der Laufzeit der Option zu zahlenden Dividenden bekannt sind. Die Restriktion lautet dann: 1 2 1 2 1 1 1 T t T t T C S D r D r K r Ist diese Beziehung verletzt, d.h. ist 1 2 1 2 1 1 1 T t T t T C S D r D r K r oder 1 2 1 2 1 1 1 0 T t T t T C S D r D r K r , <?page no="340"?> 340 8 Optionen dann ergeben sich die in Bild 8.25 aufgeführten Arbitrage-Transaktionen. Es ist ersichtlich, dass sich heute durch den Kauf einer Call Option, den Verkauf der Aktie und eine Geldanlage in Höhe des Barwertes der Dividenden und des Basispreises ein positiver Zahlungsstrom ergibt, dem bis zum Verfallstermin nicht negative Cash Flows folgen. heute Cash Flow in T > < Kauf Call +( ) 0 Verkauf Aktie + Geldanlage (1 + ) ( ) + Geldanlage (1 + ) ( ) + Geldanlage (1 + ) + + Gesamt > 0 0 0 0 + > 0 Bild 8.25 Arbitragetransaktionen bei Verletzung der Wertuntergrenze im Zwei-Dividenden- Fall Die folgenden zwei Arbitragerestriktionen betreffen die vorzeitige Ausübung amerikanischer Kaufoptionen. Restriktion 7: Es ist niemals optimal, eine dividendengeschützte amerikanische Kaufoption oder eine amerikanische Kaufoption auf eine dividendenlose Aktie vor Ablauf der Optionsfrist auszuüben. Aus Restriktion 7 lässt sich weiter ableiten, dass eine vorzeitige Ausübung einer amerikanischen Kaufoption grundsätzlich nicht vorteilhaft ist, werden während der Laufzeit der Option keine Dividenden gezahlt oder ist die Option dividendengeschützt, da bei nichtnegativem Zinssatz r, > 0 , und beliebigem T, 0 , stets gilt: max 0, 1 max 0, T S K r S K Der mit der vorzeitigen Ausübung einer amerikanischen Kaufoption realisierbare Wert ist Null, wenn , oder , wenn > , d.h. [0, ] . [0, ] , der innere Wert der Kaufoption, ist aber kleiner als [0, (1 + ) ] , der Barwert des in gültigen Optionswertes, da (1 + ) < 1 , wenn > 0 und > 0 . Der Wert der Kaufoption liegt demnach während der Laufzeit, solange sie unausgeübt bleibt, über dem inneren Wert , so dass das Recht der vorzeitigen Ausübung keinen Wert hat und ein vorzeitiges Ausüben sich deshalb nicht lohnt. Restriktion 8: Werden von der zugrundeliegenden Aktie während der Restlaufzeit Dividenden ausgeschüttet, kann eine vorzeitige Ausübung einer nicht dividendengeschützten amerikanischen Kaufoption unmittelbar vor dem ex-Dividendentermin optimal sein. Wird während der Laufzeit einer Kaufoption eine sichere Dividende bei einer noch verbleibenden Restlaufzeit gezahlt und ist die Option nicht dividendengeschützt, ist Restriktion 7 nicht länger haltbar, da je nach Höhe der Dividendenzahlung die <?page no="341"?> 8.5 Wertober- und Wertuntergrenzen für Optionen 341 Summe aus diskontierter Dividende und diskontiertem Basispreis (1 + ) ( ) + (1 + ) größer oder kleiner sein kann als der Basispreis K, so dass gilt: 0, (1 + ) ( ) (1 + ) [0, ] Die vorzeitige Ausübung einer amerikanischen Kaufoption kann unter diesen Bedingungen eine rationale Handlungsweise darstellen. Entscheidungskriterium für eine vorzeitige Ausübung einer nicht dividendengeschützten Kaufoption amerikanischen Typs ist die Höhe der zur Ausschüttung kommenden Bardividende. Da nach Restriktion 7 bei nicht negativem Zinssatz r und beliebigen T, > 0 stets < (1 + ) gilt, kann die Entscheidung über eine vorzeitige Ausübung ohne finanziellen Verlust bis unmittelbar vor den ex-Dividendentermin verschoben werden. Wird während der Optionsfrist einmalig eine sichere Dividende von bei verbleibender Restlaufzeit und einem geltenden Aktienkurs von ´ ausgezahlt, dann wird die Option immer dann unmittelbar vor dem ex-Dividendentermin ausgeübt, wenn der Ausübungswert den Marktwert der Option übersteigt, d.h. wenn gilt, ´ > ´ (1 + ) . Durch Umformung erhält man das Kriterium für eine optimale Ausübung einer amerikanischen Kaufoption bei einmaliger Dividendenzahlung: 1 1 1 1 t D K r wobei [1 (1 + ) ] der Barwert der auf den Basispreis nach angefallenen Zinsen ist. Die Ausübung einer nicht dividendengeschützten Kaufoption kann demnach optimal sein, wenn die Ausübung unmittelbar vor dem ex-Dividendentermin erfolgt und der zur Ausschüttung kommende Dividendenbetrag größer ist als die auf die verbleibende Restlaufzeit zu verdienenden Zinsen. Unter Berücksichtigung des Zeitwertes ergibt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt bei T verbleibender Restlaufzeit als Optimalitätsbedingung für eine vorzeitige Ausübung einer nicht dividendengeschützten amerikanischen Kaufoption bei einmaliger Dividendenzahlung die Bedingung 1 1 1 1 1 1 1 1 T t t T t D r K r r oder 1 1 1 1 1 1 T t T t T D r K r K r . Diese Bedingung kann dahingehend interpretiert werden, dass bei rationalem Verhalten die Kaufoption nicht vor Ablauf der Optionsfrist ausgeübt wird, wenn der Barwert der durch die Ausübung vereinnahmten Dividenden geringer ist als der Barwert der nach Ausübung auf den Basispreis zu verdienenden Zinsen. Die Beziehung gibt weiter zu verstehen, dass der Inhaber einer Kaufoption bei Kenntnis des Zeitpunktes und der Höhe der zur Ausschüttung kommenden Dividenden bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt (bei Eingehen der Position) feststellen kann, ob eine vorzeitige Ausübung in Betracht kommt oder nicht. Ein Beispiel soll den Sachverhalt der vorzeitigen Ausübung verdeutlichen. Betrachtet wird eine amerikanische Kaufoption mit einer Restlaufzeit von 9 Monaten und einem Basispreis von 60 Euro. Der risikolose Zinssatz sei 10%. Nach 6 Monaten wird eine sichere Dividende in Höhe von 1,30 Euro ausgeschüttet. Es soll festgestellt werden, ob sich eine vorzeitige Ausübung der Option optimal ist. Mit = 1,30 , = <?page no="342"?> 342 8 Optionen 60 , = 0,1 und = 0,25 ist eine Ausübung unmittelbar vor dem ex-Dividendentermin dann optimal, wenn gilt: 0,25 1, 30 60 1 60 1,1 Da jedoch in diesem Fall die Dividende von 1,30 Euro geringer ist als der Barwert der zwischen dem ex-Dividendentermin und dem Verfallszeitpunkt auf den Basispreis zu verdienenden Zinsen in Höhe von 1,41 Euro, sollte die Option nicht ausgeübt werden. Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn die Beurteilung bereits heute vorgenommen wird: 0,75 0,25 0,75 0,25 0,75 1, 30 1,1 60 1,1 60 1,1 oder 1, 24 1,35 Für den Fall mehrmaliger Dividendenzahlungen während der Optionsfrist erhält man für = 1, 2, … , unmittelbar vor dem ex-Dividendentermin folgende Beziehung: 1 1 1 1 1 1 j n t t t j j D r K r Diskontiert auf den heutigen Zeitpunkt ergibt sich dann als Kriterium für die vorzeitige Ausübung einer nicht dividendengeschützten amerikanischen Kaufoption: 1 1 1 1 1 j n T t T t T j j D r K r K r Da börsennotierte Optionen eine Laufzeit von maximal neun Monaten aufweisen, werden in der Regel höchstens drei Dividenden zur Ausschüttung kommen. 8.5.2 Wertober- und Wertuntergrenzen für Verkaufsoptionen und die vorzeitige Ausübung amerikanischer Verkaufsoptionen Analog zur Vorgehensweise der Bestimmung des Wertebereichs für Kaufoptionen lässt sich mit der gleichen Begründung der Wertebereich für Verkaufsoptionen durch Aufzeigen der Grenzwerte, die die Option während der Laufzeit annehmen kann, ermitteln. Da Verkaufsoptionen strukturell das Gegenstück von Kaufoptionen darstellen, lassen sich viele ihrer Werte einfach durch Umstellen der für Kaufoptionen gültigen Relationen ableiten. Um die Darstellung möglichst redundanzfrei zu halten, sollen hier nur die wichtigsten Restriktionen aufgezeigt werden. Restriktion 1: Der Wert einer Verkaufsoption ist nicht negativ. Verkaufsoptionen sind, entsprechend der Definition für Kaufoptionen, zeitlich befristete Anrechte, deren Wert nicht negativ sein kann. Somit gilt: 0 und 0 p P Restriktion 2: Eine amerikanische Verkaufsoption muss mindestens so hoch bewertet sein wie eine ansonsten identische europäische Verkaufsoption. Da eine amerikanische Verkaufsoption die gleichen Merkmale aufweist wie eine europäische Verkaufsoption und noch dazu das Recht der vorzeitigen Ausübung beinhaltet, muss gelten: p P <?page no="343"?> 8.5 Wertober- und Wertuntergrenzen für Optionen 343 Restriktion 3: Im Verfallszeitpunkt T ist der Wert einer Verkaufsoption das Maximum von Null und der Differenz zwischen Basispreis und geltendem Aktienkurs. Bei Ablauf der Optionsfrist muss daher aus Arbitragegründen für den Verkaufsoptionswert gelten: max 0, und max 0, T T p K S P K S Restriktion 4: Vor Ablauf der Optionsfrist muss der Wert einer amerikanischen Verkaufsoption mindestens der Differenz zwischen Basispreis und geltenden Aktienkurs entsprechen. Bedingt durch die jederzeitige Ausübbarkeit muss daher gelten: max 0, T P K S Restriktion 4 legt die Wertuntergrenze für eine amerikanische Verkaufsoption fest. Dies muss nicht für europäische Verkaufsoptionen gelten, da erst im Verfallszeitpunkt Arbitrage möglich ist. Restriktion 5: Der Wert einer europäischen Verkaufsoption ist niemals niedriger als der Barwert des Basispreises minus dem Aktienkurs. Die durch Restriktion 5 festgelegte Wertuntergrenze verschiebt sich nach unten, bringt man den Barwert des Basispreises in Ansatz. max 0, 1 T p K r S Eine europäische Verkaufsoption kann demnach einen niedrigeren Wert annehmen als ihren inneren Wert. Ist diese Beziehung verletzt, dann kann durch den Kauf der Verkaufsoption, eine Kreditaufnahme in Höhe des Barwertes des Basispreises und den Kauf der Aktie heute ein positiver Cash Flow und im Verfallszeitpunkte nicht negative Cash Flows erzielt werden. Restriktion 6: Der Wert einer Verkaufsoption ist niemals niedriger als der Barwert des Basispreises, plus dem Barwert der während der Optionslaufzeit zur Ausschüttung kommenden Bardividenden, minus dem Aktienkurs. Die durch Restriktion 4 festgelegte Wertuntergrenze verschiebt sich nach unten, bringt man den Barwert des Basispreises in Ansatz. Ist die Verkaufsoption dividendengeschützt oder die zugrundeliegende Aktie dividendenlos, so gilt in Verbindung mit Restriktion 3: max 0, 1 T P p K r S ( 1 + ) ist der über die Laufzeit der Option diskontierte Basispreis und p bzw. P der Barwert des in T gültigen Verkaufsoptionswertes. Da ( 1 + ) < gilt, bildet auch die Restriktion 5 eine Wertuntergrenze. Demnach kann unter Vernachlässigung von Dividendenzahlungen und Transaktionskosten der Wert einer Verkaufsoption nicht kleiner sein als das Maximum von Null und der Differenz zwischen dem Barwert des Basispreises und dem Aktienkurs. <?page no="344"?> 344 8 Optionen Bild 8.26 Wertober- und Wertuntergrenzen für europäische und amerikanische Verkaufsoptionen ohne Dividendenberücksichtigung Werden während der Laufzeit der Option Dividenden ausgeschüttet und ist die Option nicht dividendengeschützt, so erhöht sich die nach Restriktion 6 ermittelte Wertuntergrenze noch um den Barwert der Dividende(n). Bei einer einmaligen, sicheren Dividendenzahlung von bei einer noch verbleibenden Restlaufzeit von erhält man für eine europäische respektive amerikanische Verkaufsoption die Beziehung: 1 1 1 1 max 0, 1 1 und max 0, 1 1 T T t T T t p K r D r S P K r D r S Werden während der Optionsfrist mehrmals sichere Dividenden , = 1, 2, … , , bei jeweils verbleibender Restlaufzeit gezahlt, dann ergibt sich: 1 1 max 0, 1 1 und max 0, 1 1 j j n T t T j j n T t T j j c S D r K r C S D r K r Diese Restriktion besagt, dass der Wert einer Verkaufsoption niemals kleiner sein kann als der Barwert des Basispreises, zuzüglich des Barwertes der bis zum Verfallszeitpunkt der Option zur Ausschüttung kommenden Dividenden, abzüglich des geltenden Aktienkurses. Restriktion 7: Der Wert einer Verkaufsoption ist niemals höher als der zugrunde gelegte Basispreis. Der Käufer einer Verkaufsoption erwirbt das verbriefte Recht, die zugrunde-liegende Aktie vor Ablauf der Optionsfrist zum vereinbarten Basispreis zu P S K(1+r) -T K(1+r) -T Bereich für den Wert eines europäischen Puts P S K K Bereich für den Wert eines amerikanischen Puts <?page no="345"?> 8.5 Wertober- und Wertuntergrenzen für Optionen 345 verkaufen. Eine Verkaufsoption nimmt ihren größtmöglichen Wert für = 0 an, so dass gilt: und p K P K Restriktion 7 legt die Wertobergrenze für Verkaufsoptionen fest. Der Wertebereich einer amerikanischen Verkaufsoption ist dann aufgrund der oben gewonnenen Ergebnisse durch die Relation 1 max 0, , 1 1 j n T T t j j K P K S K r D r S festgelegt. Die linke Seite der Restriktion gibt den Maximalwert für eine Verkaufsoption an, die rechte Seite den Minimalwert. Den gleichen Wertebereich erhält man für den europäischen Verkaufsoptionswert. Restriktion 8: Werden von der zugrundeliegenden Aktie während der Laufzeit Dividenden ausgeschüttet, dann kann es optimal sein, eine nichtdividendengeschützte amerikanische Verkaufsoption erst nach dem letzten Dividendentermin auszuüben. In Restriktion 5 wurde gezeigt, dass sich im Falle von Dividendenzahlungen der Wert einer Verkaufsoption um den Betrag der zur Ausschüttung kommenden Dividende(n) erhöht. Somit kann es sich unter Umständen lohnen, mit der Ausübung der Option zu warten, bis sich das ausschüttungsinduzierte Sinken des Aktienkurses auf den Verkaufsoptionswert werterhöhend ausgewirkt hat. Betrachtet man eine Dividendenzahlung , die bei einer noch verbleibenden Restlaufzeit von ausgezahlt wird, dann wird ein rational handelnder Investor bei einer noch verbleibenden Restlaufzeit von immer dann von einer vorzeitigen Ausübung absehen, wenn der Barwert der Dividende zum Zeitpunkt , (1 + ) ( ) , größer ist als die während der gleichen Zeitperiode auf den Basispreis zu verdienenden Zinsen. Mit 1 1 ' ' 1 1 1 1 t t t t D r K r kann somit eine Vorteilsentscheidung über eine mögliche vorzeitige Ausübung getroffen werden. Erweitert man diese Bedingung auf mehrere Dividendenzahlungen, erhält man: 1 ' ' 1 1 1 1 j n t t t t j j D r K r Diese Restriktion besagt, dass es niemals vorteilhaft ist, eine nichtdividendengeschützte amerikanische Verkaufsoption während einer nach endenden Zeitperiode vor dem letzten Dividendenzahlungstermin auszuüben, wenn der Barwert der während dieser Zeitperiode zur Ausschüttung kommenden Dividende(n) größer ist als der Barwert der während der gleichen Zeitperiode bis zum letzten Dividendentermin auf den Basispreis zu verdienenden Zinsen. Obige Restriktion liefert eine zusätzliche Information von praktischem Wert. Betrachtet man eine zur Ausschüttung kommende Dividende , die als sicher angesehen werden kann, so lässt sich bezogen auf als Zeitpunkt vor dem ex-Dividenden-termin bestimmen, vor dem eine vorzeitige Ausübung der Verkaufsoption nicht lohnend ist. <?page no="346"?> 346 8 Optionen Die vorausgehende Darstellung hat gezeigt, dass sich die für amerikanische Kaufoptionen angestellten Überlegungen hinsichtlich der Ausübungsmodalitäten( nicht ohne weiteres auch auf amerikanische Verkaufsoptionen übertragen lassen und eine differenziertere Betrachtungsweise notwendig ist. Der wesentliche Unterschied beider Betrachtungsweisen besteht darin, dass die Tatsache, eine vorzeitige Ausübung (vorausgesetzt, sie ist überhaupt sinnvoll) nur zu einem spezifischen Zeitpunkt, nämlich unmittelbar vor dem ex-Dividendentermin vorzunehmen, wie es für amerikanische Kaufoptionen optimal sein mag, für amerikanische Verkaufsoptionen keine Gültigkeit hat. Die Frage der vorzeitigen Ausübung stellt sich für den Inhaber einer amerikanischen Verkaufsoption zu jeder Zeit, nicht nur zu wenigen bestimmten Zeitpunkten, den ex-Dividendenterminen. Auch wenn gezeigt werden konnte, dass der Faktor, der eine vorzeitige Ausübung begünstigt, aufgrund von Dividendenzahlungen zeitweise aufgehoben wird, kann eine vorzeitige Ausübung einer Verkaufsoption generell zu jedem Zeitpunkt während der Optionslaufzeit optimal sein. 8.6 Put-Call-Paritätsbeziehungen 8.6.1 Put-Call-Parität Europäischer Optionen ohne Dividendenberücksichtigung In diesem Abschnitt werden die zwischen europäischen Kauf- und Verkaufsoptionen bestehenden Preisrelationen (Put-Call-Parität) behandelt. In Relation zueinander gesetzt werden zunächst der Wert von Kauf- und Verkaufsoptionen, die dividendengeschützt sind bzw. deren zugrundeliegende Aktie keine Dividende ausschüttet. Im Anschluss wird geprüft, welchen Einfluss Dividendenzahlungen auf die benannte Preisrelation haben. Dabei wird von deterministischen Dividendenzahlungen ausgegangen. Unter denselben Prämissen, auf die sich die in Abschnitt 8.5 aufgeführten Arbitragebeziehungen stützen, kann auch hier gezeigt werden, dass durch Konstruktion eines äquivalenten Portfolios das Bewertungsproblem einer Verkaufsoption (Kaufoption) auf das einer sonst identischen Kaufoption (Verkaufsoption) zurückgeführt werden kann. Identisch in diesem Zusammenhang heißt, dass die betrachtete Kauf- und Verkaufsoption den gleichen Basispreis K und die gleiche Laufzeit T haben. Ergeben sich im Wert von Kauf- und Verkaufsoptionen Ungleichgewichte, dann lässt sich durch einen Arbitrageähnlichen Mechanismus, der sogenannten Konversion (Conversion), ohne Risiko eine Verkaufsoption in eine Kaufoption bzw. eine Kaufoption in eine Verkaufsoption transferieren. Um mit einem solchen Investitionsprogramm keine risikolosen Arbitragegewinne erzielen zu können, müssen der Kauf- und Verkaufsoptionswert in Relation zueinander gewisse Paritätsbeziehungen erfüllen. Lässt man Dividendenzahlungen unberücksichtigt, dann kann im Fall einer europäischen Verkaufsoption (Kaufoption) der Verkaufsoptionswert p (Kaufoptionswert c) auch direkt über den Wert einer sonst identischen Kaufoption (Verkaufsoption) bestimmt werden. Durch Kombination einer Aktie-Kaufposition, einer Verkaufsoption- Kaufposition und einer Kaufoptions-Verkaufsposition ergibt sich die in Bild 8.27 dargestellte Gewinn-/ Verlust-Funktion ( ) = , 0 , die unabhängig von der künftigen Aktienkursentwicklung ist, so dass im eigentlichen Sinne nicht mehr von einer Aktienposition gesprochen werden kann. Um mit dieser Investitionsstrategie <?page no="347"?> 8.6 Put-Call-Paritätsbeziehungen 347 keine risikolosen Arbitragegewinne erzielen zu können, müssen der Kauf- und Verkaufsoptionswert folgende Paritätsbeziehung erfüllen: 1 T c p S K r bzw. 1 T c p S K r und 1 T p c S K r Durch diese Relation kann das Bewertungsproblem einer europäischen Verkaufsoption (Kaufoption) auf das einer sonst gleichen europäischen Kaufoption (Verkaufsoption) zurückgeführt werden. Die in Bild 8.27 dargestellte Kombinationsposition bildet die Grundlage zur Ableitung einer Paritätsbeziehung zwischen den Werten europäischer Kauf- und Verkaufsoptionen. Bild 8.27 Gewinn-/ Verlust-Profil einer Aktie-Kaufposition, Verkaufsoption-Kaufposition und Kaufoption-Verkaufsposition Kombinationsposition ( > , S = ) Die Put-Call-Parität kann aus den folgenden Arbitrageüberlegungen hergeleitet werden. Betrachtet werden zwei Portfolios A und B. Portfolio A besteht aus einer europäischen Verkaufsoption p und Portfolio B aus einer europäischen Kaufoption c, einer Aktie-Leerverkaufsposition zum Kurs von S und einem Discount-Bond (Anlagebetrag) mit einem Nennwert von , (1 + ) . Kann gezeigt werden, dass das Portfolio in jedem Zustand der Welt die gleichen Rückflüsse (Erträge) erzeugt wie die europäische Verkaufsoption, so lässt sich daraus der Verkaufsoptionswert ableiten. Ist im Verfallszeitpunkt , ergibt sich für Portfolio A ein Wert von (0, ) = und für Portfolio B ein Wert von (0, S ) + = . Ist am Ende der Laufzeit > , beträgt der Wert von Portfolio A (0, ) = 0 , und der von Portfolio B ist (0, S ) + = 0 . In beiden Fällen zeigt sich, dass am Ende der Laufzeit der Optionen der Wert beider Portfolios unabhängig von der Höhe des Kurses der optierbaren Aktie S denselben Wert haben. Um zu verhindern, dass risikolose Arbitrage möglich ist und eine Investitionsstrategie als dominant eingeschätzt wird, müssen beide Portfolios auch zu Beginn, d.h. beim Aufbau der Positionen ausgeglichen bzw. gleich teuer sein. Setzt man Portfolio = Portfolio B , erhält man direkt die Put-Call-Paritätsbeziehung für europäische Optionen: G(S T ) S T Long Put Short Call C - P <?page no="348"?> 348 8 Optionen 1 T p c S K r Analog zur aufgezeigten Vorgehensweise kann der Wert einer europäischen Kaufoption über den Wert einer europäischen Verkaufsoption bestimmt werden: 1 T c S p K r . Durch Umformen einer der beiden Beziehungen erhält man die Gleichung 1 0 T c S p K r , die erfüllt sein muss, um risikolose Arbitragemöglichkeiten auszuschließen. Ist die Relation in der Weise verletzt, dass die Kaufoption im Vergleich zu den übrigen Komponenten überbewertet, d.h. > + (1 + ) , oder unterbewertet, d.h. < + (1 + ) , ist und abstrahiert man annahmegemäß von Transaktionskosten, Steuern und Sicherheitsleistungen, so lässt sich ohne den Einsatz von Geldmitteln zum gegenwärtigen Zeitpunkt durch den Verkauf von c, und den gleichzeitigen Kauf von S und p und einer Kreditaufnahme von (1 + ) bzw. durch den Kauf von c bei gleichzeitigem Verkauf von S und p und der Anlage von Barmitteln in Höhe von (1 + ) ein sicherer positiver Geldbetrag realisieren, da bis zum Verfall der Optionen unabhängig von der Aktienkursentwicklung keine weiteren Geldmittel zu- oder abfließen. Durch diese Arbitragetransaktionen wird im Fall der anfänglichen Überbewertung (Unterbewertung) der Wert der Kaufoption sinken (steigen), und der Wert der Aktie und der Verkaufsoption steigen (fallen), bis die Gleichung + (1 + ) = 0 erfüllt ist. Ein Beispiel soll den Sachverhalt verdeutlichen. Sei = 3 Euro der Preis der Kaufoption und = 2 Euro der Preis der Verkaufsoption bei einer verbleibenden Restlaufzeit von jeweils vier Monaten ( = 1/ 3 ) und einem Basispreis von = 40 Euro. Der Kurs der den Optionen zugrunde liegenden Aktie betrage = 40 Euro und der auf Jahresbasis umgerechnete risikolose Zinssatz für ein Darlehen (ein Darlehen ist aus der Perspektive des Investors ein Geldmittelzufluss) mit einer viermonatigen Laufzeit sei 5%. Mit = 3 und ( 1 + ) = 39,35 errechnet sich aus der Put-Call-Paritätsbeziehung ein Verkaufsoptionspreis von = 2,35 , demnach p mit 2 relativ zum Preis der Kaufoption unterbewertet ist. Damit gilt: 1 T p c S K r bzw. 1 0 T p c S K r Daraus lässt sich sofort durch den Kauf der Verkaufsoption zu 2 Euro, den Verkauf der Kaufoption zu 3 Euro, den Kauf der Aktie zu 40 Euro und durch eine Darlehensaufnahme von 39,35 Euro zum jährlichen Zinssatz von 5%, rückzahlbar nach vier Monaten zu 40 Euro, ein risikoloser Arbitragegewinn von 0,35 Euro erzielen. Dieses Ergebnis ist unabhängig vom Kurs der Aktie am Ende der Optionslaufzeit, so dass sich keine weiteren Gewinne oder Verluste ergeben. Ist am Ende der Laufzeit = 40 Euro, verfallen Kauf- und Verkaufsoption unausgeübt, und der Erlös aus dem Aktienverkauf kann exakt zur Darlehenstilgung (das Darlehen ist nach vier Monaten bei Ablauf der Optionsfrist auf 40 Euro angewachsen) verwendet werden. Ist am Ende der Optionsfrist < 40 Euro , verfällt die Kaufoption unausgeübt, die Verkaufsoption wird ausgeübt, die Aktie geliefert und der Erlös zur Darlehenstilgung verwendet. Ist bei Fälligkeit der Option > 40 Euro, ist die Verkaufsoption wertlos, die Aktie wird bei der Ausübung der Kaufoption durch die Gegenseite zum Basispreis von 40 Euro <?page no="349"?