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Burnoutprävention in Heil-, Pflege- und Betreuungsberufen

Eine Anleitung zur Selbstorganisation

0904
2023
978-3-8385-6158-5
978-3-8252-6158-0
UTB 
Dieter Brendt
10.36198/9783838561585

Das Burnout-Risiko ist wohl nirgendwo sonst so stark ausgeprägt wie in Heil-, Pflege- und Betreuungsberufen. In diesem Buch werden die Methoden des Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagements speziell an den Bedürfnissen der Zielgruppe der Heil-, Pflege- und Betreuungskräfte ausgerichtet. Ihnen soll damit die Arbeit erleichtert und Möglichkeiten zur besseren Selbstorganisation an die Hand gegeben werden. Zudem werden ihnen Wege zur Stressprävention und Burnoutvermeidung erschlossen.

<?page no="0"?> Dieter Brendt Burnoutprävention in Heil-, Pflege- und Betreuungsberufen Eine Anleitung zur Selbstorganisation 2. Auflage <?page no="1"?> utb 6158 Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Brill | Schöningh - Fink · Paderborn Brill | Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen - Böhlau · Wien · Köln Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Narr Francke Attempto Verlag - expert verlag · Tübingen Psychiatrie Verlag · Köln Ernst Reinhardt Verlag · München transcript Verlag · Bielefeld Verlag Eugen Ulmer · Stuttgart UVK Verlag · München Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld Wochenschau Verlag · Frankfurt am Main <?page no="2"?> Dipl.-Psych. Dieter Brendt ist Coach, Trainer und Berater und bundesweit tätig in Dienstleistungsunternehmen der Pflege- und Betreuung sowie in Bauunternehmen, der Metall- und Elektroindustrie und im Öffentlichen Dienst. <?page no="3"?> Dieter Brendt Burnoutprävention in Heil-, Pflege- und Betreuungsberufen Eine Anleitung zur Selbstorganisaton 2., überarbeitete Auflage expert verlag · Tübingen <?page no="4"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.36198/ 9783838561585 © 2023 expert verlag ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Ver‐ vielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. 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Internet: www.expertverlag.de eMail: info@verlag.expert Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung CPI books GmbH, Leck utb-Nr. 6158 ISBN 978-3-8252-6158-0 (Print) ISBN 978-3-8385-6158-5 (ePDF) ISBN 978-3-8463-6158-0 (ePub) Umschlagabbildung: © Sentavio/ Shutterstock.com Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 1 7 2 12 3 22 4 35 5 47 47 50 53 57 60 62 71 74 77 81 83 87 88 88 90 6 91 92 96 97 Inhalt Wegweiser durch das Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsätzliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele setzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu 1.: Unklare Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu 2.: Ungeplante externe Störungen (Telefonate, unangemeldete Besucher) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu 3.: Zu wenig effektive, zu lange Besprechungen . . . . . . . . . . . . Zu 4.: Zu viele, zu lange Telefonate, belanglose Inhalte . . . . . . . . Zu 5.: Zu viel Plauderei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu 6.: Untergehen in der Informationsflut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu 7.: Arbeit anderer tun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu 8.: Routinearbeiten, persönliche Gewohnheiten . . . . . . . . . . . . Zu 9.: Schwächen der Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu 10.: Perfektionismus, Pedanterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu 11.: Schlechte Arbeitsplatzorganisation, Durcheinander . . . . . Zu 12.: Unentschlossenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu 13.: Wartezeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu 14.: Unrealistische Zeitplanung: Zu viel in zu kurzer Zeit! . . . Zu 15.: Spontanes Handeln, Ungeduld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu 1.: Prioritätensetzung nach der ABC-Analyse . . . . . . . . . . . . . . Zu 2.: Aufgabenordnung nach dem Eisenhower-Prinzip . . . . . . . Zu 3.: Tagesplanung mit der MENÜ-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 7 99 100 123 124 124 124 8 133 9 139 10 176 11 179 180 Ausführen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Denken vor der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reifegrad 1: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reifegrad 2: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reifegrad 3: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reifegrad 4: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stress bewältigen - Burnout verhindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autorenprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> 1 Wegweiser durch das Buch Betrachten wir die in Abb. 1 dargestellte Entwicklung der Arbeitsunfähig‐ keitstage je 100 AOK-Mitglieder nach Krankheitsarten im Gesundheits- und Sozialwesen zwischen 2001 und 2015, zeigt sich zum einen, dass nach wie vor Muskel- und Skeletterkrankungen am häufigsten auftreten, was sicherlich der körperlich anstrengenden Arbeit bei der Pflege und Betreuung geschuldet sein dürfte. Zum anderen ist im letzten Jahrzehnt eine kontinuierliche Zunahme psychischer Erkrankungen zu verzeichnen, die inzwischen deutlicher ausfällt als Atemwegserkrankungen, welche sich durch den täglichen Umgang mit vielen Menschen erklären lassen. Abb. 1: Entwicklung der Arbeitsunfähigkeitstage je 100 AOK-Mitglieder nach Krankheits‐ arten im Gesundheits- und Sozialwesen lt. Fehlzeitenreport 2016 von 2001 bis 2015 Der alarmierende Anstieg psychischer Erkrankungen im Gesundheits- und Sozialwesen zeigt sich auch in den Zahlen des TK-Gesundheitsreports „Pfle‐ gefall Pflegebranche? So geht’s deutschen Pflegekräften heute“ (2019). Nach ICD-10 Kapiteln für psychische Verhaltensstörungen werden dort u. a. für 2018 bei Berufstätigen in Pflegeberufen (gesamt) 463.3 Arbeitsunfähigkeits‐ tage (AU) je 100 Versicherungsjahre gegenüber 274,4 AU bei Berufstätigen (gesamt) ausgewiesen, also großzügig betrachtet, etwa doppelt so viele. Derartige Ergebnisse sind im Zusammenhang mit einem Wandel in Pflege und Betreuung zu sehen, der durch demografische, ökonomische, fachliche und ethische Facetten geprägt ist. So stehen der demografisch bedingten, <?page no="8"?> steigenden Zahl älterer Patienten nur begrenzt Fachkräfte zur Verfügung, um den wachsenden Ansprüchen an Gesundheitsversorgungen gerecht zu werden - ein Zustand, der treffend mit „Pflegenotstand“ charakterisiert wird. Vielerorts werden aus Pflege- und Gesundheitseinrichtungen unzurei‐ chende Personalausstattung, unzumutbare Arbeitsbedingungen und / oder unzureichende Behandlung aufgrund finanzieller Engpässe berichtet, samt und sonders Rahmenbedingungen, die sich hoch belastend auf die Arbeits‐ platzsituation der Mitarbeitenden auswirken. Für sie resultiert aus Pflege‐ notstand, Schichtarbeit und emotionaler Belastung ein stressauslösender Ungleichgewichtszustand zwischen ihren Arbeitsanforderungen und ihren individuellen Leistungsvoraussetzungen, Zielen und Bedürfnissen. Nicht von ungefähr ist 2022 zwischen Beschäftigten und den Arbeitsgebern an Uni-Kliniken nach dem mit 79 Tagen längsten Streik im Gesundheitswesen der „Tarifvertrag Entlastung“ ausgehandelt worden, der im Kernstück einen besseren Personalschlüssel bei den patientennahen Beschäftigten vorsieht. Der Arbeitsalltag in Pflege und Betreuung führt viele Mitarbeitende an die Grenzen der Belastbarkeit. Die Auswirkungen zeigen sich u. a. in zwei Registered Nurse Forecasting Studien. In der ersten großangelegten inter‐ nationalen RN4Cast Studie geben 30,1 % von 1511 Befragte aus 51 deutschen Gesundheitseinrichtungen zwischen 2009 und 2011 an, unter emotionaler Erschöpfung zu leiden. Bei 21 % von ihnen sei Burnout festgestellt worden. Eine Follow-Up G-NWI Studie verzeichnet einen Anstieg der Zahlen in 71 Akutkrankenhäusern: 36 % geben an, unter emotionaler Erschöpfung zu leiden. Bei 21 % von ihnen sei Burnout diagnostiziert worden. Die Unter‐ suchungsergebnisse stehen im Einklang mit der weiter oben berichteten Zunahme psychischer Erkrankungen je 100 AOK-Mitglieder im Gesundheit- und Sozialwesen (vgl. Abb. 1) und dürften sich wohl auch auf andere Einrichtungen im Bereich von Pflege und Betreuung übertragen lassen. Dies wird auch in sämtlichen Medien so gesehen, wo ein äußerst prekäres Bild der Situation gezeichnet wird. Wen wundert es da, wenn von politischer Seite durch den Bundespräsidenten angemahnt wird, dass Pflege „auf der politischen Agenda erste Priorität bekommen“ müsse. Sollten Sie Betroffener dieser zweifelsohne höchst belastenden Situation im Gesundheits-, Pflege- und Betreuungswesen sein, werden Ihnen in diesem Buch Mittel und Wege aufgezeigt, wie Sie durch Methoden der Selbstorganisation und des Stressmanagements Ihren Arbeitsalltag besser in den Griff bekommen. Fühlen Sie sich eingeladen, mit Hilfe der Denkanstöße in diesem Buch ihr Tagesgeschehen selbstkritisch zu analysieren und sich 8 1 Wegweiser durch das Buch <?page no="9"?> Möglichkeiten zu erschließen, gut organisiert ihren beruflichen Alltag zu bewältigen. Lassen Sie sich anregen, systematisch an das eigene Selbst-Coa‐ ching heranzugehen. Schon diese ersten Zeilen im „Wegweiser durch das Buch“ helfen Ihnen, ganz konkret Zeit zu sparen. Verschaffen Sie sich einen Eindruck vom Inhalt der folgenden Kapitel. Jedes ist in sich abgeschlossen. Entscheiden Sie selbst, ob Sie alles „in einem Rutsch“ oder besonders Interessantes zuerst bearbeiten wollen, oder nur die Abschnitte, die Ihnen wichtig sind. In Kapitel 2 widmet sich der Autor auf der Grundlage seiner Erfahrungen als Supervisor und Coach der Frage, ob und inwieweit das persönliche Zeitmanagement mit typischen Verhaltensweisen und Persönlichkeitszügen von Mitarbeitenden in Pflege und Betreuung zusammenhängt. Vor dem Hintergrund dieser grundsätzlichen Gedanken zum Zeitmanage‐ ment erhalten Sie Gelegenheit, sich im Hinblick darauf zu hinterfragen, wie gut Sie Ihre Arbeit beherrschen. Zusammenhänge und Bedingungen, die dazu führen können, dass Ihre Arbeit Sie beherrscht, werden an Beispielen aus der betrieblichen Praxis aufgezeigt. Den Kapiteln 3 bis 7 ist der Regelkreis des Selbst-Coachings vorangestellt. Er enthält die Schritte: Ziele setzen - Planen - Entscheiden - Ausführen - Kontrollieren (vgl. Abbildung 2). Jedem Schritt ist ein Kapitel zugeordnet, in dem Techniken und Methoden zur erfolgreichen Realisation der einzelnen Schritte dargestellt werden. Abb. 2: Regelkreis des Selbst-Coachings 1 Wegweiser durch das Buch 9 <?page no="10"?> In Kapitel 3 „Ziele setzen“ wird einleitend die Bedeutung klarer Ziele für erfolgreiches berufliches und privates Handeln im Allgemeinen und für Zeitmanagement im Besonderen thematisiert. Sie lernen Zielsetzungstech‐ niken kennen und trainieren an Beispielen aus der Praxis, Ziele richtig zu formulieren. Schließlich wenden Sie das Gelernte an, um eigene Ziele zu setzen und Aktionsschritte zum Erreichen Ihrer Ziele zu bestimmen. In Kapitel 4 „Planen“ werden in der Praxis bewährte Methoden zur Zeitplanung ausführlich dargestellt. Im ersten Schritt erhalten Sie konkrete Hinweise, wie Sie ab heute Ihre Tagesplanung betreiben sollten. Im Weiteren wird Ihnen vorgestellt, wie Sie mit Tagesstörblättern Art, Ursache und Wirkung von Störungen und Unterbrechungen untersuchen können. Daran anknüpfend werden beispielhaft die von Betreuenden und Pflegenden mit solchen Tagesstörblättern meist entdeckten Zeitfallen und Zeitdiebe dargestellt, sowie deren Ursachen und Gegenmaßnahmen eingehend erör‐ tert. Thematisiert werden u. a. ungeplante, externe Störungen (Telefonate, unangemeldete Besucher), zu wenig effektive, zu lange Besprechungen, zu viele, zu lange Telefonate, belanglose Inhalte, zu viel Plauderei, Untergehen in der Informationsflut, Routinearbeiten sowie persönliche Gewohnheiten. Kapitel 5 „Entscheiden“ ist vor allem der Prioritätensetzung gewidmet. Es werden drei Methoden vorgestellt, die sich in der betrieblichen Praxis gut bewährt haben. Sie wenden die ABC-Analyse an, um die Aufgaben in Ihrem Zeitplan nach ihrem Wert für das Erreichen Ihrer Ziele zu untersu‐ chen. Mit dem Eisenhower-Prinzip ordnen Sie Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlichkeit. Die „MENÜ-Methode“ hilft Ihnen, Ihren Tagesplan zu optimieren. In Kapitel 6 „Ausführen“ werden zunächst arbeitsökonomische Überle‐ gungen diskutiert. Mit Techniken, wie der „Schnellplanung in systema‐ tischen Schritten“ oder der „Arbeitsrationalisierung durch Checklisten“ werden Ihnen im ersten Teil des Kapitels Maßnahmen zur effektiven Ar‐ beitsgestaltung an die Hand gegeben. Der zweite Teil des Kapitels ist vor allem für Führungskräfte in Pflege und Betreuung interessant. „Delegieren“ ist hier Thema. Sie erhalten Gelegenheit, Ihre Einstellung zum Delegieren selbstkritisch zu analysieren und lernen das „Reifegrad-Modell“ kennen und für Ihre betriebliche Praxis zu nutzen. Kapitel 7 „Kontrollieren“ zeigt nicht nur, auf welche Art und Weise das persönliche Zeitmanagement reflektiert werden kann, sondern es finden sich auch Tipps zur Auswahl von und zum Umgang mit Zeitplanbüchern und elektronischen Zeitmanagementmöglichkeiten. 10 1 Wegweiser durch das Buch <?page no="11"?> Kapitel 8 dieses Buches behandelt wesentliche Aspekte zum „Stressma‐ nagement“. Auf einführende Erörterungen zum Wesen von Stress, seinen Gründen und Erscheinungsformen folgen Anregungen zur wirksamen Stressbewältigung. Hierzu werden Ihnen mit Fragebögen Möglichkeiten zur Selbstreflexion Stress verstärkender Einstellungen eröffnet, Checklisten liefern Tipps zum Umgang mit gesundheitsschädlichem Dauerstress. Mit der ausführlichen Darstellung einer Modifikation der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobsen wird ein in der Praxis bewährtes Ent‐ spannungsverfahren vermittelt, das sich an jedem beliebigen Ort realisieren lässt. Hilfe bei Stress bieten zudem Achtsamkeitsübungen, die leicht erlernbar sind, und gut in den betrieblichen Alltag integriert werden können. Im Weiteren beschäftigen wir uns mit „Burnout“ als einer bei Mitarbeiten‐ den in Pflege und Betreuung häufigen Gesundheitsstörung infolge von nicht bewältigtem Stress und damit, wie sich das Burnout-Syndrom verhindern lässt. Abschließend wird eine Vorgehensweise zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz vorgestellt. Der vorliegende Band ist in Dialogform aufgebaut, d. h., ein fiktiver Teil‐ nehmer („TN“) steht im Dialog mit dem als Coach tätigen Autor („BT“) und stellt diesen durch seine Fragen immer wieder vor neue Herausforderungen. Sie erhalten damit einen Einblick in die zahlreichen Gespräche, die der Autor mit Pflege- und Betreuungskräften zum Thema führte und gewinnen beim Lesen den Eindruck unter den Diskutierenden mit dabei zu sein. Durch dieses aktivierende Element wird Ihnen der Einstieg in die Thematik besonders leicht gemacht, und der abstrakt-theoretische Hintergrund der Thematik wird so beinahe spielerisch vermittelt. Literatur-, Abbildungs- und Tabellenverzeichnis sowie Hinweise zum Autor stehen am Ende des Buches. 1 Wegweiser durch das Buch 11 <?page no="12"?> 2 Grundsätzliche Überlegungen In diesem Kapitel werden einleitend Ergebnisse und Beobachtungen des Autors im Zusammenhang mit Coachings und Supervisionen in Pflege- und Betreuungseinrichtungen dargestellt, um Tendenzen im Hinblick auf Schwierigkeiten beim Selbstmanagement der dort Beschäftigen aufzuzei‐ gen, die auf typische Persönlichkeitszüge für diese Berufsgruppe hinweisen. Selbsttests geben dem Leser die Möglichkeit, sich selbst dahingehend zu hinterfragen, wie gut er seine Arbeit bereits beherrscht und inwieweit es der Veränderung persönlicher Einstellungen und eingeschliffener Verhaltens‐ weisen bedarf, wenn es darum geht, sein Selbstmanagement zu optimieren. BT: „Im Rahmen eines langfristig und vielschichtig angelegten Beratungs‐ auftrags für einen großen Anbieter sozialpsychiatrischer Leistungen für Menschen mit psychischer Behinderung haben wir nach Workshops zur Ein‐ führung von Führungsinstrumenten wie einem Unternehmensleitbild, Füh‐ rungsgrundsätzen und Leitlinien für gesundheitsfördernde Mitarbeiterjah‐ resgespräche für jeden der sechs Bereichsleiter unser „Compact-Coaching“ durchgeführt. Hierbei handelt es sich um die professionelle Form eines per‐ sonenzentrierten Beratungs- und Betreuungsprozesses für Menschen in der Arbeitswelt, der berufliche und private Inhalte umfassen kann und zeitlich begrenzt ist. Im Vorfeld erhalten Teilnehmende eine Auswahl psychometri‐ scher Verfahren, deren Ergebnisse der Entwicklung erster Hypothesen zum Persönlichkeitsbild dienen. Die Auswahl der Verfahren leitet sich aus der Aufgabenstellung und dem Anforderungsprofil der Teilnehmenden ab. Den für dezentrale stationäre Wohneirichtungen, ambulant betreutes Wohnen und Tagesstätten zuständigen Bereichsleitenden wurde u. a. auch das „Bo‐ chumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP)“ ausgehändigt. Im BIP werden in vier Bereichen überfachliche Kompetenzen als bedeutsame Determinanten des beruflichen Erfolgs auf insgesamt 14 Dimensionen erfasst: 1. Berufliche Orientierung: Leistungsmotivation, Gestaltungsmotivation, Führungsmotivation 2. Arbeitsverhalten: Gewissenhaftigkeit, Flexibilität, Handlungsorientie‐ rung <?page no="13"?> 3. Soziale Kompetenzen: Sensitivität, Soziabilität, Kontaktfähigkeit, Team‐ orientierung, Durchsetzungsstärke 4. Psychische Konstitution: Emotionale Stabilität, Belastbarkeit, Selbstbe‐ wusstsein Wie erwartet zeigen sich im Bereich ‚Soziale Kompetenzen‘, insbeson‐ dere auf der Dimension ‚Soziabilität‘ bei allen Bereichsleitenden mit Sta‐ nine-Werten von 8 oder 9 im Vergleich zur Normstichprobe (Hauptabtei‐ lungsleiter / Bereichsleiter: N = 623) sehr hohe Ausprägungen, die gemäß der Konzeptualisierung der Dimension lt. BIP-Testmanual eine ‚Ausgeprägte Präferenz für Sozialverhalten, welches von Freundlichkeit und Rücksicht‐ nahme geprägt ist; Großzügigkeit in Bezug auf Schwächen der Interaktions‐ partner; ausgeprägter Wunsch nach einem Miteinander‘ bedeuten. Diame‐ tral entgegengesetzt ist das in Abb. 3 für den Bereich ‚Arbeitsverhalten‘ beispielhaft dargestellte Ergebnis der Dimension ‚Handlungsorientierung‘. Abb. 3: BIP-Dimension „Handlungsorientierung (HO)“ bei 6 Bereichsleitern eines Anbieters für Betreuungsleistungen Folgen wir dem Testmanual beschreiben sich Personen mit derart niedrigen Skalenwerte auf der Dimension ‚Handlungsorientierung‘ ‚als Menschen, die häufig unsicher hinsichtlich des optimalen Vorgehens bei der Bewältigung ihrer Aufgaben sind. Wenn sie eine Entscheidung für eine bestimmte Handlungsalternative getroffen haben, zögern sie eine gewisse Zeit, bis sie mit der Umsetzung beginnen. Hin und wieder fällt es ihnen schwer, die Aufmerksamkeit auf jeweils relevante Aspekte zu richten, da sie dazu neigen, sich von sachfremden Dingen ablenken zu lassen - etwa von weite‐ ren, ungelösten Problemen. Besonders bei unangenehmen Arbeiten besteht 2 Grundsätzliche Überlegungen 13 <?page no="14"?> eine Tendenz, deren Bearbeitung hinauszuschieben oder zu verzögern‘. Das Testergebnis legt nahe, mit den Teilnehmenden an ‚Fähigkeit und Wille zur raschen Umsetzung einer Entscheidung in zielgerichtete Aktivität sowie zur Abschirmung einer gewählten Handlungsalternative gegenüber weiteren Entwürfen‘ zu arbeiten sowie gleichzeitig zu schauen, inwieweit die hohe Ausprägung auf der Dimension ‚Soziabilität‘ mit dem geringen Wert auf der Skala ‚Handlungsorientierung‘ korrespondiert.“ TN: „Das mag wohl so sein, wenn man dem Testergebnis folgt. Aber ein Test ist das eine, der betriebliche Alltag das andere. Oder andersherum gefragt: Spiegelt sich das Testergebnis im tatsächlichen Arbeitsverhalten der Bereichsleitenden wider? “ BT: „In unserem ‚Compact-Coaching‘ werden den Teilnehmenden die Ergebnisse der psychometrischen Verfahren dargestellt und in einer vertie‐ fenden Exploration im Hinblick auf ihre Relevanz für das Arbeitsverhalten hinterfragt und gemeinsam Lernziele für das weitere Vorgehen abgespro‐ chen. In unserem Beispiel finden auf Wunsch der Teilnehmenden alle Sitzungen an deren Arbeitsplätzen statt, weil sie so unnötigen Zeitaufwand durch längere eigene An- und Abfahrtszeiten vermeiden und gleichzeitig gewährleisten könnten, bei Notfällen vor Ort zu sein. Im Zuge der Exploration erklären sich alle Teilnehmenden die im Ver‐ gleich zur Normstichprobe geringen Ausprägungen auf der BIP-Dimension ‚Handlungsorientierung‘ mit der überaus angespannten Situation in ihren Bereichen, geprägt durch die für den ‚Pflegenotstand‘ typischen Faktoren: unzureichende Personalausstattung, unzumutbare Arbeitsbedingungen, un‐ zureichende Betreuung der Klienten aufgrund finanzieller und personeller Engpässe und zunehmende Bürokratisierung durch Auflagen des Gesetzge‐ bers, der Heimaufsicht und der Kostenträger. Im Zusammenhang damit klagen sie darüber, dass sie Arbeitsüberlastung und Zeitnot erfahren, nur noch reagieren, statt agieren zu können, gestaltet werden, statt selbst zu gestalten, wichtige Arbeiten erst nach offiziellem Arbeitsschluss erledigen zu können und Berufs-Freizeit-Konflikte erleben. Zudem sei ihr Arbeitsall‐ tag durch häufige Störungen geprägt. Von daher spiegle das Testergebnis durchaus ihre betriebliche Realität. Da es ihnen nicht gelänge, gegenzu‐ steuern, ihre Zeit optimal zu gestalten und nur noch gelenkt werden, statt selbst zu lenken, wäre es ihnen nicht möglich, ihre volle berufliche Handlungskompetenz auszuschöpfen. Sie hätten den Eindruck nur noch die 14 2 Grundsätzliche Überlegungen <?page no="15"?> Hälfte ihres Potenzials ausschöpfen zu können. Von daher erhofften sie sich vom Coaching Tipps und Tricks, wie sie besser mit ihrer Situation umgehen könnten. Während ihrer Ausführungen werden alle Teilnehmenden immer wieder durch Telefonate, unangemeldete Besucher (Klienten, Kollegen, Vorgesetzte), sowie akustische Benachrichtigungen über eingehende Mails unterbrochen: ‚Sorry, aber da muss ich mal eben dran gehen‘, ‚Sie sehen ja, was hier los ist‘ oder ‚Entschuldigung, aber das eben war wirklich wichtig (für den Klienten, Kollegen oder dem Vorgesetzten)‘ und dann: ‚Wo waren wir noch einmal stehen geblieben? ‘ Im Zusammenhang mit diesem Geschehen zeichne ich den Teilnehmen‐ den den in Abb. 4 dargestellten ‚Sägezahneffekt bei Störungen‘ auf.“ Abb. 4: Sägezahneffekt bei Störungen TN: „Diesen Effekt kenne ich gut, vor allem dann, wenn es gilt, ‚unliebsame‘ Arbeiten auszuführen, wie das Schreiben von Hilfeplänen, das Erstellen von Konzepten zum Qualitätsmanagement oder ähnlichen Schreibtätigkeiten, die mir von externer Seite aufgebürdet werden. Ich muss mich dann jedes Mal erst einmal aufraffen, also meine Aktivierung hochfahren. Werde ich gestört, nehme ich die Störung sogar mehr oder weniger dankbar an, habe ich so doch einen willkommenen Grund die unliebsame Arbeit zu unter‐ brechen. Dann muss ich mich wieder zusammenreißen und hochfahren, um die unterbrochene Arbeit fortzusetzen, merke aber, dass ich infolge der Ablenkung nicht mehr so ganz bei der Sache bin wie zu Beginn. Mit zunehmenden Störungen fällt es mir immer schwerer meine Aktivierung so hochzufahren, dass ich konzentriert mit der ungeliebten Arbeit weiter‐ machen kann. Der Kurvenverlauf ähnelt dem sich verjüngenden Sägeblatt 2 Grundsätzliche Überlegungen 15 <?page no="16"?> eines Fuchsschwanzes und endet dann letztlich mit dem Abbruch: ‚Das hat jetzt doch sowieso keinen Sinn‘. Nicht allzu selten mache ich die Arbeiten dann ‚in Ruhe‘ nach Feierabend oder zu Hause fertig.“ BT: „Genauso haben es auch die Teilnehmenden an der Exploration gesehen und es auch auf das Geschehen während unserer Sitzung übertragen kön‐ nen. Wegen der häufigen Unterbrechungen musste in allen Fällen die Exploration am Ende des vereinbarten Zeitfensters abgebrochen und in der nächsten Sitzung wieder aufgenommen werden. Für diese ist vereinbart worden, ein ‚Bitte nicht stören‘-Schild außen an der Tür anzubringen. Zu‐ mindest für diese Sitzung konnte dann ungestört weitergearbeitet werden. Geraume Zeit später konnte ich allerdings bei Besuchen zur Reflexion des Leitungsverhaltens in Besprechungen beobachten, dass sich das alte Störverhalten wieder etabliert hatte. Darauf angesprochen antworten die Teilnehmenden in gut geübter ‚Ja-Aber-Technik‘. Es sei im Prinzip schon richtig, dass es besser sei, für ungestörtes Arbeiten und störungsfreie Besprechungen zu sorgen, aber andererseits sei es den Teilnehmenden schon sehr wichtig, für ihre Kollegen, Klienten und Vorgesetzten und deren Anliegen jederzeit ein offenes Ohr zu haben. Und das ginge eben nur, wenn auch die Tür jederzeit offenstehe. Schließlich arbeite man mit Menschen, denen man freundlich und zuvorkommend begegnen wolle. Somit zeigt sich in unserem Beispiel eine Bestätigung der BIP-Tester‐ gebnisse zu den Kompetenzen Handlungsorientierung und Soziabilität. Wie dort ausgeführt fehlt ‚… der Wille zur raschen Umsetzung einer Entscheidung in zielgerichtete Aktivität sowie zur Abschirmung einer ge‐ wählten Handlungsalternative gegenüber weiteren Entwürfen‘, korrespon‐ dierend mit der ‚ausgeprägten Präferenz für Sozialverhalten, welches von Freundlichkeit und Rücksichtnahme geprägt ist; Großzügigkeit in Bezug auf Schwächen der Interaktionspartner; ausgeprägter Wunsch nach einem Miteinander‘. Dass es sich bei dieser Kombination in unserem Beispiel aus meiner Sicht keinesfalls nur um einen bemerkenswerten Einzelfall handelt, zeigen mir meine Erfahrungen in zahlreichen Supervisionen und Coachings im Bereich von Pflege und Betreuung. So habe ich mehrere Jahre Sozialpädagogen und Sozialarbeiter supervi‐ diert, die im Bereich des betreuten Wohnens tätig sind. Zu spätes Erscheinen oder zu frühes Verlassen der Sitzung, Telefonate während der Supervision, Besuche von Klienten aus der Tagesstruktur, uvm. - eine ganze Palette möglicher Störungen, allesamt mit akuten Bedürfnissen der Klienten ent‐ 16 2 Grundsätzliche Überlegungen <?page no="17"?> schuldigt, beispielsweise bei der Entgegennahme eines eingehenden Anru‐ fes auf dem stumm geschalteten Handy: ‚Entschuldigung, aber da muss ich jetzt rangehen, das ist die gesetzliche Betreuerin meines Klienten, der sich gerade in einer seiner schwierigen Situation befindet.‘ Das bis dahin behandelte Thema? Aus den Augen aus dem Sinn, gemäß der Regel aus der ‚Themenzentrierten Interaktion‘ - Störungen haben Vorrang. Mein Vorschlag, die Handys ganz auszuschalten, ist mit dem Hinweis auf mögliche Notfälle stets strikt abgelehnt worden. Zudem geben viele Supervisanden an, dass ihre Diensthandys auch außerhalb der offiziellen Arbeitszeiten und sogar zumeist am Wochenende eingeschaltet seien: ‚Das ist zwar belastend für uns - aber was sollen wir machen? Wir können unsere Klienten doch nicht hängen lassen‘. Ähnliche Verhaltensmuster und Argumentationen sind mir bei meiner Arbeit als Supervisor oder Teamcoach für Mitarbeitende mobiler Pflege‐ dienste, Erziehern und Erzieherinnen in Einrichtungen der Jugendhilfe, Be‐ treuungs- und Pflegekräften in Heimen, sowie als Coach für Führungskräfte im sozialen Bereich wieder und wieder begegnet. Für mich zeigt sich darin auch eine gewisse Nähe zu dem bei sozialen Berufen häufig anzutreffenden ‚Helfer-Syndrom‘, welches der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidtbauer in seinem Buch ‚Die hilflosen Helfer‘ als Neigung von Personen, sich in sozialen Beziehungen überwiegend als Helfer anzubieten, beschrieben und postuliert hat. Je stärker diese Neigung ausgeprägt ist, umso schwerer dürfte es für die Betroffenen sein, die nötige professionelle Distanz zu wahren und sich von den zu Pflegenden und zu Betreuenden abzugrenzen und sich nicht von der Beziehung zu bzw. der Arbeit mit ihnen beherrschen zu lassen. Insofern werden vor dem Hintergrund des höchst belastenden ‚Pfle‐ genotstandes‘ im Gesundheits-, Pflege- und Betreuungswesen die Bemü‐ hungen von Pflege- und Betreuungskräften ihren beruflichen Alltag zu managen durch die Tendenz zu eben dieser Verhaltensdisposition zusätzlich erschwert. Schließlich geht es beim Selbstmanagement darum, dass wir unsere Arbeit beherrschen, indem wir ● klare Ziele haben und verfolgen, ● uns Übersicht verschaffen, ● durchdacht planen, ● das Richtige zur richtigen Zeit erledigen, ● uns und andere effizient informieren, ● vollständig und mitarbeitergerecht delegieren, 2 Grundsätzliche Überlegungen 17 <?page no="18"?> ● ökonomisch handeln, ● positiv mit Zeitdruck und beruflichen Anforderungen umgehen und ● angemessen Stress bewältigen. Meine Erfahrungen als Supervisor und Coach in Einrichtungen der Pflege und Betreuung haben mir jedoch immer wieder aufs Neue gezeigt, dass den dort Beschäftigten genau dieses schwerfällt.“ TN: „Als Betroffener kann ich mich den bisherigen Ausführungen ein Stück weit anschließen. Was genau empfehlen Sie mir, wie soll ich vorgehen, um mein Selbstmanagement zu verbessern? “ BT: „Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit und fragen Sie sich: ● Nutzen sie Ihre verfügbare Zeit zum Planen oder haben Sie schon gänzlich resigniert? ● Besitzen Sie noch Energie, Durchsetzungsvermögen, Zähigkeit oder haben Sie sich in Ihr Schicksal gefügt? ● Können Sie ‚Nein‘ sagen bzw. wollen Sie es überhaupt? ● Ärgern Sie sich, sind Sie frustriert aber tun nichts dagegen? ● Wieweit lassen Sie sich gerne ablenken, ohne diese Schwäche zunächst offen zuzugeben? ● Wie energisch verhindern Sie Störungen? ● Wie lange arbeiten Sie konzentriert? ● Wie oft wechseln Sie Ihre Tätigkeiten? Solche Fragen helfen Ihnen, Ihre Zeitfallen zu entdecken und Ihren Zeitdie‐ ben auf die Spur zu kommen. Möglicherweise kannten Sie diese ja auch schon vorher. Wollen Sie Ihre Möglichkeiten besser ausschöpfen, finden Sie in diesem Buch anregende Methoden und Techniken. Vergeuden Sie keine Zeit, sondern investieren Sie ein wenig Zeit - es wird sich mehr als auszahlen. Nutzen Sie zunächst den nachfolgenden ‚Fragebogen zur Beurteilung der eigenen Arbeit‘. Kreuzen Sie bitte zu jeder Aussage an, wieweit diese zutrifft, ob eher ● ‚fast nie‘, ● ‚manchmal‘, ● ‚häufig‘ oder ● ‚fast immer‘. 18 2 Grundsätzliche Überlegungen <?page no="19"?> Vergegenwärtigen Sie sich Ihre berufliche Situation. Entscheiden Sie spon‐ tan, ohne lange zu zögern! Selbsttest 1.: Fragebogen zur Beurteilung der eigenen Arbeit Aussage fast nie manch‐ mal häufig fast immer Jeden Arbeitstag plane ich im Vor‐ aus, spätestens am Vorabend. 0 1 2 3 Ich halte mir jeden Tag Zeit für ge‐ dankliche und schöpferische Ar‐ beiten frei. 0 1 2 3 Ich delegiere so viel wie möglich. 0 1 2 3 Für meine Aufgaben lege ich Ziele und Endtermine fest. 0 1 2 3 Ich bearbeite Vorgänge konse‐ quent, nehme jede Akte / jedes Schreiben nur einmal in die Hand. 0 1 2 3 Ich erstelle täglich eine Liste mit zu erledigenden Aufgaben, geord‐ net nach Wichtigkeit und Dring‐ lichkeit. Wichtige und dringende Aufgaben erledige ich zuerst. 0 1 2 3 Ich halte den Arbeitstag von Stö‐ rungen (Telefon, unangemeldete Besucher etc.) weitgehend frei. 0 1 2 3 Mein Zeitplan hat Pufferzeiten, um auf akute Probleme und Unvorhergesehenes reagieren zu können. 0 1 2 3 Meine Aktivitäten sind auf jene Arbeiten ausgerichtet, die für meine Zielerreichung bedeutsam sind. 0 1 2 3 Ich sage „Nein“, wenn andere meine Zeit beanspruchen wollen und ich Wichtigeres zu erledigen habe. 0 1 2 3 2 Grundsätzliche Überlegungen 19 <?page no="20"?> Jeder Einschätzung ist eine Zahl von 0 bis 3 zugeordnet. Diese Zahl stellt Ihren Punktwert pro Aussage dar. Addieren Sie bitte alle Werte zu Ihrem Gesamtpunktwert ____ Auflösung 0 - 15 Punkte: Sie haben nur eine unzureichende Zeitplanung. Sie werden von anderen getrieben. Es fällt Ihnen schwer, sich und andere richtig zu führen. Über Ihre Ziele haben Sie eher unklare Vorstellungen, Prioritäten setzen Sie nicht ausreichend. Mit dem Erwerb dieses Buches haben Sie den ersten Schritt für einen besseren Umgang mit der Zeit getan, wenn Sie sich konsequent und diszipliniert mit den Anregungen auseinandersetzen. 16 - 25 Punkte: Sie versuchen, Ihre Zeit in den Griff zu bekommen. Es fehlt Ihnen aber an der letzten Konsequenz, um immer und in unterschiedlichen Situationen erfolgreich zu sein. Dieses Buch liefert Ihnen Methoden und Techniken, um diszipliniert Ihr Potenzial besser auszuschöpfen. 25 - 30 Punkte: Ihr Zeitmanagement ist gut. Dieses Buch hält aber vielleicht noch einige Tipps für Sie bereit, um im Umgang mit der Zeit in allen Belangen vorbildlich zu sein. Zudem zeigen Ihnen Ihre Antworten zu den einzelnen Aussagen im Selbst‐ test in welcher Hinsicht Sie Ihr Selbstmanagement verbessern sollten. Je ge‐ ringer die erzielte Punktzahl zu einer Aussage, umso mehr Handlungsbedarf besteht. Nehmen wir beispielsweise an, Sie hätten zu Aussage 6 ‚Ich erstelle täglich eine Liste mit zu erledigenden Aufgaben, geordnet nach Wichtigkeit und Dringlichkeit. Wichtige und dringende Aufgaben erledige ich zuerst‘ ‚Fast nie‘ angekreuzt, also 0 Punkte erzielt, besteht diesbezüglich sehr hoher Handlungsbedarf. Die Ausführungen in Kapitel 5 dieses Buches zeigen Ihnen Möglichkeiten, wie Sie Ihr Selbstmanagement in dieser Hinsicht verbessern können. Während der letzten fünf Jahre habe ich Teilnehmende meiner Supervisio‐ nen und Coachings gebeten, den ‚Fragebogen zur Beurteilung der eigenen Arbeit‘ für mich auszufüllen. Abb. 5 zeigt das Ergebnis meiner Erhebung 20 2 Grundsätzliche Überlegungen <?page no="21"?> bei 112 Pflege- und Betreuungskräften. Sollten Sie also nur eine geringe Punktzahl erzielt haben - Sie sind in bester Gesellschaft! Abb. 5: Prozentuale Verteilung der erreichten Punktzahlen im ‚Fragebogen zur Beurteilung der eigenen Arbeit‘ 2 Grundsätzliche Überlegungen 21 <?page no="22"?> 3 Ziele setzen Nachdem in den beiden vorangegangenen Kapiteln sowohl äußere (Stich‐ wort u. a.: ‚Pflegenotstand‘) als auch innere Faktoren (Stichwort u. a.: ‚Helfersyndrom‘) und deren Zusammenwirken thematisiert worden sind, die sich erschwerend auf das Selbstmanagement in Pflege und Betreuung auswirken können, wird es in den folgenden Abschnitten darum gehen, Methoden und Techniken im „Regelkreis des Selbstcoachings“ (vgl. Abb. 2) vorzustellen, die sich in der Praxis zur Optimierung des beruflichen Handelns bewährt haben. Das Thema „Ziele setzen“ bildet dabei nicht von ungefähr den Ausgangspunkt unseres Regelkreises. Übereinstimmend zu einer der am besten bestätigten Theorien in der Personalpsychologie, der „Zielsetzungstheorie“ nach Locke und Latham (2002), zeigen auch meine Erfahrungen bei der Begleitung von Fach- und Führungskräften in sozialen Einrichtungen, dass sich wohlgeformte Ziele durchaus motivierend auf das berufliche Handeln auswirken. Wer erfolgreiches Selbst-Coaching nicht nur in allen Belangen des beruflichen, sondern auch des privaten Lebens betreiben möchte, sollte fähig sein, sich spezifische, d. h. konkret beschriebene und schwierige, aber realistisch zu erreichende Ziele zu setzen. Die Ausrichtung des eigenen Handelns an prägnanten Zielen gibt dem Handeln die erforderliche Richtung und Orientierung. Hierdurch entsteht Klarheit, die nicht nur die tagtägliche Planung vereinfacht. Das Formulieren von Zielen setzt einen Orientierungs- und Energiebereitstellungsprozess im Organismus in Gang, welcher zwar noch kein Garant für den Erfolg darstellt, doch lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass die Zielformulierung der Anlasser ist, der unseren Motor in Gang bringt. Wer an der Optimierung seines Verhaltens arbeiten möchte, muss ein Gefühl für den Sinn von Veränderungen entwickeln. Ziele sind keine Absichtserklärungen, wie wir sie zu Silvester äußern, wenn wir uns dies und das im neuen Jahr vornehmen. Klare, eigene Ziele unterscheiden sich grundsätzlich von solchen guten Vorsätzen. Sie sind weder unreflektiert übernommen noch stellen sie fromme Wünsche dar. Wohlgeformte Ziele werden bewusst definiert und erschließen uns konkrete Möglichkeiten, unser Verhalten konsequent und systematisch zu optimieren. Unser Leben erhält Richtung und Sinn. <?page no="23"?> Wenn Sie Ihre Ziele definiert haben, behalten Sie auch in der Hektik des Tagesgeschäftes den Überblick. Selbst unter größter Arbeitsbelastung setzen Sie die richtigen Prioritäten und verstehen es, Ihre berufliche Handlungs‐ kompetenz optimal einzusetzen. Bei der Verfolgung Ihrer wohlgeformten Ziele werden Sie erleben, wie sich emotionale Kräfte positiv auf Ihr Handeln auswirken. Jedes erreichte Teilziel, jeder Schritt in die vorgegebene Richtung, jeder Meilenstein be‐ stätigt Sie in Ihrem Tun. Mit zunehmender Selbstbestätigung steigt Ihre Eigenmotivation, zusätzliche Energien werden freigesetzt. Wohlgeformte Ziele stehen selbstverständlich im Einklang mit Ihrem persönlichen Leitbild, Ihrer persönlichen Philosophie. Damit werden Rand‐ bedingungen für Ziele aufgrund von individuellen Wertvorstellungen und persönlichen Stärken beschrieben. Das persönliche Leitbild beantwortet die Fragen: ● Wer will ich sein? ● Wo will ich was leisten? ● Wer ist/ wird Empfänger meiner Leistungen? ● Was sind meine zentralen Wertvorstellungen? ● Was ist für mich gut? ● Wie will ich leben? Sowohl längerfristige als auch kurzfristige Ziele sind positiv formuliert, konkret, beobachtbar und messbar und aus eigener Kraft erreichbar. Klare Ziele beantworten die Frage: ● Was will ich bis wann erreicht haben? Mit längerfristigen Zielen werden Strategien festgeschrieben. Es geht um längerfristige Verhaltensmuster zum Erreichen übergeordneter Ziele. Kurz‐ fristige Ziele sind eher taktischer Natur. Es werden Maßnahmen / Aktivitä‐ ten mit konkreten Terminen, Ablaufplan, Budget und Kapazitäten festgelegt. Sowohl Strategien als auch Maßnahmen beantworten die Frage: ● Wie, auf welchem Weg will ich die gesetzten Ziele erreichen? Wir unterscheiden - wie in der Tabelle unten dargestellt - prinzipiell drei Zielbereiche, die unterschiedliche Facetten aufweisen: 3 Ziele setzen 23 <?page no="24"?> Zielbereiche mit ihren Facetten - Ziele der Einrichtung Berufliche Ziele - Persönliche Ziele - Mitarbeiter Stellenziele Personalauswahl und -entwicklung Teamentwicklung Betriebsklima Termineinhaltung Qualität Investitionen Projekte Innovationen …- Arbeitsplatzsicherheit Selbstverwirklichung Arbeit selbst Gehalt Kollegialität Wertschätzung …- Familie Gesundheit Sport Hobbies Verein …- Bei der Zielauswahl und Koordination ist auf Harmonie zu achten. Ziele aus unterschiedlichen Bereichen sollten sich ergänzen und nicht gegenseitig ausschließen. Einmal pro Jahr sollten Sie Ihre ausgewählten Ziele neu überdenken. Doch bevor Sie sich daran machen, Ziele auszuwählen, sollten Sie: 1. Kriterien für wohlgeformte Ziele kennen und anwenden lernen und 2. sich damit auseinandersetzen, auf welche Art und Weise Sie Ihre Ziele erreichen - erfolgsmethodisch Maßnahmen / Aktionen formulieren. Sie werden nur dann in der Hektik des betrieblichen Alltags den Überblick behalten, wenn Sie Ihre Ziele schriftlich fixieren. Mit einem wohlgeformten Ziel schaffen Sie die Voraussetzung dafür, Ihre Prioritäten richtig zu setzen und Ihre Fähigkeiten optimal einzusetzen. So gewährleisten Sie, dass Sie schnell und sicher Ihr Ziel erreichen. TN: „Was sind wohlgeformte Ziele? “ BT: „Der Begriff ‚wohlgeformte Ziele‘ stammt aus einem Modell des Neuro-Linguistischen Programmierens (NLP), welches ich in meinen Ein‐ zelcoachings sehr erfolgreich eingesetzt habe. Demnach sind ‚wohlgeformte Ziele‘ aus gutem Grund keine Verbote, sondern Gebote. Denn Elfmeterschüt‐ zen, die sich vornehmen, nicht zu scheitern, werden verschießen, weil sie 24 3 Ziele setzen <?page no="25"?> nicht „nicht“ denken können. Im Angesicht des Torhüters haben sie ihr Scheitern und nicht ihren Erfolg vor Augen. Wir benötigen Zielbilder, die uns eine realistische Vorstellung vom Erfolg vermitteln. So, und nur so werden wir von innen motiviert. Wir handeln nicht, weil wir von außen dazu ermuntert, aufgefordert oder gar gezwungen werden, sondern weil wir es wollen, können und dürfen. Die Charakteristika wohlgeformter Ziele sind im ‚SPECI‘-Format in Abb. 6 dargestellt. Abb. 6: Wohlgeformte Ziele im ,SPECI‘-Format Die fett gedruckten Leitfragen werden in der Checkliste auf der Folgeseite aufgegriffen und bieten Ihnen die Möglichkeit, die Leitfragen auf Ziele anzuwenden, die mir in Coachings genannt worden sind. Prüfen Sie anhand der Fragen, ob die angeführten Ziele wohlgeformt sind und formulieren Sie dann richtig! 3 Ziele setzen 25 <?page no="26"?> Checkliste: Übung zu „wohlgeformten Zielen“ - ------Beispiel - Checkup mit Leitfragen: Ja ? / Nein ? ------Wohlgeform‐ tes Ziel Was ge‐ nau? Wer? Wo? Wie‐ viel? Wann? Wann nicht? Ich möchte schnellstens mein Zeitma‐ nagement verbessern. - - - - - - - Ab nächster Woche versu‐ che ich mehr Zeit für meine Familie zu er‐ übrigen. - - - - - - - Ab Montag nehme ich nicht mehr an überflüssigen Meetings teil. - - - - - - - Bis zum 31.12. telefoniere ich statt im Durchschnitt drei Stunden maximal zwei Stunden. - - - - - - - Ich versetze meinen Be‐ reichsleiter in die Lage das Projekt X ei‐ genverant‐ wortlich zu leiten. Das er‐ fordert Auf‐ wendungen in Höhe von € … - - - - - - - 26 3 Ziele setzen <?page no="27"?> Ziele richtig zu formulieren ist das eine, Maßnahmen abzuleiten das andere. Wohlgeformte Ziele klären, was Sie anstreben, Maßnahmen zeigen, wie Sie dahin kommen, welche Mittel Sie dazu brauchen, was Sie tun müssen, um das Ziel zu erreichen, kurz: Maßnahmen sollen zum Ziel führen! Je konkreter Sie Ihren Weg zum Ziel beschreiben, umso sicherer werden Sie Ihr Ziel auch erreichen. Sie verfügen über eine gute Wegebeschreibung, wenn Sie: ● sich vorstellen können, dass Sie Ihr Ziel schon erreicht hätten. Deutliche Zielbilder und klare Vorstellungen über die Vorgehensweise motivieren Sie, Ihr Ziel anzustreben und sichern, dass Sie sich genau darauf kon‐ zentrieren. ● Mittel, Maßnahmen und Zeitpunkte festlegen, um die richtigen Dinge in der richtigen Reihenfolge zum richtigen Zeitpunkt zu tun. ● in einem schriftlich fixierten Aktionsplan den inhaltlichen und zeit‐ lichen Aufgabenumfang übersehen können und einzelne konkrete Schritte detailliert geplant haben. Genug der allgemeinen Überlegungen zur Zielsetzung! Nehmen Sie sich jetzt ein wenig Zeit und legen Sie Ihre Ziele im Arbeitsblatt 1 „Ziele“ auf der nächsten Seite fest. ● Fixieren Sie Ihre Ziele schriftlich. ● Verschaffen Sie sich Klarheit über alle drei Zielbereiche. ● Setzen Sie Prioritäten und achten Sie auf harmonische Zielabstimmung. ● Formulieren Sie eigene spezifische, d.-h. konkrete und schwierige, aber erreichbare Ziele, statt Ziele unbewusst oder unreflektiert zu überneh‐ men. ● Bestimmen Sie für jeden Zielbereich wohlgeformte Ziele (wenigstens eins pro Zeile), und zwar jeweils: 1. kurzfristig (mehrere Tage bis Wochen) 2. mittelfristig (mehrere Wochen bis Monate) 3. langfristig (mehrere Monate bis Jahre) 4. Legen Sie fest, wie sie vorgehen werden, um Ihre klaren Zielvor‐ stellungen zu verwirklichen. 3 Ziele setzen 27 <?page no="28"?> Arbeitsblatt 1.: „Ziele“ Welche Ziele für die Einrichtung will ich erreichen? - - Ziele für die Einrichtung Aktionsschritte zur Realisie‐ rung -Kurzfristig -- - -Mittelfristig -- - -Langfristig -- - Welche beruflichen Ziele will ich erreichen? - - Berufliche Ziele Aktionsschritte zur Realisie‐ rung -Kurzfristig --- - -Mittelfristig --- - -Langfristig --- - Welche persönlichen Ziele möchte ich erreichen? - - Persönliche Ziele Aktionsschritte zur Realisie‐ rung -Kurzfristig --- - -Mittelfristig --- - -Langfristig --- - 28 3 Ziele setzen <?page no="29"?> Das Denken in Zielen fördert die Bewusstheit für das eigene Handeln und ist ein wichtiger Baustein im Selbstcoaching. Der bereits erwähnten ‚Zielsetzungstheorie‘ von Locke und Lathman (2002) folgend sei allerdings darauf hingewiesen, dass es mehr bedarf, als konkrete und herausfordernde Ziele wohlgeformt zu formulieren. Damit Ziele sich motivierend auf das Leistungsverhalten auswirken, muss die Person, die das Ziel formuliert hat, sich verpflichtet fühlen, es erreichen zu wollen, sich an das Ziel gebunden fühlen, es als wichtig und bedeutsam betrachten und es muss im Einklang mit dem stehen, was selbstwirksam erreicht werden kann. Zudem sollte die Aufgabenkomplexität nicht allzu hoch sein und zwischenzeitliches Feedback bei längerfristigen Zielen aus‐ reichend vorhanden sein. Eine gute Möglichkeit im beruflichen Bereich all dies zu beachten und mit hohen und spezifischen Zielen dann auch die gewünschten Leistungsergebnisse zu erzielen, erschließt sich, wenn im Mitarbeiterjahresgespräch Ziele SMART zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden vereinbart werden.“ TN: „Was verstehen Sie unter einem Mitarbeiterjahresgespräch und was bedeutet im Zusammenhang damit, dass Ziele SMART vereinbart werden sollen? “ BT: „Lassen Sie mich zunächst im Hinblick auf die Beantwortung des ersten Teils der Frage aus dem Vorwort eines ‚Leitfaden(s) für Mitarbeiterjahres‐ gespräche‘ zitieren, den ich in einem Workshop mit der Geschäftsführung, Führungskräften, Mitarbeitenden und Vertretern des Betriebsrats eines Anbieters innerhalb der sogenannten ‚sozialpsychiatrischen Landschaft‘ gemeinsam entwickelt habe: ‚Um den Wandel in der sozialpsychiatrischen Landschaft und der Gesell‐ schaft erfolgreich zu gestalten, setzt unser Verein auf leistungsstarke und motivierte Mitarbeiter. Der Umgang mit dem „Mitarbeiter“ sowie der Umgang der „Mitarbeiter“ untereinander wird im Rahmen einer zielgerichteten Personalführung zur wesentlichen Steuergröße, die aktiv zur Erfüllung der Unternehmensziele unseres Vereins und zur Bewahrung und Erweiterung der Wettbewerbsfä‐ higkeit unseres Unternehmens beitragen kann. Voraussetzung für wertschöpfende Leistungen ist die Entfaltung der Mitarbeiter in ihrem Beruf. Es ist heute nicht mehr nur eine angemessene Bezahlung, die die Beschäftigten zu hohen Leistungen motiviert. Genauso wichtig sind Bedingungen, die die physische und psychische Leistungsfä‐ 3 Ziele setzen 29 <?page no="30"?> higkeit möglichst langfristig erhalten und, wenn möglich, noch erweitern. Im Vordergrund dieser Bedingungen stehen nicht nur etwa Arbeitsplatzge‐ staltung, Ergonomie, gesundheitsfördernde Programme, sondern vor allem die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen am Arbeitsplatz. Mitarbeiterjahresgespräche, die die Einschätzung der Leistungen der Mitarbeiter und deren weitere berufliche Entwicklung sowie gemeinsam zu vereinbarende Ziele und gesundheitsfördernde Maßnahmen zum Inhalt haben, nehmen heute einen herausragenden Stellenwert innerhalb des Führungsinstrumentariums unseres Vereins ein und zählen unstrittig zu dem wesentlichsten und am häufigsten angewandten Führungsinstrument. Auch Aufsichtsrat und Vorstand unseres Vereins legen großen Wert auf die interne Kommunikation ihrer Beschäftigten. Neben den alltäglichen Gesprächen ist es dem Aufsichtsrat und dem Vorstand wichtig, dass sich die Bereichsleitungen in regelmäßigen Abständen intensiv mit ihren Mitarbei‐ tern befassen, für die sie Personalverantwortung tragen. Im Rahmen von strukturierten Gesprächen sollen die Bereichsleitungen mit ihren Mitarbeitern gemeinsam Bilanz ziehen und die nahe und weitere Zukunft planen und damit die Mitarbeiter- und Unternehmensentwicklung in Einklang bringen.‘ Im Weiteren haben wir dann im Workshop den eigentlichen Leitfaden abgestimmt, der festlegt, wer mit wem, wann, wie vor- und nachbereitet das Führungsinstrument ‚Mitarbeiterjahresgespräch‘ in der Form eines strukturierten Vier-Augen-Gespräches durchführt, in dem Führungskräfte und Mitarbeitende top-down gemeinsam im Hinblick auf wesentliche As‐ pekte der beruflichen Handlungskompetenz Bilanz ziehen, die nahe und weitere Zukunft planen und Mitarbeiter- und Unternehmensentwicklung in Einklang bringen. Durch die damit einhergehende Intensivierung des Vertrauensverhält‐ nisses zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften sollen neben der Förderung klassischer Ziele der Personalentwicklung wie Eigenverantwor‐ tung, Klienten-/ Patientenorientierung und Qualitäts- und Kostenbewusst‐ sein auch gesundheitsbewusstes Verhalten in der Form von Förderzielen geweckt und gestärkt werden. Am Ende eines jeden Mitarbeitergespräches steht ein Protokoll, das der Personalakte beigelegt wird und folgende Leitfragen beantwortet: 1. Welche Leistungsstärken hat der Mitarbeiter? 30 3 Ziele setzen <?page no="31"?> 2. In welchen Teilen der Aufgaben kann/ sollte der Mitarbeiter seine Leistung noch verbessern? 3. Welche Förderungsmaßnahmen werden zur besseren Erfüllung der Aufgaben vorgeschlagen? 4. Wie nimmt der Mitarbeitende zur Bewertung im Hinblick auf die bilan‐ zierten Aspekte seiner beruflichen Handlungskompetenz, zum Verlauf des Mitarbeitergesprächs und Sonstigem Stellung? 5. Welche Ziele vereinbaren die Gesprächspartner? Bei der Zielvereinbarung prüfen jeweils beide Gesprächspartner im Mitar‐ beiterjahresgespräch, ob die Ziele auch SMART formuliert sind (vgl. Abb. 7.: SMART(e) Ziele). Die Überprüfung mit der SMART-Formel bietet sich insofern an, als allen Beteiligten diese aus anderen Kontexten, z. B. dem Qualitätsmanagement oder der Hilfeplanerstellung bestens bekannt sind. Abb. 7: SMART(e) Ziele Formale Zielvereinbarungen zu kennen und einzuhalten, das ist die eine Sache. Eine andere ist es, wesentlich in seinem Handeln zu sein, planvoll und selbst gesteuert zu denken und sein Verhalten an einigen wenigen, wesentlichen Zielen auszurichten. Selbstverständlich ist es für den in Be‐ treuung und Pflege Tätigen zudem wichtig, den Weg zum Ziel kontinuierlich zu überprüfen. Diese aus meiner Sicht bedeutsame Voraussetzung für den Erfolg im Bereich von Pflege und Betreuung wird durch die Implementie‐ rung des Führungsinstruments ‚Mitarbeiterjahresgespräch‘ unterstützt und gefördert. Es sei zudem herausgestellt, dass durch die Durchführung von 3 Ziele setzen 31 <?page no="32"?> Mitarbeiterjahresgesprächen allen Kriterien der Zielsetzungstheorie von Locke und Lathman (2002) für motivierende Ziele entsprochen wird: 1. Spezifische und hohe Ziele: Durch die gemeinsame Zielvereinbarung zwischen Führungskräften und deren Mitarbeitenden im Vier-Au‐ gen-Gespräch wird der Anspruch auf herausfordernde Ziele gewährleis‐ tet. Die Anwendung der SMART-Formel sichert zudem die Spezifität. 2. Zielbindung: Da Ziele nicht nur abgenickt, sondern gemeinsam be‐ schlossen werden, fühlt sich der Mitarbeitende dem Ziel verpflichtet. 3. Bedeutung: Durch die Verschriftlichung der Ziele wird die Wichtigkeit einer nachhaltigen Zielerreichung unterstrichen. 4. Selbstwirksamkeit: Die im Mitarbeiterjahresgespräch in Selbst- und Fremdbeurteilung vorgenommene Beurteilung wichtiger Aspekte der beruflichen Handlungskompetenz sichert, dass Leistungsvermögen der Mitarbeitenden weder übernoch unterschätzt wird. 5. Feedback: Die kontinuierliche Durchführung von Mitarbeiterjahresge‐ sprächen dient der Orientierung bei der Verfolgung zeitlich weiter entfernt liegender Ziele. 6. Aufgabenkomplexität: Durch die Prüfung von Selbstwirksamkeit und ausreichendes und konkretes Feedback im Mitarbeiterjahresgespräch wird die richtige Strategie zur Zielverfolgung bei komplexen Aufgaben gewählt. Bei Evaluationen nach der Implementierung von Mitarbeiterjahresgesprä‐ chen in verschiedenen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens hat sich in unseren qualitativen Interviews gezeigt, dass bei einer so un‐ terstützten, adäquaten Zielsetzung, die Befragten ihre Handlungsrichtung, -intensität und -ausdauer ihren Zielen angepasst haben. Sind die Ziele erreicht worden, hat sich dies positiv auf die Zufriedenheit ausgewirkt. Diese Zufriedenheit wiederum hat sich anspornend auf die Verfolgung nachfolgender, meist dann auch anspruchsvollerer Ziele ausgewirkt. Unsere Interviewergebnisse bestätigen somit die Prognosen der Zielsetzungstheo‐ rie.“ TN: „Wenn ich an ‚Ziele setzen‘ denke, tue ich mich nicht nur schwer damit, Ziele für mich selbst zu formulieren, sondern auch damit, mir vorzustellen, welche Ziele sich andere in Pflege und Betreuung setzen könnten.“ BT: „Eine Orientierung über Zielarten im beruflichen Bereich von Pflege- und Betreuung zeigt unten dargestellte Tabelle: 32 3 Ziele setzen <?page no="33"?> Zielarten - Zielarten Qualität Quantität Arbeitsziele Inhaltlich entsprechen diese den Zielen der Stellen- oder Tätigkeitsbeschreibung, die im Qualitätsmanagement an‐ gelegt ist Anzahl und Dauer der Arbeitszeit, Umfang der Aufgaben Leistungsziele Selbständige Durchführung der Aufgabe ‚Hilfeplanerstel‐ lung‘ nach der halbjährlichen Einarbeitung am 01.01.2022 Definition der zu er‐ bringenden Fallzahlen, der dafür zur Verfü‐ gung stehende zeitliche Rahmen, der prozen‐ tuale Anteil des Leis‐ tungsziels in Relation zu weiteren Zielen oder gemessen an der Ge‐ samtdauer der Arbeits‐ zeit Entwicklungsziele Ziele, die in Zusammenhang mit der beruflichen Leis‐ tung stehen, jedoch keine ein‐ deutigen Leistungsziele dar‐ stellen; Erwerb von sog. Soft-Skills oder auch zur För‐ derung von Gesundheit und Work-Life-Balance Selbst-/ Fremdbild-Ab‐ gleich: Verbesserung der Teamfähigkeit um X % Existieren mehrere Ziele nebeneinander, so ist deren Kompatibilität zu be‐ achten. Ziele, die nicht miteinander vereinbar sind, führen zu Zielkonflikten. So kann ein Ziel zum Komplex ‚Zielgruppen erweitern und Betreuungsbe‐ darf erhöhen‘ mit der Einstellung neuer Mitarbeiter verbunden sein. Das aber wäre nicht mit einem Ziel im Hinblick auf ‚kurzfristige Kosteneinspa‐ rung‘ vereinbar. Für das Formulieren von Zielen hat daher die Prüfung der Vereinbarkeit besondere Relevanz. Das gilt in allen Bereichen, auch in der Gegenüberstellung von beruflichen und persönlichen Zielen. Auch sie müssen auf Kompatibilität geprüft werden, um Zielkonflikte zu erkennen und die Ziele real und machbar zu formulieren. Beispielsweise kann ein Ziel im Bereich ‚Berufliche Karriere und wirt‐ schaftlicher Aufstieg‘ mit einem Ziel für ‚mehr Zeit für die Partnerschaft‘ in Konkurrenz stehen, wenn die Verfolgung des beruflichen Zieles bedeutet, mehr Stunden als vorher pro Woche in entsprechende Aktivitäten zu 3 Ziele setzen 33 <?page no="34"?> investieren. Ein Zielkonflikt kann schon dann entstehen, wenn einer der Partner feststellt, dass für die Partnerschaft nicht mehr genügend Zeit und Energie übrig ist, um die gemeinsame Zeit auch wirklich genießen zu können. Von daher sind die Auswirkungen auf andere Lebensbereiche, wie Familie, Partnerschaft, Gesundheit und Freizeitgestaltung bei der Ziel‐ planung gegeneinander abzuwägen. Wie ausgeführt kann die einseitige Betonung beruflicher Ziele negative Auswirkungen haben, wenn das private und familiäre Leben bei der Planung außen vorgelassen wird. Wer von seinen beruflichen Zielen vollständig ab‐ sorbiert wird, darf sich nicht wundern, wenn er irgendwann mit dem Beruf verheiratet ist. Das kann eine Weile funktionieren, auf Dauer aber birgt diese ‚Ehebeziehung‘ erhebliche Nachteile. Abgesehen von der meist negativen Wirkung auf die wirkliche Ehe oder Partnerschaft, treten insbesondere dann Probleme auf, wenn die berufliche Karriere ausbleibt oder wenn es gilt, berufliche Niederlagen durchzustehen. Die Konsequenz besteht darin, nicht nur kurzfristige, berufliche, sondern auch längerfristige Lebensziele, die den rein ökonomisch-wirtschaftlichen Aspekt übersteigen, zu beachten. Diese Form der nachhaltigen Lebens- und Karriereplanung stellt eine Art Risikoprophylaxe für die körperliche und psychische Gesundheit für alle im Bereich der Pflege und Betreuung Tätigen dar. Nachhaltige Lebensplanung senkt nach meiner Erfahrung das Risiko von Suchterkrankungen, Burnout-Syndrom, psychosomatischen Lei‐ den und bestimmten Erkrankungen aus dem Formenkreis der Depression. Private und familiäre Erwartungen und Wünsche sollten daher stets in die Überlegungen, wohin die Reise führen soll, einbezogen werden. Ähnlich verhält es sich mit der Gesundheit oder mit (körperlicher) Fitness. Sie ist nicht automatisch gegeben, auch wenn sie jüngeren Menschen manchmal als selbstverständlich erscheint. Die Kunst seelischer Ausgeglichenheit, ausreichender Fitness und erfül‐ lender Partnerschaft trotz hohen beruflichen Engagements beruht auf einer Mixtur aus ausgewogenen Zielen mit nachhaltigem Charakter und relativ kurzfristigen Erfolgs- und Zufriedenheitserlebnissen im ‚Hier und Jetzt‘ und nicht etwa im ‚Dann und Wann‘. Zögern Sie nicht und nutzen Sie Arbeitsblatt 1 zur Formulierung der dort angeführten Zielfacetten.“ 34 3 Ziele setzen <?page no="35"?> 4 Planen Im Anschluss an die Überlegungen im letzten Kapitel „Ziele setzen“ sei angemerkt, dass es einfacher ist, Ziele zu formulieren als kontinuierlich auf sie hinzuarbeiten. Es ist daher vorteilhaft von vorneherein zu akzeptieren, dass ‚Ziele setzen‘ und verfolgen ein kontinuierlicher Prozess ist, der eine auf die persönliche Zielsetzung abgestimmte Planung erfordert. ‚Planung‘ sei als Vorgang verstanden, der zeitlich vor einem Ereignis stattfindet und darauf abzielt, mehrere Varianten von potenziellen Ergeb‐ nissen oder Ausgängen (z. B. Reaktionen von Klienten oder Patienten in Betreuungs- oder Pflegesituationen, Argumente und Vorgehensweisen von externen Partnern in Verhandlungen, zukünftige Entwicklung im Bereich der Pflege und Betreuung oder andere in der Zukunft liegende Ereignisse) vorweg zu nehmen. ‚Planen‘, die zweite Position im „Regelkreis des Selbstcoachings“ ist insofern eine außerordentlich wichtige Komponente, als viele Abläufe vom „Timing“ und der Abstimmung zwischen externen und internen Faktoren im unmittelbaren und erweiterten Umfeld einer Einrich‐ tung abhängen. Für die persönliche Tagesstrukturierung ist Planung darüber hinaus von Bedeutung, weil durch eine effiziente Planung die Prioritäten und Ziele deutlich akzentuiert werden. Die folgenden Fragen haben sich als hilfreich bei der Erarbeitung einer sinnvollen Planung, z. B. bei der Implementierung von Projekten zur betrieblichen Gesundheitsförderung in kleinen und mittleren Einrichtungen, erwiesen: ● „Welche Informationen brauche ich im Vorfeld, was muss abklärt wer‐ den bevor mit der Arbeit begonnen wird? “ ● „Welche Schritte folgen aufeinander, wie lange dauern die einzelnen Schritte, was ist beim Übergang von einem auf den nächsten Schritt zu beachten? “ ● „Was wird an Material oder Manpower benötigt und welche Kapazitäten stehen aktuell tatsächlich zur Verfügung? “ ● „Welche Aufgabe, welche Tätigkeit bringt mich meinem oder unserem Ziel näher? “ ● „Welche Aufgaben beinhalten den größten Gewinn? “ ● „In welcher Abfolge sind die Aufgaben zeitlich am besten zu lösen? “ ● „Wie viel Zeit steht für die Gesamtaufgabe zur Verfügung? “ <?page no="36"?> ● „Welche Fristen oder Meilensteine sind zu beachten, bis zu welchen (Zwischen-)Terminen müssen welche (Zwischen-)Ergebnisse abgelie‐ fert werden? “ ● „Welche Normen, Regelungen, Gesetzesvorschriften sind zu beachten? “ Bei jeder sinnvollen Planung sind individuelle Kriterien und dementspre‐ chend individuelle Fragestellungen zu entwickeln und zu überprüfen. Daher ist zu empfehlen, zu jeder Besprechung, bei der Planungsfragen auf der Agenda stehen, im Vorfeld entsprechende Fragen zu entwickeln und Fakten zu sammeln, die helfen, die Lage besser einzuschätzen. Im Unterschied dazu ist die Haltung „im Zweifel zu galoppieren“ eine denkbar schlechte Alternative, denn die zwangsläufig erforderlichen Korrekturen bei dieser Form des spontanen Verhaltens sind zeitaufwändig, kosten unnötig Geld und womöglich noch andere Ressourcen. Zu einer guten Planung gehört ein realistischer Zeitplan. Sind verschie‐ dene Abläufe über mehrere Personen hinweg zu organisieren, ist die Ver‐ wendung von Instrumenten zu empfehlen, die neben der Planung zusätzlich die Darstellung, Kontrolle und Steuerung erleichtern, wie beispielsweise Software zur Gestaltung von Dienstplänen, auf deren Darstellung an dieser Stelle zugunsten von Erörterungen zur zweiten Position, dem ‚Planen‘, im Regelkreis des Selbstcoachings verzichtet werden soll. Für die persönliche Planung werden im Folgenden die Facetten Zeitinventur, Tagesplanung und Tagesstörblätter vorgestellt. Wird für durchzuführende Aufgaben zwar die voraussichtliche Durch‐ führungsdauer, jedoch nicht festgestellt, wann mit den dazu erforderlichen Arbeiten begonnen werden soll, sprechen wir von Zeitaufwandplanung. Mit ihr wird insofern Freiraum für situationsgerechtes Handeln ermöglicht, als der Zeitplan auch dann noch stimmt, wenn nach einer ungewollten Unterbrechung die Arbeit wieder aufgenommen wird. So lange der Planer noch über Pufferzeiten bis zum Endtermin verfügt, wird er das Gefühl haben, die Dinge im Griff zu haben. Angesichts dünner Personaldecken und eng getakteten Zeiten in Einrichtungen der Pflege und Betreuung dürfte das wohl meist eher nicht der Fall sein. Bei der Terminplanung wird genau festgelegt, wann mit einer Arbeit begonnen werden und wann sie fristgerecht beendet sein soll. Wegen der starren Vorgaben ist diese Art der Planung wesentlich störanfälliger. Treten Störungen auf, was ja in den meisten Pflege- und Betreuungseinrichtungen an der Tagesordnung sein wird, ist Ärger und Verdruss vorprogrammiert. 36 4 Planen <?page no="37"?> Von daher läuft der Planer Gefahr, die ganze Zeitplanung als lästig und störend zu empfinden mit dem Resultat, dass er seine Planung nicht mehr konsequent und nur noch halbherzig durchführt. Um eben dies zu vermeiden, empfiehlt sich die gemischte Zeitplanung. Im betrieblichen Alltag sind feste Termine unvermeidlich. Die Wahrnehmung externer Termine, Mitarbeitergespräche, Besprechungen, Abstimmungen mit anderen Abteilungen oder Externen, Projektmanagement und, und, und … bestimmte Aufgaben sind ohne feste Termine kaum denkbar. Mit der gemischten Zeitplanung werden nur solche Aufgaben an feste Zeitpunkte gebunden, die einen Termin unbedingt erfordern. Für alle an‐ deren Aufgaben sichert die Zeitaufwandplanung möglichst viele Freiheits‐ grade für situationsgerechtes Handeln. Ohne konkretes Wissen darüber, welche Tätigkeiten wann anfallen und wie lange sie dauern, ist eine gemischte Zeitplanung jedoch wohl kaum möglich. Daher sollte jeder Planung eine Zeitinventur in Form einer Soll/ Ist-Analyse der eigenen Tätigkeiten im Tagesverlauf vorausgehen. Mit einer Zeitinventur ermitteln Sie, wie gut Sie Ihre Zeit im Griff haben, und Sie erfahren, ob bzw. wo es Schwachstellen in Ihrer Tagesplanung gibt. Nutzen Sie die folgenden Arbeitsblätter, um Ihren Arbeitstag zu analysie‐ ren! Um eine erfolgreiche Zeitinventur zu betreiben, sind in Anlehnung an das Verfahren der gemischten Zeitplanung fünf Schritte erforderlich: 1. Erfassen der Einzeltätigkeiten 2. Ordnen der Einzeltätigkeiten zu Tätigkeitsblöcken 3. Schätzen der Arbeitszeit pro Tätigkeitsblock 4. Zeitanalyse eines typischen Tages 5. Erkenntnisse aus der Zeitanalyse Um möglichst viele Ihrer Einzeltätigkeiten zu erfassen, sollten Sie mit sich selbst ein Brainstorming durchführen. Beim Brainstorming (frei übersetzt: Gedankensturm) handelt es sich um eine Methode der freien Ideensamm‐ lung. Alle Tätigkeiten, die Ihnen im Zusammenhang mit Ihrem Arbeitsalltag einfallen, werden schriftlich ohne jegliche Wertung erfasst. Es empfiehlt sich, jede Einzeltätigkeit jeweils auf einer besonderen Karte (DIN A 6 = „Vokabelkärtchen“) zu notieren (zur Not tun es auch Zettel gleicher Größe). Die Karten lassen sich in Schritt 2 unserer Zeitinventur dann leichter Tätigkeitsblöcken zuordnen. 4 Planen 37 <?page no="38"?> Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, was mit „Einzeltätigkeiten“ gemeint ist und um Ihren Gedankenstrom zu zünden - hier einige Beispiele für Einzeltätigkeiten, die mir spontan einfallen, wenn ich an meine Tätig‐ keiten als Supervisor und Coach denke: ● Aufnahme und Verarbeitung schriftlicher Informationen aus Zeitungen, Zeitschriften, Büchern, Briefen, Anweisungen, Berichten, fremden An‐ geboten ● Verfassen schriftlicher Informationen wie Gesprächsnotizen, Aktenver‐ merke, Protokolle, Angebote, Berichte, Briefe, Anweisungen ● Schriftliche Planung von Vorgehensweisen zu Arbeitsablauf und Zeit‐ einteilung, Lösung von Problemen, Planung von Ausgaben ● Führen von Einzelgesprächen mit Kollegen, Kunden, anderen ● Besprechungen, Supervisionen, Coachings ● Telefonate, Auskunft und Beratung, Informationsbeschaffung ● Prüfen / Kontrollieren / Überwachen eigener und fremder Arbeit ● Leer- und Nebenzeiten, Kopieren, „Botengänge“, Sortierarbeiten, Auf‐ räumen, Plaudereien Übernehmen Sie bitte für Sie Zutreffendes auf Ihre Karten! Welche weiteren Einzeltätigkeiten üben Sie im Rahmen Ihrer beruflichen Aufgabenstellung aus? Beschränken Sie Ihr Brainstorming auf maximal 15 Minuten. Nehmen Sie bitte jeden neuen Gedanken auf eine andere Karte. Je mehr Karten, umso besser. So sichern Sie Vollständigkeit. Ordnen Sie die Karten mit Einzeltätigkeiten zu Tätigkeitsblöcken. „Klas‐ sische“ Beispiele für Tätigkeitsblöcke sind: ● Administration / Verwaltung ● Mitarbeiterführung ● Durchführung von Fachaufgaben Tragen Sie bitte die Bezeichnungen für Ihre Tätigkeitsblöcke und die diesen zugeordneten Einzeltätigkeiten in das Arbeitsblatt 2 zur „Zeitenschätzung pro Tätigkeitsblock“ und schätzen Sie in der dritten Spalte ein, wie viel Prozent Ihrer Arbeitszeit die Tätigkeiten in Anspruch nehmen. 38 4 Planen <?page no="39"?> Arbeitsblatt 2.: „Zeitschätzung pro Tätigkeitsblock“ - -Tätigkeitsblock -Einzeltätigkeiten -Arbeitszeit in % - --- - - --- - - --- - - --- - - --- - - --- - - Greifen Sie sich nun für Ihre Zeitanalyse einen Tag heraus, an dessen Verlauf Sie sich noch besonders gut erinnern können und dessen Tätigkeiten in etwa Ihrem normalen Arbeitstag entsprechen. Verwenden Sie das Arbeitsblatt 3 zur „Zeitanalyse“, um Ihre Zeit zu analysieren. Beachten Sie bitte auch die Anmerkungen zu den Spalten des Arbeitsblattes: „Einzeltätigkeit“: Verwenden Sie hier bitte die gleichen Bezeichnungen wie in der „Tabelle zur Zeitschätzung der Einzeltätigkeiten“ unter Schritt 3. Sie können auch gerne Ihre Karten entsprechend dem zeitlichen Verlauf ordnen und dann in die Tabelle zur Zeitanalyse übertragen, z.-B.: „Durchsicht des Posteingangs“. 4 Planen 39 <?page no="40"?> „von - bis“: Notieren Sie bitte nur Tätigkeiten, die mindestens 15 Minuten beansprucht haben, z.-B.: 08.30 - 08.45. „Zeitdauer“: ● unter „IST“ notieren Sie die tatsächlich benötigte Zeit in Minuten, z. B.: 15 min., ● unter „SOLL“ Ihre ursprünglich eingeplante Zeit in Minuten, ● unter „% IST“ den prozentualen Anteil der Einzeltätigkeit am Tagesge‐ schäft, unter „% geschätzt“ den geschätzten Zeitbedarf gemäß Arbeitsblatt 2 „Zeit‐ schätzung pro Tätigkeitsblock“ „Abweichung“: Errechnen Sie die Differenzen zwischen „IST / SOLL“ und zwischen „% IST / % geschätzt“. Bei Überschreitungen verwenden Sie zur Kennzeichnung der Differenz ein „+“, für Unterschreitungen ein „-". „Warum“: Begründen Sie bitte stichwortartig, wie sich die Differenzen erklären. Arbeitsblatt 3.: „Zeitanalyse“ Warum? - Abweichung - Zeit‐ dauer %gesch. - % IST - SOLL - IST - Von - bis - Einzeltätigkeit - 40 4 Planen <?page no="41"?> In unseren Zeit- und Selbstmanagementseminaren geben Mitarbeitende aus Pflege und Betreuung im Hinblick auf ihre Zeitinventur an, dass: ● es ihnen schwergefallen ist, sich daran zu erinnern, was sie an ihrem typischen Arbeitstag alles getan haben. Manche hatten sogar Schwie‐ rigkeiten einen „typischen Tag“ zu finden, ● sie zu viel Zeit für Unwesentliches gebraucht haben, keine Prioritäten gesetzt haben, ● ihnen deutlich geworden ist, wie oft sie unterbrochen werden, ● sie ihre Zeit viel genauer vorplanen müssen, wenn sie sie effektiv nutzen wollen. Wenn Sie nun Ihre Erkenntnisse aus der Analyse Ihres Arbeitstages reflek‐ tieren, sollten Sie stets Ihren persönlichen Anteil an Unzufriedenheiten mit Ihrem Zeit- und Selbstmanagement hinterfragen. Möglicherweise rührt die eine oder andere Zeitüberschreitung daher, dass Sie dazu neigen: ● überall unbedingt dabei sein zu wollen, ● anderen alles recht machen zu wollen, ● jederzeit für alle ansprechbar sein zu wollen, ● alle Probleme sofort aufzugreifen, ● Ablenkungen dankbar anzunehmen, ● alle Fakten umfassend wissen zu wollen, ● Unwichtiges selbst zu bearbeiten, ● alles spontan und sofort tun zu wollen, ● alles schnell noch nebenbei zu erledigen, ● alle Unterlagen gleichzeitig haben zu wollen. Wie dem auch sei - auf keinen Fall sollten Sie sich mit der Zeitinventur allein begnügen. Als Momentaufnahme ist sie jedoch sehr geeignet, Ihnen Hinweise auf Schwachstellen Ihrer Zeitplanung zu liefern. Überlegen Sie, was Sie tun und wie Sie vorgehen wollen, um Ihr Zeitma‐ nagement zu optimieren. Greifen Sie dazu auf die Zielsetzungstechniken aus Kapitel 3 zurück. Ob bzw. wie erfolgreich Sie Ihre Zeit in den Griff bekommen, kontrollieren Sie kontinuierlich mit Tagesplänen. Tagespläne versetzen Sie in die Lage, Ihren Tagesablauf sowohl für geschäftliche als auch für private und sonstige Tätigkeiten optimal zu gestal‐ ten. Indem Sie Arbeitsaufwandskontrollen kontinuierlich durch Vergleiche der IST-Aufwände mit den geplanten Aufwänden durchführen, gehen Sie 4 Planen 41 <?page no="42"?> bewusster mit Ihrer Zeit um. Sie erkennen Ihre Zeitfallen und können gezielt gegensteuern. Sieben Regeln helfen Ihnen, Ihren Tagesplan optimal zu erstellen: ● Planen Sie am Vorabend den neuen Arbeitstag. ● Fixieren Sie Ihre Planung schriftlich. Entscheiden Sie dabei selbst, ob Sie hierzu ein Zeitplanbuch verwenden oder lieber mit einer Software arbeiten möchten. ● Schätzen Sie den Zeitbedarf, setzen Sie Limits. ● Verplanen Sie 60 % Ihrer Arbeitszeit für eigene Aktivitäten, reservieren Sie 40-% Pufferzeit für Diverses. ● Notieren Sie Fixtermine für Besprechungen welcher Art auch immer laufend und im Voraus. ● Halten Sie diejenigen Aktivitäten fest, welche unbedingt erledigt wer‐ den müssen, welche zusätzlich erledigt werden sollten und welche erledigt werden könnten, wenn noch Zeit bleibt - kurz: setzen Sie Prioritäten. ● Kontrollieren Sie Ihre Vortagesplanung. Sind verschiedene Abläufe über mehrere Personen hinweg zu organisieren, ist die Verwendung von Instrumenten zu empfehlen, die neben der Planung zusätzlich die Darstellung, Kontrolle und Steuerung erleichtern. Aus dem Projektmanagement und dem Controlling sind entsprechende Instrumente (PERT-Diagramm, Netzplan- oder Gantt-Technik) bekannt, mit deren Hilfe sich das zeitliche Nacheinander von Abläufen oder der Bearbeitungsstand einzelner Aufgaben visualisieren und optisch strukturieren lassen. Das sorgt für Übersichtlichkeit, erleichtert die Kommunikation und schafft Transpa‐ renz und Klarheit. Um diese Kriterien auf die Analyse und das Controlling im persönlichen Arbeitsbereich anzuwenden, reichen in vielen Fällen bereits die Standard‐ funktionen in MS-Office Excel oder MS-Office Outlook völlig aus. Mit Hilfe dieser Funktionen, können Planungsdaten, Übersichten und Ablaufdarstel‐ lungen erstellt und verwaltet werden. Neben der Projektverfolgung lassen sich durch die Nutzung einfacher Excelfunktionen beispielsweise Finanzanalysen und auch persönliche Para‐ meter zur Fitness-Kontrolle abbilden. Mittels MS-Office Outlook können Listen mit Zielen inklusive Meilensteinkontrollen erstellt werden. Die An‐ wendungsmöglichkeiten sind äußerst vielfältig und sie können sowohl 42 4 Planen <?page no="43"?> zur Analyse als auch für das Controlling (Erreichen von Zwischenzielen) eingesetzt werden. Überall dort, wo Planung und Koordination erforderlich sind, lohnt sich der Einsatz von EDV-Programmen, weil Kontrolle und Steuerung erleichtert werden, Prozesse und Abläufe transparenter werden und so laufend Abglei‐ che zeitlicher oder anderer relevanter Eckdaten abrufbar sind. Wichtig ist hier allerdings die Wesentlichkeit. Es geht jedoch nicht darum, tausende von Applikationen verfügbar zu haben, sondern die wesentlichen Informationen, die für die Planung erforderlich sind, auf Knopfdruck abrufen zu können. Ein Vorteil ist immer dann gegeben, wenn Informationen gezielt genau dann abgerufen werden können, wenn sie benötigt werden. Wenn durch unüberlegte Datensamm‐ lung und das Anlegen von nutzlosen Statistiken ein virtuelles Paralleluni‐ versum von Zahlen und Datenfriedhöfen entsteht, dann wurde eindeutig über das Ziel hinausgeschossen. Überplanung ist nicht das Ziel effektiven Zeitmanagements. Es reicht nicht, Instrumente für die Planung oder Analyse von Problemen zu kennen, sie müssen auch sachgerecht eingesetzt und angewendet werden. Daher ist es von Vorteil, wenn ein Planer, der an die Verbesserung seines Zeitmanagements herangehen möchte, zunächst sein Arbeitsverhalten sys‐ tematisch überprüft und analysiert. Die Anwendung der hier skizzierten Instrumente kann ihn dabei unterstützen, eigenes Verhalten kritisch zu hinterfragen, um es dann zu verbessern. Für den Erfolg im Bereich von Pflege und Betreuung ist oft entscheidend, ob es gelingt, bei der Planung das Wissen und die Erfahrung aller Kollegen und Mitarbeiter für anstehende Projekte einzubeziehen. Ein bedeutender Faktor für die Planung mit dem gesamten Team ist die Fähigkeit, eine Gruppe zu moderieren, d. h. die Gruppenmeinungen und -erfahrungen aller Mitglieder zu erfassen, zu visualisieren, zu ordnen (systematisieren) und auszuwerten. Durch die Visualisierung der Meinungen und Erfahrungen und das syste‐ matische Aufbereiten der zugänglichen Informationen zu einem Thema oder Gegenstand, schafft der Moderator die Ausgangsbasis für Entscheidungen oder Problemlösungen, die auch für die Planung nützlich sind. Allgemein gesagt, wird durch eine geeignete Moderation das Wissen und die Erfah‐ rung aller Teammitglieder transparent, ein Umstand, der bedeutsam für anstehende Entscheidungen oder andere Planungsgegenstände sein kann. 4 Planen 43 <?page no="44"?> Durch Anwendung der Moderationsmethode zur Unterstützung der Pla‐ nung kann das Wissen und die Erfahrung aller Beteiligten zum Planungs‐ gegenstand abgerufen werden. Es ist häufig der Fall, dass Mitarbeitende über Detailwissen und Erfahrungen verfügen, die für alle Beteiligten zugänglich sein sollten, bevor es an die Ausführung und Umsetzung geht. Wird auf die Erfahrung der Mitarbeitenden aus Unkenntnis oder Gründen der Selbst‐ überschätzung verzichtet, können später Fehler oder Störungen auftreten, die bei Kenntnis aller relevanten Informationen vermeidbar gewesen wären. Ein weiterer Vorteil der Einbeziehung aller beteiligten Teammitglieder besteht auch darin, dass sich das Team stärker mit einer Aufgabe identifi‐ ziert, wenn alle, die es betrifft, über die Rahmenbedingungen und Umstände genau Bescheid wissen und die Mitarbeitenden den Eindruck erlangen, dass ihre Fachkompetenz und ihr Urteil gefragt sind. Nicht wenige Projekte laufen „unrund“, weil sich Mitarbeitende zu wenig mit den Projektzielen identifizieren oder den Teammitgliedern der Gesamtüberblick fehlt. Sinnvolle Planung zeichnet sich deshalb dadurch aus, dass technische und methodische Hilfsmittel eingesetzt werden, um gezielt Informationen und Sachverhalte, deren Kenntnis für das Projekt wichtig sind, aufzubereiten, so dass hohe Motivation und Identifikation bei den Beteiligten erreicht werden. Mitarbeitende müssen sich schlicht und einfach selbst davon überzeugen können, dass es sich lohnt, Energie in ein neues Projektvorhaben zu inves‐ tieren. Die allseitige Information und der Austausch mit den Betroffenen unterstützt die Glaubwürdigkeit der Maßnahme und schafft Verbindlichkeit. Daher sind unter den Planungsmethoden vor allem diejenigen als sinnvoll anzusehen, die helfen, die Akzeptanz derjenigen zu sichern, die die Aufgaben später umsetzen müssen. Für die Planung von (Projekt-)Teamzielen wird dieser bedeutsame Zu‐ sammenhang in der Formel E(rfolg) = Q(ualität) mal A(kzeptanz) kurz und treffend zum Ausdruck gebracht. Die Formel besagt, dass bei der Planung die Faktoren ‚Qualität‘ und ‚Akzeptanz‘ gleichermaßen zu beachten sind. Eine Idee kann noch so brillant sein, sie wird nur dann zum Erfolg, wenn sie von den ausführenden Mitarbeitern akzeptiert, also einerseits verstanden und andererseits als wichtig erachtet wird. Wenn es eine Führungskraft nicht versteht, die Flamme für das Projekt zum Brennen zu bringen, ist der Erfolg in Gefahr. Somit umfasst die Planung 44 4 Planen <?page no="45"?> in Gruppen immer auch „weiche“ Faktoren: Motivation, Identifikation, Akzeptanz und Miteinander. Werden diese Bedingungen beachtet, dann brennt die Flamme lichterloh. Es kommt also wiederum auch hier auf das Fingerspitzengefühl der Führungskraft im Bereich von Pflege und Betreu‐ ung an. Der Planungserfolg in Gruppen ist eng verbunden mit der sozialen Kompetenz des Entscheiders: Informationen anbieten, wo sie notwendig sind, Aufklärung und angemessene Hilfestellung leisten, wo sie erforderlich ist. Kurz: Betroffene zu Beteiligten zu machen. Auch das Erzeugen von Beteiligung gehört zum Planungsprozess dazu. Sollte es dann trotz aller Sorgfalt, die bei der Planung an den Tag gelegt wurde, dennoch schief gehen, liegt es an Bedingungen, die vorher nicht richtig eingeschätzt werden konnten. Vielleicht wurden auch Details falsch gewichtet oder bestimmte Voraussetzungen wurden nicht richtig erkannt und eingeschätzt. Es kann aber auch an Zeitfressern gelegen haben, denen man mit Tagesstörblättern auf die Spur kommen kann. Während Zeitinventuren und Tagespläne Störungen und Unterbrechungen im Tages‐ verlauf aufdecken, erfassen Tagesstörblätter neben der Art, wie häufig und regelmäßig sie vorkommen, ihre Ursachen und Auswirkungen. Zeitdiebe werden sichtbar und können gezielt angegangen werden. Zur Bearbeitung von Arbeitsblatt 4 „Störungen im Tagesverlauf “ wählen Sie bitte drei möglichst repräsentative Arbeitstage, an die Sie sich gut erinnern können. Tragen Sie bitten alle Störungen und Unterbrechungen in Ihr Tagesstörblatt ein. Beachten Sie, dass Störungen zum einen von außen in Form von Telefonaten, Wartezeiten u. ä. auftreten können. Zum anderen sind jedoch auch Störungen von innen möglich, z.-B. spontane Aktivitäten, Konzentrationsschwäche, ungeplante gedankliche Beschäftigung mit einer anderen Tätigkeit oder einem anderen Thema usw. 4 Planen 45 <?page no="46"?> Arbeitsblatt 4.: „Störungen im Tagesverlauf“ - Nr. Von - bis Dauer (min) Art der Stö‐ rung Grund Auswirkung - ------------------------------------ ---- ------------------- - - 46 4 Planen <?page no="47"?> 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe TN: „Mit den drei Methoden der Zeitplanung ist es mir nun gelungen zu erkennen, wo ich ansetzen sollte, um mein Zeitmanagement zu optimieren. Das Ganze ist ja auch schön und gut - nur was hilft mir die Erkenntnis, dass ich immer wieder in die eine oder andere Zeitfalle hineinfalle, wenn ich nicht weiß, wie ich da herauskomme? Oder anders gefragt: Ich habe jetzt meine Zeitdiebe eindeutig identifiziert - und wie soll ich jetzt bitte gegensteuern? “ BT: „Aus langjähriger Beratungspraxis weiß ich, dass in der Hektik des betrieblichen Alltags vielerorts gleiche Zeitfallen auftauchen und ähnliche Zeitdiebe lauern. Ich vertraue darauf, dass auch Ihre Fragen bearbeitet werden, wenn ich die meistgenannten Zeitfallen und Zeitdiebe thematisiere, mögliche Ursachen herausarbeite und Gegenmaßnahmen vorschlage. Hier die fünfzehn häufigsten Zeitfallen und Zeitdiebe im Überblick: 1. Unklare Ziele 2. Ungeplante externe Störungen (Telefonate, unangemeldete Besucher) 3. Zu wenig effektive, zu lange Besprechungen 4. Zu viele, zu lange Telefonate, belanglose Inhalte 5. Zu viel Plauderei 6. Untergehen in der Informationsflut 7. Arbeit anderer tun 8. Routinearbeiten, persönliche Gewohnheiten 9. Schwächen der Mitarbeiter 10. Perfektionismus, Pedanterie 11. Schlechte Arbeitsplatzorganisation, Durcheinander 12. Unentschlossenheit 13. Wartezeiten 14. Unrealistische Zeitplanung: zu viel soll in zu kurzer Zeit erledigt werden 15. Spontanes Handeln, Ungeduld.“ Zu 1.: Unklare Ziele BT: „Wer sich konsequent daran hält, wie in Kapitel 3 vorgeschlagen, seine persönlichen Ziele wohlgeformt im SPECI-Format niederzuschreiben, sowie ggf. seine beruflichen gemeinsam mit seinem Vorgesetzten im Mitarbeiter‐ <?page no="48"?> jahresgespräch SMART zu vereinbaren, dürfte in die Zeitfalle ‚Unklare Ziele‘ nicht hineintappen. Als Supervisor und Coach sind mir allerdings immer wieder Fach- und Führungskräfte im Sozial- und Gesundheitswesen begeg‐ net, die ihre Ziele nur unzulänglich, manchmal sogar gar nicht formuliert haben.“ TN: „Welche Defizite und Unzulänglichkeiten bei der Zielsetzung lassen sich beschreiben? “ BT: „Wer sich darauf beschränkt, anzugeben, dass er ein Team, einen Bereich, eine Station oder eine Einrichtung zu leiten hat, verfügt über kein Ziel, denn es ist unklar wie sein Handlungsergebnis konkret aussehen und wie es erreicht werden soll. Hier ist beispielsweise zu fragen, was genau er bis wann mit seinem Team, in der nächsten Bereichsleiterkonferenz, zur Kosteneinsparung auf seiner Station oder zur Optimierung der Unterneh‐ menskultur in seiner Einrichtung erreichen möchte. Wo Handlungsspiel‐ raum besteht, sind explizite interne Ziele zu setzen. Wird darauf verzichtet, ist vorprogrammiert, dass die Arbeitssituation als unbefriedigend erlebt wird, weil eigene Interessen nicht genügend eingebracht werden können und im Interessenfeld anderer untergehen. Ähnlich fatal wirkt es sich aus, wenn aus Selbstüberschätzung oder mangelnder Abgrenzungsfähigkeit zusätzliche Aufgaben übernommen und damit dann auch zu viele Ziele gesetzt werden. Beinahe zwangsläufig werden Ziele nicht erreicht und der meist ohnehin schon viel zu lange Arbeitstag zudem mehr und mehr ohne Pufferzeiten für Störungen erheblich überfrachtet. Am Ende geht die Kontrolle über das, was wann und wie umgesetzt werden soll, verloren. Statt die Arbeit zu beherrschen und zu gestalten, werden Betroffene von ihrer Arbeit beherrscht und gestaltet. Bei zu vielen Zielen kann es auch geschehen, dass diese vergessen werden, insbesondere dann, wenn sie als wenig wichtig eingeschätzt werden oder sich, wie in Pflege und Betreuung häufig der Fall, zu viele Störungen ereignen. Meist wird sich erst viel zu spät an das Ziel erinnert, so dass Korrekturen kaum mehr möglich sind. Häufig resultiert eine fatalistische Haltung. Werden Ziele zu hoch gesteckt, ist ein Scheitern sehr wahrscheinlich. Unrealistische Ziele ergeben sich, wenn zu wenige Informationen eingeholt werden, die Gefahr des Scheiterns außer Acht gelassen wird und/ oder die Selbsteinschätzung im Hinblick auf die Aufgabenbewältigung unzutreffend ist. 48 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="49"?> Sind Ziele zu allgemein, im Sinne von ‚I will do my very best‘, fehlt ihnen die handlungssteuernde Wirkung. Ein konkretes und für die Hand‐ lungsplanung hilfreiches Ziel wäre demgegenüber beispielsweise, heute den Dienstplan fertigzustellen. In ‚spezifischen Zielen‘ ist konkret zu benennen, was genau wann erreicht werden soll, um eine motivierende Wirkung zu erzielen. Werden Ziele nicht vollumfänglich mitgetragen, weil sie als von außen aufgedrängt oder als unwichtig empfunden werden, wirkt sich das beinahe zwangsläufig beeinträchtigend auf die Zielbindung und -verfolgung aus. Es wird sich weniger gekümmert und nicht selten werden die Ziele einfach ‚vergessen‘. Erfolgt keine Rückmeldung über die Annäherung zu einem zu komplexen oder zeitlich zu weit entfernt liegenden Ziel verliert sich die motivierende Wirkung insofern, als diese schwieriger zu erreichen und unvorhersehbarer sind. Ziele sollten stattdessen zwar herausfordernd, aber realistisch, spezi‐ fisch, verhaltensbezogen und möglichst bald erreichbar sein. Auch sollte tunlichst drauf geachtet werden, Zielkonflikte zu vermeiden, wie das Beispiel einer Führungsnachwuchskraft zeigt. In einem Personal‐ auswahlgespräch schildert der junge Mann seine private Vision: ‚Ich stelle mir vor, mit meiner jetzigen Freundin und mindestens drei Kindern in einem alleinstehenden Bruchsteinhaus irgendwo in der Voreifel zu leben. Ich werde nach wie vor viel unterwegs sein, kann aber auch so manches von zu Hause aus erledigen.‘ Seinem Leitbild angepasst hat er sich sowohl kurz-, mittel- und langfris‐ tige Ziele überlegt und genau darüber nachgedacht, wie er sie erreichen wollte. Ich stelle nur eine Frage: „Und das schaffen Sie alles aus eigener Kraft? “ Als er leicht verunsichert bejaht, hinterfrage ich: „Absolut sicher? “ Nun ja, seine Freundin müsse natürlich mitziehen … Er erkennt, dass er die Rechnung ohne die Wirtin gemacht hatte. Ich mache ihn mit den Kriterien für wohlgeformte Ziele vertraut. Er korrigiert daraufhin seine Ziele, wobei er besonders darauf achtet, dass er sie auch „eigenhändig“ erreichen kann. Ich weise noch darauf hin, dass er Prioritäten setzen und seine Tagesplanung daraufhin ausrichten solle. Als wir uns später bei einem Führungsnachwuchstraining wiedertreffen, sprechen wir auch über seine zwischenzeitlichen Erfahrungen. Er beklagt, dass er nun zwar wohlgeformte Ziele mit genau beschriebenen Aktivitäten zur Zielerreichung habe, es seitdem aber vermehrt zu Berufs-Freizeit-Kon‐ flikten komme. 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 49 <?page no="50"?> Sein Fehler liegt darin, dass er seine privaten und beruflichen Ziele nicht harmonisch abgestimmt hat. Um seine Vision möglichst schnell zu erreichen, hat er verstärkt auf berufliche Aktivitäten gesetzt und damit sein Privatleben arg vernachlässigt. Indem er seine Prioritäten neu überdenkt und seine Zeitplanung entsprechend anpasst, kann er zufriedener mit sich und konfliktfreier sowohl im beruflichen als auch im privaten Kontext agieren. Anders als Ihr junger Kollege brauchen Sie nicht erst aus Fehlern lernen. Halten Sie sich an die in Kapitel 3 beschriebene systematische Vorgehens‐ weise. Legen Sie Ihre Ziele genau fest, setzen Sie darauf ausgerichtet Prio‐ ritäten für berufliche und private Ziele. Übernehmen Sie Ihre Maßnahmen zur Zielerreichung in Ihren Tagesplan. Die Zeitfalle „Unklare Ziele“ wird für Sie keine Rolle mehr spielen, Berufs-Freizeit-Konflikte an Gewicht verlieren. Sie müssen nicht aus Erfahrung klug werden, im Gegenteil - durch Ihre positiven Erfahrungen bei erfolgreicher Zielsetzung werden Sie selbst nicht nur zufriedener, sondern auch motivierter zu Werke gehen.“ Zu 2.: Ungeplante externe Störungen (Telefonate, unangemeldete Besucher) Schließen wir jegliche Art von Notfällen aus und wenden uns allen anderen Zeitdieben zu, die uns mit Telefonaten und ungeplanten Störungen die Zeit stehlen. Gemeint sind zum einen all die externen Besucher, wie beispiels‐ weise Angehörige oder gesetzliche Betreuer, die „sowieso in der Gegend waren“ und nur mal eben hereinschauen möchten und zum anderen all die internen, die netten Mitarbeitenden, Kollegen und Vorgesetzten, die nur ganz kurz mal eben reinschauen oder anrufen, um über dies oder jenes mit Ihnen zu sprechen, oder auch die Betreuten, die nach dies oder das fragen. Solche Zeitdiebe sind besonders dort erfolgreich, wo ein „Haus der offenen Tür“ betrieben wird, indem jedes Telefonat entgegengenommen und jeder Besucher freundlich willkommen geheißen wird. Zwei Gegenmaßnah‐ men liegen auf der Hand: 1. Externe Besuche nur nach Vorabstimmung 2. „Stille Zeiten“ schaffen, also Termine mit sich selbst vereinbaren Wie sieht es bei Ihnen aus? 50 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="51"?> 1. Schirmen Sie sich vor ungeplanten externen Besuchen oder Telefonaten gut ab? 2. Sprechen Sie mit externen Besuchern nur nach Vorabstimmung? 3. Haben Sie „stille Zeiten“ = Planen Sie Termine mit sich selbst? 4. Ist für Ihre Mitarbeitenden, Kollegen und Vorgesetzten, sowie Ihre Betreuten klar erkennbar, wann Sie ungestört arbeiten möchten? 5. Werden Ihre „stille Zeiten“ von allen respektiert? Wenn Sie eine der fünf Fragen verneinen - fragen Sie sich bitte selbstkritisch, woran es liegen kann, dass in diesem Punkt (noch) Handlungsbedarf besteht. Kann es vielleicht sein, dass Sie sich gerne stören lassen? Betrachten wir das Ganze doch einmal andersherum! Störungen haben nämlich auch Vorteile: Sie sind immer mitten im Geschehen, wenn Sie durch Ihre offene Tür verfolgen können, was sich alles im Haus abspielt. Interne Zeitdiebe halten Sie über das Geschehen in Ihrer Einrichtung, externe über Aktuelles zu den Betreuten auf dem Laufenden - Sie sind immer auf Ballhöhe. Außerdem - Mitarbeiter, Kollegen und nicht zuletzt Ihr Chef schätzen es, wenn Sie jederzeit ansprechbar sind. Sie erhalten nicht nur positives Feedback, Ihnen wird auch das Gefühl vermittelt, gebraucht zu werden - ein hoher sekundärer psychologischer Nutzen. Man stelle sich nur einmal vor, niemand würde Sie stören - nicht auszudenken! Oder? Vielleicht gehen Sie den Zeitdieben aber auch deswegen auf den Leim, weil Sie zu denen gehören, die es jedem und allen im Unternehmen recht machen wollen. Prüfen Sie diese Möglichkeit mit Selbsttest 2.: Will ich es anderen bei uns (immer) recht machen? Bewerten Sie die Aussagen so, wie Sie sich gegenwärtig in Ihrer Einrich‐ tung erleben! Entscheiden Sie spontan. Der erste Impuls ist richtig! 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 51 <?page no="52"?> Selbsttest 2.: Will ich es anderen bei uns (immer) recht machen? - Aussage - trifft … zu voll meist teils selten nicht Konfrontationen gehe ich aus dem Weg. - 5 4 3 2 1 Meine Interessen und Wünsche behalte ich für mich. 5 4 3 2 1 Von anderen akzeptiert zu wer‐ den, ist für mich wichtig. 5 4 3 2 1 Ich versuche möglichst rasch herauszufinden, was andere von mir erwarten. 5 4 3 2 1 Ich möchte gerne wissen, ob ich meine Arbeit auch gut gemacht habe. 5 4 3 2 1 Meine Interessen stelle ich öfter zugunsten anderer zurück. 5 4 3 2 1 Auf die Zustimmung der anderen lege ich Wert. - 5 4 3 2 1 Ich kritisiere ungern. - 5 4 3 2 1 -Ich versuche, niemanden zu ver‐ letzen. - 5 4 3 2 1 „Nein sagen“ fällt mir schwer. - 5 4 3 2 1 Jeder Einschätzung ist eine Punktzahl zugeordnet. Addieren Sie die Werte zu Ihrer Gesamtpunktzahl - - 52 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="53"?> Auflösung Weniger als 17 Punkte: Sie laufen keine Gefahr, es anderen übermäßig recht machen zu wollen. Gegenmaßnahmen vor ungeplanten Störungen sollten Ihnen nicht allzu schwerfallen. 18 - 27 Punkte: Sie sind hin und wieder versucht, es anderen recht machen zu wollen. Optimierungen dürften Ihnen zwar nicht schwerfallen. Sie sollten jedoch bei der Verwirklichung Ihrer Gegenmaßnahmen konsequenter vorgehen. Über 28 Punkte: Sie sollten dringend an sich arbeiten. Ihre Neigung, sich für andere zu opfern, ist sehr stark ausgeprägt. Beginnen Sie mit „kleinen“ Schritten. Überlegen Sie, was Sie am Ehesten umsetzen können. Damit sollten Sie beginnen. So schaffen Sie sich Erfolgserlebnisse. Sie erfahren nicht nur, dass es auch anders gehen kann, Sie werden auch nach und nach Ihren Zeitdieb los. Zu 3.: Zu wenig effektive, zu lange Besprechungen In Coachings und Supervisionen zeigt sich stets, dass die Ursachen zu langer und zu wenig effektiver Besprechungen Pflege- und Betreuungskräften wohl bekannt sind: ● mangelnde Vorbereitung ● unklare Zielsetzung ● ungleicher Informationsstand ● zu lange Anlaufzeit ● zu lange Monologe, Weitschweifigkeit ● Abweichungen vom Thema ● Diskussion von Nebensächlichkeiten ● Festhalten an Details ● Versteckte Machtkämpfe ● Mangelnde Ergebnissicherung Kurzum - wenn Besprechungen zum Zeitdieb werden, liegt dies neben unklaren Zielen und mangelnder Vorbereitung aller Beteiligten nicht zuletzt an unzureichender Leitung der Besprechung, sowie daran, dass sich nicht alle gleichermaßen für das Besprechungsziel engagieren. Gleich, ob Sie nur 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 53 <?page no="54"?> an einer Besprechung teilnehmen oder aber Sie selbst sie leiten - wollen Sie dem Zeitdieb „Zu wenig effektive, zu lange Besprechungen“ zu Leibe rücken, sollten Sie zunächst bei sich selbst anfangen, indem Sie für Besprechungen Ihre Ziele festlegen und beachten. Bereiten Sie sich selbst genau vor und drängen Sie bei anderen darauf, dies auch zu tun. Nehmen Sie sich in die Pflicht, die Leitung von Besprechungen kontinuierlich zu optimieren. Geben Sie selbst ein gutes Beispiel - optimieren Sie das Management Ihrer Bespre‐ chungen. Durch konsequente Zielsetzung, Planung, Führung und Kontrolle der gemeinsamen Besprechungszeit werden Ihre Besprechungen effektiv. Orientieren Sie sich zur Optimierung Ihres Besprechungsmanagements an den folgenden Hinweisen: Zunächst ist die Notwendigkeit einer Besprechung zu klären, indem Sie prüfen, ob Informationen nicht auf einem anderen Weg vermittelt und Entscheidungen in einem kleineren Kreis oder sogar allein getroffen werden können. Dementsprechend ist abzuwägen, welche Tagesordnungspunkte auf die Agenda genommen und was anderweitig behandelt werden kann. Nach der Entscheidung über die Notwendigkeit der Besprechung ist diese dahingehend vorzubereiten, dass eine gute Organisation (Technik, Raum) und inhaltliche Vorbereitung (Tagesordnung, Informationen) sichergestellt wird. Im nächsten Schritt ist zu erwägen, was nach Abhandlung der einzelnen Tagesordnungspunkte erreicht sein soll. Als Einladender sollten Sie sich fragen, ob Sie über diese von Ihnen angestrebten Ziele die Teilnehmenden informieren oder eher nicht. Wie dem auch sei - Sie sollten sich im Vorfeld Gedanken über die von Ihnen angestrebten Ziele im Hinblick auf die Besprechung und jeden einzelnen Tagesordnungspunkt machen. Rechtzeitig vor der Besprechung sind den Teilnehmenden aussagekräftig formulierte Tagesordnungspunkte zur Verfügung zu stellen. Gestalten Sie die einzelnen Tagesordnungspunkte so, dass jeder weiß, was gemeint ist. Prüfen Sie zudem, ob zusätzliche Unterlagen im Vorfeld verschickt werden sollen. Auch diesbezüglich sind Verständlichkeit und Übersichtlichkeit ge‐ boten. Um falscher Themenauswahl und -behandlung vorzubeugen ist zu prüfen, ob die Themen für alle Teilnehmende relevant sind. Überlegen Sie auch, ob genügend Informationen vorliegen, um die einzelnen Tages‐ ordnungspunkte effektiv abhandeln zu können. Themen, die nicht für alle Teilnehmenden relevant sind, sollten anderweitig bearbeitet werden. Für die Besprechung ist ein angemessener Zeitrahmen anzusetzen. Von vielen Teilnehmenden wird es als Zumutung empfunden, nicht zu wissen, 54 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="55"?> wie lange die Besprechung dauert. Auch sollte nicht auf zu Teilnehmende gewartet werden, die sich unentschuldigt zu spät einfinden - schließlich soll Pünktlichkeit und nicht Unpünktlichkeit belohnt werden. Bestimmen Sie also einen genauen Zeitrahmen und halten Sie ihn auch konsequent ein. Die optimale Dauer liegt bei 60 Minuten, maximal 90 Minuten. Bei längeren Besprechungen sollte spätestens nach 90 Minuten eine Pause eingelegt werden. Zur Disziplinierung von Wortbeiträgen kann es hilfreich sein, die Anfangszeiten zu den einzelnen Tagesordnungspunkten auf der Tagesordnung zu vermerken. Im Hinblick auf die Teilnehmenden ist zu prüfen, wer eingeladen wird und auf wen verzichtet werden kann. Schließlich zeigen sich langweilende Teil‐ nehmende eher weniger konstruktive Verhaltensweisen. Demgegenüber ist die Teilnahme von relevanten Entscheidungsträgern unverzichtbar. Zudem ist hier eine temporäre Anwesenheit zu erwägen. Stehen ungelöste Konflikte zwischen Teilnehmenden im Raum, sollten diese im Vorfeld der Bespre‐ chung thematisiert und in Konfliktlösungsgesprächen angestrebt werden, diese zu bereinigen, damit die Besprechung nicht als Arena missbraucht wird. Während der Besprechung selbst ist darauf zu achten, dass sowohl der Besprechungsleiter als auch alle anderen Teilnehmer Selbstdisziplin wahren. Dominanzverhalten, Profilierungsdrang oder Verweigerungshaltungen sind insofern zu unterbinden, als dass nicht zielführendes Verhalten dieser Art direkt angesprochen und wenn möglich direkt korrigiert wird. Übersehen oder Stillschweigen geben diesem Verhalten Raum und Erlaubnis. In dieser Hinsicht gilt: Störungen haben Vorrang und müssen vom Tisch! Es ist sicherzustellen, dass den Teilnehmenden ein Ergebnisprotokoll zeitnah zur Verfügung gestellt wird. Es hat sich hier als nützlich erwiesen, die Besprechungsergebnisse im Anschluss an jeden Tagesordnungspunkt über Beamer direkt für alle sichtbar zu projizieren. So können ggf. Korrek‐ turen direkt angebracht werden. Zudem ist zu beschließen, was aus den Besprechungsergebnissen folgt: Was ist von wem bis wann mit wem zu erledigen? In einer Reihe von Unternehmen haben wir sehr gute Erfahrungen mit Workshops gemacht, in denen sich die Teilnehmer auf verbindliche Spielre‐ geln für die Verbesserung ihrer Kommunikation einigten. Solche Workshops legen bei konsequenter Beachtung im betrieblichen Alltag den Grundstein für eine produktive, alle Beteiligten zufriedenstellende Besprechungskultur. Als Beispiel sei auf die Spielregeln für Teambesprechungen eines Anbieters für betreutes Wohnen hingewiesen, die in einem solchen Workshop mit 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 55 <?page no="56"?> allen für alle verbindlich beschlossen worden sind und seither von allen mitgetragen und gelebt werden! Regeln für BeWo-Teamsitzungen Wir beginnen pünktlich um 08.30 Uhr Wir unterstützen unsere/ n Moderator/ in darin, unsere Teamsitzung gemäß dem vereinbarten Ablaufplan zu gestalten: 1. Blitzlicht zum Befinden 2. Jede/ r Teilnehmer/ in erhält die Möglichkeit, sich zu seinem Befinden zu äußern. 3. Wir haben für jede/ n ein offenes Ohr und begegnen ihm/ ihr mit Respekt und Wertschätzung. 4. Unser/ e Moderator/ in sichert, dass Störungen Vorrang eingeräumt wird. 5. Genehmigung des Protokolls der letzten Teamsitzung 6. Durch Emails bzw. Auslage haben wir die verbindliche Kenntnisnahme des Protokolls der letzten Teamsitzung im Vorfeld sichergestellt. 7. Unser/ e Moderator/ in prüft, ob wir Ergänzungen bzw. Änderungsvor‐ schläge zum Protokoll haben. 8. Moderator/ in und Protokollführer/ in sitzen nebeneinander, um effektiv zusammen zu arbeiten. 9. Behandlung der Tagesordnungspunkte (TOPs) 10. Die Benennung der TOPs erfolgt nach Abstimmung mit unserer Be‐ reichsleitung. 11. Die Reihenfolge der TOPs folgt der Regel: Informationen / Organisato‐ risches vor Fallbesprechung. 12. Wir legen Zeitlimits für unsere TOPs fest. 13. Wir sichern eine effektive kollegiale Supervision, indem wir alle wich‐ tigen Informationen zum Klienten kurz und bündig darstellen, bevor wir die eigentliche Problemlage schildern. 14. Unsere Falldarstellung endet mit einer konkreten Fragestellung an den Kreis der Teilnehmer/ innen, zu der diese in einer Art Brainstorming Stellung nehmen. 15. Das Ergebnis des Brainstormings wird von dem/ r Moderator/ in für das Protokoll zusammengefasst. 16. Wir haben einen „Gedankenspeicher“, in dem wir unbehandelte Punkte für die nächste Teamsitzung festhalten. 56 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="57"?> 17. Wir legen am Ende fest, wer zur nächsten Teamsitzung die Moderato‐ renrolle und das Protokoll übernimmt. Wir enden pünktlich um 11.30 Uhr Zu 4.: Zu viele, zu lange Telefonate, belanglose Inhalte Wer in die Zeitfalle „Zu viele, zu lange Telefonate, belanglose Inhalte“ hineintappt, sollte - bevor er die Schuld bei anderen sucht - in erster Linie selbstkritisch fragen, inwieweit er seine eigenen Telefonate plant, wie gut es ihm dabei gelingt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und wie straff seine Gesprächsführung ist. Wollen Sie dieser Zeitfalle ausweichen, benötigen Sie vor allem Selbst‐ disziplin. Indem Sie nachdenken, bevor Sie zum Hörer greifen, eigene Telefonate sorgfältig vorbereiten und eine klare Linie verfolgen, optimieren Sie Ihr Gesprächsverhalten. Je besser Sie in der Lage sind, eigene Telefon‐ gespräche bewusst zu steuern, umso mehr wird es Ihnen auch gelingen, entgegenkommende Anrufe ökonomisch und verbindlich abzuwickeln. Gut vorbereitet reduzieren Sie die Anzahl eigener Telefonate und erzielen bessere Gesprächsergebnisse. So bereiten Sie Ihre Gespräche sorgfältig vor: ● Legen Sie Ihr Schreibzeug zurecht. ● Sorgen Sie für eine störungsfreie Umgebung. ● Konzentrieren Sie sich auf Ihr Telefonat, indem Sie sich fragen: ● Worum geht es (Sache)? ● Was soll erreicht werden (Ziel)? ● Wie soll das Ziel erreicht werden (Vorgehen)? ● Wer ist der richtige Gesprächspartner (Person)? ● Stellen Sie sicher, über alle notwendigen Informationen zu verfügen. ● Klären Sie ggf. Ihre Entscheidungsbefugnisse. ● Benutzen Sie nach Möglichkeit die Durchwahlnummer (bzw. erfragen Sie diese, sollte ein weiteres Gespräch erforderlich sein). ● Überlegen Sie auch, wen Sie bei Abwesenheit Ihres Gesprächspartners sprechen möchten, sowie eine Nachricht für den abwesenden Wunsch‐ partner. ● Sollte Ihnen die Möglichkeit geboten werden, eine Nachricht auf den Anrufbeantworter zu hinterlassen, hinterlassen Sie eine aussagekräftige Nachricht mit Ihrem Namen, Ihrer Telefonnummer und nennen Sie zwei günstige Zeitpunkte zum Rückruf. 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 57 <?page no="58"?> Übrigens - so wie es günstige Zeitpunkte gibt, an denen Sie gut erreichbar sind, finden sich auch für andere passende Telefonzeiten. Viele vergebliche Versuche lassen sich vermeiden, wenn das Gespräch richtig terminiert wird. Notieren Sie deshalb die Zeiten, zu denen Ihre wichtigsten und häufigsten Gesprächspartner gut telefonisch erreichbar sind. Aufgrund eigener Erfah‐ rungen bin ich für mich zu folgender Liste mit günstigen Telefonzeiten gekommen: Günstige Telefonzeiten - Privat Nur in äußerst dringenden Fällen zwi‐ schen 13.00 und 15.00 Uhr oder nach 20.00, nicht vor 8.00 Uhr Einzelhandel 8.30 -10.00, 14.30 - 15.30, 19.00 - 20.00 Großhandel 8.00 - 11.00, 14.00 - 15.30 Handelsvertretungen 8.00 - 9.30, 17.30 - 20.00 Industrie 8.30 - 11.00, 14.30 - 16.00 Handwerker 7.00 - 9.00, 16.00 - 18.00 Ärzte 8.30 - 9.30, 13.00 - 15.00, 19.00 - 20.00 Rechtsanwälte 8.00 - 9.00, 14.00 - 16.30 Öffentlicher Dienst Ungünstig nach 15.45 Uhr Selbstständige Günstig bis 19.00 Ungünstige Wochen‐ tage Montag mit 60-% und Freitag mit nur 52-% Erreichbarkeit Bei besonders wichtigen Telefonaten empfehle ich Ihnen, Ihre Gesprä‐ che schriftlich vorzubereiten. Verwenden Sie dazu das Arbeitsblatt 5 „Ge‐ sprächsvorbereitung“ auf der Folgeseite! „TP“ steht dort für Telefonpartner. Tragen Sie bitte Name, Funktion und Titel ein. Bei „Termin“ wählen Sie den bestmöglichen Zeitpunkt und notie‐ ren Beginn und Dauer des Gespräches. Unter „Thema“ benennen Sie den Anlass. Da schon die ersten Sekunden über den weiteren Gesprächsverlauf entscheiden, sollten Sie bei „Einstieg“ wohl überlegt notieren, wie Sie das Gespräch eröffnen möchten. 58 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="59"?> Bei „Ziel“ legen Sie klar, präzise und messbar Minimal- und Maximalziele fest. Ihre Argumentation (vor allem bei möglichen Einwänden) halten Sie unter „Vorgehen“ fest. Für zukünftige Gespräche ist ein „positiver Ausklang“ bedeutungsvoll - er bleibt gut im Gedächtnis und bildet den Grundstein einer verbindlichen Beziehung. Notieren Sie eine durchdachte Formulierung unter „Ausstieg“. Arbeitsblatt 5.: „Vorbereitung wichtiger Telefongespräche“ - TP - - Termin - - Thema - Einstieg --- Ziel --- -- Argumentation ------- --- Ausstieg -- Unabhängig davon, wie wichtig das Gespräch für Sie ist - die skizzierte Vorgehensweise sollten Sie stets im Auge behalten - auch wenn Sie Ihre Gesprächsvorbereitung nicht so ausführlich gedanklich strukturieren und schriftlich fixieren. 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 59 <?page no="60"?> So wie Arbeitsblätter bei der Gesprächsvorbereitung eigener Telefonate helfen, sind gut strukturierte Telefonnotizblätter für die Entgegennahme von Telefongesprächen nicht nur sinnvoll, sie vermindern unnötiges Nach‐ fragen und helfen, so Zeit zu sparen. Hier gibt es inzwischen unzählige gut geeignete fertige Vordrucke. Ein besonders gelungenes Exemplar habe ich bereits vor einigen Jahren in einer mittelständischen, hessischen Firma entdeckt: Dellefun-Zerrel (Original-Ton: Name des Firmeninhabers) Doog: Tag wichdich wichtig - Zeit: Zeit net so wichdich nicht so wichtig - Geschwatzt met: gesprochen mit -----Dellefun-Numma: Telefon-Nummer dummes Zeich überhaupt nicht wichtig - reift werre u ruft wieder an - müsse mer werre uräufe wir rufen wieder an - hun mer gemoochd erledigt - Dos wulle se hun: Bedürfnisse --------- Zu 5.: Zu viel Plauderei Um Missverständnissen vorzubeugen sei hier ausdrücklich betont, dass der eine oder andere Smalltalk am Arbeitsplatz durchaus vorteilhaft sein kann. Nicht von ungefähr haben sich einige Einrichtungen dazu entschie‐ den, Kaffeeecken einzurichten, wo sich die Mitarbeitenden ungezwungen 60 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="61"?> begegnen und austauchen können. Dies fördert nicht nur das Betriebsklima, sondern es ermöglicht den Mitarbeitenden auch, das eine oder andere direkt mit dem einen oder anderen Kollegen zu klären. Beinahe zwangsläufig werden ohnehin betriebliche Belange angesprochen. Es besteht allerdings die Gefahr, dass Kaffeeecken nicht nur zur Schaltzentrale des Flurfunks werden können, sondern im Extremfall sogar zur Basisstation für Mobbing. Von daher ist ein jeder gefragt, sich auch im eher zwanglosen Kommuni‐ kationsverhalten diszipliniert und wertschätzend zu verhalten. Hier sind insbesondere Führungskräfte gefordert, die durch ihre Vorbildfunktion beim „Management by walking around“ beispielhaft das rechte Maß für Plaudereien am Arbeitsplatz liefern. Dass dies einfacher gesagt als getan ist, zeigt das Beispiel eines Juniorchefs, der in die Fußstapfen seines Vaters getreten war und die Leitung einer familiär geführten Einrichtung übernommen hatte. Er berichtet, dass er sich von seinem Vater ein allmorgendliches Begrüßungsritual abgeschaut habe. Auf seinem Weg ins Büro gehe er bei den Mitarbeitenden kurz vorbei, um sie zu begrüßen und sich zu erkundigen, wie es denn so läuft. In seiner Einrichtung könne man stolz auf lange Traditionen zurückbli‐ cken, ganze Familien seien über Generationen bei ihnen beschäftigt. Da gehöre es einfach zum Stil des Hauses solche Rituale zu pflegen. Die Mitarbeiter würden sich ansonsten doch stark vor den Kopf gestoßen fühlen - nur: Der Senior sei morgens dreimal so schnell mit seiner Runde fertig - wenn er nur wüsste, wie sein Vater das immer nur wieder geschafft hatte? Natürlich sind solche „Management by walking around“ - Techniken nicht nur wichtig für die Stimmung im Betrieb, sie verbessern auch Mitar‐ beiterzufriedenheit und Leistungsbereitschaft. Das war auch dem Senior klar - sonst hätte er wohl kaum über die Jahre seine morgendliche Runde gepflegt. Nur - er kennt seine Mitarbeiter lange genug, um zu wissen, wie er sie zu nehmen hat. Er weiß, wann Gefahr besteht, dass der freundliche Smalltalk zur ausufernden Plauderei wird. Und er versteht es auch, recht‐ zeitig gegenzusteuern oder weiterzugehen, ohne dass sein Gegenüber sich verletzt fühlt. Das Verhalten des Seniors liefert ein Lernmodell für den Junior. Da kein Apfel weit vom Stamm fällt, sollte auch der Junior können, was dem Senior gelungen ist. Diesem Gedankengang folgend führte sich der Junior noch einmal rückschauend das Verhalten seines Vaters bei den morgendlichen 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 61 <?page no="62"?> Rundgängen vor Augen. Dabei erinnerte er sich an eine Äußerung seines Vaters: „Dieser Rundgang über den Hof ist gut für die Seele. Für meine und für die meiner Mitarbeitenden. Wenn du mal die Leitung der Einrichtung übernimmst, solltest du das weitermachen. Nur - lass dich nicht zum Schwätzen verführen. Von Anfang an habe ich darauf geachtet, dass mein Rundgang nie länger als eine Viertelstunde dauert. Irgendwie hat sich das dann von allein eingespielt. Die würden ganz schön blöd gucken, wenn ich mich länger bei ihnen aufhielte.“ Besser kann man es wohl kaum auf den Punkt bringen, wenn man dem Zeitdieb „Zu viel Plauderei“ Einhalt gebieten möchte. Plaudereien können gemütlicher sein als arbeiten. Oft genug versuchen andere, uns zu verführen, in dem sie genau die Themen ansprechen, die uns zurzeit auf den Nägeln brennen. Hier ist dann Selbstdisziplin gefordert. In Anlehnung an den Volksmund - merke: „Ein kurzes Schwätzchen in Ehren will niemand verwehren“, doch genug der Plauderei - gönnen Sie sich hier und da einen Smalltalk zur Entspannung, doch achten Sie darauf, Ihre Plaudereien zeitlich klar zu beschränken. Zu 6.: Untergehen in der Informationsflut Wer sich mit dem Zeitfresser „Informationsflut“ auseinandersetzt, kommt wohl kaum an dem Thema „E-Mails“ vorbei. E-Mails bieten insofern Vorteile, als sie jedem beliebigen Teilnehmerkreis schnelles, weltweites Versenden von Dokumenten inklusive Anhängen, orts- und zeitunabhängiges Arbeiten ermöglichen, sowie hierarchieübergreifend einfach zu kommunizieren. Kein Wunder, dass sich das E-Mail-Aufkommen seit der ersten versendeten Mail 1984 allein in Deutschland heute auf jährlich mehr denn 500 Milliar‐ den gesteigert hat. Mit dem Siegeszug sind allerdings auch Nachteile des E-Mail-Verkehrs zu verzeichnen. Viele unerwünschte E-Mails erreichen den Empfänger, der ohnehin schon an einem E-Mail-Overload leidet, welcher allzu häufig daraus resultiert, dass insbesondere in streng hierarchischen Pflege- und Betreuungseinrichtungen eine gewisse Tendenz besteht, sich nach allen möglichen Seiten über breite Verteiler abzusichern. Da viele E-Mails zudem „mal so eben schnell“ geschrieben werden, sind sie häufig qualitativ schlecht formuliert. Die mündliche Kommunikation verkümmert und das fortwährende Monitoring eingehender E-Mails wirkt sich als erheb‐ licher Störfaktor aus. Zusammenfassend lässt sich von daher konstatieren, 62 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="63"?> dass E-Mails nicht nur bei der Arbeit helfen, sondern durchaus auch Stress verursachen können. Mit Regeln zum E-Mail-Verkehr kann diesem effektiv begegnet werden. Im Hinblick auf den Versand von E-Mails sollten Sie beachten, diese nur dann zu schreiben, wenn etwas mitgeteilt oder beauftragt werden soll. E-Mails sind kaum geeignet, wenn etwas zur Diskussion steht oder Konflikte geklärt werden sollen. Nutzen Sie die Betreffzeile, indem Sie kurz Thema und Aufforderung formulieren, z. B.: „Organisation unseres Workshops, Bitte um Antwort bis Do, 19.10., 18 Uhr“. So geben Sie dem Empfänger eine Orientierungshilfe, um Ihre E-Mail nach Wichtigkeit und Dringlichkeit einzuordnen. Beschränken Sie sich darauf, nur ein Thema pro E-Mail kurz, eindeutig und präzise zu behandeln. Da E-Mails häufig per Smartphone gelesen werden, besteht bei zu langen Texten die Gefahr, dass Inhalte vergessen werden, weil nur Teile der E-Mail gelesen werden können. Halten Sie den Empfängerkreis klein. Unter „An“ sollten diejenigen genannt werden, die etwas unternehmen sollen. Da unter „Cc“ nur diejenigen stehen, die lediglich informiert werden sollen, empfiehlt es sich „Cc“ nur äußerst sparsam einzusetzen, da der eine oder andere verunsichert werden könnte, weil es keine direkte Handlungsaufforderung gibt und er dennoch informiert wird. Das „Bcc“ ist weitgehend zu vermeiden, es sei denn, der Adressat hat ein Interesse daran, im Hinblick auf die E-Mail geschützt zu werden. Anhänge sollten nur dann versandt werden, wenn sie in einem gängigen Format gut lesbar und für den Empfänger von Nutzen sind, wobei sowohl Umfang als auch Anzahl möglichst klein gehalten werden sollten. Im Hinblick auf den Empfang von E-Mails sollten Sie Ihre elektronischen Einstellungen dahingehend einrichten, dass E-Mails ausschließlich aktiv abgerufen werden können, so dass Sie selbst entscheiden können, wann Sie sich mit Ihrer elektronischen Post beschäftigen möchten. Zweimal täglich dürfte völlig ausreichend sein. Günstig wäre sich gleich nach dem Abrufen ein Zeitfenster für die Bearbeitung einzurichten. Zudem sollten Sie Regeln für die E-Mail-Verwaltung definieren, welche E-Mails automatisch in den Spam-Ordner und welche in einen eigens eingerichteten Postordner wandern, wie z. B. E-Mails von Personen, die an einem gemeinsamen Projekt beteiligt sind. Des Weiteren sollten Sie noch nicht bearbeitete E-Mails in einen entsprechend definierten Ordner ablegen. Widerstehen Sie dem Druck, E-Mails unmittelbar nach Erhalt zu bearbeiten. Üblich sind Antwortzeiten von ein bis zwei Tagen. Teilen Sie dem Sender mit, wenn Sie für eine Bearbeitung längere Zeit in Anspruch nehmen. Setzen Sie 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 63 <?page no="64"?> Ihre Antwort über den erhaltenen Text. So lässt sich der E-Mail-Verlauf besser nachvollziehen. Prüfen Sie zudem die Aktualität der Betreffzeile und wen Sie ggf. noch ins „Cc“ setzen und denken Sie auch daran, diesen entsprechend anzureden. Bei Abwesenheit sollten Sie sicherstellen, dass wichtige Nachrichten dennoch bearbeitet werden können, indem Sie in einer automatischen Antwort darauf hinweisen, wer Sie in dringenden Fällen vertritt. E-Mails tragen insofern zu einer Entgrenzung der Arbeit bei, als sie eine schnelle und ortsunabhängige Informationsverarbeitung ermöglichen und somit dafür verantwortlich sind, dass wir heute zeit- und raumunabhängig arbeiten können - Arbeit wartet überall und jederzeit. Von daher sollte gerade in Einrichtungen der Pflege und Betreuung, wo die Mitarbeitenden ohnehin schon unter hohem Zeitdruck und Stress stehen, verbindliche Regeln vereinbart werden, um einerseits den Nutzen des E-Mail-Verkehrs zu optimieren und andererseits Schaden von den Mitarbeitenden abzuwen‐ den. So sollten zur Spam-Vermeidung deren E-Mail-Adressen weder auf Webseiten noch in öffentlich zugänglichen Newslettern oder Mailinglisten angezeigt werden und Mails an große Verteilergruppen sollten nur über „Bcc“ verschickt werden. Der E-Mail-Verkehr innerhalb einer Einrichtung sollte standardmäßig verschlüsselt sein und es sollte Regeln für die Wei‐ terleitung an andere Empfänger geben. Für die Arbeiten im Home-Office sollten Sicherheitsrisiken ausgeschlossen werden. Kurzum: Es gilt, die Vertraulichkeit von E-Mails zu sichern. Zeigt sich, dass Mitarbeitende sehr viel Zeit mit dem Handling von E-Mails verbringen, sollte eine Schulung über empfängerorientiertes E-Mailing angeboten werden, in der neben Hin‐ weisen zum Aufbau einer E-Mail auch die Nutzung von E-Mail-Verteilern thematisiert werden sollten. Neben der ständig wachsenden Informationsmenge, auf die wir über elektronische Medien zugreifen, erreichen uns tagtäglich mündliche und schriftliche Informationen, die wir zu bearbeiten haben. Weit entfernt vom „papierlosen Büro“ werden wir von Informationen nahezu überflutet, oft genug werden „wichtige“ E-Mails ausgedruckt. Unser aller Problem: 50 % der umlaufenden betrieblichen Informationen sind überflüssig! Um in der Informationsflut nicht unterzugehen, benötigen wir ein Sys‐ tem zur Kanalisierung der einströmenden Informationen, Methoden zur schnellen Informationsverarbeitung, also Lesetechniken und die richtige Einstellung: Wir müssen nicht alles im Detail wissen. 64 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="65"?> Vielleicht ist es Ihnen auch schon einmal so gegangen, dass Sie ein Schriftstück zur Hand nehmen, es lesen, wieder zurücklegen und dann so oft von einem Stapel zum anderen schieben, bis Sie völlig vergessen haben, um was es ging. Manchmal haben sie ja Glück und das Ganze hat sich zwischenzeitlich von selbst erledigt. Andernfalls nehmen Sie das Schriftstück erneut auf und müssen sich wieder einlesen. Währenddessen wachsen die Stapel auf Ihrem Schreibtisch mehr und mehr. Wenn es Ihnen so geht, sollten Sie sich umgehend damit auseinandersetzen, wie Sie auf Ihrem Schreibtisch den Überblick behalten und wie Sie Ihre Informationsflut effektiv kanalisieren. Mit den Tipps zur Schreibtisch-Organisation behalten Sie den Überblick: -Fach / Korb -für - -Eingang -Eingehende Post und Informationen - -Ausgang -Informationen / Aufgaben für Mitarbeiter - -Rot -Sofort tun - -Grün -Lesen - In Pultordner / Hängemappen mit Termin - „Reitern“ - gehören Texte zur Wiedervorlage, Projekte, Sonderaufgaben. Ideen werden separat sortiert. Die „End-Ablage“ findet im Papierkorb statt. 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 65 <?page no="66"?> Übrigens: Nach einer IBM - Untersuchung werden nur 4 % der abgelegten Dokumente jemals wiederverwendet! Mehr als 11 Milliarden Blatt Papier lagern bei IBM in den Archiven. Damit es bei Ihnen platzsparender zugeht: Im Zweifel für den Rundordner: Das unten dargestellte Flussdiagramm zeigt, wie Sie Ihre Informationen richtig kanalisieren, wenn Ihr Postfach mit Post von allem und jedem und im Outlook der Posteingang mit E-Mails von überallher überquillt. 66 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="67"?> Informationen zu kanalisieren ist das eine, sie schnell zu verarbeiten das andere. Prüfen Sie mit der Aufgabe im Folgetext, wie effektiv Sie Texte in Papierform oder auch auf dem Bildschirm lesen. Aufgabe: Finden Sie das Lösungswort aus dem nachfolgenden Text! 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 67 <?page no="68"?> 1. Lesen mit der Drei-Schritt-Methode Ungeübte Leser lesen die unterschiedlichsten Texte Seite für Seite, Wort für Wort durch. Für Kriminalromane ist das sicher sinnvoll, für Fachliteratur weniger. Hier empfehlen wir die Drei-Schritt-Methode 1. Schritt: Grob überfliegen Nutzen Sie zuerst die Orientierungshinweise des Buches / Textes, besonders das Inhaltsverzeichnis, die Kapitelüberschriften usw. Prüfen Sie, ob das Buch oder der Text das enthält, wonach Sie suchen. Mit Diagonallesen geht das rasch und problemlos. Dabei überfliegen Sie interessante Textstellen so schnell Sie können und kontrollieren, ob diese lesenswert sind. 2. Schritt: Gezieltes Lesen Lesen Sie jetzt die herausgefilterten Stellen mit angemessenem Tempo; neue Inhalte gründlich und langsam, vertrautere Texte mehr überfliegend. Markieren Sie wichtige Passagen. 3. Schritt: Zusammenfassen Halten Sie das Wichtigste fest und fassen Sie den Inhalt zusammen. Zunächst scheint diese Methode zeitaufwendig - tatsächlich spart sie aber Zeit, denn die Informationssuche erfolgt zielgerichtet und wesentlich effektiver. 4. Auf der Suche nach dem Lösungswort Haben Sie tatsächlich den ganzen Abschnitt I gelesen? Wenn ja - dann sollten Sie sich die Drei-Schritt-Methode zukünftig gut merken. Wer den ersten Schritt „Grob überfliegen“ anwendet, hat sich schnell Überblick verschafft. Ein geübter Leser findet anhand der Überschrif‐ ten schnell heraus, dass die eigentliche Suchanweisung für das Lösungswort erst später auftaucht. Nun gut, nun wissen Sie, was Sie optimieren können - wieso halten Sie sich eigentlich noch hier auf ? 5. Suchanweisung Vorarbeiten: 1. Schreiben Sie den Anfangsbuchstaben Ihres Firmennamens in die mit einem „*“ gekennzeichnete Spalte in Testkasten 2. 68 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="69"?> 2. Notieren Sie den Endbuchstaben Ihres Familiennamens in die mit einer „#“ gekennzeichnete Spalte in Testkasten 1. 3. Bilden Sie ein Wort mit mindestens acht Buchstaben zwischen denen von Ihnen aufgeschriebenen Buchstaben. Ermittlung des Lösungswortes: 6. Das Wort in der Spalte unter Testkasten 3 ist das Lösungswort. Testkasten 1 Testkasten 2 Testkasten 3 # * -3-Schritt-Methode - #___…………………………………………….* ist für die Aufgabestellung unerheblich Selbst mit effektiver Informationsbearbeitung und als gut geübter Anwender der 3-Schritt-Methode - Sie werden nicht alles lesen können! Mit „Mut zur Lücke“ dämmen Sie die Informationsflut ökonomisch ein, in dem Sie sich fragen: ● Was muss ich alles lesen? ● Was soll ich alles lesen? ● Was will ich alles lesen? ● Was will ich damit anfangen? ● Was kann ich später lesen? ● Was brauche ich überhaupt nicht zu lesen? Das Flussdiagramm zur Textauswahl auf der Folgeseite verdeutlicht, wie Sie unter den Ihnen vorliegenden Schriftstücken zielbewusst und wirtschaftlich auswählen. Ihre Lesezeit ist zu kostbar, um sie planlos zu vertun! 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 69 <?page no="70"?> 65 nein ja nein ja nein ja Start Gehört dieser Text unmittelbar in Ihrem Aufgabenbereich? Ist dieser Text von aktuellem oder persönlichem Interesse? Sind Sie verpflichtet diesen Text zu lesen? Lesen - aber mit der 3-Schritt-Methode Nicht lesen - weiterleiten, oder 70 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="71"?> Mit den folgenden „Empfehlungen vor dem Lesen“ setzen Sie die Systematik des Flussdiagramms konsequent um: ● Lesen Sie nur, was wichtig ist! ● Sprechen Sie ggf. mit Mitarbeitenden ab, nach welchen Kriterien Ihre Post „gesiebt“ werden soll. So verhindern Sie, dass unwichtige Post zweimal gelesen wird. ● Entscheiden Sie, ob - gelesen werden muss - Sie es selbst lesen müssen - wenn ja, ob Sie es jetzt lesen müssen ● Delegieren Sie Lesearbeit. Versäumen Sie jedoch nicht, Zusammenfas‐ sungen schreiben zu lassen und auch anzufordern. ● Setzen Sie sich vor dem Lesen Ziele! ● Lesen Sie gründlich das Inhaltsverzeichnis. ● Beachten Sie auch Sach- / Stichwortverzeichnisse. Sie helfen Ihnen, schneller die gewünschten Informationen zu finden. ● Überfliegen Sie jeden Text, um sich einen Überblick zu verschaffen. Ergibt sich beim ersten flüchtigen Lesen nichts Wichtiges für Ihre Leseabsicht - Text nicht mehr lesen! ● Markieren Sie wichtige Textstellen. ● Schreiben Sie Zusammenfassungen! Je effektiver Sie Informationen kanalisieren und je rationaler Sie mit Texten umgehen, umso mehr Zeit gewinnen Sie. Gesuchte Informationen sind schneller zugänglich, Wesentliches wird sofort erkannt. Sie bearbeiten die Daten nach klar erkennbaren Prioritäten und helfen anderen, zügiger voranzukommen: Die Informationen landen dort, wo sie gebraucht werden. Zu 7.: Arbeit anderer tun Wer die Arbeit anderer tut, weiß entweder nicht genau, was er zu tun hat (unklare Aufgabenstellung, fehlende Stellenbeschreibung) oder vermag nicht „Nein“ zu sagen und koordiniert von daher mangelhaft und mit wenig Mut zur Delegation. Immer wieder zeigt sich, dass das „Nein“ als eines der wichtigsten Hilfsmittel eines guten Zeit- und Selbstmanagements zu selten eingesetzt wird. Obwohl für zusätzliche Aufgaben die eigene Zeit nicht ausreicht, folgt auf die Bitte von Kollegen, Vorgesetzten oder Mitarbeitenden, insbesondere 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 71 <?page no="72"?> von Pflege- und Betreuungskräften keine angemessene Ablehnung, sondern ein „Ja“, weil die anderen nicht enttäuscht werden sollen, kein Konflikt ent‐ stehen soll. Zudem wird durch die Bitte die eigene Wichtigkeit unterstrichen - was würden die anderen nur ohne uns tun? Statt die Folgen durch die Mehrarbeit zu bedenken wird die erbetene Hilfeleistung übernommen und somit der Zeitdruck bis hin zum Overload erhöht. Realistische Zeiteinschät‐ zung, Abgrenzungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen helfen aus dieser Zeitfalle. Manch einer denkt auch, dass es schneller geht, wenn er die Dinge selbst in die Hand nimmt, statt jemand anderes zu beauftragen. Das mag zwar auf dem ersten Blick stimmen, doch beim genaueren Hinsehen stellt sich das schnell als Trugschluss heraus. Aus der Zeitfalle „Arbeit anderer tun“ kommt nur heraus, wer auf klare Zuständigkeiten drängt und im Rahmen seiner Möglichkeiten planmäßig delegiert. Damit dies gelingt, ist vor allem Selbstdisziplin und Konsequenz gefragt. Nur wer sich selbst nicht unnötig unter Zeitdruck setzt und mit „Geduld und Spucke“ seinen Weg geht, wird durch konsequentes Handeln auf Dauer Zeit sparen. Prüfen Sie mit dem Selbsttest auf der Folgeseite „Setze ich mich selbst (immer) unter Zeitdruck“, ob Sie dazu neigen, sich unnötig stark selbst in Zugzwang zu setzen, sich antreiben zu lassen, alles „mal eben schnell“ selbst zu erledigen, bevor Sie es auch noch umständlich erklären müssen. Bewerten Sie die Aussagen so, wie Sie sich gegenwärtig in Ihrer Firma erleben. Entscheiden Sie spontan. Der erste Impuls ist richtig! Selbsttest 3.: „Setze ich mich selbst (immer) unter Zeitdruck? “ Aussage - trifft … zu voll meist teils selten nicht Ich bin ständig in Eile. - 5 4 3 2 1 Meine Ziele will ich möglichst schnell erreichen. 5 4 3 2 1 Menschen, die „herumtrödeln“ re‐ gen mich auf. 5 4 3 2 1 72 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="73"?> Selbsttest 3.: „Setze ich mich selbst (immer) unter Zeitdruck? “ Aussage - trifft … zu voll meist teils selten nicht Im Gespräch unterbreche ich öfters. - 5 4 3 2 1 Aufgaben erledige ich möglichst rasch. - 5 4 3 2 1 Rasche Antworten schätze ich. - 5 4 3 2 1 Ungeduldiges Fingerklopfen oder eine andere Art der Ungeduld ist für mich ty‐ pisch. -5 -4 -3 -2 -1 Meine Nervosität und Konzentrati‐ onsschwierigkeiten nehmen zu. -5 -4 -3 -2 -1 „Macht mal vorwärts“ signalisiere ich öfter. - -5 -4 -3 -2 -1 Ich mache gerne zwei Sachen auf einmal, z. B. telefonieren und Akten sortieren. -5 -4 -3 -2 -1 Jeder Einschätzung ist eine Punktzahl zugeordnet. Addieren Sie die Werte zu Ihrer Gesamtpunktzahl! - - Auflösung Weniger als 17 Punkte: Sie laufen keine Gefahr, sich unnötig stark beeilen zu wollen. Die ange‐ sprochenen Gegenmaßnahmen „auf klare Zuständigkeiten drängen“ und „planmäßiges Delegieren“ sollten Ihnen nicht allzu schwerfallen. 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 73 <?page no="74"?> 18 - 27 Punkte: Sie sind hin und wieder versucht, sich selbst übermäßig stark in Zugzwang zu setzen. Optimierungen wie oben angesprochen dürften Ihnen zwar nicht schwerfallen, Sie sollten jedoch bei der Realisierung konsequenter und vor allem geduldiger vorgehen. Über 28 Punkte: Sie sollten dringend an sich arbeiten. Ihre Neigung sich selbst übermäßig stark in Zeitdruck zu setzen, ist sehr stark ausgeprägt. Beginnen Sie damit, Ihren Zuständigkeitsbereich zu klären. Erwägen Sie sorgfältig Möglichkei‐ ten der planmäßigen Delegation. Seien Sie mutiger und geduldiger bei der Übertragung von Aufgaben an Ihre Mitarbeiter. Zu 8.: Routinearbeiten, persönliche Gewohnheiten Das Dumme an den Zeitdieben „Routinearbeiten“ und „persönliche Ge‐ wohnheiten“ ist, dass es sich dabei oft um Aufgaben oder Tätigkeiten handelt, „an denen das Herz hängt“. Die Eliminierung dieser Zeitdiebe erfordert viel Selbstdisziplin. Wenn Sie durch diese Zeitdiebe überlastet werden, sollten Sie ab sofort beherzt über Ihren Schatten springen. Finden Sie heraus, welche Routinear‐ beiten und welche persönlichen Gewohnheiten Sie schon heute aufgeben können. Nutzen Sie die Arbeitsblätter „Ermittlung sachlich unnötiger Routinear‐ beiten“ und „Abbau zeitraubender persönlicher Gewohnheiten“ auf den Folgeseiten zur selbstkritischen Überprüfung. 74 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="75"?> Arbeitsblatt 6.: „Ermittlung sachlich unnötiger Routinearbeiten“ - Fragen Sie selbstkritisch - -nein -ja -Wenn ja, warum? Muss ich die Eingangspost täglich lückenlos durchse‐ hen? - - - - Muss ich die Zeitung / Zeit‐ schrift X regelmäßig lesen? - - - - Muss ich in dem Ausschuss X vertreten sein? - - - - Muss ich an der Besprechung X unbedingt teilnehmen? - - - - Muss ich die Statistik X peri‐ odisch weiterführen? - - - - Muss ich über den Vorgang X eine Aktennotiz machen? - - - - Muss ich über die Bespre‐ chung X ein Protokoll anfer‐ tigen? - - - - Muss ich eine Ausarbeitung lückenlos prüfen? - - - - Muss ich die Ausarbeitung (Angebot, Brief, Bericht usw.) meines Mitarbeiters überar‐ beiten? - - - 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 75 <?page no="76"?> Arbeitsblatt 7.: „Abbau zeitraubender persönlicher Gewohnheiten“ - Gewohnheit - Abbaumöglichkeit geeignet Bei „nein“ - warum nicht? Ja Nein Aus Angst oder Un‐ geduld alles selbst machen wollen. Mitarbeitern vertrauen, auch wenn die Arbeiten nicht 100-% erledigt wer‐ den. - - - Überengagement, zu temperamentvolles spontanes Handeln; Spontanaktionen, die dann widerrufen werden. Zuerst schweigen und überlegen, Bedenkzeiten einführen, überschlafen, kritischer werden, die Dinge hinterfragen. - - - Zu genaues Arbeiten, ständig alles überprü‐ fen und absichern, aus dem Denken nicht herauskommen Nicht grübeln, sondern geplante Arbeiten flott in die Tat umsetzen, auch wenn Details im Plan noch zu verbessern wären - - - Unordnung am Ar‐ beitsplatz; Durchein‐ ander Es darf nur am Arbeits‐ platz liegen, was für die Erledigung der jeweiligen Aufgabe benötigt wird. - - - Termine nicht ein‐ halten können; chro‐ nisches „Zuspätkom‐ men“ Zeit realistischer ein‐ schätzen, mehr Reser‐ vezeit vorsehen. Grund‐ sätzlich Termine fünf Minuten zu früh wahr‐ nehmen. - - - Schlechte Erklärun‐ gen, dadurch stän‐ dige Rückfragen Vergewissern, ob man verstanden worden ist. - - - Redseligkeit, von ei‐ nem zum anderen kommen Immer nur ein Sachthema behandeln - - - Entscheidungen nicht rechtzeitig tref‐ fen, Unentschlossen‐ heit Entscheidungshilfen ein‐ setzen (Vor-/ Nachteil-- -Liste; Entscheidungsmat‐ rix) - - - 76 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="77"?> Arbeitsblatt 7.: „Abbau zeitraubender persönlicher Gewohnheiten“ - Gewohnheit - Abbaumöglichkeit geeignet Bei „nein“ - warum nicht? Ja Nein Unangenehme Auf‐ gaben werden immer wieder verschoben Unangenehme Aufgaben möglichst gleich erledi‐ gen oder einen festen Ter‐ min zur Erledigung setzen - - - Zu 9.: Schwächen der Mitarbeiter Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten hängt der Erfolg, ja manchmal sogar das Überleben eines Unternehmens entscheidend davon ab, inwieweit es gelungen ist, den richtigen Mann am richtigen Platz eingesetzt zu haben und/ oder einzusetzen. Selbständige, mitdenkende Fachkräfte sind gefragt. Starke Mitarbeiter entlasten, schwache belasten. Wer seine Mitarbeiter gezielt auswählt, vermeidet schon im Vorfeld zeitaufwendige Führungsarbeit. Schließlich bedürfen schwache Mitarbeiter wegen mangelnder Qualifikation oder zu geringer Selbständigkeit mehr Anleitung und Kontrolle. In vielen Einrichtungen der Pflege und Betreuung sind gute Erfahrungen damit gemacht worden, sich nicht darauf zu beschränken, nur die fachliche, sondern die umfassendere, gesamte berufliche Handlungskompetenz in systematischer Form im Personalauswahlverfahren zu hinterfragen. Wir sprechen von beruflicher Handlungskompetenz, wenn ein Mitarbeiter über fachliches Können in Theorie und Praxis hinaus über Methodenkompe‐ tenz (Transferfähigkeit, Selbständigkeit, Informationsaufnahme und -verar‐ beitung, Eigeninitiative, Lernfähigkeit) und Sozialkompetenz (Kooperations- und Teamfähigkeit, Führungsqualitäten), sowie über Einstellungen und Wert‐ haltungen verfügt, die dem Denk- und Umgangsstil des Hauses entsprechen (z.-B.: Belastbarkeit, Sorgfalt, Zuverlässigkeit, Pflichtgefühl usw.). Fachkompetenz allein genügt schon lange nicht mehr, um in Pflege und Betreuung erfolgreich zu wirken. Stark in der Persönlichkeit verwurzelte, zusätzliche Eigenschaften, die sogenannten Schlüsselqualifikationen, sind mindestens genauso wichtig. So vermag eine Betreuungs- oder Pflegekraft mit einer gut ausgeprägten Methodenkompetenz Wissenslücken in fachli‐ cher Hinsicht schnell zu schließen, selbständig zu handeln und Eigeninitia‐ 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 77 <?page no="78"?> tive zu zeigen. Positive Einstellungen und Werthaltungen sichern qualitativ und quantitativ einwandfreie Arbeitsergebnisse. Mit stark ausgeprägter Sozialkompetenz zeigen sich Pflege- und Betreuungskräfte teamorientiert und sicher im Auftreten nach außen. Wenn Sie Ihre Personalauswahl gezielt durchführen wollen, sollten Sie in einem Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle festlegen, welche Schlüsselqualifikationen vorhanden sein müssen, um die Stelle optimal zu besetzen. Haben Sie ermittelt, welche persönlichen Eigenschaften vorhanden sein müssen, gilt es nun zu bestimmen, wie diese ausgeprägt sein müssen. Schon beim Eingang der Bewerbungen lassen sich erste Rückschlüsse auf den Kandidaten aus der Zusammenstellung der Bewerbungsunterlagen ziehen. So sollten wirklich interessierte Bewerber um die Standards für gut zusammengestellte Bewerbungsunterlagen wissen: ● Anschreiben und Lebenslauf sind auf qualitativ hochwertigem Papier in guter Schriftqualität verfasst. ● Kopien der Zeugnisse sind sauber und kontrastreich. ● Ein gutes farbiges Portraitfoto mit Namen und Anschrift auf der Rück‐ seite liegt bei. ● Der maschinengeschriebene Text des Anschreibens und des tabellari‐ schen Lebenslaufes ist knapp und präzise formuliert. ● Das Anschreiben setzt sich inhaltlich mit der Stellenanzeige auseinander. ● Der Lebenslauf ist übersichtlich gegliedert und enthält vollständige An‐ gaben zur Person, wie Anschrift, Geburtsdatum und -ort, Familienstand und eine lückenlose Darstellung des Ausbildungs- und Berufsweges sowie Hinweise auf mögliche Spezialgebiete. Persönliche Daten und Informationen sind erwähnt, wenn sie für die Stelle von Bedeutung sind. ● Selbstverständlich ist auf korrekte Rechtschreibung, Grammatik und Interpunktion geachtet worden. Natürlich achten Sie bei der Durchsicht der Bewerberunterlagen auch darauf, dass fachliches Wissen und Können durch Zeugnisse ausreichend nachgewiesen sind. Analysieren Sie die Bewerbungsunterlagen weiter, indem Sie fragen: ● Erscheint der Aufbau des beruflichen Werdeganges sinnvoll? ● Ist der Lebenslauf in der zeitlichen Folge lückenlos erklärt? ● Wie häufig wurden die Stellen gewechselt? 78 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="79"?> ● Was fällt gegenüber einem durchschnittlichen Lebenslauf als außerge‐ wöhnlich auf ? Welche Gründe kann es dafür geben? ● Welche Informationen fehlen? (z. B.: Heirat, Kinder, Elternhaus, genaue Angaben zur letzten Tätigkeit) Ergeben sich Fragen aus der Analyse, prüfen Sie diese im Personalauswahl‐ gespräch sorgsam. Wer mit seinen Bewerbungsunterlagen überzeugt, wird zum Personalaus‐ wahlgespräch eingeladen. Hier heißt es nun, herausfinden ob bzw. inwieweit der Bewerber dem Personal-Anforderungsprofil entspricht. Beachten Sie bei der Gesprächsführung: ● Der Bewerber soll reden. ● Das Gespräch muss gesteuert werden - aber unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Bewerbers. ● Es muss ein Zeitplan vorliegen. ● Offene Fragen aus Vorauswahl (Bewerberunterlagen) und Erstkontakt (Telefonat) sind zu klären. ● Während des Gesprächs werden nur wenige notwendige Stichworte aufgeschrieben - sofort anschließend an das Gespräch werden Beob‐ achtungen festgehalten, wichtige Aussprüche notiert, Teil-Urteile auf‐ geschrieben, zusätzliche Fakten ergänzt. ● Der Interviewer darf nicht auf den Inhalt allein achten, sondern muss parallel stets das Verhalten beobachten, Erklärungen suchen, Hypothe‐ sen überprüfen. Nutzen Sie für Ihr nächstes Personalauswahlgespräch die Liste „Eigenschaf‐ ten - genau beobachtet“ auf der Folgeseite. Sie zeigt Ihnen, welche Informa‐ tionen und Verhaltensbeobachtungen auf welche Eigenschaften schließen lassen. Aus dem Gespräch werden die Rückschlüsse aus Informationen und Verhaltensbeobachtung zu einem Bewerberprofil verdichtet, dass dem Per‐ sonal - Anforderungsprofil gegenübergestellt wird. Je besser beide Profile übereinstimmen, umso höher dürfte die Wahrscheinlichkeit sein, dass der Bewerber den Stellenanforderungen entspricht. Um die Prognose über den Bewerber noch zuverlässiger abzusichern, eignen sich weitere Eignungsfeststellungsverfahren wie Fragebögen, Tests, Arbeitsproben, Folgegespräche oder auch ein Vorgehen nach der Assess‐ 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 79 <?page no="80"?> ment-Center-Methode, die gut abgestimmt eine Kombination aller Möglich‐ keiten bietet. Eigenschaften - genau beobachtet - Eigenschaft Beobachtung von - Aufgeschlossenheit Mienenspiel, Aufmerksamkeit, stellt Fragen, berichtet lebhaft, Ideen, Bildungsverhalten, Literatur, Hobby - Informationsauf‐ nahme und -verar‐ beitung Sprechtempo, erkennt Zusammenhänge, Reaktionszeit, konkret-anschaulich oder abstrakt, Urteilsvermögen - Selbständigkeit Sicherheit im Auftreten, stellt Fragen, Eigeninitiative im Lebenslauf, sichere Urteile, trifft Entscheidungen - Sorgfalt, Genauigkeit Sorgfalt in Sprache und Ausdruck, präzise Aussagen, nennt Fakten, äußere Erscheinung, Schilderung der Ar‐ beit Belastbarkeit Aufmerksamkeitsdauer, Lautstärke der Stimme, Gestik, Ausgeglichenheit, Tagesablauf, Freizeitaktivität, Ich - Motive Kontaktfähigkeit freundliche Ausstrahlung, flüssige Sprechweise, kann zuhören, bringt eigene Ideen ein, Freundeskreis - Überzeugungskraft spricht betont, strukturiert, einsichtige Argumente, be‐ obachtet Anliegen des Partners, Stimmigkeit in Aussa‐ gen und Körpersprache, werteorientiert Kooperationsfähigkeit spricht von „Wir“, Offenheit, baut auf Gedanken anderer auf, kein Drang nach Profilierung / Ehrgeiz, Hilfsbereit‐ schaft im Lebenslauf Auf den Einsatz zusätzlicher Eignungsfeststellungsverfahren wird häufig wegen des hohen Zeit- und Kostenaufwandes verzichtet. Für mich nicht immer nachvollziehbar, wenn ich beispielsweise sehe, wie viel Zeit, Mühe und Geld darauf verwendet wird, neue Software anzuschaffen. Bei gleichem Aufwand für die Personalauswahl dürfte der Zeitdieb „Schwächen der Mitarbeiter“ kaum mehr eine Rolle spielen. 80 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="81"?> Zu 10.: Perfektionismus, Pedanterie Kaum zu glauben - aber wahr: nicht wenige Pflege- und Betreuungskräfte blockieren einen Teil ihrer Zeit mit Aktivitäten, die sie genauso gut sein lassen könnten. Nichts würde passieren. Für viele Tätigkeiten gibt es keinerlei sach‐ liche Notwendigkeit, auch wenn immer wieder sachliche Scheinargumente angeführt werden. So geben Leitungskräfte an: „Als Führungskraft muss ich unbedingt über jedes Detail Bescheid wissen; schließlich brauche ich einen Wissensvorsprung. Und außerdem - Was mir meine Leute vorlegen, kann ich so nie weitergeben. Ich muss immer allem noch den letzten Schliff geben! “ Ihre Mitarbeitenden merken an: „Wenn ich nicht immer alle Einzelheiten festhalte, komme ich später in Teufels Küche. Wie soll ich mich dann verteidigen? Schließlich gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Und wenn ich nicht immer alles kontrolliere, läuft es garantiert schief! “ Sicher mag das eine oder andere für bestimmte Fälle gelten, doch was an den Äußerungen bedenklich stimmt, sind die kursiv zitierten Wörtchen „un‐ bedingt“, „nie“, „immer“, „alles“ und „überall“. Wer so denkt, argumentiert nicht rational. Er setzt sich unnötig unter Druck. Selbstüberforderung und unangemessen hohe Anforderung an die Arbeitserfüllung sind die Folge. Der erste Schritt zur Besserung ist die selbstkritische Reflexion. Gegen‐ maßnahmen liegen in zielgerichteten, ökonomischeren Handlungen. Das Zauberwort lautet: „Funktionsgerechtigkeit“. Prüfen Sie daher mit dem Fragebogen „Wie perfekt will ich (immer) sein“ auf der Folgeseite, ob Sie zu selbstüberforderndem Perfektionismus neigen. Bewerten Sie die Aussagen so, wie Sie sich gegenwärtig in Ihrem Unter‐ nehmen erleben. Entscheiden Sie spontan, der erste Impuls ist der Richtige! 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 81 <?page no="82"?> Selbsttest 4.: „Wie perfekt will ich (immer) sein? “ - Aussage - trifft … zu voll meist teils selten nicht Meine Arbeiten führe ich stets perfekt aus. - -5 -4 -3 -2 -1 Ich rege mich (wenigstens innerlich) über Leute auf, die nicht präzise reden oder arbeiten. -5 -4 -3 -2 -1 Wenn ich meine Meinung äußere, be‐ gründe ich sie auch. -5 -4 -3 -2 -1 Schriftliche Ausarbeitungen überprüfe ich vor Abgabe mehrmals. -5 -4 -3 -2 -1 Ich sollte meine Arbeit noch besser erle‐ digen. - -5 -4 -3 -2 -1 Es ist mir wichtig, dass Arbeiten vor der Zeit fertig sind. -5 -4 -3 -2 -1 Ich gliedere meine Aussagen gerne, z. B.: erstens, zweitens … -5 -4 -3 -2 -1 Ich setze gerne für mich die Messlatte höher, als es eigentlich vereinbart war. -5 -4 -3 -2 -1 Kompromisse gehe ich ungern ein. - -5 -4 -3 -2 -1 Häufig sage ich: Genau! , Klar! , Logisch! - -5 -4 -3 -2 -1 Jeder Einschätzung ist eine Punktzahl zugeordnet. Addieren Sie die Werte zu Ihrer Gesamtpunktzahl! - -- Auflösung Weniger als 17 Punkte: Sie laufen keine Gefahr, unnötig stark perfekt sein zu wollen. Ökonomisches Handeln mit „Beschränkung auf Funktionsgerechtigkeit“ sollte Ihnen nicht allzu schwerfallen. Arbeiten Sie mit den Zielsetzungstechniken aus Kapitel 3. 82 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="83"?> 18 - 27 Punkte: Sie zeigen Tendenzen zu pedantischem Perfektionismus. Formulieren Sie persönliche Ziele, um ökonomischer zu handeln. Denken Sie vor allem an das „Zauberwort“: Funktionsgerechtigkeit! Über 28 Punkte: Sie sollten dringend an sich arbeiten. Ihre Neigung übermäßig perfekt sein zu wollen, ist stark ausgeprägt. Überlegen Sie, welche Tätigkeiten auch „nur“ funktionsgerecht ausgeführt werden können. Erstellen Sie eine Rangreihe, in der Sie festlegen, welche Tätigkeiten Sie am ehesten funktionsgerecht ausführen könnten. Mit diesen fangen Sie an! Werden Sie perfekt darin, darauf zu achten, dass nicht alles immer pedantisch perfekt sein muss! Zu 11.: Schlechte Arbeitsplatzorganisation, Durcheinander Auf den Schreibtischen vieler Pflege- und Betreuungskräfte offenbart sich ein Relikt früher Menschheitsgeschichte: Die „Jäger und Sammler“ der Vorzeit sind heute „Volltischler“. Aus Angst, das Wesentliche zu vergessen, werden alle „Vorgänge“ auf dem Tisch gestapelt. Nichts darf verloren gehen! Nur - wer jedes Blatt Papier, Poststück, Management-Wissen-Magazin usw. auf seinem Schreibtisch hortet, bindet Aufmerksamkeitseinheiten seines Gehirns und damit Teile seiner Arbeitsenergie. Motivation und Konzentrationsfähigkeit werden so blockiert. Volltischler „verzetteln“ sich im wahrsten Sinne des Wortes. Aufgeregt wird in Papierstapeln gewühlt: Wo habe ich das denn noch mal hingelegt? Manch wichtige Aufgabe wird hektisch in letzter Minute erledigt, weil sie „aus den Augen, aus dem Sinn“ war. Falls es auf Ihrem Schreibtisch ähnlich chaotisch zugeht - machen Sie dem Stress ein Ende. Starten Sie eine Sofort-Maßnahme. Zu allen unerledigten Schriftstücken auf Ihrem Schreibtisch fragen Sie: Bis wann habe ich das erledigt? Gemäß dem 3-Stufen-Prinzip gehen Sie dann wie folgt vor: 1. Sofort tun Erledigen Sie sofort, was weniger als fünf Minuten dauert. Für alles andere setzen Sie einen konkreten Termin fest, wann im weiteren Tagesverlauf Sie es tun werden. 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 83 <?page no="84"?> 2. Tagesplan Notieren Sie in Ihrem Tagesplan, was Sie in den nächsten Tagen erledigen wollen. Setzen Sie Prioritäten. Verwenden Sie den Tagesplan auf der Folge‐ seite. 3. Checkliste zur Kontrolle der Aufgabenerledigung Schreiben Sie alles, was Sie später erledigen wollen, in eine Checkliste zur Kontrolle der Aufgabenerledigung. Eine Checkliste finden Sie auf der übernächsten Seite. Für all die Papiere, die Sie später einmal in Ruhe lesen möchten, richten Sie neben Ihrem Schreibtisch einen passenden Platz ein, z. B. auf einem Sideboard. Alles andere geben Sie dem besten Freund des Leertischlers - ab damit in den Papierkorb. Geben Sie sich einen Ruck, es kann mehr weg als Sie meinen! Was dann noch bleibt, sollte in einem einfachen Ablagesystem gesammelt werden. Hier ist schnelles Finden ohne langes Suchen angesagt. Wer nach dem Motto lebt „Wer Ordnung hält, ist nur zu faul zum Suchen“, sollte sich vor Augen führen, dass es im Schnitt etwa zehnmal so lange dauert etwas wiederzufinden, wie es gut auffindbar abzulegen. 84 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="85"?> Arbeitsblatt 8.: Tagesplan - Priori‐ tät Zeit‐ punkt Was ist zu tun? Wie lange? SOLL (ge‐ schätzt) IST (tatsäch‐ lich) -------------- - ------------------- - - Gesamtaufwand - - - Telefonate Zeit‐ punkt - Privates / Sonstiges Zeitpunkt ------ -------------- - - 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 85 <?page no="86"?> Arbeitsblatt 9.: Checkliste zur Kontrolle der Aufgabenerledigung Da‐ tum Priorität Was ist zu tun? Beginn Fertig bis Bemerkung ------------------------------------ - - - - - Prüfen Sie nun mit den Leitfragen, ob Sie ein sinnvolles Ordnungssystem eingerichtet haben. Die Fragen sind zugleich Optimierungshilfen: ● Verfügen Sie über ein Grundsystem in Ihrer Registratur (durchgehende Organisation mit Hebelordner, Pendelmappen, Hängeregistratur oder Stehablagen)? 86 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="87"?> ● Erfassen Sie Schriftstücke schon während der Bearbeitung unter Ord‐ nungsbegriffe, so dass später ein sofortiger Zugriff möglich ist? ● Nutzen Sie Einzelmappen zur Sofort-Ordnung am Arbeitsplatz? ● Ordnen Sie Ihre Schriftstücke nach übersichtlichen und logischen Kri‐ terien? ● Liegen auf Ihrem Schreibtisch nur Unterlagen, die zeitnah bearbeitet werden müssen? ● Handeln Sie konsequent nach der Devise: Neuer Vorgang = neue Mappe? Zu 12.: Unentschlossenheit Pflege- und Betreuungskräften, die unentschlossen zu Werke gehen, fehlt entweder der Mut zur Verantwortung oder aber sie suchen unentwegt nach perfekter Information. Währenddessen bleibt die Arbeit liegen und belastet die Gedanken. Manchmal hat der eine oder andere Glück, aber nur selten erledigen sich die Dinge von selbst dadurch, dass man sie liegen lässt. Wem es nicht gelingt, seine Informationsbeschaffung und -auswertung durch feste Termine zeitlich zu begrenzen, läuft Gefahr früher oder später der „Aufschieberitis“ zum Opfer zu fallen. Beantworten Sie selbstkritisch die folgenden Fragen. Mit ihnen kommen Sie nicht nur der „Aufschieberitis“ auf die Spur, jedes „Ja“ zeigt Ihnen gleichzeitig, was Sie verändern sollten: ● Suche ich nach Entschuldigungen, um Schwieriges aufzuschieben? ● Brauche ich Druck, um an schwierigen Aufgaben weiterzuarbeiten? ● Gibt es viele Unterbrechungen, die mich abhalten, Wichtiges zu erledi‐ gen? ● Nehme ich Arbeit mit nach Hause, um sie abends oder am Wochenende zu erledigen? ● Bin ich manchmal zu nervös oder zu müde, um wichtige Aufgaben anzupacken? ● Muss ich erst alles vom Tisch wegarbeiten, damit ich mich auf schwie‐ rige Arbeiten konzentrieren kann? ● Vermeide ich es, mir Endtermine zu setzen? 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 87 <?page no="88"?> Zu 13.: Wartezeiten Wer spontan, z. B. ohne Absprache an gemeinsam genutzte Geräte geht, wie an den Drucker im Gang, darf sich nicht wundern, wenn diese besetzt sind. Sollte Ihnen dies auch immer wieder passieren, habe ich einen heilsamen Tipp für Sie: Notieren Sie sich Ihre Wartezeiten in der nächsten Arbeitswoche und rechnen Sie aus, was das Ganze kostet! Spätestens dann wird Ihnen sehr klar, wie sinnvoll Absprachen über Nutzungszeiten gemeinsamer Geräte sind. Zu 14.: Unrealistische Zeitplanung: Zu viel in zu kurzer Zeit! Viele Methoden des Zeitmanagements stehen und fallen mit der genauen Überwachung durch ständige SOLL-IST-Vergleiche. Wenn immer wieder die Zeitfalle „Unrealistische Zeitplanung: zu viel soll in zu kurzer Zeit erledigt werden“ zuschnappt, liegen zwei mögliche Ursachen nahe: ● Die SOLL-Planung erfolgt ohne vorhergehende Kontrolle bei der Zeit‐ planung und deren Berücksichtigung oder ● Der Betroffene setzt sich (immer) unnötig stark unter Druck, zeigt möglicherweise sogar Tendenzen zum „Workaholik“. Prüfen Sie mit dem Fragebogen auf der Folgeseite, ob Sie dazu neigen, (immer) selbstüberfordernd zu handeln. Bewerten Sie die Aussagen so, wie Sie sich gegenwärtig in Ihrer Einrich‐ tung erleben! -Selbsttest 5.: „Neige ich dazu, (immer) selbstüberfordernd zu handeln? “ - -Aussage -trifft … zu voll meist teils sel‐ ten nicht -Abschalten und Ausspannen fällt mir schwer. - -5 -4 -3 -2 -1 Ich habe Muskelverspannung oder Ma‐ gen-Darm-Beschwerden. -5 -4 -3 -2 -1 88 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="89"?> Selbsttest 5.: „Neige ich dazu, (immer) selbstüberfordernd zu handeln? “ - -Aussage -trifft … zu voll meist teils sel‐ ten nicht -„Nur nicht aufgeben“ ist meine Devise. - -5 -4 -3 -2 -1 -„Vorwärts kommen“ bedeutet mir viel. - -5 -4 -3 -2 -1 -Für meine Erfolge muss ich hart arbeiten. - -5 -4 -3 -2 -1 Einmal begonnene Arbeit führe ich auch zu Ende. -5 -4 -3 -2 -1 Ich glaube, dass die meisten Dinge nicht so einfach sind, wie sie dargestellt werden. -5 -4 -3 -2 -1 Für die Verwirklichung meiner Ziele wende ich viel Mühe auf. -5 -4 -3 -2 -1 Vorgänge während der Arbeit beschäftigen mich nach Feierabend. -5 -4 -3 -2 -1 Trotz erheblicher Anstrengungen bin ich mit dem Erreichten nicht zufrieden. -5 -4 -3 -2 -1 - Jeder Einschätzung ist eine Punktzahl zugeordnet. Addieren Sie die Werte zu Ihrer Gesamtpunktzahl! - Auflösung Weniger als 17 Punkte: Sie laufen keine Gefahr, sich unnötig stark selbst zu überfordern. Bei genauer Überwachung Ihrer Zeitplanung durch ständigen SOLL-IST-Vergleich sollte die Zeitfalle „Unrealistische Zeitplanung: zu viel soll in zu kurzer Zeit erledigt werden“ keine Rolle für Sie spielen. 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe 89 <?page no="90"?> 18 - 27 Punkte: Sie sind hin und wieder versucht, sich selbst übermäßig stark unter Zug‐ zwang zu setzen.* Über 28 Punkte: Sie sollten dringend an sich arbeiten. Ihre Neigung sich selbst übermäßig zu überfordern, ist sehr stark ausgeprägt.* * Lesen Sie sorgfältig die Ausführungen zum Thema „Stressmanagement“ Zu 15.: Spontanes Handeln, Ungeduld Emotionales, nur wenig rationales Verhalten führt unmittelbar in die Zeitfalle „Spontanes handeln, Ungeduld“. Die Lösung lautet schlicht und ergreifend: Keine Arbeitserledigung ohne Vorüberlegung, vor allem Tages- und auch Wochenplanung! Fragen Sie sich deshalb vor Arbeitsbeginn: ● Ist diese Tätigkeit überhaupt notwendig? ● Was geschieht, wenn sie heute nicht erledigt wird? ● Was geschieht, wenn sie überhaupt gestrichen wird? ● Welches ist die wichtigste Aufgabe für heute? ● Kann ich sie heute termingerecht erledigen? ● Welche Vorkehrungen muss ich dazu treffen? ● Muss ich diese Arbeit unbedingt selbst erledigen? ● Verfüge ich über Kollegen und / oder Mitarbeiter, die mir dabei behilflich sein könnten? ● Können die heutigen Aufgaben mit weniger Zeitaufwand und einfacher erledigt werden? ● Habe ich den rationellsten Weg zur Lösung ausgewählt? ● Welche Arbeitssituation belastet mich heute am meisten? ● Welche Sofortmaßnahmen zur Änderung ergreife ich? ● Wann kann ich heute am besten arbeiten? ● Wo in meinem Tagesplan findet sich ein Zeitblock von mindestens 60 Minuten zur ungestörten Arbeit? 90 5 Exkurs: Zeitfallen und Zeitdiebe <?page no="91"?> 6 Entscheiden Das Kernproblem vieler Pflege- und Betreuungskräfte besteht darin, dass sie sich bei ihrer Arbeit verzetteln. Kaum haben sie mit einer Arbeit begonnen, taucht ein Zeitdieb auf und lockt sie in eine Zeitfalle. Kein Wunder, dass Zeitfresser so erfolgreich sind. Treffen sie doch auf Menschen, die sich als Helfer verstehen und sich am liebsten jedem und allen sofort widmen möchten. Doch Erfolg hat genau die Pflege- und Betreuungskraft, die sich wäh‐ rend einer bestimmten Zeit nur einer einzigen Aufgabe konsequent und zielbewusst widmet. In der dritten Position des Regelkreislaufs des Selbst‐ coachings „Entscheiden“ geht es daher vor allem um Prioritätensetzung (vgl. Abbildung 2). Wem es gelingt, Prioritäten systematisch zu setzen und konsequent zu verfolgen ● erledigt zuerst das wirklich Wichtige und Dringliche. ● konzentriert sich auf jeweils eine Aufgabe. ● erledigt seine Arbeit innerhalb der geplanten Zeit. ● schaltet Aufgaben durch Delegation aus. Zeitplanung mit Prioritätensetzung ist die halbe Miete zur Aufgabenbewälti‐ gung. Drei Methoden zur Prioritätensetzung haben sich in der betrieblichen Praxis besonders gut bewährt: 1. Die ABC-Analyse 2. Das Eisenhower-Prinzip 3. Die MENÜ-Methode Die Methoden gleichen sich in einem bedeutsamen Aspekt. Mit jeder Methode verleihen Sie Ihren geplanten Aktivitäten eine eindeutige Priorität. Sie setzen Prioritäten, indem Sie Ihre einzelnen Tätigkeiten nach ihrem Wert ordnen. Eine Aufgabe ist umso wertvoller, je mehr sie dazu beiträgt, dass Sie Ihre Ziele erreichen. Hier ist die ABC-Methode hilfreich. Aus Ihren Zielen resultieren Aufgaben. Diese Aufgaben ordnen Sie nach Wichtigkeit und Dringlichkeit. Das Eisenhower-Prinzip zeigt klipp und klar, wie Sie das handhaben. <?page no="92"?> Manche der Aufgaben sind Routine. Diese sind zu rationalisieren und zu delegieren. Die Menü-Methode zeigt Ihnen wie. Zu 1.: Prioritätensetzung nach der ABC-Analyse Erfahrungswerte belegen, dass die Prozentanteile der wichtigen und weni‐ ger wichtigen Aufgaben an der Menge aller Aufgaben im Allgemeinen konstant sind. Die Buchstaben A, B und C bezeichnen drei Klassen von Aufgaben, die für das Erreichen Ihrer Ziele unterschiedlich wichtig sind. „A“ bezeichnet die Gruppe der wichtigsten, „C“ die der unwichtigsten Aufgaben. A-Aufgaben (= Muss-Aufgaben): Die wichtigsten Aufgaben (A-Aufgaben) machen etwa 15 % der Menge aller Aufgaben und Tätigkeiten aus, mit denen sich Pflege- und Betreuungs‐ kräfte befassen. Ihr Wert im Hinblick auf die Zielerreichung liegt jedoch bei 65-%. B-Aufgaben (= Kann-Aufgaben): Durchschnittlich wichtige Aufgaben (B-Aufgaben) machen etwa 20-% an der Menge und ebenfalls 20 % am Wert der Aufgaben und Tätigkeiten einer Fach- und Führungskraft in Pflege und Betreuung aus. C-Aufgaben (= Sollte-Aufgaben) Weniger wichtige oder unwichtige Aufgaben (C-Aufgaben) machen hin‐ gegen 65-% an der Menge aller Aufgaben aus, haben aber nur den geringen Anteil von 15 % am Wert aller Aufgaben, die Pflege- und Betreuungskräfte zu erfüllen haben. Nach der ABC-Analyse ergibt sich ein „schiefes Bild“, wie die Darstellung auf der Folgeseite ausweist. 92 6 Entscheiden <?page no="93"?> Prüfen Sie mit der ABC-Analyse, ob die angesetzten Zeitvorgaben in Ihrem Zeitplan auch der Bedeutung der Aufgabe entsprechen. Verfahren Sie bitte, wie unten beschrieben. Korrigieren Sie Ihr „schiefes Bild“: 1. Nehmen Sie bitte Ihren Terminkalender zur Hand und listen Sie alle Aufgaben auf, die in der nächsten Woche anstehen. 2. Ordnen Sie diese Aufgaben nach ihrer Wichtigkeit, in der Reihenfolge ihres Wertes für die Tätigkeit. Denken Sie daran, dass Dringlichkeit grundsätzlich nichts mit Wert, Wichtigkeit oder Bedeutung der betref‐ fenden Aufgabe zu tun hat. 3. Nummerieren Sie die Aufgaben durch. Verwenden Sie bitte das Arbeits‐ blatt „Aufgaben der nächsten Woche“ auf der Folgeseite. 6 Entscheiden 93 <?page no="94"?> Arbeitsblatt 10.: Aufgaben der nächsten Woche - Rangplatz Aufgabe / Tätigkeit Zeitbedarf ------------------ ------------------------------------- - 1. Bewerten Sie die Aufgaben nach dem ABC-Raster! 2. Überprüfen Sie, ausgehend von den A-Aufgaben, Ihren Zeitplan (ge‐ schätzter Zeitbedarf) danach, ob die angesetzten Zeitvorgaben auch der Bedeutung der Aufgabe entsprechen. 3. Nehmen Sie gegebenenfalls Korrekturen vor! 94 6 Entscheiden <?page no="95"?> 4. Überprüfen Sie B und C-Aufgaben auf Delegationsmöglichkeiten. Nutzen Sie die Sammlung Ihrer Einzeltätigkeiten auch, um periodisch wiederkehrende Arbeiten zu entdecken und zu hinterfragen. Ermitteln Sie alle täglich oder wöchentlich anfallenden, periodisch wie‐ derkehrenden Arbeiten und stellen Sie fest, wieviel Zeit Sie dafür benötigen. Durchdenken Sie nun jede einzelne wiederkehrende Arbeit gründlich. Stellen Sie sich provozierende Fragen: ● Ist diese Arbeit überhaupt nötig? ● Warum erledige ich diese Sache so kompliziert? ● Warum habe ich bisher nicht alle Rationalisierungsmöglichkeiten aus‐ geschöpft? ● Warum quäle ich mich so damit ab? ● Gibt es andere, die es viel einfacher / billiger machen können? Legen Sie im Arbeitsblatt „Rationalisierung periodisch wiederkehrender Tätigkeiten“ auf der Folgeseite mindestens eine Entlastungsmaßnahme fest, sowie die SOLL-Zeit, die Sie maximal einsetzen wollen oder können. -Arbeitsblatt 11.: Rationalisierung periodisch wiederkehrender Tätigkei‐ ten -Periodisch wiederkehrende Tätig‐ keit -Entlastungsmöglichkeit - -SOLL-Zeit ---------------- 6 Entscheiden 95 <?page no="96"?> Zu 2.: Aufgabenordnung nach dem Eisenhower-Prinzip Eine sehr strikte Art, Aufgaben zu ordnen und Schlüsse zu ziehen wird Ei‐ senhower nachgesagt. Seinem Prinzip zufolge wird grundsätzlich zwischen wichtigen und dringenden Aufgaben unterschieden. Es resultieren vier Möglichkeiten: 1. wichtig und dringend 2. wichtig und nicht dringend 3. nicht wichtig und dringend 4. nicht wichtig und nicht dringend Wer dem Eisenhower-Prinzip folgt, übernimmt nur wichtige und dringende Aufgaben selbst (vgl. Abbildung 8). Nicht dringende, aber wichtige Aufgaben werden im Auge behalten und geplant. Nicht wichtige Aufgaben werden grundsätzlich nicht selbst erledigt. Abb. 8: Eisenhower-Prinzip Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, das Eisenhower-Prinzip auf Ihre Aufgabensammlung für die nächste Woche anzuwenden! 96 6 Entscheiden <?page no="97"?> Zu 3.: Tagesplanung mit der MENÜ-Methode In der betrieblichen Praxis sind sehr gute Erfahrungen mit der Menü-Me‐ thode gemacht worden. „MENÜ“ steht für ● Maßnahmen sammeln ● Entscheidung über die Prioritäten ● Notwendigen Zeitbedarf schätzen ● Überarbeiten Mit der Menü-Methode sichern Sie, dass Ihr Tagesplan nur das enthält, was am gleichen Tag auch erledigt werden kann. Je realistischer Sie Ihre Ziele setzen, desto stärker werden Energien mobilisiert. Sie sind eher bereit, Arbeiten zurückzustellen, die das Erreichen der Tagesziele behindern. Ausgenommen sind selbstverständlich Vorgänge höherer Priorität. Auf der Grundlage Ihrer Tagesziele wenden Sie die Menü-Methode wie folgt an. 1. Maßnahmen sammeln Reflektieren Sie Ihren Tagesplan: Welche schriftlichen Arbeiten oder Besprechungen lassen sich schneller telefonisch erledigen? Wieweit handelt es sich bei den Maßnahmen um ● Blitzvorgänge, die sich in fünf bis zehn Minuten erledigen lassen? ● Intensivvorgänge, die konzentriert und störungsfrei erledigt werden sollten? Wieweit kann ich die Maßnahmen an diesem Tag bewältigen? 2. Entscheidung über Prioritäten: Nutzen Sie das Eisenhower-Prinzip, um herauszufinden, was Sie auf jeden Fall noch heute erledigen müssen (wichtig und dringend)! Wenden Sie die ABC-Analyse an! 3. Notwendigen Zeitbedarf schätzen Dabei handelt es sich um einen besonders wichtigen Teil der Methode. Fragen Sie: 6 Entscheiden 97 <?page no="98"?> Wieviel Zeit benötige ich ungefähr für die Erledigung? Die Zeit lässt sich bei manchen Vorgängen, wie Besprechungen und komplizierten Arbeiten nicht immer genau festlegen. Dennoch lassen sich Erfahrungswerte sammeln. Die Erledigung eines Telefonates mit Vorbereitung und anschließender Auswertung dauert etwa zehn Minuten, also sechs Gespräche pro Stunde. Eine Vorgabezeit, z. B. bei einer Projektbesprechung, zwingt förmlich zur Einhaltung, weil dann konzentrierter gearbeitet wird und Störungen massiv unterbunden werden. Bereits nach einer Woche beginnen Sie bei der Zeitschätzung sicherer zu werden. Natürlich kann es immer wieder mal zu unerwarteten Schwie‐ rigkeiten und Überraschungen kommen. Dann muss die Planung eben neu überdacht werden. Aber ohne Planung wäre der Zeitdruck sicher schlimmer geworden. 4. Überarbeiten Entscheidend ist die Zeit, welche die Aufgabe mit der höchsten Priorität an diesem Tag beansprucht. Dauert sie länger als beabsichtigt, dann müssen Aufgaben zurückgestellt oder an Mitarbeiter delegiert werden. Pufferzeiten schaffen „Luft“. Überlegen Sie, ob sich z. B. eine vorgesehene Besprechung zeitlich reduzieren lässt und voraussichtlich wie stark. Die Zeitvorgabe aller Vorgänge muss auf das unbedingt notwendige, aber noch realistische Maß gekürzt werden. 98 6 Entscheiden <?page no="99"?> 7 Ausführen Position 4 unseres Regelkreislaufmodells zum Selbstcoaching ist dem „Aus‐ führen“ gewidmet (vgl. Abbildung 2), und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen geht es darum, mit der optimalen Einstellung ökonomisch zu arbeiten. Zum anderen wird Führungskräften in Pflege und Betreuung ermöglicht, ihre Einstellung zum Delegieren selbstkritisch zu analysieren, das „Reifegrad-Modell“ kennenzulernen und für die betriebliche Praxis zu nutzen. Die Tipps zur Arbeitsökonomie liefern Ihnen Denkanstöße, um ● eigene Fähigkeiten gezielt einzusetzen. ● optimale Arbeitsergebnisse zu erwirken. ● Zeit und Kraft zu sparen. ● Eigenmotivation zu stärken. ● Mittel und Möglichkeiten zu maximieren. ● Erfolg und Leistung zu optimieren. Wer den Grundsatz „Erst denken und überlegen - dann handeln! “ beherzigt, darf die Devise „Aufgaben sofort angehen“ keinesfalls aus den Augen verlieren. Gerade in Pflege und Betreuung, wo Improvisation und Flexibi‐ lität tagtäglich gefordert werden, ist spontanes, intuitives Handeln häufig unumgänglich. Methodische und unmethodische, oft sogar unorthodoxe Arbeitsweisen sollten sich idealerweise ergänzen, wobei jeweils von der konkreten Aufgabenstellung ausgegangen werden muss. Methodisch vorgehen heißt nicht, nach Schema „F“ handeln, sondern schafft Voraussetzungen für überlegtes Handeln für benennbare, fest um‐ rissene, meist häufig wiederkehrende Arbeiten im betrieblichen Alltag. Das Flussdiagramm auf der Folgeseite verdeutlicht die Vorgehensweise. Im letzten Kasten des Flussdiagramms wird Ihnen empfohlen, Techniken und Hilfsmittel einzusetzen, um Ihre Arbeit zu vereinfachen. Diesbezüglich hat sich auch die „Schnellplanung in systematischen Schritten“ als nützlich erwiesen. <?page no="100"?> Denken vor der Arbeit Damit Sie auch unter starkem Zeitdruck überlegt handeln und sich nicht nur ausschließlich auf Ihre Intuition verlassen, sollten Sie sich stets Zeit für Kurzüberlegungen nehmen. Die Leitfragen der „Schnellplanung in sys‐ tematischen Schritten“ schützen Sie vor blindem Aktionismus: 100 7 Ausführen <?page no="101"?> 1. Was will ich erreichen? 2. Werden besondere Materialien / Werkzeuge / Maschinen benötigt? 3. Was gibt es Besonderes in dieser Situation? 4. Wie kann ich vorgehen? 5. Was will ich vermeiden? 6. Wann ist der beste Zeitpunkt? 7. Was muss ich jetzt tun? Durch Checklisten gewinnen Sie nicht nur Zeit, indem Sie Ihre wiederkeh‐ renden Arbeiten rationalisieren - Sie haben noch zwei weitere Vorteile: 1. Routinevorgänge müssen nicht immer wieder neu durchdacht werden. 2. Es entfällt die Furcht etwas vergessen zu haben: Checklisten bieten ein Maximum an Sicherheit bei geringem Kontrollaufwand. Entwickeln Sie Ihre eigenen Checklisten, z. B. für Klientenbesuche, zur Reisevorbereitung, zur Vorbereitung von Gesprächen und Besprechungen, kurz für alles, was sich wiederholt und ähnlich erledigt wird. Ein Beispiel für eine Checkliste „Besprechungen“ finden Sie auf der Folgeseite. -Checkliste: „Besprechungen“ - Ja Nein 1. Habe ich den Besprechungstermin mit den wichtigsten Teil‐ nehmern abgestimmt? - - 2. Habe ich alle Teilnehmer schriftlich eingeladen? - - 3. Wurde die Einladung schriftlich bestätigt? - - 4. Ist die Einladung komplett? • Ort, Datum? • Exakter Beginn? • Exaktes Ende? • Thema / Tagesordnung? (ohne „Verschiedenes“) • Name des Leiters? • Namen der Teilnehmer? • Aufstellung, welche Vorarbeiten / Unterlagen jeder Teilneh‐ mer mitbringen muss? - - 5. Habe ich den Besprechungsraum überprüft? • Ist der Raum groß genug? - - 7 Ausführen 101 <?page no="102"?> Checkliste: „Besprechungen“ - Ja Nein • Sind genügend Tische und Stühle vorhanden? • Funktioniert Licht / Heizung / Belüftung? • Funktionieren alle technischen Hilfsmittel? • Beeinträchtigen keine Störungen von außen den Ablauf ? 6. Habe ich mich als Leiter gut vorbereitet? • Was soll mit der Besprechung erreicht werden? (schriftlich, in einem Satz fixieren) • Spreche ich so, dass mich alle Teilnehmer verstehen? • Wurde die Redezeit der Teilnehmer begrenzt? • Wurde die Aufmerksamkeit der Teilnehmer berücksichtigt? (Pause nach spätestens 90 Minuten) • Ist geklärt, wer Protokoll führt? - - 7. Nach der Besprechung: • Wurde das Ziel erreicht? • Was ist noch zu tun? • Wer muss was tun? • Wer kontrolliert? - - Das Grundgerüst für eine Checkliste können Sie sich - natürlich - mit einer Checkliste erarbeiten: Arbeit oder Tätigkeit auswählen ● die sich wiederholt ● die ähnlich erledigt wird Teilarbeiten notieren ● Was muss alles getan werden? ● Was muss alles beachtet werden? ● Wer muss ggf. gefragt oder kontaktiert werden? ● Wer ist zu informieren? Logische Reihenfolge zusammenstellen ● Was hängt voneinander ab? 102 7 Ausführen <?page no="103"?> ● Welche zeitlichen Bedingungen sind einzuhalten? ● Was baut sachlogisch aufeinander auf ? ● Wo werden Zwischenergebnisse gebraucht? Gruppenbildung vornehmen ● Welche Tätigkeiten wiederholen sich? ● Wo gibt es logische Zwischenstopps? ● Wo werden gleiche Hilfsmittel gebraucht? Mit dem Grundgerüst sichern Sie die Vollständigkeit Ihrer Checkliste. Spä‐ testens dann, wenn unterstellte Mitarbeiter Ihre Formulare verwenden sol‐ len, sollten Sie über das Abfassen von vorstrukturierten Texten nachdenken. Die folgenden Leitfragen unterstützen Sie nicht nur bei Ihren Bemühungen, verständliche und einfach handhabbare Checklisten zu formulieren, son‐ dern zeigen darüber hinaus, wie Sie gute, zeitsparende Vordrucke erstellen: ● Wie häufig wird die Checkliste / der Vordruck wahrscheinlich innerhalb des Jahres verwendet? (Kleinste Auflage bei Vordrucken: mindestens 100 Stück) ● Werden sich keine zu häufigen Zusätze während des Gebrauches erge‐ ben? ● Sind alternative Lösungen überall untergebracht, wo sie notwendig sein könnten? (Einfachster Fall: Herr / Frau) ● Ist der Text so stark wie möglich verkürzt? Bleibt er dennoch klar und unmissverständlich? ● Bleibt der Inhalt übersichtlich, das Schriftbild groß genug? ● Ist der Stil freundlich genug oder befehlend bzw. unpersönlich? ● Handelt es sich um einen modernen Briefstil mit vielen Tätigkeitswör‐ tern und wenig Hauptwortkonstruktionen, Partizipien und Adjektiven, wenn das Formular vollständige Sätze umfasst? ● Ist weitgehend auf Fach- oder Fremdwörter verzichtet worden, die nicht alle Ausfüller oder Empfänger verstehen werden? ● Muss ein neues Formular verfasst werden oder hätte die Umarbeitung bzw. Ergänzung eines bereits verwandten Formblattes ausgereicht? ● Ist für einzutragende Texte genügend freier Raum gelassen worden? Probleme bei der Arbeit mit Checklisten und Vordrucken ergeben sich, wenn 7 Ausführen 103 <?page no="104"?> ● die Zweckmäßigkeit des Formulars nicht ausreichend überdacht wurde. So geschieht immer wieder, dass Vordrucke eine von der Sache her nicht mehr zu verantwortende Lebensdauer haben. Sie werden schlicht und ergreifend einfach übernommen, ohne dass nachgedacht wird, ob das Ausfüllen dieses Formulars noch Sinn macht. Hinterfragen Sie deshalb, ob ältere Formulare noch zeitgemäß Ihren Ansprüchen genügen! ● zu viel frei zu formulierender Text einzutragen ist. In diesem Fall muss das Formblatt möglichst schnell ergänzt werden. Klären Sie vorher, wer die Checkliste zu welchem Zweck braucht! ● der Ausfüllende zu viel Denkarbeit beim Umgang mit der Checkliste leisten muss. Prüfen Sie deshalb, wie schwierig die Fragen von Sprache, Inhalt oder Struktur her abgefasst sind! ● der Sprachstil nicht dem heutigen Sprachempfinden und der Einstellung moderner Menschen zueinander entspricht. Z. B. werden Mahnformu‐ lare heute deutlich höflicher verfasst als früher. ● der Text viel zu lang ist, weil mehr gefragt wird als unbedingt notwendig. Das Ausfüllen von Formularen verärgert grundsätzlich. Massive Verär‐ gerung wird ausgelöst, wenn man sich gänzlich unnötig von „wichtiger“ Arbeit abgehalten fühlt. ● dem Ausfüller unklar ist, wozu die Antworten benötigt werden. Ein freundlicher und überzeugender Text sollte motivieren. Formulieren Sie also höflich, kurz, aber präzise, verständlich und nachvollziehbar! Checklisten und Vordrucke zu erstellen, kostet natürlich anfänglich Zeit. Daher scheuen sich manche Pflege- und Betreuungskräfte vor dieser „Mehr‐ arbeit“. Aus der A-B-C-Analyse geht jedoch eindeutig hervor, dass gerade der Aufwand für wiederkehrende Tätigkeiten einen großen Anteil der Ge‐ samtarbeitszeit blockiert. Entwickeln Sie daher Checklisten und Formulare - auf mittlere und lange Sicht werden Sie Zeit gewinnen! Keinerlei zeitlichen Aufwand erfordert es, wenn Sie gemäß einem weite‐ ren Motto zur ökonomischen Arbeitsausführung handeln: „Kommt Zeit - kommt Rat! “ Im Verlauf eines Individual-Coachings sprachen ein Coachee und ich über unseren gemeinsamen Ausgleichssport: Jogging. Im Zusammenhang damit berichtete mein Gesprächspartner über ein auch mir bekanntes, bemerkenswertes Phänomen: Letztlich hatte er sehr lange, angestrengt bis verzweifelt über die Lösung eines kniffligen Problems im Zusammenhang mit einem neuen Projekt 104 7 Ausführen <?page no="105"?> nachgedacht. Je länger er grübelte, umso weniger kam er voran. Getreu dem Motto „Kommt Zeit - kommt Rat! “ gab er es fürs erste ergebnislos auf. Zu Hause angekommen, wollte er sich seinen Frust von der Seele laufen und begann seine gewohnte Strecke zu joggen. Nach dem ersten Drittel hatte er das Gefühl, langsam abzuschalten, ab dem zweiten Drittel lief er nur noch. Am Ende des letzten Drittels hatte er plötzlich klar vor Augen, wie er das Problem lösen könnte - und das, ohne sich zu diesem Zeitpunkt auch nur mit einem Gedanken zielgerichtet mit dem Problem beschäftigt zu haben! Sein Erlebnis zeigt - auf den Punkt gebracht: Alle gestellten Probleme beschäftigen auch das Unbewusste! Unbewusste Kräfte arbeiten weiter an unseren Problemen, während wir zwischenzeitlich schon etwas ganz anderes tun. Ob wir joggen, Auto fahren, Geschirr abwaschen - was auch immer - scheinbar aus dem „Nichts“ wird uns klar, was im Hinblick auf eine bestimmte Problemstellung wie zu tun ist, ohne dass wir uns zu dem Zeitpunkt konkret damit beschäftigt haben. Sie müssen nicht darauf warten, dass Ihre unbewussten Kräfte Ihnen zufällig irgendwann irgendetwas mitteilen - Sie können Ihre unbewussten Kräfte auch gezielt für sich arbeiten lassen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt im „Prinzip der Schriftlichkeit“. Schriftliche Vereinbarungen haben einen höheren Stellenwert als mündliche! Dies gilt auch für Fixierungen, die „nur“ Sie selbst betreffen. Mobilisieren Sie durch bewusste schriftliche Fixierung Ihre unbewussten Kräfte! Z. B. am Vorabend, vor einer Sitzung, einem wichtigen Gespräch und generell bei langfristigen Zielen und Aufgaben. Des Weiteren lässt sich durch fantasievolles Hinterfragen unsere Ar‐ beitsökonomie optimieren. Wie das geht, zeigen unsere Kinder, wenn Sie aufgefordert werden, ungeliebte Tätigkeiten auszuführen. Betrachten wir eine Situation, die so oder so ähnlich jedem Elternpaar oder Erziehern vertraut sein dürfte: „Johannes - bringst Du bitte den Müll nach draußen? “ Egal - ob Sie in die Rolle des Bittstellers oder in die Rolle des zwölfjährigen Sohnes schlüpfen - die Antwort ist voraussagbar: „Warum ich? - Wieso immer ich? - Das ist nicht mein Job! - Die Martha kann das genauso gut! “ Bevor unsere Kids irgendetwas in die Hand nehmen, fragen sie: 7 Ausführen 105 <?page no="106"?> ● Warum ist das so? ● Muss das so sein? ● Wie könnte es anders sein? Viele Pflege- und Betreuungskräfte haben die Fähigkeit, ihr Tun kreativ zu hinterfragen und ihre Fantasie einzusetzen durch jahrelange, selbstver‐ ständliche, schematische tägliche Routine verloren. Andererseits - jeder Mensch ist grundsätzlich fantasiebegabt und kreativ. Nehmen Sie sich ein Beispiel an unseren Kids - seien Sie kreativ und entwickeln Sie Ihren eigenen Fragebogen, um fantasievoll Ihren Arbeitsalltag zu hinterfragen. Stellen Sie sich vor, Sie erhielten den Auftrag, in vierzehn Tagen ein Interview mit sich selbst über Ihren Arbeitsalltag zu führen. Bestimmen Sie den Inhalt, wie weit Sie ins Detail gehen wollen und wie „intim“ Ihre Fragen zu privaten und beruflichen Aspekten sein sollen! Halten Sie jede Frage schriftlich auf einer besonderen Karte fest! Es gilt: je mehr - umso besser! Ordnen Sie anschließend alle Karten! Mögliche Themenfelder: Beruf, Familie, Sport, Religion, Gesundheit usw. Fassen sie das Ergebnis Ihrer Überlegungen in einem Fragebogen zusammen! Beantworten Sie Ihren Fragebogen erst vierzehn Tage später. Zwischen‐ zeitliche Einfälle halten Sie schriftlich fest! Zur schriftlichen Beantwortung Ihrer Fragen sollten Sie sich ausreichend Zeit nehmen. Seien Sie ehrlich zu sich selbst! Lassen Sie den Fragebogen ein, zwei Tage liegen. Überprüfen Sie dann, ob alle Fragen tatsächlich ehrlich beantwortet wurden und lassen Sie diese auf sich wirken. Reflektieren Sie Ihr Selbstinterview, indem Sie fragen: ● Musste ich irgendwelche Kompromisse eingehen, als ich die Fragen beantwortete? ● Zweifelte ich am Sinn der einen oder anderen Antwort? ● Was möchte ich künftig ändern? ● Wo muss ich neue Perspektiven entwickeln? ● Welche neuen Ziele muss ich mir setzen? ● Welche Prioritäten muss ich verändern? ● Welche Schlussfolgerungen ergeben sich für mein Zeitmanagement? Bewahren Sie Ihr Selbstinterview auf! Notieren Sie in Ihrem Zeitplanbuch einen Termin mindestens ein halbes Jahr später, an dem Sie sich Ihren Fragebogen erneut vorlegen. Analysieren Sie selbstkritisch, wo Sie jetzt 106 7 Ausführen <?page no="107"?> stehen und was sich zwischenzeitlich getan hat. Sollte sich nichts verändert haben, fragen Sie: ● Warum? ● Muss das wirklich so sein? ● Wie könnte es anders sein? Erkennen Sie die Fragen wieder? Ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt zum arbeitsökonomischen Handeln bezieht sich auf das Leben mit der „inneren Uhr“. Spielen wir doch einmal „Mäuschen“ morgens bei der Übergabe im Stationszimmer. Dirk ist schon da, als Christian mit einem „Tach“ unvermittelt in der Tür steht. Klar, dass er was zu erzählen hat, Spruch folgt auf Spruch als die Tür erneut aufgeht - Andreas schleppt sich rein, wortlos nickt er den beiden zu. Obwohl er mit Christian schon einiges bewerkstelligt hat und ihn als fachkundigen Kollegen schätzt - dieses Geplapper am Morgen nervt ihn. Was sich dort allmorgendlich im Gruppenraum abspielt, weist auf die Existenz von „Biorhythmen“ hin. Manche Rhythmen sind kurz, können in Minuten oder Stunden gemessen werden, andere dauern Tage, Wochen, Monate oder unterliegen einem jahreszeitlichen Zyklus. So erreicht bei den meisten die Körpertemperatur am Abend Ihren Höhepunkt - ein physikalisch messbarer Hinweis auf einen täglichen Rhythmus. Wer seine „innere Uhr“ kennt, hat die Möglichkeit, sein Leben so zu gestalten, dass er mit seinen natürlichen Rhythmen arbeitet, statt gegen sie. Berücksichtigen Sie deshalb die Schwankungen Ihrer persönlichen Leistungsbereitschaft, wenn Sie sich Ihre Arbeit einteilen. Fragen Sie sich: ● Wann kann ich was am besten? ● Welche Tätigkeiten fallen mir zu welchen Zeitpunkten schwer? ● Zu welchen Tageszeiten habe ich das Gefühl, besonders leistungsstark zu sein? Wie sich die Leistungsbereitschaft im Allgemeinen in etwa im Tagesverlauf darstellt, lässt sich der Kurve in Abbildung 9 entnehmen: 7 Ausführen 107 <?page no="108"?> Abb. 9: Leistungskurve im Tagesverlauf Als Faustregel gilt: Nehmen Sie Arbeiten, die Sie besonders stark fordern dann in Angriff, wenn Sie sich im Leistungshoch befinden. Arbeiten, die Ihnen leichter fallen, gehören ins „Mittagsloch“. Möglicherweise entdecken Sie bei der Beantwortung der oben gestellten Fragen jedoch, dass sich Ihre Leistungsschwankungen anders verteilen. Dies liegt dann möglicherweise daran, dass Sie entweder wie Christian in unserer Geschichte ein Morgentyp oder aber wie Andreas ein Abendtyp sind. Von vielen Pflege- und Betreuungskräften weiß ich, dass ihr Arbeitstag früh gegen 7 Uhr beginnt und oft genug erst spät zwischen 16 und 18 Uhr endet. Abbildung 10 zeigt den unterschiedlichen Verlauf der Leistungskurve bei Morgen und Abendtypen in dieser Zeitspanne. Abb. 10: Leistungskurven von Morgen- und Abendtypen 108 7 Ausführen <?page no="109"?> Der Morgentyp denkt und handelt gemäß der Devise „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ und erreicht zügig gegen 8 Uhr sein Leistungshoch. Nach einem Wachheitsknick steigt seine Leistungskurve erneut gegen 11 Uhr, um dann zu Mittag erneut abzufallen. Nach dem Mittagsloch steigt seine Kurve wieder leicht an. Um ca. 17 Uhr geht es dann rapide bergab. Er rappelt sich gegen Abend zwar wieder auf, baut ab 19 Uhr jedoch mehr und mehr ab. In der Abendzeit ist für den Frühaufsteher Vorsicht angesagt, denn „Vögel, die am Morgen singen, holt am Abend die Katze.“ Die Leistungshochs des Abendtyps liegen zwischen 11 und 12, gegen 16 und zwischen 21 und 23 Uhr. Sein Wahlspruch lautet: „Wer morgens zerknittert aufwacht, hat tagsüber viel Zeit, sich zu entfalten.“ Abendtypen haben häufig Schwierigkeiten, frühe Termine rechtzeitig wahrzunehmen. Für sie gilt dann: „Wer nicht kommt zur rechten Zeit, der muss sehen was übrigbleibt.“ Unabhängig davon, ob Sie nun Morgen- oder Abendtyp sind - als Fazit aus diesen Überlegungen sollten Sie Ihre „starken“ Zeiten für wichtige und schwierige Arbeiten vorsehen. Sie verschwenden Energie, wenn Sie beispielsweise als Morgentyp den Tag damit beginnen, die Post zu bearbei‐ ten. Und das möglicherweise nur, weil das in Ihrer Einrichtung immer so gemacht wurde. Entdecken Sie Ihren täglichen Rhythmus! Schaffen Sie sich genau dann Freiräume, wenn Sie sich im Leistungshoch befinden. Sichern Sie, dass Sie genau dann Ihre wichtigen Arbeiten mit maximaler Energie bewältigen. Wenn Sie herausgefunden haben, wie sich Ihre Leistungshöhen und -tiefen über den Tag verteilen, und sich zu diesen Zeiten „stille Stunden“ eingerichtet haben, haben Sie den wichtigen ersten Schritt getan. Im zweiten Schritt geht es darum, zu den entdeckten Zeitpunkten genau die wichtigen Aufgaben zu erledigen, die von ihren Anforderungen her, Ihnen zu dieser Tageszeit besonders leichtfallen. Für die betriebliche Praxis lassen sich hierzu nützliche Tipps aus den Ergebnissen einer noch jungen Wissenschaft, der Chronobiologie ableiten. Chronobiologen beschäftigen sich mit den Strukturen unseres Gehirns, die unsere „innere Uhr“ steuern und mit ihr lebensbestimmende Rhythmen in Gang setzen und halten, wie z. B. den Schlaf-Wach-Rhythmus. Einige Ergebnisse sind besonders bedeutsam, wenn wir unser berufliches Handeln arbeitsökonomisch gestalten möchten: Unser Kurzzeitgedächtnis ist am Morgen um 15 % leistungsfähiger als zu anderen Tageszeiten. Wenn es also darum geht Wörter und Zahlen 7 Ausführen 109 <?page no="110"?> im Kopf zu jonglieren, sind die Leistungshochs in der ersten Tageshälfte vom Zeitpunkt her genau richtig. Ihre Budgetplanung, die Erarbeitung komplexer Angebote oder ein Kassensturz gehen Ihnen dann leichter von der Hand. Auch lohnt es sich, wenn Sie Ihre Notizen unmittelbar vor morgendlichen Sitzungen kurz überfliegen und rekapitulieren. Wichtige Fakten lassen sich dann schnell und sicher in der Besprechung aus dem Gedächtnis abrufen. Große geistige Anstrengungen wie das Schreiben eines umfangreichen Berichts oder eines Konzepts lassen sich ebenfalls am besten zu den Leistungshochs in der ersten Tageshälfte bewältigen. Dies gilt auch für Problemlösekonferenzen, wo Kreativität und produktives Denken gefordert sind. Möchten Sie etwas so lernen, dass Sie sich noch nach Tagen, Wochen oder Monaten daran erinnern? Dann liegen Sie zu Ihren Leistungshochs in der zweiten Tageshälfte genau richtig. Unser Langzeitgedächtnis arbeitet dann deutlich besser. Ihre nächste Präsentation bei einem Geldgeber, Ihre Rede auf der bevorstehenden Betriebsversammlung oder Ihre Stellungnahme auf der bevorstehenden Hilfeplankonferenz sollten Sie deshalb am Nachmittag einstudieren. Ihren Spickzettel können Sie dann zwar zur Sicherheit noch mitnehmen, aber Sie werden ihn wohl kaum noch brauchen. Einfache, unkomplizierte Tätigkeiten, die Ihr Gedächtnis nicht sonderlich belasten wie Ablegen, Sortieren, Post durchsehen usw. gehören in die Leistungstiefs. Wenn Sie zeigen möchten, dass Sie auch noch etwas anderes gelernt haben, als Bleistifte zu spitzen - nehmen Sie Ihr Werkzeug am besten in den späten Nachmittagsstunden in die Hand. Dann erreicht nämlich unsere ma‐ nuelle Geschicklichkeit ihren Höhepunkt. Ihre Gesamtkoordination stimmt zu Ihrem Leistungshoch in der zweiten Tageshälfte. Was Ihren Ausgleichssport angeht - Ausdauersportarten und Konditions‐ training fallen am Abend leichter, wenn die Körpertemperatur am höchsten ist. Kein Wunder, dass Spitzensportler immer wieder mit den Organisatoren von Großveranstaltungen über den richtigen Zeitpunkt für Ihre Wettkämpfe streiten - die einen wollen Bestleistungen, die anderen publikumswirksame Sendezeiten … Legen Sie den Termin für ein Geschäftsessen in den frühen Abend. Unsere Sinne sind dann am besten ausgebildet - und (nicht nur) Ihrem Geschäftspartner soll es ja richtig gut gehen. 110 7 Ausführen <?page no="111"?> Chronobiologen haben neben den täglichen Schwankungen, den soge‐ nannten zirkadianen Rhythmen (lat.: dies - der Tag), auch „ultradiane“ Rhythmen untersucht. Ultradiane Rhythmen ereignen sich im Tagesverlauf und dauern weniger als 20 Stunden, wie z.-B. unser Herzschlag. Besonders bedeutsam für die Bewältigung der tagtäglichen beruflichen Hektik sind neunzigminütige Schwankungen, die unser Energiemaß und unseren Aufmerksamkeitsgrad betreffen. So lassen sich im Schlaf alle neunzig Minuten sogenannte R.E.M.-Phasen beobachten (R.E.M.: Rapid Eye Movements = schnelle Augenbewegungen). Genau dann träumen wir. Diese neunzigminütigen Rhythmen gehen tags‐ über weiter. Vielleicht war Ihr Tagtraum bei der letzten Projektbesprechung das Ergebnis eines solchen Rhythmus. Als Seminarleiter ist mir der 90-Minuten-Takt sehr geläufig. Die Raucher rutschen spätestens nach 90 Minuten unruhig hin und her. Sie brauchen ihre „Zigarettenpause“, die sie dann auch einfordern. Auch bei ihren nichtrauchenden Kollegen nimmt nach 90 Minuten nicht nur die Aufmerksamkeit deutlich ab, auch die Konzentration vermindert sich zusehends. Deswegen sollten bei langen Besprechungen oder Schulun‐ gen stets nach 90 Minuten Kurzpausen eingeplant werden. Am Arbeitsplatz lässt sich ein ähnliches Phänomen beobachten. Fachar‐ beiter, die rauchen, legen für ein „Zigarettchen“ eine Auszeit ein, in der sie über ihr Werk schauen, hier und da eine Minimalkorrektur vornehmen. Ihre nichtrauchenden Kollegen betrachten derweil ebenfalls das Geleistete noch einmal, wechseln für einen kurzen Moment Ihren Standort, rücken hier und da etwas zurecht, oder stellen sich für einen kurzen „Schnack“ zu den Rauchern. Danach geht’s zügig weiter. Es war einfach wichtig, mal für eine kleine Weile abzuschalten. Was Sie dort beobachten können, sollten auch Sie praktizieren. Nur - lassen Sie die Zigarette besser weg! Nutzen Sie Ihr Wissen um die neunzigminütigen ultradianen Rhythmen, um zum richtigen Zeitpunkt kurz von Ihrer Arbeit geistig auszuspannen. Wie Ihnen das selbst bei starker Anspannung gelingt, zeigen die folgenden Überlegungen zum Entspannen bei starker Anspannung. Ungefähr so klingt es, wenn Pflege- und Betreuungskräfte klagen: „Mein Tag ist mit so vielen Dingen vollgestopft. Wir sind einfach zu wenige. Täglich kommen neue Anforderungen auf uns zu. Man kann förmlich dabei zusehen, wie die Arbeit wächst.“ Obwohl jedem Betroffenen klar ist, dass er wohl kaum auf Dauer solchem Druck gewachsen ist, scheut er davor 7 Ausführen 111 <?page no="112"?> zurück, sich selbst etwas Gutes zu tun. Statt immer wieder einmal kurz von der Arbeit abzuschalten, steigert er sich in hektische Betriebsamkeit. Unerledigte Arbeiten werden mit nach Hause genommen, eingesparte Zeit wird für zusätzliche Aufgaben eingesetzt - ein Teufelskreis entsteht, indem die Arbeit immer mehr zum Selbstzweck wird. Wer in diesem Teufelskreis gefangen ist, hat natürlich Schwierigkeiten damit, sich selbst ein wenig Zeit zum Entspannen zu gönnen. Nicht selten wird so argumentiert: „Gut, ich sehe ja ein - Entspannen von der Arbeit ist wichtig, nur - dafür habe ich bei dem Stress nun wirklich keine Zeit.“ Pausen werden als überflüssig empfunden, oft genug sogar als Schwäche gesehen. Es offenbart sich ein inneres Gebot, das verhindert, dass sich kurze Verschnaufpausen gegönnt werden: „Sei immer stark“. Es gilt, dieses innere Gebot zumindest selbstkritisch zu hinterfragen. Erst dann macht es überhaupt Sinn, sich damit zu beschäftigen, wie man erfolgreich immer wieder einmal kurz von der Arbeit abschalten und entspannen kann, um neue Kraft für das weitere Arbeiten zu schöpfen. Prüfen Sie daher mit dem Fragebogen auf der Folgeseite, ob und wie stark Sie Ihr Handeln nach dem inneren Gebot „Sei immer stark“ ausrichten. -Selbsttest 6.: Handle ich nach dem Gebot „Sei immer stark“? - -Aussage -trifft … zu voll meist teils sel‐ ten nicht -Meine Schwächen verberge ich, wo es geht. - 5 4 3 2 1 Meine Gefühle zu identifizieren und zu be‐ schreiben, macht mir Mühe. 5 4 3 2 1 Meine Schale scheint hart zu sein, doch mein Kern ist weich. 5 4 3 2 1 -Ich kann schlecht um Hilfe bitten. - 5 4 3 2 1 112 7 Ausführen <?page no="113"?> Selbsttest 6.: Handle ich nach dem Gebot „Sei immer stark“? - -Aussage -trifft … zu voll meist teils sel‐ ten nicht -Im Umgang mit anderen achte ich auf Distanz. - 5 4 3 2 1 -Gefühle haben im Beruf nichts zu suchen. - 5 4 3 2 1 -Ich bin hart zu mir und anderen. - 5 4 3 2 1 -So schnell kann mich nichts erschüttern. - 5 4 3 2 1 An einmal getroffenen Entscheidungen halte ich eisern fest. 5 4 3 2 1 -Ich schaffe gern „vollendete“ Tatsachen. - 5 4 3 2 1 -Jeder Einschätzung ist eine Punktzahl zugeordnet. Addieren Sie die Werte zu Ihrer Gesamtpunktzahl! - - Auflösung Weniger als 17 Punkte: Sie laufen keine Gefahr, sich unnötig stark unter Druck zu setzen. Nutzen Sie Ihr Wissen um den neunzigminütigen ultradianen Rhythmus. Erschließen Sie durch kurze Pausen zum richtigen Zeitpunkt Ihr Kraftpotential zur erfolgreichen Aufgabenerledigung. 7 Ausführen 113 <?page no="114"?> 18 - 27 Punkte: Sie sind hin und wieder versucht, sich selbst übermäßig stark beweisen zu wollen. Mit ein wenig mehr Einsicht in die Notwendigkeit, wird es Ihnen jedoch gelingen, neue Energie aus kurzen Verschnaufpausen zum chronobiologisch richtigen Zeitpunkt im Tagesverlauf zu gewinnen. Über 28 Punkte: Sie sollten Ihre Einstellung dringend überdenken. Ihre Neigung sich selbst übermäßig unter Druck zu setzen, ist sehr stark ausgeprägt. Sie sollten stärker auf sich achten. Erlauben Sie sich Verschnaufpausen, in denen Sie neue Kraft für Ihr weiteres Wirken schöpfen. Wie auch immer Ihr Ergebnis ausgefallen ist - wenn Sie sich dafür entschei‐ den, selbst unter großer beruflicher Anspannung immer wieder einmal eine Pause einzulegen, hilft Ihnen die folgende Übung, inneren Stress abzubauen und sich zu entspannen. Sie benötigen nichts weiter als ein wenig Fantasie. Es geht vor allem darum „so zu tun, als ob“. In einer anstrengenden Situation schauen Sie sich kurz um. Suchen Sie sich einen etwas erhöhten Standort, von dem aus Sie sich selbst gut sehen könnten. Tun Sie nun so, als ob Sie sich von dieser erhöhten Position aus wahrnehmen könnten. Von dort oben können Sie sich nur sehen und hören. Unten am Arbeitsplatz haben Sie alle Sinne zur Verfügung. Versuchen Sie diesen Schritt konzentriert so lange, bis es Ihnen gelingt, sich selbst innerlich aus der distanzierten Position klar vor Augen zu haben und deutlich alles zu hören, was um Sie herum geschieht. Den besten Zeit‐ punkt für diesen ersten Schritt bestimmt Ihr neunzigminütiger ultradianer Rhythmus, wenn Ihre Aufmerksamkeit und Konzentration nachlassen und Sie ohnehin zum „Tagträumen“ neigen. Sobald es Ihnen gelungen ist, sich in Gedanken dort oben zu positionieren, betrachten Sie aufmerksam Ihr anderes „Ich“ dort unten am Arbeitsplatz. Was genau müssten Sie dort unten wahrnehmen, um diese angespannte Situation zu meistern? Alles, was Sie dort unten brauchen, um besser zurecht zu kommen, wissen Sie - es liegt in Ihnen selbst! Schicken Sie Ihre Empfehlungen an Ihr anderes Ich, welches gleichzeitig dort unten den druckvollen Anforderungen ausgesetzt ist. Erst wenn Sie sicher sind, dass alle Einfälle übermittelt wurden, verlassen Sie Ihre Position und begeben sich wieder voll in Ihr wirkliches Ich am Arbeitsplatz. Tun Sie so, als ob Sie erst jetzt, mit einer kleinen Zeitverzögerung Ihre Ideen erhalten. Achten Sie darauf, wie sich die Empfehlungen auf Ihr 114 7 Ausführen <?page no="115"?> inneres Erleben auswirken. Lassen Sie es zu, dass innere Bilder, akustische Wahrnehmungen und Gefühle entstehen, die Ihnen den Weg weisen, besser mit der angespannten Situation zurechtzukommen. Nehmen Sie Ihre Empfehlungen ernst und handeln Sie entsprechend. Sie werden erstaunt sein, wie sehr diese Übung dazu beiträgt, Ihren inneren Stress abzubauen. Unsere Gedanken spielen eine grundlegende Rolle für unsere Motivation, unser Selbstwertgefühl und nicht zuletzt für unsere Leistung. Mit unseren Gedanken schaffen wir uns unsere eigene persönliche Wirklichkeit, die mit der objektiven Wirklichkeit nicht unbedingt in Einklang stehen muss. Es liegt in erster Linie an uns selbst, ob wir mit Freude und Engagement bei der Arbeit sind oder sie als leer und belastend empfinden. Unser Denken wirkt sich auf unsere Stimmung aus. Wie das geschieht, lässt sich mit einem zweistufigen Gedankenexperiment gut nachvollziehen. Nehmen Sie sich ein wenig Zeit und machen Sie mit! In Stufe 1 unseres Experiments konzentrieren Sie sich bitte auf alles, was in letzter Zeit nicht so recht geklappt, schiefgelaufen oder gar misslungen ist. Lassen Sie all die Schwierigkeiten Revue passieren, mit denen Sie zu kämpfen hatten. Wenn Sie merken, wie sich Ihre Stimmung und damit Ihre Motivation dem Nullpunkt nähern, beginnen Sie mit Stufe 2. Vergegenwärtigen Sie sich alles, worauf Sie stolz sein können. Besinnen Sie sich auf Ihre Erfolge, auf die schönen Seiten des Lebens. Lassen Sie innere Bilder entstehen, bei denen Sie einen Moment verweilen, bevor Sie zum nächsten wechseln. Sie werden schnell merken, wie Ihre Stimmung zusehends besser wird. Mit jedem Erfolgsbild „tanken“ Sie förmlich Kraft und Lust für Ihre Arbeit. Fassen wir das Ergebnis unseres Gedankenexperiments zusammen: Positive Denkmuster steigern Ihre Energie, Sie gehen motivierter, zuver‐ sichtlicher und leistungsfähiger zu Werk. Negative Denkmuster blockieren Sie, vermitteln den Eindruck, dass es sich ohnehin nicht lohnt, sich weiter anzustrengen und Ihre Ziele anzustreben. Fazit: Erleben Sie Ihre Arbeit positiv! Lassen Sie sich nicht durch demotivierende Einstellungen zusätzlich belasten. Denn: Wer Schlimmes erwartet, bekommt es auch! Je mehr Sie z. B. befürchten, bei einem neuen Projekt unzureichend informiert zu werden, oder je mehr Sie meinen, es nicht schaffen zu können, umso wahrscheinlicher werden Sie Recht behalten. Sie verkrampfen sich, werden unsicher und versagen schließlich tatsächlich. 7 Ausführen 115 <?page no="116"?> Wenn Sie z. B. bei einer neuen Aufgabe annehmen, dass Sie das nie hinkriegen, weil Ihnen immer die Zeit wegläuft, und Ihnen ohnehin keiner hilft, weil alle nur mit sich selbst beschäftigt sind … sollten Sie schleunigst dieser pessimistischen „Schwarzmalerei“ Einhalt gebieten. Verändern Sie derartige demotivierende Einstellungen, indem Sie die ihnen zugrunde liegenden Denkmuster entdecken und richtigstellen. Fragen Sie sich: ● Was sage ich zu mir selbst in Belastungssituationen? ● Welche Erwartungen oder Befürchtungen habe ich? ● Wem schreibe ich meine Probleme zu? ● Sehe ich nur die negativen Seiten? ● Verallgemeinere ich? ● Habe ich zu hohe / falsche Erwartungen? ● Führe ich durch meine Befürchtungen unangenehme Situationen her‐ bei? ● Schiebe ich meine Probleme auf die Umwelt? ● Fühle ich mich unnötig hilflos? ● Dramatisiere oder übertreibe ich? ● Wie sehen andere die gleiche Situation? ● Welche negativen Konsequenzen hat die Einstellung für mich selbst? ● Inwiefern schade ich mir mit meiner Einstellung? ● Was würde geschehen, wenn ich die alte Einstellung ändern könnte? Mit Hilfe der Fragen kommen Sie demotivierenden Einstellungen auf die Spur, z. B.: „Das wird nie hinhauen, weil niemand sich an die Absprachen halten wird. Mein Chef wird mich früher oder später sowieso zurückpfeifen. Das macht er immer. Außerdem hat mich keiner auf so etwas vorbereitet. Mein Scheitern ist unumgänglich.“ Setzen Sie derartigen, meist hartnäckigen demotivierenden Einstellungen positive Denkmuster entgegen: ● Ich darf auch Fehler machen! ● Ich übernehme Verantwortung für mein Wohlbefinden und meinen Erfolg! ● Ich sorge dafür, dass ich meine Arbeit so frei wie möglich gestalten kann! ● Aus schwierigen Aufgaben lerne ich! ● Ich achte auf meine persönlichen Leistungsgrenzen, ich sorge für mich! ● Ich schaue vorwärts, baue meine Fähigkeiten aus! 116 7 Ausführen <?page no="117"?> Indem Sie negative Einstellungen auf diese Weise umstrukturieren, werden Sie motivierter zu Werke gehen. Kippen Sie durch positives Denken Ihre Stimmung: Ein halbgefülltes Glas ist nicht halb leer, sondern halb voll! Kleine tägliche Rituale helfen Ihnen, Ihre positive Denkstruktur zu festigen. Gönnen Sie sich Zeit vor Arbeitsbeginn, indem Sie ● gemütlich aufstehen, ● in Ruhe frühstücken und ● gelassen zur Arbeit fahren. Stimmen Sie sich in aller Ruhe auf den Tag ein, indem Sie ● nochmals die Tagesplanung überprüfen, ● und zwar nach Wichtigkeit und Dringlichkeit. Gewinnen Sie jedem Tag etwas Positives ab, indem Sie etwas tun, ● was Ihnen Freude bereitet, ● das Sie spürbar Ihren Tageszielen näher bringt, ● das Ihnen Ausgleich zur Arbeit verschafft. Beenden Sie Ihre Arbeit bewusst und gewissenhaft, indem Sie ● einen ehrlichen SOLL-IST-Vergleich vornehmen, ● prüfen, weshalb Sie eine Aufgabe nicht erfüllt haben, ● den Plan für den nächsten Tag erstellen, ● überlegen, wie Sie den Abend verbringen wollen. Kurzum: Sorgen Sie für sich selbst und erleben Sie Ihre Arbeit positiv! Denn: Wer positiv eingestellt ist, schafft mehr und handelt ökonomischer! Die bisherigen Ausführungen zur Position „Ausführen“ des Regelkreises zum Selbstcoaching betreffen alle Pflege- und Betreuungskräfte, die folgen‐ den wenden sich besonders an diejenigen unter Ihnen, die im Bereich der Pflege und Betreuung in Führungsverantwortung stehen. Analog zu unserem Regelkreis zum Selbstcoaching lässt sich für die Mitarbeiterführung ein ähnlicher Kreislauf bilden. 7 Ausführen 117 <?page no="118"?> Die Stufen dort lauten: Ziele vereinbaren oder vorgeben - (Gemeinsam) planen und entscheiden - Ausführen lassen - (Gemeinsam) kontrollieren und bewerten. Jeder Stufe lassen sich so genannte “Management by - Tech‐ niken” zuordnen. So passt beispielsweise zur ersten Stufe „Ziele vereinbaren oder vorgeben“ das „Management by Objectives“. Im Kern geht es bei dieser Führungstechnik darum, die Leistungen von einzelnen Mitarbeitern und Teams auf (selbst)gesteckte Ziele auszurichten. Die Wege zur Zielerreichung werden den Mitarbeitern weitgehend selbst überlassen, um Ihnen individuelle Handlungsspielräume und ein hohes Maß an Selbstverwirklichung zu ermöglichen. Das „Management by Delegation“ („Führen durch Delegieren“) bezieht sich auf Stufe 3 „Ausführen nach Vorgabe“ und handelt davon, wie Füh‐ rungskräfte Aufgaben an ihre Mitarbeiter übertragen sollen. Einerseits geht es darum, Führungskräfte zu entlasten, damit sie mehr Zeit für übergreifende Tätigkeiten gewinnen. Andererseits sollen Mitarbeiter durch Aufgabenübertragung mehr Selbstständigkeit und Verantwortung erhalten. Im Idealfall profitieren also beide Seiten - wenn „echt“ delegiert wird. Bei einer „echten“ Delegation wird nicht nur die Aufgabe, sondern es wer‐ den auch die Verantwortung und damit verbundene Entscheidungsbefugnisse vollständig übertragen. Oft sieht die betriebliche Praxis jedoch anders aus: Da wird einem Koordinator in der Betreuung die Aufgabe übertragen, ein Teilprojekt in einer bestimmten Frist fertigzustellen. Schafft er es nicht, wird er selbstverständlich zur Verantwortung gezogen. Nur - mal eben fehlende Materialen zur Moderation einer Projektbesprechung besorgen, das darf er nicht. Er hat weder ein Budget noch die „Entscheidungsbefugnis“ zum Erwerb. Jetzt - just in time - steht er da und versucht, seinen Bereichsleiter zu erreichen, damit der ihm eine „Genehmigung erteilt“. Ohne die Moderati‐ onsmaterialien vermag er die Projektbesprechung nicht so anzugehen, wie er es sich überlegt hat - es geht nichts - kleine Ursache, große Wirkung - malen sie sich den Stress selbst aus, wenn der Koordinator den Bereichsleiter nicht erreicht! Am Ende steht die massive Frustration des Koordinators. Hauptursache: Es wurde nicht vollständig delegiert. Er erhielt zwar die Aufgabe und die Verantwortung, aber keine Entscheidungsbefugnisse. 118 7 Ausführen <?page no="119"?> Echte Delegation setzt wirkliches Vertrauen in die Kompetenz des Mit‐ arbeiters voraus. Ist dieses Vertrauen nicht gegeben, sind zwei Ursachen denkbar: 1. Die Führungskraft ist sich der Bedeutung des Delegierens nicht bewusst und verfügt nicht über die richtige Einstellung zum Delegieren. 2. Der Mitarbeiter besitzt noch nicht den richtigen „Reifegrad“ zur voll‐ ständigen Aufgabenübertragung. Nutzen Sie die folgenden Ausführungen, um Ihre Einstellung zum Delegie‐ ren selbstkritisch zu hinterfragen. Lernen Sie im Weiteren das Reifegrad-Modell kennen. Es zeigt, wie Sie Ihre Mitarbeiter stufenweise zur „Delegationsreife“ entwickeln und Ihren Führungsstil effektiv gestalten können. Führung lässt sich auch als „das Ausführen von Aufgaben durch andere“ definieren. Mit anderen Worten: Wer nicht effektiv delegiert, führt auch nicht effektiv - und spart keine Zeit! Die zentralen Aufgaben einer Leitungskraft bestehen darin, qualifizierte Entscheidungen zu treffen, diese durchzusetzen und ihre Mitarbeiter zu inspirieren. Eine Leitungskraft ist auf die Mitarbeit engagierter Mitarbeiter angewie‐ sen. Ziele im „Management by Delegation“ sind: ● Aufgaben effektiv lösen. ● Optimale Nutzung der Kapazitäten sicherstellen. ● Eigene Kapazitäten für die Ausführung von unternehmerischen Tätig‐ keiten und den eigentlichen. ● Führungsaufgaben freihalten, statt ausführendes Organ zu sein. ● Mitarbeiter und ihr Kompetenzniveau fördern. ● eine gute Unternehmenskultur schaffen. Ziele sind nicht: ● Möglichkeiten zu finden, sich als Führungskraft vor langweiligen und unangenehmen Arbeiten zu drücken. ● Mitarbeiter zu überlasten. Damit stellt sich die Frage: Was muss, was sollte, was kann delegiert werden? 7 Ausführen 119 <?page no="120"?> Um diese Frage zu beantworten, sollten Sie eine Zuordnung Ihrer Aufga‐ ben gemäß der im Folgenden dargestellten Delegationsbereiche vornehmen: 1. Aufgaben, die Sie lösen müssen Hierunter fallen alle Aufgaben, die Sie unter keinen Umständen delegie‐ ren dürfen, z.-B.: Definition des Auftrags des Unternehmens, übergeordnete Ziele, Politik und Strategien, Genehmigungen von Budgets, Einstellungen, Kündi‐ gungen, Gehaltsverhandlungen, Beurteilunsgespräche, Anerkennung, Zurechtweisungen usw. 2. Aufgaben, die sie lösen sollten Hierzu gehören zwei Typen von Aufgaben; solche, die bei starkem Zeitdruck delegiert werden können und große, komplexe Aufgaben, die am besten von Ihnen mit Hilfe anderer gelöst werden. 3. Aufgaben, die Sie delegieren können Hierunter sind Aufgaben zu verstehen, die Sie als Führungskraft auf‐ grund Ihrer größeren Erfahrung vermutlich selbst am besten lösen könnten. Diese Aufgaben können von anderen Mitarbeitern der Organisation übernommen werden, dies erfordert jedoch Schulung, gründliche Ein‐ weisung und Nachfassen. In der Einarbeitungsphase entstehen Fehler, Mißverständnisse und Frustationen; auf kurze Sicht könnten Sie diese Aufgaben erheblich schneller und besser selbst ausführen. Bei solchen Aufgaben gilt es, Zeit in Schulung zu investieren und sich in Toleranz zu üben. Denn gerade hier liegt auf lange Sicht für Sie die Möglichkeit zu großem Zeitgewinn in Form von geringerem Zeitdruck, der Freisetzung von Kapazitäten für andere Aufgaben und der Entwicklung von Mitarbeitern zur Delegationsfähigkeit. 4. Aufgaben, die Sie delegieren sollten Hierunter fallen Aufgaben, die auch ohne Ihr Zutun einwandfrei gelöst und auch selbstverständlich bei Ihrer Abwesenheit gelöst werden. Für deren Ausführung sollten die Mitarbeiter die erforderliche Kompe‐ tenz besitzen, damit die reibungslose und flexible Funktion der Organi‐ sation unter allen Umständen gewährleistet ist. 5. Aufgaben, die Sie delegieren müssen 120 7 Ausführen <?page no="121"?> Hierunter fallen Aufgaben, die klar zum Arbeitsbereich des Mitarbeiters gehören und auch ohne Ihre Einmischung glatt erledigt werden und Aufgaben, die andere schneller und besser ausführen. Nachdem Sie nun „im Prinzip“ zwar wissen, welche Delegationsmög‐ lichkeiten Sie haben, sollten Sie nun selbstkritisch hinterfragen, ob bzw. inwieweit Sie Ihre Möglichkeiten auch optimal wahrnehmen. Das wird Ihnen nur dann gelingen, wenn Sie über die richtige Einstellung zum Delegieren verfügen. Prüfen Sie mit dem Fragebogen auf der Folgeseite: „Wie ist meine Einstel‐ lung zum Delegieren? “ Entscheiden Sie spontan, der erste Impuls ist der Richtige! -Selbsttest 7.: Wie ist meine Einstellung zum Delegie‐ ren? - -ja -? -nein Ich spare oft Zeit, wenn ich die Arbeiten selbst ausführe - - - Ich kann mich mit Fehlern meiner Mitarbeiter nur schwer abfin‐ den - - - Ich habe es am liebsten, überall mitzumischen und zu wissen, was in meiner Abteilung vorgeht - - - Ich empfinde es manchmal als ungerecht, wenn meine Mitarbeiter meine Anweisungen nicht gleich verstehen - - - Ich empfinde es manchmal als ungerecht, wenn meine Mitarbeiter von anderen gelobt werden, ohne dass meine Leistung gewürdigt wird - - - Nur wenn ich selbst beteiligt war, kann ich mich darauf verlassen, dass eine Aufgabe bestmöglich ausgeführt worden ist - - - Es fällt mir schwer, die Ideen anderer zu akzeptieren - - - Ich habe so spezielle Erfahrungen und Kenntnisse, dass ich die Aufgaben am besten selbst löse - - - Die Mitarbeiter sollten nur Informationen bekommen, die sie zur Ausführung ihrer Aufgabe brauchen - - - Meine Mitarbeiter wollen keine größere Verantwortung überneh‐ men - - - Wenn ich zu viel delegiere, verliere ich die Kontrolle - - - 7 Ausführen 121 <?page no="122"?> Selbsttest 7.: Wie ist meine Einstellung zum Delegie‐ ren? - -ja -? -nein Viele Außenkontakte wollen nur mit mir sprechen - - - Es könnte für mich und meine Umgebung besser sein, heikle und peinliche Angelegenheiten zu delegieren - - - Ich als Führungskraft sollte mich nicht mit langweiligen und unangenehmen Aufgaben beschäftigen - - - Es fällt mir schwer, mich damit abzufinden, dass ein Mitarbeiter eine Aufgabe auf eine andere Weise löst, als ich es getan hätte - - - Ich kann nicht hinnehmen, dass ein Mitarbeiter meine Instruktio‐ nen nicht Punkt für Punkt befolgt - - - Führungskräfte, die viel delegieren, sind sich ihrer selbst nicht sicher - - - Wenn ich zu viel delegiere und die Kompetenz anderer erhöhe, gefährde ich meine eigene Führungsposition - - - Meine engsten Mitarbeiter sollten eigentlich dasselbe Leistungs‐ vermögen und dieselbe Einstellung haben wie ich - - - Meine Mitarbeiter sollten möglichst nicht zu sehr dominieren - - - Auflösung Lassen Sie alle Aussagen unberücksichtigt, bei denen Sie ein Fragezeichen angekreuzt haben. Wenn Sie häufiger mit „nein“ als mit „ja“ geantwortet haben, erleichtert Ihre Einstellung echtes Delegieren. Haben Sie häufiger mit „ja“ geantwortet, so wird Ihre Einstellung echtes Delegieren erschweren. Sie sollten daran arbeiten, Ihre Einstellung zu ändern. Nur - was nützt die beste Einstellung zum Delegieren, wenn die Mitar‐ beiter weder wollen noch können? Hier bietet Ihnen das Reifegradmodell und seine Anwendung für die betriebliche Führungspraxis bewährte Hilfe. Hersey / Blanchard stellen in ihrem situativen Führungsmodell den „Rei‐ fegrad“ des Mitarbeiters als bedeutsamen Faktor heraus. 122 7 Ausführen <?page no="123"?> Der Reifegrad des Mitarbeiters wird vierfach abgestuft definiert. Jede Stufe lässt sich über die Einschätzung von Aufgabenreife (= Leistungsver‐ mögen: kann er es? ) und psychologischer Reife (= Leistungsbereitschaft: will er es? ) bestimmen. Unter Aufgabenreife, der beruflichen Handlungskompetenz des Mitarbei‐ ters, fassen wir sein fachliches Können in Theorie und Praxis, Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die er durch Ausbildung, Übung, Training und Erfahrung erworben hat. Hohe Aufgabenreife zeigt sich darin, dass der Mitarbeiter über einschlä‐ gige Berufserfahrungen und fundiertes Fachwissen verfügt, weiß, was zu tun ist, Probleme selbständig löst und sich auch selbst kontrolliert, sich termintreu verhält und sorgfältig nachfasst. Unter psychologischer Reife, dem Engagement des Mitarbeiters, fassen wir seinen Leistungswillen, Selbstvertrauen und Selbstsicherheit, sowie seine Motivation, sein Interesse an und seine Begeisterung für seine Arbeit. Darunter fällt auch seine Aufgeschlossenheit für Kritik und seine Fähigkeit, positiv zu denken und zu handeln, indem er andere ermutigt, unterstützt, aufmerksam zuhört und Lob und Anerkennung angemessen ausspricht. Hohe psychologische Reife zeigt sich in einem starken Leistungswillen bei großer Identifikation mit der Aufgabe und Beharrlichkeit in der Zielver‐ folgung: Mitarbeiter mit hoher psychologischer Reife mögen ihre Arbeit. Aufgabenreife und psychologische Reife ergeben den Reifegrad, für den jeweils ein Führungsstil vorgeschlagen wird. Reifegrad 1: ● Niedrige Reife: geringe Aufgabenreife und geringe psychologische Reife Der Mitarbeiter setzt seine Ziele sehr gering an und vermeidet jegliches Risiko. Seine Motivation drückt sich überwiegend im Streben nach Befriedigung der Grundbedürfnisse (besonders starke Gewichtung fi‐ nanzieller Aspekte) und Sicherheitsbedürfnisse aus. ● Führungsstil: Anordnen / Anweisen Der Projektleiter gibt genaue Instruktionen und Anweisungen, was, wie, wo, wann, von wem, mit wem und mit welchen Mitteln zu erledigen ist und überwacht sehr genau die Arbeit. 7 Ausführen 123 <?page no="124"?> Reifegrad 2: ● Niedrige bis mittlere Reife: wenig motiviert und mäßig fähig Die Leitmotive des Mitarbeiters liegen bei den Bedürfnissen nach Si‐ cherheit und sozialer Anerkennung. Auch vermeidet er Risiken. Seine Leistungsziele setzt er niedrig an. ● Führungsstil: Erklären / Überzeugen Der Projektleiter erklärt, warum eine Tätigkeit ausgeführt werden muss, und gibt Gelegenheit für die Klärung von Verständnis- und Wissensfra‐ gen. Reifegrad 3: ● Mittlere bis hohe Reife: fähig und mäßig motiviert Der Mitarbeiter setzt sich selbst hohe, aber erreichbare Ziele und erwägt aufgeschlossen Risiken. Er wünscht gute soziale Kontakte und legt großes Gewicht darauf, dass seine Leistungen gewürdigt werden. ● Führungsstil: Ermutigen / Beteiligen Der Projektleiter tauscht Ideen, Vorschläge und Alternativen bei der Entscheidungsfindung aus und ermöglicht Selbständigkeit bei der Ar‐ beitsausführung. Reifegrad 4: ● Hohe Reife: starke Aufgabenreife und psychologische Reife Der Mitarbeiter setzt sich selbst hohe, aber realistische Ziele und ist bereit, kalkulierte Risiken einzugehen. Für ihn spielen die Bedürfnisse nach persönlicher Leistungsanerkennung und Selbstverwirklichung eine zentrale Rolle. ● Führungsstil: Übertragen / Überlassen Dem Mitarbeiter wird volle Handlungsverantwortung und Entschei‐ dungskompetenz bei der Aufgabenerteilung übertragen. Mit dem Reifegradmodell wird Ihnen nicht nur nahegelegt, Ihren Führungs‐ stil dem Leistungsvermögen und der Leistungsbereitschaft des Mitarbeiters anzupassen, sondern es schlägt auch vor, die Mitarbeiter Stufe für Stufe in den Reifegrad 4 zu führen, um echt delegieren zu können. Die Darstellung in Abbildung 11 bringt das Modell von Hersey / Blan‐ chard auf den Punkt. 124 7 Ausführen <?page no="125"?> Abb. 11: Reifegradmodell nach Hersey / Blanchard Übertragen Sie das Modell mit Hilfe der Fragebögen zur Reifegrad- und Führungsstilbestimmung auf Ihre betriebliche Praxis. Je effektiver Sie füh‐ ren, umso mehr Zeit gewinnen Sie! Das hier vorgestellte Verfahren ist für Sie als Vorgesetzter eine Hilfe zur Selbsteinschätzung Ihres Führungsstils, den Sie bezogen auf einen ganz bestimmten Mitarbeiter praktizieren. Durch den Vergleich zwischen Ihrem Führungsstil und dem Reifegrad dieses Mitarbeiters haben Sie die Möglichkeit, die Angemessenheit und damit auch die Effektivität Ihres Führungsverhaltens in drei Arbeitsschritten zu prüfen. Ihr Führungsstil umfasst alle Verhaltensaspekte, von denen Sie selbst überzeugt sind, dass Sie das Verhalten Ihrer Mitarbeiter in Ihrem Sinne zur Zielerreichung beeinflussen. Der Reifegrad wird bestimmt von dem Grad der Fähigkeiten und Qua‐ lifikationen sowie von der Motivation und dem Selbstvertrauen eines be‐ stimmten Mitarbeiters bezogen auf eine konkrete Zielsetzung, Aktivität oder Verantwortlichkeit. Im ersten Schritt geht es darum den eigenen Führungsstil zu bestimmen (= wie sehe ich mich selbst? ). Bearbeiten Sie dazu, den Fragebogen auf der nächsten Seite wie folgt: ● Wählen Sie einen Mitarbeiter aus. ● Tragen Sie in die Spalten 1 bis 6 Verantwortlichkeiten oder Hauptauf‐ gaben dieses Mitarbeiters ein. 7 Ausführen 125 <?page no="126"?> ● Legen Sie Ihren Führungsstil zu der jeweils benannten Hauptaufgabe fest, indem Sie zunächst die vier aufgeführten Führungsverhaltenswei‐ sen lesen und dann den Stil auswählen, der am besten beschreibt, wel‐ chen Führungsstil Sie bezogen auf diese konkrete Aufgabe im Umgang mit Ihrem Mitarbeiter überwiegend praktizieren. Für diesen Fall ist ein „P” einzutragen. Dies ist der primäre Führungsstil. Falls eine weitere Stilbeschreibung zutrifft, die von Ihnen oft realisiert wird, so ist ein “S” für sekundären Stil zusätzlich einzutragen. Der sekundäre Stil kann vorhanden sein, muss aber nicht. Primärer und sekundärer Führungsstil können von Aufgabe zu Aufgabe variieren. Schließlich werden ja auch nicht alle Aufgaben gleich gerne und gleich gut von Ihrem Mitarbeiter erledigt. -Fragebogen zur Führungsstilbestimmung - Für: - Aufgaben / Verantwortlichkeiten Datum: 1 2 3 4 5 6 -------- - - - - - - 1. Gebe genaue Instruktionen und Anwei‐ sungen und überwache sehr genau den Arbeitsfortschritt - - - - - - 2. Erkläre das „Warum“ einer Tätigkeit und gebe Gelegenheit für die Klärung von Ver‐ ständnis- und Fachfragen - - - - - - 3. Tausche Ideen und Alternativen bei Ent‐ scheidungsfindungen aus - - - - - - - 4. Übertrage die volle Verantwortung für Entscheidungsfindung und Aufgabenerfül‐ lung 126 7 Ausführen <?page no="127"?> Ermitteln Sie im zweiten Schritt den Reifegrad des Mitarbeiters bezogen auf jede der sechs Aufgaben. Verwenden Sie dazu das Arbeitsblatt auf der Folgeseite: ● Übertragen Sie die oben aufgeführten Aufgaben in die entsprechenden freien Felder 1 bis 6 des Fragebogens zur Reifegradermittlung. ● Beachten Sie, dass zwei Skalen zu bewerten sind. Die eine gibt Auf‐ schluss über Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen (Aufgaben‐ reife), die andere über Motivation und Selbstvertrauen (psychologische Reife). ● Kreuzen Sie für Ihren Mitarbeiter zu jeder benannten Hauptaufgabe den Grad der Aufgabenreife und unabhängig davon, den der psycholo‐ gischen Reife an. -Fragebogen zur Reifegradermittlung - -1. Hauptaufgabe / Verantwortlichkeit: - Aufgabenreife: Der Mitarbeiter ist fähig, er hat die erfor‐ derliche Qualifikation und Erfahrung. hervor‐ ragend 4 hoch -3 ausrei‐ chend 2 gering -1 Psychologische Reife: Der Mitarbeiter ist motiviert, er hat Selbstvertrauen und Leistungswillen. immer -4 sehr oft -3 vorhan‐ den 2 selten -1 -2. Hauptaufgabe / Verantwortlichkeit: -Aufgabenreife (wie unter 1): -Psychologische Reife (wie unter 1): ---4-4 ---3-3 ---2-2 ---1-1 -3. Hauptaufgabe / Verantwortlichkeit: -Aufgabenreife (wie unter 1): -Psychologische Reife (wie unter 1): ---4-4 ---3-3 ---2-2 ---1-1 7 Ausführen 127 <?page no="128"?> Fragebogen zur Reifegradermittlung - -4. Hauptaufgabe / Verantwortlichkeit: -Aufgabenreife (wie unter 1): -Psychologische Reife (wie unter 1): ---4-4 ---3-3 ---2-2 ---1-1 -5. Hauptaufgabe / Verantwortlichkeit: -Aufgabenreife (wie unter 1): -Psychologische Reife (wie unter 1): ---4-4 ---3-3 ---2-2 ---1-1 -6. Hauptaufgabe / Verantwortlichkeit: -Aufgabenreife (wie unter 1): -Psychologische Reife (wie unter 1): ---4-4 ---3-3 ---2-2 ---1-1 Bestimmen Sie den Reifegrad, indem Sie die Verbindungsmatrix nach Her‐ sey / Blanchard (siehe unten) nutzen. Ein Beispiel: Nehmen wir an, Sie hätten für Ihren Mitarbeiter im Hinblick auf eine beliebige Tätigkeit seine fachliche Reife mit „3” und die psychologische Reife mit „2” bewertet. Es resultiert ein Reifegrad von „2” mit der Tendenz zu „3”. 128 7 Ausführen <?page no="129"?> Im dritten Arbeitsschritt vergleichen Sie, ob Ihr Reifegrad mit dem Füh‐ rungsstil übereinstimmt, den Sie im ersten Schritt bestimmt haben. Prüfen Sie, ob der Reifegrad mit der Zahl übereinstimmt, die den einzelnen Führungsstilen in der Beschreibung vorangestellt ist. Sie liegen mit Ihrem Führungsstil im Hinblick auf die jeweilige Aufgabe richtig, wenn die Zahlen für den Reifegrad und den Führungsstil übereinstimmen. Nehmen wir unser Beispiel von oben. Bei dem ermittelten Reifegrad „2>3“ („2“ mit einer Tendenz zu „3“) führen Sie Ihren Mitarbeiter im Hinblick auf die benannte Aufgabe effektiv, wenn Sie im primären Führungsstil „erklären und überzeugen“ und im sekundären „ermutigen und beteiligen“ praktizieren. Stimmt Ihr primärer Führungsstil mit dem Reifegrad überein und liegt Ihr sekundärer Führungsstil eine Stufe höher, befinden Sie sich auf einem guten Weg, Ihren Mitarbeiter beruflich weiterzuentwickeln - Sie fördern durch fordern! Sie laufen Gefahr, Ihren Mitarbeiter zu überfordern, wenn Sie bei einem niedrigen Reifegrad einen höherstufigen Führungsstil wählen. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn Sie Ihren Mitarbeiter für eine bestimmte Hauptaufgabe oder Verantwortlichkeit im Reifegrad 2 eingeschätzt haben, 7 Ausführen 129 <?page no="130"?> jedoch im Führungsstil die „4” wählen: „übertragen, überlassen“. Besser wäre es, dem Mitarbeiter die Aufgabe klar darzulegen und ihn von der Bedeutung der Aufgabe zu überzeugen. Sie werden Ihren Mitarbeiter wahrscheinlich unterfordern, wenn Sie ihm in einer Hauptaufgabe einen höheren Reifegrad zuordnen, im Führungsstil jedoch darunterbleiben. In der betrieblichen Praxis sind gute Erfahrungen damit gemacht worden, Mitarbeiter bei der Anwendung des Reifegradmodells einzubeziehen. Stellen Sie Ihrem Mitarbeiter das Modell vor und bitten Sie ihn, dass er unabhängig von Ihnen den gleichen Fragebogen aus seiner Sicht ausfüllt. Lassen Sie ihn aufschreiben, in welchen Tätigkeiten er seine Hauptaufgaben sieht. Wundern Sie sich jedoch beim späteren Vergleich nicht, wenn er etwas anderes aufgeschrieben hat als Sie. Nutzen Sie ein solches Ergebnis, um mit ihm die Prioritäten in seinem Aufgaben- / Verantwortungsbereich klarer abzustimmen. Nehmen Sie ernst, wenn er Ihren Führungsstil anders einschätzt als Sie. Er nimmt auf seine Art wahr, und was er dort wahrnimmt ist weder richtig noch falsch - es ist seine Sicht der Dinge. Nutzen Sie sein Feedback zur selbstkritischen Reflexion, hören Sie geduldig und ruhig zu. Vermeiden Sie Diskussionen über die Richtigkeit seiner Wahrnehmung. Je stärker Sie seine Sichtweise in Frage stellen, umso weniger wird er Ihnen weiterhin mitteilen. Sollte er in der Reifegradbestimmung anders liegen als Sie, lassen Sie sich seine Einschätzung erklären. Fassen Sie hier getrost nach, wenn Ihnen etwas unklar ist. Nehmen Sie seine Einschätzung als Zusatzinformation zur Absicherung Ihrer eigenen Einschätzung. Je präziser hier die Diagnose ist, umso effektiver werden Sie den zum Reifegrad passenden Führungsstil realisieren können. Weiterhin sollten Sie mit Ihrem Mitarbeiter Möglichkeiten erwägen, wie Sie ihn dabei unterstützen können, dass er sich von niedrigeren zu höheren Reifegraden weiterentwickeln kann. Je optimaler Sie Ihr Führungsverhalten an den Möglichkeiten Ihrer Mitar‐ beiter ausrichten, umso effektiver wird sich die Zusammenarbeit gestalten. Statt Leistungsminderungen wegen Über- oder Unterforderung durch ei‐ gene Mehrarbeit ausgleichen zu müssen, entwickeln Sie Ihre Mitarbeiter systematisch zur „Delegationsreife“. Mit der richtigen Einstellung zur Delegation und hoch leistungsfähigen und leistungswilligen Mitarbeitern entlasten Sie sich und erhöhen die Zufriedenheit und damit verbunden das Leistungsergebnis Ihrer Mitarbeiter. 130 7 Ausführen <?page no="131"?> Delegationen sind allerdings nur dann erfolgreich, wenn sie in der richtigen Art und Weise erfolgen. Bei einer echten Delegation wird mit dem Mitarbeiter vereinbart, was er bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichen oder erfüllen soll. Alles Weitere liegt in den Händen des Mitarbeiters. Er wählt seine Mittel selbst, bestimmt den Weg zum Ziel und entscheidet, wen er für sein Projektteam gewinnen möchte. Bei „Scheindelegationen“ wird trotz der offiziellen Auftragsübergabe die Übernahme der Verantwortung nicht ermöglicht. Entscheidungen werden nicht freigegeben, sondern in der Hand des Delegierenden belassen. Im unten dargestellten Vergleich wird an Zitaten aus der Praxis deutlich, worin sich Scheindelegationen von echten Delegationen unterscheiden. -Schein- und echte Delegation im Vergleich - Scheindelegation (Zitate aus der Praxis) Echte Delegation (Vorschläge für die Praxis) „Herr S., wir haben einen Auftrag für Sie …“ Herr S, wir möchten Sie für das neue Projekt in … gewinnen … „Am besten sprechen Sie dafür Michael G. und Josef F. an …“ Was meinen Sie - wer könnte Sie am besten unterstützen? „Um da durchzukommen, brauchen wir geballte Fachkompetenz. Ich schlage vor, wir …“ Welche Mitarbeiter beabsichtigen Sie hinzuziehen? „Wir haben für die Auftragsabwicklung Zeit bis Ende August, dann müssen wir fertig sein.“ Das Projekt soll bis Anfang Oktober abgeschlossen sein. Für den Abschluss des 1. Meilensteins sehen wir einen Termin Ende August. Ist das so OK? Die Beispiele zeigen, dass bei Scheindelegationen trotz Auftragsübergabe nach wie vor der Chef Entscheidungsträger ist. Wenn Ihnen Aufgaben so delegiert würden - wie würde sich das wohl auf Ihre Leistungsbereitschaft auswirken? Vermeiden Sie Scheindelegationen und nutzen Sie die Leitfragen zur echten Delegation, um Aufgaben an Ihre leistungsstarken Mitarbeiter pro‐ fessionell zu übertragen: ● Kennt der Mitarbeiter die Zielsetzung der Aufgabe? 7 Ausführen 131 <?page no="132"?> ● Hat der Mitarbeiter die nötige Qualifikation und die nötigen Befugnisse zur Ausführung der Aufgabe? ● Verfügt der Mitarbeiter über alle Informationen, die er zur zielgerechten Ausführung der Arbeit braucht? ● Ist bei der Auftragsübergabe gewährleistet, dass der Mitarbeiter die Möglichkeit hat Fragen zu stellen, wenn ihm etwas unklar ist? ● Akzeptiert der Mitarbeiter die Aufgabe im Hinblick auf Zielset‐ zung / Sollvorgabe? ● Führen Sie das Delegationsgespräch im Umkehrton, so wie Sie selbst bei einer Auftragsübergabe angesprochen werden möchten? ● Sind Termine für die Besprechung der Ergebnisse vereinbart - Fehleranalyse / Erfolgskontrolle? ● Entspricht die Aufgabe den Leistungsmöglichkeiten des Mitarbeiters, oder ist er über- oder unterfordert? Die einzig richtige Antwort auf alle Fragen lautet „Ja“. Wenn Sie nicht aus voller Überzeugung zustimmen, halten Sie stichwort‐ artig fest, woran das liegt. Überlegen Sie dann (mit Ihrem Mitarbeiter) was Sie wie tun können, um dies zu ändern! 132 7 Ausführen <?page no="133"?> 8 Kontrollieren Viele Pflege- und Betreuungskräfte besitzen Zeitplanbücher - wenige nut‐ zen alle Möglichkeiten. Dabei liegt ein Geheimnis erfolgreichen Zeit- und Selbstmanagements im konsequenten, disziplinierten Kontrollieren durch den routinierten täglichen Einsatz eines Zeitplanbuches. Zeitplanbücher besitzen drei Charakteristika. Sie enthalten ● ein Planungssystem zur Optimierung Ihrer persönlichen Effektivität. Mit ihm können Sie alle wichtigen Vorhaben, Termine und Aktivitäten zielorientiert planen. ● ein Steuerungssystem, mit dem Sie in die Lage versetzt werden, unter‐ schiedliche Situationen sicher zu beherrschen. Es ermöglicht Ihnen je‐ derzeit einen Überblick darüber, welche Aufgaben mit welcher Priorität noch anstehen, was zu koordinieren, zu kontrollieren und zu delegieren ist. ● ein Datenbanksystem, damit Sie jederzeit die richtigen Informationen zur Hand haben. Es garantiert Ihnen eine einfache Speicherung aller‐ wichtigen Daten und einen leichten Zugriff. Außerdem entlastet es Ihr Gedächtnis - Sie haben den Kopf für wichtigere Dinge frei. In der betrieblichen Praxis haben sich Ringbücher mit Formblättern in Loseblattordnung bewährt. Die Formblätter sind selbstverständlich nach Wunsch und Bedürfnis ergänzbar. Für Pflege- und Betreuungskräfte ist ein Zeitplanbuch ein sinnvolles und umfassendes Werkzeug. Als ständiger persönlicher Begleiter ist es das schriftliche Gedächtnis, das mobile Büro und die Datenbank im Kleinformat. Ein Zeitplanbuch ist zugleich Terminkalender, Tagebuch, Notizbuch, Planungsinstrument, Erinnerungshilfe, Adressenregister, Nachschlagwerk, Ideenkartei, Arbeitsinstrument und Telefonregister. Zeitplanbücher enthalten prinzipiell vier Hauptteile, die sich selbstver‐ ständlich weiter gliedern lassen: 1. Der Kalender: Er dient der schnellen Übersicht über Tages-, Wochen-, Monats- und Jahresplanung 2. Der Registerblock: Er ermöglicht die individuelle Aufteilung nach Pro‐ jekten, Aufgabengebieten etc. <?page no="134"?> 3. Die Ideen- und Infoseiten 4. Das Telefon- und Adressenverzeichnis mit viel Platz für alle wichtigen Anschriften Während herkömmliche Terminkalender sich eher als Erinnerungshilfe für Termine und Daten einsetzen lassen, bieten Ihnen Zeitplanbücher weiter‐ gehende vielfältige Möglichkeiten. Jederzeit lassen sich zusätzliche Blätter einheften, alte nicht mehr ge‐ brauchte können ausgetauscht werden. Formblätter gibt es in Hülle und Fülle für jeden Zweck, so dass Sie Ihr Zeitplanbuch genau Ihren Wünschen und Bedürfnissen anpassen können. Bei Terminabstimmungen steht Ihnen Ihr persönliches Planungs- und Steuerungsinstrument zur Verfügung. Statt nur Ihren Terminverpflichtun‐ gen nachzukommen, sind Sie in der Lage, Ihren Tagesplan aktiv zu struktu‐ rieren. Auf diese Weise erledigen Sie Ihre Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlichkeit und nicht mehr nur rein chronologisch. Das Zeitplanbuch lässt sich unabhängig vom Jahreswechsel einführen. Damit entfallen alle lästigen zeitraubenden Übertragungen ins nächste Jahr. Neben dem Beginn einer Aktivität lässt sich auch deren Dauer besser planen. Checklisten, Planungs- und Entscheidungshilfen sind immer griffbereit. Alle notwendigen Daten und Informationen stehen jederzeit zur Verfügung. Inzwischen bieten zahlreiche Verlage Zeitplanbücher in unterschiedlicher Ausführung und Qualität an. Hier gilt einmal mehr: „Wer die Wahl hat, hat die Qual“. Eine Hilfe bei der Suche nach dem passenden Zeitplanbuch bietet Ihnen die Entscheidungsmatrix auf der Folgeseite. 134 8 Kontrollieren <?page no="135"?> Entscheidungsmatrix zur Wahl eines Zeitplanbuches - --Bewertung der angeführten Kriterien: -„-“: unbefriedigend „o“: OK „+“: ausgezeichnet - -Zeitplanbuch - ----1 ----2 ----3 ----4 ----5 ----6 -Inhalt: Kalenderteil Planungsformulare Erklärung, Anleitung Zusatzformulare, Arbeitsmittel Datenteil, Informationen Adressen- und Telefonregister Archivierungsmöglichkeiten - - - - - - - -Form: Material und Design des Buches Seiten- und Einstecktaschen Design der Formblätter Register, Systemzugriff Zusatzausrüstungen (Taschenrechner, Lineal, Druckbleistift etc.) - - - - - - - -Gesamteindruck: Ausstattung Handhabbarkeit Ausbaumöglichkeiten Preis- / Leistungsverhältnis - - - - - - - -Gesamturteil: - - - - - - - Zudem können Pflege- und Betreuungskräfte ihr persönliches Zeit- und Selbstmanagement natürlich auch mit elektronischen Hilfsmitteln gestalten. Mit Hilfe von MS-Office Outlook® können nicht nur Termine koordiniert, sondern auch E-Mails verwaltet, (Tages)Pläne und Checklisten kontrolliert, 8 Kontrollieren 135 <?page no="136"?> Besprechungen geplant und vieles andere Nützliche getan werden. Analoge Anwendungen gibt es für Apple MAC®. Auch für den kleinen Geldbeutel stehen nützliche Lösungspakete zur Verfügung, etwa von Ubuntu® bzw. Linux®. Alle diese Funktionen sind natürlich auch über handliche Smart‐ phones verfügbar. Damit ist eine „ambulante“ Verwaltung und Kontrolle der relevanten Planungsdaten jederzeit möglich. Mit den heutigen Systemen ist beinahe alles möglich und - von beinahe jedem Ort der Welt aus. Auch wenn viele Features mit Zusatzkosten ver‐ bunden sind, so bringen einige Applikationen erheblichen (Zusatz-)Nutzen für den Anwender. Nur ein Beispiel, dass für viele potenzielle Vorteile der elektronischen Gadgets steht: Der automatische Abgleich von Änderungen in Outlook zwischen den Daten im Smartphone mit dem Outlook-Kalender auf dem stationären PC im Büro. Der Service ist vergleichsweise günstig, wenn man bedenkt, dass damit viele Übertragungsfehler und Doppeltbelegung von Terminen verhindert werden können. Dieser Just-in-time-Datenabgleich unterstützt selbstver‐ ständlich auch bei der Kontrolle laufender Projekte. Betrachten wir alle bisherigen Ausführungen zum Regelkreis des Selbst‐ coachings, stellen wir immer wieder fest, dass vielerorts empfohlen wird, etwas schriftlich niederzuschreiben. Sei es, dass z. B. ein Ziel schriftlich zu fixieren ist, ein Maßnahmenplan zu erstellen oder ein Beobachtungsbogen geführt werden soll - stets wird das Prinzip der Schriftlichkeit hervorgeho‐ ben. Dabei macht gerade vielen Beschäftigten in Pflege und Betreuung die Dokumentations- und Berichtspflicht zu schaffen. Nicht jedem erschließt sich unmittelbar die Sinnhaftigkeit der schriftlichen Niederlegung. Für viele bedeutet sie nur Mehrarbeit. Auch die Vielfalt elektronischer Hilfsmittel, die die Dokumentation erleichtern sollen, schafft das Problem nicht gänz‐ lich aus der Welt. Oft schaffen sie sogar neue Probleme: Die Wahl des richtigen Systems, die Kompatibilität der Systeme, die Verwaltung der Vielzahl der Informationen, Datenschutz, wer hat Zugang zu den Daten usw. Der Aufwand für schriftliche Verwaltungs- und Dokumentationsarbeit wird in selbständigen und freiberuflichen Tätigkeiten auf inzwischen 50 % geschätzt. In Pflege und Betreuung dürfte es wohl kaum anders aussehen. Wer möchte da noch ein „Schriftlichkeitsprinzip“ ausdrücklich betonen. Für das Prinzip Schriftlichkeit sprechen jedoch folgende Erfahrung und Beobachtungen: Ziele werden als verbindlicher angesehen, wenn sie von demjenigen, der die Ziele anstrebt, selbst schriftlich niedergelegt werden. 136 8 Kontrollieren <?page no="137"?> Gerade für die Gruppe der Pflege- und Betreuungskräfte ist eine effektive Selbststeuerung wichtig. Es ist bekannt, dass man eher die Mühe der Zielverfolgung auf sich nimmt, wenn das Ziel vorher schriftlich fixiert wurde. Eine Aufgabenliste oder ein Tagesplan, der schriftlich erstellt wird, wird verbindlicher behandelt, als der lediglich gedanklich formulierte Plan. Warum ist das so? Das Formulieren eines schriftlichen Zieles fordert gerade dazu heraus, dass Wesentliche auf den Punkt zu bringen. „Man sollte versuchen x oder y tun“ ist eine unverbindliche (meist mündlich geäußerte) Absichtserklärung. Schriftlichkeit hingegen motiviert zu Präzision und We‐ sentlichkeit bei der Aufgaben- oder Zielformulierung. Machen wir unsere Seminarteilnehmer oder Gesprächspartner in Pflege und Betreuung auf diese Sachverhalte aufmerksam, beginnen diese meist sofort ihre Ziele zu präzisieren: Statt: „Ich werde x versuchen“, erhalten wir bei schriftlichen Zielformulierungen präzise Detailangaben mit Nennung der Termine für Zwischenkontrollen, Delegationsmöglichkeiten usw. Diese Beobachtung machen wir häufig und sie veranlasst uns dazu, dass Prinzip Schriftlichkeit ausdrücklich hervorzuheben. Eine Erklärung für die unterschiedliche Wirkung zwischen mündlicher Formulierung und schriftlicher Ausführung ist an die Theorie der kogniti‐ ven Dissonanz angelehnt. Die Theorie konstatiert, dass jemand, der einen höheren Aufwand tätigt, wie z. B. ein Ziel schriftlich auszuformulieren und niederzuschreiben, in einen inneren Widerspruch oder Konflikt gerät, wenn er anschließend keine weiteren Anstrengungen unternimmt, um die zur Zielverfolgung notwendigen Handlungen auszuführen. Der Gedankengang, der diesem inneren Zwist zugrunde liegt, kann etwa so zusammengefasst werden: „Wenn ich doch schon so einen hohen Aufwand betreibe, um meine Ziele zu formulieren, dann muss ich jetzt auch noch weitere Anstrengungen unternehmen, um diese Ziele zu errei‐ chen“. Unterbleiben weitere Anstrengungen und Aktivitäten, dann entsteht kognitive Dissonanz: „Warum habe ich denn zuvor diesen hohen Aufwand betrieben, wenn ich meine Ziele jetzt nicht ernsthaft verfolge? “ Dieser innere Widerspruch erzeugt Spannung, die der Organismus zu reduzieren versucht. Ziele schriftlich zu formulieren ist also ein Akt der Selbstmotiva‐ tion, man könnte aber auch sagen: Es ist eine List zur Überwindung des inneren Schweinehunds! Warum das Prinzip Schriftlichkeit so effektiv zur Selbstmotivation ge‐ eignet ist, hat außerdem mit Speichermechanismen des Gehirns zu tun. Im Unterschied zu Zielen, die nur im „Gedankenstrom“ vorhanden sind, 8 Kontrollieren 137 <?page no="138"?> gelangen schriftlich formulierte Ziele in das Langzeitspeichersystem des Gehirns. Was nicht dorthin gelangt, wird schlicht „vergessen“. Schriftliche Informationen überwinden die Filter leichter, die auf dem Weg zur überdau‐ ernden Speicherung aufgebaut sind. Sie werden dadurch nicht nur haltbarer, sondern wirken so auch nachhaltiger auf die Motivation. Durch das Prinzip Schriftlichkeit wird sichergestellt, dass wir es nicht nur mit vagen Vorsätzen, sondern mit ernsthaften, anreizbetonten Zielen zu tun haben. Von Vorsätzen wird ja wohl zu Recht behauptet, dass der Weg zur Hölle mit ihnen gepflastert sei. Jeder, der sein Selbstcoaching professionell betreibt, hält seine wichtigs‐ ten Ziele schriftlich fest. Das niedergeschriebene Ziel oder die schriftlich fixierten Aufgaben unterscheiden sich schon deshalb von allgemeinen Vorsätzen, weil das Aufschreiben von Zielen und Aufgaben meistens zu präziseren Formulierungen führt. Die S.M.A.R.T.-Formel, die wir im Zusammenhang mit der Position „Ziele setzen“ im Regelkreislauf des Selbstcoachings ausführlich dargestellt haben, gibt wiederum eine gute Systematik für das Formulieren von Zielen vor. Die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung steigt bei „smarten“ Zielen auch deshalb, weil die schriftlich fixierten Ziele besser mit anderen Personen, die in die Zielverfolgung involviert sind, kommuniziert werden können. Smart formulierte Ziele sorgen daher für Kompatibilität, wodurch diese leichter mit Kollegen, Partnern oder auch Kunden abgeglichen werden können. Dies sind Argumente, die das Schriftlichkeitsprinzip unterstützen. 138 8 Kontrollieren <?page no="139"?> 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern Wer seinen alltäglichen Stress im Allgemeinen, und die mit seiner Berufstä‐ tigkeit im Bereich von Pflege und Betreuung einhergehenden zusätzlichen Belastungen im Besonderen in den Griff bekommen möchte, sollte sich zunächst einmal grundsätzlich mit dem Wesen von Stress, seinen Gründen und Erscheinungsformen bis hin zum Burnout als Folge von nicht bewältig‐ tem Stress auseinandersetzen, bevor er Gegenmaßnahmen in Betracht zieht und Entspannungsverfahren auswählt. Diesem Gedankengang folgend be‐ schreiben wir in diesem Kapitel zunächst, was während einer Stressreaktion in unserem Körper geschieht. Daran anknüpfend erörtern wir, wie wir uns vorbeugend gegen den gesundheitsschädlichen Dauerstress wappnen können, indem wir ● nicht jede Angelegenheit schwerer nehmen als sie tatsächlich ist; ● durch ruhiges Überlegen bessere Ergebnisse erzielen und über die damit verbundenen Erfolgserlebnisse Di-Stress abbauen; ● Mut zum „Nein“ entwickeln und somit Stressfaktoren allmählich ab‐ bauen; ● im Privatleben Raum für Entspannung schaffen und durch gesteigerte Fitness unsere Belastbarkeit stärken. Nachdem wir kurz das Autogene Training nach Schultz vorstellen, prä‐ sentieren wir ausführlich mit einer Modifikation der Progressiven Muskel‐ entspannung nach Jacobsen ein praxisbewährtes Entspannungsverfahren, das sich sowohl zu Hause oder im Hotelzimmer in Langform als auch am Arbeitsplatz in Kurzform durchführen lässt. Als weitere Möglichkeit befassen wir uns mit dem Thema Achtsamkeit. Im Weiteren greifen wir auf Erkenntnisse der jüngeren Forschung zum Burnout-Syndrom zurück, um darzulegen, wie Betroffene ihre Behand‐ lungsbedürftigkeit erkennen können, und welche Maßnahmen sich in Ab‐ hängigkeit vom Stadium des „Ausbrennens“ empfehlen. Wir orientieren uns bei unseren Überlegungen an dem Leitsatz: „Wer ausbrennt - muss vorher gebrannt haben“. TN: „Es gibt wohl kaum einen in Pflege und Betreuung Tätigen, der nicht davon spricht, in der einen oder anderen Art Stress zu erleben. Sei es, dass ihm Patienten, Vorgesetzte, Kollegen oder Klienten „Stress machen“, <?page no="140"?> er wegen Zeitnot „unter Stress steht“ oder er beklagt, dass „andere sich nicht so einen Kopf machen müssen und es allein schon deshalb bei ihnen wesentlich stressfreier abläuft.“ Vor dem Hintergrund derartig mannigfalti‐ ger Äußerungen, die sich beliebig fortsetzen lassen, stellt sich die Frage, was eigentlich genau hinter diesem arg strapazierten Allerweltsbegriff ‚Stress‘ steckt? “ BT: „Der Begriff ‚Stress‘ wurde 1950 in der Medizin und Psychologie von Hans Selye eingeführt. Nach Selye definiert sich Stress über „die Belastun‐ gen, Anstrengungen und Ärgernisse, denen ein Lebewesen täglich durch viele Umwelteinflüsse ausgesetzt ist. Es handelt sich um Anspannungen und Anpassungszwänge, die einen aus dem persönlichen Gleichgewicht bringen können und bei denen man seelisch und körperlich unter Druck steht.“ Statt von „Umwelteinflüssen“ sprechen wir heute umfassender von äu‐ ßeren und inneren belastenden Bedingungen und Situationen, so genannten Stressoren, wie z. B. die von Pflege- und Betreuungskräften häufig beklagten, stetig zunehmenden Erwartungen ihrer Vorgesetzten, Patienten bzw. Klien‐ ten und deren Angehörigen, der mit der Tätigkeit einhergehende besondere Zeitdruck, die stetig wachsende Arbeitsmenge und -vielfalt durch immer mehr gesetzliche Auflagen und häufige Störungen aller Art, aber auch das eigene Anspruchsdenken an Qualität und Quantität der Leistung, sowie Berufs-/ Freizeitkonflikte infolge der durch das hohe berufliche Engagement bedingten starken zeitlichen Inanspruchnahme. Die gleichen Stressoren können bei unterschiedlichen Personen aufgrund individueller Motive, Einstellungen und Bewertungen verschieden wirken oder als Stressverstärker in Erscheinung treten, wie beispielsweise exzessive Planungs- und Kontrollambitionen, übermäßiges Arbeitsengagement, Un‐ geduld, Dominanzstreben, Selbstüberforderung und Erholungsunfähigkeit. Ob ein Stressor zum gesundheitsschädlichen Di-Stress oder zum harmlo‐ sen oder sogar gesundheitsfördernden Eu-Stress führt, hängt davon ab, wie der Einzelne mit der stressauslösenden Anforderung umgeht, kurz: Stress entsteht im Kopf! Nehmen wir beispielsweise an, einem fachlich überaus versierten „Mann ohne viel Worte“ wird angeraten, am Jubiläum eines Vertragspartners teilzunehmen, ihm während der Feier ein Geschenk zu überreichen und eine kurze Ansprache zu halten. Allein schon die Vorstellung, sich vor Publikum präsentieren zu müssen und die damit einhergehende Angst, sich zu blamieren, setzt ihn seelisch und körperlich unter Druck. 140 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="141"?> Er fühlt sich durch die Aufgabe maßlos überfordert und kommt buch‐ stäblich ins Schwitzen. Je länger er über seinem Redemanuskript brütet, umso weniger fällt ihm ein. Er reagiert disharmonisch - Di-Stress hat sich entwickelt. Etwa zur gleichen Zeit fühlt sich ein anderer, der es durch seine Netzwer‐ kaktivitäten sowie Verbands- und Ehrenamtstätigkeiten ohnehin gewohnt ist, öffentlich aufzutreten, gleichermaßen gefordert und geehrt, als an ihn herangetragen wird, exakt die gleiche Aufgabe zu übernehmen. Freudig erregt ruft er zu Hause an und erzählt seiner Gattin, dass sich ihm hier eine Gelegenheit bietet, sich in seinem erweiterten betrieblichen Umfeld positiv in Szene zu setzen. Gleich darauf setzt er sich an seinen Schreibtisch und bereitet konzentriert und kreativ seine Rede vor. Er sieht in dem Arbeitsauftrag keine Belastung, sondern eine Herausfor‐ derung, der er sich euphorisch stellt - Eu-Stress ist entstanden. Unser Beispiel unterstreicht, dass Stress aufgrund von unterschiedlichen Bewertungen des gleichen Stressors auf zwei Arten auftreten kann. Die Gegenüberstellung benennt die wesentlichen Merkmale.“ Gegenüberstellung von Eu- und Di-Stress - Eu-Stress = Positiver Stress Di-Stress = Negativer Stress • harmlos oder sogar gesundheitsför‐ dernd • fördert die Weiterentwicklung • spornt zur Leistung an • kann zur Höchstleistung führen • Arbeit und Freizeit machen Spaß • man zeigt gute Arbeitsergebnisse • es treten nur wenig Stressreaktio‐ nen auf • gesundheitsschädlich • Leistungsdruck • man fühlt sich überfordert • man wird planlos und / oder resi‐ gniert • Die Leistung wird immer schlechter • Freizeit wird zum Stress • Fehler häufen sich • die Krankheitsanfälligkeit steigt TN: „Motive, Einstellung und Bewertungen fungieren also als Bindeglieder zwischen Stressoren und körperlichen und psychischen Reaktionen, die sich bei Di-Stress gesundheitsschädlich auswirken. Welche Wirkungen genau werden durch Di-Stress hervorgerufen? “ BT: „Stressreaktionen wirken sich auf vier Ebenen aus: 1. Auf der kognitiven Ebene beeinflussen Stressreaktionen unsere Denk- und Wahrnehmungsprozesse. Di-Stress führt hier zur Einengung der Wahrnehmung und Informationsaufnahme, Lern- und Gedächtnisleis‐ 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 141 <?page no="142"?> tungen nehmen messbar ab. Konzentrationsstörungen, Tagträume, Ge‐ dächtnis- und Leistungsstörungen und / oder Alpträume sind mögliche Folgen. 2. Bei Dauerstress wird vor allem die emotionale Ebene betroffen. Es entste‐ hen unterschiedliche Zustände mit Gefühlen, die Angriffs- oder Flucht‐ tendenzen auslösen oder aber Hilflosigkeit hervorrufen. Es resultieren Aggressionsbereitschaft, Angst, Unsicherheit, Unausgeglichenheit, Ner‐ vosität, Depressionen, Gereiztheit oder Hypochondrie (eingebildete Krankheiten). 3. Die Erhöhung der Reaktionsbereitschaft in Richtung Erregung wirkt sich auf der vegetativ-hormonellen Ebene auf das vegetative Nerven‐ system und alle angeschlossenen Organe und auf die Hormone aus. Mögliche Folgen sind Herz-Kreislauf-Beschwerden, labiler Blutdruck, Infarktrisiko, Gastritis, Darm- und Magengeschwüre, Schlafstörungen, Verdauungsbeschwerden, Müdigkeit, Verschiebung des Hormonhaus‐ halts, Migräne, Schwitzen und bei Frauen Zyklusbeschwerden. 4. Auf der muskulären Ebene verbraucht ständige Anspannung viel Ener‐ gie. Wir ermüden vorzeitig. Chronische Verspannungen ganzer Körper‐ partien sind die Folge. Allgemeine Verspanntheit, leichte Ermüdbarkeit, Krampfneigung, Muskelzittern, Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen sind mögliche Vorzeichen.“ TN: „Damit wäre klar, welche Wirkungen Stressreaktionen auf lange Sicht hervorrufen (können), offenbleibt - was geschieht in unserem Körper, wenn eine Stressreaktion abläuft? “ BT: „Hinweise zur Beantwortung dieser Frage erhalten wir, wenn wir Stress wie Biologen als einen psychophysischen Zustand betrachten, bei dem unser Körper durch einen Stressor so sehr aus dem Gleichgewicht gebracht wird, dass zusätzliche Energien erforderlich werden, um auf die neu entstandene außergewöhnlich belastende Situation oder Bedingung zu reagieren. Als wichtigste kurzfristige Auswirkungen der Stressreaktion auf den Körper werden in Sekundenbruchteilen: ● Gehirn aktiviert und durchblutet, ● Speichelfluss reduziert, Mund trockener, ● Bronchien erweitert, Atem beschleunigt, ● Blutdruck erhöht, Herzschlag schneller, ● Schweiß erzeugt, ● Energie in Form von Blutzucker und Fetten bereitgestellt, 142 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="143"?> ● Verdauungstätigkeit und Energiespeicherung gehemmt, ● Hände und Füße kalt, ● Gerinnungsfähigkeit des Blutes erhöht, ● Libido gehemmt, ● Schmerztoleranz und Immunkompetenz kurzfristig erhöht, langfristig vermindert.“ TN: „Das Ganze sieht mir danach aus, als ob unser Körper blitzschnell hochgefahren wird, um einer Gefahr zu begegnen oder auszuweichen. Denn einerseits werden in der Liste alle Funktionen benannt, die notwendig sind, um eine außerordentliche motorische Aktion einzuleiten: das Gehirn wird in Alarmbereitschaft gesetzt, Atmung, Herz-Kreislauf angeregt, Energie bereitgestellt. Andererseits werden Verdauung und Energiespeicherung sowie das sexuelle Verlangen heruntergefahren, allesamt Funktionen, die in einer akuten Gefahrensituation weniger wichtig sind.“ BT: „Alles in allem handelt es sich um ein automatisiertes Reaktionsre‐ pertoire, welches maßgeblich dazu beigetragen hat, der Menschheit ihr Überleben zu sichern. Stress ist insofern etwas vollkommen Normales, um Gefahrensituationen zu meistern, wie sie z. B. jeder Mitarbeiter im mobilen Pflegedienst zur Genüge kennt. Läuft ein Kind plötzlich und ohne zu schauen zwischen parkenden Autos auf den Fahrweg sichern eben diese automatisierten Reaktionen, dass er blitzartig und gerade noch rechtzeitig abbremst oder ausweicht.“ TN: „Eine ähnliche Situation ist mir noch gut in Erinnerung. Was sich da in meinem Körper alles abgespielt hat, wurde mit allerdings erst klar, als ich mein Fahrzeug nach einem halsbrecherischen Ausweichmanöver endlich sicher zum Stehen gebracht hatte. Erst da habe ich gespürt, wie anstrengend die Reaktion war: Mein Herz schlug heftig, mein Atem ging schnell, meine Hände waren schweißnass, an Aufstehen war vorerst überhaupt nicht zu denken, so weich waren meine Knie. Ich spürte deutlich, dass ich dringend eine Erholungspause brauchte, in der sich dann erst ganz allmählich mein Blutdruck normalisierte, das Herz wieder langsamer schlug. Dass ich vor Antritt der Fahrt ein deutliches Hungergefühl verspürt hatte, merkte ich erst wieder, als ich die Fahrt wieder aufgenommen hatte.“ BT: „Ihr Erleben in dieser Gefahrensituation ist - physiologisch betrachtet - das Ergebnis eines komplexen Regelkreises, an dem vor allem unser Gehirn und unser Hormonsystem beteiligt sind. Nehmen wir eine Gefahr wahr, alarmiert unser Zwischenhirn unseren Körper über das autonome 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 143 <?page no="144"?> Nervensystem, welches über seine beiden Nervenstränge Sympathikus und Parasympathikus mit allen wichtigen Organen verbunden ist. Über die so genannte Sympathikus-Nebennierenmark-Achse wird die Nebennieren‐ rinde stimuliert, die die Neurotransmitter Noradrenalin und Adrenalin in den Blutkreis ausschüttet. Diese Botenstoffe sind dafür verantwortlich, dass unser Körper blitzschnell hochgefahren wird. Damit alle Energie in die überlebenswichtige Alarmreaktion fließen kann, bremst gleichzeitig der hemmende Parasympathikus Verdauungsvorgänge und Sexualfunktionen. Aufgrund der mit Gefahrensituationen verbundenen Angstreaktionen werden parallel zu den beschriebenen Vorgängen in einer kleinen Schaltzen‐ trale des Zwischenhirns, dem Hypothalamus, die Botenstoffe Vasopressin und CRH (Corticotropin Releasing Hormone) freigesetzt. Letztgenannter erreicht über die Blutbahn das Hormonzentrum unseres Gehirns, die Hy‐ pophyse, und veranlasst dort, dass das Hormon ACTH (Adrenocorticotro‐ pes Hormon) blitzschnell über den Blutkreislauf zum Nebennierenmark geschickt wird, wo das Hormon Cortisol freigesetzt wird, welches - anlog zum aktivierenden Sympathikus - Glukose- und Fettreserven mobilisiert und die Gehirnfunktionen verbessert. Der mit dem CRH zeitgleich entsandte Botenstoff Vasopressin stellt sicher, dass die Niere nur langsam Flüssigkeit ausscheidet, damit Angriffs- oder Fluchtreaktionen nicht durch eine volle Blase beeinträchtigt werden.“ TN: „Damit wäre klar, was geschieht, wenn wir ‚auf 180‘ kommen. Stellt sich nun die Frage - wie kommen wir da wieder runter? “ BT: „Auf der physiologischen Ebene sorgt das Hormon Oxytozin in Koope‐ ration mit dem hemmenden Parasympathikus dafür, dass unser Körper nach bestandener Gefahr in der Ruhepause wieder auf das normale Niveau heruntergefahren wird. Unterstützt wird dieser Vorgang durch das schon angesprochene Hormon Cortisol, welches über eine negative Rückkopplung Vasopressin, CRH und ACTH hemmt und somit seine eigene Ausschüttung vermindert. Der grundlegende Mechanismus der körperlichen Stressreaktion ist von dem eingangs bereits erwähnten Stressforscher Hans Selye im „Allgemeinen Adaptionssyndrom“ beschrieben worden. Abbildung 12 zeigt den schema‐ tischen Ablauf des Adaptionssyndroms (vgl. auch F. Vester, 1976). 144 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="145"?> Abb. 12: Schematischer Ablauf des Allgemeinen Adaptionssyndroms Der schematischen Darstellung zufolge läuft die Stressreaktion in drei Stadien ab: 1. Durch einen Stressor wird eine Alarmreaktion ausgelöst, die den Wi‐ derstand des Körpers zunächst absinken lässt - die „Schrecksekunde“. Ist der Stressor zu stark kann dies in der Alarmphase sogar tödliche Folgen haben. 2. In der Phase des Widerstandes verändert der Körper in der beschriebe‐ nen Weise wichtige Körperfunktionen, um sich den Stressbedingungen anzupassen. Der durch die Anpassung erhöhte Widerstand kann jedoch nicht unbegrenzt aufrechterhalten werden. 3. Wird der Körper weiter Stressoren ausgesetzt führt das zur dritten Phase - zur Erschöpfung, schlimmstenfalls bis zum Tod.“ TN: „Was geschieht, wenn weitere Stressoren ausbleiben? “ BT: „Unser Körper erholt sich und beginnt sich zu regenerieren. Stress‐ hormone werden unter der Regie des parasympathischen Nervensystems abgebaut. Wir entspannen uns allmählich so weit, dass wir das Niveau des normalen Widerstandes erreichen.“ TN: „Heißt das, dass wir unserem Körper nur genügend Zeit einräumen müssen, damit er sich ganz von alleine wieder einpendeln kann? “ 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 145 <?page no="146"?> BT: „Die hohe Beteiligung der entwicklungsgeschichtlich älteren Gehirnre‐ gionen an der automatisierten Stressreaktion lässt durchaus darauf schlie‐ ßen, dass die Natur es für uns ursprünglich wohl genauso eingerichtet hat. Immer darauf bedacht, Energie und Ressourcen möglichst effektiv einzusetzen, hat Mutter Natur einen Mechanismus entwickelt, der es uns in grauer Vorzeit bei Gefahr ermöglichte in Sekundenbruchteilen bereit zu sein, um dann nach getaner Tat in Muße auszuruhen und neue Kräfte zu sammeln. War der Kampf oder die Jagd beendet, machte man es sich am Feuer bequem und ruhte sich von der Anstrengung aus; auf Anspannung folgte eine ausreichend lange Phase der Entspannung.“ TN: „Wenn ich mir meinen alltäglichen beruflichen Stress anschaue, würde es mir bestimmt auch guttun, mich nach einer Anstrengung an ein Lager‐ feuer zu setzen. Da das wohl illusorisch sein dürfte, besitze ich also mit dem Stressregelkreis einen hocheffizienten Mechanismus für den Dschungel, der mir bei akuten, vereinzelt auftretenden Gefahren das Überleben sichert, sich aber wohl kaum eignet, meinen alltäglichen Dauerstress am Arbeitsplatz zu bewältigen. Schließlich folgt dort Stressor auf Stressor. Entspannung ist da kaum angesagt.“ BT: „Die Leidensgeschichte eines im betreuten Wohnen tätigen Sozialarbei‐ ters, der nach einem Tinnitus (Hörsturz) an einem Training zur progressiven Muskelentspannung teilnahm, bestätigt nicht nur diese Sichtweise, sondern verdeutlicht darüber hinaus, dass manch einer selbst eine Menge dazu beiträgt, seine energieaufwändige Stressautomatik immer wieder in Gang zu setzen, ohne sich ausreichend Zeit zur Erholung zu nehmen. Unser Klient schildert zunächst ausführlich, wie er durch seine Tätigkeit im betreuten Wohnen ständig gefordert sei, alltäglich betriebsam von Termin zu Termin zu hetzen, nicht selten in Verbindung mit zeitaufwendiger An- und Abreise zu seinen Klienten, die dringend auf ihn angewiesen seien. Ohne ihn ginge es einfach nicht. Er habe „jede Menge um die Ohren.“ Zeit für Pausen oder zum Planen gebe es da nicht. Planen sei ohnehin sinnlos, da ständig etwas dazwischenkomme. Das Wort „Pause“ sei für ihn ohnehin ein Fremdwort. Immer häufiger stelle sich allerdings heraus, dass die ganze Hektik völlig unnötig sei und er durch seine beinahe ungesteuerte Motorik sinnlos wertvolle Energie vergeudet habe. Nach wie vor führe er seine Betriebsamkeit jedoch in erster Linie auf einen hohen Arbeitsanfall zurück, räume aber auch ein, dass er schon bestrebt gewesen sei, sich jeder Aufgabe bedingungslos zu stellen, um perfekte 146 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="147"?> Ergebnisse zu erzielen. Auch falle es ihm schon schwer „Nein“ sagen zu können. Voll im Stress sei es ihm verständlicherweise kaum möglich erst nachzu‐ denken, bevor er handle. Vielmehr reagiere er meist spontan und intuitiv, „aus dem Bauch heraus“. Fehlentscheidungen und Fehlhandlungen hätten deshalb beträchtlich zugenommen. Das wiederum habe den Druck verstärkt, weil er die Fehler wieder habe ausbügeln müssen. So sei ein Teufelskreis entstanden. Selbstverständlich arbeite er bedeutend länger, als gut sei. Das sei er allein schon seiner Position schuldig, wobei ihm schon klar sei, dass bloße Anwesenheit nicht mit Leistung gleichzusetzen sei. Nicht nur andere, leider auch er selbst spüre, dass er nach langen anstrengenden Arbeitsstunden an Leistungsfähigkeit deutlich abnehme. Deshalb habe er auch oft das Gefühl, dass sein Arbeitsergebnis immer weniger in einem sinnvollen Verhältnis zum dafür notwendigen Zeitaufwand stehe. Nicht selten beschäftige er sich mit konzeptionellen Dingen zu Hause, be‐ hellige mit beruflichen Themen seine Frau, andere Verwandte und Bekannte. Am negativsten wirke sich sein Druck dadurch aus, dass er sich nachts von einer Seite auf die andere wälze und den für seine Erholung so wichtigen Schlaf nicht mehr ausreichend finde. Seine innere Uhr sei zeitweise völlig durcheinandergewirbelt. Nun sei zu allem Überfluss auch noch der Tinnitus hinzugekommen. Je stärker der Druck, umso mehr Zigaretten konsumiere er und umso stärkeren Kaffee brauche er. Außerdem habe er begonnen, Tabletten in größerer Stückzahl einzunehmen. Tagsüber nehme er Aufputschmittel, was seine Einschlafstörungen verstärke. Deshalb bräuchte er abends stärkere Schlafmittel. Am Morgen sei er dann wie gerädert, saft- und kraftlos. Folglich seien Aufputschmittel an der Reihe. Er frage sich inzwischen ernsthaft, wie lange sein Körper das noch mitmache. Die Sache mit dem Tinnitus sei ja wohl auch kaum von ungefähr gekommen, wie ihm inzwischen klar geworden sei. In seiner Freizeit nehme er sich immer wieder vor, etwas zur Entspannung zu tun, schaffe es aber nicht. Stattdessen habe er begonnen, sich ein Gläschen Wein oder zwei zu gönnen - das entspanne nicht nur, es muntere sogar ein wenig auf. Manchmal finde er es jedoch schon bedenklich, wie sehr er sich daran gewöhnt habe. Immer seltener komme er am Abend ohne seine Gläschen Wein aus. 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 147 <?page no="148"?> Bedenklich finde er auch, dass es ihm zunehmend schwerer falle, sich zu beherrschen, seine negativen Emotionen zu steuern. Schon ein kleiner Anlass könne ihn ‚auf die Palme bringen‘. Seine Kollegen stünden seinen Ausbrüchen hilflos gegenüber - wie sollte einer auch nur ahnen können, dass solche Kleinigkeiten ihn ‚auf 180‘ bringen? Von seiner Familie und seinen Bekannten erwarte er eigentlich, dass diese Rücksicht auf seine Überarbeitung nehmen, werde aber in letzter Zeit zunehmend enttäuscht, was ihn wieder verstärkt in die Arbeit treibe. Seine Frau meine, dass er den Stress von der Arbeit nicht nur nach Hause mitbringe, er beginne zunehmend seine nächsten Mitmenschen mit seinen Launen förmlich zu terrorisieren. Seine Stimmungsschwankungen rechtfertige er ihr gegenüber mit seiner starken Erschöpfung.“ TN: „Auch wenn ich nicht in einem derartigen chaotischem Stressszenario lebe, das eine oder andere kommt mir schon bekannt vor! Insofern drängt sich mir die Frage auf, ob bzw. inwieweit negative Auswirkungen von Dauerstress wie der dort berichtete Tinnitus bei einem vergleichbaren Lebensstil umso wahrscheinlicher werden, je mehr Stresso‐ ren aufeinander folgen und je intensiver sie erlebt werden, so dass sich eine echte Entspannung einfach nicht mehr einstellen kann? “ BT: „Der Stressregelkreis unterscheidet sich in einem wesentlichen Aspekt von anderen körperlichen Regelkreisen. Nehmen wir zum Beispiel den Regler, mit dessen Hilfe wir unsere Körpertemperatur einstellen, welche normalerweise bei 36,5 Grad Celsius liegt. Mit dem Ansteigen der Tempera‐ tur bei einer fiebrigen Erkrankung werden physiologische Prozesse einge‐ leitet, die der Abwehr von Krankheitserregern dienen. Mit dem Ende der Infektion wird unsere Körpertemperatur wieder auf den Sollwert von 36,5 Grad Celsius heruntergefahren, weil bei weiterhin zu hohen Temperaturen unser Körper geschädigt würde (Prinzip der Homöostase). Demgegenüber stellt der Stressregelkreis unseren Körper bei Dauerstress nach und nach auf einen höheren Sollwert ein (Prinzip der Allostase). Die damit verbundene hohe Aktivierung kann von unserem Organismus allerdings nicht auf Dauer verkraftet werden. Durch den ständig erhöhten Cortisolwert im Blut wird das Immunsystem geschwächt, woraus eine höhere Anfälligkeit für Infekte resultiert. Dauerhaft erhöhte Blutdruck- und Blutfettwerte erhöhen die Gefahr von Herzinfarkt und Schlaganfall. Zwar verbessert eine kurzfristige Stressreaktion die Aufmerksamkeit, Dauerstress wirkt sich jedoch negativ auf Gedächtnisleistung und Konzentrationsver‐ mögen aus. Muskel- und Rückenleiden resultieren aus der Dauerspannung. 148 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="149"?> Magen- und Darmgeschwüre, erhöhte Krebsanfälligkeit, Tinnitus, Depres‐ sionen, Impotenz, kurzum eine ganze Palette körperlicher und seelischer Erkrankungen stehen in mehr oder weniger direktem Zusammenhang mit der Überlastung der Körperfunktionen durch Dauerstress (allostatic overload).“ TN: „Bei den Aussichten wäre es wohl am besten, erst gar nicht Gefahr zu laufen, in ein solches Stressszenario hineinzugeraten.“ BT: „Sinnvollerweise sollten Sie Stressbewältigung nicht erst dann lernen, wenn Sie seelisch und körperlich unter Druck stehen. Nehmen Sie sich diese Erkenntnis zu Herzen und lassen Sie sich von dem berichteten Stressszenario anregen, frühzeitig vorzubeugen. Wenn es um Stress geht, gilt uneingeschränkt: Vorbeugen ist besser als heilen! Sie haben es selbst in Ihrer Hand, in Stressszenarien wie im berichteten Beispiel erst gar nicht einzusteigen bzw. jederzeit auszusteigen. Die voran‐ gegangenen Ausführungen zum Regelkreis des Selbstcoachings eröffnen Ihnen Möglichkeiten, rechtzeitzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Gerade für Pflege- und Betreuungskräfte besteht die Gefahr, dass sie ganz in ihrer Arbeit aufgehen. Zählen Sie auch dazu? Oder haben Sie eine glückliche Zweiteilung vorgenommen zwischen hohem Engagement während der Arbeitszeit, sicher mehr als acht Stunden am Tag, und echter Entspannung in der Freizeit? Nach der psychischen und oft auch physischen Anstrengung am Arbeits‐ platz sollte das körperliche Training in der Freizeit nicht zu kurz kommen. Entspannen fällt leichter, wenn nach Feierabend etwas gänzlich anderes getan wird als während der Arbeitszeit. Schließlich lässt sich die alltägliche Dauerbelastung mit gut ausgebildeter persönlicher Fitness wesentlich bes‐ ser bewältigen. Der Begriff Fitness, ähnlich wie der Begriff „Stress“, ist ein Modebegriff: Er wird häufig verwendet, ohne klar definiert zu sein. Im Englischen steht „to fit“ für passend, geeignet bzw. fähig, tauglich. Fitness bedeutet demnach Eignung, Fähigkeit oder Tauglichkeit. Man könnte Fitness demnach als Leistungsfähigkeit definieren, die Kör‐ per, Seele und Geist umfasst. Demnach wäre Fitness eine Fähigkeit, die es dem Organismus erlaubt, unterschiedliche (wechselnde oder gleichblei‐ bende) Anforderungen zu bewältigen, verbunden mit der durch Lernen und Training erworbenen Fähigkeit der Regeneration bzw. der Steigerung der Belastungsfähigkeit. Fitness könnte damit auf das Resultat jedes erfolg‐ reichen Lern- oder Trainingsensembles angewendet werden: Stressfitness, 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 149 <?page no="150"?> Ernährungsfitness, mentale Fitness, Konzentrations-, Lern- und Leistungs‐ fitness. Im Allgemeinen wird zwischen körperlicher und geistiger Fitness unter‐ schieden. Der Erwerb von Fitness, gleich welcher Art, ist demnach ein Anpassungs- oder Lernprozess, bei dem der Erwerb einer bestimmten Fähigkeit ausgebildet oder erworben wird. Der Erwerb (oder die Ausbildung) von Fitness ist daher das Ergebnis eines Lern- und Trainingsprozesses. Als Fitnesstraining werden meist Aktivitäten bezeichnet, die die körperli‐ che Leistungsfähigkeit erhalten und verbessern. Hierbei kann es sich sowohl um freizeitsportliche Aktivitäten, als auch um Aktivitäten im Bereich des Leistungssports handeln. In einem erweiterten Wortsinn kann Fitnesstrai‐ ning auch im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen als körperliches Aufbautraining praktiziert werden. Körperliche Fitness bezieht sich auf Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Koordination. Entsprechend lassen sich vier Trainingsarten unterscheiden, durch die der Aufbau körperlicher Fitness erreicht werden kann: Aerobes Ausdauertraining (z. B. Laufen, Walking, Nordic-Walking, Rad‐ fahren, Schwimmen, Triathlon, Rudern, Inlineskating, Eis(schnell)lauf, Ski‐ langlauf, Aerobic, Aqua-Jogging, Aqua-Walking, Aquarobic) Krafttraining (z. B. Gerätetraining, Kieser Training, Kampfsport, Aqua-Workout bzw. Aquapower = Krafttraining gegen den Wasserwider‐ stand, auch mit Hanteln) Beweglichkeitstraining (z. B. Stretching, Yoga, Tai Chi Chuan, Gymnastik, Rückenschule, Klettern, Kampfsport, Wassergymnastik, Tanzen) Koordinationstraining (z. B. Ballspiele („dribbeln“), Golf (Abschlag, Put‐ ten), Seilspringen, Hindernislauf, Slalomlauf usw.) Prüfen Sie, ob bzw. inwieweit für Sie in dem einen oder anderen der aufgelisteten Felder Handlungsbedarf besteht und wählen Sie aus der breiten Palette privater und / oder öffentlicher Anbieter eine für Sie passende Kombination für ein Fitnesstraining. Wenn Sie regelmäßig trainieren, dient das nicht nur Ihrer Erholung, es steigert auch Ihre Leistungsfähigkeit und erhöht Ihre Belastbarkeit. Sie haben dem alltäglichen Stress einfach mehr entgegenzusetzen. Sorgen Sie dafür, dass das Gleichgewicht zwischen Beanspruchung einer‐ seits und Erholung andererseits auf Dauer stimmt. Jeder von uns kann zwar über einen begrenzten Zeitraum Höchstleistungen erbringen, wir sollten uns aber nicht einbilden, grenzenlos belastbar zu sein. Wir verfügen weder über die geistigen noch körperlichen Möglichkeiten, um ständig bis an 150 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="151"?> unsere persönlichen Grenzen zu gehen. Wir sind uns selbst gegenüber in der Pflicht, für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen. Nehmen Sie sich selbst und die eigene Gesundheit wichtig. Legen Sie Wert darauf, sich selbst etwas Gutes zu tun. Tragen Sie Ihre Ausgleichsaktivitäten mit einer hohen Priorität ebenso in Ihr Zeitplanbuch ein, wie berufliche Ziele und Termine. Gerade in Zeiten starker Arbeitsbelastung sinkt häufig die Bereitschaft, sich positiven Ausgleich zu verschaffen. Angenehme Hobbies und Freizeit‐ aktivitäten werden weniger wahrgenommen und auch weniger genossen. Unerledigte Arbeiten, Zeitdruck und beruflicher Ärger bestimmen unser Denken und Handeln. Resultat: Wir stürzen geradezu in unsere Arbeit. So paradox es klingt - gerade im Dauerstress müssen wir die Zügel besonders fest in die Hand nehmen, uns also unter Druck setzen, um uns Zeit für einen angemessenen Ausgleich zu nehmen. Schaffen Sie sich Freiraum für Zufriedenheitserlebnisse. Genießen Sie entspannende, positive Erlebnisse im Alltag ohne schlechtes Gewissen. Soll‐ ten Sie sich zu rastlos und zu erschöpft fühlen, um aufwendigere Aktivitäten wie Theater- und Konzertbesuche wahrzunehmen, dann beginnen Sie eben mit „kleineren“ Vergnügungen. Am besten fangen Sie sofort damit an! Für den Fall, dass Sie nicht wissen, was genau Sie denn nun mit A-Priorität in Ihr Zeitplanbuch notieren - hier eine (sicher unvollständige) Liste möglicher Freizeitaktivitäten: ● Veranstaltungsbesuche: Theater, Konzert, Ausstellung, Museum, Kino, Sport ● Spazieren gehen, Einkaufsbummel ● Bücher, Zeitschriften lesen, Denksportaufgaben lösen ● Tages- oder Wochenendausflug, Verreisen, Urlaub ● Werken, Basteln, Musizieren, Fotografieren, Gärtnern, dem persönli‐ chen Hobby nachgehen, Sport treiben ● Faulenzen, auf der Terrasse liegen, Wolken beobachten, dem Sonnenun‐ tergang zuschauen ● Gäste einladen, Partys besuchen, Besuche machen, gepflegt Essen gehen ● Etwas gemeinsam mit Freunden unternehmen, Gesellschaftsspiele ma‐ chen ● Mit den Kindern spielen ● Sich mit Tieren beschäftigen ● Ausgiebig baden, in die Sauna gehen, Wellness betreiben 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 151 <?page no="152"?> Und damit wir gleich „Nägel mit Köpfen machen“ - wählen Sie mindestens drei Aktivitäten aus, die Sie noch in dieser Woche verwirklichen! Suchen Sie nach Möglichkeiten, sich auch während Ihrer Arbeitszeit ausreichend zu bewegen. Nutzen Sie die „kleinen“ Möglichkeiten zur kör‐ perlichen Bewegung während Ihres Arbeitstages: ● Vertreten Sie sich vor und nach Ihrer Mittagsmahlzeit kurz die Beine: Drehen Sie eine Runde um den Block! ● Platzieren Sie Ihren Papierkorb etwas weiter weg von Ihrem Schreib‐ tisch, stellen Sie häufig benutzte Akten ganz oben ins Regal. ● Gehen Sie zu Ihren Mitarbeitern und Kollegen, statt mit Ihnen zu telefonieren. ● Steigen Sie Treppen, statt mit dem Aufzug zu fahren. ● Sitzen Sie dynamisch: wechseln Sie zwischen vorgeneigter, aufrechter und zurückgelehnter Sitzhaltung und schonen Sie so Rücken und Band‐ scheiben. Lesen Sie Ihre Post, Akten im Stehen (am Stehpult). ● Praktizieren Sie Ausgleichsübungen: Lassen Sie Schultern und Arme locker hängen. Drehen Sie den Kopf abwechselnd von rechts nach links, und von links nach rechts. Ihr Kopf ist bei den Drehbewegungen leicht nach vorne gebeugt. Ihr Blick richtet sich dabei nach unten. Umfassende und hochwirksame Unterstützung bei der Stressbewältigung bieten darüber hinaus systematische Entspannungsmethoden wie das „Au‐ togene Training“ nach Prof. J. H. Schultz oder die „Progressive Muskelent‐ spannung“ nach Edmund Jacobson. Die systematischen Entspannungsübungen beider Methoden führen dazu, dass ● sich das Erregungsniveau senkt, ● sich die Belastbarkeit erhöht und positive Veränderungen in der Selbst‐ einschätzung auftreten, ● Angstbereitschaft abnimmt und bereits bestehende psychosomatische Beschwerden wie Spannungskopfschmerz oder Herz-Kreislaufstörun‐ gen abgebaut werden. Beide Methoden bewirken, dass unser Körper in einen Ruhezustand mit vermindertem Energieverbrauch versetzt wird: ● Sauerstoffverbrauch nimmt ab ● Herzfrequenz wird reduziert 152 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="153"?> ● Blutdruck wird gesenkt ● Hautdurchblutung verbessert sich ● Der Spiegel bestimmter Hormone im Blut wird abgesenkt. Beide Verfahren legen mit ihrer systematischen Methodik den Grundstein zur Erregungsreduktion, bauen funktionelle Beschwerden ab und bewirken auf der emotionalen Ebene Gelassenheit, Ruhe und Erholung. Die erreichte Entspannung bezieht sich nicht nur auf die physiologische Lockerung der Muskulatur, sondern sie erzeugt auch eine positive innere Haltung. Ziel des autogenen Trainings nach Prof. J. H. Schultz ist es, durch Kon‐ zentration und Selbstbeeinflussung einen Zustand herbeizuführen, der auf der Grenze zwischen Wachen und Schlafen liegt. Bei richtiger Anwendung entsteht durch die „konzentrative Entspannung“ ein Gefühl der Schwere, durch die Erweiterung der Blutgefäße ein Gefühl der Wärme und schließlich ein Gefühl der tiefen inneren Ruhe. Besonders leicht erlernbar ist die Progressive Muskelentspannung nach Edmund Jacobson, die wir insofern modifiziert haben, als wir Muskeln, die sonst einzeln angespannt und wieder entspannt werden, zu Muskelgruppen zusammengefasst haben. Wir erzielen mit dieser Methode gute Resultate, sowohl bei Anfängern als auch bei Wiedereinsteigern, die bereits einmal eine Entspannungsmethode erlernt, diese aber dann nicht weitergeführt haben. Für den Anfänger ist grundsätzlich zu empfehlen, eine Langversion (ca. 40-45 Minuten Dauer) der Muskelentspannung einzuüben, um danach schrittweise kürzere Formen zu erlernen. Das entspricht auch den Anforderungen der praktischen Anwendung: Im Verlaufe einer Phase des regelmäßigen Übens führt eine fortschreitende Verkürzung zu immer besseren Entspannungsresultaten, die schließlich den Anwender zur Spontanentspannung (Langzeitziel) befähigt, was bedeutet, dass die Methode in praktisch jeder Alltagssituation vom Anwender nutz‐ bringend eingesetzt werden kann. Die von uns hier vorgestellte Version entspricht einer mittleren Zeitdauer (ca. 20-30 Minuten Dauer). Die Entspannungsresultate sind mit dieser Methode nach einigen Anwendungen durchaus beachtlich, was Messungen mit der Hautwiderstandsanalyse bei inzwischen rd. 1200 Personen deutlich gezeigt haben. Wie funktioniert die Methode, zu der wir Sie einladen und die Sie im „Selbstversuch“ mit der nachfolgenden Anleitung hier durchführen können? 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 153 <?page no="154"?> Das Prinzip beruht auf der Anspannung und der Entspannung der will‐ kürlichen Muskulatur. Worum geht es dabei? Viele Menschen beklagen, dass Sie sich nicht richtig entspannen können. Sie meinen damit, dass sie sich oft gestresst fühlen und glauben, nur schwer abschalten können. Das ist eine Wahrnehmung, die auch Dr. E. Jacobsen seinerzeit (im Jahre 1934) offenbar schon beobachten konnte. Während viele Menschen glauben, dass ihnen Entspannung eher schwer‐ fällt, sind andererseits die meisten davon überzeugt, dass ihnen das Anspan‐ nen der Muskulatur weniger Probleme bereitet. Tatsächlich ist es aber so, dass viele Menschen sich mit der Wahrnehmung des Unterschiedes zwischen Anspannung und Entspannung schwertun. Der zentrale Fokus beim Üben liegt daher genau darauf, den Unterschied zwischen diesen beiden Zuständen besser wahrnehmen zu lernen. Die Mus‐ kelentspannungsmethode ist somit im Grunde ein Diskriminationstraining, meint: Das Ziel des Übens ist die Wahrnehmung dieser Unterschiede zu verbessern. Die sich zunehmend verbessernde Entspannung ist daher die Folge genau dieses Lerneffekts. Aus diesem Grund muss auch der Vorstellung, dass man während des Übens „vollkommen weg“ ist, entgegengetreten werden. Das weckt falsche Erwartungen und steht dem wirksamen Üben entgegen. Der Schwerpunkt liegt auf „Training“ und es handelt sich daher um eine aktive Methode. Vielen Menschen, die unsere Muskelentspannungsmethode kennen ler‐ nen, kommt es entgegen, dass sie für das Üben keines speziellen philosophi‐ schen Hintergrundwissens bedürfen und dass sie auch nicht Anhänger einer bestimmten religiösen Richtung sein müssen, um gute Resultate erzielen zu können. Die Methode beruht allein auf dem physiologischen Grundprinzip der Anspannung und Entspannung der Muskulatur. Und so gestaltet sich daher auch der Ablauf beim Üben: Der Übende spannt eine bestimmte Muskelpartie an, spürt der Anspannung für einen Moment nach, nimmt sie wahr und nimmt sie dann wieder zurück. Für die Teilnehmer stellen sich im Moment des Zurücknehmens der Anspannung folgende Fragen: ● Welche Unterschiede nehme ich jetzt in diesem Moment wahr? ● Was ist jetzt anders? ● Welche „Entspannungssymptome“ nehme ich vielleicht jetzt schon wahr: Ein angenehmes, entspanntes Körpergefühl. Angenehme Wärme. Schwere. Ruhe? 154 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="155"?> Sie haben in dem nachfolgenden Übungsteil selbst die Gelegenheit die Muskelentspannung auszuprobieren! Lassen Sie sich darauf ein, indem Sie die Unterschiede zwischen dem Spannungszustand zuvor und dem nachfolgenden Entspannungszustand wahrnehmen. Die Wirksamkeit muskulärer Entspannungsmethoden ist wissenschaft‐ lich vielfach überprüft. Bei regelgerechter und regelmäßiger Anwendung ist die Methode ein effizientes Verfahren und stellt eine wirksame Unterstüt‐ zung bei der Stressprävention dar. Die Methode der Progressiven Muskelentspannung ist ein regelmäßiger Bestanteil unserer Stressbewältigungstrainings und dient der Unterstützung bei persönlichen Veränderungen („Verhalten im Stress“). Gegenindikationen sind eher selten, jedoch sollte auch bei geringen Zwei‐ feln ein kompetenter Ansprechpartner (Dipl. Psych./ Arzt/ Psychotherapeut) um Rat gefragt werden. Das jeweilige Entspannungserleben wird vom Übenden subjektiv sehr unterschiedlich empfunden. Achten Sie daher beim Üben auf kleinste An‐ zeichen einer beginnenden Entspannung: Ein angenehmes, entspanntes Körpergefühl. Angenehme Wärme. Schwere. Ruhe. Orientieren Sie sich an den folgenden Empfehlungen zur Vorbereitung und Durchführung: 1) Lesen Sie die Instruktionen durch, auch mehrmals, damit Sie sich die Abfolge leichter merken können. 2) Gehen Sie die Reihenfolge der Muskelpartien zunächst im Geiste durch, merken Sie sich schon beim Lesen die Reihenfolge in der die Muskelpar‐ tien zunächst nacheinander angespannt und wieder entspannt werden: ● Muskelbereich: Hände, Arme ● Muskelbereich: Beine (Ober- und Unterschenkel), Füße ● Muskelbereich: Stirn, Augen, Augenpartie ● Muskelbereich: Mund, Lippen, Zunge, Kiefermuskeln ● Muskelbereich: Hals, Schultern ● Muskelbereich: Bauchmuskulatur ● Zum Schluss noch einmal alle Muskelpartien zusammen an- und wieder entspannen! 3) Zur Vorbereitung auf die Übungen - sorgen Sie dafür, dass Sie ca. 25-30 Minuten ungestört sind, nehmen Sie in einem Sessel oder auf einem Stuhl Platz oder legen Sie sich auf eine Übungsmatte oder eine Liege (Couch). 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 155 <?page no="156"?> 4) Folgen Sie der Instruktion: Beginnen Sie mit der „Vorbereitung auf die Übungen“ und den „Atemübungen“ (s. u. „Instruktionen zur muskulären Entspannung“). 5) Die komplette Anspannungsphase kann etwa 15-20 Sekunden lang dauern, wenn Sie das Anspannen langsam und sorgfältig ausführen und die Intensität niedrig dosieren, brauchen Sie die Zeit zum „Nachspüren“ des Spannungsgefühls. Dann wird die angespannte Muskulatur in dem Zielbe‐ reich wieder entspannt, bevor eine erneute Anspannungsphase erfolgt. 6) Hinweis: Die Anspannung der Muskulatur soll gering dosiert sein. Eine „gefühlte“ Anspannung von 30-40 Prozent ist genug! Augen und Augenpartie: max. 30 Prozent Anspannung. Die Augäpfel vertragen keinen Druck! Bitte beachten Sie: Bleiben Sie stets deutlich unterhalb von Schmerzgren‐ zen. 7) Wenn Sie nach der Übung gleich weiterarbeiten, ein Fahrzeug lenken möchten oder eine andere Ihre Aufmerksamkeit erfordernde Tätigkeit ausüben wollen, dann beachten Sie bitte: Nehmen Sie die Entspannung am Ende der Übung, soweit es die Aufmerksamkeit erfordert, zurück: Atmen Sie tief ein, spannen Sie die Hände und Arme für einen Moment fest an und öffnen Sie die Augen. 8) Wenn Sie nach der Übung Zeit zur Verfügung haben, darf die Ent‐ spannung natürlich ausgiebig (und ohne Beachtung zeitlicher Begrenzung) genossen werden. 9) Zusätzlich kann die Methode der Muskelentspannung natürlich auch als Einschlafhilfe genutzt werden. Tipp: Die Intensität der Anspannung niedriger dosieren (< 30-%). Natürlich können Sie die Instruktionen des nächsten Abschnitts zum persönlichen Gebrauch auch auf ein Diktiergerät sprechen, damit Sie die Instruktionen anhören und sich dabei ganz auf die Wahrnehmung der Muskelpartien konzentrieren können. Achten Sie dabei darauf, dass die Anspannungsphasen langsam und bewusst ausgeführt werden, die Entspan‐ nungsphasen dürfen etwas länger sein. Nochmals die Reihenfolge der Muskelpartien, die nacheinander ange‐ spannt und wieder entspannt werden: ● Muskelbereich: Hände, Arme ● Muskelbereich: Beine (Ober- und Unterschenkel), Füße ● Muskelbereich: Stirn, Augen, Augenpartie 156 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="157"?> ● Muskelbereich: Mund, Lippen, Zunge, Kiefermuskeln ● Muskelbereich: Hals, Schultern ● Muskelbereich: Bauchmuskulatur ● Zum Schluss noch einmal alle Muskelpartien zusammen anspannen! Nehmen Sie jetzt in einem Sessel, oder auf einem Stuhl Platz oder legen Sie sich bequem auf einer Unterlage zurecht. Sie sorgen dafür, dass Sie für eine Weile ungestört sind und sich ganz auf Ihren Körper und Ihr Wohlbefinden konzentrieren können. Achten Sie jetzt auf Ihre Atmung. Die Atmung passiert - ganz von selbst---ohne Ihre bewusste Einflussnahme. Beobachten Sie, wie sich beim natürlichen Einatmen die Bauchdecke hebt und beim Ausatmen wieder senkt. Wenn Sie unter Spannung stehen, wirkt das bewusste Atmen wie ein persönlicher Drehzahlbegrenzer. Atmen Sie durch die Nase ein - und durch den Mund aus. Probieren Sie nun das bewusste Atmen: Zählen Sie, während Sie durch die Nase einatmen, langsam bis drei: „Eins - zwei - drei“. Legen Sie nun die linke Hand auf Ihren Bauch und beobachten Sie, wie sich beim Einatmen die Bauchdecke hebt und beim Ausatmen wieder senkt. Atmen Sie nun wieder durch die Nase ein und zählen Sie dabei innerlich mit: „Eins - zwei - drei: “ Beim Ausatmen senkt sich die Bauchdecke wieder. Während Ihre linke Hand auf der Bauchdecke dem Rhythmus des Atems folgt, zählen Sie beim Einatmen innerlich mit. Während Sie wieder bis „3“ zählen, atmen Sie langsam durch den Mund aus. Formen Sie die Lippen beim Ausatmen zu einem leichten „O“, so dass der Luftstrom einen leisen Ton erzeugt. Während Sie nun dem Rhythmus Ihres Atems folgen - gehen Sie jetzt noch einmal die Körperpartien durch, die Sie während des Übens an- und wieder entspannen werden: durch die Hände, Unterarme, Oberarme, das Gesäß, die Oberschenkel, die Unterschenkel und Füße, dann wieder aufwärts, über Rumpf und Hals zum Kopf, dort zur Stirn, zu den Augen und der Augenpartie, zu Nase, Mund, Kiefermuskeln, zur Zunge im Mundraum, dann zu den Schultern, zur Rückenmuskulatur und schließlich zu den Bauchmuskeln … Gut so! Vielleicht schweift Ihre Aufmerksamkeit gelegentlich ab, Gedanken kom‐ men und gehen. Wehren Sie sich nicht dagegen, sondern begrüßen Sie die 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 157 <?page no="158"?> Gedanken und lassen sie dann vorbeiziehen, so wie Wolken am Horizont vorbeiziehen, wenn am Ende eines warmen Sommertages eine angenehme Brise die Wolken langsam und stetig davonträgt. Geben Sie sich dem angenehmen Gefühl der Entspannung hin, während Sie noch tiefer in die Unterlage einsinken. Schließen Sie jetzt die Augenlider leicht. Gut so! Nehmen Sie sich ein wenig Zeit für sich und Ihr Wohlbefinden, indem Sie nun den Instruktionen folgen und die positiven Anzeichen von Entspannung im Körper beobachten und genießen: Achten Sie auch auf die beginnende Wärme, Schwere, egal in welcher Körperpartie Sie sie bemerken, ob punktuell oder flächig …, tief im Köper oder auf der Oberfläche der Haut. Achten Sie auf feine Entspannungs-Zei‐ chen, denken Sie daran, dass Sie zunehmend entspannter werden. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit jetzt auf die Hände, die Unterarme und die Oberarme. Spannen Sie zuerst die Hände an, indem Sie die Fäuste ballen, spannen Sie Ihre Unter- und Oberarme an, winkeln Sie sie vor dem Brustkorb an. Steigern Sie die Spannung in den Händen und Armen allmählich - nicht zu fest - halten Sie die Spannung einige Sekunden - atmen Sie ruhig ein - und aus - lassen Sie die übrige Muskulatur des Körpers locker - und ent‐ spannen Sie dann, mit einem Mal oder allmählich, den zuvor angespannten Bereich - die Hände (lösen Sie die Fäuste wieder), die Unterarme und die Oberarme. Nehmen Sie nun den Unterschied zwischen der Anspannung zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung wahr. Beobachten Sie Ihren Körper ganz bewusst - alle angenehmen Gefühle sind Zeichen für eine beginnende Entspannung. Nehmen Sie bereits kleine Veränderungen wahr, achten Sie darauf, ob die Wärme an bestimmten Punkten besonders spürbar wird, oder ob ein ganzer Bereich angenehm warm und schwer wird. Achten Sie auf den Un‐ terschied zwischen dem Spannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung. Wiederholen Sie die Anspannung in den Händen, den Unterarmen und den Oberarmen. Ballen Sie wieder die Fäuste, steigern Sie die Spannung in den angewinkelten Armen allmählich, atmen Sie ruhig - ein und aus - halten Sie die Spannung - die übrige Muskulatur bleibt locker - spüren Sie die Spannung - und entspannen Sie dann, mit einem Mal oder allmählich, die zuvor angespannte Muskulatur. 158 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="159"?> Während Sie ruhig atmen, haben Sie das Gefühl, allmählich tiefer in die Unterlage einzusinken und Sie spüren den Unterschied zwischen dem Spannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung. Mit jedem Atemzug nehmen Sie mehr Entspannung in Ihrem Körper auf, lassen mit dem Ausatmen Restspannung aus Ihrem Körper hinaus fließen. Gehen Sie mit Ihrer Wahrnehmung nun von den Armen zu den Beinen und Füßen. Nehmen Sie den natürlichen Spannungs- oder Entspannungszustand in den Oberschenkeln, Unterschenkeln und Füßen wahr, achten Sie dabei auch auf Wärme, die Berührung der Kleidung auf Ihrer Haut - mit jedem Atemzug entwickeln Sie eine intensivere Wahrnehmung für diese Körper‐ partie. Spannen Sie nun die Oberschenkel, Unterschenkel und Füße an, die Ober‐ schenkel fühlen sich nun ganz hart an, die Wadenmuskulatur ist auch ganz fest, die Füße sind angespannt und die Zehen krallen sich nach innen, so als wollten Sie mit dem nackten Fuß ein Blatt Papier vom Boden aufnehmen. Steigern Sie die Spannung allmählich - nicht zu fest - halten Sie die Spannung - atmen Sie ruhig - ein und aus - lassen Sie die übrige Muskulatur locker - und entspannen Sie dann mit einem Mal oder allmählich. Nehmen Sie nun den Unterschied zwischen der Anspannung zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung wahr. Beobachten Sie Ihren Körper ganz bewusst - alle angenehmen Gefühle sind Zeichen für eine beginnende Entspannung. Nehmen Sie die kleinen Veränderungen zwischen dem Span‐ nungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung wahr. Lassen Sie die Muskeln noch lockerer, noch entspannter werden. Wiederholen Sie die Spannung der Oberschenkel, Unterschenkel und Füße. Spannen Sie die Oberschenkel an - Sie heben leicht von der Unterlage ab - die Unterschenkel - sie werden ganz hart - und schließlich die Füße; halten Sie die Spannung, steigern Sie die Spannung leicht - nicht zu fest - spüren Sie sie, atmen Sie ruhig - ein und aus - halten Sie die Spannung, die übrige Muskulatur bleibt locker, und entspannen Sie dann, mit einem Mal oder allmählich die zuvor angespannte Muskulatur. Während Sie ruhig atmen, sinken Sie allmählich noch tiefer in die Unterlage ein. Spüren Sie den Unterschied zwischen dem Spannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung. Mit jedem Atemzug nehmen Sie mehr Entspannung in Ihrem Körper auf und lassen mit dem Ausatmen Restspannung aus Ihrem Körper hinaus fließen. Lassen Sie nun Ihre Wahrnehmung von den Beinen zum Kopf gleiten. Gehen Sie zunächst zur Stirn und nehmen Sie die dort natürlicherweise vor‐ 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 159 <?page no="160"?> handene Spannung oder Entspannung wahr. Verändern Sie im Augenblick nichts, nehmen Sie einfach nur wahr, wie Sie es empfinden. Spannen Sie nun die Stirn an, bilden Sie Querfalten, so als ob Sie intensiv über etwas nachdenken würden. Spannen Sie die Stirn an, halten Sie die Spannung und nehmen Sie die Spannung wahr. Steigern Sie die Spannung allmählich - nicht zu fest - halten Sie die Spannung - atmen Sie ruhig ein - und aus - lassen Sie die übrige Muskulatur locker - und entspannen Sie dann mit einem Mal oder allmählich. Nehmen Sie nun den Unterschied zwischen der Anspannung zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung wahr. Die Stirn fühlt sich glatt und leer an - und angenehme Kühle breitet sich allmählich über die ganze Stirn aus. Achten Sie auf den Unterschied zwischen dem Spannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung. Wiederholen Sie die Anspannung der Stirn. Stirn leicht anspannen, Span‐ nung allmählich steigern, ruhig atmen, Spannung halten, Spannung spüren, übrige Körperpartien und Muskeln lockerlassen, um dann mit einem Mal oder allmählich die Stirn wieder vollständig zu entspannen. Beobachten Sie den Unterschied zwischen dem Spannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung - während Sie ruhig ein und ausatmen beobachten Sie, wie sich die Muskulatur der Stirn allmählich immer weiter entspannt. Spüren Sie mit jedem Atemzug Restspannung in der Stirn auf und lassen sie mit dem Ausatmen aus dem Körper hinaus fließen. Beobachten Sie, wie sich die Entspannung auf der Stirn mehr und mehr ausbreitet und auch die Kopfhaut sich immer weiter entspannt. Gehen Sie nun zu den Augen und zur Augenpartie. Nehmen Sie wahr, wie die Augen in den Augenhöhlen liegen. Die Augenlider sind jetzt leicht geschlossen. Nehmen Sie die natürliche Spannung oder Entspannung um die Augen herum wahr. Spannen Sie die Augen nun an, indem Sie die Augenlider vollständig schließen, nicht zu fest, auch die Augenpartie ist jetzt angespannt. Während Sie ruhig atmen, nehmen Sie die Anspannung wahr. Lassen Sie die übrigen Muskelpartien locker, beobachten Sie die Spannung noch einen Moment, und entspannen dann mit einem Mal oder allmählich. Nehmen Sie nun wieder den Unterschied zwischen der Anspannung zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung wahr. Die Augen liegen zunehmend locker in den Augenhöhlen, die Augenpartie entspannt sich allmählich mehr und mehr. Mit jedem Ausatmen werden die Augen und die Augenpartie lockerer und lockerer. 160 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="161"?> Wiederholen Sie die Anspannung der Augen und Augenpartie. Spannen Sie an, nicht zu fest, versuchen Sie die übrige Gesichtsmuskulatur locker zu lassen, Spannung spüren, Spannung halten und dann mit einem Mal oder allmählich entspannen. Beobachten Sie den Unterschied zwischen dem Spannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung - während Sie ruhig ein und ausatmen beobachten Sie, wie sich die vielen kleinen Muskeln der Augen allmählich immer weiter entspannen. Sie liegen nun zunehmend lockerer in den Augenhöhlen. Gehen Sie nun zum Mund, den Lippen, der Zunge und der Kieferpartie. Nehmen Sie auch hier den natürlichen Spannungs- oder Entspannungs‐ zustand wahr. Spannen Sie nun Mund und Lippen an, indem Sie die Lippen zusammen‐ pressen, drücken Sie gleichzeitig die Zunge gegen den Gaumen, Spannen Sie jetzt auch die Kiefermuskulatur an, indem Sie die Zähne leicht zusam‐ menbeißen. Nehmen Sie die Spannung wahr, atmen Sie ruhig, steigern Sie die Anspannung in den Lippen, der Zunge und der Kiefermuskulatur noch etwas, halten Sie die Spannung - und entspannen Sie mit einem Mal oder allmählich. Nehmen Sie die nun wieder den Unterschied zwischen der Anspannung zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung wahr. Die Lippen fühlen sich voller an, die Zunge liegt locker im Mundraum, die Kiefermuskulatur entspannt sich allmählich mehr und mehr. Wiederholen Sie die Anspannung. Spannen Sie Lippen, Zunge und Kiefer‐ muskulatur an, atmen Sie ruhig ein und aus, steigern Sie die Anspannung, spüren Sie die Spannung, halten Sie die Spannung, lassen Sie die übrige Muskulatur locker, um dann mit einem Mal oder allmählich zu entspannen. Beobachten Sie den Unterschied zwischen dem Spannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung - während Sie ruhig ein und ausatmen beobachten Sie, wie sich die vielen kleinen Muskeln der Augen allmählich immer weiter entspannen. Sie liegen nun wirklich locker in den Augenhöhlen. Gehen Sie nun zu den Schultern. Nehmen Sie auch hier den vorhandenen Zustand wahr. Atmen Sie ruhig, während Ihre innere Wahrnehmung auf der Schulterpartie ruht. „Tasten“ Sie mit Ihrer Wahrnehmung den Bereich der Schultern, der Schulterpartie, der Halsmuskulatur ab. Beziehen Sie auch die Rückenmuskulatur entlang der Wirbelsäule mit ein. 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 161 <?page no="162"?> Während Sie ruhig atmen, spannen Sie die Schultern an, indem Sie die Schultern in die Richtung des Kopfes hochziehen. Halten Sie die Spannung, nicht zu fest, atmen Sie ruhig ein und aus, steigern Sie die Spannung noch ein klein wenig und entspannen Sie dann mit einem Mal oder allmählich. Nehmen Sie vorsichtig ausgleichende Bewegungen mit dem Kopf vor, bewegen Sie den Kopf vorsichtig nach links, nach rechts, nach vorne und wieder zurück. Spüren Sie den Unterschied zwischen dem Anspannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung. Nehmen Sie auch die kleinen Unterschiede wahr. Während Sie ruhig atmen, spüren Sie, wie die Schultern tiefer und tiefer sinken, fast so als wären kleine Gewichte an den Ellbogen, die die Arme immer tiefer sinken lassen. Wiederholen Sie auch das noch einmal. Schultern zum Kopf hochziehen, Spannung halten, Spannung spüren, ruhig atmen, Anspannung noch etwas steigern, übrige Muskeln lockerlassen, um dann mit einem Mal oder allmäh‐ lich zu entspannen. Beobachten Sie, wie sich die Schultern jetzt wirklich tief entspannen. Lassen Sie es jetzt zu und bemerken Sie wie sich die Entspannung über den ganzen Rücken ausbreitet; lassen Sie mit jedem Ausatmen die Schultern noch tiefer sinken. Gehen Sie nun zur Bauchmuskulatur. Spüren Sie wie sich die Bauchdecke mit dem Einatmen hebt (die Bauchmuskulatur spannt sich dabei an) und beim Ausatmen wieder senkt (die Bauchmuskulatur entspannt sich wieder). Spannen Sie die Bauchmuskulatur an, indem Sie die Bauchmuskulatur leicht gegen den Hosenbund drücken, atmen Sie ruhig weiter, halten Sie die Spannung für einen Moment, spüren Sie sie und entspannen Sie dann mit einem Mal oder allmählich. Nehmen Sie wiederum den wohltuenden Unterschied zwischen dem Spannungs- und Entspannungszustand wahr. Noch einmal wiederholen: Bauchmuskulatur anspannen, ruhig atmen, Spannung halten, Spannung spüren, Anspannung leicht steigern, übrige Muskulatur lockerlassen, um dann mit einem Mal oder allmählich zu entspannen. Nehmen Sie nun auch die Unterschiede zwischen dem ersten und dem zweiten Entspannungszustand wahr. Spüren Sie Restspannung auf und lassen Sie sie mit dem Ausatmen aus dem Körper hinaus fließen. Spannen Sie nun alle Muskelgruppen, die sie zuvor getrennt angespannt haben, noch einmal an: 162 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="163"?> Die Hände zu Fäusten ballen, die Unterarme und die Oberarme anspan‐ nen, die Oberschenkel, die Unterschenkel und die Füße, die Stirn, die Augen, die Augenpartie, Lippen, Zunge, Kiefermuskulatur, die Schultern, die Bauchmuskulatur - atmen Sie ruhig ein- und wieder aus - halten Sie die Spannung, spüren Sie sie, nochmals leicht steigern und - entspannen Sie, mit einem Mal oder allmählich. Gut. Lassen Sie jetzt alle Muskeln ganz locker werden. Während Sie ruhig atmen, spüren Sie auch die Restspannung auf und sinken mit jedem Atemzug tiefer in eine angenehme, erholsame Entspannung. Wenn Sie die Entspannung zurücknehmen möchten, atmen Sie zunächst tief ein, mit dem Einatmen aktivieren Sie den Körper, recken Sie die Arme und strecken die Muskulatur und öffnen Sie die Augen und nehmen Ihre Umgebung wahr. Schätzen Sie nun bitte den Grad Ihrer Entspannung auf der „Skala zur Einschätzung der Entspannungstiefe“ ein. Erwarten Sie gerade zu Beginn der Übungen nicht zu viel! Manchmal sagen Teilnehmer nach dem ersten Übungsdurchgang: „Ich konnte keine Entspannung in den Beinen spüren“ oder „Ich habe nichts gemerkt“ oder „Ich konnte mich noch nie richtig entspannen“. Für diese Teilnehmer ist es gut, wenn Sie sich auf kleine, positive Veränderungen konzentrieren: „In den Handflächen hatte ich ein lockeres Gefühl, dort spürte ich ein bisschen Entspannung. Beim nächsten Mal werde ich darauf besonders achten“. Jeder Organismus ist entspannungsfähig. Die Übungen der Muskelent‐ spannung dienen dazu, den Unterschied zwischen dem Anspannungszustand und dem Entspannungszustand wahrzunehmen. Wenn Sie daher bei den ersten Durchgängen eine „2“ oder „3“ auf der obigen Skala ankreuzen, dann ist das Übungsziel erreicht. Zu hohe Erwartungen an sich selbst lösen Stress 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 163 <?page no="164"?> aus! Hier sollen sie lernen, Ihre Erwartungen niedriger anzusetzen und dadurch entspannter, wirksamer und effektiver zu werden. Um einen nachhaltigen Effekt aus den Übungen zu erzielen, ist es notwendig, die Übungen regelmäßig durchzuführen. Wir empfehlen die Durchführung von 1-2 Übungsdurchgängen täglich für die ersten vier Wochen. Das Minimum für das Erlernen der Muskelentspannungsmethode liegt bei drei Durchgängen pro Woche. Wenn Sie nach den ersten vier Wochen dann beginnen die Übungen in Ihrem Alltag gezielt zu integrieren und nach Bedarf anzuwenden, z. B. beim Autofahren die angespannten Schultern sinken lassen, oder bei der Bildschirmarbeit die Stirn zu entspannen, dann haben sie erfolgreich damit begonnen, die Entspannungsreaktion in Ihr Verhaltensrepertoire aufzuneh‐ men. Beobachten Sie für weitere zwei Wochen, in welchen Alltagssituationen die „spontane“ Entspannungsreaktion auftritt: Bei der Arbeit am Bildschirm, bei Gesprächen, bei Vorträgen oder Präsentationen. Welche Muskelpartien entspannen Sie immer häufiger „spontan“, d. h. also außerhalb der täglichen Übungseinheiten? Je häufiger Sie diese Reaktion bei sich beobachten, desto besser. Nach etwa 3 Monaten üben die meisten ca. dreimal wöchentlich. Beob‐ achten Sie auf jeden Fall weiter, ob die Entspannungsreaktion im Alltag erhalten bleibt. Wenn nicht: Legen Sie wieder eine Intensivphase von zwei bis drei Wochen ein, in der Sie ein bis zwei Übungsdurchgänge täglich durchführen. Kurzformen der progressiven Muskelentspannung lassen sich auch am Arbeitsplatz realisieren. Bei Stress am Schreibtisch empfiehlt sich eine Übungsfolge, deren Wirksamkeit mir von vielen Teilnehmer/ innen an Se‐ minaren zur Stressbewältigung bestätigt wurde. Die Spannung in den nachfolgend benannten Muskelgruppen sollten Sie jeweils für fünf Sekunden halten. Gehen Sie die Abfolge zweimal durch. Danach sollten Sie sich eine knappe Minute auf die tiefe Entspannung konzentrieren, die auf die Anspannungsphase erfolgt. 1. Ziehen Sie Ihre Zehen im Sitzen kopfwärts und drücken Sie Ihre Fersen kräftig zum Boden. Spannen Sie dabei Waden und Oberschenkelmusku‐ latur an! 2. Spannen Sie Ihre Gesäßmuskulatur an! 164 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="165"?> 3. Ballen Sie beide Hände zu Fäusten, strecken Sie sie neben der Sitzfläche nach unten und drehen Sie sie maximal einwärts. Ihre Schultern sollten dabei nach hinten gezogen sein. Spannen sie die Muskulatur der Schul‐ tern, Hände und Arme an. 4. Spreizen Sie maximal Ihre Finger seitlich vom Körper weg. Drehen Sie die Handflächen nach oben, wobei die Daumen nach hinten zeigen. Schneiden Sie zusätzlich Grimassen. 5. Führen Sie Ihren linken Arm hinter dem Kopf zur rechten Schulter. Drücken Sie mit dem Hinterkopf nach außen und halten Sie mit dem Unterarm dagegen. 6. Führen Sie die gleiche Anspannung mit dem rechten Arm aus. Schließen Sie nach der zweimaligen Ausführung der Abfolge Ihre Augen und konzentrieren Sie sich auf die angenehm entspannenden Effekte der Progressiven Muskelentspannung. Neben den beiden skizzierten Entspannungsverfahren Autogenes Trai‐ ning und Progressive Muskelentspannung helfen - „last but not least“ - die Überlegungen zum Regelkreis des Selbstcoachings berufliche Belastungen zu bewältigen und somit gesundheitsschädlichen Di-Stress zu reduzieren. Eine weitere, beinah esoterisch anmutende Möglichkeit erschließt sich durch Übungen zur Achtsamkeit. Nach Jon Kabat-Zinn kann man ‚sich Achtsamkeit als nicht urteilendes Gewahrsein von Moment zu Moment vor‐ stellen, ein Gewahrsein, das kultiviert wird, indem man auf eine bestimmte Weise aufmerksam ist, das heißt im gegenwärtigen Augenblick und so wenig reaktiv, so wenig urteilend und so offenherzig wie möglich‘. Der Begriff Achtsamkeit leitet sich aus dem Sanskrit-Wort ‚Sati‘ her, wel‐ ches ‚erinnern‘ bedeutet. Unter ‚erinnern‘ in diesem Sinn ist zu verstehen, sich für den gegenwärtigen Moment Bewusstheit zu verschaffen und mit jedem Gedanken und jeder Handlung darin achtsam umzugehen. Auf den Punkt gebracht, geht es bei den Übungen zur Achtsamkeit darum, das Geschehen im gegenwärtigen Augenblick, ohne zu urteilen ganzheitlich wahrzunehmen, und zwar unabhängig davon, ob eine Erfahrung angenehm oder unangenehm, schmerzhaft oder erfreulich ist - alles wird gleicherma‐ ßen bewusst wahrgenommen und allem wird der gleiche Wert beigemessen. Zudem ermöglichen Achtsamkeitsübungen, das Schöne und Gute, was wir erleben, bewusster wahrzunehmen und so besser genießen zu können. Achtsamkeit bringt uns insofern in Kontakt mit der Fülle des Lebens und der Einzigartigkeit jedes Augenblicks, indem die gegenwärtige Erfahrung 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 165 <?page no="166"?> mit einer freundlich akzeptierenden Grundhaltung, ohne zu urteilen, wahr‐ genommen wird. Achtsamkeitsübungen erfolgen in drei Schritten: 1. Innehalten 2. Wahrnehmen 3. Zurückkehren Das Üben von Achtsamkeit beinhaltet dabei, den Autopiloten, also das bewusste Abschweifen der Gedanken wahrzunehmen und achtsam und mit Geduld wieder zur gegenwärtigen Erfahrung zurückzukehren. Es wird zwischen formellen und informellen Übungen unterschieden. Bei der formellen Übung „Body Scan“ wird Schritt für Schritt der ganze Körper erforscht, in dem man zumeist liegend mit der Aufmerksamkeit systematisch durch die einzelnen Körperteile wandert und sich darin übt, das Körpergefühl zu erspüren. Das vorrangige Lernziel der Sitzmeditation besteht darin, sich immer wieder zu sammeln und zu konzentrieren, wobei Konzentration dabei nicht Anspannung bedeutet, sondern sanftes zusam‐ mentragen dessen, was zerstreut ist. Dazu gehört auch, seine Tendenz zur Selbstbewertung und Kritik wahrzunehmen und sich selbst, soweit man möchte und kann, saftmutig und mitfühlend zu begegnen. Bei der Gehmeditation wird Achtsamkeit in Bewegung erlernt, was dabei hilft, Achtsamkeit in den Alltag zu übertragen und emotionale Erregung in den Griff zu bekommen. Im Hinblick auf informelle Übungen geht es darum, alltägliche Routine‐ tätigkeiten mit Präsenz und Wachheit durchzuführen, so dass der Alltag immer stärker von Achtsamkeit durchdrungen werden kann. Möglichkeiten erschließen sich bei alltäglichen Gängen, Duschen, Warten vor roten Am‐ peln, Mahlzeiten einnehmen etc. etc. Wo und wann auch immer - jeweils wichtig ist, mit Bescheidenheit und Geduld die Übungen zu praktizieren und sie als Gelegenheit wahrzunehmen, seinen Geist in freundlicher Offenheit zu schulen und etwas Neues zu erfahren sowie lebendig und wach zu sein. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass Achtsamkeitsübungen helfen aus Gedankenkarussellen auszusteigen und sich sowohl eine innere Haltung der Achtsamkeit, sich selbst gegenüber als auch eine Wertschätzung des Augenblicks herausbildet, die sich sowohl körperlich als auch geistig positiv auswirkt und dazu beiträgt Stress zu reduzieren. Sollte durch meine Ausführungen Ihr Interesse geweckt worden sein und Sie mehr erfahren und sich autodidaktisch mit Thema ‚Achtsamkeit 166 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="167"?> üben‘ auseinandersetzen möchten, seien Sie auf den gleichnamigen Ratgeber von Michalak, Meibert und Heidenreich, sowie auf eine von den Autoren herausgegebene CD hingewiesen (siehe Literaturliste). TN: „Sicher sind sowohl die Anregungen aus dem Regelkreis des Selbstco‐ achings, die vorgestellten Tipps zur Reduzierung von Di-Stress als auch die Anwendung der modifizierten Form der Progressiven Muskelentspannung, sowie Autogenes Training und Achtsamkeitsübungen hilfreiche Werkzeuge zur Bewältigung des alltäglichen Dauerstresses - nur: Was ist zu tun, wenn ich in eine Situation gerate, in der der Druck, den ich mir selbst auferlege und der von außen an mich herangetragen wird, dazu führt, dass ich zu viel, zu lange und zu intensiv arbeite, so dass ich mich zunehmend müde, ausgelaugt, erschöpft, ja oft genug sogar resigniert, unausgeglichen und überreizt fühle? “ BT: „Ihre Darstellung entspricht im Wesentlichen dem, was der New Yorker Psychoanalytiker Dr. Herbert Freudenberger 1974 in einer Selbst‐ beschreibung als Burnout-Falle bezeichnete, in die ,the dedicated‘ (die Hin‐ gebungsvollen) und ‚the committed‘ (die ihrer Aufgabe Verpflichteten, Überidentifizierten) wegen überhöhten Engagements hineintappen. Unsere Erfahrung zeigt, dass nicht wenige Pflege- und Betreuungskräfte mit eben solchen Eigenschaften in diesen Zustand umfassender psychischer und physischer Erschöpfung geraten.“ TN: „Wodurch lässt es sich vermeiden, in diese sogenannte Burnout-Falle zu tappen bzw. wie kommt man wieder aus ihr heraus? “ BT: „Wenn wir der Konzeption Freudenbergers folgen, bietet Burnout dem Betroffenen ein eigenständiges Konstrukt, um geringere psychische Belast‐ barkeit, weniger Leistungsfähigkeit, herabgesetzte Stimmung und körperli‐ che Begleitsymptome zu thematisieren, ohne deswegen für psychisch krank gehalten zu werden. Im Hinblick auf präventive und therapeutische Strategien hat Freuden‐ berger eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, die im Wesentlichen dem Betroffenen ermöglichen, eine gesunde Distanz zum überhöhten beruf‐ lichen Engagement herzustellen. Folgen wir diesen, sollten Sie ● klären ob bzw. inwieweit Ihre Ansprüche an sich und Ihre Arbeit realistisch sind; ● konsequent Ihre Arbeitsstunden begrenzen (Freizeit = frei haben); 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 167 <?page no="168"?> ● sich klare Urlaubsregeln geben, ohne dabei Flexibilität im Hinblick auf unerwartete Aufgabenstellungen seitens Klienten bzw. Patienten einzubüßen; ● kollegiale Kontakte pflegen (z. B. in Berufsverbänden) und sich bei gutem Interaktionsklima offen mit Kollegen über Möglichkeiten austau‐ schen, wie sich Belastungen begrenzen lassen; ● an einschlägigen Veranstaltungen (Workshops, Seminaren, Vorträgen etc.) teilnehmen, um sich dort Anregungen für eine optimierte Work-Life-Balance zu holen; ● unter Anwendung der Hilfen aus dem Regelkreis des Selbstcoachings zu hohe Arbeitsbelastung vermeiden und monotonen Arbeitsabläufen vorbeugen; ● sich durch Training körperlich fit halten.“ TN: „Aber verstehen wir heute unter Burnout nicht doch mehr als den von Freudenberger beschriebenen Zustand, in dem es jemanden zwar nicht gut geht, er jedoch keineswegs psychisch krank oder gestört ist, und greifen dann die angeführten sicher wichtigen und richtigen Empfehlungen zur Distanzierung von einer beruflichen Überlastungssituation nicht zu kurz? “ BT: „Meist wird unter Burnout ein fortschreitender Prozess verstanden, der mit körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung einhergeht, und durch Stress ausgelöst wird, der nicht mehr bewältigt werden kann. Unter Kapitel Z 73 ‚Probleme und Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung‘ der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 wird das Burnout-Syndrom als Erschöpfungssyndrom aufgeführt. Demzufolge lässt sich Burnout als eigenständige Gesundheitsstörung betrachten, die einem typischen Verlauf folgt.“ TN: „Und wie genau sieht der Verlauf des Burnout-Syndroms aus? “ BT: „In einer umfassenden Synopse der in der Literatur häufig genannten Symptome hat Michael Burisch sieben Phasen der Burnout-Symptomatik benannt, von denen wir auch in unserer Praxis bei betroffenen Selbststän‐ digen eine ganze Reihe vorgefunden haben, nämlich: 1) Warnsymptome der Anfangsphase - einerseits Überengagement (u. a. Zeitnot, Verleugnung eigener Bedürfnisse), anderseits zunehmende psychische Erschöpfungszeichen (u.-a. nicht abschalten können, En‐ ergiemangel, Unausgeglichenheit); - - 168 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="169"?> 2) Reduziertes Engagement - innerliche Distanz gegenüber Klienten und Kunden, Desillusionierung, Verlust von Empathie, Zynismus, negative Einstellung zur Arbeit, Überdruss, Fluchtfantasien, Verkürzung der Arbeitszeiten, Gefühl ausgenutzt zu werden, Beruf-Familie-Probleme etc.; - - 3) Emotionale Reaktionen, Schuldzuweisung - regressive Stimmung des Versagens, reduzierte Selbstachtung, Schuld- und Insuffizienzgefühle, Depressionen, Pessimismus, Hilflosigkeit, Gefühl, festgefahren zu sein bis hin zu Selbstmordgedanken, aber auch Aggressionen in Form von Schuldvorwürfen an andere, destruktivem Kritikverhalten, Nör‐ geleien, Reizbarkeit und zunehmende Konflikte mit anderen sowie negativistische Einschätzungen; - - 4) Abbau - Reduktion der kognitiven Leistungsfähigkeit (u.-a. Konzent‐ rations- und Gedächtnisschwäche, Desorganisation etc.), der Motiva‐ tion (insbesondere reduziertes Engagement), der Kreativität (verrin‐ gerte Fantasie und Flexibilität) und deutliches Schwarz-Weiß-Denken, sowie geringere Veränderungs- und Anpassungsbereitschaft; - - 5) Verflachung - fortschreitende Verflachung des gesamten emotiona‐ len (Gleichgültigkeit), sozialen (Eigenbrötlerei) und geistigen Lebens (Vernachlässigung von Hobbys, Langeweile und Desinteresse) in Ver‐ bindung mit Rückzugsdenken; - - 6) Psychosomatische Reaktionen - Muskelverspannungen, Kopfschmer‐ zen, Magen-Darm-Störungen, Schlafprobleme, Herz-Kreislauf-Be‐ schwerden, Schwindel, Schwächung des Immunsystems etc. und nicht zu vergessen erhöhter Konsum von Alkohol, Kaffee, Tabak und ande‐ ren Drogen; - - 7) Verzweiflung - negative Einstellung zum Leben, Hoffnungslosigkeit, Gefühl der Sinnlosigkeit, existenzielle Verzweiflung bis hin zu Selbst‐ mordabsichten. Einer unserer Klienten hat in der Nachbetrachtung sein Erleben der Bur‐ nout-Symptomatik so auf den Punkt gebracht: Ich habe mich so gefühlt, als säße ich in einer Falle, aus der es kein Entrinnen gab! “ 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 169 <?page no="170"?> TN: „Damit stellen sich zwei Fragen - erstens: Woher weiß ich, dass ich in der Burnout-Falle sitze? Und zweitens: Wie komme ich da wieder raus bzw. erst gar nicht hinein? “ BT: „Um das Ausmaß der Behandlungsbedürftigkeit zu erkennen arbeiten wir sowohl in unseren Burnout-Seminaren als auch bei unseren Individual‐ beratungen und Coachings mit Burnout-Screening-Skalen. Hierbei handelt es sich um wissenschaftlich fundierte Fragebögen zur Selbstbeurteilung. Mit ihnen lassen sich subjektive psychische, physische und psychosoziale Beschwerden erfassen, die typisch für das Auftreten der Burnout-Sympto‐ matik sind. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit den Burnout-Screening-Skalen BOSS I und BOSS II gemacht, die ab einem Alter von 18 Jahren bei Männern und Frauen in allen Berufsgruppen und Lebenssituationen sowohl zur Eingangsdiagnostik als auch zur Verlaufsuntersuchung eingesetzt werden können. Mit BOSS I lassen sich Beschwerden in den Lebensbereichen Beruf, eigene Person, Familie und Freunde über einen Beurteilungszeitraum von drei Wochen erfassen. BOSS II erfragt körperliche, kognitive und emotionale Beschwerden über einen Beurteilungszeitraum von sieben Tagen. Wir bieten Ihnen über BRENDT-TRAINING@t-online.de die Möglichkeit, die Fragebögen abzurufen, die wir dann gerne gegen eine Bearbeitungsge‐ bühr für Sie auswerten und die Ergebnisse und Vorschläge zum weiteren Vorgehen in einem Telefonat zu Ihrem Wunschtermin erläutern. Schließlich besteht der erste Schritt zur Behandlung eines Burnout-Syn‐ droms darin, dass die Behandlungsbedürftigkeit vom Betroffenen akzeptiert wird. Dies dürfte jedem leichter fallen, wenn er für sich realisiert, dass es sich bei Burnout zwar um eine Gesundheitsstörung handelt, er deswegen jedoch nicht gleichzeitig psychisch krank ist. Insofern erfolgt keine Stigma‐ tisierung und der Betroffene kann sich mit einem positiven Selbstbild in die Behandlung begeben.“ Wenn Sie für sich Behandlungsbedürftigkeit erkannt haben, sollten Sie für sich Wege erschließen, um sich in optimaler Weise: ● durch Reduktion und Ausschaltung der Stressoren zu entlasten, in dem Sie konsequent den Regelkreis des Selbstcoachings anwenden; ● zu erholen, indem Sie Entspannungsverfahren einsetzen, wie z. B. die Progressive Muskelentspannung anwenden, Ihre Batterien durch Wellness, Hobbys und Freizeitaktivitäten wieder aufladen und durch Sport Ihre Fitness optimieren; 170 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="171"?> ● zur Besonnenheit zu ermahnen, indem Sie Perfektionismus und Selbst‐ überforderung begrenzen, sich gegenüber überzogenen Forderungen wappnen und eigenen Bedürfnissen angemessenen Raum geben. Wir können es auch ganz einfach auf den Punkt bringen - Wenn es Ihnen gelingt, die in diesem Band vorgestellten Empfehlungen in die Tat umzusetzen, sind Sie nicht nur auf dem besten Weg, chronischen Di-Stress zu bewältigen, sondern legen auch den Grundstein für eine erfolgreiche Burnout-Abwehr. Darüber hinaus verfügen Sie über effektive Mittel, aus eigener Kraft die Burnout-Symptomatik anzugehen. Sollten Sie jedoch schon so tief in der Burnout-Falle stecken, dass Sie therapeutische Unterstützung in Anspruch nehmen möchten, sollten Sie sich zunächst ein wenig Zeit nehmen und in Ruhe Ihre Situation klären, bevor Sie sich an einen Gesprächspartner Ihres Vertrauens wenden. In diesem Zusammenhang haben sich folgende Fragen als überaus hilfreich erwiesen: ● Was verursacht mein aktuelles Problem? ● Was habe ich bisher dagegen unternommen? ● Wie möchte ich künftig vorgehen? Durch die sorgfältige, schriftliche Beantwortung dieser drei Fragen, ver‐ schaffen Sie sich nicht nur einen guten Überblick über Ihre Gesamtsituation, sondern legen auch den Grundstein dafür, dass Ihr Gesprächspartner ge‐ meinsam mit Ihnen Ziele und Methoden für das weitere Vorgehen abstim‐ men kann. Sollten Sie in dieser Hinsicht Beratungsbedarf haben, stehen wir Ihnen diesbezüglich ebenso gerne über BRENDT-TRAINING@t-online.de zur Ver‐ fügung wie bei der Implementierung eines Systems zur Gefährdungsbeur‐ teilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz in Ihrer Einrichtung. Als Ende 2013 der Gesetzgeber alle Arbeitgeber dazu verpflichtete, auch für psychische Belastungen eine Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz durchzuführen, gab es nicht wenige in Pflege und Betreuung, die dieses Instrument als eine weitere lästige Vorgabe angesehen haben. Demgegen‐ über zeigen unsere Erfahrungen, dass der durch eine Gefährdungsbeurtei‐ lung psychischer Belastungen angestoßene Prozess eine echte Chance für eine gesundheitsförderliche Organisationsentwicklung darstellt und den Führungskräften Unterstützung bei ihren Bemühungen um gesundheitsori‐ 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 171 <?page no="172"?> entierte Führung bietet. Basierend auf den Empfehlungen der Träger der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung haben wir ein Vorgehen entwickelt, welches in einem zeitlich und wirtschaftlich günstigen Verhält‐ nis eine effektive Möglichkeit darstellt, die vom Gesetzgeber eröffnete Chance zum Einsatz eines zielgerichteten und wirkungsvollen Instrument zur Gestaltung gesunder Strukturen zu nutzen. Die folgenden Ausführungen in diesem Kapitel sind der Beschreibung der von uns entwickelten Methodik gewidmet. TN: „Was genau ist eigentlich unter psychischen Belastungen zu verstehen? “ BT: „Nach der Norm DIN EN ISO 10075 ‚Ergonomische Grundlagen psychi‐ scher Arbeitsbelastung‘ werden psychische Belastungen als ‚die Gesamtheit der erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken‘ definiert. Als psychisch bedeutsame Einflüsse lassen sich dabei vielfältige Aspekte anführen, wie beispielsweise die Ar‐ beitsintensität, die Dauer und Verteilung der Arbeitszeit oder die soziale Unterstützung am Arbeitsplatz. Psychische Belastung ist insofern als wert‐ neutral zu verstehen, als eine Arbeit ohne psychische Belastung genauso wenig denkbar ist wie eine Arbeit ohne körperliche Belastung. So wie körperlich beanspruchende Tätigkeiten (z. B. Heben und Tragen schwerer Lasten, Umgang mit Gefahrstoffen) bergen auch psychische Belastungen (z. B. Leistungsanforderung, zu viel Arbeit, soziale Konflikte, Zeitdruck, Störungen) gesundheitliche Risiken in sich. Dementsprechend sind auch psychische Belastungen der Arbeit in einer Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen.“ TN: „Welche Vorgehensweise schlagen Sie vor? “ BT: „Da sich die Gefährdungsbeurteilung auf konkrete betriebliche Bedin‐ gungen und Tätigkeiten beziehen soll, setzt ihre Planung und Umsetzung voraus, dass die an ihr Beteiligten, sowohl das Tätigkeitsspektrum als auch die unterschiedlichen Arbeitsaufgaben und -anforderungen in ihrem Arbeitsumfeld kennen. Von daher ist die Mitwirkung von fachkompetenten Beschäftigten bedeutsam, um Gefährdungen erkennen und gezielt einleiten zu können, die von allen Organisationsmitgliedern akzeptiert und mitgetra‐ gen werden. Wir können im Hinblick auf unseren Ansatz zur nachhaltigen Implemen‐ tierung von Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen sowohl in Industrieunternehmen als auch in Dienstleistungsunternehmen auf gute Erfahrungen verweisen. Unser Ansatz beruht vor allem darauf, dass wir in 172 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="173"?> Workshops mit Hilfe eines Leitfadens zielgerichtet erfassen, wie die Mitar‐ beiter ihre subjektive, personenabhängige Wahrnehmung der Arbeitssitua‐ tion und damit möglicherweise zusammenhängende gesundheitliche Folgen bewerten. Mit dem Workshop beginnt ein kontinuierlicher Prozess indem Arbeitsbereiche und Tätigkeiten festgelegt, psychisch bedeutsame Einflüsse gemäß § 5 ArbSchG, Ziffer 6, sprich Gefährdungen anschließend ermittelt und beurteilt, konkrete Maßnahmen festgelegt und durchgeführt sowie die Überprüfung der Maßnahmen im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und das Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilung gesichert werden. Dieser Prozess orientiert sich an den in der GDA-Leitlinie ‚Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation“ vorgeschlagenen sieben Schritten: 1. Festlegen von Tätigkeiten/ Bereichen 2. Ermittlung der psychischen Belastung der Arbeit 3. Beurteilung der psychischen Belastung der Arbeit 4. Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen 5. Wirksamkeitskontrolle 6. Aktualisierung/ Fortschreibung 7. Dokumentation und wird, wie in § 13 Abs.2. ArbSchG gefordert, von einer ‚fachkundigen Person‘ moderiert. Bei Unternehmen mit mehr als 21 Mitarbeitern empfiehlt sich, den Arbeitssicherheitsausschuss (ASA) als Steuerungsgremium mit einzubeziehen. 1) Festlegen von Tätigkeiten/ Bereichen Um zu gewährleisten, dass sich die Gefährdungsbeurteilung auf konkrete Bedingungen und Tätigkeiten, im Betrieb bezieht, werden zunächst Tätig‐ keiten und/ oder Bereiche für Workshops festgelegt, die im Hinblick auf die psychische Belastung gleichartig sind. Sodann werden Workshop-Teil‐ nehmer ausgewählt, die das ausgewählte Tätigkeitsspektrum überblicken und die unterschiedlichen Arbeitsaufgaben- und Anforderungen kennen und über ihre Basiskenntnisse hinaus sich aufgeschlossen der Thematik annehmen möchten. Es empfiehlt sich eine Begrenzung der Teilnehmer‐ zahl auf acht Personen, die sich idealerweise aus dem Fachbereichsleiter, einem Betriebsrat, der Fachkraft für Arbeitssicherheit oder dem zuständigen Sicherheitsbeauftragten und fünf weiteren, im Hinblick auf ihre Aufgaben‐ stellung, ihre hierarchische Position und ihr (Dienst-)Alter verschiedenen 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 173 <?page no="174"?> Mitarbeiter zusammensetzen sollte. Die Moderation erfolgt durch einen externen Coach. 2) Ermittlung der psychischen Belastung der Arbeit In den von uns moderierten Workshops hat es sich bewährt, auf die in der GDA-Leitlinie ‚Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz‘ zuzugreifen, in der die wesentliche Belastungsfaktoren aufgeführt werden (vgl. www.gda-psyche.de). Hier werden mit ‚Arbeitsin‐ halt/ Arbeitsaufgabe‘, ‚Arbeitsorganisation‘, ‚Soziale Beziehungen‘, ‚Arbeits‐ umgebung‘ und ‚Neue Arbeitsformen‘ fünf Merkmalsbereiche beschrieben. Den Merkmalsbereichen sind die Inhalte der Gefährdungsbeurteilung und diesen die jeweils mögliche kritische Ausprägung zugeordnet. Diese Aus‐ wahl haben wir in ein Raster überführt, wobei wir auch darauf geachtet haben, dort nicht erfasste Faktoren berücksichtigen zu können. Es ergibt sich ein vierseitiges Raster, welches am Ende des Buchs vollständig abgebildet ist. Das Raster bietet nicht nur die Möglichkeit, in Frage kommende Belastungen schrittweise zu analysieren und ggf. zu ergänzen, sondern kann auch zur Bearbeitung in den fünf folgenden Phasen genutzt werden. 3) Beurteilung der psychischen Belastung der Arbeit Nehmen wir als Beispiel die erste Seite unseres Rasters zum Merkmals‐ bereich ‚Arbeitsaufgabe/ -inhalte‘. In der Spalte Tätigkeitsmerkmale ist ‚Vollständigkeit der Tätigkeit‘ als möglicher Belastungsfaktor aufgeführt und darunter das Ziel für dieses Tätigkeitsmerkmal beschrieben. Die Work‐ shop-Teilnehmer analysieren den IST-Zustand dahingehend, ob im Hinblick auf das Ziel, dem anzustrebendem SOLL (‚Möglichst geschlossene und umfassende Arbeitsabläufe mit vorbereitenden, ausführenden und nachbe‐ reitenden Aufgaben‘) Handlungsbedarf besteht oder nicht und kreuzen dementsprechend das Ergebnis ihrer Analyse in der der Spalte ‚Handlungs‐ bedarf ‘ an. 4) Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen Bei Handlungsbedarf werden aus dem Ergebnis der Analyse Vorschläge abgeleitet, nachvollziehbar begründet und in der Spalte ‚Maßnahmen‘ fest‐ gehalten. Maßnahmen, die sich auf betriebliche Verhältnisse (Organisation, Struktur, Prozesse, Tätigkeiten) beziehen sind dabei gegenüber Vorschlägen 174 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern <?page no="175"?> zur Verhaltensänderung der Mitarbeiter zu bevorzugen. Werden mehrere Maßnahmen vorgeschlagen, sind diesbezüglich Prioritäten zu setzen, wobei in der Spalte ‚Durchführung‘ konkret festgehalten wird, wer bis wann für die Umsetzung verantwortlich ist. 5) Wirksamkeitskontrolle In der Spalte ‚Wirksamkeitskontrolle‘ wird nachvollziehbar festgehalten, was wann gemacht worden ist, z. B. ‚mündliche Nachfragen im Rahmen einer Begehung‘ oder ‚schriftliche Kurzbefragungen der Mitarbeiter im betreffenden Fachbereich‘. 6) Aktualisierung/ Fortschreibung Die Gefährdungsbeurteilung wird turnusmäßig jährlich geprüft. Sollten sich Gegebenheiten infolge von Restrukturierung, Reorganisation von Tätigkei‐ ten und Abläufen, Anschaffung neuer Maschinen, auffälligen Häufungen von Fluktuation, Beschwerden oder Gesundheitsbeeinträchtigungen, die auf Gefährdungen durch psychische Belastung bei der Arbeit hindeuten, sowie neue arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen oder sich Ar‐ beitsschutzverschriften geändert haben, ist die Gefährdungsbeurteilung gemäß § 3 Abs. 1 ArbSchG zu aktualisieren. 7) Dokumentation Unser Raster erfüllt die Mindestvorschriften gemäß § 6 ArbSchG und enthält alle in der GDA-Leitlinie ‚Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation“ empfohlenen Punkte: ● Beurteilung der Gefährdungen ● Festlegung konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen einschließlich Termi‐ nen und Verantwortlichkeiten ● Durchführen der Maßnahmen ● Überprüfung der Wirksamkeit ● Datum der Erstellung Das vierseitige Raster ist auf den Folgeseiten abgebildet. Raster GDA-Leitlinie wäre hier anzufügen. 9 Stress bewältigen - Burnout verhindern 175 <?page no="176"?> 10 Literaturverzeichnis Badura, B., Ducke, A., Schröder, H., Klose, J., Meyer, M. (2016). Fehlzeiten-Report 2016, Berlin Heidelberg: Springer Bamberg, E. (Hrsg.), Ducki, A., Metz, A.-M. (1998). Handbuch betriebliche Gesund‐ heitsförderung, Göttingen: Verlag für angewandte Psychologie Bechtel P., Smerdka-Arhelger I. (2012). Pflege im Wandel gestalten - Eine Führungs‐ aufgabe, Berlin Heidelberg: Springer Brendt, D., Amberg J. (2018). Mitarbeiterführung - erfolgreich und praxisorientiert, Renningen: Expert Verlag Brendt, D., Hühnerbein-Sollmann, C. (2. Neu bearbeitete Aufl. 2017), Gesundheits‐ management als Führungsaufgabe, Renningen: Expert Verlag Brendt, D., Hühnerbein-Sollmann, C. (2009), Zeitmanagement im Auslandseinsatz. Anleitung zum Selbst-Coaching für ein optimales Zeit-, Ziel- und Ressourcenma‐ nagement, Renningen: Expert Verlag Brendt, D., Sollmann, C. (2. Überarbeitete und erweitere Aufl. 2020), Zeitmanage‐ ment für den öffentlichen Dienst. Renningen: Expert Verlag Brendt, D., Sollmann C. (2012), Burnout am Arbeitsplatz, Renningen: expert verlag Brengelmann, J.C. (1993), Erfolg und Streß, Weinheim: Beltz Burisch, M. (2006), Das Burnout-Syndrom (3. Auflage), Heidelberg: Springer Crisan/ Lyon (1991), Anti-Stress-Training (2. Auflage), Heidelberg: Sauer Dogs, W. (1991), Konzentrative Entspannungstherapie (18. Aufl.), Duisburg: Braun Gerbitz, G. (1996). Weniger ist mehr (2. Aufl.), Renningen: expert verlag Gros, E. (Hrsg.) (1994). Anwendungsbezogene Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie, Göttingen: Verlag für Angewandte Psychologie Hagemann, W., Greulich, K. (2009), BOSS, Göttingen: Hogrefe Hawking, S. (1998), Eine kurze Geschichte der Zeit, Reinbek: Rowohlt Hofmann, E. (1999), Progressive Muskelentspannung, Göttingen: Hogrefe Hofmann, E. (2001), Weniger Stress erleben, Neuwied---Kriftel: Luchterhand Hoffman, B. (1990), Handbuch des autogenen Trainings (10. Aufl.), München: dtv Hornung, J. (2013), Nachhaltiges Personalmanagement in der Pflege, Berlin Heidel‐ berg: Springer Hühnerbein-Sollmann, C. (2004), Die 7 Prinzipien des Zeit-, Ziel- und Ressourcenma‐ nagements für Führungskräfte und Mitarbeiter in verantwortlichen Positionen, tc-medien Jaggi, F. (2008); Burnout - praxisnah, Stuttgart: Thieme <?page no="177"?> Kaluza, G. (2015), Stressbewältigung (3.Aufl.), Heidelberg: Springer Kleinmann, M.; König, C. (2018). Selbst- und Zeitmanagement, Göttingen: Hogrefe Köster, R. (1996), Seelische Risikofaktoren erkennen, überwinden! , Rennigen: expert verlag Kotsou, I. (2018), Achtsamkeit (9. Aufl.), Berlin München: Trinity Verlag Krick A., Felfe J., Renner K.-H. (2018), Stärken- und Ressourcentraining, Göttingen: Hogrefe Kunhardt, G u. M. (2004). Das Minutentraining (4. Auflage), Frankfurt: Campus Kunhardt, G u. M. (2007). Keine Zeit und trotzdem fit, Frankfurt: Campus Lakein, A. (1973). How to get control of your time and your life, New York: New American Library Lewin, K. (1935). A Dynamic Theory of Personality, Columbus OH: McGraw-Hill Majetschak, B. (2007). Microsoft Office Outlook 2007. Das Handbuch. Insider- Wissen - praxisnah und kompetent, Unterschleißheim: Microsoft Press Maslow, A.H. (2002). Motivation und Persönlichkeit, Reinbek: Rowohlt Mackenzie, R. A. (1974). Die Zeitfalle. Sinnvolle Zeiteinteilung und Zeitnutzung, Heidelberg: Sauer Verlag Michalak J., Meibert P., Heidenreich T. (2018). Achtsamkeit üben. Göttingen: Hogrefe Michalak J., Meibert P., Heidenreich T. (2018). Achtsamkeitsübungen. Audio-CD. Göttingen: Hogrefe Mittag, M. (2008). Blitzschnell frisch und ausgeglichen, Frankfurt: Campus Müller-Klement, K.G. & Seiwert, L. J. (1991). Zielwirksam arbeiten. Technik, Methodik und Praxis des persönlichen Zeitmanagements, Renningen: Expert Verlag Peter, L. J., Hull, R. (2001). 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Personalentwicklung in Pflege- und Gesundheits‐ einrichtungen, Berlin Heidelberg: Springer Unger H.P., Kleinschmidt C. (2007). Bevor der Job krank macht (3. Aufl.), München: Kösel Van Stappen A., (2017). Grenzen setzen - Nein sagen (6. Aufl.), München: Trinity Verlag Vester, F. (1976), Phänomen Stress, Stuttgart Wendsche, J., Lohmann-Haislah, A. (2018). Arbeitspausen gesundheits- und leis‐ tungsförderlich gestalten. Göttingen: Hogrefe Wenninger, G. (2015). Stresskontrolle und Burnout-Prävention (2. Aufl.). Kröning: Asanger Verlag Zeit. Das ewige Rätsel (2005). Aus der Reihe: GEO WISSEN Nr. 36 (Die Zeit). Gruner + Jahr 178 10 Literaturverzeichnis <?page no="179"?> 11 Autorenprofil Dieter Brendt, geb. 1954, Diplompsychologe, ABO-Psychologie, RWTH Aachen, Supervisor, BDP, Fortbildungen in AT, PMR, TA, RET und NLP. Bis 1989 langjährige Berufserfahrungen als Techniker (zuletzt in leitenden Positionen: Dienstellenleiter beim Deutschen Wetterdienst, geschäftsfüh‐ render Bereichsleiter in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung). Studium über den 2. Bildungsweg, finanziert über unternehmerische Tätig‐ keiten im Baugewerbe. Seit 1989 (nach einer Trainee-Ausbildung im Pädagogischen Institut für die Wirtschaft) inzwischen freiberuflich als Coach, Trainer und Personalberater in Industrie und Öffentlichen Dienst (hier insbesondere Pflege und Betreu‐ ung) bundesweit tätig. Tätigkeitsfelder: Zeit- und Selbstmanagement Führung / Kommunikation und Kooperation / Teamentwicklung Coaching / Supervision Kontakt: BRENDT-TRAINING@t-online.de Dieter Brendt Mechtildisstrasse 33 52066 Aachen <?page no="180"?> Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Entwicklung der Arbeitsunfähigkeitstage je 100 AOK-Mitglieder nach Krankheitsarten im Gesundheits- und Sozialwesen lt. Fehlzeitenreport 2016 von 2001 bis 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Abb. 2: Regelkreis des Selbst-Coachings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Abb. 3: BIP-Dimension „Handlungsorientierung (HO)“ bei 6-Bereichsleitern eines Anbieters für Betreuungsleistungen . . . . . . . . . 13 Abb. 4: Sägezahneffekt bei Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Abb. 5: Prozentuale Verteilung der erreichten Punktzahlen im ‚Fragebogen zur Beurteilung der eigenen Arbeit‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Abb. 6: Wohlgeformte Ziele im ,SPECI‘-Format . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Abb. 7: SMART(e) Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Abb. 8: Eisenhower-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Abb. 9: Leistungskurve im Tagesverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Abb. 10: Leistungskurven von Morgen- und Abendtypen . . . . . . . . . . . 108 Abb. 11: Reifegradmodell nach Hersey / Blanchard . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Abb. 12: Schematischer Ablauf des Allgemeinen Adaptionssyndroms . 145 <?page no="181"?> Ziel = SOLL Möglichst geschlossene und umfassende Arbeitsabläufe mit vorbereitenden, ausführenden und nachbereitenden Aufgaben Klare Zuständigkeiten, zumutbare Verantwortung (bei angemessener Qualifikation, Handlungsspielräumen und ggf. Unterstützung) Notwendige Informationen zum passenden Zeitpunkt in geeigneter Darstellung, Vermeidung unnötiger Informationen Möglichst große inhaltliche und zeitliche Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf Arbeitsinhalte, Methoden und Abläufe Kompetenz im Umgang mit belastenden Situationen/ Widerspruch zwischen zu zeigenden und erlebten Gefühlen, Unterstützung Geistig und körperlich abwechslungsreiche und damit Konzentration anregende Tätigkeiten Anforderungsgerechte Qualifikation (fachspezifisch und -übergreifend), adäquater Einsatz <?page no="182"?> Ziel = SOLL Übereinstimmung von Anforderungen und Realisierungsbedingungen, widerspruchsfreie Aufträge, Vermeidung unnötiger Änderungen Günstige Arbeitszeitmodelle (keine dauerhaften Überstunden/ kein permanenter Zeitdruck, Berücksichtigung persönlicher Bedürfnisse/ Pausen) Realistische Zeitvorgaben, ausgeglichene und verlässliche Arbeitszuweisung (ansonsten Zeitpuffer) Vermeidung unnötiger Störungen und Unterbrechungen, voraussehende Planung, frühzeitige Information über Abweichungen Angemessene, konstruktive Rückmeldung über Aufgabenerledigung und eigene Leistung Betriebliche Abläufe, Entscheidungen und Perspektiven sind transparent und nachvollziehbar <?page no="183"?> Ziel: Wertschätzung der Person, klare Vorgaben, fördernde Rückmeldung zur Leistung, Unterstützung bei Problemen Frühzeitige und konstruktive Thematisierung von Konflikten, keine Ausgrenzung einzelner Personen oder Gruppen Funktionierende fachliche und soziale Kommunikation, Kooperation bzgl. Aufgabenerledigung, gegenseitige Unterstützung Frühzeitiger, angemessener Informationsaustausch z.B. bei Änderungen von Vorgaben, gewohnten Betriebsabläufen, Störfällen… Beteiligung von Mitarbeitern an Entscheidungen, konstruktives Vorschlags-/ Beschwerdewesen Angemessene Qualifizierungsangebote und fördernde, langfristige berufliche Entwicklungsmöglichkeiten Betriebliche Gemeinschaftsaktivitäten und Gesundheitsangebote, Unterstützung an der Schnittstelle Beruf/ Privatleben Berücksichtigung besonderer Bedürfnisse z.B. von Behinderten, älteren Arbeitnehmern, Jugendlichen, Alleinerziehenden, Schwangeren Leistungsgerechte Bezahlung, Arbeitssicherheit, soziale Sicherheit (soweit betrieblich beeinflussbar) <?page no="184"?> Ziel: Vermeiden subjektiv störender oder vegetativ beeinträchtigender Geräusche Zuträgliche und angenehme klimatische Bedingungen mit Berücksichtigung auch des individuellen Empfindens Optimale Beleuchtung im Hinblick auf Aufgabe und persönliche Bedürfnisse (z.B. ältere Mitarbeiter) Ergonomische Arbeitsmittel (Bildschirm, Softwareergonomie…) / Ausreichendes Wissen über Art der Gefährdung, Möglichkeit der Umsetzung der erforderlichen Schutzmaßnahmen, möglichst keine störenden Geruchsbelästigungen Ausreichendes Wissen und Möglichkeit der Umsetzung der erforderlichen Schutzmaßnahmen Vorrang von technischen vor persönlichen Schutzmaßnahmen, sofern PSA erforderlich, geringst mögliche Beeinträchtigung / Werden thematisiert, ernst genommen und ggf. erforderliche Schutzmaßnehmen umgesetzt. <?page no="186"?> Fitte Mitarbeitende & Fitte Unternehmen Unser Coaching ist keine Beratung „von der Stange“, sondern richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen der Teilnehmenden im Rahmen der Zielsetzung des Beratungsauftrages, zielt immer auf die Förderung von Selbstreflexion und -wahrnehmung, Bewusstsein und Verantwortung, dient zur Erweiterung und/ oder Flexibilisierung ihrer Möglichkeiten Unsere Themen: Sich selbst und Mitarbeitende gesundheitsgerecht führen Stressbewältigung Burnout-Vermeidung Management des Arbeits- und Gesundheitsschutzes Implementierung gesundheitsgerechter Arbeitsbedingungen Förderung von Arbeitsmotivation und Gesundheit Betriebliche Suchtprävention Problembezogene Maßnahmen bei kontraproduktiven Verhaltensweisen Teilnehmende und Coach arbeiten auf gleicher „Augenhöhe“ auf der Basis einer tragfähigen und durch gegenseitige Akzeptanz und Vertrauen gekennzeichneten Beratungsbeziehung. Die Teilnehmenden erhalten „Hilfe zur Selbsthilfe“ in Form von Prozessberatung. Optimieren Sie Ihre Personalentwicklung durch die Kompetenz unserer Profit-Coachs Dipl.-Psych. D. Brendt Brendt Training, Aachen Nach langjährigen vielseitigen Berufserfahrungen in leitenden Positionen auf dem zweiten Bildungsweg Studium der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie. Fort- und Weiterbildungen in Transaktionsanalyse, NLP, Rational-Emotives Training, Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung. Supervisor BDP. Seit 1989 freiberuflicher Trainer, Berater und Coach. Kontakt: BRENDT-TRAINING@t-online.de <?page no="187"?> BUCHTIPP Sind Sie ständig unter Spannung und kriegen es trotzdem nicht gebacken? Dann ist es höchste Zeit, auf die Stressbremse zu treten. Gewinnen Sie langfristig mehr Power, Klarheit, Gelassenheit und Lebensqualität. Negativer Stress macht uns krank, positiver Stress dagegen hilft wie ein guter Freund, unsere Ziele privat, in Studium und Beruf zu erreichen. Auch der Erfolg von Organisationen hängt entscheidend davon ab, ob sie sich den Stress zum Freund oder Feind machen - einem Freund, der sie beflügelt, oder einem Feind, der ihnen das Leben schwer macht. Das Buch hilft Ihnen, mit erprobten Strategien und greifbaren Ansätzen des präventiven Stressmanagements Intention, Intuition und Aktion in Einklang zu bringen. Finden Sie Ihren gesunden Rhythmus zwischen Anspannung und Entspannung. Die neuesten Entwicklungen in der Arbeitswelt wie Digitalisierung, Homeoffice und New Work werden berücksichtigt. Ludwig Bieser Stress - Freund oder Feind? Finden Sie Ihren perfekten Stress-Rhythmus 1. Auflage 2023, 221 Seiten €[D] 26,90 ISBN 978-3-8252-6074-3 eISBN 978-3-8385-6074-8 expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="188"?> ISBN 978-3-8252-6158-0 Das Burnout-Risiko ist wohl nirgendwo sonst so stark ausgeprägt wie in Heil-, Pflege- und Betreuungsberufen. In diesem Buch werden die Methoden des Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagements speziell an den Bedürfnissen der Zielgruppe der Heil-, Pflege- und Betreuungskräfte ausgerichtet. Die Methoden sollen die Selbstorganisation verbessern und damit den Arbeitsalltag erleichtern. Zudem werden ihnen Wege zur Stressprävention und Burnoutvermeidung erschlossen. Gesundheit Dies ist ein utb-Band aus dem expert verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehr- und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel