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Wissenschaftliche Bilder: gut gestalten, richtig verwenden

0717
2023
978-3-8385-6031-1
978-3-8252-6031-6
UTB 
Steffen-Peter Ballstaedt
10.36198/9783838560311

Abschlussarbeiten, Aufsätze, Fachbücher, sie alle werden durch Bilder anschaulicher und verständlicher. Fotos, Zeichnungen, Diagramme, Charts, Karten sind ein unverzichtbarer Bestandteil wissenschaftlicher Vermittlung. Die Digitalisierung gibt Autoren und Autorinnen viele Möglichkeiten der Herstellung und Bearbeitung von Bildern in die Hand. Dieser Band informiert über die wichtigsten Bildtypen und die visuellen Konventionen, die sich in der kulturellen Evolution herausgebildet haben. Als Hintergrundwissen für eine effektive Gestaltung wird die kognitive Verarbeitung von Bildern und von Text-Bild-Kombinationen dargestellt. Der Fokus liegt dann auf praktischen Hinweisen, wie die verschiedenen Bildtypen didaktisch gestaltet und inhaltlich in den Text eingebunden werden.

ISBN 978-3-8252-6031-6 Steffen-Peter Ballstaedt Wissenschaftliche Bilder: gut gestalten, richtig verwenden Abschlussarbeiten, Aufsätze, Fachbücher, sie alle werden durch Bilder anschaulicher und verständlicher. Fotos, Zeichnungen, Diagramme, Charts, Karten sind ein unverzichtbarer Bestandteil wissenschaftlicher Vermittlung. Die Digitalisierung gibt Autoren und Autorinnen viele Möglichkeiten der Herstellung und Bearbeitung von Bildern in die Hand. Dieser Band informiert über die wichtigsten Bildtypen und die visuellen Konventionen, die sich in der kulturellen Evolution herausgebildet haben. Als Hintergrundwissen für eine effektive Gestaltung wird die kognitive Verarbeitung von Bildern und von Text-Bild-Kombinationen dargestellt. Der Fokus liegt auf praktischen Hinweisen, wie die verschiedenen Bildtypen didaktisch gestaltet und inhaltlich in den Text eingebunden werden. Schlüsselkompetenzen Wissenschaftliche Bilder: gut gestalten, richtig verwenden Ballstaedt Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehr- und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel Studieren, aber richtig 2023_05_26_6031-6_Ballstaedt_M_6018_PRINT.indd Alle Seiten 2023_05_26_6031-6_Ballstaedt_M_6018_PRINT.indd Alle Seiten 26.05.23 11: 11 26.05.23 11: 11 utb 6031 Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Brill | Schöningh - Fink · Paderborn Brill | Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen - Böhlau · Wien · Köln Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Narr Francke Attempto Verlag - expert verlag · Tübingen Psychiatrie Verlag · Köln Ernst Reinhardt Verlag · München transcript Verlag · Bielefeld Verlag Eugen Ulmer · Stuttgart UVK Verlag · München Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld Wochenschau Verlag · Frankfurt am Main Prof. Steffen-Peter Ballstaedt war bis 2012 Professor für angewandte Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Hochschule Gelsenkir‐ chen. Studieren, aber richtig Herausgegeben von Michael Huter, Huter & Roth, Wien Die Bände behandeln jeweils ein Bündel von Fähigkeiten und Fertigkeiten. Das gesamte Paket versetzt Studierende in die Lage, die wesentlichen Aufgaben im Studium zu erfüllen. Die Themen orientieren sich an den wichtigsten Situationen und Formen des Wissenserwerbs. Dabei werden auch das scheinbar Selbstverständliche behandelt und die Zusammenhänge erklärt. Weitere Bände: Otto Kruse: Lesen und Schreiben (utb 3355) Klaus Niedermair: Recherchieren und Dokumentieren (utb 3356) Theo Hug, Gerald Poscheschnik: Empirisch Forschen (utb 3357) Gerlinde Mautner: Wissenschaftliches Englisch (utb 3444) Jasmin Bastian, Lena Groß: Lernen und Wissen (utb 3779) Melanie Moll, Winfried Thielmann: Wissenschaftliches Deutsch (utb 4650) Otto Kruse: Kritisches Denken und Argumentieren (utb 4767) Sabine Dengscherz, Michèle Cooke: Transkulturelle Kommunikation (utb 5319) Gerlinde Mautner, Christopher Ross: English Academic Writing (utb 6028) Steffen-Peter Ballstaedt Wissenschaftliche Bilder: gut gestalten, richtig verwenden UVK Verlag · München DOI: https: / / doi.org/ 10.36198/ 9783838560311 © UVK Verlag 2023 ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Ver‐ vielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: in‐ nen oder Herausgeber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung CPI books GmbH, Leck utb-Nr. 6031 ISBN 978-3-8252-6031-6 (Print) ISBN 978-3-8385-6031-1 (ePDF) ISBN 978-3-8463-6031-6 (ePub) Umschlagabbildung: © istockphoto, metamorworks Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® 1 11 1.1 12 1.2 18 1.3 21 1.4 24 1.5 30 1.6 33 1.7 38 41 2 43 2.1 44 2.2 45 2.3 51 2.4 62 2.5 68 2.6 79 2.7 85 102 3 105 3.1 106 3.2 110 3.3 121 3.4 125 3.5 135 3.6 142 3.7 149 151 4 153 4.1 154 Inhalt Wie Bilder wirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bilder im Wissenserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typen von Bildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Visuelle Konventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ganzheitlicher Ersteindruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detailauswertung durch Blickbewegungen . . . . . . . . . . . . . Begriffliche Verarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmutungen und Gefühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung Kapitel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dekorative Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prägnante Piktogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verständliche Abbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karten (Plan Maps) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersichtliche Charts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leserliche Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagramme als Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Visuelle Konventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansichten, Risse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau, Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Text und Bild verbinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionale Text-Bild-Kombinationen (TBK) . . . . . . . . . . . 4.2 165 4.3 175 180 5 183 5.1 184 5.2 185 5.3 189 5.4 193 5.5 200 5.6 201 5.7 212 5.8 213 217 219 Multikodale Verarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Evaluation von Bild und Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung . . . . . . . . . . . . . Digitale Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auflösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeichnen mit Hand und Computer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fotografieren und Bildbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Visualisieren: Charts und Diagramme . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzen von Bildquellen im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Scannen von Vorlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bilder in den Text integrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt Worum es in diesem Buch geht und wie man es benützt Dieses Buch ist eine Neufassung seines Vorgängers „Visualisieren. Bilder in wissenschaftlichen Texten“. Es sind nicht nur Aktualisierungen und Erweiterungen eingearbeitet, sondern einige Themen wurden auch anders gewichtet. Es ist also keine 2. Auflage, sondern eine Neukonzeption. Die visuelle Kommunikation hat in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Aufwertung erfahren. Bilder sind nicht nur Textdekoration, sondern erfüllen im Lehren und Lernen eigene Funktionen. Bilder werden in vielen wissen‐ schaftlichen Disziplinen als visuelle Argumente eingesetzt. Wir denken nämlich nicht nur abstrakt in Begriffen, sondern auch anschaulich in Vorstellungen. Aus der Lern- und Unterrichtspsychologie liegen unzählige Untersuchungen vor, die dem Bild einen Mehrwert gegenüber dem Text bescheinigen. Der Trend zum Bild geht so weit, dass Kulturtheoretiker von einem „pictorial turn“ oder einer „visuellen Wende“ sprechen, nach der die Sprache eine geringere Rolle in der Wissensvermittlung spielt. Nicht nur die Einschätzung der Bilder hat sich geändert, auch ihre technische Produktion und Reproduktion. Fachtexte waren schon immer bebildert. Schon die ersten Fachbücher aus der Antike enthalten Handzeich‐ nungen, sie mussten beim Abschreiben von den Kopisten abgezeichnet werden. Mit Aufkommen des Holzschnitts nahm die Anzahl der Bilder in Büchern immens zu, die Herstellung der Bildplatten war aber noch aufwändig. Selbst beim Offsetdruck war es umständlich, Bilder einzufügen. Es mussten Druckformen, so genannte Klischees, hergestellt und in den Text eingesetzt werden. Das verteuerte die Produktion und die Verleger waren dankbar, wenn Autoren auf Bilder verzichteten. Erst seit der elektronischen Bilderstellung und -verarbeitung bereiten Bilder weniger Mühe. Heute wird von jedem Autor und jeder Autorin selbstverständlich erwartet, dass sie oder er Fotos, Zeichnungen, Diagramme, Charts usw. in ausreichender Qualität entweder selbst erstellt oder beschafft und mit dem elektronischen Manuskript abliefert. Während an Ratgebern für Bilder in Präsentation oder im Web kein Mangel besteht, findet man zur Bebilderung von Seminar-, Bachelor- und Masterarbeiten, Dissertationen und Aufsätzen aller Art nur verstreute Hin‐ weise, vor allem in Handreichungen für Autoren. Hier erfährt man, dass die Bilder informativ, prägnant, übersichtlich usw. sein sollen. Aber was heißt das konkret für die Auswahl oder Gestaltung? Was macht ein effektives Bild aus? Es erleichtert das begriffliche Verständnis des Textes und bietet visuelles Wissen an, das über den Text hinausgeht. Didaktisch gelungene Bilder zeigen nur das für die jeweilige Vermittlung Relevante und muten den Betrachtenden keine unnötigen Verarbeitungsprozesse zu. Dieser Band soll Sie dazu motivieren, Bilder aller Art effektiv zu gestalten, sorgfältig auszuwählen und inhaltlich mit dem Text zu verknüpfen. Ihre wissenschaftlichen Arbeiten werden dadurch interessanter und verständli‐ cher und damit auch für die Adressaten attraktiver. Bebildern und Visuali‐ sieren gehört heute zu den Kompetenzen, die man von Studierenden und Wissenschaftlern erwartet. Dabei ist der Gedanke leitend, dass Bebildern eine kommunikative Aufgabe darstellt: Was soll das Bild für eine Botschaft vermitteln? Wozu soll es dem Verstehen bei den Adressaten dienen? Fragen, auf die Sie Antworten bekommen ● Welche Inhalte können Bilder besser vermitteln als Texte? ● Welcher Bildtyp eignet sich für welche kommunikativen Absichten? ● Was geschieht in den Köpfen, wenn ein Bild wahrgenommen wird? ● Wann hat man ein Bild verstanden? ● Wie werden Bilder augenfreundlich und verständlich gestaltet? ● Mit welchen Mitteln kann man die Auswertung eines Bildes steu‐ ern? ● Wie kann man Text und Bild effektiv miteinander kombinieren? ● Welche Tools braucht man, um Bilder selbst zu erstellen? ● Wie kann man sich Bilder legal aus dem Internet beschaffen? ● Wie werden Bilder in Texte eingefügt? Dieser Band bietet nicht nur praktische Anleitungen, sondern auch Hin‐ tergrundwissen. Wer weiß, wie Bilder im Kopf verarbeitet werden, kann viele sinnvolle Entscheidungen zur Gestaltung treffen und plausibel begrün‐ den. Sowohl das Hintergrundwissen als auch die Anleitungen gründen in Theorien und Untersuchungen der Kognitions- und Instruktionspsycho‐ logie, der Designforschung, der Medienpsychologie, der Ergonomie und anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Um das Buch lesbar zu halten, werden keine Einzeluntersuchungen referiert, sie sind aber im umfangrei‐ chen Literaturverzeichnis aufgeführt. Mit horizontalen Balken sind im Text 8 Worum es in diesem Buch geht und wie man es benützt praktische Hinweise hervorgehoben, wie man zu effektiven Bildern kommt, d. h. sie selbst gestaltet oder sie auswählt und gegebenenfalls verändert. Die vertiefenden Lese- und Schautipps gehen über den Band hinaus und stellen die wissenschaftliche Verwendung von Bildern in einen breiten kulturhistorischen Kontext. Sie sind mit einem vertikalen grauen Balken gekennzeichnet. Das ist ein umfangreiches Programm, aber alles dürfen Sie von diesem Buch auch nicht erwarten. Daher drei Einschränkungen vorweg: 1. Die Darstellung des Bandes ist didaktisch ausgerichtet und bietet keine technische Einführung in das Fotografieren, das Zeichnen oder den Um‐ gang mit Computerprogrammen. In Kapitel 5 wird auf entsprechende Literatur und auf elektronische Hilfsmittel verwiesen. 2. Es sind nur statische Bilder in Fachtexten berücksichtigt, nicht bewegte bzw. animierte Bilder. Wissenschaftliche Animationen kennt jeder aus der Wetterkarte im Fernsehen oder aus Wissenschaftsmagazinen im Fernsehen. Sie erweitern die visuelle Kommunikation, können aber nicht in schriftliche Arbeiten, sondern nur in wissenschaftliche Präsen‐ tationen oder Lehrvideos eingebunden werden. 3. Da das Buch sich an Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaftler ver‐ schiedener Disziplinen wendet, werden übergreifende Probleme der Bebilderung von Texten behandelt. Um spezielle Bilder wie Struktur‐ formeln in der Chemie, Mikrofotografie in der Biologie, Soziogramme in der Psychologie, Bildquellen in der Geschichte, Screenshots in der Informatik u.-a.-m. kann es leider nicht gehen. Das Kapitel I referiert das psychologische Hintergrundwissen, das man für einen effektiven Umgang mit Bildern in der Wissenschaft braucht. Das Kapitel 2 behandelt die Gestaltung von verschiedenen Bildtypen wie z. B. Strichzeichnungen oder Schemabilder. Das Kapitel 3 stellt die zahlrei‐ chen visuellen Konventionen zusammen, die sich in der wissenschaftlichen Kommunikation herausgebildet haben, um das Verständnis eines Bildes abzusichern. Das Kapitel 4 befasst sich mit der Kombination von Text und Bild. Das abschließende Kapitel 5 gibt praktische Hinweise und Tipps für die Erstellung und Beschaffung von Bildern. Worum es in diesem Buch geht und wie man es benützt 9 1 Wie Bilder wirken Wer schnellen und bleibenden Eindruck machen will, bedient sich der Bilder Otto Neurath, 1933 1.1 Bilder im Wissenserwerb 1.2 Typen von Bildern 1.3 Visuelle Konventionen 1.4 Ganzheitlicher erster Eindruck 1.5. Detailauswertung mit Blickbewegungen 1.6 Begriffliches Bildverstehen 1.7 Anmutungen und Gefühle Zusammenfassung Kapitel 1 In diesem Kapitel geht es um die Grundlagen für die Verwendung von Bildern in Studium und Wissenschaft. Das Inventar der visuellen Kommu‐ nikation wird vorgestellt: die verschiedenen Bildtypen und die visuellen Konventionen. Danach werfen wir einen Blick auf vier Ebenen der Verar‐ beitung von Bildern in den Gehirnen der Betrachtenden. Was passiert vom ersten Blick auf ein Bild bis zum Verstehen seiner Inhalte und seiner Funk‐ tion? Schließlich wird das Potenzial von Bildern angesprochen, ästhetische Anmutungen und Emotionen auszulösen. 1.1 Bilder im Wissenserwerb Wir müssen mit einer wichtigen theoretischen und terminologischen Un‐ terscheidung starten. Unter der Bezeichnung „Bild“ werden oft zwei sehr verschiedene Dinge vermischt: Interne Bilder im Kopf, also visuelle Vorstel‐ lungen oder Traumbilder (engl. images), und externe Bilder auf Papier oder in einem anderen Medium (engl. pictures). Zwischen beiden gibt es einen Zusammenhang: Interne Vorstellungen können mit Skizzen, Zeichnungen, Gemälden externalisiert werden. Externe Bilder regen die Bildung interner Vorstellungen an und verankern das Wissen begrifflich und visuell (Bild 1.1). Bild 1.1: Der Zusammenhang von internen und externen Bildern. Visuelle Vorstellungen werden in Bildern externalisiert, Bilder werden internalisiert und erzeugen visuelle Vor‐ stellungen. Quelle: Ballstaedt. Anschauliches Denken Die Kognitionspsychologen stimmen nach vielen Jahren des Experimentie‐ rens und Debattierens überein, dass es in unseren Gehirnen begriffliches Wissen und visuelles Wissen gibt (Kosslyn, 1996; Paivio, 1990). Wir denken sowohl in Begriffen als auch in Vorstellungen, das anschauliche Denken ist 12 1 Wie Bilder wirken vor allem für kreative Prozesse zuständig (Arnheim, 1974), und zwar nicht nur bei Künstlern, sondern auch bei Wissenschaftlern. Dazu zwei Beispiele: Ingenieure haben oft ein sehr gutes Vorstellungsvermögen. So schreibt Oliver Evans, der um 1785 die automatische Getreidemühle erfand: „Die Anordnung habe ich, bevor ich meine Mühle zu bauen begann, im Kopf so weit vervollständigt, dass ich mir in meinem Bett den ganzen Ablauf mit einiger Anspannung vorstellen konnte“ (nach Ferguson, 1993, 53). Erst dann hat er eine Skizze seiner Erfindung gezeichnet (Bild 1.2). Bild 1.2: Getreidemühle. So hat Oliver Evans 1785 die erste automatisierte Getreidemühle gezeichnet, die er vorher in seinem Kopf zum Laufen gebracht hatte. Quelle: Wikimedia Commons. Albert Einstein, der ganz sicher eine der abstraktesten Theorien erdacht hat, berichtet: „Es scheint nicht so zu sein, daß die Wörter oder die Sprache - und zwar die geschriebene oder die gesprochene - irgendeine Rolle bei den Denkvorgängen spielt. Die psychischen Einheiten, die als Elemente des Denkens zu dienen scheinen, sind zweifellos die mehr oder weniger klaren Zeichen und Bilder, die sich ‚willentlich‘ reproduzieren und kombinieren lassen“ (Einstein, 1904, in Hadamard, 2008). Einstein hat also in Vorstellun‐ 1.1 Bilder im Wissenserwerb 13 gen gedacht. Auch von anderen Wissenschaftlern wie Michael Faraday oder Friedrich Kekulé ist überliefert, dass das visuelle Denken bei ihnen eine wichtige Rolle beim Entdecken von neuen Erkenntnissen spielte. Visuelles Lernen Wer ein gutes Vorstellungsvermögen hat, für den ist ein Bild beim Einprägen sehr hilfreich. So kann man sich z. B. in der Biologie die Stadien der Emb‐ ryoentwicklung aus einem Lehrbuch visuell vorstellen. Das anschauliche Denken wird durch den Einsatz von Bildern angeregt und gefördert. Als Ergänzung oder sogar als Ersatz von Texten sind Bilder deshalb beim Lehren und Lernen unverzichtbar. Einer der ersten, die sich für Bilder in der Wissensvermittlung ausgespro‐ chen haben, war der Pädagoge Johan Amos Comenius (1657, 2022). Zwar hielt er Demonstration am wirklichen Objekt für optimal, aber als Wirklich‐ keitsersatz im Unterrichtsraum und in Büchern plädierte er für Modelle und Bilder. Sie sind für ihn bei der Vermittlung von Wissen unverzichtbar, weil nicht alle Gegenstände immer greifbar und präsentierbar sind. Diese Ansichten sind inzwischen durch lern- und kognitionspsychologi‐ sche Untersuchungen eindrucksvoll bestätigt worden (z. B. Mayer, 2020). Bilder können einige Inhalte besser kommunizieren als ein Text. Die Stärke des Bildes liegt in der Vermittlung visueller Merkmale wie Form, Farbe, Textur und der Vermittlung räumlicher Zuordnungen. Veränderungen vi‐ sueller und räumlicher Merkmale werden in einem Bildvergleich sofort sichtbar. Fotos und Zeichnungen leisten hier mehr als eine umständliche Beschreibung (Bild 1.3). 14 1 Wie Bilder wirken Bild 1.3: Bocksbeutel. Vergleicht man die Beschreibung mit der Abbildung, so wird deut‐ lich, dass Formen im Bild besser zu vermitteln sind als in der Sprache. Es ist schwierig, sich aufgrund der Beschreibung die Form der Flasche vorzustellen. Textquelle: Verordnung (EG) Nr.-607/ 2009 der Kommission der EU. Bildquelle: Prince Grobhein, Wikipedia Commons. Den kommunikativen Wert von Bildern hat der Naturforscher Robert Hooke (1635-1703) eindrücklich formuliert: „Denn auch wenn eine Beschreibung in Worten uns eine unvollkommene Vorstellung und Idee des Dinges geben kann, das so beschrieben wurde, so kann uns doch keine Beschreibung durch Wörter eine so vollständige Darstellung der wahren Form dieses Dinges geben, wie es eine Skizze oder Abzeichnung desselben auf Papier vermag“ (Hooke, 1726, 2009, S.-293). Wissenschaftliche Bilder Unter wissenschaftlichen Bildern verstehen wir hier alle Bilder, die bei der Wissensgewinnung und der Wissensvermittlung in wissenschaftlichen Disziplinen eine Rolle spielen (Breidbach, 2005). Fachtexte waren seit jeher bebildert In einer der ältesten erhaltenen technischen Schriften, der „Mechanike Syntaxis“ von Philon von Byzanz (Ende des 3. Jh. vor Chr.) schreibt der Autor, dass er „um des besseren Verständnisses willen im Buch Abbildungen hinzugegeben“ habe (Stückelberger, 1994, S. 96). Oft verweisen die Autoren auf Zeichnungen, die jedoch meist verlorengegangen sind. Die Kopisten haben nämlich nur den Text abgeschrieben und auf das Abzeichnen der Bilder verzichtet. In den Naturwissenschaften waren und sind Bilder in der Wissensvermitt‐ lung unverzichtbar: Karten in der Geographie, anatomische Zeichnungen in der Medizin, Diagramme in der Mathematik, technische Zeichnungen in den Ingenieurwissenschaften usw. Ursprünglich dienten sie nur zum Zeigen von 1.1 Bilder im Wissenserwerb 15 Objekten, während die Theorien rein sprachlich oder als abstrakte Formeln formuliert wurden. Inzwischen haben Bilder in verschiedenen Disziplinen eine erkenntnisschaffende Funktion und werden als visuelle Argumente an‐ erkannt. So beweist eine computertomografische Aufnahme in der Medizin, wo ein Tumor wuchert. Luftbildfotos in der Archäologie belegen die frühere Existenz einer Siedlung. Mit elektronenmikroskopischen Aufnahmen in der Biologie wird das Vorhandensein von Viren nachgewiesen. Die Existenz eines Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße konnte mit Auf‐ nahmen aus acht Teleskopen visuell bewiesen werden. Eher bildscheu waren und sind die Geisteswissenschaften. Hier ist die treffende sprachliche Formulierung wichtig und Bilder dienen - etwa als Beiwerk in Geschichtsbüchern oder literaturwissenschaftlichen Werken - vorwiegend der Illustration. Geisteswissenschaftler stehen der Verwendung von Bildern eher reserviert gegenüber, weil sie eine Ablenkung von der Sprache und dem begrifflichen Denken befürchten. Reine „Bleiwüsten“ findet man daher fast nur noch in geisteswissenschaftlichen Publikationen, in denen weder Daten anschaulich aufbereitet sind noch Abbilder als Rea‐ litätsersatz dienen. Aber selbst hier hat ein Umdenken begonnen: Gemälde oder Fotos werden in der Geschichtswissenschaft als historische Dokumente ausgewertet. In den Literaturwissenschaften findet man zunehmend Bil‐ der, um geistesgeschichtliche Entwicklungen zu visualisieren. Beispiel: Ein Chart, das wichtige literarische Epochen an einem Zeitstrahl anträgt (s. Bild 2.16). Die visuelle Wende In den vergangenen Jahren sind Bilder derart ins Zentrum des Interesses gerückt, dass von einigen Kulturtheoretikern eine visuelle Wende ausgerufen wird, mit der angeblich eine sprachzentrierte Kultur zu Ende geht. Ob wir tatsächlich in einem so dramatischen Umbruch leben, werden Historiker erst in einem Rückblick feststellen. Zwei Entwicklungen sind jedoch unüberseh‐ bar: 1. Die Anzahl der Bilder, mit denen wir konfrontiert werden, hat stark zugenommen. Jede Tageszeitung enthält zahlreiche Fotos und Diagramme, das Fernsehen präsentiert auf unzähligen Kanälen Bilder, im Web sind Bil‐ lionen von Bildern verfügbar und auch in wissenschaftlichen Abhandlungen wächst der Anteil an Bildern. 2. Bilder werden gegenüber der Sprache deutlich aufgewertet, vor allem in den Wissenschaften. Bilder sind nicht mehr nur illustratives Beiwerk, 16 1 Wie Bilder wirken sondern sie werden als visuelle Argumente in Begründungen und Erklä‐ rungen eingesetzt. Charts und Diagramme können komplexe begriffliche Zusammenhänge sichtbar und damit besser verständlich machen. Im Folgenden vertreten wir die These, dass Text und Bild ein didaktisches Traumpaar bilden, weil sich beide in ihren Stärken und Schwächen ergänzen und für die Wissensvermittlung optimale Bedingungen bieten (Ballstaedt, 2009). Voraussetzung ist allerdings, dass die Bilder durchdacht gestaltet und sinnvoll in den Text integriert sind. Vertiefende Lese- und Schautipps Das Buch des Professors für Mediengestaltung Ralf Landkau zeigt die Potenziale der visuellen Kommunikation in verschiedenen Medien auf, ordnet sie theoretisch und historisch ein und reflektiert sie kritisch. Anregende Lektüre für den philosophisch anspruchsvollen Bildgestal‐ ter: Lankau, Ralf (2007): Lehrbuch der Mediengestaltung. Grund‐ lagen der Kommunikation und Visualisierung. Heidelberg: dpunkt. Ein Sprachwissenschaftler, der Visualisierungen sehr kritisch gegen‐ übersteht und befürchtet, dass damit eine Verarmung der sprachlichen Kommunikation und Argumentation einhergeht: Pörksen, Uwe (1997): Weltmacht der Bilder: Eine Philosophie der Visiotype. Stuttgart: Klett-Cotta. Wer einen Streifzug durch die Vielfalt und Ästhetik der wissenschaft‐ lichen Bilder unternehmen möchte, dem seien hier drei Bildbände empfohlen: Robin, Harry (1992). Die wissenschaftliche Illustration. Von der Höhlenmalerei zur Computergraphik. Basel: Birkhäuser. Kemp, Martin (2000). Bilderwissen. Die Anschaulichkeit natur‐ wissenschaftlicher Phänomene. Köln: DuMont. Escardó, Anna & Wiedemann, Julius (2022). Science illustration. A history of visual knowledge from the 15th century to today. Köln: Taschen. 1.1 Bilder im Wissenserwerb 17 1.2 Typen von Bildern In den Bezeichnungen zur bildlichen Kommunikation herrscht ein wirres Durcheinander. Abbildung, Diagramm, Illustration, Visualisierung usw., alle Wörter werden in verschiedenen Bedeutungen verwendet, es gibt keine einheitliche Terminologie. Damit klar ist, wovon wir reden, treffen wir einige terminologische Festlegungen. Das Repertoire der visuellen Kommu‐ nikation setzt sich aus Bildtypen und visuellen Konventionen zusammen. In diesem Abschnitt führen wir die Bildtypen ein, im nächsten die Konventio‐ nen. Bild 1.4: Typen externer Bilder. Die Visualisierung bringt eine hierarchische Ordnung in die Vielfalt unterschiedlicher Bilder. Quelle: Ballstaedt Externe Bilder. Darunter verstehen wir alle nichtsprachlichen Formen der visuellen Kommunikation. „Bild“ ist also ein sehr weiter Begriff, der zahlreiche Unterbegriffe umfasst. Das Bild 1.4 zeigt ein hierarchisches Chart von Bildtypen, für die jeweils gilt: ● Jeder Bildtyp erfüllt bestimmte kommunikative Basisfunktionen, d. h. er kann bestimmte Informationen besonders effektiv übermitteln. Das ist wichtig, wenn man sich für einen Bildtyp entscheiden muss. 18 1 Wie Bilder wirken ● Jeder Bildtyp stellt bestimmte Anforderungen an die Wahrnehmung und an das Verstehen. Ob ein Bild mit Stiften gezeichnet, analog oder digital fotografiert oder mit einem Computerprogramm erstellt wird, spielt dabei keine wesentliche Rolle. In diesem Kapitel werden die Bildtypen nur kurz charakterisiert, bevor wir sie dann im Kapitel 2 ausführlich behandeln. Nicht darstellende Bilder. Hierzu zählen alle Bilder, die nichts abbilden, also keine Gegenstände, Personen oder Szenen enthalten, sondern durch Formen, Farben und Texturen nur ein sinnliches Erlebnis vermitteln. In diese Kategorie gehören grafische Kompositionen, Muster, Ornamente oder abstrakte Gemälde. Piktogramme. Piktogramme und ihre elektronischen Geschwister, die Icons, sind einfache, schematisierte Bildchen, die auf einen Blick einen Begriff aktivieren und eine Handlung auslösen. Das sollen sie nicht nur sprachfrei, sondern auch kulturfrei tun, um interkulturelle Kommunikation zu ermöglichen. Notationen. Hierunter versteht man die Aufzeichnung von Prozessen und Abläufen mit Hilfe von visuellen Zeichen. Für bestimmte Domänen sind eigene Notationssysteme entwickelt worden. Beispiele: Aufzeichnung von Musik in Partituren, Choreografien als Aufzeichnung von Tanzschritten, die Notation logischer Schlüsse oder die Dokumentation von Schachpartien. Notationen sind Symbolsysteme, die gelernt werden müssen. Wir werden sie hier nicht weiter behandeln. Abbilder. Darunter verstehen wir Bilder, welche einen Ausschnitt der Wirklichkeit (Gegenstände, Personen, Handlungen, Szenen) abbilden. In diese Gruppe gehören farbige und schwarz-weiße Realbilder, Texturbilder, Strichbilder und Schemabilder. Wahrnehmungspsychologisch ist ein Ab‐ bild eine Oberfläche, die eine Anordnung von Lichtstrahlen ähnlich wie das wirkliche Original reflektiert. Für die Wahrnehmung ist es zunächst unwichtig, ob die Oberfläche durch Belichtung fotosensitiver Schichten oder Sensoren, durch Farbauftrag mit einem Pinsel oder mit Pixeln auf dem Monitor sichtbar wird. Mit dem Wort „Abbild“ verbindet man die Vorstellung, dass etwas aus der Wirklichkeit abgebildet wird. Die meisten wissenschaftlichen Abbilder zeigen auch Objekte, die in der natürlichen Umwelt vorkommen. Dies gilt auch für Bilder, die aus gemessenen oder eingegebenen Daten errechnet sind. Einige Beispiele: Bilder von fernen Galaxien oder schwarzen Löchern, Bilder der inneren Organe mithilfe von 1.2 Typen von Bildern 19 Ultraschall oder der Computertomografie. Auch diese errechneten Bilder beruhen aus Daten aus der Wirklichkeit, sie erschließen uns Bereiche, die für das Auge nicht sichtbar sind. Einen speziellen Fall bilden errechnete Vorbilder, die bisher nicht in der Wirklichkeit existierende, fiktive Dinge zeigen, z. B. Konstruktionszeichnungen und Prototypen sind derartige entwerfende Bilder, ebenso ein architektonischer Entwurf, bei dem wir ein zukünftiges Haus virtuell begehen können. Das sind kreative Visionen, die erst Wirklichkeit werden sollen, sozusagen vorweggenommene Wahrneh‐ mungen der Wirklichkeit. Karten. Darunter werden durch verschiedene Projektionen entstandene zweidimensionale Darstellungen von Arealen zusammengefasst, von der Oberfläche der Erde bis zum Lageplan eines Friedhofs. Karten dienen der räumlichen Orientierung. In der Geografie werden abbildende, topografi‐ sche und thematische Karten unterschieden. Die klassischen Karten als Darstellungsform geografischen Wissens klammern wir hier aus, denn die Kartographie ist eine eigene wissenschaftliche Disziplin (Kohlstock, 2018). Wir behandeln nur die Plan Maps, die in vielen Fachtexten vorkommen (Bild 2.12). Charts. Es gibt einige Grundtypen in zahllosen grafischen Varianten, die jedoch alle denselben Aufbau haben: Sie bestehen aus Einheiten und Verbin‐ dungen zwischen ihnen. Dazu zählen Tabellen, Zeitcharts, Organogramme, Flowcharts, Netzwerke wie Mind Maps und Concept Maps. Das Bild 1.4 ist z. B. ein Chart, das begriffliche Zusammenhänge veranschaulicht. Charts kommunizieren nicht sichtbare begriffliche oder kategoriale Zusammen‐ hänge und sind damit echte Visualisierungen. Sie sind besonders in den Sozialwissenschaften zur Veranschaulichung von theoretischen Modellen beliebt („Boxologie“). In den Naturwissenschaften spricht man auch von Blockbildern. Ein treffender Ausdruck bezeichnet sie als topologische Wis‐ sensbilder (Schmidt-Burkhardt, 2017). Tabellen. Auch Tabellen sind Charts, die eine nicht sichtbare, systematische Ordnung als Matrix aus Spalten und Zeilen visualisieren. In verbalen Tabellen stehen in den Zellen Wörter und Aussagen, also kategoriale Informationen wie in gewöhnlichen Charts. Bei numerischen Tabellen stehen in den Zellen Daten, sie sind die Vorformen der Diagramme. Da Tabellen in den Wissen‐ schaften eine herausragende Rolle spielen, behandeln wir sie in einem Abschnitt 2.6 als eigene Bildform. 20 1 Wie Bilder wirken Diagramme. Weil sie nicht sichtbare quantitative Zusammenhänge in der Wirklichkeit veranschaulichen, handelt es sich auch hier um Visuali‐ sierungen im engeren Sinn. Die häufigsten Typen von Diagrammen sind Kreis-, Balken-, Kurven-, Säulen- und Streudiagramme. Es gibt aber eine unüberschaubare Anzahl anderer Visualisierungen quantitativer Daten und Zusammenhänge. Visualisierungen. Den beliebten Ausdruck „Visualisierungen“ reservieren wir für Bilder, die Strukturen und Prozesse sichtbar machen, die eigentlich für die Augen unzugänglich sind. Damit wird die Kernbedeutung „Veran‐ schaulichung“ beibehalten. Oft werden Visualisierungen daher auch als analytische Bilder bezeichnet, denn sie decken Zusammenhänge in der Wirklichkeit auf. Echte Visualisierungen sind Charts und Diagramme. Wie bei jedem Versuch einer Einteilung gibt es auch hier manchmal unklare Grenzen und Überschneidungen. In der Praxis haben sich die Definitionen jedoch bewährt. Das gilt auch für die visuellen Konventionen im nächsten Abschnitt. 1.3 Visuelle Konventionen Konventionen sind Übereinkünfte, die zur Verbesserung der Kommunika‐ tion erfunden und tradiert werden. Zunächst zufällig und unverbindlich, werden sie oft mit der Zeit standardisiert und teilweise sogar in Normen festgeschrieben. Während Charts und Diagramme an sich schon konventio‐ nalisierte Bilder sind, haben Konventionen in Abbildern meist die Funktion, die Schwächen der bildlichen Kommunikation auszugleichen. Dabei geht es um die Darstellung von Inhalten, die visuell eigentlich gar nicht oder nicht eindeutig darstellbar sind. Beispiele kennen wir aus dem Comic, wo Bewegung durch Speed-Lines, Sprechen und Denken in spezifischen „Blasen“ oder ein Knall mit einem Stern dargestellt werden. Konventionen sollen die Verarbeitung des Bildes lenken und das Verstehen absichern (Weidenmann, 1994). Einige Konventionen bestehen aus Einzelzeichen, wie z. B. Pfeile oder Bezugslinien. Hierher gehören auch Symbolfarben, denen eine klare Bedeu‐ tung zugeordnet ist, z. B. in der Medizin Rot für arterielles und Blau für venöses Blut. Weidenmann spricht hier von expliziter Steuerung durch visuelle Zusätze. Andere Konventionen betreffen den gesamten Aufbau, die 1.3 Visuelle Konventionen 21 Komposition eines Bildes, wie z. B. das so genannte Explosionsbild. Weiden‐ mann spricht hier von einer impliziten Steuerung durch die Bildgestaltung. Eine Einteilung der visuellen Konventionen haben wir im Bild 1.5 ver‐ sucht. Dabei orientieren wir uns an drei Beschränkungen oder Schwächen der Bildkommunikation, für die jeweils verschiedene Konventionen als Abhilfe erfunden wurden: ● Das Problem der Abbildung des dreidimensionalen Raumes und dreidi‐ mensionaler Objekte auf zweidimensionalen Flächen. ● Das Problem der Oberflächlichkeit der Bilder, die nur das äußere Ausse‐ hen der Dinge zeigen, aber nicht den inneren Aufbau aus Komponenten. ● Das Problem, dass statische Bilder keine Bewegungen und damit auch keine Handlungen zeigen können. Bild 1.5: Visuelle Konventionen. Das Chart bringt eine hierarchische Ordnung in die Vielfalt unterschiedlicher Konventionen. Das Problem der Abbildung von Räumlichkeit nimmt dabei den größten Stellenwert ein. Quelle: Ballstaedt. In Kapitel 3 wird jede visuelle Konvention ausführlich behandelt und es werden Richtlinien zur Gestaltung formuliert. Hier sind die Konventionen nur kurz charakterisiert. 22 1 Wie Bilder wirken Ansichten. Das sind orthogonale Projektionen, z. B. maßstabsgetreue Grund-, Auf- und Seitenrisse in der Architektur. Mindestens drei Ansichten müssen aber im Kopf der Betrachtenden erst zu einem räumlichen Eindruck integriert werden. Perspektiven. Auch die Perspektive ist eine Konvention, denn es gibt nicht nur eine, sondern mehrere perspektivische Darstellungen mit unter‐ schiedlichem kommunikativen Potenzial: Man unterscheidet verschiedene Linearperspektiven und Parallelperspektiven. Einsichten. Sie bieten eine Lösung des Problems, dass der Blick immer nur die Oberfläche von Objekten abbildet, und so wesentliche Komponenten hinter der Oberfläche verborgen bleiben. Diese zeigen das Schnittbild, das Aufschnittbild und das Transparentbild. Aufbau. Einige visuelle Konventionen zerlegen komplexe Objekte in Kom‐ ponenten und zeigen sie als Teil-Ganzes-Beziehungen: Der Klassiker ist das Explosionsbild, dazu gehören auch Detailbilder (Lupendarstellung), Überzeichnungen und Einfärbungen, die zusammengehörige Teile optisch markieren und herausheben. Auch Hinweispfeile können auf Teile und Details eines Ganzen zeigen. Bewegungen. Ein Problem statischer Bilder ist die Darstellung von Bewe‐ gungen. Damit sind zunächst mechanische Bewegungen und Veränderungen in der Zeit gemeint. In diese Kategorie gehören Bewegungspfeile und -linien, Bewegungsunschärfe, Phasenbilder und Bildsequenzen. Humane Bewegungen zeigen den Vollzug von komplexen Handlungen. Von Hand‐ lungsverläufen können immer nur Momentaufnahmen abgebildet werden, die im Kopf ergänzt werden müssen. Um Bewegungen darzustellen, werden gern Pfeile oder Hände eingesetzt (Ballstaedt, 2017b). Vergleiche. Hier geht es um die Gegenüberstellung von zwei Bildern zur Vermittlung von Unterschieden und Veränderungen. Sie sind im Bild 1.5 nicht aufgeführt, denn es gibt sie für räumliche Konstellationen, Kompo‐ nenten des Aufbaus und den Ablauf von Bewegungen bzw. Handlungen. Das können Abbilder, Charts, Diagramme oder Karten sein. Alle visuellen Konventionen sind in der kulturellen Evolution entstanden, erstaunlich viele davon in der Renaissance. Sie werden entweder bereits in der Schule gelernt, wie z. B. das kartesische Achsenkreuz zur Präsentation von Daten in Diagrammen, oder in der Ausbildung in bestimmten Wis‐ sensdomänen, wie z. B. die Visualisierung von Höhen durch Höhenlinien 1.3 Visuelle Konventionen 23 (Isohypsen) in der Geografie. Konventionen bilden einen wichtigen Teil der visuellen Literalität (= visual literacy). So nennt man die erworbene Fähigkeit, Bilder auszuwerten und zu verstehen (Messaris, 1994). Da Kon‐ ventionen gelernt werden müssen, stellen sie grundsätzlich eine Hürde für die interkulturelle Kommunikation dar. Eine Konvention kann in einer Kultur verständlich, in einer anderen missverständlich sein (Ballstaedt, 2010). Visuelle Konventionen entstehen auch heute noch, z. B. die Emotikons in der elektronischen Kommunikation oder die Falschfarbendarstellung bei Computertomografien. Nachdem wir mit den Bildtypen und den visuellen Konventionen das Repertoire der visuellen Kommunikation kennen, werfen wir einen Blick auf die kognitive Verarbeitung von Bildern: Was läuft in unserem Gehirn ab, wenn wir ein Bild betrachten? Was bewirken Bilder im Denken? Die Ergebnisse unzähliger Untersuchungen zur kognitiven Bildverarbeitung fassen wir auf vier Ebenen zusammen (Weidenmann, 1988a, Ballstaedt, 2006b): 1. ganzheitlicher erster Eindruck, 2. Detailauswertung durch Blick‐ bewegungen, 3. begriffliches Verstehen, 4. Auslösen von Emotionen. 1.4 Ganzheitlicher Ersteindruck Stellen Sie sich vor, Sie blättern in einem Buch eine Seite um und blicken zuerst auf ein Bild. Ein Blick - etwa 100 Millisekunden! - genügt für einen ersten Eindruck von der visuellen Organisation und dem globalen Inhalt. Bewirkt wird dies durch angeborene Verarbeitungsprozeduren wie das Figur-Grund-Prinzip, die Gestaltprinzipien und die Mustererkennung. Ihre biologische Funktion ist eine schnelle Orientierung, deshalb ist die Verarbeitung auf dieser Ebene unbewusst und willentlich nicht beeinfluss‐ bar. Sie wird auch als präattentiv bezeichnet, weil sie vor der Zuwendung von Aufmerksamkeit stattfindet. „Sehen ist nicht nur ein Vorgang passiver Wahrnehmung, sondern ein intelligenter Prozess aktiver Konstruktion“ (Hoffman, 2003, S.-10). Figur-Grund-Prinzip Das Wahrnehmungsfeld weist auf den ersten Blick eine spontane Fi‐ gur-GrundAufteilung auf: Wir sehen einen Hintergrund und davorstehende Objekte oder Personen. Diese elementare Trennung kann man gut an 24 1 Wie Bilder wirken einfachen artifiziellen Vorlagen beobachten, z. B. dem Rubinschen Becher (Bild 1.6). Gestaltprinzipien Wie beim Figur-Grund-Prinzip handelt es sich um angeborene „Programme“ zur spontanen Verarbeitung visueller Daten. Es gibt etwa 30 Prinzipen, von denen sechs besonders wichtig sind (Bild 1.7). Bild 1.7: Gestaltprinzipien. Sechs der wichtigsten Wahrnehmungsgesetze werden an ein‐ fachen Beispielen demonstriert. Beschreibung im Text. Quelle: modifiziert nach Rock & Palmer, 1991, S.-72. 1.4 Ganzheitlicher Ersteindruck 25 Räumliche Nähe. Benachbarte Elemente werden zu einer Gruppe zusam‐ mengefasst: Man sieht spontan vier Gruppen mit zwei Kreisen. Ähnlichkeit. Gleiche Elemente werden zu einer Gruppe zusammengefasst: Man sieht spontan zwei Gruppen mit schwarzen und zwei Gruppen mit weißen Kreisen. Abgeschlossener Umriss. Offene Gestalten werden in der Wahrnehmung geschlossen: Man sieht vier Rechtecke, auch wenn sie nicht geschlossen sind. Gute Fortsetzung. Es wird der einfachste Verlauf von Linien angenommen: zwei Linien, die sich überkreuzen (es könnte sich auch um zwei Linien handeln, die sich in der Spitze treffen). Gemeinsamer Bereich. Grafisch eingerahmte oder unterlegte Elemente werden als zusammengehörig wahrgenommen. Zusammenhang. Grafisch miteinander verbundene Elemente werden als zusammengehörig empfunden. Man sieht vier „Hanteln“ vor einem Hinter‐ grund. Es gibt noch weitere angeborene Regeln der visuellen Verarbeitung. Zwei stellen wir noch vor, da sie vor allem bei Charts und Diagrammen eine Rolle spielen können. Prinzip der Symmetrie. Symmetrische Anordnungen springen automa‐ tisch als Figur in den Vordergrund, während asymmetrisch angeordnete eher als Hintergrund wahrgenommen werden (Bild 1.8). 26 1 Wie Bilder wirken Bild 1.8: Prinzip der Symmetrie. Die symmetrische Figur springt ins Auge. Quelle: Wikimedia Commons. Prinzip des Aufgehens ohne Rest. Elemente werden möglichst so grup‐ piert, dass keines einzeln übrigbleibt (Bild 1.9). Bild 1.9: Prinzip des Aufgehens ohne Rest. Man sieht nach dem Prinzip der Nähe drei Gruppen von Strichen, rechts und links bleibt einer übrig. Aber unser Gehirn versucht, die Außenseiter einzubeziehen und wir sehen dann vier Gruppen. Meist springt die Wahrnehmung zwischen beiden Möglichkeiten hin und her. Quelle: Ballstaedt. Die Gestaltprinzipien haben in den letzten Jahren in der Wahrnehmungspsy‐ chologie zunehmend Beachtung gefunden und jeder Mediengestalter sollte sie sich über den Computer hängen (Hofmann, 2003). Besonders Charts und Diagramme sind anfällig für einen schlechten ersten Eindruck, weil sie aus einfachen geometrischen Formen zusammengesetzt sind. Hier ist der bewusste Einsatz der Gestaltprinzipien besonders wichtig (Bild 1.10). 1.4 Ganzheitlicher Ersteindruck 27 Bild 1.10: Gruppiertes Säulendiagramm. Es zeigt die durchschnittliche Anzahl der Gesten von Männern und Frauen beim Erzählen eines Witzes während einer Periode von fünf Minuten. Hier wirken mehrere Gestaltprinzipien zusammen: Die Säulen stehen als Figuren vor dem Hintergrund, das Gesetz der Nähe schafft vier Gruppen von Säulen, das Gesetz der Ähnlichkeit bezieht die Säulen mit gleicher Einfärbung aufeinander. So kann man sofort erkennen, dass Frauen durchschnittlich mehr gestikulieren. Quelle: modifiziert nach Nicol & Pexman, 2010, S.-15. Mustererkennung Objekte, Gesichter oder Szenen in einem Bild werden aufgrund eines Vergleichs mit im Gehirn bereits gespeicherten prototypischen Mustern erkannt, die aus der Erfahrung verallgemeinert wurden. In einem Muster sind typische visuelle Merkmale eines Objekts gespeichert. Beispiel: Wir haben alle schon verschiedene Bagger gesehen, kleine, große und riesen‐ große: Löffelbagger, Schaufelbagger, Seilbagger, Schwimmbagger usw. Dar‐ aus konstruiert unser Gehirn eine prototypische Vorstellung eines Baggers, sie könnte wie im Bild 1.11 aussehen. Wer ein Kleinkind beobachtet, wird erstaunt feststellen, dass es auf Baustellen sofort einen Bagger erkennt, egal welcher Typ dort im Einsatz ist. Es hat typische Komponenten eines Baggers wie Raupe, Drehkreuz, Ausleger, Löffel, Belastgewichte usw. registriert und 28 1 Wie Bilder wirken weiß, dass derartige Maschinen zum Ausheben und Bewegen von Erdreich dienen. Bild 1.11: Prototyp Bagger. Jede wahrgenommene neue Maschine wird mit einem gespei‐ cherten Prototyp verglichen. Quelle: https./ / publicdomainvectors.org/ Die Fähigkeit auch in wenig prägnanten und komplexen Bildern Muster zu erkennen erwerben z. B. Röntgenologen, Luftbildarchäologen oder Radi‐ oastronomen, um nur ein paar Spezialisten zu nennen. Ein Beispiel zeigt das Bild 1.12. Praktisch bedeutsam ist die Musterbildung bei der Gestaltung von Piktogrammen, denn prototypische Abbilder werden sehr schnell erkannt. Bild 1.12: Mustererkennung. Ein Laie kann in dem Röntgenbild einer Lunge nichts Beson‐ deres erkennen, ein Mediziner aber ein Emphysem (Pfeil) diagnostizieren. Er vergleicht die aktuelle Wahrnehmung mit seinem erworbenen visuellen Wissen. Quelle: www.uniklinik-freiburg.de. 1.4 Ganzheitlicher Ersteindruck 29 Zusammenfassung Figur-Grund-Prinzip, Gestaltprinzipien und Mustererkennung wirken in einer Weise zusammen, dass spontan eine eindeutig gegliederte visuelle Organisation entsteht. Auf dieser Ebene der Verarbeitung werden ornamen‐ tale und abstrakte Bilder wahrgenommen, sie bewirken prima vista ein sinnliches, ästhetisches Erleben, aber noch keine begriffliche Erkenntnis. Der globale Eindruck legt fest, ob wir ein Bild als komplex oder einfach, als strukturiert oder verwirrend empfinden. Wahrnehmung und Bildaus‐ wertung lassen sich trainieren, indem immer feinere Unterscheidungen getroffen und Muster erkannt werden. Derartige visuelle Kompetenzen zur Mustererkennung erwerben Experten, die mit speziellen Bildtypen umgehen müssen. 1.5 Detailauswertung durch Blickbewegungen Nach dem globalen Eindruck folgt die detaillierte Auswertung des Bildes mit einer Abfolge von Fixationen und Sprüngen (Sakkaden). Da das Auge nur im Bereich der Fovea centralis eine scharfe Wahrnehmung liefert, sind Blick‐ bewegungen notwendig, um beim Betrachten eine ausgedehnte Sehfläche auszuwerten. Die Augenbewegungen können mit Eyetracking-Apparaturen registriert werden und sind valide Indikatoren der Verteilung der Aufmerk‐ samkeit (Bente, 2004). Der Blick wird entweder automatisch durch visuelle Merkmale der Vorlage angezogen oder über Interessen des Betrachtenden gesteuert. Es gibt im Gehirn je eine Steuerungszentrale für unwillkürliche und willkürliche Blickbewegungen. Unwillkürliche Blickbewegungen Wohin fällt der Blick zuerst? Was sind sichere Eye-Catcher? Die empirische Werbepsychologie hat hier einige Erkenntnisse geliefert. Das allgemeine Prinzip: Wir schauen reflektorisch dorthin, wo etwas von unseren Erwar‐ tungen abweicht: Das kann eine ungewöhnliche ornamentale Schrift sein oder eine lila Kuh. Bestimmten biologisch geprägten Schlüsselreizen kön‐ nen wir nicht entkommen, dazu zählen Gesichter - vor allem auch das Kindchenschema -, in denen wiederum die Augen- und die Mundpartie am interessantesten sind. Besonders erotische und aggressive Bildmotive stechen uns schlagartig ins Auge. In wissenschaftlichen Bildern sind der‐ artige Reize eher selten, aber amerikanische Anatomielehrbücher zeigen 30 1 Wie Bilder wirken beispielsweise den Aufbau des menschlichen Körpers an realen Nacktmo‐ dels. Fehlen derartige Eye-Catcher, so fällt der Blick zuerst auf Areale mit großer Informationsdichte oder auf Komponenten, die optisch z. B. durch Farbe oder Größe hervorgehoben sind. Willkürliche Blickbewegungen Bei der willentlichen Exploration werden die Blickbewegungen durch Interessen und Vorwissen gesteuert. Ein Bildbetrachter sucht sich einen eigenen Weg durch das Bild und schaut auf diejenigen Areale, die für ihn informativ sind. Die Blickaufzeichnungen zeigen Häufungen von Fixationen in bestimmten Arealen, andere werden ignoriert. Anders als beim linearen Lesen, bei dem die Zeilen die Blickbewegungen vorgeben, ist die Freiheit der Bildbetrachtung groß, deshalb zeigen Blickbewegungsmuster erhebliche Unterschiede: Jeder sieht ein Bild anders, wie das Bild 1.13 beweist. 1.5 Detailauswertung durch Blickbewegungen 31 Bild 1.13: Blickbewegungsmuster. Ein Gemälde und sieben Betrachtende in einer der ers‐ ten Aufzeichnungen von Blickbewegungen. Das Bild zeigt die Aufmerksamkeitsverteilung von sieben Betrachtenden eines Bildes, die verschiedene Aufgaben gestellt bekommen. In allen Mustern sieht man die Köpfe der Personen repräsentiert - sie ziehen den Blick reflek‐ torisch auf sich. Aber die restlichen Fixationen sind je nach Aufgabenstellung verschieden: Soll das Alter der Personen geschätzt werden, gilt die Aufmerksamkeit den Gesichtern (3), soll entschieden werden, ob die Personen arm oder reich sind, wird die Ausstattung der Wohnung angeschaut (6). Quelle: Yarbus 1967, S.-174. 32 1 Wie Bilder wirken Da die Prinzipien zur Bildauswertung durch Blickbewegungen recht einfach sind, lassen sie sich mit einem Computer-Programm simulieren: Bei einem eingescannten Bild können die Blickbewegungen erstaunlich valide vorher‐ gesagt werden (VISATT = Visual Attention). Diese Simulation ist deutlich billiger als eine Eyetracking-Untersuchung (Höger, 2004). Als Resultat der Blickbewegungen wird eine visuelle Teilkopie in unserem Gedächtnis gespeichert, die wir als Vorstellung abrufen können. Das visuelle Gedächtnis ist also von der Intensität der Auswertung abhängig. Bildkom‐ ponenten, die wir nicht fixieren, bleiben auch nicht im Gedächtnis haften. Was didaktische Bilder betrifft, so hat Bernd Weidenmann (1988b) auf den flüchtigen Blick hingewiesen: Zwar sind Bilder in Lehrmaterial beliebt, aber sie werden oft nur oberflächlich, sozusagen gedankenlos angeschaut und können so ihr Potenzial nicht entfalten. Das hängt damit zusammen, dass für das Mustererkennen schon ein Blick ausreicht: Wir sehen eine Landschaft, ein Portrait, eine Szene und lassen es ohne Detailauswertung dabei bewenden. Bereits Comenius leitet deshalb zum „richtigen Sehen“, zum aufmerksamen und sorgfältigen Betrachten von Gegenständen und Bildern an. Die Vielzahl an Bildern dürfte heute die Tendenz zum flüchtigen Sehen eher befördern. 1.6 Begriffliche Verarbeitung Parallel zu den Blickbewegungen über das Bild verläuft die begriffliche Verarbeitung, denn nur während der Fixationen werden Informationen aufgenommen. Die Interpretation beginnt mit dem ersten Blick auf ein Bild, er aktiviert bereits ein Label für das Gesehene, z. B. "Technische Zeichnung“, "Portrait, "Stillleben“, „Urlaubsfoto“ usw. Diese Anfangskate‐ gorisierung wird mit jeder weiteren Fixation angereichert. Das Verstehen ist ein inkrementeller (=anwachsender) Prozess. Aus dem Blickbewegungsmuster lässt sich vorhersagen, welche Inhalte behalten werden. Jede fixierte Bild‐ komponente aktiviert einen Begriff, aber welchen, das ist nicht so eindeutig festgelegt wie z. B. beim Lesen eines Wortes (Bild 1.14). Zudem sind in einem Text Beziehungen zwischen Begriffen durch Verben, Konjunktionen, Präpositionen eindeutig ausgedrückt, während in einem Bild zahlreiche Beziehungen nur erschließbar sind. Fazit: Bilder sind mehrdeutiger und ihr Verstehen ist weniger festgelegt (Ballstaedt, 1995). 1.6 Begriffliche Verarbeitung 33 Bild 1.14: Begriffsaktivierung. Schon ein einfaches Bild kann mehrere Begriffe aktivieren: Ratte, Maus, Nagetier, Comicfigur usw. Quelle: Ballstaedt. Je mehr Fixationen und je längere Fixationen, desto intensiver wird ein Bild ausgewertet. Ergebnis der begrifflichen Verarbeitung ist ein Verständnis des Bildes. Das Bild wird als begriffliche Struktur gespeichert, die in einer Beschreibung verbalisiert werden kann. Da über die Blickbewegungen bereits eine visuelle Speicherung vorliegt, können wir bei Bildern von einer dualen Kodierung sprechen (Paivio, 1990). Die begriffliche Verarbeitung kann man in inhaltliches, symbolisches und indikatorisches Verstehen einteilen. Wieder handelt es sich nicht um eine Abfolge von Stufen, sondern um Ebenen, auf denen während der Betrachtung eines Bildes Verarbeitungsprozesse gleichzeitig ablaufen. Inhaltliches Verstehen Grundlage für das Verstehen eines Bildes ist unsere Alltagserfahrung. Dabei geht es zuerst um die Frage: Welche Personen, Objekte, Szenen sind abgebildet? Oder anders ausgedrückt: Auf welche Gegenstände in der Wirklichkeit beziehen sich die visuellen Zeichen? Eine zweite Frage betrifft die Beziehungen zwischen den Objekten und Personen. Im Bild sind Objekte nebeneinander angeordnet, die inhaltlichen Beziehungen zueinander sind meist nur erschließbar. Statische Bilder neigen zur Vieldeutigkeit, weil sie oft nur eine Momentaufnahme aus einem Kontinuum von Abläufen darstellen 34 1 Wie Bilder wirken (Kennedy, 1974). Ergebnis dieses Verstehensprozesses ist eine Beschreibung eines Bildes. Wie weit Bilder versprachlicht werden können und ob es Grenzen der Verbalisierung gibt, ist eine spannende Frage. Ein Verstehensproblem kann auftreten, wenn Objekte fremd sind und keine Begriffe und Benennungen aktivieren, z. B. bei Bildern aus anderen Kulturen. Hier helfen dann sogenannte Umschreibungen, die das Unbekannte auf Bekanntes zurückführen. Symbolisches Verstehen Das symbolische Verstehen geht über die Beschreibung hinaus, weil eini‐ gen Bildkomponenten weitergehende Bedeutungen zugewiesen werden. Beispiel: Ein angebissener Apfel wird zum Symbol für den Sündenfall oder zum Logo einer amerikanischen Firma. Diese Stufe erfordert Vorwissen über die visuelle Kulturgeschichte und ihre Symbole. Dazu müssen die vi‐ suellen Konventionen bekannt sein. Bei Diagrammen wird das deutlich: Ein schlichtes Säulendiagramm wird nur jemand verstehen, der das kartesische Achsenkreuze kennt und weiß, dass eine Säule einen numerischen Wert symbolisiert, den man an einer Achse ablesen kann. Diagramme enthalten zahllose symbolische Zeichen. Aber auch Abbilder können symbolische Zeichen enthalten. In der Kunstgeschichte gibt es verschiedene Deutungs‐ rahmen, z. B. christliche, mythologische oder psychoanalytische Deutungen. Eine abgebildete Nelke kann ein Symbol der Kreuzigung, ein Symbol für den Geruchssinn oder ein Symbol für die Arbeiterbewegung sein. Hier ist es wichtig zu wissen, in welchem Kontext ein Bild entstanden ist. Bei Bildern in wissenschaftlichen Texten entfällt eine symbolische Bedeutung oft beziehungsweise wächst ihnen diese erst mit historischem Abstand zu. Da es verschiedene Deutungssysteme gibt, ist auf dieser Ebene die Gefahr einer Fehldeutung groß, wenn nicht der Entstehungskontext und die kommunikative Funktion berücksichtigt werden. Das ist die nächste Ebene der begrifflichen Verarbeitung. Intentionales Verstehen Auf dieser Ebene der Verarbeitung geht es um die Absicht (= Intention), mit der ein Bild gezeigt wird. Dabei versteht der oder die Interpretierende Merkmale der Gestaltung als Hinweise oder Indikatoren für die kommunika‐ tive Funktion eines Bildes (Weidenmann, 1994). Das Interpretationsschema lautet: Der Bildproduzent hat x in der Weise y dargestellt, um z zu erreichen. 1.6 Begriffliche Verarbeitung 35 Hier geht es um das Bild als Kommunikat. Was wollte der Produzent mit dem Bild ausdrücken, mitteilen, bewirken? In Fachtexten ist vor allem wichtig, in welcher Funktion ein Bild eingesetzt wird: Soll es veranschaulichen, erklären, begründen, anleiten, warnen, abschrecken? Ein Bild dient hier vor allem als visuelles Argument für oder gegen eine Behauptung. Bilder in einem Werbeprospekt werden wir kommunikativ ganz anders deuten als in einer wissenschaftlichen Abhandlung. Auf dieser Stufe sind Verstehensprobleme nicht selten, denn die Absicht, mit der das Bild gezeigt wird, ist ohne sprachlichen Kontext oft nicht eindeutig zu erkennen. „Kein Bild erklärt sich selbst“, so lautet ein Diktum des Kunsthistorikers Ernst Gombrich (1984, S. 142). Ein Bild ist also erst verstanden, wenn man nicht nur erkannt hat, was dargestellt ist, sondern auch, warum es einem gezeigt wird. Beeinflussen von Bildwahrnehmung und -Verstehen Der erste Eindruck bekommt keine zweite Chance. Tatsächlich sollte man den Ersteindruck nicht unterschätzen, denn er färbt die weitere kognitive Verarbeitung ein. Deshalb muss jeder Gestalter didak‐ tischer Bilder darauf achten, dass auf den ersten Blick eine übersichtliche visuelle Organisation gegeben ist. Blickbewegungen steuern. Die Blickbewegungen lassen sich durch zahlreiche Mittel der Gestaltung beeinflussen. Der Einstieg in ein Bild kann durch Eye-Catcher wie Schlüsselreize und grafische Hervorhe‐ bungen festgelegt werden. Die eingeübte Leserichtung - von links nach rechts, von oben nach unten - kann in der Anordnung visueller Elemente berücksichtigt werden. Mit visuellen Konventionen wie Pfei‐ len, Bezugslinien und anderen grafischen „Leitplanken“ lassen sich Blickrichtungen vorgeben. Alle Steuerungsmittel zusammen können aber eine individuelle Betrachtungsweise aufgrund von Vorwissen und Interessen nicht verhindern. Wirkung des Vorwissens. Das begriffliche Verstehen ist zu einem großen Anteil davon abhängig, welches Vorwissen Betrachtende über die Inhalte und die Konventionen in der jeweiligen Disziplin mitbringen. Es ist ein altes didaktisches Prinzip, dieses Vorwissen zum Verstehen auch zu aktivieren, und das ist nur über sprachliche Mittel möglich. 36 1 Wie Bilder wirken Mit Sprache steuern. Bilder sind oft mehrdeutig und die begriffliche Verarbeitung eines Bildes ist sehr individuell. Da wissenschaftliche Bilder nie ohne einen sprachlichen Kontext vorkommen, kann in einer Text-Bild-Kombination das inhaltliche, symbolische und intentionale Verstehen eines Bildes über Kommentare und einen Begleittext, z. B. die Legende gesteuert werden. (Ballstaedt, 2022) Zusammenfassendes Beispiel Die Verarbeitung eines Bildes ist ein komplexer Vorgang auf verschiedenen Ebenen. Ein Beispiel aus der Kunstgeschichte soll das noch einmal verdeut‐ lichen. Das Bild 1.15 zeigt ein barockes Stillleben als Arrangements von Objekten. Bild 1.15: Stillleben von Georg Flegel: Frühstück mit Hering, Bartmannskrug und Hirsch‐ käfer. 1635. Interpretation im Text. Quelle: Wikimedia Commons. Oberflächlich geht es um eine perfekte Abbildung, um die Schönheit auch einfacher und alltäglicher Dinge zu zeigen. Aber gleichzeitig sind es auch „Sinnbilder“, in denen Gedanken und Botschaften visuell kodiert sind. 1.6 Begriffliche Verarbeitung 37 Stillleben eignen sich deshalb sehr gut, um die Ebenen der Bildverarbeitung zu demonstrieren. Visuelle Organisation. Auf einem braunen und einem schwarzen Hin‐ tergrund heben sich verschiedene Nahrungsmittel als Figuren ab. Durch Verdeckungen wird eine klare räumliche Anordnung erreicht. Blickbewegungen. Bei diesem Bild ist es schwierig, einen Einstieg und einen Blickpfad vorherzusagen. Als Eye-Catcher wirkt vielleicht der Hirsch‐ käfer, der sich kontrastreich abhebt und in einem solchen Arrangement nicht erwartet wird. Je nach Interesse sind verschiedene Blickbewegungsmuster möglich, einen Blickpfad hat der Künstler nicht angelegt. Die Zuwendung von Aufmerksamkeit zu Bildkomponenten schlägt sich in einer visuellen Speicherung nieder, die wir später als Vorstellung aktivieren können. Inhaltliches Verstehen. Die Gegenstände auf dem Tisch rufen bestimmte Konzepte auf: ein Fisch auf einem Zinnteller mit Holzbrett, daneben ein Messer. Darum herum sind von links nach rechts gruppiert: Ein Hirschkäfer, ein (venezianisches) gefülltes Glas, ein Teller mit Lauch, ein Käse, auf dem ein Brot liegt, sowie ein Bierkrug. Symbolisches Verstehen. Alle diese Gegenstände haben eine symbolische Bedeutung, die früheren Betrachtenden auch bekannt war. Brot und Wein stehen für das Abendmahl, der Fisch ist ein Symbol für Christus bzw. das Christentum. Auch der Käse ist ein Symbol für Christus, weil er in der Bibel einmal als „Milch des Himmels“ bezeichnet wird. Der Lauch kommt ebenfalls in der Bibel vor, er ist ein Symbol des Verzichts, was wiederum zum Fisch passt, der damals als Fastenspeise galt. Der Hirschkäfer ist wie alle Insekten ein Symbol für das kurze Leben und den Tod. Einzig der Bierkrug mit dem bärtigen Gesicht und dem Eichenzweig passt sich in diese Gesamtdeutung nicht ein. Intentionales Verstehen. Fasst man die Bedeutungen der Komponenten zusammen, so vermittelt das Bild eine christliche Botschaft. Der Maler erinnert uns daran, dass wir nur kurz leben und dabei bescheiden bleiben und Verzicht üben sollen. 1.7 Anmutungen und Gefühle Bisher haben wir die Bildverarbeitung vor allem kognitiv untersucht, aber das ist eine einseitige Betrachtung. Jedes Bild hat auch eine ästhetische 38 1 Wie Bilder wirken Anmutung und kann Gefühle auslösen. Das oben analysierte Stillleben wirkt durch die braunen Farbtöne angenehm warm und löst vielleicht Appetit bei den Betrachtenden aus. Auch wenn Bilder in der Wissenschaft der sachlichen Vermittlung von Informationen dienen, kann man diese Wirkungen von Bildern nicht ausblenden. Ästhetisches Empfinden Schon auf der Ebene der visuellen Organisation, bevor eine inhaltliche Verarbeitung beginnt, löst die Wahrnehmung eines Bildes unmittelbar Empfindungen und ästhetische Urteile aus: Es gefällt oder missfallt, es ist schön oder hässlich, harmonisch oder unausgeglichen, übersichtlich oder konfus, es gibt viele derartiger ästhetischer Kategorien. Die experimentelle Ästhetik versucht zu erforschen, was im Bild und im Gehirn diese Emp‐ findungen auslöst. Ein wichtiger Bereich der ästhetischen Wahrnehmung betrifft die Farbe, denn der erste Eindruck eines Bildes wird stark von der Farbgestaltung beeinflusst. Leider bietet die Farbpsychologie ein verwirren‐ des Bild, denn die Ergebnisse aus Untersuchungen zur Farbwahrnehmung sind widersprüchlich und zeigen, dass das Farbempfinden von zahlreichen Bedingungen wie Alter, Schichtzugehörigkeit, Persönlichkeit, Stimmung usw. abhängig ist. Dass man den ästhetischen Aspekt nicht vernachlässigen kann, zeigen viele Beispiele aus der Wissenschaftsgeschichte, die Kunst und Wissenschaft vereinen. Man denke an die botanischen Drucke von Kräutern und Pflanzen seit dem 15. Jahrhundert. Oder an die berühmten anatomischen Zeichnun‐ gen des Amerikaners Frank Netter (2022), der gern als „Michelangelo der Medizin“ gefeiert wird und dem sogar Ausstellungen gewidmet sind. Heute beeindrucken radioastronomische Bilder von fernen Galaxien, interstellaren Nebeln oder schwarzen Löchern, deren ästhetische Qualität mit Kontrast‐ verstärkungen und Falschfarben konstruiert wird. Auslösen von Gefühlen Bilder können Stimmungen, Gefühle und Affekte auslösen, ihre emotionale Wirkung ist unmittelbarer als beim Wort. Sprache verfügt im Gehirn über eigene Areale der Verarbeitung, Bilder hingegen nicht. Sie werden in denselben Arealen verarbeitet wie Wahrnehmungen der Wirklichkeit. Was uns deshalb beim Wahrnehmen erschreckt, ärgert oder erfreut, das erschreckt, ärgert und erfreut uns auch auf einem Abbild. Es gibt Bilder, bei 1.7 Anmutungen und Gefühle 39 denen man nicht hinsehen und Bilder, an denen man sich nicht sattsehen kann. Das Abgebildete löst zwar eine Emotion aus, gleichzeitig bleibt aber eine semiotische Distanz: Wir wissen, dass Bilder Zeichen sind und von ihnen unmittelbar keine Gefahr ausgeht. So kann man eine Schlange oder Spinne auf einem Bild beruhigt anschauen, vor der man in Wirklichkeit schon längst geflüchtet wäre. Bilder entlasten vom Zwang zum Handeln, wir können ein Geschehen auf uns wirken lassen, ohne eingreifen zu müssen. So kann sich ein angehender Mediziner mit Fotosequenzen ohne Stress auf zukünftige Operationen vorbereiten. Die Abbildung von Gesichtern, die Emotionen ausdrücken, wirkt vermut‐ lich über Spiegelneurone unmittelbar auf unsere Empathie. Das wird z. B. in der technischen Kommunikation genutzt, wenn Geräte personalisiert werden (Bild 1.16). Bild 1.16: Visuelle Personalisierung. Dem Kopierer bereitet es sichtlich Schmerzen, wenn er durch Druck am Auflagedeckel verschoben wird. Die Darstellung wirkt witzig und der Gesichtsausdruck löst Mitleid in der Mensch-Maschine-Interaktion aus. Quelle: Mijksenaar & Westendorp, 2000, S.-61. Beeinflussen der Gefühle Ästhetisierung. Wer würde sich schon für die Messwerte von Welt‐ raumsonden interessieren, wenn man daraus nicht virtuelle Bilder von fernen Galaxien von großem ästhetischen Reiz generieren könnte? Die computertomografischen Abbildungen des Gehirns in bunten Falschfar‐ ben haben es sogar bis in die Illustrierten geschafft. Der Verbreitung und 40 1 Wie Bilder wirken Popularisierung von Wissenschaft ist eine ästhetische Präsentation von Befunden sehr zuträglich. Emotionalisierung. Anders als z. B. in der Werbung, dem Bildjourna‐ lismus oder der politischen Kommunikation ist Emotionalisierung in wissenschaftlichen Texten selten und als ungewollte Botschaft sogar unerwünscht. Es gibt einige Ausnahmen, z. B. bei Warnhinweisen in der technischen Kommunikation. Hier haben sich drastische und personalisierte Bilder in der Verhaltenssteuerung als wirksam erwiesen. Zusammenfassung Kapitel 1 Bilder können im Wissenserwerb eine komplementäre Rolle zum Text spielen. In verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen sind sie nicht nur unverzichtbar für die Wissensvermittlung, sondern dienen auch der Er‐ kenntnisgewinnung. Es gibt ein Repertoire an Bildtypen und Konventionen, die in Kombination die Vielfalt der visuellen Kommunikation ausmachen. Die mentale Verarbeitung von Bildern unterscheidet sich zwar je nach Bildtyp, aber vier Ebenen des Verstehens lassen sich überall ausmachen: der ganzheitliche Ersteindruck, die Detailauswertung durch Blickbewegungen, das begriffliche Verstehen und die ästhetische und emotionale Verarbeitung. Vertiefende Lesetipps Der Wahrnehmungspsychologe Donald Hoffmann belegt anschaulich, dass Sehen kein passives Wahrnehmen ist, sondern eine unbewusste intelligente Konstruktion durch angeborene visuelle Regeln. Diese Regeln haben sich in der Evolution in der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit entwickelt: Hoffman, Donald (2019). Relativ real. Warum wir die Wirk‐ lichkeit nicht erfassen können und wie die Evolution unsere Wahrnehmung geformt hat. München: dtv Verlagsgesellschaft. Der amerikanische Kognitionspsychologe Roger N. Shepard zeigt an zahlreichen künstlichen visuellen Vorlagen, wie die geistige Verarbei‐ tung beim Bildbetrachten abläuft und warum sich das Gehirn täuschen lässt: Zusammenfassung Kapitel 1 41 Shepard, Roger N. (1991). Einsichten & Anblicke. Illusion und Wahrnehmungskonflikte in Zeichnungen. Heidelberg: Spek‐ trum-der-Wissenschaft Verlagsgesellschaft. Der folgende Bildband zeigt grafische Arbeiten des niederländischen Künstlers Maurits Cornelis Escher, der mit den Wahrnehmungsprinzi‐ pien experimentiert und zeigt, wie artifizielle Vorgaben uns visuell täuschen können: Ernst, Bruno (2016). Der Zauberspiegel des M.C. Escher. Köln: Taschen Verlag. 42 1 Wie Bilder wirken 2 Bildgestaltung In den Wissenschaften besitzt die Veranschaulichung durch visuelle Demonstration […] eine für die Entwicklung des wissenschaftlichen Weltverständnisses entscheidende Funktion. Kemp, 2000, S.-16 2.1 Dekorative Bilder 2.2 Prägnante Piktogramme 2.3 Verständliche Abbilder 2.4 Orientierende Karten 2.5 Übersichtliche Charts 2.6 Leserliche Tabellen 2.7 Diagramme als Argumente Zusammenfassung Kapitel 2 In diesem Kapitel werden praktische Hinweise für eine effektive Gestaltung der verschiedenen Bildtypen gegeben. Jeder Bildtyp hat ein bestimmtes kommunikatives Potenzial und ist für bestimmte Botschaften besonders geeignet. Für die Betrachtenden stellt jeder Bildtyp spezielle Anforderungen an die mentale Verarbeitung und an das Verstehen. Die visuelle Gestaltung muss sich an den Adressaten und deren mentalen Ressourcen ausrichten. 2.1 Dekorative Bilder Nicht darstellende Bilder wie Ornamente, Muster oder abstrakte Grafiken spielen in wissenschaftlichen Texten nur eine marginale Rolle. Sie wider‐ sprechen geradezu der neutralen und nüchternen Darstellung wissenschaft‐ licher Theorien und Befunde. Martin Kemp (2000, S. 15) hat festgestellt, dass „seit Mitte des 19. Jahrhunderts jede Tendenz zur offenkundigen Orna‐ mentierung zum dezidiert Stilvollen und Malerischen zunehmend verpönt wurde“. Kommunikative Funktion. Nicht darstellende Bilder vermitteln als De‐ koration ein ästhetisches Erlebnis und sind für den ersten Eindruck wichtig. Zum Beispiel kann ein abstraktes Bild auf dem Titelblatt als Hingucker zum Lesen einladen (Bild 2.1). Mentale Anforderung. Dekorative Bilder sind in dem Sinne anspruchslos, dass sie keine interpretativen Anstrengungen erfordern. Sie können aber Anlass zur Projektion von Bedeutungen werden: Der oder die Betrachtende sieht etwas in ein abstraktes Bild hinein, wie z. B. bei den Klecksbildern des Rorschach-Tests. Bild 2.1: Dekoratives Cover. Einbandgestaltung Atelier Reichert, Stuttgart. Quelle: UVK Verlag, 2018. 44 2 Bildgestaltung In Untersuchungen haben sich nicht darstellende Bilder erwartungsgemäß als nicht lernrelevant herausgestellt (Levin et al, 1987). Aber Formen und Farben können gerade bei trockenen Themen zu einem angenehmen Lese- und Schauerlebnis beitragen. In einigen Disziplinen haben Bilder auch einen dekorativen Wert, z. B. Computergrafiken aus der fraktalen Geometrie, te‐ leskopische Bilder von Galaxien im All oder neuroanatomische Aufnahmen von Nervennetzen. Diese Bilder können unabhängig von wissenschaftlichen Inhalten als abstrakte Eindrücke wahrgenommen werden, man kann sie sich als Poster an die Wand hängen. Verwenden dekorativer Bilder Unkonventionell bebildern. Visuelles Dekor ist Zeichen für einen unkonventionellen individuellen Stil in der Wissenschaft, die nur zu oft akademisch unsinnlich daherkommt. Dekorative Motive können die Lesemotivation schon beim Durchblättern anregen. Ästhetisch entspannen. Dekorative und abstrakte Bilder wirken ge‐ rade in nüchternen und komplexen Sachtexten entspannend, da sie den Lesefluss unterbrechen (aber dadurch auch vom Inhalt ablenken! ). Als schmückendes Beiwerk können sie in einem wissenschaftlichen Corporate Design ansprechende ästhetische Erlebnisse vermitteln. 2.2 Prägnante Piktogramme Ein Piktogramm ist ein einfaches, schematisiertes Bildchen mit einer kla‐ ren kommunikativen Funktion. Piktogramme sind die minimalste Form visueller Kommunikation. Sie begegnen uns im Alltag vor allem zur Orien‐ tierung in öffentlichen Räumen, als Gebrauchshinweise auf verschiedenen Produkten und als Icons zur Navigation auf dem Bildschirm. In Fachtexten sind sie vor allem in der technischen Dokumentation als Warnhinweise zu finden. Sie informieren visuell über Art und Quelle der Gefahr, Intensität der Gefahr, Folgen der Gefahr und mögliche Gegenmaßnahmen. Auch Logos und Markenzeichen gehören zu den Piktogrammen. Kommunikative Funktion. Das Piktogramm soll sprachfrei einen Begriff aktivieren, der eine Handlung auslöst oder unterdrückt. Es dient der Orien‐ 2.2 Prägnante Piktogramme 45 tierung und der Handlungssteuerung. Ein Piktogramm entspricht sprachlich oft einem Gebot oder Verbot. Kognitive Anforderung. Ein Piktogramm muss auf einen Blick verstanden werden, ohne über seine Bedeutung nachzugrübeln. Damit keine Durch‐ musterung mit den Augen notwendig ist, sollte ein Piktogramm genau in die Fovea centralis der Netzhaut fallen. Deshalb ist es in schriftlichen Dokumenten klein, im öffentlichen Raum aber groß. Man kann drei Typen von Piktogrammen unterscheiden: Ikonische, symbo‐ lische und hybride Piktogramme, letztere setzen sich aus ikonischen und symbolischen Zeichen zusammen. Bild 2.2: Piktogrammtypen: a) Ikonisches Piktogramm für Mikroskop: Es bildet schematisch ein Mikroskop ab. b) Symbolisches Piktogramm für Biogefährdung: Diesem Zeichen sieht man die Bedeutung nicht an, sie muss gelernt werden. c) Hybrides Piktogramm „Mobilfunk verboten“. Das Handy ist ikonisch, der rote Kreis und die Wellen sind symbolische Zeichen. Quellen: Wikimedia Commons. Ikonische Piktogramme Das sind schematisierte, auf wesentliche visuelle Merkmale reduzierte prototypische Abbilder, z. B. eine stilisierte Hand, die in einem Text auf einen Merksatz hinweist. Ikone sollen ohne Vorwissen selbstverständlich sein. Es ist experimentell erwiesen, dass prototypische Abbilder schneller erkannt werden als untypische Abbilder einer Klasse. Aber wie findet ein Designer oder eine Designerin den jeweiligen Prototypen? Zwei Methoden haben sich bewährt: ● Die Adressaten äußern zu einem Begriff ihre visuellen Vorstellungen. Das am häufigsten genannte Motiv wird für das Piktogramm gewählt. ● Den Adressaten wird eine Reihe von ausgearbeiteten Piktogramm-Vor‐ schlägen vorgelegt und sie dürfen daraus auswählen. 46 2 Bildgestaltung Symbolische Piktogramme Das sind konventionelle Zeichen, die innerhalb einer Kultur gelernt werden müssen, z. B. in der Mathematik das Summenzeichen. Symbole müssen bereits bekannt sein oder ausdrücklich eingeführt werden. Das Bild 2.2 zeigt ein Symbol, das vor der Gefahr einer biologischen Verseuchung oder Ansteckung warnt. Es wurde in folgenden Schritten entwickelt (Baldwin & Runkle, 1967): 1. Zuerst wurden Grafiker gebeten, verschiedene, möglichst bedeutungs‐ freie Formen zu entwerfen. 40 Entwürfe wurden in die weiteren Tests einbezogen. 2. Mit einem Assoziationstest wurde der Bedeutungsgehalt der grafischen Formen überprüft: Je weniger den Versuchspersonen zu der Form einfällt, desto bedeutungsloser ist sie. 3. Mit einem Wiedererkennungstest wurde die gute Erkennbarkeit der grafischen Formen überprüft. 4. Schließlich wurde die Form mit bester Erkennbarkeit und geringstem Bedeutungsgehalt ausgewählt. Die Idee dahinter: Je weniger Assozia‐ tionen eine Form hervorruft, desto eindeutiger kann sie mit einer Bedeutung verbunden werden. Man muss die Bedeutung zwar lernen, aber dann ist keine Verwechslung mehr möglich. Die meisten Emojis sind zeichentheoretisch ikonische Zeichen für Personen oder Gegenstände. Es gibt aber auch ein Set symbolischer Emojis, dazu gehören z. B. die Gesten, die in verschiedenen Ländern eine unterschiedliche Bedeutung haben (Bild 2.3). Bild 2.3: Emojis. Die meisten sind ikonische Zeichen, aber es gibt auch symbolische Zeichen, die nicht unbedingt interkulturell verständlich sind. Das gilt vor allem für Gesten. Die gezeigte Geste hat auch noch andere Bedeutungen. 2.2 Prägnante Piktogramme 47 Hybride Piktogramme Viele Piktogramme setzen sich aus ikonischen und symbolischen Anteilen zusammen, zum Beispiel etliche Verkehrszeichen. In einem roten Warn‐ dreieck (Symbol) ist ein Zug abgebildet (Icon): Achtung unbeschrankter Bahnübergang! In wissenschaftlichen Texten können Piktogramme als Marginalien (= Randzeichen) gesetzt werden, z. B. um bestimmte Textbausteine wie Zusam‐ menfassung, Aufgabe, Merksatz zu kennzeichnen (Bild 2.4). Mit piktografi‐ schen Marginalien werden optische Signale neben den Basistext gesetzt, um die Orientierung in einem größeren Dokument zu erleichtern. Piktogramme kommen auch als Zusätze in Abbildern, Charts oder Diagrammen vor (siehe die Isotypen in 2.7). Bild 2.4: Piktogramme als Marginalien. Ein Set von Piktogrammen als Randzeichen in Fachtexten. Quelle: WEKA Autorenhandreichung, 2004, S.-72. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, an piktografische Marginalien zu kommen: Es gibt in jedem Textverarbeitungsprogramm Fonts mit Son‐ derzeichen oder Cliparts, in denen sich für die üblichen Verwendungen Piktogramme finden lassen. Zudem kann man im Web zahlreiche freie oder kostenpflichtige Icon-Sammlungen herunterladen (z. B. bei http: / / sw-guide .de/ webdesign-und-entwicklung/ icon-sammlungen/ . Wer Spaß daran hat, kann seine Piktogramme selbst entwerfen, das gibt jeder Arbeit einen individuellen Touch. Die Entwicklung eines ästhetisch gelungenen und kommunikativ effektiven Piktogramms ist aber keine leichte Aufgabe (Urban, 1995). Die folgenden Regeln helfen bei der Auswahl oder der Entwicklung von effektiven Piktogrammen. Dabei darf sich ein 48 2 Bildgestaltung Designer nicht allein auf seine Wahrnehmung und seine Interpretation verlassen. Ein Piktogramm sollte mit empirischen Methoden entwickelt und empirisch evaluiert werden. Gestalten von Piktogrammen Prototypisch Abbilden. Ikonische Komponenten eines Piktogramms müssen leicht erkennbare Abbilder sein. Der Prototyp ist entweder ein bestimmtes Exemplar der Klasse und kann diese vertreten, so ist der Hammer ein prototypisches Werkzeug, das Stemmeisen weniger. Oder der Prototyp ist kein bestimmtes Exemplar, sondern eine geistige Zusammenfassung der wichtigsten visuellen Komponenten. Schemati‐ sierte Autos auf Verkehrsschildern sind keine bestimmten Exemplare, sondern Prototypen, die für jeden PKW stehen. Eindeutige Symbole verwenden. Viele Piktogramme enthalten sym‐ bolische Zeichen, die nicht wie Abbilder intuitiv verständlich sind, sondern erst gelernt werden müssen. Der Verwender muss sicher sein, dass ein Symbol gebräuchlich ist, oder er muss es explizit z. B. in einer Legende einführen. Oft werden ikonische Zeichen in einer übertragenen Bedeutung verwendet, die in der interkulturellen Kommunikation zu Verständnisschwierigkeiten führen kann. Eindeutige visuelle Organisation. Ein effektives Piktogramm besteht aus einer einfachen Figur, die sich deutlich vor einem Hintergrund abhebt. Piktogramme müssen - gestaltpsychologisch gesprochen - Prägnanz besitzen. Die Figuren sind deshalb meist schematisch als Outline oder Silhouette ausgeführt, die Silhouette bildet einen besseren Kontrast zum Grund (Bild 2.5). 2.2 Prägnante Piktogramme 49 Bild 2.5: Piktogramm für Umweltgefährdung. Dieses Piktogramm enthält eine Silhou‐ ette (der Baum) und ein Strichbild (der Fisch). Das Piktogramm ist zwar standardisiert und gebräuchlich, aber auf den ersten Blick nicht verständlich. Es könnte z.-B. auch bedeuten: In kalten Wintern sterben die Fische. Quelle: Torsten Henning, Wikimedia Commons. Auf Details verzichten. Prägnanz wird vor allem durch Weglassen unnötiger Details erreicht. Das Piktogramm soll auf einen Blick erkannt und verstanden werden, ohne dass die Augen es durchmustern müssen. Das bedeutet vor allem, dass nicht zu viele Zeichen kombiniert sein dürfen, denn jedes einzelne Zeichen muss erkannt, verstanden und im Zusammenhang interpretiert werden. Überzeichnen. Eine drastische Übertreibung der Darstellung bis zur Karikatur zieht die Aufmerksamkeit auf sich und entfaltet eine intensi‐ vere Wirkung (Eberhard & Perera, 2020). Dies gilt auch für die Abbil‐ dung von Gesten, Körperhaltungen und Gesichtern (man denke an die Wirkung von Masken). Es ist sicher kein Zufall, dass sich die archaische Abbildung eines Totenschädels bis zum heutigen Tag als Warnpikto‐ gramm erhalten hat. Also Mut zu ungewöhnlichen Piktogrammen! Bild 2.6: Überzeichnete Piktogramme. a) Der Totenschädel mit gekreuzten Knochen warnt eindrücklich vor Lebensgefahr. b) Das Warnpiktogramm vor Quetschgefahr nach DIN EN ISO 7010 W030 zeigt drastisch die Verletzung der Hand. Quelle: Wikimedia Commons. Auffällige Farben wählen. Piktogramme sollen Aufmerksamkeit erre‐ gen. Aus Untersuchungen weiß man, welche Farben besonders auffallen: 50 2 Bildgestaltung reines, gesättigtes, helles Orange oder Rot. Deshalb sind dies die Sig‐ nalfarben bei Sicherheits- und Warnpiktogrammen. Bei mehrfarbigen Piktogrammen sollte man auf harte Kontraste setzen, am häufigsten wird ein Bunt-unbunt-Kontrast gewählt. Farben transportieren auch kulturelle symbolische Bedeutungen, die man bei der Gestaltung von Piktogrammen berücksichtigen muss. So wird Violett mit klerikal, feministisch oder depressiv assoziiert, Hellgrün mit gesund, Blau mit seriös, technisch, fern usw. Vertiefende Lese- und Schautipps Das Buch der Kunsthistorikerin Marian Ackermann dokumentiert eine Ausstellung des Kunstvereins Stuttgart, in der die Funktion und Wir‐ kung von Zeichen von der Gebrauchsgrafik bis zur Kunst untersucht wird. Eine Sammlung sehr interessanter Aufsätze und Exponate: Marion Ackermann (Hrsg.) (2007): Piktogramme. Die Einsam‐ keit der Zeichen. Kunstmuseum Stuttgart. Ein sehr materialreiches und instruktives Buch zum kommunikativen und kulturellen Stellenwert von modernen Piktogrammen: Christian, Alexander (2017). Piktogramme. Tendenzen in der Gestaltung und im Einsatz grafischer Symbole. Köln: Herbert von Halem. 2.3 Verständliche Abbilder Abbilder bilden Gegenstände, Personen oder Handlungen der Wirklichkeit ab. Wahrnehmungspsychologisch ist ein Abbild eine behandelte Oberfläche, die eine Anordnung von Lichtstrahlen ähnlich wie das natürliche Original reflektiert. Ein Abbild kann mehr oder minder wirklichkeitstreu sein. So bietet ein Farbfoto ein recht getreues Abbild der Wirklichkeit, während ein Schemabild davon stark abstrahiert. Kommunikative Funktion. Abbilder gehören zu den informierenden oder didaktischen Bildern, die vorrangig Wissen vermitteln (Weidenmann, 1994). Sie sind ein Wirklichkeitsersatz für Gegenstände, Lebewesen oder Szenen und vermitteln visuelles Wissen über 2.3 Verständliche Abbilder 51 ● visuelle Merkmale wie Form, Farbe, Textur ● räumliche Anordnungen ● Veränderungen visueller Merkmale ● Veränderungen räumlicher Anordnungen Derartiges visuelles Wissen ist sprachlich nur umständlich und oft nicht eindeutig kommunizierbar. Abbilder sind in Wissensdomänen unverzicht‐ bar, bei denen es um wirklichkeitsgetreue Vermittlung nicht anwesender oder seltener Gegenstände geht, z. B. sichtbare Symptome in der Medizin, Tiere und Pflanzen in der Biologie, Objekte aus fernen Ländern oder aus alten Kulturen. Abbilder erfüllen oft die Funktion der Dokumentation, sie dienen als Beleg oder Beweis. Mentale Anforderung. Das Verstehen von Abbildern wird oft unter‐ schätzt. Abbilder gelten als selbstverständlich, ein Blick und wir sind im Bilde. In einigen Punkten unterscheidet sich die Wahrnehmung eines Abbilds deutlich von der Wahrnehmung der Wirklichkeit: ● Ein Abbild ist begrenzt, es zeigt nur einen Ausschnitt aus der Wirklich‐ keit. Die Bereiche jenseits des Ausschnitts oder der Kontext bleibt für die Betrachtenden verborgen. ● Abbilder zeigen den Wirklichkeitsausschnitt in einer festgelegten Per‐ spektive. Was die Betrachtenden sehen können und was nicht, legt der Bildgestalter bzw. die -gestalterin fest. Exploratives Verhalten vor einem Bild wie Kopfbewegungen oder Ortswechsel bringt keine neue Information. ● Abbilder sind merkmalsärmer als die Wirklichkeit, es können z. B. Farben, Texturen oder Tiefenhinweise fehlen. Das ist ein kommunika‐ tiver Vorteil, da die Aufmerksamkeit auf wichtige visuelle Merkmale gerichtet werden kann: Wenn z. B. die Farben fehlen, dann dominieren die Formen. ● In Abbildern ist festgelegt, welche Bildkomponenten scharf und welche unscharf gezeigt werden. Bei Fotos geschieht das durch die Einstellung des Bereichs der Schärfentiefe. In der Wirklichkeit können wir jeden Bereich fixieren, beim Foto hat der Bildproduzent selektiv vorfokussiert. ● Abbilder müssen auf drei Ebenen ausgewertet werden: Es geht nicht nur darum zu verstehen, was abgebildet ist (inhaltliches Verstehen) und welche übertragenen Bedeutungen damit verbunden sein können (symbolisches Verstehen), sondern Abbilder müssen auch als absichts‐ volle Zeichen, als Kommunikate durchschaut werden (intensionales Verstehen). 52 2 Bildgestaltung Fünf Abbildtypen werden wir jetzt näher anschauen, das Bild 2.7 zeigt sie in einem Überblick an einem einfachen Beispiel: Farbrealbild, Schwarz-Weiß-Realbild, Texturbild, Strichbild, Schemabild. Es handelt sich um eine Rangordnung zunehmender Abstraktheit: Vom Farbrealbild bis zum Schemabild nehmen die konkreten visuellen Merkmale des Bildes ab. 2.3 Verständliche Abbilder 53 Farb-Realbilder Dazu gehören Farbfotos, aber auch wirklichkeitstreue farbige Zeichnungen und Gemälde, die einen Ausschnitt der Wirklichkeit von einem festen Standort und aus einer Perspektive abbilden und dabei alle Farbabstufungen beibehalten (Bild 2.7a). Diese Abbilder sind am konkretesten und detail‐ reichsten. Sie konservieren Wahrnehmungen, sind also für die Betrachten‐ den Second-hand-Erfahrungen. Sie kommen z. B. in Bestimmungsbüchern für Pilze, Blumen oder Vögel vor. Weil Farbe in Fachbüchern nach wie vor teuer ist, stellt sich die Frage: Wann ist Farbe in der wissenschaftlichen Kommunikation unentbehrlich? Didaktisch ist Farbe eigentlich nur in zwei Fällen nützlich: 1. Die Farben haben eine unterscheidende (= diskriminierende) Funktion. So würde ein Pilzbuch mit Schwarz-weiß-Fotos oder Strichbildern dem Sammler wenig nutzen, denn bei Pilzen sind Farben wichtige Bestim‐ mungsmerkmale. 2. Den Farben sind symbolische Bedeutungen zugeordnet, d. h. es wird ein Farbkode eingeführt, z. B. in der Elektrotechnik die Leitungen: braun/ schwarz = Stromleiter, blau = Nullleiter, grün-gelb = Schutzleiter. Die in Naturwissenschaften verbreitete Falschfarbendarstellung nutzt beide Vorteile der Farbe. Hier werden mit kommunikativer Absicht Farben ver‐ wendet, die von der natürlichen Wahrnehmung drastisch abweichen, um Unterschiede sichtbar zu machen. Entweder werden Nuancen im Farbton verstärkt, so bei den eindrucksvollen Aufnahmen der Astrofotografie von Planeten und Kometen. Bei Bildern ohne Farbinformation wird eine Farbko‐ dierung eingeführt, um die Graustufen deutlicher sichtbar werden zu lassen. Ein Beispiel sind die Wärmebilder (Thermografie), die in warmen Farben (gelb, orange, rot) anzeigen, wo ein Gebäude wie viel Wärme abstrahlt. Die wissenschaftliche Fotografie zum Zwecke der Dokumentation ist heute durchweg farbig, gerade die farbigen Bilder aus dem Mikro- oder Mak‐ robereich faszinieren auch Laien. Die motivierende Funktion von Farben darf man nicht vernachlässigen, Farben befriedigen ästhetische Bedürfnisse. So wird Lehrmaterial mit farbiger Bebilderung immer als anregender und interessanter eingeschätzt als farblose Bücher. Mit Farbe wird sicher schöner gelernt, aber nicht unbedingt effizienter. 54 2 Bildgestaltung Schwarz-Weiß-Realbilder Hier fehlen die Farben, deshalb sind diese Abbilder gegenüber den Farb‐ realbildern abstrahiert (Bild 2.7b). Sie sind aber brauchbar, wenn Farbe keine diskriminierende oder symbolische Funktion hat. Ein Problem bildet aber oft die Bildqualität. Früher lieferten Fotografen gut ausgeleuchtete und kontrastreiche Schwarz-Weiß-Fotos, die allerdings auch ihren Preis hatten. Dafür gab es Probleme mit der Druckqualität. Heute kann man auch schlecht aufgenommene Fotos digital mit Kontrastverstärkung auffrischen, um wichtige Details sichtbar zu machen. Mit dem Aufkommen der Digital‐ fotografie und der Bildbearbeitung erleben Fotos in vielen Bereichen, z. B. der technischen Kommunikation eine Renaissance, während man früher Strichbilder bevorzugt hat. Die farbigen und schwarz-weißen Realbilder werden auch als Halbtonbil‐ der zusammengefasst, da sie alle Farb- oder Graustufen enthalten. Texturbilder Abbilder mit Texturen sind fotoähnlich, aber detailärmer (Bild 2.7c). Sie betonen durch Beleuchtung, Hell-Dunkel-Gestaltung und Schraffuren die Oberflächen zur Steigerung des räumlichen Eindrucks, wobei oft nur einige Graustufen verwendet werden. Sie sind besonders für die Darstellung organischer Gebilde geeignet, z. B. ist in Lehrbüchern der Neuroanatomie das Gehirn immer texturiert abgebildet: Die Windungen und Furchen sind dadurch sehr gut erkennbar. In der Spätrenaissance und im Barock entstand die Hell-Dunkel-Malerei (= Chiaroscuro) als ein Gestaltungsmittel, um Körper und andere Formen plastischer abzubilden. Licht und Schatten sowie Glanzlichter dienten dazu, Gegenstände und Gestalten eindrücklicher abzubilden. Bild 2.8: Texturbild des Cortex. Die Hirnwindungen grenzen sich in ihrer Plastizität gut gegeneinander ab. Quelle: www.geo.de/ image/ 634.jpg. 2.3 Verständliche Abbilder 55 Strichbilder (= Outline Drawings) Diese Abbilder reduzieren die Wirklichkeit auf Ecken, Kanten und andere abrupte Diskontinuitäten (Gibson, 1982). Sie bieten den Augen eine Diät aus Linien, die allerdings stabile Strukturen der Wahrnehmung, sogenannte Invarianten konservieren (Bild 2.7d). Strichzeichnungen haben sich beim Wissenserwerb als sehr effektiv erwiesen, da sie eine didaktische Reduktion auf das Wesentliche ermöglichen. Für das Erkennen von Objekten sind Strichzeichnungen ausreichend, da sie die wesentlichen visuellen Informa‐ tionen enthalten und die unwesentlichen weglassen. Lerntheoretiker haben deshalb lange die Strichzeichnung als die einfachste und prägnanteste Form der visuellen Kommunikation gepriesen. Die Bevorzugung der Strichzeich‐ nung hatte aber sicher auch praktische Gründe: Ihre gute Reproduzierbar‐ keit beim Fotokopieren, Faxen und Scannen war ein großer Vorteil. Das ursprüngliche Strichbild ist die Handzeichnung, die es auch heute noch in einigen Disziplinen gibt, z. B. in der Archäologie, um Fundstätten zu dokumentieren (s. Bild 5.3). Der nächste Schritt war das mühsame Zeichen der Strichbilder am Zeichenbrett. Heute können Strichbilder aus durchgezeichneten Fotos, Digitalfotos oder CAD-Daten generiert und mit Grafikprogrammen bearbeitet werden. Dabei liegen sie gewöhnlich als Vektorgrafiken vor, auch handgezeichnete oder eingescannte Strichbilder können mit einem Illustrationsprogramm vektorisiert, d. h. in eine mathe‐ matische Beschreibung überführt werden (siehe Vektorbilder im Kapitel 5.1). Dadurch wird das Erstellen spezieller Darstellungen wie Explosions‐ bilder, Phantombilder, Schnittbilder möglich. In der technischen Kommuni‐ kation werden bei Strichbildern zwei Strichdicken verwendet: In der sog. Dick-Dünn-Technik werden sichtbare Linien bzw. Kanten, hinter die man greifen kann, also die Außenkanten, dicker dargestellt (0,5 mm), was die visuelle Interpretation vereinfacht. Die digital generierte Strichzeichnung hat vor allem in der technischen Komunikation einen Siegeszug angetreten. Schemabilder In einem schematischen Abbild kommt es weniger auf die wirkliche Gestalt oder Anordnung an, sondern vielmehr darauf, dass typische visuelle und räumliche Merkmale repräsentiert sind. Dazu ein paar Beispiele: Die in der elektronischen Kommunikation beliebten Smileys sind schematisierte Gesichtsausdrücke. Alle Strukturformeln in der Chemie sind Schemabilder, da sie die räumliche Anordnung von Molekülen abbilden. Zu den Schema‐ bildern gehören auch Schaltpläne in der Elektronik, in denen die einzelnen 56 2 Bildgestaltung Bauteile und deren elektrische Verknüpfung in konventionalisierter Form repräsentiert sind. In der Geografie gibt es stark schematisierte Karten. Ein berühmtes Schemabild ist die Doppelhelix, die den Aufbau der DNA aus den vier Nukleotiden A, G, T, C zeigt. Manche wissenschaftlichen Schemabilder sind so in unserem visuellen Gedächtnis verankert, dass von Canonical Icons (Gould, 1995) oder Visiotypen (Pörksen, 1997) gesprochen wird. Ein weiteres Beispiel ist die schematische Darstellung des Covid-Virus oder des Ozon-Loches. Mit zunehmender Schematisierung beginnt der Übergang zu den Visualisierungen. Schemabilder ermöglichen dem Experten eine schnelle Orientierung, sind aber für den Laien oft schwer verständlich, denn die Abstraktion von der natürlichen Wahrnehmung ist erheblich und mental schwer nachvollziehbar. Bild 2.9: Schematisches Abbild einer Blüte. 1. Blütenboden, 2. Kelchblätter, 3. Kronblätter, 4. Staubblätter, 5. Fruchtblätter. Auffällig sind die Bezugsziffern gegen den Uhrzeigersinn. Quelle: Petr Dlouhy, Wikimedia Commons. Werfen wir noch einen Blick auf einen Spezialfall, der in der wissenschaft‐ lichen Kommunikation häufig vorkommt: Screenshots Zu den Abbildern gehören auch die Screenshots oder Bildschirm„fotos“. Jedes Betriebssystem bietet die Möglichkeit, den ganzen Monitor oder Teile davon als Pixel- oder Bitmap-Bild zu konservieren. In Abhandlungen über Software sind Screenshots unverzichtbar. Dabei handelt es sich streng genommen um ein Abbild eines Bildes, auf dem Bildschirm können aber verschiedene Bildtypen vorhanden sein, z. B. Fotos, Charts, Diagramme usw., deshalb passt der Screenshot nicht ganz in die Taxonomie. Ein Abbild von einem Bild findet man häufig, z. B. wenn in der Kunstgeschichte ein Gemälde in einem Bildband abgebildet wird. 2.3 Verständliche Abbilder 57 Kommunikative Funktion. Es gibt drei Möglichkeiten: 1. Das Auffinden von Bedienkomponenten, z.-B. Schaltflächen, Eingabefelder, Menü-Punkte, Icons. 2. Das Vergleichen von Veränderungen der Bedienoberfläche nach Eingabe von Werten. 3. Der Aufbau eines mentalen Models als umfassendes Verständnis von Struktur und Funktionsweise einer Software. Mentale Anforderungen. Ein Screenshot soll meist eine Interaktion mit der Software steuern. Das verlangt Suchprozesse: Wo ist die wichtige Komponente und was muss ich tun? In Experimenten konnte belegt werden, dass Screenshots dazu führen, dass Anwender schneller sind und weniger Fehler machen, wenn ein Software-Manual Screenshots enthält, vorausgesetzt sie sind didaktisch durchdacht eingesetzt und gestaltet (Gellevij & van der Meij, 2004; Meng & Ullmann, 2015). Eine überzeugende Methode für übersichtliche Screenshots sind Simpli‐ fied User Interface (SUI nach Bollen & Saremba, 2020). Sie basiert auf der Idee, alles wegzulassen, was von der kommunikativen Funktion des Screen‐ shots ablenken könnte. Ein SUI hebt die wichtigen Komponenten hervor, alle anderen Inhalte werden mit einfachen geometrischen Formen wie Balken, Rechtecke, Kreise nur angedeutet (Bild 2.10). Dabei werden die Gestaltprin‐ zipien berücksichtigt, um die visuelle Organisation so einfach wie möglich zu halten. Dies geschieht in zwei Schritten: Erst wird ein Basis-Screenshot aufgenommen, der dann mit spezieller Software vereinfacht wird. Das kann mit üblicher Grafik- und Bildbearbeitungssoftware ausgeführt werden. Wer komfortabler gestalten möchte, für den gibt es spezielle Werkzeuge zur Erstellung von SUI-Grafiken (z. B. Snagit). Einen Leitfaden zur Konzeption und Erstellung findet man unter: https: / / assets.techsmith.com/ Docs/ Der-T echSmith-Leitfaden-zum-Thema-Simplified-User-Interface-Grafiken-lr.pdf. 58 2 Bildgestaltung Bild 2.10: Simplified User Interface. Vereinfachter Screenshoot mit nur einem im Detail dargestellten Menüpunkt, auf den zusätzlich ein Pfeil zeigt. Quelle: https: / / www.techsmit h.de/ blog/ simplified-user-interface-grundlagen/ (Besuch 16.08.2022) Derartig reduzierte Screenshots steuern die Zuwendung von Aufmerksam‐ keit: Im Kontext der Komponenten auf dem Bildschirm, die gerade keine Bedeutung haben, wird der Blick sofort auf die entscheidende Komponente gelenkt. Mit Eyetracking-Studien konnte belegt werden, dass keine unnöti‐ gen Suchprozesse notwendig sind. Damit sinkt die kognitive Belastung und die Verständlichkeit wird verbessert (TechSmith, 2019). Gestalten von Abbildern Eine gewohnte Perspektive einhalten. Das Abbild muss auf den ersten Blick überschaubar sein. Ein Bild, das unübersichtlich und konfus wirkt, macht keinen guten ersten Eindruck. Am schnellsten verstehen wir eine Szene oder einen abgebildeten Gegenstand in einer gewohnten Ansicht bzw. Perspektive, sozusagen auf Augenhöhe. Gegenstände aus ungewohnten Blickwinkeln können so befremdlich wirken, dass sie gern als visuelle Rätsel verwendet werden (dazu Kap. 3.2). 2.3 Verständliche Abbilder 59 Den Kontext erkennbar machen. Ein Abbild zeigt immer einen Aus‐ schnitt, eine Teilansicht aus der Wirklichkeit. Der Kontext muss dabei für die Betrachter rekonstruierbar (vorstellbar) sein. Nur so werden räumliche Zuordnungen und Größenverhältnisse richtig erfasst. Ohne Kontext ist eine Maßstabsanzeige in der Abbildung nötig, oft eine Münze oder ein Lineal oder eine Skala. Bei Fotos kann das wichtige Objekt oft scharf, der Hintergrund unscharf, aber noch erkennbar, abgebildet werden. Bei Strichbildern kann man den Hintergrund mit gestrichelten oder dünnen Linien (Haarlinien) andeuten. Mit Eye-Catchern reizen. Visuelle Reize, auf die wir unwillkürlich reflektorisch reagieren, können dazu genutzt werden, den ersten Blick auf bestimmte Informationen zu ziehen. So werden in der Werbung sexuelle Bilder oder Gesichter eingesetzt. Damit eine Bildkomponente ins Auge springt, muss man sie grafisch hervorheben. Dazu dienen einige Konventionen wie Einfärbung, Hinweispfeile, Überzeichnung, Lupen, die wir im Kapitel 3 noch ausführlich kennenlernen. Blickpfade anlegen. Nach dem Einstieg kann der oder die Bildgestal‐ tende versuchen, die Abfolge der Blickbewegungen und damit der Verarbeitung des Bildes über die Gestaltung zu beeinflussen. Betrach‐ tende neigen dazu, entsprechend der Leserichtung in unserer Kultur auch ein Bild von links oben nach rechts unten zu durchmustern. Diese Vorliebe kann man berücksichtigen, indem wichtige Inhalte auf die Diagonale von links oben nach rechts unten gelegt werden. Mit Pfeilen kann eine „Lese“-Richtung vorgegeben werden, die aber nicht unbedingt eingehalten wird. Insgesamt ist die Steuerung der Blickbewegungen über die Gestaltung nur begrenzt möglich. Einsichtige Farbcodes. Wenn man Farben symbolisch einsetzt, sollte die Zuordnung von Bedeutung zu Farben auch Sinn machen. So werden zunehmende Wärmestufen in der Thermografie gelb, orange, rot einge‐ färbt, in der Tomografie zeigen Farben verschiedene Stufen mentaler Aktivität an: Ein blaues Areal ist inaktiv, ein rotes sehr aktiv. Didaktisch reduzieren. Je mehr Details ein Bild anbietet, desto un‐ kontrollierbarer wird die Auswertung durch verschieden interessierte Betrachtende. Daraus folgt: Jede didaktische Reduktion von visueller Komplexität schränkt die Auswertung der Betrachtenden ein und lenkt nicht durch unnötige Komponenten ab. Strichzeichnungen oder sche‐ matisierte Abbilder sind deshalb oft effektiver als Realbilder, da sie auf 60 2 Bildgestaltung Unwesentliches verzichten. So ist es sinnvoll, ein Objekt entweder vor einem ruhigen Hintergrund zu zeigen oder ganz freizustellen. Adäquate Bildgrößen anbieten. Zwischen der inhaltlichen Komple‐ xität eines Bildes und der adäquaten Bildgröße gibt es eine plausible Beziehung: Je komplexer der Inhalt ist, desto größer sollte das Format sein. Deshalb kann ein Piktogramm klein sein, denn es enthält nur eine Botschaft, die mit einem Blick erfasst wird. Enthält ein Bild aber zahlreiche Komponenten, dann muss man den Augen einen gewissen Auslauf gewähren. Also keine Briefmarkenformate, wenn komplexe Zusammenhänge gezeigt werden. Eindeutige visuelle Organisation. Bei Strichbildern kommt es immer wieder vor, dass die visuelle Organisation des Bildes nicht eindeutig ist. Dabei handelt es sich meist um die Verletzung von Gestaltgesetzen, die zu einer mehrdeutigen Wahrnehmung führen. Unklarheiten der visuellen Organisation sind für das Verstehen nicht schwerwiegend, aber bilden unnötige Irritationen in der Wahrnehmung (Bild 2.11) Bild 2.11: Strichbild einer Duschkabine. Diese Darstellung ist ein ungewolltes Kipp‐ bild. Wenn man länger darauf schaut, dann springt der räumliche Eindruck. Quelle: Ballstaedt. 2.3 Verständliche Abbilder 61 Verständliche Screenshots. Das Weglassen irrelevanter und das Her‐ vorheben der relevanten Komponenten muss sich konsequent nach der Funktion des Bildes richten: Form follows function! Unwichtige Komponenten werden nur mit geometrischen Formen oder unscharf angedeutet, wichtige Komponenten optisch hervorgehoben. Mittel dazu sind die bekannten Konventionen: Pfeile, Rahmen, Einfärbungen, Lu‐ pen, Spotlights. Zum Abschluss noch eine Anmerkung zur Rezeption von Abbildern. Besonders Realbilder werden gern als vertrauenswürdige Abbildungen von Wirklichkeit genommen, auch wenn sie im Computer erzeugt oder durch digitale Bildbearbeitung verändert sind. Abbilder genießen einen Vertrauensvorschuss, den sie spätestens mit der Digitalisierung nicht mehr verdienen. Mit Bildern kann ein Wissenschaftler genauso täuschen wie mit Sätzen lügen. Bei wissenschaftlichen Bildern müssen Entstehung und Manipulation eines Bildes in der Bildlegende vermerkt sein. Verbindliche ethische Standards dazu gibt es aber bisher nicht. Vertiefende Lesetipps Wir hatten angemerkt, dass Geisteswissenschaftler eher bildscheu sind. Zwei Historiker schreiben gegen die Textfixiertheit der Geschichts‐ wissenschaft an und fordern die Auswertung von Gemälden, Holz‐ schnitten, Zeichnungen und Fotos als historische Dokumente. Auch historische Abhandlungen sollten bebildert sein, wenn immer sich Material dafür anbietet: Burke, Peter (2001). Augenzeugenschaft. Bilder als historische Quellen. Berlin: Wagenbach. Imhof, Arthur E. (1991). Im Bildersaal der Geschichte oder Ein Historiker schaut Bilder an. München: Beck. 2.4 Karten (Plan Maps) Karten sind verkleinerte, vereinfachte und zweidimensionale Darstellungen von Territorien. Erste erhaltene kartografische Wandzeichnungen stammen aus dem Neolithikum, die erste brauchbare Karte von Anaximander von Milet um 541 v. Chr. Die Kartografie hat in Verbindung mit der darstellen‐ 62 2 Bildgestaltung den Geometrie eine Entwicklung als eigenständige wissenschaftliche Diszi‐ plin durchlaufen, wobei zunächst praktische Probleme eine Rolle spielten: Grenzziehung, Verkehrswege, Navigation, militärische Operationen usw. Kommunikative Funktion. Eine Karte dient der Vermittlung räumlicher Informationen, es geht um die Orientierung im Raum, die relative Lage von Orten, Entfernungen und topologische Beziehungen (neben, über, innerhalb, außerhalb). Wer nach einem Weg gefragt wird, der zeichnet eine Skizze, um umständliche sprachliche Beschreibungen zu vermeiden. Karten ersparen uns Texte, die nur sehr schwer in visuelle Vorstellungen umgesetzt werden können. Kognitive Anforderung. Grundsätzlich dienen externe Karten dem Auf‐ bau mentaler Karten (kognitive Maps), die dann unsere Orientierung anlei‐ ten. Die Auswertung von Karten wird in Kartenlesen und Interpretieren eingeteilt. Das „Lesen“, also die visuelle Auswertung, kann über Augenbe‐ wegungen erfasst werden und dient dem Erkennen der Komponenten und ihrer räumlichen Anordnung. Das Interpretieren geht über das Gesehene hinaus und erfordert die Vertrautheit mit den visuellen Konventionen. Diese speziellen Skills werden als Map Literacy zusammengefasst (Verdi & Kulhavy, 2002; MacEachren, 2004). Karten werden in zwei Situationen genutzt: 1. Man kann aus einer Karte ohne Kontakt mit der Realität eine Vorstellung über räumliche Zusammenhänge entwickeln. Das geschieht, wenn man als „Armchair-traveller“ mit einer Karte eine Urlaubsroute plant. Bei bekanntem Maßstab ist eine geometrische Kartenauswertung möglich, um Entfernungen zu ermitteln. 2. Man kann sich mit einer Karte von einem Standort aus orientieren, z. B. um auf einer Messe einen bestimmten Stand mit Hilfe eines Lageplans zu finden. Beim Vergleich zwischen Karte und Feld wird die zentralper‐ spektivische Wahrnehmung der Wirklichkeit mit der schematisierten und vereinfachten Darstellung in der Karte verglichen, um sich für einen Weg zu entscheiden. In beiden Fällen bauen wir mit Hilfe der externen Karte eine mentale Karte auf. Dies gelingt nur, wenn wir die Zeichen der Karte mit Objekten in der Wirklichkeit identifizieren, dazu sind Vorwissen und Vorstellungsvermögen notwendig. Ein schönes Beispiel ist das Verstehen der Höhenlinien (= als hüb‐ sches Fremdwort Isohypsen) in einer topografischen Karte. Zuerst müssen wir wissen, dass eine durchgezogene Linie auf der Karte ein Höhenniveau 2.4 Karten (Plan Maps) 63 symbolisiert. Das lernen wir im Geografieunterricht, aber sich aus der Anordnung der Linien die Geländeform vorzustellen, ist eine weitergehende Fähigkeit, die trainiert werden kann. In der Kartografie werden Abbildkarten, topografische Karten und the‐ matische Karten unterschieden. Sie können als Abfolge zunehmender Ver‐ allgemeinerung aus der Wirklichkeit verstanden werden. Abbildkarten Das sind Abbilder (Luftbilder), die von Flugzeugen oder Satelliten analog oder digital fotografiert werden, z. B. die Karten, die wir von GoogleEarth oder von Marssonden kennen. Abbildkarten sind meist mit symbolischen Zeichen angereichert. Topografische Karten Diese Karten kennt jeder aus dem Schulatlas: Sie repräsentieren die Ober‐ flächenbeschaffenheit und die topologischen Zusammenhänge auf der Erde. Diese Karten entstehen auf der Grundlage von Luftbildern und Vermessun‐ gen, verzichten aber auf viele Details zugunsten einer Übersichtsinforma‐ tion, die mit Symbolen (Farben, Städtesymbole, Höhenlinien) angereichert ist. Ein Untertyp sind die Plan Maps, damit werden Stadtpläne, Straßen‐ karten, Anfahrtsskizzen, Standortpläne, Verkehrsnetze, auch Navigations‐ displays zusammengefasst. Thematische Karten (= Kartogramme) Sie zeigen meist nur die Umrisse eines Territoriums, in denen Informationen mit symbolischen oder ikonischen Zeichen eingetragen sind. Beispiele: Ver‐ schiedene Farben für mittlere Jahrestemperaturen oder Piktogramme, wel‐ che die Vorkommen bestimmter Bodenschätze visualisieren. Diese Karten kombinieren ein Abbild mit konventionalisierten Zeichen (hier Signaturen genannt). Wir referieren hier nicht die umfangreichen Richtlinien der Kartographie (dazu ausführlich MacEachren, 2004; Kohlstock, 2018), sondern konzentrie‐ ren uns auf Plan Maps, das sind Übersichtskarten wie sie immer wieder in Fachtexten vorkommen (Bild 2.12). Sie sind stark schematisiert und enthalten nur die unbedingt notwendigen Informationen für eine schnelle Orientierung. 64 2 Bildgestaltung Bild 2.12: Lageplan der Zitadelle Cyriaksburg. Außer dass die Bezugsziffern etwas zu klein geraten sind, ist dieser Lageplan sehr übersichtlich. Quelle: Lukas Götz, Tom Kidd, 2011, Wikimedia Commons. Gestalten von Übersichtsplänen Klare visuelle Organisation. Die Gestaltung einer Karte muss von der Botschaft ausgehen, die sie visuell vermitteln möchte, und sie muss die Adressaten berücksichtigen. Die zentrale Aussage muss visuell sofort ins Auge springen Das Figur-Grund-Prinzip und die Gestaltgesetze sind von großer Bedeutung für eine eindeutige visuelle Organisation. Die Beschriftungen (= Labels) von Komponenten müssen eindeutig zuordenbar und lesbar sein (Kosslyn, 2006). Orientierungsspezifität. Sich mit einer Karte zu orientieren ist unter‐ schiedlich schwierig, je nachdem wie sie ausgerichtet ist. Bevorzugte Richtung ist dabei diejenige, bei der die obere Kante dem Gelände zugekehrt ist und links und rechts auf der Karte mit rechts und links auf dem Gelände übereinstimmen: Diese Vorne-oben-Ausrichtung ist für die Orientierung und Fortbewegung am verständlichsten (Palij, Levine & 2.4 Karten (Plan Maps) 65 Kahan, 1984). Sie ist auch die übliche Ausrichtung bei Navigationssys‐ temen. Jede andere Orientierung macht kognitiv aufwändige Rotationen notwendig und ist deshalb zu vermeiden. Landkarten sind konventionell stets eingenordet, zumindest sollte der Norden z. B. mit einer Windrose angezeigt sein. Maßeinheiten angeben. Bei jeder Karte muss in der Legende der Maßstab bzw. der Verkleinerungsgrad angegeben werden. Dabei gilt: je kleiner der Maßstab, desto weniger detailliert die Karte. Die in der Geografie konventionelle Angabe z. B. 1: 25.000 ist dabei schwer verständlich (das ist der Maßstab einer Wanderkarte). Auch wer weiß, dass damit ein Zentimeter auf der Karte 25.000 Zentimetern in der Wirklichkeit entspricht, muss erst errechnen, dass damit 1 cm auf der Karte 250 Meter in der Wirklichkeit sind, 4 cm auf der Karte entsprechen also 1 Kilometer im Feld. Zudem stimmt die Angabe nicht mehr, sobald die Karte beim Einfügen in einen Text kleiner oder größer gezogen wird. Am verständlichsten ist die Angabe einer Maßstabsskala am Rande der Karte, sie erleichtert das Abschätzen von Entfernungen und sie wächst und schrumpft proportional mit der Grafikgröße. Zum Schätzen von Entfernungen ist ein dünnes Gitternetz als formaler Rahmen hilfreich. Anhaltspunkt setzen. Zur Orientierung in einem Übersichtsplan ist es nützlich, einen visuellen Anker hervorzuheben, z.-B. die Hauptstadt, eine Hauptverkehrsader (Bahn oder Straße), ein zentrales Gebäude. Von hier aus kann man sich das Territorium erschließen, d. h. eine mentale Map aufbauen. Kontextualisieren. Zur räumlichen Einordnung eines Territoriums in den räumlichen Kontext gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Das Territorium wird vergrößert als Detaildarstellung vor dem weiten geografischen Kontext gezeigt, wie man das z. B. bei den Hintergrundkarten in den Fernsehnachrichten sieht. 2. In das Territorium wird verkleinert der Kontext und in ihm das Territorium (Bild 2.13) gezeigt. 66 2 Bildgestaltung Bild 2.13: Verbreitungskarte eines Vogels in Afrika (der Kammschnabelturako). Wo das Territorium liegt, wird links oben im Kontinent markiert. Quelle: Wikimedia Commons. Eindeutige Symbole verwenden. In thematischen Karten müssen symbolische Einfärbungen und Texturen klar unterscheidbar bleiben. Bei Graustufen sind drei, höchstens fünf Abstufungen zu empfehlen, Farben müssen sich deutlich in Farbton und in Helligkeit unterscheiden, damit auch farbschwache Personen damit umgehen können. Ikonische Piktogramme sind schneller zu verstehen als symbolische Zeichen, beide müssen jedoch in einer Legende eingeführt werden. 2.4 Karten (Plan Maps) 67 Vertiefende Lesetipps Eine spannende und unkonventionelle Einführung in Geschichte und Probleme der Kartografie bietet: Garfield, Simon (2014). Karten! Ein Buch über Entdecker, geniale Kartografen und Berge, die es nie gab. Darmstadt: Wissenschaft‐ liche Buchgesellschaft. Karten repräsentieren die Wirklichkeit natürlich nie genau, sondern reduzieren immer. Aber wie Diagramme sind auch Karten anfällig für verschiedene visuelle Manipulationen. Was alles aus politischen, militärischen oder anderen Gründen verfälscht werden kann, das zeigt das Buch eines Kartographen. Monmonier, Mark (1996): Eins zu einer Million. Die Tricks und Lügen der Kartographen. Basel: Birkhäuser. 2.5 Übersichtliche Charts Charts veranschaulichen qualitative Zusammenhänge zwischen Kategorien und Begriffen, die eigentlich für die Augen nicht sichtbar sind. Deshalb werden sie auch als analytische Bilder bezeichnet: Sie bilden Wirklichkeit nicht ab, sondern decken unsichtbare Zusammenhänge auf. Bei aller Unterschiedlichkeit der grafischen Gestaltung ist der Grundauf‐ bau bei allen Charts gleich. Sie bestehen aus Einheiten und Verknüpfungen zwischen ihnen (Bild 2.14). Die Einheiten können grafisch als Kästen, Rauten, Ellipsen, Kreise realisiert sein und repräsentieren einen Begriff oder eine Aussage. Die Verbindungen sind meist Linien oder gerichtete und benannte Pfeile. Die Verbindungen lassen sich wie folgt analysieren: ● Richtung. Die Verbindungen können gerichtet oder ungerichtet sein. Die Richtung wird durch Pfeilspitzen visualisiert. ● Benennung. Die Verbindungen können benannt oder unbenannt sein. Unbenannte Verbindungen müssen vom Betrachtenden interpretiert werden. ● Gewichtung. Die Bedeutung oder das Gewicht einer Verbindung kann durch die Strichdicke visualisiert werden. ● Zuordnung. Es gibt verschiedene Arten der Zuordnung von Einheiten: Eins-zu-eins, Eins-zu-mehreren, Mehrere-zu-mehreren. 68 2 Bildgestaltung Bild 2.14: Grundbaustein eines Charts. Eine Einheit A steht zu einer Einheit B in der Beziehung d (gerichtete und benannte Eins-zu-eins-Zuordnung). Der Pfeil wird entweder als Abfolge oder stärker als Ursache-Wirkung interpretiert: A führt zu B oder ist Ursache von B. Quelle: Ballstaedt. Kommunikative Funktion. Charts reduzieren qualitative Zusammen‐ hänge in einer anschaulichen Form: Umfangreiche Charts ermöglichen die Orientierung in komplexen Begriffs- und Bedingungsgefügen, einfache Charts (bis zu sieben Einheiten) erleichtern die Einprägung. Ein Chart kann als eine visualisierte Zusammenfassung der zentralen Begriffe eines Textes verstanden werden. Mentale Anforderung. Das Verstehen von Charts setzt voraus, dass räumliche Anordnungen in begriffliche Zusammenhänge übersetzt werden (z. B. Ursache/ Wirkung oder Überordnung/ Unterordnung). Man kann davon ausgehen, dass ein Chart einfacher zu verstehen ist als ein informations‐ adäquater Text: Beim Lesen müssen die begrifflichen Zusammenhänge erst durch eine syntaktische Analyse ermittelt werden, beim Anschauen eines Charts lassen sich die Zusammenhänge direkt ablesen, sie springen sozusagen ins Auge. Ein Chart zeigt aber nur die „nackten“ Begriffszu‐ sammenhänge, Nuancen, Abstufungen und Einschränkungen können nur sprachlich ausgedrückt werden. Es gibt einige Grundtypen von Charts, die in verschiedenen grafischen Va‐ rianten auftreten können: Tabellen, Zeitcharts, Flowcharts, Organisations‐ charts, Begriffsnetze. Da Tabellen in der wissenschaftlichen Kommunikation eine wichtige Rolle spielen, werden sie in einem eigenen anschließenden Kapitel 2.6 behandelt. Zeitcharts (= Timelines) An einer Zeitachse werden Ereignisse chronologisch angeordnet. Ein Klas‐ siker ist das nach seinem Erfinder benannte Gantt-Chart, das als Tool im Projektmanagement eingesetzt wird. Die Abfolge einzelner Aktivitäten eines komplexen Projekts werden an einem Zeitstrahl angetragen. 2.5 Übersichtliche Charts 69 Bild 2.15: Schema eines Gantt-Charts. Die Aufgaben eines Projekts sind in der ersten Spalte aufgelistet und auf einem Zeitstrahl angetragen. Wichtige Zwischenziele sind als Meilensteine markiert. Quelle: Wikimedia Commons. Zeitcharts haben es sogar in die Geisteswissenschaften geschafft, sie sind dort eine beliebte Visualisierung, um z. B. Lebensläufe berühmter Persön‐ lichkeiten oder geschichtliche Epochen an einem Zeitstrahl anzutragen. Auch der jährliche Pollenflugkalender gehören zu den Zeitcharts. Bild 2.16: Zeitchart aus der Literaturwissenschaft. An einer Zeitachse sind die wichtigsten literarischen Epochen angetragen. Quelle: www.literaturwelt.com. Prozess-Chart, Flowchart Flowcharts stammen aus der Informatik zur Visualisierung von Datenflüs‐ sen und Programmabläufen, werden aber für Abläufe und Prozesse verschie‐ denster Art eingesetzt, z. B. für die Fehlersuche bei technischen Geräten, Die visuellen Symbole für die Komponenten von Flowcharts sind in Europa 70 2 Bildgestaltung in der DIN 66001 normiert (sie werden dort als „Sinnbilder“ bezeichnet). Flowcharts bestehen aus vier Haupteinheiten und einem Verbindungstyp: ● Abgerundetes Rechteck oder Ellipse: Anfang und Ende eines Ab‐ laufs. Ein Flowchart hat einen Anfang, kann aber mehrere Enden haben. ● Rechteck. Es steht für eine Handlung, Operation, Tätigkeit. Ein Recht‐ eck hat nur einen Eingang kann aber mehrere Ausgänge haben. ● Raute. Sie steht für eine Entscheidung. Eine Raute hat einen Eingang, aber mindestens zwei Ausgänge, meist „ja“ oder „nein“. ● Kreis. Er signalisiert einen Anschlusspunkt. Hier geht der Prozess zwar weiter, wird aber nicht mehr visualisiert. Ein Anschlusskreis bekommt eine Ziffer, der bei der Fortsetzung des Charts aufgenommen wird. ● Pfeil. Er zeigt Verbindungen zwischen den Einheiten und damit die Richtung und Verzweigungen des Datenflusses. Für komplexe Programmabläufe gibt es noch einige weitere Einheiten, z. B. für Unterprogramme oder die Art der zu verarbeitenden Daten. Flowcharts werden schnell unübersichtlich und sind dann nur noch für Experten verständlich. 2.5 Übersichtliche Charts 71 Bild 2.17: Redesign eines Flowcharts. oben: Ursprüngliches Chart, unten: optimiertes Chart. Das Charts wurde allein mit grafischen Mitteln überarbeitet: Gruppierung von Komponenten, Hervorhebungen durch Farbe und Strichdicke Quelle: Laßen, 2010, mit Genehmigung des Autors. 72 2 Bildgestaltung Organisationscharts = Organigramm, Organogramm Diese Charts visualisieren Strukturen von Institutionen mit Abteilungen, Zuständigkeiten und Geschäftsgängen. Ein Organigramm hat gewöhnlich eine hierarchische Struktur, die Rechtecke stellen Abteilungen, Stäbe, Stellen dar, die Verbindungen Über- und Unterordnungen. Bild 2.18: Organisationchart: Die Institutionen des Heiligen Römischen Reiches unter Karl V. Quelle: Michail Jungierek, Wikimedia Commons. Begriffsnetze Es gibt zahlreiche Formen von Begriffsnetzen, alle verknüpfen Begriffe durch inhaltliche Beziehungen. Bekannt sind die Mind Maps, die Begriffe nur locker assoziieren und deshalb eher im Bereich kreativen Denkens, z. B. beim Brainstorming eingesetzt werden. Eine strengere Variante sind die Concept Maps, die eine Wissensstruktur visualisieren, wenn sie stabil ist und die Relationen benannt werden können. (Bild 2.19). Concept Maps haben sich einen festen Platz in vielen natur- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen erobert. 2.5 Übersichtliche Charts 73 Bild 2.19: Concept Map zum Begriff „Wasser“. Quelle: modifiziert von Claudia Wild nach Pelz, Schmitt & Meis, 2004, S. 4. Netzpläne Netzpläne sind Visualisierungen von Transportwegen wie Straßen, Schie‐ nen, Fluglinien. In unserer Terminologie kann man sie als Mischform aus schematisierter Karte und Chart aus Knoten und Verbindungen ansehen. Im Alltag kennen wir Netzpläne für den öffentlichen Nahverkehr, z. B. das U-Bahn-Netz einer Stadt (Bild 2.20). Es verzeichnet als Knoten die Halte- und Umsteigebahnhöfe und als Linien die Strecken. Dabei kommt es nicht auf die topografische Genauigkeit an, z. B. die Streckenlänge, sondern auf eine übersichtliche Gestaltung. Der erste derartige Netzplan wurde 1931 für das Berliner S-Bahn-Netz veröffentlicht. Netzpläne spielen in der Logistik eine wichtige Rolle bei der Planung von Transportabläufen. 74 2 Bildgestaltung Bild 2.20: Netzplan der Straßenbahn in Timisoara (Rumänien). Der Plan ist streng sche‐ matisiert und mit den satten Farben der Linien sehr übersichtlich. Quelle: Firobuz (2009), Wikimedia Commons. 2.5 Übersichtliche Charts 75 Fachspezifische Varianten Fachspezifische Charts können grafisch sehr verschieden gestaltet sein. Die älteste Form eines Charts sind wahrscheinlich die Stammbäume aus der Ge‐ nealogie, die jüngste Form sind Sitemaps zur Orientierung auf einer Website. Spezielle Charts gibt es in allen wissenschaftlichen Disziplinen. Dazu nur eine kleine Aufzählung: Soziogramme in der Soziologie; Baumcharts in der Linguistik. Modelle als visualisierte Theorien in den Sozialwissenschaften sind bereits im Mittelalter beliebt, heute werden sie gern als „Boxologie“ verspottet. Das Bild 2.21 zeigt ein fachspezifisches Fischgrät-Chart (auch Ishikawa-Chart) aus dem Qualitätsmanagement. Bild 2.21: Fishbone-Chart oder Ursachen-Wirkungs-Chart. Es visualisiert, welche Ursachen für Fehler - hier bei Motorwellen - verantwortlich sein können. Zuerst sind Bedingungsfel‐ der angegeben: Mensch, Methode, Maschine, Milieu, Transport, Material. In diesen Feldern sind dann konkrete Verursachungen angetragen. Quelle: Ballstaedt. Ein Chart bildet oft eine Alternative zum Text: Im Prinzip kann jeder Text in ein Chart überführt und jedes Chart vertextet werden: Substantive werden zu Einheiten, Verben und Präpositionen zu Verbindungen. In einem Chart sind Verbindungen zwischen Begriffen schnell ablesbar, beim Text müssen sie über die syntaktische Konstruktion entnommen werden. Ein Chart übersetzt inhaltliche Beziehungen in räumliche Anordnungen und ist damit übersichtlicher als ein Text. Deshalb sind Charts didaktisch besonders als Übersicht bei komplexen Zusammenhängen beliebt. Ein Beispiel zeigt 76 2 Bildgestaltung auch das Bild 4.7, in dem die Entstehung von Hagel erklärt wird. Viele Tafelbilder im Unterricht sind ebenfalls Charts. Gestalten von Charts Gestaltgesetze beachten. Viele Charts enthalten zu viele und unüber‐ sichtlich angeordnete Einheiten. In der Wahrnehmungspsychologie gilt die Faustregel, dass maximal sieben Elemente noch auf einen Blick erfasst werden. Braucht man in einem Chart mehr Einheiten, dann sollte man sie nach den Gestaltgesetzen gruppieren. Drei der aufgeführten Gestaltgesetze sind besonders wichtig: Räumliche Nähe, Ähnlichkeit und Geschlossenheit (Bild 1.7). Die visuelle Organisation darf nicht durch ungewollte Wirkungen von Gestaltgesetzen gestört werden. Bild 2.22: Chart zum Einprägen. Dieses Chart aus der Lernpsychologie besteht aus sechs Einheiten: Auf den ersten Blick werden die beiden Ellipsen als zusammengehö‐ rig wahrgenommen (Gesetz der Ähnlichkeit): Sie betreffen die kognitive Verarbeitung. Die Kästen visualisieren Einflüsse auf die Verarbeitung. Der rechte Kasten fällt inhaltlich aus dem Rahmen, denn er repräsentiert das Endergebnis der Verarbeitung: die Wissensstruktur. Die Pfeile lassen sich alle als „wirkt auf“ interpretieren. Die Visualisierung ist nicht zuletzt durch die Symmetrie übersichtlich. Quelle: modifiziert nach Arzberger & Brehm, 1995, S.-19. Grafisch differenzieren. Verschiedene Typen von Einheiten eines Charts sollten grafisch unterschiedlich ausgeführt sein, ein vorbildliches Beispiel ist das Flowchart. Zur Kennzeichnung verschiedener Einheiten eignen sich verschiedene Formen und Farben. 2.5 Übersichtliche Charts 77 Topologische Bedeutungen berücksichtigen. Das Verstehen eines Charts wird behindert, wenn die Bedeutungen bestimmter räumlicher oder topologischer Anordnungen missachtet werden (Tversky, 2001). ● Kausalkette. Einheiten für Ursachen stehen links von Einheiten für Wirkungen oder Folgen. ● Zeitachse. Frühere Einheiten liegen links vor späteren Einheiten, z.-B. historische oder biografische Ereignisse (Bild 2.23). ● Hierarchie. Übergeordnete Einheiten liegen über untergeordneten Einheiten. ● Zyklus. Einheiten, die eine zeitliche Wiederholung darstellen, sind im Kreis angeordnet. ● Inklusion. Einheiten, die sich im logischen Sinne einschließen, werden verschachtelt visualisiert. ● Zentral-peripher. Wichtige Einheiten gehören in die Mitte, weni‐ ger wichtige nach außen. Ob die topologischen Bedeutungen angeboren oder kulturell vermittelt sind, ist unklar. Untersuchungen haben ergeben, dass z. B. eine auf dem Kopf stehende Hierarchie das Verstehen behindert, obwohl sich die Logik der Zusammenhänge dadurch nicht verändert. Ebenso führt eine Zeitachse, die von rechts nach links verläuft, zu Schwierigkeiten beim Einprägen. Leserlich Beschriften. Die Wörter und Ausdrücke in den Einheiten dürfen deren Konturen nicht berühren, sondern sollen mit Abstand und zentriert in ihnen stehen. Die Schrift darf nicht zu klein gewählt werden, deshalb ist die Suche nach kurzen treffenden Stichwörtern wichtig. 78 2 Bildgestaltung Bild 2.23: Kognitive Verarbeitung audiovisueller Information. Dieses Chart visualisiert kognitive Prozesse. Die Gestaltung berücksichtigt das Gestaltgesetz des gemeinsa‐ men Bereichs, indem einige Einheiten durch Unterlegung gruppiert sind. Die Einhei‐ ten sind gut lesbar beschriftet, die Pfeile haben die Bedeutung „Informationsfluss“. Quelle: Ballstaedt, 2006a, S.-123. Vertiefende Lese- und Schautipps Der Satiriker Gerhard Henschel hat zahlreiche Charts zusammengetra‐ gen, die kein gutes Licht auf diese beliebte Form der wissenschaftlichen Visualisierung werfen. Sie sind unübersichtlich und teilweise völlig unverständlich. Ein Chart kann nicht besser als das Denken seines Urhebers sein! Henschel, Gerhard (2003): Die wirrsten Grafiken der Welt. Ham‐ burg: Hoffmann und Campe. Der durch seine Romane bekannte italienische Zeichentheoretiker Umberto Eco untersucht die textnahe und einfachste Form einer Vi‐ sualisierung: die Liste. Seine Kulturgeschichte der Listen und Kataloge zeigt, wie wichtig diese Darstellungsform für die Stiftung von Ordnung ist. Eco, Umberto (2009). Die unendliche Liste. München: Hanser. 2.6 Leserliche Tabellen Wir haben zwei Typen von Tabellen (lat. tabella = Merktäfelchen) unter‐ schieden. Verbale Tabellen (word Tables, textual Tables) und numerische Tabellen. 2.6 Leserliche Tabellen 79 Verbale Tabellen Sie enthalten wie alle Charts kategoriale oder qualitative Information, auch verbale Daten genannt. In Tabellenform werden gern Befunde aus der quantitativen Sozialforschung präsentiert. Kommunikative Funktion. Verbale Tabellen zeigen eine systematische Organisation von kategorialen Informationen, vor allem um Vergleiche zu ermöglichen. Mentale Anforderung. Die kategoriale Information könnte prinzipiell auch als Text formuliert werden, der wäre aber umständlich zu lesen und unübersichtlich. Gut gestaltete Tabellen erlauben hingegen schnelle Ableseprozesse. Bekannte verbale Tabellen sind das Periodensystem der Elemente oder die Störungstabelle in einer Bedienungsanleitung. Bild 2.24 zeigt ein einfaches Beispiel einer verbalen Tabelle. Gewürz Eigenschaften Anwendung Anis verdauungsfördernd, blähungstreibend Appetitlosigkeit, körperliche und nervliche Schwäche Basilikum beruhigend, krampflösend Nervosität, Schlaflosigkeit, Krämpfe, Beklemmungen Dill magenberuhigend, appetitanregend Verdauungsschwäche, Brechreiz, Schluckauf, Appetitlosigkeit Estragon verdauungsfördernd, fäulniswidrig Magen- und Darmstörungen, Luftschlucken Fenchel beruhigend, hustenlindernd Darmkrämpfe- und Entzün‐ dungen, Bronchitis, Husten Kerbel abführend, anregend Verstopfung, Hautunreinhei‐ ten, ungenügende Nierenfunktion Bild 2.24: Qualitative Tabelle. Sie listet die Eigenschaften und Anwendungen von Gewür‐ zen auf. Angaben ohne Gewähr. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Quelle: Ballstaedt. 80 2 Bildgestaltung Numerische Tabellen Sie vermitteln Daten und dienen vor allem der wissenschaftlichen Fachkom‐ munikation, sie sind die Ausgangsform für Diagramme. Kommunikative Funktion. Wenn es um exakte Messwerte oder Rohdaten geht, bei denen es auf Punkt und Komma ankommt, dann ist die Tabelle unverzichtbar. Man kann aus ihr eindeutige Daten entnehmen, z. B. um statistische Auswertungen damit durchzuführen. Aber das Erkennen von Zusammenhängen und Trends ist schwierig. Mentale Anforderung. Tabellen sind Datenspeicher, aus denen Informa‐ tionen abgelesen werden. Dazu ist Wissen um den schematischen Aufbau einer Tabelle notwendig, d. h. um die Bedeutung der Zeilen und Spalten. Die Maßeinheiten müssen bekannt sein. Tabellen sind in der Statistik eine wichtige Visualisierung mit einfachem Grundaufbau (Bild 2.25): Die Tabelle hat einen Titel, die Spalten (auch Kolonnen) und Zeilen (auch Reihen) sind beschriftet und kreuzen sich in Zellen, die durch einen Zellendeskriptor. benannt sind. Mehrere Beschrif‐ tungen werden durch eine Überschrift (engl. spanner) zusammengefasst. Tabellen werden danach unterschieden, wie viele Variablen sie darstellen: ein-, zwei-, drei- oder mehrdimensionale Tabellen. Letztere werden recht unübersichtlich. Tablellentitel Variable B - - Spalte B1 Spalte B2 Spalte B3 Zeilen‐ summe - Zeile A1 Zelle 1.1 Zelle 1.2 Zelle 1.3 - Variabe A Zeile A2 Zelle 2.1 Zelle 2.2 Zelle 2.3 - - Zeile A3 Zelle 3.1 Zelle 3.2 Zelle 3.3 - - Spalten‐ summe - - - - Bild 2.25: Schema einer zweidimensionalen Tabelle. Die Kreuz- oder Kontingenztabelle zeigt den Zusammenhang von zwei Variablen A und B. Quelle: Ballstaedt, 1997, S.-138. 2.6 Leserliche Tabellen 81 Zur Gestaltung von Tabellen liegen unzählige Konventionen und Vorschläge aus den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen vor, es gibt DIN-Nor‐ men für numerische Tabellen. Programme wie Word, Pages, Excel, Numbers, Google Sheets usw. bieten Tabellenformatierungen an, die aber nicht alle den Kriterien für eine leserliche und verständliche Tabelle entsprechen. Damit eine Tabelle kein Datengrab wird, muss sie lesefreundlich gestaltet sein (Wilke, 2020, S.-247ff.). Formatieren von Tabellen Visuelles Suchen erleichtern. Das Ablesen von Werten in einer Tabelle geschieht durch Blickbewegungen und die sollten so kurz als möglich gehalten werden. Dazu dürfen die Räume zwischen den Spalten und Zeilen nicht zu groß sein. Optische Weitsprünge führen oft zu Ablesefehlern. Eine Tabelle sollte nicht umbrochen werden. Wenn es bei großen Tabellen doch notwenig wird, müssen auf der neuen Seite alle Beschriftungen der Spalten und Zeilen wiederholt werden. Optische Leitplanken anbieten. In der wissenschaftlichen Literatur hat sich folgende Konvention herausgebildet: Es werden keine verti‐ kalen Linien zur Abgrenzung der Spalten verwendet und horizontale Linien nur zur Abgrenzung der Titelzeile. Um die visuelle Orientierung zu erleichtern, wird zwischen hell und dunkel eingefärbten Zeilen abgewechselt, wobei aber der Kontrast nicht zu stark sein darf. Die Titelzeile muss sich dabei besonders abheben. Bei langen Spalten sind zusätzlich regelmäßige größere Zeilendurchschüsse - etwa alle fünf Zeilen - sinnvoll. Beschriftungen übersichtlich anordnen. Textspalten sollten links‐ bündig, Zahlenspalten rechtsbündig und einzelne Daten zentriert ange‐ ordnet sein. Bei langen sprachlichen Ausdrücken besser Abkürzungen oder Akronyme einführen, die in der Legende erklärt werden. Bei zahlreichen Spalten die Zeilen nicht nur links, sondern auch rechts beschriften. Bei zahlreichen Zeilen die Spalten nicht nur oben, sondern auch unten beschriften. Lesbare Schriften verwenden. Die Beschriftungen und Werte in der Tabelle müssen gut lesbar sein. Gewöhnlich wird in Tabellen Pe‐ tit-Schrift benutzt, die etwa 15 bis 20 % kleiner als die Hauptschrift ist. 9 Punkt ist die untere Grenze der Leserlichkeit! 82 2 Bildgestaltung Die Interpretation grafisch unterstützen. Tabellen verdichten nu‐ merische Informationen. Was in eine Tabelle an brisanten Werten und Zusammenhängen steckt, müssen Betrachtende erst herauslesen. Deshalb ist es hilfreich, wenn im Begleittext eine Interpretation geliefert wird und die darauf bezogenen Werte grafisch hervorgehoben sind, z. B. durch farbige oder fette Ziffern bzw. durch Markierung von Zellen. Vorgaben beachten. Wer seine Arbeit veröffentlichen möchte, ist gut beraten, die Anweisungen für Manuskripte anzufordern, in denen meist auch die Gestaltung von Tabellen geregelt ist. Fast jeder Verlag hat hier eigene Vorgaben, die vom Schriftgrad bis zur Liniendicke reichen können. Schauen wir uns noch zwei Beispiele an, in denen die Hinweise zur lesefreundlichen Gestaltung berücksichtigt sind. Das Bild 2.26 zeigt die Optimierung einer eindimensionalen Tabelle durch Berücksichtigung des Gestaltgesetzes der Nähe. Wo lernt man seinen Partner kennen? % beim Tanzen, in der Disco 27,3 in der Privatwohnung 17,6 am Arbeitsplatz 14,6 auf der Straße, in öffentl. Verkehrsmitteln 9,7 im Café, in der Kneipe 6,1 2.6 Leserliche Tabellen 83 % Wo lernt man seinen Partner kennen? 27,3 beim Tanzen, in der Disco 17,6 in der Privatwohnung 14,6 am Arbeitsplatz 9,7 auf der Straße, in öffentl. Verkehrsmitteln 6,1 im Café, in der Kneipe Bild 2.26: Eindimensionale Tabelle zu Partnersuche. In der oberen Version sind große Augensprünge notwendig, die untere Version ist ablesefreundlich. Quelle: nach Hartley, 1985, S.-92. Das zweite Beispiel in Bild 2.27 ist eine nach den Vorgaben der American Psychological Association (APA) gestaltete Tabelle. Auffällig ist der Verzicht auf vertikale Linien als Leitplanken für die Augen. Irrtumsraten alter und junger Gruppen - Mittelwert Standardabweichung Stichprobengröße Schwierig‐ keitsgrad jung alt jung alt jung alt niedrig 5 14 8 15 12 18 mittel 5 17 7 15 15 12 hoch 11 26 10 21 16 14 Bild 2.27: Tabelle nach den Richtlinien der American Psychological Association (APA). So sieht eine moderne Tabelle aus: Überschrift kursiv; nur horizontale Linien; doppelter Zeilenabstand. Quelle: APA Manual nach Harter & Rienks, 2004, S.-8. Vertiefende Lesetipps Wer viel mit Tabellen zu tun hat, der sollte Spezialliteratur für seine Disziplin heranziehen. Besonders fleißig sind hier die Psychologen: American Psychological Association (2020). Publication Ma‐ nual. Washington, DC: APA. 84 2 Bildgestaltung Der Text ist aber so trocken und leseunfreundlich, dass es zahlreiche Auszüge dazu gibt, die das Wichtigste zusammenfassen, z.B.: Student’s Guide to APA Psychology, den man unter verschiedenen URLs frei herunterladen kann. Eine nützliche Zusammenfassung der APA-Richtlinien bieten Susan Harter & Shauna Rienks (2004). APA Publication Guidli‐ nes Mini-Manual: www.du.edu/ psychology/ undergraduate/ APA _Mini-manual.pdf. 2.7 Diagramme als Argumente Diagramme wurden im 18. Jahrhundert zur wissenschaftlichen Kommuni‐ kation erfunden. Sie veranschaulichen quantitative Zusammenhänge in der Wirklichkeit, die für die Augen unsichtbar sind, aber aufgrund empirischer Daten gefunden wurden. Kommunikative Funktion. Diagramme vermitteln quantitative Bezie‐ hungen zwischen Daten bzw. die Ausprägung von Variablen durch topolo‐ gische und räumliche Beziehungen zwischen grafischen Elementen (Punkte, Linien, Flächen). Dieselben Informationen sind auch in Tabellen darstellbar, aber hier sind Zusammenhänge und Trends nur schwer herauszulesen. In Diagrammen bleiben die exakten Werte ablesbar, gleichzeitig sind visuelle Vergleiche möglich und es werden Trends sichtbar. Die fünf Standardtypen sind jeweils auf die Visualisierung spezieller Zusam‐ menhänge spezialisiert. Das Bild 2.28 fasst die Funktionen der Grundtypen zusammen. 2.7 Diagramme als Argumente 85 Bild 2.28: Dieses Chart beantwortet die Frage: Für welchen Vergleich kann ich welches Diagramm nehmen? Quelle: Zelasny, 2013, S.-31, modifizierte Grafik Claudia Wild. Diagramme dienen meist als visuelle Argumente, um eine Behauptung statistisch zu belegen oder zu widerlegen, ein typisches Beispiel zeigt das Bild 2.29. 86 2 Bildgestaltung Bild 2.29: Ein Diagramm als visuelles Argument. Das Säulendiagramm belegt die Behaup‐ tung: Personen zwischen 60 bis über 90 sind am gefährdetsten. Es kann auch die Behauptung stützen, dass Männer gefährdeter sind als Frauen. Dass das ab 90 nicht mehr gilt, liegt schlicht daran, dass es mehr über 90jährige Frauen als Männer gibt: Quelle: Wikimedia Commons. Mentale Anforderung. Diagramme sind grafische Konventionalisierun‐ gen, die gelernt werden müssen. Untersuchungen (z. B. die PISA-Studie) zeigen, dass die Informationsentnahme selbst aus einfachen Diagrammen von vielen wissenschaftlichen Laien nicht beherrscht wird. Die zentralen visuellen Skills beim Auswerten eines Diagramms sind das Ablesen von Einzelwerten und das Vergleichen von Linien, Flächen, Volumina, Neigun‐ gen, Winkeln usw. Über derartige Wahrnehmungsurteile gibt es aus der Psychophysik zahlreiche Erkenntnisse. So können wir z. B. Längen sehr genau vergleichen, täuschen uns aber bei Volumina. Wie ein Diagramm genau ausgewertet wird, haben Hollands & Spence (2001) in einem Modell zusammengefasst und empirisch überprüft. Aufbau von Diagrammen Diagramme bestehen aus vier Komponenten, die grafisch aber sehr unter‐ schiedlich gestaltet sein können (Kosslyn, 2006). Bild 2.30 zeigt die folgenden Komponenten an einem konkreten Balkendiagramm: ● Hintergrund. Er ist bei wissenschaftlichen Diagrammen meist leer, kann aber, z.B. im Journalismus, dazu genutzt werden, durch ein Bild die Aussage zu verstärken. 2.7 Diagramme als Argumente 87 ● Formaler Rahmen. Er repräsentiert die Variablen, z. B. durch ein Koordinatensystem mit einer x-Achse für die unabhängige Variable (Basislinie) und einer y-Achse für die abhängige Variable. Als Ablese‐ hilfe sind oft Linien oder ein Gitter eingetragen (= Referenzlinien). Die Skaleneinteilung wird durch Striche markiert. ● Spezifische Daten. Im formalen Rahmen sind die spezifischen Daten durch Sektoren, Balken, Säulen, Punktwolken usw. veranschaulicht. Wichtige Werte können grafisch hervorgehoben sein (Einfärbung, Strichdicke, Pfeil usw.). ● Beschriftungen. Das sind alphanumerische Labels, mit denen die Ach‐ sen benannt und die Maßeinheiten angegeben werden. Dazu gehören auch die genauen Werte, die an den Sektoren, Balken, Säulen usw. angetragen sind. Bild 2.30: Die vier Komponenten eines Diagramms: Hintergrund, formaler Rahmen, spe‐ zifische Informationen, Beschriftungen. Quelle: Ballstaedt. Kreisdiagramm Diese populäre Visualisierung zeigt die proportionalen Anteile einzelner Komponenten einer Gesamtheit. In perspektivisch-räumlicher Darstellung wird es zum Tortendiagramm. Beispiele: Marktanteile verschiedener Unter‐ 88 2 Bildgestaltung nehmen; Sitzverteilung der Parteien im Parlament. Zwei nebeneinander stehende Kreisdiagramme eignen sich für einen Strukturvergleich. Eine Alternative ist das Ringdiagramm, das ebenfalls Anteile einer Gesamtheit visualisiert, dabei werden mehrere Ringe zum Vergleichen umeinander gelegt (Bild 2.31). Das Kreis- und das Ringdiagramm sind aber nicht geeig‐ net, wenn zu viele und zu kleine Sektoren vorhanden sind, denn kleine Winkel lassen sich optisch nur schwer vergleichen. Dann ist ein unterteiltes Säulendiagramm zum Ablesen kleiner Differenzen besser geeignet. Bild 2.31: Kreis- und Ringdiagramm. Das Kreisdiagramm zeigt vier Anteile A,B,C,D einer Gesamtheit. Der für die Argumentation wichtige Sektor ist hervorgehoben. Das äußere Ringdiagramm zeigt dieselben Daten, ermöglicht aber zusätzlich einen Vergleich mit dem Datensatz des inneren Ringdiagramms. Quelle: Ballstaedt. Balkendiagramm Das Balkendiagramm und die folgenden Diagramme werden auch als Ach‐ sendiagramme zusammengefasst, da ihr formaler Rahmen aus mindestens zwei Achsen besteht: einer x-Achse (= Abzisse) und einer y-Achse (= Ordinate). Das Balkendiagramm dient der Visualisierung von Rangfolgen und dem Vergleich von Rängen. Bild 2.32 zeigt ein Beispiel. Andere Beispiele: Marktanteile konkurrierender Unternehmen; Fluktuationsraten in verschie‐ denen Abteilungen einer Firma. Bei einem gruppierten Balkendiagramm sind mehrere Balken zu einer optischen Einheit zusammengefasst. Bei einem unterteilten Balkendiagramm ist ein Balken in mehrere Abschnitte eingeteilt. 2.7 Diagramme als Argumente 89 Bild 2.32: Balkendiagramm. Die metrische x-Achse (Hektoliter) und die kategoriale y-Achse (Länder). Spezifische Daten: die Balken. Beschriftungen: Bildtitel, Länder und Produktionszahlen. Man erkennt sofort: in Frankreich, Italien und Spanien wird am meisten Wein getrunken. Quelle: Jasmin Drogi, mit freundlicher Genehmigung. Säulendiagramm Hier wird ein Datum durch eine Linie oder Säule dargestellt. Das Säu‐ lendiagramm visualisiert als Histogramm Häufigkeiten in verschiedenen Kategorien. Beispiel: Anzahl der Aids-Fälle in verschiedenen Ländern. Als Zeitreihe veranschaulicht das Säulendiagramm Veränderungen in der Zeit. Beispiel: Steigerungsraten des Umsatzes. Auch hier gibt es gruppierte Säulendiagramme (Bild 2.29) und unterteilte Säulendiagramme. Liniendiagramm Das Liniendiagramm ist eine Weiterentwicklung des Säulendiagramms mit vielen Messpunkten eines stetigen Merkmals. Die x-Achse ist dabei eine Zeitskala, die y-Achse die gemessene Variable. Das Diagramm visualisiert eindrücklich Verläufe und offenbart damit Trends und Schwankungen (Bild 2.33). Beispiele: Temperaturverläufe zum Klimawandel; Zinsschwankungen; Zu- oder Abnahme der Asylbewerber; Entwicklung der Arbeitslosenzahlen. Bei mehreren Linien in einem Diagramm spricht man von einem Spa‐ 90 2 Bildgestaltung ghetti-Diagramm. Ist die Fläche unter einer Kurve eingefärbt, so spricht man von einem Flächendiagramm. Dabei werden Unterschiede visuell deutlicher kommuniziert. Eine besondere Variante sind Bereichsdiagramme. Sie zeigen einen meist eingefärbten Bereich zwischen Höchst- und Tiefstwerten, z. B. die Einstiegsgehälter verschiedener Berufsgruppen. Bild 2.33: Liniendiagramm. Die zwei Linien zeigen den Verlauf des systolischen und diastolischen Blutdrucks über eine Woche, gemessen am Morgen, Mittag und Abend. Der Verlauf zeigt, dass am Dienstag die Werte deutlich ansteigen, offenbar ein Tag mit Stresspotential. Wird der Bereich zwischen beiden Kurven eingefärbt, spricht man von einem Bereichsdiagramm. Quelle: Ballstaedt. Streudiagramm (= Scatter-Plot) Es visualisiert den Zusammenhang von zwei Merkmalen, statistisch ge‐ sprochen eine Korrelation. Die x-Achse repräsentiert ein Merkmal, die y-Achse das andere. Jeder eingetragene Punkt entspricht einem gemessenen Fall. Das Bild 2.34 zeigt den Zusammenhang zwischen Trinkgeld und Rechnungsbetrag. Man erkennt einen linearen Zusammenhang: Je höher der Rechnungsbetrag, desto höher auch das Trinkgeld. 2.7 Diagramme als Argumente 91 Bild 2.34: Streudiagramm. Der Zusammenhang zweier Merkmale wird erkennbar, wenn sich die Punkte der einzelnen Fälle zu einer Linie oder Kurve gruppieren lassen. Hier gibt es einen linearen Zusammenhang. Quelle: Wikimedia Commons. Netzdiagramm Diese Visualisierung hat viele wohlklingende Namen: Radardiagramm, Radialdiagramm, Sterndiagramm, Polardiagramm, Smartspider-Diagramm, Kiviat-Diagramm. Es wird vor allem angewandt, wenn es um Bewertungen geht. Das Grundschema zeigt Bild 2.35. Wir haben sechs Kategorien, die mit einer Skala von 0 bis 7 bewertet werden: Die gleichwertigen Kategorien werden sternförmig von einem Mittelpunkt als Achsen angeordnet. Auf jeder Achse ist eine Mess-Skala angetragen, die schlechten Werte liegen im Zentrum, die guten in der Peripherie. Bewertet werden drei Objekte. Die Messwerte für ein Objekt werden mit einer farbigen Linie verbunden. So 92 2 Bildgestaltung lassen sich anhand der Polygone mehrere Ergebnisse visuell miteinander vergleichen, Abweichungen sind schnell sichtbar. Man erkennt, dass das blaue Objekt am besten abschneidet, das rote am schlechtesten. Liegt ein Polygon völlig in einem anderen schneidet das Objekt deutlich schlechter ab. Die beste Bewertung ergäbe ein gleichseitiges Sechseck. Das grün markierte Objekt hat in zwei Kategorien Vorteile. Bild 2.35: Schema eines Netzdiagramms. Es zeigt erhobene Messwerte und ermöglicht visuelle Vergleiche. Eine Stärke dieser Diagramme liegt in der leichten Erkennbarkeit von Schwächen und Stärken. Quelle: Wikimedia Commons. Einsatzmöglichkeiten für das Netzdiagramm gibt es überall, wo Bewertun‐ gen anfallen: z. B. in der Materialprüfung, dem Qualitätsmanagement, der Kompetenzeinschätzung, der Evaluation von Teamarbeit. Auch zeitliche Vergleiche sind möglich, z. B. die Veränderung der Teamarbeit über die Monate eines Projekts in Kategorien wie Arbeitsklima, Akzeptanz von Ideen, Einsatzbereitschaft usw. Das Diagramm hat allerdings seine Grenzen: Es müssen mindestens drei Kategorien sein, aber auch nicht mehr als zehn, sonst wird das Diagramm unübersichtlich. Auch zu viele Messobjekte machen das Diagramm schwer lesbar. 2.7 Diagramme als Argumente 93 Box-Plot-Diagramm Um diesen Diagrammtyp zu verstehen, sind einige Voraussetzungen aus der deskriptiven Statistik notwendig, denn es visualisiert fünf statistische Kenngrößen. Das Bild 2.36 zeigt den schematischen Aufbau eines Boxplots: Unten ist die Mess-Skala von -15 bis +5 eingetragen. Der Median ist der Wert, der in der Datenverteilung genau in der Mitte liegt. Die Box umfasst das untere und das obere Quartil, in dem 50 % aller Daten liegen. Die beiden sog. Antennen (= Whisker) geben den kleinsten und den größten Wert des Datensatzes an und damit die Streuung der Daten. Diese Visualisierung bietet damit einen schnellen Überblick, in welchem Bereich die Daten liegen und wie sie sich über diesen Bereich verteilen. Vergleiche von Gruppen sind damit aussagekräftiger möglich als mit dem gewöhnlichen Säulendiagramm, das nur den Mittelwert, aber nicht die Streuung berücksichtigt. Bild 2.36: Schema eines Boxplot. Es visualisiert fünf statistische Kennwerte, genauere Erläuterung im Text. Quelle: Wikimedia Commons. Fachspezifische Varianten Neben diesen Standardtypen gibt es unzählige andere Formen von Diagram‐ men in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen. Wer sich einen Überblick verschaffen möchte, kann das Buch von Robert Harris (2000) zur Hand nehmen. 94 2 Bildgestaltung Manipulation durch Diagramme Bei der Gestaltung von Diagrammen muss man alles vermeiden, was die Entnahme der Informationen erschwert oder sogar manipuliert. Es gibt einige visuelle Tricks, mit denen die Daten zwar formal richtig repräsentiert sind, die aber zu falschen Ablesungen und Fehlschlüssen verleiten. ● Skalen dürfen nicht gestaucht oder gestreckt werden, um einen be‐ stimmten Eindruck zu bewirken. ● Der Nullpunkt oder die Basislinie darf nicht durch Abschneiden ver‐ heimlicht werden. Wenn eine Skala unterbrochen wird, ist das durch eine Lücke optisch deutlich zu machen. ● Einzelne Werte dürfen nicht durch flächige oder räumliche Darstel‐ lungen visuell über- oder untertrieben werden, denn das erschwert Vergleiche erheblich. Die beliebten 3-D-Diagramme sehen attraktiv aus, aber auf Kosten einer soliden Kommunikation von Daten. ● Perspektivische Darstellungen sind zwar reizvoll, aber dürfen die Visua‐ lisierung der Daten nicht übermäßig verzerren, so dass ein Ablesen schwer oder sogar unmöglich ist (Bild 2.37). Vor allem pseudowissenschaftliche Diagramme in Zeitungen und PR-Bro‐ schüren machen von diesen Möglichkeiten Gebrauch, in Fachtexten haben sie nichts zu suchen! Zum professionellen Umgang mit Diagrammen gehört auch das Erkennen derartiger Manipulationen, die das visuelle Argument verzerren oder verfälschen. 2.7 Diagramme als Argumente 95 Bild 2.37: Visuelle Manipulation: In diesem Diagramm ist die Basislinie verborgen, es wird nur der oberste Teil des Diagramms gezeigt. Zudem wird eine Perspektive verwendet, die die Unterschiede zwischen den beiden Jahren 1991 und 1992 optisch aufbläst. Dies wird noch durch die 3-D-Darstellung verstärkt. Insgesamt vermittelt die Gestaltung den Eindruck, dass ein gewaltiger Unterschied zwischen den beiden Jahren herrscht. Quelle: Ballstaedt. Mit Diagrammen können auch Zusammenhänge visuell nahegelegt werden, die es in Wirklichkeit nicht geben muss (Bild 2.38). 96 2 Bildgestaltung Bild 2.38: Ein Doppelskalen-Diagramm als visuelles Argument. Die linke Skala gibt den versiegelten Boden in Hektar an, die rechte Skala die Versicherungsschäden in 100 Millionen. Die beiden Linien haben einen annähernd parallelen Verlauf. Das kann zur Unterstützung der Behauptung eingesetzt werden, dass ein Zusammenhang zwischen Bodenversieglung und Hochwasserschäden besteht. Aber Vorsicht: Eine Korrelation ist kein schlüssiger Beweis! Quelle: Claudia Wild. Gestalten von Diagrammen Für jeden Diagrammtyp lassen sich spezielle Richtlinien formulieren, wir haben uns hier um Gesichtspunkte bemüht, die alle Diagramme betreffen. Zusätzliche Informationen findet man bei Nicol & Pexman (2010). Tabelle oder Diagramm? Manchmal ist ein Diagramm nicht die geeignete Darstellung von Daten, wenn z. B. nur zwei Werte vorliegen, wirkt ein Kreisdiagramm eher einfältig. Eine übersichtliche Tabelle muss nicht unbedingt in ein Diagramm überführt werden. Die Botschaft festlegen. Ausgangspunkt aller Gestaltungsentschei‐ dungen sind die Fragen: Was soll das Diagramm zeigen? Was sollen die Betrachtenden daraus entnehmen? Für welche Behauptung stellt es ein visuelles Argument dar? Nach den Antworten auf diese Fragen richtet sich die Wahl des Diagrammtyps. Die kommunikative Botschaft sollte direkt im Diagrammtitel (alternativ in einer Legende) ausgesprochen werden. 2.7 Diagramme als Argumente 97 Wichtige Daten hervorheben. Die zentrale Botschaft in einem Dia‐ gramm kann durch grafische Mittel hervorgehoben werden. Wichtige Werte ziehen durch Einfärbung, Strichdicke oder Hinweispfeile den Blick auf sich. In einem Liniendiagramm mit mehreren Verläufen (einem Spaghetti-Diagramm) springt eine Linie durch Farbe oder Fettdruck ins Auge. Man muss Farbcodes mit sehr unterschiedlichen Farbtönen und Helligkeiten verwenden, damit auch farbschwache und -blinde Personen Unterschiede wahrnehmen können. Gestaltgesetze beachten. Diagramme setzen sich aus elementaren geometrischen Linien, Flächen und Volumina zusammen, deshalb wir‐ ken sich hier die Gestaltgesetze besonders aus. Das betrifft z. B. die Gruppierung von Balken oder Säulen oder die Verläufe mehrerer Linien. Die Gesetze der Nähe, der Ähnlichkeit und des gemeinsamen Bereichs müssen genutzt werden, um eine eindeutige Interpretation des Dia‐ gramms zu gewährleisten. Verschiedene Schraffuren von Komponenten, Balken oder Säulen sind kein gutes Mittel der Unterscheidung oder Gruppierung, Farben sind dazu wesentlich besser. Blickbewegungen berücksichtigen. Auch bei der Auswertung von Diagrammen wirken die „in Fleisch und Blut“ übergegangenen Blick‐ richtungen. So sollte in einem Kreisdiagramm der Sektor, der den entscheidenden Wert repräsentiert, an der 12-Uhr-Linie beginnen. Die Werte werden absteigend im Uhrzeigersinn abgelesen. Dies gilt auch für andere zyklische Darstellungen. Die eingeübten Leserichtungen von links nach rechts und von oben nach unten sind zu berücksichtigen. So steht der wichtigste Balken oben, die wichtigste Säule steht links. Optische Leitplanken anbieten. Die relevanten Informationen müs‐ sen problemlos ablesbar sein. Es gibt viele grafische Möglichkeiten, die Auswertung eines Diagramms zu erleichtern. Dazu dienen z. B. Hilfslinien oder -gitter, an denen sich das Auge zum Ablesen von Daten orientiert. Häufig sind in einem Diagramm visuelle Vergleiche gefordert. Dabei gilt die Faustregel: Je größer der Abstand zwischen zwei zu vergleichenden visuellen Komponenten (Sektoren, Balken, Säulen), desto geringer ist die Zuverlässigkeit des Urteils. Visuell nicht manipulieren. Alles vermeiden, was das korrekte Able‐ sen der Werte erschwert und sogar einen falschen Eindruck hinterlässt. Schlichte Diagramme ohne optischen Schnickschnack sind in der Wis‐ senschaft erwünscht, trotz aller Verführung durch die elektronischen 98 2 Bildgestaltung Gestaltungsmöglichkeiten. Von dem amerikanischen Statistiker Edward Tufte (2001) stammt das asketische Credo: Was man in einem Diagramm ohne Informationsverlust weggelassen kann, das soll man auch weglas‐ sen. Lesefreundlich beschriften. Zur Interpretation eines Diagramms sind die Beschriftungen unverzichtbar, da sie den Komponenten wie Skalen, Sektoren, Säulen ihre Bedeutung zuweisen. Deshalb müssen Achsen‐ beschriften, Skalenmaße und Werte gut leserlich sein, das erfordert eine lesbare Schrift und einen ausreichenden Schriftgrad (nicht unter 10 Punkt). Schräge Beschriftungen bei langen Ausdrücken sind zu vermeiden, dafür besser Abkürzungen oder Akronyme einführen. Die Beschriftungen müssen einer Komponente eindeutig zuordenbar sein (Gestaltgesetz der Nähe). Vorgaben beachten. Bei Diagrammen gilt dasselbe wie bei den Tabel‐ len: Es gibt unterschiedliche Standards, die man beim Veröffentlichen in Fachzeitschriften oder Büchern berücksichtigen muss. Isotypen (= Pictorial Graphs) Ursprünglich als die Wiener Methode der Bildstatistik eingeführt, dann als International System of Typografic Picture Education (ISOTYPE) benannt, bezeichnen beide Namen eine spezielle Art der Visualisierung statistischer Befunde. Erfunden hat sie der Wiener Wirtschaftsstatistiker Otto Neurath (1933), der mit seiner Bildpädagogik ein aufklärendes Anliegen verband: Er wollte gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorgänge so visualisieren, dass sie für jedermann einsichtig werden. Über seinem Schreibtisch hing die Maxime: „Vereinfachte Mengenbilder sich merken ist besser, als genaue Zahlen vergessen.“ Isotypen sind Varianten von Diagrammen, die Werte nicht mit Säulen, Balken und Linien, sondern mit Piktogrammen repräsen‐ tieren (ausführlich Hartmann & Bauer, 2006). Otto Neurath sprach nicht von einer visuellen Wende, sondern von einem „Jahrhundert des Auges“, aber er meinte damit ebenfalls eine Aufwertung des Bildes gegenüber der Sprache (Bild 2.39). Kommunikative Funktion. Auch ein Isotype-Diagramm vermittelt quan‐ titative Informationen, aber mit einer ausdrücklichen pädagogischen Ziel‐ setzung: Es soll auch Personen eine Botschaft vermitteln, die sonst mit 2.7 Diagramme als Argumente 99 Zahlen und Statistiken wenig anfangen können. Es geht um eine Populari‐ sierung und Demokratisierung von Wissenschaft. Kognitive Anforderung. Die Isotype versucht, die geistigen Anforderun‐ gen möglichst gering zu halten. Die grafische Gestaltung soll derart sein, dass die Botschaft sofort ins Auge springt. Deshalb wird alles überflüssige Beiwerk vermieden. Nach Neurath müssen drei Blicke ausreichen: Auf den ersten Blick erkennt man grundlegende Zusammenhänge (z. B. Trends, Unterschiede), auf den zweiten Blick entnimmt man wichtige Einzelheiten, auf den dritten Blick kann man eventuell weitere Feinheiten herauslesen. Bild 2.39: Klassisches Isotype-Diagramm. Hier wird die Landflucht eindrücklich veran‐ schaulicht, das visuelle Argument überzeugt auf den ersten Blick. Quelle: Müller, 1991, S. 73. Isotypen sind sinnvoll, wenn wissenschaftliche Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit durch Zeitschriften oder Zeitungen zugänglich gemacht werden. Für die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften ist diese Art der Visualisierung eine eindrückliche Alternative zu den üblichen Diagrammen. 100 2 Bildgestaltung Gestalten von Isotypen Einprägsame Piktogramme. Für eine bestimmte Quantität einer Variablen wird ein Piktogramm eingeführt. Es ist gewöhnlich als streng schematisierte Silhouette ausgeführt, ursprünglich arbeitete Neurath mit Scherenschnitten! Namhafte Grafiker haben derartige Piktogramme entworfen, z. B. Gerd Arntz (Annink & Bruinsma, 2013) oder Rudolf Modley (Modley & Myers, 2011). Was ein prägnantes Piktogramm ausmacht, haben wir in Kapitel 2.2 kennengelernt. Vielfachprinzip. Die Häufigkeit wird durch die Anzahl von Piktogram‐ men angezeigt, aber keinesfalls durch Vergrößerung der Piktogramme, wie so oft in Zeitungen und Zeitschriften zu sehen. Farbgebung. Es werden satte Farben in homogenen Flächen verwendet, deren Bedeutung unmittelbar einsichtig ist, z. B. Grün für Landwirt‐ schaft und Grau für das Stadtleben. Die Farben dienen durch das Gestaltprinzip der Ähnlichkeit auch der visuellen Gruppierung. Überflüssige Information vermeiden. Wie Edward Tufte fordert, soll man auf jedes ornamentale und unnötige Beiwerk verzichten: keine Perspektive, keine 3-D-Darstellung, kein Achsenkreuz, überhaupt keine unnötigen Konventionen. Ziel ist eine reduzierte Eindeutigkeit. Nach Neurath ist der beste Lehrer der, der weglassen kann. Visuell Argumentieren. Die Anordnung soll auf den ersten Blick ein Argument vermitteln, das heißt, eine Behauptung visuell transportieren. Das Isotyp-Diagramm dient als „Denkwerkzeug“ und bietet gleichzeitig eine „gefällige Augenweide“. Ein Isotyp-Diagramm ersetzt die Sprache und schafft eine eigene visuelle Rhetorik. Man wollte möglichst ohne erklärenden Text auskommen. Isotypen sind eine Visualisierungsform, die derzeit eine Renaissance erfährt. Zur Erstellung helfen umfangreiche Bilddatenbanken, die Pik‐ togramme und Icons zur Verfügung stellen, sozusagen ein Bildschatz anstelle eines Wortschatzes. Isotypen eignen sich sehr gut zur Präsen‐ tation auf dem Bildschirm und auf elektronischen Folien. Aber auch in Zeitungen findet man sie immer häufiger (Bild 2.40). Isotypen eignen sich besonders zur Darstellung sozialstatischer Daten in der Demogra‐ phie, Politologie oder Medizin. 2.7 Diagramme als Argumente 101 Bild 2.40: Modernes Isotype-Diagramm: Zunahme an Nutzern und Medienfiles von Wikimedia Commons. Quelle: Guillaume Paumier, 2010, Wikimedia Commons. Zusammenfassung Kapitel 2 Wer einen Text bebildert, der kann vor drei Situationen stehen: 1. Er stellt seine Bilder, z. B. Fotos, Diagramme oder Charts, selbst her. Das ist heute mit den digitalen Möglichkeiten kein unüberwindbares Hindernis - früher musste man sie noch in Auftrag geben. 2. Er übernimmt für seine Argumentation ein Bild aus einer anderen Publikation, das ist innerhalb wissenschaftlicher Arbeiten erlaubt, man sollte allerdings die Genehmigung dazu einholen. 3. Er modifiziert ein Bild eines anderen Autors, zeichnet einen weiteren Kasten in ein Chart oder hebt einen Befund in einem Diagramm hervor. In allen drei Fällen muss für die Bilder die gleiche Sorgfalt gelten wie für Texte. Sie müssen so gestaltet sein, dass die Voraussetzungen der Adressaten und die Funktion der Bilder für den Text in Einklang stehen. Dabei spielt die Berücksichtigung wahrnehmungspsychologischer 102 2 Bildgestaltung Richtlinien eine große Rolle, damit die Bilder nicht zu Bilderrätseln werden. Jeder Bildtyp muss in seinen kommunikativen Stärken eingesetzt werden. Überschaut man die Richtlinien für die verschiedenen Bildtypen, so fällt auf, dass es eigentlich immer um die Erleichterung der Informationsentnahme geht. Ein effektives wissenschaftliches Bild mutet den Betrachtenden keine unnötigen Verarbeitungsprozesse zu. - Vertiefende Lese- und Schautipps Da die beiden deutschsprachigen Klassiker Riedwyl (1987) und Zelasny (1999) vergriffen und nur noch in Bibliotheken oder Antiquariaten zu bekommen sind, wird auf englische Literatur zurückgegriffen. Die Empfehlungen der American Psychological Association (APA) für Diagramme findet man übersichtlich zusammengestellt in: Nicol, Adelheid A.M./ Pexman, Penny M. (2010): Displaying your findings. A practical guide for creating figures, posters, and pre‐ sentations. Washington: American Psychological Association. Eine kognitionspsychologisch fundierte Einführung in die Gestaltung von Diagrammen bietet das Buch: Kosslyn, Stephen M. (2006). Graph design for the eye and mind. New York: Oxford University Press. Diagramme werden heute mit speziellen Programmen wie z. B. Excel erstellt, die unzählige Gestaltungsmöglichkeiten anbieten. Darüber informieren zwei Bücher: Fischer-Stabel, Peter (2018). Datenvisualisierung. Vom Dia‐ gramm zur Virtual Reality. München: UVK Verlag. Wilke, Claus O. (2020). Datenvisualisierung. Grundlagen & Pra‐ xis. Wie Sie aussagekräftige Diagramme und Grafiken gestalten. Heidelberg: dpunkt verlag. Wer sich für Isotypen interessiert, dem empfehle ich drei materialrei‐ che Bücher empfohlen. Karl H. Müller bietet ein teilweise kurioses Sammelsurium an Ideen und Visualisierungen, Frank Hartmann und Erwin K. Bauer sowie Angélique Groß stellen die didaktischen Ideen von Neurath vor: Müller, Karl H. (1991). Symbole, Statistik, Computer, Design. Otto Neuraths Bildpädagogik im Computerzeitalter. Wien: Ver‐ lag. Zusammenfassung Kapitel 2 103 Hölder-Pichler-Tempsky. Hartmann, Frank & Bauer, Erwin K. (2006). Bildersprache. Otto Neuraths Visualisierungen. Wien: Facultas. Groß, Angélique (2015). Die Bildpädagogik Otto Neuraths: me‐ thodische Darstellung von Wissen. Springer. Wer sich gegen visuelle Manipulationen in Diagrammen immunisieren möchte, der sollte die Bücher von Walter Krämer lesen. Der Autor lehrt Wirtschafts- und Sozialstatistik und hat an vielen Beispielen die Tricks zusammengetragen, mit denen Daten falsch und verzerrt visualisiert werden. Als Ergänzung dazu - für alle, die positiv denken - gibt es von ihm ein Buch, wie man es besser machen kann: Krämer, Walter (2015). So lügt man mit Statistik. Frankfurt am Main/ NewYork: Campus. Ders. (1998). So überzeugt man mit Statistik. Frankfurt am Main/ NewYork: Campus. In den letzten Jahren wurde eine eigene Disziplin etabliert, die Dia‐ grammatik. Der Begriff des Diagramms wird hier aber sehr weit gefasst, auch Karten oder Charts fallen darunter. Es werden aber sehr interes‐ sante Analysen von Visualisierungen in der Kultur, der Wissenschaft und den Medien geboten: Schmidt-Burkhardt, Astrid (2017). Die Kunst der Diagrammatik. Perspektiven eines neuen bildwissenschaftlichen Paradigmas. Bielefeld: Transkript Verlag. 104 2 Bildgestaltung 3 Visuelle Konventionen Kunsthistorikern ist es selbstverständlich, dass alte Stile beim Bildermachen oft Konventionen verwendeten, die gelernt werden mussten. Gombrich, 1984, S. 274 3.1. Ansichten, Risse 3.2 Perspektiven 3.3 Einsichten 3.4 Aufbau, Komponenten 3.5 Bewegungen 3.6 Handlungen 3.7 Vergleiche Zusammenfassung Kapitel 3 In diesem Kapitel geht es um die visuellen Zusätze in Bildern, welche Schwächen des bildlichen Kodes ausgleichen und damit die visuelle Kommu‐ nikation ausweiten. Wir haben Konventionen zur räumlichen Darstellung, zum Aufbau aus Komponenten und zur Darstellung von Bewegungen und Handlungen unterschieden. Dabei konzentrieren wir uns auf Konventio‐ nen, die für die fachliche bzw. wissenschaftliche Kommunikation erfunden wurden. Das Verstehen von Konventionen macht einen Teil der visuellen Literalität aus und kann eine Hürde für interkulturelle visuelle Kommuni‐ kation darstellen. 3.1 Ansichten, Risse Eine Lösung für das Problem, dreidimensionale Räume auf einer zweidi‐ mensionalen Ebene abzubilden, ist die Aufteilung in Ansichten: Draufsicht, Vorderansicht, Seitenansicht usw., in der Architektur bekannt als Grund‐ riss, Aufriss, Seitenriss. Diese Form der mehrseitigen Darstellung eines räumlichen Körpers geht auf Albrecht Dürer zurück. Geometrisch handelt es sich um Parallelprojektionen, d. h. zweidimensionale Aufsichten. Der Vorteil: Dreidimensionale Gebilde werden so auf einer Ebene abgebildet, dass Maße und Proportionen abzulesen sind. Ansichten sind deshalb in der Architektur und der Technik unverzichtbar, denn die Zeichnungen dienen der genauen Festlegung für die Konstruktion (deshalb auch die Bezeichnung „Bauzeichnungen“). Für einen technischen Laien ist es schwer, die Ansichten bzw. Risse in eine räumliche Vorstellung umzusetzen. V - Vorderansicht Aufriss SL - Seitenansicht links Seitenriss, Kreuzriss SR - Seitenansicht rechts - D - Draufsicht, Aufsicht Grundriss U - Untersicht - R - Rückansicht - Bild 3.1: Tabelle der Ansichten in Technik und Architektur. Quelle: Ballstaedt 106 3 Visuelle Konventionen Bild 3.2: Dreitafelprojektion. 1. Parallelprojektion eines Körpers auf die Seiten eines Pro‐ jektionsquaders, d.-h. auf sechs Bildebenen. 2. Entfaltung des Projektionsquaders, 3. Die sechs Ansichten nach der europäischen Konvention, in den USA wird anders aufgefaltet. Quelle: Wikimedia Commons. Technische Zeichnungen Technische Zeichnungen dienen der eindeutigen Kommunikation zwischen Ingenieuren (Konstrukteuren) und Facharbeitern, die das Objekt anfertigen sollen. „In der technischen Zeichnung ist das räumliche Werkstück durch senkrechte Parallelprojektion in den notwendigen Ansichten dargestellt. Die Bemaßung legt dabei die Form und Abmessungen des Werkstückes eindeutig fest“ (Hoischen & Fritz, 2022, S. 5). Technische Zeichnungen sind 3.1 Ansichten, Risse 107 Strichbilder, die grundsätzlich maßstabsgetreue Ansichten zeigen. Die Maße sind dabei meist mit dünnen Doppelpfeilen angetragen, deren beiden Spitzen die Länge markieren. Der technische Laie steht dabei vor zwei Problemen: 1. Es ist schwierig, aus den isolierten Ansichten mental das Aussehen des dreidimensionalen Objekts zu konstruieren, Laien können sich das abgebildete Objekt nicht vorstellen. Ein Beispiel zeigt das Bild 3.3, aus dem das Aussehen der Pumpe nur für einen Experten zu entnehmen ist. 2. Eine weitere Verstehenshürde stellen die zahlreichen Einzelzeichen dar, deren Bedeutung man kennen muss: Jeder Linienart, jeder Schraffur ist eine Bedeutung zugeordnet (Bild 3.4). Es gibt zahlreiche Zeichnungsnormen, die man lernen muss - nicht umsonst ist technischer Zeichner oder technische Zeichnerin ein eigenständiger Beruf. Bild 3.3: Technische Zeichnung einer Doppelmembran-Pumpe. Mit Bezugsziffern werden vier Schrauben bzw. Muttern angezeigt. Quelle: Hugo Brennenstuhl GmbH, Betriebsanlei‐ tung. Die technische Zeichnung ist ein Beispiel für exakte visuelle Kommunika‐ tion, bei der die Konventionen festgeschrieben, d. h. normiert sind, um Missverständnisse zu vermeiden und maßstabsgetreu abzubilden. 108 3 Visuelle Konventionen Bild 3.4: Symbole in technischen Zeichnungen. Schraffuren sind nach DIN 201 genaue Bedeutungen zugeordnet. Quelle: Jahobr (2007), Wikimedia Commons. Gestalten von Ansichten Informative Oberflächen. Ansichten entsprechen unserer natürli‐ chen Wahrnehmung, wenn wir einen Gegenstand von vorne, von der Seite, von oben oder unten explorieren. „Wer einen Gegenstand betrach‐ tet […], der versucht immer, ihn so zu drehen oder einen entsprechenden Standpunkt einzunehmen, dass er senkrecht auf eine Fläche blickt, weil er dann Details […] am deutlichsten wahrnimmt, ohne perspektivische Verkürzung“ (Zieten, 1990, S. 113). Ansichten mit Abbild kombinieren. Für technische oder architek‐ tonische Laien sind isolierte Ansichten recht unanschaulich und oft unverständlich. Deshalb sollte man sie nur verbunden mit einer per‐ spektivischen Abbildung des Gegenstandes einsetzen. Normen berücksichtigen. Für die korrekte Gestaltung von Ansichten bzw. Rissen gibt es eine umfangreiche Spezialliteratur (für technische Zeichnungen ausführlich Hoischen & Fritz, 2022). In den ISO 5456 und ISO 128-30 sind Normen für die Projektionen festgeschrieben. 3.1 Ansichten, Risse 109 3.2 Perspektiven Unter der Bezeichnung „Perspektiven“ werden weitere Lösungen des Pro‐ blems zusammengefasst, die dreidimensionale Wirklichkeit auf einer zwei‐ dimensionalen Fläche (Leinwand, Papier, Bildschirm) abzubilden. Vor und nach der Entdeckung der Perspektiven gab und gibt es andere Mittel, auf einer Fläche einen Eindruck von Tiefe und Räumlichkeit zu erzeugen. Beim natürlichen Sehen wertet unser Sehapparat optische Hinweise für Räumlichkeit aus, die auch in Abbildern zur Darstellung von Räumlichkeit genutzt werden (Goldstein, 2015). Verdeckung. Gegenstände liegen teilweise hinter verdeckenden Objekten. Dies führt zu dem Kulisseneffekt mit verschiedenen Ebenen. In Bild 3.5 verdeckt der Baum Teile des Hintergrunds und wird deshalb als Objekt im Vordergrund wahrgenommen. Größe. Objekte in der Ferne sehen kleiner aus als in der Nähe. Je größer der Sehwinkel und damit die Größe des Objekts im Gesichtsfeld, um so näher scheint das Objekt. Farbabstufungen. Objekte, die in der Wahrnehmung blasser erscheinen, werden als entfernter interpretiert. In Bildern von Malern oder in Fotos erzeugen Abstufungen der Helligkeit und Sättigung einen Tiefeneindruck. Diese sogenannte atmosphärische „Perspektive“ oder Farbperspektive zeigt das Bild 3.5. Texturen. Oberflächenstrukturen, z. B. ein gepflügter Acker oder Geröll, wirken in die Tiefe komprimiert, d. h. die Objekte und die Abstände zwischen ihnen werden in der Wahrnehmung kleiner. Einen derartigen Texturgradienten zeigt das Bild 3.6. 110 3 Visuelle Konventionen Bild 3.5: Farbperspektive. Die Berge wirken hintereinander gestaffelt, da die Sättigung des Blaugraus abnimmt und die Helligkeit zunimmt. Quelle: Ballstaedt. Bild 3.6: Texturgradient. Dieses Foto des Watts erzeugt einen Tiefeneindruck durch die Texturen des Sandes, die kleiner werden. Quelle: Ballstaedt. Umgangssprachlich verstehen wir unter Perspektive (lat. perspicere = hin‐ durchsehen) die Betrachtungsweise oder den Blickwinkel, den wir auf einen Gegenstand haben. Die natürliche Perspektive beim Sehen von Räumen und Objekten erfolgt mit zwei Augen und mit Bewegungen des Kopfes und des 3.2 Perspektiven 111 Körpers. Ein Foto friert eine derartige Perspektive als zweidimensionales Abbild ein. Die künstliche Perspektive ist eine geometrische Abbildung von Räumen und Objekten auf einer Fläche. Sie wurde in der Renaissance ausfor‐ muliert. Die künstliche Perspektive kann zwar der natürlichen Perspektive sehr nahe kommen, aber nie werden wir ein statisches Abbild mit der Wirklichkeit verwechseln. Vielleicht hat es beim Überblick über die visuellen Konventionen im Kapitel 1.3 Verwunderung ausgelöst, dass die Perspektive zu den Konven‐ tionen gezählt wird. Aber es gibt nicht nur eine Form der Perspektive, sondern mehrere Perspektiven zur räumlichen Darstellung, aus denen ein Bildgestalter bzw. eine Bildgestalterin auswählen kann. Die Wahl einer Perspektive hat eine kommunikative Funktion, denn sie legt den Standpunkt fest und bestimmt damit, was gesehen, was verdeckt und was verzerrt wahrgenommen wird. Die Wahl der Perspektive ist immer eine Interpreta‐ tion der Szene mit ihren Objekten. Der Kunsthistoriker Erwin Panofsky (2000) hat einen Aufsatz mit dem Titel „Die Perspektive als symbolische Form“ geschrieben, in dessen Nachfolge Nelson Goodman behauptet (1995, S. 25), dass das Verstehen perspektivisch gemalter Bilder gelernt werden muss. Auch wer diese extreme Position nicht akzeptiert, wird zugeben, dass die Bildgestalterin bzw. der Bildgestalter sich Gedanken über die Wahl der Perspektive machen muss. Wir unterscheiden Fluchtpunkt-Perspektiven und Parallel-Perspektiven. Eine Einführung in die geometrischen Konstruktionen können wir hier nicht geben (dazu Störzbach, 2010). Zur Veranschaulichung machen wir uns alle Perspektiven am Abbild eines Würfels klar. Fluchtpunkt-Perspektiven Je nachdem, wie ein Gegenstand im Raum aufgestellt ist und in welcher Höhe die Augen liegen, ergeben sich unterschiedliche perspektivische Ansichten (Bild 3.7). 112 3 Visuelle Konventionen Bild 3.7: Ein Würfel in a) Zentralperspektive, b) Eckperspektive und c) Luftperspektive. Bei Zentralperspektive bleiben die parallelen Linien der Breite und Höhe erhalten, bei Eckperspektive nur noch die parallelen Linien der Höhe, bei Luftperspektiven gibt es gar keine parallelen Linien mehr. Anders ausgedrückt: Die Verzerrungen der Abbilder nimmt zu. Quelle: http: / / 152.96.52.69/ webMathematica/ canum/ bronstein2008/ kap_3/ node338.h tml (Besuch: 4.8.2022) Zentralperspektive oder Einpunkt-Perspektive. Hier liegt der Würfel so, dass eine Fläche frontal vor dem Betrachter liegt. Die Breite und Höhe der Kanten bleiben im Abbild also unverzerrt, nur die Tiefenkanten sind nicht mehr parallel, sondern laufen auf einen Fluchtpunkt zu. Bekanntes Beispiel: Die Schienen, die im Unendlichen in einem Punkt zusammenlaufen. So sehen wir einen Gegenstand, einen Innenraum oder eine Landschaft, wenn wir frontal gegenüberstehen. Die Zentralperspektive oder Frontperspektive gilt als die „naturgetreuste“ Form der Abbildung, die in der Renaissance von Künstlern und Wissenschaftlern zur Blüte gebracht wurde. Die Perspektive dient hier dazu, die menschliche Wahrnehmung möglichst exakt zu konser‐ vieren. Je nach Standort des Betrachtenden haben Perspektiven verschiedene kommunikative Funktion: ● Normalperspektive. Der Gegenstand (oder die Person) steht uns auf Augenhöhe - das sind etwa 1,60 m - gegenüber. Das entspricht unserer alltäglichen Wahrnehmung. ● Leichte Obersicht. Der Standpunkt des Betrachtenden ist leicht erhöht, z. B. die Sicht eines Stehenden auf einen Sitzenden. Der Sitzende wirkt dabei klein und untergeordnet. ● Vogelperspektive. Sicht von sehr weit oben, z. B. Blick aus einem Fenster oder von einem Turm. Die Vogelperspektive ist ungewohnt und 3.2 Perspektiven 113 nicht alltäglich, sie macht Objekte und Personen zum Spielzeug (Bild 3.8). ● Leichte Untersicht. Der Standpunkt des Betrachtenden ist leicht er‐ niedrigt, z. B. wenn man zu jemandem aufschaut. Der Abgebildete wirkt dominant und eher unsympathisch. ● Froschperspektive. Sicht von sehr weit unten auf einen Gegenstand. Auch diese Sicht ist eher ungewohnt und erzeugt deshalb Aufmerk‐ samkeit. Eine Person aus der Froschperspektive wirkt bedrohlich, ein Gegenstand scheint auf einen zuzustürzen (Bild 3.8). ● Schrägsicht. Bisher gingen alle Perspektiven von einer vertikalen Horizontlinie aus. Durch Kippen, z. B. durch Drehen einer Kamera, geraten wir sozusagen aus dem optischen Gleichgewicht - ein extremes Stilmittel. Bild 3.8: Zentralperspektive mit verschiedenen Standorten. In einer Vogelperspektive schaut man auf den Würfel, in einer Froschperspektive unter den Würfel. Quelle: www.ku nstkurs-online.de (Besuch 4.8.2022). Eckperspektive oder Zweipunkt-Perspektive. Hier steht der Gegen‐ stand schräg so vor dem Betrachter, dass nur die Höhe einer Kante erhalten bleibt, alle Flächen sind verzerrt. Die Kanten der Breite wie der Tiefe sind im Abbild nicht mehr parallel, sondern laufen in zwei Fluchtpunkten 114 3 Visuelle Konventionen zusammen, die auf der Horizontlinie liegen. Diese Perspektive wirkt vor allem bei architektonischen Objekten sehr eindrucksvoll. Luftperspektive oder Dreipunkt-Perspektive. Hier hat der Betrach‐ tende einen extrem erhöhten Standpunkt oberhalb des Objekts. Hier gibt es im Abbild keine parallelen Linien mehr, sondern die Linien der Breite, Höhe und Tiefe laufen jeweils auf einen Fluchtpunkt zu. Wir sehen den Gegenstand z. B. wie aus einem Flugzeug, das auf ein Gebäude zufliegt. Das führt zu starken Verzerrungen, die gern in Karikaturen oder Traumwelten benutzt werden. Bild 3.9: Luftperspektive. So kann man seine Bilanz visuell aufblasen: Eine Perspektive mit drei Fluchtpunkten vermittelt den Eindruck des Gigantischen. Quelle: Ballstaedt. Beim natürlichen Sehen ändert sich durch Körper- und Kopfbewegungen die Perspektive ständig, bei einem stillen Abbild muss sich der Bildautor bzw. die -autorin für eine Perspektive entscheiden. Wer fotografiert, der legt durch den Standort, die Brennweite und die Distanz zum Gegenstand die Perspektive für die Betrachtenden fest. Wer zeichnet, der konstruiert die Perspektive nach geometrischen Regeln. Und wer am Computer gestaltet, der gibt die Parameter für die perspektivische Darstellung ein. 3.2 Perspektiven 115 Parallel-Perspektiven Die Parallelperspektiven (auch Axonometrie) entsprechen nicht der natür‐ lichen Wahrnehmung. Sie sind vielmehr mit bestimmten kommunikativen Absichten künstlich konstruiert, was von den Bildbetrachtenden allerdings oft gar nicht bemerkt wird. Wenn man sich den oder die Fluchtpunkte ins Unendliche verschoben denkt, dann bleiben die Linien, die am Objekt parallel verlaufen, auch im Abbild parallel, d. h. der Fluchtpunkt verflüchtigt sich. Gegenüber den Fluchtpunktperspektiven, die den Wahrnehmenden als Bezugspunkt haben, rückt jetzt das Objekt ins Zentrum. Die Abbildung zeigt nicht, was wir genau sehen, sondern was wir über den Gegenstand wissen. Es werden drei Achsen (x, y, z) eingeführt und die Winkel auf der Gegenstandsebene festgelegt (Bild 3.10). Bild 3.10: Ein Würfel in isometrischer, dimetrischer und trimetrischer Perspektive. Diese Perspektiven werden vor allem in der Technik benutzt. Quelle: Ballstaedt. Isometrie. 1820 erfindet William Ferish die isometrische Darstellung. Die Maßstäbe für Breite, Höhe und Tiefe sind gleich (grch. = iso): 1: 1: 1. Der Gegenstand steht in Eckperspektive im Winkel 30 Grad/ 30 Grad zur Basis‐ linie. Dadurch können korrekte metrische Daten in allen drei Dimensionen angetragen werden und ein direktes Ablesen von Längen ist möglich. Das Abbild zeigt alle Komponenten unverzerrt. Die isometrische Perspektive wird meistens in technischen Abbildern verwendet. Dimetrie. Bei der Dimetrie gibt es zwei (grch. = di) Maßstäbe: 1: 1: 0,5. Diese Perspektive ist im Maschinenbau beliebt und wird deshalb auch als Ingenieursperspektive bezeichnet. Hier betragen die Winkel zur Basislinie 7 Grad/ 42 Grad. Die Tiefe des Gegenstandes wird im 42Grad-Winkel zur Basislinie im Maßstab 0,5 angetragen, sie ist also nur halb so lang wie in Wirklichkeit. 116 3 Visuelle Konventionen Trimetrie. Bei der Trimetrie gibt es drei (grch. = tri) Maßstäbe: 1: 1,1: 0,5. Die Winkel sind 5 Grad/ 18 Grad. Sie kommt der Zentralperspektive recht nahe. Vergleichen wir die Fluchtpunkt-Perspektiven mit den Parallel-Perspekti‐ ven, so zeigt sich, dass erstere Wahrnehmungstreue besitzen, aber keine Maßtreue, letztere Maßtreue, aber eine geringe Wahrnehmungstreue. Wel‐ che Perspektive für das kommunikative Ziel die richtige ist, muss von Fall zu Fall entschieden werden. In der Kunst werden Fluchtpunkt-Perspektiven bevorzugt, in der Technik Parallel-Perspektiven. Dass jede Perspektive eine bestimmte kommunikative Funktion erfüllt, soll am Beispiel der Militärperspektive gezeigt werden, deren Bezeichnung Ursprung und Funktion verrät (Ballstaedt, 2020). Es handelt sich um eine schräge Parallelperspektive, bei der ein um 45 Grad schräg gestellter Grund‐ riss als Ausgangspunkt für vertikale parallele Höhen dient, und zwar unver‐ kürzt in korrektem Maßstab. Diese Abbildung ist besonders wirkungsvoll bei der räumlichen Wiedergabe von Straßenzügen mit Gebäuden oder von Innenräumen (Bild 3.11). Sie bietet eine gute Übersicht für militärische Aktionen, zum Beispiel den Straßenkampf. Diese Perspektive findet man oft in Computerspielen. Sie wird aber auch in zivilen Stadtplänen genutzt, um Touristen einen Überblick über einen Stadtteil mit Sehenswürdigkeiten zu bieten. 3.2 Perspektiven 117 Bild 3.11: Militärperspektive eines Innenraums. Der Grundriss ist maßstabsgetreu, aber schräg an der Basislinie angetragen. Dadurch wird ein Einblick in den Raum möglich. Quelle: Projekt Kompaktes Wohnen der St.-Ursula-Schule Hannover, mit freundlicher Genehmigung. Dreidimensionale Abbilder haben mit der Digitalisierung zugenommen, da sie mit Zeichenprogrammen relativ einfach zu generieren sind. Dabei lassen sich alle Parameter frei definieren, was den Vorteil hat, dass man bei Bedarf schnell einen günstigeren Blickwinkel einstellen kann. Diese CAD-Bilder (Computer aided Design) werden auf der Basis eines dreidi‐ mensionalen mathematischen Modells des jeweiligen Gegenstands erstellt. Ein Programm, der Renderer, berechnet für die eingegebenen Parameter (Perspektive, Beleuchtung, Darstellungsstil usw.) eine zweidimensionale Ansicht. Das Ergebnis sind Abbilder, die von Fotos kaum zu unterscheiden sind. Fotorealistische 3-D-Bilder in der Technik oder Architektur können 118 3 Visuelle Konventionen Strichbilder oder Texturbilder in den verschiedensten Linear- und Parallel‐ perspektiven ersetzen. Bild 3.12: Perspektivisches CAD-Bild: Isometrische Darstellung eines Getriebes leicht texturiert und mit Schatten versehen, was die Plastizität des Gegenstandes erhöht. Quelle: Daniel Scheidegger, GIA Informatik AG, mit freundlicher Genehmigung. Gestalten von Perspektiven Die Sicht der Adressaten einnehmen. Die Perspektive auf einen Gegenstand sollte immer adressatenorientiert gewählt werden. Bei Fotos macht man das meist spontan richtig, aber computergenerierte Zeichnungen verleiten zu schwer verständlichen Perspektiven. Aus wel‐ chem Standort und mit welcher Entfernung sieht man in der natürlichen Wahrnehmung einen Gegenstand? Diese Frage sollte bei der Wahl der Perspektive ausschlaggebend sein. Starke Verzerrungen vermeiden. Fluchtpunkt-Perspektiven sehen zwar gut aus, sind aber für die Informationsvermittlung nicht immer optimal, oft sind schlichte Aufsichten besser, die keine Verzerrungen mit sich bringen. Eine Perspektive muss so gewählt werden, dass alle wichtigen Komponenten möglichst wenig verzerrt sichtbar sind (siehe Bild 3.13). 3.2 Perspektiven 119 Bild 3.13: Dysfunktionale Perspektive. Das Strichbild zeigt eine Fügeschere, mit der Holzfurniere aufgetragen werden. Die Perspektive ist ungünstig, denn die Eckper‐ spektive mit zwei Fluchtpunkten verkleinert einen Bereich mit vielen beschrifteten Details und lässt den Bereich fast verdeckt, auf dem die Bedienungselemente liegen. Quelle: Bedienungsanleitung Automatische Fügeschere Typ AFE 22 AFE 28. Für Maßtreue immer Isometrie. Im Bereich der technischen Kom‐ munikation, wo es auf die Maßtreue ankommt, ist die Isometrie die Perspektive der Wahl. Ohnehin sind alle Zeichenprogramme auf Par‐ allel-Perspektiven spezialisiert. Auch hier können die Parameter kom‐ munikativ funktional oder dysfunktional gewählt werden, je nachdem, welches visuelle Wissen vermittelt werden soll. Vertiefende Lese- und Schautipps Zwar werden perspektivische Abbilder heute meist mit dem Computer erstellt, aber eine Anleitung zum korrekten perspektivischen Zeichnen soll nicht fehlen: Gernot Störzbach (2010). Perspektivisch Zeichnen: Grundlagen zur Darstellung des dreidimensionalen Raums. Christopho‐ rus-Verlag. Eine sehr ausführliche Auseinandersetzung mit Perspektiven in der Kunst findet man in dem Buch: 120 3 Visuelle Konventionen Margaret A. Hagen (1986). Varieties of realism. Geometries of representational art. Cambridge: Cambridge University Press. Eine Beschäftigung mit der Perspektive aus philosophischer Sicht findet man in dem sehr materialreichen Buch eines Psychologen: Gerald Bühring (2014). Perspektive. Unsere Weltsicht in Psy‐ chologie, Philosophie und Kunst. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 3.3 Einsichten Bei der Abbildung eines Gegenstands sieht man gewöhnlich nur die äußeren Oberflächen, wichtige innere Komponenten bleiben den neugierigen Augen verborgen. Eine Reihe visueller Konventionen erweitert die visuelle Kom‐ munikation, indem sie einen Blick hinter die Oberfläche auf die „Innereien“ erlauben: Schnittbilder, Aufschnittbilder, Transparentbilder. Schnittbild (= Sectional View) Der Gegenstand ist wie mit einem scharfen Messer oder Laser durchge‐ schnitten abgebildet, um verdeckte innere Strukturen zu zeigen. Schnittbil‐ der sind z. B. in der Geologie, Biologie, Medizin und Technik üblich, aber für den Laien bleiben sie oft schwer verständlich. Wichtig für das Verständnis ist die Kenntnis der jeweiligen Schnittebene. In der Mechanik unterscheidet man Längsschnitte parallel zur Längsachse eines Objekts und Querschnitte parallel zur Querachse. In der Medizin werden drei Schnittebenen entlang den Raumachsen unterschieden: Sagittalschnitt von der Seite, Frontalschnitt von vorne, Transversalschnitt von oben. In der Medizin erlauben bildge‐ bende Verfahren ohne Skalpell Schnittbilder aus dem Körperinneren - hier Tomografien oder Tomogramme genannt. Sie bilden die angeschnittenen Komponenten einer Schicht ab (Bild 3.14). Die Interpretation erfordert allerdings - wie auch bei Röntgenaufnahmen - spezielle visuelle Fähigkeiten der Unterscheidung (Diskrimination). 3.3 Einsichten 121 Bild 3.14: Sagittalschnitt durch das Gehirn mittels MRI (Magnetic Resonance Imaging). In der Anatomie ist das ein Schnitt in der Ebene senkrecht zur Körperquerachse. Die einzelnen neuronalen Strukturen sind für den Fachmann leicht erkennbar. Ein Detail ist hervorgehoben. Quelle: Ballstaedt. Aus einer Serie paralleler Schnittbilder kann der Computer eine dreidimen‐ sionale Abbildung eines Organs, z. B. des Gehirns, des Herzens oder der Lunge errechnen. Tomografische Bilder gibt es auch in der Paläontologie (z. B. von Mumien) oder in den Geowissenschaften (seismische Tomografie zum Aufbau der Erdkruste). In jeder Wissensdomäne wie z. B. im Maschi‐ nenbau oder im Bauwesen gibt es unterschiedliche Konventionen für die Gestaltung von Schnittbildern. Aufschnittbild (= cutaway view) Das Aufschnittbild zeigt ebenfalls Verdecktes, aber indem sichtbehindernde Flächen wie Wände oder Böden aufgeschnitten dargestellt sind, um den Blick auf das Innere freizugeben. Wahrscheinlich liegt der Ursprung in der Medizin der Renaissance (Bild 3.15): In den damals entstehenden anato‐ mischen Skizzen wird diese Darstellungskonvention benutzt, um Beobach‐ tungen bei Sektionen zu dokumentieren (z. B. bei Leonardo da Vinci). Bei Schnittbildern spricht man von Ausbrüchen, wenn nur ein Bruchstück aus einer Oberfläche, z.-B. einer Abdeckung entfernt ist. 122 3 Visuelle Konventionen Transparentbild Transparentbilder werden auch Röntgen- oder Phantombilder genannt, aber diese Bezeichnungen sind für bestimmte Bildtypen in der Medizin oder Kriminalistik reserviert, deshalb sprechen wir von transparenten (lat. = durchscheinenden) Bildern. Das Transparentbild wird gebraucht, um den Betrachtenden einen äußeren Eindruck eines Objekts zu vermitteln und gleichzeitig das Innere sichtbar zu machen. Das Innenleben wird so dargestellt, dass der Eindruck entsteht, die äußere Hülle sei geisterhaft durchsichtig. Das Transparentbild ist ebenfalls eine Konvention, die sich in der Renaissance herausbildet. Sie fand eine schnelle Verbreitung als Möglichkeit, komplexe Objekte wie Gebäude oder Maschinen auf dem Papier zu entwerfen und zu präsentieren, anstatt kostspielige Modelle zu basteln, wie es vorher üblich war. 3.3 Einsichten 123 Bild 3.16: Transparentbild. Ein durchscheinendes Bild eines Autos zeigt die komplexe Zusammensetzung des Getriebes. Quelle: Subaro Forester. Meist farbige Transparentbilder werden gern in Präsentation und Werbung benutzt, um mit Komplexität zu imponieren. Sie sind manchmal auch didaktisch nützlich, um z. B. Funktionszusammenhänge bei einem Getriebe sichtbar zu machen (Bild 3.16). Mit den Programmen der Bildverarbeitung lassen sich aus CAD-Daten Transparentbilder generieren, allerdings ist die Erstellung recht aufwendig. Gestalten von Einsichten Schnittebene verdeutlichen. Schnittbilder sind eher für Fachleute verständlich, für Laien sind didaktische Hilfen notwendig, damit sich der Betrachter den Schnitt vorstellen kann. Dazu muss die Schnittebene am Gegenstand gezeigt werden, Die Schnittkanten sind dicker darzustellen als die Linien der inneren Konturen. Schnitt- oder Bruchkanten hervorheben. Bei Aufschnittbildern muss die Schnitt- oder Bruchkante deutlich als solche erkennbar sein, das geschieht z. B. durch gezackte Linien, Freihandlinien oder Einfärben der Schnittflächen (wie das auch bei 3D-Schnittmodellen üblich ist). 124 3 Visuelle Konventionen Imponieren mit Transparentbildern. Transparentbilder haben meist wenig didaktischen Wert, sie dienen vor allem der beeindruckenden Präsentation eines Produkts für Marketing und Werbung. Hier kommt es vor allem auf eine aufwändige grafische Gestaltung in hoher Auflösung an. 3.4 Aufbau, Komponenten Bei komplexen Gegenständen, Geräten oder Anlagen kann der Experte einem Laien mit dem Zeigefinger die Komponenten zeigen und benennen. Dieser kommunikative Vorgang kann auch medial mit einer Bild-Text-Kom‐ bination vollzogen werden. Dafür wurden verschiedene visuelle Lösungen gefunden: Um einzelne Komponenten zu markieren, dienen Inschriften, Bezugszeichen, Bezugslinien, Einfärbung, Überzeichnung und Lupendar‐ stellung. Um das Zueinander zahlreicher Komponenten zu zeigen, wurde das Explosionsbild erfunden. Inschriften Die einfachste Möglichkeit sind Inschriften an oder in den Komponenten im Bild, für die Augen ist das die komfortabelste Lösung, denn sie benötigen keine Sprünge, um Benennung und Komponente zusammenzubringen. In mittelalterlichen Fachbüchern findet man häufig Inschriften. Allerdings ist das nicht realisierbar, wenn die Komponenten zu klein oder wenn es zu viele sind (Bild 3.20). Bezugslinien Die Benennung wird außerhalb des Bildes an eine Bezugslinie angetragen, diese dient dabei als Leitplanke für die Augen aus dem Bild heraus oder in das Bild hinein. Diese Variante wird in den USA als Fallout bezeichnet. Oft liest man für Bezugslinie auch die Bezeichnungen Hinweislinie, Referenzli‐ nie, Positionslinie. Da die Linie einen Bezug zwischen einer Komponente und einer Benennung herstellt, halten wir Bezugslinie für die treffendste Bezeichnung (vgl. Munk, 2012). 3.4 Aufbau, Komponenten 125 Bezugszeichen Bezugszeichen wie Buchstaben oder Ziffern findet man bereits in antiken Zeichnungen, sie können direkt im Bild stehen oder wiederum an einer Bezugslinie. Sie schlagen eine Brücke zwischen Text und Bild. Wer den Text liest, der wird mit dem Bezugszeichen ins Bild, wer das Bild betrachtet, der wird mit dem Bezugszeichen in den Text verwiesen. Es handelt sich um eine Zuordnung von Bezeichnungen und Bildkomponenten. So ist z.-B. das Lateinlehrbuch „Orbis Sensualium Pictus“ von Comenius (1658) aufgebaut (Bild 3.17). Bild 3.17: Bezugszeichen. Im Lateinlehrbuch des Comenius werden im Text lateinisch und deutsch eingeführte Vokabeln über Bezugsziffern im Bild gezeigt. Die Ziffern in den Bildern sind allerdings sehr klein geraten. Quelle: Comenius (1658), Wikimedia Commons. Ein Nachteil von Bezugszeichen ist offensichtlich: Um Benennung und Bild integrativ zu verarbeiten, ist man gezwungen, mit den Augen andauernd 126 3 Visuelle Konventionen aus dem Text in das Bild zu springen, und aus dem Bild wieder zurück in den Text. Die Zuordnung gelingt oft nicht auf den ersten Blick, sondern die Augen müssen im Text oder im Bild suchen, um die zueinander gehörigen sprachlichen und visuellen Informationen zusammenzubekommen. Bild 3.18: Zuordnung von Bezeichnungen mit Bezugslinien. Zwei Varianten: a) über Be‐ zugsziffern, b) über Beschriftung. Die Variante a) ist aufwendiger zu verarbeiten, da die Bezeichnung nicht direkt an der Bezugslinien, sondern nur über die Bezugsziffer im Text zugeordnet wird. Quelle: Ballstaedt. Der entscheidende Punkt für die Verarbeitung ist die Anforderung für die Blickbewegungen. In Untersuchungen von John Sweller (1999) hat sich gezeigt, dass die Beschriftung in oder an der Komponente selbst am 3.4 Aufbau, Komponenten 127 rezipientenfreundlichsten ist. Das wird aber schnell unübersichtlich, wenn es um kleine und viele Komponenten geht. Die zweitbeste Lösung sind Beschriftungen an den Bezugslinien, hier kann das Auge die Bezugslinie als Leitplanke benutzen. Am schwierigsten ist die Zuordnung über Bezugszif‐ fern oder -buchstaben an der Bezugslinie, hier müssen die Augen zusätzlich die Bezugszeichen im Begleittext suchen (Bild 3.18). Die Zuordnung von Bezeichnungen und Bildkomponenten hat einen speziellen Bildtyp hervorgebracht: das Überblicksbild. Seine Funktion ist das Benennen von Komponenten eines Gegenstands oder einer Szene und damit die Festlegung einer Terminologie, die eine eindeutige Kommunikation ermöglicht. Dazu werden Komponenten an einem Abbild gezeigt und mit Fachausdrücken (= Termini) benannt. Man nennt dies auch eine ostentative Definition, d.-h. eine Definition durch Zeigen (dazu Kapitel 4). Gestalten von Bezugslinien Normen beachten. Da Bezugslinien eine verbreitete Konvention in der technischen Kommunikation sind, gibt es dort festgelegte Normen zur Gestaltung von Bezugszeichen (DIN ISO 128-22). Ausführliche Überle‐ gungen zu Inschriften und Beschriftungen hat man in der Kartografie angestellt, da in einer Karte oft sehr viele Komponenten benannt werden müssen. Leserlich beschriften. Bezugszeichen oder Beschriftungen nur in die Komponenten schreiben, wenn diese nicht zu klein und die Ziffern bzw. Buchstaben noch gut lesbar sind. Was Schrifttype und Schriftgröße betrifft, muss die Beschriftung leserlich bleiben. Schräge und zu enge Schriften sind zu vermeiden. Eindeutig zuordnen. Bei der Zuordnung zwischen Komponente und Zeichen ist das Gestaltprinzip der Nähe wichtig. Direkte Beschriftung im Bild für die Verarbeitung ist günstiger als eine räumliche Trennung von Bild- und Sprachinformation, z.-B. durch Bezugsziffern. Blickbewegungen kurz halten. Bezugslinien sind so kurz wie möglich zu halten, damit der Blick keine zu lange Strecke zurücklegen muss. Eindeutige Endpunkte. Bezugsslinien sollen bei kleinen Komponen‐ ten die Außenkanten berühren, bei großen Komponenten innen enden. Die Bezugslinien können zur Hervorhebung mit einem gefüllten End‐ 128 3 Visuelle Konventionen punkt versehen sein, eine Konvention, die aus den USA kommt (Burnett, 2005). Bezugslinien freistellen. Damit sich die Bezugslinien gut vom Hin‐ tergrund des Gerätes und bei Überkreuzung mit Linien des Abbilds abheben, sollten die Bezugslinien rechts und links mit einer weißen Linie in Stärke der Bezugslinien unterlegt sein. Überschneidungen vermeiden. Bezugslinien dürfen sich nicht kreu‐ zen. Nach Möglichkeit sollen die Konturen von anderen Bild-Kompo‐ nenten nicht durchschnitten oder berührt werden. Die Laufrichtung kann deshalb auch schräg oder abgeknickt sein (Igeltechnik). Bezugslinien gruppieren. Bei zahlreichen Bezugslinien möglichst Linien gruppieren, um zusammengehörige Komponenten visuell zu bündeln. Bei detailreichen Objekten ist es übersichtlicher, das Bezeich‐ nen mit Bezugslinien auf mehrere Abbilder aufzuteilen. Blickgewohnheiten berücksichtigen. Die Abfolge der Bezugsziffern sollte im Uhrzeigersinn verlaufen, beginnend bei 12 Uhr. Das entspricht unseren Gewohnheiten beim Ablesen der Zeit und erleichtert deshalb die Orientierung. 3.4 Aufbau, Komponenten 129 Bild 3.19: Übersichtsbild. Die Igeltechnik in einem chinesischen Wartungshandbuch für Automobile. Hier ist das Objekt mit Hinweislinien so gespickt, dass man die Komponenten nicht erkennen kann. Quelle: Yiqin Wang mit freundlicher Genehmigung. Die folgenden grafischen Mittel dienen der Hervorhebung einzelner Bild‐ komponenten: Hinweispfeile, Einfärbung, Überzeichnung, Ausschnittver‐ größerung und als Klassiker der visuellen Kommunikation das Explosions‐ bild. Hinweispfeile Pfeile sind universelle Zeichen, die in alle Wissensdomänen Eingang gefun‐ den haben, in die Kartographie, Meteorologie, technische Dokumentation usw. Pfeile werden dabei in unterschiedlichen Bedeutungen eingesetzt. Robert E. Horn (1999) behauptet, dass 250 mögliche Bedeutungen des Pfeils unterschieden werden können. Auch Künstler wie der Maler Paul Klee oder der Grafiker Anton Stankowski haben sich mit den unterschiedlichen Bedeutungen von Pfeilen auseinandergesetzt. Wir haben bereits die Bema‐ ßungspfeile in technischen Zeichnungen kennengelernt. Bei den Konven‐ 130 3 Visuelle Konventionen tionen des Aufbaus geht es um die Zeigefunktion des Pfeils, der auf eine Komponente verweist. Eigentlich können auch Bezugslinien als kastrierte Pfeile aufgefasst werden. Auf was man sonst mit dem Finger verweist, auf das wird im Bild mit der Pfeilspitze hingewiesen. Die Zeigehand (☛) anstatt eines Pfeils hat in vielen elektronischen Zeichensätzen überlebt, wird aber nur noch selten, z. B. bei Aufzählungen, eingesetzt. Ein Zeiger als Hinweis ist völlig aus der visuellen Mode gekommen. Im Web stellen zahlreiche Pfeilbibliotheken verschieden grafische Gestaltungen zur Verfügung (z. B. https: / / pfeilsymbole.de). Einige Richtlinien zur Gestaltung von Pfeilen fas‐ sen wir im späteren Abschnitt zu den Bewegungspfeilen zusammen. Einfärbung Um auf eine Komponente in einem Bild aufmerksam zu machen, kann sie von der Umgebung farblich abgehoben werden. So springt in einem Schwarz-Weiß-Bild eine eingefärbte Komponente sofort ins Auge (Bild 3.20). In der Wahrnehmungspsychologie nennt man diese reflektorische Zuwen‐ dung den Popout-Effekt: Am ausgeprägtesten ist er bei Signalfarben wie Rot und bei starkem Kontrast zur Umgebung. So lässt sich auch die Wirkung von Steuerzeichen wie Pfeilen verstärken. Zusammengehörige Komponenten können durch gleiche Einfärbung als zusammengehörig wahrgenommen werden (Gestaltgesetz der Ähnlichkeit). Bild 3.20: Einfärbung. Aufschnittbild mit sinnigerweise gelb markierten Harnleitern, die damit sofort ins Auge fallen. Hier findet man Inschriften im Bild und Beschriftungen an Bezugslinien außerhalb des Bildes. Quelle: Wikimedia Commons. 3.4 Aufbau, Komponenten 131 Überzeichnung Bei der Überzeichnung wird eine kleine Komponente im Bild - oft in Strich‐ bildern - größer als in Wirklichkeit dargestellt, damit sie visuell auffälliger wirkt (Bild 3.21). Oft sind zusätzlich die Linien fetter. Die Überzeichnung kann 2,5 Mal betragen, ohne dass dies den Betrachtenden auffällt. Bild 3.21: Überzeichnung. Die Gas-Anschlüsse bei einem Gerät aus der Notfallmedizin müssen klar auseinandergehalten werden. Links sind die Bezugsziffern zwischen die Linien gequetscht, rechts mit fetter Überzeichnung vor einem mit dünnen Strichen angedeuteten Kontext. Quelle: Zieten, 1990, S.-108. Detailbild, Ausschnittvergrößerung Die isolierte und oft vergrößerte Darstellung einer Komponente ist ebenfalls eine Konvention, die sich seit der Renaissance durchsetzt. Später wird sie gern mit der visuellen Metapher einer Lupe verbunden. Durch die Lupe wird gezeigt, wo eine Komponente am Objekt zu finden ist (Bild 3.22). Der Vorteil der Ausschnittvergrößerung liegt darin, dass ein Detail vergrößert vor seinem Kontext hervorgehoben wird. Genaue Lokalisation und visuelle Unterscheidung sind damit in einem Bild zu erreichen. Als Bezugszeichen für Details werden oft die Buchstaben am Ende des Alphabets genommen (x,y,z). 132 3 Visuelle Konventionen Bild 3.22: Anatomisches Detailbild. Die Lage und der Aufbau der Milz werden in einem Bild gezeigt. Quelle: Wikimedia Commoms. Ausschnittvergrößerungen sind in allen wissenschaftlichen Disziplinen zu finden, in denen Details aus komplexen Gegenständen visuell herausgelöst werden müssen, z.-B. in der Biologie oder den Ingenieurswissenschaften. Explosionsbild (= Exploded View) Die Explosionsdarstellung zeigt in Perspektive das räumliche Zueinander von Bestandteilen, diese fliegen sozusagen wie bei einer Explosion ausein‐ ander. In den technischen Aufzeichnungen von Leonardo da Vinci findet man die ersten korrekt ausgeführten Explosionszeichnungen. Die Explosi‐ onsdarstellung ist ein Highlight der visuellen technischen Kommunikation, da sie einzelne Komponenten in ihrem Bezug zum Ganzen darstellt und so das Zusammenbauen und das Auseinandernehmen anleiten kann (Bild 3.23). Sie findet Verwendung, wenn z. B. komplexe Maschinen in Baugruppen und Bauteile zerlegt werden. Häufig werden Explosionsbilder zur Darstellung der Einzelteile, z. B. für die Ersatzteilbestellung, benutzt. Die Komponenten sind dann mit Bezugslinien und Bezugsziffern versehen. 3.4 Aufbau, Komponenten 133 Bild 3.23: Explosionsbild einer Dreigang-Nabenschaltung mit Bezugslinien und Bezugszif‐ fern. Quelle: Sears Sports Center (1977), Wikimedia Commons. Besonders für den technischen Laien sind Explosionsbilder eine unverzicht‐ bare indirekte Anleitung. Der Erfolg eines Produktes, das in Einzelteilen verkauft wird - von den Figuren im Überraschungsei bis zu den Möbeln bei IKEA - hängt von der mitgelieferten Montageanleitung ab, denn nichts frus‐ triert den Kunden mehr als ein Scheitern. Für den technischen Bereich gibt es Grafikprogramme, die auf der Basis von CAD-Daten auf die Erstellung von Explosionsdarstellungen spezialisiert sind. Aber nicht nur in der Technik kommen Explosionsdarstellungen vor, sondern auch in der Architektur oder der Medizin. Markieren von Komponenten Den ersten Blick festlegen. Bildkomponenten, denen wegen ihrer Wichtigkeit die Aufmerksamkeit zuerst zukommen soll, müssen optisch hervorgehoben werden. Dazu dienen Einfärbung oder Pfeile. Details herausheben. Wie im wirklichen Leben sollte man eine Lupe dazu nutzen, kleine und unscheinbare Details herauszulösen und zu vergrößern. Der Kontext bzw. die Verortung der Komponente muss eindeutig erkennbar bleiben. Mit Farbe auszeichnen. Bei Einfärbung sollte eine Signalfarbe ver‐ wendet werden, am besten wirkt Rot oder Orange. Wenn sie sich gut von der Umgebung abhebt, ist aber auch jede andere gesättigte Auszeichnungsfarbe möglich. 134 3 Visuelle Konventionen Überzeichnen. Eine Überzeichnung kann auch ohne Farbe den Blick auf sich ziehen: Die wichtige Komponente ist hier nicht maßstabsge‐ recht, sondern größer und fetter gezeichnet. Die Überzeichnung kann recht drastisch ausfallen, ohne dass sie auffällt. Übersichtlich explodieren. Bei Explosionsbildern ist eine isometri‐ sche Perspektive Standard, die Winkel der Hauptachse betragen ge‐ wöhnlich 30 oder 45 Grad. Die einzelnen Komponenten müssen auf einer Zentralachse so weit auseinandergezogen werden, dass sie klar unterscheidbar und zuordenbar sind. Bei verschachtelten Teilen kann von der Zentralachse eine z-förmige Seitenachse abgehen. Für die Bezugslinien mit Bezugsziffern oder Beschriftungen gelten die bereits aufgeführten Richtlinien. 3.5 Bewegungen Das statische oder auch stille Bild hat eine Beschränkung, die manchmal didaktisch unvorteilhaft ist: Kontinuierliche Bewegungen wie Veränderun‐ gen, Abläufe und vor allem Handlungen lassen sich nicht abbilden, dazu wäre Film oder Animation nötig. Wie man Bewegung in ein Bild bringt, das hat auch Maler, Fotografen und technische Zeichner beschäftigt und zu einigen Lösungen geführt (Gombrich, 1989; Cutting 2002, Sauza & Dyson, 2007). Bevor es bewegte Bilder in Filmen und Animationen gab, haben sich Konventionen herausgebildet, um statische Bilder zu dynamisieren: Be‐ wegungspfeile, Bewegungslinien, Bewegungsunschärfe, Phasenbilder und Bildsequenzen. Die visuelle Vermittlung von Handlungen in Anleitungen war und ist eine Herausforderung. Im Alltag geht es um Anleitungen zum Stricken oder Kochen, in den Wissenschaften um Anleitungen zur Durch‐ führung von Experimenten oder zur Anwendung einer Untersuchungsme‐ thode. Bewegungspfeile Wieder Pfeile, aber diesmal in anderer Bedeutung: Sie weisen nicht auf eine Komponente hin, sondern zeigen eine Richtung an, in der sich Stoffe, Energie oder Informationen bewegen: 3.5 Bewegungen 135 Richtungspfeile. Sie stellen eine Bewegungsrichtung dar, die linear (Zie‐ hen, Drücken) oder nicht linear (Kippen, Drehen) sein kann. Ein Pfeil vertritt somit ein Verb in der Sprache (Krull & Sharp, 2006). Fließpfeile. Angezeigt wird die Flussrichtung von Material-, Energie- oder Information. In dieser Funktion tritt der Pfeil im Bild 3.24 auf: Er zeigt die Strömungsrichtung des Wassers an. Ernst Gombrich (1989) hat erstmals im 18. Jahrhundert in Abbildern Pfeile gefunden, die dort die Strömung visualisieren (Bild 3.24). Auffällig ist die realistische Darstellung des Pfeils mit Federschaft und Widerhaken. Im Laufe der Zeit verliert der Pfeil seine ikonische Gestalt und wird immer mehr schematisiert. Damit verbunden ist der Verlust von Widerhaken und Befiederung, der Charakter als Waffe geht verloren, der Pfeil wird sozusagen „pazifiziert“. Bei einigen Pfeilen bleibt nur eine Keil- oder sogar Herzform ohne Schaft und ausgeprägte Spitze übrig. Die Entwicklung von Pfeilen ist ein interessantes Kapitel der visuellen Kommunikation (Storrer & Wyss, 2000; Ballstaedt, 2015) Bild 3.24: Wasserrad aus Bernard Forst de Bélidor, Architecture Hydraulic, 1737. Der realistische ikonische Pfeil zeigt die Strömungsrichtung an. Quelle: Gombrich, 1989, S.-125. Während Hinweispfeile gerade und direkt auf etwas zeigen, werden Be‐ wegungspfeile gern dynamisiert, um die Bewegung optisch eindeutig zu kommunizieren. Dazu gibt es eine Reihe von grafischen Möglichkeiten wie verdrehte, gestauchte und gedehnte Pfeile. 136 3 Visuelle Konventionen Bild 3.25: Dynamisierte Pfeile. Es gibt viele grafische Möglichkeiten, um Pfeilen Bewegung zu verleihen. Quellen: Wikimedia Commons, MS-Word. Ein Experiment belegt, wie Pfeile die Interpretation einer Abbildung beein‐ flussen (Heiser & Tversky, 2006): Versuchspersonen bekamen schematische Bilder einfacher Geräte (Fahrradpumpe, Flaschenzug, Backenbremse) vor‐ gelegt, eine Gruppe mit Pfeilen, die andere ohne Pfeile. Die Versuchsper‐ sonen sollten die Geräte anschließend beschreiben. Bei den Bildern ohne Pfeile wurden Aufbau und Struktur der Geräte betont, ihre Komponenten und ihre Beziehungen. Bei den Bildern mit Pfeilen wurden Prozesse und Abläufe hervorgehoben. Dasselbe war zu beobachten, wenn die Geräte nicht beschrieben, sondern gezeichnet werden mussten: Die Pfeile wurden eingesetzt, um funktionale Zusammenhänge zu kommunizieren. Gestalten von Pfeilen Pfeile eindeutig verwenden. Wir haben Bemaßungspfeile, Folge‐ pfeile, Ursache-Wirkungspfeile, Hinweispfeile und Bewegungspfeile kennengelernt. Diese Vieldeutigkeit des Pfeilsymbols führt dazu, dass Pfeile oft in einem Bild in verschiedenen Bedeutungen bzw. Funktionen gebraucht werden. Dies führt zu einer Faustregel für das Pfeildesign: Jede Bedeutung muss eine spezifische grafische Gestaltung besitzen. Werden Pfeile in zwei Funktionen, z.B. als Bewegungspfeil und Hin‐ weispfeil, eingesetzt, dann müssen sie sich in Form und/ oder Farbe 3.5 Bewegungen 137 unterscheiden und ihre unterschiedliche Bedeutung muss in einer Le‐ gende erklärt werden. Eindrücklich gestalten. Ein Pfeil muss sofort ins Auge gehen. Psycho‐ logen haben es sich nicht nehmen lassen, nach dem optimalen Pfeil zu suchen. Die Richtungsanzeige grafisch unterschiedlicher Pfeile musste unter erschwerten Bedingungen im Labor oder Feld erkannt werden, zum Beispiel mit einer Verdunklungsbrille, in kurzer Darbietung oder großer Entfernung. Ergebnis: Pfeile mit einer Spitze von etwa 20 bis 60 Grad und langem dünnen Schaft ohne Federn sind am besten erkennbar. Pfeile dynamisieren. Es gibt verschiedene Konventionen, wie Pfeile Bewegung ausdrücken können. Bei Untersuchungen zu Piktogrammen hat sich gezeigt, dass karikaturhaft übersteigerte Formen besser wir‐ ken. Alle Textverarbeitungsprogramme bieten meist unter einem Me‐ nüpunkt „Formen“ verschieden gestaltete Pfeile an, die sich durch Verzerren dynamisieren lassen. Pfeile verräumlichen. 3D-Pfeile zeigen eindeutiger eine komplexe nichtlineare Bewegung als flache zweidimensionale Pfeile. Aber bitte keine 3-D-Pfeile in flächigen Abbildern! Bewegungslinien Mit einfachen Linien lässt sich in einem statischen Bild der Eindruck von Bewegung erzeugen. Zwei Varianten lassen sich unterscheiden: Speedlines und Motion Streaks (Ballstaedt, 2017a). Speed Lines. Diese Konvention findet man vor allem im Comic, um Bewegungen zu visualisieren: Hinter dem abgebildeten Objekt sind Linien eingezeichnet, die eine Richtung der Bewegung) zeigen (Masuch, Schlecht‐ weg & Schulz, 1999). Die Erfindung dieser Technik wird dem französischen Künstler Ernest Montaut (1878-1909) zugeschrieben. Er setzte auf seinen Plakaten Rennwagen, Flugzeuge und Motorboote mit Strichen und Linien in rasante Bewegung. Der Bewegungseindruck lässt sich durch grafische Mittel wie Strichdicke, -länge oder -richtung beeinflussen, zum Beispiel eine gestrichelte dünne Linie am Anfang der Bewegung und eine durchgezogene fette Linie am Ende. So ist auch die Geschwindigkeit der Bewegung visua‐ lisierbar. Im Piktogramm „Explosionsgefahr“ werden Speed Lines benutzt, um Teile auseinanderliegen zu lassen (Bild 3.26). 138 3 Visuelle Konventionen Bild 3.26: Bewegungslinien. Das Piktogramm für explosive Stoffe der Vereinten Nationen visualisiert eine Explosion eindrücklich mit Bewegungsstrichen. Quelle: Wikimedia Com‐ mons Motion Streaks. Sie entstehen, wenn beim Fotografieren eines bewegten Objekts die Kamera mitgezogen wird. Das Objekt erscheint dann weitge‐ hend scharf, die Umgebung aber verwischt. Der Effekt durch Mitziehen wird in der Technikfotografie als Gestaltungsmittel benutzt, um Geschwindigkei‐ ten abzubilden, zum Beispiel in Werbebroschüren für Autos. In der Malerei können Bewegungsstreifen durch energische Pinselstriche dargestellt wer‐ den, wie sie zum Beispiel der Maler Giacomo Balla (1871-1958) verwendet hat (Bild 3.27). Bild 3.27: Motion Streaks. Das Auto fährt rasant nach rechts. Eigentlich wäre auch die umgekehrte Richtung denkbar, aber dem widerspricht unser Vorwissen. Quelle: https: / / p xhere.com/ en/ photo/ 873623 3.5 Bewegungen 139 Es ist verblüffend, dass schlichte Linien oder Streifen unwillkürlich einen Bewegungseindruck hervorrufen, dem sich eine betrachtende Person nicht entziehen kann. Die Psychologen sprechen hier von impliziter Bewegung, denn sie ist nicht direkt zu sehen, sondern wird durch die neuronale Verarbeitung erschlossen. Was dabei in unserem Gehirn passiert, haben mehrer Forschende geklärt (Edwards & Crane, 2007; Apthorp et al., 2012). Das neuronale Modul für Bewegung benötigt Bewegungslinien, um die Richtung einer Bewegung zu bestimmen. Werden sie ihm in einer visuellen Vorlage angeboten, so kann sie das Gehirn als Information nutzen, wobei auch noch Vorwissen über Bewegungen ins Spiel kommt. Bewegungsunschärfe (= Motion Blur) Wenn sich beim Fotografieren Objekte schnell bewegen, so werden sie unscharf abgebildet. Was in den Anfängen der Fotografie ein unerwünschter Effekt war, das kann dazu genutzt werden, um Bewegungen sichtbar zu machen, z.B in der Sportwissenschaft. Die meisten Programme zur Bild‐ bearbeitung bieten Unschärfeeffekte an, um künstlich den Eindruck von Bewegung zu erzeugen. Phasenbilder Verschiedene Phasen einer Bewegung können einander überlappend in einem Abbild gezeigt werden. Um die Bewegungsrichtung anzudeuten, sind frühe Stadien blasser oder dünner dargestellt als spätere Phasen der Handlung. Die ersten Phasendarstellungen stammen von Eadweard Muy‐ bridge (1830-1904), der dazu 1877 noch 30 Kameras aufstellte (und dessen Fotos Marcel Duchamps zu seinem berühmten Gemälde: Nude descending a staircase, 1912, anregte). Phasenbilder entstehen heute durch die Chrono- oder Stroboskop-Fotografie. Dabei wird ein Bewegungsablauf durch Mehr‐ fachbelichtung und eine in kurzen Intervallen aufleuchtende Blitzlampe in ein Abbild gebannt. Je nach Anzahl der Blitze während der Aufnahmen wird die Bewegung in mehr oder weniger Phasen zerlegt. Dies ist z. B. in der Sportwissenschaft wichtig, um komplexe Bewegungsabläufe zu analysieren (Bild 3.28). Eine andere Anwendung ist die Verformungsanalyse in der Technik. Noch eine Möglichkeit zur Erfassung von Bewegungen bietet die Time-Lapse-Fotografie, bei der durch lange Belichtung Lichtschweife auf Fotos eine Bewegung visuell einfrieren. 140 3 Visuelle Konventionen Bild 3.28: Stroboskop-Foto. Ein Hürdensprung ist in in elf Phasen aufgesplittet, um den Bewegungsablauf sichtbar zu machen. Quelle: Jörg Jäckl mit freundlicher Genehmigung. Bildserie, Bildsequenz Sie besteht aus einer Abfolge von mehreren Bildern, bei der Fotografie spricht man von Serienfotografie. Im Prinzip ist ein Film eine Bildserie, die ab 16 Bilder pro Sekunde bei der Wahrnehmung zu einer fließenden Bewegung verschmilzt. Abbilden von Bewegungen Die Richtung muss stimmen. Wenn Bewegung didaktisch wichtig ist und kommuniziert werden muss, dann gibt es einige bewährte Möglichkeiten wie dynamisierte Pfeile, Bewegungslinien, Phasenbilder oder Bewegungsunschärfe. Für alle Varianten gilt: Die Richtung der Bewegung muss eindeutig sein. Die Leserichtung berücksichtigen. Bei Bildserien unbedingt wie im Comic die Einzelbilder von links nach rechts bzw. von oben nach unten anordnen. Wer schon einmal ein japanisches Manga „gelesen“ hat, der 3.5 Bewegungen 141 weiß, wie sehr uns die Leserichtung in Fleisch und Blut übergegangen ist. Überbrückbare Zwischenräume. Bei einer Bildsequenz dürfen die Zwischenräume bzw. Momentaufnahmen nicht zu weit auseinander liegen, damit die Bewegung „sichtbar“ wird, d. h. von den Betrachtenden rekonstruiert werden kann. Das verlangt unter Umständen viele Bilder. Das Problem tritt auch bei der Abbildung von Handlungen auf, die wir im nächsten Abschnitt behandeln. 3.6 Handlungen Es bewegen sich nicht nur Objekte wie Wellen, Zahnräder, Kolben usw., sondern auch Handlungen werden mit Hand-, Fuß- und anderen Körperbe‐ wegungen vollzogen. Die Abbildung von Handlungen ist ein so wichtiges Thema in anleitenden Texten, dass ihm ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Es geht dabei um das Bedienen, Warten oder Reparieren eines Geräts, aber auch um die Darstellung des Ablaufs von chemischen oder physikalischen Versuchen. Zeichen für Einzelhandlungen Ziehen, Drehen, Anheben, Schütteln, Drücken, Einstecken, Biegen, Falten usw., das sind einfache Bewegungen, aus denen sich komplexe Handlungen zusammensetzen. Für einige dieser elementaren und immer wiederkehren‐ den Handlungen hat man visuelle Zeichen erfunden (Bild 3.29). Es sind bildliche Äquivalente für Verben (drehen) oder deren Nominalisierungen (Drehung), die Handlungen sozusagen abstrakt und kontextfrei repräsen‐ tieren. Diese Zeichen sind aber nicht normiert, es gibt noch kein visuelles Lexikon der Abbildung einfacher Handlungen. 142 3 Visuelle Konventionen Bild 3.29: Piktogramme für einfache Handlungen nach DIN 30 600. Die Piktogramme haben teilweise noch deutliche ikonische Anteile, z.-B. bei „Einlegen“, „Messen“ oder „Verkleinern“. Teilweise sind sie aber symbolisch, z. B. bei „Einschalten“ und „Ausschalten“. Quelle: Günther Reichert, 1991, S.-167. Handlungsabläufe Handlungen verlaufen kontinuierlich und ein Abbild kann nur eine Mo‐ mentaufnahme oder eine Bildfolge mehrere Momentaufnahmen einer Handlung zeigen. Der oder die Betrachtende muss dadurch in die Lage versetzt werden, die Handlung erst mental und dann real nachzuvollziehen. Machen wir uns die Probleme der Abbildung von Handlungen an einer schlichten Bedienungsanleitung für ein Küchengerät klar (Bild 3.30): 3.6 Handlungen 143 Bild 3.30: Text-Bild-Kombination aus einer Anleitung zur Herstellung von Mixgetränken. Quelle: Betriebsanleitung für den Milk-Shaker von Moulinex Im Text sind die Handlungen der Inbetriebnahme (2.) und des Entfernen des Milk-Shakers (3.) in einer Textspalte rechts beschrieben, links in der Bildspalte sind zwei Handlungen auch abgebildet, dazu dienen eine Hand und zwei Typen von Pfeilen. Hierarchische Handlungsstruktur An der Verwendung des Milk-Shakers kann man zeigen, dass alle Hand‐ lungen hierarchisch organisiert sind: Ein übergeordnetes Ziel wird durch eine Abfolge von Zwischenzielen angestrebt, die wiederum in Unterziele aufgeteilt werden können. Man unterscheidet komplexe Tätigkeiten (z. B. eine Geburtstagsparty vorbereiten), die durch einzelne Handlungen ausge‐ 144 3 Visuelle Konventionen führt werden (z. B. das Zubereiten von Mixgetränken), die sich wiederum aus einfachen Operationen (z. B. Handbewegungen) bestehen. Eine kom‐ plexe Handlung kann als hierarchisierte Liste dargestellt werden. Aus der Text-Bild-Kombination im Bild 3.30 lässt sich folgende hierarchische Handlungsstruktur rekonstruieren. 1 2 3 4 Zubereiten eines Mixgetränkes Vorbereiten des Geräts Abnehmen des Motorblocks Abnehmen des Deckels Aufschieben des Milk-Shaker-Einsatzes (Abbildung 1) (Einfüllen) (Mixen) Entfernen des Milk-Shaker-Einsatzes Abnehmen des Motorblocks Herausnehmen des Milk-Shaker-Einsatzes (Abbildung 2) Greifen mit Zeigeu. Mittelfinger Auflegen des Daumens Herausziehen nach oben Reinigen unter fließendem Wasser Warnung: nicht in die Spülmaschine Bild 3.31: Hierarchie von Tätigkeiten, Handlungen und Operationen. Es werden vier Hierarchieebenen unterschieden, grundsätzlich lässt sich die Handlung weiter aufglie‐ dern, z.-B. das Auflegen des Daumens bis in die Bewegungen der Muskeln hinein. Quelle: Ballstaedt 1999. Es fällt auf, dass die Beschreibung wichtige Teilhandlungen völlig auslässt: Das Einfüllen und das eigentliche Mixen werden gar nicht erwähnt, also offensichtlich als selbstverständlich vorausgesetzt. Dagegen wird das Ein‐ setzen und Entfernen des Milk-Shake-Einsatzes genau beschrieben und in den beiden Abbildungen gezeigt. Das Herausnehmen wird sogar bis zu den Fingerbewegungen abgebildet. Offensichtlich geht man davon aus, dass es sich hier um einen schwierigen Bedienungsschritt handelt. Eine abgebildete Hand zeigt die Griffposition, schlanke rote Pfeile visualisieren die Bewegungsrichtung, ein fetter Hinweispfeil die Position des Daumens. Die sprachliche Beschreibung einer Handlung kann global, d. h. hierar‐ chiehoch, oder detailliert, d. h. hierarchieniedrig, erfolgen. Es gilt hier die 3.6 Handlungen 145 Faustregel: Geläufige Kulturtechniken können global, ungeläufige müssen detailliert beschrieben oder angeleitet werden werden. Die Abbildung einer Handlung ist nur hierachieniedrig möglich, da sie nur einen Moment einer Handlung zeigen kann. Die Abbildung einer Hand zeigt den Handgriff, also die Stellung der Finger und Fingerglieder. Zum Handgriff kommt noch die Bewegung, diese wird oft mit Pfeilen symbolisiert: Soll man Ziehen oder Drücken? Und schließlich kann man noch versuchen, durch die Pfeildicke den Kraftaufwand zur Durchführung der Handlung zu visualisieren (Fiebrich, 2016). Repräsentative Abbildung Ein Abbild stellt eine Momentaufnahme aus einem Handlungsablauf dar. Zur Abbildung einer Handlung findet man bereits bei Lessing im „Laokoon-Es‐ say“ eine oft zitierte Stelle: „Die Malerei kann in ihren coexistierenden Kompositionen nur einen einzigen Augenblick der Handlung nutzen und muss daher den prägnantesten wählen, aus welchem das Vorhergehende und Folgende am begreiflichsten wird“ (nach Gombrich, 1984, S. 42). Das bedeutet: Um verständlich zu sein, muss eine Handlung abgebildet werden, aus welcher der vorausgegangene und der zukünftige Ablauf für den Betrachtenden erschließbar ist. Untersuchungen zeigen, dass dargebotene Handlungs- oder Ereignisausschnitte bei den Betrachtenden zu einer men‐ talen dynamischen Modellierung anregen: Die eingefrorene Bewegung wird geistig weiterführt. Eine Abbildung ist dann repräsentativ, wenn man die Weiterführung vor dem „inneren Auge sieht“, sie in der Vorstellung nachvollziehen kann. Für hierarchieniedere Operationen muss ein typischer „Schnappschuss“ gemacht werden, wie es in den beiden Strichzeichnungen im Bild 3.30 auch gelungen ist. Handlungssequenz Tätigkeiten haben eine hierarchische Struktur, aber sie werden als Abfolge von Handlungen und Operationen durchgeführt. In einer Beschreibung entspricht dem eine Abfolge von Sätzen, in einer Abbildung eine meist nummerierte Bildfolge. Die Handlung wird dadurch sozusagen „in Scheiben geschnitten“ (Gombrich, 1989). Vorausgesetzt die Abbilder sind repräsenta‐ tiv, dann kann der oder die Betrachtende die Lücken zwischen den Bildern mental füllen. Die geistige Leistung beim Lesen von Comics liegt in der Ergänzung der Bildzwischenräume. 146 3 Visuelle Konventionen Handlungen setzen an Gegenständen an oder beziehen sie mit ein. Jede Handlung verändert den Zustand von Gegenständen, so dass man die Handlungskette als einen Wechsel von Zuständen und Aktionen darstellen kann: In Anleitungen werden die Zustände meist in Abbildungen gezeigt, die Aktionen werden bevorzugt beschrieben, weil die Sprache mit den Verben ein differenziertes Zeichenrepertoire für Handlungen bereitstellt. Eine Sequenz von Zuständen und Aktionen lässt sich verschieden ein‐ teilen: Jeder Zustand kann als Voraussetzung (Z1) oder als Ergebnis (Z2) einer Aktion (A) dargestellt werden. Lässt man Versuchspersonen selbst Handlungsanleitungen zeichnen, dann bevorzugen sie eine Z1-A-Sequenz, manchmal mit Z2, manchmal auch ohne. Dieses Ergebnis überrascht nicht, denn diese Darstellung hat zwei Vorteile: 1. Die Darstellung von Z1 dient der Identifikation der Komponenten und Ansatzpunkte der Aktion. 2. Die Darstellung von Z2 dient der Kontrolle des Handlungserfolgs. Was hat sich verändert? Die Z1-A-Z2-Sequenz kann als Basiseinheit einer Anleitung aufgefasst werden (picture before, during and after action). Das Bild 3.32 zeigt eine derartige Sequenz: Zuerst den Ausgangszustand (Z1), dann einen Bewe‐ gungspfeil für die Handlung (A), schließlich den Endzustand (Z2). Bild 3.32: Handlungssequenz. Eine Z1-A-Z2-Sequenz zur Bedienung eines Schalters. Quelle: Szlichcinski, 1980, S.-121. Handlungen verneinen Schließlich müssen wir noch auf ein Problem zu sprechen kommen, das eine Grenze der visuellen Kommunikation markiert: In Abbildern kann man darstellen, was zu tun ist, aber nicht, was zu unterlassen ist. Es gibt keine eindeutige bildliche Verneinung, diese kann nur durch symbolische Zusätze vermittelt werden, indem man eine Handlung abbildet und dann 3.6 Handlungen 147 durchstreicht bzw. durchkreuzt. Früher wurden oft Vergleichsbilder verwen‐ det - richtig: falsch -, auf die wir noch zu sprechen kommen. Das kommunikative Problem taucht z. B. auf, wenn man bildlich vor einer Handlung warnen oder sie untersagen möchte. Warnungen werden deshalb meist sprachlich mit eindeutiger Kennzeichnung des Sprechaktes dargestellt. Auch im Bild 3.30 werden zwei sprachliche Warnungen aus‐ drücklich mit ACHTUNG bzw. WICHTIG eingeleitet, die bildlich nicht kommuniziert werden. Abbilden von Handlungen Die folgenden Regeln lassen sich einfach formulieren, sind aber im konkreten Fall schwer umzusetzen. Den richtigen Moment abbilden. In einem Abbild muss ein Schnapp‐ schuss gewählt werden, aus dem die Gesamthandlung, also das Vorher und das Nachher erschließbar sind. Das hängt aber stark vom Vorwissen der Betrachtenden ab! Nachvollziehbare Sequenz. Eine Bildfolge muss nachvollziehbar sein, d. h. darf keine Sprünge enthalten, die der Betrachtende nicht mental überbrücken kann. Am einfachsten ist eine Sequenz aus Ausgangssitua‐ tion, Handlung und Endsituation. Da Experten zur Verdichtung und Verkürzung neigen, sollte man das Verstehen einer Bildsequenz mit einigen Personen testen. Nur eine Handlung in ein Abbild. Manchmal ist die Versuchung groß, gleich mehrere Handlungen in eine Abbildung zu packen, um Bilder zu sparen. Auch mit Durchnummerieren der Handlungen wird das aber meist unübersichtlich und überfordert die Betrachtenden. Handlungen verneinen. Eine Handlung zu untersagen oder vor ihr zu warnen, ist nur über symbolische Zeichen möglich, klassisch mit einer Durchstreichung oder Durchkreuzung, möglichst noch mit roter Farbe. Oft ist ein visueller Vergleich nützlich, der die falsche Handlung der richtigen Handlung gegenüberstellt. 148 3 Visuelle Konventionen 3.7 Vergleiche Visuelle Vergleiche werden angeregt, wenn mindestens zwei Bilder - Ab‐ bilder, Charts, Diagramme, Karten - nebeneinandergestellt werden, um Unterschiede oder Gemeinsamkeiten sichtbar zu machen. Vergleichsbilder können Veränderungen über die Zeit (vorher : nachher; alt : neu), Unter‐ schiede im Aufbau (Version1 : Version 2) oder verschiedene Handlungen (richtig : falsch) gegenüberstellen. Dabei können bildlich Objekte mitein‐ ander konfrontiert werden, die man in Wirklichkeit nie an einen Ort zusammenbekommt. Der Vergleich offenbart schnell Informationen, die sprachlich nur sehr umständlich und wenig anschaulich zu formulieren sind (Geier, Wolf & Bader, 2010). In Unterhaltungszeitschriften werden Bildvergleiche gern als Suchrätsel oder als Denksport - neuerdings zur Alzheimerprophylaxe - angeboten: Zwei Bilder mit der Instruktion: „Die beiden Bilder unterscheiden sich in zehn Merkmalen. Finde sie in zwei Minuten heraus! “ Beim Vergleichen muss der oder die Betrachtende mit dem Blick zwischen beiden Bildern hin- und herschweifen, um Unterschiede in Anordnung, Form oder Farbe zu entdecken. Das vergleichende Sehen dient etlichen wissenschaftlichen Disziplinen zur Analyse und Argumentation. Der visuelle Vergleich ist ein wichtiges Erkenntnismittel, um Veränderungen festzustellen. Dabei setzt ein gezielter Vergleich voraus, dass beiden Bildern mindestens eine Eigenschaft - ein tertium comparationis - gemeinsam ist. So macht es wenig Sinn, ein Gemälde von einem Baum und ein Gemälde von einem Hirsch zu vergleichen, es sei denn, man möchte stilistische Eigenschaften ermitteln. So spielt der visuelle Vergleich in der Kunstwissenschaft eine wichtige Rolle, um Stile zu analysieren. In der Medizin werden Röntgenbilder oder tomografische Aufnahmen verglichen, um Krankheits- oder Heilungsprozesse sichtbar zu machen. In der Astronomie werden Aufnahmen zu verschiedenen Zeit‐ punkten miteinander verglichen. Vergleichsbilder dienen hier als visuelle Argumente für Behauptungen bzw. Hypothesen (Bild 3.33). 3.7 Vergleiche 149 Bild 3.33: Vergleichsbilder. Zwei Fotografien von der Marsoberfläche. Die helle Ablagerung in einer Rinne wird als Beleg für Wasser gezeigt. Quelle: NASA. Die Gegenüberstellung von Bildern ist didaktisch sehr nützlich. Obwohl sie derzeit ein wenig aus der Mode gekommen sind, stellt die visuelle Konfrontation ein sehr wirksames Mittel der visuellen Kommunikation dar, um Unterschiede zu lernen (Bild 3.34). So kann man z. B. in der Geschichtswissenschaft die Veränderungen von Grenzverläufen durch die Gegenüberstellung von Karten erkennen. In der Sportwissenschaft können richtige und falsche Körperhaltungen gezeigt werden. 150 3 Visuelle Konventionen Bild 3.34: Vergleichsbild aus der Botanik. Stellung des Fruchtknotens: I oberständig, II mittelständig, III unterständig. Quelle: Ulf Mehling, 2006, Wikimedia Commons. Verwenden von Vergleichsbildern Räumliche Nähe. Die Vergleichsbilder müssen so nah wie möglich beieinander stehen, damit die Blickbewegungen minimiert werden. Je weiter die Sakkaden, desto schwieriger wird der Vergleich. Typografische Hilfen. Durch Einfärbung oder Pfeile kann der visu‐ elle Vergleich mit den Blickbewegungen gesteuert werden. Das Auge bekommt dadurch Hinweise, wo es hinspringen soll, und zeitraubendes freies Suchen wird vermieden. Die visuelle Suche sprachlich anleiten. Wer etwas finden will, muss wissen, was er sucht. Der Experte wird aufgrund seines Vorwissens frei suchen. Wer aber durch Vergleiche unterscheiden lernen soll, für den sind sprachliche Hinweise sinnvoll, worauf er achten muss. Zusammenfassung Kapitel 3 In wissenschaftlichen Bildern sind Konventionen unentbehrlich, Charts und Diagramme sind vollständig konventionalisierte Bilder, aber auch bei Abbildern kommt man ohne sie nicht aus. Dieses Kapitel hat zahlreiche Kon‐ ventionen vorgestellt, welche die visuelle Kommunikation eindrucksvoll Zusammenfassung Kapitel 3 151 erweitern. Denn sie kompensieren Schwächen statischer Bilder, in denen räumliche Zusammenhänge und der Aufbau aus Komponenten nur in zwei Dimensionen und Bewegungen gar nicht abgebildet werden können. Für einige visuelle Konventionen wurden Richtlinien zur Gestaltung formuliert, damit sie ihre kommunikative Funktion effektiv erfüllen. Das Umgehen mit diesen bildlichen Gestaltungsmitteln gehört zur visual literacy und muss in der wissenschaftlichen Sozialisation gelernt werden. 152 3 Visuelle Konventionen 4 Text und Bild verbinden Häufiger wird im Interesse der größeren Verständlichkeitdie Sprache für die wechselseitige Erhellung von Wort und Bild in Anspruch genommen. Ernst Gombrich, 1989, S. 126. 4.1 Funktionale Text-Bild-Kombinationen 4.2 Multikodale Verarbeitung 4.3 Evaluation von Text und Bild Zusammenfassung Kapitel 4 Bilder stehen meist in einem sprachlichen Kontext, eine Text-Bild-Kombi‐ nation ist die übliche Form der Vermittlung in den Wissenschaften. Dieses Kapitel befasst sich mit der inhaltlichen und der formalen Gestaltung von Text-Bild-Kombinationen (TBK). Text und Bild sind dabei zu einer gemeinsamen Botschaft verknüpft, die sprachlich und bildlich so gestaltet ist, dass eine integrative mentale Verarbeitung beider Informationsquellen angeregt wird. Je nach Startpunkt unterscheiden wir das Bild zum Text oder den Text zum Bild. Für die Auswertung spielt auch die Anordnung von Text und Bild auf einer Seite eine Rolle, da von ihr die Blickbewegungen abhängen. 4.1 Funktionale Text-Bild-Kombinationen (TBK) Wer - in welcher wissenschaftlichen Disziplin auch immer - mit Bildern arbeitet, der kann vor zwei Situationen stehen: Das Bild zum Text. Der Text ist geschrieben und man überlegt sich, ob ein Bild das Verstehen des Textes fördern kann. Wissenschaftler setzen Bilder mit bestimmten didaktischen Absichten ein. Dabei stellen sich Fragen wie: Welche Funktion soll das Bild in Bezug zum Text haben? Welchen Bildtyp braucht man dazu? Welche visuellen Konventionen können das Verständnis fördern? Der Text zum Bild. Es liegt ein Bild vor, ein Diagramm, ein Foto, ein Gemälde, das man sprachlich einbetten oder verankern möchte. Dabei stellen sich Fragen wie: Welche Funktion soll der Text in Bezug auf das Bild haben? Ist eine Bildbeschreibung oder Bildinterpretation erforderlich? Müssen ausdrückliche Sehanleitungen für das Bild formuliert werden? In einer TBK sind Text und Bild inhaltlich nie äquivalent. Mit einem Bild lässt sich nicht alles verständlich zeigen, was sich mit einem Text sagen lässt, beispielsweise bereiten abstrakte Begriffe und Zusammenhänge, Begründungen und Argumente Schwierigkeiten. Umgekehrt kann keine sprachliche Beschreibung die anschaulichen Merkmale eines Bildes wie Formen, Farben, Texturen und räumliche Zuordnungen vollständig erfassen. Die beiden Zeichensystem, auch Kodes genannt, ergänzen sich in ihren kognitiven und kommunikativen Funktionen. Man spricht deshalb von kodaler Komplementarität (Ballstaedt, 2009). In der Entwicklung der Medien haben sich Kombinationen herausgebil‐ det, bei denen Bilder und Texte zu einer funktionalen kommunikativen Einheit verknüpft sind (vgl. auch Stöckl, 2004, der von Gebrauchsmustern spricht). Im Bild 4.1 sind einige typische Text-Bild-Kombinationen in Fach‐ texten aufgelistet. 154 4 Text und Bild verbinden Gesamtfunktion der TBK Teilfunktion Text Teilfunktion Bild Benennen Einführen von Bezeichnun‐ gen. bzw. einer Terminologie Übersichtsbild: Zeigen von Komponenten mit Bezugsli‐ nien und-zeichne Veranschaulichen Beschreiben des Aussehens von Objekten, Szenen, Perso‐ nen Abbild, ev. Detailbild: Zeigen der Objekte, Szenen, Personen Begründen Aufstellen einer Hypothese, Behauptung, Feststellung Diagramm, Beweisfoto: Bild als visuelles Argument Erklären Sprachliche Darstellung von Ursachen und Wirkungen Chart, Infografik: Visualisie‐ ren von kausalen Zusammenhängen Anleiten Handlungsanleitende Formu‐ lierungen, z.-B. Imperativ Abbild, Explosionsbild: Zeigen von Angriffsstellen von Hand‐ griffen Warnen Formulierung von Geboten und Verboten Piktogramm: Art und Folgen der Gefahr Emotionalisieren Formulierung einer Bewer‐ tung Foto: starkes, emotionsauslö‐ sendes Bild Bild 4.1: Tabelle mit typischen Text-Bild-Kombinationen. Sie haben eine übergeordnete kommunikative Funktion, der Texte und Bild untergeordnet sind. Quelle: Ballstaedt Benennen, Bezeichnen In einer Text-Bild-Kombination mit der Funktion des Bezeichnens werden an einem Übersichtsbild Komponenten gezeigt und im Text oder einer Liste die Bezeichnungen dazu eingeführt. Damit wird einerseits eine visuelle Lo‐ kalisierung gegeben, andererseits eine einheitliche Terminologie aufgebaut. 4.1 Funktionale Text-Bild-Kombinationen (TBK) 155 Bild 4.2: Bezeichnende Text-Bild-Kombination. Die Organellen der Zelle in einem Schema‐ bild. Die Bezugsziffern sind vorbildlich im Uhrzeigersinn angeordnet. Quelle: Messer & Szczepan, 1990, Wikimedia Commons. Veranschaulichen Seit der Renaissance werden wissenschaftliche Beobachtungen in Wort und Bild dokumentiert, z. B. in detailgetreuen Zeichnungen von Leonardo da Vinci oder Galileo Galilei. Hier konserviert das Bild eine Beobachtung und der Text bietet eine Beschreibung des Aussehens, d. h. der visuellen Merkmale eines Gegenstands, einer Szene oder einer Person. Das ist der klassische Fall kodaler Komplementarität, denn die Sprache kann nie so anschaulich kommunizieren wie ein Abbild. Das wird deutlich, wenn ein unbekannter oder komplexer Gegenstand dargestellt werden soll (Bild 4.3). Bilder in dieser Kombination wurden früher auch als Illustrationen (lat. ursprünglich = erleuchten, ans Licht bringen) bezeichnet, da sie den 156 4 Text und Bild verbinden abstrakten Text mit Anschaulichkeit anreichern. Bilder sind hier auch eine empirische Basis für Vergleiche. Bild 4.3: Veranschaulichende Text-Bild-Kombination. Geschlechtsdimorphismus beim Teu‐ felsangler. Die Strichzeichnung ist informativ, weil nur wenige Menschen den Tiefseefisch zu Gesicht bekommen. Zudem ist ein visueller Vergleich möglich. Quelle: Tony Ayling, 1982, Wikimedia Commons. Veranschaulichende Bilder sind manchmal die einzige Möglichkeit, einen konkreten Begriff verständlich zu definieren. Wenn ein Bild im Kontext einer Definition eingesetzt wird, spricht man von ostentativer Definition (lat. ostendere = zeigen.). Was ist z.-B. eine Kreuzschlitz-Schraube? Bild 4.4: Veranschaulichende Text-Bild-Kombination: Ostentative Definition des Begriffs der Kreuzschlitzschraube. Rein sprachlich und ohne Abbild ist die Definition schwer verständlich. Quelle: Ballstaedt 4.1 Funktionale Text-Bild-Kombinationen (TBK) 157 Begründen In dieser TBK wird im Text eine Behauptung aufgestellt, die mit einem Beweisbild als Argument belegt wird. Im einfachsten Fall dient das Bild als Beweis für die Existenz eines Phänomens, z. B. dass es Kugelblitze gibt oder eine neue Froschart im Regenwald entdeckt wurde. In zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen kommen Bilder in der Funktion von Argu‐ menten vor (Harth & Steinbrenner, 2013). Ein klassisches Beispiel ist der Stammbaum der Arten als visuelles Argument für die Evolutionstheorie. Einige moderne Beispiele: Computertomografische Aufnahmen von inne‐ ren Organen in der Medizin belegen eine medizinische Diagnose, z. B. das Vorhandensein eines Tumors. In der Geschichtswissenschaft dienen Gemälde, Stiche und Fotos als Belege für historische Hypothesen (Imhof, 1991). Radioastronomische Bilder in der Astronomie belegen die Existenz ferner Galaxien. Luftbildfotos in der Archäologie zeigen die Grundrisse einer keltischen Siedlung. In diesen Fällen dienen Bilder der Rechtfertigung von Erkenntnissen. Allerdings ist die verbreitete Meinung, dass visuelle Argumente überzeugender wirken als verbale, empirisch nicht gesichert (Oestermeier, Reinhard-Hauck & Ballstaedt, 2001). Auch Diagramme haben häufig die Funktion, Behauptungen mit Daten zu belegen (Bild 4.5). 158 4 Text und Bild verbinden Bild 4.5: Begründende Text-Bild-Kombination. Das Liniendiagramm belegt die behauptete Einkommensschere. Quelle: modifiziert nach http: / / www.jjahnke.de Erklären Eine Erklärung geht von einer Beobachtung (bzw. deren Beschreibung) aus und führt sie auf ihre Ursachen zurück. Sie ist eine Antwort auf eine Warum-Frage, die über das sinnlich Wahrnehmbare hinausgeht, weil sie dazu allgemeine Gesetze, Prinzipien oder Regeln braucht. Wie funktioniert z. B. ein Touchscreen oder wie kommt ein Gewitter zustande? Streng genommen kann man nur in der Sprache etwas erklären, denn in Abbildern lassen sich Objekte nur nebeneinander stellen, aber es gibt keine visuellen Äquivalente für die kausalen Konjunktionen wie „weil“, „aufgrund“, „des‐ halb“. Aber der Text kann durch ein Chart oder eine Infografik ergänzt werden, in dem die kausalen Zusammenhänge durch Kästen und Pfeile visualisiert sind (Bild 4.6). 4.1 Funktionale Text-Bild-Kombinationen (TBK) 159 Bild 4.6: Erklärende Text-Bild-Kombination. Die Funktionsweise eines Kraftwerks wird erklärt, wobei in dieser Infografik der Textanteil gering ist. Quelle: Angelika Jansen mit freundlicher Genehmigung. Beschriftete Charts sind ebenfalls Text-Bild-Kombinationen, sie werden häufig zum Erklären komplexer Zusammenhänge eingesetzt (Bild 4.7). 160 4 Text und Bild verbinden Bild 4.7: Erklärendes Chart. Diese Visualisierung erklärt die beiden Möglichkeiten, wie Hagel entstehen kann. Quelle: https: / / www.dwd.de/ DE/ wetter/ thema_des_tages/ 2020/ 8/ 2 8.html Michael Kunz, 2014, mit freundlicher Genehmigung. Anleiten Diesen Text-Bild-Kombinations-Typ findet man vor allem in Bedienungsan‐ leitungen, aber auch in Anleitungen zum Durchführen von Experimenten oder in Kochbüchern. Sprachlich wird eine Handlungsanleitung formuliert, als Befehl (Schrauben Sie die Rückseite ab! ) oder als imperativischer Infinitiv (Rückseite abschrauben! ), in einem Abbild wird gezeigt, wo die Schrauben sitzen und mit welchem Werkzeug (Kreuzschraubendreher) sie in welcher Richtung (Pfeil) aufgedreht werden müssen. Das Problem der Abbildung von Handlungen haben wir bereits behandelt, das Bild 3.30 zeigt ein Beispiel für eine anleitende Text-Bild-Kombination. Warnen Ein Spezialfall des Anleitens ist das Warnen: Eine Handlung muss ausgeführt oder unterlassen werden. Besonders in der technischen Kommunikation gibt es Text-Bild-Kombinationen, in denen im Text eine Handlung untersagt wird und das Bild die Folgen der Nichtbeachtung zeigt. Die Kombination einer sprachlichen Warnung mit einem drastischen und damit emotiona‐ 4.1 Funktionale Text-Bild-Kombinationen (TBK) 161 lisierenden Piktogramm hat sich als besonders wirksam erwiesen. Nach diesem Prinzip sind die Sicherheitszeichen des American National Standards Institute (ANSI) entwickelt worden (Bild 4.8). Bild 4.8: Warnende Text-Bild-Kombination. Das American National Standards Institut (ANSI) verlangt für Sicherheitshinweise eine Kombination eines eindrücklichen Piktogramms mit einem prägnanten Verbot oder Gebot. Zwei Beispiele; Warnung vor Einatmen eines Gases, Warnung vor Quetschgefahr. Quelle: ANSI. Emotionalisieren Diese Funktion kann als Sonderfall des Veranschaulichens angesehen wer‐ den, der in wissenschaftlichen Texten eher selten ist. Da Bilder besonders intensiv Gefühle auslösen, kann ein starkes Bild die Aussage eines Textes verstärken. Man denke an Fotos über Tierversuche (Bild 4.9), über die Folgen von radioaktiver Verstrahlung, über die Zustände in einem Slum. Eindrückliche Bilder laden Texte emotional auf, eine Funktion, die wir aus dem Journalismus und der Werbung kennen. 162 4 Text und Bild verbinden Bild 4.9: Emotionalisierende Text-Bild-Kombination. Das Foto und die Textinformationen wird Tierschützer und Gegner von Tierversuchen aufregen. Quelle: People fort he Ethical Treatment of Animals (PETA), 2007, Wikimedia Commons. Es sind noch andere Text-Bild-Kombinationen denkbar, bei denen erst Text und Bild zusammen eine kommunikative Funktion erfüllen. Aber die in den Wissenschaften wichtigsten haben wir vorgestellt. Es gibt noch eine TBK, die vor allem bei der Popularisierung von Wissenschaften eine Rolle spielt: die Infografik. All in one: Infografiken Diese spezielle Kombination aus sprachlichen und bildlichen Informationen fällt etwas aus dem Rahmen, da sie benennende, erklärende, begründende, anleitende Komponenten enthalten kann, wobei der Fokus aber auf der Erklärung liegt, deshalb wird sie auch als Funktionsgrafik oder Erklärgra‐ fik bezeichnet. Ursprünglich stammt sie aus dem Journalismus und stellt komplexe Zusammenhänge durch eine Kombination von Textteilen und Bildern dar, wobei Listen, Tabellen, Charts, Diagramme, Abbilder verwendet werden. Ein Diagramm vor einem thematischen Hintergrundbild oder ein Chart, das mit Piktogrammen angereichert ist, ist noch keine Infografik, aber die Übergänge sind fließend. Die Infografik ist ein Kind des Computers, denn nur mit einem entsprechenden Programm ist eine derartige Text-Bild-Kom‐ bination schnell erstellbar (Heber, 2016; Peschke, 2019). Die Infografik soll durch die Bilder motivieren und das Lesen kompli‐ zierter Texte ersetzen, das Verstehen verbindet Betrachten und Lesen. Die 4.1 Funktionale Text-Bild-Kombinationen (TBK) 163 Wochenzeitung DIE ZEIT veröffentlicht seit Jahren im Ressort Wissen jede Woche ein komplexes Thema als ganzseitige Infografik aufbereitet (www.zeit.de/ grafik und Drösser, 2011). 1999 erschienen gleich drei Bücher zu dieser neuen Darstellungsform, alle drei mehr oder weniger euphorisch ( Jansen & Scharfe; Liebig, 1999; Sprissler, 1999). Danach wurde es stiller um die Infografik, trotzdem blieben die Lob‐ preisungen über die neue Qualität der Information: „Neben der schnelleren Informationserfassung und -verarbeitung und der längeren Speicherung im Gedächtnis wirken Infografiken motivierend auf den Leser“ (Bouchon, 2007, S. 40). Diese Behauptungen über die „Informationsbomben“ haben nur wenige Untersuchungen angeregt, die aber eher daran zweifeln lassen, ob diese komplexe Darstellungsform erfüllt, was sich die Infografiker/ innen davon versprechen (Weidenmann, Paechter & Hartmannsgruber, 1998). Wer eine Infografik vor sich hat, der weiß oft nicht, wo mit der Auswertung beginnen und welche Abfolge er in dem sprachlichen und visuellen Angebot wählen soll. Diese Schwierigkeiten muss der Designer grafisch in den Griff bekommen, damit die Infografik keine mentale Überforderung bedeutet und zu fragmentarischem Wissen führt (Bild 4.10). Bild 4.10: Typische Infografik. Hier sind Textteile mit piktografischen Bildchen verbunden. Eine Leserichtung von oben nach unten ist durch Pfeile vorgegeben. Quelle: foodwatch 164 4 Text und Bild verbinden 4.2 Multikodale Verarbeitung Eine TBK bietet den Augen eine Sehfläche mit zahlreichen ikonischen und symbolischen Zeichen, die ebenfalls auf den beim Bild beschriebenen drei Ebenen verarbeitet wird: globaler Ersteindruck, Blickbewegungen, begriff‐ liche Verarbeitung (Ballstaedt, 2006a). Auch hier ist Hintergrundwissen zur kognitiven Verarbeitung für eine effektive Gestaltung von Text-Bild-Kom‐ binationen nützlich. Globaler Ersteindruck Bevor aus Text oder Bild auf einer Seite begriffliche Informationen entnom‐ men werden, offenbart der erste Blick eine visuelle Organisation durch das Nebeneinander von Text- und Bildarealen. Diesen ersten Eindruck bewirken die Gestaltprinzipien und andere visuelle Konstruktionsregeln. Es ist vor dem Verstehen ein Gewahrwerden, das über Layout und Typografie und Bildgestaltung (z. B. Farbe) bereits ästhetische Empfindungen wie Ausgewogenheit, Symmetrie, Ordnung, Übersichtlichkeit, Gefälligkeit und deren Gegenteile vermittelt. Beim flüchtigen Durchblättern eines Buches mit bebilderten Seiten verbleiben wir auf dieser Ebene der Verarbeitung: Wir verschaffen uns einen ersten Eindruck. Blickbewegungen Wir lesen und betrachten mit den Augen. Für die Auswertung von Sehflä‐ chen aus Text und Bild bedeutet das: Entweder lese ich einen Text oder ich betrachte ein Bild, beides gleichzeitig ist nicht möglich. Sehflächen erzwin‐ gen eine Aufteilung der Aufmerksamkeit auf beide Zeichensysteme (split attention). Dies ist eine Trivialität, aber mit erheblichen Folgen: Blickbewe‐ gungen zwischen Text und Bild erfordern einen Suchaufwand, der durch die Gestaltung möglichst geringgehalten werden sollte. Bereits ein großer Abstand von Text und zugehörigem Bild verringert die Wahrscheinlichkeit einer integrativen Verarbeitung, denn weite Sprünge sind für die Augen lästig und werden vermieden. Gibt es vorhersagbare Blickpfade? Eine Serie von Studien aus dem Poynter-Institut wertet Blickbewegungen bei Seiten einer Online-Zeitung aus, auf der Texte, Fotos, Logos und anderes Zeichenmaterial angeboten wird (Outing & Ruel, 2004). Ein Ergebnis: Der erste Blick fällt zwar meist auf ein Bild, aber dieses wird nicht detailliert ausgewertet, sondern sofort auf 4.2 Multikodale Verarbeitung 165 Überschriften und Kurztexte weiter gesprungen. Von den ersten drei Fixa‐ tionen landen 78 % auf einem Text! Erst beim zweiten Durchgang bekommen die Bilder eine Chance: Jetzt werden sie im Kontext des Gelesenen detailliert betrachtet. Auch in anderen Untersuchungen lässt sich eine erste Phase der Orientierung von einer zweiten Phase vertiefter Auswertung unterscheiden. In der ersten Phase verschafft man sich einen Überblick, in der zweiten Phase werden dann informationsdichte Areale öfter und länger angeschaut als informationsarme. Ausgehend von den notwendigen Blickbewegungen unterscheiden wir drei Verteilungen zwischen Text und Bild. Vertikalanordnung. Sie ist bei kleinen Seitenformaten, z. B. in Büchern oder Dissertationen in DIN A 5 der Normalfall. Hier ist das Bild zum Text darüber oder darunter zu finden. Der Blick muss vertikal rauf und runter springen, um die beiden Informationsquellen zu verarbeiten. Für die Augen ist das anstrengend, da die Müskelchen für diese Bewegungen des Augapfels nur schwach ausgeprägt sind. Horizontalanordnung. Sie ist vor allem bei großen Seitenformaten zu finden, z. B. Abschlussarbeiten in DIN A 4. Hier ist das Bild zum Text rechts oder links zu finden. Der Blick muss horizontal hin und her springen, um beide Informationsquellen zu verarbeiten. Das fällt den Augen leichter, denn das Absuchen des Horizontes war in der Evolution eine überlebenswichtige Sehtätigkeit. Streuverteilung. In manchen Publikationen werden die Bilder je nach Platzbedarf beliebig auf der Sehfläche verteilt. Auch bei Infografiken findet man diese Anordnung oft, obwohl sie ein unruhiges Layout erzeugt und der oder die Betrachtende nicht immer weiß, wo sie oder er als nächstes hinschauen soll. Von dieser Verteilung ist daher eher abzuraten. Begriffliche Verarbeitung Eine Integration von Text und Bild ist nur auf der begrifflichen Ebene möglich: Sowohl Wörter als auch fixierte Bildkomponenten aktivieren Begriffe, wobei Bilder mehrdeutiger sind als Wörter (Bild 1.14). Es lassen sich drei verschiedene inhaltliche Bezüge zwischen Text und Bild unterscheiden, die unterschiedliche Konsequenzen für die Verarbeitung haben (Ballstaedt, 2009). Im Bild 4.11 haben wir ein schlichtes Beispiel konstruiert, bei dem ein Bild mit drei verschiedenen Sätzen kombiniert wird. 166 4 Text und Bild verbinden Kongruenter Bezug. Der Text benennt und beschreibt Komponenten des Bildes. Das Bild veranschaulicht Begriffe und Beschreibungen im Text. Bei Kongruenz aktivieren Text und Bild dieselben Begriffe. In unserem Beispiel zeigt das Bild 4.11 (1) eine Gruppe von Pfifferlingen und der Text besagt, dass Pfifferlinge in Gruppen auftreten. Zum Verständnis ist mindestens ein Augensprung notwendig (Switching). An diesem Beispiel kann man auch die kodale Komplementarität beobachten: Trotz inhaltlicher Kongruenz bietet das Bild weitere Informationen, z.-B. über Form und Farbe des Pilzes. Komplementärer Bezug. Hier aktivieren der Text und das Bild unter‐ schiedliche Begriffe, im Bild 4.11 (2) z. B. PILZE, der Text HERBST und WALD. Diese Begriffe können jedoch durch Vorwissen miteinander ver‐ knüpft werden. Wir verstehen: Im Herbst wachsen im Wald essbare Pilze, z. B. Pfifferlinge. Inhaltliche Komplementarität erfordert, für ein Gesamt‐ verstehen, beide Zeichensysteme bzw. Kodes zu verarbeiten, das macht diese Text-Bild-Beziehung didaktisch besonders interessant. Elaborativer Bezug. Bei Bild 4.11 (3) sind Text und Bild nicht direkt, sondern nur über Schlussfolgerungen der Adressaten aufeinander bezogen. Text und Bild aktivieren zunächst verschiedene Begriffe, die aber über Vorwissen integriert werden können, dabei sind aber erhebliche Gedanken‐ brücken notwendig: Im Atomkraftwerk Tschernobyl kam es zu einem Gau, dessen radioaktive Verstrahlung noch heute in Wildpilzen nachweisbar ist. Ist dieses Vorwissen nicht vorhanden, fallen beide Zeichensysteme auseinander, bei audiovisuellen Medien spricht man treffend von einer Text-Bild-Schere. „Elaborare“ bedeutet Lateinisch „ausarbeiten, sich anstren‐ gen“, deshalb passt der Terminus gut auf diesen Bezug, denn er kann erheblichen Verarbeitungsaufwand zum Verstehen erfordern. 4.2 Multikodale Verarbeitung 167 Bild 4.11: Drei verschiedene Text-Bild-Beziehungen. Sie erfordern unterschiedliche Verar‐ beitungsprozesse. Quelle des Bildes: Albin Schmalfuß, 1897, Wikimedia Commons. In einer komplexen Text-Bild-Kombination können alle drei inhaltlichen Bezüge vorkommen. Von Kongruenz über Komplementarität zur Elabora‐ tion nimmt der Verarbeitungsaufwand zu. Kongruente und komplementäre Bezüge findet man oft in Fachtexten, während elaborative Bezüge vor allem auf künstlerische Text-Bild-Kompositionen beschränkt bleiben. Interaktive Verarbeitung In der Verarbeitung einer Text-Bild-Kombination gibt es wechselseitige Einflüsse (= Interaktion): Es macht beim Verstehen durchaus einen Unter‐ schied, ob wir zuerst das Bild anschauen und dann den Text lesen oder umgekehrt. Je nach Startpunkt auf der Sehfläche und der Abfolge von Lesen und Betrachten beeinflusst das Bild die Textverarbeitung oder der Text die Bildverarbeitung. Bild beeinflusst Textverarbeitung. Werfen wir erst einen Blick darauf, wie Bilder die Textverarbeitung beeinflussen. Diese Fragestellung war und ist im Rahmen der Lehrwerkforschung interessant, bei der die Funktionen der Bebilderung in Schul- und Lehrbüchern auf dem Prüfstand stehen. Meist wird dabei in einem Experiment verglichen, wie Lernende denselben Text ohne und mit Bebilderung behalten und verstehen (Weidenmann, 1988a; Peeck, 1994; Schnotz, 1994). Fasst man die Untersuchungen zusammen, so 168 4 Text und Bild verbinden stimmen sie darin überein, dass Bilder einen Effekt auf das Textverstehen haben, vorausgesetzt sie werden funktional in einer Text-Bild-Kombination eingesetzt und dienen nicht nur der Illustration. Die Größe des Effekts wird allerdings sehr unterschiedlich angesetzt, von einer Verbesserung des Textverstehens um 20 % bis zu 75 %. Aber auch 20 % stellen in der Lernpsychologie einen beachtlichen Gewinn dar. Aus Gründen, die wir hier nicht behandeln können, ist das Langzeitgedächt‐ nis für Bilder sowohl was Dauer als auch Kapazität betrifft erstaunlich leis‐ tungsfähig (Engelkamp, 1990). Ein Bild kann als Eselsbrücke zum Abruf von Textinformationen dienen. Diese memotechnische Funktion erfüllen auch bildliche Analogien. Ein Beispiel ist das Bild 2.21 mit dem Fishbone-Chart aus dem Qualitätsmanagement. Der eingezeichnete Fisch mit seiner Rücken‐ gräte hilft, sich über die Grundstruktur des Charts die Theorie einzuprägen und später abzurufen. Text beeinflusst Bildverarbeitung. Ein Bild kann also die Verarbeitung eines Textes messbar beeinflussen. Aber wie sieht es mit der umgekehrten Richtung aus? Wie ein Text die Auswertung eines Bildes beeinflusst, ist seltener untersucht worden. Dabei wird in Experimenten verglichen, wie ein Bild ohne und mit Text verarbeitet, d.-h. verstanden und behalten wird. Dazu müssen visuelle Tests durchgeführt werden, wie z. B. Bildergänzung, Nachzeichnung, Fehlererkennung usw. (Zimmer, 1983). Wir wollen drei Möglichkeiten ansprechen, mit denen die Auswertung des Bildes über die Sprache angeregt werden kann: Sehanleitungen, sprachliche Formulierun‐ gen, Leerstellen. Eine Untersuchung konnte belegen, dass ohne ausdrückliche Verweise auf die Bilder, diesen wenig Beachtung geschenkt wird (Reinking, Hayes & McEneaney, 1988). Dabei gehen Hinweise wie „siehe Bild x“ beim Lesen unter, besser ist eine vorgegebene Aufgabenorientierung oder Sehanleitung, die eine Auswirkung auf das Suchverhalten und Behalten hat („Achten Sie besonders auf den Verlauf der Kurve nach 1989! “, „Prägen Sie sich besonders die Lage des Schalters ein.“). Explizite Hinweise auf das Bild führen zu mehr Switching zwischen Text und Bild, längeren Betrachtungszeiten und besse‐ ren Behaltenleistungen. Sprache hat aufmerksamkeitslenkende Funktion und leitet die Suche im Bild an (Zimmer, 1983). Je nach Aufgabe lassen sich unterschiedliche Blickbewegungsmuster protokollieren, wie wir im Bild 1.13 gezeigt haben. Anleitungen zur Betrachtung von Bildern sind deshalb ein wichtiges didaktisches Mittel, um die Bildverarbeitung zu fördern (Bild 4.12). 4.2 Multikodale Verarbeitung 169 Bild 4.12: Sehanleitung. In dieser Vertikalverteilung verweist der letzte Satz den Lesenden in das Bild. Quelle: modifiziert nach Mercedes-Benz, o.-J., Technisches Grundwissen PKW, S.-48. Bilder, so hatten wir festgestellt, sind immer mehrdeutig. Formulierungen im Text tragen dazu bei, das Bild in einer bestimmten Weise auszuwerten und zu interpretieren (Ballstaedt, 2022). Psycholinguistische Untersuchungen belegen, dass die Wortwahl und damit die begriffliche Kategorisierung die Auswertung des Bildes beeinflusst ( Jörg, 1978). Wird ein Bildobjekt konkret benannt, so wird es detaillierter betrachtet als bei einer allgemeineren Bezeichnung. Nenne ich ein Abbild „Fisch“ bleibt das Sehen oberflächlich, nenne ich es „Scholle“, so wird genauer hingeschaut (Bild 4.13). Das gilt auch für die Beschreibung von Eigenschaften. Der Satz „Die Forelle ist farbig“ richtet die Wahrnehmung auf ein visuelles Merkmal aus: Der oder die Betrachtende überprüft die Behauptung im Bild. Selbst die Satzkonstruktion hat messbaren Einfluss auf die Wahrnehmung. Bildkomponenten werden länger inspiziert, wenn sie als Satzsubjekt anstatt als Satzobjekt angespro‐ chen werden. Durch sprachliche Hervorhebungen wie z. B. einen Spaltsatz 170 4 Text und Bild verbinden kann man den Effekt noch steigern: „Es ist die Farbe, welche die Forelle besonders auszeichnet.“. Bild 4.13: Ein Strichbild mit zwei Objekten als Vorlage in einem Experiment. Werden die Objekte allgemein benannt, wie in dem Satz a), dann ist die Erinnerungsleistung schlechter, als wenn sie konkret benannt werden wie im Satz b). Der Grund: Um zu verifizieren, ob tatsächlich ein Brotmesser oder eine Scholle abgebildet ist, müssen mehr visuelle Merkmale ausgewertet werden. Quelle: Sabine Jörg, 1978, S.-87. Eine weitere effektive Möglichkeit, die Bildverarbeitung über die Sprache zu steuern, sind inhaltliche Leerstellen: Der Text enthält eine unbestimmte Information, die durch das Bild ausgefüllt wird (Bild 4.14). Auch hierzu gibt es psycholinguistische Untersuchungen. Sie zeigen z. B., dass eine Pronominalisierung in einem Satz wie „Der Vater hat es gewaschen“, sofort einen Blick auf das nebenstehende Bild auslöst, um zu erfahren, was genau der Vater gewaschen hat, z. B. das Auto. Oder eine Formulierung wie „Die griechische Amphore hat eine charakteristische Form“ führt durch die unbestimmte Angabe zur Form zu einer Inspektion des Bildes. Hier geht es also nicht um die kodale, sondern eine inhaltliche Komplementarität. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Ein Bild enthält Leerstellen, z. B. unbekannte Personen und Gegenstände, deren Bezeichnungen der Text liefert. 4.2 Multikodale Verarbeitung 171 Bild 4.14: Inhaltliche Komplementarität. Der unbestimmte Ausdruck „eine spezielle Form“ führt zu einem Blick in das Abbild. Eine Beschreibung der Form liest sich so: „eine bogen‐ verzahnte kreisförmig zur Mitte verjüngte Form“. Da ist das Abbild deutlich überlegen. Quelle: modifiziert nach Mercedes-Benz, o.-J.,: Technisches Grundwissen PKW, S.-104. Gestalten von Text-Bild-Kombinationen Kommunikative Funktion. Grundsätzlich muss klar sein, welche übergeordnete didaktische Funktion eine Text-Bild-Kombination erfül‐ len soll und wie sich dazu die beiden Zeichensysteme in ihren Stärken und Schwächen ergänzen. Nur wenn klar ist, was die TBK vermitteln soll, kann sie effektiv gestaltet werden. Leitkode bestimmen. In einigen Fällen trägt der Text oder das Bild die Hauptlast der Vermittlung. Das kann man mit einem Abdecktest ermitteln: Man deckt ein Zeichensystem zu und überprüft, ob die übergeordnete didaktische Funktion noch durch die verbleibenden Informationen vermittelt wird. Die Bestimmung des Leitkodes spielt bei der Anordnung von Text und Bild eine Rolle. Anordnung. Eine horizontale Anordnung (Text und Bild nebeneinan‐ der) hat sich grundsätzlich als günstiger erwiesen als eine vertikale Anordnung (Text und Bild übereinander), da die Augen sich nicht gern vertikal bewegen. In der Horizontalverteilung kommt das Zeichensystem mit der Leitinformation nach links. Das entspricht der gewohnten Le‐ serichtung von links nach rechts. Verwendet man eine Vertikalverteilung (Text und Bild übereinander), dann wird das Zeichensystem mit der Leitinformation oben platziert. Das Wichtige erwarten wir nach einer topologischen Konvention oben, das weniger Wichtige unten. Die Ver‐ 172 4 Text und Bild verbinden tikalverteilung ist allerdings für die Augenbewegungen die schlechtere Variante und sollte nicht zu oft eingesetzt werden. Übersichtlich bleiben. Eine TBK nicht mit Informationen vollstopfen, das motiviert wenig zum Betrachten und Lesen, sondern es besteht die Gefahr des mentalen Overload, d. h. einer Überforderung, die zum Ausstieg führt. Die Gefahr besteht vor allem bei Infografiken. Sie sollen schnell und prägnant informieren, deshalb nur einfache Bildchen und kleine Sprachhäppchen. Räumliche Kontiguität. Die integrative Verarbeitung durch Textver‐ weise wird erleichtert, wenn Bilder in unmittelbarer Nähe der Textstelle zu finden sind, auf die sie sich beziehen. Eine auseinanderliegende Anordnung auf einer Seite erfordert Augensprünge, die für manche Benutzenden zu lästig sind. Es gilt deshalb das Prinzip der Kontiguität (Mayer, 2020): Je näher sprachliche und visuelle Informationen beieinan‐ der liegen, desto eher werden auch beide Informationsquellen genutzt. Kongruente Bezüge. Hier ist darauf zu achten, dass kongruente Bezie‐ hungen zwischen Text und Bild durch parallele typografische Mittel ge‐ kennzeichnet sind. Die Bezeichnungen im Text und die Beschriftungen im Bild müssen übereinstimmen. Die kognitiven Wirkungen kongruen‐ ter Informationsdarbietung sind noch immer umstritten. Ein Vorteil ist auf jeden Fall, dass jeder seine bevorzugte Informationsquelle nutzen kann. Auch bei kongruenten Beziehungen herrscht eine kodale Kom‐ plementarität: Das Bild transportiert immer anschauliche Merkmale, die der Text nicht anspricht. Komplementäre Bezüge. Inhaltliche Komplementarität stellt wahr‐ scheinlich die wirkungsvollste Möglichkeit dar, beide Informationsquel‐ len integrativ zu verarbeiten. Nach Möglichkeit sollten deshalb Unbe‐ stimmtheit und Leerstellen im Text durch das Bild ergänzt werden. Auf ein Bild verweisen. Beim Verweis auf ein Bild im Text keine deiktischen Ausdrücke verwenden wie „das Bild oben“ oder „unten“ oder das folgende oder vorherige Bild. Auf Bilder wird grundsätzlich mit der Bildnummer verwiesen. Den Blick lenken. Bei einer Text-Bild-Kombination fällt der erste Blick oft auf das Bild, aber es wird noch nicht detailliert ausgewertet. Dazu leitet erst der sprachliche Kontext an. Bei einer Infografik muss ein eindeutiger Einstieg ins Auge springen und ein Blickpfad mit 4.2 Multikodale Verarbeitung 173 visuellen Leitplanken (Pfeile, Nummerierung usw.) sollte die Abfolge der Auswertung steuern. Sprachliche Steuerung. In Grenzen lässt sich die Bildauswertung über sprachliche Formulierungen beeinflussen. Dazu dienen direkte Sehanleitungen, aber auch indirekte Mittel wie konkrete Wortwahl und fokussierende Satzkonstruktionen. Formalia Bei der Einbettung von Bildern in wissenschaftliche Texte haben sich einige formale Konventionen herausgebildet, die hier abschließend zusammenge‐ stellt sind. Durchnummerierung. Bilder werden in einem Text fortlaufend durch‐ nummeriert, um auf sie im Text und von außen mit der Nummer Bezug nehmen zu können. Bei umfangreichen Texten ist eine kapitelweise Zählung mit Doppelnummern zu empfehlen, bei der sich die erste Ziffer auf das Kapitel, die zweite auf die Bildzählung bezieht, z. B. Bild 3.14 für das 14. Bild im 3. Kapitel. Oft wird dabei von Abbildungen (engl. Figure) gesprochen und die Tabellen werden gesondert gezählt. Hier gibt es in den verschie‐ denen wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedliche Konventionen. Da wir terminologisch die Tabelle als einen Bildtyp bezeichnet haben, macht diese Trennung keinen Sinn: In unserer Terminologie bezieht sich Bild auf alle nichtsprachlichen Vermittlungsformen, deshalb unterscheiden wir nicht zwischen Abbildungen und Tabellen. Eine andere Lösung ist aber nicht falsch, Hauptsache sie wird in einem Text einheitlich gehandhabt. Bildverzeichnis. Bei Texten mit vielen Bildern - Faustregel: ab fünf - ist ein Bildverzeichnis sinnvoll. Manchmal wird auch hier ein Bildverzeichnis und ein Tabellenverzeichnis unterschieden. Das Bildverzeichnis steht vor oder nach dem Text. Bild 1 Titel Quelle Seite Bild 2 Titel Quelle Seite Bild 3 Titel Quelle Seite Bild 4.15: Aufbau eines Bildverzeichnissen. Es wird in vielen wissenschaftlichen Disziplinen verlangt. 174 4 Text und Bild verbinden Legende. Sehanleitungen, sprachliche Steuerungen und Leerstellen können im Begleittext realisiert sein, oft findet man sie aber auch in der Legende (lat. = das zu Lesende). Diese sprachliche Ergänzung befindet sich meist unter dem Bild (Vertikalanordnung), deshalb auch Bildunterschrift, selten auch aus Platzökonomie oder Designgründen seitlich daneben (Horizontal‐ anordnung). Eine Legende erfüllt eine Scharnierfunktion, da sie ein Bild und den Begleittext über die Bildnummer und den Bildtitel verbindet. Legenden haben idealtypisch folgenden Aufbau: Bild X: Bildtitel. Erläuterungen und Sehanleitungen. Erklärung von Symbolen und Dar‐ stellungskonventionen. Angabe von technischen Daten (bei Fotos). Bildbearbeitungen. Angabe des Bildproduzenten bzw. der Bildproduzentin oder der Quelle. Welche Informationen man auch in die Legende steckt, die Legenden sollten innerhalb eines Dokuments konsistent gestaltet sein. Dies gilt auch für die typografische Gestaltung. Legenden sind meist in kleinerem Schriftgrad als die Hauptschrift und engzeiliger als der übrige Text. 4.3 Evaluation von Bild und Text Zur Bewertung einer Text-Bild-Kombination haben wir eine Checkliste aus 23 Items zusammengestellt. Es sind 23 Entscheidungsfragen, die für eine konkrete TBK beantwortet werden müssen. Der sinnvolle Einsatz der Checkliste setzt die theoretischen Kenntnisse der vorangegangenen Kapitel voraus. Für die Beantwortung jedes Items gibt es drei Möglichkeiten: In Ordnung (+), mit Mängeln (-) oder trifft nicht zu (/ ). Die jeweilige Entscheidung muss in der Spalte Anmerkungen kurz begründet werden. Wir wenden die Checkliste auf eine TBK an (Bild 4.16). 4.3 Evaluation von Bild und Text 175 Bild 4.16: Text-Bild-Kombination. Auf sie wird die Checkliste angewendet. Quelle: John Fleagle nach Roger Lewin, 1992, S.-92. 176 4 Text und Bild verbinden Kommunikative Funktion Anmerkungen 1. Kommunikative Absicht: Erfüllt die Text-Bild-Kombination eine eindeutige kommunikative Funk‐ tion? (+) Veranschaulichen mit einer Strichzeichnung 2. Kodale Komplementarität: Wer‐ den Text und Bild ihren funktio‐ nalen Stärken entsprechend ein‐ gesetzt? (+) Der Text enthält Aussagen, die bildlich nicht gemacht werden können. Das Bild zeigt Teile des Skeletts, die nur schwer sprachlich lokalisiert werden können. 3. Vorwissen: Verfügen die Adressa‐ ten über ausreichende Vorkennt‐ nisse, um die Bildinhalte und die visuellen Konventionen zu erken‐ nen und zu verstehen? (+) Es gibt keine ungewöhnlichen visuellen Inhalte. 4. Wenn Farbe eingesetzt wird: Hat die Farbgestaltung eine kommuni‐ kative bzw. didaktische Funktion? (/ ) Kein Einsatz von Farbe 5. Ästhetischer Stil: Wird auf einen einheitlichen ästhetischen Stil ge‐ achtet? Ist ein corporate Design erkennbar? (/ ) Kann für ein einzelnes Bild nicht bestimmt werden. 6. Emotionaler Eindruck: Werden durch das Bild - auch ungewollte - Gefühle und Assoziationen aus‐ gelöst? (+) Das Skelett mit der Aktenta‐ sche auf dem Weg zur Arbeit in einem Bürokomplex wirkt etwas frivol und ist als visueller Gag für einen Fachtext ungewöhnlich. Hier wird unser altes biologisches Erbe mit der modernen Arbeits‐ welt konfrontiert. Das dürfte zu‐ mindest ein Schmunzeln auslösen. Visuelle Organisation 7. Gestaltgesetze: Ist durch Berück‐ sichtigung von Gestaltgesetzen auf den ersten Blick eine eindeu‐ tige und prägnante Organisation des Bildes gegeben? (+) Das Skelett hebt sich als Fi‐ gur deutlich vor einem dünner ge‐ zeichneten Hintergrund ab. 8. Bildqualität: Sind einzelne Kom‐ ponenten der Abbildung oder Vi‐ sualisierung deutlich erkennbar und unterscheidbar? (-) Die Bezugspfeile und - ziffern sind manchmal schwer diskrimi‐ nierbar. 4.3 Evaluation von Bild und Text 177 Kommunikative Funktion Anmerkungen 9. Bildgröße: Ist die Größe der Abbildung oder Visualisierung funktionsgerecht für eine globale Übersicht oder eine detaillierte Auswertung? (+) Gerade in Ordnung, kleiner dürfte das Skelett nicht sein 10. Bildkomplexität: Sind keine un‐ wichtigen und ablenkenden De‐ tails in der Abbildung oder Visua‐ lisierung? (+) Eigentlich sind für die Bot‐ schaft Aktentasche und Hinter‐ grund überflüssig, aber siehe 6. Item 11. Perspektive: Entspricht die Per‐ spektive oder die Ansicht (Auf‐ sicht, Seitenriss usw.) den Funktio‐ nen bzw. dem Lernziel des Bildes? (+) In der Seitenansicht sind alle wichtigen Komponenten sichtbar. 12. Kontext: Ist das Umfeld des Bild‐ ausschnittes für die Betrachtenden rekonstruierbar? (+) Das Szenario „Auf dem Weg zur Arbeit“ ist sofort verstehbar. Bildliche Steuerungsmittel 13. Blickfang: Gibt es einen aufmerk‐ samkeitserregenden Einstieg in das Bild durch einen eye cat‐ cher oder eine grafische Hervorhe‐ bung? (+) Ein Skelett erregt als Geister‐ bahneffekt immer die Aufmerk‐ samkeit. Ein erster Blick dürfte auf die Aktentasche gehen, da sie vom Gewohnten abweicht. 14. Blickpfad: Wird durch Anordnung oder grafische Mittel ein Blickpfad nahegelegt? Sind die Inhalte so angeordnet, dass sie in der rich‐ tigen bzw. erwünschten Reihen‐ folge aufgenommen werden? (-) Es ist kein Blickpfad angelegt. 15. Visuelle Konventionen: Sind ver‐ wendete fach- oder kulturspezifi‐ sche visuelle Darstellungskonven‐ tionen bekannt oder ausdrücklich eingeführt? (+) Die Hinweispfeile sind eine verbreitete Konvention. (-) Die Ziffern können als Bezugs‐ ziffern missverstanden werden, in Wirklichkeit sind es Beschriftun‐ gen (Zeitangaben) 16. Konsistenz: Werden die Mittel der Steuerung der Aufmerksamkeit in Gestaltung und Bedeutung konsis‐ tent eingesetzt (z.-B. Pfeile, Be‐ zugslinien, Lupen)? (+) Die Hinweispfeile und Be‐ schriftungen werden konsistent verwendet. 178 4 Text und Bild verbinden Kommunikative Funktion Anmerkungen 17. Diagramme, Charts: Sind die Kom‐ ponenten einer Visualisierung (Kästen, Balken, Spalten usw.) oder einer Abbildung eindeutig durch sprachliche oder visuelle Marken gekennzeichnet (/ ) Text-Bild-Bezüge 18. Leitkode: Enthält eines der Zei‐ chensysteme die zentrale Infor‐ mation in der Text-Bild-Kombina‐ tion? (+) Ohne Text ist die Gesamtbot‐ schaft nicht verständlich. Ohne Bild bleibt der Text zwar verständ‐ lich, aber die zusätzlichen Zah‐ lenangaben im Bild fehlen. Also ist hier kein eindeutiger Leitkode vorhanden. 19. Verteilung: Gibt es eine konsis‐ tente Anordnung von Text und Bild (Horizontal- oder Vertikalver‐ teilung, Text- und Bildspalte)? (/ ) Bei einer einzelnen Text-Bild‐ kombination nicht beantwortbar. 20. Kontiguität: Sind Bild und Text nahe beieinander, damit die Blick‐ bewegungen möglichst kurze Strecken aus dem Text in das Bild und umgekehrt zurücklegen müs‐ sen? (+) Die Legende steht neben dem Bild (Horizonzalverteilung). Da es sich im Bild um keine Bezugszif‐ fern handelt, ist kein Hin- und Herspringen der Augen notwen‐ dig. 21. Verweise: Gibt es ausdrückliche sprachliche Hinweise vom Text ins Bild? Sind im Text Sehanleitun‐ gen für das Bild formuliert? (-) Es gibt in der Legende keinen direkten, sondern nur einen indi‐ rekten Hinweis auf das Bild. 22. Wechselseitige Bestimmung: Gibt es im Text Unbestimmtheiten, die durch Informationen im Bild aus‐ gefüllt werden? Gibt es im Bild Unbestimmtheiten, die durch In‐ formationen im Text ausgefüllt werden? (+) Klare inhaltliche Komplemen‐ tarität: Was der Text allgemein an‐ spricht, zeigt das Bild konkret. 23. Terminologie: Stimmen Benen‐ nungen im Text und Beschriftun‐ gen im Bild überein? (-) Im Text werden nur zwei Ske‐ lett-Teile angesprochen, der Schä‐ del und das Zahnmuster. Die an‐ deren müssen die Betrachtenden erkennen, z.B, das Knie- oder das Ellenbogengelenk. 4.3 Evaluation von Bild und Text 179 Fazit der systematischen Analyse mit Hilfe der Checkliste: Es handelt sich um eine vorwiegend gelungene und originelle Text-Bild-Kombination. Zwei Mängel sollte man beseitigen: 1. Die Hinweispfeile müssen fetter und/ oder farbig sein, damit sie sich gut abheben; 2. Die Legende sollte direkte Verweise ins Bild enthalten, vor allem auch die Bezeichnungen der angezeigten Skelett-Teile. Zusammenfassung Kapitel 4 In wissenschaftlichen Texten lassen sich typische Text-Bild-Kombinationen finden, die bestimmte didaktische Funktionen im Wissenserwerb erfüllen: Benennen, Veranschaulichen, Begründen, Erklären, Anleiten, Warnen, Emo‐ tionalisieren. Eine didaktisch reflektierte Text-Bild-Kombination hat eine übergeordnete kommunikative Funktion, der sich Text und Bild unterord‐ nen. Bereits die Anordnung von Text und Bild auf einer Sehfläche hat Einfluss auf die Abfolge der Verarbeitung beider Informationsquellen, da die Augen immer zwischen Text und Bild wechseln müssen, um beide integrativ zu verarbeiten. Die multimodale Verarbeitung von TBK wird auch durch sprachliche Formulierungen mit gesteuert. So sind konkrete Sehan‐ leitungen, inhaltliche Leerstellen, konkrete Wortwahl und fokussierende Satzkonstruktionen wirksame Mittel, um die Verarbeitung eines Bildes zu beeinflussen. Mit einer Checkliste kann evaluiert werden, wie effektiv eine konkrete TBK gestaltet ist. Aus der Checkliste lassen sich Hinweise für ein Redesign der TBK ableiten. Vertiefende Lese- und Schautipps Text-Bild-Kombinationen sind ein beliebtes Thema vieler empirischer Arbeiten und Aufsätze, aber eine überzeugende Theorie dieser kodalen Kombination liegt bisher nicht vor (oder ist dem Autor entgangen). Einige Werke regen aber die Diskussion besonders an. Beim Schweizer Medienpädagogen Christian Doelker geht es weniger um Sachtexte als um Werbung, Fotografie und Kunst, aber der Autor hat eine beeindruckende Fülle an möglichen Bedeutungsebenen von Bildern und ihrer Beziehung zur Sprache vorgelegt: Doelker, Christian (2013). Ein Bild ist mehr als ein Bild. Vi‐ suelle Kompetenz in der Multimedia-Gesellschaft. Stuttgart: Klett-Cotta. 180 4 Text und Bild verbinden Die folgenden zwei Bücher thematisieren Text-Bild-Kombinationen in den verschiedenen Medien von der Zeitung bis zum Internet: Straßner, Erich (2002): Text-Bild-Komunikation - Bild-Text- Kommunikation. Tübingen: Niemeyer. Kress, Gunther & van Leeuwen, Theo (2001). Multimodal Dis‐ course. The modes and media of contemporary communication, London: Oxford University Press. Die bisher intensivste Untersuchung von Text-Bild-Beziehungen aus linguistischer Sicht hat Hartmut Stöckl vorgelegt. Unsere Einteilung von typischen Text-Bild-Kombinationen hat hier ihren Ursprung. Stöckl, Hartmut (2004). Die Sprache im Bild - Das Bild in der Sprache. Zur Verknüpfung von Sprache und Bild im massenme‐ dialen Text. Berlin/ NewYork; Walter de Gruyter. Zusammenfassung Kapitel 4 181 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung The capacity to produce an image in accord with the conventions of a certain culture or interpretative community obviously requires a multitude of manual and / or technical skills. Paul Messaris, 1994, S.-180. 1. Digitale Bilder 2. Zeichnen mit Hand und Computer 3. Fotografieren und Bildbearbeitung 4. Visualisieren: Charts und Diagramme 5. Nutzen von Bildquellen im Internet 6. Scannen von Vorlagen 7. Bilder in den Text importieren Zusammenfassung Kapitel 5 Die meisten Diagramme, Charts, Tabellen, Fotos und Zeichnungen erstellt ein Autor oder eine Autorin selbst. Oft kann sie oder er aber auf bereits vorhandene Bilder in Publikationen oder im Internet zurückgreifen, wobei allerdings urheberrechtliche Probleme berücksichtigt werden müssen. In diesem Kapitel geht es um praktische Hinweise und Tipps, wie man Bilder entweder selbst erstellt oder sich vorhandene Bilder durch Scannen oder Kopieren beschafft und sie in den Text einbindet. 5.1 Digitale Bilder Bisher haben wir vernachlässigt, dass alle Bilder, die wir in einem Dokument verwenden, letztlich in digitaler Form als Dateien vorliegen. Ob man Bilder mit der Hand oder mit dem Computer zeichnet, analog oder digital fotogra‐ fiert, um sie in einen Text einzubinden, müssen sie alle in digitalem Format vorliegen. Wir werfen kurz einen Blick auf einige technische Aspekte der digitalen Bilder, die für die Bebilderung von Print-Dokumenten wichtig sind. Unter digitalem Bild verstehen wir eine visuelle Darstellung, die aus einer Datei generiert wird. Das digitale Bild liegt physikalisch als unsichtbare Datenmenge vor, die erst durch ein passendes Programm in ein wahrnehm‐ bares Bild überführt wird. Digitale Bilder sind also immer Bestandteil eines Programms, mit dem sie gespeichert, gezeigt und modifiziert werden. Wir unterscheiden zwei Typen von digitalen Bildern: Pixelbilder (auch Rasterbilder, Bitmap-Bilder). Sie werden mit einer Digitalkamera aufgenommen, mit einem Grafikprogramm hergestellt oder mit einem Scanner aus einer Vorlage in ein digitales Format überführt. Ein Bild ist als Matrix von Pixeln gespeichert (Bild 5.1). Ein Pixel (= picture element = Bildpunkt) ist das kleinste darstellbare und adressierbare Element eines digitalen Bildes. Pixelbilder haben eine feste Auflösung, Verkleinern bedeutet Weglassen von Pixeln, Vergrößern vergröbert durch zusätzliche Pixel (Aliasing = Treppeneffekt). Pixelbilder können mit spezieller Software (z.-B. Photoshop) bearbeitet werden. 184 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Bild 5.1: Mosaik: Die Urform des Pixelbildes. Vergrößert man die Augenpartie des Vogels, werden die einzelnen Pixel des Bildes sichtbar. Quelle: https: / / pixnio.com/ de/ kunst/ kunst -taube-mittelalterliche-symbol-wand-mosaik-textur-design#. Vektorbilder. Sie sind in einer mathematischen Beschreibung gespeichert, d. h. als Gebilde aus Punkten, Geraden, Kurven und Flächen. Dabei han‐ delt es sich um Diagramme, Charts und fotorealistische 3D-Bilder, die in einem Computer mit speziellen Programmen berechnet werden, z. B. CAD-Programmen (Computer Aided Design). Ein Vektorbild kann ohne Qualitätsverlust skaliert, d.-h. vergrößert oder verkleinert werden. Ein Vektorbild lässt sich problemlos in ein Pixelbild umrechnen, z. B. bei der Druckausgabe. Ein Pixelbild in ein Vektorbild umzurechnen, ist schwieriger und führt nicht immer zu befriedigenden Ergebnissen. Ein Pro‐ gramm wie Illustrator kann z. B. Pixelbilder über das Werkzeug „Abpausen“ vektorisieren. Vektorprogramme können meist Pixelbilder einbinden, aber auch Umwandlungen sind möglich. Man kann digitale Bilder auf einem Monitor oder projiziert über einen Bea‐ mer betrachten. Wenn digitale Bilder ausgedruckt werden, unterscheiden sie sich wahrnehmungspsychologisch nicht von anderen Print-Bildern. 5.2 Auflösungen Auflösung ist ein Maß der Detailgenauigkeit, die ein Gerät aufzeichnen oder wiedergeben kann: Je höher die Auflösung, desto detaillierter das Bild, desto höher die Bildqualität. 5.2 Auflösungen 185 Absolute Auflösung bei Grafikkarten und Monitoren: Anzahl der Pixel, aus denen das Bild besteht. Die Bildauflösung wird als Anzahl der Pixel in der Horizontalen mal Anzahl der Pixel in der Vertikalen angegeben. Beispiel: 1280 x 960, das Bild besteht damit aus 1.228.800 Pixeln. Bei Digitalkameras wird die Auflösung zu einer Gesamtzahl der Pixel gerundet, hier also 1,2 Megapixel (1 Million Pixel = 1 Megapixel). Relative Auflösung bei Scannern oder Druckern: Die Anzahl der Pixel wird auf eine Längeneinheit bezogen: Pixel pro Zoll (inch) = 2,54 cm in der Horizontalen und der Vertikalen. Die Auflösung bei Druckern wird in dpi (= dots per inch), bei Scannern in ppi (= pixel per inch) angegeben. Beispiel: Ein Scanner mit 1200 ppi kann auf einer Linie von 2,54 cm 1.200 Pixel setzen. Das bedeutet, dass Pixel unterschiedliche Größe haben können. Um die optimale bzw. notwendige Auflösung für ein digitales Bild heraus‐ zufinden, muss man sich an der späteren Ausgabe orientieren. Wer Bilder für eine Publikation vorbereitet, muss wissen, in welcher Auflösung sie für den Druck abgegeben werden müssen. Normal sind 300 dpi, nur für hochwerte Kunstdrucke nimmt man 600 dpi, damit feine Details oder Farbübergänge nicht verloren gehen. Für Screenshots muss für Print-Do‐ kumente die höchste Auflösung für den Monitor gewählt werden. Das betreffende Fenster muss bereits so skaliert sein, dass das Bildschirmfoto in den vorgesehenen Raum im Dokument passt. Späteres Skalieren führt zu verschwommenen oder unvollständigen Abbildern. Pixel und Farbtiefe Um die Farbe eines Pixels festzulegen wird jedes Pixel durch eine Anzahl von Daten beschrieben, man spricht von der Farbtiefe (Bild 5.2). 1 Bit pro Pixel 2 Farben, meist schwarz und weiß 8 Bit pro Pixel 2 8 = 256 Farben oder Graustufen in einer Farbpalette 24 Bit pro Pixel 2 24 = 16,7 Millionen Farben, True Color = fotorealistische Qualität Bild 5.2: Tabelle zur Farbtiefe. Das Standardmaß für das Web sind 8 Bit pro Pixel, für den Druck 24 Bit pro Pixel. Je mehr Pixel und je größer die Farbtiefe, desto besser ist die Bildqualität, aber umso mehr Speicherplatz ist für ein Bild erforderlich. 186 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Farbmodelle Ein Farbmodell legt die Anzahl der Farben fest, die ein Ein- oder Ausgabe‐ gerät (Scanner, Monitor, Drucker, Beamer) darstellen kann. Es gibt über 30 Farbmodelle, von denen aber hier nur zwei wichtig sind: CMYK und RGB. CMYK (Cyan, Magenta, Yellow und Key für Schwarz). Hier handelt es sich um ein subtraktives Farbmodell, d. h. die Mischung aller drei Grundfarben ergibt Schwarz. Für eine Farbe wird der jeweilige Anteil der drei Grundfar‐ ben prozentual angegeben, es können über 16 Millionen Farbtöne dargestellt werden, das sind deutlich mehr als die 2 Millionen, die unser visuelles Gehirn wahrnehmen kann. CMYK bildet die Grundlage des modernen Digitaldrucks. Das bedeutet, dass andere Farbmodelle zum Druck in das CMYK-Modell konvertiert werden. RGB (Red, Green. Blue). Diese Farbmodell ist ein additives Modell, d. h. die Mischung aller drei Grundfarben ergibt Weiß. Für eine Farbe wird der jeweilige Anteil der drei Grundfarben prozentual angegeben. Das Farbmo‐ dell ist besonders zur Darstellung von Farben auf leuchtenden Monitoren geeignet. Dateiformate Es gibt viele Dateiformate für digitale Bilder, das jeweilige Format verrät die Datei-Endung. Einige Formate sind nur für das Web und den Monitor geeignet, z. B. GIF oder PNG. Manche Programme haben ihr eigenes proprie‐ täres Format, z. B. PSD für Photoshop. Die Formate lassen sich ineinander konvertieren, dazu ist eine Bildkonverter-Software erforderlich, die für die gängigen Formate in die Bildverarbeitungsprogramme integriert ist. Für andere Fälle gibt es isolierte Bildkonverter-Software, die man kostenlos aus dem Web herunterladen kann. Die Dateiformate unterscheiden sich in der Art der Komprimierung. Komprimierung geschieht durch ein Hilfsprogramm, das Dateien verklei‐ nert, um Speicherplatz zu sparen oder die Übertragung zu beschleunigen. Eine verlustfreie Komprimierung entfernt nur Daten, die für die Bildqualität nicht wichtig sind. Die Dateigröße wird nur geringfügig reduziert. Eine verlustreiche Komprimierung opfert einen gewissen Grad an Bildqualität, um möglichst kleine Dateien zu erhalten. JPEG ( Joint Photographic Experts Group). Führendes Dateiformat für Fotos aus Digitalkameras. JPEG-Bilder (.jpg) können über 16 Millionen Farben 5.2 Auflösungen 187 darstellen. Das Format eignet sich besonders für fließende Farbübergänge. Es ist damit für alle interessant, die eine hohe Bildqualität wünschen wie Fotografen, Künstler, Wissenschaftler usw. Die JPEG-Kompression bietet eine stufenlose Einstellung der Qualität an. Die Dateien werden stark, aber mit jeder Bearbeitung verlustreich reduziert. Für den Druck sind JPEG-Bilder oder TIFF-Bilder geeignet. TIFF (Tagged Image File Format). Die Komprimierung ist verlustfrei, aber es bleiben große Bilddateien. TIFF-Bilder (.tif) haben sich für den Druck von Bildern in hoher Qualität als Standard etabliert, da das Format ebenfalls 16 Millionen Farben zur Verfügung stellt. EPS (Encapsulated PostScript). Die Seitenbeschreibungssprache Postskript (PS) ist ein gängiger Standard zum Drucken von Dokumenten aus Text und Bild. Ein EPS-Bild (.eps), eignet sich zum Einbinden in ein Layoutprogramm. EPS ist vektorbasiert, enthält als Besonderheit ein Rasterbild mit niedriger Auflösung, das als Vorschau (sog. thumbnail) im Dokument angezeigt wird. Jedes Grafikprogramm kann aus einem Vektor- oder Pixelbild ein EPS-Bild erzeugen. PNG (Portable Network Graphics). Wer Bilder aus dem Web in seine Arbeit einbauen möchte, wird dieses Format (.png) oft finden, es wurde speziell für das Internet entwickelt. Es gibt eine Version mit 8 Bit und eine mit 24 Bit Farbtiefe im RGB-Modus. PNG-Datein liefern Rasterbilder und lassen sich verlustfrei komprimieren. SVG (Scalable Vector Graphics) ist ein vektorbasiertes Format, das man im Web für Grafiken, Piktogramme, Icons findet. PDF (Portable Document Format). Hierbei handelt es sich um ein univer‐ selles Dateiformat zur Übertragung von Dokumenten, da sowohl Layout, Schriften und Bilder erhalten bleiben. PDF (.pdf) ist deshalb das meist‐ verwendete Dateiformat für Druckdateien. PDF-Dateien können mit dem kostenlosen Programm Adobe Reader auf jedem Endgerät erstellt und ausgedruckt werden. Das Bearbeiten von PDF-Datein ist mit dem kosten‐ pflichtigen Adobe Acrobat möglich. Eingeschränkte Funktionen bieten kostenfreie Hilfsprogramme wie PDFelement oder PDFexpert. 188 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung 5.3 Zeichnen mit Hand und Computer Vor dem Aufkommen der Fotografie war die Handzeichnung in wissen‐ schaftlichen Veröffentlichungen der Botanik, Anthropologie, Geografie, Medizin, Physik üblich. Das Zeichen mit der Hand gehörte zu den wissen‐ schaftlichen Basiskompetenzen, in einigen Disziplinen hat das Zeichnen mit der Hand überlebt. Zeichnen mit der Hand Gemeint ist hier das Freihandzeichnen, mit dem Strichbilder, aber auch bunte Zeichnungen erstellt werden. Die Zeichnung hat als Skizze bei der Entwicklung von Gedanken und zur visuellen Dokumentation einen festen Platz im wissenschaftlichen Arbeiten. Visual Sketching wird als eine kreative Methode propagiert, Ideen visuell zu dokumentieren (Rohde, 2014; Fernándes-Fontecha et al, 2018). Sogenannte. Sketchnotes finden allerdings selten Eingang in eine wissenschaftliche Arbeit. In einigen wissenschaftlichen Disziplinen haben Handzeichnungen trotz Computer einen wichtigen Stellenwert behalten: Paläontologie, Archäolo‐ gie, Geologie, Biologie, Architektur, Kunstgeschichte und Technik. Z. B. kann beim Mikroskopieren von einem Präparat statt einer Mikrofotografie auch eine Zeichnung angefertigt werden. Viele Hochschulen bieten deshalb Kurse in wissenschaftlichem Zeichnen an. Zeichnen gilt hier als Schule des Sehens, es zwingt die Augen zu genauem Hinschauen (Bild 5.3). Auch das räumliche Vorstellungsvermögen wird beim perspektivischen Zeichnen geschult. Die Zeichnung ermöglicht es zudem, unwichtige Details zu igno‐ rieren und wichtige durch Strichdicke oder Farbe hervorzuheben. 5.3 Zeichnen mit Hand und Computer 189 Bild 5.3: Handzeichnung. Grabungsfunde aus Vicus di San Rustico di Basciano (Provinz Teramo), mit Kompassrose zum Einnorden und numerischen und grafischen Maßstabsan‐ gaben. Quelle: Wikipedia Commons. Handzeichnungen können in Fachtexten eine individuelle Handschrift hin‐ terlassen (Bild 5.4). Denn eine Handzeichnung verbindet die objektive Darstellung mit einer persönlichen Gestaltung. 190 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Bild 5.4: Querschnitt durch eine Spiegelreflexkamera. Der Schweizer Psychologe Hans Aebli hat sein Buch über das Denken mit eigenen Handzeichnungen bebildert: „Graphisch kam das ein wenig à la peinture naive heraus, aber es ging so schneller und kam dem Preis des Buches zugute.“ Quelle: Aebli, 1980, S.-36 u. 114. Digitales Zeichnen Zeichenwerkzeuge enthält heute jedes Schreib- oder Präsentationspro‐ gramm. Man wählt einen Stift oder Pinsel und kann mit der Maus zeichnen und malen, aber die Handhabung ist feinmotorisch nicht einfach und ergibt meist nur krakelige Ergebnisse. Für Visual Sketching reicht das aus, aber nicht für eine wissenschaftliche Zeichnung in einer Publikation. Besser geht das Zeichnen auf einem Grafiktablet, das man an den Computer anschließt oder über eigenständige Tablets wie z.B. das iPad. Über die Spitze eines Eingabestifts (Pencil, Stylus) wird das Signal an ein Grafikprogramm übertragen. Anspruchsvolles Zeichnen erfordert ein spezielles Zeichenprogramm oder eine Zeichen-App, wobei das Zeichnen mit Stiften und das Malen mit Pinseln meist kombiniert sind. Die meisten Zeichenprogramme sind auf das künstlerische Gestalten ausgerichtet (Ge‐ mälde, Comics, Mangas usw.), nicht auf nüchterne wissenschaftliche Bilder. Hier kann nicht jede Software vorgestellt werden: für alle Betriebs‐ systeme (Windows, macOS, Android), alle Geräte (Computer, Tablet, Smartphone), alle Bildtypen (Raster- oder Vektorbilder), Profi- und Consu‐ 5.3 Zeichnen mit Hand und Computer 191 mer-Programme, alle Budgets (Freeware, käufliche Programme meist mit einer kostenlosen Testversion, Abo-Modelle). Da sich zudem die Software schnell verändert, geben wir hier nur eine Liste von Programmen, die man sich als wissenschaftlicher Zeichner anschauen sollte: Software Betriebssystem Vertrieb Anmerkungen CorelDRAW https: / / www.corel draw.com/ Windows macOS Testversion 15 Tage Jahres-Abo Einmaliger Kauf Vektorbasiert CLIP Studio PAINT https: / / www.clips tudio.net/ de/ Windows macOS (iPad, iPhone Android Testversion 3 Mo‐ nate Große Auswahl an Stiften und Textu‐ ren Procreate https: / / procreate.a rt macOS Windows Android Linux Shareware Große Auswahl an Werkzeugen und Funktionen für Künstler KRITA https: / / krita.org/ e n/ Windows macOS Linux Open-Source- Freeware Vorwiegend zum Malen, man kann eigene Pinsel er‐ stellen Illustrator Draw https: / / www.adob e.com/ de/ product s/ illustrator Windows macOS Monats-Abo Vektorbasiert für Piktogramme (Lo‐ gos, Icons), Dia‐ gramme, Infogra‐ fiken Inkscape https: / / inkscape.o rg/ de/ Windows macOS Linux Freeware Vektorbasiert Bild 5.5: Auswahl von Programmen mit ausführlichen Zeichenfunktionen. Es werden keine Preise angegeben, da diese sich oft ändern. Im Web findet man zu den Programmen zahlreiche Testberichte. Zur Ein‐ führung in ein Programm sind auch Print- oder Video-Tutorials verfügbar. 192 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Tipps zum Zeichnen Hemmung überwinden. Überwinden Sie die Scheu, die viele Men‐ schen vor dem Zeichnen haben: Nicht jeder ist ein Leonardo da Vinci, aber jeder kann etwas kreativ veranschaulichen und dokumentieren, ohne gleich einen Designer- oder Kunstpreis zu gewinnen. Meiden Sie zunächst Zeichenprogramme, sie verbrauchen zu viel Ressourcen in der Handhabung. Dadurch dauert das Zeichnen zu lange und die Kreativität wird gehemmt. Jede Zeichnung lässt sich durch Einscannen digitalisieren. Einen Zeichenkurs belegen. Für die wissenschaftliche Zeichenpraxis ist ein Zeichenkurs notwendig, um den Umgang mit verschiedenen Zei‐ chenmaterialien, Zeichentechniken und Hilfsmitteln zu erlernen: Skiz‐ zieren, Grundieren, Konturenzeichnen, Negativformen, Perspektiven usw. Ein Lehrbuch mit Übungen, z.B. Sand & Sand (2009) oder Viebahn (2017), oder ein Onlinekurs können auch hilfreich sein, z. B. https: / / ww w.udemy.com/ course/ der-komplette-zeichenkurs/ (Besuch 27.03.2023). Digital Zeichnen. Bevor Sie nach einem geeigneten Programm suchen, beantworten Sie folgende Fragen. 1.-Welches Gerät möchte ich zum Zeichnen verwenden? 2.-Was möchte ich für Bildtypen zeichnen? 3.-Welche Werkzeuge bzw. Funktionen sind für mich wichtig? 4. Ist die Software mit der Version meines Betriebssystems kompatibel? 5.4 Fotografieren und Bildbearbeitung Die Fotografie hat von Anfang an eine wichtige Rolle zur wissenschaftlichen Dokumentation und später auch zu Erkenntnisgewinnung gespielt (Duf‐ hues & Füßl, 2021). Wir berücksichtigen hier allein die digitale Fotografie, weil analoge Fotos nur eingescannt und digitalisiert in Texte eingebunden werden können - früher hat man sie in die Abschlussarbeiten fein säuberlich eingeklebt! 5.4 Fotografieren und Bildbearbeitung 193 Fotografieren Professionelles Fotografieren ist eine Wissenschaft für sich, vor allem da es in verschiedenen Disziplinen zahlreiche Spezialfotografien gibt: Mik‐ rofotografie, Astrofotografie, Infrarotfotografie, Hochgeschwindigkeitfoto‐ grafie, Falschfarbenfotografie (Bild 5.7), Stroboskopfotografie (Bild 3.28), Röntgenfotografie (Bild 1.12). usw. Die Digilalfotografie bietet mehrere Möglichkeiten zu Reihenaufnahmen an, die dann mit einem Hilfsprogramm zu einem Gesamtbild verrechnet werden (Voges & Thiele, 2015), z. B. die HDR-Fotografie (High Dynamic Range). Jede dieser Techniken hat eigene Richtlinien der Aufnahme und Bearbeitung, die den Rahmen dieses Buches (und des Wissens seines Autors) sprengen. In den Lesetipps findet man einführende Literatur. Bildbearbeitung Digitale Fotos werden in der Kamera in einem Rohdatenformat (RAW) gespeichert, das von Hersteller zu Hersteller und von Kamera zu Kamera verschieden ist, ein Standard hat sich bisher nicht etabliert. Man spricht auch von den Sensordaten, die nicht bearbeitet und nicht komprimiert gespeichert werden und deshalb sehr speicherintensiv sind. Zum Bearbeiten mit einem Bildbearbeitungsprogramm werden die Dateien mit einem Konverter meist in das JPEG-Format, seltener in das TIFF-Format konvertiert. Wenn ein Foto nicht optimal gelungen ist, so gibt es heute erstaunliche Möglichkeiten der Nachbearbeitung. Bereits die gebräuchlichen Textverar‐ beitungsprogramme enthalten einige wichtige Werkzeuge zur Bildbearbei‐ tung wie Zuschneiden, Korrigieren von Helligkeit, Kontrast und Farbe, Maskieren u. a. m. Für viele Dokumente reicht das schon aus. Wer auf anspruchsvollere Bildbearbeitung angewiesen ist, der denkt zuerst an Pho‐ toshop, aber diese Software ist teuer und meist wird nur ein Bruchteil der Funktionen genutzt. Es gibt zahlreiche andere Tools zur Bildbearbeitung, manche sogar zum Nulltarif. Eine Empfehlung auszusprechen, ist schwierig, da es auf die fachspezifischen Aufgaben und das jeweilige Betriebssystem ankommt und sich die Programme auch andauernd verändern. Aber die meisten Werkzeuge sind in allen Programmen enthalten, z. B. Zeichnen und Malen, Radieren, Einfärben (Colorkey), Entzerren, Freistellen, Füllen, Montieren (Composing), Filtern, Beschriften und viele mehr. Es gibt keinen Bildparameter, den man nachträglich nicht verändern könnte. Es gibt Bild‐ bearbeitungssoftware für die unterschiedlichsten Bedürfnisse, vom Verschö‐ nern der Urlaubsfotos bis zur künstlerischen Umgestaltung. Einen ersten 194 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Überblick bietet der Artikel in Wikipedia: https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Gr afiksoftware. Bild 5.6 gibt einen Überblick über einige Bildbearbeitungsprogramme, bei einigen gibt es eine Standard-Version und eine Professional-Version. Die Grundfunktionen sind bei allen gleich, sie unterscheiden sich nur in den angebotenen Effekten und Filtern Für die Bebilderung von Arbeiten mit üblichen Makrofotografien reicht die einfache Version gewöhnlich aus. Spezialfotografien brauchen auch spezielle Software. Software Betriebssystem Vertrieb Anmerkungen Adobe Photo‐ shop https: / / www.ado be.com/ de/ produ cts/ photoshop/ Windows macOS Testversion 7 Tage nur monatliches Abo Marktführer mit zahlreichen Funk‐ tionen Photoshop Ele‐ ments https: / / www.ado be.com/ de/ produ cts/ photoshop-el ements/ features. html Windows macOS Testversion 30 Tage Pixelbilder mehr für die Ur‐ laubsfotos im Heimbereich ge‐ eignet Photoshop lightroom https: / / www.ado be.com/ de/ produ cts/ photoshop-li ghtroom.html Windows macOS Jahresabo mit mo‐ natlicher Zahlung Cloud-basiert: Bearbeitung im Browser möglich; Suche in Bildbibli‐ othek PhotoLine https: / / www.pl3 2.com Windows ab XP macOS X ab 10.6 Linux/ WINE Shareware Bearbeitung von Raster- und Vek‐ torgrafiken Pixelmator Pro https: / / www.pix elmator.com/ pro / macOS Testversion 15 Tage Pixelbilder GIMP https: / / www.gim p24.de Windows macOS Linux Freeware Pixelbilder 5.4 Fotografieren und Bildbearbeitung 195 Software Betriebssystem Vertrieb Anmerkungen Seashore https: / / seashore. de.uptodown.co m/ mac macOS Freeware (GNU-Lizenz) Abgespeckte GIMP-Version inPixio https: / / www.inpi xio.com/ Windows macOs - Vor allem zur Ver‐ schönerung von Fotos geeignet Adobe Bridge www.adobe.com / de/ products/ cre ativesuite/ bridge / Windows macOS Freeware Fotoverwaltung, mit der man Bilder aus Archiven kau‐ fen, bearbeiten und direkt in ein Dokument inte‐ grieren kann. Bild 5.6: Auswahl von Programmen zur Bearbeitung von Fotos. Auf Preisangaben wurde aus Aktualitätsgründen verzichtet. Visuelle Manipulation Als ein Merkmal digitaler Bilder wird ihre grundsätzliche Manipulierbarkeit gesehen. Die Möglichkeiten der Bildmanipulation beginnen eigentlich wie bei der analogen Fotografie schon bei der Aufnahme, bei der man die Belichtung einstellen und Filter einsetzen kann. Zwar gab es schon immer gefälschte und retuschierte Bilder, aber in der digitalen Welt haben sich diese Möglichkeiten vereinfacht und potenziert. Oft ist das Objekt des Bildes in der Wirklichkeit mit bloßen Augen gar nicht zugänglich, z. B. im Mikro- oder Makrobereich. Zudem ist das Herstellungsverfahren, der Algorithmus, nach dem ein Bild erstellt wird, für den Betrachtenden meist nicht bekannt. (Vögtli & Ernst, 2007). Das Problem sind weniger echte Fälschungen als Veränderungen, um ein möglichst klares und ästhetisches Bild zu präsentieren. Was kann noch als erlaubte Beseitigung von Fehlern durchgehen und was ist bereits bewusste Manipulation? Ein Beispiel ist das Bild eines Schwarzen Lochs, das unlängst in allen Medien gezeigt wurde (Bild 5.7). Es sieht tatsächlich wie ein schwarzes Loch aus, aber wer weiß schon, mit welchen technischen Verfahren es aufgrund welcher Daten aufgezeichnet wurde? Sind z. B. die Farben korrekt oder handelt es sich um Falschfarben, eine Konvention, die genutzt wird, um Strukturen sichtbar zu machen (Müller, 2007). 196 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Bild 5.7: Ein Schwarzes Loch. Hat hier ein Astronaut seine Kamera gezückt und einen Schnappschuss gemacht? Aus Radioaufnahmen des Event Horizon Telescope berechnete Darstellung, die das supermassereiche Schwarze Loch der Galaxie M87 zeigt. Quelle: Wikimedia Commons. Tipps für digitales Fotografieren Mit Fotos kommunizieren. Fotos werden gern als Stellvertreter der Wirklichkeit genommen, aber dabei wird vergessen, dass sie auch visu‐ elle Kommunikate sind. Ein Bildproduzent fällt bewusst oder unbewusst Entscheidungen, was er wie seinen Adressaten zeigt: Er wählt einen Ausschnitt und eine Perspektive, er legt die Tiefenschärfe und die Belichtung usw. fest. Wer ein Foto aufnimmt und bearbeitet, sollte sich im Klaren sein, was für kommunikative, z. B. didaktische Absichten er damit verfolgt (Ballstaedt, 2011). Unverwackelt aufnehmen. Zur Ausrüstung mit Digitalkamera und Software können hier keine Empfehlungen gegeben werden. Was aber unbedingt erforderlich ist: Ein Stativ oder eine andere Vorrichtung zum Arretieren für die Kamera, besonders bei längerer Belichtungszeit. Die Stabilisierungsfunktion der Kamera kann ein Stativ nicht ersetzen. Dazu 5.4 Fotografieren und Bildbearbeitung 197 gehört auch ein Fernauslöser, damit man die Kamera beim Aufnehmen nicht berühren muss. Professionell beleuchten. Am besten ist eigentlich immer Tageslicht (Profis empfehlen im Sommer 06: 00 Uhr morgens bei Bewölkung). Wenn das nicht möglich ist, sind Halogenleuchten notwendig. Um in Innenräu‐ men diffuses Kunstlicht (Streulicht) zu erreichen, sollten die Decke oder andere weiße Oberflächen, z. B. Styropurplatten oder professionelle Blitzschirme angestrahlt werden, um das Objekt optimal auszuleuchten. Bei Blitzlicht nie direkt auf das Objekt blitzen, um störende Reflexe zu vermeiden. Die Schärfe regulieren. Welche Bereiche in einem Foto scharf sind, wird über die Einstellung der Blende und der Brennweite festgelegt. Es gibt Verfahren, mit denen Fotos erstellt werden, die von vorne bis hinten scharf abbilden. Das wird erreicht, indem eine Reihe von Fotos mit unterschiedlichen Schärfeeinstelllungen mit einem speziellen Programm (z.-B. Helicon Remote) übereinandergelegt werden. Auf die Bildkomposition achten. Auch bei der Sachfotografie sollte man auf eine ansprechende Komposition achten. Die Richtlinien für verständliche Abbilder aus Kapitel 2.3. haben auch für Fotos Geltung. Wie man das bei Aufnahme und Bearbeitung praktisch hinbekommt, bleibt aber schwieriges Handwerk. Richtlinie: Das Foto auf die wichtigen Komponenten reduzieren und möglichst vor ruhigem Hintergrund aufnehmen. Mehrfach aufnehmen. Schon beim Alltagsknipsen ist man gut bera‐ ten, gleich mehrere Aufnahmen zu schießen. Dies gilt auch für die wis‐ senschaftliche Fotografie. Beim Fokus stacking werden mehrere Bilder mit identischer Belichtung, aber unterschiedlichen Schärfeeinstellungen zu einem Gesamtbild zusammengefügt, das von vorne bis hinten scharf ist. Bei der HDR-Fotografie werden unterschiedlich belichtete Fotos desselben Motivs digital übereinandergelegt, um überaus detailreiche und scharfe Bilder zu konstruieren. Technische Daten angeben. In der Wissenschaft ist es üblich, in der Legende zu einem Foto technische Daten zur Aufnahme anzufüh‐ ren: Kamera, Brennweite, Belichtung usw. Eigentlich sollte auch die Bildbearbeitung angegeben werden, aber das geschieht selten, da sie leider oft nicht dokumentiert wird. Im Journalismus ist jedes dokumen‐ 198 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung tarisch-publizistische Foto, das nach der Belichtung verändert wird mit dem Zeichen [M] zu kennzeichnen. Vertiefende Lese- und Schautipps Wer professionell Fotografieren möchte, muss ein Fachbuch studieren oder einen Fotokurs absolvieren. Das Buch des Physikers Richard Zierl ist ein älteres Standardwerk, das bei der digitalen Bildverarbeitung zwar nicht mehr aktuell ist, aber zahlreiche nützliche Praxistipps enthält. Deshalb ist das zweite Buch eine gute Ergänzung, da sein Schwerpunkt auf der digitalen Bildtechnik liegt. Eine verbreitete Ein‐ führung in die Makrofotografie bietet die Fotoschule von Kyra Sänger und Christian Sänger. Zierl, Richard (2008). Technische Fotografie für Naturwissen‐ schaftler, Mediziner und Ingenieure. München: München: Pear‐ son Studium. Bühler, Peter; Schlaich, Patrick & Singer, Dominik (2017). Digita‐ les Bild. Bildgestaltung - Bildbearbeitung - Bildtechnik. Berlin: Springer Vieweg. Sänger, Kyra & Sänger, Christian (2020). Makrofotografie: Die große Fotoschule. Bonn: Rheinwerk Wichtige Anregungen für wissenschaftliche Spezialfotografien, z. B. Mikrofotografie findet man in dem Kompendium: Hien, Katharina & Rümpler, Steffen (2008). Grafische Gestal‐ tung in Naturwissenschaft und Medizin: Wissenschaftliche Informationen vermitteln und präsentieren. Heidelberg: Spek‐ trum Akademischer Verlag. Eine Aufsatzsammlung zum Forschungsfeld „wissenschaftliche Foto‐ grafie“, die aufzeigt, welche Erkenntnispotentiale der epistemische Einsatz fotografischer Visualisierungstechniken in verschiedenen Wis‐ sensbereichen hat: Dufhues, Stefanie & Füßl, Wilhelm (2021). Fotografie im Dienste der Wissenschaft: Aspekte der Visual History. Marburg: Jonas Verlag. 5.4 Fotografieren und Bildbearbeitung 199 5.5 Visualisieren: Charts und Diagramme Zur Erstellung von Charts und Diagrammen gibt es zahlreiche elektronische Möglichkeiten. Alle Textverarbeitungsprogramme enthalten ein Modul zur Erstellung von Tabellen (Schnelltabellen bei WORD), Charts (SmartArt bei WORD) und Diagrammen (Diagramme bei WORD). Dies gilt auch für Präsentationsprogramme wie PowerPoint oder Keynote. Anspruchsvollere und kreativere Varianten bieten Tabellenkalkulationsprogramme, mit denen man auf der Grundlage einer Tabelle Visualisierungen erstellen und in den Text importieren kann. Auch hier gibt es die Markt-Giganten und kleine, aber durchaus brauchbare Alternativen. Wir führen hier nur einige Programme auf, die sich im wissenschaftlichen Kontext bewährt haben. Software Betriebssystem Vertrieb Anmerkungen Excel in Microsoft 365 https: / / www.micr osoft.com/ de-de/ microsoft-365 Windows mac-OS Monats-Abo Jahres-Abo imposantes Statis‐ tikprogramm zur Auswertung von Daten. Zahlreiche Diagrammtypen Numbers https: / / www.appl e.com/ de/ number s/ mac-OS kostenloser Download für Macs Kleinerer Funkti‐ onsumfang wie Excel; kann nicht so große Daten‐ mengen verarbei‐ ten OpenOffice Calc https: / / www.open office.org Windows mac-OS Kostenlose Alter‐ native zum Of‐ fice-Paket - Microsoft Visio 2021 https: / / www.micr osoft.com/ de-de/ microsoft-365/ p/ v isio-standard-202 1/ cfq7ttc0hlrq? act ivetab=pivot: über sichttab Windows Standard Professional Vektorbasiert, eig‐ net sich vor allem Flowcharts, tech‐ nische Zeichnun‐ gen 200 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Software Betriebssystem Vertrieb Anmerkungen FreeHand MX https: / / www.adob e.com/ mena_en/ p roducts/ freehand/ Windows Läuft nicht unter mac OS X 10.6 oder höher Proprietär: nur Vollversion käuf‐ lich Vektorbasiert Laut Adobe wird FreeHand zwar noch unterstützt, aber nicht mehr weiterentwickelt. Adobe Illustra‐ tor https: / / www.adob e.com/ de/ product s/ illustrator.html Windows macOS Testversion 7 Tage Monats-Abo Jahes-Abo Sehr vielseitig: Vektorbilder für jedes Medium Bild 5.8: Zusammenstellung einiger Programme zu Erstellung von wissenschaftlichen Visualisierungen. Auch hier gibt es noch viele andere Tools, manche für ganz spezielle wissenschaftlichen Visualisierungen, wie z. B. Cmap für Concept Maps, InTouch zur Visualisierung von Prozessabläufen, Math 3 für mathematische Formeln und Gleichungen, IsisDraw für chemische Formeln und zahlreiche GIS-Programme (Geoinformationssystem) zu Visualisierung geografischer Daten. 5.6 Nutzen von Bildquellen im Internet Das Internet bietet ein unerschöpfliches Reservoir an Bildern jeder Art. Es gibt Bildsuchmaschinen, Bildagenturen und -archive, Tauschbörsen für Bilder usw. Bevor wir jedoch auf Bilderjagd gehen, müssen wir einen Blick auf die rechtlichen Bedingungen der Bildverwendung werfen, sonst kann es böse Überraschungen geben. Der Autor weiß, wovon er spricht: Vor einigen Jahren hat sich eine Kanzlei gemeldet, welche die Ansprüche der dpa Picture-Alliance GmbH vertritt. Ich hatte ein Foto ohne Lizenz verwendet. Die Folgen: Schadensersatz, Dokumentationskosten, Zinsen und Rechtsan‐ waltgebühren, insgesamt 375,88 Euro. Trotz Zahlung durfte ich das Bild nicht weiterverwenden. Das ist natürlich ein lukratives Geschäftsmodell sowohl für dpa als auch die Kanzlei. 5.6 Nutzen von Bildquellen im Internet 201 Rechte und Lizenzen Die Verwendung von Bildern behandeln wir hier allein im wissenschaftli‐ chen Kontext, also nicht zu kommerziellen Zwecken z. B. in Blogs, Flyern, Zeitschriften usw. Trotz Urheberrecht und Zitatrecht ist die Rechtslage noch immer verzwickt, vor allem, da in verschiedenen Ländern andere Gesetze gelten. Einen Einblick in die komplexe Materie bieten der Wikipedia-Beitrag über Bildrechte https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Bildrechte und die Richtlinien für Bilder in Wikipedia-Beiträgen https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Wikiped ia: Bildrechte. Einen guten Überblick über die Rahmenbedingungen der wissenschaftlichen Bildverwendung bietet der Beitrag von Specht-Riemen‐ schneider, Eickhoff und Volpers (2019). Urheberrecht. Bilder sind wie Texte geistiges Eigentum im Sinne des Urheberrechts. Das gilt auch für wissenschaftliche Skizzen, Karten, Charts, Diagramme usw. Sie dürfen ohne Einverständnis des Autors bzw. der Autorin weder kopiert noch veröffentlicht werden. Mit Bildern, die man selbst fotografiert oder mit einem Grafikprogramm erstellt hat, gibt es also kein Problem. Anders mit Bildern, die man aus dem Internet kopiert und vielleicht auch noch etwas bearbeitet hat. Denn grundsätzlich sind alle Bilder im Web laut § 72, Abs.1 urheberrechtlich geschützt. Dabei wird zwischen Lichtbildern und Lichtbildwerken unterschieden. Lichtbilder sind irgendwelche Aufnahmen, dazu zählen auch wissenschaftliche Fotos, Lichtbildwerke erheben einen künstlerischen Anspruch, Bei einem Lichtbild erlischt der Schutz nach 50 Jahren seines Erscheinens, bei einem Lichtbild‐ werk 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers, sie sind dann gemeinfrei. Aber Vorsicht, auch dann können andere die Rechte für ein Bild erworben haben, z.-B. ein Museum oder eine Stiftung. Zitatprivileg. Im wissenschaftlichen Bereich ist die Übernahme eines Bildes nach dem Zitatrecht (§ 51 UrhG) zulässig. Wird ein Bild in einem wissen‐ schaftlichen Werk veröffentlicht, z. B. in einem Fachaufsatz oder im Internet, hat der Autor oder die Autorin es für die öffentliche Diskussion zur Verfü‐ gung gestellt. Bei Übernahme muss aber ein Zitatzweck vorliegten. Das Bild muss in einer selbstständigen Abhandlung als Erläuterung oder als Beleg dienen, es muss aus sachlichen Gründen für die Abhandlung unverzichtbar sein. Demnach sind Bildzitate, die einen rein dekorativen Charakter haben, wie etwa eine Cover-Abbildung, grundsätzlich genehmigungspflichtig. Ein Bild gilt als Großzitat, das nur als Ganzes wiedergegeben werden darf. Grundsätzlich ist der Bildurheber dagegen geschützt, dass ein Bild von ihm in modifizierter Form ohne seine Zustimmung veröffentlicht wird (§ 23 202 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung UrhG). Wer also nur einen Ausschnitt aus dem Bild verwendet oder in einem Chart oder Diagramm Linien, Pfeile oder die Beschriftung ändert, hat damit noch kein eigenes Werk geschaffen! Bei den Modifikationen gibt es zwei Ausnahmen (§ 62 Absatz (2) bis (4) UrhG): Die Größe darf verändert werden (Formatänderung), um das Bild in einen Text einzupassen. Und Maßnahmen sind erlaubt, die die Reproduktion mit sich bringt, z. B. wenn eine Farbfotografie nur in schwarz-weiß wiedergegeben werden kann. Grundsätzlich gilt bei Bildzitaten das Gebot der genauen Quellenangabe. Übernimmt man ein Bild, ohne den Urheber zu nennen, ist das ein Plagiat! Zur Quellenangabe gehörten die Nennung des Urhebers (Vor- und Nach‐ name), die genaue Fundstelle, die URL, die zum Bild verlinkt, und möglichst das Abrufdatum. Bildlizenzen. Eine Lizenz ist die Erlaubnis oder Genehmigung zur Verwen‐ dung eines Bildes. Ein Bild kann vom Urheber bzw. der Urheberin zur Verwendung freigegeben werden, das sind lizenzfreie Bilder. Bei lizenzpflich‐ tigen Bildern muss man eine Nutzungserlaubnis einholen, die etwas kosten kann, aber im wissenschaftlichen Bereich oft kostenfrei eingeräumt wird. Schauen wir uns die beiden Fälle genauer an: Es gibt im Internet viele Bildangebote, die lizenzfrei sind, d. h. für die Allgemeinheit freigegeben: Im Deutschen spricht man von gemeinfreien Bildern, in den USA von Public-Domain-Bildern. Entweder ist das Urhe‐ berrecht abgelaufen oder die Urheber bieten sie zur freien Verwendung an. Dazu gehören z. B. die Bilder in Wikimedia Commons unter der Crea‐ tive-Commons-Lizenz. Hier räumen Fotografen oder Mediendesignerinnen anderen Personen die Möglichkeit ein, die eigenen Werke unter bestimmten Bedingungen weiterzuverwenden, ohne ausdrücklich um Erlaubnis fragen zu müssen. Aber die geforderten Quellenangaben und die Nutzungsbedin‐ gungen sollte man unbedingt zur Kenntnis nehmen. Bei Wikipedia sind sie beim Bild unter „weitere Einzelheiten“ einsehbar. Wird man bei lizenzfreien Bildern nicht fündig, bleibt die Möglichkeit, die Rechte an einem Bild bei Bildagenturen zu erwerben, was aber für wis‐ senschaftliche Arbeiten eher selten notwendig ist. Lizenzpflichtige Bilder sind auf der Website oft mit einem Wasserzeichen als Urheberrechtsschutz versehen, das erst nach Kauf entfernt wird. Verwendet man ein Bild, das aus keiner wissenschaftlichen Abhandlung stammt oder das man modifiziert hat, so muss eine Lizenz beim Urheber, Verlag oder Websitebetreiber eingeholt werden. Dies sollte grundsätzlich in Schriftform geschehen, dokumentierte E-Mails sind ausreichend. Für wissenschaftliche Zwecke wird eine Abdruckgenehmigung oft gebührenfrei 5.6 Nutzen von Bildquellen im Internet 203 oder gegen einen geringen Betrag erteilt, aber eventuell mit Nutzungsein‐ schränkungen, z. B. einmalige Verwendung, keine Modifikation, Nutzung nur in einem Medium u. a. m. In der Legende steht dann als Quelle: mit freundlicher Genehmigung von xy. Rechtlich heikel bleiben Bilder (Fotos, Gemälde) aus dem künstlerischen Umfeld, weil nicht nur das Urheberrecht gilt, sondern auch noch Verwer‐ tungsrechte von anderen Institutionen (z. B. Museen) vorliegen können. Hierzu bietet die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst in Bonn nützliche In‐ formationen zum rechtlichen Hintergrund und zum praktischen Vorgehen: http: / / www.bildkunst.de. In allen Zweifelsfällen sollte man grundsätzlich eine Abdruckgenehmigung einholen. Eine unzulässige Verwendung eines Bildes kann erhebliche zivilrechtliche und sogar strafrechtlichen Folgen nach sich ziehen. Jetzt sind wir juristisch gerüstet, um im Internet auf Bildsuche zu gehen. Gleich vorweg: Hinweise und Tipps, die das Web betreffen, sind oft schon veraltet, wenn sie gelesen werden, denn das Angebot ändert sich fast täglich. Deshalb kann nur eine eigene Recherche nach Bildern für die jeweilige wissenschaftliche Disziplin angeregt werden. Bildsuchmaschinen Wie Suchmaschinen funktionieren und zu ihren Treffern kommen, muss man für die Suche nicht unbedingt wissen, aber es ist doch als Hintergrund‐ wissen bei der Eingabe von Suchwörtern hilfreich (Lewandowski, 2021). Eine Bildsuchmaschine fahndet nach Dateinamen, Bildbeschreibungen und dem verbalen Kontext zu Bildern. Ein eingegebener Suchbegriff wird mit den Wörtern in dieser Datenbank abgeglichen und die gefundenen Bilder werden als Ergebnis ausgegeben. Ein im Browser angezeigtes Bild kann auf die eigene Festplatte heruntergeladen werden. Die üblichen Suchmaschinen haben alle eine Bildsuche integriert. Wir nehmen hier als Beispiel Google, die meistgenutzte Suchmaschine in Deutschland (2022 Marktanteil 90,8 %, mit weitem Abstand gefolgt von Bing 5,4%). Etwa 20 % der Suchanfragen bei Google betreffen Bilder! Es gibt mehrere Zugänge zur Bildsuche: Entweder man ruft die Bildsuche direkt auf: https: / / images.google.com. Von der üblichen GOOGLE-Startseite kommt man über zwei Wege zur Bildsuche: Entweder man klickt rechts oben auf „Bilder“ oder nach der allgemeinen Suche über der Trefferliste auf „Bilder“. Wer seine wissenschaftliche Arbeit mit einem Bild anschaulicher gestal‐ ten möchte, der weiß genau, was er sucht, z. B. einen Sagittalschnitt durch 204 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung das Gehirn oder ein Chart, das den psychischen Apparat nach Sigmund Freud zusammenfasst. Wer z. B. „Sagittalschnitt Gehirn“ in die Bildsuche bei Google eingibt, der bekommt über hunderte Fotos, Strichbilder, Schemabilder angezeigt. Über Suchoperatoren und Suchfilter lassen sich die Treffer sinnvoll ein‐ schränken. Wie auch bei der Textsuche kann man bei der Bildsuche viel Zeit sparen, wenn man professionell vorgeht und das Suchfeld sinnvoll eingrenzt. Speziell für die wissenschaftliche Recherche gibt es das Portal des Schweizerischen Instituts für Informationswissenschaft, bei dem allerdings die Bildsuche etwas zu kurz kommt: https: / / sprint.informationswissensc haft.ch/ home/ . Wie läuft eine professionelle Bildsuche mit Suchwörtern, Suchoptionen und Suchfiltern ab? Suchwörter. Sie werden im Eingabefeld eingegeben, wobei man folgende Tipps beherzigen sollte: ● Verschiedene Schreibweisen eingeben: Fotografie OR Fotographie. Das OR als Suchoperator (= das eine oder das andere) wird im nächsten Abschnitt vorgestellt. Es wird nach Bildern gesucht, die entweder Fotografie oder Fotographie im Kontext mit sich führen. ● Mit Synonymen suchen: Sagittalschnitt AND Sagittalebene. Den Suchoperator AND kann man auch weglassen, da ein Leerzeichen zwischen zwei Wörtern als AND interpretiert wird (= das eine und das andere). Suchoperatoren. Sie werden mit dem Suchwort zusammen eingegeben, um eingeschränkte Treffer zu erzielen. Hier die wichtigsten Basisoperatoren bei Google: ● Mit dem Plus-Zeichen (+) oder AND werden mehrere Begriffe mitein‐ ander verbunden. Da die Und-Verknüpfung oft verwendet wird, wirkt das Leerzeichen bereits als AND-Operator. Wird z. B. eingegeben: Sagittalschnitt Tumor“ werden nur Bilder angezeigt, auf denen der Sagittalschnitt einen Tumor zeigt. ● Mit dem Minus-Zeichen (-) werden Suchbegriffe oder Websites ausge‐ schlossen, z. B. „Jaguar - Auto“ gibt nur Treffer zum Tier Jaguar, aber keine zum Auto an. ● Mit dem Pipe-Symbol (| oder OR) können Begriffe separiert werden (entweder das eine oder das andere), z. B. „Sagittalschnitt OR Sagittal‐ ebene“. 5.6 Nutzen von Bildquellen im Internet 205 ● In Anführungszeichen („“) wird die exakte Zeichenfolge gesucht, z. B. ein längeres Zitat. Mehr als 200 Zeichen dürfen es aber nicht sein. In unserem Beispiel: „psychischer Apparat“ findet genau diese Wortfolge. Ohne die Anführungsteichen werde alle Bilder gezeigt, die das Wort psychisch oder das Wort Apparat enthalten ● Runde Klammern ( ) zum Gruppieren mehrerer Wörter oder Suchope‐ ratoren, um zu steuern, wie die Suche ausgeführt wird. Beispiel: (ipad OR iphone) apple ● Nach speziellem Dateiformat suchen. „Sagittalschnitt filetyp.pdf “. Es werden nur Sagittalschnitte in PDF-Dateien angezeigt. ● Um gewünschte Abmessungen zu suchen, wird direkt nach dem Such‐ wort eingegeben: imagesize: breitexhöhe, z.-B. imagesize: 500x400. Suchfilter. Sie können in der oberen Menüleiste der Bildsuche angeklickt werden. Es werden folgende Optionen angeboten: ● Größe. Dahinter versteckt sich die Auflösung, die oft nur für den Bildschirm optimiert (72 dpi) und für die Einbindung in Print nicht zu gebrauchen ist. Angeboten werden: „alle Größen, groß, mittel, Symbol (gemeint ist Piktogramm)“. Genauere Informationen bekommt man über die „Einstellungen“ (Zahnrad rechts oben): Dort findet man den Menüpunkt „Erweiterte Suche“ und kann die Auflösung des gesuchten Bildes festlegen. ● Farbe. Hier kann man nach Schwarzweiß-Bildern und transparenten Bildern ohne störenden Hintergrund suchen. ● Bildtyp. Angeboten wird: alle Typen, Clipart (einfache Schemabilder), Strichzeichnung, GIF (betrifft animierte Bilder). ● Zeit. Man kann den Zeitraum wählen, in dem das Bild eingestellt wurde. Der Zeitfilter ist vor allem für Historiker interessant. ● Nutzungsrechte. Das ist wichtig, um Bilder mit Lizenzen zur Wieder‐ verwendung zu finden. Angeboten wird: alle, creative Commons, kom‐ merzielle und andere Lizenzen. Interessant ist natürlich die Kategorie Creative Commons, weil hier kostenfreie Bilder gesucht werden. Oft ist die Einschränkung aber frustrierend, denn es bleiben nur ein paar unattraktive Bilder übrig. Bei kommerziellen und anderen Lizenzen ist Vorsicht geboten, denn das Bild kann zahlungspflichtigen Websites stammen, der Sagittalschnitt z. B. von der Website eines Pharma-Unter‐ nehmens. Erweiterte Suche. Weitere Suchfilter findet man über die „Einstellungen“ (Radsymbol) rechts oben im Menüpunkt „erweiterte Suche“: 206 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung ● Sprache. Hier kann man auf Websites in einer bestimmten Sprache suchen. ● Bildgröße. Hier kann genauer nach bestimmten Auflösungen gesucht werden, z.B. ● Farben. Nichts Neues, wie Suchfilter. ● Bildtyp. Gesicht, Foto, Clipart, Strichzeichnung. Eine merkwürdige Aufzählung, neu sind das Gesicht und das Foto. Das Gesicht kann nützlich sein, wenn man z.-B. ein Porträt von Sigmund Freud sucht. ● Farben. Nichts Neues, wie Suchfilter. ● Land. Hier kann man nach Bildern auf Websites aus einem speziellen Land suchen. Wer z. B. eine Arbeit über René Descartes schreibt, kann speziell Websites aus Frankreich aufrufen. ● Dateityp. Den kann man mit dem Suchwort direkt eingeben, hier lässt er sich aber auch einstellen. ● Nutzungerechte. Nichts Neues, wie Suchfilter. Es gibt unzählige Suchmaschinen speziell für Bilder, die aber für den wis‐ senschaftlichen Bereich kaum interessant sind, z.B Pixabay, Pexels, Yandex und viele mehr. Rückwärtssuche. Manchmal kann die Rückwärtssuche oder umgekehrte Bildsuche hilfreich sein, welche die meisten Browser anbieten. Statt Such‐ wörtern werden hier Suchbilder eingegeben. Man lädt ein Bild hoch oder gibt eine Bildadresse (URL = Uniform Resource Locator) ein und sucht, ob es im Web ähnliche Bilder gibt. Ein Beispiel: Man hat ein Foto einer Pflanze, aber will prüfen, ob es noch ein ähnliches Bild aus anderer Perspektive, mit anderem Ausschnitt oder in besserer Qualität gibt. Bei Google klickt man neben dem Eingabefeld rechts auf das Kamerasymbol. Dann öffnet sich ein Fenster, in dem man das Bild hochladen kann. Bildagenturen, Bildarchive Bildagenturen bieten Medien oder Firmen Bilder an, die professionelle Fotografen oder Mediendesigner erstellt haben. Meist handelt es sich um Stockfotos. Dies sind Fotos zu bestimmten Themen, die auf Vorrat („to have in stock“) produziert werden. Auf Plattformen können Sie dann nach Registrierung lizenzfrei heruntergeladen oder lizenzpflichtig gekauft werden. Vorsicht: Manche Agenturen bieten lizenzfreie Bilder an, verlangen aber eine Gebühr für den Dienst. Kunden sind weniger Wissenschaftler als Medienschaffende. Der Schwerpunkt liegt auf sogenannten Symbolfotos, die 5.6 Nutzen von Bildquellen im Internet 207 zu einem Thema einen visuellen Eindruck bieten, ohne einen konkreten Sachverhalt abzubilden. Beispiel ist der oft verwendete Student vor einem Computermonitor. Die Bildqualität ist gut, aber das kann zwischen 30 bis 300 € kosten. Hier ein paar der marktführenden Bildagenturen: https: / / stock.adobe.com https: / / www.shutterstock.com/ de/ https: / / www.istockphoto.com/ de/ bilder https: / / www.gettyimages.com Wir konzentrieren uns hier auf Bildagenturen und Bildarchive, die sich auf wissenschaftliche Bilder spezialisiert haben. http: / / commons.wikimedia.org. Wikimedia Commons ist Teil der Web-Enzyklopädie Wikipedia. Es handelt sich um eine internationale Da‐ tenbank für Bilder - aber auch Videos, Musik, Texte -, die für die Benutzer kostenfrei ist. Es werden nur Bilder akzeptiert, die entweder gemeinfrei oder vom Rechteinhaber freigegeben sind. Nicht zuletzt durch zahlreiche Bildspenden sind Millionen von Bildern abrufbar, die nach Themen katalo‐ gisiert sind. Eine Fundgrube! www.okapia.de. Nennt sich selbst eine wissenschaftliche Bildagentur und bietet ausschließlich lizenzpflichtige Bilder aus den Bereichen Biologie, Bo‐ tanik, Medizin, Geografie an. „Der Preis ist von der jeweiligen Nutzungsart und dem Nutzungsumfang abhängig.“ https: / / www.science-photo.de. Bilder aus den Disziplinen Medizin, Öko‐ logie, Astronomie, Biologie. Auf der Website: „Gerne unterstützen wir Ihre Arbeit mit speziellen Konditionen für einen einzelnen Studenten bis hin zu Lösungen für einen gesamten Hochschulbetrieb. Neben individuellen Einzelbildpreisen bieten wir auch Komplettpakete und Jahrespauschalen für die unterschiedlichsten Bedürfnisse von Schulen, Instituten und For‐ schungseinrichtungen.“ Je nach Nutzung wird ein Bild für den Printbereich teuer. https: / / de.statista.com. Bietet Diagramme und Infografiken zu aktuellen Themen aus Politik, Soziologie, Ökonomie. Registrierung als Nutzer ist notwendig. Nach Angaben des Unternehmens bietet die Plattform über 1.000.000 Statistiken zu über 80.000 Themen aus mehr als 22.500 Quellen in über 150 Ländern und wird monatlich 30 Millionen Mal aufgerufen (Stand August 2021). Das Angebot umfasst unentgeltliche sowie kostenpflichtige Bilder. 208 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung http: / / isotype.com. Diese Agentur bietet tagesaktuelle Infografiken und Isotyp-Diagramme nach dem Ansatz von Otto Neurath (siehe Kapitel 2.7). Registrierung notwendig, die meisten Angebote sind kostenpflichtig. Es gibt Spezialagenturen für die Bildrecherche, die sich auf bestimmte Bilder spezialisiert habe. Eine Übersicht bietet: https: / / www.interfoto.de/ 2019/ 12 / 09/ bildagenturen-und-archive-von-a-z/ . Wir haben einige herausgefischt, die wissenschafliche Disziplinen abdecken: https: / / www.akg-images.de. Eine der größten europäischen Sammlungen zu den Themen Kunst, Kultur, Geschichte, Politik, Wissenschaft und Medien. https: / / www.arkivi-bildagentur.de. Ein Portal für historische Bilder, spe‐ ziell im Zeitraum von 1880-1945. https: / / www.botanikfoto.com/ de/ . In dieser Fotosammlung findet man Pflanzen, wenn man ihren Namen oder die wissenschaftliche Bezeichnung eingibt. https: / / www.bild.bundesarchiv.de/ dba/ de/ . Bilder und Plakate aus der deutschen Geschichte. Ein großer Teil kann selbstständig über die On‐ line-Datenbank gesucht, über Kreditkartenzahlung sofort lizenziert und heruntergeladen werden. https: / / www.deutsches-museum.de/ forschung/ archiv. Spezialarchiv für Geschichte, Naturwissenschaft und Technik. Bilder bedeutender Wis‐ senschaftler und Forscher, Pläne und technische Zeichnungen. https: / / www.gfz-potsdam.de. Speziell Bilder zum Thema Geowissen‐ schaften aus dem German Research Centre for Geosciences (GFZ). https: / / www.neanderthal.de/ de/ start.html. Eine Quelle bei der Suche nach Bildern zu naturwissenschaftlichen Themen der Menschheitsge‐ schichte. https: / / www.science-photo.de. Spezialagentur für wissenschaftliche Bil‐ der aus Medizin, Ökologie, Biologie, Astronomie. Die Bilder stammen von erstklassigen Wissenschaftsfotografen, renommierten Institutionen und führenden Forschungseinrichtungen weltweit. Dies ist nur eine Auswahl. Wer für seine Wissenschaft eine Bildagentur oder ein Bildarchiv sucht, der gibt z. B. ein: Bildarchiv OR Bildagentur Geologie. Und schon bekommt er z.-B. folgende Treffer: http: / / www.bildarchiv-boden.de/ geo/ geo.htm 5.6 Nutzen von Bildquellen im Internet 209 https: / / www.imago-images.de/ fotos-bilder/ geologie https: / / www.geologieportal.ch/ de/ wissen/ betrachten.html Tauschbörsen Es gibt Websites, auf denen man digitalisierte Bilder hochladen und anderen Nutzern zur Verfügung stellen kann. Am bekanntesten ist Flickr (engl. to flick through something = etwas durchblättern). Der wissenschaftliche Wert ist allerdings begrenzt. http: / / www.flickr.com. In der Community kann jeder seine Fotos hochla‐ den und sie anderen zur Verfügung stellen, wobei der Zugriff auf bestimmte Nutzer und Nutzergruppen eingeschränkt werden kann. Auf der Startseite kann man einen Suchbegriff eingeben und für den wissenschaftlichen Bereich auch fündig werden. Wer z. B. in seiner Arbeit gern ein Porträt von Charles Darwin abbilden möchte, der sucht unter Commons mit dem Stichwort „Darwin“ und bekommt - neben allerlei Fehltreffern zwei Fotos des Wissenschaftlers, aber auch ein Bild aus seinem Werk „The Expressions of Emotions in Man and Animals“ (1872). https: / / www.flickr.com/ commons. Damit bietet Flickr bietet eine Such‐ funktion (die Commons), mit der gemeinfreie Bilder und Bilder mit Crea‐ tive-Commons-Lizenzen zu finden sind. Langfristig interessant ist dieses Commons-Projekt, da es verborgene Fotoarchive auf der ganzen Welt allgemein verfügbar macht. KI-generierte Bilder In den letzten Jahren haben Anwendungen der generativen Künstlichen Intelligenz (KI) erhebliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Zunächst Chatbots, die auf der Grundlage von Spracheingaben (Prompts) Texte ver‐ fassen, dann Programme, die auf der Grundlage von sprachlichen Eingaben Bilder generieren. Diese wurden vorher mit Milliarden von Trainingsbildern mit Beschriftungen gefüttert, aus denen sie Kombinationen und Muster lernen. KI-generierte Bilder sind zunächst eine Herausforderung an Malerei, Fotografie und Design, da sie die Kreativität der Künstler und Künstlerinnen herausfordert. Auch der Bildjournalismus kann von ungewohnten Illustra‐ tionen profitieren. Ob Programme wie Stable Diffusion, Craiyon, Mindverse oder Midjourney auch Bilder für wissenschaftliche Zwecke erzeugen kön‐ nen, ist aber fraglich. Der Autor hat mit den Programmen mit verschiede‐ 210 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung nen experimentellen Eingaben keine brauchbaren Bilder erzeugen können, allerdings oft sehr kuriose Zusammenstellungen. Denkbar wäre die Visua‐ lisierung von Ergebnissen, bei denen Komponenten aus Diagrammen oder Infografiken verwendet werden. Dazu müssten die Programme aber mit entsprechenden Vorbildern trainiert werden. Ob die Wissenschaften einen Nutzen von KI-generierten Bildern haben, das kann man direkt ChatGPT fragen. Hier die algorithmengenerierte Antwort (28.03.2023): Ja, Bilder von Stable Diffusion können in der Wissenschaft sehr nützlich sein, da sie helfen können, komplexe Phänomene in der Statistik, Finanzmathematik und Physik zu visualisieren und zu verstehen. KI-generierte Bilder können dabei helfen, einen Einblick in den Prozess zu gewinnen und Modelle zur Vorhersage von Veränderungen in diesen Systemen zu entwickeln. Sollte man allerdings ein KI-generiertes Bild in einer wissenschaftlichen Arbeit verwenden, muss dies unbedingt gekennzeichnet werden. Aber wie, darüber gibt es derzeit noch keinen Konsens. Verwenden von Bildern in wissenschaftlichen Werken Fassen wir kurz zusammen, was man klären muss, um ein Bild in einer wissenschaftlichen Arbeit zu verwenden: ● Bei einem Foto oder Diagramm, das man selbst erstellt hat, ist man der Urheber. Wenn man es in einer Arbeit veröffentlicht hat, darf es von anderen Wissenschaftlern zitiert werden. ● Ist ein Bild mit Zustimmung des Berechtigten öffentlich zugänglich gemacht, gilt das wissenschaftliche Zitatprivileg. ● Es muss bei der Verwendung des Bildes ein zulässiger Zitatzweck vorliegen, d. h. ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem zitierten Bild und dem Begleittext bestehen. ● In der Legende oder im Bildverzeichnis muss eine Quellenangabe vorliegen, die das Bild eindeutig identifiziert. ● Wird das Bild modifiziert verwendet, so muss eine Genehmigung eingeholt werden. ● Aus dem Internet dürfen nur lizenzfreie Bilder verwendet werden, z. B. aus Wikimedia Commons. Auch hier ist auf die Vorgaben zu Quellenangaben zu achten. 5.6 Nutzen von Bildquellen im Internet 211 ● Von Bildagenturen und Bildarchiven können Bilder erworben wer‐ den. Die Nutzungsbedingungen und die Preise sind sehr unter‐ schiedlich. ● In allen Zweifelsfällen sollte beim Bildautor bzw. der Bildautorin oder der Rechteinhaberin bzw. dem Rechteinhaber eine Abdruckge‐ nehmigung eingeholt werden. Im wissenschaftlichen Bereich erhält man sie oft unentgeltlich. 5.7 Scannen von Vorlagen Für ein Bildzitat kann man beim Urheber bzw. der Urheberin um die Originaldatei bitten, aber einfacher ist es, das analoge Bild aus einem Buch oder einer Zeitschrift in guter Qualität einzuscannen. Die meisten wissenschaftlich Arbeitenden verfügen über einen Drucker mit integriertem Flachbettscanner. Die Vorlage wird auf eine Glasscheibe gelegt, von unten beleuchtet und mit lichtempfindlichen Sensoren abgetastet. Der Scanner erzeugt eine Datei, in der das Bild in Pixeln gespeichert ist und aus der das Bild auf einem Monitor gezeigt und ausgedruckt werden kann. Als Dateiformate kann man zwischen JPEG, TIFF, PNG, PDF wählen. Hier einige Tipps zum Scannen: Praktische Hinweise zum Scannen Druckerauflösung entscheidend. Wenn eingescannte Bilder in einen Text eingebunden und später ausgedruckt werden sollen, dann spielt die Druckerauflösung die entscheidende Rolle. Je höher die Auflösung des Druckers ist desto höher muss die Scanauflösung sein, die man beim Scannen einstellen kann, z. B. 300, 600 oder 1200 dpi (= dots per inch = Bildpunkte pro Zoll, 1 Zoll = 2,54 cm). Je höher die Auflösung, desto größer wird die Bilddatei! Es macht keinen Sinn eine Scanauflösung zu wählen, die weit über der des Ausgabegeräts liegt. Auflösung. Vorlagen mit feinen Linien, z. B. Strichbilder, Landkarten, Charts brauchen eine hohe Auflösung, verlangt werden meistens 1200 dpi. Halbtonbilder in Graustufen oder Farbe kommen mit 300 dpi aus, da fast alle Drucker Graustufen und Mischfarben durch mehrere Druckpunkte herstellen. Wer Bilder für eine Publikation vorbereitet, 212 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung muss wissen, in welcher Auflösung und in welchem Dateiformat sie abgegeben werden müssen. Bildgröße beachten. Wichtig ist, ob das eingescannte Bild vergrößert oder verkleinert gedruckt werden soll. Wird das Bild vergrößert in den Text eingefügt und ausgedruckt, dann muss man eine höhere Auflösung, wird es verkleinert eine niedere Auflösung einstellen. Beispiel: Soll ein Bild mit der Breite von 5 cm in einen Satzspiegel von 10 cm eingefügt werden, dann vervierfacht sich die Bildfläche. Statt mit 300 dpi muss mit 1200 dpi gescannt werden, damit eine gute Druckqualität erreicht wird. Störmuster vermeiden. Sind Vorlagen bereits gepixelt, z. B. Bilder aus Büchern oder Zeitungen, entstehen gern störende Muster (Moiré-Mus‐ ter nach ihrem Entdecker). Einige Scanner bieten eine Funktion „Ent‐ rasterung“ an. Wenn nicht, muss man mit der höchsten Auflösung scannen und später mit einer Bildbearbeitungssoftware die Funktion „Weichzeichnen“ anwenden. Als Alternative zum Scannen kann man Bilder auch mit einer guten Di‐ gitalkamera abfotografieren, dann hat man eine RAW- oder JPEG-Datei, die man bearbeiten kann. 5.8 Bilder in den Text integrieren Als letzter Schritt in der Gestaltung eines Dokuments müssen die digitalen Bilder in den Text importiert und dort positioniert werden. Richtlinien zu Abschlussarbeiten schreiben gewöhnlich das DIN A4 Format vor. Zeitschrif‐ ten und Bücher haben eigene Formate. Geht die Arbeit an einen Verlag werden gewöhnlich die Textdatei und die Bilddateien separat abgeliefert. Im Text sind dann in der Nähe der Textstelle, auf die sich ein Bild bezieht, Platzhalterbezeichnungen eingefügt. Typografie und Layout sind ein weites Feld, selbst wenn man nur die Beziehungen von Text und Bild betrachtet. Drei gute und moderne Einfüh‐ rungen bieten Bühler, Schlaich & Sinner, 2018; Grandt, 2019; Korthaus, 2020. Für gewöhnliche Ansprüche an eine Seminar- oder Abschlussarbeit reicht zum Text-Bild-Layout das Textverarbeitungsprogramm aus, mit dem man geschrieben hat. Die üblichen Textverarbeitungsprogramme, wie z. B. WORD, Pages, Open Office, haben sich inzwischen beinahe zu Layoutpro‐ 5.8 Bilder in den Text integrieren 213 grammen entwickelt und bieten ausreichende Möglichkeiten der Gestal‐ tung. Wer besonderen Wert auf Typografie und Layout legt, der muss seine Arbeit mit einem Layoutprogramm für DTP (Desktop-Publishing) erstellen. Layoutprogramme Die Gestaltung mit einen Laypoutprogramme macht nur Sinn, wenn man mit der Software vertraut ist, sonst besteht die Gefahr, dass die Handhabung des Programms die inhaltliche Arbeit überwuchert, denn alle haben eine großen Funktionsumfang und sind in der Handhabung anspruchsvoll. Ei‐ nige gebräuchliche Programme haben wir im Bild 5.9 zusammengestellt. Das sind keine Empfehlungen, es gibt viele andere Programme. Software Betriebssystem Vertrieb Anmerkungen Adobe InDesign https: / / www.adob e.com/ de/ product s/ indesign/ landpb. html Windows mac OS Testversion 7 Tage Monats-Abo Professionelles Endprodukt für den Digital- oder Offsetdruck. FrameMaker https: / / www.adob e.com/ de/ product s/ framemaker.htm l Windows Testversion 30 Tage Jahresabo Geeignet für technische Inhalte QuarkXpress https: / / quark.com / products/ quarkx press/ macOS Windows Testversion 7 Tage Jahresabo Anspruchsvolles DTP-Programm Scribus https: / / www.scrib us.net Windows macOS Linux Open source Das beste kosten‐ lose Programm zur Textbearbei‐ tung und Layout Bild 5.9 Zusammenstellung einiger Layoutprogramme. Vorsicht: Die Angaben, vor allem die Preise, können schnell veralten! Wir beschreiben nachfolgend die wichtigsten Schritte zur Gestaltung einer Sehfläche aus Text und Bild. Dabei nehmen wir keinen Bezug auf ein spezi‐ elles Programm, um die Tipps umzusetzen muss jeder das Handbuch seiner Software konsultieren. Im Kapitel 4 haben wird schon einige Hinweise zur 214 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Gestaltung von Text-Bild-Kombinationen gegeben, hier noch Hinweise, die speziell das Layout betreffen. Formatieren von Text-Bild-Kombinationen Gestaltungsraster. Alle Layoutprogramme bieten Hilfen zur Anord‐ nung von Bildern auf einer Seite an (bei WORD über das Register Layout). Das Anzeigen von Ausrichtungslinien muss man aktivieren. Sie erscheinen dann, wenn man ein Bild bewegt, und nehmen Bezug auf den Satzspiegel, die Seitenmitte und zu anderen Bildern. Eine Alternative sind Gitternetzlinien, an denen alle Bilder automatisch ausgerichtet werden. Die eingegebenen Einstellungen kann man als Gestaltungsraster für das Dokument festlegen. Kontiguität. Das Bild sollte immer möglichst nah an die inhaltlich zugehörige Textstelle, damit keine langen Augensprünge oder sogar ein Blättern notwendig werden. Wir hatten dies räumliche Kontiguität genannt (Kap. 4.2). In der Vertikalanordnung switcht der Blick von oben nach unten bzw. umgekehrt, in der Horizontalanordnung von links nach rechts bzw. umgekehrt. Die Vertikalanordnung ist bei großen, den Satzspiegel ausfüllenden, Bildern notwendig, die Horizontalverteilung eignet sich für kleinformatige Bilder, bei denen neben dem Bild noch Text stehen kann (siehe Textumbruch). Ausrichtung. Das Bild wird über Einfügen an die Stelle gesetzt, wo der Cursor steht. Jetzt sind einige Veränderungen möglich. Zunächst die Ausrichtung: linksbündig, rechtsbündig, zentriert. Die zentrierte Anordnung ist bei großformatigen Bildern sinnvoll. Das Bild nimmt die gesamte Satzbreite ein, die Legende steht darunter. Bei links- oder rechtsbündigen Bildern kann sie auch daneben stehen. Zuschneiden. Bildbereiche, die keine relevante Information enthalten, kann man wegschneiden oder maskieren. Rahmen. Bilder lassen sich mit Rahmen in bestimmter Linienstärke, Strichart und Farbe versehen. Ob man das will, ist eine rein ästhetische Entscheidung. Bildgröße ändern. Optimale Bildqualität bietet bei Pixelbildern nur die Originalgröße oder eine Verkleinerung. Beim Großziehen an einem 5.8 Bilder in den Text integrieren 215 Eckpunkt wird das Bild unscharf. Vektorbilder können hingegen belie‐ big in der Größe verändert werden (Skalierung). Einbindung/ Fixierung. Bei der Einbindung wird das Bild so eingefügt, dass es an einer Textstelle verankert wird. Das ist sinnvoll, wenn man am Text noch weiterarbeitet, d. h. Sätze oder Absätze einfügt oder streicht, dann bleibt das Bild immer mit der Textstelle verbunden, zu der es gehört. Bei der Fixierung wird das Bild auf einer Seite genau an einem Platz positioniert. Das macht nur Sinn, wenn am Text nichts mehr geändert wird, also beim endgültigen Layout. Textumbruch. Es werden mehrere Möglichkeiten angeboten, wie der Text das Bild umfließt. 1. Quadrat: Der Text fließt in Rechteckform um das Bild herum. Das ist der am häufigsten verwendete Textumbruch. 2. Oben und unten: Der Text umgibt das Bild nur ober- und unterhalb. 3. Der Text passt sich den Konturen eines freigestellten Bildobjektes an. Diese Variante, das Motiv vom Text umfließen zu lassen, sieht zwar edel aus, ist aber eher etwas für Zeitschriften und Werbebroschüren. Leerraum. Wird ein Bild von Text umflossen, sollte ein optischer Ab‐ stand zum Text eingehalten werden, in der Typografie spricht man von Leerraum oder Weißraum. Seiten mit eingequetschten Bildern wirken überladen, ein luftiges Layout wirkt hingegen großzügig. Wichtig: Die Legende muss näher beim Bild als beim Text stehen (Gestaltprinzip der Nähe). Papierqualität. Für Bachelor- oder Masterarbeiten ist das DIN-A4-For‐ mat gebräuchlich. Gewöhnlich wird auf Papier 80g/ m 2 gedruckt. Bei doppelseitigem Druck können dabei Bilder durchscheinen. Wer diesen Effekt vermeiden möchte, der sollte Papier der Qualität 100g/ m 2 wählen. Ist die Arbeit endgültig layoutet, dann empfiehlt sich die Konvertierung in das PDF-Format, denn jetzt kann nichts mehr verändert werden. In dieser Form kann man die Arbeit ausdrucken und z. B. in elektronischen Zeitschriften (E-Journals) im Internet veröffentlichen. An vielen Hoch‐ schulen muss eine Abschlussarbeit sowohl ausgedruckt als auch als Datei abgegeben werden, damit eine Plagiatsprüfung, ein sogenannter Guttenberg-Check, durchgeführt werden kann. 216 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Zusammenfassung Kapitel 5 Im digitalen Zeitalter mit Computer und Internet ist das Herstellen und Be‐ schaffen von Bildern einerseits deutlich einfacher als in vordigitalen Zeiten. Andererseits erfordert dies aber von Studierenden oder Wissenschaftlern zusätzlich Fähigkeiten, im Web intelligent zu suchen und die notwendige Software zu beherrschen. Paul Messaris (1994) spricht von „production literacy“. Durch die massenhafte Verbreitung von Bildern haben auch urheberrechtliche Probleme zugenommen. Das abschließende Kapitel hat Anregungen gegeben, mit welchen Mitteln man Bilder selbst herstellen oder vorhandene Bilder einscannen oder aus dem Netz ziehen kann. Bebildern wird in Zukunft in allen wissenschaftlichen Disziplinen als unverzichtbare Tätigkeit neben das Schreiben treten. Weiterführende Lese- und Schautipps Die Digitalisierung der Bilder hat viele Diskussionen ausgelöst: Was sind überhaupt digitale Bilder? Eine gute Zusammenfassung der Dis‐ kussion bietet ein Aufsatz, den man sich als PDF aus dem Internet herunterladen kann. Heßler, Martina (2006). Von der doppelten Unsichtbarkeit digi‐ taler Bilder. Zeitenblicke 5 (3). Auch: http: / / www.zeitenblicke.d e/ 2006/ 3/ Hessler (Besuch 27.03.2023). Das folgende Buch ist auf Naturwissenschaften mit dem Fokus auf Medizin eingeschränkt. Sehr praxisorientiert mit vielen Tipps zur Bilderstellung (Zeichnen, Fotografieren, Scannen, Bildbearbeitung), Bildbeschaffung (Agenturen, Tauschbörsen, Bildrechte) und zur Bild‐ verwaltung. Allerdings etwas wirr aufgebaut: Hien, Katharina & Rümpler, Steffen (2008). Grafische Gestal‐ tung in Naturwissenschaft und Medizin: Wissenschaftliche Informationen vermitteln und präsentieren. Heidelberg: Spek‐ trum Akademischer Verlag. Wer größere Ansprüche an Typografie und Layout hat, ist mit den folgenden Einführungen gut bedient. Sie richten sich an angehende Designer, es geht nicht speziell um wissenschaftliche Dokumente, sondern allgemein um Print- und Webdesign: Bühler, Peter; Schlaich, Patrick & Singer, Dominik (2018). Print‐ design. Berlin: Springer Vieweg. Zusammenfassung Kapitel 5 217 Grandt, Anke (2019). Visualisierte Kommunikation. Grafische Elemente, Typografie, Layout. Haan: Europa-Lehrmittel Korthaus, Claudia (2020). Grundkurs Typografie und Layout: Für Ausbildung, Studium und Praxis. Bonn: Rheinwerk Design. Während es zur Buchkunst viele Werke gibt, wird die Gestaltung von Fachbüchern und wissenschaftlichen Texten vernachlässigt. Einzig die Schulbuchforschung im deutschsprachigen Raum hat einige Beiträge dazu vorgelegt. Aber im englischsprachigen Raum hat die Richtung des instructional Design einige Publikationen zur Gestaltung von Fachbü‐ chern hervorgebracht. Hier ein didaktisch besonders gut gestaltetes Beispiel. Burnett, Rebecca E. (2005). Technical communication. Boston: Thomson Wadsworth. Beim Titel muss man daran denken, dass „technical communication“ nicht als technische Kommunikation, sondern als Fachkommunikation übersetzt werden muss. 218 5 Werkzeugkasten Bilderstellung und -beschaffung Quellenverzeichnis Ackermann, Marion (Hrsg.) (2007). 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Das Buch erläutert anhand aktueller Befunde u.a. aus der motivations-, kognitions- und sozialpsychologischen Forschung, warum es manchmal schwerfällt, gefasste Vorsätze in die Tat umzusetzen. Daraus folgen konkrete Empfehlungen, wie man den inneren Schweinehund in allen Handlungsphasen (von der Intentionsbildung bis zur Zielerreichung) „an die Leine“ bekommt. Studierende finden Unterstützung dabei, sich kurzfristig in 6 Schritten zur Erledigung drängender Aufgaben zu motivieren. Darüber hinaus zeigt der Ratgeber aber vor allem, wie sich förderliche Denkweisen und Gewohnheiten langfristig verankern lassen, um Studium, Berufseinstieg und alle weiteren Herausforderungen des Lebens gesund und gelassen zu meistern. Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de ISBN 978-3-8252-6031-6 Steffen-Peter Ballstaedt Wissenschaftliche Bilder: gut gestalten, richtig verwenden Abschlussarbeiten, Aufsätze, Fachbücher, sie alle werden durch Bilder anschaulicher und verständlicher. Fotos, Zeichnungen, Diagramme, Charts, Karten sind ein unverzichtbarer Bestandteil wissenschaftlicher Vermittlung. Die Digitalisierung gibt Autoren und Autorinnen viele Möglichkeiten der Herstellung und Bearbeitung von Bildern in die Hand. Dieser Band informiert über die wichtigsten Bildtypen und die visuellen Konventionen, die sich in der kulturellen Evolution herausgebildet haben. Als Hintergrundwissen für eine effektive Gestaltung wird die kognitive Verarbeitung von Bildern und von Text-Bild-Kombinationen dargestellt. Der Fokus liegt auf praktischen Hinweisen, wie die verschiedenen Bildtypen didaktisch gestaltet und inhaltlich in den Text eingebunden werden. Schlüsselkompetenzen Wissenschaftliche Bilder: gut gestalten, richtig verwenden Ballstaedt Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehr- und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel Studieren, aber richtig 2023_05_26_6031-6_Ballstaedt_M_6018_PRINT.indd Alle Seiten 2023_05_26_6031-6_Ballstaedt_M_6018_PRINT.indd Alle Seiten 26.05.23 11: 11 26.05.23 11: 11