> 8.6 Put-Call-Paritätsbeziehungen 349 geliefert und der Erlös daraus (40 Euro) wiederum zur Darlehenstilgung verwendet. Bei keinem der Fälle ergibt sich am Ende der Optionsfrist ein Geldmittelzufluss oder Geldmittelabfluss, der anfängliche Gewinn von 0,35 Euro ist folglich sicher. Mit der Put-Call-Parität kann auch gezeigt werden, dass der Kaufoptionswert über dem Wert einer sonst gleichen Verkaufsoption liegt, wenn die Basispreise mit dem Kurs der Basisaktie identisch sind. Ist = , dann kann die Gleichung = + (1 + ) auch umgeschrieben werden zu = + (1 + ) . Nach Umformung erhält man: 1 1 T c p K r Da bei positivem Zinssatz r und endlicher Laufzeit T der Ausdruck [1 (1 + ) ] stets positiv ist, ergibt sich für c ein um [1 (1 + ) ] höherer Wert als für p. Das risikolose Hedge-Portefeuille, welches aus dem Kauf der Aktie S und der Verkaufsoption p sowie dem gleichzeitigen Verkauf der Kaufoption c besteht, ergibt im Kapitalmarktgleichgewicht die Verzinsung des Basispreises mit dem risikolosen Zinssatz r. Beispiel 8.8 Eine Aktie notiert zum gegenwärtigen Zeitpunkt bei 198,00 Euro und eine Call Option auf diese Aktie mit einem Basispreis von 220,00 Euro und einer Fälligkeit von fünf Monaten ist bei 23,00 Euro. Der risikofreie Marktzinssatz sei 4,4% p.a. a) Es soll zunächst der faire Wert der Put Option nach der Put-Call-Parität berechnet werden. b) Angenommen, die Put Option notiert am Markt bei 37,90 Euro, ist also unterbewertet. Es soll gezeigt werden. dass bei dieser Konstellation eine risikolose Arbitrage-Position eingegangen werden kann, die zum heutigen Zeitpunkt zu einem Mittelzufluss führt und zu nicht-negativen Zahlungsströmen im Verfallszeitpunkt der Option. a) Mit = (1 + ) erhält man: = + (1 + ) = 23 198 + 220(1,044) , = 41,09 b) Ist die Put Option am Markt unterbewertet, d.h. ist < + (1 + ) oder + + (1 + ) > 0 , dann ergeben sich die in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Arbitragetransaktionen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu einem Zahlungsmittelzufluss von 3,19 Euro führen und zu nicht-negativen Zuflüssen in Zukunft. Cash Flow in fünf Monaten Transaktionen heute < > Kauf Put , 220,00 0 Verkauf Call +23,00 0 220,00 Kauf Aktie 198,00 + + Kreditaufnahme +216,09 220,00 220,00 Gesamt +3,19 0 0 Bild 8.28 Arbitrage mit unterbewerteter Put Option <?page no="350"?> 350 8 Optionen Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Größen Call Preis, Aktienkurs, Basispreis, Zinssatz und Laufzeit der Option kann der Put Preis über die Put-Call-Parität berechnet werden. Zur Beantwortung der Frage b) muss zur Erstellung der Arbitrage-Tabelle zusätzlich der unterbewertete Put Preis eingegeben werden. Für Aktienkurse, die kleiner (größer) als der Basispreis sind, wird exemplarisch ein Kurs von 200 Euro (240 Euro) in Ansatz gebracht. Position Inhalt Excel-Umsetzung D12 Berechnung des Put Wertes mit der Put-Call-Parität =D6-D7+D8*(1+D9)^-(D10/ 12) D24 Kauf Aktie =-D7 D25 Barwert des Kredits =D8*(1+D9)^-(5/ 12) D26 Arbitragegewinn bei Positionseröffnung =SUMME(D22: D25) E22 Verkauf Put bei T S K =MAX(0; D8-D17) E23 Kauf Call bei T S K =MAX(0; D17-D8) E24 Verkauf Aktie =D17 E25 Kreditrückzahlung bei Fälligkeit =-D25*(1+D9)^(5/ 12) E26 Arbitragegewinn bei T S K =SUMME(E22: E25) F22 Verkauf Put bei T S K =MAX(0; D8-D18) F23 Kauf Call bei T S K =-MAX(0; D18-D8) F24 Verkauf Aktie =D18 F25 Kreditrückzahlung bei Fälligkeit =-D25*(1+D9)^(5/ 12) F26 Arbitragegewinn bei T S K =SUMME(F22: F25) <?page no="351"?> 8.6 Put-Call-Paritätsbeziehungen 351 Bild 8.29 Arbitrage bei unterbewerteten Put Preis Mit der Put-Call-Parität ist auch allgemein bewiesen, was über den Einfluss der Optionspreisdeterminanten auf den Optionspreis behauptet wurde (vgl. Kap. 8.4). Auf der linken Seite der Put-Call-Paritätsbeziehung befindet sich der Kaufoptionswert c, auf der rechten Seite der Gleichung der Verkaufsoptionswert p und fünf der fundamentalen Determinanten des Optionspreises, S, K, D, r und t. Wird nun bei Konstanz dieser fünf Determinanten irgendeine andere den Optionspreis beeinflussende Variable verändert, dann wirkt sich diese Änderung aufgrund der bestehenden Gleichgewichtsbeziehung gleichermaßen auf die Kaufoption und die Verkaufsoption aus. Die Put-Call-Parität verdeutlicht auch, wie bei Kenntnis des Kaufoptionswertes (Verkaufsoptionswertes), des Kurses der zugrundeliegenden Aktie, des Zinssatzes und der Höhe der erwarteten Dividendenzahlungen der Verkaufsoptionswert (Kaufoptionswert) - gleiche Basispreise und Verfallzeiten vorausgesetzt - bestimmt werden kann. Dies impliziert auch, dass es grundsätzlich nur eine Optionsart gibt, eine Kaufoption oder eine Verkaufsoption, und dass alle sonstigen Positionen (Verkaufsoptionen bzw. Kaufoptionen, Spreads, Kombinationen) auf eine Optionsart zurückgeführt werden können. Die Put-Call-Relation trägt darüber hinaus zum tieferen Verständnis der Optionen bei, indem sie zeigt, dass eine europäische Kaufoption das Attribut einer teilweise fremdfinanzierten, durch die Einbeziehung einer Verkaufsoption gegen ungünstige Kursentwicklungen abgesicherten Aktie-Kaufposition (abzüglich des Einflusses der Dividenden, wenn die Optionen nicht dividendengeschützt sind) hat. Die europäische Verkaufsoption kann hierbei als Versicherung gegen das Absinken der Aktie unter den zugrunde gelegten Basispreis interpretiert werden. Die für diese Versicherungspolice zu zahlende Prämie stellt den Preis der Verkaufsoption dar. Analog zu dieser Interpretation einer europäischen Kaufoption lässt sich auch eine europäische Verkaufsoption erklären. 8.6.2 Put-Call-Parität Europäischer Optionen unter Berücksichtigung von Dividendenzahlungen Werden deterministische Dividenden in Ansatz gebracht, dann reduziert sich am ex- Dividendentermin der Wert der Aktie um den zur Ausschüttung kommenden Dividende, was bewirkt, dass sich im Gegensatz zu dividendenadjustierten Optionen der <?page no="352"?> 352 8 Optionen Verkaufsoptionswert erhöht und der Kaufoptionswert erniedrigt. Wird während der Optionslaufzeit T nur einmalig eine Dividende von bei einer verbleibenden Restlaufzeit von ausgeschüttet und wird der Dividendenabschlag genau in Höhe der Bardividende vorgenommen, dann ergeben sich die Preisrelationen: 1 1 1 1 T t T p c S D r K r 1 1 1 1 T t T c p S D r K r Diese Relationen lassen sich für den Fall n-periodiger Dividendenzahlungen verallgemeinern. Es seien , = 1, 2, … , , die bis zum Ende der Optionsfrist anfallenden Dividendenzahlungen, die jeweils verbleibende, korrespondierende Restlaufzeit nach Dividendenzahlung, und definiert man 1 1 1 1 1 + 1 j n n T t T t T t j n j D r D r D r als die Summe der Barwerte aller bis zum Ablauf der Optionsfrist anfallenden Dividenden, so ergibt sich für den Verkaufsoptionswert: 1 1 1 j n T t T j j p c S D r K r Der Kaufoptionswert in Relation zum Verkaufsoptionswert ist dann: 1 1 1 j n T t T j j c p S D r K r Sind die zur Ausschüttung kommenden Dividenden stochastisch, d.h. es ist zwar der Zeitpunkt der Dividendenzahlungen bekannt, nicht aber deren Höhe, so lässt sich keine eindeutige Gleichgewichtsbeziehung zwischen dem Kauf- und Verkaufsoptionswert herstellen. Da für die Dividendenzahlungen jedoch Grenzwerte existieren, der Minimalwert ist Null, der Maximalwert ist S, kann aufgrund dieser Eingrenzung die Unsicherheitsproblematik auf einen nichtstochastischen Ansatz zurückgeführt werden, so dass sich auch für den Optionswert Extremwerte in Form von Ungleichungen ableiten lassen. Es sei der Maximalwert und der Minimalwert der erwarteten Dividendenzahlungen, dann gilt für den zur Ausschüttung kommenden Dividendenbetrag , > > . Werden während der Laufzeit der Optionen mehrmals unsichere Dividendenzahlungen im Bereich und mit einer jeweils verbleibenden Restlaufzeit von vorgenommen, dann ergibt sich für p die Put-Call-Relation 1 1 1 1 1 1 j j n n T t T T t T j j j j c S D r K r p c S D r K r und für c erhält man: 1 1 1 1 1 1 j j n n T t T T t T j j j j p S D r K r c p S D r K r Die Gültigkeit dieser Wertebereiche kann wiederum mit dem Arbitrageargument bewiesen werden. <?page no="353"?> 8.6 Put-Call-Paritätsbeziehungen 353 8.6.3 Put-Call-Parität Amerikanischer Optionen Bei amerikanischen Kaufoptionen auf Aktien, die keine Dividenden ausschütten oder die dividendengeschützt sind, konnte gezeigt werden, dass eine vorzeitige Ausübung keine rationale Handlungsweise darstellt. In diesem Fall ist die Kaufoption zu jedem Zeitpunkt während der Optionslaufzeit unausgeübt mehr wert als ausgeübt. Diese Aussage trifft auf amerikanische Verkaufsoptionen nicht zu. Unabhängig von etwaigen Dividendenzahlungen besteht für eine amerikanische Verkaufsoption immer eine positive Wahrscheinlichkeit für eine vorzeitige Ausübung, d.h. für > 0 gilt während der gesamten Laufzeit der Option ( 0, ) und , wobei > 0 ist und den Wert des Rechts der vorzeitigen Ausübung darstellt. Ausgehend von diesen Überlegungen muss für eine amerikanische Verkaufsoption gelten: 1 0 T P C S K r Durch Umformung erhält man die Wertuntergrenze zu: 1 T P C S K r Betrachtet man den speziellen Fall der sofortigen Ausübung der Verkaufsoption P, so tendiert der Zinseffekt gegen Null. Da > ( 1 + ) , erhält man als Wertobergrenze: P C S K Durch Kombination dieser Ungleichungen ergibt sich die Put-Call-Paritätsbeziehung der Form 1 . T C S K P C S K r Der durch diese Beziehung definierte Wertebereich kann wiederum mit Hilfe des Arbitragearguments bewiesen werden. Ist die Wertuntergrenze > + (1 + ) dahingehend verletzt, dass < + (1 + ) oder + (1 + ) > 0 , dann ließe sich durch den Verkauf des Calls, den Kauf des Puts, den Kauf der Aktie und durch eine Kreditaufnahme (z.B. durch den Verkauf risikofreier Null-Kuponanleihen) in Höhe von (1 + ) sofort ein positiver Geldbetrag vereinnahmen. Wird der verkaufte Call vor dem Verfallstag nicht ausgeübt, wird der Put bis zum Verfallstermin gehalten und es entsteht kein weiterer Gewinn oder Verlust. Wird hingegen der Call bei einer noch verbleibenden Restlaufzeit von t‘ ausgeübt, wird die Aktie geliefert und der Basispreis K vereinnahmt, der für die Rückzahlung des Kredits verwendet wird. Es verbleibt ein Betrag in Höhe von (1 + ) . Zudem verbleibt die Put Option, die immer noch einen positiven Wert hat. Ist hingegen die Wertobergrenze < + dahingehend verletzt, dass > + oder + > 0 ist, dann wird die Put Option und die Aktie verkauft, der Call gekauft und der Betrag K angelegt. Dadurch kann heute ein positiver Betrag vereinnahmt werden. Wird der verkaufte Put am oder vor dem Verfallstermin ausgeübt, wird der Betrag K abgehoben und zur Bezahlung der Aktie verwendet. Die angediente Aktie wird zur Glattstellung der Aktie-Short Position verwendet. Es verbleiben die Call Option und die aufgelaufenen Zinsen auf K. Entsprechend der obigen Vorgehensweise lässt sich der Wert der Kaufoption C auf eine sonst gleiche Verkaufsoption P zurückführen und begründen. Man erhält: <?page no="354"?> 354 8 Optionen 1 T P S K r C P S K Auch hier kann die Gültigkeit der Beziehung durch mögliche Arbitrage nachgewiesen werden, wenn die Ungleichung verletzt ist. 8.6.4 Put-Call-Parität Amerikanischer Optionen unter Berücksichtigung von Dividendenzahlungen Betrachtet man deterministische Dividendenzahlungen und geht man von einer einmaligen Dividendenzahlung bei verbleibender Restlaufzeit aus, dann ergibt sich für den Verkaufsoptionswert die Paritätsbeziehung 1 1 1 1 T T t C S K r P C S D r K Die linke Seite der Ungleichung stellt die Untergrenze für den Verkaufsoptionswert P dar. Die Dividendenzahlung bleibt dabei unberücksichtigt, da im Fall der Unterbewertung von P und damit der Überbewertung von C die Kaufoption C verkauft wird und dadurch die Möglichkeit der vorzeitigen Ausübung von C besteht, und die gesamte Position ohne Dividendeneinnahme bleibt. Die rechte Seite der Ungleichung bildet die Obergrenze für den Verkaufsoptionswert. Hierbei wird berücksichtigt, dass bei einer Überbewertung von P und damit Unterbewertung von C die Verkaufsoption P verkauft wird und möglicherweise unmittelbar nach dem ex-Dividendentermin optimal ausgeübt wird. ist deshalb Bestandteil der Wertobergrenze. Mit der gleichen Begründung bestimmt sich der Wertebereich für den amerikanischen Verkaufsoptionswert bei mehrmaligen deterministischen Dividendenzahlungen während der Optionslaufzeit: 1 1 1 j n T T t j j C S K r P C S D r K Für den Kaufoptionswert C relativ zum Verkaufsoptionswert P erhält man bei einmaliger Dividendenzahlung das Put-Call-Paritätstheorem 1 1 1 1 T t T P S D r K C P S K r Der Wegfall des Barwertes der Dividendenzahlung bei der Wertobergrenze (rechte Seite der Ungleichung) des Kaufoptionswertes ist bedingt durch die mögliche optimale Ausübung der (überbewerteten und somit verkauften) Kaufoption vor dem ex- Dividendentermin. Die gesamte Position bleibt dann ohne Dividendeneinnahme. Die Wertuntergrenze (linke Seite der Ungleichung) von C wird durch die Tatsache festgelegt, dass im Fall der Unterbewertung von C und damit Überbewertung von P die Verkaufsoption verkauft und möglicherweise nach dem ex-Dividendentermin ausgeübt wird. ist deshalb Bestandteil der Wertuntergrenze des Kaufoptionswertes. Bei mehreren deterministischen Dividendenzahlungen während der Optionsfrist erhält man für den Kaufoptionswert die Relation: 1 1 1 j n T t T j j P S D r K C P S K r <?page no="355"?> 8.6 Put-Call-Paritätsbeziehungen 355 Diese Ungleichung bildet die Oberbzw. Untergrenze von C, wenn die Bedingungen für die vorzeitige Ausübung in die Überlegungen miteinbezogen werden. Die Richtigkeit der Beziehung kann mit dem Arbitrageargument bewiesen werden. Sind die zur Ausschüttung kommenden Dividenden stochastisch, d.h. es ist zwar der Zeitpunkt der Dividendenzahlungen bekannt, nicht aber deren Höhe, so lässt sich auch bei amerikanischen Optionen keine eindeutige Gleichgewichtsbeziehung zwischen dem Kauf- und Verkaufsoptionswert herstellen. Da für die Dividendenzahlungen jedoch Grenzwerte existieren der Minimalwert ist Null, der Maximalwert ist S können auch hier für den Optionswert Extremwerte in Form von Ungleichungen angegeben werden. Man erhält schließlich für die Put Option bei mehrmaligen Dividendenzahlungen die Relation 1 1 1 j n T T t j j C S K r P C S D r K und für die Kaufoption ergibt sich: 1 1 1 j n T t T j j P S D r K C P S K r Die aufgezeigten Beziehungen für den Kauf- und Verkaufsoptionswert lassen sich anhand ertragsfähiger Arbitragegeschäfte bei Nichterfüllung der Relationen begründen. Exemplarisch soll der Beweis des Ungleichungssystems für den Verkaufsoptionswert durchgeführt werden. Zur Begründung der Untergrenze nehme man an, der Wert von P läge unterhalb des Wertebereichs, d.h. < + (1 + ) oder + + (1 + ) > 0 . Durch den Kauf des Puts, den Verkauf des Calls, den Kauf der Aktie und einer Kreditaufnahme von ( 1 + ) zum risikolosen Zinssatz ließe sich sofort ein Einzahlungsüberschuss realisieren. Wird die Kaufoption nicht vorzeitig ausgeübt, bleibt die Position bis zum Verfallstermin der Option bestehen. Die zwischenzeitlich vereinnahmten Dividenden werden zum risikofreien Zinssatz reinvestiert, so dass sich am Ende der Optionsfrist nach Auflösung der Position hieraus ein zusätzlicher Ertrag ergibt. Wird stattdessen der Call vor Ablauf der Optionsfrist bei einer noch verbleibenden Restlaufzeit von t‘, < , optimal ausgeübt, werden die Aktie geliefert und der erhaltene Betrag K zur Tilgung des Darlehens verwendet, woraus sich eine Zinsersparnis von ( 1 + ) ergibt. Zusätzlich verbleibt die Put Option, dessen Wert nicht negativ werden kann. Zur Begründung der Obergrenze nehme man an, dass die Ungleichung derart verletzt sei, dass > + (1 + ) + oder + (1 + ) > 0 gilt. Der Verkauf der Put Option, der Kauf der Call Option, der Leerverkauf der Aktie und die Anlage von + (1 + ) zum risikolosen Zinssatz ergibt sofort einen positiven Ertrag. Der angelegte Betrag der erwarteten Dividenden wird zur Bedienung der Dividendenerstattung auf den Leerverkauf der Aktie verwendet. Wird die Aktien-Leerverkaufsposition vor dem Verfallstermin glattgestellt oder sind die real ausgeschütteten Dividenden niedriger als angenommen, ergibt sich hieraus ein zusätzlicher Ertrag. Wird die Put Option nicht vorzeitig ausgeübt, bleibt die gesamte Position bestehen und wird dann am Verfallstag ohne Verlust liquidiert. Wird stattdessen die Put Option vor dem Verfallstermin ausgeübt, wird der <?page no="356"?> 356 8 Optionen angelegte Betrag K zur Bezahlung der angedienten Aktie verwendet, die wiederum zum Ausgleich der Aktie-Leerverkaufsposition verwendet wird. Es verbleiben von der ursprünglich eingegangenen Position die Call Option, die aufgelaufenen Zinsen auf den Basispreis und der Teil der angelegten Dividenden, der nicht zur Auszahlung gelangte. Die in diesem Kapitel hergeleiteten Arbitragerestriktionen könnten durch Lockerung der Kapitalmarktprämissen erweitert werden, hätte man beispielsweise zusätzliche Informationen über die künftige Zinsentwicklung oder könnten weiter verallgemeinert werden, z.B. durch Zulassung unterschiedlich hoher Zinssätze für risikolose Geldanlagen und Kreditaufnahmen oder durch Miteinbeziehung von Transaktionskosten, Sicherheitsleistungen und Steuern. Es würden sich hierdurch jedoch nur geringfügige Variationen des als zulässig befundenen Wertebereichs ergeben, ohne dadurch nennenswerte risikolose Arbitragebeziehungen hervorzurufen. 8.7 Das Binomialmodell nach Cox/ Ross/ Rubinstein 8.7.1 Vorbemerkungen zur Optionspreistheorie Der Preis einer Option bildet sich auf dem Optionsmarkt durch Angebot und Nachfrage und gibt an, wie die Marktteilnehmer die Gewinnchancen und Verlustrisiken einer Option bewerten. Dieser als Optionspreis bezeichnete Marktpreis unterliegt einer Vielzahl von Einflussfaktoren und richtet sich nach den Erwartungen und Entscheidungen der Markteilnehmer. Nicht alle dieser wertbestimmenden Einflussgrößen sind erfassbar und können quantifiziert werden, so dass der Preisbildungsprozess des Marktes mit Hilfe von Bewertungsmodellen, einem vereinfachten Abbild der ökonomischen Wirklichkeit, zu erklären versucht wird, aus denen ein als Optionswert bezeichneter Modellpreis logisch deduziert wird. In den Modellen der Kapitaltheorie wird das Gleichgewicht zwischen Anbietern und Nachfragern durch ein Annahmesystem erreicht, das den Markt und die Verhaltensweisen der Marktteilnehmer beschreibt. Enthalten die Modellannahmen weder individuelle Zeit- und Risikopräferenzen der Marktteilnehmer noch Annahmen über das stochastische Aktienkursverhalten, dann wird die resultierende Bewertung als präferenz- und verteilungsfrei bezeichnet. Im Rahmen dieses präferenz- und verteilungsfreien Optionsbewertungskonzepts wurde in den vorhergehenden Kapiteln auf der Grundlage einer rationalen Bewertung ein System von Bedingungen entwickelt, die den Optionswert im Zusammenwirken mit den maßgeblichen Bestimmungsgrößen Aktienkurs, Basispreis, Restlaufzeit, Volatilität, Zinssatz und Bardividenden erfüllen muss, um unausgenutzte Arbitragemöglichkeiten auszuschließen. Die abgeleiteten Wertbeziehungen hatten die Form von Ungleichungen, und es bleibt festzustellen, dass der Optionswert nur bei Ablauf der Optionsfrist durch eine eindeutige, direkte Beziehung in Form der Gleichung = ( 0, ) und = ( 0, ) bestimmt werden konnte. Vor Ablauf der Optionsfrist hingegen konnte der Optionswert nur eingegrenzt werden und es war nicht möglich, eine Bewertungsgleichung (eine preisbestimmende Formel) für den Kauf- oder Verkaufsoptionswert anzugeben. Gegenstand der Optionsbewertungstheorie ist es, im Rahmen eines Gleichgewichtsmodells die wertbestimmenden Determinanten exakt zu quantifizieren und so zueinander in Beziehung zu setzen, dass mittels einer <?page no="357"?> 8.7 Das Binomialmodell nach Cox/ Ross/ Rubinstein 357 theoretisch einwandfreien Bewertungsmethode die Bestimmung des fairen Optionspreises möglich ist, damit die am börsenorganisierten Optionshandel Beteiligten die Vorteilhaftigkeit ihrer Engagements beurteilen können. Um den Wert einer Option vor Ablauf der Optionsfrist bestimmen zu können, müssen über die vertraglich festgelegten Größen Basispreis und Restlaufzeit hinaus zusätzliche Annahmen über die unsichere, zukünftige Entwicklung des Kurses der zugrundeliegenden Aktie getroffen werden. Die Genauigkeit der Aktienkursprognose, die die entscheidend durch die angewandten Prognosemethoden und die ihr zur Verfügung stehenden Informationen bestimmt wird, und der Grad der Übereinstimmung der erwarteten mit der tatsächlich eintretenden Entwicklung hat fundamentale Bedeutung in der Einschätzung der Entwicklung der absoluten Höhe des Optionswertes, von dem wiederum der ertragsorientierte Investor seine Entscheidung über die anlagestrategische Verwendung des Instruments „Option“ abhängig macht. Die Kursprognose erfolgt entweder mit den traditionellen Ansätzen der fundamentalen und technischen Aktienanalyse oder mit den zu den traditionellen Methoden im Gegensatz stehenden, auf Effizienzthesen aufbauenden Random-Walk-Ansatz. Während die traditionellen Methoden einen gewissen Kausalzusammenhang zwischen den in der Vergangenheit zustande gekommenen Werten und der zukünftigen Kursentwicklung unterstellen, folgen bei der Random-Walk-Hypothese die Aktienkurse auf effizienten Kapitalmärkten einem nicht zu prognostizierenden Irrfahrtsprozess (Random-Walk). Demzufolge sind alle bewertungsrelevanten Tatsachen im Augenblick ihres Entstehens den Marktteilnehmern bekannt und im Kurs der Aktie eskomptiert. Der gegenwärtige Aktienkurs gilt als bester Schätzwert des künftigen Kurses und ist unabhängig von der Kenntnis der vergangenen Kursentwicklung. Der zukünftige Aktienkurs kann demnach als Zufallsprozess (stochastischer Prozess) aufgefasst werden, d.h. der künftige Aktienkurs ist von neuen, zufällig auftretenden bewertungsrelevanten Einflüssen abhängig, für die sich Wahrscheinlichkeiten angeben lassen. Lösungsansätze zur Bewertung von Optionsrechten und ihrer spezifischen Ausgestaltungsformen (Optionsscheine, Optionsanleihen, börsennotierte Optionen auf Aktien und andere Finanztitel und sonstige Finanzierungsinstrumente mit Optionscharakter) zu entwickeln, ist seit Jahrzehnten Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen. Erst 1973 gelang es Black/ Scholes, in ihrem epochalen Aufsatz „The Pricing of Options and Corporate Liabilities“ die Schwächen und Inkonsistenzen früherer Bewertungsmodelle zu eliminieren und ein auf einem vollständigen Kapitalmarktgleichgewicht beruhendes, geschlossenes Bewertungsmodell zu präsentieren, aus dem mit Hilfe des theoretischen Konstrukts eines teilweise fremdfinanzierten, aus Aktien und Aktienoptionen bestehenden, im Zeitablauf ständig anzupassenden und risikolose Arbitragemöglichkeiten ausschließenden Hedge-Portfolios, dessen erwarteter Ertrag auf einem im Gleichgewicht befindlichen Markt nur dem Ertrag einer risikolosen Anlage entsprechen darf (es darf nur der risikolose Zinssatz verdient werden), der Wert einer Option unabhängig von individuellen Zeit- und Risikopräferenzen der Marktteilnehmer und unabhängig auch von Annahmen hinsichtlich eines risikoadäquaten Diskontierungszinssatzes, deduziert werden kann. Diese von Black/ Scholes begründete und von Merton im selben Jahr entscheidend erweiterte Optionsbewertungstheorie wird deshalb als präferenzfrei bezeichnet. Das Optionspreismodell von Black und Scholes beruht auf der Annahme, dass die Aktien zeitkontinuierlich gehandelt werden (es wird eine geometrisch Brownsche <?page no="358"?