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Spekulationsblasen

Den Turbulenzen am Finanzmarkt auf der Spur

0515
2017
978-3-7398-0194-0
978-3-8676-4746-5
UVK Verlag 
Rolf J. Daxhammer
Mate Facsar

Spekulationsblasen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Finanzmärkte. Die erste bedeutende und dokumentierte Blase entstand im 17. Jahrhundert in Holland als weit bekannte Tulpenmanie. Weitere sollten in den nächsten Jahrhunderten folgen. Doch wie entstehen diese zumeist euphorischen und schlussendlich panikartigen Marktentwicklungen? Und wie konnte es immer wieder passieren, dass diese von Börsenprofis nicht rechtzeitig erkannt wurden? In diesem Buch stehen die Spekulationsblasen als Anzeichen für wiederkehrende und anhaltende Marktanomalien im Fokus der Betrachtung. Rolf J. Daxhammer und Máté Facsar erklären im ersten Teil die Entstehung und Ursachen für die Bildung von Spekulationsblasen sowie die unterschiedlichen Phasen und Arten von Spekulation. Dabei ist es ihnen besonders wichtig aufzuzeigen, dass diese sowohl positive als auch negative Effekte auf die Volkswirtschaften haben. Anschließend stellen die Autoren die wichtigsten Spekulationsblasen, beginnend mit der Tulpenmanie über die Südseeblase bis hin zu aktuellen Entwicklungen an Finanz- und Immobilienmärkten, vor. Der Leser ist somit in der Lage typische Eigenschaften der Kapitalmärkte zu verstehen und die Entwicklung historischer Spekulationsblasen auf Basis des Fünf-Phasen-Modells zu erklären und dieses anzuwenden.

<?page no="2"?> Rolf J. Daxhammer, Máté Facsar Spekulationsblasen <?page no="4"?> Rolf J. Daxhammer Máté Facsar Spekulationsblasen Den Turbulenzen am Finanzmarkt auf der Spur 2., erweiterte Auflage UVK Verlagsgesellschaft mbH • Konstanz mit UVK/ Lucius • München <?page no="5"?> Prof. Dr. Rolf J. Daxhammer lehrt an der an der ESB Business School in Reutlingen. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind Internationale Finanzmärkte, Investmentbanking, Private Wealth Management, Behavioral Finance und Europäische Integration. Máté Facsar ist als Institutional Sales Representative in der Market Data/ Financial Software Industry tätig. Die enge Zusammenarbeit mit zahlreichen Investment Professionals ermöglicht ihm die Anwendung der Behavioral Finance im Asset und Wealth Management zu verfolgen. Nach Ausbildung zum Bankkauffmann folgte ein Studium der internationalen Betriebswirtschaft an der ESB Business School in Reutlingen. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. ISBN: 978-3-86764-746-5 (Print) ISBN: 978-3-7398-0193-3 (EPUB) ISBN: 978-3-7398-0194-8 (EPDF) Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2017 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Coverbild: © dell - Fotolia.com Printed in Germany UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de <?page no="6"?> Vorwort zur zweiten, überarbeiten und erweiterten Auflage Als wir die erste Auflage von Spekulationsblasen im Herbst 2012 als E-Book-Version fertigstellten, waren die Auswirkungen der Finanzkrise von 2008 noch sehr deutlich zu spüren. Die Refinanzierungskosten für europäische Peripherieländer stiegen erneut in gefährliche Höhen - für Länder wie Griechenland, Spanien, Portugal aber auch Irland bestand die Gefahr vom Kapitalmarkt abgeschnitten zu werden. Fünf Jahre später und nach unzähligen Eingriffen seitens der Notenbanken haben weltweit die Aktienmärkte neue Allzeithochs erreicht. Die Frage erscheint berechtigt: Entwickelt sich bereits eine neue Spekulationsblase? Die mediale Aufmerksamkeit für Übertreibungen an den Kapitalmärkten ist spätestens seit Oktober 2013 durch die Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises an die U.S. Ökonomen Robert Shiller und Eugene Fama erheblich gestiegen. Sie wurden für Ihre Forschung über die Entwicklung von Aktienkursen und anderen Vermögensklassen ausgezeichnet. In der vorliegenden zweiten, überarbeiteten und erweiterten Auflage haben wir daher ein Versuch unternommen, die Entwicklungen unterschiedlicher Vermögensklassen ab 2012 in das Fünf- Phasen-Modell von Kindleberger/ Minsky einzuordnen und hoffen dadurch, das Verständnis für die Entwicklung von Spekulationsblasen zu fördern. Rolf J. Daxhammer, Máté Facsar, April 2017 <?page no="8"?> IInnhhaalltt Vorwort.............................................................................. 5 Teil 1 Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien............................................................. 9 1 Ursachen für Entstehung und Verstärkung von Spekulationsblasen .................................. 11 1.1 Herdentrieb ........................................................ 16 1.2 Grenzen der Arbitrage ...................................... 23 2 Anatomie von Spekulationsblasen nach Kindleberger/ Minsky ...................................... 32 3 Detailbetrachtung Spekulationsblasen und Kapitalmarktanomalien .......................... 41 3.1 Bedeutung von Spekulationsblasen für Volkswirtschaften.............................................. 42 3.2 Arten von Spekulationsblasen ......................... 45 3.3 Arten von Kapitalmarktanomalien ................. 51 Teil 2 Spekulationsblasen in der Vergangenheit und der Gegenwart........................................... 67 4 Markteigenschaften als Auslöser von Spekulationsblasen.......................................... 72 5 Bedeutende historische Spekulationsblasen im Überblick......................................... 77 5.1 Die Tulpenmanie von 1636............................... 78 <?page no="9"?> 8 Inhalt 5.2 Die John-Law-Spekulationsblase von 1716.... 85 5.3 Die Südseespekulationsblase von 1720 .......... 91 5.4 Der Börsenboom und -crash von 1929 ........... 98 5.5 Die Dotcom-Spekulationsblase ab 1997 ....... 103 5.6 Die US-Subprime-Kreditkrise ab 2007 ......... 111 6 Multiple Spekulationsblasen nach der Subprime Kreditkrise (ab 2012)? ................. 123 7 Hinweise auf Spekulationsblasen im Private Equity.................................................. 143 Literaturverzeichnis.................................................... 159 Personen- und Sachverzeichnis................................ 167 <?page no="10"?> TTeeiill 11 SSppeekkuullaattiioonnssbbllaasseenn aallss ZZeeiicchheenn ffüürr MMaarrkkttaannoommaalliieenn <?page no="11"?> Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien 10 Im ersten Kapitel stehen die Spekulationsblasen als Anzeichen für wiederkehrende und anhaltende Marktanomalien im Fokus der Betrachtung. Sie werden neben der Entstehung und den Ursachen für die Bildung von Spekulationsblasen die unterschiedlichen Phasen und Arten von Spekulationsblasen kennenlernen. Darüber hinaus werden Sie die Rolle des Herdentriebs als Triebfeder von Spekulationsblasen in das Gefüge wiederkehrender Marktanomalien einordnen können. Schließlich werden Sie die bedeutendsten Kapitalmarktanomalien kennenlernen, die teilweise nur kurzfristig andauern, während andere mittelbis langfristig auf den Kapitalmärkten zu beobachten sind. Spekulationsblasen - die in der Standarddefinition als eine starke und lang andauernde Fehlbewertung einer finanziellen oder realen Kapitalanlage bezeichnet werden (vgl. M. Brunnermeier/ M. Oehmke, 2012) - ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Finanzmärkte. Die erste bedeutende und dokumentierte Spekulationsblase entstand im 17. Jahrhundert in Holland als weit bekannte Tulpenmanie (1634-1637). Weitere sollten in den nächsten Jahrhunderten folgen (vgl. Kap. 5). Wie entstehen jedoch diese zumeist euphorischen und schlussendlich panikartigen Marktentwicklungen? Dieses Kapitel erkundet die Ursachen der immer wiederkehrenden Spekulationsblasen. <?page no="12"?> 1 Ursachen für Entstehung und Verstärkung von Blasen 11 1 Ursachen für Entstehung und Verstärkung von Spekulationsblasen Spekulationsblasen entstehen nicht aufgrund eines plötzlichen Ereignisses. Es handelt sich um eine Verkettung vielfältiger Sachverhalte, die zu einer langfristigen Übertreibung der Wertpapierkurse, Anlagepreise oder aber auch der Wirtschaftsaktivität eines Landes führen. Ein wichtiger Aspekt, welcher berücksichtigt werden muss, um Blasen zu verstehen, ist die soziale Ansteckung durch das Boom-Denken. Sie wird durch die allgemeine Beobachtung und medialer Berichterstattung von schnell steigenden Wertpapierkursen übertragen. In der Folge entstehen Geschichten, die den Glauben an die Fortsetzung des Booms bestärken und ihm immer mehr Glaubwürdigkeit verleihen (vgl. Shiller, 2008, S. 56 ff.). Diese als Feedback-Theorie bezeichnete Entwicklung an den Kapitalmärkten ist eine der Ursachen für Spekulationsblasen. Alan Greenspan, US-Notenbankchef zwischen 1987 und 2006, erkannte im März 2008 - also nach dem Ende der Hypothekenblase in den USA -, dass es in der Tat „Begeisterung“ und „Spekulationsfieber“ gegeben habe. Er schrieb für die Financial Times: „Das eigentliche Problem ist, dass unsere Modelle […] immer noch zu einfach sind, als dass sie die gesamte Palette der bestimmenden Variablen erfassen könnten, die hinter der globalen wirtschaftlichen Realität stehen. Ein Modell muss notgedrungen von der vollständigen Detailliertheit der <?page no="13"?> 12 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien wirklichen Welt abstrahieren.“ (Greenspan, zit. nach Shiller, 2008, S. 42) Greenspan hat zwar die Realität von Spekulationsblasen anerkannt, jedoch ist er ein Verfechter der Annahme geblieben, dass die formal-mathematischen Modelle die einzigen Möglichkeiten sind, die ökonomischen Vorgänge zu verstehen. Die einzige Beschränkung, die er sieht, sind nicht die Annahmen, die getroffen wurden, sondern die Beschränkung der Menge und Art der Daten sowie unsere Fähigkeit, diese auszuwerten. Die Aussage Greenspans verdeutlicht im Weiteren, dass die Mehrheit der Ökonomen die Ansteckung der Marktteilnehmer durch Ideen/ Geschichten nicht unbedingt für systematisch relevant hält. Blasenbildung entsprechend einer Epidemie Wie bereits Greenspan „Spekulationsfieber“ als Ursache für eine Blasenbildung eingeräumt hat, so lässt sich die gesellschaftliche Ansteckung mit dem Beispiel einer Epidemie beschreiben. So wie Epidemien brechen auch Spekulationsblasen von Zeit zu Zeit aus. Für die Ausbreitung einer Epidemie wurde eine Theorie entwickelt, welche es den Medizinern ermöglicht, die Epidemie besser zu verstehen: die Epidemiologie. Diese Theorie basiert im Grunde auf zwei Aspekten. Zum einen die Ansteckungsrate und zum anderen die Abklingrate. Die Ansteckungsrate gibt die Rate an, mit <?page no="14"?> 1 Ursachen für Entstehung und Verstärkung von Blasen 13 der die Ansteckung von Person zu Person übertragen wird. Die Abklingrate gibt die Rate an, mit der die Individuen genesen oder der Krankheit zum Opfer fallen und daher nicht mehr ansteckend sind. Wenn die Ansteckungsrate die Abklingrate übersteigt, so bricht eine Epidemie aus. Die Ansteckungsrate entwickelt sich auf Basis bestimmter Faktoren - wie z.B. die Witterung. So ist im Winter ist die Ansteckungsrate der Grippe höher, da das Virus aufgrund der niedrigen Temperaturen sich besser ausbreiten kann. In der Gesellschaft ist die Ausbreitung einer Spekulationsepidemie ähnlich. Früher oder später steigt die Ansteckungsrate aufgrund eines bestimmten Faktors über die Abklingrate und eine optimistische Markteinschätzung breitet sich aus. Die Epidemie gerät im Weiteren außer Kontrolle, sobald die Akzeptanz von Argumenten, welche die steigenden Kurse stützen, in der breiten Gesellschaft zunimmt. Beispiel 1: Ansteckung durch Interpretation als Form der Meinungsbildung während des Immobilienbooms Mitte der 2000er Jahre Karl Case und Robert Shiller führten im Jahre 2005 eine Erhebung unter Hauskäufern in San Francisco durch. Das Ergebnis verdeutlichte eindrücklich, wie stark die Ansichten über steigende Hauspreise eskalierten und den Immobilienboom befeuerten. Die mittlere Preissteigerung, welche die Hauskäufer für die nächsten 10 Jahre erwarteten, lag bei 9 Prozent p.a. Etwa ein Drittel der Befragten vertraten sogar Erwartungen von bis zu 50 Prozent p.a. <?page no="15"?> 14 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien Die Befragten haben erhebliche Preiszuwächse beobachtet und die Interpretation von anderen Hauskäufern gehört. Sie wurden scheinbar durch diese Interpretation als Form der Meinungsbildung angesteckt. Das eben aufgeführte Beispiel verdeutlicht zunächst, wie stark die Einschätzung der Marktteilnehmer von anderen Investoren abhängen kann. Ein weiterer zentraler Punkt, der zur Verstärkung einer Spekulationsblase beiträgt, ist die mediale Berichterstattung. Die Medien verstärken ihre Berichterstattung mit zunehmend steigenden Kursen. Die steigenden Kurse wiederum fördern den Glauben an die Geschichte des Booms. Es kommt in Folge zu weiteren Preisanstiegen. Diese Entwicklung wird auch als Preis-Story-Preis- Schleife bezeichnet. Eine Preis-Story-Preis-Schleife kann mit der self-fulfilling prophecy verglichen werden. Bei beiden Phänomenen nehmen die Marktteilnehmer die jeweilige Entwicklung der Wertpapiere vorweg und handeln dementsprechend. Die beschriebene Feedback-Schleife kann auch in Form von Preis-Wirtschaftsaktivität-Preis-Schleifen auftreten. In diesem Fall steigt das Wirtschaftswachstum aufgrund steigender Preise, die durch zunehmenden wirtschaftlichen Optimismus zu weiteren Schleifen führt. Dadurch steigt die Wirtschafsaktivität eines Landes weiter. Die Entstehung von Spekulationsblasen muss nicht zwangsläufig auf begrenzt rationales Verhalten zu- <?page no="16"?> 1 Ursachen für Entstehung und Verstärkung von Blasen 15 rückzuführen sein. Im Anfangsstadium kann die Blase auch als Ergebnis rationalen Handelns betrachtet werden. Dies ist dann der Fall, wenn Marktteilnehmer durch Beobachtung des Verhaltens anderer Marktteilnehmer Informationen erhalten, welche diese anderen durch ihr Verhalten preisgeben. Die rationalen Marktteilnehmer würden ihre Entscheidungen auf das Handeln der anderen Marktteilnehmer gründen und durch die rationale Interpretation Informationskosten sparen und so an der Blasenbildung teilnehmen. Die anfänglich rational interpretierte Information kann sich jedoch im Nachhinein als irrtümlich beurteilt herausstellen. Dies ist dann der Fall, wenn die rationalen Marktteilnehmer die übertrieben optimistische/ pessimistische Ansicht anderer übernehmen und dadurch ihre eigenen, unabhängig gesammelten Informationen missachten. Dieses als Informationskaskade bezeichnetes Verhalten führt zum Absinken der Qualität der Informationen in der Gruppe. Dieser Qualitätsverlust tritt ein, da nun zunehmend Angehörige einer Gruppe ihre unabhängig und persönlich gesammelten Informationen missachten und sich verstärkt auf ihre allgemeine Wahrnehmung konzentrieren. Als Resultat kommen sie nicht mehr in der kollektiven Urteilsbildung der Gruppe vor, wodurch sich die Qualität der Information in der Gruppe zunehmend verschlechtert (vgl. Shiller, 2008, S. 56 ff.). <?page no="17"?> 16 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien Durch die allgemeine Beobachtung und mediale Berichterstattung wird das Boom-Denken oft gefördert. In der Folge entstehen Geschichten, die den Glauben an die Fortsetzung des Booms bestärken. Diese als Feedback-Theorie bezeichnete Entwicklung an den Kapitalmärkten ist eine der Ursachen für Spekulationsblasen als Folge ungezügelten Handels von Marktteilnehmern. In den Anfängen der Behavioral-Finance-Forschung dominierte die Auffassung, dass die Fehler einzelner Marktteilnehmer in der übergeordneten Marktentwicklung nicht weiter ins Gewicht fallen. Diese Sichtweise verkennt jedoch, wie systematisch Preise verzerrt werden können, wenn nicht nur einzelne Anleger, sondern die gesamte Masse der Marktteilnehmer aus dem Markt aus- oder in den Markt einsteigen. Dies kann zur Folge haben, dass ein Börsentrend wie eine Hausse oder eine Baisse verstärkt wird. Eine Hausse kennzeichnet den Kapitalmarkt über lang anhaltend steigende Wertpapierkurse (Baisse - sinkende Wertpapierkurse). Eine durchschnittliche Hausse beträgt dabei 52 Monate, eine Baisse nur durchschnittlich 10 Monate (vgl. Kitzmann, 2009, S. 22). 11..11 HHeerrddeennttrriieebb Spekulationsblasen basieren, wie im vorherigen Unterkapitel beschrieben, zumeist auf Boom-Geschichten, die durch ihre Verbreitung unter den Anlegern immer <?page no="18"?> 1 Ursachen für Entstehung und Verstärkung von Blasen 17 mehr Aufmerksamkeit generieren und schlussendlich die Preise in die Höhe treiben. Dabei spielen die Marktteilnehmer, die einander beobachten und sich auch dementsprechend ausrichten, eine große Rolle. Menschen, als soziale Wesen, richten sich nicht nur nach anderen aus, sie suchen auch Leitfiguren und „schwimmen mit dem Strom“. Shiller beschreibt die Bedeutung des Herdenverhaltens wie folgt: „The meaning of herd behaviour is that investors tend to do as other investors do. They imitate the behaviour of others and disregard their own information.“ (Shiller, zit. nach Redhead, 2008, S. 542) In der Masse ergeben sich Verhaltensweisen, die eine Spekulationsblase weiter antreiben können. Die wichtigsten Aussagen über den Herdentrieb werden nachfolgend aufgeführt. Diese basieren auf den Aussagen von Gustave Le Bon (1841-1931), einem der Begründer der Massenpsychologie.  Massen entwickeln eine Kollektivseele - Handlungsweisen werden aufeinander abgestimmt. Es herrscht hohe Verbundenheit innerhalb der Masse.  Gesamtinteresse infiziert Einzelinteressen - emotionale Ansteckung im Rahmen der Feedback-Theorie.  Einfache Gefühle herrschen vor - Individuen in der Masse sind durch Impulsivität und Reizbarkeit gekennzeichnet.  Meinungen und Gerüchte schaukeln sich hoch und führen zu Meinungsbildung auf Basis einzelner Gerüchte, Vermutungen. <?page no="19"?> 18 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien Massenphänomene sind ganz besonders beim Platzen einer Blase oder plötzlichen Kursverlusten ersichtlich. In solchen Momenten, wie es auch am 11. September 2001 und in den Folgetagen nach Wiederaufnahme des regulären Handelns an den Weltbörsen zu erkennen war, handelt die Masse bei drohenden Kursverlusten in Panik. Angst ergreift so gut wie alle Marktteilnehmer. Die Wertpapiere werden zu jedem beliebigen Preis veräußert. Durch dieses panikartige Verhalten werden im Laufe des Geschehens weitere Marktteilnehmer zur Veräußerung ihrer Wertpapiere hingerissen, wodurch noch stärkere Verluste verursacht wurden. Nach Gustave Le Bon kennzeichnet sich die Masse durch folgende Charakteristika (vgl. Le Bon & Eisler, 2007, S. 29 ff.):  Schwund der bewussten und Vorherrschaft der unbewussten Persönlichkeit.  Orientierung der Gedanken und Gefühle durch Suggestion sowie Ansteckung durch die anderen Marktteilnehmer.  Tendenz zur unverzüglichen Verwirklichung der suggerierten Ideen. Von entscheidender Bedeutung bei der Verstärkung von Spekulationsblasen ist, wie die Mehrheit der Marktteilnehmer über eine Information urteilt. In diesem Sinne spielt die bereits beschrieben mediale Berichterstattung eine große Rolle. In Börsenzeitschriften oder elektronischen Medien werden in der Regel bestimmte Aktien favorisiert, was die Marktteilnehmer <?page no="20"?> 1 Ursachen für Entstehung und Verstärkung von Blasen 19 zum Kauf oder Verkauf dieser Aktien verleiten kann. Wird durch bestimmte Meldungen eine übereinstimmende Wirkung auf die Masse ausgeübt, so verliert die Beachtung der Fundamentalbewertung zunehmend an Bedeutung, und die Wertpapiere werden entsprechend der Analysteneinschätzung gehandelt. Die Stimmung bestimmt das Marktverhalten der Investoren (vgl. Kitzmann, 2009, S. 20 ff.). Herdenverhalten kann in vier Kategorien unterteilt werden (vgl. Graham, 1999, S. 239 ff. und Daxhammer, Hagenbuch, 2016):  Herdenverhalten auf Basis von Informationskaskaden Marktteilnehmer schließen sich der Meinung der Masse an und ignorieren ihre eigenen privaten Informationen. Dies ist der Fall, wenn die Masse bereits eine Meinung gebildet hat und die eigene Meinung die Meinung der Masse nicht umstimmen kann.  Herdenverhalten auf Basis von Reputationsinteressen Aus Sorge um den eigenen Ruf vernachlässigen Marktteilnehmer eigene Informationen und schließen sich der Meinung der Gruppe an.  Herdenverhalten auf Basis von Informationsquellen Marktteilnehmer verwenden Informationsquellen, von denen sie glauben, dass auch andere Marktteilnehmer diese nutzen werden. <?page no="21"?> 20 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien  Herdenverhalten auf Basis historischer Marktbewegungen Marktteilnehmer analysieren historische Marktbewegungen und handeln dementsprechend in der Annahme, dass andere dies auch tun werden. In der Regel handelt es sich hierbei um die technische Analyse. Ein Beispiel dafür, welche Auswirkungen das Herdenverhalten auf andere Marktteilnehmer und auf den eigenen Anlageerfolg haben kann, ist in Abb. 1 ersichtlich. Sie zeigt die Entwicklung von 128 Technologiefonds im Zeitraum zwischen 1997 und 2006, in dem die Zu- und Abflüsse aus diesen Fonds gegenübergestellt werden. Ab Beginn des Jahres 1999 ließen die Anleger immer mehr Geld in Technologiefonds fließen, da die bis dahin spektakulären Erträge dem Sektor zu immer weiter wachsender Beliebtheit verhalfen. Aufgrund der beeindruckenden Wertentwicklung zur Jahrtausendwende waren die Bewertungen bereits sehr hoch. Die Kurse der Fondsanteile stiegen trotz dieses Zustandes weiter an, da immer mehr Anleger sich der Herdenbewegung anschlossen. Es bildete sich eine Blase, deren einzelne Phasen im nächsten Unterkapitel genauer betrachtet werden. Die anschließende Korrekturphase von 2001 bis 2003 ließ die Kurse fallen, und die Anleger - in klassischem Herdenverhalten - verkauften ihre Technologiefonds, womit sie ihre unbeabsichtigt irrationale Strategie „buy high, sell low“ (bei hohen Kursen kaufen, bei niedrigen verkaufen) vollendeten. <?page no="22"?> 1 Ursachen für Entstehung und Verstärkung von Blasen 21 Auswirkung des Herdenverhaltens am Beispiel der Nettozuflüsse in Technologiefonds während der Dotcom Spekulationsblase Abb. 1: Entwicklung Netto-Zuflüsse in Technologiefonds 1997-2006 (vgl. UBS Wealth Management Research 2008, S. 22) In der Masse ergeben sich Verhaltensweisen, die eine Spekulationsblase weiter antreiben können. Massenphänomene sind ganz besonders beim Platzen einer Blase oder plötzlichen Kursverlusten ersichtlich. In solchen Momenten handelt die Masse bei drohenden Kursverlusten in Panik. Durch das Herdenverhalten der Markteilnehmer werden Spekulationsblasen verstärkt. Besondere Umstände, die nachfolgend als „die Grenzen der Arbitrage“ erläutert werden, verhindern, dass <?page no="23"?> 22 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien selbst Markteilnehmer, die das begrenzt rationale Verhalten der anderen Investoren erkennen, die Übertreibungen korrigieren. Vielmehr haben sie selbst Interesse daran, die Entwicklung in die gegebene Richtung mitzumachen und an übertriebenen Kursausschlägen mitzuverdienen. Dadurch werden Spekulationsblasen weiter verstärkt (vgl. Heuser, 2008, S. 122 ff. und Daxhammer, 2006). Der US-amerikanische Wirtschaftstheoretiker Charles Kindleberger (1910-2003) argumentiert, dass es rational sei, solange in einer Spekulation mitzumachen, solange für den Teilnehmer klar ist, dass sie sich noch in einem frühen Stadium befindet und solange man glaubt, die anderen Marktteilnehmer dächten das Gleiche (vgl. Kindleberger, 2001, S. 52). Die Frage, wie man das jeweilige Stadium einer Spekulationsblase erkennen kann, wird auch von Kindleberger nicht beantwortet und bleibt bis heute eine zentrale, ungelöste Frage, an der die Theorie und die Praxis gleichermaßen interessiert sind. Bei der Analyse von Spekulationsblasen spielt die begrenzte Arbitrage eine besondere Rolle. Aus Sicht der neoklassischen Kapitalmarkttheorie würde die Arbitrage als Mechanismus Fehlbewertungen zeitnah wieder ausgleichen. Bestimmte Risiken und Kosten verhindern deren Anwendung jedoch, wodurch bestehende Markttrends verstärkt werden können. Nachfolgend werden die Grenzen der Arbitrage und die bedeutendsten Marktanomalien als weitere Ursachen für Blasenbildung erläutert. <?page no="24"?> 1 Ursachen für Entstehung und Verstärkung von Blasen 23 11..22 GGrreennzzeenn ddeerr AArrbbiittr raaggee Die Arbitrage stellt in der traditionellen (neoklassischen) Kapitalmarkttheorie ein wirksames Mittel gegen die systematische Abweichung der Wertpapierkurse von fundamentalen Bewertungen dar. Abweichungen von fundamental gerechtfertigten Bewertungen einer Anlage werden von rational handelnden Marktteilnehmern, den Arbitrageuren, ausgeglichen. Dies erfolgt durch das Ausnutzen von Preisunterschieden beim Kauf und gleichzeitigen Verkauf eines Wertpapiers an zwei unterschiedlichen Handelsplätzen. 1 Die Abweichungen werden in der neoklassischen Interpretation von so genannten „Noise Tradern“ verursacht, eine Gruppe von Marktteilnehmern, die durch begrenzte Rationalität und unter Einfluss von Gefühlen ihre Anlageentscheidung trifft. Die Anlageentscheidungen dieser Gruppe werden häufig von Gerüchten, also „Noise“, beeinflusst. Die Arbitrageure verkörpern dagegen das Abbild des Homo Oeconomicus, der durch vollkommen rationale Erwartungen auf Basis der Erwartungsnutzentheorie seine Entscheidungen trifft. Die Annahme, dass die Arbitrageure Fehlbewertungen korrigieren können, wird in der Literatur jedoch stark angezweifelt. 1 Damit ist grundsätzlich eine Situation gemeint, in der das gleiche Wertpapier am Handelsplatz A zu einem höheren Preis gehandelt wird als am Handelsplatz B. Es würde dann in B gekauft und gleichzeitig in A verkauft. In der Konstellation oben bezieht sich Arbitrage auf den Kauf/ Verkauf eines objektiv erkennbar unter-/ bzw. überbewerteten Wertpapiers. <?page no="25"?> 24 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien Unter dem Stichwort „Limits of Arbitrage“ werden zahlreiche Gründe aufgeführt, wonach rational handelnde Marktteilnehmer nur unter erschwerten Bedingungen bzw. gar nicht in der Lage sind, Fehlbewertungen auszugleichen. Die Hauptargumente der Kritiker der Arbitragemöglichkeit (Barberis/ Thaler) basieren auf den mit der Arbitrage verbundenen Risiken und Kosten. So können andauernde Überbzw. Unterbewertungen als Resultat limitierter Arbitrage erklärt werden (vgl. Kottke, 2005, S. 13 ff.). Risiken der Arbitrage  Fundamentales Risiko Schränkt die Möglichkeit der Arbitrage stark ein, da die gegenwärtige Falschbewertung einer Anlage bei Eintreffen neuer Nachrichten weitergetrieben werden kann. So kann die ursprünglich für zu niedrig erachtete Bewertung einer Anlage eine noch niedrigere Bewertung rechtfertigen. In diesem Fall läuft der Arbitrageur Gefahr, Verluste hinnehmen zu müssen. Im Weiteren kann das fundamentale Risiko der weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des erworbenen Unternehmenswertes kaum durch den Einsatz von Derivatgeschäften bezogen auf ähnliche Unternehmen ausgeschlossen werden.  Noise-Trader-Risiko Die Wirksamkeit der Arbitrage kann durch Noise Trader beschränkt werden, deren Anlageentscheidungen vielmehr auf „Rauschen“ im Markt basieren als auf tiefgründigen Analysen. Noise Trader können <?page no="26"?> 1 Ursachen für Entstehung und Verstärkung von Blasen 25 die Fehlbewertung einer Anlage kurzfristig weitertreiben, wodurch der Arbitrageur wiederum zusätzlichen, unkalkulierbaren Verlusten ausgesetzt ist.  Zeitrisiko Mit diesem Risiko ist meist der kurze Zeithorizont des Arbitrageurs gemeint. Nachdem für das Aufspüren von Fehlbewertungen und deren ökonomisch lukrative Ausnutzung viel Know-how und Kapital benötigt werden, spricht man von einer Agency- Konstellation. Die Kapitalgeber des Arbitrageurs sind in der Regel nicht in der Lage, die Komplexität des Arbitrageprozesses zu verstehen und schätzen das Können der Agenten, der Anlagespezialisten, entsprechend der erbrachten Rendite ein. Gelingt es dem Arbitrageur aufgrund der erwähnten Risiken nicht, die erwartete Rendite im erwarteten Zeithorizont zu generieren, läuft der Arbitrageur Gefahr, dass die Kapitalgeber sich aus dem Engagement zurückziehen. In Folge sind Verluste möglich, was die Attraktivität der Arbitrage weiter begrenzt. Der Arbitrageur ist aufgrund der zeitlich begrenzten, fremden liquiden Mittel daher sehr sensibel für zusätzliche Abweichungen von fundamentalen Werten. In diesem Zusammenhang äußert sich der britische Ökonom John M. Keynes zu den Gefahren unkalkulierbarer Marktbewegungen: „Markets can remain irrational, longer than you can remain solvent.“ (Keynes, zit. nach Bodie, Kane, Marcus, 2009, S. 265) <?page no="27"?> 26 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien Kosten der Arbitrage  Transaktionskosten Führen zur Einschränkung der ökonomischen Vorteilhaftigkeit von Arbitragegeschäften. In der Regel handelt es sich hierbei um Kommissionsgebühren sowie Bid-Ask-Spreads. Letzteres ist die Differenz zwischen Geld- und Briefkurs. Der Geldkurs steht für den Preis, zu dem ein Wertpapier verkauft werden kann, wohingegen der höher liegende Briefkurs bei der Kauftransaktion als Grundlage genommen wird.  Kosten für Wertpapierleihe Im Falle von Leerverkäufen können zusätzlich Kosten für die Wertpapierleihe entstehen. Diese Kosten sind darauf zurückzuführen, dass bei Leerverkäufen der Käufer die zugrundeliegenden Aktien nicht besitzt, diese aber trotzdem zum Verkauf anbietet, da er von fallenden Kursen ausgeht. Hierbei leiht er sich die entsprechenden Wertpapiere und bezahlt dafür eine bestimmte Gebühr an den Verleiher der Wertpapiere. Sind die Kurse dann gefallen, kann das Wertpapier zu einem niedrigeren Preis erworben und an den Verleiher zurückgegeben werden. Beispiel 2: Entwicklung VW-Stammaktien Neben den Gebühren, die bei Leerverkäufen entstehen, können zusätzlich auch Kursrisiken für den Käufer entstehen. So erklärt sich die spektakuläre Kurssteigerung der VW-Stammaktie Ende 2008 auf <?page no="28"?> 1 Ursachen für Entstehung und Verstärkung von Blasen 27 bis zu 1.000 EUR, da die Leerverkäufer, die auf fallende Kurse setzten, die Papiere zu stark steigenden Kursen zurückkaufen mussten. Die Notwendigkeit für den Rückkauf der Papiere am Kapitalmarkt bestand, da Porsche angekündigt hatte, dass sie über Optionsgeschäfte die überwiegende Mehrheit der im freien Umlauf befinden VW Aktien erworben haben. Dadurch fiel das Angebot an VW-Aktien und der Preis stieg. Sonstige Beschränkungen  Gesetzliche Beschränkungen Für viele Marktteilnehmer sind Leerverkäufe nicht erlaubt, wodurch Leihgeschäfte für den Wertpapierhandel gänzlich unmöglich werden (vgl. Barberis & Thaler, 2005, S. 5 ff.). Chinesische Behörden erließen nach den verheerenden Verlusten an der Festlandbörse CSI 300 im Sommer 2015 ein Leerverkaufsverbot. Durch diese gesetzliche Einschränkung können Leerverkäufer Übertreibungen nicht korrigieren. Dass diese Maßnahmen nicht immer zielführend sind, war im Krisenherbst 2008 sichtbar. Sowohl die USA als auch Großbritannien verhängten ein Leerverkaufsverbot nach dem Kollaps von Lehman Brothers. Kurzzeitig stiegen die Notierungen, fielen allerdings bis zum Ende des Verbots am 8. Oktober weiter. So sah selbst der damalige Chef der SEC, Chris Cox, den Erlass des Leerverkaufsverbotes als größten Fehler seiner Amtszeit an (vgl. Kalhammer, 2015). <?page no="29"?> 28 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien  Rückgabepflicht der geliehenen Wertpapiere Arbitrageure, die Leerverkäufe im Sinne einer Spekulation betreiben, können auch gezwungen sein, die geliehenen Wertpapiere an den Verleiher zurückzugeben, sofern dieser die Wertpapiere vorzeitig am Markt verkaufen möchte. In diesem Fall muss der Arbitrageur seine Position frühzeitig schließen, wodurch hohe Verluste entstehen können (vgl. Shiller, 2003, S. 97 ff.). Zusätzlich kann die Arbitrage durch institutionelle Investoren dadurch begrenzt werden, dass sie schlichtweg kein Interesse an der Rückführung einer Fehlbewertung haben. Vielmehr haben Arbitrageure oftmals den Anreiz, die Fehlbewertung durch ihre Handlung aufrechtzuerhalten bzw. auszuweiten statt diese durch ihr Wirken zu begrenzen. Dies ist der Fall, wenn Arbitrageure davon ausgehen können, dass sich die Fehlbewertung kurzfristig noch ausweiten wird. Brunnermeier und Nagel (2004) dokumentierten diese Erscheinung kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase zur Jahrtausendwende. In ihren Untersuchungsergebnissen ist ersichtlich, dass die Hedge- Fonds bis vor dem Platzen der Blase auf der Käuferseite die starken Kurssteigerungen im NASDAQ Index ausgenutzt haben. Diese Einschätzung wird von den Erkenntnissen durch Griffin et al. (2003) bestätigt. Sie kommen zu dem Schluss, dass die institutionellen Investoren ganz besonders am steigenden Trend von NASDAQ 100 Aktien partizipierten. (vgl. Ramadorai, 2010). <?page no="30"?> 1 Ursachen für Entstehung und Verstärkung von Blasen 29 Beispiel 3: Begrenzte Arbitrage in der Praxis - Royal Dutch/ Shell Transport Die Ökonomen Froot/ Debora untersuchten 1999 die Fusion der Unternehmen Royal Dutch und Shell Transport von 1907. Die beiden Firmen fusionierten damals in einem Verhältnis von 60: 40. Die ursprünglichen Unternehmen sollten weiterhin unabhängige Einheiten darstellen und eigenständig an der Börse notieren. Die erwirtschafteten Cashflows sollten ebenfalls im Verhältnis 60: 40 aufgeteilt werden. In Anbetracht der Vermutung, dass der Preis den Fundamentalwert der Unternehmen darstellen soll, müsste der Marktwert des Eigenkapitals von Royal Dutch 1,5-mal so hoch sein, wie der von Shell. Die Untersuchung zeigte allerdings, dass der Marktwert von Royal Dutch zwischen einer bis zu 35 Prozent niedrigeren und 15 Prozent höheren Bewertung gegenüber dem eigentlich vorgegebenen Verhältnis der Marktwerte schwankt. Diese Entwicklung führen die beiden Wissenschaftler als klaren Beleg für die begrenzte Arbitrage an. Die begrenzte Arbitrage kann zudem an der Schieflage des Hedgefonds LTCM, verdeutlicht werden. LTCM versuchte auf Basis der Arbitragetheorie Überrenditen zu erzielen. Die fälschliche Annahme, dass Fehlbewertungen in kurzer Zeit wieder ausgeglichen werden, führte jedoch zur Schieflage des Fonds und schlussendlich zu dessen Auflösung. LTCM investierte u.a. in die bis dato getrennt gelisteten Wertpapiere der heutigen Royal Dutch Shell. <?page no="31"?> 30 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien Entsprechend der Fusionsbedingungen sollte der Marktwert von Royal Dutch eineinhalbmal so hoch sein wie der von Shell Transport. Die Bewertung von Shell Transport war jedoch 18 Prozent tiefer als dies zu erwarten war. LTCM investierte massiv in die Bewertungsunterschiede, in der Erwartung, dass sich diese dem erwarteten Niveau anpassen würde. Die Bewertungsunterschiede passten sich entgegen der Erwartungen (Normalverteilung) nicht an, sondern vergrößerten sich zusätzlich mit der Folge, dass sich die Annahmen der Random Walk Theory nicht bewahrheiteten. Die exorbitanten Verluste von LTCM mussten durch die Intervention der US-Notenbank FED gedeckt werden. Die in der Ausgangsüberlegung formulierte Hypothese, wonach die von Noise Tradern verursachte Fehlbewertungen durch Arbitrageure wieder auf den Fundamentalwert korrigiert werden, ist vor dem Hintergrund der mit der Arbitrage verbundenen Risiken und Kosten in Frage zu stellen. Fehlbewertungen können demnach nicht wie in der traditionellen Finanzmarkttheorie postuliert risikolos oder kostenfrei durch Arbitrage ausgenutzt werden. Vielmehr ist es möglich, dass Fehlbewertungen auch längerfristig Bestand haben können. In diesem Kontext fassen die beiden amerikanischen Ökonomen Barberis/ Thaler die allgemeinen Überlegungen hinsichtlich der begrenzten Arbitragemöglichkeit an den Märkten wie folgt zusammen: <?page no="32"?> 1 Ursachen für Entstehung und Verstärkung von Blasen 31 „In contrast, then, to straightforward-sounding textbook arbitrage, real world arbitrage entails both costs and risks, which under some conditions will limit arbitrage and allow deviations from fundamental value to persist.“ (Barberis und Thaler, zit. nach Kottke, 2005, S. 266) Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass aufgrund der begrenzten Arbitrage die Entstehung von Spekulationsblasen begünstigt wird. Das Verhalten von Noise Tradern, das entscheidend zur Blasenbildung beiträgt, kann durch Arbitrageure nicht zuverlässig verhindert werden. <?page no="33"?> 32 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien 2 Anatomie von Spekulationsblasen nach Kindleberger/ Minsky Spekulationsblasen können sich für alle Vermögensgegenständen bilden, die an Märkten gehandelt werden. Trotz einzelner Unterschiede lassen sich die Blasen im Rückblick oft durch identifizierbare Phasen kennzeichnen, die während einer Spekulationsblase durchlaufen werden. Jede Blase tendiert dazu, fünf Phasen zu durchlaufen: Verlagerung, Kreditbeschaffung, Euphorie, kritische Phase und schließlich Abscheu. Das Fünf- Phasen-Modell (vgl. Abb. 2) wurde von den US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlern Charles Kindleberger und Hyman Minsky entwickelt (vgl. Montier, 2009, S. 730 ff.): Phase 1 - Verlagerung In der ersten Phase einer Spekulationsblase kommt es zu beginnenden Preissteigerungen in der jeweiligen Assetklasse. Im Weiteren ist die erste Phase oft durch einen exogenen Schock gekennzeichnet, der zu einer Verlagerung der Profitchancen von einem Sektor zu einem anderen führt. Um die neuen Profitchancen auszunutzen, nehmen Investitionen im Sektor mit den erhöhten Profitchancen schlagartig zu. Die zunehmenden Investitionen begründen die Entstehung eines Booms. Als ein exogener Faktor kann z.B. die Entstehung des Internets angesehen werden. Die Technologie versprach nicht nur, die Art, wie Geschäfte getätigt werden, zu revolutionieren, sondern auch die Lebensweise innerhalb der Gesellschaften. <?page no="34"?> 2 Anatomie von Spekulationsblasen 33 Phase 2 - Kreditschaffung Die zweite Phase einer Spekulationsblase führt zur Verschärfung des Booms durch endogene Faktoren. Diese können die monetäre Ausweitung und/ oder die Kreditschaffung sein. Die monetäre Ausweitung kann neben Schaffung zusätzlicher Zahlungsmittel innerhalb bestehender Bankensysteme auch außerhalb des Bankensystems erfolgen. Dies ist der Fall, wenn neue Banken/ Kreditinstitute gegründet werden oder es zu einer Expansion der persönlichen Kredite außerhalb des Bankensystems kommt. Im Laufe der zweiten Phase kommt es zum Preisanstieg innerhalb der Assetklasse. Er wird hervorgerufen durch Zunahme der Nachfrage. Auf Basis der zunehmenden Preise kommt es wie im Unterkapitel 1.1 beschrieben zu einer positiven Feedbackschleife. Es kommt zu einer sozialen Ansteckung durch das Boom- Denken. Als Resultat führen neue Investitionen zu Einkommenssteigerungen, die weitere Investitionen hervorrufen. Die monetäre Ausweitung z.B. erfolgte in den USA am Ende der High-Tech-Blase durch Senkung der US-Leitzinsen (Fed Fund Rates) auf bis zu 1 Prozent bis Mitte 2003. Diese hat die Ausweitung der Kreditschaffung im privaten Sektor maßgeblich vereinfacht und die Immobilienblase befeuert. Eine ähnliche Entwicklung ergab sich nach dem Platzen der Immobilienblase 2008. Weltweit reagierten die Notenbanken mit einer starken Reduzierung der Leitzinsen. Als mögliches Resultat waren dann 2009 und 2010 stark steigende Aktienkurse zu beobachten. <?page no="35"?> 34 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien Phase 3 - Euphorie Die dritte Phase ist durch zusätzliche Investitionen in die jeweilige Assetklasse als Spekulation auf weitere Preissteigerungen gekennzeichnet. Adam Smith bezeichnete ein solches Verhalten der Marktteilnehmer als „übermäßiges Handeln“. Kindleberger merkt an, dass das Konzept des übermäßigen Handelns lediglich der Spekulation diene. Die Marktteilnehmer überschätzen die erwarteten Renditen und erhöhen exzessiv ihre Einsätze. In diesem Kontext erwiesen sich z.B. die Analysteneinschätzungen der zukünftigen Renditen amerikanischer Unternehmen zwischen 1991 und 2002 als übertrieben. Damit die Unternehmen diese Erwartungen erfüllen konnten, stiegen die Gesamtverbindlichkeiten der Unternehmen zum erwirtschafteten Umsatz stark an, da viele Investitionen mit Fremdkapital finanziert wurden, um die Eigenkapitalrendite zu erhöhen (leverage effect). Die Phase der Euphorie ist zudem gekennzeichnet durch die Denkweise „This time is different“. Die Marktteilnehmer betrachten oft die bislang als gültig angesehene Bewertungsverfahren als nicht mehr aussagefähig, da diese die neuen Marktentwicklungen nicht korrekt erfassen. So entstehen in dieser Phase neue Bewertungstechniken, um die nun enorm gestiegenen Aktienkurse zu rechtfertigen. Während der Dotcom-Spekulationsblase Anfang 2000 wurde in diesem Sinne die Bewertung der Unternehmen u.a. mit dem Kurs- Umsatz-Verhältnis ausgewiesen, da das übliche Kurs- Gewinn-Verhältnis für eine Bewertung aufgrund zu <?page no="36"?> 2 Anatomie von Spekulationsblasen 35 geringer oder fehlender Gewinne zu hoch erschien oder nicht möglich war. Im Folgenden konnte man sogar die Bewertung aufgrund von Aufrufen der Unternehmenswebsites beobachten. Die Euphorie verändert nicht nur die Bewertungsmethoden, sondern auch die Marktteilnehmer selbst. Der scheinbar endlose Anstieg der Aktienkurse resultiert in einem übermäßigen Optimismus und überhöhter Selbsteinschätzung der Marktteilnehmer. Die Investoren überschätzen ihr eigenes Wissen, Anlagerisiken werden dagegen unterschätzt. Phase 4 - kritische Phase Die vierte Phase einer Spekulationsblase wird als die kritische Phase oder auch Phase der finanziellen Not bezeichnet. In dieser Phase beschließen Unternehmensinsider, ihre Positionen zu veräußern und Gewinne einzustreichen. Folglich sind in dieser Phase signifikante Insiderverkäufe zu beobachten. Die finanzielle Not folgt gegen Ende der kritischen Phase. Mit dem Ausdruck „finanzielle Not“ wird der Umstand der zunehmenden Verschuldung eines Unternehmens umschrieben. In dieser Situation ist ein Unternehmen damit konfrontiert, dass es seine finanziellen Verpflichtungen nicht erfüllen kann. In der Regel gibt es ein Auslöser-Ereignis, welches die desolate Finanzlage des Unternehmens verdeutlicht. Kindleberger äußert sich mit Blick auf diese Phase wie folgt: „Das spezifische Signal, das die Krise auslöst, kann die Pleite einer Bank oder eines Unternehmens, das sich übernommen <?page no="37"?> 36 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien hat, oder auch die Aufdeckung eines Schwindels sein.“ (Kindleberger, zit. nach Montier, 2009, S. 735) Die Aufdeckung von Schwindel und Betrügereien führt meist zur eindeutigen Präferenz von Liquidität. Diese Entwicklung wurde im Rahmen der US-Bilanzfälschungsskandale um Enron und Worldcom im Jahre 2001 sichtbar. Der Anstieg der Verschuldung birgt eine große Gefahr, wenn es zum Platzen einer Spekulationsblase kommt. Wenn im Anschluss die Wirtschaft in eine Deflation gerät, die Verschuldung jedoch immer noch massiv ist, sind die Unternehmen gezwungen ihre Cashflows zu erhöhen, um ihre real steigenden Verbindlichkeiten zu bedienen. Dies kann durch „Zukauf von Umsätzen“ oder dem „Verkauf von Assets“ erfolgen. Im Fall des Ersteren, kann der Marktanteil des Unternehmens dadurch erhöht werden, dass durch sinkende Verkaufspreise die Umsätze erhöht werden - die Umsätze werden sozusagen „auf Kosten des Gewinns“ vom Unternehmen zugekauft. Im Fall des „Verkaufs von Assets“ können die überschüssigen Kapazitäten ebenfalls nur zu geringeren Preisen veräußert werden. In beiden Fällen können sich die deflationären Entwicklungen verstärken. Phase 5 - Abscheu Die letzte Phase des Blasenzyklus ist gekennzeichnet durch die starke Abneigung der Marktteilnehmer gegenüber den Kapitalmärkten. Die Marktteilnehmer ka- <?page no="38"?> 2 Anatomie von Spekulationsblasen 37 pitulieren in dieser letzten Phase und veräußern verbleibende Assets zu den jeweils möglichen Preisen. Kindleberger und Minsky beschreiben diese Phase als „entartete Panik“. In dieser Phase sind die Börsen im Anschluss an Panikverkäufe durch geringe Umsätze gekennzeichnet. Die möglichen Verkäufer haben bereits verkauft und es gibt kaum mehr Marktteilnehmer, die weitere Assets verkaufen könnten und kaum Käufer, die in dieser Phase in den Markt einsteigen wollen. September 2008 kann mit dieser Phase verglichen werden. Im Rahmen der Pleite von Lehman Brothers stürzten die Aktienmärkte weltweit ab und markierten beachtliche Indextiefststände. Die entartete Panik endet in der Regel, wenn eines der drei nachfolgenden Ereignisse auftritt:  Die Kurse fallen so tief, dass die Marktteilnehmer in Versuchung geraten, die Assets wieder zu kaufen.  Der Handel wird unterbrochen, indem Begrenzungen für Kursrückgänge eingeführt werden.  Der letzte „Sicherheitspuffer“ tritt als Käufer von Aktien auf - z.B. US-Notenbank FED. Dass die US-Notenbank FED als Käufer von Assets aus dem privaten Sektor auftritt, ist jedoch unwahrscheinlich. Ihre Statuten geben ihr keine ausdrückliche Ermächtigung Aktien zu kaufen. Sie kann im Weiteren auch keine Unternehmensanleihen, kurzfristige Schuldtitel, Hypotheken oder landwirtschaftliche Flächen kaufen. Dagegen darf sie Gold, Fremdwährungen, Akzepte von Banken und Wechsel aufkaufen. <?page no="39"?> 38 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien In Ausnahmefällen, darf die FED jedoch diese Regelung außer Kraft setzen (wie z.B. geschehen durch die Quantitative Easing (QE) Programme der FED zwischen November 2008 - Oktober 2014). Dafür muss das Bord of Governors zu der Erkenntnis gelangen, dass ein „ungewöhnlicher und dringender Umstand“ vorliegt. Zudem müssen mindestens fünf von sieben Gouverneuren für die Beteiligung der FED am Anleihenmarkt stimmen. Die US-Notenbank nutzt die Anpassung der Leitzinsen, zu der die Banken bei der FED Fremdkapital aufnehmen können, als wichtigste Maßnahme, um bei einem starken ökonomischen Abschwung bzw. Überhitzung die Wirtschaft zu regulieren. So wurden nach dem 11. September bzw. nach dem Platzen der Immobilienkrise im Jahr 2008 die Leitzinsen auf jeweils unter 1 Prozent gesenkt. Zwischen 2009 und Ende 2015 befand sich der Leitzins auf dem niedrigsten Niveau seit Bestehen der Notenbank (zwischen 0,00 Prozent und 0,25 Prozent). Diese Zeitspanne umfasst historisch die längste Periode, in der die Notenbank die Zinsen nicht anhob. <?page no="40"?> 2 Anatomie von Spekulationsblasen 39 Abb. 2: Anatomie einer Spekulationsblase nach Kindleberger/ Minsky <?page no="41"?> 40 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien Als Reaktion auf diese letzte Phase werden oft regulatorische Bemühungen seitens der Politik sichtbar. So wurde z.B. 2002 als Reaktion auf die Bilanzfälschungsskandale um Enron der Sarbanes & Oxley Act verabschiedet. Mit Hilfe dieses Gesetzes wird der Vorstandsvorsitzende als auch der Finanzvorstand zur Beglaubigung der Geschäftszahlen verpflichtet und mit weitreichenden Haftungskonsequenzen belegt. Das Gesetz richtet sich an alle Unternehmen, die den Kapitalmarkt in den USA in Anspruch nehmen. Seit Juli 2016 ist die Market Abuse Regulation (MAR) in Kraft. Mit dieser Regulierung soll die Transparenz von Brokerempfehlungen zu Wertpapieren nachvollziehbarer gestaltet werden. So sind Brokerhäuser verpflichtet, die Historie der Einschätzungen zu einem Wertpapier im Disclaimer nach Abgabe einer schriftlichen oder telefonischen Empfehlung an die Kunden zu versenden. Hierdurch sollen Interessenkonflikte vermieden bzw. transparent gemacht werden (vgl. Reed, 2016). Eine Blasenbildung durchläuft meistens fünf Phasen: Verlagerung, Kreditbeschaffung, finanzielle Not, kritische Phase und schließlich Abscheu. Das Fünf-Phasen-Modell wurde von den US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlern Charles Kindleberger und Hyman Minsky entwickelt. <?page no="42"?> 3 Detailbetrachtung von Spekulationsblasen 41 3 Detailbetrachtung Spekulationsblasen und Kapitalmarktanomalien Spekulationsblasen weisen erhebliche Auswirkungen auf die betroffenen Volkswirtschaften auf (vgl. Kap 3.1). Sie zeigen sowohl positive wie auch negative Effekte auf eine Volkswirtschaft. Auf der einen Seite sind Spekulationsblasen oft Auslöser technologischer Umwälzungen, schaffen eine neue Infrastruktur und bilden die Basis für künftige Wachstumsprozesse. Auf der anderen Seite, können Spekulationsblasen die Informationsfunktion auf den Märkten einschränken sowie zu Kaufkraft- und Vertrauensverlust führen. Grundsätzlich werden in der Literatur vier unterschiedliche Arten von Spekulationsblasen unterschieden (vgl. Abb. 3). Diese unterscheiden sich jeweils nach den psychologischen Ursachen, die zu einer Blasenbildung führen (vgl. Montier, 2009, S. 782 ff.). Empirische Untersuchungen belegen zudem die Existenz von Kapitalmarktanomalien als Ursache für lang andauernde Fehlbewertungen von Aktien, die auch Spekulationsblasen auslösen können. Diese Marktanomalien beziehen sich auf Wertpapierkurse, die systematisch von ihren fundamentalen Werten abweichen. Manche Kapitalmarktanomalien verschwinden nach ihrer Entdeckung und Ausnutzung durch die Marktteilnehmer, andere wiederum werden mit der Zeit sogar verstärkt und sind fortwährend zu beobachten. <?page no="43"?> 42 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien 33..11 BBeeddeeuuttuunngg vvoonn SSppeekkuullaattiioonnssbbllaasseenn ffüürr VVoollkksswwiirrttsscchhaafftteenn Entgegen der herrschenden Meinung, dass Spekulationsblasen überwiegend negative Effekte auf die Volkwirtschaften haben (EZB, 2005 S. 53; Shiller, 2005b, S. 208; Hartcher, 2006, S. 147 und Mandelbrot/ Hudson, 2004, S. 280) gibt es auch Anzeichen, dass Spekulationsblasen positive Effekte auf die Volkswirtschaften haben können. Wie in Kapitel 2 ersichtlich wurde, können gerade zu Beginn von Spekulationsblasen positive Effekte für Volkswirtschaften eintreten (vgl. Phase 1 und 2). Infolge immer weiter steigender Vermögenspreise wird das Vertrauen in den Markt gestärkt. Dadurch können junge Unternehmen leichter an die Börsen gebracht werden bzw. Fremdkapital beschaffen, und sie bekommen einfacher Venture Capital, was oft die Entstehung neuer Technologien und Branchen erleichtert. Im Weiteren führen Unternehmensneugründungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Nachfolgend sei auf die wichtigsten positiven wie negativen Effekte verwiesen (vgl. Eustermann, 2010, S. 28 ff.). Positive Effekte von Spekulationsblasen  Einkommens- und Vermögenseffekt Görgens (2008) vertritt die Position, dass die langfristig steigenden Vermögenspreise zu steigenden Konsummöglichkeiten mit einer entsprechend positiven Auswirkung auf der Nachfrageseite im realen Sektor führen können. Dieser Effekt tritt sowohl bei <?page no="44"?> 3 Detailbetrachtung von Spekulationsblasen 43 Aktien als auch bei Immobilien ein. Ein steigender Immobilienwert ermöglicht zusätzlichen Konsum durch zusätzliche Beleihungsmöglichkeiten.  Bilanzeffekt Steigende Vermögenspreise können über den Bilanzeffekt die Investitionstätigkeit beeinflussen. Grund hierfür sind die besseren Kreditkonditionen, welche die Marktteilnehmer (Haushalte und Unternehmen) aufgrund der steigenden Vermögenswerte von den kreditgebenden Banken erhalten (Bernanke und Gertler, 1999, S. 17 f). Die verbesserten Bilanzkennzahlen haben somit eine positive Auswirkung auf die Bonitätsbewertung durch die Kreditinstitute.  Übertragungseffekt zwischen Aktienmärkten und Investitionsentscheidungen Tobins q stellte im Rahmen der Portfoliotheorie einen Zusammenhang zwischen den Investitionstätigkeiten und dem Austauschverhältnis von Kapitalgütern zu anderen Gütern her. Die Formel q = MWU/ WBK stellt das Verhältnis des Marktwertes eines Unternehmens (MWU) zu dessen Wiederbeschaffungskosten (WBK) her. Nach Glichrist, Himmelberg, Huberman (2005) sind neue Investitionen rentabel, solange q > 1 ist, d.h. wenn hohe Aktienkurse den Unternehmenswert steigern, haben die Unternehmen die Möglichkeit, durch die Emission von Aktien relativ günstiges Kapital für Investitionen aufzunehmen. Im Fall von sinkenden Aktienkursen gehen dagegen Neuinvestitionen zurück. <?page no="45"?> 44 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien Negative Effekte von Spekulationsblasen  Verlust der Informationsfunktion von Preisen Eine Spekulationsblase führt dazu, dass die Preise der Vermögenswerte sich von ihren Fundamentalwerten abkoppeln. Folglich verlieren die Preise ihre Informationsfunktion, die auf effizienten Märkten als Signal dient, um eine bestmögliche Allokation von Ressourcen zu gewährleisten. Dadurch kann es zu Fehleinschätzungen und Fehlsteuerungen auch seitens der Notenbanken kommen, was sich wiederum negativ auf die Stabilität des Finanzsystems auswirken kann.  Verlust der Kaufkraft Wie in Phase 5 (Abscheu) aus Kapitel 2 ersichtlich wu rd e, k an n es zu e xt re me n Korr e kt ur en d er Pre ise kommen. Diese führen zu einem Verlust der Kaufkraft, der in der Folge zu starken Produktionsrückgängen führen kann. Mit dem Übergreifen auf die Realwirtschaft steigen Arbeitslosigkeit sowie Insolvenzen, und Kreditausfälle nehmen zu. Somit führt der Verlust der Kaufkraft zu einer Verkürzung der Aktivseite der Geschäftsbanken, wodurch die Kreditvergabe weiter erschwert wird.  Vertrauensverlust der Marktteilnehmer Letztlich verursacht die Spirale sich verstärkender Negativimpulse einen nachhaltigen Vertrauensverlust der Marktteilnehmer. Investitions- und Konsumtätigkeiten nehmen merklich ab. <?page no="46"?> 3 Detailbetrachtung von Spekulationsblasen 45 Insgesamt kann eine gesamtwirtschaftliche Bewertung von Spekulationsblase nur durch die Aufrechnung der positiven mit den negativen Effekten erfolgen, was in der Praxis ausgesprochen schwierig sein dürfte. Als beispielhaft für Spekulationsblasen mit einem positiven Nettoeffekt gilt die Dotcom-Bubble. Diese Blase hat zwar im Nachhinein viel Kapital vernichtet, es wurden jedoch auch viele nachhaltige Arbeitsplätze in einer neuen Industrie geschaffen. So haben Unternehmen wie Google und Amazon sich zu weltweit dominierenden Technologiefirmen entwickelt und die Kursverluste im Zuge des Platzens der Blase mehr als aufgeholt. Der Börsenwert von Apple hat sich seit 2000 sogar mehr als verzwanzigfacht, womit sich die hohen Anlegererwartungen im Blasenjahr 2000 mehr als erfüllt haben. Blasen, die sich jedoch nur auf bestimmte, spezifische Spekulationsobjekte, wie Tulpen oder ganz spezielle Immobilien beziehen, weisen meistens einen negativen Nettoeffekt auf. 33..22 AArrtteenn vvoonn SSppeekkuullaattiioonnssbbllaasseenn Spekulative Blasen lassen sich in der Regel nach bestimmten Kriterien klassifizieren. Diese Kriterien basieren auf verhaltens- und marktbedingten Einflüssen (vgl. Abb. 3 sowie Montier, 2009, S. 783 ff.). Rationale oder fast rationale Spekulationsblasen Diese Art von Blasen kennzeichnet sich dadurch, dass bei rationalen Erwartungen der Preis einer Anlage eine <?page no="47"?> 46 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien Abb. 3: Arten von Spekulationsblasen <?page no="48"?> 3 Detailbetrachtung von Spekulationsblasen 47 Funktion des erwarteten Verkaufswerts basierend auf dem Zeitpunkt der Veräußerung ist. Diese Blasen werden auch als „rationale stochastische Blasen“ bezeichnet. Es gibt zu jedem Zeitpunkt eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, wonach die Blase platzen kann. Die Marktteilnehmer wissen das, kennen jedoch den Zeitpunkt des Platzens nicht. Sofern die Marktteilnehmer in die Anlage, trotz eines möglichen Platzens, einsteigen, dann erwarten sie, dass sie die Anlage zu einem höheren Preis weiterveräußern können. Diese Verhaltensweise entspricht der Theorie des größeren Narren - nämlich dem weiteren Marktteilnehmer, der bereit ist, im Anschluss an den eigenen Kauf einen noch höheren Preis beim Weiterverkauf zu zahlen. Verhaltens- und marktbedingte Grundlage der Blase: Fehlen von anderweitigen Anlageoptionen mit einer entsprechenden Rendite. Intrinsische Spekulationsblasen Im Gegensatz zu rationalen Blasen, die nicht unbedingt einen Bezug zu Fundamentaldaten haben, hängen intrinsische von diesen ab. Die Spekulationsblase bläht sich auf, wenn die Fundamentaldaten einer Anlage sich verbessern. Die Fundamentaldaten sind im Allgemeinen ökonomischer Natur wie z.B. die Nachfrage nach einer Anlage (Absatzmenge) oder die Höhe der Produktionskosten. Diese Art von Blasen zeichnen sich zum einen durch eine übertriebene Reaktion auf Nachrichten über die Fundamentaldaten aus, zum anderen durch die Projektion vergangener Höchststände in die Zukunft. Die Marktteilnehmer bedienen sich hierbei <?page no="49"?> 48 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien der Repräsentativitätsheuristik, welche im Rahmen der Informationsverarbeitung angewendet wird. Dabei werden Sachverhalte nicht nach ihrer statistischen Wahrscheinlichkeit beurteilt, sondern nach ihrer Erscheinungsweise. Bei dieser Heuristik gelangt der Marktteilnehmer zu einer verzerrten Wahrscheinlichkeitseinschätzung über die Entwicklung einer Anlage, da persönliche Erfahrungen bzw. Beobachtungen den Eintritt einer Entwicklung weit häufiger erscheinen lassen, als dies bei korrekter Analyse der tatsächlichen Wahrscheinlichkeit zutreffen würde. Als Beispiel für solch eine intrinsische Spekulationsblase sei auf die Entwicklung des Kurses für die elektronische Währung Bitcoin in 2013 verwiesen. Bis November 2013 stieg der Preis im Zuge der Spekulation gegen Peripherieländer der Eurozone und mit zunehmender medialer Aufmerksamkeit auf fast 1.000 USD an. Im Anschluss verloren Bitcoins jedoch über 75 Prozent ihres Wertes. Verhaltens- und marktbedingte Grundlage der Blase: Repräsentativität/ übermäßiger Optimismus. Launen und Moden Spekulationsblasen, die auf Basis von Launen und Moden der Gesellschaft entstehen, werden durch sozialpsychologische Faktoren verursacht. Im Fokus steht bei der Betrachtung dieser Blasenbildung die Psychologie der Marktteilnehmer im euphorischen Stadium. Die Marktteilnehmer sind stark vom Gruppenverhalten gekennzeichnet. Sie schließen sich <?page no="50"?> 3 Detailbetrachtung von Spekulationsblasen 49 der Mehrheitsmeinung an und unterdrücken dabei ihre eigenen Ansichten. Es herrscht ein allgemeiner Glaube an ein „neues Zeitalter“, welches durch den Glauben an einen unaufhörlichen Anstieg, z.B. der Aktienkurse gestützt wird. In diesem Umfeld kommt es zu einer weiteren Heuristik - der Overconfidence, bei der die Marktteilnehmer übertrieben optimistisch sind und zu einer gesteigerten Selbsteinschätzung ihrer Fähigkeiten kommen. Renditen werden in der Folge überschätzt, Risiken werden dagegen unterschätzt. In Kombination mit Overconfidence werden auch die Einflüsse der Repräsentativitätsheuristik sichtbar. Beispielhaft ist hier die Entwicklung der Dotcom-Spekulationsblase zu erwähnen. Zum Zeitpunkt der Euphorie wurde empfohlen, Technologieaktien weniger riskanten Anlageformen klar vorzuziehen und diese als Langfristanlage oder sogar für die Altersvorsorge zu erwerben. Die Entwicklung der Weltbörsen zeigte im Nachhinein eine ganz andere Sichtweise von Langfristinvestments in Technologieaktien. Die überwiegende Mehrheit dieser Aktien erreichten seit dem Platzen der Dotcom-Blase im Frühling 2000 nicht mehr ihre damaligen Höchstkurse. So wird die Aktie der Deutschen Telekom im Sommer 2016 82 Prozent tiefer gehandelt als im März 2000. Die Aktie von Infineon hat sich zwar seit dem Tiefpunkt im Frühjahr 2009 (0,42 Euro) mehr als verdreißigfacht, handelt aber immer noch 80 Prozent tiefer als zu ehemals erreichten Höchstkursen von 88 Euro. <?page no="51"?> 50 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien Verhaltens- und marktbedingte Grundlage der Blase: Gruppenverhalten / Wunschdenken / übermäßiger Optimismus / Repräsentativität. Informationsbedingte Spekulationsblasen Diese Art von Spekulationsblase ist gegeben, wenn die Aktienkurse nicht alle Informationen enthalten und folglich der fundamentale Wert vom Preis abweicht. Als Beispiel kann hier die UMTS-Auktion von Übertragungsfrequenzbereichen im August 2000 an Mobilfunkunternehmen aufgeführt werden. Während der Auktion stiegen die Notierungen von Mobilfunkanbietern in der Hoffnung, mit einer ersteigerten UMTS-Lizenz zusätzliche Profite erwirtschaften zu können. Der genaue Ausgang der Versteigerung sowie die tatsächlichen Profitaussichten waren in den Notierungen zum Zeitpunkt der Auktion jedoch noch nicht enthalten. Verhaltens- und marktbedingte Grundlage der Blase: Mangel an Informationen. Es werden grundsätzlich vier Blasenarten unterschieden. Sie können durch rationale Erwartungen entstehen und heißen entsprechend rationale Blasen; als intrinsische Spekulationsblasen, die sich stark auf Fundamentaldaten verlassen; durch die Launen und Moden der Markteilnehmer; oder sie bilden sich durch Mangel an wichtigen Informationen. <?page no="52"?> 3 Detailbetrachtung von Spekulationsblasen 51 33..33 AArrtteenn vvoonn KKaappiittaallmmaarrkkttaanno ommaalliieenn Im Finanzmarktkontext bezeichnen Marktanomalien von den Erklärungsansätzen und Kapitalmarktmodellen der neoklassischen Kapitalmarkttheorie abweichende Marktentwicklungen (vgl. Barberis & Thaler, 2005, S. 31). Die mangelhafte Auswertung von Informationen hat nicht nur auf einzelne Personen Auswirkung, sondern auch auf die generelle Informationsverarbeitung auf den Wertpapiermärkten. Infolge der fehlerhaften, unvollständigen und verzögerten Bewertung von Informationen werden Kapitalmarktanomalien sichtbar, die meistens durch das Verhalten begrenzt rationaler Marktteilnehmer hervorgerufen werden. Die Bildung spekulativer Blasen ist ein Beispiel solcher Kapitalmarktanomalien. Die Abweichungen vom rationalen Verhalten des Homo Oeconomicus bilden damit die Grundlage für die Erklärung des Investorenverhaltens durch die Behavioral Finance (vgl. Pompian, 2006, S. 9). Begünstigt durch u.a. bessere Datenverfügbarkeit und steigende Rechenleistung von Computern gewinnt die empirische Kapitalmarktforschung im Rahmen der Finanzmarktforschung an Dynamik. Das Resultat sind immer mehr Forschungsarbeiten, die Marktverzerrungen identifizieren. Unter der Vielzahl der nachgewiesenen Anomalien befasst sich die Fachliteratur besonders mit den in Abb. 4 dargestellten Phänomenen (vgl. de Bondt / Thaler, 1989, S. 191 ff.; Daniel/ Hirshleifer/ Subrahmanyam, 1998, S. 1867 ff.; Dimson/ Mussavian, 2000, S. 5 ff.; Barberis/ Thaler, 2005, S. 24 ff.; Hirshleifer, 2001, S. 1555 ff.). <?page no="53"?> 52 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien Abb. 4: Überblick Kapitalmarktanomalien <?page no="54"?> 3 Detailbetrachtung von Spekulationsblasen 53 Manche Kapitalmarktanomalien verschwinden nach ihrer Entdeckung und Ausnutzung durch die Marktteilnehmer. Dies kann als zumindest langfristiges Wirken des Arbitrage-Mechanismus aus Kapitel 1 interpretiert werden. Sie werden nachfolgend als kurzfristig andauernde Kapitalmarktanomalien beleuchtet. Andere wiederum werden mit der Zeit sogar verstärkt und sind fortwährend zu beobachten. Diese werden als mittelbis langfristig andauernde Kapitalmarktanomalien vorgestellt. Kurzfristig andauernde Kapitalmarktanomalien Nachfolgend werden die Anomalien aufgeführt, die lange Zeit für Diskussionen um die Effizienzmarkthypothese, bei der die Wertpapierkurse alle vorhandenen Informationen komplett widerspiegeln, geführt haben. In der aktuellen wissenschaftlichen Literatur spielen diese Anomalien jedoch eine eher untergeordnete Rolle, da sich ihre Effekte zunehmend abgeschwächt haben bzw. die Anomalie nach kürzester Zeit abgebaut ist. Kennzahlenanomalien Entsprechend der neoklassischen Kapitalmarkttheorie sind Renditedifferenzen zwischen Wertpapieren nach dem CAPM (Capital Asset Pricing Model) ausschließlich auf Risikounterschiede zurückzuführen. Die abweichenden Beta-Faktoren charakterisieren entsprechend die Risikounterschiede. Die Praxis zeigt jedoch, dass <?page no="55"?> 54 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien Renditedifferenzen zwischen Wertpapieren nicht vollständig auf Beta-Differenzen, sondern auch auf unterschiedliche Ausprägungen firmenspezifischer Kennzahlen zurückzuführen sind. Die Ausprägung dieser Kennzahlen im Vergleich zu anderen Unternehmen sagt in diesem Zusammenhang die relative zukünftige Renditeentwicklung eines Wertpapiers voraus. Zu den wichtigsten Anomalien im Bereich der Kennzahlenanomalien zählt der Value-Effekt (Buchwert/ Marktwert eines Unternehmens). Unter dem Value-Effekt werden die Erkenntnisse zusammengetragen, die besagen, dass Unternehmen mit einem niedrigen Kurs-/ Buchwert bzw. Kurs-/ Gewinnverhältnis oft Überrenditen erwirtschaften. Ebenso können Überrenditen mit Aktien von Unternehmen erwirtschaftet werden, die eine hohe Dividendenrendite besitzen. Dieser Effekt geht auf die Value-Strategie des amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Benjamin Graham (1894-1976) zurück. Value-Investoren richten sich bei der Bewertung einer Aktie nach deren innerem Wert in Form des bereits erwähnten Kurs-/ Gewinnverhältnisses. Weitere Kennzahlen sind das KBV - Kurs- / Buchwert oder der KUV - Kurs-/ Umsatzwert. Unternehmen die ein niedriges KGV und/ oder eine hohe Dividendenrendite haben, werden als Value-Aktien bezeichnet. Unternehmen, die dagegen keine Dividenden zahlen und darüber hinaus auch ein hohes KGV haben, werden als Growth-Aktien bezeichnet. <?page no="56"?> 3 Detailbetrachtung von Spekulationsblasen 55 Die meisten Ergebnisse im Rahmen dieser Analyse sind umstritten, da eine genaue Zuordnung der Aktien oft nicht möglich ist. Kursreaktionsanomalien nach Bekanntgabe von Informationen Gemäß Markteffizienzhypothese werden neue Informationen unmittelbar nach Bekanntgabe verarbeitet und die Erwartungen über die Eintrittswahrscheinlichkeiten zukünftiger Zahlungsströme einer Aktie entsprechend angepasst. Hieraus folgt in einem vollkommenen Kapitalmarkt die unverzügliche Preisaktualisierung in Richtung des fundamental gerechtfertigten Niveaus. In der Praxis ist jedoch eine verzögerte Preisanpassung nach Bekanntgabe einer kursrelevanten Information zu beobachten, welche nicht mit der mittelstrengen Form der Markteffizienzhypothese vereinbar ist. So ergibt sich aufgrund des Konservatismus (Conservatism Bias) eine zurückhaltende Einstellung gegenüber Ergebnismeldungen der Unternehmen. Es entstehen weitere Zugewinne bei positiven Meldungen und weitere Verluste bei negativen Informationen mit schrittweiser Anpassung der zuvor konservativen Einschätzungen. Dieser von Jürgen Bernhard im Jahr 1993 festgestellte Gewinnankündigungsdrift verdeutlicht die Möglichkeit, eine Überrendite durch Kenntnis aller öffentlichen Informationen zu erwirtschaften (vgl. Shefrin, 2000, S. 96). Der Grund für die Anpassungsverzögerung wird darin gesehen, dass Marktteilnehmer die zukünf- <?page no="57"?> 56 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien tigen Unternehmensgewinne überwiegend aus historischen Werten ableiten und Informationen zur aktuellen Gewinnsituation eines Unternehmens nur schrittweise in die Abschätzung zukünftiger Gewinne einbeziehen. Hier wird die Abweichung von den Annahmen der Informationsverarbeitung nach Thomas Bayes deutlich. Die Marktteilnehmer handeln nicht entsprechend der Bayes’schen Prämissen und ermöglichen aus diesem Grund die Entstehung von Marktanomalien. Kalenderanomalien Aktien erzielen innerhalb bestimmter, regelmäßiger Zeitabschnitte positive Überrenditen. Prominentestes Beispiel hierfür ist der Januar-Effekt. Dieser Effekt steht im Zusammenhang mit dem Kleinfirmen-Effekt. Diese Anomalie, 1981 von Rolf Banz und Marc Reinganum erstmalig dokumentiert, besagt, dass Unternehmen mit einer relativ niedrigen Marktkapitalisierung im Durchschnitt höhere Renditen erzielen als Unternehmen mit einer höheren Kapitalisierung. Aufbauend auf diese Studienergebnisse hat Reinganum 1983 die Bedeutung des Monats Januar für mögliche Überrenditen bei kleinen Unternehmen dokumentiert. Ein großer Teil der Überrendite, die diese Unternehmen erzielen, entsteht demnach in den ersten zwei Wochen im Januar. <?page no="58"?> 3 Detailbetrachtung von Spekulationsblasen 57 Abb. 5: Januar-Effekt SDAX „Seasonality Analysis-Report”; FactSet Ein möglicher Grund für diese Entwicklung kann darin gesehen werden, dass Anleger Aktien von kleineren Firmen zum Jahresende veräußern und mögliche Verluste steuerlich geltend machen. Im Januar werden <?page no="59"?> 58 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien diese Firmen dann wieder erworben, wodurch deren Kurse steigen (vgl. Schredelseker, 2002, S. 451 f.). Vergleicht man die durchschnittliche Kursentwicklung der Jahre 2006 bis 2016 für Unternehmen im SDAX (Index für kleinere Aktiengesellschaften) mit denen im DAX, so scheint der Januareffekt für Kleinunternehmen weiterhin gegeben zu sein. Der Vergleich in Abbildung 5 zwischen DAX und SDAX zeigt eine durchschnittliche Preisveränderung im Januar der letzten 11 Jahre von 1,4 Prozent im SDAX, während der DAX in der Vergleichsperiode sich im Januar mit -1 Prozent wesentlich schlechter entwickelt hat. Mittel-/ bis langfristig andauernde Kapitalmarktanomalien Neben Kapitalmarktanomalien, die in der Zwischenzeit an Bedeutung verloren haben, gibt es auch Anomalien, die seit vielen Jahren nachweisbar sind. Die bedeutendsten dieser Anomalien werden nachfolgend vorgestellt (vgl. Kottke, 2005, S. 18 f.). Autokorrelationsanomalien in der Renditeentwicklung Eine weitere Gruppe von Forschungsarbeiten beschäftigt sich mit Überprüfung der Vorhersagbarkeit zukünftiger Aktienkursentwicklungen auf Basis historischer Kursdaten. Der Fokus liegt hierbei neben der Rendite einzelner Wertpapiere, auch auf der Gesamtmarktebene. Die Autokorrelation (zeitlich sequentielle <?page no="60"?> 3 Detailbetrachtung von Spekulationsblasen 59 Abhängigkeit) von Aktienrenditen steht im Widerspruch zur Random Walk Theory und bricht folglich auch mit der Effizienzmarkthypothese von Fama. Im Bereich der Autokorrelation stehen der Momentum- und der Mean-Reversion-Effekt im Blickpunkt der Betrachtung. Die empirische Beobachtung, dass Aktienkurse die Tendenz aufweisen, zu ihren längerfristigen „Mittelwerten“ zurückzukehren, wird als Mean Reversion bezeichnet. Dabei entspricht dieser Mittelwert häufig dem fundamentalen Wert eines Wertpapiers. Die Abweichung von fundamental gerechtfertigten Bewertungen ist durch die von Marktteilnehmer innerhalb der Entscheidungsfindung angewendeten Heuristiken erklärbar. So haben Werner de Bondt und Richard Thaler (1985) Hinweise darauf gefunden, dass die zukünftige, langfristige Entwicklung von Wertpapieren aus der Betrachtung der vergangenen Entwicklung vorhersagbar ist. Sie haben die Aktien der NYSE (New York Stock Exchange) in Gewinner- und Verliererportfolios zusammengestellt und die Entwicklung der Wertpapiere zwischen 1926 und 1982 analysiert. Die Wissenschaftler wiesen nach, dass die Verliererportfolios gegenüber Gewinnerportfolios im Zeitabschnitt von 36 Monaten eine um 25 Prozent höhere Rendite erzielten (vgl. Shleifer (2000), S. 17). Die Abbildung 6 zeigt die überdurchschnittliche Entwicklung von ehemals Verliereraktien, und die unterdurchschnittliche Entwicklung von ehemals Gewin- <?page no="61"?> 60 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien neraktien über mehrere Jahre hinweg. Diese als Winner-Loser-Effekt bekannte Anomalie ist beispielhaft für die Erforschung des Anlegerverhaltens durch die Behavioral Finance. Abb. 6: Entwicklung von extremen Gewinnern und Verlieren (Vgl. Shleifer (2000), S. 17) Diese Marktanomalie kann durch die Verfügbarkeitsheuristik erklärt werden. Zunächst sind die Marktteilnehmer gegenüber Verliereraktien zu pessimistisch und gegenüber Gewinneraktien zu optimistisch eingestellt. Sie überreagieren auf Informationen, wodurch sich die Wertpapiere von ihren fundamentalen Werten entfernen. Daraus folgt eine Übertreibung der Notierungen in beide Richtungen, da die Marktteilnehmer aufgrund der wahrgenommenen Entwicklung einer Aktie sich für den Erwerb oder den Verkauf entscheiden. <?page no="62"?> 3 Detailbetrachtung von Spekulationsblasen 61 Im Laufe der Zeit erfolgt dagegen eine Umkehrreaktion, und die Übertreibungen werden langsam wieder abgebaut (vgl. Shefrin, 2007, S. 270 ff.). Die Rückkehr zur fundamental gerechtfertigten Bewertung erfolgt aufgrund der bereits erwähnten Mean Reversion (vgl. Garz, Günther & Moriabadi, 2002, S. 113). Die schwache Form der Effizienzmarkthypothese, in der Überrenditen durch Kenntnis vergangener Kurse nicht möglich wären, kann dementsprechend nicht bestätigt werden. Mit Verliereraktien aus der Vergangenheit lässt sich demzufolge eine bessere Performance erzielen als mit historischen Gewinneraktien. Wie erfolgreich würde sich nun eine Mean-Reversion Investmentstrategie unter aktuellen Bedingungen erweisen? Robert Zielinski, Portfolio Analytics und Quant Spezialist im Frankfurter Büro von FactSet, ging dieser Frage nach und wandte einen ähnlichen Ansatz wie de Bondt und Thaler zur Validierung der Erkenntnisse von 1985 an. Zielinski ist der Annahme von de Bondt und Thaler nachgegangen und hat dabei die Aktien des S&P 500 in Gewinnersowie Verliererportfolios unterteilt und die Entwicklung zwischen 1990-2016 analysiert. Zum Stichtag 31.12.1990 wurde festgehalten, wie sich die Dreijahresrendite (12.1987-12.1990) der Aktien in USD entwickelt hat. Das Gewinnerportfolio enthält die 50 Aktien mit der höchsten Dreijahresrendite. Das Verliererportfolio dagegen enthält die Aktien, die in den vergangenen drei Jahren am schlechtesten abgeschnitten hatten. <?page no="63"?> 62 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien Die Aktien in den beiden Portfolien wurden nun für drei Jahre gehalten und es wurde die Rendite ermittelt. Zum nächsten Stichtag 31.12.1993, also genau nach drei Jahren wurde dieser Schritt wiederholt und es wurden die Aktien der Gewinnersowie Verliererportfolios anhand der vergangenen Dreijahresrendite ausgetauscht. Diese Aktien wurden wiederum für drei Jahre gehalten. Dieser Schritt wurde alle drei Jahre wiederholt wodurch die kumulierte Rendite über den gesamten Zeitraum ermittelt wurde. Zu beachten ist, dass die 50 Aktien des Gewinnersowie Verliererportfolios gleichgewichtet waren. D.h. alle Aktien eines Portfolios gingen mit einem Gewicht von genau 2 Prozent ein. Die Abbildung 7 zeigt die Entwicklung der Mean Reversion Strategie über den kompletten Zeitraum. Wäre im Jahr 1990 der Betrag von 1.000 USD in die schlechtesten Aktien investiert worden, so wäre im Juli 2016 ein Gesamtbetrag von 400.000 USD erwirtschaftet worden (Transaktionskosten nicht berücksichtigt), mit den Gewinneraktien hingegen lediglich knapp 80.000 USD. Voraussetzung ist die Restrukturierung und das Reinvestment der entstandenen Gewinne in das neu zu kreierende Portfolio alle drei Jahre nach dem oben beschriebenen Prinzip. <?page no="64"?> Abb. 7: Entwicklung Verlierer-/ Gewinnerportfolio nach Zielinski (2016); FactSet Alpha Testing Eine ähnliche, an vielen Börsen über einen langen Zeitraum dokumentierte Kapitalmarktanomalie ist der so genannte Momentum-Effekt. Dieser wurde das erste Mal im Jahre 1993 von Jagadeesh und Titman dokumentiert. Im Gegensatz zum Winner-Loser-Effekt von de Bondt/ Thaler, bei dem die langfristige Entwicklung ehemaliger Gewinner und Verlierer betrachtet wird, baut der Moment-Effekt auf der kurzfristigen Entwicklung von Wertpapieren auf. Demnach entwickeln sich Aktien mit guter Performance in der kurzbis mittelfristigen Vergangenheit auch in der näheren Zukunft von drei bis zwölf Monaten positiv. Dementsprechend entwickeln sich Aktien, die in der kurzbis mittelfristigen Vergangenheit negativ entwickelt haben, auch in der nahen Zukunft negativ. Der Momentum-Effekt ist damit als klarer Widerspruch zur Effizienzmarkthypothese zu werten. Es wäre zu erwarten, dass bei Bekanntwerden der Ano- 3 Detailbetrachtung von Spekulationsblasen 63 <?page no="65"?> 64 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien malie Arbitrageure die Fehlbewertung ausnutzen würden, was jedoch nicht der Fall ist (vgl. Lewis, 2008, S. 81 ff.). Kursentwicklungsanomalien An den Wertpapiermärkten sind häufig Kursvolatilitäten zu beobachten, die mit der Random Walk Theory von Bachelier nicht vereinbar sind. Diese Kursentwicklungen stehen in keinem Verhältnis zu den Schwankungen der zugrundeliegenden Fundamentaldaten. So sind die Kursentwicklungen der Weltbörsen im Januar 2016 als mit die schlechtesten in die Historie eingegangen und mit der Entwicklung der fundamentalen Daten nicht zu erklären. Folglich können diese als Übervolatilität zu beobachtenden Kursveränderungen im Sinne der Effizienzmarkthypothese sowie der daraus abgeleitete Bewertungsansatz nur schwer erklärt werden. Vielmehr zeigen sich durch solche Kursentwicklungen die Auswirkungen des Herdenverhaltens der Marktteilnehmer. ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Spekulationsblasen entstehen bei der Verkettung vielfältiger Sachverhalte, die zu einer Übertreibung der Wertpapierkurse, Anlagepreise oder aber auch der Wirtschaftsaktivität eines Landes führen. <?page no="66"?> 3 Detailbetrachtung von Spekulationsblasen 65 Hierbei spielt die soziale Ansteckung durch das Boom-Denken eine besondere Rolle. Sie entwickelt sich aus der allgemeinen Beobachtung und der medialen Berichterstattung von schnell steigenden Wertpapierkursen. Die Annahme, der Boom setze sich fort, wird weiter verstärkt. Es kommt in der Folge zu weiteren Preisanstiegen. Diese Entwicklung wird auch als Preis-Story- Preis-Schleife bezeichnet. Preise können durch die Gesamtheit der Marktteilnehmer, die zufällig aus dem Markt aus- oder einsteigen, beeinflusst werden. Dadurch kann ein Börsentrend wie eine Hausse oder eine Baisse verstärkt werden. Die Arbitrage stellt in der neoklassischen Kapitalmarkttheorie ein wirksames Mittel gegen die Entfernung von fundamentalen Bewertungen dar. Die Annahme, dass durch die Arbitrage Fehlbewertungen korrigiert werden können, wird in der Literatur stark angezweifelt, da diese spezifischen Risiken und Kosten aufweist. Jede Blase tendiert dazu, fünf Phasen zu durchlaufen: Verlagerung, Kreditbeschaffung, Euphorie, kritische Phase und schließlich Abscheu. Das Fünf-Phasen-Modell wurde von den US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlern Charles Kindleberger und Hyman Minsky entwickelt. Spekulationsblasen können positive und negative Effekte auf die Volkswirtschaften haben. Überwiegen die positiven Effekte, wie die nachhaltige <?page no="67"?> 66 Teil 1: Spekulationsblasen als Zeichen für Marktanomalien Schaffung von Arbeitsplätzen, die negativen Effekte, z.B. der Kaufkraftminderung, so handelt es sich um einen positiven Nettoeffekt der Spekulationsblase. Umgekehrt spricht man von einem negativen Nettoeffekt. Spekulationsblasen können zudem nach vier Arten unterschieden werden. Die einzelnen Formen unterscheiden sich dabei jeweils nach den psychologischen Ursachen, die zu einer Blasenbildung führen. Man unterscheidet zwischen rationalen/ fast rationalen Spekulationsblasen, intrinsischen Spekulationsblasen, Launen und Moden sowie informationsbedingten Spekulationsblasen. Empirische Untersuchungen belegen die Existenz von Marktanomalien als Ursache für lang andauernde Fehlbewertungen von Aktien. Kapitalmarktanomalien können in zwei Gruppen eingeteilt werden - in die historischen und die persistenten. Historische Anomalien haben weitestgehend ihre Bedeutung verloren. Persistente Anomalien sind dagegen weiterhin nachweisbar - dazu gehören die Autokorrelationsanomalien sowie die Kursentwicklungsanomalien. <?page no="68"?> TTeeiill 22 SSppeekkuullaattiioonnssbbllaasseenn iinn ddeerr VVeerrggaannggeennhheeiitt uunndd ddeerr GGeeggeenn-wwaarrtt <?page no="69"?> Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart 68 Der zweite Teil dieses Buches steht im Zeichen historischer Finanzmarktblasen. Nach Durcharbeiten des nachfolgenden Kapitels werden Sie die wichtigsten Spekulationsblasen in der Geschichte der Finanzmärkte kennen und Sie verstehen typische Eigenschaften der Kapitalmärkte, die zu Turbulenzen führen können. Sie werden zudem in der Lage sein, die Entwicklung historischer Spekulationsblasen auf Basis des Fünf-Phasen-Modells zu erklären und dieses auf aktuelle Spekulationsblasen anzuwenden. Spekulationsblasen als Folge systematischer Fehleinschätzungen haben sich nicht erst in der jüngeren Vergangenheit entwickelt. Ihre Existenz reicht zumindest in das 17. Jahrhundert zurück, als in Holland die Tulpenmanie ausbrach und erhebliches Vermögen auf die erhoffte Wertsteigerung der Tulpen gesetzt wurde. Die Börsencrashs von 2000 und 2008, als Beispiele der jüngeren Vergangenheit, zeigen wie Spekulationsblasen aus der Perspektive des Marktteilnehmerverhaltens (Entscheidungsfindung zwischen Angst und Gier) entstehen. Die Spekulationsobjekte lassen sich dabei variabel austauschen - ob Getreide, Infrastrukturprojekte wie die britische Eisenbahnmanie, technologische Innovationen während der Dotcom-Blase oder neue Finanzvehikel bei der Subprime-Blase - das Interesse der Anleger wurde geweckt, und wird auch in Zukunft durch ausgewählte Anlageklassen geweckt werden (vgl. Kalhammer, 2015). <?page no="70"?> Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart 69 Obwohl spekulative Übertreibungen wie ein roter Faden die Geschichte der Finanzmärkte durchziehen, wird deutlich, dass die Investoren aus Fehlern nicht lernen und darüber hinaus sich auch nicht an ihre Fehler erinnern können (vgl. Garz, Günther & Moriabadi, 2002, S. 102). Zu erwähnen sind hier auch die bereits im letzten Kapitel kurz erwähnten rationalen Blasen, bei denen ein Marktteilnehmer solange teilnimmt, bis es sich abzeichnet, dass die breite Masse der Anleger ebenfalls in die Assetklasse eingestiegen ist. Der „Schwarze Freitag“ an der New Yorker Börse im Jahre 1929 wird meistens als der erste weltweit relevante Zusammenbruch einer Spekulationsblase wahrgenommen. Zudem wird oft die Meinung vertreten, dass man für die aktuelle Wirtschaftskrise nichts daraus hätte lernen können, da die Bedingungen in der heutigen Zeit sich grundlegend von denen im Jahre 1929 unterscheiden. Diese Aussage verdeutlicht, wie schnell Menschen vergessen und wie stark die Verhaltensweisen der Marktteilnehmer die Märkte beeinflussen können. Diese Ansicht vertrat auch John Kenneth Galbraith in seinem Buch „The Great Crash of 1929“: „Ich bin sicher, dass der Börsencrash von 1929 noch einmal passieren wird. Alles, was man für einen neuen Zusammenbruch braucht, ist, dass die Erinnerung an diesen Wahnsinn schwächer wird.“ (Galbraith, 1955, zit. nach Elger & Schwarz, 2009, S. 17) <?page no="71"?> 70 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Alan Greenspan, Chef der amerikanischen Notenbank von 1987-2006, ist der Ansicht, dass sich Spekulationsblasen aufgrund der unveränderlichen menschlichen Natur ergeben. Entscheidend ist aus seiner Sicht, wie sie finanziert werden. Je höher die Fremdverschuldung, desto weitreichendere Folgen hat das Platzen der Blase auf die darin verwickelten Volkswirtschaften (vgl. Robb, 2014). Neben dem Grad der Fremdfinanzierung macht nach Meinung von Karl-Heinz Thielmann, Vorstand des Analysehauses Long-Term Investing Research, häufiger und systematischer Betrug eine Spekulationsblase besonders gefährlich. Mit Blick auf die Dot.com-Blase lässt sich dies an Hand mancher unseriöser Geschäftsmodelle erklären: „Mit Fantasiegeschichten wurde den Anlegern das Geld aus der Tasche gezogen, die mit den wahren Möglichkeiten des Internets nicht mehr viel zu tun hatten. Gerade Deutschland mit dem Neuen Markt entwickelte sich zu einem Magneten für Schwindelfirmen.“ (vgl. Thielmann, 2014) So gingen auch der Finanzkrise 2008 heimliche Aufweichungen der Qualitätsstandards der Banken bei der Kreditvergabe voraus - bis hin zu systematischen Fälschungen der Angaben bei Kreditanträgen. (vgl. Thielmann, 2014) De Bondt, ein wichtiger Vertreter der Behavioral Finance, stellte fest, dass Spekulationsblasen für die Marktwirtschaft besorgniserregend sein können. Sie verzerren nicht nur die Allokationsfunktion der <?page no="72"?> Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart 71 Märkte, sondern führen auch dazu, dass die Gesellschaft das Vertrauen in die Integrität der Finanzmärkte verliert: „Asset market bubbles are worrisome because they misallocate scarce resources and because they lead to economic stagnation. Even if a bubble at first remains confined to one sector, contagion and spill-over effects can cause further damage. Bubbles also redistribute wealth. Sometimes good people get hurt. Financial earthquakes undermine the public’s trust in the integrity of the financial system.“ (de Bondt, zit. nach Forbes, 2009, S. 90) <?page no="73"?> 4 Markteigenschaften als Auslöser von Spekulationsblasen Benoit Mandelbrot nannte in „The (Mis)Behavior of Markets“ zehn Eigenschaften, durch die die Kapitalmärkte charakterisiert werden können (vgl. Mandelbrot & Hudson, 2004, S. 227 ff.): [1] Märkte sind turbulent. [2] Märkte sind sehr risikobehaftet, mehr als dies von der Theorie verdeutlicht wird. [3] Markttiming ist von besonderer Bedeutung. [4] Preise verkörpern starke Sprünge statt kontinuierliche Bewegungen. [5] In Märkten ist der Faktor Zeit flexibel. [6] Märkte funktionieren auf jedem Ort und zu jeder Zeit gleich. [7] Märkte sind außerordentlich volatil, Spekulationsblasen sind unvermeidbar. [8] Märkte sind irreführend. [9] Die Vorhersage von Kursen kann gefährlich sein. [10] In Märkten hat die Idee der Werthaltigkeit einer Anlage eine begrenzte Aussagekraft. Viele dieser Eigenschaften sind maßgeblich für die Vielzahl von Spekulationsblasen in der Historie der Kapitalmärkte verantwortlich und folglich für das weitere Verständnis von Spekulationsblasen wichtig. Nachfolgend wird auf sechs Markteigenschaften näher 72 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart <?page no="74"?> 4 Markteigenschaften als Auslöser von Spekulationsblasen 73 eingegangen, da diese zum Auslösen einer Blasenbildung maßgeblich beitragen können.  Märkte sind turbulent Ihre Entwicklung weicht gravierend von der postulierten Random Walk Theory von Louis Bachelier ab. Des Weiteren ist eine langfristige Beeinflussbarkeit der Kapitalmärkte durch die Geschäftstätigkeit der Unternehmen zu erkennen. Diese Beeinflussbarkeit führt ebenfalls dazu, dass die Märkte von Zeit zu Zeit euphorisch oder panisch reagieren können. Beispiel 4: Langfristige Beeinflussung der Märkte Die Einführung des Smartphones durch Apple 2007 gilt als Startschuss für die nachhaltige Veränderung der Art der Kommunikation untereinander. Andere Unternehmen wie Samsung und Huawei sprangen auf diesen Trend auf und entwickelten sich sukzessive zu ernsten Wettbewerbern auf dem Markt für Smartphones und Tablets. Ehemalige Marktführer wie Nokia, Ericcson und teilweise auch Blackberry sind die Verlierer dieses neuen langfristigen Trends.  Märkte sind sehr risikobehaftet, mehr als dies von der Theorie verdeutlicht wird Entsprechend der neoklassischen Kapitalmarkttheorie sind Kursbewegungen wie der am 11. September 2001 erlebte Kurseinbruch im DAX von 8,5 Prozent schier unmöglich. Die Theorie erwartet solche Bewegungen mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 1 zu 20 Mio. Das bedeutet, dass solche Bewegungen, <?page no="75"?> 74 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart selbst dann nur einmal zu erwarten wären, wenn ein Marktteilnehmer im Zeitablauf von 100.000 Jahren jeden Tag handeln würde (vgl. Mandelbrot & Hudson, 2004, S. 3 ff.). Allein im Crash-Jahr 2008 gab es fünf Tage mit einem Kurseinbruch von jeweils 6,5 bis 7,2 Prozent; ähnlich auch in Folge der Brexit-Entscheidung Mitte 2016.  Markttiming ist von besonderer Bedeutung Starke Gewinne sowie Verluste sind auf kurze Zeitintervalle begrenzt. So reduzieren sich die Tage, die für die Kursgewinne des DAX 30 aus dem Jahr 2016 verantwortlich waren, auf zwei Tage mit jeweils ca. 3,5 Prozent.  Preise verkörpern starke Sprünge statt kontinuierliche Bewegungen Kontinuität ist eine verbreitet zu beobachtende menschliche Annahme bezüglich der Marktprozesse. Die Märkte jedoch basieren auf unerwarteten und teils starken Sprüngen. Beispiel 5: Starke Sprünge statt kontinuierlicher Bewegungen 1961 veröffentlichte der MIT-Professor Stanley Alexander eine Studie, wonach die Märkte outperformt werden könnten. Seine Überlegung basiert auf der Annahme, dass, wenn der Markt um 5 Prozent steigt, der Investor in den Markt einsteigen sollte. Wenn der Markt jedoch um 5 Prozent fällt, sollte der Marktteilnehmer auf weiter fallende Preise <?page no="76"?> 4 Markteigenschaften als Auslöser von Spekulationsblasen 75 setzen. Auf diese Weise wurde eine jährliche Überrendite von 36,8 Prozent kalkuliert, wenn der Marktteilnehmer von 1929 bis 1959 diese Taktik angewendet hätte. In der gleichen Zeit wurde eine jährliche Marktrendite von durchschnittlich 3 Prozent erreicht. Alexander ging in seinen Berechnungen jedoch davon aus, dass die Kursbewegungen kontinuierlich entwickeln würden, und sobald die 5-Prozent-Marke erreicht ist, könnte der Investor ein- / aussteigen. In Realität jedoch entwickeln sich die Kurse sprunghaft. Wenn eine Aktie plötzlich um 5,5 Prozent steigt, verliert der Investor bereits 0,5 Prozentpunkte, da er nicht sofort einsteigen konnte. Gleiches erfolgt, wenn der Markt plötzlich fällt. Der Investor würde bei dieser Taktik statt 36,8 Prozent Rendite zu erwirtschaften bis zu 90 Prozent seines Kapitals im Jahr verlieren. Alexander veröffentlichte drei Jahre später einen weiteren Artikel, indem er die falschen Annahmen revidierte (vgl. Mandelbrot & Hudson, 2004, S. 235).  Märkte sind außerordentlich volatil, Spekulationsblasen sind unvermeidbar Diese Aussage verdeutlicht die subjektive Wahrnehmung der Marktsituation durch die Marktteilnehmer. Bestimmte Investoren steigen in Märkte ein, wenn die Preise bereits stark gestiegen sind - sie werden auch als ordinary investors bezeichnet - und verstärken so u.U. die Entwicklung einer Spekulationsblase. <?page no="77"?> 76 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart  Märkte sind irreführend Diese Aussage beruft sich auf den Versuch, künftige Entwicklungen aufgrund der technischen Analyse zu ermitteln. Kursverläufe stellen die Vergangenheit dar. Sie stellen jedoch keine hinreichende Deutung für die Zukunft zur Verfügung. Es gibt verschiedene Faktoren, die Markturbulenzen wie Spekulationsblasen begünstigen. Benoit Mandelbrot benennt zehn Eigenschaften, wodurch Märkte charakterisiert werden können. Demnach sind Märkte u.a. irreführend, volatil, risikobehaftet und turbulent. <?page no="78"?> 5 Bedeutende historische Spekulationsblasen 77 5 Bedeutende historische Spekulationsblasen im Überblick Zahlreiche Spekulationsblasen in der Vergangenheit verdeutlichen, wie eingangs des Kapitels erwähnt, dass die Marktteilnehmer aus ihren Fehlern nicht lernen. Der Grund hierfür kann darin liegen, dass die Marktteilnehmer sich einerseits auf die staatlichen Institutionen verlassen, die die Ordnungsmäßigkeit der Transaktionen überwachen sollen. Andererseits sind die meisten Finanztransaktionen derart kompliziert, dass diese selbst von erfahrenen Marktteilnehmern nicht immer nachvollzogen werden können. Spekulationsblasen haben jedoch auch ihre Bedeutung für die Finanzierung von Unternehmen. Teilweise erhalten Pioniere am Anfang einer Entwicklung auf diese Weise notwendiges Kapital, um dies dann auch produktiv zu nutzen (vgl. Kitzmann, 2009, S. 10). So entwickelten sich Börsen im Laufe der Zeit, um mit Aktien der jeweiligen Unternehmen Risiken verteilen und große Projekte finanzieren zu können. Der Begriff „Börse“ wurde das erste Mal 1409 benutzt, als in Brügge eine solche Einrichtung gegründet wurde. Die ersten deutschen Börsen wurden 1540 in Nürnberg und Augsburg gegründet. Die Frankfurter Börse eröffnete 1585. Die Finanzierungsfunktion der Aktien war notwendig, da einzelne Kapitalgeber in der Regel nicht in der Lage waren, Bergbauvorhaben und Handelsreisen alleine zu finanzieren. Die damit verbundenen Risiken sollten <?page no="79"?> 78 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart auf mehrere Schultern verteilt werden. Diesen ursprünglichen Zweck von Aktieninvestments scheinen heutige Marktteilnehmer jedoch oft aus den Augen zu verloren haben. Aktien wurden schon bald zum Spekulationsobjekt, als 1602 die Holländisch-Ostindische Kompanie gegründet wurde. Damalige Marktteilnehmer spekulierten jedoch nicht nur auf die möglichen Kurssteigerungen, sondern vielmehr auf die Dividenden, die zwischen 25 und 75 Prozent des eingesetzten Kapitals betragen konnten (vgl. Elger & Schwarz, 2009, S. 17 ff.). 55..11 DDiiee TTuullppeennmmaanniiee vvoonn 11663366 Die niederländische Tulpenspekulation ist eine der berühmtesten und ältesten Spekulationsblasen. Der Ursprung der Spekulationsblase mit Tulpenzwiebeln basiert nach mehrheitlicher Meinung auf dem Diplomaten Charles de l’Écluse. Er war zu seiner Zeit ein bedeutender Botaniker des Herrscherhauses Habsburg, der einige aus der Türkei importierte Tulpenzwiebeln geschenkt bekam. Nachdem l’Écluse, wie auch alle anderen protestantischen Angestellten, vom katholischen König Maximilian II entlassen wurde, kehrte er an die holländische Universität Leiden zurück. Dort baute er unter anderem Tulpen an, die er nicht verkaufen, sondern als Heilpflanzen einsetzen wollte (vgl. FAZ, 2008c). Die Tulpenzwiebel fand ihren Weg allerdings trotzdem in die Gärten der reichen Oberschicht und <?page no="80"?> 5.1 Die Tulpenmanie von 1636 79 schließlich in die Hände der breiten Bevölkerungsschichten. Die Tulpenmanie entwickelte sich zwischen 1633 und 1637 als die Niederlande nach dem gescheiterten Unterwerfungsversuch durch die Spanier zu einer großen Handelsmacht wurden, welche weite Teile Brasiliens und der Karibischen Inseln in Besitz nahm. Die Spekulation der Marktteilnehmer trieb den Preis für Tulpenzwiebeln um das Neunfache in die Höhe. Die Zwiebel mit dem richtigen Muster und den richtigen Farben wurden durch die Spekulationsblase zum Statussymbol. Diese Zwiebeln wiesen z.B. das Mosaik- Muster auf und waren aufgrund ihrer außergewöhnlichen Schönheit hoch gehandelt. Der Preis für gewöhnliche Tulpen war wesentlich geringer. Heute weiß man, dass das Mosaikmuster von einem Virus herrührt, der über Blattläuse übertragen wird (vgl. Spiegel Online, 2009). Die spektakuläre Wertsteigerung verdankten die Tulpenzwiebeln der Tatsache, dass sie gemäß den Mendelschen Gesetzen schwer zu züchten waren und damit das Angebot begrenzt war. Die fieberhafte Spekulation mit den Tulpen begann erst nach September 1636, als die Tulpenzwiebeln bereits gesteckt waren, damit sie im nächsten Frühjahr blühen konnten. Die exotischen Formen und Farben, die entscheidend für die Bewertung der Tulpen waren, wurden zuletzt im vorhergehenden Frühjahr gesehen. So fand das Bieten im November und Dezember 1636 statt, ohne dass Blüten-Exemplare vorhanden waren. <?page no="81"?> 80 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Phase 1 - Verlagerung Die erste Phase der Spekulationsblase beginnt im 17. Jahrhundert, als die Tulpe aus der Türkei nach Westeuropa gebracht wurde. Die Begeisterung für diese Blume war besonders in den Niederlanden zu beobachten. Der Handel mit Tulpenzwiebeln florierte und erbrachte vor allem für außergewöhnliche Blüten hohe Wertsteigerungen. Die stark steigende Nachfrage, verbunden mit den ebenso stark steigenden Preisen, wurde durch zwei Aspekte hervorgerufen. Zum einen stieg die Nachfrage nach Tulpen durch die aufkommende Mode in Frankreich, Kleider mit Tulpen zu schmücken. Die in der Folge beobachtbaren Preissteigerungen der Tulpenpreise lockten neue Investoren an, die in den Tulpenzwiebeln eine lukrative Geldanlage sahen. Zum anderen beruhte die ansteigende Nachfrage und die stark steigenden Preise auf der Ausweitung der Tulpenzüchtung von rein professionellen Züchtern auf alle interessierten Züchter im Jahr 1634. Der Handel dehnte sich nach und nach auf alle Einkommensschichten aus. Phase 2 - Kreditschaffung Für Normalbürger war die Aussicht auf schnellen Reichtum verlockend. Kein Wissen, kein Grund und Boden und keine harte Arbeit war nötig: Das Einzige, was der Zwischenhändler brauchte, war Startkapital. Die Spekulationsblase im Handel mit Tulpenzwiebeln wurde hauptsächlich durch Privatkredite gespeist. Um <?page no="82"?> 5.1 Die Tulpenmanie von 1636 81 an Investitionskapital zu gelangen, belasteten die Bürger ihre Häuser, Werkstätten und veräußerten Hof, Hab und Gut. Anzahlungen wurden oft in Form von Waren geleistet. So wurde für eine Tulpe der Sorte „Vizekönig“ zwei Ladungen Weizen, vier Ladungen Roggen, vier Ochsen, acht Schweine, zwölf Schafe, zwei Fässchen Wein, vier Tonnen Bier, 1000 Pfund Käse sowie einen Silberpokal, ein Bett und ein Anzug angeboten. Zum Höhepunkt der Spekulationsblase wurden rare Tulpenzwiebeln schließlich gegen Grachtenhäuser in Amsterdams bester Lage getauscht. Tulpenzwiebeln waren neben dem nationalen Zahlungsmittel (Gulden) als allgemeines Zahlungsmittel anerkannt (vgl. Eustermann, 2010, S. 8). Phase 3 - Euphorie Die Entstehung der dritten Phase der holländischen Spekulationsblase, die Euphorie, zeigt sich durch das Verlangen der Menschen, schnell zu großem Reichtum zu gelangen. Diese Verhaltensweise ist für das Entstehen einer Spekulationsblase oft entscheidend. Die Nachfrage nach den seltenen Tulpen stieg 1636 derart an, dass an zahlreichen Börsen wie in Amsterdam und Rotterdam eigene Handelstische für den Tulpenhandel eingerichtet wurden. Die Preisexplosion verlockte zu Zwischengeschäften und Luftbuchungen, wobei der Handel sich auch auf die Zeit zwischen September und Juni, in welcher die Tulpenzwiebel nicht verfügbar ist, ausgeweitet hatte. In dieser Zeit erfolgte <?page no="83"?> 82 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart der Geschäftsabschluss mittels Handelsvereinbarungen, bei denen der Käufer zum Vertragsabschluss noch nicht das notwendige Geld besaß und auch der Verkäufer noch nicht sicher sein konnte, ob sein angebotenes Handelsgut, die Tulpenzwiebeln, im Erdboden wirklich gedeihen. Zu dieser Zeit breitet sich der Tulpenhandel auch auf die ärmsten Bürger aus. Die Preissteigerungen beschleunigten sich zunehmend, wobei je nach Zwiebelart zwischen 1.260 und 5.500 Gulden bezahlt wurden. Bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen eines Großkaufmanns von 3.000 Gulden, erscheinen die gehandelten Preise für eine Zwiebel unbegreiflich hoch (vgl. Eustermann, 2010, S. 9). Handelsverträge vor 1636 wurden schriftlich vor einem Notar geschlossen, während nun der Handel solche Ausmaße annahm, dass sich die Vertragsparteien in Wirtshäusern trafen und die Verträge nur wenigen Regeln unterlagen. Floristen verkauften Tulpen, die sie nicht liefern konnten, an Käufer, die nie die Absicht hatten, diese Zwiebeln einzupflanzen. Manche Tulpen wechselten zehnmal pro Tag den Besitzer, ohne dass auch nur einer von ihnen die Zwiebel, geschweige denn die Blüte jemals zu Gesicht bekommen hätte. Die Anleger waren fest davon überzeugt, dass die Gier nach Tulpen nie gestillt werden könnte. Menschen aus allen Gesellschaftsschichten machten ihren Besitz zu Geld und investierten dieses in Tulpenzwiebeln. <?page no="84"?> 5.1 Die Tulpenmanie von 1636 83 Phase 4 und 5 - Kritische Phase/ Abscheu Der Übergang von der vierten zur fünften Phase lässt sich für die Tulpenmanie schwer unterscheiden. Daher werden die Entwicklungen vom Höhepunkt der Spekulationsblase bis zum Absturz der Tulpenpreise gemeinsam betrachtet. Anfang 1637 wurde einigen Marktteilnehmern klar, dass das Herdenverhalten unter den Investoren nicht länger anhalten konnte. Als Bedenken aufkamen, ob drei Tulpenzwiebeln genauso viel Wert sein konnten wie eine Brauerei, wurden den meisten Händlern bewusst, dass am Ende der Spekulationsblase die letzten Spekulanten starke Verluste erleiden könnten. Diese Einschätzung bildete sich im Februar 1637 heraus, als die Kurse binnen weniger Tage rapide fielen. In kürzester Zeit war das Vertrauen der Marktteilnehmer zerstört und der Markt wurde von Panik ergriffen. Stark fallende Kurse führten dazu, dass die geforderten Preise in Auktionen nicht erzielt werden konnten. Diejenigen Investoren, die erst spät eingestiegen waren, fuhren nun plötzlich Verluste ein. Immer mehr Besitzer von Tulpenzwiebeln wollten schnell verkaufen; die Preise fielen ins Bodenlose. Der durchschnittliche Tulpenanleger verzeichnete binnen Wochen ein Minus im Depot von 95 Prozent, die meisten Derivate waren mit einem Schlag völlig wertlos geworden. Der Mehrheit der Marktteilnehmer, die anfangs bezweifelten, dass es jemals wieder Armut im Land ge- <?page no="85"?> 84 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart ben könnte, wurde plötzlich mit der Tatsache konfrontiert, dass sie nichts mehr besaßen außer einigen Blumenzwiebeln, die unverkäuflich waren. Dem Zusammenbruch der Blase folgten Versuche, das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherzustellen. So einigte man sich darauf, alle Verträge, die nach November 1636 geschlossen worden waren, zu annullieren. Marktteilnehmer, die nach dieser Zeit einen Handelsvertrag eingegangen waren, wurden von ihren Pflichten entbunden, sofern der Käufer der Blumenzwiebeln dem Verkäufer mindestens 10 Prozent der geforderten Summe zahlte. Im Weiteren wurden als vertrauensbildende Maßnahmen der Terminhandel untersagt, und es wurden Schlichtungskommissionen eingesetzt (vgl. MacKay & de la Vega, 2010, S. 25 f.). Welche Auswirkungen der Crash auf die Volkswirtschaft hatte, kann im Nachhinein nicht mehr ermittelt werden. Nach einer überlieferten Statistik haben sich in Amsterdam die Zahl der Pleiten zwischen 1635 und 1637 verdoppelt. Es ist festzuhalten, dass die Tulpenmanie trotz ihrer zunächst zerstörerischen Wirkung auch langfristig konstruktive Züge offenbarte: Holland gilt heute immer noch als das Land der Tulpen mit jährlich ca. zwei Mrd. gezogenen Tulpen. <?page no="86"?> 11771166 Die Spekulationsblase um den schottischen Ökonomen John Law gründete auf der immensen Verschuldung Frankreichs während der Herrschaft von Ludwig dem XIV. zwischen 1638 und 1715. Der Schuldenberg war so gewaltig, dass ein Staatsbankrott unausweichlich schien. Nach dem Tode von Ludwig dem XIV. im Jahre 1715 wurde die immense Verschuldung des Landes offenkundig. Da der Thronfolger zu dieser Zeit erst sieben Jahre alt war, übernahm der Herzog von Orléans bis zur Volljährigkeit des Prinzen als Regent die Regierung. Der Herzog zeichnete sich nicht durch tiefgründiges Interesse für die Staatsgeschäfte Frankreichs aus. Er empfand die Pflichten seines Amtes zunehmend als eine Last. Der schottische Ökonom John Law brachte sich während dieser Zeit mit der Forderung, das Edelmetallgeld durch Papiergeld abzulösen, ins Spiel. Er vertrat die Meinung, dass eine auf Edelmetallgeld beruhende Währung den Bedürfnissen einer exportorientierten Nation nicht genüge. Law sah im Edelmetallgeld den Grund für die schwache Wirtschaft Frankreichs, da dieses Zahlungsmittel nur in beschränktem Maße vorhanden war. Law erkannte früh die Bedeutung der Unternehmensfinanzierung auf Basis der Kreditvergabe. Er befürwortete die Erhöhung der Geldmenge, um dadurch den Produktionsprozess zu steigern und die Abhängigkeit vom Metallgeld zu senken. 5.2 Die John-Law-Spekulationsblase von 1716 85 55..22 DDi iee JJoohhn n--LLaaww--SSppeekkuullaattiioonnssbbllaassee vvoonn <?page no="87"?> 86 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Sein Vorschlag, die Kreditwürdigkeit Frankreichs durch die Gründung einer eigenen Bank wiederherzustellen, stieß auf große Zustimmung seitens des Regenten. 1716 erhielt Law das Recht, die Banque Général zu gründen, die das Recht zur Ausgabe eigener Banknoten hatte. Im Gegensatz zu den Edelmetallmünzen, die fortwährend von einer beständigen Abwertung betroffen waren, wurden das von Law eingeführte Papiergeld mit bis zu 15 Prozent Aufpreis auf den Nominalwert gehandelt. Der Warenhandel erholte sich wieder, und es kehrte Vertrauen in die Wirtschaft zurück (vgl. FAZ, 2008b). Phase 1 - Verlagerung Die erste Phase der Spekulationsblase durch John Law gründete auf seinem überraschenden Erfolg, die französische Wirtschaft durch die Einführung von Banknoten zu beleben. Der Regent war vom Können Laws derart überzeugt, dass er zunehmend die Einsicht gewann, die Edelmetallwährung durch Papiergeld zu ersetzen. In dieser Zeit des ungebrochenen Vertrauens in seine Fähigkeiten schlug Law dem Regenten die Gründung der Compagnie d’Occident vor. Dieses Unternehmen sollte das Monopol auf den Handel mit der am Mississippi gelegenen Provinz Louisiana erhalten. Unter dem Boden des fruchtbaren Landes wurden wertvolle Edelmetalle vermutet (vgl. MacKay & de la Vega, 2010, S. 39). Von den erfolgversprechenden Aussichten überzeugt, wurde die Gesellschaft 1717 gegründet. Das Gesellschaftskapital wurde in 200.000 Aktien aufgeteilt und interessierten Investoren angeboten. Die Aktie des <?page no="88"?> 5.2 Die John-Law-Spekulationsblase von 1716 87 Unternehmens stieg aufgrund der Erwartungen, die Region um den heutigen amerikanischen Bundesstaat Louisiana in eine wohlhabende Region zu verwandeln, stark an. Law erhielt auf Basis seiner zunächst erfolgreichen Unternehmenspläne immer mehr Privilegien. Seine Bank, welche zudem auch das Monopol für den Tabakhandel erhielt, wurde 1718 zur Königlichen Bank von Frankreich erhoben. Law arbeitete eng mit dem französischen Staat zusammen. Er nahm dessen Schulden ab und verwandelte sie in Aktien der Compagnie, mit dem Ziel, diese Privatanlegern weiterzuverkaufen. Im Gegenzug sicherte sich Law das Recht zur Eintreibung großer Teile der Steuereinnahmen. Phase 2 - Kreditschaffung Die Finanzierung der unternehmerischen Expansion gründete vornehmlich auf den Möglichkeiten, die durch die Banque Royal zur Verfügung standen. Law bediente sich an dem ihm zugestandenen Recht, Banknoten auszugeben. Durch die starke Erhöhung der Geldmenge - so wurden Noten mit einem Nennwert von einer Milliarde Livre 2 gedruckt - sowie das Betreiben von Termingeschäften stellte Law die positive 2 Französische Einheit der Silberwährung; vergleichbar mit dem britischen Pfund. Die heutige Kaufkraft der Livre ist schwer zu ermitteln. Geld- und Wirtschaftssysteme sind zu verschieden, die erheblichen Warenkörbe zu sehr verändert und der Wert der Livre ist schon in historischer Zeit schlei- <?page no="89"?> 88 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Kursentwicklung der Compagnie sicher. Der Aktienkurs der Compagnie stieg entsprechend der steigenden Inflation durch die Geldmengenausweitung stark an. Vermutlich ließ sich Law vom damaligen Regenten treiben, das Land mit Papiergeld zu überschwemmen, dessen Wert früher oder später einbrechen musste. Es bleibt daher unklar, welche Schuld Law am Verstoß gegen die finanziellen Grundsätze einer vernünftigen Finanzwirtschaft insgesamt trifft. Neben dem Einfluss der Regierung wurde Laws Blick wohl auch durch den (zu Beginn) außergewöhnlichen Erfolg der Banque Royal getrübt (vgl. MacKay & de la Vega, 2010, S. 40). Phase 3 - Euphorie Durch die erhebliche Ausweitung des Handelsmonopols der Compagnie wurden 50.000 neue Gesellschaftsanteile ausgegeben. Law versprach seinen Anlegern eine jährliche Dividende von 200 Livre auf jede Aktie. Die Öffentlichkeit war begeistert von den Zukunftsvisionen. Mindestens 300.000 Anleger wollten die 50.000 Anteile kaufen. Laws Haus wurden täglich von erwartungsvollen Investoren belagert. Die Hysterie um die begehrten Aktien ging so weit, dass sich manche reiche Anleger in direkter Nachbarschaft zu Law eine Wohnung gekauft hatten, um unmittelbar zu chend verfallen, um verlässliche Aussagen treffen zu können. Der oft angenommene Kurs von einer gemünzten Silber- Livre = 5 - 15 Euro dürfte wohl nur für die 1760er bis späten 1780er Jahre annähernd verwendbar sein und ist auch dann mit Vorsicht zu gebrauchen. <?page no="90"?> 5.2 Die John-Law-Spekulationsblase von 1716 89 erfahren, ob sie als Aktionär ausgesucht worden waren. Bald spekulierten Menschen jeden Alters und Einkommens auf den Anstieg der Mississippi-Aktien (vgl. MacKay & de la Vega, 2010, S. 42). Der Kurs der Aktie stieg manchmal innerhalb weniger Stunden um 10 oder 20 Prozent und blendete viele Menschen, auch aus bescheideneren Verhältnissen, mit der Aussicht auf schnellen Reichtum. Die Euphorie führte zu zunehmender Emission neuer Aktien der Compagnie, um die Schulden des Staates zu begleichen. Die Aktien wurden von den Anlegern im Glauben an den großen Erfolg der Unternehmen euphorisch gehandelt. Die Euphorie führte zu stark steigenden Kursen, in deren Folge sich diese innerhalb eines halben Jahres verzwanzigfachten. Ein trügerischer Wohlstand breitete sich über die Nation, sodass die Vorzeichen eines Sturms von den Wenigsten erkannt und ernst genommen wurden (vgl. MacKay & de la Vega, 2010, S. 50). Phase 4 - Kritische Phase Das System funktionierte bis 1720. Warnungen aus dem Parlament, eine übermäßige Vermehrung des Papiergeldes müsse früher oder später zum Staatsbankrott führen, wurden ignoriert. Eine Illusion, die sich bald als großen Irrtum erweisen sollte. Die Gier der Bevölkerung führte dazu, dass mit steigendem Kurs der Aktien immer mehr Papiergeld ausgegeben wurde. Die kritische Phase der Spekulationsblase setzte ein, als die Anleger begannen, ihre Aktien zu hohen Kursen zu <?page no="91"?> 90 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart verkaufen und den Erlös in andere Anlageformen umzuschichten. Auslöser für dieses Umdenken war wohl die Entscheidung eines Anlegers, Fürst Conti, sein Aktienpaket in Münzen auszahlen zu lassen, weil sich Law geweigert hatte, ihm neue Aktien zu einem günstigen Nominalwert zu überlassen; ein Racheakt eines Anlegers, dem bald andere folgten - nicht aus Rache, sondern aus der Überzeugung, der Kurs könne nicht ewig steigen. Law war überrascht vom Verhalten der Anleger, da er nicht damit gerechnet hatte, dass die Aktien verkauft werden würden. Er ging davon aus, dass die Aktien, ähnlich wie Staatsanleihen langfristig gehalten werden. Nachdem jedoch bekannt wurde, dass in Louisiana keine Reichtümer zu finden waren, galt die Aktie der Compagnie als überbewertet und nicht weiter attraktiv. In einem Staatsrat der Minister wurde ermittelt, dass Banknoten für 2,6 Mrd. Livre in Umlauf waren, während die Münzvorräte des Landes nicht einmal die Hälfte dieses Betrags deckten (vgl. MacKay & de la Vega, 2010, S. 54 ff.). Law versuchte vergeblich, sowohl dem Kursverfall als auch der Inflation entgegenzuwirken. Er fror den Aktienkurs ein und reduzierte den Wert der Banknoten um 50 Prozent. Phase 5 - Abscheu Die letzte Phase der Spekulationsblase äußerte sich in der Verzweiflung und Wut vieler Anleger, die durch den kollabierenden Aktienkurs ihr Vermögen verloren hatten. Law versuchte vergeblich, die steigende Inflation zu bekämpfen, indem er zunächst die Ausgabe <?page no="92"?> 5.3 Die Südseespekulationsblase von 1720 91 neuer Banknoten durch die Banque Royale stoppte. Nach seiner Flucht aus Frankreich starb er 1729 verarmt in Venedig. Nach Jahren der Untersuchung kam man zu dem Ergebnis, dass der schottische Ökonom die Finanzlage Frankreichs nicht zusätzlich verschlimmert hatte. Der Schuldenstand im Jahre 1725 war in etwa so hoch wie im Jahre 1716, als Law seine Idee von der Abkehr vom Edelmetallgeld äußerte. Nach dem Platzen der Spekulationsblase wurde das Papiergeld wieder vom Edelmetallgeld abgelöst. Im Weiteren führte der Zusammenbruch der Aktienspekulation zur Veränderung der Einkommensverteilung. Diese Entwicklung ist in den meisten großen Finanzkrisen zu beobachten. Spekuliert hatten vor allem Reiche, und einige von ihnen waren am Ende von Laws „Finanzsystem“ deutlich weniger vermögend. 55..33 DDi ie e SSüüd dsseee essppeekkuul la attiio onnssbblla assee v voonn 1 1772200 Die Südseespekulationsblase basierte auf dem Versuch, die Staatsschulden durch ein Unternehmen refinanzieren zu lassen. So sollten die britischen Staatsschulden durch die South Sea Company refinanziert werden. Die Gesellschaft erhielt zwar das Monopol zum Handel mit großen Teilen Südamerikas, der eigentliche Geschäftszweck bestand jedoch darin, einen Anteil der britischen Staatsschulden zu übernehmen. Für die Übernahme von ca. 1/ 3 der Staatschulden erhielt die Gesellschaft eine Verzinsung von 6 Prozent <?page no="93"?> 92 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart und die Erlaubnis, zur Finanzierung der Schuldenübernahme eigene Aktien emittieren zu dürfen. Das gewährte Monopol zum Handel mit Südamerika erzeugte die Hoffnung auf starke Nachfrage nach britischen Gütern auf dem südamerikanischen Kontinent, wodurch die Erwartung auf steigende Gewinne unterstützt wurde (vgl. Kindleberger, 2001, S. 53). Jedermann malte sich phantastische Reichtümer aus, die an den Küsten Südamerikas auf die Kaufleute warteten: Man hielt Gold- und Silberminen Perus und Mexikos für unerschöpflich. Die Gesellschafter der Company brachten Gerüchte in Umlauf, wonach britische Güter von den Einheimischen in Südamerika mit Edelmetallen von vielfachem Wert belohnt würden. Zusätzlich wurde ein falscher Bericht in Umlauf gebracht, wonach Spanien angeblich dazu bereit war, die spanischen Häfen in Amerika für englische Handelsschiffe zu öffnen (vgl. MacKay & de la Vega, 2010, S. 72). Die Möglichkeit, in Südamerika Handel zu betreiben, wurde wie eine Lizenz zum Gelddrucken betrachtet. Entsprechend stieg der Kurs der Gesellschaft von 100 Pfund Anfang 1720 auf mehr als 1.000 Pfund bis August des gleichen Jahres (vgl. FAZ, 2009). Phase 1 - Verlagerung Insgesamt beliefen sich die Verbindlichkeiten des Staates 1711 auf fast zehn Mio. Pfund, die u.a. durch die Entlassung der Whig-Regierung entstanden waren. Ihren Anfang nahm die Südseeblase im Jahr 1711, als Robert Harley, Graf von Oxford, die South Sea Company <?page no="94"?> 5.3 Die Südseespekulationsblase von 1720 93 ins Leben rief (vgl. MacKay & de la Vega, 2010, S. 71). Ein Zusammenschluss von Kaufleuten und Mitbegründern der neuen South Sea Company übernahm die eben genannten Schulden. Die erste Phase der Spekulationsblase begann im Jahr 1719, als die South Sea Company zum zweiten Mal Staatsschulden übernahm und dies durch die Emission neuer Aktien finanzierte. Die Nachfrage nach den Aktien wurde durch die Tatsache gesteigert, dass nahezu ein Viertel der emittierten Aktien durch Mitglieder des britischen Parlaments erworben wurden. Dies verlieh der Anlage einen zusätzlich offiziellen Charakter. 1720 einigten sich die South Sea Company und der britische Staat auf die Übernahme von 1/ 3 der Staatschulden, die sich zu diesem Zeitpunkt auf 30,9 Mio. Pfund beliefen (vgl. MacKay & de la Vega, 2010, S. 74) 3 . Die Kompanie war bereit, diese Schulden gegen jährliche Zinszahlungen von 6 Prozent zu übernehmen, die ihr bis 1927 garantiert werden sollten. Phase 2 - Kreditschaffung Für die Übernahme der Schulden wurde vereinbart, dass die Gesellschaft unbegrenzt Kapital aufnehmen könne. Ein entsprechendes Gesetz wurde verabschiedet, wodurch die Gesellschaft Aktien im Nominalwert von insgesamt 31,5 Mio. Pfund emittieren konnte. Die South Sea Company baute ihre Finanzstärke zunächst auf die Sword Blade Bank, deren Gesellschafter John 3 Die derzeitige Kaufkraft ist heute nicht ermittelbar. <?page no="95"?> 94 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Blunt und George Caswell zu den Gründern der Company zählten. Die Finanzierung der britischen Staatsschulden erfolgte durch die Emission von Aktien der South Sea Company. Zwar erzielte die Gesellschaft kaum Einnahmen aus dem Handel mit den südamerikanischen Ländern, aber als Finanzeinrichtung wurde sie bald sehr beliebt. So beliebt, dass ihre Direktoren sich von Laws Mississippi-Projekt, das in Frankreich Investoren ähnlich wie in England begeisterte, inspirieren ließen - auch dann noch, als das Scheitern von Laws Projekt in Frankreich sich abzeichnete (vgl. MacKay & de la Vega, 2010, S. 73). Ganz dem Glauben verfallen, in England würde alles anders sein und die Kredite könnten immer weiter gestreckt werden, gaben sich die Engländer der Spekulation hin. Phase 3 - Euphorie Die dritte Phase der Spekulationsblase, die Euphorie, begann durch die wiederholte Emission neuer Aktien zu immer höheren Kursen. Darüber hinaus wurde das Interesse an der Gesellschaft durch gezielte Äußerungen der Geschäftsleitung über hochprofitable Geschäfte sowie hohen Dividendenzahlungen in die Höhe getrieben. Von 100 Pfund Anfang 1720 verzehnfachte sich der Wert bis August 1720 auf mehr als 1.000 Pfund. Es war die Rede von Verträgen mit Spanien, dass England den Freihandel mit all seinen Kolonien ermöglichen würde, und davon, dass Silber als wertvoller Rohstoff bald genauso reichlich abgeschöpft werden könnte wie Eisen (vgl. MacKay & Vega, 2010, <?page no="96"?> 5.3 Die Südseespekulationsblase von 1720 95 S. 75). Das Interesse an der South Sea Company war so groß, dass Ratenzahlungen bei der Emission der Aktien vereinbart wurden und die Anlagen durch Kredite finanziert wurden. Es brach eine Südseemanie aus, bei der alles was mit der Thematik zu tun hatte, auf starke Nachfrage stieß. In dieser Zeit wurden zahlreiche Unternehmen gegründet, die am Erfolg der Südseemanie teilhaben wollten. Ähnlich wie später zu Zeiten des Neuen Marktes am deutschen Aktienmarkt im Jahr 2000 konnten Anleger selbst für skurrilste Geschäftsideen begeistert werden. Die Kurssteigerungen rund um die South Sea Company führten auch zur steigenden Nachfrage auf anderen Märkten. Die Investition in andere Unternehmen stellte jedoch eine Gefahr für die South Sea Company dar. Um die Nachfrage nach ihren neu zu emittierenden Aktien nicht zu gefährden, erreichte die Gesellschaft, dass das britische Parlament im Juni 1720 ein Gesetz erließ, welches die Gründung und Ausdehnung von „unberechtigten“ Unternehmen verbot. Phase 4 - Kritische Phase Das als „Bubble Act “ bezeichnete Gesetz von Juni 1720 markiert einen Wendepunkt innerhalb der Südseespekulationsblase. Dieses Gesetz untersagte die Bildung neuer Kapitalgesellschaften ohne ausdrückliche Zustimmung des britischen Parlaments. Diese Vorsichtsmaßnahme, die zum Schutze der South Sea Company eingeführt wurde, war notwendig, da in Anbetracht der scheinbar grenzenlosen Handelsmöglichkeiten mit <?page no="97"?> 96 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Südamerika zahlreiche Unternehmen gegründet wurden. Diese Aktiengesellschaften schossen aus dem Boden - einige von ihnen blähten sich als Spekulationsblasen in weniger als ein oder zwei Wochen auf und platzten. Die kuriosesten Vorhaben wurden in Angriff genommen, um Aktien auf den Markt zu werfen und den Kurs hochzutreiben. Es gab sogar eine Gesellschaft, die gegründet wurde, ohne dass deren Gründer verriet, worin ihr Geschäftszweck bestand. Investoren gab es trotzdem, bis sich alsbald der Gründer mit den Anzahlungen der Aktionäre absetzte (vgl. MacKay & de la Vega, 2010, S. 79 ff.). Um diesen Bubbles vorzubeugen, wurden, neben dem Verbot, neue Unternehmen zu gründen, auch bereits bestehende börsennotierte Unternehmen, die außerhalb ihres ursprünglichen Geschäftsfeldes tätig waren, verboten (vgl. Kindleberger, 2001, S. 61). Der mit dem Bubble Act einhergehende Vertrauensverlust führte zu einer Liquiditätskrise und löste einen Kursrutsch aus. Die Anleger reagierten panisch und stießen ihre Aktien ab. Der Preis der South Sea Company erreichte im August seinen Höchststand bei mehr als 1.000 Pfund und brach anschließend stark ein. Das Vertrauen der Anleger wurde schwer belastet. Gerüchte über Aktienverkäufe der Unternehmensführung der South Sea Company und anderer großer Investoren führten zu großer Verunsicherung unter den Anlegern. Zeitweise konnten positive Unternehmensmeldungen für eine kurzfristige Erholung der Aktien- <?page no="98"?> 5.3 Die Südseespekulationsblase von 1720 97 kurse sorgen. Die Preise für neue Aktien mussten jedoch gesenkt werden, da die Marktkonditionen sich verändert hatten. Die South Sea Company hatte plötzlich Schwierigkeiten, Aktien zu platzieren. Da weiterhin keine Gewinne aus dem Südseehandel vorzuweisen waren, stießen erste Großaktionäre ihre Beteiligungen ab (vgl. Elger & Schwarz, 2009, S. 19 f.). Um zu verhindern, dass die Öffentlichkeit das Vertrauen in die Kompanie verlor, beriefen die Direktoren eine Hauptversammlung ein, in der die Verdienste der Kompanie hoch gelobt wurden. Sie hätte mehr „als die Krone, die Kirche oder die Richterschaft“ bewirkt, sagte ein Gesellschafter. Die Öffentlichkeit zeigte sich unbeeindruckt: Noch am selben Tag fiel die Aktie auf 640 Pfund. Der Kursverfall setzte sich fort bis bald 400 Pfund erreicht wurden (vgl. MacKay & de la Vega, 2010, S. 90). Phase 5 - Abscheu Die letzte Phase der Südseespekulationsblase begann im September 1720, als die erste Dividendenzahlung nicht geleistet werden konnte. Es fanden mehrere Zusammenkünfte zwischen den Direktoren der Südsee-Kompanie und der Bank of England statt. Es ging ein Gerücht um, die Bank würde Obligationen der Kompanie im Wert von sechs Mio. Pfund in Umlauf bringen. Bald stellt sich heraus, dass es nur ein Gerücht war - der Kurs stürzte weiter ab (vgl. MacKay & de la Vega, 2010, S. 92). Die Aktien der South Sea Company fielen vom Höchststand im August des Jahres bis Ende <?page no="99"?> 98 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart September auf 200 Pfund. Zum Ende des Jahres kostete die Aktie wieder 120 Pfund. Der gesamte Markt kollabierte. Die britische Wirtschaftslage verschlechterte sich in Anbetracht der sich auflösenden Spekulationsblase. Zahlreiche Unternehmen gerieten in Schieflage und wurden zahlungsunfähig. Eines der bekanntesten Opfer der Südseespekulationsblase war der berühmte Physiker Isaac Newton. Zunächst hatte er mit den Aktien der South Sea Company starke Kursgewinne erzielt, diese jedoch im späteren Verlauf der Krise verloren und schlussendlich einen Verlust von 20.000 Pfund erlitten. In der Folge dieser hohen Verluste formulierte Newton seine berühmte Aussage: „I can calculate the movement of the stars, but not the madness of men.“ (Newton, zit. nach Arnold, 2010, S. 158) 55..44 DDeerr BBöörrsseennbboooomm uunndd --ccrraasshh vvoonn 11992299 Eine weitere bedeutende Spekulationsblase ereignete sich Anfang des 20. Jahrhunderts. Nach der Nachkriegsrezession wurden die Märkte von einem großen ökonomischen Aufschwung erfasst. Neue Produktionstechniken, wie das Fließband sowie moderne Management-Strategien wurden eingeführt. Der Fortschritt in der Industrialisierung bewirkte eine Euphorie, die der Gesellschaft den Glauben an einen schnellen Reichtum vermittelte. Auf den Optimismus und <?page no="100"?> 5.4 Der Börsenboom und -crash von 1929 99 den Aufschwung der „goldenen Zwanziger“ folgte der Crash von 1929. In der Folge des Börsencrashs stürzte die Weltwirtschaft in eine tiefe Depression (vgl. FAZ, 2008d). Phase 1 - Verlagerung Im Rahmen der ersten Phase der beginnenden Spekulationsblase Anfang der 1920er Jahre war das wirtschaftliche Umfeld gekennzeichnet von einem starken Konsolidierungsdrang der Unternehmen. Dieser basierte hauptsächlich auf dem starken Anstieg der Aktienmärkte. Neben der Konsolidierung war diese Zeit gekennzeichnet von der Entstehung bedeutender Unternehmen (u.a. General Motors). Der zunehmende Optimismus unter den Marktteilnehmern stieg im Verlauf der Jahre mit den einhergehenden positiven Unternehmensmeldungen. So begann Henry Ford im Jahr 1927 mit der Produktion des T-Modells. Die New Yorker Notenbank senkte ihre Leitzinsen von 4 Prozent auf 3,5 Prozent, was den Marktteilnehmern die kreditfinanzierte Aktienanlage erleichterte. Lionel Robbins, Professor an der London School of Economics, kommentierte diese Entwicklung wie folgt: „From that date, according to all evidence, the situation got completely out of control.“ (Robbins, zit. nach Forbes, 2009, S. 105) Kennzeichnend für diese erste Phase waren auch die überschwänglichen Kommentare einiger bedeutender <?page no="101"?> 100 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Marktteilnehmer. So äußerte sich John Raskob, Direktor von General Motors, besonders positiv über die damalige Marktentwicklung: „Everybody ought to be rich.“ (Forbes, 2009, S. 104 f.) Phase 2 - Kreditschaffung Die starke Ausdehnung von Krediten trug wesentlich dazu bei, dass die spekulative Blase entstehen konnte. So konnten kreditfinanzierte Konsumausgaben den Lebensstandard innerhalb der Gesellschaft steigern. Finanzierung des Konsums auf Basis von Krediten war jedoch nicht nur innerhalb der Mittelschicht möglich, auch die Investmentfonds operierten mit bis zu 80 Prozent der Anlagesumme auf Basis von Fremdkapital. Phase 3 - Euphorie Die Spekulationsblase nahm ab 1928 euphorische Züge an. Der Markt stieg in großen Schwüngen statt in kontinuierlicher Weise an. Der Dow Jones Industrial Index stieg von Mitte 1924 bis September 1929 um mehr als das Vierfache an. Die steigenden Kurse wurden durch starke Umsätze getragen. Marktteilnehmer begannen verstärkt hebelgetrieben zu handeln. Das bedeutet, dass sie sich bis zu 90 Prozent der Anlagesumme durch Bankdarlehen finanzieren ließen. Im Zuge dessen waren die Gewinnchancen bei geringer Steigerung des Anlagewertes für den Marktteilnehmer immens. Auf der anderen Seite mussten die Markteilnehmer Liquidität bereitstellen, wenn die Anlagen zu sinken begannen, sonst wurden die Positionen von der Bank auto- <?page no="102"?> 5.4 Der Börsenboom und -crash von 1929 101 matisch verkauft. Im Zuge der ausschweifenden Kreditvergabe begannen Brokerhäuser, selbst Kredite für den Aktienerwerb bereitzustellen. So stiegen die ausstehenden Kredite von USD 3,5 Mrd. Ende 1927 auf USD 7,0 Mrd. bis zum Sommer 1929. Zunächst erhielten die Kreditgeber 5 Prozent Verzinsung p.a.; in Folge der hohen Nachfrage wurden jedoch zwischenzeitlich bis zu 12 Prozent gezahlt (vgl. Forbes, 2009, S. 106 f.). Im Weiteren erfolgte die Gründung zahlreicher Fondgesellschaften, welche breite Bevölkerungsschichten an den steigenden Aktienkursen teilhaben ließen. 1928 wurden 186 Aktienfonds neu aufgelegt, die jeweils auf starke Nachfrage stießen. Zwei Jahre später betrug die Zahl der Fondsgesellschaften bis zu 750. Das starke Interesse an den Fondsgesellschaften lässt sich am Volumen des verwalteten Kapitals verdeutlichen. 1927, als die Fondsgesellschaften ihre Tätigkeit aufnahmen, sammelten sie bis USD 440 Mio. für Aktienanlagen. 1929 waren die Einzahlungen in die Fonds auf schätzungsweise USD 3 Mrd. angestiegen. Phase 4 - Kritische Phase Die kritische Phase begann, als die amerikanische Zentralbank die Leitzinsen (Fed Funds Rate) sukzessive erhöhte, um die ausufernde Kreditvergabe zu begrenzen. Bis 1929 wurden die Leitzinsen um insgesamt 2,5 Prozentpunkte auf 6,5 Prozent erhöht. Auch die Geschäftsbanken wurden aufgefordert, ihre Kreditvergaben zu beschränken. <?page no="103"?> 102 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Die Kreditvergabe hielt zunächst jedoch an, da ausländische Banken und private Investoren weiterhin bereit waren, Kredite für die Finanzierung von Aktienanlagen bereitzustellen. Erst als auch die restlichen Kreditgeber von der Annahme ausgingen, dass die Investitionen in Aktien keinen sicheren Ertrag in der Zukunft bedeuten müssen, erhöhten diese die Kreditzinsen und erschwerten die Aufnahme von Krediten. Phase 5 - Abscheu Der am 24. Oktober beginnende Börsencrash ereignete sich, ohne dass ein exakter Grund für die Abwärtsbewegungen genannt werden könnte. Die Entwicklung der folgenden Tage verdeutlicht vielmehr eine irrationale Überreaktion, die eingeleitet wurde, als die Marktteilnehmer begannen, ihre fremdfinanzierten Aktienpakete abzustoßen. So setzte die Massenhysterie ein, weil es keinen Käufer mehr gab, die bereit waren, die Aktien zu kaufen. Trotz Stützungskäufe seitens institutioneller Investoren brachen die Aktienkurse in den nachfolgenden Tagen stark ein. Am Dienstag, dem 29. Oktober 1929, erreichte die Verkaufswelle ihren Höhepunkt. In der ersten halben Stunde des Handels wechselten 3,2 Mio. Aktien ihren Besitzer. An diesem Tag wurden die gesamten Gewinne eines Jahres vernichtet. Es wurden bis zu 16 Mio. Aktien innerhalb eines Tages verkauft. Einige Aktien mit zuvor dreistelligen Kursen finden erst für einen oder für zwei Dollar einen Abnehmer. Drei Jahre <?page no="104"?> 5.5 Die Dotcom-Spekulationsblase ab 1997 103 später sind 89 Prozent der im Jahr 1929 in der Spitze erreichten Marktkapitalisierung vernichtet. Als Reaktion auf den Börsencrash wurde die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde Securities Exchange Commission (SEC) gegründet. Wegen des drastischen Rückgangs des Kreditgeschäfts gingen zwischen 1929 und 1933 rund 40 Prozent der amerikanischen Banken pleite. In der Folge der nun einsetzenden Wirtschafskrise brach der Konsum ein. Daraufhin stieg die Arbeitslosigkeit stetig an und die Steuereinnahmen gingen zurück. In Deutschland versuchte der damalige Reichskanzler Heinrich Brüning, trotz der schwindenden Steuereinnahmen einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Er kürzte die Sozialleistungen und die öffentlichen Aufträge. Der Wirtschaftsabschwung verschärfte sich dadurch und resultierte im Winter 1932/ 33 in mehr als 6 Mio. Arbeitslosen Menschen alleine in Deutschland (vgl. FAZ, 2008d). 55..55 DDiiee DDoottccoomm--SSppeekkuullaattiioonnssbbllaassee aabb 11999977 Die letzte Spekulationsblase des alten Jahrtausends begann mit der Kommerzialisierung des Internets. Der Glaube an die Ertragskraft des neuen Vertriebskanals Internet ließ die Marktteilnehmer (Anleger, Banken, Unternehmen) euphorisch werden. Unternehmen, die ihre Geschäftsstrategie auf das Internet, die Mobiltelekommunikation bzw. Technologie ausrichteten, wur- <?page no="105"?> 104 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart den fortan als New Economy bezeichnet. Unternehmen, die mit dem Internet keine Berührung hatten, wie z.B. Thyssen-Krupp, gehörten dagegen zur Old Economy. Die Dotcom-Spekulationsblase war gekennzeichnet von Jungunternehmen ohne ein rentables Geschäftsmodell, die jedoch am Markt oft höher bewertet waren als Unternehmen der Old Economy mit kontinuierlicher Ertragskraft. Dass die meisten Unternehmen kein rentables Geschäftsmodell hatten, machte die Dotcom Blase nicht per se fragwürdig. Es waren vielmehr die betrügerischen Machenschaften einzelner Unternehmen, die durch Bilanz- und Umsatzbetrug von der Euphorie der Massen profitieren wollten. (vgl. Thielmann, 2014). Phase 1 - Verlagerung Die erste Phase begann bereits Anfang bis Mitte der 1990er Jahre, als das Internet als Kommunikationsmedium langsam der breiten Öffentlichkeit zugänglich wurde. Unternehmen erkannten die vielversprechenden Absatzmöglichkeiten im Internet und begannen, die Infrastruktur auszubauen. In diesem Sinne wurden immense Investitionen in die Telekommunikationstechnologie gesteckt, wodurch die Spekulationsblase sich nicht nur auf Unternehmen mit künftiger Absatztätigkeit im Internet beschränkte, sondern auch auf Unternehmen übersprang, welche die Technologie entwickelten. <?page no="106"?> 5.5 Die Dotcom-Spekulationsblase ab 1997 105 Phase 2 - Kreditschaffung Die Deutsche Börse richtete 1997 nach dem Vorbild der amerikanischen Technologiebörse Nasdaq das Segment „Neuer Markt“ ein. In diesem Segment wurden Unternehmen aus dem Bereich Technologie, Telekommunikation und Biotech gelistet. Die zweite Phase stand im Zeichen der zunehmenden medialen Berichterstattung über die steigenden Kursnotierungen. Die soziale Ansteckung durch das Boom-Denken begann sich auszubreiten. Unternehmen refinanzierten sich zu besonders günstigen Zinskonditionen von ca. 3 Prozent (Federal Funds Rate 1995). Diese im historischen Vergleich niedrigen Leitzinsen zeigten sich erneut als ein wichtiger Katalysator in der Entstehung einer Spekulationsblase. Die zweite Phase war zudem gekennzeichnet von zunehmender Investitionstätigkeit der Unternehmen aufgrund der Sorge bezüglich des Y2K- Bugs. Y2K stand dabei für das Jahr 2000 und die Sorge, dass die damals genutzte Software nicht in der Lage sein könnte, korrekt auf das Jahr 2000 umzuschalten. Um entsprechende Risiken eines Zusammenbruches der Systeme zu verhindern, wurden gewaltige Investitionen angestoßen. Im Umfeld des Jahrtausendwechsels erkannten zahlreiche Unternehmen, die im Internet unbegrenztes Ertragspotenzial sahen, ihre Chance. Die Zahl der Börsengänge von Unternehmen der New Economy stieg. Immense Umsatzsteigerungen mit traumhaften Umsatzrenditen wurden den Anlegern in Aussicht gestellt. Am 1. Juli 1999 wurde zudem der Nemax 50 als Index bestehend aus den 50 nach Markt- <?page no="107"?> 106 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart kapitalisierung und Börsenumsätzen größten Titeln eingeführt. Der Nemax All Share beinhaltete alle gelisteten Unternehmen. Phase 3 - Euphorie Die mediale Berichterstattung sowie erste signifikante Kursgewinne weckten bei zahlreichen Unternehmern den Wunsch auf einen Börsengang. Die Unternehmen konnten sich unproblematisch über die Banken finanzieren, die wiederum an einem erfolgreichen Börsengang mit entsprechenden Kursgewinnen interessiert waren. Bis zum Jahresende 1999 stieg die Zahl der am Nemax All Share gelisteten Aktiengesellschaften auf mehr als 200. Die Marktkapitalisierung stieg auf 111 Milliarden Euro. Binnen der nächsten drei Monate verdoppelte sich die Marktkapitalisierung nochmals. Bis zum Höhepunkt im März 2000 verzehnfachte sich der Nemax 50 - innerhalb von zwei Jahren (vgl. Abb. 8). Die starken Kurssteigerungen blieben nicht auf den eigens für Unternehmen mit Technologiebezug gegründetem Aktienindex, dem Nemax, beschränkt. So wurde auch der DAX nach oben getrieben. Die Kurssteigerungen basierten hier jedoch hauptsächlich auf den damaligen Technologie-/ Telekommunikationsunternehmen Siemens, Mannesmann, SAP oder Deutsche Telekom. <?page no="108"?> Abb. 8: Extreme Kurssteigerung am Beispiel des Nemax 50; FactSet Am Höhepunkt der Euphorie brachte Siemens seine Tochtergesellschaft Infineon - tätig im Bereich der Herstellung von Computerchips - an den Markt. Am 13. März 2000 wurden 174 Millionen Aktien zu 35 Euro an die Börse gebracht bzw. emittiert. Die Anleger waren von den Aktienemissionen geradezu begeistert. Der Börsengang galt insbesondere in dieser Phase als ein Garant für erhebliche Kursgewinne am ersten Tag bzw. den ersten Tagen nach der Emission. Kursverdopplungen waren eher die Regel als die Ausnahme. So kletterte der Kurs der Infineon-Aktie am ersten Handelstag von 35 Euro auf rund 85 Euro. Entsprechend der enormen Kurssteigerungen waren die Anleger versucht, bei jeder Emission dabei zu sein, 5.5 Die Dotcom-Spekulationsblase ab 1997 107 Extreme Kurssteigerung am Beispiel des Nemax 50 <?page no="109"?> 108 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart und hofften auf eine Zuteilung der Aktien. Die ausgegebenen Papiere waren daher oft vielfach überzeichnet. Im Fall der Infineon-Aktie hätten statt 174 Million Aktien 5,7 Milliarden Infineon-Aktien verkauft werden können. Die Anleger achteten in dieser Phase des Booms in keiner Weise auf eine grobe Überprüfung des Geschäftsmodells bzw. auf die Durchführung einer Fundamentalanalyse. Teilweise war den Anlegern lediglich der Name der Aktien bekannt, die sie erwerben wollten/ erworben hatten. Die Börsengänge haben nicht nur die eingangs erwähnten Marktteilnehmer direkt von den Kurssteigerungen profitieren lassen, sondern haben auch indirekt zu erheblichen Umsätzen und Erträgen bei den Banken geführt. Millionen Kleinanleger eröffneten im Zuge der Zeichnung von Wertpapieren erstmals ein Depot bei ihrer Hausbank. Die Euphorie der Anleger für Unternehmen der New Economy lässt sich durch den Vergleich der Bewertung zweier Unternehmen aus der Old bzw. New Economy sehr gut verdeutlichen. So wiesen Thyssen Krupp und EM.TV (Filmrechtehändler) am 14. Februar 2000 ein Marktwert von knapp 14 Milliarden Euro auf. Thyssen Krupp beschäftigte fast 200.000 Mitarbeiter, erzielte 1999 einen Jahresumsatz von ca. 32 Milliarden Euro und schüttete Dividenden von 368 Millionen Euro aus. EM.TV auf der anderen Seite hatte einen Umsatz von lediglich 320 Millionen Euro, rund 3000 Mitarbeiter und keinen Gewinn (vgl. FAZ, 2008a). <?page no="110"?> 5.5 Die Dotcom-Spekulationsblase ab 1997 109 Phase 4 - Kritische Phase Die kritische Phase begann im Frühjahr 2000, als Anleger den Bewertungen der Unternehmen zunehmend misstrauten. Die Quartalsergebnisse im Frühjahr ließen erkennen, dass immer mehr Unternehmen ihre hochgesteckten Wachstumserwartungen nicht erfüllen konnten. Zunehmend kursierten erste „Todeslisten“ mit den Unternehmen, die von der Zahlungsunfähigkeit bedroht sein könnten. Diese Entwicklung war nicht verwunderlich, da die Mehrzahl der Unternehmen der „New Economy“ nicht einmal nennenswerte Umsätze generierten. Zudem waren in den USA die Leitzinsen gestiegen, die sich mittlerweile wieder bei ca. 6 Prozent befanden. Sehr häufig ist eine Trendumkehr bei steigenden Leitzinsen zu beobachten. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Unternehmen durch die erhöhten Kreditkosten weniger Fremdkapital für die Finanzierung ihrer Expansionspläne nachfragen können. Durch die Drosselung der wirtschaftlichen Aktivität soll von Seiten der Notenbank der steigenden Inflation begegnet werden. Die Anleger verloren auch zunehmend das Interesse an der Zeichnung von Aktien, da sie mittlerweile oft alle gezeichneten Aktien zugeteilt bekamen. Die volle Zuteilung erwies sich als problematisch, da die meisten Anleger in der Regel wesentlich mehr Aktien gezeichnet hatten, als sie eigentlich zugeteilt bekommen wollten; dies noch aus der Erfahrung früherer heißumkämpfter Börsengänge. Emissionsgewinne flachten ab <?page no="111"?> 110 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart und die Kurse sanken angesichts zunehmender Verkaufsaufträge direkt nach der Zuteilung zuviel gezeichneter Wertpapiere. Phase 5 - Abscheu Die letzte Phase der Dotcom-Spekulationsblase war gekennzeichnet von herben Kurseinbrüchen infolge des Bekanntwerdens von manipulierten Geschäftszahlen einiger Unternehmen. So konnte bei Comroad (Navigationstechnik) nachgewiesen werden, dass die Umsätze fast komplett erfunden waren. Der Vorstandsvorsitzende Bodo Schnabel wurde wegen Kursbetrugs, Insiderhandels und gewerbsmäßigen Betrugs zu sieben Jahren Haft verurteilt. Die Strafe wurde im Zuge von Revisionsverhandlungen später in einen Vergleich umgewandelt. Geplatzte Spekulationsblase um die Jahrtausendwende - Nemax 50 Abb. 9: Kursentwicklung Nemax 50, 1997-2005; FactSet '97 '98 '99 '00 '01 '02 '03 '04 '05 0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 9.000 10.000 553.53 Nemax 50 307 9.603 (97%) <?page no="112"?> 5.6 Die US-Subprime-Kreditkrise ab 2007 111 Der Absturz der Notierungen ging fast genauso schnell wie die Kursexplosion zur Jahrtausendwende. Der Nemax 50 fiel innerhalb von 33 Monaten auf ein Zehntel. Er wurde im März 2003 eingestellt und im Dezember 2004 vom neuen Börsenindex TecDax, der aus nunmehr 30 Werten besteht, vollständig abgelöst. Die Aktienkurse zahlreiche Unternehmen notierten nur noch bei wenigen Cent. Im Zuge des drastischen Kursverfalls fiel auch der DAX von mehr als 8000 Punkten im März 2000 auf lediglich 2188 Punkte im März 2003. 55..66 DDiiee UUSS--SSuubbpprriimmee--KKrreeddiittkkrriissee aabb 22000077 Die erste, in ihren Nachwirkungen auch 2017 noch spürbare, Spekulationsblase des neuen Jahrtausends resultierte aus den weltweit steigenden Immobilienpreisen, verursacht u.a. durch die Bereitstellung von billigem Zentralbankengeld im Zuge der geplatzten Dotcom-Spekulationsblase. So entwickelte sich die Subprime-Krise, begriffsbezeichnend für die Gewährung von Immobilienkrediten an Schuldner mäßiger Bonität, seit 2007 zunächst auf dem US-amerikanischen Markt. Die Krise begann zunächst als eine Bankenkrise, ausgelöst von zahlungsunfähigen Immobilienschuldnern. Sie entwickelte sich anschließend zu einer globalen Finanzkrise, wovon insbesondere Europa stark betroffen war. Vor einigen Jahren wären viele Marktteilnehmer davon ausgegangen, dass die Fortschritte in der Entwicklung von Finanzprodukten sowie die gegebene Finanz- <?page no="113"?> 112 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart marktregulierung schwere Finanzkrisen vermeiden würden. Die Entwicklung seit 2007 scheint diese Denkweise zu widerlegen. Zeichen für die herannahende Krise gab es verstärkt in Form inflationärer Immobilienpreise, steigender Fremdkapitalverschuldung bei Immobilienerwerb bzw. dem zunehmenden Außenhandelsdefizit als Zeichen steigender Auslandsverschuldung insbesondere im Falle der USA (vgl. Reinhart/ Rogoff 2009, S. 200). Phase 1 - Verlagerung Das rechtliche Fundament für die Subprime-Krise wurde bereits in den 1980er Jahren gelegt. Die Verabschiedung des Depository Institutions Deregulation and Monetary Control Act (DIDMCA) sowie des Alternative Mortgage Transaction Parity Act (AMTPA) haben maßgeblich zur Gewährung von Subprime-Krediten geführt. Diese Kredite waren vielfach durch Lockvogelangebote gekennzeichnet, die zunächst keine Tilgung vorsahen. Die Immobilienkredite hatten eine variable Verzinsung, die nach einer festgelegten Laufzeit zur Prolongation anstand. So wurde durch den DIDMCA die Kreditaufnahme für Schuldner niedrigerer Bonität ermöglicht. Zusätzlich legalisierte der 1982 verabschiedete AMTPA die Vergabe von Hypothekenkrediten mit einer variablen Verzinsung und hohen Bearbeitungsgebühren (vgl. Eustermann, 2010, S. 21). <?page no="114"?> 5.6 Die US-Subprime-Kreditkrise ab 2007 113 Sinkende Leitzinsen als Erste-Hilfe-Maßnahme nach geplatzten Blasen, jedoch auch Ursache für neue Finanzmarktblasen Abb. 10: Entwicklung US-Leitzinsen (Federal Funds Rate) zwischen 1996 und 2016; FactSet Zusätzlich wurden die Konditionen für die Vergabe von Hypothekenkrediten durch drastisch gesenkte Leitzinsen der US-Notenbank FED verbessert. Im Rahmen der geplatzten Dotcom-Blase im März 2000 und insbesondere nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sanken die Leitzinsen von ursprünglich 6,5 Prozent auf 1 Prozent bis Mitte 2004 (vgl. Abb. 10). Der Subprime-Markt wuchs exponentiell und die Vergabe von Subprime-Krediten schien hoch profitabel für die beteiligten Kreditinstitute. Marktteilnehmer zogen sich vom Aktienmarkt zurück und wandten sich dem Immobilienmarkt, seit 1990 durch steigende Preisentwicklung gekennzeichnet, zu. Im Zuge der massiven Ausweitung der Liquidität <?page no="115"?> 114 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart durch die gesenkten Leitzinsen wurde Baugeld zu günstigen Konditionen angeboten. Durch die zunehmende Inanspruchnahme der Kredite und entsprechenden Bauvorhaben stiegen die Immobilienpreise in den USA weiter an. Phase 2 - Kreditschaffung Kreditinstitute suchten im Rahmen der neuen Möglichkeiten nach renditestarken Anlageoptionen. Unzureichende regulatorische Kontrollen, fehlende Hürden in der Kreditvergabe sowie Aufweichungen der Qualitätsstandards der Banken ermöglichten die massive Vergabe von Krediten an Schuldner mit keinerlei Eigenkapital für die beabsichtigte Immobilienfinanzierung. Als Sicherheit wurde ausschließlich die zu finanzierende Immobilie zugrunde gelegt. Mit fortlaufend steigenden Immobilienpreisen sollte der Kredit bei einer künftigen Veräußerung der Immobilie problemlos zurückgezahlt werden. Die mediale Berichterstattung führte zur bereits erwähnten sozialen Ansteckung durch das Boom-Denken der Gesellschaft. Durch die Suche nach Anlageprodukten für institutionelle Investoren sowie zur weiteren Kreditschöpfung durch die Hypothekenbanken wurden die Kreditverpflichtungen in mehreren Tranchen verbrieft und an Investoren weiterverkauft. Auf diese Weise entstanden strukturierte Produkte in Form von MBS (Mortgage Backed Securities) sowie CDO (Collateral Debt Obligations). Diese hochkomplexen Finanzprodukte enthielten Darlehensforderungen von Schuldnern mit unter- <?page no="116"?> 5.6 Die US-Subprime-Kreditkrise ab 2007 115 schiedlicher Bonität. Nach Bündelung der Schuldtitel wurden diese institutionellen Investoren angeboten. Die Ratingagenturen bewerteten viele entsprechende Produkte lange Zeit mit der höchsten Bewertungsnote. Phase 3 - Euphorie Die Marktteilnehmer wurden hinsichtlich der Wertsteigerungsaussichten ihrer Immobilien zusehends euphorisch. Immobilien wurden zunehmend mit dem Ziel erworben, diese innerhalb kürzester Zeit wieder zu veräußern. Diese auch als „House-flipping“ bezeichnete Vorgehensweise führte zur massiven Steigerung der Immobilientransaktionen und auch der -preise. Die euphorische Stimmung unter den Marktteilnehmern kann besonders gut am S&P/ Case-Shiller U.S. National Home Price Index abgelesen werden (vgl. Abb. 11). Der kumulierte Preisanstieg von 1996 bis zum Höhepunkt betrug immerhin 92 Prozent. Im Vergleich zur Entwicklung vor der Kreditblase, im Zeitraum zwischen 1890 und 1996, wird der immense Anstieg der Immobilienpreise deutlich. In diesem Zeitraum von annähernd 100 Jahren betrug der Preisanstieg real lediglich 27 Prozent. Der Preisanstieg betrug allein im Jahr 2005 13,5 Prozent - dies entspricht dem vier-fachen des USamerikanischen Wirtschaftswachstums für das Jahr 2005. Weiterhin kennzeichnend für die dritte Phase war das „This time is different“-Syndrom, wobei sich auch der damalige Notenbank Chef A. Greenspan unter den Befürwortern verbriefter Kreditansprüche befand. Nach <?page no="117"?> 116 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart seiner Meinung würden sie nicht nur die Risikoallokation fördern, sondern auch die Illiquidität der Vermögensklasse Immobilien stark verringern. Folglich wären steigende Preise der risikobehafteten Anlagen als auch die steigenden Gewinne der beteiligten Banken als Resultat innovativer Produkte gerechtfertigt. Die zunehmende Bedeutung der beteiligten Banken am Verbriefungsgeschäft ist im Weiteren am Verhältnis ihrer Ertragsentwicklung zum BIP erkennbar. In den 1970er Jahren trugen Kreditinstitute noch 4 Prozent zum BIP bei, 2007 wuchs deren Anteil bereits auf 8 Prozent (vgl. Reinhart & Rogoff, 2009, S. 207). Entwicklung U.S.-Immobilienpreise mit rezessiven Perioden Abb. 11: S&P/ Case-Shiller U.S. National Home Price Index 1986-2016; FactSet <?page no="118"?> 5.6 Die US-Subprime-Kreditkrise ab 2007 117 Phase 4 - Kritische Phase Als Auslöser der Krise kann die Schieflage zweier Bear- Stearns-Fonds Mitte 2007, die sich am Subprime-Markt verspekuliert haben, angesehen werden. Es zeigten sich erste Zeichen der herannahenden Finanzkrise durch die Zunahme von Kreditausfällen im Bereich Subprime-Hypotheken-Kredite. Krisenverstärkend können die nun zunächst leicht sinkenden Immobilienpreise angeführt werden (vgl. Abb. 11). Die US-Notenbank erhöhte aus Sorge vor einer konjunkturellen Überhitzung ihre Leitzinsen von ursprünglich 1 Prozent im Jahr 2004 auf 5,25 Prozent im Jahr 2006. Sinkende Immobilienpreise auf der einen Seite und zunehmend steigende Kreditzinsen auf der anderen Seite führten zu gravierenden Ausfällen auf Seiten der Kreditschuldner. In der Folge gerieten Baufinanzierer wie Fannie Mae und Freddie Mac in heftige Turbulenzen, Investmentbanken mussten massive Abschreibungen in ihren Bilanzen vornehmen. Waren zunächst nur US-Immobilienfonds betroffen, hatte sich die Subprime-Krise bis 2008 auch auf Europa ausgeweitet. In Deutschland mussten viele Kreditinstitute, u.a. die Hypo Real Estate, die IKB Mittelstandsbank und auch Landesbanken (Sachsen und Baden- Württemberg) mit mehreren Mrd. EUR vom Steuerzahler gerettet werden. Infolge sich ausweitender Kreditausfälle entstand eine Vertrauenskrise unter den Banken. Spätestens mit der Insolvenz von Lehman Brothers im Herbst 2008 wurde das Vertrauen unter den Banken erheblich beschädigt. <?page no="119"?> 118 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Der Interbankenmarkt trocknete zunehmend aus, mit der Folge, dass sich Kreditinstitute untereinander kaum Geld liehen. Die Vertrauenskrise am Interbankenmarkt lässt sich durch den TED-Spread (Treasury Bill Eurodollar Difference) am effektivsten darstellen (vgl. Abb. 12). Dieser gibt die Differenz zwischen dem Zinssatz des Dreimonats-LIBOR (London Interbank Offered Rate) für das Interbankengeschäft und der dreimonatigen US Treasury Bills (Schatzwechsels) an. Notierte der TED-Spread im Juni 2006 noch bei 55 Basispunkten bzw. bei 0,55 Prozent, erreichte der Ted-Spread im Oktober 2008 seinen Höhepunkt bei 4,64 Prozent. Die große Differenz ergab sich aus dem starken Anstieg des LIBOR auf 4,75 Prozent und dem starken Rückgang der Treasury Bills. Der Risikoaufschlag, den Banken untereinander verlangten, erreichte somit fast 5 Prozent! Der Interbankenmarkt wurde in Relation zum US-Treasury-Markt sehr teuer, so dass mehrheitlich in staatliche Papiere investiert und Eurodollar verkauft wurde. Phase 5 - Abscheu Die Subprime-Krise hatte ihren Höhepunkt schließlich im Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008. Die Vertrauenskrise war nicht nur im Interbankenmarkt zwischen den Kreditinstituten zu spüren, sie weitete sich auch zunehmend auf die Kreditvergabe mit Firmenkunden und Privatkunden aus. Aufgrund der asymmetrischen Informationsverteilung, die den <?page no="120"?> 5.6 Die US-Subprime-Kreditkrise ab 2007 119 Ted-Spread zeigt Vertrauenskrise im Interbankenhandel im Herbst 2008 Abb. 12: TED-Spread 2004-2016; FactSet Banken zunehmend die Beurteilung der tatsächlichen Lage der Antragsteller erschwerte, wurde die Kreditvergabe drastisch eingeschränkt. Darüber hinaus führte die zunehmende Sorge um die Ersparnisse der Bankkunden zu ersten Bank Runs. So erlebte die britische Bank Northern Rock im September 2008 einen Bank Run, wobei Kunden der Bank innerhalb kürzester Zeit bis zu 1 Mrd. britische Pfund von ihren Konten abzogen. Um die Risiken weiterer Bank Runs einzudämmen, sah sich die deutsche Bundesregierung im Oktober 2008 gezwungen, eine Staatsgarantie für alle Spareinlagen privater Anleger abzugeben. <?page no="121"?> 120 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Die starke Verunsicherung hatte im Weiteren eine gravierende Auswirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung. So sank zum Beispiel in Deutschland das reale BIP im Jahr 2009 um 5,1 Prozent. Charakteristisch kann die letzte Phase einer schwerwiegenden Finanzkrise, wie die hier betrachtete, nach Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart durch die drei nachfolgenden Eigenschaften beschrieben werden (vgl. Reinhart/ Rogoff 2009, S. 224):  Starke und anhaltende Wertminderung der betroffenen Vermögenswerte - Einbruch der Immobilienpreise um bis zu 35 Prozent über einen Zeitraum von sechs Jahren bzw. 56 Prozent der Wertpapierpreise (Aktien) über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren.  Stark zunehmende Arbeitslosigkeit mit ebenso stark sinkender Produktivität - Im Durchschnitt steigt während der Abschwungphase (in der Regel vier Jahre) die Arbeitslosigkeit um sieben Prozentpunkte. Die Produktivität fällt um bis zu acht Prozentpunkte, wobei hier von einer Dauer von zwei Jahren ausgegangen wird. Diese Erscheinung ist in der gegenwärtigen Finanzkrise am deutlichsten in den peripheren EU-Staaten Spanien und Griechenland zu beobachten.  Stark steigende öffentliche Verschuldung - Die Analyseergebnisse von Reinhart und Rogoff offenbarten einen Anstieg der öffentlichen Verschuldung in den betroffenen Ländern um durchschnittlich 86 Prozent. Dieser Prozentsatz konnte in der Regel <?page no="122"?> 5.6 Die US-Subprime-Kreditkrise ab 2007 121 während der letzten Finanzkrisen seit dem 2. Weltkrieg gemessen werden. Hier spielen nicht nur die Rettungsversuche mit Steuergeldern eine Hauptrolle, sondern auch die ausbleibenden Steuereinnahmen aufgrund der nachlassenden Industrieproduktion. Erschwerend wirken sich hier die steigenden Refinanzierungskosten der betroffenen Länder aus (siehe am Beispiel peripherer EU-Länder). Die Subprime-Kreditkrise führte vor Augen, dass die Ursachen der Krise sowohl mikroals auch makroökonomischer Natur sein können. Auf der mikroökonomischen Seite zählt die fehlende Transparenz im Verbriefungsprozess, eine unverantwortliche Kreditvergabepraxis sowie die hohe Komplexität strukturierter Produkte, die eine adäquate Risikobewertung unmöglich machten, zu den Auslösern der Krise. Auf der makroökonomischen Seite zählt die zu expansive Geldpolitik nach dem Platzen der der Dotcom- Blase und den Anschlägen vom 11. September zu den Kernursachen der Krise. Die überschüssige Liquidität fand zunehmend ihren Weg in die Aktien- und Immobilienmärkte. Globale Leistungsbilanzdefizite und eine negative US-Sparquote in den Jahren 2005 und 2006 signalisierten, dass die Gesellschaft über ihre Verhältnisse lebte. Als Reaktion und als Versuch die Krise einzudämmen, haben die Notenbanken weltweit Milliarden in die Finanzmärkte gepumpt und ihre Leitzinsen drastisch gesenkt. So senkte die EZB binnen zwei Jahren zwischen <?page no="123"?> 122 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart 2007 und 2009 die Leitzinsen von 4 Prozent auf 1 Prozent, die Bank of England von 5,75 Prozent auf 0,5 Prozent und FED von 5,25 Prozent auf 0,25 Prozent. Darüber hinaus versuchte die Europäische Union, durch den Euro-Rettungsschirm (EFSF/ temporär, ESM/ dauerhaft) die Ausbreitung der Wirtschaftskrise in peripheren Euro-Ländern wie Griechenland, Irland, Portugal einzudämmen (vgl. Eustermann, 2010, S. 22 ff.). <?page no="124"?> 6 Multiple Spekulationsblasen nach der Subprime Kreditkrise (ab 2012)? Nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA und Europa 2008 und den dadurch hervorgerufenen Instabilitäten in zahlreichen Ländern, insbesondere in Europa, haben weltweit Notenbanken als lender of last resort die Versorgung der Volkswirtschaften mit Liquidität zur Hauptaufgabe erklärt. War die Zielsetzung unmittelbar nach der Krise als auch in den Folgejahren die Wiederherstellung des Vertrauens unter den Banken, um sich gegenseitig wieder Fremdkapital zu leihen, wurde sie ab etwa 2013 die Abwendung einer sich immer mehr abzeichnender Deflation. Konnten die Notenbanken in der Vergangenheit mit Zinssenkungen gegen deflationäre Tendenzen entgegenwirken, bestand diese Möglichkeit in Folge der jahrelangen Liquiditätsinjektionen (Quantitative Easing) kaum mehr. Bislang kaum praktizierte Maßnahmen wie die der negativen Einlagenzinsen werden angewendet, um die Kreditvergabe aber auch die Inflation anzukurbeln. Die Maßnahmen der Notenbanken haben die einzelnen Assetklassen in unterschiedlicher Art und Weise beeinflusst. Entwickelten sich seit dem Tiefpunkt der Subprime Hypothekenkrise im März 2009 die Assetklassen zunächst mehrheitlich nach oben, fielen seit 2011 die Notierungen von Gold und der chinesischen CSI 300. <?page no="125"?> 124 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Assetklassen im Bann der Politik der Notenbanken - Überblick Abb. 13: Renditeentwicklung verschiedener Assetklassen (indexiert, 10 Jahre); FactSet Seit Anfang 2014 fließt zudem massenhaft Liquidität in die Bondmärkte. Unternehmen emittieren für die Übernahme anderer Unternehmen vermehrt Bonds. Für die Blasenbildung in einer Assetklasse spielt der Grad der Fremdfinanzierung eine entscheidende Rolle - weshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Sommer 2016) im Bereich der Staats-/ Unternehmensanleihen eine Blasenbildung in Erwägung gezogen wird. Phase 1 - Verlagerung Nach dem Zusammenbruch der Investment Bank Lehman Brothers in 2008, haben die Notenbanken die Leitzinsen drastisch bis hin zur 0-Linie gesenkt. Diese <?page no="126"?> 6 Multiple Spekulationsblasen nach der Suprime Kreditkrise 125 Maßnahme hat zu einer Beruhigung der Märkte ab März 2009 geführt und die weltweiten Aktienmärkte wieder steigen lassen. Die um sich greifende Finanzkrise der Staatsverschuldung zog nach 2009 nacheinander europäische Peripherieländer wie Griechenland, Spanien, Portugal, aber auch Irland in den Strudel. Es bestand nicht nur die Gefahr von Staatspleiten, sondern auch die eines auseinanderbrechenden Euro-Raumes. Als ein sogenanter Game Changer kann im Rückblick die Aussage von EZB Präsident Mario Draghi im Juli 2012 eingestuft werden: „Within our mandate, the ECB is ready to do whatever it takes to preserve the euro. And believe me, it will be enough“ (Mario Draghi, 26. Juli 2012, London). Mit dieser Ankündigung ließ die bis dahin andauernde Spekulation gegen europäische Peripherieländer auf einen Schlag nach. Die Renditen für 10-Jährige Anleihen sanken nachhaltig und die weltweiten Aktienmärkte erholten sich bzw. erklommen im Zuge der nachfolgenden Aktivitäten der Notenbanken neue Höchststände. Auf der Suche nach „sicheren Häfen“ aber auch aus Renditegesichtspunkten wurden neben Staatsanleihen der europäischen Peripherieländer auch die von Deutschland stark nachgefragt. Im Nachhinein gilt deshalb dieser 26. Juli 2012 als ein Wendepunkt in der bis dahin grassierenden Finanzkrise, welche zunehmend die Peripherieländer von der Fremdfinanzierung über die Kapitalmärkte ausschloss. <?page no="127"?> 126 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Der Einfluss der Notenbanken auf die Aktienmärkte ist auf den zweiten Blick durchaus unterschiedlich. In der nachfolgenden Abbildung wird ersichtlich, dass insbesondere der griechische Aktienmarkt die Underperformance zu den übrigen europäischen Märkten nicht aufholen konnte. Die Aussage von Mario Dragi ließ zwar den FTSE Greece 25 steigen, dieser fiel jedoch im Zuge der Verschuldungskrise seit Mitte 2014 erneut stark zurück. Unterschiedlicher Einfluss der Notenbanken auf die Aktienmärkte Abb. 14: Europäische und US Aktienmarktentwicklung (indexiert, 10 Jahre); FactSet Phase 2 - Kreditschaffung Neben der Senkung der Leitzinsen haben die als Quantitative Easing bezeichneten Programme der amerikanischen Notenbank zur künstlichen Erhöhung der Geld- <?page no="128"?> 6 Multiple Spekulationsblasen nach der Suprime Kreditkrise 127 menge geführt. Die insgesamt 5 Programme (3 Hauptprogramme mit Verlängerungen) hatten die Zielsetzung, US-Staatsanleihen sowie Mortage Backed Securities zu erwerben. Die dadurch geschaffene Liquidität wurde jedoch von den Banken nicht sofort an die Konsumenten in Form von Krediten weitergereicht, sondern als Excess Liquidity bei der Notenbank geparkt. Die überschüssige Liquidität wurde aufgrund mangelnder realwirtschaftlicher Renditemöglichkeiten mehr und mehr für den Erwerb von Wertpapieren, Immobilien und weiteren Anleihen verwendet. Durch den Aufkauf von Anleihen und MBS seitens der Notenbank wurde die Rendite durch die zusätzliche Nachfrage weiter gesenkt. Dies führte zur Senkung des realen Zinssatzes (unter Berücksichtigung der Inflation), wodurch die Konsumentenkredite erschwinglicher wurden. Hier wird die Problematik der sinkenden Zinsen auf Spareinlagen sichtbar. Sparer erhalten immer weniger Zinsen für ihre Sparanstrengungen, wobei Kreditnehmer zur Aufnahme von Fremdkapital mit günstigeren Zinsen animiert werden. Durch die gesunkenen Zinsen sollte mittelfristig die Wirtschaftsentwicklung und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen gefördert werden. Nach einer Analyse des Wirtschaftsmagazins Forbes im Jahr 2015 sind die Ergebnisse aus der Anwendung der Quantitative Easing Programme zweischneidig. Zum einen werden die positiven Entwicklungen dargestellt: So ging der frühere US-Notenbankpräsident Ben Bernanke nach einem BBC-Bericht von 2 Mio. neu <?page no="129"?> 128 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart geschaffener Arbeitsplätze im privaten Sektor und einer Erhöhung der Wirtschaftsaktivität um 3 Prozent aus. Zum anderen werden aber auch die negativen Auswirkungen beziffert - so geht die Swiss Re davon aus, dass die Notenbankpolitik alleine US-Sparern bis zu 470 Mrd. USD gekostet hat. In einer anderen Studie beziffert McKinsey den Verlust mit 360 Mrd. USD (vgl. Forbes, 2015). Die Maßnahmen des Quantitative Easings waren jedoch nicht nur auf die US Wirtschaft beschränkt. Die Möglichkeit, Kredite zu extrem günstigen Konditionen aufnehmen zu können, hat dazu geführt, dass ein Teil der Liquidität seinen Weg in ausländische Wirtschaften und Währungen suchte und fand. So verteuerten sich die Währungen von aufstrebenden Staaten, da dort eine höhere Verzinsung lockte. Die asiatischen Notenbanken reagierten auf diese Entwicklung und senkten ihrerseits ab 2012 die Leitzinsen erheblich, um der Aufwertung ihrer Währungen entgegen zu treten. Die Ausweitung der Geldmenge über die Zinsschraube hatte jedoch für die krisengeplagten Peripherieländer der Eurozone nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. So stiegen die Renditen für die Staatsanleihen bis Anfang 2012 weiter an. Es bestand die Gefahr einer selbsterfüllenden Prophezeiung seitens der Marktteilnehmer, da sie die Lage der Länder immer schlechter einschätzen. <?page no="130"?> 6 Multiple Spekulationsblasen nach der Suprime Kreditkrise 129 Asiatische Notenbanken reagieren mit Zinssenkungen gegen Währungsaufwertung Abb. 15: Leitzinsen asiatischer Notenbanken ab 2009; FactSet Diese negative Einschätzung der Marktteilnehmer führte dazu, dass diese Länder stetig höhere Zinssätze für die Kapitalaufnahme über die Emission von Staatsanleihen anbieten mussten. Eine negative Preis-Story- Preis Schleife entwickelte sich. Um die selbsterfüllende Prophezeiung der Marktteilnehmer zu durchbrechen, begab sich die EZB im September 2012 auf das unerforschte Terrain des Aufkaufs von Staatsanleihen krieselnder Eurostaaten. Führte im September 2012 lediglich die Aussage, Staatsanleihen aufkaufen zu wollen, zu einer merklichen Reduzierung der Renditen, so erwarb die EZB erst ab Ende 2014 und insbesondere ab März 2015 Anleihen in Höhe von 60 Mrd. EUR pro Monat (vgl. EZB, 2015). <?page no="131"?> 130 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Aufkaufprogramme der Notenbanken führten zu fallenden Renditen von Staatsanaleihen Abb. 16: Verzinsung festverzinslicher Anleihen in Europa; FactSet Die EZB sollte neben der FED und der Bank of England nicht die einzige Notenbank werden, die diesen Weg beschritt. Die Bank of Japan begann ihrerseits in 2013 ein eigenes Aufkaufprogramm von Staatsanleihen in Höhe von 610 Mrd. EUR p.a. Diese als QQE (Quantitative and Qualitative Easing) wurde um die negativen Leitzinsen Anfang 2016 zum QQE with negative rates ausgeweitet. Damit hatte die Bank of Japan neben der Schweiz und Schweden zu diesem Zeitpunkt die Leitzinsen in den negativen Bereich gedrückt (vgl. FAZ, 2016). <?page no="132"?> 6 Multiple Spekulationsblasen nach der Suprime Kreditkrise 131 Euphorie Diese Phase kann bis März 2017 vereinzelt auf bestimmte Regionen und Assetklassen bezogen werden. Mit Blick auf die Aktienmärkte erscheint der US-amerikanische Markt insbesondere nach der Wahl des neuen US-Präsidenten Donald Trump in eine euphorische Phase einzutreten. So entfernt sich der S&P 500 (Abb. 17) immer weiter von seiner 200 Tage Durchschnittslinie. Historisch sind Entfernung von 9-10 Prozent, wie aktuell erreicht, eher selten und führen in der Regel zur einer erneuten Annäherung an den durchschnittlichen Mittelwert der 200 Tage (siehe Kapitel 3.3 Mean Reversion nach Werner De Bondt und Richard Thaler (1985)). Deutliche Entfernung des S&P 500 von der 200 Tage Durchschnittslinie Abb. 17: Entfernung des S&P 500 von 200 Tage Durchschnittslinie im historischen Kontext; FactSet <?page no="133"?> 132 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Eine weitere Bewertungskennzahl verdeutlicht eine ambitionierte Bewertung des US Marktes. Dieser als cyclically adjusted PE (CAPE) bzw. auch als Shiller PE bekannte Bewertungszahl zeigt mit einem Wert von 29,07 den höchsten Wert der letzten 15 Jahre auf. Sie liegt zudem vom historischen Mittelmaß (ab 1900) bei 16,71 deutlich entfernt. Der CAPE wurde vom Nobelpreisträger Robert Shiller und John Campbell 1988 entwickelt. Die zyklische Adjustierung bzw. Glättung wird erreicht indem dem aktuellem Indexwert die durchschnittlichen Gewinne der letzten zehn Jahre gegenübergestellt werden. Shiller PE steigt erheblich über langfristen Mittelwert -------- Case Shiller; S&P 500, Price Earnings (P/ E) Ratio - United States - - - Historic Average of S&P 500, Price Earnings (P/ E) Ratio - United States Abb. 18: Case Shiller PE auf S&P 500 mit langfristigem Mittelwert; FactSet <?page no="134"?> 6 Multiple Spekulationsblasen nach der Suprime Kreditkrise 133 Mit Blick auf die Einschätzung der Marktteilnehmer über die aktuelle und die Erwartung über die künftige Entwicklung der US Konjunktur (kommenden 6 Monate) ist eine gewisse Euphorie nicht von der Hand zu weisen. In Abbildung 19 wird deutlich, dass die von der Sentix GmbH im Rahmen der monatlichen Befragung von ca. 4.000 institutionellen und privaten Investoren die Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten mit einem Sprung von 20 Prozentpunkten äußerst euphorisch bewertet wurde. Der Sentix Economic Index für die USA nähert sich damit seinem Allzeithoch vor der US-Immobilienkrise an. Bewertung der ökonomischen Lage der USA nach der Präsidentschaftswahl Trumps äußerst positiv Abb. 19: Sentix Economic Index USA; FactSet <?page no="135"?> 134 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Aber auch an diesem Beispiel zeigt sich, wie schwer es in der Praxis ist, Spekulationsblasen eindeutig zu identifizieren. Da die oben beschriebene Kursentwicklung auch die Erwartung widerspiegeln kann, dass die amerikanische Wirtschaft strukturbruchartig in eine neue Wachstumsperiode einschwenkt. Neben des amerikanischen Marktes hat der chinesische Aktienmarkt seinen bisherigen Höhepunkt bereits Mitte 2015 mit einer beeindruckenden Rally von 150 Prozent erreicht. Die hohe Bewertung chinesischer Aktien wird im Vergleich zu amerikanischen Technologieunternehmen zu Zeiten der Technologieblase erkennbar. So lag im April 2015 das durchschnittliche Kursgewinnverhältnis (KGV) von Chinas Tech-Firmen bei 220 − in den USA lagen im Jahr 2000 die Bewertungen der Tech-Firmen auf dem Höhepunkt der Blase bei einem KGV von 156. Noch am 7. April 2015 vermeldete die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua, dass ein robuster Aktienmarkt für China wichtig sei, die Anstiege der letzten Monate seien „rational“. Ein weiterer wesentlicher Treiber war auch das von Premier Li Keqiang im März 2015 verkündete Programm Internet Plus, das Web-Firmen mit traditionellen Industrie-Firmen verlinken möchte. Diese Meldungen, weitere Zinssenkungen, Stimulusmaßnahmen sowie Kommentare regierungsnaher Quellen sollten den Markt für weitere zwei Monate über 20 Prozent steigen lassen (vgl. Fugmann, 2015). <?page no="136"?> 6 Multiple Spekulationsblasen nach der Suprime Kreditkrise 135 Starke Kurssteigerung des CSI 300 in der Phase der Euphorie Abb. 20: Entwicklung CSI 300 zwischen 2011-2015; FactSet Ein wichtiges Kennzeichen für die Entwicklung einer Spekulationsblase verdeutlicht eindrucksvoll der starke Anstieg der Verschuldung chinesischer Haushalt. Die jährliche Steigerungsrate nach Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) liegt bei 16- 20 Prozent in den vergangenen fünf Jahren. Der Grad der Verschuldung lässt sich aber auch an der Emission von High-Yield-Bonds gut erkennen. Alleine im Jahr 2014 wurden über 209 Milliarden Dollar in chinesische Junk-Bonds, die in den Währungen Dollar, Yen oder Euro ausgegeben wurden, investiert. Betrachtet man die Kennzahlen wie Umsatz zu Zinszahlungen oder die Gesamtverschuldung in Relation zum Cash Flow, wird ersichtlich, wie stark die Unternehmen verschuldet sind. Durchschnittlich liegen die Schulden <?page no="137"?> 136 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart 35,5-mal so hoch wie die Jahresgewinne der Unternehmen aus dem Bereich der High-Yield-Anleihen. Die Emission von Anleihen hat auch in den USA Rekordhöhen erreicht. So haben amerikanische Unternehmen im Jahr 2015 Unternehmensanleihen im Nennwert von 517 Mrd. USD emittiert. Dies ist das zweithöchste Emmissionsvolumen innerhalb von zwölf Monaten seit 1985. Der Unterschied zu den Anleiheemissionen im Junk-Bond-Bereich in China ist allerdings, dass in den Vereinigten Staaten mehrheitlich große Unternehmen (Mega and Large Caps) Liquidität durch die Emission von Anleihen geschaffen haben. So wurde 73 Prozent des Emissionsvolumens in 2015 (in 2011 53 Prozent) von lediglich 44 Unternehmen bewerkstelligt. Einer der wichtigsten Gründe für die Emission von Anleihen sind die hohen Steuern, die abgeführt werden müssten, wenn amerikanische Unternehmen Vermögen aus Übersee in die Vereinigten Staaten zurückführen. So hat Apple seit Mai 2013 Anleihen im Wert von 68 Mrd. USD emittiert, da die Zinsen (0,67 Prozent auf 3-jährige und 4,65 Prozent auf 30jährige Anleihen) wesentlich geringer sind, als der Steuersatz von 35 Prozent, welcher bei Rückführung von Kapital aus dem Ausland fällig wird. Dementsprechend nutzen die Unternehmen das Fremdkapital nicht primär, um in zusätzliches Wachstum zu investieren, sondern vielmehr um die steuerliche Implikation der Rückführung des Kapitals aus dem Ausland zu umgehen (vgl. Forbes, 2016). <?page no="138"?> 6 Multiple Spekulationsblasen nach der Suprime Kreditkrise 137 Starke Ausweitung der Kreditvergabe an private chinesische Haushalte -------- BIS, Credit To Private Non-Financial Sectors, Unadj. Bil Cny − China Abb. 21: Kredite an private Haushalte in China in Mrd. Yuan (10 Jahre); Factset Die schiere Höhe der Anleiheemission ist zunächst nicht sonderlich bedenklich. Erst wenn die Unternehmen durch steigende Zinsen bzw. durch eine Rezession Schwierigkeiten bei der Rückzahlung bekommen, kann dies problematisch werden. Gegenwärtig sind jedoch die Unternehmen auf Basis von Kennzahlen wie Nettoverschuldung zu EBITDA unterhalb des langfristigen Durchschnitts von 2.0x (aktuell 1.8x) (vgl. Business Insider, 2016). Ein weiterer Grund für die Erhöhung der Emission von Unternehmensanleihen u.a. in Europa ist auch in der Finanzierung von Übernahmen zu sehen. Haben nicht nur sinkende Marktzinsen dazu beigetragen, geringere <?page no="139"?> 138 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Coupons anbieten zu müssen, so führt auch die Ausweitung des EZB Anleihekaufprogramms auf Corporate Bonds (anfangs zwischen 5-10 Mrd. EUR monatlich) zu einer weiteren Erhöhung der Emissionstätigkeit der Unternehmen. So ist auch die Übernahmeofferte von Bayer an Monsanto im Wert von 64 Mrd. USD mit dem ab Juni 2016 begonnenen Aufkauf von Corporate Bonds in Verbindung zu bringen. Bayer erfüllt zwei Kriterien, welche die Beschaffung von Fremdkapital zur Deckung der Übernahmekosten mittels „EZB- Finanzierung“ ermöglichen. Es handelt sich nicht um Anleihen von Finanzinstituten und zudem haben die Anleihen von Bayer einen Investment Grade der drei großen Ratingagenturen. Die Nachfrage seitens der Anleihen von Bayer durch die EZB wird entsprechend auch die Kosten für die neuen Schulden senken und so die Höhe des Kaufpreises für Monsanto potenziell ansteigen lassen. Kritische Phase Die letzten beiden Phasen einer möglichen spekulativen Entwicklung in den einzelnen Assetklassen können aus heutiger Sicht (März 2017) nur bruchstückhaft umrissen werden. Gegenwärtig zeichnet sich die kritische Phase nur im chinesischen Markt ab - hier hat der Aktienmarkt bereits erhebliche Verluste von fast 50 Prozent gemessen an seinem Hochpunkt im Juni 2015 erlitten (vgl. Abb. 22). Als Auslöser für den Einbruch des chinesischen Aktienmarktes ist eine Reihe von Faktoren auszumachen. <?page no="140"?> 6 Multiple Spekulationsblasen nach der Suprime Kreditkrise 139 Auf der einen Seite endeten die monatlichen Anleihekäufe der FED Ende 2014 und der Markt wurde auf eine baldige Zinserhöhung in den USA vorbereitet. Liquidität, welche im Rahmen der QE-Programme in die Emerging Markets geflossen war, begann wieder zurückzufließen. Die Möglichkeit, über Wertpapierkredite Aktien zu erwerben, hatte maßgeblich zur chinesischen Hausse beigetragen. In China, wo 80 Prozent der Investoren Kleinanleger sind (ca. 90 Millionen Personen), führten die ab dem 15. Juni 2015 eingeführten Restriktionen für kreditfinanzierten Wertpapiererwerb seitens der People‘s Bank of China PBoC und die extrem hohe Anzahl an Neuemissionen (25 in besagter Woche) zu einer starken Verringerung der Marktliquidität. Dies hatte zur Folge, dass sich die Kleinanleger aufgrund der Nachschusspflicht bei fallenden Kursen genötigt sahen, ihre Papiere abzustoßen. Einen der schwersten Verlusttage verbuchte der CSI 300 am 27. Juli 2015 mit einem Verlust von über 8,6 Prozent - höchster Tagesverlust seit 2007 (vgl. Reuters, 2015). <?page no="141"?> 140 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Starker Kurseinbruch im CSI 300 kennzeichnend für die kritische Phase Abb. 22: Preisentwicklung China CSI 300; FactSet Neben der Liquiditätsrestriktion, sahen die Marktteilnehmer in den Veröffentlichungen ökonomischer Kennzahlen Grund zur Sorge. So wurde am 21. August 2015 der Produktivitätsindex (PMI) mit 47,1 Punkten als der schwächste Wert seit 77 Monaten gemeldet. Auf die Einbrüche im Export reagierte die Notenbank mit einer drastischen Abwertung des Yuan. Eine neuerliche Verkaufslawine an den Börsen Anfang Januar 2016 wurde mit der Sorge um die Konjunktur begründet. Der Yuan erreichte Anfang Januar nach acht Tagen kontinuierlicher Abwertung den tiefsten Stand seit 2011. Die Marktteilnehmer hatten Angst vor einem Währungskrieg Chinas mit anderen Nationen und werteten die Abwertungsserie als Indiz dafür, dass die Wirtschaft in einer schlechteren Verfassung ist als bislang angenommen (vgl. FAZ, 2016). <?page no="142"?> 6 Multiple Spekulationsblasen nach der Suprime Kreditkrise 141 Die Entwicklung im Junk-Bond-Markt zeigte ebenfalls Anzeichen für die Zunahme von Angst unter den Marktteilnehmern. Aus heutiger Sicht kann man zumindest den Rating-Agenturen nicht vorwerfen, sie hätten nicht genügend vor Fehlbewertungen gewarnt. So wurden auf dem Hochpunkt der kreditfinanzierten Investitionen durch die Emission von High-Yield-Anleihen in China immer mehr Stimmen seitens von Ratingagenturen und Banken laut. Allein Moody´s hat in den ersten drei Monaten 2015 ihr Rating für chinesische Junk-Bonds elf Mal gesenkt. Morgan Stanley empfahl, Investitionen in den Sektor zurückzufahren, und Goldman Sachs sah Chinas Immobiliensektor, aus dem ein Großteil der Junk-Bonds stammen, negativ. Eine ähnliche Position vertrat auch die Deutsche Bank, die damit auf die Fast-Pleite eines der größten Immobilienunternehmens in China, Kaisa, reagierte. Schließlich warnte auch Fitch vor einer Serie von Unternehmenspleiten in China (vgl. Fugmann, 2015). <?page no="144"?> 7 Hinweise auf Spekulationsblasen im Private Equity Im vorhergehenden Unterkapitel standen die Spekulationsblasen auf den „öffentlichen“ Kapitalmärkten, dem Public Equity im Vordergrund. Nun soll im nachfolgenden Unterkapitel analysiert werden, inwieweit Spekulationsblasen auch auf dem Markt privater Eigenkapitalfinanzierung, dem Private Equity vorkommen können. Bevor die Untersuchungsergebnisse von Philipp Eustermann (2010) betrachtet werden können, ist es notwendig, auf den Begriff Private Equity und auch den Markt für Privatmarktanlagen einzugehen sowie diese im Investitionszyklus einzuordnen. Als Private Equity wird nach herrschender Meinung der Oberbegriff für private Eigenkapital-Unternehmensfinanzierungen nicht börsennotierter Unternehmen bezeichnet. Dieses Merkmal stellt den Hauptunterschied zum Public Equity dar, wo Anteile börsennotierter Gesellschaften gehandelt werden Die Existenzgrundlage für Privatmarktanlagen wird durch die Einschränkung der Unternehmensfinanzierung über die öffentlich zugängigen Kapitalmärkte bzw. der Kreditinstitute geschaffen. Ein Unternehmen kann bei Finanzierungsbedarf z.B. entweder durch die Emission neuer Aktien auf dem öffentlich, organisierten Kapitalmarkt (Börsen) zusätzliches Eigenkapital erwerben, durch den Verkauf von Anleihen neues Fremdkapital <?page no="145"?> 144 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart beschaffen oder aber sich an Kreditinstitute wenden, um auf diese Weise Fremdkapital aufzunehmen. In beiden Fällen sieht sich das Unternehmen einer Reihe von Anforderungen ausgesetzt, die es zu erfüllen gilt, um an das gewünschte Kapital zu kommen. So ist die Emission neuer Aktien an den Kapitalmärkten nur möglich, wenn das Unternehmen sich für eine Notierung in einem bestimmten Marktsegment der Deutschen Börse entschieden hat. Die Notierung kann an drei verschiedenen Segmenten geschehen, dem Amtlichen Handel, dem Geregelten Markt oder dem Freiverkehr. Diese Marktsegmente unterschieden sich vor allem aufgrund der Zulassungskriterien, welche z.B. beim amtlichen Handel am schärfsten sind. Der Börsengang ist ein zeit- und kostenaufwendiger Prozess, wobei zunächst die Börsenfähigkeit des in Frage kommenden Unternehmens geprüft werden muss. Hierbei wird mit Hilfe von Kreditinstituten, den sog. Konsortialbanken, der Börsengang vorbereitet und begleitet. Innerhalb dieser Zeit wird das Unternehmen bewertet und gegenüber Investoren als mögliches Investitionsobjekt vermarktet. Neben diesen eher marketingtechnischen Anforderungen sind weitere formale Zulassungskriterien der Deutschen Börse einzuhalten. Diese Kriterien (u.a. Publizitätsvorschriften, Mindestbestandsdauer des Unternehmens oder auch die Mindesthöhe von Streubesitz und Marktkapitalisierung) ergeben sich aus den Anforderungen des Börsengesetzes (BörsG, §§ 32 ff.) sowie der Börsenzulassungsverordnung (Börs- ZulV, §§ 48 ff.). <?page no="146"?> 7 Hinweise auf Spekulationsblasen im Private Equity 145 Wie die Zulassung an die organisierten Kapitalmärkte durch vielfältige Kriterien beschränkt ist, so kann die Aufnahme von Fremdkapital durch die Inanspruchnahme eines Betriebsmittelkredites bei Kreditinstituten ebenfalls durch die Nichterfüllung bestimmter Vergabekriterien erschwert bzw. verhindert werden. Kann ein Unternehmen seine Zins- und Tilgungsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit geliehene Mittel zu den vereinbarten Konditionen zurückzuzahlen, nicht eindeutig nachweisen, so bleibt den Unternehmen die Möglichkeit, sich über andere private Geldgeber zu finanzieren. Die Inanspruchnahme von Mitteln aus privater Hand kann für ein junges Unternehmen ebenfalls intensiven Werbeaufwand für das eigene Geschäftsmodell bzw. die herzustellenden Produkte/ Dienstleistungen bedeuten. Die Kapitalgeber sind aufgrund des höheren Risikos darauf bedacht, das mögliche Zielunternehmen eingehend zu prüfen. Selbst Christopher Columbus benötigte sieben Jahre, um die notwendigen Mittel für seine Erkundungsreise Richtung Westen von dem spanischen Königspaar Ferdinand II. und Isabella I. zu erhalten. Columbus mag es im 17. Jahrhundert nicht bewusst gewesen sein, eines der ersten Private Equity-finanzierten Vorhaben realisiert zu haben. Private Equity Investitionen unterscheiden sich vornehmlich nach der Art der Finanzierung, die vom jeweiligen Entwicklungsstand des zu finanzierenden Unternehmens abhängen. So gewähren Kapitalgeber <?page no="147"?> 146 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart zum einen finanzielle Mittel während der Frühphasenfinanzierung eines jungen Unternehmens (Venture Capital). Zum anderen spricht man auch von Spätphasenfinanzierung, wenn sich das zu finanzierende Unternehmen in einem bereits fortgeschrittenen Stadium des Unternehmenszyklus befindet (Growth Capital). Während beim Venture Capital junge Unternehmen (Startups) an die tatsächliche Produktion ihrer Vorhaben herangeführt werden, steht beim Growth Capital oft auch internationale Expansionsstrategie im Vordergrund der Investitionsüberlegung (vgl. Demaria, 2010, S. 77 ff.). Als Schnittstelle zwischen Investoren als Kapitalgeber und den Beteiligungsunternehmen als kapitalsuchende Unternehmen erfüllen die PE-Gesellschaften die folgenden drei Hauptfunktionen (vgl. Eustermann, 2010, S. 34 f.):  Finanzierungsfunktion - Beteiligungsunternehmen wird für die Zielsetzung der Investition (u.a. Schaffung Strukturen, Internationalisierung) Kapital zur Verfügung gestellt, das sie sonst über den organisierten Kapitalmarkt bzw. über Kreditinstitute nicht erhalten würden.  Kapitalanlagefunktion - Die PE-Gesellschaften investieren die ihnen anvertrauten Investitionsmittel in die jeweiligen Beteiligungsfonds, in denen sich die Beteiligungsunternehmen befinden. Für die Kapitalgeber (Limited Partners) übernehmen die PE- Gesellschaften (General Partners) die Auswahl und Bewertung adäquater Beteiligungsunternehmen. <?page no="148"?> 7 Hinweise auf Spekulationsblasen im Private Equity 147  Betreuungsfunktion - Mittels dieser Funktion, soll die Wertsteigerung innerhalb der Beteiligungsunternehmen durch aktives Beteiligungsmanagement gewährleistet werden. Hierbei ist zu beachten, dass die Wertsteigerungsmöglichkeiten nicht unbedingt vollständig ausgeschöpft werden müssen, damit die Beteiligungsunternehmen bei einem Weiterverkauf an andere PE-Gesellschaften (sog. Secondary-Buy-Outs) weiterhin attraktiv bleiben. Der Weiterverkauf eines Beteiligungsunternehmens ist insbesondere deshalb empfehlenswert, da PE-Gesellschaften in der Regel eine klar vorgegebene Strategie verfolgen. So spezialisieren sich einige auf junge Unternehmen, andere wiederum auf Unternehmen im fortgeschrittenen Lebenszyklus. Wurden die gesteckten Entwicklungsziele eines Start-ups erreicht, benötigen diese für ihre weitere Entwicklung Experten, die für zusätzliches Wachstums sorgen können. Nach Betrachtung der grundlegenden Funktion von Private Equity Investitionen drängt sich die Frage auf, ob es auch auf diesen Märkten zu Übertreibungen kommen kann. Die 2010 von Eustermann durchgeführte Studie zielte auf die Beantwortung dieser Frage ab. Für die Analyse wurde der Fokus auf den US-amerikanischen Markt im Zeitraum zwischen 1985 und 2008 gelegt. Eustermann verglich die Preisentwicklung des Dow Jones mit den durchschnittlichen Transaktionspreisen US-amerikanischer Private Equity Transaktionen. Seine Untersuchung zeigte eine auffällige Überschneidung in der Preisentwicklung des Dow Jones mit <?page no="149"?> 148 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart den durchschnittlichen Transaktionspreisen von Private Equity Transaktionen. Insbesondere fiel eine Korrelation 1987 kurz vor dem Schwarzen Montag, während der Dotcom-Blase zwischen 1997-2001 sowie während der Subprime-Blase 2006-2008 auf (vgl. Eustermann, 2010, S. 65). Mit Blick auf den globalen Markt wurde die Analyse von Daxhammer/ Facsar 2016 auf Basis von Transaktionsdaten aus FactSet wiederholt. Hierfür wurden Transaktionen mit einer Größe ab 1 Mio. USD und der Beteiligung eines Private Equity Investors herangezogen. In die Analyse flossen 9.728 Transaktionen ein. Als Vergleichsindex wurde der MSCI World Index ausgewählt. In Abb. 23 ist die Gegenüberstellung der Preisentwicklung des MSCI World Indexes als Public- Equity-Markt mit dem fiktiven Private-Equity-Markt basierend auf dem durchschnittlichen Transaktionspreis in Mio. USD der einbezogenen Transaktionen abgebildet. Der durchschnittliche Transaktionspreis stellt die Summe aller Kaufpreise dar, die innerhalb eines Jahres für alle abgeschlossenen Transaktionen bezahlt und über die Anzahl der Transaktionen des jeweiligen Jahres dividiert wurden. Die hohe Anzahl von Transaktionen in einem Jahr sorgt dafür, dass Ausreißer- Transaktionen kaum ins Gewicht fallen bzw. durch andere Transaktionen ausgeglichen werden. <?page no="150"?> 7 Hinweise auf Spekulationsblasen im Private Equity 149 Wiederkehrende Spekulationsblasen - sowohl im Public als auch im Private Equity Abb. 23: Spekulationsblasen im Private/ Public Equity Markt zwischen 1992-2016; FactSet Basierend auf dieser Vorgehensweise werden wiederkehrende starke Schwankungen innerhalb der Betrachtungsperiode zwischen 1992 und 2016 sichtbar. Als besonders hervorzuheben sind die hohen Transaktionspreise und damit die Bewertung der PE-Transaktionen während der Subprime-Blase 2006-2008. Zudem ist es auffällig, dass sich die durchschnittlichen Transaktionspreise seit 2009 im Gleichklang mit den weltweiten Aktienmärkten nach oben bewegen. Aufgrund der auffälligen Überschneidung der Transaktionspreis-Entwicklung mit der zeitgleich stattfindenden Blasenbildung auf dem Public-Equity-Markt, ist davon auszugehen, dass auch der Private-Equity-Markt zu zeitweiliger Übertreibung neigt. <?page no="151"?> 150 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart Infolge der Korrelation des US-amerikanischen Private-Equity-Marktes mit dem vergleichbaren Public- Equity-Markt ist es an dieser Stelle angebracht, die blasenbildenden Faktoren insbesondere für den Private- Equity-Markt herauszustellen (vgl. Abb. 24). In Kapitel eins standen die Bedingungen für die Entstehung von Spekulationsblasen auf organisierten Kapitalmärkten, den Public Equity Märkten im Vordergrund der Betrachtung. Hierbei haben sich insbesondere die nachfolgenden Bedingungen herauskristallisiert:  Boom-Denken - Die soziale Ansteckung durch das Boom-Denken führt unter den Marktteilnehmern zu der Wahrnehmung, dass die steigenden Notierungen der betroffenen Asset-Klasse nachhaltig und fortwährend zu erwarten sind. Die soziale Ansteckung durch das Boom-Denken ermöglicht die Bildung von Herdenbewegungen, die zusätzlich eine sich entwickelnde Finanzmarktblase verstärken. Die Marktteilnehmer neigen durch die Meinungsbildung auf Basis der Masse zur selektiven Informationswahrnehmung, wodurch begrenzt rationale Entscheidungen zu erwarten sind.  Begrenzte Arbitrage - Das Konzept der Arbitrage sollte darin liegen, preiskorrektive Maßnahmen durch das Handeln institutioneller Anleger herbeizuführen. Auf diese Weise würden sich Wertpapiere ihrem Fundamentalwert annähern. <?page no="152"?> 7 Hinweise auf Spekulationsblasen im Private Equity 151 Die Praxis zeigt jedoch, dass der Arbitrage Grenzen gesetzt sind. Diese Grenzen in Form von Kosten als auch Risiken verhindern, dass die Arbitrageure sich begrenzt rationalen Anlegern entgegenstellen. Vielmehr beteiligen sich Arbitrageure an blasenbildenden Preisbildungen, solang sie diese als rational ansehen und entsprechend davon profitieren können. In der Folge verstärkt sich u.U. die Blasenbildung.  Marktanomalien - Kurzfristige als auch mittel-/ bis langfristig andauernde Anomalien führen sowohl zur Entstehung als auch zur Verstärkung von Spekulationsblasen. Die Marktteilnehmer neigen systematisch zur Fehlbewertung von Informationen, weshalb sich die Wertpapiere von ihren Fundamentalwerten entfernen. Im Private Equity können ebenfalls Bedingungen herausgestellt werden, die die Ausbildung von Spekulationsblasen aber auch die plötzliche Beendigung einer an sich ökonomisch positiven Entwicklung herbeiführen können (vgl. Eustermann, 2010, S. 131 ff.).  Image der PE-Branche - Das Image der Branche trägt nachhaltig zur Finanzierung von Unternehmen durch PE-Gesellschaften bei, sie führt aber auch zur Behinderung dieser Investitionsmöglichkeit. Als Beispiel kann hier die „Heuschreckendebatte“, angefacht vom ehemaligem Arbeits- und Sozialminister Franz Müntefering im Jahr 2005, aufgeführt werden. Durch solche Bezeichnungen kann es dazu kommen, dass sich mittelständische Unternehmen von <?page no="153"?> 152 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart PE-Gesellschaften abwenden, wenn es um eine Beteiligung bzw. Verkauf geht. Dies kann dazu führen, dass die wirtschaftliche Entwicklung verlangsamt wird, da es ohne die Existenz von PE-Gesellschaften zu einer Unterfinanzierung vieler mittelständischer Unternehmen kommt. Marktteilnehmer laufen folglich Gefahr, durch solche plakativen Beschreibungen in ihren Urteilen beeinflusst zu werden. Bei der pauschalen Ablehnung von Private Equity Investitionen gerät es jedoch in Vergessenheit, dass die PE- Gesellschaften oft schlecht geführte Unternehmen für ihre Investitionszwecke auswählen, sie restrukturieren und diese erst nach einer notwendigen Restrukturierung wieder veräußern.  Erfolgreiche Transaktionen - Diese Bedingung zielt auf die wahrnehmungsverzerrende Wirkung von erfolgreichen Transaktionen ab. Marktteilnehmer, die über eine gewisse Zeit erfolgreiche PE-Transaktionen abgeschlossen haben, neigen zunehmend zur Selbstüberschätzung (Overconfidence). Im Zuge dieser Wahrnehmungsverzerrung verlieren sie das Risikobewusstsein und schätzen objektive Wahrscheinlichkeiten höher ein, als diese tatsächlich sind. Als Konsequenz beteiligen sich PE-Gesellschaften vermehrt an Akquisitionen und beschleunigen dadurch eine Blasenbildung wie dies in Abb. 23 sichtbar ist.  Öffentliche Wahrnehmung - Insbesondere große PE-Gesellschaften, die Transaktionen in Mrd.-Höhe abwickeln, stehen stark in der öffentlichen Wahr- <?page no="154"?> 7 Hinweise auf Spekulationsblasen im Private Equity 153 nehmung. Dies führt oftmals dazu, dass sie sich in ihren Fähigkeiten überschätzen und zur Ausweitung der Transaktionstätigkeit neigen, um ihre erfolgreiche Stellung öffentlich zu demonstrieren. Diese Gesellschaften verspüren zunehmend einen Handlungsdruck, was auf eine sich entwickelnde Spekulationsblase trendverstärkend wirkt.  Reputationsbestreben - Eine weitere, der öffentlichen Wahrnehmung sehr ähnliche Bedingung, die zu einer Verstärkung von Spekulationsblasen im Private-Equity-Markt führen kann, ist das Bestreben einer PE-Gesellschaft, eine Transaktion unbedingt durchführen zu wollen. Der Wunsch, in der öffentlichen Wahrnehmung durch die Transaktion eines Unternehmens eine gewünschte Reputation zu erwerben, führt zu überhöhten Transaktionspreisen für das zu erwerbende Unternehmen. So hat sich im Bieterwettbewerb um Opel im Jahr 2009 neben dem Autozulieferer Magna auch der Finanzinvestor RHJ in den Bieterprozess hineingedrängt. Nach Ansicht von Röder, Henze, Ludwig (2003) spielt der Winner’s Curse-Effekt eine wesentliche Rolle in der Neigung, ein Unternehmen zu jedem Preis kaufen bzw. verkaufen zu wollen. Der Winner’s Curse-Effekt tritt z.B. auf, wenn ein Käufer sich mental auf die Übernahme des Zielunternehmens schon eingestellt hat und die Transaktion unbedingt abschließen möchte. Der Winner’s Curse-Effekt kann auf Seiten des Käufers zu überhöhten Preisangeboten im Bieterverfahren führen. Entsprechend <?page no="155"?> 154 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart starke Kaufpreissteigerungen konnten im Zeitraum 2005-2007 im PE-Segment Buy beobachtet werden. Der Begriff Winner’s Curse rührt daher, dass der Gewinner in einem Bieterwettbewerb aller Wahrscheinlichkeit nach einen Preis bezahlt hat, der über einem gerechtfertigten Marktpreis liegt.  Konkurrenzdruck - Letztlich kann auch der Konkurrenzdruck innerhalb einer PE-Gesellschaft zu überhasteten Transaktionen führen, wenn lediglich ein General Partner zum Ende eines Jahres noch keine Transaktion vorzuweisen hat, die anderen General Partner der PE-Gesellschaft jedoch bereits eine Transaktion abgeschlossen haben. Der Gruppendruck kann zur Durchführung der nächstbesten Transaktion führen, wodurch sich die Spekulationsblase am PE-Markt noch verstärken kann. <?page no="156"?> 7 Hinweise auf Spekulationsblasen im Private Equity 155 Abb. 24: Bedingungen für Spekulationsblasen <?page no="157"?> 156 Teil 2 Spekulationsblasen in Vergangenheit und Gegenwart ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Spekulationsblasen als Folge systematischer Fehleinschätzungen haben sich nicht erst in der jüngeren Vergangenheit entwickelt. Ihre Existenz reicht zumindest weit in das 17. Jahrhundert zurück. Obwohl spekulative Übertreibungen wie ein roter Faden die Geschichte der Finanzmärkte durchziehen, wird deutlich, dass die Investoren aus Fehlern nicht lernen und darüber hinaus sich auch nicht an ihre Fehler erinnern. Einerseits verlassen sich die Marktteilnehmer auf die staatlichen Institutionen, andererseits sind die meisten Finanztransaktionen derart kompliziert, dass diese selbst von erfahrenen Marktteilnehmern nicht immer nachvollzogen werden können. Als bedeutende Wissenschaftler im Bereich der Spekulationsblasen gelten zum einen Benoit Mandelbrot, der zehn Eigenschaften angibt, wonach die Kapitalmärkte charakterisiert werden können; zum anderen die Wissenschaftler Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart (2008, This Time is different) sowie Charles Kindleberger (1978, Manias, Panics and Crashes), die jeweils historische Spekulationsblasen detailliert analysierten. Nach Meinung von de Bondt, einem wichtigen Vertreter der Behavioral Finance, verzerren Spekulationsblasen nicht nur die Allokationsfunktion der Märkte, sondern führen auch dazu, dass <?page no="158"?> Zusammenfassung 157 die Gesellschaft das Vertrauen in die Integrität der Finanzmärkte verliert. Spekulationsblasen können aus verschiedenen Gründen entstehen. So kann die Ansicht auf eine Wertsteigerung eines bestimmten Gutes, wie die einer Tulpenzwiebel, zur sozialen Ansteckung durch das Boom-Denken führen. Auch können ausufernde Staatsschulden, wie im Falle der John- Law-Spekulationsblase, Ursache für eine unverhältnismäßig starke Zunahme von Vermögenspreisen sein. Spekulationsblasen entstehen zudem nicht nur an organisierten Kapitalmärkten (Public Equity) sondern auch auf den unregulierten Märkten für Privatmarktanlagen (Private Equity). Diese Spekulationsblasen entstehen durch die Zunahme der Transaktionsvolumina, die mit steigenden Akquisitionspreisen einhergehen. Wie im Public Equity sind auch im Private Equity bestimmte Rahmenbedingungen für die Verstärkung einer Spekulationsblase verantwortlich (u.a. Image der Branche, öffentliche Wahrnehmung, Reputationsbestreben). <?page no="160"?> LLiitteerraattuurrvveerrzzeeiicchhnniiss Empfohlene Literatur KINDLEBERGER, C. 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In Deutschland boomt die Wirtschaft, während in anderen Euro-Ländern hohe Arbeitslosigkeit und Staatspleiten drohen. Kann ein System mit Niedrigzins, Deflationsgefahr und geliehenem Wohlstand dauerhaft bestehen oder sollte eine Suche nach alternativen Geldsystemen beginnen? Schließlich haben Menschen seit jeher auch andere Tausch- und Finanzsysteme verwandt. Und: Heute sind Miles & More-Punkte, realer Warentausch oder digitale Währungen wie Bitcoins bereits Realität. Auch die Systemfrage stellt sich: Sollten allein Zentralbanken Geld ausgeben oder auch die Geldausgabe frei für Jedermann möglich sein? Lernen Sie durch das Buch mehr über das aktuelle Geldsystem und seine Alternativen in Form von Ersatz- oder Komplementärwährungen, die neues Vertrauen schaffen könnten. Ottmar Schneck, Felix Buchbinder Eine Welt ohne Geld Alternative Währungs- und Bezahlsysteme in einer immer turbulenteren Finanzwelt 2015, 250 Seiten, Flexcover ISBN 978-3-86764-601-7 19,99 € <?page no="172"?> www.uvk.de Das Vorstellungsgespräch ist geschafft und der erste Arbeitsvertrag unterschrieben. Nun müssen sich Berufseinsteiger im Arbeitsalltag behaupten. Das ist nicht nur fachlich eine Herausforderung, denn auch die Kommunikation in einem Unternehmen unterscheidet sich ganz wesentlich von der in Schule oder Studium. Im Gespräch mit Vorgesetzten, dem Umgang mit fairen und unfairen Kollegen oder aber in Verhandlungssituationen mit Dienstleistern und Kunden gibt es Spielregeln und Kniffe, die jeder Berufseinsteiger kennen sollte. Zu Beginn stellen die Autoren die unterschiedlichen Rednertypen im Profil vor und gehen auf deren Stärken und Schwächen ein. Darauf aufbauend geben sie dem Leser das rhetorische Rüstzeug für wichtige Kommunikationssituationen, wie zum Beispiel einen Vortrag, das direkte Gespräch, das Kundengespräch, das Verkaufsgespräch und eine Verhandlung an die Hand mit Tipps und Checklisten. Harald Schäfer, Burkhard Schäfer Business-Rhetorik für Berufseinsteiger 2017, 230 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-552-2 Für den perfekten Berufseinstieg <?page no="173"?> www.uvk.de Der Einfluss der Kirche auf die Wirtschaft Ökonomie und Kirche - das ist kein Widerspruch. Klöster häuften früher durch geschicktes Handeln ein gewaltiges Vermögen an. Heute finden religiöse Werte durch den Corporate-Governance-Kodex Eingang in die Geschäftswelt und christliche Parteien prägen die Wirtschaftspolitik. Auf das Spannungsfeld zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft gehen Päpste durch Sozialenzykliken seit dem 19. Jahrhundert ein: Leo XIII. forderte 1891 Lohngerechtigkeit sowie Arbeitnehmerrechte und gab damit der Sozialpolitik in Europa Aufwind. Weitere Sozialenzykliken folgten, wenn das freie Spiel der Marktkräfte zu sozialen Problemen führte. 2009 verwies Benedikt XVI. nach der Finanzkrise darauf, dass Globalisierung von einer »Kultur der Liebe« beseelt sein müsse. Damit brachte er die Globalisierung mit Verteilungsgerechtigkeit und Gemeinwohl in Zusammenhang. Auf die Sozialenzykliken der Päpste gehen die Autoren im Detail ein: Sie beleuchten den geschichtlichen Kontext ebenso wie deren Auswirkungen auf Wirtschaft und Politik. So skizzieren sie einen dritten Weg der Päpste - ein alternatives Wirtschaftskonzept zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Hans Frambach, Daniel Eissrich Der dritte Weg der Päpste Die Wirtschaftsideen des Vatikans 2015, 283 Seiten, Flexcover ISBN 978-3-86764-600-0 19,99 €