eBooks

Wissenschaftliches Schreiben mit KI

0317
2025
978-3-8385-6365-7
978-3-8252-6365-2
UTB 
Isabella Buck
10.36198/9783838563657

Künstliche Intelligenz sinnvoll in den wissenschaftlichen Schreibprozess zu integrieren, ohne dabei die Verantwortung für den eigenen Text abzugeben - wie das gelingt, zeigt Isabella Buck in ihrem Buch. Sie erklärt Begrifflichkeiten und Funktionsweisen und geht auf Herausforderungen bei der Anwendung, wie ethische und datenschutzrechtliche Aspekte, ein. Anschließend erläutert sie verschiedene Nutzungsmöglichkeiten von generativer KI beim wissenschaftlichen Schreiben und zeigt, wie Prompting gelingen kann. Schritt für Schritt legt sie dar, wie sich KI-Tools in die zentralen Teilaufgaben des wissenschaftlichen Schreibens integrieren lassen und wie ein Einsatz im Sinne guter wissenschaftlicher Praxis aussehen kann. Ein aufschlussreiches Buch für Studierende mit erster Erfahrung im wissenschaftlichen Schreiben und romovierende aller Fachrichtungen.

<?page no="0"?> Isabella Buck Wissenschaftliches Schreiben mit KI Studieren, aber richtig <?page no="1"?> utb 6365 Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Brill | Schöningh - Fink · Paderborn Brill | Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen - Böhlau · Wien · Köln Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Narr Francke Attempto Verlag - expert verlag · Tübingen Psychiatrie Verlag · Köln Psychosozial-Verlag · Gießen Ernst Reinhardt Verlag · München transcript Verlag · Bielefeld Verlag Eugen Ulmer · Stuttgart UVK Verlag · München Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld Wochenschau Verlag · Frankfurt am Main <?page no="2"?> Dr. Isabella Buck ist Linguistin, Schreib- und Hochschuldidaktikerin. Sie leitet das Competence & Career Center der Hochschule RheinMain und ist freiberuflich als Trainerin im Bereich „KI in Studium und Lehre“, insbesondere zu KI und wissenschaftlichem Schreiben, tätig. Sie ist Mitglied im Kernteam des Virtuellen Kompetenzzentrums Künstliche Intelligenz und wissenschaftliches Arbeiten (VK: KIWA) und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Schreibdidaktik und Schreibforschung (gefsus). Studieren, aber richtig Herausgegeben von Michael Huter, Huter & Roth, Wien Die Bände behandeln jeweils ein Bündel von Fähigkeiten und Fertigkeiten. Das gesamte Paket versetzt Studierende in die Lage, die wesentlichen Aufgaben im Studium zu erfüllen. Die Themen orientieren sich an den wichtigsten Situationen und Formen des Wissenserwerbs. Dabei werden auch das scheinbar Selbstverständliche behandelt und die Zusammenhänge erklärt. Weitere Bände: Otto Kruse: Lesen und Schreiben (utb 3355) Theo Hug, Gerald Poscheschnik: Empirisch Forschen (utb 3357) Gerlinde Mautner: Wissenschaftliches Englisch (utb 3444) Jasmin Bastian, Lena Groß: Lernen und Wissen (utb 3779) Melanie Moll, Winfried Thielmann: Wissenschaftliches Deutsch (utb 4650) Sabine Dengscherz, Michèle Cooke: Transkulturelle Kommunikation (utb 5319) Steffen-Peter Ballstaedt: Wissenschaftliche Bilder: gut gestalten, richtig verwenden (utb 6031) Gerlinde Mautner, Christopher Ross: English Academic Writing (utb 6028) Klaus Niedermair: Recherchieren, Dokumentieren, Zitieren (utb 3356) Otto Kruse: Kritisches Denken und Argumentieren (utb 4767) <?page no="3"?> Isabella Buck Wissenschaftliches Schreiben mit KI UVK Verlag <?page no="4"?> DOI: https: / / doi.org/ 10.36198/ 9783838563657 © UVK Verlag 2025 ‒ Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro‐ verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor: innen oder Heraus‐ geber: innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor: innen oder Herausgeber: innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung Druck: Elanders Waiblingen GmbH utb-Nr. 6365 ISBN 978-3-8252-6365-2 (Print) ISBN 978-3-8385-6365-7 (ePDF) ISBN 978-3-8463-6365-2 (ePub) Umschlagabbildung: © iStock - nuttapong punna Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="5"?> 7 9 1 11 2 23 2.1 24 2.2 28 2.3 35 2.4 39 3 65 3.1 66 3.2 72 3.3 76 3.4 85 3.5 95 3.6 99 4 119 4.1 120 4.2 123 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Worum es in diesem Buch geht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was ich über KI wissen sollte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halluzinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissenschaftliches Schreiben in a nutshell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . KI-Tools ≠ keine eigene Arbeit mehr nötig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzungsszenarien von KI-Tools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gute wissenschaftliche Praxis beim Einsatz von KI-Tools . . . . . . . Auswahl von KI-Tools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prompting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe . . . . . . . . . . . . Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 4.3 149 4.4 174 4.5 184 4.6 194 5 215 227 Literaturarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenerhebung/ -aufbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rohfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wohin die Reise (vielleicht) gehen wird . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> 1 Um es etwas präziser zu machen: Peter Gostev (2024b) schrieb im August 2024, dass ein KI-Sprachmodell in den letzten sechs Monaten durchschnittlich nur drei Wochen an der Spitze der LMSYS Chatbot Arena rankte (eine Plattform, die KI-Sprachmodelle hinsichtlich ihrer Leistung vergleicht), bevor es von einem anderen Sprachmodell verdrängt wurde. Vorwort In einer Zeit, in der sich die Welt durch Künstliche Intelligenz (KI) rasant entwickelt, mag ein gedrucktes und damit ‚statisches‘ Buch unzeitgemäß erscheinen. Wie Ethan Mollick treffend bemerkt, scheint es so, als würde KI jede Woche mit einem „neuen Wunder oder einer neuen beunruhigenden Entwicklung“ um die Ecke kommen (Mollick, 2024a, S. xv; Übersetzung I. B.). Angesichts dieser Dynamik stellt sich in der Tat die Frage, ob die traditionelle Buchform noch geeignet ist für ein so schnelllebiges Thema. Ich bin bei gefühlt hunderten KI-Newslettern registriert und erhalte so mehrmals täglich neue Meldungen in meine Inbox gespült. Dabei vergeht kein Monat ohne Schlagzeilen zu einem neuen Top-Sprachmodell oder KI-Tool, das alle bisherigen in den Schatten stellt (überspitzt formuliert). 1 Wer soll da noch mitkommen und den Überblick behalten? Vielleicht fühlen Sie sich abgehängt und gehetzt, getrieben, überfordert. Gerade deshalb möchte ich Ihnen mit diesem Buch einen kleinen ‚Ruhepol‘ bieten, eine Verschnaufpause. Vielleicht empfinden Sie es als wohltuend, ein greifbares Buch in Händen zu halten, dessen Autorin die wichtigsten Newsletter und relevanten Informationen zum Thema KI-Einsatz beim wissenschaftlichen Schreiben gelesen, strukturiert für Sie zusammengestellt und aufbereitet hat. Und selbst wenn Sie das Buch digital lesen, ist es ein digitaler ‚Ruhepol‘ inmitten all der Newsletter und KI-Schlagzeilen. Ich habe die Inhalte bewusst so konzipiert, dass sie möglichst längerfristig gültig bleiben, werde Ihnen also weniger konkrete Tools als vielmehr generelle Strategien und allge‐ meinere Informationen präsentieren. Dennoch finden Sie im Buch immer wieder QR-Codes, deren Verlinkung ich bei Bedarf anpasse. So gibt es im ersten Kapitel z.-B. auch einen QR-Code zu einem Miroboard mit aktuellen KI-Tools für die verschiedenen Teilaufgaben des Schreibprozesses, das ich regelmäßig aktualisiere. Bei der Erstellung dieses Buches habe ich KI-Tools genutzt, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Für jedes Kapitel habe ich selbstständig <?page no="8"?> Materialien aus meiner umfangreichen Sammlung zusammengestellt und zunächst mithilfe eines selbst entwickelten CustomGPT via ChatGPT ord‐ nen lassen. Aus den so generierten Kapitelgliederungen habe ich dann den jeweiligen Text erstellt und dafür teilweise KI-Tools, v. a. das Sprachmodell Claude 3.5 Sonnet, für erste Entwürfe genutzt. Anschließend habe ich den Rohtext immer wieder überarbeitet, dafür aber primär auf meine menschli‐ che Intelligenz sowie auf das Feedback vieler kluger menschlicher Lesenden zurückgegriffen. Trotz des Einsatzes von KI-Tools liegt die Verantwortung für den Inhalt dieses Buches komplett bei mir als Autorin - immerhin steht mein Name auf dem Cover. Ich lade Sie ein, dieses Buch als Wegweiser für den Einsatz von KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben zu nutzen. Es soll Sie dabei unterstützen, sich solides Hintergrundwissen zu generativer KI anzueignen und KI-Kom‐ petenz im Kontext des wissenschaftlichen Schreibens zu entwickeln. 8 Vorwort <?page no="9"?> Dank Mein Dank gilt zunächst Michael Huter, dem Herausgeber der Reihe ‚Stu‐ dieren, aber richtig‘, der die Initiative ergriffen und mich angefragt hat, diese Einführung zum KI-gestützten wissenschaftlichen Schreiben zu verfassen. Seine Anfrage war der Ausgangspunkt für dieses Projekt, dessen Realisie‐ rung mir neben vielen neuen Erkenntnissen auch viel Freude bereitet hat. Ich bin ihm daher dankbar für das Vertrauen, das er mir entgegengebracht hat. Ebenso möchte ich Nadja Hilbig vom UVK Verlag danken, deren kompetente Begleitung und Unterstützung während des gesamten Prozesses eine wertvolle Hilfe waren. Besonderer Dank gilt den zahlreichen Personen, die durch ihr kluges und wertvolles Feedback einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet haben, mich von der ersten Rohfassung zum fertigen Buch zu bringen. Es freut mich sehr, dass sich unter diesen Personen auch einige Studierende befinden, die ihre Zeit in die Lektüre einzelner Kapitel und das Nachdenken darüber gesteckt haben. Ich danke Nina Albrecht, Lasse Bremer, Viktoria Ferenc, Lea Greminger, Johanna Gröpler, Benjamin Hättasch, Paulina Hösl, Alexander Kaib, Andrea Klein, Dagmar Knorr, Johanna Leck, Klara Laskus, Nadine Lor‐ dick, Anika Limburg, Marina Märzinger, Annika Püfke, Timo Schürmann, Jan Seiwert, Rosa Steffens, Christopher Southernwood, Georgina Urzowski, Martin Weier und Isabelle Zymelka. Schließlich gebührt mein Dank auch meiner Familie, die mich mit zeit‐ lichen Freiräumen unterstützt und sich nie beschwert hat, wenn nach Feierabend sowie an Wochenenden und Feiertagen wieder einmal etliche Stunden in dieses Buch flossen. Sine vobis omnia nihil valerent. <?page no="11"?> 1 Worum es in diesem Buch geht Es ist schwierig, in ein Buch zum Thema „Künstliche Intelligenz beim wissenschaftlichen Schreiben“ nicht mit Plattitüden bzw. langweiligen Phrasen einzusteigen. Beispiele gefällig? „Die Welt des wissenschaftlichen Schreibens hat sich durch KI-Systeme dramatisch verändert.“ „In einer Welt, in der sich KI-Technologien rasant entwickeln, verändert sich auch die Art und Weise, wie wir schreiben und lernen.“ „Tools wie ChatGPT sind aus dem Alltag von Studierenden nicht mehr wegzudenken.“ Oder, etwas kreativer und ansprechender (? ): „Was wäre, wenn Sie in Ihrem Schreibprozess nicht mehr allein wären, sondern eine unsichtbare, aber allgegenwärtige Kraft an Ihrer Seite hätten, die Ihnen neue Wege eröffnet? “ Wie Sie sich denken können, sind all diese Sätze KI-generiert. Wahrscheinlich ist es auch wiederum sehr platt, in ein Buch zu diesem Thema mit KI-generierten Sätzen einzusteigen und diese dann ‚an den Pranger zu stellen‘ - aber irgendwie muss man ja starten und zumindest sind wir auf diese Weise nun mitten im Thema. Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Entscheidung, dieses Buch zur Hand zu nehmen bzw. digital zu öffnen! Allein schon der Kauf oder das Ausleihen des Buches zeigt, dass Sie etwas sehr Wichtiges erkannt haben: Wissenschaftliches Schreiben lässt sich nicht auf die Eingabe von ein paar Sätzen in ein KI-Tool reduzieren, auf Basis derer dann eine abgabe‐ fertige wissenschaftliche Arbeit generiert wird. Auch wenn es verlockend erscheint, einfach eine Aufforderung wie „Schreibe mir eine Einleitung für meine wissenschaftliche Arbeit zum Thema XY“ einzugeben und die fertige Einleitung entgegenzunehmen, haben Sie verstanden, dass dies nicht nur gegen das Gebot der wissenschaftlichen Eigenständigkeit verstößt, sondern auch nicht zu einem qualitativ hochwertigen Ergebnis führt. Vielmehr sind Sie durch das Öffnen dieses Buches dazu bereit, sich intensiver mit den Möglichkeiten und Grenzen von KI-Tools im Schreibprozess auseinander‐ zusetzen und die Tools so zu nutzen, dass sie Ihre eigene Schreibkompetenz und Ihr eigenes Wissen sinnvoll ergänzen. Genau hier setzt dieses Buch an: Es möchte Sie dabei unterstützen, KI-Tools verantwortungsbewusst und kompetent einzusetzen und sie so in Ihren wissenschaftlichen Schreibpro‐ zess zu integrieren, dass sie Ihnen wirklich einen Mehrwert bieten - als hilfreiche Assistenten, aber nicht als Ersatz für Ihre eigenen Gedanken und <?page no="12"?> 2 In manchen Fächern ist die Bachelorarbeit die erste wissenschaftliche Arbeit, die Studierende schreiben. Für Studierende dieser Fächer ist das Buch daher erst ab dem Masterstudium zu empfehlen. Ihre eigene Kompetenz. Nachdem ich den Anspruch bzw. das Ziel dieses Buches umrissen habe, folgen nun ein paar Worte zum Adressat: innenkreis, den ich beim Schreiben im Hinterkopf hatte. Adressat: innen des Buches Das vorliegende Buch richtet sich an Studierende und Promovierende aller Fachbereiche. Die einzige Voraussetzung, die das Buch an seine Lesenden stellt, sind erste Erfahrungen mit wissenschaftlichem Schreiben. Wenn Sie noch nie eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben haben, sollten Sie erst generelle Einführungsbücher dazu lesen und/ oder, noch besser, Seminare zum wissenschaftlichen Schreiben besuchen. Machen Sie also zunächst erste ‚Gehversuche‘ beim wissenschaftlichen Schreiben und nehmen Sie Beratungsangebote des Schreibzentrums oder der Bibliothek an Ihrer Hoch‐ schule wahr, um über Ihr Schreiben zu sprechen sowie sich Feedback auf Ihre Texte zu holen. Anschließend können Sie dieses Buch wieder aufschlagen und weiterlesen. Es ist mir sehr wichtig, zu betonen, dass das vorliegende Buch keine Einführung in das wissenschaftliche Schreiben ersetzt und ich daher gewisse Kenntnisse voraussetze. Insofern ist der Adressat: innenkreis auf Bachelorstudierende in höheren Semestern, je nach Fach 2 aber auch erst auf Masterstudierende und Promovierende begrenzt. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass KI-Tools ihr ganzes Potenzial für die Unterstützung der verschiedenen Teilaufgaben des Schreibprozesses erst dann entfalten kön‐ nen, wenn Sie als schreibende Person wissen, wie Sie eine Teilaufgabe auch ohne KI-Unterstützung erledigen (Steinhoff, 2025). In Kapitel 4, in dem es um den konkreten Einsatz von KI-Tools bei den verschiedenen Teilaufgaben des Schreibprozesses geht, liste ich daher immer zu Beginn eines Unterkapitels auf, welche Kenntnisse ich im Speziellen voraussetze. Denkanstoß | Lassen Sie uns nun einen Moment innehalten. Fragen Sie sich an dieser Stelle, was Sie sich von KI-Tools im Rahmen Ihres Schreibprozesses eigentlich erhoffen? Ja, nehmen Sie sich jetzt kurz die Zeit, über diese Frage nachzudenken. 12 1 Worum es in diesem Buch geht <?page no="13"?> Was ist Ihre Antwort? Vielleicht kommt darin das Wort ‚Zeitersparnis‘ vor oder das Wort ‚Arbeitserleichterung‘. Kam auch in irgendeiner Weise vor, dass Sie sich von KI-Tools nicht nur schneller erstellte, sondern auch bessere Arbeiten erhoffen? Dann kann ich Ihnen sagen, dass ein solcher Benefit möglich ist, dass es hierfür aber auch bestimmter Kompetenzen bedarf. Mein Standardspruch sowohl gegenüber Lehrenden als auch gegenüber Forschenden und Studierenden ist immer: „Nur weil es KI-Tools gibt, deren Bedienung recht intuitiv ist und die scheinbar mit wenigen Mausklicks elaborierte Texte produzieren, fällt nicht automatisch KI-Kompetenz vom Himmel.“ Dazu passen die Ergebnisse einer Studie der Hochschule Mac‐ romedia aus dem Sommersemester 2023: Diese zeigt, dass Studierende, die KI-Tools bei Projekt- und Abschlussarbeiten nutzten, genauso häufig durchfielen wie Studierende, die keine KI-Tools einsetzten. Die Autor: innen schließen daraus, dass „der offiziell erlaubte Einsatz von KI-Tools nicht automatisch zu besseren Noten oder zum Bestehen von Veranstaltungen [führt]“ (Mütterlein et al., 2024, S.-13). Wenn Sie Ihre Kompetenz im Umgang mit KI-Tools beim wissenschaft‐ lichen Schreiben ausbauen möchten, dann finden Sie in diesem Buch Un‐ terstützung. Das vorliegende Buch soll Sie, basierend auf Ihrer bisherigen Schreiberfahrung, dazu befähigen, KI-Tools nicht nur zur Entlastung und Unterstützung einzusetzen, sondern sie auch bewusst zur Erweiterung und Vertiefung Ihres Denkens zu nutzen. KI-Kompetenz Was aber genau ist KI-Kompetenz? Generell können darunter Kompetenzen gefasst werden, die es einem ermöglichen, KI-Technologien kritisch zu beur‐ teilen, effektiv mit KI zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten sowie KI sowohl privat als auch beruflich als Werkzeug zu nutzen (Long & Magerko, 2020). Beim Punkt des kritischen Beurteilens geht es in diesem Kontext nicht so sehr um eine kritische Überprüfung des KI-generierten Inhaltes. Stattdessen ist damit gemeint, die Schattenseiten generativer KI bzw. mit der Nutzung einhergehende Herausforderungen zu kennen sowie sich über die Grenzen der oft subtil als ‚allmächtig‘ dargestellten Technologie im Klaren zu sein. Die hier in aller Kürze dargestellte Definition von KI-Kompetenz ist natürlich ziemlich vage. Daher werfen wir im Folgenden einen näheren KI-Kompetenz 13 <?page no="14"?> 3 Zur besseren Lesbarkeit verwende ich in diesem Buch für Personenbezeichnungen im Singular das generische Femininum. Im Plural gebrauche ich die genderinklusive Schreibweise mit Doppelpunkt bzw. greife, wo möglich, auf genderneutrale Formulie‐ rungen wie Betreuende, Nutzende etc. zurück. Blick auf KI-Tools im Kontext des wissenschaftlichen Schreibens, um das es in diesem Buch geht. Beim wissenschaftlichen Schreiben handelt es sich um eine sehr komplexe und kognitiv anspruchsvolle Tätigkeit, bei der viele Prozesse parallel ablaufen - und zwar im Großen und Ganzen unabhängig davon, ob man die erste Hausarbeit im Bachelorstudium, die Masterarbeit oder die Dissertation schreibt. Mit der Integration von KI-Tools in den Schreibprozess wird diese Komplexität nun noch weiter erhöht - vorausgesetzt, man macht nicht einfach nur Copy+Paste (R. Li, 2024, S. 7). Bei ungeübten Schreibenden ist davon auszugehen, dass der Versuch, KI-Tools sinnvoll, verantwortungsbewusst und qualitätssteigernd in den eigenen Schreibprozess zu integrieren, sogar verstärkt Schreibblockaden hervorru‐ fen kann (Buck & Limburg, 2024a, S. 15). Werden KI-Tools mit dem Ziel verwendet, qualitativ bessere Texte zu verfassen, fällt die dadurch erreichte Zeitersparnis wohl sehr gering aus - wenn sie überhaupt vorhanden ist. Warum ist das so? Der Schreibprozess muss von Ihnen als Schreibenden stärker überwacht und gesteuert werden, wenn Sie KI-Tools nutzen. Um eine Metapher zu nutzen: Wenn Sie KI-Tools verwenden, sind Sie nicht einfach eine ‚normale‘ Mitarbeiterin 3 in einem Team, die ihre Aufgaben erledigt. Stattdessen sind Sie nun Führungskraft und müssen neben Ihren eigenen Aufgaben auch noch ein Team führen, das aus ungelernten Assistenzkräften besteht. Deren Arbeitsergebnisse müssen Sie immer sorgfältig überprüfen und schrittweise verbessern (Tankelevitch, 2024). Sie brauchen die Kompetenz, Texte zu überarbeiten, wenn Sie KI-Tools erfolgversprechend einsetzen möchten - und hier geht es um weit mehr als nur um ein „intensives Kuratieren und [um eine einfache] editorische Auswahl“ (Gredel et al., 2024, S. 381). Schließlich müssen Sie als Führungskraft auch den gesamten Arbeitsprozess des Teams gut koordinieren. Sie als Führungskraft müssen einschätzen können, „wann welche Teilaufgabe des Schreibprozesses an eine KI[-Assistenz] ausgelagert oder von ihr unterstützt werden kann“ (Buck & Limburg, 2024a, S. 17). Insgesamt zeichnen sich kompetente Schreibende im Umgang mit KI-Tools dadurch aus, dass sie diese nicht nur nutzen, um ihrem Repertoire an Schreibstrategien weitere Strategien hinzuzufügen. Stattdessen nutzen sie 14 1 Worum es in diesem Buch geht <?page no="15"?> die Tools, um generell ihren Schreibprozess zu bereichern und dadurch eine neue professionelle Praxis zu etablieren, die KI-Tools als mehr als nur ein einfaches Add-on versteht (Nguyen et al., 2024). Dementsprechend geht es auch nicht darum, dass KI-Tools Ihr Denken ersetzen, wie z. B. manche Lehrende es befürchten. Ziel eines kompetenten Umgangs mit der Technologie ist es, Ihr Denken zu entlasten, zu unterstützen und schließlich auch zu erweitern. Ganz schön viele Kompetenzen, die Sie brauchen, um aus KI-Tools wirklich das Beste für Ihre wissenschaftliche Arbeit rauszuholen, oder? Da das alles andere als trivial ist, halten Sie gerade ein Buch zu diesem Thema in den Händen. Vielleicht lesen Sie dieses Buch gerade deshalb, weil Sie frustriert sind von Ihren bisherigen Erfahrungen mit KI-Tools. Weil Sie sich viel mehr davon erhofft haben und dann aber schnell enttäuscht waren. Weil die medial vermittelten Versprechen wesentlich schillernder klangen als das, was Sie selbst erlebt haben. Die KI-Technologie ist ein „Tausendsassa“ (Weßels, 2023) - sie kann wahnsinnig viele Aufgaben erledigen. Am Ende braucht es aber immer uns Menschen, um die Tools zu steuern, deren Arbeit zu überwachen und Entscheidungen zu treffen. Ein kompetenter Umgang mit KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben setzt voraus, dass man zunächst sein bisheriges Vorgehen reflektiert, um sich überhaupt zu vergegenwärtigen, wie man vorgeht, was einem leichtfällt, was einem schwerfällt, wo man Defizite hat etc. Erst dann kann man einen Workflow entwickeln, der auch KI-Tools integriert. Zum Entscheidungsprozess und damit zur reflexiven Nutzung von KI-Tools gehört auch, KI-Tools bewusst einzusetzen, und zwar nur dann, wenn ihr Einsatz auch wirklich sinnvoll ist (Steinhoff, 2025). Insofern gibt es auch nicht das eine Patentrezept für die Integration von KI-Tools in den Schreibprozess (Bedington et al., 2024, S. 5). Außerdem muss man nur, weil KI-Tools existieren, diese nicht auf Biegen und Brechen in jede einzelne Aufgabe integrieren. Jason Gulya (2024) schreibt in Bezug auf den KI-Einsatz bei alltäglichen Aufgaben ganz treffend: „I work AI around my life. Not the other way round.“ Begriffe im Buchtitel: Schreiben und KI Kommen wir nun zu den Begrifflichkeiten im Buchtitel „Wissenschaftliches Schreiben mit KI“. Wenn ich in diesem Buch von Schreiben spreche, habe ich einen weiten Begriff von Schreiben im Kopf. Ich verweise damit also nicht Begriffe im Buchtitel: Schreiben und KI 15 <?page no="16"?> nur auf das Aufschreiben von Gedanken, das ‚Runterschreiben‘ von Ergeb‐ nissen, also auf die reine Produktion von druckfertigem Text. Stattdessen verweise ich mit Schreiben auf den gesamten Schreibprozess - von der ersten Idee für das Thema einer wissenschaftlichen Arbeit, über das Erstellen der Gliederung, die Literaturrecherche, das Erheben und Auswerten von Daten in empirischen Arbeiten bis hin zum inhaltlichen und sprachlichen Überar‐ beiten des Textes. Ratgeberliteratur zum wissenschaftlichen Schreiben gibt es gefühlt wie Sand am Meer und natürlich existieren inzwischen auch schon die ersten Einführungen ins wissenschaftliche Schreiben mit KI-Tools. Allerdings stammt nur ein Bruchteil der generellen Schreibratgeber und meines Wissens keine der aktuell auf dem deutschsprachigen Markt exis‐ tierenden Einführungen zum Schreiben mit KI-Tools von Autor: innen mit schreibdidaktischer Expertise. Doch nur weil Menschen über viel Erfahrung beim wissenschaftlichen Schreiben verfügen, haben sie nicht automatisch die Fähigkeit, andere bei dieser Kompetenzentwicklung zu unterstützen. Sie können dies vergleichen mit dem Sprachenlernen: Nur weil Sie beispiels‐ weise Deutsch, Türkisch, Arabisch, Spanisch oder Chinesisch als Kleinkind gelernt haben, können Sie nicht automatisch guten Sprachunterricht für Deutsch-, Türkisch-, Arabisch-, Spanisch- oder Chinesischlernende durch‐ führen. Und so ist einer der beiden unique selling points (USPs) des vorlie‐ genden Buches, dass es von einer Autorin mit schreibdidaktischer Expertise verfasst wurde, die also weiß, was für die Entwicklung wissenschaftlicher Schreibkompetenz wichtig ist. Zum anderen USP später mehr. Kommen wir nun zum zweiten zentralen Begriff im Titel dieses Buches, dem Begriff der Künstlichen Intelligenz. Ganz knapp wird damit auf die Fähigkeit von Maschinen verwiesen, menschenähnliche kognitive Funktio‐ nen auszuführen, etwa Lernen oder Schreiben. Ich spreche in diesem Buch der Einfachheit halber immer von KI-Tools und greife damit auf die Werk‐ zeug-Metapher zurück (tool = Werkzeug). Damit wird jedoch verschleiert, dass es sich bei ‚Tools‘ auf Grundlage Künstlicher Intelligenz nicht einfach nur um Werkzeuge handelt, die ‚ganz neutral‘ Informationen generieren und uns Menschen bei der Erledigung von Aufgaben unterstützen. Stattdessen bringt diese Technologie haufenweise ethische, ökonomische, politische und gesellschaftliche Herausforderungen mit sich, steht für Macht, für Ausbeutung, für Manipulation. Die Komplexität von KI-Technologie über‐ steigt bei weitem alles, was wir von dem kennen, was wir normalerweise als ‚Werkzeuge‘ bezeichnen (Suleyman, 2024) - etwa einen Hammer, eine Schere, ein Lineal. Würde ein Hammer, wie Sie ihn zum Einschlagen von 16 1 Worum es in diesem Buch geht <?page no="17"?> Nägeln nutzen, häufiger den Daumen von People of Colour treffen als den Daumen weißer Menschen? Muss ein Hammer erst von Menschen, die für einen Billiglohn arbeiten, trainiert werden, damit er nicht zufällig für das Verüben einer Straftat eingesetzt wird? Verbraucht ein Hammer ein Vielfaches an Energie eines alternativen Werkzeugs, das vergleichbare Ergebnisse erbringt? Führt ein Hammer eventuell dazu, dass Sie irgendwann mit Ihrer eigenen Faust keine Nägel mehr in die Wand hauen können? (Axbom, 2023) Provokative Fragen? Ja, aber Fragen, mit denen man sich auseinandersetzen sollte, wenn man sich dafür entscheidet, KI-Tools zu nutzen. Vor diesem Hintergrund geht es in diesem Buch nicht nur darum, wie Sie KI-Tools für die einzelnen Teilaufgaben Ihres Schreibprozesses nutzen können. Ich habe den Herausforderungen von KI-Tools ein eigenes Kapitel gewidmet, in dem ich auch die Schattenseiten dieser Technologie beleuchte. Zu einem reflektierten Umgang mit KI-Tools gehört es nämlich auch, sich mit diesen nicht ganz so glanzvollen Seiten der immer wieder stark gehypten Technologie zu beschäftigen. Doch welche Metapher passt für KI, wenn nicht die Metapher eines Werkzeugs? Ich verwende in diesem Buch das Bild von KI-Tools als Assistenten (McKee & Porter, 2022, S. 385). Diese Metapher passt zwar nicht immer, eignet sich aber insofern, als jede Assistenzkraft eine starke Führungskraft benötigt - und das sind Sie als schreibende Person. Sie als Autor: in übernehmen am Ende die Verantwortung für die wissenschaftliche Arbeit, die Sie abgeben und auf der Ihr Name steht - nicht der Name ChatGPT, Claude o.-Ä. Im Fokus dieses Buches stehen keine konkreten KI-Tools. Zum einen wäre das Buch bei seinem Erscheinen direkt schon veraltet, würde ich Ihnen hier konkrete Tools empfehlen, womöglich sogar in deren Benutzung einführen. Zum anderen - und das ist der wichtigere Grund - möchte ich Sie dabei unterstützen, herauszufinden, wie Sie die technologischen Möglichkeiten sinnvoll für ihr Schreiben einsetzen können, sodass diese sich sowohl positiv auf die Qualität Ihres Schreibprozesses als auch auf die Qualität Ihres Schreibproduktes auswirken. Um die Auswahl konkreter Tools geht es dann erst in einem zweiten Schritt. Wer dennoch eine Übersicht über zum Zeit‐ punkt der Lektüre jeweils aktuelle KI-Tools für das wissenschaftliche Schrei‐ ben sucht, erhält über das im QR-Code verlinkte Miroboard zumindest eine grobe Übersicht und findet hier auch jeweils ein Video, das die erwähnten Tools vorstellt. Im Titel des Miroboards gebe ich dabei immer das Datum der letzten Aktualisierung an (https: / / miro.com/ app/ board/ uXjVKq2FO_E=/ ? sh are_link_id=199242921236). Eine andere Zusammenstellung findet sich in Begriffe im Buchtitel: Schreiben und KI 17 <?page no="18"?> einem Padlet von Barbara Geyer, das Sie über den zweiten QR-Code errei‐ chen (https: / / padlet.com/ barbarageyer/ ki-tools-f-r-wissenschaftliches-arbe iten-jrgdcpc7xajs66nx). Für die bessere Orientierung sind die Namen aller KI-Tools und Sprachmodelle, die in diesem Buch auftreten, durch eine an‐ dere Schriftfarbe hervorgehoben. Funktion des Buches: Ratgeber und Lehrbuch Ich habe bereits eines der beiden Alleinstellungsmerkmale (USPs) dieses Buches genannt. Der zweite USP liegt in der Textsorte, die dieses Buch bedient: Sie halten eine Mischung aus Ratgeber- und Lehrbuch in den Händen. Ein Ratgeberbuch zeichnet sich dadurch aus, dass es praxisnahe Tipps und Lösungsansätze zu spezifischen Problemen bietet. Ein Lehrbuch hingegen vermittelt systematisch fundiertes Wissen und Theorien zu einem Fachgebiet und trägt so zu einem tieferen Verständnis von Inhalten bei. Das vorliegende Buch kombiniert diese beiden Genres: Es bietet Ihnen einerseits konkrete Hinweise und praxistaugliche Strategien, die Sie beim wissenschaftlichen Arbeiten mit KI-Tools nutzen können - besonders in Ka‐ pitel 4, das Sie geöffnet haben können, während Sie an Ihre wissenschaftliche Arbeit schreiben. Innerhalb dieses Kapitels können Sie gezielt zu einzelnen Teilaufgaben springen, um direkt umsetzbare Anregungen zu finden. Gleichzeitig liefert das Buch viel theoretisches Hintergrundwissen zur Funktionsweise, den Potenzialen und Herausforderungen von KI-Tools, das Ihnen auf den ersten Blick vielleicht nicht unmittelbar relevant für das eigene Arbeiten erscheint. Wenn Sie kompetente Entscheidungen dazu treffen möchten, wie, wann und in welchem Umfang Sie KI-Tools einsetzen, bilden diese Aspekte relevantes und wertvolles Hintergrundwissen. Mit diesem Buch möchte ich Sie nämlich nicht nur dazu befähigen, KI-Tools sinnvoll, verantwortungsbewusst und erfolgreich zu nutzen, sondern auch dazu, die Technologie und deren Implikationen kritisch zu reflektieren und auch in Bezug zu den Anforderungen wissenschaftlichen Schreibens zu stellen. Insofern vereint das Buch die Eigenschaften eines praxisorien‐ tierten Ratgebers mit den analytischen und theoretischen Ansätzen eines Lehrbuches und verweist durch Literaturangaben auch immer wieder auf Positionen in aktuellen Diskursen. 18 1 Worum es in diesem Buch geht <?page no="19"?> Damit Sie das Buch so nutzen können, wie es für Ihre Zwecke passend ist, gebe ich Ihnen nun eine Übersicht, wie das Buch aufgebaut ist und was Sie in den einzelnen Kapiteln erwartet. Orientierung im Buch Abgesehen von dieser Einleitung und dem Schluss, in dem ich einen Ausblick zur Zukunft des wissenschaftlichen Schreibens im KI-Zeitalter anstelle, ist das Buch in drei Teile geteilt (siehe Abbildung 1). Kapitel 1: Worum es in diesem Buch geht Kapitel 2: Was ich über KI wissen sollte Kapitel 3: Was ich über das wissenschaftliche Schreiben wissen sollte Kapitel 4: Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe • Begrifflichkeiten • Funktionsweise • Halluzinationen • Herausforderun‐ gen • Wissenschaftliches Schreiben in a nutshell • KI-Tools ≠ keine eigene Arbeit mehr • Nutzungsszenarien von KI-Tools für das wissen‐ schaftliche Schreiben • Gute wissenschaftliche Praxis beim Einsatz von KI-Tools • Auswahl von KI-Tools • Prompting • Vorüberlegungen • Planung • Literaturarbeit • Datenerhe‐ bung/ -aufberei‐ tung • Rohfassung • Überarbeiten Kapitel 5: Wohin die Reise (vielleicht) gehen wird Abbildung 1 | Überblick über die Buchkapitel Lassen Sie uns im Folgenden einen kurzen ‚Gang‘ durch das Buch unterneh‐ men. Dabei werden Sie bemerken, dass ich gleich mit dem letzten Kapitel starte und mich dann von hinten nach vorne durcharbeite. Dies liegt daran, dass die einzelnen Kapitel nicht ganz unabhängig voneinander stehen und das Buch natürlich auch dazu konzipiert ist, von vorne bis hinten durchge‐ lesen zu werden. Wenn Sie sich für diesen linearen Lesepfad entscheiden, also das ganze Buch lesen, sollen die Kapitel logisch aufeinander folgen, sodass erst ein Fundament gelegt und dann darauf aufgebaut wird. Für diejenigen, die das Buch nicht von vorne nach hinten durchlesen, sondern Orientierung im Buch 19 <?page no="20"?> nur die für sie aktuell relevanten Kapitel herauspicken möchten, habe ich verschiedene Orientierungselemente integriert: • Zu Beginn eines jeden Kapitels auf der ersten Ebene (Kapitel 2, 3, 4, 5) sowie eines jeden Kapitels auf der zweiten Ebene (Kapitel 2.1, 2.2, 2.3 etc.) findet sich in einem Kasten eine knappe Erläuterung des mit dem jeweiligen Kapitel verfolgten Ziels. • Am Ende eines jeden Kapitels auf der zweiten Ebene (Kapitel 2.1, 2.2, 2.3 etc.) sowie auf der dritten Ebene (ohne Nummerierung) finden sich in einem Kasten die Kernbotschaften des Kapitels als stichpunktartige Bulletpoints. • Zu Beginn jedes Kapitels auf der zweiten Ebene von Kapitel 4 (Kapitel 4.1, 4.2, 4.3, 4.4, 4.5, 4.6) finden sich in einem Kasten die Punkte, die ich als Vorwissen für das Kapitel voraussetze. Es handelt sich hier um Vorwissen zu den verschiedenen Teilaufgaben des wissenschaftlichen Schreibens unabhängig von KI-Tools. Wenn Sie das Buch mit der Erwartung gekauft oder ausgeliehen haben, ein Ratgeberbuch vorzufinden, und Sie sich konkrete Unterstützung bei der Integration von KI-Tools in bestimmte Teilaufgaben des Schreibprozesses erhoffen, springen Sie am besten direkt zu Kapitel 4. Dort gehe ich ganz konkret darauf ein, wie Sie KI-Tools zur Unterstützung Ihres Schreibproz‐ esses und auch als ‘Denktutor: innen’ (Kruse & Anson, 2023, S. 477) zur Generierung neuer Erkenntnisse einsetzen können. Kapitel 4 hat somit den Anspruch, Ihnen hands-on praktische Tipps fürs konkrete Arbeiten zu vermitteln. Ein Start direkt mit Kapitel 4 empfiehlt sich dann, wenn Sie bereits über solides Grundwissen zur Funktionsweise von KI-Tools verfügen und sich auch schon mit der Rolle von KI-Tools im Kontext des wissenschaftlichen Schreibens auseinandergesetzt haben. Wenn Sie mehr über das wissenschaftliche Schreiben mit KI-Tools erfah‐ ren möchten, empfehle ich Ihnen Kapitel 3. Dort rekapituliere ich die Grundlagen des wissenschaftlichen Schreibens, erläutere, warum es auch im KI-Zeitalter noch lohnenswert ist, sich auf den zugegebenermaßen mühsa‐ men Weg des Schreibens einer wissenschaftlichen Arbeit zu machen und differenziere zwischen verschiedenen Nutzungsszenarien von KI-Tools für das wissenschaftliche Schreiben. Außerdem lege ich hier dar, was KI-Tools für die gute wissenschaftliche Praxis bedeuten und wie es gelingt, trotz des Einsatzes von KI-Tools Verantwortung für die eigene wissenschaftliche Arbeit zu übernehmen. Somit habe ich hier den Anspruch, Ihnen zum 20 1 Worum es in diesem Buch geht <?page no="21"?> einen Hintergrundwissen zum wissenschaftlichen Schreiben mit KI-Tools zu vermitteln, das über die reine Anwendungsebene hinausgeht. Zum anderen gebe ich Ihnen hier schließlich auch Tipps, wie Sie ein für Ihre jeweilige Aufgabe passendes KI-Tool finden und zeige Ihnen Prompting-Strategien für zielgerichtete, präzise Eingaben. Auf diese Weise unterstütze ich Sie in Kapitel 3 dabei, selbstständig eigene Strategien zu entwickeln, um KI-Tools für ganz verschiedene Aufgaben professionell zu nutzen. Erst ein solides Grundwissen über KI befähigt Sie dazu, KI-Tools kom‐ petent und professionell beim wissenschaftlichen Schreiben einzusetzen. Wenn Sie noch über kein oder nur wenig Wissen über die technischen Hintergründe von KI-Tools und auch über mit der Nutzung einhergehende Herausforderungen verfügen, lade ich Sie deshalb dazu ein, Kapitel 2 zu lesen. In diesem setze ich mich zunächst mit den verschiedenen Begrifflich‐ keiten im KI-Bereich auseinander (Large Language Models, maschinelles Lernen, Chatbots etc.), ehe ich auf die Funktionsweise der sog. generativen KI eingehe und das Problem der Halluzinationen, also inhaltlich falschen Erzeugnissen beleuchte. Keine Sorge: Ich bin selbst Sprachwissenschaftlerin und damit Nicht-Informatikerin. Deshalb erkläre ich die grundlegenden technischen Prinzipien so, dass auch Personen ohne tiefere mathematische und informatikspezifische Kenntnisse etwas damit anfangen können. Am Ende von Kapitel 2 erfahren Sie außerdem etwas über die Herausforderun‐ gen des Einsatzes von KI-Tools oder, pessimistischer ausgedrückt, über deren Schattenseiten. Kapitel 2 hat somit den Anspruch, Ihnen ein Grund‐ verständnis von generativer KI zu vermitteln, sodass Sie im tatsächlichen Gebrauch der Tools informiertere Entscheidungen treffen können. Wenn Sie schließlich an übergeordneten Überlegungen dazu interessiert sind, wo die Reise des wissenschaftlichen Schreibens im Zeitalter von KI-Tools hingehen wird, können Sie zu Kapitel 5 springen. Dort wird es philosophischer: Es geht um den Wissenschaftsbegriff selbst und dessen mögliche Veränderung durch KI-Tools sowie um den Zweck wissenschaft‐ lichen Schreibens als menschliches Erkenntnisinstrument. Am Ende stelle ich Thesen zu einer möglichen Zukunft des wissenschaftlichen Schreibens vor und beschreibe für jede These eine Utopie sowie eine Dystopie (Limburg et al., 2023). Kapitel 5 hat somit den Anspruch, den sprichwörtlichen ‚Blick über den Tellerrand‘ zu wagen und Ihnen Denkanstöße zur Frage zu geben, was KI-Tools für das wissenschaftliche Schreiben im Gesamten bedeuten. Orientierung im Buch 21 <?page no="22"?> Los geht’s Wir beschäftigen uns in diesem Buch mit dem breiten Spektrum zwischen Texten, die komplett ohne KI-Tools verfasst wurden, und solchen, die zu 100-% KI-generiert sind. Abb. 2: XXXX komplett menschlich geschriebener Text komplett KI-generierter Text Abbildung 2 | Spektrum zwischen komplett menschlich und komplett KI-generierten Texten Ich ermutige Sie dazu, KI-Tools in Ihren Schreibprozess zu integrieren, sodass Sie nicht am linken Ende des Spektrums stehen bleiben. Natürlich warne ich Sie aber auch davor, sich am rechten Ende des Spektrums zu positionieren - wobei Sie sich in diesem Fall sicher nicht die Mühe gemacht hätten, dieses Buch in der Bibliothek auszuleihen bzw. Geld dafür auszugeben. Letzten Endes geht es darum, die Stärken von KI-Tools ideal mit Ihren Stärken als wahrhaft intelligenten menschlichen Wesen zu kom‐ binieren, um am Ende das bestmögliche Produkt zu erschaffen. Ich wünsche Ihnen nun also eine spannende und erkenntnisreiche Lernreise mit diesem Buch. Ich hoffe, ich kann Sie dabei unterstützen, KI-Tools als wertvolle Assistenz in Ihrem Schreibprozess zu nutzen, gleichzeitig aber Ihre kritische Urteilsfähigkeit und Ihre eigene Stimme als Autor: in weiterzuentwickeln. 22 1 Worum es in diesem Buch geht <?page no="23"?> 2 Was ich über KI wissen sollte Ziel dieses Kapitels ist es zum einen, ein grundlegendes Verständnis von der Funktionsweise generativer KI zu schaffen und in diesem Kon‐ text auch mit Mythen aufzuräumen, die sich teilweise hartnäckig halten. Zum anderen thematisiere ich Herausforderungen von generativer KI auf technischer, ethischer, politischer, ökologischer, datenschutzrechtli‐ cher, kognitiver und epistemischer Ebene, die bei jeder Nutzung von KI zumindest im Hintergrund eine Rolle spielen. Hinweis | Wenn Sie sich für KI nur im Kontext des wissenschaftlichen Schreibens interessieren und mehr über die Einsatzmöglichkeiten sowie über Bedingungen des Einsatzes von KI-Tools im Rahmen des Schreib‐ prozesses erfahren möchten, springen Sie zu Kapitel 3. Wenn Sie direkt mit dem Einsatz von KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben durchstarten und so konkret wie möglich erfahren möchten, wie Sie hier vorgehen können, springen Sie zu Kapitel 4. Mit diesem Kapitel möchte ich Ihnen das nötige Hintergrundwissen über die Funktionsweise von generativer KI vermitteln, das es erleichtert, die von KI-Tools erzeugten Texte zu beurteilen und mit ihnen weiterzuarbeiten (Knowles, 2024, S. 4). Wie in der Einleitung schon erwähnt, bin ich weder selbst Informatikerin, noch schreibe ich dieses Buch für Informatikstudie‐ rende. Die folgenden Ausführungen befinden sich daher auf einem solchen Niveau und sind so formuliert, dass Sie sie auch als Nicht-Informatikerin, Nicht-Mathematikerin etc. verstehen können. In Kapitel 2.1 werden zunächst grundlegende und für dieses Buch rele‐ vante Begriffe im Bereich generativer KI eingeführt und definiert. Kapitel 2.2 erklärt die Funktionsweise generativer KI, insbesondere sog. Large Language Models. Anschließend befasst sich Kapitel 2.3 mit dem Phänomen der Halluzinationen bei generativer KI, erläutert deren Entstehung und weist so auf die Grenzen von KI-Tools hin. Kapitel 2.4 beleuchtet schließ‐ lich die Herausforderungen beim Einsatz von KI-Tools aus verschiedenen Perspektiven. Es werden technische Aspekte, ethische Fragen, politische Im‐ <?page no="24"?> plikationen, ökologische Folgen, datenschutzrechtliche Bedenken, kognitive Herausforderungen und epistemische Risiken von KI-Tools thematisiert. 2.1 Begrifflichkeiten Ziel dieses Kapitels ist es, die wichtigsten Begriffe im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) einzuführen und zu definieren. Konkret werden die Zusammenhänge zwischen KI, maschinellem Lernen, gene‐ rativer KI, Large Language Models und Chatbots erläutert. Das folgende Schaubild stellt die Relationen zwischen den verschiedenen Begriffen, die in diesem Buch gebraucht werden, dar. Anschließend gehe ich auf jeden der in der Abbildung genannten Begriffe ausführlicher ein. Künstliche Intelligenz Machine Learning Generative Künstliche Intelligenz Large Language Models (Sprachmodelle) KI-Tools Abbildung 3 | Beziehungen zwischen verschiedenen Begrifflichkeiten im Feld der KI (eigene Darstellung nach Gimpel et al., 2023). Künstliche Intelligenz (KI) Eine allgemeingültige Definition von Künstlicher Intelligenz ist tatsächlich bis heute nicht vorhanden, wenngleich es natürlich viele verschiedene definitorische Ansätze gibt (Bearman et al., 2023; Sheikh et al., 2023). Daher 24 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="25"?> 4 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass nicht jedes KI-System lernen kann. Dies ist hier aber nicht weiter relevant. bleibt auch meine Definition hier oberflächlich und vage, was für die Zwecke dieses Buches jedoch ausreicht. Der Bereich der Künstlichen Intelligenz befasst sich mit der Entwick‐ lung von Systemen, die Aufgaben ausführen können, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern. Diese Systeme sind in der Lage, aus Erfahrungen zu lernen, Muster zu erkennen und auf neue Situationen flexibel zu reagieren. Allgemein kann KI daher als die Fähigkeit von Ma‐ schinen verstanden werden, menschliche Intelligenz nachzuahmen. Dazu kann die Fähigkeit gehören, Input zu verarbeiten, Probleme zu lösen und Entscheidungen zu treffen. Sowohl in der Tech-Branche als auch außerhalb kritisieren jedoch viele Menschen den Begriff der Künstlichen Intelligenz. Dieser würde unrealistische Erwartungen erwecken und zu Missverständ‐ nissen führen (Clarke, 2023; Newfield, 2023). KI-Systeme besitzen nämlich keine menschenähnliche Intelligenz oder Bewusstsein und können nichts verstehen, weshalb der Begriff irreführend sei. Dennoch ist ‚KI‘ der Begriff, der sich in den vergangenen Jahrzehnten durchgesetzt hat. Es gibt zwei Hauptkategorien von KI, schwache und starke KI: • Schwache KI ist auf einen bestimmten Bereich spezialisiert und kann innerhalb dieses Bereichs lernen und Probleme lösen, dies aber nicht auf andere Bereiche übertragen. 4 Somit kann schwache KI nicht flexibel auf völlig neue oder unerwartete Situationen reagieren. Ein Beispiel dafür ist ein KI-Schachprogramm wie Deep Blue, das zwar Weltklasse-Schach‐ spieler: innen besiegen kann, aber völlig nutzlos wäre, wenn man es mit einer anderen Aufgabe, etwa dem Erkennen von Gesichtern oder dem Fahren eines Autos, betrauen würde. • Starke KI, auch als Artificial General Intelligence (AGI) bekannt, be‐ schreibt Systeme, die in der Lage sind, jede intellektuelle Aufgabe, die ein menschliches Gehirn bewältigen kann, eigenständig zu erfüllen. Sie zeichnet sich durch autonome Lernfähigkeit, die Fähigkeit zur Lösung komplexer Probleme in unstrukturierten Umgebungen und ein breites Anwendungsspektrum aus. Die Entwicklung einer starken KI befindet sich noch in einem theoretischen Stadium und die wissenschaftliche Community ist sich auch uneinig, ob es überhaupt jemals möglich sein wird, AGI zu entwickeln (Sonko et al., 2024). Die derzeitigen KI-Systeme 2.1 Begrifflichkeiten 25 <?page no="26"?> werden größtenteils der Kategorie der schwachen KI zugeordnet, da sie auf spezifische Aufgaben beschränkt sind und nicht über die umfassen‐ den Fähigkeiten verfügen, die eine starke KI charakterisieren würden. Es gibt zwar beeindruckende Anwendungen von schwacher KI in verschie‐ denen Bereichen, die unser tägliches Leben effektiv unterstützen und verbessern. Dennoch erfüllt bisher kein KI-System alle Eigenschaften, die für eine starke KI erforderlich wären. Maschinelles Lernen Das maschinelle Lernen ist ein Teilbereich der KI, der Computern ermög‐ licht, aus Erfahrungen zu lernen und ihre Leistung bei bestimmten Aufgaben zu verbessern, ohne dass sie explizit programmiert werden müssen. Dies geschieht oft durch Algorithmen, die Muster erkennen und Vorhersagen ba‐ sierend auf Daten treffen. Traditionelle Software muss man mit Regeln und Daten füttern, um Antworten zu erhalten. Beim überwachten (supervised) Machine Learning hingegen erhalten Maschinen große Mengen an Daten zusammen mit den richtigen Antworten. Dies bedeutet, dass die Daten mit Labels versehen sind, also mit zusätzlichen Informationen, die angeben, welche Merkmale oder Klassen die Daten enthalten. Darauf basierend leiten die Maschinen Regeln ab, die sie anschließend auf neue Daten anwenden können. Daneben gibt es auch das unüberwachte (unsupervised) Lernen, bei dem Maschinen ohne vorgegebene Labels arbeiten und eigenständig Muster oder Strukturen in Daten erkennen. Eine weitere Variante, die vor allem im Bereich der Large Language Models (s. u.) zum Einsatz kommt, ist das selbstüberwachte (self-supervised) Lernen. Hier werden Teile der Daten als Labels genutzt, die sich die Maschine selbst generiert, indem sie fehlende Informationen innerhalb derselben Datensätze rekonstruiert. Erst im anschließenden Finetuning wird der weitere Lernprozess dann ggf. überwacht. Generative KI Generative KI ist der Bereich der KI, in dem Systeme entwickelt werden, die eigenständig Inhalte erzeugen können. Diese Systeme nutzen maschinelles Lernen, um auf dieser Basis neue, noch nie dagewesene Inhalte wie Texte, Bilder oder Musik zu produzieren. 26 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="27"?> Large Language Models Große Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) sind fortschrittliche KI-Systeme, die darauf spezialisiert sind, menschliche Sprache zu verstehen und zu generieren. Sie basieren auf komplexen Algorithmen und werden mit riesigen Mengen an Textdaten trainiert, um die Nuancen natürlicher Sprache zu erfassen. LLMs können Texte analysieren, kohärente (oder auch nur scheinbar kohärente, s. dazu Kapitel 2.2 und 2.3) Antworten formulieren und eine Vielzahl von sprachbezogenen Aufgaben ausführen, wie Übersetzungen, Zusammenfassungen und sogar das Schreiben kreativer Texte. Chatbots Chatbots, auch bekannt als Conversational Agents, sind KI-Systeme, mit denen Menschen in natürlicher Sprache kommunizieren können - also auf Deutsch, Englisch, Arabisch, Rumänisch etc. - und keine Programmierspra‐ chen wie Python, Java etc. beherrschen müssen. Das wohl berühmteste Beispiel ist ChatGPT, wobei GPT für „Generative Pre-Trained Transformer“ steht. ChatGPT ist ein Chatbot, dem verschiedene Large Language Models der Firma OpenAI zugrunde liegen (GPT-3.5, GPT-4, GPT-4o; Stand 12/ 2024). ChatGPT ist, bildlich gesprochen, die Karosserie, die verschiedenen Sprach‐ modelle aber der Motor des Autos. Weiterführende Ressource | Henrik Kniberg setzt die einzelnen hier besprochenen Begriffe (und noch mehr) in einem grafisch sehr schön gestalteten Video in Beziehung zueinander (https: / / www.youtube.com/ watch? v=2IK3DFHRFfw). In diesem Buch werde ich hauptsächlich von ‚KI-Tools‘ sprechen. Damit meine ich solche Anwendungen im Bereich generativer KI, auf die wir als nicht in Informatik bewanderte Endnutzende direkt zugreifen können. Ich verwende ‚KI-Tools‘ dabei als Synonym für Systeme, die auf gelernten, ge‐ nerativen Modellen aufbauen. Beispiele dafür wären ChatGPT, Poe, Mistral, 2.1 Begrifflichkeiten 27 <?page no="28"?> 5 Wie die Aufzählung zeigt, verweise ich mit der Bezeichnung ‚KI-Tools‘ manchmal auf Chatbots (ChatGPT, Poe, Microsoft Copilot, Claude) und manchmal auf Sprachmodelle (Mistral, Llama). Das mag begrifflich unsauber sein, ist jedoch für die Anwendung der Tools irrelevant, weshalb ich es dabei belasse. Claude, Microsoft Copilot oder Llama. 5 Ein KI-Tool greift teilweise auch auf verschiedene Large Language Models zu: Über die Plattform Poe etwa können Sie mit einer einzigen Registrierung auf sehr viele unterschiedliche Sprachmodelle zugreifen. Andere KI-Tools verwenden dagegen nur ein bestimmtes Sprachmodell oder eine bestimmte Modellfamilie. Bei ChatGPT etwa ist es nur möglich, auf die GPT-Modellfamilie, also GPT-3.5, GPT-4, GPT-4o, GPT-4o mini, zuzugreifen (Stand 12/ 2024). Takeaway • Künstliche Intelligenz simuliert menschliche Intelligenzprozesse durch Computersysteme. KI-Systeme lernen aus Erfahrungen, er‐ kennen Muster und reagieren flexibel, haben aber kein Bewusst‐ sein. • Maschinelles Lernen ist ein Teilbereich der KI, bei dem Computer aus Daten lernen, ohne explizit programmiert zu werden. • Generative KI erzeugt eigenständig neue Inhalte wie Texte, Bilder oder Musik. • Large Language Models (LLMs) sind KI-Systeme, die auf das Ver‐ stehen und Generieren menschlicher Sprache spezialisiert sind. • KI-Tools im Sinne dieses Buches sind Anwendungen generativer KI, auf die Endnutzende direkt zugreifen können, z. B. ChatGPT oder Poe. 2.2 Funktionsweise Ziel dieses Kapitels ist es, die Funktionsweise von generativer KI, insbesondere von Large Language Models zu erklären. Dabei wird auf die Verarbeitung von Sprache in Form von Token und die Bedeutung von Mustern eingegangen. Es wird außerdem hervorgehoben, dass 28 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="29"?> 6 Auch wenn es in der Linguistik durchaus viele verschiedene Definitionen der Einheit ‚Wort‘ gibt, bleiben wir hier bei einem alltagssprachlichen Verständnis. KI-Modelle kein Weltwissen besitzen und auf Wahrscheinlichkeitsbe‐ rechnungen basieren. Wie im Kapitel zuvor schon erklärt, funktionieren traditionelle Computer‐ programme, indem sie strikt den Anweisungen folgen, die durch Program‐ mierer: innen in Form von Code vorgegeben werden. KI-Systeme nutzen darüber hinaus maschinelles Lernen, um aus großen Datenmengen Muster zu erkennen und diese Erkenntnisse für das Generieren neuer Inhalte zu nutzen. Was ist mit solchen Mustern gemeint? Bleiben wir der Einfachheit halber auf der Ebene der Sprache: Sprachliche Muster des Deutschen sind „Mir geht es gut/ schlecht“, „Ich habe Hunger/ Durst/ Heimweh/ Bauchschmerzen“, „Ich bin glücklich/ müde/ erschöpft/ froh“ etc. Muster des Deutschen, die man sicher in keinem bedeutungsvollen Text findet, sind dagegen „Mir geht es grün/ Himmel/ daneben“ oder „Ich habe Nacht/ auf “. Manche Wörter folgen häufiger auf ein bestimmtes anderes, manche we‐ niger. Ein Wort ist eine Einheit der Sprache, die wir im täglichen Gebrauch erkennen und verwenden. 6 Im Zusammenhang mit LLMs sprechen wir allerdings nicht von Wörtern, sondern von Token. Während viele Token Wörter direkt 1: 1 repräsentieren, kann ein Token auch nur ein Teil eines Wortes oder sogar nur ein Satzzeichen sein. Die Aufteilung in Token ermög‐ licht es KI-Systemen, effizienter mit Sprache zu arbeiten, insbesondere bei komplexen und zusammengesetzten Wörtern. Die Token werden dann auch nicht als Buchstabenfolgen verarbeitet, sondern in Zahlen umgewandelt, mit denen anschließend gerechnet werden kann. Das Training eines KI-Modells ähnelt dem Lernprozess eines Kindes in dem Sinne, dass es nicht explizit programmiert wird, sondern durch ‚Beobachtung‘ lernt (nachdem es aber natürlich erst einmal dahingehend programmiert wurde, dass es beobachten soll; supervised learning, s. Kapitel 2.1). ‚Beobachtung‘ ist in Anführungszeichen gesetzt, da KI nicht durch Beobachtung im menschlichen Sinne lernt, sondern durch die Verarbeitung großer Datenmengen: Auf Grundlage der Analyse von Milliarden von Textbeispielen, die dem Modell zur Verfügung gestellt wurden, lernt es, sprachliche Muster wie die oben genannten zu erkennen und zu reproduzie‐ 2.2 Funktionsweise 29 <?page no="30"?> ren. Ein zentraler Bestandteil dieses Lernprozesses ist die Backpropagation, eine Methode, bei der das Modell seine Antworten überprüft und seine Parameter so lange anpasst, bis es in der Lage ist, die Trainingsdaten so gut wie möglich selbst zu erzeugen. Zusätzlich wird durch Verfahren wie das Reinforcement Learning mit menschlichem Feedback nach dem initialen Training die Qualität der Antworten weiter optimiert, indem menschliche Bewerter: innen die Reaktionen des Modells bewerten und korrigieren. Und nun das Allerwichtigste in diesem Kapitel: KI-Modelle verfügen über keinerlei Weltwissen, können also keinen Verstehensprozess leisten, da sie ‚semantisch blind‘ sind. Gemeint ist damit, dass sie nichts von dem verstehen, was sie verarbeiten. Und zwar wirklich gar nichts. Das einzige, über das sie verfügen, ist Musterwissen. Deshalb handelt es sich bei KI-Modellen um Sprachmodelle und nicht (! ) um Wissensmodelle. Ich versuche, dies an drei Beispielen zu erläutern: 1. Angenommen, ein KI-Modell wurde mit Milliarden von Texten trainiert, in denen Menschen ausschließlich als Wesen dargestellt werden, die rote Augen, grüne Ohren und blaue Flügel haben. Wenn ein solches KI-Mo‐ dell nun selbst Text produziert und etwas über Menschen schreiben soll, wird es natürlich schreiben, dass Menschen rote Augen, grüne Ohren und blaue Flügel haben. Einfach deshalb, weil es dies immer wieder in seinen Trainingsdaten ‚gelernt‘ hat und somit reproduziert. 2. Angenommen, ein KI-Modell soll den Satz vervollständigen „Malala Yousafzai fliegt nach …“. Warum wird kein KI-Modell diesen Satz z. B. mit „Wiesbaden“, „Wanne-Eickel“, „Zwickau“ oder „Leicester“ vervollstän‐ digen? Weil es weiß, dass diese Städte keinen Flughafen haben? Nein! Sondern weil das Modell in seinen Milliarden Trainingsdaten vermutlich nie die Verbindung des Verbs fliegen nach mit ebendiesen Städten gefunden hat. In den Trainingsdaten, die von Menschen produziert wurden, kommt diese Verbindung natürlich deshalb nicht vor, weil die Autor: innen der Texte wussten, dass die genannten Städte über keinen Flughafen verfügen. Die Menschen wissen das bzw. können sich dieses Wissen durch kognitive Prozesse ‚erarbeiten‘. KI-Modelle sind hingegen nicht in der Lage, dieses Wissen zu erlangen, sofern sie es nicht mathematisch errechnen können. 3. Angenommen, Sie haben ein KI-System einen wissenschaftlichen Text zum Thema „Darmprobleme bei Fischen“ schreiben lassen und fordern das System nun dazu auf, Ihnen relevante Literatur auszugeben. Sie 30 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="31"?> 7 Forschende des Unternehmens Meta und anderer Einrichtungen haben im Frühjahr 2024 das erste Multi-Token-Prediction Model veröffentlicht (Gloeckle et al., 2024). Dabei wird nicht mehr ein Token nach dem anderen vorhergesagt, sondern direkt mehrere, was zu besseren Ergebnissen führt. Dies könnte einer der nächsten großen Meilensteine im Bereich generativer KI sein. werden vermutlich Literaturangaben bekommen, die wunderbar wis‐ senschaftlich aussehen, z. B. einen Titel wie „Feeding fish with carrots: Effects on gut microbiota“ tragen. Wenn Sie allerdings ein KI-System ohne Schnittstelle zum Internet nutzen, kann es gut sein, dass es die entsprechende Publikation gar nicht gibt. Warum? Ganz einfach: Das KI-System hat aus den Trainingsdaten gelernt, wie wissenschaftliche Literaturangaben aussehen, hat in seinen Trainingsdaten vielleicht sogar Hinweise darauf gefunden, welche Autorin besonders häufig zu Darmproblemen bei Fischen publiziert hat. Aber es kennt eben keine Publikationen. Insofern hat es einen erst einmal ‚toll‘ aussehenden Titel generiert, der aber gar nicht existiert. An dieser Stelle sind wir nun beim Punkt der Wahrscheinlichkeiten. In der Welt der generativen KI basiert die Erzeugung von Inhalten wie Texten auf mathematischen Wahrscheinlichkeiten. Die generative Sprachmodellierung befasst sich mit der Vorhersage des nächsten Wortes bzw. Tokens in einem Text. 7 Durch das Training anhand großer Textmengen lernen LLMs, den Kontext zu ‚verstehen‘ und passende Wörter bzw. Token vorherzusagen. Dies ermöglicht es ihnen, Texte zu generieren und auf Anfragen zu reagieren Möglicherweise fühlen Sie sich hier an die Autocomplete-Funktion Ihres Smartphones erinnert - nicht ganz zu Unrecht. Aber - und das ist das Geniale - LLMs gehen noch einen großen Schritt weiter. LLMs arbeiten bei der Texterzeugung nämlich nicht linear. Vielfach wird die Verwendung von generativer KI mit der Verwendung von Taschenrechnern verglichen. Dass dieser Vergleich hinkt, zeigt sich u. a. darin, dass Taschenrechner stets lineare Ergebnisse liefern: Egal welche Rechnung gestellt wird, das Ergebnis ist jedes Mal das gleiche (egal bei welcher Benutzerin und welchem Gerät). LLMs folgen bei der Texterzeugung hingegen keiner Linearität. LLMs erzeugen jedes Mal neue Antworten auf die gleiche Frage. Es wird also nicht einfach die bisherige Wortkette betrachtet und dann geschaut, welches Wort nun am wahrscheinlichsten auf die letzten Wörter folgt. Stattdessen greift hier die sog. Transformer-Architektur (Sie erinnern sich: GPT = Generative Pretrained Transformer), die Eingaben nicht sequenziell, 2.2 Funktionsweise 31 <?page no="32"?> sondern parallel prozessiert. Diese Eigenschaft ermöglicht es, Informationen über längere Textstrecken hinweg zu verarbeiten und dadurch die Qualität der Spracherkennung und -generierung zu verbessern. Ein wesentliches Merkmal von Transformern ist wiederum der sog. Attention-Mechanismus, der es dem Modell ermöglicht, relevante Verbindungen auch zwischen weit auseinanderliegenden Token herzustellen und jedes Token einer Eingabe mit jedem anderen Token in ein Verhältnis zu setzen. Dadurch sind LLMs auch so gut darin, kohärente Texte zu erzeugen und die Bedeutung von Wörtern anhand ihres Kontextes zu bestimmen. Ein einfaches Beispiel hier‐ für ist das Wort Bank, im Deutschen ein sog. Homonym (‚Teekesselchen‘). Ob eine Person, die dieses Wort in einen KI-Chatbot eingibt, damit die Bank zum Sitzen oder die Bank im Finanzwesen meint, kann der LLM-basierte Chatbot anhand des Kontextes entsprechend decodieren. Das LLM hat zuvor Cluster-Bildungen vorgenommen und bedeutungsähnliche Wörter in sog. neuronalen Netzwerken zusammengepackt. Zum einen kommt das Wort ‚Bank‘ innerhalb eines Clusters zu ‚Finanzwelt‘ vor, zum anderen innerhalb eines Clusters etwa zu ‚Stadtpark‘. Weiterführende Ressource | Die Financial Times hat eine schöne Übersicht gebaut, wie Large Language Models funktionieren und was das Besondere an der Transformer-Architektur ist (https: / / ig.ft.com/ gen erative-ai/ ). Die Kernoperation eines jeden generativen KI-Modells ist also das Berech‐ nen der Wahrscheinlichkeit verschiedener möglicher Fortsetzungen eines Textes. Die Entscheidung für eine bestimmte Fortsetzung basiert auf der Analyse vorangegangener Token und deren größerem Kontext. KI-Systeme verfügen dabei über ein sog. Kontextfenster, das die Menge der Informatio‐ nen bestimmt, die das Modell gleichzeitig berücksichtigen kann. Je größer dieses Fenster ist, desto mehr Kontext kann das Modell in seine Verarbeitung einbeziehen, was wiederum die Relevanz und Kohärenz der generierten Inhalte erhöht. 32 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="33"?> Weiterführende Ressource | In einem Video der ‚Digitalen Profis‘ mit dem Titel „Woher weiß ChatGPT das alles? So erstellt die KI ihre Ant‐ worten“ wird die Token-Vorhersage einfach erklärt (https: / / www.youtu be.com/ watch? v=94v7scg_S1g). Wer lieber lesen mag: Unter der Über‐ schrift „How Large Language Models Work: From Zero to ChatGPT” präsentiert Andreas Stöffelbauer von Microsoft eine Einführung in Text‐ form (https: / / medium.com/ data-science-at-microsoft/ how-large-langu age-models-work-91c362f5b78f). Ein verbreiteter Irrglaube ist, dass Sprachmodelle einzelne Wortketten, die sie in ihren Trainingsdaten gefunden haben, bei der Generierung von Text einfach neu zusammensetzen. Hier ein paar Wortschnipsel aus Text A, hier ein paar Satzfetzen aus Text B und hier noch drei Wörter aus Text C, und fertig ist der neue Text. So funktioniert die KI-gestützte Textgenerierung aber nicht. Stattdessen erzeugt das Sprachmodell immer komplett neuen, bislang noch nie dagewesenen Text - ein Unikat -, basierend auf dem, was es in seinem Trainingsprozess über die Wahrscheinlichkeiten der Aufeinan‐ derfolge von Token gelernt hat, angepasst an den jeweiligen Kontext. Was dies für die bei wissenschaftlichen Arbeiten relevante Frage „Plagiat oder nicht? “ bedeutet, besprechen wir in Kapitel 3.4. Weiterführende Ressource | Der Softwareentwickler Ishan Anand hat das komplette 124 Millionen Parameter umfassende Sprachmodell GPT-2 von OpenAI in ein Excel-Spreadsheet gepackt. Mit der entsprech‐ enden Anleitung, die er zur Verfügung stellt, können auch Lai: innen dem Sprachmodell detailliert beim Arbeiten zusehen (https: / / the-decoder.de/ gpt-2-zum-anfassen-entwickler-macht-sprachmodell-in-excel-begreifb ar/ ). Eine wichtige Rolle bei der Berechnung von Wahrscheinlichkeiten spielt schließlich auch das Konzept der sog. Temperature. Dieser Parameter be‐ einflusst die Wahl der Token: Eine hohe Temperature führt dazu, dass das Modell experimentierfreudiger ist, also auch weniger wahrscheinliche Token auswählt. Eine niedrige Temperature hingegen begünstigt sicherere, 2.2 Funktionsweise 33 <?page no="34"?> wahrscheinlichere Wahlen. Dadurch kann gesteuert werden, wie kreativ oder vorhersehbar die Antworten des Modells sind. Weiterführende Ressource | Wer ausprobieren möchte, welche Ein‐ flüsse verschiedene Temperature-Werte auf die Wahrscheinlichkeit ein‐ zelner Wörter im Output haben, kann auf dieser Seite herumexperi‐ mentieren: https: / / artefact2.github.io/ llm-sampling/ index.xhtml. Noch eine letzte Sache: Immer mehr KI-Tools, so auch ChatGPT, verbinden Large Language Models mit dem Internet, sodass diese auch Zugriff auf das Weltwissen haben (Retrieval-Augmented Generation). Dennoch haben die Sprachmodelle auch hier kein direktes Verständnis von oder Bewusstsein über Weltwissen im menschlichen Sinne; sie verarbeiten nur die Informati‐ onen, die sie aus Texten erhalten. Wie funktioniert die Textgenerierung in diesem Fall? Nehmen wir Microsoft Copilot als Beispiel: Sie richten die Frage an das KI-Tool, ob man Möhren dunkel und warm lagern muss oder kalt und hell. Microsoft Copilot führt dann zunächst im Hintergrund eine Art ‚klassische‘ Websuche durch, so ähnlich wie man sie von Suchmaschinen wie DuckDuckGo, Google, Ecosia oder anderen kennt. Allerdings werden die Webseiten nicht komplett gesucht, sondern es werden z. B. nur die SEO-Snippets ausgewertet. Eine komplette Seitenanalyse wäre zu langsam und zu teuer. Die Top-Suchergebnisse werden dann extrahiert, zusammen‐ geführt und zur Generierung der Antwort verwendet. Weiterführende Ressource | Am Ende dieses Kapitels sei noch auf die Plattform KI-Campus verwiesen. Dort finden sich qualitativ hochwer‐ tige Videos, Selbstlernkurse und mehr zu allen Themen rund um Künst‐ liche Intelligenz - sowohl für Einsteiger: innen als auch für Fortgeschrit‐ tene. Alle Lernangebote sind komplett kostenlos; gefördert wird die Plattform u. a. vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (htt ps: / / ki-campus.org). 34 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="35"?> Takeaway • Generative KI, insbesondere LLMs, nutzt maschinelles Lernen, um in großen Datenmengen Muster zu erkennen und neue Inhalte zu generieren. • LLMs verarbeiten Sprache nicht als Wörter, sondern als Token, die numerisch repräsentiert werden. • KI-Modelle besitzen kein Weltwissen, sondern basieren allein auf Wahrscheinlichkeitsberechnungen für die Vorhersage von Token und damit die Erzeugung von Text. • Bei der Erstellung von Text fügen KI-Tools keine ‚Satzschnipsel‘ von bereits bestehenden Texten zusammen, sondern generieren ganz neue Texte, also Unikate. • Retrieval-Augmented Generation ermöglicht LLMs den Zugriff auf das Internet, jedoch ohne tatsächliches Verständnis der Informationen. 2.3 Halluzinationen Ziel dieses Kapitels ist es, das Phänomen der Halluzinationen bei generativer KI zu erläutern und zu erklären, warum diese auftreten. Es soll verdeutlicht werden, dass KI-Tools keine bewussten Lügen er‐ finden, sondern aufgrund ihrer Funktionsweise gleichgültig gegenüber der Wahrheit sind. Daraus folgt, dass KI-Tools nur sehr bedingt als Recherchewerkzeuge funktionieren. Möglicherweise haben Sie schon gehört, dass KI-Tools ‚halluzinieren‘. Damit ist gemeint, dass sie falsche Informationen ausgeben bzw. irgendetwas ‚zurechtspinnen‘, ohne dass dies stimmt. Ein Beispiel hierfür aus dem Sommer 2024: Ich habe ChatGPT darum gebeten, das Gedicht „Pinguine im Frühling“ von Isabella Buck zu interpretieren. Habe ich jemals ein solches Gedicht geschrieben? Nein. Hat irgendeine andere Person mit meinem Namen ein solches Gedicht geschrieben? Sehr unwahrscheinlich. Dennoch folgt ChatGPT umstandslos meiner Aufforderung. 2.3 Halluzinationen 35 <?page no="36"?> 8 Keine Sorge, wenn Sie das nicht verstehen: Ich wollte einfach ein allgemeinverständli‐ ches mit einem nicht allgemeinverständlichen Thema kontrastieren und habe dazu auf ein Beispiel aus der Interaktionalen Linguistik zurückgegriffen. Abbildung 4 | Unterhaltung mit ChatGPT über ein fiktives Gedicht KI-Halluzinationen entstehen, weil Sprachmodelle darauf abzielen, zusam‐ menhängende und flüssige Texte zu generieren, ohne ein Verständnis für die zugrunde liegende Realität zu besitzen. Dass es zu diesen Halluzinatio‐ nen kommt, liegt also schlichtweg an der im vorherigen Unterkapitel 2.2 beschriebenen Arbeitsweise der KI-Systeme (Hicks et al., 2024). Daher ist die Wahrscheinlichkeit für Halluzinationen bei sehr speziellen Themen auch höher als bei Themen, die zum Allgemeinwissen gehören (Waldo & Boussard, 2024): In den Trainingsdaten der LLMs wird vermutlich sehr viel häufiger stehen, dass die Erde rund und Gras grün ist, als dass die Verbzweitstellung in weil-Sätzen der gesprochenen Sprache epistemische Modellierungen ausdrücken kann. 8 Mittlerweile nehmen Halluzinationen immer mehr ab. ChatGPT schreibt inzwischen zu meinem Gedicht: „Ich konnte keine spezifischen Informationen über das Gedicht ‚Pinguine im Frühling‘ von Isabella Buck finden. Ohne den Text des Gedichts ist eine detaillierte Interpretation schwierig.“ Dennoch treten immer noch Halluzinationen auf, sei es bei ChatGPT oder anderen LLMs. Interessant ist nun aber, dass man hier im Grunde genommen gar nicht von einem Fehler sprechen kann. Aljoscha Burchardt vom Deutschen Forschungs‐ zentrum für Künstliche Intelligenz in Berlin brachte dies in einem Interview mit Hardy Funk (2024) vom Bayerischen Rundfunk gut auf den Punkt: 36 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="37"?> „[F]ür den Algorithmus ist nicht faktische Wahrheit entscheidend, sondern statis‐ tische Wahrscheinlichkeit […] Eine KI wie ChatGPT geht exakt gleich vor, wenn sie faktisch Wahres oder frei Erfundenes ausgibt […]. Wenn du unterm Strich alle Texte dieser Welt gelesen hast und sagen kannst, was das Wahrscheinlichste ist, wenn ich sage, Photosynthese funktioniert wie folgt[, d]ann kommt da wahrscheinlich auch ein relativ sinnvoller Text über Photosynthese heraus. Aber wenn man nach Personen fragt, über die es nicht zu viel Informationen gibt, dann kommt aus dem System einfach das heraus, was möglicherweise plausibel klingt.“ In gewisser Weise sind Halluzinationen also genau das, was LLMs eben tun - und damit handelt es sich nicht um Fehler. KI-Systeme halluzinieren die ganze Zeit, da sie nichts verstehen und deshalb lediglich halluzinieren können. Häufig sind die ausgegebenen Antworten nur ‚zufällig‘ richtig, weil die LLMs mit ausreichend viel Material trainiert wurden. Andrej Karpathy (2023) schrieb dazu in einem Post bei X: „It looks like a bug, but it’s just the LLM doing what it always does […], it is LLM’s greatest feature”. Genau deshalb müssen wir als Menschen mit unserer menschlichen Intelligenz und unserem Weltwissen immer einen Faktencheck machen und uns fragen bzw. recherchieren, ob das, was KI-Tools generieren, auch wirklich faktisch richtig ist. Shuofei Qiao et al. (2024) machen in ihrer Studie allerdings Hoffnung: Sie untersuchen, ob ein externes, angelerntes World Knowledge Model, das KI-Tools mit zusätzlichem Weltwissen ausstatten soll, die Leistung der Sprachmodelle verbessern kann. Dabei zeigen sie, dass KI-Agenten mit einem solchen Weltwis‐ sens-Modell im Hintergrund, also mit Wissen über unsere reale Welt, deutlich besser abschneiden als solche ohne ein solches Modell - und zwar insbesondere bei für das KI-System bislang noch neuen Aufgaben. Weiterführende Ressource | Letzten Endes stellt sich auch die Frage, ob nicht auch wir Menschen halluzinieren, ob nicht auch wir Menschen einfach ‚stochastische Papageien‘ sind - wie Emily Bender et al. (2021) dies für LLMs behauptet haben - und als solche das ‚nachplappern‘, was wir gelernt haben. Diese Frage würde hier jedoch zu weit führen. Wer sich näher damit beschäftigen möchte, sei auf den Artikel hinter dem QR-Code verwiesen (https: / / www.csiro.au/ en/ news/ All/ Articles/ 2023/ J une/ humans-and-ai-hallucinate). 2.3 Halluzinationen 37 <?page no="38"?> 9 Ich schreibe hier bewusst nicht, dass LLMs nicht als Such- und Recherchewerkzeuge geeignet sind. Wer z.-B. oberflächliche Informationen zu einem Thema sucht, das zum Allgemeinwissen zu rechnen ist, kann KI-Tools hierfür durchaus einsetzen. Wenn ich einen Roman lese, der während des spanischen Bürgerkriegs spielt, und ich möchte ein paar mehr Informationen über den Bürgerkrieg, um das Buch besser einzuordnen, ist es sicher nicht verkehrt, ein KI-Tool danach zu fragen. Ob die generierten Informationen zu 100 % korrekt sind, ist in diesem Fall nicht weiter relevant. (Die Inspiration zu diesem Beispiel für eine mögliche Gebrauchsweise stammt von Manuel Vogler). Insgesamt zeigt das Thema der sog. Halluzinationen, dass Sprachmodelle als Such- und Recherchewerkzeuge nur sehr bedingt geeignet sind. 9 Sie lügen zwar nicht - dies würde Bewusstsein für die Unwahrheit voraussetzen -, verbreiten aber dennoch Falschinformationen, weil sie gleichgültig gegen‐ über der Wahrheit sind. Hicks et al. (2024) sprechen deshalb davon, dass ChatGPT & Co. bullshit produzieren. Inzwischen kursieren zahlreiche Fälle im Internet, in denen LLMs wirklich großen Unsinn von sich gegeben haben. Um nur einen Fall aus dem Sommer 2024 zu nennen: Der Journalist Martin Bernklau gab seinen Namen in Microsoft Copilot ein, um zu prüfen, wie die Artikel seines Kulturblogs im Internet so ankommen. Daraufhin behauptete Copilot, Bernklau sei ein verurteilter Kinderschänder, Ausbrecher aus der Psychiatrie und Witwenbetrüger. All dies stimmt in keiner Weise. Dass es zu dieser Antwort kam, liegt wohl schlichtweg daran, dass Bernklau viele Jahrzehnte als Gerichtsreporter aus dem Landgericht Tübingen berichtete. Das LLM verband also die Fälle, über die er berichtete und in denen er natürlich als Autor namentlich auftauchte, mit seinem Namen und machte so den „Reporter zum Täter“, wie Markus Beschorner (2024) im SWR schreibt. Fälle wie dieser, die öffentlich diskutiert werden, sind das eine. Viel problematischer, da viel weniger offensichtlich, sind aber all die Antworten, „die Fehler enthalten, ohne dass die Fragesteller[: innen] dies bemerken, weil die Antworten logisch und überzeugend klingen, und sogar Quellen referenziert werden“ (Bastian, 2024b). Takeaway • KI-Tools ‚halluzinieren‘, d. h., sie generieren falsche Informationen, die plausibel klingen mögen, aber nicht der Realität entsprechen. • Diese Halluzinationen sind keine Fehler im eigentlichen Sinne, son‐ dern Ergebnis der Funktionsweise von LLMs: Sie produzieren Texte 38 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="39"?> basierend auf statistischen Wahrscheinlichkeiten auf Grundlage ihrer Trainingsdaten, ohne die Bedeutung des Inhalts zu verstehen und somit deren Wahrheit beurteilen zu können. • Halluzinationen treten verstärkt bei speziellen Themen auf, zu denen weniger Informationen in den Trainingsdaten vorhanden sind. 2.4 Herausforderungen Ziel dieses Kapitels ist es, Sie für die Herausforderungen beim Einsatz von KI-Tools zu sensibilisieren, wobei ich auf technische, ethische, po‐ litische, ökologische, datenschutzrechtliche, kognitive und epistemische Aspekte eingehe. Wenngleich das Wissen um diese Gesichtspunkte nicht unmittelbar relevant ist, um KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben zu nutzen, sind die genannten Herausforderungen doch im Hintergrund präsent. Ein umfassenderes Bewusstsein über sie ist daher Bestandteil einer verantwortungsvollen Nutzung von KI-Tools im wissenschaftlichen Kontext. Ich würde fast meine Hand dafür ins Feuer legen, dass alle, die dies lesen, schon mindestens einmal die Warnung gehört haben, KI-Inhalte nicht ungeprüft zu übernehmen. Das stimmt natürlich, ist jedoch nur einer der vielen Punkte, die beim Einsatz von KI-Tools zu beachten sind bzw. die eine Herausforderung darstellen können. In diesem Kapitel möchte ich deshalb die kritischen Seiten von generativer KI beleuchten. Dabei beschränke ich mich auf textgenerierende KI, mache also das Fass der multimodalen KI (Bild-, Audio- und Videogenerierung) gar nicht erst auf. Aber auch bei textgenerierender KI kann ich nur in Stichpunkten und Auszügen auf mögliche Gefahren eingehen - zu jedem einzelnen Unterkapitel könnte man sicherlich ein ganzes Buch schreiben. Ich werde Ihnen daher weiterführende Links zur Verfügung stellen, die Sie für eine vertiefende Beschäftigung mit dem jeweiligen Aspekt aufrufen können. Um Ihnen das übergeordnete Ziel zu verdeutlichen, das ich mit diesem Kapitel verfolge, zitiere ich Nele Hirsch (2024): „Zur Nutzung von KI-Tools gehört immer auch das Lernen über KI-Tools. In der aktuellen KI-Debatte 2.4 Herausforderungen 39 <?page no="40"?> geht es hier v. a. um die Technik hinter großen Sprachmodellen […]. Zugleich gilt es [aber] auch die Interessen der anbietenden KI-Unternehmen deutlich zu machen und auf Schwierigkeiten wie z. B. die Intransparenz der verwendeten Datenbasis oder von Filtermechanismen, den großen Ressourcenverbrauch oder die mögliche ‚politische‘ Färbung hinzuweisen. Denn Technologie ist per se nie ‚neutral‘. Es handelt sich hier um eine gesamtgesellschaftliche Lernherausforderung, die in diesem Sinne […] für Lehrende wie Lernende gleichermaßen relevant ist“. Gerade weil Techno‐ logie nie neutral ist, kann man den Einsatz von generativer KI beim wissenschaftlichen Schreiben, um den es in diesem Buch geht, auch nicht ganz losgelöst von ethischen, ökologischen, datenschutzrechtlichen etc. Aspekten betrachten bzw. diese nicht ausblenden. Weiterführende Ressource | In diesem Kapitel stehen die Herausfor‐ derungen generativer KI im Vordergrund. Wer sich für eine andere, also eine utopische Perspektive sei auf ein Essay von Dario Amodei (2024) verwiesen, in dem er ausmalt, wie eine Welt aussieht, in der KI komplett zum Wohle der Menschen eingesetzt wird (https: / / darioamodei.com/ ma chines-of-loving-grace). Technische Aspekte Starten wir mit den technischen Herausforderungen von generativer KI. Die Komplexität von LLMs kann dazu führen, dass die genaue Funktionsweise selbst für die Entwickler: innen der KI-Systeme nur schwer zu verstehen ist. Dieses Phänomen wird oft als ‚Black Box‘-Problem beschrieben, bei dem nicht klar ist, wie Eingabedaten zu Ausgaben verarbeitet werden. Kurz gesagt: Keiner weiß so genau, wie LLMs zu ihren Ergebnissen gelangen. Allerdings ist die Rede von der ‚Black Box‘ nicht unumstritten, da die (Trai‐ nings-)Daten und die zugrundeliegenden Algorithmen zumindest teilweise bekannt sind. König (2023) etwa spricht daher bewusst von einer ‚Grauen Box‘: „Weil der gesellschaftliche Anspruch an die Chatbot-Technologie […] ein Min‐ destmaß an Transparenz ist, schien ‚Graue-Box‘ passend. Mit Blick auf die EU-Gesetzgebungsprozesse und Transparenzanforderungen an KI-Chatbots ist 40 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="41"?> der begriffliche Unterschied von Black zu Grau ein relevanter Unterschied, der einen Unterschied macht.“ Fest steht jedoch: Welcher Input bei einem KI-System zu welchem Output führt, ist zumindest für ‚normale‘ Nutzende ohne Informatikkenntnisse nicht nachvollziehbar. Und wenn nicht klar ist, wie KI-Tools zu ihren Ergeb‐ nissen oder Entscheidungen gelangen, kann es schwierig sein, Fehler oder Verzerrungen in diesen Systemen zu erkennen oder zu korrigieren. Zudem besteht häufig ein Trade-Off zwischen der Genauigkeit und der Erklärbarkeit von KI-Modellen: Hochgenaue Modelle wie tiefe neuronale Netzwerke sind weniger transparent, während einfachere Modelle, die leichter zu verstehen und zu erklären sind, möglicherweise nicht die gleiche Leistung erbringen. Mit der Einführung von Gesetzen wie dem AI Act der Europäischen Union im Jahr 2024, die die Erklärbarkeit in bestimmten Anwendungsbereichen zur Pflicht machen, stehen Entwickler: innen vor der Herausforderung, ihre Modelle so anzupassen, dass sie diesen neuen rechtlichen Anforderungen entsprechen. (Oder aber sie stellen sie, wie etwa der Konzern Meta, in der EU gar nicht mehr zur Verfügung …) Neben Erklärbarkeit spielt in diesem Kontext auch Interpretierbarkeit eine Rolle. Interpretierbarkeit meint die Möglichkeit, „die inneren Mecha‐ nismen eines KI-Modells zu verstehen und nachzuvollziehen, wie es zu seinen Entscheidungen kommt“, während Erklärbarkeit auf die Möglichkeit verweist, „die Entscheidungen eines KI-Systems in einer für Menschen verständlichen Form darzustellen und zu begründen“ (Ralser & Herzog, 2024). Unter den Stichpunkten „Explainable AI“ und „Usable AI“ wird dabei versucht, die Funktionsweise von LLMs nachvollziehbarer und transparen‐ ter zu gestalten (Luo & Specia, 2024; Wu et al., 2024). Weiterführende Ressource | Wer sich tiefer mit diesem Thema be‐ schäftigen möchte, sei auf den Foundation Model Transparency Index der Standford University verwiesen, der die Transparenz von KI-entwi‐ ckelnden Unternehmen unter die Lupe nimmt: https: / / crfm.stanford.edu / fmti/ May-2024/ index.html. 2.4 Herausforderungen 41 <?page no="42"?> Takeaway • Die genaue Funktionsweise von LLMs bzw. der Weg von einem In‐ put zum Output ist oft selbst für Expert: innen schwer verständlich (‚Black Box‘-Problematik). • Es gibt einen Zielkonflikt zwischen Genauigkeit und Erklärbarkeit von KI-Modellen. • Gesetze wie der EU AI Act fordern mehr Erklärbarkeit für KI-Sys‐ teme, was eine Herausforderung für Entwickler: innen darstellt. Ethische Aspekte Wenn es um ethische Überlegungen im Kontext von generativer KI geht, stehen meist sog. Bias, Verzerrungen bzw. Voreingenommenheiten, im Vordergrund (Navigli et al., 2023). LLMs basieren grundlegend auf den Trainingsdaten, anhand derer sie sprachliche Muster gelernt haben. In Kapitel 2.2 haben wir uns diese Funktionsweise von generativer KI näher angeschaut. Was aber, wenn in den Trainingsdaten nur Unsinn steckt? Die Formel garbage in, garbage out bringt die Konsequenzen auf den Punkt: Wer LLMs mit ‚Müll‘ ‚füttert‘, bekommt auch ‚Müll‘ ausgegeben. Ich führe hier nochmals das Beispiel aus Kapitel 2.2 an: Angenommen, ein KI-Modell wurde mit Milliarden von Texten trainiert, in denen Menschen ausschließ‐ lich als Wesen dargestellt werden, die rote Augen, grüne Ohren und blaue Flügel haben. Wenn ein solches KI-Modell nun selbst Text produziert und etwas über Menschen schreiben soll, wird es natürlich schreiben, dass Menschen rote Augen, grüne Ohren und blaue Flügel haben. LLMs wie die Modelle von OpenAI, Google, Meta oder Mistral wurden mit einer riesigen Menge an Texten aus dem Internet trainiert, darunter auch abertausenden Forenbeiträgen und Büchern von Google Books. In diesen ganzen Texten finden sich leider auch viele ableistische, antimuslimische, judenfeindliche, sexistische, rassistische, homophobe etc. Kommentare, mit denen dann die Modelle trainiert wurden. Das führt logischerweise dazu, dass die LLMs gesellschaftlich vorhandene Vorurteile und Stereotypen reflektieren (Sombetzki, 2024). Ein weiteres Problem der Trainingsdaten ist die Überrepräsentation der sog. „WEIRD“-Populationen. WEIRD ist ein Akronym und steht für Western, Educated, Industrialized, Rich und Democratic, also westlich, gebildet, industrialisiert, reich und demokratisch. 42 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="43"?> Diese Verzerrung bedeutet, dass die Perspektiven und Erfahrungen eines Großteils der Weltbevölkerung, die nicht zu dieser Gruppe gehören, in den Trainingsdaten unterrepräsentiert sind. Um ein sehr simples Beispiel anzuführen: LLMs nehmen Clusterbildungen vor, sodass ähnliche Wörter in den zugrunde liegenden neuronalen Netzwerken nah beieinanderstehen (s. Kapitel 2.2). Das Wort ‚Schwein‘ wird hierbei in einem westlich geprägten Cluster sicherlich sowohl im Cluster ‚Tier‘ als auch im Cluster ‚Essen‘ lan‐ den. In anderen Kulturen, in denen Schweinefleisch aus religiösen Gründen nicht gegessen wird, wird das Schwein in einem solchen Cluster nur bei ‚Tier‘ stehen, nicht aber bei ‚Lebensmittel‘. Man könnte auch weitergehen und sich die Frage stellen, wie lange das Schwein überhaupt noch als Lebensmittel eingeordnet werden kann, um uns als Gesellschaft darzustellen - immerhin verzichten immer mehr Menschen ganz auf den Konsum von Fleisch. Wenn wir davon sprechen, dass LLMs biased sind, zeigen wir häufig mit dem Finger auf die KI, ohne dabei aber zu reflektieren, dass die Bias von uns Menschen selbst kommen. Wir tun so, als seien wir Menschen eigentlich ganz rational und völlig neutral funktionierende Wesen - was aber definitiv nicht der Fall ist. Nick Shackleton-Jones (2019, S. 51) drückt dies treffend aus, wenn er schreibt: „To describe us as ‚biased‘ is like saying that a steam locomotive is ‚biased‘ towards running on train tracks“. So wie eine Eisenbahn selbstverständlich auf ihren Schienen fährt, so ‚fahren‘ auch wir auf den Schienen unserer Wertvorstellungen und unserer Vorurteile, die jede: r von uns aufgrund der eigenen Sozialisation und des eigenen Umfelds hat. LLMs reproduzieren letztlich einfach nur die Inhalte, die wir Menschen die letzten Jahrzehnte über ins Internet gestellt haben. Der Bias von LLMs stammt dementsprechend einzig und alleine vom Bias der Menschen und somit vom menschlichen Rassismus, der menschlichen Homophobie etc. Weiterführende Ressource | In seinem „Handbook of AI’s Unintended Consequences“ widmet Arvind Sanjeev ein Kapitel dem Aspekt, dass Bias in LLMs unsere eigene menschliche Kultur widerspiegeln. Hierfür listet er viele verschiedene konkrete Beispiele auf (https: / / uxdesign.cc/ b ias-in-ai-is-a-mirror-of-our-culture-3607bd795c57). 2.4 Herausforderungen 43 <?page no="44"?> Die Funktionsweise von LLMs kann auch zu kriminellem Verhalten führen. Werden LLMs etwa unter Druck gesetzt, gute Ergebnisse zu erzielen und damit Geld zu machen, legen sie sogar betrügerisches Verhalten an den Tag. In einer Studie von Scheurer et al. (2024), in der GPT-4 die Rolle eines autonomen Aktienhandelsagenten übernehmen sollte, handelte das LLM basierend auf Insiderinformationen und log, um seine Entscheidungs‐ grundlage gegenüber den Nutzenden des LLMs zu verschleiern. Ohne dazu aufgefordert worden zu sein, täuschte GPT-4 also strategisch in einer realistischen Situation. Sprachmodelle mit großen Kontextfenstern, die eine große Anzahl an Informationen gleichzeitig berücksichtigen können, sind außerdem anfällig für sog. Many-Shot-Jailbreaking-Angriffe. Dabei wird die Sicherheit von LLMs untergraben, indem ihnen eine Vielzahl schlechter, unethischer Bei‐ spiele präsentiert wird. Anschließend erzeugt das LLM weitere potenziell schädliche Antworten, die den Stil dieser Beispiele übernehmen (Anthropic, 2024). Insgesamt muss man festhalten, dass am Ende immer wir Menschen die Verantwortung für unsere Texte tragen. LLMs handeln komplett ohne Verantwortung (Misselhorn, 2023). Es bleibt also unsere Aufgabe, Bias und Stereotypen zu hinterfragen und sie in unseren Texten nicht zu reprodu‐ zieren. Verwenden wir KI-generierte Inhalte, sollten wir „Darstellungen, die von einer technischen Verzerrung aufgrund falscher oder veralteter Trainingsdaten […] betroffen sind […] keine Bühne [bieten].“ (Hermani, 2024). Neben den Bedenken hinsichtlich Verzerrungen müssen im Kontext ethischer Herausforderungen von LLMs auch urheberrechtliche Fragen berücksichtigt werden. Wie in Kapitel 2.2 gezeigt, werden LLMs mit riesigen Textmengen aus dem gesamten Internet trainiert. Die großen KI-Unterneh‐ men argumentieren in diesem Kontext, dass das Training ihrer Modelle auf bestehenden Texten und Daten nicht ohne Urheberrechtsverletzungen möglich sei, dabei aber unter das Konzept des fair use falle. Diese Praxis ist jedoch umstritten, da es eigentlich nicht zulässig ist, Inhalte ohne explizite Zustimmung ihrer Urheber: innen zu verwenden. Diverse KI-Unternehmen sehen sich dementsprechend auch immer wieder mit juristischen Klagen konfrontiert - die medienwirksamste war sicher die Klage der New York Times gegen OpenAI auf Schadensersatz von mehreren Milliarden Dollar Ende 2023. Das Argument der New York Times war, dass OpenAI mit seinen Sprachmodellen viel Geld verdient, die New York Times, deren 44 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="45"?> Texte u. a. erst den Weg für diesen Erfolg geebnet haben, an den Profiten aber nicht beteiligt hat. Wenn in solchen Fällen das Urteil lautet, dass das urheberrechtlich geschützte Trainingsmaterial gelöscht werden muss, würde dies in letzter Konsequenz das Aus für die Sprachmodelle bedeuten. Es bleibt also die Frage, welche Folgen die ganzen juristischen Verfahren künftig für die Praxis des Trainings von LLMs haben. Dass es auch anders gehen kann, macht das Startup 273 Ventures vor: Ihr LLM ‚Kelvin Legal Large Language Model‘ (kurz Kl3m, gesprochen wie ‚Klem‘) ist das erste Sprachmodell, dessen Training ausschließlich auf nicht urheberrechtlich geschütztem Material beruht (Weindl, 2024). Darunter fallen etwa Werke, die unter einer sog. Creative Commons-Lizenz veröffentlicht wurden oder deren Urheberrechte abgelaufen sind bzw. die nie urheberrechtlich geschützt waren. Das Unternehmen OpenAI verfolgt andere Pfade: Es geht aktuell (September 2024) mehrere ‚Data-Partnerships‘ mit Medienverlagen ein, um qualitativ hochwertige, menschlich geschrie‐ bene Texte legal in ihre Trainingsdaten aufzunehmen. Takeaway • LLMs reproduzieren gesellschaftliche Vorurteile und Stereotype, da sie auf Grundlage von Trainingsdaten lernen, die diese enthalten. Dies kann zu diskriminierenden und verzerrten Ergebnissen, sog. Bias, führen. • Die Verwendung urheberrechtlich geschützter Daten zum Trainie‐ ren von LLMs wirft komplexe rechtliche Fragen auf, die noch nicht abschließend geklärt sind und zu juristischen Auseinandersetzun‐ gen führen. Politische Aspekte Dass LLMs Bias hinsichtlich bestimmter Personengruppen ( Jüd: innen, Mus‐ lim: innen, LGBTQ, nicht-westliche Welt etc.) enthalten, ist eine Tatsache, auf die gefühlt in jedem Grundlagentext bzw. Übersichtsartikel zu genera‐ tiver KI hingewiesen wird. Dass LLMs aber auch politisch voreingenommen sind, ist m.-E. eine weniger bekannte Tatsache. 2.4 Herausforderungen 45 <?page no="46"?> 10 Da die meisten Sprachmodelle aktuell US-amerikanischer Herkunft sind, sind Themen der US-amerikanischen Politik überproportional vertreten (Bang et al., 2024). 11 Er führte den Wahl-O-Mat durch mit ChatGPT, Gemini, Claude 3, Perplexity, Meta AI, Microsoft Copilot und Grok. Inzwischen liegen verschiedene Studien vor, die eine politische Färbung von LLMs belegen (Bang et al., 2024; Jenny et al., 2023). So zeigen etwa verschiedene Untersuchungen, dass OpenAIs Flaggschiff ChatGPT politisch eher links orientiert ist (Hartmann et al., 2023; Rozado, 2023), während z. B. Metas Llama konservativere Ansichten vertritt (Feng et al., 2023). Yejin Bang et al. (2024) weisen nach, dass verbreitete Open Source Mo‐ delle in ihren Antworten generell eher liberale Tendenzen aufweisen. In solchen Untersuchungen wird die ‚Haltung‘ der LLMs bezüglich politischen Fragen eruiert - bezüglich klassischer Wahlfragen, aber auch bezüglich kontroverser Themen wie Abtreibung oder Waffenbesitz (Pit et al., 2024). 10 Im Vorfeld der Wahl zum Europäischen Parlamanent im Mai 2024 konnte man außerdem in einigen Zeitungen und Online-Magazinen davon lesen, dass verschiedene Sprachmodelle den Wahl-O-Mat durchlaufen haben. Felix Beilharz (2024) kam dabei, wie einige andere auch, zu folgendem Ergebnis: „Alle KIs 11 tendieren deutlich nach links, allerdings nicht zu DIE LINKE, die maximal im Mittelfeld stattfindet“ Die politische und ideologische Voreingenommenheit kommt, wie auch alle anderen Bias, natürlich aus den Trainingsdaten, die eine riesige Anzahl menschlich erstellter Texte aus dem Internet umfassen und die oft eine ungleiche Repräsentation politischer Meinungen enthalten. Vereinfacht gesagt, sind die Meinungen von demografischen Gruppen, die im Internet weniger präsent sind als andere, auch weniger in den Sprachmodellen ver‐ treten. Für die US-amerikanische Bevölkerung sind dies laut Santurkar et al. (2023) Menschen mit einem Lebensalter über 65, Mormonen und verwitwete Personen. Gleichzeitig wurden die meisten LLMs anhand menschlicher Rückmeldungen verfeinert, sodass hier auch die Meinungen der Beurteilen‐ den, ggf. sogar der dahinterstehenden Unternehmen einfließen. Übrigens ist es offensichtlich auch nicht so, dass Sprachmodelle neutraler werden, je mehr Daten sie enthalten, wie man vielleicht glauben könnte (Bang et al., 2024). Die politische Voreingenommenheit von Sprachmodellen kann weitrei‐ chende Konsequenzen haben und es liegt nahe, dass solche Bias zu einer Verstärkung von Polarisierung beitragen. KI-Tools lassen sich damit auch 46 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="47"?> gezielt einsetzen, um gesellschaftliche Spaltungen zu vertiefen, indem sie polarisierende Inhalte erstellen, die darauf abzielen, Konflikte zu schüren oder extremistische Ansichten zu verstärken. Dies kann die Qualität des po‐ litischen Diskurses verschlechtern und die Fähigkeit zu einem konstruktiven Dialog unterminieren (Vlachos, 2023). Bedenkt man, dass eine repräsenta‐ tive Online-Befragung, die zwischen Juni und September 2022 durchgeführt wurde, zeigte, dass schon damals KI-generierte Inhalte von Menschen nicht mehr zuverlässig von menschlichen Inhalten unterschieden werden können, ist dies eine reale und erstzunehmende Gefahr ( J. Frank et al., 2023). Konkret ist ein zentrales Risiko, das LLMs für Demokratien darstellen, die Möglichkeit zur Manipulation der öffentlichen Meinung. Durch die Erzeugung und Verbreitung von Desinformation können KI-Systeme die Integrität demokratischer Prozesse gefährden (Kreps & Kriner, 2023): In einer Demokratie hängen freie und faire Wahlen davon ab, wie gut die Bürger: innen informiert sind. Wenn diese aber nicht mehr sicher sein können, ob die Informationen, die sie erhalten, wahr sind, ist dies ein großes Problem. Im April 2024 hat zum Beispiel der KI-Chatbot von Meta aus dem Nichts heraus Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen US-Abgeordnete erfunden (Lewis, 2024). Aber auch in einem viel kleineren Rahmen können KI-Tools unsere Meinung verändern - und zwar ohne, dass wir uns dessen überhaupt bewusst sind: In einem Experiment von Maurice Jakesch et al. (2023) sollten die 1506 Teilnehmenden einen Beitrag darüber verfassen, ob soziale Medien gut für die Gesellschaft sind. Dabei wurde die Behandlungs‐ gruppe (Versuchsgruppe) durch ein KI-Tool unterstützt, das so trainiert war, dass es entweder für oder gegen soziale Medien argumentierte. Die Kontrollgruppe schrieb den Beitrag ohne KI-Unterstützung. Anschließend nahmen alle Teilnehmenden an einer Umfrage teil, in der ihre Haltung zu sozialen Medien erfasst wurde. Das Ergebnis: Die Nutzung des KI-gestützten Schreibassistenten beeinflusste sowohl die geäußerten Meinungen im Text als auch die tatsächliche Einstellung der Teilnehmenden. Was passiert, wenn ein politisches System darüber entscheidet, welche Inhalte KI-Tools überhaupt erst generieren ‚dürfen‘, zeigt sich in China. Dort begrenzt die Zensur nicht nur die Trainingsdaten der hier entwickelten LLMs, sondern auch deren ‚Spielraum‘ bei der Ausgabe. So braucht es z. B. einige Hacks, also ausgeklügelte Strategien, um den Chatbot von DeepSeek, eines chinesischen Unternehmens, dazu zu bringen, etwas über das Tian‘an‐ men-Massaker zu sagen (Gostev, 2024a). Übrigens spielt die Sprache der Eingabeaufforderung, des sog. Prompts, hier eine nicht unerhebliche Rolle, 2.4 Herausforderungen 47 <?page no="48"?> wie eine Studie von Samuel Cahyawijaya et al. (2024) zeigt: Abhängig von der Sprache des Prompts vertritt ein und dasselbe LLM unterschiedliche Wertevorstellungen. Befragt man etwa ein chinesisches LLM auf Englisch zu Themen, die in China als kritisch gelten, erhält man eine ausgewogene Antwort. Fragt man auf Chinesisch nach dem gleichen kritischen Thema, orientiert sich der Output am chinesischen Wertesystem. Weiterführende Ressource | Wer sich tiefer mit der Frage beschäfti‐ gen möchte, ob KI den Ausgang von Wahlen beeinflussen kann, sei auf eine Folge des Podcasts „KI verstehen“ vom Deutschlandfunk verwiesen (https: / / www.deutschlandfunk.de/ deepfakes-und-demokratie-beeinflu sst-kunstliche-intelligenz-wahlen-100.html). Schließen möchte ich dieses Kapitel allerdings mit einem positiven Aspekt: Eine Studie von April 2024 deutet darauf hin, dass Interaktionen mit KI-ba‐ sierten Chatbots den Glauben an Verschwörungstheorien signifikant und langfristig abschwächen können. An der Studie von Thomas Costello et al. (2024) nahmen knapp 2200 Menschen teil, die an eine Verschwörungstheorie glauben. Nachdem sie ihre Beweise für ihre Meinung dargelegt hatten, führten sie ein Gespräch mit einem KI-Bot, der die Verschwörungstheorien durch alternative Erklärungen und Gegenbeweise entkräftete. Der Glaube an die Verschwörungstheorie ging nach dem Gespräch mit dem KI-System um etwa 20 % zurück. Interessant ist, dass der Effekt auch nach zwei Monaten unverändert blieb und selbst bei hartnäckigen Verschwörungstheorien wie dem angeblichen Betrug bei der US-Präsidentschaftswahl 2020 nachgewie‐ sen werden konnte. Insofern können KI-Tools u. U. auch eine Chance für die Demokratie sein. Takeaway • Studien zeigen, dass große Sprachmodelle (LLMs) politische Ten‐ denzen aufweisen können, die von liberal bis konservativ reichen, abhängig vom jeweiligen Modell. • Die politische Färbung wird durch die Trainingsdaten und mensch‐ liches Feedback im Trainingsprozess beeinflusst, wobei die Mei- 48 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="49"?> nungen unterrepräsentierter Gruppen weniger stark vertreten sind. • Die politische Voreingenommenheit von LLMs birgt Risiken für die Demokratie wie die Manipulation der öffentlichen Meinung, die Verstärkung von Polarisierung und die Verbreitung von Desinfor‐ mation. • Ergebnisse einer Studie deuten allerdings auch darauf hin, dass KI-Chatbots dazu beitragen können, den Glauben an Verschwö‐ rungstheorien zu reduzieren. Ökologische Aspekte Wenn wir über Herausforderungen beim Einsatz von KI-Tools sprechen, müssen wir uns auch die Folgen anschauen, die zum einen das Training, zum anderen aber auch unsere ganz konkrete Verwendung von LLMs auf unseren Planeten haben. Das Bündnis Climate Action Against Disinformation, das aus 50 Klima- und Anti-Desinformationsorganisationen besteht, warnte so etwa im März 2024 vor zwei großen Klima-Risiken durch KI: einem drastisch steigenden Energie- und Wasserverbrauch sowie einer beschleunigten Ver‐ breitung von Desinformationen über den Klimawandel: https: / / foe.org/ wp-c ontent/ uploads/ 2024/ 03/ AI_Climate_Disinfo_v6_031224.pdf. Eins vorweg: Es ist schwierig, genaue und vollständige Daten über den Res‐ sourcenverbrauch generativer KI zu erhalten, denn deren planetare Kosten sind streng gehütete Unternehmensgeheimnisse (Crawford, 2024). Zahlen stützen sich daher auf Laborstudien (Kaack et al., 2022; Luccioni et al., 2022) oder auf Verbrauchsdaten, die von Lokalverwaltungen veröffentlicht wurden. Auch wenn die Zahlen nur begründete Schätzungen sein können, so geben sie doch wichtige Hinweise auf die Umweltkosten, die mit generativer KI einhergehen. Hier ein paar Zahlen: Das Training des LLMs GPT-3 von OpenAI verbrauchte schätzungsweise 1287 Megawattstunden Strom und führte zur Emission von 552 Tonnen CO2. Diese Menge an CO2-Emissionen entspricht 550x dem Hin- und Rückflug zwischen New York und San Francisco (also quer durch die USA mit ca. 4700 Kilometern einfacher Strecke) (Patterson et al., 2021). Außerdem sind KI-Tools recht ‚durstig‘: Das Training von GPT-3 in den US-amerikanischen Rechenzentren verschlang schätzungsweise 700.000 Liter sauberen Trinkwassers für die Kühlung von Prozessoren und für die Erzeugung von Strom. 2027 könnte der weltweite Einsatz generativer KI 4,2 bis 6,6 Milliarden Kubikmeter 2.4 Herausforderungen 49 <?page no="50"?> Wasser verbrauchen, was mehr als das vierbis sechsfache des gesamten jährlichen Wasserverbrauchs von Dänemark oder die Hälfte des jährlichen Wasserverbrauchs des Vereinigten Königreichs (P. Li, Yang, Islam, et al., 2023) ist. Da Wasserknappheit angesichts einer schnell wachsenden Weltbevölkerung und schrumpfender Wasserressourcen ein großes Problem unserer Zeit ist, sind dies besorgniserregende Zahlen. Weiterführende Ressource | Um den Ressourcenverbrauch unseres KI-Einsatzes stärker in unser alltägliches Bewusstsein zu rücken, gibt es eine Erweiterung für ChatGPT, die anzeigt, wie viele Token wir in unseren Anfragen verbraucht haben und wie vielen 500 ml-Wasser‐ flaschen der dahinterstehende Wasserverbrauch entspricht. Ja, es gibt keine genauen Zahlen von z. B. OpenAI über den Wasserverbrauch einer einzelnen Anfrage, weshalb das Tool mit Schätzungswerten arbeitet. Ja, das ist letztlich eine ‚Spielerei‘. Ja, auch viele andere Computerprozesse verbrauchen Wasser und darüber haben wir uns noch nie wirklich Gedanken gemacht. Und ja, ich frage mich bei Tomaten, die ich im Supermarkt kaufe, auch nicht, wie viel Wasser in sie ‚geflossen‘ ist. Trotzdem ist das für mich ein kleiner Alltagshack, um mir immer wieder bewusst zu machen, wie energie- und ressourcenintensiv mein täglicher Einsatz von KI-Tools ist: https: / / chromewebstore.google.com/ detail/ chatgpt-consumption/ inlfpl kijidejppdffcpehojlpndjigi. Der Stromverbrauch für das Training, aber auch für unsere tägliche Verwendung von KI-Tools, führt zu einem immer weiter steigenden Strombedarf. Expert: innen warnen deshalb schon vor Energieengpässen und sogar Blackouts (Holzki, 2024). Denn wenn es in naher Zukunft Standard wird, dass jede Suchmaschinen-An‐ frage, z. B. via Google, generative KI verwendet, könnte allein die jährliche Strombilanz der weltweiten Google-KI-Suchen so hoch sein wie der jährliche Stromverbrauch von Irland, nämlich ca. 29,2 Terawattstunden Strom (De Vries, 2023). Jede Anfrage bei ChatGPT und Co. kostet aktuell zwischen drei und neun Wattstunden Strom. Wenn man davon ausgeht, dass 10 Minuten Haare föhnen ca. 200 Wattstunden Strom verbrauchen, kommt man also bei 33 Anfragen an ChatGPT, die man im Laufe einer Interaktion schnell erreicht, auf den gleichen Energieverbrauch. Es ist daher auch fraglich, inwiefern die Energiewende unter 50 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="51"?> diesen Vorzeichen weiter vorangetrieben wird. Laut einer Meldung der Financial Times von Mai 2024 verzögern schon einige Bundesstaaten in den USA vor dem Hintergrund des massiven Strombedarfes für neue KI-Technologien ihre Pläne zur Abschaltung von Kohlekraftwerken (Bastian, 2024a). Und damit nicht genug: Es wird inzwischen sogar an kleinen Kernspaltungsreaktoren, also ‚Mini-Atomkraftwerken‘, geforscht, die den dringend benötigten Strom liefern könnten (Urban, 2024). Der Betrieb von KI-Tools erfordert zudem spezialisierte Hardware, insbeson‐ dere GPUs (Graphics Processing Units), die nicht nur große Mengen an Energie verbrauchen, sondern deren Herstellung auch erhebliche Umweltbelastungen verursacht. Der Abbau der notwendigen Rohstoffe wie seltene Erden und Metalle ist oft mit erheblichen ökologischen und sozialen Kosten verbunden, einschließlich der Zerstörung von Lebensräumen, Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen (Crawford, 2021; Furze, 2024). Ich möchte Sie allerdings auch aus diesem Kapitel nicht mit problemati‐ schen Aspekten ‚entlassen‘, wenngleich die Probleme natürlich real existie‐ ren und nicht ignoriert werden dürfen. Hier also noch zwei positive Punkte: Zum einen kann generative KI auch eingesetzt werden, um für verschiedene Probleme im Kontext des Klimawandels bei der Lösungsfindung zu helfen. Weiterführende Ressource | Generative KI kann etwa eingesetzt wer‐ den, um Waldbrände frühzeitig zu erkennen, sodass sie noch relativ ein‐ fach gelöscht werden können. Intelligente Assistenten können aber auch zur Verhinderung neuer Waldbrände eingesetzt werden oder um gezielt Mineralien wie Kobalt, Lithium und Kupfer zu detektieren und so unnötige Grabungen und damit Zerstörung zu verhindern. Dieser Artikel zeigt solche positiven Beispiele auf: https: / / www.npr.org/ 2024/ 0 1/ 02/ 1218677963/ ai-climate-change-solutions-fires-lithium-methane. Noch mehr Beispiele dafür, wie KI eingesetzt werden kann und wird, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, finden sich in einer Folge des Podcasts „KI verstehen“: https: / / www.deutschlandfunk.de/ ki-und-nach haltigkeit-kuenstliche-intelligenz-klimakrise-klima-retten-dlf-71d0014 3-100.html. Zum anderen gibt es glücklicherweise auch verschiedene Ansätze, um den ökologischen Fußabdruck von KI-Tools zu reduzieren. Eine Möglichkeit 2.4 Herausforderungen 51 <?page no="52"?> besteht darin, energieeffizientere Algorithmen und Hardware zu entwickeln oder Rechenzentren mit erneuerbaren Energien zu betreiben. Hongyin Luo & Wei Sun (2024) etwa haben einen Algorithmus entwickelt, der in Sprach‐ modellen Gleitkomma-Multiplikationen durch effizientere Ganzzahl-Addi‐ tionen ersetzt. Diese Methode könnte laut Angaben der Forschenden den Energiebedarf von KI-Systemen um bis zu 95 Prozent reduzieren. Eine andere Möglichkeit ist es, Rechenzentren geografisch so zu verteilen, dass sie ihre negativen Umweltauswirkungen in den am stärksten benachteilig‐ ten Regionen verringern (P. Li, Yang, Wierman, et al., 2023). Unter dem Stichwort Green AI finden sich hier verschiedene Ansätze, die hoffentlich weiterverfolgt und viel stärker ausgebaut werden (Verdecchia et al., 2023). Takeaway • Der Energie- und Wasserverbrauch von KI, insbesondere beim Training, aber auch bei der Nutzung, ist erheblich und stellt eine wachsende Belastung für die Umwelt dar. • Transparente Daten zum Ressourcenverbrauch von KI sind schwer zu bekommen, da sie von Unternehmen geheim gehalten werden, was eine genaue Bewertung der ökologischen Auswirkungen er‐ schwert. • Trotz der negativen Umweltaspekte kann KI auch positiv zum Klimaschutz beitragen, z. B. durch die frühzeitige Erkennung von Waldbränden oder die Optimierung von Prozessen. • Es gibt verschiedene Ansätze, den ökologischen Fußabdruck von KI zu reduzieren, wie die Entwicklung energieeffizienterer Algorith‐ men und die Nutzung erneuerbarer Energien für Rechenzentren. Datenschutzrechtliche Aspekte Für das Training von LLMs wurden Milliarden Daten gesammelt - ohne dass sich die meisten KI-Firmen weiter darum kümmerten, welche Datenschutz- und Urheberrechte sie mit ihrem Training verletzen (Burgess, 2023). Es ist allein schon deshalb leicht nachvollziehbar, weshalb eines der Schlagworte, das im Kontext von generativer KI mit am häufigsten genannt wird, der Punkt Datenschutz ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man vielleicht 52 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="53"?> dazu tendiert, dieses Thema auf die leichte Schulter zu nehmen. Warum also ist es so wichtig? Starten wir mit einem konkreten Fallbeispiel: Viele KI-Tools bieten die Möglichkeit, sich per Single-Sign-On (SSO) anzumelden und nutzen dafür häufig entweder Google oder Apple als SSO-Dienst. Dies ist für Nutzende erst einmal bequem: Man braucht sich nicht auf vielen Websites neu zu registrieren, immer wieder die eigene Mailadresse einzutippen, immer ein neues Passwort zu wählen. „Wenn ich ohnehin ein Google-Konto habe, weshalb soll ich dieses dann nicht nutzen, um mich per SSO schnell zu registrieren? “, fragen Sie sich vielleicht. Die Gegenfrage hierzu lautet: Wollen Sie wirklich, dass Google (oder auch ein anderes Unternehmen) all Ihre Aktivitäten auf ganz verschiedenen Websites, mit ganz verschiedenen Tools, zusammenträgt, und so eine Art ‚Mega-Profil‘ von Ihnen erstellt? Vielleicht erscheint es Ihnen auf den ersten Blick nicht weiter schlimm, wenn der Dienst, den Sie für SSO nutzen, die Daten Ihres Zyklus kennt (via Periodentracker-App), Ihre letzten Essensbestellungen verfolgt hat (via Essensliefer-App) und nun auch noch über das Thema Ihrer Abschlussarbeit und Ihre diversen Forschungsaktivitäten dazu Bescheid weiß. Aber was bedeutet es, wenn all diese einzelnen Datensätze geschickt kombiniert werden? Wenn Google dann ‚weiß‘, dass Sie schon länger nicht mehr Ihre Periode hatten, zunehmend Heißhungerattacken bekommen, vermehrt Tacos bestellen und außerdem gerade Ihre Abschlussarbeit schreiben, also ohnehin die Nächte durcharbeiten? Bedeutet das, dass die Tacos für Sie dann teurer werden? Eines Tages stellt sich aber vielleicht auch heraus, dass dieses Unternehmen gehackt wurde und Ihre Daten nun im Darknet verfügbar sind. Plötzlich bekommen Sie unerwartete Rechnungen oder sogar Drohungen. Ein solches Szenario mag extrem klingen, ist aber nicht gänzlich unwahr‐ scheinlich. Datenschutz bedeutet, sich vor solchen existenziellen Bedrohungen zu schützen. Gerade US-amerikanische Unternehmen, die aktuell die Big Player auf dem KI-Markt sind, unterliegen nicht denselben strengen Datenschutzbe‐ stimmungen wie Unternehmen in der EU. Wenn diese Firmen Ihre Daten haben, könnten sie diese für Zwecke nutzen, denen Sie niemals zugestimmt hätten - sei es zur Erstellung von Profilen, die Ihr Verhalten vorhersagen sollen, oder zum gezielten Einsatz von Werbung, die manipulativ auf Ihre Entscheidungen einwirkt. Ohne strikte Datenschutzrichtlinien könnten Datenanalysen außerdem auch zu diskriminierenden Algorithmen führen. Wenn sensible Daten wie ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht, sexuelle Orientierung oder gesundheitliche 2.4 Herausforderungen 53 <?page no="54"?> Informationen in die KI-Modelle einfließen, besteht das Risiko, dass KI-Tools diese Informationen auf eine Weise nutzen, die zur (weiteren) Benachteiligung bestimmter Gruppen führt. Datenschutz ist daher keine lästige Pflicht, sondern ein essenzieller Schutz Ihrer persönlichen Freiheit und Sicherheit - so pathetisch dies auch klingen mag. Sie merken also schon: Ich würde Ihnen stark empfehlen, sich bei jedem KI-Tool extra zu registrieren und ein eigenes Passwort festzulegen. Unab‐ hängig von der Anmeldung gilt es, beim Gebrauch von KI-Tools einige Punkte zu beachten, um die eigenen Daten zu schützen. Generell ist festzu‐ halten, dass bei vielen KI-Tools die Eingaben der Nutzenden für das weitere Training der LLMs verwendet werden. Im schlimmsten Fall kann dies bei Datenlecks dazu führen, dass sensible Daten für Dritte sichtbar werden. Daher ist es wichtig, sich mit den Datenschutzrichtlinien der verwendeten KI-Tools vor deren Einsatz vertraut zu machen. Generell sollten Sie darauf achten, dass Sie keine personenbezogenen Daten in Ihre Prompts eingeben. Personenbezogene Daten sind Informatio‐ nen, die eine natürliche Person identifizieren oder identifizierbar machen können. Dazu zählen Angaben wie Name, Kontaktdaten, physische Merk‐ male oder Finanzinformationen. Aber auch Daten, die Sie im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeit etwa von Unternehmen zur Verfügung gestellt bekommen, oder Daten, die Sie von anderen Personen erheben (z. B. Interviewdaten) dürfen auf keinen Fall in KI-Tools eingegeben werden - außer Sie haben die explizite Erlaubnis dafür. Dass ChatGPT allein schon aus vermeintlich ‚unschuldigen‘, ‚harmlosen‘ Chatverläufen, bei denen man eigentlich gar keine personenbezogenen Daten eingegeben hat, sehr zutreffende Nutzenden-Profile erstellen kann, zeigt eine Forschungsarbeit von Robin Staab et al. (2023). So kann ChatGPT aus ‚belanglosen‘ Plaudereien Daten wie den Beruf, den Wohnort, das Einkommen oder die ethnische Zugehörigkeit inferieren - und zwar mit einer erschreckend hohen Trefferquote. Eine Studie von OpenAI offenbart sogar, dass der Nutzername, den eine Nutzende bei ChatGPT verwendet, die Antworten des Tools systematisch beeinflusst. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn ChatGPT Geschichten für Nutzende mit weiblich klingenden Nutzernamen generierte, wiesen diese eher weibliche Hauptfiguren auf und enthielten mehr Emotionen, während Geschichten für Nutzende mit männ‐ lich klingenden Namen durchschnittlich etwas düsterer waren (Eloundou et al., 2024). 54 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="55"?> Unabhängig davon können Sie Ihre Daten auch schützen, indem Sie - so ein KI-Tool diese Option zulässt - der Verwendung Ihrer Daten zu Trai‐ ningszwecken widersprechen. Zudem sollten Sie die Funktion ausschalten, dass bisherige Eingaben gespeichert werden (sog. Opt-Out der History). Dadurch verzichten Sie zwar darauf, dass Sie Ihren Chatverlauf verfolgen können, sammeln somit aber nicht unnötig Daten an. Eine ganz andere Möglichkeit, datensensibel mit KI-Tools zu interagieren, besteht darin, LLMs auf dem eigenen Laptop/ Smartphone/ Tablet zu hosten. Dabei geschieht nicht nur die Verarbeitung der Daten lokal auf dem Gerät, sondern auch das Training des Modells kann lokal durchgeführt werden, was bedeutet, dass keine sensiblen Informationen das Gerät verlassen und die volle Kontrolle über die Daten gewährleistet ist. Es gibt immer mehr Anbieter generativer KI, die diese Option anbieten. Ein lokal betriebenes LLM kann zwar nicht so leistungsstark sein wie ein cloudbasiertes. Allerdings reicht die Kapazität der lokalen LLMs oftmals aus - und wenn man sich vor Augen führt, dass man hier eine viel sicherere Alternative hat, da die eingegebenen Daten den eigenen Rechner nicht verlassen, ist dies m. E. ein guter Deal. Beispiele für solche Anbieter sind Ollama, jan.ai, LLM Studio oder Mozillas llamafile. Takeaway • Datenschutz ist im Kontext von generativer KI essenziell. Die Nut‐ zung von KI-Tools, insbesondere über Single-Sign-On (SSO), kann zu einer umfassenden Datensammlung und -analyse durch große Unternehmen führen, die diese Daten für Profiling, personalisierte Werbung oder auch Diskriminierung nutzen könnten. • Personenbezogene Daten sollten nicht in KI-Tools eingegeben werden. Dazu gehören Name, Kontaktdaten, aber auch Daten aus wissenschaftlichen Arbeiten. Selbst scheinbar harmlose Chatver‐ läufe können zur Erstellung detaillierter Nutzerprofile verwendet werden. • Es gibt Möglichkeiten, die eigenen Daten bei der Nutzung von KI-Tools zu schützen. Dazu gehören das Verstehen der Daten‐ schutzrichtlinien, die Vermeidung der Eingabe personenbezogener Daten, der Widerspruch zur Verwendung von Daten zu Trainings‐ zwecken, die Deaktivierung der Chatverlauf-Speicherung oder die Nutzung lokal gehosteter LLMs. 2.4 Herausforderungen 55 <?page no="56"?> 12 Das reine Üben reicht aber nicht aus - für die Kompetenzentwicklung braucht es zusätzlich auch die Reflexion des eigenen Schreibhandelns (Steinhoff, 2007, S.-427). Kognitive Aspekte „Menschen entwickeln, gestalten und nutzen Technik als Mittel zum Zweck. Die mehr oder minder umfassende Delegation menschlicher Tätigkeiten an Maschinen - bis hin zur vollständigen Ersetzung menschlicher Handlungen durch maschinelle Vollzüge - wirkt allerdings häufig zurück auf menschliche Handlungsmöglichkeiten [und] Fertigkeiten […] und kann diese jeweils erwei‐ tern oder vermindern.“ (Deutscher Ethikrat, 2023, S.-29) Der Einsatz von KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben birgt das Potenzial, unser Denken zu verändern - ein Aspekt, den ich in diesem Kapitel unter dem Stichpunkt ‚kognitive Herausforderungen beim Einsatz von KI-Tools‘ betrachte. Einer der dabei am häufigsten diskutierten Aspekte ist der sog. deskilling-Effekt, also die „Dequalifizierung mit Kompetenzver‐ lust“ (Reinmann, 2023, S. 4). Hierbei besteht die Sorge, dass durch die Nutzung von KI-Tools grundlegende Schreibfertigkeiten und kognitive Fähigkeiten verkümmern könnten. Diese Bedenken sind nicht unbegründet: Greifen Schreibende verstärkt auf KI-Tools zurück, um Rechtschreibung und Zeichensetzung überprüfen zu lassen, könnte langfristig die generelle Kom‐ petenz in diesem Bereich abnehmen. Möglicherweise schwindet auch die Fähigkeit, Sachverhalte klar und präzise auszudrücken: Wenn ich meine Ge‐ danken immer mehr so, wie sie mir in den Kopf kommen, zusammenhanglos und vielleicht erst einmal noch wirr, per Spracheingabe in mein Smartphone ‚reinplappere‘ und mir daraus dann einen kohärenten, wohlklingenden Text generieren lasse, kann ich ohne technologische Unterstützung irgendwann einmal vielleicht keinen kohärenten Text mehr schreiben. Aus der Schreibforschung wissen wir, dass man Schreiben nur durch Schreiben lernt und dass man immer wieder Schreibanlässe braucht, um die Kompetenz wissenschaftlichen Schreibens nicht verkümmern zu lassen (Rose et al., 2015). 12 Für Schreiben gilt also das gleiche wie für Sport: Wenn ich beim Sport nicht kontinuierlich am Ball bleibe und trainiere, verliere ich Muskelmasse und werde in meiner Sportart schlechter. In einem Artikel mit Anika Limburg stelle ich daher die Frage: „Geht also [durch KI-Tools] vielleicht doch eine Kulturtechnik verloren und mit ihr ein Teil dessen, was die Intellektualität des Menschen ausmacht - die Fähigkeit, anspruchsvoll zu denken und zielgruppenorientiert zu kommunizieren? “ (Buck & Limburg, 56 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="57"?> 2024a, S. 18). Wir haben (noch) keine Antwort auf diese Frage. Ich gebe sie also gerne an Sie weiter, um darüber nachzudenken. Vielleicht bietet sich hier der Vergleich mit Taschenrechnern an: Kinder dürfen diesen in der Schule erst ab einer bestimmten Jahrgangsstufe verwenden, nachdem sie die Grundlagen des Rechnens gelernt haben. Sobald der Taschenrechner verwendet werden darf, steigt dann die Komplexität der Aufgaben. Wie Gabi Reinmann (2023, S. 5) anmerkt, führten neue Technologien „in der Vergangenheit tendenziell zu einem Anstieg des Wissensstandes in der erwerbstätigen Bevölkerung - selbst bei vorübergehenden Arbeits‐ platzverlusten und Dequalifizierung. Beobachtbar war (und ist) eine Höher‐ qualifizierung, also upskilling, durch Technologie, etwa indem Ressourcen für kognitiv höhere Aktivitäten freigesetzt oder neue, weniger auf Routine basierende Kompetenzen nötig werden“. Schließlich wäre es aber auch möglich, dass sich Kompetenzen einfach verschieben und es dann weder ein upskilling noch ein deskilling, sondern einfach ein reskilling gibt (Rafner et al., 2021). Weiterführende Ressource | Wer sich mehr für dieses Thema inte‐ ressiert, sei auf einen Artikel von über 70 Autor: innen verwiesen, in dem diese in 43 Unterkapiteln das transformative Potenzial von generativer KI für ganz verschiedene Bereiche abstecken. Dabei wird auch die Frage beleuchtet, ob menschliche Arbeit durch KI ersetzt wird. https: / / www.s ciencedirect.com/ science/ article/ pii/ S0268401223000233? via%3Dihub Neben der Befürchtung vor einem deskilling durch KI-Tools wird immer wieder auch die Befürchtung geäußert, dass der zunehmende Gebrauch von KI-Tools das kritische Denken und die unabhängige Entscheidungsfindung von uns Menschen schwächt (Chiriatti et al., 2024). Wenn Schreibende zunehmend generative KI zur Informationsbeschaffung und Problemlösung einsetzen, besteht nicht nur die Gefahr, dass die KI-generierten Informa‐ tionen falsch sind, sondern auch die Gefahr, dass sie sich in ihrem Den‐ ken immer stärker auf KI-Tools verlassen (Krullaars et al., 2023). Es ist verlockend und bequem, die elaboriert formulierten Texte von KI-Tools einfach zu übernehmen - und bekanntlich streben wir Menschen immer nach Bequemlichkeit (David et al., 2024). So formulieren Chunpeng Zhai et al. (2024) als Ergebnis ihrer systematischen Literaturstudie, dass die 2.4 Herausforderungen 57 <?page no="58"?> 13 Durch entsprechendes Prompting ist es aber möglich, sich den Prozess ausgeben zu lassen, der zu einer bestimmten Antwort führt. Warum das KI-Tool aber genau diesen Prozess gewählt hat, weiß man dadurch natürlich immer noch nicht. 14 Selbstwirksamkeit bezieht sich auf die subjektive Überzeugung einer Person, in der Lage zu sein, neue oder schwierige Anforderungssituationen aufgrund der eigenen Kompetenzen zu bewältigen. 15 Hinsichtlich der zitierten Studie ist jedoch kritisch anzumerken, dass diese nicht zwischen verschiedenen Nutzungsweisen von KI-Tools unterscheidet, wie ich sie in diesem Buch in Kapitel 3.3 vornehme. menschliche Tendenz, schnelle Lösungen zu präferieren, erklärt, warum Menschen ‚kognitive Abkürzungen‘ durch den Gebrauch von KI-Tools der eigenen, langsameren Arbeit vorziehen, obwohl sie um die Unzulänglichkeit von KI-Tools wissen. Um begründete Entscheidungen zu treffen, reicht es aber nicht, sich nur eine Seite der Medaille anzuschauen - stattdessen geht es darum, mehrere Perspektiven auf einen Sachverhalt zu betrachten, abzuwägen und dann zu entscheiden. Und hier kommt „der versteckte Schaden ins Spiel, dem die KI die Menschen aussetzt: KI ‚denkt‘ größtenteils hinter den Kulissen und präsentiert [den Nutzenden] Antworten, denen der Kontext und die Überlegung fehlen. Schlimmer noch: Die KI nimmt den Menschen die Möglichkeit, sich darin zu üben, selbst durchdachte und vertretbare Entscheidungen zu treffen“ (Árvai, 2024). 13 Studierende mit niedriger akademischer Selbstwirksamkeit 14 neigen in stressigen Situationen dazu, vermehrt auf KI-Tools zurückzugreifen (Zhang et al., 2024). Diese Abhängigkeit kann zu einem Teufelskreis führen: Die entstehende Gewohnheit, auf KI-generierte Lösungen zurückzugreifen, verstärkt die eigene Unsicherheit und vermindert die Bereitschaft, sich eigenständig mit akademischen Herausforderungen auseinanderzusetzen. Dadurch sind Studierende dann möglicherweise immer weniger in der Lage, eigenständige Problemlösungsfähigkeiten zu entwickeln, was langfristig die akademische und berufliche Entwicklung beeinträchtigen könnte (Zhang et al., 2024). 15 Eine letzte Herausforderung, die mit dem vermehrten Einsatz von KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben einhergeht, betrifft das Erler‐ nen fachlichen Handelns: Sie alle haben sich für einen bestimmten Stu‐ diengang bzw. ein bestimmtes Promotionsfach immatrikuliert. Während Ihres Studiums bzw. Ihrer Promotion werden Sie immer stärker Teil dieser Fachkultur, werden dort also fachlich und wissenschaftlich sozialisiert. Wis‐ senschaftliches Schreiben spielt in diesem Prozess, wie die Schreibforschung 58 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="59"?> immer wieder zeigen konnte, eine wichtige Rolle: Durch das wissenschaft‐ liche Schreiben in Ihrem Fach durchdringen Sie fachliche Fragen und üben sich so in fachlichem Handeln (Carter, 2007; Wingate, 2011). Das fachliche Handeln ist in der Germanistischen Linguistik natürlich ein ganz anderes als etwa in der Theoretischen Physik - in beiden Studiengängen hilft Schreiben aber dabei, sich mit den Konventionen des eigenen Faches vertraut zu machen. Wird das wissenschaftliche Schreiben nun immer stärker von KI-Tools übernommen - die übrigens bislang noch kaum spezifisch fachlich trainiert sind! -, berauben sich Schreibende der Möglichkeit, tiefer in ihre Fachkultur vorzudringen (Buck & Limburg, 2024b). Takeaway • Die Nutzung von KI-Tools birgt die Gefahr, dass Schreibkompetenz und kognitive Fähigkeiten wie Rechtschreibung, Zeichensetzung und präziser Ausdruck verkümmern (deskilling). Analog zum Sport muss Schreiben kontinuierlich trainiert werden. • Neue Technologien führten in der Vergangenheit zu einem Anstieg des Wissensstandes. Es besteht die Möglichkeit einer Höherqualifi‐ zierung (upskilling) oder einer Kompetenzverschiebung (reskilling). • Der zunehmende Gebrauch von KI-Tools kann kritisches Denken und unabhängige Entscheidungsfindung schwächen, da die Gefahr besteht, sich zu sehr auf KI-generierte Informationen zu verlassen und zu vernachlässigen, verschiedene Perspektiven zu betrachten und abzuwägen. • Studierende mit niedriger akademischer Selbstwirksamkeit neigen in stressigen Situationen verstärkt zur Nutzung von KI-Tools, was zu einem Teufelskreis aus Abhängigkeit und verminderter Bereit‐ schaft zur eigenständigen Auseinandersetzung mit akademischen Herausforderungen führen kann. • KI-Tools können das Erlernen fachlichen Handelns beeinträchti‐ gen, da Studierende und Promovierende durch das Schreiben in ihrem Fach tiefer in die Fachkultur eindringen und sich mit den entsprechenden fachlichen Konventionen vertraut machen. 2.4 Herausforderungen 59 <?page no="60"?> 16 „[W]e define ‚knowledge collapse‘ as the progressive narrowing over time (or over technological representations) of the set of human working knowledge and the current human epistemic horizon relative to the set of broad historical knowledge“ (Peterson, 2024, S.-37). Epistemische Aspekte Möglicherweise sagt Ihnen der Begriff epistemisch erst einmal nichts, im‐ merhin handelt es sich dabei nicht um einen besonders geläufigen Ausdruck aus dem Alltag. Epistemische Fragen befassen sich mit dem Wesen und der Entstehung von Wissen sowie der menschlichen Erkenntnis und deren Grenzen. Dementsprechend geht es in diesem Kapitel darum, wie KI-Tools die Art und Weise beeinflussen, wie wir Wissen generieren, bewerten und verbreiten. Ein zentrales Problem besteht in der Tatsache, dass generative KI-Modelle eine Neigung haben, Fakten zu erfinden, also zu halluzinieren (s. Kapitel 2.3). Werden solche Fehlinformationen ungeprüft übernommen, führt dies zur Verbreitung falscher Wissensbestände, was sowohl für die Wissenschaft, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes hochgradig problematisch ist. Doch selbst wenn die KI-generierten Inhalte faktisch korrekt sind, birgt der Einsatz von KI-Tools Risiken. So warnt Andrew Peterson (2024) vor einem drohenden ‚Wissenskollaps‘. Damit meint er die fortschreitende Ver‐ ringerung der Informationsmenge, -tiefe und -vielfalt, die den Menschen zur Verfügung steht. 16 Sprachmodelle werden meist auf großen, hinsichtlich der Breite des enthaltenen Wissens dennoch begrenzten Datensätzen trainiert (s. Kapitel 2.2). Sie tendieren deshalb dazu, populäre Mainstream-Antworten zu liefern, während seltenes Spezialwissen, das in den Trainingsdaten un‐ terrepräsentiert ist, vernachlässigt wird. Dies kann längerfristig bedeuten, dass seltenes oder spezialisiertes Wissen, das nicht oder nur in geringen Mengen in den Trainingsdaten enthalten ist, zunehmend in den Hintergrund tritt oder ganz verloren geht. Zudem könnte dies auch „zu einem Paradig‐ menwechsel führen, bei dem bestimmte Arten von Wissen (z. B. qualitatives, subjektives Wissen) weniger wertgeschätzt werden, weil sie nicht so leicht von KI-Systemen verarbeitet werden können. Ontologisch könnte dies die Art und Weise, wie wir die Realität verstehen, verändern, da KI dazu neigt, die Welt in quantifizierbare, datenbasierte Modelle zu übersetzen“ (Ehlers, 2024). Stellen Sie sich vor, Sie fragen ein Sprachmodell danach, wodurch Infla‐ tion verursacht wird. Erhielten Sie als Antwort „Geldpolitik“, wäre dies 60 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="61"?> zwar nicht falsch, aber doch eine starke Vereinfachung. Die zentralen Schulen innerhalb der Wirtschaftswissenschaften geben auf diese Frage unterschiedliche Antworten - aktuelle Sprachmodelle bilden diese Band‐ breite aber nicht ab (Beispiel aus Peterson 2024, 24). Je mehr wir uns auf solch verkürzte KI-Antworten verlassen, desto mehr schrumpft unser ‚epistemischer Horizont‘ - also die Menge an Wissen, das wir für relevant bzw. für wissenswert halten und von dem wir glauben, dass man darüber verfügen muss (Peterson, 2024, S. 37). Verstärkt werden könnte dieser Effekt durch sog. rekursiv abhängige KI-Systeme, bei denen der Output des einen Systems zum Input des nächsten wird. Dabei besteht die Gefahr, dass sich Verzerrungen verstärken - ähnlich wie beim Spiel ‚Stille Post‘, bei dem sich die Botschaft mit jeder Weitergabe zu einer nächsten Person weiter vom Original entfernt (Peterson, 2024, S.-12). In diesem Zusammenhang steht ein weiteres Problem, mit dem KI-Gene‐ rate uns konfrontieren. Martin Andree (2024) nennt dieses Problem „Wissen ohne Wurzel“: Vor dem Boom generativer KI suchte man in Suchmaschinen wie DuckDuckGo, Ecosia oder Google nach Informationen und bekam dann eine Liste an Quellen ausgegeben. Werden Inhalte nun zunehmend in Form KI-generierter Zusammenfassungen aller von den KI-Tools als relevant be‐ werteten Quellen ausgegeben, führt dies zu einem Verlust der ‚Verankerung‘ des zugrunde liegenden Wissens. Und wenn zunehmend undurchsichtiger wird, woher genau die von KI-Tools präsentierten Informationen kommen, muss immer mehr Aufwand betrieben werden, um zu überprüfen, ob die dahinterstehenden Quellen seriös sind. Wozu dies in letzter Konsequenz führen könnte, beschreibt Martin Andree (2024) in seinem Essay wie folgt: „In der Logik der sich nur noch selbst fütternden, selbst lernenden Netzwerke könnte es zu einer Situation führen, die man mit der Metapher des Kurzschlusses beschreiben kann: Das evidenzlose Wissen wird so sehr in sich selbst zurückge‐ spiegelt, dass es zusammenbricht und vor unseren Augen zu Staub zerfällt“. Andree verweist hier auf eine mögliche Zukunft, in der das von KI-Tools generierte Wissen seine Verankerung in überprüfbaren Quellen verliert. Die Metapher des ‚Kurzschlusses‘ verdeutlicht dabei einen sich selbst verstärk‐ enden Prozess: KI-Systeme greifen zunehmend auf Informationen zurück, die von anderen KI-Systemen erzeugt wurden, statt auf ursprüngliche, von Menschen erstellte Quellen. Dieses ‚evidenzlose Wissen‘ wird immer weiter reproduziert und verbreitet, ohne dass seine Grundlagen noch nachvollzieh‐ bar sind. Der drastische Vergleich mit dem Zerfall zu Staub unterstreicht 2.4 Herausforderungen 61 <?page no="62"?> 17 Eine andere Sichtweise vertritt Markus Krajewski (2024, S. 97): „Wir brauchen Hilfen zum Denken, und es macht wenig Unterschied, ob wir diese Hilfe wie bei Kleist von klassischen menschlichen Gesprächspartnern erhalten oder von nicht-menschlichen Systemen, die selbst ‚denken‘ und damit den Prozess des Schreibens zu einer gemein‐ samen, mit der Maschine geteilten Sache machen. Denn auch die Maschine hat dem menschlichen Subjekt mitunter Überraschendes mitzuteilen.“ die potenzielle Instabilität und Unzuverlässigkeit solchen Wissens. Diese Entwicklung könnte weitreichende Folgen für Forschung, Bildung und den öffentlichen Diskurs haben, da die Unterscheidung zwischen fundierten Fakten und haltlosen Behauptungen zunehmend erschwert wird. Für uns als Nutzende von KI-Tools bedeutet dies v. a., sich der Grenzen und Risiken generativer KI bewusst zu sein - so banal und phrasendrescherisch diese Aussage vielleicht klingen mag. Wir müssen KI-generierte Inhalte hinterfragen und sie mit seriösen Quellen gegenchecken. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass KI-Antworten oft vereinfacht sind und nicht die ganze Bandbreite möglicher Sichtweisen abdecken. Nur wenn wir weiterhin eigenständig denken und recherchieren, können wir unseren persönlichen epistemischen Horizont erweitern, statt ihn einengen zu lassen. 17 Zuletzt möchte ich auf einen Artikel von Lisa Messeri und Molly Crockett (2024) verweisen, der sich wunderbar für einen Deep Dive in die Thematik der epistemischen Herausforderungen generativer KI eignet. Die Autorin‐ nen setzen sich darin intensiv mit den epistemischen Risiken auseinander, die entstehen können, wenn Forschende KI-Tools als ‚Partnern‘ in der Wissensproduktion zu unkritisch vertrauen. Dabei warnen die Autorinnen v. a. vor der Illusion von Verstehen, also davor, dass Forschende aufgrund des Einsatzes von generativer KI im Forschungsprozess irrtümlicherweise denken, etwas verstanden zu haben, obwohl dies gar nicht der Fall ist. Lisa Messeri und Molly Crockett zeigen hier drei Fehlwahrnehmungen auf: • die Illusion der Erklärungstiefe: Dadurch, dass man KI-Tools im For‐ schungsprozess nutzt, glaubt man, ein Phänomen besser zu verstehen als man es tatsächlich tut. • die Illusion der Erkundungsbreite: Man glaubt, KI-basiert alle möglichen Hypothesen und Erklärungen für ein Phänomen abzudecken, beschäf‐ tigt sich letztlich aber doch nur mit einem engen Teilbereich. • die Illusion der Objektivität: Man glaubt fälschlicherweise, KI-Tools seien neutral oder könnten alle Standpunkte abbilden und wägt sich so in der falschen Sicherheit von ‚objektiver‘ Forschung. 62 2 Was ich über KI wissen sollte <?page no="63"?> Erliegen Forschende diesen Illusionen, droht eine Phase der wissenschaft‐ lichen Forschung, in der wir mehr produzieren, aber weniger verstehen. So kann letztlich eine wissenschaftliche Monokultur entstehen, in der andere Perspektiven immer weiter verloren gehen - womit wir wieder beim Anfang dieses Kapitels und dem von Andrew Peterson beschriebenen Wissenskollaps sind. Takeaway • Generative KI birgt epistemische Risiken durch Halluzinatio‐ nen, Verkürzung der Informationsmenge/ -tiefe/ -vielfalt oder man‐ gelnde Verankerung des generierten Wissens in überprüfbaren Quellen. • KI-Tools können zu Illusionen von Verstehen, Erkundungsbreite und Objektivität führen, was die Gewinnung umfassender Erkennt‐ nisse behindert. • Um diesen Risiken zu begegnen, ist kritisches Hinterfragen, Fak‐ tenprüfung mit seriösen, real existierenden Quellen und das Be‐ wusstsein für die Grenzen von KI unerlässlich. 2.4 Herausforderungen 63 <?page no="65"?> 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte Ziel dieses Kapitels ist es, Ihnen die Hintergründe eines verantwortungs‐ vollen, eigenständigen und erfolgreichen Einsatzes von KI-Tools beim wis‐ senschaftlichen Schreiben nahezubringen. In diesem Kapitel wird daher die Frage beantwortet, weshalb trotz der Verfügbarkeit von KI-Tools noch eigenes Arbeiten nötig ist. Außerdem werden verschiedene theoretische Nutzungsszenarien von KI-Tools beim wissenschaftlichen Arbeiten skizziert und es wird beleuchtet, wodurch sich gute wissenschaftliche Praxis im Kontext des Einsatzes von KI-Tools auszeichnet. Ich erläutere, wie Sie bei der Auswahl von KI-Tools vorgehen sollten und wie Sie zielführende Eingabeaufforderungen, sog. Prompts, formulieren. Hinweis | Wenn Sie direkt mit dem Einsatz von KI-Tools beim wissen‐ schaftlichen Schreiben durchstarten und so konkret wie möglich erfahren möchten, wie Sie hier vorgehen können, springen Sie zu Kapitel 4. In Kapitel 3.1 werden die Grundlagen des Schreibprozesses, insbesondere dessen sog. Iterativität und Rekursivität rekapituliert und es wird die Bedeutung des Schreibens als Denk- und Lernwerkzeug hervorgehoben. Kapitel 3.2 argumentiert, warum trotz KI-Unterstützung die eigene Denk‐ leistung unerlässlich bleibt und führt als Metapher für die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine beim Schreiben das Konzept AI-Leadership ein. Anschließend werden in Kapitel 3.3 vier prototypische Nutzungsszena‐ rien von KI-Tools im Schreibprozess skizziert - vom vollständigen Ersatz menschlichen Denkens bis hin zur Erweiterung desselben. Kapitel 3.4 beleuchtet die gute wissenschaftliche Praxis im Kontext von KI, thematisiert Fragen der Verantwortung, Eigenständigkeit und Transparenz und gibt konkrete Hinweise zur Dokumentation und Zitation. Abschließend befasst sich Kapitel 3.5 mit der Auswahl geeigneter KI-Tools für die jeweiligen Zwecke im Schreibprozesses und Kapitel 3.6 widmet sich dem Prompting, der Kunst der zielgerichteten Kommunikation mit KI-Tools. <?page no="66"?> 3.1 Wissenschaftliches Schreiben in a nutshell Ziel dieses Kapitels ist es, die Grundlagen zum Vorgehen beim wissen‐ schaftlichen Schreiben zu rekapitulieren und hervorzuheben, welchen Sinn wissenschaftliches Schreiben überhaupt hat. Dieses Buch unterstützt Sie dabei, KI-Tools kompetent, verantwortungs‐ bewusst und erfolgreich für Ihr wissenschaftliches Schreiben nutzbar zu machen. Es ersetzt aber keine Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten. Deshalb frische ich im Folgenden auch lediglich Ihr Wissen zum akademi‐ schen Schreiben auf, knüpfe also an Ihr Vorwissen an. Denkanstoß | Die Frage, ob wissenschaftliche Schreibkompetenz zu‐ nächst ohne KI-Tools entwickelt werden muss oder ob man auch direkt mit KI-Tools starten kann, möchte ich hier nicht weiter diskutieren. Wenn Sie an Ihre ersten Schritte beim wissenschaftlichen Schreiben zurückdenken: • Wer oder was hat Ihnen geholfen? • Was war besonders mühsam, deshalb aber vielleicht auch besonders effektiv? • Was hätte gefehlt, wenn Sie alles direkt an KI-Tools ausgelagert hätten? • Was wäre vielleicht ein Vorteil gewesen, wenn Sie von Anfang an KI-Tools zur Verfügung gehabt hätten? Der Schreibprozess Zunächst widmen wir uns dem Schreibprozess als Ganzem, also dem Work‐ flow beim Erstellen einer wissenschaftlichen Arbeit. Es ist ein verbreiteter, leider durch viele Einführungen ins wissenschaftliche Arbeiten befeuerter Irrglaube, dass wissenschaftliches Arbeiten einer linearen Abfolge von klar definierten Schritten folgt - von der Ideenfindung über die Recherche bis hin zum Endprodukt. In der Realität ist der Schreibprozess dynamisch, durcheinander, komplex. Er sieht oft so aus, dass man manche Teilaufgaben gleichzeitig ausführt und 66 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="67"?> von einer Teilaufgabe zur anderen springt, etwa weil Erkenntnisse, die in einem späteren Stadium des Schreibens gewonnen werden, dazu führen, dass bereits geschriebene Passagen überdacht und überarbeitet werden. Dies ist ein völlig natürlicher Teil des Schaffensprozesses, der es Ihnen ermöglicht, Gedanken zu schärfen und Ihre Argumentation zu verfeinern. In der Schreibforschung sagt man deshalb, dass der Schreibprozess rekursiv ist. Er lässt sich nicht auf ein starres Schema von nacheinander abzuarbeitenden Schritten reduzieren. So beginnt etwa schon beim Lesen der Literatur das Schreiben und sei es nur durch das Anfertigen von Notizen oder das Festhalten von Kommentaren, die später als Rohmaterial für den Text dienen können. Ich spreche daher auch bewusst nicht von einzelnen ‚Phasen‘ des Schreibprozesses - Planung, Literaturrecherche, Erstellung einer Roh‐ fassung etc. -, denn dieser Begriff impliziert eine Reihenfolge, ein lineares Nacheinander. Stattdessen verwende ich den Begriff ‚Teilaufgaben‘, um auf die einzelnen Aufgaben zu verweisen, aus denen sich der Schreibprozess zusammensetzt. Weiterführende Ressource | Eine gute Visualisierung der sich über‐ lappenden Aktivitäten im Schreibprozess bietet das Kaskadenmodell von Dagmar Knorr, das Sie über den QR-Code finden: https: / / pubdata.le uphana.de/ bitstream/ 20.500.14123/ 44/ 4/ Knorr_2023_Kaskadenmodell -wissenschaftlicher-Textproduktion.pdf. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass der Schreibprozess nicht erst beim Tippen des Textes auf der Tastatur beginnt. Vielmehr setzt sich der Schreibprozess aus vielen kleinen Schritten des fortlaufenden Sammelns und Verarbeitens von Informationen zusammen. Der Schreibprozess beinhaltet also alle Aktivitäten, die zum finalen Produkt beitragen: von den ersten Ideen für eine Fragestellung über die Literaturrecherche, die Datenerhebung und -auswertung, bis hin zum Rohtext und dem Überarbeiten der Arbeit. Deshalb meine ich, wenn ich in diesem Buch von ‚Schreiben‘ spreche, auch niemals nur das bloße Tippen von Text, sondern beziehe mich immer auf den gesamten Prozess, an dessen Ende der abgabefertige Text steht. Ich habe folglich ein sehr weites Verständnis von ‚Schreiben‘. Dies wird in der Abbildung veranschaulicht, wobei die Pfeile zusätzlich beispielhaft die Rekursivität darstellen. 3.1 Wissenschaftliches Schreiben in a nutshell 67 <?page no="68"?> Das leere Blatt Exposé Rohtext Fertiger Text Planen Abstimmen Material sammeln Daten erheben Arbeit am Text Überarbeiten Abschließen Abgeben Schreibauftrag Thema finden Sich einlesen/ erste Recherche Thema eingrenzen Fragestellung, These, Zielsetzung festlegen Methode festlegen/ klären Rahmen klären (Umfang, Termine, Qualität) Systematisch recherchieren Lesen und exzerpieren Material sammeln/ Daten erheben Daten verarbeiten/ strukturieren/ visualisieren Gliederung festlegen Inhaltliche Überarbeitung Feedback einholen Sprachliche Überarbeitung Layout gestalten Korrektur lesen Formatieren/ Editieren Abschließen und abgeben Begutachtung/ Benotung Feedback Abbildung 5 | Vom leeren Blatt zum fertigen Text (eigene Darstellung nach Kruse, 2007, S. 112) Ganz wichtig ist schließlich das Überarbeiten: Wissenschaftliche Arbeiten werden i. d. R. nicht einfach so ‚runtergeschrieben‘, nachdem z. B. Daten gesammelt wurden. Viele Menschen schreiben in Schleifen, erstellen Ent‐ würfe, die dann in mehreren Durchläufen verbessert werden, löschen Text, fügen irgendwo neuen dazu und vieles mehr. Dieses sog. iterative Vorgehen kann Zeichen einer tieferen Auseinandersetzung mit dem Thema sein, denn häufig hat man gerade durch diese Überarbeitungsschleifen - sowohl auf der inhaltlichen als auch auf der strukturellen und sprachlichen Ebene - die Chance, sich seinem Gegenstand immer weiter anzunähern. 68 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="69"?> Takeaway • Der Schreibprozess ist nicht linear, sondern dynamisch, iterativ und rekursiv. Man springt zwischen den einzelnen Schritten hin und her, wiederholt sie und passt bereits Geschriebenes an neue Erkenntnisse an. • Schreiben beginnt nicht erst mit dem Tippen des Textes. Der Schreibprozess umfasst alle Tätigkeiten von der Ideenfindung über die Recherche und Auswertung bis hin zum fertigen Text. • Ein iteratives Vorgehen ist elementar: Überarbeitungsschleifen auf inhaltlicher, struktureller und sprachlicher Ebene helfen dabei, sich dem Thema immer weiter anzunähern. Bedeutung wissenschaftlichen Schreibens Da Sie sich dieses Buch gekauft oder ausgeliehen haben, ist Ihnen bewusst, dass KI-Tools Ihnen nicht die ganze Arbeit beim wissenschaftlichen Schrei‐ ben abnehmen können. Trotzdem bleiben zwei Fragen: 1. Warum sollte man angesichts von KI-Tools überhaupt noch wissen‐ schaftliche Schreibkompetenz entwickeln? 2. Warum muss man in der Wissenschaft überhaupt schreiben? Zur ersten Frage zitiere ich zunächst eine Kollegin aus der Schreibdidaktik, die die wesentlichen Argumente für das wissenschaftliche Schreiben in ihrem Schreibratgeber sehr gut zusammenfasst (Klein, 2023, S.-17f.): „Durch die Beschäftigung mit dem wissenschaftlichen Arbeiten lernen Sie, • die passende Herangehensweise an eine Fragestellung aus vielen mög‐ lichen Herangehensweisen auszuwählen • die Lösungsstrategie für ein Problem nicht nur zu planen, sondern auch umzusetzen • große Mengen an Texten und Informationen zu finden, aufzunehmen und weiterzuverarbeiten • abstrakt, vernetzt, analytisch und kreativ zu denken • diese Gedanken nachvollziehbar zu präsentieren • schlüssig zu argumentieren • komplexe Sachverhalte verständlich und anschaulich darzustellen. 3.1 Wissenschaftliches Schreiben in a nutshell 69 <?page no="70"?> Nebenbei schulen Sie Ihre Ausdauer und Sorgfalt sowie Ihre Fähigkeit in Zeitplanung und Organisation. Eigenverantwortung und Selbstständigkeit werden auch noch gefördert. Für das berufliche Fortkommen sind alle genannten Fähigkeiten hilfreich.“ Das ist doch eine ganze Menge, oder? Dieses Zitat verdeutlicht, dass wis‐ senschaftliches Schreiben weit mehr als das bloße Formulieren von Texten ist. Vielmehr geht es um den Erwerb und die Vertiefung von Kompetenzen, die in allen Lebensbereichen von Nutzen sind. Die Herausforderung beim wissenschaftlichen Schreiben besteht darin, sich tiefgehend und kritisch mit einer Thematik auseinanderzusetzen und zu lernen, wie Wissen strukturiert, kritisch bewertet und zielgerichtet kommuniziert wird. Dieser Prozess fördert nicht nur das fachliche Verständnis, sondern trägt auch maßgeblich zur Entwicklung von zentralen akademischen Fähigkeiten wie kritischem Denken oder Metakognition, also dem Denken über das Denken, bei. Daneben können Sie bei Ihrem Gang durch den Schreibprozess auch wichtige Kompetenzen im Bereich des Projektmanagements ausbilden: Wie im vorherigen Kapitel 3.1 deutlich geworden sein dürfte, ist der Schreib‐ prozess ziemlich komplex. Das gilt übrigens für jedes wissenschaftliche Schreibprojekt - von der ersten Hausarbeit im Bachelorstudium bis hin zur Promotion. Unabhängig vom Umfang Ihrer Arbeit müssen Sie im Wesent‐ lichen immer die gleichen Schritte durchlaufen. Um einen Schreibprozess erfolgreich durchführen und abschließen zu können, braucht es v. a. gutes Selbstmanagement: Sie müssen Ihre zeitlichen Ressourcen ebenso einteilen wie Ihre kognitiven. Sie müssen sich mit anderen Personen abstimmen - sei es mit Ihren Betreuer: innen oder mit Ihren Proband: innen -, Sie müssen Ihr eigenes Vorgehen überwachen, Sie müssen den Einsatz von Software und von KI-Tools bewusst steuern und vieles mehr. Durch das wissenschaftliche Schreiben können Sie also all diese Kompetenzen entwickeln und ausbauen. Schreiben ist außerdem ein kreativer, d. h. schöpferischer Prozess. Es dient nicht nur der Darstellung bereits geformter Gedanken, sondern fördert auch die Entwicklung neuer Ideen. Im Gespräch mit anderen sollte man zumindest laut dem Volksmund immer erst denken und dann ‚den Mund aufmachen‘. Beim wissenschaftlichen Schreiben gilt diese Regel nicht: Es kann hilfreich sein, zu schreiben, wenn man noch keine ausgereiften Gedanken hat - und oft entwickeln sich dann, während des Schreibens, die Gedanken. Schreibwissenschaftliche Forschung zeigt genau das: dass das Schreiben selbst ein Werkzeug zur Generierung von Wissen sein kann (Dowst, 1980; Engert & Krey, 2013; Molitor-Lübbert, 2003; Ortner, 1995). Die 70 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="71"?> Strategie des Schreibens, um zu denken, führt Sie zu einer mikroskopischen Betrachtung Ihres Themas und trägt damit zur Qualitätssteigerung der Arbeit bei. Dieser Prozess kann, wie ich Ihnen in Kapitel 4.5 zeige, durch KI-Tools unterstützt werden - ganz auf das eigene Schreiben sollte aber nicht verzichtet werden. Last, but not least, ist das wissenschaftliche Schreiben auch ein wesentli‐ cher Bestandteil für Ihre fachliche Sozialisation, also dafür, dass aus Ihnen immer mehr eine ‚richtige‘ Maschinenbauingenieurin, ein ‚richtiger‘ Sozi‐ alarbeiter, eine ‚richtige‘ Romanistin, ein ‚richtiger‘ Meeresbiologe etc. wird. Im Rahmen Ihres Studiums oder Ihrer Promotion schreiben Sie, um fachliche Fragen zu durchdringen und sich so auch in den Denk- und Handlungs‐ weisen Ihrer Disziplin zu üben. Dieses Üben findet in einem geschützten Rahmen statt, der es Ihnen ermöglicht, die spezifische Ausdrucksweise, die Gedankenwelt, die Vorgehensweise und den spezifischen fachlichen Habitus von erfahrenen Angehörigen Ihrer Disziplin zu erwerben. Somit ist das wissenschaftliche Schreiben weit mehr als nur eine Prüfungsform, sondern auch ein zentrales Lerninstrument. Diese Funktion des wissenschaftlichen Schreibens bleibt auch im KI-Zeitalter bestehen (Buck & Limburg, 2024b). Oder, wie Stephen Monroe es ausdrückt: „Brilliant people didn’t become brilliant by letting gen AI [generative AI; I. B.] write for them. The techno‐ logy is astonishing and very useful, but writing is still the ultimate learning tool“ (Monroe, zitiert in Grammarly, 2024, S.-3). Möglicherweise bleibt aber noch eine letzte - hier die zweite - große Frage: Warum muss man in der Wissenschaft denn überhaupt schreiben? Texte sind nicht einfach nur ‚Behälter‘ für Informationen, sondern fun‐ gieren als zentrale Kommunikationsformen in der Wissenschaft. Dies ist besonders relevant, da Wissenschaftler: innen ihre Forschungsergebnisse primär durch Publikationen teilen und diskutieren. Wissenschaftliches Schreiben ist demnach ein sog. diskursiver Akt, bei dem Sie nicht nur Ihre eigenen Gedanken und Erkenntnisse formulieren, sondern diese immer in den Kontext der bestehenden Forschung einbetten. Gerald Graff und Cathy Birkenstein (2024) sprechen deshalb davon, dass beim wissenschaftlichen Schreiben genau zwei Schritte wichtig sind: „They say“ und „I say“. Ganz heruntergebrochen, stellt man also erst dar, was andere, also ‚die Forschung‘, vor einem gesagt haben/ hat und sagt darauf basierend dann selbst etwas dazu. Wann immer man wissenschaftlich schreibt, tritt man in einen Dialog 3.1 Wissenschaftliches Schreiben in a nutshell 71 <?page no="72"?> mit der Scientific Community und steht dabei, metaphorisch gesprochen, auf den Schultern von Riesen. Takeaway • Wissenschaftliches Schreiben ist mehr als nur das Formulieren von Texten. Es fördert den Erwerb wichtiger Kompetenzen wie kritisches Denken, zielgerichtete Kommunikation und Projektma‐ nagement. Zudem trägt es zur tieferen Aneignung fachlichen Wissens bei. • Schreiben ist ein Lerninstrument und ein Werkzeug zur Wissens‐ generierung. Durch das Formulieren und Strukturieren von Gedan‐ ken entstehen neue Erkenntnisse. • Wissenschaftliches Schreiben dient der fachlichen Sozialisation. Fachlich noch unerfahrenere Schreibende lernen dadurch, wie Expert: innen ihres Fachs zu denken und zu handeln. • Wissenschaftliche Texte sind keine reinen Informationsbehälter, sondern dienen dem Austausch und Diskurs innerhalb der Scienti‐ fic Community. Sie bauen auf bestehendem Wissen auf und tragen zur Weiterentwicklung des Fachwissens bei. 3.2 KI-Tools ≠ keine eigene Arbeit mehr nötig Ziel dieses Kapitels ist es nicht nur, zu argumentieren, weshalb die Verfügbarkeit von KI-Tools nicht das Ende menschlichen Denkens und Forschens bedeutet. Darüber hinaus gebe ich Ihnen auch ein Rollenver‐ ständnis für Ihre Arbeit mit KI-Tools an die Hand, indem ich Menschen als AI-Leader beschreibe. KI-Tools können heute noch keine ganze wissenschaftliche Arbeit schreiben - jedenfalls nicht ohne vertieftes menschliches Zutun und auch nicht so, dass der Text von mindestens ausreichender bis befriedigender Qualität ist. Wer schon einmal versucht hat, mit wenig Kompetenz im Umgang mit KI-Tools und mit wenig bis keinem Aufwand KI-generiert eine wissenschaftliche 72 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="73"?> 18 Paradoxerweise liegt aber auch gerade in der kontinuierlichen Verbesserung eine ernstzunehmende Gefahr, wie Knowles (2024, S. 2) schreibt: „The closer these tools get to 100 % accuracy without getting all the way there, the less skeptical users will be about what they generate with them“. Arbeit zu erstellen, kann sicher ein Lied davon singen. Gleichzeitig gilt aber auch, dass die KI-Tools, die Sie aktuell nutzen, die schlechtesten sind, die Sie jemals nutzen werden („Assume this is the worst AI you will ever use“ (Mollick, 2024a, S. 60)). Es kommen ständig neue, bessere Tools hinzu und wir wissen heute nicht, mit welchen KI-Tools wir schon in einem halben Jahr arbeiten werden. 18 Ich möchte in diesem Kapitel und auch in diesem Buch weder den moralischen Zeigefinger erheben noch den Einsatz von KI-Tools beim wissenschaftlichen Arbeiten verbieten - immerhin würde dies die Existenz des gesamten Buches ad absurdum führen. Ich möchte Sie stattdessen dabei unterstützen, KI-Tools sinnvoll und erfolgreich sowie mit Mehrwert für Ihr wissenschaftliches Arbeiten zu nutzen. Um diesbezügliche Kompetenzen zu entwickeln, ist es aber natürlich wichtig, auch über die Schwächen von KI-Tools Bescheid zu wissen. Dass man kritisch mit KI-generierten Inhalten umgehen, sie hinterfragen und prüfen muss, dürfte inzwischen ein Gemein‐ platz sein. Lassen Sie mich aber noch weitere Argumente anführen, weshalb die Existenz von KI-Tools nicht bedeutet, dass keine eigene, menschliche Arbeit mehr nötig ist. • KI-Tools verstehen nichts und sind daher auf Menschen angewiesen. Wenn Sie ab morgen einen Praktikanten einstellen würden, der zwar perfekt Deutsch oder Englisch spricht (je nachdem, in welcher Sprache Sie Ihre Arbeit schreiben), aber keinerlei Ahnung vom Thema Ihrer Arbeit hat, würden Sie vermutlich nicht erwarten, dass er nach einer einfachen Aufforderung wie „Schreibe mir eine Bachelorarbeit zum Thema ‚Photoelektronenspektroskopie‘“ eine gute bis sehr gute Arbeit schreiben könnte. Genau so ist es mit KI-Tools. In Kapitel Kap. 2.2 erläutere ich die Funktionsweise von generativer KI. Nur so viel als Rekapitulation an dieser Stelle: Textgenerierende KI-Tools arbeiten im Hintergrund nicht mit Wörtern, sondern mit Zahlen und berechnen die Wahrscheinlichkeit der Abfolge von Wörtern. Ein Verständnis für das, was sie schreiben oder sagen, ist daher nicht vorhanden. Außerdem haben KI-Tools keine Fähigkeit zur Selbstreflexion und damit auch keine Fähigkeit zur kritischen Analyse der von ihnen generierten Texte. 3.2 KI-Tools ≠ keine eigene Arbeit mehr nötig 73 <?page no="74"?> • KI-Tools können menschliches Denken nicht übernehmen. Unser Denkvermögen entwickelt sich durch aktive geistige Beteiligung und Reflexion. Wissenschaftliches Schreiben fördert genau dies - un‐ ser kritisches und analytisches Denken. Wenn wir uns intensiv mit einem Thema auseinandersetzen, lernen wir nicht nur einiges über die verarbeiteten Inhalte, sondern auch darüber, wie wir unsere Gedanken klar und strukturiert ausdrücken können. Lernen ist anstrengend und mühsam. Erfolgreiches Lernen braucht Momente der Irritation, die uns herausfordern und deren Überwindung uns dann verändert zurücklässt. Diese Anstrengungen, dieses ‚Ringen‘ um die Inhalte und die richtigen Worte sollten nicht komplett an eine Maschine ausgelagert werden. Denken macht uns Menschen aus, ist essentiell für unser Dasein und kann nicht von KI-Tools übernommen werden. KI-Tools mögen Ergeb‐ nisse eloquent präsentieren können, aber: „good writing does not rescue poor scholarship“ (Lin, 2024, S.-2). • KI-Tools können den menschlichen Forschergeist nicht ersetzen. Obwohl KI-Tools immer mehr Aufgaben im Forschungsprozess über‐ nehmen können, sei es die Datenanalyse oder das Durchsuchen von Literatur, lässt sich durch sie nicht die menschliche Neugier, Kreativität und Intuition ersetzen. In der Wissenschaft geht es um das Entdecken und das ist gerade das, was Freude bereiten kann, was spannend ist, was uns zum Staunen bringt. Oder warum haben Sie sich für ein wissenschaftliches Studium entschieden? • KI-Tools können keine Verantwortung übernehmen. Jede wissenschaftliche Arbeit, die Sie vorlegen, trägt Ihren Namen, wes‐ halb Sie die volle Verantwortung dafür tragen. Ob es darum geht, welche Informationen als relevant erachtet werden, wie Argumente strukturiert sind oder wie die Ergebnisse anderer Forschenden wiedergegeben wer‐ den - die Verantwortung liegt letztlich immer bei den menschlichen Autor: innen. KI-Tools können unterstützen, aber nicht die endgültige Entscheidung und die Verantwortung für das Ergebnis übernehmen. Wir als Menschen müssen in der Lage sein, unsere Entscheidungen zu begründen und am Ende unsere Ergebnisse zu erklären und zu verteidigen (s. ausführlicher Kapitel 3.4). Personen, die KI-Tools nutzen wollen, brauchen letztlich eine spezifische Kompetenz, die eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit KI-Tools erlaubt. Hierfür lässt sich der Begriff „AI-Leadership“ (Buck & Weßels, 2025) ver‐ 74 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="75"?> 19 Der Philosoph Christian Uhle (in Herrmann, 2024) sagt passend dazu in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau zu Umbrüchen auf dem Arbeitsmarkt: „Der Wandel etwa hin zu mehr Autonomie im Arbeitsalltag läuft ja schon länger. Die KI beschleunigt das und wirkt als Katalysator auf diesen Wandel von Werten und Organisationsstrukturen. Dadurch wird strategisches Denken, konzeptionelles Denken wichtiger. Das bedeutet: Kompetenzen spielen eine größere Rolle, die klassischerweise eher Führungskräften zugeschrieben werden. Arbeitsaufträge formulieren, Aufgaben delegieren und Ergeb‐ nisse bewerten“. wenden: Sie als schreibende Person sind die Führungskraft eines Teams von verschiedenen KI-Tools, die als Ihre Assistenten tätig sind. Diese Assistenten führen Sie als AI-Leader mit dem Ziel, das bestmögliche Endprodukt zu errei‐ chen. Als Führungskraft können Sie die letztliche Gestaltungs- und Steuer‐ ungshoheit über den Arbeitsprozess aber nicht an Ihre Assistenten abgeben. Diese Aufgabe und damit auch die Überwachung des Arbeitsprozesses auf einer übergeordneten Ebene bleibt Ihnen als Mensch erhalten (Nguyen et al., 2024). Außerdem ist es an uns, KI-Tools zielgerichtet einzusetzen: Ohne eine klare, möglichst detaillierte Vorstellung davon zu haben, was man von einem Tool erwartet, und ohne den Arbeitsprozess immer wieder zu reflektieren, können wir auch nicht auf gute bzw. zur Weiterverarbeitung geeignete Ergebnisse hoffen. 19 Stefan von Gagern (2024) bringt die Quintessenz der vorangehenden Ausführungen gut auf den Punkt, wenn er schreibt: „Arbeit mit KI bleibt Arbeit […] [KI] ist kein Wundermittel“. Takeaway • KI-Tools haben kein Verständnis von irgendetwas, können mensch‐ liches Denken und den menschlichen Forschergeist nicht ersetzen und keine Verantwortung übernehmen. • KI-Tools sind als Assistenten wertvolle Unterstützer. Die Steuerung und Überwachung des Schreibprozesses liegt aber bei uns Men‐ schen. 3.2 KI-Tools ≠ keine eigene Arbeit mehr nötig 75 <?page no="76"?> 3.3 Nutzungsszenarien von KI-Tools Ziel dieses Kapitels ist es, Sie dafür zu sensibilisieren, dass es nicht die eine Art und Weise gibt, wie man KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben einsetzen kann. Ich stelle Ihnen daher vier theoretische Sze‐ narien vor, die verschiedene Funktionen von KI-Tools im Schreibprozess abbilden. Basierend auf einem theoretischen Modell aus der Schreibforschung (Hayes, 1996) bin ich mit einer Kollegin der Frage nachgegangen, wie sich der Einsatz von KI-Tools im Schreibprozess auf kognitive Prozesse auswirken kann. Unsere Überlegungen führten zur Entwicklung von vier prototypischen Szenarien (Buck & Limburg, 2024a). Dass es sich um Prototypen handelt, bedeutet, dass sich Ihre tatsächliche Nutzung von KI-Tools über mehrere dieser Szenarien erstrecken und nicht eindeutig einem einzelnen Szenario zuordnen lassen wird. Die Szenarien dienen lediglich der Veranschaulichung der vielfältigen Möglichkeiten, wie KI-Tools die kognitiven Prozesse im wissenschaftlichen Schreibprozess beeinflussen können. Das aktuelle Kapi‐ tel bildet somit gewissermaßen das theoretische Fundament von Kapitel 4, in dem ich Ihnen ganz konkret zeige, wie Sie KI-Tools für die einzelnen Teilaufgaben des Schreibprozesses einsetzen können. Die vier Szenarien bilden ein Spektrum, wie Sie in Abbildung 6 sehen. Am einen Ende des Spektrums steht die Möglichkeit, dass KI-Tools Ihre eigene Arbeit und Ihr eigenes Denken vollständig ersetzen, während sich am anderen Ende ein Szenario findet, in dem KI-Tools Ihr Denken erweitern und somit die inhaltliche Qualität Ihrer Texte verbessern. Zwischen diesen beiden Extremen befinden sich zwei weitere Szenarien, wie Abbildung 6 zeigt: Eines davon betrifft die Entlastung Ihres Arbeitsgedächtnisses durch die Auslagerung von Routineaufgaben an KI-Tools. Das andere Szenario umfasst den Einsatz von KI-Tools zur Unterstützung des Denkens. 76 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="77"?> Abb. 6: XXXX KI-Tools entlasten Denken Unreflektiert: KI-Tools ersetzen Denken und Lernen Metakognitiv durchdrungen: KI-Tools erweitern Denken KI-Tools unterstützen Denken Abbildung 6 | Nutzungsszenarien von KI-Tools im Schreibprozess (eigene Darstellung nach Buck & Limburg, 2024a, S. 11) In den folgenden vier Unterkapiteln stelle ich jedes der vier Szenarien vor. Dabei wird deutlich, dass von links nach rechts • die Komplexität des Schreibprozesses, • der Erkenntnisgewinn, • die Qualität der Ergebnisse und • die Möglichkeit der Verantwortungsübernahme zunehmen. KI-Tools als Ersatz menschlichen Denkens In diesem Szenario lassen Schreibende KI-Tools komplette Aufgaben erledi‐ gen, ohne irgendeine eigene Leistung dazu beizutragen. Wie wir in Kapitel 4 sehen werden, ist ein vollständiger Ersatz menschlicher kreativer und analytischer akademischer Leistungen durch KI-Tools derzeit allerdings (noch) nicht möglich - zumindest nicht so, dass die Ergebnisse für eine qualitativ auch nur einigermaßen akzeptable Arbeit ausreichen. Zudem habe ich in Kapitel 3.2 erläutert, dass eine solche Anwendung von KI-Tools auch nicht wünschenswert ist, da sie dem eigentlichen Zweck des wissenschaft‐ lichen Arbeitens - dem kritischen Denken, dem Erwerb von Wissen, der Fachsozialisation - zuwiderläuft. In der Praxis kann dieses Szenario etwa bedeuten, • dass Schreibende fremde Texte durch KI paraphrasieren lassen, ohne die Originaltexte selbst zu lesen, • dass Schreibende Aufgabenstellungen von einem KI-generierten Prompt bearbeiten lassen und einfach den daraus resultierenden Output in den eigenen Text kopieren, • dass Schreibende Rechercheergebnisse ‚blind‘ übernehmen, ohne sie einer kritischen Prüfung zu unterziehen. 3.3 Nutzungsszenarien von KI-Tools 77 <?page no="78"?> Der Kern dieses Szenarios ist, dass die Schreibenden keine kognitive Energie in das Bearbeiten einer Aufgabe investieren. Stattdessen verlassen sie sich vollständig auf KI-Tools, wodurch Lernmöglichkeiten bzw. Möglichkeiten zur eigenen Kompetenzentwicklung nicht genutzt werden. Das eigenstän‐ dige Schreiben erscheint auf diese Weise nutzlos: Wenn Schreibende davon ausgehen, dass KI-Tools alle Aufgaben übernehmen können, sinkt natürlich auch ihre Motivation, sich selbst mit dem Schreibprozess und auch ihrem Text auseinanderzusetzen. Und wenn Schreibende die ganze ‚Denkarbeit‘ an KI-Tools auslagern, können sie außerdem keine Verantwortung für den Inhalt ihres Textes übernehmen. Ohne eine tiefe Auseinandersetzung mit den Themen und Argumenten, die im Text ihren Niederschlag finden, bleibt das Verständnis einer Thematik oberflächlich. Dabei kann es auch passieren, dass Schreibende ihren Text nicht adäquat verteidigen oder erklären können, etwa im Rahmen eines Kolloquiums. Wie Sie sich denken können, sollte dieses Szenario vermieden werden. Zum einen verstößt es gegen das im Rahmen der guten wissenschaftlichen Praxis (s. Kapitel 3.4) geforderte Prinzip des eigenständigen Arbeitens. Zum anderen findet dadurch keine Kompetenzentwicklung statt. Takeaway • In diesem Szenario übertragen Schreibende Teilaufgaben oder gar die Bearbeitung des gesamten Schreibprozesses komplett an KI-Tools, ohne eigene Denkleistung einzubringen. • Dieses Szenario verstößt gegen die Prinzipien guter wissenschaft‐ licher Praxis und verhindert einen Lernprozess bzw. eine Kompe‐ tenzentwicklung aufseiten der Schreibenden. KI-Tools als Entlastung menschlichen Denkens Die Entlastungsfunktion von KI-Tools spielt im Schreibprozess eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, kognitiv weniger anspruchsvolle Teilaufgaben (sog. lower order concerns) auszulagern. Diese Funktion der Tools ermöglicht es Ihnen, Ihre kognitiven Ressourcen auf höherwertige Aufgaben (sog. higher order concerns) zu konzentrieren: Durch das Auslagern von Routi‐ neaufgaben an KI-Tools können Sie Zeit sparen und Ihr Arbeitsgedächt‐ 78 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="79"?> nis entlasten, wodurch mehr Kapazität für anspruchsvollere Aspekte des Schreibprozesses zur Verfügung steht. In der Literatur wird dieses Phäno‐ men auch als cognitive offloading (Risko & Gilbert, 2016) oder computational offloading (Rogers, 2004) bezeichnet. In der Praxis finden sich folgende Beispiele für diese Entlastungsfunktion: • Sprachliche Überarbeitung bzw. Korrektur von Entwürfen: KI-Tools können helfen, grammatikalische und/ oder orthografische Fehler (Rechtschreibfehler) zu erkennen und stilistische Verbesserungen vor‐ zuschlagen. • Formulierung von Fließtext aus Stichworten: Aus (handschriftlichen) Notizen oder Stichpunkten können KI-Tools einen kohärenten Text generieren. • Überführung gesprochener Sprache in eloquenten Text: Mündlich for‐ mulierte Gedanken, selbst das zunächst vielleicht zusammenhanglos erscheinende ‚drauflosgeplapperte‘ Äußern von Gedanken, lässt sich von KI-Tools in (fast) druckreife schriftliche Form überführen. • Verbindung einzelner Textschnippsel zu kohärenten Texten: Verschie‐ dene Abschnitte eines Textes, die isoliert schon Sinn ergeben, werden von KI-Tools zu einem stimmigen Gesamtwerk verbunden. • Vereinheitlichung der Zitation: KI-Tools können dabei helfen, Zitate und Quellenangaben gemäß spezifischen Formatierungsvorgaben zu standardisieren. • Änderung des Stils eines Textes: Je nach Bedarf kann ein KI-Tool den Schreibstil anpassen, um ihn beispielsweise formeller oder informeller zu gestalten. Diese Beispiele zeigen, wie KI-Tools zur Entlastung im Schreibprozess beitragen können, ohne dass die eigene kreative oder analytische Leistung in irgendeiner Form ersetzt wird. KI-Tools ermöglichen Ihnen somit eine effizientere Nutzung Ihrer Zeit sowie Ihrer kognitiven Ressourcen und schaffen Ihnen dadurch mehr geistige Kapazität für inhaltliche Tiefe Ihrer Arbeit (s. auch Lin, 2024). 3.3 Nutzungsszenarien von KI-Tools 79 <?page no="80"?> Takeaway • In diesem Szenario lagern Schreibende kognitiv kaum anspruchs‐ volle Aufgaben wie die sprachliche Korrektur von Texten (sog. lower order concerns) an KI-Tools aus. • Diese Auslagerung entlastet das menschliche Denken insofern, als es Schreibenden ermöglicht, sich mit ihren kognitiven Ressourcen auf anspruchsvollere Aufgaben zu konzentrieren. KI-Tools zur Unterstützung menschlichen Denkens In diesem Szenario nutzen Schreibende KI-Tools nicht zur Auslagerung von Teilaufgaben auf der Ebene von lower order concerns, sondern als gezielte Unterstützung bei Aufgaben des Schreibprozesses, die sich eher auf der Ebene von higher order concerns bewegen. Diese Unterstützung führt dazu, dass Schreibende in ihrem Schreibprozess Orientierung bekommen. Die unterstützende Funktion von KI-Tools liegt hier also nicht auf der Ebene einer Verbesserung des Schreibproduktes, also des finalen Textes, sondern auch der Ebene des Schreibprozesses selbst. Einige praktische Anwendungen, bei denen KI-Tools das Denken unter‐ stützen können, sind: • Erklärung von Fachbegriffen oder schwer verständlichen Passagen von Fachliteratur: KI-Tools können komplexe Begriffe anschaulich erläutern oder den Inhalt schwieriger Texte zugänglicher machen. Beispielsweise lassen sich Formeln oder Tabellen in wissenschaftlichen Artikeln von speziellen KI-Tools erklären oder Zusammenhänge in Texten visualisieren. • Überprüfung von Sachverhalten: KI-Tools, die auf Weltwissen zugreifen können, lassen sich auch nutzen, um Fakten schnell zu überprüfen und sicherzustellen, dass die eigene Argumentation auf korrekten Informa‐ tionen basiert. • Erstellung von Gliederungen: KI-Tools können basierend auf einer kurzen Beschreibung des geplanten Inhalts einer Arbeit eine erste Gliederung erstellen, die Ihnen beim Organisieren der Gedanken hilft. Indem KI-Tools Ihr Denken unterstützen, können sie auch zu einer psy‐ chischen Entlastung beitragen: Durch den unkomplizierten Zugriff auf Hilfestellungen wird das Gefühl der Überforderung reduziert, das mit 80 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="81"?> anspruchsvollen Schreibaufgaben evtl. einhergeht. Diese Art der Unterstüt‐ zung kann dazu beitragen, dass Sie beherzter an Ihre wissenschaftlichen Arbeiten herangehen oder sich weniger von der sprichwörtlichen ‚Angst vor dem leeren Blatt‘ lähmen lassen. So können KI-Tools etwa Vorschläge für eine erste Rohfassung liefern, was besonders nützlich ist, wenn Sie unsicher sind, wie Sie starten sollen. Durch die Bereitstellung von Struktur und durch die Unterstützung beim Schaffen von Klarheit über das, was Sie mit Ihrem Text sagen wollen, helfen KI-Tools also nicht nur bei der Bewältigung des Schreibprozesses, sondern können auch Ihr Selbstvertrauen und Ihre Sicherheit beim wissenschaftlichen Schreiben stärken. Takeaway • In diesem Szenario unterstützen KI-Tools Schreibende bei kom‐ plexeren Aufgaben des Schreibprozesses, anstatt diese Aufgaben komplett zu übernehmen. • Durch die Unterstützung bei anspruchsvollen Aufgaben können KI-Tools auch psychische Entlastung schaffen und z. B. dabei helfen, die sprichwörtliche ‚Angst vor dem leeren Blatt‘ zu über‐ winden. KI-Tools als Erweiterung menschlichen Denkens Auf der höchsten, d. h. anspruchsvollsten Ebene lassen sich KI-Tools schließ‐ lich auch einsetzen, um Ideen zu produzieren und Texte zu verfassen, die ohne die technologische Unterstützung nicht zustande gekommen wären. In diesem Fall wirken die Tools wie ‚Denktutor: innen‘ (Kruse & Anson, 2023, S. 477), befähigen Schreibende also zu ‚besseren‘ eigenen Gedanken. KI-An‐ wendungen helfen Ihnen in diesem Szenario etwa dabei, eine breitere Palette an wissenschaftlichen Quellen und/ oder Forschungsdaten zu erschließen, um so Forschungsdiskurse im eigenen Fach tiefergehend zu verstehen. Sie können auch zu einer tieferen Reflexion des eigenen Vorgehens oder zu einer umfassenderen, möglichst viele Gegenargumente berücksichtigenden Argumentation beitragen. Im Idealfall ermöglichen Ihnen KI-Tools, Gedan‐ ken zu formulieren und Zusammenhänge zu erkennen, die Ihnen ohne deren Hilfe verborgen geblieben wären. 3.3 Nutzungsszenarien von KI-Tools 81 <?page no="82"?> Weiterführende Ressource | Eine solche positive Vision der KI-Nut‐ zung beim wissenschaftlichen Schreiben kann man insofern als illuso‐ risch kritisieren, als Forschende dadurch möglicherweise dem Irrglau‐ ben aufsitzen, durch KI-Tools den kompletten Überblick über Ihr Forschungsfeld zu haben und alles zu verstehen. Wer sich näher mit dieser kritischen Perspektive beschäftigen möchte, sei auf einen wis‐ senschaftlichen Artikel von Lisa Messeri und Molly Crockett (2024) mit dem Titel „Artificial intelligence and illusions of understanding in scien‐ tific research“ verwiesen (https: / / www.nature.com/ articles/ s41586-024 -07146-0). Die Nutzung von KI-Tools in diesem Kontext umfasst u. a. folgende Use Cases: • Inspiration: Durch die Interaktion mit KI-Tools lassen sich neue Ideen generieren. Diese können dann von den Schreibenden durchdacht bzw. in ihre schon vorhandenen Gedanken integriert und fortgeführt werden. Das Ergebnis dieser Denkarbeit kann wiederum von einem KI-Tool um weitere Ideen angereichert werden, sodass man Stück für Stück in einer iterativen Schleife zu immer neuer gedanklicher Inspiration gelangt. Seit November 2024 ermöglicht ChatGPT dieses iterative Vorgehen durch seine Canvas-Funktion. • Textfeedback: KI-Tools identifizieren Argumentationslücken oder stel‐ len Fragen, die Schreibende dazu anregen, ihre Argumente zu überden‐ ken. • Bereitstellung von Textversionen zum Vergleich: KI-Tools können un‐ terschiedliche Versionen eines Textes generieren. Schreibende können diese anschließend vergleichen und die jeweils besten Passagen aus den einzelnen Texten zu einem neuen Text kombinieren. • Literaturrecherche: KI-Recherchetools generieren Überblicksdarstel‐ lungen zu einem Forschungsthema, die zu einem breiten Überblick über den Stand der Forschung führen. Dieses Szenario stellt die ‚hohe Schule‘ der Anwendung von KI-Tools für das wissenschaftliche Schreiben dar. KI-Tools werden hier nicht als zusätzliche Technologie verwendet (on top, also additiv zum ansonsten ‚normal‘ ablaufenden Schreibprozess), sondern als integraler Bestandteil 82 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="83"?> des Schreibprozesses betrachtet (Dell’Acqua et al., 2023). Dies bedeutet, dass man nicht einfach alles so macht wie sonst und dann für einzelne Aufgaben zusätzlich noch KI-Tools einsetzt. Stattdessen bildet sich eine neue professionelle Schreibpraxis heraus, in der die Möglichkeiten von KI-Tools voll ausgeschöpft und geeignete Aufgaben direkt in Verbindung mit KI-Tools bearbeitet werden. Janet Rafner et al. (2021) sprechen in diesem Kontext von einer sog. hybriden Intelligenz (s. auch Bajohr & Hiller, 2024, S. 7). Diese verbindet die Stärken von Mensch und Maschine, um komplexe Fragestellungen effektiver zu bearbeiten. KI-Tools sind hier nicht einfach nur ein Werkzeug, sondern vielmehr ein ‚Gegenüber‘ (co-writer nach Lin, 2024), das Schreibende „auf etwas ‚aufmerksam‘ macht, ‚Fingerzeige‘ gibt, eine ‚eingreifende Wirkung‘ hat (Odendahl, 2021, S. 225)“ (Steinhoff, 2023, S.-6). Eine solche fortgeschrittene Nutzung von KI-Tools setzt eine ausgeprägte Schreibkompetenz und tiefergehende Kenntnisse in der Anwendung von KI-Tools voraus. Bei weniger geübten Schreibenden kann der Versuch, KI-Tools zur Erweiterung des eigenen Denkens zu nutzen, sogar eine Überforderung auslösen. Dies liegt v. a. daran, dass die Integration von KI-Tools in den Schreibprozess eine zusätzliche Komplexitätsdimension einführt, die den ohnehin schon komplexen Akt des wissenschaftlichen Schreibens noch komplexer macht. Aus kognitiver Perspektive formuliert der Schreibforscher Ronald Kellogg als Hauptziel beim Schreibenlernen die Kompetenz, „exekutive Kontrolle über kognitive Prozesse zu gewinnen, sodass Schreibende […] sich den spezifischen Anforderungen der aktuellen Aufgabe anpassen können“ (Kellogg, 2014, S. 128). Dies bedeutet, dass Schreibende in der Lage sein müssen, ihre Denkvorgänge bewusst zu steuern, um den spezifischen Anforderungen der jeweiligen Schreibaufgabe gerecht zu werden. Die ‚exekutive Kontrolle‘ ist besonders wichtig, weil das Schreiben, wie gesagt, eine kognitiv anspruchsvolle Tätigkeit ist, die das Koordinieren von vielen Teilprozessen erfordert, wie das Planen, Formulie‐ ren und Überarbeiten von Texten. Die Nutzung von KI-Tools ersetzt nun eben gerade nicht die Kontrolle über das eigene Denken, sondern erfordert diese sogar in besonderem Maße. Gerade bei der Verwendung von KI-Tools müssen Schreibende aktiv steuern, wie und in welchem Ausmaß sie die generierten Inhalte überarbeiten, um die Anforderungen an den eigenen Text zu erfüllen. Insofern unterstützt das Zitat von Ronald Kellogg die schon in Kapitel 1 dieses Buches formulierte 3.3 Nutzungsszenarien von KI-Tools 83 <?page no="84"?> These, dass Schreibkompetenz durch KI-Tools nicht überflüssig wird, son‐ dern eine entscheidende Rolle bei deren erfolgreicher Nutzung spielt. Die hohe Komplexität der Anwendung des Szenarios ‚KI-Tools als Erwei‐ terung menschlichen Denkens‘ führt deshalb auch nicht unbedingt zu einer Zeitersparnis, wie es beim Szenario ‚KI-Tools als Entlastung menschlichen Denkens‘ der Fall ist. Die durch KI-Tools sogar noch verstärkte Komplexität des Schreibprozesses fordert, wie gerade beschrieben, eine intensivere Steuerung des Schreibprozesses, was mehr zeitlichen Aufwand bedeutet. Es geht also nicht nur um eine kritische Überprüfung KI-generierter Texte, sondern auch um die bewusste Steuerung der Tools sowie des eigenen Schreibprozesses. Was sind nun aber die Vorteile dieser Nutzung von KI-Tools, wenn sie schon keine Zeitersparnis bringt? Hier sind ganz klar der Erkenntnisgewinn und die gesteigerte Qualität der so produzierten Texte zu nennen. Durch die Kombination Ihrer menschlichen Intelligenz mit der Leistungsfähigkeit von KI-Tools erhalten Sie tiefere Einblicke und können komplexere Argu‐ mentationen entwickeln. Dies bereichert nicht nur die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Gegenstand Ihrer Arbeit, sondern fördert auch eine präzisere und fundiertere Darstellung Ihrer Forschungsergebnisse. Zudem eröffnet dieses Szenario eine zunehmende Möglichkeit, Verant‐ wortung für Ihren Text zu übernehmen. Wenn Sie sich KI-gestützt intensiver mit dem Material Ihrer Arbeit (Forschungsliteratur, erhobene Daten etc.) auseinandersetzen, können Sie Ihre Ergebnisse später viel besser verteidi‐ gen, erklären, Schwachstellen benennen etc. Letztlich verdeutlicht dieses Szenario aber auch, dass der erfolgreiche Einsatz von KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben weit mehr als bloße technische Fertigkeit erfordert. Vielmehr erfordert er ein umfassendes Verständnis der Potenziale sowie Grenzen von KI-Tools, aber auch eine gute Kenntnis Ihres Forschungsgebietes. Takeaway • In diesem Szenario fungieren KI-Tools als ‚Denktutoren‘ und füh‐ ren Schreibende zu neuen Ideen und tieferen Einsichten, auf die sie ohne KI-Tools nicht gekommen wären. • Dieses Szenario stellt einerseits hohe Anforderungen an die Kom‐ petenzen der Schreibenden, verspricht andererseits aber auch eine 84 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="85"?> signifikante Qualitätssteigerung und tiefgreifende Erkenntnisgewinne. • Schreibende brauchen ein hohes Maß an Entscheidungsfähigkeit und Überwachung ihrer Denkvorgänge, um den durch KI-Tools angereicherten Schreibprozess erfolgreich im Sinne einer Erweite‐ rung ihres eigenen Denkens zu gestalten. 3.4 Gute wissenschaftliche Praxis beim Einsatz von KI-Tools Ziel dieses Kapitels ist es, die Bedeutung eines verantwortungsbe‐ wussten Umgangs mit KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben herauszustellen. Es wird erläutert, was Verantwortungsübernahme im Kontext der guten wissenschaftlichen Praxis konkret bedeutet und wie KI-Tools sich darauf auswirken. „There’s a whole spectrum of AI use, from completely human-written to comple‐ tely AI-written — and in the middle, there’s this vast wasteland of confusion“ (Bailey, zitiert in Kwon, 2024). In welchem Maße darf man KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben überhaupt nutzen? Wo sind Grenzen, was muss man angeben, wie kann man eigenständiges Arbeiten sicherstellen? Im Kontext der Diskussion um den Einsatz von KI-Tools in Studium, Lehre und Forschung haben Sie sicher schon die ‚Regel‘ gehört, dass die Verantwortung für das fertige Textprodukt am Ende bei der schreibenden Person liegt und dass der Einsatz von KI-Tools entsprechend verantwor‐ tungsvoll ausgestaltet sein muss. In diesem Kapitel beleuchte ich, was genau hinter diesem nebulösen Begriff steht, was es also konkret bedeutet, Verantwortung für den eigenen Text zu übernehmen und wie die Verwen‐ dung von KI-Tools dies beeinflusst. Dabei setze ich voraus, dass Ihnen die grundlegenden Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis vertraut sind. Verantwortung für einen Text zu übernehmen, umfasst nämlich nicht nur, dass Sie einen inhaltlich fehlerfreien Text erstellen. Ebenso zentral ist es auch, sich im gesamten Forschungsprozess wissenschaftlich integer zu verhalten. Was damit gemeint ist, können Sie in den Leitlinien zur Sicherung 3.4 Gute wissenschaftliche Praxis beim Einsatz von KI-Tools 85 <?page no="86"?> 20 Im Falle einer kumulativen Dissertation gelten zudem die Richtlinien der Verlage, bei denen Sie Ihre Artikel einreichen. guter wissenschaftlicher Praxis von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG, 2022) nachlesen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI-Tools in der Forschung und auch im Studium sind komplex und es existieren noch zahlreiche offene Fragen, gerade wenn es um Details der Verwendung von KI-Tools im Studium geht. Es gibt zahlreiche Richtlinien und Empfehlungen, sei es auf Ebene der EU (Europäische Kommission, 2024) oder auf nationaler Ebene. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), deren Richtlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis an den meisten deutschen Hochschulen gelten (DFG, 2022), hat ebenfalls eine Stellungnahme zum Einsatz von KI-Tools in der Forschung veröffentlicht (DFG, 2023). Allerdings ist diese recht vage und stammt von September 2023, überspitzt formuliert also aus der ‚Steinzeit‘, gemessen an den Maßstäben der extremen Dynamik im Bereich generativer KI. All diese Richtlinien betonen die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses sowie die fortdauernde Verantwortung der Forschenden für ihre Arbeitsergebnisse - auch dann, wenn KI-Tools genutzt werden. Es findet sich also auch hier wieder der bedeutungsschwere Begriff der Verantwortung. Bevor ich diesen Begriff mit Leben fülle, ein wichtiger Punkt vorweg: Hinsichtlich des Einsatzes von KI-Tools bei wissenschaftlichen Arbeiten gel‐ ten für Studierende und Promovierende immer die jeweiligen Regelungen ihrer Hochschule, oder, wenn es keine hochschulweiten Regelungen gibt, die Regelungen ihrer Betreuenden. 20 Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich diese Zeilen schreibe, im Herbst 2024, haben noch immer viele Hochschulen kein eigenes Regelwerk und viele Dozierende haben ihren Studierenden gegenüber noch nie ein Wort über den KI-Einsatz bei wissenschaftlichen Arbeiten verloren. Dass man als Studierende: r darüber frustriert ist und sich angesichts der ganzen Debatte um KI-Tools im Kontext studentischen Lernens auch nicht unbedingt traut, nachzufragen, ist verständlich. Sie sollten dennoch Ihre Betreuenden fragen, wie sie zum Einsatz von KI-Tools stehen, da diese Ihnen anschließend eine Note für Ihre Arbeit geben. Halten Sie ihnen gerne dieses Buch unter die Nase, wenn sie skeptisch sind und legen Sie Ihnen Kapitel 3.2 oder 3.3 vor, das davon handelt, dass man den Einsatz von KI-Tools nicht automatisch mit fehlenden Lernprozessen oder mit Schummeln gleichsetzen kann. 86 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="87"?> 21 Die Frage, inwiefern es sich bei KI-generierten Textpassagen um Plagiate handelt oder nicht, diskutiere ich weiter unten. 22 „Die KI war’s! “ ist der Titel eines empfehlenwerten populärwissenschaftlichen Buches von Katharina Zweig, in dem sie sich mit den Unzulänglichkeiten von KI auseinander‐ setzt (Zweig, 2023). Um die Frage zu klären, wer die Verantwortung an einem mit KI-Unter‐ stützung generierten Text trägt, müssen wir uns zunächst das Thema der Autorschaft anschauen. Eine zentrale Frage beim Einsatz von KI-Tools in wissenschaftlichen Arbeiten betrifft nämlich die Autorschaft. KI-Systeme können weder als Autoren noch als Ko-Autoren genannt werden, da Au‐ torschaft Handlungsfähigkeit und Verantwortung impliziert und diese nur bei menschlichen Forschenden liegen kann (DFG, 2023). Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Arbeit eingereicht und haben das Kapitel, das den Forschungsstand zusammenfasst, komplett von einem KI-Tool erstellen lassen. 21 In der mündlichen Prüfung oder im Kolloquium zu Ihrer Arbeit werden Sie gefragt, warum Sie ausgerechnet das Paper von Maxi Musterfrau in Ihren Forschungsüberblick integriert haben - dieses vertrete ja doch eine recht kontroverse Meinung. Wenn Sie sich nicht selbst mit dem Paper von Maxi Musterfrau auseinandergesetzt haben, werden Sie kaum begründen können, warum Sie genau diesen Artikel in Ihre Arbeit integriert haben. Oder nehmen wir an, Sie haben eine KI-generierte Passage übernommen, in der steht, dass Möhren in Fischfutter zu einer gesteigerten Gesundheit der Fische beitragen. Wenn Ihre Betreuerin dann zu Ihnen sagt, dass dies gar nicht stimme und Ihnen deshalb Punkte abzieht, können Sie schlecht sagen, dass Sie nichts dafür können, weil „die KI war’s“. 22 Am Ende ist es also immer an Ihnen, Ihre Arbeit, die von Ihnen getroffenen theoretischen wie methodischen Entscheidungen, Ihre Schlussfolgerungen etc. zu erklären und zu verteidigen. Als Autor: in können Sie die Verantwortung für Ihre Texte nicht delegieren, auch nicht an eine KI. Worauf kommt es bei der Verantwortungsübernahme für den eigenen Text also an? Verantwortung zu übernehmen, bedeutet, „eine kritische Distanz zu Vorgehensweisen, Texten und Inhalten einzunehmen und sie kritisch zu prüfen“ (Brommer et al., 2023, S. 6). Am Ende steht Ihr Name auf der Arbeit, die Sie einreichen - und das bedeutet, dass Sie den Gedankengang und die Inhalte Ihrer Arbeit erklären und auch verteidigen können müssen. Wenn Sie sich die Ergebnisse, die Sie im Laufe des Schreibprozesses von einer generativen KI erhalten haben, nicht angeeignet, diese also nicht selbst durchdrungen und zu Ihren eigenen gemacht haben, ist dies nicht möglich. 3.4 Gute wissenschaftliche Praxis beim Einsatz von KI-Tools 87 <?page no="88"?> 23 https: / / www.hs-rm.de/ fileadmin/ Home/ Services/ Didaktik_und_Digitale_Lehre/ KI_%4 0HSRM/ Eigenstaendigkeitserklaerung_HSRM__1_.pdf Einen Text zu verantworten, meint also, „begründen zu können, warum der Text in seiner Argumentation, seinem Aufbau konkret so beschaffen ist und auf welcher Grundlage die schreibende Person im Text abschließend zu diesen Ergebnissen gelangt. Verantworten heißt damit auch, offenlegen zu können, auf welche Quellen und Forschungswerkzeuge sich der eigene Text stützt und wie diese eingesetzt wurden“ (Brommer et al., 2023, S.-11). Fragen, die Sie sich in diesem Kontext stellen können, sind: • „Wie komme ich meiner eigenen Verantwortung für den von mir geschriebenen Text nach? • Was verändert sich durch die Nutzung von KI-Schreibtools (womöglich) mit Blick auf mein Schreibhandeln, meine Vorgehensweisen, mein Denken, meinen Umgang mit Wissen, meine Positionierung und meinen Stil? • Wie kann ich das Kriterium der Eigenständigkeit erfüllen, wenn ich meinen Text mit Unterstützung von KI erstellt habe? “ (Brommer et al., 2023, S.-11) Ein weiteres zentrales Stichwort neben ‚Verantwortung‘ ist ‚Eigenständig‐ keit‘. Auch hier handelt es sich um einen ‚großen‘ Begriff, der zunächst mit Leben gefüllt werden muss. Was bedeutet es, eine wissenschaftliche Arbeit ‚eigenständig‘ zu verfassen? Möglicherweise (hoffentlich! ) hat Ihre Hochschule die Eigenständigkeitserklärung, die Sie zusammen mit einer wissenschaftlichen Arbeit einreichen, inzwischen vor dem Hintergrund des Einsatzes von KI-Tools abgeändert. An der Hochschule RheinMain haben wir folgenden Satz in der Eigenständigkeitserklärung verankert, der gilt, wenn Studierende KI-Tools vonseiten ihrer Betreuenden für ihre wissen‐ schaftliche Arbeit nutzen dürfen: „Ich versichere […], dass ich KI-Tools lediglich als Hilfsmittel verwendet habe und in der vorliegenden Arbeit mein gestalterischer Einfluss überwiegt“. 23 Um dieses ‚Überwiegen des eigenen gestalterischen Einflusses‘ fassbarer zu machen, greife ich auf eine Unterscheidung von Alan Knowles (2024) zurück, der zwischen human in the loop und machine in the loop differenziert. Das human in the loop-Modell im Bereich maschinellen Lernens bezieht sich auf einen Ansatz, bei dem menschliche Expertise in den Trainings- und Entscheidungsprozess eines KI-Modells eingebunden wird. Menschen 88 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="89"?> intervenieren also, um das Modell zu korrigieren, zu überwachen oder zu verbessern, insbesondere in Situationen, in denen das Modell unsicher ist oder Fehler macht. Machine in the loop bezeichnet dagegen einen An‐ satz, bei dem Maschinen oder KI-Modelle unterstützend in menschliche Entscheidungsprozesse integriert werden. Hierbei liefern die Maschinen Vorschläge, Analysen oder Automatisierungen, die von Menschen überprüft werden; anschließend treffen die Menschen eine Entscheidung. Im Gegen‐ satz zu human in the loop liegt die Hauptverantwortung für Entscheidungen bei machine in the loop bei den Menschen - die Maschinen fungieren nur als unterstützende Werkzeuge. Ein wissenschaftlich redlicher Einsatz von KI-Tools sollte sich am Einsatz des machine in the loop orientieren: Es sind nicht KI-Tools, die den kompletten Schreibprozess durchführen und wir Menschen intervenieren einfach an ein paar Stellen. Stattdessen obliegt uns Menschen die Gestaltungs- und Entscheidungshoheit über den Schreibprozess, bei dem wir an manchen Stellen KI-Tools als Assistenten für unsere Arbeit heranziehen. KI-generierte Inhalte sollten dementsprechend als Ausgangs- oder Anknüpfungspunkt für die eigenen Gedanken dienen, nicht aber als Endprodukt, das dann 1: 1 Eingang in den eigenen Text findet. Kommen wir zum nächsten im Kontext von guter wissenschaftlicher Praxis relevanten Punkt: Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Es gehört zum ‚guten Ton‘ in der Wissenschaft, dass man gegenüber den Lesenden des eigenen Textes offenlegt, wie man zu seinen Gedanken, Schlussfolgerungen, Ergebnissen, kurzum: zu seinem finalen Text gekommen ist. Wenn Sie Ihr Gegenüber im Glauben lassen, dass eine Idee von Ihnen stammt, Sie sie aber eigentlich generativer KI zu verdanken haben, ist dies eine Täuschung. Hinsichtlich des Einsatzes generativer KI fordern manche Dozierende und/ oder Hochschulen von ihren Studierenden, dass diese den Einsatz sämtlicher KI-Tools im Schreibprozess dokumentieren. Bisweilen wird auch die Abgabe jedes Prompts gefordert. Sollte dies vorgegeben sein, müssen Sie dies natürlich auch machen. Häufig wirft diese Forderung jedoch weitere Fragen auf: Muss jedes KI-Tools, das z. B. zur sprachlichen Überarbeitung des Textes genutzt wird, angegeben werden? Müssen auch KI-Tools zur Literaturrecherche angegeben werden? Diese Frage kann ich hier nicht für Sie beantworten - dies können nur Ihre Betreuenden. Gerade dann, wenn man KI-Tools in einer verantwortungsbewussten und das eigene Denken erweitender Weise (s. Kapitel 3.3) verwendet, führt die „Verwobenheit des ‚Austauschs‘ zwischen Forschenden und TKI [textgenerierender Künstli‐ cher Intelligenz]“ bzw. die „unübersichtliche Verschmelzung von TKI-Tools 3.4 Gute wissenschaftliche Praxis beim Einsatz von KI-Tools 89 <?page no="90"?> 24 Wie aber bereits zu Beginn des Kapitels festgehalten, entscheide nicht ich als Autorin dieses Buches darüber, ob Sie überhaupt generative KI für eine wissenschaftliche Arbeit verwenden dürfen. und intellektueller [menschlicher] Eigenleistung“ aber dazu, dass man gar nicht mehr den einen Prompt angeben kann, aus dem eine bestimmte Idee resultiert, da man eine Ursprungsidee selbst weitergedacht, um Gedanken aus wissenschaftlicher Literatur erweitert hat etc. (Frisch et al., 2023, S. 331). Außerdem: Wenn Sie mit einer Kommilitonin oder Mit-Promovierenden über das Thema Ihrer Arbeit sprechen und im gemeinsamen Gespräch kommt Ihnen eine zündende Idee - geben Sie in Ihrer Arbeit Ihre Kommi‐ litonin bzw. Mit-Promovierende als Hilfsmittel an? Wenn Sie das Privileg eines akademischen Elternhauses haben und Sie diskutieren mit Ihren Eltern über Ihre Abschlussarbeit: Zitieren Sie in Ihrer Abschlussarbeit Ihre Eltern? Beide Fragen beantworten Sie sicherlich mit „nein“. In diesen Fällen haben Sie ein legitimes Hilfsmittel genutzt - Sie haben sich mit anderen über Ihr Thema ausgetauscht und damit nichts anderes gemacht als das, was Wissenschaftler: innen tun und immer tun sollten. Im Idealfall sollten Sie sich also von generativer KI inspirieren lassen und die Ideen, die Sie aus der Interaktion mit einem Chatbot erhalten, aufnehmen, selbst weiterdenken, vertiefen und nicht bei dem, was Sie von KI-Tools erhalten haben, stehen bleiben. Und dann ist generative KI ein nur allzu legitimes Hilfsmittel, das Ihnen dabei hilft, ein Thema tiefer zu durchdringen. 24 Sollten Ihre Betreuenden keine Vorgaben zur Dokumentation machen, könnten Sie z. B. zu Beginn Ihrer Arbeit eine Seite einfügen, auf der Sie angeben, welche KI-Tools Sie zu welchen Zwecken (Literaturrecherche, Inspiration etc.) eingesetzt haben. Ein solcher Hinweis ist im Sinne der guten wissenschaftlichen Praxis sinnvoll (Blau et al., 2024). Der Aufwand sollte dabei so gering wie möglich gehalten werden, um keine unnötigen zeitlichen und kognitiven Ressourcen zu verschwenden, die Sie besser in den Inhalt Ihrer Arbeit stecken. Es gilt, Transparenz und Nachvollziehbarkeit einer‐ seits und ein ressourcensparendes Vorgehen andererseits auszubalancieren (Frisch et al., 2023, S. 330). In einem Artikel haben meine Ko-Autorin und ich unseren Einsatz von generativer KI am Ende wie folgt angegeben: „Wäh‐ rend der Vorbereitung dieses Artikels benutzten wir Autorinnen folgende Werkzeuge für Übersetzungen, Paraphrasierungen, Zusammenfassungen, Textgenerierungen bis hin zur Ideengenerierung und qualitätssichernden Maßnahmen für eine multiperspektivische Sichtweise: [Aufzählung der 90 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="91"?> 25 Dies meine ich natürlich abgesehen von Fällen, in denen KI-Output als Primärquelle verwendet, also selbst untersucht wird, beispielsweise in einer Arbeit zu sprachlichen Besonderheiten von KI-generierten Textpassagen. verwendeten KI-Tools]. Nach der Verwendung dieser Tools/ Dienste haben wir Autorinnen den Inhalt nach Bedarf überprüft und bearbeitet und übernehmen die volle Verantwortung für den Inhalt der Veröffentlichung“ (Buck & Weßels, 2025). Ein weiterer Aspekt der guten wissenschaftlichen Praxis beim Einsatz von KI-Tools ist die Zitation von KI-generierten Inhalten. Einerseits existieren für verschiedene Zitationsstile bereits Regeln, wie KI-generierte Passagen zitiert werden können (einen guten Überblick über Zitationsrichtlinien für KI-generierte Textpassagen finden Sie über den Link im QR-Code (https: / / g uides.library.ubc.ca/ GenAI/ cite)). Andererseits halte ich es für sehr fraglich, ob eine direkte Zitation von KI-Output überhaupt angemessen ist. 25 KI-Tools sind keine Forschenden, die eigenständige Gedanken niedergeschrieben ha‐ ben. Zitate, direkte oder indirekte, sind menschlichen Forschenden bzw. be‐ stimmten Kriterien genügenden wissenschaftlichen Quellen vorbehalten, sodass Lesende bei Bedarf den genauen Kontext des Zitates nachschauen können. Außerdem dienen Zitate auch dazu, den Wissenschaftler: innen, die ursprünglich einen Gedanken hatten oder Ergebnisse erbracht haben, ent‐ sprechende Credits zu geben. Maschinen haben zudem keine konsistente ‚Meinung’ (Moffatt & Hall, 2024): In der einen Minute können Sie sich von ChatGPT eine Passage generieren lassen, die der Argumentation der Gene‐ rativen Grammatik folgt, im nächsten Moment können Sie sich vom gleichen Tool eine Passage generieren lassen, die der Argumentation der Gebrauchs‐ basierten Grammatik folgt - zwei Schulen innerhalb der Linguistik, die komplett unterschiedliche Sichtweisen verfolgen. Es ist doch recht unwahr‐ scheinlich, dass es eine Linguistin gibt, die in einem Moment die eine Ar‐ gumentation vertritt und im anderen Moment die andere. Zudem erschwert die stochastische Funktionsweise von KI-Systemen die Reproduktion von Ergebnissen selbst bei Kenntnis der genauen Prompts bzw. macht sie gänzlich unmöglich. Ja, über ChatGPT lassen sich inzwi‐ schen Links erstellen, mittels derer der gesamte Chatverlauf mit anderen Menschen geteilt werden kann. Abgesehen davon, dass dies nicht bei allen textgenerierenden Tools funktioniert, wird die Zitierfähigkeit im engen Sinn aber doch stark infrage gestellt (Frisch et al., 2023, S.-330). 3.4 Gute wissenschaftliche Praxis beim Einsatz von KI-Tools 91 <?page no="92"?> Weiterführende Ressourcen | Die Universität Graz hat eine sehr um‐ fassende Handreichung erstellt, in der das ganze Spektrum an Möglichkei‐ ten zur Dokumentation und Kennzeichnung der Nutzung von KI-Tools im Schreibprozess abgebildet ist (https: / / static.uni-graz.at/ fileadmin/ _files/ _ project_sites/ _lehren-und-lernen-mit-ki/ Handreichung_Dokumentation_ und_Kennzeichnung_der_KI-Nutzung.pdf). Speziell Promovierenden kann ich die sog. AI Usage Cards empfehlen. Es handelt sich hier um ein systematisches, teilstandardisiertes Doku‐ mentationssystem für den Einsatz von KI-Tools im Forschungsprozess. Über das Ausfüllen eines Online-Fragebogens lassen sich sog. AI Usage Cards erzeugen, die dann etwa in den Anhang von Papern gepackt war‐ den können. Der theoretische Hintergrund dazu ist im Artikel von Jan Philip Wahle et al. (2023) beschrieben (https: / / ai-cards.org). Kommen wir nun noch zu der Frage, ob es sich bei der wortwörtlichen Übernahme einzelner KI-generierter Passagen um Plagiate handelt. Mollick (2024a, S. 34) hat die Debatte um dieses Thema gut zusammengefasst, weshalb ich ihn hier zitiere (englisches Original; übersetzt von ChatGPT und überarbeitet von I. B.): „Generative KI plagiiert nicht wirklich, also nicht wie jemand, der […] eine Textpassage kopiert und als sein eigenes Werk ausgibt. Generative KI speichert lediglich die Gewichtungen (weights) aus ihrem Vortraining, nicht aber die zugrunde liegenden Texte, mittels derer sie trainiert wurde. Sie reproduziert also zwar ein Werk mit ähnlichen Merkmalen, erzeugt aber keine direkte Kopie der Originalwerke. Im Wesentlichen schafft sie etwas Neues […]. Je häufiger ein Werk in den Trainingsdaten erscheint, desto besser, also enger am Original ermöglichen es die zugrunde liegenden Gewichtungen, das Werk zu reproduzieren. Bücher, die häufig in den Trainingsdaten vorkommen - wie ‚Alice im Wunderland‘ - kann die KI fast wortgetreu wiedergeben“. Wir können also festhalten, dass generative KI prinzipiell Unikate und keine Plagiate erzeugt. An dem Wörtchen ‚prinzipiell‘ merken Sie schon, dass noch eine Einschränkung erfolgt. Und zwar ist es so, dass die Firmen hinter LLMs für deren Training auch auf urheberrechtlich geschützte Materialien zurückgreifen (s. Kapitel 2.4). Bei sehr spezifischen Anfragen könnte es u. U. sein, dass in den KI-generierten Output solch urheberrechtlich geschütztes 92 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="93"?> 26 Wenn ich mir eine eigene Idee in anderen Worten ausgeben lasse, weil ich z. B. keine deutsche Muttersprachlerin bin, und den KI-Output dann unmarkiert übernehme, ist dies etwas anderes als wenn ich mir einen Absatz formulieren lasse, ohne eigene gedankliche Arbeit investiert zu haben. Daher habe ich hier den Zusatz „ohne eigenes Zutun“ ergänzt. Material einfließt. Dies ist für Sie zwar nicht erkenntlich - nutzen Sie den KI-generierten Text aber weiter, machen Sie sich unbewusst einer Verlet‐ zung des Urheberrechts schuldig und plagiieren ggf. sogar unwissentlich. Am Ende liegt die Verantwortung bei Ihnen - Sie als Autor: in eines Textes müssen sicherstellen, dass Sie damit keine Urheberrechte verletzen. Die unmarkierte wortwörtliche Übernahme KI-generierter Textpassagen ohne eigenes Zutun 26 ist im prüfungsrechtlichen Bereich allerdings dennoch nicht erlaubt, da alle Passagen, die nicht selbstständig verfasst wurden, als solche auszuweisen sind (Limburg et al., 2022, S. 95). Außerdem verstößt das unmarkierte Copy+Paste KI-generierter Sätze gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis - immerhin zeigen Sie in einem solchen Fall nicht an, aus welcher Quelle Ihre Sätze eigentlich stammen (s.-o.). Weiterführende Ressource | Wer sich dafür interessiert, wie ein Jurist den Einsatz von KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben im Studium bewertet, sei auf das Rechtsgutachten von Thomas Hoeren von März 2023 verwiesen (https: / / hss-opus.ub.ruhr-uni-bochum.de/ opus4/ frontd oor/ deliver/ index/ docId/ 9734/ file/ 2023_03_06_Didaktik_Recht_KI_Hoc hschulbildung.pdf). Am Ende dieses Kapitels kann ich Ihnen auf all die Fragen rund um den verantwortungsvollen Einsatz von KI-Tools beim wissenschaftlichen Schrei‐ ben keine zufriedenstellende, alle Unklarheiten ausräumende Antwort ge‐ ben. Zum einen muss man sich den gesamten Schreib- und damit For‐ schungsprozess ansehen, wenn man beurteilen möchte, ob eine Autorin den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis folgt. Natürlich gibt es Praktiken, bei denen man klar sagen kann, dass hier ein unredliches Verhalten vorliegt. Wenn Sie sich aber in einem Absatz Ihrer wissenschaftlichen Arbeit recht eng an eine KI-generierte Formulierung anlehnen, nachdem sie deren Inhalt durchdrungen und in Ihre eigene Argumentation eingebaut haben, bedeutet dies sicher nicht, dass Ihre gesamte Arbeit nicht den Prinzipien guter wis‐ 3.4 Gute wissenschaftliche Praxis beim Einsatz von KI-Tools 93 <?page no="94"?> senschaftlicher Praxis genügt. Zum anderen gibt es ein sehr breites Konti‐ nuum, an dessen einem Ende Arbeiten stehen, die komplett ohne KI-Einsatz erstellt wurden, und an dessen anderem Ende Arbeiten stehen, die zu 100 % KI-generiert sind (Knowles, 2024). Es ist schlichtweg unmöglich, einen ge‐ nauen Grenzwert festzulegen, bis zu dem der Einsatz von KI-Tools legitim ist. Deshalb gilt es, ein Verständnis für die Komplexität des Themas ‚gute wissenschaftliche Praxis und KI-Tools‘ zu entwickeln und auch Unsicher‐ heiten auszuhalten bzw. mit anderen Menschen, seien es Mit-Promovie‐ rende, Kommiliton: innen oder Betreuende, in den Dialog zu gehen. Manches muss auch erst die Zeit bringen: Im KI-Podcast der ARD bemerkten die Mo‐ derator: innen im Mai 2024, dass die Brüder Wright als die Erfinder des ersten Motorflugzeugs ja auch noch keine Regeln für die Luftfahrt wie wir sie heute, über 120 Jahre später, kennen, formulieren konnten. Sie konnten schließlich noch überhaupt nicht absehen, in welche Richtung die Entwick‐ lungen gehen würden … (https: / / www.ardaudiothek.de/ episode/ der-ki-podc ast/ ai-alignment-koennte-eine-ki-uns-alle-umbringen/ ard/ 13399351/ ) Takeaway • Für den Einsatz von KI-Tools in wissenschaftlichen Arbeiten gel‐ ten die spezifischen Regeln der jeweiligen Hochschule oder der Betreuenden einer Arbeit. • Die Übernahme von Verantwortung für die eigene Arbeit bedeutet, dass Sie jede Entscheidung im Schreibprozess begründen und die Ergebnisse Ihrer Arbeit verteidigen können. • Auch wenn KI-Texte meist Unikate sind, besteht die Gefahr, un‐ beabsichtigt Urheberrechte zu verletzen, wenn urheberrechtlich geschütztes Material in den Trainingsdaten der LLMs enthalten ist. Die unmarkierte Übernahme KI-generierter Textpassagen ist daher problematisch und sollte auch aus dem Grund, dass KI keinen Autorenstatus beanspruchen kann, vermieden werden. • KI sollte als Hilfsmittel dienen (machine in the loop), der eigene gestalterische Einfluss muss aber überwiegen. 94 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="95"?> 27 Es sei denn, Sie nutzen innerhalb von ChatGPT einen auf wissenschaftliche Literatur‐ recherche spezialisierten Chatbot, einen sog. GPT, z. B. den von Consensus (s. Kapitel 4.3). 3.5 Auswahl von KI-Tools Ziel dieses Kapitels ist es, aufzuzeigen, wie Sie das richtige KI-Tool für Ihre jeweilige Teilaufgabe im Schreibprozess auswählen. Anstatt einer möglicherweise schnell veraltenden Liste konkreter Tools erhalten Sie Hinweise auf Kriterien, die Sie bei der Auswahl eines Tools unterstützen können. Wie ich im Vorwort zu diesem Buch sowie in Kapitel 1 bereits beschrieben habe, stelle ich Ihnen in diesem Buch bewusst nicht eine Vielzahl an ver‐ schiedenen KI-Tools vor. Dies hätte nur dazu geführt, dass das Buch bereits bei seinem Erscheinen wieder veraltet gewesen wäre. Dennoch müssen Sie als Schreibende sich natürlich für bestimmte KI-Tools entscheiden, wenn Sie generative KI für Ihren Schreibprozess einsetzen möchten. Viele Menschen nutzen hier einfach ChatGPT als das wohl bekannteste KI-Tool, treffen diese Auswahl aber nicht bewusst. Die goldene Regel im Umgang mit KI-Tool ist, für jeden Anwendungsfall das passende Tool auszuwählen. Wollen Sie wissenschaftliche Literatur recherchieren? Dann ist ChatGPT eher nicht das richtige Tool. 27 Wollen Sie eine Mindmap generieren? Dann brauchen Sie ein KI-gestütztes Tool, das Mindmaps generieren kann, etwa Whimsical. Wollen Sie Ihren Text stilis‐ tisch überarbeiten? Dann kann DeepL Write weiterhelfen. Wollen Sie Ihren Text nur hinsichtlich Rechtschreibung und Zeichensetzung korrigieren? Dann ist Language Tool die richtige Wahl. Diese Liste ließe sich natürlich beliebig fortsetzen. Sie sehen also: Ehe Sie sich konkrete Gedanken um Ihre Eingabeaufforderung, also Ihren Prompt für ein KI-Tool machen können, sollten Sie zunächst ein geeignetes KI-Tool auswählen - und zwar bewusst. Oguz Acar (2023b) hat das sog. PAIR-Framework entwickelt, das die Auswahl eines KI-Tools in den größeren Kontext der jeweils spezifisch zu bearbeitenden Schreibaufgabe einordnet: 3.5 Auswahl von KI-Tools 95 <?page no="96"?> Abb. 7: XXXX Problem KI Interaktion Reflexion Abbildung 7 | PAIR-Framework (eigene Darstellung nach Acar 2023) 1. Problemformulierung: Definieren Sie zunächst das Problem oder die Herausforderung, das/ die Sie bearbeiten bzw. lösen möchten. Dieser Schritt ist grundlegend, da eine präzise Problemdefinition die Auswahl des geeigneten KI-Tools und die Formulierung effektiver Eingabeauf‐ forderungen (Prompts) wesentlich vereinfacht. Ein Beispiel wäre etwa, dass Sie eine Idee für das Thema Ihrer wissenschaftlichen Arbeit haben, dieses aber noch zu weit gefasst ist und Sie es eingrenzen müssen. Sie können bei Ihrer Problemformulierung auch an den verschiedenen Nut‐ zungsszenarien von KI-Tools ansetzen, die ich in Kapitel 3.3 vorgestellt habe (KI-Tools als Entlastung, zur Unterstützung oder als Erweiterung menschlichen Denkens). 2. Auswahl des KI-Tools: Vergleichen Sie verschiedene KI-Tools und de‐ ren Funktionen und entscheiden Sie dann, welches für Ihre Herausfor‐ derung/ Ihr Problem (s. Schritt 1) passend ist. Die Auswahlkriterien sollten dabei nicht nur die unmittelbare Eignung des Tools für Ihre Aufgabe beinhalten, sondern auch Aspekte wie Benutzerfreundlichkeit, Datenschutz und die Qualität der generierten Inhalte berücksichtigen. Nehmen Sie sich die Zeit, mit verschiedenen KI-Tools zu experimentie‐ ren. Nur so können Sie herausfinden, welche Tools am besten zu Ihren Bedürfnissen und Aufgaben passen. Weiterführende Ressourcen | Es gibt inzwischen einige Suchmaschi‐ nen für KI-Tools, die Sie durch den unübersichtlichen Markt von KI-Tools navigieren. Über die Eingabe von Stichworten können Sie pas‐ sende Tools für Ihre spezifische Aufgabe finden. Zwei Beispiele für sol‐ che Suchmaschinen sind Futurepedia und TAAFT (There’s An AI For That) (https: / / www.futurepedia.io; https: / / theresanaiforthat.com). 96 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="97"?> Wer eine Übersicht über zum Zeitpunkt der Lektüre jeweils aktuelle KI-Tools für das wissenschaftliche Schreiben sucht, erhält über das im QR-Code verlinkte, von mir erstellte Miroboard eine grobe Übersicht. Dort gibt es auch jeweils ein Video, das die erwähnten Tools vorstellt. Im Titel des Miroboards gebe ich dabei immer das Datum der letzten Aktualisierung an (https: / / miro.com/ app/ board/ uXjVKq2FO_E=/ ? share _link_id=199242921236). 3. Interaktion: Experimentieren Sie nicht nur mit verschiedenen KI-Tools, sondern auch mit verschiedenen Prompts. Setzen Sie sich kritisch mit den KI-generierten Ergebnissen auseinander, teilen Sie dem KI-Tool Ihre Beurteilung des Outputs mit und fordern Sie Verbesserung ein. Passen Sie Ihr Vorgehen oder die Auswahl der Tools ggf. an. Behalten Sie dabei immer die Kontrolle über Ihren Schreibprozess. Auf diesen dritten Schritt des PAIR-Frameworks gehe ich in den nächsten beiden Kapiteln, Kapitel 3.6 und 3.7, näher ein. 4. Reflexion: Reflektieren Sie Ihre Erfahrungen mit den ausgewählten KI-Tools und mit den verwendeten Prompts. Beobachten Sie, wie die KI-Tools Ihren Schreibprozess und Ihr Schreibprodukt beeinflussen, wo KI-Tools Sie wirklich unterstützen, wo sie vielleicht aber auch eher hinderlich sind. Diese Reflexion ist wichtig, um aus Ihren Erfahrungen zu lernen und Ihre zukünftige Nutzung von KI-Tools im Schreibprozess zu optimieren. Wenn Sie sich bei Schritt 2 für ein KI-Tool entscheiden, über das Sie auf verschiedene Sprachmodelle zugreifen können (etwa Poe oder Hug‐ gingface), müssen Sie natürlich auch noch das Sprachmodell auswählen, das Sie verwenden möchten (s. Kapitel 2.1 zur Unterscheidung zwischen einzelnen KI-Tools bzw. Chatbots und KI-Sprachmodellen). Die Bewertung und der Vergleich von Sprachmodellen sind recht komplex. Die Leistung eines LLMs kann nicht allein anhand eines einzigen Kriteriums beurteilt werden; vielmehr sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen, darunter etwa die Größe des Kontextfensters. Dieses gibt, wie in Kapitel 2.2 erklärt, an, wie viele Token ein Sprachmodell in einer Sitzung verarbeiten kann. Ein größeres Kontextfenster ermöglicht es dem Modell, umfangreichere oder längere Texte auf einmal zu erfassen. Für wissenschaftliches Schreiben ist dies besonders relevant, da längere Zusammenhänge, z. B. komplexe Argumentationen oder ganze Dokumente, von Sprachmodellen mit größe‐ 3.5 Auswahl von KI-Tools 97 <?page no="98"?> rem Kontextfenster besser verarbeitet werden können. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die generierten Antworten kohärent und präzise sind. Ist das Kontextfenster zu klein, verliert das Modell den ‚Überblick‘ über den gesamten Text, was zu unzusammenhängenden oder inkorrekten Ergebnissen führen kann. Neben dem Kontextfenster spielen z. B. auch die Qualität der Trainingsdaten und die spezifischen Trainingsmethoden eine entscheidende Rolle für die Effektivität eines Sprachmodells. In diesem Buch gehe ich, wie gesagt, nicht näher auf die Stärken und Schwä‐ chen einzelner Sprachmodelle und KI-Tools ein. Eine Analyse von Artificial Analysis von September 2024 zeigt ohnehin, dass es nicht den einen in jeder Hinsicht besten KI-Chatbot gibt (Artificial Analysis, 2024). Je nach Einsatzzweck variieren die Stärken der untersuchten Sprachmodelle. ChatGPT Plus wurde zwar aufgrund seiner ausgewogenen Kombination aus Modellintelligenz und Funktionsumfang insgesamt als bester Chatbot ausgezeichnet. Claude Pro hin‐ gegen überzeugte in spezifischen Kategorien wie dem größten Kontextfenster, was es besonders geeignet für Aufgaben macht, die eine Verarbeitung langer Texte oder komplexer Daten erfordern. Außerdem schnitt Claude Pro bei Coding-Aufgaben am besten ab. Letztlich beginnt KI-Kompetenz also nicht erst bei der Nutzung von KI-Tools, sondern schon bei deren Auswahl, die sich immer an der jeweiligen Aufgabe orientieren sollte. Weiterführende Ressource | Die Seite Artificial Analysis bietet aktuelle Analysen von Sprachmodellen unter vielen verschiedenen Gesichtspunkten an und kann Ihnen so dabei helfen, sich im Dschungel der KI-Tools hinsicht‐ lich deren Qualität zurechtzufinden (https: / / artificialanalysis.ai). Takeaway • Es gibt nicht das eine beste KI-Tool. Die optimale Wahl hängt immer von Ihrer individuellen Aufgabe und Ihren Anforderungen ab. • Es gibt Tool-Suchmaschinen wie Futurepedia oder TAAFT, die dabei helfen, das für Ihre Bedürfnisse passende Tool zu finden. • Bei der Auswahl eines KI-Tools sollten Faktoren wie die Größe des Kontextfensters des dahinterstehenden Sprachmodells, Benutzerfreundlichkeit und Datenschutzaspekte berücksichtigt werden. 98 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="99"?> 3.6 Prompting Ziel dieses Kapitels ist es, Ihnen zu zeigen, wie Sie durch systematisch und reflektiert formulierte Prompts das Potenzial von KI-Tools für Ihre wissenschaftliche Arbeit ausschöpfen können. Sie erfahren, wie Sie als AI-Leader KI-Tools ähnlich wie einen persönlichen Assistenten einar‐ beiten und anleiten, sodass diese Sie bei verschiedenen Teilaufgaben des wissenschaftlichen Schreibens effektiv unterstützen können. Ein Prompt ist eine spezifische Handlungsanweisung, die an ein KI-Tool gerichtet wird, um eine gewünschte Antwort zu erhalten. Prompting be‐ zeichnet dementsprechend die gezielte Eingabe von Anweisungen und Informationen, auf Basis derer das KI-Tool anschließend arbeitet. Prompting ist essenziell für die Arbeit mit generativer KI, da hierdurch die eigenen Erwartungen, Zielsetzungen, Kriterien und vieles mehr definiert und kom‐ muniziert werden. Die Kunst des Promptings liegt darin, die Anfrage so zu formulieren, dass das KI-Tool alle relevanten Informationen zu deren erfolgreicher Bearbeitung erhält. In Kapitel 2 habe ich das Konzept AI-Leadership (Buck & Weßels, 2025) eingeführt. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Sie als Mensch an jeder Stelle im Schreibprozess die Führung innehaben und die KI-Tools als Ihre Assistenten verstehen. Das Prompting ähnelt in diesem Bild dem Onboarding eines persönlichen Assistenten. Stellen Sie sich vor, Sie sind Chef: in und bekommen einen Assistenten an die Seite gestellt. Hier ist es wichtig, dieser Person so viel Hintergrundwissen wie nötig zu geben und Anweisungen klar sowie zielgerichtet zu formulieren. Dies ist eine elementare Voraussetzung für die erfolgreiche und effiziente Arbeit des Assistenten - genauso wie das Prompting eine elementare Voraussetzung für die erfolgreiche und effiziente Arbeit eines KI-Tools ist. Es geht hier um den Aufbau einer effektiven Arbeitsbeziehung zwischen Ihnen als Führungsperson und KI-Tools als Ihren Assistenten. Diese Beziehung sollte dabei, wie ich in weiter unten ausführe, über bloße unidirektionale Befehle von Ihrer Seite hinausgehen und stattdessen von Interaktion zwischen Ihnen und Ihren KI-Assistenten geprägt sein. Im Gegensatz zu anderen Einführungen oder Leitfäden bekommen Sie in diesem Buch an manchen Stellen zwar beispielhafte Prompts an die 3.6 Prompting 99 <?page no="100"?> Hand, nie aber fertige Prompts als kopierbare Universallösungen. Der Grund dafür? Den einen perfekten Prompt gibt es nicht. Prompts sind keine Zaubersprüche, die man auswendig lernt und dann einfach in allen möglichen Situationen anwendet (Hirsch, 2024). Eine solche Vorstellung wird den komplexen Anforderungen, die eine kompetente Nutzung von KI-Tools an uns stellt (s. Kapitel 4), nicht gerecht. Deshalb verweise ich hier auch nicht auf Prompt-Bibliotheken, die es online zuhauf gibt. Die Zeit, die Sie bräuchten, um diese oft recht umfangreichen Sammlungen auf der Suche nach dem vermeintlich perfekten Prompt durchzuarbeiten, können Sie besser in das eigene Herumprobieren mit Prompts investieren - zumal Sie hiervon im Schreibprozess bzw. im Prozess der gedanklichen Auseinandersetzung mit der Fragestellung Ihrer wissenschaftlichen Arbeit sogar stark profitieren. Ich ermutige Sie also dazu, durch Experimentieren den je passenden Prompt für Ihre je spezifischen Anforderungen zu entwi‐ ckeln. Prompting - eine wichtige (Zukunfts-)Kompetenz? In der anfänglichen Euphorie rund um den Aufstieg von KI-Tools wie ChatGPT wurde der Beruf des Prompt Engineers vielfach als der Zukunfts‐ beruf schlechthin mit einem entsprechend hohen Einkommen angeprie‐ sen. Doch auch unabhängig von einem konkreten Beruf wurde und wird Prompting häufig als wichtige (Zukunfts-)Kompetenz dargestellt. Dass dies einerseits richtig ist - immerhin ist der KI-Output umso besser, je besser der Prompt ist -, auf der anderen Seite aber doch wieder abgeschwächt werden muss, lege ich im Folgenden dar. Wenden wir uns zunächst den Gründen dafür zu, weshalb Promp‐ ting-Kompetenz wichtig ist und auch bleiben wird. Aus der Perspektive des wissenschaftlichen Schreibens erweist sich die Auseinandersetzung mit dem Prompting bzw. die Suche nach dem für die jeweilige Aufgabe passenden Prompt als gewinnbringend und als sowohl für das KI-Tool als auch für die Schreibenden selbst leistungsfördernd: Dadurch wird eine tiefere Refle‐ xion über die eigene wissenschaftliche Arbeit, etwa die zugrundeliegende Fragestellung, die bisherige Argumentation oder die Ergebnisse gefördert. Denn indem Sie präzise formulieren müssen, was Sie vom KI-Tool Ihrer Wahl erwarten, werden Sie unweigerlich dazu angehalten, Ihre Ziele zu klären und Ihre Gedanken zu schärfen. Diese Reflexionsleistung ist nicht nur für die Interaktion mit dem KI-Tool von Nutzen, sondern trägt auch 100 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="101"?> 28 https: / / x.com/ stephsmithio/ status/ 1818032859669778737 29 https: / / bsky.app/ profile/ paleofuture.bsky.social/ post/ 3kyhb2fd2cd2u zur Verbesserung der Qualität Ihres gesamten Forschungsprozesses bei. Damit ist Prompting weit mehr als nur eine technische Fähigkeit. Die Nutzerin Steph Smith schrieb im Juli 2024 auf der Socialmedia-Plattform Bluesky: „Sometimes in the process of writing a good enough prompt for ChatGPT, I end up solving my own problem, without even needing to submit it“. 28 Matt Novak teilte diesen Post anschließend mit dem sarkastischen Kommentar: „AI folks have now discovered thinking“. 29 Damit meint er, dass Prompting letztlich nichts anderes als Denkarbeit ist. Und selbst wenn der Stellenwert von Prompting im Rahmen der Nutzung von KI-Tools vermutlich abnehmen wird, wie ich im nächsten Absatz erläutere, bleibt die dahinterstehende Kompetenz der Problemformulierung definitiv erhalten (Acar, 2023a): Wenn ich als schreibende Person mir nicht darüber im Klaren bin, welches Problem bzw. welche Aufgabe ich aktuell bearbeite, kann ich dies, ob mit KI-Unterstützung oder ohne, auch nicht erfolgreich tun. Die technologischen Entwicklungen und deren Geschwindigkeit deu‐ ten allerdings auch darauf hin, dass Notwendigkeit und Bedeutung von Prompting-Kompetenz immer weiter abnehmen - jedenfalls wenn man die Bedeutung des Promptings für den eigenen Denkfortschritt ausblendet und sich allein die Leistung der KI-Tools anschaut (Mollick, 2023, 2024c). KI-Tools können zunehmend die Ziele, Wünsche und Absichten der Nutzenden auch aus unsystematisch und unstrukturiert formulierten Anweisungen heraus ableiten. Es zeichnet sich ein Trend zu einer Prompting-Weise ab, die mehr einem Gespräch ähnelt (conversational prompting; s. u.), bei der also weniger Wert auf präzise Formulierungen gelegt wird und stattdessen auch spontanere, umgangssprachliche Eingaben zum gewünschten Ziel führen. KI-Tools stellen zunehmend auch selbstständig Nachfragen, um an mehr Details für die Ausführung der Anweisungen zu kommen. Eine Studie von Li et al. (2023) zeigt etwa, dass GPT-4 besser dazu in der Lage war, durch verschiedene Nachfragen Präferenzen der Nutzenden zu ermitteln, als die Nutzenden selbst dies in ihren Prompts ausdrücken konnten. Außerdem war der kognitive Aufwand der Nutzenden, den sie in die Beantwortung der Fragen von GPT-4 investieren mussten, niedriger als der Aufwand, den das eigene Prompting erforderte. KI-Tools steuern das Prompting also zunehmend selbst, sodass man sich als Mensch weniger Gedanken um die Formulierung von Prompts machen muss. Wenn Sie wieder an das Bild von 3.6 Prompting 101 <?page no="102"?> Führungskraft und Assistent denken: Die Assistenten stellen Nachfragen, wenn Unklarheiten bestehen und arbeiten nicht mehr nur ‚gedankenlos‘ die vorgegebenen Anfragen ab. Bei manchen KI-Tools, etwa bei Neuroflash, ist auch heute schon eine automatische Prompt-Verbesserungsfunktion in die Eingabemaske für den initialen Prompt eingebaut. Anthropic, das hinter dem Claude Chatbot ste‐ hende Unternehmen, hat einen eigenen Prompt-Generator, den Anthropic Workbench Prompt Improver (https: / / www.youtube.com/ watch? v=aGZ1k wEb6zQ). Im Microsoft Copilot gibt es seit Mai 2024 die Funktionen Auto-Complete und Rewrite: Man beginnt mit der Eingabe eines Prompts und kann diesen dann mit Auto Complete automatisch sinnvoll ergänzen lassen. Gefällt einem das nicht, kann man über Rewrite das Ganze nochmals detail‐ lierter umschreiben lassen. Betrachten wir solche Entwicklungen, so ist das Bemühen um perfekte Prompts für spezifische Aufgaben wohl nur eine vo‐ rübergehende Erscheinung, die wir in zwei, drei, vier oder fünf Jahren müde belächeln werden. Takeaway • KI-Tools werden immer besser darin, auch aus unspezifischen Anweisungen die Intentionen der Nutzenden zu erkennen, was die Notwendigkeit von komplexem Prompting reduziert. • Das Bemühen um die Formulierung eines zur jeweiligen Aufgabe passenden Prompts kann aber auch zu einer tieferen Reflexion über die eigene wissenschaftliche Arbeit führen. Somit steht hinter Prompting eine wichtige Kompetenz - unabhängig davon, ob man dies auch künftig für die zielführende Interaktion mit KI-Tools braucht oder nicht. • Der Trend geht zu einem gesprächsorientierten Prompting, bei dem KI-Tools Nachfragen stellen und den Prompting-Prozess so aktiv mitgestalten. 102 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="103"?> Prompting-Strategien Die in diesem Unterkapitel vorgestellten Prompting-Strategien können bei der Nutzung verschiedener Sprachmodelle eingesetzt werden, sind also nicht z. B. auf ChatGPT, Google Gemini oder ein anderes spezifisches Modell bzw. Tool beschränkt. Neben kommerziellen Sprachmodellen können sie daher auch für Open Source Modelle wie Mistral verwendet werden. Es ist lediglich zu beachten, dass die einzelnen Sprachmodelle verschieden große Kontextfenster haben, d. h. unterschiedlich viele Token in einer Eingabe verarbeiten können (s. Kapitel 2.2). Ggf. können Sie also bei einem KI-Tool einen wesentlich längeren Prompt eingeben bzw. wesentlich mehr Informationen zur Verfügung stellen als bei einem anderen KI-Tool. Generell lassen sich zwei Herangehensweisen an das Prompting unter‐ scheiden: das conversational prompting und das structured prompting (Mol‐ lick, 2023). Beim conversational prompting treten die Nutzenden in einen dialogartigen Austausch mit dem KI-Tool, ähnlich einem Gespräch zwischen zwei Menschen. Diese Form des Prompting ist intuitiv und eignet sich besonders für unkomplizierte, wenig komplexe Anfragen. Im Gegensatz dazu konzentriert sich das aktuelle Kapitel auf das struc‐ tured prompting. Diese Methode dreht sich um die Entwicklung präziser, detaillierter Anweisungen, die darauf abzielen, die KI zu einer zielgenauen Ausführung spezifischer, komplexerer Aufgaben zu veranlassen. Structured prompting erfordert detaillierte Vorüberlegungen und eine schrittweise Formulierung der Prompts, um passende Ergebnisse zu erzielen. Dieser Ansatz beruht auf der Erkenntnis, dass die Qualität von KI-Generaten maßgeblich durch die Qualität und Genauigkeit der Eingabeaufforderungen bestimmt wird. Der Übergang vom conversational zum structured prompting markiert einen wichtigen Schritt in der Nutzung von KI-Tools für das wissenschaftliche Schreiben. Structured prompting fordert von Nutzenden nicht nur ein gewisses technisches Verständnis von der Funktionsweise einzelner KI-Tools bzw. gene‐ rell von Large Language Models (s. Kapitel 2), sondern auch eine Reflexion über den eigenen Schreibprozess und die Zielsetzung der eigenen wissenschaftlichen Arbeit. In den folgenden Unterkapiteln stelle ich Ihnen einige Strategien vor, die Sie für das structured prompting einsetzen können. Generell gilt, dass es bei der Formulierung von Prompts kein Falsch oder Richtig gibt. Wie bereits erwähnt, müssen Sie für jeden Ihrer Anwendungsfälle neu entscheiden, welche Formulierungen jeweils Sinn ergeben. 3.6 Prompting 103 <?page no="104"?> Hintergrundinformationen und Priming Allgemein gesprochen ist es immer ratsam, KI-Tools so viel Kontext wie möglich zur Verfügung zu stellen. Da LLMs nichts ‚wissen‘, müssen Sie ihnen alles sagen, was für die Ausführung der jeweiligen Teilaufgabe im Rahmen Ihrer wissenschaftlichen Arbeit relevant ist. Hierzu kann Ihr Studienfach gehören, aber auch spezifisches Wissen, über das Sie zum Thema Ihrer wissenschaftlichen Arbeit schon verfügen. Wenn Sie einem KI-Tool im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit unabhängig von der konkreten Anfrage immer die gleichen Informationen zur Verfügung stellen möchten, können Sie bei vielen KI-Tools von der Funktion des Datei-Uploads Gebrauch machen. Dies ermöglicht es Ihnen, alle relevanten Informationen etwa in einem PDF zu sammeln und dieses dann immer wieder hochzuladen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, einen eigenen Chatbot (GPT) zu bauen. Auf diese Option kommen wir weiter unten zu sprechen. Zu den Kontext-Informationen gehören auch Informationen über Sie selbst: Was studieren Sie? In welchem Semester? Welchen Schwerpunkt haben Sie im Studium? Was interessiert Sie besonders an Ihrem Fach? Zu welchen Themen haben Sie im Rahmen Ihres Studiums ggf. schon wissenschaftliche Arbeiten geschrieben? Vielleicht sind Sie nun irritiert und fragen sich, wie sich dies mit den allgemeinen Regeln nach einer datensparsamen Verwendung von KI-Tools vereinbaren lässt. Insgesamt sollte man mit personenbezogenen Daten immer sehr sensibel umgehen, wie ich in Kapitel 2.4 erläutert habe. Insofern müssen Sie natürlich immer für sich selbst entscheiden, was Sie von sich preisgeben wollen und was nicht. Ich persönlich stelle mir dazu immer die Frage: „Wenn Information X über mich irgendwo im Internet stünde und somit für alle Personen zugänglich wäre, könnte ich damit leben? “ Angaben über meine Forschungsschwerpunkte finden sich ohnehin online und fallen für mich auch nicht unter sensible Informationen. Um sich selbst dem KI-Tools nicht jedes Mal neu vorstellen zu müssen, gibt es z. B. bei ChatGPT die Möglichkeit, benutzerdefinierte Anweisun‐ gen einzugeben. Diese werden dann im Hintergrund zusätzlich zum Ein‐ stiegs-Prompt am Anfang jeder Konversation mitgeschickt. Über einen Klick auf Ihren Namen bzw. Ihre Initialen finden Sie den Reiter „ChatGPT individuell konfigurieren“. Es öffnet sich dann ein Fenster, in dem Sie die folgenden beiden Fragen beantworten können: „Was sollte ChatGPT über 104 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="105"?> 30 Zusätzlich dazu gibt es bei ChatGPT auch die Erinnerungsfunktion. Diese wird im Einstellungsmenü wie folgt beschrieben: „ChatGPT wird immer hilfreicher, je mehr du chattest, und greift Details und Präferenzen auf, um seine Reaktionen auf dich abzustimmen. Um zu erfahren, woran sich ChatGPT erinnert, oder um ihm etwas Neues beizubringen, chatte einfach mit ihm: ‚Denk dran, dass ich kurzgefasste Antworten mag.‘ ‚Was weißt du noch von mir? ‘ ‚Wo waren wir bei meinem letzten Projekt stehen geblieben? ‘“. Sie können sich auch anzeigen lassen, was ChatGPT alles in seiner Erinnerungsfunktion über Sie gespeichert hat. dich wissen, um besser zu reagieren? “ 30 und „Wie soll ChatGPT reagieren? “ (Stand 12/ 2024). Eine Antwort auf die erste Frage könnte z. B. wie folgt lauten: „Ich studiere im fünften Semester Baukulturerbe an einer deutschen Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Ich habe schon mehrere Seminare besucht zu [SEMINARTHEMEN] und schreibe nun meine Bachelorarbeit im Themenbereich X. Bislang habe ich schon drei Hausarbeiten geschrieben. Dabei fiel es mir nicht schwer, Ideen zu entwickeln und auch mit der Literaturrecherche hatte ich kein Problem. Allerdings fiel es mir schwer, meine Gedanken zu Papier zu bringen. Bei mir im Studium schreiben wir unsere Texte immer auf Deutsch. Deutsch ist meine Erstsprache“. Über die zweite Frage, „Wie soll ChatGPT reagieren? “, können Sie ein sog. Priming vornehmen und ChatGPT vorgeben, wie es reagieren soll. Hier könnten Sie beispielsweise die Forderung aufstellen, dass der Chatbot am Anfang jeder Interaktion erst einmal eine Lobeshymne auf Sie singt oder dass er Sie fragt, ob Sie heute schon genug Wasser getrunken haben. Ich selbst nutze diese Funktion, da ich nicht nach jeder meiner Eingaben direkt eine Ausgabe möchte, sondern erst dann eine Reaktion erwarte, wenn ich ChatGPT spezifisch dazu auffordere. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass ich häufig erst einmal in verschiedenen Nachrichten verschiedene Informationen zusammentrage und erst dann meine Aufgabe formuliere. Ich zeige Ihnen hier zu Demonstrationszwecken meine Antwort auf die Frage nach der gewünschten Reaktion: „Reagiere auf alles, was ich sage, erst mal nur mit einem „Okay“ - nur dann, wenn ich eine explizite Frage stelle, versehen mit einem Fragezeichen (? ), darfst Du anders reagieren. Du fängst also erst dann mit der Bearbeitung der Aufgabe an, wenn ich darum bitte. Bitte wiederhole nicht meine Prompts und bewerte meine Fragen nicht als ‚interessant‘ oder ‚sinnvoll‘ oder ähnlich, sondern komm direkt zum Punkt. 3.6 Prompting 105 <?page no="106"?> Entschuldige dich nicht, wenn du nicht direkt die richtige Antwort gibst, sondern verbessere dich einfach. Erfinde nie eigene Quellen. Wenn du dir bezüglich einer Quelle unsicher bist, sag, dass du es nicht weißt. Sag bitte nie, dass du ein KI-Modell bist, da ich das schon weiß. Es zu wiederholen, ist eine Verschwendung von Zeit und Ressourcen. Deine Antworten sollten klar und präzise sein, und du sollst nie mehr Wörter verwenden als nötig. Sei immer sehr sparsam mit Wörtern, verzichte aber nicht auf Klarheit und Präzision deiner Antworten.“ Um den Kontext Ihrer konkreten Anfrage zu spezifizieren, lassen sich ver‐ schiedene Parameter festlegen. Darum geht es im folgenden Unterkapitel. Parameter für die Kontext-Spezifizierung Im Internet finden sich inzwischen zahllose Zusammenstellungen von Parametern, die in einem guten Prompt spezifiziert werden sollten. Ich habe einige davon für die folgende Auflistung gesammelt, die aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. • Rolle: In welcher Rolle bzw. als was für eine Persona soll das KI-Tool handeln? Beispielformulierungen sind hier: „Du bist eine kompetente Wirtschaftsinformatikerin mit dem Schwerpunkt Business Intelligence“. Oder aber: „Du bist ein schreibdidaktisch versierter Coach für wissen‐ schaftliches Arbeiten. In dieser Rolle stellst Du mir im Folgenden Fragen zu meinem Schreibprojekt“. Das Zuweisen einer Rolle wird in gefühlt allen Prompt-Tipps als einer der ersten Punkte erwähnt. Inzwischen liegen aber auch Studien vor, die die Integration einer Rollenzuweisung in Prompts teilweise als kontraproduktiv beurteilen (Giorgi et al., 2024; J. Kim et al., 2024). Es gilt vermutlich auch hier - wie fast immer im Bereich der Verwendung von KI-Tools -, dass es nicht das eine Patentrezept gibt. • Textsorte: An welcher Textsorte arbeiten Sie gerade? An einem Exposé für Ihre Abschlussarbeit, am Abstract, an einem Versuchsprotokoll etc.? Teilen Sie auch dies dem KI-Tool mit. • Stil: Geht es Ihnen darum, dass das KI-Tool Ihnen einen ersten Entwurf für einen Absatz Ihrer Arbeit erstellt? Dann müssen Sie spezifizieren, dass die Ausgabe in einem Stil erfolgt, der einer wissenschaftlichen Ar‐ beit angemessen ist (s. Kapitel 4.6 für eine kritische Auseinandersetzung mit einer solch allgemeinen Formulierung). Möglicherweise möchten 106 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="107"?> Sie aber auch einen Informationsflyer für die Studienteilnehmer: innen Ihrer empirischen Arbeit erstellen, bei denen es sich z. B. um Senior: in‐ nen handelt. In dem Fall wäre der Stil natürlich ein anderer. • Adressat: innen: An wen soll sich der Text richten? Natürlich ist ein Text anders geschrieben, der Teil Ihrer Abschlussarbeit ist und damit von den Betreuer: innen Ihrer Arbeit gelesen wird, als ein Text, der sich an die Studienteilnehmer: innen Ihrer empirischen Arbeit richtet. Hier bietet es sich auch an, auf Vorwissen einzugehen, das Sie aufseiten der Adressat: innen vermuten. • Kriterien: Welchen Kriterien muss der Text genügen? Hier könnten Sie z. B. Kriterien eingeben, die von Ihren Betreuer: innen vorgegeben wurden. • Ziel: Was ist die Zielstellung des Textes, bei dessen Formulierung Sie sich Unterstützung von einem KI-Tool erhoffen? Geht es darum, die Lesenden zu informieren, sie zu überzeugen, sie zu unterhalten etc.? • Beispiele: Gibt es Beispiele für eine gelungene Ausführung der im Prompt formulierten Aufgabe, an denen sich das KI-Tool orientieren kann? Beispiele sind ebenfalls wichtige Elemente, um die Leistung von KI-Tools bei der Bearbeitung von Aufgaben zu optimieren. Ein solches Beispiel kann etwa - für den Fall, dass Sie sich von einem KI-Tool bei Ihrem ersten Entwurf für ein Abstract unterstützen lassen möchten - ein Abstract sein, das Sie in der Vergangenheit geschrieben haben und mit dem Sie zufrieden waren. Beim sog. One-Shot-Prompting geben Sie eine einzige Beispiel-Antwort vor, beim Few-Shot-Prompting entsprechend verschiedene Beispiele (shots), die das ‚Verhalten‘ des Tools bei einer neuen Aufgabe leiten sollen. Inzwischen weiß man, dass Sprachmodelle mit steigender Anzahl von Beispielen besser arbeiten (Many-Shot In-Context Learning) (Agarwal et al., 2024): Die Kombination aus Anweisungen und konkreten Beispielen verbessert die Fähigkeit von KI-Tools, sich an Ihre Bedürfnisse anzupassen und entsprechend zu reagieren. Offene, unspezifische Zero-Shot-Prompts, also Prompts ohne Beispiele, führen oft zu unbefriedigenden Ergebnissen, da das KI-Modell zu viele Entscheidungen selbst treffen muss. • Format: Ist das standardmäßig von KI-Tools ausgegebene Format des Fließtextes das richtige Format für Ihre Aufgabe? Wenn nicht, fordern Sie das KI-Tool dazu auf, eine Tabelle zu erstellen, ein Word-Dokument, ein PDF, eine Liste mit Bulletpoints, eine Fragen-Antwort-Liste etc. 3.6 Prompting 107 <?page no="108"?> Tipps für die Prompt-Formulierung Unabhängig von den zuvor genannten Parametern zur Spezifierung der Aufgabe bzw. des Kontextes gibt es verschiedene Tipps für eine gelungene Formulierung von Prompts. Weiterführende Ressource | Wer sich für die wissenschaftliche Un‐ tersuchung der Wirksamkeit einiger der beschriebenen Strategien inte‐ ressiert, sei auf die Metastudien von Pranab Sahoo et al. (2024) und San‐ der Schulhoff et al. (2024) verwiesen. Unter dem abgebildeten QR-Code finden Sie außerdem Tipps zum Prompt-Engineering von OpenAI, der hinter ChatGPT stehenden Firma (https: / / platform.openai.com/ docs/ gu ides/ prompt-engineering/ six-strategies-for-getting-better-results). • Chain-of-Thought-Prompting (CoT): Dies ist der wichtigste Tipp von allen, da es sich hier um eine der am besten evaluierten Prompt-Techni‐ ken handelt (Meincke et al., 2024). CoT ist eine Strategie, bei der man KI-Tools anleitet, komplexe Aufgaben durch schrittweises Abarbeiten einzelner Unteraufgaben zu bearbeiten. Indem das Tool dazu aufgefor‐ dert wird, jeden Schritt seines Arbeitsprozesses offenzulegen, können auch Fehlerquellen aufgedeckt und korrigiert werden. Die explizite schrittweise Anleitung hilft den KI-Tools, komplexe oder mehrstufige Probleme effektiv zu bewältigen. Besonders bei komplexen Anfragen empfiehlt es sich, das Problem in Einzelschritte zu zerlegen und das Tool dazu aufzufordern, „Schritt für Schritt“ zu denken oder Ergänzungen wie „Atme tief durch und arbeite Schritt für Schritt an diesem Problem“ hinzuzufügen. Das Hinzufügen der Anweisung „sei prägnant“ (im Ori‐ ginal: „be concise“) im Rahmen der CoT-Strategie kann zudem die Länge der KI-Antwort um fast 50 % reduzieren, ohne dass es nennenswerte Einbußen in der Genauigkeit der Antwort gibt (Renze & Guven, 2024). Übrigens wurde das o1-Modell von ChatGPT (zum Zeitpunkt meines Verfassens dieser Zeilen Ende November 2024 das aktuellste Modell von OpenAI) sogar direkt darauf trainiert, im Hintergrund zunächst einen Chain-of-Thought-Prozess durchzuführen, um komplexe Probleme zu analysieren und tiefergehende Lösungen zu entwickeln. • Reflection-Tuning-Technik: Hier handelt es sich um eine Weiterentwick‐ lung der Chain-of-Thought-Methode (M. Li, Chen, Chen, et al., 2023). 108 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="109"?> Manche Sprachmodelle, etwa Reflection 70B, machen sich diese Technik sogar direkt in ihrem Systemprompt, also dem im Hintergrund bei jeder Anfrage mitgeschickten Prompt zunutze. Der Systemprompt des Sprachmodells Reflection 70B lautet etwa: „You are a world-class AI system, capable of complex reasoning and reflection. Reason through the query inside <thinking> tags, and then provide your final response inside <output> tags. If you detect that you made a mistake in your reasoning at any point, correct yourself inside <reflection> tags“. Das Modell durchläuft also während der Schlussfolgerung eine Denkkette und ‚reflektiert‘ das eigene Vorgehen, wodurch nachweislich Halluzina‐ tionen reduziert werden. Sie können diesen Systemprompt von Reflec‐ tion 70B auch für Ihr eigenes Prompting in einem anderen Sprachmodell nutzen. • Fragen zweimal stellen: Eine Studie von Xiaohan Xu (2024) zeigt, dass es hilfreich sein kann, KI-Tools dazu aufzufordern, die Frage nochmals zu lesen. Anschließend kopiert man seinen Prompt und gibt ihn einfach nochmals ein. Ist simpel, aber effektiv. • Wechsel ins Englische: Aufgrund des höheren Anteils englischsprachi‐ gen Trainingsmaterials bei vielen Sprachmodellen kann es vorteilhaft sein, Anfragen auf Englisch zu stellen. Die Übersetzung ins Deutsche lässt sich anschließend leicht mit Übersetzungstools wie DeepL durch‐ führen. Diese Vorgehensweise kann die Qualität der Ergebnisse steigern und für eine präzisere Bearbeitung Ihrer Anfragen sorgen. • Verwendung bedeutungsstarker Verben: Vermeiden Sie allgemeine For‐ mulierungen wie „schreibe den Text neu“. Effektiver ist es, spezifische Anweisungen wie „präzisiere/ kürze/ erweitere den Text“ zu geben, um genauere Ergebnisse zu erzielen. • Positive Formulierungen: Statt negativer Ausdrücke („schreibe nicht informell“) sollten Sie positive Formulierungen („schreibe formell“) wählen. Dies hilft dem KI-Tool, Ihre Anweisungen klarer umzusetzen. • So spezifisch wie möglich: Da KI-Modelle nicht die Fähigkeit besitzen, Gedanken zu lesen oder implizite Annahmen zu erkennen, ist es essen‐ ziell, sehr spezifisch in Ihren Anforderungen zu sein. Dies reduziert den Interpretationsspielraum des Tools und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Sie die gewünschten Ergebnisse erhalten. • Vermeidung von Füllwörtern: Ein prägnanter und auf das Wesentliche konzentrierter Prompt führt zu klareren und zielgerichteteren Ant‐ worten. Vermeiden Sie es, unwichtige Informationen oder Füllwörter 3.6 Prompting 109 <?page no="110"?> einzuschließen, die den Fokus von der eigentlichen Anfrage ablenken könnten. • Verwendung von Markdown zur Strukturierung: Die Eingabe bei KI-Tools erlaubt i. d. R. keine Formatierungen wie Fettungen, Kursiv‐ schrift oder die Verwendung von Formatvorlagen, etwa für Überschrif‐ ten. Über Markdown-Syntax klappt das aber trotzdem: Markdown ist eine einfache Auszeichnungssprache, mit der sich Input strukturieren lässt. Word-Dokumente lassen sich z. B. über Word-to-Markdown-Con‐ verter recht simpel konvertieren und dann in KI-Tools eingeben. • Emotionale Prompts: Was möglicherweise zunächst absurd wirkt, kann in manchen Fällen die Qualität des Outputs verbessern, wie eine Studie von Li et al. (2023) zeigt. Es geht um das Verwenden von Formulierungen wie „diese Aufgabe ist sehr wichtig für mein weiteres Studium und damit auch mein weiteres Leben“ oder Zusätzen wie „gib dein Bestes und liefere mir eine exzellente Antwort“. Die Frage, warum diese Strategie teilweise zu einem Qualitätsunterschied beim Output führt, konnte die Studie nicht beantworten. • Moderat höflich sein: Man liest immer wieder, dass man in der Kommu‐ nikation mit KI-Tools nicht höflich zu sein brauche, immerhin handelt es sich dabei um seelenlose Maschinen und nicht um ein menschliches Gegenüber. Die Studie von Ziqi Yin et al. (2024) zeigt aber, dass unhöfli‐ che Prompts oft zu schlechterer Leistung der KI-Tools führen, übermäßig höfliche Sprache allerdings auch keine besseren Ergebnisse erzeugt. Außerdem konnten die Autor: innen zeigen, dass sich das optimale Niveau an Höflichkeit je nach Sprache unterscheidet (die untersuchten Sprachen waren Englisch, Chinesisch und Japanisch). Zum jetzigen Zeitpunkt ist also festzuhalten, dass man höflich, aber nicht unterwürfig sein sollte. • Aufbau: Gerade bei langen Prompts ist es zumindest aktuell noch so, dass die wichtigsten Informationen an den Beginn oder an das Ende der Prompts gestellt werden sollten. Bestimmte Sprachmodelle neigen nämlich dazu, Teile in der Mitte von langen Prompts zu ignorieren (lost in the middle-Phänomen) (Liu et al., 2023). Dies kann auf die Art und Weise zurückzuführen sein, wie die Modelle trainiert wurden, um Informationen zu verarbeiten und Prioritäten zu setzen. • Anpassung der Temperature-Einstellungen: Dieser Hinweis betrifft nicht direkt das Prompting, sondern die bei manchen Sprachmodel‐ len individuell festlegbaren Parameter. Die Temperature-Einstellung 110 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="111"?> 31 Ich danke Magdalene Biada für den Hinweis auf dieses Spiel. ermöglicht es, die Kreativität und Variabilität der KI-Ausgaben zu regulieren. Eine niedrigere Einstellung führt zu vorhersehbareren Er‐ gebnissen, während eine höhere Einstellung die Kreativität erhöht, also unerwartetere Ergebnisse produziert. Bei höheren Werten für Temperature werden also nicht nur die wahrscheinlichsten Wortfolgen ausgegeben, sondern auch weniger wahrscheinliche. Weiterführende Ressource | Wer sich spielerisch im Prompten üben möchte, dem sei dieses Spiel empfohlen: Als Spieler: in müssen Sie den Zau‐ berer Gandalf aus Herr der Ringe durch geschicktes Prompting das Pass‐ wort für ein Tor entlocken. Von Level zu Level wird es schwieriger. Es geht also darum, die richtigen Prompt-Strategien zu nutzen und geschickt zu kombinieren. Achtung: Suchtfaktor 31 (https: / / gandalf.lakera.ai). Prompting-Unterstützung durch KI-Tools KI-Tools können auch selbst beim Erstellen von Prompts assistieren. Hier schalten Sie also einen Schritt vor das eigentliche Prompting, wie der untere Teil von Abbildung 8 zeigt. Um KI-Tools zur Unterstützung beim Prompting einzusetzen, weisen Sie einem Chatbot wie ChatGPT oder Llama zunächst die Rolle eines „Prompt Creator“ zu und umreißen den Zweck, für den Sie einen aussagekräftigen Prompt benötigen („Du bist ein perfekt im Prompt Engineering ausgebilde‐ ter Prompt Creator. Dein Job ist es, mir zu helfen, den bestmöglichen Prompt für meine Aufgabe zu erstellen“). Anschließend weisen Sie das KI-Tool an, Ihnen zunächst Rückfragen zu stellen, die für das optimale Ausführen der Aufgabe nötig sind. So aktivieren Sie einen Prozess, in dem das KI-Tool durch gezieltes Nachfragen schrittweise alle für das Formulieren eines geeigneten Prompts nötigen Informationen zusammenträgt. 3.6 Prompting 111 <?page no="112"?> Abbildung 8 | Prompting ohne (oberer Teil) vs. mit KI-Unterstützung (unterer Teil) Weiterführende Ressource | Eine Vorlage für einen sog. Mega-Prompt, mithilfe dessen Sie ein KI-Tool wie ChatGPT zu Ihrem persönlichen Prompt-Creator machen können, finden Sie im QR-Code (https: / / digitaleprofis.de/ kuenstliche-intelligenz/ chatgpt/ mega-prompt s/ chatgpt-mega-prompt-1-der-prompt-generator/ ). Für das Erstellen von Prompts existieren aber auch eigene spezialisierte KI-Tools, beispielsweise PromptPerfect. Solche Tools sind darauf ausgelegt, Nutzende durch den Prozess der Prompt-Optimierung zu führen. Sie bieten Vorlagen und Richtlinien, die helfen, Anfragen so zu formulieren, dass sie von KI-Tools wie ChatGPT oder Gemini anschließend optimal interpretiert und bearbeitet werden können. Bei PromptPerfect können Sie sogar ange‐ ben, für welches Sprachmodell der Prompt optimiert werden soll - ob Sie den Prompt anschließend also etwa für Claude Sonnet, Mistral oder Llama verwenden. Auch wenn Sie den optimierten Prompt am Ende zumeist nicht 112 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="113"?> 1: 1 übernehmen können, da das Tool auch Ergänzungen hinzufügt, die nicht auf Ihre Anfrage zutreffen, sind die optimierten Prompts doch sehr wertvoll: Sie zeigen Ihnen Möglichkeiten auf, zu welchen Punkten Sie in Ihrem Prompt noch Aussagen machen können, um den Prompt so spezifisch und konkret wie möglich zu machen. Takeaway • Um optimale Ergebnisse von KI-Tools zu erhalten, ist es wichtig, ihnen so viel Kontext wie möglich zu liefern. • Definieren Sie Parameter wie Rolle, Textsorte, Stil, Adressat: innen, Kriterien, Ziel und gewünschtes Ausgabeformat und geben Sie den Tools zudem Beispiele an die Hand. • Nutzen Sie Strategien wie Chain-of-Thought-Prompting, Reflec‐ tion-Tuning, zweimaliges Fragen, Wechsel ins Englische, Verwen‐ dung aussagekräftiger Verben, positive Formulierungen, Spezifi‐ tät, Vermeidung von Füllwörtern, Markdown zur Strukturierung, emotionale Prompts, moderate Höflichkeit und eine strategische Anordnung der Informationen im Prompt. • KI-Tools können Sie auch beim Erstellen von Prompts unterstützen, indem Sie ihnen die Rolle eines Prompt Creators zuweisen und sie durch gezielte Fragen anleiten, die notwendigen Informationen für einen optimalen Prompt zu sammeln. Prompting als interaktiver Prozess Wie bei vielem anderen im Leben gilt auch beim Prompting: Übung macht den Meister oder die Meisterin. Verfügt man als Grundlage über das nötige Basiswissen zur Funktionsweise von generativer KI (s. Kapitel 2), ist Promp‐ ting nämlich eine Fähigkeit, die sich letztlich nur durch Übung verbessern lässt. Der effektivste Weg, diese Kompetenz (weiter) zu entwickeln, besteht darin, mit verschiedenen Arten von Prompts zu experimentieren und zu beobachten bzw. zu reflektieren, wie dies den Output beeinflusst. Sich direkt mit der ersten Ausgabe eines KI-Tools zufrieden zu geben oder möglicherweise direkt enttäuscht aufzugeben, weil der Output nicht so ist 3.6 Prompting 113 <?page no="114"?> wie gewünscht, ist nicht ratsam - ein Fehler, den viele KI-Anfänger: innen begehen (Zamfirescu-Pereira et al., 2023). Ein wichtiger Aspekt des Experimentierens bzw. der Interaktion mit KI-Tools ist der Einsatz von Follow-up-Prompts. Diese ermöglichen es, auf den Antworten des KI-Tools aufzubauen und den Dialog kontinuierlich zu verfeinern. Da KI-Tools kontextsensitiv sind, können sie auf Basis vorheri‐ ger Interaktionen innerhalb eines Chatverlauf lernen und ihre Antworten entsprechend anpassen. Dieser iterative Prozess trägt dazu bei, präzisere und relevantere Ergebnisse zu erzielen. Somit erinnert der Prompting-Prozess ans wissenschaftliche Schreiben: Auch hier gilt es, zunächst eine Rohfassung zu erstellen und diese dann Schritt für Schritt, in verschiedenen Durchgängen, also iterativ, zu verbes‐ sern, zu präzisieren, zu überarbeiten. Die kontinuierliche Auseinanderset‐ zung mit der Forschungsfrage einer Arbeit und das Feilen am eigenen Text sind hier zentrale Bestandteile, die sich auch auf das Prompting übertragen lassen. Effektives Prompting entsteht also nicht durch die Suche nach der einen perfekten Formulierung, sondern durch einen Dialog mit dem KI-Tool. Teilen Sie diesem genau mit, weshalb Sie mit einem Output zufrieden sind oder welche Stellen Ihnen noch nicht gefallen und warum. Kurz: Es geht darum, dem KI-Tool als Ihrem Assistenten möglichst detaillierte Rückmeldungen auf seine Arbeit zu geben. Denken Sie immer daran, dass die Maschine keine Gedanken lesen kann und Sie daher alles, was Ihnen wichtig ist, explizit verbalisieren müssen. Zur besseren Kommentierung einzelner Stellen eines Outputs können Sie mit Sonderzeichen arbeiten, wie Ihnen das folgende Beispiel zeigt: Beispielprompt | „Ich füge deinen Ausgabetext hier nochmals ein. Die Stellen, mit denen ich zufrieden bin und die du genau so beibehalten kannst, markiere ich zu Beginn und am Ende mit einem Asterisk (*). Anschließend notiere ich in eckigen Klammern ([ ]) einen Kommentar, in dem ich dir sage, was genau mir daran gefällt. Die Stellen, mit denen ich nicht zufrieden bin, markiere ich am Anfang und am Ende mit einem Hashtag (#). Nach dem schließenden Hashtag notiere ich in eckigen Klammern ([ ]) einen Kommentar, warum genau ich mit der Passage unzufrieden bin. Überarbeite diese Passagen anschließend basierend auf meinen Kommentaren.“ 114 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="115"?> Wenn Sie im Prozess der interaktiven Auseinandersetzung mit einem KI-Tool gar nicht mehr weiterkommen sollten, hilft es manchmal auch einfach, einen neuen Chat zu beginnen. Dadurch werden Sie ggf. unnötigen Ballast los und können nochmals von vorn anfangen. Takeaway • Effektives Prompting ist ein iterativer Prozess, bei dem man durch Experimentieren, Reflektieren und den Einsatz von Folge-Prompts die besten Ergebnisse erzielt. • KI-Tools können durch einen kontinuierlichen Dialog und präzise Anweisungen lernen und ihre Antworten verbessern. • Dem KI-Tool sollten detaillierte Rückmeldungen gegeben werden, um ihm im weiteren Prozess zu helfen, die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Individuelle Chatbots: Custom GPTs bauen Wenn Sie für Ihre wissenschaftliche Arbeit auf maßgeschneiderte Unter‐ stützung von KI-Tools zurückgreifen möchten, kann es auch hilfreich sein, einen eigenen Chatbot für genau diesen Zweck zu bauen. Dazu brauchen Sie im Zeitalter generativer KI keine Programmierkenntnisse, sondern können auf natürliche Sprache, also Deutsch, Englisch, Arabisch etc., zu‐ rückgreifen. Das Erstellen eines eigenen Chatbots, oft auch als Custom GPT bezeichnet, ermöglicht es Ihnen, einen strukturierten übergeordneten Prompt zu erstellen und immer wieder auf diesen zurückzugreifen, ohne ihn jedes Mal neu eingeben zu müssen. Neben den spezifischen Anweisungen, die Sie dem Bot geben (wohinter sich letztlich nichts anderes als Prompt Engineering verbirgt), können Sie auch mehrere Dokumente mit relevanten (Hintergrund-)Informationen hochladen. Ich gebe Ihnen ein konkretes Beispiel: Für die Arbeit an diesem Buch habe ich mir einen solchen Custom GPT gebaut und diesen u. a. mit der Gliederung sowie mit dem Exposé für das Buch ‚gefüttert’. So musste ich das Buchprojekt nicht bei jedem Chat aufs Neue vorstellen (Wer sind die Adressat: innen? Was ist der Zweck des Buches? In welchem Stil soll es geschrieben sein? Etc.). In den Anweisungen an den Chatbot habe ich dann definiert, bei welcher Aufgabe 3.6 Prompting 115 <?page no="116"?> genau der Chatbot unterstützen soll - in dem Fall beim konkreten Formulieren und nicht etwa bei der Ideenfindung. Hier sehen Sie die Konfigurationsseite des GPTs, den ich über die Pro-Version von ChatGPT erstellt habe: Abbildung 9 | Custom GPT Buchprojekt Isabella Buck Wie Sie sehen, liegt ein entscheidender Vorteil personalisierter Chatbots in ihrer Anpassungsfähigkeit: Sie können so konfiguriert werden, dass sie den spezifischen Anforderungen Ihres Forschungsprojekts entsprechen und über den relevanten Hintergrund eines Schreibprojekts verfügen. Außerdem können Sie GPTs auch mit anderen teilen, was für ein gemeinsames Schreib‐ projekt mit anderen Personen nützlich ist. Eine Möglichkeit, GPTs zu bauen, besteht über ChatGPT, wobei Sie hierfür aktuell (Stand 12/ 2024) die kostenpflichte Pro-Version benötigen. Kostenlose Möglichkeiten bieten sich über die Plattformen Poe oder Huggingface, wobei letzteres nicht ganz so benutzerfreundlich ist. Wer über Programmierkennt‐ nisse verfügt, kann via Github auch die OpenGPTs von Langchain-ai bzw. Langgraph ausprobieren. 116 3 Was ich über das wissenschaftliche Schreiben mit KI wissen sollte <?page no="117"?> Takeaway • Aufgabenspezifisch maßgeschneiderte KI-Unterstützung für wis‐ senschaftliches Schreiben ist durch den Bau eigener Chatbots möglich. • Das Erstellen von Custom GPTs erfordert keine Programmier‐ kenntnisse, sondern geschieht mittels natürlicher Sprache. • Vorteile von Custom GPTs sind die Anpassungsfähigkeit an spezi‐ fische Anforderungen, die Integration von Hintergrundinformati‐ onen und die Möglichkeit der gemeinsamen Nutzung mit anderen. 3.6 Prompting 117 <?page no="119"?> 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe Ziel dieses Kapitels ist es, Ihnen hands-on vielfältige Möglichkeiten zu präsentieren, wie Sie KI-Tools sinnvoll, verantwortungsbewusst und erfolgreich in die einzelnen Teilaufgaben des Schreibprozesses integrie‐ ren können. Dabei geht es nicht darum, den Denkprozess an KI-Tools zu delegieren, sondern diesen anzuregen. Daher werden Sie erfahren, wie Sie KI-Tools als eine Art Katalysator für Ihre eigenen Gedanken und Ideen nutzen können. An dieser Stelle sind wir nun bei dem Kapitel angelangt, in dem ich Ihnen ganz konkret Möglichkeiten vorstelle, wie Sie KI-Tools in einzelne Teilaufgaben des Schreibprozesses integrieren können. Hierfür setze ich fünf übergeordnete Teilaufgaben des Schreibprozesses an: • Planung • Literaturarbeit • Datenerhebung und -aufbereitung • Rohfassung • Überarbeiten Im ersten Unterkapitel, Kapitel 4.1, folgen zunächst Vorüberlegungen zum erfolgreichen und verantwortungsbewussten Einsatz von KI-Tools im Schreibprozess. Anschließend widme ich jeder der fünf Teilaufgaben ein eigenes Unterkapitel. Wie in Kapitel 3.1 erläutert, ist der Schreibprozess rekursiv und iterativ, d. h. die einzelnen Teilaufgaben folgen erstens nicht linear aufeinander und sind zweitens nicht komplett trennscharf. Dies ist unbedingt im Hinterkopf zu behalten: Auch wenn ich die Teilaufgaben getrennt voneinander darstelle, weil dies im Rahmen eines gedruckten Buches nicht anders geht, heißt dies nicht, dass Sie die Aufgaben in der Realität Ihres Schreibprozesses getrennt voneinander und nacheinander abarbeiten. <?page no="120"?> Abbildung 10 | Aufbau Kapitel 4 entsprechend dem Schreibprozess In der Einleitung (Kapitel 1) habe ich die Adressat: innen dieses Buches als Personen beschrieben, die bereits Erfahrungen mit wissenschaftlichem Schreiben haben. Damit Sie darüber im Bilde sind, welches Wissen bzw. welche Kompetenzen ich für die einzelnen Unterkapitel voraussetze, gibt es zu Beginn jedes Unterkapitels 4.2-4.6 eine Info-Box mit der Überschrift „Welches Vorwissen für dieses Kapitel vorausgesetzt wird“. 4.1 Vorüberlegungen Ziel dieses Kapitels ist es, Ihnen die Bedeutung einer reflektierten, d. h. durchdachten Herangehensweise an den Einsatz von KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben zu verdeutlichen. Dazu werden konkrete Fragen formuliert, die Sie sich vor und während der Arbeit mit KI-Tools stellen können, um den größtmöglichen Nutzen aus diesen Tools zu ziehen und gleichzeitig Ihre eigene Schreibkompetenz zu fördern. 120 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="121"?> Der erfolgreiche und verantwortungsbewusste Einsatz von KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben erfordert eine bewusste, reflektierte Heran‐ gehensweise. An erster Stelle sollte dabei die Frage stehen, ob und inwiefern der Einsatz eines KI-Tools für Ihre aktuelle, spezifische Aufgabe überhaupt sinnvoll ist - und wenn ja, welches KI-Tools dafür angemessen ist (s. Kapitel 3.5). Manche Aufgaben erledigen Sie nach wie vor besser, wenn Sie sich allein auf sich selbst verlassen und/ oder wenn Sie das Gespräch mit Ihren Betreuenden oder Kommiliton: innen suchen. Denkanstoß | Für die Reflexion Ihres Einsatzes von KI-Tools habe ich im Folgenden verschiedene Fragen zusammengestellt. • Wie verändert der Einsatz von KI-Tools meinen Schreibprozess? • Wie verändert sich meine Produktivität durch den Einsatz von KI-Tools? • Welche spezifischen Aspekte meines Schreibprozesses könnten von KI-Tools profitieren? • Gibt es Bereiche, in denen mich KI-Tools beim eigenen Denken hindern? • Wie verändert sich meine Rolle als Autor: in durch den Einsatz von KI-Tools? • Lohnt sich die durch KI-Tools gesteigerte Komplexität des Schreib‐ prozesses (s. Kapitel 3.3)? Oder anders ausgedrückt: In welchem Verhältnis stehen Kosten und Nutzen? • Welche Aufgaben fallen mir besonders schwer und wie könnten KI-Tools hier eine Hilfestellung bieten? • Wie kann ich die Stärken von KI-Tools optimal mit meinen eigenen Fähigkeiten kombinieren? • Welche neuen Kompetenzen muss ich möglicherweise für die Arbeit mit KI-Tools entwickeln? Ein Ansatz zur Beschreibung Ihrer Nutzung von KI-Tools im Schreibprozess ist das in 3.2 2 eingeführte Konzept AI-Leadership (Buck & Weßels, 2025). Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass Sie als Mensch an jeder Stelle im Schreibprozess die Führung innehaben. Sie sind die Führungskraft - Sie entscheiden aktiv, wo es langgeht, welchen Output der Tools Sie wie übernehmen und was das Ziel der Arbeit mit KI-Tools ist. Die Gestaltungs- 4.1 Vorüberlegungen 121 <?page no="122"?> und Steuerungshoheit liegt jederzeit bei Ihnen. Es ist Ihre Aufgabe, Probleme im Schreibprozess zu identifizieren und zu definieren und zu überlegen, wie Sie diese lösen könnten. Es ist Ihre Aufgabe, kontinuierlich Ihren Schreib‐ prozess zu überwachen und zu steuern. Es ist Ihre Aufgabe, den eigenen Erkenntnisfortschritt fortwährend zu monitoren und auf Schwierigkeiten angemessen zu reagieren. Dafür sollten Sie sich immer wieder auf eine Metaebene begeben, also über Ihr eigenes Handeln beim wissenschaftlichen Schreiben und über Ihr eigenes Denken nachdenken. Dass Sie AI-Leader sind, bedeutet auch, dass Sie die Verantwortung für Ihren Schreibprozess und Ihr Schreibprodukt tragen, genau wie Führungs‐ kräfte Verantwortung für die Ergebnisse ihrer Teams übernehmen müssen. Was Verantwortung im Kontext der Nutzung generativer KI beim wissen‐ schaftlichen Schreiben bedeutet, haben wir uns in Kapitel 3.4 angesehen. Die kontinuierliche Reflexion Ihres Schreibprozesses und damit auch Ihrer Arbeit mit KI-Tools ermöglicht es Ihnen, die Vorteile generativer KI gezielt zu nutzen, gleichzeitig aber auch Ihre eigene Schreibkompetenz weiterzuentwickeln. Dass diese nach wie vor wichtig ist, haben wir in Kapitel 3.2 gesehen. Wie Sie KI-Tools nun sinnvoll, verantwortungsbewusst und erfolgreich für die einzelnen Phasen des Schreibprozesses einsetzen, davon handeln die folgenden Unterkapitel. In diesen werde ich immer wieder Beispielprompts für die einzelnen Aufgaben anführen. Im Sinne der Erläuterungen in Kapitel 3.6 verstehe ich diese nicht als kopierbare Prompts, sondern als Denkanstöße für Ihren Prozess der eigenen Prompt-Formulie‐ rung. Dazu noch eine Anmerkung: Wie in Kapitel 3.6 erläutert, müssen Sie KI-Tools beim Prompting immer so viel Kontext wie möglich bereitstellen. In den folgenden Kapiteln werde ich die Formulierung der gesamten Kon‐ textinformationen nur mit „[PERSÖNLICHER KONTEXT]“ abkürzen. Die minimalen Anforderungen an diesen Platzhalter sind die Spezifikation der Art von Arbeit, die Sie schreiben (Hausarbeit, Projektarbeit, Bachelorarbeit, Masterarbeit, Dissertation), der (vorläufige) Titel und die Fragestellung Ihrer Arbeit, so diese schon feststeht. 122 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="123"?> 32 Ursprünglich ist ein Sparringpartner eine Person, mit der man in Trainingskämpfen, z. B. beim Boxen, übt, um die eigenen Fähigkeiten zu verbessern. Im übertragenen Sinne referiert man damit auf eine Person, die im Austausch durch konstruktives Feedback und/ oder Diskussionen dabei hilft, die eigenen Ideen oder Fähigkeiten zu schärfen. 4.2 Planung Ziel dieses Kapitels ist es, aufzuzeigen, wie KI-Tools bei der Pla‐ nung wissenschaftlicher Arbeiten unterstützen können, angefangen bei der Zeitplanung, über die Themenfindung und -eingrenzung, die Entwicklung von Forschungsfrage und Hypothesen, die Auswahl einer Forschungsmethode, das Erstellen der Gliederung bis hin zum Verfassen eines Exposés. Welches Vorwissen für dieses Kapitel vorausgesetzt wird: • Zeitmanagement beim wissenschaftlichen Schreiben • Kriterien, denen ein Thema und eine Forschungsfrage in Ihrem Fach genügen müssen • Funktionen von Hypothesen in Ihrem Fach • Gängige Forschungsmethoden in Ihrem Fach • Fachspezifische Gliederungsmodelle Es ist wieder einmal so weit und Sie stehen ganz am Anfang einer wissen‐ schaftlichen Arbeit- sei es eine weitere Hausarbeit, die Bachelor- oder Masterthesis oder die Dissertation. Die Teilaufgabe der Planung ist das Fundament Ihrer wissenschaftlichen Arbeit und entscheidet darüber, „ob das Schreibprojekt realistisch angelegt und in sich stimmig ist“ (Kruse, 2007, S. 113). Im Volksmund heißt es nicht umsonst, dass aller Anfang schwer ist: Von der Zeitplanung und der Selbstorganisation über die Themenfindung und -eingrenzung bis hin zur Entwicklung einer Forschungsfrage, dem Erstellen einer Gliederung und ggf. eines Exposés sind zu Beginn einige Aufgaben zu erledigen. KI-Tools können Ihnen hier ‚unter die Arme greifen‘ und Ihnen helfen, strukturiert und zielgerichtet vorzugehen. Sie fungieren als Sparringpart‐ ner 32 , analytische Unterstützer und organisatorische Helfer. 4.2 Planung 123 <?page no="124"?> In diesem Kapitel zeige ich Ihnen, wie Sie das Potenzial dieser Tools ausschöpfen können. Von der ersten vagen Idee bis hin zum detaillierten Exposé werden wir gemeinsam die verschiedenen Stationen durchlaufen, an denen KI-Unterstützung besonders wertvoll sein kann. Ich zeige Ihnen, wie Sie mit Hilfe von KI-Tools Brainstormings durchführen, Forschungslücken identifizieren, Ihre Fragestellung präzisieren und auch eine Entscheidung für Ihr methodisches Vorgehen treffen können. Zeitmanagement Ein gutes Zeitmanagement beim wissenschaftlichen Arbeiten stellt sicher, dass Sie am Ende der Bearbeitungszeit auch an dem Punkt angekommen sind, an dem Sie die Arbeit guten Gewissens abgeben können. KI-Tools kön‐ nen Ihnen hierbei helfen. Das KI-gestützte Planungstools Magic ToDo von gobblin.tools unterstützt Sie etwa dabei, eine größere Aufgabe immer weiter in überschaubarere Einzelaufgaben aufzuteilen, indem es Ihnen Vorschläge für kleinere Arbeitspakete macht und auch eine erste Einschätzung zu deren zeitlichem Umfang angibt. Abbildung 11 | Magic ToDo mit der Aufgabe: „Narrative Interviews durchführen“; Untertei‐ lung in Einzelaufgaben komplett KI-generiert Das Tool Reclaim wiederum verbindet sich mit Ihrem Google Kalender und hilft Ihnen dabei, Ihre Arbeitszeit besser zu planen, Aufgaben zu priorisie‐ 124 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="125"?