> 358 8 Optionen Bewegung der Aktienkurse angenommen), es baut somit auf einem stetigen Ansatz auf und erhält dadurch einen komplizierten mathematischen Überbau, was bewirkt, dass die eigentlichen ökonomischen Zusammenhänge des Modells schwer verständlich werden. Eine besondere Bedeutung ist deshalb dem im Rahmen der präferenzfreien, verteilungsabhängigen Optionsbewertungstheorie von Cox/ Ross/ Rubinstein (1979) entwickelten diskreten Optionspreismodell beizumessen. Diesem Modell, das im Wesentlichen auf den gleichen Voraussetzungen wie das Black/ Scholes-Modell beruht, liegt als Annahme über die zukünftige Aktienkursentwicklung eine nur zweiwertige (binomiale) Verteilungshypothese zugrunde. Der Vorteil des Binomischen Bewertungsmodells ist darin zu sehen, dass es wegen des relativ einfach zu handhabenden und mathematisch leicht nachvollziehbaren multiplikativen Binomialprozesses einen tiefen Einblick in die der Optionsbewertung zugrundeliegenden ökonomischen Zusammenhänge gewährt, einfach und verständlich die Grundidee des risikolosen Hedge- Portfolios zu erklären vermag und gezeigt werden kann, dass die zeitkontinuierlichen Modelle, so auch das Black/ Scholes-Modell, als Grenzfälle des Binomialansatzes hergeleitet werden können. Bevor nun das Binomial-Modell explizit vorgestellt wird, soll an einem einfachen Beispiel die auf Black/ Scholes (1973) und Merton (1973) zurückgehende Idee des risikolosen Hedge-Portfolios dargestellt werden. Betrachtet wird eine Aktie mit einem gegenwärtigen Kurs von 30 Euro, die nach einem Jahr entweder um 30% gestiegen oder um 20% gefallen ist. Der Kauf der Aktie wird durch den Verkauf risikofreier Null-Kuponanleihen zum gegenwärtigen Kurs von 28,30 Euro mit einem Rückzahlungsbetrag (Nennwert) von 30 Euro (das entspricht einer Darlehensaufnahme von 28,30 Euro zum risikolosen Zinssatz von 6%, rückzahlbar nach Ablauf der betrachteten Periode von einem Jahr) finanziert. Aktien und Anleihen sind beliebig teilbar. Es soll der Wert einer Kaufoption auf die Aktie bestimmt werden, wenn der Basispreis 30 Euro beträgt. Da die Option durch ein Portfolio aus einer bestimmten Anzahl von Aktien und Null-Kuponanleihen nachgebildet (dupliziert) wird, werden keine weiteren Informationen benötigt. Zur Berechnung des Kaufoptionswertes wird zunächst der Wert der Option am Laufzeitende betrachtet. Steigt der Aktienkurs um 30% auf 39 Euro, beträgt der Wert der Kaufoption 9 Euro. Fällt der Kurs um 20% auf 24 Euro, ist ihr Wert Null. Der Zerobond wird am Ende der Laufzeit einschließlich Zinsen mit 30 Euro zurückgezahlt. Der Wert der Kaufoption soll nun durch ein Portfolio aus Aktien und Zerobonds nachgebildet werden. Dazu werden x Aktien gekauft und durch y Zerobonds finanziert. Zur Bestimmung der Variablen x und y müssen folgende Gleichungen aufgestellt werden: 39 + 30 = 9 bei einem Kursanstieg und 24 + 30 = 0 bei einem Kursrückgang Durch Lösen des Gleichungssystems erhält man = 0,6 und = 0,48 . Mit dem Kauf von 0,6 Aktien finanziert mit 0,48 Zerobonds wird die Kaufoption nachgebildet. Da auf einem perfekten Markt ohne unausgenutzte Arbitragemöglichkeiten zwei Portfolios, die Kaufoption einerseits und das die Kaufoption abbildende Portfolio andererseits, die in jeder Zustandskonstellation identische Rückflüsse produzieren, auch denselben Preis haben müssen, lässt sich daraus der heutige Preis der Kaufoption ableiten: 0, 6 30 0, 48 28, 30 4, 42 C <?page no="359"?> 8.7 Das Binomialmodell nach Cox/ Ross/ Rubinstein 359 Die einzelnen Transaktionen sind in Bild 8.30 dargestellt. Es wird deutlich, dass eine im richtigen Verhältnis fremdfinanzierte Aktienposition die zukünftigen Erträge einer Kaufoption abbildet. Allein die Kenntnis des Aktienkurses, des Basispreises und die Schwankungsbreite des Aktienkurses und die Kenntnis des Zinssatzes genügen, um den Wert der Kaufoption exakt zu determinieren. Da annahmegemäß die Finanztitel beliebig teilbar sind, erhält man de facto im aufgeführten Beispiel eine Kaufoption, wenn man 0,6 Aktien hält und diese durch die Ausgabe von 0,48 Zerobonds finanziert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt müssen dann beide Anlageformen, die Kaufoption und das äquivalente Portfolio, den gleichen Wert aufweisen, d.h. es mussgelten, = 0,6 30 0,48 28,30 = 4,42 . Auch wird deutlich, dass das so konstruierte Portfolio unabhängig vom möglichen Kursniveau der Aktie am Ende der Optionsfrist weder einen Gewinn noch einen Verlust ausweist, somit also einen sicheren Zahlungsüberschuss von Null erbringt. Das so konstruierte Portfolio aus Kaufoptionen, Aktien und einem risikolosen Wertpapier ist ein perfektes Hedge-Portfolio. Cash Flow im Verfallstermin T Transaktionen heute = 24 = 39 Verkauf Call 4,42 0 9,00 Kauf Aktie 18,00 14,40 23,40 Verkauf Zerobonds 13,58 14,40 14,40 Gesamt 0 0 0 Bild 8.30 Perfektes Hedge-Portfolio aus Kaufoptionen, Aktien und risikofreien Nullkupon-Anleihen Weicht der tatsächliche Marktpreis von dem ermittelten Wert ab, ließe sich sofort ein sicherer Gewinn erzielen. Wäre beispielsweise = 5 Euro, ergäbe sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt durch den Verkauf des Calls zu 5 Euro, den Kauf von 0,6 Aktien zu 30 Euro und durch den Verkauf von 0,48 Zerobonds zu 28,30 Euro sofort ein Gewinn von 0,58 Euro ( 5 0,6 30 + 0,48 28,30 = 0,58 ), ohne dass in Zukunft weitere Gewinne oder Verluste anfielen. Wäre der Marktpreis der Kaufoption bei 3,84 Euro, also um 0,58 Euro unterbewertet, dann ließe sich durch den Kauf der Option zu 3,84 Euro, den Verkauf von 0,6 Aktien zu 30 Euro und durch den Kauf von 0,48 Zerobonds zu 28,30 Euro das gleiche Ergebnis erzielen ( 3,84 + 0,6 30 0,48 28,30 = 0,58 ) . Die weitere Vorgehensweise bei der Bestimmung des Optionswertes folgt im Wesentlichen dem oben beschriebenen Duplikationsprinzip (Pricing bei Duplication). 8.7.2 Bewertung von Kaufoptionen Zur Bestimmung des Wertes einer Option vor Ablauf der Optionsfrist werden die folgenden grundlegenden Annahmen gemacht: 1. Die Märkte für Optionen, Anleihen und Aktien sind friktionslos und vollkommen. 2. Der Handel mit Aktien erfolgt zu diskreten, äquidistanten Zeitpunkten. Der zukünftige Aktienkursverlauf entspricht einem multiplikativen Binomialprozess mit dem Wahrscheinlichkeitsparameter q und den Wertänderungsparametern 1 + und 1 + . <?page no="360"?> 360 8 Optionen Zunächst wird die Bewertung von Kauf- und Verkaufsoptionen ohne die Berücksichtigung von Dividendenzahlungen vorgenommen. Im weiteren Verlauf werden dann auch Dividenden in das Bewertungsmodell integriert. Unter der Annahme einer zweiwertigen (binomischen) Verteilungshypothese über die zukünftige Aktienkursentwicklung nimmt der gegenwärtige Aktienkurs S am Ende der betrachteten Periode mit der Wahrscheinlichkeit q den Wert (1 + ) und mit der Wahrscheinlichkeit 1 den Wert (1 + ) an. Die Entwicklung des Aktienkurses lässt sich durch das folgende Zustandsdiagramm veranschaulichen. , = (1 + ) mit der Wahrscheinlichkeit q , = (1 + ) mit der Wahrscheinlichkeit 1 q Dabei entspricht u der Aktienrendite bei steigendem Aktienkurs und d der Aktienrendite bei fallendem Kurs am Ende der betrachteten Zeitperiode. Da annahmegemäß am Markt keine unausgenutzten Arbitragemöglichkeiten bestehen, muss für die Wertänderungsparameter u und d sowie für den risikolosen Zinssatz r gelten: > > . Da Aktienkurse wegen ihres beschränkten Verbindlichkeitscharakters keine negativen Werte annehmen können, muss für d weiter 0 gelten. Um den Wert einer Kaufoption in Abhängigkeit der oben dargestellten zweiwertigen Verteilungsannahme für den Aktienkurs bestimmen zu können, wird zunächst der Fall der einperiodigen Restlaufzeit betrachtet. Einperiodiges Modell Es sei der gegenwärtige Wert der Kaufoption (Kaufoptionswert bei einer verbleibenden Restlaufzeit von einer Periode), , der Kaufoptionswert am Ende der einperiodigen Restlaufzeit bei einem Aktienkurs von , = (1 + ) und , der Kaufoptionswert bei einem Aktienkurs von , = (1 + ) am Ende der einperiodigen Restlaufzeit. Da Dividendenzahlungen unberücksichtigt bleiben, ist eine vorzeitige Ausübung einer amerikanischen Kaufoption nicht vorteilhaft. Der Wert einer europäischen oder amerikanischen Kaufoption ergibt sich demnach aus den am Ende des betrachteten Zeitintervalls T möglichen Realisationen des Optionswertes: , , 1 max 0, max 0, 1 T u T u T C S K u S K , , 1 max 0, max 0, 1 T d T d T C S K d S K . Unbestimmt ist der gegenwärtige Wert der Kaufoption. , = 0, , mit der Wahrscheinlichkeit q 1 T C , = 0, , mit der Wahrscheinlichkeit 1 q Würden sich alle Marktteilnehmer risikoneutral verhalten, könnte die Bestimmung von einfach dadurch erfolgen, dass man den Erwartungswert ( ) am Ende des Zeitintervalls bestimmt, d.h., dass man , und , mit den Realisationswahrscheinlichkeiten q und 1 gewichtet und die Summe mit dem risikolosen Zinssatz r diskontiert. Damit erhielte man: <?page no="361"?> 8.7 Das Binomialmodell nach Cox/ Ross/ Rubinstein 361 , , 1 1 1 1 T u T d T T qC q C E C C r r Da jedoch keine Risikoneutralität vorausgesetzt ist und die Kenntnis der subjektiven Wahrscheinlichkeitsverteilung der zugrundeliegenden Aktie nicht übereinstimmend vorhergesagt werden kann, wird der Kaufoptionswert analog zu der in Abschnitt 8.7.1 aufgezeigten Vorgehensweise durch Bildung eines äquivalenten Portfolios bestimmt. Definiert wird ein Portfolio 1 + , das aus Stück der zugrundeliegenden Aktie sowie einem Betrag B risikoloser Wertpapiere besteht. Den Wert dieses Portfolios am Ende der einperiodigen Restlaufzeit zeigt das folgende Diagramm. 1 , 1 1 1 T T u u S r B S r B mit der Wahrscheinlichkeit q 1 T S B 1 , 1 1 1 T T d d S r B S r B mit der Wahrscheinlichkeit 1 q Da die Anzahl der Aktien und der risikolosen Wertpapiere beliebig gewählt werden kann, muss das äquivalente Portfolio in jedem Zustand die gleichen Rückflüsse erzeugen wie die durch das äquivalente Portfolio duplizierte Kaufoption, d.h. es muss gelten: , 1 1 1 T u T C u S r B , 1 1 1 T d T C d S r B Löst man das Gleichungssystem nach den beiden Variablen und B auf, erhält man: , , , , 1 , , T u T d T u T d T T u T d C C C C u d S S S , , 1 1 1 T d T u u C d C B u d r Oder vereinfacht geschrieben: u d u d u d C C C C u d S S S 1 1 1 d u u C d C B u d r Der Wert von bestimmt die Anzahl der zu kaufenden Aktien, um die Kaufoption zu replizieren, wobei 0 1 . Der Wert von B, wobei 0 , gibt an, wieviel risikolose Anleihen verkauft werden bzw. Fremdmittel zum risikolosen Zinssatz aufgenommen werden, um das Investment in die Aktie zu finanzieren. Werden und B auf die oben dargestellte Weise gewählt, dann ist das äquivalente Portfolio determiniert und es kann daraus der Kaufoptionswert berechnet werden. <?page no="362"?> 362 8 Optionen Um risikolose Arbitrage auszuschließen, muss der gegenwärtige Wert der Kaufoption im Marktgleichgewicht denselben Wert haben wie das äquivalente Portfolio zum Zeitpunkt 1 , d.h. es muss gelten: 1 1 T T C S B oder C S B Wäre der Wert der Kaufoption kleiner als das äquivalente Portfolio, ließe sich durch den Kauf des Calls und den Verkauf des äquivalenten Portfolios (d.h. durch den Verkauf der Aktie und eine Geldanlage) heute (in 1 ) ein positiver Cash Flow realisieren und ein nicht negativer Cash Flow in T, unabhängig davon, ob die Aktie steigt oder fällt. Wäre der Call überbewertet, ergäbe sich durch den Verkauf des Calls und den Kauf des äquivalenten Portfolios (d.h. Kauf der Aktie mittels Kreditaufnahme) ebenfalls ein risikoloser Arbitragegewinn erzielen. Setzt man und B wie oben determiniert in die Gleichung = + ein, dann erhält man: , , 1 1 T u T d T r d u r C C u d u d C r Diese Gleichung lässt sich vereinfachen, definiert man r d p u d und 1 u r p u d Damit ergibt sich für den Wert einer Kaufoption auf eine dividendenlose oder dividendengeschützte Aktie mit einperiodiger Restlaufzeit, einem Basispreis von K und einem aktuellen Aktienkurs von die Bewertungsgleichung , , 1 1 1 T u T d T pC p C C r oder vereinfacht geschrieben 1 1 u d pC p C C r mit = (0, ) und = (0, ) . Diese Gleichung ist eine exakte Formel zur Bewertung einer Kaufoption bei einer verbleibenden Restlaufzeit von einer Periode. Ihr Wert ist durch den aktuellen Aktienkurs S, den Basispreis K, der Restlaufzeit T, den risikolosen Zinssatz r und die Wertänderungsparameter u und d bestimmt. Dabei sind S, K, T und r beobachtbare bzw. festgelegte Größen, während u und d geschätzt werden müssen. Die Bewertungsgleichung ist in verschiedener Hinsicht bemerkenswert. Der Wert der Kaufoption ist unabhängig von den Eintrittswahrscheinlichkeiten q und 1 , d.h. Marktteilnehmer, auch wenn sie bezüglich der Realisationswahrscheinlichkeiten q und 1 für u (Ansteigen des Aktienkurses) bzw. d (Sinken des Aktienkurses) unterschiedliche subjektive Wahrscheinlichkeiten haben, gelangen dennoch im Marktgleichgewicht zum selben Optionspreis. Der Kaufoptionspreis ist auch unabhängig <?page no="363"?> 8.7 Das Binomialmodell nach Cox/ Ross/ Rubinstein 363 von den Risikopräferenzen der Marktteilnehmer und den Charakteristika anderer Vermögensanlagen, ausgenommen der zugrundeliegenden Aktie und dem risikolosen Wertpapier. Die Bewertungsgleichung gilt demnach für risikoaverse, risikoscheue und risikofreudige Investoren gleichermaßen. Die einzige Annahme, die über das Verhalten der Marktteilnehmer getroffen wurde, ist, dass sie mehr Geld höher einschätzen als weniger und daher risikolose, unausgenutzte Arbitragemöglichkeiten wahrnehmen. Schließlich soll der Faktor p noch näher betrachtet werden. Da > > gilt, kann p, = ( )/ ( ) , nur Werte zwischen Null und Eins annehmen und hat somit die Eigenschaft einer Wahrscheinlichkeitsziffer. Da aber zur Bestimmung des Kaufoptionswertes weder die Risikopräferenzstruktur der Marktteilnehmer noch ihre individuellen Wahrscheinlichkeitsverteilungen benötigt werden, kann p bestenfalls als Pseudowahrscheinlichkeit interpretiert werden. Dass die Größe p tatsächlich der Wert ist, den q annehmen würde, wenn sich alle Marktteilnehmer risikoneutral verhielten, d.h. sich ausschließlich am Erwartungswert orientierten, kann man sich leicht überlegen, wenn man bedenkt, dass auf einem risikoneutralen Markt die erwartete Gleichgewichtsrendite aller risikobehafteten Anlagen der Rendite risikofreier Anlagen entspricht. Dies muss auch für die hier betrachteten risikobehafteten Titel Aktie und Option gelten. Die erwartete Aktienrendite ist demnach die Summe der möglichen, mit ihren Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteten Aktienrenditen, die dem risikolosen Zinssatz entsprechen muss. Es muss daher gelten, 1 1 q uS q dS r S und = ( )/ ( ) = . Bei Risikoneutralität sind q und p identisch. Für die betrachtete Kaufoption ergibt sich 1 1 u d qC q C r C . Durch Umformen erhält man schließlich: 1 , mit 1 u d qC q C C q p r Demnach kann der so ermittelte Kaufoptionswert als der auf einem risikoneutralen Markt mit dem risikolosen Zinssatz diskontierte Erwartungswert der am Ende der Optionsfrist möglichen Realisationen des Optionswertes interpretiert werden. Da diese Optionspreisformel weder die subjektiven Wahrscheinlichkeiten q und 1 enthält, sondern die aus den Größen u und d errechneten Werte p und 1 , noch spezielle Annahmen über das Risikoverhalten der Marktteilnehmer, müssen Marktteilnehmer mit unterschiedlichen Risikopräferenzen ceteris paribus zum selben Gleichgewichtspreis der Option gelangen, so auch risikoneutrale Investoren. Die beschriebene Vorgehensweise bei der Ermittlung des Kaufoptionswertes soll nun anhand eines Beispiels dargestellt werden. Der gegenwärtige Kurs einer Aktie sei = 80 . Es existiert eine Kaufoption mit einperiodiger Restlaufzeit, die es dem Optionsinhaber erlaubt, die Aktie am Verfallstag zum Basispreis von = 80 zu erwerben. Es wird angenommen, dass der Aktienkurs am Ende der betrachteten Zeitperiode entweder zu = 120 oder zu = 40 notiert. Der risikolose Zinssatz über die einperiodige Restlaufzeit sei 10%. Die Entwicklung des Aktienkurses und die korrespondierende Entwicklung des Wertes der Kaufoption zeigen die folgenden Zustandsdiagramme. <?page no="364"?> 364 8 Optionen , = (1 + ) = (1 + 0,5)80 = 120 = 80 , = (1 + ) = (1 0,5)80 = 40 , = 0, , = (0, 120 80) = 4 , = 0, , = (0, 40 80) = 0 Unbestimmt ist der gegenwärtige Wert der Kaufoption. Aus den gemachten Angaben lassen sich die zur Ermittlung des Kaufoptionswertes notwendigen Zwischenergebnisse ermitteln: Der Wert der Kaufoption ist am Verfallstag entweder , = 40 oder , = 0 . Die Aktienrenditen betragen = 0,5 und = 0,5. Damit erhält man = 0,6 und 1 = 0,4 und der heutige Wert der Kaufoption errechnet sich zu: 1 0, 6 40 0, 4 0 21,82 1,1 T C Der Kaufoptionswert C kann auch über das äquivalente Portfolio + ermittelt werden. Die Anzahl der im Portfolio zu haltenden Aktien und die Höhe der aufzunehmenden Fremdmittel beträgt = 40 0 120 40 = 0,5 und = 1,5 0 0,5 40 ( 1,5 0,5 ) 1,1 = 18,18 . Damit erhält man den Kaufoptionswert zu: 1 0, 5 80 18,18 21,82 T C Weicht der tatsächliche Marktwert nach oben oder nach unten von dem theoretisch ermittelten Modellpreis ab, lassen sich risikolose Arbitragegewinne erzielen, indem man die Kaufoption verkauft und das äquivalente Portfolio kauft bzw. die Kaufoption kauft und das äquivalente Portfolio verkauft. Eine derartige Position wird als risikoloses Hedge-Portfolio bezeichnet. Wäre beispielsweise der Marktpreis der Kaufoption = 25 und damit höher als der nach der Bewertungsgleichung ermittelte, ließe sich durch den Verkauf der Kaufoption und den gleichzeitigen Kauf des äquivalenten Portfolios sofort ein risikoloser Arbitragegewinn erzielen, wenn man = 0,5 Stück der Aktie kauft und dazu einen Kredit in Höhe von = 18,18 aufnimmt. Der Arbitragegewinn je Option zum gegenwärtigen Zeitpunkt beträgt dann 3,18. Einzahlung aus dem Verkauf der Option + 25,00 Auszahlung für 0,5 Aktien zu 80 40,00 Einzahlung durch Kreditaufnahme + 18,18 Arbitragegewinn + 3,18 Steigt der Aktienkurs bis zum Verfallstermin der Option auf , = 120 , wird die Kaufoption ausgeübt und der Arbitrageur muss die Aktie liefern. Zusätzlich muss der Kredit zurückgezahlt werden. Es ergibt sich folgende Abrechnung: <?page no="365"?> 8.7 Das Binomialmodell nach Cox/ Ross/ Rubinstein 365 Einzahlung aus der Lieferung der Aktie + 80,00 Auszahlung für 0,5 Aktien zu 120 60,00 Auszahlung für Kredittilgung 20,00 Arbitragegewinn 0,00 Sinkt der Aktienkurs auf , = 40 , wird die Option nicht ausgeübt, der Arbitrageur muss die Aktie nicht liefern, kann aber die Aktie am Markt verkaufen. Es ergibt sich folgende Abrechnung: Einzahlung für 0,5 Aktien zu 40 + 20,00 Auszahlung für Kredittilgung 20,00 Arbitragegewinn 0,00 Unabhängig vom jeweiligen Stand des Aktienkurses am Verfallstag der Option ist der anfängliche Arbitragegewinn von 3,18 sicher. Die oben angestellten Überlegungen zur Bestimmung des Optionswertes bei einer einperiodigen Restlaufzeit bilden auch die Grundlage zur Lösung n-periodiger Optionsbewertungsprobleme. Bevor jedoch das Modell auf die Bewertung von Optionen mit n Perioden angewendet wird, soll zur Verdeutlichung des Bewertungsprinzips der Kaufoptionswert anhand einer zweiperiodigen Restlaufzeit bestimmt werden. Zweiperiodiges Modell Wird die Restlaufzeit in zwei Zeitintervalle unterteilt und kann sich der Kurs der Aktie zu = 2 diskreten Zeitpunkten zufällig ändern, und sind annahmegemäß die Wertänderungsparameter u und d sowie der risikolose Zinssatz r für jede der zwei Teilperioden konstant, so ergibt sich für die mögliche zufallsbedingte Aktienkursentwicklung das nachfolgende Zustandsdiagramm. Dabei sind T der Verfallstermin der Kaufoption und 2 der gegenwärtige Zeitpunkt. , = (1 + ) , = (1 + ) , = (1 + )(1 + ) , = (1 + ) , = (1 + ) Die möglichen Optionswerte , , , = , und , am Ende der zweiten Periode werden determiniert von den sich am Ende der zweiten Periode (Verfallszeitpunkt der Option) ergebenden zufallsbedingten Endzuständen des Aktienkurses: , nach einem Anstieg des Aktienkurses in der ersten Periode und einem weiteren Anstieg in der zweiten Periode, , nach einem Anstieg des Aktienkurses in der ersten Periode aber einem Rückgang des Aktienkurses in der zweiten Periode, , nach einem Rückgang des Aktienkurses in der ersten Periode, aber einem Anstieg in der zweiten Periode, und , nach einem Rückgang des Aktienkurses in der ersten Periode und <?page no="366"?> 366 8 Optionen einem weiteren Rückgang in der zweiten Periode. Da die möglichen Realisationen des Aktienkurses am Ende der zweiten Periode und der Basispreis bekannt sind, kann auch der Kaufoptionswert für jeden der möglichen Zustände des Aktienkurses ermittelt werden. Die Entwicklung des Kaufoptionswertes veranschaulicht das folgende Zustandsdiagramm. 2 , 2 max 0, 1 T uu T C u S K 1, T u C 2 T C , 2 max 0, 1 1 T ud T C u d S K 1, T d C 2 , 2 max 0, 1 T dd T C d S K Der gegenwärtige Wert der Kaufoption kann durch rekursive Anwendung des einperiodigen Modells ermittelt werden. Am Ende der ersten Periode ( 1 ), bei einer noch verbleibenden Restlaufzeit von einer Periode reduziert sich das Optionsbewertungsproblem auf ein einperiodiges Bewertungsproblem. Das folgende Diagramm zeigt die Kursentwicklung der Kaufoption vom Ende der ersten zur zweiten Periode nach gestiegenem Aktienkurs in der ersten Periode. 2 , 1, 2 max 0, 1 max 0, 1 T uu T u T C u S K u S K … 1, T u C , 1, 2 max 0, 1 max 0, 1 1 T ud T u T C d S K u d S K Analog zur Vorgehensweise im Falle der einperiodigen Restlaufzeit kann man auch hier ein Portfolio aus Stück der zugrundeliegenden Aktie und dem Betrag B risikoloser Wertpapiere bilden. Die Wertentwicklung dieses Portfolios über die betrachtete Zeitperiode (vom Ende der ersten zur zweiten Periode) zeigt das folgende Diagramm. 2 2 2 1, 2 1 1 1 1 T u T u S r B u S r B … 1, 1 T u S r B 2 2 1, 2 1 1 1 1 1 T u T d S r B u d S r B Weiterhin muss gelten: , T uu C 2 2 2 1 1 T u S r B , T ud C 2 2 1 1 1 T u d S r B Löst man die Gleichungen, erhält man: , , 2 T uu T ud T C C u d uS und , , 2 1 T ud T uu uC dC B u d r <?page no="367"?> 8.7 Das Binomialmodell nach Cox/ Ross/ Rubinstein 367 Um risikolose Arbitragemöglichkeiten auszuschließen, muss am Ende der ersten Periode für den Kaufoptionswert und das äquivalente Portfolio gelten: 1, 2 1 1 T u T C u S r B Durch Einsetzen der Werte für und B erhält man: , , 1, 1 T uu T ud T u r d u r C C u d u d C r Mit r d p u d und 1 u r p u d erhält man den Kaufoptionswert zu: , , 1, 1 1 T uu T ud T u pC p C C r Der Kaufoptionswert am Ende der ersten Periode entspricht dem mit dem risikolosen Zinssatz diskontierten Erwartungswert der am Ende der Restlaufzeit möglichen Optionswerte. Dem Erwartungswert liegen wiederum nicht die subjektiven Wahrscheinlichkeiten q und 1 , sondern die aus den Größen u, d und r errechneten Wahrscheinlichkeiten p und 1 zugrunde. Auch wird deutlich, dass die Struktur des äquivalenten Portfolios, das durch , die Anzahl der im Portfolio zu haltenden Aktie und den zum risikolosen Zinssatz r aufzunehmenden Betrag B besteht, erhalten bleibt. Entsprechend der aufgezeigten Vorgehensweise bei der Bestimmung von , kann auch der Kaufoptionswert , nach einem Aktienkursrückgang in der ersten Periode aus den am Ende der Restlaufzeit (zweiten Periode) möglichen Realisationen des Optionswertes ermittelt werden. Insgesamt erhält man am Ende der ersten Periode für die möglichen Kaufoptionswerte , und , die folgenden Bewertungsgleichungen: , , 1, 1 1 T uu T ud T u pC p C C r , , 1, 1 1 T du T dd T d pC p C C r Aus den so ermittelten Optionswerten kann dann auch der gegenwärtige Wert der Kaufoption als Lösung eines einperiodigen Bewertungsproblems analog zur aufgezeigten Vorgehensweise im Fall der einperiodigen Restlaufzeit bestimmt werden. Der gegenwärtige Wert der Kaufoption ergibt sich durch Einsetzen der Gleichungen für , und , in die (bereits bekannte) Gleichung 1, 1, 2 1 1 T u T d T pC p C C r . Berücksichtigt man noch, dass , = , ist, erhält man nach Umformung: <?page no="368"?