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Rechtsradikale Politik in Europa

Vom Rand in den Mainstream

1209
2024
978-3-8385-5995-7
978-3-8252-5995-2
UTB 
Bartek Pytlashttps://orcid.org/0000-0003-2399-2826
10.36198/9783838559957

In den letzten Dekaden erlangte rechtsradikale Politik zunehmende Salonfähigkeit in der Mitte des gesellschaftspolitischen Mainstreams. Beispiele aus Deutschland, Frankreich, Italien, Polen oder Ungarn weisen auf einen europaübergreifenden Charakter dieses Phänomens hin und werden in diesem Buch aufgezeigt. Das Buch umfasst nicht nur die klassischen Schwerpunkte wie Begriffsdiskussionen und Erklärungsansätze rechtsradikaler Wahlerfolge, sondern auch weitere Entwicklungen wie rechtsradikale Normalisierungsstrategien sowie Interaktionen rechtsradikaler Politik mit dem Mainstream. Darüber hinaus zeigt der Autor die Konsequenzen dieser Entwicklungen für europäische Gesellschaften und liberale Demokratien auf.

<?page no="0"?> ISBN 978-3-8252-5995-2 Bartek Pytlas Rechtsradikale Politik in Europa Vom Rand in den Mainstream In den letzten Dekaden erlangte rechtsradikale Politik zunehmende Salonfähigkeit in der Mitte des gesellschaftspolitischen Mainstreams. Beispiele aus Deutschland, Frankreich, Italien, Polen oder Ungarn weisen auf einen europaübergreifenden Charakter dieses Phänomens hin und werden in diesem Buch aufgezeigt. Das Buch umfasst nicht nur die klassischen Schwerpunkte wie Begriffsdiskussionen und Erklärungsansätze rechtsradikaler Wahlerfolge, sondern auch weitere Entwicklungen wie rechtsradikale Normalisierungsstrategien sowie Interaktionen rechtsradikaler Politik mit dem Mainstream. Darüber hinaus zeigt der Autor die Konsequenzen dieser Entwicklungen für europäische Gesellschaften und liberale Demokratien auf. Das Buch richtet sich an Studierende der Sozialwissenschaften und eignet sich zur politischen Bildung. Politikwissenschaft Rechtsradikale Politik in Europa Pytlas Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehr- und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel 2024-10-28_5995-2_UTB_Pytlas_M_5995_PRINT.indd Alle Seiten 2024-10-28_5995-2_UTB_Pytlas_M_5995_PRINT.indd Alle Seiten 29.10.24 10: 28 29.10.24 10: 28 <?page no="1"?> utb 5995 Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Brill | Schöningh - Fink · Paderborn Brill | Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen - Böhlau · Wien · Köln Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Narr Francke Attempto Verlag - expert verlag · Tübingen Psychiatrie Verlag · Köln Ernst Reinhardt Verlag · München transcript Verlag · Bielefeld Verlag Eugen Ulmer · Stuttgart UVK Verlag · München Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld Wochenschau Verlag · Frankfurt am Main <?page no="2"?> Bartek Pytlas ist habilitierter Politikwissenschaftler. Er forscht seit mehr als 15 Jahren zu Rechtsradikalismus und Parteienpolitik. 2018 erhielt er den Gero-Erdmann-Preis für Vergleichende Area-Forschung. Er forschte und lehrte in Frankfurt (Oder) und München. Er lebt in Berlin. <?page no="3"?> Bartek Pytlas Rechtsradikale Politik in Europa Vom Rand in den Mainstream <?page no="4"?> Umschlagabbildung: © iStockphoto · ioanmasay Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. https: / / doi.org/ 10.36198/ 9783838559957 © UVK Verlag 2024 - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Einbandgestaltung: siegel konzeption l gestaltung Druck und Bindung: Elanders Waiblingen GmbH utb-Nr. 5995 ISBN 978-3-8252-5995-2 (Print) ISBN 978-3-8385-5995-7 (ePDF) ISBN 978-3-8463-5995-2 (ePub) <?page no="5"?> Vorwort Als ich vor mehr als 15 Jahren begann, rechtsradikale Politik wissenschaftlich zu analysieren, war die Forschung zu dieser Problematik noch weitgehend ein Nischenthema. Heute, im Jahr 2024, gehören rechtsradikale Parteien zu den am stärksten untersuchten Parteienfamilien. Dies hängt nicht zuletzt mit der Entwicklung rechtsradikaler Politik selbst zusammen. In den letzten Jahrzehnten hat rechtsradikale Politik ihre „Nischenposition“ weitgehend verlassen. Viele rechtsradikale Parteien haben sich in ihren Parteiensystemen fest verankert und sind sogar koalitionsfähig geworden. Gleichzeitig erlangt rechtsradikale Politik zunehmende Salonfähigkeit in der Mitte gesellschaftspolitischer Debatten. In mehreren europäischen Ländern verzeichnen rechtsradikale Parteien Rekordergebnisse bei Wahlen. Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen im September 2024 erlangte die Alternative für Deutschland (AfD) jeweils über 30 Prozent der Zweitstimmen. In Thüringen erreichte die AfD 2024 eine Sperrminorität und wurde mit 32,8 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. Die zunehmende Etablierung rechtsradikaler Parteien und die fortschreitende Normalisierung rechtsradikaler Politik in der gesellschaftspolitischen Mitte stellen Demokratien und pluralistische Gesellschaften in Europa vor neuartige Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund bietet dieses Handbuch eine sozialwissenschaftliche Einführung in die Konturen, strategischen Erscheinungsformen und aktuellen Entwicklungen rechtsradikaler Politik in vergleichender europäischer Perspektive. Der Einführungstext versteht sich vor allem als eine kritische und systematisierende Synthese der vorliegenden reichhaltigen und umfangreichen Befunde zu den Kontinuitäten und Wandel rechtsradikaler Politik im europäischen Vergleich. Gleichzeitig soll dieses Lehrbuch - so die Hoffnung des Autors - eine allgemeinere Einführung in die Problematik des Rechtsradikalismus bieten. Das Buch richtet sich daher nicht ausschließlich an Studierende in sozialwissenschaftlichen Einführungsseminaren, sondern auch an weitere interessierte Leser: innen, die ihr Wissen über die Problematik des Rechtsradikalismus anhand aktueller internationaler sozialwissenschaftlicher Befunde vertiefen möchten. Die Balance zwischen einer detaillierten Beschreibung der ausführlichen Forschungsbefunde zu Rechtsradikalismus und einer allgemeinen Einleitung in die Thematik zu schaffen, ist keine einfache Aufgabe. Aus diesem Grund konnten in dieser Einführung nicht der gesamte Forschungsstand <?page no="6"?> 6 Vorwort und nicht alle Aspekte in allen Einzelheiten dargestellt und diskutiert werden. Angesichts des weiten Betrachtungshorizonts, der nicht nur West-, sondern auch Mittel- und Osteuropa umfasst, konzentrieren wir uns zudem auf rechtsradikale Parteien in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Zugleich ist es die Hoffnung, mit den folgenden Kapiteln einen Überblick über die zentralen Dimensionen rechtsradikaler Politik in Europa zu geben und zu einer vertieften Einarbeitung in die jeweiligen Schwerpunkte und vorliegenden Studien einladen zu können. Im Laufe der Vorbereitung dieses Buches durfte ich von vielen Menschen Unterstützung und Ermutigung erfahren. Ich danke den zahlreichen Kolleg: innen für den langjährigen Fachaustausch im Rahmen gemeinsamer Projekte, Konferenzen und Forschungsnetzwerke. Ich danke auch dem Team des UVK-Verlags. Mein großer Dank gilt Herrn Dr. Jürgen Schechler, der den Entstehungsprozess dieses Buches von Beginn an mit Geduld und Rat begleitet hat. Ganz besonders danke ich meiner Familie auf beiden Seiten der Oder. Dziękuję Wam za wszystko. Mein größter Dank gilt meiner Ehefrau. Ich bin unendlich dankbar, dass wir durch die Höhen und Tiefen der Zeiten, in denen dieses Buch entstanden ist, gemeinsam gehen konnten. Keep on rocking. <?page no="7"?> Inhalt Abbildungsverzeichnis ..........................................................................................9 1 Einleitung ......................................................................................................11 Teil 1 Konturen und Kontexte ..............................................................17 2 Was ist Rechtsradikalismus? ............................................................. 19 2.1 Nativismus.....................................................................................................19 2.2 Anti-Establishment-Politik und Populismus ........................................23 2.3 Nativismus vs. Populismus........................................................................25 2.4 Rechtsextremismus, -radikalismus, -populismus? ...............................26 3 Rechtsradikalismus in Westeuropa ................................................ 31 3.1 Erste Welle (1945‒1955) .............................................................................31 3.2 Zweite Welle (1956‒1979)..........................................................................33 3.3 Dritte Welle (1980‒1999)............................................................................36 3.4 Vierte Welle (seit 2000) ..............................................................................38 4 Rechtsradikalismus in Mittel- und Osteuropa ........................... 43 4.1 Erste Welle (1989‒1997) .............................................................................44 4.2 Zweite Welle (1998‒2009)..........................................................................46 4.3 Dritte Welle (2010‒2014)............................................................................48 4.4 Vierte Welle (seit 2015) ..............................................................................50 5 Konturen und Erklärungsansätze.................................................... 53 5.1 Vom Rand in die Mitte ...............................................................................53 5.2 Von der Nachfrage zum Angebot ............................................................57 Teil 2 Themen und Strategien ...............................................................61 6 Nativismus ................................................................................................. 63 6.1 Positionen und Salienz ...............................................................................63 6.2 Narrative ........................................................................................................67 6.3 Zusammenfassung.......................................................................................72 7 Anti-Establishment-Politik ................................................................ 75 7.1 Ideen repräsentativer Politik ....................................................................75 7.2 Anti-Establishment-Politik im Vergleich ..............................................79 Vorwort ....................................................................................................................5 <?page no="8"?> 8 Inhalt 7.3 Die Rolle von Anti-Establishment-Politik............................................. 82 7.4 Zusammenfassung ......................................................................................84 8 Rechtsradikalismus und Europa.......................................................87 8.1 Rechtsradikale Parteien auf europäischer Ebene ................................ 87 8.2 „Europa für die Europäer“? ....................................................................... 91 8.3 Zusammenfassung ......................................................................................93 9 Rechtsradikalismus und Krisen........................................................95 9.1 Die Performanz von Krisen ...................................................................... 95 9.2 Humanitäre Krise ........................................................................................98 9.3 COVID-19-Pandemie ................................................................................100 9.4 Der russische Krieg gegen die Ukraine................................................102 9.5 Zusammenfassung ....................................................................................104 Teil 3 Entwicklungen und Erklärungen...............................................107 10 Kontexte und Wähler: innen ............................................................ 109 10.1 Kontexte ......................................................................................................110 10.2 Wähler: innen..............................................................................................112 10.3 Zusammenfassung ....................................................................................115 11 Organisation ........................................................................................... 118 11.1 Parteiorganisationen ................................................................................119 11.2 Normalisierung, Performanz und Konflikte .......................................122 11.3 Zusammenfassung ....................................................................................123 12 Parteienwettbewerb............................................................................. 125 12.1 Strategien konventioneller Parteien.....................................................126 12.2 Strategien rechtsradikaler Parteien ......................................................132 12.3 Zusammenfassung ....................................................................................137 13 Auswirkungen ....................................................................................... 139 13.1 Demokratische Institutionen..................................................................140 13.2 (Zivil-)Gesellschaft....................................................................................142 13.3 Zusammenfassung ....................................................................................146 14 Fazit und Ausblick ............................................................................... 149 Literaturverzeichnis...........................................................................................155 Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................183 Index......................................................................................................................187 <?page no="9"?> Abbildungsverzeichnis Abb. 4.1 Wahlergebnisse rechtsradikaler Parteien in Mittel- und Osteuropa und Westeuropa, 1989-2022.......................................43 Abb. 6.1 Salienz von kulturellen und ökonomischen Themen für rechtsradikale Parteien, 2017. ........................................................65 Abb. 6.2 Kulturelle und ökonomische Positionen rechtsradikaler Parteien, 2017. ...................................................................................66 Abb. 7.1 Das Anti-Establishment-Dreieck ..................................................76 Abb. 7.2 Populismus und Rhetorik der politischen Berufung in Wahlkämpfen rechtsradikaler Parteien nach Region, 2010- 2019. .....................................................................................................79 Abb. 8.1 Wahlergebnisse rechtsradikaler Parteien bei den Europawahlen 1984-2019. ............................................................................88 Abb. 11.1 Einfluss auf die programmatische Ausrichtung der Partei: Parteimitglieder vs. Parteiführung ............................................ 119 Abb. 12.1 Verschiebungen von Parteipositionen in der Einwanderungspolitik 2006-2018. ................................................................ 129 Abb. 12.2 Normalisierungsstrategien nativistischer Parteien nach Region 2010-2019: Rhetorik der Etablierung. ......................... 136 Abb. 12.3 Normalisierungsstrategien nativistischer Parteien nach Region 2010-2019: Rhetorik der Salonfähigkeit. .................... 136 <?page no="11"?> 1 Einleitung Am 4. Februar 2000 - vor nunmehr fast 25 Jahren - bildete die Österreichische Volkspartei (ÖVP) eine Regierung mit der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Die Kür der rechtsradikalen FPÖ zur Koalitionspartnerin der konventionellen christdemokratischen Großpartei ÖVP wurde als Tabubruch gesehen und löste eine Protestwelle sowohl in Österreich als auch auf europäischer Ebene aus. Bereits am 31. Januar 2000 erklärten die 14 übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU), dass sie „keinerlei offiziellen bilateralen Kontakte auf politischer Ebene mit einer Regierung unter Einbindung der FPÖ betreiben oder akzeptieren“ werden (Spiegel.de 1.2.2000). Diese Entwicklung markierte allerdings eher das Ende als die Aufrechterhaltung von Abschirmungsmaßnahmen ( cordon sanitaire ) gegenüber rechtsradikalen Parteien. Im Gegensatz zum EU-Rat distanzierte sich die EU-Kommission von den Maßnahmen. Während die österreichische Regierung einen „nationalen Schulterschluss“ gegen die EU-14 forderte, nahmen die EU-skeptischen Einstellungen im Land zu (Kurier.at 10.9.2020). Nach nur sieben Monaten wurden die Maßnahmen als kontraproduktiv beendet. Die Einbindung der FPÖ in die Regierung von Wolfgang Schüssel (ÖVP) im Jahr 2000 ist eine der zentralen Zäsuren der sogenannten „vierten Welle“ in der Entwicklung rechtsradikaler Politik in Europa (Mudde 2019). Die „vierte Welle“ des Rechtsradikalismus ist zum einen durch den Aufstieg und die Etablierung rechtsradikaler Parteien , und zum anderen durch die fortschreitende Normalisierung rechtsradikaler Politik gekennzeichnet (Mudde 2019). Der Aufstieg rechtsradikaler Parteien ist kein neues Phänomen. Allerdings haben Parteien wie die Rassemblement National (ehemals Front National) in Frankreich, die Partei für die Freiheit (PVV) in den Niederlanden, Fratelli d‘Italia, die Schwedendemokraten und auch die FPÖ in Österreich in den letzten Jahren bei Parlamentswahlen Rekordwerte von über 20 Prozent der Stimmen erzielen können. Seit den 2010er-Jahren konnten sich auch europaweit neue Parteien etablieren, darunter Vox in Spanien, Chega! in Portugal, Freiheit und Direkte Demokratie (SaPD) in Tschechien, Jobbik in Ungarn, oder auch die Alternative für Deutschland (AfD). Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen im September 2024 konnte die AfD jeweils über 30 Prozent der Zweitstimmen erzielen. In Thüringen wurde die AfD mit 32,8 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. <?page no="12"?> 12 1 Einleitung Dies bedeutet nicht, dass der Rechtsradikalismus bereits eine dominante Stellung in den europäischen Gesellschaften und Politik eingenommen hat. Allerdings haben rechtsradikale Parteien im Laufe der letzten 25 Jahre einen Wandel vollzogen und ihre Nischenstellung am Rand der Politik verlassen. Rechtsradikale Politik rückt in den letzten Jahrzenten zunehmend in den Mainstream. Erstens etablieren die meisten rechtsradikalen Akteur: innen in Europa ihre Organisationen in der Mitte ihrer Parteiensysteme und erlangen in mehreren Ländern zunehmende Koalitionsfähigkeit (Mudde 2010; Zulianello 2020). In Ländern wie Bulgarien, Dänemark, Estland, Italien, Lettland, Schweden und der Slowakei unterstützten rechtsradikale Parteien Minderheitsregierungen oder sind Teil von Koalitionen mit konventionellen Parteien geworden (Kossack 2023) ‒ in Italien seit 2022 und in den Niederlanden seit 2024 sogar als stärkste Kraft. Zweitens erlangt rechtsradikale Politik in den letzten Dekaden zunehmende Salonfähigkeit in der gesellschaftspolitischen Mitte (Mudde 2010, 2019; Pytlas 2015). Der ideologische Kern rechtsradikaler Politik ist der Nativismus. Dieser ruft zur Ausgrenzung von Ideen und Gruppen auf, die als „nicht-einheimisch“ und damit als grundsätzlich bedrohlich für „die (wahre) Nation“ dargestellt werden (vgl. Mudde 2007). Damit stellt der Nativismus eine Konter-Idee zu den pluralistischen Grundprinzipien der Demokratie dar (Minkenberg 1998, Mudde 2007). Im Unterschied zum Rechtsextremismus positioniert sich Rechtsradikalismus als eine spezifische strategische Variante nativistischer Politik nicht explizit anti-demokratisch oder verfassungsfeindlich. Rechtsradikale Politik verfolgt vielmehr die Strategie einer schleichenden Veränderung der Verfassungswirklichkeit (vgl. Minkenberg 1998). Rechtsradikale Politik bleibt dabei eine kontinuierliche Herausforderung für die Demokratie und pluralistische (Zivil-)Gesellschaft. Demokratische Normen und teilweise sogar pluralistische Werte wie Gleichberechtigung oder Meinungsfreiheit werden „von innen heraus“ im Sinne nativistischer Ideologien umgedeutet und vereinnahmt (Halikiopoulou et al 2013; Froio 2018; Pytlas 2022a). Um ihre Ideologie zu entstigmatisieren und ihr Mobilisierungspotenzial zu erweitern, verfolgen rechtsradikale Parteien daher verschiedene rhetorische Normalisierungsstrategien. Im Zuge eines „Kulturkampfes von rechts“ konnten rechtsradikale Parteien in den letzten Dekaden öffentliche Debatten und die politische Agenda mit ihren Kernthemen und Positionen zunehmend beeinflussen (Minkenberg 2001; Hutter et al. 2016; Kriesi et al. 2006). Empirische Befunde zeigen zugleich, dass sich in den letzten Jahrzehnten mehrere konventionelle Parteien - in unterschiedlichem Ausmaß - in der Tendenz in Richtung der Positionen und Narrative rechtsradikaler „Originale“ bewegt haben (Abou- <?page no="13"?> 13 Chadi & Krause 2020, 2021; Alonso & Fonseca 2011; Bale 2003; Carvalho 2013; Mondon & Winter 2020; Mudde 2010; Pytlas 2015; Thränhardt 1995; van Spanje 2010). Vor diesen Hintergründen versteht sich dieses Lehrbuch als eine sozialwissenschaftliche Einführung in die Konturen, strategischen Erscheinungsformen und aktuellen Entwicklungen rechtsradikaler Politik aus einer vergleichenden europäischen Perspektive. Ziel dieses Lehrbuches ist es an erster Stelle nicht, eine originale Analyse der Entwicklungen zu bieten. Wir verfügen bereits über eine umfassende sozialwissenschaftliche Wissensbasis zu rechtsradikaler Politik. Rechtsradikale Parteien und Rechtsradikalismus sind in den letzten Jahrzehnten zu einer der am besten erforschten Parteienfamilien und politischen Ideologien geworden (Mudde 2016). Daher versteht sich diese Einführung vor allem als eine kritische und systematisierende Synthese konzeptueller und empirischer Forschungsbefunde zu Kontinuitäten und Wandel rechtsradikaler Politik im europäischen Vergleich. Unsere einleitenden Beobachtungen zeigen zugleich bereits: Um die Entwicklung und den Aufstieg rechtsradikaler Parteien in den letzten Dekaden erklären zu können, müssen die Phänomene der Normalisierung rechtsradikaler Politik stärker berücksichtigt werden. Empirische Studien zeigen, dass sowohl aktive Normalisierungsstrategien rechtsradikaler Parteien als auch Rechtsruckstrategien konventioneller Parteien eine signifikante Rolle für das Erstarken rechtsradikaler Parteien in den letzten Jahrzehnten spielen (Pytlas 2022a; Krause et al. 2023; vgl. Mudde 2019). Gleichzeitig stellt die Normalisierung rechtsradikaler Politik die Demokratie und die pluralistische (Zivil-)Gesellschaft vor neuartige Herausforderungen (Bohman 2011; Scheppele 2018; Mudde 2019; Pytlas 2021a; Bill 2022). Empirische Studien zeigen beispielsweise, dass die Zunahme nativistischer Einstellungen in der Gesellschaft nicht etwa mit Migrationszahlen zusammenhängt, sondern mit dem Anstieg nativistischer Aussagen politischer Parteien (sowohl rechtsradikaler als auch insbesondere konventioneller Parteien) (Schmidt-Catran & Czymara 2023; vgl. Bohman 2011). In Polen und Ungarn haben die in den 2010er-Jahren radikalisierten, ehemals konservativen Parteien „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) und „Fidesz“ in der Regierungsverantwortung wiederum weitreichende Prozesse der Erodierung demokratischer Institutionen und Normen umsetzen können - und zwar nicht mithilfe expliziter anti-demokratischer Rhetorik, sondern schleichend durch rechtsradikale Umdeutung demokratischer Normen und illiberale Vereinnahmung demokratischer Institutionen (Pytlas 2015, 2021a; Mudde 2019). Aus diesen Gründen legt dieses Lehrbuch einen besonderen Schwerpunkt auf die Diskussion sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse zu den Erschei- 1 Einleitung <?page no="14"?> 14 1 Einleitung nungsformen, Handlungen und Strategien rechtsradikaler Politik selbst. Damit steht die sogenannte Angebotsseite der Entwicklung rechtsradikaler Politik im Vordergrund der Diskussion, im Unterschied zur sogenannten Nachfrageseite oder dem kontextuellen „Nährboden“ des Rechtsradikalismus (Kitschelt & McGann 1995; Mudde 2007). Kontextfaktoren haben keine deterministische Auswirkung auf den Aufstieg rechtsradikaler Politik, sondern bieten Gelegenheits- oder Einschränkungsstrukturen, auf die Parteien unterschiedlich reagieren können. Durch eigenes Handeln können Parteien ungünstigen Kontexten trotzen oder auch trotz günstiger Gelegenheiten scheitern. Wichtig zu betonen ist, dass sozialwissenschaftliche Phänomene selten monokausale Gründe haben. Auch im Fall des Aufstiegs von Rechtsradikalismus ergänzen sich viele Ursachen und Faktoren. Zudem wirkt keiner der Faktoren quasi-automatisch. Soziale Phänomene sind dynamisch und können sich langfristig verändern. Angesichts der Normalisierungsprozesse rechtsradikaler Politik betrachtet diese Einführung verstärkt die rhetorischen Normalisierungsstrategien, die rechtsradikale Parteien einsetzen, um ihr Mobilisierungspotenzial auszubauen (Halikiopoulou et al. 2013; Pytlas 2015, 2022a; Froio 2018). Rhetorische Normalisierung bedeutet nicht, dass die tatsächlichen ideologischen Positionen rechtsradikaler Parteien moderater werden (Akkerman 2016 et al.; Pytlas 2022a). Daher bleibt es wichtig, die rhetorischen Narrative mit den substanziell oft unveränderten inhaltlichen Positionen gegenüberzustellen (Pytlas 2022a). Die Betrachtung dieser Phänomene erfordert zugleich eine vergleichende Perspektive. Trotz einer gemeinsamen ideologischen Basis ist die rechtsradikale Parteienfamilie hinsichtlich ihrer organisatorischen Charakteristika, Strategien und Wähler: innenstrukturen zunehmend komplexer und heterogener geworden (Mudde 2007, 2019; Heinisch & Mazzoleni 2016). Daher ist es wichtig, sowohl übergreifende Gemeinsamkeiten als auch spezifische Unterschiede innerhalb der rechtsradikalen Parteienfamilie vergleichend in den Blick zu nehmen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Berücksichtigung der immer noch relativ unterbeleuchteten Befunde aus Mittel- und Osteuropa. Aus den längerfristigen Erfahrungen mittel- und osteuropäischer Demokratien mit den Mechanismen und Folgen der Normalisierung rechtsradikaler Politik lassen sich wichtige Lehren ziehen, die auch außerhalb der Region zunehmend an Bedeutung gewinnen (Pytlas 2015, 2021a; Enyedi 2016; Herman 2016; Scheppele 2018; Greskovits 2020; Pirro & Stanley 2022). Um den Rahmen dieser Einführung nicht zu sprengen, können Entwicklungen in europäischen Staaten außerhalb der EU (Heinisch et al. 2024) <?page no="15"?> 15 oder in weiteren Regionen der Welt (Levitsky & Ziblatt 2018; McDonnell & Cabrera 2019) leider nicht betrachtet werden. Da wir in dieser Einleitung eine Balance zwischen vertiefter Diskussion und breiter Zugänglichkeit finden wollen, können wir gleichzeitig leider nicht den gesamten wissenschaftlichen Forschungsstand zu diesem Thema in der notwendigen Ausführlichkeit erwähnen und diskutieren. Schließlich können wir in dieser Einführung nicht alle Aspekte der Forschung umfassend diskutieren. Dazu gehören beispielsweise rechtsradikale und rechtsextreme Bewegungen (Caiani & Weisskircher 2022; Pirro & Gattinara 2018; Volk 2020; Vorländer et al. 2016), Protestmobilisierung (Castelli Gattinara et al. 2022) oder die Rolle medialer Akteur: innen (Ellinas 2009; de Jonge 2021b). Die Kapitel dieses Handbuchs bieten zugleich einen Einstieg in zentrale Aspekte der konzeptuellen und empirischen Forschung zur Entwicklung rechtsradikaler Politik vom Rand in den Mainstream im europäischen Vergleich. Im ersten Teil diskutieren wir die Konturen und Kontexte rechtsradikaler Politik. Wir beginnen mit der Vorstellung von Schlüsselbegriffen wie Nativismus und Rechtsradikalismus und grenzen diese konzeptuell von Populismus ab (Kap. 2). Es folgt ein Überblick über die historische Entwicklung rechtsradikaler Politik in Westsowie Mittel- und Osteuropa (Kap. 3 & 4). Anschließend vertiefen wir unsere Diskussion der Verschiebung der Konturen rechtsradikaler Politik vom Rand in den Mainstream und betrachten die Entwicklung der Erklärungsansätze von der Nachfragezur Angebotsseite rechtsradikaler Politik (Kap. 5). Im zweiten Teil widmen wir uns den Themen und Strategien rechtsradikaler Politik. Hier vertiefen wir uns in die vergleichende empirische Betrachtung solcher ideologischen Elemente rechtsradikaler Ideologie wie Nativismus (Kap. 6), Anti-Establishment-Politik inklusive (aber nicht ausschließlich) Populismus (Kap. 7) und Euroskeptizismus (Kap. 8). Abschließend führen wir die Erkenntnisse zusammen und betrachten, wie rechtsradikale Parteien Krisen konstruieren, aber auch herunterspielen oder umdeuten (Kap. 9). Bei der Diskussion dieser Elemente spielt in jedem Kapitel die Analyse der jeweiligen Normalisierungsstrategien eine zentrale Rolle. Im dritten Teil betrachten wir nun die Entwicklungen und Erklärungen hinter dem Aufstieg rechtsradikaler Politik. Wir beginnen mit der Nachfrageseite und diskutieren die Rolle der Kontexte und Wähler: innenstrukturen (Kap. 10). Anschließend wenden wir uns der Angebotsseite zu. Zunächst diskutieren wir die Entwicklung und Professionalisierung der Parteiorganisationen (Kap. 11). Danach betrachten wir die Wettbewerbsstrategien politischer Parteien - sowohl die Reaktionen konventioneller Parteien als auch die Normalisierungsstrategien rechtsradikaler Parteien. 1 Einleitung <?page no="16"?> 16 1 Einleitung Eine wichtige Rolle nimmt hier die Diskussion der Effekte von Strategien der jeweiligen Akteur: innen auf die Wahlperformanz rechtsradikaler Parteien ein (Kap. 12). Wir schließen unsere Betrachtungen mit der Diskussion der weitreichenden negativen Auswirkungen der Normalisierung rechtsradikaler Politik - sowohl durch Kopierstrategien konventioneller Parteien als auch durch Strategien rechtsradikaler Parteien selbst - auf demokratische Institutionen und Normen sowie auf die pluralistische (Zivil-)Gesellschaft (Kap. 13). <?page no="17"?> Teil 1 Konturen und Kontexte <?page no="19"?> 2 Was ist Rechtsradikalismus? Unsere Beschäftigung mit dem Phänomen rechtsradikaler Politik beginnen wir mit der Diskussion der wichtigsten Begriffe und Definitionen. Wir betrachten zunächst die zentralen ideologischen Bausteine von Rechtsradikalismus. Die rechtsradikale Kernideologie ist der Nativismus (Mudde 2007). Der Nativismus wird oft mit sekundären Anti-Establishment-Narrativen verknüpft, darunter - aber nicht ausschließlich - mit dem Populismus. Der Vollständigkeit halber ist als drittes Element rechtsradikaler Ideologie auch der Autoritarismus zu nennen (Mudde 2007). In unserer Diskussion konzentrieren wir uns jedoch auf Nativismus und Anti-Establishment-Politik, darunter Populismus. Dies geschieht, weil Nativismus immer noch häufig mit Populismus verwechselt wird (vgl. kritisch Mudde & Kaltwasser 2017; Hunger & Paxton 2022). Gleichzeitig zeigen neuere empirische Befunde, dass nicht alle rechtsradikalen Parteien populistisch sind (Pytlas 2023; siehe Kap. 7). Daher ist es wichtig, die Unterschiede zwischen Nativismus und Populismus zu verstehen und zugleich zu betrachten, wie Nativismus und Populismus sowie andere Anti-Establishment-Narrative miteinander verknüpft werden. Anschließend ordnen wir das „taxonomische Chaos“ (Olsen 2000) und diskutieren Rechtsradikalismus in Abgrenzung zu den Begriffen „Rechtsextremismus“ und „Rechtspopulismus“. Der Blick auf rechtsradikale Politik hilft, eine spezifische strategische Ausprägung nativistischer Ideologie zu identifizieren, die demokratische Werte und Normen schleichend „von innen heraus“ im nativistischen Sinne umdeutet und vereinnahmt (vgl. Minkenberg 1998; Mudde 2007; Halikiopoulou et al. 2013). Dieser Fokus ist wichtig, da Rechtsradikalismus die gegenwärtig häufigste und besonders erfolgreiche Variante von Nativismus ist, die neuartige und weitreichende Herausforderungen für Demokratie und pluralistische Gesellschaften mit sich bringt (vgl. Kap. 13). 2.1 Nativismus Jede kollektive Identität ist das Ergebnis gesellschaftlicher Be- und Zuschreibungen (Barth 1969; Tajfel & Turner 1979; vgl. Froio 2018). Das bedeutet, dass Menschengruppen infolge sozialer Interaktionen sich entlang von bestimmten konstruierten Kriterien als ähnlich und zusammengehörig wahrnehmen - und dies meist erst durch Abgrenzung zu anderen Gruppen. Eine „Nation“ ist demnach eine vorgestellte politische Gemeinschaft (Anderson 1991). <?page no="20"?> 20 2 Was ist Rechtsradikalismus? In diesem Sinne bildet die Idee einer Nation und des Nationalstaates die Grundlage moderner - auch liberal-demokratischer - politischer Gemeinschaften (Smith 1999). Wie aber lässt sich die Idee von Nation von ihrer radikalen Variante unterscheiden? Den ideologischen Kern des Rechtsradikalismus bildet eine mythisierte und romantisierte Überhöhung einer homogenen Nation verbunden mit Narrativen der gesellschaftspolitischen Ausgrenzung (Minkenberg 1998). Mudde (2007) fasst diese Konzeptualisierung unter dem Begriff des Nativismus zusammen. Nativismus behauptet den Vorrang des Status und der Interessen der homogen gelesenen „Einheimischen“ gegenüber konstruierten „Anderen“. Nativismus ruft folglich zur Ausgrenzung von Ideen und Gruppen auf, die als „nicht-einheimisch“ und dadurch als bedrohlich für „die (wahre) Nation“ dargestellt werden (vgl. Mudde 2007). Innerhalb des Nativismus ergänzen sich Nationalismus und Exklusion gegenseitig und bilden zwei Seiten derselben anti-pluralistischen Weltanschauung. Nativismus naturalisiert Elemente nationaler Identität als monolithische, fixe und deterministische Eigenschaften, die der Vielfalt, Variabilität und Flexibilität persönlicher Identitäten widersprechen. Die als „Andere“ konstruierten Menschen werden somit als grundsätzliche Bedrohung für „die Nation“ dämonisiert. Durch die monistische und essentiell gegnerische Auffassung von konstruierten „Einheimischen“ und „Anderen“ interpretiert der Nativismus gesellschaftspolitische Realitäten als einen fundamentalen Kampf zwischen „Gut“ und „Böse“ (Froio 2018). Zugleich ist der Nativismus eine Ideologie der Ungleichheit und Ungleichwertigkeit (vgl. Salzborn 2020). Die Bewahrung der vermeintlich bedrohten Vormachtstellung „einheimischer“ Gruppen und Ideen wird zu einer Grundbedingung der fortdauernden Existenz der kollektiven „nationalen“ oder „zivilisatorischen“ Gemeinschaft. Personen und Gruppen, die nicht in das nativistische Gesellschaftsbild passen (ethnische, kulturelle, sexuelle und religiöse Minderheiten, Menschen mit Migrationserfahrungen, LSBTIQ+-Personen, Vertreter: innen „anti-nationaler“ Werte oder „nichteinheimischer“ Ideen) werden als „fremd“ markiert, als bedrohlich dämonisiert und aus der („wahren“) nationalen Gemeinschaft ausgegrenzt. Die nativistische Kernideologie kann daher mit verschiedenen rassistischen, sexistischen und weiteren Ausgrenzungs- und Abwertungsnarrativen verknüpft werden. Gegenwärtig enthält sie zugleich eine starke kulturalistische Komponente (Mudde 2007; Rydgren 2018). <?page no="21"?> 2.1 Nativismus 21 Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die einst etablierten biologistisch rassistischen Ideologien von der internationalen Gemeinschaft verurteilt und diskreditiert (Mondon & Winter 2020). Rassistische Akteur: innen der Nachkriegszeit standen vor der Herausforderung, die breitere gesellschaftspolitische Stigmatisierung ihrer Organisationen zu überwinden. Spätestens seit Mitte der 1960er-Jahre fand daher eine strategische Verschiebung und Erweiterung nativistischer Ausgrenzungsnarrative hin zu kulturalistischen Argumentationen statt. Eine nativistische Auslegung kultureller Identitätsbegriffe wie „Werte“, „Religion“ oder „Traditionen“ wurde dabei stellvertretend für offenen biologistischen Rassismus zum Kernvokabular rechtsradikaler Politik (Minkenberg 1998; Mudde 2007; Rydgren 2018; Mondon & Winter 2020). Die kulturalistische Variante des Nativismus sieht ethnisierte „Kulturen“ als räumlich und zeitlich homogen und unveränderlich an sowie behauptet auf Grundlage dieser mythischen Vorstellung, dass soziokulturelle Diversität inhärent konflikthaft sei (vgl. Mudde 2007; Rydgren 2018; Auma 2018). Wichtig ist, dass Nativismus nicht als Synonym oder Ersatz für einzelne Ausgrenzungs- und Abwertungskonstruktionen, wie beispielweise biologistischen Rassismus, zu verstehen ist. „Traditionelle“ biologistisch-rassistische Ideen und Praktiken sind nach wie vor Teil der Alltagserfahrungen, mit denen Betroffene konfrontiert sind (Auma 2018; DeZIM 2022; Mondon & Winter 2020). Vielmehr fungiert der Nativismus als übergreifender ideologischer Kitt, der unterschiedliche Narrative der Ungleichwertigkeit und Ausgrenzung miteinander verbindet. Wir verwenden Nativismus im Sinne einer Minimaldefinition als einen Sammelbegriff, der es uns erlaubt, seine verschiedenen politischen Artikulationen sowie deren strategische Überschneidungen mit unterschiedlichen Narrativen in der Praxis zu vergleichen. Diese übergreifende Perspektive ist wichtig, weil einzelne, wenn auch analytisch trennbare Ausgrenzungsnarrative in der Praxis häufig kombiniert werden. Einerseits werden biologistisch-rassistische Zuschreibungen - sowohl historisch als auch aktuell - „als wesentliche Voraussetzung für soziale und kulturelle Leistungsfähigkeit sowie für gesellschaftlichen Fortschritt gedacht“ (vgl. Auma 2018: 1). Zum anderen können vermeintliche Religion und Herkunft in die Konstruktion rassifizierender Zuschreibungen hineinspielen (d’Urso & Bonilla 2023; Garner & Selod 2015). Zugleich ist die nähere Betrachtung der kulturalistischen Variante des Nativismus wichtig, um verschiedene strategische Ausprägungen dieser Ideologie in der gegenwärtigen Politik vergleichend zu betrachten (vgl. Kap. 6).  Zum einen können sich rechtsradikale Akteur: innen aus traditionalistischen Positionen heraus pauschal gegen gesellschaftliche Diversität <?page no="22"?> 22 2 Was ist Rechtsradikalismus? und progressiv-liberale Gesellschaftswerte im Allgemeinen positionieren.  Zum anderen präsentieren sich einige nativistische Akteur: innen paradoxerweise als Verteidiger: innen progressiv-liberaler Werte wie Toleranz, Fortschritt, LSBTIQ+-Rechte, Gleichberechtigung oder Säkularismus (Halikiopoulou et al. 2013; Froio 2018; Mondon & Winter 2020). Diese als „liberaler Illiberalismus“ (Moffitt 2017) oder „liberaler Rassismus“ (Mondon und Winter 2020) bezeichnete Strategie bleibt nativistisch und exklusionär. Progressiv-liberale Werte werden als exklusive Eigenschaften der „fortschrittlichen“ (und daher vermeintlich unmöglich rassistischen, LSBTIQ+feindlichen oder frauenfeindlichen) Eigengruppe interpretiert, während „nicht-einheimische“ Menschen pauschal als „rückständig“ ausgegrenzt werden. Die konstruierten „Anderen“ werden somit pauschal als diejenigen abgewertet, die diese Ideen nicht verinnerlichen wollen oder können. Mit anderen Worten: progressiv-liberale Werte werden umgedeutet und als nativistische Argumente verwendet (Halikiopoulou et al. 2013; Froio 2018; Pytlas 2021c). Unabhängig von der jeweiligen strategischen Ausrichtung bildet der Nativismus somit - ob durch direkte Gegnerschaft oder durch nativistische Umdeutung - eine Konter-Idee zu den pluralistischen Werten der Demokratie. Die pluralistisch-demokratische Grundlage gegenwärtiger Gesellschaften bilden unter anderem gesellschaftliche Diversität, die allgemeine Geltung gleicher Menschenrechte sowie das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit (Dahl 1971; Fraenkel 1964; vgl. Minkenberg 1998; Salzborn 2020). Unabhängig von der jeweiligen strategischen Ausrichtung stellt rechtsradikale Politik wiederum die Subjektivität, Handlungsfähigkeit und Selbstbestimmung marginalisierter Menschen, und damit ihr Recht auf gleichberechtigte gesellschaftspolitische Teilhabe, grundsätzlich in Frage. In der Überhöhung der Nation und der Verknüpfung ihrer vermeintlichen „Verletzlichkeit“ mit der Darstellung „der Anderen“ als fundamentale Bedrohung bildet der Nativismus eine qualitativ spezifische Ideologie kollektiver Identität und Zugehörigkeit, die den pluralistischen Prinzipien der Demokratie grundsätzlich entgegensteht (Minkenberg 1998). In der politischen Praxis ist der Nativismus als radikalisierter exklusionärer Nationalismus zugleich von den etablierten nationalen Identitätsnarrativen nicht gänzlich entkoppelt und bleibt durch strategische Anpassungen an konventionelle politische Ideen potenziell anschlussfähig (Minkenberg 2000; Mudde 2010). <?page no="23"?> 2.2 Anti-Establishment-Politik und Populismus 23 2.2 Anti-Establishment-Politik und Populismus Die zweite Dimension, die für Rechtsradikalismus relevant ist, ist (populistische) Anti-Establishment-Politik. Unter Anti-Establishment-Politik verstehen wir eine Artikulation eines grundlegenden repräsentativen Konflikts zwischen den „illegitim politisch mächtigen“ und „illegitim politisch machtlosen“ Gruppen und Ideen, zwischen der (aktuellen) „politischen Klasse“ und „den Menschen“, zwischen „Regierenden“ und „Regierten“, zwischen „den Repräsentant: innen“ und „Repräsentierten“ usw. - und an diesen Konflikt geknüpfte Forderungen nach einem fundamentalen politischen Wandel (Barr 2009; de Cleen & Stavrakakis 2017; Poguntke & Scarrow 1996; Pytlas 2023; Schedler 1996). Um vergleichend zu erfassen, wie Anti-Establishment-Rhetorik in der politischen Praxis eingesetzt wird, dürfen ihre unterschiedlichen strategischen Ausprägungen nicht außer Acht gelassen werden. Um ihre Rolle im Gefüge rechtsradikaler Politik besser zu verstehen, müssen wir uns wiederum davor hüten, sekundäre „dünne“ Ideen repräsentativer Politik wie bspw. Populismus nicht mit der primären rechtsradikalen Ideologie des Nativismus zu verwechseln. Betrachten wir zunächst die verschiedenen strategischen Ausprägungen von Anti-Establishment-Politik. 1. Erstens: Anti-Establishment-Rhetorik kann durchaus elitistisch sein. Anti-Establishment-Politik konstruiert nicht nur einen Konflikt zwischen „der Elite“ und „dem Volk“, sondern auch zwischen grundsätzlich „unechten/ bösen“ und „echten/ guten“ Eliten. Parteien, die Anti- Establishment-Politik verwenden, können sich daher selbst als geächtete „wahre Eliten“ darstellen (vgl. Schedler 1996; Pytlas 2022a; siehe auch Kap. 7.1). Interessanterweise zeigen neuere empirische Befunde, dass rechtsradikale Parteien in Europa nicht immer populistisch, sondern häufig - und zunehmend - elitistisch sind (Pytlas 2023; vgl. Kap. 7.2). Deshalb sprechen wir hier von „Anti-Establishment-Politik“ im Allgemeinen und nicht nur von explizitem „Anti-Elitismus“. 2. Dies bedeutet zweitens, dass Anti-Establishment-Politik nicht auf eine explizit anti-systemische Strategie reduziert werden kann. Während anti-systemische Anti-Establishment-Rhetorik die generelle Abschaffung repräsentativer Institutionen, einschließlich politischer Parteien als solche postulieren kann, können sich Anti-Establishment-Akteur: innen auch gegen die „gegenwärtige Elite“, oder die „übliche Politik“ positionieren (Poguntke & Scarrow 1996; Mudde 1996a) - und sich <?page no="24"?> 24 2 Was ist Rechtsradikalismus? paradoxerweise als eine einzig verbliebene „wirklich legitime“ Partei, „echte“ Elite oder als Vertreter: innen einer „wahren“ repräsentativen Politik darstellen (Pytlas 2022a). 3. Daraus folgt schließlich, drittens: Anti-Establishment-Politik bedeutet meistens auch Konter-Establishment-Politik. Denn die grundsätzliche Ablehnung des aktuellen politischen Establishments beinhaltet häufig - implizite oder explizite, mehr oder weniger anti-systemische - Forderungen nach einem grundlegenden Wandel repräsentativer Politik (vgl. Barr 2009; Poguntke & Scarrow 1996). Dies bedeutet, dass politische Akteur: innen die Artikulation eines fundamentalen Konfliktes zwischen „Repräsentant: innen“ und „Repräsentanten“ mit unterschiedlichen „dünnen“ Ideen guter repräsentativer Politik verknüpfen können. Damit meinen wir unterschiedliche Ideen und Aussagen darüber, wie „wirklich legitime“, gute repräsentative Politik bzw. echte Eliten sein und funktionieren sollten (Pytlas 2023). Eine der prominentesten und in letzten Jahren am besten erforschten Ideen repräsentativer Politik ist der Populismus (Lewandowsky 2022; Mudde & Rovira Kaltwasser 2017). Unser Verständnis von Populismus knüpft an die ideationale Definition an. Wir definieren Populismus als eine „dünne Ideologie“, die die Gesellschaft in zwei homogene, antagonistische Gruppen teilt: das „reine Volk“ und die „korrupte Elite“, und die fordert, dass die Politik einen monistischen „allgemeinen Volkswillen“ (volonté générale) ausdrücken soll (Canovan 2002; Mudde 2004). In der Forschung finden immer noch Debatten darüber statt, ob Populismus eine „dünne Ideologie“ ist oder vielleicht doch noch ein „politisches Stilmittel“, „diskursive Logik“ oder eine „Strategie“ (Aslanidis 2016; Moffitt & Tormey 2014). Für unsere Zwecke sind diese Unterscheidungen zwar nicht irrelevant. Allerdings gehen diese Aspekte in der praktischen Betrachtung dessen, wie Populismus politisch genutzt wird , häufig ineinander über. Denn populistische Ideen werden durch Diskurse und performative Stilmittel vermittelt, die wiederum oft strategisch eingesetzt werden, um die Empfänger: innen von einer bestimmten Version der Realität zu überzeugen. In all diesen miteinander verknüpften persuasiven Aspekten als eine Idee, Stilmittel usw. verspricht der Populismus eine Heilung der Politik durch unmittelbare Repräsentation des „allgemeinen Volkswillens“ - entweder durch direkte Bindung der Politik an das, was „die Menschen“ wissen, denken oder wollen, oder durch Akteur: innen, die diesen „Volkswillen“ verkörpern (Canovan 2002; Moffitt & Tormey 2014). <?page no="25"?> 2.3 Nativismus vs. Populismus 25 Wichtig ist jedoch, dass Populismus nicht mit „Demagogie“ oder mit bloßer Anti-Establishment-Rhetorik gleichzusetzen ist. Während populistische Politik immer gegen das politische Establishment gerichtet ist, ist Anti-Establishment-Politik nicht immer populistisch (Pytlas 2023). Ein fundamentaler Konflikt zwischen „Repräsentant: innen“ und „Repräsentierten“ muss nicht ausschließlich an die Idee angeknüpft sein, dass „gute Politik“ den „Willen des Volkes“ verkörpern oder verbindlich befolgen soll. Sie kann gleichzeitig oder stattdessen auch an andere „dünne“ Ideen repräsentativer Politik geknüpft sein, wie etwa technokratische oder klientilistische Politik (Bertsou & Caramani 2020; Mudde & Rovira Kaltwasser 2017). Zu den vorgestellten Quellen „guter Politik“ gehören neben dem Willen und den gewöhnlichen Qualitäten „des kleinen Mannes“ oder einer außerordentlichen, explizit nicht-politischen technokratischen Expertise auch die Beschwörung, einer besonderen, explizit politischen Berufung ( political vocation ), die als notwendig gesehen wird, um ein angeblich verlorengegangenes Ethos formal-repräsentativer (Parteien-)Politik wiederzubeleben (Pytlas 2023). Auf die Einsetzung der verschiedenen „dünnen“ Ideen von „wahrer Demokratie“ und „legitimer repräsentativer Politik“ durch rechtsradikale Parteien gehen wir vertiefend im Kapitel 7 ein. 2.3 Nativismus vs. Populismus Die primäre rechtsradikale Ideologie des Nativismus wird häufig mit „dünnen“ Hilfsideen wie dem Populismus verbunden, aber auch verwechselt (vgl. kritisch Mudde & Kaltwasser 2017; de Cleen & Stavrakakis 2017; Hunger & Paxton 2022). Vor allem in der letzten Dekade ist Populismus zu einem allgegenwärtigen Modewort geworden. Wurden im Jahr 2012 allein in der politikwissenschaftlichen Literatur knapp unter 50 Aufsätze zum Thema „Populismus“ veröffentlicht, so stieg diese Zahl exponentiell auf rund 100 neu erschienene Aufsätze im Jahr 2016 und auf knapp 200 im Jahr 2018 an (Hunger & Paxton 2022). Gleichzeitig zeigt eine qualitative Auswertung von 50 Aufsätzen, dass primäre Ideologien (vor allem der Nativismus) häufig mit Populismus verwechselt werden (Hunger & Paxton 2022). Das hat praktische Konsequenzen. Rechtsradikale Politik ist immer nativistisch, allerdings nicht immer stark populistisch (Pytlas 2023, vgl. Kapitel 7). Die begriffliche Verwechslung mit Populismus kann die Identifizierung der Hauptideologie der politischen Akteur: innen erschweren - zumal die Berufung auf die populistische Idee der Demokratie von rechtsradikalen Parteien selbst häufig als Rechtfertigung und Euphemisierung des Nativismus verwendet wird (Mondon & Winter 2020). <?page no="26"?> 26 2 Was ist Rechtsradikalismus? Wie können wir also in der Praxis zwischen Nativismus und Populismus unterscheiden? Diese Aufgabe ist angesichts der natürlichen Mehrdeutigkeit der menschlichen Sprache - und insbesondere der politischen Rhetorik - nicht immer einfach. In den meisten Fällen lässt sich die Unterscheidung jedoch anhand einiger Faustregeln feststellen. Die nativistische Ideologie schafft einen unüberbrückbaren Konflikt zwischen einem „einheimischen Volk“ und den biologistisch, ethnisch und/ oder kulturell konstruierten „Anderen“. Populismus wiederum stellt „das Volk“ als demos den „politischen Eliten“ gegenüber (vgl. de Cleen & Stavrakakis 2017). Wenn also „die Eliten“/ Politiker: innen entlang biologischer, ethnischer oder kultureller Aspekte ausgegrenzt oder abgewertet werden bzw. aufgrund ihrer „nicht-nationalen Ideen“ als Gefahr für das „eigene Volk“ gebrandmarkt werden, handelt es sich nicht um Populismus, sondern um Nativismus. Nativistisch statt populistisch wäre demnach auch die Behauptung, nur „einheimische“ Menschen seien in der Lage, demokratische Werte und Prinzipien zu verinnerlichen, während konstruierte „Andere“ als grundsätzlich „nicht demokratiefähig/ -willig“ abgewertet werden. 2.4 Rechtsextremismus, -radikalismus, -populismus? Debatten um die einschlägige Bezeichnung und Kategorisierung der hier diskutierten Akteur: innen und Ideen haben eine lange Tradition. Besonders die frühe Forschung war daher vom „taxonomischen Chaos“ geprägt (Olsen 2020). Mudde (1996b) identifizierte beispielsweise 26 Definitionen, die insgesamt 58 verschiedene Konzepte verwendeten. Die Gründe für diese oft kontrovers diskutierten Unterschiede spiegeln die Vielfalt der Forschungsansätze, der sprachlichen Kontexte und der Forschungstraditionen bei der Untersuchung dieses Phänomens wider. Spätere Forschung diskutiert über die zutreffenden Begrifflichkeiten weniger kontrovers. Der Fokus liegt heute stärker auf klarer Bestimmung sowie der konsequenten Anwendung des jeweils präferierten Begriffes als auf dem jeweils gewählten Etikett an sich. Auch angesichts der stärkeren strategischen Ausdifferenzierung nativistischer Akteur: innen werden die jeweiligen Labels vielmehr als Unterkategorien nativistischer Ideologie als ein übergreifender „Dachbegriff“ verwendet. Während wir an dieser Stelle die jeweiligen Bezeichnungen nicht einzeln und in extenso diskutieren können, ist es dennoch wichtig, unseren Fokus auf Rechtsradikalismus idealtypisch in Abgrenzung zu den zwei weiteren „großen Labels“ „Rechtsextremismus“ und „Rechtspopulismus“ zu begründen. <?page no="27"?> 2.4 Rechtsextremismus, -radikalismus, -populismus? 27 Sowohl die rechtsextreme als auch rechtsradikale Ideologie stehen in einem grundsätzlichen Gegensatz zu den pluralistischen Prinzipien der Demokratie (Minkenberg 1998). Der Unterschied liegt vor allem in der strategischen Herangehensweise an die Umsetzung der Ideologie.  Der Rechtsextremismus positioniert sich explizit anti-demokratisch. Extrem rechte Akteur: innen lehnen daher die kulturellen und politischen Grundprinzipien der pluralistischen Demokratie unverblümt ab und befürworten offen ihre Beseitigung (Mudde 2007).  Auch der Rechtsradikalismus positioniert sich in Konter zu Grundprinzipien der Demokratie (Minkenberg 2000). Allerdings werden pluralistisch demokratische Werte und Normen hier „von innen heraus“, und manchmal sogar taktisch „in ihrem Namen“ vereinnahmt. Während also die extreme Rechte demokratische Werte und Normen explizit beseitigen will, höhlt die radikale Rechte demokratische Werte vielmehr schleichend aus, indem sie versucht, eine nativistische Praxis demokratischer Normen zu etablieren. Mit anderen Worten, stellen rechtsradikale Kräfte die prozedurale Dimension von Demokratie als solche nominell nicht in Frage, „aber vielmehr durch Rückgriff auf den ultranationalistischen Mythos eine Radikalisierung nach rechts und damit eine Revision der Verfassungswirklichkeit bzw. einzelner Normen anstreben“ (Minkenberg 1998: 34). Dies kann, wie oben beschrieben, beispielsweise durch Versuche einer gezielten Fehlinterpretation, einer selektiven Dekontextualisierung oder einer nativistischen Umdeutung des pluralistischen Sinngehalts geltender demokratischer Werte und Normen geschehen. Die Verwendung des Begriffs „Rechtspopulismus“ ist wesentlich älter als die aktuelle „Populismus-Mode“. Jaschke (1994: 32ff.) beispielsweise bezeichnet Parteien wie die FPÖ, die Lega Nord oder die Republikaner als rechtspopulistisch. Allerdings wird hier keine konkrete konzeptuelle Ableitung oder Einordnung in Relation zu Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus angeboten. Im Laufe der Zeit wurde der Zusammenhang zwischen Populismus und Nativismus tiefer ausgearbeitet. Ein wichtiger Schritt war es, Rechtspopulismus nicht in Bezug auf einen „demagogischen“ Stil zu erfassen, sondern ihn auch um die Verbindung des Nativismus mit der Konfliktlinie „Volk vs. Eliten“ zu konzeptualisieren (Decker 2004; Lewandowsky 2022). Auch die weitere Entwicklung der internatio- <?page no="28"?> 28 2 Was ist Rechtsradikalismus? nalen Forschung entkräftet die gängige Kritik einer mangelnden analytischen Schärfe (Salzborn 2020) des Begriffs „Populismus“. Durch die analytische Schärfung des Begriffs bestätigen Studien weitgehend, dass nicht der Populismus, sondern der Nativismus den Kern rechtsradikaler Ideologie bildet. Wie bereits erwähnt, können rechtsradikale Parteien oder Führungspersonen (Manucci & Weber 2017; Pytlas 2023; Zulianello et al. 2018), bzw. ihre Wähler: innenschaft stärker oder schwächer populistisch sein, sind aber primär nativistisch (Bélanger & Aarts 2006; Mudde 2007). Die Liga der Polnischen Familien (LPR), die Slowakische Nationale Partei (SNS), aber auch die Lega Nord 2013 oder Vox in Spanien 2019 bedienten sich - zumindest in ihren Wahlkampagnen - kaum der Appelle an den populistischen „Volkswillen“ (Pytlas 2023, vgl. Kapitel 7.2). Die mehr oder weniger populistische Anti-Establishment-Dimension rechtsradikaler Politik sollte nicht außer Acht gelassen werden. Diese bleibt jedoch ein sekundäres Hilfsnarrativ der primären nativistischen Ideologie, so dass „Rechtsradikalismus“ als Grundwort des zusammengesetzten Begriffes einschlägiger ist als „Populismus“ (Mudde 2007). Daher benutzen wir analog zum englischsprachigen ( populist ) radical right den Begriff des (mehr oder weniger populistischen) Rechtsradikalismus. Der Fokus auf rechtsradikale Politik ist hier vor allem durch die Notwendigkeit begründet zu erfassen, wie Nativismus in der politischen Praxis ein- und umgesetzt wird. Rechtsextreme Politik ist natürlich nicht verschwunden. Gleichzeitig stellt aber gerade die rechtsradikale Politik europaweit die häufigste und mobilisierungstechnisch erfolgreichste strategische Ausprägung nativistischer Ideologie dar (Mudde 2019). Der Wechsel nativistischer Akteur: innen zu einem spezifisch rechtsradikalen Handlungsrepertoire hat greifbare Folgen - sowohl in Bezug auf das Mobilisierungspotenzial nativistischer Akteur: innen (Carter 2005) als auch auf die Auswirkungen rechtsradikaler Politik auf die Demokratie und pluralistische Gesellschaften (vgl. Kap. 12, 13). Das Verständnis rechtsradikaler Politik als eine spezifische strategische Ausprägung nativistischer Ideologie erlaubt es uns gleichzeitig, der gängigen Kritiken gegenüber der Verwendung dieses Begriffes zu begegnen. Zum einen wird argumentiert, dass Rechtsradikalismus ein zu weit gefasster und somit analytisch ungenauer „catch-all“-Begriff sei (Jaschke 1994; vgl. Salzborn 2020). Die Kritik lässt sich aber potenziell gegen alle „Dachbegriffe“ verwenden, unabhängig von der jeweils bevorzugten Etikettierung. Darüber hinaus arbeiten auch Studien, die Rechtsradikalismus als übergeordneten Dachbegriff betrachten, mit idealtypischen Unterkategorien, die eine Binnendifferenzierung ermöglichen (Minkenberg 1998). <?page no="29"?> 2.4 Rechtsextremismus, -radikalismus, -populismus? 29 In diesem Band verwende ich „rechtsradikal“ allerdings jedoch nicht als Oberbegriff, sondern als eine spezifische Ausprägung nativistischer Ideologie neben dem Rechtsextremismus. Diese Optik ermöglicht es, politische Praktiken aus einer stärker dynamischen vergleichenden Perspektive zu betrachten. Sie hilft, sowohl den Wandel dieser Parteien im Zeitverlauf als auch das zeitgleiche Auftreten unterschiedlicher Narrative und Ausprägungen in den Blick zu nehmen. Nativistische Akteur: innen repräsentieren selten nur eine einzelne Strömung, sondern agieren häufig als kollektive Akteur: innen (Minkenberg 2003). Rechtsradikale Parteien können daher auch extrem rechte Fraktionen beinhalten (bspw. die informelle Gruppierung „Der Flügel“ innerhalb der Alternative für Deutschland, AfD), oder als kollektive Akteur: innen in Netzwerken mit extrem rechten Parteien, Jugendorganisationen, Bewegungen und weiteren Gruppierungen handeln können, wie beispielsweise die italienische Lega und die Forza Nuova auf lokaler Ebene, der belgische Vlaams Belang (VB) und die Organisation Schild & Vrienden, oder die Estnische Konservative Volkspartei (EKRE) und ihre Jugendorganisation Sinine Äratus (Pirro 2023). Eine Einordnung der gesamten kollektiven Akteur: in kann sich dementsprechend auch in Zeitverlauf ändern, je nachdem, wie stark welche Strömung das gesamte programmatische und organisatorische Profil prägt (Pytlas & Biehler 2024). So kann erfasst werden, wie rechtsradikale Parteien ihre Ideologie selbst an bestimmte Kontextbedingungen anpassen, um gesellschaftliche Diskurse zu beeinflussen und ihr Gedankengut rhetorisch zu normalisieren. Die zweite Kritik attestiert dem Begriff „Rechtsradikalismus“ die Einordnung dieser nativistischen Akteur: innen als „eine quasi abgeschwächte Variante des Rechtsextremismus, die zwar als irgendwie problematisch, aber (noch) nicht als verfassungsbzw. demokratiefeindlich anzusehen sei“ (Salzborn 2020: 16, vgl. Jaschke 1994: 29). Die Entkopplung von substanzieller nativistischer Kernideologie und ihrer strategischen rechtsradikalen Ausprägung begegnet dieser Kritik. Empirische Studien zeigen, dass rhetorische Normalisierungsstrategien rechtsradikaler Parteien nicht mit einer substanziellen Abschwächung nativistischer Positionen einhergehen (Akkerman et al. 2016; Halikiopoulou et al. 2013; Pytlas 2021c, 2022a). Gleichzeitig kann diese Rhetorik, obwohl wir hier von „rhetorischen Strategien“ im Gegensatz zu substanziellen Kernideen sprechen, durchaus konkrete Folgen haben. Zum einen kann der Streit um die „beste Strategie“ zur praktischen Umsetzung der Ideologie zu Konflikten innerhalb nativistischer Parteienorganisationen und damit zum organisatorischen <?page no="30"?> 30 2 Was ist Rechtsradikalismus? Wandel (bspw. Führungswechsel oder Abspaltung) führen (Art 2011; Heinisch 2003; McDonnell & Newell 2011; Pytlas & Biehler 2024). Die AfD, aber auch die FPÖ, die Finnen-Partei, oder die ungarische Jobbik sind hier nur einige Beispiele. Andererseits wirken rhetorische Strategien als wichtige persuasive Signale, die politische Akteur: innen einsetzen, „um das Publikum zu überzeugen, sich auf ihre Darstellung der Realität einzustellen“ (Aslanidis 2016: 12f.). Rhetorische Strategien sind somit neben substanziellen Positionen wichtige Hilfs werkzeuge der elektoralen Mobilisierung (Pytlas 2023; Somer-Topcu et al. 2020). Die strategische Dimension hinter der rechtsradikalen Kernideologie muss schließlich auch deswegen berücksichtigt werden, da diese greifbare negative Konsequenzen für die Demokratie mit sich bringt (Mudde 2019; Pytlas 2018a). Rechtsradikale Ideologie ist daher nicht „weniger problematisch“ für die Demokratie. Durch die Umdeutung oder gar Vereinnahmung gesellschaftspolitischer Werte höhlt rechtsradikale Politik die Demokratie schleichend und von innen heraus aus (Levitsky & Ziblatt 2018; Pytlas 2018a, 2021a; Scheppele 2018). Beispiele aus Polen, Ungarn, aber auch aus anderen Ländern zeigen, dass die Erosion der Demokratie gegenwärtig selten durch explizit anti-demokratische Rhetorik in die Wege gebracht, sondern vor allem im Namen der angeblich „wahren“ (nativistischen) Demokratie in Gang gesetzt wird. Die Etablierung nativistischer Politik und Governance muss wiederum auch nicht mit dem expliziten Sturz der bestehenden politischen Ordnung einhergehen, sondern kann sich schleichend innerhalb dieser entfalten (Pytlas 2018a, 2021a). Der Fokus auf rechtsradikale Politik als eine spezifische strategische Variante nativistischer Ideologie ist daher wichtig, um die dynamischen Normalisierungsmechanismen hinter dem Aufstieg nativistischer Ideologie sowie deren greifbare Folgen für pluralistische Gesellschaften und Demokratien in Europa und darüber hinaus beleuchten zu können. <?page no="31"?> 3 Rechtsradikalismus in Westeuropa In diesem Kapitel betrachten wir die Geschichte des Aufstiegs rechtsradikaler Parteien in Westeuropa (WE) nach 1945. Auch wenn zusammenfassende und spezifische Erklärungen dieser Entwicklungen erst in den späteren Kapiteln folgen, wollen wir an dieser Stelle erste Hinweise auf zentrale Tendenzen und Entwicklungen rechtsradikaler Politik ins Visier nehmen - ihren Aufstieg, ihren organisatorischen und strategischen Wandel sund ihre zunehmende Normalisierung (vgl. vertiefend Kap. 10-12). Um diese Prozesse besser erfassen zu können, betrachten wir die Erscheinungsphasen rechtsradikaler Parteien im Zeitvergleich. Dabei orientieren wir uns an den von Klaus von Beyme (1988) identifizierten und von Cas Mudde (2019) weiterentwickelten idealtypischen Wellen rechtsradikaler Politik in Europa. Dieser Überblick ermöglicht es uns, die Entwicklungslinien des Rechtsradikalismus bis in die Gegenwart im Sinne der wichtigsten langfristigen Trends kursorisch nachzuzeichnen. Diese Erkenntnisse helfen uns dann auch, im folgenden Kapitel ein vergleichendes Bild der Entwicklungen in WE sowie Mittel- und Osteuropa anzubieten. 3.1 Erste Welle (1945‒1955) Die erste Welle rechtsextremer Parteigründungen in Westeuropa nach 1945 entfaltete sich vor allem in den gestürzten Vorkriegsdiktaturen des Faschismus in Italien sowie des Nationalsozialismus in Deutschland und im eingegliederten Österreich (vgl. von Beyme 1988). Neue offene rechtsextreme Parteigründungen dienten als politische Heimat insbesondere für die Anhänger: innen dieser Ideologien, für die es nicht möglich war oder die nicht gewillt waren, sich mit der politischen Nachkriegsordnung zu arrangieren (vgl. Reiter 2019; Stöss 2000; Mudde 2019). Die Gründung der Bundesrepublik 1949 führte zum Ende der Parteilizenzierung durch die West-Alliierten und zur Neugründung mehrerer explizit rechtsextremer Parteien (Stöss 2000). Darunter befand sich auch die offen nationalsozialistische Sozialistische Reichspartei (SRP). Die SRP konnte auf Landtagsebene 1951 teilweise beachtliche Wahlerfolge erzielen (11 Prozent der Stimmen in Niedersachsen, 7,7 Prozent in Bremen) (Ignazi 2003). Die SRP, die sich explizit als Nachfolgeorganisation der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei verstand, wurde 1952 vom Bundesverfassungsgericht verboten. Das Parteiverbot der SRP trug zur Etablierung eines gesellschaftspolitischen cordon sanitaire bei , also zur starken Ablehnung, Sanktionierung und Isolation offen rechtsextremer Kräfte (Jaschke 2017). <?page no="32"?> 32 3 Rechtsradikalismus in Westeuropa Größere Erfolge erzielten Akteur: innen, die „Berührungspunkte und Schnittmengen mit dem Nationalsozialismus“ konservierten, wie die Klientelpartei Gesamtdeutscher Block / Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/ BHE) (Jaschke 2017: 125). Zum Ende der ersten Welle fanden offen rechtsextreme Aktivist: innen ihre politische Heimat vor allem in der 1950 gegründeten Deutschen Reichspartei (DRP), die in den folgenden Dekaden bis auf wenige lokale Ausnahmen wahlpolitisch marginal blieb (Ignazi 2003; Jaschke 2017). In Österreich konnte der rechtsextreme Verband der Unabhängigen (VdU) - der Vorgänger der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) - unmittelbar nach seiner Gründung 1949 bei der zweiten Nationalratswahl nach dem Krieg 11,7 Prozent der Stimmen erringen. Die Gruppierung versuchte, die Tradition eines dritten, deutschnationalen und nationalliberalen Lagers in Opposition zur konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) zu etablieren (Ignazi 2003; Decker 2004). Der VdU blieb die zentrale politische Heimat insbesondere für „gesinnungstreue“ und „belastete“ Nationalsozialist: innen (Reiter 2019: 12f.) Interne Konflikte führten schließlich zum Aufgehen der Partei in der neugegründeten FPÖ. Auch in Italien konnte sich das faschistische Mobilisierungspotenzial praktisch unmittelbar nach dem Krieg wieder entfalten (von Beyme 1988). Bereits 1946 konnte der Fronte dell'Uomo Qualunque („Jedermann- Front“, UQ), der vom wesentlichen Teil faschistischer Wähler: innen unterstützt wurde (Corduwener 2017), bei den Wahlen zur italienischen verfassungsgebenden Versammlung 5,3 Prozent der Stimmen gewinnen. Der kurzzeitige Erfolg der Gruppierung, die sich als „apolitische“ Alternative jenseits der Trennlinie „Faschismus-Anti-Faschismus“ darstellte, wird von einigen Forschenden als Vorstufe zur Entstehung der offen faschistischen Movimento Sociale Italiano (Italienische Sozialbewegung, MSI) gesehen (vgl. Corduwener 2017). Die MSI, die 1946 durch den Zusammenschluss faschistischer Funktionäre und Veteranen gegründet wurde, diente als nostalgische politische Heimat für die Anhänger: innen unterschiedlicher faschistischer Tendenzen (Ignazi 2003). Nach den Wahlen von 1948, bei denen die Partei nur 2,2 Prozent der Stimmen erringen konnte, entbrannte in der MSI ein interner Strategiestreit zwischen offen anti-demokratischen Aktivist: innen und denjenigen, die für ihre ideologischen Ziele die Ausnutzung demokratischer Spielregeln und Erreichung von „Salonfähigkeit“ im politischen System anstrebten (Ignazi 2003). Nachdem die letztgenannte Fraktion die Führung in der MSI übernommen hatte, konnte die kontinuierlich rechtsextreme Partei nach den bereits erfolgreichen Kommunalwahlen 1952 (bis zu 11,8 Prozent in Süditalien) bei den Parlamentswahlen 1953 <?page no="33"?> 3.2 Zweite Welle (1956‒1979) 33 auch auf nationaler Ebene 5,8 Prozent der Stimmen erringen (Ignazi 2003). Die Entwicklung der intern zerstrittenen Partei war in den folgenden Dekaden von einem Auf und Ab bei den Wahlen sowie von zunehmender Institutionalisierung und erneuter Marginalisierung gekennzeichnet. Insgesamt zeigen die angeführten Beispiele, dass der Sieg über den Faschismus 1945 nicht das Ende für das Mobilisierungspotenzial rechtsextremer Politik bedeutete, sondern vielmehr den Beginn verschiedener Prozesse ihrer organisatorischen und strategischen Weiterentwicklung und Neuausrichtung markierte. Die meisten offen rechtsextremen Parteien befanden sich an dem Rand der jeweiligen Parteiensysteme. Bereits in dieser Phase wurden aber auch strategische Konflikte zwischen anti-systemischen fundamentalistischen Hardliner: innen und „realpolitischen“ Aktivist: innen sichtbar, die ihre Ideologie innerhalb des Systems umsetzen wollten (vgl. Stöss 2000; Ignazi 2003). Die Auseinandersetzungen zwischen den Befürworter: innen der beiden Strategien, aber auch die Versuche, einen Spagat zwischen den beiden strategischen Positionen zu schaffen, setzten sich in den nachstehenden Jahren fort und prägen auch viele der gegenwärtigen rechtsradikalen Parteiorganisationen in Europa (vgl. Kap. 12). 3.2 Zweite Welle (1956‒1979) Die zweite Welle ist in vielen europäischen Ländern zum einen durch die Verfestigung von cordons sanitaires gegenüber offen rechtsextremen Parteiorganisationen gekennzeichnet. Zum anderen sind in dieser Phase allerdings zunehmend verschiedene Versuche politischer Akteur: innen von Rechtsaußen zu beobachten, auf den Kontext gesellschaftspolitischer Stigmatisierung und Isolation zu reagieren. In der zweiten Welle entstanden in mehreren westeuropäischen Ländern neue rechtsextreme Parteien, wie der Front National in Frankreich (FN), der Britische Nationale Front (BNF) in Großbritannien oder der Vlaams Belang (VB) in Belgien. In Deutschland wiederum vereinten sich kleinere rechtsextreme Splitterparteien unter dem Dach der DRP und gründeten die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD). Eine wichtige Neuerung dieser Entwicklung besteht laut Cas Mudde darin, dass die neuentstandenen Parteien ihre rechtsextreme Ideologie um rechtsradikale Strategien und Personal erweiterten sowie ihre programmatischen Schwerpunkte zunehmend auf <?page no="34"?> 34 3 Rechtsradikalismus in Westeuropa die Politisierung von „neuen“ Thematiken wie Einwanderung und Integration richten (Mudde 2019). In bereits gegründeten Parteien wie der MSI oder der FPÖ kam es in dieser Zeit zu strategischen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Fraktionen. Während die Unterstützungszahlen beider Parteien weitgehend stagnierten, waren die MSI und die FPÖ zugleich die einzigen ihrer Parteienfamilie, die in den 1960er-Jahren über eine parlamentarische Vertretung verfügten. Beide Parteien kamen in dieser Zeit einer offiziellen Regierungsbeteiligung nahe, die allerdings wegen interner Konflikte einerseits (FPÖ) und gesellschaftspolitischer Proteste andererseits (MSI) nicht zustande kam. Beide Parteien blieben in dieser Phase die meiste Zeit weitgehend isoliert. In der zweiten Welle werden zwei Typen von Akteur: innen sichtbar, deren Inhalte und Strategien die Neuausrichtung rechtsradikaler Parteien ab den 1980er-Jahren beeinflussten. Zum einen sind das rechte Anti-Establishment-Parteien und Protestbewegungen, zum anderen Bewegungen und Netzwerke der sogenannten Neuen Rechten, die jenseits der parteipolitischen Ebene agierten. In den 1960er- und 1970er-Jahren entstand eine Reihe von rechtsgerichteten Anti-Establishment-Parteien und -Gruppierungen. Diese Akteur: innen werden von der Forschung meist nicht als rechtsradikal eingeordnet, gelten aber zugleich als wichtige Vorbilder und Vorreiter-Organisationen rechtsradikaler Parteien. Ein Beispiel ist die agrarpopulistische Finnische Landvolkpartei (die Vorgängerpartei der in den 2010er-Jahren erfolgreichen rechtsradikalen Partei „die Wahren Finnen“), die in ihrer Blütezeit bei den Wahlen 1970 10,5 Prozent der Stimmen erhielt. Die prominentesten dieser Akteur: innen waren allerdings die marktwirtschaftlich ausgerichteten Anti-Establishment-Gruppierungen: die Poujadismus-Bewegung in Frankreich sowie die skandinavischen Fortschrittsparteien in Dänemark und Norwegen (von Beyme 1988; Mudde 2019). Der Poujadismus war eine kleinbürgerliche Anti-Establishment- Bewegung um Pierre Poujade und seine 1955 gegründete Union zur Verteidigung der Händler und Handwerker (Union de défense des commerçants et artisans, UDCA). Programmatisch verstand sich die UDCA vor allem als eine Anti-Steuer- Partei, ihr Schwerpunkt lag aber vor allem in einer Anti-Establishment- Haltung gegen die politische Klasse der IV. Französischen Republik, symbolisiert durch die Parole „Sortez les sortants “ - „Raus mit den Bisherigen [Politiker: innen]“ (Minkenberg 1998; Ignazi 2003) Bei den Parlaments- <?page no="35"?> 3.2 Zweite Welle (1956‒1979) 35 wahlen 1956 gewann die UDCA 11,5 Prozent der Stimmen, verschwand allerdings bereits zwei Jahre später von der parlamentarischen Bühne. Gleichzeitig zog dabei als jüngster Abgeordneter der spätere Gründer des französischen Front National, Jean-Marie Le Pen, in die Nationalversammlung ein (Minkenberg 1998). Während der elektorale Aufstieg des Poujadismus schnell, aber kurzlebig war, war sein Einfluss jedoch prägend für spätere Entwicklungen des französischen Rechtsradikalismus in Frankreich (Mudde 2019). In Dänemark und Norwegen entstanden ähnliche Protestparteien, die radikale marktwirtschaftliche Ideen mit einer starken Anti-Establishment- Rhetorik verbanden. Die größte Bedeutung erlangte die dänische Fortschrittspartei des Millionärs Morgens Glistrup, die 1973 mit 15,9 Prozent der Stimmen einen Erdrutschsieg errang. Glistrup war für seinen provokanten Stil bekannt. Als einer der wohlhabendsten Menschen des Landes zeigte er beispielsweise zur Betonung seiner Anti-Steuer-Programmatik seine Steuererklärung mit einem Steuersatz von null Prozent. Eine weitere oft genannte Anekdote ist auch seine Forderung, die dänischen Verteidigungsausgaben durch einen Anrufbeantworter mit der Nachricht „wir geben auf“ zu ersetzen (Bjørklund & Goul Andersen 1999; Mudde 2019). Die Erfolge dieser Bewegungen offenbarten insgesamt das galvanisierende Potenzial der Anti-Establishment-Rhetorik und die Möglichkeit, die eigentliche Kernprogrammatik in eine breitere thematische Palette zu integrieren. Die wichtigste neue Dynamik in diesem Zeitraum war allerdings die Entstehung der Neuen Rechten in Frankreich ( Nouvelle Droite ) sowie in vielen weiteren Ländern in WE. Wie bereits angemerkt, ist die Neue Rechte ein heterogenes Netzwerk von Intellektuellenzirkeln und Aktivist: innenkreisen, die sich als Gegenkraft zur sogenannten Neuen Linken und allgemein zu emanzipatorisch-progressiven Ideen und zivilgesellschaftlichen Gruppen verstanden, die durch die 68er-Bewegungen quer durch WE symbolisiert wurden (vgl. ausführlich Minkenberg 1998). Prototypisch für die Neue Rechte ist die 1968 gegründete französische „Groupement de recherche et d’études pour la civilisation européenne“ (GRECE) mit ihrem Hauptvertreter Alain de Benoist. Die jeweiligen Strömungen und Akteur: innen innerhalb der Neuen Rechten unterschieden sich bezüglich spezifischer Details ihrer Dogmatik und passten diese auch im Laufe der Zeit immer wieder an. Trotz dieser Unter- <?page no="36"?> 36 3 Rechtsradikalismus in Westeuropa schiede im Detail einte sie jedoch das gesellschaftspolitische Ziel einer grundlegenden nativistisch orientierten Veränderung der gesellschaftspolitischen Realität sowie ihr strategischer Weg dorthin: der „Kulturkampf von rechts“. Die Neue Rechte strebt eine strategische und gesellschaftspolitische Erneuerung der „alten Rechten“ und ihrer Ideologie als ein radikales Scharnier zwischen Rechtsextremismus und stärker etablierten Ideen wie dem (Neo-)Konservatismus an (Minkenberg 1998). Als Hauptstrategie zur Umsetzung seiner ideologischen Ziele sieht der Rechtsradikalismus den „Kulturkampf von rechts“ (Minkenberg 1998, 2000; Bar-On 2001; Spektorowski 2003). Diese Idee besagt, dass rechtsradikale Kräfte vor der Eroberung der formalen politischen Macht zunächst die vorpolitische, kulturelle Macht erringen müssen. Mit anderen Worten müssen rechtsradikale Akteur: innen in der Lage sein, die „Verfassungswirklichkeit“, also das übergreifende Verständnis gesellschaftspolitischer Werte und Normen nativistisch umzudeuten, „von innen“ zu unterwandern und schließlich zu dominieren. Statt der Priorisierung offen extremer und anti-systemischer Ideen und Aktionen gewinnen hier also eher subversive rhetorische Strategien und Inhalte wie die kulturalistische Umdeutung von Rassismus an Bedeutung (vgl. Kap. 2, 6). Die Ideen der Neuen Rechten wurden in den folgenden Dekaden weitgehend in die Programmatik und Rhetorik rechtsradikaler Parteien integriert (von Beyme 1988; Minkenberg 1998). 3.3 Dritte Welle (1980‒1999) In der dritten Welle führt die oben beschriebene programmatische „Modernisierung“ in vielen westeuropäischen Ländern zu einer Umstrukturierung der parteipolitischen Landschaft von Rechtsaußen sowie zur Entstehung neuer rechtsradikaler Parteien. Viele der Akteur: innen, darunter der FN oder die FPÖ, konsolidierten ihre Organisationen rund um rechtsradikale Politik und begannen die Phase eines neuen elektoralen Aufschwungs. Den frühesten Durchbruch schaffte in dieser Zeitperiode der französische Front National unter Jean-Marie Le Pen. Neben einer Reihe von Wahlerfolgen auf kommunaler Ebene erzielte der FN unter anderem 11 Prozent der Stimmen bei den Europawahlen 1982, 9,8 Prozent der Stimmen bei den Parlamentswahlen 1986 und 15 Prozent im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen 1995. In diese zur damaligen Zeit für rechtsradikale Parteien durchaus beachtlichen Ergebnisse spielte das Bröckeln des medi- <?page no="37"?> 3.3 Dritte Welle (1980‒1999) 37 alen und politischen cordon sanitaire wesentlich mit hinein (Ellinas 2009; vgl. Kap. 12). Gleichzeitig lieferte der FN aus der damals neuartigen Kombination aus dem neurechten kulturellen Nativismus sowie Wohlstands- Chauvinismus und Anti-Establishment-Rhetorik eine rhetorische Formel, die von mehreren neuen und erneuerten rechtsradikalen Akteur: innen in Europa kopiert wurde (Rydgren 2004, 2005). Auch in der Bundesrepublik wurde die Parteilandschaft von Rechtsaußen durch mehrere rechtsradikale Kleinparteien ergänzt. Die „erfolgreichste unter den erfolglosen neuen Rechtsparteien in der Bundesrepublik“ (Decker 2004: 151) waren „die Republikaner“. Die Partei wurde 1983 von zwei ehemaligen Mitgliedern der Christlich-Sozialen Union (CSU), Franz Handlos und Ekkehard Voigt, sowie dem ehemaligen Fernsehjournalisten Franz Schönhuber gegründet (Stöss 2000; Decker 2004). Ursprünglich verstanden sich die Republikaner als eine neo-konservative Alternative zur CSU. Die Fraktion um den populären und medienerfahrenen Schönhuber versuchte jedoch schon früh, die Programmatik der Partei in Richtung Rechtsradikalismus à la Front National zu verschieben (vgl. Minkenberg 1998: 295ff.). Infolge interner Konflikte setzte sich Schönhuber 1985 gegen Handlos und Voigt durch, die daraufhin die Partei verließen. Unter anderem gelang der Partei 1989 der Einzug ins Europa-Parlament (7,1 Prozent) und 1992 in den baden-württembergischen Landtag (10,9 Prozent). Während diese Erfolge von punktueller Natur blieben, sorgten die damals im bundesdeutschen Kontext beachtlichen Wahlergebnisse sowie der erstmalige Durchbruch einer rechtsradikalen Partei aus Deutschland bei einer Europawahl für erhöhte Aufmerksamkeit (Decker 2004). Gleichzeitig war die unmittelbare Nachwendezeit in der gesamten Bundesrepublik von einer Welle rassistischer Gewalttaten gekennzeichnet, u.a. Pogrome in Hoyerswerda und Rostock in Ostdeutschland sowie Brandanschläge in Mölln und Solingen in Westdeutschland (Jaschke 2017). Letztlich spielten mehrere Faktoren wie innerparteiliche Konflikte, der Kontext der Wiedervereinigung, die 1992 begonnene Beobachtung der Republikaner durch das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie die fortschreitende Radikalisierung der Partei eine Rolle für ihre rasche Marginalisierung. Obwohl der cordon sanitaire gegen Organisationen von Rechtsaußen aufrechterhalten blieb, offenbarten die ersten Erfolge der Republikaner und Anzeichen einer Diffusion nativistischer Themen in den politischen Mainstream (vgl. Thränhardt 1995; Minkenberg 1998) das Mobilisierungs- und „Agenda-Setting“- Potenzial rechtsradikaler Politik in der gesellschaftspolitischen Mitte in der Bundesrepublik. In den meisten anderen Ländern in WE konnten sich in der Zeit allerdings rechtsradikale Parteien etablieren, die ihre Parteienlandschaften auch in den folgenden Dekaden prägten. <?page no="38"?> 38 3 Rechtsradikalismus in Westeuropa In Dänemark entstand aus der Fortschrittspartei 1995 unter der Führung von Pia Kjærsgaard die rechtsradikale Dänische Volkspartei (DFP). In der Schweiz wiederum verschob sich das Profil der agrarischen Schweizer Volkspartei (SVP) unter dem neuen Vorsitzenden Christoph Blocher in Richtung Rechtsradikalismus. In Italien ging 1995 aus der neofaschistischen MSI, die kontinuierlich durch innerparteiliche Konflikte geprägt war, die Nationale Allianz (AN) hervor, die sich unter dem neuen Vorsitzenden Gianfranco Fini in ihrem Auftreten von ihren neofaschistischen Wurzeln distanzierte (Ignazi 2003). Die AN war 1994‒95 neben der populistisch-regionalistischen Lega Nord der wichtigste Koalitionspartner der neuen technokratischen Anti-Establishment-Partei Forza Italia des Medienunternehmers Silvio Berlusconi (Albertazzi & McDonnell 2005, 2015). Neben der SVP, die bei den Wahlen 1999 22,5 Prozent der Stimmen erhielt, war die erfolgreichste rechtsradikale Partei bis zum Jahr 2000 die österreichische FPÖ unter der neuen Führung von Jörg Haider. Seit den 1960er-Jahren versuchte die FPÖ ihre Programmatik in ständigen Flügelkämpfen zu konsolidieren. Seit 1980 moderierte die Parteispitze unter Norbert Steger die FPÖ in Richtung einer konventionellen liberalen Partei, was 1983 zu einer ersten formellen Regierungskoalition mit der SPÖ führte. An der traditionellen Parteibasis und innerhalb der mittleren Parteieliten blieb der moderate Kurs der FPÖ allerdings umstritten. Vor dem Hintergrund einer befürchteten Wahlniederlage kürte der Parteitag 1986 Jörg Haider, einen jungen, bei den Wahlen erfolgreichen Obmann der Kärntner FPÖ, zum neuen Parteivorsitzenden (Decker 2004). Nach der Wahl kündigte die SPÖ die Koalition auf und rief Neuwahlen aus. Die FPÖ unter Haider konsolidierte sich in der Opposition anschließend ideologisch unter der von FN bekannten rechtsradikalen Formel aus kulturellem Nativismus gestützt durch Wohlstands-Chauvinismus und Anti- Establishment-Rhetorik (vgl. Ignazi 2003). Die FPÖ steigerte sich unter Haider von 5 Prozent der Stimmen 1983 auf 22,5 Prozent 1994 und auf 26,9 Prozent der Stimmen 1999 und wurde damit zur rechtsradikalen Spitzenreiterin in Westeuropa (Decker 2004). 3.4 Vierte Welle (seit 2000) Die vierte Welle des Rechtsradikalismus in Westeuropa ist einerseits durch den weiteren elektoralen Aufstieg und strategische Ausdifferenzierung rechtsradikaler Parteien, und andererseits durch die voranschreitende Normalisierung rechtsradikaler Politik gekennzeichnet (Mudde 2019; vgl. van Spanje 2010; Mondon & Winter 2020; Pytlas 2022a). Diese Phänomene werden bereits in der dritten Welle sichtbar, allerdings verlässt rechtsradikale Politik im 21. Jahrhundert ihre Nischenstellung und <?page no="39"?> 3.4 Vierte Welle (seit 2000) 39 erlangt in vielen Ländern in WE sowohl Salonals auch Koalitionsfähigkeit . Während der vierten Welle können sich in WE neue rechtsradikale Parteien durchsetzen, auch in Ländern, in denen sie bisher nur marginal waren oder den Einzug in nationale Parlamente nicht geschafft haben (Mudde 2019). Neben den zweistelligen Wahlerfolgen der Lijst Pim Fortuyn (LPF) und der Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders in den Niederlanden sowie der Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna, SD) ist hier vor allem der erstmalige Durchbruch von Vox in Spanien und der Chega in Portugal zu nennen. Auch in der Bundesrepublik konnte sich mit der Alternative für Deutschland (AfD) erstmals eine rechtsradikale Partei auf Bundesebene etablieren. Die AfD entstand 2013 als Zusammenschluss verschiedener konservativer, neoliberaler und rechtsradikaler Kräfte (Berbuir et al. 2015). Aufgrund interner Konflikte konsolidierte sich die Partei bereits kurz nach ihrer knappen Wahlniederlage bei der Bundestagswahl 2013 um rechtsradikale Kernprogrammatik (Arzheimer & Berning 2019). Bei der Bundestagswahl 2017 erreichte die AfD 12,6 Prozent der Stimmen und konnte sich 2021 mit 10,3 Prozent parlamentarisch etablieren. In Sachsen und Thüringen war die AfD bei der Bundestagswahl 2021 mit 24,6 bzw. 24,0 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. Die vierte Welle des Rechtsradikalismus in WE ist insgesamt durch elektorale Zuwächse gekennzeichnet. Zweistellige Wahlergebnisse bleiben in dieser Phase für rechtsradikale Parteien keine Seltenheit. Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen im September 2024 hat die AfD jeweils über 30 Prozent der Zweitstimmen erzielt. In Thüringen konnte die AfD eine Sperrminorität erlangen und wurde mit 32,8 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. In vielen Ländern konnten rechtsradikale Parteien die zweitstärkste (Dänemark 2015; Italien 2018; Schweden 2022) oder sogar die stärkste Parlamentsfraktion (Schweiz ab 1999; Italien 2022; Niederlande 2024) stellen (Mudde 2019). Während der vierten Welle erlangten rechtsradikale Parteien in WE zudem zunehmend Koalitionsfähigkeit (Mudde 2019). Damit können rechtsradikale Parteien den politischen Prozess nicht nur indirekt durch Themen(be)setzung ( Agenda-Setting ) beeinflussen, sondern auch direkter auf Politikinhalte einwirken. Eine wichtige Zäsur bildet hier der Eintritt der FPÖ in die Regierung von Wolfgang Schüssel (ÖVP) im Jahr 2000. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, markierte diese Entwicklung trotz gesellschaftlicher Proteste und Maßnahmen der anderen 14 EU-Mitgliedsstaaten vielmehr das Ende als die Aufrechterhaltung des cordon sanitaire <?page no="40"?> 40 3 Rechtsradikalismus in Westeuropa (Kurier.at 10.9.2020). Nach nur sieben Monaten wurden die Maßnahmen als kontraproduktiv beendet. Für die FPÖ selbst endete ihre Regierungsbeteiligung 2002 mit einer Implosion, von der sich die Partei erst Anfang der 2010er-Jahre vollständig erholen konnte. Die Entwicklungen bedeuteten jedoch das Bröckeln der Stigmatisierung rechtsradikaler Regierungsbeteiligungen. In den Folgejahren wurden rechtsradikale Parteien in WE wie Lega Nord (seit 2018 „Lega“), die Orthodoxe Volksbewegung (LAOS) in Griechenland, die norwegische Fortschrittspartei als auch erneut die FPÖ 2017‒19 zu Koalitionspartnern konventioneller Parteien (Mudde 2019). Rechtsradikale Parteien unterstützten Minderheitsregierungen oder sind Teil von Koalitionen mit konventionellen Parteien geworden, darunter in Dänemark, Italien oder den Niederlanden (Kossack 2023). Mit der Einbindung der SD als Unterstützung einer konservativ-liberalen Minderheitsregierung 2022 endete der cordon sanitaire gegen rechtsradikale Parteienorganisationen in Schweden. In Italien wiederum stellte als erste rechtsradikale Partei in Westeuropa die Fratelli d’Italia (Brüder Italiens, FdI) mit ihrer Vorsitzenden Georgia Meloni die Premierministerin. Im Jahr 2024 wurde die PVV wiederum als stärkste Kraft Teil der Regierungskoalition in den Niederlanden. Die Entwicklungen der vierten Welle des Rechtsradikalismus finden im Kontext multipler Krisen statt (Mudde 2019), beginnend mit den Terroranschlägen am 11. September 2001 über die Wirtschaftskrise 2008 und die humanitäre Krise in Europa ab 2015 bis hin zur COVID-19- Pandemie ab 2020 und der Erweiterung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ab 2022 (vgl. Kap. 9). In diesen Kontexten passen rechtsradikale Parteien ihren strategischen modus operandi aktiv an (Akkerman 2005; Halikiopoulou et al. 2013; Pytlas 2022a, vgl. Kap. 12.2). Insgesamt setzen rechtsradikale Parteien in den 2010er-Jahren verstärkt auf rhetorische Normalisierungsstrategien, um sich aktiv als salonfähig und etabliert darzustellen (Pytlas 2022a). Eine der wichtigsten rhetorischen Ausdifferenzierungen ist dabei die verstärkte Betonung islamfeindlicher Positionen, die nicht nur durch direkte Ablehnung, sondern auch als „Verteidigung“ (nativistisch ausgelegter) liberaler Werte wie sexuelle Selbstbestimmung, Gleichberechtigung von Mann und Frau oder Säkularismus begründet werden (Akkerman 2005; Moffitt 2017; Froio 2018; vgl. Kap. 2, 5, 12). Der von LPF und PVV popularisierte „liberale Illiberalismus“, auch „ethnokratischer Liberalismus“ oder „liberaler Rassismus“ genannt - also eine nativistische Umdeutung liberaler Werte - erwies sich als besonders anschlussfähig an die gesellschaftspolitische Mitte und wird als Normalisie- <?page no="41"?> 3.4 Vierte Welle (seit 2000) 41 rungsstrategie von anderen rechtsradikalen Parteien übernommen, darunter in Belgien, Dänemark und Schweden als auch in Frankreich durch den Front/ Rassemblement National unter Marine Le Pen (Akkerman 2005; Moffitt 2017; Froio 2018; Mondon & Winter 2020). In vielen Ländern beobachtet die qualitative und quantitative Forschung gleichzeitig einen Rechtsruck, also eine Verschiebung der Programmatik mehrerer konventioneller Parteien hin zu Positionen rechtsradikaler Parteien (Abou-Chadi & Krause 2020, 2021; Alonso & Fonseca 2011; Bale 2003; Bale & Rovira Kaltwasser 2021; Carvalho 2013; Mondon & Winter 2020; Mudde 2010; Pytlas 2015; Thränhardt 1995; van Spanje 2010; Wagner & Meyer 2017, vgl. Kap. 12.1). Die Forschung beobachtet unter anderem in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden oder Österreich, dass konventionelle Parteien - im unterschiedlichen Ausmaß und mehr oder weniger fortdauernd - ausgewählte Positionen und Narrative rechtsradikaler „Originale“ kopiert haben (Bale & Rovira Kaltwasser 2021; Carvalho 2013; Evans & Ivaldi 2021b; Heinisch & Werner 2021; Kešić & Duyvendak 2019; Mondon 2013; Mudde 2019; Sobolewska & Ford 2020; van Kessel 2021). Neben der zunehmenden Integration mehrerer rechtsradikaler Parteien in ihre politischen Systeme hat rechtsradikale Politik also ihre politische Nischenstellung weitgehend verlassen und ist insgesamt vom Rand in den Mainstream gerückt. Wie wir in den folgenden Teilen des Buches diskutieren werden (Kap. 12), stehen die Normalisierung und der Aufstieg von Rechtsradikalismus im turbulenten Kontext der letzten Dekaden im wesentlichen Zusammenhang. <?page no="43"?> 4 Rechtsradikalismus in Mittel- und Osteuropa Im Gegensatz zu Westeuropa (WE) blieben der Aufstieg und die Entwicklungen rechtsradikaler Politik in Mittel- und Osteuropa (MOE) lange Zeit weitgehend unterforscht. Zum einen lag dies an der Herausforderung, die dynamischen Entwicklungen der Parteiensysteme in MOE nach 1989 mit vergleichenden Daten zu erfassen. Zum anderen ist mehr als 30 Jahre nach der Wende die Annahme immer noch populär, dass die „jungen“, von multiplen Dauerkrisen geprägten Demokratien der Region wenig Erkenntnisse für die anscheinend stabilen Parteiensysteme Westeuropas liefern können (kritisch dazu siehe bspw. Haughton & Deegan-Krause 2020; Mudde 2017; Pytlas 2015, 2018b). Die Entwicklungen der letzten Dekaden zeigen allerdings, dass die Betrachtung von Rechtsradikalismus in MOE wichtige Lektionen für andere Regionen liefert. Während die Erscheinung und Erstarkung von Rechtsradikalismus in WE und MOE in der Tat in unterschiedlichen Kontexten stattfinden, weisen die Prozesse und Mechanismen dieser Entwicklungen jedoch in beiden Regionen viele funktionale Ähnlichkeiten auf (Pytlas 2018b). Quelle: Parlgov (Döring & Manow 2022). Abbildung 4.1: Wahlergebnisse rechtsradikaler Parteien in Mittel- und Osteuropa und Westeuropa, 1989‒2022 <?page no="44"?> 44 4 Rechtsradikalismus in Mittel- und Osteuropa In der langfristigen Perspektive waren rechtsradikale Parteien in WE beispielsweise lange Zeit elektoral stabiler und langlebiger als in MOE (Minkenberg 2017; Pytlas 2018b). Wie Abbildung 4.1 zeigt, schnitten rechtsradikale und rechtsextreme Parteien bei den Parlamentswahlen in MOE bis 2010 im Durchschnitt ähnlich (und 2000‒2010 sogar schwächer) ab als „im Westen“. Erst im letzten Jahrzehnt haben die Parteien in der Region ihre westeuropäischen Pendants überholt - vor allem dank der beachtlichen Wahlergebnisse der radikalisierten konventionellen Parteien Fidesz in Ungarn sowie Prawo i Sprawiedliwość (Recht und Gerechtigkeit, PiS) in Polen. Zugleich aber erlangte rechtsradikale Politik in MOE viel früher und im größeren Umfang als im Westen Koalitionsals auch Salonfähigkeit im gesellschaftspolitischen Mainstream (Pytlas 2015). Während rechtsradikale „Originale“ kontinuierlich versuchten, die liberalen Prinzipien der Demokratie auszuhebeln, wurde die demokratische Erosion in Polen und Ungarn nicht von Nischenparteien am Rand des politischen Systems umgesetzt, sondern von radikalisierten ehemaligen Mitte-Rechts-Parteien (Mudde 2019; Pytlas 2018a; Sadurski 2019; Scheppele 2018). Gleichzeitig fanden die Entdemokratisierungsprozesse ausgerechnet in den Ländern statt, die regional am stärksten durch institutionelle demokratische Konsolidierung und parteipolitische Stabilisierung gekennzeichnet waren (Enyedi 2016; Herman 2016; Pytlas 2018a) (vgl. Kap. 13). Vor diesem Hintergrund lohnt es sich für unsere Erkenntnisse zur Entwicklung von Rechtsradikalismus einen näheren Blick auf die vielfältige Region Mittel- und Osteuropa zu werfen. Analog zu unserer Diskussion von WE entwickeln wir nun auch für MOE eine idealtypische Unterteilung in vier Wellen des Rechtsradikalismus ab 1989. 4.1 Erste Welle (1989‒1997) Die erste Entwicklungsphase rechtsradikaler Politik in Mittel- und Osteuropa (MOE) ist durch eine starke Fragmentierung der Parteienfamilie und eine schwankende Wahlperformanz gekennzeichnet (Minkenberg 2017). Inhaltlich zeichneten sich rechtsradikale Parteien bereits in dieser Phase durch eine starke Fluidität aus. In einigen Fällen, wie in Rumänien oder der Slowakei, gab es mehrere Schnittmengen mit Rechtsextremismus, unter anderem durch Anknüpfungen an faschistische Parteien oder Regime der Vorkriegszeit. In anderen Fällen, etwa in Polen, suchten rechtsradikale Parteien wiederum schon früh den Anschluss an konventionelle Ideologien. In Bulgarien, Litauen oder Estland blieben rechtsradikale Parteien in dieser Zeit weitgehend marginal. In anderen Ländern der Region, etwa in <?page no="45"?> 4.1 Erste Welle (1989‒1997) 45 Tschechien (die Republikaner von Miroslav Sládek) in Lettland (Für Vaterland und Freiheit / Lettische Nationale Unabhängigkeitsbewegung) oder in Rumänien (Großrumänien-Partei, PRM) konnten sie bis 1999 größere, mehr oder weniger kurzlebige Erfolge erzielen. Eine der im Durchschnitt erfolgreichsten Parteien der Region, die sich in den 2000er-Jahren von rechtsextremer in Richtung rechtsradikaler Programmatik entwickelte, ist die Slowakische Nationalpartei (SNS). Die tschechischen Republikaner, die rumänische PRM und die slowakische SNS orientierten sich in dieser Zeit vor allem am Vorbild des französischen Front National. Ähnlich wie Jean-Marie Le Pen verbanden die Parteien rechtsradikale Narrative und rechtsextreme Inhalte - darunter Antisemitismus, biologistischer Rassismus gegen Rom: nja und Sinti: zze oder Anknüpfungen an den Vorkriegsfaschismus (Minkenberg 2017). Während die Republikaner in Tschechien frühzeitig durch einen cordon sanitaire isoliert wurden, waren die slowakische SNS oder die PRM in Rumänien schon früh nach 1989 in nationale Regierungen eingebunden (Kossack 2023). In Polen waren rechtsradikale Akteur: innen zu dieser Zeit weitgehend zersplittert (Minkenberg 2017). Zu den wichtigsten gehörte zu der Zeit die Christlich-Nationale Vereinigung (Zjednoczenie Chrześcijańsko- Narodowe, ZChN). Anders als in Rumänien oder in der Slowakei suchte die Partei ideologisch vor allem eine Scharnierposition zum konventionellen Konservatismus. Die gesellschaftspolitische Programmatik der ZChN blieb allerdings bis Ende der 1990er-Jahre im Kern rechtsradikal und basierte auf einem fundamentalistisch-katholischen Gegenentwurf zu liberalen Prinzipien der Demokratie (vgl. Pankowski 2010; Minkenberg 2017). Die Partei beteiligte sich bis 1991/ 92 an der kurzlebigen konservativen Minderheitsregierung von Jan Olszewski und seiner (später radikalisierten) Bewegung für den Wiederaufbau Polens (Ruch Odbudowy Polski). Ein weiteres Koalitionsmitglied bildete die konservative Zentrumsallianz (Porozumienie Centrum, PC) von Lech und Jarosław Kaczyński - die Vorgängerpartei der PiS. Bereits 1992 verlor die Regierung von Olszewski ein Misstrauensvotum, was zur Entstehung eines rechtsradikalen Verschwörungsnarrativ einer „gestohlenen Wende“ führte, welche sich gegen „das kommunistisch-liberale Establishment“ richtete (Pytlas 2018a, 2021b). Dieser Mythos, der von der rechtsradikalen Politik in Polen wie auch in vielen anderen Ländern der Region kontinuierlich politisiert wurde, entwickelte sich zu einem der zentralen Narrative rechtsradikaler Politik in der Region (Krekó & Mayer 2015; Pytlas 2015). <?page no="46"?> 46 4 Rechtsradikalismus in Mittel- und Osteuropa 4.2 Zweite Welle (1998‒2009) Ähnlich wie in WE ist die Entwicklung des Rechtsradikalismus in der zweiten Welle in MOE durch organisatorische und programmatische Differenzierungs- und Modernisierungsprozesse gekennzeichnet. Mehrere rechtsradikale Parteien versuchten in dieser Phase zunehmend vom Kontext der europäischen Integration in der Region zu profitieren - allerdings mit unterschiedlichem Erfolg. Einige der bereits existierenden Parteien erlebten wie ihre Pendants in WE Höhen und Tiefen (Minkenberg 2017). Die slowakische SNS beispielweise wechselte regelmäßig zwischen Regierungsbeteiligung und Opposition. Die Partei blieb kontinuierlich von starken internen Konflikten geprägt. Ihre organisatorische Professionalisierung wurde durch den skandalisierenden Stil ihres Vorsitzenden Ján Slota in dieser Phase weitgehend gebremst (Pytlas 2015). In Bulgarien, wo sich trotz kontextueller Chancen bislang keine rechtsradikale Partei etablieren konnte, entstand mit der Ataka-Partei eine der erfolgreichen rechtsradikaler Parteien der zweiten Welle (Pirro 2015). Ataka wurde 2005 von Volen Siderov gegründet. Ähnlich wie einige rechtsradikale Parteien in Europa entstand die Partei nicht am Rand, sondern in der gesellschaftlichen Mitte. Siderov war vor der Parteigründung ein populärer Fernsehmoderator, und der Name der Partei leitet sich vom Titel seiner Talkshow „Ataka“ ab, die als Vehikel für die nativistischen Angriffe auf bulgarische ethnische Minderheiten (die türkische Minderheit sowie Rom: nja und Sinti: zze), sowie für Anti-Establishment-Rhetorik gegen die „korrupte politische Klasse“ diente (Popova 2013; Pirro 2015). Bei den Wahlen 2005 erhielt Ataka 8,1 Prozent der Stimmen. Vier Jahre später steigerte die Partei ihr Ergebnis auf 9,4 Prozent der Stimmen und unterstützte die Minderheitsregierung der Partei GERB („Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“) unter Boiko Borisov (Pirro 2015). Auch in Polen haben sich die bisweilen zersplitterten rechtsradikalen Kleinstparteien unter einem neuen Dach konsolidiert. Die Liga der Polnischen Familien (Liga Polskich Rodzin, LPR) wurde 2001 in der nationalkatholischer Vorkriegstradition der rechtsradikalen „Nationalen Demokratie“ ( endecja ) gegründet (de Lange & Guerra 2009; Grün & Stankiewicz 2006; Pytlas 2015). Ideologisch setzte die LPR die rechtsradikale Programmatik der inzwischen marginalisierten ZChN und anderer fundamentalistisch-katholischer Gruppierungen und Milieus wie der Bewegung um den Radiosender Radio Maryja weiter. Neben der Betonung nativistischer Kultur- und Bildungspolitik und LSBTIQ+feindlicher Positionen fokussierte die Partei ihre Positionen im Zuge der EU-Ost-Erweiterung auf einen harten Euro-Skeptizismus (Pytlas 2015). 2001 erreichte die Partei 7,9 Prozent der Stimmen und konnte ihr Ergebnis vier Jahre später wiederholen. <?page no="47"?> 4.2 Zweite Welle (1998‒2009) 47 Eine weitere Entwicklung, die in der zweiten Welle des Rechtsradikalismus zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist die Übernahme von Positionen und Narrativen rechtsradikaler Parteien durch einige konventionelle Parteien in der Region. Die slowakische SNS sah sich mit selektiver Übernahme ihrer Positionen und Themen durch ihren sozialdemokratischen Koalitionspartner SMER („Richtung - Sozialdemokratie“) konfrontiert (Pytlas 2015). Bereits während der ersten Regierungszeit von Viktor Orbán 1998‒2002 kopierte auch der konservative Fidesz in Ungarn - wenn auch damals noch in abgemilderter Form - ultranationalistische Symbolik und Themen (Bozóki 2008). Fidesz wurde 1988 gegründet und war eine der wichtigsten Oppositionskräfte der demokratischen Wende in Ungarn (Kiss 2002; vgl. Pytlas 2015). In ihren Ursprüngen war die Partei liberal ausgerichtet. 1992 bezeichnete Fidesz die damalige national-konservative Regierungspartei sogar als „eine verfallene alte Welt, die nie wieder nach Ungarn zurückkehren wird“ (Kiss 2002: 742, eigene Übersetzung). Angesichts schwacher Wahlergebnisse begann sich Fidesz unter Orbán ab 1995 allerdings in eine Richtung zu bewegen, die die Partei kurz zuvor noch abgelehnt hatte (Pytlas 2015). 1998 gewann Fidesz die Parlamentswahlen mit 29 Prozent der Stimmen. Die national-konservative Rhetorik und Agenda der ersten Regierung von Orbán bekamen informelle Unterstützung von der rechtsextremen und antisemitischen Partei der Ungarischen Wahrheit und Lebens (Magyar Igazság és Élet Pártja, MIÉP), geführt vom Dramatiker István Csurka. Die MIÉP fungierte somit als „Opposition zu der Opposition“ (Bayer 2002: 274; Bernáth et al. 2005: 93) und schied bereits 2002 wieder aus dem Parlament aus. Gleichzeitig trug die Strategie von Fidesz allerdings zur eigenen überraschenden Niederlage bei - vor allem, weil Fidesz durch den Rechtsruck an Unterstützung unter den Mitte-Rechts-Wähler: innen einbüßte (Bozóki 2008: 210; vgl. Pytlas 2015). Die Übernahme der Narrative von radikalen Konkurrent: innen wurde in der zweiten Welle allerdings zum primären Merkmal der 2001 entstandenen konservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) in Polen. Die neue Partei profitierte bei ihrer Gründung von der Popularität Lech Kaczyńskis, des Justizministers in der 2001 abgewählten christdemokratischen Regierung. Dementsprechend erweitere die Partei die sozial-konservative Programmatik ihrer Vorgängerpartei PC um Themen wie Kriminalitäts- und Korruptionsbekämpfung (Pytlas 2021b). Der Konservatismus der PiS entstammt einer anderen historischen Tradition als die „nationaldemokratische“ rechtsradikale Ausrichtung der LPR. Gleichzeitig betonte der 2005 zum Staatspräsidenten gewählte Lech Kaczyński, dass im aktuellen Kontext eine „patriotische“ Partei <?page no="48"?> 48 4 Rechtsradikalismus in Mittel- und Osteuropa nicht ohne Menschen mit „national-katholischen“ Überzeugungen gebildet werden könne (Pankowski 2010: 156; vgl. Pytlas 2015). Bereits 2005 gewann die PiS die Parlamentswahlen mit knapp 27 Prozent der Stimmen. Nach gescheiterten Koalitionsverhandlungen mit der konservativ-liberalen Bürgerplattform (Platforma Obywatelska, PO) - die bald darauf zum Erzfeind der PiS erklärt wurde - bildete Jarosław Kaczyński eine Minderheitsregierung unter Einbeziehung der LPR und der agrarpopulistischen Selbstverteidigung (Samoobrona). Bereits 2007 zerbrach die zerstrittene Koalition. Die knapp verlorenen Neuwahlen gegen die PO unterbrachen die Versuche der PiS, die durch gesellschaftliche Proteste und Interventionen des Verfassungstribunals gebremst wurden, das Land in Richtung einer „4. Republik“ nach rechts zu rücken (Pytlas 2015; Stanley 2016). Gleichzeitig übernahm die PiS Narrative ihrer Koalitionspartner: innen (Pytlas 2015). LPR und Sammoobrona verloren einige Führungspersonen und den Großteil ihrer Wähler: innenschaft an die PiS und verschwanden kurz darauf in der Bedeutungslosigkeit. Die in den folgenden Jahren zunehmend radikalisierte PiS etablierte sich ihrerseits im polnischen Parteiensystem, sicherte sich die Unterstützung fundamentalistisch-katholischer Netzwerke um Radio Maryja und wurde zum dominanten Scharnier zwischen Konservatismus und Rechtsradikalismus. 4.3 Dritte Welle (2010‒2014) Der Beginn der 2010er-Jahre war eine kurze, aber durchaus bedeutsame Phase in der Entwicklung rechtsradikaler Politik in Mittel- und Osteuropa. Nachdem einige Parteien der ersten und zweiten Welle nur kurz nach ihren Wahlerfolgen wieder marginalisiert wurden (LPR, MIÉP) oder kontinuierlich schwächelten (SNS), suchte eine neue Generation rechter Aktivist: innen nach organisatorischer und strategischer Erneuerung. Diese Notwendigkeit ergab sich auch daraus, dass einige „Originale“ von Rechtsaußen dem Wettbewerbsdruck ihrer konventionellen „nahen Konkurrent: innen“ (Bustikova & Kitschelt 2009) ausgesetzt waren. Die Situation in Ungarn, wo Fidesz 2010 erneut an die Macht gelang, steht beispielhaft für diese Dynamiken und ihre weitreichenden Folgen für die Demokratie. Eine Partei, die die neue Generation zukünftiger „originaler“ rechtsradikaler Parteien stark inspiriert hat, ist Jobbik Magyarországért Mozgalom (Bewegung für ein besseres Ungarn, Jobbik) (Pytlas 2015). Jobbik entstand 2013 als eine Organisation an der Schnittstelle zwischen Rechtsextremismus und national-konservativer Politik, die sich zur Aufgabe machte, sich sowohl in Opposition zu Fidesz zu positionieren als auch das „abgenutzte“ Modell von MIÉP zu ersetzen (Mayer & Odehnal 2010: 44). Viele ihrer Führungspersonen, darunter der spätere Propaganda-Chef Előd Novák, wechselten zu <?page no="49"?> 4.3 Dritte Welle (2010‒2014) 49 Jobbik von der rechtsextremen MIÉP bzw. deren Jugendorganisation (Buzogány 2011). Die eigentlichen Ursprünge der Partei liegen allerdings in national-konservativen universitären Jugendorganisationen sowie Fidesz-nahen bürgerlicher Diskussionskreisen ( polgári körök, oder „Bürgerkreise“) (Biró Nagy & Róna 2013). Der langjährige Parteivorsitzende Gábor Vona gehörte - wie auch Viktor Orbán - einem der prominentesten Elite- Bürgerkreis an, der „Union für die Nation“ (Buzogány 2011). Die inhaltliche Erneuerung von Jobbik lag zu Beginn ihres Bestehens vor allem in einer strategischen Professionalisierung und weniger in einer inhaltlichen Mäßigung. Die jungen, gut ausgebildeten Aktivist: innen von Jobbik unterschieden sich in ihrem Auftreten stark von der „alten Garde“ rechtsextremer Akteur: innen. Jobbik war eine der ersten Parteien, die soziale Medien in den Mittelpunkt ihrer Vernetzungs- und Wahlkampfaktivitäten stellte (Karl 2017). Zum anderen generierte die Partei Aufmerksamkeit durch ihre militante Präsenz auf der Straße. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Gründung der paramilitärischen Bewegung von Jobbik - der Ungarischen Garde ( Magyar Gárda ) und, nach deren Verbot 2009 - zahlreicher ähnlicher Nachfolgeorganisationen und -bewegungen. Ideologisch war die „erneuerte“ Jobbik alles andere als moderater geworden. Die Partei revitalisierte vielmehr die „alte“ Ideologie der MIÉP wie Antisemitismus, Rassismus gegen Rom: nja und Sinti: zze, Ablehnung der EU sowie Irredentismus und Revisionismus, vor allem in Bezug auf die 1920 im Vertrag von Trianon verlorenen Gebiete eines ehemaligen „Groß-Ungarn“ (Pytlas 2013). Ihre moderne Wahlkampfführung vermittelte ein junges, dynamisches und professionalisiertes Image einer Partei, die durch die Popkulturalisierung der Symbolik des ungarischen Rechtsextremismus der Vorkriegszeit den Spagat zwischen Rechtsextremismus und dem Mainstream schaffte. Jobbik lernte aus den Fehlern von MIÈP auch in Bezug auf den Umgang mit ihren „nahen Konkurrent: innen“. Im Gegensatz zu MIÈP versuchte die Jobbik viel stärker, die Dominanz über ihre Kernthemen zu behalten und eine klare Anti-Establishment-Distanz zu der konservativen Partei von Viktor Orbán zu wahren (Pytlas 2015). Während Jobbik - damals noch in Koalition mit MIÉP - bei den Wahlen 2006 noch erfolglos blieb, schaffte sie bei den Europawahlen 2009 den Durchbruch und wurde nach den Wahlen 2010 mit 16,7 Prozent der Stimmen drittstärkste Kraft im ungarischen Parlament. Fidesz wiederum kam 2010 mit einem Versprechen einer radikalen nationalen Erneuerung an die Macht. Ähnlich der Idee einer „Vierten Republik“ der PiS in Polen kopierte die Partei von Viktor Orbán rechtsradikale Narrative einer nationalistischen „zweiten Wende“ (Pytlas 2015). Mit 42 Prozent der Stimmen erlangte Fidesz eine Zweidrittelmehrheit im ungari- <?page no="50"?> 50 4 Rechtsradikalismus in Mittel- und Osteuropa schen Parlament. Die Errichtung eines „Systems der Nationalen Zusammenarbeit“ (Fidesz 22.5.2010), die rasche Verabschiedung einer neuen Verfassung und die Etablierung eines nationalistischen Gesellschaftsbildes diente dem Fidesz zur Legitimation der voranschreitenden Entdemokratisierung des Landes (vgl. Bozóki 2011; Krekó & Mayer 2015; Pytlas 2015; vgl. Kap. 13). 4.4 Vierte Welle (seit 2015) Ähnlich wie die vierte Welle in Westeuropa (WE) ist diese Phase der Entwicklung des Rechtsradikalismus in Mittel- und Osteuropa (MOE) durch den elektoralen Aufstieg rechtsradikaler Parteien und die Normalisierung rechtsradikaler Politik gekennzeichnet. Die vierte Welle von Rechtsradikalismus in MOE beginnt mit der Politisierung der Fluchtbewegungen von Menschen aus Syrien und anderen Regionen der Welt. Ähnlich wie in WE prägen ab 2020 neue Entwicklungen wie die COVID-19-Pandemie und die Ausweitung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine die Politik in der Region. Neu gegründete und erneuerte rechtsradikale Parteien in MOE fokussieren sich auch auf die von ihnen bislang relativ weniger politisierte Themen wie Migration, Integration und Islam (Mudde 2017). In dieser Phase steigen die durchschnittlichen Wahlergebnisse rechtsradikaler Parteien in der Region deutlich an. Diese Zahlen können allerdings vor allem den Wahlerfolgen der ehemaligen konservativen und nun endgültig radikalisierten PiS in Polen und Fidesz in Ungarn zugeschrieben werden, die spätestens ab dieser Phase als Mitglieder der rechtsradikalen Parteienfamilie kategorisiert werden können (Mudde 2019). Die Dynamiken der vierten Welle sind also nicht bloß unmittelbar von aktuellen Krisen geprägt, sondern von längeren Prozessen der Etablierung rechtsradikaler Politik im gesellschaftspolitischen Mainstream der Region und zunehmend auf gesamteuropäischer Ebene miteinander verflochten. Quer durch die Region etablieren sich in dieser Zeit neue oder erneuerte rechtsradikale „Originale“, wie „Wiedergeburt“ ( Vazrazhdane ) in Bulgarien, die Allianz für die Vereinigung der Rumänen (Alian ț a pentru Unirea Românilor, AUR) oder die Estnische Konservative Volkspartei (Eesti Konservatiivne Rahvaerakond, EKRE) die ab 2019 Teil der estnischen Regierungskoalition sein wird. In Tschechien kann mit der Úsvit přímé demokracie („Morgenröte der direkten Demokratie“) von Tomio Okamura 2013 erstmals seit dem Erfolg <?page no="51"?> 4.4 Vierte Welle (seit 2015) 51 der Republikaner eine rechtsradikale Partei mit 6,9 Prozent der Stimmen ins Parlament einziehen. Bei den Wahlen 2013 präsentierte sich Úsvit noch vor allem als „nicht-ideologischer“ populistischer Vorkämpfer der direkten Demokratie (Engler et al. 2019; Wondreys 2021). Doch schon im darauffolgenden Jahr war ihre Wahlkampagne für das Europäische Parlament von rechtsradikaler Politik geprägt. Der darauffolgende Richtungsstreit führte 2015 zur Abspaltung von Okamura und zur Gründung der nun offen Muslim: innen- und Rom: nja-feindlichen sowie hart EUskeptischen Partei Svoboda a přímá demokracie (Freiheit und direkte Demokratie, SaPD). Bei den Parlamentswahlen 2017 erzielte die SaPD 10,6 Prozent der Stimmen und konnte ihren Erfolg 2021 mit 9,6 Prozent wiederholen. In Polen kam es nach der Marginalisierung der LPR zur Neuausrichtung der Kräfte von Rechtsaußen. Ähnlich wie in Ungarn operierte die neu gegründete Nationale Bewegung (Ruch Narodowy, RN) an der Schnittstelle zum Rechtsextremismus. Die RN bewegte sich - ähnlich wie Jobbik - zwischen strategischer Professionalisierung, verstärkter Straßenaktivität und popkultureller Revitalisierung der Symbolik polnischer rechtsextremer Kräfte der Vorkriegszeit. Bei den Parlamentswahlen 2015 konnten fünf Kandidaten der RN auf den Listen der anti-systemischen Kukiz’15 in das polnische Parlament einziehen. Knapp an der Wahlhürde scheiterte 2015 die extrem rechtslibertäre Gruppierung KORWiN von Janusz Korwin-Mikke, der für seine offene Ablehnung von Demokratie berüchtigt ist (Engler et al. 2019). Zusammen mit einer weiteren rechtsextremen Kleinstpartei, der Konföderation der Polnischen Krone (Konfederacja Korony Polskiej) bildeten die beiden Parteien die Gruppierung Konfederacja (Konföderation). Trotz interner Streitigkeiten zog die neue Partei, die radikale marktliberale Positionen mit elitistischen Versprechen einer „meritokratischen“ Korrektur der Politik der PiS verband, 2019 mit 6,8 Prozent der Stimmen in das polnische Parlament ein. Vor allem im Kontext der humanitären Krise um das Jahr 2015 kam es in der vierten Welle in einigen Ländern der Region gleichzeitig zu einer zunehmenden Verwischung der Grenzen zwischen rechtsradikaler und konventioneller Politik (Győri 2016; Pytlas 2019). Anhand von Daten der Chapel Hill Expert Survey (CHES) (Bakker et al. 2020) zeigt sich beispielsweise, dass in der Slowakei im Jahr 2017 kaum eine im Parlament vertretene Partei eine offen integrative migrationspolitische Position vertrat (Pytlas 2019). Wichtige Ausnahmen im Land bildeten der Staatspräsident Andrej Kiska sowie, ab 2019, seine Nachfolgerin Zuzana Čaputová. In Ungarn setzte Fidesz - damals immer noch Mitglied der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) - den Prozess der Entdemo- <?page no="52"?> 52 4 Rechtsradikalismus in Mittel- und Osteuropa kratisierung des Landes fort und machte den Nativismus spätestens nach 2015 zum ideologischen Kern seiner Programmatik (Győri 2016; Mudde 2019; Pytlas 2019). Die Analyse der Kommunikation der Partei von Viktor Orbán in den sozialen Medien zeigt, dass die kulturellen eurokritischen Aussagen von Fidesz 2015‒2016 eine ähnliche oder teilweise höhere Intensität von Nativismus aufweisen wie die der AfD in Deutschland oder des FN in Frankreich (Pytlas 2021c). Bei den Parlamentswahlen im Jahr 2018 widmete Fidesz die Hälfte seiner Wahlkampagne in den sozialen Medien der Asylpolitik. Zwei Drittel dieser Aussagen waren mit nativistischen Bedrohungsnarrativen verbunden (Pytlas 2019). Die Daten der CHES zeigen, dass Jobbik, die angesichts des Wettbewerbsdrucks durch Fidesz ihre Programmatik durch eine eigene dédiabolisation -Strategie zu normalisieren versuchte, spätestens zu diesem Zeitpunkt von Fidesz rechts überholt wurde (Pytlas 2019). 2015 kehrte auch die PiS nach acht Jahren an die Macht zurück. Bis dahin war es der Partei nicht gelungen, ihre Unterstützung über ihre Kernwähler: innenschaft hinaus ausweiten. Statt explizit eine institutionelle Transformation hin zu einer „Vierten Republik“ zu fordern, änderte die Partei 2015 ihre Strategie. Während sie ihre Anti-Establishment-Rhetorik nach wie vor gegen „arrogante“ Eliten richtete, „versteckte“ die PiS im Wahlkampf ihre radikalen Gesichter, darunter Jarosław Kaczyński. Die Partei versprach taktisch einen „guten Wandel“ innerhalb des bestehenden Systems - eine Politik, die auf die Sorgen und Ängste der Menschen höre sowie ehrlich und hart für die Menschen arbeite (Pytlas 2021a). Nach einem dynamischen Wahlkampf, der die regierende Bürgerplattform weitgehend überraschte, gewann der weniger bekannte Andrzej Duda die Präsidentschaftswahlen 2015, während die Partei mit ihrer Spitzenkandidatin Beata Szydło - der Wahlkampfmanagerin von Duda - mit 37,6 Prozent der Stimmen als Siegerin aus den Parlamentswahlen hervorging. Unmittelbar nach der Wahl legte die Partei die moderate Maske ab und setzte in kürzester Zeit - ähnlich wie Fidesz, aber ohne eine verfassungsändernde Mehrheit - eine Reihe von Maßnahmen um, die die Aushebelung der Kontrollmechanismen der demokratischen Gewaltenteilung einleiteten (Fomina & Kucharczyk 2016; Pytlas 2021a; vgl. Kap. 13). Ähnlich wie im Fall von Fidesz wurden Nationalismus und Dämonisierung von immer neu konstruierten kulturellen „Feinden“ zur Legitimation der Staatsmacht von PiS eingesetzt (vgl. Kap. 13). Sowohl PiS als auch Fidesz blieben während ihrer Regierungszeit regelmäßig mit zivilgesellschaftlichen Protesten konfrontiert. Erst bei den Parlamentswahlen 2023 wurde die PiS-Regierung zugunsten einer ideologisch breiten Regierungskoalition demokratischer Parteien abgewählt. Bis zur Fertigstellung dieses Bandes im Herbst 2024 blieb Fidesz in Ungarn an der Macht. <?page no="53"?> 5 Konturen und Erklärungsansätze In diesem Kapitel diskutieren wir die Hauptansätze zum Charakter und Erklärung des Aufstiegs rechtsradikaler Politik. Zunächst werden die gesellschaftspolitischen Konturen rechtsradikaler Politik besprochen. Erneut können wir an dieser Stelle nicht alle Detailaspekte in extenso beschreiben. Wir konzentrieren uns vor allem auf die Verschiebung der wissenschaftlichen Betrachtung des Rechtsradikalismus als krisenbedingtes Randphänomen (sog. „Normale-Pathologie-These“) hin zur Auffassung des Rechtsradikalismus als „pathologische Normalität“ (Mudde 2010): das heißt, als ein programmatisches, mobilisierungsbedingtes Phänomen, das nicht bloß an den „Rändern“ auftritt und das auch unter „Normalbedingungen“ in der gesellschaftspolitischen Mitte anschlussfähig ist. Unsere Beschäftigung mit den Konturen rechtsradikaler Politik ist nicht nur ein theoretischer Selbstzweck. Unsere Vorannahmen über den Charakter des Rechtsradikalismus können auch unsere Herangehensweise an den Aufstieg, die Etablierung oder Auswirkungen rechtsradikaler Politik beeinflussen. Im zweiten Teil dieses Kapitels stellen wir daher kurz die wichtigsten Implikationen der Verschiebung des wissenschaftlichen Verständnisses des Rechtsradikalismus in Bezug auf die wichtigsten Erklärungsfaktoren für den Aufstieg rechtsradikaler Politik in Europa. Dabei betonen wir, dass Etablierung und Aufstieg rechtsradikaler Politik nicht monokausal und deterministisch erklärt werden können, sondern vielmehr ein Ergebnis der Interaktion verschiedener Aspekte der sog. Nachfrage- und Angebotsseite darstellt, die nicht vor-politisch sind, sondern erst durch Handlungen politischer Akteur: innen ihre Wirkung entfalten. Vor dem Hintergrund der Normalisierung rechtsradikaler Politik ist dabei die Berücksichtigung der Handlungen und Mobilisierungsstrategien politischer Akteur: innen für die Erklärung des Aufstiegs rechtsradikaler Politik zugleich von zentraler Bedeutung. 5.1 Vom Rand in die Mitte Die „Normale-Pathologie“-These sieht rechtsradikale Politik primär als ein krisenbedingtes Protestphänomen, das an den gesellschaftspolitischen „Rändern“ verankert ist. In einer der bekannteren Ausformulierungen dieser These in der Nachkriegszeit (Scheuch & Klingemann 1967) gehen die Autoren davon aus, dass an den Rändern jeder Gesellschaft ein mehr oder weniger „schlummerndes“ (latentes) Potenzial für rechtsradikale Politik (synonym mit <?page no="54"?> 54 5 Konturen und Erklärungsansätze Rechtsextremismus verwendet) vorhanden ist (vgl. kritische Diskussion in Mudde 2010). Als Auslöser werden primär „Extrembedingungen“ wie gesellschaftspolitische Krisen gesehen. Unter „Normalbedingungen“ sei die Verbreitung und Attraktivität von Rechtsradikalismus marginal. Obwohl die Annahmen der „Normale-Pathologie“-These in öffentlichen Debatten nach wie vor nicht selten herangezogen werden, gilt diese Perspektive als umfassende Erklärung rechtsradikaler Politik in der sozialwissenschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Praxis weitgehend als revidiert. Dies hängt zusammen mit der theoretischen und empirischen Weiterentwicklung der Rechtsradikalismusforschung, aber auch mit der empirischen Entwicklung des Untersuchungsgegenstandes selbst zusammen. Im letzteren Fall waren es vor allem das Fortbestehen und die Verbreitung rechtsradikaler Politik jenseits struktureller Krisensituationen oder gesellschaftlicher „Ränder“ als auch Beobachtungen ihrer im Langzeittrend zunehmenden Normalisierung, die zu einer Reihe von wissenschaftlichen Kritiken des Ansatzes geführt haben (Mudde 2010). Der erste Kritikpunkt an diesen Ansätzen ist ihr Verständnis von Rechtsradikalismus primär als Randphänomen.  Zum einen werden radikale/ extreme Kräfte von rechts und links miteinander gleichgesetzt und als gleichermäßigen bedrohlich für die Demokratie verstanden;  zum anderen wird nativistische Politik von der gesellschaftspolitischen „Mitte“ abgekoppelt und zu einem Gegensatzpaar gemacht. Auch wenn die „Normale-Pathologie“-These und der „extremismus-“ oder „totalitarismustheoretische“ Ansatz (Backes & Jesse 2005; populär „Hufeisen-Theorie“ genannt) nicht synonym sind, besteht doch zwischen diesen Ansätzen eine starke Affinität. Dieses Paradigma und seine Implikationen gelten als weitgehend revidiert (vgl. Minkenberg 1998; Decker et al. 2010; Mudde 2010) - wenn auch nach wie vor als „wirkungsmächtig“ (Decker et al. 2010: 14). Die Kritik an der „Hufeisen-Theorie“ bezieht sich vor allem auf die unbeachteten inhaltlichen Diskrepanzen im Ansatz beider Positionen (vgl. Decker et al. 2010: 15f.; Neugebauer 2010: 17). Darüber hinaus zeigen vergleichende empirische Studien, dass eine negative Entwicklung demokratischer Qualität - in Aspekten wie zum Beispiel demokratische Gewaltenteilung, freie Meinungsäußerung, zivilgesellschaftliche Partizipation und bürgerliche Freiheiten - signifikant mit der spezifischen rechtsradikalen ideologischen Prägung radikaler Parteien zusammenhängt (Huber & Schimpf 2017; Vittori 2022; vgl. Kapitel 13). Während eine autoritäre Logik auch mit linken Ideologien verknüpft werden kann (siehe histori- <?page no="55"?> 5.1 Vom Rand in die Mitte 55 sche und gegenwärtige Beispiele, z.B. in autoritären kommunistischen Parteien), ist Autoritarismus innerhalb der exklusionären rechtsradikalen Weltanschauung kein „potenzielles“ oder „mögliches“ Element, sondern dessen durchgängiger und immanenter ideologischer Bestandteil (vgl. Mudde 2007; Mudde & Rovira Kaltwasser 2013). Die Hauptkritik an der „Normale-Pathologie“-These und benachbarten Ansätzen richtet sich zugleich primär gegen die Entkoppelung eines rechtsradikalen „Randes“ und der gesellschaftspolitischen „Mitte“, die die beiden Phänomene zum Gegensatzpaar macht. Im Sinne der „Normale- Pathologie“-These sei Rechtsradikalismus innerhalb des gesellschaftspolitischen Randes verortet und von der „Mitte“ weitgehend hermetisch abgeschirmt, was wechselseitige Interaktionen ausschließt. Empirische Befunde weisen jedoch darauf hin, dass die Grenzen zwischen Rechtsradikalismus und gesellschaftspolitischer „Mitte“ wesentlich durchlässiger sind.  Zum einen werden populistische, autoritäre als auch rechtsradikale Einstellungen zu einem nicht unerheblichen Teil auch von Personen vertreten, die sozioökonomisch oder politisch nicht am Rand, sondern in der Mitte der Gesellschaft stehen (Decker et al. 2010; Mudde 2010).  Zum anderen beschränkt sich die Nutzung rechtsradikaler Politik nicht nur auf rechtsradikale Parteien. Empirische Studien belegen, dass mehrere konventionelle Parteien Positionen und Narrative rechtsradikaler „Originale“ - in unterschiedlichem Ausmaß - übernehmen können (Abou-Chadi & Krause 2020; Alonso & Fonseca 2011; Bale 2003; Carvalho 2013; Mondon & Winter 2020; Mudde 2010; Pytlas 2015; Thränhardt 1995; van Spanje 2010) (vgl. Kap. 12). Fidesz in Ungarn ist ein besonders deutliches Beispiel für eine substanzielle und anhaltende Rechtsradikalisierung einer ehemaligen Mitte-Rechts-Partei (Győri 2016; Kovarek et al. 2017; Krekó & Mayer 2015; Pytlas 2015, 2019).  Darüber hinaus verändern sich auch die organisatorischen und strategischen Profile rechtsradikaler Parteien selbst (vgl. Kap. 11, 12). Rechtsradikale Parteien haben ihre Organisationen weitgehend professionalisiert (Art 2011; Heinisch & Mazzoleni 2016; van Kessel & Albertazzi 2021). Einige der neu entstandenen Parteien haben ihre Wurzel nicht in rechtsextremen Milieus, sondern wurden von ehemaligen Politiker: innen konventioneller Parteien mitgegründet. Beispiele sind die PVV in den Niederlanden, Vox in Spanien oder Chega in Portugal.  Schließlich bestätigen neuere empirische Studien, dass rechtsradikale Parteien in Europa selber zunehmend versuchen, ihre Politik rhetorisch zu normalisieren und sich als etabliert und salonfähig dar- <?page no="56"?> 56 5 Konturen und Erklärungsansätze zustellen (Pytlas 2022a). Ein Beispiel dafür ist die bereits erwähnte strategische Ausrichtung einiger rechtsradikaler Parteien, die liberale Werte anti-universalistisch umdeuten und als nativistische Argumente nutzen (Froio 2018; Moffitt 2017; Pytlas 2021c; Mondon und Winter 2020). Rechtsradikale Politik ist daher nicht bloß eine Anomalie am gesellschaftspolitischen Rand, sondern durchaus an konventionelle Parteien, Ideologien und Werte anschlussfähig. Mudde argumentiert, dass die Erklärung dieser Entwicklungen einen Paradigmenwechsel erfordert, nach dem rechtsradikale Politik nicht als „normale Pathologie“, sondern vielmehr als „pathologische Normalität“ zu verstehen sei (Mudde 2010). Mit anderen Worten: Rechtsradikalismus ist keine bloße Anomalie, die an den Rändern der Gesellschaft zu finden ist, sondern ist auch unter „Normalbedingungen“ weit verbreitet und an konventionelle Parteien und deren Ideen anschlussfähig. Rechtsradikalismus konstituiert demnach vielmehr eine nativistische (Um-)Deutung und fundamentalistische Überhöhung von bereits tradierten und gesellschaftlich verankerten Zugehörigkeitskriterien und kollektiven Werten (wie „Nation“, „Geschichte“, „Kultur“, „Sprache“, „Religion“, aber auch „Fortschritt“, „Freiheit“ etc.) (vgl. Minkenberg 1998; Pytlas 2015; Moffitt 2017; Mondon & Winter 2020). Der Ansatz der „pathologischen Normalität“ bedeutet nicht, dass rechtsradikale Politik nur einer spezifischen Gruppe - den „Rändern“, oder diesmal den „Mittelschichten“ - zugeschrieben wird. Vielmehr beleuchtet er, dass die Wähler: innen rechtsradikaler Parteien sozio-demographisch heterogen sind (Kitschelt & McGann 1995; Engler & Weisstanner 2021; vgl. Kap. 10.2). Deutlich wird jedoch, dass Rechtsradikalismus an Ideen anschlussfähig ist, die in der Mitte der Gesellschaft verankert sind, und nicht selten ebenfalls von den so genannten Mittelschichten getragen wird (vgl. Salzborn 2020: 119). Ideen und Gruppen der gesellschaftspolitischen „Mitte“ sind auch unter kontextuellen „Normalbedingungen“ nicht per se hermetisch von Rechtsradikalismus isoliert. Rechtsradikale Ideologie stellt vielmehr eine Radikalisierung von Einstellungen und Ideen dar, die ebenfalls von der gesellschaftspolitischen Mitte geteilt werden und sich in ihrem Handlungsrepertoire wiederfinden (Minkenberg 2001; Mudde 2010; Salzborn 2020). Zugleich ist es hier wichtig zu betonen, dass mit der These der „pathologischen Normalität“ nicht behauptet wird, dass Rechtsradikalismus <?page no="57"?> 5.2 Von der Nachfrage zum Angebot 57 ideologisch zum demokratischen Spektrum gehöre, oder dass „der Mainstream“ schon quasi per definitionem rechtsradikal sei (vgl. Mudde 2010). Auf der ideellen Ebene steht der Rechtsradikalismus nach wie vor in einer klaren Konterposition zum übergreifenden pluralistischen Werte- und Normenkanon demokratischer Gesellschaften (Minkenberg 2000). Zugleich weist diese Perspektive darauf hin, dass rechtsradikale Ideologieelemente nicht einfach losgelöst von ihrer Praxis im gesellschaftspolitischen Mainstream (das heißt: von der Art und Weise, wie diese Ideen auf struktureller und individueller Ebene ausgelegt, ein- und umgesetzt werden) betrachtet werden können. 5.2 Von der Nachfrage zum Angebot Die Diskussion um die Konturen rechtsradikaler Politik ist auch deshalb wichtig, weil sie auch das Verständnis von Faktoren der Entwicklung, des Aufstiegs und der Auswirkungen rechtsradikaler Politik prägen kann. In der Rechtsradikalismusforschung etablierte sich die Unterteilung dieser Erklärungen in Faktoren der Nachfrage- und Angebotsseite (Kitschelt & McGann 1995). Faktoren der Nachfrageseite fokussieren auf den „Nährboden“ hinter dem Erscheinen rechtsradikaler Einstellungen und politischer Akteur: innen (Kitschelt und McGann 1995; Mudde 2007). Hierzu werden solche Faktoren gezählt wie gesellschaftliche Modernisierungsprozesse, historische „Erblasten“ (bspw. aus nicht-demokratischen Regimen), tradierte politische Kultur, demographische Struktur, Einwanderungsdynamiken sowie bereits vorhandene Einstellungsmuster in der Bevölkerung. Die Faktoren der Angebotsseite fokussieren stärker auf das Handeln von gesellschaftspolitischen Akteur: innen selbst. Im Mittelpunkt steht daher der organisatorische, ideologische und strategische „Werkzeugkasten“, der für politische Mobilisierungszwecke eingesetzt wird. Mudde (2007) unterscheidet dabei zwischen internen und externen Aspekten der Angebotsseite.  Zur internen Angebotsseite gehören Charakteristika und Handlungen rechtsradikaler Akteur: innen selbst, wie ihre Organisation, Ideologie und Mobilisierungsstrategien.  Zu den wichtigsten Faktoren der externen Angebotsseite gehören Handlungen anderer Akteur: innen gegenüber rechtsradikaler Politik, wie beispielsweise Wettbewerbsstrategien politischer Parteien, mediale Berichterstattung oder Reaktionen staatlicher Behörden. Wie bereits erwähnt, konzentrieren sich frühe Ansätze zur Entwicklung des Rechtsradikalismus stärker auf Faktoren der Nachfrageseite wie längerfristige Kontextbedingungen und bereits vorhandene gesellschaftliche <?page no="58"?> 58 5 Konturen und Erklärungsansätze Strukturen (Betz 1994; Golder 2003). Gleichzeitig wird in der Forschung zunehmend die Notwendigkeit betont, rechtsradikale Politik und Parteien selbst in die Analyse von Erklärungsfaktoren der Erscheinung, des Erstarkens und der Auswirkungen des Rechtsradikalismus wieder einzubeziehen (Carter 2005; Mudde 2010: 1181). Die Rolle von Kontexten und strukturellen Vorbedingungen soll nicht vollständig ignoriert werden. Allerdings stellen weder spezifische historische legacies noch Krisen oder bestimmte gesellschaftspolitische Modernisierungsprozesse eine immanente kausale Ursache für die Wahlerfolge rechtsradikaler Akteur: innen dar. Erklärungen der Nachfrageseite stoßen spätestens dann an ihre Grenzen, wenn wir unterschiedliche Wahlergebnisse mehrerer rechtsradikaler Parteien bei ein und derselben nationalen Wahl in demselben Land erklären möchten. Beispiele dafür sind die FPÖ und BZÖ in Österreich 2006, PVV und FvD in den Niederlanden 2017, DFP und Dänemarkdemokraten (DD) in Dänemark 2022, oder Marine Le Pen und Éric Zemmour bei den Präsidentschaftswahlen 2022 in Frankreich. Wie wir sehen werden, stellt die Forschung keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Erstarken von Rechtsradikalismus und kontextuellen Vorbedingungen wie Einwanderungszahlen oder Krisen fest (Pappas und Kriesi 2015; Amengay & Stockemer 2019; Arzheimer 2018; Schmidt-Catran & Czymara 2023; vgl. Kap. 10). Kontextbedingungen bilden Gelegenheits- oder auch Einschränkungsstrukturen, die rechtsradikale Akteur: innen politisch auch nutzen können müssen. Effekte von kontextuellen Entwicklungen sind daher nicht einfach vor-politisch (Kriesi und Pappas 2015). Ihre „Auswirkung“ wird vielmehr durch ihre aktive Politisierung vermittelt (Pytlas 2018). In den letzten Dekaden ist es rechtsradikalen Parteien gelungen, mit ihren Kernthemen und Positionen öffentliche Debatten und die politische Agenda zu beeinflussen (Minkenberg 2001; Hutter et al. 2016; Kriesi et al. 2006). Rechtsradikale Politik kann auch die subjektive Wahrnehmung von Kontexten beeinflussen: sie verlängert historische legacies in die Gegenwart und stellt gesellschaftspolitische Phänomene als Krisen dar, um aktuelle Politik nativistisch umzudeuten (Pytlas 2018b; vgl. Minkenberg & Pytlas 2012). Wenn die Handlungen politischer Akteur: innen in Analysen berücksichtigt werden, zeigt sich beispielsweise, dass die Zunahme migrationsfeindlicher Einstellungen nicht mit Einwanderungszahlen zusammenhängt, sondern mit dem Anstieg nativistischer Aussagen politischer Parteien (nicht nur rechtsradikaler, sondern vor allem konventioneller Parteien) (Bohman 2011; Schmidt-Catran & Czymara 2023; vgl. Kap. 10, 13). <?page no="59"?> 5.2 Von der Nachfrage zum Angebot 59 Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass es zentral ist, den „Werkzeugkasten“ der Angebotsseite - also die politischen Organisationen, sowie ihre Mobilisierungs- und Wettbewerbsstrategien - in die Diskussion des Aufstiegs und Auswirkungen rechtsradikaler Politik einzubeziehen. Wie bei der Analyse eines jeden gesellschaftspolitischen Phänomens lässt sich Rechtsradikalismus nicht auf eine einzige Ursache oder eine quasiautomatische Erklärung zurückführen, sondern muss als ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren gesehen werden (Minkenberg 2000; Rydgren 2004; Carter 2005; Mudde 2007; Pytlas 2015). Wenn wir an ganzheitlichen Erklärungen rechtsradikaler Politik interessiert sind (eine durchaus ambitionierte Aufgabe), müssen wir allerdings nicht nur vor-politische Faktoren der Nachfrageseite, sondern auch das eigentlich Politische - den „Werkzeugkasten“ der Angebotsseite - berücksichtigen. Die Anschlussfähigkeit des Rechtsradikalismus an den gesellschaftspolitischen Mainstream rückt hier wiederum die Rolle von Normalisierungsprozessen rechtsradikaler Politik in den Fokus - sowohl im Hinblick auf die Normalisierung rechtsradikaler Politik durch andere Akteur: innen als auch im Hinblick auf aktive Normalisierungsstrategien rechtsradikaler Parteien selbst. Die unterschiedlichen Ausprägungen, Strategien und Entwicklungen rechtsradikaler Politik in Europa vertiefen wir in den folgenden Teilen dieses Buches. <?page no="61"?> Teil 2 Themen und Strategien <?page no="63"?> 6 Nativismus In Kapitel 2 haben wir bereits die Grundelemente rechtsradikaler Ideologie identifiziert. Wir haben festgestellt, dass der Kern des Rechtsradikalismus der Nativismus ist - das heißt ein Gegenentwurf zu den pluralistischen Werten der Demokratie, der auf Nationalismus und Ausgrenzungsnarrativen gegen konstruierte „nicht-einheimische Andere“ basiert. In diesem Kapitel vertiefen wir die vergleichende Analyse der nativistischen Kernideologie des Rechtsradikalismus und beobachten, wie der Nativismus in der politischen Praxis eingesetzt wird. Mit anderen Worten konzentrieren wir uns in diesem Kapitel auf die programmatischen Strategien rechtsradikaler Parteien. Zunächst analysieren wir, wie der Nativismus mit kulturellen und ökonomischen Konfliktdimensionen verknüpft wird. Dabei gehen wir auf die Positionen ( position-taking ) und Salienz ( salience ) oder Betonung von Themen ( issues ) auf diesen zwei Konfliktdimensionen ein. Anschließend betrachten wir unterschiedliche argumentative Narrative ( framing ). Dabei berücksichtigen wir verschiedene strategische Varianten rechtsradikaler Politik, wie zum Beispiel Versuche, progressive Werte wie Gleichberechtigung, Säkularismus oder Selbstbestimmung zu besetzen und in nativistische Argumente umzudeuten. Ein wichtiger Hinweis an dieser Stelle: Gerade in diesem Kapitel kann es nicht gänzlich vermieden werden, zum Zwecke wissenschaftlicher Analyse und Dekonstruktion rassistische und weitere ausgrenzende und abwertende Narrative rechtsradikaler Akteur: innen zu benennen. Leser: innen können bei Bedarf direkt zur Zusammenfassung im Abschnitt 6.4 wechseln. 6.1 Positionen und Salienz Bevor wir uns konkret der Frage zuwenden, wie rechtsradikale Parteien ihre Ideologie in der Praxis einsetzen, lohnt sich ein allgemeiner, kursorischer Blick auf die verschiedenen Aspekte programmatischer Strategien. Akteur: innen setzen programmatische Strategien im politischen Prozess ein, um ihre ideologischen oder weiteren Ziele zu realisieren. Dabei unterscheiden wir zwischen drei Aspekten:  Positionierung ( position-taking ),  Betonung / Schwerpunktsetzung ( salience ) und  rhetorische Mobilisierungsnarrative ( framing ) (Grande & Hutter 2016). <?page no="64"?> 64 6 Nativismus Es ist weitgehend selbsterklärend, dass Parteien erstens Position zu verschiedenen politischen Themen ( issues ) beziehen. Zweitens betonen sie dabei allerdings bestimmte Themen stärker als andere. Politische Akteur: innen können beispielsweise nur ein einzelnes Thema (bspw. Steuerpolitik, Umweltschutz, EU-Integration) oder eine Themendimension (kulturelle und/ oder ökonomische Themen) hervorheben oder ihr ideologisches Angebot auf viele verschiedene Themen auszuweiten. Auf wie viele und welche Themen sich Parteien konzentrieren, kann von strategischen Überlegungen abhängen, wie etwa die Fokussierung auf die Etablierung und Vermittlung eigener Kernideologie, die Bereitschaft auf externe Entwicklungen oder Strategien anderer Parteien zu reagieren, die Schwerpunktsetzung auf Mobilisierung eigener Kernwählerschaft und/ oder breiteren Wähler: innengruppen setzen usw., oder aber das Ziel, die politische Themensetzung ( agenda-setting ) und Policies ( policy-making ) aktiv zu beeinflussen. Insbesondere rechtsradikale Parteien versuchen jedoch nicht einfach nur, die politische Agenda mit ihren Themen zu besetzen. Sie streben auch eine breitere Etablierung ihrer nativistischen Ideologie als dominante Interpretation der gesellschaftspolitischen Grundordnung an (Minkenberg 2001). Aus der Forschung zu sozialen Bewegungen wissen wir, dass dabei insbesondere Frames , also die rhetorischen Mobilisierungsnarrative hinter den jeweiligen Themen eine wesentliche Rolle spielen (Benford & Snow 2000; Pytlas 2019; Zald 1996). Durch eine bestimmte „Einrahmung“ ( Framing ) eines Themas, also durch eine rhetorische Betonung bestimmter Interpretationen bei gleichzeitigem Ausblenden anderer Aspekte, suggerieren diese Narrative, was bei dem artikulierten Issue auf dem Spiel steht (Gamson 2004; vgl. Pytlas 2019). Mit anderen Worten bieten diese Narrative rhetorische Erklärungen und Schuldzuweisungen für behauptete Probleme, rechtfertigen wie diese zu beheben sind, und liefern mobilisierende Begründungen für die Notwendigkeit politischen Handelns (Benford & Snow 2000). In diesem Unterkapitel betrachten wir zunächst, wo rechtsradikale Parteien im politischen Raum verortet sind. Dafür nutzen wir Daten aus der Chapel Hill Expert Survey (CHES, Bakker et al. 2020). Neben der ökonomischen Konfliktdimension berücksichtigt die CHES die zweite, soziokulturelle Konfliktlinie. Auf dieser Dimension können Parteien auf einer 11- Punkte-Skala zwischen den beiden Polen verortet werden: „GAL“ (Grün/ Alternativ/ Libertär) und TAN (Traditionalistisch/ Autoritär/ Nationalistisch). Abbildung 6.1 zeigt zunächst die Betonung (Salienz) kultureller und ökonomischer Themen durch rechtsradikale Parteien 2017. Es zeigt sich, dass <?page no="65"?> 6.1 Positionen und Salienz 65 rechtsradikale Parteien vor allem die soziokulturelle Konfliktdimension betonen. Tatsächlich ist rechtsradikale Politik eine der relevanten Triebkräfte hinter der Aktivierung und Polarisierung kultureller Konflikte (Grande et al. 2019; Grande & Hutter 2016). So gehört die nativistische Politisierung von Themen wie Einwanderungs-, Integrations-, Minderheiten- und Diversitätspolitik, die an vorgestellte Träger kollektiver Identitäten wie Geschichte, Sprache, Religion oder gesellschaftliche Werte und Normen anknüpft, zum Kern rechtsradikaler Politik (Minkenberg 2001; Mudde 2007). Quelle: Chapel Hill Expert Survey (Bakker et al. 2020). Abbildung 6.1: Salienz von kulturellen und ökonomischen Themen für rechtsradikale Parteien, 2017. Gleichzeitig legen die meisten rechtsradikalen Parteien vergleichsweise weniger Schwerpunkt auf sozioökonomische Themen. Auch wenn einzelne Parteien, wie bspw. die radikalisierten PiS und Fidesz wirtschaftliche Konflikte stärker betonen, bleiben sie im europäischen Vergleich eher die Ausnahme. Während die durchschnittliche Salienz soziokultureller Themen für rechtsradikale Parteien im Jahr 2017 bei 7.97 lag, bewegte sich die Salienz der sozioökonomischen Konfliktdimension mit 4.8 im mittleren Bereich der Skala. Hinsichtlich der Positionierung rechtsradikaler Parteien auf den beiden Konfliktdimensionen zeigt sich, dass jene erwartungsgemäß am TAN-Pol der soziokulturellen Dimension zu finden sind (Abbildung 6.2). Sie vertreten also stark nationalistische, autoritäre und traditionalistische kultu- <?page no="66"?> 66 6 Nativismus relle Positionen. Auf der ökonomischen Dimension sind diese Parteien dagegen wesentlich breiter über die gesamte Skala verteilt. Insbesondere Parteien in Mittel- und Osteuropa wie Ataka in Bulgarien oder die SaPD in Tschechien vertreten stärker redistributive Positionen. Eine Ausnahme bildet hier die radikal wirtschaftslibertäre Konfederacja in Polen. In Westeuropa vertraten rechtsradikale Parteien historisch eher wirtschaftsliberale Haltungen (Kitschelt & McGann 1995), haben sich aber spätestens Anfang der 2000er-Jahre hin zu weniger klaren, zentristischen Positionen hinbewegt (de Lange 2007). Quelle: Chapel Hill Expert Survey (Bakker et al. 2020). Abbildung 6.2: Kulturelle und ökonomische Positionen rechtsradikaler Parteien, 2017. Die Verschiebung und teilweise Verwischung von sozioökonomischen Positionen rechtsradikaler Parteien ist zum einen ein strategischer Versuch, unterschiedliche Gruppen nativistischer Wähler: innen zu mobilisieren (Halikiopoulou & Vlandas 2020; Rovny 2012). Zum anderen haben wirtschaftspolitische Themen bei rechtsradikalen Parteien eine Hilfsfunktion zu ihrer primären nativistischen Ideologie (Mudde 2007). Deutlich wird das durch wohlstands-chauvinistische Positionen, die eine Beschränkung wohlfahrtsstaatlicher Umverteilung auf bestimmte, als „einheimisch“ konstruierte Gesellschaftsgruppen fordern (Mudde 2007; Schumacher & van Kersbergen 2016). Wohlstands-chauvinistische Positionen werden häufig mit verschiedenen Abwertungsnarrativen (u.a. anti-osteuropäischer Rassismus oder Rassis- <?page no="67"?> 6.2 Narrative 67 mus gegen Rom: nja und Sinti: zze) nativistisch verknüpft (Mudde 2007; Pytlas 2015). Die Hierarchisierung in mehr und weniger „schutzwürdige“ ( deserving ) Gruppen sowie die starke Betonung von workfare -Policy resultiert in einer übergreifenden partikularistisch-autoritären Konzeption eines rechtsradikalen „Wohlfahrtsstaates“ (Busemeyer et al. 2022). 6.2 Narrative Anschließend diskutieren wir, wie rechtsradikale Politik rhetorische Narrative ( Frames ) als dritten Aspekt ihrer programmatischen Strategien zur Politisierung von Nativismus nutzt. Frames sind keine Ideologien an sich, sondern vielmehr eine rhetorische „Verpackung“ von Ideologien. Mit „rhetorisch“ meinen wir also nicht das Gegenteil von „ideologisch“. Vielmehr ermöglichen diese Narrative den rechtsradikalen Akteur: innen, ihre Kernideologie an gesellschaftspolitische Konfliktstrukturen, Werte und Normen sowie aktuelle gesellschaftspolitische Debatten anzupassen (Pytlas 2015; vgl. Snow et al. 1986; Minkenberg 1998). Gleichzeitig nutzen rechtsradikale Parteien Framing- Strategien bei ihren Versuchen, die politische Agenda so zu besetzen, dass aktuelle Debatten und Konflikte durch die Brille ihrer nativistischen Deutung interpretiert und schließlich dominiert werden (Rydgren 2003). Diese rhetorischen Argumentationen sind somit wichtige Bestandteile rechtsradikaler Anpassungs- und Normalisierungsstrategien (Froio 2018; Halikiopoulou et al. 2013; Lugosi 2018; Pytlas 2015, 2019). Durch die Fähigkeit, die breitere öffentliche Resonanz von programmatischen Inhalten zu stärken, spielen Framing -Strategien - zusammen mit Reaktionen anderer gesellschaftspolitischer Akteur: innen - in die Erhöhung der Salonfähigkeit rechtsradikaler Ideologie wesentlich mit hinein (vgl. Kap. 12). Rechtsradikale Politik kann so ihre Feindbilder adaptieren, um gesellschaftspolitische Debatten mit ihrer Ideologie zu beeinflussen und zu prägen. Hervorzuheben ist, dass Menschen als gefährliche „Andere“ konstruiert werden können, unabhängig davon, ob und wie lange sie Teil der jeweiligen (nationalen) Gemeinschaft sind. Um dem Vorwurf der pauschalen Ausgrenzung zu entgehen, bemühen rechtsradikale Akteur: innen in ihrer Rhetorik nicht selten vermeintliche Differenzierungen, z.B. zwischen „echten“ und „unechten“ Geflüchteten, „bedürftigen“ und „nichtbedürftigen“ Migrant: innen etc. In welche Kategorie eine Personengruppe eingeordnet wird, variiert jedoch je nach Instrumentalisierungsbedarf und kann beliebig angepasst werden. Wenn es sich als nützlich erweist, werden die „guten“ Migrant: innen in der Regel zügig wieder zu den „schlechten“. <?page no="68"?> 68 6 Nativismus Gleichzeitig schließt die rechtsradikale „Differenzierungsrhetorik" Pauschalisierungen nicht aus. Auch wenn einige rechtsradikale Akteur: innen rhetorisch zwischen „moderatem“ und „radikalem“ Islam unterscheiden, werden die als muslimisch gelesenen Menschen trotzdem unter Generalverdacht gestellt. Ein Beispiel für den taktischen Einsatz solcher rhetorischen Ambivalenzen ist der Wiener Wahlkampf der FPÖ 2020 (Die Presse 15.9.2020). Auf einem Wahlplakat werden unter stereotypen Bildern zwei Schlagworte gegenübergestellt: „unser daham“ und „radikaler Islam“. Zwar ist das Wort „radikal“ auf dem Plakat vorhanden. Durch seine vertikale Ausrichtung und die Platzierung in der Nähe des Buchstabens „I“ ist es jedoch - im Gegensatz zum Wort „Islam“ - nicht sofort erkennbar und leichter zu übersehen. Rechtsradikale Politik bedient sich daher zahlreicher - und rhetorisch wandlungsfähiger - Narrative der Ausgrenzung und Abwertung. Eine zentrale Rolle in der rechtsradikalen Ideologie spielt nach wie vor der Antisemitismus . Antisemitismus operiert entlang verschiedener rassistischer, kultureller, religiöser, ökonomischer oder synkretischer Abwertungsdiskurse und tritt in unterschiedlichen, „traditionellen“ oder „sekundären“ sowie in mehr oder weniger kodierten Formen auf (Wodak 2015, 2018). Zugleich wertet der Antisemitismus die Betroffenen nicht lediglich ab, sondern konstruiert jüdische Menschen auch als - kulturell, ökonomisch, politisch - einflussreich und übermächtig (Wodak 2018). Antisemitische Topoi zeichnen sich daher durch hohe Flexibilität aus und bilden nach wie vor die Grundlage vieler rechtsradikaler Krisennarrative und Verschwörungsmythen (wie etwa die Mythen eines „Judeo-Bolschewismus“ oder einer „Soros-Verschwörung“, Wodak 2018; Pytlas 2015; vgl. Kap. 9.2). Auch der biologistische Rassismus selber ist nicht aus dem politischen Repertoire nativistischer Politik verschwunden. So nutzte die ungarische Jobbik in ihrem Wahlkampf 2010 rassistische Aussagen, um Rom: nja und Sinti: zze eine Affinität zur Kriminalität zu unterstellen. Die niederländische FvD äußerte 2015 den Wunsch, „dass Europa dominant weiß und kulturell so bleibt, wie es ist“ (Mudde 2019, eigene Übersetzung). 2022 sprach Viktor Orbán in seiner jährlichen Rede auf der Fidesz-Sommer- Akademie im rumänischen Băile Tu ș nad von einer „Vermischung der europäischen Völker mit Menschen, die von außerhalb Europas ankommen“ und sagte: "Wir wollen keine Völker einer gemischten Rasse werden“ (Political Capital Institute 10.8.2022, eigene Übersetzung). Die oben genannten Äußerungen sind in ihren jeweiligen Kontexten auf starke öffentliche Kritik und Ablehnung gestoßen. Gleichzeitig ist sichtbar, dass rechtsradikale Akteur: innen immer wieder versuchen, biologistischen Rassismus im politischen Diskurs salonfähiger zu machen, bei- <?page no="69"?> 6.2 Narrative 69 spielsweise durch die Verknüpfung mit kulturalistischen Narrativen. So versuchte Viktor Orbán angesichts der breiten öffentlichen Kritik an seiner Rede, seine Aussagen nicht als biologischen, sondern stattdessen als „kulturellen, zivilisatorischen Standpunkt“ zu rechtfertigen (Berliner Morgenpost 28.7.2022; vgl. Fazekas 28.7.2022). Ungarische Kommentator: innen wiesen darauf hin, dass Orbán seiner Ausrede selber widerspreche, da er bereits in seiner Băile Tu ș nad-Rede 2017 eine „stabile ethnische Zusammensetzung“ eines Landes als unabdingbar für das Vorhandensein und die Bewahrung seiner „kultureller Identität“ beschrieb und beide Begriffe gleichsetzte (Political Capital 10.8.2022). Kulturalistische Narrative, flankiert von Wohlstands-Chauvinismus und Anti-Establishment-Rhetorik, bilden seit den 1980er-Jahren einen sogenannten Master-Frame rechtsradikaler Politik (Rydgren 2004, 2005). Eine ethnisierte und rassifizierende Deutung kultureller Identitätsmerkmale wie „Werte“, „Religion“ oder „Traditionen“ wurde stellvertretend für einen offen biologistischen Rassismus zum strategischen Kernvokabular der bereits erwähnten Neuen Rechten (vgl. Kapitel 2, 3). Die Neue Rechte bedient sich dabei des Begriffes von „Ethno-Differentialismus“. Einige, darunter auch deutsche neurechte Akteur: innen betitelten diese Idee als „Ethnopluralismus“. In der Forschung wird dieser auch als „Neo-Rassismus“ oder „Kulturrassismus“ beschrieben (Bar-On 2001; Froio 2018; Minkenberg 1998; Spektorowski 2003). Durch die nativistische Umkehrung der in den 1960ern formulierten pluralistischen Idee von „Recht auf Differenz“ kultureller Identifikation beschwört der „Ethno-Differentialismus“ eine „Völkervielfalt“ - allerdings im separatistischen Sinne einer strikten Trennung von Menschen anhand ethno-kultureller Zuschreibungen (vgl. Minkenberg 1998, 2000). Der „Ethnodifferentialismus“ betrachtet „Kulturen“ als essentialistisch, homogen sowie zeitlich und räumlich fixiert, und sieht kulturelle Unterschiede als fundamental unvereinbar an. Folglich wird kollektive Identität als ein dichotomes „Nullsummenspiel“ verstanden: das „Mehr“ an „anderer“ kultureller Identität bedeute automatisch ein „Weniger“ der „eigenen“. Aus diesem Kulturessentialismus ergibt sich wiederum die nativistische Forderung nach der Notwendigkeit der Verteidigung einer mythisierten - da nie tatsächlich vorhandenen - Homogenität der „einheimischen“ Religion, Kultur, Nation oder „Zivilisation“ gegen ihre vermeintliche Bedrohung durch „Andere“. Auch in dieser Hinsicht werden die nativistischen Bedrohungsszenarien entlang verschiedener Feindbilder konstruiert. Damit werden Menschen und Gruppen, die nicht in das rechtsradikale Gesellschaftsbild passen, als „nicht national“ markiert und aus der („wahren“) Nation ausgegrenzt. In Westeuropa (WE) wurden diese in den letzten Dekaden vor allem mit den <?page no="70"?> 70 6 Nativismus Themen von Immigration, Integration und Islam verknüpft. Anti-muslimische Narrative sind nicht neu, wurden aber insbesondere in den letzten zwei Dekaden durch rechtsradikale Parteien zunehmend instrumentalisiert und gelangten zunehmend in den gesellschaftspolitischen Mainstream (Kallis 2018; Öztürk & Pickel 2019, 2021). Der Mythos einer vermeintlichen „Islamisierung“ avancierte so zu einem übergreifenden rechtsradikalen Schlüsselnarrativ einer angeblichen Bedrohung „christlicher“ Werte, „traditioneller“ Kultur, innerer Sicherheit etc. (Kallis 2018; Öztürk & Pickel 2019, 2021). In Mittel- und Osteuropa (MOE) gewannen diese Themen mit der Instrumentalisierung der humanitären Krise vor allem ab 2015 flächendeckend an Bedeutung (Mudde 2017). Die Themen von Migration und Islam erweiterten das Repertoire rechtsradikaler Politik, die bisweilen unter anderem, je nach Taktik, auf Antisemitismus, Rassismus gegen Rom: nja und Sinti: zze sowie Ausgrenzung ethnischer und sexueller Minderheiten basierte (Pytlas 2015). Auch die ungarische Jobbik, die als seltener europäischer Ausnahmefall bedingt durch ihren Antisemitismus und völkischen Turanismus bis 2015 eine islamfreundliche Position vertrat, fokussierte ab dem Zeitpunkt stärker auf migrationsfeindliche und anti-muslimische Narrative (Pap & Glied 2018). Bis zu diesem Zeitpunkt hatte jedoch bereits die nominell konservative Fidesz - auch im supranationalen Kontext - die dominante Rolle als Vorreiterin dieser Positionen eingenommen (Pytlas 2019). Nativistische Narrative können somit flexibel eingesetzt werden, um Personen und Gruppen, die nicht in das nativistische Gesellschaftsbild passen, als „nicht national“ zu markieren und aus der („wahren“) Nation auszugrenzen. Antifeministische, „anti-gender“ und LSBTIQ+feindliche rechtsradikale Diskurse gehören nicht nur in MOE, sondern auch in WE zum Kernrepertoire rechtsradikaler Politik (Bernardez-Rodal et al. 2022; Köttig et al. 2017; Norocel 2023; Paternotte & Kuhar 2018; Pytlas 2015). Frauen und eine heteronormative Familie werden dabei auf die biologische und kulturelle Bewahrung des „Nationalen“ vor dem vermeintlichen Untergang verpflichtet (Mulinari & Neergaard 2017; Towns et al. 2014). LSBTIQ+-Personen oder Menschen, die sich für gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe einsetzen, können dabei nativistisch ausgegrenzt werden, auch wenn sie nicht gleichzeitig außerhalb der nativistischen Nation gestellt werden. Zusätzlich zu direkten abwertenden Zuschreibungen werden diese Gruppen oft verschwörungsmythisch dämonisiert und als Vertreter: innen „nicht-einheimischer“ oder anti-nationalen Ideen (wie „Gender-Ideologie“, „Kulturmarxismus“, „ Islamo-Gauchisme “) dargestellt, die das Fortbestehen der („wahren“) Nation gefährden. So erklärte Jarosław Kaczyński (PiS) angesichts der zivilgesellschaftlichen <?page no="71"?> 6.2 Narrative 71 Proteste gegen ein de facto -Abtreibungsverbot 2020: „[Der Protest] ist ein Angriff, der Polen zerstören soll. Er zielt darauf ab, den Triumph von Kräften herbeizuführen, deren Herrschaft im Wesentlichen die Geschichte der polnischen Nation, wie wir sie bisher wahrgenommen haben, beenden wird“ (Onet.pl 27.10.2020, eigene Übersetzung). Anhand der bisher beschriebenen Narrative richten sich rechtsradikale Akteur: innen explizit gegen die pluralistischen Werte der Demokratie. Allerdings versuchen verschiedene rechtsradikale Parteien in Europa zunehmend, den Nativismus nicht als Ablehnung, sondern als Verteidigung (nativistisch ausgelegter) liberaler Werte zu rechtfertigen. Mit anderen Worten können rechtsradikale Akteur: innen nativistische Politik nicht nur als explizit inkompatibel mit pluralistisch-liberalen Ideen artikulieren, sondern sie auch taktisch als notwendig für ihre „wahre“ praktische Umsetzung normalisieren. Nativistische politische Akteur: innen können den Nativismus rhetorisch nicht als Ablehnung, sondern als fundamentale Verteidigung von Werten wie Fortschritt, Toleranz, Gleichberechtigung, sexuelle Selbstbestimmung oder Säkularismus artikulieren (Akkerman 2005; Brubaker 2017; Froio 2018; Halikiopoulou et al. 2013; Moffitt 2017; Mondon & Winter 2020; Pytlas 2021c). Die von der LPF und der PVV in den Niederlanden popularisierte nativistische Umdeutung liberaler und progressiver Werte erwies sich als besonders anschlussfähig an die gesellschaftspolitische Mitte und wurde als Normalisierungsstrategie von vielen rechtsradikale Parteien übernommen, darunter VB in Belgien, die SD in Schweden als auch den Front National in Frankreich unter Marine Le Pen (Akkerman 2008; Moffitt 2017; Froio 2018). Diese Strategie, die in der Forschung als „liberaler Illiberalismus“ (Moffitt 2017), „ethnokratischer Liberalismus“ (Akkerman 2008) oder „liberaler Rassismus“ (Mondon & Winter 2020) bezeichnet wird, bleibt nativistisch und exklusionär. Liberale und progressive Werte werden als ausschließliche Eigenschaften der homogenen (daher vermeintlich unmöglich rassistischen, LSBTIQ+feindlichen oder frauenfeindlichen) „eigenen“ Gruppe interpretiert. Diejenigen, die als „nicht-einheimisch“ konstruiert werden, werden wiederum als diejenigen ausgegrenzt, die diese Ideen nicht verinnerlichen können oder möchten oder ihnen sogar aktiv feindlich gegenüberstehen. Rassismen und weitere Diskriminierungen werden somit nativistisch „externalisiert“ (Mondon & Winter 2020). Rechtsradikale Narrative, die sich gegen gesellschaftliche Gleichberechtigung und Pluralismus richten, bleiben jedoch weitgehend bestehen und werden oft parallel zu der Instrumentalisierung von progressiven Werten artikuliert (Towns et al. 2014; Mulinari & Neergaard 2017). Die beiden Diskurse erscheinen widersprüchlich und paradox, können aber in der <?page no="72"?> 72 6 Nativismus rechtsradikalen Rhetorik gleichzeitig eingesetzt werden, um sich gegenseitig zu befördern. Diese Verschränkungen zeigen auch, dass es in der „liberal“-nativistischen Rhetorik nicht wirklich um Gleichberechtigung oder Selbstbestimmung an sich geht. Gleichberechtigung, Toleranz usw. werden als bereits erreichte und abgeschlossene Errungenschaften konstruiert, die der eigenen homogenen Gemeinschaft als „natürliche“ Eigenschaften innewohnen. Folglich werden gesellschaftspolitische Forderungen zur Überwindung noch bestehender struktureller Ungleichheiten und diskriminierender Praktiken als ideologische „Zwangsmaßnahmen“ oder „Gesellschaftsexperimente“ von „Eliten“ diffamiert (Moffitt 2017). Anti- Gender-Narrative können also sowohl in Verbindung mit traditionalistischen als auch mit vermeintlich „liberalen“ Positionen artikuliert werden (Moffitt 2017). 6.3 Zusammenfassung In diesem Kapitel haben wir gesehen, wie rechtsradikale Parteien ihre nativistische Kernideologie in der politischen Praxis umsetzen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass rechtsradikale Politik primär soziokulturelle Konflikte besetzt und konstruiert. Sozioökonomische Fragen sind dagegen eher ein sekundäres Themenfeld des Rechtsradikalismus (Mudde 2007). Dies bedeutet natürlich nicht, dass ökonomische Themen für rechtsradikale Akteur: innen irrelevant sind (Halikiopoulou & Vlandas 2020). „Sekundär“ bedeutet hier jedoch, dass wirtschaftliche Themen als Hilfsnarrative zur Verstärkung der primären nativistischen Ideologie genutzt werden. Die nativistische Interpretation wirtschaftlicher Themen (bspw. Wohlstands-Chauvinismus) und die Verwischung ökonomischer Positionen spielen dabei in die Strategien rechtsradikaler Parteien hinein (Busemeyer et al. 2022; Halikiopoulou & Vlandas 2020; Norocel 2016; Rovny 2012). Wir haben auch gesehen, dass rechtsradikale Politik ihre Rhetorik flexibel anpassen kann, um gesellschaftspolitische Debatten mit ihrer Ideologie zu prägen. Den Kern dieser verschiedenen und wandlungsfähigen rhetorischen Strategien bilden aber nach wie vor nativistische Narrative der Ausgrenzung und Abwertung. Gegenwärtig kombiniert rechtsradikale Politik primär kulturalistischen Nativismus mit Wohlstands-Chauvinismus und Anti-Establishment-Rhetorik (Rydgren 2003). Es ist aber wichtig zu betonen, dass biologistischer Rassismus und Antisemitismus aus dem politischen Repertoire nativistischer Politik nicht verschwunden sind <?page no="73"?> 6.3 Zusammenfassung 73 (Wodak 2018; Mondon & Winter 2020). Einige rechtsradikale Akteur: innen versuchen nach wie vor, diese Abwertungsnarrative im politischen Diskurs salonfähiger zu machen. Auch antifeministische, „anti-gender“ und LSBTIQ+feindliche Diskurse gehören europaweit nach wie vor zum Kernrepertoire rechtsradikaler Politik (Bernardez-Rodal et al. 2022; Köttig et al. 2017; Norocel 2023; Paternotte & Kuhar 2018; Pytlas 2015). Neben Narrativen, die sich explizit gegen die pluralistischen Werte der Demokratie richten, versuchen mehrere rechtsradikale Parteien in Europa zunehmend, den Nativismus als angebliche Verteidigung liberaler und progressiver Werte wie Gleichberechtigung, Toleranz, Meinungsfreiheit, Selbstbestimmung oder Säkularismus zu rechtfertigen (Halikiopoulou et al. 2013; Brubaker 2017; Froio 2018; Mondon & Winter 2020; Pytlas 2021c). Diese Strategie bleibt allerdings nativistisch und exklusionär. Liberal-progressive Werte werden hier vielmehr ausgehöhlt, als nativistische Argumente instrumentalisiert und als Hilfsnarrativ zur Ausgrenzung von den als „nicht-einheimisch“ konstruierten Gruppen eingesetzt. Trotz dieser strategischen Anpassungen bleibt nativistische Politik somit nach wie vor ein ideologischer Gegenentwurf zu den pluralistischen Grundwerten der Demokratie. <?page no="75"?> 7 Anti-Establishment-Politik In Kapitel 2 haben wir bereits die Grundzüge der Anti-Establishment-Politik skizziert. Anti-Establishment-Politik, stellten wir fest, ist zugleich immer Konter-Establishment-Politik. Sie konstruiert implizite oder explizite Vorstellungen einer idealisierten „guten repräsentativen Politik“ und „echter“ (vermeintlich volksnaher, engagierter, ehrlicher, kompetenter etc.) Eliten (vgl. Schedler 1996; Pytlas 2023). In diesem Kapitel stellen wir die verschiedenen „dünnen Ideen“ repräsentativer Politik vertieft vor. Wir beschränken uns dabei nicht nur auf populistische Idee eines „allgemeinen Volkswillens“, sondern auch auf Beschwörungen technokratischer Expertise und eines explizit „politischen Willens“ und Berufung. In einem zweiten Schritt werten wir diese Beobachtungen im breiteren Vergleich rechtsradikaler Parteien in verschiedenen Regionen Europas aus. Wir werden feststellen, dass rechtsradikale Parteien nicht alle ausschließlich populistisch agieren, sondern auch andere „dünne“ Ideen, insbesondere die einer außerordentlichen politischen Berufung, artikulieren können. So fordern rechtsradikale Parteien zumeist nicht die Abschaffung von Eliten-Politik an sich, sondern vielmehr die Ersetzung der gegenwärtigen Eliten durch vermeintlich „echte“ Eliten - die sie entlang ihrer „dünnen“ Ideen und ihrer nativistischen Kernideologie definieren. Abschließend diskutieren wir die Funktionen dieser „dünnen“ Ideen für rechtsradikale Politik. Populismus und weitere Ideen repräsentativer Politik spielen für den Rechtsradikalismus zwar eine „sekundäre“, aber durchaus wichtige Rolle. Denn die Darstellung nativistischer Ideen, als das, „was das Volk will“, als „echte Demokratie“ oder als vermeintlich objektive „vernünftige“ Politik ist ein relevanter Bestandteil von Strategien der Entideologisierung, Selbstverharmlosung und schlussendlich Normalisierung rechtsradikaler Politik. 7.1 Ideen repräsentativer Politik Wie die Abbildung 7.1 zeigt, funktioniert Anti-Establishment-Politik in einem Dreieck (Schedler 1996; Pytlas 2023). Sie verknüpft einen konstruierten repräsentativen Konflikt zwischen „dem guten Volk“ und „der bösen (gegenwärtigen) Elite“ mit verschiedenen „dünnen“ Ideen, das heißt mit Aussagen darüber, wie „gute“ Politik und „echte politische Eliten“ stattdessen sein und funktionieren sollten (Pytlas 2023; vgl. Barr 2009; Poguntke & Scarrow 1996). <?page no="76"?> 76 7 Anti-Establishment-Politik Quelle: Pytlas 4.4.2023; basierend auf Literaturdiskussion in Pytlas 2023. Abbildung 7.1: Das Anti-Establishment-Dreieck Das Anti-Establishment-Dreieck lässt sich gut am klassischen Wahlslogan der FPÖ wiedererkennen: „Sie sind gegen ihn. Weil er für euch ist“. Der Slogan wurde erstmals von Jörg Haider im Wahlkampf 1994 verwendet - damals noch mit dem Zusatz „Einfach ehrlich. Einfach Jörg“. In dem Slogan wird der repräsentative Konflikt zwischen „den guten Menschen“ und „der bösen Elite“ nicht als direkte Konfliktlinie dargestellt. Dazwischen steht in dieser Dreieckskonstruktion der politische Kandidat, der nicht explizit als Teil „des Volkes“, sondern als Repräsentant einer „echten“ (ehrlichen, zugänglichen, volkszentrierten) politischen Elite dargestellt wird. Das Anti-Establishment-Dreieck lässt sich auch am Beispiel der bereits im Kapitel 2 genannten Definition von Populismus gut erkennen. Zur Erinnerung: Wir verstehen Populismus als eine „dünne Ideologie“, die die Gesellschaft in zwei homogene, antagonistische Gruppen teilt: das „reine Volk“ und die „korrupte Elite“, und die fordert, dass die Politik einen monistischen „allgemeinen Volkswillen“ ( volonté générale ) ausdrücken soll (Mudde 2004; vgl. Canovan 2002). In dieser Definition ist zunächst die repräsentative Konfliktkonstruktion zwischen dem „reinen Volk“ und der „korrupten Elite“ sichtbar. Anti-Establishment-Rhetorik und volkszentrierte (auch wenn pauschale) Forderungen, Politik „für die Menschen“ oder „für die Bürger: innen und Bür- <?page no="77"?> 7.1 Ideen repräsentativer Politik 77 ger“ zu machen, reichen aber nicht aus, um Populismus eindeutig zu erkennen. Erstens verschwimmt hier die Grenze zu einer nicht-populistischen, an das Versprechen eines Allgemeinwohls orientierten repräsentativen Politik (March 2017). Zweitens lässt sich die repräsentative Konfliktlinie, wie wir gleich sehen werden, rhetorisch auch mit anderen dünnen Ideen verknüpfen. Diese Ideen liefern unterschiedliche Antworten auf die Frage, wie eine solche „volkszentrierte“ Politik genau realisiert werden soll - ob durch die absolute politische Umsetzung eines populistischen „allgemeinen Volkswillens“ oder durch andere, explizit elitistische Forderungen. Was den Populismus also letztendlich ausmacht, ist der Bezug auf den monistischen volonté générale . Dem Populismus zufolge soll Politik nicht einfach „für die Menschen“ und gegen „die Mächtigen“ gemacht werden. Das Spezifische am Populismus ist die Behauptung, dass diese „menschennahe“ Politik nur realisiert werden könne, wenn politische Akteur: innen grundsätzlich daran gebunden sind, was ein homogenes „Volk“ denke und wolle (Pytlas 2023). Populistische Parteien behaupten dementsprechend, dass nur sie „gute Politik“ realisieren können, weil nur sie „das Volk“ mit seinen vermeintlich homogenen Interessen verkörpern (Mudde 2004; Müller 2016). Es ist die Forderung nach der absoluten politischen Umsetzung eines mythisierten, monistischen „Volkswillen“, die den Populismus als eine „dünne“ Idee repräsentativer Politik ausmacht (Mudde 2004; March 2017; Engler et al 2019). Die Diskussion macht bereits deutlich, dass der Populismus zwar eine häufige, aber nicht die einzige „dünne“ Idee ist, die mit dem repräsentativen Konflikt verknüpft werden kann. Zwei weitere Ideen, die „echte Eliten“ und „gute Politik“ versprechen, beruhen auf elitistischen Narrativen von technokratischer Expertise sowie von der außerordentlichen politischen Berufung (Pytlas 2023).  Technokratische Anti-Establishment-Politik wendet sich gegen „die politische Elite“, indem sie argumentiert, dass die Verwirklichung eines einheitlichen gesellschaftlichen „Allgemeininteresses“ nur durch vermeintlich objektive, nicht-politische Expertise möglich sei (Caramani 2017; Lavezzolo et al. 2021). Das beste Beispiel für diese Rhetorik kommt vom tschechischen Geschäftsmann und ehemaligen Ministerpräsidenten Andrej Babiš, der 2013 sagte, dass die Tschechische Republik zum Wohle ihrer „Stakeholder“ wie ein Unternehmen geführt werden müsse (Engler et al. 2019; Buštíková & Guasti 2019; Havlík 2019; Pytlas 2023). Technokratie basiert also erstens nicht auf dem Willen und Wissen „der (einfachen) Menschen“ an sich, sondern nimmt eine elitistische Position ein, indem sie sich auf „außerordentliche“ Expertise beruft. Zweitens - und dies ist spezifisch für die technokrati- <?page no="78"?> 78 7 Anti-Establishment-Politik sche Rhetorik - ist diese „gute“ Expertise immer außerpolitischen Ursprungs. Zwar kann diese Expertise auch politisch genutzt werden. Die Expertise und Erfahrungen selbst werden jedoch als außerhalb der politischen Betätigungssphäre liegend oder erlernt angesehen (vgl. Lavezzolo et al., 2021; Bertsou & Caramani 2020; Pytlas 2023).  Die dritte “dünne” Anti-Establishment-Idee basiert auf Beschwörungen einer außergewöhnlichen politischen Berufung (Pytlas 2023). Der Begriff knüpft an die Diskussion eines Ideals der „politischen Berufung“ als Quelle „guter“ repräsentativer Politik (Weber [1919] 2018). In der gegenwärtigen Politik knüpfen Narrative politischer Berufung erstens an Eigenschaften an, die als imaginiertes Ideal „guter“ repräsentativer Politik gelten wie Charisma, Kompetenz, Ehrlichkeit, Authentizität, Entschlossenheit, Effizienz, Einsatz für die politische Sache usw. (Aaldering & Vliegenthart 2016; Valgarðsson et al. 2020). Zweitens versprechen Narrative der politischen Berufung die Wiederbelebung einer (angeblich verloren gegangenen) „wahren“ Art und Weise, konventionelle Politik zu betreiben (Pytlas 2023). In ihrer Anti-Establishment-Variante wird diese Idee also genutzt, um aktuelle „etablierte Politik“ anzufechten, indem dieses repräsentative Ideal als grundlegend verschieden vom Stil der aktuellen „etablierten Politik“ dargestellt wird. Anti-Establishment-Parteien können zum Beispiel versprechen, „Berufspolitiker: innen“ durch solche zu ersetzen, die „für“ und nicht „von“ der Politik leben. Sie können behaupten, Parteien, die von reinen Wahlinteressen geleitet sind, durch die einzige Partei zu ersetzen, die den politischen Willen zum notwendigen Handeln besitze; die einzige, die „unbestechliche“ Politiker: innen zusammenbringt; oder die einzige, die in der Lage sei, politisches „Chaos“ durch „entschlossene“ und „starke“ Politik zu beenden. Insbesondere die letztgenannte Darstellung nativistischer Forderungen als eine angeblich aufgegebene „entschlossene“, „klare“ oder „starke“ Politik ist eine häufige Strategie rechtsradikaler Parteien (vgl. Pytlas 2023). Wie sich zeigt, rekurrieren Narrative politischer Berufung nicht auf den Willen „des (einfachen) Volkes“, sondern auf besondere Kompetenzen und Fertigkeiten, und unterscheiden sich durch diesen elitistischen Charakter konzeptuell von Populismus. Durch die explizite Darstellung dieser Eigenschaften als Ideal konventioneller repräsentativer Politik unterscheiden sie sich auch von technokratischen Ideen, die Expertise von „echter Eliten“ explizit jenseits der politischen Sphäre verorten. <?page no="79"?> 7.2 Anti-Establishment-Politik im Vergleich 79 7.2 Anti-Establishment-Politik im Vergleich Die konzeptuelle idealtypische Klarheit erleichtert zugleich die empirische Beobachtung, wie und in welchem Ausmaß diese drei Ideen in der politischen Praxis genutzt und kombiniert werden können (Pytlas 2023). Neuere vergleichende Analysen von Wahlkampagnen verschiedener radikaler Parteien zeigen dabei, erstens, dass nicht alle rechtsradikale Parteien stark populistisch sind (Pytlas 2023; Engler et al. 2019; vgl. auch Zulianello et al. 2018). Zweitens zeigt sich, dass Populismus für rechtsradikale Parteien im Durchschnitt nicht die primäre „dünne“ Mobilisierungsstrategie ist. Stattdessen oder darüber hinaus nutzen rechtsradikale Parteien häufiger elitistische Appelle an eine außergewöhnliche politische Berufung (Pytlas 2023). Im Folgenden knüpfen wir an diese Analyse an und vergleichen rechtsradikale Parteien in Westsowie Mittel- und Osteuropa. Dazu verwenden wir den TAESD-Datensatz (Pytlas 2022c). Der TAESD umfasst Daten zur Parteienrhetorik in 142 Wahlkämpfen in acht europäischen Ländern (Österreich, Tschechien, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Slowakei, Spanien 2010-2019. Quelle: Thin Anti-Establishment Supply Dataset (Pytlas 2022c). Die Kasten zeigen, in welchem Bereich die meisten Werte liegen. Die Punkte innerhalb der Boxen geben den Median an, also den Wert, der genau in der Mitte der Daten liegt. Abbildung 7.2: Populismus und Rhetorik der politischen Berufung in Wahlkämpfen rechtsradikaler Parteien nach Region, 2010-2019. In Abbildung 7.2 sehen wir den Anteil verschiedener Narrativtypen in den Wahlkämpfen rechtsradikaler Parteien in sozialen Medien 2010-2019 <?page no="80"?> 80 7 Anti-Establishment-Politik im Vergleich zwischen Westeuropa (WE) und Mittel- und Osteuropa (MOE). Zunächst fällt auf, dass rechtsradikale Parteien in beiden Regionen von allen erfassten „dünnen“ Narrativen im Durchschnitt am stärksten auf Anti-Establishment- und Volkszentriertheit-Rhetorik zurückgriffen. Rechtsradikale Parteien in MOE politisierten dabei den repräsentativen Konflikt zwischen „Volk“ und „Elite“ noch stärker als ihre westeuropäischen Pendants. Die ursprüngliche Analyse zeigt darüber hinaus, dass die Anti-Establishment-Rhetorik für konventionelle Parteien von marginaler Bedeutung blieb, was weniger überraschend ist. Allerdings nutzten auch die etablierten Parteien in diesem Zeitraum im Durchschnitt sichtbar (und zunehmend) die homogene Rhetorik von „den Menschen“ oder „dem Volk“ (Pytlas 2023). Interessanterweise zeigt sich auch im regionalen Vergleich heraus, dass nicht alle rechtsradikale Parteien stark populistisch sind. Im Vergleich zu konventionellen Parteien sind rechtsradikale Parteien natürlich deutlich populistischer (Pytlas 2023). In beiden Regionen variiert der Einsatz populistischer Appelle an den volonté générale innerhalb der rechtsradikalen Parteienfamilie jedoch erheblich. Einige rechtsradikale Parteien waren in ihren Wahlkämpfen überdurchschnittlich populistisch. Dies betrifft z.B. die FPÖ in den Jahren 2017 und 2019 (nicht aber 2013), oder den französischen Front National 2017 und die AfD im Jahr 2017 (nicht aber 2013). Ein deutliches Beispiel sind auch die tschechischen rechtsradikalen Parteien Úsvit und SaPD. Wie bereits im Kap. 4.4 beschrieben, präsentierten sich sowohl Úsvit als auch SaPD als Vorkämpfer der direkten Demokratie (Engler et al. 2019). Viele rechtsradikale Parteien nutzten den Populismus jedoch im weitaus geringeren Maße oder fast gar nicht. Dies betrifft Parteien wie Vox in Spanien, FdI in Italien, SNS in der Slowakei, Konfederacja und KorWiN in Polen sowie die AfD im Jahr 2017 (Pytlas 2022c). Dies zeigt, dass nicht alle rechtsradikale Parteien stark populistisch sind und dass dieser Trend sowohl in WE als auch in MOE zu beobachten ist. In Bezug auf direkte Demokratie fordern populistische rechtsradikale Parteien „direkte Demokratie“ in den meisten Fällen weniger im Sinne einer aktiven Partizipation der Bürger: innen bei der Einbringung von Gesetzesinitiativen, sondern vor allem als ein Kontrollinstrument gegen „repräsentative Eliten“. Beispielsweise ist eine der populistischen Kernforderungen von Úsvit sowie der SaPD die Abberufbarkeit von gewählten politischen Repräsentant: innen durch ein Referendum (Idnes.cz 18.8.2013). Diese Forderung ist ein gutes Beispiel für die populistische Forderung, Politik nicht an rechts- <?page no="81"?> 7.2 Anti-Establishment-Politik im Vergleich 81 staatliche Verfahren und Kontrollinstanzen zu binden, sondern stattdessen absolut an einen angeblich unfehlbaren „allgemeinen Volkswillen“. Grotz und Lewandowsky (2020) zeigten, dass auch die Wähler: innenschaft der AfD in Deutschland Referenden vor allem als Kontrolle der politischen Eliten und weniger als Instrumente partizipativer Gesetzgebungsinitiative befürworten. Empirische Studien kommen gleichzeitig zu unterschiedlichen Ergebnissen, was die eindeutige stärkere Befürwortung von Referenden und populistischen Einstellungen durch die Wähler: innen rechtsradikaler Parteien anbelangt (Bowler et al. 2017; Neuner & Wratil 2020; Pauwels 2014; Rojon & Rijken 2020; van Hauwaert & van Kessel 2018). Dies hängt einerseits damit zusammen, dass rechtsradikale Parteien unterschiedliche Gruppen nativistischer Wähler: innen mobilisieren können - unter anderem diejenigen mit mehr oder weniger populistischen Einstellungen (Lewandowsky 2022; Loew & Faas 2019; van Hauwaert & van Kessel 2018; vgl. Kap. 10). Zum anderen ist es naheliegend, dass viele rechtsradikale Parteien in ihren Wahlkampagnen neben dem Nativismus gar nicht primär den Populismus als zusätzliche Mobilisierungsrhetorik eingesetzt haben, sondern sich zu diesem Zweck anderer „dünner“ Ideen bedient haben. Damit sind wir bei der dritten wichtigen Erkenntnis angelangt. Im gesamteuropäischen Durschnitt war die primäre „dünne“ Idee, die die rechtsradikale Parteifamilie artikulierte, nicht der Populismus (im Durchschnitt 3,9 Prozent aller kodierten Aussagen, Median 3,1 Prozent), sondern - ebenfalls oder stattdessen - elitistische Narrative einer außerordentlichen politischen Berufung (im Durchschnitt 5,8 Prozent aller kodierten Aussagen, Median 5,7 Prozent) (Pytlas 2023). Rechtsradikale Parteien nutzten technokratische Appelle an nicht-politische Expertise kaum. Eine Ausnahme bildet hier nur die AfD in Deutschland 2013 (Pytlas 2023). Anders verhält es sich mit Narrativen der außergewöhnlichen politischen Berufung. Im regionalen Vergleich zeigt sich, dass dieser Trend vor allem in Westeuropa zu beobachten ist (Abbildung 7.2). Allerdings haben sich auch einzelne rechtsradikale Parteien in MOE in der zweiten Hälfte der 2010er-Jahre auf Narrative politischer Berufung konzentriert (Pytlas 2022c). Zu den Parteien, die diese Rhetorik überdurchschnittlich betonten, gehören die FPÖ, die AfD 2017, der FN 2017, die Lega Salvini 2018, Vox 2019 sowie Konfederacja und PiS in Polen 2019. In einer gesamteuropäischen Perspektive werden elitistische Narrative außergewöhnlicher politischer Berufung spätestens ab Mitte 2010er in den Wahlkämpfen rechtsradikaler Parteien im Durchschnitt populärer als populistische Appelle an den allgemeinen Volkswillen (Pytlas 2023). Die <?page no="82"?> 82 7 Anti-Establishment-Politik Ursachen für diesen Trend müssen noch genauer untersucht werden. Es liegt jedoch nahe, dass ein wichtiger Faktor die strategische Anpassung von rechtsradikalen Parteien ist, um angesichts neuer Gelegenheitsstrukturen die öffentliche Salienz „ihrer“ klassischen Themen zu steigern, aber auch um auf den erhöhten Konkurrenzdruck durch andere Parteien zu reagieren. In der rechtsradikalen Variante werden Narrative politischer Berufung vor allem dazu genutzt, nativistische Politik nicht als ideologisch, sondern als „effizient“ oder „vernünftig“ umzudeuten, als „entschlossene“ Lawand-Order-Politik der starken Hand zu präsentieren, oder als „bessere“ Variante konventioneller Migrationspolitiken darzustellen (vgl. Pytlas 2019, 2021c). So erklärte die FPÖ 2017 in Bezug auf die Migrationspolitik der österreichischen Regierung: „Spätzünder braucht das Land nicht. Es braucht Macher, nicht Nachmacher.“ (Die Presse 25.9.2017) Auch Jobbik in Ungarn präsentierte sich 2018 als eine „bessere“, effizientere und kompetentere Version der regierenden Fidesz, ohne dabei auf ihre Anti-Establishment-Rhetorik zu verzichten. Gleichzeitig stellte sie ihre nativistischen Positionen als entideologisierte und rationale Kompetenzpolitik dar, die in der Lage sei, die etablierte Politik grundlegend zu erneuern (vgl. Pytlas 2019). Wir sehen also, dass Populismus nicht die einzige „dünne“ Idee ist, die rechtsradikale Parteien sich zunutze machen können. Gleichzeitig können rechtsradikale Parteien elitistische Narrative einer außergewöhnlichen politischen Berufung einsetzen. Dies bedeutet nicht, dass der Populismus für rechtsradikale Parteien irrelevant ist. Die Erkenntnisse zeigen aber, dass rechtsradikale Parteien auf eine weitaus breitere Palette „dünner“ repräsentativer Ideen zurückgreifen. Dies bedeutet auch, dass rechtsradikale Parteien trotz ihrer Anti-Establishment-Rhetorik in ihrer Selbstdarstellung auch elitistisch auftreten und nicht die Abschaffung, sondern die Etablierung einer vermeintlich „echten“ Elitenpolitik versprechen können. 7.3 Die Rolle von Anti-Establishment-Politik In der bisherigen Diskussion wurde bereits deutlich, dass Anti-Establishment-Rhetorik und „dünne“ Vorstellungen repräsentativer Politik für rechtsradikale Parteien eine wichtige Rolle spielen. Anti-Establishment- Politik ist ein wichtiges Instrument, das im Parteienwettbewerb zu Mobilisierungszwecken eingesetzt werden kann (Barr 2009; de Vries & Hobolt 2012). Stärker untersucht sind die polarisierende Funktion von Anti-Establishment-Politik und ihre Fähigkeit, Distanz zwischen politischen „Außenseiter: innen“ und „etablierter Politik“ herzustellen (de Vries & Hobolt 2012). <?page no="83"?> 7.3 Die Rolle von Anti-Establishment-Politik 83 Anti-Establishment-Politik und „dünne“ Ideen repräsentativer Politik können aber gleichzeitig - paradoxerweise - als Werkzeuge zur Normalisierung rechtsradikaler Politik eingesetzt werden (Pytlas 2023). Nativistische Überzeugungen sind nach wie vor der Hauptgrund für die Wahl rechtsradikaler Parteien (vgl. Kap. 10.2). Gleichzeitig wurde schon früh festgestellt, dass Anti-Establishment-Rhetorik das Mobilisierungspotenzial der rechtsradikalen Kernideologie - des Nativismus - „galvanisieren“ bzw. verstärken kann (Bélanger & Aarts 2006). Diese Rhetorik erlaubt es den Parteien zunächst, sich als rebellische „Außenseiter“ zu präsentieren. Die Positionen dieser politischen Akteur: innen werden als „neu“, „innovativ“ und zugleich als von der Mainstream-Politik vernachlässigt und ignoriert dargestellt (Lucardie 2000; Sikk 2012). Anti-Establishment-Politik dient rechtsradikalen Parteien somit erstens dazu, die Sichtbarkeit und Salienz ihrer Kernthemen und Positionen in medialen und öffentlichen Debatten zu erhöhen und aufrechtzuerhalten. Dieses sogenannte „issue entrepreneurship“ (de Vries & Hobolt 2012) konstruiert „neue“ Themen, Positionen und Konflikte, die dann in politischen und gesellschaftlichen Diskursen aufgegriffen werden können. Da die meisten rechtsradikalen Themen gar nicht neu sind (Minkenberg 2000; Mudde 2007), unterstützt Anti-Establishment-Rhetorik ihre Darstellung als vernachlässigt oder ignoriert vom „bösen“ politischen Establishment. Anti-Establishment-Politik erlaubt es rechtsradikalen Parteien gleichzeitig, Distanz zu ihren etablierten Konkurrent: innen aufrechtzuerhalten, auch wenn diese versuchen, rechtsradikale Positionen zu kopieren. Für etablierte Parteien ist es schwieriger, Anti-Establishment-Rhetorik zu übernehmen als programmatische Positionen. Aufgrund der Kombination von Nativismus und Anti-Establishment-Rhetorik behalten rechtsradikale Parteien nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal im Parteienwettbewerb. Auch deshalb bleiben rechtsradikale Kernwähler: innen für konventionelle Parteien weitgehend unerreichbar (vgl. Lewandowsky & Wagner 2023). Dies ist einer der Gründe, warum konventionelle Parteien von ihren Rechtsruck-Strategien nicht profitieren können (vgl. Kap. 12). Anti-Establishment-Politik, insbesondere die verschiedenen „dünnen“ Ideen repräsentativer Politik erfüllen für rechtsradikale Parteien aber noch eine wichtige Funktion. Sie werden eingesetzt, um den Nativismus zu normalisieren und sein Mobilisierungspotenzial auch jenseits der Stammwähler: innenschaft zu erhöhen (Pytlas 2023). Nativistische Maßnahmen werden „entideologisiert“ und als das dargestellt, was „die Menschen wollen“, als Aufmerksamkeit und Sensibilität für die „Ängste und Sorgen der Menschen“ oder als Umsetzung von „echter Demokratie“ (Mondon & Winter 2020). Rhetorik, die sich auf techno- <?page no="84"?> 84 7 Anti-Establishment-Politik kratische oder politische Expertise und Kompetenz bezieht, führt wiederum dazu, dass Nativismus als vermeintlich objektive, rationale und „vernünftige“ Politik dargestellt wird. Diese Narrative suggerieren gleichzeitig, dass die vorgeschlagene „entideologisierte“ Position der einzige und unumgängliche Weg ist, Ziele zu verwirklichen, die für die Gesellschaft im Allgemeinen wünschenswert seien (Bertsou & Caramani 2020). Mit anderen Worten werden „dünne“ Ideen auch verwendet, um nativistische Positionen als Valenzkonflikte umzudeuten (Neuner & Wratil 2020). Bei Valenzkonflikten besteht ein breiter Konsens über die gewünschte Positionierung und das Ziel (bspw. Bekämpfung von Korruption als unerwünschtes Phänomen) (vgl. Stokes 1963). Valenzkonflikte werden daher nicht über unterschiedliche ideologische Positionen ausgetragen, sondern darüber, welche Partei die Konsensposition am kompetentesten und effektivsten umsetzen kann (Green & Jennings 2017). Durch den Rückgriff auf unterschiedliche dünne Ideen jenseits des Populismus können rechtsradikale Parteien also nicht nur ihr Mobilisierungspotenzial auf elitistisch orientierte nativistische Wähler: innen ausweiten. Die Nutzung dieser Narrative verschiebt den Parteienwettbewerb hin zu Valenzkonflikten um politische Fähigkeiten und Effizienz. Die Betonung dieser Narrative ist ausschlaggebend für die Wahrnehmung der issue ownership , also der Problemlösungskompetenz - und damit auch für ein breiteres Mobilisierungspotenzial (Green & Jennings 2017; Pytlas 2023). Insbesondere im Kontext der Konstruktion von Krisen spielen populistische, vor allem aber elitistische, kompetenzorientierte „dünne“ Ideen als Instrumente der Normalisierung von Nativismus für rechtsradikale Politik eine wichtige Mobilisierungsfunktion (Bos et al. 2013; Bos & van der Brug 2010; Pytlas 2023). Tatsächlich haben rechtsradikale Parteien, die ihre außergewöhnliche politische Berufung und Kompetenzen rhetorisch stärker behaupteten, höhere Wahlerfolge erzielt als solche, die diese Rhetorik weniger nutzten (Pytlas 2023). Ein stärkerer Einsatz populistischer Rhetorik hatte dagegen keinen positiven Effekt auf die Wahlergebnisse rechtsradikaler Parteien (Pytlas 2023, vgl. Kap. 12.2). 7.4 Zusammenfassung In diesem Kapitel haben wir gesehen, wie rechtsradikale Parteien den Nativismus mit verschiedenen „dünnen Ideen“ repräsentativer Politik verbinden. Wir haben festgestellt: rechtsradikale Parteien sind nicht alle ausschließlich populistisch. Viele rechtsradikale Parteien, insbesondere in Westeuropa, bedienen sich zusätzlich oder stattdessen elitistischer <?page no="85"?> 7.4 Zusammenfassung 85 Behauptungen, die „echten“ kompetenten und rationalen Eliten zu sein, die mit der nativistischen Politik der Stärke eine angeblich verloren gegangene „wahre“ Elitenpolitik wiederherstellen können. Quer durch Europa setzen rechtsradikale Parteien diese Narrative strategisch ein, um den Nativismus zu normalisieren und seine Mobilisierungspotenzial über ihre Kernwähler: innenschaft zu erweitern. Dieser Befund bedeutet nicht, dass Populismus für rechtsradikale Parteien irrelevant ist. Er zeigt aber, dass rechtsradikale Parteien über eine viel breitere Palette an „dünnen“ Ideen repräsentativer Politik verfügen. Trotz ihrer Anti-Establishment-Rhetorik treten sie primär und zunehmend elitär auf und versprechen vor allem die Rückkehr von vermeintlich „echter“ Eliten. Die Kombination der Selbstdarstellung als rebellische „Außenseiter“ und als „vernünftige“, kompetente Vertreter: innen einer vermeintlich verloren gegangenen „konventionellen Elitenpolitik“ mag zunächst paradox erscheinen. Unsere Diskussion des Anti-Establishment-Dreiecks erlaubt es uns aber, hinter dieser Rhetorik einen Aspekt rechtsradikaler Umkehrstrategien zu erkennen. Rechtsradikale Parteien inszenieren sich als ignorierte „echte Eliten“. Sie treten als Vertreter: innen von vermeintlichen „stillen Mehrheiten“ auf, die ihres gesellschaftspolitischen Vorrangstatus „beraubt“ geworden seien (vgl. Kap. 10.1). Die pluralistischen gesellschaftlichen und politischen Akteur: innen wiederum werden als irrational und naiv oder als durch dogmatische Verbohrtheit verblendete Radikale verspottet. Durch diese Umkehrrhetorik wird der Nativismus als nicht-dogmatische, objektive „Normalität“ interpretiert, während pluralistische Werte und Normen entsprechend als gefährliche radikale Ideologien verteufelt werden. Aufgrund der Charakteristik des Nativismus als Ideologie der essentialistischen Ungleichheiten (vgl. Kap. 2) ist Anti-Establishment-Politik rechtsradikaler Parteien daher nicht darauf ausgerichtet, gesellschaftspolitische Machthierarchien anzuprangern, sondern diese radikal zu verfestigen und letztlich die pluralistischen Werte der Demokratie zu verhöhnen und in Frage zu stellen. <?page no="87"?> 8 Rechtsradikalismus und Europa Rechtsradikale Politik ist nicht bloß eine Herausforderung für die Europäische Union. Nativistische Gegenentwürfe „europäischer Werte“ sind zugleich eine Gefahr für das auf internationaler Solidarität und unveräußerlichen Menschenrechten basierende Verständnis europäischer Identität und europäischer Integration. In diesem Kapitel diskutieren wir die Rolle von „Europa“ für rechtsradikale Politik. Zunächst geben wir einen kurzen Überblick über die europäische Aktivität rechtsradikaler Parteien, insbesondere im Hinblick auf die Europawahlen und die Zusammenarbeit rechtsradikaler Parteien im Europäischen Parlament. Anschließend diskutierten wir, wie rechtsradikale Politik „Europa“ als ideologische und strategische Ressource nutzt. Diese beinhaltet nicht nur die euroskeptische Opposition gegen ein integratives Europa. Europäische Politik und „Europa“ bilden auch eine wichtige Ressource für rechtsradikale Normalisierungsstrategien (Lorimer 2020; Pytlas 2021c). Erstens können rechtsradikale Parteien versuchen, durch Bündnisse mit stärker etablierten Parteien und Fraktionen im Europäischen Parlament ihre öffentliche Wahrnehmung als salon- und koalitionsfähig zu verbessern (McDonnell & Werner 2017). Zweitens zielen rechtsradikale Strategien zunehmend darauf ab, die Bedeutung europäischer Werte, Normen und Identität nativistisch zu vereinnahmen. Statt die europäische Integration einfach explizit abzulehnen, präsentieren sich rechtsradikale Parteien strategisch als „echte Europäer: innen“. Nativistische Politik wird wiederum als notwendig dargestellt, um die „wahren europäischen Werte“ gegen konstruierte Feinde („unechte EU-Eliten“ und „nicht-europäische Andere“) zu verteidigen. Der Ruf nach einem „Europa für die Europäer“ (Checkel & Katzenstein 2009) spielt dabei eine zentrale Rolle (Brubaker 2017; Halikiopoulou et al. 2013; Pytlas 2021c). 8.1 Rechtsradikale Parteien auf europäischer Ebene Seit der Einführung der Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 1979 haben rechtsradikale Parteien versucht, auf der europäischen Ebene Fuß zu fassen (Abbildung 8.1). Bereits 1979 konnte die dänische Fortschrittspartei - damals noch nicht als rechtsradikale Partei eingestuft - in das europäische Parlament einziehen. Seit der 2010er-Jahren konnten sich rechtsradikale Parteien zunehmend im Europäischen Parlament etablieren (Zulianello & Larsen 2021). <?page no="88"?> 88 8 Rechtsradikalismus und Europa Quelle: Zulianello & Larsen 2019. Abbildung 8.1: Wahlergebnisse rechtsradikaler Parteien bei den Europawahlen 1984- 2019. Bis Ende der 1990er-Jahre konnte nur die französische FN mit rund 10 Prozent der Stimmen nennenswerte Erfolge bei den Europawahlen erzielen. 1999 erreichte die FPÖ hingegen 23,4 Prozent der Stimmen. Nach der EU-Ost-Erweiterung betraten zwar neue rechtsradikale Akteur: innen die europäische politische Bühne, dies führte aber nicht sofort zu einem elektoralen Aufwärtstrend für rechtsradikale Parteien. Insgesamt blieben die durchschnittlichen Ergebnisse rechtsradikaler Parteien bis in die 2010er- Jahre auf einem vergleichbaren Niveau. Auch der Stimmenzuwachs 2019 ist auf die hohen Wahlergebnisse der ehemaligen konservativen Parteien PiS und Fidesz zurückzuführen - wenn auch rechtsradikale „Originale“ in Italien, Österreich oder Frankreich Ergebnisse von über 20 Prozent erzielen konnten. Die FdI, die FPÖ und die Rassemblement National (ehemals FN) konnten ihre Wahlerfolge bei den Europawahlen 2024 wiederholen und wurden in ihren jeweiligen Ländern stärkste Parteien. Einige Parteien, darunter Lega, die Finnenpartei, SaPD oder SNS schnitten 2024 wiederum schlechter ab als fünf Jahre zuvor. Neu im EP vertreten sind ab 2024 unter anderem AUR, Chega, Konfederacja oder Reconquête von Éric Zemmour. Deutlich sichtbarer ist der Zuwachs an Sitzen für rechtsradikale Parteien, die 2019 insgesamt mehr als 17 Prozent der Sitze im Europäischen Parlament innehatten. Selbst wenn wir die Sitze von PiS und Fidesz nicht mitzählen, würden die erlangten 12 Prozent der Sitze für rechtsradikale „Originale“ immer noch eine Verdopplung ihrer Sitzzahl in Vergleich zu 2009 <?page no="89"?> 8.1 Rechtsradikale Parteien auf europäischer Ebene 89 bedeuten. Im Jahr 2024 konnten rechtsradikale Parteien zusammengerechnet sogar knapp 25 Prozent der Sitze erringen. Dieser Zuwachs suggeriert einen kumulativen Trend der Etablierung einer steigenden Zahl von rechtsradikalen Akteur: innen in den jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten. Nach den Europawahlen 2024 sind rechtsradikale Parteien neben fraktionslosen Abgeordneten in mehreren Fraktionen vertreten: ESN („Europa Souveräner Nationen“, u.a. AfD, Reconquête, Konfederacja, SaPD oder die Wiedergeburt-Partei), ECR („Europäische Konservative und Reformer“) u.a. FdI, SD, DD, EKRE, die Finnenpartei, PiS oder AUR sowie in der neuen Fraktion PfE („Patrioten für Europa“, u.a. Fidesz, RN, FPÖ, VB, DFP, Lega, PVV, Chega, Vox). Gleichzeitig gibt es keine eindeutige Evidenz für die These, dass rechtsradikale Parteien bei Europawahlen signifikant besser abschneiden als bei nationalen Wahlen (Ferrara & Weishaupt 2004; Wondreys 2023b). Europawahlen werden häufig als „Nebenwahlen“ (second-order elections) angesehen (Reif & Schmitt 1980), bei denen kleine radikale „Nischenparteien“ Parteien stärker begünstigt werden. Die empirischen Befunde diesbezüglich sind allerdings nicht eindeutig (Wondreys 2023b). Wie neulich aufgezeigt liegt dies unter anderem an der Etablierung und Normalisierung von rechtsradikalen Parteien, die nicht mehr ausschließlich eine Außenseiterposition als kleine „Nischenpartei“ in ihren Parteiensystemen einnehmen (Wondreys 2023b). Auch wenn rechtsradikale Parteien bei den Europawahlen nicht unbedingt immer besser abschneiden können als in nationalen Wahlen, ist die Aktivität auf europäischer Ebene für sie von großer Bedeutung. Neben parteiorganisatorischen Aspekten (Diversifizierung von Ressourcen, Entwicklungsmöglichkeiten und politischen Ämtern) können Parteien versuchen, aus ihrer europäischen Aktivität Vorteile für den Parteienwettbewerb auf der nationalstaatlichen Ebene zu ziehen. Erstens sind Europawahlen für rechtsradikale Parteien ein wichtiges Wahlsprungbrett (Schulte-Cloos 2018). Sie verschaffen insbesondere jüngeren und kleineren Parteien mehr Sichtbarkeit und bieten ihnen eine Mobilisierungsgelegenheit rund um ihre ideologischen Themen. Euroskeptische Positionen von rechtsradikalen Parteien spielten in der letzten Dekade eine wichtige Rolle in der Politisierung und Polarisierung des Themas „Europa“ (Hutter et al. 2016). Eine empirische Analyse zeigt, dass Europawahlen die Wahlerfolge rechtsradikaler Parteien auf nationaler Ebene befördern, insbesondere im Kontext zeitgleicher Kampagnen, wenn die Salienz des Themas Europa erhöht wird (Schulte-Cloos 2018). Aber auch zwischen den Wahlen können rechtsradikale Parteien ihre europäische Aktivität für den nationalstaatlichen Parteienwettbewerb nut- <?page no="90"?> 90 8 Rechtsradikalismus und Europa zen. Durch Assoziierung mit anderen, insbesondere stärker etablierten europäischen Akteur: innen können sie ihre öffentliche Wahrnehmung als akzeptable Partner: innen und somit auch ihre Salon- und Koalitionsfähigkeit auf nationalstaatlicher Ebene stärken (McDonnell & Werner 2017; Pytlas 2021c). So schlossen sich rechtsradikale Akteur: innen im Europäischen Parlament teilweise Fraktionen an, die ihnen ideologisch nicht am nächsten standen (policy-seeking) oder die ihnen nicht mehr Potenzial für politische Ämter boten (office-seeking) (McDonnell & Werner 2017). Durch wissenschaftliche Interviews mit Politiker: innen rechtsradikaler Parteien wurde in einer Studie herausgefunden, dass Parteien wie UKIP oder die SD nicht mit dem FN oder anderen Parteien in der damaligen ENF-Fraktion („Europa der Nationen und der Freiheit“, 2015- 2019) in Verbindung gebracht werden wollten, da sich dies negativ auf ihre öffentliche Wahrnehmung auf nationalstaatlicher Ebene auswirken könnte (McDonnell & Werner 2017). Stattdessen bildeten sie entweder eigene Fraktionen (EFDD, „Europa der Freiheit und der Direkten Demokratie“, 2014-2019) oder schlossen sich - wie die DFP und die Finnenpartei - konservativen Fraktionen an (ECR). Auch 2015, als rechtsradikale Parteien die europäische Dimension der humanitären Krise politisierten, versuchten mehrere Akteur: innen sich mit der europäischen Politik einiger Regierungen zu assoziieren. Eine besondere Rolle spielte dabei die ungarische Fidesz. Trotz der Radikalisierung der Partei von Viktor Orbán blieb Fidesz Mitglied der etablierten christdemokratischen EVP-Fraktion („Europäische Volkspartei“), bis sie 2021 eigenständig austrat. Einige rechtsradikale Parteien assoziierten sich mit den Handlungen von Fidesz, aber auch mit der zunehmend restriktiven Asyl- und Migrationspolitik anderer Regierungen von EU- Mitgliedsstaaten (Pytlas 2021c). Somit versuchten rechtsradikale Parteien ihre Salonfähigkeit auch durch die Assoziation mit etablierten Akteur: innen auf der intergouvernementalen EU-Ebene zu stärken (Pytlas 2021c). Zusammenfassend zeigt sich, dass rechtsradikale Parteien ihre europäische Aktivität in hohem Maße als Instrument des nationalstaatlichen Parteienwettbewerbs nutzen. Zugleich merken wir, dass rechtsradikale Politik nicht nur eine euroskeptische Ablehnung der europäischen Zusammenarbeit betonen kann. Im Kontext stärkerer Etablierung und Normalisierung rechtsradikaler Politik können rechtsradikale Parteien versuchen, durch ihre europäische Aktivität und Allianzen gleichzeitig die Wahrnehmung ihrer Salon- und Koalitionsfähigkeit auf nationalstaatlicher Ebene zu fördern. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die strategische Rolle des Themas „Europa“ für rechtsradikale Politik genauer zu betrachten. <?page no="91"?> 8.2 „Europa für die Europäer“? 91 8.2 „Europa für die Europäer“? Euroskeptizismus, also die „harte“ oder „weiche“ Fundamentalopposition gegen kulturelle, ökonomische und politische Aspekte der Europäischen Integration und europäischer Identität bleibt ein zentraler Bestandteil der rechtsradikalen Ideologie (Mudde 2007; Pytlas 2021c; Vasilopoulou 2018). Die strategische Rolle des Euroskeptizismus innerhalb rechtsradikaler Ideologie erinnert an die der Anti-Establishment-Politik. Die Opposition zur europäischen Integration kann Distanz zwischen politischen „Außenseiter: innen“ und „etablierter Politik“ herzustellen (de Vries & Hobolt 2012; Meijers 2017; van de Wardt et al. 2014). Gleichzeitig aber kann Euroskeptizismus auch als ein Instrument dienen, um das Mobilisierungspotenzial rechtsradikaler Parteien zu erweitern und Nativismus zu normalisieren (Halikiopoulou et al. 2013; McDonnell & Werner 2017; Lorimer 2020, 2021; Pytlas 2021c). Die Idee der europäischen Identität und europäischer Einigung, aufgebaut auf der Idee des Friedens, der internationalen Solidarität und den unveräußerlichen Menschenrechten, steht im Widerspruch zur nationalistischen und partikularistischen Ideologie des Rechtsradikalismus (Checkel & Katzenstein 2009). Rechtsradikale (und auch rechtsextreme) Parteien entwickeln aber gleichzeitig häufig eigene nativistische Vorstellungen eines „wahren vereinten Europas“ und „echter europäischer Identität“ (Pytlas 2021c). Damit suggerieren rechtsradikale Parteien, dass nur sie „echte Europäer: innen“ seien, die „wahre europäische Werte“ vertreten, die vor gefährlichen „nicht-europäischen“ Anderen sowie „unechten“ EU-Eliten geschützt werden müssten. Der Nationalismus wird hier durch eine nativistische Auslegung europäischer Identität ergänzt - also durch einen „Zivilisationismus“ (Brubaker 2017) oder „Euronativismus“ (Pytlas 2021c). Ähnlich wie bei der rechtsradikalen Auslegung von „Nation“ kann „Europa“ hier flexibel genutzt werden, um Menschen auszugrenzen, die als eine vermeintliche Bedrohung für „wahre europäische Werte“ (je nach strategischer Variante „christliche“, „liberale“ oder beliebige weitere) dämonisiert werden (vgl. Brubaker 2017; Lorimer 2021; siehe auch Kap. 8). Ein solches „Europa für die Europäer“ (Checkel & Katzenstein 2009) wird häufig als gesellschaftspolitische Antithese zur heutigen Europäischen Union dargestellt. Unterschiedliche rechtsextreme und rechtsradikale Visionen von einem maximalistischen Pan-Europa bis zu einem minimalistischen „Europa der Vaterländer“ gehören seit Jahrzehnten zum klassischen ideologischen Repertoire (post-)faschistischer Gruppierungen, der Neuen Rechten oder diverser rechtsradikaler Parteien (Spektorowski 2013; Mudde 2007; Bar-On 2008). In den 1980er-Jahren forderte der FN <?page no="92"?> 92 8 Rechtsradikalismus und Europa beispielsweise stärkere europäische Integration, unter anderen in Bereichen der Verteidigungs-, Einwanderungs-, Staatsbürgerschafts- und Grenzpolitik (Mudde 2007). Gleichzeitig begann der FN, sich als Verteidigerin der „europäischen Zivilisation“ gegen die EU zu präsentieren (Lorimer 2020). Wie bereits am Beispiel von Euronativismus deutlich wurde, bedienen sich rechtsradikale Parteien gleichzeitig immer häufiger einer anderen Strategie und versuchen, bereits etablierte Verträge, Normen und Werte der EU wie Menschenrechte, internationale Solidarität und Freizügigkeit innerhalb der EU nativistisch umzudeuten. So stellten einige rechtsradikale Akteur: innen 2015-2016 eine nativistische „Festung Europa“ als eine gemeinsame europäische Aufgabe dar und rechtfertigten die radikale Einschränkung des Rechts auf Asyl als humanitäre Maßnahme zum Schutz von Geflüchteten als Umsetzung geltender EU-Verträge und Verordnungen, als Schutz des gemeinsamen Schengen-Raums oder als Ausdruck „echter europäischer Solidarität“ mit kleinen Mitgliedsstaaten, die durch „EU-Eliten“ in Stich gelassen worden seien (vgl. Pytlas 2021c). Die zunehmend restriktive Migrations- und Asylpolitik mehrerer Regierungen von EU-Mitgliedsstaaten (The Guardian 28.4.2016) wurde von rechtsradikalen Parteien genutzt, um die eigenen nativistischen Forderungen zu normalisieren und sich als Teil einer „echten EU-Elite“ zu präsentieren (Pytlas 2021c). Wie lassen sich diese strategischen Entwicklungen erklären? Ähnlich wie im Fall von Populismus ist der Euroskeptizismus eine „Hilfsideologie“ des Nativismus. Neuere Studien zeigen, dass rechtsradikale Akteur: innen ihre euroskeptische Haltung flexibel anpassen können, wenn sie dies für politisch vorteilhaft oder notwendig halten (Pirro et al. 2018; McDonnell & Werner 2019). Die Salienz und Positionen von Themen wie Migration und Asyl spielt für die Wahlentscheidung zugunsten rechtsradikaler Parteien eine wichtigere Rolle als Euroskeptizismus (McDonnell & Werner 2019). Somit haben rechtsradikale Parteien in ihrer euroskeptischen Rhetorik einen gewissen Spielraum und können versuchen, eine breitere - auch weniger euroskeptische - nativistische Wähler: innenschaft zu mobilisieren (Mc- Donnell & Werner 2019). Euroskeptische Strategien rechtsradikaler Parteien zeichnen sich daher durch rhetorische Flexibilität und teilweise rhetorische Ambivalenzen aus (Heinisch et al. 2021; Lorimer 2021; Pytlas 2021c). Dies bedeutet nicht, dass die „harte“ rechtsradikale Ablehnung der Europäischen Union keine Relevanz mehr hätte. Das von UKIP geforderte - und von der etablierten Konservativen Partei umgesetzte - Brexit-Refe- <?page no="93"?> 8.3 Zusammenfassung 93 rendum 2016 und der daraus resultierende Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU sind ein eindeutiges Beispiel dafür (Sobolewska & Ford 2020). Rechtsradikale Parteien haben ihre europaablehnende Rhetorik allerdings strategisch angepasst. Nach dem Ergebnis des Brexit-Referendums haben die meisten rechtsradikalen Parteien mittelfristig Abstand von expliziten Austrittsforderungen genommen (van Kessel et al. 2020). Gleichzeitig bedeuten rechtsradikale Forderungen nach einer „Neugestaltung“ der Europäischen Union oder die Schaffung eines „Europa der Vaterländer“ letztlich nichts anderes als die Auflösung der EU in ihrer jetzigen Form und eine Abkehr von der ursprünglichen Idee der europäischen Integration als einer „immer engeren Union“. 8.3 Zusammenfassung In diesem Kapitel haben wir beobachtet, wie rechtsradikale Parteien „Europa“ als ideologische und strategische Ressource nutzen. Zunächst haben wir gesehen, dass die europäische Aktivität rechtsradikaler Parteien oft als ein instrumentelles Hilfsmittel für ihre politischen Handlungen auf nationaler Ebene genutzt wird. Europawahlen dienen beispielsweise als Wahlsprungbrett, das rechtsradikalen Parteien Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit bei nationalen Wahlen verschafft (Schulte- Cloos 2018). Durch die Assoziierung mit stärker etablierten europäischen Akteur: innen können rechtsradikale Parteien anstreben, ihre Salon- und Koalitionsfähigkeit auf nationalstaatlicher Ebene zu fördern (McDonnell & Werner 2017; Pytlas 2021c). Gleichzeitig aber haben wir beobachtet, dass das Verhältnis zwischen rechtsradikaler Politik und „Europa“ komplex und ambivalent ist. Rechtsradikale Parteien bleiben zwar nach wie vor euroskeptisch und richten sich damit gegen kulturelle, ökonomische und politische Aspekte der europäischen Integration, insbesondere der Europäischen Union. Allerdings lehnen sie europäische Identität und sogar eine gewisse Union Europas nicht einfach grundsätzlich ab. Vielmehr stellen sie sich als „echte Europäer: innen“ dar, die - euronativistisch umgedeutete - „wahre europäische Werte“ vor konstruierten Feinden (vermeintliche „nicht-europäische Andere“ sowie „EU-Eliten“) beschützen würden. Der („harte“) Euroskeptizismus ist nicht verschwunden und bleibt eine ständige Herausforderung für eine immer enger zusammenwachsende Europäische Union. Gleichzeitig geht die Gefahr für die europäische Integration zunehmend von rechtsradikalen Versuchen aus, die Idee europäischer Werte, Identi- <?page no="94"?> 94 8 Rechtsradikalismus und Europa tät und Zusammenarbeit in ein euronativistisches „Europa für die Europäer“ umzudeuten. Rechtsradikale Politik bleibt damit eine Herausforderung für die europäischen Werte und die europäische Zusammenarbeit, die auf internationaler Solidarität und unveräußerlichen Menschenrechten basieren (Checkel & Katzenstein 2009). <?page no="95"?> 9 Rechtsradikalismus und Krisen Es ist fast schon eine Binsenweisheit, dass Krisen ein wichtiger Nährboden für rechtsradikale Parteien seien. Zugleich wurde in den vorherigen Kapiteln immer wieder festgestellt, dass Rechtsradikalismus nicht bloß ein krisenbedingtes Phänomen ist. Die Entwicklung und das Erstarken des Rechtsradikalismus liegen in längerfristigen und tief verankerten Prozessen der Etablierung rechtsradikaler Politik statt einfach in den aktuellen Krisen (vgl. Kap. 5). Auch im nächsten Kapitel werden wir sehen, dass es im gesamteuropäischen Vergleich keinen klaren Zusammenhang zwischen Wahlerfolgen rechtsradikaler Parteien und Kontextfaktoren wie Krisen, Globalisierung usw. gibt (vgl. Kap. 10). Um Wirkung zu entfalten, müssen Krisen durch politische Akteur: innen auch genutzt werden können. Auch wenn Rechtsradikalismus nicht bloß ein krisenbedingtes Phänomen ist, ist es dennoch wichtig zu analysieren, wie rechtsradikale Akteur: innen Krisen in ihre rhetorischen Strategien integrieren. In diesem Kapitel beobachten wir daher, wie rechtsradikale Parteien versuchen, diese Gelegenheitsstrukturen selbst rhetorisch zu nutzen. Zunächst betrachten wir, welche Rolle die Konstruktion von Krisen für rechtsradikale Politik spielt. Anschließen vergleichen wir die Reaktionen und Rhetorik von rechtsradikalen Parteien auf drei zentrale Krisen - die europäische Dimension der humanitären Krise der Asylpolitik seit 2015; die COVID-19-Pandemie seit 2020 und Russlands Vollinvasion in der Ukraine seit 2022. Wir werden sehen, dass Krisen für rechtsradikale Parteien nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen darstellen - etwa, wenn neuartige Konflikte und Entwicklungen die Relevanz ihrer Kernthemen beeinträchtigen. Anhand der Beispiele der humanitären Krise, der COVID- 19-Pandemie und der russischen Vollinvasion in der Ukraine wird sichtbar, dass rechtsradikale Parteien auf Krisen unterschiedlich reagieren können. Sie können sich zu aktuellen Ausnahmesituationen unterschiedlich positionieren, ihre Positionen flexibel an die aktuellen Entwicklungen anpassen, und Krisen nicht einfach „erfinden“, sondern diese auch herunterspielen oder durch das Prisma ihrer Ideologie umdeuten und somit zentrale gesellschaftspolitische Debatten beeinflussen. 9.1 Die Performanz von Krisen Nicht zuletzt sorgt das symbolische Bild des Aufstiegs rechtsextremer Kräfte vor dem Hintergrund der krisenhaften Entwicklungen in der Wie- <?page no="96"?> 96 9 Rechtsradikalismus und Krisen marer Republik noch dafür, dass Krisen häufig als „Nährboden“ für rechtsradikale Parteien gesehen werden. Wie bereits diskutiert, sollte der Kontext von „Krisen“ aber nicht als eine „kausale“ Ursache für den Aufstieg rechtsradikaler Parteien gesehen werden. Denn Kontexte haben an sich keine aktive Gestaltungskraft oder eine vordefinierte quasi-automatische Wirkungsrichtung, sondern bieten vielmehr einen bestimmten Rahmen für menschliches Handeln. In diesem Sinne können Krisen eher als Gelegenheitsstrukturen verstanden werden: als bestimmte kontextuelle Bedingungen, die für politische Akteur: innen Anreize für politisches Handeln schaffen, „indem sie ihre Erwartungen von Erfolg oder Misserfolg beeinflussen“ (Tarrow 1996: 54, eigene Übersetzung und Hervorhebung). Als diskursive Gelegenheitsstrukturen können sie Vorbedingungen für eine erhöhte Sichtbarkeit und Bedeutung von bestimmten Themen, Narrativen usw. schaffen (Koopmans et al. 2005). Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass es sich hierbei um die Erhöhung einer subjektiven Erwartung von Mobilisierungserfolgen handelt und nicht um deren direkte, aktive Förderung. Wie wir sehen werden, können Krisen auch ungünstige oder ambivalente Kontexte darstellen, in denen neue, unbekannte oder lange nicht politisierte Themen in den Vordergrund gerufen und/ oder die Bedeutung von „rechtsradikalen“ Themen und Rhetorik reduziert werden können. Mit anderen Worten: Krisen als Gelegenheitsstrukturen haben keine quasiautomatische Wirkung oder gar förderliche Wirkungsrichtung - sie müssen von politischen Akteur: innen im Parteienwettbewerb auch genutzt werden können. Dies bedeutet zugleich, dass rechtsradikale Parteien unterschiedlich auf Krisen reagieren können. In diesem Sinne fungieren rechtsradikale Parteien als „Trigger von Krisen“ (Moffitt 2015). Das heißt, rechtsradikale Parteien können Krisennarrative selber konstruieren und umdeuten. Bei dem Begriff „Konstruktion“ handelt es sich daher nicht nur um „Erfindung“, sondern auch um eine kontinuierliche Deutung gesellschaftspolitischer Turbulenz oder Instabilität als eine Krise - oder aber um die Negierung einer Krisensituation oder deren Umdeutung entlang rechtsradikaler Ideologie. Indem ein gesellschaftspolitischer Kontext zu einer „Krise“ hochstilisiert wird, wird er zu einem allumfassenden, systemischen Zusammenbruch oder Umbruch gemacht, die einen historischen Kipp- und Wendeprozess markiert (Moffitt 2015; Kosseleck 2006). Krisen werden daher durch radikale Parteien häufig als grundsätzlicher politischer Übergangszustand betrachtet, in dem das alte System als illegitim und nicht mehr leistungsfähig gesehen wird, die neue „wahre“ Ordnung, die die Krise überwinden könne, aber noch nicht eingetreten ist (Moffitt 2015). <?page no="97"?> 9.1 Die Performanz von Krisen 97 Zentral für das Bild eines Kippprozesses ist, dass die Krise nicht als bereits vollendet dargestellt wird. Vielmehr ist der drohende Zusammenbruch noch abwendbar und umkehrbar. Sonst wäre es für die politischen Akteur: innen schwierig, ihre Programmatik als Lösung der Krise darzustellen. In Anlehnung an diese Diskussion lassen sich idealtypische Bausteine rechtsradikaler Kriseninszenierung identifizieren:  die Konstruktion kollektiver Bedrohungsszenarien, deren verschwörungsmythische Erhebung zu einem umfassenden mythischen Kampf zwischen „Gut“ und „Böse“, und  die Darstellung der eigenen Ideologie als einziger Weg zur Überwindung der Krise. Die rechtsradikale Konstruktion kollektiver Bedrohungsszenarien verbindet zwei Elemente. Zum einen werden im Einklang mit der nativistischen Ideologie Feindbilder von vermeintlichen „gefährlichen kulturellen Anderen“ erfunden. Mithilfe von Anti-Establishment-Politik werden gleichzeitig die aktuellen „politischen Eliten“ als weitere Feindbilder konstruiert, entweder als Kräfte, die die konstruierte Bedrohung aktiv mitgestalten und/ oder diese durch angebliche systemische Ignoranz / Inkompetenz verstärken. Diese Feindbilder werden mit der Dramatisierung einer Verletzlichkeit der „eigenen“ Kollektivgemeinschaft verbunden (Minkenberg 2001). So entsteht ein Konstrukt eines unmittelbar drohenden Untergangs der nativistisch gedeuteten „Nation“, der „nationalen Werte“, der „europäischen Kultur“ usw. Wir sehen bereits, dass die Konstruktion von Krisen auch deswegen besonders wirkungsvoll sein kann, weil sie viele der bereits diskutierten Elemente rechtsradikaler Rhetorik bündeln kann. Durch die Konstruktion von Krisen versucht der Rechtsradikalismus, vielfache gesellschaftspolitische Konfliktlinien zu einem umfassenden „wir-die“-Konflikt zu verschmelzen. Dadurch werden vielfache ökonomische, politische und kulturelle Themen durch die Brille der nativistischen Ideologie gesehen. Verstärkt wird diese Dramatisierung durch die Verwendung von Verschwörungsmythen. Diese verbinden nativistische und Anti-Establishment-Elemente zu einem Konstrukt eines quasi-mythischen manichäischen Kampfes zwischen den Kräften des „Guten“ und des „Bösen“ (siehe unten am Beispiel der „Soros-Verschwörung“). Die Verschmelzung vielfacher Konfliktlinien fördert nicht nur eine starke gesellschaftspolitische Polarisierung entlang eines einfachen „Freund-Feind“-Denkmusters. Sie dient auch dazu, die eigene politische Organisation und ihre Ideologie als den einzig kompetenten und legitimen Ausweg aus der Krise darzustellen. <?page no="98"?> 98 9 Rechtsradikalismus und Krisen Wie bereits erwähnt ist es für rechtsradikale Parteien nicht immer einfach, Krisen zu konstruieren. Denn zum Beispiel im Fall der COVID-19- Pandemie oder des russischen Krieges gegen die Ukraine müssen sie auf objektive Krisen reagieren, die neue, zum Teil unbekannte Themen in den Vordergrund rücken und zugleich die Kernthemen rechtsradikaler Parteien in den Hintergrund drängen. In solchen Fällen kann es rechtsradikalen Parteien an Erfahrungswerten fehlen, wie sie auf neuartige Krisen reagieren können, ohne ihr breiteres Mobilisierungspotenzial zu gefährden. Gleichzeitig sind sie darauf angewiesen, die Krisen so zu interpretieren und umzudeuten, dass sie einen Bezug zu ihrer Programmatik herstellen können. Es bleibt daher zentral zu beobachten, wie rechtsradikale Parteien auf kontextuelle Situationen reagieren: wie sie Krisen konstruieren - aber auch negieren und uminterpretieren -, um sich im Parteienwettbewerb zu behaupten. 9.2 Humanitäre Krise Eine der zentralen Krisenkonstruktionen rechtsradikaler Politik im letzten Jahrzehnt ist die nativistische Umdeutung der humanitären Krise von Menschen, die in Europa Schutz vor Krieg, Verfolgung und Armut suchen, zu einer existenziellen Bedrohung für Europa. Seit dem Frühjahr 2015 ist die humanitäre Katastrophe der Geflüchteten im Mittelmeer verstärkt in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit gerückt. Angesichts der anfänglich breiten öffentlichen Solidarität mit den Geflüchteten in mehreren europäischen Ländern haben einige rechtsradikale Parteien auf die Krise zunächst zurückhaltend reagiert und griffen die Notwendigkeit der humanitären Hilfe nur indirekt mithilfe von Umkehrstrategien an. Beispielsweise wurden Forderungen nach einer Einschränkung der Möglichkeiten, in Europa Asyl zu beantragen, als „humanitäre“ Maßnahmen gerechtfertigt (Pytlas 2021c; zur weiteren juristischen Einordnung ähnlicher Maßnahmen vgl. Moreno-Lax 2018). Schon bald versuchten rechtsradikale Akteur: innen allerdings, das humanitäre Verständnis der Krise explizit aufzulösen und durch nativistische Bedrohungsszenarien zu ersetzen. Dies geschah parallel zu zunehmend restriktiven asyl- und migrationspolitischen Maßnahmen in einigen europäischen Ländern (The Guardian 28.4.2016). Rechtsradikale Parteien versuchten, den humanitären Charakter der Krise in Frage zu stellen, sei es durch pauschale Unterstellungen betrügerischer Motive von Geflüchteten oder durch Verschwörungsnarrative einer angeblichen „Asyl-industrie“ der progressiven Politiker: innen, Menschenrechtsaktivist: innen und NGOs (vgl. Kriesi et al. 2024). <?page no="99"?> 9.2 Humanitäre Krise 99 Die humanitäre Krise wurde stattdessen nativistisch zu einer existentiellen Bedrohung für Europa umgedeutet, als kulturelle und sicherheitspolitische „Invasion“ dargestellt und als drohender Zerfall der geltenden europäischen Werte- und Rechtsordnung inszeniert (vgl. Brubaker 2017; Pytlas 2019; Kriesi et al. 2024; zum rechtsradikalen Mythos des Rechtsbruchs in der Fluchtpolitik vgl. ausführlich Detjen & Steinbeis 2019). Teile dieser rechtsradikalen Narrative wurden von konventionellen Parteien und Regierungen in mehreren europäischen Ländern kopiert und reproduziert (Győri 2016; Brubaker 2017; Pytlas 2019, 2021c; Kriesi et al. 2024). Im Zuge der nativistischen Umdeutung der humanitären Krise bediente sich rechtsradikale Politik einer Reihe von Verschwörungsmythen. Die ungarische Fidesz - damals noch Mitglied der christdemokratischen Europäischen Volkspartei - baute ihren asylpolitischen Diskurs zentral auf ein verschwörungsmythisches Narrativ gegen den ungarischstämmigen Investor George Soros auf. George Soros wurde als Strippenzieher einer globalen Elitenverschwörung dämonisiert, der die Fluchtbewegungen ausnutze, um progressive Kräfte an die Macht zu bringen und den Untergang der ungarischen Nation und Europa herbeizuführen (Pintilescu & Kustán Magyari 2020; Pytlas 2019). Fidesz setzte die Anti-Soros-Verschwörung intensiv im Wahlkampf 2018 ein. 35 Prozent aller asylpolitischen Aussagen während der Kampagne bezogen sich auf die Verschwörung (Pytlas 2019). Diese Verschwörungskampagne wies starke Parallelen zum von rechtsextremen Akteuren verbreiteten Mythos eines von „globalen Eliten“ gesteuerten Plans eines „Großen Austauschs“ autochthoner europäischer Bevölkerung durch islamische Gruppen von außerhalb des Kontinents auf (Pytlas 2019; vgl. Camus 2017). Gleichzeitig nutzten auch Politiker: innen einiger konventioneller Parteien, beispielsweise in der Slowakei und in Rumänien, den Soros-Verschwörungsmythos zu Zwecken der Polarisierung und Delegitimierung der Zivilgesellschaft (Pintilescu & Kustán Magyari 2020; Plenta 2020; Pytlas 2021a). Grundsätzlich führte die rechtsradikale Umdeutung der humanitären Krise zur Etablierung von Elementen nativistischer Bedrohungsszenarien in der Mitte politischer und medialer asyl- und migrationspolitischer Debatten (Pytlas 2019; Győri 2016; Brubaker 2017; Mudde 2019). Im September 2015 - als das Ausmaß der humanitären Krise in Ungarn bereits breit thematisiert wurde - stimmten 64 Prozent der Befragten in Ungarn der Aussage zu: „Wir haben die Pflicht, den Geflüchteten zu helfen“, während 30 Prozent diese Aussage verneinten. Ein Jahr später, im August 2016, war das Verhältnis fast umgekehrt - nur 35 Prozent stimm- <?page no="100"?> 100 9 Rechtsradikalismus und Krisen ten der Aussage zu, währen 63 Prozent sie verneinten (György Nagy 24.9.2016). Im Juni 2016 glaubten 29 Prozent der Befragten, dass „George Soros plant, die ungarische Regierung zu stürzen“, während im Juli 2017 bereits 42 Prozent dieser Verschwörungsaussage zustimmten (Index.hu 23.7.2017). Gleichzeitig drehten sich die politischen Debatten in mehreren europäischen Staaten zunehmend nicht mehr um die Frage, ob die Asyl- und Migrationspolitik restriktiver gestaltet werden sollte, sondern wie dies am besten zu bewerkstelligen sei und wer dazu eine „effizientere“ und „kompetentere“ Lösung anbiete (Pytlas 2019; 2021c). Die Diskursverschiebung und Etablierung nativistischer Narrative zeigt sich somit auch darin, dass restriktive und versicherheitlichte asyl- und migrationspolitische Positionen zunehmend zu einem Valenzthema wurden (vgl. Kap. 9.2). Auf dieser Grundlage konnten rechtsradikale Parteien noch einfacher in den Parteienwettbewerb mit ihren konventionellen Konkurrent: innen treten. 9.3 COVID-19-Pandemie Der globale Ausbruch der Infektionskrankheit COVID-19 im Jahr 2020 und seine verheerenden Folgen führten weltweit zu einer umfassenden Multikrise. Die COVID-19-Pandemie stellte auch rechtsradikale Parteien vor einige Herausforderungen (Wondreys & Mudde 2022). Denn anders als in früheren Ausnahmesituationen waren die politischen Akteur: innen in Regierung und Opposition mit unklaren und unerprobten Handlungsoptionen, neuartigen Debatten und mehreren neuen Konfliktlinien konfrontiert. Rechtsradikale Parteien standen zugleich vor der Herausforderung sinkender Relevanz ihrer Kernthemen. Die zunehmende Bedeutung wissenschaftlicher Expertise stellte wiederum eine (vermeintliche) Herausforderung für die Attraktivität populistischer Narrative dar (Brubaker 2021). Wie haben rechtsradikale Parteien auf diese Herausforderungen reagiert? Ähnlich wie andere politische Akteur: innen standen auch rechtsradikale Parteien zu Beginn der Pandemie vor unklaren Handlungsoptionen. Dies war nicht zuletzt aufgrund des beispiellosen Charakters der Krise und des unübersichtlichen Repertoires an möglichen und notwendigen politischen Maßnahmen der Fall (Rovira Kaltwasser & Taggart 2022). Zu Beginn der COVID-19-Pandemie standen mehrere rechtsradikale Parteien daher vor einem strategischen Dilemma: Sollte die Krise radikal verstärkt - oder aber heruntergespielt werden? Rechtsradikale Akteur: innen - vor allem in der Opposition, aber auch an der Macht - reagierten dementsprechend unterschiedlich auf die Pandemie und passten ihre Strategien in einigen Fällen an (Rovira Kaltwasser & Taggart 2022). In Deutschland <?page no="101"?> 9.3 COVID-19-Pandemie 101 forderte die AfD zunächst sofortige harte Maßnahmen gegen die Pandemie, vollzog aber kurz darauf eine strategische Kehrtwende und positionierte sich als scharfe Kritikerin von Lockdown-Maßnahmen (Lehmann & Zehnter 2022). Auch in Österreich und Spanien positionierten sich die FPÖ und Vox als vermeintliche Verteidigerin der „Freiheit“ und stellten sich gegen die Schutzmaßnahmen (Rovira Kaltwasser & Taggart 2022; Schwörer & Fernández-García 2022). In Italien war es umgekehrt: Lega und FdI spielten die Pandemie im ersten Moment herunter, um kurz darauf die Regierung für unzureichend strikte Maßnahmen zu kritisieren (Rovira Kaltwasser & Taggart 2022; Pirro 2022). Während die FdI ihre Position im Laufe der Zeit konsolidierte, blieben die Reaktionen der Lega erratischer (Pirro 2022). Die Rassemblement National in Frankreich wiederum blieb während der Pandemie ambivalenter und zurückhaltender, um ihre Normalisierungsstrategie nicht zu gefährden (Froio 2022). Eine der zentralen Herausforderungen für rechtsradikale Parteien war die abnehmende Relevanz ihrer nativistischen Kernthemen. Dementsprechend versuchten mehrere Parteien, Pandemiediskurse auf unterschiedliche Weise mit Euroskeptizismus und Nativismus zu verknüpfen (Wondreys & Mudde 2022). Neben dem schnell popularisierten Bild vom „chinesischen Virus“ wurden unter anderem in Deutschland, Frankreich, Italien, Ungarn und der Slowakei Migrant: innen stigmatisiert und offene EU-Binnengrenzen kritisiert (Rovira Kaltwasser & Taggart 2022; Lehmann & Zehnter 2022; Froio 2022; Pirro 2022; Wondreys & Mudde 2022). Im Laufe der Zeit versuchten mehrere Parteien allerdings die mangelnde Salienz ihrer Themen durch sekundäre Narrative zu kompensieren - insbesondere durch Anti-Establishment-Rhetorik (Schwörer & Fernández- García 2022). Auch hier bedienten sich mehrere rechtsradikale Parteien einer Vielzahl unterschiedlicher Verschwörungsmythen, die von der Infragestellung der Existenz des Virus an sich, über Verschwörungserzählungen über seine Genese bis hin zu Verschwörungsmythen reichten, die die Lockdowns, das Tragen von Atemmasken und die Anordnung weiterer Schutzmaßnahmen angriffen (Wondreys & Mudde 2022; Schwörer & Fernández-García 2022; Rovira Kaltwasser & Taggart 2022) Die Betonung der Anti-Establishment-Rhetorik bedeutete nicht, dass die Krise automatisch auch eine Chance für populistische Politik bot. Denn in der Pandemie wuchs die Relevanz von wissenschaftlicher Expertise eher als die der Bindung an die Stimme „des Volkes“ (Brubaker 2021). Wie aber bereits diskutiert, sind viele rechtsradikale Parteien nicht unbedingt stark populistisch (Kap. 7). Dementsprechend war es für viele dieser Parteien weniger problematisch, sich an technokratische und kompetenzbezogene Diskurse anzupassen. Besonders wichtig wurde hier die Nutzung <?page no="102"?> 102 9 Rechtsradikalismus und Krisen von Narrativen der „Konter-Expertise“. Die Nachfrage nach Expertise führte in Zeichen der Pandemie zu einer verstärkten Performanz von Expertise auch seitens „Halbexperten, Quasiexperten, Pseudoexperten und Laienexperten“ (Brubaker 2021: 77). Rechtsradikale Parteien machten sich die zunehmende mediale Attraktivität der Expertise(-performanz) zunutze. Unter anderem in Deutschland oder in Frankreich (Froio 2022; Lehmann & Zehnter 2022) ging die rechtsradikale Kritik an „etablierten“ Expert: innen Hand in Hand mit der Rechtfertigung eigener Positionen durch abweichende oder alternative „Expertise“. Dies zeigt einmal mehr, dass rechtsradikale Parteien nicht unbedingt auf populistische Appelle angewiesen sind, sondern sich elitistisch als Vertreter: innen einer angeblich ignorierten „echten Elite“ und vermeintlicher „wahrer Expertise“ präsentieren können. Insgesamt zeigt das Beispiel der COVID-19-Pandemie, dass Krisen auch für rechtsradikale Parteien nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen mit sich bringen, und verweist zugleich auf die flexible Fähigkeit dieser Parteien, ihre Strategien und Programmatiken an neue Kontexte anzupassen. 9.4 Der russische Krieg gegen die Ukraine In diesem Abschnitt wollen wir schließlich auf die Reaktionen von rechtsradikalen Parteien auf die russische Vollinvasion der Ukraine im Jahr 2022 betrachten. An dieser Stelle kann nur ein erster kursorischer Blick auf diese jüngste Krise in Europa geworfen werden. Der aktuelle Forschungsstand deutet aber auch in diesem Fall darauf hin, dass rechtsradikale Parteien auf Krisen unterschiedlich und flexibel reagieren können. Die russische Vollinvasion in der Ukraine ab 2022 hat die Grausamkeit des Territorialkrieges in Europa wieder in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen und politischen Aufmerksamkeit gerückt. Der Widerstand, das Leid und die Vertreibung der Ukrainer: innen vereinten die europäische Öffentlichkeit in der Forderung an die Politik, entschieden gegen das Regime von Wladimir Putin vorzugehen (de Vries & Hoffmann 2022). Rechtsradikale Akteur: innen wurden aufgrund ihrer ideologischen Affinität zu Putins illiberaler, EU-skeptischer und autoritärer Politik weithin als enge Verbündete Russlands in Europa diskutiert (Snegovaya 2022). Bereits nach der russischen Invasion der ukrainischen Halbinsel Krim im Jahr 2014 nahmen mehrere rechtsradikale Parteien eine pro-russische Haltung ein (Cadier 2019). Die strategischen Reaktionen rechtsradikaler Parteien auf die russische Vollinvasion im Jahr 2022 fielen jedoch unterschiedlich aus (Ivaldi & Zankina 2023; Wondreys 2023a). <?page no="103"?> 9.4 Der russische Krieg gegen die Ukraine 103 Auch wenn praktisch alle Parteien die Invasion an sich verurteilten, werden einige Parteien wie die AfD, FPÖ oder die FvD in der Forschung als russlandfreundlicher kategorisiert (Wondreys 2023a; Ivaldi & Zankina 2023). Kriterien sind hier unter anderem die Ablehnung von Sanktionen gegen das Putin-Regime, die Relativierung der russischen Kriegsschuld oder Forderungen nach Zugeständnissen an Russland (Wondreys 2023b; Fagerholm 2024). Einige der Parteien werden aber auch als russlandkritischer eingeordnet, darunter EKRE, FdI, Jobbik, PiS, die Finnenpartei, SD oder Vox (Wondreys 2023b; Fagerholm 2024; Ivaldi & Zankina 2023). Diese Parteien positionierten sich nicht nur gegen Russland, sondern sprachen sich auch klar für Sanktionen gegen das Putin-Regime aus (Wondreys 2023b). Gleichzeitig blieben die Reaktionen einiger Parteien, darunter Lega, Rassemblement National oder VB, jedoch weitgehend erratisch oder ambivalent (Fagerholm 2024; Wondreys 2023a). Dies betraf auch russlandfreundliche Parteien wie die Lega Salvini in Italien (Wondreys 2023a; Ivaldi & Zankina 2023). Als Salvini nach Przemyśl in Polen reiste, um medienwirksam eine Unterkunft für ukrainische Geflüchtete zu besuchen, stellte ihn der örtliche Bürgermeister zur Rede. Da Salvini in den sozialen Medien Fotos von sich veröffentlicht hatte, auf denen er ein T-Shirt mit dem Konterfei Putins trug, präsentierte ihm der Bürgermeister ein ähnliches T- Shirt und forderte Salvini auf, es vor seinem Besuch in der Unterkunft anzuziehen (n-tv.de 9.3.2022; tvn24.pl 8.3.2022). Salvini brach daraufhin seine Pressekonferenz ab. Während geopolitische Faktoren einen Teil dieser unterschiedlichen Reaktionen erklären können, bleibt die Rolle aktiver Normalisierungsstrategien der Parteien selbst im Vordergrund (Wondreys 2023a). Dies wird deutlich, wenn wir bedenken, dass rechtsradikale Parteien in ein und demselben Land (zum Beispiel Reconquête und Rassemblement National in Frankreich, Juiste Antwoord 21 und FvD in den Niederlanden oder PiS und Konfederacja Korony Polskiej in Polen) auf die Vollinvasion unterschiedlich reagiert haben (Konfederacja Korony Polskiej 24.9.2022; Wondreys 2023a; Ivaldi & Zankina 2023). Angesichts der überwältigenden Solidaritätswelle richteten sich auch die meisten rechtsradikalen Parteien nicht sofort und nicht explizit gegen die Geflüchteten aus der Ukraine (Albertazzi et al. 15.3.2022). Zu den Ausnahmen gehörte unter anderem die polnische Konfederacja Korony Polskiej, die eine - weitgehend erfolglose - nativistische Kampagne gegen eine angebliche „Ukrainisierung von Polen“ startete (Konfederacja Korony Polskiej 24.9.2022). Die meisten rechtsradikalen Parteien blieben aber taktisch ambivalent oder instrumentalisierten das Thema, um eine Spaltung zwischen „echten“ und „unechten“ Geflüchteten (Ivaldi & Zankina 2023), und/ oder <?page no="104"?> 104 9 Rechtsradikalismus und Krisen zwischen verschiedenen (post-) migrantischen Communitys zu konstruieren. Diese Diskurse bergen nicht nur das Potenzial, unterschiedliche Betroffenengruppen gegeneinander auszuspielen. Ähnlich wie in der Krise 2015 können rechtsradikale Parteien auch auf Umkehrstrategien zurückgreifen und so die Möglichkeit einer Wendung in der Debatte befördern. Denn sobald es politisch möglich oder nützlich ist, können „gute Migrant: innen“ sehr schnell zu „schlechten Migrant: innen“ umgedeutet werden (vgl. Kap. 6). 9.5 Zusammenfassung Auch wenn Rechtsradikalismus nicht bloß ein krisenbedingtes Phänomen ist, spielen Krisenkonstruktionen in den Strategien rechtsradikaler Parteien eine wichtige Rolle. Wir haben gleichzeitig gesehen, dass das strategische Repertoire rechtsradikaler Parteien komplexer ist und sich nicht nur auf eine reine „Erfindung“ von Krisen beschränkt. Rechtsradikale Parteien können Krisen nicht nur erfinden, sondern auch herunterspielen oder umdeuten. Daher ist es wichtig zu betrachten, wie rechtsradikale Parteien Charakter und Interpretation von Krisen verändern. Die Umdeutung der humanitären Krise ab 2015 durch das Prisma nativistischer Bedrohungsszenarien bietet hier ein deutliches Beispiel mit Konsequenzen für den Charakter asyl- und migrationspolitischer Debatten in vielen Teilen Europas. Gleichzeitig haben wir aber auch gesehen, dass Krisen für rechtsradikale Parteien nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen bedeuten können. Im Falle der COVID-19-Pandemie und der russischen Vollinvasion in der Ukraine waren rechtsradikale Parteien mit neuartigen Entwicklungen und/ oder einer reduzierten Relevanz ihrer Kernthemen und Diskurse konfrontiert. Die Reaktionen rechtsradikaler Parteien auf diese Krisen waren zum Teil sehr unterschiedlich. Teilweise unterschieden sich die strategischen Reaktionen auf diese Krisen auch zwischen verschiedenen Parteien innerhalb desselben Parteiensystems. Dies unterstreicht einmal mehr, dass sich die Mitglieder der rechtsradikalen Parteienfamilie sich trotz gemeinsamer Ideologie in ihren Strategien durchaus unterscheiden. Rechtsradikale Parteien sind in ihrer Krisenkonstruktion also nicht allwissend und allmächtig. Wie viele andere Akteur: innen müssen sie sich auf die oft dynamischen Entwicklungen einstellen und anpassen. Gleichzeitig zeigen die Befunde, dass rechtsradikale Parteien in Krisenzeiten durchaus flexibel agieren können. Einige Parteien reagierten auf die neuartigen Entwicklungen erratisch. Andere hingegen entwickelten kurz- <?page no="105"?> 9.5 Zusammenfassung 105 fristig eine strategische Linie und versuchten, ihre Kernthemen in die neuen Konfliktlinien zu integrieren. Wo dies nicht möglich war, entwickelten sie einen langen Atem, bedienten sich ihrer sekundären Themen und Diskursen, und versuchten, die Debatten durch Umkehr- und Umdeutungsstrategien schleichend zu beeinflussen. Es wird deutlich, dass Wahlergebnisse nur ein Aspekt des politischen Erfolgs rechtsradikaler Parteien sind. Nicht aus dem Blick geraten darf daher die Fähigkeit dieser Parteien, Debatten und Konfliktlinien nativistisch zu prägen. Zugleich ist die heterogene und flexible Performanz von Krisen wichtig, um zu verstehen, warum rechtsradikale Parteien nicht automatisch und nicht überall im Sinne der Wahlergebnisse Profiteur: innen von Krisen sind. <?page no="107"?> Teil 3 Entwicklungen und Erklärungen <?page no="109"?> 10 Kontexte und Wähler: innen Im dritten Teil dieses Buches wollen wir gemeinsam die Gründe für den Aufstieg, die Wahlerfolge und die Folgen rechtsradikaler Politik diskutieren. Die wichtigsten Auswirkungen und mögliche Erklärungsansätze zu diesen Fragen betrachten wir anhand der Aspekte der Nachfrage- und Angebotsseite (vgl. Kap. 5.2). Anschließend widmen wir uns den Folgen rechtsradikaler Politik auf die Demokratie und auf die Zivilgesellschaft. Wir beginnen mit der Nachfrageseite. Zur Erinnerung: Faktoren der Nachfrageseite betrachten einen „Nährboden“ für das Erscheinen rechtsradikaler Einstellungen und politischer Akteur: innen (Kitschelt & Mc- Gann 1995; Mudde 2007; vgl. Kap. 5.2). Die wichtigsten Faktoren, die wir erörtern werden, sind umfassende gesellschaftliche Kontexte (Globalisierungsprozesse und Krisensituationen) sowie die Wähler: innenschaft (soziodemographische Strukturen und Einstellungsmuster). Wir werden sehen, dass objektive Kontextfaktoren, die häufig mit Globalisierungsprozessen in Verbindung gebracht werden wie bspw. Migration, Wertewandel, Krisen etc., keinen klaren Einfluss auf rechtsradikale Wahlerfolge haben. Wir werden auch beobachten, dass rechtsradikale Parteien nicht einfach objektive „Modernisierungsverlierer: innen“ mobilisieren, sondern vielmehr Personen mit einem durchschnittlichen oder höheren objektiven sozialen Status (Engler & Weisstanner 2021). Darüber hinaus werden wir feststellen, dass die Wahl rechtsradikaler Parteien keine reine „Protestwahl“ ist, sondern aus programmatischer Überzeugung erfolgt. Eine zentrale Erkenntnis dieses Kapitels ist, dass die Wahl rechtsradikaler Parteien viel mehr durch subjektive Wahrnehmungen als durch objektive kontextuelle oder soziodemographische Faktoren bedingt ist. Eine zentrale Rolle spielen dabei nativistische Überzeugungen (Rooduijn 2018) sowie die subjektive Wahrnehmung eines drohenden Verlusts des eigenen sozialen Status (Gidron & Hall 2017; Engler & Weisstanner 2021, für die Wahl der AfD in Ost- und Westdeutschland siehe Manow & Schwander 2022). Unter „subjektiven sozialen Status“ verstehen wir hier die subjektive Wahrnehmung der „Stellung einer Person innerhalb einer Hierarchie des sozialen Prestiges“ (Gidron & Hall 2017: 561). Der soziale Status ist also nicht auf den ökonomischen Status zu beschränken. Was die rechtsradikale Wahlentscheidung zentral mobilisiert, ist daher die subjektive, nativistisch geprägte Angst vor dem vermeintlichen Verlust der bereits vorhandenen privilegierten kulturellen, ökonomischen oder politischen Machtposition in der Gesellschaft. <?page no="110"?> 110 10 Kontexte und Wähler: innen Noch einmal sei betont, dass die Wahl rechtsradikaler Parteien aus ideologischer Überzeugung erfolgt. Auch wenn subjektive Statusverlustängste kein unabhängiger Erklärungsfaktor rechtsradikaler Wahlerfolge sind, stellen sie doch einen wichtigen Mobilisierungsmechanismus von potenziellen Wähler: innen mit nativistischen Einstellungen dar. Die Tatsache, dass Wahlmotivationen durch subjektive Wahrnehmungen und nicht durch objektive Faktoren bedingt sind, bedeutet zugleich, dass bei der Erklärung rechtsradikaler Wahlerfolge die Angebotsseite rechtsradikaler Politik wie Mobilisierungs- und Wettbewerbsstrategien der politischen Akteur: innen eine zentrale Rolle spielt (vgl. Kap. 12). 10.1 Kontexte Wie bereits diskutiert, wird der Aufstieg von Rechtsradikalismus häufig als ein globalisierungs- und krisenbedingtes Phänomen verstanden (vgl. Kap. 5, 9). Zeiten gesellschaftspolitischer Umbrüche, Turbulenz und Unsicherheit würden einen Nährboden für politische Akteur: innen bieten, die einfache Feindbilder konstruieren, demokratische Prozesse grundsätzlich in Frage stellen und eine nativistische Antwort als Konter auf Modernisierungsprozesse und Krisensituationen anbieten. Die Befunde zu den Effekten dieser Kontextfaktoren auf rechtsradikale Wahlergebnisse sind jedoch uneinheitlich. So hatten die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der Euro- und Wirtschaftskrise nach 2008 keinen eindeutigen Effekt auf die Wahlerfolge rechtsradikaler Parteien in Europa (Kriesi & Pappas 2015). Auch während der COVID-19-Pandemie blieb die Unterstützung für die meisten rechtsradikalen Akteur: innen weitgehend stabil (Rovira Kaltwasser & Taggart 2022). Interessanterweise konnte die Unterstützung für verschiedene rechtsradikale Parteien auch im direkt vergleichbaren Kontext variieren. In Italien gewann die FdI an Unterstützung, während die Lega an Zustimmung verlor (Rovira Kaltwasser & Taggart 2022). Insgesamt zeigt sich, dass objektive kontextuelle Faktoren, die häufig mit Globalisierungsprozessen in Verbindung gebracht werden wie bspw. Arbeitslosigkeit, Zuwanderung oder Wertewandel usw., keinen eindeutigen Einfluss auf rechtsradikale Wahlperformanz haben. So hat beispielsweise die Arbeitslosigkeitsquote - sowohl auf nationaler als auch auf individueller Ebene - keinen eindeutigen Effekt auf eine Wahlentscheidung zugunsten rechtsradikaler Parteien (Arzheimer & Carter 2006; Mudde 2007; vgl. Arzheimer 2018). Eine gewisse Rolle spielt hier die Ausgestaltung des wohlfahrtsstaatlichen Systems, wenngleich die Effekte differenziert verlaufen und mit <?page no="111"?> 10.1 Kontexte 111 einer Reihe weiterer Bedingungen zusammenhängen (Arzheimer 2009; Vlandas & Halikiopoulou 2022). Insgesamt zeigte eine Meta-Analyse von 48 Studien, die zwischen 1990 und 2017 durchgeführt wurden, dass die Arbeitslosigkeitsquote und ihre Varianz nicht mit dem Wahlerfolg von rechtsradikalen Parteien zusammenhängen (Amengay & Stockemer 2019). Ähnlich verhält es sich mit dem Effekt von Zuwanderungszahlen und Kontakt mit Personen mit (zugeschriebener) Migrationsgeschichte (Mudde 2007; Arzheimer 2018). Die Meta-Studie von Amengay & Stockemer (2019) fand anhand der Analyse von 22 verschiedenen migrationsbezogenen Variablen keine eindeutige Korrelation zwischen Migrationszahlen und Wahlentscheidung für rechtsradikale Parteien. Die Ergebnisse blieben für Studien auf nationaler und regionaler Ebene ähnlich (Amengay & Stockemer 2019). In Bezug auf Kontakt mit Menschen mit (zugeschriebener) Migrationsgeschichte deutet die Forschung auf einen sogenannten „Halo-Effekt“ hin (Evans & Ivaldi 2021a; Rydgren & Ruth 2013). Das Wort „Halo“ beschreibt den Lichteffekt eines Bogens oder Rings um die Sonne. Am Beispiel Frankreichs wurde festgestellt, dass rechtsradikale Parteien nicht häufiger von Personen gewählt werden, die in Gegenden mit einem überdurchschnittlichen Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte leben. Sie werden stattdessen häufiger von denjenigen gewählt, die im nahen Umkreis von diesen Gegenden leben. Diese Wähler: innen haben trotz räumlicher Nähe vielmehr einen indirekten, punktuellen und oberflächlichen Kontakt zu Menschen mit Migrationsgeschichte (Evans & Ivaldi 2021). Diese Befunde machen deutlich, dass bei rechtsradikaler Wahlentscheidung der Charakter der sozialen Interaktion sowie subjektive Wahrnehmungen und Zuschreibungen gegenüber Personen mit Migrationsgeschichte eine viel stärkere Rolle spielen als die tatsächliche demographische Zusammensetzung der Wohngegend oder der Kontakt an sich (Evans & Ivaldi 2021). Diese Ergebnisse machen deutlich, dass die „Effekte“ von Kontexten nicht direkt und „objektiv“ sind, sondern vielmehr von subjektiven Wahrnehmungen abhängen. In der Forschung wurde bereits früh festgestellt, dass es die subjektive Wahrnehmung von Krisenkonstruktionen sowie individuelle Zuschreibungen und Interpretationen sind, die den Wahlerfolg rechtsradikaler Parteien befördern, und nicht objektive Auswirkungen oder Kontexte (Kriesi und Pappas 2015). Subjektive Wahrnehmungen von Bedrohungsszenarien spielen auch für den „Effekt“ von Globalisierungsphänomenen im Allgemeinen eine <?page no="112"?> 112 10 Kontexte und Wähler: innen zentrale Rolle (siehe auch nachstehend). Neuere Forschung zeigt, dass Wähler: innen mit subjektiven Statusverlustängsten rechtsradikale Parteien stärker unterstützen, auch dann wenn diese Personen Globalisierung an sich nicht stark ablehnen (Metten & Bayerlein 2023). Ähnliche Befunde sind auch für die kulturellen Aspekte von Globalisierungsphänomenen naheliegend. Auch wenn Rechtsradikalismus ein Gegenentwurf zur kulturellen Pluralisierung der Gesellschaft ist, sind seine Wahlerfolge nicht unbedingt mit dem objektiven Ausmaß dieser Pluralisierung und des Wertewandels verbunden. Rechtsradikale Parteien sind auch in Kontexten stark, in denen bspw. die gesetzlich gewährten Gleichbehandlungsrechte für strukturell marginalisierte Gruppen im internationalen Vergleich noch weniger ausgeweitet sind, in denen die Ausweitung dieser Rechte stagniert, und in denen marginalisierte Gruppen im Alltag immer noch im hohen Maße Stigmatisierung und Ungleichbehandlung erfahren. Es ist daher naheliegend, dass analog zu anderen Faktoren auch hier subjektive Bedrohungswahrnehmungen durch Krisenkonstruktionen vom „Zusammenbruch der Nation“ und „Untergang der nationalen Werte“ eine zentrale Rolle spielen. Für rechtsradikale Wähler: innen können daher subjektive Ängste vor vermeintlichen Verlust einer privilegierten Machtposition und soziokulturellen Status eine stärkere Rolle spielen als der konkrete objektive Grad an Pluralisierung, Wertewandel und Erweiterung von Rechten marginalisierter Gruppen. 10.2 Wähler: innen Die bisherigen Vorüberlegungen sind wichtig, um zwei zentrale Fragen zu Wähler: innenstrukturen rechtsradikaler Parteien zu diskutieren:  Sind rechtsradikale Wähler: innen vor allem „Modernisierungsverlierer: innen“?  Und: werden rechtsradikale Parteien aus reinem Protest gewählt? Auch wenn diese Narrative in den öffentlichen Debatten immer wieder stark vertreten sind, beantworten wissenschaftliche Studien beide Fragen eindeutig mit „Nein“. Die „Modernisierungsverlier: innen-These“ ist eine Ableitung aus der Annahme des krisenbedingten Charakters rechtsradikaler Politik und der rechtsradikalen Mobilisierung von Gruppen, die im Zuge der Globalisierung gesellschaftlich „abgehängt“ wurden (z.B. Personen mit niedriger formaler Bildung, weniger Wohlhabende, Personen mit niedrigem beruflichem und sozialem Status). Die vergleichende Forschung hat jedoch schon früh gezeigt, dass die rechtsradikale Wähler: innenschaft heterogen ist und viele unterschied- <?page no="113"?> 10.2 Wähler: innen 113 liche Gesellschaftsgruppen umfasst (vgl. Mudde 2007). Rechtsradikale Parteien werden daher nicht unbedingt mehrheitlich von „Modernisierungsverlier: innen“ gewählt. Auch in Deutschland setzt sich die Wähler: innenschaft der AfD nicht überproportional aus Personen mit niedrigerem sozialen Status zusammen und unterscheidet sich in ihrem sozioökonomischen Profil nicht signifikant von Wähler: innen anderer Parteien (Goerres et al. 2018; Hambauer & Mays 2018; Lengfeld 2017; Manow & Schwander 2022). Auch im internationalen Vergleich zeigen neuere Studien, dass rechtsradikale Parteien unter Personen mit einem höheren sozio-ökonomischen Profil und Berufsgruppen in gesellschaftspolitischer Mitte über ein erhebliches Wahlpotenzial verfügen (Engler & Weisstanner 2021; Kurer 2020). Neuere empirische Studien zeigen, dass für die Wahl rechtsradikaler Parteien daher nicht die objektive wirtschaftliche oder soziale Situation ausschlaggebend ist, sondern die Angst vor dem subjektiven Verlust des eigenen sozialen Status (Engler & Weisstanner 2021; Gidron & Hall 2017; Kurer 2020; Manow & Schwander 2022; Metten & Bayerlein 2023; Rovny & Rovny 2017). Der Begriff des subjektiven „sozialen Status“ beschreibt dabei nicht nur die eigene ökonomischen Statuslage, sondern die Wahrnehmung einer umfassenden (ökonomischen, politischen, kulturellen) Stellung der eigenen Person innerhalb der Hierarchie des sozialen Prestiges (Gidron & Hall 2017: 561). Was die rechtsradikale Wahlentscheidung begünstigt, ist daher die subjektive Angst, die bereits vorhandene privilegierte Machtposition in der Gesellschaft zu verlieren - unabhängig davon, ob diese Gefahr tatsächlich besteht. Gleichzeitig ist es wichtig zu betonen, dass rechtsradikale Wahlentscheidung keine Protestwahl ist, sondern aus Überzeugung erfolgt. Sie ist also nicht als ein nicht-ideologischer „Denkzettel“ an andere Parteien zu verstehen, sondern erfolgt in erster Linie aus Präferenz für die gewählte Partei und aus Überreinstimmung mit deren ideologischen Programm. Vergleichende empirische Studien haben auch hier bereits früh festgestellt, dass die Wahl rechtsradikaler Parteien mit nativistischen Einstellungen einhergeht (Arzheimer 2018; Bélanger & Aarts 2006; Mudde 2007; Rooduijn 2018). Auch weitere Überzeugungen wie z.B. sexistische Einstellungen spielen für die Wahl rechtsradikaler Parteien eine Rolle (Anduiza & Rico 2024). Faktoren wie politische Unzufriedenheit oder Anti-Establishment-Einstellungen spielen in die Wahlentscheidung für rechtsradikale Parteien durchaus hinein. Sie sind aber nicht zu entkoppeln von der primären Wirkung der Übereinstimmung mit nativistischer Kernideologie. Als eine der ersten Studien zeigten Bélanger & Aarts (2006), dass nativistische Einstel- <?page no="114"?> 114 10 Kontexte und Wähler: innen lungen die primäre Erklärung für rechtsradikale Wahlentscheidung in den Niederlanden waren, die zusätzlich durch politische Unzufriedenheit oder Anti-Establishment-Haltung verstärkt wurde. Auch in Deutschland erfolgt die AfD-Wahl aus programmatischer Überzeugung und nicht bloß aus Protest (Schwarzbözl & Fatke 2016). Gleichzeitig sind die AfD-Wähler: innen am wenigsten bereit, für eine andere als die von ihnen präferierte Partei zu stimmen (Lewandowsky & Wagner 2023).  Dies bedeutet zum einen, dass Versuche konventioneller Parteien, rechtsradikale Wähler: innen zu gewinnen, kaum von Erfolg gekrönt sein können (Lewandowsky 2022; Lewandowsky & Wagner 2023).  Zum anderen deutet es auch darauf hin, dass die Wahl der AfD nicht als ein „Denkzettel“ für andere Parteien verstanden werden kann - denn dies würde voraussetzen, dass die Wähler: innen prinzipiell bereit sein müssten, den Parteien eine zweite Chance zu geben, wenn diese nach der Verwarnung ihre Politik anpassen. Während die verstärkende Rolle von Anti-Establishment-Einstellungen auf rechtsradikale Wahlentscheidung bekannt ist, sind die Befunde zu spezifisch populistischen Einstellungen noch nicht eindeutig. Dies liegt zum Teil auch daran, dass die Operationalisierung populistischer Einstellungen entweder über Anti-Establishment-Einstellungen an sich oder über ihre Kombination mit anderen Variablen erfolgt, was die Messung der spezifisch populistischen Variante von Anti-Establishment-Einstellungen erschwert. Mehrere Studien zeigen allerdings, dass rechtsradikale Akteur: innen nicht von spezifisch populistischer Rhetorik profitieren (Bos et al. 2013; Neuner & Wratil 2020; Pytlas 2023). Darüber hinaus sind rechtsradikale Wähler: innen zwar überdurchschnittlich politisch unzufrieden, aber keine „direkte Demokrat: innen“. Das heißt, sie unterstützen nicht signifikant stärker politische Maßnahmen zur Umsetzung von Bürger: innenbeteiligung und Volkssouveränität (Bowler et al. 2017). Stattdessen legen einige Studien nahe, dass sich rhetorische Performanz sowie subjektive Wahrnehmungen politischer Kompetenz und starker politischen Führungsautorität positiv auf die Wahlergebnisse rechtsradikaler Akteur: innen auswirkt (Michel et al. 2020; Pytlas 2023). Eine Kommunikation rechtsradikaler Politiker: innen, die sich auf spezifische politische Fähigkeiten und Tugenden konzentrierte, wirkt sich im Gegensatz zur populistischen Rhetorik positiv auf ihre wahrgenommene Legitimität und Glaubwürdigkeit aus, was wiederum ihre Attraktivität bei den Wähler: innen fördert (Bos & van der Brug 2010; Bos et al. 2013). Insgesamt scheint der gemeinsame Nenner hier nicht der Populismus zu sein, sondern das Versprechen einer starken autoritären nativistischen Politik, unabhängig davon, wie populistisch diese ist oder ob sie durch <?page no="115"?> 10.3 Zusammenfassung 115 direktdemokratische oder konventionelle politische Mechanismen umgesetzt wird (Pytlas 2023). Diese Befunde bieten interessante Fragestellungen für zukünftige Untersuchungen. Eine weitere potenzielle Forschungsrichtung bietet die Betrachtung unterschiedlicher Wähler: innengruppen innerhalb der rechtsradikalen Wähler: innenschaft einzelner rechtsradikaler Parteien. Erste Befunde deuten bereits, wenn auch noch teilweise indirekt, darauf hin, dass rechtsradikale Parteien zunehmend in der Lage sind, unterschiedliche Gruppen nativistischer Wähler: innen zu mobilisieren, zum Beispiel mehr oder weniger populistische, euroskeptische oder globalisierungskritische nativistische Wähler: innen (McDonnell & Werner 2019; Metten & Bayerlein 2023). Die Rolle von subjektiven Statusverlustängsten als Mobilisierungsmechanismus war besonders für Wähler: innen mit weniger dogmatischen globalisierungskritischen Einstellungen relevant (Metten & Bayerlein 2023). Der Nativismus bleibt für alle Wähler: innengruppen rechtsradikaler Parteien zentral und primär. Für Wähler: innengruppen jenseits der dogmatischen Kernwähler: innenschaft scheinen neben dem klassischen Nativismus zusätzlich der Wohlstandschauvinismus (ökonomischer Nativismus) und populistische Einstellungen eine größere Rolle zu spielen (Halikiopoulou & Vlandas 2020; van Hauwaert & van Kessel 2018). Der Forschungsstrang befindet sich noch in der Entwicklung, so dass diese Befunde noch mit Vorsicht zu genießen sind. Gerade angesichts der zunehmenden Normalisierung rechtsradikaler Politik und des wachsenden Wahlpotenzials rechtsradikaler Parteien ist jedoch zu erwarten, dass Fragen nach der Heterogenität der nativistischen Wähler: innen zunehmend an Bedeutung gewinnen werden. 10.3 Zusammenfassung In diesem Kapitel haben wir gesehen, dass objektive Kontextfaktoren, die oft mit Krisen oder Globalisierungsprozessen in Verbindung gebracht werden, keinen eindeutigen Effekt auf rechtsradikale Wahlerfolge haben. Auch sind rechtsradikale Wähler: innen nicht primär objektive „Modernisierungsverlierer: innen“, sondern haben oft einen durchschnittlichen oder höheren gesellschaftlichen Status. Rechtsradikale Wahlentscheidung wird vielmehr durch subjektive Wahrnehmungen dieser Aspekte befördert. Eine zentrale Rolle als Mobilisierungsmechanismus für nativistische Wähler: innen spielt hier die subjektive Angst, die bereits vorhandene privilegierte kulturelle, ökonomische oder politische Machtposition in der Gesellschaft zu verlieren. <?page no="116"?> 116 10 Kontexte und Wähler: innen Diese Befunde ergänzen unsere bisherigen Betrachtungen der Rolle von Kontextfaktoren für rechtsradikale Politik. Kontexte bieten wichtige Gelegenheitsstrukturen für politisches Handeln, wirken sich aber nicht unmittelbar auf Wahlerfolge aus. Denn die Kontexte müssen von rechtsradikalen Parteien im Parteienwettbewerb erfolgreich politisiert werden. Der Befund, dass rechtsradikale Wahlerfolge durch die subjektive Angst nativistischer Wähler: innen vor einem vermeintlichen Statusverlust begünstigt werden, untermauert die zentrale Rolle der rechtsradikalen Angebotsseite wie die nativistische Umdeutung von Krisen, Konstruktion von Bedrohungsszenarien und Normalisierungsstrategien (Kap. 6-9, 12). Schließlich ist noch einmal zu betonen, dass rechtsradikale Wahlentscheidung zugleich keine Protestwahl darstellt, sondern aus programmatischer Überzeugung erfolgt. Nativistische Einstellungen bleiben für die Wahl rechtsradikaler Parteien zentral. Angesichts der zunehmenden Normalisierung und des steigendem Wahlpotenzials rechtsradikaler Politik bleibt es wichtig, die Heterogenität unterschiedlicher Gruppen nativistischer Wähler: innen und ihrer Mobilisierungsmechanismen weiter zu erforschen. <?page no="118"?> 11 Organisation Eine der wichtigsten Entwicklungen der letzten Dekaden ist die zunehmende Institutionalisierung und Ausdifferenzierung rechtsradikaler Parteienorganisationen. Während diese Parteien organisatorisch nach wie vor stark führungszentriert sind, haben einige von ihnen komplexe und professionelle Organisationen aufgebaut, die als kollektive Akteur: innen unterschiedliche nativistische Aktivist: innen, Bewegungen und Netzwerke integrieren können (Albertazzi & van Kessel 2021; Art 2011; Castelli Gattinara & Pirro 2018; Heinisch & Mazzoleni 2016; Minkenberg 2003). Die Entwicklungen und Auswirkungen rechtsradikaler politischer Organisationen sind somit ein relevanter Teil der Angebotsseite rechtsradikaler Mobilisierungserfolge (vgl. Kap. 5.2). In diesem Kapitel betrachten wir folglich den organisatorischen „Werkzeugkasten“, den die Parteien für politische Mobilisierungszwecke einsetzen. Zunächst diskutieren wir die Entwicklung rechtsradikaler Parteienorganisationen in Bezug auf ihre Machtzentralisierung sowie die Bindung an ihre Anhänger: innen und kollektive nativistische Graswurzelorganisationen und Netzwerke. Abschließend diskutieren wir die Relevanz organisatorischer Entwicklungen rechtsradikaler Organisationen für rechtsradikale Normalisierungsstrategien und innerparteiliche Konflikte. Es zeigt sich, dass rechtsradikale Parteien im Laufe der Zeit komplexe und ausdifferenzierte Institutionen entwickelt haben. Die Macht in diesen Parteien ist im Durchschnitt immer noch relativ stark in der Führung zentralisiert. Gleichzeitig sind die meisten rechtsradikalen Parteien nicht mehr bloße personalisierte Vehikel ihrer Führungsfiguren und zeichnen sich durch unterschiedliche Grade und Mechanismen der Zentralisierung aus (Heinisch & Mazzoleni 2016). Die Professionalisierung der Parteiorganisation sowie die Fähigkeit, unterschiedliche Aktivist: innengruppen zu bündeln und kollektive Graswurzelnetzwerke aufzubauen - oder dies zumindest zu simulieren und performativ darzustellen (Pytlas 2021d) - ist ein relevanter Aspekt rechtsradikaler Normalisierungsstrategien (Art 2011; Greskovits 2020; Minkenberg 2003). Institutionalisierung und Normalisierung bergen aber auch Risiken: Sie erhöhen das Potenzial für innerparteiliche Konflikte zwischen unterschiedlichen - mehr oder relativ weniger fundamentalistischen - Aktivist: innen und Fraktionen (Froio 2018; Kitschelt 1989; Pytlas & Biehler 2024). <?page no="119"?> 11.1 Parteiorganisationen 119 11.1 Parteiorganisationen Radikale, insbesondere rechtsradikale Parteien galten lange Zeit als stark personalisierte, schwach institutionalisierte und von ihren „charismatischen“ Führungspersonen dominierte Organisationen (Schedler 1996). Die Programmatik, die Wahlerfolge oder auch nur die Existenz von Parteien wie die proto-rechtsradikale UDCA von Pierre Poujade, der Lijst Pim Fortuyn oder mehrerer rechtsradikaler Parteien der ersten und zweiten Welle in Mittel- und Osteuropa hingen dementsprechend stark von ihren Führungspersonen ab. Im Laufe der Zeit konnten sich allerdings viele rechtsradikale Parteien institutionalisieren und entwickelten komplexere und ausdifferenzierte Organisationen sowie interne Entscheidungsstrukturen (Bolleyer 2013; Heinisch & Mazzoleni 2016; van Kessel & Albertazzi 2021). Obwohl die überwiegende Mehrheit dieser Parteien daher nicht mehr als personalisierte Vehikel zu verstehen ist, in denen die Führungspersonen jeden Aspekt ihrer Partei unter persönlicher Kontrolle haben, liegt die Macht in rechtsradikalen Parteien im Durchschnitt immer noch viel stärker in den Händen ihrer Führung. Gleichzeitig, auch wenn rechtsradikale Parteien im Durchschnitt die am stärksten zentralisierten Parteiorganisationen in ihren jeweiligen politischen Systemen sind, „ist der Grad der Zentralisierung zwischen ihnen sehr unterschiedlich“ (Heinisch & Mazzoleni 2016: 233). Quelle: Chapel Hill Expert Survey (Bakker et al. 2020). Abbildung 11.1: Einfluss auf die programmatische Ausrichtung der Partei: Parteimitglieder vs. Parteiführung <?page no="120"?> 120 11 Organisation Abbildung 11.1 bestätigt diesen Befund. Die Abbildung zeigt, inwieweit die Parteimitglieder oder die Parteiführung Einfluss auf die programmatische Ausrichtung der Partei haben. Wir sehen tatsächlich, dass in den meisten rechtsradikalen Parteien die Macht bei der Parteiführung konzentriert ist und dass diese Parteienfamilie typischerweise zu den am stärksten führungsorientierten Parteien gehört. Gleichzeitig sehen wir innerhalb der rechtsradikalen Parteienfamilie einige Unterschiede. In vielen rechtsradikalen Parteien konzentriert sich die Macht fast ausschließlich im zentralen Führungsapparat. So entschied sich beispielsweise Geert Wilders, um die organisatorischen Schwierigkeiten der LPF zu vermeiden, seine PVV als eine Ein-Mann-Partei zu gestalten: der Vorsitzende Wilders ist das einzige Parteimitglied (de Jonge 2021a). Trotz der Entwicklung komplexer Organisationen bleibt die Entscheidungsmacht auch in Parteien wie Rassemblement National in Frankreich oder Vox in Spanien bei der Führung und führungsnahen Parteigremien (Heinisch & Mazzoleni 2016; van Kessel & Albertazzi 2021). Ähnliches gilt für PiS in Polen. Trotz der komplexen Organisation, der starken regionalen Institutionalisierung und des performativen organisatorischen „Rebranding“ der Partei behält der Parteivorsitzende durch seine formale Kontroll- und Sanktionsbefugnisse sowie seine Beteiligung in mehreren Parteigremien eine absolutistische Kontrolle über die Partei (Pytlas 2021d). In einigen Fällen wird die Macht der zentralen Führung durch föderale Strukturen oder die Befugnisse von Mitgliedergremien eingeschränkt. Die tatsächliche Macht dieser Gremien hängt allerdings davon ab, inwieweit die Führung Mechanismen zur stärkeren Zentralisierung der Macht erarbeitet hat. In der FPÖ verfügen die Landesverbände über ein erhebliches Maß an Entscheidungsautonomie und damit über Kontrollmechanismen gegenüber der zentralen Parteiführung, etwa im Rahmen der Parteitage (Heinisch & Mazzoleni 2016). Während die Parteikongresse in einigen Parteien wie der Rassemblement National oder Lega praktisch nur symbolische Bedeutung haben, hat der Parteitag der SD nicht nur nominell, sondern auch praktisch eine stärkere Machtposition - wenngleich auch hier die Zentralisierung durch Sanktionsbefugnisse der Führung gewährleistet wird (Heinisch & Mazzoleni 2016). Ein zweiter wichtiger Faktor bei der Diskussion rechtsradikaler Parteienorganisationen ist ihre Interaktion mit nativistischen gesellschaftlichen Akteur: innen. Rechtsradikale Parteien sind kollektive Akteur: innen (Minkenberg 2003) und agieren in Netzwerken mit rechtsextremen und rechtsradikalen gesellschaftlichen Gruppierungen, Bürger: innenbewegungen und Aktivist: innenkreisen. Einige Parteien, wie zum Beispiel Jobbik in Ungarn, verstanden sich eine lange Zeit als „Bewegungspartei“, als parteipolitischer Arm einer breiteren nativistischer sozialer Bewegung und entwickelte gemeinsame kollektive Aktionen mit rechtsextremen Milizen wie die Ungarische Garde, sowie mit einem weiteren breiten Netzwerk <?page no="121"?> 11.1 Parteiorganisationen 121 nativistischer Organisationen (Pirro et al. 2021; Pirro & Gattinara 2018; Pytlas 2015). Auch die AfD interagierte in ihrer frühen Entwicklungsphase mit der nativistischen Bewegung PEGIDA ( Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes ) (Korsch 2016). Aber auch Parteien, die sich nicht per se als „Bewegungsparteien“ definierten, versuchten, eine stärkere Graswurzelbindung zu etablieren (van Kessel & Albertazzi 2021), oder zumindest zu simulieren (Pytlas 2021d) - nicht zuletzt um ihr öffentliches Image als populistische volkszentrierte Alternative zum Mainstream zu fördern. Einige Parteien, darunter die Lega Salvini, die Finnenpartei oder der VB, haben in Versuche investiert, eine große Zahl von Mitgliedern und Aktivist: innen zu gewinnen und sie gesellschaftlich innerhalb der Partei zu sozialisieren (van Kessel & Albertazzi 2021). Andere, wie PiS, nutzten ihre Graswurzelbindung zu Mitgliedern und Aktivist: innen eher performativ für Wahlkampfzwecke und hielten sich mit der aktiven Rekrutierung einer großen Zahl neuer Mitglieder zurück (Pytlas 2021c). PiS und Fidesz engagierten sich gleichzeitig in Ausbau gesellschaftlicher „konter-elitärer“ Netzwerke mit nationalkonservativen und/ oder nativistischen Bürger: innenkreisen und NGOs (Bill 2022; Greskovits 2020; Korolczuk 2023) Gleichzeitig bleibt die innerparteiliche Macht der einfachen Parteimitglieder und Funktionäre in rechtsradikalen Parteien gering (Heinisch & Mazzoleni 2016; van Kessel & Albertazzi 2021). Abgesehen von unverbindlichen Konsultationsmechanismen und Austauschforen verfügen einfache Mitglieder bzw. Funktionäre innerhalb rechtsradikaler Parteien tendenziell über eine unterdurchschnittliche Entscheidungsmacht in ihren Organisationen. Wie Abbildung 11.1 zeigt, gibt es allerdings einzelne Ausnahmen wie die EKRE, die Finnenpartei oder die AfD. Die EKRE entwickelte eine Reihe von partizipativen Initiativen zur Programmgestaltung und Kandidat: innen-Nominierung (Saarts et al. 2021). Die Finnenpartei wird als ein „organisatorisches Frankenstein-Monster“ beschrieben, das partizipative demokratische Mechanismen auf dem Parteitag mit einer mächtigen und kaum rechenschaftspflichtigen Exekutive verbindet (Hatakka 2021). Schließlich ist auch die AfD ein Beispiel für eine Partei mit stärker dezentralisierter Macht und ausgeprägten partizipativen Einflussmechanismen der Parteitagsdelegierten und einfachen Mitglieder (Heinze & Weisskircher 2021). Ein Grund für diese Entwicklung sind die konkreten Vorgaben zur demokratischen Ausgestaltung von Parteienorganisationen im deutschen Parteiengesetz (Heinze & Weisskircher 2021). Während einfache Funktionäre und Mitglieder dadurch nicht nur nominell, sondern auch faktisch Einfluss auf ihre Partei nehmen können, ist die Entscheidungsfindung in der Alltagspraxis gleichzeitig stärker zentralisiert (Heinze & Weisskircher 2021). <?page no="122"?> 122 11 Organisation 11.2 Normalisierung, Performanz und Konflikte Die Institutionalisierung und Professionalisierung rechtsradikaler Parteienorganisationen bleibt ein relevanter Teil rechtsradikaler Normalisierungsstrategien (Akkerman et al. 2016). Ein Aspekt ist die Herausbildung stabiler und dauerhafter Organisationen sowie effizienter Mobilisierungs- und Wahlkampfstrukturen. Durch die Fähigkeit, professionelle und medienaffine Funktionäre aus der Mitte der Gesellschaft zu rekrutieren, können rechtsradikale Parteien wiederum die subjektive Einschätzung ihrer Kompetenz fördern und breitere Gruppen von nativistischen Wähler: innen mobilisieren (Art 2011). Gleichzeitig können sich Parteien durch das Prisma ihrer Organisationen als mehr oder weniger radikal oder konventionell darstellen - oder versuchen, beide Darstellungen zu kombinieren. An dieser Stelle ist es wichtig, zwischen der faktischen organisatorischer Ausgestaltung und ihrer rhetorischen Darstellung zu unterscheiden. Mit anderen Worten ist es wichtig, die Performanz der Parteiorganisation selbst zu betrachten (Pytlas 2021d). Beispielsweise hat die PiS in Polen während des Wahlkampfs 2015 ihre radikale Führungspersonen „versteckt“ und einen organisatorischen „Rebranding“-Prozess der Partei simuliert (Pytlas 2021d). Die performative Dezentralisierung durch die Hervorhebung neuer zentraler Führungsfiguren und den vermeintlichen Rückzug der radikalen Aktivist: innen fügte sich in ihre programmatische Normalisierungsstrategie ein. Die innerparteiliche Macht blieb jedoch faktisch in den Händen des Parteivorsitzenden, während die anderen unsichtbaren Hardliner der Partei unmittelbar nach der Wahl Teil der neuen Regierung wurden (Pytlas 2021d). Gleichzeitig können sich Parteien je nach Kontext und Bedarf als eine gesellschaftliche Sammlungsbewegung darstellen und die Rolle der Verbindung an Graswurzelbewegungen und aktiven Unterstützer: innen betonen, oder ihre vermeintliche Distanzierung von radikalen Netzwerken und Bewegungen in ihre Normalisierungsstrategie integrieren (Pirro et al. 2021; Pytlas 2021d). Institutionalisierung und Normalisierung erhöhen aber gleichzeitig das Potenzial für innerparteiliche Konflikte zwischen unterschiedlichen - mehr oder weniger fundamentalistischen - Aktivist: innen und Fraktionen (Froio 2018; Kitschelt 1989; Pytlas & Biehler 2024). Auch wenn rechtsradikale Parteiorganisationen durch eine gemeinsame Ideologie verbunden sind, zeichnen sie sich häufig durch strategische und machtpolitische Konflikte zwischen unterschiedlichen Gruppierungen und Fraktionen aus (Heinisch 2003; Heinisch & Mazzoleni 2016; McDonnell & Newell 2011; <?page no="123"?> 11.3 Zusammenfassung 123 Pytlas & Biehler 2024). Innerparteiliche Konflikte kommen besonders häufig in stärker dezentralisierten Parteien vor, in denen einfache Mitglieder / Parteitagdelegierte oder Regionalverbände mehr Macht haben (Heinze & Weisskircher 2021). Innerparteiliche Konflikte können aber genauso gut in stärker zentralisierten Parteien auftreten, zum Beispiel innerhalb des Führungsapparats selbst (Heinisch & Mazzoleni 2016). Es ist wichtig zu betonen, dass rhetorische Normalisierung durch fundamentalistische Aktivist: innen nicht unbedingt als Herausforderung empfunden werden muss - solange diese Strategie auch für sie nützlich ist. Fundamentalistische Akteur: innen können jedoch innerparteiliche Konflikte initiieren, wenn sie den Eindruck haben, dass die Strategie der rhetorischen Normalisierung von ihren Konkurrent: innen genutzt werden kann, um die Kontrolle über die Partei zu festigen und fundamentalistische Kräfte innerhalb der Partei faktisch zu isolieren - etwa um rechtliche Sanktionen abzuwenden (Pytlas & Biehler 2024). In einigen Fällen von Parteien wie der FPÖ, der Finnenpartei oder der FvD konnten sich fundamentalistische Akteur: innen in innerparteilichen Konflikten durchsetzen, obwohl die Parteiführung eine Normalisierungsstrategie verfolgte (de Jonge 2021a; Hattaka 2021; Heinisch & Mazzoleni 2016). Der Ausgang innerparteilicher Konflikte hängt von einer ganzen Reihe parteiinterner und externer Faktoren ab, nicht zuletzt davon, ob die fundamentalistischen Akteur: innen und ihre Narrative selbst in der Partei etabliert und normalisiert sind (Pytlas & Biehler 2024). Rhetorische Normalisierung kann daher sogar mit einer faktischen inhaltlichen und organisatorischen Radikalisierung einhergehen (Pytlas & Biehler 2024). 11.3 Zusammenfassung In diesem Kapitel betrachteten wir die Entwicklung von rechtsradikalen Parteiorganisationen. Insgesamt wird deutlich, dass sich die institutionelle Ausgestaltung von rechtsradikalen Parteiorganisationen zunehmend der von konventionellen Parteien angeglichen hat (Heinisch & Mazzoleni 2016). Gleichzeitig sind rechtsradikale Parteien organisatorisch heterogen. Auch wenn rechtsradikale Parteien in ihren jeweiligen Parteiensysteme typischerweise zu den am stärksten zentralisierten Organisationen gehören, variiert der Grad der Machtzentralisierung in der Führung zwischen den jeweiligen Parteien (Heinisch & Mazzoleni 2016). Einige Parteien versuchen zudem, ihre Aktivist: innen in den Parteistrukturen zu verwurzeln und zu sozialisieren (van Kessel & Albertazzi 2021), während andere sich auf die Vernetzung und Interaktionen mit nativistischen sozialen Bewegungen und gesellschaftlichen Organisationen und NGOs konzentrieren (Pirro & Gattinara 2018; Bill 2023). Trotz eines <?page no="124"?> 124 11 Organisation „populistischen“ Images vieler dieser Parteien bleibt die innerparteiliche Entscheidungsmacht der Mitglieder in rechtsradikalen Parteien bis auf einzelne Ausnahmen allerdings gering (van Kessel & Albertazzi 2021) Die Etablierung stabiler und effizienter Parteistrukturen sowie die organisatorische Professionalisierung sind ein wichtiger Aspekt der Normalisierung rechtsradikaler Politik (Akkerman et al. 2016). Diese Entwicklung fördert die organisatorische Flexibilität und die subjektive Kompetenzwahrnehmung rechtsradikaler Organisationen (Art 2011). Institutionalisierung und Normalisierung erhöhen aber auch das Potenzial für innerparteiliche Konflikte zwischen unterschiedlichen - stärker fundamentalistischen oder „realpolitischen - Aktivist: innen und Fraktionen (Froio 2018: Pytlas & Biehler 2024). Wichtig bleibt in den Betrachtungen die Unterscheidung der Interaktionen zwischen der faktischen Organisation und ihrer rhetorischen Darstellung, bzw. der Performanz der Parteiorganisation (Pytlas 2021c). Rechtsradikale Parteien können nicht nur versuchen, dadurch ihre subjektiv wahrgenommene Kompetenz rhetorisch zu erhöhen, sondern auch ihre Organisation als mehr oder weniger institutionalisiert oder basisnah darzustellen, oder beide Aspekte zu betonen und ihr organisatorisches Profil zu „verwischen“ (Pytlas 2021d). Einige rechtsradikale Parteien haben trotz der Ausdifferenzierung und Entwicklung komplexer Parteienorganisationen Mechanismen entwickelt, die es der zentralen Parteiführung ermöglichen, einen dominanten Einfluss innerhalb der Partei zu behalten (Heinisch & Mazzoleni 2016). Einige versuchten auch, ihre radikalen Führungspersonen für die Zeit des Wahlkampfes zu „verstecken“ und ein organisatorisches „Rebranding“ zu simulieren (Pytlas 2021d). Das Potenzial für innerparteiliche Konflikte bleibt allerdings auch bei einer rein rhetorischen Normalisierung erhalten, etwa wenn einzelne Fraktionen befürchten, durch die rhetorische Strategie ihren tatsächlichen Einfluss auf die Partei zu verlieren (Pytlas & Biehler 2024). Wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, steht die rhetorische Normalisierung rechtsradikaler Parteien nicht im Zusammenhang mit einer tatsächlichen ideologischen Mäßigung (Akkerman et al. 2016; Pytlas 2022a). Gelingt es fundamentalistischen Akteur: innen, sich parteiintern selbst zu normalisieren, kann die rhetorische Normalisierung nach außen mit einer faktischen inhaltlichen Radikalisierung einhergehen und der fundamentalistischen Fraktion selbst dienen (Pytlas & Biehler 2024). <?page no="125"?> 12 Parteienwettbewerb Rechtsradikale Politik passiert nicht im luftleeren Raum. Sie findet im dynamischen Kontext wechselseitiger strategischer Interaktionen innerhalb der jeweiligen Parteiensysteme statt. Im Parteienwettbewerb passen die konventionellen Parteien ihre Themen, Positionen sowie Narrative an, um unterschiedliche Wähler: innengruppen zu mobilisieren. Wie im Verlauf des Buches bereits deutlich wurde, können aber auch rechtsradikale Parteien auf neue Kontextbedingungen und Strategien ihrer konventionellen Konkurrent: innen reagieren und ihre Rhetorik anpassen. In diesem Kapitel betrachten wir daher die Entwicklungen von wechselseitigen Wettbewerbsstrategien zwischen konventionellen und rechtsradikalen Parteien sowie ihre Auswirkungen auf rechtsradikale Politik und ihr Wahlpotenzial selbst. Zunächst widmen wir uns den Reaktionen konventioneller Parteien auf rechtsradikale Konkurrent: innen. Wir beginnen unsere Diskussion mit den Reaktionen auf rechtsradikale Parteien, im Sinne ihrer zunehmenden Integration in Parteiensysteme und Koalitionsbeteiligung. Anschließend betrachten wir die Reaktionen auf rechtsradikale Politik , insbesondere die empirisch beobachteten Rechtsrucktendenzen konventioneller Parteien (vgl. Mudde 2010, 2019; van Spanje 2010; Pytlas 2015; Abou-Chadi & Krause 2020, 2021; Alonso & Fonseca 2011; Bale & Rovira Kaltwasser 2021; Mondon & Winter 2020; ). Im Anschluss betrachten wir die Entwicklung und die Auswirkungen der Strategien rechtsradikaler Parteien selbst (Froio 2018; Pytlas 2022a). Einen besonderen Fokus legen wir dabei auf rhetorische Normalisierungsstrategien rechtsradikaler Parteien. Damit beschreiben wir rhetorische Narrative, mit denen rechtsradikale Parteien sich selbst und ihre oft unveränderten inhaltlichen Positionen rhetorisch als etabliert und salonfähig darstellen (Pytlas 2022a). Es wird sich zeigen, dass wechselseitige Wettbewerbsstrategien eine zentrale Rolle für die Normalisierung rechtsradikaler Politik und somit für das Mobilisierungspotenzial rechtsradikaler Parteien spielen. Die Ergebnisse der diskutierten empirischen Forschung entkräften die immer noch oft vertretene Annahme, dass der Rechtsruck konventioneller Parteien eine besonders erfolgsversprechende Strategie gegenüber rechtsradikalen Konkurrent: innen sei. Tatsächlich wissen wir aus der Forschung, dass das Kopieren nativistischer Positionen rechtsradikale Parteien nicht schwächt, sondern teilweise sogar stärkt (Krause et al. 2023; vgl. Art 2007; Mudde 2007; Pytlas 2015). <?page no="126"?> 126 12 Parteienwettbewerb Das Kopieren rechtsradikaler Politik ist nicht nur elektoral ineffektiv, sondern trägt auch wesentlich zu der Normalisierung rechtsradikaler „Originale“ bei. Neuere vergleichende Studien zeigen, dass rechtsradikale Parteien in den 2010er-Jahren verstärkt auf die rhetorische Normalisierung ihrer Politik setzten (Pytlas 2022a). Die rhetorische Normalisierung ging aber jedoch nicht mit einer Mäßigung ihrer ideologischen Positionen einher (Akkerman et al. 2016; Pytlas 2022a). Gleichzeitig war auch die aktive Normalisierungsrhetorik rechtsradikaler Parteien für ihr eigenes Mobilisierungspotenzial von großer Bedeutung. Rechtsradikale Parteien, die in ihren Wahlkampagnen ihre Salonfähigkeit stärker betonen konnten, erzielten ceteris paribus signifikant höhere Wahlergebnisse als solche, die diese Rhetorik weniger nutzten (Pytlas 2022a). Die aktiven Normalisierungsstrategien rechtsradikaler Parteien sowie die Normalisierung rechtsradikaler Politik durch konventionelle Akteur: innen scheinen sich wechselseitig zu befördern. Die Normalisierungsspirale rechtsradikaler Politik spielt in das Erstarken rechtsradikaler Parteien erheblich mit hinein. Diese Befunde werden auch für die anschließende Diskussion der Auswirkungen rechtsradikaler Politik auf die Demokratie und die pluralistische Zivilgesellschaft von großer Bedeutung sein. 12.1 Strategien konventioneller Parteien Konventionelle Parteien haben grundsätzlich drei Möglichkeiten, auf rechtsradikale Konkurrent: innen zu reagieren: die Konkurrentinnen ignorieren ( dismissive strategy ), sich den Konkurrentinnen annähern und ihre Positionen zu diesen Themen zu übernehmen ( accommodative strategy ) oder sich von den Konkurrentinnen zu distanzieren und Gegenpositionen zu diesen Themen zu artikulieren ( adversarial strategy ) (Meguid 2008). Es ist wichtig, zwischen Reaktionen auf rechtsradikale Parteien und Reaktionen auf rechtsradikale Politik zu unterscheiden. Konventionelle Parteien können sich von rechtsradikalen Parteienorganisationen distanzieren und gleichzeitig ihre Positionen übernehmen - oder umgekehrt (Minkenberg 2001). Daher betrachten wir die institutionellen und programmatischen Aspekte von Strategien gegenüber rechtsradikalen Parteien separat (Heinze 2020; Minkenberg 2001; van Spanje & Graaf 2018; Zulianello 2020). Zunächst betrachten wir die Reaktionen konventioneller Parteien auf rechtsradikale Parteienorganisationen selbst. Anschließend diskutieren wir ihre programmatischen Anpassungen gegenüber rechtsradikaler Politik. <?page no="127"?> 12.1 Strategien konventioneller Parteien 127 Die erste Dimension beschreibt Reaktionen hinsichtlich einer möglichen institutionellen Integration / Zusammenarbeit mit rechtsradikalen Parteien. Diese können von einer parteiübergreifenden institutionellen Isolation und Ablehnung jeglicher Interaktion mit rechtsradikalen Parteiorganisationen ( cordon sanitaire ) bis hin zu deren Beteiligung an Regierungskoalitionen reichen. Ein politischer oder medialer cordon sanitaire kann allerdings nur dann effektiv wirken, wenn er frühzeitig errichtet wird und undurchlässig ist. In Westeuropa begann der mediale und politische cordon sanitaire gegenüber rechtsradikalen Parteien jedoch bereits in den 1980er-Jahren zu bröckeln (Ellinas 2009; Mudde 2007; vgl. Kap. 3). Von symbolischer Bedeutung war in dieser Phase die zunehmende mediale Sichtbarkeit rechtsradikaler Akteur: innen. Im Vorfeld der Europawahlen 1984 erhielt Jean Marie Le Pen erstmals die Möglichkeit zu einem Fernsehinterview in der populären Talkshow L’Heure de la Vérité („Die Stunde der Wahrheit“). Le Pen selbst sagte, dass diese eine Stunde Fernsehpräsenz entscheidend für seine zunehmende Wahrnehmung als akzeptabler Politiker war (vgl. Ellinas 2009). Unmittelbar nach dem Interview verdoppelte sich die Wahlunterstützung für den Front National auf 7 Prozent, während 20 Prozent der Befragten zustimmten, dass Le Pen ein legitimer Oppositionspolitiker sei (vgl. Ellinas 2009: 218). Rechtsradikale Parteien sind durch die Entwicklung digitaler und sozialer Medien in ihrer Sichtbarkeit unabhängiger geworden. Grundsätzlich bleibt aber die Verfügbarkeit einer breiteren medialen Bühne für ein breiteres Mobilisierungspotenzial rechtsradikaler Akteur: innen relevant (Ellinas 2014; Jonge 2021). Wie bereits erwähnt, markierte die Einbeziehung der FPÖ in die Regierungskoalition mit der ÖVP im Jahr 2000 das symbolische Ende der Ära des cordon sanitaire in Westeuropa (vgl. Kap. 3.4). Seither sind rechtsradikale Parteien immer häufiger Teil von Koalitionsregierungen, so in Österreich (FPÖ 2002-2005, 2017-2019); in Italien (Lega 1994-1995, 2001- 2006, 2008-2011, seit 2018); in den Niederlanden (LPF 2002-2003). Rechtsradikale Parteien haben auch einige Minderheitsregierungen unterstützt, darunter in Dänemark (DFP 2001-2011; 2015-2019), in den Niederlanden (PVV 2010-2012) oder in Schweden (SD seit 2022). In den letzten Jahren waren rechtsradikale Parteien vereinzelt sogar an der Koalitionsbildung als stärkste Kraft beteiligt (FdI in Italien seit 2022; PVV in den Niederlanden seit 2024). In Mittel- und Osteuropa kam es bereits früh nach 1989 zu Regierungskoalitionen mit rechtsradikalen Parteien (Kossack 2023; Minkenberg 2017), <?page no="128"?> 128 12 Parteienwettbewerb so in der Slowakei (SNS 1992-1998, 2006-2010, 2016-2019; seit 2023); Lettland (NA 2011-2023); Bulgarien (Ataka: Unterstützung von Minderheitsregierungen 2009-2014; VMRO 2017-2021); Rumänien (PRM, PUNR: Unterstützung von Minderheitsregierungen 1992-1996); Polen (LPR 2005- 2006) und Estland (EKRE 2019-2021). In Polen und in Ungarn konnten zudem ehemals konventionelle Parteien, die sich selbst in den 2010er-Jahren zu rechtsradikalen Parteien transformiert haben, weitreichende Prozesse der Entdemokratisierung an der Regierung umsetzen (PiS in Polen 2005-2007, 2015-2023; Fidesz 1998-2002; seit 2010). Die Gründe für Regierungsbildungen in beiden Regionen Europas folgen - trotz kontextspezifischer Nuancen - zunehmend ähnlichen Mustern (de Lange 2012; Kossack 2023). Sowohl in WE als auch in MOE spielen - insbesondere seit den 2000er-Jahren - vor allem die größere Nähe hinsichtlich sozio-kultureller Positionen zum Koalitionsformateur sowie ein stark polarisiertes Parteiensystem eine zentrale Rolle für die Koalitionsbildung mit rechtsradikalen Parteien (Kossack 2023). Die in Teilen der öffentlichen Debatte manchmal noch sichtbare Annahme, rechtsradikale Parteien könnten durch ihre Regierungsbeteiligung „entzaubert werden“ und an Zustimmung verlieren, lässt sich aus vergleichender Perspektive nicht bestätigen. Rechtsradikale Parteien haben die Fähigkeit, in der Regierung „mit einem Fuß drinnen und mit einem Fuß draußen“ zu sein (Albertazzi & McDonnell 2005). Mit anderen Worten können sie die Regierungspolitik in bestimmten Politikfeldern mittragen und gleichzeitig in ihren Kernthemen ein eigenes Profil und gegebenfalls sogar eine „interne“ Anti-Establishment-Haltung als „Opposition an der Regierung“ bewahren. Die zweite Dimension beschreibt, wie die konventionellen Parteien auf rechtsradikale Politik reagieren: auf ihre Kernthemen, Positionen und ideologischen Narrative. Die qualitativen und quantitativen Befunde zeigen hier eine überwiegende Tendenz zu einem Rechtsruck. Rechtsradikale Parteien können mit ihren Kernthemen und Narrativen zunehmend die öffentlichen Debatten und die politische Agenda besetzen (Minkenberg 2001; Hutter et al. 2016; Kriesi et al. 2006). Wie bereits diskutiert, ist die Entwicklung der migrations- und asylpolitischen Debatte nach 2015 eines der aktuell sichtbarsten Beispiele für diese Entwicklung (Pytlas 2021c; Kriesi et al. 2024, vgl. Kap. 9.2). Neuere Forschung konnte zeigen, dass konventionelle Parteien ihre Positionen konkret als Reaktion auf Wahlerfolge rechtsradikaler Parteien anpassen (Abou-Chadi & Krause 2020). Aus der Forschung zu Mittel- und Osteuropa wissen wir gleichzeitig, dass konventionelle Konkurrent: innen bereits zwischen den Wahlen auf einen wahrgenommenen potenziellen Aufstieg und eine erhöhte öffentliche Sichtbarkeit rechtsradikaler <?page no="129"?> 12.1 Strategien konventioneller Parteien 129 Akteur: innen im politischen Diskurs reagieren können (Pytlas & Kossack 2015). In den letzten Dekaden haben sich konventionelle Parteien im europäischen Vergleich tendenziell in Richtung soziokultureller Positionen rechtsradikaler Parteien bewegt (Abou-Chadi & Krause 2020, 2021; Alonso & Fonseca 2011; Bale 2003; Carvalho 2013; Mondon & Winter 2020; Mudde 2010; Pytlas 2009, 2015; Thränhardt 1995; van Spanje 2010). Für sozialdemokratische Parteien sind die Befunde weniger eindeutig. Während einige Studien hier eher von „Inertia“ sprechen (Akkerman 2015), fanden andere heraus, dass auch einige sozialdemokratische Parteien restriktive einwanderungspolitische Positionen eingenommen haben (Alonso & Fonseca 2011; Schumacher & van Kersbergen 2016). Quelle: CHES 1999-2019 (Bakker et al. 2020). Abbildung 12.1: Verschiebungen von Parteipositionen in der Einwanderungspolitik 2006-2018. Die Tendenz eines positionellen Rechtsrucks wird zugleich insbesondere für Mitte-Rechts-Parteien identifiziert (Bale & Rovira Kaltwasser 2021). In mehreren Ländern wie Österreich, den Niederlanden, Großbritannien oder Frankreich rückten Mitte-Rechts-Parteien - in unterschiedlichem Ausmaß - in Richtung einwanderungspolitischen Positionen sowie Policies an und übernahmen teilweise auch ausgewählte Elemente rechtsradikaler Rhetorik (Bale & Rovira Kaltwasser 2021; Evans & Ivaldi 2021b; Heinisch & Werner 2021; Mondon 2013; van Kessel 2021). Auch wenn sich die Parteien in einigen Fällen intern über die Anwendung der Über- <?page no="130"?> 130 12 Parteienwettbewerb nahmestrategie nicht einig waren (Bale & Rovira Kaltwasser 2021), ist dieser allgemeine Trend ist bereits in den letzten 20 Jahren erkennbar (Abb. 12.1). Langfristigere quantitative Auswertungen der Parteiprogramme zeichnen ein noch deutlicheres Bild (Abou-Chadi & Krause 2021). Zwischen 1980 und 2018 wurden die Mitte-Rechts-Parteien zwar zunehmend progressiver in Bezug auf traditionelle Werte. Gleichzeitig aber bewegten sie sich im Vergleich zu den 1980er-Jahren substanziell (ca. 1,5 Punkte auf einer Skala von -1 bis 4) in Richtung restriktiverer Einwanderungspositionen (Abou-Chadi & Krause 2021: Abb. 3.5, 80ff.). Auch in Mittel- und Osteuropa haben sich mehrere konventionelle Parteien hin zu Positionen rechtsradikaler Parteien bewegt (Bakke & Sitter 2005; Bustikova & Kitschelt 2009; Minkenberg 2017; Pytlas 2015). Gleichzeitig übernahmen einige Parteien in MOE nicht nur die Positionen, sondern auch ausgewählte rechtsradikale Narrative, wie den Diskurs über den Untergang nationaler Werte und Bedrohung der Nation durch kulturelle „Andere“, oder das Anti-Establishment-Narrativ einer „gestohlenen Wende“ (Pytlas 2015). Die Übernahme rechtsradikaler Narrative verlief in der Region zunächst weitgehend punktuell. Zudem konzentrierte sich die Übernahmestrategie besonders auf bereits breite normalisierte Elemente rechtsradikaler Rhetorik. Mit der Zeit wurden die Übernahmestrategien umfangreicher. PiS in Polen und Fidesz in Ungarn internalisierten dabei nach und nach weitgehend den eigentlichen ideologischen Kern des Nativismus (Pytlas 2019, 2021c; Mudde 2019; Győri 2016; Kopper et al. 2017). Im Unterschied zu den meisten westeuropäischen konventionellen Parteien beinhaltete dies auch eine stärkere Übernahme von Anti-Establishment-Rhetorik. Einige Parteien in Westeuropa übernahmen stattdessen insbesondere die Rhetorik der Volkszentriertheit (nicht aber andere Elemente von Populismus) (Pytlas 2023). Die Rechtsruckstrategie wird in Teilen der öffentlichen Debatte immer noch häufig als eine besonders erfolgsversprechend angesehen. Die vergleichende Forschung zeigt jedoch inzwischen eindeutig: Das Kopieren rechtsradikaler Positionen führt nicht zu einer Schwächung rechtsradikaler Parteien, sondern teilweise sogar zu ihrer Stärkung. Neuere umfangreiche quantitative Auswertungen (Krause et al. 2023) bestätigen in dieser Hinsicht die Befunde früherer Analysen (Art 2007; Bale 2003; Mudde 2007; Pytlas 2015). Die Strategie ist nicht nur wahlpolitisch ineffektiv, sondern zieht durch die Legitimierung rechtsradikaler Politik auch negative Folgen für die Demokratie und Zivilgesellschaft nach sich (vgl. Kap. 13). Die These, dass die Übernahme rechtsradikaler Positionen in der Tendenz elektoral profitabel sei, basiert auf der Annahme eines „ungleichen Parteienwettbewerbs“ zwischen großen konventionellen Parteien und kleinen und weitgehend nicht etablierten „Nischenparteien“ (Meguid 2008). <?page no="131"?> 12.1 Strategien konventioneller Parteien 131 Im Sinne der räumlichen Theorie der Wahlentscheidung würden die Wähler: innen demnach zwischen zwei Parteien mit ähnlichen Positionen diejenige wählen, die über eine stärkere etablierte Position, gesellschaftliche Verankerung, legislative Kompetenz und Regierungseffektivität verfügt (Meguid 2008). Diese These greift jedoch inzwischen aus mehreren Gründen zu kurz.  Erstens berücksichtigt sie nicht die mittel- und langfristigen Normalisierungseffekte des Kopierens rechtsradikaler Positionen. Die Übernahme rechtsradikaler Positionen durch konventionelle Parteien trägt zur breiteren Aktivierung von nativistischen Einstellungen in der Gesellschaft bei (Bohman 2011; Schmidt-Catran & Czymara 2023, vgl. Kap. 13). Schon die frühe Forschung hat gezeigt, dass das Kopieren rechtsradikaler Positionen elektoral ineffizient ist und eher den nun in der Mitte legitimierten rechtsradikalen Originalen als den Kopien nützt (Bale 2003; Art 2007; Mudde 2007). Nicht selten verlieren konventionelle Parteien in der Mitte mehr Wähler: innen, als sie am rechten Rand potenziell dazu gewinnen, wie im Fall von Fidesz 2002 (Bozóki 2008). In Fällen, in denen das Kopieren rechtsradikaler Positionen kurzfristig zur Marginalisierung rechtsradikaler Parteien führte, wie in Ungarn oder in Frankreich in den 2000er-Jahren, lernten rechtsradikale Akteur: innen aus ihren Fehlern, professionalisierten ihre (neuen) Organisationen, konnten von der nun höheren Legitimierung ihrer Rhetorik profitieren und erzielten mittelbis langfristig noch größere Wahlerfolge (Pytlas 2015). Im Falle Polens und Ungarns ging die Übernahmestrategie wiederum so weit, dass PiS und Fidesz im Laufe der Zeit rechtsradikale Ideologie selbst weitgehend übernahmen (Pytlas 2015, 2019; Mudde 2019).  Zweitens bewahren rechtsradikale Parteien ihre distinktive Position im Parteiensystem nicht nur durch nativistische Positionen, sondern auch durch ihre Kombination mit Anti-Establishment-Rhetorik und „dünnen“ Ideologieelementen, z.B. Populismus (Lewandowsky 2022). Da es für konventionelle Parteien schwieriger ist, ein Anti-Establishment-Image zu etablieren, können rechtsradikale Parteien auch hier ein Alleinstellungsmerkmal im Parteienwettbewerb behalten. Beispielsweise konnte Jobbik, die eine kontinuierliche Distanz zu den konventionellen Parteien aufrechterhielt, die Kopierstrategie von Fidesz 2010 besser abwehren können als MIÉP in 2002, die keine Anti- Establishment-Distanz zu der Partei von Viktor Orbán aufrechterhielt (Pytlas 2015). Im europäischen Vergleich waren jene konventionellen Parteien, die Elemente des Populismus kopierten, nicht erfolgreicher als jene, die diese Rhetorik weniger nutzten (Pytlas 2023).  Drittens sind die meisten erfolgreichen rechtsradikalen Parteien in Europa, wie bereits angedeutet (vgl. Einleitung; Kap. 3, 4), nicht mehr als <?page no="132"?> 132 12 Parteienwettbewerb marginale, nicht-etablierte Nischenparteien einzuordnen (Mudde 2010; Zulianello 2020). Rechtsradikale Parteien sind nach wie vor darauf angewiesen, ihre Ideologie als salonfähig darzustellen (Bolin et al. 2023; Pytlas 2022a). Allerdings kann die Prämisse eines „ungleichen Wettbewerbs“, nach der konventionelle Parteien einen quasi-automatischen Wettbewerbsvorteil gegenüber institutionell marginalen rechtsradikalen Parteienorganisationen haben, spätestens seit der vierten Welle rechtsradikaler Politik nicht mehr pauschal angewendet werden. Neuere quantitative Befunde, die stärker auf die neueren Entwicklungen der dritten und insbesondere der vierten Welle fokussieren, zeigen, dass Rechtsruckstrategien konventioneller Parteien rechtsradikale Parteien im Trend nicht nur nicht schwächen, sondern teilweise sogar stärken (Krause et al. 2023). Diese Erkenntnisse widerlegen die Befunde von einzelnen Studien, die allgemeine positive Effekte von Übernahmestrategien oder deren Kombination mit der Isolation rechtsradikaler Parteienorganisationen finden (Meguid 2008; van Spanje & de Graaf 2018), die allerdings auf historischen Daten bis 2000 bzw. 2011 basieren. Neuere Befunde zeigen hingegen, dass etablierte rechtsradikale Parteien insbesondere seit den 2010er-Jahren von Kopierstrategien tendenziell profitieren (Krause et al. 2023). 12.2 Strategien rechtsradikaler Parteien Die Annahmen eines „ungleichen Parteienwettbewerbs“ fokussieren weniger darauf, dass rechtsradikale Parteien ihr politisches Angebot an kontextuelle Einschränkungen und Gelegenheitsstrukturen anpassen und ihr Potenzial auf breitere Wahlmobilisierung aktiv (mit-)gestalten können. Viele der oben genannten Punkte machen aber deutlich, dass Parteienwettbewerb keine Einbahnstraße ist: rechtsradikale „Originale“ können selbst auf Strategien von konventionellen Konkurrent: innen reagieren. Rechtsradikale Parteien verfügen über ein breites Repertoire an Mobilisierungs- und Reaktionsmöglichkeiten im Parteienwettbewerb (Froio 2018; Halikiopoulou et al. 2013; Halikiopoulou & Vasilopoulou 2018; Pytlas 2015). Wie bereits in den vorhergegangenen Kapiteln diskutiert, sind rechtsradikale Parteien in der Lage, sich neu zu erfinden, sich als neue Kraft zu präsentieren und nach neuen Themen und Narrativen zu suchen (Pytlas 2019). Eine zentrale Rolle spielen hierbei vor allem rhetorische Normalisierungsstrategien (Pytlas 2022a). In den vorangegangenen Kapiteln wurden bereits einige dieser Strategien identifiziert: Rechtsradikale Parteien können den Nativismus als die „wahre“ Version bereits etablierter Ideologien darstellen, als vermeintliche Verteidigung liberal-progressiver oder „eu- <?page no="133"?> 12.2 Strategien rechtsradikaler Parteien 133 ropäischer“ Werte wie Meinungsfreiheit, Solidarität und Gleichberechtigung (Kap. 6, 8), oder als „vernünftige“, kompetente Politik der „wahren Eliten“ (Kap. 7). Die rhetorische „Verpackung“ von Ideologien ( Frames ) ist dabei von den eigentlichen inhaltlichen Positionen zu unterscheiden (Pytlas 2015; Froio 2018; vgl. Kap. 6.3). Mit anderen Worten: Es ist wichtig, politische Rhetorik den substanziellen inhaltlichen Positionen und Charakteristika der Parteien gegenüberzustellen. Wie bereits diskutiert können rechtsradikale Parteien versuchen, sich selbst rhetorisch als etabliert oder salonfähig darzustellen, ohne ihre eigentlichen Positionen und Ideologie tatsächlich zu moderieren (Pytlas 2022a; Akkerman et al. 2016; Art 2007; Pytlas 2015; Froio 2018; vgl. Kap. 6.3). Die Betrachtung von rechtsradikalen Normalisierungsstrategien ist zugleich wichtig, da diese ein wichtiges Werkzeug zur Erhöhung der eigenen öffentlichen Akzeptanz und dadurch auch zur Ausweitung des Mobilisierungspotenzials auf breitere Gruppen von Wähler: innen darstellen (Froio 2018; Meyer & Wagner 2013; Pytlas 2022a). Rhetorische Normalisierungsstrategien dienen in erster Linie nicht dazu, die eigentlichen Positionen zu „verstecken“ - schließlich werden rechtsradikale Parteien nach wie vor wegen ihrer programmatischen Positionen gewählt (vgl. Kap. 10.2). Sie fördern aber die wahrgenommene Akzeptanz oft unveränderter nativistischer Positionen und rechtsradikaler Parteienorganisationen als salonfähig und etabliert. Der FN in Frankreich setzte seine bekannte dédiabolisation -Strategie als ein „Reputationsschild“ ein, um sein Image zu entdämonisieren und die gesellschaftliche Stigmatisierung zu entschärfen (Ivarsflaten 2006; Mayer 2013). Auch Jobbik in Ungarn startete nach 2014 eine Normalisierungsstrategie, die als „ cukisagkampany “ („Niedlichkeitskampagne“) bekannt wurde. Dabei betonte der damalige Parteivorsitzende Vona, dass die Anpassung nicht das „Was“, sondern das „Wie“ der Parteiinhalte betrifft (vgl. Biró Nagy und Boros 2016: 245; vgl. Pytlas 2019). Die politische Kommunikationsforschung zeigt dabei, dass „bloße“ Rhetorik eine wichtige Mobilisierungsfunktion haben kann (Marinova 2016; Sheets et al. 2016; vgl. Pytlas 2023). Politische Rhetorik kann die Wahrnehmung von Positionen der Partei durch die Wähler: innen zu beeinflussen - insbesondere dann, wenn diese Informationen die bereits bestehende Überzeugungen bestärken (Somer- Topcu et al. 2020). Rhetorische Normalisierungsstrategien können daher besonders dann wirksam sein, wenn die Wähler: innen bereits zu den Positionen der Partei neigen - aber noch nicht unbedingt zu der konkreten Partei an sich (Pytlas 2022a). Studien aus den Niederlanden zeigen beispielsweise, dass rechtsradikale Führungspersonen, die ihre politischen Fähigkeiten rhetorisch stärker in <?page no="134"?> 134 12 Parteienwettbewerb den Vordergrund stellten, die subjektive Wahrnehmung ihrer Legitimität und Glaubwürdigkeit steigern konnten, was wiederum mit einer Ausweitung ihres Mobilisierungspotenzials verbunden war (Bos et al. 2013; Bos & van der Brug 2010; vgl. Pytlas 2023). Auch im europäischen Vergleich erzielten rechtsradikale Parteien, die ihre außergewöhnliche politische Berufung rhetorisch stärker betonten, ceteris paribus höhere Wahlerfolge als solche, die diese Rhetorik weniger nutzten (Pytlas 2023). Normalisierungsrhetorik kann aber auch riskant sein. Eine zu starke Annäherung an konventionelle Politik kann dazu führen, dass die Partei ihr Alleinstellungsmerkmal und ihr radikales Image verliert (Froio 2018; Pytlas 2022a). Wie bereits in Kapitel 11 diskutiert, kann dies auch zu innerparteilichen Konflikten führen (Froio 2018; Art 2011; Pytlas & Biehler 2024). Radikale Parteien stehen daher oft vor der Herausforderung, zwischen unterschiedlichen Eigendarstellungen und Strategien zu manövrieren (Pytlas 2022a). Um rhetorische Normalisierungsstrategien systematischer zu messen, können sie entlang von zwei Dimensionen erfasst werden:  Selbstdarstellung der eigenen Etablierung ( streamlining ), und  der eigenen Salonfähigkeit ( mainstreaming ) (Pytlas 2022a). Beide Dimensionen stellen Aspekte politischer Kommunikation dar, die sich miteinander überschneiden können. Die erstere Dimension betrifft aber vor allem das Verhältnis zu Parteienorganisationen und dem Parteiensystem, während die zweite Dimension ihren Schwerpunkt gesellschaftspolitische Werte und Normen in den Vordergrund rückt (vgl. auch Zulianello 2020). Ähnlich wie bei den Reaktionen der konventionellen Parteien lohnt es sich daher, diese beiden Dimensionen analytisch getrennt zu betrachten. Die erste Dimension beschreibt, inwieweit Parteien sich als etablierte politische Organisationen präsentieren. Zum Beispiel können sie ihr politisches Angebot als eine „Erneuerung“ von bereits etablierten Parteien darstellen und sich als ein fester, integrierter Teil des Parteiensystems präsentieren (Kitschelt 1988). Mit Etablierungsnarrativen können Parteien so die subjektive Wahrnehmung ihrer Glaubwürdigkeit als respektable und professionelle „Kontereliten“ fördern und unter Umständen auch ihre Koalitionsfähigkeit signalisieren. Die zweite Dimension beschreibt die Selbstdarstellung der eigenen Salonfähigkeit (Pytlas 2022a). Damit präsentieren die Parteien ihre Positionen als kompatibel mit aktuellen breiteren gesellschaftlichen Werten und Normen. Dazu gehören beispielsweise Versuche, Werte wie Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit oder Humanitarismus bzw. Normen, wie bereits geltende Gesetze, Verordnungen und Verträge, nicht direkt herauszufordern, sondern nativistisch auszulegen, zu besetzen und als <?page no="135"?> 12.2 Strategien rechtsradikaler Parteien 135 rechtsradikale Argumente zu nutzen (vgl. Kap. 6.3 und 8.2). Rechtsradikale Parteien können auch versuchen, den Nativismus zu entideologisieren und als einen neuen („vernünftigen“, entschlossenen) Politikstil darzustellen, der „verlorene“ Werte und Normen konventioneller Politik wiederbelebe (vgl. Kap. 7). Mit Narrativen der Salonfähigkeit können Parteien also die subjektive Wahrnehmung ihrer Legitimität als akzeptabel und kompatibel mit übergreifenden gesellschaftspolitischen Mainstream- Werten signalisieren. Neuere vergleichende Forschung zeigt tatsächlich, dass rechtsradikale Parteien Normalisierungsstrategien in den 2010er-Jahren verstärkt eingesetzt haben und dass diese ceteris paribus tatsächlich eine wichtige Rolle für Wahlerfolge rechtsradikaler Parteien spielen (Pytlas 2022a). Die Verwendung dieser Rhetorik wurde im Rahmen des Anti-Establishment Rhetorical Strategies-Datensatzes für 142 Wahlkämpfe in Österreich, Tschechien, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, der Slowakei und Spanien in den Jahren 2010 bis 2019 erfasst (Anti-Establishment Rhetorical Strategies Dataset/ AERSD; Pytlas 2022b). Wir knüpfen an diese Analyse an und betrachten den Wandel rechtsradikaler Normalisierungsstrategien im regionalen Vergleich zwischen Westsowie Mittel- und Osteuropa. Die Abbildung 12.2 zeigt zunächst die Verwendung der Rhetorik der Etablierung. In Westeuropa (WE) präsentierten sich rechtsradikale Parteien bereits zu Beginn der 2010er-Jahre als etablierte, fest in ihren Parteiensystemen verankerte Parteien. Dies taten auch die meisten Parteien in MOE, wenngleich einige von ihnen zu dieser Zeit stärker ihren Charakter als nicht-etablierte Nischenparteien betonten. In der zweiten Hälfte der 2010er-Jahre wurde die Selbstdarstellung als etabliert in MOE zwar nicht ausgeprägter, aber deutlicher. Zu diesem Zeitpunkt präsentierten sich rechtsradikale Parteien europaweit als etablierte Akteur: innen, die fest in ihren Parteiensystemen verankert waren. Abbildung 12.3 wiederholt die Analyse in Bezug auf die Rhetorik der Salonfähigkeit. In den 2010er-Jahren und vor allem nach 2015 präsentierten sich rechtsradikale Parteien in beiden Regionen zunehmend als salonfähig. In MOE verfolgten rechtsradikale Parteien verschiedene Strategien und manövrierten zwischen unterschiedlichen Narrativen. In der zweiten Hälfte der 2015er-Jahre versuchten sie aber sichtbar verstärkt, übergreifende gesellschaftspolitische Werte und Normen nicht nur explizit abzulehnen, sondern auch rechtsradikal umzudeuten. Diese Strategie ist vor allem in WE sichtbar. Zugleich stellt der zunehmende Einsatz dieser Rhetorik einen gemeinsamen gesamteuropäischen Trend dar (Pytlas 2022a). <?page no="136"?> 136 12 Parteienwettbewerb Quelle: Anti-Establishment Rhetorical Strategies Dataset (Pytlas 2022b). Die Kasten zeigen, in welchem Bereich die meisten Werte liegen. Die Punkte innerhalb der Boxen geben den Median an, also den Wert, der genau in der Mitte der Daten liegt. Abbildung 12.2: Normalisierungsstrategien nativistischer Parteien nach Region 2010- 2019: Rhetorik der Etablierung. Quelle: Anti-Establishment Rhetorical Strategies Dataset (Pytlas 2022b). Die Kasten zeigen, in welchem Bereich die meisten Werte liegen. Die Punkte innerhalb der Boxen geben den Median an, also den Wert, der genau in der Mitte der Daten liegt. Abbildung 12.3: Normalisierungsstrategien nativistischer Parteien nach Region 2010- 2019: Rhetorik der Salonfähigkeit. <?page no="137"?> 12.3 Zusammenfassung 137 Ein Vergleich mit der Abbildung 12.1 macht deutlich: Die rhetorische Normalisierung rechtsradikaler Parteien ging nicht einher mit der tatsächlichen Mäßigung ihrer inhaltlichen Positionen. Im Durchschnitt sind migrationspolitische Positionen von rechtsradikalen Parteien sogar radikaler geworden. Auch ein direkter statistischer Vergleich zeigt, dass der Grad der rhetorischen Normalisierung nicht mit einer Anpassung von substanziellen GAL/ TAN-Positionen einher geht (Pytlas 2022a). Im Fall der rechtsradikalen Parteien war rhetorische Normalisierung daher von substanzieller inhaltlicher Radikalisierung begleitet. Rhetorische Strategien stellen somit einen neuartigen, eigenständigen Aspekt vom Parteienwettbewerb dar (Pytlas 2015). Wirken sie sich aber auf die Wahlergebnisse von rechtsradikalen Parteien aus? Erste vergleichende statistische Befunde zeigen, dass dies - unter sonst gleichen Umständen - durchaus der Fall ist (Pytlas 2022a). Die Etablierungsrhetorik war zwar nur bis zu einem gewissen Grad relevant. Wenn rechtsradikale Parteien sich zu sehr als etabliert darstellen, war der Effekt dieser Rhetorik zwar positiv, aber schwächer ausgeprägt und insgesamt nicht statistisch signifikant. Dies bedeutet zugleich, dass kein eindeutig negativer „Entzauberungseffekt“ der Etablierungsrhetorik rechtsradikaler Parteien zu beobachten ist. Eine zentrale Rolle für das Mobilisierungspotenzial rechtsradikaler Parteien spielte allerdings die Rhetorik ihrer eigenen Salonfähigkeit. Rechtsradikale Parteien, die ihre Salonfähigkeit in ihren Wahlkämpfen stärker betonen konnten, erzielten signifikant höhere Wahlergebnisse als solche, die diese Rhetorik weniger nutzten (Pytlas 2022a). Den rechtsradikalen Parteien hat es dabei in der Tendenz nicht wahlpolitisch geschadet, wenn sie ihre Ideologie rhetorisch stark an Mainstream-Werte anknüpfen konnten - vielmehr das Gegenteil war der Fall. Unabhängig von ihrem Etablierungsgrad konnten rechtsradikale Parteien davon profitieren, wenn sie stärker imstande waren, ihre Ideologie als kompatibel mit gesellschaftspolitischen Normen darzustellen (Pytlas 2022a). 12.3 Zusammenfassung In diesem Kapitel betrachteten wir Wettbewerbsstrategien von konventionellen und rechtsradikalen Parteien. Insgesamt wird deutlich, dass Parteistrategien eine wichtige Rolle für die Entwicklung und das Wahlpotenzial rechtsradikaler Parteien spielen. Wir haben gesehen, dass rechtsradikale Parteien nicht mehr marginale Parteienorganisationen am Rande ihrer Parteiensysteme sind. Vielmehr sind sie immer stärker in den Parteiensystemen integriert und in mehre- <?page no="138"?> 138 12 Parteienwettbewerb ren Ländern koalitionsfähig geworden (Zulianello 2020). Zudem sind einige konventionelle Parteien in den letzten Dekaden tendenziell in Richtung von Positionen rechtsradikaler Parteien gerückt (Abou-Chadi & Krause 2020, 2021; Alonso & Fonseca 2011; Bale & Rovira Kaltwasser 2021; Carvalho 2013; Mondon & Winter 2020; Mudde 2010; Pytlas 2015; van Spanje 2010). Die empirische Forschung zeigt gleichzeitig deutlich, dass eine Kopierstrategie rechtsradikale Parteien nicht schwächt, sondern teilweise sogar stärkt (Krause et al. 2023; vgl. Art 2007; Mudde 2007; Pytlas 2015). Das Kopieren rechtsradikaler Politik ist nicht nur wahlpolitisch ineffektiv, sondern trägt auch wesentlich zu der Normalisierung rechtsradikaler „Originale“ bei. Da die meisten rechtsradikalen Parteien immer weniger isolierte und marginale „Nischenparteien“ sind, tragen Kopierstrategien im Sinne einer Normalisierungsspirale selbst zur Stärkung rechtsradikaler Parteien bei (Pytlas 2015, 2018; Krause et al. 2023). Gleichzeitig ist es wichtig, die aktiven Mobilisierungs- und Wettbewerbsstrategien rechtsradikaler Parteien selbst zu betrachten. Denn rechtsradikale „Originale“ bleiben angesichts der Reaktionen konventioneller Akteur: innen nicht statisch, sondern können sich selbst an neue Gelegenheitsstrukturen und Einschränkungen anpassen. Neuere empirische Befunde zeigen, dass viele rechtsradikale Parteien in den 2010er-Jahren extensive rhetorische Normalisierungsstrategien verfolgten und dadurch sogar ihr Mobilisierungspotenzial beeinflussen können. Rechtsradikale Parteien waren dann erfolgreicher, wenn sie stärker imstande waren, ihre Ideologie als salonfähig, das heißt kompatibel mit gesellschaftspolitischen Werten und Normen darzustellen (Pytlas 2022a). Wie immer sollten diese Ergebnisse nicht als eine monokausale Erklärung und nicht als ein Automatismus verstanden werden. Sie zeigen aber, dass rhetorische Mainstreaming-Strategien rechtsradikaler Parteien auch bei zukünftigen Analysen ihrer Wahlerfolge berücksichtigt werden müssen. Die Befunde bedeuten auch nicht, dass Reaktionen der konventionellen Parteien keine Relevanz für das rechtsradikale Wahlpotenzial haben. Ganz im Gegenteil: Das verstärkte Kopieren von rechtsradikaler Politik durch konventionelle politische und mediale Akteur: innen macht es rechtsradikalen Parteien leichter, ihre Salonfähigkeit rhetorisch zu behaupten und von dieser Rhetorik zu profitieren (Pytlas 2022a). Rechtsradikale Rhetorik, Rechtsruckstrategien konventioneller Parteien und die damit verbundene Normalisierungsspirale haben zugleich weitreichende und spürbare Auswirkungen auf pluralistische Gesellschaft und die Stabilität demokratischer Werte und Institutionen. Diese diskutieren wir im nächsten Kapitel. <?page no="139"?> 13 Auswirkungen Angesichts der Normalisierung rechtsradikaler Politik gewinnt die Frage nach ihren Auswirkungen ( impact ) auf die Demokratien und Gesellschaften in Europa immer größere Relevanz (Herman & Muldoon 2018; Minkenberg 2001; Schain et al. 2002; Williams 2006). Die Auswirkungen der Aktivitäten rechtsradikaler Parteien können sowohl direkt als auch indirekt sein (Minkenberg 2001; Mudde 2013). So wurden einige restriktive soziokulturelle Policy-Forderungen, die von rechtsradikalen Parteien auf die politische Agenda gesetzt wurden, nicht von rechtsradikalen „Originalen“ umgesetzt, sondern indirekt durch ihre konventionelle Konkurrent: innen oder Koalitionspartner: innen (Akkerman 2012; Akkerman & de Lange 2012; Minkenberg & Kossack 2015; Mudde 2013). Auch der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist hierfür ein prominentes Beispiel (Sobolewska & Ford 2020). Für die Betrachtung der Auswirkungen von Rechtsradikalismus ist daher die Berücksichtigung der Normalisierungsspirale rechtsradikaler Politik sowohl durch die Strategien rechtsradikaler Parteien selbst als auch durch die Kopierstrategien konventioneller Parteien, von großer Bedeutung (Pytlas 2018a). Die zunehmende Koalitionsfähigkeit und Etablierung rechtsradikaler Parteien, sowie Entwicklungen in mehreren Regionen der Welt haben den Blick auf die Folgen rechtsradikaler Akteur: innen an der Macht gelenkt, insbesondere im Hinblick auf teilweise weitreichende Prozesse der Entdemokratisierung (Levitsky & Ziblatt 2018; Muno & Pfeiffer 2021; Sata & Karolewski 2020). Auch hier ist die Normalisierungsspirale rechtsradikaler Politik relevant. Die Prozesse von Entdemokratisierung in Ungarn und in Polen wurden nicht direkt von rechtsradikalen „Originalen“ umgesetzt, sondern von den radikalisierten, ehemals konservativen Parteien (Mudde 2019; Pytlas 2018a). Gleichzeitig kann rechtsradikale Politik ihre Wirkung bereits lange vor dem Einzug rechtsradikaler Parteien in Parlamente oder in die Regierung entfalten (Minkenberg 2001). Die Normalisierung rechtsradikalen Gedankenguts in öffentlichen medialen und politischen Debatten hat Auswirkungen auf den Alltag der Betroffenen der nativistischen Rhetorik und auf die Gesellschaft insgesamt. Rechtsradikale Politik an der Macht hat zudem erhebliche negative Konsequenzen für die pluralistische Zivilgesellschaft, die mit Ausgrenzungen, Einschüchterungsversuchen und För- <?page no="140"?> 140 13 Auswirkungen derungseinschränkungen konfrontiert wird (vgl. Bill 2022; Greskovits 2020; Korolczuk 2023; Molnár 2016; Pytlas 2018b). In diesem Kapitel diskutieren wir daher die Auswirkungen rechtsradikaler Politik auf demokratische Institutionen und auf die (Zivil-)Gesellschaft. Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, die Liste der Auswirkungen von Rechtsradikalismus ausschöpfend zu betrachten. Die Diskussion macht aber deutlich, dass die Normalisierung rechtsradikaler Politik die Demokratie und die pluralistische (Zivil-)Gesellschaft vor neuartige Herausforderungen stellt.  Erhebliche negative Konsequenzen für die Demokratie und die (Zivil-) Gesellschaft entstehen nicht nur unmittelbar durch die Aktivität rechtsradikaler „Originale“, sondern auch indirekt durch Normalisierung rechtsradikaler Politik seitens konventioneller Parteien.  Die Erodierung der Demokratie verläuft oft unauffällig und schleichend durch die Vereinnahmung demokratischer Institutionen, Instrumentalisierung von bestehenden Normen und Versuche der Etablierung einer eigenen nativistischen „Zivilgesellschaft“.  Die formale Stärke demokratischer Institutionen schützt nicht vor Entdemokratisierung. Eine zentrale Rolle spielt hier die Aufrechterhaltung der Legitimität der pluralistischen Normen und Werte der Demokratie. Gerade in Zeiten der Normalisierung rechtsradikaler Politik stellt dies konventionelle mediale und parteipolitische Akteur: innen vor die wichtige Aufgabe, pluralistische Werte zu verteidigen und die pluralistische Zivilgesellschaft zu stärken. 13.1 Demokratische Institutionen In Kapitel 2.2 haben wir bereits festgestellt, dass die rechtsradikale Ideologie eine Konteridee zu den pluralistischen Werten der Demokratie darstellt (Minkenberg 1998; Pytlas 2018a). Diese Werte beinhalten die allgemeine Geltung von gleichen Menschenrechten sowie das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und die damit verbundene Idee der demokratischen Gewaltenteilung ( checks and balances ) (Dahl 1971; Fraenkel 1964). Ausschlaggebend für die potenzielle Gefährdung der Qualität der Demokratie seitens rechtsradikaler Parteien ist daher nicht ihre Anti-Establishment- Haltung per se, sondern spezifisch ihre rechtsradikale ideologische Ausrichtung (Huber & Schimpf 2017; Vittori 2022). Richten wir den Blick zunächst auf die Auswirkung der Aktivität rechtsradikaler Parteien auf demokratische Institutionen und die Gewaltenteilung. Vergleichende quantitative Analysen zeigen, dass bereits die Präsenz rechtsradikaler Parteien im Parlament mit einem geringeren Niveau der demokratischen checks und balances einher geht (Huber & Schimpf <?page no="141"?> 13.1 Demokratische Institutionen 141 2017). Der negative Zusammenhang ist im Fall der bloßen Präsenz rechtsradikaler Parteien im Parlament zugleich nicht statistisch signifikant (Huber & Schimpf 2017). Anders verhält es sich allerdings in Kontexten, in denen spezifisch rechtsradikale Parteien an die Macht gelangen. Im Vergleich zu Regierungen konventioneller Parteien wirkt sich die Regierungsbeteiligung rechtsradikaler Parteien signifikant negativ auf die Qualität der demokratischen Gewaltenteilung aus (Vittori 2022). Die quantitative Studie findet gleichzeitig heraus, dass dies in der Tendenz auch im Vergleich zur Regierungsbeteiligung von linksradikalen Parteien signifikant der Fall ist (Vittori 2022). Die Fälle von Ungarn seit 2010 und Polen 2015-2023 stehen exemplarisch für die Prozesse der Erodierung demokratischer Normen durch Regierungen von Fidesz und PiS (Pytlas 2018a, 2021a; Sata & Karolewski 2020; Scheppele 2018; Venice Commission 2013, 2016). Hervorzuheben ist, dass die Entdemokratisierungsprozesse in beiden Fällen nicht von rechtsradikalen „Originalen“, sondern von radikalisierten, ehemals konservativen konventionellen Parteien initiiert wurden (Pytlas 2018a; Mudde 2019; vgl. Kap. 4.4). Bemerkenswert ist auch, dass beide Länder als Vorbilder für die formale institutionelle Konsolidierung und Stabilisierung der Parteiensysteme galten. Trotz dieser formalen Konsolidierung wurde rechtsradikale und populistische Politik allerdings zur Erodierung demokratischer Institutionen und Normen genutzt (Pytlas 2018a, 2021a; vgl. Enyedi 2016; Herman 2016). Die Lehren aus Polen und Ungarn sind daher auch für konsolidierte Demokratien in anderen Regionen von Bedeutung. Im Folgenden betrachten wir zunächst die Maßnahmen zur Instrumentalisierung und Vereinnahmung demokratischer Institutionen durch beide Regierungen (state capture) . Damit ist die „exekutive Konzentration politischer Macht sowie die Beschneidung von demokratischen Kontrollmechanismen innerhalb von Staatsstrukturen“ gemeint (Pytlas 2021a: 252). In Ungarn legte Fidesz die Grundlage für den illiberalen Umbau des Landes in der Deklaration des neuen „Systems der Nationalen Zusammenarbeit“ festgelegt, die die Errichtung eines „Neuen Gesellschaftsvertrages“ auf der Basis des „demokratischen Willens der Menschen“ versprach (Fidesz 22.5.2010, vgl. Pytlas 2021a: 253). Bereits kurz nach der Wahl verabschiedete das Fidesz-dominierte Parlament eine neue Verfassung und schränkte die Rechte der ungarischen Judikative ein (Scheppele 19.12.2011). Die Vierte Änderung des ungarischen Grundgesetzes entzog dem Verfassungsgericht die Befugnis, Verfassungsänderungen auf ihre Verfassungskonformität hin zu überprüfen und hob damit auch die Urteile des Verfassungsgerichts auf, die einige Gesetze der Regierung für verfassungswidrig erklärt hatten (Boros 2013; <?page no="142"?> 142 13 Auswirkungen Pytlas 2021a; Scheppele 1.3.2013). Durch die Anpassung des Ernennungsverfahrens für Richter: innen durch das Parlament (Erhöhung der Hürde auf Zweidrittelmehrheit) und die Erweiterung der Anzahl der Richter: innen von elf auf fünfzehn konnte Fidesz die politische Kontrolle über das Verfassungsgericht erlangen (Pirro & Stanley 2022). Während der ersten PiS-Regierung in Polen 2005-2007 konnte die Kaperung der demokratischen Institutionen in Polen noch durch zivilgesellschaftliche Proteste und Interventionen des Verfassungstribunals verhindert werden (Pytlas 2021a; Stanley 2016). Umso schneller übernahm die PiS-Regierung nach 2015 die Kontrolle über das polnische Verfassungstribunal und weitere Institutionen der Judikative. Dazu gehört der Landesjustizrat, der für Ernennungs- und Disziplinarverfahren zuständig ist (Pytlas 2021a; Sadurski 2019). Da die PiS über keine verfassungsändernde Mehrheit verfügte, versuchte die Regierung die Aushebelung der demokratischen Gewaltenteilung als verfassungskonform zu interpretieren (Pytlas 2021a). Als das Verfassungstribunal die Vereinnahmungsversuche allerdings für verfassungswidrig erklärte, setzte die Regierung diese Urteile nicht um und blockierte sie durch direkte Nichtbeachtung und indirekt durch verfassungswidrige legalistische Tricks - etwa indem sie die Urteile nicht sofort offiziell veröffentlichte (vgl. Pirro & Stanley 2022). Insgesamt nutzten PiS und Fidesz bei der Vereinnahmung demokratischer Institutionen die Methode des „autokratischen Legalismus“ (Scheppele 2018). Mit anderen Worten, sie nutzten „demokratische Mechanismen und Prozesse der liberalen Demokratie sowie Rechtsstaatlichkeit als Werkzeuge zur Instrumentalisierung und gar zur Aushebelung derselben“ (Pytlas 2021a: 263). Direkte Verstöße gegen Gesetze und demokratische Regeln wurden von Maßnahmen der Rechtsbeugung begleitet, bei denen der Buchstabe der Gesetze zwar offiziell gewahrt wurde, nicht aber der demokratische Sinn und der Geist der Gesetzgebung (Pirro & Stanley 2022). Die kontrollierten Institutionen wurden dann zur Ausweitung der Entdemokratisierung sowie zur Einschüchterung ( chilling effects ) und Ausgrenzung der Zivilgesellschaft eingesetzt (Pytlas 2021a). 13.2 (Zivil-)Gesellschaft Rechtsradikale Politik und ihre Normalisierung können ihre negative Wirkung bereits entfalten, bevor rechtsradikale Parteien an die Macht kommen (Bohman 2011; Huber & Schimpf 2017). Am deutlichsten wird dies, wenn wir die Auswirkungen von Nativismus auf die pluralistische Gesellschaft betrachten. <?page no="143"?> 13.2 (Zivil-)Gesellschaft 143 Rassismus und Nativismus sind im gesellschaftlichen Alltag keine Randphänomene. 22 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland und 58 Prozent der potenziell von Rassismus betroffenen Befragten gaben im Jahr 2020 an, selbst schon mal Rassismus erfahren zu haben (DeZIM 2022: 5). Rassistische und weitere nativistische Überzeugungen waren in der Mitte der europäischen Gesellschaften auch vor dem Aufstieg rechtsradikaler Parteien vorhanden (Mudde 2010; Semyonov et al. 2006). Der Aufstieg und die Normalisierung rechtsradikaler Politik spielen zugleich eine erhebliche Rolle bei der Aktivierung und Verbreitung dieser Einstellungen. Rechtsradikale Politik liefert ideologische Deutungsmuster und Blaupausen, die die Einstellungen mit einer politischen Agenda verknüpfen und Mobilisierungsnarrative konstruieren (Rydgren 2003). Die direkten und indirekten Auswirkungen der Aktivität von rechtsradikalen Parteien und der Kopierstrategien konventioneller Parteien ergänzen sich dabei gegenseitig (Pytlas 2018b). Aus der frühen Forschung wissen wir, dass nativistische Einstellungen dort stärker ausgeprägt waren, wo rechtsradikale Parteien mehr Wahlunterstützung erhielten (Semyonov et al. 2006). Eine spätere Analyse des Falles zeigte jedoch, dass dieser Effekt unabhängig davon war, ob die rechtsradikale Partei ins Parlament eingezogen war oder nicht (Wilkes et al. 2007). Gleichzeitig hängt die Aktivierung nativistischer Einstellungen mit allgemeinerem politischem Rechtsruck zusammen. Migrationsfeindliche Einstellungen in den Gesellschaften in West- und Mittel- und Osteuropa nehmen zu, wenn nativistische Aussagen von politischen Parteien zunehmend artikuliert werden ‒ und zwar nicht nur von rechtsradikalen, sondern vor allem von großen traditionellen Mainstream-Parteien (Bohman 2011). Die genannten Effekte werden durch die Größe der parlamentarischen Parteien verstärkt (Bohman 2011), so dass es möglich ist, dass die Etablierung rechtsradikaler Parteien ihnen mehr direkten Einfluss auf gesellschaftliche Normen ermöglicht (vgl. Valentim 2021). Neuere Studien zeigen jedoch auch, dass nativistische Einstellungen in der Gesellschaft mit der Zunahme nativistischer Aussagen von politischen Parteien insgesamt zunehmen (Schmidt-Catran & Czymara 2023). Gleichzeitig findet die Studie keinen Zusammenhang zwischen dem Anstieg nativistischer Einstellungen und steigenden Einwanderungszahlen (Schmidt-Catran & Czymara 2023). Das Kopieren rechtsradikaler Politik durch konventionelle Parteien spielt demnach neben der direkten Aktivität von rechtsradikalen Parteien in den Anstieg nativistischer Einstellungen in der Gesellschaft signifikant mit hinein (Bohman 2011; vgl. Pytlas 2018b). Die geringere Qualität der Minderheitenrechte hing statistisch signifikant bereits mit der Präsenz rechtsradikaler Parteien im Parlament zusammen <?page no="144"?> 144 13 Auswirkungen (Huber & Schimpf 2017). Kommt rechtsradikale Politik an die Macht, sind die Folgen für die pluralistische Werte der Demokratie und den gesellschaftlichen Alltag deutlich sichtbar. Quantitative Studien zeigen, dass sich die Regierungsbeteiligung rechtsradikaler Parteien signifikant negativ auf die Qualität pluralistischen Werte der Demokratie wie freie Meinungsäußerung, zivilgesellschaftliche Partizipation und bürgerliche Freiheiten auswirkt (Vittori 2022). In den Fällen Ungarns und Polens, wo rechtsradikale Politik an die Macht kam, spielte die Einschränkung der gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe in die Aushebelung der demokratischen Normen sichtbar mit ein. In Ungarn schränkte Fidesz den Medienpluralismus und die Pressefreiheit unter Berufung auf die Durchsetzung „ausgewogener Information“ erheblich ein (Pirro & Stanley 2022). Neben der Errichtung des regierungsnahen Medienrates erfolgte die Vereinnahmung der Medienlandschaft vor allem durch die Übernahme privater Medien und die Schaffung finanziell privilegierter regierungsnaher Medienimperien (Csaky 2019). Der Marktanteil regierungsfreundlicher Medien lag 2018 bei 77,8 Prozent (Átlátszó.hu 2.5.2019; vgl. Pytlas 2021a). Auch in Polen übernahm die PiS unmittelbar nach den Wahlen 2015 durch eine Reihe verschiedener Maßnahmen die politische Kontrolle über die öffentlich-rechtlichen Medien (Pytlas 2021a; Wójcik 20.10.2023). In den folgenden Jahren gab es mehrere Versuche der Regierung, die privaten Medien zu schwächen oder zu dominieren (Marcisz 15.8.2021; Wójcik 20.10.2023). Nachdem der von der Regierung kontrollierter Mineralölkonzern PKN Orlen im Jahr 2021 die Mediengruppe Polska Press, der die meisten polnischen Regionalzeitungen gehören, übernommen hatte, wurden in fast allen dieser Zeitungen die Chefredakteur: innen ersetzt (Wójcik 20.10.2023). In beiden Ländern dienten die vereinnahmten Institutionen der nativistischen Delegitimierung und Ausgrenzung marginalisierter Gruppen, gesellschaftspolitischer Opposition und der Zivilgesellschaft (Pytlas 2021a; Győri 2016; Kopper et al. 2017). In Ungarn setzte Fidesz mehrere nationalistische kultur- und bildungspolitische Forderungen von Jobbik um und konstruierte einen Verschwörungsmythos der Bedrohung der nativistisch ausgelegten Nation durch angebliche bedrohliche Kräfte einer „offenen Gesellschaft“ (Orbán 28.2.2016, 10.2.2017 vgl. Pytlas 2021a: 261). Neben der nativistischen Rhetorik setzte Fidesz abschreckende Maßnahmen gegen zivilgesellschaftliche Menschenrechtsorganisationen durch. Ein Beispiel ist das 2018 verabschiedete „Stopp-Soros-Gesetzespaket“, das eine vage definierte „Einwanderungsförderung“ unter Strafe stellte und Spenden mit einem 25 Prozent Steuersatz belegte (vgl. Verseck 20.6.2018; zu weiteren Maßnahmen vgl. Halmai 2018; Pytlas 2021a; Pirro & Stanley <?page no="145"?> 13.2 (Zivil-)Gesellschaft 145 2022). Rechtsradikale Verschwörungsmythen (vgl. Kap. 9.2) wurde auch im Bereich der Hochschulgesetzgebung eingesetzt. Die berüchtigte Lex CEU führte in letzter Konsequenz zur Verdrängung der Central European University, die durch die Open Society Foundations von George Soros unterstützt wurde, von Budapest nach Wien (Pirro & Stanley 2022). In Polen wurden die gekaperten Institutionen immer wieder dazu genutzt um kritische Stimmen, die politische Opposition und die Zivilgesellschaft zu drangsalieren und auszugrenzen. So wurden beispielsweise mehrere Disziplinarverfahren gegen regierungskritische Richter: innen eingeleitet (Polnische Richtervereinigung Iustitia 3.4.2019). Das politisch von der PiS kontrollierte Verfassungstribunal setzte mit einem Urteil eine unpopuläre Einschränkung reproduktiver Rechte durch, die de facto ein Verbot vom Schwangerschaftsabbruch bedeutete (Pytlas 2021a: 261). Die gekaperten öffentlich-rechtlichen Medien wurden von PiS dazu genutzt, marginalisierte Gruppen, die Zivilgesellschaft und die Opposition anzugreifen und auszugrenzen. Die Laufschriften der Newsticker in den Nachrichtensendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wurden aufgrund ihrer dämonisierenden und Angst schürenden Inhalte im Volksmund als „Zeilen des Grauens“ ( „paski grozy“ ) bezeichnet (Pytlas 2018a: 176). So wurden zivilgesellschaftliche Proteste als Putschversuche oder als Versuche, „muslimische Migranten nach Polen zu bringen“, verteufelt (Gazeta.pl 21.12.2017; Pytlas 2021b). Die PiS selbst dämonisierte zugleich z.B. LSBTIQ+-Personen oder Teilnehmende der Frauenproteste gegen das Urteil des Verfassungstribunals, als eine angebliche aus dem Westen importierte, bedrohliche „Ideologie“ und als Gefahr für die polnische Nation und deren kollektive Identität (Gazeta.pl 24.4.2019; Onet.pl 27.10.2020). Rechtsradikale Parteien an der Macht versuchen gleichzeitig, gesellschaftliche Strukturen zu vereinnahmen und eine eigene nativistische Gegenzivilgesellschaft zu etablieren (Bill 2022; Greskovits 2020). Das Beispiel von Polen zeigt, dass die Umlenkung der Fördermittel in „eigene“ gesellschaftliche Organisationen ein zentrales Instrument für solche Vereinnahmungsversuche darstellt. So wurden in den Jahren 2015- 2016 Ausschreibungen für Förderungen aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union 2015 und 2016 ohne Entscheidung annulliert, was die Tätigkeit von einigen Menschenrechtsorganisationen stark beeinträchtigte (Nowak 26.9.2019). Gleichzeitig erschuf die Regierung mit dem „Nationalinstitut für Freiheit“ einen neuen Träger, der die Ausschreibungen der Förderprogramme für die Zivilgesellschaft übernahm. <?page no="146"?> 146 13 Auswirkungen Im Ergebnis wurden finanzielle Mittel an zahlreiche bereits bestehende oder erst neu gegründete national-konservative, rechtsradikale sowie regierungsnahe Organisationen vergeben (vgl. Bill 2022; Korolczuk 2023). Die Gefahr für die pluralistische Gesellschaft seitens rechtsradikaler Akteur: innen an der Macht liegt daher neben Abschreckungsmaßnahmen und rhetorischer Ausgrenzung in schleichenden Versuchen der finanziellen „Austrocknung“ pluralistischer Organisationen und einer nativistischen Vereinnahmung der zivilgesellschaftlichen Ebene. 13.3 Zusammenfassung In diesem Kapitel haben wir festgestellt, dass rechtsradikale Politik erhebliche negative Auswirkungen auf die Demokratie und die Zivilgesellschaft mit sich bringt. Vergleichende Studien zeigen, dass es spezifisch die rechtsradikale ideologische Ausrichtung ist, die eine potenzielle Gefahr für die Qualität der Demokratie seitens radikaler Parteien darstellt (Huber & Schimpf 2017; Vittori 2022). Dies ergibt sich auch daraus, dass die nativistische Ideologie als Konteridee zu pluralistischen Werten der Demokratie bereits in ihrem inhaltlichen Kern per definitionem mit der Infragestellung des Rechts auf gleichberechtigte gesellschaftspolitische Teilhabe der durch diese Ideologie ausgegrenzten Gesellschaftsgruppen einher geht (vgl. Kap. 2). Zugleich haben wir gesehen, dass die Normalisierung rechtsradikaler Politik die Demokratie und die pluralistische (Zivil-)Gesellschaft vor neuartige Herausforderungen stellt.  Die diskutierten empirischen Studien zeigten, dass negative Folgen für die Demokratie und die (Zivil-)Gesellschaft nicht nur mit der Aktivität von rechtsradikalen „Originalen“ zusammenhängen, sondern auch mit einer breiteren Normalisierung rechtsradikaler Politik durch konventionelle Parteien. Bereits bevor rechtsradikale Politik an die Macht kommt, trägt die Übernahme rechtsradikaler Positionen durch konventionelle Parteien zu einer breiteren Aktivierung nativistischer Einstellungen in der Gesellschaft bei (Bohman 2011). In Polen und Ungarn wiederum wurde die illiberale Erodierung von demokratischen Normen von radikalisierten, ehemals konservativen Parteien eingeleitet (Pytlas 2015, 2018a, 2021a; Scheppele 2018; Mudde 2019; Pirro & Stanley 2022; Győri 2016; Kopper et al. 2017).  Erodierung von Demokratie und der Zivilgesellschaft durch rechtsradikale Akteur: innen verläuft oft unauffällig und schleichend. Demokratie und Zivilgesellschaft werden selten direkt und explizit ausgehebelt, sondern oft im Namen von „Demokratie“ oder „Pluralismus“ unterwandert und nativistisch umgedeutet. Im Sinne der Methode des <?page no="147"?> 13.3 Zusammenfassung 147 „autokratischen Legalismus“ (Scheppele 2018) wurden Mechanismen und Institutionen demokratischen Regierens nominell beigehalten, aber ausgehöhlt und zur Aushebelung demokratischer Normen sowie zur gesellschaftspolitischen Ausgrenzung genutzt (Pytlas 2021a). Der illiberale „Werkzeugkasten“ der Entdemokratisierung ist eine Kombination sowohl aus expliziten Rechtsbrüchen (breaking), als auch aus der Rechtsbeugung (bending) und Erschaffung (forging) von Normen (Pirro & Stanley 2022). Neben explizit gesetz- und verfassungswidrigen Maßnahmen beinhaltet die Erodierung der Demokratie und der Zivilgesellschaft auch schleichende Prozesse der illiberalen Umdeutung der Verfassungswirklichkeit. Der Buchstabe des Gesetzes wird weitgehend gewahrt, aber der Geist des Gesetzes wird nativistisch und anti-pluralistisch ausgehöhlt und zur Aushebelung demokratischer Normen eingesetzt (vgl. Pirro & Stanley 2022; Pytlas 2021a). Die Schaffung von neuen Normen wird wiederum genutzt, um ausgrenzende oder einschränkende Gesetze zu verabschieden oder um demokratische Institutionen durch Erweiterung ihrer Zusammensetzung zu vereinnahmen (Pirro & Stanley 2022; vgl. Pytlas 2021a). Diese Mechanismen lassen sich auch im Kontext der Zivilgesellschaft beobachten. Rechtsradikale Akteur: innen an der Macht versuchen nicht nur die Zivilgesellschaft abzuschaffen, sondern auch die gesellschaftliche Ebene mithilfe ihrer eigenen Gegenzivilgesellschaft zu dominieren (vgl. Greskovits 2020; Bill 2022). Durch die Schaffung von Sanktionsmechanismen, die Etablierung neuer Träger und die Umlenkung der Finanzierung in Richtung regierungsnaher oder „apolitischer“ Organisationen können rechtsradikale Regierungen versuchen, die pluralistische Zivilgesellschaft einzuschüchtern (chilling effects), finanziell „auszutrocknen“ und somit handlungsunfähig zu machen (vgl. Bill 2022; Korolczuk 2023).  Die formale Stärke der Demokratie oder der Grad der institutionellen Konsolidierung schützen nicht vor Entdemokratisierung. Die formale Stärke der Verfassung schützt nicht per se vor ihrer Aushebelung durch einen „autokratischen Legalismus“, der sich auf „wahre Demokratie“ oder „echten Pluralismus“ beruft (vgl. Steinbeis 9.9.2019). Die Entschlossenheit der konventionellen Parteien, die pluralistische Zivilgesellschaft nachhaltig zu stärken und demokratische Werte gegen nativistische Vereinnahmung zu schützen, spielt eine entscheidende Rolle, um dieser Gefahr zu begegnen (Herman 2016; Pytlas 2018a, 2021a). <?page no="149"?> 14 Fazit und Ausblick Rechtsradikale Politik bleibt eine Herausforderung für pluralistische Gesellschaften und Demokratien in ganz Europa. Obwohl immer noch häufig mit Populismus verwechselt (vgl. kritisch Hunger & Paxton 2022), ist es der Nativismus, der die rechtsradikale Kernideologie darstellt (vgl. Kap. 2). Durch die Ausgrenzung von Gruppen und Ideen die als „nicht-einheimisch“ und damit als Bedrohung für „die (wahre) Nation“ konstruiert werden, stellt der Nativismus eine Konteridee zu den pluralistischen Grundprinzipien der Demokratie dar (Mudde 2007; Minkenberg 1998). Mit diesem Lehrbuch wurde eine Einführung in die sozialwissenschaftlichen Befunde zu den Konturen, strategischen Erscheinungsformen und Entwicklungen rechtsradikaler Politik in vergleichender Perspektive geboten. Selbstverständlich konnten im Rahmen dieses Einführungstextes nicht alle der zahlreichen Aspekte und wissenschaftlichen Studien umfassend und in jedem Detail dargestellt und diskutiert werden. Wir haben uns hier vor allem auf die politischen Parteien fokussiert und konnten nur am Rande die wichtige Rolle rechtsradikaler Bewegungen sowie die Bedeutung medialer Akteur: innen benennen. Gleichzeitig bedeutete die wichtige Erweiterung des nach wie vor üblichen westeuropäischen Fokus auf Mittel- und Osteuropa, dass Entwicklungen außerhalb der Europäischen Union und in anderen Regionen der Welt nicht berücksichtigt werden konnten. Die Kapitel dieses Handbuchs boten zugleich eine wichtige kritische Synthese der konzeptionellen und empirischen Forschungsbefunde zu Kontinuitäten und Wandel rechtsradikaler Politik im europäischen Vergleich. Bereits in der Einleitung dieses Lehrbuches haben wir als einen dieser zentralen Befunde festgehalten: In den letzten Jahrzehnten beobachten wir europaweit einen Trend der Normalisierung rechtsradikaler Politik. Normalisierung bedeutet nicht, dass Rechtsradikalismus in den europäischen Gesellschaften nun dominant ist (Mudde 2010). Europaweit setzen sich zivilgesellschaftliche Akteur: innen dafür ein, die pluralistischen Werte der Demokratie zu schützen und zu stärken. Gleichzeitig sind viele rechtsradikale Parteien in ihren Parteiensystemen fest etabliert und sogar koalitionsfähig , während rechtsradikale Politik zunehmende Salonfähigkeit in der Mitte gesellschaftspolitischer Debatten erlangt (Mudde 2010, 2019; Pytlas 2015; Zulianello 2020). Die in diesem Buch diskutierten Befunde der Forschung zeigen deutlich: Um die Entwicklung und Aufstieg rechtsradikaler Politik in den letzten Dekaden erklären zu können, muss der Trend der Normalisierung rechtsradikaler Politik berücksichtigt werden. <?page no="150"?> 150 14 Fazit und Ausblick Eine Folge der Professionalisierung und Normalisierung rechtsradikaler Parteien ist, dass die rechtsradikale Parteienfamilie trotz einer gemeinsamen ideologischen Grundlage in Bezug auf ihre Organisation, Unterstützer: innen und Strategien zunehmend heterogener wird (Mudde 2007, 2019). Rechtsradikale Parteien entwickeln komplexe und professionelle Parteiorganisationen (Heinisch & Mazzoleni 2016), sind zunehmend in der Lage, verschiedene Gruppen nativistischer Wähler: innen und Aktivist: innen zu mobilisieren (Art 2007) und verfolgen unterschiedliche Strategien, um ihr Mobilisierungspotenzial auf nativistische Unterstützer: innen über ihre Kernwähler: innen hinaus auszuweiten (Halikiopoulou & Vlandas 2020; Froio 2018; Pytlas 2022a, 2023). Diese Perspektive bekräftigt zudem, dass das Erstarken rechtsradikaler Parteien nicht automatisch von Kontextbedingungen abhängt. So zeigen empirische Studien beispielsweise, dass es keinen Zusammenhang zwischen Migrationszahlen und dem Anstieg nativistischer Einstellungen in der Gesellschaft oder der Wahl rechtsradikaler Parteien gibt (Schmidt- Catran & Czymara 2023; Amengay & Stockemer 2019). Um das Erstarken rechtsradikaler Parteien zu erklären, muss die zentrale Rolle der Normalisierung rechtsradikaler Politik stärker berücksichtigt werden, und zwar sowohl die Rolle der aktiven Strategien rechtsradikaler Parteien als auch die der Rechtsruckstrategien konventioneller Parteien (Mudde 2010, 2019; Pytlas 2022a; Krause et al. 2023). Rechtsradikale Parteien sind in der Lage, selbst auf Kontexte zu reagieren, und können ihr Potenzial auf breitere Wahlmobilisierung aktiv (mit)gestalten. Zum einen spielen aktive Normalisierungsstrategien rechtsradikaler Parteien eine wichtige Rolle für das rechtsradikale Mobilisierungspotenzial (Pytlas 2022a). Bereits in den ersten Kapiteln haben wir diskutiert, dass rechtsradikale Parteien demokratische Werte und Normen strategisch „von innen heraus“, und manchmal sogar taktisch „in ihrem Namen“ aushöhlen. Mit der Strategie eines „Kulturkampfes von rechts“ können rechtsradikale Parteien zunehmend öffentliche Debatten und die politische Agenda mit ihren Kernthemen und Positionen besetzen (Minkenberg 2001; Hutter et al. 2016; Kriesi et al. 2006). Neben Narrativen, die sich explizit gegen die pluralistischen Werte der Demokratie richten, versuchen mehrere rechtsradikale Parteien in Europa dabei, den Nativismus als vermeintliche Verteidigung liberaler und progressiver Werte wie Gleichberechtigung, Toleranz, Meinungsfreiheit, Selbstbestimmung oder Säkularismus zu rechtfertigen (Halikiopoulou et al. 2013; Froio 2018; Pytlas 2021b). Auch auf europäischer Ebene stellen sie sich verstärkt als „echte Europäer: innen“ dar, die nativistisch ausgelegte „europäische Werte“ vor konstruierten Feinden beschützen würden (Pytlas 2019; vgl. Mudde 2007, Brubaker 2017; Lorimer 2021). <?page no="151"?> 14 Fazit und Ausblick 151 Dabei sind nicht alle rechtsradikale Parteien ausschließlich populistisch, sondern präsentieren sich zunehmend als „die wahren Eliten“ (Pytlas 2023). Sie beanspruchen rhetorisch, die „echten“ kompetenten und rationalen Eliten zu sein, die mit einer nativistischen Politik der Stärke eine vermeintlich verloren gegangene „wahre“ konventionelle Politik wiederherstellen können. Trotz dieser rhetorischen Normalisierungsstrategien sind die tatsächlichen inhaltlichen Positionen rechtsradikaler Parteien in den letzten Jahren nicht moderater geworden (Akkerman et al. 2016; Pytlas 2022a). Die rhetorische Normalisierung geht daher nicht mit einer tatsächlichen inhaltlichen Mäßigung einher. Dennoch haben aktive rhetorische Strategien von rechtsradikalen Parteien ceteris paribus einen signifikanten Anteil an deren höheren Wahlergebnissen. Im europäischen Vergleich erzielten rechtsradikale Parteien, die sich rhetorisch stärker als kompetente Verteidiger: innen „wahrer“ konventioneller Politik darstellten, höhere Wahlerfolge als solche, die diese Rhetorik weniger nutzten (Pytlas 2023). Im Gegensatz dazu hatte die Nutzung populistischer Rhetorik keinen positiven Effekt auf rechtsradikale Wahlperformanz. Gleichzeitig erzielten rechtsradikale Parteien, die in ihren Wahlkämpfen stärker ihre Salonfähigkeit betonen konnten, unabhängig von ihrem Etablierungsgrad signifikant höhere Wahlergebnisse als solche, die diese Rhetorik weniger nutzten (Pytlas 2022a). Diese Effekte sind natürlich weder automatisch noch monokausal. Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass insbesondere neuartige Krisen für rechtsradikale Akteur: innen nicht nur eine Chance, sondern auch vor dem Hintergrund unklarer Handlungsoptionen auch eine Herausforderung darstellen können, auf die Parteien unterschiedlich reagieren (Rovira Kaltwasser & Taggart 2022). Andererseits birgt die rhetorische Normalisierung auch Risiken und kann zur Intensivierung innerparteilicher Konflikte führen (Froio 2018; Pytlas & Biehler 2024). Insgesamt zeigen die Befunde jedoch, dass rhetorische Normalisierungsstrategien rechtsradikaler Parteien auch bei zukünftigen Analysen ihrer Wahlerfolge zentral berücksichtigt werden müssen. Schließlich spielen die Reaktionen der konventionellen Parteien für das Phänomen der Normalisierung rechtsradikaler Politik eine relevante Rolle. Einer der sichtbaren Trends in den letzten Dekaden war ein Rechtsruck einiger konventioneller Parteien in Richtung der Positionen ihrer rechtsradikalen Konkurrent: innen oder Koalitionspartner: innen (Abou- Chadi & Krause 2020, 2021; Alonso & Fonseca 2011; Bale & Rovira Kaltwasser 2021; Carvalho 2013; Mondon & Winter 2020; Mudde 2010; Pytlas 2015; van Spanje 2010). Die empirische Forschung zeigt gleichzeitig deutlich, dass eine Rechtsruckstrategie konventioneller Parteien rechtsradikale Parteien nicht <?page no="152"?> 152 14 Fazit und Ausblick schwächt, sondern teilweise sogar stärkt (Krause et al. 2023; vgl. Art 2007; Mudde 2007; Pytlas 2015). Das Kopieren rechtsradikaler Politik ist nicht nur wahlpolitisch wirkungslos, sondern trägt auch wesentlich zur Normalisierung rechtsradikaler „Originale“ bei. Dies liegt auch daran, dass die meisten rechtsradikalen Parteien immer weniger isolierte und marginale „Nischenparteien“ sind (Pytlas 2015, 2018; Zulianello 2020; Krause et al. 2023). Das Kopieren rechtsradikaler Politik durch konventionelle politische und mediale Akteur: innen erleichtert es rechtsradikalen Parteien, ihre Salonfähigkeit rhetorisch zu behaupten und von dieser Rhetorik zu profitieren (Pytlas 2022a). Schließlich stellt die Normalisierung rechtsradikaler Politik - sowohl durch rechtsradikale „Originale“ als auch durch Kopierstrategien konventioneller Parteien - Demokratien und die pluralistische (Zivil-)Gesellschaft vor neuartige Herausforderungen. Vergleichende Studien zeigen, dass spezifisch die rechtsradikale ideologische Ausrichtung die potenzielle Gefahr für die Qualität der Demokratie durch radikale Parteien bestimmt (Huber & Schimpf 2017; Vittori 2022). Bereits bevor rechtsradikale Parteien an die Macht kommen, trägt das Kopieren rechtsradikaler Positionen durch konventionelle Parteien zugleich zur breiteren Aktivierung nativistischer Einstellungen in der Gesellschaft bei (Bohman 2011; Schmidt-Catran & Czymara 2023). Entwicklungen in Polen (2015-2023) und Ungarn (seit 2010) sind sichtbare Beispiele für die negativen Auswirkungen der Normalisierung rechtsradikaler Politik. In beiden Ländern wurde die illiberale Erosion von demokratischen Normen durch radikalisierte konventionelle Parteien eingeleitet (Pytlas 2015, 2018a, 2021a; Scheppele 2018; Mudde 2019; Pirro & Stanley 2022; Győri 2016; Kopper et al. 2017). Beide Beispiele zeigen, dass demokratische Institutionen und die Zivilgesellschaft auch im Namen von „Demokratie“ oder „Pluralismus“ unterwandert und nativistisch umgedeutet werden können (Scheppele 2018; Pytlas 2021a; Pirro & Stanley 2022; Bill 2022). Neben explizit gesetzes- und verfassungswidrigen Maßnahmen umfasst die Erodierung der Demokratie und der Zivilgesellschaft auch schleichende Prozesse der illiberalen Umdeutung der Verfassungswirklichkeit , die Aushöhlung und Instrumentalisierung demokratischer Normen und Institutionen sowie die Vereinnahmung der gesellschaftlichen Ebene (Minkenberg 1998; Scheppele 2018; Greskovits 2020; Pytlas 2021a; Bill 2022; Pirro & Stanley 2022). Zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Manuskripts im Herbst 2024 stellen der Aufstieg, die zunehmende Etablierung und Normalisierung rechtsradikaler Politik in ganz Europa eine kontinuierliche Herausforderung für die pluralistische Demokratie und Zivilgesellschaft dar. Die Berücksichtigung von Befunden aus Mittel- und Osteuropa bringt gerade im <?page no="153"?> 14 Fazit und Ausblick 153 Kontext dieser Entwicklungen wichtige Erkenntnisse mit sich, die auch über diese Region hinaus relevant sind. Denn die mittel- und osteuropäischen Demokratien stehen nicht nur für längerfristige Erfahrungen mit Strategien illiberaler Regierungen und Normalisierung rechtsradikaler Politik, sondern auch für wichtige Beispiele demokratischer Resilienz der pluralistischen Zivilgesellschaft gegen nativistische Vereinnahmungen demokratischer Normen und Werte. Diese Erfahrungen können für die vergleichende wissenschaftliche Untersuchung der Wirksamkeit von Gegenstrategien von Bedeutung sein. Gleichzeitig liefern sie auch für die pluralistische Gesellschaft und demokratische Politik wichtige Erfahrungswerte. Einer der wichtigsten Forschungsbefunde im Kontext von Normalisierungsprozessen rechtsradikaler Politik ist, dass die formale institutionelle Stärke demokratischer Institutionen nicht per se vor der Erodierung von Demokratie durch rechtsradikale Politik schützt (Herman 2016; Enyedi 2016; Scheppele 2018; Pytlas 2021a). In den Worten von Kim Lane Scheppele: „wir müssen aufhören, es für selbstverständlich zu halten, dass Verfassungen sich selbst verteidigen können“ (Scheppele 2018: 583; vgl. Pytlas 2021a: 265). Erfahrungen aus Polen und Ungarn zeigen, dass demokratische Normen nur so lange stark sind, wie sie gegen anti-pluralistische und nativistische Umdeutung gefeit sind (Pytlas 2021a: 265; vgl. Pytlas 2018a). Die Reaktionen pluralistisch-demokratischer Parteien spielen bei der Abwendung des Risikos der rechtsradikalen Vereinnahmung demokratischer Normen eine zentrale Rolle (Herman 2016; Pytlas 2021a). Angesichts der Anpassungsfähigkeit normalisierter rechtsradikaler Akteur: innen ist der Erfolg einer Distanzierungsstrategie kein Automatismus (Pytlas 2019: 25). Erste Beobachtungen aus Mittel- und Osteuropa legen jedoch nahe, dass sich eine Gegenpositionierung nicht auf kurzzeitige oder deklaratorische Distanzierung von rechtsradikalen Parteienorganisationen selbst beschränken kann (Pytlas 2019). Die demokratischen Parteien müssen daher die pluralistische Zivilgesellschaft stärken, darunter durch ideelle Unterstützung, legislative Sicherheit und Gewährleistung nachhaltiger finanzieller Unabhängigkeit. Vor allem aber müssen demokratische Parteien die Zivilgesellschaft unterstützen, indem sie die pluralistischen Werte der Demokratie vor ihrer nativistischen Vereinnahmung schützen - und zwar vor ihrer Vereinnahmung sowohl durch rechtsradikale Parteien als auch durch rechtsradikale Rhetorik und Politik. <?page no="155"?> Literaturverzeichnis Aaldering, Loes / Vliegenthart, Rens (2016). Political leaders and the media. Can we measure political leadership images in newspapers using computer-assisted content analysis? Quality & quantity 50, 1871-1905. Abou-Chadi, Tarik / Krause, Werner (2020). The Causal Effect of Radical Right Success on Mainstream Parties’ Policy Positions: A Regression Discontinuity Approach. British Journal of Political Science 50: 3, 829- 847. Abou-Chadi, Tarik / Krause, Werner (2021). The Supply Side: Mainstream Right Party Policy Positions in a Changing Political Space in Western Europe. In: Bale, Tim / Rovira Kaltwasser, Cristóbal (Hrsg.) 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BHE Gesamtdeutscher Block / Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten GERB Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens Grazhdani za evropeysko razvitie na Balgariya Jobbik Bewegung für ein Besseres Ungarn Jobbik Magyarországért Mozgalom LAOS Orthodoxe Volksbewegung Laikós Orthódoxos Synagermós LSBTIQ+ Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Trans*, Intersexuell, Queer und Weitere LPF Liste Pim Fortuyn Lijst Pim Fortuyn LPR Liga der Polnischen Familien Liga Polskich Rodzin MIÉP Partei der Ungarischen Wahrheit und Lebens Magyar Igazság és Élet Pártja MOE Mittel- und Osteuropa MSI Italienische Sozialbewegung Movimento Sociale Italiano NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands ÖVP Österreichische Volkspartei PC Zentrumsallianz Porozumienie Centrum PEGIDA Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes PfE Patrioten für Europa PiS Recht und Gerechtigkeit Prawo i Sprawiedliwość PO Bürgerplattform Platforma Obywatelska PRM Großrumänien-Partei Partidul România Mare PVV Partei für die Freiheit Partij voor de Vrijheid RN Nationale Bewegung Ruch Narodowy <?page no="185"?> 185 SaPD Freiheit und direkte Demokratie Svoboda a přímá demokracie SD Schwedendemokraten Sverigedemokraterna SRP Sozialistische Reichspartei Smer Richtung-Soziale Demokratie Smer-sociálna demokracia SNS Slovakische Nationale Partei Slovenská národná strana SPÖ Sozialdemokratische Partei Österreichs SVP Schweizer Volkspartei UDCA Union zur Verteidigung der Händler und Handwerker Union de défense des commerçants et artisans UKIP Partei für die Unabhängigkeit des Vereinigten Königreichs United Kingdom Independence Party UQ Jedermann-Front Fronte dell'Uomo Qualunque VB Flämische Interessen Vlaams Belang VdU Verband der Unabhängigen WE Westeuropa ZChN Christlich-Nationale Vereinigung Zjednoczenie Chrześcijańsko-Narodowe Abkürzungsverzeichnis <?page no="187"?> Index AfD 30, 39, 82, 103, 116, 123 Agenda-Setting 39, 66, 132, 145 AN 38 Angebotsseite 59 Anti-Establishment 23, 77 anti-LSBTIQ+ 72, 75, 151 anti-muslimisch 70, 72 Antisemitismus 70, 75 Asylpolitik 100 Ataka 46, 68, 132 AUR 50 autokratischer Legalismus 148 Bewegungspartei 123 Brexit 95, 145 Bulgarien 46, 132 Chega 39, 58 CHES 66 COVID-19-Pandemie 102 Dänemark 35, 38, 131 DD 60, 91 Demokratie 22, 27, 30, 44, 132, 145, 146, 153, 158 Deutschland 31, 37, 39, 103, 115, 149 DFP 38, 91, 131 direkte Demokratie 82 EKRE 29, 50, 123, 132 Elitismus 23, 79, 84, 104 ESN 91 Estland 132 Euronativismus 93 Europa 89, 94 Europäische Union 89 Euroskeptizismus 93 EVP 92 FdI 40, 82, 103, 131 Fidesz 47, 49, 52, 57, 67, 70, 92, 132, 136, 147 Finnenpartei 90, 123 FN 33, 35, 36, 82, 131 Fortschrittspartei 35 FPÖ 32, 34, 38, 78, 82, 103, 122, 131 Frames 66, 69 Frankreich 35, 103, 113, 133 FvD 70, 105 Gegenzivilgesellschaft 152, 153 Gesellschaft 123, 145, 149 Großbritannien 133 Halo-Effekt 113 Italien 32, 38, 103, 131 Jobbik 48, 49, 52, 123, 135 Juiste Antwoord 21 105 Konfederacja 82 Konflikte 125 Kontextbedingungen 60, 98, 111, 112 Krisen 40, 56, 97, 98, 106, 112 Kulturkampf 36, 71 LAOS 40 <?page no="188"?> 188 Index Lega 28, 84, 90, 103, 105, 131 Lettland 132 liberaler Illiberalismus 22, 40, 58, 74 LPF 39, 121, 131 LPR 28, 46, 132 Medienfreiheit 150 MIÉP 47, 136 Mittel- und Osteuropa 43, 82 Modernisierungsverlierer: innen 114 MSI 32, 34 Nachfrageseite 59, 111 Nation 20 Nativismus 20, 65, 71, 72, 99, 115, 149 Netzwerke 123 Neue Rechte 35, 71 Niederlande 39, 131, 133 Normalisierungsstrategien 40, 69, 85, 95, 124, 129, 137, 139, 156 Norwegen 35 NPD 33 Österreich 32, 38, 103, 131, 133 ÖVP 11, 39, 131 Pandemie 157 Parteiorganisation 120 PC 45, 47 PEGIDA 123 PfE 91 PiS 52, 67, 122, 132, 147 Pluralisierung 114 Polen 45, 46, 51, 122, 132, 148 politische Berufung (Rhetorik) 25, 80, 83, 117, 157 Populismus 24, 79, 82, 83, 104, 116 Poujadismus 34 PRM 132 PVV 39, 58, 91, 122, 131 Rassemblement National 51, 103, 105 Rassismus 21, 69, 70, 75, 149 Rebranding 124 Rechtsextremismus 26 Rechtspopulismus 27 Rechtsruck 41, 52, 129, 133, 134, 136, 147, 149, 157 Reconquête 90 Regierung 49, 52, 131 Republikaner 37 rhetorische Strategien 29, 98, 130, 137, 139, 140 RN 51, 103, 105 Rumänien 45, 132 Russland 105 Salienz 66, 67 SaPD 51, 68, 82 Schweden 39, 131 Schweiz 38 SD 39, 122, 131 Sexismus 73, 75, 116 Slowakische Republik 45, 46, 51, 132 SMER 47 SNS 28, 45, 46 Spanien 103 <?page no="189"?> Index 189 SRP 31 subjektiver Statusverlust 111, 115 SVP 38 Technokratie 25, 79 Tschechien 45, 51 UDCA 34, 121 UKIP 92 Ukraine 104, 106 Umdeutung (Strategie) 27, 100, 101, 104, 153 Ungarn 47, 48, 52, 132, 147 UQ 32 Úsvit 51 VB 29 VdU 32 Verschwörungsmythen 99, 101, 103, 151 Vox 28, 39, 58, 82, 103 Wähler: innen 114 Wahlerfolge 87, 130, 132, 135, 139, 142, 157 Weltwirtschaftsordnung 63, 160 Wohlstandschauvinismus 69 Zivilgesellschaft 151, 153, 158 <?page no="193"?> ISBN 978-3-8252-5995-2 Bartek Pytlas Rechtsradikale Politik in Europa Vom Rand in den Mainstream In den letzten Dekaden erlangte rechtsradikale Politik zunehmende Salonfähigkeit in der Mitte des gesellschaftspolitischen Mainstreams. Beispiele aus Deutschland, Frankreich, Italien, Polen oder Ungarn weisen auf einen europaübergreifenden Charakter dieses Phänomens hin und werden in diesem Buch aufgezeigt. Das Buch umfasst nicht nur die klassischen Schwerpunkte wie Begriffsdiskussionen und Erklärungsansätze rechtsradikaler Wahlerfolge, sondern auch weitere Entwicklungen wie rechtsradikale Normalisierungsstrategien sowie Interaktionen rechtsradikaler Politik mit dem Mainstream. Darüber hinaus zeigt der Autor die Konsequenzen dieser Entwicklungen für europäische Gesellschaften und liberale Demokratien auf. Das Buch richtet sich an Studierende der Sozialwissenschaften und eignet sich zur politischen Bildung. Politikwissenschaft Rechtsradikale Politik in Europa Pytlas Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehr- und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel 2024-10-28_5995-2_UTB_Pytlas_M_5995_PRINT.indd Alle Seiten 2024-10-28_5995-2_UTB_Pytlas_M_5995_PRINT.indd Alle Seiten 29.10.24 10: 28 29.10.24 10: 28