> ren und damit Ihren Arbeitsprozess zu strukturieren. Außerdem werden hier Ihre Gewohnheiten berücksichtigt, ob Sie etwa lieber frühmorgens oder spätnachts arbeiten, welche Verpflichtungen Sie neben Ihrer wissen‐ schaftlichen Arbeit haben, welchen Hobbies Sie nachgehen etc. Ähnlich funktioniert auch BeforeSunset AI, wobei Sie hier nicht zwangsläufig einen Kalender (etwa via Google) verbinden müssen. Ein besonderer Vorteil KI-basierter Zeitmanagement-Tools liegt in ihrer Anpassungsfähigkeit. Wenn sich Ihre Pläne ändern oder Sie in einem Bereich schneller oder langsamer vorankommen als erwartet, können Sie dies einfach eingeben. KI-Anwendungen passen den restlichen Zeitplan automatisch an, sodass Sie immer einen realistischen Überblick über Ihren Fortschritt behalten. Letztendlich geht es darum, ein System zu finden, das zu Ihren persön‐ lichen Arbeitsgewohnheiten und Präferenzen passt. Ob Sie sich für ein KI-Tool, eine einfache digitale Lösung oder den klassischen Papierkalender entscheiden - wichtig ist v. a., dass Sie das gewählte System konsequent nutzen und sich nicht in der Planung selbst verlieren. Das beste Zeitma‐ nagement ist immer noch das, das Ihnen hilft, tatsächlich mit der Arbeit zu beginnen und kontinuierlich dran zu bleiben. Weiterführende Ressource | Wenn Sie Ihr Zeitmanagement ohne KI-Tools anpassen möchten, empfehle ich Ihnen die folgenden beiden Ratgeber: Püschel, Edith (2017): Selbstmanagement und Zeitplanung. Schöningh. Wymann, Christian (2021): Der Schreibzeitplan: Zeitma‐ nagement für Schreibende. Budrich. Themenfindung und -eingrenzung In der vorgegebenen Zeit und mit den vorgegebenen materiellen Ressourcen bearbeitbare, ausreichend eng definierte Themen zu finden, ist sehr viel schwieriger, als man vielleicht denken mag. Studierende der Naturwissen‐ schaften sind hier ggf. im Vorteil, da sie ihr Thema häufig vorgegeben bekommen und somit Zeit bei der Themensuche sparen. Studierende der Geistes- und Sozialwissenschaften haben andererseits aber mehr Freiheit und können somit stärker individuell interessensgesteuert vorgehen und sich auch für ein vielleicht eher unüblicheres Thema entscheiden. Eventuell 4.2 Planung 125 <?page no="126"?> schreiben Sie Ihre Abschlussarbeit auch in Kooperation mit einem Unter‐ nehmen und bekommen von diesem ein Thema vorgegeben. Die Themenfindung ist nur der erste Schritt. In einem zweiten Schritt muss dazu auch eine konkrete Fragestellung entwickelt werden. Weshalb das wichtig ist und wie KI-Tools hier unterstützen können, darauf gehe ich im nächsten Unterkapitel näher ein. An dieser Stelle möchte ich lediglich darauf hinweisen, dass die Schritte der Themenfindung und der Entwick‐ lung einer Forschungsfrage nicht immer ganz trennscharf sind. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass Themenfindung und -eingrenzung sowie das Formulieren einer Fragestellung hier zwar als erste Schritte beschrieben sind. Im Sinne der Iterativität und Rekursivität des Schreibprozess (s. Kapitel 3.1) finden diese Schritte aber zum einen nicht losgelöst von der Literaturrecherche und dem Lesen von Texten statt; zum anderen kann es sein, dass Sie an späteren Stellen des Schreibprozesses aufgrund dort gewonnener Erkenntnisse nochmals Modifizierungen an Ihrer Forschungs‐ frage vornehmen müssen. Wenn es um die ersten Schritte der Themenfindung geht, sind KI-Tools zunächst eher weniger hilfreich - gerade dann, wenn Sie sich zu Beginn auf Ihre persönlichen Erfahrungen und Interessen konzentrieren. Denkanstoß | Als Inspirationsquelle für ein erstes KI-freies Brainstor‐ ming können Ihnen diese Fragen dienen (übernommen aus Mayr, 2021, S.-32): • Für welche Themen interessieren Sie sich persönlich? Gibt es Schnittstellen zwischen diesen für Sie persönlich spannenden The‐ men und Ihrem Fachbereich? Können Sie mit Ihrer Arbeit zur Be‐ antwortung einer für Sie persönlich interessanten Frage beitragen? • Welche Seminare, Vorlesungen, Kurse haben Sie in Ihrem Studium bislang am meisten begeistert? Wo könnten Sie tiefer nachforschen? • Können Sie an eine vorherige Präsentation/ Hausarbeit/ Projektar‐ beit anknüpfen? • Mit welchen Themen beschäftigen sich die Lehrstühle an Ihrem Fachbereich? Gibt es ein Thema, das für Sie spannend klingt und mit dem Sie sich beschäftigen könnten? • Wo liegen Ihre Fähigkeiten? Was ist Ihnen bislang im Studium besonders leichtgefallen? 126 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="127"?> • Was ist Ihr späterer Berufswunsch? Gibt es ein Thema, das mit Ihrem Wunscharbeitsfeld zu tun hat und mit dem Sie vielleicht in einem Vorstellungsgespräch punkten könnten? • Welche Themen sind gerade in der Forschung aktuell? Für den letzten Punkt, also die Erkundung aktueller Forschungsthemen, können KI-Literaturrecherche-Tools durchaus nützlich sein; ich thematisi‐ ere dies gleich gesondert. Bei den anderen Aspekten des Denkanstoßes sollten Sie zunächst ohne KI-Unterstützung vorgehen, da zumindest die heu‐ tigen Tools weder Ihre persönliche Studienhistorie noch Ihre individuellen Interessen kennen. KI-Tools können die im oben abgedruckten Denkanstoß formulierten Fragen aber ergänzen und Ihnen so durch weitere Fragen dabei helfen, ein geeignetes Thema zu finden. Eine hierfür passende Methode ist der sokratische Dialog, den ich im Abschnitt zur Entwicklung einer Forschungsfrage näher vorstelle. Unabhängig vom Fach verläuft die Themenfindung bei einer empirischen Arbeit anders als bei einer reinen Theoriearbeit. Wenn Sie eine empirische, ggf. sogar experimentelle Arbeit schreiben möchten oder sollen, stellt sich auch die Frage nach den Daten. Liegen diese schon vor und müssen für die Themenfindung gesichtet werden? Oder erheben Sie diese erst im Rahmen Ihrer Arbeit? In der Phase des ersten Brainstormings empfiehlt es sich, auf Quantität abzuzielen und noch nicht auf Qualität: Notieren Sie alle Einfälle, ohne direkt etwas zu streichen bzw. zu zensieren. Schreiben Sie so viele Ideen und Fragen wie möglich auf und knüpfen Sie dabei immer an Ihrem Vorwissen an. Suchen Sie außerdem den Dialog mit anderen Menschen - seien es Expert: innen in Ihrem Gebiet, Ihre Betreuenden, Kommiliton: innen oder Freund: innen und Familie. Ein gutes, für eine wissenschaftliche Arbeit geeignetes Thema sollte auf zwei ‚Beinen‘ stehen (Rienecker, 1999, S. 98): Zum einen bezieht es sich auf reale Phänomene in der Welt ‚da draußen‘. Das können Primärquellen, Daten oder Beobachtungen sein. Zum anderen bezieht es sich auf die bisherige Forschung in Ihrem Fach. Hier geht es um Theorien, Methoden und Konzepte, die sich in der wissenschaftlichen Literatur finden. Parallel zu Ihrem Brainstorming gilt es deshalb, sich in die Literatur zu vertiefen und dabei herauszufinden, wo Sie anknüpfen können, welche Forschungslücken 4.2 Planung 127 <?page no="128"?> sich auftun, auf welche Theorien, Methoden und Konzepte Sie zurückgreifen können und wollen. Kurzum: Es geht darum, sich den Forschungsstand zu erarbeiten. Auf KI-Literaturrecherche-Tools gehe ich in Kapitel 4.3 detailliert ein - auch auf deren Einschränkungen (oft begrenzt auf Englisch, limitierter Zugang zu Datenquellen, Beschränkung auf Zeitschriftenartikel, Digitali‐ sierungsgrad, fehlende Qualitätsprüfung, falsche Wiedergabe der Studien, Vollständigkeitsillusion). Dennoch möchte ich an dieser Stelle den Mehrwert von KI-Literaturrecherche-Tools betonen, wenn es darum geht, sich einen Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs zu einem Thema zu verschaffen. Hier ist durch generative KI erstmals etwas möglich, was sich zuvor nur in mühevoller, viel Zeit fressender Handarbeit realisieren ließ: Sie können quasi von oben einen Blick auf Ihr Forschungsfeld einnehmen, sich Verbindungslinien zwischen einzelnen Autor: innen und Veröffentlichungen anzeigen lassen, die historische Genese eines Forschungsfeldes betrachten und vieles mehr. Als Beispiel führe ich das Tool ResearchRabbit an, mittels dessen Sie sich anzeigen lassen können, welches Paper von wem zitiert wird (s. Abbildung 12). Abbildung 12 | Research Rabbit, Anzeige der Verbindungen zwischen Artikeln 128 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="129"?> Daneben lässt sich das Forschungsfeld, aus dem ein bestimmtes Paper stammt, auch chronologisch anzeigen, sodass Sie die Genese des Forschungsbereichs nachvollziehen können (s. Abbildung 13). Insgesamt bieten Ihnen KI-Tools wie ResearchRabbit, Open Knowledge Maps, Keenious und viele mehr Einblicke in Zusammenhänge zwischen verschiedenen Forschungsarbeiten und können Sie so auch dabei unterstützen, Desiderate, also Forschungslücken, zu identifizieren. KI-Tools dienen damit als Erkenntnisinstru‐ ment, das hilft, die verschiedenen im jeweiligen Forschungsdiskurs existierenden Stimmen bzw. Perspektiven zu identifizieren. Ein weiteres KI-Tool, das ich Ihnen in diesem Kontext empfehlen kann, ist das von Stanforder Forschenden (Shao et al., 2024) entwickelte Tool STORM. Dieses generiert Wikipedia-ähnliche Artikel zu einem von Ihnen vorgegebenen Thema. In diesen Artikeln werden dann auch real existierende Quellen zitiert. Die Fülle an Aspekten, die zu einem Thema aufgeführt werden, ist beeindruckend. Auf diese Weise erhalten Sie einen ersten kursorischen Einblick sowohl in die verschiedenen Aspekte Ihres Themas als auch in die dazu existierende Literatur. Über die Funktion Co-STORM lässt sich sogar eine Diskussion mit KI-generierten Expert: innen führen, die aus verschiedenen Perspektiven auf ein Thema blicken. Abbildung 13 | Research Rabbit, chronologische Anzeige von Artikeln 4.2 Planung 129 <?page no="130"?> Haben Sie schließlich eine ungefähre Vorstellung davon, in welche Richtung es thematisch gehen soll, folgt die Eingrenzung des Themas. Hierfür können Sie dann KI-Tools zur Unterstützung einsetzen. Eine Idee ist etwa, sich von einem KI-Tool eine thematisch sortierte Mind Map oder eine Bullet‐ point-Liste erstellen zu lassen. Beispielprompt | „Du bist mein Schreibcoach mit schreibdidaktischer Expertise und sollst mir dabei helfen, das Thema für meine Bachelorar‐ beit einzugrenzen. Die Bachelorarbeit soll im Fach [FACH] geschrieben werden. Ich möchte die Arbeit gerne zum Thema [THEMA] schreiben. Folgende Ideen habe ich dazu schon: [IDEEN]. Erstelle mir nun eine thematisch sortierte Mind Map, die meine Ideen grafisch strukturiert darstellt. Führe außerdem nicht nur die Facetten des Themas an, die ich aufgezeigt habe, sondern ergänze um weitere Facetten.“ Ich zeige Ihnen im Folgenden einen exemplarischen Workflow zu diesem Prompt: Zunächst habe ich bei ChatGPT einen GPT, also einen speziellen Chatbot (s. Kapitel 3.6) gesucht, der auf Mind Maps spezialisiert ist (s. Abbildung 14). Abbildung 14 | Mind map GPTs 130 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="131"?> Anschließend habe ich mit ein paar GPTs experimentiert und mich letztlich für den GPT Mind Map Maker entschieden. Dann habe ich den oben abgedruckten Prompt eingegeben und meine bisherigen Vorstellungen zum Thema erläutert (ich habe hierfür das Thema meiner Dissertation gewählt). Der GPT hat mir zunächst eine Bulletpoint-Liste ausgegeben und diese anschließend automatisch via Whimsical in eine Mind Map überführt (s. Abbildung 15). Keine Sorge, Sie müssen die einzelnen Punkte nicht lesen können - ich wollte Ihnen lediglich das Ergebnis präsentieren, sodass Sie einen Eindruck von den Funktionsmöglichkeiten bekommen. Der GPT hat sowohl meine eigenen Ideen, die ich im Prompt formuliert habe, strukturiert ausgegeben, als auch neue Aspekte hinzugefügt, die ich thematisch als ebenfalls sehr passend beurteilen würde. Abbildung 15 | Mindmap für Themeneingrenzung Eine andere Möglichkeit ist es, dem KI-Tool Ihrer Wahl verschiedene As‐ pekte vorzugeben, hinsichtlich derer sich Themen für eine wissenschaftliche 4.2 Planung 131 <?page no="132"?> Arbeit eingrenzen lassen. Dies können etwa die folgenden Punkte sein (übernommen aus Franck 2006: 62-63): • zeitlich: von … bis, im … Jahrhundert, in der Weimarer Republik, in der Ära Adenauer; • geographisch: in Frankreich, in Süddeutschland, in Venedig; • nach Institutionen: in Einrichtungen der Erwachsenenbildung, in Kom‐ munalverwaltungen, in Amtsgerichten; • nach Personengruppen: Frauen, Männer, Kinder, Strafgefangene, Füh‐ rungskräfte; • nach Quellen: Flugblätter als Mittel des Protestes, Alltag im Amateur‐ schmalfilm; • nach Personen: das Motiv der Auferstehung in den Werken von …, Kulturkritik der Jahrhundertwende in den Schriften von …, Comics als Kunstform - Das Werk von Will Eisner; • nach disziplinären Gesichtspunkten: moralphilosophische Anmerkun‐ gen über den Hirntod, eine bildungssoziologische, pädagogische, lingu‐ istische Analyse des Deutschunterrichts; • nach Theorieansätzen, Erklärungskonzepten: eine Diskursanalyse, ein statistischer Vergleich, eine qualitative Untersuchung; • nach Vertreter: innen einer Theorie bzw. Erklärungsansatzes: eine Ana‐ lyse in Anlehnung an Foucault, eine systemtheoretische Untersuchung nach Luhmann; • nach ausgewählten Aspekten: der Strafvollzug als Lernprozess, die Kirche als Männerwelt, das Krankenhaus als bürokratisches System; • nach Methoden: durch narrative Interviews, durch teilnehmende Be‐ obachtung, durch Spektrenanalyse In aller Regel ist eine Kombination mehrerer solcher Eingrenzungen erfor‐ derlich, um das eigene Thema wirklich präzise zu umreißen. Lassen Sie sich von ChatGPT, Mistral, Claude etc. basierend auf diesen Kriterien - die Sie als Liste in Ihren Prompt integrieren können - dabei unterstützen, Ideen dafür zusammenstellen, hinsichtlich welcher Aspekte Sie Ihr Thema weiter eingrenzen könnten und welche Kombinationen sinnvoll wären. Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT] Mich interessiert das Thema [THEMA], das ich nun weiter eingrenzen muss. Hier ist eine Liste mit verschiedenen Kriterien, hinsichtlich derer Themen für 132 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="133"?> eine wissenschaftliche Arbeit eingegrenzt werden können [LISTE MIT KRITERIEN]. Bitte gib mir darauf basierend verschiedene Eingrenzun‐ gen für mein Thema aus, die für eine Bachelorarbeit sinnvoll wären. Kombiniere dabei verschiedene Kriterien sinnvoll.“ Durch die Vorschläge eines KI-Tools können Sie sondieren, welche spezifi‐ sche Thematik sich für Ihr Forschungsprojekt eignet, wo Ihre Interessen liegen, zu welchen Themen Sie auch auf entsprechende Untersuchungsma‐ terialien zugreifen können. Und selbst dann, wenn Sie sich für bestimmte Eingrenzungen entschieden haben, können Sie KI-Tools weitere Eingren‐ zungen vornehmen lassen - so lange, bis das Thema wirklich ausreichend eingegrenzt ist. In manchen Fächern ist es auch so, dass Sie Datensätze haben, zu denen Sie Ihre Arbeit schreiben wollen, z. B. die Daten der PISA-Studien. Wenn Sie hier explorativ vorgehen und sich mögliche Themen für eine quantitative Analyse überlegen, können KI-Tools wie ChatCSV hilfreich sein. Dieses Tool erlaubt es Ihnen, CSV-Dateien hochzuladen und mit diesen dann zu ‚chatten‘, d. h. Fragen an den Datensatz zu richten. So können Sie sich dabei unterstützen lassen, geeignete Variablen zu extrahieren, deren vertiefte Betrachtung interessant wäre. Vielleicht haben Sie auch schon die Aussage gehört, dass KI-Tools auf‐ grund der zugrunde liegenden technologischen Funktionsweise nur kano‐ nisches, also schon vorhandenes Wissen reproduzieren, nicht aber neues Wissen generieren können (Friedrich et al., 2024, S. 5). Diese Aussage ist jedoch sehr pauschal; inwiefern sie zutrifft, hängt nicht zuletzt auch vom betrachteten Fachgebiet ab. So zeigt etwa die in der Informatik angesiedelte Studie von Chenglei Si et al. (2024), dass die von KI-Tools für den Forschungs‐ bereich des Natural Language Processing generierten Forschungsideen von menschlichen Forschenden als neuartiger bzw. origineller beurteilt wurden als die Ideen von in diesem Bereich tätigen Forschenden. Generell ist es aktuell wohl die Kombination aus Mensch und Maschine, die die besten Ergebnisse erzielt. KI-Tools können bestehendes Wissen auf eine Weise kombinieren, die uns nicht in den Sinn gekommen wäre - und hier z. B. verschiedene der oben dargestellten Eingrenzungskriterien so kombinieren, wie wir selbst es vielleicht nicht gemacht hätten. Und dann können wir als Menschen ansetzen, um die KI-Generate zu erweitern, unsere Erfahrungen, unser Wissen einbringen und so im Zusammenspiel mit der 4.2 Planung 133 <?page no="134"?> Technologie neues Wissen erzeugen (R. Li, 2024, S. 3). Wenn Sie KI-Tools für Ihre Themenfindung und -eingrenzung nutzen, sollten Sie daher besonderen Wert auf den Dialog mit dem KI-Tool legen (s. Kapitel 3.6), Rückfragen stellen, nach weiteren Ergänzungen und Konkretisierungen fragen und sich so sukzessive dem Thema für Ihre wissenschaftliche Arbeit annähern. Schließlich haben Sie auch die Möglichkeit, ein von Ihnen gewähltes und eingegrenztes Thema von einem Tool wie ChatGPT oder Mistral kritisch begutachten zu lassen. Hier kommt es, wie immer, auf einen präzise formulierten Prompt an, in dem Sie ausreichend Kontext zur Verfügung stellen. So müssen Sie dem KI-Tool die Kriterien geben, anhand derer es Ihr gewähltes Thema beurteilen soll. Möglicherweise haben Sie von Ihren Betreuenden Kriterien ausgegeben bekommen, denen ein Thema genügen muss, oder Sie wissen ohnehin, welche Kriterien in Ihrem Fach üblich sind, an denen sich eine wissenschaftliche Arbeit orientieren muss. Beispielprompt | „Du bist die Betreuerin meiner Bachelorarbeit im Fach [FACH]. Als solche hast du die Aufgabe, das von mir als Studentin ausgewählte Thema für meine Bachelorarbeit kritisch zu prüfen und mir eine Rückmeldung dazu zu geben. Bitte gib mir eine Rückmeldung dazu, ob sich das Thema für eine Bachelorarbeit eignet und ob es klar genug eingegrenzt ist. Sag mir außerdem, was an der Bearbeitung dieses Themas im Rahmen einer Bachelorarbeit möglicherweise schwierig sein könnte.“ Wichtig ist hierbei: Auch wenn sich das Feedback des KI-Tools vermutlich sehr schön und elaboriert lesen lassen wird, sollten Sie es doch nicht direkt für bare Münze nehmen. Im Gegensatz zu Ihrer menschlichen Betreuerin verfügt das KI-Tool über kein Fachwissen und entsprechend auch über kein Wissen darüber, welchen Kriterien ein Forschungsthema in Ihrem Bereich genügen muss. Sie sollten daher das KI-Feedback immer kritisch hinterfra‐ gen und es in Kombination mit der Beratung durch Ihre Betreuenden nutzen. Entwicklung einer Forschungsfrage Die präzise Formulierung einer Forschungsfrage ist für wissenschaftliche Arbeiten in vielen Fächern von elementarer Bedeutung. Ohne eine präzise formulierte und ausreichend fokussierte Fragestellung sind Schreibprojekte 134 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="135"?> in vielen Fächern zum Scheitern verurteilt. Es reicht also nicht aus, lediglich ein Thema zu benennen - vielmehr muss dazu eine konkrete Fragestellung entwickelt werden. Der Grund dafür liegt in der Natur wissenschaftlichen Arbeitens: Ziel ist es dabei nicht, einfach alles, was Sie zu einem Thema wissen, aufzuschreiben (das wäre ein „Knowledge Telling Paper“), sondern vorhandenes Wissen gezielt auf einen spezifischen Bereich anzuwenden, ein klar umrissenes Erkenntnisinteresse zu verfolgen und so neue Erkenntnisse zu generieren (das ist ein „Knowledge Transforming Paper“; Rienecker & Jørgensen, 2018, S.-40). Lassen Sie uns zu Beginn daher eine Trennung der verschiedenen Begriffe vornehmen (Rienecker & Jørgensen, 2018, S.-94): • Thema: Ein bestimmter Bereich, z. B. ‚Digitalisierung im Bildungswesen‘ • Problem: Etwas innerhalb dieses Bereichs, das einer Lösung bedarf, z. B. ‚Ungleiche digitale Ausstattung von Schulen‘ • Problembereich: Der Kontext, in dem das Problem existiert, z. B. ‚Bil‐ dungsgerechtigkeit im digitalen Zeitalter‘ • Forschungsfrage: Eine konkrete Frage innerhalb des Problembereichs, z. B. ‚Wie beeinflusst die unterschiedliche digitale Ausstattung von Schulen die Bildungschancen von Schüler: innen in urbanen und ländli‐ chen Gebieten? ‘ Die Entwicklung einer präzisen Forschungsfrage ermöglicht es Ihnen also, Ihrer Arbeit einen klaren Fokus zu geben und erleichtert es Ihnen, sich in der Fülle des vorhandenen Wissens zu einem Thema nicht zu verlieren. KI-Tools können bei der Entwicklung einer Forschungsfrage wertvolle Unterstützung leisten. Im Folgenden finden Sie einige Ansätze, wie genau KI-Tools Ihnen in diesem Prozessschritt assistieren können: • Brainstorming mit Leitfragen: Judith Wolfsberger (2021, S. 81) schlägt folgende Fragen als Ausgangspunkt vor, um eine Forschungsfrage zu entwickeln: - Welche Überlegungen, Beobachtungen, Erkenntnisse haben Sie auf dieses Thema neugierig gemacht? Was interessiert Sie an diesem Thema besonders? - Was waren Ihre allerersten Ideen und Bilder zu diesem Thema? - Haben Sie Zugang zu besonderem Material, eigene Erfahrungen, eine spezifische Perspektive? 4.2 Planung 135 <?page no="136"?> - Worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Worum geht es Ihnen im Kern? - Welches Material könnte Ihnen helfen, Ihre Forschungsfrage zu beantworten? - Mit welchem analytischen Werkzeug könnten Sie Ihr Material befragen und bearbeiten? - Wem könnte Ihre Abschlussarbeit nützlich sein? - Gibt es eine Verbindung zwischen Ihrer Abschlussarbeit und Ihrer möglichen, zukünftigen Berufstätigkeit? Probieren Sie doch einmal aus, diese Fragen mündlich und ohne groß nachzudenken zu beantworten und Ihre Antworten dabei in ein KI-Tool einzusprechen, etwa in die iOS- oder Android-App von ChatGPT. Lassen Sie das Tool anschließend aus Ihren spontan formulierten Gedanken eine Liste mit möglichen Forschungsfragen generieren. Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT]. Hier ist mein Brainstorming, das ich auf dem Weg zur Findung einer Fragestellung durchgeführt habe. Generiere daraus bitte eine Liste von drei bis sechs möglichen Forschungsfragen für mein Thema, die ich im Rahmen meiner Masterarbeit beantworten kann. Beachte dabei: Eine gute Forschungsfrage benennt zum einen ein konkretes Phänomen, das untersucht wird, und hat zum anderen eine fundierte fachliche Basis. Die Forschungsfragen sollen die Form einer W-Frage haben und entsprechend nicht nur mit ‚ja‘ oder ‚nein‘ zu beantworten sein, ein konkretes Problem als Ausgangspunkt haben, wert- und lösungsneut‐ ral sowie präzise formuliert sein. Es soll nur eine Hauptfrage geben.“ Anschließend müssen Sie die Vorschläge des KI-Tools anhand der generellen (s. Beispielprompt) sowie der fachspezifischen Kriterien für gute Forschungsfragen überprüfen. • Sokratischer Dialog: Der sokratische Dialog ist eine Gesprächstechnik, deren Ziel es ist, durch gezieltes Fragen das Denken des Gegenübers anzuregen und zu vertiefen. Dabei fungiert die Fragestellerin quasi als „‚Geburtshelfer[in]‘, [die ihr] Gegenüber […] darin unterstützt, Erkennt‐ nis durch Selbstdenken hervorzubringen“ (Opper, 2023, S. 3). Katharina Opper (2023, S. 4), die diese Methode für KI-Tools adaptiert hat, schreibt 136 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="137"?> dazu: „Das gewohnte Prinzip, eine Frage an KI zu richten und sofort vermeintliche Lösungen zu erhalten, wird damit umgedreht: KI stellt die Fragen, die Nutzenden antworten […]. Ein wesentlicher Vorteil dieser Herangehensweise ist, dass die Eigenleistung der Lernenden im Vordergrund steht und das Risiko von Fehlinformationen der KI mini‐ miert wird“. Im Kontext der Entwicklung einer Forschungsfrage können Sie sich von einem KI-Tool in dieser Weise zu Ihrem Schreibprojekt ‚interviewen‘ lassen. Durch gezieltes Nachfragen assistiert das Tool dabei, Ihre Gedanken zu präzisieren, Annahmen zu hinterfragen und mögliche Forschungsfragen zu entwickeln. Beispielprompt | „Du bist eine erfahrene Wissenschaftlerin im Fach‐ bereich [FACH]. Bitte führe mit mir ein sokratisches Gespräch über das Thema meiner Dissertation [THEMA]. Stelle mir Fragen, die mir helfen, mein Erkenntnisinteresse zu konkretisieren und so eine präzise Forschungsfrage zu entwickeln.“ Weiterführende Ressource | Katharina Opper hat auf der Plattform Poe einen Chatbot erstellt, den Sie für einen sokratischen Dialog nutzen können (https: / / poe.com/ SokratischerDialog_5). Wer sich nicht bei Poe registrieren möchte, findet in Opper (2023) den zugrunde liegenden Prompt, kann diesen in ein anderes KI-Tool kopieren und dort dann den sokratischen Dialog durchführen. 4.2 Planung 137 <?page no="138"?> Abbildung 16 | Chatbot Sokratischer Dialog via Poe Wenn Sie erste Ideen für genaue Forschungsfragen haben, eignen sich KI-Tools gut als Assistenten, um diese Fragen kritisch zu beleuchten und deren Passung zu Ihren Ideen, Gedanken und Vorstellungen von Ihrer Arbeit zu prüfen. Im Folgenden stelle ich Ihnen ein paar Möglichkeiten für eine solche Unterstützung von KI-Tools vor: • Strukturierung mit dem Dreischritt (Grieshammer et al., 2019, S. 178f.): Nachdem Sie verschiedene Fragestellungen entwickelt haben, lassen sich diese mithilfe des folgenden Dreischritts strukturieren und präzisieren: a) Thema benennen: „Ich untersuche/ arbeite an …“ b) Fragestellung einar‐ beiten: „…, weil ich verstehen/ herausfinden/ nachvollziehen möchte, …“ c) Untersuchungsziel definieren: „…, um zu überlegen/ festzustellen/ zu prüfen/ herauszufinden, …“ Beispielsweise können Sie ein KI-Tool Ihrer Wahl dazu nutzen, Ihre favorisierten Fragestellungen in dieses Schema einzuarbeiten. Anschließend ist es an Ihnen, zu beurteilen, welche Forschungsfrage am besten Ihrem Erkenntnisinteresse entspricht. Auf diese Weise werden Sie zu 138 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="139"?> einer wertvollen Reflexion darüber angeregt, warum Sie sich am Ende genau für die eine Fragestellung entschieden haben. • Abstract: KI-Tools sind sehr gut dazu geeignet, Sie dabei unterstützen, Ihrem eigentlichen Erkenntnisinteresse immer näherzukommen und so zu entscheiden, woran genau Sie forschen möchten. Zu diesem Zweck ist es etwa möglich, einem KI-Tool Ihre favorisierte Forschungsfrage zu geben und sich ein Abstract dazu generieren zu lassen. Das Abstract können Sie anschließend unter dem Aspekt lesen, ob Sie dieses für passend halten oder ob Sie an manchen Stellen - oder insgesamt - das Gefühl haben, dass es nicht den Kern dessen trifft, was Sie erforschen möchten. • Sparring: Profitieren Sie von KI-Tools, indem Sie diesen die Rolle von Sparringpartnern zuweisen. Als solche ist es deren Aufgabe, Ihre gewählte Forschungsfrage kritisch zu analysieren. Fügen Sie Ihre Forschungsfrage in einen Prompt ein und fragen Sie etwa danach, welche Schwierigkeiten bei deren Bearbeitung auftreten könnten, welche Argumente gegen eine solche Forschungsfrage sprechen, bei welchen Aspekten Sie ggf. nachschär‐ fen müssen etc. Sie können sich auch eine Liste von Varianten Ihrer Forschungsfrage ausgeben lassen, in der diese präziser formuliert sind, der Schwerpunkt anders gesetzt ist etc., und können so den Mehrwert (oder auch die Schwachstellen) Ihrer Variante herausarbeiten. Vergessen Sie bei all Ihren Interaktionen mit den KI-Tools nicht, dass eine gute Forschungsfrage immer den aktuellen Forschungsdiskurs in Ihrem Fach berücksichtigen und daraus hervorgehen sollte. An dieser Stelle sind KI-Literaturrecherche-Tools aufgrund der damit verbundenen Limitationen (s. Kapitel 4.3) nur bedingt einsetzbar. Ob Sie mit Ihrer Forschungsfrage eine Forschungslücke adressieren, müssen letzten Endes Sie selbst beurteilen, sollte dies eine Vorgabe für Ihre wissenschaftliche Arbeit sein. Achten Sie außerdem darauf, dass Ihnen ausreichend Literatur als Grundlage für die Bearbeitung Ihrer Forschungsfrage zur Verfügung steht. Je nach Fachgebiet enthalten Forschungsfragen auch die zu untersuchen‐ den Variablen. In diesem Fall müssen Sie i. d. R. a) die abhängigen Variablen (AV) definieren, also die Größen, die untersucht werden sollen, b) die unab‐ hängigen Variablen (UV), also die Größen, die verändert werden, um deren Effekte auf die AV zu messen, und c) ggf. auch die Kontrollgrößen, also die Bedingungen, die potenziellen Einfluss auf die gemessenen Effekte haben. Durch die Formulierung eines entsprechenden Prompts können Sie sich auch hierbei von KI-Tools unterstützen lassen, etwa bei der Entscheidung, 4.2 Planung 139 <?page no="140"?> welche Größen jeweils die AV und welches die UV sind. Lassen Sie sich dabei nicht nur die Ergebnisse ausgeben, sondern lassen Sie sich auch erklären, wie diese zustande kommen, warum also Größe X als AV und Größe Y als UV klassifiziert wurde. Am Ende verantworten Sie das Vorgehen Ihrer wissenschaftlichen Arbeit und müssen im Zweifel Fragen dazu beantworten bzw. Ihr Vorgehen verteidigen. Bei empirischen Arbeiten ist außerdem die Frage zu stellen, ob und wie alle Begriffe in Ihrer Forschungsfrage operationalisierbar sind. Ope‐ rationalisierung bedeutet, abstrakte Konzepte oder Begriffe in konkret messbare Variablen oder Indikatoren zu übersetzen, sodass sie empirisch erfassbar werden. Haben Sie in Ihrer Forschungsfrage etwa den Begriff ‚Arbeitszufriedenheit‘ verwendet, müssen Sie festlegen, wie genau Sie Arbeitszufriedenheit messen wollen. An dieser Stelle kommt der Punkt der Methodenwahl ins Spiel. Auswahl einer Forschungsmethode Jede Disziplin hat ihre eigenen wissenschaftlichen Methoden bzw. spezifi‐ sche Ausgestaltungen davon. Bisweilen ist auch allein aufgrund der Wahl einer bestimmten Betreuerin festgelegt, mit welcher Methode Sie arbeiten. Ist dies nicht der Fall und haben Sie mehr Freiheiten bei der Entscheidung für eine Methode, können Sie sich basierend auf Ihrer Forschungsfrage auch hier von KI-Tools inspirieren lassen. Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT] Meine Forschungs‐ frage lautet: [FORSCHUNGSFRAGE]. Bitte identifiziere die Hauptbe‐ griffe in dieser Frage und schlage für jeden Begriff mögliche Wege zur Operationalisierung vor. Berücksichtige dabei etablierte Methoden in [FACH].“ Inwiefern KI-Tools Ihnen passende fachspezifische Methoden vorschlagen können, hängt sicher vom Fachgebiet ab: Für große Fächer wird dies eher möglich sein als für kleine Orchideenfächer. Das eigene Wissen um fachspezifische Methoden ist insgesamt aber unerlässlich. Auch können KI-Tools nicht für Sie entscheiden, ob Sie eine bestimmte Methode wirk‐ lich durchführen können, ob Sie also den Aufwand im Rahmen Ihrer wissenschaftlichen Arbeit leisten können und zudem Zugang zu relevanten 140 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="141"?> Materialien, Laboren etc. haben. Wenn Ihnen ein Experiment in einem Kernreaktor vorgeschlagen wird, Sie aber keinen Zugang zu einem solchen haben, ist dies natürlich keine passende Methode. Entwicklung von Hypothesen Nachdem wir uns damit beschäftigt haben, wie KI-Tools bei der Entwicklung einer Forschungsfrage unterstützen können, wenden wir uns schließlich noch der Formulierung von Hypothesen zu. Im Gegensatz zu Forschungs‐ fragen, die Sie in nahezu jeder Disziplin für eine wissenschaftliche Arbeit benötigen, ist es nicht in allen Fachgebieten üblich, Hypothesen zu formu‐ lieren bzw. ist deren Funktion je nach Fachgebiet unterschiedlich. Eine Hypothese ist eine vorläufige, überprüfbare Annahme über einen Zu‐ sammenhang oder eine Beziehung zwischen zwei oder mehr Variablen. Sie stellt eine mögliche Antwort auf Ihre Forschungsfrage dar und wird im Laufe der wissenschaftlichen Untersuchung entweder bestätigt oder widerlegt. Basierend auf Ihrer Forschungsfrage können Sie ein KI-Tool mögliche Hypothesen generieren lassen. Hier ist es sinnvoll, in Ihrem Prompt auch die Ergebnisse Ihrer bisherigen Literaturrecherche zu verarbeiten, da sowohl die Forschungsfrage als auch die Hypothesen immer auch aus dem aktuellen Forschungsdiskurs hervorgehen sollten. Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT] Generiere fünf mög‐ liche Hypothesen für meine Forschungsfrage [FORSCHUNGSFRAGE]. Achte darauf, dass die Hypothesen spezifisch, messbar und überprüf‐ bar sind, dass sie widerlegt werden können und wertfrei formuliert sind. Berücksichtige außerdem den aktuellen Forschungsstand, den ich hier stichpunktartig zusammenfasse [ZUSAMMENFASSUNG FOR‐ SCHUNGSDISKURS].“ Eine klar formulierte Forschungsfrage und ggf. Hypothesen bilden hilfrei‐ che Leitplanken auf dem Weg vom sprichwörtlichen ‚leeren Blatt‘ zum abgabefertigen Text. Wie nun aber schon häufig betont, ist es im Sinne der Rekursivität und Iterativität des Schreibprozesses (s. Kapitel 3.1) keineswegs so, dass Sie zu Beginn Ihre Forschungsfrage festlegen und diese dann ‚in Stein gemeißelt‘ ist. Meist verändert sich die Forschungsfrage immer wieder stückweise, je tiefer Sie sich mit der Literatur und Ihrem Untersu‐ 4.2 Planung 141 <?page no="142"?> 33 Die Gliederung des vorliegenden Buches habe ich tatsächlich ziemlich kurz vor Abgabe des Manuskriptes nochmals komplett umgeworfen, basierend auf dem sehr sinnvollen und klugen Feedback einer Leserin. chungsgegenstand auseinandersetzen und je mehr Erkenntnisse Sie haben. Insofern gehen wir im Folgenden zwar über zur weiteren Strukturierung Ihrer Gedanken und Ihres Forschungsvorhabens in Form einer Gliederung, doch ist damit keineswegs gesagt, dass Sie eine Gliederung erst erstellen können, wenn Sie sich zu 100 % auf ein Thema, eine Forschungsfrage und ggf. Hypothesen festgelegt haben. Erstellung einer Gliederung Kommen wir nun also zum ‚Fahrplan‘ für Ihre wissenschaftliche Arbeit, zum Grundgerüst, das sowohl Ihnen als auch Ihren Lesenden als Orientie‐ rungshilfe dient. Die Gliederung einer wissenschaftlichen Arbeit ist deren ‚Aushängeschild‘ - allein durch einen Blick darauf sollten die Lesenden eine erste klare Vorstellung von Ihrem Text bekommen. Jeder Gliederungspunkt sollte dabei auf das übergeordnete Ziel der Arbeit einzahlen, das in der Beantwortung Ihrer Fragestellung besteht. Anders formuliert: Sie müssen sich fragen, was Sie alles tun müssen, welche Gliederungspunkte Sie also ansetzen müssen, um am Ende Ihre Forschungsfrage zu beantworten. Umgekehrt ist es wichtig, zu prüfen, ob jeder Gliederungspunkt tatsächlich notwendig ist und wie er zur übergeordneten Argumentation und damit zur Beantwortung der Forschungsfrage beiträgt. Eine gute Gliederung ist für die Adressat: innen prägnant und informativ, weist einen roten Faden auf, stellt klar erkennbare und logische Hierarchien sowie Beziehungen zwischen den einzelnen (Unter-)Kapiteln her und ist für Sie als Verfasser: in handlungsanleitend, sagt Ihnen also, was Sie in den einzelnen Kapiteln jeweils zu tun haben. Eine Gliederung ist kein starres Konstrukt. Im Laufe des Schreibprozesses werden Sie neue Erkenntnisse gewinnen, die möglicherweise Anpassungen erfordern. Daher sollten Sie immer dazu bereit sein, Ihre bisherige Gliede‐ rung in Teilen umzuwerfen. 33 Es gibt verschiedene Typen von Gliederungen, die abhängig von der Art Ihrer Arbeit, Ihrem Erkenntnisinteresse und auch Ihrem Fachgebiet sind (Esselborn-Krumbiegel, 2017, S.-115ff.): 142 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="143"?> • Chronologische Gliederung: Wenn Sie Ihr zu untersuchendes Material zeitlich ordnen können und der zeitlichen Abfolge bei Ihrer Auseinan‐ dersetzung mit dem Material folgen, bietet sich eine chronologische Gliederung an. • Systematische Gliederung: Haben Sie mehrere hierarchisch gleichwer‐ tige Kategorien, die Sie untersuchen, können Sie eine systematische Gliederung wählen und dabei „die Antworten auf die Unterfragen [Ih‐ res] Themas wie Perlen auf einer Kette gleichberechtigt nebeneinander auf[reihen]“ (Esselborn-Krumbiegel, 2017, S.-119). • Deduktive/ induktive Gliederung: Hier bestimmen Hypothesen und de‐ ren Belege die Struktur. Die deduktive Gliederung beginnt mit allge‐ meinen Theorien oder Hypothesen und arbeitet sich zu spezifischen Beweisen und Ergebnissen vor. Die induktive Gliederung startet mit spezifischen Beobachtungen und führt zu allgemeinen Schlüssen oder Theorien. • Kausale Gliederung: Untersuchen Sie kausale Zusammenhänge zwi‐ schen verschiedenen Aspekten, bietet sich eine Ursache-Wirkungs-Glie‐ derung an. • Relationsgliederung: Geht es in Ihrer Arbeit um einen Vergleich, können Sie durch dieses Gliederungsschema zwei oder mehr Objekte oder Konzepte in Beziehung zueinander setzen. In den Naturwissenschaften sind Sie i. d. R. gar nicht mit der Herausfor‐ derung konfrontiert, eine spezifische Gliederung zu erstellen, da hier das IMRaD-Schema dominiert (Introduction, Materials and Methods, Results, and Discussion). Welcher Gliederungstyp passt nun am besten zu Ihrer Forschungsfrage? Wenn Sie Schwierigkeiten haben, sich hier festzulegen, können Sie unter‐ stützend auf KI-Tools zurückgreifen. Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT]. Welcher Gliederungstyp (systematisch, chronologisch, deduktiv, induktiv, kausal oder relational) wäre für die Bearbeitung meiner Forschungsfrage am sinn‐ vollsten? Bitte erkläre kurz die Vor- und Nachteile jedes vorgeschlage‐ nen Typs.“ 4.2 Planung 143 <?page no="144"?> Um den Vorschlag des KI-Tools nachvollziehen und damit auch beurteilen zu können, ist der letzte Satz des Prompts besonders wichtig. So ist es mög‐ lich, einzuschätzen, inwiefern dem Vorschlag des KI-Tools die passenden Kriterien zugrunde liegen. Haben Sie Ihre einzelnen Gliederungspunkte schon in eine vorläufige Anordnung gebracht, können Sie sich von einem KI-Tool verschiedene alternative Anordnungen der Punkte ausgeben lassen. Auch hier sollten Sie sich jede Anordnung kommentieren lassen, um darauf basierend Stärken und Schwächen beurteilen zu können. Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT]. Hier ist die vor‐ läufige Gliederung für meine wissenschaftliche Arbeit. Bitte schlage drei alternative Anordnungen der einzelnen Kapitel vor und erkläre jeweils die Vor- und Nachteile im Hinblick auf die logische Struktur und die Beantwortung meiner Forschungsfrage. Berücksichtige bei den Vorschlägen, dass jeder Gliederungspunkt zur Beantwortung der Forschungsfrage beitragen sollte, dass anhand der Gliederung der rote Faden der Arbeit sichtbar sein sollte und dass die Struktur zielgerichtet auf die Beantwortung der Forschungsfrage hinführt.“ Zusätzlich lässt sich dieser Prompt auch um die Angabe dessen erweitern, was Sie glauben, alles tun müssen, um am Ende Ihre Forschungsfrage beantworten zu können: „Um die Forschungsfrage X zu beantworten, muss ich wohl erst einmal die Begriffe A, B und C definieren, anschließend meine Methode einführen etc. Ich sollte außerdem irgendwo erläutern, dass …“. Jedes Kapitel sollte eine bestimmte Funktion im Text erfüllen. Dies be‐ deutet, dass Sie für jedes Kapitel und Unterkapitel eine eigene leitende Frage und eine eigene Zielsetzung brauchen. Von einem KI-Tool wie ChatGPT können Sie sich als Unterstützung die Gliederung Ihrer Arbeit als Abfolge einzelner Fragen ausgeben lassen, die jeweils beantwortet werden müssen. Auf diese Weise erhalten Sie eine Art ‚Roadmap‘ als Orientierungshilfe beim Schreiben der einzelnen Kapitel. Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT]. Dies ist die Glie‐ derung meiner Arbeit. Gliederungen in wissenschaftlichen Arbeiten dienen als eine Art Fahrplan für das Schreiben des Textes. Jedes Kapitel 144 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="145"?> und jedes Unterkapitel sollte dabei im Idealfall eine eigene Unterfrage beantworten. Bitte wandle meine Gliederung deshalb in eine Abfolge von Fragen um, die alle der Beantwortung der übergeordneten Frage‐ stellung dienen und die ich beim Schreiben der einzelnen (Unter-)Kapitel beantworten sollte.“ Sehen Sie sich die KI-generierte Antwort anschließend genau durch und beurteilen Sie, ob die Fragen einen roten Faden aufweisen und der Beant‐ wortung Ihrer Forschungsfrage dienen. Wenn Sie sich für eine vorläufige Anordnung Ihrer Gliederungspunkte entschieden haben, sollten Sie noch einen Blick auf deren genaue Formulie‐ rung werfen. Wichtig ist, dass die sinntragenden Begriffe aus dem Titel Ihrer Arbeit und aus Ihrer Forschungsfrage in der Gliederung auftauchen - dies können Sie relativ einfach und ohne KI-Unterstützung selbst überprüfen. Die Überschriften sollten dann so prägnant, klar und informativ wie möglich sein. Des Weiteren sollten Sie für die Formulierung den sog. Nominalstil wählen. Dies bedeutet, dass Verben nur in der substantivierten Form ver‐ wendet werden (Durchführung, Analyse, Interpretation). In den Überschrif‐ ten dürfen sich i. d. R. weder (Halb-)Sätze noch Fragen finden. Verwenden Sie außerdem entweder konsequent bestimmte bzw. unbestimmte Artikel in Ihren Überschriften oder lassen Sie Artikel ganz weg (Kritische Betrach‐ tung des Hamburger Verständlichkeitsmodells vs. Eine kritische Betrachtung des Hamburger Verständlichkeitsmodells). Wenn Sie Schwierigkeiten damit haben, Ihre Kapitelüberschriften in diese Form zu bringen, können Sie einem KI-Tool die hier genannten Kriterien zur Verfügung stellen und einen entsprechenden Prompt formulieren, um Ihre vorläufigen Überschriften in eine solche Form zu überführen. Schreiben eines Exposés Als letzten Schritt innerhalb der Aufgabe des Planens wenden wir uns nun noch dem Schreiben eines Exposés zu. Dieses Dokument dient als inhaltlicher wie auch zeitlicher Plan für Ihr Schreibprojekt und fasst die Ergebnisse der bisherigen Planung Ihrer Arbeit zusammen. Während ein Exposé für Hausarbeiten eher unüblich ist, wird es bei Bachelor- und Masterarbeiten häufiger gefordert und ist für Dissertationen i. d. R. obligatorisch, wobei es auch hier stark von Ihren Betreuenden 4.2 Planung 145 <?page no="146"?> abhängt, ob Sie ein Exposé und ist für Dissertationen i. d. R. obligatorisch schreiben müssen oder nicht. Doch selbst wenn Ihre Betreuenden kein Exposé verlangen, kann es sehr sinnvoll sein, eines zu erstellen. Die Arbeit am Exposé als „provisorische[r] Skizze“ (A. Frank et al., 2007, S. 147) Ihres Forschungsprojektes zwingt Sie dazu, sich über wesentliche Aspekte Ihrer Arbeit klar zu werden und kann potenzielle Probleme in der Planung oder Durchführung aufdecken. Ein Exposé umfasst i.-d.-R. folgende Elemente: 1. Thema und Themeneingrenzung 2. Fragestellung und ggf. Hypothesen 3. Zielsetzung und Erkenntnisinteresse 4. Forschungsstand und theoretische Grundlage 5. Methodisches Vorgehen 6. Zu untersuchendes Material 7. Vorläufige Gliederung 8. Zeitplan Die genauen Bestandteile können jedoch variieren. Erkundigen Sie sich daher bei Ihren Betreuer: innen nach den spezifischen Anforderungen oder überlegen Sie, welche Bestandteile Sie selbst hilfreich finden. Wenn Sie sich Ihrem Exposé schrittweise nähern möchten oder wenn kein formelles Exposé gefordert ist, Sie aber dennoch mehr Klarheit über Ihr Projekt erlangen möchten, bietet sich die Methode des Blitzexposés an. Bei dieser Schreibstrategie beantworten Sie verschiedene Fragen zu Ihrer Arbeit möglichst schnell und assoziativ. Ziel ist es nicht, perfekte, ‚geschliffene‘ Formulierungen zu finden, sondern Sie zum Weiterdenken anzuregen. Dies sind mögliche Fragen für Ihr Blitzexposé (die Fragen stammen aus A. Frank et al., 2007, S.-29 und Kruse, 2007, S.-135): • Thema, Themeneingrenzung: Worum soll es in Ihrer Arbeit gehen? Was steht im Mittelpunkt? • Fragestellung/ These/ Arbeitshypothese: Welches theoretische, prakti‐ sche, empirische, soziale, politische, … Problem ist Ausgangspunkt Ihrer Arbeit? Was wollen Sie herausfinden, zeigen oder prüfen? Welche Aspekte sind interessant? • Ziele, persönliches Erkenntnisinteresse: Was soll Ergebnis der Arbeit sein? Was ist daran wichtig? 146 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="147"?> 34 Die Erstellung eines Exposés ähnelt in vielerlei Hinsicht dem Schreiben der Rohfassung Ihrer Arbeit. Für detailliertere Informationen zum Prozess des Schreibens einer Roh‐ fassung und Einsatzmöglichkeiten von KI-Tools für diese Teilaufgabe verweise ich Sie auf Kapitel 4.5. • Methodisches Vorgehen: Wie werden Sie vorgehen? Welche Methoden Ihres Faches werden Sie nutzen? Warum gerade diese? Wie erheben Sie Ihre Daten? Und wie werten Sie sie aus? • Material: Was wird untersucht - welche empirischen Daten oder welche Primärtexte, Quellen, Phänomene? Was sind Ihre Auswahlkriterien, wie ist der Umfang? Welche Fachliteratur wollen Sie verwenden? • Problemaufriss, Beziehung zur vorhandenen Literatur oder Forschung: An welchen Forschungsstand schließen Sie an? Was ist die Forschungs‐ lücke, das fachliche Problem? Welche Erkenntnisse liegen bisher vor und wie soll sich der eigene Beitrag auf diese Erkenntnisse beziehen? • Zeitplan: Welche Meilensteine setzen Sie sich? Wann möchten Sie die Arbeit abgeschlossen haben? Damit die Methode des Blitzexposés Ihren Effekt entfalten kann, ist es sinnvoll, die Fragen selbst zu beantworten und sie nicht von einem KI-Tool beantworten zu lassen. KI-Tools können Sie hier aber anderweitig unter‐ stützen: Wenn Sie die Fragen lieber mündlich als schriftlich beantworten, können Sie Ihre Antworten auf die einzelnen Fragen zunächst in ein KI-Tool wie die iOS- oder Android-Version von ChatGPT einsprechen. Sollten Sie die Fragen mit Stift und Papier beantworten wollen, können Sie Ihren hand‐ schriftlichen Text anschließend fotografieren und ebenfalls in ein KI-Tool hochladen. Mittels eines geeigneten Prompts überführt ein KI-Tool wie ChatGPT oder Gemini Ihre assoziativ und spontan formulierten mündlich geäußerten oder handschriftlich notierten Gedanken anschließend in einen ersten Entwurf für ein Exposé. 34 Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT]. Ich habe gerade mündlich/ handschriftlich verschiedene Fragen zu meiner geplanten wissenschaftlichen Arbeit beantwortet. Bitte überführe meine spontan und assoziativ formulierten Antworten in einen strukturierten Rohtext für ein Exposé. Achte dabei auf eine logische Gliederung und fasse zusammengehörige Punkte sinnvoll zusammen.“ 4.2 Planung 147 <?page no="148"?> Der KI-generierte Rohtext kann anschließend als Grundlage für die Ausar‐ beitung Ihres Exposés dienen. Sie können ihn zusätzlich oder alternativ dazu auch nutzen, um zu überprüfen, ob der entstandene Text mit Ihren Vorstellungen von der Arbeit übereinstimmt. So können Sie Unstimmig‐ keiten aufdecken, fehlende Punkte identifizieren und erkennen, wo Sie möglicherweise noch weitere Literatur benötigen. Allerdings besteht hier auch die Gefahr eines sog. automation bias: Eventuell schätzen Sie den KI-generierten Text besser ein als das, was Sie selbst hätten formulieren können und übernehmen den KI-generierten Text daher recht unkritisch. Das Exposé ist zusammen mit der Gliederung der Fahrplan Ihrer Arbeit - stellen Sie also sicher, dass er Sie wirklich dorthin führt, wo Sie mit Ihrer Arbeit hinmöchten. Im Folgenden geht es nun um Einsatzmöglichkeiten von KI-Tools bei der Literaturarbeit. Auch wenn ich dieses nächste Kapitel in der Gliederung dieses Buches vom Kapitel 'Planung' abgegrenzt habe, bildet die Auseinan‐ dersetzung mit existierender Forschungsliteratur doch einen elementaren Bestandteil der Teilaufgabe ‚Planung‘. Takeaway • Die Planung Ihrer Arbeit bildet das Fundament, auf dem Sie Ihre weitere Forschung aufbauen können. Allerdings ist der For‐ schungsprozess dynamisch und iterativ: Seien Sie daher bereit, Ihre Planung anzupassen, wenn neue Erkenntnisse dies erfordern. • KI-Tools können bei der zeitlichen Planung des Arbeitsprozesses unterstützen, etwa, indem sie größere Aufgaben in kleinere Einzel‐ aufgaben zerlegen. • KI-Tools unterstützen das Brainstorming zur Suche eines geeigne‐ ten Themas für die wissenschaftliche Arbeit und helfen bei der Themeneingrenzung. • Auf dem Weg vom Thema der Arbeit hin zur präzise formulierten Forschungsfrage sind KI-Tools hilfreiche Assistenten, die etwa durch einen sokratischen Dialog oder eine kritische Analyse mög‐ licher Forschungsfragen weiterhelfen. • KI-Tools können basierend auf der Forschungsfrage passende Me‐ thoden vorschlagen und bei der Operationalisierung zentraler Begriffen helfen. 148 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="149"?> • KI-Tools unterstützen ausgehend von der Forschungsfrage und dem Forschungsstand bei der Generierung möglicher Hypothesen. • KI-Tools helfen bei der Wahl des Gliederungstyps, bieten alterna‐ tive Anordnungen von Gliederungspunkten und assistieren bei der Formulierung von Leitfragen für jedes Kapitel. • KI-Tools können aus mündlich oder handschriftlich formulierten Antworten auf Fragen zu Ihrem Forschungsprojekt einen ersten Rohtext für ein Exposé erstellen. 4.3 Literaturarbeit Ziel dieses Kapitels ist es, Ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie KI-Tools Sie bei der Literaturrecherche und beim Lesen von Forschungs‐ literatur unterstützen können. Es werden sowohl KI-gestützte Literatur‐ recherche-Tools vorgestellt als auch Strategien erläutert, wie KI-Tools die klassische Literaturrecherche in traditionellen Fachdatenbanken optimieren können. In Bezug auf KI-Tools, die bei der Lektüre von wissenschaftlicher Literatur Unterstützung versprechen, wird auf deren rechtliche Herausforderungen eingegangen und Sie erhalten konkrete Handlungsempfehlungen für einen verantwortungsvollen Einsatz. Das Kapitel behandelt außerdem den Nutzen und die Grenzen von KI-Tools beim Paraphrasieren von Forschungsliteratur für die eigene wissen‐ schaftliche Arbeit. Welches Vorwissen für dieses Kapitel vorausgesetzt wird: • Kriterien für zitierfähige und zitierwürdige Literatur • Qualitätskriterien für zitierte Literatur • Fachspezifische Zitierkonventionen • Kenntnis über verschiedene Lesestrategien, abhängig vom Leseziel • Kompetenz, die gefundene Forschungsliteratur sinnvoll weiterzu‐ verarbeiten Wissenschaftliches Arbeiten zeichnet sich zentral dadurch aus, dass man das, was man schreibt, durch Belege untermauert - durch Belege sowohl 4.3 Literaturarbeit 149 <?page no="150"?> aus der Literatur als auch aus der eigenen Forschung. Vielleicht empfinden Sie die Suche nach geeigneter Literatur manchmal als anstrengend - man kann es aber auch als tolle Errungenschaft betrachten, dass es dieses System gibt: Irgendetwas behaupten kann jede: r. Doch wenn wir das, was wir behaupten, belegen müssen und darstellen, was andere zu diesem oder jenem Thema schon herausgefunden haben, macht uns dies glaubwürdiger und erlaubt Lesenden, nachzuvollziehen, wie wir zu einer bestimmten Aussage kommen. Mit Gerald Graff & Cathy Birkenstein (2024) kann man das Wesentliche am wissenschaftlichen Arbeiten mit der Formel „They Say - I Say“ zusammenfassen: Man stellt dar, was andere vor einem zu einem Thema gesagt haben (they say), und positioniert sich dann selbst (I say). Beim Recherchieren, beim Lesen und auch bei der Aufbereitung von Literatur für die eigene Forschungsarbeit können KI-Tools unterstützen, wie Sie in diesem Kapitel erfahren werden. Literaturrecherche „Ein Gutteil von Recherche besteht darin, sich Gedanken darum zu ma‐ chen. Der andere Gutteil […] dann darin, zu wissen, wie das am besten umzusetzen ist“ (Baller, 2024). Bei der Umsetzung einer konkreten Suche nach Forschungsliteratur, die für die eigene Arbeit passend ist, können KI-Tools Ihnen auf zwei Arten assistieren: Auf der einen Seite gibt es Lite‐ raturrecherche-Tools, die auf KI-Technologie basieren und die daher anders funktionieren als typische Fachdatenbanken oder Bibliothekskataloge. Auf der anderen Seite können Sie KI-Tools wie ChatGPT, die nicht speziell auf Literaturrecherche ausgerichtet sind, aber auch dafür einsetzen, die ‚klassi‐ sche‘ Literaturrecherche in Fachdatenbanken oder Bibliothekskatalogen zu optimieren. Auf beide Optionen gehe ich im Folgenden ein. Literaturrecherche mit KI-gestützten Literaturrecherche-Tools Im Bereich der Literaturrecherche-Tools, die auf KI-Technologie basieren, lassen sich verschiedene ‚Tool-Familien‘ voneinander unterscheiden. Da sich die Tool-Landschaft schnell verändern kann, gehe ich bei der Erläute‐ rung der vier großen Tool-Familien nicht detailliert auf einzelne Tools ein, sondern mehr auf deren generelle Funktionsweise. Die Schwachstellen der verschiedenen Tool-Familien stelle ich abschließend, also nach Vorstellung der einzelnen Tool-Familien und deren Vorzügen, gesammelt dar. 150 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="151"?> KI-Tools mit Forschungsfrage als Ausgangspunkt Diese Art von Tools bietet einen zentralen Vorteil im Vergleich zu einer klassischen Datenbankrecherche, den Generationen von Studierenden sich wohl erträumt haben: Anstatt aus der Forschungsfrage der eigenen Arbeit erst aufwändig Schlagworte herauszuarbeiten, mit denen dann in verschie‐ denen Kombinationen nach passender Literatur gesucht werden kann, kann man nun die eigene Forschungsfrage direkt in das Suchfeld eingeben (s. Abbildung 17). Abbildung 17 | Literaturrecherche via Elicit Bei Tools wie Elicit (von dem der Screenshot stammt), Consensus, ORKG Ask oder Lumina Chat erhalten Sie auf diese Weise nicht nur diverse Paper zu Ihrer Forschungsfrage ausgegeben. Zusätzlich wird für Sie auch direkt ein kurzer Text generiert, der die Ergebnisse der vom Algorithmus als ‚Top-Paper‘ eingestuften Publikationen zusammenfasst und somit Ihre Forschungsfrage zu beantworten versucht. Wie immer im Kontext von KI-Tools ist aber natürlich Vorsicht geboten: Nur, weil im zusammenfassen‐ den Antworttext eine bestimmte Aussage steht, heißt es noch lange nicht, dass diese auch wirklich stimmt. Man sollte die relevanten Paper deshalb immer selbst sichten. Außerdem wird nicht deutlich, nach welchen Kriterien ein KI-Recherche-Tool ein bestimmtes Paper überhaupt als ‚Top-Paper‘ einordnet (Kubacka, 2024). Diese Einordnung bedeutet absolut nicht, dass das Paper auch wirklich von einer top Qualität ist. 4.3 Literaturarbeit 151 <?page no="152"?> KI-Tools mit Forschungsartikel als Ausgangspunkt (sog. Litmapping-Tools) Tools aus dieser Familie erlauben es Ihnen, ausgehend von einem konkreten Paper nach weiteren, verwandten Artikeln zu suchen. Dies ist z. B. dann vorteilhaft, wenn Ihre Betreuerin Ihnen ein für Ihre Fragestellung zentrales Paper genannt hat und Sie darauf basierend weitere Literatur suchen möch‐ ten. Außerdem können Sie sich bei Tools dieser Art auch die Verbindungen zwischen Papern anzeigen lassen, wer also von wem zitiert wird. Dies sieht dann exemplarisch so aus wie auf dem Screenshot von ResearchRabbit (s. Abbildung 18, ähnlich z.-B. auch Litmaps). Abbildung 18 | Literaturrecherche via ResearchRabbit Das Paper, das als Ausgangspunkt diente, ist Graham (2011). Davon ausge‐ hend wird dargestellt, welche Paper darin zitiert werden und von wem wiederum Graham (2011) zitiert wird. Allerdings ist diese Auflistung in den meisten Fällen nicht vollständig - man sollte also nicht der Illusion erliegen, man hätte damit alle Verbindungen zwischen allen Papern aufgedeckt. Außerdem bedeutet die Tatsache, dass ein Paper oft zitiert wird, nicht 152 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="153"?> zwangsläufig, dass es von guter Qualität ist. Zu diesen ‚Gefahren‘ aber später mehr. Nichtsdestotrotz sind solche KI-Tools auch deshalb toll, da sie ganz praktisch das zu Beginn des Kapitels eingeführte Wissenschaftsprinzip They Say aufzeigen: Wissenschaft ist diskursiv, basiert also immer auf dem, was andere vor einem schon gedacht und gesagt haben. Durch die visualisierten Querverbindungen kommt dies ganz plastisch zum Ausdruck. Übrigens lässt sich etwa in den Geisteswissenschaften so auch erkennen - vorausgesetzt, man hat schon tiefere Kenntnis von einem Forschungsbereich - welcher Denkschule eine Autorin angehört. Noch ein Hinweis: ResearchRabbit gibt einem die Möglichkeit, Sammlungen, die man im Literaturverwaltungspro‐ gramm Zotero erstellt hat, bequem zu importieren. Andere KI-Tools in diesem Bereich, etwa Keenious, zeigen die in einem Paper enthaltenen thematischen Komplexe an und schlagen darauf basie‐ rend zu den verschiedenen Unterthemen passende, verwandte Artikel vor. Abbildung 19 | Keenious Ausgehend von einer Analyse des Papers auf der linken Seite zeigt Keenious an, welche Themen in diesem Paper vorkommen, also etwa „Psychology“ und „Procrastination“ (rechte Seite). Wenn ein Thema angezeigt wird, das im Text gar nicht tangiert wird oder das mir für meine weitere Recherche nicht zentral genug erscheint, kann ich dieses Thema ausklammern und für die weitere Literaturrecherche nur mit den anderen Themen arbeiten. 4.3 Literaturarbeit 153 <?page no="154"?> KI-Tools mit Prompt als Ausgangspunkt Diese Tool-Familie ist zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Kapitels (November 2024) recht klein und besteht meiner Kenntnis nach nur aus a) dem Tool Undermind sowie aus b) Literaturrecherche-Tools, die als GPTs über ChatGPT laufen, mit dem GPT von Consensus als prominentestem Vertreter. Solche KI-Literaturrecherche-Tools erlauben es Ihnen nicht nur, eine Forschungsfrage zu stellen, sondern auch, den Tools Kontext geben, wie es für effektives Prompting wichtig ist (s. Kapitel 3.6). Undermind wirbt dementsprechend auch mit folgendem Versprechen: „Unlike PubMed or Google Scholar, you can tell Undermind exactly what you want, no matter how complex“ (Mail von UndermindAI nach der Registrierung; 03.09.2024). Undermind beginnt nach einem ersten Prompt seitens der Nutzenden nicht direkt mit einer Literaturre‐ cherche, sondern stellt erst Nachfragen, um noch mehr Informationen über den Hintergrund der Suche zu erhalten. Diese Fragen sind meiner Erfahrung nach sehr präzise und ‚klug‘, sodass sie einem auch dabei helfen können, intensiver über den Fokus der eigenen Forschung nachzudenken. Am Ende schlägt Undermind einen Prompt vor, den man ggf. nochmals bearbeiten und dann für die Suche verwenden kann. (s. Abbildung 20). Abbildung 20 | Undermind GPTs für die Literaturrecherche via ChatGPT funktionieren ähnlich, aller‐ dings beginnen diese i. d. R. direkt mit der Literaturrecherche und stellen nach einem initialen Prompt keine weiteren Rückfragen (s. Abbildung 21). 154 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="155"?> Abbildung 21 | GPT von Consensus für Literaturrecherche via ChatGPT KI-Tools mit Stichwort(en) als Ausgangspunkt Eine letzte Familie innerhalb der KI-Literaturrecherche-Tools funktioniert ganz ‚klassisch‘, wie man es auch von traditionellen Fachdatenbanken und Bibliothekskatalogen kennt, über die Eingabe von Stichworten. Beispiele hierfür wären Open Knowledge Maps und SciLynk. Bei Open Knowledge Maps werden aus den eingegebenen Stichworten ‚Wissenslandkarten‘ bzw. Wissensgrafen erzeugt, die verschiedene Unterthemen zum eingegebenen Stichwort enthalten und innerhalb dieser Unterthemen Paper anzeigen. 4.3 Literaturarbeit 155 <?page no="156"?> Abbildung 22 | Open Knowledge Map Obwohl KI-Tools viele Vorteile für die Literaturrecherche bieten, haben sie auch einige bedeutende Schwachstellen, die es zu berücksichtigen gilt: • Sprachliche Einschränkungen: Die meisten KI-Tools zur Literaturre‐ cherche funktionieren überwiegend auf Englisch. Das bedeutet, dass Publikationen in anderen Sprachen oft nicht oder nur am Rande berücksichtigt werden. Für Forschungsfelder, die sich auf nicht-eng‐ lischsprachige Quellen stützen, sind KI-Literaturrecherche-Tools daher unzureichend. • Begrenzter Zugang zu Datenquellen: Viele KI-Literaturrecherche-Tools greifen nur auf Open-Access-Datenbanken zurück, in vielen Fällen auf Semantic Scholar. Dadurch wird eine Vielzahl wichtiger Forschungs‐ arbeiten ausgeschlossen, die in kostenpflichtigen oder geschlossenen Datenbanken gespeichert sind. Allein schon deshalb empfiehlt es sich, immer auch zusätzliche Recherchen in nicht KI-basierten Fachdatenban‐ ken durchführen. • Beschränkung auf Zeitschriftenartikel: Die meisten KI-gestützten Re‐ cherchetools kennen hauptsächlich Zeitschriftenartikel und ignorieren größtenteils (wenngleich nicht vollständig) andere Publikationsformen wie Monografien oder Sammelbände. Dies kann je nach Fachbereich problematisch sein. Während in den Naturwissenschaften Zeitschriften‐ 156 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="157"?> 35 https: / / support.elicit.com/ en/ articles/ 549569 artikel eindeutig dominieren, sind in den Geisteswissenschaften Mono‐ grafien und Sammelbände oft nach wie vor von zentraler Bedeutung. • Digitalisierungsgrad: KI-Literaturrecherche-Tools berücksichtigen nur digitalisierte Artikel. Ältere oder weniger zugängliche Arbeiten, die nicht digitalisiert sind, werden daher übersehen, was die Vollständigkeit der Literaturrecherche ebenfalls beeinträchtigen kann. • Fehlende Qualitätsprüfung: KI-Literaturrecherche-Tools liefern oft eine große Anzahl von Treffern, ohne dass eine Qualitätsprüfung erfolgt. Ein häufig zitiertes oder auf der Trefferliste weit oben angeführtes Paper bedeutet aber nicht automatisch, dass es von hoher Qualität ist. Forschende müssen die gefundenen Arbeiten daher weiterhin kritisch prüfen und bewerten. Quellenkritik ist ein elementarer Bestandteil von Literaturrecherche - es müssen nicht nur Artikel gefunden, sondern deren Inhalt und Qualität auch kritisch geprüft werden. • Falsche Wiedergabe der Studien: Dieser Punkt gilt für KI-gestützte Lite‐ raturrecherche-Tools, bei denen eine Frage als Grundlage der Recherche dient und diese nach erfolgter Recherche in einem KI-generierten Text beantwortet wird. Dabei kann es aufgrund der Funktionsweise genera‐ tiver KI (s. Kapitel 2) immer zu Fehlern kommen, sodass die Ergebnisse von Studien in diesen Antworttexten ggf. falsch wiedergegeben werden. Die Entwickler: innen hinter Elicit z. B. schreiben auf ihrer Seite zu den Limitationen des Tools (Stand 12/ 2024): „It’s more helpful to think of Elicit-generated content as around 80-90 % accurate, definitely not 100 % accurate.” 35 • Vollständigkeitsillusion: Gerade bei den KI-Tools, die einem neben den einzelnen Treffern auch Antworttexte ausgeben, könnte man leicht versucht sein, die Literaturrecherche vorschnell als beendet zu erklären. So wägen wir uns möglicherweise in der falschen Sicherheit, einen guten Überblick über ein Thema bekommen zu haben - was mit einer einzigen Suchanfrage aber keineswegs der Fall ist. Insgesamt haben KI-Literaturrecherche-Tools das Potenzial, Ihnen den Ein‐ stieg in die Literaturrecherche zu erleichtern und Ihnen einen ersten Zugang zu einem Thema zu bieten. ‚Klassische‘ Recherchewege in Bibliothekskata‐ logen und Fachdatenbanken können sie jedoch nicht komplett ersetzen - 4.3 Literaturarbeit 157 <?page no="158"?> 36 Ich danke Cedrik Zellmann, den Mitarbeiter: innen der Universitätsbibliothek Frank‐ furt/ Main und Alexander Kaib für die wertvollen Anregungen bei der Entwicklung dieses Kapitels. 37 Trunkierung bezeichnet die Technik, bei der Suchbegriffe mit Hilfe von Platzhaltern, zumeist einem Stern (*) oder Fragezeichen (? ), verkürzt werden, um verschiedene Wortendungen oder Schreibweisen abzudecken. Beispielsweise liefert die Trunkierung ‚Forsch*‘ Treffer zu ‚Forschung‘, ‚Forscherin‘, ‚Forscher‘, ‚Forschungsprojekt‘. Ihnen aber auch hier wertvolle Unterstützung bieten. Um diese Möglichkeit soll es im Folgenden gehen. ‚Klassische‘ Literaturrecherche mit KI-Unterstützung Während ein General Purpose AI-Tool wie ChatGPT nicht unbedingt dazu geeignet ist, passende und real existierende wissenschaftliche Literatur zu finden (außer, Sie nutzen einen speziellen Custom GPT, etwa den von Consensus), kann es Ihnen sehr wohl bei der Vorbereitung Ihrer Literatur‐ recherche helfen. 36 Die Herausforderung besteht bei der ‚klassischen‘ Literaturrecherche über einen Bibliothekskatalog, eine Fachdatenbank oder etwa Google Scho‐ lar zumeist darin, die richtigen Schlagworte zu finden. Hier können Sie ganz niederschwellig ein textgenerierendes Tool wie ChatGPT, Gemini oder Mistral einsetzen und sich bei der Suche nach Schlagworten helfen lassen. Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT] Für meine Literatur‐ recherche benötige ich geeignete Schlagworte, um in Bibliothekskata‐ logen und Fachdatenbanken gezielt nach relevanten wissenschaftlichen Quellen zu diesem Thema zu suchen. Könntest du mir eine Liste von relevanten Schlagworten erstellen, die ich für die Suche nutzen kann? Nutze dafür auch die Booleschen Operatoren AND, OR und NOT. Nimm außerdem an den relevanten Stellen eine Trunkierung 37 vor“. Anstelle von Schlagworten lässt sich auch nach Synonymen, Ober- und Unterbegriffen suchen; außerdem können Sie etwa angeben, dass Sie nur Suchbegriffe auf Englisch haben möchten. Neben solchen relativ einfachen Prompts erstellen textgenerierende KI-Tools auch sog. Suchmatrizen zu einer Forschungsfrage oder einem Forschungsthema. Hier finden Sie eine 158 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="159"?> exemplarische Suchmatrix zum Thema „Soziale Medien und ihre Auswir‐ kung auf Jugendliche“. Aspekte Soziale Medien Jugendliche Auswirkung Synonyme Mediale Kommu‐ nikation Heranwachsende Auswirkung Einfluss Bedeutung, Folge Oberbegriffe Internet, Mobiles Internet, Netzwelt Jugend Junger Mensch Junge Menschen Sozialisation Soziale Entwick‐ lung Entwicklung Unterbegriffe WhatsApp, Insta‐ gram, Facebook, Twitter, Snapchat, TikTok Mädchen Junge Schüler Entgleisung Missbrauch Negativwirkung Medienverhalten Kommunikations‐ verhalten Verwandte Be‐ griffe Digitale Welt Soziale Netze Pubertierende Pubertät Kind Kinder Verhalten Medienverhalten Vergesellschaf‐ tung Rolleneinnahme Sozialpsychologie Andere Sprachen Social network Social community Social media Teenager, Teenie, Teen, Young adult Adolescent Effect, Impression Value Virulence Tabelle 1 | Exemplarische Suchmatrix (eigene Darstellung nach Universitätsbibliothek Siegen, o.-J.) Mit dem Prompt „Erstelle eine Suchmatrix für die Recherche nach wissen‐ schaftlicher Literatur zum Thema ‚Soziale Medien und ihre Auswirkungen auf Jugendliche‘“ habe ich etwa von ChatGPT die folgende Suchmatrix erhalten: 4.3 Literaturarbeit 159 <?page no="160"?> Abbildung 23 | Suchmatrix, generiert von ChatGPT Hätte ich eine genau wie im obigen Beispiel (Abbildung 22) strukturierte Tabelle haben wollen, hätte ich meinen Prompt noch ergänzen können um die Angabe „Führe alle thematischen Aspekte in einer eigenen Spalte auf. Füge dann fünf Zeilen ein: eine mit Synonymen, eine mit Oberbegriffen, eine mit Unterbegriffen, eine mit verwandten Begriffen und eine mit pas‐ senden Begriffen in anderen Sprachen/ in Englisch“. Sie sehen also: Was immer auch Bestandteil Ihrer Suchmatrix sein soll, es lässt sich durch entsprechende Prompts realisieren. Mittels eines Zusatzes wie „Kombiniere die Schlagwörter zu passenden Suchstrings“ erhalten Sie außerdem die passende Suchsyntax, die Sie nach einer Prüfung auf ihre Passung zu Ihrer Intention in das Suchfeld einer Datenbank kopieren können. Weiterführende Ressource | Wenn Sie einen schon vordefinierten Chatbot suchen, der aus einem eingegebenen Thema oder einer einge‐ gebenen Fragestellung direkt Suchstrings mit passenden Schlagworten ableitet, werden Sie bei Poe fündig. Der Nutzer @rbuchkremer hat dort einen Chatbot mit dem Namen „ScientificSearch“ erstellt. In der 160 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="161"?> Beschreibung steht u. a.: „The bot aids in crafting effective search queries within leading literature portals by proposing additional terms and applying operators”. Aus der ersten Nachricht des Bots wird auch direkt deutlich, dass man seine Schlagworte in allen möglichen Sprachen eingeben kann: „Hello, I am your scholarly literature search bot, and I'm here to assist you in discovering articles and conference papers across the most prominent literature portals. Describe your topic in a few keywords, regardless of language, and the bot will generate a search algorithm for key literature search portals.” Wenn Sie bei Poe registriert sind oder sich registrieren möchten (kos‐ tenlos), lohnt es sich, diesen Bot einmal auszuprobieren (https: / / poe.com / ScientificSearch). Takeaway • KI-Tools können die Literaturrecherche auf zwei Arten unterstüt‐ zen: durch spezielle Literaturrecherche-Tools, die auf generativer KI basieren, sowie durch allgemeine KI-Tools (General Purpose AI), die die klassische Literaturrecherche in Fachdatenbanken und Bibliothekskatalogen erleichtern können. • KI-gestützte Literaturrecherche-Tools lassen sich in verschiedene ‚Tool-Familien‘ unterteilen, je nachdem, welchen Ausgangspunkt sie für die Recherche nutzen - eine Forschungsfrage, einen For‐ schungsartikel, einen Prompt oder Stichworte. • KI-Literaturrecherche-Tools weisen einige Schwachstellen auf. Zu diesen zählen sprachliche Einschränkungen, begrenzter Zugang zu Datenquellen, Beschränkung auf Zeitschriftenartikel als Publi‐ kationstyp, Abhängigkeit vom Digitalisierungsgrad, fehlende Qua‐ litätsprüfung, falsche Wiedergabe von Studien, Vollständigkeitsil‐ lusion. Literaturverwaltung Die Literaturverwaltung mit KI-Tools befindet sich im Vergleich zur KI-ge‐ stützten Literaturrecherche in einem frühen Entwicklungsstadium. Einige 4.3 Literaturarbeit 161 <?page no="162"?> 38 Das Add-On ist kostenlos, man benötigt dafür allerdings einen OpenAI API Key. Wenn Sie bei ChatGPT registriert sind, erhalten Sie diesen völlig unproblematisch; für eine genaue Anleitung empfehle ich Ihnen eine Anfrage an die Suchmaschine Ihrer Wahl (DuckDuckGo, Google, Ecosia etc.) KI-Literaturrecherche-Tools bieten ihren Nutzenden zwar schon die Mög‐ lichkeit, dort thematisch sortierte Kollektionen anzulegen. Der große Vorteil etablierter Literaturverwaltungsprogramme wie Zotero oder Citavi besteht aber gerade darin, dass es für diese Programme Word-Add-Ons gibt. Mit deren Hilfe kann man sich in dem Word-Dokument, in dem man seine wissenschaftliche Arbeit schreibt, problemlos ein Literaturverzeichnis ge‐ nerieren lassen. Diese Möglichkeit bieten KI-Literaturrecherche-Tools wie ResearchRabbit oder Elicit (noch) nicht. Fraglich ist auch, ob die Entwicklung überhaupt in Richtung eigenstän‐ diger KI-basierter Literaturverwaltungsprogramme geht oder ob langfristig nicht eher ‚Gesamtlösungen‘ dominieren werden. Damit gemeint sind KI-basierte Plattformen wie Mimir-Mentor oder jenni, auf denen Litera‐ turverwaltung und Erzeugung von Text zusammengedacht werden. Ein separates Textverarbeitungsprogramm wie Microsoft Word und damit ein Word-Add-On ist somit gar nicht mehr nötig, da man sich innerhalb der Tools in einem Fenster die gesammelte Literatur anzeigen lassen und ver‐ walten kann, während man im anderen Fenster direkt auf dieser Plattform seinen Text erzeugt bzw. sich Textbausteine erzeugen lassen kann. Vielleicht rüsten die Literaturverwaltungsprogramme aber auch selbst hinsichtlich generativer KI noch nach. So ist für das Open-Source-Litera‐ turverwaltungsprogramm Zotero beispielsweise schon jetzt die Integration eines AI Research Assistants, kurz Aria, möglich. 38 Das Add-On ist bei Zotero selbst wie folgt beschrieben: „Aria analyzes and understands the content of your Zotero library. It can help streamline your research process by performing automatic literature search, summarization, and question & answer”. Letztlich macht Aria also genau das, was man von einem KI-gestützten Literaturverwaltungsprogramm-Add-On erwarten würde: Es hilft einem, durch die eigene Literatursammlung zu navigieren, eigene Notizen schneller aufzufinden und Fragen an die gesammelten Artikel zu stellen (s. Abbildung 24). Allerdings funktioniert es zumindest aktuell (Stand 12/ 2024) nur mit 162 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="163"?> englischsprachigen Papern und auch nur dann, wenn die PDFs selbst in Zotero gespeichert sind. Abbildung 24 | A.R.I.A. in Zotero Takeaway • KI-basierte Literaturverwaltung steckt noch in den Kinderschuhen. Etablierte Programme wie Citavi und Zotero bieten mit ihren Word-Add-Ons derzeit noch deutliche Vorteile bei der Generierung von Literaturverzeichnissen. • Zukünftig könnten integrierte KI-Plattformen die Literaturverwal‐ tung und Texterzeugung zusammenführen und so separate Litera‐ turverwaltungsprogramme überflüssig machen. Lesen Bevor wir in das Thema ‚Literaturarbeit, sprich Lesen mit KI-Unterstützung‘ einsteigen, muss ich ganz zu Beginn einen wichtigen Hinweis anbringen: KI-Lektüre-Tools wie ChatPDF erfreuen sich großer Beliebtheit. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, was das ‚Kleingedruckte‘ betrifft, wie ich im Folgenden erläutere. 4.3 Literaturarbeit 163 <?page no="164"?> Rechtliche Rahmenbedingungen Schaut man etwa bei ChatPDF in die Nutzungsbedingungen, so steht dort (Stand 12/ 2024): „By sending us Submissions […] you […] warrant that any such Submis‐ sion […] are original to you or that you have the necessary rights and licenses to submit such Submissions […] and that you have full authority to grant us the above-mentioned rights in relation to your Submissions […]; warrant and represent that your Submissions […] do not constitute confidential information”. Dies sind zwei Punkte, die es in sich haben: Zum einen verpflichten Sie sich mit dem Gebrauch von ChatPDF dazu, keine Dokumente hochzuladen, die vertrauliche Informationen beinhalten. PDFs, die Sie etwa von Laborleiten‐ den, Studienleitenden oder Unternehmen erhalten haben, dürfen Sie also auf keinen Fall hochladen. Das mag möglicherweise noch nachvollziehbar sein. Aber was ist mit dem anderen Punkt? Ja, Sie haben richtig gelesen: Sie dürfen zum anderen nur Dokumente hochladen, für die Sie die entsprech‐ enden Rechte innehaben. Bei PDFs mit Forschungsartikeln, die Sie über Ihre Hochschulbibliothek heruntergeladen haben und bei Skripten Ihrer Dozierenden ist dies nicht der Fall: Sie sind nicht deren Urheber: innen und dürfen solche Dokumente daher nicht bei ChatPDF hochladen. Tun Sie das trotzdem, ist dies illegal. In immer mehr Lizenzverträgen zwischen Hochschulbibliotheken und Verlagen wird die Verarbeitung heruntergela‐ dener Paper durch KI-Tools auch explizit ausgeschlossen - es sei denn, die Texte stehen unter entsprechenden Creative Commons (CC)-Lizenzen, also Lizenzen für schöpferische Gemeingüter. Weiter unten heißt es in den Nutzungsbedingungen von ChatPDF dann auch nochmals extra: „As a user of the Services, you agree not to: Upload, share, distribute, or otherwise use any PDF files for which you lack the necessary rights, permissions, or licenses. This encompasses copyrighted material, trade secrets, and confidential documents that you are not explicitly authorized to access or disseminate by the rightful owner(s)”. Das ebenfalls beliebte Tool SciSpace hält in seinen Nutzungsbedingungen ähnliches fest (Stand 12/ 2024): „You agree that you will not post, upload, share, store, or otherwise provide through the Services any User Submis‐ sions that: (i) infringe any third party's copyrights or other rights (e. g., 164 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="165"?> 39 Kritisch angemerkt sei aber, dass große Verlage wie Taylor & Francis und Wiley im Sommer 2024 millionenschwere Verträge mit KI-Unternehmen geschlossen haben, die es diesen erlauben, ihre Sprachmodelle mit den wissenschaftlichen Artikeln der Verlage zu trainieren. In einem diesbezüglichen Artikel von Nature sagt die KI-Forscherin Lucy Lu Wang der University of Washington, dass vermutlich alle wissenschaftlichen Artikel, die online sind, bereits in ein KI-Sprachmodell eingespeist wurden (Gibney, 2024). Die Verlage haben von diesen Deals finanziell stark profitiert, wohingegen die Autor: innen der Artikel leer ausgingen. trademark, privacy rights, etc.)“. Unter diesen Bedingungen dürfen Sie also ebenfalls ausschließlich PDFs hochladen, die Sie selbst erstellt haben, aber keine Artikel anderer (mit Ausnahme von Texten, die unter einer CC-Lizenz stehen). Ein anderer Punkt bei der Nutzung von KI-Lektüre-Tools betrifft die Frage, was mit den hochgeladenen PDFs passiert. Manche Tools behalten sich vor, die hochgeladenen Dateien für das weitere Training ihrer Sprach‐ modelle zu verwenden; bei anderen Tools geben Sie die Rechte an den hochgeladenen PDFs sogar an die Tool-Betreibenden ab. Diese können die Paper dann einfach nach Belieben weiterverwenden, weiterverkaufen, Änderungen vornehmen etc. Die Frage, die sich hier stellt, ist natürlich, wie Verlagsgruppen darauf reagieren, dass immer mehr Nutzende illegalerweise PDFs von ihnen bei solchen KI-Lektüre-Tools hochladen. Es ist zu vermuten, dass die Verlage über kurz oder lang eigene Chatbots etablieren, mittels derer Nutzende mit den publizierten Artikeln chatten können. 39 Die aktuell einzig legale Option, wissenschaftliche Artikel, deren Urhe‐ ber: in Sie nicht sind und die nicht unter einer CC-Lizenz stehen, in ein KI-Tool hochzuladen, besteht in der Nutzung lokal installierter Sprachmo‐ delle, z. B. über LM Studio. Hier läuft ein Sprachmodell komplett lokal auf Ihrem Computer, sodass keine der hochgeladenen Dateien Ihren Computer verlässt und auf irgendwelchen Servern landet, die Sie nicht kontrollieren können. Das Einspeisen von Forschungsartikeln in ein lokal betriebenes Sprachmodell dürfte unproblematisch sein. Sollte Ihre Hochschule einen KI-Zugang anbieten, bei dem Open Source-Sprachmodelle auf hochschulei‐ genen Servern gehostet werden, ist der Upload fremder PDFs wohl ebenfalls unproblematisch. Schließlich können Sie eine lokal abgespeicherte PDF auch mit Microsoft Edge, dem Browser von Microsoft, öffnen (auf Windows-Rechnern ist dieser Browser vorinstalliert). In diesem Fall ist es möglich, auf den Microsoft 4.3 Literaturarbeit 165 <?page no="166"?> Copilot zuzugreifen, mittels dessen Sie mit geöffneten, lokal gespeicherten Dateien interagieren können. Hierfür müssen Sie auch nicht bei Microsoft Copilot angemeldet bzw. registriert sein (s. Abbildung 25). Abbildung 25 | Chat mit einem wissenschaftlichen Artikel via Microsoft Edge/ Microsoft Copilot Chancen & Grenzen des Einsatzes von KI-Tools beim Lesen wissenschaftlicher Texte In der Wissenschaft spielt das Lesen und Verstehen von Fachliteratur eine zentrale Rolle. Ohne die Texte anderer gelesen zu haben, kann man selbst nicht wissenschaftlich arbeiten - immerhin basiert Wissenschaft gerade darauf, dass man auf dem aufbaut, was andere vor einem geleistet haben. Für nicht wenige Studierende ist jedoch gerade dieser Bestandteil des wissenschaftlichen Arbeitens immer wieder mit Frust verbunden: Während man Freizeitlektüre einfach ‚in einem Rutsch‘ durchliest, bedeuten wissen‐ schaftliche Texte oft, dass man sich ‚durchbeißen‘, Passagen mehrmals lesen, sich sehr konzentrieren und viel Zeit investieren muss. Mit dem Aufkommen von KI-Tools eröffnen sich nun neue Möglichkei‐ ten der individuellen Unterstützung des Lektüreprozesses. Es geht hier nicht darum, diesen Prozessschritt komplett an KI-Tools auszulagern. Denn ohne sich detailliert damit auseinanderzusetzen, wie Forschende in ihren Studien vorgegangen sind, können Sie die Ergebnisse schlecht einordnen, 166 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="167"?> daraus nur unzureichend Schlüsse für Ihre eigene Arbeit ziehen und so den Forschungsstand nicht adäquat erkunden. Außerdem haben Sie ohne eine zumindest grobe Lektüre von Texten keine Chance, die Richtigkeit der KI-generierten Aussagen zu beurteilen. Denn es kann auch bei KI-Lek‐ türe-Tools zur Ausgabe falscher Informationen kommen. Obwohl die Tools auf den bereitgestellten Fachtext zugreifen, basieren sie immer noch auf Sprachmodellen und sind daher nicht frei von deren Schwierigkeiten im Umgang mit Informationen (s. Kapitel 2.3). Ich erinnere mich gut an ein recht simples Beispiel: Irgendwann hatte ich einem KI-Lektüre-Tool die Frage gestellt, welches Durchschnittsalter die Proband: innen einer Studie hatten, von der der Text handelte. Obwohl im Text ganz klar stand, dass die Proband: innen im Schnitt 37 Jahre alt sind, gab das Tool mir die Antwort, dass sich eine Antwort auf diese Frage nicht im Text finde. Eventuell lag diese Antwort daran, dass einige der KI-Lektüre-Tools anfällig für das in Kapitel 3.6 erwähnte lost in the middle-Phänomen sind, also für die Tendenz von Sprachmodellen, Informationen in der Mitte längerer Eingabetexte zu übersehen. Wie ferner die Studie von Yekyung Kim et al. (2024) zeigt, haben LLMs wie Claude 3 oder GPT-4 Schwierigkeiten, wenn es darum geht, von umfang‐ reichen Büchern richtige Zusammenfassungen zu erstellen, Behauptungen über die Bücher zu überprüfen oder falsche Behauptungen zu identifizie‐ ren. Menschen, die die KI-generierten Zusammenfassungen der Bücher beurteilten, haben in den Freitextkommentaren 50 % (Claude-3-Opus) bzw. 81 % (GPT-4-Turbo) der Zusammenfassungen als unvollständig und 58 % (Claude-3-Opus) bzw. 69 % (GPT-4-Turbo) als nicht faktentreu bemängelt. Zwar ging es in der Studie um Prosatexte, also nicht um wissenschaftliche Bücher und erst recht nicht um wissenschaftliche Paper, die natürlich einen viel geringeren Umfang haben als ein ganzes Buch. Und natürlich entwi‐ ckeln sich die LLMs kontinuierlich weiter. Dennoch führt diese Studie sehr deutlich vor Augen, dass die menschliche Überprüfung der Faktentreue und Inhaltsauswahl KI-generierter Zusammenfassungen unabdingbar bleibt. Die Verbreitung von KI-Tools im Bereich des wissenschaftlichen Arbei‐ tens wird zu einer immer größeren Flut an Forschungsartikeln führen. Wäh‐ rend es immer leichter wird, KI-basiert einen Überblick über Forschungsar‐ beiten im eigenen Feld zu bekommen, wird es umgekehrt immer schwieriger, die Qualität von Artikeln und deren Passung zur eigenen Forschungsfrage zu beurteilen. So paradox es vielleicht klingen mag: Generative KI im Bereich der Wissenschaft führt nicht dazu, dass die Bedeutung, also der Stellenwert 4.3 Literaturarbeit 167 <?page no="168"?> von Lesekompetenz abnimmt, sondern dass sie im Gegenteil sogar zunimmt (Philipp, 2024). Wenn Sie KI-Tools sinnvoll und bewusst in Ihren Lektüre‐ prozess integrieren, kann Ihnen dies dabei helfen, besser zu werden, als Sie es ohne KI-Tools wären. Sie können durch die Unterstützung von generativer KI wissenschaftliche Texte besser verstehen, mithilfe von KI-generierten Textzusammenfassungen schneller einen breiteren Überblick gewinnen, sich intensiver mit Inhalten auseinandersetzen oder einen fundierten Über‐ blick über Positionen gewinnen (Buck & Limburg, 2024b, S. 16). Setzen Sie KI-Lektüre-Tools aber ohne entsprechende Kompetenz im Umgang mit diesen Tools und auch ohne akademische Lesekompetenz ein, kann dies zu einem Qualitätsverlust Ihres Leseprozesses und damit auch Ihres Outputs führen. Daneben geht es in wissenschaftlichen Arbeiten meist auch nicht darum, das Gelesene einfach zusammenzufassen. Stattdessen sind Sie als Schrei‐ bende dazu aufgefordert, sich mit den Inhalten der Texte auseinanderzu‐ setzen, zu argumentieren, welche Autor: innen die besseren Argumente haben, wenn es sich um widersprüchliche Ansätze handelt und auf dieser Grundlage dann selbst eine Position zu entwickeln (wobei es hier Unter‐ schiede zwischen den Fachdisziplinen gibt). Die Struktur der Argumentation eines wissenschaftlichen Artikels können Sie nur nachvollziehen, wenn Sie diesen auch wirklich selbst gelesen haben - nicht dann, wenn Sie nur eine KI-generierte Zusammenfassung lesen. Sie können die in einem Paper zitierten Quellen ebenfalls nur dann überprüfen, wenn Sie das Dokument geöffnet haben. Zitiert eine Autorin nur Quellen von vor zwanzig Jahren, deren Erkenntnisse ggf. längst überholt sind, finden Sie dies durch eine KI-generierte Zusammenfassung nicht heraus, wohl aber durch die eigene Lektüre. Ehe wir uns konkret anschauen, was einen kompetenten Umgang mit KI-Lektüre-Tools auszeichnet, noch ein letzter Grund dafür, weshalb Sie trotz KI-Tools weiterhin wissenschaftliche Artikel lesen sollten: Jede Fachdisziplin hat ihre spezifischen Konventionen bezüglich Textaufbau, Argumentationsstrukturen und Zitierweisen. Um diese Feinheiten zu er‐ fassen und darauf basierend selbst wissenschaftliche Texte schreiben zu können, die der eigenen Fachkultur angemessen sind, ist es unerlässlich, Forschungsartikel selbst lesen. Wie ich in Kapitel 3.1 dargestellt habe, sind wissenschaftliche Texte nicht nur Behälter von Informationen. Es geht nicht nur um den Inhalt, um das Was, sondern auch um das Wie, also um die Darstellung des Inhaltes. Ein Paper aus der Kulturanthropologie ist ganz 168 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="169"?> anders als ein Paper aus der Wirtschaftschemie, sowohl hinsichtlich der Struktur bzw. des Aufbaus als auch hinsichtlich des Wortschatzes, der Rolle, die die Autorin einnimmt (Ich in der Wissenschaft? ), der Zitierpraxis etc. Konkrete Einsatzszenarien Wie können Sie KI-Lektüre-Tools nun sinnvoll und natürlich in einem rechtlich zulässigen Rahmen in Ihre Arbeit integrieren, ohne die Kontrolle über Ihren Lektüreprozess aus der Hand zu geben und ohne sich blind auf die Tools zu verlassen? Hierzu stelle ich Ihnen im Folgenden eine Abfolge von drei Schritten vor. • Erste Sichtung ohne KI-Unterstützung: Bevor Sie ein KI-Tool verwen‐ den, sollten Sie zunächst selbst eine kurze Sichtung des Artikels vorneh‐ men, den Sie lesen möchten. Lesen Sie das Abstract, scrollen Sie durch das Paper, überfliegen Sie die Einleitung sowie den Schluss und betrach‐ ten Sie gegebenenfalls Abbildungen. Wenn Sie bereits hier feststellen, dass der Artikel Ihrem Erkenntnisinteresse nicht dienlich ist, brauchen Sie sich nicht die Mühe machen, ihn mit einem KI-Lektüre-Tool zu öffnen. Die Vorprüfung hilft Ihnen also, Zeit und Ressourcen zu sparen. • Überblick gewinnen: KI-Tools können Ihnen dabei helfen, schnell die Kernaussagen eines Textes zu erfassen, gerade auch in Hinblick auf Ihre eigene Fragestellung. Dies ist besonders nützlich, wenn Sie sich einen ersten Eindruck von einem umfangreicheren Artikel verschaffen möch‐ ten, den Sie anschließend ggf. selbst lesen möchten. Durch die Nutzung von KI-Tools können Sie die wichtigsten Punkte eines Textes extrahieren und somit schneller entscheiden, ob eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Text sinnvoll ist. Außerdem sind die KI-basiert zusammengefassten Punkte auch insofern hilfreich, als Sie Ihnen den Einstieg in den Text erleichtern. So können Sie sich während der späteren intensiven Lektüre besser orientieren und z. B. einzelne Passagen direkt mit den Hauptaus‐ sagen verbinden. Das KI-Literaturrecherche-Tool Semantic Scholar hat übrigens zu genau diesem Zweck ein integriertes Tool entwickelt, den Semantic Reader. Hier werden KI-basiert Markierungen in einem Artikel vorgenommen, sodass Sie auf einen Blick sehen können, wo im Artikel beispielsweise die Forschungsfrage steht, wo etwas zum Ziel der Studie zu finden ist, wo über die Ergebnisse berichtet wird etc. (s. Abbildung 26). 4.3 Literaturarbeit 169 <?page no="170"?> Abbildung 26 | Abschnittsmarkierungen im Semantic Reader • Textinteraktion: Über eine reine Zusammenfassung hinaus ermöglichen Ihnen KI-Lektüre-Tools schließlich auch, mit wissenschaftlichen Arti‐ keln zu ‚chatten‘. Sie können Fragen zum Inhalt stellen, sich komplexe Passagen oder auch Formeln erklären lassen oder gezielt nach einzelnen Informationen suchen. Von dieser Funktion hört man öfter, dass sie be‐ sonders bei fachfremden oder sehr anspruchsvollen Texten hilfreich ist. Wenn man selbst allerdings (noch) nicht über das entsprechende Vorwis‐ sen verfügt, um den Inhalt der KI-generierten Erklärungen überprüfen zu können, ist auch die Gefahr am größten, ein falsches Verständnis eines Textes zu bekommen. Hilfreich ist die Chat-Funktion übrigens auch dafür, einen zu lesenden Text mit der eigenen Fragestellung zu verbinden und dem KI-Tool z. B. die Frage zu stellen, was der Text dazu zu sagen hat. Durch einen reflektierten Einsatz von KI-Lektüre-Tools können Sie Ihren Leseprozess effizienter gestalten und möglicherweise sogar ein tieferes Verständnis für komplexe Texte entwickeln, wodurch die Qualität Ihres wissenschaftlichen Arbeitens steigen kann. KI-Tools sind dabei im Sinne des AI-Leadership-Gedanken (s. Kapitel 3.2) nützliche Assistenten, die Ihre 170 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="171"?> eigene kritische und fundierte Auseinandersetzung mit Forschungsliteratur unterstützen. So können Sie Texte wirklich durchdringen, die Sie für Ihre eigene Arbeit benötigen. Takeaway • Der Einsatz von KI-Lektüre-Tools wie ChatPDF ist rechtlich prob‐ lematisch, wenn fremde Texte dort hochgeladen werden, da die Nutzungsbedingungen den Upload urheberrechtlich geschützter Texte verbieten. • KI-Lektüre-Tools sollten reflektiert und ergänzend bzw. unterstüt‐ zend eingesetzt werden und nur dann, wenn sich eine nähere Auseinandersetzung mit einem Text auch wirklich lohnt. Die ‚hän‐ dische‘ Vorprüfung eines Artikels durch eine eigene Sichtung ist daher unerlässlich. • KI-Lektüre-Tools können Ihnen dabei helfen, schnell die Kernaus‐ sagen eines Textes zu erfassen und sich innerhalb des Textes zu orientieren. Paraphrasieren Beim wissenschaftlichen Arbeiten ist das Paraphrasieren eine zentrale Kompetenz - dass man also die Gedanken und Ideen anderer Autor: innen in eigenen Worten wiedergibt, ohne dabei den ursprünglichen Sinn zu verfälschen. Paraphrasen, auch indirekte Zitate genannt, sind der Regelfall des Zitierens. Man nutzt sie immer dann, wenn es auf den Inhalt und nicht auf den genauen Wortlaut ankommt. Warum sollte man in seiner Arbeit überhaupt paraphrasieren? Es gibt dafür mehrere Gründe: • Diskursivität von Wissenschaft: Hier sind wir wieder beim zentralen Handlungsschritt jeder wissenschaftlichen Arbeit, dem They Say - I Say, das in diesem Buch schon mehrmals erwähnt wurde. In der Wis‐ senschaft basiert das eigene Arbeiten immer auf den Arbeiten anderer. Die Literatur ist daher quasi Ihre „Dialogpartnerin“ (Stock et al., 2024, S. 80) - in Auseinandersetzung mit ihr entwickeln Sie Ihre eigene Arbeit und damit neue Erkenntnisse. Paraphrasieren ermöglicht es 4.3 Literaturarbeit 171 <?page no="172"?> Ihnen dabei, die Gedanken und Ergebnisse anderer Forschenden in Ihre eigene Arbeit zu integrieren. In manchen Fächern können und sollen Sie neben Paraphrasen auch wortwörtlich zitieren (insbesondere in den Geisteswissenschaften), in anderen Fächern ist ein solches direktes Zitat unüblich bis nicht gewünscht (eher in den Naturwissenschaften). • Demonstration von Verständnis: Durch das Umformulieren von Gedan‐ ken anderer zeigen Sie, dass Sie den Inhalt wirklich verstanden und durchdrungen haben. Denn wie sollen Sie ansonsten richtig auf das Werk anderer verweisen? • Integration verschiedener Quellen: Paraphrasen ermöglichen es, Ideen aus unterschiedlichen Quellen zu einem kohärenten Text zusammenzu‐ führen. So stellen Sie dar, was die Forschung zu einem bestimmten Thema sagt, gehen gleichzeitig aber auch kritisch mit der Forschung um. • Fokussierung auf das Wesentliche: Beim Paraphrasieren können Sie die für Ihre Argumentation relevanten Aspekte hervorheben und die für Ihre eigene Arbeit weniger wichtigen Aspekte weglassen. Eine andere Person mit einer anderen Forschungsfrage als Sie wird die Aussagen eines spezifischen Artikels X sicher anders paraphrasieren als Sie. Es geht beim Paraphrasieren also immer darum, einen fremden Text (bzw. Abschnitte eines fremden Textes) in den Kontext Ihrer Arbeit einzubauen. Paraphrasieren kann gerade dann schwierig sein, wenn man noch wenig Erfahrungen mit wissenschaftlichem Arbeiten gesammelt hat. Gerade hier mag der Einsatz von KI-Tools besonders verlockend erscheinen. Beim Paraphrasieren geht es aber um mehr als nur um ein reines Umschreiben, um mehr als nur das Abändern einzelner Wörter oder das Vornehmen kleiner Umstellungen im Satzbau. Auf dem Markt der KI-Tools gibt es spezielle Tools wie den Paraphraser oder QuillBot, die gezielt Hilfe beim Paraphrasieren versprechen. Solche Tools können aber allenfalls den Stil einer Passage verändern, ein paar Wör‐ ter durch Synonyme ersetzen, Sätze vielleicht syntaktisch umstellen - eine richtige Paraphrase im wissenschaftlichen Sinne ist das aber nicht (übrigens ganz davon abgesehen, dass Fachbegriffe niemals durch Synonyme ersetzt werden sollten). Lassen Sie mich Ihnen zeigen, was ich meine: 172 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="173"?> Ich habe den Absatz zu Beginn dieses Unterkapitels zum Thema ‚Diskur‐ sivität‘ genommen und ihn von Quillbot paraphrasieren lassen. Auf dem Screenshot sehen Sie das Ergebnis (s. Abbildung 27). Abbildung 27 | Paraphrase von QuillBot Der rechte Text mag einige andere Wörter enthalten als der linke, doch dies macht ihn noch lange nicht zu einer Paraphrase. Sicherlich fragen Sie sich nun, wie eine gute Paraphrase des Abschnitts aussehen würde. Das kann ich Ihnen aber leider nicht kontextlosgelöst sagen. Die Frage ist immer, zu welchem Zweck Sie den Abschnitt paraphrasieren möchten, welcher Funktion der Verweis auf diesen Abschnitt aus Buck (2025) also dient und worum es in Ihrer Arbeit geht. Sie sehen: Beim Paraphrasieren wird ein fremder Text so in den eigenen und damit in die eigene Argumentation integriert, dass es zu der Absicht passt, die Sie mit der Paraphrase verfolgen. Vor diesem Hintergrund schlage ich vor, anstelle von Tools wie Quillbot und ähnliche auf Tools wie Claude oder ChatGPT zurückzugreifen. Hier können Sie mittels Prompting (s. Kapitel 3.6) präzise(re) Anweisungen geben und können den Kontext, in den die Paraphrase eingebettet werden soll, näher spezifizieren. Wenn es darum geht, den Inhalt einzelner Absätze zu paraphrasieren, können Sie die Absätze aus einem Artikel in Claude oder ChatGPT kopieren. Nur wenn es darum geht, den Inhalt eines ganzen Papers zu paraphrasieren, gelten bzgl. des Hochladens der Dateien die gleichen rechtlichen Restriktionen, die ich oben im Kontext von KI-Lektüre-Tools beschrieben habe. 4.3 Literaturarbeit 173 <?page no="174"?> Takeaway • Paraphrasieren ist eine zentrale Kompetenz beim wissenschaftli‐ chen Arbeiten. Es geht darum, fremde Texte in eigenen Worten wiederzugeben und in die eigene Arbeit zu integrieren, ohne den Sinn zu verfälschen. • KI-Paraphrasier-Tools wie QuillBot sind für wissenschaftliches Paraphrasieren ungeeignet, da sie weder den Kontext der eigenen Arbeit noch die Funktion einer Paraphrase berücksichtigen können und somit den Sinn wissenschaftlicher Paraphrasen verfehlen. • Zur Unterstützung sinnvollen Paraphrasierens eignen sich KI-Tools wie Claude und ChatGPT besser, da sie durch Prompting eine kontextbezogene Wiedergabe fremder Gedanken ermöglichen. 4.4 Datenerhebung/ -aufbereitung Ziel dieses Kapitels ist es, Ihnen verschiedene Optionen vorzustellen, wie Sie KI-Tools in empirischen Arbeiten für die Datenerhebung und -auswertung unterstützend einsetzen können. Konkret wird erläutert, wie KI-Tools bei folgenden beiden Aufgaben assistieren können: Pla‐ nung und Vorbereitung der Datenerhebung (z. B. Projektbeschreibun‐ gen, Fragebögen, Experimente, Bildgenerierung) sowie Datenaufberei‐ tung und -auswertung (z. B. Transkription, Qualitative Inhaltsanalyse, Datenbereinigung, Datentransformation, Erstellen von Programmcode, Auswahl statistischer Verfahren, Datenvisualisierung). Welches Vorwissen für dieses Kapitel vorausgesetzt wird: • Vertrautheit mit fachspezifischen Methoden der Datenerhebung und -auswertung • Vertiefte Kenntnis der eingesetzten Methoden In einem fachunspezifischen Ratgeberbuch zum wissenschaftlichen Schrei‐ ben ist die Teilaufgabe der Datenerhebung und -auswertung „nicht ganz 174 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="175"?> einfach zu erläutern, da es viele unterschiedliche Methoden gibt, die oft genug disziplinenspezifisch ausgeprägt sind“, wie Otto Kruse (2007, S. 136) in seinem Schreibratgeber festhält. Vor diesem Hintergrund ist die Auflistung von Möglichkeiten im vorliegenden Kapitel alles andere als erschöpfend. Es gilt aber: Selbst wenn keine der hier präsentierten Möglichkeiten für Ihre Arbeit passend scheint, erhalten Sie durch die Lektüre doch vielleicht Denkanstöße und Inspiration dafür, wie sich KI-Tools für Ihre spezifische Datenerhebung und -auswertung verwenden lassen. Ich setze in diesem Kapitel daher voraus, dass Sie mit den grundlegenden Methoden der Da‐ tenerhebung und -auswertung in Ihrem Fach vertraut sind. Um es mit Döring (2023) metaphorisch auszudrücken: Nutzt man KI-Tools für die Datenerhebung und v. a. für die Datenanalyse, steigt man quasi von einem ‚Bio-Bike‘, also einem normalen Fahrrad, auf ein E-Bike um. Mit diesem kann man müheloser und potenziell schneller fahren - möchte man aber wirklich vorankommen und nicht stürzen, muss man dennoch erst einmal wissen, wie man überhaupt Fahrrad fährt. Es seien noch drei weitere Punkte vorweggeschickt, ehe wir konkret starten: • Manche der in diesem Kapitel aufgeführten Vorschläge lassen sich über ein allgemeines KI-Tool (General Purpose AI) wie ChatGPT oder Claude umsetzen, für andere, gerade im Bereich der Datenauswertung, brau‐ chen Sie spezifische Tools. Daher finden Sie in diesem Kapitel auch keine beispielhaften Prompts, stattdessen aber zumindest eine kleine Auswahl an für die jeweiligen Zwecke geeigneten KI-Tools. Wenn Sie allgemeine textgenerierende Tools wie ChatGPT oder Gemini verwenden, hängt die Qualität der Ergebnisse stark von der Detailliertheit der Prompts ab. Dies zeigen z. B. Andrew Low und Z. Yasemin Kalender (2023) in einer Studie aus der Physikdidaktik, in der sie ChatGPT eine Laboraufgabe im Bereich der Mechanik durchführen und auswerten ließen. Vor diesem Hintergrund empfehle ich Ihnen, sich die Hinweise für präzise Prompts in Kapitel 3.6 durchzulesen. • KI-Tools können Sie bei den folgend genannten Arbeitsschritten un‐ terstützen, können aber nicht selbstständig forschen (Knowles, 2024, S. 2). Denken Sie also auch hier daran, dass Sie die Führungskraft sind (AI-Leadership; s. Kapitel 3.2) und daher am Ende die Verantwortung für die Ergebnisse Ihrer KI-Assistenten bzw. für deren adäquate Weiterver‐ arbeitung tragen. Ein KI-Tool wird kaum jemals eingestehen, dass es 4.4 Datenerhebung/ -aufbereitung 175 <?page no="176"?> 40 Eine Ausnahme bildet sicherlich die Verwendung lokaler LLMs, etwa über LM Studio, da hier die Daten auf Ihrem Rechner verbleiben und nirgendwo hochgeladen werden. eine Antwort nicht kennt oder nicht weiterweiß, sondern wird immer irgendeine Art von Antwort ausgeben. • Außerdem wird in diesem Kapitel der Punkt des Datenschutzes beson‐ ders virulent: Sobald Sie mit Daten von Menschen arbeiten, seien es Interviewdaten, aufgezeichnete Fokusgruppengespräche, ausgefüllte Fragebögen oder anderes, müssen Sie jederzeit den Datenschutz sicher‐ stellen, die vertraulichen Daten also vor unbefugten Zugriffen schützen. Um dies anhand eines Beispiels zu konkretisieren: Wenn Sie Interviews führen und diese anschließend von einem KI-Tool transkribieren und dann von einem anderen KI-Tool auswerten lassen, müssen Ihre Inter‐ viewpartner: innen über den Einsatz eines KI-Tools aufgeklärt werden und Ihr Einverständnis dafür geben. Um eine informierte Einwilligung abgeben zu können, müssen sie zuvor genau erfahren, was mit ihren Daten passiert: Speichert der Anbieter des KI-Tools die Daten auf seinem Server? Wie lange? Wo steht der Server? Werden die Daten zum weiteren Training verwendet? Diese Fragen sind keineswegs trivial - in‐ formieren Sie sich deshalb intensiv über das ‚Kleingedruckte‘ der Tools, die Sie zu verwenden planen. Apropos ‚Planen‘: Wenn Sie KI-Tools bei der Datenauswertung einsetzen möchten, müssen Sie dies schon vor der Datenerhebung wissen, um Ihre Proband: innen oder Gesprächs‐ partner: innen darüber zu informieren und sich deren Einverständnis einzuholen. Eine kurzfristige Entscheidung für die Verwendung eines KI-Tools ist daher nicht möglich. 40 Planung und Vorbereitung der Datenerhebung Bevor Sie mit der Datenerhebung beginnen, gibt es eine Reihe von vor‐ bereitenden Aufgaben, die Sie angehen müssen. In dieser Planungsphase können KI-Tools wertvolle Unterstützung leisten. Ich skizziere hier ein paar Möglichkeiten - betrachten Sie diese als Inspiration für das Finden eigener Use Cases: • Projektbeschreibungen: KI-Tools können bei der Erstellung von Projekt‐ beschreibungen und/ oder Einverständniserklärungen für die Datener‐ hebung und -auswertung helfen. Ein besonderer Vorteil dabei ist, dass 176 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="177"?> Sie eine in wissenschaftlichem Stil formulierte Projektbeschreibung in eine adressatenorientierte Projektbeschreibung für verschiedene Zielgruppen transferieren lassen können, z. B. für Eltern von Kita- oder Schulkindern, die Sie beforschen, für Patient: innen, Proband: innen usw. Spezifizieren Sie in Ihrem Prompt Ihre Adressat: innengruppe und lassen Sie sich bei der Texterstellung unterstützen. Allerdings sollten Sie sich bei rechtlichen Fragen hinsichtlich der Einverständniserklärung keinesfalls alleine auf KI-Tools verlassen. • Fragebögen: KI-Tools können bei der Entwicklung von Fragebögen oder Gesprächsleitfäden, etwa für problemzentrierte Interviews oder Expert: innen-Interviews assistieren. Wenn Sie allgemeine Tools wie ChatGPT oder Microsoft Copilot nutzen, gilt wie immer auch hier, dass es auf eine präzise Formulierung der Prompts ankommt. Spezifizieren Sie alle Parameter, die für die Erledigung der Aufgabe wichtig sind, bei der Sie sich Unterstützung wünschen. Basierend auf Ihren Kriterien für die Fragen (etwa, ob es sich um offene oder geschlossene Fragen handeln soll) und Ihrer Zielsetzung lassen sich dann Vorschläge für Fragen zur Messung bestimmter Variablen generieren. Wenn Sie für einen Fragenbogen bereits Fragen entwickelt haben, können Sie KI-Tools auch einsetzen, um Ihnen bei der Strukturierung der Fragen und deren Anordnung zu helfen. • (Labor-)Experimente: Bei der Planung und auch Durchführung von Experimenten lassen sich KI-Tools zur Erstellung von Versuchsanord‐ nungen, zur Steuerung von Laborgeräten oder zur Generierung von Simulationsdaten einsetzen. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Im Dezember 2023 haben Daniil Boiko et al. (2023) ein vielbeachtetes Paper bei Nature veröffentlicht, in dem sie Coscientist vorstellen, einen KI-Laborassistenten für chemische Experimente, der basierend auf schon bestehenden, gut dokumentierten experimentellen Designs neue komplexe Experimente entwirft, plant und durchführt. Konkret de‐ monstrieren die Forschenden das Potenzial ihres KI-Assistenten anhand der erfolgreichen Reaktionsoptimierung von palladiumkatalysierten Kreuzkupplungen. • Bild- und Videogenerierung: Ggf. benötigen Sie für die Durchführung Ihrer Studie Bildmaterial, etwa Symbolbilder für Emotionen im Rahmen einer psychologischen Studie. KI-Bildgenerierungs-Tools wie Midjour‐ ney, Flux, Ideogram, Stable Diffusion oder DALL-E ersparen Ihnen in diesem Kontext möglicherweise das Durchsuchen von Bilddatenbanken. 4.4 Datenerhebung/ -aufbereitung 177 <?page no="178"?> 41 Ich danke Leonard Deißner für dieses Beispiel. Brauchen Sie Videos als Stimulusmaterial, lassen sich solche über Tools wie Synthesia generieren. • Morphologische Kästen und Schaltungsdesign: Hier noch ein spezieller Use Case aus der Elektrotechnik, wo KI-Tools bei der Erstellung morpho‐ logischer Kästen unterstützen. 41 Für eine Infrarot (IR)-Empfängerschal‐ tung können KI-Assistenten etwa verschiedene Optionen für geeignete IR-Sensoren vorschlagen, Strategien zur Reduzierung von Störeinflüs‐ sen empfehlen oder vorhandene Ideen an spezifische Projektbedingun‐ gen anpassen, z. B. wenn nur der Empfängerteil modifiziert werden kann. Diese Unterstützung ermöglicht es Ihnen, effizient verschiedene Designoptionen zu explorieren und fundierte Entscheidungen im Schal‐ tungsdesign zu treffen. Takeaway KI-Tools können die Planungsphase der Datenerhebung unterstützen, z. B. bei der Erstellung von Projektbeschreibungen, Fragebögen und der Planung von Experimenten. Sie können auch bei der Generierung von Bild- und Videomaterial, das für Studien benötigt wird, hilfreich sein. Datenaufbereitung und -auswertung Generative KI kann Ihnen dabei helfen, Muster und Zusammenhänge in Ih‐ ren Daten zu entdecken, die möglicherweise nicht sofort und ohne Weiteres ersichtlich sind. Gerade für explorative Studien ist der Einsatz eines KI-Tools wie ChatCSV gut geeignet, das es Ihnen erlaubt, CSV-Dateien hochzuladen und Fragen an die darin enthaltenen Daten zu stellen. In diesem Bereich sind zahllose Beispiele aus allen möglichen Disziplinen denkbar. Um nur einen exemplarischen Anwendungsfall zu nennen: In der Chemie können Sie zur Charakterisierung von Stoffen basierend auf den Werten und Spektren, die die Literatur verzeichnet, KI-basiert Korrelationen von Analysedaten herstellen. Insbesondere können verschiedene Messmethoden gemeinsam ausgewertet werden. So ersparen Sie sich die aufwändige Recherche nach 178 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="179"?> 42 Noch optimaler als Hypothesen aus Daten zu generieren, wäre es jedoch, Hypothesen aus der Theorie zu generieren. 43 Die Ideen in diesem Kapitel stammen zum einen aus der Excel-Tabelle von Megan Stubbs-Richardson et al. (2023) mit dem Titel „Artificial Intelligence Applications for Social Science Research“ sowie aus dem Blog-Artikel „ChatGPT: A tutor for data analysis? “ von Holger Döring (2023). Zum anderen stammen sie von befreundeten Wis‐ senschaftler: innen, die in verschiedenen, v. a. quantitativ orientierten Fachbereichen forschen, die mir als bislang nur qualitativ forschender Geisteswissenschaftlerin fremd sind. Ohne die Unterstützung von Viktoria Ferenc, Johanna Leck, Timo Schürmann und Jan Seiwert wäre ich deshalb recht aufgeschmissen gewesen. Vielen Dank an Euch. verwandten Substanzen, sondern lassen sich direkt Vorschläge zur Identität und Struktur des analysierten Stoffes generieren. Auf diese Weise unterstüt‐ zen KI-Tools den Analyseprozess, indem sie Strukturen und/ oder Ähnlich‐ keiten in den Daten sichtbar machen und Ansatzpunkte für tiefergehende Untersuchungen liefern. Die Tools ersetzen aber selbstverständlich nicht die kritische Interpretation durch Sie als Forschende. Möchten Sie die Potenziale generativer KI im Bereich der Erkennung von Mustern in Datensätzen ausprobieren, empfehle ich Ihnen den via ChatGPT zugänglichen GPT Data Analysis Buddy von Ethan Mollick (https: / / chatgpt .com/ g/ g-3UCntyIGy-data-analysis-buddy), den er wie folgt beschreibt: „I put together a little GPT that will explore any dataset, generating hypotheses and testing them in increasingly sophisticated ways“ (Mollick, 2024b). 42 Mollick verweist in diesem Zusammenhang auf die Website kaggle, auf der Sie eine riesige Anzahl an frei verfügbaren Datensets (u. a. CSV-Dateien) finden, anhand derer sich der GPT testen lässt (https: / / www.kaggle.com/ da tasets? fileType=csv). Im gleichen Artikel weist Mollick aber auch darauf hin, dass der GPT sich ebenso zur Automatisierung schlechter Forschung ein‐ setzen lässt, „tirelessly p-hacking a dataset until results are achieved“. Mit diesem Kommentar verweist er darauf, dass man die Zusammenhänge in einem Datenset mittels KI-Tools solange statistisch auf Signifikanz testen lassen kann, bis man etwas findet - dabei aber ignoriert, dass man nur auf die vorab formulierte Hypothese testen und nicht beliebige Datengruppen solange zusammenstellen darf, bis man ein gewünschtes Ergebnis erzielt. Dies wäre definitiv nicht im Sinne guter wissenschaftlicher Praxis. Nachfolgend finden Sie nun eine Zusammenstellung verschiedener kon‐ kreter Use Cases für den Einsatz von KI-Tools bei der Datenaufbereitung und -auswertung. 43 Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich dieses Kapitel verfasse (September 2024), hat Claude die Nase vorne, wenn es um Datenanalyse geht; Gemini punktet aber zum Beispiel aufgrund des enormen Kontext‐ 4.4 Datenerhebung/ -aufbereitung 179 <?page no="180"?> 44 An dieser Stelle möchte ich ausnahmsweise eine dezidierte Empfehlung für ein konkre‐ tes Tool aussprechen: noScribe. Es handelt sich hier um eine vom deutschen Soziologen Kai Dröge entwickelte Open Source Software, die komplett lokal läuft und damit keine Daten an irgendwelche Clouds sendet. Das Programm kann zwischen verschiedenen Sprecher: innen unterscheiden und verarbeitet sehr viele Sprachen. fensters, das die Verarbeitung von bis zu zwei Millionen Token erlaubt. Prinzipiell macht es daher immer Sinn, die Datenanalysen mehrerer Tools zu vergleichen - auch, aber nicht nur, um Fehler besser ausschließen zu können. • Transkription: Viele der ‚klassischen‘ Transkriptionsprogramme haben inzwischen KI-Systeme integriert, etwa f4 oder MAXQDA. KI-gestützte Transkriptionstools beschleunigen die Verschriftlichung von Audio- und Videodaten erheblich, wie man sich leicht vorstellen kann. Al‐ lerdings ist zu beachten, dass KI-Transkriptionen, insbesondere bei Fachterminologie oder komplexen Transkriptionsregeln, noch nicht die Genauigkeit manueller Transkription erreichen; auch Sprecher: in‐ nen-Wechsel stellen aktuell noch eine Schwierigkeit dar. Wenngleich die Tools immer besser werden, stellt sich die Frage, wie viel Transkrip‐ tionsarbeit man automatisieren möchte und was man vielleicht nicht doch besser händisch erledigt. Gerade wenn Sie qualitativ forschen, ist eine intensive Kenntnis Ihrer Datengrundlage eine wichtige Ressource für Ihre anschließende Analysearbeit. Je besser Sie Ihre Daten kennen - und durch stundenlange Transkriptionssessions lernt man sie sehr gut kennen, wie ich aus eigener (leidlicher) Erfahrung weiß -, desto besser sind Sie für die Datenanalyse ‚gerüstet‘. Dies ist v. a. dann der Fall, wenn Sie in Ihrer anschließenden Auswertung sehr detailliert in einzelne Gesprächssequenzen ‚hineinzoomen‘. Es ist also abzuwägen, zumindest einen Teil der Daten selbst zu transkribieren. Bei der Auswahl eines Transkriptionstools gilt es, sorgfältig zu berücksichtigen, welche Datenschutzstandards gelten müssen, wie vertraulich die Daten also zu behandeln sind - und welche Standards ein entsprechendes KI-Tool bietet. 44 Außerdem stellt sich die Frage, wie genau die Transkription sein muss: Brauchen Sie nur den ungefähren Wortlaut oder kommt es auch darauf an, wie eine Person etwas sagt, wie viele und wie lange Pausen sie macht, an welchen Stellen sie sich räuspert etc.? Letzten Endes sollten Entscheidungen im Transkriptionsprozess immer theorie- und methodengeleitet getroffen werden. 180 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="181"?> • Qualitative Inhaltsanalyse: Ein klassisches Programm für die qualitative Datenanalyse ist MAXQDA. Inzwischen verfügt das Tool über einen sog. AI Assist, der Ihnen KI-gestützt bei der Transkription von Audio- und Videodateien, der Generierung von Programmcode und bei automati‐ schen Zusammenfassungen sowie bei der Analyse codierter Segmente unter die Arme greift. Ein anderes Tool in diesem Bereich, Atlas.ti, wirbt damit, dass es Ihnen das ‚Kopfzerbrechen‘ von qualitativer Datenanalyse abnimmt: Forschende beschreiben dem Tool Ihr Erkenntnisinteresse, zugrundeliegende Konzepte und ihre Forschungsfrage und lassen sich dann ihre qualitativen Daten entsprechend auswerten. Wenn Ihre Daten nicht vertraulich sind, sondern es sich z. B. um öffentlich zugängliche Datensätze handelt, können Sie auch Tools wie ChatGPT für die Kate‐ gorienbildung im Rahmen der Inhaltsanalyse heranziehen. Insgesamt drängt sich im Rahmen des hier skizzierten Use Cases allerdings die Frage nach der Grenze der Automatisierbarkeit von Forschung auf, die ich in Kapitel 5 aufgreifen und tiefergehend diskutierten werde. Gerade bei qualitativer Datenerhebung ist das ‚Kopfzerbrechen‘ ein wichtiges Moment der Forschung, das für die Theorieentwicklung aus gesammel‐ ten Daten, etwa im Rahmen der Grounded Theory, unerlässlich ist. Das Herausarbeiten von Kategorien ist ein iterativer Prozess, vollzieht sich also in mehreren Schritten bzw. Überarbeitungsschleifen. Es würden viel eigenes Verständnis für die Daten und tiefere Einblicke verloren gehen, wenn innerhalb weniger Sekunden oder Minuten per Mausklick direkt finale Kategorien dargestellt werden würden, deren Zustandekommen intransparent bleibt. Außerdem nehmen Sie sich durch das komplette Automatisieren wichtige Lernerfahrungen. Das Ziel einer Qualifikati‐ onsarbeit wie der Masterarbeit, vor allem aber der Dissertation ist letztlich ja auch, Sie als Forscher: in zu qualifizieren, sozusagen Ihr ‚Forscher: innen-Ich‘ zu vertiefen. Soroush Sabbaghan (2024) zeigt in einer Studie zum KI-Einsatz bei qualitativer Inhaltsanalyse auf, dass die besten Ergebnisse dann erzielt werden, wenn die Synergien zwischen Mensch und KI optimal genutzt werden. Durch den KI-Einsatz kön‐ nen größere Datensätze einfacher und zeitsparend analysiert werden; gleichzeitig bringt erst die Ergänzung der KI-generierten Ergebnisse um menschliche interpretative Leistungen sowie um eine durch Menschen erfolgte kontextuelle Anreicherung der Daten tiefere Einsichten und somit qualitativ wirklich höherwertige Ergebnisse. 4.4 Datenerhebung/ -aufbereitung 181 <?page no="182"?> • Rohdaten bereinigen lassen: Durch KI-gestützte Tools wie Datasquirrel lässt sich der oft zeitaufwändige Prozess der Datenbereinigung erheblich beschleunigen und vereinfachen. Solche Tools sind in der Lage, häufig vorkommende Fehler in Rohdatensätzen automatisch zu erkennen und zu korrigieren, etwa die Entfernung leerer Zeilen, die Korrektur von Tipp- und Eingabefehlern oder die Vereinheitlichung unterschiedlicher Datumsformate. • Datentransformation und -analyse: KI-Tools können bei der Umwand‐ lung und Analyse großer Datensätze helfen, wie sie beispielsweise bei ei‐ ner floristischen Kartierung in der Biodiversitätsforschung vorkommen. Ein konkretes Beispiel ist die Umstrukturierung von Beobachtungsdaten (Art, Ort, Jahr) in eine Ort-Art-Matrix für verschiedene Zeitpunkte, um Ähnlichkeitsindizes zu berechnen. KI-Tools können den erforderlichen Code, etwa für die Programmiersprache R, generieren und erklären. Dadurch lassen sich zeitaufwändige manuelle Programmierungen und wiederholtes Nachschlagen von Funktionsdetails vermeiden. Dies be‐ schleunigt nicht nur den Analyseprozess, sondern ermöglicht es Ihnen auch, sich auf die Interpretation der Ergebnisse zu konzentrieren. Aller‐ dings müssen Sie den generierten Code natürlich darauf testen, ob er tatsächlich das macht, was er machen soll. Der KI-generierte Code mag funktionsfähig aussehen, weshalb das Debuggen herausfordernd sein kann und ein Verständnis des Codes erfordert. Hier könnte ein KI-Tool wiederum Testsuites generieren, also eine Sammlung von Testfällen, die zusammen ausgeführt werden, um die Funktionalität, Leistung und Zuverlässigkeit von Code zu überprüfen. • Erstellen von Programmcode: Generell ist es möglich, dass Sie sich von KI-Tools wie ChatGPT oder Claude, aber auch von spezielleren Tools wie dem GitHub Copilot beim Erstellen von Programmcode oder dem Generieren von Analysesyntax für Programme wie SPSS unterstützen lassen. Wollen Sie in der Politikwissenschaft etwa anhand eines Daten‐ satzes den Zusammenhang zwischen der Wahl rechtspopulistischer Parteien und dem Alter der Wählenden oder der Herkunft aus Ost- oder Westdeutschland analysieren, können Sie sich ein entsprechendes Skript für R ausgeben lassen. Eine Studie von August 2024 zeigt, dass sich die Qualität und Fehlerfreiheit des generierten Codes zwischen den beiden untersuchten KI-Tools ChatGPT und GitHub Copilot unterschei‐ det (ChatGPT schnitt insgesamt besser ab als GitHub Copilot) sowie abhängig ist von der verwendeten Programmiersprache (die Ergebnisse 182 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="183"?> in Java waren besser als die in Python) (Beer et al., 2024). Auch wenn sich diese Tendenzen im Laufe der Zeit immer wieder wandeln werden, zeigt sich daran doch, dass es sinnvoll ist, verschiedene Tools zu vergleichen. • Auswahl statistischer Verfahren: KI-Tools können nicht nur bei der Erstellung von Analysecode für verschiedene Statistikprogramme (z. B. R, STATA, SPSS) unterstützen, sondern auch zur Fragestellung und zu Ihren Hypothesen passende statistische Verfahren vorschlagen sowie bei der Interpretation der Ergebnisse helfen. Es gilt aber - und Sie ahnen, was nun kommt -, dass die KI-generierten Vorschläge Sie nicht von einer tieferen Auseinandersetzung mit dem gewählten statistischen Verfahren entbinden, da Sie nur auf Basis einer Kenntnis des Verfahrens die Ergebnisse adäquat beurteilen und einordnen können. • Datenvisualisierungen: KI-gestützte Tools wie ChartGPT [sic! ] oder ChartPixel ermöglichen die Erstellung aussagekräftiger Grafiken und Diagramme, die Ihre Forschungsdaten visuell aufbereiten. Dabei un‐ terstützen sie Sie auch bei der Auswahl geeigneter Diagrammtypen, basierend auf der Datenstruktur und den zu vermittelnden Erkenntnis‐ sen. Ein Tool wie Napkin überführt sogar bloße Texte in ansprechende Grafiken und kann so etwa schriftlich dargestellte Zusammenhänge veranschaulichen. Egal, wie genau Sie KI-Tools im Rahmen Ihrer Datenauswertung einsetzen: Denken Sie immer daran, dass die so gewonnenen Ergebnisse nicht für sich selbst sprechen. Auch eine „gut belegte und gerechtfertigte evidenzbasierte Schlussfolgerung aus Daten [muss] immer noch in ein Argument verwan‐ delt werden“ (Scharlau & Jenert, 2024, S. 60). Es ist Ihre Aufgabe, Ihre Daten erstens in Argumente zu überführen, die das stützen, was Sie aussagen möchten, und diese Argumente zweitens so in Ihren Text einzubauen, dass sie an der entsprechenden Stelle in den entsprechenden argumentativen Zusammenhang passen. Am Ende dieses Kapitels weise ich Sie abschließend noch auf zwei Web‐ seiten hin, die zahlreiche KI-Tools verzeichnen. Über die Eingabe von Stich‐ worten können Sie passende Tools für Ihren Bereich und Ihre spezifische Aufgabe im Bereich der Datenerhebung und -auswertung finden. Zum einen handelt es sich dabei um Futurepedia, zum anderen um There’s An AI For That. Diese Seiten helfen Ihnen dabei, sich durch den unübersichtlichen Markt an speziellen KI-Tools zu arbeiten, um für die Zwecke Ihrer Daten‐ 4.4 Datenerhebung/ -aufbereitung 183 <?page no="184"?> erhebung und -aufbereitung ein geeignetes Tool zu finden (https: / / www.fut urepedia.io; https: / / theresanaiforthat.com). Takeaway • KI-Tools können Muster und Zusammenhänge in Daten aufdecken und so die Datenanalyse unterstützen, insbesondere in explorati‐ ven Studien. • Es ist ratsam, verschiedene KI-Tools für die Datenanalyse zu ver‐ gleichen, um Fehler auszuschließen und die besten Ergebnisse zu erzielen. • KI-Tools können bei verschiedenen Aufgaben der Datenanalyse unterstützen, z. B. bei der Transkription, Code-Erstellung, Auswahl statistischer Verfahren und Datenvisualisierung. Die kritische In‐ terpretation der Ergebnisse durch die Forschenden bleibt dabei unerlässlich. 4.5 Rohfassung Ziel dieses Kapitels ist es, aufzuzeigen, wie KI-Tools Sie beim Erstellen von ersten Rohfassungen unterstützen können. Dies ist nicht nur, aber besonders dann hilfreich, wenn es Ihnen schwerfällt, mit dem Schrei‐ ben zu beginnen. Es werden verschiedene Strategien vorgestellt, wie KI-Tools die Entwicklung neuer Ideen fördern, sodass Sie als schreibende Person sich Stück für Stück dem annähern können, was Sie mit Ihrer Arbeit aussagen möchten. Welches Vorwissen für dieses Kapitel vorausgesetzt wird: • Analytische Kompetenz, um zu bestimmen, welche Funktion ein Kapitel oder ein Absatz im Gesamtkontext Ihrer Arbeit erfüllt • Kompetenz, den eigenen Text auf einer Meta-Ebene, also aus einer Art Vogelperspektive zu betrachten 184 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="185"?> Wenn Sie dazu neigen, Angst vor dem sprichwörtlichen leeren Blatt (bzw. leeren Dokument) zu haben, können KI-Tools Sie zunächst einmal quasi indirekt ‚emotional‘ unterstützen: Indem Sie im Zeitalter der automatischen Textgenerierung niemals wieder vor einem leeren Dokument sitzen müssen, helfen KI-Tools dabei, die Angst vor Schreibblockaden sowie Schreibblocka‐ den selbst zu reduzieren (Washington, 2023). Als Schreibende haben Sie nun jederzeit die Möglichkeit, auf einen KI-generierten Text als Ausgangspunkt zurückzugreifen. An diesem können (und sollten) Sie sich zwar abarbeiten, aber immerhin steht so schon etwas in Ihrem Dokument und Sie müssen nicht bei null anfangen. Entgegen der weit verbreiteten Annahme, man würde nach der Daten‐ erhebung und/ oder Lektüre der relevanten Forschungsliteratur die wissen‐ schaftliche Arbeit in einem Zug niederschreiben, funktioniert der Schreib‐ prozess - ob mit oder ohne KI-Unterstützung - zumeist anders. Wie in Kapitel 3.1 erläutert, zeichnet sich wissenschaftliches Schreiben durch Iterativität und Rekursivität aus. Dies bedeutet, dass Schreibende sich dem fertigen Text allmählich annähern, indem sie eine oder mehrere Rohfassun‐ gen erstellen und diese kontinuierlich überarbeiten. In der Schreibdidaktik kursiert in diesem Zusammenhang der Begriff des „shitty first draft“ (La‐ mott, 1995, S. 21). Damit wird auf unvollkommene erste Entwürfe verwiesen, die Schritt für Schritt verfeinert werden. KI-Tools sind ein wunderbares Hilfsmittel, um sich schrittweise dem finalen Text anzunähern. Sowohl durch Ihr eigenes Schreiben als auch durch die Interaktion mit KI-Tools können Sie sukzessive entdecken, was genau Sie zum Ausdruck bringen möchten. Dadurch produzieren Sie nicht nur Text für Ihr Schreibprojekt, sondern vertiefen bzw. erweitern auch Ihre Erkenntnisse und generieren auf diese Weise neues Wissen. Wenn es darum geht, sich auf Inhalte und Gedanken zu konzentrieren anstatt auf deren ‚Verpackung‘ in Sprache, sind KI-Tools einerseits sehr hilfreich: Vielen Schreibenden fällt es schwer, sich nicht direkt auf die genauen Formulierungen zu konzentrieren. Sie halten sich damit auf, direkt ‚wohlklingende‘ wissenschaftliche Formulierungen zu suchen. Dadurch zensieren sie ihre Gedanken bzw. verlieren sie in der Suche nach den vermeintlich ‚richtigen‘ und ‚perfekt‘ klingenden Worten. Wenn Sie sich damit schwertun, mit einem stümperhaft geschriebenen ‚Roh-roh-roh-text‘ weiterzuarbeiten, könnten Sie direkt von Anfang an KI-Tools als Unterstüt‐ zung heranziehen und diese damit beauftragen, aus Ihren ungeschliffen for‐ 4.5 Rohfassung 185 <?page no="186"?> mulierten Sätzen oder Satzfragmenten einen wohlklingende(re)n Entwurf zu machen. Nun kommt jedoch noch ein ‚Andererseits‘: Der sprachliche Ausdruck ist weit mehr als nur die ‚Verpackung‘ von Inhalten. Durch das Ringen um die passenden Formulierungen, so unangenehm, herausfordernd, anstrengend es auch sein mag, schärfen Sie Ihre Gedanken, finden zum Kern dessen, was Sie eigentlich ausdrücken möchten, merken, dass das, was Sie sagen wollten, vielleicht doch nicht ganz passt, dass Ihre Annahmen falsch waren etc. Insofern passiert auf dem Weg eines Gedankens auf Papier bzw. ins digitale Dokument auch inhaltlich ganz schön viel - weit mehr als es die Rede von Sprache als der bloßen Verpackung von Gedanken suggeriert. Es ist mitnichten so, dass wir fertige Gedanken im Kopf haben und diese nur 1: 1 aufschreiben müssen. Viele Gedanken formen sich auch erst durch das Schreiben (Ortner, 1995). Vor diesem Hintergrund ist beim Einsatz von KI-Tools für das Erstellen von Rohfassungen eine ‚gesunde Vorsicht‘ geboten: Die technische Unterstützung sollte nicht das einzige Mittel sein, sondern nur in Kombination mit dem eigenen Schreiben, dem eigenen Ringen um Formulierungen eingesetzt werden. Denn: Bei von Menschen erstellten Rohfassungen handelt es sich um originelle Ideen, die noch (! ) schlecht ausgedrückt sind. Bei KI-generierten Texten hingegen handelt es sich um unoriginelle, uninspirierte Ideen, die aber klar und wohlformuliert ausgedrückt sind. Diese von Chiang (2023) formulierte Tatsache ist ein elementarer Unterschied, den es im Hinterkopf zu behalten gilt. Vor dem Hintergrund dieses ‚Einerseits-Andererseits‘ führe ich nun weiter aus, wie sich KI-Tools beim Erstellen der Rohfassung nutzen lassen. Judith Wolfsberger (2021, S. 143) rät, einfach loszuschreiben, wenn man „einen ungefähren Plan vom zu schreibenden Kapitel“ hat - und zwar so, „[a]ls würdest du netten Kolleg*innen in deinen Worten erklären, worum es geht“. Dieses Gegenüber kann nun ein KI-Tool sein, das 24/ 7 und an jedem Ort verfügbar ist. Zwar ersetzen KI-Tools kein menschliches Gegenüber, da sie kein menschenähnliches Verständnis besitzen und somit keine Verständnisschwierigkeiten äußern können, was für die Schärfung der eigenen Gedanken sehr wichtig sein kann. Als Ergänzung zu Gesprächspart‐ ner: innen aus Fleisch und Blut lassen sich KI-Tools aber durchaus fruchtbar einsetzen. Wie genau Sie mit diesem Gegenüber zur Unterstützung und Erweiterung des eigenen Denkens interagieren können, stelle ich Ihnen im Folgenden vor. 186 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="187"?> 45 Als Grundlage habe ich Judith Wolfbergers (2021, S. 142) Formulierung der Regeln des Freewriting verwendet. 46 Wenn Stift und Papier wirklich absolut nichts für Sie sind, können Sie auf das Online-Tool The Most Dangerous Writing App zurückgreifen. Hier sind Sie dazu gezwungen, während einer voreingestellten Zeit kontinuierlich zu tippen - andernfalls wird der gesamte schon geschriebene Text wieder gelöscht. Ein Hinweis noch vorweg: Für das Verfassen von Rohtexten für Ihre Arbeit ist es grundlegend, dass Sie in Ihren Prompts stets die konkrete Fragestellung Ihrer Arbeit als Bezugspunkt angeben. Teilen Sie dem ausge‐ wählten KI-Tool außerdem mit, welche Funktion ein zu schreibendes Kapitel oder ein zu schreibender Absatz im Gesamtkontext Ihrer Arbeit hat und wie es bzw. er zur Bearbeitung der übergeordneten Fragestellung beiträgt: Dient ein Absatz dazu, eine These aufzustellen? Sie zu begründen? Ein Ergebnis darzustellen? Einem anderen Text zu widersprechen? Ein Beispiel anzubringen? Beschreiben Sie die Funktion eines Absatzes bzw. Kapitels in Ihrem Prompt so konkret wie möglich, um dem KI-Tool ausreichend Kontext für seine Wahrscheinlichkeitsberechnungen zur Verfügung zu stellen. Nun aber zu den konkreten Möglichkeiten, wie KI-Tools Sie beim Erstellen Ihrer Rohfassung unterstützen können: • Fokussiertes Freewriting mit KI-Unterstützung: Starten Sie zunächst mit einem handschriftlichen, fokussierten Freewriting, um Ihr eigenes Den‐ ken anzuregen. Das Freewriting ist eine Methode, die nachweislich dazu beiträgt, assoziatives Denken zu fördern, die innere Kritikerin zurückzu‐ drängen und somit Schreibende in einen Schreibfluss zu bringen (Breuer, 2013; L. Y. Li, 2007). Man spricht hier von sog. epistemischen Schreiben, bei dem es darum geht, durch das Schreiben neue Erkenntnisse zu gewinnen und weiterzuentwickeln. Schreiben folgt hier also nicht auf das Denken („erst etwas aufschreiben, wenn man schon nachgedacht hat“), sondern ist Bestandteil und Mittel des Denkens selbst (Dowst, 1980). Hier sind die Regeln für diese Methode: 45 - Wichtig ist, dass das Freewriting ganz ‚oldschool‘ mit Stift und Papier erfolgt. 46 - Wählen Sie einen thematischen Aspekt Ihrer Arbeit bzw. ein Kapitel oder auch nur einen Absatz als Ausgangspunkt. - Stellen Sie einen Timer auf fünf bis fünfzehn Minuten, je nachdem, wie umfangreich das Thema ist und wonach Ihnen ist. 4.5 Rohfassung 187 <?page no="188"?> - Beginnen Sie aufzuschreiben, was immer Ihnen zu dieser thema‐ tischen Vorgabe durch den Kopf geht. - Die wichtigste Regel lautet: Ihre Hand bzw. Ihr Stift bleibt immer in Bewegung. Sie dürfen keine Pause einlegen. Wenn Ihnen absolut nichts einfällt, schreiben Sie entweder „Mir fällt nichts ein“ oder Sie malen Kreise auf das Papier. Hauptsache, der Stift bleibt in Bewegung. - Lesen Sie sich während des Schreibens nicht durch, was Sie bereits geschrieben haben. Das Auge springt also nicht zwischen den Zeilen hin und her, sondern ist immer nur an dem Punkt, an dem Sie gerade schreiben. - Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik sind völlig egal, ebenso die Sprache, in der Sie schreiben. Schreiben Sie in der Sprache, in der Sie sich am wohlsten fühlen - auch wenn dies nicht die Sprache Ihrer wissenschaftlichen Arbeit ist. - Lassen Sie sich bzw. Ihre Gedanken treiben. Exkurse und auch Gedanken, von denen Sie direkt denken, dass sie ‚bescheuert‘ sind und nicht passen, dürfen und sollen ausdrücklich aufgeschrieben werden. - Wenn die Zeit um ist, schreiben Sie bis zur nächsten Stelle weiter, an der Sie einen Punkt setzen können. Anschließend lesen Sie sich das Geschriebene durch und extrahieren die Gedanken bzw. Aspekte, mit denen Sie weiterarbeiten wollen. Nun zu den Möglichkeiten, hier KI-Tools ins Spiel zu bringen: Zunächst können Sie Ihr handschriftliches Freewriting einfach nur fotografieren und von einem KI-Tool in digitalen Text umwandeln lassen. Sie können aber auch die Gedanken bzw. Aspekte Ihres Freewritings, mit denen Sie weiterarbeiten wollen, in ein KI-Tool wie ChatGPT, Claude oder Mistral eingeben. Sie haben dann verschiedene Möglichkeiten, damit weiterzuarbeiten: - Weisen Sie das Tool mittels eines geeigneten Prompts an, basie‐ rend auf den Aspekten Ihres Freewritings einen ersten Entwurf für einen Absatz oder ein Grobgerüst für ein Kapitel zu erstellen. Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT]. Erstelle basierend auf den Punkten, die ich dir gleich gebe, einen strukturierten ersten Entwurf für ein Kapitel mit der Überschrift [KAPITELÜBERSCHRIFT]. 188 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="189"?> Dieses Kapitel ist Bestandteil des übergeordneten Kapitels [ÜBERGE‐ ORDNETES KAPITEL]. Innerhalb dieses übergeordneten Kapitels bzw. innerhalb der gesamten Arbeit soll das Unterkapitel die folgende Funktion einnehmen: [FUNKTION].“ - Fordern Sie das Tool mittels eines geeigneten Prompts dazu auf, zu den von Ihnen schreibend produzierten Ideen noch weitere Aspekte hinzuzufügen. Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT]. Ich gebe dir gleich Punkte eines Freewritings, das ich zum Kapitel mit der Überschrift [KAPITELÜBERSCHRIFT] gemacht habe. Dieses Kapitel ist Bestand‐ teil des übergeordneten Kapitels [ÜBERGEORDNETES KAPITEL]. Innerhalb dieses übergeordneten Kapitels bzw. innerhalb der gesam‐ ten Arbeit soll das Unterkapitel die folgende Funktion einnehmen: [FUNKTION]. Füge nun bitte neue inhaltliche Aspekte zu den von mir schon notierten Aspekten hinzu, die ich bislang noch nicht bedacht habe. Erweitere also mein Denken im Sinne eines epistemischen Assistenten.“ Wichtig ist hier, dass Sie anschließend nicht an diesem Punkt stehen bleiben, sondern in die Iteration gehen: Führen Sie zu den Aspekten, die Ihnen das KI-Tool ausgegeben hat, wieder ein neues Freewriting durch. Verfahren Sie anschließend wieder so, wie hier beschrieben - und erweitern Sie so Schritt für Schritt Ihre Gedanken. • Audio-Eingabe: Diese Strategie könnte man auch als ‚Freespeaking‘ bezeichnen. Sie plappern einfach los und sprechen mit einem KI-Tool (z. B. mit der ChatGPT-App für iOS oder Android) über all das, was Ihnen zu einem bestimmten Kapitel oder Absatz durch den Kopf geht. Nutzen Sie die Möglichkeit, ungefiltert alle Ihre Gedanken laut auszusprechen, während eine auf generativer KI basierende App ‚mithört‘. Geben Sie dem KI-Tool im Folgenden mittels eines geeigneten Prompts entspre‐ chende Anweisungen: Soll das Tool Ihre Gedanken in einen eloquenten wissenschaftlichen Text umwandeln? Oder soll es Ihre Gedanken ledig‐ lich sortieren, z. B. in thematisch geclusterte Bulletpoints? Gestatten Sie mir an dieser Stelle eine persönliche Anmerkung: Seit ich diverse 4.5 Rohfassung 189 <?page no="190"?> KI-Tools als Apps auf meinem Handy habe, spreche ich viel mehr, um Rohfassungen zu schreiben, als dass ich schreibe, um Rohfassungen zu schreiben. Ich bin sehr gespannt, wie diese Reise weitergehen wird. • Stichpunkte ausformulieren: Wenn Sie bereits Stichpunkte zu einem Absatz oder Kapitel notiert haben und diese nun in eine erste kohärente, ausformulierte Rohfassung überführen möchten, sind KI-Tools ein nütz‐ liches Werkzeug. Auch hier gilt: Geben Sie in Ihrem Prompt die konkrete Fragestellung Ihrer Arbeit als Bezugspunkt an. Denken Sie außerdem daran, dem KI-Tool mitzuteilen, welche Funktion das zu formulierende Kapitel oder der zu formulierende Absatz im Gesamtkontext Ihrer Arbeit hat und wie es/ er zur Bearbeitung der übergeordneten Fragestellung beiträgt. • Materialsammlung strukturieren: Vielleicht sind Sie beim Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit bislang so vorgegangen, dass Sie alle Stichpunkte, Literaturfunde (direkte und indirekte Zitate), Materialien, eigene Gedanken und Kommentare, die Sie zu einem Kapitel gesammelt haben, in eine leere Textdatei gepackt und daraus dann Schritt für Schritt Ihren Text erstellt haben. Sie haben nun die Möglichkeit, alle diese Notizen in ein KI-Tool zu laden (beachten Sie dabei aber unbedingt Urheberrechte und den Punkt des Datenschutzes! ). Wie genau Sie hierbei vorgehen, hängt zu einem gewissen Teil auch von dem KI-Tool ab, für das Sie sich entschieden haben. Bei einigen KI-Tools lassen sich zusammen mit einem Prompt Dateien wie .docx- oder .pdf-Formate hochladen. Bei anderen Tools müssen Sie alles, was Sie dem Tool ‚mit‐ geben‘ möchten, in das Prompt-Eingabefeld packen. Daneben haben Sie auch die Option, einen speziellen Chatbot (bei ChatGPT GPT genannt) zu erzeugen und diesen mit Ihren Dateien zu ‚füttern‘ (s. Kapitel 3.6). Ganz egal, ob Sie Ihre Notizen für ein Kapitel als .docx hochladen oder direkt in den Prompt eingeben: Strukturieren Sie sie so gut wie möglich vor, um dem KI-Tool die Verarbeitung zu erleichtern. Hierfür können Sie, wenn Sie die Notizen direkt ins Prompt-Eingabefeld einfügen, auf Markdown-Syntax zurückgreifen, die sehr einfach, aber sehr effektiv für die weitere Verarbeitung durch das KI-Tool ist. Wie immer, wenn es um das Prompting geht, gilt nämlich auch hier: Je mehr Sie erklären und Ihre Gedanken explizieren, desto besser kann ein KI-Tool damit umgehen. Mit einem entsprechenden Prompt können Sie sich dann aus Ihren Stichpunkten, Gedanken und Kommentaren ein Grundgerüst für das zu schreibende Kapitel erstellen lassen. 190 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="191"?> Beispielpromt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT] Hier ist meine Mate‐ rialsammlung für das (Unter-)Kapitel [KAPITEL]. Bitte erstelle daraus ein Grundgerüst für das Kapitel, in dem du die Materialien in einzelne Themenbereiche gliederst, ggf. mit Unterpunkten, und diese anschlie‐ ßend in eine logische Reihenfolge bringst“. Ich selbst bin beim Erstellen des vorliegenden Buches so vorgegangen. Da ich über die letzten zwei Jahre sehr viel Material zum Thema des Buches angesammelt und auch schon einige wissenschaftliche Texte zu Themen aus dessen Dunstkreis geschrieben habe, konnte ich auf viele Notizen, direkte und indirekte Zitate, weiterführende Ressourcen etc. zugreifen. Daneben hatte ich auch viele Ideen für jedes Kapitel im Kopf, die ich zusätzlich noch als Audio-Memo eingesprochen habe. So erhielt ich für jedes Kapitel zunächst KI-generiert ein Gerüst für das Kapitel. Das erhaltene Grundgerüst bzw. die interne Gliederung für das Kapitel habe ich anschließend an meine Vorstellungen angepasst, habe Punkte gestrichen und andere Punkte ergänzt, habe am roten Faden und der argumentativen Logik gefeilt. In einem zweiten Schritt konnte ich mir dann eine erste Rohfassung für das jeweilige Kapitel erstellen lassen. Diese musste ich zwar natürlich ebenfalls noch weiterbearbeiten, ergänzen, kürzen etc., aber ich hatte zumindest einen Ausgangspunkt, an dem ich mich abarbeiten konnte. • Mehrere Versionen generieren: Lassen Sie ein KI-Tool zu einem Absatz oder einem Kapitel, den/ das Sie selbst verfasst haben, weitere Versionen generieren. Die Versionen können sich z. B. hinsichtlich ihres Stils unterscheiden. Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT]. Hier ist ein Absatz aus dem Kapitel [KAPITEL]. Gib mir zwei alternative Versionen dafür aus. Die erste Version soll in leichter Sprache geschrieben sein, sodass auch Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen den Absatz verstehen. Die zweite Version soll so formuliert sein, dass sie in einem wissenschaftlichen Paper stehen könnte, das in einem Top-Journal meines Faches erscheint“. 4.5 Rohfassung 191 <?page no="192"?> 47 Diese Strategie habe ich dem Dokument „KI-gestützte Schreibstrategien“ des Schreib‐ zentrums der Goethe-Universität Frankfurt a. M. (Kaib, 2024) entnommen. Meine Beschreibung der Strategie ist stark an diesem Dokument orientiert. Überlegen Sie dann, wie sich die KI-generierten Texte von Ihrem eigenen Text unterscheiden. Was gefällt Ihnen an Ihrem eigenen Text besser und was am KI-generierten Text? Achten Sie dabei nicht einfach nur darauf, ob die Formulierungen der KI-generierten bzw. Ihrer eigenen Version besser klingen. Stattdessen geht es v. a. darum, zu entscheiden, welche Formulierungen Ihre Gedanken tatsächlich besser, also exakter ausdrücken (Kaib, 2024, S. 3). Durch die Anpassung des Stils merken Sie vielleicht auch, wie die eigenen Ideen wirken, wenn sie z. B. plötzlich in leichter Sprache ausgedrückt sind. Gehen hier wesentliche Elemente Ihrer Argumentation verloren? Oder gewinnt Ihr Text durch die einfachere Ausdrucksweise? Erstellen Sie am Ende ggf. eine neue Version, in der Sie Ihren eigenen Text mit den KI-generierten Versionen kombinieren. Auf diese Weise kann dann der für Sie beste Text entste‐ hen. Eine andere Möglichkeit ist es, denselben Prompt in verschiedene Sprachmodelle einzugeben und anschließend die entstandenen Versio‐ nen zu vergleichen. Plattformen wie Poe ermöglichen direkt die Interak‐ tion mit vielen verschiedenen Sprachmodellen, sodass Sie die Plattform nicht wechseln müssen und sich die verschiedenen Versionen direkt nebeneinander anzeigen lassen können. • Invertierte Interaktion 47 : Bei dieser Strategie geht es darum, sich von einem KI-Tool Fragen zu einem bestimmten Kapitel Ihrer Arbeit stellen zu lassen, diese zu beantworten und das KI-Tool dann dazu aufzufordern, aus den Antworten eine Rohfassung zu erstellen. Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT]. Du bist mein Schreibcoach mit schreibdidaktischer Expertise. Meine Arbeit ist wie folgt aufgebaut [VORLÄUFIGE GLIEDERUNG]. Nun möchte ich das (Unter-)Kapitel [KAPITEL] schreiben. Du sollst mich dabei unterstüt‐ zen, indem du folgendermaßen vorgehst: Als erstes stellst du mir eine Frage, die ich beantworten muss, um das Kapitel zu schreiben. Jedes Mal, wenn ich eine Antwort gebe, stellst du mir Rückfragen, bis du genug Informationen zu einem Aspekt hast. Ich sage dir, wenn 192 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="193"?> ich genug Fragen beantwortet habe. (Anschließend überführst du die von mir erhaltenen Informationen in eine erste Rohfassung für das (Unter-)Kapitel.)“ Treten Sie anschließend in den Dialog mit dem KI-Tool und beantworten Sie dessen Fragen. Sie werden merken, dass Sie die Fragen recht aus‐ führlich beantworten und daher schon ganz schön viel zum jeweiligen Kapitel wissen müssen, dass Sie auf manches vielleicht aber auch noch gar keine Antwort haben. Das ist genau der Sinn der Aufgabe: Statt vor einem leeren Dokument zu sitzen, erzählen Sie einfach schriftlich von Ihren Ideen. Fragen, die Sie nicht beantworten können, können Sie als Anstoß zur weiteren Literaturrecherche und/ oder weiteren Datenauswertung betrachten. Anschließend lässt sich das KI-Tool dazu auffordern, aus Ihren Antworten eine erste zusammenhängende Roh‐ fassung zu erstellen, mit der Sie dann weiterarbeiten können. Allerdings ist zumeist die Interaktion selbst hilfreicher als der danach generierte Text, da Sie allein durch das Beantworten der Fragen einen wichtigen Er‐ kenntniszuwachs verzeichnen können und dann ggf. die Unterstützung des Tools beim Generieren einer Rohfassung gar nicht mehr benötigen. Durch die beschriebenen Strategien können KI-Tools zur Schärfung Ihrer Gedanken, zur Vertiefung der Inhalte und Erweiterung Ihrer Perspektive beitragen. Am Schluss dieses Kapitels sei nochmals betont, dass das Ziel der beschriebenen Strategien nicht ist, komplett fertige Absätze und/ oder Kapitel für Ihre wissenschaftliche Arbeit zu bekom‐ men. Stattdessen geht es um das Erstellen von Rohfassungen, die Sie dann als Ausgangspunkt für schrittweise inhaltliche, strukturelle und sprachliche Überarbeitungen nutzen können. Wie KI-Tools Sie konkret beim Überarbeiten unterstützen können, ist Gegenstand des nächsten Kapitels. Takeaway • Der Schreibprozess ist iterativ und rekursiv. KI-Tools unterstützen hier dabei, sich schrittweise dem finalen Text anzunähern und durch das Schreiben selbst bzw. durch die Interaktion mit den KI-Tools neues Wissen zu generieren. 4.5 Rohfassung 193 <?page no="194"?> • KI-Tools helfen Schreibenden, die Angst vor dem leeren Blatt zu überwinden und Schreibblockaden zu reduzieren, indem sie erste Textentwürfe generieren. • Das Ziel des Einsatzes von KI-Tools beim Erstellen von Rohfassun‐ gen ist nicht das Generieren fertiger Texte, sondern die Erstellung von Ausgangspunkten für die weitere Überarbeitung. 4.6 Überarbeiten Ziel dieses Kapitels ist es, die entscheidende Rolle des Überarbeitungs‐ prozesses für die Qualität wissenschaftlicher Arbeiten zu betonen und aufzuzeigen, wie KI-Tools diesen Prozess unterstützen können, wo aber auch deren Grenzen liegen. Es wird erläutert, wie KI-Tools in die Überar‐ beitung der verschiedenen Ebenen eines Textes - inhaltlich, strukturell, sprachlich-stilistisch und formal - integriert werden können. Welches Vorwissen für dieses Kapitel vorausgesetzt wird: • Kompetenz, die Intention des eigenen Textes zu bestimmen und zu beurteilen, ob diese auch tatsächlich zum Ausdruck kommt • Wissen darüber, wodurch sich wissenschaftliche Argumentationen in Ihrem Fach auszeichnen • Bewusstsein für die spezifische Wissenschaftssprache Ihrer Diszip‐ lin, d. h. fachspezifische Satzmuster, Argumentationsstrukturen, sprachliche Wendungen etc. Die Überarbeitung von Texten ist die Teilaufgabe des Schreibprozesses, die vor allem ungeübte Schreibende häufig unterschätzen. Aus der Schule ken‐ nen die meisten wahrscheinlich (fast) nur das sog. „Spontanschreiben“ (Ort‐ ner, 2006). Dabei werden Texte weder im Voraus geplant noch überarbeitet, sondern, wie der Name sagt, spontan ‚in einem Rutsch‘ niedergeschrieben. Das wissenschaftliche Schreiben unterscheidet sich hiervon stark. 194 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="195"?> Denkanstoß | Andrea Klein bringt die Unterschätzung des Überarbei‐ tens etwas drastisch, inhaltlich aber völlig korrekt zum Ausdruck. Sie berichtet davon, dass Lehrende sich häufig darüber beschweren, dass die Seminar- und Abschlussarbeiten von Studierenden so schlecht seien: „Die Studierenden heutzutage können eben einfach nicht mehr schreiben, lautet dann das Fazit. Falsch, die Studierenden heutzutage müssten ihre Texte einfach mehr überarbeiten. Viele Arbeiten sind so schlecht, weil sie zu wenig überarbeitet werden. Die Qualität kommt bei der Überarbeitung“ (Klein, 2016). Was denken Sie darüber? Welchen Stellenwert spielte die Teilaufgabe des Überarbeitens bislang in Ihrem wissenschaftlichen Schreiben? Handelte es sich dabei wirklich um eine tiefgehende Überarbeitung Ihres Textes oder lediglich um ein Korrigie‐ ren auf der sprachlichen Oberfläche des Textes? Andrea Klein (2016) berichtet weiterhin, dass manche Schreibratgeber emp‐ fehlen, bis zu 50 % der Gesamtzeit für die Überarbeitung einzuplanen (etwa Scheuermann, 2016, S. 48). Auch wenn es immer schwierig ist, numerische Richtwerte anzugeben, kann man doch sagen, dass man für das Überarbeiten ruhig rund ein Drittel der Gesamtarbeitszeit einplanen sollte. Das Überarbeiten hilft Ihnen zunächst dabei, Ihre in der Rohfassung ausgedrückten Gedanken kontinuierlich weiterzuentwickeln und so zum Kern dessen vorzudringen, was Sie ausdrücken möchten (Sommers, 1981). Vor diesem Hintergrund trägt das Überarbeiten auch dazu dabei, immer klarer zu definieren, wohin man mit seiner Arbeit überhaupt möchte. Das Bewusstsein über die Kluft zwischen dem, was der Rohtext ausdrückt und dem, was Sie eigentlich ausdrücken möchten, ist anschließend eine gute Richtschnur für das Überarbeiten. Dies sollte man gerade dann im Hinterkopf haben, wenn ein KI-generierter Rohtext als Ausgangspunkt der Überarbeitungsschleifen dient - schließlich steckt in diesem noch gar keine eigene Intention (Chiang, 2023). Neben dem Anstreben einer Passung zwischen Text und eigener Intention wird beim Überarbeiten aus einem „Ich-Text“ auch ein „Du-Text“ (Wolfsber‐ ger, 2021, S. 217): Den Rohtext schreiben Sie für sich, weil es erst einmal nur darum geht, Gedanken festzuhalten. Ihre wissenschaftlichen Texte müssen aber auch für andere verständlich sein, im Fall von Abschlussarbeiten im Studium zumindest für Ihre Betreuenden. Deshalb ist es wichtig, die 4.6 Überarbeiten 195 <?page no="196"?> zunächst nur für einen selbst verfassten Rohversionen schließlich in einen auf ein Gegenüber ausgerichteten Text zu überführen. Insgesamt geht es beim Überarbeiten darum, die drei Dimensionen 1) eigene Ideen/ Intention, 2) Wortlaut des Textes und 3) potenzielle Interpreta‐ tionen, sprich das Verständnis der Lesenden des Textes, zusammenzuführen und deren Wechselwirkungen zu betrachten (Kellogg, 2014, S. 130). Dies ist alles andere als einfach, setzt ein gewisses Maß an Schreibkompetenz voraus und kann auch nicht einfach von KI-Tools automatisiert werden. Der Grund dafür ist so einfach wie elementar: Das eigenständige Überarbeiten wissen‐ schaftlicher Texte ist ein zentrales Kriterium dafür, ob Autor: innenschaft vorliegt. Und dies bildet wiederum ein zentrales Kriterium dafür, dass man Verantwortung für seinen Text übernehmen kann (s. Kapitel 3.4). Wenn Sie im Rahmen des Überarbeitens nicht sicherstellen, dass der Text, den Sie (mit KI-Unterstützung) geschrieben haben, Ihren Absichten entspricht, können Sie keine Verantwortung für ihn übernehmen. Das eigene Nachdenken über Fragen wie die, warum Sie mit Ihrer Rohfassung an der einen oderen anderen Stelle unzufrieden sind, ist ein wichtiger Prozess und hilft Ihnen dabei, sich intensiver mit dem Geschriebenen auseinanderzusetzen. KI-Tools sollten deshalb im Rahmen der inhaltlichen und strukturellen Überarbeitung (s. u.) nur in dem Maße eingesetzt werden, in dem sie dazu dienen, Sie Ihren im Text ausgedrückten Absichten, der kommunikativen Intention Ihres Textes näherzubringen. Ein weiterer Grund, weshalb KI-Tools für diese Teilaufgabe des wissen‐ schaftlichen Schreibprozesses mit Vorsicht zu genießen sind, ist die Tatsa‐ che, dass KI-Tools nichts verstehen und daher nur bedingt inhaltliche Rück‐ meldungen geben können. Ich veranschauliche Ihnen dies an einem kleinen ‚Experiment‘ des schweizerischen Deutschlehrers Philippe Wampfler aus dem schulischen Kontext: Zunächst ließ Wampfler ChatGPT einen Aufsatz zu einem vorgegebenen Thema schreiben. Anschließend sollte ChatGPT genau diesen Aufsatz beurteilen und die abgegebene Beurteilung begründen. Zunächst vergab ChatGPT 17 von 20 Punkten, wobei die Erklärung für diese Punktzahl nicht vollständig anhand des Textes nachvollziehbar sowie teilweise willkürlich und inkonsistent war. Katharina Zweig greift dieses Experiment in ihrem Buch „Die KI war’s! “ (2023) auf und führt es fort. Hierfür gab sie ChatGPT den gleichen Text wie Wampfler und forderte das Tool ebenfalls zu einer Beurteilung auf. Sie leitete diese Forderung jedoch mit dem Kommentar ein, dass es sich um einen „nicht sehr guten“ (Zweig, 2023) Aufsatz handelt. Plötzlich vergab ChatGPT nur noch 14 von 196 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="197"?> 48 Wenn nein, dann empfehle ich Ihnen wärmstens, dies einmal auszuprobieren. Inzwi‐ schen gibt es an zahlreichen Hochschulen Schreibzentren, wo Sie unter vier Augen mit einer Mitarbeiterin oder einem studentischen Schreibtutor über Ihre wissenschaftliche Arbeit sprechen können, Feedback erhalten, beim Zeitmanagement unterstützt werden etc. Die allermeisten Studierenden und Promovierenden, die bei einer Beratung waren, sind sehr dankbar für diese Unterstützung und sagen nicht selten: „Hätte ich nur früher 20 Punkten. Schließlich gab Zweig noch die Vorgabe in den Prompt ein, dass sie einen Beurteilungstext haben möchte, der eine Vergabe von nur 7 von 20 Punkten begründet. Und voilà: ChatGPT verfasste einen passenden Beurteilungstext. Wie kann es sein, dass der gleiche Text einmal mit 17, einmal mit 14 und einmal mit nur 7 Punkten beurteilt wird? Ist das nicht höchst ungerecht und willkürlich? Nun, ChatGPT tat im letzten Fall genau das, „was es tun soll: einen Text generieren, der eine nicht so gute Bewertung abgibt“. Somit geht die Bewertung also „nicht wirklich auf den Text als solchen ein […], sondern [hängt] maßgeblich von der Anfrage ab“ (Zweig, 2023, S.-184). Ich würde hier allerdings kein Kapitel zum Einsatz von KI-Tools beim Überarbeiten ansetzen, wenn ich für einen KI-freien Überarbeitungsprozess plädieren würde. Prinzipiell sollte kein Text abgegeben werden, ohne dass zuvor Rückmeldungen dazu eingeholt wurden. Dabei spreche ich nicht vom reinen Korrekturlesen, sondern von wirklichen inhaltlichen Rückmel‐ dungen. Als Autor: in stehen Sie Ihrem Text zu nahe und können dessen Unzulänglichkeiten daher nur schwer wahrnehmen. Innerhalb des Über‐ arbeitungsprozesses ist das Einholen von menschlichem Feedback daher goldwert. Viele Schreibende haben jedoch Angst davor, sich Rückmeldungen auf ihre Texte zu holen, da sie sich hierbei gewissermaßen entblößen müs‐ sen. Das Teilen von unfertigen Rohtexten kann ein Gefühl der Verletzlichkeit hervorrufen, da man sich der Kritik und den Gedanken anderer aussetzt. Die Angst davor, was andere über die eigenen shitty first drafts denken könnten, lähmt viele Schreibende. An dieser Stelle können KI-Tools eine wertvolle Unterstützung bieten. Sie sind jederzeit verfügbar, fällen keine Urteile und denken nicht schlecht über Sie oder Ihre Texte - schließlich sind sie nicht in der Lage, überhaupt zu denken. Somit bieten KI-Tools eine neutrale und ‚sichere‘ Möglichkeit, erste Rückmeldungen zu Ihren Texten zu erhalten, bevor Sie diese mit anderen Menschen teilen (Lin, 2024). Haben Sie schon einmal eine Schreibberatung in Anspruch genommen? 48 War das Ziel Ihrer Sitzung mit der Schreibberaterin, Feedback auf Ihren 4.6 Überarbeiten 197 <?page no="198"?> gewusst, dass es so etwas an unserer Hochschule gibt, hätte mir das viel Hilflosigkeit erspart …“. 49 Den Vergleich zwischen Schreibberatung und KI-Unterstützung verdanke ich Alexan‐ der Kaib. Text zu erhalten? Wenn ja, dann lief die Sitzung sicherlich nicht so ab, dass Sie eine geschlossene Frage zur Textqualität nach der anderen gestellt und anschließend eine Antwort darauf bekommen haben („Ist der rote Faden vorhanden? Ist klar, warum ich erst auf A und dann auf B eingehe? Gibt es genug Überleitungen zwischen den Kapiteln? “). Stattdessen hat Ihr Ge‐ genüber sicher Rückfragen an Sie gestellt, seine Leseeindrücke geschildert, sich Ihren roten Faden erklären lassen etc. Diese Beratungssituation ist ein gutes Modell für die Unterstützung von KI-Tools bei der Überarbeitung: Man kann nicht einfach eine Liste an Fragen ‚herunterrattern‘, sich diese beantworten lassen, den Text entsprechend überarbeiten und fertig. Wohl können sich Schreibende im Dialog mit KI-Tools und einer kritischen Aus‐ einandersetzung mit den KI-Generaten aber ihrem finalen Text annähern. 49 Überarbeiten will gelernt sein, ob mit KI-Unterstützung oder ohne. Wichtigster Punkt dabei ist das Trennen der verschiedenen Ebenen des Überarbeitens: Wenn Sie in einem Überarbeitungsdurchgang sowohl die inhaltliche, die strukturelle, die sprachlich-stilistische und die formale Ebene bearbeiten wollen, ist dieses Unterfangen wohl zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. In den folgenden Unterkapiteln gehe ich deshalb getrennt auf je eine der vier Ebenen des Überarbeitens ein. Innerhalb dieser Ebenen sollten Sie sich pro Überarbeitungsdurchgang außerdem nur eine Zielsetzung vornehmen und den Fokus dann auch wirklich nur darauf legen, um sich nicht zu verzetteln und die Übersicht nicht zu verlieren. Noch ein letzter, sehr wichtiger Hinweis: Bei der Nutzung von KI-Tools zur Textüberarbeitung ist es elementar, datenschutzrechtliche Fragen zu berücksichtigen. Überlegen Sie genau, welche Texte Sie hochladen, insbe‐ sondere wenn es sich um sensible Daten oder unveröffentlichte Forschungs‐ ergebnisse handelt. Es kann ratsam sein, nur Ausschnitte Ihres Textes zu verwenden oder sensible Informationen vor dem Hochladen zu anonymi‐ sieren. Zu datenschutzrechtlichen Fragen sei auf Kapitel 2.4 verwiesen. 198 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="199"?> Inhaltliche Überarbeitung Bei der inhaltlichen Überarbeitung wissenschaftlicher Texte geht es darum, die fachliche Substanz, die Argumentation des Textes und die zum Aus‐ druck gebrachten Gedanken zu optimieren. Wenngleich ich weiter unten noch separat auf die sprachlich-stilistische Überarbeitung eingehe, sind die Punkte ‚Inhalt‘ und ‚Sprache‘ doch nicht zu trennen: Formulierungsarbeit ist Denkarbeit und dementsprechend steht nicht auf der einen Seite der Inhalt und auf der anderen Seite dessen sprachliche ‚Verpackung‘. Das Nachdenken über den Inhalt geht mit Nachdenken über die passenden Formulierungen einher - und umgekehrt. Die Arbeit an Formulierungen ist dementsprechend immer auch ein Vehikel neuer Erkenntnisse und nimmt somit einen wichtigen, nicht automatisierbaren Part innerhalb des Schreibprozesses ein. Basierend auf Kruse (2007, S. 159f.) und einem Arbeitsblatt des Schreib‐ Centers der TU Darmstadt (o. J.) habe ich verschiedene Fragen zur inhaltli‐ chen Überarbeitung zusammengestellt: 1. Ist die Argumentation nachvollziehbar? 2. Wo fehlen Informationen, die Lesende für das Verständnis brauchen? 3. Welche Aussagen sind undeutlich oder unklar? 4. Wo könnten Beschreibungen, Fallbeispiele oder Vergleiche den Text anschaulicher machen? 5. Sind alle Behauptungen gut begründet? Fehlen an manchen Stellen Belege? 6. Was lenkt von der Beantwortung der Forschungsfrage ab und ist damit unwesentlich? 7. Wo gibt es im Text logische Widersprüche? 8. Wo wiederholen sich Aussagen? Manche dieser Fragen lassen sich mit der Unterstützung eines KI-Tools wie ChatGPT oder Claude beantworten, andere hingegen sind hierfür eher weniger bis gar nicht geeignet. Ich habe die Fragen schon entsprechend angeordnet: Die Aspekte 1-4 sind nicht dazu geeignet, von einem KI-Tool beurteilt zu werden. Frage 5 ist ein ‚Zwischenkandidat‘; für die Fragen 6-8 können Sprachmodelle brauchbare Antworten liefern. Weshalb ist das so? Die Fragen 1-4 setzen ein Verständnis des Textes voraus, das Sprach‐ modelle definitiv nicht haben. Ob die Argumentation nachvollziehbar ist, Informationen fehlen, Aussagen undeutlich sind oder Beispiele ergänzt wer‐ 4.6 Überarbeiten 199 <?page no="200"?> den könnten, können nur Menschen beurteilen. Allerdings möchte ich Ihnen eine Option vorstellen, wie KI-Tools Sie unterstützen können, diese Fragen selbst zu beantworten. Und zwar spreche ich hier von der Möglichkeit, aus PDFs einen Podcast generieren zu lassen. Tools wie NotebookLM von Google oder PodcastGen auf HuggingFace überführen simple PDF-Text-Dateien in einen Podcast, in dem sich dann zwei Sprecher: innen über den hochgelade‐ nen Text unterhalten. Hier könnten Sie Ihren bisherigen Text - entweder die ganze Arbeit oder ein Kapitel - hochladen und sich anschließend den Podcast dazu anhören. Kommt in dem Podcast das zum Ausdruck, was Sie mit Ihrem Text sagen möchten? Scheint die Argumentation nachvollziehbar zu sein? Natürlich ist es möglich, dass komisch anmutende Ausschnitte des Podcasts, über die Sie stolpern, nicht auf eine mangelhafte Qualität Ihres Textes zurückzuführen sind, sondern auf Fehler der KI-Tools. Vielleicht merken Sie beim Lesen Ihres Textes nach dem Hören des Podcasts aber auch, dass wirklich an der ein oder anderen Stelle Informationen fehlen oder Aussagen unklar sind. Zur Bearbeitung der Fragen 6-8 sind KI-Tools gut als Assistenten geeignet - allerdings sollten Sie natürlich auch hier deren Antworten kritisch prüfen. Hier empfiehlt es sich, die Fragen schrittweise zu stellen, um präzise, auf die einzelnen Fragen abgestimmte Antworten zu erhalten. Außerdem sollten die eingespeisten Textpassagen nicht allzu lang sein und damit nicht über ein einzelnes (Unter-)Kapitel hinausgehen. LLMs sind bei längeren Texten ‚überfordert‘, gerade dann, wenn es um komplexe Argumentationszusam‐ menhänge geht (M. Li et al., 2024). Eine bewährte Technik für die inhaltliche Überarbeitung ist der Perspek‐ tivwechsel: Hierbei lesen Sie Ihren Text aus der Sicht Ihrer Adressat: in‐ nen und identifizieren mit diesem ‚fremden‘ Blick Optimierungspotenzial. KI-Tools können Sie hierbei unterstützen, auch wenn Sie nicht den eigenen kritischen Blick ersetzen: Lassen Sie ein KI-Tool wie ChatGPT oder Llama die Rolle Ihrer betreuenden Person oder einer kritischen Leserin einnehmen und aus deren Perspektive potenzielle Schwachstellen im Text aufdecken. Ein KI-Tool kann natürlich nicht im eigentlichen Sinne eine menschliche Perspektive einnehmen, eine solche aber basierend auf Wahrscheinlichkeits‐ berechnungen mehr oder weniger gut simulieren (Ehlers, 2023, S.-275). Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT]. Du bist die Betreu‐ erin meiner Masterarbeit. Hier ist die Einleitung/ das Methodenkapi‐ 200 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="201"?> 50 Der Begriff advocatus diaboli (‚Anwalt des Teufels‘) bezieht sich auf eine Person, die in einer Diskussion absichtlich eine gegensätzliche Position einnimmt, auch wenn sie diese Position nicht unbedingt selbst vertritt. Ziel ist es, Argumente zu hinterfragen und die Stärke der gegnerischen Position zu testen. tel/ der Forschungsüberblick etc. meiner Arbeit. Bitte lies den Text als meine Betreuerin und teile mir deine Leseeindrücke zu folgendem Aspekt mit [ASPEKT]“. Apropos Perspektive: KI-Tool eignen sich auch als gut Sparringpartner bzw. als advocatus diaboli. 50 Wenn Sie einem Tool durch einen entsprechenden Prompt diese Rolle zuweisen, können Sie sich Gegenargumente zu Ihrer Argumentation generieren lassen und diesen in Ihrem Text direkt ‚den Wind aus den Segeln‘ nehmen oder sie ganz entkräften. Wissenschaftliche Texte enthalten immer eine Argumentation und damit Argumente - auch wenn Sie jetzt vielleicht denken: „Ich bin Naturwissenschaftler: in, ich habe einfach meine Daten, ich schreibe doch keine Argumentationen, es geht hier doch nicht um meine Meinung, sondern um harte Fakten“. Doch, auch in den Naturwissenschaften argumentieren Sie. Sie argumentieren für Ihre Interpretation der Daten, für Ihre Hypothese(n), für Ihre Ergebnisse, für Ihre Schlussfolgerungen. Ein Argument ist etwas, das überzeugen soll - und Sie möchten Ihre Lesenden von Ihrer spezifischen Beantwortung Ihrer Forschungsfrage bzw. Ihrer Evidenz für Ihre Hypothese(n) überzeugen (Belcher, 2019, S.-67). In Kapitel 4.2 habe ich geschrieben: „Ohne eine präzise formulierte und ausreichend fokussierte Fragestellung sind Schreibprojekte in vielen Fächern zum Scheitern verurteilt. Es reicht also nicht aus, lediglich ein Thema zu benennen - vielmehr muss dazu eine konkrete Fragestellung entwickelt werden“. Wenn Sie lediglich über ein Thema schreiben und keine konkrete Fragestellung bearbeiten, kann es sein, dass Sie versucht sind, alles aufzuschreiben, was Sie zu einem Thema finden oder lediglich Ihre Daten zeigen. Eine wissenschaftliche Arbeit ist aber ein argumentativer Text, in dem Sie für andere überzeugend darlegen und begründen sollen, wie Sie u. a. mithilfe der Forschungsliteratur und/ oder mithilfe einer eigenen Studie Ihre Forschungsfrage beantworten. Im Kontext der inhaltlichen Überarbeitung des eigenen Textes geht es dementsprechend auch darum, zu überprüfen, ob Ihr Text argumentativ stringent ist. 4.6 Überarbeiten 201 <?page no="202"?> 51 Hier sind wir wieder einmal an einer Stelle angelangt, an der sich zeigt, dass der verantwortungsbewusste, sinnvolle Einsatz von KI-Tools beim wissenschaftlichen Schreiben ganz schön voraussetzungsreich ist. Wenn Sie nicht wissen, wodurch sich wissenschaftliche Argumentationen in Ihrem Fach auszeichnen, könnten Sie eine Passage eines publizierten Artikels in ein KI-Tool wie ChatGPT oder Claude kopieren und eine Analyse der zugrunde liegenden Argumentationsstruktur anfordern. Der Haken hierbei ist jedoch, dass Sie ohne Hintergrundwissen die KI-generierte Analyse nicht hinsichtlich ihrer Richtigkeit beurteilen können. Ein gutes Argument hat mindestens drei Teile (Toulmin, 2003): eine Behauptung (das, was Sie zeigen bzw. den Standpunkt, den Sie verteidi‐ gen möchten), Daten bzw. Evidenzen (die die Behauptung stützen) und eine Schlussregel (die Annahmen, Voraussetzungen oder Prinzipien, die Ihre Behauptung mit den Daten verbinden). KI-Tools können Sie dabei unterstützen, zu überprüfen, ob alle Ihre Behauptungen gut begründet sind oder ob an manchen Stellen Belege fehlen (s. Frage 5 der Aufzählung zu Beginn dieses Unterkapitels). Hierfür empfiehlt sich ein gestaffeltes Vorgehen, ein sog. Chain-of-Thought-Prompting (s. Kapitel 3.6): Geben Sie dem gewählten KI-Tool in Ihrem Prompt zunächst einmal vor, wodurch sich eine Argumentation in Ihrem Fach überhaupt auszeichnet. 51 Fügen Sie dann einen Absatz Ihrer Arbeit ein und lassen Sie das KI-Tool beurteilen, ob die entsprechenden Bestandteile vorhanden sind. Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT]. Du bist ein hilfrei‐ cher und kompetenter Schreibcoach. Du weißt, dass wissenschaftliche Texte von unerfahreneren Schreibenden das Problem aufweisen kön‐ nen, dass es sich um sog. Knowledge Telling Paper handelt. Das meint, dass Schreibende einfach alles zu einem Thema aufschreiben, was sie wissen. Das Gegenteil davon und damit das, was ich anstrebe, ist, ein Knowledge Transforming Paper zu schreiben. Solche Texte zeichnen sich dadurch aus, dass die einzelnen Wissenselemente nicht nur aneinander‐ gereiht werden, sondern dass sie eine Argumentation aufweisen, die einer nachvollziehbaren Logik folgt. Das zentrale Argument meiner Dis‐ sertation lautet: [ZENTRALES ARGUMENT]. Im Folgenden gebe ich Dir ein (Unter-)Kapitel meiner Dissertation. 1) Analysiere in einem ersten Schritt die Argumentationsstruktur meiner bisherigen Ausführungen. 2) Nachdem Du das gemacht hast, zeigst Du mir in einem zweiten Schritt bitte auf, ob meine Argumentation nach folgenden fachlichen 202 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="203"?> Prinzipien [PRINZIPIEN DER ARGUMENTATION IN IHREM FACH] logisch aufgebaut ist und begründest dies. 3) In einem dritten und letzten Schritt zeigst Du mir Stellen auf, an denen mein Kapitel noch eher einem Knowledge Telling Paper entspricht, also einer losen Aneinanderreihung von Aussagen“. Spannend ist im Folgenden nun Ihre Überprüfung der Antwort des KI-Tools: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dort falsche Aussagen enthalten sind und Sie sich denken „Aber das habe ich doch gemacht/ gar nicht gemacht! “ In dem Fall drehen Sie den Spieß um und werden selbst wiederum zur Feedbackgeberin für das KI-Tool - und hier öffnet sich Ihnen eine wert‐ volle Lerngelegenheit. Lassen Sie mich Ihnen veranschaulichen, was ich meine. Ich habe den obenstehenden Prompt natürlich mit verschiedenen Textstellen ausprobiert. Dabei habe ich von Claude z. B. folgende Aussage bekommen: „Der Abschnitt über X wirkt wie eine Aneinanderreihung von Informationen ohne klare Verbindung zum Hauptargument“. Dies war aber gar nicht der Fall - ich hatte im Text ganz deutlich gemacht, worin die Verbindung zum Hauptargument liegt. Gleichzeitig wurde mir dadurch aber bewusst, dass ich an einer anderen Stelle, direkt im nächsten Absatz, nicht klarmachte, warum ich überhaupt ein entsprechendes Zitat angeführt hatte, was also dessen Funktion war. Mit folgender Aussage traf Claude dann ins Schwarze: „Die Auflistung der Vorteile von X erscheint teilweise als loses Nebeneinander von Fakten, ohne dass deren Zusammenhang oder Relevanz für den Kontext Y deutlich wird“. Es war also die Verbindung von menschlicher und künstlicher Intelligenz - unter meiner Führung im Sinne des AI-Leadership-Ansatzes (s. Kapitel 3.2) -, die mich am Ende weiterbrachte. Auch wenn es verlockend sein mag, KI-Tools im Prozess der inhaltlichen Überarbeitung auch zur Identifikation fachlicher Fehler zu nutzen, sind ak‐ tuelle Sprachmodelle dafür noch nicht ausreichend geeignet. Eine Studie von Juli 2024 zeigt, dass LLMs wie GPT-4 oder Claude 3 viele inhaltliche Fehler übersehen und bei der Fehlererkennung generell schlechter abschneiden als menschliche Expert: innen. Zudem sind die Begründungen der KI-Tools für erkannte Fehler oft inhaltlich falsch (Kamoi et al., 2024). Wenn Sie selbst beim Schreiben einen inhaltlichen Fehler gemacht haben, können Sie natür‐ lich auch nicht beurteilen, ob die Fehleranzeige des KI-Tools korrekt ist oder nicht. Daher sollten Sie sich hier auf das Feedback von Menschen verlassen, 4.6 Überarbeiten 203 <?page no="204"?> die fachlich versiert sind, z. B. Kommiliton: innen höherer Semester oder andere Promovierende bzw. Post-Docs. KI-Tools können aber sehr wohl hilfreich sein, um inhaltliche Lücken in einem Kapitel zu identifizieren. Hierfür sollten Sie ein Tool wählen, das über eine Schnittstelle zum Internet verfügt. So kann es auf aktuelle Wissensfrag‐ mente zurückgreifen und ist nicht nur auf die eigenen Wahrscheinlichkeits‐ berechnungen beschränkt. Sie können auch spezielle KI-Tools verwenden, die auf fachliche Datenbanken zurückgreifen (z. B. den GPT von Consensus via ChatGPT). Probieren Sie in diesem Kontext etwa den folgenden Prompt aus: Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT]. Suche nach aktuel‐ len Studien zu Thema [THEMA] und vergleiche sie mit dem folgenden Abschnitt/ Kapitel meiner Arbeit. Welche wichtigen Punkte fehlen in meinem Text? “ Unter Berücksichtigung der Limitationen von KI-Literaturrecherche-Tools (s. Kapitel 4.3) können Sie so aktuelle Forschungsergebnisse und Literatur zu Ihrer Fragestellung ergänzen, die Sie zuvor übersehen haben. Takeaway • KI-Tools können helfen, Redundanzen, Widersprüche und Unwich‐ tiges zu identifizieren. Für komplexere inhaltliche Fragen sind sie weniger geeignet. • KI-Tools können die Perspektive von Lesenden simulieren und so Schwachstellen im Text aufdecken. • KI-Tools lassen sich als Sparringpartner nutzen, um Gegenargu‐ mente zu entwickeln und so die eigene Argumentation zu stärken. • Basierend auf dem eigenen Wissen zu typischen Argumentations‐ strukturen im eigenen Fach unterstützen KI-Tools dabei, die Argu‐ mentation des Textes kritisch zu überprüfen. 204 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="205"?> Strukturelle Überarbeitung Wenn der Inhalt Ihres Textes feststeht, geht es nun darum, durch Überarbei‐ tungen auf der strukturellen Ebene die Kohärenz und Nachvollziehbarkeit Ihres Textes zu verbessern. Hier konzentrieren Sie sich auf den Aufbau und die Organisation Ihrer Arbeit, von der Gesamtstruktur bis hin zu einzelnen Absätzen. Beginnen Sie die strukturelle Überarbeitung mit einem Blick auf die Gesamtstruktur Ihres Textes. Prüfen Sie, ob Ihr Text in sich geschlossen ist. Dazu sollten Sie besonders auf die Einleitung und das Fazit achten und überprüfen, ob diese einen stimmigen Rahmen bzw. eine Art ‚Klammer‘ für den Rest der Arbeit bilden. Möchten Sie hier KI-Tools unterstützend einsetzen, können Sie Ihre Einleitung und Ihr Fazit in ein KI-Tool wie ChatGPT oder Llama kopieren. Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT]. Du bist mein Schreibcoach mit schreibdidaktischer Expertise. Aktuell bin ich dabei, meinen Text strukturell zu überarbeiten. Im Folgenden gebe ich dir die Einleitung und das Fazit der Arbeit. Beantworte die folgenden beiden Fragen und erläutere deine Antwort: 1) Werden die in der Einleitung genannten Aspekte im Fazit wieder aufgegriffen? 2) Wird die in der Einleitung formulierte Fragestellung im Fazit beantwortet? “ Sie als Mensch und Autor: in sollten beim strukturellen Überarbeiten weiter‐ hin darauf achten, ob die Kapitel in einer logischen Reihenfolge aufeinander folgen und ob ein roter Faden erkennbar ist. Wenn es um die übergeordneten Kapitel geht, ist hier allerdings je nach Fach nicht viel Spielraum (z. B. IMRaD-Gliederungen in den Naturwissenschaften). Ggf. haben Sie die Gliederung auch schon mit Ihrer Betreuerin durchgesprochen. Gerade wenn Sie aber bei einer umfassenderen Arbeit wie Ihrer Bachelor-, Masterarbeit oder Dissertation innerhalb eines Kapitels mehrere Unterkapitel haben, kann es sinnvoll sein, deren Abfolge zu hinterfragen. Ein Sprachmodell kann hier nur begrenzt helfen, da es über kein Verständnis darüber verfügt, was ein ‚roter Faden‘ ist. Sie könnten ein KI-Tool aber dazu auffordern, die Le‐ ser: innenführung zu überprüfen: Bietet Ihr Text den Lesenden ausreichend Orientierung, an welcher Stelle im Text sie sich befinden und was warum 4.6 Überarbeiten 205 <?page no="206"?> als nächstes passiert? Sie sollten Ihre Lesenden durch den Text leiten, indem Sie • die Textstruktur und den Argumentationsgang immer wieder explizit erläutern, • an zentralen Stellen den Bezug zur Zielsetzung herstellen und • Vorankündigungen, Rückverweise, Zusammenfassungen und Überlei‐ tungen angemessen einsetzen. Sog. metakommunikative Kommentare helfen den Lesenden, sich in Ihrem Text zu orientieren und den Aufbau nachzuvollziehen. Sie machen den roten Faden Ihres Textes sichtbar und erläutern Zusammenhänge. Dazu gehören Phrasen wie wie in Kapitel X dargelegt wird, wie bereits vorangehend gezeigt, im Folgenden wird, zunächst muss an dieser Stelle, eingangs wurde bereits X erwähnt, zusammenfassend lässt sich festhalten etc. Ob eine solche Leser: innenführung vorliegt, lässt sich am besten kapitelweise überprüfen. Beispielprompt | „[PERSÖNLICHER KONTEXT]. Du bist mein Schreibcoach mit schreibdidaktischer Expertise. Ich gebe Dir ein Kapitel mit dem Titel [TITEL]. (Es ist Teil des übergeordneten Kapitels [TITEL]). Bitte überprüfe die Leser: innenführung und gib mir eine Einschätzung, ob ich die Lesenden mit entsprechenden metakommunikativen Kom‐ mentaren so durch den Text führe, dass sie gut orientiert sind und wissen, an welchen Stellen warum etwas geschieht“. Sie können je nach Antwort des KI-Tools natürlich auch Vorschläge einfor‐ dern. Beachten Sie dabei aber, dass diese immer der Textsorte ‚Wissenschaft‐ liche Arbeit‘ angemessen sein sollten. Fragen zur Leser: innenführung etwa (Wodurch lässt sich dies erklären? Was bedeutet das nun für die Hypothese? ) sind in wissenschaftlichen Texten nicht üblich, auch wenn KI-Tools diese mitunter vorschlagen. Wenden Sie sich anschließend der Struktur innerhalb der einzelnen Kapitel/ Unterkapitel zu. Hier ist zu überprüfen, ob zum einen jedes Unter‐ kapitel ein klares Thema und eine Hauptaussage hat und zum anderen die einzelnen Absätze sinnvoll aufeinander folgen, einen in sich geschlossenen Gedankengang präsentieren und eine eigene rhetorische Funktion erfüllen. An dieser Stelle kann Ihnen ein KI-Tool wie ChatGPT oder Claude helfen, indem Sie sich eine sog. Reverse Outline erstellen lassen. Eine Reverse Outline 206 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="207"?> 52 Das (Unter-)Kapitel, das Sie dem KI-Tool geben, sollte nicht zu lang sein. Andernfalls empfiehlt es sich, den Text nach einem einleitenden Prompt Absatz für Absatz einzu‐ geben. ist eine nachträglich angefertigte Gliederung Ihres bereits geschriebenen Textes. Sie dient dazu, die Struktur und den logischen Aufbau Ihres Textes zu analysieren und mögliche Schwachstellen aufzudecken. Beispielprompt 52 | „[PERSÖNLICHER KONTEXT] Du bist mein Schreibcoach mit schreibdidaktischer Expertise. Ich gebe Dir ein Kapitel mit dem Titel [TITEL]. (Es ist Teil des übergeordneten Kapitels [TITEL]). Bitte fertige eine Reverse Outline an. Gib dabei für jeden einzelnen Absatz eine thematisch passende Überschrift aus, die darüber informiert, wo‐ rum es im entsprechenden Absatz geht. Lege außerdem stichpunktartig dar, welche rhetorische Funktion die einzelnen Absätze erfüllen. Fasse schließlich die Hauptaussage des gesamten Kapitels in wenigen Sätzen zusammen“. Das gewählte KI-Tool ist wie immer nur ein Assistent - das Prüfen bzw. das Herstellen von Sinnzusammenhängen obliegt am Ende Ihnen als Mensch. Deshalb müssen Sie zunächst einmal überprüfen, ob die Zusammenfassun‐ gen des KI-Tools auch wirklich die Inhalte der einzelnen Absätze, Ihre mit den einzelnen Absätzen jeweils verfolgten Intentionen und deren tatsäch‐ liche rhetorische Funktionen abbilden. Haben Sie dies überprüft und ggf. Korrekturen vorgenommen, können Sie die KI-generierte Reverse Outline durchlesen und sich die folgenden Fragen stellen: • Lässt sich beim Lesen der Reverse Outline ein klarer Gedankengang erkennen? • Bauen die Absätze sinnvoll aufeinander auf oder sollte die Reihenfolge geändert werden? • Gibt es Absätze, die inhaltlich sehr ähnlich sind und möglicherweise zusammengefasst werden könnten? • Fehlen wichtige Gedankenschritte oder Erklärungen zwischen den Absätzen? • Enthält jeder Absatz einen in sich geschlossenen Gedankengang? • Trägt jeder Absatz zur Hauptaussage des Kapitels bei? 4.6 Überarbeiten 207 <?page no="208"?> Besonders nützlich ist die KI-unterstützte Reverse Outline auch dann, wenn Sie bemerken, dass Sie in einem Absatz zu viele Themen behandelt haben. In diesem Fall können Sie den betreffenden Abschnitt in ein KI-Tool einge‐ ben und eine detailliertere Aufschlüsselung der enthaltenen Themen und Argumente anfordern. Anschließend ist es an Ihnen, zu beurteilen, ob zu viele Ideen in einem Absatz stecken und Sie diesen auf zwei oder mehrere Absätze aufsplitten können. Beachten Sie schlussendlich wie immer, dass die von der KI erstellte Reverse Outline ein Werkzeug zur Analyse und Reflexion ist und kein Ersatz für Ihre eigene kritische Beurteilung. Zusammenfassend schaffen Sie durch die strukturelle Überarbeitung einen klaren, logisch aufgebauten Text, der Ihre Leser: innen gut durch Ihre Argumentation führt. Nehmen Sie sich für diesen wichtigen Schritt ausreichend Zeit - auch er ist entscheidend für die Qualität Ihrer wissen‐ schaftlichen Arbeit. Takeaway • Die strukturelle Überarbeitung verbessert Kohärenz und Lesbarkeit durch den Fokus auf Aufbau und Organisation des Textes. • KI-Tools können etwa die Passung von Einleitung und Fazit prüfen und die Leser: innenführung analysieren. • Reverse Outlines, erstellt mit KI-Unterstützung, helfen, die Struktur einzelner Kapitel zu überprüfen und zu optimieren. Sprachlich-stilistische Überarbeitung Die sprachlich-stilistische Überarbeitung Ihrer Rohtexte ist ein letzter ent‐ scheidender Schritt, um Ihre Gedanken präzise und fachgerecht an Ihre Lesenden zu kommunizieren. Vielleicht denken Sie: „Ach, das ist doch nicht so schwer. Ich formuliere in meinem Prompt einfach, dass das KI-Tool mir aus meinen Rohtexten einen ‚wissenschaftlich klingenden‘ Text gene‐ rieren soll“. So einfach ist es jedoch (leider? ) nicht. Es existiert nicht der eine wissenschaftliche Stil (Hyland, 2000). Wissenschaftliche Texte unter‐ scheiden sich unabhängig ihrer fachlichen Verortung zwar von anderen Textsorten, etwa Zeitungsartikeln oder Romanen (Brommer, 2018). Trotz eines gemeinsamen Fundamentes gibt es allerdings erhebliche Unterschiede 208 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="209"?> im Sprachgebrauch zwischen verschiedenen Fachdisziplinen. Diese Unter‐ schiede betreffen nicht nur die Fachterminologie, sondern auch Satzstruktu‐ ren und stilistische Konventionen. In manchen Fächern ist beispielsweise die Verwendung der Ich-Form akzeptiert, in anderen wird sie strikt vermieden. In den Naturwissenschaften finden Sie häufig einen eher nüchternen Stil mit vielen Passivkonstruktionen und kürzeren Sätzen, während in den Geisteswissenschaften die Satzstrukturen eher komplexer sind. Kompetente Schreibende kennen also nicht nur den Fachwortschatz ihres Fachgebietes, sondern können die sprachlichen Strukturen, die die Wissenschaftssprache ihrer Disziplin kennzeichnen, auch auf eigene Texte anwenden (Ehlich, 1995, S.-340). Ein Bewusstsein für die spezifische Wissenschaftssprache Ihres Faches zu entwickeln, gelingt am besten durch die intensive Lektüre und Analyse von Fachtexten aus Ihrem Bereich (Belcher, 2019, S. 105). Achten Sie dabei z. B. auf typische Formulierungen für bestimmte akademische Handlungsmuster wie Definieren, Belegen, Strukturieren, Begründen, Interpretieren, Kritisie‐ ren, Widersprechen, auf Argumentationsstrukturen und Satzmuster, auf die Verknüpfung von Sätzen und auf bestimmte sprachliche Wendungen. Eine KI-gestützte Textgenerierung, die diese fachspezifischen Unter‐ schiede nicht berücksichtigt, läuft Gefahr, einen Text zu produzieren, der oberflächlich vielleicht zwar wissenschaftlich wirkt, den tatsächlichen sprachlichen Anforderungen des jeweiligen Faches aber nicht gerecht wird. Daher ist es für die sprachlich-stilistische Überarbeitung unerlässlich, selbst die Gepflogenheiten der eigenen Disziplin zu kennen und die jeweils verwendeten Formulierungsmuster für verschiedene sprachliche Handlun‐ gen (Argumentieren, fremde Meinungen wiedergeben, eigene Ergebnisse darstellen etc.) zu nutzen. Wie Sie aber auch bei dieser Teilaufgabe des Schreibprozesses KI-Tools unterstützend einsetzen können, zeige ich Ihnen im Folgenden. Ich stelle Ihnen dabei einen Workflow vor, der aus verschiedenen Übungen besteht und eine umfassende Strategie zu einer fachspezifischen sprachlich-stilisti‐ schen Überarbeitung Ihrer Texte liefert. Schritt 1: Beispiele für die Textsorte ‚wissenschaftliche Arbeit‘ aus Ihrem Fach finden und die darin enthaltenen sprachlichen Muster von einem KI-Tool analysieren lassen Hier können und sollten Sie kapitelweise vorgehen. Nehmen Sie z. B. das Methodenkapitel (oder Theoriekapitel, Ergebniskapitel, Diskussionskapitel etc.) eines veröffentlichten Textes aus Ihrem Fach, geben Sie dieses in 4.6 Überarbeiten 209 <?page no="210"?> ein KI-Tool wie ChatGPT ein und fordern Sie eine sprachlich-stilistische Analyse an. Lassen Sie das Tool die typische Wortwahl sowie typische syntaktische Strukturen identifizieren. Fordern Sie es außerdem dazu auf, die akademischen Handlungsmuster und deren sprachliche Umsetzung im Text zu erläutern, wie also beispielsweise Argumente aufgebaut werden oder wie auf andere Forschungsarbeiten Bezug genommen wird. Beispielprompt | „Du bist mein Schreibcoach mit schreibdidaktischer Expertise. Hilf mir dabei, die Einleitung/ den Methodenteil/ … eines fachlichen Textes aus meinem Fach [FACH] sprachlich-stilistisch zu analysieren. Ziel ist es, dass ich ein besseres Verständnis für die Wissenschaftssprache meines Faches bekomme. Welche akademischen Handlungsmuster finden sich im folgenden Textausschnitt? Wie werden diese sprachlich realisiert? Wodurch zeichnet sich der syntaktische Aufbau des Textausschnittes auf ? etc.“ Sicherlich fallen Ihnen noch mehr Fragen ein - je nachdem, was genau Sie über die sprachlich-stilistischen Besonderheiten von Texten Ihres Faches herausfinden möchten. Schritt 2: KI-Tools ein authentisches Beispiel in allgemeinem wissen‐ schaftlichem Stil generieren lassen und mit Original vergleichen (optio‐ nal/ ergänzend, um ein noch besseres Gespür für die sprachlich-stilistischen Besonderheiten der Wissenschaftssprache im eigenen Fach zu bekommen) Nehmen Sie die Einleitung (oder Theoriekapitel, Ergebniskapitel, Diskus‐ sionskapitel etc.) eines Textes aus Ihrem Fach. Lassen Sie ein KI-Tool dann die Einleitung (das Theoriekapitel, Ergebniskapitel, Diskussionskapitel etc.) zu diesem Text generieren. Geben Sie den Titel vor, die Fragestellung, am besten auch das Abstract - all das übernehmen Sie vom Originaltext. Geben Sie als Prompt dann ein: Beispielprompt | „Schreibe mir die Einleitung (das Theoriekapitel, Ergebniskapitel, Diskussionskapitel etc.) für einen wissenschaftlichen Text mit dem Titel [TITEL ORIGINALTEXT], der Fragestellung [FRA‐ GESTELLUNG ORIGINALTEXT] und dem Abstract [ABSTRACT ORI‐ GINALTEXT]. Achte darauf, dass der von dir generierte Text den stilistischen Anforderungen an einen wissenschaftlichen Text genügt.“ 210 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="211"?> 53 Eine Studie von Sikander et al. (2023) zeigt, dass Einleitungen zu wissenschaftlichen Artikeln, die von ChatGPT mit GPT-4 verfasst wurden, hinsichtlich ihrer Verständlich‐ keit von den Lesenden etwas besser bewertet wurden als von Menschen verfasste Einleitungen. Grund dafür war der flüssigere und prägnantere Stil der KI-Generate. Allerdings waren die gemessenen Unterschiede nicht signifikant. Vergleichen Sie anschließend den KI-generierten Text und den Originaltext allein auf der sprachlich-stilistischen Ebene. Was fällt Ihnen auf ? Wo bestehen die stärksten Unterschiede? Es geht hier wirklich nur um die sprachlich-stilistische und nicht um die inhaltliche oder strukturelle Ebene. Ich habe diese Übung schon öfter mit eigenen Texten gemacht und finde es immer wieder spannend, wie viel man dabei über die Fachsprache des eigenen Faches lernt. Schritt 3: Prüfung des Stils durch (Vor-)Lesen Wenn Sie wissen, wodurch sich wissenschaftliche Texte in Ihrer Disziplin auszeichnen, können Sie KI-Tools für die sprachlich-stilistische Überarbei‐ tung Ihres Textes einsetzen. Eine bewährte Methode zur stilistischen Überar‐ beitung ist das Vorlesen des eigenen Textes. Dies können Sie selbst tun - oder mithilfe von KI-Tools wie Speechify oder ElevenReader, die geschriebenen Text in gesprochene Sprache umwandeln. Durch das Hören Ihres Textes können Sie ihn aus einer neuen Perspektive wahrnehmen und stilistische Schwächen leichter erkennen. Achten Sie beim Hören besonders auch auf mögliche Stolperstellen oder auf Passagen, die beim Vorlesen umständlich klingen. Oft zeigen sich hier Sätze, die zu komplex konstruiert sind oder deren Logik nicht ganz schlüssig ist. Schritt 4: Absätze im Dialog mit KI-Tools überarbeiten Im letzten Schritt können Sie die Einsichten, die Sie in Schritt 1 bis 3 gewonnen haben, nutzen, um in Ihren Prompts sehr genaue Anforderungen an den Schreibstil zu formulieren. KI-Tools können Sie dann etwa mit Vorschlägen zur Umformulierung komplexer Passagen unterstützen, Ihnen dabei helfen, unnötige Füllwörter (einfach, auch, nämlich etc.), unvollstän‐ dige Sätze oder zu lange Schachtelsätze zu identifizieren, Ihnen Vorschläge für eine bessere logische Verknüpfung Ihrer Sätze machen etc. Ein Aspekt der sprachlich-stilistischen Überarbeitung ist dabei immer auch die Verbes‐ serung der allgemeinen Lesbarkeit, Prägnanz sowie Klarheit und damit letztlich der Verständlichkeit des Textes. 53 Wichtig: Es geht bei wissenschaftlichen Arbeiten im Studium nie darum (außer natürlich dies ist explizit gefordert), dass jeder beliebige Mensch, den Sie auf der Straße treffen, Ihren Text verstehen muss. Stattdessen adressieren 4.6 Überarbeiten 211 <?page no="212"?> Sie ein imaginäres fachliches Publikum, das entsprechende Vorkenntnisse in Ihrem Fach hat und mit den dort geltenden Konventionen vertraut ist. Wenn Sie Molekularbiologie studieren, müssen Sie Ihren Text nicht so schreiben, dass ich als Linguistin ihn verstehe. Wohl müssen Sie ihn aber so schreiben, dass etwa eine Doktorandin der Molekularbiologie ihn versteht. Integrieren Sie diese Komponente ruhig in Ihren Prompt, wenn Sie KI-Tools einsetzen, um sich Feedback zum Schreibstil geben zu lassen. Geben Sie also an, dass der Text für fachlich versierte Lesende verständlich sein soll. Beachten Sie aber wie immer, dass die Vorschläge des KI-Tools kritisch geprüft werden müssen. Nicht jede Vereinfachung ist im wissen‐ schaftlichen Kontext angemessen, und die Präzision der Aussage darf nicht unter dem Streben nach Lesbarkeit leiden. Ebenso wenig ist jedes Synonym angemessen, um Wortwiederholungen zu vermeiden: Fachbegriffe stehen fest und dürfen nicht durch Synonyme ersetzt werden, auch wenn sich ein Fachbegriff zwanzigmal auf einer Seite findet. KI-Tools können nicht zwi‐ schen Fachbegriff und Nicht-Fachbegriff differenzieren und werden Ihnen hier sicherlich Synonyme vorschlagen, um im Sinne eines ‚schöneren‘ Stils Wortwiederholungen zu vermeiden. Schließlich ist auch Vorsicht geboten bei von KI-Tools eingefügten Konnektoren, also Verbindungswörtern wie wenngleich, deshalb, ohne dass, seitdem, während, indem, im Gegensatz zu etc.: Kontrollieren Sie die vorgeschlagenen Konnektoren darauf, ob sie wirklich die von Ihnen beabsichtigten Zusammenhänge anzeigen. Insgesamt ist die sprachlich-stilistische Überarbeitung ein komplexer Prozess, der ein tiefes Verständnis für die Konventionen Ihres Faches erfordert. Es geht hierbei darum, Ihre wissenschaftlichen Ideen klar und präzise zu kommunizieren, ohne dabei die Komplexität Ihrer Gedanken zu vereinfachen. Guter wissenschaftlicher Stil zeichnet sich durch Klarheit, Präzision und Angemessenheit aus - nicht durch unnötige Komplexität oder Fachsimpelei. KI-Tools bieten hier eine gute Möglichkeit der Unterstützung, doch braucht man entsprechendes Hintergrundwissen über den im eigenen Fach gängigen Stil, um die Vorschläge der KI-Tools kritisch zu prüfen. Wenn Sie die stilistische Überarbeitung abgeschlossen haben, können Sie sich schließlich der Korrektur von Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung widmen. Davor ergibt dies wenig Sinn: Ist noch nicht klar, dass ein Satz genau so stehen bleibt, ist es vergeudete Zeit, schon Rechtschreib- und Tippfehler zu korrigieren. Was KI-Tools betrifft, so haben Sie bei dieser letzten Teilaufgabe der Textüberarbeitung zwei Möglichkeiten: Entweder Sie nutzen ein spezielles Tool für die sprachliche Überarbeitung 212 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="213"?> wie DeepL Write oder LanguageTool. Oder Sie greifen auf allgemeine Tools (General Purpose AI) wie ChatGPT oder Claude zurück. Der Vorteil von speziellen Tools liegt darin, dass Sie nicht extra Prompts formulieren müssen, um Rechtschreib-, Tipp-, Grammatik- und Zeichenset‐ zungsfehler finden und anzeigen zu lassen. Außerdem funktionieren die entsprechenden Tools so, dass Sie Ihnen Ihre Fehler direkt anzeigen und Sie dadurch auf einen Blick erkennen, was falsch ist und wie es eigentlich sein müsste. LanguageTool bietet etwa ein Add-On für diverse Programme und Browser an, etwa für Microsoft Word, Chrome oder Mozilla Firefox. Sollten Sie also z. B. in Ihrem Browser über eine Plattform wie Google Docs einen Text schreiben, erhalten Sie direkt nach der Eingabe die Anzeige, was falsch ist. Eine weitere Schleife, in der Sie Ihre Texte irgendwo hochladen und Prompts formulieren müssen, bleibt also aus. Schließlich sind die auf sprachliche Überarbeitung optimierten KI-Tools meiner Erfahrung nach auch zuverlässiger als generelle Tools wie ChatGPT oder Llama. Takeaway • Die sprachlich-stilistische Überarbeitung wissenschaftlicher Texte erfordert ein grundlegendes Verständnis der fachspezifischen Kon‐ ventionen im Bereich von Satzmustern, Formulierungen für be‐ stimmte akademische Handlungsmuster oder stilistischen Beson‐ derheiten. KI-Tools können hier unterstützen, kennen aber nicht von sich aus die im jeweiligen Fach geltenden sprachlich-stilisti‐ schen Gepflogenheiten. • Für die stilistische Überarbeitung ist die Analyse von Fachtexten aus dem eigenen Fachgebiet hilfreich, um typische Wortwahl, Satz‐ strukturen und sprachliche Wendungen zu identifizieren. KI-Tools können diese Analyse unterstützen. • Spezielle KI-Tools für die sprachliche Überarbeitung (z. B. DeepL Write oder LanguageTool) sind für die Korrektur von Rechtschrei‐ bung, Grammatik und Zeichensetzung besser geeignet als allge‐ meine KI-Chatbots wie ChatGPT. 4.6 Überarbeiten 213 <?page no="214"?> Formale Überarbeitung Bei der formalen Überarbeitung sollten Sie zum einen überprüfen, ob Sie die von Ihrer Betreuerin oder Ihrem Fachbereich/ Institut vorgegebenen Anfor‐ derungen an das Layout erfüllen (Seitenränder, Zeilenabstand, Schriftgröße, Schriftart etc.). Daneben zählt zur formalen Überarbeitung auch der Check, ob Ihr Literaturverzeichnis vollständig ist, nur die Angaben enthält, auf die im Text verwiesen wird, alle Angaben im Literaturverzeichnis die gleichen Bestandteile in der gleichen Reihenfolge enthalten und ob Ihre Belege nach demselben Muster aufgebaut sind, Sie also in einheitlicher Form zitiert haben. Natürlich können Sie auch hier KI-Tools einsetzen. Aber: Diesen Schritt am Ende können Sie sich auch sparen. Es geht so viel einfacher - und das ganz ohne KI-Unterstützung. Nutzen Sie einfach ein gutes altes Literatur‐ verwaltungsprogramm wie Zotero oder Citavi. Wenn Sie konsequent damit arbeiten und Ihre Literaturbelege über das entsprechende Add-On Ihres Textverarbeitungsprogramms einpflegen, brauchen Sie sich um die formale Korrektheit und Konsistenz Ihrer Belege und Ihres Literaturverzeichnisses am Ende keine Gedanken mehr zu machen. Takeaway • Die formale Überarbeitung umfasst die Überprüfung des Layouts (Seitenränder, Schriftart etc.) sowie die Konsistenz der Zitation und des Literaturverzeichnisses. • Literaturverwaltungsprogramme wie Zotero oder Citavi erleich‐ tern die formale Gestaltung und Konsistenzprüfung enorm und machen den Einsatz von KI-Tools für diesen Schritt überflüssig. 214 4 Wie ich mit KI wissenschaftlich schreibe <?page no="215"?> 5 Wohin die Reise (vielleicht) gehen wird Ziel dieses Kapitels ist es, den Blick zu weiten und die in diesem Buch diskutierten Themen abschließend in einen größeren Kontext einzubetten. Hierfür werden Thesen für mögliche Zukunftszenarien für das wissenschaftliche Schreiben im Kontext von KI aufgestellt und dazu passende Utopien und Dystopien skizziert. In Kapitel 4 habe ich Ihnen recht detailliert Möglichkeiten aufgezeigt, wie Sie KI-Tools gewinnbringend in Ihren Schreibprozess integrieren können. Ich stehe hinter diesen Möglichkeiten und greife selbst regelmäßig darauf zurück, wenn es für die jeweilige Teilaufgabe im Schreibprozess angemessen ist. Und ja, ich möchte die Vorteile, die generative KI für mein wissenschaft‐ liches Schreiben bietet, nicht mehr missen. Dennoch erscheint vor meinem inneren Auge bisweilen eine dystopische Vision: Könnte das wissenschaft‐ liche Schreiben eines Tages vollständig von KI-Tools übernommen werden? Denkanstoß | Wäre es für Sie eine Utopie, wenn das wissenschaftliche Schreiben eines Tages vollständig von KI-Tools übernommen werden würde? Wenn ja, warum? Oder wäre es für Sie eine Dystopie? Wenn ja, warum? Im August 2024 wurde der AI Scientist vorgestellt: ein Tool, das verspricht, den gesamten Forschungsprozess zu automatisieren - von der Ideenfindung über die Durchführung von Experimenten bis hin zum Verfassen von Papern und Peer-Reviews. Auf den ersten Blick mag dies beeindruckend erscheinen. Und so wird der AI Scientist auch damit beworben, quasi alle Probleme der Welt lösen zu können, indem er „die transformativen Vorteile von KI-Agenten auf den gesamten Forschungsprozess überträgt und uns einer Welt näher bringt, in der endlose, erschwingliche Kreativität und Innovation den herausforderndsten Problemen der Welt begegnen“ (Lu et al., 2024, S. 1; Übersetzung Claude 3.5 Sonnet, Überarbeitung I. B.). Ja, vielleicht bringt uns ein solches Tool der Lösung drängender Probleme wie dem Klimawandel ein Stück näher. Aber können auf diese Weise auch Probleme in unserem <?page no="216"?> 54 Dieses und das folgende direkte Zitat stammen von Nicolaus Wilder aus einer privaten Interaktion. Zusammenleben, gesellschaftliche Herausforderungen wie die Marginalisie‐ rung bestimmter Personengruppen, die immer stärker auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich gelöst werden? Und wird uns diese Art von ‚Forschung‘ (bewusst in Anführungszeichen gesetzt! ) dabei helfen, weiter zu bestimmen und zu verfolgen, was uns als Menschen ausmacht? Hier sehe ich meine Dystopie aufblitzen. Matthias Kindt (2024) beschwor angesichts des AI Scientist das für ihn utopisch gefärbte Szenario, dass die „vordergründige Aufgabe von Wissenschaftler[: inne]n […] fortan sein [könnte], im Vorfeld KI-generierte Ergebnisse auf Korrektheit zu überprüfen, also eine Art ‚Fehlerlesen‘ und auf dieser Grundlage dann weiterzuforschen“. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich fühle mich hier doch sehr degradiert und in meiner Ehre als Mensch gekränkt. ‚Korrektheitsüberprüferin‘ für KI-Tools? Da fallen mir zahlreiche andere Sachen ein, mit denen ich meine Zeit lieber verbringen würde. Letztlich steckt hinter all dem die Frage, welcher Wissenschaftsbegriff einem Tool wie dem AI Scientist (und einer ganzen Horde sicher noch kommender ähnlicher Tools) zugrunde liegt. Es ist bedenklich, dass diese Frage im Paper von Lu et al. 2024, in dem sie das Tool präsentieren, überhaupt nicht gestellt, sondern Wissenschaft „unreflektiert mit einem vollständig standardisierten und automatisierbaren Prozess“ 54 gleichgesetzt wird. Nicht in allen Wissenschaftsdisziplinen herrschen standardisierte Prozesse vor. Gerade in den Geisteswissenschaften geht es weniger um stan‐ dardisierte Problemlösungsprozesse, sondern vielmehr um das „Eröffnen von Deutungsmöglichkeiten“. Hier werden z. B. theoriegeleitet Maßnahmen entwickelt, weshalb es eines profunden Verständnisses entsprechender Theorien und Zusammenhänge bedarf (Scharlau & Jenert, 2024). Die be‐ schworene Automatisierung stößt spätestens an diesem Punkt an ihre Grenzen, da KI-Tools zumindest aktuell noch nichts ‚verstehen‘ können und ihnen ein menschliches Weltwissen fehlt. Der Wert unstandardisierter, qualitativer Forschung liegt aber gerade darin, dass sie unser Verständnis von Kultur, Gesellschaft und menschlichem Verhalten vertieft und somit eine wesentliche Rolle in der Entwicklung von Gesellschaften und dem menschlichen Verständnis von sich selbst spielt. Und selbst quantitative Forschung kann nicht ernsthaft und erkenntnisfördernd betrieben werden, wenn sie komplett auf Tools wie den AI Scientist ausgelagert wird: Auch 216 5 Wohin die Reise (vielleicht) gehen wird <?page no="217"?> 55 Natürlich muss sich aber auch das Studium in Anbetracht der Möglichkeiten von generativer KI ändern. Der Umgang mit KI-Tools erfordert es dabei, die größeren Fragen in den Blick zu nehmen. Es reicht nicht aus, nur darauf zu schauen, welcher Einsatz von KI-Tools im Studium erlaubt ist und welcher nicht - zumal auch noch viele Fragen offen sind, wenn es um konkrete Einsatzszenarien geht. Vielmehr gilt es, die Implikationen und Auswirkungen des Einsatzes solcher Technologien im wissenschaftlichen Kontext zu verstehen. Das Prüfungswesen an deutschen Hochschulen ist träge, und sobald für ein Szenario Regeln aufgestellt werden, tauchen an anderer Stelle neue Fragen auf. Der Umgang mit KI-Tools im Studium erfordert daher auch, Unsicherheiten auszuhalten, flexibel auf Veränderungen zu reagieren und in den Dialog zu gehen - mit Ihren Betreuenden, aber auch mit Kommiliton: innen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen. für das Durchführen von Experimenten und Messungen braucht es ein Verständnis der zugrunde liegenden Theorien, über das KI-Tools definitiv nicht verfügen. Forschung ist immer in bestimmte theoretische und metho‐ dische Zusammenhänge eingebettet, die durchdrungen werden müssen, um der bestehenden Forschung neue Erkenntnisse hinzufügen zu können. Dem von Lu et al. (2024) mit ihrem AI Scientist propagierten Gedanken der Automatisierung von Forschung liegt insgesamt also ein sehr naives Verständnis von Wissenschaft zugrunde. Denken wir die vorherigen Überlegungen weiter, so werfen diese wiede‐ rum die übergeordnete Frage nach dem Zweck wissenschaftlichen Arbeitens auf, nicht nur, aber auch im Studium. In Kapitel 3.2 habe ich hierzu schon Antworten dargelegt und möchte an dieser Stelle daher nur eine Antwort wiederholen: Wenn Sie im Studium oder im Rahmen Ihrer Dissertation wissenschaftliche Arbeiten schreiben, sind diese immer auch ein zentrales Lerninstrument. Im Schreibprozess geht es darum, sich tiefgreifend mit Inhalten auseinanderzusetzen, eigene Gedanken zu entwickeln und diese präzise zu formulieren. Dieser Prozess ist essenziell für die persönliche und fachliche Entwicklung von Schreibenden und kann nicht einfach an Maschinen delegiert werden. Wird dieser Prozess komplett an KI-Tools ausgelagert, lernen Sie selbst nichts mehr, entwickeln Ihre Kompetenzen nicht weiter - und dann stellt sich in letzter Instanz die Frage, weshalb Sie überhaupt studieren oder promovieren. 55 In Bezug auf die Datenverar‐ beitungsgeschwindigkeit werden wir Menschen nie mit Maschinen konkur‐ rieren können. Stattdessen sollten wir unseren Fokus und damit auch den Fokus eines Hochschulstudiums oder einer Promotion auf das Entscheiden, das Zweifeln, das Hinterfragen, das kritische Beurteilen und die eigene Positionierung richten. Hierin liegt dann eine große Chance dafür, wieder 5 Wohin die Reise (vielleicht) gehen wird 217 <?page no="218"?> 56 Die Titel der neun Thesen habe ich jeweils unverändert von Limburg et al. (2023) übernommen. Dann habe ich jede These samt zugehöriger Utopie und Dystopie einzeln an Claude gegeben und eine an die Zielgruppe dieses Buches angepasste Zusammenfassung angefordert. Das Ergebnis habe ich mal mehr, mal weniger überarbeitet und präsentiere es Ihnen nun. Sollten Sie aus den hier präsentierten Thesen zitieren wollen, bitte ich Sie darum, direkt aus dem Originaltext zu zitieren, der online frei verfügbar ist (s. Literaturverzeichnis). Lust am Lernen, aber auch am wissenschaftlichen Schreiben selbst zu wecken. Ganz am Ende möchte ich Sie nun noch auf eine Reise in die Zukunft mitnehmen. Es geht - wie soll es in diesem Buch anders sein? - um die Zukunft des wissenschaftlichen Schreibens. Dazu stelle ich Ihnen neun Thesen vor und präsentiere nach der Beschreibung der einzelnen Thesen je eine Utopie und eine Dystopie, sodass ein weites Spektrum an Möglich‐ keitsräumen aufgespannt wird. Vermutlich wird sich die Realität irgendwo zwischen Utopie und Dystopie einpendeln, bei manchen Thesen mehr in Richtung Utopie, bei anderen mehr in Richtung Dystopie. Diese Thesen habe ich im Frühsommer 2023 mit einer Gruppe von acht Schreibdidaktikerinnen und einem Pädagogen verfasst. Angestoßen wurde der Schreibprozess von Anika Limburg; zu neunt haben wir anschließend viel diskutiert, sowohl mündlich als auch schriftlich, wobei das Schreiben uns allen immer wieder als Denkinstrument diente. Ich lade Sie dazu ein, auf diese kleine Zeitreise mitzukommen - und dabei nicht einfach nur die Thesen unserer Neunergruppe zu lesen, sondern auch darüber nachzudenken, was Sie selbst von der jeweiligen These halten und wie Sie die von uns skizzierten Utopien sowie Dystopien beurteilen. These 1: Schreibprozesse sind KI-basiert 56 Diese erste These bildet das Fundament der folgenden Thesen. Um diese These erfüllt zu sehen, muss man gar nicht weit in die Zukunft reisen; stattdessen ist sie bereits in der Gegenwart erfüllt: Schon jetzt greifen sehr viele Studierende, Promovierende und Forschende im Schreibprozess auf KI-Tools zurück. These 1 bildet also genau das ab, was ich in Kapitel 4 beschrieben habe. Utopie: Schreibende nutzen KI-Tools als persönliche Schreib-Copiloten, die sie im Schreibprozess unterstützen und von Routineaufgaben befreien. Die Tools ermöglichen es, Alternativen zu vergleichen, Argumente zu stärken und Teilergebnisse kritisch zu hinterfragen. Durch den verantwor‐ 218 5 Wohin die Reise (vielleicht) gehen wird <?page no="219"?> tungsvollen Einsatz unter Berücksichtigung der Grenzen von KI-Tools optimieren sich die Anwendungen stetig. Schreibkompetenz und ein ver‐ antwortungsvoller Einsatz von KI-Tools entwickeln sich gemeinsam weiter. Dies führt zu mehr Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Innovation in der Wissenschaft. Dystopie: In einem pessimistischen Szenario führt die hohe Qualität KI-generierter Texte dazu, dass Wissenschaftler: innen sich nicht mehr in der Lage sehen, diese kritisch zu bewerten oder zu verbessern. Schreibroutinen reduzieren sich auf das Formulieren erster Prompts und die Auswahl intransparenter Tools. Wer KI-Tools nicht reflektiert nutzen kann, wird von Publikationen ausgeschlossen, da die maschinell unterstützte Textqua‐ lität zum unerreichbaren Standard wird. Langfristig übernehmen KI-Tools eigenständig Forschung und Publikation, indem sie passende Funktionen kombinieren, Forschungslücken identifizieren, Fragen stellen und metho‐ disch beantworten. Eine professionelle Schreibpraxis und Schreibende selbst werden überflüssig. These 2: Texte werden zunehmend flexibel und anpassungsfähig In der digitalen Welt verlieren Texte ihre feste Gestalt und werden immer fluider. KI-generierte Texte verstärken diesen Trend: Der gleiche Inhalt kann je nach Wunsch in verschiedenen Formen wie Audio, Video oder als geschriebenes Wort präsentiert werden. Im KI-Zeitalter gibt es nicht mehr den einen feststehenden Text, sondern nur eine Menge an Informationen. Diese werden dann von KI-Tools automatisch an die Bedürfnisse der Le‐ ser: innen angepasst, indem die Tools die Darstellung und die Formulierung individuell zuschneiden. Die Auswirkungen dieser Entwicklung zeigen sich dabei sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben von Texten. Utopie: In einer optimistischen Zukunftsvision führt die Fluidität von Texten dazu, dass Wissenschaft selbst flexibler und für ein viel breiteres Publikum zugänglicher wird. Auch ohne vertiefte Kenntnisse der Kommu‐ nikationsformen einer spezifischen Fachcommunity kann nun jede: r aktiv an Diskursen teilnehmen. KI-generierte fluide Texte schaffen Bildungsge‐ rechtigkeit, indem sie Wissen für alle Menschen mit Zugang zu digitalen Endgeräten verfügbar machen und Barrieren überwinden. Dystopie: Die Flexibilität von Texten führt dazu, dass wissenschaftliche Erkenntnisse ihre Struktur und Logik verlieren. Ohne eine klare Abfolge von Argumenten wird es aber schwer, die Qualität von Informationen zu 5 Wohin die Reise (vielleicht) gehen wird 219 <?page no="220"?> bewerten. Bei KI-generierten Texten, die sich an der einzelnen Leserin orientieren, können wichtige Details fehlen oder komplexe Argumente falsch wiedergegeben werden. Wissenschaft droht so zu einer Sammlung zusammenhangloser Informationen zu verkommen, statt weiter auf kom‐ plexen Argumenten und Diskursen zu basieren. Als Konsequenz verliert die Wissenschaft ihre Glaubwürdigkeit als zuverlässige Wissensquelle. Fluide Texte stellen somit eine ernsthafte Gefahr für die Qualität und den Stellenwert der Wissenschaft dar. These 3: Mensch und Maschine teilen sich die Verantwortung für den Text Wenn Menschen KI-Anwendungen beim Schreiben nutzen, stellt sich die Frage der Verantwortung für den Text. Diese Verantwortung betrifft drei Bereiche: 1. die Generierung von Inhalten, 2. die Interaktion zwischen KI-Tools und menschlichen Autor: innen und 3. das fertige Textprodukt. Rechtlich gesehen liegt die Verantwortung derzeit allein beim Menschen, sofern er den hauptsächlichen geistigen Anteil am Text hat. KI-generierte Texte fallen nicht unter das Urheberrecht und KI-Tools erfüllen nicht die Voraussetzungen, um als verantwortliche Entitäten zu gelten. Utopie: In einer optimistischen Zukunft verteilt sich die Verantwortung für KI-generierte Texte auf verschiedene Akteur: innen. Programmierer: in‐ nen und Entwickler: innen übernehmen Verantwortung für Algorithmen und Trainingsdaten, da Autor: innen oft nicht nachvollziehen können, wie Textteile erstellt wurden. Transparenz ist der Schlüssel: Wenn ersichtlich ist, welche KI-Tools beteiligt waren, kann die Qualität der Sprachmodelle überprüft werden. Ein rechtlicher Rahmen sollte Transparenz gewährleisten und Anreize für die Entwicklung hochwertiger KI-Anwendungen schaffen, z.-B. durch Kennzeichnungspflicht oder Nennung der KI-Autorschaft. Dystopie: In einer dystopischen Zukunft führt der Einsatz von KI-Tools bei Entscheidungen zu zwei problematischen Szenarien: Verantwortungen werden unklar verteilt, was zu einer Verantwortungsdiffusion führt. Nie‐ mand übernimmt mehr Verantwortung, sondern die Rechenschaftspflicht wird zwischen den Akteur: innen hin und her geschoben. Oder: Die ge‐ samte Verantwortung wird faktisch an die KI abgegeben, um Legitimati‐ onsprobleme zu vermeiden. Menschen verlassen sich auf automatisierte 220 5 Wohin die Reise (vielleicht) gehen wird <?page no="221"?> Entscheidungen, da sie diesen eine höhere Qualität zusprechen. In beiden Fällen wird die Verantwortung nicht transparent und eindeutig zugewiesen, was der utopischen Perspektive einer klaren Verantwortungsverteilung entgegensteht. These 4: Sprache wird (ver)einheitlich(t) und standardisiert KI-Sprachmodelle greifen beim Generieren von Text auf wahrscheinliche und bekannte Formulierungen zurück, was zu einer Vereinheitlichung und Standardisierung der Sprache führen kann. Normabweichungen und indi‐ viduelle Ausprägungen von Sprache, die zur Identifikation oder Abgrenzung dienen, werden in KI-generierten Texten unwahrscheinlicher. Utopie: Durch die Standardisierung der Sprache verschwinden Formulie‐ rungen, die miss- oder unverständlich sein können, was die Verstehbarkeit von KI-generierten Texten erhöht. KI-Tools ermöglichen eine adressat: in‐ nenspezifische Aufbereitung von Texten und erleichtern so z. B. auch die fachübergreifende Zusammenarbeit. Übersetzungstools unterstützen den Austausch über kulturelle und sprachliche Grenzen hinweg und fördern transdisziplinäre und transkulturelle Forschung. Dystopie: Die Vielfalt von Sprache ist die Grundlage für eine diffe‐ renzierte Betrachtung der Welt. Die Aneignung fremder Sprachen und Fachsprachen bedeutet nicht nur das Lernen von Vokabeln, sondern auch die Aneignung der damit verbundenen Kultur und auch eine fachliche Sozialisation. Eine Standardisierung von Sprache führt zur Nivellierung von Kultur, Fachlichkeit, Perspektiven und Individualität. Der Verlust der sprachlichen Vielfalt durch KI-gestütztes Schreiben kann zu uniformem Denken und so zum Ende von Bildung und Demokratie führen. These 5: Lesende werden Texte nach anderen Kriterien beurteilen Mit der Zunahme von KI-generierten Texten wird sich die Einstellung gegenüber der Qualität von Texten und die Toleranz im Umgang mit Normabweichungen ändern. Utopie: Die Argumentation und die unverwechselbare Stimme der Au‐ tor: innen werden in wissenschaftlichen Texten an Stellenwert gewinnen und erlangen so den Status wichtiger Gütekriterien. Lesende erwarten Texte, die sich durch eine individuelle Sprache und neue Perspektiven von der Masse an gleichklingenden Texten abheben. Aufgrund der steigen‐ 5 Wohin die Reise (vielleicht) gehen wird 221 <?page no="222"?> den Anzahl an KI-generierten Texten werden Lesende wählerischer und anspruchsvoller. Dystopie: Es findet eine Gewöhnung an standardisierte Sprache und einfache, verständliche Darstellung statt. Leichte Lesbarkeit und Kürze werden zu zentralen Beurteilungskriterien, während die Gegenstandsange‐ messenheit in den Hintergrund tritt. Die Stimme der Autor: innen wird unwichtiger und Texte werden nicht mehr vor dem Hintergrund der spezifischen Autor: innen-Perspektive begriffen. Empirische, insbesondere quantitative, Forschung gewinnt an Bedeutung, wohingegen theoretische oder explorative Studien an Relevanz verlieren. These 6: Erkenntnisgenerierendes Schreiben verändert sich Wie ich in diesem Buch an verschiedenen Stellen, v. a. in Kapitel 4.5 betont habe, ist Schreiben mehr als bloßes Aufschreiben, sondern hat auch eine erkenntnisfördernde, sog. epistemische Funktion: Durch das Schreiben, das Strukturieren und Formulieren von Gedanken werden neue Erkenntnisse gewonnen. Mit der Weiterentwicklung textgenerierender KI-Anwendungen besteht die Möglichkeit, adressat: innenspezifische Texte mit unterschiedlich komplexen Inhalten zu erzeugen, ohne zwangsläufig den Prozess des Durch‐ denkens und Formulierens zu durchlaufen. Utopie: Denken wird durch die Interaktion zwischen Mensch und KI-Tools angeregt. Schreibende sind aktive Gestalter: innen und Produ‐ zent: innen, die die durch KI-Tools gewonnenen Freiräume für Kreativität, autonomes Denken und kritischen Austausch nutzen. Gleichzeitig gewinnt das eigene Strukturieren und Formulieren von Gedanken an Bedeutung, um sich von KI-generierten Texten abzugrenzen. Verschiedene epistemische Textformen und Verfahren, auch analog-handschriftlich, werden vermehrt genutzt. Dystopie: Die epistemische Funktion des Schreibens könnte bei auto‐ matisierter Textproduktion mittel- und langfristig ganz wegfallen und menschliches Denken verschwindet als Grundlage des wissenschaftlichen Schreibprozesses. KI-Tools können aber nur auf Bestehendes zurückgreifen und keine wahrhaft neuen, innovative Ideen hervorbringen, sodass sich die Wissenschaft mehr oder weniger auf der Stelle bewegt. 222 5 Wohin die Reise (vielleicht) gehen wird <?page no="223"?> 57 Die siebte These des Originaltextes habe ich ausgelassen, da sie mir für die Zwecke des vorliegenden Buches zu komplex schien. Sie trägt den Titel „Denken wird externalisiert und dynamisiert“. These 8 57 : Der Zugang zum Autor: in-Sein verändert sich Bisher ist die Autorenschaft wissenschaftlicher Publikationen an zwei Be‐ dingungen geknüpft: Zum einen müssen die Autor: innen über Schreibkom‐ petenz verfügen; zum anderen erfordert die Autor: innenrolle eine entspre‐ chende akademische Qualifikation. Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllten, waren somit vom wissenschaftlichen Diskurs ausgeschlos‐ sen. Durch die vielfältigen Unterstützungs- und Automatisierungsmöglich‐ keiten von KI-Tools können künftig viel mehr Menschen wissenschaftliche Texte verfassen. Utopie: Die utopische Vision sieht nun, dass durch KI-Anwendungen der Zugang zum Schreiben und zur Autor: innenrolle deutlich demokratisiert und niedrigschwelliger wird. Auch Personen etwa mit Dyslexie können am wissenschaftlichen Diskurs teilhaben. KI wäre hier vergleichbar mit Luthers Bibelübersetzung, die den Zugang zur Schriftkultur erweiterte und den Zugang zum Wort Gottes demokratisierte - nur dass im Fall von KI der Zugang zu Wissenschaft demokratisiert wird. Dystopie: Mit der Entkopplung des Schreibens von Bildung sowie von der Erziehung zur Schriftlichkeit gehen problematische Folgen einher. Die schrankenlose Textproduktion führt zu einem Verlust von Verantwortung und Qualitätskontrolle. Etablierte Verfahren wie Peer-Reviews werden bedeutungslos, da eine Bewertung und Einordnung von Inhalten nicht mehr möglich ist. Die Gefahr steigt, dass laute und einflussreiche Stimmen dominieren, anstatt eine tatsächliche Demokratisierung des Diskurses zu erreichen. These 9: Die Verfügbarkeit personenbezogener Daten ändert das Schreiben und die Beziehung zwischen Autor: innen und Rezipient: innen Die These geht davon aus, dass KI-Systeme in Zukunft umfangreiche personenbezogene Daten nutzen können, um das Schreiben und auch das Lesen von Texten maßgeblich zu beeinflussen. Dies gilt insbesondere dort, wo keine strengen Datenschutzbestimmungen existieren oder Menschen freiwillig der Datenverarbeitung zustimmen. 5 Wohin die Reise (vielleicht) gehen wird 223 <?page no="224"?> Utopie: In der utopischen Vision ermöglicht diese Entwicklung eine bei‐ spiellos tiefe Verbindung zwischen Autor: innen und Leser: innen. KI-Tools können Texte so personalisieren, dass sie optimal auf individuelle Merkmale, Vorlieben und Bedürfnisse der Rezipient: innen abgestimmt sind. Dies führt zu einer Welt des gegenseitigen Verständnisses und der Empathie, in der Kommunikation effektiver und inklusiver gestaltet wird. Konflikte können besser gelöst werden, da KI-Tools dazu beitragen, dass Empfänger: innen von Kritik diese auf der Sach- und nicht auf der persönlichen Ebene verstehen. Dystopie: Die dystopische Perspektive warnt hingegen vor einer zu‐ nehmenden Kluft zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation, da die Personalisierung, die Menschen von der schriftlichen Kommunikation kennen, in der gesprochenen Kommunikation nicht gleichermaßen möglich ist. Außerdem schwindet das Vertrauen in geschriebene Texte, wenn die Absichten der Autor: innen hinter den personalisierten Formulierungen nicht mehr erkennbar sind. Statt Vertrauen zu fördern, entsteht Misstrauen. Zudem besteht die Gefahr, dass die umfassende Datennutzung zu einem Verlust der Privatsphäre und persönlichen Freiheit führt. These 10: Die Ausbildung von Schreibenden ändert sich Wenn sich das wissenschaftliche Schreiben grundlegend ändern wird und wenn sich hier eine neue professionelle Praxis ausbildet, hat dies letzten Endes natürlich auch Auswirkungen auf die Schreibdidaktik an Hochschu‐ len. Es bedarf hier neuer Lernziele für die Entwicklung wissenschaftlicher Schreibkompetenz, die neben einem grundlegenden Verständnis für die Funktionsweise von LLMs auch den Erwerb veränderter Schreibstrategien, mit KI-Integration, beinhaltet. Utopie: Der Erwerb akademischer Schreibkompetenz wird zu einem zentralen Bildungsziel in allen Studiengängen. Die Hochschulen befähigen zu einem mündigen und reflektierten Umgang mit KI im Schreibprozess. KI-Tools unterstützen den Lernprozess, indem sie kontinuierliches Feedback geben, aber auch zur kritischen Prüfung herausfordern. Dies führt zu einer individualisierten und qualitativ verbesserten Ausbildung. Studierende ler‐ nen, die Unterschiede und Potenziale von menschlichem und maschinellem Schreiben zu verstehen und zu nutzen. Dystopie: Die dystopische Perspektive warnt vor einer Entwicklung, in der KI-Systeme sowohl Lernende als auch Lehrende und Prüfende ersetzen. Die fachliche und schreibdidaktische Expertise könnte allmählich verloren 224 5 Wohin die Reise (vielleicht) gehen wird <?page no="225"?> gehen, da die Ausbildung sich nur noch auf die Beherrschung von Maschinen konzentriert. Langfristig könnte dies zum Niedergang vieler Fachkulturen führen, während nur noch KI-entwickelnde Disziplinen weiter forschen und ausbilden. Denkanstoß | Nachdem Sie die Thesen und deren Utopien sowie Dys‐ topien nun gelesen haben: Welche Utopien bzw. Dystopien halten Sie für besonders realistisch, welche nicht? Den Eintritt welcher Szenarien würden Sie sich besonders wünschen? Warum? Sollten Sie das ganze Buch gelesen haben, können Sie sich auch die Frage stellen, was das im Laufe des Buches immer wieder erwähnte Prinzip des AI Leadership für die zehn Thesen bedeutet. Danke, dass Sie sich auf diese kleine Zukunftsreise eingelassen haben. Ich hoffe, dass die Thesen Sie dazu inspiriert haben, in einem größeren Kontext über den Einsatz von KI-Tools im Rahmen des wissenschaftlichen Schreibens nachzudenken. Ich wünsche Ihnen nun, dass KI-Tools Ihnen dabei helfen, Themen tiefer zu durchdringen, neue Erkenntnisse zu generieren und Freude am wissenschaftlichen Schreiben (wieder neu) zu entwickeln. 5 Wohin die Reise (vielleicht) gehen wird 225 <?page no="227"?> Literatur Acar, O. A. (2023a). AI Prompt Engineering Isn’t the Future. https: / / hbr.org/ 2023/ 06 / ai-prompt-engineering-isnt-the-future Acar, O. A. (2023b). Are Your Students Ready for AI? A 4-Step Framework to Prepare Learners for a ChatGPT World. https: / / hbsp.harvard.edu/ inspiring-minds/ are-yo ur-students-ready-for-ai Agarwal, R., Singh, A., Zhang, L. M., Bohnet, B., Chan, S., Anand, A., Abbas, Z., Nova, A., Co-Reyes, J. D., Chu, E., Behbahani, F., Faust, A., & Larochelle, H. (2024). Many-Shot In-Context Learning. http: / / arxiv.org/ abs/ 2404.11018 Amodei, D. (2024). Machines of Loving Grace. How AI Could Transform the World for the Better. https: / / darioamodei.com/ machines-of-loving-grace Andree, M. (2024). Wissen ohne Wurzel. https: / / www.sueddeutsche.de/ medien/ goo gle-ki-suchergebnisse-1.7252631 Anthropic. (2024). Many-shot jailbreaking. https: / / www.anthropic.com/ research/ m any-shot-jailbreaking Artificial Analysis. (2024). AI Chatbots Comparison: ChatGPT, Claude, Meta AI, Gemini and more. https: / / artificialanalysis.ai/ insights/ chatbots-comparison Árvai, J. (2024). Das versteckte Risiko, sich auf KI zu verlassen: Wir verlieren die Fähigkeit, selbst zu entscheiden. https: / / the-decoder.de/ das-versteckte-risiko-sic h-auf-ki-zu-verlassen-wir-verlieren-die-faehigkeit-selbst-zu-entscheiden/ Axbom, P. (2023). If a hammer was like AI…. https: / / axbom.com/ hammer-ai/ Bajohr, H. & Hiller, M. (2024). Das Subjekt des Schreibens. Einleitung. Text + Kritik, 10, 5-15. Baller, H. (2024). LinkedIn-Post ohne Überschrift. https: / / www.linkedin.com/ posts/ h eike-baller-recherchedienst_im-momentanen-hype-um-textgenerative-ki-gehen -activity-7184147246119030784-M8Jm? utm_source=share&; utm_medium=mem‐ ber_desktop Bang, Y., Chen, D., Lee, N., & Fung, P. (2024). Measuring Political Bias in Large Language Models: What Is Said and How It Is Said. http: / / arxiv.org/ abs/ 2403.189 32 Bastian, M. (2024a). KI-Boom in den USA könnte Kohleausstieg verzögern. https: / / the-decoder.de/ ki-boom-in-den-usa-koennte-kohleausstieg-verzoegern/ Bastian, M. (2024b). Microsofts Copilot wirft Gerichtsreporter die Straftaten vor, über die er berichtet hat. https: / / the-decoder.de/ microsofts-copilot-wirft-gericht sreporter-die-straftaten-vor-ueber-die-er-berichtet-hat/ <?page no="228"?> Bearman, M., Ryan, J., & Ajjawi, R. (2023). Discourses of artificial intelligence in higher education: A critical literature review. Higher Education, 86(2), 369-385. https: / / doi.org/ 10.1007/ s10734-022-00937-2 Bedington, A., Halcomb, E. F., McKee, H. A., Sargent, T., & Smith, A. (2024). Writing with generative AI and human-machine teaming: Insights and recommendations from faculty and students. Computers and Composition, 71. https: / / doi.org/ 10.1 016/ j.compcom.2024.102833 Beer, R., Feix, A., Guttzeit, T., Muras, T., Müller, V., Rauscher, M., Schäffler, F., & Löwe, W. (2024). Examination of Code generated by Large Language Models. htt p: / / arxiv.org/ abs/ 2408.16601 Beilharz, F. (2024). LinkedIn-Post ohne Überschrift. https: / / www.linkedin.com/ posts / felixbeilharz_was-wahlt-die-ki-activity-7196751324074442752-8via? utm_source =share&; utm_medium=member_desktop Belcher, W. L. (2019). Writing Your Journal Article in Twelve Weeks. A Guide to Academic Publishing Success (2. Auflage). The University of Chicago Press. Bender, E. M., Gebru, T., McMillan-Major, A., & Shmitchell, S. (2021). On the Dangers of Stochastic Parrots: Can Language Models Be Too Big? Proceedings of the 2021 ACM Conference on Fairness, Accountability, and Transparency, 610-623. https: / / doi.org/ 10.1145/ 3442188.3445922 Beschorner, M. (2024). KI-Chat macht Tübinger Journalisten zum Kinderschänder. https: / / www.swr.de/ swraktuell/ baden-wuerttemberg/ tuebingen/ ki-macht-tuebi nger-journalist-zum-kinderschaender-100.html Blau, W., Cerf, V. G., Enriquez, J., Francisco, J. S., Gasser, U., Gray, M. L., Greaves, M., Grosz, B. J., Jamieson, K. H., Haug, G. H., Hennessy, J. L., Horvitz, E., Kaiser, D. I., London, A. J., Lovell-Badge, R., McNutt, M. K., Minow, M., Mitchell, T. M., Ness, S., … Witherell, M. (2024). Protecting scientific integrity in an age of generative AI. Proceedings of the National Academy of Sciences, 121(22). https: / / doi.org/ 10 .1073/ pnas.2407886121 Boiko, D. A., MacKnight, R., Kline, B., & Gomes, G. (2023). Autonomous chemical research with large language models. Nature, 624(7992), 570-578. https: / / doi.org / 10.1038/ s41586-023-06792-0 Breuer, E. (2013). Idea Generation in L1 and FL Writing. In A. N. Archibald (Hrsg.), Multilingual Theory and Practice in Applied Linguistics: Proceedings of the 45th Annual Meeting of the British Association for Applied Linguistics (S.-31-34). Scitsiugnil Press. Brommer, S. (2018). Sprachliche Muster. Eine induktive korpuslinguistische Analyse wissenschaftlicher Texte. De Gruyter. 228 Literatur <?page no="229"?> Brommer, S., Berendes, J., Bohle-Jurok, U., Buck, I., Girgensohn, K., Grieshammer, E., Gröner, C., Gürtl, F., Hollosi-Boiger, C., Klamm, C., Knorr, D., Limburg, A., Mun‐ dorf, M., Stahlberg, N., & Unterpertinger, E. (2023). Wissenschaftliches Schreiben im Zeitalter von KI gemeinsam verantworten. Eine schreibwissenschaftliche Perspektive auf Implikationen für Akteur*innen an Hochschulen. https: / / hoch schulforumdigitalisierung.de/ wp-content/ uploads/ 2023/ 11/ HFD_DP_27_Schreib en_KI.pdf Buck, I., & Limburg, A. (2024a). KI und Kognition im Schreibprozess: Prototypen und Implikationen. JoSch---Journal für Schreibwissenschaft, 15(1), 8-23. Buck, I., & Limburg, A. (2024b). Wissenschaftssozialisation in Zeiten Künstlicher Intelligenz: KI-Tools im akademischen Schreibprozess. Hochschulmanagement, 1, 12-18. Buck, I. & Weßels, D. (2025): Gut geführt = gut geschrieben? AI Leadership als relevante Kompetenz in der Kollaboration mit KI-Tools. In G. Brägger & H.-G. Rolff (Hrsg.), Handbuch Lernen mit digitalen Medien. Wege der Transformation (S. 863-880). 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Beltz. Burgess, M. (2023). ChatGPT Has a Big Privacy Problem. https: / / www.wired.com/ s tory/ italy-ban-chatgpt-privacy-gdpr/ Cahyawijaya, S., Chen, D., Bang, Y., Khalatbari, L., Wilie, B., Ji, Z., Ishii, E., & Fung, P. (2024). High-Dimension Human Value Representation in Large Language Models. http: / / arxiv.org/ abs/ 2404.07900 Carter, M. (2007). Ways of Knowing, Doing, and Writing in the Disciplines. College Composition and Communication, 58(3), 385-418. Chiang, T. (2023). ChatGPT Is a Blurry JPEG of the Web. https: / / www.newyorker.c om/ tech/ annals-of-technology/ chatgpt-is-a-blurry-jpeg-of-the-web Chiriatti, M., Ganapini, M., Panai, E., Ubiali, M., & Riva, G. (2024). The case for human-AI interaction as system 0 thinking. Nature Human Behaviour, 8(10), 1829-1830. https: / / doi.org/ 10.1038/ s41562-024-01995-5 Clarke, R. (2023). The Re-Conception of AI: Beyond Artificial, and Beyond Intelli‐ gence. IEEE Transactions on Technology and Society, 4(1), 24-33. https: / / doi.org / 10.1109/ TTS.2023.3234051 Costello, T. H., Pennycook, G., & Rand, D. G. (2024). Durably reducing conspiracy beliefs through dialogues with AI. Science, 385(6714). https: / / doi.org/ 10.31234/ o sf.io/ xcwdn Crawford, K. (2021). Atlas of AI. Power, Politics, and the Planetary Costs of Artificial Intelligence. Yale University Press. Crawford, K. (2024). Generative AI’s environmental costs are soaring - And mostly secret. Nature, 626(8000), 693-693. https: / / doi.org/ 10.1038/ d41586-024-00478-x Literatur 229 <?page no="230"?> David, L., Vassena, E., & Bijleveld, E. (2024). The unpleasantness of thinking: A meta-analytic review of the association between mental effort and negative affect. Psychological Bulletin 150(9), 1070-1093. https: / / doi.org/ 10.1037/ bul0000443 De Vries, A. (2023). The growing energy footprint of artificial intelligence. Joule, 7(10), 2191-2194. https: / / doi.org/ 10.1016/ j.joule.2023.09.004 Dell’Acqua, F., McFowland, E., Mollick, E. R., Lifshitz-Assaf, H., Kellogg, K., Rajend‐ ran, S., Krayer, L., Candelon, F., & Lakhani, K. R. (2023). Navigating the Jagged Technological Frontier: Field Experimental Evidence of the Effects of AI on Knowledge Worker Productivity and Quality. SSRN Electronic Journal. https: / / doi.org/ 10.2139/ ssrn.4573321 Deutscher Ethikrat. (2023). Mensch und Maschine - Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz. Stellungnahme. https: / / www.ethikrat.org/ fileadmin/ Publi kationen/ Stellungnahmen/ deutsch/ stellungnahme-mensch-und-maschine-kurzf assung.pdf DFG. (2022). Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Kodex. https: / / www.dfg.de/ resource/ blob/ 173732/ 4166759430af8dc2256f0fa54e009f03/ k odex-gwp-data.pdf DFG. (2023). Stellungnahme des Präsidiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zum Einfluss generativer Modelle für die Text- und Bilderstellung auf die Wissenschaften und das Förderhandeln der DFG. https: / / www.dfg.de/ resource/ b lob/ 289674/ ff57cf46c5ca109cb18533b21fba49bd/ 230921-stellungnahme-praesidiu m-ki-ai-data.pdf Döring, H. (2023). ChatGPT: A tutor for data analysis? https: / / doi.org/ 10.34879/ GE SISBLOG.2023.67 Dowst, K. (1980). The Epistemic Approach: Writing; Knowing, and Learning. In T. R. Donovan & B. W. McClelland (Hrsg.), Eight Approaches to Teaching Composition (S.-65-85). National Council of Teachers of English. Ehlers, U.-D. (2023). Wie wollen wir leben? In T. Schmohl, A. Watanabe, & K. Schelling (Hrsg.), Künstliche Intelligenz in der Hochschulbildung: Chancen und Grenzen des KI-gestützten Lernens und Lehrens (S.-271-278). transcript. Ehlers, U.-D. (2024). KI in der Wissenschaft. https: / / www.linkedin.com/ pulse/ ki-de r-wissenschaft-ulf-daniel-ehlers-nexteducation--5lvae/ Ehlich, K. (1995). Die Lehre der deutschen Wissenschaftssprache: Sprachliche Strukturen, didaktische Desiderate. In H. L. Kretzenbacher & H. Weinrich (Hrsg.), Linguistik der Wissenschaftssprache (S. 325-351). De Gruyter. Eloundou, T., Beutel, A., Robinson, D. G., Gu-Lemberg, K., Brakman, A.-L., Mishkin, P., Shah, M., Heidecke, J., Weng, L., & Tauman Kalai, A. (2024). First-Person 230 Literatur <?page no="231"?> Fairness in Chatbots. https: / / cdn.openai.com/ papers/ first-person-fairness-in-cha tbots.pdf Engert, K., & Krey, B. (2013). Das lesende Schreiben und das schreibende Lesen. Zur epistemischen Arbeit an und mit wissenschaftlichen Texten. Zeitschrift für Soziologie, 42(5), 366-384. Esselborn-Krumbiegel, H. (2017). Von der Idee zum Text. Eine Anleitung zum wissenschaftlichen Schreiben (5., aktualisierte Auflage). UTB. Europäische Kommission. (2024). Living guidelines on the responsible use of gene‐ rative AI in research. https: / / research-and-innovation.ec.europa.eu/ document/ d ownload/ 2b6cf7e5-36ac-41cb-aab5-0d32050143dc_en? filename=ec_rtd_ai-guidel ines.pdf Feng, S., Park, C. Y., Liu, Y., & Tsvetkov, Y. (2023). From Pretraining Data to Language Models to Downstream Tasks: Tracking the Trails of Political Biases Leading to Unfair NLP Models. http: / / arxiv.org/ abs/ 2305.08283 Franck, N. (2006). Fit fürs Studium. Erfolgreich reden, lesen, schreiben (8. Auflage). dtv. Frank, A., Haacke, S., & Lahm, S. (2007). Schlüsselkompetenzen: Schreiben in Studium und Beruf. Metzler. Frank, J., Herbert, F., Ricker, J., Schönherr, L., Eisenhofer, T., Fischer, A., Dürmuth, M., & Holz, T. (2023). A Representative Study on Human Detection of Artificially Generated Media Across Countries. http: / / arxiv.org/ abs/ 2312.05976 Friedrich, J.-D., Tobor, J., & Wan, M. (2024). 9 Mythen über generative KI in der Hochschulbildung. https: / / hochschulforumdigitalisierung.de/ wp-content/ up loads/ 2024/ 02/ 9_Mythen_ueber_generative_KI_in_der_Hochschulbildung.pdf Frisch, K., Hagenström, F., & Reeg, N. (2023). Textgenerierende KI und gute wis‐ senschaftliche Praxis. Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, 70(6), 326-336. Funk, H. (2024). Münchner Musiker wirft ChatGPT Identitätsklau vor. https: / / ww w.br.de/ nachrichten/ kultur/ muenchner-musiker-wirft-chatgpt-identitaetsklau-v or,UBPWizA Furze, L. (2024). Teaching AI Ethics: Environment. https: / / leonfurze.com/ 2023/ 03/ 1 3/ teaching-ai-ethics-environment/ comment-page-1/ Gibney, E. (2024). Has your paper been used to train an AI model? Almost certainly. https: / / www.nature.com/ articles/ d41586-024-02599-9 Giorgi, S., Liu, T., Aich, A., Isman, K., Sherman, G., Fried, Z., Sedoc, J., Ungar, L. H., & Curtis, B. (2024). Explicit and Implicit Large Language Model Personas Generate Opinions but Fail to Replicate Deeper Perceptions and Biases. http: / / arxiv.org/ ab s/ 2406.14462 Literatur 231 <?page no="232"?> Gloeckle, F., Idrissi, B. Y., Rozière, B., Lopez-Paz, D., & Synnaeve, G. (2024). Better & Faster Large Language Models via Multi-token Prediction. http: / / arxiv.org/ abs/ 2 404.19737 Gostev, P. (2024a). LinkedIn-Post ohne Überschrift. https: / / www.linkedin.com/ posts / peter-gostev_it-took-some-effort-but-i-managed-to-get-activity-7152042996635 521024-2hBZ? utm_source=share&; utm_medium=member_desktop Gostev, P. (2024b). LinkedIn-Post ohne Überschrift. https: / / www.linkedin.com/ post s/ peter-gostev_in-the-last-6-months-a-model-on-average-activity-722953301707 6064258--W9m? utm_source=share&; utm_medium=member_desktop Graff, G., & Birkenstein, C. (2024). „They Say / I Say“. The Moves That Matter in Academic Writing (6. Auflage). Norton & Company. Grammarly. (2024). The Future of Writing: Harness AI While Preserving Student Learning. https: / / bpb-us-w2.wpmucdn.com/ hawksites.newpaltz.edu/ dist/ 7/ 800/ f iles/ 2024/ 05/ Grammarly_Future-of-Writing-Harness-AI.pdf Gredel, E., Pospiech, U., & Schindler, K. (2024). Künstliche Intelligenz und Schreiben in (hoch-)schulischen Kontexten. Zeitschrift Für Germanistische Linguistik, 52(2), 378-404. https: / / doi.org/ 10.1515/ zgl-2024-2018 Grieshammer, E., Liebetanz, F., Peters, N., & Zegenhagen, J. (2019). Zukunftsmodell Schreibberatung. Eine Anleitung zur Begleitung von Schreibenden im Studium (5., unveränd. Auflage). Schneider Verlag Hohengehren. Gulya, J. (2024). LinkedIn-Post ohne Überschrift. https: / / www.linkedin.com/ posts/ j ason-gulya_im-going-to-let-you-in-on-a-secret-activity-7214355274675990529-5 bxw? utm_source=share&; utm_medium=member_desktop Hartmann, J., Schwenzow, J., & Witte, M. (2023). The political ideology of conversa‐ tional AI: Converging evidence on ChatGPT’s pro-environmental, left-libertarian orientation. http: / / arxiv.org/ abs/ 2301.01768 Hayes, J. R. (1996). A New Framework for Understanding Cognition and Affect in Writing. In M. C. Levy & S. Ransdell (Hrsg.), The Science of Writing: Theories, Methods, Individual Differences and Applications (S.-1-27). Erlbaum. Hermani, F. (2024). Kollegin KI macht weiter Furore. https: / / ki-campus.org/ blog/ ko llegin-ki? locale=de Herrmann, S. (2024). Wandel auf dem Arbeitsmarkt: „Fast jeder Job wird sich durch Künstliche Intelligenz verändern“. https: / / www.fr.de/ wirtschaft/ wandel-a uf-dem-arbeitsmarkt-fast-jeder-job-wird-sich-durch-kuenstliche-intelligenz-ver aendern-93353419.html Hicks, M. T., Humphries, J., & Slater, J. (2024). ChatGPT is bullshit. Ethics and Information Technology, 26(2). https: / / doi.org/ 10.1007/ s10676-024-09775-5 232 Literatur <?page no="233"?> Hirsch, N. (2024). KI-Strategie: Prompting, Referenzieren & Regeln. https: / / ebildun gslabor.de/ blog/ ki-strategie-prompting-referenzieren-regeln/ Holzki, L. (2024). Boom bis zum Blackout? Experten warnen vorm KI-Knall. https: / / www.handelsblatt.com/ technik/ ki/ ki-briefing-boom-bis-zum-blackout-experte n-warnen-vorm-ki-knall/ 100037588.html Hyland, K. (2000). Disciplinary Discourses. Social Interactions in Academic Writing. Longman. Jakesch, M., Bhat, A., Buschek, D., Zalmanson, L., & Naaman, M. (2023). Co-Writing with Opinionated Language Models Affects Users’ Views. Proceedings of the 2023 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems. https: / / doi.org/ 10.11 45/ 3544548.3581196 Jenny, D. F., Billeter, Y., Sachan, M., Schölkopf, B., & Jin, Z. (2023). Navigating the Ocean of Biases: Political Bias Attribution in Language Models via Causal Structures. http: / / arxiv.org/ abs/ 2311.08605 Kaack, L. H., Donti, P. L., Strubell, E., Kamiya, G., Creutzig, F., & Rolnick, D. (2022). Aligning artificial intelligence with climate change mitigation. Nature Climate Change, 12(6), 518-527. https: / / doi.org/ 10.1038/ s41558-022-01377-7 Kaib, A. (2024). KI-gestützte Schreibstrategien. Arbeitsblatt des Schreibzentrums der Goethe-Universität Frankfurt a.-M. https: / / sz.uni-frankfurt.de/ downloads/ ki-sch reibstrategien.pdf Kamoi, R., Das, S. S. S., Lou, R., Ahn, J. J., Zhao, Y., Lu, X., Zhang, N., Zhang, Y., Zhang, R. H., Vummanthala, S. R., Dave, S., Qin, S., Cohan, A., Yin, W., & Zhang, R. (2024). Evaluating LLMs at Detecting Errors in LLM Responses. http: / / arxiv.o rg/ abs/ 2404.03602 Karpathy, A. (2023). # On the „hallucination problem“. https: / / twitter.com/ karpathy / status/ 1733299213503787018 Kellogg, R. T. (2014). Schreibkompetenzen schulen. Eine Perspktive der kognitiven Entwicklungspsychologie. In S. Dreyfürst & N. Sennewald (Hrsg.), Schreiben. Grundlagentexte zur Theorie, Didaktik und Beratung (S.-127-151). Budrich. Kim, J., Yang, N., & Jung, K. (2024). Persona is a Double-edged Sword: Enhancing the Zero-shot Reasoning by Ensembling the Role-playing and Neutral Prompts. http: / / arxiv.org/ abs/ 2408.08631 Kim, Y., Chang, Y., Karpinska, M., Garimella, A., Manjunatha, V., Lo, K., Goyal, T., & Iyyer, M. (2024). FABLES: Evaluating faithfulness and content selection in book-length summarization. http: / / arxiv.org/ abs/ 2404.01261 Kindt, M. (2024). Newsletter KI & Bildung #55. https: / / www.unidigital.news/ ne wsletter-ki-bildung-55-the-ai-scientist-als-zukunftsvision-bilder-ki-flux-bocksta rk-im-fotorealismus-studie-der-tu-darmstadt-sehr-menschenaehnliche-avatare/ Literatur 233 <?page no="234"?> Klein, A. (2016). Schreiben lässt sich nicht lehren. http: / / www.wissenschaftliches-a rbeiten-lehren.de/ schreiben-laesst-sich-nicht-lehren/ Klein, A. (2023). Wissenschaftliche Arbeiten schreiben (3. Auflage). mitp. Knowles, A. M. (2024). Machine-in-the-loop writing: Optimizing the rhetorical load. Computers and Composition, 71. https: / / doi.org/ 10.1016/ j.compcom.2024.102826 König, W. (2023). Warum ein Chatbot-Didaktik Modell? https: / / wb-web.de/ aktuelle s/ warum-ein-chatbot-didaktik-modell.html Krajewski, M. (2024). Intellektuelles Mobiliar. (Mit-)Schreibende Subjekte im analo‐ gen Zeitalter. Text + Kritik, 10, 83-99. Kreps, S., & Kriner, D. (2023). How AI Threatens Democracy. Journal of Democracy, 34(4), 122-131. https: / / doi.org/ 10.1353/ jod.2023.a907693 Krullaars, Z. H., Januardani, A., Zhou, L., & Jonkers, E. (2023). Exploring Initial Interactions: High School Students and Generative AI Chatbots for Relationship Development. https: / / doi.org/ 10.18420/ MUC2023-MCI-SRC-415 Kruse, O. (2007). Keine Angst vor dem leeren Blatt. Ohne Schreibblockaden durchs Studium (12., völlig neu beareitete Auflage). Campus. Kruse, O., & Anson, C. M. (2023). Writing and Thinking: What Changes with Digital Technologies? In O. Kruse, C. Rapp, C. M. Anson, K. Benetos, E. Cotos, A. Devitt, & A. Shibani (Hrsg.), Digital Writing Technologies in Higher Education (S. 465-484). Springer International Publishing. https: / / doi.org/ 10.1007/ 978-3-031-36033-6_29 Kubacka, T. (2024). There is More to Reliable Chatbots than Providing Scientific References: The Case of ScopusAI. https: / / scholarlykitchen.sspnet.org/ 2024/ 02/ 21/ guest-post-there-is-more-to-reliable-chatbots-than-providing-scientific-refer ences-the-case-of-scopusai/ Kwon, D. (2024). AI is complicating plagiarism. How should scientists respond? Nature. https: / / doi.org/ 10.1038/ d41586-024-02371-z Lamott, A. (1995). Bird by Bird: Some Instructions on Writing and Life. Anchor. Lewis, R. C. (2024). Meta AI falsely claims lawmakers were accused of sexual harassment. https: / / www.cityandstateny.com/ politics/ 2024/ 04/ meta-ai-falsely-cl aims-lawmakers-were-accused-sexual-harassment/ 396121/ Li, B. Z., Tamkin, A., Goodman, N., & Andreas, J. (2023). Eliciting Human Preferences with Language Models. http: / / arxiv.org/ abs/ 2310.11589 Li, C., Wang, J., Zhang, Y., Zhu, K., Hou, W., Lian, J., Luo, F., Yang, Q., & Xie, X. (2023). Large Language Models Understand and Can be Enhanced by Emotional Stimuli. http: / / arxiv.org/ abs/ 2307.11760 Li, L. Y. (2007). Exploring the Use of Focused Freewriting in Developing Academic Writing. Journal of University Teaching and Learning Practice, 4(1), 41-53. 234 Literatur <?page no="235"?> Li, M., Zhang, S., Liu, Y., & Chen, K. (2024). NeedleBench: Can LLMs Do Retrieval and Reasoning in 1 Million Context Window? http: / / arxiv.org/ abs/ 2407.11963 Li, P., Yang, J., Islam, M. A., & Ren, S. (2023). Making AI Less „Thirsty“: Uncovering and Addressing the Secret Water Footprint of AI Models. http: / / arxiv.org/ abs/ 23 04.03271 Li, P., Yang, J., Wierman, A., & Ren, S. (2023). Towards Environmentally Equitable AI via Geographical Load Balancing. https: / / doi.org/ 10.48550/ ARXIV.2307.05494 Li, R. (2024). A „Dance of storytelling“: Dissonances between substance and style in collaborative storytelling with AI. Computers and Composition, 71. https: / / doi.o rg/ 10.1016/ j.compcom.2024.102825 Limburg, A., Bohle-Jurok, U., Buck, I., Grieshammer, E., Gröpler, J., Knorr, D., Mundorf, M., Schindler, K., & Wilder, N. (2023). Zehn Thesen zur Zukunft des Schreibens in der Wissenschaft. https: / / hochschulforumdigitalisierung.de/ sites/ default/ files/ dateien/ HFD_DP_23_Zukunft_Schreiben_Wissenschaft.pdf Limburg, A., Mundorf, M., Salden, P., & Weßels, D. (2022). Plagiarismus in Zeiten Künstlicher Intelligenz. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 17(3), 91-106. htt ps: / / doi.org/ 10.3217/ ZFHE-17-03/ 06 Lin, Z. (2024). Techniques for supercharging academic writing with generative AI. Nature Biomedical Engineering. https: / / doi.org/ 10.1038/ s41551-024-01185-8 Liu, N.-F., Lin, K., Hewitt, J., Paranjape, A., Bevilacqua, M., Petroni, F., & Liang, P. (2023). Lost in the Middle: How Language Models Use Long Contexts. http: / / arx iv.org/ abs/ 2307.03172 Long, D., & Magerko, B. (2020). What is AI Literacy? Competencies and Design Considerations. Proceedings of the 2020 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems, 1-16. https: / / doi.org/ 10.1145/ 3313831.3376727 Low, A., & Kalender, Z. Y. (2023). Data Dialogue with ChatGPT: Using Code Interpreter to Simulate and Analyse Experimental Data. http: / / arxiv.org/ abs/ 231 1.12415 Lu, C., Lu, C., Lange, R. T., Foerster, J., Clune, J., & Ha, D. (2024). The AI Scientist: Towards Fully Automated Open-Ended Scientific Discovery. http: / / arxiv.org/ abs / 2408.06292 Luccioni, A. S., Viguier, S., & Ligozat, A.-L. (2022). Estimating the Carbon Footprint of BLOOM, a 176B Parameter Language Model. http: / / arxiv.org/ abs/ 2211.02001 Luo, H., & Specia, L. (2024). From Understanding to Utilization: A Survey on Explainability for Large Language Models. http: / / arxiv.org/ abs/ 2401.12874 Luo, H., & Sun, W. (2024). Addition is All You Need for Energy-efficient Language Models. http: / / arxiv.org/ abs/ 2410.00907 Literatur 235 <?page no="236"?> Mayr, S. (2021). Themenfindung. In E. O. Breuer, N. Güngör, M. Klassen, M. Riesenweber, & J. Vinnen (Hrsg.), Wissenschaftlich schreiben - Gewusst wie! Tipps von Studierenden für Studierende (2., vollständig aktualisierte Auflage, S.-31-35). wbv. McKee, H. A. & Porter, J. E. (2022). Team Roles & Rhetorical Intelligence in Human-Machine Writing. 2022 IEEE International Professional Commu‐ nication Conference, Limerick, Ireland, 2022, S. 384-391, doi: 10.1109/ Pro‐ Comm53155.2022.00078. Meincke, L., Mollick, E. R., & Terwiesch, C. (2024). Prompting Diverse Ideas: Increasing AI Idea Variance. Social Science Research Network. https: / / doi.org/ 10 .2139/ ssrn.4708466 Messeri, L., & Crockett, M. J. (2024). Artificial intelligence and illusions of under‐ standing in scientific research. Nature, 627(8002), 49-58. https: / / doi.org/ 10.1038/ s41586-024-07146-0 Misselhorn, C. (2023). Künstliche Intelligenz - Das Ende der Kunst? Reclam. Moffatt, B., & Hall, A. (2024). Is AI my co-author? The ethics of using artificial intelligence in scientific publishing. Accountability in Research. https: / / doi.org/ 10.1080/ 08989621.2024.2386285 Molitor-Lübbert, S. (2003). Schreiben und Denken. Kognitive Grundlagen des Schreibens. In D. Perrin, I. Böttcher, O. Kruse & A. Wrobel (Hrsg.), Schreiben. Von intuitiven zu professionellen Schreibstrategien (2., überarbeitete Auflage). Westdeutscher Verlag. Mollick, E. (2023). Working with AI: Two paths to prompting. https: / / www.oneusef ulthing.org/ p/ working-with-ai-two-paths-to-prompting Mollick, E. (2024a). Co-Intelligence. Living and Working with AI. Portfolio/ Penguin. Mollick, E. (2024b). Four Singularities for Research. The rise of AI is creating both crisis and opportunity. https: / / www.oneusefulthing.org/ p/ four-singularities-for -research Mollick, E. (2024c). Innovation through prompting. Democratizing educational technology… And more. https: / / www.oneusefulthing.org/ p/ innovation-through -prompting Mütterlein, J., Ranner, T., & Müller, M. (2024). Artificial Intelligence at Universities: Impact on Grades, Student Experience, and Teaching. https: / / macromedia-publica tions.bsz-bw.de/ frontdoor/ deliver/ index/ docId/ 487/ file/ AI_and_Universities.pdf Navigli, R., Conia, S., & Ross, B. (2023). Biases in Large Language Models: Origins, Inventory, and Discussion. Journal of Data and Information Quality, 15(2), 1-21. https: / / doi.org/ 10.1145/ 3597307 236 Literatur <?page no="237"?> Newfield, C. (2023). How to Make „AI“ Intelligent; or, The Question of Epistemic Equality. Critical AI, 1(1-2). https: / / doi.org/ 10.1215/ 2834703X-10734076 Nguyen, A., Hong, Y., Dang, B., & Huang, X. (2024). Human-AI collaboration patterns in AI-assisted academic writing. Studies in Higher Education, 49(5), 847-864. htt ps: / / doi.org/ 10.1080/ 03075079.2024.2323593 Odendahl, J. (2021). Kultur der Analogität. Für eine sprachlich-mentale Bewegungs‐ erziehung in einer digitalisierten Gesellschaft. In F. Krammer, M. Leichtfried, & M. Pissarek (Hrsg.), Deutschunterricht im Zeichen der Digitalisierung (S.-219-233). Studienverlag. Opper, K. (2023). Im Sokratischen Dialog mit KI. https: / / www.e-teaching.org/ etreso urces/ pdf/ erfahrungsbericht_2023_opper_im-sokratischen-dialog-mit-ki.pdf Ortner, H. (1995). Die Sprache als Produktivkraft. Das (epistemisch-heuristische) Schreiben aus der Sicht der Piagetschen Kognitionspsychologie. In J. Baurmann & R. Weingarten (Hrsg.), Schreiben. Prozesse, Prozeduren und Produkte (S. 320- 364). Westdeutscher Verlag. Ortner, H. (2006). Spontanschreiben und elaboriertes Schreiben - wenn die ur‐ sprüngliche Lösung zu einem Teil des (neuen) Problems wird. In W. Kissling & G. Perko (Hrsg.), Wissenschaftliches Schreiben in der Hochschullehre. Reflexionen, Desiderate, Konzepte (S.-77-101). Studienverlag. Patterson, D., Gonzalez, J., Le, Q., Liang, C., Munguia, L.-M., Rothchild, D., So, D., Texier, M., & Dean, J. (2021). Carbon Emissions and Large Neural Network Training. http: / / arxiv.org/ abs/ 2104.10350 Peterson, A. J. (2024). AI and the Problem of Knowledge Collapse. http: / / arxiv.org/ abs/ 2404.03502 Philipp, M. (2024). „Nun sag’, KI, wie hast du’s mit der Wahrheit? “ Über die Lesekom‐ petenz in Zeiten der Künstlichen Intelligenz. informationen zur deutschdidaktik, 48(2), 42-51. Pit, P., Ma, X., Conway, M., Chen, Q., Bailey, J., Pit, H., Keo, P., Diep, W., & Jiang, Y.-G. (2024). Whose Side Are You On? Investigating the Political Stance of Large Language Models. http: / / arxiv.org/ abs/ 2403.13840 Qiao, S., Fang, R., Zhang, N., Zhu, Y., Chen, X., Deng, S., Jiang, Y., Xie, P., Huang, F., & Chen, H. (2024). Agent Planning with World Knowledge Model. http: / / arxiv.o rg/ abs/ 2405.14205 Rafner, J., Dellermann, D., Hjorth, A., Verasztó, D., Kampf, C., Mackay, W., & Sherson, J. (2021). Deskilling, Upskilling, and Reskilling: A Case for Hybrid Intelligence. Morals & Machines, 1(2), 24-39. https: / / doi.org/ 10.5771/ 2747-5174-2021-2-24 Literatur 237 <?page no="238"?> Ralser, B., & Herzog, S. (2024). Moralapostel, Plagiatsmaschine, Wunderwuzzi: Wie gut kennen wir die KI? https: / / rudolphina.univie.ac.at/ kuenstliche-intelligenz-v erstehen Reinmann, G. (2023). Deskilling durch Künstliche Intelligenz? Potenzielle Kompe‐ tenzverluste als Herausforderung für die Hochschuldidaktik. https: / / hochschulf orumdigitalisierung.de/ sites/ default/ files/ dateien/ HFD_DP_25_Deskilling.pdf Renze, M., & Guven, E. (2024). The Benefits of a Concise Chain of Thought on Problem-Solving in Large Language Models. http: / / arxiv.org/ abs/ 2401.05618 Rienecker, L. 1999. Research Questions and Academic Argumentation: Teaching Students How to Do It. Using Formats and Model-Examples. In O. Kruse, E.-M. Jakobs, & G. Ruhmann (Hrsg.), Schlüsselkompetenz Schreiben. Luchterhand (S.-95-108). Rienecker, L., & Jørgensen, P. S. (2018). The Good Paper. International Edition. A handbook for writing papers in higher education. Samfundslitteratur. Risko, E. F., & Gilbert, S. J. (2016). Cognitive Offloading. Trends in Cognitive Sciences, 20(9), 676-688. https: / / doi.org/ 10.1016/ j.tics.2016.07.002 Rogers, Y. (2004). New Theoretical Approaches for Human-Computer Interaction. Annual Review of Information Science and Technology, 38(1), 87-143. Rose, S., Bazerman, C., Tinberg, H., Brooke, C., Carr, A., Blake Yancey, K., Downs, D., O’Neill, P., Kei Matsuda, P., Adler-Kassner, L., & Wardle, E. A. (2015). All Writers Have More to Learn. In L. Adler-Kassner & E. Wardle (Hrsg.). Naming What We Know. Threshold Concepts of Writing Studies (S.-59-70). Utah State University Press. Rozado, D. (2023). The Political Biases of ChatGPT. Social Sciences, 12(3). https: / / doi.org/ 10.3390/ socsci12030148 Sabbaghan, S. (2024). Exploring the synergy of human and AI-driven approaches in thematic analysis for qualitative educational research. Journal of Applied Learning & Teaching, 7(2). https: / / doi.org/ 10.37074/ jalt.2024.7.2.32 Sahoo, P., Singh, A. K., Saha, S., Jain, V., Mondal, S., & Chadha, A. (2024). A Systematic Survey of Prompt Engineering in Large Language Models: Techniques and Applications. http: / / arxiv.org/ abs/ 2402.07927 Santurkar, S., Durmus, E., Ladhak, F., Lee, C., Liang, P., & Hashimoto, T. (2023). Whose Opinions Do Language Models Reflect? http: / / arxiv.org/ abs/ 2303.17548 Scharlau, I., & Jenert, T. (2024). Evidenzbasierung. Eine wissenschaftskritische und fachsensible Perspektive. In A. Karsten & S. Haacke-Werron (Hrsg.). 40 Begriffe für eine Schreibwissenschaft. Konzeptuell Perspektiven auf Praxis und Praktiken des Schreibens (S. 55-61). wbv. 238 Literatur <?page no="239"?> Scheuermann, U. (2016). Schreibdenken. Schreiben als Denk- und Lernwerkzeug nutzen und vermitteln (3., durchgesehene Auflage). Budrich. Scheurer, J., Balesni, M., & Hobbhahn, M. (2024). Large Language Models can Strategically Deceive their Users when Put Under Pressure. http: / / arxiv.org/ abs/ 2311.07590 Schreibcenter der TU Darmstadt. (o. J.). Leitfragen für konstruktives Text-Feedback. https: / / www.owl.tu-darmstadt.de/ media/ owl/ schreibtechniken_und__uebungen / Leitfragen_Text-Feedback.pdf Schulhoff, S., Ilie, M., Balepur, N., Kahadze, K., Liu, A., Si, C., Li, Y., Gupta, A., Han, H., Schulhoff, S., Dulepet, P. S., Vidyadhara, S., Ki, D., Agrawal, S., Pham, C., Kroiz, G., Li, F., Tao, H., Srivastava, A., … Resnik, P. (2024). The Prompt Report: A Systematic Survey of Prompting Techniques. http: / / arxiv.org/ abs/ 2406.06608 Shackleton-Jones, N. (2019). How People Learn. Designing education and training that works to improve performance. Kogan Page. Shao, Y., Jiang, Y., Kanell, T. A., Xu, P., Khattab, O., & Lam, M. S. (2024). Assisting in Writing Wikipedia-like Articles From Scratch with Large Language Models. http : / / arxiv.org/ abs/ 2402.14207 Sheikh, H., Prins, C., & Schrijvers, E. (2023). Artificial Intelligence: Definition and Background. In H. Sheikh, C. Prins, & E. Schrijvers, Mission AI. The New System Technology (S.-15-41). Springer. https: / / doi.org/ 10.1007/ 978-3-031-21448-6_2 Si, C., Yang, D., & Hashimoto, T. (2024). Can LLMs Generate Novel Research Ideas? A Large-Scale Human Study with 100+ NLP Researchers. http: / / arxiv.org/ abs/ 24 09.04109 Sikander, B., Baker, J. J., Deveci, C. D., Lund, L., & Rosenberg, J. (2023). ChatGPT-4 and Human Researchers Are Equal in Writing Scientific Introduction Sections: A Blinded, Randomized, Non-inferiority Controlled Study. Cureus, 15(11). https: / / d oi.org/ 10.7759/ cureus.49019 Sombetzki, P. (2024). Wie und warum Algorithmen diskriminieren. https: / / algorith mwatch.org/ de/ wie-und-warum-algorithmen-diskriminieren/ Sommers, N. (1981). Intentions and Revisions. Journal of Basic Writing, 3(3), 41-49. https: / / doi.org/ 10.37514/ JBW-J.1981.3.3.05 Sonko, S., Okechukwu Adewusi, A., Chimezie Obi, O., Onwusinkwue, S., & Atadoga, A. (2024). A critical review towards artificial general intelligence: Challenges, ethical considerations, and the path forward. World Journal of Advanced Research and Reviews, 21(3), 1262-1268. https: / / doi.org/ 10.30574/ wjarr.2024.21.3.0817 Staab, R., Vero, M., Balunović, M., & Vechev, M. (2023). Beyond Memorization: Violating Privacy Via Inference with Large Language Models. http: / / arxiv.org/ a bs/ 2310.07298 Literatur 239 <?page no="240"?> Steinhoff, T. (2007). Wissenschaftliche Textkompetenz: Sprachgebrauch und Schreibentwicklung in wissenschaftlichen Texten von Studenten und Experten. Niemeyer. Steinhoff, T. (2023). Literalität oder Digitalität? Sowohl als auch! Überlegungen zu einer postdigitalen Deutschdidaktik am Beispiel des Lesens und Schreibens unter besonderer Berücksichtigung Künstlicher Intelligenz. https: / / www.leseforum.ch / sysModules/ obxLeseforum/ Artikel/ 799/ 2023_3_de_steinhoff.pdf Steinhoff, T. (2025). Künstliche Intelligenz als Ghostwriter, Writing Tutor und Writing Partner. Zur Modellierung und Förderung von Schreibkompetenzen im Zeichen der Automatisierung und Hybridisierung der Kommunikation am Beispiel des Schreibens mit ChatGPT in der 8. Klasse. In C. Albrecht, J. Brügge‐ mann, T. Kretschmann, & C. Meier (Hsrg.), Personale und funktionale Bildung im Deutschunterricht. Theoretische, empirische und praxisbezogene Perspektiven. Metzler. Stock, I., Karsten, A., & Eik-Nes, N. L. (2024). Knowledge telling und knowledge transforming. Eine dialogische Perspektive. In A. Karsten & S. Haacke-Werron (Hrsg.), 40 Begriffe für eine Schreibwissenschaft. Konzeptuelle Perspektiven auf Praxis und Praktiken des Schreibens (S.-75-82). wbv. Stubbs-Richardson, M., Brown, L., Paul, M., & Brenner, D. (2023). Artificial Intelli‐ gence Applications for Social Science Research. https: / / scholarsjunction.msstate .edu/ ssrc-publications/ 6/ Suleyman, M. (2024). What Is an AI anyway? TED Talk. https: / / www.youtube.com / watch? v=KKNCiRWd_j0 Tankelevitch, L. (2024). The Metacognitive Demands and Opportunities of Genera‐ tive AI. https: / / www.microsoft.com/ en-us/ research/ articles/ the-metacognitive-d emands-and-opportunities-of-generative-ai/ Toulmin, S. E. (2003). The Uses of Argument (aktualisierte Auflage). Cambridge University Press. Universität Hohenheim. Hall, K., Decker, S., Eymann, T., Lämmermann, L., Mädche, A., Röglinger, R., Ruiner, C., Schoch, M., Schoop, M., Urbach, N., Vandirk, S. (2023). Unlocking the Powe of Generative AI Models and Systems such as GPT-4 and ChatGPT for Higher Education: A Guide for Students and Lecturers. Universität of Hohenheim. https: / / hohpublica.uni-hohenheim.de/ server/ api/ core/ bitstreams / 3c82d95e-5a91-4f71-aed6-87ae7bfefb9a/ content Universitätsbibliothek Siegen. (o. J.). Mehr als googeln - Thematische Literatursuche mit System. https: / / www.ub.uni-siegen.de/ fileadmin/ user_upload/ pdf/ schulunge n/ Handout_4.pdf 240 Literatur <?page no="241"?> Urban, E. (2024). Stromfesser KI: Setzt Sam Altman bald auf kleine Kernspaltungs‐ reaktoren? https: / / t3n.de/ news/ stromfesser-ki-setzt-sam-altman-bald-auf-small -modular-reactors-1608654/ Verdecchia, R., Sallou, J., & Cruz, L. (2023). A systematic review of Green AI. WIREs Data Mining and Knowledge Discovery, 13(4). https: / / doi.org/ 10.1002/ widm.150 7 Vlachos, A. (2023). The Rise of AI in Democracy---Human Rights, International Interests and AI Bias: Protecting Democracy and Mitigating Social Risks. SSRN Electronic Journal. https: / / doi.org/ 10.2139/ ssrn.4462763 von Gagern, S. (2024). Der Schlüssel zum KI-Erfolg - Und der Fehler den viele machen. https: / / www.linkedin.com/ posts/ stefanvongagern_der-schl%C3% BCssel-zum-ki-erfolg-und-der-fehler-activity-7186301186835128320-SeQW? utm _source=share&; utm_medium=member_desktop Wahle, J. P., Ruas, T., Mohammad, S. M., Meuschke, N., & Gipp, B. (2023). AI Usage Cards: Responsibly Reporting AI-generated Content. http: / / arxiv.org/ abs/ 2303.0 3886 Waldo, J., & Boussard, S. (2024). GPTs and Hallucination: Why do large language models hallucinate? Queue, 22(4), 19-33. https: / / doi.org/ 10.1145/ 3688007 Washington, J. (2023). The Impact of Generative Artificial Intelligence on Writer’s Self-Efficacy: A Critical Literature Review. SSRN Electronic Journal. https: / / doi. org/ 10.2139/ ssrn.4538043 Weindl, C. (2024). Das hier ist das erste „faire“ KI-Modell ohne Copyright-Verletzun‐ gen. https: / / t3n.de/ news/ faire-ki-modell-copyright-verletzungen-urheberrecht-1 615480/ Weßels, D. (2023). Mein allwissender KI-Tausendsassa - Mehr Schein als Sein? Vortrag an der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Wingate, U. (2011). A Comparison of ‘Additional’ and ‘Embedded’ Approaches to Teaching Writing in the Disciplines. In M. Deane & P. O’Neill (Hrsg.), Writing in the Disciplines (S.-65-87). Palgrave Macmillan. Wolfsberger, J. (2021). Frei geschrieben. Mut, Freiheit & Strategie für wissenschaft‐ liche Abschlussarbeiten (5., bearbeitete Auflage). Böhlau. Wu, X., Zhao, H., Zhu, Y., Shi, Y., Yang, F., Liu, T., Zhai, X., Yao, W., Li, J., Du, M., & Liu, N. (2024). Usable XAI: 10 Strategies Towards Exploiting Explainability in the LLM Era. http: / / arxiv.org/ abs/ 2403.08946 Xu, X., Tao, C., Shen, T., Xu, C., Xu, H., Long, G., & Lou, J. (2024). Re-Reading Improves Reasoning in Large Language Models. http: / / arxiv.org/ abs/ 2309.06275 Literatur 241 <?page no="242"?> Yin, Z., Wang, H., Horio, K., Kawahara, D., & Sekine, S. (2024). Should We Respect LLMs? A Cross-Lingual Study on the Influence of Prompt Politeness on LLM Performance. http: / / arxiv.org/ abs/ 2402.14531 Zamfirescu-Pereira, J. D., Wong, R. Y., Hartmann, B., & Yang, Q. (2023). Why Johnny Can’t Prompt: How Non-AI Experts Try (and Fail) to Design LLM Prompts. Proceedings of the 2023 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems, 1-21. https: / / doi.org/ 10.1145/ 3544548.3581388 Zhai, C., Wibowo, S., & Li, L. D. (2024). The effects of over-reliance on AI dialogue systems on students’ cognitive abilities: A systematic review. Smart Learning Environments, 11(1). https: / / doi.org/ 10.1186/ s40561-024-00316-7 Zhang, S., Zhao, X., Zhou, T., & Kim, J. H. (2024). Do you have AI dependency? The roles of academic self-efficacy, academic stress, and performance expectations on problematic AI usage behavior. International Journal of Educational Technology in Higher Education, 21(1). https: / / doi.org/ 10.1186/ s41239-024-00467-0 Zweig, K. A. (2023). Die KI war’s! Von absurd bis tödlich: Die Tücken der künstlichen Intelligenz. Heyne. 242 Literatur <?page no="243"?> BUCHTIPP Die utb-Reihe „Frag doch einfach“ beantwortet Fragen, die sich nicht nur Studierende stellen. Im Frage-Antwort-Stil geben Expert: innen kundig Auskunft und verraten alles Wissenswerte rund um ein Thema. In diesem Band werden unter anderem Antworten auf diese Fragen zu lesen sein: Was sind eigentlich die Grundlagen einer generativen Künstlichen Intelligenz? Und wo liegen deren Stärken und Schwächen? Was versteht man unter Prompt Engineering? Was sind typische Anwendungsfelder von ChatGPT und Large Language Models? Gibt es inzwischen Regulierungen rund um ChatGPT? Welche Auswirkungen wird die Anwendung mit sich bringen? Thomas Kessel, Alexander Brandt, Jonas Offtermatt, Friedrich Augenstein, Claus-Peter Praeg ChatGPT und Large Language Models? Frag doch einfach! Klare Antworten aus erster Hand 1. Au age 2025, ca. 180 Seiten €[D] 19,90 ISBN 978-3-8252-6276-1 eISBN 978-3-8385-6276-6 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="244"?> BUCHTIPP Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de Der Erfolg einer wissenschaftlichen Arbeit hängt zu einem großen Teil davon ab, wie Quellen recherchiert, ausgewählt, verwaltet und zitiert werden. Damit dies gut gelingt, vermittelt Klaus Niedermair die nötigen Kompetenzen in seinem Buch. Dabei geht er auf hilfreiche Techniken beim Recherchieren, Dokumentieren und Zitieren ein und zeigt, wie zielorientiertes Projektmanagement aussehen kann. Neu in der zweiten Au age hinzugekommen sind u. a. Abschnitte zum korrekten Zitieren sowie zur Dokumentation mit Citavi. Ausführlich geht der Autor auf Social Media als Informationsressource ein und erklärt, wie richtiges Zitieren gelingt. Umfassend befasst er sich mit dem Thema Plagiat. Ein Blick auf die Debatte um Künstliche Intelligenz, z. B. ChatGPT, rundet das Buch ab. Klaus Niedermair Recherchieren, Dokumentieren, Zitieren Die Arbeit mit wissenschaftlichen Quellen 2., völlig überarbeitete und erweiterte Au age 2023, 317 Seiten €[D] 27,90 ISBN 978-3-8252-6066-8 eISBN 978-3-8385-6066-3 <?page no="245"?> ISBN 978-3-8252-6365-2 Künstliche Intelligenz sinnvoll in den wissenschaftlichen Schreibprozess zu integrieren, ohne dabei die Verantwortung für den eigenen Text abzugeben - wie das gelingt, zeigt Isabella Buck in ihrem Buch. Sie erklärt Begrifflichkeiten und Funktionsweisen und geht auf Herausforderungen bei der Anwendung, wie ethische und datenschutzrechtliche Aspekte, ein. Anschließend erläutert sie verschiedene Nutzungsmöglichkeiten von generativer KI beim wissenschaftlichen Schreiben und zeigt, wie Prompting gelingen kann. Schritt für Schritt legt sie dar, wie sich KI-Tools in die zentralen Teilaufgaben des wissenschaftlichen Schreibens integrieren lassen und wie ein Einsatz im Sinne guter wissenschaftlicher Praxis aussehen kann. Ein aufschlussreiches Buch für Studierende mit erster Erfahrung im wissenschaftlichen Schreiben und Promovierende aller Fachrichtungen. Schlüsselkompetenzen Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehr- und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel Mit vielen hilfreichen Prompts