> 368 8 Optionen 2 2 , , , 2 2 2 1 1 1 T uu T ud T dd T p C p p C p C C r Alle Variablen auf der rechten Seite der Gleichung sind bekannt. Der Wert von p ist ( ) / ( ) und zum Zeitpunkt T kann die Kaufoption einen der folgenden Werte annehmen: 2 , , 2 max 0, max 0, 1 T uu T uu T C S K u S K , , , 2 max 0, max 0, 1 1 T ud T du T ud T C C S K u d S K 2 , , 2 max 0, max 0, 1 T dd T dd T C S K d S K Die gemachten Bemerkungen im Ein-Periodenfall lassen sich auch auf die Bewertungsgleichung im Zwei-Periodenfall übertragen. Dennoch fällt auf, dass die bis zum Verfallstermin der Option verbleibenden Perioden n eine zusätzliche Optionspreisdeterminante darstellen, d.h. alle Variablen, die den Kaufoptionswert C determinieren sind S, K, n, u, d und r. Bezugnehmend auf das vorhergehende Beispiel ( = 80 , = 80 , = 0,5 , = 0,5 und = 10% ) soll nun die Restlaufzeit in zwei Zeitintervalle unterteilt werden. Für die Aktie ergibt sich dann die folgende Wertentwicklung: , 180 T uu S 1, 120 T u S 2 80 T S , 60 T ud S 1, 40 T d S , 20 T dd S Die korrespondierende Kaufoption nimmt folgende Entwicklung: , max 0, 180 80 100 T uu C 1, T u C 2 T C , max 0, 60 80 0 T ud C 1, T d C , max 0, 20 80 0 T dd C Der gegenwärtige Wert der Kaufoption kann rekursiv bestimmt werden. Dazu berechnet man zunächst die Werte von , und , am Ende der ersten Periode. Mit = ( 0,1 + 0,5 )/ ( 0,5 + 0,5 ) = 0,6 und 1 = 0,4 erhält man: , , 1, 1 0, 6 100 0, 4 0 54, 55 1 1,1 T uu T ud T u pC p C C r <?page no="369"?> 8.7 Das Binomialmodell nach Cox/ Ross/ Rubinstein 369 , , 1, 1 0, 6 0 0, 4 0 0 1 1,1 T du T dd T d pC p C C r Der gegenwärtige Wert der Kaufoption beträgt dann: 1, 1, 2 1 0, 6 54, 55 0, 4 0 29, 75 1 1,1 T u T d T pC p C C r oder 2 2 2 2 , , , 2 2 2 2 1 1 0, 6 100 2 0, 6 0, 4 0 0, 4 0 29, 75 1,1 1 T uu T ud T dd T p C p p C p C C r Die Kaufoptionswerte , und , können auch über das äquivalente Portfolio berechnet werden. 2 2 2 1 1 T u S r B 2 1 1 T r S r B 2 T S B 2 2 1 1 1 T u d S r B 2 1 1 T d S r B 2 2 2 1 1 T d S r B Für das der Kaufoption 1, T u C äquivalente Portfolio müssen , , 2 100 0 0,8333 1 0, 5 0, 5 1, 5 80 T uu T ud T C C u d u S Stück der Aktie und Fremdmittel in Höhe von , , 2 2 1 1 1, 5 0 0, 5 100 41, 32 0, 5 0, 5 1,1 1 T ud T uu u C d C B u d r aufgenommen werden. Damit ergibt sich 2 1, 1 1 0,8333 1, 5 80 1,1 41, 32 54, 55 T T u u S r B C Für das der Kaufoption , äquivalente Portfolio erhält man mit , , 2 0 0 1 0, 5 0, 5 0, 5 80 T ud T dd T C C u d d S und , , 2 2 1 1 1, 5 0 0, 5 0 0 0, 5 0, 5 1,1 1 T dd T ud u C d C B u d r den Kaufoptionswert zu: 2 1, 1 1 0 T T d d S r B C <?page no="370"?> 370 8 Optionen Der gegenwärtige Wert der Kaufoption ergibt sich man durch Konstruktion des äquivalenten Portfolios 2 + : Mit 2, 2, 2 54, 55 0 0, 6818 1, 5 0, 5 80 T u T d T C C u d S und , , 1 1 1, 5 0 0, 5 54, 55 24, 79 1 0, 5 0, 5 1,1 T d T u u C d C B u d r erhält man schließlich 2 2 0, 6818 80 24, 79 29, 75 T T S B C Bisher wurden Kaufoptionen mit einer von ein und zwei Perioden betrachtet und es ergab sich für den Fall zwei-periodiger Restlaufzeit die folgende Bewertungsgleichung: 2 2 , , , 2 2 2 1 1 1 T uu T ud T dd T p C p p C p C C r wobei 2 , 2 max 0, 1 T uu T C u S , 2 max 0, 1 1 T ud T C u d S 2 , 2 max 0, 1 T dd T C d S Mehrperiodiges Modell Im Falle einer drei-periodigen Restlaufzeit erhält man: 2 3 3 2 , , , , 3 3 3 1 3 1 1 1 T uuu T uud T udd T ddd T p C p p C p p C p C C r Die Koeffizienten bei den Wahrscheinlichkeiten geben an, wie viele Pfade zu einem bestimmten Optionswert in T führen. So bedeutet der Faktor 1 vor dem Term , dass es einen Pfad mit dreimaliger Aufwärtsbewegung von u Prozent gibt, der Faktor 3 vor (1 ) bedeutet, dass es drei Pfade mit jeweils zwei Aufwärtsbewegungen von u Prozent und einer Abwärtsbewegung von d Prozent gibt, der Faktor von 3 vor ( 1 ) 2 gibt an, dass drei Pfade mit jeweils einer Aufwärtsbewegung von u Prozent und zwei Abwärtsbewegungen von d Prozent existieren und schließlich gibt der Faktor 1 vor (1 ) an, dass es einen Pfad mit drei Abwärtsbewegungen von d Prozent gibt. Aufgrund dieser Überlegungen kann die Gleichung auch auf andere Weise dargestellt werden. Dazu wird zunächst die Anzahl der Pfade bestimmt, auf welchen der Aktienkurs im Binomialprozess während der n-periodigen Restlaufzeit j-mal eine Aufwärtsbewegung um u Prozent erfährt. Die Anzahl der möglichen Pfade lässt sich mit dem Binomialkoeffizienten bestimmen: <?page no="371"?> 8.7 Das Binomialmodell nach Cox/ Ross/ Rubinstein 371 ! ! ! n n j j n j Da die Aktienkursentwicklung im Zeitablauf stationär ist, spielt die Reihenfolge, in der der Aufwärtstrend auftritt, keine Rolle, d.h. uud, udu, und duu ergeben denselben Aktienkurs in T. Wenn beispielsweise = 3 , dann gibt es 3 3! 3 2 1 6 3 2 2! 3 2 ! 2 1 1 2 Pfade, auf denen der Aktienkurs während der n-periodigen Restlaufzeit jeweils zwei Aufwärtsbewegungen ( = 2) und eine Abwärtsbewegung ( = 3 2 = 1 ) erfährt. Die obige Gleichung im Fall einer drei-periodigen Restlaufzeit kann demnach wie folgt umgeschrieben werden: 2 3 3 2 , , , , 3 3 3 3 3 3 1 1 1 3 2 1 0 1 T uuu T uud T udd T ddd T p C p p C p p C p C C r wobei 3 0 , 3 max 0, 1 1 T uuu T C u d S K 2 1 , 3 max 0, 1 1 T uud T C u d S K 1 2 , 3 max 0, 1 1 T udd T C u d S K 0 3 , 3 max 0, 1 1 T ddd T C u d S K Diese Gleichung kann auch wie folgt geschrieben werden: 3 3 3 3 3 3 0 3 1 1 max 0, 1 1 1 j j j j T T j C p p u d S K j r Das Binomische Optionspreis-Modell (BOPM) kann nun auf den Fall n-periodiger Restlaufzeit erweitert und verallgemeinert werden. Man erhält schließlich: 0 1 1 max 0, 1 1 1 n n j j n j j T n n j n C p p u d S K j r wobei = Anzahl der Perioden = Anzahl der Aufwärtsbewegungen des Aktienkurses während der n Perioden = Anzahl der Abwärtsbewegungen des Aktienkurses während der n Perioden Ferner ist (1 ) die Wahrscheinlichkeit für einen Pfad mit j Aufwärtsbewegungen und Abwärtsbewegungen. <?page no="372"?> 372 8 Optionen (1 ) ist die Anzahl der möglichen Pfade mit j Aufwärtsbewegungen, von denen jeder die Wahrscheinlichkeit (1 ) besitzt. (1 ) ist die Summe der Wahrscheinlichkeiten für alle möglichen Pfade von j, = 1, 2, … , , die sich, wie für eine Wahrscheinlichkeitsverteilung notwendig, auf 1 summieren. Dann ist (1 + ) (1 + ) = | der Aktienkurs in T nach j Aufwärtsbewegungen und Abwärtsbewegungen. Entsprechend ist (1 + ) (1 + ) der Kaufoptionswert in T nach j Aufwärtsbewegungen und Abwärtsbewegungen. Der Term 0 1 max 0, 1 1 n n j j n j j T n j n p p u d S K j kann als Erwartungswert aller am Ende der Optionsfrist (in T) möglichen Realisationen des Optionswertes interpretiert werden. Der gegenwärtige Wert der Kaufoption C ist dann der mit dem risikolosen Zinssatz r diskontierte Erwartungswert in einer risikoneutralen Welt. Die Gleichung lässt sich noch vereinfachen, wenn man bedenkt, dass alle am Ende der Restlaufzeit möglichen Aktienkursrealisationen, die nicht über dem Ausübungspreis liegen, also aus dem Geld sind, keinen Beitrag zum Wert einer Kaufoption leisten und deshalb vernachlässigt werden können. Definiert man a als die kleinste, nicht negative ganze Zahl, für die (1 + ) (1 + ) bzw. > [ / ( 1 + ) ] / [( 1 + ) / ( 1 + )] mit > 0, > 0 und 1 + > 0 gilt, dann ist für alle j, < die Kaufoption aus dem Geld und wertlos, d.h. max 0, 1 1 0 j n j u d S K und für alle j, verfällt die Option im Geld und hat Wert, d.h. max 0, 1 1 1 1 j n j j n j u d S K u d S K . Die allgemeine Bewertungsformel kann dann vereinfacht werden zu: 1 1 1 1 1 n n j j n j j T n n j a n C p p u d S K j r Durch Aufspalten der Gleichung in zwei Terme erhält man: 1 1 1 1 1 1 j n j n n j j n j a n n n j j j a n u d C S p p j r n K r p p j Die zweite Klammer beinhaltet die komplementäre Binomial-Verteilungsfunktion ; , 1 n n j j j a n a n p p p j . <?page no="373"?> 8.7 Das Binomialmodell nach Cox/ Ross/ Rubinstein 373 [ ; , ] ist die Summe der Einzelwahrscheinlichkeiten, für die der Aktienkurs am Ende der n-periodigen Restlaufzeit (in einer Welt risikoneutraler Investoren) über dem Basispreis liegt, d.h. (1 + ) (1 + ) > , und somit die Ausübung der Option am Ende der Laufzeit lohnend ist. Entsprechend lässt sich auch die Summe der ersten Klammer als Binomial-Verteilungsfunktion [ ; , ] interpretieren, definiert man 1 ' 1 u p p r und 1 1 ' 1 1 d p p r . Wegen 0 ' 1 p kann auch ' p als Wahrscheinlichkeit betrachtet werden, denn es gilt 1 1 r p u und 1 1 1 1 1 1 ' 1 ' 1 1 1 j n j j n j n j n j j j n u d u d p p p p p p r r r Insgesamt erhält man dann die binomische Optionspreisformel zu: ; , ' 1 ; , n C S B S a n p K r a n p mit 1 1 1 1 r d p u d und 1 ' 1 u p p r die kleinste nicht negative ganze Zahl, für die > [ / ( 1 + ) ] / 1+ 1+ Ist > , dann ist = 0 . Die binomische Optionspreisformel ist eine exakte Formel zur Berechnung dividendengeschützter europäischer und amerikanischer Kaufoptionen bzw. für Kaufoptionen, deren zugrundeliegende Aktie während der Laufzeit keine Dividende ausschüttet. Da sich unter den gemachten Annahmen die Wertentwicklung einer Kaufoption durch eine im Zeitablauf kontinuierlich anzupassende (dynamische) Anlagestrategie aus der zugrundeliegenden Aktie und einem risikolosen Wertpapier genau duplizieren lässt, kann der Kaufoptionswert in Abhängigkeit der Variablen S, K, u, d, r und n ohne Berücksichtigung individueller Risikopräferenzen und alternativer Finanztitel außer der zugrundeliegenden Aktie und dem risikolosen Wertpapier bestimmt werden und als der auf einem risikoneutralen Markt mit dem risikolosen Zinssatz diskontierte Erwartungswert der am Ende der Restlaufzeit möglichen Optionswerte interpretiert werden. Dem Erwartungswert liegen auch hier nicht die subjektiven Wahrscheinlichkeiten q und 1 , sondern die modellendogenen Wahrscheinlichkeiten p und 1 zugrunde. Ein Beispiel soll nun den Sachverhalt verdeutlichen. Beispiel 8.9 Es soll der Wert einer Kaufoption auf eine dividendenlose Aktie mit den folgenden Parametern bestimmt werden: <?page no="374"?> 374 8 Optionen = 30 = 25 = 6 Monate = 0,05/ Monat = 0,04/ Monat = 0,01/ Monat Bei der Auswahl von u und d sollte immer gelten, dass > | | ist, da Aktien immer zu einem höheren Preis bewertet werden sollten. Aktien sind risikobehaftete Vermögensgegenstände und sollten in einem gut funktionierenden Markt so bewertet sein, dass sie eine positive, über dem risikolosen Zinssatz liegende Rendite bringen. Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl der Aufwärtsbewegungen (j), die Anzahl der möglichen Aufwärtsbewegungen, die realisiert werden können , der sich daraus ergebende Aktienkurs und der entsprechende Kaufoptionswert = . Der Wert von p ergibt sich aus 0, 01 0, 04 0, 5556 0, 05 0, 04 r d p u d und 1 = 0,4444 . Der Parameter a ist die minimale Anzahl von Aufwärtsbewegungen, die benötigt werden, dass die Kaufoption im Geld endet. Wenn = 25 , dann ist der Wert von a gleich 1; das heißt, bei einer Aufwärtsbewegung wird die Kaufoption im Geld enden. Wäre der Basispreis 30, dann ergäbe sich = 3. Die Berechnung von und im Rahmen des Binomialmodells ist aus der folgenden Tabelle ersichtlich: j 0 6! 6! 0! = 1 30(1,05) (0,96) = 23,4827 0 1 6! 5! 1! = 6 30(1,05) (0,96) = 25,6842 0,6842 2 6! 4! 2! = 15 30(1,05) (0,96) = 28,0921 3,0921 3 6! 3! 3! = 30 30(1,05) (0,96) = 30,7258 5,7258 4 6! 2! 4! = 15 30(1,05) (0,96) = 33,6063 8,6063 5 6! 1! 5! = 6 30(1,05) (0,96) = 36,7569 11,7569 6 6! 0! 6! = 1 30(1,05) = 40,2029 15,2029 Das mehrperiodische BOPM zur Berechnung des Kaufoptionswertes kann dann wie folgt dargestellt werden: <?page no="375"?> 8.7 Das Binomialmodell nach Cox/ Ross/ Rubinstein 375 0 1 2 6 5 4 6 6 5 4 6 6 6 6 1 1 1 1 6 5 4 1, 01 T T T T C p p C p p C p p C Mit den obigen Zahlen erhält man: 6 0 5 1 6 6 4 2 3 3 2 4 1 5 1 1 0, 5556 0, 4444 15, 2029 6 0, 5554 0, 4444 11, 7569 1, 06 15 0, 5556 0, 4444 8, 6063 20 0, 5556 0, 4444 5, 7258 15 0, 5556 0, 4444 3, 0921 6 0, 5556 0, 4444 0, 6842 0 6, 46 T C Der Kaufoptionswert beträgt 6,46 Euro. Excel-Umsetzung Zunächst werden die Eingabeparameter festgelegt. Es sind dies der aktuelle Aktienkurs , der Basispreis K, die Anzahl der Perioden n, der Aufwärts- und Abwärtsparameter u und d und der risikolose Zinssatz r. Dann werden die modellendogenen Wahrscheinlichkeiten p und 1 bestimmt. In einer Tabelle werden danach die in der Binomial-Formel enthaltenen Teilschritte berechnet. Der gegenwärtige Wert der Kaufoption wird schließlich als der mit dem risikolosen Zinssatz diskontierte Erwartungswert berechnet. Position Inhalt Excel-Umsetzung F13 modellendogene Wahrscheinlichkeit p für eine Aufwärtsbewegung (Kursanstieg) =(F11-F10)/ (F9-F10) F14 Wert der Kaufoption als der mit dem risikolosen Zinssatz diskontierte Erwartungswert der in T möglichen Optionswerte. =SUMME(K17: K23)/ (1+F11)^F8 B18 Anzahl der Aufwärtsbewegungen =1 C18 Anzahl der Abwärtsbewegungen =$F$8-B18 D18 Anzahl der möglichen Pfade (Kombinationen), die bei 1 Aufwärtsbewegung und 5 Abwärtsbewegungen in 6 Perioden zu einem Aktienkurs von 25,6842 führen. =KOMBINATIONEN($F$8; B18) E18 Aktienkurs in T bei einer Aufwärtsbewegung und 5 Abwärtsbewegungen =$F$6*(1+$F$9)^B18*(1+$F$10)^C18 F18 Kaufoptionswert in T =MAX(0; E18-$F$7 <?page no="376"?> 376 8 Optionen G18 modellendogene Wahrscheinlichkeit p einer Aufwärtsbewegung potenziert mit der Anzahl der Aufwärtsbewegungen. =$F$13^B18 H18 modellendogene Wahrscheinlichkeit 1 p einer Abwärtsbewegung potenziert mit der Anzahl der Abwärtsbewegungen. =(1-$F$13)^C18 I18 Wahrscheinlichkeit für 1 Aufwärtsbewegung und 5 Abwärtsbewegungen. =G18*H18 J18 Anzahl der Möglichkeiten, wo denen jede einzelne die Wahrscheinlichkeit p 1 und (1-p) 6 - 1 besitzt. =D18*I18 K18 Kaufoptionswert in T gewichtet mit der Anzahl der möglichen Pfade und der entsprechenden Wahrscheinlichkeiten. =J18*F18 L18 kumulierte Wahrscheinlichkeit für 0 Aufwärtsbewegungen und 6 Abwärtsbewegungen und 1 Aufwärtsbewegung und 5 Abwärtsbewegungen. =SUMME($J$17: J18 Bild 8.31 Bewertung einer europäischen Kaufoption mit 6-periodiger Restlaufzeit mit dem BOPM (Beispiel 8.9) <?page no="377"?> 8.7 Das Binomialmodell nach Cox/ Ross/ Rubinstein 377 (a) (b) (c) (d) Bild 8.32 Bild (a) zeigt die diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung, Bild (b) die kumulierten diskreten Wahrscheinlichkeiten (diskrete Verteilungsfunktion), Bild (c) die möglichen Kaufoptionswerte und Bild (d) die möglichen Kaufoptionswerte im Verfallszeitpunkt Bild 8.33 Entwicklung des Aktienkurses im Binomialmodell mit den Wertänderungsparametern u = 0,05, d = -0,04 und n = 6 <?page no="378"?> 378 8 Optionen Bild 8.34 Entwicklung des Kaufoptionswertes im Binomialmodell mit p = 0,5556, 1p = 0,4444 und r = 0,01 8.7.3 Bewertung von Verkaufsoptionen Analog zur Vorgehensweise bei der Bestimmung des Kaufoptionswertes kann unter den gleichen Annahmen und mit derselben analytischen Methode der Verkaufsoptionswert bestimmt werden. Dies soll exemplarisch für eine europäische Verkaufsoption für den Fall der einperiodigen Restlaufzeit demonstriert werden. Dividendenzahlungen bleiben auch hier unberücksichtigt. Die Entwicklung des Aktienkurses lässt sich durch das folgende Zustandsdiagramm veranschaulichen. , 1 1 T u T S u S 1 T S , 1 1 T d T S d S Ist T der Verfallstermin der Option, dann gilt für den Verkaufsoptionswert bei steigendem Aktienkurs , = 0, , . Fällt der Aktienkurs, dann ergibt sich für den Verkaufsoptionswert , = 0, , . Damit erhält man das folgende Zustandsdiagramm: <?page no="379"?> 8.7 Das Binomialmodell nach Cox/ Ross/ Rubinstein 379 , = 0, , 1 T P , = 0, , Bildet man wiederum ein äquivalentes Portfolio aus der zugrundeliegenden Aktie und einem risikolosen Wertpapier, das die gleichen zustandsabhängigen Rückflüsse erzeugt wie die europäische Verkaufsoption, dann erhält man das folgende Zustandsdiagramm: 1 , 1 1 1 T T u u S r B S r B 1 T S B 1 , 1 1 1 T T d d S r B S r B Aus den Gleichungen , 1 , 1 1 1 T u T T u P u S r B S r B , 1 , 1 1 1 T d T T d P d S r B S r B erhält man für das äquivalente Portfolio die Variablen , , , , 1 , , , mit 0 T u T d T u T d T T u T d P P P P u d S S S , , 1 1 , mit 0 1 T d T u u P d P B B u d r Oder vereinfacht geschrieben: u d u d u d P P P P u d S S S 1 1 1 d u u P d P B u d r Der Wert von bestimmt die Anzahl der zu verkaufenden Aktien (short position), wobei 0 , und der Wert von B, wobei 0 , gibt an, wieviel risikolose Anleihen gekauft werden bzw. welcher Betrag zum risikolosen Zinssatz ausgeliehen wird, um die Verkaufsoption zu replizieren. Werden und B in der dargestellten Weise gewählt, dann ist das äquivalente Portfolio determiniert und es kann daraus der Verkaufsoptionswert berechnet werden. Um risikolose Arbitrage auszuschließen, muss der gegenwärtige Wert der Verkaufsoption im Marktgleichgewicht denselben Wert haben wie das äquivalente Portfolio zum Zeitpunkt 1 , d.h. es muss gelten: 1 1 T T P S B <?page no="380"?> 380 8 Optionen Setzt man und B wie oben determiniert in die Gleichung = + ein, dann erhält man: , , 1 1 T u T d T r d u r P P u d u d P r Diese Gleichung lässt sich vereinfachen, definiert man r d p u d und 1 u r p u d Damit ergibt sich für den Wert einer europäischen Verkaufsoption auf eine dividendenlose oder dividendengeschützte Aktie mit einperiodiger Restlaufzeit, einem Basispreis von K und einem aktuellen Aktienkurs von die Bewertungsgleichung , , 1 1 1 T u T d T pP p P P r oder vereinfacht geschrieben 1 1 u d pP p P P r . mit = [0, (1 + ) ] und = [0, (1 + ) ] . Diese Gleichung ist eine exakte Formel zur Bewertung einer europäischen Verkaufsoption bei einer verbleibenden Restlaufzeit von einer Periode. Ihr Wert ist durch den aktuellen Aktienkurs S, den Basispreis K, der Restlaufzeit T, den risikolosen Zinssatz r und die Wertänderungsparameter u und d bestimmt. Dabei sind S, K, T und r beobachtbare bzw. festgelegte Größen, während u und d geschätzt werden müssen. Für den Fall n-periodiger Restlaufzeit erhält man schließlich die Bewertungsgleichung 0 1 1 max 0, 1 1 1 n n j j n j j n j n P p p K u d S j r . Der Wert einer europäischen Verkaufsoption kann auch direkt über den Wert einer ansonsten identischen Kaufoption ermittelt werden. Die Beziehung lautete: 1 T P C S K r Für die Bewertung einer amerikanischen Verkaufsoption gilt bei einperiodiger Restlaufzeit 1 max , 1 u d pP p P P K S r . Das heißt, ist der Wert von 1 1 u d pP p P P r vor dem Verfallstermin kleiner als (der innere Wert der Verkaufsoption), dann wird der Inhaber der Verkaufsoption diese vorzeitig ausüben und den inneren Wert von realisieren. Da es wegen der Möglichkeit der vorzeitigen Ausübung keine <?page no="381"?> 8.7 Das Binomialmodell nach Cox/ Ross/ Rubinstein 381 geschlossene Formel für die Bewertung amerikanischer Verkaufsoptionen gibt, muss ihr Wert rekursiv (von rechts nach links) mittels Anwendung des einperiodige BOPM ermittelt werden. Auf diese Weise können die Zeitpunkte und Situationen identifiziert werden, in denen die Verkaufsoption vorzeitig ausgeübt wird. 8.7.4 Berücksichtigung von Dividendenzahlungen Unter Berücksichtigung von Dividendenzahlungen ergeben sich für Kauf- und Verkaufsoptionen zusätzliche Bewertungsprobleme. Unterstellt man, dass die während der Optionsfrist zur Ausschüttung kommenden Dividenden bekannt sind und auf die Aktie pro Periode (das Periodenende ist gleichzeitig der Dividendentermin) ein konstanter Wert = / ausgeschüttet werden kann, dann ergibt sich im Fall einer einperiodigen Restlaufzeit am Periodenende ein Aktienkurs nach Dividende von (1 ) · oder (1 ) . , 1 T u S uS S , 1 T d S dS Im Falle europäischer Kaufoptionen kann bei konstanter Dividendenrendite eine Bewertung analog der aufgezeigten Vorgehensweise im Nichtdividendenfall vorgenommen werden. Es ist lediglich der gegenwärtige Aktienkurs S um die während der Restlaufzeit zur Ausschüttung kommenden Dividenden (1 ) zu kürzen, wobei m die Anzahl der ex-Dividende Termine angibt. Damit erhält man: 1 1 1 1 1 1 n n j j n j m j T n n j a n C p p u d S K j r Im Gegensatz zu europäischen Kaufoptionen, die nur am Ende der Restlaufzeit ausgeübt werden können, kann sich im Dividendenfall die vorzeitige Ausübung nicht dividendengeschützter amerikanischer Kaufoptionen als vorteilhaft erweisen. Es genügt dann nicht mehr, wie in den Ansätzen zur Bewertung europäischer Optionen, den Erwartungswert der am Ende der Restlaufzeit möglichen Optionswerte zu ermitteln und auf den Bewertungszeitpunkt zu diskontieren. Vielmehr muss dann durch Rekursivrechnung für jede der n Teilperioden und für alle möglichen Zustände von S geprüft werden, ob der Ausübungswert den Wert der nichtausgeübten Option übersteigt. Bewertungsrelevant sind im Gegensatz zu europäischen Kaufoptionen die Höhe des Dividendenabschlags und auch die zeitliche Abfolge der Dividendenzahlungen. Um eine genaue Abgrenzung zu erhalten, für welche Aktienkurse der Ausübungswert größer ist als der Wert der nichtausgeübten Option, kann für den Fall des diskreten Optionsbewertungsmodels mit binomialer Verteilung der Aktienkurse das Problem mittels eines rekursiven Algorithmus gelöst werden, indem für jede der n Perioden und für alle Zustände von S das Maximum von dem Ausübungswert und dem Wert der nicht ausgeübten Option ermittelt wird (vgl. Cox/ Ross/ Rubinstein 1979, S. 256-258 und Cox/ Rubinstein 1985, S. 240). Für europäische Verkaufsoptionen kann im Dividendenfall eine Bewertung entsprechend der aufgezeigten Vorgehensweise im Nichtdividendenfall vorgenommen wer- <?page no="382"?> 382 8 Optionen den; der Aktienkurs ist lediglich um die zur Ausschüttung kommenden Dividenden zu kürzen. Für amerikanische Verkaufsoptionen besteht unabhängig von Dividendenzahlungen die Möglichkeit der vorteilhaften vorzeitigen Ausübung. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Aktienkurs erheblich unter den Basispreis gefallen ist und während der Restlaufzeit ein weiteres Absinken für wenig wahrscheinlich gehalten wird. Man überlege sich den Grenzfall, wenn = 0 , dann kann nach Ausübung der Option K sofort verzinslich angelegt werden und ein Hinauszögern der Ausübung würde nur zu Zinsverlusten führen. Durch Dividendenzahlungen kann eine vermeintlich vorteilhafte Ausübung hinausgeschoben oder verhindert werden. Dividendenzahlungen erhöhen aufgrund des damit verbundenen Rückgangs des Aktienkurses den inneren Wert einer Verkaufsoption, wodurch eine potenzielle vorzeitige Ausübung erst nach dem ex-Dividende Termin optimal sein kann. Der in Abschnitt 8.7.2 für Kaufoptionen aufgezeigte rekursive Algorithmus kann auch auf Verkaufsoptionen übertragen werden, es ist dabei lediglich die Differenz zwischen Aktienkurs und Ausübungspreis umzustellen. 8.8 Das kontinuierliche Optionspreismodell nach Black-Scholes 8.8.1 Darstellung des Modells Das bisher im Rahmen despräferenzfreien Bewertungskonzepts vorgestellte verteilungsabhängige Optionsbewertungsmodell betrachtete den Aktienhandel als zeitdiskreten Vorgang, bei dem der Kurs der Aktie am Ende einer Teilperiode nur zwei Werte annehmen kann (binomische Verteilungshypothese). Diese Betrachtungsweise ist gemessen an der Realität zu restriktiv, da die Aktien während der Börsenzeit nahezu kontinuierlich gehandelt werden und weit mehr als nur zwei Werte pro Zeitintervall annehmen können. In der nachfolgenden Betrachtung werden diese Annahmen aufgehoben und es wird das kontinuierliche Optionsbewertungsmodell nach Black und Scholes betrachtet. Fischer Black, Myron Scholes und Robert Merton gelang es Anfang der siebziger Jahre erstmals, eine präferenzfreie, geschlossene Bewertungsformel für europäische Kaufoptionen abzuleiten. Das Modell der drei Wissenschaftler erwies sich als so erfolgreich, dass Merton und Scholes dafür 1997 der Wirtschaftsnobelpreis erhielten, Black war 1995 verstorben. Das vereinfacht als Black-Scholes-Optionspreis-Modell (BSOPM) bezeichnete Bewertungsverfahren hat zwar immer wieder Veränderungen erfahren, ist jedoch in seiner Grundkonzeption mehr oder weniger gleichgeblieben und wird auch heute noch in der Praxis zur Berechnung des Optionswertes verwendet. Zur Bestimmung des Wertes einer Option vor Ablauf der Optionsfrist werden die folgenden grundlegenden Annahmen gemacht: 1. Die Märkte für Optionen, Anleihen und Aktien sind arbitragefrei und friktionslos. 2. Dividendenzahlungen bleiben unberücksichtigt. 3. Die zukünftige Aktienkursentwicklung folgt einem kontinuierlichen und stationären Zufallsprozess (Random Walk). Die Wahrscheinlichkeitsverteilung der potenzi- <?page no="383"?> 8.8 Das kontinuierliche Optionspreismodell nach Black-Scholes 383 ellen Aktienkurse entspricht einer Lognormalverteilung und die Varianz der Aktienkursrenditen ist im Zeitablauf konstant. Die Akienkursverlaufshypothese kann wie folgt interpretiert werden: Hinsichtlich des Aktienkursverlaufs wird die Random-Walk-Hypothese unterstellt. Da weiterhin angenommen wird, dass die Aktien kontinuierlich gehandelt werden, kann die Kursentwicklung durch einen zeit- und zustandskontinuierlichen stochastischen Prozess beschrieben werden. Black und Scholes nehmen zur Beschreibung des zukünftigen Aktienkursverlaufs einen Gauß-Wiener-Prozess (Brownsche Bewegung) an, dessen Kursänderungen durch einen Itô-Prozess, auch geometrisch Brownsche Bewegung genannt, beschrieben werden können. Unter diesen Annahmen folgt die zukünftige Aktienkursentwicklung den in den Abschnitten 7.7.3 und 7.7.4 beschriebenen und in Bild 8.35 dargestellten Zufallspfad ohne Sprungstellen (Pure Diffusion Process). Bild 8.35 Aktienkursverlauf nach Black-Scholes (Pure Diffusion Process) Formal lässt sich die Kursentwicklung im Zeitablauf durch die stochastische Differenzialgleichung der Form dS = dt + dz S darstellen. Dabei bezeichnet S den gegenwärtigen Aktienkurs, die Kursänderung während des Zeitintervalls, die erwartete relative Kursänderungsrate, die Standardabweichung der Kursänderungsrate und z einen standardisierten Wiener-Prozess. Unter diesen Annahmen entspricht die Aktienkursentwicklung einem zeit- und zustandskontinuierlichen stochastischen Prozess, bei dem die relativen Kursänderungen (Periodenrenditen) infinitesimal kleiner Zeitintervalle voneinander unabhängige, stationär normalverteilte Zufallsvariable sind, deren Erwartungswert und Standardabweichung proportional zur Länge des betrachteten Zeitintervalls sind. Unter diesen Voraussetzungen sind die zukünftigen Aktienkurse logarithmisch normalverteilte Zufallsvariablen. Unter Zugrundelegung der Annahme über die zukünftige Verteilung der Aktienkurse lag die Möglichkeit der Ableitung einer präferenzfreien Bewertungsformel in der Tatsache begründet, dass es Black und Scholes gelang, durch eine geeignete, im Zeit- 10,00 15,00 20,00 25,00 30,00 35,00 40,00 0 50 100 150 200 250 <?page no="384"?> 384 8 Optionen ablauf kontinuierlich anzupassende Kombination aus von Aktie-Kaufpositionen und Kaufoption-Verkaufspositionen ein risikoloses Hedge-Portfolio zu bilden, mit dem sich im Marktgleichgewicht ein von der Aktienkursentwicklung unabhängiger Ertrag erzielen lässt, der dem risikolosen Zinssatz entspricht. Die Anzahl der je Aktie zu verkaufenden Kaufoptionen, das Hedge-Verhältnis, ergibt sich durch den reziproken Wert der partiellen Differentiation des Optionswertes in Bezug auf den Aktienkurs, 1/ ( / ) . 8.8.2 Bewertung von Kaufoptionen Werden die unterstellte Kursentwicklung und der Grundgedanke des risikolosen Hedge-Portfolios in Ansatz gebracht, dann kann mit Hilfe stochastischer Differenzial- und Integralrechnung die folgende Bewertungsformel (Black/ Scholes-Formel) für europäische und für nichtdividendenberechtigte amerikanische Kaufoptionen abgeleitet werden. 1 2 rT C SN d Ke N d 2 1 2 ln S / K r / T d T 2 2 1 2 ln S / K r / T d d T T wobei = gegenwärtiger Kurs der zugrundeliegenden Aktie = Basispreis der Kaufoption = Restlaufzeit = risikoloser Zinssatz = Standardabweichung (Volatilität) der zukünftigen Aktienrenditen ( ) = kumulative Verteilungsfunktion einer standard-normalverteilten Zufallsvariablen Der Wert der Option ergibt sich im kontinuierlichen Fall als Funktion des gegenwärtigen Aktienkurses S, des Basispreises K, der Restlaufzeit T, des risikolosen Zinssatzes r und der Standardabweichung der Aktienrenditen . Da S, K, T und r beobachtbare Größen sind, ist die Bestimmung des Optionswertes allein von der Schätzung der als stationär angenommenen Standardabweichung abhängig (so wie auch u und d im BOPM geschätzt werden mussten). Der vom BSOPM berechnete Kaufoptionswert ist demnach nur so gut wie das in der Gleichung verwendete . Die relative Kursänderungsrate ist dagegen nicht Bestandteil der Bewertungsformel und somit ist der Optionswert unabhängig von der erwarteten Rendite. Ebenso gibt es im BSOPM keine Variablen, die den Grad der Risikoaversion in der Wirtschaft widerspiegeln. In der Regel ist es am besten, einen jährlichen Zinssatz zu verwenden, die Verfallszeit T in Jahren anzugeben und sollte als Standardabweichung der Jahresrenditen der Aktie definiert werden. Es kann jedoch auch Fälle geben, in denen man andere Zeitintervalle verwenden möchte. So kann beispielsweise r als der monatliche risikolose <?page no="385"?> 8.8 Das kontinuierliche Optionspreismodell nach Black-Scholes 385 Zinssatz, T als die Anzahl der Monate bis zum Verfallstermin und als die Standardabweichung der Monatsrenditen der Aktie angegeben werden. Als risikoloser Zinssatz r kann über eine risikofreie Geldanlage (z.B. US Treasury Bills) mit etwa gleicher Laufzeit wie die zu bewertende Option ermittelt werden. Beispiel 8.10 Der gegenwärtige Kurs einer Aktie sei 59. Der risikolose Zinssatz betrage 8% p.a. Es soll der Wert einer europäischen Kaufoption mit einem Ausübungspreis von 60 und einer noch verbleibenden Restlaufzeit von 9 Monaten berechnet und graphisch dargestellt werden. Die Standardabweichung der jährlichen Aktienrenditen sei 50%. Mit den gegebenen Informationen erhält man mit 59 60 0 75 Jahre 0 08 Jahr und 0 50 Jahr S , K , T , , r , / , / 2 1 ln 59 60 0 08 0 5 2 0 75 0 3163 0 5 0 75 / , , / , d , , , 2 0 3163 0 5 0 75 0 1168 d , , , , Mit Hilfe der Tabellen für die kumulierte Standardnormalverteilung, die in allen einschlägigen Statistikwerken veröffentlicht sind, erhält man: 1 0 6241 N d , 2 0 4535 N d , Damit errechnet sich der Kaufoptionswert zu: 0 08 0 75 59 0 6241 60 0 4535 11 1948 , , C , e , , Excel-Umsetzung Zunächst werden der aktuelle Aktienkurs, der Basispreis der Option, die Restlaufzeit, der risikolose Zinssatz und die Standardabweichung als Input-Parameter festgelegt. Dabei sind die Restlaufzeit, der risikolose Zinssatz und die Standardabweichung annualisiete Größen. Nach Berechnung von und wird mit Alt + M2 + M die Excel- Funktion NORM.S.VERT aufgerufen und die Werte der Normalverteilungsfunktion ( 1 ) und ( 2 ) ermittelt. Die gewonnenen Ergebnisse werden in die Black-Scholes- Gleichung für den Kaufoptionswert eingesetzt und erhält so den Optionswert für die europäische und nicht dividendenberechtigte amerikanische Kaufoption. Zur graphischen Darstellung des Optionswertes (Bild 8.34) wird der Black-Scholes- Wert mittels der Datentabelle, die über die über die Was-wäre-wenn-Analyse (Alt + V + 5 + T) aufgerufen wird, in Abhängigkeit verschiedener Aktienkurse modelliert. Der innere Wert der Option wird durch die Funktion max( 0, S ) bestimmt. Position Inhalt Excel-Umsetzung C12 = ln(S/ K) + (r + / 2) =((LN(E6/ E7)+(E9+E10^2/ 2)*E8))/ (E 10*E8^0,5) <?page no="386"?> 386 8 Optionen C13 = d 1 =C12-E10*E8^0,5 C14 N(d 1 ) = Verteilungsfunktion einer standard-normalverteilten Zufallsvariablen mit d 1 =NORM.S.VERT(C12; WAHR) C15 N(d 2 ) = Verteilungsfunktion einer standard-normalverteilten Zufallsvariablen mit d 2 =NORM.S.VERT(C13; WAHR) C17 Wert der Kaufoption =E6*C14-E7*EXP(-E9*E8)*C15 C20 Wert der Kaufoption =C17 B21 Aktienkurs =1 C21 Black-Scholes-Optionswert ={MEHRFACHOPERATION(; E6)} D21 innerer Wert der Kaufoption =MAX(0; B21-$E$7) Bild 8.36 Wert einer europäischen Call- und Put-Option nach Black-Scholes (Beispiel 8.10) <?page no="387"?> 8.8 Das kontinuierliche Optionspreismodell nach Black-Scholes 387 Bild 8.37 Black-Scholes-Kaufoptionswert als Funktion des Aktienkurses und innerer Wert der Option ( = 59 , = 60 , = 0,75 , = 0,08 , = 0,5 ) (Beispiel 8.10) Die mathematische Herleitung der Black-Scholes-Formel ist komplex und daher intuitiv nur schwer verständlich. Dennoch kann die Formel anhand einfacher Überlegungen näher interpretiert werden. Betrachtet man den extremen (aber unrealistischen) Fall, dass die zukünftige Aktienrendite bekannt ist, so ist die Standardabweichung = 0 . Die beiden Ausdrücke und gehen dann gegen unendlich und die Werte der Normalverteilungsfunktion ( 1 ) und ( 2 ) gegen eins. In diesem Fall reduziert sich die Black-Scholes-Formel auf die Differenz zwischen Aktienkurs und Basispreis, d.h. = . Dies entspricht dem Mindestwert der Kaufoption vor Ablauf der Restlaufzeit. Ist der Aktienkursverlauf unsicher, so ist > 0 . Die Werte der Normalverteilungen liegen dann zwischen Null und Eins und gewichten den Aktienkurs und den Barwert des Ausübungspreises . Die Differenz der gewichteten Werte von und ergibt dann den gegenwärtigen Wert der Kaufoption. Die Gewichte ( 1 ) und ( 2 ) lassen sich somit als Wahrscheinlichkeiten interpretieren, dass die Option im Verfallszeitpunkt im Geld endet, d.h. der Aktienkurs am Verfallstermin über dem Basispreis liegt. Stellt man den zeit-diskreten Binomialansatz der Form ; , ' 1 ; , n C S a n p K r a n p dem zeit-kontinuierlichen (stetigen) Bewertungsansatz nach Black-Scholes 1 2 rT C SN d Ke N d gegenüber, so erkennt man, dass sich die Gleichungen hinsichtlich der Gewichtungsfaktoren des gegenwärtigen Aktienkurses und des diskontierten Basispreises sowie hinsichtlich des Diskontierungsfaktors unterscheiden. Um das mehrperiodige Binomialmodell in den stetigen Bewertungsansatz nach Black/ Scholes zu transferieren, wird die Restlaufzeit in mehr und mehr Zeitintervalle unterteilt, so dass man einem 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 Black-Scholes Wert Innerer Wert <?page no="388"?> 388 8 Optionen kontinuierlichen Aktienhandel sehr nahekommt, und zeigt auf, dass unter gewissen Bedingungen die Binomialverteilung gegen die Normalverteilung konvergiert. Wird die Restlaufzeit T in n Teilintervalle der Länge T/ n unterteilt, dann ergibt sich als Diskontierungsfaktor pro Teilperiode (1 + ) / und erhält dann nach n Teilperioden den Diskontierungsfaktor (1 + ) ( / ) = (1 + ) . Mit Hilfe des Grenzwertsatzes von Moivre-Laplace kann nun gezeigt werden, dass eine auf den Summenhäufigkeiten diskret verteilter Aktienkurse beruhende Binomialverteilung in eine auf einer stetigen Aktienkursverteilung beruhende und als Integrale berechnete Normalverteilung überführt werden kann, wenn für strebt und sich für die Parameter u, d und q (Wahrscheinlichkeit eines Kursanstiegs) Werte ergeben, die diese Bedingungen erfüllen. Mit den von Cox und Rubinstein (1985, S. 200) vorgeschlagenen Substitutionen 1 T / n u e 1 T / n d e 1 1 2 2 q / T / n sind diese Voraussetzungen erfüllt und man erhält mit lim ( ; , ) = ( ) und lim ( ; , ) = ( ) die folgende Darstellung: 1 2 1 T / n n rT C S a; n, p' K r a; n, p SN d Ke N d mit 1 T / n p r d u d 1 T / n p' u r p n a ln K / Sd ln u / d 2 1 2 ln S / K r / T d T 2 1 d d T Wenn beispielsweise = 6 Monate = 0,5 Jahre , = 4 , die auf ein Jahr hochgerechnete Streuung der Aktienrenditen = 0,6 und die jährlich erwartete Rendite = 0,20 ist, dann stimmt mit den folgenden Werten das BOPM mit dem BSOPM überein: 0 6 0 125 1 1 0 23631 , , T / n u e e , 0 6 0 125 1 1 1 0 19114 , , T / n d e e , <?page no="389"?> 8.8 Das kontinuierliche Optionspreismodell nach Black-Scholes 389 1 1 1 1 0 2 0 6 0 125 0 55893 2 2 2 2 q / T / n , / , , , Mit diesen Werten ist für der Aktienkurs logarithmisch normalverteilt. 8.8.3 Bewertung von Verkaufsoptionen Analog zur Vorgehensweise bei der Bewertung europäischer Kaufoptionen leiteten Black und Scholes eine Bewertungsformel für europäische Verkaufsoptionen her. Einfacher ist es jedoch, den Wert einer europäischen Verkaufsoption direkt über den einer ansonsten identischen Kaufoption zu bestimmen. Setzt man den nach Black-Scholes ermittelten Kaufoptionswert in die Put-Call-Paritätsbeziehung rT P C S Ke ein, erhält man 1 2 rT rT P SN d Ke N d S Ke mit 2 1 2 ln S / K r / T d T 2 1 d d T . Zusammengefasst ergibt sich dann: 2 1 1 1 rT P Ke N d S N d Unter Anwendung der Symmetrieeigenschaft der Normalverteilung 1 ( ) = ( ) erhält man schließlich die Black-Scholes-Bewertungsformel der Form 2 1 rT P Ke N d SN d . Die Wertentwicklung einer Verkaufsoption kann wie bei einer Kaufoption durch eine dynamische Portfoliostrategie aus der zugrundeliegenden Aktie und einem risikolosen Wertpapier dupliziert werden. Hier bestimmt ( 1 ) die Anzahl der während der Restlaufzeit leer zu verkaufenden Aktien und ( 2 ) den Anlagebetrag in risikolosen Wertpapieren. Wird die Revision dieser Anteile im Zeitablauf entsprechend der Entwicklung der Zufallsvariablen und kontinuierlich durchgeführt, dann stimmt die Wertentwicklung des Portfolios mit der Verkaufsoption jederzeit überein, so auch zu Beginn der Restlaufzeit (Bewertungszeitpunkt) und ist unabhängig von der erwarteten Aktienrendite, den Risikopräferenzen der Marktteilnehmer und den Eigenschaften anderer Finanztitel. Die Wertentwicklung des Portfolios wird lediglich von der zugrundeliegenden Aktie und dem risikolosen Wertpapier bestimmt. Beispiel 8.11 Mit den gegebenen Daten von Beispiel 8.10 soll der Wert der Verkaufsoption mit dem Black-Scholes-Modell und über die Put-Call-Parität berechnet und graphisch dargestellt werden. <?page no="390"?> 390 8 Optionen Mit = 59 , = 60 , = 0,75 , = 0,08/ Jahr und = 0,5/ Jahr erhält man 2 1 ln 59 60 0 08 0 5 2 0 75 0 3163 0 5 0 75 / , , / , d , , , 2 0 3163 0 5 0 75 0 1168 0 1168 d , , , , , 1 0 3759 N d , 2 0 5465 N d , 0 08 0 75 60 0 5465 59 0 3759 8 7006 , , P e , , , Derselbe Wert ergibt sich mit der Put-Call-Parität. Mit = 11,1948 erhält man: 0 08 0 75 11 1948 59 60 8 7006 , , P , e , Excel-Umsetzung Zunächst werden der aktuelle Aktienkurs, der Basispreis der Option, die Restlaufzeit, der risikolose Zinssatz und die Standardabweichung als Input-Parameter festgelegt. Dabei sind die Restlaufzeit, der risikolose Zinssatz und die Standardabweichung annualisiete Größen. Nach Berechnung von 1 und 2 wird mit Alt + M2 + M die Excel-Funktion NORM.S.VERT aufgerufen und die Werte der Normalverteilungsfunktion ( 1 ) und ( 2 ) ermittelt. Die gewonnenen Ergebnisse werden in die Black-Scholes-Gleichung für den Kaufoptionswert eingesetzt und erhält so den Optionswert für die europäische Verkaufsoption. Zur graphischen Darstellung des Verkaufsoptionswertes (Bild 8.38) wird der Black- Scholes-Wert mittels der Datentabelle, die über die Was-wäre-wenn-Analyse (Alt + V + 5 + T) aufgerufen wird, in Abhängigkeit verschiedener Aktienkurse modelliert. Der innere Wert der Option wird durch die Funktion ( 0, ) bestimmt. Position Inhalt Excel-Umsetzung C12 = ln(S/ K) + (r + / 2) =((LN(E6/ E7)+(E9+E10^2/ 2)*E8))/ (E 10*E8^0,5) F12 - 1 d =-C12 C13 2 1 d = d =C12-E10*E8^0,5 F13 - 2 d =-C13 F14 N(-d 1 ) = Verteilungsfunktion einer standard-normalverteilten Zufallsvariablen mit d 1 =NORM.S.VERT(F12; WAHR) F15 N(-d 2 ) = Verteilungsfunktion einer standard-normalverteilten Zufallsvariablen mit d 2 =NORM.S.VERT(F13; WAHR) E17 Wert der Kaufoption =E6*C14-E7*EXP(-E9*E8)*C15 <?page no="391"?> 8.8 Das kontinuierliche Optionspreismodell nach Black-Scholes 391 E18 Wert der Verkaufsoption =E7*EXP(-E9*E8)*F15-E6*F14 E19 Wert der Verkaufsoption (Put- Call-Parität) =E17-E6+E7*EXP(-E9*E8) C22 Wert der Verkaufsoption =E18 B23 Aktienkurs =0.5 C23 Mehrfachoperation ={MEHRFACHOPERATION(; E6)} D23 innerer Wert der Verkaufsoption =MAX(0; $E$7*EXP(-$E$9*$E$8)- B23) Bild 8.38 Wert einer europäischen Kauf- und Verkaufsoption nach Black-Scholes (Beispiel 8.11) <?page no="392"?> 392 8 Optionen Bild 8.39 Black-Scholes-Verkaufsoptionswert als Funktion des Aktienkurses und innerer Wert der Option ( = 59 , = 60 , = 0,75 , = 0,08 , = 0,5 ) (Beispiel 8.11) 8.8.4 Verteilung der Aktienkursrenditen Die Entwicklung ökonomischer Größen wie die Kurse von Aktien, Anleihen und Zinssätzen kann als stochastischer Prozess in stetiger Zeit aufgefasst werden. In einem zeitstetigen Modell wird die Kursänderung im Zeitablauf in Form einer stochastischen Differenzialgleichung (Stochastic Differential Equation) beschrieben, die eine zufallsabhängige (stochastische) Komponente enthält. Der Modellannahme für den Aktienkursverlauf nach Black/ Scholes ist ein zeitstetiges Modell und die Kursänderung wird im Zeitablauf durch folgende stochastische Differenzialgleichung definiert: dS = Sdt + SdW oder umgeformt dS = dt + dW S Dabei ist die erwartete Rendite des Aktienkurses (auch Driftrate genannt), die positive Konstante ist die (annualisierte) die Volatilität und W ist ein Wiener-Prozess (auch Brownsche Bewegung genannt) mit = und ~ ( 0, 1 ) . In der Realität können jedoch derartige Prozesse mit stetigem Wertebereich in stetiger Zeit bei Aktienkursen nicht beobachtet werden. Aktienkurse sind vielmehr auf diskrete Werte (z.B. auf das Vielfache eines Cent) beschränkt und können sich nur ändern, wenn die Börse für den Handel geöffnet ist. Da bereits in Kapitel 7.7.4 die Simulation eines Aktienkursprozesses nach dem Black-Scholes-Modell aufgezeigt wurde, soll nachfolgend das Modell für diskrete Zeitpunkte näher betrachtet und an einem Beispiel erläutert werden. Die Formulierung des Modells für diskrete Zeitpunkte lautet: S S 0 10 20 30 40 50 60 0 20 40 60 80 100 120 Black-Scholes Wert Innerer Wert <?page no="393"?> 8.8 Das kontinuierliche Optionspreismodell nach Black-Scholes 393 bzw. S S Dabei beschreibt die Änderung des Aktienkurses S in einem kleinen Zeitintervall und / = ( + )/ ist die Aktienrendite. Der Parameter ist die erwartete Aktienrendite pro Zeiteinheit, und der Parameter die Volatilität des Aktienkurses während einer Zeiteinheit. Die beiden Parameter und werden als konstant angesehen. W ist eine zufällige Variable, die normalverteilt ist mit einem Erwartungswert von Null und einer Varianz von t (d.h. ein zufälliger Wert aus einer Standardnormalverteilung). W ist ein Wiener-Prozess. Über kleine Zeitintervalle sind Änderungen in W, , ebenfalls normalverteilte Zufallsvariable mit einem Erwartungswert von Null, ( ) = 0 , und einer Varianz von , ( ) = bzw. einer Standardabweichung von . Die Kovarianz zweier ist Null, d.h. ( , ) = 0 , andererseits wäre der Aktienkurs prognostizierbar. Mit = kann die Gleichung für die Aktienkursrendite auch wie folgt geschrieben werden: S S Die linke Seite der Gleichung gibt die Rendite an, welche die Aktie in einem kurzen Zeitintervall liefert. Der Term ist der Erwartungswert dieser Rendite und der Ausdruck gibt die stochastische Komponente dieser Rendite wieder. Ist keine Unsicherheit vorhanden, ist also = 0 , dann reduziert sich die Gleichung auf den deterministischen Term . Beispiel 8.12 Betrachtet wird eine dividendenlose Aktie mit einem gegenwärtigen Kurs von = 1 Euro. Die erwartete jährliche Rendite sei 20% und die jährliche Standardabweichung betrage 50%. Das Zeitintervall sei ein Tag, wobei das Jahr mit 250 Börsentagen angenommen wird. Es soll ein möglicher Kursverlauf über ein Jahr durch wiederholtes Ziehen einer standardnormalverteilten Zufallszahl simuliert werden. Für den ersten Tag wird ein Z von 0,056963 ermittelt. Die Änderung des Aktienkurses beträgt dann 0 20 0 004 0 50 0 569634 0 004 0 017213 S , , , , , , und der Aktienkurs ist nach einem Tag bei 0 20 0 004 0 50 0 569634 0 004 20 19 66 , , , , , t t S e , . Für den zweiten Tag wird ein Zufallswert von = 1,087667 ermittelt. Der Aktienkurs am Ende des zweiten Tages beträgt dann 0 20 0 004 0 50 1 087667 0 004 19 66 19 01 , , , , , t t S , e , In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse der ersten zwei Tage zusammengefasst. <?page no="394"?> 394 8 Optionen Zeitintervall 1 Tag Aktienkurs zu Beginn des Zeitintervalls normalverteilte Zufallsvariable Änderung des Aktienkurses während des Aktienkurs am Ende des Zeitintervalls S t+ t 1 20,00 0,056963 -0,017213 19,66 2 19,66 -1,087667 -0,033595 19,01 Bild 8.40 Aktienkurs durch Ziehen einer standardnormalverteilten Zufallszahl (Beispiel 8.12) Es bleibt anzumerken, dass die ermittelten Zufallszahlen Z unabhängig voneinander sind und andere Zufallszahlen zu anderen Preisbewegungen führen würden. Auch kann bei der Simulation jedes beliebige Zeitintervall verwendet werden. Im Grenzübergang, wenn 0 , erreicht man die vollständige Simulation des stochastischen Prozesses. Dieser Prozess stellt einen Markov-Prozess dar, d.h. nur der aktuelle Wert der Aktie ist für die Prognose des zukünftigen Aktienkurses relevant, und die historischen Kurse und die Art und Weise, wie diese entstanden sind, sind ohne Bedeutung. Der letzte in der Tabelle aufgeführte Aktienkurs von 18,98 kann als Zufallswert der Aktienkursverteilung nach Ablauf von zwei Tagen interpretiert werden. Excel-Umsetzung Bei der Eingabe der Inputdaten erwartete Aktienrendite und Standardabweichung ist zu beachten, dass diese in Tagesdaten umgerechnet werden, da das betrachtete Zeitintervall ein Tag ist. Ein möglicher Kursverlauf über 250 Tage kann durch wiederholtes Ziehen einen zufälligen Z aus ( 0,1 ) und Einsetzen in die Gleichung S S generiert werden. In Excel stellt mehrere Funktionen zur Erzeugung von Zufallszahlen zur Verfügung. Das folgende Spreadsheet greift auf Daten|Analyse|Zufallszahlengenerierung zurück, um 250 Zufallszahlen zu erzeugen. Bild 8.41 Erzeugung von Zufallszahlen mittels Microsoft Excel <?page no="395"?> 8.8 Das kontinuierliche Optionspreismodell nach Black-Scholes 395 In nachfolgender Excel-Tabelle gibt die erste Spalte die Tageszahl an. Die zweite Spalte befindet sich die Realisierung von aus der Normalverteilung mit einem Mittelwert von Null und einer Varianz von Eins. Die dritte Spalte zeigt an, wie sich der Aktienkurs entwickeln würde, wenn seine Rendite keine stochastische Komponente enthielte; die Rendite der Aktie liegt bei = 0,20 0,004 = 0,08 Prozent/ Tag. Die vierte Spalte gibt die stochastische Komponente an, wobei = 0,50 0,004 = 0,031622 Prozent/ Tag beträgt. Die tägliche Rendite R aus deterministischer und stochastischer Komponente beträgt dann = + . Spalte fünf listet die täglichen Aktienpreise auf, wobei = ist. Auch hier sei darauf hingewiesen, dass die Tabelle nur einen möglichen Verlauf der Aktienkursentwicklung aufzeigt. Andere Zufallszahlen würden zu anderen Kursbewegungen führen. Die Simulation des Aktienkursverlaufs, wenn der Kurs einer logarithmischen Preisverteilung folgt, kann folgendermaßen zusammengefasst werden: 1. Zeitintervall). Damit erhält man den deterministischen Teil der Rendite. 2. Nehmen Sie ein Z aus einer Zufallsvariablen, die standardnormal verteilt ist, und multiplizieren Sie dieses Z mit . Dies ergibt den ungewissen Teil der Rendite (die Quadratwurzel impliziert, dass die Varianz der Aktienrendite proportional zur Zeit ist). 3. Addieren Sie die beiden Ergebnisse und potenzieren Sie. Die tägliche Rendite beträgt dann . Ist der Aktienkurs am Tag t , dann ist der Kurs am Tag + 1 = . Position Inhalt Excel-Umsetzung D13, F13 aktueller Aktienkurs =E7 D14 deterministischer Kursverlauf =D13*EXP($E$8*$E$6) E14 stochastische Komponente =$E$9*$E$6^0,5*C14 F14 simulierter Aktienkurs =F13*EXP($E$8*$E$6+$E$9*$E$6^0,5*C14) <?page no="396"?> 396 8 Optionen Bild 8.42 Eine Realisation eines Diffusionsprozesses (Beispiel 8.12 a) Bild 8.43 Simulierter Aktienkursverlauf (Beispiel 8.12 a) Bezugnehmend auf Beispiel 8.12 soll nachfolgend eine weitere Möglichkeit der Aktienkurssimulation aufgezeigt werden. Hier wird zur Erzeugung einer Zufallszahl aus der Standardnormalverteilung die Excel-Funktion NORM.INV(ZUFALLSZAHL(); 0; 1) verwendet. Durch Drücken der F9-Taste können andere Zufallszahlen erzeugt werden. Um die automatische Berechnung von Zufallszahlen in einer bestimmten Excel-Arbeitsmappe anzuhalten, geht man auf Optionen, dann Formeln und klickt unter Berechnungsoptionen Manuell an. Dadurch wird die automatische Änderung von Zufallszahlen gestoppt. 0 10 20 30 40 50 60 0 50 100 150 200 250 <?page no="397"?> 8.8 Das kontinuierliche Optionspreismodell nach Black-Scholes 397 Bild 8.44 Eine Realisation eines Diffusionsprozesses (Beispiel 8.12 b) Bild 8.45 Simulierter Aktienkursverlauf (Beispiel 8.12 b) Die vorausgehende Analyse zeigt zwei Dinge: Zum einen ist der vom BSOPM vorhergesagte Wert einer Option unabhängig von der erwarteten Rendite μ, obwohl die Aktie eine erwartete Renditekomponente aufweist. Zum anderen ist die Varianz der Aktienrendite proportional zur Zeit, wenn der Aktienkurs einem Diffusionsprozess folgt. Entsprechend ist die Standardabweichung der Aktienrenditen proportional zur Quadratwurzel der Zeit. Ist beispielsweise die tägliche Varianz der Aktienrenditen gegeben, dann ist die wöchentliche Varianz sieben Mal der täglichen Varianz, also = 7 . Entsprechend ist die wöchentliche Standardabweichung der Aktienrenditen = 7 . Ähnlich verhält sich der Aktienkurs. Ist der heutige Aktienkurs 50 Euro und folgt er einem Diffusionsprozess, dann könnte der Kurs nach einem Tag bei 48 Euro oder 53 Euro liegen, nach einem Monat bei zwischen 40 Euro und 65 Euro und nach einem Jahr bei 30 Euro oder 65 Euro. Die Varianz der Aktienrenditen wird umso größer, je länger das betrachtete Zeitintervall ist. Die Varianz der jährlichen Aktienrenditen sollte demnach 250-mal größer sein als die tägliche Varianz. Bild 8.46 veranschaulicht die Renditeverteilung unterschiedlicher Zeitintervalle. Man erkennt, dass die Renditen nicht normalverteilt sind. Folgt eine Aktie einem Diffusionsprozess, dann sind die Renditen lognormal verteilt. Die Aussage, dass die Renditen lognormal verteilt sind, ist äquivalent mit der Aussage, dass die natürlichen Logarithmen der relativen Preise, ln ( +1 / ) , normal verteilt sind. 0 10 20 30 40 50 60 70 0 50 100 150 200 250 <?page no="398"?> 398 8 Optionen Bild 8.46 Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Aktienrenditen über verschiedene Zeitintervalle. Jede Verteilung ist eine Lognormalverteilung. Die Annahme logarithmisch verteilter Aktienrenditen ist aus zwei Gründen realistisch. Erstens haftet ein Aktionär nur eingeschränkt. Aus diesem Grund können Aktionäre nicht mehr als das Kapital verlieren, das sie für den Erwerb ihrer Aktien gezahlt haben. Aktien können niemals einen negativen Marktwert haben und die niedrigste Rendite einer Periode ist -100%. Sind hingegen die Renditen normal verteilt, dann gibt es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Renditen weniger als -100% betragen. Beträgt beispielsweise die Aktienrendite während eines bestimmten Zeitintervalls -100%, dann ist der Endwert der Aktie am Ende der Periode, , gleich Null und ln ( +1 / ) = ln ( 1 + ) = ln( 0 ) = , und das stellt den linken Rand einer Normalverteilung dar. Das linke Ende einer logarithmischen Normalverteilung ist bei Null verankert, wenn R, die Rendite, -100 Prozent beträgt. Zweitens sind logarithmische Verteilungen rechtsschief. Die niedrigste Rendite ist -100% und die höchste Rendite kann +100% übersteigen. Je länger das betrachtete Zeitintervall ist, desto gültiger wird die letztere Aussage, d.h. jährliche Renditen sind stärker rechtsschief ausgerichtet als monatliche Renditen und monatliche Renditen sind stärker nach rechts geneigt als tägliche Renditen. 8.8.5 Berücksichtigung von Dividendenzahlungen Werden Dividenden auf die Aktie geleistet und ist die Option nicht dividendengeschützt, dann muss dies in der Bewertungsformel berücksichtigt werden. Die erste Anpassung des Modells an Dividendenzahlungen geht auf Merton (1973) zurück und ist auf europäische Optionen anwendbar. Merton unterstellt, dass die Dividenden bekannt sind, kontinuierlich gezahlt werden und die Dividendenrendite = / über die Restlaufzeit der Option konstant bleibt. Unter diesen Annahmen kann die Black- Scholes-Formel für Kaufoptionen wie folgt geschrieben werden: * 1 2 rT C S N d Ke N d Mit * dT S Se * 2 1 ln / / 2 S K r t d t Rendite Rendite täglich monatlich Wahrscheinlichkeit Wahrscheinlichkeit <?page no="399"?> 8.8 Das kontinuierliche Optionspreismodell nach Black-Scholes 399 2 1 d d t . Diese Formel ist nur für europäische Kaufoptionen gültig und kann nicht auf amerikanische Kaufoptionen angewendet werden, da wegen der Dividendenzahlungen immer die Möglichkeit der vorzeitigen Ausübung besteht. Eine einfachere, weniger genaue Methode, die Bewertungsformel an Dividendenzahlungen anzupassen, besteht darin, den gegenwärtigen Aktienkurs um den Barwert der zur Ausschüttung kommenden Dividenden zu kürzen. Werden während der Optionsfrist mehrere diskrete Dividenden , = 1, 2, ..., , ausgezahlt, dann lässt sich die Formel wie folgt darstellen: * 1 2 rT C S N d Ke N d Dabei ist = (1 + ) , die Dividende zum Zeitpunkt t und T der Verfallstermin der Option. Exemplarisch soll der Wert einer europäischen Kaufoption berechnet werden, wenn in 39 Tagen eine Dividende in Höhe von 1,10 Euro ausgeschüttet wird. Der Aktienkurs sei 44 Euro, der Basispreis 40 Euro, der risikolose Zinssatz betrage 8% per annum, die Restlaufzeit der Option sei 67 Tage und die Aktie habe eine Volatilität von jährlich 30%. Mit 0,10685 * 44 1,1 1, 08 42, 909 S 2 1 2 42 909 40 0 08 0 09 2 0 184 0 725 0 3 0 184 * ln S / K r / T d T ln , / , , / , , , , 1 0, 7658 N d 2 1 0, 725 0, 3 0,184 0, 5965 d d T 2 0, 7246 N d erhält man den Kaufoptionswert zu * 1 2 0,08 0,184 42, 909 0, 7658 40 0, 7246 4, 299 rT C S N d Ke N d e 8.8.6 Sensitivitätskennzahlen von Optionen In Kapitel 8.4 wurden die Optionspreisdeterminanten vorgestellt, die einen direkten und messbaren Einfluss auf den Optionswert ausüben. Direkter Einfluss bedeutet dabei, dass die Änderung einer Variablen bei Konstanz der restlichen Variablen den Wert einer Option verändert. Mit der nachfolgenden Sensitivitätsanalyse soll gezeigt werden, wie der Optionspreis durch partielle Variation der Bestimmungsgrößen (dies geschieht durch partielle Differentiation des Optionswertes in Bezug auf die be- <?page no="400"?> 400 8 Optionen trachtete Variable) reagiert. Ausgehend von der funktionalen Beziehung = ( , , , , ) für Kaufoptionen bzw. = ( , , , , ) für Verkaufsoptionen wird beim Black-Scholes-Modell ceteris paribus jeweils nur eine Bestimmungsgröße verändert und die restlichen Variablen konstant gehalten. Die daraus resultierenden Sensitivitätskennzahlen werden als griechische Variablen oder Greeks bezeichnet, da jede Kennzahl nach einem griechischen Buchstaben benannt ist. Die Berechnung der Sensitivitätskennzahlen und die dazugehörigen Graphiken beziehen sich auf die Daten des folgenden Beispiels. Beispiel 8.13 Mit den Input-Param sollen der Kaufoptionswert und das Delta berechnet werden. Eine Dividende wird nicht ausgeschüttet. 2 1 ln 100 / 100 0, 05 0, 2 / 2 0, 75 0, 3031 0, 2 ^0, 75 d 1 0, 6191 N d 2 0, 2273 0, 2 0, 75 0,1299 d 2 0, 5517 N d = 100 0,5899 100 , , 0,5216 = 8,77 Delta Die Sensitivität einer Option bezüglich der Veränderung des zugrundeliegenden Aktienkurses kommt durch den Delta-Wert ( ) zum Ausdruck. Mathematisch gesehen ergibt sich Delta aus der ersten partiellen Ableitung des Optionswertes nach dem Aktienkurs. Für eine europäische Kaufoption auf eine dividendenlose Aktie gilt: 1 Delta (Call) C N d S Dabei ist definiert wie im Black-Scholes-Modell und ( ) ist die kumulierte Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung. Das Delta einer Short-Position in einer Kaufoption beträgt ( 1 ) . Im Black-Scholes-Modell gibt der Delta-Wert an, wie viele Aktien benötigt werden, um die Preisänderung der Option neutralisieren und wird deshalb auch als Hedge Ratio oder Hedge-Verhältnis bezeichnet. Der Delta-Wert nimmt Werte zwischen Null und Eins an. Für eine europäische Verkaufsoption auf eine dividendenlose Aktie erhält man: 1 1 Delta Put 1 P N d N d S Der Delta-Wert einer Verkaufsoption liegt zwischen minus Eins und Null. <?page no="401"?> 8.8 Das kontinuierliche Optionspreismodell nach Black-Scholes 401 (a) (b) Bild 8.47 Veränderung des Delta einer europäischen Kaufoption (a) und Verkaufsoption (b) in Abhängigkeit vom Aktienkurs einer dividendenlosen Aktie Den Bildern 8.47 (a) und (b) ist zu entnehmen, dass sich die Delta-Werte bei Optionen, die am Geld sind, am schnellsten ändern. Bei Kaufoptionen, die tief im Geld liegen, liegen die Delta-Werte nahe bei Eins, während weit aus dem Geld liegende Kaufoptionen nahe Null liegen. Ähnlich verhält es sich bei dem Delta-Wert für Verkaufsoptionen, die Werte liegen jedoch zwischen Null und minus Eins. Auch hier ist die Sensitivität des Optionswertes hinsichtlich der Veränderungen des Aktienkurses bei am Geld liegenden Optionen am größten. Bleibt noch anzumerken, dass der Delta-Wert nicht nur von den Veränderungen des zugrundeliegenden Aktienkurses abhängt, sondern auch von den anderen Optionspreisdeterminanten des Black-Scholes-Modells. Im Beispiel 8.13 beträgt der Delta-Wert der Kaufoption Delta (Call) = ( ) = 0,6191 . Wenn sich der Aktienkurs um € 1 auf € 101 ändert, dann ändert sich der Optionspreis nach der Kurssteigerung um € 0,6191 auf € 9,3914 (8,7723 + 0,6191). Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Input-Parameter werden zunächst die Funktionswerte der kumulativen Verteilungsfunktion für die Standardnormalverteilung an den Stellen und bestimmt und der Kaufoptionswert berechnet. Delta entspricht dabei dem Funktionswert der kumulativen Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung an der Stelle , ( 1 ), und beträgt 0,6191. Zur Generierung der graphischen Darstellung von Delta werden mittels Datentabelle (Alt + V + 5 + T) Aktienkurse zwischen 10 und 200 simuliert. Position Inhalt Excel-Umsetzung D14 kumulierte Normalverteilungsfunktion =NORM.S.VERT(D13; WAHR) D18 Kaufoptionspreis =D6*D14-D7*EXP(-D9*D8)*D16 D14, D19 Delta-Wert der Kaufoption =NORM.S.VERT(D13; WAHR) 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 0 50 100 150 200 Delta Call -1 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0 0 50 100 150 200 Delta Put <?page no="402"?> 402 8 Optionen Bild 8.48 Berechnung und graphische Darstellung des Delta-Wertes einer Kaufoption (Beispiel 8.13) Der Delta-Wert der Verkaufsoption beträgt 1 Delta (Put) 1 0, 3809. N d Sinkt der Aktienkurs um € 1, dann steigt die Verkaufsoption um € 0,3809. Steigt hingegen der Aktienkurs um € 1, dann verliert die Put Option € 0,3809 an Wert. Excel-Umsetzung Die Excel-Umsetzung für die Berechnung des Delta-Wertes der Verkaufsoption ist vergleichbar mit der Vorgehensweise bei der Kaufoption. Position Inhalt Excel-Umsetzung D14 kumulierte Normalverteilungsfunktion =NORM.S.VERT(D13; WAHR) D21 Verkaufsoptionspreis =D18-D6+D7*EXP(-D9*D8) D22 Delta-Wert der Verkaufsoption =D14-1 <?page no="403"?> 8.8 Das kontinuierliche Optionspreismodell nach Black-Scholes 403 Bild 8.49 Berechnung und graphische Darstellung des Delta-Wertes einer Verkaufsoption (Beispiel 8.13) Gamma Gamma ist die zweite Ableitung der Black-Scholes-Funktion nach dem Aktienkurs und ist ein Maß für die erwartete Veränderung des Delta der Option auf die Änderung der zugrundeliegenden Aktie um eine Einheit. Der Gamma-Wert für Kauf- und Verkaufsoptionen ist identisch, und es gilt: 1 Delta Call Delta Put Gamma Call Gamma Put N d S S S T wobei 2 / 2 1 2 x N x e die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion für die Standardnormalverteilung ist. Bild 8.50 Options-Gamma in Abhängigkeit des Aktienkurses 0 0,005 0,01 0,015 0,02 0,025 0,03 0 50 100 150 200 Gamma Call <?page no="404"?> 404 8 Optionen Aus Bild 8.50 ist ersichtlich, dass der Gamma-Wert immer positiv und dort am größten ist, wo der Basispreis und der Aktienkurs ungefähr gleich groß sind (leicht unterhalb des Basispreises). Diese Kennzahl findet bei Absicherungsstrategien in Form des Gamma-Hedging Berücksichtigung. Mit den Daten von Beispiel 8.13 erhält man für Gamma folgenden Wert: 2 2 (0,3031) / 2 / 2 1 2 3,1416 0, 3810 2 Gamma Call 0, 0219988 17, 3205 100 0, 2 0, 75 x e e N x S T S T Eine weitere Berechnungsmöglichkeit wird bei der Excel-Umsetzung angewandt. Ein Gamma von 0,0219 besagt, dass eine Änderung des Aktienkurses um eine Einheit eine Änderung des Delta der Option um 0,0219 zur Folge hat. Rho Das Rho einer Option gibt die Sensitivität des Optionswertes gegenüber dem Zinssatz an. Für eine europäische Kaufoption gilt: 2 Rho Call rT C KTe N d r Und für eine europäische Verkaufsoption erhält man: 2 Rho Put rT P KTe N d r Der Wert von Rho (Call) ist immer größer oder gleich Null, während der Rho (Put)- Wert stets kleiner oder gleich Null ist. In Bild 8.51 sind die Rho-Werte graphisch dargestellt. Es ist ersichtlich, dass der Rho- Wert bei Optionen, die im Geld liegen, größer ist als bei Optionen, die aus dem Geld liegen. Bild 8.51 Veränderung des Rho einer europäischen Kauf- und Verkaufsoption in Abhängigkeit vom Aktienkurs einer dividendenlosen Aktie -80 -70 -60 -50 -40 -30 -20 -10 0 0 50 100 150 200 250 Rho Put 0 10 20 30 40 50 60 70 80 0 50 100 150 200 Rho Call <?page no="405"?> 8.8 Das kontinuierliche Optionspreismodell nach Black-Scholes 405 Im Beispiel 8.13 errechnet sich der Rho-(Call-)Wert zu: 0,05 0,75 2 100 0, 75 0,1299 39,85 rT KTe N d e N Ein Anstieg des Zinssatzes um 1% von 5% auf 6% erhöht den Wert der Kaufoption um 0,3985 ( = 0,01 39,85 ). Der Rho-Wert für die Verkaufsoption beträgt im Beispiel -32,3865. Theta Der Theta-Wert einer Option misst die Sensitivität des Optionswertes gegenüber der Restlaufzeit. Theta ist demnach ein Maß für den Zeitwertverfall von Optionen. 1 2 Theta Call 2 rT SN d C rKe N d T T Für Verkaufsoptionen gilt: 1 2 Theta Put 2 rT SN d P rKe N d T T wobei 2 / 2 1 2 x N x e In der Black-Scholes-Formel wird die Zeit in Jahren angegeben. Bei der Angabe von Theta wird die Zeit gewöhnlich in Tagen gemessen, so dass Theta die Veränderung der Option an einem Tag misst. Will man Theta pro Kalendertag erhalten, muss der Theta-Wert durch 365 dividiert werden. Will man hingegen Theta pro Handelstag erhalten, muss man durch 252 dividieren. In Bild 8.52 ist die Veränderung des Theta in Abhängigkeit des Aktienkurses graphisch dargestellt. Bild 8.52 Veränderung des Theta einer europäischen Kauf- und Verkaufsoption in Abhängigkeit vom Aktienkurs einer dividendenlosen Aktie Bei sehr niedrigem Aktienkurs ist Theta nahezu Null. Für Kaufoptionen am Geld hat Theta einen sehr niedrigen negativen Wert. Bei weiterem Anstieg der Aktie nähert sich Theta dem Wert an. Bei tief im Geld liegenden Verkaufsoptionen liegt -8 -7 -6 -5 -4 -3 -2 -1 0 0 50 100 150 200 Theta Call -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 0 50 100 150 200 Theta Put <?page no="406"?> 406 8 Optionen Theta über Null, d.h. Verkaufsoptionen, die weit im Geld liegen erfahren bei einer Verkürzung der Restlaufzeit einen Wertzuwachs. Im Beispiel beträgt das Theta der Kaufoption 1 0,05 0,75 2 100 0, 3810 0, 2 Theta Call 0, 05 100 0, 5517 2 2 0, 75 7, 0566 rT SN d rKe N d e T Das Theta beträgt pro Kalendertag 7,0566/ 365 = 0,0193 bzw. 7,0566/ 252 0,0280 pro Handelstag. Für Verkaufsoptionen gilt: 1 0,05 0,75 2 100 0, 3810 0, 2 Theta Put 0, 05 100 0, 4483 2 2 0, 75 2, 2407 rT SN d rKe N d e T Vega Neben der zugrundeliegenden Aktie hat die Volatilität der Aktie den größten Einfluss auf den Optionswert. Mit dem Options-Vega wird die Sensitivität des Optionswertes auf Änderungen der Volatilität gemessen. Eine hohe Volatilität führt zu steigenden Optionspreisen und umgekehrt. Für Kauf- und Verkaufsoptionen gilt: 1 Vega Call Vega Put C P S T N d Bild 8.53 Veränderung des Vega einer europäischen Kauf- und Verkaufsoption in Abhängigkeit vom Aktienkurs einer dividendenlosen Aktie Wie aus Bild 8.53 ersichtlich ist, nimmt das Options-Vega bei am Geld liegenden Optionen den größten Wert an. Mit den Daten von Beispiel 8.13 erhält man folgenden Vega-Wert: 1 Vega Call Vega Put 100 0, 75 0, 3810 32, 9982 S T N d Bei einem Anstieg der Volatilität um 1% von 20% auf 21% erhöht sich der Wert der Option um 0,3299 (= 32,9982 0,01) . 0 5 10 15 20 25 30 35 0 50 100 150 200 Vega Call <?page no="407"?> 8.8 Das kontinuierliche Optionspreismodell nach Black-Scholes 407 Omega Das Omega einer Option ist ein Maß für die Elastizität des Optionswertes bezüglich der Veränderungen des Aktienkurses. Es stellt das prozentuale Wertänderungsverhältnis zwischen Option und Aktie dar. Gelegentlich wird für Omega auch der Begriff Hebel oder Leverage-Faktor verwendet. Omega wird berechnet, indem man die prozentuale Veränderung des Optionswertes zu der prozentualen Veränderung des Aktienkurses ins Verhältnis setzt. Für das Omega einer Kaufoption gilt: 1 / Omega Call / C C S N d S S C Für eine Verkaufsoption erhält man: 1 / Omega Call 1 / P P S N d S S P In den Formeln beider Optionen findet das Options-Delta Verwendung. Aus Bild 8.54 ist ersichtlich, dass das Call-Omega umso größer ist, je mehr die Option aus dem Geld ist bzw. je niedriger der innere Wert der Option ist. Das Put-Omega nimmt einen spiegelbildlichen Verlauf zum Call-Omega. Verkaufsoptionen, die weit aus dem Geld liegen, weisen die höchsten Omega-Werte und damit den größten Hebel aus. Bild 8.54 Omega einer Kauf- und Verkaufsoption in Abhängigkeit des Aktienkurses Im Beispiel 8.13 errechnet sich das Omega der Kaufoption zu: 1 100 Omega Call 0, 6191 7, 05 8, 77 S N d C Für das Omega der Verkaufsoption erhält man: 1 100 Omega Call 1 0, 6191 1 7, 48 5, 09 S N d P Steigt der Aktienkurs um 1% von 100 auf 101, dann erhöht sich der Wert der Kaufoption um 7,05% von 8,77 auf 9,39. 0 20 40 60 80 100 0 50 100 150 200 Omega Call <?page no="408"?> 408 8 Optionen In den Bildern 8.55 und 8.56 sind die numerischen Ergebnisse der in den Graphiken dargestellten Sensitivitätskennzahlen für Kauf- und Verkaufsoptionen dargestellt. Bild 8.55 Zusammenfassung der numerischen Ergebnisse der in den Graphiken dargestellten Sensitivitätskennzahlen für Kaufoptionen Bild 8.56 Zusammenfassung der numerischen Ergebnisse der in den Graphiken dargestellten Sensitivitätskennzahlen für Verkaufsoptionen In der vorausgehenden Analyse wurden ausschließlich Optionen auf den Basiswert Aktie betrachtet. Damit sind jedoch die Anwendungsmöglichkeiten der für die Bewertung von Aktienoptionen entwickelten Ansätze bei Weitem nicht erschöpft. Optionen können auf unterschiedliche Basiswerte ausgestellt werden, wie beispielsweise auf Aktienindizes, Anleihen und Devisen, Waren- und Futures-Kontrakte. Allgemein <?page no="409"?> 9.1 Forward-Kontrakte 409 kann jeder bedingte Anspruch (Contingent Claim), der von der Entwicklung eines anderen Finanztitels abhängig ist, mit der Optionspreistheorie bewertet werden. Das Instrumentarium der Optionsbewertung lässt sich auch auf wirtschaftliche Bereiche anwenden, die zunächst keinen Zusammenhang mit Optionen erkennen lassen, wie die Analyse der Erfolgsbeteiligung von Fondsmanagern, die Bewertung von Leasingverträgen und Lebensversicherungen und die Bewertung des Eigen- und Fremdkapitals einer Unternehmung. 9 Forward- und Futures-Kontrakte 9.1 Forward-Kontrakte Forward-Kontrakte verkörpern das klassische Termingeschäft. Beim Forward-Kontrakt vereinbaren die beteiligten Parteien, zu einem späteren Zeitpunkt, dem Termin, den zugrundeliegenden Vermögensgegenstand (Underlying) in einer bestimmten Qualität und Quantität zu liefern und zu bezahlen. Charakteristisch hierfür ist, dass die Einzelheiten des Forward-Kontraktes von den beiden Parteien innerhalb eines gegebenen rechtlichen Rahmens frei ausgehandelt werden und die Bezahlung des zu liefernden Gegenstandes ausschließlich zum Termin zu erfolgen hat. Bei Vertragsabschluss wird der am Termin zu zahlende Preis so festgelegt, dass er mit dem Wert des zu liefernden Gegenstandes übereinstimmt, d.h. zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erfolgt keine Zahlung. Bei einem Forward-Kontrakt nimmt eine Vertragspartei eine Kaufposition (Long Position) ein und verpflichtet sich damit, den zugrundeliegenden Vermögensgegenstand zu einem in der Zukunft festgelegten Zeitpunkt zu einem festgelegten Preis zu kaufen. Die Gegenpartei nimmt die Verkaufsposition (Short Position) ein und verpflichtet sich damit, den Vermögensgegenstand zum gleichen Zeitpunkt und zum festgelegten Preis zu verkaufen. Das folgende Beispiel soll den Sachverhalt verdeutlichen. Ein Unternehmen in den USA muss in sechs Monaten eine Zahlung von 1 Million EUR leisten. Um sich Wechselkursschwankungen abzusichern, vereinbart der Finanzmanager den Kauf von 1 Million Euro in sechs Monaten zum Wechselkurs von 1,0978 EUR von der Bank. Die Bank ist einen Terminverkauf eingegangen und wird in sechs Monaten 1 Million EUR für 1,0978 verkaufen. Ist nach 6 Monaten der Kassawechselkurs auf 1,12 EUR gestiegen, dann hätte der Kontrakt für das Unternehmen einen Wert von (1,1200 1,0978)1.000.000 = 22.200 EUR, da der EUR zu 1,0978 gekauft werden könnte. Wäre hingegen der Wechselkurs nach sechs Monaten auf 1,0800 EUR gefallen, ergäbe sich für das Unternehmen ein Verlust von 17.800 EUR, da das Unternehmen gegenüber dem Marktpreis 17.800 EUR mehr bezahlen müsste. Im Allgemeinen ergibt sich die Auszahlung eines Forward-Kontraktes für eine Einheit des zugrundeliegenden Vermögensgegenstandes für eine Long Position zu , wobei der Wert des zugrundeliegenden Gegenstandes am Erfüllungstag (Termin) ist (Spot-Kurs bei Fälligkeit des Kontraktes) und K der (Abrechnungs-)Preis des Forward-Kontraktes am Abschlusstag. Im obigen Beispiel hält das Unternehmen die Long Position und = 1,0978 . Ist bei Fälligkeit = 1,12, dann beträgt die Auszahlung 0,0222 je EUR, bei = 1,08 beträgt sie 0,0178 je EUR. Für eine Short-Position in <?page no="410"?> 410 9 Forward- und Futures-Kontrakte einem Terminkontrakt erhält man für eine Einheit des zugrundeliegenden Gegenstandes . Wie in Bild 9.1 dargestellt, kann die Auszahlung positiv oder negativ sein. Sie stellt zugleich den Gesamtgewinn bzw. den Gesamtverlust des Händlers dar, da der Abschluss eines Terminkontraktes nichts kostet. (a) (b) Bild 9.1 Auszahlungsprofile von Forward-Kontrakten: (a) Long Position, (b) Short-Position 9.2 Futures-Kontrakte Im Gegensatz zum Forward-Kontrakt handelt es sich beim standardisierten Futures- Kontrakt um einen mit spezifischen Merkmalen ausgestatteten börsengehandelten Kontrakt. Die Standardisierung bedeutet, dass lediglich bestimmte Vermögensgegenstände Vertragsbzw. Handelsgegenstand sein können, nur gewisse Liefertermine vereinbart werden können, und die Liefermenge (Handelseinheit) pro Kontrakt festgelegt ist. Der am Termin zu zahlende Preis, der Futures-Preis, wird an der Börse gemäß den geltenden Gesetzen, Bestimmungen und Usancen der Börse ermittelt. Die Abwicklung und Überwachung des Handels obliegt der Liquidationskasse (Clearing-House); sie tritt bei jedem Futures-Kontrakt als Vertragspartner auf und unterliegt den Gesetzen und Bestimmungen der Börse. Um die Erfüllung des Kontraktes und um einen reibungslosen Ablauf des Börsenhandels zu gewährleisten, wird die Hinterlegung von Sicherheiten durch Einschüsse (Margins) gefordert. Das Clearing-House verlangt pro abgeschlossenen Kontrakt vom Börsenmitglied einen Einschuss. Seinerseits verlangt das Börsenmitglied von seinem Auftraggeber einen Einschuss, der in Form der Hinterlegung bestimmter (börsengängiger) Wertpapiere oder in Form von Guthaben auf Konten erbracht werden kann. Die Höhe des Einschusses wird von der Börse festgelegt und ist abhängig von der Volatilität des zugrundeliegenden Vermögensgegenstandes, der Laufzeit der Kontrakte, der Anzahl der eingegangen Kontrakte und vom Geschäftszweck (Absicherung oder Spekulation). Haben die aufgelaufenen Verluste eine bestimmte Höhe (Maintenance Margin) überschritten, dann müssen diese Verluste durch Nachschüsse (Variation Margin) ausgeglichen werden, damit der bei Abschluss des Kontraktes zu leistende (Anfangs-)Einschuss (Initial Margin) wieder erbracht ist. Hieraus ergibt sich auch der wesentliche Unterschied zum Forward-Kontrakt. Beim Forward-Kontrakt erfolgt die Abrechnung von Gewinnen und Verlusten erst bei Erfüllung des Kontraktes, d.h. zum vereinbarten Termin, beim standardisierten Futures- Auszahlung S T K Auszahlung K S T Auuszzahhluungg Auuszzahhluungg <?page no="411"?> 9.3 Motive für den Handel mit Terminkontrakten 411 Kontrakt dagegen werden Gewinn und Verluste börsentäglich errechnet und der Kontraktpartei gutgeschrieben bzw. belastet (Marking to Market). Futures-Preise hängen vom Kursverlauf des ihnen zugrundeliegenden Gegenstandes ab. Charakteristisch für Futures-Kontrakte ist, dass ihr Preis im Verfallszeitpunkt genau dem Preis des dazugehörigen Kassainstruments entspricht. Abstrahiert man von Margin-Zahlungen, dann erweist sich der Futures-Kauf gegenüber dem direkten Kauf des zugrundeliegenden Gegenstandes als vorteilhaft, da während der Laufzeit des Kontraktes keinerlei Zahlungen zu leisten sind. Der direkte Erwerb des Vermögensgegenstandes führt hingegen zum sofortigen Abfluss von Barmitteln, wodurch Finanzierungskosten entstehen. Wird der Kauf mit Eigenkapital finanziert, fallen Opportunitätskosten an, da das für den Erwerb verwendete Eigenkapital nicht mehr anderweitig angelegt werden kann. Wird der Kauf mit Kredit finanziert, fallen Kreditzinsen an. Der direkte Kauf des Vermögensgegenstandes hat aber auch Vorteile in Form von Erträgen gegenüber dem Kauf eines Futures-Kontraktes, z.B. in Form von Kuponzahlungen oder Dividendenzahlungen. 9.3 Motive für den Handel mit Terminkontrakten Der Terminmarkt bietet einzelnen Marktteilnehmern eine zusätzliche Möglichkeit zur Realisierung ihrer Anlageziele. Terminkontrakte können für Absicherungszwecke (Hedging), Spekulationszwecke und zur Ausnutzung von Preisungleichgewichten (Arbitrage) eingesetzt werden. 9.3.1 Hedging Beim Hedging sollen mit Termingeschäften bestehende Kassapositionen (z.B. Aktien, Anleihen, Wertpapierdepots) oder für die Zukunft geplante Kassapositionen abgesichert werden. Dabei wird am Terminmarkt eine Gegenposition zur Kassaposition eingenommen. Die folgenden zwei Beispiele sollen die Vorgehensweise verdeutlichen. Ein in Europa ansässiger Investmentfonds möchte in sechs Monaten bei der Hauptversammlung einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft stimmberechtigt sein und benötigt dazu Aktien dieses Unternehmens. Die Aktien werden an der New York Stock Exchange gehandelt und sollen unmittelbar vor der Hauptversammlung erworben werden. Die Fondsgesellschaft kann nun folgende Strategien anwenden, um in Besitz der Aktien zu kommen: 1. Tausch EUR gegen USD in sechs Monaten zu dem dann gültigen Kassawechselkurs und Kauf der Aktien zum Kassakurs. 2. Abschluss eines Währungstermingeschäfts, durch das der zukünftige Wechselkurs von EUR/ USD fixiert wird. Der Kauf der Aktien erfolgt in sechs Monaten zum Kassapreis. 3. Abschluss eines Termingeschäfts auf die zu erwerbende Aktie, um den zukünftigen Aktienkurs zu fixieren. Der Tausch EUR gegen USD erfolgt zum Kassakurs in sechs Monaten. 4. Abschluss von zwei Termingeschäften, bei denen der zukünftige Aktienkurs und auch der zukünftige Kassawechselkurs fixiert werden. Im ersten Fall ist der in EUR quantifizierte zukünftige Aktienkurs sowohl dem Preisals auch dem Währungsrisiko ausgesetzt. Für den zweiten und dritten Fall kann durch <?page no="412"?> 412 9 Forward- und Futures-Kontrakte den Einsatz von Terminkontrakten entweder das Währungsrisiko (Fall 2) oder das Kursrisiko der Aktien (Fall 3) eliminiert werden. Im vierten Fall werden der Aktien- und Wechselkurs bereits heute genau determiniert und die Fondsgesellschaft ist weder dem Aktienkursrisiko noch dem Währungsrisiko ausgesetzt. Beim Hedging wird zwischen Short Hedge und Long Hedge unterschieden. Unter einem Short Hedge wird eine Absicherung verstanden, bei der der eine Short-Position in Futures eingenommen wird. Bei einem Long Hedge wird eine Long Position in Futures eingegangen. Beide Absicherungsstrategien dienen der Reduzierung bzw. Eliminierung des Preisrisikos. In diesem Zusammenhang kommt der Hedge-Ratio eine besondere Bedeutung zu. Sie determiniert die Anzahl der Futures-Kontrakte, die nötig sind, um eine möglichst genaue Absicherung des Vermögenswerts zu erreichen, und ist wie folgt definiert: Volumen der Absicherungsposition Hedge Ratio Volumen der abzusichernden Position N × F S Dabei ist S der Vermögenswert, der abgesichert werden soll, F der Wert eines zur Absicherung verwendeten Futures-Kontrakts und N die Anzahl der zur Absicherung benötigten Futures-Kontrakte. Das folgende Beispiel soll den Sachverhalt veranschaulichen. Heute ist der 14. Mai und der Kassapreis von Gold liegt bei $1.834 pro Fein-Unze. Ein Unternehmen erwartet, am oder kurz vor dem 30. Juli 500 Fein-Unzen Gold zu erhalten. Das Unternehmen will das Gold sofort nach Erhalt auf dem freien Markt verkaufen. Das Unternehmen ist einem Risiko durch einen möglichen Rückgang des Goldpreises ausgesetzt. Wenn es heute einen Short-Futures-Kontrakt eingeht (um Gold zu verkaufen) und der Goldpreis fällt, macht das Unternehmen einen Verlust aus dem Verkauf des Goldes, erzielt aber einen Gewinn aus dem Futures-Kontrakt. Steigt jedoch der Goldpreis, erzielt es einen Gewinn aus dem Verkauf des Goldes und einen Verlust aus dem Futures-Kontrakt. Es soll nun gezeigt werden, wie diese Strategie verwendet werden kann, um das Risiko eines fallenden Marktes zu beseitigen (oder zu verringern) und dem Unternehmen heute ein ungefährer Preis gegeben werden kann, den es aus dem Verkauf von Gold erhalten wird. Terminkontrakte auf Gold sind für jeden Liefermonat an der NYME (Comex Division) verfügbar. Die Kontraktgröße beträgt 100 Feinunzen. Der Preis pro Feinunze für einen Gold-Futures-Kontrakt im August beträgt $1.837. Das Unternehmen geht fünf August-Futures-Kontrakte short, die es am Tag des Goldverkaufs glattstellt. Da dieser Tag voraussichtlich spät im Juli liegen wird, wird zur Absicherung ein August-Futures-Kontrakt verwendet. Es soll gezeigt werden, dass diese Strategie dem Unternehmen einen Preis von etwa $1.837 garantieren wird. Am 30. Juli gibt es zwei Möglichkeiten. (a) Der Spot-Preis am 30. Juli ist größer oder gleich $1.837. Angenommen, der Spot-Preis an diesem Tag beträgt $1.840. Da bei Fälligkeit der Kassapreis und der Terminpreis konvergieren, sollte der Schlusskurs für die Terminkontrakte etwa $1.840 betragen. Da die Terminkontrakte für $1.837 verkauft werden sollen, verliert das Unternehmen bei den Terminkontrakten pro Feinunze. Aus dem <?page no="413"?> 9.3 Motive für den Handel mit Terminkontrakten 413 Verkauf des Goldes erhält das Unternehmen $1.840 pro Feinunze. Damit erzielt das Unternehmen (ungefähr) 1.840 (1.840 1.837) = $1.837 pro Feinunze. (b) Der Spot-Preis am 30. Juli liegt unter $1.837. Angenommen, der Spot-Preis beträgt $1.830 je Feinunze. Der Schlusskurs der Futures- Kontrakte sollte dann etwa $1.830 betragen, sodass das Unternehmen aus den Futures- Kontrakten einen Gewinn von 1.837 1.830 = $7 je Feinunze erzielt. Aus dem Verkauf des Goldes erhält das Unternehmen 1.830 US-$ pro Feinunze. Damit erzielt das Unternehmen (ungefähr) 1.830 + (1.837 1.830) = $1.837 pro Feinunze. In einem weiteren Beispiel soll die Anzahl der für einen Hedge notwendigen Kontrakte bestimmt werden. Ein Unternehmen plant, 3.000.000 US-Dollar in ein neues Erfrischungsgetränk zu investieren. Das Unternehmen glaubt, dass der Preis von gefrorenem Orangensaft und der Verkauf des neuen Getränks stark korrelieren werden. Daher verwendet es Long- Futures-Kontrakte auf gefrorenen Orangensaft, um seine Ausgaben abzusichern. Terminkontrakte (auf 15.000 Pfund gefrorenen Orangensaft) sind bei der Intercontinental Exchange (IEC) erhältlich. Der heutige Terminpreis für gefrorenen Orangensaft beträgt 148,70 Cents per lb. Jeder Kontrakt hat einen Wert von 15.000 lbs. Es wird davon ausgegangen, dass eine Hedge Ratio von 0,85 angemessen wäre. Wie viele Long-Futures-Kontrakte sollte das Unternehmen kaufen, um seine Ausgaben abzusichern? Mit = $3.000.000, = $0,1487 × 15.000 = $22.305 und h = 0.85 erhält man die Anzahl der Kontrakte zu 0 85 3 000 000 76 22 22 305 . . . , . N = Es sollten 76 Long Futures-Kontrakte gekauft werden. In vielen Fällen wird beim Hedging wegen der Standardisierung der Futures der Futures-Kontrakt F nicht exakt zum Grundgeschäft S passen. In diesem Falle muss der Investor oder Risikomanager den Hedge so gut wie möglich dem Absicherungsbedarf anpassen. Ist keine Übereinstimmung der Laufzeit möglich, dann sollte die Laufzeit des Futures etwas länger gewählt werden als es der Absicherungsbedarf erfordert. Auch sollte die Wahl des Kontraktes möglichst genau mit der Qualität und Quantität des abzusichernden Vermögensgegenstandes übereinstimmen. Gibt es keinen Futures-Kontrakt auf das abzusichernde Asset, dann kann man einen Kontrakt wählen, der mit dem Asset am stärksten korreliert. In diesem Fall spricht man von Cross- Hedging. Wird hingegen ein Asset mit einem sehr ähnlichen Futures-Kontrakt abgesichert, spricht man von einem Proxi-Hedge. Da der Absicherungserfolg von der Entwicklung des Futures und des Spot-Preises gleichermaßen abhängt, kann mit Hilfe der Standardabweichung und Korrelation die optimale Hedge-Ratio (Steigung der Regressionsgeraden) bestimmt werden: S F h* = Dabei ist h* die optimale Hedge-Ratio, die Standardabweichung des Basiswertes ( ist die Veränderung des Spot-Preises während der Haltedauer des Futures), ist die Standardabweichung des Futures ( ist die Veränderung des Futures Preises <?page no="414"?> 414 9 Forward- und Futures-Kontrakte während der Haltedauer des Futures) und ist der Korrelationskoeffizient zwischen dem Basiswert und dem Future . Die Berechnung der optimalen Hedge-Ratio soll nun an einem Beispiel veranschaulicht werden. Beispiel 9.1 Die folgenden Daten (Monate, Wert des Futures-Kontrakts und der Wert des Vermögensgegenstandes) sind gegeben: Monate Wert des Futures F-Werte Basiswert S-Werte 0 5,9 11,428 1 5,985 11,502 2 6,023 11,796 3 6,1 11,801 4 6,099 11,903 5 6,078 11,66 6 6,045 11,47 7 6,271 12,063 8 6,25 11,878 Im ersten Schritt werden die Differenzen zwischen den F Werten und die Differenzen zwischen den S Werten berechnet. Monate Wert des Futures F-Werte Basiswert S-Werte x (Differenz in F) y (Differenz in S) 0 5,9 11,428 1 5,985 11,502 0,085 0,074 2 6,023 11,796 0,038 0,294 3 6,1 11,801 0,077 0,005 4 6,099 11,903 -0,001 0,102 5 6,078 11,66 -0,021 -0.243 6 6,045 11,47 -0,033 -0,19 7 6,271 12,063 0,226 0,593 8 6,25 11,878 -0,021 -0,185 Im nächsten Schritt werden die Standardabweichung von x (Differenz in F) und y (Differenz in S), und die Korrelation zwischen x und y berechnet. Man erhält folgende Werte: 0 08647 F 0 28235 S <?page no="415"?> 9.3 Motive für den Handel mit Terminkontrakten 415 = 0 86213 Damit ergibt sich die optimale Hedge-Ratio zu: 0 28235 0 86213 2 81528 0 08647 , , , , h* = Die optimale Hedge-Ratio ist demnach 2,8; es sollten zur Absicherung 3 Futures-Kontrakte gekauft werden. Das optimale Absicherungsverhältnis hängt vom Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Futures-Preises und des Basiswertes ab. Wäre die Standardabweichung des Futures-Kontrakts und des Assets gleich ( = ) und wäre die Korrelation der beiden gleich eins ( = 1 ), dann ergäbe sich eine Hedge-Ratio von 1,0. Veränderte sich beispielsweise der Futures-Preis doppelt so stark wie das Asset ( = 2 ), dann wäre die optimale Hedge-Ratio nur noch 0,5. Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Input-Daten Monate (in Dezimal), Werte für den Futures-Kontrakt (F-Werte) und Werte für den Basiswert (S-Werte) werden die Kursdifferenzen bestimmt. Diese dienen als Grundlage für die Berechnung der Varianz bzw. der Standardabweichung und der Berechnung des Korrelationskoeffizienten (hier mit den Formeln von Microsoft Excel). Durch Einsetzen in die Formel S F h* = erhält man die Steigung der Regressionsgeraden, die die optimale Hedge-Ratio repräsentiert. Position Inhalt Excel-Umsetzung D6 Standardabweichung F-Werte =STABW.S(E13: E20) D7 Standardabweichung S-Werte =STABW.S(F13: F20) D8 Korrelationskoeffizient =KORREL(E13: E20; F13: F20) D9 optimale Hedge-Ratio =D8*D7/ D6 E13 Preisdifferenz F-Werte =C13-C12 F13 Preisdifferenz S-Werte =D13-D12 E14 Preisdifferenz F-Werte =C14-C13 F14 Preisdifferenz S-Werte =D14-D13 <?page no="416"?> 416 9 Forward- und Futures-Kontrakte Bild 9.2 Bestimmung der optimalen Hedge-Ratio (Beispiel 9.1) 9.3.2 Spekulationsgeschäfte Spekulationsgeschäfte sind solche Termingeschäfte, durch die auf den Kassa- oder Terminmärkten zur Gewinnerzielung aus erwarteten zeitlichen Preisunterschieden Kauf- und Verkaufspositionen eingegangen werden. Der spekulative Einsatz von Terminkontrakten soll durch folgendes Beispiel veranschaulicht werden. Ein Marktteilnehmer ist der Meinung, dass Gold derzeit überbewertet ist und erwartet in Zukunft sinkende Marktpreise. Um von dieser Markteinschätzung zu profitieren, tritt er als Verkäufer eines unbedingten Gold-Terminkontraktes auf. Da er weder am Besitz von Gold interessiert ist noch über das Gold verfügt, das verkauft werden könnte, wird für die Erfüllung des Kontraktes ein Barausgleich vereinbart. Zwei Szenarien sind nunmehr denkbar. 1. Ist am Verfalltag des Termingeschäfts der Kassakurs von Gold entsprechend der Erwartung des Marktteilnehmers gesunken, erhält er aus dem Termingeschäft eine Zahlung in Höhe der Differenz zwischen dem vereinbarten Terminpreis und dem eingetretenen Gold-Kassapreis. 2. Ist am Verfalltag der Kassakurs wider Erwarten des Marktteilnehmers gestiegen, ist er zu einer Zahlung an den Inhaber der Long Position des Terminkontrakts in Höhe der Differenz zwischen dem eingetretenen Goldpreis und dem vereinbarten Terminpreis verpflichtet (unbedingtes Termingeschäft). Würde anstelle eines Barausgleichs die tatsächliche Lieferung des Edelmetalls vereinbart, ergäben sich die gleichen finanziellen Verpflichtungen. Am Verfalltag ist der Marktteilnehmer zum Verkauf von Gold verpflichtet. Da er dieses jedoch nicht besitzt, muss er das Gold am Kassamarkt zum gültigen Kassakurs kaufen und es unmittelbar <?page no="417"?> 9.4 Preisbildung von Forward- und Futures-Kontrakten 417 danach an den Vertragspartner zum vereinbarten Terminpreis liefern. Der Gewinn bzw. Verlust ergibt sich wiederum aus der Differenz des Einkaufspreises (des Kassakurses) und des Verkaufspreises (des Terminkurses). 9.3.3 Arbitrage Der Einsatz von Termingeschäften für Arbitrage ist in der Möglichkeit begründet, Gewinne durch die Ausnutzung von Preisungleichgewichten auf den Märkten zu erzielen, die durch falsche Bewertung von Vermögensgegenständen entstehen. Ein einfaches Beispiel soll die Vorgehensweise verdeutlichen. Die Aktien eines Unternehmens werden an zwei Börsen, in den USA und Europa, gehandelt (Dual Listings). Der Kurs an der US-amerikanischen Börse betrage $65,03. Bei einem Wechselkurs EUR/ USD von 1,1868 errechnet sich ein Preis für die Aktie in Euro von 54,79. Der Aktienkurs an der europäischen Börse werde jedoch aktuell mit 54,82 EUR gehandelt. Ein Arbitrageur kann dieses Preisverhältnis nun dahingehend ausnutzen, dass er die Aktien in New York kauft und zeitgleich an der europäischen Börse verkauft. Damit vereinnahmt der Arbitrageur je Aktie einen risikolosen Gewinn von 0,03 EUR. Die praktische Umsetzung dieser Strategie setzt jedoch voraus, dass die Transaktionskosten den Betrag von 0,03 EUR nicht überschreiten. 9.4 Preisbildung von Forward- und Futures-Kontrakten Der Preisbildungsprozess von Forward- und Futures-Kontrakten beruht auf folgenden Annahmen: 1. Die beim Handel mit den Marktteilnehmern entstehenden Transaktionskosten werden vernachlässigt. 2. Alle Marktteilnehmer unterliegen dem gleichen Steuersatz. 3. Alle Marktteilnehmer können zum gleichen risikolosen Zinssatz Geld aufnehmen und anlegen. 4, Arbitragemöglichkeiten werden von den Marktteilnehmern ausgenutzt, sollten sich solche ergeben. Bei der Analyse von Forward- und Futures-Kontrakten muss zwischen Investitions- und Konsumgütern unterschieden werden. Investitionsgüter wie beispielsweise Aktien, Anleihen, aber auch Gold, Platin und Silber (letztere können auch industriell verarbeitet werden) werden von den Anlegern für Anlagezwecke gehalten, während Konsumgüter wie Aluminium, Kupfer, Öl oder Schweinebäuche in erster Linie für den Verbrauch genutzt werden. Der Grund der Unterscheidung zwischen Investitions- und Konsumgüter besteht in der Tatsache, dass bei Investitionsgütern mittels Arbitrageargumenten aus den Spot-Kursen und anderen beobachtbaren Marktvariablen Forward- und Futures-Preise bestimmt werden können, was für Forward- und Futures-Preise auf Konsumgütern nicht möglich ist. 9.4.1 Forward-Preis für Investitionsgüter ohne Ertrag Betrachtet wird der Kurs eines Forward-Kontraktes auf ein Investitionsgut, das keine zusätzlichen Erträge erzeugt. Bezeichnet man mit den aktuellen Kurs des Forward- Kontraktes, mit T die Zeit bis zum Liefertermin (in Jahren) und r als die risikolose <?page no="418"?> 418 9 Forward- und Futures-Kontrakte Spot Rate per annum (bei stetiger Verzinsung), dann besteht zwischen dem Forward- Preis und die Beziehung 0 0 rT F S e Ist diese Relation verletzt, ist > , dann kann durch den Kauf des Vermögensgegenstandes und den gleichzeitigen Verkauf des Forward-Kontraktes ein risikoloser Arbitragegewinn erzielt werden. Das folgende Beispiel soll den Sachverhalt verdeutlichen. Der aktuelle Aktienkurs sei bei $50, der risikolose Zinssatz für sechsmonatige Anlagen bei 2% p.a. und der Forward-Preis liege bei $52. In diesem Fall kann sich ein Arbitrageur $50 zum risikolosen Zinssatz von 2% leihen, eine Aktie zu $50 kaufen und einen Forward-Kontrakt zum Verkauf von $52 in sechs Monaten eingehen. Nach Ablauf der sechs Monate liefert der Arbitrageur die Aktie und erhält $52. Davon benötigt er zur Rückzahlung des Darlehens 50 , , = $50,50 und erwirtschaftet somit einen Gewinn von $52 $50,50 = $1,5 . Ist hingegen < , können Arbitrageure den Vermögensgegenstand leerverkaufen und darauf einen Forward-Kontrakt abschließen. Ist beispielsweise der Forward- Preis bei $48, dann kann ein Arbitrageur die Aktie zu $50 leerverkaufen, die Einnahmen aus diesem Leerverkauf für sechs Monate zum Zinssatz von 2% anlegen und eine Long Position in einem Forward-Kontrakt mit Fälligkeit sechs Monate eingehen. Die Einkünfte aus der Leerverkaufsposition einschließlich der Zinsen für sechs Monate betragen $50,50. Nach Ablauf von sechs Monaten bezahlt der Arbitrageur $48, erhält eine Aktie aus dem Forward-Kontrakt und benutzt diese, um die Short-Position zu schließen. Dadurch ergibt sich nach sechs Monaten ein Gewinn von $50,50 $48 = $2,50 . 9.4.2 Forward-Preis auf ein Investitionsgut mit Ertrag Wirft ein Investitionsgut während der Laufzeit eines Forward-Kontraktes einen bekannten Ertrag mit Barwert I ab, dann gilt: 0 0 rT F S I e Auch hier ergeben sich Arbitragemöglichkeiten, wenn die obige Beziehung verletzt ist. Beispiel 9.2 Betrachtet wird ein 10-Monats-Forward-Kontrakt (T = 10) auf eine Aktie mit einem gegenwärtigen Kurs von 30 $, die nach drei, sechs und neun Monaten jeweils eine Dividende in Höhe von 0,50 $ auszahlen wird. Der risikofreie (stetige) Zinssatz sei für den betrachteten Zeitraum 2% per annum. Der Barwert der Dividenden beträgt 0,02 3/ 12 0 02 6 12 0 02 9 12 0, 50 e 0 50 e 0 50 1 485 , / , / I , , e , Damit ergibt sich nach obiger Formel ein Forward-Preis von 0 02 10 12 0 30 1 485 28 99 $ , / F , e , . Wäre der Forward-Preis niedriger, dann würde ein Arbitrageur die Aktie leerverkaufen und den Forward-Kontrakt kaufen. Wäre der Forward-Preis höher, würde ein Arbitrageur die Aktie kaufen und Forward-Kontrakte verkaufen. <?page no="419"?> 9.4 Preisbildung von Forward- und Futures-Kontrakten 419 Ist zum Zeitpunkt der Zahlung des Ertrags der Ertrag als Prozentsatz des Kurses (= Rendite) bekannt, dann gilt für den Forward-Preis: 0 0 r q T F S e Dabei ist q die Durchschnittsrendite per annum des betrachteten Vermögensgegenstandes während der Laufzeit des Forward-Kontraktes. Excel-Umsetzung Zur Bestimmung des Forward-Preises muss zunächst der Barwert der Dividenden berechnet werden. Anschließend kann der Forward-Preis berechnet werden. Position Inhalt Excel-Umsetzung E14 Barwert der Dividenden =E8*EXP(-E7*E9)+E8*EXP(-E7*E10) +E8*EXP(-E7*E11) E15 Forward-Preis =(E6-E14)*EXP(E7*E12) Bild 9.3 Forward-Preis auf ein Investitionsgut mit Ertrag (Beispiel 9.2) Beispiel 9.3 Betrachtet wird ein 6-Monats-Forward-Kontrakt auf einen Vermögensgegenstand, welcher in diesem Zeitraum eine Rendite von 2% des Kurses abwerfen soll. Der (risikofreie) Zinssatz beträgt 8% p.a., der Kurs des Vermögensgegenstandes sei 30 $. Damit ergibt sich = 30, = 8% und = 0,5. Die Rendite beträgt 4% p.a. mit halbjährlicher Verzinsung, was einer stetigen Verzinsung von 3,96% entspricht. Damit ist = 3,96% und es ergibt sich ein Forward-Preis von 0 08 0 0396 0 5 0 30 30 61 $ , , , F e , . <?page no="420"?> 420 9 Forward- und Futures-Kontrakte Excel-Umsetzung Nach Eingabe der gegebenen Daten ergibt sich der Forward-Preis bei gegebener Rendite. Position Inhalt Excel-Umsetzung E11 Forward-Preis =E6*EXP((E7-E8)*E9) Bild 9.4 Forward-Preis auf ein Investitionsgut bei gegebener Rendite (Beispiel 9.3) 9.4.3 Zur Bewertung von Forward-Kontrakten Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist der Wert eines Forward-Kontraktes Null. Während der Laufzeit kann dann der Wert positiv oder negativ werden. Für Banken und andere Finanzinstitute ist es wichtig, den Kontrakt an jedem Tag zu bewerten (Marking to Market). Legt man die oben aufgeführte Notation zugrunde, dann ist der Forward-Preis, K der Lieferpreis und f der Wert des Kontraktes. Bei Eingehen eines Forward-Kontraktes wird der Forward-Preis dem Lieferpreis gleichgesetzt und der Wert des Kontraktes f ist Null. Später bleibt K (er ist Teil der Kontraktbestimmungen) konstant, der Forward-Preis aber ändert sich und damit auch der Wert des Kontraktes. Allgemein gilt für den heutigen Wert einer Long Position eines Forward-Kontraktes auf Investitions- und Konsumgüter: 0 rT f F K e Beispiel 9.4 Vor einiger Zeit wurde ein Forward-Kontrakt über den Kauf einer dividendenlosen Aktie abgeschlossen, der in 9 Monaten fällig ist. Der risikolose Zinssatz liege bei 5% p.a., der Aktienkurs sei 30 € und der Lieferpreis 27 €. Damit sind = 30, = 0,05, = 0,75 und = 27. Der 9-Monats-Preis ist dann gegeben durch 0 05 0 75 0 0 30 31 15 € rT , , F S e e , und für den Wert des Forward-Kontrakts erhält man <?page no="421"?> 9.4 Preisbildung von Forward- und Futures-Kontrakten 421 0 05 0 75 31 15 27 3 99 € , , f , e , . Excel-Umsetzung Mit den gegebenen Daten erhält man den Wert des Forward-Kontraktes. Position Inhalt Excel-Umsetzung E11 9-Monats-Future-Preis =E6*EXP(E8*E9) E12 Wert des Forward-Kontraktes =(E11-E7)*EXP(-E8*E9) Bild 9.5 Wert eines Forward-Kontraktes (Beispiel 9.4) Für eine Short-Position in einem Forward-Kontrakt erhält man: 0 rT f K F e Es wird deutlich, dass eine Long Position eines Forward-Kontraktes auf einen Vermögensgegenstand durch die Annahme bewertet werden kann, dass der Preis des Vermögensgegenstandes bei Fälligkeit mit dem Forward-Kontrakt übereinstimmt. Demnach gewährt eine Long Position eines Forward-Kontraktes zum Zeitpunkt T eine Auszahlung von . Diese hat heute einen Barwert von ( ) , was dem Wert von f in der obigen Gleichung entspricht. Analog kann der Wert einer Short- Position eines Forward-Kontraktes bestimmt werden, indem man annimmt, dass der aktuelle Forward-Preis des Vermögensgegenstandes realisiert wird. Verbindet man die Gleichung = ( 0 ) mit der Gleichung = , dann ergeben sich für die unterschiedlichen Forward-Kontrakte folgende Werte: Für den Wert eines Forward-Kontraktes über den Kauf eines ertragslosen Investitionsguts ergibt sich 0 rT f S Ke . Für den Wert eines Forward-Kontrakts über den Kauf eines Investitionsguts, welches einen bekannten Ertrag mit Barwert I bringt, erhält man 0 rT f S I Ke . <?page no="422"?> 422 9 Forward- und Futures-Kontrakte Und für den Wert eines Forward-Kontrakts über den Kauf eines Investitionsguts mit bekannter Rendite q erhält man 0 q T rT f S e Ke . Wenn sich ein Futures-Preis ändert, dann wird der sich daraus ergebende Gewinn bzw. Verlust berechnet, indem man die Änderung des Futures-Preises mit der Kontraktgröße multipliziert. 9.5 Preisbildung ausgewählter Futures-Kontrakte Es gibt zwei verschiedene Formen von Futures-Kontrakten. Zu den Financial Futures (auch Finanzterminkontrakte genannt) gehören Termingeschäfte, deren Basiswert Aktien, Zinsen, Devisen oder Indizes sind. Waren-Futures betreffen hingegen Termingeschäfte auf Edelmetalle und andere Rohstoffe sowie Agrargüter. In diesem Abschnitt wird exemplarisch die Preisbildung von Futures-Kontrakten auf Aktienindizes, Währungen und Waren näher betrachtet. 9.5.1 Aktienindex-Futures Ein Aktienindex-Future (Stock Index Future) bildet die Änderungen im Wert eines fiktiven Aktienportfolios nach und beinhaltet die vertragliche Verpflichtung, den zugrundeliegenden Indexwert (z.B. Standard & Poor's 500 Index) zu einem festgelegten Zeitpunkt zu kaufen oder zu verkaufen. Da es sich bei dem Indexwert um ein fiktives Aktienportfolio handelt, ist eine physische Lieferung des Basiswertes ausgeschlossen und die Erfüllung des Vertrages erfolgt durch Barausgleich. Der Aktienindex kann als Preis eines Investitionsgutes mit Dividendenausschüttung interpretiert werden (vgl. Abschnitt 9.4.2). Ist die Dividendenrendite q bekannt, dann kann der Futures-Preis mit folgender Formel ermittelt werden: 0 0 r q T F S e Es ist zu beachten, dass q der durchschnittlichen annualisierten Dividendenrendite während der Laufzeit des Futures-Kontraktes entspricht. Ist die obige Beziehung nicht erfüllt, dann kann durch Index-Arbitrage ein Gewinn erzielt werden. Ist > ( ) , dann werden die dem Index zugrundeliegenden Aktien gekauft und gleichzeitig der Futures-Kontrakt verkauft. Ist hingegen < ( ) , werden die dem Index zugrundeliegenden Aktien verkauft und der Futures- Kontrakt gekauft. Beispiel 9.5 Betrachtet wird ein 6-Monats-Futures-Kontrakt auf einen Aktienindex mit einem gegenwärtigen Indexstand von 4.500. Die Aktien, die dem Index zugrunde liegen, weisen eine Dividendenrendite von 2,5% p.a. aus. Der stetige risikolose Zinssatz beträgt 5% p.a. Damit ergibt sich ein Futures-Preis von 0,05 0,025 0,5 0 4.500 4.556, 60 F e . <?page no="423"?> 9.5 Preisbildung ausgewählter Futures-Kontrakte 423 Excel-Umsetzung Die Berechnung mit Excel bereitet keine Schwierigkeiten. Nach Eingabe der Parameter erhält man den Futures-Preis. Position Inhalt Excel-Umsetzung D11 Futures-Preis =D6*EXP((D8-D7)*0,5) Bild 9.6: Berechnung des Preises eines Aktien-Futures (Beispiel 9.5) 9.5.2 Futures auf Währungen Ein Währungs-Forward oder Währungs-Futures-Kontrakt (Currency Forward oder Futures Contract) beinhaltet die unbedingte vertragliche Verpflichtung, einen Währungsbetrag zu einem bestimmten Preis und zu einem festgelegten Termin zu kaufen oder zu verkaufen. Wird die Position nicht vor dem Fälligkeitstermin liquidiert, muss bei Fälligkeit die effektive Lieferung bzw. Übernahme des Währungsbetrages erfolgen. Der Preisbildung eines Forward- oder Futures-Kontrakts auf Währungen bestimmt sich aus der Zinsparität (Covered Interest Rate Parity). Definiert man als den aktuellen Spot-Preis einer Einheit Fremdwährung in Dollar, als den Forward- oder Futures-Preis einer Einheit Fremdwährung in Dollar, r und als den inländischen bzw. ausländischen risikolosen Zinssatz für eine Geldanlage der Dauer T, erhält man 0 0 f r r T F S e . Eine Fremdwährung kann auch wie oben beschrieben als Vermögensgegenstand mit bekannter Rendite interpretiert werden, wenn man durch q ersetzt. Beträgt beispielsweise der Zinssatz einer Anlage in Euro 2% per annum, dann liefert der Euro für einen US-Investor einen Ertrag in Höhe von 2% p.a. des Wertes dieser Anlage in Euro. Beispiel 9.6 Ein deutsches Unternehmen hat in einem halben Jahr (180 Tagen) einen Betrag von 1 Mio. US-Dollar zu zahlen. Der Euro-US$ Wechselkurs beträgt heute 1,1580 US$/ € (Preisnotierung). Der 6-Monats-EURIBOR betrage 1,829% p.a. und der 6-Monats-US- $-Zinssatz sei bei 1,2370% p.a. Es soll der 6-Monats-Terminkurs berechnet werden. <?page no="424"?> 424 9 Forward- und Futures-Kontrakte Mit = 1,1580 US$/ €, = 0,0183 und = 0,0124% p.a. errechnet sich der 6-Monats- Terminkurs zu 0,0138 0,0124 0,5 0 1,158 1,1614 F e . Das Unternehmen kann zum heutigen Terminkurs von 1,1614 1 Mio. US$ kaufen. Excel-Umsetzung Nach Einsetzen der entsprechenden Daten erhält man den 6-Monats-Devisen-Terminkurs. Position Inhalt Excel-Umsetzung E11 Futures-Preis =E6*EXP((E7-E8)*E9)) Bild 9.7 Berechnung des Preises eines 6-Monats-Devisen-Futures (Beispiel 9.6) 9.5.3 Futures auf Waren Bei der Preisfindung von Futures auf Waren (Commodities) muss zunächst geprüft werden, ob diese lagerfähig sind. Für lagerfähige Waren ist neben den Bestandshaltekosten (Cost of Carry) auch die Vorteilhaftigkeit einer Bestandshaltung, die sogenannte Convenience Yield, in Ansatz zu bringen. Sind die Lagerhaltungskosten, die während der Laufzeit eines Futures-Kontraktes anfallen, pro Einheit ein konstanter Anteil u des Spot-Preises, und y als die Convenience Yield, dann ergibt sich für den Futures-Preis 0 0 r u y T F S e . Ist keine Convenience Yield vorhanden, was bei hohen Lagerbeständen der Fall ist, dann erhält man den Futures-Preis zu 0 0 r u T F S e . <?page no="425"?> 9.5 Preisbildung ausgewählter Futures-Kontrakte 425 Beispiel 9.7 Betrachtet wird ein 1-Jahres-Futures-Kontrakt auf einen Vermögensgegenstand ohne Einkommen. Der Spot-Preis des Vermögensgegenstandes sei = 800 , die Lagerhaltungskosten 5% p.a., die Convenience Yield 10% p.a. und der risikolose Zinssatz 3% p.a. Die Laufzeit des Futures-Kontraktes betrage 1 Jahr. Damit erhält man als Futures Preis 0,03 0,05 0,1 1 0 800 784,16 F e . Excel-Umsetzung Nach Eingabe der Daten ergibt sich der Preis des Waren-Futures. Position Inhalt Excel-Umsetzung D12 Futures-Preis =D6*EXP((D9+D7-D8)*D10) Bild 9.8 Preis eines Waren-Futures (Beispiel 9.7) 9.5.4 Zins-Futures Zins-Futures sind vertragliche Vereinbarungen, ein hinsichtlich Basiswert, Menge und Laufzeit standardisiertes Zinsinstrument wie beispielsweise der Euro-Bund Future an der EUREX oder der Treasury-Bond-Future an der CBOT in der Zukunft zu einem vorab vereinbarten Preis zu kaufen oder zu verkaufen. Wie alle Terminkontrakte werden sie für Spekulations- Arbitrage und Absicherungszwecke eingesetzt. Erwartet beispielsweise ein Teilnehmer für die nächste Zeit rückläufige Marktzinsen und damit steigende Anleihekurse und Futures-Preise, wird er eine Long Position eingehen. Erwartet er steigende Marktzinsen und damit fallende Anleihe- und Futures- Preise, wird er eine Short-Position eingehen. Zins-Futures werden im Gegensatz zu Index-Futures physisch beliefert. Da es viele Anleihen gibt, die in einem Treasury-Bond-Futures-Kontrakt geliefert werden können, jedoch hinsichtlich Kupon und Laufzeit Unterschiede aufweisen, werden die lieferbaren Anleihen über einen Preisfaktor, den sogenannten Konversionsfaktor, ver- <?page no="426"?> 426 9 Forward- und Futures-Kontrakte gleichbar gemacht. Dabei kann die Partei in der Short-Position sich aussuchen, welche der verfügbaren Anleihen die günstigste für die Lieferung (Cheapest to Deliver, CtD) ist. Da die Partei mit der Short-Position den Betrag Aktueller Abrechnungspreis Konversionsfaktor aufgelaufene Stückzinsen erhält und die Kosten des Anleihekaufs Clean Price aufgelaufene Stückzinsen betragen, ist die CtD-Anleihe diejenige, für die der Clean Preis der Anleihe Aktueller Abrechnungspreis Konversionsfaktor minimal wird. Die Bestimmung des Preises eines Treasury-Bond-Futures-Kontrakts ist wegen des Zeitpunkts der Lieferung und der Wahl der zu liefernden Anleihe schwierig. Unter der Annahme, dass die CtD-Anleihe und der Liefertermin bekannt sind, kann der Treasury-Bond-Futures-Kontrakt als ein Futures-Kontrakt auf ein Wertpapier (hier Anleihe) mit bekanntem Ertrag interpretiert werden. Damit ergibt sich ein Futures- Preis von rT 0 0 F = S I e . Dabei ist der Spot-Preis der Anleihe, I der Barwert der Kupons während der Laufzeit des Futures-Kontrakts, T die Laufzeit des Futures-Kontrakts und r der risikofreie Zinssatz für den Zeitraum T. Das folgende Beispiel (in Anlehnung an Hull, J., 2012, S. 183 ff.) soll die Vorgehensweise zur Berechnung des Futures-Kurses veranschaulichen. Gegeben sei eine CtD-Anleihe in einen Treasury Bond mit einem Kupon von 10% und einem Konversionsfaktor von 1,3000. Die Lieferung soll in 270 Tagen erfolgen und die Kuponzahlungen erfolgen halbjährlich. Diese Daten werden als bekannt vorausgesetzt. Die letzte Kuponzahlung liegt 50 Tage zurück, die nächste Zahlung erfolgt in 132 Tagen und die übernächste in 315 Tagen (Tageszählkonvention Actual/ Actual). Die Zinsstruktur sei flach und der stetige Zinssatz betrage 8% p.a. Der Kurs der Anleihe (Clean Price) betrage 110 $. Zunächst wird der Dirty Price berechnet. 50 Dirty Price 110 5 111 37 50 132 , . Nach 132 Tagen (= 0,3616 Jahre) erfolgt die Kuponzahlung von 5 $. Der Barwert dieser Zahlung beträgt 0 08 0 3616 5 4 857 , , , e Der Futures-Kontrakt hat eine Laufzeit von 270 Tagen (=0,7397 Jahre). Der Futures- Preis bezogen auf diese 10%-Anleihe beträgt dann nach Abzug der aufgelaufenen Stückzinsen: 0 08 0 7397 Futures-Kurs 111 37 4 857 113 01 , , , , , e <?page no="427"?> 9.5 Preisbildung ausgewählter Futures-Kontrakte 427 Zum Lieferzeitpunkt sind Zinsen für 138 Tage aufgelaufen. Der Futures-Kurs, wenn der Kontrakt auf die 10%-Kupon-Anleihe ausgestellt wäre, wird durch den Abzug der aufgelaufenen Stückzinsen berechnet: 138 Futures-Kurs 113 01 5 109 239 138 45 , , Der Konversionsfaktor beträgt 1,3000, d.h. zu jeder 10%-Kuponanleihe werden 1,3000 Standardanleihen als äquivalent angesehen. Damit ergibt sich ein Futures-Kurs von 109 239 Futures-Kurs 84 03 1 3000 , , . , <?page no="429"?> Literaturverzeichnis Benninga, S. (2014), Financial Modeling, MIT Press, Cambridge, Massachusetts, London, England Berk, J. / DeMarzo, P. (2017), Corporate Finance, Pearson, London Bitz, M., Stark, G. (2008), Finanzdienstleistungen, Oldenburg Verlag, München Brauer, K-U. (2013), Grundlagen der Immobilienwirtschaft, SpringerGabler, Wiesbaden Brauneis, A. / Mestel, R. (2015), Finanzmarktinstrumente, Bank Verlag, Wien Cox, J. C., Rubinstein, M. (1985), Options Markets, Prentice-Hall, Englewood Cliffs, New Jersey Daume, P. 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Finanzwirtschaft des Unternehmens: Die Grundlagen des modernen Finanzmanagements, Pearson, München <?page no="431"?> Stichwortverzeichnis Abnehmerkredit 38 Abzahlungsdarlehen 74 Akienkursverlaufshypothese 383 Aktie 228 Aktienindex 230 Aktienindex-Future 422 Akzept 27 Allokation 149 Andienungsrecht 41 Anleihen 155 Annuitätendarlehen 32 Annuitätenfaktor 43 Arbitrage 417 Ausfallrisiko 197 Ausübungsmodalitäten 345 Auszahlungsbetrag 64 Barwertkonzept 161 Bauspardarlehen 95 Bausparsumme 95 Beleihungsgrenze 29 Beleihungswert 95, 111, 115 Beta 278 Beta-Faktor 235 Binomialprozess 359, 370 Black-Scholes-Modell 300, 357, 382 Bodenwertverzinsung 112 Bonds 155 Bookbuilding-Verfahren 229 Börsentermingeschäfte 304 Brownsche Bewegung 299, 392 buckelige Zinskurve 174 Call Option 304 Callable Bonds 156 Capital Asset Pricing Modell 275 Clean Price 167 Clearing-House 306, 410 CtD-Anleihe 426 Damnum 64, 88 Delkredere-Gebühr 58 Delkredere-Risiko 57 Dichtefunktion 287 Dirty Price 167 Disagio 64, 88 Diskontkredit 27 Diskontpapiere 150 diskrete Renditen 246 diskretes Optionspreismodell 358 Diversifikation 261 Dividendendiskontierungsmodell 237 Dividendenrendite 234 Dividendenwachstumsmodell 238 Drift 252 Duration 198, 199, 203 Earnings Per Share 234 Effective Duration 215 effektiver Jahreszinssatz 17, 25, 27, 33, 185 effektiver Zinssatz 32, 159, 174 Effektivverzinsung 47 Effektivzinssatz 65, 179 Effizienzkurve 263 Effizienzlinie 266 Effizienzmarkthypothese 236 Einheitswert 111 Emissionskurs 156 endfällige Darlehen 79 Ertragswertverfahren 112 Factoring 57 <?page no="432"?> 432 Stichwortverzeichnis fallende Zinskurve 174 Festpreisverfahren 229 Finanzierungsleasing 40 flache Zinskurve 173 Forderungsausfallrisiko 57 Forfaitierung 63 Forward-Kontrakt 409 Full Price 166 Futures auf Waren 424 Futures-Kontrakt 410 Geldmarkt 147 Geldmarkt Papiere 149 Geldmarktrendite 150 Gewinn-Momentum 235 Girokonto 19 Going Public 229 Grundbesitzwert 111 Handelskredit 22 Händlerkredit 36 Hedge 319 Hedge-Geschäfte 311 Hedge-Strategien 322 Hedging 411 Immobilien 110 Immobilienrendite 116 Immunisierungsstrategie 224, 226 Inflationsrisiko 197 Initial Margin 410 innerer Wert 307 interne Zinssatzmethode 41 interner Zinssatz 183 Jensen’s Alpha 282 Kapitalbindungsdauer 198 Kapitaldienstgrenze 116 Kapitalmarkt 148 Kapitalmarktlinie 276, 277 Kapitalumschlaghäufigkeit 62 Kapitalwertmethode 41 Kapitalwiedergewinnungsfaktor 43 Kassamarkt 147 Konsumentenkredite 32 Kontokorrentkredit 16 Konversionsfaktor 425 Konvexität 216 Konvexitätskennziffer 222 Korrelationsanalyse 252, 255, 256 Korrelationskoeffizient 256 Kovarianz 255 Kreditfähigkeit 16 Kreditkonditionen 64 Kreditlaufzeit 64 Kreditsicherheiten 17 Kreditwürdigkeit 16 Kreditzinssatz 64 Kundenanzahlung 38 Kundenkredit 38 Kupon 156 Kuponanleihen 161 Kurs-/ Cash Flow-Verhältnis 234 Kurs-/ Gewinn-Verhältnis 234 Kurswert 238 langfristige Kreditfinanzierung 65 laufende Verzinsung 178 Leasing 40 Lieferantenkredit 22 Liegenschaftszinssatz 112 Liquiditätsrisiko 197 Lombardkredit 29 Long Call 313 Long Hedge 412 Long Put 316 Margin 410 <?page no="433"?> Stichwortverzeichnis 433 Marking to Market 411 Markowitz-Diversifikation 271 Marktkapitalisierung 233 Marktportfolio 276 Mehrerlösbeteiligung 42 Mietverlängerungsoption 41 Minimum-Varianz-Portfolio 266, 267 Modified Duration 199, 200 multiplikativer Binomialprozess 358 naive Diversifikation 272 Nennwert 147, 156 Nominalbetrag 64 Nominalverzinsung 178 Nominalwert 156 Nominalzins 156 normale Zinskurve 173 Normalverteilung 250, 287 Nullkupon-Anleihen 157 Ober- und Untergrenzen für Optionen 335 Obligationen 155 Operate-Leasing 40 optimale Hedge-Ratio 413 Optionen 304 Optionspreis Determinanten 331 Paritätswert 310 Performance-Index 231 Portfoliorendite 181 Portfolio-Rendite 262 Portfoliorisiko 273 Portfolio-Selection 261 Preis (Kurs) Nullkupon-Anleihe 158 Preis einer Anleihe 161 Preisbildungsprozess Forward-Kontrakt 417 Futures-Kontrakt 417 Primärmarkt 149, 229 Protective Put 322 Prozent-Annuitäten 90 Put Option 305 Putable Bonds 157 Put-Call-Parität 346, 347, 351 Random-Walk-Hypothese 357 Random-Walk-Modell 283 Ratenkredite 31 Referenzzinssatz 64 relative Häufigkeit 248 Rendite 65, 240, 260 diskrete 241 Rendite-Risiko-Kurve 263 Rentenpapiere 155 Restwert 41 Reverse Floater 156 Risiko 262 risikoloses Hedge-Portfolio 358 Sachwertverfahren 114 Scenario-Analyse 188 Schuldverschreibungen 137 Sekundärmarkt 149 Sensitivitätskennzahlen 400 Duration 198 Konvexität 198 modifizierte Duration 198 Sharp-Ratio 282 Short Call 319 Short Hedge 412 Simulation Aktienkursverlauf 395 Skonto 22 Sparbrief abgezinster 139 aufgezinster 137 Rendite 144 steigende Zinssätze 140 Spread-Position 324 Standardabweichung 252 stetige Rendite 243 <?page no="434"?> 434 stetige Renditen 246 stochastischer Prozess 392 Straddles 327 Strangles 327 Stückzinsen 154, 166, 177 synthetische Aktienposition 329 Tilgungsform annuitätische 65 beliebige 65 endfällige 65 gemäß Einzahlungsüberschüssen 65 konstante 65 Zerobond Tilgung 65 Tilgungskurs 156 Tilgungsstreckung 81 Tilgungstermin 156 Tobin-Separation 276 Total Return 188, 223, 225 Tratte 27 Treynor-Ratio 282 Varianz 252 Variation Margin 410 Vergleichswertverfahren 111 Verkehrswert 111 Versicherungswert 111 versprochene Rendite 185 Verteilungsfunktion 288 VOFI-Methode 121 Volatilität 235, 252 Vorauszahlungskredit 38 Währungs-Forward 423 Währungsrisiko 197 Wechsel 27 Wertpapiermarktlinie 279 Wiederanlagerisiko 186, 197 Wiener-Prozess 299, 392 Wohnimmobilienkauf 110 Zahlungsaufschub 85 Zeitwert 307 Zero Bonds 157 Zinsänderungsrisiko 197 Zinsbindungsdauer 64 Zinsdarlehen 80 Zins-Futures 425 Zinsinstrumente 147 Zinskurve 173 Zinsstrukturkurve 173 <?page no="435"?> BUCHTIPP Klaus Spremann, Pascal Gantenbein Finanzmärkte Wertpapiere, Investitionen, Finanzierungen 6., vollständig überarbeitete Auflage 2022, 428 Seiten €[D] 49,90 ISBN 978-3-8252-8778-8 eISBN 978-3-8385-8778-3 Finanzmärkte sind inzwischen zu einem bedeutenden Phänomen der modernen Gesellschaft geworden. Das Buch führt in die Märkte für Kapital ein, vor allem in die Märkte für Wertpapiere, Vermögenspositionen, Zertifikate und Kontrakte. In der ersten Hälfte des Buches werden Grundlagen gelegt. Dieser Teil ist für das Selbststudium gut geeignet. Nach einer Zusammenfassung bieten die Kapitel Fragen zur Lernstandskontrolle sowie Themen für Präsentationen, sodass durchaus auch eine gemeinsame Lernarbeit im Plenum unterstützt wird. Die zweite Hälfte des Buches wendet sich den Zusammenhängen zu. Auch wenn diese Themen im Selbststudium erarbeitet werden könnten, wird eine Lehr- und Lernarbeit im Plenum empfohlen. Ebenso wie zuvor enden die Kapitel mit Projektvorschlägen, sodass die Treffen im Plenum eine aktive Einbindung der Studierenden erlauben. UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="436"?> BUCHTIPP Dietmar Ernst, Joachim Häcker Derivate: Optionen und Futures Professionelle Excel-Modelle leicht erklärt Schritt für Schritt 1. Auflage 2022, 187 Seiten €[D] 35,00 ISBN 978-3-8252-5666-1 eISBN 978-3-8385-5666-6 In diesem Buch wird das Thema Derivate neu gedacht. Dies geschieht aus der Perspektive des Financial Modeling, wobei die zentralen Fragestellungen aus der Finanzwirtschaft unter Zuhilfenahme der Software Excel holistisch abgebildet und gelöst werden. Leitfaden bildet dabei eine integrierte Case Study, die in zwei Kurse unterteilt wird: Der erste Teil beschäftigt sich in drei Kurseinheiten mit den Grundlagen und der Bewertung von Optionen und Futures. Danach werden wiederum in drei Kurseinheiten die einzelnen Optionsstrategien Schritt für Schritt beleuchtet. Die Analyse mündet in einer Art Cockpit. Sie steuern mögliche Strategien in Excel. Das Buch ist Ihr Flugzeug. Am Ende sitzen Sie im Cockpit und verstehen den Aufbau des Flugzeugs. Danach können Sie das Flugzeug fliegen, also mit Derivaten Geld verdienen und Risiken hedgen. UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="437"?> Die Funktionsweisen der Finanzmarktinstrumente sind mitunter so komplex, dass Marktteilnehmer vom Einsatz dieser Instrumente oftmals Abstand nehmen. Hier schafft der Autor Abhilfe. In diesem Buch werden die wichtigsten Finanzprodukte dargestellt, finanzmathematisch analysiert und bewertet sowie beispielhaft anhand von Excel-Anwendungen vertieft geübt. Ziel dieses Buches ist es, umfassend und anwendungsorientiert in das breite Spektrum der Finanzprodukte einzuführen. Dies erfolgt stets in drei Schritten: Zunächst werden die Finanzprodukte beschrieben und charakterisiert. Dann wird anhand des vorhandenen finanzmathematischen Instrumentariums die Analyse und Bewertung des Finanzinstruments durchgeführt und mit einem realen Beispiel veranschaulicht. Im dritten Schritt erfolgt die Modellierung des jeweiligen Beispiels mit Microsoft Excel. Das Buch richtet sich an Studierende der betriebswirtschaftlichen Studiengänge mit Finance-Vertiefung. Darüber hinaus dient es auch der Finanzpraxis sowohl auf Seiten der Anbieter: innen als auch der Nachfrager: innen von Finanzprodukten. utb+ Das Lehrbuch mit dem digitalen Plus Betriebswirtschaftslehre | Finance ISBN 978-3-8252-5994-5 Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehr- und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel