eBooks

Internationale Betriebswirtschaft

0515
2017
978-3-7398-0200-8
978-3-8676-4754-0
UVK Verlag 
Alexander Brem
Reinhard Heyd
Wilhelm Schmeisser
Rebecca Popp
Stefan Beißel

Die Europäisierung und Globalisierung der Wirtschaft bestimmen die heutige Geschäftspraxis. Die Verflechtungen mit Lieferanten, Partnern und Kunden sind aus diesem Grund längst nicht mehr nur national. Um den fachlichen und interkulturellen Herausforderungen gerecht zu werden, sind neben betriebswirtschaftlichem Know-how interkulturelle Kompetenz sowie Fachwissen über die verschiedenen Wirtschafts- und Steuersysteme gefragt. Dieses Buch wird diesen neuen Anforderungen gerecht. Es behandelt übersichtlich alle relevanten Themen von der Interkulturalität über globale Unternehmensstrategien und internationalem Finanzmanagement bis hin zu IT-gestützten, grenzüberschreitenden Arbeitsprozessen. Auch die Frage der Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch gezieltes Innovationsmanagement wird beantwortet. Jedes Kapitel wird durch Lernziele eingeleitet und durch eine Zusammenfassung, Literaturtipps und Fragen abgeschlossen. Ein Glossar rundet das Werk ab.

<?page no="2"?> Alexander Brem, Reinhard Heyd, Wilhelm Schmeisser Internationale Betriebswirtschaft <?page no="4"?> Alexander Brem, Reinhard Heyd, Wilhelm Schmeisser Internationale Betriebswirtschaft 2., überarbeitete und erweitere Auflage UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München <?page no="5"?> Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. ISBN 978-3-86764-754-0 (Print) ISBN 978-3-7398-0199-5 (EPUB) ISBN 978-3-7398-0200-8 (EPDF) © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2017 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Printed in Germany UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de <?page no="6"?> VVoorrwwoorrtt Warum schreiben Autoren ein Buch über Internationale Betriebswirtschaftslehre (IntBWL) und nicht über Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (ABWL)? - diese berechtigte Frage kann man stellen. Die Autoren gehen von der These aus, dass die IntBWL allgemeiner zu verstehen ist als die ABWL, und die bisherige ABWL nur die nationale, allgemeine BWL jedes Landes war und ist, und damit ein Spezialfall. Geht man nur von der Europäischen Union der letzten 25 Jahre aus, so bewegen wir uns zumindest in einem Zwischenschritt zwischen nationaler ABWL und IntBWL auf eine Europäische Allgemeine Betriebswirtschaftslehre zu. Dies lässt sich durch folgende Fakten belegen: Durch eine gemeinsame Währung Euro als Tauschmittel, Aufbewahrungs- und Verrechnungseinheit. Durch die Harmonisierung eines gemeinsamen Rechnungswesens, sprich International Financial Reporting Standards oder durch European Public Sector Accounting Standards sowie deren sukzessive Überführung unterschiedlicher Rechtsgebiete in das deutsche Recht. Entwicklung gemeinsamer europäischer Gesellschaftsformen für internationale Unternehmen und Konzerne, z.B. Societas Europae (SE). Entwicklung eines gemeinsamen Arbeitsrechts, zumindest in Bezug auf Freizügigkeit der Berufswahl und der freien Wahl des Arbeitsplatzes in allen europäischen Ländern der EU. Freier Grenzverkehr von Kapital, Gütern und Dienstleistungen im europäischen Raum. Die Unternehmen forschen, entwickeln und produzieren verstärkt über Ländergrenzen hinweg - innerhalb Europas, und darüber hinaus. Beispielweise internationale Forschung- und Entwicklung in angepassten Technologien für China und Indien für kleine und mittlere Unternehmen. Internationale, kulturelle Spannungen zwischen westlichem Utilitarismus, Technologieethik, Technologietransfer und regionalen, ökonomischen, nachhaltigen Technologien in Schwellenländern und Entwicklungsländern. Entwicklung neuer Strategien und Formen des internationalen Innovations- und Marketingmanagements. Entwicklung der Globalisierung und Internationalisierung der Unternehmen durch IT-Technologien. Damit stellen sich neuartige, problemorientierte Fragestellungen in der IntBWL im Rahmen der Globalisierungsdebatte bzw. der Globalisierung der <?page no="7"?> Märkte: Wie müssen ein internationales Marketing, eine internationale Forschung und Entwicklung, eine internationale Produktion, Logistik und Einkauf in einer Unternehmung auf diese Globalisierung reagieren und agieren? Welche internationalen Rechtsformen, Rechnungslegungsalternativen, IT-Optionen, Formen des Online-Handels und des internationalen Finanzmanagements bieten sich für das internationale Unternehmen an? Wie können eine interkulturelle Belegschaft und ein internationales Management organisiert und geführt werden? Fragestellungen - so die Meinung der Autoren -, an die heute Studenten der Betriebswirtschaftslehre strukturiert herangeführt werden müssen, um dieses Wissen im Bachelor und Master nachhaltig zu vertiefen. Und natürlich nicht zuletzt, um dieses Wissen in Unternehmen als Absolventen einbringen zu können. Natürlich ist jegliches Feedback zu Struktur und Inhalt des Buches herzlich willkommen! Herrn Dr. Jürgen Schechler von der UVK Verlagsgesellschaft danken wir für die erneut gute Zusammenarbeit. Dänemark und Deutschland Die Verfasser/ innen Das Buch widmen wir zur Emeritierung 2016 Herrn Univ.- Prof. Dr. Günter Müller-Stewens (St. Gallen) und wünschen ihm noch viele wissenschaftliche Schaffensjahre. <?page no="8"?> IInnhhaalltts süübbeerrssiicchhtt 1. Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität................... 15 2. Controlling und Rechnungswesen nach IFRS als Grundlage für eine Internationale Unternehmensführung ........................................................ 67 3. Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente zur Absicherung der Export-Umsatzerlöse im Rahmen des internationalen Finanzmanagements ................................................................................................ 115 4. Societas Europae (SE), Aktiengesellschaft und Börse im Rahmen der Finanzierung internationaler Unternehmen ...................................... 175 5. Internationales Marketing und Internationales Innovationsmanagement .................................................................................................. 195 6. Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor für internationale und globale Unternehmen ......................................................................... 219 7. Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement: Innovation zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ............................ 251 8. Ethische Hermeneutik zwischen technologischer Globalisierung und ökonomisch-utilitaristischem Diktat ......................................................... 273 Glossar................................................................................................................... 301 Die Autoren.......................................................................................................... 327 Stichwortverzeichnis ........................................................................................... 329 <?page no="10"?> IInnhhaalltt Vorwort ..................................................................................................................... 5 Abkürzungsverzeichnis......................................................................................... 13 1 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität als Forschungsfeld der „Internationalen Betriebswirtschaft“ .. 15 1.1 Grundsätzliches ........................................................................................ 17 1.2 Von der unternehmenskulturellen Organisationsforschung zur Interkulturalität......................................................................................... 18 1.2.1 Zur Unternehmenskultur........................................................................ 18 1.2.2 Unternehmenskulturforschung.............................................................. 26 1.2.3 Funktionen der Unternehmenskultur ................................................... 31 1.2.4 Gestaltung der Unternehmenskultur .................................................... 33 1.2.5 Bedeutung der Unternehmenskultur für die internationale Zusammenarbeit ...................................................................................... 36 1.3 Interkulturalität als grundlegender Bestandteil einer internationalen Unternehmung ............................................................................... 37 1.3.1 Interkulturalität......................................................................................... 37 1.3.2 Interkulturelle Kompetenz ..................................................................... 41 1.3.3 Interkulturelle Kommunikation............................................................. 46 1.3.4 Einfluss interkultureller Fähigkeiten auf die internationale Zusammenarbeit ...................................................................................... 50 1.4 Interkulturelle Personal- und Managemententwicklung als Instrument einer internationalen Unternehmung ............................... 51 1.4.1 Interkulturelles Training.......................................................................... 51 1.4.2 Inhalte und Methoden interkulturellen Trainings............................... 54 1.4.3 Bedarf interkultureller Trainings in der internationalen Zusammenarbeit ...................................................................................... 59 2 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS als Grundlage für eine Internationale Unternehmensführung........................... 67 2.1 Controlling und Rechnungswesen......................................................... 69 2.2 IFRS: Anwendung, Besonderheiten, Wechselwirkungen .................. 74 2.3 Harmonisierung von Controlling und Rechnungswesen ................ 79 2.3.1 Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermögenswerte ............ 79 <?page no="11"?> 10 Inhalt 2.3.2 Langfristige Ertragsrealisierung nach der Percentage of Completion-Methode (PoC) ........................................................................... 85 2.3.3 Fair Value...................................................................................................86 2.3.4 Segmentbericht .........................................................................................86 2.3.5 Umsatzkostenverfahren ..........................................................................87 2.3.6 Hedge Accounting ...................................................................................90 2.3.7 Währungsumrechnung ............................................................................91 2.3.8 Leasing .......................................................................................................92 2.3.9 Rückstellungsbewertung..........................................................................93 2.3.10 Impairment................................................................................................93 2.3.11 Latente Steuern .........................................................................................95 2.3.12 On-balance-Darstellung von Derivaten ...............................................96 2.3.13 Beständebewertung von Halb- und Fertigerzeugnissen ....................96 2.4 Aufgaben des Controllers im Rahmen der externen Finanzberichterstattung...........................................................................97 2.5 Internationale Unternehmensführung: besondere Anforderungen und Ziele ..........................................................................................101 2.6 Möglichkeiten und Grenzen einer Harmonisierung von Controlling und Rechnungswesen unter IFRS................................................107 3 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente zur Absicherung der Export-Umsatzerlöse im Rahmen des internationalen Finanzmanagements ........................................... 115 3.1 Risiken im Außenhandel .......................................................................117 3.2 Grundsätzliches zu Zahlungsbedingungen im Außenhandel..........121 3.3 Begriffe und Beispiel-Formulierungen für internationale Zahlungsbedingungen ...........................................................................123 3.4 Wesentliche Merkmale, insbesondere Vor- und Nachteile der verschiedenen internationalen Zahlungsbedingungen .....................129 3.4.1 Nichtdokumentäre Zahlungsbedingungen.........................................130 3.4.2 Dokumentäre Zahlungsbedingungen..................................................131 3.5 Alleinstellungsmerkmale der Zahlungsbedingung Dokumentenakkreditiv .................................................................................................136 3.6 Bank Payment Obligation als Alternative zum Dokumentenakkreditiv .................................................................................................158 3.6.1 Grundsätzliches zur BPO .....................................................................158 <?page no="12"?> Inhalt 11 3.6.2 Arbeitsschritte bei einer BPO .............................................................. 160 3.6.3 Probleme mit der Handhabung der BPO .......................................... 166 4 Societas Europae (SE), Aktiengesellschaft und Börse im Rahmen der Finanzierung internationaler Unternehmen..... 175 4.1 Börsengang und Finanzierung ............................................................. 177 4.1.1 Grundlagen der Finanzierung .............................................................. 177 4.1.2 Allgemeines zum Börsengang .............................................................. 178 4.1.3 Vor- und Nachteile des Börsengangs ................................................. 178 4.2 Societas Europae (SE) .......................................................................... 180 4.2.1 Allgemeines über die SE ....................................................................... 180 4.2.2 Organstruktur ......................................................................................... 186 4.3 Fazit.......................................................................................................... 190 5 Internationales Marketing und Internationales Innovationsmanagement ......................................................................................... 195 5.1 Internationales Marketing ..................................................................... 197 5.1.1 Begriffsdefinition ................................................................................... 197 5.1.2 Motive für den Eintritt in internationale Märkte .............................. 198 5.1.3 Rückkopplungseffekte im internationalen Marketing ...................... 198 5.1.4 Strategien des Auslandsmarkteintritts................................................. 199 5.1.5 Standardisierung versus Differenzierung ........................................... 201 5.2 Zusammenhang zwischen Marketing und Innovationsmanagement ............................................................................................ 203 5.3 Internationales Innovationsmanagement ........................................... 204 5.3.1 Was ist Innovationsmanagement? ....................................................... 204 5.3.2 Erfolgsfaktoren und Vorteile des Innovationsmanagements ......... 209 5.3.3 Integriertes Innovationsmanagement ................................................. 210 5.3.4 Grundmuster der Internationalen F&E ............................................. 211 5.3.5 Trends im internationalen Innovationsmanagement ....................... 214 5.4 Fazit.......................................................................................................... 215 6 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor für internationale und globale Unternehmen .................................. 219 6.1 Bedeutung der IT für die Internationalität und Globalisierung ..... 221 6.2 Strategische Entscheidungen für die IT ............................................. 222 6.2.1 Schaffung einer Symbiose zwischen Geschäft und IT..................... 222 <?page no="13"?> 12 Inhalt 6.2.2 Findung von IT-Strategien ...................................................................226 6.3 Gestaltung von IT-Services mit ITIL .................................................229 6.4 Modellierung von IT-Prozessen ..........................................................231 6.5 Sicherung und Regulierung der IT ......................................................233 6.5.1 Bewältigung von IT-Risiken .................................................................233 6.5.2 Gewährleistung der IT-Sicherheit........................................................237 6.5.3 Einhaltung von Regularien ...................................................................244 6.6 Aufgaben zu Kapitel 6...........................................................................247 7 Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement: Innovation zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.................................................................................................. 251 7.1 Motive und Schlüsselfiguren in der Internationalisierung der F&E ..........................................................................................................253 7.2 Internationalisierung der Forschung & Entwicklung in Industriestaaten.......................................................................................................254 7.3 Unterschiede im Innovationsmanagement zwischen Industrie- und Schwellenländern............................................................................255 7.4 F&E von multinationalen Unternehmen in Schwellenländern.......257 7.4.1 Umdenken in der Verwendung von F&E-Einheiten in Schwellenländern......................................................................................................258 7.4.2 Patentstrategien multinationaler Unternehmen in China ................260 7.5 Problemlösungskompetenzen indischer Kleinunternehmer als Anreiz für neue F&E-Ansätze .............................................................263 8 Ethische Hermeneutik zwischen technologischer Globalisierung und ökonomisch-utilitaristischem Diktat - ein Exposé zur Unterscheidung von Bewertungsebenen .......273 8.1 Theorien technologisch-ökonomischer Pfadabhängigkeit ..............275 8.2 Immanuel Kants ethische Theorie im Grundriss..............................281 8.3 Aristoteles‘ Theorie menschlichen Handelns ....................................285 8.4 Die verantwortungsethische Position des Thomas von Aquin ......287 8.5 Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit als Leitbilder für den Globalisierungsprozess..........................................................................293 Glossar .................................................................................................................. 301 Die Autoren.........................................................................................................327 Stichwortverzeichnis ........................................................................................329 <?page no="14"?> AAbbkkü ürrzzuunnggssvveerrzzeei icchhnniiss Abs. Absatz AG/ AGs Aktiengesellschaft/ Aktiengesellschaften AktG Aktiengesetz Art. Artikel BGBl Bundesgesetzblatt EG Europäische Gemeinschaften EU Europäische Union f./ ff. folgende/ fortfolgende F&E Forschung und Entwicklung GmbH/ GmbHs Gesellschaft mit beschränkter Haftung/ Gesellschaften mit beschränkter Haftung IT Informationstechnologie MitbestG Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) S. Seite SE Societas Europaea SEAG Gesetz zur Ausführung der SE-VO (SE-Ausführungsgesetz) SEBG Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SE-Beteiligungsgesetz) SEEG Gesetz zur Einführung der Europäischen Gemeinschaft SE-RL Richtlinie zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer SE-VO Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft u.a. und andere vs. versus <?page no="16"?> 11 IInntteer rnnaattiioonnaallee UUnntteer rnneehhmmeennsskkuullttuurreen n uunndd IInntteer rkkuullttuurraalliittäätt aallss FFoorrsscchhuunnggssffeel ldd ddeer r „„IInntteer rnnaattiioonnaalleen n BBeettrriieeb bsswwiirrttsscchhaafftt““ <?page no="17"?> Lernziele Sie sollen Religion von Ethik abgrenzen können. Sie sollen Ethik von Kultur abgrenzen können. Welche Modelle der internationalen Unternehmenskultur kennen Sie? Warum ist der Interkulturalität und Empathie für internationale Manager unausweichlich? Warum ist Interkulturalität als Forschungs- und Anwendungsfeld für Internationale Unternehmen relevant? 1 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität <?page no="18"?> 17 11..11 GGrruunnddssäättzzl liicchhees s Da multinationale bzw. internationale Unternehmen in verschiedensten Ländern tätig sind, müssen sie sich vor Ort auch mit den unterschiedlichsten Landeskulturen, Religionen, Philosophien, Staatsauffassungen wie den Kommunismus in China sowie deren Rechtssystemen auseinandersetzen, um wirtschaftlich erfolgreich tätig zu werden bzw. um in den Ländern Tochterniederlassungen mit einheimischen Mitarbeitern führen zu können. Religionen bildet dabei in vielen Ländern die Basis der Landeskulturen und der Rechtsauffassungen. Religionen, wie der Islam in Saudi-Arabien, bilden für die Staatsbürger bzw. Menschen dieses Landes einen religiösen Lebens- und Rechtssinn, der für sie bindende und nicht hinterfragbare bzw. kritisierbare Inhalte der privaten und unternehmerischen Lebensführung vermittelt. Internationale Unternehmen müssen derartige Verhältnisse in einem Land mit in ihr wirtschaftliches, unternehmerisches Kalkül einbeziehen. In westlichen Demokratien, wie in den USA, Kanada, Australien oder Europa versteht und sieht man Ethik eher als wissenschaftliche Theorie der Moral an, die nicht auf religiösen „Heiligen Büchern“ wie den Koran, der Bibel oder den Talmud beruhen. Westliche Demokratien vertreten die Meinungsfreiheit, die Religionsfreiheit, den Rechtsstaat und das Demokratieprinzip. Westliche Unternehmen vertreten deshalb die Meinung, dass man über Ethik, Moral oder Unternehmenskultur in der Unternehmensführung kritisch diskutieren können muss, und überlegen, wie sich Werte und Normen wissenschaftlich - ohne Religion, Kommunismus etc. - begründen lassen. Die Internationalisierung der Märkte hat zunehmend zu internationalen Verflechtungen geführt und die Wirtschaft maßgeblich verändert. Unternehmen müssen sich am globalen Markt, an Religionen und Philosophien orientierten, um konkurrenzfähig zu bleiben und gehen in der Konsequenz z.B. Kooperationen, strategische Allianzen oder Fusionen in Ländern wie China ein. Der Vielfalt dieser internationalen Unternehmenskooperationen sind dabei keine Grenzen gesetzt. Ebenso haben sich die Geschäftsmodelle, -aktivitäten und -felder der Unternehmen im internationalen Kontext verändert. Der Arbeitsalltag ist zunehmend durch interkulturelle Begegnungen gekennzeichnet, sowohl extern im Umgang mit ausländischen Kunden und Kollegen, als auch unternehmensintern beim Arbeiten mit und in multikulturellen Teams beispielsweise im Marketing-, Produktions-, Logistiksowie im Forschungs- und Entwicklungsbereich. Dabei treffen Interaktionspartner bzw. Kollegen/ innen verschiedener kultureller Hintergründe aufeinander, die sich durch unterschiedliche Normen und Wertevorstellungen, sowie Denk- und Handlungsweisen charakterisieren lassen. Infolgedessen können interkulturelle Begeg- <?page no="19"?> 18 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität nungen zu Unsicherheiten, Missverständnissen und unvorhergesehenen Problemen führen und folglich zu geschäftlichen Misserfolgen beitragen. In diesem Zusammenhang entstehen erhebliche Anforderungen an die einzelnen Interaktionspartner und an die internationale Unternehmungsführung. Die Interaktionspartner benötigen zur effektiven und angemessenen kulturübergreifenden Zusammenarbeit, interkulturelle Fähigkeiten. Über die sprachlichen Eignungen hinaus, sind Fähigkeiten zum Denken und Handeln in interkulturellen Zusammenhängen erforderlich. Denn wer in fremden Kulturen erfolgreich geschäftlich tätig sein will, muss ihre Sprache und Besonderheiten kennen. Vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeiten und den daraus resultierenden Anforderungen sind internationale Unternehmungen gezwungen, die notwendigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Gestaltung der internationalen Zusammenarbeit und Marktbearbeitung zu schaffen. 11..22 VVoonn d de err uun ntte errnneehhmmeennsskkuul lt tuur reelll leenn OOrrggaanniissaattiio onnssffoorr-sscch huunngg zzuur r I In ntteerrkkuul lt tuur raalli it täätt Unternehmenskulturforschung als methodischer Ansatz in der Betriebswirtschaftslehre stammt ursprünglich aus der Anthropologie, Psychologie, Soziologie, Philosophie, Geschichtswissenschaften, kritische Theologie, Archäologie, Sprachwissenschaften etc. Erst Anfang der 1980er Jahre wurde das Unternehmenskulturphänomen innerhalb der Management- und Organisationsforschung thematisiert. Das Interesse am Thema Unternehmenskultur wurde vor allem durch diverse Wirtschaftsprobleme seit den 1970er Jahren z.B. in der globalisierten Automobilindustrie durch die Erfolge von Nissan und Toyota in den USA und Europa hervorgerufen, die mit gewohnten, bisherigen amerikanisch-europäischen Managementpraktiken auf den japanischen Wettbewerb und dessen Welterfolgen nicht zufriedenstellend gelöst werden konnten. Ein „vorläufiger wissenschaftlicher Beschreibungsversuch“, den japanischen Welterfolg in der Automobilbranche von 1960 bis 1982 zu erklären, war, die japanische Kultur und Unternehmenskultur als „dominierende Variable“ in der Betriebswirtschaftslehre heranzuziehen. Erst später erkannte man, dass das betriebswirtschaftliche Logistikkonzept „Lean Management“, Target Costing und Prozesskostenrechnung, der Technologietransfer und das Innovationsmanagement in Japan als die besseren erklärenden Variablen für den wirtschaftlichen Erfolg Toyotas näher in Betracht zu ziehen sind. Damit war natürlich die Unternehmenskultur nicht passé. 11..22..11 ZZuurr UUnntteerrn neehhmmeennsskkuullttuurr Verschiedene Wissenschaftsdisziplinen wie die Anthropologie, Ethnologie, Sprachwissenschaften, Geschichtswissenschaften, Philosophie, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften haben sich mit dem Kulturphänomen in Ländern <?page no="20"?> Patricia Žižak und Wilhelm Schmeisser 19 und Unternehmen auseinandergesetzt. Trotz unterschiedlicher wissenschaftlicher Auffassungen darüber, was überhaupt unter Kultur zu verstehen ist, haben sich in der Betriebswirtschaftslehre einige Auffassungen zur Unternehmenskultur durchgesetzt. Beispielsweise, dass es sich bei der (Unternehmens-) Kultur m eine Standardisierung der Werte, des Denkens, des Empfindens und des organisatorischen Handelns der Unternehmensmitglieder handelt. Nach Heinen wird Kultur als ein „... Muster von gemeinsamen Wert- und Normenvorstellungen verstanden, die über bestimmte Denk- und Verhaltensmuster die Entscheidungen und Handlungen von Organisationsmitgliedern prägen“. Um einen Eindruck über die Vielfalt zum Begriff und zu den Modellen zur Unternehmenskultur zu vermitteln, werden einige vorgestellt. In Scheins Überlegungen zur Unternehmenskultur spielt der Lernprozess innerhalb einer Gruppe eine entscheidende Rolle. Er bezeichnet die Unternehmenskultur insofern als: „... ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit diesen Problemen weitergeben wird“. Hofstede verweist auf den Aspekt der kollektiven Abgrenzung spezifischer Kulturen voneinander und sieht die Unternehmenskultur als: „... die kollektive Programmierung des menschlichen Verstandes“. Auch Schreyögg stellt den Aspekt des organisatorischen Kollektivs in den Vordergrund. Er betrachtet die Unternehmenskultur als ein „... kollektives Phänomen, dass das Handeln des einzelnen Mitgliedes prägt…“ und sieht sie als jene Handlungsweisen an, die von den Mitgliedern gelebt werden, ohne dass sie sich dessen genau bewusst sind. Als Resultat können die Verfasser konstatieren, dass Unternehmenskultur der Entwicklung von Werten, deren Festschreibung und Kontrolle und evtl. Neuausrichtung bei Innovationen oder Mergers and Acquisitions-Aktivitäten im internationalen Unternehmen dient. Unternehmenskultur ist als normativer Rahmen einer internationalen Unternehmung zu verstehen, der z.B. für eine aktive Personalpolitik betrieben werden muss. <?page no="21"?> 20 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität 11..2 2..1 1..11 SScchhe eiinnss DDrreeii--EEbbeenne enn- -M Mooddeellll ddeerr UUnntteerrnneehhmmeennssk kuullttuurr Die Kultur eines Unternehmens ist ein komplexes und schwer fassbares Phänomen mit zahlreichen Facetten, die eine soziale kollektive Konstruktion der internationalen Unternehmensrealität darstellt. Ein Versuch, die verschiedenen Elemente einer Kultur zu ordnen und ihre Beziehungen zueinander zu klären, bietet das Drei-Ebenen-Modell von SSc chheeiinn. Nach SSc chheeiinn lässt sich die Unternehmenskultur durch drei Ebenen(-dimensionen) erklären, die sich durch den Grad ihrer Sichtbarkeit Werte und festgeschriebenen Normen unterscheiden lässt, nämlich die , die und die - . Abb. 1.1: Ebenen der Unternehmenskultur in Anlehnung nach Schein Artefakte Auf der obersten Ebene befinden sich die Artefakte. Darunter fasst man jene Phänomene, die unmittelbar sicht-, hör- oder fühlbar sind. Hierbei handelt es sich um Strukturen und Prozesse, die sich in Sprache, Kleidung, Architektur, Produkte, Technologien, sowie in Rituale oder Geschichten äußert. Teilweise gehören auch die gelebten Wertevorstellungen der Gruppenmitglieder zu den Artefakten, da sie durch ihre sichtbaren Verhaltens- und Handlungsweisen, z.B. in der Kleidung, zum Ausdruck gebracht werden. Trotz ihrer einfachen Beobachtbarkeit sind Artefakte schwer zu entschlüsseln. Die Schwierigkeit liegt insbesondere darin, die tiefere Bedeutung der Strukturen, Prozesse, sowie der erkennbaren Werte und daraus folgenden Verhaltensweisen der einzelnen Gruppenmitglieder zu erfassen. Aus diesem Grund müssen die Normen und Werte analytisch und historisch erklärt sowie begründet werden, z.B. aus der Wirtschaftsethik abgeleitet werden, um die Artefakte genauer zu verstehen. <?page no="22"?> 21 Bekundete Werte Auf der darunterliegenden Ebene befinden sich die bekundeten Werte, die bewusst, jedoch nicht unmittelbar beobachtbar sind. Werte stellen i.d.R. Vorstellungen über einen erwünschten Zustand innerhalb einer Gruppe dar, die häufig in Form von Religionen, Strategien, Zielen oder Philosophien zu verstehen sind. Bewahren sich die Vorstellungen durchgängig als Lösung eines Pro bl ems, so entwickel n sic h die gem ein sa me n W er te in g em eins am e Gr un dprämissen daraus. Insofern durchlaufen Werte einen Akzeptanzprozess (z.B. durch eine nicht-kritisierbare Religion oder durch einen demokratischen Rechtfertigungsprozess im Sinne von Kant und Rawls), bis sich ein gemeinsamer Konsens innerhalb der Gruppe gebildet hat. Aus diesem Grund fehlt den Werten innerhalb einer internationalen Unternehmung meist eine logisch-religiöse oder logisch-wirtschaftsethische Argumentationsstruktur. Um aber das Verhalten der Gruppenmitglieder einer internationalen Unternehmung richtig deuten und erklären zu können, müssen die Grundprämissen deren Kultur verstanden werden. Grundprämissen Auf der untersten Ebene befinden sich die Grundprämissen, die unbewusst und nicht sichtbar sind, allerdings als selbstverständlich individuell und gruppenorientiert wahrgenommen werden. Die Grundprämissen beziehen sich i.d.R. auf grundlegende Themen menschlicher Wertevorstellungen zu anderen Religionen oder Philosophien, deren ökologischer, nachhaltiger Umweltbezug, Wahrheitssuche und -findung, vergangenheits-, gegenwarts- und zukunftsorientiertes Zeitverständnis, welche internationalen Menschenrechte es einzufordern gilt, soziale Beziehungen und menschliches Handeln in Bezug auf andere Religionen und Philosophien, die sich im Laufe der Zeit stark im Unterbewusstsein der Gruppenmitglieder bzw. Kultur verankert haben. Folglich werden jene Vorstellungen, die vormals von Werten gestützt waren, als Tatsachen behandelt. Sie werden aus der Sicht der Gruppe als das richtige Denken in Bezug auf das tägliche Arbeiten und die Lösung von Problemen betrachtet. Aus diesem Grund werden sie ohne ethisch kritisch hinterfragt zu werden, akzeptiert und „instinktiv“ befolgt. Verhaltensweisen, die sich auf andere Grundannahmen stützen, werden hingegen von den Gruppenmitgliedern als inakzeptabel empfunden und abgelehnt. Zusammenfassend stellt die Ebene der Grundprämissen die Basis des Wahrnehmens und menschlichen Handelns dar. Aus dem von SScchheei inn entwickelten Modell kommt zum Ausdruck, dass die Ebenen der Artefakte, der bekundeten Werte und der Grundprämissen in hierarchischen Wechselbeziehungen eng miteinander verbunden sind. Dabei beeinflussen die Grundprämissen die Wertevorstellungen der Gruppenmitglieder, die wiederum Einfluss auf die Strukturen und Prozesse des Unternehmens haben. Die einzelnen Ebenen stellen insofern nicht isolierte Phänomene der Unternehmenskultur dar. Darauf aufbauend verdeutlicht SScchheeiinn, <?page no="23"?> 22 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität dass eine ausreichende Analyse einer Unternehmenskultur nur durch die genaue Betrachtung der Grundprämissen erfolgen kann. Eine reine Interpretation der direkt beobachtbaren Artefakte reicht demnach nicht aus, da sie aufgrund ihrer unmittelbaren Zugänglichkeit mehrdeutig sein können. Folglich können die Artefakte nur dann verstanden werden, wenn die bekundeten Werte und Grundprämissen im Diskurs kritisch-analytisch im Rahmen der Wirtschaftsethik ermittelt werden. EExxkkuurrss: : WWiirrttssc chhaaffttsse etthhiikk ooddeerr RReelliiggiioonn Ein Weg zur Lebensbewältigung scheint für viele Menschen der Glaube an Gott zu sein, der ihnen Stärke und Kraft gibt, um schwierige Lebenssituationen zu bewältigen. Ähnlich wie im Christentum ist nach islamischer Auffassung das höchste Glück nicht das irdische, sondern die Erlösung im himmlischen Paradies. Deshalb ist zum Beispiel eine muslimische Reformation des Islam in einer globalisierten Welt notwendig, wenn man tolerant miteinander wirtschaften möchte. Und zwar müssen sich Muslime von bestimmten religiösen Inhalten des Korans distanzieren, so Aslan, „… auf die gewaltbereite Muslime sich berufen. Wenn wir ehrlich wären, würden wir zugeben, dass wir seit Jahrhunderten solche Inhalte lehren. Zeit: Welche meinen Sie? Aslan: Dass Allah Gewalt nicht nur rechtfertigt. Nicht wenige Imane bringen unser Glaubensbekenntnis bewusst oder unbewusst mit Aggression in Verbindung, mit Folter, Vergewaltigung, Auspeitschen, Töten. Seit dem 15. Jahrhundert hat sich eine Theologie der Gewalt durchgesetzt, und seit dem 17. Jahrhundert ist sie zur Norm erstarrt: Das Schwert wird als Teil unseres Glaubens gesehen. Wir Muslime distanzieren und uns heute vom „Islamischen Staat“, aber solange wir uns von der dazugehörigen Theologie nicht distanzieren, machen wir uns unglaubwürdig. Warum warten wir immer auf eine Gewalttat, bevor wir unsere Stimme erheben? Zeit: Aber die meisten Muslime würden doch die Gewalttheologie, von der Sie sprechen, ablehnen. Aslan: Die Mehrheit weiß gar nicht, dass es nötig ist, sich von der Lehre zu distanzieren. Sie wird aber überall gelehrt, von Saudi-Arabien über den Irak und Ägypten bis nach Europa.“ (Glauben und Zweifeln, Thema Islamismus: Die Geiselnahme von Sydney, in: Die Zeit, Nr. 52, vom 17. Dezember 2014, S. 58; Ednan Aslan stammt aus der Türkei und lehrt Religionspädagogik an der Universität Wien). <?page no="24"?> 23 Abb. 1.2: Wirtschaftsethik im Kontext einer globalen Welt (Schmeisser WS 2014) Problem einer kritischen Theologie des Islams ist: „Jeder reformatorische Ansatz muss zu nächst damit umgehen, dass der Koran im Islam als wortwörtliche Offenbarung Gottes an den Propheten Mohammed gilt. Reformer, die den Ursprung der Formulierungen (im Rahmen einer kritischen, islamischen Theologie begreifen, d. Verf.), bewegen sich für viele daher bereits außerhalb des Islams; ihr Einfluss bleibt deshalb begrenzt. Eine Reform, die fruchtbar sein will (kann und muss die sakrosankte Argumentationsschranke wissenschaftlich in Frage stellen, die Verf.), muss ihren Ausgang beim Koran nehmen (und aufzeigen, dass auch der sich als mensch- <?page no="25"?> 24 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität liches Werk darstellt, d. Verf.). Indem sie (die Reform, d. Verf.) herausarbeitet, dass dessen historische Genese für sein Verständnis unabdingbar ist, kann sie eine plausible Interpretation des Korans in zentralen Fragen geben, etwa der Doktrin des Dschihads, des Verhältnisses der Scharia zum weltlichen Gesetz und der Gleichheit der Geschlechter. Funktionäre islamischer Verbände in Deutschland scheuen oft die Frage nach der Ex eg ese vo n Kor an vers en , die a ls hei ke l gelten. L ie be r ge ben si e den M edien die Schuld am schlechten Image des Islams.“ (Khola Maryam Hübsch: Auch das ist Islam. Für eine muslimische Reformation, in: Die Zeit, 17. Dezember 2014, S. 13) Für Muslime ist es schwierig, sich kritisch mit dem Gedanken auseinander zu setzen, dass die Entstehung des Korans von übernommen Ritualen sowie Mythen anderer Religionen, Symbolen und Allegorien menschlicher Zusammenschriften bestimmt ist, im Auftrag der Kalifen, ein arabisch-türkisches Großreich zu schaffen und zu legitimieren. Will man dagegen bei der Unternehmenskultur der Religionsproblematik aus dem Wege gehen, dann wählt man die Wirtschaftsethik bzw. Ethik (vgl. Abb. 1.2 oben) als Grundlage. „Die Ethik fragt danach, welche der menschlichen Handlungen „gut“, „richtig“, „legitim“ oder „gerecht“ sind, um zu einem „gelingenden Leben“ und zu einem friedvollen Zusammenleben beizutragen. Wirtschaftsethik befasst sich demnach damit, welches wirtschaftliche Handeln moralisch zu rechtfertigen ist und welches nicht und wie das als richtig erkannte wirtschaftliche Handeln gefördert werden kann.“ 11..2 2..1 1..22 WWeeiitteerree UUnnt te errnneehhmmeennssk kuullttuurrmmooddeellllee In der wissenschaftlichen Literatur sind verschiedene Auffassungen hinsichtlich des Verständnisses einer Unternehmenskultur vertreten. Die verschiedenen Sichtweisen lassen sich zum einen auf die unterschiedlichen theoretischen Annahmen der Wissenschaftsdisziplinen und zum anderen auf die Übertragung von unterschiedlichen Konzepten aus der Kultur- und Wirtschaftsethik zurückzuführen. Das jeweilige wissenschaftliche Kulturverständnis untersucht dabei das Phänomen der Unternehmenskultur, allerdings mit unterschiedlichen Annahmen, Herangehensweisen und Zielen der Wirtschaftsethik. Grundsätzlich lassen sich zwei verschiedene Auffassungen der Unternehmenskultur unterschieden: der und der . Der Variablenansatz betrachtet die Unternehmenskultur als ein Objekt, wobei der Methodenansatz die Kultur eines Unternehmens als ein Phänomen bezeichnet. Als Zusammenführung beider Ansätze ist in der wissenschaftlichen Literatur auch der vertreten, der die Unternehmenskultur sowohl als Mittel als auch als Resultat einer sozialen Interaktion charakterisiert. <?page no="26"?> 25 Variablenansatz Die Autoren, die Kultur als eine organisatorische Variable ansehen, sind primär dem objektivistischen Kulturverständnis zuzurechnen. Sie betrachten Kultur als objektiv gegeben, die funktional genutzt werden kann und erfassbar ist. Ebenso wird davon ausgegangen, dass sich Kultur problemlos gestalten und verändern lässt. Diese Autoren vertreten die Auffassung, dass . In d ies e m Zus am me nhang wird die K ult ur als eine Variable von vielen betrachtet, die als Instrument gezielt für den Unternehmenserfolg eingesetzt werden kann. Metaphernansatz Autoren, die dem subjektiven Kulturverständnis zugerechnet werden, sehen Kultur nicht als Variable, sondern als Metapher. Insofern wird Kultur als ein ideelles Konstrukt betrachtet. Es wird davon ausgegangen, dass Kultur von subjektiven (z.B. von religiösen) Einflüssen abhängig und interpretierbar, aber nicht messbar ist. Die Autoren vertreten hierbei die Auffassung, dass . Aus diesem Grund, ist die Möglichkeit zur Gestaltung der Unternehmenskultur im Vergleich zum Variablenansatz nur wenig denkbar (vgl. oben im Exkurs die Problematik der Reformationsfähigkeit des Islams). Stattdessen liegt der Fokus in der Erforschung des ideellen Konstrukts, um das Verhalten und Handeln der Gruppenmitglieder zu interpretieren. Integrativer Ansatz Für Autoren dieser Forschungsrichtung . Sie betrachten Unternehmen vielmehr als komplexe und dynamische Kultursysteme, die sich aus unterschiedlichen ideellen und materiellen Aspekten zusammensetzen. Einige dieser Aspekte sind sichtbar, andere wiederum können nur in einer genaueren Betrachtung näher interpretiert werden. Ähnlich wie die Autoren der objektivistischen Kultursichtweise verfolgt das integrative Kulturverständnis eine Gestaltung der Unternehmenskultur, die jedoch nur im begrenzten Maß und über einen längeren Zeitraum möglich ist. Dieser Gestaltungsspielraum kann einen fördernden oder hinderlichen Einfluss auf die Unternehmensziele haben. Dies hat zur Folge, dass die Autoren Kultur weder positiv noch negativ betrachten. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die verschiedenen Ansätze durch ihre unterschiedlichen Sichtweisen einen unmittelbaren Zugang zum Konstrukt der Unternehmenskultur ermöglichen. Ihre Gemeinsamkeit liegt im Verständnis des Phänomens Kultur als Muster, die die kulturellen Ausprägungen der Gruppenmitglieder formen und die Gruppe insgesamt zusammenhält. Allerdings sind die Ansichten zur bewussten Gestaltung von Kultur gegensätzlich. Daher wird Kultur entweder als steuerbares Instrument der Unternehmung oder als unveränderbare Größe angesehen. Die Autoren gehen jedoch von der Veränderung der Kultur durch äußere Einflüsse oder gra- <?page no="27"?> 26 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität vierende Änderungen im Umfeld des Unternehmens aus. Deshalb wird die Kultur einer Unternehmung nicht als etwas Statisches und Unveränderliches gesehen, sondern durch Wirtschaftsethik Gestaltbares. Demzufolge kann davon ausgegangen werden, dass Unternehmenskultur einem natürlichen und selbstgesteuerten Wandel unterliegt. 11..22..22 UUnntteerrnneehhmmeennsskkuullttuurrffoorrs scchhuunngg Neben den Ausführungen, die sich konzeptionell mit der Unternehmenskultur und ihrer Bedeutung auseinandersetzen, wird in zahlreichen Studien die Erfolgswirkung des kulturellen Kontextes analysiert und erforscht. Um jedoch eine genaue Betrachtung und gezielte Gestaltung der Unternehmenskultur zu ermöglichen, muss die Kultur eines Unternehmens insgesamt erfasst, sowie ihre Zusammenhänge und Funktionsweisen erkannt werden. Erst dann kann man zu wissenschaftlichen Erkenntnisse kommen, die eine erfolgreiche Einflussnahme auf die internationale Unternehmenskultur erlauben. Zur empirischen Erfassung der Unternehmenskultur bedient man sich verschiedener Methoden, mit denen unterschiedliche, wissenschaftliche Ansprüche verknüpft sind. 11..22..22..11 TTyyppoollooggi ieenn d deer r U Unntte er rn neehhmmeennsskkuullttu urr Typologien ermöglichen eine differenzierte Betrachtung von Unternehmenskulturen und geben Aussagen über ihren Einfluss auf den Unternehmenserfolg. Sie fassen mehrere Kriterien einer Kultur zusammen und bilden spezifische Unternehmenskulturtypen. Der jeweilige Typ gibt Auskunft über mögliche Einstellungen und Verhaltensweisen der Gruppenmitglieder und kann dementsprechend Erkenntnisse über Potenziale oder Defizite innerhalb der Unternehmenskultur geben. Aufgrund der umfangreichen Kulturvielfalt in Unternehmen haben sich zahlreiche Autoren mit diesen Kulturphänomenen auseinandergesetzt und Grundtypenbildungen vorgenommen. Eine bislang populäre Typologie von Unternehmenskulturen stammt von DDe eaa ll/ / KKeennnneeddyy, die vier Idealtypen von Unternehmenskulturen unterscheiden. Für die Bildung der Kulturtypen wählen sie als Kriterien: die bei Entscheidungen und die aus dem Markt, mit der sich eine Aktivität als nachteilig oder vorteilhaft erweist. Aus der Kombination dieser beiden Kriterien resultierten folgende vier Kulturtypen: Tough-Guy-Macho Culture Die Tough-Guy-Macho Culture besteht aus einer Welt von Individualisten, die regelmäßig hohe Risiken eingehen und schnell Feedback über ihre Handlungen erhalten. Diese Kultur zeichnet sich vor allem durch Mitarbeiter aus, die durch ihren Erfolg zu Macht, Ansehen und Status gelangen. Im Mittelpunkt der Kultur steht die zu bewältigende Herausforderung. <?page no="28"?> 27 Work-Hard/ Play-Hard Culture In der Work-Hard/ Play-Hard Culture wird Spaß und Aktion großgeschrieben. Die Mitarbeiter gehen nur selten Risiken ein, erhalten trotz dessen relativ schnell ein Feedback. In dieser Kultur steht die Hartnäckigkeit und Ausdauer der Mitarbeiter im Mittelpunkt, die das Unternehmen zum Erfolg führt. Bet-your-Company Culture In der Bet-your-Company Culture gehen Mitarbeiter hohe Risiken ein, erhalten jedoch nur langsam oder zögerlich ein Feedback. Aufgrund der hohen existierenden Risiken, können Fehlentscheidungen die Existenz des Unternehmens bedrohen. Aus diesem Grund werden Entscheidungen der Mitarbeiter mehrfach und über mehrere Ebenen hinweg überprüft. Process Culture Die Process Culture ist durch geringe Risiken und langsames oder fehlendes Feedback gekennzeichnet. Aus diesem Grund steht eine perfekte und überschaubare Arbeitsweise im Mittelpunkt der Kultur. Dabei ist Arbeit gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Misstrauen, einer präzisen Dokumentation und intensiven Kontrollen. Abb. 1.3: Typologie von Unternehmenskulturen nach Deal/ Kennedy AAnnssoof fff unterscheidet fünf Unternehmenskulturtypen anhand eines Kriteriums: der , die von der Vergangenheitsorientierung bis hin zur aktiven Zukunftsgestaltung reicht: <?page no="29"?> 28 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität Stabiler Kulturtyp Der stabile Kulturtyp ist vergangenheitsorientiert und risikoscheu. Das Ziel der Unternehmung liegt in der Sicherung ihres Status quo, möglichst unter Vermeidung von Risiken jeglicher Art. Reaktiver Kulturtyp Beim reaktiven Kulturtyp besteht trotz der Gegenwartsorientierung eine geringe Risikobereitschaft. Eine Abweichung vom Status quo wird toleriert, jedoch nur unter Berücksichtigung der damit einhergehenden Risiken. Antizipativer Kulturtyp Der antizipative Kulturtyp wirft einen vorsichtigen Blick in die Zukunft und geht nur berechenbare Risiken in vertrauten Situationen ein. Hier kann sowohl Introvertiertheit als auch Extrovertiertheit vorliegen. Explorativer Kulturtyp Der explorative Kulturtyp sucht nur Veränderungen, die im Resultat positive Erfolgschancen bergen. Es herrscht eine Extrovertiertheit, unter Abwägung von Chancen und Risiken. Kreativer Kulturtyp Der kreative Kulturtyp sucht Entwicklungsmöglichkeiten, um eine zukunftsträchtige Position einnehmen zu können. Hier ist eine Extrovertiertheit und Risikofreudigkeit zu erkennen. Abb. 1.4: Unternehmenskulturtypologie nach Ansoff Zusammenfassend kann man konstatieren, dass Typologien eine grobe Vereinfachung der Realität darstellen. Darin liegt ihr Wert, aber ebenso ihre Gefahr. SScchhrre eyyöög g gg vertritt die Ansicht, dass die Reduzierung der Organisationswelt auf bestimmte Typen nicht ausreicht, um eine Unternehmenskultur zu verstehen. Die Schwierigkeit liegt vor allem in der Generalisierung der Kulturmerkmale. Daraus ergibt sich, dass einzelne Unternehmen schwer einem bestimmten Kulturtyp zugeordnet werden können, da sie Merkmale verschie- <?page no="30"?> 29 dener Typen aufweisen können. Grundsätzlich aber dienen Typologien als Orientierungssystem und Ausgangspunkt für Analysen, die im Weiteren zur Veränderung von Unternehmenskulturen beitragen können. 11..22..22..22 AAnnaallyyssee ddeerr UUnntteerrnneehhmmeennsskkuullttuurr Die Analyse einer Kultur ermöglicht eine inhaltliche Gestaltung der Unternehmenskultur. In einem Prozess des langsamen Hineinwachsens versucht die Kulturanalyse über die wahrnehmbaren Strukturen und Prozesse zu den Normen- und Wertevorstellungen einer Unternehmung vorzudringen um ihre kulturellen Grundannahmen zu erkunden. Dementsprechend orientiert sich die Kulturanalyse an dem Modell von SScchheeiinn, der von der Oberflächenstruktur der Kultur sukzessive in den Kulturkern vordringt. Um zu einem umfangreichen Bild der inhaltlichen Ausgestaltung einer Unternehmenskultur zu gelangen, müssen Daten erhoben, analysiert und interpretiert werden. Hierfür können verschiedene Datenerhebungsinstrumente aus der empirischen Sozialforschung eingesetzt werden. Dabei sollte sich die Auswahl der Instrumente grundlegend nach dem Ziel der Analyse richten. Ebenso sollten die jeweiligen Vor- und Nachteile der einzelnen Instrumente betrachtet werden, um die Aussagekraft der Ergebnisse richtig beurteilen zu können. Da die Kultur in Form eines gewachsenen Wertesystems den Ausdruck des ganzheitlichen Denkens der Unternehmenskultur widerspiegelt, muss die Analyse eine gemeinsame Aktion darstellen, bestehend aus den Analysierenden und den Analysierten. Diese gemeinsame Handlung fokussiert nicht die gewählte Analysemethode, sondern die Bewertung und Interpretation der gewonnenen Daten. Damit wird in einer gemeinsamen Datenauswertung und interpretation den Gruppenmitgliedern es ermöglicht, die Unternehmenskultur bewusst wahrzunehmen und besser kennenzulernen. Dies erfolgt im Zuge einer aktiven Beschäftigung mit Problemen der Unternehmung, die eine Sensibilisierung und ein Problembewusstsein der Gruppenmitglieder erzeugt. Auf diese Art und Weise wird ein Lernprozess ausgelöst, der alle Ebenen der Unternehmung durchdringt und damit einen Entwicklungsprozess im gesamten internationalen Unternehmen lostritt. Die sensibilisierten Gruppenmitglieder werden durch die Wahrnehmung der kulturellen Besonderheiten der Unternehmung zu aktiven Kulturgestaltern. Die in der Literatur und Praxis erwähnten Methoden zur Kulturanalyse sind nahezu umfangreich, wie die Anzahl der Autoren. JJää nniicckkee schlägt die Methode des Kulturscreenings vor, die mit Hilfe von Fragebögen eine Bewertung der Unternehmenskultur ermöglicht, indem die Mitarbeiter und das Management abgefragt und die Ergebnisse miteinander verglichen werden. SScchhrre eyyöögg g g hingegen schließt einfache Fragebogenerhebungen auf Grund der Komplexität der Unternehmenskultur aus und schlägt zyklische Untersuchungen vor, die eine eindeutige Interpretation erst nach mehreren Durch- <?page no="31"?> 30 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität läufen ermöglicht. SSaa cckkmmaa nnn n vertritt die Meinung, dass die Gruppenmitglieder kaum ihre Kultur alleine beurteilen können. Der Grund hierfür sei vor allem die Interpretation der kulturellen Grundannahmen, die durch die interne Betriebsblindheit erschwert wird. Insofern besteht die Schwierigkeit einer umfassenden Kulturanalyse darin, ein nicht klar zu fassendes hypothetisches Konstrukt abzubilden. Dies zeigt sich vor allem in der Untersuchung der Kulturebenen, die ebenfalls durch Interpretationen erklärungsbedürftig sind und somit nicht einheitlich aus einer Unternehmung herausgefiltert werden können. Des Weiteren hängt das Erkennen der gelebten Normen- und Wertevorstellungen von der Bereitschaft der Gruppenmitglieder ab, da sie als Informanten fungieren. Zudem sind sich langjährige Gruppenmitglieder der Unternehmenskultur nicht mehr bewusst, da ihre grundlegenden Annahmen zu einem festen Bestandteil ihres Arbeitslebens geworden sind. Ihre Denk- und Verhaltensmuster lassen sich nicht einfach erfragen, da sie zuerst ins Bewusstsein geholt werden müssen, um anschließend ergründet werden zu können. Es lässt sich festhalten, dass die Kulturanalyse eine Erfassung der Unternehmensgrundsätze sowie der Meinungen der Gruppenmitglieder ist, und dass sie ihre unbewussten Werte und grundlegenden Annahmen ermöglicht, hingegen nicht das Gruppenphänomen an sich erfasst. 1 1..22..22..33 SSttäärr kkee vvoon n UUnntteerrnneeh hmmeennsskkuullttuurreen n In der betriebswirtschaftlichen Literatur zwischen starken und schwachen Unternehmenskulturen unterschieden. Diese Unterscheidung ist bedeutsam, da starke Unternehmenskulturen das Leistungsvermögen einer Unternehmung sowohl positiv als auch negativ beeinflussen können. Zur Beurteilung ob eine Unternehmenskultur stark oder schwach ist, werden unterschiedliche Dimensionen herangezogen. SScchhrre ey yöögg g g unterscheidet dabei die Dimensionen Prägnanz, Verbreitungsgrad und Verankerungstiefe einer Unternehmenskultur in einer Unternehmung: Prägnanz Die Prägnanz unterscheidet Unternehmenskulturen danach, wie eindeutig die zu vermittelnden Orientierungsmuster und Wertehaltungen für die Mitarbeiter sind. Starke Kulturen besitzen demnach klare Vorstellungen darüber, was von den Mitarbeitern erwünscht ist und was nicht, wie Ereignisse zu deuten sind und Situationen zu strukturieren sind. Verbreitungsgrad Der Verbreitungsgrad spricht das Ausmaß an, in dem die Gruppenmitglieder die Kultur teilen. In einer starken Unternehmenskultur wird im Idealfall das Handeln aller Gruppenmitglieder durch die Orientierungsmuster und Wertehaltungen geleitet. <?page no="32"?> 31 Verankerungstiefe Die Verankerungstiefe beschreibt schließlich, inwieweit die Gruppenmitglieder die kulturellen Muster verinnerlicht haben und danach handeln. Als Grundalge einer starken Unternehmenskultur gilt ein kulturkonformes Verhalten, dass eine Konsequenz internalisierter kultureller Organisationsmuster ist, wodurch Stabilität und Vertrautheit entsteht, aber eventuell Innovationen behindert. Der Kern einer starken Unternehmenskultur manifestiert sich folglich in einem gemeinsamen Grundkonsens von Normen und Werte, der das Fundament für das tägliche Handeln bildet. Die Gruppenmitglieder verfolgen auch individuelle Ziele, sind aber durch den gemeinsamen Grundkonsens gegen M acht- und Verteilu ngskäm pfe eher i mm un a ls die Mit glieder einer k on se ns losen, schwachen Kultur. Es kann konstatiert werden, dass eine starke Unternehmenskultur durch eine gewisse Klarheit, weite Verbreitung als auch eine tiefe Verankerung bei den Gruppenmitgliedern gekennzeichnet ist. Ebenso wird deutlich, dass Unternehmenskultur einerseits Koordination und Kommunikation im Unternehmen erleichtert, Motivation und Loyalität fördert und Sinn stiftend wirken kann. Andererseits haben starke Unternehmenskulturen auch negative Auswirkungen, sofern sie nicht idealtypisch zum Einsatz kommen. Aus diesem Grund sollen jene Unternehmen, die sich der Vorteile einer starken Unternehmenskultur bewusst sind, bestrebt sein, ihre Kultur zu stärken und in eine funktionale Kultur umzuwandeln, um Innovationen zu ermöglichen. 11..2 2..3 3 FFuunnk kttiioonne enn ddeerr UUnnt teerrnne ehhmmeennssk kuullttuurr Einer Unternehmenskultur werden verschiedene Funktionen zugeschrieben, die sich in und unterscheiden lassen. Die ergeben sich direkt aus der Unternehmenskultur und sind als Funktionen der unmittelbaren Art zu verstehen, wobei die aus den originären Funktionen resultieren und mittelbar aus den Normen, Werten und Einstellungen abgeleitet werden können. Die Voraussetzung für die Entfaltung dieser Funktionen liegt in der Stärke der Unternehmenskultur. 11..2 2..3 3..11 OOrriiggiinnä ärree FFuunnkkttiioonne enn Die originären Funktionen einer Unternehmenskultur ergeben sich aus der Einflussnahme gemeinsam geteilter Normen und Werte innerhalb der Unternehmung, sowie aus den Entscheidungen, Handlungen und Verhaltensweisen der Gruppenmitglieder. Im Mittelpunkt der originären Funktionen stehen die und sowie . <?page no="33"?> 32 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität Koordinationsfunktion Die Koordinationsfunktion stellt einen grundlegenden Bestandteil des täglichen Arbeitens in jeder Unternehmung dar. Generell wird in der wissenschaftlichen Literatur Koordination „ in einer Organisation beschrieben. Der Bedarf an Koordination entsteht vor allem in stark hierarchisch strukturierten Unternehmen, die durch Arbeitsteilung und Spezialisierung, sowie durch unterschiedliche Ziele, Interessen und unvermeidliche Interdependenzen innerhalb der Gruppe, eine gewünschte Zielerfüllung nicht gewährleisten können. Um den Koordinationsbedarf zu decken, greifen Unternehmen auf sogenannte „weiche“ Koordinationsinstrumente, die Unternehmenskultur“ zurück. Zu den strukturellen bzw. „harten“ Instrumenten zählen u.a. die Organisationsstruktur, Arbeitsanweisungen, Pläne und Programme, sowie persönliche Weisungen. Auf diese Art und Weise werden die Handlungen und das Verhalten der Gruppenmitglieder beeinflusst und im Interesse der Unternehmung gesteuert. Somit gewährleisten sie eine Zusammenarbeit der Gruppen im Hinblick auf die gewünschte Zielerreichung. In starken Unternehmenskulturen lassen sich die Koordinationsinstrumente reduzieren, da die Kultur in der Unternehmung einen Basiskonsens und ein gemeinsames Grundverständnis sichert. Sie bietet gleichzeitig ein kommunikatives Verständigungspotential, auf dessen Basis auch in sozialen Konfliktsituationen, die Zusammenarbeit, wie auch Lösungsmöglichkeiten zur Handhabung anstehender Probleme ermöglicht werden können. Das hat zur Folge, dass Alltagssituationen ohne detaillierte formale Pläne und Anweisungen auskommen können. Integrationsfunktion Im Gegensatz zur Koordinationsfunktion versucht die Integrationsfunktion die Aktivitäten der Gruppenmitglieder in ein Gesamtkonzept zu integrieren. Die systemtheoretische Theorie versteht Integration „ . Die Notwendigkeit zur Integration ergibt sich insbesondere aus der Gefahr einer Sub-Kulturbildung in internationalen Unternehmen, durch die Einzelinteressen der Gruppenmitglieder im Gegensatz zu den Gesamtinteressen der Unternehmung stehen. Dahingegen hilft die Integrationsfunktion, die Aktivitäten einzelner Unternehmensbereiche im Hinblick auf die Erreichung eines gemeinsamen Ziels zu bündeln und eine Verselbständigung von Einzelinteressen zu vermeiden. Starke Unternehmenskulturen können diesen Tendenzen entgegenwirken und den Zusammenhalt der einzelnen Systeme fördern. Aufgrund der gemeinsam geteilten Normen und Werte bildet sich ein Wir-Gefühl heraus, das bewirkt, dass die Gruppenmitglieder ihre Aktivitäten gemeinsam gestalten. Somit können zielgerichtete Integrationsbemühungen als Entwicklung und Festlegung spezifischer Unternehmensstrukturen angesehen werden, die Störungen der unternehmerischen Prozesse von vornherein minimieren. <?page no="34"?> 33 Motivationsfunktion Eine weitere Funktion einer starken Unternehmenskultur ist die Motivation. Sie liegt vor, „... wenn eine Person Anregungsbedingungen in einer spezifischen Situation so wahrnimmt, dass durch das Verhalten ausgelöst wird“. Wichtig ist hier die Arbeitsmotivation, also „... jener Teil der Motivation einer Person, der zur Erfüllung ihrer Aufgaben und Pflichten innerhalb eines Untern ehme ns n ot we nd ig i st“. Insb es on der e wenn der Z usa mm enha ng vo n Tätigkeiten im Unternehmen aufgrund der Zerlegung von Arbeitsabläufen, Spezialisierung und Automatisierung für die Gruppenmitglieder unverständlich geworden ist, kann eine starke Unternehmenskultur die Arbeitsmotivation fördern, indem sie einen Sinnzusammenhang der im Unternehmen vollzogen Handlungen herstellt. Die Motivationsfunktion kann demnach als Leistungsquelle eines Unternehmens betrachtet werden. Aufgrund der ähnlich geteilten Normen und Werte, fühlen sich die Gruppenmitglieder verbunden und arbeiten gerne zusammen. Somit fördert sie die Identifikations- und Motivationsbereitschaft, die dazu führt, dass die Gruppenmitglieder im Sinne des Unternehmens handeln. 11..2 2..3 3..22 DDeerriivvaatti ivvee FFuunnkktti ioonne enn Im Gegensatz zu den originären Funktionen werden die derivativen Funktionen nicht unmittelbar aus den vorherrschenden Werten und Normen abgeleitet. Sie werden vielmehr als indirekte Folgen der starken Unternehmenskultur angesehen. Erfüllen demnach starke Unternehmenskulturen die koordinations-, integrations- und motivationsfördernde Funktionen, so ergeben sich daraus effektivitäts- und effizienzsteigernde Wirkungen. Diese Wirkungen zeigen sich u.a. in einem größeren Engagement für das Unternehmen, einer schnelleren Implementierung von Plänen und Projekten, als auch in einer größeren Loyalität dem Unternehmen gegenüber. Sie fördern somit eine höhere Verbundenheit den Zielen der Unternehmung gegenüber, was sich in einer höherer Kundenzufriedenheit, Produktivität und Qualität niederschlagen kann. Weitere Effekte lassen sich in einer geringeren Fluktuation, effektiveren Problemlösungen auf allen Unternehmensebenen, sowie im schnelleren und höheren Wachstum des Unternehmens identifizieren. 11..2 2..4 4 GGeesstta allttuunng g ddeerr UUnntteerrnne ehhmmeennssk kuullttuurr Die Erkenntnis, dass eine Unternehmenskultur aus Normen, Werten und Grundannahmen besteht, die die Gruppenmitglieder im Laufe der Zeit internalisiert haben, zeigt, dass Kultur kein statisches Phänomen darstellt. Sie wird vielmehr als ein kollektives Konstrukt verstanden, das sich in jedem Unternehmen dynamisch bildet und auch durch andere ethische und strategische Prinzipien gestaltbar ist. <?page no="35"?> 34 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität 11..2 2..4 4..11 EEnnt tsstte ehhu unng g uunnd d EEnnt tw wiicckklluunng g ddeerr UUnnt te errnne ehhmmeenns skkuullttuurr Grundsätzlich ist eine Vorgehensweise zur Gestaltung einer Unternehmenskultur in globalen Unternehmen in der Literatur zum Strategischen Management nicht zu finden. Die wohl am häufigsten genannte „analytisch-empirische“ und deklarierte Erklärung von Unternehmen für die Ausformung „ihrer“ Unternehmenskulturen basieren auf den Ideen und Vorstellungen der Unternehmensgründer. Laut SSaa cck kmmaa nnnn entsteht die implizite Kultur eines Unternehmens ebenfalls während der Errichtung einer Unternehmung und entwickelt sich in verschiedenen Phasen: der -, -, - und . Die Gründungsphase wird geprägt durch die Gründungsmitglieder aufgrund ihrer Persönlichkeit und Wertevorstellungen, indem sie erste grundlegende Strategien vorgeben, Organisationsstrukturen herausbilden und eigene Symbolsysteme entwickeln. In der Entwicklungsphase haben sich bereits einige Formen und Regeln durch gelebte Interaktionen herausgebildet, die noch nicht fest etabliert sind. Entscheidungen und Handlungen, die sich als erfolgreich erweisen, finden sich im Verhaltensmuster der Gruppenmitglieder des Unternehmens wider. Durch die mit der Zeit manifestierten Werte, Riten, Regeln und Symbolsysteme zeichnet sich die Reifephase aus. In Krisenphasen werden bestehende Werte immer wieder auf Gültigkeit überprüft und bei Bedarf angepasst, um ein Überleben der Unternehmung in einer globalisierten Welt zu gewährleisten. Insofern nehmen die Unternehmensgründer einen erheblichen Einfluss auf die Unternehmenskultur, indem sie ihre Erwartungen zum Ausdruck bringen, die richtigen Überzeugungen und Verhaltensweise beispielhaft vorleben, vorführen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter sanktionieren. Unternehmenskulturen bilden sich demnach durch die gemeinsamen Werte, Normenvorstellungen und Handlungsmuster der Gruppenmitglieder heraus. Diese können im Prozess der Entstehung und Entwicklung von Unternehmen einen immensen Einfluss erzielen (vgl. z.B. die Apple-Story). 1 1.. 2 2..4 4. .22 WWaannd deell ddeerr UUnntteerrnne ehhmmeennssk ku ullttuurr Die Unternehmenskultur kann vor dem Hintergrund der Entstehung und Entwicklung des internationalen Unternehmens, das durch viele Innovationsaktivitäten und Mergers and Acquisitions-Maßnahmen charakterisiert werden kann, einem permanenten Werte- und Wandlungsprozess unterlegen. Dabei handelt es sich nicht um kleine Veränderungsprozesse, sondern vielmehr um einen grundlegenden Wandel der Kultur innerhalb der Unternehmung. In diesem Zusammenhang geht SScchhrre ey yöög g gg von einem typischen Verlauf eines Kulturwandels aus, dessen Ausgangspunkt immer eine Konfliktsituation darstellt, die durch Wachstum durch Zukauf von Unternehmensteileinheiten <?page no="36"?> 35 in anderen Ländern und durch eigene Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ausgelöst wird. Zu Beginn erweisen sich die gewohnten Interpretations- und Handlungsmuster der Gruppenmitglieder als nicht mehr erfolgreich, was zu einer Krise führt. Dabei entstehen Verunsicherungen bei den Gruppenmitgliedern, die die Glaubwürdigkeit und Faszination der Symbole und Riten bisheriger Geschäftsmodelle verlieren. Die Auswirkungen dieser Krise werden dabei immer häufiger zum Gegenstand der Kritik und führen im Laufe der Zeit zu schweren Auseinandersetzungen im internationalen Unternehmen. In der Folge treten vorhandene, jedoch bislang nicht wahrgenommene Schatten und Kulturen hervor. Alternativ dazu kann auch der Aufbau neuer Orientierungsmuster durch eine neue Führungsmannschaft erfolgen, weshalb die alten und neuen Orientierungsmuster immer mehr in einen Konflikt geraten. Sind die Gruppenmitglieder offen für eine Neuorientierung, so wird die Krise gemeistert, indem die entstehende neue Kultur akzeptiert wird. Es entfaltet sich somit eine neue Kultur mit neuen Symbolen und Riten. Dieser Kulturwandel läuft nach SScchhrre eyyöög g gg solange ab, bis eine neue Krise auftritt und der Kreislauf von Neuen beginnt. Abb. 1.5: Kultureller Wandel in Anlehnung an Dyer und Schreyögg Es kann davon ausgegangen werden, dass im Wandlungsprozess nicht alle Bestandteile der alten Kultur durch eine neue Kultur ersetzt werden, sondern nur die, die nicht mehr erfolgreich sind. Den Gruppenmitgliedern kann ein solcher Prozess nicht einfach befohlen werden. Die Angleichung an neue Annahmen und Sichtweisen muss in den täglichen Arbeitsroutinen der Gruppenmitglieder verankert werden. Ebenso muss die Unternehmung an sich bereit und motiviert sein, eine Neuerung im Sinne der Gruppengemeinschaft einzuführen. <?page no="37"?> 36 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität 11..2 2..5 5 BBeeddeeuuttuunng g ddeerr UUnntte errnne ehhm meennssk kuullttuurr ffüürr ddiiee iinnt te errnna attiioonna allee ZZuu-ssaammmmeennaarrbbeeiitt Angesichts der Komplexität allen Geschehens auf den internationalen Märkten ist eine Unternehmenskultur, als ein Wertesystem in Form von grundlegenden Überzeugungen, Vorstellungs- und Orientierungsmustern, die das Verhalten sowie auch die Beziehungen von Unternehmensmitgliedern prägt, für ein global agierendes Unternehmen von großer Relevanz (vgl. Toyota, GE, VW oder Siemens). Die Unternehmenskultur kann als entscheidender Wettbewerbsvorteil auf nationalen und internationalen Märkten dienen, indem sich Unternehmen wie McDonalds, Apple, Google etc. von der Konkurrenz abheben und ihr Image pflegen. Hierbei kann eine stark ausgeprägte Unternehmenskultur Arbeitsstrukturen verbessern, Mitarbeiter motivieren und zum effektiven Arbeiten innerhalb der Unternehmung beitragen. Ebenfalls spiegelt die Unternehmenskultur die Wichtigkeit der internationalen Zusammenarbeit im Unternehmen wider. Ist die internationale Orientierung der Unternehmenskultur in Heimat- und Gastland gleichermaßen stark ausgeprägt, so kann von einer gemeinsamen Basis für eine internationale Zusammenarbeit ausgegangen werden, die interkulturelle Unsicherheiten vermindert. Durch eine bewusste und über gemeinsame Symbole und Praktiken gelebte Unternehmenskultur kann eine Brücke zwischen national, kulturell und religiös verschiedenartig geprägten Unternehmensmitgliedern aufgebaut werden, die wiederum eine verbindende Wirkung innerhalb international tätiger Unternehmen ermöglicht. Des Weiteren bewirkt die Unternehmenskultur einen förderlichen Kompetenzaufbau, wodurch die Erfassung der andersartigen Traditionen und Verhaltensmuster berücksichtigt und folglich eine effektive interkulturelle Zusammenarbeit ermöglicht wird. Der Grundgedanke einer jeden Unternehmenskultur ist folglich die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen, die eine erfolgreiche, globale Zusammenarbeit und Kooperation zum Ziel hat. <?page no="38"?> 37 11..33 IInntteer rkkuullttuurraalliittäätt aallss ggrruunnddlleeg geennddeer r BBe es sttaannddtteei ill eei inneer r iinntteer rnnaatti ioonnaalleen n UUnntteer rnneeh hmmu unngg 11..33..11 IIn ntteer rk kuul lt tuur ra alli it täätt Seit den 1980er Jahren vollzieht sich in den wissenschaftlichen Disziplinen eine kulturwissenschaftliche Wende. Angesichts der historischen Ergebnisse und Erscheinungen der Gastarbeiterbewegung, der Migrationswellen und der Globalisierung, wurden die traditionellen Methoden, Theorien und Verständnisse im Hinblick auf die inhaltliche Bestimmung der Begriffe Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft interkulturell neu durchdacht. Ein wesentliches Resultat dieser Wende besteht darin, dass die Vorstellung von Kulturen als abgrenzbare und homogene Gesamteinheiten an Sinn und Bedeutung verlieren. 11..33..11..11 TTeerrmmiinnoollooggiisscchhee VVoorrüübbeerrlleegguunnggeenn zzuurr IInntteerrkku ullttuurraalliittäätt Die Interkulturalität als eine akademische Disziplin umfasst eine Vielzahl von Teildisziplinen, die eine erkenntnistheoretische Antwort auf kulturelle Kontexte wiedergibt. Ihre Verwendung findet sich in der Soziologie, Psychologie, Philosophie, Pädagogik, Kommunikation ebenso wie in den Sprach- und Religionswissenschaften. Einen grundlegenden Beitrag zur theoretischen Konzeptualisierung der Interkulturalität haben YYoouusseeffii/ / BBrraa uunn geleistet. Sie bezeichnen die Interkulturalität als „ . Nach YYo ouusseeffi i/ / B Brraa uunn beabsichtigt die Interkulturalität durch ihre Methode einen kritisch-argumentativen Dialog zwischen und innerhalb unterschiedlicher Kulturen. Auf diese Weise erfolgt auf individueller Ebene eine Bewusstseinserweiterung im Wahrnehmen und Begegnen von Individuen untereinander. Dabei wird eine interkulturelle Verständigung angestrebt, in der sich Verstehen-Wollen und Verstanden-werden-Wollen gegenseitig voraussetzen. Denn wer verstanden werden will, muss bereit sein zu verstehen. In diesem Kontext wird Kultur als ein Handlungsfeld von geschaffenen und genutzten, Normen, Werten, Objekten und Ideen verstanden, das sich in einem für eine Gruppe typischen Orientierungssystem manifestiert. Orientierungssysteme stellen Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handelns dar, die von den Mitgliedern einer bestimmten Kultur für sich als normal, typisch und verbindlich angesehen werden. Somit entwickeln diese Organisationssysteme einen sinnhaften Bereich des Eigenen, der Orientierung bietet. Verhaltensweisen die sich außerhalb des eigenen Orientierungssystems bewegen, bilden einen Bereich des Fremden, der hingegen Desorientierung auslöst. Demzufolge wird das Eigene und das Fremde durch die spezifischen Orientierungssysteme gesteuert, reguliert und beurteilt. <?page no="39"?> 38 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität Mit anderen Worten beschreibt die Interkulturalität einen dynamischen Interaktionsprozess zwischen unterschiedlichen Kulturen. Angesichts der Tatsache, dass die Wahrnehmungen und Verhaltensweisen der Interaktionspartner durch ihr eigenkulturelles Orientierungssystem geprägt und für die Erwartungen und Vorstellungen einer Interaktionssituation verantwortlich sind, muss ein gleichberechtigter kultureller Austausch ermöglicht werden, der durch die Interkulturalität in Form einer methodischen Handlungsweise herbeigeführt wird. 11..33..11..22 BBees sc chhrrään nkkuunnggeen n v voonn iinntte er rkkuullttuurreel llleen n BBeeg geeg gnnuunnggssssiittu uaat tiioo-nneen n Treffen nun unterschiedliche kulturelle Orientierungssysteme aufeinander, so kommt es zu einer kulturellen Überschneidungssituation. Nach TThhoommaa ss ergeben sich kulturelle Überschneidungssituationen: „ . Es entsteht somit ein Zwischenraum zwischen der Eigenkultur und der Fremdkultur. Zu Beginn verhalten sich die Interaktionspartner in der interkulturellen Begegnung entsprechend ihres eigenkulturellen Orientierungssystems. Ihnen ist dabei aber nicht bewusst, dass neben dem Eigenkulturellem, auch das Fremdkulturelle existiert. Aus diesem Grund wird das eigenkulturelle Orientierungssystem zur Interpretation des fremdkulturellen Verhaltens verwendet, indem das Eigene dem Fremden gegenübergestellt wird. Das Fremde lässt sich allerdings nicht in das eigenkulturelle Orientierungssystem einordnen, was zu Irritationen, Missverständnissen und negativen Handlungsergebnissen führen kann. In diesem Zusammenhang formuliert TThhoom ma a ss: „ Abb. 1.6: Dynamik kultureller Überschneidungssituationen nach Thomas <?page no="40"?> 39 In diesem Zusammenhang kann festgehalten werden, dass in eigenkulturellen Orientierungssystemen das Verhalten anderer und deren Reaktion auf das eigene Verhalten, mit größerer Wahrscheinlichkeit geteilt, verstanden und sogar akzeptiert wird. Wohingegen in kulturellen Überschneidungssituationen, in denen verschiedene Orientierungssysteme aufeinandertreffen, ein gegenseitiges Verständnis erst durch nähere Erläuterungen, zusätzliche Erklärungen und Nachfragen zustande kommt. Das Verständigungsproblem als solches zu erkennen, ist nicht einfach. Aufgrund des eigenkulturellen Orientierungssystems werden die eigenen Denk- und Verhaltensweisen, die zur Gewohnheit geworden sind, als normal oder angebracht betrachtet. Aus diesem Grund wird davon ausgegangen, dass sich alle so zu verhalten haben wie man selbst handelt und denkt. Selbstverständlich geht das fremdkulturelle Orientierungssystem genauso davon aus, dass sein Verhalten, Denken und Fühlen sowie die Art und Weise, wie es auf andere wirkt, angemessen und erfolgsversprechend ist. Es ist zu erwähnen, dass durch kulturelle Überschneidungssituationen kulturelle Differenzen ermittelt und fremdkulturelle Orientierungssysteme verstanden werden können, wodurch Entwicklungsmöglichkeiten bezüglich interkultureller Begegnungen ersichtlich werden. 11..33..11..33 AAnnffoorrddeerruunnggeenn aann ddiiee BBeewwäällttiigguunngg iinntteerrkkuullttuurreelllle err BBeeggeegg-nnuunnggssssiit tuuaattiioonneenn Aus dem Erleben und dem Verhalten in kulturellen Überschneidungssituationen ergeben sich nach TThhoom ma a ss drei Anforderungskomplexe, deren Bewältigung mit Schwierigkeiten verbunden ist: Anforderungen aus der eigenkulturellen Orientierung Das eigenkulturelle Wahrnehmen, Denken und Verhalten muss thematisiert, reflektiert, erkannt und verstanden werden, weshalb das Kennenlernen des eigenkulturellen Orientierungssystems erforderlich ist. Anforderungen aus der fremdkulturellen Orientierung Die fremdkulturellen Bedingungen müssen ebenso wie das Eigenkulturelle verstanden, anerkannt und akzeptiert werden. Anforderungen aus der interkulturellen Orientierung Eigenes und Fremdes müssen aufeinander abgestimmt werden, indem eine Distanzierung vom Gewohnten und einen Perspektivenwechsel in Bezug auf die Handlungsmöglichkeiten des eigenen Orientierungssystems erfolgt. Betrachtet man die von TThhoom ma a ss zusammengefassten Anforderungen, so ist zu erkennen, dass das Wahrnehmen des Fremden in der eigenen Kultur und das Eigene in der fremden Kultur von großer Bedeutung ist, um in interkulturelle Begegnungssituationen positive Handlungsmöglichkeiten und Handlungsergebnisse zu gestalten. Aus dieser Wahrnehmung heraus kann insgesamt eine kritische Perspektive auf die eigene und die fremde Kultur entwickelt und Anschlüsse, sowie Übergänge zwischen verschiedenen Kulturen <?page no="41"?> 40 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität hergestellt werden. Hierdurch eröffnet sich ein Fremd- und Selbstverstehen als ein gemeinsamer Austausch der Interkulturalität. 11..3 3..1 1..44 VVeerrhha alltteenns sr reegguullaatti ioonn iinn iinnt te errkkuullttuurreelllleenn BBeeggeeggnnu unng gssssi ittuuaatti ioo-nneenn Die Begegnung des Eigen- und Fremdkulturellen kann auch als ein Aushandlungsprozess bezeichnet werden, in dem die Interaktionspartner neue Regeln für den gemeinsamen Umgang ausmachen. Im günstigsten Fall kann dieser Prozess als eine wechselseitige Anpassung betrachtet werden, in welchem das Verhalten mal mehr vom Eigenen und mal mehr vom Fremden bestimmt wird. Im ungünstigsten Fall wird das Verhalten allein vom Fremden bestimmt. Aufgrund dieser Tatsache gestaltet sich der Umgang mit interkulturellen Begegnungen unterschiedlich. BBoocchhnneerrss Untersuchungen über die Dynamik kultureller Begegnungssituationen haben aufgezeigt, dass vier grundliegende Typen im Feld der Verhaltensregulation unterschieden werden können: Dominanzkonzept Die eigenkulturellen Werte und Normen werden der fremden Kultur gegenüber als überlegen angesehen und sollen sich gegen Fremdeinflüsse durchsetzen. Es wird ein Anpassungsdruck auf den Partner ausgeübt, bis sich sein Verhalten an den Kulturstandards des eigenkulturellen Orientierungssystems orientiert (US-Amerikaner, Spanier und Portugiesen setzen ihre Religion, Sprache und Kultur in Nord-, Mittel- und Süd-Amerika durch). Assimilationskonzept Die fremdkulturellen Normen und Werte werden freiwillig übernommen und in das eigene Handeln integriert. Dabei kann es zum Verlust von Teilen der eigenen kulturellen Identität kommen (Annehmen einer anderen Religion, Kultur und/ oder Nationalität). Divergenzkonzept Die Werte und Normen beider Kulturen werden als bedeutsam angesehen. Sie sind jedoch so divergent, dass eine Integration unmöglich erscheint. Aus diesem Grund kommt es zu ständigen Schwankungen zwischen dem eigen- und dem fremdkulturellen Orientierungssystem, die zu Verunsicherungen in der Zusammenarbeit und zur Reduzierung der Arbeitsmotivation führen. Synthesekonzept Beide Partner führen bedeutsame Elemente beider Kulturen zu einer neuen Gesamtheit zusammen. Dabei werden die Elemente neu definiert und für beide Partner wert- und normbildend. <?page no="42"?> 41 Welche dieser Verhaltensweisen ausgewählt werden, ist abhängig vom Auftreten des einzelnen Interaktionspartners und von den Vorgaben des eigenekulturellen Orientierungssystems. Ist das eigenkulturelle Orientierungssystem eher von einer gewissen Dominanz gegenüber dem Fremden geprägt, so kann die Interkulturalität als Synthese schwer gestaltet werden. TThhoom ma a ss geht davon aus, dass die Art und Weise des Umgangs mit fremden kulturellen Orientierungssystemen innerhalb eines gewissen Toleranzbereichs variieren kann. 1 1..33..22 II n ntteerrk kuul lt tuur re elll le e KKoom mppeetteennzz Um in kulturellen Überschneidungssituationen einen positiven kulturellen Austausch zwischen dem Eigenen und dem Fremden zu ermöglichen, ist die interkulturelle Kompetenz notwendig. Besonders in der Wirtschaft ist die interkulturelle Kompetenz zu einer Schlüsselkompetenz geworden, insbesondere bei Managern, Mitgliedern interkulturell zusammengesetzter Teams und Mitarbeitern, die mit internationalen Partnern agieren. Insgesamt stellen interkulturelle Kompetenzen kulturspezifische Eigenschaften dar, die für die internationale bzw. interkulturelle Zusammenarbeit unerlässlich sind. 11..3 3..2 2..11 ZZuumm BBe eggrriiffff ddeerr iinnt teerrkkuullttuurreel llleenn KKoommppeetteennz z Der Begriff Kompetenz wird in unterschiedlichen Diskursen verwendet und gedeutet, weshalb sich bislang kein gemeinsames Verständnis durchsetzen konnte. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird einer Person Kompetenz zugeschrieben, sobald sie über ein bestimmtes Wissen verfügt, bestimmte Tätigkeiten angemessen ausführt oder für etwas zuständig ist. Das Personalmanagement hingegen verwendet den Begriff Kompetenz in unterschiedlichen Bedeutungszusammenhängen. Zum einen werden mit dem Kompetenzbegriff Rechte und Befugnisse verstanden, die mit einer bestimmten Position verbunden und zur Erfüllung der ihr aufgetragenen Aufgaben notwendig sind. Zum anderen verweist der Begriff Kompetenz auf die Notwendigkeit hin, die Situation mit seinem individuellen Wissen, sowie Einstellungen und Fähigkeiten zu bewältigen. Häufig wird der Begriff Kompetenz in Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz unterschieden. Die Fachkompetenz ist zur Erledigung von Sachaufgaben notwendig. Die Methodenkompetenz hingegen ist erforderlich, um verschiedene Problemlösungsansätze anwenden zu können. Der Kompetenzbegriff bezieht sich auf die soziale Komponente, die durch die Basis selbstständigen Handelns die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit ermöglicht und die Voraussetzung schafft, gemeinsam mit anderen, Aufgaben in einer Gruppe zu übernehmen. Allerdings stellt die Kompetenz nicht nur eine Kombination einzelner Fertigkeiten, Eigenschaften oder Verhaltensweisen zur erfolgreichen Bewältigung komplexer Anforderungen dar. Erst in einer bestimmten Situation wird klar, <?page no="43"?> 42 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität wie kompetent der Handelnde wirklich ist. Darüber hinaus stellt die kompetente Bereitschaft einen Aspekt dar, der das individuelle Handeln beeinflusst. Demnach werden Kompetenzen durch situative Aspekte beeinflusst, die durch verschiedene Arten individueller Ressourcen bewältigt werden. Ebenso wie der Kompetenzbegriff wird der Begriff interkulturelle Kompetenz nicht einheitlich definiert und verwendet. Es existiert eine Vielzahl von Definitionsansätzen, die sich in ihrem Schwerpunkt, häufig geprägt durch die fachspezifische Zugehörigkeit des Autors, unterscheiden. Laut EErrl ll l/ / GGyymm-n niicch h umfasst die interkulturelle Kompetenz: „ TThhoomma a ss hingegen formuliert eine Definition, in der er Komponenten in einem allgemeinen Zusammenhang beschreibt: „ TThhoom maa s s definiert die interkulturelle Kompetenz nicht als eine Fähigkeit, die vorhanden oder nicht vorhanden ist. Sie entsteht auch nicht durch den Vergleich des Eigenen und des Fremden oder durch das Erlernen von Eigenschaften fremdkultureller Orientierungssysteme. Seiner Ansicht nach, entwickelt sich die interkulturelle Kompetenz durch interkulturelle Erfahrungen, die sich im Verlauf kultureller Überschneidungssituationen ergeben. Durch die Reflexion des eigenkulturellen Orientierungssystems wird die Wahrnehmung der kulturellen Andersartigkeit und die Bedeutung dieser für die Überschneidungssituation ermöglicht, wodurch Kenntnisse über das fremdkulturelle Orientierungssystem und ihre Handlungsweisen gewonnen werden. Dabei ist es von zentraler Bedeutung das fremdkulturelle Handeln zu würdigen und zu akzeptieren. Somit eröffnet sich das interkulturelle Verstehen durch das Wissen um das eigenkulturelle Orientierungssystem und um die möglichen Wirkungen der Begegnungssituation des eigen- und fremdenkulturellen Orientierungssystems. In diesem Zusammenhang muss noch darauf hinweisen werden, dass die interkulturelle Kompetenz in einem „sprachlichen“ und handlungsbezogenen Lernprozess entwickelt wird. Es erhöht sich die Handlungssicherheit, je mehr interkulturelle Erfahrungen, im Privaten und geschäftlichen Bereich, vorhanden sind. Dabei ist zu beachten, dass unter der Berücksichtigung unterschiedlicher Situationen das interkulturelle Handeln variieren kann. <?page no="44"?> 43 11..33..22..22 MMeerrkkmmaallee u un ndd DDi immeennssiio on neenn i in ntteerrk kuul lt tuur re elll le err KKoom mppeetteennzz In der wissenschaftlichen Literatur werden interkulturelle Teilkompetenzen auch als Merkmale beschrieben. Aufgrund ihrer Komplexität wurden diverse Modelle entwickelt, in denen Teilkompetenzen nach verschiedenen Kriterien kategorisiert und verschiedenen Dimensionen zugeordnet werden. Aufgrund ihrer verschiedenen Anwendungsbereiche unterscheiden sich die einzelnen Modelle in den Teilkompetenzen, als auch in den Dimensionen. Die verschiedenen Konzeptionen der interkulturellen Kompetenz haben sich vorwiegend an Beschreibungen von Persönlichkeitsmerkmalen erfolgreicher Expatriates (entsandter Mitarbeiter in Tochterunternehmen im Ausland) orientiert, die die Grundlage für die Ableitung interkultureller Teilkompetenzen bildeten. In diesem Zusammenhang sind KKüühhllmmaa nnnnss/ / S Sttaa h hlls s Befragungen deutscher Entsandter zu erwähnen, die während ihres Auslandsaufenthaltes zu kritischen Ereignissen befragt wurden. Im Rahmen ihrer Untersuchung haben sie verschiedene Teilkompetenzen herausgearbeitet, die zu einer Liste mit folgenden Merkmalen zusammengefasst wurde: Ambiguitätstoleranz Die Neigung, sich in unsicheren, mehrdeutigen und komplexen Situationen wohl zu fühlen bzw. nicht beeinträchtigt zu fühlen. Verhaltensflexibilität Die Fähigkeit, sich schnell auf veränderte Situationen einzustellen und darin auf ein breites Verhaltensrepertoire zurückzugreifen. Zielorientierung Die Fähigkeit, auch unter erschwerten Bedingungen zielstrebig auf die Erreichung der gestellten Aufgaben hinzuarbeiten. Kontaktfreudigkeit Die Neigung, soziale Kontakte aktiv zu erschließen und bestehende Beziehungen aufrechtzuerhalten. Einfühlungsvermögen Die Fähigkeit, Bedürfnisse und Handlungsabsichten von Interaktionspartnern zu erkennen und situationsadäquat darauf zu reagieren. Insgesamt stellten Listenmodelle interkultureller Kompetenz additiv summierte Teilkompetenzen dar, die aufgrund ihrer Endlosigkeit im Additionsergebnis zu unterschiedlichen Definitionen der interkulturellen Kompetenz führten. Aus diesem Grund haben sich im Laufe der Zeit aus den abgeleiteten Listenmodellen sogenannte Strukturmodelle interkultureller Kompetenz etabliert. Strukturmodelle betrachten im Vergleich zu den Listenmodellen die interkulturelle Kompetenz nicht additiv, sondern systematisch und ordnen die Teilkompetenzen bestimmten Strukturdimensionen zu. Ein weitgehend anerkanntes Modell stammt von GGeerrttsseen n, der die Teilkompetenzen interkul- <?page no="45"?> 44 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität tureller Kompetenz der , und zuordnet: Kognitive Dimension: interkulturelles Wissen Die kognitive Dimension bezeichnet das Wissen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Kulturen und trägt dazu bei, die Komplexität einer Kultur zu verstehen. Affektive Dimension: interkulturelle Sensibilität Die affektive Dimension bezeichnet jene Persönlichkeitseigenschaften, in Situationen interkulturellen Kontakts eventuell auftretende Probleme als kulturbedingt zu erkennen und zu durchschauen. Verhaltensbezogene Dimension: interkulturelle Handlungskompetenz Die verhaltensbezogene Dimension umfasst Fähigkeiten, kulturelle Bedingungen produktiv zu nutzen, um angemessen mit Menschen verschiedener Kulturen zu interagieren und kulturelle Konflikte entweder zu vermeiden bzw. diese friedlich aber erfolgreich führen zu können. Abb. 1.7: Affektive, kognitive und verhaltensorientierte Dimensionen der interkulturellen Kompetenz <?page no="46"?> 45 Nach dem Strukturmodell von GGeerrtts seenn entwickelt sich die interkulturelle Kompetenz, indem interkulturelles Wissen und interkulturelle Sensibilität zielgerichtet in ein Kultur-angemessenes und effektives Handeln umgesetzt wird. Abb. 1.8: Prozessmodell interkultureller Kompetenz nach Bolten Allerdings wird der Unterschied zwischen allgemeinen Kompetenzen und der interkulturellen Kompetenz nicht deutlich, da gewisse Teilkompetenzen ähnlich wie in den Listenmodellen noch kein erfolgreiches interkulturelles Handeln darstellen. Aus diesem Grund betrachtet BBool ltteenn die interkulturelle Kompetenz als eine allgemeine Handlungskompetenz. Nichtsdestotrotz besteht eine Interdependenz zwischen den Teilkompetenzen, weshalb BBool ltteenn die interkulturelle Kompetenz nicht als Synthese, sondern als: „ beschreibt. Es handelt sich somit seiner Meinung nach nicht mehr um einen strukturellen, sondern um einen prozessualen Begriff der interkulturellen Kompetenz. Derartige Prozessmodelle beschreiben erfolgreiches interkulturelles Handeln als ein Zusammenspiel von fachlichem, strategischem, sozialem und individuellem Handeln in interkulturellen Kontexten. Insofern werden den affektiven, kognitiven und verhaltensbezogenen Dimensionen zugehörigen Teilkompetenzen den Kompetenzbereichen individuell, sozial, fachlich und strategisch zugeordnet. Die interkulturelle Kompetenz stellt dabei keinen neuen, eigenständigen Kompetenzbereich dar, sondern vielmehr eine Verknüpfung der individuellen, sozialen, fachlichen und strategischen Handlungskontexte. Alle Bereiche stehen demnach in gegenseitiger Abhängigkeit und sind jeweils mit der interkulturellen Kompetenz interdependent. <?page no="47"?> 46 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität 11..3 3..3 3 IInnt teerrkkuullttuurreellllee KKoommmmuunni ikkaattiioonn Die Fähigkeit zu einer angemessenen Kommunikation in einer interkulturellen Begegnung stellt eines der wesentlichen Elemente der interkulturellen Kompetenz dar. Die Forschung zur interkulturellen Kommunikation beschäftigt sich mit den Kommunikationsmustern, Strategien zum Verständnis und interkulturellen Missverständnissen, die bei der Kommunikation zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen auftreten können. Durch eine Analyse der Kommunikationsmuster und der Gründe für ein Missverstehen, werden Voraussetzungen für Vorgehensweisen zur Bewältigung von Kommunikationsproblemen geschaffen. 11..33..33. .11 TTeerrmmi innoollooggiisscchhe e AAssppeekkttee zzuurr iinntteerrkkuullttuurreelllleenn KKo ommmmu unniikkaa-ttiioonn Der Begriff Kommunikation wird in verschiedenen Zusammenhängen verwendet und hat in der Linguistik, Philosophie, Soziologie, Psychologie sowie in der Fremdsprachendidaktik Einzug genommen. Bislang wurde keine einheitliche Begriffsbestimmung formuliert, weshalb man auf unterschiedliche Beschreibungen und Definitionen von Kommunikation vorfindet. Während unter Kommunikation häufig ein reiner Austausch von Worten verstanden wird, zeichnet sich die Kommunikation ebenfalls durch die Vermittlung von Gefühlen und den Aufbau von Beziehungen aus. In diesem Zusammenhang kann mit dem Begriff Kommunikation, so BBuurrk ka a rrt t: „ verbunden werden. Damit Kommunikation überhaupt stattfinden kann, müssen mindestens zwei Individuen in Beziehung treten, in anderen Worten, miteinander interagieren. Folgerichtig kann der Begriff Kommunikation auch als Synonym für Interaktion verwendet werden, der einen Prozess der wechselseitigen Beziehung von Individuen darstellt, in denen es zu Kommunikationsprozessen kommt. Allerdings können Kommunikation und Interaktion voneinander unterschieden werden. Während die Kommunikation den Fokus auf die Inhalte und Bedeutung der Begegnung legt, bezieht sich die Interaktion eher auf die Beziehung zwischen den Partnern in der Begegnung. Es kann aber auch die Interaktion als eine wechselseitige Kommunikation betrachtet werden. Die Begriffsbestimmung der interkulturellen Kommunikation hat sich als nicht einfach erwiesen. Zum einen liegt es an der schwierigen Abgrenzung von interkultureller Kommunikation zur intrakulturellen Kommunikation, zum anderen an dem Begriff Kultur und dessen Stellenwert für die interkulturelle Kommunikation. BBaa rrmmeey yeerr definiert in diesem Zusammenhang die interkulturelle Kommunikation als: „ Demzufolge lässt sich nach BBaa rrm meeyyeerrs s Definition die interkulturelle Kommunikation nicht prinzipiell von der intrakulturellen Kom- <?page no="48"?> 47 munikation unterscheiden. Um die interkulturelle Kommunikation gegenüber der intranationalen Kommunikation abzugrenzen, konkretisiert BBaa rrmmeeyyeerr sein Verständnis von interkultureller Kommunikation und behauptet: „ - BBaa rrm meeyyeerrss definitorische Abgrenzung der interkulturellen Kommunikation verdeutlicht, dass der interkulturelle Aspekt zu Besonderheiten in Kommunikationssituationen zwischen Kommunikatoren unterschiedlicher Kulturen führen kann. Die Kommunikation zwischen Angehörige der gleichen Kultur läuft weitgehend unbewusst ab. Wohingegen sich die Kommunikation zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturen als schwierig gestaltet, nicht nur auf Grund ihrer unterschiedlichen Sprachen, sondern auch aufgrund ihrer verschiedenen Wissensbestände, Normen- und Wertevorstellungen sowie Verhaltens- und Deutungsmuster. 1 1.. 3 3..3 3..22 IInnt teerrkkuullttu urreellllee KKoommmmuunni ikkaatti ioonns spprroozzeesss s Die Kommunikation stellt ein Prozess dar, bei dem ein Sender eine Nachricht in einen Code verschlüsselt und sie über einen Kommunikationskanal sendet, um einen Empfänger zu erreichen, der die Nachricht decodiert, wobei eine entsprechende Wirkung erzeugt wird. Stimmen die Codierung und Decodierung der Nachricht überein, kommt eine effektive Verständigung auf der Sender- und Empfängerseite zustande. Eine derartige Übereinstimmung ist von einem gemeinsamen Orientierungssystem abhängig, dem ein Code in Form von gemeinsam geteilten Wissen, Handlungsmustern sowie Normen- und Werteorientierungen zugrunde liegt. Abb. 1.9: Kommunikationsprozess Begegnen sich Kommunikatoren verschiedener Kulturen, so erweist sich ein solcher Kommunikationsprozess als schwierig. Die Kommunikatoren teilen nicht das kulturelle Orientierungssystem und sehen sich aus diesem Grund in der Kommunikationssituation als fremd. Der Kommunikationsprozess wird auf Basis des eigeneigenkulturellen Wissens geführt, in welchem versucht <?page no="49"?> 48 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität wird, dem Gegenüber auf der Grundlage des eigenen Verständnisses zu erreichen und zu verstehen. Die Codes sind demnach kulturspezifisch. BBrroos s-zzi innsskkyy- -SScchhwwa a b bee bezeichnet die interkulturelle Kommunikation in diesem Zusammenhang als die Verständigung zwischen Personen unterschiedlicher Kulturen: . Als Folge können gewünschte oder ungewünschte Informationen versendet, verzerrt oder gar verloren gehen. Neben reinen Worten können auch Verhaltensweisen innerhalb des Kommunikationsprozesses falsch interpretiert werden. Der Grund hierbei liegt in dem fehlenden Wissen über die andere Kultur, weshalb das Unverstandene durch eigene Interpretationen und Annahmen ersetzen wird. Aus diesem Grund können während des interkulturellen Kommunikationsprozesses Missverständnisse, Fehlinterpretationen und kulturelle Konflikte entstehen. Folglich sind interkulturelle Kommunikationssituationen durch das Aufeinandertreffen zweier oder mehrere Orientierungssysteme gekennzeichnet. Die Kommunikatoren greifen dabei auf ihr eigenkulturelles Wissen zurück, weshalb der Aspekt der interkulturellen Kommunikation als Besonderheit anzusehen ist. Die kulturellen Orientierungssysteme beeinflussen das Verhalten der Kommunikatoren hinsichtlich ihrer Wahrnehmung und Interpretation, sowie die daraus resultierenden Handlungen. Zudem können kulturspezifische Gewohnheiten, Verhaltens- und Kommunikationsregeln oder auch Vorurteile andern Kulturen gegengenüber, einen erheblichen Einfluss auf die Kommunikatoren haben. Insofern sind kulturelle Unterschiede in Kommunikationssituationen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. 1 1..33..33..33 II n ntteerrk kuul lt tuur re elll le e KKoom mmmuun niikkaattiio onnssaarrt teenn Die Kommunikationsarten, die im Rahmen einer interkulturellen Kommunikation zu berücksichtigen sind und einen entscheidenden Beitrag zur erfolgreichen Kommunikation leisten können, betreffen die , als auch die - und . Verbale Kommunikation Die häufigste Form interkultureller Kommunikation bedient sich dem als auch dem , weshalb die interkulturelle Kommunikation häufig mit der Anwendung von in Verbindung gebracht wird. Das Verständnis einer Fremdsprache setzt die Kenntnis der jeweiligen Kultur voraus, da sich der Inhalt einer Sprache an dem orientiert, was in der jeweiligen Kultur für relevant erachtet wird. Neben guten Fremdsprachenkenntnissen können jedoch Ausdrücke, Redewendungen oder Sprichwörter nicht vollständig übersetzt werden, weshalb die adäquate Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Gefühlen erschwert wird. Auch Übersetzungen sind in diesem Zusammenhang problematisch, weil die Bedeutung eines Wortes verschiedene Vorstellungen auslösen kann. Weitere Kulturunterschiede zeigen sich in den inhaltlichen Erwartungen an die Gesprächspartner als auch in <?page no="50"?> 49 der sprachlichen Äußerung, die gleichzeitig bestimmte Feststellungen, Versprechen oder Behauptungen aufstellen kann. Interkulturelle Verständigungsprobleme können auch dann entstehen, wenn die Kommunikationspartner dieselbe Sprache sprechen. Aufgrund ihrer unterschiedlichen kulturellen Hintergründe kann der Inhalt des Gesprochenen verschiedenartig interpretiert werden. Non-verbale Kommunikation In der interkulturellen Kommunikation stellt ebenso die non-verbale Kommunikation ein Hindernis dar. Als non-verbale Signale gelten alle nichtsprachlichen und nicht-schriftlichen Verständigungsmittel, wie der - und , , und . Sie werden von den Kommunikationspartnern meist unbewusst gesendet und gelten im eigenkulturellen Kontext i.d.R. als verlässlich. Das mangelnde Wissen über diese kulturellen Besonderheiten kann wie bei verbalen Signalen, zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen führen. Stark kulturabhängig ist der in interkulturellen Kontaktsituationen bevorzugte Blickkontakt. Während der Blickkontakt in einer Kultur eines Gespräches Ausdruck von Interesse zeigt, so kann er in der anderen Kultur eine Art Respektlosigkeit vermitteln oder bei Frauen als sittenlos und unmoralisch interpretiert werden (z.B. in der islamischen Kultur). Zugleich zeigen der Körperkontakt und die Körperhaltung kulturelle Unterschiede auf. So gibt es Kulturen, in denen der Körperkontakt nur auf die Familie oder enge Verwandte beschränkt ist, wohingegen in anderen Kulturen der Körperkontakt zu Fremden ebenfalls als angemessen gilt. Ebenso können eine entspannte Körperhaltung oder das Abstützen der Arme auf die Knie sowohl despektierlich als auch wohltuend empfunden werden. Auch kann die Gestik kulturabhängig sein. Kulturen, die beim Sprechen wenig gestikulieren werden oft als verklemmt wahrgenommen, wohingegen Angehörige, die ihre Arme und Hände stark einsetzen als aufgeschlossen wirken. Dazu kann die wie das Nasenrümpfen, Stirnrunzeln oder angehobene Augenbrauen, als Ausdruck menschlicher Emotionen, zu vielfältigen Interpretationen führen. Paraverbale Kommunikation Kulturunterschiede in der paraverbalen Kommunikation sind ebenfalls groß. Als paraverbale Signale gelten der und die , in denen gesprochen wird. Die Tonhöhe, die die normale Sprache einer Kultur auszeichnet, kann in anderen Kulturen als affektiert oder als weibisch wahrgenommen werden. Auch die Lautstärke hat eine erhebliche Wirkung auf interkulturelle Kontaktsituationen. Leises Sprechen wird oft als zurückhaltend empfunden, wohingegen <?page no="51"?> 50 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität schnelles Sprechen häufig als aggressiv erlebt wird. Ebenso regelt die Lautstärke den Sprecherwechsel, der den Gesprächsablauf bestimmt. Ein lautes Sprechen verstößt in einigen Kulturen gegen das Ablaufschema der normalen Kommunikation und kann Streit oder ähnliche Probleme herbeiführen. Das Schweigen wird in manchen Kulturen für bedeutungsvoll gehalten, wohingegen in anderen Kulturen mehr gesprochen wird und lange Redepausen als unangenehm empfunden werden. Folglich kann die Nachricht, die der Sender dem Empfänger übermittelt, mittels Sprache, verbunden oder unverbunden mit Gestik, Mimik Körperhaltung als auch durch den Blick- und Körperkontakt zum Ausdruck gebracht werden . E b enso wir d di e Ko mmun ikati on du rch die Art und Weis e des G esp rochenen gesteuert. Demzufolge können in der interkulturellen Kommunikation neben sprachlichen Verständigungsproblemen, interkulturelle Unterschiede in den non- und paraverbalen Signalen, sowie in der Direktheit der Kommunikation bestehen, was allerdings nicht bedeutet, dass Missverständnisse, Fehlinterpretationen oder Konflikte generell kulturbedingt sind. Interkulturelle Kommunikation ist trotz eventueller Kommunikationsschwierigkeiten möglich. Die Einstellung eines offenen Dialogs und die Sensibilität für andere Verhaltens- und Sichtweisen, können in interkulturellen Kommunikationssituationen von entscheidender Bedeutung sein, die im Rahmen eines interkulturellen Lernprozesses zur Entwicklung der interkulturellen Kompetenz beitragen können. 1 1..33..44 EEi innfflluussss iinntteerrkkuullttuurreelllleerr FFäähhi iggkkeeiitteenn aauuff ddiiee iinntteerrnnaattiioonnaallee ZZuussaammm meennaarrbbeeiitt International operierende Unternehmen weisen bekanntlich in vielen Bereichen Berührungspunkte mit verschiedenen Kulturen auf, die erhebliche Auswirkungen auf das wirtschaftliche Geschehen haben. Probleme in der internationalen Zusammenarbeit führen häufig zu interkulturellen Missverständnissen zwischen Interaktionspartnern unterschiedlicher Kulturen. Dabei sind die Interaktionspartner interkulturellen Überschneidungssituationen ausgesetzt, die ein Wissen um kulturelle Besonderheiten voraussetzen. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um Wissen darüber, wie in Heimat, Gast- oder Drittland eine freundliche und wohlwollende Verständigung zu führen ist oder um Kenntnisse zur Sprache des Kollegen oder Geschäftspartners. Vielmehr müssen die Interaktionspartner Fähigkeiten besitzen, um eine angemessene, effiziente und für alle Seiten zufriedenstellende Kommunikation, Begegnung und Kooperation zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturen zu führen. Aus diesem Grund nimmt die interkulturelle Kompetenz eine zunehmende Schlüsselqualifikation in internationalen Unternehmungen ein. Neben einer erfolgreichen kulturübergreifenden Zusammenarbeit auf geschäftlicher Ebene wie Marketing, Forschung- und Entwicklung, kann die in- <?page no="52"?> 51 terkulturelle Kompetenz auch auf der persönlichen Ebene eine positive Wirkung erzeugen. Insofern stellt die interkulturelle Kompetenz einen zentralen Erfolgsfaktor in der internationalen Zusammenarbeit dar. 11..44 IIn ntte errkkuul lt tuur reelll le e P Pe errssoonnaall- uun ndd MMaannaaggeemmeenntteennttwwiicck k-llu un ngg a alls s I In nssttrruum meenntt eeiin neerr i in ntteerrnnaattiio onnaalle enn UUn ntteerrnneehh-mmuunngg 11..4 4..1 1 IInnt teerrkkuullttu urreelllleess TTrraaiinni inng g Seit der Entstehung interkultureller Trainings in den 1960er in den USA, sind eine Vielzahl von Varianten interkultureller Trainings entwickelt worden. Angesichts der zunehmenden Globalisierung, haben auch andere Länder die Notwendigkeit interkultureller Trainings erkannt. Neben der Vorbereitung von Fach- und Führungskräften auf einen längeren Arbeitsaufenthalt, werden aktuell solche Fach- und Führungskräfte trainiert, die in ihren Heimatländern arbeiten und international tätig sind. Insofern gewinnt das interkulturelle Training immer mehr an Bedeutung, das zur Sensibilisierung im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit dient. 11..4 4..1 1..11 ZZuu ddeenn tteerrmmiinno ollooggiis sc chheenn GGrruunnd dllaaggeenn ddeess iinnt te errkkuullttuurreelllleenn TTrraaiinni inng gs s Unter interkulturelle Trainings werden nach TThhoommaa ss/ / H H aa gg eemmaa nnnn: „... alle Maßnahmen bezeichnet, die darauf abzielen, einen Menschen zur konstruktiven Anpassung, zum sachgerechten Entscheiden und zum effektiven Handeln unter fremdkulturellen Bedingungen und in kulturellen Überschneidungssituationen zu befähigen“. Nach SSp piieeßß sollen durch interkulturelle Trainings: „... interkulturelles Wissen, Sensibilität und Aufgeschlossenheit entwickelt werden, indem den Mitarbeitern mit fremden Sicht- und Denkweisen, Umgangs- und Verhaltensformen vertraut gemacht werden“. BBool ltteenn hingegen versteht unter interkulturelle Trainings alle Trainings- und Betreuungsmaßnahmen die zum Ziel haben: „... die interkulturelle Kompetenz bei Fach- und Führungskräften zu entwickeln und zu fördern“. Demzufolge stellt das interkulturelle Training ein Instrument zur Förderung der interkulturellen Kompetenz dar. Dabei wird die Entwicklung interkultureller Kompetenz i.d.R. inhaltlich geplant und von einem Experten durch Anwendung verschiedener Übungen methodisch durchgeführt. Demnach sind interkulturelle Trainings nicht mit interkulturellem Lernen gleichzustellen, da Lernen nicht inhaltlich und methodisch geplant werden kann, sondern individuell und unbewusst stattfindet. <?page no="53"?> 52 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität 11..4 4..1 1..22 ZZiieellee iinnt teerrkkuullttu urreelllleenn TTrraaiinni inng gss Grundsätzlich werden Trainingsziele von den Abteilungen im internationalen Unternehmen festgelegt und Trainingsteilnehmer in Zielgruppen eingeteilt, bevor über Trainingsmaßnahmen entschieden wird. Zum einen werden dadurch die Entscheidungen für bestimmte Maßnahmen erleichtert und zum anderen kann das Training direkt an die Bedürfnisse und Defizite der Trainingsteilnehmer in den Unternehmensbereichen abgestimmt werden. Mit Zielgruppen sind in diesem Zusammenhang die Veränderung bei den Trainingsteilnehmern gemeint, die auf der kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Ebene herbeigeführt werden. Insofern werden über interkulturelle Trainings je nach Trainingsziel, die Komponenten der interkulturellen Kompetenz entwickelt und gefördert, deren Grenzen fließend sind und sich gegenseitig ergänzen. Abb. 1.10: Komponenten interkultureller Kompetenz Kognitives Trainingsziel: Interkulturelles Wissen Das kognitive Training vermittelt kulturspezifisches Wissen. Das zentrale Trainingsziel ist ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Wahrnehmung, Denken und Handeln durch die eigene Kultur geprägt sind. Da Individuen grundsätzlich ihre Annahmen, Normen und Werte oft als selbstverständlich betrachten, nehmen sie ihren Einfluss auf andere nicht bewusst wahr. Das Erkennen und Verstehen des eigenen kulturellen Orientierungssystems ist jedoch notwendig, um fremde Kulturen unvoreingenommen wahrzunehmen. Ein weiteres Ziel ist die Vermittlung einer kognitiven Struktur, die die Komplexität der fremden Kultur reduziert, indem eine Logik und ein Zusammenhang der kulturspezifischen Grundregeln in Form eines Orientierungssystems nachvollziehbar gestaltet wird. Dadurch können Unsicherheiten reduziert werden, sobald die Trainingsteilnehmer das Verhalten der Angehörigen der fremden Kultur richtig interpretieren und die Auswirkungen des eigenen Handelns voraussehen. Außerdem werden den Trainingsteilnehmern durch das interkulturelle Training die Komplexität, Konfliktpotenziale und Erfolgsvoraussetzungen interkultureller Kommunikation bewusst gemacht, wodurch ein effektives Reaktionsvermögen in der interkulturellen Kommunikation ermöglicht wird. Ebenfalls wird das Thema der interkulturellen Synergie <?page no="54"?> 53 thematisiert, die den Trainingsteilnehmern vermittelt, wie kulturbedingte Unterschiede in einer Synthese produktiv genutzt und damit Synergiepotentiale entfaltet werden können. Affektives Trainingsziel: interkulturelles Sensibilität Neb en de m kogni tiv en V ers tä nd nis de r Eige n- und F re m dk ultur w erd en ebenfalls in interkulturellen Trainings die interkulturelle Sensibilität und die Fähigkeit zur Wahrnehmung einer fremden Kultur vermittelt. Ein zentrales Ziel ist die grundsätzliche Sensibilisierung für kulturbedingte Unterschiede im Denken und Handeln, für Problem- und Konfliktpotentiale interkultureller Interaktionen, sowie für Synergiepotenziale in der interkulturellen Zusammenarbeit. Durch eine Sensibilisierung den Anderen gegenüber kann auf Dinge geachtet werden, die die Anderen möglicherweise nicht wahrnehmen oder nur wenig Aufmerksamkeit schenken. Ein weiteres Ziel stellt die Akzeptanz kulturbedingter Unterschiede dar, die ebenfalls bei bekannten Denk- und Verhaltensweisen notwendig ist, um interkulturelle Konflikte zu vermeiden. Ebenfalls soll das interkulturelle Training die objektive Wahrnehmung kultureller Unterschiede und ein tolerantes miteinander ermöglichen. Durch die interkulturelle Wahrnehmung können Vorurteile abgebaut und Ängste dem Fremden gegenüber reduziert werden. Im Idealfall kann das Training auch das Interesse an der fremden Kultur, als auch an Kontakten mit deren Angehörigen steigern und somit eine Motivation zum interkulturellen Lernen fördern. Verhaltensbezogenes Trainingsziel: interkulturelle Handlungskompetenz Das Erreichen interkulturellen Wissens und interkultureller Sensibilität setzt jedoch die interkulturelle Handlungskompetenz voraus, um angemessen und zielorientiert in interkulturellen Situationen zu handeln. Demnach steht die Vermittlung von Handlungssicherheit als zentrales Trainingsziel im Mittelpunkt. Eine Erweiterung des Verhaltensrepertoires kann erreicht werden, indem vorhandene Handlungsdispositionen geändert bzw. neu entwickelt und Verhaltensspielräume genutzt, sowie konfliktfördernde Verhaltensweisen abgebaut werden. Ein weiteres Ziel ist ein kulturadäquates Kommunikationsverhalten zu vermitteln, um Kommunikationssignale nicht nur wahrzunehmen und ihre kulturspezifische Bedeutung korrekt zu interpretieren, sondern diese auch selbst aussenden zu können. Ebenso vermittelt das interkulturelle Training den Trainingseilnehmern die Fähigkeit zur kulturadäquaten Anpassung von Formen der Zusammenarbeit von Führungsaktivitäten und -systemen. <?page no="55"?> 54 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Trainingsziele der kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Dimension den Trainingsteilnehmern die Kulturgebundenheit des Denkens und Handelns vermitteln, die fremden Denk- und Erlebensweisen durchschauen, aber auch Verhaltensweisen und Konfliktlösungsmechanismen erarbeiten lassen, die eine Anpassung an die fremden Verhältnisse ermöglicht. Neben der Einteilung der Teilnehmer in Zielgruppen und den im Voraus definierten Zielen, hat die Rolle des Trainers mitsamt den Erwartungen an ihn, wie auch die Bereitschaft der Trainingsteilnehmer, sich auf eine fremde Kultur einzulassen, eine große Bedeutung für die Gestaltung eines effizienten interkulturellen Trainings. 11..4 4..1 1..33 ZZiieellggrruuppppeenn iinntte errkkuullttuurreel llleenn TTrraaiinni inng gss Interkulturelle Trainings richten sich vor allem an Expatriates, die sich in der Vorbereitung auf einen Auslandseinsatz befinden, bereits im Ausland leben oder die Rückkehr ins Heimatland angetreten haben. Im Fall einer Vorbereitung auf einen Auslandseinsatz, werden häufig den Familien des Expatriates ein interkulturelles Training angeboten. Familiäre Spannungen im Gastland können negativ auf die Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit der Expatriates wirken und der Grund für Scheidungen oder für eine frühzeitige Rückkehr ins Heimatland sein. Des Weiteren werden interkulturelle Trainings für Geschäftsreisende durchgeführt, die dienstlich mehrfach ins Ausland reisen. Oftmals richten sich interkulturelle Trainings auch an Führungskräfte, die in ihren Heimatländern leben und international arbeiten. Sie haben meist eine Funktion inne, in der sie mit Personen anderer Kulturzugehörigkeit in Kontakt stehen. Ebenso können international zusammengesetzte Teams eine Zielgruppe interkultureller Trainings sein. Diese arbeiten zeitlich begrenzt an einer komplexen Aufgabe zur Erreichung eines festgelegten Ziels und bestehen aus Spezialisten unterschiedlicher Unternehmensbereiche. 11..4 4..2 2 IInnhha allttee uunnd d MMeetthhooddeenn iinnt teerrkkuullttu urreelllleenn TTrraaiinni inng gss Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen hinsichtlich der Komponenten interkultureller Kompetenz, existiert bis heute kein einheitliches Konzept für die Bezeichnung und Abgrenzung der verschiedenen Trainingsmethoden. Ein in der Literatur häufig zitiertes Klassifikationssystem stellt das Modell von GGuuddyykku unnsstt/ / GGu uzzl leeyy/ / HH aa mmmmeerr dar, die interkulturelle Trainings anhand zweier kombinierbarer Merkmale mit jeweils dichotomer Ausprägung klassifizieren: <?page no="56"?> 55 Trainingsinhalt: kulturspezifisches und allgemeines, kulturelles Training Trainingsmethode: informationsorientierte und erfahrungsorientierte Methode Abb. 1.11: Klassifikation interkultureller Trainingsformen Je nach Trainingsinhalt werden kulturspezifische Trainings von allgemeinen kulturellen Trainings unterschieden. Die kulturspezifischen Trainings bereiten Trainingsteilnehmer auf eine ganz spezifische Kultur vor. Wohingegen die allgemeinen kulturellen Trainings bei den Teilnehmern ein Bewusstsein für kulturbedingte Unterschiede im Denken und Handeln von Personen aus unterschiedlichen Kulturen schaffen. Je nach Trainingsmethode wird zwischen informations- und erfahrungsorientierten Trainings unterschieden. Die informationsorientierte Methode geht davon aus, dass die Vermittlung von Wissen über das fremde kulturelle Orientierungssystem zur erfolgreichen Bewältigung kultureller Überschneidungen führt. Die erfahrungsorientierte Methode hingegen ist der Annahme, dass Wissen allein nicht ausreicht und sieht deshalb die Beteiligung der Teilnehmer am Trainingsgeschehen als erforderlich, die mit Hilfe von kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Elementen erzeugt wird. 11..4 4..2 2..11 IInnf foorrmmaatti ioonns soorriieenntti ieerrttee kkuullttu urreellllee TTrraaiinniinng gss Informationsorientierte kulturelle Trainings vermitteln den Teilnehmern grundsätzliches Wissen und die Bedeutung kultureller Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Dabei werden die Teilnehmer für interkulturelle Probleme sensibilisiert und Fähigkeiten zur Interaktion mit Angehörigen fremder Kulturen vorbereitet. Folgende Instrumente der informationsorientierten kulturellen Trainings können der Vermittlung von Wissen über Kultur dienen: <?page no="57"?> 56 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität Vorträge und Diskussionen In Vorträgen setzen sich die Teilnehmer inhaltlich mit der Kulturgebundenheit von Kommunikationsweisen und Verhaltensmustern auseinander. Die Unterschiede verschiedener Kulturkreise werden anhand bestimmter Merkmalskategorien wie Individualismus, Kollektivismus, Machtdistanz, Rechtssystem etc. besprochen. Durch eine begleitende oder anschließende Diskussion, kön nen die gewonn ene n Inf or ma ti on en über die fremde Kultur g efestigt und vertieft werden. Videokassetten Videokassetten bzw. DVDs schaffen bei den Teilnehmern ein Problembewusstsein und veranschaulichen interkulturelle Kommunikations- und Anpassungsprozesse. Dadurch kann die Fähigkeit der Teilnehmer, fremde Kulturen besser wahrzunehmen, gefördert werden. Kulturassimilationen In Kulturassimilationen werden die Teilnehmer mit exemplarischen Kurzgeschichten konfrontiert, die die Kulturabhängigkeit des Verhaltens von Mitarbeitern beleuchtet. Dabei werden kulturrelevante Themen wie der Umgang mit Macht, Hierarchien und Ritualen, sowie das Zeit- und Raumempfinden sowie Ängste, Erwartungen und Unsicherheiten behandelt. Im Anschluss werden Gründe für Probleme und Missverständnisse gemeinsam analysiert, um ein Bewusstsein für Interkulturalität zu schaffen. Der Vorteil informationsorientierter kultureller Trainings ist der hohe kognitive Lerneffekt in Bezug auf das Verständnis von interkulturellen Beziehungen und Kommunikationsprozessen. Ein Nachteil hingegen ist, dass die Trainings häufig zu abstrakt bewertet werden. Hier dient evtl. ein kultureller Vergleich von arabischer und europäischer Unternehmensführung. 1 1..4 4..2 2..22 IInnf foorrmma attiioonns so orriieennttiieerrttee kkuullttuurrssp peezziiffiissc chhe e TTrraaiinni innggss Informationsorientierte kulturspezifische Trainings vermitteln im Vergleich zu kulturellen Trainings konkrete Gemeinsamkeiten der Heimatkultur der Teilnehmer und der fremden Kultur, sowie ihre Unterschiede und behandeln mögliche Probleme und Konflikte in der interkulturellen Zusammenarbeit. Für informationsorientierte kulturspezifische Trainings sind folgende Instrumente besonders geeignet: Einführung in landesspezifische Fakten Um die Kommunikationsbedingungen der Trainingsteilnehmer zu verbessern und die Anpassung an die jeweilige Kultur zu erleichtern, werden kulturspezifische Informationen über Geschichte, Mentalität, Glaubensrichtung, Wirtschaftsordnungen, Politik- und Regierungssystem eines Landes vermittelt. Allerdings sollte der Schwerpunkt auf kulturspezifische Einstellungen, Werte und Verhaltensregeln gelegt werden, da die Teilnehmer die sogenannten <?page no="58"?> 57 „hard facts“ selbstständig erarbeiten können. Im Anschluss sollen diese über mögliche Probleme und Mentalitätsunterschiede diskutieren, um daraus Verhaltensregeln für eine Handlungsorientierung abzuleiten, die eine erfolgreiche Integration in der fremden Kultur erleichtern. Sprachtraining Ebenso ist die Kenntnis über die Lokalsprache ein Bereich der informationsorientierten kulturspezifischen Trainings. Sprachkenntnisse ermöglichen einen tieferen Einblick in eine Kultur, weil sich das lokale Bewusstsein in der Sprache widerspiegelt. Darüber hinaus begründet das Sprechen der Lokalsprache die Voraussetzung zur Teilnahme in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und trägt zur Stärkung des Selbstvertrauens und Wohlbefindens des Entsandten bei. Lektüre über Land und Leute Für das Einfühlen in die Fremdkultur kann ebenso ein Literaturstudium über die im jeweiligen Land bevorzugten Schriftsteller, Tageszeitungen oder Magazine besonders aufschlussreich sein. Der Vorteil informationsorientierter kulturspezifischer Trainings ist die Entwicklung eines tiefgehenden Verständnisses hinsichtlich einer fremden Kultur. Werden jedoch die kulturspezifischen Merkmale lediglich beschrieben, kann es durchaus zu einer Stereotypisierung führen, weshalb im Training auch analysierend und erklärend vorgegangen werden soll. 11..44..22..33 EErrffa ahhrruunnggs soorriieennttiieerrtteess k kuullttuurreelllleess TTrraaiinniin ngg Erfahrungsorientierte kulturellee Trainings sollen die Teilnehmer für allgemeine Kulturunterschiede sensibilisieren, indem fremde Kulturen durch das eigene Erleben und Entdecken näher gebracht werden. Auf diese Weise wird den Teilnehmern verdeutlicht, wie Kulturen das Denken, Fühlen und Verhalten von Menschen grundsätzlich beeinflussen. Es wird ein Lernen ermöglicht, dass über das reine Wissen hinaus geht. Insbesondere können erfahrungsorientierte kulturellee Trainings zur Vorbereitung von Gruppen eingesetzt werden, wenn deren Mitglieder in mehrere Länder entsandt werden. In erfahrungsorientierten kulturellen Trainings werden hauptsächlich folgende Instrumente angewendet: Interkulturelle Kommunikations-Workshops In interkulturellen Kommunikations-Workshops übernehmen die Teilnehmer die Aufgabe, ihren jeweiligen Kulturkreis zu repräsentieren. Dabei werden sie vor konkreten Aufgaben oder Konfliktsituationen gestellt, die gemeinsam zu lösen sind. Nach Beendigung der Aufgabe, diskutieren die Teilnehmer über die Erfahrungen aus der Teamarbeit, um Schlussfolgerungen über das Bestehen und die Wirkung von kulturellen Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu erarbeiten. <?page no="59"?> 58 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität Kulturelle Simulationen Kulturelle Simulationen sind Übungen, in denen Interaktionen nachgestellt werden, die Merkmale verschiedener Kulturkreise zum Inhalt haben. Dabei können Bereiche wie Werte, Sozialverhalten oder kulturspezifische Motivationsmodelle behandelt werden. Durch die Erfahrungen in der Interaktion sollen die Teilnehmer ein annehmbares interkulturelles Miteinander aushandeln, wodu r ch al lge mein g ültig e Regel n un d Ve rh alt en sweise n gege n übe r a nd ere n Kulturen erlernt werden. Selbsteinschätzungstraining Das Selbsteinschätzungstraining vermittelt den Teilnehmern die Wichtigkeit sich selbst und die Wirkung der eigenen Personen auf andere immer wieder neu einzuschätzen. Durch den Einsatz von Fragebögen können die Teilnehmer persönliche Einstellungen, Motivationen, Kommunikations- und Verhalt e ns we ise n be w us s t w ahr ne hme n un d ei ne r Übe rp rüfu ng un te rzie he n. Der Vorteil kulturellen Trainings liegt in der Erfahrung der Interkulturalität in kulturell gemischten Gruppen, wobei als Nachteil die Work-Shops und Simulationen oft zu fiktiv sind und von den Teilnehmern nicht ernst genommen werden. 1 1..44..22..44 EErrffaahhrruunnggssoorriieen nttiieerrttee kkuullttuurrssppeezziiffiisscchhee TTrraaiinniinnggss Erfahrungsorientierte kulturspezifische Trainings zielen darauf ab, den Teilnehmern eine spezifische fremde Kultur durch eigene Erfahrungen und Erlebnisse näher zu bringen. Dabei sammeln die Teilnehmer möglichst umfangreiche Erfahrungen. Solche Trainings werden vorzugsweise zur Vorbereitung von Gruppen von Mitarbeitern, deren Mitglieder in ein spezifisches Land entsandt werden, eingesetzt. Bikulturelle Kommunikations-Workshops In bikulturellen Kommunikations-Workshops werden Übungen analog zum kulturellen Training durchgeführt, jedoch auf die Kulturräume des Entsendungs- und Zielrepräsentanten reduziert. Dabei erfolgt ein Teil der Übungen in der Sprache des Entsendungslandes, ein anderer Teil in der Sprache des Ziellandes, wodurch Eindrücke über den Einfluss der Sprache auf die zwischenmenschliche Kommunikation vermittelt werden können. Kulturspezifische Simulationen und Rollenspiele In kulturspezifischen Simulationen und Rollenspielen werden Interaktionen zwischen zwei betroffenen Kulturräumen erlebbar gestaltet. Dabei können die Teilnehmer im Wechsel die Repräsentation der eigenen und der anderen Kultur übernehmen und Rituale, sowie Handlungsgewohnheiten des alltäglichen Lebens wie Begrüßungs- und Höflichkeitsformen der jeweils fremden Kultur einstudieren. <?page no="60"?> 59 Der Vorteil erfahrungsorientierter kulturspezifischer Trainingsmaßnahmen besteht darin, dass bedeutsame Erfahrungen mit einer speziellen Kultur durch kognitive, emotionale und verhaltensbezogene Komponenten hervorgerufen werden können. Als Nachteil erweist sich eine angemessene Bearbeitung dieser Erfahrungen und die Integration des vorhandenen Wissens dieser Erfahrungen innerhalb des Trainings. Zusammenfassend zeigt sich, dass in informationsorientierten Trainings kognitive Lernmethoden angewendet werden, die den Teilnehmern primär Wissen und Informationen vermitteln. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Kulturen und ihre Bedeutung für das menschliche Verhalt e n, so wie f ür i hre Zus am me nar be it h erausg earb eitet. Emo ti on al e Auseinandersetzungen mit fremden Kulturen werden dahingegen nicht angestrebt, weshalb sich die Teilnehmer vielmehr mit der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen beschäftigt sollen. 11..44..33 BBeeddaarrff iinntteerrkkuullttuurreelllleerr TTrraaiinniinnggss iinn ddeerr iinntteerrn naattiioonnaalleenn ZZuu- ssaammmmeennaarrbbeeiitt Ein Aspekt interkultureller Trainings ist der Trainingsbedarf, der durch die Internationalisierung in nahezu allen Bereichen einer internationalen Unternehmung besteht. Diese verfügen kaum über geeignetes Personal, das den kulturellen Anforderungen gewachsen ist. Aufgrund dieses Defizits versuchen international operierende Unternehmen durch eine Neustrukturierung und einen Ausbau der betrieblichen Personalentwicklung und Mitarbeiterausbildung dem bestehenden Personalmangel entgegenzuwirken. Der Personalbedarf sollte jedoch nicht über Neueinstellungen, sondern vielmehr über eine gezielte Qualifikation des vorhandenen Personals gedeckt werden. Hierfür bieten interkulturelle Trainingsmaßnahmen eine Möglichkeit, interkulturelle Kompetenzen im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit durch eine professionelle Begleitung zu fördern, um zukünftige Erfahrungen besser zu verstehen, über eigene Handlungsweisen nachzudenken und alternative Handlungsweisen kennenzulernen. Ebenso können Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit fremden Personen positiv gestaltet werden, die zur effizienten Bewältigung kultureller Überschneidungen hilfreich sind. International haben interkulturelle Trainings eine lange Tradition, wohingegen die Aufmerksamkeit hauptsächlich der Vorbereitung von Führungskräften auf geplante Auslandseinsätze galt. Vielmehr müssen interkulturelle Trainings auch auf solche Mitarbeiter zielen, die in international zusammengesetzten Teams tätig sind, als auch auf Mitarbeiter, die im ständigen Kontakt mit dem Ausland stehen. Ihnen gilt es interkulturelle Fähigkeiten zu vermitteln, um ein der Kultur angemessenes Verhalten zu entwickeln und den Anforderungen der internationalen Zusammenarbeit gerecht zu werden. <?page no="61"?> 60 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität FFrraaggeenn Worin sehen Sie den Unterschied zwischen Religion und Ethik? Warum haben westliche Demokratien und internationale Unternehmen Probleme mit dem Islam? Welche Wandelungen muss der Islam in seiner Theologie und seinem Welt-Denkmodell vollziehen, damit er in der Religions- und Völkergemeinschaft ankommt? Skizzieren und erläutern Sie das Drei-Ebenen-Modell von Schein zur Unternehmenskultur. Welche anderen Unternehmenskulturmodelle kennen Sie? Was versteht man unter Interkulturalität? Warum muss die Unternehmenskultur für ein internationales Unternehmen veränderbar und gestaltbar sein? Warum ist Toleranz, Verständnis, Kritikfähigkeit, Meinungsfreiheit, Vertrauen, Rechtsstaat, Demokratie für multinationale Unternehmen so wichtig. Vergleichen Sie die arabische und europäische Unternehmensführung miteinander und ziehen Sie erste Konsequenzen daraus. Wie könnte ein interkulturelles Training für Expatriates und Manager ausgestaltet werden? LLi itteerraattuurr Asmuß, B. (2002): Strukturelle Dissensmarkierungen in interkultureller Kommunikation. Analysen deutsch-dänischer Verhandlungen. In: Altmann, H./ Blumenthal, P./ Heringer, H.J./ Plag. H./ Vater, H./ Wiese, R. (Hrsg.): Linguistische Arbeiten 452, Niemeyer Verlag, Tübingen Bea, F. X./ Haas, J. (2013): Strategisches Management, 6. 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Kohlhammer Druckerei, Stuttgart <?page no="67"?> 66 Internationale Unternehmenskulturen und Interkulturalität Wickel-Kirsch, S./ Janusch, M./ Knorr, E. (2008): Personalwirtschaft. Grundlagen der Personalarbeit in Unternehmen, 1. Aufl., W. Gabler Verlag, Wiesbaden Yousefi, H. R.: Phänomenologie des Eigenen und des Fremden. Eine interkulturelle Perspektive. In: E-Book, http: / / www.yousefi-interkulturell.de / inter.html, 16.06.2014, 12: 05 Uhr Yousefi, H. R. (2012): Familienkonstellation in einer veränderten Welt. In: Holdenried, M./ Willms, W. (Hrsg.): Die interkulturelle Familie. Literaturun d so zialw iss ens c haftli che P er sp ek tive n, T ra ns cr ip t, B ie lefe ld Yousefi, H. R./ Braun, I. (2011): Interkulturalität. Eine interdisziplinäre Einführung, WBG, Darmstadt Zitawi, M./ Schmeisser, W. (2014): Unternehmensführung in arabischen Ländern. 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Diese Funktionsbereiche werden überlagert von übergreifenden Funktionsbereichen wie Personalwirtschaft, Finanzwirtschaft und Informationswirtschaft. Unter Informationswirtschaft versteht man alle Institutionen und Funktionen, die sich befassen mit der Erfassung von Informationen, der Aufbereitung von Informationen, der Kanalisierung von Informationen und der Archivierung von Informationen. Es werden interne und externe, quantitative und qualitative Informationen verarbeitet. Den Teil des Informationswesens, der sich mit quantitativen Größen befasst, heißt Rechnungswesen. Informationswesen qualitative Informationen quantitative Informationen = Rechnungswesen externes Rechnungswesen internes Rechnungswesen Jahresabschluss Konzernabschluss Zwischenberichte (Mehrperiodenmodelle, für strategische Fragestellungen relevant) Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) Betriebsstatistik (Kennzahlenanalyse) Planungsrechnung <?page no="71"?> 70 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS Das Rechnungswesen gliedert man nach der Zielgruppe in das interne und externe Rechnungswesen. Das interne Rechnungswesen gehört zum Controlling und hat die Aufgabe, die Entscheidungen des Managements qualitativ aufzuwerten. Es richtet sich an betriebliche Entscheidungsinstanzen (Management auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen), es dient der Unterstützung von Planung und Kontrolle betrieblicher Entscheidungssachverhalte also z.B. Bau eines Zweigwerks in Deutschland oder in China, Aufnahme von Produkt A oder Produkt B ins Sortiment oder Kauf oder Leasing einer Maschine. Das interne Rechnungswesen ist nicht gesetzlich normiert. Die Tatsache, dass Manager gute Entscheidungen aufgrund qualitativ hochwertiger Informationen treffen wollen und auch müssen, veranlasst sie, ein Informationswesen zu etablieren, das sie dabei effizient unterstützt. Entscheidungen, die nicht auf Grundlage angemessener Information getroffen wurden, bergen die Gefahr, dass sie als Pflichtverletzung des Managements angesehen werden und daher zu Schadenersatzansprüchen führen (Business Judgement Rule § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG mit Ausstrahlungswirkung auch auf andere Rechtsformen). Das interne Rechnungswesen beinhaltet gleichermaßen vergangenheitsbezogene Informationen für Dokumentations- und Kontrollzwecke wie auch zukunftsbezogene Informationen für Prognose-, Planungs- und Dispositionszwecke. Das externe Rechnungswesen ist an außenstehende Adressaten gerichtet, die ein berechtigtes Interesse an Unternehmensinformationen haben, sich aber nicht selbst über die Belange des Unternehmens informieren können. Neben vielen anderen Adressatengruppen (Stakeholder) treten Kapitalgeber als besonders relevante Empfängergruppen des externen Rechnungswesens hervor. Dies resultiert aus der Principal-Agenten-Theorie, die sich letztlich aus der personellen Abgrenzung von Kapitalaufbringung und Geschäftsführung ableitet. Man unterscheidet die Eigenkapitalgeber (Gesellschafter, Aktionäre) von den Fremdkapitalgebern (Gläubiger, Banken), die sich in ihrer rechtlichen Stellung und ihrer faktischen Beziehung zum Unternehmen konzeptionell unterscheiden. <?page no="72"?> 71 Unterscheidung Eigenkapital - Fremdkapital Eigenkapital Fremdkapital vorrangige Haftung nachrangige Haftung substanzieller Anspruch nomineller Anspruch Residualanspruch vereinbarte Vergütung unbefristet befristet Mitarbeit/ Mitwirkung keine Mitarbeit/ Mitwirkung Anteil am Liquidationserlös nomineller Rückzahlungsanspruch entscheidungsrelevante Kennzahl: Eigenkapitalrentabilität entscheidungsrelevante Kennzahl: Eigenkapitalquote Eine Aufgabe des externen Rechnungswesens besteht darin, die Kapitalgeber ausreichend zu informieren, um sie in die Lage zu versetzen zu entscheiden, ob sie ihr finanzielles Engagement am Unternehmen weiterführen wollen oder nicht. Das bedeutet für die Eigenkapitalgeber zu entscheiden, ob sie ihren Aktienbestand halten, aufstocken oder reduzieren sollen. Das bedeutet für die Fremdkapitalgeber zu entscheiden, ob sie ihre Kredite verlängern (prolongieren) oder fällig stellen sollen. Dabei orientieren sich die Kapitalgeber vorzugsweise an Kennzahlen. Primäre entscheidungsorientierte Kennzahl für die Gesellschafter ist die Eigenkapitalrentabilität als Quotient Gewinn geteilt durch Eigenkapital. Sie gibt Antwort auf die Frage, wieviel Gewinn entsteht aus 100 EUR Eigenkapital. Die Gläubiger orientieren sich, sofern es sich um Finanzkennzahlen handelt, an der Eigenkapitalquote. Aufgrund der vorrangigen Haftung des Eigenkapitals gibt die Eigenkapitalquote Antwort auf die Frage, wieviel Prozent des Vermögens durch Verluste abschmelzen könnte, bevor der Gläubiger seinen ersten Euro verliert. Das externe Rechnungswesen ist somit nicht dazu bestimmt, die Insider zu informieren, da diese sich selbst über die Lage des Unternehmens unterrichten können, und es ist auch nicht dazu bestimmt, betriebliche Entscheidungssachverhalte zu begründen. Das externe Rechnungswesen hat grundsätzlich auch die Aufgabe, erfolgsabhängige Zahlungen zu quantifizieren. Als solche kommen insbesondere die Dividendenzahlungen an die Gesellschafter, die erfolgsabhängigen Vergütungen an Mitarbeiter und Führungskräfte sowie die Ertragssteuerzahlungen an den Fiskus in Betracht. Sofern dem externen Rechnungswesen diese „Zahlungsbemessungsfunktion“ zukommt, hat dies sowohl Auswirkungen auf die Vorschriften zur Erfolgs- <?page no="73"?> 72 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS ermittlung wie auch auf die bilanzpolitische Strategie. In diesem Fall muss davon ausgegangen werden, dass mit jedem Euro ausgewiesenem Gewinn Steuerzahlungen und Ausschüttungen verbunden sind, die einerseits die Wachstumspotenziale des Unternehmens beeinträchtigen, andererseits liquiditätsbezogene Anforderungen stellen und drittens die den Gläubigern zur Verfügung stehende Haftungsmasse reduzieren. Dies führt z.B. zu Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften wie dem Grundsatz der kaufmännischen Vorsicht, dem Imparitätsprinzip, dem Niederstwertprinzip und dem Realisationsprinzip 1, sowie zu einer Bilanzpolitik, die auf die Legung stiller Rücklagen ausgerichtet ist. Da diese aus der Zahlungsbemessungsfunktion abgeleiteten Grundsätze und bilanzpolitischen Spielräume im Einzelfall die Fair Presentation relativieren können, ist international die sogenannte Einheitsbilanz nicht üblich. Sie unterstellt, dass das externe Rechnungswesen gleichermaßen der entscheidungsnützlichen Information der Außenstehenden wie auch der Bemessung erfolgsabhängiger Zahlungen einschließlich der Quantifizierung von Ertragssteuerzahlungen dienen soll. Da der Interessenschutz z.B. der Gläubiger, sowie die Bestimmung ertragsteuerlicher Bemessungsgrundlagen dem nationalen Gesetzgeber überantwortet wird, beschränkt sich die Internationale Rechnungslegung auf die Informationsfunktion den Außenstehenden gegenüber, zur Unterstützung von Entscheidungen über die Fortsetzung oder Beendigung von deren finanziellem Engagement sowie zur Beurteilung der Performance des Managements im Hinblick auf die Verwendung des ihm anvertrauten Vermögens (IASB Framework Tz 12, 14). Dies führt zu einer Fokussierung der Finanzberichterstattung auf die Informationsfunktion, andererseits zu einer Aufgliederung des gesamten externen Rechnungswesens in eine Informations-, eine Ausschüttungs- und in eine Steuerbilanz. 1 Vgl. §§ 252 Abs. 1 Nr. 4, 253 Abs. 3 Sätze 3-4, 253 Abs. 4 HGB. <?page no="74"?> 73 UUnntteerrsscchhiie edde e z zwwiis scchheenn i inntteerrnneemm u un ndd eexxt teerrnneemm R Reecchhnnuun nggs swweesseenn internes Rechnungswesen externes Rechnungswesen Adressat: betriebliche Entscheidungsinstanzen Adressat: Außenstehende (z.B. Gläubiger, Aktionäre) Ziel: Unterstützung von Planung und Kontrolle betrieblicher Vorgänge Ziel: Unterstützung von Entscheidungen über Fortsetzung oder Beendigung des finanziellen Engagements der Außenstehenden am Unternehmen Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von Alternativplanungen nomineller Überschuss als Vorteilsmaß keine rechtliche Normierung. Ziel sind richtige Entscheidungen aufgrund zutreffender Informationen rechtliche Normierung: - Gleichmäßigkeit der Besteuerung - Vergleichbarkeit der Abschlüsse (Analyse) - Interessenschutz (Machtasymmetrie zwischen Insidern und Outsidern) innerbetriebliche Leistungserstellung und -verwertung finanz- und leistungswirtschaftliche Transaktionen mit Dritten beliebiger Berichterstattungszeitraum Berichterstattungszeitraum: das Geschäftsjahr / Wirtschaftsjahr Berichtsinhalt vergangenheits-, gegenwarts- oder zukunftsbezogen Berichtsinhalt auf eine vergangene, abgeschlossene Periode bezogen Verbale, kontenförmige oder statisch-tabellarische Form Bindung an die Kontensystematik (Doppik) kalkulatorische Größen pagatorische Größen betrifft den betrieblichen Bereich (sachzielbezogene Sphäre) betrifft den Gesamtunternehmensbereich FFrraaggeenn Was unterscheidet internes und externes Rechnungswesen? Welche Bestandteile des Rechnungswesens gehören zum internen bzw. externen Rechnungswesen? Was unterscheidet Eigen- und Fremdkapitalgeber und auf welche abschluss-analytischen Kennzahlen fokussieren sich die beiden Gruppen jeweils? <?page no="75"?> 74 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS Welche Aufgaben werden dem externen bzw. internen Rechnungswesen zugesprochen? Weshalb erscheint die Existenz gesetzliche Regelungen zur Jahresabschlussgestaltung sinnvoll? Warum sind internes und externes Rechnungswesen nur begrenzt kompatibel? 22..22 IIFFR RSS: : AAnnwweenndduunngg" BBeessoonnddeerrhheeiit teenn" W Weecchhsseellw wiir rkkuun n-ggeenn Mit der zunehmenden Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit entstand einerseits ein Bedürfnis nach weltweit einheitlicher Finanzberichterstattung andererseits nach weltweit einheitlichen Berichts- und Steuerungssystemen. Daher entwickelte seit 1973 das IASC, die Vorgängerorganisation des seit 2002 agierenden IASB, weltweit akzeptierte und qualitativ hochwertige, transparente und vergleichbare Standards zur Finanzberichterstattung, um Kapitalmarktteilnehmern entscheidungsrelevante Informationen zu liefern. Das IASB ist ein privatrechtlich organisiertes Expertengremium, das in London ansässig, mit Unterstützung der nationalen Standardsetter im Rahmen eines vorgeschriebenen Standardsettingprozess (due process) thematisch abgegrenzte Rechnungslegungsstandards entwickelt bzw. überarbeitet und verabschiedet. Innerhalb der EU sind diese Standards durch die EU-Verordnung Nr. 1606/ 2002 unmittelbar geltendes Recht, allerdings erst nachdem sie einen Anerkennungsprozess (endorsement process) durchlaufen haben, welcher sicherstellen soll, dass die Grundanforderung der EU-Richtlinien erfüllt ist, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln, sie dem europäischen öffentlichen Interesse entsprechen und dass die grundlegenden Kriterien hinsichtlich der Informationsqualität erfüllt sind. (EU-VO 1606/ 2002 Vorwort Tz 9) Die Voraussetzungen zur Anwendung der IFRS sind in Art. 4 und 5 der EU- VO 1606/ 2002 geregelt, allerdings mit einigen nationalen Wahlrechten, die sich sowohl auf die Anwendbarkeit dem Grunde nach als auch auf die Frage beziehen, ob die Anwendung der IFRS befreiende Wirkung von der Anwendung nationaler Bilanzierungsvorschriften entfaltet. Zur Ausübung dieser nationalen Wahlrechte hat der deutsche Gesetzgeber die nationalen Wahlrechte im Wesentlichen als Unternehmenswahlrechte „weitergereicht“ und für die befreiende Wirkung folgendes festgelegt. <?page no="76"?> 75 Der Konzernabschluss kapitalmarktorientierter Mutterunternehmen muss mit befreiender Wirkung nach IFRS aufgestellt werden (§ 315a Abs. 1 HGB). In Ergänzung der Vorschriften der EU-VO 1606/ 2002 ist auch der Konzernabschluss von Mutterunternehmen mit befreiender Wirkung nach IFRS aufzustellen, die bis zum Bilanzstichtag die Zulassung eines Wertpapiers zum Handel an einem organisierten Markt im Inland beantragt haben (§ 315a Abs. 2 HGB). Mutterunternehmen, die weder kapitalmarktorientiert sind noch die Notierung ihrer Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt im Inland beantragt haben, dürfen ihren Konzernabschluss mit befreiender Wirkung nach IFRS aufstellen (§ 315a Abs. 3 HGB). Der Jahresabschluss mit seinen Funktionen der Informationsvermittlung, der Bemessung erfolgsabhängiger Zahlungen und der Beziehung zur Steuerbilanz muss im Gegensatz zu Konzernabschlüssen in jedem Fall nach HGB aufgestellt werden. Allerdings darf nach § 325 Abs. 2a HGB ein Jahresabschluss nach IFRS anstelle des HGB-Jahresabschlusses veröffentlicht werden. Dadurch soll nicht konzerngebundenen Unternehmen ermöglicht werden, sich international verständlich zu präsentieren. Abb. 2.1: EU-Verordnung der IFRS ab 2005 Besitzt ein Unternehmen die Möglichkeit, mit befreiender Wirkung einen Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen oder einen Einzelabschluss freiwillig nach IFRS zu veröffentlichen, so stellt sich die Frage nach den Vor- und Nachteilen der Anwendung der IFRS-Finanzberichterstattung. Dabei sind formale und inhaltliche Aspekte zu unterscheiden: <?page no="77"?> 76 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS Formale Aspekte: Eine international verständliche und akzeptierte Finanzberichterstattung erleichtert die Erschließung internationaler Finanzquellen (z.B. Bankkredite außerhalb des Sitzstaates), ermöglicht eine Öffnung für internationale Kapitalmärkte, orientiert sich an den (Informations-)Bedürfnissen der Shareholder, unterstützt die Teilnahme an internationalen Netzwerken, z.B. als Systemlieferant für Wertschöpfungspartnerschaften im Automobil- und Maschinenbaubereich, stellt einen Imagevorteil dar durch Aufnahme in bestimmte Rating- und Referenz-Unternehmensgruppen, ermöglicht eine Vereinheitlichung des internen Konzernreportings durch Anwendung weltweit einheitlicher Berichtskriterien, -definitionen und -aggregationsmöglichkeiten und lässt Überleitungsrechnungen von national geprägten Berichtsformaten obsolet erscheinen, erleichtert die Konsolidierung über Ländergrenzen hinweg, da nicht nur die Behandlung einzelner Bilanzsachverhalte harmonisiert wird sondern auch die Vorschriften zur Konzernabschlusserstellung, beginnend mit der Abgrenzung des Konsolidierungskreises über die Erstellung einer Handelsbilanz II bis hin zu den Normen zur Kapitalkonsolidierung, verbessert die Information der Kreditgeber und orientiert sich an den Anforderungen der Banken (Basel II, Basel III). Inhaltliche Aspekte: Eine Finanzberichterstattung nach IFRS erleichtert die Abstimmung von externem und internem Rechnungswesen. Da die IFRS-Rechnungslegung ausschließlich der Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen verpflichtet ist, steht dies in Einklang mit dem Ziel des Controllings, Informationen zur Verbesserung der managementbezogenen Entscheidungsqualität bereitzustellen. Diesen Sachverhalt bezeichnet man mit Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen, international bekannt unter dem Begriff Management Approach. Hierauf wird im nachfolgenden Kapitel gesondert eingegangen. Daraus folgt, dass eine Relativierung der Informationsfunktion durch Abschlussziele, die aus dem Vorsichts-, Imparitäts- und Niederstwertprinzip resultieren, nicht besteht. Lediglich Objektivierungskriterien stellen im Einzelfall eine Restriktion für die Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen dar. Wenn das Ziel der IFRS-Rechnungslegung durch den Management Approach konkretisiert eine Darstellung der Lage und Entwicklung des Unternehmens „through the eyes of management“ zum Inhalt hat, so dient dies: <?page no="78"?> 77 der konzeptionellen Ausrichtung des Rechnungswesens auf die Informationsbedürfnisse sowohl der Insider (Manager) wie auch der Outsider (Kapitalgeber), der Transparenz und der Reduzierung von Überleitungsrechnungen, der Standardisierung und Vereinfachung der Abschlussprozesse und der Verkürzung der Abschlusszeiten, der Erhöhung der Akzeptanz des Urteils von Abschlussprüfern, der Neujustierung der Qualitätskriterien des Rechnungswesens „relevance“ und „reliability“, der Einrichtung von Wechselwirkungen zwischen internem und externem Rechnungswesen. Die Rechnungslegung nach IFRS geht von der Vorstellung aus, dass sowohl die Abbildung von Planungsparametern als auch die Berichterstattung über stattgehabte Vorgänge nach einheitlichen Grundsätzen erfolgen muss. Dadurch dass kein über die Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen hinausgehender Interessenschutz mit dem IFRS-Abschluss verbunden ist, bedarf es keiner Berücksichtigung der Tatsache, dass sich an den IFRS- Abschluss erfolgsabhängige Zahlungen anschließen. Das bedeutet, dass die Einschätzungen des Managements nicht nur in die Entscheidungskalküle des Controllings eingehen, sondern auch in die externe Berichterstattung über die Leistungen des Managements zur Steigerung des Shareholder Values. Umgekehrt greift das Controlling Daten der externen Finanzberichterstattung ab als Basis für weitergehende Planungs- und Kontrollrechnungen. Dies soll an einem Beispiel erläutert werden. Das „Markenzeichen der IFRS“ ist die Fair Value Bewertung. Sie besagt, dass ein aus dem Marktpreis abgeleiteter Wertansatz im Rechnungswesen Anwendung findet, unabhängig davon, ob der Wert über oder unter den Anschaffungskosten liegt. Dies kann zum Ausweis unrealisierter Gewinne führen, die nach dem für das HGB geltenden Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) als stille Reserven im externen Rechnungswesen unberücksichtigt bleiben. Dies hat folgende Auswirkungen: - Die Qualitätskriterien des Rechnungswesens „relevance“ und „reliability“ justieren sich neu. Da für die wenigsten Bilanzsachverhalte beobachtbare Marktpreise auf aktiven Märkten vorliegen, ist bei vielen Bilanzsachverhalten auf nachgelagerte Stufen der Fair-Value-Hierarchie auszuweichen. Das bedeutet: - Vergleichswerte aus zeitnahen Transaktionen ähnlicher Vermögenswerte, anerkannte Methoden und Modelle mit beobachtbaren Parametern und schließlich <?page no="79"?> 78 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS anerkannte Methoden und Modelle mit nicht-beobachtbaren Parametern einzusetzen (IFRS 13). - Die Fair Value Bewertung führt zu einer Angleichung von internem und externem Rechnungswesen. Da sich ein Finanz-Controller regelmäßig die beizulegenden Zeitwerte seiner Finanzaktiva berichten lässt und die interne Berichterstattung nicht an den historischen Anschaffungskosten als Bewertungsobergrenze festmacht, wird in der IFRS-Rechnungslegung bei ausgewählten Finanzaktiva nach außen genau das berichtet, was intern für die Steuerung kommuniziert wird. Im HGB findet demgegenüber nur eine imparitätische Fair Value-Bewertung statt, d.h. Wertminderungen sind dort buchhalterisch nachzuvollziehen, Wertsteigerungen über die Anschaffungskosten hinaus dagegen nicht. Somit gibt es im HGB-Abschluss einen konzeptionellen Unterschied zwischen internem und externem Rechnungswesen, der nach IFRS so grundsätzlich nicht besteht. - Die Fair Value Bewertung führt marktpreis-bedingte Volatilitäten ins Rechnungswesen ein. Diese werden im HGB-Rechnungswesen zumindest teilweise durch die Bildung und Auflösung stiller Rücklagen unterdrückt. Eine vollständige Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen wird allerdings auch im IFRS-Abschluss nicht realisiert, weil nicht alle Bilanzsachverhalte zum Fair Value bewertet werden und weil nicht alle Fair-Value-Änderungen erfolgswirksam in der GuV-Rechnung ausgewiesen werden. Mit der Verpflichtung auf den Management Approach im IFRS-Rechnungswesen treten Wechselwirkungen zwischen internem und externem Rechnungswesen auf. Einerseits nimmt die externe Rechnungslegung Bezug auf die Annahmen, Berechnungen und Datenformate des internen Rechnungswesens, Andererseits hat die interne Unternehmensrechnung auf die Außendarstellung der externen Berichterstattung zu achten, insbesondere wenn es um Ausweisalternativen, Kennzahlen und Berichtsstrukturen geht. Beispiele sind die Anwendung des Gesamt- oder Umsatzkostenverfahrens, die Abgrenzung der Ergebnisbereiche in der GuV-Rechnung nach Bruttoergebnis vom Umsatz, operatives Ergebnis und Finanzergebnis, die Definition von Segmenten in der Segmentberichterstattung, die sich sowohl in Bezug auf die Segmentstrukturen wie auch im Hinblick auf die zu berichtenden Segmentgrößen an den Berichtsanforderungen der internen Führungsstruktur ausrichtet. <?page no="80"?> 79 Die Grenze für Harmonisierungsbemühungen sind Objektivierungsanforderungen in den IFRS, welche der zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit einerseits, andererseits der Verhinderung bilanzpolitischer Extremlösungen dienen und somit sowohl einen Interessenschutz der Außenstehenden unterstützen, als auch einer zu optimistischen Darstellung der Performance im Hinblick auf den Shareholder-Value entgegen wirken. FFrraaggeenn Welche Gründe sprechen für ein weltweit einheitliches System der Finanzberichterstattung? Was ist das Ziel der IFRS-Rechnungslegung und weshalb bedarf es eines Endorsement-Prozesses durch die EU-Organisation? Wie ist die Anwendbarkeit der IFRS-Rechnungslegung in der EU-Verordnung und den nationalen Anwendbarkeitsnormen des HGB geregelt? In welchen Fällen entfaltet ein IFRS-Abschluss eine befreiende Wirkung von der Pflicht einen Abschluss nach HGB aufzustellen und zu veröffentlichen? Welche Vor- und Nachteile ergeben sich aus einer Rechnungslegung nach IFRS? Was versteht man unter dem Management Approach? Welche Bedeutung hat die Fair Value-Bewertung im Zusammenhang mit der Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen? 22..33 HHaarrmmoonniissiieerruunngg vvoonn CCoonnttrroolllliinngg uunndd RReecchhn nuunnggss-wweesseenn Im Folgenden soll auf einzelne Berichtssachverhalte eingegangen werden, bei denen unter IFRS eine stärkere Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen möglich ist als nach HGB. 22..33..11 AAkkttiivvi ieerruunngg sseellbbsstt eerrsstteelllltteerr iimmm ma atteerriieelllleerr VVeerrmmö öggeennsswweerrttee Selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte liegen vor, wenn Software, Patente etc. nicht entgeltlich erworben, sondern mit Hilfe von internen Ressourcen selbst erstellt werden. Sie repräsentieren nur eine eingeschränkte Eignung als gläubigerspezifische Haftungsmasse. In der Entwicklung befindliche Software kann einem Gläubiger schwer unter Einzelverwertungsgesichtspunkten als realisierbare Haftungsmasse dienen. Daher gab es im HGB bis zur Einführung des Bilanz- <?page no="81"?> 80 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS rechtsmodernisierungsgesetzes 2010 ein Aktivierungsverbot, mittlerweile besteht ein Aktivierungswahlrecht mit Ausschüttungssperre (§§ 248 Abs. 2, 268 Abs. 8 HGB). Nach IAS 38 besteht eine Aktivierungspflicht, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Das Projekt muss die Forschungsphase hinter sich haben und in die Entwicklungsphase eingetreten sein. Es müssen die Kriterien von IAS 38.57 kumulativ erfüllt sein. Abb. 2.2: Erstellungsprozess eines immateriellen Vermögenswertes Diese aus dem Objektivierungsgedanken abgeleiteten Erfordernisse dienen einerseits der zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit, andererseits der Beschränkung der Aktivierung auf werthaltige Sachverhalte, aus denen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zurechenbare Cashflows entstehen. Ausgangspunkt für die Aktivierung ist die Umsetzung des Matching Principle, wonach Aufwendungen und Erträge aus einem Vorgang in den gleichen Perioden ausgewiesen werden und gewährleisten sollen, dass wenn das Projekt insgesamt keinen Verlust erwarten lässt, auch zu keinem Zeitpunkt ein solcher ausgewiesen werden soll. Damit soll eine Fehlinformation und Fehlsteuerung vermieden werden. Beispiel: Entwicklung von Software über 3 Jahre mit jährlichen Ausgaben von 100 GE, kommerzielle Nutzung der Software in den folgenden 6 Jahren mit zurechenbaren Umsätzen von 70 GE pro Jahr. <?page no="82"?> 81 Ohne Aktivierung wird in den Jahren 1-3 ein Verlust ausgewiesen, der intern zum Ausdruck bringt, dass das Projekt unvorteilhaft ist. Extern wirft es Fragen auf hinsichtlich der Akzeptanz des Projektes bei den Kapitalgebern (ein Verlust wird interpretiert als „Vernichtung“ von Eigenkapital) und was die Performance des Managements (Bonusrelevanz etc.) betrifft. In den Jahren 4-9 wird ein Gewinn in Höhe des Umsatzes ausgewiesen, weil in diesen Perioden keine projektbezogenen Aufwendungen mehr entstehen. Dies führt zu Fehlinterpretationen und kann nur gerechtfertigt werden aus dem Gläubigerschutzgedanken, der die Aktivierung von nicht einzeln verwertbaren Vermögensgegenständen untersagt. Abb. 2.3: Aktivierungswahlrecht bei selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenständen Mit der Aktivierung werden die Projektausgaben in der Entwicklungsphase neutralisiert. Die Vermeidung eines GuV-Effekts während der Entwicklungsphase zeigt nach innen wie außen, dass insgesamt aus dem Projekt kein Verlust erwartet wird, dass aber vor Beginn der kommerziellen Nutzung auch kein positiver Ergebnisbeitrag erwartet werden kann. Wenn ab der Betriebsbereitschaft, d.h. in der kommerziellen Nutzungsphase, zurechenbare Erträge erwartet werden können, finden planmäßige Abschreibungen statt. Somit ist das Matching Principle verwirklicht und für den Fall, dass die Periodenumsätze höher sind als die Periodenabschreibungen entsteht ein Periodengewinn. Im anderen Fall entsteht ein Verlust, der signalisiert, dass mit den Umsätzen auch die anteiligen Projektausgaben (Abschreibungen) verdient werden können. Voraussetzung ist, dass eine Projektdokumentation vorgelegt werden kann, aus der sich die Einhaltung der Aktivierungskriterien ablesen lässt. Auch spielen bilanzstrategische Erwägungen eine Rolle für die Abgrenzung der Forschungsvon der Entwicklungsphase. Die Stufe der Wertschöpfung, die erreicht sein muss, wenn das Projekt die Forschungsphase verlassen und in die Entwicklungsphase eingetreten ist, bezeichnet man als „Quality Gate“. Matching Principle Beispiel Entwicklung einer Software über 3 Jahre, kommerzielle Nutzung über 6 Jahre Bisheriges HGB (§ 248 Abs. 2 HGB) Jahre 1-3 Aufwand / Zahlungsmittel 100 GE Jahre 4-9 Zahlungsmittel / Umsatz 70 GE BilMoG (bei Aktivierung) und IAS 38 Jahre 1-3 Aufwand / Zahlungsmittel 100 GE Immaterieller Vermögensgegenstand / aktivierte Eigenleistungen 100 GE Jahre 4-9 Zahlungsmittel / Umsatz 70 GE Abschreibungen / immaterieller Vermögensgegenstand 50 GE <?page no="83"?> 82 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS Je früher die Entwicklungsphase erreicht wird, desto höher stellen sich die aktivierten und damit neutralisierten Ausgaben dar. Je später die Entwicklungsphase erreicht wird, desto geringer ist der aktivierungsfähige Betrag. Für einen frühen Eintritt in die Entwicklungsphase spricht, die Vermeidung projektbezogener Anlaufverluste nach dem Matching Principle, die Verbesserung der Eigenkapitalquote gegenüber der Nichtaktivierung, die Verbesserung des EBITDA. für einen späten Eintritt in die Entwicklungsphase spricht, die Verschlechterung der Eigenkapitalrentabilität nachfolgender Jahre, das Risiko außerplanmäßiger Abschreibungen, falls Werthaltigkeit nicht mehr gegeben ist, sowie das Risiko, dass Kreditgeber den Aktivposten in der Strukturbilanz gegen das Eigenkapital verrechnen, den Abschreibungsaufwand darauf aber bei der Ergebnisbetrachtung nicht korrigieren. Die für die Aktivierung notwendige Dokumentation erfordert einerseits eine Abgrenzung von Forschungs- und Entwicklungskosten einschließlich dem Bestehen der sechs Kriterien nach IAS 38.57 (zeitlich sequenzielle Abgrenzung), andererseits eine Abgrenzung von Projektkosten und allgemeinen Verwaltungskosten (zeitlich parallele Abgrenzung). Beispiel: Projekt zur Prozessoptimierung Die X-AG hat zwei Projekte zur Prozessoptimierung aufgelegt, die sowohl mit externen Beratern als auch mit eigenen Ressourcen bestritten werden. Projekt 1 befasst sich mit der Optimierung des Materialflusses von der Beschaffung über die Produktion bis hin zur Distribution. Ziel des Projekts ist die Verbesserung der Absatzplanungsqualität durch Verkürzung des Planungshorizontes und die Reduzierung der Kapitalbindungskosten durch drastische Reduktion des Fertigwarenbestandes. Projekt 2 (Integriertes Beschaffungsmanagement) hat die Optimierung der Beschaffungsaktivitäten (Material und Dienstleistung) zum Ziel. Der Mandant möchte die im Rahmen der Projekte angefallenen internen und externen Aufwendungen aktivieren und über 10 Jahre abschreiben. Für eine Aktivierung spricht nach Meinung des Mandanten, die Entstehung nachweisbarer Kosten, der künftige Nutzen in Form von kalkulierten <?page no="84"?> 83 Einsparungspotentialen und eine detaillierte Kontrolle durch das Management. Fraglich ist im Hinblick auf den Ansatz, ob bzw. welche Teile der Projekte aktivierbar sind. Hinsichtlich der Bewertung ist - für den Fall einer Aktivierbarkeit - zu klären, welche Kostenelemente zu aktivieren sind. Lösungsvorschlag: Bei den „Prozessoptimierungen“ handelt es sich grundsätzlich um immaterielle Vermögenswerte. Ihre Aktivierung unterliegt jedoch gewissen Einschränkungen. So ist deren „Erstellung“ in eine Forschungsphase und eine Entwicklungsphase einzuteilen. Die Kosten der Forschungsphase sind als Aufwand zu erfassen. Die Kosten der Entwicklungsphase sind im Rahmen eines Vollkostenansatzes zu aktivieren. Die Entwicklungsphase ist erreicht, wenn mit der Implementierung einer klar definierten Optimierungsstrategie begonnen wird (Quality Gate). Zum Nachweis der Erfüllung sämtlicher Definitions- und Ansatzkriterien sind die Art und Weise der Erfüllung vom Mandanten hinreichend zu dokumentieren. Die Abschreibungsdauer sollte vorsichtig bemessen sein. Auf evtl. Wertminderungen ist in besonderem Maße zu achten; ggf. sind sie zu berücksichtigen. Beispielhafte Projektdokumentation Die X-AG hat im Geschäftsjahr folgende Forschungs- und Entwicklungsausgaben für die beiden Reorganisationsprojekte getätigt: Aufgewendete Ausgaben Datum Gesamtaufwand Nicht direkt zurechenbare GK Sonst. direkt zurechenbare Kosten Personal (dir. Zurechng.) Material/ Dienstleistungen Grundlagenforschung Suche nach Anwendungsbereichen Entwicklung eines Produktionsverfahrens Arbeitsvorbereitung für die Tests Entwurf von Werkzeugen 15.1. 10.2. 6.3. 17.4. 12.5. 500 20 175 12 43 35 0 20 12 5 70 0 12 0 3 165 15 68 0 10 230 5 75 0 25 <?page no="85"?> 84 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS Konstruktion und Herstellung einer Pilotanlage Anpassung des Produktionsverfahrens Ausgaben für Patentierung Ausgaben für Durchsetzung des Patentrechts 22.6. 1.7. 24.8. 16.10. 220 35 62 30 20 5 0 0 50 5 10 10 70 15 20 0 80 10 32 20 Gesamtsummen 31.12. 1097 97 160 363 477 Welcher Betrag könnte zum 31.12 aktiviert werden? Lösungsvorschlag: Von den Gesamtausgaben von 1097 GE sind die Forschungskosten von 520 GE abzuziehen (zeitlich sequenzielle Abgrenzung). Dies sind alle Ausgaben vor Erreichen des Quality Gates. Wenn dieses definiert ist als Stufe der Wertschöpfung, wenn mit einer klar definierten Optimierungsstrategie begonnen wird, dann gehören die Kosten für die Suche nach Anwendungsbereichen noch zur Forschungsphase. Ferner sind die Projektkosten von den nicht direkt zurechenbaren Gemeinkosten abzugrenzen (zeitlich parallele Abgrenzung). Dies erfordert den Abzug von 97 GE. Allerdings sind die darin enthaltenen Forschungskosten bereits erfasst, sodass zu berücksichtigen sind 97 - 35 = 62 GE. 31.12. Gesamtbetrag der aufgewendeten Ausgaben 1097 abzgl. der Forschungsausgaben - 520 abzgl. der angefallenen nicht direkt zurechenbaren Gemeinkosten - 62 Bilanzansatz zum 31.12. 515 Die 515 GE sind zu aktivieren, auf die bestmöglich geschätzte Nutzungsdauer abzuschreiben und auf Impairment-Anlässe zu testen. Die Abschreibung findet in diesem Fall in den Perioden statt, in der die Projekte auch zurechenbaren Nutzen stiften, d.h. zu Kosteneinsparungen führen. <?page no="86"?> 85 22..33..22 LLaannggffrriis sttiig gee E Errttrraaggs srreeaalli is siie erruun ngg nnaacchh ddeerr PPe errcceennttaagge e o of f CCoomm-pplle ettiio on n--MMe etthhood de e ( (P PooC C)) Projekte, deren Realisierung in mehr als einem Geschäftsjahr stattfinden, sind - wenn bestimmte Dokumentationsvoraussetzungen erfüllt sind - nach der Percentage of Completion Methode zu erfassen. Diese im internationalen Rechnungswesen gebräuchliche Interpretation des Realisationsprinzips fordert einen Erfolgsausweis proportional dem Projektfortschritt. Dem HGB liegt demgegenüber die Completed Contract Methode zugrunde, die besagt, dass erst mit Abnahme, Gefahrübergang und Entstehen eines Kaufpreisanspruchs ein Umsatz und damit auch ein Gewinn realisiert werden. Der PoC-Methode liegt der Gedanke zugrunde, dass eine abschnittsweise Verantwortlichkeit des Managements für die in der jeweiligen abzuschließenden Periode generierten Ergebnisbeiträge besteht und auch zum Ausdruck gebracht wird. Dabei wird vernachlässigt, dass ein einklagbarer Zahlungsanspruch noch nicht besteht. Auch hier ist eine Dokumentation der budgetierten Projekterlöse und der budgetierten Projektaufwendungen sowie des Fertigstellungsgrades erforderlich. Konsequenz der Anwendung dieser Methode ist ein verstetigter Erfolgsausweis bei Gewinn-Projekten und ein volatiler Erfolgsausweis bei Verlustprojekten. Die PoC-Methode entspricht dem Vorgehen des Projektcontrollings, wonach periodisch der Projektfortschritt und der auf die jeweilige Periode bezogene Projekterfolg gemessen werden. Beispiel: Ein Bauwerk soll in 4 Jahren fertiggestellt werden. Die bei Vertragsschluss vereinbarten Erlöse betragen 1500 GE. Die Gesamtaufwendungen werden auf 1420 GE geschätzt. Am Ende des 2 Jahres wird ersichtlich, dass die Aufwendungen tatsächlich 1430 GE betragen. Im 3. Jahr wird eine Erweiterung des Projektes vereinbart, die zu zusätzlichen Erlösen von 400 GE und zu zusätzlichen Aufwendungen von 320 GE führt. Der Projektfortschritt bemisst sich nach der Zahl der geleisteten Mann-Tage. Periode 1 2 3 4 Summe Mann- Tage 2500 3500 1500 2500 10000 Berechnen Sie für jedes Jahr den jeweiligen Gewinnausweis nach der „Percentage-of-completion“-Methode. <?page no="87"?> 86 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS Periode 1 2 3 4 Summe budgetierte Projekterlöse 1500 1500 1900 1900 budgetierte Projektaufwendungen 1420 1430 1750 1750 kumulierter Projektfortschritt 25% 60% 75% 100% kumulierte Projekterlöse 375 900 1425 1900 kumulierte Projektaufwendungen 355 858 1312,50 1750 kumulierter Projektgewinn 20 42 112,50 150 Periodengewinn 20 22 70,50 37,50 150 22..3 3..3 3 FFaaiirr VVaalluuee Die Fair Value-Bewertung als Ausdruck des im internen Rechnungswesens wohl bekannten Opportunitätskostengrundsatzes findet nach IFRS nicht nur bei Finanzinstrumenten, sondern auch als wahlweise Alternativmethode bei der Bewertung von Sachanlagen Anwendung (IAS 16.31ff). Wenn eine Bewertung von Sachanlagen zum Fair Value erfolgt und dabei unrealisierte Wertsteigerungen ausgewiesen werden, so zeigt dies einerseits, dass die Verwertung des Anlagegutes einen Erlös brächte, der über den fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegt, andererseits werden ab dem Zeitpunkt der Fair Value-Bewertung die planmäßigen Abschreibungen auf Basis des jeweiligen Fair Values bestimmt mit der Folge, dass dies einer Abschreibung von den Wiederbeschaffungskosten entspricht, was in der Kostenrechnung zu Substanzerhaltungszwecken analog Anwendung findet. 22..33..44 SSeeggmme ennttbbeerriicchht t Der Segmentbericht stellt eine Berichterstattung über die strategischen Geschäftsfelder dar. Dabei sollen in Abhängigkeit der Chancen und Risiken der einzelnen strategischen Geschäftsfelder deren Beitrag zum Periodenerfolg insgesamt erfasst werden. Nach IFRS 8 wird ausdrücklich sowohl bei der Festlegung der Segmentstruktur als auch bei der Auswahl der segmentspezifischen Berichtsgrößen als auch bei deren Ermittlung auf das interne Reporting Bezug genom- <?page no="88"?> 87 men. Zwingende Berichtsgrößen sind der Segmentumsatz und das Segmentergebnis. Alle weiteren Angaben orientieren sich am internen Berichtswesen. 22..33..55 UUmmssaattzzkkoosstteennvveerrffaahhrreenn Sowohl IFRS wie auch HGB lassen das Gesamt- und Umsatzkostenverfahren als Gliederungsalternativen für die GuV-Rechnung zu. Während das Gesamtkostenverfahren einfach aus der Finanzbuchhaltung ableitbar ist, benötigt das Umsatzkostenverfahren die Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung. Dies begründet sich damit, dass beim Umsatzkostenverfahren die Aufwandsgliederung nach Kostenstellen erfolgt (Herstellung, Verwaltung, Vertrieb) und die Herstellungskosten dann GuV-wirksam werden, wenn der Gegenstand verkauft wird. Dies entspricht dem Matching Principle, wonach der Aufwand und der Ertrag eines Vorgangs in derselben Periode auszuweisen sind. Gesamtkostenverfahren Umsatzkostenverfahren Erträge und Aufwendungen der produzierten Einheiten (Berücksichtigung von Bestandsveränderungen) Erträge und Aufwendungen der verkauften Einheiten Aufwandsartengliederung Gliederung nach Kostenstellen und Kostenträgern einfach aus der FiBu ableitbar benötigt das interne Rechnungswesen (Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung). Das Umsatzkostenverfahren hat eine formale Ähnlichkeit mit der Deckungsbeitragsrechnung. Auch dieser Aspekt verbindet internes und externes Rechnungswesen. Nach US-GAAP ist im Gegensatz zu IFRS nur das Umsatzkostenverfahren (function of expense) zulässig. <?page no="89"?> 88 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS <?page no="90"?> Reinhard Heyd 89 <?page no="91"?> 90 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS 22..33..66 HHeeddggee AAc cccoouunnttiinngg Beim Hedge Accounting geht es um die bilanzielle Darstellung von Sicherungsbeziehungen entsprechend der Einschätzung nach dem betriebsinternen Risikomanagement. Prinzipiell gilt im externen Rechnungswesen der Grundsatz der kaufmännischen Vorsicht, der einen imparitätischen Erfolgsausweis bei jedem rechtlich und wirtschaftlich isolierbaren Einzelvorgang fordert. Wirtschaftliche Beziehungen zwischen einem Grund- und einem Sicherungsgeschäft beabsichtigen dagegen eine Risikokompensation (hedging). Unter den Voraussetzungen von IAS 39.88 können diese wirtschaftlichen Absicherungsbeziehungen auch im Rechnungswesen abgebildet werden, um das hedge accounting dem unternehmensinternen Risikomanagement anzugleichen. Man unterscheidet dabei die Absicherung von Wertrisiken bei Bilanzposten oder fest abgeschlossenen Verträgen (Fair Value Hedge) von der Absicherung von Cashflow-Risiken künftiger Zahlungsströme (Cashflow Hedge). In beiden Fällen besteht das Ziel darin, Ergebnisvolatilitäten zu reduzieren oder zu vermeiden. Der Fair Value Hedge stellt eine Kompensationseinheit dar unter Außerkraftsetzung von Imparitäts- und Einzelbewertungsprinzip. Wenn bestehende Risiken nicht auf den Vertragspartner übertragen werden können, versucht man ein „Gegengeschäft“ abzuschließen, das einen entgegen gesetzten Risikoverlauf hat. Ziel des Hedgings ist es, einen Nettoeffekt aus Grund- und Sicherungsgeschäft im Wesentlichen zu vermeiden. Würde es hierzu allerdings keine bilanziellen Sondervorschriften geben, so müsste der unrealisierte Verlust beim einen Hedge-Bestandteil buchhalterisch erfasst und der unrealisierte Gewinn beim anderen Hedge-Bestandteil dürfte nicht ausgewiesen werden. Dies würde implizieren, dass unabhängig von der Entwicklung der risikobehafteten Komponente stets ein unrealisierter Verlust in den Büchern gezeigt werden müsste. Um den Sachverhalt nach der wirtschaftlichen Betrachtung abzubilden, werden beim Fair Value Hedge - Grund- und Sicherungsgeschäft in der Bilanz ausgewiesen; das Grundgeschäft ist bereits als Bilanzposten erfasst das Sicherungsgeschäft (Derivat) wird nicht wie beim HGB als schwebendes Geschäft, sondern auch als Bilanzposten behandelt, <?page no="92"?> 91 - Grund- und Sicherungsgeschäft werden unabhängig von ihrer Behandlung außerhalb von Hedge-Zusammenhängen zum Fair Value bewertet und die Fair-Value-Änderungen bei Grund- und Sicherungsgeschäft werden erfolgswirksam behandelt und laufen sich in der GuV-Rechnung entgegen. Beim Cashflow Hedge wird ein Derivat aufgelegt, um die Risiken künftiger Zahlungsströme abzusichern. Im Fall des Cashflow Hedges ist das Derivat zu bilanzieren und zum Fair Value anzusetzen, allerdings sind die Fair Value-Änderungen des Derivates mangels Kompensation mit einem Bilanzposten erfolgsneutral im Eigenkapital auszuweisen, damit auf diese Weise Ergebnisvolatilitäten in der GuV-Rechnung unterbleiben. Um die Grundsätze von Imparität und Einzelbewertung als den Regelfall und das Hedge Accounting als die Ausnahme zu behandeln, sind strenge Anforderungen an das Hedge Accounting gestellt. So bedarf es einerseits einer Designation und Dokumentation, andererseits eines Effektivitätstests. Der Effektivitätstest verlangt, dass der Quotient aus den auf das abgesicherte Risiko bezogenen Wertänderungen des Grundgeschäfts und den Wertänderungen des Sicherungsgeschäfts eine hohe Korrelation aufweisen und sich in einem Risiko-Korridor zwischen -80% und -125% bewegt. (IAS 39.88 sowie IAS 39.AG105) IAS 39.88 verweist mehrfach auf die Risikomanagementzielsetzungen und -strategien, die das Unternehmen im Hinblick auf die Absicherung verfolgt. Um die formalen Hürden für das Hedge Accounting zu reduzieren und zu ermöglichen das sich das Hedge Accounting noch weiter an das Hedging gemäß dem unternehmensinternen Risikomanagement annähert, sieht IFRS 9 eine noch stärkere Annäherung der bilanziellen Abbildung von Hedge Beziehungen an die verfolgte Risikomanagementstrategie vor. (IFRS 9) 22..33..77 WWäähhrru un nggs suum mrreecchhnnuun ngg Für die Umrechnung von Fremdwährungsposten im Einzelabschluss sowie von Abschlüssen von Tochterunternehmen, die in einer anderen Währung als der Darstellungswährung des Konzerns aufgestellt sind, <?page no="93"?> 92 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS sind Stichtagskurse grundsätzlich von Bedeutung unabhängig von einem Niederstwertprinzip auf der Aktivseite bzw. einem Höchstwertprinzip auf der Passivseite. Dies stellt eine Form von Zeitbewertung in der Darstellungswährung dar. Die Frage, ob die wechselkursbedingten Änderungen erfolgswirksam oder erfolgsneutral gebucht werden, lässt auf eine Verantwortlichkeit des lokalen Managements für diese Effekte schließen. Die Währungsumrechnung zum Stichtagskurs stellt eine Annäherung an die Opportunitätskostenbewertung dar, die im Controlling entscheidungsorientierten Bewertung von Alternativen Anwendung findet. 22..33..88 LLeeaassiin ngg Die Behandlung von Leasing als Vertrag über die entgeltliche Gebrauchsüberlassung im IFRS-Abschluss stellt ein weiteres Beispiel dar für die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise anstelle des juristischen Gehalts eines Vertrags. Bei der Frage der Bilanzierung von Leasinggegenständen ist nicht das juristische Eigentum, sondern die Einschätzung maßgebend, wer die wesentlichen Chancen und Risiken an dem Leasingobjekt trägt. Fünf Kriterien nach IAS 17.10 legen fest, unter welchen Voraussetzungen es sich um ein Operate Lease oder um ein Finance Lease handelt. Beim Operate Lease wird der Leasinggegenstand beim Leasinggeber bilanziert, der Leasingnehmer bezahlt seine Mietraten und bucht sie als Mietaufwand im operativen Ergebnis. Beim Finance Lease wird der Leasinggegenstand beim Leasingnehmer bilanziert, obwohl dieser nicht der juristische Eigentümer ist. Dabei wird eine gleichhohe Leasingverbindlichkeit passiviert. Der Leasinggegenstand wird beim Leasingnehmer planmäßig abgeschrieben. Mit der Zahlung der Mietraten baut der Leasingnehmer bei annuitätischer Aufteilung seine Leasingverbindlichkeit ab und er weist einen Zinsaufwand aus. Für den Leasingnehmer besteht dann der Nachteil einer Bilanzverlängerung und einer Verschlechterung der Eigenkapitalquote; dies signalisiert in der Außendarstellung, dass Risiken eingegangen wurden, die bilanziell so abgebildet werden, dass sich eine Rating-relevante Kennzahl, nämlich die Eigenkapitalquote, verschlechtert. Der Vorteil besteht darin, dass er im Falle des Finance Lease keinen operativen Aufwand zeigt, sondern EBITDA-neutral Abschreibungen und Zinsaufwand. Dies führt zu einer Entlastung des operativen Ergebnisses, das meist die Bemessungsgrundlage für die erfolgsabhängigen Manager-Vergütungen darstellt. Die Aktivierung des Leasingobjektes beim Finance Lease stellt in der Bilanz des Leasingnehmers Vermögenswerte als Investitionsobjekte dar, die allerdings dessen Gläubigern gegenüber nicht haften. Da die <?page no="94"?> 93 Kriterien für die Abgrenzung von Operate Lease und Finance Lease in den einzelnen Rechnungslegungssystemen sehr heterogen sind, dient eine Orientierung an der IFRS-Rechnungslegung der weltweiten Vergleichbarkeit von Kennzahlen. 22..33..99 RRüücckks stteelllluunnggssbbeewweerrttuunngg Rückstellungen als ungewisse Verpflichtungen sind mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag anzusetzen. Damit führt auch hier die wirtschaftliche Betrachtungsweise zu einer Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen. Der Ansatz von Rückstellungen setzt eine mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bestehende Drittverpflichtung voraus, die Bewertung erfordert gleichermaßen eine Prognose künftiger Kostensteigerungen wie auch eine Abzinsung. Letztere verlangt die Schätzung des Zeitraums bis zur Erfüllung der Verpflichtung sowie die Festlegung eines der (Rest)Laufzeit angemessenen Zinssatzes. Alle diese Parameter bedürfen einer Management Beurteilung, die für interne Planungs- und Kontrollrechnungen nicht anders ausfallen darf wie die Berichterstattung in der externen Finanzberichterstattung. Die aus steuerlichen Objektivierungsgesichtspunkten sowie fiskalischen Erhebungszielen abgeleiteten Festbeträge (5,5% bzw. 6% Abzinsungssatz, keine Berücksichtigung von Kostensteigerungen etc.) finden weder in der internationalen Rechnungslegung noch im internen Rechnungswesen Anwendung. 22..33..1100 IImmp paaiirrmme enntt Für nicht zum Fair Value bewertete Aktiva ist mindestens einmal jährlich die Werthaltigkeit des Bilanzausweises zu überprüfen. Dabei wird der Buchwert mit dem erzielbaren Betrag verglichen, der ermittelt wird als der höhere Wert aus Verkaufspreis und Nutzungswert. Während der Verkaufspreis (Fair Value less Cost to Sell) aus einem Marktpreis bzw. aus den einen Marktpreis approximierenden Parametern abgeleitet wird, stellt sich der Nutzungswert (Value in Use) als Barwert der künftigen Zahlungen aus der fortgesetzten Nutzung und dem endgültigen Abgang des Vermögenswertes dar. Dabei sind Annahmen zu treffen, z.B. für die Ermittlung des Verkaufspreises: die Umstände des Verkaufs, der mutmaßliche Verkaufspreis, entweder durch Beobachtung von Markttransaktionen oder durch anerkannte Methoden und Modelle im Rahmen der Fair Value Hierarchie (IFRS 13) sowie die geschätzten Veräußerungskosten. <?page no="95"?> 94 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS Abb. 2.6: Grundkonzept des -Tests: Prüfung des Abwertungsbedarfs Für die Ermittlung des Nutzungswertes bedarf es der Prognose der aus dem Vermögenswert erzielbaren Cashflows entsprechend der unternehmensspezifischen Planung sowie der Bestimmung eines dem Kalkül angemessenen Zinssatzes. Sollte ein einzelner Vermögenswert keine identifizierbaren Cashflows generieren können, so hat der Impairmenttest auf Basis von Cash-generating Units zu erfolgen. Darunter versteht man die kleinste Gruppe von Vermögenswerten, die Cashflows unabhängig von anderen Vermögenswerten oder anderen Gruppen von Vermögenswerten generieren. In diesem Fall kommt der Abgrenzung von Cash-generating Units und der Zuordnung der verschiedenen Vermögenswerte in die Cash-generating Units eine große Bedeutung zu, die sich an internen Steuerungskriterien ausrichtet. Der Gedanke, dass auf zwei Arten Cashflows aus einem Vermögenswert bzw. einer Cash-generating Unit generiert werden können, entstammt dem kaufmännischen Grundsatz, dass ein Gegenstand verkauft oder genutzt werden kann. Da die IFRS-Rechnungslegung an der wirtschaftlichen Vernunft des Managements und nicht an steuerlichen bzw. ausschüttungsmotivierten Worst-Case-Szenarien ausgerichtet ist, gilt der höhere Wert aus Verkaufspreis und Nutzungswert als Vergleichsmaßstab, auf den ggf. abzuwerten ist. Die Annahmen für die Bestimmung der beiden Wertansätze entstammen der Business Planung des Managements und zeigen insofern dessen Einschätzung von der Werthaltigkeit auf. Der Abschlussprüfer forscht bei der Beurteilung <?page no="96"?> 95 der Angemessenheit des Impairments nach der Übereinstimmung der Annahmen für die Parameter des Werthaltigkeitstests und der internen Business Planung. 22. .33..111 1 LLa atte ennttee SStteeuueerrnn Latente Steuern ergeben sich, wenn temporäre Differenzen zwischen IFRS-Wertansätzen und den Steuerwerten auftreten. Ist angesichts dieser Differenzen zu erwarten, dass in nachfolgenden Jahren mehr Steuern zu zahlen sein werden als dem IFRS-Ergebnis entspricht, so ist eine passive latente Steuerabgrenzung zu bilden, der die Funktion einer „Rückstellung für drohende Steuerzahlungen“ zukommt. Ist dagegen zu erwarten, dass in nachfolgenden Jahren weniger Steuern zu zahlen sein wird als dem IFRS-Ergebnis entspricht, so ist eine aktive latente Steuerabgrenzung zu bilden, der die Funktion einer „Forderung dem Finanzamt gegenüber“ entspricht. Das Ziel der in IFRS und HGB anzuwendenden liability-Methode ist es, die künftigen, noch nicht durch Steuerbescheid veranlagten fiskalischen Verbindlichkeiten und Forderungen als künftige steuerliche Be- oder Entlastungen auszuweisen (bilanzorientiertes Konzept) und dabei gleichzeitig den ertragsteuerlichen Gesamtaufwand so zu bemessen wie er wäre, wenn das IFRS-Ergebnis der Ertragsbesteuerung unterliegen würde. Darüber hinaus sind aktive latente Steuern zu bilden auf verwertbare steuerliche Verlustvorträge. Dies unterstellt, dass mit der Nutzung steuerlicher Verlustvorträge eine künftige ertragsteuerliche Entlastung verbunden ist. Allerdings setzt dies voraus, dass die Verlustvorträge mit hinreichender Sicherheit und in einem überschaubaren Zeitraum genutzt werden können. Um dies zu beurteilen, bedarf es einer steuerlichen Vorschaurechnung, die neben anderen Parametern auf einer Business Planung aufsetzt, die vom Controlling zu erstellen ist. Auch die für die steuerliche Vorschaurechnung verwendeten Annahmen werden vom Abschlussprüfer auf ihre Übereinstimmung mit der allgemeinen Unternehmensplanung sowie den Parametern zum Impairmenttest (Cashflow-Prognose) überprüft. <?page no="97"?> 96 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS 22..33..1122 OOnn--bbaallaannccee--DDaarrsstteelllluunngg vvoonn DDeerriivvaatteenn Derivate sind Finanzinstrumente, die folgende drei Merkmale aufweisen: der Wert des Derivates hängt von einer Basisgröße ab, es finden keine oder keine nennenswerten Anfangsausgaben statt, es wird zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt (IAS 39.9). Somit sind stand-alone-Derivate, also solche Derivate, die nicht Bestandteil einer Hedge-Beziehung sind, Finanzinstrumente und damit Bilanzposten, die zu jedem Bilanzstichtag zum Fair Value zu bewerten sind und die Fair-Value- Änderungen in der GuV-Rechnung erfasst werden. Damit wird das Unternehmen veranlasst, sich über den Wert der von ihm gehaltenen Derivate klar zu werden, eine Beschränkung auf die Anschaffungskosten gibt es nicht, und die periodischen Wertänderungen erzeugen eine Ergebnisvolatilität, die sich aus Marktwertentwicklungen ableitet. Dieses Vorgehen entspricht den Planungs- und Kontrollmaßnahmen im Finanzcontrolling, durch die die Wertentwicklung von Derivaten nach den Risikomanagementnormen von MaRisk etc. laufend zu überwachen ist. Die HGB-Rechnungslegung betrachtet Derivate demgegenüber als schwebende Geschäfte, die bilanziell grundsätzlich nicht erfasst werden, für die allerdings im Falle von drohenden Verlusten eine Drohverlustrückstellung zu bilden ist. Zusätzliche Anhangangaben, z.B. nach § 285 Nr. 19 HGB sollen die Risiken verdeutlichen, allerdings ohne eine sichtbare Volatilität im Rechnungsteil des Jahresabschlusses auszulösen. 22..33..1133 BBees st täännddeeb beew weer rttuunngg vvoonn H Haal lbb-uunndd FFeer rtti iggeerrzzeeu uggnniisss seen n Die Bewertung von Halb- und Fertigerzeugnissen hat zu Herstellungskosten (IAS 2) zu erfolgen. Dabei sieht IAS 2 eine Vollkostenbewertung vor. Ziel ist es, vor dem Realisationszeitpunkt, d.h. vor Lieferung und Leistung keine erfolgswirksamen Effekte zu zeigen und den Gewinn als Differenz zwischen Herstellungskosten (Vollkosten) und Verkaufspreis im Zeitpunkt der Lieferung und Leistung, des Gefahrübergangs und der Rechnungstellung auszuweisen. Dieses Vorgehen entspricht dem Grundsatz, dass wenn aus dem Produktions- und Verkaufsvorgang kein Verlust erwartet wird, auch zu keinem Zeitpunkt ein solcher ausgewiesen werden darf. Die Vollkostenbewertung setzt ein internes Rechnungswesen voraus, das Gemeinkosten, insbesondere fixe Gemeinkosten, auf Basis eines Normalbeschäftigungsgrades auf die einzelnen Halb- und Fertigerzeugnisse zuordnet. Eine Vollkostenaktivierung widerspricht aber einer entscheidungsorientierten Beständebewertung, welche auf den Grenzkosten <?page no="98"?> 97 aufsetzt und nur die zusätzlich entstehenden Kosten den Beständen zuordnet, die - dem mutmaßlichen Verkaufspreis gegenüber gestellt - den Deckungsbeitrag des Produktes erkennen lässt. FFrraaggeenn Welcher im internen und externen Rechnungswesen geltende Grundsatz spricht für die Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermögenswerte? Welchem Ziel folgt die Percentage-of-Completion Methode? Was bedeutet der Management Approach im Zusammenhang mit der Segmentberichterstattung? Warum hat das Umsatzkostenverfahren als Gliederungsalternative zur Darstellung der GuV-Rechnung Gemeinsamkeiten mit der Deckungsbeitragsrechnung des internen Rechnungswesens? Wie ermöglicht das Hedge Accounting einen Zusammenhang zwischen der externen Finanzberichterstattung und dem unternehmensinternen Risikomanagement? Inwiefern wird bei der Leasingbilanzierung von der Abbildung juristischer Gestaltungsformen abgewichen zugunsten einer Bewertung vertragsspezifischer Chancen- und Risiko-Verteilungen? Wie finden wirtschaftliche Betrachtungsweisen Eingang in den Ansatz und die Bewertung von Rückstellungen? Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Konzept latenter Steuern und dem NOPLAT-Ansatz? Inwiefern kann die Vollkostenbewertung von Halb- und Fertigerzeugnissen zu einer Annäherung bzw. einer Entfremdung von internem und externem Rechnungswesen führen? 22..44 AAuuffggaabbeenn ddeess CCoonnttrroolllleerrss iimm RRaahhmmeenn ddeerr eexxtteerrnneenn FFiinnaannzzbbeerriicchhtteerrssttaattttuunngg Durch die unter dem Konzept von IFRS vollzogene Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen ergeben sich zusätzliche Aufgaben des Controllers im Rahmen der externen Finanzberichterstattung. Neben den originären Controlleraufgaben der Unterstützung und qualitative Verbesserung von Managemententscheidungen kommen durch eine zunehmende Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen für den Controller weitere Unterstützungstätigkeiten für die externe Finanzberichterstattung in Betracht. Diese beziehen sich auf <?page no="99"?> 98 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS die Datenbereitstellung, die Prognosenbereitstellung, die Methodenbereitstellung, die Qualitätssicherung sowie die Dokumentationsbereitstellung. Dabei lassen sich wechselseitige Abhängigkeiten erkennen: einerseits werden im Rahmen klassischer Controlling Prozesse Daten des externen Rechnungswesens zur unternehmensinternen Auswertung zugrunde gelegt. Andererseits liefert das Controlling interne Steuerungs- und Kontrolldaten, die zur Erfüllung von Ansatz- und Bewertungspflichten der externen Finanzberichterstattung unverzichtbar sind. Im Einzelnen beziehen sich die Unterstützungstätigkeiten des Controllings für die externe Finanzberichterstattung auf Die Datenbereitstellung, z.B. für Segmentinformationen nach dem Management Approach (IFRS 8, § 285 Nr. 4 HGB), projektbegleitende Auftragskalkulationen zur Beurteilung der Notwendigkeit von Drohverlustrückstellungen bzw. deren Bewertung (IAS 37, § 249 HGB) sowie für die Anwendung der Percentage of Completion Methode (IAS 11), die Fair Value-Bestimmung von Finanzanlagen, um die Dauerhaftigkeit und Höhe von Wertminderungen zu bestimmen (§ 253 Abs. 3 Satz 4 HGB) sowie um Anhangangabepflichten nach § 285 Nr. 18 HGB) zu erfüllen, die Fair Value-Bestimmung von Derivaten, um sie mit dem beizulegenden Wert anzusetzen (IAS 39) bzw. entsprechende Anhangangaben nach § 285 Nr. 19 b) HGB zu machen. Die Prognosenbereitstellung, z.B. für die Abschätzung künftiger Verluste aus schwebenden Geschäften zur Beurteilung der Notwendigkeit von Drohverlustrückstellungen (IAS 37, § 249 HGB), Werthaltigkeitsprüfungen bei Vermögensgegenständen im Rahmen des Niederstwertprinzips (§ 253 Abs. 3 und 4 HGB) bzw. Impairmenttests (IAS 36) sowie bei aktiven latenten Steuern zur Beurteilung der Verwertbarkeit von Verlustvorträgen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums (IAS 12), nach HGB innerhalb von fünf Jahren (§ 274 Abs. 1 HGB), die Beurteilung der Dauerhaftigkeit von Wertminderungen im Rahmen des gemilderten Niederstwertprinzips einschließlich zugehöriger Anhangangaben (§§ 253 Abs. 3, 285 Nr. 18 HGB), <?page no="100"?> 99 die Nutzungsdauerschätzung von erworbenen Goodwills (§ 285 Nr. 13 HGB) bzw. zur Bewertung von Goodwills nach dem Impairment Only Approach. Die Methodenbereitstellung, z.B. für Discounted Cashflow Verfahren zur Fair Value-Bewertung, nach IFRS 13 für alle im IFRS-Abschluss zum beizulegenden Zeitwert zu bewertenden Vermögenswerte, z.B. - Finanzinstrumente der Kategorien Trading (einschließlich stand-alone-Derivate), Available for Sale, - Investment Property, - alle Vermögenswerte und Schulden im Rahmen der Erstkonsolidierung, - share-based-payments, im HGB-Abschluss zur Bewertung von Pensionsvermögen (§ 255 Abs. 4 i.V.m. § 253 Abs. 1 Satz 4 HGB), Szenario- und Risikoanalysen für schwebende Geschäfte (IAS 37, § 285 Nr. 3 HGB) sowie Eventualverpflichtungen und Haftungsverhältnisse (IAS 37, § 285 Nr. 27 HGB), die Qualitätssicherung, z.B. für die Überprüfung Übereinstimmung der Parameter von Bilanzgestaltung und Unternehmensplanung bei Durchführung von Impairmenttests (IAS 36) bzw. bei Anwendung des Niederstwertprinzips (§ 253 Abs. 3 und 4 HGB) einschließlich der Beurteilung der Notwendigkeit von Wertaufholungen (IAS 36, § 253 Abs. 5 HGB), der Werthaltigkeitsbeurteilung aktiver latenter Steuern (IAS 12, § 274 Abs. 1 Satz 4 HGB), sowie der Fair Value- Bewertung verschiedener Bilanzposten im IFRS-Abschluss bzw. von Pensionsvermögen im HGB-Abschluss. Die Dokumentationsbereitstellung, z.B. für - die Abgrenzung von Forschung und Entwicklung (IAS 38, § 253 Abs. 2a HGB), - die Effektivitätsmessung und -dokumentation im Hedge Accounting (IAS 39, § 254 HGB), - die Werthaltigkeitsprüfung im Rahmen von Impairmenttests (IAS 36) bzw. im Rahmen des Niederstwertprinzips (§ 253 Abs. 3 und 4 HGB) und der Wertaufholungen (§ 253 Abs. 5 HGB), - die Werthaltigkeitsprüfung aktiver latenter Steuern auf steuerliche Verlustvorträge (IAS 12, § 274 Abs. 1 HGB) sowie - die Fair Value-Bewertung verschiedener Bilanzposten im IFRS-Abschluss bzw. von Pensionsvermögen im HGB-Abschluss (§ 253 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 255 Abs. 4 HGB). <?page no="101"?> 100 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS Allerdings ist neben der Entscheidungsrelevanz von Controllinginformationen auch deren Außenwirkung auf bilanzielle Kennzahlen zu beachten. Hierzu kommen insbesondere in Betracht: die Eigenkapitalquote, die Eigenkapitalrentabilität sowie die Volatilität im Ergebnisausweis. Beispielhaft soll dies anhand folgender Schnittstellensachverhalte zwischen Controlling und Rechnungswesen dargestellt werden: Abgrenzung von Forschungs- und Entwicklungskosten und damit Festlegung, ab welchem Projektstadium Ausgaben als Entwicklungskosten zu aktivieren sind (Definition und Dokumentation des Quality Gate), Werthaltigkeit von Vermögensgegenständen im Rahmen von Impairmenttests bzw. im Rahmen des gemilderten Niederstwertprinzips, Hedge Accounting. Abb. 2.7: Rückwirkungen des externen Rechnungswesens auf das Controlling FFrraaggeenn Welche zusätzlichen Funktionen kommen dem Controller bei einer Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen zur Unterstützung der externen Finanzberichterstattung zu? Welche Daten kommen bei einem harmonisierten Rechnungswesen nicht aus dem Bereich der Finanzbuchhaltung? Bei welcher Gelegenheit sind Prognosen, die aus der unternehmensinternen Business Planung kommen, in die externe Finanzberichterstattung einzubeziehen? <?page no="102"?> 101 Welche Methoden sind im Rahmen der externen Finanzberichterstattung nach dem Management Approach anzuwenden, die nicht originär aus der Finanzbuchhaltung abgeleitet werden können? Welche Dokumentationsanforderungen stellt die externe Finanzberichterstattung an die Abbildung wirtschaftlicher Zusammenhänge unter Rückgriff auf das interne Rechnungswesen? 22..55 IIn ntte errnnaattiio onnaalle e UUn ntteerrnneehhmmeennssffüühhrruun ngg: : b be essoonnddeerree AAnnffoorrddeerruunnggeenn uun ndd ZZiieelle e Internationale Unternehmensführung ist vor allem gekennzeichnet durch ein Agieren in heterogenen Umwelten und unter verschiedenen sozio-kulturellen Rahmenbedingungen. Dies stellt einerseits Anforderungen an Planungs- und Steuerungsaktivitäten, andererseits an die externe Finanzberichterstattung einschließlich diesbezüglicher Prozesse zur Erstellung von Einzelabschlüssen, HB II-Abschlüssen und Konzernabschlüssen. Besondere Anforderungen und Ziele im Hinblick auf die Planungs- und Kontrollprozesse wie auch die Finanzberichterstattung richten sich auf transparente Berichterstattung nach innen und außen, reduzierte Überleitungen und Abstimmbrücken, reduzierten Reportingaufwand und reduzierte Aufstellungsfristen (Fast Close), straff strukturierte Berichtsabläufe, weltweit akzeptierte Kennzahlen und deren Ermittlung, einheitliches DV-System mit wenig Schnittstellen und wenig manueller Einflussnahme, sowie unternehmensweit anerkanntes Reportingsystem und akzeptierte Reportingprozesse. Der Nutzen weltweit abgestimmter Reportingprozesse liegt in einer verbesserten Datenqualität und einer zeitnahen Datenverfügbarkeit. Diese bewirkt: zeitnahe, relevante Information, mehr Freiraum und Zeit für value-added-Analysen und Aktivitäten, Stabilisierung und Standardisierung der Berichts- und Abschlussprozesse und Verbesserung der Datenqualität, Kosteneinsparung durch Verkürzung der Berichterstellungs- und Abschlusszeit, <?page no="103"?> 102 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS schnellere Bereitstellung der Informationen für schnellere Entscheidungen, trusted accounting, bessere Unternehmensentscheidungen (intern) sowie kompetentere Verhandlungsführung mit Banken und Kreditgebern (extern), Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz an den Kapitalmärkten. Hierzu sind folgende Instrumente und Maßnahmen notwendig: strukturierte Zusammenarbeit im Unternehmen zwischen Zentrale und Konzerngesellschaften zwischen Funktionsbereichen, insbesondere Controlling und Rechnungswesen unter Einbeziehung der Abteilung Finanzierung, Strategie, Steuern, IT, Compliance und Risikomanagement. zwischen Unternehmen und Prüfern, standardisiertes Prozessmanagement zur Straffung von Prozessen und Informationsflüssen, schnelle Abstimmung, Integration und Konsistenz von Legal und Management Reporting, Integration unterschiedlicher Systeme, Anwendungen und Services, Automatisierung in der Business Consolidation sowie eine integrierte Auditierbarkeit von Prozessen und Inhalten der Informations- und Berichtsysteme. Ein Konzernberichtswesen aus einem Guss bedeutet einerseits eine rasche Verfügbarkeit qualitätsgesicherter Informationen im Rahmen des konzerninternen Reportings andererseits einen Fast Close zur zeitnahen Kommunikation mit dem Kapitalmarkt sowie weiteren externen Stakeholdern im Rahmen der Regel- und ad-hoc-Berichterstattung. Durch eine Vereinheitlichung des gesamten Rechnungswesens auf Basis der IFRS-Rechnungslegung wird der systembedingte Abstimmungsaufwand reduziert, wird eine Real Time Integration von Finanzierungs-, Accounting- und Controllingdaten ermöglicht, sind die Überleitungen von IFRS- und Controllingdaten überschaubar, ergibt sich ein einheitliches Berichtswesen statt paralleler Rechnungslegung. Allerdings grenzen sich dann nationale Rechnungslegungs- und Steuerbilanzvorschriften sowohl inhaltlich wie auch organisatorisch ab. Durch ein verbessertes Prozessmanagement lassen sich standardisierte Abschluss-Leitlinien entwickeln, <?page no="104"?> 103 von Abschlussaktivitäten zur Minimierung von Fehlern und Zeitverzögerungen bündeln und automatisieren, die Zusammenarbeit zwischen den am Informationsprozess Beteiligten durch Workflow und moderne Kommunikationsmedien optimieren, durch interaktive Verarbeitung direkte Kontrollen und Fehlerkorrekturen vornehmen, mit Hilfe eines Closing Cockpits strategische und operative Planung, Steuerung und Kontrolle verbinden. Auf Basis eines einheitlichen Konzernberichtswesens lassen sich ausgehend von der IFRS-basierten Reporting Struktur weitergehende Module der strategischen und operativen Business Consolidation anbinden, z.B. Strategie Management, wie Balanced Scorecard, Risiko Management, Strategie Templates, Werttreiber-Bäume und Module zum Value Based Management, Performance Measurement und Zeitreihenstrukturen einschließlich kurz-, mittel- und langfristiger Planungsrechnungen einschließlich korrespondierender Abweichungsanalysen. Voraussetzungen für eine Integration von Legal und Management Consolidation unter dem Systemdach der IFRS sind: Details der Einzelabschluss-Daten müssen sich gut für schnellen Konzernabschluss eignen, Datentransfer ist zu unterstützen, übersichtliche Kontrolle mit graphischem Monitor, direkter Zugang für Tochterunternehmen und Teilkonzerne zu den Datenquellen (Quality at Source), automatische Belegerzeugung und vollständige Auditierbarkeit. Das Monitoring der Konsolidierung durch Controlling, Accounting und Innenrevision setzt voraus: eine Integration der internen und externen Gruppenstruktur, eine Standardisierung durch klare Prozessstrukturierung und eine zentrale Statusverwaltung, eine Automatisierung nahezu aller Konsolidierungsschritte, eine Zusammenarbeit von Einzelgesellschaften und Konzern, eine umfassende Auditierbarkeit aller durch Buchungsmaßnahmen erzeugten Belege. Folgende Fast Close Projekt-Checkliste könnte bei der Einführung und Anwendung eines konzerneinheitlichen Berichtswesens unterstützen: <?page no="105"?> 104 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS Optimierung und Absicherung von Aktivitäten: Vermeidung von komplexen, fehleranfälligen Abrechnungsnetzen, Nutzung von Rückmeldungen, Verrechnungen: keine fehleranfällige Schnittstellen, zuverlässige Verprobung bei Datenerfassung, Automatisierung manueller Aktivitäten, z.B. Umbuchungen, Auswertungen, Handbuch mit Prozessbeschreibung aller relevanten Vorgänge im Finanz- und Rechnungswesen, Nutzung von Periodensperren und Berechtigungen, Erfolgsüberprüfung jeder Aktivität einschl. Go/ Wait-Entscheidung für die nächste Aktivität. Systemtechnik, Performance: keine Systemänderungen während des Abschlusses (Transporte, Stammdaten, Schnittstellen, Berechtigungen), proaktives Handeln: Überwachung, Datenbankwachstum etc., Weitergabe von Informationen über Änderungen in Werteflüssen und Datenvolumina durch Implementierungsprojekte, Verfügbarkeit von technischem Support, verkürzte Abschlusszeiträume verlängern Zeitfenster für Änderungen außerhalb des Abschlusses, Nutzung von Parallelisierung, Anpassung von Ressourcen, z.B. Prozesse (Batch, Dialog) an Anforderungen, Verlagerung von Abschlussaktivitäten mit hoher Systemlast in die Nacht erlaubt optimale Nutzung der Tage für manuelle Aktivitäten (Monitoring, Reporting, Korrektur), Verlagerung von Aktivitäten mit hoher Systemlast aus dem Abschlusszeitraum. In der Praxis lassen sich folgende Ursachen für eine verspätete interne Regelberichterstattung wie auch Abschlusserstellung beobachten: suboptimale Reporting- und Erstellungsprozesse, fehlende Routine und teilweise fehlendes Know-how bei den Mitarbeitern, fehlende IT-Unterstützung oder Integration, bilanzpolitische Maßnahmen, Unterschiede zwischen internem und externem Rechnungswesen, Fehlerquellen in den Vorsystemen (z.B. PPS), fehlende Zielvorgaben und mangelhafte Kommunikation, <?page no="106"?> 105 durch die Optimierung der Prozesse lässt sich neben der Beschleunigung auch eine Qualitätsverbesserung erreichen. Beispiele für nicht wertschöpfende Aktivitäten sind: Warten auf fehlende Unterlagen, Informationen sind nicht abschlussrelevant aufbereitet, häufige Rückfragen, manuelle Datenübertragungen, aufwändige Pflege von Excel-Blättern, unvollständige Dokumentationen, kein berichtskonformer Kontenplan. Beispiele für Problemfelder in der traditionellen Finanzorganisation: Relevanz: Probleme bei der Steuerung operativer Geschäftsfelder mittels Kennzahlen fehlende wertorientierte Kennzahlen, keine, falsche oder nicht weit genug in die Zukunft reichende Frühindikatoren. Zuverlässigkeit: Probleme mit der unterjährigen Genauigkeit und Konsistenz der Rechnungswesen- und Berichtsinformationen außer Acht gelassene Risiken, mangelnde Vergleichbarkeit von Daten (Methoden, Richtlinien). Effizienz: lange Berichts- und Budgeterstellungszeiten und/ oder hoher Aufwand für die Berichts- oder Budgeterstellung Medienbrüche und nicht wertschöpfende Aktivitäten, falsch verstandene Genauigkeit. Komplexität: Vielzahl der Informationsströme, Unternehmenssteuerung und Rechnungswesen, DV-Systeme unterschiedliche Ergebnisrechnungen, inkonsistente Einführung internationaler Rechnungslegung, uneinheitliche Begrifflichkeiten. Zur kontinuierlichen Prozessverbesserung im Rechnungswesen sind folgende Fragen zu beantworten: Sind Abläufe zu automatisieren? Besteht die Möglichkeit die Arbeitsteilung zu optimieren? Haben die Abläufe die richtige Reihenfolge? Kann man durch Standardisierung die Fehleranfälligkeit vermindern und die Datenqualität erhöhen? Können Bürokratie vermindert und Doppelarbeit vermieden werden? <?page no="107"?> 106 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS Folgende typische Prozesse im Finanz- und Rechnungswesen bieten in der Regel Potenzial neu strukturiert und/ oder optimiert zu werden: Bestell- und Rechnungsprozess Durchlaufzeit, Genehmigungsverfahren, Sammelrechnungen, Zahlungsfreigaben und Zahlungsdurchführung Genehmigungsverfahren, Zahlungsrhythmus, Zahlungsmittel, Buchungsabläufe Minimierung der manuellen Transaktionen, automatische Übernahmen, Stammdaten Richtigkeit, Wichtigkeit, Verantwortung, Schnittstellenprozesse zu dritten Unternehmensbereichen Prozessorientierte Arbeitsverteilung. Neben fachlichen Themen sind für die Prozessoptimierung auch eine permanente Verbesserung der Mitarbeiterqualifikation und eine Optimierung des Mitarbeitereinsatzes zu planen. Dies erfordert: eine Beschreibung der bereichsspezifischen und interdisziplinären Stellen- und Anforderungsprofile, eine Identifizierung des Qualifizierungsbedarfs und der relevanten Mitarbeiter, eine Rekrutierung des erforderlichen Personals sowie die Durchführung von Trainingsmaßnahmen. Um die Vorteile einer Effizienzsteigerung der Reportingprozesse im Controlling und Rechnungswesen zu nutzen, sind folgende Einzelaspekte zu beachten: Eine strukturierte Vorgehensweise dient der Verkürzung der Abschlusserstellungszeiträume bei gleichzeitiger Verbesserung der Datenqualität und einhergehend mit der Vereinfachung von Abläufen und Bewertungsmethoden. Ein Reengineering aller Jahres-, Quartals- und Monatsabschlüsse sowohl bei Einzelabschlüssen als auch bei mehrstufigen Konsolidierungsprozessen unter Einbeziehung Controlling-relevanter Daten und Auswertungen kann zu Zeit- und Kosteneinsparungen führen. Ein Fast Close fokussiert auf die Optimierung der Gesamtheit aller Reportingprozesse im Finanz- und Rechnungswesen und sämtlicher am Berichtsprozess beteiligten Bereiche. Zusätzliche Vorteile durch Integration des rechtlichen (externen) und des Management/ Controlling (internen) Berichtswesens sind möglich und insbesondere naheliegend im Rahmen der IFRS-Einführung und Anwendung als konzernumfassendes, führendes Rechnungswesen. <?page no="108"?> 107 FFr raag geen n Welche Merkmale kennzeichnen eine internationale Unternehmensführung und grenzen sie ab von national geprägten Management Konzepten? Worin liegt der Nutzen von weltweit abgestimmten Reportingprozessen hinsichtlich einer verbesserten Datenqualität und zeitnahen Datenverfügbarkeit? Worin liegen die Vorteile eines Fast Close Prozesses für das interne und externe Rechnungswesen? Was können die Ursachen für eine verspätete Abschlusserstellung und ein nicht zeitnahes Management-Reporting sein? Wie kann man sich eine kontinuierliche Prozessverbesserung im internen wie externen Rechnungswesen vorstellen? 22..66 MMöögglli ic ch hkkeeiit te enn uun ndd GGrreennzzeenn eeiin neerr HHaarrmmoonniissiie erruun ngg vvoonn CCoonnttrroolll li in ngg uun ndd RReecch hnnuunnggsswwe esseenn uun ntteerr IIFFRRSS Ein einheitliches Konzernberichtswesen im internationalen Konzern hat viele Vorteile. IFRS bietet in sehr viel erweitertem Umfang als HGB die Möglichkeit zur Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen. Beispiele sind: Die Vollkostenbewertung der Bestände (Herstellungskosten), die aus der Kostenträgerstückrechnung abgeleitet ist und durch die in der Produktionsperiode einen Gewinn von Null und in der Verkaufsperiode einen Gewinn in Höhe der Differenz zwischen dem Verkaufspreis und den Herstellungskosten zu Vollkosten ausgewiesen wird, die Ergebnissegmentrechnung, die auf dem Segmentreporting der internen Steuerung aufsetzt, das Umsatzkostenverfahren, das eine formale Ähnlichkeit mit der Deckungsbeitragsrechnung aufweist, die Percentage of Completion Methode, durch die der Gewinn eines Projektes, das mehrere Abrechnungsperioden umfasst, proportional dem Projektfortschritt ausgewiesen wird, die Aktivierung von Entwicklungskosten, durch die die Erstellung selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte wie eine Investition, nämlich erfolgsneutral, behandelt wird und die Erfolgswirksamkeit über die Abschreibungen in den Perioden erfolgt, in denen der Vermögensgegenstand <?page no="109"?> 108 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS kommerziell genutzt wird und damit zurechenbare Erträge gegenüber stehen, die Fair Value-Bewertung, die, der internen Entscheidungsrechnung gleich, am Opportunitätskostenprinzip ausgerichtet ist. Konzeptionelle Grenzen ergeben sich aus der Tatsache, dass eine Reihe von Bilanzsachverhalten nicht zum Fair Valu e, s onde rn z u fo rtg ef üh rte n Ansc haf fungskosten bewertet werden, die stille Rücklagen implizieren können, der Impairmenttest ähnlich dem Niederstwertprinzip die buchmäßige Erfassung von Wertsteigerungen über die Anschaffungskosten hinaus nicht zulässt, kalkulatorische Kosten, insbesondere kalkulatorische Eigenkapitalzinsen in der IFRS-Rechnungslegung nicht erfasst werden, bestimmte den Unternehmenswert steigernde selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte nicht erfasst werden dürfen und es ein generelles Aktivierungsverbot für den originären Firmenwert gibt. Diese konzeptionellen Grenzen werden zum großen Teil durch verbale Pflichtangaben im Anhang bzw. durch freiwillige Zusatzangaben als best practice-Lösungen kompensiert. Beispiele für Pflichtangaben sind: die Finanzrisikoberichterstattung nach IFRS 7, die verbalen Beschreibungen zu Business Combinations, Impairmenttests, Goodwills und zu latenten Steuern (IFRS 3, IAS 36, IAS 12), sowie die Pflichtangaben zur Corporate Governance und zur Managervergütung. Best practice-Lösungen zu freiwilligen Zusatzangaben sind: die Ausführungen zu wertorientierten Steuerungsgrößen unter Berücksichtigung von kalkulatorischen Eigenkapitalzinsen sowie die häufig anzutreffende Veröffentlichung von unternehmensspezifischen Balance Scorecards und zur Strategieentwicklung through the eyes of management. F Frraaggeenn Worin liegen die konzeptionellen Grenzen einer Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen? Wie können diese konzeptionellen Grenzen durch Anhangangaben kompensiert werden? Nennen Sie Beispiele. <?page no="110"?> Reinhard Heyd 109 LLi itte er ra at tu urr Aschfalk-Evertz, A.: Internationale Rechnungslegung, München 2011. Baetge, J., Kirsch, H.-J., Thiele S.: Konzernbilanzen, 11. Aufl. Düsseldorf 2015. Baetge, J., Wollmert, P., Kirsch, H.-J., Oser, P., Bischof, S. (Hg.): Rechnungslegung nach IFRS Kommentar, Loseblattwerk 2. Aufl. 30. Aktualisierung 2016, Stuttgart 2002 ff. Bieg, H., Heyd, R.: Fair Value Bewertung in Rechnungswesen, Controlling und Finanzwirtschaft, München 2005. Buchholz, R.: Grundzüge des Jahresabschlusses nach HGB und IFRS, 9. Aufl. München 2016. Brösel, G., Zwirner, C. (Hg.): IFRS-Rechnungslegung, 2. Aufl. München 2009. Busse von Colbe, W., Ordelheide, D., Gebhardt, G., Pellens, B.: Konzernabschlüsse, 11. Aufl. Wiesbaden 2010. Coenenberg, A.G., Haller, A., Schultze, W.: Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 24. Aufl. Stuttgart 2016. Eisele, W., Knobloch, A.: Technik des betrieblichen Rechnungswesens, 8. Aufl. München 2011. Ernst, D., Heyd, R., Popp, M.: Unternehmensbewertung nach IFRS, Berlin 2014. Freidank, C.-C., Müller, S., Wulf, I. 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Heyd, R., Beyer M.: Budgetierungsverfahren und ihre Auswirkungen auf die Unternehmenskontrolle durch den Aufsichtsrat in: Der Aufsichtsrat, Heft 6/ 2014. <?page no="111"?> 110 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS Heyd, R., Ernst, C., Mohrmann, U.: Vergleich von HGB, Full IFRS und IFRS for SMEs (eine synoptische Gegenüberstellung), Weinheim 2012. Heyd, R.: Immaterielle Vermögenswerte in: Brönner, H., Bareis, P., Hahn, K., Maurer, T., Schramm, U. (Hg.): Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 11. aktualisierte Aufl. Stuttgart 2016. Heyd, R., Kunath, O.: Kapitalkonsolidierung und Unternehmenszusammenschlüsse in: Reuther, F., Heyd, R. (Hg.): Full IFRS in Familienunternehmen und Mittelstand, Praxishandbuch mit Fallstudie, 2. Aufl. Berlin 2014. Heyd, R.: Auswirkungen der IFRS-Rechnungslegung auf Controlling und Bilanzanalyse in: PdR Praxis des Rechnungswesens, Freiburg i. Br. 1/ 2008. 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(Hg.): Internationales Bilanzrecht, Bonn 2012 KPMG: IFRS visuell, 7. Aufl. Stuttgart 2016. Kresse W., Leuz N.: Steuerrecht, Internationale Rechnungslegung, 15. Aufl. Stuttgart 2010. Lüdenbach, N., Hoffmann, W.-D., Freiberg, J.: Haufe-IFRS-Kommentar, 1 . Aufl. Freiburg 2017. Pellens, B., Fülbier, R.U., Gassen, J., Sellhorn, Th.: Internationale Rechnungslegung IFRS 1 bis 13, IAS 1 bis 41, IFRIC-Interpretationen, Standardentwürfe, 10. überarbeitete Aufl. Stuttgart 201 . Petersen, K., Bansbach, F., Dornbach, E. (Hg.): IFRS Praxishandbuch, 11. Aufl. München 2016. Reuther, F., Fink, C., Heyd, R. (Hg.): Full IFRS in Familienunternehmen und Mittelstand, Praxishandbuch mit Fallstudie, 2. Aufl. Berlin 2014. <?page no="112"?> Reinhard Heyd 111 Reuther, F., Heyd, R., Fink, C.: Fallstudie „Tüchtich GmbH” in: Reuther, F., Fink, C., Heyd, R. (Hg.): Praxishandbuch Full IFRS für Familienunternehmen und Mittelstand, 2. Aufl. Berlin 2014. Rieg, R., Heyd, R.: BilMoG und die Konvergenz des Rechnungswesens: zwischen Informationsfunktion und Einheitsbilanz in: BFuP - Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, Heft 1/ 2015. Rieg, R., Heyd, R.: Informationsfunktion der Handelsbilanz und BilMoG: Ergebnisse einer Feldstudie zur Bilanzierungspraxis bei nicht-kapitalmarktorientierten Unternehmen in: IRZ - Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung, Heft 9/ 2013. Roos, B., Maier, C.: IFRS und Controlling in: PiR - Internationale Rechnungslegung, Heft 1/ 2015. Ruhnke, K., Simons, D.: Rechnungslegung nach IFRS und HGB, 3. überarbeitete Auflage Stuttgart 2012. Thiele, C., von Keitz, I., Brücks, M. (Hg.): Internationales Bilanzrecht, Loseblattwerk, 2. Aufl. 27. Aktualisierung 2016, Bonn 2008 ff. Weißenberger, B.: Integrated Reporting: Fragen (und Antworten) aus der Diskussion um die integrierte Rechnungslegung, in: Controlling, 26. Jg. 2014, Heft 8/ 9, S. 440-446. 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Proaktive Auseinandersetzung mit den IFRS als Erfolgsgrundlage, in: CFO Aktuell, 2. Jg. 2008, Heft 10, S. 188-191. Weißenberger, B.: Management Approach in der IFRS Rechnungslegung (Teil 1+2), in: Accounting, 8. Jg. 2008, Heft 4 und 5, jeweils S. 8-10. Weißenberger, B., Angelkort, H., Sandt, J.: Veränderungen der Controllership unter IFRS - Konzeptionelle Überlegungen und empirische Ergebnisse, in: Die neue Rolle des Controllers. Aufgaben, Anforderungen, Best Practices, Hg. Jürgen Weber et al., Stuttgart 2008, S. 61-80. Weißenberger, B.: Controller und IFRS. Konsequenzen der IFRS Finanzberichterstattung für die Controlleraufgaben, in: Internationale Rechnungslegung und internationales Controlling, Hg. Wilfried Funk und Jonas Rossmanith, Wiesbaden 2008, S. 425-454; weitestgehend unveränderter Neuabdruck in der 2. Auflage, S. 539-568. Weißenberger, B.: Auswirkungen der IFRS auf das Controlling, in: Management Handbuch Accounting, Controlling & Finance, Hg. Carl Christian Freidank und Joachim Tanski, München 2007, 5. Ergänzungslieferung, S. 1-29. <?page no="114"?> Reinhard Heyd 113 Weißenberger, B., Haas, C., Wolf, S.: Goodwill Controlling unter IAS 36. Konzeptionelle Überlegungen und Gestaltungsvorschläge, in: Praxis der internationalen Rechnungslegung, 3. Jg. 2007, Heft. 6, S. 149-156. Weißenberger, B.: Zum grundsätzlichen Verhältnis von Controlling und externer Finanzberichterstattung unter IFRS, in: Der Konzern, 5. Jg. 2007, Heft 5, S. 321-331. Weißenberger, B.: IFRS im Mittelstand (IFRS SME). Eine kritische Würdigung aus Controllingperspektive, in: Accounting, 7. Jg. 2007, Heft 4, S. 11- 15. Weißenberger, B., Angelkort H.: IFRS Rechnungslegung und Controlling, in: IFRS-Management, Hg. Reinhard Heyd und Isabel von Keitz, München 2007, S. 409-428. Weißenberger, B.: Integration der Rechnungslegung unter IFRS. Ergebnisse des Arbeitskreises „Controller und IFRS“ der IGC, in: Controlling und Finance Excellence. 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Weißenberger, B., Blome, M.: Wertorientierte Kennzahlen unter IFRS: CVA als finanzwirtschaftlich fundierte Wertsteigerungskennzahl - Ermittlung und Aussagegehalt unter IFRS in: Accounting, 5. Jg. 2005, Heft 3, S. 9-13. Weißenberger, B., Blome, M.: Wertorientierte Kennzahlen unter IFRS: Auswirkungen auf die Ermittlung des EVA, in: Accounting, 5. Jg. 2005, Heft 2, S. 12-15. Weißenberger, B.: Integriertes Reporting unter IFRS: Neuer Blickwinkel auf Controlling Kennzahlen, in: Accounting, 5. Jg. 2005, Heft 1, S. 10-14. <?page no="115"?> 114 Controlling und Rechnungswesen nach IFRS Weißenberger, B., Stahl, A., Vorstius, S.: Die Umstellung auf internationale Rechnungslegungsgrundsätze in: Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung, 4. Jg. 2004, Heft 1, S. 5-15. Wolz, M.: Grundzüge der Internationalen Rechnungslegung nach IFRS, München 2005. Zeyer, F., Heyd, R.: Kapitalkonsolidierung und Unternehmenszusammenschlüsse in: Reuther, F., Fink, C., Heyd, R. (Hg.): Full IFRS in Familienunternehmen und Mittelstand, Praxishandbuch mit Fallstudie, 2. Aufl. Berlin 2014. <?page no="116"?> 33 IInntteer rnnaattiioonnaallee ZZaahhlluunnggssbbeed diinngguunnggeen n aallss IInnssttrruu-mmeen nttee zzuurr AAbbssiicchheer ruunngg ddeer r EExxppoorrtt--UUmmssaattzz-eer rllöössee iimm RRaahhmmeenn ddees s iinntteer rnnaattiioonnaalleen n FFiinnaannzz-mmaannaaggeemmeen nttss <?page no="117"?> 116 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente Lernziele Sie sollen lernen, dass das internationale Unternehmen infolge der Risiken im Außenhandel, insbesondere desWechselkursrisikos, die Umsätze aus dem Exportgeschäft im Rahmen eines internationalen Finanzmanagements absichern muss. Dazu werden Kenntnisse über die Spezifika der internationalen Zahlungsbedingungen genauso benötigt wie Wissen über die Handhabung von Devisenforwards, -futures usw. In diesem Kapitel konzentrieren wir uns aber auf die Zahlungsbedingungen/ Terms of Payment aus dem Blickwinkel eines Exporteurs. Vor allem sollen Sie lernen, wie die Funktionsweise des Dokumentenakkreditivs aussieht bzw. der Bank Payment Obligation, einer neuen, vollelektronischen Alternative zum Akkreditiv, und die herausgehobene Bedeutung dieser Instrumente für Exporteure begreifen. <?page no="118"?> 117 33..11 RRiissiikkeenn iimm AAu ußßeen nhhaannddeel l Im Ausland bieten sich für deutsche Unternehmen große Chancen. Das hohe technische Niveau und die gute Qualität der deutschen Produkte bilden dafür eine solide Basis. Die Chancen dokumentieren sich überzeugend im Exportvolumen unseres Landes von 2014, das ein „Allzeithoch“ von mehr als 1,1 Billionen EUR erreichte. In Verbindung mit (positiven) Chancen treten aber fast immer auch (negative) Risiken auf. Dafür gibt es unterschiedliche Systematiken, die aber in wesentlichen Punkten übereinstimmen. Im Export lassen sich üblicherweise folgende Risiken unterscheiden: Abb. 3.1: Exportrisiken Quelle: Global Trade Finance - Exportfinanzierung mit der Deutschen Bank -VDI BB Verein Deutscher Ingenieur Berlin-Brandenburg http: / / www.vdi-bb.de/ bvbb/ ak/ market/ Exportfinanzierung _Broschuere.pdf; abgerufen 01.03.2015; etwas verändert Allgemeine Risiken, die nicht unmittelbar mit dem Export zusammenhängen (z. B. Produktionsrisiken, aber auch sich aus Unterschieden in Mentalität, Gebräuchen, Kultur schlechthin sich ergebende Differenzen, Missverständnisse usw.), Finanzierungs-/ Zahlungs-Risiken (Kreditrisiko, Bonitätsrisiko, Ausfallsrisiko, Zahlungsverzugsrisiko), Währungsrisiko (bei Geschäften in Fremdwährung), Fabrikationsrisiko (Umstände, welche die Abnahme und/ oder Lieferung der Ware unmöglich machen), Politische Risiken im Empfängerland (Unruhen, Kriege, Währungsreformen, Enteignungen, Konvertierungsund/ oder Transferierungsverbot usw.), ggf. auch Krieg usw. in einem Transitland, <?page no="119"?> 118 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente Transportrisiken (Schadensfälle bis hin zum Totalverlust, z.B. durch unsachgemäßes Handling, Schwund, Diebstahl, Umwelteinflüsse), Spezielle Haftungsrisiken (durch unterschiedliche Standards, Normen usw.) (vgl. GG.. H H aa bbeerr und MM .. O Og g eer rt tsscch hnniigg in: Dietmar Sternad/ Meinrad Höfferer/ Gottfried Haber (Hrsg.) Grundlagen Export und Internationalisierung, Wiesbaden 2013, S. 285/ 286) Es ist die Frage, ob in jedem Fall von Geschäftsanbahnung, -abschluss und abwicklung ein Exporteur seinen Geschäftspartner so gut kennt, dass Sicherheit über die Erfüllung der vereinbarten Leistungen durch diesen besteht. Betrachten wir die wirtschaftlichen Risiken näher: Diese sind prinzipiell identisch mit denen des Binnenhandels, aber die Besonderheiten des Außenhandels verstärken bestimmte Probleme oder werfen neue Fragen auf. Im Export sind „Zug-um-Zug-Geschäfte“ eher die Ausnahme, schon angesichts der räumlichen Trennung der Geschäftspartner und der zeitlichen Distanz bei der Leistungserbringung. Betrachtet man das Problem anhand einer Einteilung in die typischen Abwicklungsschritte eines Exportgeschäfts, so kann gesagt werden: In der Zeit der Angebotsphase, d.h. bis zum Vertragsabschluss, entstehen kaum exportspezifische Risiken. Wenn der Vertrag abgeschlossen ist, wird er (idealtypisch, wie in Abbildung 3.1 schon skizziert) in drei Schritten/ Phasen erfüllt: [1] In der Produktionsphase (bis zur Lieferung des Exportgutes / bei Anlagen bis zur Betriebsbereitschaft), besteht ein (wirtschaftliches) Fabrikationsrisiko. Es lebt auf, wenn der Hersteller die Produktion abbrechen muss, weil der Importeur zahlungsunfähig wird oder nicht mehr reagiert, sich zurückzieht, also offenkundig am Kaufvertrag nicht mehr interessiert ist. Das zeigt sich auch, wenn er Mitwirkungspflichten im Fabrikationsprozess nicht erfüllt. Für den Hersteller/ Exporteur bedeutet das: Die bereits ganz oder teilweise fertig gestellten Produkte binden Kapital des Exporteurs und sind gewöhnlich, wenn überhaupt, nicht mehr kostendeckend zu verkaufen. Je stärker die Produkte auf die Spezifik des ursprünglichen Kunden ausgerichtet waren bzw. je weniger haltbar sie sind, desto größer wird der Verlust. [2] Auch in der Versandphase kann es vorkommen, dass der Importeur die bestellte (und für ihn produzierte) Ware nicht übernimmt. Bei einer Lieferbedingung „FOB/ Free On Board“ kann das bedeuten, dass der Käufer kein Schiff beschafft, auf das die Ware verladen werden soll.) W enn ein Liefer-/ Erfüllungsort im Land des Käufers (oder einem 3. Land) vereinbart wurde, wie es unter der Incoterms-Klausel „DAT / Delivered at Terminal“ üblich ist, und der Importeur die Annahme der im ausländischen Terminal ausgeladenen Güter verweigert, wird die Situa- <?page no="120"?> 119 tion für den Exporteur noch schwieriger. Die Gründe für eine solche Situation können sein: a) Zahlungsunfähigkeit oder b) der zwischenzeitliche vertragsbrüchige Wechsel zu einem alternativen preisgünstigeren Anbieter oder c) die betrügerische Absicht, über den Notverkauf des Exporteurs in Besitz der Ware für einen Bruchteil des Vertragspreises zu gelangen: durch Aushandeln eines neuen Preises oder durch Kauf über Mittelsmänner bzw. durch Bieten bei der Versteigerung durch die Zollbehörden. In jedem Land setzt der Zoll für angelandete aber nicht verzollte Ware mehr oder wenig lange Fristen, an deren Ende die Güter wieder ausgeführt werden müssen, ansonsten erfolgt eine Zwangsversteigerung. Ein Rücktransport ist immer möglich, aber oft wirtschaftlich nicht vertretbar. Der Exporteur hat angesichts eines Vertragsbruches auch immer das Recht, seinen Kunden regresspflichtig zu machen, erfahrungsgemäß führt das aber in vielen Teilen der Welt zu einem langwierigen und meist teuren Zivilprozess. In der letzten Phase eines Geschäfts, der Zahlungsphase (auch Forderungs-/ Kreditphase genannt), befindet sich normalerweise (wenn nicht die Zahlungsbedingung das verhindert - siehe im Weiteren bei Akkreditive) die Ware bereits in der Hand des Käufers. Es besteht prinzipiell immer noch das Risiko, dass die Forderung des Exporteurs infolge von Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsverzug teilweise oder in Gänze nicht eingeht. Damit entstehen höhere Kosten durch Refinanzierung (Bankkredit usw.) oder das Exportunternehmen ist sogar in seiner Existenz bedroht. Auch hier kann vor einem Gericht geklagt werden, ob es erfolgversprechend sein wird, muss immer sehr sorgfältig geprüft werden. Im schlimmsten Fall sind jedoch die Güter und der Importeur verschwunden. Wenn keine Versicherung zahlt, bedeutet das Totalverlust (vgl. Euler Hermes Kreditversicherungs-AG, Wirtschaft Konkret Nr.104, „Im sicheren Hafen: Die richtige Finanzierung für hohe Risiken im Auslandsgeschäft“, Hamburg 2004 S. 6). Wenn die Problematik der Zahlungsbedingungen im Weiteren aus der Sicht eines Exporteurs behandelt wird, unterstellen wir immer, dass dieser als „ehrlicher Kaufmann“ handelt. <?page no="121"?> 120 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente Abb. 3.2: Wirtschaftliche Risiken des Exporteurs (chronologisch gesehen). Quelle: Häberle: Handbuch für Kaufrecht, Rechtsdurchsetzung und Zahlungssicherung im Außenhandel, München, Wien 2002, S. 616, leicht abgewandelt Die Erfahrung zeigt: Eine vollständige Eliminierung jeglichen Risikos im Export ist nur selten möglich. Wenn ein Exportunternehmen sich dieses Ziel stellen würde, könnte es Exportaktivitäten von vornherein unterlassen. Es verbleibt also immer ein gewisses Risiko, welchem in optimaler Weise durch geeignete Maßnahmen zu begegnen ist. Der Exporteur hat dabei grundsätzlich bessere Möglichkeiten, den wirtschaftlichen Gefahren aus dem Weg zu gehen als den politischen. Ein professionelles Risikomanagement strebt dabei danach, wahrscheinliche Gefahren rechtzeitig soweit zu minimieren, dass die Erfolgsaussichten weit überwiegen. Das Export-Risikomanagement ist grundsätzlich den generellen Zielen eines Unternehmens verpflichtet: Wachstum von Gewinn, Umsatz, Rentabilität, Sicherung der Liquidität usw. Die Interessen beider Vertragsparteien bei einem Außenhandelsgeschäft lassen sich wie folgt komprimieren: Ein Importeur wünscht Sicherstellung des termingerechten Erhalts der Waren bzw. der Durchführung von Dienstleistungen in vereinbarter Qualität und Quantität, dazu möchte er die Ware vor der Bezahlung kontrollieren können (und idealerweise wiederverkauft haben). Ein Exporteur erwartet vor allem Sicherstellung der termingerechten Bezahlung in vereinbarter Höhe und Währung. Wenn Forderungen nicht rechtzeitig oder gar nicht bezahlt werden, obwohl der Exporteur seinen Verpflichtungen gerecht geworden ist, wird das Betriebsergebnis gemindert. <?page no="122"?> 121 33..22 GGrruunnddssäättzzl liicchhees s zzu u ZZaahhlluunnggssbbeeddiinngguunnggeen n iimm AAuußßeen n-hhaannddeell Für diese konträren Interessenlagen muss im Exportvertrag immer eine Regelung gefunden werden, die beide Seiten akzeptieren können und die möglichst eindeutig interpretierbar ist. Dafür stehen den Vertragsparteien in erster Linie diverse internationale Zahlungsbedingungen zur Auswahl frei, aber auch die Finanzierungskonstruktionen und die Versicherungsmöglichkeiten beeinflussen die Situation. Betrachtet man die Zahlungsbedingungen näher, stellt man fest, dass sie i.d.R. nicht gleichgewichtig sind, was Vorteile und Nachteile der Seiten angeht. Was in den Vertrag Eingang findet, hängt von der Marktposition der Vertragspartner ab: Großes ökonomisches Gewicht und/ oder Einzigartigkeit des Leistungsangebotes sind hier bedeutsam, aber auch das Verhandlungsgeschick spielt eine Rolle. Einige Zahlungsbedingungen können nicht verhindern, dass ein Importeur berechtig oder unberechtigt sich andere Vertragsfestlegungen zunutze macht, um nachträglich die Zahlung zu kürzen. Ansatzpunkte dafür können z. B. die für die Ware benannten Normen und Standards bieten, wie auch die Garantie- und Gewährleistungsregelungen oder die Qualitäts- oder Mengennachweisen (Zertifikaten) in Wechselwirkung mit vereinbarten Toleranzen. Wenn der Importeur meint, die Leistung des Exporteurs würde nicht dem Vertrag entsprechen, wird er ggf. je nach Opportunität die Zahlung kürzen oder Schadensersatzforderungen stellen. Die Minderzahlung ist für den Käufer immer der einfachste Weg. Um Schadensersatzforderungen zu verhindern, gelingt dies grundsätzlich nur mit Zug-um-Zug- Zahlungsbedingungen (Ware-gegen- Geld). Wenn es um die Erfolgsaussichten im Streitfall geht, insbesondere bei Schadensersatzforderungen, kommen die ggf. einbezogenen AGB ins Spiel, das anwendbare Recht lt. Vertrag (wie das UN-Kaufrecht oder das deutsche BGB) und der vereinbarte Gerichtsstand werden bedeutsam. Wenden wir uns jetzt den Zahlungsbedingungen zu. Was versteht man unter einer Zahlungsbedingung ? „ Die Zahlungsbedingungen regulieren im internationalen wie auch im nationalen Handel den Zeitpunkt und die speziellen Umstände der Gegenleistung für gelieferte Waren.“ (Fuchs, M./ Apfelthaler, G., Management internationaler Geschäftstätigkeit, Wien 2009, S. 330) „Zahlungsbedingungen sind Bedingungen, die die Art der Abwicklung sowie den Zeitpunkt und den Ort der Zahlung festlegen. Zahlungsbedingungen sind ausdrücklicher Teil des Kaufvertrags (Vertrag) oder implizit Vertragsgrundlage durch die (allgemeinen) Geschäftsbedingungen <?page no="123"?> 122 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente (Konditionen) des Verkäufers. Entscheidungen über Zahlungsbedingungen sind von Finanzierungs- und Sicherheitsüberlegungen bestimmt; sie können auch als Marketinginstrument eingesetzt werden …“ (Wirtschaftslexikon 24, http: / / www.wirtschaftslexikon 24.com/ d/ zahlungsbedingungen/ zahlungsbedingungen.htm, abgerufen 26.02.2015 Bei HH ää bbeer rl lee finden wir explizit folgende Merkmale einer Zahlungsbedingung: [1] Kaufpreis / Zahlbetrag (auch wenn es um Anzahlung, Ratenzahlung usw. geht), ggf. Preisänderungsklausel [2] Währung der Zahlung / Wahlrecht zwischen verschiedenen Währungen [3] Ort der Erbringung der Geldleistung (Ort der Zahlung), i.d.R. Sitz des Exporteurs [4] Zahlungsfälligkeit als Zeitpunkt (speziell bei Dokumente gegen Zahlung „Zug um Zug“, auch Barkauf genannt, nach § 271 BGB), oder als Zeitraum (bei Zielkauf/ Kreditkauf/ Zahlungsziel mit oder ohne Skontogewährung) [5] Verzugszinsen [6] Verteilung der Kosten der Zahlungsabwicklung (Bankspesen, Provisionen usw.) [7] Zahlungsinstrument (Überweisung, Scheck, Wechsel) [8] Vereinbarung „Einheitlicher Richtlinien“ (bei dokumentärem Inkasso bzw. Akkreditiv) gemäß der Internationaler Handelskammer zu Paris (vgl. a.a.O., S. 629-631). Im Idealfall erfüllt eine vereinbarte Zahlungsbedingung die Aufgabe, die Zahlungsabwicklung und Zahlungssicherung so zu gestalten, dass der Exporteur sein Zahlungseingangsrisiko (Zahlungsrisiko oder Kreditrisiko) minimiert und dass der Importeur sein Risiko hinsichtlich des Eingangs der Warenlieferung (Lieferrisiko) möglichst gering hält. Die einzelnen Zahlungsbedingungen setzen die Vertragspartner ungleichen Erfüllungsrisiken aus. Bei Vorauskasse liegt beispielsweise das gesamte Risiko beim Importeur und bei Verkauf gegen einfache Rechnung (durch den Exporteur) sichert nicht die im Vertrag genannte Bedingung gleichwertig ab, sondern die Basis bildet i.d.R. der untadelige Ruf des Lieferanten bzw. ein über Jahre gewachsenes Vertrauensverhältnis der Partner. Speziell der Exporteur hat angesichts der Forderung nach Zahlungszielen häufig eine mehr oder weniger große sogenannte Finanzierungslast zu tragen. D.h., das Kreditrisiko wird von Refinanzierungskosten begleitet (vgl. dazu die nachfolgende Abbildung 3.3, die im Weiteren bei näherer Betrachtung der Abbildung die Risiken und Finanzlasten der einzelnen Modalitäten des Exports noch deutlich erkennbar werden lassen.) <?page no="124"?> 123 Abb. 3.3: Verteilung der Finanzlast Quelle: Büter: Außenhandel, Berlin, Heidelberg 2013, S. 299 Zahlungsbedingungen legen also zugleich Finanzierungsbedingungen und -formen fest. Direkt zwischen Exporteur und Importeur handelt es sich um Lieferantenkredite oder Abnehmerkredite (wenn Vorauszahlung oder Anzahlung vereinbart wird). Diese Beziehungen ziehen dann oft (abgeleitete) Refinanzierungsvereinbarungen (primär mit Banken) nach sich. Sie sind ausdrücklicher Teil des Kaufvertrags (Vertrag) oder implizit Vertragsgrundlage durch die (allgemeinen) Geschäftsbedingungen (Konditionen) des Verkäufers. 33..3 3 BBeeggrriiffffee uunndd BBeeiissppiieell--FFoorrmmuulliieerruunnggeenn ffüürr iinntteerrnnaattiioo-nnaallee ZZaahhlluunnggssbbeeddiinngguunnggeenn Wir unterscheiden grundsätzlich zwei Gruppen, nämlich nichtdokumentäre und dokumentäre Bedingungen. Die nichtdokumentären Zahlungsbedingungen sind dadurch gekennzeichnet, dass für den Käufer / Importeur nur die Handelsrechnung des Exporteurs als Dokument von Bedeutung ist, sieht man einmal von den Papieren ab, die vom Ausfuhr- und Zollregime der tangierten Staaten vorgeschrieben sind. Wir finden hier folgende „Konstrukte“: [1] Vorauszahlung (Vorauskasse) Beispiel einer Formulierung (in einem Angebot): Die Zahlung erfolgt per Vorauskasse. Nach einer Bestellung erhalten Sie eine Proforma-Rechnung. Der Versand der Ware erfolgt nach Eingang Ihrer Zahlung. <?page no="125"?> 124 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente [2] Übergabe (der Ware) gegen Bezahlung („Zug um Zug“) Beispiel: Die Lieferung erfolgt per Nachnahme. Der Rechnungsbetrag ist bei Abholung der Ware fällig. [3] Zahlung nach Übergabe Beispiel: Die Rechnung ist fällig 14 Tage nach Erhalt rein netto ohne Abzug von Skonto. [4] Vereinbarung eines Zahlungsziels (Lieferantenkredit), häufig mit einem Skonto-Angebot kombiniert. Beispiel: Der Rechnungsbetrag ist zahlbar ohne Abzug binnen 30 Tagen. Bei einer Zahlung binnen 10 Tagen gewähren wir 2 % Skonto. Das Zahlungsziel beträgt 30 Tage rein netto. (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, http: / / wirtschaftslexikon.gabler.de/ Definition/ zahlungsbedingungen.html, abgerufen 27. 02. 2015 und http: / / www.akademie.de/ wissen/ angebot-in-englisch -schreiben/ zahlungsbedingungen abgerufen 27.2.15) Die o.g. vier Arten von nichtdokumentären Bedingungen lassen sich anhand der folgenden englischen Formulierungen veranschaulichen: zu (1.) Payment must be made in advance, for subsequent orders you will receive a proforma invoice. Delivery can be made as soon as the payment has been cleared. zu (2.) You will need to sign for the delivery. Payment is made on collection. zu (3.) Payment of the net amount is due 14 days after delivery. zu (4.) Payments made within 10 days are eligible for a 2% discount; alternatively please pay the full amount within 30 days. Our payment terms are 30 days. Net. (vgl. http: / / www.akademie.de/ wissen/ angebot-in-englisch-schreiben/ zahlungsbedingungen; abgerufen 27.2.15) Im internationalen Zahlungsverkehr dienen auch zahlreiche englische Abkürzungen für eine effiziente Handhabung (und Variierung) der vier Grundformen - siehe die nachfolgenden Beispiele: Abkürzungen im internationalen Zahlungsverkehr / Common Invoice Payment Terms c.b.d.: cash before delivery, Vorauszahlung c.i.a.: cash in advance, Zahlung im Voraus c.o.d.: (cod) cash on delivery, Zahlung bei Lieferung c.o.s.: (C.O.S.) cash on shipment, Zahlung bei Verschiffung c.w.o.: (C.W.O.) , Zahlung mit Anweisung (bei Bestellung) M/ P: month after payment, Zahlung im nächsten Monat <?page no="126"?> 125 o.a.: , gegen Rechnung P.O.D.: , zu zahlen bei Lieferung, Zustellung TT: , Telegrafische Überweisung (http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Zahlungsbedingung#Beispiele_f.C3.BCr_Zahlungsbedingungen abgerufen 27.2.15) PIA - Payment in advance Net 7 - Payment seven days after invoice date Net 10 - Payment ten days after invoice date Net 30 [60, 90] - Payment 30 [60, 90] days after invoice date EOM - End of month 21 MFI - 21st of the month following invoice date 1% 10 Net 30 - 1% discount if payment received within ten days otherwise payment 30 days after invoice date CND - Cash next delivery CBS - Cash before shipment CIA - Cash in advance CWO - Cash with order 1MD - Monthly credit payment of a full month’s supply 2MD - (http: / / examples.yourdictionary.com/ payment-term s-examples.html; abgerufen 22.2.15 Zahlung innerhalb von 30 Tagen nach Rechnung payment within 30 days from date of invoice Zahlung bei Erhalt der Rechnung payment on/ upon receipt of invoice Zahlbar bei Erhalt payable on receipt Zahlung bei Auftragserteilung cash with order Zahlung bei Lieferung cash on delivery/ payment on delivery Die Zahlung ist fällig am Payment is due on (date) (http: / / www.akademie.de/ wissen/ angebot-in-englisch-schreiben/ zahlungsbedingungen; abgerufen 27.2.15) <?page no="127"?> 126 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente Weiterhin muss erwähnt werden, dass die verschiedenen o.g. Zahlungsbedingungen auch unter der Bezeichnung „Zahlung gegen (einfache) Rechnung / Clean Payment“ zusammengefasst werden. Im engeren Sinne versteht man darunter nur Zahlung nach Erhalt der Ware „netto Kasse“), im weiteren Sinne aber alle Zahlungsbedingungen, bei denen nicht gegen Vorlage genau definierter Dokumente mit definierten Inhalten gezahlt wird. „Die Bezeichnung ‚clean payment‘ wird z.T. auch für Zahlungsbedingungen wie Vorauszahlung, Anzahlung, Abschlagszahlung, Zahlung ‚netto Kasse‘ bzw. ‚gegen Rechnung‘ (eventuell mit Zahlungsziel) verwendet.“ (Home/ Wirtschaftslexikon http: / / www.wirt schaftslexikon24.com/ d/ cleanpayment/ clean-payment.htm; abgerufen 27.02.2015) Die zweite Gruppe der Zahlungsbedingungen, die der dokumentären Bedingungen, beinhaltet die Dokumenten-Inkassi und Dokumenten-Akkreditive. Sie finden ganz überwiegend nur im Außenhandel Anwendung. Sie bieten den Vorteil, dass ihrer Handhabung einheitliche Richtlinien der Internationalen Handelskammer (Paris) zu Grunde liegen, was zu einer weltweit einheitlichen Verfahrensweise bei diesen Zahlungsbedingungen führt. Diese Bedingungen können nicht einfach mit ihrer Bezeichnung im Außenhandelskaufvertrag aufgeführt werden, sondern es bedarf einer genaueren Beschreibung der Zahlungsbedingung. Beim Dokumenten-Inkasso muss im Kaufvertrag eine Festlegung auf oder (alternativ) auf erfolgen (siehe dazu in Kapitel 4 mehr dazu.) Die in den Kaufvertrag aufzunehmende Klausel könnte z.B. so oder ähnlich lauten: . (vgl. Bayern LB/ Corporates & Institutional Customers/ Docu mentary Collections http: / / www.bayernlb.com/ internet/ en/ content/ unternehmen/ intgsch1_ 1/ zahlaus_3/ dokument_9/ checkdo_3/ checkdo_2.jsp; abgerufen 15.03.2015) Zusätzlich müssen die Vertragspartner die vom Exporteur beizubringenden Dokumente in den Kaufvertrag aufnehmen, der Käufer muss seine Bank benennen (an die diese gehen), der Verkäufer muss seinerseits einer Bank einen Inkassoauftrag erteilen, dessen Abwicklung mit Einreichung der Papiere beginnt, also nach Transportbeginn. Nachfolgend ein Beispiel für den Wortlaut einer Vertragsklausel beim Dokumenten-Akkreditiv ( - <?page no="128"?> 127 ” In deutscher Sprache lautet die Klausel: „Zahlung im Rahmen eines unwiderruflichen (übertragbaren) Sicht-Akkreditives, akzeptierbar für uns, von einer erstklassigen Bank eröffnet unmittelbar bei der KBC BANK N.V. Brussel, Belgien (SWIFT: kredbebb) und zahlbar an den Kassen der KBC BANK N.V. Die KBC BANK N.V. wird ersucht, das Akkreditiv zu bestätigen.“ (http: / / www.linguee.de/ englisch-deutsch/ uebersetzung/ letter+of+credit+at+sight.html; abgerufen 03.03.2015) Eine Vertragsklausel über die Benutzung eines Akkreditivs verlangt immer die gemeinsame Willenserklärung im Kaufvertrag betreffs des Akkreditivtyps (Sicht-Akkreditiv usw. - siehe Abbildung 3.8), der akkreditiveröffnenden Bank (der Exporteur stimmt nur einer erstklassigen Bank zu) der Art / Anzahl der vom Verkäufer einzureichenden Dokumente der Anforderung an den Inhalt der verschiedenen Papiere der Art und Weise der Akkreditiveröffnung (auf dem Postweg/ telegraphisch/ per SWIFT) Im Vertrag könnte zu letzterem stehen: (http: / / www.investopedia.com/ terms/ i/ iloc.asp/ abgerufen 02.03.15 / Text verändert) Wenn der Exporteur Zahlung durch Akkreditiv zwingend fordert, liegt es am Importeur, ob die Zahlungsbedingung (und damit der Vertrag) zustande kommt: Eine (angesehene) Bank muss den Antrag des Käufers auf Akkreditiveröffnung akzeptieren, wofür seine Bonität maßgeblich ist. Verhandlungen über internationale Kaufverträge führen nicht selten erst einmal zu einer Absichtserklärung ( ) und der endgültige Abschluss kann von der Erteilung einer Importlizenz oder der Herausgabe eines Letter of Credit u.a.m. abhängen. Eine solche „schwebende“ Situation kann in folgender Formulierung zum Ausdruck kommen: <?page no="129"?> 128 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente „Es wurde zwischen der PPS-Gesellschaft und dem Geschäftspartner vereinbart, dass der Geschäftspartner über eine von PPS akzeptierte Bank auf eigene Kosten ein Dokumentenakkreditiv (Letter of Credit - L/ C) zu eröffnen hat.“ (vgl. http: / / www.linguee.de/ englisch-deutsch/ uebersetzung/ letter +of+credit+at+sight.html/ abgerufen 02.03.2015/ leicht verändert) Die Aufgaben, welche die Vertragsparteien bei Benutzung einer dokumentären Zahlungsbedingung mit Hilfe diverser Dokumente lösen, die die Vertragsabwicklung widerspiegeln, lassen sich wie folgt in komprimierter Form darstellen: Abb. 3.4: Beweise durch Exportdokumente Quelle: Das dokumentäre Auslandsgeschäft, Commerzbank AG, IHK Saarbrücken 2010 S. 33 / Hans Holdinghausen, geringfügig abgewandelt http: / / www.saarland. ihk.de/ ihk-saarland/ Integrale? MODULE= Frontend.Media&ACTION= ViewMediaObject&Media.PK=2693& Media.Object.ObjectType=full; abgerufen 01.03.2015 Die bisher vorgestellten Zahlungsbedingungen werden für kurze Zahlungsfristen (i.d.R. bis zu einem Jahr) genutzt. Auf langfristige soll zumindest hingewiesen werden: „Langfristige Zahlungsbedingungen setzen sich häufig aus verschiedenen Elementen zusammen: Anzahlung, Dokumentenrate, Ratenzahlung der Restschuld. Für die Ratenzahlung kann ein Lieferantenkredit, ein Bestellerkredit oder ein Bank-zu-Bank-Kredit als Zahlungsbedingungen vereinbart werden. Verbunden sind die Zahlungsbedingungen im Außenhandel häufig mit Bankgarantien und weiteren Sicherungsinstrumenten.“ (Gabler Wirtschaftslexikon, http: / / wirtschaftslexikon.gabler.de/ Definition / zahlungsbedingungen.html; abgerufen 28.02.15) Als Akteure treten z. B. die Ausfuhrkredit-Gesellschaft mbH (AKA), die Kreditanstalt für den Wiederaufbau (KfW) und supranationale Entwicklungsbanken auf, Export-Leasing kommt zur Anwendung u.a.m. <?page no="130"?> 129 33..44 WWe esseen nttlliicchhee MMe er rkkmmaallee" iinnssbbe essoon nddeer ree VVoor r-uunndd NNaacchh-tteei illee ddeer r vveer rsscchhiieeddeenneen n iinntteer rnnaattiioon naalleen n ZZaahhlluunnggss-bbeeddi inngguunnggeen n Terms of Payment besitzen im Auslandsgeschäft grundlegende Bedeutung, weil mit Hilfe dieser Vertragskonditionen auf sehr unterschiedliche politische, wirtschaftliche und kulturelle Verhältnisse in diesen Märkten seitens der Exporteure, die dort verkaufen wollen, reagiert werden kann. Die Besonderheiten eines (Länder-) Marktes kommen in solchen Merkmalen praktisch zum Ausdruck, wie Zahlungsgewohnheiten der Branche bzw. des jeweiligen Auslandsmarktes Marktstellung des Exporteurs bzw. des Importeurs Dauer der Geschäftsverbindung Ergebnis einer Auskunft über die Bonität des Importeurs Vertrauenswürdigkeit des Geschäftspartners. Abb. 3.5: Zahlungsbedingungen nach Sicherheitsaspekten aus Sicht des Exporteurs Quelle: Das dokumentäre Auslandsgeschäft, Commerzbank AG, IHK Saarbrücken 2010 S. 8 / Hans Holdinghausen http: / / www.saarland. ihk.de/ ihk-saarland/ Integrale? MODULE=Frontend.Media&ACTION =ViewMediaObject&Media.PK=4209 &Media.Object.ObjectType= full; abgerufen 28.02.2015 <?page no="131"?> 130 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente 33..44..11 NNiicchhttd dookkuumme en nt täärree ZZaahhl luunng gssb beeddiinng guunng geen n a) Vorauszahlung (cash before delivery/ advance payment) Die Vorauszahlung des vollen Kaufpreises ist für den Exporteur die beste Zahlungssicherung. Für den Importeur bedeutet die Vorauszahlung, dass er formal nur noch mit einer Klage bei Gericht gegen Lieferverstöße vorgehen kann. Bei ungewisser Bonität des Kunden, insbesondere zu Beginn der Geschäftsbeziehung, wird das oft gefordert, aber auch bei Firmen in wirtschaftlich und/ oder politisch kritischen Ländern. Hier fordert der Importeur i.d.R. zu seinem Schutz vom Exporteur die gleichzeitige Beibringung einer Vorauszahlungsgarantie von der Exporteurbank: Bei Vertragsverstoß zahlt ggf. die Bank auf 1. Anforderung den Betrag zurück. b) Anzahlung (down payment) / Abschlagszahlung (pro-rata-payment) Die Vereinbarung über eine Anzahlung zur Vorfinanzierung des Herstellers oder Abschlagszahlung in Anlehnung an Etappen im Leistungsprozess (z.B. je Teillieferung, Montageabschluss, Abschluss des Probebetriebes) stellt bei langen Produktionsbzw. Lieferzeiten und großem Wertvolumen (bei Industrieanlagen usw.) eine wirtschaftliche Notwendigkeit dar. So werden die Risiken zwischen Exporteur und Importeur gleichmäßiger verteilt. c) Zahlung bei Lieferung (cash on delivery / c.o.d.) Die Vereinbarung von Zahlung bei Lieferung bedeutet, dass ein Zug-um- Zug-Geschäft stattfindet, das das Risiko gleichmäßig verteilt. Dieses Verfahren ist im Außenhandel auf Land- und Lufttransporte beschränkt. Das Inkasso erfolgt bei Auslieferung durch den Spediteur oder Frachtführer. Bezahlt wi rd b ar o der a uc h mit S ch ec k bz w. die Wa re wi rd ge ge n ei ne ba nkb es tä ti gt e (quittierte) Überweisung (z.B. Kopie des Zahlungsauftrages im Außenwirtschaftsverkehr) herausgegeben. d) Zahlung gegen offene Rechnung / einfache Rechnung Eine solche Bedingung stellt sich wie folgt dar: entweder „nach Erhalt der Lieferung“ oder „nach Erhalt der Rechnung“ „…Tage nach Rechnungsdatum“ (z.B. ) oder unter Inanspruchnahme eines „offenen Zahlungsziels“ (z.B. 30, 60, 90, 120 Tage nach Lieferung oder nach Rechnungsdatum). Der Exporteur besitzt keinerlei Zahlungssicherung. Er muss begründetes Vertrauen in den Importeur haben. Diese Zahlungsbedingung findet sich deshalb bei Vertragspartnern mit bereits länger bestehenden und gut funktionierenden Geschäftsbeziehungen. Die Importeure sollten außerdem in Staaten zu Hause sein, die gesellschaftlich den europäischen Standards entsprechen. Für ihn stellt es die optimale Zahlungsbedingung dar. Er erhält ggf. einen ungesicherten Lieferantenkredit. Und in jeder Variante von „einfache Rechnung“ kann der Käufer die Ware prüfen (auf <?page no="132"?> 131 Transportschaden, Menge, Spezifikation usw.), bevor er zahlt, den vollen Preis oder erst einmal gemindert. Hier hilft eventuell (auch bei Exporten in OECD-Länder) eine Vesicherung zum Schutz vor Ausfällen von Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen gegen ausländische Kunden. 33..44..22 DDookkuummeennttäärree ZZaahhl luunnggssbbeeddiinngguunnggeenn a) Dokumenten-Inkasso (documentary collection) Das Wort Inkasso bedeutet, dass ein Gläubiger jemanden damit betraut, eine ausstehende Forderung einzutreiben Beim Dokumenteninkasso beauftragt ein Exporteur seine Bank, gegen Übergabe von Dokumenten (z.B. Rechnung und Transportdokumente, ggf. auch Wechsel), vom Importeur den Exportpreis in einem Zug-um-Zug-Procedere einzuholen. Dabei fungiert die Bank des Importeurs als Erfüllungsgehilfe. Die Papiere, die die Ware repräsentieren, können gegen Zahlung des vollen Preises (documents against payment - d/ p oder cash against documents - c/ d) bzw. gegen Akzeptierung des beigefügten Wechsels (documents against acceptance: d/ a), mit dem ein Zahlungsziel gewährt wird, übergeben werden. Abb. 3.6: Dokumenten-Inkasso - Beteiligte und Aufgaben Quelle: http: / / tradefinanceguy.com/ wp-content/ uploads/ 2013/ 10/ documentagainst-payment1.gif; abgerufen 03.03.2015 <?page no="133"?> 132 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente Die mit dem Inkasso beauftragten Banken werden auf der Basis der Einheitlichen Richtlinien für Inkassi (ERI 522) - 522 von 1995), einem von der Internationalen Handelskammer (ICC) entwickeltem Regelwerk, tätig. Dabei übernehmen sie keine eigene Verpflichtung betreffs der Zahlung oder Akzeptleistung. Sie prüfen nur die Aufnahmefähigkeit der Papiere, nicht aber den Inhalt: Werden die richtigen Unterlagen in der geforderten Anzahl vorgelegt? Der Importeur prüft die Papiere und tritt in Vorleistung, ohne dass er die Ware zuvor gesehen hat. Weisungsberechtigt über die Ware bis zur Zahlung ist nur der Exporteur, sofern er über ein Konnossement verfügt, das beim Seetransport benutzt wird. Es stellt ein Wertpapier dar, welches das Eigentum an der Ware verbrieft und das auf eine vorgeschriebene Art begebbar (abtretbar) ist: Nur mit ordnungsgemäßer Abtretung (Indossierung) des B/ L kann das Eigentum an der solcherart transportierten Sendung wechseln. Andere Transportdokumente weisen i.d.R. nur den Versand nach. Wenn in diesen Dokumenten der Importeur als Empfänger steht, bekommt er die Ware u.U. auch ohne Vorlage der Versandpapiere zugestellt. Damit verfügt er, ohne eine Zahlung oder ein Wechselakzept bei seiner Bank geleistet zu haben. Der Importeur kann immer die Annahme der Dokumente verweigern, was für den Exporteur i.d.R. bedeutet, dass sich die Ware im Ausland und weiter in seiner Verfügungsgewalt befindet, aber der Käufer fehlt. Deshalb kommt das Dokumenteninkasso in der Regel nur dann in Betracht, wenn Exporteur und Importeur sich bereits als zuverlässige Partner kennen. Bei d/ a trägt der Exporteur das damit entstehende Kreditrisiko. Beachte: Der Bestimmungsort (Bestimmungsland) für die Ware ist immer auch der Zahlungs- und Erfüllungsort für den Liefervertrag. Abb. 3.7: Kosten von Exportinkassi Quelle: Das dokumentäre Auslandsgeschäft, Commerzbank AG, IHK Saarbrücken 2010 S. 21 / Hans Holdinghausen http: / / www.saarland.ihk.de/ ihk-saarland/ Integrale? MODULE=Front end.Media&ACTION=View MediaObject&Media.PK=2693 &Media. Object.ObjectType=full; abgerufen 10.01.2015 Inkassi-Kosten schmälern den Gewinn des Exporteurs. <?page no="134"?> Gerfried Hannemann und Dora Höhne 133 b) Dokumenten-Akkreditiv (letter of credit - L / C oder documentary credits) Bei dieser Zahlungsbedingung handelt es sich nicht mehr um einen sich selbst erklärenden Begriff. Diese Bedingung ist auch nicht ganz einfach zu handhaben. „Ein Dokumentenakkreditiv ist eine von einem Kreditinstitut (Akkreditivbank) im Auftrag des Importeurs übernommene Verpflichtung, entweder aus einem Guthaben oder Kredit des Auftraggebers (Akkreditivsteller) innerhalb einer bestimmten Frist dem Exporteur (Akkreditierter) gegen Übergabe bestimmter Dokumente einen währungsgemäßen Geldbetrag auszuzahlen bzw. gutzuschreiben, … eine Wechselverpflichtung einzugehen oder die Dokumente anzukaufen.“ (Jahrmann, F.-U.: Außenhandel, Herne 2010, S. 408) Anders ausgedrückt: Das Akkreditiv verkörpert eine (grundsätzlich unwiderrufliche) Verpflichtung der Bank des Importeurs, (die als akkrediveröffnende Bank fungiert), gegenüber dem Exporteur, bei Vorlage von akkreditvkonformen Dokumenten die verlangte Zahlung oder ein Akzept (auf einem Wechsel) zu geben. Es kann grundsätzlich zwischen Sicht-Akkreditiv (sight letter of credit - documents against payment - d/ p credit) mit Zahlung bei Vorlage oder Nach-Sicht-Akkreditiv (deferred payment letter of credit - documents against acceptance - d/ a credit) mit Zahlung nach Ablauf einer bestimmten Frist gewöhnlich 90 oder 180 Tage (z.B. 90 Tage nach Verladedatum), also mit Kreditausreichung, gewählt werden. Akzeptbzw. Negoziierungsakkreditive stellen Modifizierungen der o.g. „Grundformen“ dar. Das Wort Akzept besagt, dass hier von der Bank Wechselakzepte unterschrieben werden. Negoziierung in Verbindung mit Akkreditiven bedeutet, dass die Papiere des Exporteurs, die keinen Wechsel enthalten, von seiner Bank angekauft werden dürfen. <?page no="135"?> 134 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente Abb. 3.8: Merkmale von Akkreditiven Quelle: IHK Köln, Akkreditive und mehr - Zahlungsbedingungen im internationalen Handel / Hanke, Christoph, 2009, S. 6 http: / / www.ihk-koeln.de/ upload/ Internet Akkreditiv_Februar_2011 _2519.pdf; abgefragt 01.03.2015 Speziell das Akkreditiv bedeutet daher gewöhnlich einen gelungenen Kompromiss zwischen den Interessen: einerseits Bonität des Importeurs und andererseits Lieferzuverlässigkeit des Exporteurs werden durch die Zahlungsabwicklung nachgewiesen. Wenn dokumentäre Zahlungsbedingungen zur Anwendung kommen, übernehmen Banken eine besondere Rolle im Procedere der Zahlungsabwicklung. Die Freigabe der Zahlung ist dabei an die Vorlage und Annahme (nach Prüfung) definierter Außenhandelsdokumente gekoppelt. Der Importeur erlangt ansonsten nicht die Verfügungsgewalt über die Waren. Infolge des zur selben Zeit und am selben Ort stattfindenden Gebens und Nehmens durch Exporteur und Importeur bezeichnet man solcherart abgewickelte Geschäfte ebenfalls als Zug-um-Zug-Geschäfte (mit „gesicherten“ Zahlungsbedingungen (vgl. Lenger/ Novak: Die Zahlungsabwicklung bei internationalen Geschäften, in: Sternad/ Höfferer/ Haber - Grundlagen Export und Internationalisierung, Wiesbaden 2013 S. 233 und 234.) Die Durchführung / Abwicklung der Bezahlung mittels Akkreditiv ist exakt geregelt und besteht aus mehreren Schritten: <?page no="136"?> 135 Abb. 3.9: Schematischer Ablauf eines Akkreditivs Quelle: H.Holdinghausen #Commerzbank AG & M. Eigner #SaarLB, IHK Saarbrücken / 2012, Das dokumentäre Auslandsgeschäft - Dokumenten-Inkasso, Dokumenten-Akkreditiv, Auslandsaval, http: / / www.saarland.ihk.de/ ihk-saarland/ Integrale? MODULE=Frontend.Media&ACTION=ViewMediaObject&Media.PK=4209 &Media.Object.ObjectType=full; abgerufen 01.03.2015 Abb. 3.10: Konditionen für Exportakkreditive Quelle: Das dokumentäre Auslandsgeschäft, Commerzbank AG, IHK Saarbrücken 2010 S. 39 / Hans Holdinghausen, geringfügig abgewandelt. http: / / www.saarland.ihk.de/ ihk-saarland/ Integrale? MODULE=Frontend.Media&ACTION=View MediaObject&Media.PK=2693&Media.Object.ObjectType=full; abgerufen 1.3.2015 <?page no="137"?> 136 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente Die Kosten für ein Akkreditiv sind höher als beim Inkasso. Sie können zwischen Exporteur und Importeur aufgeteilt werden. Der Importeur, der das Akkreditiv mit seiner Bank vereinbart, verlangt gewöhnlich zumindest, dass alle Bank-Kosten im Versandland vom Exporteur getragen werden. Der hat es in der Hand, diese in den Exportpreis einzurechnen. 33..55 AAl llleeiinnsstteelllluunnggssmmeerrkkmmaallee dde err ZZaahhlluunnggssbbeeddi inngguunngg DDookkuummeenntteennaakkkkrre eddi itti ivv Die Zahlungsbedingung Dokumentenakkreditiv unterscheidet sich wesentlich von anderen im Außenhandel benutzten Zahlungsklauseln. Das sei hier noch einmal dezidiert dargestellt: (1.) Rolle von Regularien Wie schon erläutert: Der Handhabung von Akkreditiven liegt ein ausführliches Regelwerk zugrunde, herausgegeben von der Internationalen Handelskammer (ICC), das es in dieser Detailliertheit nicht noch einmal gibt. Es trägt den Titel Uniform / Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (ERA 600) ICC-Publ. Nr. 600 ED. Diese o.g. Fassung ist 2007 in Kraft getreten. Sie regeln bei Akkreditivgeschäften den Ablauf, die Verantwortung und die Haftung der Beteiligten (Banken und Exporteure / Importeure) sowie die Abtretung von Forderungen. Die beteiligten Dokumente (Rechnungen, Frachtpapiere, Zertifikate usw.) werden genau definiert, der Umgang mit ihnen wird eindeutig reglementiert. Die ICC bietet außerdem ergänzend Streitbeilegungsverfahren für Dokumenten-Akkreditive an. Nach den DOCDEX-Regeln können Unstimmigkeiten und Auslegungsfragen bei Dokumenten- Akkreditiven kostengünstig und schnell geklärt werden (vgl. http: / / www.iccgermany.de/ icc-regeln-und-richtlinien/ icc-era-dokumentenakkreditiv-ablauf-vorteile.html; abgerufen 07.03.2015) Anhand der Artikel 1 und 6 soll die Tragweite der ERA skizziert werden: „Anwendbarkeit der ERA: Die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive… sind Regeln, die für jedes Dokumenten-Akkreditiv („Akkreditiv“) gelten (einschließlich, soweit anwendbar, für jeden Standby Letter of Credit), wenn der Wortlaut des Akkreditivs ausdrücklich besagt, dass es diesen Regeln unterliegt. Sie sind für alle Beteiligten bindend, soweit sie im Akkreditiv nicht ausdrücklich geändert oder ausgeschlossen sind.“ (Artikel 1 ERA 600) „ Benutzbarkeit, Verfalldatum und Ort für die Dokumentenvorlage a) Ein Akkreditiv muss die Bank angeben, bei der es benutzbar ist, oder ob es bei jeder Bank benutzbar ist. Ein bei einer benannten Bank benutzbares Ak- <?page no="138"?> 137 kreditiv ist auch bei der eröffnenden Bank benutzbar. b) Ein Akkreditiv muss angeben, ob es durch Sichtzahlung, hinausgeschobene Zahlung, Akzeptleistung oder Negoziierung benutzbar ist… c) Ein Akkreditiv darf nicht durch eine Tratte gezogen auf den Auftraggeber benutzbar gestellt sein. d) Ein Akkreditiv muss ein Verfalldatum für die Dokumentenvorlage angeben. Ein für die Honorierung oder Negoziierung angegebenes Verfalldatum gilt als Verfalldatum für die Dokumentenvorlage. ii.) Der Ort der Bank, bei der das Akkreditiv benutzbar ist, ist der Ort für die Dokumentenvorlage…“ (2.) Rolle der Banken Banken übertragen bei dieser Zahlungsbedingung nicht nur, wie sonst üblich, den Kaufpreis vom Importeur zum Exporteur. Beim Akkreditiv überprüft und entscheidet eine Bank, ob der im „Grundgeschäft“ vereinbarte Preis mittels des eröffneten Akkreditivs gezahlt oder ob die Annahme der Dokumente verweigert wird. Dazu werden die vom Exporteur eingereichten Dokumente auf Konformität mit dem Akkreditiv durchgesehen. „Dokumente im Verhältnis zu Waren, Dienstleistungen oder Leistungen: Banken befassen sich mit Dokumenten und nicht mit Waren, Dienstleistungen oder Leistungen, auf die sich die Dokumente möglicherweise beziehen.“ (Artikel 5 ERA 600). Die Banken handeln objektiv, als „ehrliche Makler“; das sogenannte Grundgeschäft interessiert sie nicht: „Akkreditive im Verhältnis zu Verträgen: Ein Akkreditiv ist seiner Natur nach ein von dem Kaufvertrag oder anderen Vertrag, auf dem es möglicherweise beruht, getrenntes Geschäft. Banken haben in keiner Hinsicht etwas mit einem solchen Vertrag zu tun und sind durch ihn auch nicht gebunden, selbst wenn im Akkreditiv irgendein Bezug darauf enthalten ist. Folglich ist die Verpflichtung der Bank zu honorieren, negoziieren oder irgendeine andere Verpflichtung unter dem Akkreditiv zu erfüllen, nicht abhängig von Ansprüchen oder Einreden des Auftraggebers, die sich aus seinen Beziehungen zur eröffnenden Bank oder zum Begünstigten ergeben.“ (Artikel 4 a ERA 600) (3.) Idealtypische Abwicklung eines Akkreditivs Über die Benutzung eines Akkreditivs wird in einem Kaufvertrag entschieden, durch Aufnahme einer Akkreditivklausel. Sie kann (in Kurzform) z.B. lauten: Zahlung der Kaufsumme aus einem bei der Bank des Käufers zu eröffnenden Akkreditiv zugunsten des Verkäufers gegen Vorlage benannter Dokumente bis zum ... Dazu wird präzise geregelt, welche Dokumente vorzulegen sind (Zoll-, Transport- und Versicherungsdokumente, Packliste, Qualitätszertifikat, Gesundheitszeugnis usw.). Eine spätere Änderung der festgelegten Modalitäten kann nur mit Einverständnis aller Beteiligten realisiert werden. Vereinbart werden muss auch, welche Seite welche Akkreditivkosten trägt. <?page no="139"?> 138 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente Folgende Aktivitäten kennzeichnen die Eröffnung und Abwicklung eines Akkreditivs: Der Importeur (Akkreditivsteller) beantragt bei seiner Bank (Akkreditivbank), das Akkreditiv zu eröffnen. Dazu bedarf es eines Guthabens oder einer Finanzierungsvereinbarung mit der Akkreditivbank. Die Bank prüft ggf. noch einmal die aktuelle Bonität des Kunden. Wenn nichts gegen den Antrag spricht, wird das Akkreditiv „herausgelegt“. Danach sendet die Akkreditivbank eine Akkreditiveröffnungsanzeige an die vom Exporteur gewünschte Bank (Avisbank oder Zweitbank) im Exportland, mit der Bitte, den begünstigten Exporteur von der Akkreditiveröffnung zu benachrichtigen. Diese Bank zahlt i.d.R. am Ende den Kaufpreis aus. Sie arbeitet im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrags als Erfüllungsgehilfin der Akkreditivbank. Die Avisbank teilt dem Exporteur die Akkreditiveröffnung (Avisierung) mit und übersendet ihm eine Kopie des Akkreditivs, damit er die Akkreditivbedingungen im Wortlaut besitzt. Der Exporteur überzeugt sich von der Exaktheit des Inhalts gemäß Kaufvertrag. Bei Abweichungen muss sich der Exporteur sofort an den Importeur wenden, um eine Korrektur zu veranlassen (dessen Bank als „Mittler“ darf nichts verändern). Erst wenn Akkreditivbedingungen und Vertragt einander nirgendwo widersprechen, kann der Exporteur die Versendung (bzw. die Produktion) der Ware auf den Weg bringen und damit die benötigten Dokumente beschaffen. Der Exporteur reicht die geforderten Dokumente bei seiner Bank zur Akkreditivausnutzung ein. Die Bank prüft die Dokumente auf Form und Inhalt gemäß den Maßstäben der ERA 600 auf Akkreditivkonformität (Konformitätsprüfung). Das darf maximal fünf Bankarbeitstage dauern. Schon geringfügige Abweichungen können eine Zurückweisung durch die Bank verursachen. Ist alles in Ordnung, zahlt die Avisbank dem Verkäufer den vereinbarten Betrag umgehend aus. Die Avisbank übersendet die Dokumente des Exporteurs an die Akkreditivbank und belastet deren Konto mit dem an den Exporteur ausgezahlten Betrag. (Es sind auch andere Verfahren möglich, in Abhängigkeit von der Art der Korrespondenzbeziehungen.). Die Akkreditivbank übergibt dem Käufer die Dokumente und belastet jetzt sein Konto. Eventuell ist das aber aus Gründen der Bonität schon vor der Akkreditiveröffnung geschehen. <?page no="140"?> 139 Gegen Vorlage des Konnossementes / Bill of Lading wird dem Importeur vom Frachtführer oder Spediteur die Ware freigegeben (vgl. Team Außenwirtschaft Berlin Partner GmbH, Zahlungsabwicklung im internationalen Handel, 2009 http: / / www.businesslocationcenter.de/ imperia/ md/ content/ goinginternational/ merkblatt_zahlungsabwicklung.pdf S. 3-4; abgerufen 28.02.2015 Abb. 3.11: Vorteile / Nachteile eines Akkreditivs Quelle: Fuchs/ Apfelthaler, Management internationaler Geschäftstätigkeit, Wien 2009, S. 336 (4) Akkreditiv-Funktionen Das Zahlungsrisiko geht beim Akkreditiv gegen Null, analoge Sicherheit gibt es nur noch bei Vorkasse und neuerdings mit der neuen Zahlungsbedingung Bank Payment Obligation/ BPO. Eine de facto völlig risikolose Ausreichung eines Zahlungsziels ist mit keiner Zahlungsbedingung möglich, ausgenommen Akkreditive, jetzt ergänzt um die BPO (siehe auch Abschnitt 3.6). Alle Zug-um-Zug-Geschäfte unterliegen einem Annahmerisiko, das, wenn es eintritt, das Zahlungsproblem zwar obsolet macht, dafür aber häufig einen finanziellen Schaden verursacht. Ein Akkreditiv eliminiert dieses Risiko. Eine Kreditgewährung an den Importeur kann (sieht man von der BPO ab) nur vor dem Hintergrund eines Akkreditivs für den Exporteur problemlos ablaufen - egal, wie er über die Importeur-Bonität denkt. Weil die Akkreditivbank mit ihrer Finanzkraft das Akkreditiv vertritt, kann eine „hinausgeschobene“ Zahlung auch jederzeit bei jeder Bank refinanziert <?page no="141"?> 140 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente werden. Gewöhnlich bietet das schon die Bank des Exporteurs (Avisbank) an. Was ist also das Wesentliche bei der Zahlungs(sicherungs)funktion eines Dokumentenakkreditivs? Der Exporteur besitzt neben seinen (grund-)vertraglichen Ansprüchen gegenüber dem Importeur ein selbständiges und abstraktes Zahlungsversprechen der Akkreditivbank, das nur an die Erfüllung der Bedingungen gebunden ist, die für die Dokumente lt. ERA 600 gelten. Da der Exporteur erst nach Erhalt des Akkreditivs die Waren an den Importeur versendet, und die Zahlung bei Annahme der Dokumente zwingend von der Bank kommt, hat eine (theoretisch) mögliche Nichtannahme der Güter durch den Importeur keine praktische Bedeutung und verhindert nicht die Zahlung. Was ist das Wesentliche der Finanzierungsfunktion des Akkreditivs? Der Exporteur erhält mit dem Akkreditiv eine Erhöhung seiner „Wertigkeit“ gemäß der konkreten Forderung, Für alle mit dem Akkreditiv zusammenhängenden Finanzierungsfragen ist nur die Bonität der Akkreditivbank wichtig. Da der Exporteur das Akkreditiv vor dem Warenversand erhält, kann er dieses als Kreditsicherheit für die Vorfinanzierung des Exportgeschäfts nutzen. Das geschieht z.B. auch mit einem übertragbaren Akkreditiv (transferable L/ C). Es kann gemäß Wunsch des Erstbegünstigten ganz oder teilweise für einen Zweitbegünstigten aufgemacht werden (Exporteur als Zwischenhändler, der Finanzierung des Einkaufs beim Vorlieferanten braucht und an ausländischen Besteller/ Importeur weiterverkauft; vgl. Büter a.a.O. S. 316). Wenn der Exporteur bei Nachsichtakkreditiven (mit Zahlungsziel) eine Refinanzierung braucht, dient ihm das Akkreditiv, hinter dem eine Bank steht, als erstklassige Sicherheit für einen Vorschuss oder Diskontkredit. Dieser wird bei Fälligkeit der Exportforderung zurückgezahlt. Das geht aber nicht kostenlos. Die nachfolgende Liste fasst noch einmal die mit einem Akkreditiv für den Exporteur erreichte Absicherung zusammen. <?page no="142"?> 141 Abb. 3.12: Risikoabdeckung durch Akkreditive Quelle: Varianten der Exportsicherung/ Martin Eigner | SaarLB & Hans Henrich Holdinghausen | Commerzbank AG 2012 S. 12 http: / / www.saarland.ihk.de/ ihksaarland/ Integrale? MODULE=Frontend.Media&ACTION=ViewMediaObject& Media.PK=4209&Media.Object.ObjectType=full; abgerufen 1.3.2015 Anmerkung: Statt Lieferrisiko sollte man besser Transportrisiko sagen, das ist aber international immer durch eine Transportversicherung abgedeckt, die Verantwortung für den Abschluss regeln die Lieferbedingungen gemäß Incoterms 2010. Die Kategorie Lieferrisiko wird allgemein aus Importeursicht interpretiert, die Kriterien sind Menge, Qualität, Zeit und Ort der Belieferung. Abschließend sei noch gesagt, dass Dokumentenakkreditive auch elektronisch bearbeitet und abgewickelt werden können. Dazu wurden spezielle elektronische Plattformen von den Banken entwickelt. Als Beispiele seien die UniCredit Bank AG / HypoVereinsbank mit der Software „UC TradeWeb“ für die Beauftragung von Import-Akkreditiven (vgl. http: / / www.hypovereinsbank.de/ portal ? view=/ de/ corporate-investment-banking/ internationales-geschaeft/ trade-export-finance/ indtour-akkreditiv-de.jsp; abgerufen 11. 03.2015) und die Sparkasse Bremen/ nwi Nordwest International GmbH mit dem „i-tms Portal“ für das Auslandsgeschäft (vgl. http: / / www.i-tms.de / download/ nwi_newsletter_nr_30.pdf; abgerufen 11.03.2015) genannt. Die Grundlage für die Präsentation von Dokumenten, wie Konnossemente, in Form von „ bildet eine Ergänzung der ERA 600/ UCR 600 in Gestalt des „ “, die seit 2002 gilt (s.a. den Text von diesem Supplement unter https: / / www.law.kuleuven.be/ personal/ mstorme/ eUCPV1. pdf; abgerufen 13.03.2015). Die Kritik am Finanzinstrument Akkreditiv wird von Befürwortern des neuen Instruments Bank Payment Obligation wie folgt formuliert: Zu arbeits- und erfahrungsintensiv, zu teuer für die Nutzer (Bankkosten u.a.m.), hinsichtlich des erzielbaren Resultates zu unsicher, zu schwierig mit Blick auf die korrekte Abwicklung (70% der präsentierten Dokumente werden zurückgewiesen), zu viele Vermittler/ Beteiligte, das Prozedere entspricht nicht (mehr voll) den Erfordernissen der kommerziellen Realität. (Vgl. Wells, <?page no="143"?> 142 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente R., The BPO & Friends have a Stranglehold on the LC…, http: / / www.essdocs.com/ blog/ bpo-friends-stranglehold-letter-of-credit#sthash. XK4Rczs1.dpuf , abgefragt 22.11.2016) (5) Überblick zu Dokumenten im Außenhandel Im Außenhandel übergibt der Verkäufer gewöhnlich die Ware nicht direkt/ selbst an den Käufer und zieht auch nicht direkt die Zahlung ein. Wo die Ware mit Hilfe eines Erfüllungsgehilfen des Exporteurs in die Verfügungsgewalt des Importeurs gelangt - das regelt die vereinbarte INCOTERMS-Klausel wie - oder - . Aus den von den Geschäftspartnern im Vertrag gewählten Arten des Transports ergeben sich die verwendeten Transportdokumente. Sie sind wiederum für die Art und Weise des Übergangs des Eigentums an der Ware von Bedeutung: Wird mit einem sogenannten Traditionspapier gearbeitet (z.B. beim Seetransport einem Konnossement / / aufgemacht als Order-Papier), so findet der Eigentumswechsel schon durch Übergabe des B/ L statt. Dieses Dokument ist z.B. im Überseehandel gewöhnlich eher beim Käufer als die Ware. Kein anderer als der berechtigte Konnossementshalter kann über die Güter disponieren: beispielsweise die unterwegs befindliche Ware weiterverkaufen oder nach Ankunft des Schiffes die Herausgabe der Sendung verlangen Bei den sogenannten Nachweispapieren (z.B. den Frachtbriefen) muss für einen Übergang des Eigentums die Ware „dinglich“ am Erfüllungsort / Lieferort durch den Verkäufer (bzw. seinen Erfüllungsgehilfen) bereitgestellt und durch eine Empfangsquittung die Übernahme bestätigt werden. Die Zahlung läuft über mindestens eine Bank, gewöhnlich aber über zwei Kreditinstitute (Bank des Importeurs und Bank des Exporteurs), in Übereinstimmung mit der gewählten Zahlungsbedingung. Bei den dokumentären Zahlungsbedingen übernehmen, wie schon an anderer Stelle gesagt, Banken auch Verantwortung für die Zahlungssicherheit. Dokumente sind Instrumente der Abwicklung von Außenhandelsgeschäften. Damit der Exporteur ggf. vor Gericht die vollständige Erfüllung aller Pflichten und damit den Anspruch auf den vereinbarten Preis nachweisen kann, müssen alle relevanten Papiere mit korrektem, widerspruchsfreiem Inhalt vorliegen. Als Dokumente werden im Außenhandel vielerlei Arten von Papieren bezeichnet, die der Erfüllung eines Verkauf-/ Kaufvertrages dienen. Diese Dokumente können verschieden systematisiert werden. Man unterscheidet z.B. prinzipiell zwischen 1. Dokumenten des staatlichen Außenwirtschaftsregimes und 2. kaufmännischen Dokumenten. <?page no="144"?> 143 Zu 1.: Dokumente des staatlichen Außenwirtschaftsregimes Diese Gruppe von Papieren hat ihre Grundlage in der aktuellen Ausgestaltung des Außenwirtschaftssystems. Je nachdem, wie eine grenzüberschreitende wirtschaftliche Transaktion ablaufen soll, müssen definierte Dokumente benutzt werden. (hier soll nur eine Übersicht geboten werden.) Beispiel Bei der endgültigen Ausfuhr (als Normalfall) durch einen deutschen Exporteur werden Gemeinschaftswaren aus dem Zollgebiet der EU in einen Nicht- EU-Staat exportiert. Ein solcher Export bedarf immer einer Ausfuhranmeldung auf einem vorgeschriebenen Formblatt: das ist zugleich auch die Zollanmeldung sowie der Zollantrag. Es werden aber keine Exportzölle erhoben. Das Formblatt hat die Bezeichnung Einheitspapier (siehe dazu unter http: / / wirtschaftslexikon.gabler.de/ Definition/ einheitspapier.html, abgefragt 22.11.2016.) Bei einer Einfuhr aus einem Drittland muss der (deutsche) Importeur eine Einfuhranmeldung tätigen. Sie fungiert zugleich als Zollanmeldung. Die Zollanmeldung ist in der Regel schriftlich abzugeben (mehr siehe unter dem Stichwort Einheitspapier im Gabler Wirtschaftslexikon.) Um die Ware verzollt zu bekommen, muss außerdem eine Zollwertanmeldung vorgelegt werden. Für alle (gewerblichen) Zollanmeldungen ist seit 2016 das elektronische Verfahren (IT-Verfahren ATLAS) vorgeschrieben. Egal, wie die Ausgestaltung eines Export- oder Importgeschäfts mit Dokumenten in Deutschland durch ein Unternehmen vorgenommen wird - bestimmte grundlegende außenwirtschaftsrechtliche Dokumente (siehe oben) sind nicht zu umgehen. Darüber hinaus sind ggf. weitere erforderlich. Übersicht zu Exportdokumenten: Ausfuhranmeldung, Ausfuhrerklärung (AE), Ausfuhrgenehmigung, Ausfuhrkontrollmeldung (AKM), Ausfuhrlizenz, Endverbleibserklärung (EVE), Internationale Einfuhrbescheinigung (IEB), Negativbescheinigung, Versandanmeldung, Wareneingangsbescheinigung (WEB), Qualitätszeugnis. Übersicht zu Importdokumenten: Zollanmeldung (Zollantrag), Einfuhranmeldung, Einfuhrgenehmigung, Einfuhrkontrollmeldung (EKM), Einfuhrerklärung (EE), Einfuhrlizenz, Internationale Einfuhrbescheinigung (IEB), Ursprungszeugnis (U), Ursprungserklärung (UE), Qualitätszeugnis, Wareneingangsbescheinigung (WEB). Wenn es zu Streit mit dem Importeur über Verletzung von vertraglichen Pflichten kommt, kann vor Gericht ggf. auch die Ausfuhranmeldung / Zollanmeldung (gemäß Einheitspapier) als Beweis bedeutsam werden. Sie belegt am Anfang der Erfüllungskette folgende Fakten: 1. Ausführer / Exporteur 2. Empfänger <?page no="145"?> 144 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente 3. Art der Beförderung 4. Zeichen, Nummern, Anzahlder Packstücke 5. Gewicht / andere Maße 6. amtierende Zollbehörde (vgl. Büter, a.a.O. S. 268) Wenn die Ware bspw. bei der Ausfuhr genehmigungspflichtig ist und / oder die Geschäftskonstruktion kompliziert, oder wenn es Probleme mit Genehmigungen im Importland gibt, kann ein Akkreditiv wegen Zeitüberschreitung verfallen, obwohl der Exporteur bei den Dokumenten alles richtig gemacht hat. Zu 2.: Kaufmännische Dokumente Diese Gruppe von Papieren / Dokumenten dient vorrangig den Geschäftspartnern (prinzipiell in freier Wahl) zur Organisation des Transports (und dabei des Übergangs von Transportkosten und des Risikos des Verlustes und der Beschädigung der Ware), der Versicherung gegen Transportrisiken und der Art und Weise der Bezahlung ( ). Eine Reihe von Papieren liefert aber auch Daten zur Ware, die über die an anderer Stelle (Handelsrechnung usw.) enthaltenen Angaben hinausgehen. Es wird i.d.R. wie folgt systematisiert: Handelsdokumente: Warenbegleitdokumente, wie Handelsrechnung, legalisierte Handelsrechnung, Konsulatsfaktur, Zollfaktur, Analysezertifikat, Inspektionszertifikate, Wiegezertifikat, Packliste, Aufmaßliste, Gesundheitszertifikat, Werksattest. Versanddokumente, wie im Straßenfrachtverkehr - CMR-Frachtbrief, im Eisenbahnverkehr - CIM-Frachtbrief, EVO-Frachtbrief , im Luftfrachtverkehr - Luftfrachtbrief, im Seefrachtverkehr - Konnossement / (näheres siehe unter Punkt (6).) und -Seefrachtbrief / Verladedokumente, wie (Binnen-)Ladeschein, Internationale Spediteur-Übernahmebescheinigung / , Posteinlieferungsschein, Kai-Empfangsschein / , Mate‘ („Steuermanns Quittung“ ist hier die alte deutsche Bezeichnung), aber auch Papiere, die auf Basis des Konnossements der Aufteilung und Auslieferung der Ware dienen, wie Reederei- Lieferschein oder Kai-Teilscheine / . Lagerdokumente, wie Lagerschein (als Orderlagerschein oder Namenslagerschein). <?page no="146"?> 145 Versicherungsdokumente, wie Transportversicherungspolice und Transportversicherungszertifikat. Zahlungsdokumente, wie Wechsel, Scheck, Dokumentenakkreditiv. (vgl. Büter a.a.O. S.240-249 und Stiller, G. Wirtschaftslexikon 24, http: / / www.wirtschaftslexikon24.com/ d/ dokumente-im-aussenhandel-handelspapiere/ dokumente-im-aussenhandel-handelspapiere.htm , ab gefragt 03.11.2016) Im Rahmen der Zahlungsbedingung Dokumenten-Akkreditiv / ist der Exporteur daran interessiert, möglichst wenig kaufmännische Dokumente beibringen zu müssen, weil das die Fehlerquellen reduziert und weniger Zeit für Ausfertigung und Anschaffung benötigt wird. Es verringert sich auch die Abhängigkeit von Behörden. Im Idealfall wären die Handelsrechnung, das Konnossement und die Versicherungspolice eine ausreichende Dokumentation. Beachte: Fristeneinhaltung gemäß Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (ERA 600 von 2010) und einwandfreie Dokumente schützen nicht gegen neue politische Entscheidungen (Embargo usw.) im Export- oder Importland. Das kann die Durchführung der Ausfuhr oder der Zahlung betreffen. Der Importeur hat demgegenüber ein Interesse auch an anderen Dokumenten, insbesondere solchen, die Eigenschaften und Zustand der Ware, aber auch den Herstellungsprozess der Ware beurkunden. Das sind vor allem Zertifikate wie Analysezertifikat, Inspektionszertifikate, Wiegezertifikat, Packliste und Werksattest. Sie werden von Behörden und international anerkannten Prüfinstituten ausgestellt und sind, wenn vereinbart, vom Exporteur zu bezahlen. (6) Ausgewählte Dokumente bei dokumentären Zahlungsbedingungen Das Konnossement Dieses Papier wird englisch als und französisch als bezeichnet. In Deutschland ist der Inhalt des Konnossements im HGB in §§ 513 ff. festgelegt. Es handelt es sich um ein Wertpapier und sogenanntes Traditionspapier im Seeschifftransport („klassisches“ Seekonnossement), ausgestellt vom Verfrachter , i.d.R. eine Reederei, aber auch eine Spedition kann ein sogenanntes Spediteurkonnossement ausfertigen. Es regelt die Rechtsbeziehung zwischen dem Verlader (Befrachter, Ausführer), dem Verfrachter und dem Empfänger (Einführer, Abnehmer, Consignee), der zu befördernden Güter. Dabei vereint es die Funktionen des Schiffsfrachtbriefes und eines Warenwertpapiers. <?page no="147"?> 146 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente Der Verfrachter muss die Waren zum Bestimmungshafen transportieren und dort ausliefern. Zu diesem Zwecke muss der Empfänger ein Exemplar des Konnossements vorlegen und übergeben. Die wichtigsten Erscheinungsformen des Dokuments sind das - Empfangs-/ Übernahme-Konnossement ( ), - Bord-/ Verlade-Konnossement ), und das - FIATA-Konnossement des kombinierten Transports Letzteres ist ein vom Weltspediteurverband FIATA herausgegebenes Papier für den kombinierten Land- und Seetransport unter der Verantwortung von , wobei die Regeln der Beförderung unter einem Konnossement auch für die Strecken an Land gelten. (vgl. Stiller, G. Wirtschaftslexikon 24, http: / / www.wirtschaftslexikon24. com/ d/ dokumente-im-aussenhandel-handelspapiere/ dokumente-im-aussenhandel-handelspapiere.htm; abgefragt 03.11.2016) Laut HGB (§ 515) sind folgende Konnossements-Daten vorgeschrieben: „1. Ort und Tag der Ausstellung, 2. Name und Anschrift des Abladers, 3. Name des Schiffes, 4. Name und Anschrift des Verfrachters, 5. Abladungshafen und Bestimmungsort, 6. Name und Anschrift des Empfängers und eine etwaige Meldeadresse, 7. Art des Gutes und dessen äußerlich erkennbare Verfassung und Beschaffenheit, 8. Maß, Zahl oder Gewicht des Gutes und dauerhafte und lesbare Merkzeichen, 9. die bei Ablieferung geschuldete Fracht, bis zur Ablieferung anfallende Kosten sowie einen Vermerk über die Frachtzahlung, 10. Zahl der Ausfertigungen.“ (juris GmbH Juristisches Informationssystem fuer die BRD https: / / www.gesetze-im-internet.de/ hgb/ _515.html, abgefragt 06.11.2016) Die wichtigste Ausfertigungsform stellt das Order-Konnossement dar, weil es flexibel handhabbar ist. „Es wird auf den namentlich genannten Empfänger oder „an Order“ ausgestellt. Eine Übertragung auf Dritte ist durch Indossament möglich. Das Order-Konnossement wird verwendet, wenn die Ware z.B. während des Transportes weiterverkauft wird.“ (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV), Berlin, www.tis-gdv.de http: / / www.tis-gdv.de/ tis/ taz/ k/ konnossement.htm; abgefragt 06.11.2016). <?page no="148"?> 147 In Verbindung mit der Ausgabe von usw. können auf Basis eines solchen Konnossements z.B. auch Teilverkäufe unterwegs befindlicher Ware vorgenommen werden (vgl. Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV), Berlin, www.tis-gdv.de, http: / / www.tis-gdv.de/ tis/ taz/ k/ konnossement.htm, abgerufen 06.11.2016). Die Rechte und Pflichten aus dem Konnossement lassen sich wie folgt zusammenfassen: „- Herausgabeanspruch des durch ununterbrochene Indossamentenkette legitimierten Inhabers gegenüber dem Verfrachter / Einlösepflicht durch Verfrachter. - Verfrachter darf an keinen anderen leisten, der seine Berechtigung auf andere Art … zu beweisen sucht / Einlösungspflicht. der legitimierte Inhaber des Konnossements ist Eigentümer der Ware. Verfügungsberechtigung über die Ware / z.B. Verkauf an Dritte. - Verpfändungsrecht bzw. Sicherungsübereignungsrecht zu Finanzierungszwecken.“ (Jahrmann, F.-U., Außenhandel, Herne 2016, S. 129) Elektronisches Konnossement Seit einer Reihe von Jahren können auch elektronische Konnossemente benutzt werden. Im Handelsgesetzbuch (HGB) findet sich dazu in § 514 auch die Bezeichnung „elektronische Aufzeichnung“, diese ist dem klassischen Konnossement in Papierform „gleichgestellt“, Bedingung dafür sind die Wahrung von „Authentizität und… Integrität der Aufzeichnung“ (vgl HGB, https: / / dejure.org/ gesetze/ HGB/ 516.html; abgefragt 23.11.2016). Laut „Rules for Electronic Bills of Lading“ des Comité Maritime Internationale entsteht nach Verladung der Güter eine elektronische Nachricht ( ) folgenden Inhaltes: nnaa mmee o off tthhee s shhiippppeer r; ddeessccr riippttiio on n oof f t th hee g g ooood ds s aa ss wwoou ulldd b bee r reeq quuiirre edd i if f a a p paa ppeerr b biil lll o off l laa ddi inngg ddaa ttee ppllaa ccee o of f t thhee r re ecceei ipptt o off t thhe e gg ooooddss; cca a rrr ri ieerr' ' ss t teerrmmss a a n ndd ccoonnd diittiioonns s o off c caa rrrri iaa gg ee - PPrriivvaa t tee KKeeyy (Rules-for-Electronic-Bills-of-Lading, Artikel 4 http: / / comitemaritime.org/ Rules-for-Electronic-Bills-of-Lading/ 0,2728,12832,00.html , abgefragt 2.12.2016). <?page no="149"?> 148 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente Der „Private Schlüssel“ fungiert als Ersatz für Indossamente beim Konnossement in Papierform und wird in Artikel 2 als eine Zahlen-/ Buchstabenkombination definiert, spezifiziert für den jeweiligen Halter der eB/ L. Damit werden Integrität und Authentität einer Abtretung der eB/ L gesichert. Man spricht hier auch von einer qualifizierten oder sicheren elektronischen Signatur. Eine eB/ L ist nicht eine einfache elektronische Wiedergabe oder Kopie eines Papier-Konnossements ( ): “ (The Bolero Electronic Bill of Lading (eBL) Overview http: / / www.bolero.net/ files/ downloads/ eBLOverview.pdf , abgefragt 22.12.2016) Die Anwendung einer eB/ L wirft neue Probleme auf: es können Schäden durch Cyber-Kriminalität (Hacking, Internet-Diebstahl, Viren usw. sowie Systemkollaps in der See- und Hafenwirtschaft auftreten, die bisher bei Transporten lt. geltenden Regelungen nicht versichert sind, die internationalen Seeverkehrsabkommen ( ) basieren auf der Anwendung der klassischen Konnossemente und erwähnen elektronische Lösungen nicht, was speziell die Versicherungswirtschaft längere Zeit zögern ließ, den Wechsel zu unterstützen. Das hat sich aber inzwischen zumindest partiell geändert, wenn das sogenannte Rotterdam-Abkommen von 2009 ( ) demnächst (wie erwartet) in Kraft tritt, was so viel Unterzeichner erfordert, daß 25 Prozent des Welthandels repräsentiert sind, gibt es diesbezüglich völlige Klarheit, die Praktikabilität und Sicherheit qualifizierter elektronischer Signaturen für die Übertragung von Eigentumsrechten durch Übergabe eines elektronischen Traditionsdokumentes wird inzwischen prinzipiell als gegeben betrachtet (vgl. auch Underhill/ Bibby, Comment and analysis by Reed Smith lawyers on the latest developments in the shipping industry, https: / / www.ship-lawlog.com/ 2016/ 01/ 14/ electronic-bills-of-lading/ ,abgefragt 12.12.2016). Als grundlegende Vorzüge des elektronischen Konnossements (gegenüber der Papierform) werden genannt: eine eB/ L kann schneller nach Verladung erstellt und auch geändert werden, bei einer Änderung wird die damit ungültige Fassung parallel zur Generierung der neuen eB/ L gelöscht, <?page no="150"?> 149 sie kann dank Tempo des Transfers immer rechtzeitig beim Käufer im Löschhafen vorliegen, - und vermeidet damit zusätzliche Versicherungskosten durch Ersatzdokumente (wie ), sie kann einfach gegen die Ware zurückgegeben werden, sie schützt die Schiffseigner besser vor Fälschungen als das Papierformat. (Vgl. Demetriou, N., http: / / thebalticbriefing.com/ 2015/ 03/ 04/ electronic-bills-of-lading-why-its-different-this-time/ , abgefragt 22.12.2016) Die wichtigsten Teilnehmer am papierlosen globalen Handel sind (lt. CargoDocs) vor allem: Abb. 3.13: Anwender elektronischer Außenhandels-Dokumente. (Quelle: , . a.a.O) Die Anerkennung elektronischer Dokumente als vollwertige Alternative war vor allem an die Lösung folgender Probleme geknüpft: 1. Einmaligkeit/ Originalität einer eB/ L damit verbunden 2. sichere und praktikable elektronische Signierung der Dokumente 3. sichere und einfach handhabbare Weitergabe und Rückgabe von Konnossementen. Bitte beachten Sie: auf andere Traditionspapiere/ , wie Order-Lagerscheine ( ), wird hier nicht näher eingegangen. Wichtige gegenwärtige Erscheinungsformen des elektronischen Konnossements sind die Bolero B/ L und die CargoDocs eB/ L. Infolge der noch fehlenden juristischen Basis in Gestalt eines internationalen Abkommens sind zwischen den Nutzern von eB/ L (siehe Abbildung 3.13) zivilrechtlich Vertragsbeziehungen notwendig, die den Willen zu Handhabung elektronischer Dokumente fixieren. Institutionen wie BOLERO oder essDOCS <?page no="151"?> 150 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente fungieren als „3. Partei“ mit Dienstleistungen bei der vollelektronischen Abwicklung von internationalen Handelsgeschäften. Sie offerieren eine spezielle elektronische Infrastruktur: elektronische Plattformen für den Datenaustausch, Regelwerke für die Kooperation der Beteiligten, elektronische Register (insbesondere für die eB/ L) und Archive. Die Teilnehmer vereint folgender Grundsatz: die elektronischen Dokumente bei Transport, Versicherung und Zahlung/ Finanzierung sind gleichwertig mit den entsprechenden (traditionellen) Papieren, das gilt insbesondere für das Konnossement. In der Praxis hat sich folgendes grundsätzliche Vorgehen durchgesetzt, um ein elektronisches Konnossement als Original analog zum Papier-B/ L zu handhaben: Ein Register, das von einer unabhängigen Institution geführt wird , überwacht die einmalige Versendung des Dokuments nach der Generierung durch den Aussteller an den berechtigten Empfänger (i.d.R. der Ablader/ Exporteur), dabei wird mit qualifizierten elektronischen Schlüsseln/ Signaturen gearbeitet. Auf diese Art wird das Dokument als einmalig und der jeweilige Besitzer als rechtmäßiger Verfügungsberechtigter ausgewiesen. Jede weitere Übergabe wird mit einem neuen Schlüssel legitimiert, der jeweils alte wird ungültig. So lassen sich auch die Indossierungen sicher handhaben. Ein Register erfasst fortlaufend die Indossamente bzw. Eigentümer (vgl. Gehrke, F., Das elektronische Transportdokument - Frachtbrief und Konnossement in elektronischer Form im deutschen und internationalen Recht, Münster 2005, S.224/ 25). Wie die praktische Handhabung der beiden o.g. Erscheinungsformen des elektronischen Konnossements zeigt, lassen sich die Rechte und Pflichten aus diesem Dokument auch in der elektronischen Form verwirklichen und kontrollieren. Variante 1: Die Bolero Bill of Lading Die EU hat Anfang der 1990er Jahre eine Initiative für die Anwendung elektronischer Dokumente im Außenhandel gestartet, woraus 1995 die BOLERO Association hervorging, mit Industrie- und Logistikunternehmen sowie Banken von mehreren Kontinenten als Mitglieder. Das Wort BOLERO ist abgeleitet aus . 1998 wurde die Bolero-Organisation als Joint-Venture ausgestaltet. Instrument und Infrastruktur des Unternehmens können nur Mitglieder nutzen. „Bolero hat für die wichtigsten Dokumente des Aussenhandels elektronische Dokumente (elektronische Formulare) entwickelt. Dies gilt auch für solche …, die eine Legitimationsfunktion erfüllen und die Wertpapiereigenschaft haben …“ (Stiller, G., Wirtschaftslexikon24.com, http: / / www.wirtschaftslexikon24.com/ e/ bolero-dokumente/ bolero-dokumente.htm, abgefragt 22.12.2016). <?page no="152"?> 151 Die Bolero Bill of Lading ist eine originäre Kreation der Organisation. Es kann elektronisch erstellt, übertragen und vernichtet werden. . . ((Vgl. The Bolero Electronic Bill of Lading (eBL) Overview, a.a.O.) Über die relevanten Komponenten eines Systems, das mit elektronischen Konnossementen arbeitet, finden sich in der Fachliteratur die folgenden Aussagen: Wichtig sind ein Regelwerk, Dienstleistungsverträge und eine verantwortungsbewusste und zuverlässige Politik der Organisation. (Sy, Ibrahim, Electronic Bills of Lading, Implications and Benefits for Maritime Transport in Senegal (1999) http: / / commons.wmu.se/ cgi/ view content.cgi? article=1360&context=all_dissertations, abgefragt 22.12.2016, page 3). Wichtig sind aber auch eine Registratur derTraditionsdokumente und die spezielle IT-Infrastruktur. .” (vgl. a.a.O.) Die BOLERO-Institution fußt auf einem Abkommen (oder Vertrag)/ Bolero RR uulleebbooo ok k, dem alle beitreten müssen, die Mitglied von BOLERO werden wollen. Alle Nutzer sind Mitglieder des Systems und damit verpflichtet, den Austausch von elektronischen Dokumenten bei Handelsgeschäften immer nur mittels der Einrichtungen von Bolero zu tätigen. Das Rulebook beschreibt die Regeln und Verfahrensweise des Nachrichtenaustausches, um Sicherheit und Gültigkeit zu gewährleisten, die Rechte des Halters eines eB/ L usw. bis hin zu Datenschutz und zur Verfahrensweise bei Streitigkeiten (inklusive das anzuwendende Recht). Zur Kreierung und Übertragung eines BOLERO B/ L findet sich in der Literatur folgende Beschreibung: <?page no="153"?> 152 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente (Zitat aus Ganssauge, N., Elektronische Dokumente in der Schifffahrt am Beispiel von Elektronischer Rechnung und Elektronischem Konnossement, 2005, S.10, www.seerecht.de/ wp-content/ uploads/ dvis-schriftenreihe-a-heft-101.pdf, abgefragt 10.12.2016). Zum BOLERO-System gehört weiterhin zwingend ein Register für die elektronischen Konnossemente/ TTiitteell RR eegg iissttrryy RR eeccoorrd d oder . In diesem werden alle Daten, die eine eB/ L erstens gemäß Generierung trägt, vermerkt, aber auch zweitens alle Veränderungen, beispielsweise durch die elektronische Übertragung der Rechte (mittels Indossament). Das Register notiert den Lebenszyklus einer eB/ L bis hin zur Löschung. Es ist jeder Halter verzeichnet und es ist gewährleistet, dass es jederzeit nur ein Original gibt. ? .” ( Bolero International Ltd. Electronic Bill of Lading for Carriers Frequently Asked Questions (FAQs) http: / / www.bolero.net/ files/ downloads/ eBLFAQ.pdf, abgefragt 22.12.2016) Die dritte wichtige Säule des Bolero-Systems wird in der Infrastruktur- Plattform / Bolero Exchange platform verkörpert. Die spezifischen Hard- und Software-Lösungen dienen allen Mitgliedern / Nutzern neutral, unbestechlich und technisch zuverlässig. Das System versieht jede Nachricht (z.B. in Gestalt eines eB/ L) mit der digitalen Signatur des Absenders und befördert sie zum Empfänger. BOLERO verkörpert den (elektronischen) Mittelpunkt eines globalen Handelsnetzwerkes. “ (Sy, Ibrahim, a.a.O. page 10). Aus der elektronischen Variante kann bei Bolero im Verlaufe der Handhabung in die Papierform gewechselt werden. Das ist jederzeit möglich durch den Druck eines Dokumentes. Dabei werden die zurückliegenden Indossamente (Eigentümerwechsel im elektronischen Zustand) vermerkt. Ein erneuter Wechsel zurück zur eB/ L kann nicht stattfinden. <?page no="154"?> 153 Ganssauge sieht folgende wichtige praktisch-rechtliche Probleme: mögliche Parallelität einer elektronischen Fassung mit einer Papier-Variante das Problem der sicheren Rückgabe von eB/ L an den Aussteller, speziell, wenn in die Papiergestalt gewechselt wird ein Papier wird immer erforderlich, wenn das Konnossement an einen Käufer gehen soll, der nicht der BOLERO-Organisation angehört (vgl. Ganssauge, N., a.a.O., S.10-13). BEISPIEL 2: Die CargoDocs electronic Bill of Lading Dieser Typus von elektronischem Konnossement wurde in der Regie der Firma Essdocs Emea Limited London entwickelt (ESS steht für .) Es handelt sich primär um ein Software-Unternehmen. Die Firma sagt über sich, dass sie der Marktführer für die Umstellung des Welthandels auf papierlose (elektronische) Dokumentation sei. Die Cargo- Docs eB/ L hat Eingang in den Handel mittels eines von Essdocs Emea Ltd geführten Firmennetzwerks gefunden. Die Teilnehmer akzeptieren die Art und Weise der Ausfertigung und Übermittlung sowie Archivierung dieser eB/ L und nehmen die Dienstleistungen von Essdocs in Anspruch. Unter dem Begriff CargoDocs verbirgt sich eine komplexe Softwarelösung für elektronische Dokumente: „ . (http: / / www. essdocs.com/ solutions#sthash.VhsBRqiW.dpuf, abgefragt 27.12.2016) Auf CargoDocs wird im Weiteren noch einmal zurückgekommen. In der nachfolgenden Übersicht sind die zum gegenwärtigen Zeitpunkt am essDOCS-Netzwerk beteiligten Kundengruppen ersichtlich. A list … of … essDOCS customers: Energy Companies Energy Traders Chemicals Companies Agri Shippers / Traders/ Buyers Banks Forwarders & Ship Agents Veg/ Palm Oil traders Tanker Operators Dry Bulk Operators Barge Operators Metals & Minerals Shippers/ Traders/ Buyers Terminals / Refineries / Storage companies Container Lines / NVOCCs Independent Inspectors (http: / / www.essdocs.com/ network/ customers, abgefragt 27.12.2016) Um das Problem der fehlenden internationalen rechtlichen Regelung für die vollwertige Nutzung von elektronischen Konnossementen zu lösen, insbesondere was ihre Übertragung betrifft, setzt essDOCS auf eine „Multiparteien-Nutzer-Vereinbarung“ ( ). Damit werden alle Teilnehmer der „Handelskette“ (des jeweiligen Export-Import-Vertrags) aneinander gebunden, mit dem Ziel, die Rechte und Pflichten eines <?page no="155"?> 154 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente in einer eB/ L wiederherzustellen. (Das ist adäquat dem bei BOLERO.) Bei essDOCS heißt es dazu wörtlich: (Goulandris, A., Interview, p. 23, https: / / www. bbh.com/ blob/ 16004/ 2deaa4025c3685d55115bfc626276c61/ interviewwith-essdocs-cofounder-alexander-goulandris, abgefragt 12.11.2016).) Die Anwendung der eB/ L wird von Essdocs u.a. mit Verweis auf folgende Vorteile beworben: basiert nur auf Daten und kann vom berechtigten Herausgeber elektronisch mittels Web-Browser oder sicherer eMail-Lösung signiert werden, kann verbessert/ verändert werden, sofern die beteiligten Parteien zustimmen (z.B. Wechsel des Bestimmungsorts, Splitting der eBL), die eBL kann durch weitere elektronische Dokumente ergänzt werden, wie Rechnungen, Ursprungszeugnisse usw. das Dokument kann in Verbindung mit einem Akkreditiv auf Basis von The Supplement to the Uniform Customs and Practice for Documentary Credits for Electronic Presentation (eUCP) benutzt werden und gleichermaßen für eine Bank Payment Obligation (Generierung der baseline bzw. matching der Daten), der Importeur kann jederzeit eine den Vorschriften entsprechende Kopie (CargoDocs output) für die Zollbehörden im Einfuhrland anfertigen. Ein Wechsel aus der elektronischen Variante zur Papierform ist nicht vorgesehen. Als Teil der Unternehmensgruppegruppe Essdocs Emea erfüllt die Firma ESS-Databridge Exchange Ltd. London (lt.Internet-Nachrichtendienst Bloomberg) folgende Aufgaben: 1. Die Firma stellt einen internet-basierten elektronischen Dokumentenaustausch zur Verfügung - ESS-Databridge-Exchange. 2. Sie liefert Dokumente des internationalen Handels und der Handelsfinanzierung - CargoDocs-Dienstleistungen. (vgl. z .B. essDOCS, http: / / www.essdocs.com/ resources/ essdocs-exchan ge#sthash.6aeyx4hd.dpuf , abgefragt 27.12.2016). Wörtlich heißt es bei Bloomberg: - EESSSS- -DDa a ttaa bbr riiddgg ee - CCaa rrgg ooD Dooc cs s - <?page no="156"?> 155 - ” (Bloomberg, http: / / www.bloomberg.com/ research/ stocks/ private/ snapshot.asp? privcapId=83022772, abgefragt 27. 12.2016). Das aktuelle Verhältnis von ESS-Databridge Exchange und Essdocs Emea wird z.B. durch eine Nachricht der STEAMSHIP MUTUAL UNDER- WRITING ASSOCIATION LIMITED (London) vom November 2015 erhellt: (www.steamshipmutual. com/ Circulars-London/ L.262.pdf , abgefragt 27.12.2016). Die Eigenschaften der CargoDocs-Softwarelösung gestatten es, elektronische Dokumente wie Konnossemente und Handelspapiere zu generieren, zu prüfen, zu signieren und sicher zu transferieren. best paper practices - - (Demetriou ., BalticBriefing 4/ 2015 http: / / thebalticbriefing.com/ 2015/ 03/ 04/ electronic-bills-of-lading-why-its-different-this-time/ abgefragt 12.12.2016). Resumierend kann gesagt werden: Die beiden hier skizzierten Lösungsansätze für handelbare / übertragbare elektronische Konnossemente (und andere kommerzielle Dokumente) sind weitgehend identisch. Unterschiede treten vor allem bei der Ausgestaltung der Systeme auf (formelle Mitgliedschaft oder informelle durch Benutzung). Handelsrechnung (Export), auch Exportrechnung ) genannt Eine Exportrechnung wird von einem inländischen Unternehmen für ein Auslandsgeschäft ausgestellt, die den Empfänger auffordert, einen bestimmten Betrag für gelieferte Waren oder erbrachte Leistungen zu entrichten. Darüber hinaus ist die Exportrechnung Grundlage für die ausländische Verzollung bei Nicht-EU-Geschäften sowie für eine statistische Erhebung. Weiterhin dient sie der Überwachung des Devisenverkehrs und liegt beim Exporteur der Ausfertigung von Versand- und Versicherungsdokumenten zugrunde. Inhaltliche Besonderheiten sind ggf.: der Preis wird für viele Zielländer in ausländischer Währung benannt, es kann auch eine sogenannte vereinfachte Ursprungserklärung für präferenzbegünstigte Waren mit deutschem Ursprung Teil des Textes sein. <?page no="157"?> 156 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente Beim Export in Länder außerhalb der EU wird prinzipiell ein solches Dokument benötigt. Der Verkäufer / Exporteur fertigt ein Original und mehrere Kopien an. Folgende Daten werden i.d.R. weltweit benötigt: Name und Anschrift des Versenders / Exporteurs Name und Anschrift des Empfängers / Importeurs inkl. Kontaktperson, Telefon- und Faxnummer Ggf. eine abweichende Lieferanschrift Rechnungsnummer, -ort und -datum sowie der Vermerk „Rechnung“ Lieferbedingung (sog. Frankatur), z.B. laut Incoterms Umsatzsteuer-Identifikations-Nummer (USt-Id-Nr.) EORI-Nummer (siehe weiter unten) Bezeichnung und Anzahl der einzelnen Waren mit der zugehörigen Warentarifnummer, dem Stückpreis mit Währungsangabe, Gewicht (brutto/ netto), Ursprungsland, Paketnummer Gesamtrechnungswert der Sendung mit Währungsangabe Ursprungserklärung, falls ein EU-Land das Warenursprungsland ist eigenhändige Unterschrift (kein Faksimile), Klarschrift und Firmenstempel des Versenders (DPD iloxx eService GmbH, Nürnberg (https: / / www.iloxx.de/ net/ iloxx/ hilfe/ exporttipps/ handelsrechnung.aspx, abgefragt 10.11.2016) Erklärung zu den Begriffen (1) EORI-Nummer Die EORI-Nummer (Economic Operators‘ Registration and Identification number - Nummer zur Registrierung und Identifizierung von Wirtschaftsbeteiligten) ersetzt als in der gesamten Europäischen Union gültige Beteiligtenidentifikation die deutsche Zollnummer. Sie ist seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 312/ 2009 zur Änderung der Zollkodex Durchführungsverordnung am 1. Juli 2009 Voraussetzung für die Zollabwicklung in der Europäischen Union (Generalzolldirektion Bonn, https: / / www.zoll.de/ DE/ Fachthemen/ Zoelle/ EORI-Nummer/ eorinummer_node.html , abgefragt 10.11.2016). (2) EU-Ursprungserklärung: Die EU-Ursprungserklärung, die der Ausführer auf der Handelsrechnung abgibt, hat einen vorgeschriebenen Wortlaut: „Der Ausführer (ermächtigter Ausführer; Bewilligungs-Nr. ... (1)) der Waren, auf die sich dieses Handelspapier bezieht, erklärt, dass diese Waren, soweit nicht anders angegeben, präferenzbegünstigte … (2) Ursprungswaren sind.“ (Auf die Wiedergabe der Fußnoten wurde verzichtet) (Generalzolldirektion Bonn, https: / / wup.zoll.de/ wup_online/ ursprungserklaerungen.php? landinfo =CH&stichtag=13.08.2010&gruppen_id=10&position= abgefragt 14.11.2016) <?page no="158"?> 157 Außerdem können weiter Inhalte in der Rechnung erforderlich sein, nämlich Angaben gemäß den Bedingungen des Kunden im Vertrag bzw. im Akkreditiv. Bei allen Angaben, soweit sie auch im Akkreditiv enthalten sind, muss wörtliche Übereinstimmung gewährleistet werden. USt-IdNr. (Umsatzsteuer-Identifikationsnummer) VAT Number (Value Added Tax) Rechnungsnummer Invoice Number Frankatur Terms of delivery Warenverkehrsbescheinigung Movement Certificate Ursprungsland Country of origin Menge Quantity (QTY) Warenbezeichnung Description of goods Tabelle 3.1: Wichtige Daten in Rechnung / Proformarechnung auf Englisch (Quelle: weclapp GmbH Marburg, https: / / www.weclapp.com/ de/ blog/ proformarechnung/ abgefragt 14.11.2016) Proformarechnung Eine Proformarechnung (englisch Pro Forma Invoice) verkörpert grundsätzlich einen Beleg für Waren, die (im konkreten Fall) für den Aussteller der Rechnung keinen Handelswert haben. Mit einer solchen Rechnung wird der Empfänger nicht aufgefordert, den ausgewiesenen Betrag zu bezahlen. Es kann sich beispielsweise um ein Geschenk handeln oder um Warenmuster bzw. um einen Garantie- oder Kulanzfall, wo Ware erneut geschickt wird. Diese Sachverhalte treten sowohl im Inlandsgeschäft als auch im internationalen Handel auf. Wenn es sich um Warensendungen aus den o.g. Gründe in so genannte Drittländern handelt, also keine Handelsrechnung geschrieben wird, verlangt der Zoll eine Deklaration der Güter mittels Proformarechnung. Die Angaben entsprechen denen der Handelsrechnung (siehe oben). Das Dokument muss außerdem die Bezeichnung Proformarechnung tragen und den jeweiligen Zweck erkennen lassen, beispielsweise: - Muster ohne Wert / - Nur für zolltechnische Verwendung (vgl. DPD iloxx eService GmbH, Nürnberg, a.a.O.) <?page no="159"?> 158 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente 33..66 BBaannkk PPaayymmeenntt OObblli ig gaattiio onn aalls s AAllt teerrnnaattiiv vee zzuumm DDo okkuu-mmeenntteennaakkkkrreeddiit tiiv v Seit einigen Jahren arbeiten diverse internationale Banken und große Industrieunternehmen aus verschiedenen Staaten, die Internationale Handelskammer (ICC) sowie die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications (SWIFT) an der Ausgestaltung und Einführung eines neuen Finanzinstruments, genannt Bank Payment Obligation (BPO), in den internationalen Handel. 33..66..11 GGrruunnddssäättzzlliicch heess zzuurr BBPPOO Seit dem 01.07.2013 gibt es dafür ein Regelwerk, das die einheitliche Handhabung durch alle Nutzer des Zahlungs- und Finanzierungsinstruments, soweit sie Banken sind, gewährleistet. Die Beziehungen zwischen Exporteuren und Importeuren und ihren Banken sind, wenn es um BPO geht, nicht davon berührt. Die neuen Regeln tragen die Bezeichnung Einheitliche Richtlinien für die Bank Payment Obligation 750 In Deutschland gehören die Commerzbank und die UniCredit zu den „Pionieren“ auf diesem Gebiet. Wie kann man die BPO definieren? “Swift and the ICC Banking Commission have jointly produced a set of rules on Bank Payment Obligation (BPO), which can be defined as an irrevocable conditional undertaking to pay given from one bank to another.” (http: / / www.iccwbo.org/ About-ICC/ Poli cy-Commissions/ Banking/ Taskforces/ Bank-Payment-Obligation (BPO); abgerufen 10.03.2015). Etwas ausführlicher und damit mehr Merkmale benennend ist diese Definition: „Die BPO (Bank Payment Obligation) ist ein unwiderrufliches Zahlungsversprechen einer Bank an eine andere Bank, nach erfolgreichem elektronischem Abgleich vereinbarter Handelsdaten am Fälligkeitstag Zahlung zu leisten. Sie ist somit ein neues Zahlungssicherungsinstrument im Trade-Finance-Geschäft, das erstmalig die zusätzliche Möglichkeit bietet, eine Zahlungsverpflichtung aus einer offenen Rechnung zwischen Banken zu bestätigen und damit finanzierbar zu machen.“ (Wolf, F.-O.: Die Bank Payment Obligation (BPO) im Außenhandel, http: / / www.export manager-online.de/ archiv/ 410/ die-bank-payment-obligation-bpo-im-aussenhandel abgerufen 10.03.2015 In einer Veröffentlichung von ICC und World Business Organization heißt es: <?page no="160"?> 159 (http: / / www.iccwbo.org/ About-ICC/ Policy-Commissions/ Banking/ Taskforces/ Bank-Payment-Obligation-(BPO) / abgerufen 10.3.15) Die im obigen Zitat getroffene Aussage, dass die BPO als zu betrachten sei, findet Widerspruch. So wird z.B. in der Publikation der Commerzbank „Die Bank Payment Obligation (BPO) im Außenhandel“ gesagt: - (Wolf, F.-O., Global Head Cash Management & International Business, Commerzbank AG, http: / / www.exportmanager-online.de/ 2013/ ausgabe-10-2013/ die-bank-payment-obligation-bpo-im-aussenhandel/ abgefragt 15.11.2016 „www.exportmanager-online.de, FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH). Der Importeur muss also in einem höheren Maße als beim Akkreditiv Vertrauen zum Exporteur haben, weil der Datenabgleich (siehe auch die zwingend vorgeschriebenen Data-Sets) nicht das Kontrollniveau eines Dokumentenstudiums durch eine neutrale 3.Stelle (Bank) erreicht. Die wesentlichen Eigenschaften des Instrumentes BPO lauten: [1] Unwiderruflichkeit - Beendigung nur in gegenseitiger Übereinkunft, nicht gegen den Willen einer Seite, [2] Konditionalität wird nur wirksam, wenn die vereinbarten Bedingungen erfüllt werden, [3] Einzeltransaktion basiert immer auf einer vertraglichen Vereinbarung über ein konkretes Geschäft, [4] Avalverbindlichkeit wird bei den beteiligten Banken unter dem Bilanzstrich ausgewiesen. (Vergl. Spitz, O. a.a.O.) <?page no="161"?> 160 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente Abb.3.14: Akteure und Aktivitäten bei einer BPO Quelle: Spitz, O., Hypovereinsbank, file: / / / C: / temp/ 20141118_eVolution2014_ BPO%20.pdf abgefragt 17.11.2016 33..66..22 AArrbbeeiittsssscch hr riittttee bbeeii eeiinneerr BBPPOO [1] Die BPO ist ein Bank-zu-Bank-Instrument (im Interbankenverkehr), Empfänger der Zahlung der Importeurbank ist die andere Bank, also nicht direkt der Exporteur. [2] Um eine BPO entstehen zu lassen, müssen Importeur und Exporteur sich untereinander über die Zahlungsbedingung BPO verständigen und jeweils separat und unabhängig mit ihrer Bank über deren Mitwirkung an einer solchen Zahlungsbedingung verhandeln. Die Exporteurbank verpflichtet sich nur zum Empfang des Geldes über SWIFT zugunsten des Exporteurs. [3] Eine BPO „arbeitet“ auf der Grundlage eines elektronischen Abgleichs ( ) von Handelsdaten, ausgeführt von den zwei beteiligten Banken (des Käufers bzw. Verkäufers). Diese Banken haben auf Grundlage entsprechender Vereinbarungen Zugriff auf eine spezielle Plattform für einen elektronischen Datenabgleich, generell TMA ( ) genannt. Bei SWIFT ist das die (TSU), die wesentlich an der Schaffung der BPO beteiligt war. [4] Die nach Auftragsabwicklung abzugleichenden Daten werden zwischen dem Käufer und dem Verkäufer im Vorfeld als sogenannte festgelegt, die i. d. R. zwischen den Vertragsparteien die Form einer Kauforder ( ) annimmt. Für die ist ein Minimum an Daten verlangt, damit die Obligation überhaupt entsteht: Käufer, Verkäufern, Güter (Menge, Wertvolumina), BIC der Banken, Zahlungsbedingung (Zahlungstermin), Betrag der BPO, Verfallstermin der BPO u.a.m. <?page no="162"?> 161 Außerdem werden normalerweise weitere Datensätze festgelegt, die Inhalte aus der Rechnung ( ), dem Versicherungspapier ( ) dem Transportpapier ( usw.) und aus vom Importeur gewünschten Zertifikaten ( ) widergeben. Merke: „Gegen offene Rechnung“ bedeutet nicht, dass nur Daten gemäß Handelsrechnung verwendet werden. Aber diese Dokumente werden nicht (auch nicht elektronisch) den Banken übergeben. Diese erhalten nur Daten. Die Daten, die normalerweise für eine vereinbart und abgeglichen werden, zeigt die nachfolgende Abbildung: <?page no="163"?> 162 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente Abb. 3.15: Potenzielle Anforderung für Daten gemäß Baseline (Maybank (Malaysia), https: / / www.maybank2u.com.my/ WebBank/ BPO-i_App- Form-Baseline.pdf, abgefragt 22.11.2016 [5] Nach Versendung liefert der Exporteur seiner Bank die realen Daten gemäß der anfänglichen Festlegung zwischen Käufer und Verkäufer über die relevanten Größen (lt. Baseline). Die werden der TMA übermittelt und es findet der Abgleich statt. Ist er erfolgreich, wird die BPO zugunsten des Exporteurs generiert. Die Bank des Verkäufers (Receiving Bank) erhält von der Bank des Importeurs (Obligor Bank) die unwiderrufliche Zusicherung, bei Fälligkeit den Betrag des Handelsgeschäftes zugunsten <?page no="164"?> 163 des Verkäufers elektronisch zu zahlen. (vgl. http: / / www.shippingsolutions.com/ blog/ bank-payment-obligation-an-opinion-on-a-new-international-payment-methodInterMart, Inc./ Shipping Solutions/ 2014; abgerufen 10.03.2015) (vgl. Bank Payment Obligation (BPO) Frequently Asked Questions for Banks Prepared by the ICC Banking Commission www.iccwbo.org/ .../ Banking/ .../ 1205-rev-BPO......28 October 2014.pdf p.6; abgerufen 10.03.2015) Wie Dokumente bei Zahlung mittels BPO gehandhabt werden, sei im Vergleich mit dem Akkreditiv gezeigt: Wenn ein Akkreditiv elektronisch abgewickelt wird, gelten ausdrücklich die Bestimmungen der „eUCP“ als Ergänzung ( ) zu den UCP 600. Alle benutzten Dokumente werden nur elektronisch präsentiert. Auch ein Konnossement (B/ L), obwohl Wertpapier, nimmt dann die Form eines an und Signaturen werden elektronisch geleistet. Wird dagegen eine BPO benutzt, sind die URBPO 750 gültig. Dann ist ein B/ L genau wie andere Dokumente die Quelle für Daten, die in den sogenannten eingehen, als Teil der Datenübermittlung des Exporteurs (nach Verschiffung) an seine Bank und von dieser an die TMA weitergeleitet werden. Dort erfolgt der Abgleich mit der . Dokumente in Papierform können ergänzend verwendet werden, aber nur direkt zwischen Exporteur und Importeur, der Versand geht nicht über die Banken, Papiere haben für die BPO keine Bedeutung (vgl. Bank Payment Obligation (BPO) Frequently Asked Questions for Banks Prepared by the ICC Banking Commission www.iccwbo.org/ .../ Banking/ .../ 1205-rev-BPO .....28 October 2014.pdf, p. 8; abgerufen 10.03.2015). Zu Zielstellung / Vorteile / Nachteile von Bank Payment Obligations heißt es grundsätzlich in der Internet-Fachzeitschrift „World Commerce Review“: (World Commerce Review, First-ever rules for open account trade launched, www.worldcommercereview.com http: / / www.worldcommercereview.com/ publications/ article_pdf/ 714; abgerufen 10.3.15) <?page no="165"?> 164 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente Abb. 3.16: BPO-Daten und Matching Casterman, A.: BPO http: / / de.slideshare.net/ andre_casterman/ icc-bpo-seminarfor-uae-banks? related=2 page 27 abgerufen 15.03.2015 Vorteile für Exporteure bringt die BPO vor allem wie folgt: [1] Der elektronische Abgleich von Datensätzen, die den ein Handelsgeschäft verkörpernden Dokumenten entnommen sind, geht de facto in „Echtzeit“ vonstatten und lässt keinen Raum für subjektive Interpretationen von Papieren und ihren Aussagen. [2] Bei sich regelmäßig wiederholenden (revolvierenden) Transaktionen können viele Daten immer wieder benutzt werden, was Fehler durch erneute Dateneingaben usw. reduziert. [3] Der Geldeingang beschleunigt sich (bei „Sofortzahlung“), weil sich die Prüfzeit (von maximal 5 Tagen beim Akkreditiv) auf Minuten verkürzt. [4] Importeure werden in Anbetracht der wesentlich geringeren Kosten des Procederes (verglichen mit einem Akkreditiv) eher bereit sein, diese Zahlungsbedingung zu akzeptieren. [5] Die Bank des Exporteurs ist immer bereit, dem Exporteur „Pre- Shipment-Finanzierung“ zu gewähren wie auch einen Lieferantenkredit kostengünstig zu refinanzieren, quasi als „Paketlösung“. <?page no="166"?> 165 Abb. 3.14: Vergleich zwischen „offene Rechnung“, Letter of Credit und BPO. Quelle: Casterman, A.: BPO http: / / de.slideshare.net/ andre_casterman/ supplychain-finance-for-corporates-getting-paid-on-time-using-bank-payment-obligation? related =3slideshare/ page 5; abgerufen 15.03.2015 chain-finance-for-corporates-getting-pa pa pa pa pa paaa paa pa paa pppa paa paa ppa ppa paaaa ppa pppppppppppppp id-on-time-using-bank-payme tion? related =3slideshare/ page 555555; ; ; ; ; ; ; ; ; ab aaab aab aaaaa gee ge geeeeee ge geee geeeeeeeeeeeeeeeeeeeeru ru rrru rru ru rru ru ruuuuu ru rrru ru rru ru ru rru rru rrrrrruuu rrrr fe fffffffffffffffffffffffffffffffffff n 15.03.2015 Abb. 3.17: Vergleich zwischen „offene Rechnung“, Letter of Credit und BPO. Quelle: Casterman, A.: BPO http: / / de.slideshare.net/ andre_casterman/ supply-chain-finance-for-corporatesgetting-paid-on-time-using-bank-payment-obligation? related =3slideshare/ page 5; abgerufen 15.03.2015 <?page no="167"?> 166 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente 33..66..33 PPrroobblleemmee mmiitt ddeerr HHaannddhhaabbuunngg ddeerr BBPPOO Trotz der unbestrittenen Vorteile des neuen Zahlungs- und Finanzierungsinstruments ist das Tempo der Einführung in der Export-/ Importpraxis bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die BPO sichert zweifelsfrei das Zahlungsrisiko des Exporteurs ab: Für die Bonität des Importeurs steht die Bank des Importeurs ( ) ein. Sollte es mit dieser Bank Probleme geben, ist die Bank des Exporteurs ( ) in der Pflicht. Anders sieht es mit dem Lieferrisiko des Importeurs aus. Für die Gewissenhaftigkeit und Seriosität des Verkäufers sieht die BPO keine Absicherung vor. Folgende Probleme können beispielsweise auftreten: [1] Der Verkäufer übermittelt das Konnossement nicht prompt an den Käufer. Dieser hat ggf. keinen problemlosen Zugang zur Ware am Ort der vorgesehenen Auslieferung, Verzögerung und Kosten sind die Folge. [2] Er kann, als legitimierter Halter des Dokumentes (siehe z.B. Comité Maritime International, Rules-for-Electronic-Bills-of-Lading, Artikel 4, a.a.O.), in betrügerischer Absicht das Konnossement gar nicht übersenden und die (schwimmende) Ware ein zweites Mal verkaufen. [3] Er kann falsche Daten zum Abgleich mit der melden, also auf eine andere Art absichtlich betrügen: Falsche Güter, falsche Menge usw. bis hin zum totalen Betrug mit wertlosem Inhalt einer von den Daten her korrekten Lieferung. - (Wells, R., a.a.O.) Bei dieser Problematik konkurriert die BPO mit dem Standby Letter of Credit (bzw. einer entsprechenden Bankgarantie). Ein Standby Letter of Credit als eine Sonderform der Akkreditive, gestellt vom Exporteur, könnte im Unterschied zu einer BPO bei Verkauf gegen (einfache) Rechnung Schäden durch Falschlieferung oder Nichtlieferung finanziell ausgleichen. Eine Bank als Garantin verlangt vom Antragsteller aber ausreichende Bonität - sonst haftet sie nicht bei solchen Eventualrisiken. Zusammenfassend kann also gesagt werden: Da bei der Zahlungsbedingung BPO keine Dokumentenprüfung durch eine neutrale, unabhängige Stelle (im Unterschied zum Akkreditiv) stattfindet und die Übersendung der Dokumente vom Verkäufer zum Käufer letztendlich vom guten Willen des Ersteren abhängt, liegen hier die „strukturellen“ Risiken für den Käufer und es besteht bei der BPO Ergänzungsbedarf. <?page no="168"?> 167 Eine Dokumentenkontrolle deckt erfahrungsgemäß abweichende Parameter einer Warenlieferung auf wie auch plumpe Fälschungen von Dokumenten. Bei der BPO findet sie über das (elektronische) (zwischen und ) statt. Die Schwäche besteht aber darin, dass die Bank des Exporteurs eventuell nicht die Daten aus dem Originaldokument bekommt, sondern andere. Zwischen Zahlung durch den Käufer und Dokumentenversand durch den Verkäufer sollte eine zeitliche Kopplung bestehen. Hier wird lt. ursprünglicher BPO-Konstruktion nur eine Absprache im Rahmen des Grundgeschäfts getroffen. Die CargoDocs Bank Payment Obligation Plus (BPO+), die von ess- DOCS entwickelte und seit 2015 erfolgreich angewendete Version der Zahlungsbedingung BPO, überwindet die o.g. Mängel. Die folgende Abbildung zeigt (schematisch) die Veränderungen im BPO-Prozess. Abb. 3.18: Beispiel für Regie von essDOCS beim Dokumentenfluss (Quelle: Brown Brothers Harriman & Co 2016, Interview with essDOCS Co-Founder Alexander Goulandris, May 4, 2016. https: / / www.bbh.com/ en-us/ insights/ interview-with-essdocs-co-founder-alexander-goulandris/ 16002, abgefragt 12.11.2016) Welche Veränderungen/ Verbesserungen fanden bei der Ausgestaltung der ursprünglichen BPO zur CargoDocs BPO+statt? [1] Das essDOCS-System übernimmt (vermittels CargoDocs-Funktionen) de facto die Rolle eines Mittlers und Kontrolleurs zwischen den vier Partnern eines Exports, nämlich Käufer und Verkäufer und den zwei Banken, <?page no="169"?> 168 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente [2] die CargoDocs-Lösung enthält Algorhytmen für die Antragstellung bei der Bank für eine BPO, die Fixierung der und die Nutzung der Daten aus den Originalen der elektronischen Dokumente für den zwecks finalem Abgleich, [3] die Datenübertragung zu den Banken erfolgt mit hoher Sicherheit auf Grundlage von ISO 20022 Trade Services message set, auch als UNIFI- Standard (UNIversal Financial Industry message scheme) bezeichnet, [4] das Original des Konnossements wird solange zurück gehalten, bis ein erfolgreicherAbgleich passiert ist, dann wird umgehend automatisch die Übermittlung an den Käufer frei gegeben. (essDOCS http: / / www.essdocs.com/ solutions/ trade-fi nance/ bank-payment-obligation-plus, abgefragt 20.12.2016). [5] Die gesamte BPO-Transaktion kann von Anfang bis Ende vollelektronisch ablaufen, die Banken müssen keine Daten von Hand in das System eingeben usw. Wenn man es kurz und knapp darstellen will - Aufgaben, die CargoDocs übernimmt: [1] Online B/ L Drafting [2] Original B/ L Sign & Issue [3] Adding Peripheral eDocs [4] Title Transfer [5] eB/ L Surrender [6] Cargo Release (Quelle siehe vorangehende Abbildung.) Die grundsätzliche Abwicklung eines Geschäfts mit der Zahlungsbedingung CargoDocs BPO+ wird von der Firma essDOCS (EMEA) Ltd. mit folgendem Beispiel im Internet publiziert: Grundgeschäft/ ttrraa nnssaa ccttiioonn: Ein Vertrag über Export von Eisenerz von Australien nach China wird abgewickelt. Vertragsdaten/ bbaa sseel li innee: DerKäufer (agri major Cargill) kreiert diese Datei, sendet sie an seine Bank (ANZ, ), diese übergibt die Daten (über SWIFT TSU) der Bank des Verkäufers (Westpac, ) und diese übermittelt sie dem Verkäufer (BHP Billiton) via CargoDocs. Hier finden ggf. Änderungen statt. Daten der Vertragserfüllung/ ffiinnaa ll ddaa ttaa sseett: Nach der Verladung der Ware kreiert der Verkäufer mit Hilfe von CargoDocs das elektronische Konnossement und die Handelsrechnung. Der abschließende Datensatz ( ) <?page no="170"?> 169 wird automatisch auf Basis der originalen elektronischen Dokumente von CargoDocs erstellt und der Bank des Verkäufers geliefert. Die Dokumenten- Originale verbleiben „treuhänderisch“ bei CargoDocs. Datenabgleich/ ddaa ttaa m maa ttcch hiin ngg : Das Ergebnis des Abgleichs wird in einem Bericht (TSU Match Report) dokumentiert, und wenn dieser erfolgreich verlaufen ist, werden die Dokumente (eB/ L u.a.) von CargoDocs umgehend an den Käufer transferiert. (vgl. Demetriou, N., http: / / www.essdocs.com/ press-room/ first-cargodocs-bpo-plus-transaction-completed-successfully, abgefragt 27.12.2016) F Fr r aag geen n Welche Risiken kennen Sie im Exportgeschäft eines internationalen Unternehmens? Erläutern und beschreiben Sie diese. Welche Bedeutung kommt den Zahlungsbedingungen bei der Absicherung von Export-Umsätzen und damit des Geschäftserfolgs zu? Was unterscheidet grundsätzlich die dokumentären von den nichtdokumentären Zahlungsbedingungen? Wo liegt das Problem bei der Bedingung „Vorauszahlung“? Beschreiben und erläutern Sie die Abwicklung eines Akkreditivs. Wie funktioniert eine Bank Payment Obligation und was unterscheidet sie von einem Akkreditiv? LLiitte erraattuurr-- / / IInntteerrnne ettqqu ueelllleenn Lehrbücher Büter, C.: Außenhandel, Berlin, Heidelberg 2013 Fuchs/ Apfelthaler: Management internationaler Geschäftstätigkeit, Wien 2009 Ganssauge, N., Elektronische Dokumente in der Schifffahrt am Beispiel von Elektronischer Rechnung und Elektronischem Konnossement, in: Schriften des Deutschen Vereins für Seerecht, Heft 101, 2005, www.seerecht.de/ wp-content/ uploads/ dvis-schriftenreihe-a-heft-101.pdf, abgefragt 10.12.2016 Gehrke, F., Das elektronische Transportdokument - Frachtbrief und Konnossement in elektronischer Form im deutschen und internationalen Recht, Münster 2005, S. 224/ 25 Häberle, S.: Handbuch für Kaufrecht, Rechtsdurchsetzung und Zahlungssicherung im Außenhandel, München, Wien 2002 Jahrmann, F.-U.: Außenhandel, Herne 2016, S. 129 <?page no="171"?> 170 Internationale Zahlungsbedingungen als Instrumente Lüdke, Ines: Bank Payment Obligation, in: die Bank Nr. 5 / 2015 S. 20-23 Köln Möller, U.: Praxisleitfaden Außenhandel im Bankgeschäft, Köln 2008 Schmeisser, W./ Hannemann, G./ Krimphove, D. u.a.: Finanzierung und Invest i ti one n, Mü nch en 20 12 Sternad, D./ Höfferer, M./ Haber, G. 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Nov. 2016, FRANKFURT BU- SINESS MEDIA GmbH <?page no="176"?> 44 SSoocciieettaass EEuurrooppaaee ((SSEE" AAkkttiieennggeesseellllsscchhaafftt uunndd BBöörrssee iimm RRaahhmmeenn ddeerr FFiinnaannzziieerruunngg iinntteerrnnaattiioonnaalleerr UUnntteerrnneehhmmeenn <?page no="177"?> 176 Societas Europaa (SE) Lernziele Sie sollen lernen, dass das Erfolgsmodell internationaler Unternehmen der grenzüberschreitende, wachsende Industriebetrieb ist, der sich des rechtlichen Erfolgsmodells Aktiengesellschaft, hier in Europa in der Gestalt der Societas Europae (SE), zu bedienen weiß. Sie sollen lernen, dass mit der Societas Europae (SE) auch der Börsengang und die Finanzierung der internationalen Unternehmung im Rahmen der internationalen Kapitalmärkte erleichtert wird. Sie sollen lernen, dass sich mit der SE der strategische, normative Rahmen der internationalen Unternehmung weitgehend in Europa gestalten lässt. <?page no="178"?> 177 Häufig wird ein Börsengang als Königsweg betrachtet, um das Wachstum eines Unternehmens zu finanzieren, da dadurch Eigenkapital vermehrt werden kann. Es soll daher kritisch betrachtet werden, ob ein Börsengang tatsächlich für alle Unternehmen so vorteilhaft wäre. Ist die Entscheidung zu Gunsten des Handels an der Börse gefallen, bietet sich für international tätige Unternehmen seit einigen Jahren die Rechtsform der SE an. Diese Rechtsform soll kritisch mit der deutschen AG verglichen werden, so dass Anhaltspunkte gewonnen werden, wann ein Wandel von der AG zur SE sinnvoll oder überhaupt möglich wäre. 44..11 BBöörrsseennggaanngg uun ndd FFiin naannzziie erruunngg Um Aussagen über die Vor- und Nachteile eines Börsenganges im Rahmen der Finanzierung eines Unternehmens machen zu können, muss zunächst erörtert werden, welche Finanzierungsmöglichkeiten es überhaupt gibt und wie der Börsengang einzuordnen ist. Zudem muss kurz beschrieben werden, für welche Unternehmen ein Börsengang überhaupt in Frage kommt. 44..1 1..1 1 GGrruunnddllaaggeenn ddeerr FFi innaannz ziieerruunng g Bei der Finanzierung unterscheidet man grundsätzlich nach Mittelherkunft zwischen der Außen- und Innenfinanzierung und zum anderen nach der Rechtsstellung der Kapitalgeber zwischen Eigen- und Fremdfinanzierung (vgl. Koss 2006, S. 16ff.). Finanzierung Mittelherkunft: Außenbzw. Innenfinanzierung Rechtsstellung der Kapitalgeber: Eigenbzw. Fremdfinanzierung Bei der Außenfinanzierung wird das Kapital in Form von Eigenkapital oder Fremdkapital zugeführt. Einlagenfinanzierung oder Beteiligungsfinanzierung in der Form von Eigenkapital oder Kreditfinanzierung als Fremdkapital sind Formen der Außenfinanzierung. Bei der Innenfinanzierung wird Eigenkapital als einbehalte Gewinne oder Desinvestitionen, oder Fremdkapital als Rückstellungen zugeführt (vgl. Bieg/ Kußmaul 2009, S. 29). Bei der Eigenfinanzierung wird Eigenkapital von den Eigentümern zur Verfügung gestellt und trägt das volle Risiko der Unternehmung. Im Fall der Insolvenz erhalten die Eigentümer zuletzt ihr Kapital zurück. Fremdkapitalgeber hingegen erhalten ihr Kapital im Insolvenzfall vorrangig zurück (vgl. Koss 2006, S. 23). Beim Gang an die Börse wird das Kapital nicht aus dem betrieblichen Umsatzprozess zugeführt und kommt von außen. Der Börsengang lässt sich also dem Bereich der Außenfinanzierung und Eigenfinanzierung zuordnen. <?page no="179"?> 178 Societas Europaa (SE) 44..1 1..2 2 AAllllggeemmeeiinne ess zzuumm BBöörrsse enng gaanng g Mit dem Begriff Börsengang wird die erste öffentliche Ausgabe von Aktien zum Börsenhandel bezeichnet (vgl. Wöhe et al. 2009, S. 108). Durch den Aktienverkauf fließt neues Kapital von einem neuen Investorenkreis ins Unternehmen, welches für Investitionen und Wachstum zur Verfügung steht (vgl. Wöhe et al. 2009, S. 108). Voraussetzung für den Börsengang eines Unternehmens ist zunächst eine börsenfähige Rechtsform. Bei deutschen Unternehmen kommt die Aktiengesellschaft (AG), Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) oder Europäische Aktiengesellschaft (SE) dafür in Frage. Börsenfähige Rechtsformen in Deutschland AG KGaA SE Liegt keine solche Rechtsform vor, muss ein Rechtsformwechsel durchgeführt werden (vgl. Land 2009, S. 103f). Zudem müssen Unternehmen die so genannte Börsenreife aufweisen. Einerseits müssen quantitative Kriterien erfüllt werden, zu denen Wachstumspotential, Ertragsaussichten, Umsatz- und Unternehmensgröße, Alter des Unternehmens und Emissionsvolumen gehören (vgl. Wöhe et al. 2009, S. 108, Habersack 2008, S. 74). Aber auch qualitative Bedingungen gehören zur Börsenreife: Markt- und Wettbewerbsfähigkeit, Stabilität der Organisationstruktur, Managementstärke, Publizitätsbereitschaft und Qualität von Controlling und Rechnungswesen (vgl. Wöhe et al 2009, S. 109, Habersack 2009, S. 74). 44..11..33 VVo orr-uunndd NNa ac chhtte ei ille e ddees s BBöörrsseennggaan nggss Nun da die Voraussetzungen für einen Börsengang bekannt sind und auch andere Finanzierungsarten kurz wieder vor Augen geführt wurden, kann auf einige wesentliche Vor- und Nachteile des Börsengangs eingegangen werden. 44..11..33..11 VVoorrtteeiillee eeiinneess BBöörrsseennggaannggss Zu den wichtigsten Motiven, die für den Börsengang sprechen, zählt die Stärkung des Eigenkapitals. Im internationalen Vergleich liegen deutsche Unternehmen mit ihrer Eigenkapitalquote weit hinter Ländern wie Großbritannien oder den USA zurück. Allerdings führen auf der anderen Seite zusammenwachsende Märkte und internationale Konkurrenz zu verstärktem Druck, schnell wachsen und sich verändern zu können. Der Börsengang wird häufig <?page no="180"?> 179 als die beste Möglichkeit erachtet, um die Mittel zu stärken, die das notwendige Wachstum finanzieren. Durch den Börsengang kommt es einerseits zu einem Zuwachs an Kapitalmitteln, auf der anderen Seite wird eine höhere Eigenkapitalquote erreicht, was wiederum die Gewinnung von Fremdkapital erleichtert (vgl. Wöhe et al. 2009, S. 108). Die geringere Abhängigkeit von Kreditinstituten verbessert die Flexibilität des Unternehmens, das nun Entscheidungen direkt umsetzen kann (vgl. Haubrok 2006, S. 24). Ein Börsengang kann einen fast unbegrenzten Zugewinn an Eigenkapital ermöglichen, wenn durch die richtige Strategie zukünftige Aktionäre von einer Investition überzeugt sind (vgl. Ferres 2001, S. 19f.). Durch den Börsengang kann sich zudem das Image des Unternehmens verbessern. Börsenunternehmen werden mit einer gewissen Größe und Bedeutung verbunden. In Deutschland besitzen die meisten Top-Unternehmen die Rechtsform der AG (vgl. Schnobrich/ Barz 2000, S. 29ff.). Außerdem erhöht sich durch die gesteigerten Marketingaktivitäten der Bekanntheitsgrad des Unternehmens und neue Kunden werden auf das Unternehmen aufmerksam. Auch steigt die Attraktivität des Unternehmens für Mitarbeiter und Führungskräfte, da Entlohnungsformen der Mitarbeiterbeteiligungen, so genannte Aktienoptionsprogramme, möglich sind (vgl. Wöhe et al 2009, S. 108). Ein weiterer Pluspunkt ist, dass der Börsengang mögliche Nachfolgeregelungen bietet, da durch die rechtliche Trennung von Unternehmensleitung und Eigentümern das Unternehmen für externe Führungskräfte offensteht (vgl. Land 2009, S. 101). Der Börsengang ermöglicht bisherigen Investoren einen relativ einfachen Verkauf ihrer Anteile und somit gegebenenfalls einen Rückzug aus dem Unternehmen (vgl. Land 2009, S. 101; Wöhe et al. 2009, S. 108). Es besteht zudem die Möglichkeit, das Risiko auf alle Aktionäre zu verteilen. 4 4..1 1..3 3..22 NNa acchhtteei illee ddeess BBö örrsse enng gaanng gss Das positive Image durch den Börsengang steht einer Reihe von entstehenden Publizitätspflichten gegenüber. Der Börsengang führt dazu, dass der Finanzöffentlichkeit weitreichende Informationen über die finanzielle Situation des Unternehmens offengelegt werden müssen. Auch muss die vergangene und erwartete Gewinnentwicklung, sowie Beteiligungen offengelegt werden. Insbesondere institutionelle Anleger erwarten quartalsweise diese Informationen zu erhalten (vgl. Bösl 2004, S. 21). Ein Börsengang ist ein relativ zeitaufwändiges Vorhaben. Unternehmen sollten 9 bis 15 Monate für den Börsengang veranschlagen. Bei komplexen Gegebenheiten kann der Börsengang sogar länger dauern (vgl. Bösl 2004, S. 57) Je internationaler der Börsengang ausgelegt ist, desto komplexer gestaltet er sich und desto höher werden auch die Kosten. Aufgrund des hohen Fixkos- <?page no="181"?> 180 Societas Europaa (SE) tenanteils sinkt der prozentuale Anteil der Kosten, je höher das Emissionsvolumen ist. Im Schnitt liegen die Kosten jedoch bei ca. 10% des Emissionsvolumens (vgl. Jakob/ Klingenbeck 2001, S. 70f.). Dies bedeutet aber auch, dass die Kosten insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen eine starke Belastung darstellen. Zudem müssen die Folgekosten des Börsengangs beachtet werden. Dazu gehör en z. B. di e j ährlic he Ge büh r des B ör se ns egm en ts , d ie K os te n ei ne r öffe ntlichen Hauptversammlung, die Erstellung eines Geschäftsberichts und sonstiger Pflichtveröffentlichungen sowie Kosten der Rechtsberatung (vgl. Land 2009, S. 109). Im Rahmen des Börsengangs veräußern Alteigentümer ihr Anteilseigentum an ein außenstehendes und weitgehend unbekanntes Publikum und verlieren an Einfluss. Weitere Wertpapierströme bleiben künftig unkontrollierbar, so dass die Gefahr eines unerwünschten Fremdeinflusses auf das Unternehmen entsteht. Im schlimmsten Fall kann dies bis zur Unternehmensübernahme führen. Die Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien vermindert diese Gefahr. Diese dürfen jedoch nicht mehr als 50% des Kapitals einer AG repräsentieren. Bei dieser Aktienform ist auf der anderen Seite eine Vorzugsdividende an die Investoren zu zahlen (vgl. Rummer 2006, S. 79). 44..22 SSo occiieetta ass EEuurro oppa aee ((SSEE)) Um sinnvolle Empfehlungen im Hinblick auf die Rechtsform der SE im Gegensatz zur deutschen AG geben zu können, müssen zunächst wesentliche Grundzüge der Europäischen Aktiengesellschaft dargestellt werden. 44..2 2..1 1 AAllllggeemmeeiinne ess üübbeerr ddiiee SSEE Die Societas Europaea (SE) hat einen langen Weg hinter sich, bevor sie im Oktober 2004 endlich in Kraft trat. Schon 1966 wurde eine Sachverständigengruppe beauftragt, einen Entwurf des Statuts für eine Europäische AG vorzuglegen. Doch nationale Interessen legten der Sachverständigengruppe Steine in den Weg, da befürchtet wurde, dass die nationalen Gesellschaftsformen durch die Europäische AG gefährdet sein könnten. Einen wesentlichen Konfliktpunkt stellten dabei die national geltenden Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer dar. Seit der Umsetzung der entsprechenden Verordnung zur SE am 08.10.2004 (vgl. Art. 70 SE-VO und Art. 14 (1) SE-RL), steht die SE multinational agierenden europäischen Unternehmen als Gesellschaftsform zur Verfügung. Die folgenden Ziele standen bei der Schaffung dieser Gesellschaftsform im Vordergrund: <?page no="182"?> 181 Z.T. sehr komplexe Konzernstrukturen, mit nationalen Tochtergesellschaften gegründet nach dem Recht des jeweiligen Landes, sollten vereinfacht werden Die Möglichkeit einer Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedsstaat, ohne das bestehende Unternehmen auflösen zu müssen, sollte gewährt werden Die Wahlmöglichkeit zwischen einem dualistischen und monistischen Verwaltungssystem sollte geschaffen werden Die Gründung von Unternehmen im europäischen Raum sollte erleichtert werden 44..2 2..1 1..11 RReec chhttssq qu ueelllleenn Das Ziel eine vom nationalen Recht vollkommen unabhängige Rechtsform zu schaffen konnte aufgrund der Widerstände in den einzelnen Mitgliedsstaaten nicht erreicht werden (vgl. Fuchs 2004, S. 15f.) Die Grundlage für die Umsetzung in nationales Recht bilden die SE-VO, sowie die SE-RL, die allerdings nur den groben Rahmen bieten. Im Art. 9 (1) c ii SE-VO findet sich ein Verweis auf die nationalen Bestimmungen im Hinblick auf Aktiengesellschaften, solange sie nicht den Bestimmungen der SE-VO entgegenstehen. Damit bleibt den Mitgliedsstaaten weitgehend Spielraum für die Ausgestaltung der Bestimmungen. Die SE-RL regelt vor allem Mitbestimmung der Arbeitnehmer in einer neu gegründeten SE. Auch die SE-RL verweist im Art. 14 auf die Implementierung geeigneter Vorschriften nationales Recht. In Deutschland wurde die SE-VO durch die SEEG in nationales Recht umgesetzt und gilt seit dem 08.10.2004 für alle SE mit Sitz in Deutschland bzw. mit Sitz der Gründungsgesellschaften in Deutschland. Das SEEG besteht im Wesentlichen aus dem SEAG - Gesetz über die Ausführung der EG-Verordnung und dem SEBG - SE-Beteiligungsgesetz. Das SEEG ergänzt dabei die SE-VO und SE-RL, soll jedoch keine abschließende Gesetzgebung darstellen. Laut Art. 9 (1) c ii SE-VO gelten für SEs mit Sitz in Deutschland parallel die Vorschriften für deutsche AGs. Trotz der Einführung der SE bleibt das nationale Recht weiterhin veränderbar und findet auch in geänderter Form Anwendung. In den Bereichen, die durch SE-VO, SE-RL und SEEG nicht geregelt werden, dient das nationale Gesellschaftsrecht als Lückenfüller. Im Deutschland sind hierbei insbesondere die Vorschriften des HGB, des UmwG und des AktG von Bedeutung (vgl. Horn 2005, S. 147; vgl. Waclawik 2004, S. 1191). Rechtliche Rahmenbedingungen für eine SE in Deutschland SE-VO, SE-RL SEEG AktG, UmwG, HGB etc. <?page no="183"?> 182 Societas Europaa (SE) 44..2 2..1 1..22 GGrrüünnd duunng gssvvoorraauusssse et tzzuunng geenn Eine SE kann nur von bestimmten Gesellschaftsformen mit Sitz in einem Mitgliedsstaat gegründet werden. So kann eine SE durch Verschmelzung oder Umwandlung nur durch Aktiengesellschaften gegründet werden, also z.B. durch deutsche AG (Anhang I SE-VO). Die Gründung einer Holding ist in Deutschland auch durch GmbHs möglich (Anhang II SE-VO). Eine gemeinsame Tochtergesellschaft kann hingegen auch durch andere juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts erfolgen (Art. 2 (3) SE-VO). Eine weitere Voraussetzung für die Gründung einer SE ist die Mehrstaatlichkeit der Gründungsmitglieder. Mehrstaatlichkeit: Mindestens zwei der Gründungsgesellschaften müssen ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedsstaaten haben. Folgende weitere Gründungsvorschriften bestehen: Mindestkapital: 120.000 EUR (Art. 4 (2) SE-VO (bei der AG musst der Mindestnennbetrag 50.000 betragen - § 7 AktG). Beschlussfassung durch die Hauptversammlung Schaffung einer Satzung (Art. 6 SE-VO); gem. Art. 9 (1) c iii SE-VO gilt Satzungsstrenge Sitz der SE am Sitz der Hauptversammlung (Art. 7 S. 1 SE-VO), in einem Mitgliedsstaat der EU. § 2 SEAG bestimmt für die SE mit Sitz in Deutschland, dass die Satzung der SE als Sitz den Ort zu bestimmen hat, an dem sich die Hauptverwaltung der Gesellschaft befindet Eintragung in das Handelsregister (Art. 13 (1) SE-VO, § 3 SEAG) Eintragung kann erst mit Vereinbarung gem. Art. 4 SE-RL erfolgen (Art. 13 (2) SE-VO 44..22..11..33 GGrrüünndduunnggssffoorrmmeen n Die SE kann durch vier verschiedene abschließende Gründungsvarianten entstehen, die auch als originäre Gründungsformen bezeichnet werden: Gründung durch Verschmelzung (Art. 2 (1) SE-VO) Gründung einer Holding-SE (Art. 2 (2) SE-VO) Gründung einer gemeinsamen Tochter-SE (Art. 2 (3) SE-VO) Gründung durch Umwandlung (Art. 2 (4) SE-VO). Die so genannte sekundäre Gründungsform bezeichnet die Möglichkeit einer bestehenden SE alleine eine Tochtergesellschaft zu gründen (Art. 3 (2) SE- VO) (vgl. Lutter 2002, S. 4). <?page no="184"?> 183 Gründung durch Verschmelzung Aktiengesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedsstaates gegründet worden sind und ihren Sitz und ihre Hauptverwaltung in der Gemeinschaft haben und das Mehrstaatlichkeitsprinzip erfüllen, können eine SE durch Verschmelzung gründen (Art. 2 Abs. 1 SE-VO). Verschmelzung möglich bei Aktiengesellschaften Sitz und Hauptverwaltung in der EG Mehrstaatlichkeitsprinzip Zur Erfüllung des Prinzips der Mehrstaatlichkeit müssen mindestens zwei der Gesellschaften dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen. Nach Art. 20 (1) SE-VO muss ein Verschmelzungsplan aufgestellt werden, der die wesentlichen Daten des Zusammenschlusses umfasst und die Aktionäre ausreichend informiert. Daraufhin wird der Verschmelzungsplan der Hauptversammlung vorgelegt. Der Verschmelzungsplan muss auf Rechtmäßigkeit in jedem Sitzstaat der Gründungsgesellschaften überprüft werden und darf nicht gegen nationales Recht verstoßen (Art. 25 SE-VO). In Deutschland ist dafür das zuständige Amtsgericht zuständig. Nach der Eintragung ins Handelsregister ist die Durchführung offenzulegen (vgl. Walden/ Meyer-Landrut (2005), S. 2121). In Ergänzung zu den Regelungen des SE-VO bietet das SEAG noch zwei Minderheitenschutzrechte nach §6 und §7 SEAG im Falle eines Wegzugs. Ein Wegzug ereignet sich, wenn nach Gründung einer SE durch Verschmelzung mit deutscher Beteiligung der Sitz der SE nicht im deutschen Rechtsraum liegt. Dann kann der Aktionär eine Nachbesserung der Umtauschverhältnisse anstreben (§6 SEAG). Außerdem ist ein Abfindungsangebot für die Aktionäre vorgeschrieben, die dem Verschmelzungsplan schriftlich wiedersprechen (§7 SEAG). Holding-SE Bei der Gründung einer Holding-SE nach Art. 2 Abs. 2 SE-VO sind nicht nur Aktiengesellschaften, sondern auch GmbHs als Gründungsgesellschaften zugelassen. Auch bei Holding-SE gilt das Prinzip der Mehrstaatlichkeit, wird allerdings erweitert: Erweiterte Mehrstaatlichkeit: Mindestens zwei der Gründungsgesellschaften müssen ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedsstaaten haben oder aber seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft oder Zweitniederlassung in einem anderen Mitgliedsstaat haben. <?page no="185"?> 184 Societas Europaa (SE) Voraussetzung zur Gründung einer Holding-SE AG oder GmbH Sitz und Hauptversammlung in Mitgliedsstaat der EG Erweiterte Mehrstaatlichkeit Die Gründung wird dadurch vollzogen, dass die Anteilseigner der die Gründung anstrebenden Gesellschaften ihre Anteile in die Holding-SE einbringen und dafür im Austausch Aktien der neu gegründeten SE erhalten. Voraussetzung ist jedoch, dass die tatsächlich in die Holding eingebrachten Gesellschaftsanteile jeweils mindestens 50% der Stimmrechte vermitteln. Anders als bei der Gründung durch Verschmelzung bleiben die Gesellschaften, die die Gründung angestrengt haben, in der ursprünglichen Form erhalten und existieren weiterhin unter dem Konzerndach der SE als unabhängige Gesellschaften (vgl. Jannott/ Frodermann 2005, S. 38). Bei der Holding-SE wird zunächst ein Gründungsplan erstellt, ähnlich dem Verschmelzungsplan. Auch wird der von den Aktionären einzubringende Mindestanteil festgelegt. Der Gründungsplan muss mindestens einen Monat vor der Hauptversammlung offen gelegt werden und es muss eine Zustimmung durch Dreiviertel-Mehrheit erfolgen (§10 (1) SEAG). Danach haben die Gesellschafter drei Monate Zeit, um mitzuteilen, ob sie ihre Anteile in die Holding einbringen werden (Art. 33 (1) SE-VO). Nach Ablauf dieser Frist haben die Gesellschafter, die bis dahin keine Mitteilung abgegeben haben, einen weiteren Monat, um sich zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist bleiben sie weiterhin Gesellschafter der Gründungsgesellschaften. Mit Erbringung des Mindestanteils pro Gründungsgesellschaft ist die Holding-SE gegründet (Art. 33 (2) SE-VO). Auch bei der Gründung einer Holding-SE haben die Minderheitsaktionäre ein Austrittsrecht (§ 9 SEAG) und Minderheitsaktionäre haben im Fall des Wegzugs ein Recht auf Überprüfung der Umtauschverhältnisse (§ 11 SEAG). Umwandlung einer AG in eine SE Eine Aktiengesellschaft kann in eine SE umgewandelt werden, wenn sie seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates unterliegende Tochtergesellschaft hat (Art. 2 Abs. 4 SE-VO). Voraussetzungen für Umwandlung AG Sitz und Hauptversammlung in der EU Mehrstaatlichkeit <?page no="186"?> 185 Nach Art. 37 SE-VO verliert die Gesellschaft dabei nicht ihre bisherige Rechtspersönlichkeit. Bei dieser Gründungsvariante darf nach Art. 37 Abs. 3 SE-VO der Sitz nicht in einen anderen Mitgliedsstaat verlagert werden. Nach Art. 37 Abs. 2 SE-VO führt die Umwandlung weder zur Auflösung der bestehenden Gesellschaft noch zur Gründung einer neuen juristischen Person. Einen Monat vor der Hauptversammlung ist bei der Umwandlung in eine SE ein U mwa nd lu ng sp la n v orz ul egen, der d ie w irt sc haf tl ic he n und re c htli c he n Punkte, sowie die Auswirkungen der Umwandlung aufzeigt. Gründung einer Tochter-SE Auch andere juristische Personen neben der AG und GmbH können eine Tochter-SE gründen. Auch hier gilt das erweiterte Mehrstaatlichkeitsprinzip, welches bei der Gründung von Holding SEs zur Anwendung kommt. D.h. entweder müssen zwei Gründer dem Recht verschiedener Mitgliedsstaaten unterliegen oder seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben. Voraussetzungen für die Gründung einer Tochter-SE AG, GmbH, andere juristische Personen Sitz in der EU erweiterte Mehrstaatlichkeit Dabei sind gemäß Art. 36 SE-VO die nationalen Vorschriften zu beachten, in Deutschland die §§ 23 ff. AktG. Gründungsformen Fusion Verschmelzung: Aktiengesellschaften aus zwei Mitgliedsstaaten gründen durch Verschmelzung eine SE Holding: AG und GmbH aus zwei Mitgliedsstaaten bilden eine Holding Tochter: Gesellschaften und juristische Personen öffentlichen und privaten Rechts aus zwei Mitgliedsstaaten (oder eine SE selbst) gründen eine Tochter-SE Umwandlung: Eine AG kann sich in eine SE umwandeln, wenn sie seit zwei Jahren eine Tochter in einem anderen Mitgliedsstaat hat 44..22..11..44 SSiittzzvveerrlleegguunngg Der Sitz wird sowohl bei der Aktiengesellschaft als auch bei der SE durch die Satzung festgelegt. Eine Sitzverlegung kann sowohl bei der AG als auch bei <?page no="187"?> 186 Societas Europaa (SE) der SE also nur durch einen satzungsändernden Beschluss der Hauptversammlung erfolgen (§§179ff AktG; Art. 8 Abs. 6, Art. 59 SE-VO). Nach dem Aktiengesetz ist eine Sitzverlegung nur im Inland möglich (vgl. §45 AktG). Ein Beschluss, die AG ins Ausland zu verlegen, wäre ein Auflösungsbeschluss. Durch die Einführung der SE ist es europäischen Unternehmen erstmals mög lic h, de n Sit z inne rhalb de r EU- Mit glied ssta at en zu v er legen, oh ne da ss es zur Auflösung der SE oder zur Gründung einer neuen juristischen Person kommt (Art. 8 SE-VO) (vgl. Wenz 2002, S. 244). Auch hier ist ein Verlegungsplan aufzustellen und widersprechenden Aktionären ist ein Abfindungsangebot zu unterbreiten. Bei der Sitzverlegung rückt der Gläubigerschutz in den Vordergrund. Gläubiger, die innerhalb von zwei Monaten nach Offenlegung des Verlegungsplans Forderungsansprüche schriftlich geltend machen, können eine Sicherheitenleistung verlangen, solange die Erfüllung ihrer Forderung durch die Sitzverlegung gefährdet ist. 44..2 2..1 1..55 MMaaßßnna ahhmmeenn ddeerr KKaappiitta allbbeesscchhaaffffuunng g uunnd d KKaappiittaallhheerraabbsseett-zzuunng g Auf Änderungen des Kapitals der SE finden die Vorschriften Anwendung, die für eine Aktiengesellschaft in dem Sitzstaat der SE gelten (Art. 5 SE-VO). Allerdings handelt es sich bei Maßnahmen der Hauptversammlung zur Kapitalbeschaffung stets auch um Satzungsänderungen, so dass die jeweiligen Mehrheitserfordernisse bei Satzungsänderungen einer SE zu beachten sind. 44..2 2..2 2 OOrrggaanns sttr ruukkttuurr Die Ausgestaltung der Organstruktur kann nach zwei Systemen erfolgen. Nach dem dualistischen System muss die SE über ein Aufsichtsorgan und ein Leitungsorgan verfügen. Die Mitglieder des Leitungsorgans werden vom Aufsichtsorgan bestellt und führen die Geschäfte der SE in eigener Verantwortung. Das Aufsichtsorgan, das von der Hauptversammlung bestellt wird, überwacht das Leitungsorgan und trägt zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens bei und wählt das Führungspersonal. Allerdings darf das Aufsichtsorgan selbst keine Maßnahmen der Geschäftsführung übernehmen und ist dem Leitungsorgan gegenüber nicht weisungsberechtigt (vgl. Sokolowski 2005, S. 26). Niemand darf gleichzeitig Mitglied beider Organe sein. Bei einem Grundkapital von mehr als 3 Millionen EUR sollte das Leitungsorgan grundsätzlich aus mindestens zwei Personen bestehen. Das Aufsichtsorgan besteht aus drei Mitgliedern. Die Satzung kann jedoch eine abweichende Zahl festlegen. Die SE-VO setzt jedoch Höchstzahlen in Bezug auf die Mitglieder fest. <?page no="188"?> 187 Dualistisches System Vorstand = Leitungsorgan Aufsichtsrat = Aufsichtsorgan; Hauptversammlung aus Aktionären; Aufsichtsrat durch Hauptversammlung und Arbeitnehmer gewählt, Vorstand durch den Aufsichtsrat gewählt Nach dem monistischen System muss nur ein Verwaltungsorgan vorhanden sein. Dieses Organ vereint die Geschäftsführungskompetenz des Leitungsorgans und die Kontrollfunktion des Aufsichtsorgans einer dualistischen SE. Die Mitlieder des Verwaltungsorgans werden von der Hauptversammlung gewählt und führen die Geschäfte der SE. Der Verwaltungsrat besteht aus drei Mitgliedern. Die Satzung kann eine abweichende Zahl festlegen. Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von 3 Millionen EUR muss er zwingend mindestens drei Mitglieder aufweisen. Die SE-VO setzt zudem Höchstzahlen auf die Mitglieder fest. Der Verwaltungsrat benennt die Direktoren, die für die laufende Geschäftsführung verantwortlich sind (§ 40 Abs. 2 SEAG). Der Verwaltungsrat ist für die Gesamtleitung verantwortlich und kann den Direktoren Weisungen erteilen. Monistisches System Board = Verwaltungsrat Hauptversammlung und Arbeitnehmer wählen Mitglieder des Verwaltungsrates; Verwaltungsrat übernimmt ausführende und kontrollierende Aufgaben Das dualistische System entspricht dem deutschen Aktienrecht, während das monistische System dem angloamerikanischen Boardsystem gleicht. Die Anzahl der Mitglieder der einzelnen Organe bestimmt das jeweilige nationale Recht. Die Hauptversammlung ist die Versammlung der Eigentümer der SE. De Aktionäre nehmen ihre Rechte grundsätzlich durch dieses Organ war, dessen Aufgabe darin liegt, wesentliche Entscheidungen für die Gesellschaft zu treffen und den Informationsaustausch zwischen Aktionären und Unternehmensführung zu gewährleisen. 44..22..22. .11 AArrbbeeiittnneehhm meerrbbeetteeiilliigguunngg Die Arbeitnehmerbeteiligung ist im Wesentlichen in der SE-RL geregelt. Diese ist durch zwei Grundprinzipien geprägt: einerseits sollen die Rechte der Arbeitnehmer in den Gründungsgesellschaften geschützt werden, auf der anderen Seite soll die Flexibilität für Unternehmen und Mitarbeiter dadurch er- <?page no="189"?> 188 Societas Europaa (SE) höht werden, dass eine Verhandlungslösung der Arbeitnehmerbeteiligung herbeizuführen ist und erst nach dem Scheitern auf eine Auffangregelung zurückzugreifen ist (vgl. Thümmel 2005, S. 12f7). Bereits bei der Vorbereitung der Gründung einer SE müssen mit den Arbeitnehmervertretern Verhandlungen über die spätere Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE geführt werden. An diesen Verhandlungen können auch externe Gewerkschaftsvertreter hinzugezogen werden. Diese Verhandlungen werden in der SE-Richtlinie als besonderes Verhandlungsgremium bezeichnet. Wenn keine Einigung über die zukünftige Arbeitnehmerbeteiligung erzielt werden kann, kann das Verhandlungsgremium die Gespräche für gescheitert erklären. Dann wird auf die bereits existierenden Regelungen der Arbeitnehmerbeteiligung am Sitz der SE zurückgegriffen oder es gelten nach einer Verhandlungsdauer von mindestens sechs Monaten so genannte Standardvorschriften für die Arbeitnehmerbeteiligung, die in der SE-RL geregelt sind. Die Standardvorschriften der Arbeitnehmerbeteiligung verpflichten die Unternehmensleitung, regelmäßig über die wichtigsten Unternehmensvorgänge zu unterri chte n. Da zu gehören Ge sc häfts pl än e, P ro duktions - und Ve rkaufszahlen, Änderungen in der Geschäftsleitung, anstehende Fusionen oder Veräußerungen von Unternehmensteilen sowie mögliche Schließungen und Entlassungen. Die Arbeitnehmervertretung ist auf Grundlage dieser Berichte zu unterrichten und zu konsultieren. Die Regelungen über die Arbeitnehmermitbestimmung sind auch davon abhängig, welche Form der Gründung der SE gewählt wird. So werden bei einer Umwandlung einer nationalen Gesellschaft in eine SE die Vorschriften für die nationale Gesellschaft übernommen (§ 35 Abs. 1 SEBG). Dabei gelten noch weitere Besonderheiten zum Schutz der Arbeitnehmer. Bei einer Verschmelzung oder der Gründung einer Holding-SE kommt es darauf an, ob die Mehrheit der Arbeitnehmer bereits vor der Gründung der SE ein Mitspracherecht in den Unternehmen hatte. Ist dies der Fall und gibt es keine Einigung über ein Beteiligungsmodell, müssen die Standardvorschriften übernommen werden. In Deutschland wird die SE-Richtlinie durch das SEBG umgesetzt. § 43 SEBG untersagt, den Arbeitnehmern Beteiligungsrechte zu entziehen oder vorzuenthalten, was der § 45 SEBG mit der Androhung von Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe noch bekräftigt (vgl. Reichert/ Brandes 2003, 767, 776). Die Kosten für das Verhandlungsgremium und die Verhandlungen selbst sind von den an der SE beteiligten Unternehmen, d.h. Gründern, den verschmolzenen oder den umgewandelten Gesellschaften zu tragen. <?page no="190"?> 189 44..22..22..22 SStteeuue errl li icchhee R Reegge ellu unngge enn Die SE-VO sieht keine Regelungen zu Steuerfragen vor. Daher sind die nationalen Steuerregelungen am Sitz der Zweigniederlassung einschlägig. Die nationalen Steuerregelungen spielen also einen wesentlichen Entscheidungsfaktor bei der Frage nach dem Sitz der SE. 44..2 2..2 2..33 VVoorrtte eiillee uunnd d NNa acchhtteei illee ddeerr SSEE Vorteile Durch die Gründung einer SE können internationale Konzerne eine einheitliche Holding-Gesellschaft errichten. Dies führt zu vereinfachten und kostengünstigeren Strukturen. Grenzüberschreitende Kooperationen, konzerninterne Reorganisationen und Fusionen von Unternehmen innerhalb der Gemeinschaft werden erleichtert. Somit kann ein bestehendes Unternehmen ein attraktiveres Gesellschafts- oder Steuerrecht wählen. Allerdings wird dieser Vorteil in vielen Mitgliedsstaaten durch die gängige Wegzugsbesteuerung relativiert. Auch die Expansion gestaltet sich weniger kompliziert. Während vorher stets formal aufwendige Neugründungen ausländischer Tochtergesellschaften vorgenommen werden mussten, entfällt dies bei der SE. Während Fusionen früher nur rechtssicher auf nationaler Ebene durchgeführt werden konnten, erlaubt die SE die grenzüberschreitende Verschmelzung durch ein europarechtlich abgesichertes Verfahren. Auch ist es erstmalig möglich, unter Wahrung der Rechtspersönlichkeit den Sitz der Gesellschaft zu verlegen (vgl. Walden/ Meyer-Landrut 2005, S. 2623; vgl. Grundmann u.a. 2003, S. 47). Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass die in den einzelnen Mitgliedsstaaten erzielten Erträge innerhalb der SE ohne umständliche Gewinnausschüttungen verwendet werden können. Auch das bei einer SE wählbare monistische System, das anstelle von Vorstand und Aufsichtsrat nur ein einziges Verwaltungsorgan, nämlich den Verwaltungsrat vorsieht, macht die SE für deutsche Unternehmen als Rechtsform attraktiv, da es eine solche Option im deutschen Gesellschaftsrecht nicht gibt. Das monistische System bietet größere Kontrolle über die Gesellschaft, während auf der anderen Seite die Organkosten reduziert werden (vgl. Wenz 2003, S. 187). Die SE wird zudem dem Bedürfnis vieler internationaler Unternehmen gerecht, als „europäische“ Unternehmen wahrgenommen zu werden. Dies entspricht insbesondere dem Selbstverständnis vieler transnational agierender Unternehmen. Pan-europäisch agierende Unternehmen können europaweit durch eine einzige SE mit rechtlich unselbständigen Niederlassungen in anderen Mitgliedsaaten agieren und den Geschäftstätigkeiten mit einheitlichen Regelungen mit einheitlichem Management und Berichtsystem nachgehen (vgl. Theisen/ Wenz 2005, S. 44, El Mahi 2004, S. 5). Dadurch werden auch Transaktions- und Verwaltungskosten verringert. <?page no="191"?> 190 Societas Europaa (SE) Auch auf dem Kapitalmarkt wird eine Umwandlung in eine SE positiv bewertet. Die SE als supranationale Rechtsform verleiht den Gründern ein europäisches Image und kann zur Überwindung psychologischer Schranken bei Management, Mitarbeitern, sowie Kunden, Investoren, Kreditgebern, Lieferanten und öffentlichen Stellen beitragen. Sie dient im Unternehmen der Bildung einer europäischen Unternehmenskultur und nach außen der Schaffung eines rechtsformspezifischen europäischen Goodwills (vgl. Kallmeyer 2003, S. 21). Nachteile Ein wesentlicher Nachteil der SE ist, dass verhältnismäßig viel Stammkapital eingebracht werden muss (mindestens 120.000 EUR). Insbesondere für kleinere Unternehmen ist dies ein Hindernis. Zudem gestaltet sich die Rechtsanwendung insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung äußerst aufwendig und kostenintensiv (vgl. Gutsche 1994, S. 237-239). Häufig wird befürchtet, dass deutsche Kapitalgesellschaften, die der (fast) paritätischen Mitbestimmung nach dem MitbestG unterliegen, einen wesentlichen Wettbewerbsnachteil erleiden, weil sie möglicherweise nicht aus Transaktionspartner einer SE in Frage kommen - insbesondere wenn Unternehmen aus Ländern mit niedrigen nationalem Mitbestimmungsstandard involviert sind (vgl. Horn 2005, S. 152). Auch was die Haftung angeht, könnte die Gründung einer SE eher nachteilig sein. Viele ausländische Gesellschaften entscheiden sich für die Gründung einer einzelnen Tochtergesellschaft, die dem jeweiligen nationalen Recht unterliegt, um das Haftungsrisiko auf das Vermögen der betreffenden Tochtergesellschaft zu beschränken. So kann die Muttergesellschaft meist vor einer Haftung für Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft geschützt werden. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass sich der Gründer mit der unübersichtlichen (nationalen) Gesetzgebung befassen muss. Es handelt sich bei der SE zwar um eine einheitliche europäische Gesellschaftsform, deren Statut direkt und unmittelbar in den EU-Mitgliedsstaaten gilt. Die SE-VO gibt jedoch nur einen gesetzlichen Rahmen vor, der von den nationalen Gesetzgebern ausgefüllt wird. Je nachdem, in welchem Mitgliedsstaat die SE ihren Sitz hat, gilt ein anderes Ausführungsgesetz. Hinzu kommt noch eine europäische Richtlinie über die Rechte der Arbeitnehmer einer SE. Diese Verzahnung von nationalem und europäischem Recht führt zu einer Rechtsunsicherheit, die erhöhte Transaktionskosten zur Folge hat (vgl. Bartone/ Klapdor 2005, S. 10). 44..33 FFaazziitt Ein eindeutiges Fazit, inwiefern der Börsengang als der richtige Weg zur Kapitalbeschaffung für ein Unternehmen betrachtet werden kann, kann hier nicht abschließend gezogen werden. Grundsätzlich kann festgestellt werden, <?page no="192"?> Rebecca Popp 191 dass ein Börsengang ein langwieriges und kostspieliges Unterfangen ist, das auch die Publikationspflichten vermehrt und die Organstruktur verkompliziert. D.h. dass für kleinere Unternehmen ein Börsengang evtl. nicht in Frage kommt, auch wenn viele Gründe dafürsprechen. Der größte Pluspunkt ist die Beschaffung von Eigenkapital durch den Börsengang. Handelt es sich um transnational agierende Unternehmen, kommt auch die Rechtsform der SE in Betracht, um den Handel an der Börse zu betreiben. Unter Umständen kommt diese Rechtsform auch für GmbHs und andere juristische Personen in Betracht, die das Mehrstaatlichkeitsprinzip erfüllen. Gegen die Gründung einer SE spricht insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen die geforderte Mindestkapitaleinlage. Bei europaweit tätigen Unternehmen führt allerdings die einheitliche Rechtsform der SE dazu, dass Wandel im europaweiten Bereich leichter zu vollziehen ist. Es wird einfacher neue Tochtergesellschaften zu gründen, zu fusionieren etc. Große, internationale Unternehmen, die schnell agieren müssen, um den Entwicklungen auf dem europäischen Markt und auf dem Weltmarkt gerecht zu werden, sollten also auf jeden Fall die Rechtsform der SE in Betracht ziehen. Es bleibt abzuwarten, ob sich nicht irgendwann eine Rechtsform schaffen lässt, die weltweite Akzeptanz findet. Betrachtet man die Schwierigkeiten bei der Schaffung der SE, kann man dies als ein schwieriges Unterfangen ansehen - dennoch liegt es im Bereich des Vorstellbaren. FFr ra aggeen n Welche Vor- und Nachteile bietet ein Börsengang? Inwiefern stellt der Börsengang ein Mittel der Finanzierung dar? Welche normativen Gestaltungsräume bietet die SE einem internationalen Industriebetrieb in der EU? Welche Vor- und Nachteile hat die europäische Aktiengesellschaft - SE? LLiitte er raattu urr Bartone, R./ Klapdor, R.: Die Europäische Aktiengesellschaft Recht, Steuer, Betriebswirtschaft; Berlin, Erich Schmidt 2005. Bieg, H./ Kußmaul, H.: Finanzierung, 2. Aufl.; München, Vahlen 2009. Bösl, K.: Praxis des Börsengangs - Ein Leitfaden für mittelständische Unternehmen, 1. Aufl.; Wiesbaden, Gabler Verlag 2004. El Mahi, F.: Die Europäische Aktiengesellschaft; Frankfurt am Main, Herchen + Herchen 2004. Ferres, P.: Motive für den Börsengang, in: Börseneinführung mit Erfolg - Voraussetzungen, Maßnahmen und Konzepte, hrsg. Wieselhuber & Partner GmbH, 2. Aufl. Wiesbaden, Gabler Verlag 2001, S. 15-28. <?page no="193"?> 192 Societas Europaa (SE) Fuchs, M.: Die Gründung der Europäischen Aktiengesellschaft durch Verschmelzung und das nationale Recht, Diss. Hausach 2004. 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Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) SEBT: Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft. SE-Beteiligungsgesetz vom 22. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3675, 3686) SEEG: Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft vom 22.12.2004, veröffentlicht in: Bundesgesetzblatt Jg. 2004 Teil I Nr. 73, ausgegeben in Bonn am 28.12.2004 <?page no="195"?> 194 Societas Europaa (SE) SE-RL: Richtlinie 2001/ 86/ EG des Rates vom 08.10.2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, veröffentlicht in: Abl. EG Nr. L294/ 22 vom 10.11.2004, 44. Jg. S. 22-32. SE-VO: Verordnung (EG) Nr. 2157/ 2001 des Rates vom 08.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), veröffentlicht in: Abl. EG Nr. L 294/ 1 vom 10.11.2001, 44. Jg., S. 1-21. UmwG: Umwandlungsgesetz vom 28.10.1994 (BGBl. I S. 3210; 1995 I S. 428) mit Änderungen bis zum 14.08.2006. <?page no="196"?> 55 IInntteerrnnaattiioonnaalleess MMaarrkkeettiinngg uunndd IInntteerrnnaattiioonnaalleess IInnnnoovvaattiioonnssmmaannaaggeemmeenntt <?page no="197"?> 196 Internationales Marketing und Innovationsmanagement Lernziele Sie sollen lernen, wie ein Unternehmen seine internationalen Marketing- und Innovationsaktivitäten steuern und organisieren kann. Sie sollen lernen, wie ein Marketer mittels Innovationen die Herkunftslandeffekte beeinflussen kann. Sie sollen lernen, bis zu welchen Grad ein Unternehmen technische Produkte und Marketingprogramme an die einzelnen Länder anpassen muss und bei welchen technischen Produkten das internationale Unternehmen weltweit agieren kann. Sie sollen lernen, dass der globale Wettbewerb vorrangig ein Innovations-und Marketingwettbewerb, und weniger ein Preiswettbewerb ist. Sie sollen lernen, wie internationale Unternehmen bestimmte ausländische Märkte bewerten, auswählen und mit welchen Strategien und Maßnahmen sie in diese Märkte eintreten. <?page no="198"?> 197 Zwei Trends sind in der heutigen Wirtschaft unumstritten: zum einen führt die technische Entwicklung zu immer kürzeren Produktlebenszyklen, zum anderen ist die Globalisierung der Wirtschaft nicht zu leugnen. Der erste Trend bedeutet, dass Unternehmen zunehmend neue, innovative Produkte und Dienstleistungen bieten müssen, um auf dem Markt bestehen zu können. D.h. die Bedeutung des Innovationsmanagements nimmt immer weiter zu. Zum anderen müssen Unternehmen sich auf einen globalen Markt einstellen, denn Kunden, Lieferanten und Konkurrenten handeln schon lange nicht mehr nur auf nationaler Ebene. Wendeten früher höchstens Konzerne und Topunternehmen internationale Strategien an, so müssen heute auch KMUs zunehmend transnational denken. D.h. die meisten Unternehmen müssen Strategien des Internationalen Marketing und des Internationalen Innovationsmanagement anwenden, um erfolgreich am Markt bestehen zu können. In diesem Beitrag soll auf die Bedeutung des Internationalen Marketing und des Internationalen Innovationsmanagement eingegangen werden. Zudem soll aufgezeigt werden, wie diese beiden Felder zusammenhängen. Wichtige Motive der Internationalisierung, Fragestellungen und Trends sollen hier aufgezeigt werden. 55..11 IIn ntteerrnnaatti ioonnaalleess MMaarrk keetti inngg Zunächst soll ein Verständnis der Grundidee und der Bedeutung des Internationalen Marketing geschaffen werden. 55..11..11 BBeeggrriiffffssddeeffiinniittiioonn Marketing bedeutet die „Planung, die Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmensziele verwirklicht werden.“ (Meffert 2003, S. 8). Dem Marketing kommt dabei die Aufgabe zu, alle Funktionen des Unternehmens auf die jeweiligen Marktanforderungen auszurichten. Das Ziel des Marketings ist die Erreichung komparativer Konkurrenzvorteile, d.h. das Unternehmen soll in den Augen der Nachfrager besser abschneiden als die Konkurrenz (vgl. Backhaus/ Voeth 2007, S. 31). Das Internationale Marketing „besteht in der Analyse, Planung, Durchführung, Koordination und Kontrolle marktbezogener Unternehmensaktivitäten bei einer Geschäftstätigkeit in mehr als einem Land“ (Meffert/ Bolz 1998, S. 25). <?page no="199"?> 198 Internationales Marketing und Innovationsmanagement 55..1 1..2 2 MMoottiivvee ffüürr ddeenn EEiinnt trriitttt iinn iinnt teerrnna atti ioonna allee MMäärrkkttee Die nun folgende Liste der Motive für den Eintritt in internationale Märkte ist bei weitem nicht abschließend, sondern lediglich beispielhaft, soll aber einen Einblick geben, welcher Druck zur Internationalisierung auf verschiedensten Ebenen besteht: Häufig resultiert die Entscheidung internationale Märkte zu bedienen aus Entscheidungen, die andere Funktionsbereiche betreffen. Dies sind häufig Bereiche wie Rohstoffversorgung, Produktion oder Kapitalversorgung. Aus dieser Entscheidung ergibt sich dann auch die Notwendigkeit, sich in diesen Ländern auch vertriebsseitig zu engagieren. Oft bieten mitteleuropäische Märkte heute nicht mehr genügend Wachstumspotential. So zwingen gesättigte heimische Märkte Unternehmen dazu, neue Absatzmärkte in internationalen Märkten zu erobern. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen müssen bestimmten Schlüsselkunden, meist Großunternehmen und Konzernen ins Ausland folgen. Die Großkunden suchen sich vermehrt Produktionsstandorte im Ausland, um die Produktionskosten zu senken (vgl. Backhaus/ Büschken/ Voeth 2003, S. 30 ff.). Einige Motive der Internationalisierung Ressourcen (Kapital, Rohstoffe etc.) Gesättigte heimische Märkte Schlüsselkunden im Ausland 55..11..33 RRüücckkkkoopppplluunnggsseeffffeekktte e iimm iinntteer rnnaat tiioonnaal leen n MMaar rkkeet ti inngg Jede Entscheidung des Marketings, die in Bezug auf einen Ländermarkt getroffen wird, hat gleichzeitig auch Auswirkungen auf die Marketingentscheidungen im Hinblick auf alle anderen Länder. Knappe Ressourcen müssen daher bestmögliche weltweite Verwendung finden (vgl. Backhaus/ Büschken/ Voeth 2003, S. 57 ff.). Ein Trend, der daher im internationalen Marketing entstanden ist, ist, knappe Ressourcen nach dem Prinzip der wettbewerbsbezogenen Selektion zu verteilen. Das heißt, dass Ressourcen, Know-How und Aufgaben so verteilt werden, dass über alle Ländermärkte hinweg die weltweite Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens optimiert wird. (vgl. Backhaus/ Büschken/ Voeth 2003, S. 61). Damit wird ein internationales Netzwerk aus Einheiten des Unternehmens geschaffen, die einen kontinuierlichen Austausch von Komponenten, Produkten, Ressourcen, Know-how und Informationen zur Erreichung der optimalen Wettbewerbsposition sichern. In diesem Rahmen wird auch von embeddedness gesprochen. <?page no="200"?> 199 Embeddedness: Einbindung nationaler Einheiten in einen übergeordneten Kontext Der Kostenfaktor spielt bei der Länderwahl eine große Rolle. Durch den tendenziell steigenden Fixkostenanteil müssen Unternehmen zunehmend versuchen economies of scale zu realisieren (vgl. Backhaus/ Büschken/ Voeth 2003, S. 66 ff). Die internationalen Interdependenzen spiegeln sich zudem auch im Zielsystem eines Unternehmens wieder. Marktstellungsziele, Finanzziele und soziale Ziele sind unternehmensweit zu sehen. Aber nicht nur das Anbieter-, sondern auch das Nachfragerverhalten wird durch das going international beeinflusst. Die Ursache liegt im grenzüberschreitenden Informations- und Güteraustausch, sowie in Arbitragen. Die Möglichkeit des internationalen Informations- und Güteraustausches führt dazu, dass Güter heute weltweit beschafft werden können. Dies zwingt die Anbieter zur Anpassung ihrer internationalen Marketingaktivitäten bei Gütern die zwischen den Ländermärkten austauschfähig sind (vgl. Backhaus et al. 1996, S. 59ff.). Außerdem entsteht Arbitrage durch den Informationsaustausch über bestehende Preisdifferenzen zwischen Ländermärkten für international verkäufliche Produkte (vgl. Backhaus et al. 1996, S. 75f). So genannte konkurrenzbezogene Rückkopplungen entstehen durch die Einbindung in internationale Konkurrenznetzwerke. Die oben genannten Rückkopplungen führen dazu, dass das Marketing koordiniert werden muss. Dazu müssen die Interdependenzen der Ländermärkte kontrolliert werden und das Ausmaß der Rückkopplungen stetig gemessen werden, so dass die nationalen Marketinganstrengungen entsprechend angepasst werden können (vgl. Backhaus et al. 1996, S. 82ff.). 5 5..11..44 SSttrraat te eggiieen n ddeess AAuussllaan nddssmmaar rkktteei innttrriittt tss Zunächst besteht die Frage, welche Organisationsform der Internationalisierung gewählt werden soll. Um die unterschiedlichen Formen zu systematisieren kann man folgende Kriterien heranziehen: Kontrolle: d.h. wie stark beeinflusst ein Unternehmen die Aktivitäten von Absatzmittlern und Vertriebspartnern auf dem Ländermarkt Kapitaltransfer und -beteiligung: wie viel Kapital wird in den Auslandsmarkt transferiert Wertschöpfungsschwerpunkt: befinden sich Wertschöpfungsaktivitäten hauptsächlich im In- oder im Ausland Transaktionskosten: anhand der entstehenden Transaktionskosten bei der Erschließung eines neuen Marktes soll die Auswahl erleichtert werden (vgl. Backhaus et al. 1996, S. 169). <?page no="201"?> 200 Internationales Marketing und Innovationsmanagement Kategorisiert man nach Kapitaleinsatz und Kontrollspanne, lassen sich die folgend vier Gruppen von Handlungsalternativen unterscheiden: Geringer Kapitaleinsatz mit niedriger Kontrollspanne Formen des indirekten Exportes Direktexport mit indirektem Vertrieb Lizenzbzw. Technologie-Transferverträge Franchising Geringer Kapitaleinsatz mit hoher Kontrollspanne Kontraktmanagement Technische Kooperationsabkommen Direkter Export mit Direktvertrieb Hoher Kapitaleinsatz mit geringer Kontrollspanne Erwerb einer Beteiligung Partnerschaftsunternehmen (Joint Venture) Abkommen über Co-Produktion Kontraktproduktion Projektbeteiligung Hoher Kapitaleinsatz mit hoher Kontrollspanne Vertriebsniederlassung und Vertriebsgesellschaft Montage- oder Produktionsunternehmen vollintegriertes Fertigungsunternehmen (vgl. Stahr 1993, S. 65) Neben der Frage nach der Organisationsform des Markteintritts stellt sich auch immer die Frage des Timings für den Eintritt in Auslandsmärkte. Vor dem Hintergrund der Dynamisierung der technischen, wirtschaftlichen und wettbewerbsbedingten Rahmenbedingung wird die Zeitkomponente bei der Erschließung neuer Auslandsmärkte zunehmend bedeutsamer. Man kann dabei drei grundlegende Strategien unterscheiden: Wasserfallstrategie: neue, ausländische Absatzmärkte werden sukzessive erschlossen, d.h. sie werden nacheinander und nach ausgiebiger Informationssuche bearbeitet. Typischerweise werden zuerst die Länder erschlossen, die dem Heimatland am ähnlichsten sind. Sprinkler-Strategie: alle relevanten Schlüsselmärkte werden dabei simultan abgedeckt. Die vorhandenen finanziellen und personellen Ressourcen werden auf alle bedeutenden Märkte verteilt, so dass innerhalb von kurzer Zeit Präsenz in möglichst vielen Ländern erreicht wird. Dabei sollen auf Schlüsselmärkten wichtige Kunden möglichst schnell gewonnen werden (vgl. Kemper 2001, S. 111). <?page no="202"?> Rebecca Popp 201 Kombinierte Wasserfall-/ Sprinkler-Strategie: Bei dieser Strategie werden die einzelnen Länder je nach Marktgegebenheit und verfügbaren Ressourcen sukzessive oder simultan erschlossen. Zielsetzung ist dabei die schnelle geografische Ausdehnung, um gleichzeitig jedoch eine erfolgreiche Etablierung mit ausreichend Ressourcen sicherzustellen (vgl. Kemper 2001, S. 111). 5 5..11..55 SSt taannddaarrddiissiieerruunngg vveerrssuuss DDiiffffeerreen nzzi ieer ruunngg Die wesentliche Frage, die sich stets im Internationalen Marketing stellt, ist die der Standardisierung. „Die Marketingstandardisierung umfasst die Vereinheitlichung von Marketinginhalten und -prozessen. Dabei kennzeichnet die inhaltliche Standardisierung das Ausmaß, mit dem einzelne Marketing-Mix-Elemente, Rahmenkonzepte oder Marketingstrategien für einen länderübergreifenden Einsatz vereinheitlicht werden können. Dem gegenüber beinhaltet die Prozessstandardisierung die einheitliche Strukturierung und ablauforganisatorische Vereinheitlichung von Marketingentscheidungen (Meffert/ Bolz 1998, S. 155).“ Die Standardisierung bietet dabei die folgenden Vorteile: Kostenersparnis aus Volumen-, Spezialisierungs- und Lerneffekten Förderung eines international einheitlichen Erscheinungsbildes, im Sinne einer international corporate identity Erleichterung einer globalen Verbesserung der Marketingaktivitäten Erhöhung des Kundennutzens durch einheitliche Standards (z.B. in der Computerindustrie) Zu den Nachteilen der Standardisierung gehören die Mangelnde Berücksichtigung länderspezifischer Konsumentenbedürfnisse Umsatzeinbußen infolge unzureichender zielgruppenspezifischer Ansprache (vgl. Berndt et al 1999, S. 160). Eine Standardisierung der Marketing-Inhalte wird oft von Unternehmen verfolgt, die eine so genannte internationale Marketingstrategie als Ausdruck einer ethnozentrischen Grundausrichtung verfolgen. Ethnozentrisch: „Die ethnozentrische Unternehmung verfolgt eine weitest gehende Entscheidungszentralisierung im Heimatland und versucht Konzepte, Strategien und Praktiken, die sich im Stammland als erfolgreich erwiesen haben, auch im Ausland zu realisieren. Dabei werden Un- <?page no="203"?> 202 Internationales Marketing und Innovationsmanagement terschiede in der Kultur zwischen Heimatland und Gastländern weitgehend vernachlässigt (Gabler Wirtschaftslexikon).“ Dabei wird die Marketingkonzeption weitgehend unverändert aus dem Heimatland übertragen. Aber auch geozentrisch orientierte Unternehmen, die eine Globalisierungsstrategie verfolgen, wenden die Standardisierung an. Geozentrisch: Diese Grundhaltung ist „durch die Überlegung geprägt, dass die optimale Allokation von Ressourcen nur durch gleichzeitige Nutzung von Standardisierungs- und Anpassungsvorteilen möglich ist. Muttergesellschaft und ausländische Tochtergesellschaften werden nicht als unabhängige Unternehmenseinheiten, sondern als integrative Teile eines weltweiten Unternehmensnetzes betrachtet. Unabhängig von den jeweiligen Gastlandbedingungen werden in der Muttergesellschaft und in den ausländischen Tochtergesellschaften diejenigen Managementtechniken eingesetzt, die die globale Effizienz des Unternehmens maximieren (Gabler Wirtschaftslexikon).“ In diesem Fall wird allerdings die Marketing-Konzeption von Anfang an für den Weltmarkt entwickelt. Ziel dabei ist die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch Integration und Koordination aller Unternehmensaktivitäten zu einem zusammenhängenden Gesamtsystem. Die Globalisierungsstrategie wendet sich dabei nicht nur an den Markt, sondern auch an sämtliche Managementfunktionen. Eine inhaltliche Differenzierung ist Ausdruck einer polyzentrischen Grundorientierung des Managements und beinhaltet eine länderspezifische Anpassung der Marketing-Konzeption. Polyzentrisch: „Eine polyzentrische Orientierung konkretisiert sich in hoher Autonomie der Tochtergesellschaften und einer Ausrichtung der personellen und sozialen Ebene der Unternehmensführung an den lokalen Gegebenheiten. Hierbei wird unterstellt, dass nur das Management in den Auslandstochtergesellschaften die Besonderheiten im Auslandsgeschäft richtig erkennen und beurteilen kann (Gabler Wirtschaftslexikon).“ Eine völlige Differenzierungsstrategie impliziert, dass die einzelnen Ländermärkte weitestgehend unabhängig voneinander bearbeitet werden. Eine Differenzierung wird vornehmlich in solchen Unternehmen vorgenommen, die eine sogenannte multinationale Marketingstrategie verfolgen (Berndt et al. 1999, S. 160). <?page no="204"?> Rebecca Popp 203 Multinational: „strategische Orientierung eines international tätigen Unternehmens mit polyzentrischer Prägung. Es erfolgt eine größtmögliche Anpassung an lokale Gegebenheiten bei gleichzeitig größtmöglicher Dezentralisierung. Tochtergesellschaften im Ausland handeln weitgehend autonom und unabhängig von der Muttergesellschaft (Gabler Wirtschaftslexikon).“ Zu den Vorteilen der Differenzierung gehören: gezielte Berücksichtigung länderspezifischer Faktoren Möglichkeit, höhere Umsätze zu realisieren Zu den Nachteilen der Differenzierung gehören: höhere Kosten der Marktbearbeitung höherer Abstimmungs- und Koordinationsaufwand Gefahr eines diffusen internationalen Erscheinungsbildes Meist liegen allerdings Mischstrategien vor, wie z.B. segmentorientierte Standardisierung z.B. nach Ländergruppen oder länderübergreifende Zielgruppen oder Standardisierung z.B. von nur den Produkteigenschaften (vgl. Berndt et al. 1999, S. 159ff.). 55. .22 ZZu us sa am mmmeennhha an ng g zzwwi isscch he enn MMaar rk keettiinng g uunnd d IInnnnoovvaat tii-oonns smmaanna aggeem meennt t “There is only one valid definition of business purpose: to create a customer. (...) Because its purpose is to create a customer, any business enterprise has two - and only these two - basic functions: marketing and innovation.” (Peter Drucker, 1954). Dieses Zitat verdeutlicht einmal mehr die Bedeutung sowohl des Marketings als auch des Innovationsmanagements im Rahmen aller unternehmensrelevanten Entscheidungen. Spricht man vom Marketing, so muss man die Elemente des Marketing-Mix behandeln. Marketing-Mix Produktpolitik Preispolitik Kommunikationspolitik Vertriebspolitik <?page no="205"?> 204 Internationales Marketing und Innovationsmanagement Dabei zeigt sich der Zusammenhang zwischen Innovationen und Marketing in der Produktpolitik des Unternehmens, die folgende Entscheidungsfelder umfasst: Innovationsmanagement Management bereits am Markt etablierter Produkte Markenmanagement 55..33 IInntteerrnnaattiioonnaalleess IInnnnoovvaattiioonnssmmaannaaggeemmeenntt Heute haben 9% der 1000 F&E-intensivsten Unternehmen Innovationsaktivitäten im Ausland (Gassmann 2013, S. 245). Vorreiter der Internationalisierung von F&E sind technologieintensive, international tätige Unternehmen. Aber auch kleine und mittlere Unternehmen in technologieintensiven Branchen wie Biotechnologie, Elektronik und IT bauen zunehmend auf die internationale Vernetzung von F&E-Aktivitäten. Früher waren die wichtigsten Destinationen für F&E-Verlagerungen die EU, USA und Japan (Triade). Heute jedoch ist dies eher selten der Fall. In den Jahren von 2004 und 2007 waren 83% der neuen F&E-Standorte in China und Indien (vgl. Gassmann 2013, S. 245). Gründe für die Innovationsverlagerung ins Ausland sind: lokale Schlüsselmärkte Zugang zu regionalen Wissenszentren Kostenreduktion 55..33..11 WWaass iisstt IInnnnoovvaattiioonnssmmaannaaggeemmeenntt? ? Eine Innovation ist die erstmalige wirtschaftliche Umsetzung einer neuen Idee (vgl. Brem/ Voigt 2007, S. 305). Dabei unterscheiden sich Innovationen, als neuartige Verfahren oder Produkte, merklich gegenüber dem Vergleichszustand (vgl. Brem/ Vollrath 2014, S. 83). Sie sind darauf gerichtet, Unternehmensziele auf neuartige Weise zu erfüllen sowie den Anforderungen der Kunden und der Gesellschaft besser gerecht zu werden. Für das Unternehmen geht es dabei insbesondere um die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen. Der Begriff der Innovation unterscheidet sich von dem der Invention. Eine Invention ist eine zeitpunktbezogene Erfindung, die noch keiner wirtschaftlichen Nutzung zugänglich gemacht wurde. <?page no="206"?> Rebecca Popp 205 Eine Innovation hingegen bezeichnet das Ergebnis eines Prozesses oder den Prozess selbst von der Phase einer Ideenfindung über die Realisierung bis hin zur Einführung einer Problemlösung oder einer unternehmensinternen Nutzung (vgl. Vahs 2002, S. 44). Die OECD definiert Innovation als „implementation of a new or significantly improved product (good or service), or process, a new marketing method, or a new organization method in business practices, workplace organization or external relations (OECD 2005, S. 46). Wie sich dieser Definition schon entnehmen lässt, kann zwischen verschiedenen Innovationsarten unterschieden werden (vgl. Brem/ Vollrath 2014, S. 83; vgl. Vahs 2002, S. 50f.): Produktinnovationen: Bei Produktinnovationen gibt es Neuerungen hinsichtlich der Produkt- und Anwendungseigenschaften. Dadurch wird der Mark besser bedient bzw. ein neuer Markt erschlossen. Prozessinnovationen: zielen auf die Verbesserung oder Neugestaltung von Unternehmensprozessen ab. Meistens wird das Ziel verfolgt die (Produktions-)kosten zu reduzieren oder die Produktqualität zu verbessern. Organisationsinnovationen: zielen auf die Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens ab. Im Rahmen von Organisationsinnovationen, sollen Administrations- und Transaktionskosten gesenkt, die Produktivität der Mitarbeiter gesteigert oder der Zugang zu Know-How verbessert werden. Um Organisationsinnovationen durchzuführen, bedarf es meist sozialer Innovationen. Marketinginnovationen: verfolgen das Ziel, neue Märkte oder Kundensegmente zu gewinnen, Kundenwünsche besser zu erfüllen und das Unternehmen neu am Markt auszurichten. Geschäftsmodellinnovation: Realisierung eines neuartigen Geschäftsmodells oder Veränderung des bestehenden Geschäftsmodells. Dabei werden insbesondere Kundenbedürfnisse besser befriedigt. Ziel ist auch sich von der Konkurrenz zu differenzieren (vgl. Brem/ Vollrath 2014, S. 85). Sozialinnovationen betreffen Veränderungen im Personalbereich eines Unternehmens und dienen der Erfüllung sozialer Ziele. Innovationsarten Produktinnovation Prozessinnovation Sozialinnovation organisatorische Innovation Marketinginnovation Geschäftsmodellinnovation <?page no="207"?> 206 Internationales Marketing und Innovationsmanagement Man kann in der Regel zwischen so genannten Push- und Pull-Innovationen unterscheiden. Push-Innovationen entstehen aus bereits etablierten oder neuartig entwickelten Technologien heraus (technology-push), während die Pull- Innovationen aus Bedürfnissen am Markt resultieren (market-pull) (vgl. Brem/ Voigt 2009, S. 355, vgl. Hauschild 2005, S. 28f.; vgl. Vahs/ Brem 2015, S. 9 ff.). Erfolgreiche Produkte basieren auf der gezielten Kombination von Technology-Push- und Market-Pull-Faktoren, da die Verknüpfung von Push- und Pull-Faktoren die Innovationsfähigkeit des Unternehmens steigert (vgl. Brem/ Voigt 2009, S. 356). Spricht man vom Innovationsmanagement, so berührt man immer auch die Felder des Technologiemanagements und F&E-Managements: Innovationsmanagement: Das Innovationsmanagement beinhaltet die Planung, Organisation, (Durch-) Führung und Kontrolle von Innovationen in Unternehmen. Dabei umfasst der Begriff der Innovation sowohl Inventionen, als auch die tatsächliche Nutzung einer Erfindung durch das Unternehmen. Technologiemanagement: umfasst Planung, Organisation, (Durch-) Führung und Kontrolle des Einsatzes von Technologien im Rahmen der Leistungserstellungsprozesse und in den Produkten von Unternehmen. Dabei bezeichnet der Begriff der Technologie die praktische Anwendung naturwissenschaftlich technischen Wissens zur Realisierung von Leistungsmerkmalen von Produkten und Betriebsmitteln. F&E-Management umfasst die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Unternehmen. F&E bezeichnet dabei alle systematischen Aktivitäten, die Unternehmen intern entfalten oder extern durchführen, um neue Erkenntnisse zu erwerben oder solche Erkenntnisse anzuwenden (vgl. Brockoff 1999). Horn und Brem (2013, S. 946) betonen, dass es sich beim Innovationsmanagement um ein funktionsübergreifendes, mehrstufiges Konzept handelt. Daher müssen vom Marketing, bis zum operativen Geschäft, vom Personalmanagement bis hin zur operativen Steuerung verschiedene Abteilungen am Innovationsmanagement teilnehmen. Horn und Brem stellen einen konzeptuellen Rahmen dar, der Unternehmen einen Überblick über die wesentlichen Aspekte des Innovationsmanagements liefert. Wie die im Folgenden dargestellte Abbildung zeigt, ergänzen und überschneiden sich einige dieser Innovationsaspekte. Die von Horn und Brem dargestellten Aspekte betreffen sowohl das Tagesgeschäft, als auch strategische Überlegungen. <?page no="208"?> Rebecca Popp 207 In Anlehnung an Horn/ Brem 2013, S. 946 Ein wesentlicher Aspekt für das Innovationsmanagement ist Kundenorientierung. Hier sollte im Rahmen des Innovationsmanagements auf Möglichkeiten wie Lead User-Konzepte, Crowd Sourcing und Swarm Intelligence unter Einsatz der sozialen Medien zurückgegriffen werden (vgl. Horn/ Brem 2013, 945/ 946). Globale Konkurrenz führt zu immer kürzeren Produktlebenszyklen. Dies wiederum sollte zu vermehrten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten führen. Neue Produkte müssen schneller auf den Markt kommen (vgl. Horn/ Brem 2013, 942). Der Aufbau globaler Netzwerke erlaubt den Unternehmen zum einen Zugang zu Know-How und Mitarbeitern der ganzen Welt zu haben und zum anderen den Zielmärkten näher zu kommen. Netzwerke erlauben den Austausch von Ideen weltweit (vgl. Horn/ Brem 2013, S. 942). Ein wichtiger Aspekt ist der Schutz geistigen Eigentums, gerade wenn Innovationen im Rahmen von Netzwerken gewonnen werden. Aber auch der Handel mit geistigem Eigentum stellt eine wesentliche Aufgabe des Innovationsmanagements dar (vgl. Horn/ Brem 2013, S. 943). Um Innovationen erfolgreich vermarkten und vertreiben zu können, bedarf es entsprechender Geschäftsmodelle. Dabei ist die Internationalisierung und Flexibilität der Geschäftsmodelle von Bedeutung. Es gilt bei der Umsetzung „frugaler Innovationen“ sich vor allem an die Kundenwünsche anzupassen und dem Kunden auch geographisch näher zu kommen. Daher gründen große Unternehmen wie Bayer oder General Electric Forschungszentren an Orten wie Indien, China und Malaysia. Da auf der einen Seite immer mehr konsumiert wird, auf der anderen Seite viele Ressourcen aber erschöpfen, gilt es für Unternehmen nachhaltig zu wirtschaften (vgl. Horn/ Brem 2013, S. 944). Laut Vahs und Brem (2013, S. 45) gehören alle wertschöpfenden Aktivitäten von der Grundlagenforschung bis zur Markteinführung und alle damit zu- <?page no="209"?> 208 Internationales Marketing und Innovationsmanagement sammenhängenden Funktionen zum Innovationsmanagement. Innovationsmanagement umfasst dabei Innovationsstrategie, Innovationskultur, Innovationsorganisation und Innovationsprozess, sowie die unterstützenden Unternehmensfunktionen (vgl. Vahs und Brem 2013, S. 86). Die Innovationsstrategie bestimmt, in welchen Unternehmensbereichen zu welchem Zeitpunkt welche Innovationen durchgeführt werden müssen, um die Innovationsziele zu erreichen (vgl. Vahs/ Brem 2013, S. 87). Die Innovationsstrategie setzt sich dementsprechend aus Technologie-, Produkt-, Prozess- und Timing-Strategie zusammen (vgl. Vahs/ Brem 2013, S. 87). Eine Innovationsstrategie ist dabei ein wiederkehrender Regelprozess beginnend bei der Analyse der Ausgangssituation (strategische Exploration) - insbesondere auch der Markt- und Technologietrends. Darauf folgt die strategische Planung, bei der Ziele und Handlungsalternativen festgelegt werden. Anschließend wird die Innovationsstrategie umgesetzt (strategische Steuerung) und dabei der Grad der Zielerreichung kontinuierlich überprüft (vgl. Vahs/ Brem 2013, S. 88). Im Rahmen der Innovationskultur steht der Mensch im Mittelpunkt der Überlegungen. Innovationsfreundliche Kulturen zeichnen sich dabei durch folgende Eigenschaften aus (vgl. Vahs/ Brem 2013, S. 89/ 90): hoher Stellenwert von Innovationen Sicherheit und Vertrauen Kooperative Arbeitskonzepte und partizipatives Management umfassende Aus- und Weiterbildung gute Verfügbarkeit von Informationen und informale Kommunikation unternehmerische Freiräume Fehlertoleranz Der klassische Innovationsprozess kann in die Phasen Ideengenerierung, Ideenauswahl und Ideenrealisierung unterteilt werden (vgl. Vahs/ Brem 2013, S. 94; vgl. Brem/ Voigt 2007, S. 307). Ein betriebliches Vorschlagswesen wird häufig dazu genutzt, um die Kreativität der Mitarbeiter zu steigern und mehr Ideen und Innovationen hervorzubringen (vgl. Brem/ Voigt 2007, S. 306). Das Vorschlagswesen wiederum ist Teil des Ideenmanagements, das die Generierung, Bewertung und Auswahl neuer Ideen zum Ziel hat (vgl. Brem/ Voigt 2007, S. 306). Ziel des Ideenmanagements ist dabei zunächst, möglichst viele Ideen hervorzubringen. Die Auswahl wiederum kann nur erfolgreich verlaufen, wenn der Bedarf der Nutzer bestimmt wurde (vgl. Brem/ Voigt 2007, S. 307). Dabei ist die reine Umsetzung der Idee nicht das Ende des Innovationsprozesses, sondern die Idee muss beim Adressaten, d.h. beim Kunden bei Produktinnovationen, oder beim Unternehmen bei Prozessinnovationen ankommen. Dabei ist das Innovationsmarketing ein wesentliches Instrument (vgl. Vahs/ Brem 2013, S. 94). Auch eine stetige Erfolgskontrolle gehört zum Innovationsprozess (vgl. Vahs/ Brem 2013, S. 95). <?page no="210"?> Rebecca Popp 209 55. .33. .2 2 EEr rf fo ollg gssffaakkttoorre enn u un ndd V Voor rtteeiille e d deess I Innnno ovvaat tiioonnssmmaanna agge emmeennttss Aufbauend auf der VECTIS-HR-Benchmarkstudie, sowie auf der VEND- Innovations-Benchmarkstudie erörtern Oswald und Brem (2016), die Erfolgsdimensionen des Innovationsmanagements und die Unterschiede zwischen der Top- und Flopgruppe im Innovationsmanagement. Es zeigen sich signifikante Unterschiede hinsichtlich der strategischen Ausarbeitung des Innovationsmanagements. Auch ist die Integration der Personalstrategie in die Vision/ Mission der Unternehmen unterschiedlich stark ausgeprägt. Das Personalmanagement beteiligt sich in der Flopgruppe deutlich weniger an der Entwicklungsstrategie, als das bei der Topgruppe der Fall ist. Außerdem zeichnen sich Unternehmen mit großem Innovationserfolg durch eine innovationsfreudige Kultur aus (vgl. Oswald/ Brem 2016, S. 55). Es zeigt sich, dass innovative Unternehmen einen besseren Ruf bei potenziellen Mitarbeitern haben und es ihnen zudem leichter gelingt, Mitarbeiter zur Beteiligung am Ideen- und Innovationsmanagement zu motivieren. Innovative Talentförderung, sowie stärkere Mitarbeiterbindung gehören zu den weiteren Vorteilen innovationsstarker Unternehmen. Es gelingt innovativen Unternehmen zudem besser, durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen die Umsetzungskompetenzen der Innovationsmanager im operativen Innovationsmanagement zu fördern (vgl. Oswald/ Brem 2016, S. 56). Überdurchschnittlich innovative Unternehmen verfügen also über professionell und detailliert ausgearbeitete Strategien und verankern strategische Ziele ganzheitlich im Zielvereinbarungsprozess. Die professionelle Planung gibt den Mitarbeitern die Möglichkeit, neue Ideen weiterzuentwickeln und zu verwirklichen (vgl. Oswald/ Brem 2016, S. 57). Es besteht hinsichtlich der Umsetzung des Innovationsmanagements noch ein großer Unterschied zwischen KMUs und Großunternehmen. Ein Großteil der KMUs besitzt keine Innovationsstrategie, bzw. kommuniziert diese nicht. Auch ist der Teil der KMUs, die angeben, regelmäßig technologische Entwicklungen, sowie Markt, Wettbewerber und Partner zu beobachten und zu bewerten deutlich geringer als beim gehoben Mittelstand und noch um einiges geringer als bei Großunternehmen. Somit berichten auch mehr KMUs, dass das Technologieportfolio keiner strategischen, langfristigen Planung unterliegt. Hinsichtlich der Innovationskultur haben KMUs im Vergleich zu größeren Unternehmen hingegen sogar einen Vorsprung. Die Mitarbeiter arbeiten selbstständiger, Ideen werden unterstützt und Fehler leichter toleriert, zudem herrscht mehr Vertrauen als in größeren Unternehmen (vgl. Oswald/ Brem 2016, S. 99). Im gesamten Innovationsprozess gehen große Unternehmen systematischer vor (vgl. Oswald/ Brem 2016, S. 100), während bei KMUs bei der Generierung und Auswahl von Ideen weniger zielgerichtet vorgegangen wird. <?page no="211"?> 210 Internationales Marketing und Innovationsmanagement 55..33..33 IInntteeggrriieerrtteess IInnnnoovvaattiioonnssmmaannaaggeemmeen ntt Eine Vielzahl externer Ressourcen sollte in das Innovationsmanagement integriert werden, da Ideen nicht nur unternehmensintern entstehen. Sowohl Kunden, Wettbewerber, Lieferanten und andere Stakeholder können dem internen Ideenmanagement neuen Input liefern. (vgl. Brem/ Voigt 2007, S. 311). Damit ein integriertes Ideenmanagement mit externen Ressourcen überhaupt geschaffen werden kann, ist es allerdings notwendig, dass das interne Ideenmanagement mit möglichst vielen Instrumenten ausgeschöpft wird (betriebliches Vorschlagswesen, Kaizen etc.) Beim integrierten Ideenmanagement werden sowohl Ideen von unternehmensinternen als auch von externen Quellen gesammelt und so koordiniert, dass sie im betrieblichen Innovationsprozess genutzt werden können. Da das integrierte Ideenmanagement einen komplexen Prozess darstellt, kann es in Abhängigkeit von der Betriebsgröße notwendig werden, eine Abteilung für Ideenmanagement zu schaffen (vgl. Brem/ Voigt 2007, S. 312) Besonderes Augenmerk bei der Gewinnung neuer Ideen muss auf Ideen der Nutzer gelegt werden. Die sozialen Medien vereinfachen den Kontakt und Ideenaustausch mit den Kunden. Dabei sollte der Fokus auf den so genannten Lead Usern liegen, die sich einen besonders hohen Nutzen aus der Bedürfnisbefriedigung versprechen und daher besonders motiviert sind Problemlösungen zu finden (vgl. Brem/ Bilgram 2015, S. 42f.). Das Internet bietet dabei die wichtigste Plattform zur Identifikation solcher Lead User. Techniken wie Netnographie und Crowdsourcing bieten Unterstützung bei der Suche nach Lead Usern (vgl. Brem/ Bilgram 2015, S. 43). Bei der Netnographie werden Daten, die über Foren, Blogs etc. im Internet von Nutzern zur Verfügung gestellt werden, analysiert, um so Informationen über die Bedürfnisse und Lösungsansätze zu gewinnen. Dabei stellt die Netnographie eine passivbeobachtende Methode dar (vgl. Brem/ Bilgram 2015, S. 43). Beim Crowdsourcing hingegen werden Teilaufgaben über das Internet ausgelagert. Im Rahmen von Ideenwettbewerben z.B. können Lead User herausgefiltert werden. So wird beim Crowdsourcing durch das Unternehmen eine Plattform zur Gewinnung neuer Ideen geschaffen (vgl. Brem/ Bilgram 2015, S. 44). <?page no="212"?> Rebecca Popp 211 55. .33. .4 4 GGr ru unnd dm mu us st te err d de er r I In ntte errn naat ti io onna al leenn F F& &E E Der F&E-Prozess ist in der Regel nicht physisch, sondern ein Wissensprozess, der auf intensiver persönlicher oder elektronischer Kommunikation basiert. Daraus ergeben sich insbesondere erhebliche Koordinationskosten des länderübergreifenden Informationsaustausches. Sprach-, Kultur- und Zeitunterschiede führen im internationalen Innovationsmanagement zu erhöhten Aufwendungen zeitlicher oder monetärer Art (vgl. Nippa/ Rosenberger 2007, S. 170). Gassmann (2013) hat einige Grundmuster der Internationalen F&E herauskristallisiert, die von großer Bedeutung für die Überlegungen des Internationalen Innovationsmanagements und auch des Internationalen Marketings eines Unternehmens sind und daher mit in diesen Beitrag einfließen. 55..33..44..11 EEtth hn noozzeen nttr riissc chh zze en nttr raalliissi ieer rtte e FF&&E E Alle F&E-Aktivitäten konzentrieren sich auf das Stammland. Dabei wird von einer technologischen Überlegenheit des Stammlandes gegenüber den Auslandsgesellschaften ausgegangen. Die zentrale F&E generiert neue Produkte, welche dann an anderen Orten produziert und weltweit vertrieben werden. Aufbau zentrale F&E im Stammland zentrale, straffe Steuerung und Kontrolle des F&E-Programms Stärken hohe Effizienz niedrige F&E-Kosten geringe Entwicklungszeiten guter Schutz der Kerntechnologien Schwächen mangelnde Anpassung an lokale Märkte Gefahr des NIH (not here invented)-Syndroms mangelnde Wandlungsfähigkeit der Organisation (vgl. Gassmann 2013, S. 248) 55..33..44..22 GGe eoozze en nttr riisscch h zze en nttrraalliissiieer rttee FF&&E E Dabei sollen auf der einen Seite Effizienzvorteile durch Zentralisierung realisiert werden, auf der anderen Seite soll aber die ethnozentrische, ausschließende Stammlandfokussierung vermieden werden. Dazu soll in der F&E- Zentrale ein weltweit existierendes, externes Wissen über Technologien aufgebaut werden. Außerdem sollen Mitarbeiter offener gegenüber Auslands- <?page no="213"?> 212 Internationales Marketing und Innovationsmanagement märkten werden. Dazu dienen z.B. Auslandsentsendungen, so dass F&E-Mitarbeiter mit Kunden und Zulieferern zusammenarbeiten und wichtige Auslandskontakte knüpfen können. Konfiguration zentrale F&E im Stammland intensiver Kontakt mit ausländischen Standorten internationale Job-Rotation Center-for-global Vorteile Erzielung der Effizienz einer zentralen F&E kostengünstige F&E-Internationalisierung Nachteile Vernachlässigung einer systematischen F&E-Internationalisierung Vernachlässigung lokaler Marktspezifika (vgl. Gassmann 2013, S. 249). 55..33..44..33 PPo ollyyzze en nttrri isscch h ddeezze en nttrra alliissiieer rtte e FF& &EE Diese Struktur ist in Unternehmen mit starker Auslandsorientierung vorzufinden. Die F&E-Einheiten haben sich in mehreren Ländern aus Vertriebs- und Produktionsstätten entwickelt. Kennzeichen der polyzentrisch dezentralisierten F&E ist ein dezentralisierter, föderativer Verbund von international verstreuten F&E-Einheiten ohne zentrale Steuerung. Der Informationsfluss zwischen den einzelnen Standorten und der Zentrale beschränkt sich auf einfache, zeitverzögerte Benachrichtigungen über laufende F&E-Aktivitäten. Konfiguration dezentrale F&E produktbezogene F&E dominiert kaum Koordination zwischen F&E-Standorten Center-for-global Stärken hohe Sensitivität für lokale Märkte Anpassung an lokale Umwelt Nutzung lokaler Ressourcen Schwächen Ineffizienz und Doppelentwicklungen <?page no="214"?> Rebecca Popp 213 kein technologischer Fokus Nicht-Erreichen der kritischen Masse (vgl. Gassmann 2013, S. 250) 55..33..44..44 HHuubbmmooddeellll ddeerr FF&&EE Die Gefahr von Doppelentwicklungen wird durch eine straffe, zentrale Steuerung reduziert. Die heimische F&E-Zentrale ist Knotenpunkt für alle Forschungs- und Vorentwicklungsaktivitäten. Die ausländischen F&E-Standorte beschränken ihre Aktivitäten auf die ihnen zugewiesenen Technologiefelder, zunächst aber als technologische Horchposten. Die Zentrale steuert die dezentralen F&E-Aktivitäten über das F&E-Programm und Zuweisung der notwendigen Ressourcen. So werden ein koordinierter, effizienter Technologietransfer, dauerhafte Unterstützung bei technologischen Problemen und Zugriff auf neueste Forschungserkenntnisse garantiert. Die F&E-Zentrale kann als eine rechtlich selbständige Technologiegesellschaft geführt werden (vgl. Gassmann 2013, S. 251). Konfiguration dezentrale F&E, durch Zentrale straff gesteuert F&E-Zentrale hat Führung in den meisten Technologiefeldern Koordination über Vorgaben und Budgets Center-for-global Stärken hohe Effizienz durch Abstimmung der F&E-Aktivitäten und Vermeidung von Doppelentwicklungen Ausnutzung bestehender Stärken aller F&E-Standorte Realisierung von Synergien Schwächen hohe Koordinationskosten und -zeiten Gefahr der Unterdrückung von Kreativität und Flexibilität durch zentrale Weisungen 55..33..44..55 IInntteeggrriieerrtteess NNeettzzwweerrkk Bei diesem Konzept ist die Stammland-F&E nicht mehr der zentrale, alles kontrollierende Kern des Unternehmens, sondern eine unter vielen unabhängigen F&E-Einheiten, die durch vielfältige Koordinationsmechanismen verbunden sind. Jeder Standort fokussiert spezielle Produktgruppen oder Technologiefelder. <?page no="215"?> 214 Internationales Marketing und Innovationsmanagement Konfiguration hohe internationalisierte F&E Kompetenzzentren sind für bestimmte Produkte und/ oder Technologien weltweit verantwortlich multidimensionale Koordination über vielfältige Gremien, informelle Kontakte, starke Corporate Identity Center-for-global Stärken Realisierung von Spezialisierungsvorteilen und Synergieeffekten globale vor lokaler Effizienz organisationales Lernen über Standorte hinweg Ausnutzung und Weiterentwicklung lokaler Stärken Schwächen hohe Koordinationskosten Komplexität von institutionellen Regelungen und Entscheidungsprozessen (vgl. Gassmann 2013, S. 251) 55..33..55 TTr re en nd dss iimm iinnt te er rnna at ti ioon naal leen n IInnnno ovva atti io on nssmmaan naag ge emmeenntt Brem und Wolfram (2015) führten eine Studie über kulturelle Unterschiede und deren Zusammenhang mit der Entwicklung neuer Produkte in Deutschland, China und Indien durch. Dabei analysierten sie strategische, organisatorische, sowie operationelle Aspekte. Es zeigte sich, dass strategische Aspekte vorrangig nicht durch die Landeskultur geprägt werden, sondern eher durch Markteigenschaften oder die Unternehmenskultur. Einige kulturelle Unterschiede, die sich auch auf die Strategie auswirken, lassen sich auf Hofstedes Kulturdimensionen der Vermeidung von Unsicherheiten und Machtdistanz zurückführen (Brem/ Wolfram 2015, o.S.). Im Rahmen seiner Untersuchungen zum internationalen Innovationsmanagement hat Gassmann (2013) folgende wesentliche Trends herausfiltern können. Anpassung an ein internationales Umfeld: Unternehmen mit einer zentralen F&E passen sich zunehmend an das internationale Umfeld an. Um an Informationen externer Innovationszentren zu gelangen, öffnen sich die F&E-Abteilungen für externe Information und Feedback. Schaffung von Horchposten: Heute ist das Anzapfen externen Wissens häufig die Hauptwissensquelle. Mehr Autonomie an dezentralisierte F&E-Stellen: während früher eher strenge, zentrale Kontrolle externer F&E-Stellen vorgenommen wurde, er- <?page no="216"?> Rebecca Popp 215 halten heute die dezentralisierten Stellen mehr Handlungsspielraum. Der freie Fluss von Informationen wird dabei unterstützt. Schaffung von Centers of Expertise: nach z.B. Fusionen werden Kompetenzzentren geschaffen, um die F&E-Anstrengungen zu integrieren und zu bündeln. Somit werden Doppelarbeiten in der F&E vermieden. Trend zu integriertem Netzwerk: Häufig müssen sich Unternehmen aus Gründen der Kostenersparnis auf eine kleine Anzahl von führenden Forschungszentren konzentrieren. Damit sollen Skaleneffekte erreicht werden und weltweite F&E-Anstrengungen koordiniert werden (vgl. Gass Zedtwitz 1999, S. 231-250). 55. .44 FFaaz ziit t Die Bedeutung der Internationalisierung sowohl des Innovationsmanagements als auch des Marketings ist im Zeitalter der Globalisierung unumstritten. Erfolgreiche Unternehmen können nicht mehr nur nationale Strategien anwenden. Aufgezeigt wurde in diesem Beitrag, dass grundlegende Unternehmensstrategien, Marketing, Innovationsmanagement und F&E-Management eng miteinander verknüpft sind, so dass man den einen Bereich nicht analysieren kann, ohne auch andere Felder der Betriebswirtschaft zu tangieren. Entscheidungen im Stammland haben zudem internationale Auswirklungen, so dass Marketing und Innovationsmanagement fast immer internationale Aspekte aufweisen. Die rundlegende Frage, die sich im Rahmen der Internationalisierung stellt, ist immer die der Standardisierung oder Differenzierung. Eine Antwort auf diese Frage muss aber in jedem Einzelfall selbst funden werden. Inwiefern Besonderheiten der Gastländer relevant sind, ist individuell verschieden. Somit kann man auch keine klare Empfehlung zur grundlegenden Ausrichtung (ethnozentrisch, geozentrisch, polyzentrisch, Hubmodell, Netzwerk) geben, denn auch hier läuft alles wieder auf die Standardisierungsf rage hinaus. In einige wesentliche Grundkonzepte konnten also eingeführt werden, ohne jegliche Empfehlungen liefern zu können. Die Komplexität der Fragestellungen dürfte aber klar geworden sein. FFrraaggeenn Welcher Zusammenhang besteht zwischen Internationalem Marketing und Internationalem Innovationsmanagement? Welche Vor- und Nachteile gibt es bei Differenzierungsbzw. Standardisierungsentscheidungen im Internationalen Marketing? Welche Erfolgsfaktoren gibt es hinsichtlich des Internationalen Innovationsmanagements? Welche Trends sind beim Internationalen Innovationsmanagement erkennbar? <?page no="217"?> 216 Internationales Marketing und Innovationsmanagement LLiitteerraattu urr Backhaus, K./ Büschken, J./ Voeth, M: Internationales Marketing. Schäffer- Pöschel Verlag, Stuttgart 2003. Backhaus, K./ Voeth, M.: Industriegütermarketing, 8. Aufl., Vahlen, München 2007. Backhaus, Klaus et al.: Internationales Marketing. Stuttgart, Schäffer-Verlag, 1996. Brem, A./ Bilgram, V.: The search for innovative partners in co-creation: Identifying lead users in social medial through netnography and crowdsourcing, Journal of Enginerring and Technology Management Vol. 37, 2015, S. 40-51. Brem, A./ Vollrath O.: Management von Innovationen - Hintergrund und Status quo des Innovationsmanagements im Mittelstand, in: Becker, W./ Ulrich, P.: BWL im Mittelstand. Grundlagen - Besonderheiten - Entwicklungen, Kohlhammer 2014. 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Auflage, Stuttgart Schäffer-Poeschel 2002. <?page no="220"?> 66 MMaannaaggeemmeenntt ddeerr IITT aallss wweesseennttlliicchheerr EEiinnfflluussss-ffaakkttoorr ffüürr iinntteerrnnaattiioonnaallee uunndd gglloobbaallee UUnntteerrnneehhmmeenn <?page no="221"?> 220 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor Lernziele Nach der Durcharbeitung dieses Kapitels sollten Sie die gegenseitige Ausrichtung von der IT- und Geschäftsstrategie eines Unternehmens vornehmen können, verschiedene Modelle zur Findung einer IT-Strategie anwenden können, die Struktur von ITIL und den IT-Service-Lebenszyklus beschreiben können, Methoden zur Modellierung von IT-Prozessen benennen und in das ARIS-Modell einordnen können, quantitative und qualitative Bewertungen von IT-Risiken voneinander abgrenzen und anwenden können, die Schutzziele der IT-Sicherheit kennen und wichtige Schutzmaßnahmen für IT-Systeme aufzählen können, die Hintergründe der IT-Compliance erläutern und Techniken zur Eingrenzung von Compliance-Umgebungen beschreiben können. <?page no="222"?> 221 66..11 BBe edde euuttu unngg dde err IIT T ffüürr ddi iee IIn ntteer rnnaattiioonnaalliittä ätt uunndd GGlloobba allii-ssiieerru unngg Die Internationalität und Globalisierung haben sich als wichtige Erfolgsfaktoren für Unternehmen bewährt. Sie ermöglichen die Kombination von Vorzügen unterschiedlicher Standorte in verschiedenen Ländern und bieten Ansätze zu Wachstum, Risikodiversifikation und Prestigezuwachs. Allerdings kann die Internationalisierung - also das Erreichen der Internationalität durch wirtschaftliche Ausdehnung und grenzübergreifende Aktivitäten - in einem Spannungsverhältnis mit den Interessen der Stakeholder stehen. Sie ist als Vorstufe der Globalisierung zu betrachten. Die Globalisierung ist durch eine hohe funktionale Integration zwischen international verteilten Geschäftsaktivitäten geprägt. Die Stakeholder sind meist auf den kurzfristig vorhersehbaren Wertbeitrag zum Shareholder Value fokussiert, der durch die oftmals hohen initialen Internationalisierungskosten und die Konkurrenz nationaler Unternehmen, die mit den lokalen Gegebenheiten besser vertraut sind, stark beeinträchtigt werden kann. In diesem Spannungsverhältnis nimmt die IT eine bedeutende Rolle ein, da der Einfluss der IT auf die Profitabilität eines international agierenden Unternehmens, und damit auf den Wertbeitrag zum Shareholder Value, gravierend sein kann. Die Generierung eines hohen Wertbeitrags setzt voraus, dass Geschäfts- und IT-Strategien symbiotisch in Einklang gebracht und IT-Ressourcen effektiv und effizient eingesetzt werden. Hilfreich sind auch eine serviceorientierte Ausrichtung der IT mit ITIL und eine klare Modellierung von IT-Prozessen für die gesteigerte funktionale Integration von Kern- und Unterstützungsprozessen auf internationaler Ebene. Auch wenn sich das Geschäftsrisiko durch die Internationalisierung in der Regel diversifizieren lässt, entstehen im Rahmen der IT oft neue Risiken, z. B. aufgrund zusätzlicher Angriffspunkte und höherer Verfügbarkeitsanforderungen, die bewältigt werden müssen. Essenzielle Erfolgsbeiträge der IT sind außerdem die Aufrechterhaltung eines angemessenen Sicherheitsniveaus, das durch die internationale Verteilung und Übertragung von wichtigen Daten nicht beeinträchtigt werden darf, und die Einhaltung von Regularien, die unter anderem an den geltenden lokalen Gesetzen, z. B. SOX in den USA, und den Besonderheiten grenzüberschreitender Datenübertragungen, speziell dem BDSG, ausgerichtet werden sollte. <?page no="223"?> 222 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor 66..22 SSttrraatteeg giisscchhee EEnnttsscchheeiidduunnggeen n ffüürr ddiiee IITT 66..22..11 SScchhaafff fu un ngg eei inneer r SSyym mbbiio os see z zwwiis scchheenn GGeesscchhääfft t u un ndd I IT T 66..22..11..11 EEnntteerrp prri is see W Wiid dee IIn nffo or rmmaat tiio on n M Maannaagge emmeenntt Das Enterprise Wide Information Management (EWIM) Modell (Benson u. Parker 1985) dient der Analyse des Zusammenwirkens von Geschäftsmodell und IT aus strategischer und operativer Sicht. Das Modell trennt ein Unternehmen in die Bereiche Nutzer und Datenverarbeitung. Beide Bereiche haben eine operative und eine strategische Ebene. Dadurch ergeben sich die vier Quadranten strategische Planung, Geschäftsplanung, Informationstechnologie und Informationssystem-Architektur. Die Verbindungen zwischen diesen Quadranten repräsentieren verschiedene Prozesse. Abb. 6.1: EWIM-Modell Bei den Prozessen des EWIM-Modells handelt es sich um: [1] Ableitung der Geschäftsplanung aus der strategischen Planung Dieser Prozess bildet die Basis für den operativen Geschäftsbetrieb. Die Ergebnisse der strategischen Planung werden genutzt, um daraus operative Tätigkeiten abzuleiten. Ein direkter Einfluss auf die IT ist hierbei meist nicht vorhanden. [2] Anpassung der Informationssystemarchitektur an die Geschäftsziele Hierbei wird die IT des Unternehmens so ausgerichtet, dass sie die Geschäftsziele möglichst optimal unterstützen oder sogar erst ermöglichen kann. Unterstützend ist die IT in der Regel innerhalb von Unternehmen, die nicht in der IT-Branche tätig sind und die IT für die Unterstützung Strategische Planung Geschäftsplanung Informationssystem- Architektur Informationstechnologie strategisch Nutzer operativ Datenverarbeitung 1.) 2.) 3.) 4.) 5.) <?page no="224"?> 223 von Kernprozessen nutzen. Für Unternehmen, die in der IT-Branche tätig sind, hat die IT selbst die Rolle eines Kernprozesses und ist unentbehrlich für die Zielerreichung. [3] Beeinflussung der Unternehmensstrategie durch Informationstechnologie Die IT ist nicht nur passiver Bestandteil des Unternehmens, sondern kann auch aktiv die Strategie beeinflussen. Z. B. können neue technologische Fortschritte bedeutsam für die strategische Planung werden. Eine erleichterte Ausführung von Kernprozessen mithilfe der IT kann zu größeren Kapazitäten oder neuen Potenzialen führen. [4] Begrenzung der Technologieoptionen In der IT eines Unternehmens existieren aber auch Begrenzungen, z. B. durch Know-how-Mangel, technische Rahmenbedingungen oder Sicherheitsmaßnahmen aufgrund immer gezielterer Hacker-Angriffe. Dies führt dazu, dass die technologischen Möglichkeiten nicht vollständig ausgenutzt werden können. [5] Strategische Ableitung der Informationssystemarchitektur Die Integration der IT-Planung in die Strategieplanung ist ein Prozess, der die potenziellen Begrenzungen schon im Vorfeld berücksichtigen kann. So hat das Unternehmen die Möglichkeit, die IT bei strategischen und operativen Überlegungen optimal an den Geschäften auszurichten. 66..22..11..22 SSttrraatteeggiicc AAlliiggnnmmeenntt MMooddeell Das Strategic Alignment Model (Henderson u. Venkatraman 1993) zeigt Möglichkeiten auf, um den Geschäfts- und IT-Bereich unter Berücksichtigung der Strategien, Prozesse und Infrastrukturen eines Unternehmens zu integrieren und aneinander anzupassen. Das Strategic Alignment Model verdeutlicht nicht nur den Zusammenhang zwischen Geschäfts- und IT-Strategie, sondern auch die Ableitung passender Prozesse und Infrastrukturen sowie die Integration zwischen ihnen. <?page no="225"?> 224 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor Abb. 6.2: Strategic Alignment Model Bei den vier Domänen des Strategic Alignment Models handelt es sich um: [1] Die Geschäftsstrategie umfasst die Produkt-Markt-Positionierung, z. B. die Fokussierung auf neue Märkte, neue Produkte oder beides. Dadurch wird festgelegt, wie das Unternehmen sich im Markt positionieren möchte. Auch spezifische Wettbewerbsvorteile sind für die Geschäftsstrategie wichtig. Sie definieren die Art und Weise, wie das Unternehmen sich von der Konkurrenz abheben möchte, z. B. mit günstigen Preisen, geringen Kosten, hoher Qualität, guter Reputation oder attraktiven Vertriebskanälen. Kooperationsstrukturen geben an, inwieweit das Unternehmen im Rahmen der Leistungserstellung und des Vertriebs mit anderen Unternehmen zusammenarbeitet, z. B. durch vertikale oder horizontale Integration oder Netzwerke. [2] Die IT-Strategie umfasst, wie die Geschäftsstrategie, die Produkt- Markt-Positionierung, spezifische Wettbewerbsvorteile und Kooperationsstrukturen, allerdings aus Sicht der IT. Die Produkt-Markt-Positionierung bezieht sich auf den Umfang der benötigten Technologie, speziell im Hinblick auf die Beschaffung von IT-Komponenten und -Systemen. Spezifische Wettbewerbsvorteile der IT sind z. B. geringe Kosten, hohe Verfügbarkeiten und Kapazitäten der IT. Kooperationsstrukturen ermöglichen die Kooperation bei der Erfüllung von IT-Aufgaben, z. B. Softwareentwicklung, Technologiebeschaffung und Betrieb. [3] Die Domäne organisatorische Infrastruktur und Prozesse gliedert sich in Infrastruktur, Prozesse und Fähigkeiten. Die Infrastruktur beinhaltet die grundsätzlichen Strukturen und Regelungen zur Organisation des Unternehmens, z. B. die hierarchische Gliederung, Weisungsbefugnisse und Verantwortungen. Die Prozesse definieren, wie Arbeitsabläufe zur betrieblichen Leistungserstellung ausgeführt werden sollen, z. B. die 1.) Geschäftsstrategie 2.) IT-Strategie 3.) organisatorische Infrastruktur und Prozesse 4.) IT-Infrastruktur und -Prozesse Geschäft IT intern extern funktionelle Integration strategische Anpassung <?page no="226"?> 225 Materialbeschaffung oder der Einsatz eines Arbeitsmittels. Die Fähigkeiten sind die Eigenschaften der Mitarbeiter, um die Geschäftsstrategie und die zugehörigen Prozesse und Infrastrukturen professionell zu unterstützen, z. B. Fachwissen oder Sozialkompetenzen. [4] Die Domäne IT-Infrastruktur und -Prozesse gliedert sich ebenfalls in Infrastruktur, Prozesse und Fähigkeiten, jedoch mit dem Schwerpunkt IT. Die Infrastruktur umfasst die gesamte Bereitstellung und Vernetzung der Technologie im Unternehmen, z. B. durch die Ausstattung mit Rechnern, Bereitstellung von Servern und Applikationen sowie die Schaffung von Zugriffsmöglichkeiten auf Daten. Die Prozesse definieren die Arbeitsabläufe im IT-Bereich, z. B. Entwicklungsphasen, Systemdesign und Berechtigungsverwaltung. Die Fähigkeiten sind die erforderlichen Eigenschaften der IT-Mitarbeiter, z. B. IT-Fachwissen und ein angemessenes Sicherheitsbewusstsein. Durch die Verknüpfung der Domänen werden eine strategische Anpassung und eine funktionelle Integration ermöglicht: Die strategische Anpassung erfolgt zwischen den Domänen der oberen und unteren Ebene des Modells. Die Strategien werden an die Infrastruktur und Prozesse angepasst und umgekehrt. Die funktionelle Integration erfolgt zwischen den Domänen der linken und rechten Ebene des Modells. Hierbei wird der Geschäftsbereich in den IT-Bereich integriert und umgekehrt. Die Verknüpfung der Domänen kann aus vier Perspektiven erfolgen. Abb. 6.3: Perspektiven des Strategic Alignment Models [A] Die Strategieumsetzung ist die häufigste Perspektive. Die Unternehmensführung entwickelt die Strategie und die IT-Führung implementiert sie. [B] Die Technologieumsetzung ermöglicht die Umsetzung der Strategien, ohne dass Begrenzungen durch die vorhandenenOrganisationsstrukturen ausschlaggebend sind. Die Unternehmensführung wählt die Technologie aus, die die Geschäftsstrategie am besten unterstützt, und die IT-Führung setzt effektiv und effizient die benötigte IT-Infrastruktur um, so dass sie zur IT-Strategie passt. [C] Aus der Perspektive der Wettbewerbsfähigkeit sollen neue IT-Lösungen die Produkte der Fachabteilungen verbessern, die Strategie verän- 1.) 3.) 4.) 1.) 2.) 4.) 1.) 2.) 3.) 2.) 3.) 4.) A B D C <?page no="227"?> 226 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor dern oder neue Geschäftsbeziehungen ermöglichen. Die Unternehmensführung erläutert, wie die IT die Geschäftsstrategie beeinflusst, und die IT-Führung identifiziert und bewertet IT-Trends, um der Unternehmensführung die resultierenden Chancen und Risiken transparent zu machen. [D] Aus der Perspektive des Leistungsniveaus besitzt die Geschäftsstrategi e ei ne indir ek te R olle. Si e ist no tw en dig, a be r ni cht au sreichend, um die IT effektiv zu nutzen. Die Unternehmensführung gibt die Prioritäten vor und evaluiert, wie die Ressourcen am besten für die Fachabteilungen und den IT-Markt bereitgestellt werden, und die IT-Führung ermöglicht den IT-Service, unter der Berücksichtigung der direkten Vorgaben der Unternehmensführung. In der Literatur wurden bereits verschiedene Ansätze aufgezeigt, um Erweiterungen des Strategic Alignment Models durchzuführen. 66..22..22 FFi inndduunngg vvoonn IITT--SSttr raat teeg giieen n 66..22..22..11 MMccFFa ar rllaan nss BBeeddeeu uttu unnggssmmaat tr ri ixx Die Bedeutungsmatrix (McFarlan 1981) ist ein Werkzeug, mit dem die Abhängigkeiten von Informationssystemen gegenüber dem aktuellen und zukünftigen Betrieb eines Unternehmens beurteilt werden können. Der aktuelle Betrieb dient der Durchführung der aktuellen Geschäftstätigkeiten und der zukünftige Betrieb ist aus Sicht potenzieller strategischer Auswirkungen zu beurteilen. Die Kombination dieser zwei Dimensionen mit den Ausprägungen niedrig und hoch ergibt die vier möglichen Kategorien in der Matrix: Unterstützung, Durchbruch, Fabrik und Strategisches: Abb. 6.4: Bedeutungsmatrix Fabrik Unterstützung Durchbruch Strategisches hoch niedrig niedrig hoch zukünftige Bedeutung aktuelle Bedeutung <?page no="228"?> 227 Informationssysteme in der Kategorie Unterstützung haben sowohl für den aktuellen als auch für zukünftigen Betrieb eine niedrige Bedeutung. Sie dienen lediglich der Unterstützung von Prozessen. Systeme in dieser Kategorie werden von der Unternehmensführung mit dem geringsten Interesse und Engagement versehen. Die Kategorie Durchbruch enthält Systeme, die aktuell eine niedrige Bedeutung haben, jedoch für die Zukunft wichtig sind. Die Unternehmensführung sollte an der Planung dieser Systeme teilhaben. Fabrik ist die Kategorie mit einer hohen Bedeutung für den aktuellen Betrieb und einer niedrigen für die Zukunft. Für den Tagesbetrieb sind die Systeme aus dieser Kategorie sehr wichtig oder sogar absolut notwendig. Allerdings sind keine größeren Entwicklungspotenziale vorhanden, die das Geschäft beeinflussen würden. Die Einbeziehung der Unternehmensführung an der Planung dieser Systeme ist abnehmend. Die Kategorie Strategisches beinhaltet Systeme, die sowohl aktuell als auch zukünftig eine hohe Bedeutung für den Betrieb haben. Die Systeme sind mit wichtigen strategischen Entscheidungen verbunden, an denen die Unternehmensführung stark beteiligt ist. Die Systeme können sich fundamental auf den Unternehmenserfolg auswirken. Beim Einsatz der Bedeutungsmatrix können verschiedene Abstraktionsgrade genutzt werden. So können z. B. die Gesamtheit aller Informationssysteme im Unternehmen, die Informationssysteme einer Abteilung oder einzelne Systeme und Anwendungen beurteilt werden. Grundsätzlich sollte jedes Unternehmen eine Strategie verfolgen, welche die Informationssysteme einbezieht. Selbst wenn sie eine geringe strategische Bedeutung im Unternehmen haben, sollten Kosten und Nutzen der Informationssysteme langfristig gesteuert werden. 6 6..22..22..22 44CC--NNe ett--BBuussiine essss--MMooddeellll Das 4C-Net-Business-Modell (Wirtz 2001, S. 218 ff.) dient der Kategorisierung des Leistungsangebots von Geschäftsmodellen im Internet. Das 4C-Net-Business-Modell ist auf die Zielgruppe Privatkunden ausgerichtet, und somit für den Business-to-Consumer Markt geeignet. Die vier Geschäftsmodelle Inhalt (engl. Content), Handel (engl. Commerce), Verbindung (engl. Connection) und Kontext (engl. Context) beschreiben die idealtypischen Schwerpunkte, die Leistungsangebote im Internet grundsätzlich besitzen können. In der Praxis findet man häufig auch Kombinationen verschiedener Leistungsangebote oder sie sind nicht sauber abgrenzbar. Während die Umsätze beim Handel in der Regel durch direkte Geschäftstransaktionen mit den Kunden generiert werden, besteht bei Inhalt, <?page no="229"?> 228 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor Verbindung und Kontext ein großer Teil des Umsatzes oft aus indirekten Einnahmen, z. B. Werbung. Inhalt Handel Sammlung, Selektion, Systematisierung, Kompilierung, Bereitstellung von Inhalten auf einer eigenen Plattform Anbahnung, Aushandlung und / oder Abwicklung von Geschäftstransaktionen Verbindung Kontext Klassifikation und Systematisierung von im Internet verfügbaren Informationen Herstellung der Möglichkeit eines Informationsaustausches in Netzwerken Tab. 6.1: 4C-Net-Business-Modell Beim Geschäftsmodell Inhalt sollen Inhalte gegenüber Kunden so aufbereitet werden, dass für sie ein Nutzen generiert wird. Die Inhalte werden gesammelt, selektiert, systematisiert und kompiliert. Anschließend werden sie über eine eigene Plattform im Internet für die Kunden zum Abruf bereitgestellt. Der Inhalt kann dabei in erster Linie in die Bereiche Information, Unterhaltung und Bildung eingeordnet werden. Die Inhalte können auch aus verschiedenen Bereichen kombiniert werden, z. B. Information und Unterhaltung, auch bekannt als Infotainment (Kunstwort aus den engl. Begriffen Information und Entertainment). Beim Geschäftsmodell Handel werden traditionelle Transaktionen, z. B. das Präsenzgeschäft im Einzelhandel, mithilfe des Internets erweitert oder ersetzt. Umsätze, und damit auch Gewinne, sind in der Regel direkt an Transaktionen gebunden, können aber auch indirekt, z. B. durch Werbung, generiert werden. Leistungsangebote in diesem Geschäftsmodell können weiter untergliedert werden in: E-Attraction: Anbahnung von Transaktionen, z. B. Werbeflächen und Verkaufsplattformen, E-Bargaining / E-Negotiation: Aushandlung von Geschäftsbedingungen, z. B. Auktionsportale und Preisvergleiche, E-Transaction: Abwicklung von Transaktionen, z. B. elektronische Zahlung und Auslieferung. Bei der Verbindung wird den Kunden die Möglichkeit gegeben, Informationen über Netzwerke auszutauschen bzw. auf diese zuzugreifen. Die Art <?page no="230"?> 229 der Verbindung kann technologisch, z. B. ein Breitbandzugang, kommerziell, z. B. ein elektronischer Marktplatz, oder kommunikativ sein, z. B. Internet-Chats. Die Effizienz des Informationsaustauschs ist auf der virtuellen Ebene meist um ein Vielfaches höher als sie auf der physischen Ebene realisierbar wäre. Die Anbieter des Geschäftsmodells Kontext bieten in der Regel keine eigenen Informationen an, sondern helfen lediglich bei der Navigation im Internet und der Suche nach spezifischen Informationen. Sie bieten einen Überblick oder eine Zusammenfassung an, damit sich der Kunde im Internet besser zurechtfinden kann. Der Nutzen für den Kunden besteht aus einer Orientierungshilfe und der Erhöhung der Transparenz. Gerade im Hinblick auf die steigende Quantität und Komplexität des Informationsangebots im Internet besitzt dieses Geschäftsmodell eine große Bedeutung. 66..33 GGeessttaallt tuun ngg vvoonn IITT--SSe errvviicce ess mmiitt IITTIILL Die Information Technology Infrastructure Library (ITIL) ist ein Standard, um IT-Services basierend auf bewährten Erfahrungen zu vereinheitlichen und sie auf die kundenorientierte Geschäftstätigkeit von Unternehmen auszurichten. ITIL setzt sich aus fünf Bereichen zusammen, die den IT-Service-Lebenszyklus bilden (Beims 2010, S. 16). Abb. 6.5: IT-Service Lebenszyklus <?page no="231"?> 230 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor Die Service Strategy steht im Zentrum des IT-Service-Lebenszyklus. Durch sie wird der Rahmen für die Auswahl und Gestaltung von IT- Services geschaffen. Dabei sind Wertgenerierung, Förderung des Geschäftsmodells, Assets, Märkte und Service Provider wichtige Bestandteile der strategischen Ausrichtung. Die Prozesse im Bereich Service Strategy sind Strategy Management, Service Portfolio Management, Financial Management, Demand Management und Business Relationship Management. Im Service Design werden Anleitungen für das Design von IT-Services und IT-Prozessen gegeben. Dabei wird auch die Interaktion von IT-Services mit dem wirtschaftlichen und technischen Umfeld im Unternehmen berücksichtigt. Die Prozesse im Bereich Service Design sind Service Level Management, Service Catalogue Management, Availability Management, Information Security Management, Supplier Management, Capacity Management, IT-Service Continuity Management, Design Coordination, Compliance Management, IT Architecture Management und Risk Management. In der Service Transition werden die erstellten IT-Services in einen betriebsfähigen Zustand gesetzt. Diese Tätigkeiten haben in der Regel den Charakter eines Projekts. Die Prozesse im Bereich Service Transition sind Change Management, Release and Deployment Management, Application Development, Knowledge Management, Service Asset and Configuration Management, Transition Planning and Support, Service Validation and Testing und Change Evaluation. Im Bereich Service Operation wird beschrieben, wie die Einhaltung von Service Levels gegenüber internen und externen Kunden gewährleistet werden kann. Innerhalb der Service Operation findet die eigentliche Wertgenerierung mithilfe der IT-Services statt. Auch die Überwachung der IT- Services in Bezug auf Effektivität und Effizienz sowie die Aufrechterhaltung einer angestrebten Balance zwischen Zuverlässigkeit und Kosten sind Inhalt der Service Operation. Die Prozesse im Bereich Service Operation sind Incident Management, Problem Management, Event Management, Request Fulfillment, Access Management, IT Operations Control, Facilities Management, Application Management und Technical Management. Mit dem Bereich Continual Service Improvement sollen veränderte Geschäftsbedingungen berücksichtigt werden, und dadurch die Ausrichtung der IT an den Geschäftszielen aufrechterhalten werden. Während des gesamten Lebenszyklus von IT-Services sollen laufend Verbesserungen in Bezug auf Effektivität und Effizienz gesucht und umgesetzt werden. Das Continual Service Improvement muss zu diesem Zweck konkrete zu überwachende Metriken vorgeben, welche die Basis für eine Datenerhebung und -auswertung bilden. Das Ziel ist, Verbesserungsansätze zu finden und <?page no="232"?> 231 umzusetzen sowie deren Wirksamkeit nachvollziehen zu können. Die Prozesse im Bereich Continual Service Improvement sind Service Review, Process Evaluation, Definition of CSI Initiatives und Monitoring of CSI Initiatives. 66..44 MMoodde elllli ieer ru unngg vvoonn IIT T--PPrro ozze esssseenn Mithilfe der Modellierung kann die Komplexität von Prozessen durch die Verwendung eines höheren Abstraktionsgrades reduziert werden. Außerdem kann eine transparente Beschreibung erstellt werden, welche die erforderlichen Objekte, Daten oder Prozesse in verständlicher Weise in einen Kontext bringt. IT-Prozesse können den Charakter von Kern- oder Unterstützungsprozessen haben. Während erstere vornehmlich in der IT-Branche eingesetzt werden und einen unmittelbaren Beitrag zur Wertschöpfung des Unternehmens liefern, dienen letztere der Unterstützung von Kernprozessen und beeinflussen die Wertschöpfung indirekt, z. B. durch Effizienzsteigerungen. Je nach Abstraktionsebene unterscheidet man zwischen verschiedenen Modellierungstiefen. Während sehr abstrakte Modellierungen in frühen Planungsphasen oder zur Übersicht gegenüber Außenstehenden genutzt werden, dienen detaillierte Modellierungen der technischen Spezifikation oder Analyse bestehender Prozesse. Umso detaillierter die Modellierung ist, desto mehr triviale und ausführliche Darstellungen sind enthalten. In einer funktional strukturierten Linien-Organisation durchläuft ein Prozess meist mehrere Abteilungen, da aufgrund der Spezialisierung der Mitarbeiter nur Teilprozesse durch eine Abteilung ausgeführt werden können. Demgegenüber orientiert sich die Prozessorganisation an den modellierten Prozessen, so dass ein Zusammenschluss von Rollen im Hinblick auf die Tätigkeiten innerhalb der Prozesse vorgenommen wird. Die Architektur integrierter Informationssysteme (ARIS) ist ein von August-Wilhelm Scheer (1992) entwickeltes Modellierungskonzept, mit dem Prozesse mithilfe verschiedener Beschreibungssichten und -ebenen modelliert werden können. <?page no="233"?> 232 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor Abb. 6.6: ARIS-Haus Die fünf Beschreibungssichten Organisationssicht, Datensicht, Steuerungssicht, Funktionssicht und Leistungssicht bilden zusammen das sogenannte ARIS-Haus. Zu jeder Beschreibungssicht existieren die drei Beschreibungsebenen Fachkonzept, DV-Konzept und Implementierung. Beschreibungssichten Die Organisationssicht beschreibt die Leistungsträger des Unternehmens. Dies sind die Stellen und die Personen, welche die Stellen besetzen. Auch die einzelnen Kompetenzen und Verantwortungen der Personen können behandelt werden. Ein Werkzeug für die Organisationssicht ist das Organigramm, mit dem die Organisationseinheiten und ihre Beziehungen untereinander hierarchisch modelliert werden können. In der Datensicht wird festgelegt, welche Daten und dadurch repräsentierte Informationen durch das Unternehmen benötigt werden. Dabei werden auch die Quellen der Daten berücksichtigt. Ein verbreitetes passendes Werkzeug für die Modellierung ist das Entity-Relationship- Diagramm (ERD), mit dem Objekte, deren Eigenschaften und Beziehungen visualisiert werden können. Die Steuerungssicht ermöglicht die Verbindung zwischen verschiedenen Sichten durch die Kombination unterschiedlicher Modellierungsobjekte. Z. B. kann mit der ereignisgesteuerten Prozesskette (EPK) der Ablauf von Ereignissen und Funktionen modelliert werden. Die erweiterte EPK ermöglicht die Kombination mit Organisations-, Daten- und Leistungselementen. <?page no="234"?> 233 In der Funktionssicht werden die Vorgänge beschrieben, die das Unternehmen zur Durchführung oder Unterstützung von Geschäftstätigkeiten ausführt. Ein passendes Werkzeug ist der Funktionsbaum, der die Funktionen durch Zerlegung in Teilfunktionen verständlich macht. In der Leistungssicht werden die Leistungen modelliert, die als Eingabe in einen Prozess eingebracht oder als Ausgabe erzeugt werden. Dabei kann es sich um Dienstleistungen oder Waren handeln. Leistungen können z.B. mit dem Produktbaum modelliert werden, mit dem die Zusammensetzung von Produkten oder Leistungen analysiert werden kann. So können verschiedene Abstraktionsebenen wie Baugruppen und Einzelteile betrachtet werden und Substitutionsbeziehungen dargestellt werden. Beschreibungsebenen Im Fachkonzept werden Prozesse im Hinblick auf die betriebswirtschaftliche Problemstellung beschrieben. In der Regel stammen die Autoren aus den Fachabteilungen außerhalb des IT-Bereichs. Zu den Hilfsmitteln zählen ERD, EPK, Funktionsbaum und Organigramm. Im DV-Konzept werden die im Fachkonzept beschriebenen Anforderungen an die Prozesse in technische Anforderungen an die Datenverarbeitung (DV) überführt. Hilfsmittel in dieser Ebene sind z. B. Relationen und Struktogramme. In der Implementierung werden die Prozesse mithilfe der DV-Technik realisiert. Hilfsmittel sind z. B. die Erstellung von Programmcode oder Datenbanken. 66..55 SSiicchheerruunngg uunndd R Reegguulliieerruunngg d deerr I ITT 66..55..11 BBeewwäällttiigguunngg vvoonn IITT- -RRiissiikkeenn 66..55..11. .11 ÜÜbbeerrbblliicckk Das Risikomanagement unterstützt die angemessene Bewältigung von Risiken unter Berücksichtigung der individuellen Eigenschaften und Präferenzen des Unternehmens. Sie umfasst die Identifizierung von Risiken, die Risikobewertung, die Auswahl der Risikobewältigungsmethode sowie die Implementierung und Pflege von Gegenmaßnahmen zur Steuerung der Risiken. Die ersten drei Phasen des Risikomanagements werden im Folgenden genauer erläutert. Die vierte Phase ist kaum generalisierbar, da sie stark von den individuellen Entscheidungen des Unternehmens abhängt. <?page no="235"?> 234 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor 66..55..11..22 IId deen nttiif fi iz ziie er ru unngg vvoon n R Riis siikkeenn Zur Identifizierung von Risiken muss man sich zunächst bewusst machen, wie sie entstehen. Vermögensobjekte sind alle Objekte, die für das Unternehmen einen Wert haben. Die Unversehrtheit und Verfügbarkeit dieser Vermögensobjekte können bedroht werden. Eine Bedrohung existiert dann, wenn ein Vermögensobjekt eine Schwachstelle besitzt, deren Ausnutzung durch einen Angreifer oder durch Umweltfaktoren möglich ist. Durch das potenzielle Ausnutzen der Schwachstelle entsteht ein Risiko, das mithilfe einer Gegenmaßnahme zum Schutz des Vermögensobjekts gesteuert werden kann. Abb. 6.7: Begriffe im Risikomanagement 66..55..11..33 RRiissiikkoobbeewweerrttuunngg Die Risikobewertung dient der Erstellung einer Entscheidungsvorlage für das Management des Unternehmens, um eine Risikobewältigungsmethode und eventuelle Gegenmaßnahmen auswählen zu können. Dabei ist zu beachten, dass ausschließlich kosteneffektive Gegenmaßnahmen implementiert werden sollten. Das Prinzip, Risiken so weit wie möglich zu reduzieren, wie es aus Kostensicht noch praktikabel ist, wird auch als As Low As Reasonably Practicable (ALARP) bezeichnet. Die quantitative Risikobewertung bedient sich diverser Kennzahlen und Kostenfunktionen, um Risiken mit monetärem Maßstab beurteilen zu können. Die folgende Tabelle beinhaltet Kennzahlen, die bei der quantitativen Risikobewertung eingesetzt werden können. <?page no="236"?> 235 Akronym Begriff engl. Begriff dt. Berechnung Einheit AV Asset Value Wert eines Vermögensobjekts Messung oder Schätzung Euro (oder andere Währung) EF Exposure Factor Expositionsfaktor Messung oder Schätzung Prozent SLE Single Loss Expectancy Erwarteter einzelner Verlust SLE = AV EF Euro (oder andere Währung) ARO Annualized Rate of Occurrence Jahresrate des Auftretens Messung oder Schätzung ganze Zahl ALE Annualized Loss Expectancy Wert der jährlichen Verlusterwartung ALE = SLE ARO Euro (oder andere Währung) ACS Annual Cost of the Safeguard Wert der jährlichen Kosten für die Gegenmaßnahme Messung oder Schätzung Euro (oder andere Währung) Tab. 6.2: Kennzahlen der quantitativen Risikobewertung Der AV ist der Wert, den ein bestimmtes zu schützendes Objekt für das Unternehmen besitzt. Der EF gibt an, wie hoch der finanzielle Verlust in Prozent für den Wert eines Objekts beim Eintreten einer Bedrohung sein kann. Ein Objekt kann nämlich auch teilweise beschädigt werden. Die SLE gibt an, wie hoch der finanzielle Verlust in Euro ist, den der Wert eines Objekts beim Eintreten einer Bedrohung erleidet. Die wahrscheinliche Häufigkeit des Auftretens einer Bedrohung innerhalb eines Jahres wird mit der ARO beziffert. Sie repräsentiert eine Wahrscheinlichkeit, die entweder auf Erfahrungswerten basiert oder geschätzt wurde. Eine Null steht dafür, dass die Bedrohung niemals eintritt. Die maximale Höhe der ARO ist nach oben nicht beschränkt. Der wahrscheinliche finanzielle Verlust durch das Eintreten der Bedrohung wird als ALE bezeichnet. Kosten-Nutzen-Berechnungen stellen die potenziellen Verluste den Kosten für Gegenmaßnahmen gegenüber. Dazu wird die ALE vor und nach der Gegenmaßnahme berechnet. Die Differenz repräsentiert den Wert, den die Gegenmaßnahme für das Unternehmen besitzt: - Die Kosten der Gegenmaßnahme können für den Zeitraum von einem Jahr berechnet werden. Dadurch ergibt sich die ACS. Für die Kosten-Nutzen-Beurteilung kann man nun prüfen, ob die ACS geringer als die Veränderung der <?page no="237"?> 236 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor ALE ist. Dann ist die Gegenmaßnahme für das Unternehmen prinzipiell lohnenswert. Wenn die folgende Formel ein positives Ergebnis hat, ist dies der Fall: (ALE vorher - ALE nachher) - ACS > 0 Die qualitative Risikobewertung basiert auf keinen Wertbeträgen, sondern nutzt Szenarien, um Risiken auf einer Skala einzuordnen, und dadurch ihre Auswirkungen aus qualitativer Sicht zu beurteilen. Dabei werden Expertenurteile, Erfahrungen und Intuitionen berücksichtigt. Ein Szenario ist die Beschreibung einer einzelnen bedeutenden Bedrohung. Jedem Szenario werden Bedrohungsgrad, Schadenspotenzial und potenzielle Gegenmaßnahmen zugeordnet. Eine heterogene Besetzung des Bewertungsteams verbessert die Ergebnisse der qualitativen Bewertung. Die Befragungstechniken, die dabei eingesetzt werden können, umfassen z. B. Interviews, Umfragen, Brainstorming und Delphi-Technik. Das Ergebnis der qualitativen Bewertung ist eine Risikomatrix, die Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe von Risiken mithilfe von Kategorien, z. B. niedrig, mittel und hoch, einordnet. Die Bewertung des Risikos hängt von der Position in der Matrix ab, welche auf eine bestimmte Risikoklasse hindeutet. Die Risikoklasse niedrig kann z. B. akzeptable Risiken beinhalten. Die Risikoklasse mittel kann z. B. Risiken beinhalten, die eine mittelfristige Implementierung von Gegenmaßnahmen erfordern, und die Risikoklasse hoch welche, die eine kurzfristige Implementierung erfordern. Abb. 6.8: Risikomatrix 66..55..11. .44 AAuusswwaahhl l ddeerr RRiissiikkoobbeewwäällttiigguunnggssmmeetthho oddee Bevor konkrete Gegenmaßnahmen in Betracht gezogen werden können, muss zunächst entschieden werden, wie mit Risiken grundsätzlich umgegangen werden soll. <?page no="238"?> 237 Risikobewältigungsmethoden sind die Verminderung, der Transfer, die Akzeptanz und die Ablehnung von Risiken. Die Verminderung beinhaltet die Nutzung von kosteneffektiven Gegenmaßnahmen, um Bedrohungen zu blockieren oder Schwachstellen zu schließen. Beim Transfer wird der potenzielle Schaden an ein anderes Unternehmen übertragen. Dazu können z. B. Versicherungen oder Outsourcing genutzt werden. Die Akzeptanz ist die Entscheidung des Managements, das Risiko nicht zu beeinflussen. Dies basiert meist darauf, dass alle verfügbaren Gegenmaßnahmen von einem schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnis betroffen sind. Die Implementierung einer Gegenmaßnahme würde dann zu Kosten führen, die höher als der potenzielle Schaden sind. Bei der Ablehnung wird die Existenz eines Risikos bewusst nicht zur Kenntnis genommen. Da das Schadenspotenzial möglicherweise sehr hoch ist, kann diese Methode den Fortbestand des Unternehmens gefährden. 66..55..22 GGeewwäähhr rlleeiissttuunngg ddeerr IITT- -SSiicchhe errhheeiitt 66..55..22. .11 GGrruunnddllaaggeenn Die IT-Sicherheit wird als Zustand verstanden, bei dem die drei Schutzziele Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit erfüllt sind. Da ein adäquater Schutz der IT mit den Geschäftsinteressen und der IT-Architektur des Unternehmens zusammenpassen muss, sollten Schutzmaßnahmen durch das Unternehmen individuell ausgestaltet werden. 66..55..22. .22 SScchhu uttzz vvo orr UUnnbbeeffuuggtteenn Der Zugriff auf Daten (logisch) und der Zugang zu sensiblen Bereichen (physisch) sollten im Hinblick auf den konkreten Geschäftsinformationsbedarf eingeschränkt werden. Zur Absicherung des Zugriffs auf Daten sollten nach dem Need-to-know- Prinzip nur die Personen, die für geschäftliche Zwecke einen Zugriff auf Daten benötigen, die Berechtigung dazu erhalten. Dazu gehören Kontrollmechanismen und eine Berechtigungsverwaltung, bei der jeder Person eine Rolle mit zur Tätigkeit passenden Berechtigungen zugeordnet werden kann (Role Based Access Control (RBAC)). Um die Nachvollziehbarkeit bei Zugriffen auf Daten sicherzustellen, sollte jeder Person ein eindeutiges Benutzerkonto zugeteilt werden. Dadurch kann eine Person nur Zugriff erhalten, wenn sie sich eindeutig mithilfe eines Passworts, Tokens oder anderer Authentifizierungsmethoden erfolgreich authentifiziert hat. Passwör- <?page no="239"?> 238 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor ter sollten regelmäßig geändert und inaktive Benutzerkonten gesperrt werden. Der Zugang zu sensiblen Bereichen muss ebenfalls abgesichert werden, z. B. mit Kartenlesern, Schlüsseln oder Biometrie (z. B. Fingerabdruck). Unbefugte, die sich Zutritt zu Büroräumen oder Rechenzentren verschaffen, können Medien oder Computer entwenden, beschädigen oder manipulieren. Zu Medien zählen nicht nur elektronische Medien, wie Diskette, CDs und Festplatten, sondern auch Papier. Durch die Verpflichtung zum sichtbaren Tragen von Ausweisen können Unbefugte von Befugten durch andere Mitarbeiter unterschieden werden. Authentifizierung ist die Tätigkeit, die eine Person durchführen muss, um ihre Identität zu beweisen, um dadurch Zugriffs- oder Zugangskontrollen zu passieren. Man unterscheidet bei der Authentifizierungsart zwischen etwas, das die Person hat, weiß und ist. Wenn zwei Authentifizierungsarten bei einer Kontrolle gefordert werden, spricht man von einer Zwei-Faktor-Authentifizierung und bei drei Arten entsprechend von einer Drei-Faktor-Authentifizierung. Die Autorisierung ist die nächste Sicherheitsmaßnahme nach der erfolgreichen Authentifizierung und beinhaltet die Prüfung, ob der Authentifizierte dazu berechtigt ist, einen spezifischen Zugriff oder Zugang zu tätigen. Zum Zweck der Autorisierung wird eine Prüfung in der Berechtigungsverwaltung durchgeführt. Nur wenn die Rechte des Authentifizierten den Zugriff erlauben, kann er tatsächlich durchgeführt werden. 66..55..22..33 KKoonnttr roollllee d dees s D Daat te ennvveer rkkeehhrrs s Um die Übertragung von Daten innerhalb oder zwischen Netzwerken zu kontrollieren, können Firewalls, Router und Switches eingesetzt werden. Eine Firewall kontrolliert den Datenverkehr zwischen zwei Netzwerken. Basierend auf Netzwerkadressen und Protokollen kann eine Firewall den Datenverkehr filtern und somit Verbindungsversuche blockieren, die Angreifer zur Kompromittierung, Beschädigung oder Manipulation von Daten vornehmen können. Außerdem kann eine Firewall gegen Angreifer schützen, die Systeme mit Anfragen überfluten, und somit eine Dienstverweigerung der Systeme beabsichtigen. Eine Firewall kann eigenständig oder auf einem lokalen Arbeitsplatzrechner betrieben werden. Man unterscheidet zwischen den Firewallarten Packet-Filter-, Stateful-Inspection- und Application-Layer-Firewall. <?page no="240"?> 239 Ein Router leitet Datenpakete zwischen Netzwerken weiter. Er nutzt Routing-Tabellen, um die bestmöglichen Verbindungswege zwischen Quell- und Zieladressen zu speichern und schneller wiederzufinden. Viele Router- Modelle besitzen integrierte Sicherheitsfunktionen. Da Router Netzwerkumgebungen mit verschiedenen Adressbereichen oder Architekturen miteinander verbinden können, ist z. B. eine Fernwartung von Systemen aus anderen Netzwerkumgebungen möglich. Ein Switch leitet Datenpakete innerhalb eines Netzwerks oder zwischen Netzwerksegmenten weiter. Switches besitzen keine weiteren Sicherheitsfunktionen oder Filtermöglichkeiten. Wenn das Switch-Modell Zugriffssteuerungslisten unterstützt, kann lediglich konfiguriert werden, mit welcher Netzwerkumgebung ein System kommunizieren darf. 66. .55. .22..44 VVeerrmmeeiidduunngg vvoonn SScch hwwaacchhs stteelllleenn Als Härtung werden die Deaktivierung nicht benötigter Dienste, das Deinstallieren nicht benötigter Software und die sichere Konfiguration von IT-Systemen bezeichnet. Insbesondere Passwörter und andere Einstellungen, die vom Hersteller der Systeme eingerichtet wurden, sind meist allgemein zugänglich und können von unbefugten Personen ausgenutzt werden. Außerdem ist nach der Erstinstallation von Betriebssystemen meist eine Vielzahl von nicht benötigten Diensten auf dem System aktiviert. Durch die Härtung können die möglichen Angriffspunkte eines Systems reduziert werden. Außerdem hat der Angreifer weniger Möglichkeiten, um auf dem betreffenden System Sicherheitslücken zu finden und auszunutzen. Neben dem Sicherheitsgewinn verliert das System auch an Komplexität, und damit reduzieren sich Administrations- und Pflegeaufwand. Zum Schutz gegen Schadsoftware kann Antivirensoftware eingesetzt werden. Obwohl Viren als Namensbestandteil die Hauptrolle zu spielen scheinen, schützt die Software grundsätzlich gegen jegliche Art von Schadcode, auch Trojaner und Würmer. Antivirensoftware kann musterbasierte und verhaltensbasierte Erkennungstechniken nutzen. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es also nicht, da lediglich bereits bekannte Schadsoftware eindeutig identifizieren werden kann. Bei verhaltensbasierten Erkennungen gibt es keine Sicherheit, dass eine bisher unbekannte Schadsoftware auffälliges Verhalten aufweist. Bei der sicheren Softwareentwicklung geht es darum, Sicherheit in allen Phasen der Softwareentwicklung zu berücksichtigen, um dadurch <?page no="241"?> 240 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor mögliche Sicherheitslücken bereits im Design zu bedenken und im Rahmen der Quellcodeerstellung bewusst zu vermeiden. Die Vermeidung von Sicherheitslücken ist am effektivsten, wenn sie bereits im Rahmen der Softwareentwicklung geschieht. Von Anfang an sollte darauf geachtet werden, sicher zu entwickeln und Angriffspunkte bereits beim Design der Software zu vermeiden. Demgegenüber ist eine nachträgliche Beseitigung bereits vorhandener Sicherheitslücken meist mit einem sehr hohen Arbeitsaufwand verbunden. Einen Überblick über die kritischsten Sicherheitslücken, speziell bei Web-Applikationen, bietet das Open Web Application Security Project (OWASP 2013). Beispiele für Sicherheitslücken sind das Einschleusen von schadhaftem Code, das Umgehen der Authentifizierung, das Eindringen in fremde Sitzungen, Cross-Site-Scripting und unsichere Konfigurationen. Verbreitete Best Practices in der sicheren Softwareentwicklung sind das Software Assurance Maturity Model (SAMM) und das Building Security In Maturity Model (BSIMM). Wenn Angreifer Kenntnis über Sicherheitslücken erlangen, können sie diese ausnutzen, indem sie passende Schadsoftware programmieren und verteilen. Sobald eine Schadsoftware, die eine neue Sicherheitslücke ausnutzt, allgemein bekannt wird, redet man von einem Zero-Day-Exploit. Um die regelmäßige Suche nach Patches im Unternehmen zu etablieren, sollte ein Patch Management betrieben werden. Grundsätzlich besteht bei allen Software-Updates die Gefahr, dass Fehler eingebaut wurden oder Inkompatibilitäten zu anderen Applikationen entstehen. Obwohl Softwarehersteller vor der Veröffentlichung von Updates in der Regel Qualitätskontrollen durchführen, sollten Patches zum Schutz der Verfügbarkeit im Unternehmen vorher getestet werden. Regelmäßige Sicherheitsprüfungen umfassen die Suche nach Sicherheitslücken und Angriffsmöglichkeiten. Diese gilt es zu beseitigen, bevor ein Angreifer sie ausnutzen kann. Beispiele sind die Suche nach unerlaubten drahtlosen Netzwerken sowie interne und externe Scans nach Sicherheitslücken. 6 6..55..22..55 RRiicchhttlliinniieenn Richtlinien machen das geforderte Sicherheitsniveau im Unternehmen bekannt und machen transparent, welche Vorgaben durch das Personal eingehalten werden sollen. Richtlinien sind für alle Mitarbeiter oder eine bestimmte Mitarbeitergruppe bindend. Konkrete Vorgaben können z. B. Schulungsanforderungen zum Sicherheitsbewusstsein, das Verhalten bei einem Sicherheitsvorfall und die Überwachungsanforderungen zur Sicherheit von Dienstanbietern sein. <?page no="242"?> 241 66..55..22..66 AAuus sffa alll ls siicchheerrh heeiit t u un ndd WWiie eddeerrh heerrs stteelll lu un ngg Das Business Continuity Management (BCM) dient der Sicherstellung eines kontinuierlichen Geschäftsbetriebs im Fall von Störungen und der Wiederherstellung von Geschäftsprozessen nach unabwendbaren Ausfällen (Krisen). Das Ziel ist die Sicherung des Fortbestands des Unternehmens unter Berücksichtigung von ermittelten Risiken. Beim BCM werden Erkenntnisse aus einer Risikobeurteilung aufgegriffen, um wichtige Geschäftsprozesse ausfallsicher zu machen. Ein wichtiges Hilfsmittel dabei ist die Business Impact Analysis, die der Evaluation kritischer Prozesse und der Auswirkungen von möglichen Störungen zur Bestimmung von maximal akzeptierter Ausfallzeit und maximal akzeptiertem Datenverlust aus Sicht der Fachbereiche dient. Die Ergebnisse sind in der Regel eine Business Continuity Richtlinie (BCR) ein Business Continuity Plan (BCP) und ein Disaster Recovery Plan (DRP). Die BCR enthält die Beschreibung aller Maßnahmen, die im Sinne der Ausfallsicherheit implementiert und aufrechterhalten werden sollen. Sie beschreibt die Umstände, die eine Krise kennzeichnen, und ein risikobasiertes Eskalations-Verfahren bei Ausfällen, das entscheidet, wann BCP oder DRP aktiviert werden. Außerdem werden die Verantwortlichkeiten aufgelistet. Der BCP beschreibt aus organisatorischer Sicht und der DRP aus technischer Sicht, was bei Eintritt eines Desasters getan bzw. veranlasst werden muss. Die Trennung ist erforderlich, da nicht bei jeder Krise beide Pläne befolgt werden müssen. Z. B. muss bei einer Pandemie nur der BCP und nicht der DRP ausgeführt werden. Beide Pläne können Schritt-für-Schritt- Anleitungen enthalten. Die organisatorische Seite umfasst z. B. den Transfer des Personals zu Notfallarbeitsplätzen, eine übergreifende Koordination des Recoverys und den Umgang mit Image- oder Reputationsschäden. Die technische Seite beinhaltet unter anderem die Wiederherstellung von Backups oder den Neuaufbau von IT-Systemen. 66..55..22..77 KKrryyppttooggrraapphhiiee Grundsätzlich sollten vertrauliche Daten nur verschlüsselt gespeichert und übertragen werden. Vor allem kann durch eine Verschlüsselung verhindert werden, dass ein Angreifer die Kommunikation in offenen Netzen mitschneidet, und dadurch Daten erlangen und manipulieren kann. Beispiele für diese Netze sind das Internet, drahtlose Netzwerke, Global System for Mobile Communications (GSM) oder General Packet Radio Service (GPRS). <?page no="243"?> 242 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor Bei einer Verschlüsselung werden Daten so in eine Form (Chiffretext) verändert, dass sie keine Ähnlichkeit zu ihrer ursprünglichen Darstellungsform (Klartext) besitzen, jedoch wieder in ihren Ursprungszustand überführt werden können. Um Daten zu ver- und entschlüsseln, wird jeweils ein digitaler Schlüssel und ein Algorithmus benötigt. Man unterscheidet zwischen symmetrischen und asymmetrischen Verschlüsselungstechniken. Bei der symmetrischen Technik wird derselbe Schlüssel für die Ver- und Entschlüsselung von Daten benutzt. Bei der asymmetrischen Technik werden der öffentliche Schlüssel für die Verschlüsselung und der private Schlüssel für die Entschlüsselung benutzt. Die symmetrische Technik ist viel schneller, aber die asymmetrische Technik ermöglicht eine höhere Sicherheit, da hier ausschließlich dem Empfänger der Schlüssel zur Entschlüsselung vorliegt. In der Praxis, z. B. beim Aufbau einer verschlüsselten Netzwerkverbindung, werden symmetrische und asymmetrische Verschlüsselungstechniken oft kombiniert. Über eine asymmetrische Verschlüsselungstechnik wird nur der symmetrische Schlüssel ausgetauscht, damit die zu übertragenden Daten anschließend mit der symmetrischen Technik schneller ver- und entschlüsselt werden können. Bekannte Verschlüsselungsstandards für eine symmetrische Verschlüsselung sind der Data Encryption Standard (DES), der Triple Data Encryption Standard (3DES) und der Advanced Encryption Standard (AES) und für eine asymmetrische Verschlüsselung RSA, Digital Signature Standard (DSS) und Diffie-Hellman (DH). Um die Aktualität und Sicherheit der Schlüssel zu gewährleisten, muss ein Key Management betrieben werden. Hashing ist eine Technik zur Bildung von Prüfsummen, die zur Integritätsprüfung von Daten genutzt werden. Wenn Daten übertragen werden, kann durch Hashing nachträglich sichergestellt werden, dass die Daten während der Übertragung nicht manipuliert oder beschädigt wurden. Mithilfe von Hashing wird von einem Datenpaket ein möglichst eindeutiger Hashwert, auch als digitaler Fingerabdruck oder Message Digest bezeichnet, erstellt. Die Eindeutigkeit soll verhindern, dass unterschiedliche Datenpakete den gleichen Hashwert besitzen und daher Kollisionen auftreten. Im Zusammenhang mit Kollisionen ist die Birthday Attack wichtig, bei der wird nicht der eigentliche Algorithmus angegriffen wird, sondern die unerwartet hohe Wahr- <?page no="244"?> 243 scheinlichkeit von Kollisionen ausgenutzt wird. Dabei werden Daten so manipuliert, dass sie den gleichen Hashwert wie die originalen Daten besitzen und der Empfänger der Daten den Unterschied nicht bemerkt. Zu den bekanntesten Hashing-Algorithmen gehören der Message Digest 5 (MD5) und der Secure Hash Algorithm 1 (SHA-1). Durch eine Kombination von Hashing und asymmetrischer Verschlüsselungstechnik können digitale Signaturen erstellt werden. Sie helfen sicherstellen, dass Kommunikationspartner mit der jeweils richtigen Person kommunizieren und die Kommunikationsinhalte nicht beschädigt oder manipuliert werden. Hierbei wird der Hashwert einer Nachricht vom Absender mit einem privaten Schlüssel verschlüsselt. Der Empfänger entschlüsselt den Hashwert mit dem zugehörigen, allgemein bekannten öffentlichen Schlüssel. Er vergleicht den entschlüsselten Hashwert der versendeten Nachricht mit dem später generierten Hashwert der empfangenen Nachricht. Wenn die beiden Hashwerte identisch sind, kann der Empfänger sicher sein, dass der Inhalt der Nachricht nicht manipuliert oder beschädigt wurde. Ein zusätzlicher Vorteil der digitalen Signatur ist die Nichtabstreitbarkeit. Da grundsätzlich nur der Absender der Nachricht im Besitz seines privaten Schlüssels ist, kann er nach dem Versand der Nachricht nicht abstreiten, dass er sie tatsächlich versendet hat. Die Anwendung der digitalen Signatur in einem öffentlichen Netzwerk wird durch digitale Zertifikate erleichtert, die einen öffentlichen Schlüssel oder Informationen über diesen beinhalten. Zertifizierungsstellen geben Zertifikate heraus und überprüfen deren Echtheit und Gültigkeit. Bevor eine Zertifizierungsstelle ein Zertifikat an einen Antragsteller herausgibt, wird die Identität des Antragstellers durch die Registrierungsstelle überprüft. Bei natürlichen Personen kann z. B. ein Ausweis mit einem Lichtbild geprüft werden, um die Identität des Antragstellers zu bestätigen. Wenn der Antragssteller von einer Zertifizierungsstelle ein Zertifikat erhält, wird er zum Zertifikatsinhaber. Die Personen oder Systeme, die das Zertifikat nutzen, um mit dem Zertifikatsinhaber sicher zu kommunizieren, werden als Zertifikatsnutzer bezeichnet. Es reicht nicht aus, Zertifikate nur bei einem Kommunikationspartner zu hinterlegen. Es muss einen Aufbewahrungsort geben, mit welchem die Zertifikate gespeichert und jederzeit verteilt werden können. Dieser Aufbewahrungsort wird als Verzeichnisdienst bezeichnet. Das Zusammenwirken von Zertifizierungsstelle, Registrierungsstelle, Verzeichnisdiensten sowie Zertifikatsinhaber und -nutzer wird als Public Key Infrastructure (PKI) bezeichnet. <?page no="245"?> 244 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor Abb. 6.9: Public Key Infrastructure 66..55..33 EEiinnhhaallttuunngg vvoonn RReegguullaarriieenn Die Gesamtheit aller Aktivitäten zur Identifikation, Umsetzung und Überwachung von externen Vorgaben wird als IT-Compliance bezeichnet. Zu den externen Vorgaben gehören z. B. Gesetze, Standards und Best Practices. Sie enthalten Vorgaben, die das Unternehmen einhalten muss oder aus eigenem Willen einhalten will. Gesetze haben einen zwingenden Charakter. Ob ein Unternehmen Standards und Best Practices einhält, obliegt einzig der Entscheidung des Unternehmens. In der folgenden Tabelle sind Beispiele zu Gesetzen (1-4), allgemeinen (5- 8) und branchenspezifischen Standards (9-12) und Best Practices (13-14), die mit der IT in Verbindung stehen, aufgeführt. Nr. Bezeichnung Thema 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Umgang mit personenbezogenen Daten 2 Sarbanes Oxley Act (SOX) Risikomanagement von in den USA börsennotierten Unternehmen 3 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) Risikomanagement von Aktiengesellschaften und GmbHs 4 Basel II Eigenkapitalvorschriften von Finanzinstituten <?page no="246"?> 245 5 ISO 27001 Informationssicherheits-Managementsysteme 6 IT-Grundschutz Identifizieren und Umsetzen von Sicherheitsmaßnahmen 7 ITIL und ISO 20000 IT-Service-Management 8 Control Objectives for Information and Related Technology (Cobit) IT-Governance 9 Payment Card Industry Data Security Standard (PCI-DSS) Sicherheit im Kartenzahlungsverkehr 10 VDI/ VDE 2182 Informationssicherheit in der industriellen Automatisierung 11 ISO/ IEC 27011 Informationssicherheits-Management in der Telekommunikation 12 ISAE 3402 Prüfungsstandard für Kontrollen von Dienstleistungsorganisationen 13 Benchmarks des Centers for Internet Security (CIS) Härtungsempfehlungen 14 Software Assurance Maturity Model (SAMM) und Building Security In Maturity Model (BSIMM) sichere Softwareentwicklung Tab. 6.3: Beispiele für Regularien Durch die Einhaltung von Regularien ergeben sich z. B. Vorteile aufgrund einer verbesserten Wettbewerbssituation oder einer Vereinheitlichung von Spezifikationen oder Prozessen. Standards ermöglichen durch Vorgaben für kompatible Schnittstellen einen hohen Grad an Interoperabilität. Durch die Zusammenarbeit von branchenspezifischen Experten bei der Erstellung und Pflege der Vorgaben wird eine Transparenz geschaffen, welche die Entwicklung proprietärer Produkte verhindern soll. Der Wettbewerb wird belebt, da alle Marktteilnehmer Zugriff auf die Standards haben und die Erwartungen an die Produktqualität gleichzeitig erhöht werden. Die Einhaltung von Standards gewährt den Markteilnehmern eine höhere Sicherheit, da größere Mengen von Produkten produziert oder angeschafft werden können, deren Marktakzeptanz und Kompatibilität gesichert ist. Die Einhaltung von Standards kann auch ein Verkaufsargument oder Werbemittel sein. Um Compliance-Anforderungen und Prüfungsnotwendigkeiten für datenverarbeitende Systeme zu reduzieren, können besonders schützenswerte Umge- <?page no="247"?> 246 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor bungen durch eine Eingrenzung von weniger schützenswerten abgeschottet werden. Die Eingrenzung kann vor allem aus Kosten-Nutzen-Aspekten sinnvoll sein. Um die Wirtschaftlichkeit einer Eingrenzung zu beurteilen, müssen die Investitionskosten und die laufenden Kosten den potenziellen Einsparungen gegenübergestellt werden. Zu den Investitionskosten gehören die Anschaffungskosten für neue Hardware und Software sowie die Installationskosten. Außerdem sind organisatorische Tätigkeiten, z. B. das Erstellen von Arbeitsanweisungen und Richtlinien, zu berücksichtigen. Zu den laufenden Kosten zählen die Wartungskosten und der Administrationsaufwand der neuen Infras truktur . Po tenz iell e Ei ns pa run gen der Eingrenzu ng e rge ben sic h daraus, dass bei Compliance-Prüfungen nur die eingegrenzten Systeme betrachtet werden müssen. Dadurch können Vorbereitungs- und Prüfungsaufwand reduziert werden. Außerdem reduziert sich der Administrationsaufwand außerhalb der sicheren Umgebung, da weniger Anforderungen, z. B. zu den Themen Härtung, Verschlüsselung und Protokollierung, umgesetzt werden müssen. Das Risiko einer Kompromittierung, Manipulation oder Beschädigung von schützenswerten Daten sowie die damit verbundenen Schäden können durch eine Eingrenzung vermindert werden. Bei der Eingrenzung sollten auch potenzielle Anpassungsnotwendigkeiten in der Zukunft, also die Skalierbarkeit, berücksichtigt werden. Wenn geschäftliche Veränderungen Einfluss auf die zu verarbeitenden Daten haben, sollte die Technik zur Eingrenzung skaliert werden können. Dies könnte z. B. der Fall sein, wenn ein Outsourcing der Datenverarbeitung geplant ist, und dadurch weniger schützenswerte Daten intern verarbeitet werden. Zu verbreiteten Techniken zur Eingrenzung von Compliance-Umgebungen zählen Tokenisierung, Punkt-zu-Punkt-Verschlüsselung und Netzwerksegmentierung: Die Tokenisierung ersetzt schützenswerte Daten durch anonyme Zeichenfolgen. Dadurch können Systeme, die ausschließlich Token und keine schützenswerten Daten nutzen, aus der sicheren Netzwerkumgebung herausgenommen werden. Eine Tokenisierung verhindert, dass schützenswerte Daten in Bereichen gefunden und kompromittiert werden können, in denen nur die Eindeutigkeit der Daten von Bedeutung ist. Zu den Generierungstechniken von Token gehören Verschlüsselung, Hashing und Nummerierung. Die Punkt-zu-Punkt-Verschlüsselung ermöglicht eine verschlüsselte Datenübertragung durch die Verschlüsselung von Daten am Startpunkt durch den Sender und deren Entschlüsselung am Endpunkt durch den Empfänger. Dadurch brauchen sich alle zwischenliegenden Kommunikationspunkte nicht mehr in einer sicheren Umgebung zu befinden. Die <?page no="248"?> 247 Punkt-zu-Punkt-Verschlüsselung verhindert, dass abgegriffene Daten gelesen werden können, z. B. nach dem Mitschneiden von Netzwerkverkehr. Die Netzwerksegmentierung dient dazu, den Teil des Netzwerks, in dem schützenswerte Daten verarbeitet werden, vom restlichen Teil zu trennen und besonders abzusichern. Mit der Netzwerksegmentierung kann der Zugriff von unsicheren Netzwerksegmenten auf das sichere Netzwerksegment eingeschränkt werden, und damit können Angriffsversuche blockiert werden. Die Umsetzung der Netzwerksegmentierung kann mithilfe von Firewalls, Routern oder Switches mit Zugriffssteuerungslisten erfolgen, die angeschlossene Systeme logisch einem virtuellen lokalen Netzwerk zuordnen können. 66..66 AAuuffggaabbeenn zzuu KKaappiitteell 66 [1] Enterprise Wide Information Management Ein Unternehmen hat sich auf die Datenrettung von Festplatten spezialisiert. Die strategische Planung beinhaltet eine Marktentwicklung, um den Kundenkreis international zu erweitern. Die Geschäftsplanung sieht vor, Dienstleistungen zur Datenrettung durchzuführen. Von der Informationstechnologie werden dazu Auslesesysteme gefordert. Die Informationssystem-Architektur ist aktuell auf die Speichertechnik zur Datenrettung von magnetischen Speichern ausgerichtet. Erstellen Sie vier Quadranten gemäß EWIM und füllen Sie diese mit je einem Schlagwort, das zum Unternehmen passt. Solid State Disks (SSD) setzen sich aufgrund der hohen Robustheit, der geringen Zugriffszeiten und Geräuschentwicklung immer stärker am Markt durch. Das Unternehmen plant daher eine Produktdiversifikation durch die Erweiterung der Dienstleistungen in Bezug auf SSD-Datenrettung. Da die Daten auf einer SSD mittels integrierter Schaltkreise elektronisch gespeichert werden, erfordert dies die Auseinandersetzung mit einer anderen Speichertechnik. Das Unternehmen plant die Anschaffung von Auslesesystemen, jedoch wird es eine Datenrettung nach Controllerausfall einer SSD technisch nicht durchführen können. Beschreiben Sie darauf basierend die fünf EWIM-Prozesse für das Unternehmen und kennzeichnen Sie deren Position zwischen den Quadranten. [2] Strategic Alignment Model Die IT-Führung eines internationalen Konzerns verfolgt die Strategie, mithilfe von Maßnahmen der Green IT Kosten zu sparen. Nennen Sie jeweils eine Möglichkeit, um die IT-Infrastruktur und -Prozesse an diese IT-Strategie anzupassen, und zwar im Hinblick auf a) Infrastruktur, b) Prozesse und c) Fähigkeiten. <?page no="249"?> 248 Management der IT als wesentlicher Einflussfaktor [3] McFarlans Bedeutungsmatrix Ein international tätiger E-Commerce-Händler hat sich auf den Verkauf von Software spezialisiert. Erstellen Sie eine Bedeutungsmatrix nach McFarlan mit den vier Kategorien und ordnen Sie die folgenden Informationssysteme des Händlers in jeweils eine Kategorie ein. Begründen Sie anschließend kurz die Einordnung für jedes Informationssystem. Das System Online-Shop dient der Bereitstellung von Webseiten über das Internet für den Verkauf von Software. Der Händler plant, den Online-Shop noch weiter zu verbessern. Für die Abwicklung von Zahlungen über das Internet betreibt der Händler eine Zahlungsschnittstelle, welche die Zahlungsinformationen an einen Payment Service Provider weiterleitet. Das System Kundeninteraktion umfasst alle Funktionen, die Kunden zur Interaktion außerhalb des Kaufvorgangs nutzen können. Dazu gehören z. B. die Abgabe von Produktbewertungen, die Kommunikation mit anderen Kunden über ein Forum und die Bereitstellung von Informationen zur Produktbeschreibung. Dieses System wird noch nicht stark genutzt, soll aber zukünftig ein starker Marketingfaktor werden. Zur Bereitstellung von Updates für die verkaufte Software wird ein Update-Server eingesetzt. Der Händler stellt die Updates auf diesem Weg zur Verfügung, damit der Kunde eine Alternative zum Update- Verfahren des Software-Herstellers hat. [4] 4C-Net-Business-Modell Nennen Sie für jedes der vier Geschäftsmodelle des 4C-Net-Business- Modells drei praktische Beispiele. [5] Gestaltung von IT-Services mit ITIL Nennen Sie jeweils drei Prozesse aus den folgenden ITIL Bereichen: a) Service Operation, b) Service Strategy. [6] Modellierung von IT-Prozessen Was verstehen Sie unter Modellierung und welchen Zweck hat sie? [7] Bewältigung von IT-Risiken Ein Einzelhändler betreibt zusätzlich zum Präsenzgeschäft einen Online- Shop für weltweite Bestellaufträge. Über den Online-Shop werden pro Tag 100 € (AV) Gewinn erzielt. Für den Online-Shop wird ein Webserver genutzt, der aufgrund eines Stromausfalls zwei Mal im Jahr für einen Tag ausfällt. An diesen Tagen kann 100 % des Gewinns nicht mehr realisiert werden. Der Einzelhändler überlegt, als Gegenmaßnahme eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) anzuschaffen. Die Kosten der USV liegen bei 300 €. Die USV hat eine Nutzungsdauer von drei Jahren und wird <?page no="250"?> 249 auch über drei Jahre abgeschrieben. Das Risiko eines Ausfalls wird durch die USV vollständig beseitigt. Bestimmen Sie a) Single Loss Expectancy (SLE), b) Annualized Loss Expectancy vor der Gegenmaßnahme (ALE vorher), c) Annualized Rate of Occurrence nach der Gegenmaßnahme (ARO nachher), d) Annualized Loss Expectancy nach der Gegenmaßnahme (ALE nachher), e) ob die Gegenmaßnahme für das Unternehmen prinzipiell lohnenswert ist. [8] Gewährleistung der IT-Sicherheit Wie lauten die drei primären Schutzziele der Informationssicherheit? Nennen sie zu jedem Schutzziel eine mögliche Schutzmaßnahme. [9] Einhaltung von Regularien Welche Möglichkeiten werden häufig zur Eingrenzung von Compliance- Umgebungen eingesetzt und was wird mit ihnen bezweckt? LLiitte erraattuurr Beims, M. (2010) IT-Service Management in der Praxis mit ITIL 3 - Zielfindung, Methoden, Realisierung, 2. Aufl., München 2010 Benson, R. J.; Parker, M. M. (1985) Enterprise-wide Information Management: An Introduction to the Concepts. In: IBM Los Angeles Scientific Center Report, No. G320-2768, 1985 Henderson, J. C.; Venkatraman, N. (1993): Strategic Alignment: Leveraging Information Technology for Transforming Organizations. In: IBM Systems Journal, März 1993 McFarlan, F. W. (1981) Portfolio Approach to Information Systems. In: Harvard Business Review, September 1981, S. 142-150 OWASP (2013) OWASP Top 10 2013 - The Ten Most Critical Web Application Security Risks, 2013, http: / / owasptop10. googlecode.com/ files/ OWASP%20Top%2010%20-%202013. pdf, abgerufen am 17.11.2014 Scheer, A.-W. (1992) Architektur integrierter Informationssysteme: Grundlagen der Unternehmensmodellierung, Berlin 1992 Wirtz, B. W. (2001) Electronic Business, 2. Aufl., Wiesbaden 2001 <?page no="252"?> 77 IInntteerrnnaattiioonnaalleess FFoorrsscchhuunnggss-uunndd EEnnttwwiicckklluunnggss-mmaannaaggeemmeenntt: : IInnnnoovvaattiioonn zzuurr SStteeiiggeerruunngg ddeerr WWeettttbbeewweerrbbssffäähhiiggkkeeiitt <?page no="253"?> 252 Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement Die Internationalisierung von Forschung & Entwicklung (F&E) ist im Innovationmanagement ein noch relativ junges Forschungsgebiet. Dies liegt insbesondere darin begründet, dass die Internationalisierung von F&E - im Gegensatz zur Internationalisierung des Handels und der Produktion - ein nachläufiges Phänomen für Industrie und Wissenschaft ist. Der Hauptgrund bestand in der Zentralisierung der F&E am Standort der Geschäftsführung, um zum Beispiel einen ungewollten Wissenstransfer zur Konkurrenz im Ausland zu vermeiden. Das Vorurteil des geschäftsschädigenden Wissenstransfers an ausländische Konkurrenten wurde Anfang der 1980er durch Mansfield et al. (1983) aufgelöst, indem keine sonderlichen Unterschiede zwischen Unternehmen mit F&E-Standorten Inland und Unternehmen mit F&E-Standorten im Ausland festgestellt werden konnten. Seitdem erfreut sich die Internationalisierung der F&E einer zunehmenden Aufmerksamkeit: der Aufbau von ausländischen F&E-Standorten, Joint Ventures oder Entwicklungskooperationen stieg während der letzten Jahre kontinuierlich an. Von 1998 bis 2007 stieg die Internationalisierung der F&E nach Bericht der OECD in den Unternehmen fast aller erfassten Länder stark an oder blieb zumindest gleich (vgl. European Commission 2012). Lernziele Unterscheidung der unterschiedlichen Motive zur Internationalisierung von Forschung und Entwicklung (F&E)? Einfluss der Internationalisierung in Industriestaaten und in Schwellenländern auf die F&E Verständnis der wesentlichen Unterschiede in der F&E zwischen Industrie- und Schwellenländern Kenntnis der Strategien von Unternehmen aus Industrieländern in Schwellenländern Überblick der Adaption von Strategien in und aus Schwellenländern Definition der wesentlichen Begriffe der internationalen F&E Schlagwörter: International, Forschung & Entwicklung, Research and Development, Schwellenländer, Frugal Innovation, Patentstrategien, Entwicklungszentrum <?page no="254"?> 253 77..11 MMo ot tiivvee uunndd SScchhllüüsssseellffiigguurre en n iinn ddeer r IInntteer rnnaattiioon naalliissiiee- rruunngg ddeer r FF&&EE Die Motive für die Internationalisierung der F&E werden hauptsächlich durch den Handel und durch die Wissensakquisition widergespiegelt. Der Handel steht für die anwendungsspezifische F&E. Um Produkte im Ausland vertreiben zu können, müssen die Produkte auf lokale Anforderungen wie gesetzliche Vorschriften, technologische Bedingungen aber auch kulturelle Eigenheiten angepasst werden. Demnach werden die Technologien am heimischen Standort entwickelt und an ausländischen Standorten auf die lokalen Märkte angepasst. Auf diese Weise werden die Kosten für F&E sowie die Anbindung an lokale Märkte effizient betrieben. Die Entwicklung am ausländischen Standort ist sehr produktionsnah und schließt grundsätzliche Produktneuentwicklung weitestgehend aus. Produktanpassungen können nur im Rahmen der entwickelten Technologie und deren Toleranzbereichen getätigt werden. Eine Produktanpassung, die darüber hinausgeht, kann die ausländische Dependance im Regelfall nicht ausüben. Die anwendungsspezifische F&E im Ausland ist eine handels- und produktionsunterstützende Funktion, die eine fachgerechte Schnittstelle zu ausländischen Kunden bieten soll und kundenspezifische Änderungen reibungslos in den Produktionsprozess einfließen lassen. Das zweite Motiv, die Wissensakquisition, wird überwiegend in wissensintensiven Gebieten einzelner Industrien beobachtet. Die sogenannten Technologie-Hotspots wie Silicon Valley in den USA mit der Computer- und Internetindustrie oder der Raum Stuttgart und Detroit mit der Automobilindustrie ziehen Firmen inklusive ihrer F&E-Einrichtungen an. Hierbei stehen vor allem die Akquisition von hochqualifizierten Mitarbeitern mit technologischen Spezialwissen im Vordergrund, die zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit in der Zukunft wichtig sind (vgl. Berger und Nones 2008, S. 9). Zu den Schlüsselfiguren in der Internationalisierung der F&E zählen vor allem multinationale Unternehmen. Seit den 1980er Jahren etablierten diese Unternehmen internationale Netzwerke. In den Anfängen bestanden die Netzwerke eher aus einzelnen Kooperationen. Über die Jahre entwickelten sie sich jedoch zu komplexen Verstrebungen, horizontal sowie vertikal, in der Wertschöpfungskette (vgl. Gulati, Nohria und Zaheer 2000, S. 203). Die Beziehungen der Standorte bzw. Tochtergesellschaften der multinationalen Unternehmen gehen über gewöhnliche Kooperationen hinaus, da sie mehrfache Anknüpfungspunkte miteinander besitzen. Angefangen von Käufer-Verkäufer-Beziehungen über gemeinsam genutzte Forschungseinrichtungen bis hin zur Etablierung konzerninterner Märkte zum Austausch mangelnder Ressourcen (vgl. Mahmood, Zhu und Zajac 2011, S. 821f.). <?page no="255"?> 254 Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement 77..22 IInnt teerrnna attiioonnaalliissi ieerruunngg ddeerr FFoorrssc chhuunng g && EEnnt twwiicckklluunng g iinn IInnd duusst trriiees st taaaatteenn Die ersten Unternehmen, die F&E im Ausland betrieben, stammten überwiegend aus kleinen Industriestaaten wie Belgien, den Niederlanden oder der Schweiz. Diese Unternehmen (bspw. ABB, Hoffmann-La Roche, Philips) übten mehr als die Hälfte ihrer F&E-Aktivitäten in ausländischen Forschungsinstituten aus. Unternehmen aus größeren Ländern wie den USA, Deutschland oder Japan besaßen überwiegend F&E-Zentren im eigenen Land (vgl. Gassmann und von Zedtwitz, 1999). Die Internationalisierungsstrategien von Unternehmen aus Industrieländern änderten sich über die Jahre. Betrachtet man einen Bericht der United Nations Conference on Trade and Development (vgl. UNCTAD, 2005) wurden 2001 circa 71% aller Direktinvestitionen durch Unternehmen aus den Regionen Nordamerika, Westeuropa und Japan getätigt. Gleichermaßen empfingen diese Regionen 82% aller ausländischen Direktinvestitionen. Zusammengefasst betrieben vorrangig Unternehmen aus Industrieländern ausländische F&E in anderen Industrieländern. Dieser „traditionelle“ Ansatz hatte vorrangig die Wissensakquise zum Ziel. Wenn ein F&E-Standort hohe Expertise in einem Technologiefeld besitzt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er zum „excellence center“ für das gesamte Unternehmen wird. Technologietransfers rücken somit in den Fokus der Unternehmen. Eine gute Anbindung anderer F&E-Einheiten mithilfe guter Kommunikation, hohe Mobilität der Mitarbeiter zwischen den Standorten sowie ein gutes Prämiensystem bilden die Voraussetzung für diesen traditionellen Ansatz (vgl. OECD 2008). Der Pharmakonzern Merck & Co. besitzt ein „excellence center“ für die Medikamentenforschung bezüglich Leukotrienen. Das ausgelagerte Tochterunternehmen, Merck Canada, übernahm zur Jahrtausendwende die unternehmensinterne Verantwortung über die Leukotrienen-Forschung und konnte mehrere Hauptprodukte für den Konzern entwickeln. Die Produktion erfolgt jedoch in Irland, wo ein „excellence center“ für die Produktion pharmazeutischer Produkte sitzt (vgl. Frost, Birkinshaw and Ensign 2002). Dem World Investment Report aus dem Jahr 2012 zufolge, kamen 2011 zwar 73% aller im Ausland getätigten Direktinvestitionen aus Industrieländern, jedoch flossen diese nur noch zu 49,1% in andere Industrieländer (vgl. UNCTAD 2012). Die Industrieländer, im speziellen die Triade aus Europa, Japan und USA, verlieren zunehmend den Stellenwert als Entwicklungsstandort. Eine „multipolare“ F&E-Vernetzung entwickelt sich mit privaten sowie öffentlichen Forschungszentren verteilt über die ganze Welt (vgl. UNESCO 2010). Dezentralisierte F&E-Netzwerke haben den Vorteil des autonomen Handelns und der Nähe zum lokalen Markt. Dies geht mit einer steigenden Komplexität <?page no="256"?> 255 einher, die bis zur Unbeherrschbarkeit des Netzwerkes führen kann (vgl. OECD 2008). Während die Technologie-Hotspots großes Potential für die Interaktion diverser Akteure in einer Technologie besaßen, ist nun gerade für neue Technologien die Koordination von übergreifenden Kooperationen schwieriger geworden. Die Europäische Kommission schrieb Ende 2014 ein Projekt zur Förderung einer ganzheitlichen Infrastruktur für Wasserstoffzellenforschung in Europa aus. Die Kommission stellte die derzeitig zerklüftete Infrastruktur und das unkoordinierte Vorgehen der europäischen F&E hinsichtlich des neuen Technologiefeldes dar. Das zehn Millionen Euro Projekt zielt unter anderem auf den länderübergreifenden Zugriff für fachspezifische F&E- Communities auf bereits vorhandene Infrastrukturen sowie die Integration einer virtuellen Infrastruktur ab (Quelle: http: / / cordis.europa.eu/ project/ rcn/ 101550_en.html). 77..33 UUnntte errsscchhiieedde e iimm IIn nnnoovvaatti ioonnssmmaannaaggeemmeenntt zzw wiisscchheenn IIn nddu ussttrriiee-uunndd SScchhwweelllleennlläänndde errnn Im Zuge der Internationalisierung der F&E in Richtung Schwellenländern mit dem Aufbau ausländischer F&E-Einrichtungen sowie Joint Ventures und der damit zunehmenden Integration lokaler Mitarbeiter und Organisationen, sind Zielkonflikte aber auch kulturelle Zusammenstöße auf strategischer, organisatorische sowie operativer Ebene regelmäßig der Fall. In einer Studie von Brem und Wolfram (2013) mit neun multinationalen Unternehmen aus den Industrieländern Deutschland, Frankreich und den USA werden, über die reine F&E-Arbeit hinaus auch die Unterschiede im Innovationsmanagement zwischen den Standorten im Industrieland Deutschland und in den Schwellenländern China und Indien untersucht. Das Innovationsmanagement umfasst hierbei die strategische Ausrichtung der F&E, organisatorische Einstellungen sowie die Facetten des Innovationsprozesses von der Ideenerzeugung bis hin zur Markteinführung eines neuen Produktes. Die Studie mit 68 befragten Personen zeigt starke Unterschiede in der strategischen, organisatorischen sowie operativen Ausrichtung. Auf strategischer Ebene weisen drei Themengebiete starke Unterschiede auf: Markteintrittsstrategien Bedeutung der Neuproduktentwicklung im Unternehmen Einfluss des Managements auf die Neuproduktentwicklung Hinsichtlich Markteintrittsstrategie wird in Deutschland je nach Produktgruppe eine gemischte Strategie aus Pionier- und Verfolgerstrategie verfolgt, <?page no="257"?> 256 Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement während in China eine eindeutige Verfolgerstrategie und in Indien keine eindeutige Strategie ausgewiesen werden konnte. Darauf aufbauend besteht ein weiterer Unterschied auf strategischer Ebene. Aufgrund der Verfolgerstrategie in China, wird der Neuproduktentwicklung in chinesischen Standorten eine geringere Bedeutung als in deutschen oder indischen Standorten zugeschrieben. Als dritte Auffälligkeit ist der Einfluss des Top Managements auf die F&E gleichermaßen unterschiedlich. Während in Deutschland und China eine starke Ei nb indun g der Führun gskrä ft e in das Tag es ges chä ft der En tw icklung besteht, wird in Indien ein Quartalsbericht als ausreichend deklariert und der Projektfortschritt regelmäßig geprüft. Von allen aufgeführten Unterschieden ist vor allem der letzte Punkt - der Einfluss des Top Managements - kulturell begründet. Nach Prakash und Gupta (2007, S. 206) sind indische Mitarbeiter stark auf formalisierte Abläufe eingestellt. Eine situationsgeprägte Intervention von Führungskräften in das Tagesgeschäft widerspräche diesen formalisierten Abläufen und würde Unsicherheiten erzeugen. Auf organisatorischer Ebene weisen zwei Themengebiete starke Unterschiede auf: Teamzusammensetzung Belohnungssystem Hinsichtlich Teamzusammensetzung sind in Deutschland nach Aussagen der befragten Personen permanente Teams die Regel, wohingegen die Teams in China und Indien sich einer ständigen Neukonfiguration unterziehen. Weiterhin ist das Durchschnittsalter in deutschen Teams (39 Jahre), somit durchschnittlich acht Jahre höher als in Indien und neun Jahre höher als in China. Gründe dafür können dabei in der alternden Gesellschaft in Deutschland liegen oder sind dem frühen Schulabschluss in beiden Schwellenländern geschuldet. Das Belohnungssystem in Deutschland und China ist nach Aussagen der Studienteilnehmer monetär ausgerichtet. Nichtsdestotrotz ist in China das Ansehen der Persönlichkeit („Mianzi“) viel bedeutender. Die öffentliche Übergabe der Belohnung ist sehr wichtig und stellt einen zentralen Punkt des Belohnungssystems dar (vgl. Ozer und Chen 2006). Im Gegensatz zu Deutschland und China kommen in Indien Anreizsysteme (sogenannte Incentives) verstärkt zum Einsatz, um bspw. bei gemeinsamen Ausflügen oder Essen den Teamgeist zu erhalten, Die Unterschiede in den beiden Faktoren Teamzusammensetzung und Belohnungssystem sind kulturell sowie gesellschaftlich geprägt. So kommen zum einen kollektivistische und individualistische Verhaltensmuster zum Tra- <?page no="258"?> 257 gen (vgl. Hofstede 2001), zum anderen treten gesellschaftliche Charakteristika, wie die alternde Bevölkerung in Deutschland oder das Schulsystem in den Vordergrund. Auf operativer Ebene weisen zwei Themengebiete starke Unterschiede auf: Definition des Innovationsprozesses Initialisierung für Neuprodukte Zur Analyse der Innovationsprozesse werden die acht Prozessschritte aus der Best-Practice-Studie von Barczak, Griffin und Kahn (2009) herangezogen. Die Schritte gehen von der Produktplanung über die Entwicklung bis hin zur Kommerzialisierung. In der Untersuchung stellte sich heraus, dass deutsche Standorte die meisten Schritte davon integrieren. Chinesische und indische Standorte konzentrieren sich überwiegend auf die Entwicklungsarbeit, das Testen und Validieren. Dies spiegelt gleichermaßen die Stellung ausländischer F&E-Standorte in Schwellenländern wider, die zumeist Produktanpassungen für lokale Anforderungen durchführen. Dies spiegelt sich auch in der Initialisierung für Neuprodukte wider. Zwar sind an allen Standorten die meist genannten Quellen für Neuproduktideen interne F&E-Arbeit sowie Kunden, jedoch zeigen sich in Deutschland stärkere Initiativen hinsichtlich Konferenzen, Forschungskooperationen mit Instituten und Universitäten als China. So zeigen chinesische Standorte eine geringere Technology-Push-Ausrichtung (20% der Befragten) als Deutschland (33%) oder Indien (50%). Die operative Ebene mit den Unterschieden im Innovationsprozess und der Initialisierung für Neuprodukte sind weniger kulturell geprägt als dass dies die strategische Ausrichtung der Standorte beeinflussen würde. Wie erwartet liegen die größten kulturellen Einflüsse auf der organisatorischen Ebene, in der vor allem die Teamkonfiguration und das Belohnungssystem zum Tragen kommen. In der Internationalisierung der F&E müssen demnach besonders die organisatorischen Themen mit menschlichen Interaktionen die höchste Priorität genießen. Andere Bereiche wie die strategische Zielsetzung und angewandte Methoden in der Entwicklung sind bereits an allen Standorten ‚state-of-theart‘ und führen weniger zu Problemen in der Zusammenarbeit. 77..44 FF&&EE vvoonn mmuullttiinnaattiioonnaalleenn UUnntteerrnneehhmmeenn iinn SScchhwweelllleenn-lläännddeerrnn Ist heute die Rede von der Internationalisierung der F&E, sind dabei auch die F&E-Standorte in Schwellenländern gemeint. Brasilien, Russland und vor allem Indien und China (kurz BRIC) sind als potentielle sowie bereits sehr groß gewachsene Märkte bekannt. In den letzten zehn Jahren stieg die Wirtschafts- <?page no="259"?> 258 Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement leistung, gemessen im Bruttonationaleinkommen, in China von knapp 2 Billionen US-Dollar auf über 10 Billionen US-Dollar 2 im Jahr 2014 an (vgl. Statista 2014a). In Indien beläuft sich die Steigerung im selben Zeitraum von 721 Milliarden US-Dollar auf knapp 2 Billionen US-Dollar 3 (vgl. Statista 2014b). China bekommt von diesen Staaten die meiste Beachtung hinsichtlich F&E. Von 2001 bis 2009 stieg die Zahl der von ausländischen Firmen betriebenen F&E-Zentren von 250 auf 1.200 (vgl. von Zedtwitz 2011). 77..44..11 UUmmddeen nkkeen n iinn d deer r VVeer rwweenndduunngg v voonn FF& &EE- -EEiinnhheei itteen n i inn SScchhwweel l-lleennllään nddeer rnn Mit dem Aufstreben der chinesischen Wirtschaft, begannen Firmen Dependancen in China aufzubauen. Diese Aktivitäten in Schwellenländern waren zu diesem Zeitpunkt vor allem handelsgetrieben (vgl. Romer 1990). Die Hauptaufgabe der F&E-Einheiten ausländischer Firmen war dementsprechend anwendungsspezifische F&E zur Anpassung „westlicher“ Produkte an den chinesischen Markt. Die starke Zunahme der F&E-Zentren ausländischer Firmen in China gibt jedoch Hinweis auf die Weiterentwicklung lokaler F&E-Arbeit. Aufgrund der Größe des chinesischen Marktes werden nicht nur „westliche“ Produkte auf die dortigen Marktverhältnisse angepasst, sondern Produkte und Technologien gänzlich neu auf dem chinesischen Markt entwickelt. In einer eigenen Untersuchung der Patentdaten von 14 multinationalen Unternehmen mit Hauptsitz in Industriestaaten, wurden 2014 über 18.000 Patente analysiert. Anhand der Prioritätsanmeldungen in China können die Ursprünge von Technologien und deren Nutzung in anderen Ländern ermittelt werden. Das Verfahren wurde von Jaffe, Trajtenberg und Henderson (1993) entwickelt. Unternehmen Stammsitz F&E-Standorte in China Alcatel-Lucent FRAU Shanghai und andere Otis Elevator US Guangzhou, Shanghai Bayer GER Peking Motorola US Peking, Shanghai Johnson Controls US Shanghai, Changchun Nokia FIN Peking 2 Schätzwert von Statista 2014 für China (Quelle: http: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 19365/ umfrage/ bruttoinlandsprodukt-in-china/ ), Stand April 2014. 3 Schätzwert von Statista 2014 für Indien (Quelle: http: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 19369/ umfrage/ bruttoinlandsprodukt-in-indien/ ), Stand April 2014. <?page no="260"?> 259 Siemens GER Peking, Shanghai Schneider Electric FRAU Shanghai Hitachi JP Peking, Shanghai Philips NL Shanghai BP GB Peking Panasonic JP Peking Suzuki JP Peking Ricoh JP Peking, Shanghai Tab. 7.1: Untersuchte Unternehmen Die Auswertung der Daten der 14 multinationalen Unternehmen im Periodenvergleich 1994-1998 und 2004-2008 ergeben einen deutlichen Anstieg der Patentanmeldung mit innerer Priorität (d.h. Erstanmeldung eines Patentes) in China. Weiterhin ergibt sich bei der Auswertung der Periode 2004- 2008 ein eindeutiger Anstieg der Nutzung chinesischer Technologien (durch Zitierung anderer Patente auf denen das Patent beruht) im Vergleich zu komplementären Patenten, die außerhalb Chinas im selben Zeitraum entwickelt wurden. Entsprechend kann dies als ein Beleg für die zunehmende Bedeutung von Schwellenländern am Beispiel Chinas als Technologiestandort gesehen werden. Die Untersuchung ergab weiterhin, dass sogar ein Technologierückfluss von China in westliche Standorte stattfindet. Dies wurde deutlich an Unternehmen, die F&E-Zentren in China besitzen aber im Durchschnitt doppelt so häufig chinesische Patente zitieren als Unternehmen mit vergleichbaren Patenten ohne F&E-Zentren in China. Ergo avanciert China zunehmend vom Produktionsstandort weltweit verkaufter Produkte zum Entwicklungsstandort weltweit genutzter Technologien und schließt damit zu Industriestaaten wie Deutschland oder den USA auf. Es ist zu erwähnen, dass die Analyse grundsätzlich auf Patentdaten basiert und damit keinen umfassenden Beleg für die beschriebenen Tendenzen darlegt. Dennoch sind die Ergebnisse, neben den steigenden Patentanmeldungen, ausländischen Direktinvestitionen sowie steigender Anzahl von F&E-Zentren in China, ein wichtiger Indikator für Wandlung der F&E-Landschaft in diesem Schwellenland. <?page no="261"?> 260 Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement 77..44..22 PPa atteennttssttrraatteeggiieenn mmuullttiinnaattiioonnaalleerr UUnntteerrnneehhmmeenn iinn CChhiinnaa Als großen Missstand in Schwellenländern werden häufig mangelhafte Gesetze bzw. fehlende Durchsetzung dieser Gesetze benannt. So werden chinesische Firmen häufig Patentverletzungen, Verstöße gegen intellektuelles Eigentum oder Markenpiraterie vorgeworfen. Der BASF-Konzern in Ludwighafen forderte 2013 europäische Händler auf, bestimmte UV-sensitive Chemikalien eines chinesischen Anbieters vom Markt zu nehmen. Die Produkte verstoßen gegen Patente von BASF und seien nur dem Vertrieb durch BASF vorbehalten. Ein chinesischer Pharma-Konzern hatte die Produkte kopiert und der Ludwigshafener Konzern wollte dagegen ohne Gerichtsverhandlung vorgehen, da diese meist langwierigen Prozesse zu hohen Umsatzeinbußen führen. (Quelle: http: / / www.handelsblatt.com/ unternehmen/ industrie/ chemiekonzernbasf-kaempft-gegen-patentverletzungen-in-china/ 80705 64.html). Die Durchsetzung der Rechte am intellektuellen Eigentum wird in Schwellenländern wie China oft als ein schwierigeres Problem als in Industriestaaten gesehen (vgl. Keupp, Beckenbauer and Gassmann 2010). In einem Gerichtsverfahren über, der von LPKF entwickelten und in vielen Ländern patentierten Laser-Direkt-Strukturierung (LDS), wurde Motorola Deutschland und Motorola Mobility USA zur Unterlassung des Vertriebes der Mobiltelefone aufgefordert, die diese Technologie enthalten. In China wurde dagegen das patentierte LDS-Verfahren als ungültig erklärt und es erfolgten keine Rechtsfolgen daraus. Auch im Berufungsverfahren wurde das Patent als ungültig erklärt. Quellen: http: / / www.produktion.de/ unternehmen-maerkte/ lpkf-unterliegt-erneut-im-rechtsstreit-um-chinesisches-patent/ ; http: / / www.lpkf.de/ news/ pressemitteilungen/ 526.htm). Keupp, Friesike und von Zedtwitz (2012) untersuchten in einer qualitativen Studie mit elf Unternehmen die Motive westlicher Unternehmen zum Patentieren von Technologien in China. Denn obwohl mangelnder Rechtsschutz sowie mangelnde Übersetzung der Patentschriften in die chinesische Sprache klar gegen ein Patentieren in China sprechen, steigen Patentanmeldungen dennoch Jahr für Jahr in China an. <?page no="262"?> 261 Abb. 7.1: Trend der Patentanmeldungen in den fünf größten Patentämtern. Quelle: http: / / www.wipo.int/ edocs/ pubdocs/ en/ wipo_pub_941 _2014.pdf Die Forscher identifizierten vier Typen mit unterschiedlichen Motiven zu Patentanmeldungen in China. Patentstrategie-Typen nach Keupp, Friesike und von Zedtwitz (2012): Stratege Spekulant Signalisierer Kämpfer Der (strategist) hat positive Erwartungen für die Zukunft der Gesetzgebung in China, insbesondere hinsichtlich der Durchsetzung eigener Rechte in China und besitzt positive Erwartungen in die Wirtschaft Chinas. Diese Firmen patentieren Technologien weltweit und haben keine spezifische „China-Strategie“ aber patentieren pro-aktiv neue Technologien in China. Der „ (speculator) hat auch positive Erwartungen hinsichtlich Chinas Rechts- und Wirtschaftsentwicklungen und besitzt sogar eine spezifizierte Patentstrategie für China. Ziel ist die Nutzung von Patenten als Kommunikationsinstrument wie sie zur Anwerbung von Kooperationspartnern genutzt wird und die Abschreckung von Wettbewerbern. Ebenso verwendet der „ (signaler) Patente als Kommunikationsinstrument. Er präsentiert seine innovative Leistungsfähigkeit mit einer gezielten Patentstrategie, um Wettbewerber abzuschrecken. Dieser Typ Unternehmen hat jedoch eher pessimistische Erwartungen an Chinas Rechts- und Wirtschaftsentwicklung. Der „ (struggler) ist ebenfalls pessimistisch hinsichtlich der Tendenzen in China, besitzt jedoch keine spezifizierte Patentstrategie. Erfahrungen sind eher negativ und bisherige Patentstrategien für China waren nicht erfolgreich. <?page no="263"?> 262 Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement In einer erweiterten quantitativen Untersuchung von Wolfram, Schuster und Brem (2014) konnten einige Strategietypen von Keupp, Friesike und von Zedtwitz (2012) anhand einer größeren Stichprobe von über 620.000 Patente verifiziert und zudem weitere Typen identifiziert werden. Der und der wurden verifiziert. Hinzu kamen: Beschützer Mitschwimmer Minimalist Der (protector) verfolgt keine spezifizierte Patentstrategie für China und ist ähnlich wie der eher pessimistisch hinsichtlich der Entwicklung in China eingestellt. Der patentiert nicht pro-aktiv sondern nur notwendige Technologien, bei denen er reaktiv auf Patentverletzungen reagiert und in Rechtsverfahren tritt. Der (apathist) ist weder positiv noch negativ gegenüber Chinas Rechts- und Wirtschaftsentwicklungen eingestellt, besitzt keine spezifische Strategie für einzelne Länder und benutzt Patente nicht als vielseitiges Instrument. Diese Mitschwimmer- Unternehmen verfolgen eher große Trends, ohne eigene Strategien zu bilden. Der versucht im Gegensatz zu den vorhergehenden Strategietypen einen größtmöglichen geografischen Patentschutz mit minimalem Aufwand zu erzielen. Hierbei werden die wichtigsten Märkte eines Produktes wie in der Automobilindustrie Deutschlands, der USA und Chinas durch Patentanmeldungen geschützt, ohne die ein Wettbewerber nicht rentabel wirtschaften könnte.7 In der Automobilindustrie werden Technologien von Automobilzulieferern in Ländern wie Deutschland oder Frankreich angemeldet. In weiteren EU-Ländern werden die Patente nicht angemeldet. Die Unternehmen wissen, dass die großen Automobilhersteller in Deutschland oder Frankreich ihre Produkte verkaufen wollen oder sogar dort ansässig sind. Durch die bestehenden Patente sind diese Märkte geschützt. Aufgrund der hohen Standardisierung im Produktionsprozess werden keine individuellen Fahrzeuge für die weiteren EU-Länder produziert. Dementsprechend kann der Zulieferer seinen in Deutschland eingetragenen Patentschutz nutzen, um sein Produkte in Fahrzeugen für ganz Europa zu platzieren, ohne dass ein Wettbewerber diese Anteile abwerben kann. Ebenfalls wird dies in China und weiteren asiatischen Ländern wie Südkorea, Japan und Indien getätigt. Die Strategietypen zeigen, dass verschiedene Erfahrungen und Erwartungen gegenüber dem chinesischen Schutzrechtssystem bestehen und das grundlegende Strategien eines Unternehmens zu verschiedenen Motiven und Herangehensweisen im Patentieren in China führen. Hierbei wird über die zentrale Eigenschaft eines Patentes, nämlich der Schutz einer Technologie, hin- <?page no="264"?> 263 aus, das Patent auf weitere Art und Weise genutzt und beispielsweise als Kommunikationsmittel eingesetzt. Die zwei Studien zeigen zudem, dass Patente pro-aktive Ansätze darstellen können, indem gezielt Wettbewerber gestört werden sollen sowie reaktive Ansätze, in denen erst bei Patentverletzungen notwendig Aktionen erfolgen. 77..55 PPrroobblleemmllöössuunnggsskkoommppeetteennzzeenn iinnddiisscchheerr KKlleeiinnuunntteerr-nneehhmmeerr aallss AAnnrreeiizz ffüürr nneeuuee FF&&EE--AAnnssäättzzee Die Internationalisierung der F&E stellt multinationale Unternehmen nicht nur vor neue Herausforderungen und Anpassung der F&E an deren (neuen) Standorten. Die Internationalisierung bringt den Unternehmen zudem die lokale Kultur und Eigenheiten näher, wie beispielswiese die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern der verschiedenen Standorte. Dies hat zur Folge, dass Herangehensweisen, Konzepte und bisherige Ansätze aus der „neuen F&E- Welt“ auf einmal zur Diskussion stehen, vor allem wenn Erfolgsgeschichten diese Konzepte schmücken. Tata Nano, bekannt als das günstigste Automobil der Welt mit einem Verkaufspreis von 2.500 US-Dollar, wurde von dem indischen Automobilhersteller Tata Motors für die indische Bevölkerung als sogenanntes „Volksauto“ hergestellt. Das Fahrzeug wurde auf die notwendigsten Funktionen beschränkt. So hat das Fahrzeug nur einen Außenspiegel, einen Scheibenwischer, und Klimaanlage oder Radio fehlen gänzlich. Das Fahrzeug soll die Mofas auf den Straßen Indiens ersetzen und auf diese Weise mehr Sicherheit in den Straßenverkehr bringen. Quelle: http: / / www.focus.de/ auto/ neuheiten/ tata-nano_aid_232954. html. Der Entwicklungsansatz für das Fahrzeug von Tata Motors beruht auf einer anderen Herangehensweise als sie in Industriestaaten wie Deutschland der Fall ist. Während in Industriestaaten zumeist forschungsintensive Entwicklung neuer Produkte betrieben wird, bedienen sich Unternehmen aus Schwellenländern eher an vorhandenen Technologien (vgl. Brem und Wolfram 2014; Agarwal and Brem, 2012). Entsprechend wird in der Produktentwicklung in Industrieländern zumeist ein Prototyp mit bestmöglichen Eigenschaften aufgebaut. Hierbei werden die geeignetsten, und damit auch meist die teuersten, Materialien und Systeme verwendet, um die größtmögliche Leistung zu gestalten. Ist ein zufriedenstellender Prototypenstand erreicht, werden kundenspezifische Anpassungen sowie kostenreduzierende Maßnahmen vorgenommen, um schlussendlich ein marktfähiges Produkt mit adäquatem Preisleistungsverhältnis zu generieren (vgl. Agarwal und Brem, 2012). Hinsichtlich der Produktentwicklung in Schwellenländern werden Mindestanforderungen eines Produktes definiert und durch Adaption bestehender <?page no="265"?> 264 Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement Systeme und kostengünstiger Materialien umgesetzt (vgl. Vahs und Brem 2013). Dies kann durch funktionale Umwandlung von bestehenden Produkten oder Ressourcen im Markt geschehen. Deshalb werden Ansätze aus Schwellenländern häufig ein ökologischer Vorteil nachgesagt (vgl. Brem und Wolfram 2014). Betrachtet man Ansätze zur Produktentwicklung in Schwellenländern werden vo r al lem i n In di en S ch la gw ör te r wie J ug aad , Fr ug al I nn ov at io n, C on st ra in tbased Innovation, Frugal Engineering, Grassroots Innovation, Reverse Innovation u.a. genannt. Die Begriffe wurden jedoch in der Vergangenheit verschiedenartig verwendet, sodass es sowohl Überschneidungen in den Ansätzen sowie Missverständnisse hinsichtlich der genauen Definition gab (Agarwal and Brem, 2012). Hier setzt die Untersuchung von Brem und Wolfram (2014) an, in der Begriffe differenziert und Definitionen abgeleitet werden. wird hierbei als Ausgangskonzept verstanden. Ursprünglich wurden selbst entwickelte Fahrzeuge als bezeichnet, die aus Gegenständen zusammengebaut wurden, die eigentlich nicht für den Fahrzeugbau gedacht sind. Es wurden zum Beispiel Fahrzeuge mit ehemaligen Wasserpumpen als Antriebsmotor gebaut, die jedoch in der Lage waren, in der täglichen Arbeit eingesetzt zu werden (vgl. Mitra 1995). Dieser Einfallsreichtum erstreckt sich in alle Gesellschaftsschichten und begründet das Unternehmertum vieler Kleinunternehmer in Indien. „Kabaad se jugaad“ - aus Müll etwas Nützliches (oder Schönes) machen - bezeichnet das innovative Problemlösen anstelle von (unnötiger) Technologisierung (vgl. Vahs und Brem (2013). Oft wird diese Herangehensweise als Improvisation ohne Struktur und Systematik ausgelegt (vgl. Lacy 2011). Nichtsdestotrotz sind Erfindungen der Kleinunternehmer in Indien höchst innovativ und finden in der Wirtschaft sowie Wissenschaft zunehmend Beachtung. Brem und Wolfram (2014, S. 19) definieren als: „An improvisational approach to solving one’s own or others’ problems in a creative way, at a low cost, in a short amount of time, and without serious taxonomy or discipline applied by people at the BoP 4 as a result of poverty and exigency.” stellt einen ersten Managementansatz zur Professionalisierung von dar. Das zu lösende Problem mit den spezifischen Randbedingungen der „ärmsten“ Bevölkerungsgruppen wird hierbei in den Fokus 4 Bottom of the Pyramid unterste Einkommensschicht einer Gesellschaft <?page no="266"?> 265 gestellt und ist an kein bestehendes Produkt, Produktportfolio, -strategie oder -idee gebunden. Die Funktionen des zukünftigen Produktes werden auf die notwendigsten definiert oder bei Produktverbesserungen ggf. reduziert. Die Maxime ist es, Produkte zu niedrigen Kosten mit vergleichbar hohen Nutzen für den Kunden zu bieten (vgl. Zeschky, Widenmayer and Gassmann 2011). Die Haptik, Optik oder der Status haben hierbei nachrangige Priorität. Die Verwendung bestehender Technologien der eigenen oder auch fremden Firmen, unter Berücksichtigung der Schutzrechte, ist erwünscht, um Entwicklungskos te n zu sp ar en . Hier z eig t sich , das s dem „No t-Inv ented -Her e (NIH) Syndrom“ keine Bedeutung beigemessen wird. Phänomen der Ablehnung von externen Entwicklungen durch Mitarbeiter eines Unternehmens. Aus der Ablehnung resultieren oftmals Ineffizienzen und Doppelentwicklungen, die u.a. bei Innovationskooperationen zu schwerwiegenden Problemen führen können. Quelle: http: / / wirtschaftslexikon. gabler.de/ Archiv/ 82506/ not-inven ted-here-syndrom-v6.html Die notwendige Entwicklungsarbeit, Produktion und das Produktmanagement werden auf das Ziel eine Problemlösung unter den Randbedingungen der ärmsten Bevölkerungsschichten anzubieten angepasst, um ein ausreichendes Maß an Struktur und Systematik zu implementieren. Im Gegensatz zu Managementansätzen in Industrieländern werden kaufkraftschwache Gesellschaftsschichten sowie Schwellen- und Entwicklungsländer als potentielle und sogar zentrale Märkte betrachtet. Der Verwendung neu entstandener Produkte in Industrieländern steht hierbei nichts im Wege, solange gesetzlich Vorschriften eingehalten werden. Produktentwicklungen für Industrieländer können jedoch nur schwierig in Schwellenländer eingeführt werden, da sie eine Anpassung inhärenter Systeme bis hinzu einem kompletten Umbau der Systemarchitektur beansprucht. Brem und Wolfram (2014, S. 19) definieren als: “A derived management approach, based on , which focuses on the development, production, and product management of resource saving products and services for people at the BoP by achieving a sufficient level of taxonomy and avoiding needless costs.” oder auch konzentriert sich auf den Entwicklungsprozess unter Berücksichtigung der Kostenminimierung. Kumar (2008, S. 251) beschreibt Frugal Engineering als „ability to absorb, adapt, and build upon the technologies imported from abroad rather than produce <?page no="267"?> 266 Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement completely novel technologies.” Die Nutzung bestehender Technologien aber auch die effiziente Bearbeitung innerhalb der F&E sind die zentrale Strategie, um einen höchstmöglichen Nutzen für den Kunden zu geringen Kosten sowie eine geringe Entwicklungsdauer zu gewährleisten. Dazu gehören Wissenstransfers von externen Entitäten (bspw. Unternehmen aus Industrieländern), schlanke Gestaltung der Entwicklungsprozesse (bspw. kleinstmögliche Bürokratie) und Integration lokaler (potentieller) Benutzergruppen. Brem und Wolfram (2014, S. 19) definieren und als: “Describes a process-oriented approach to adapt existing technologies to local challenges by dint of the integration of the local society in order to reduce inherent development costs and time.” ist im Gegensatz zu den vorhergehenden Ansätzen etwas philosophischer aufgestellt, indem stark auf den sozialen und ökologischen Anspruch Bezug genommen wird. Er ist der Wandel von einer Überflussgesellschaft mit Premium-Preisstrategien hinzu einer Gesellschaft, in der dieselben Produkte für alle Bevölkerungsschichten zugänglich sind und nachhaltig hergestellt werden (vgl. Brem und Wolfram 2014, Brem und Ivens 2013). Das im September 2013 vorgestellte Fairphone bietet Kunden ein nachhaltiges und unter sozialen Bedingungen hergestelltes Mobiltelefon mit geringen Abschlägen in der Leistung an. Fast alle verbauten Metalle wurden in konfliktfreien Regionen und mithilfe von lokalen Vereinigungen zertifizierten Minen abgebaut. Zudem wird das Telefon nach den Bestimmungen der Internationalen Arbeitsorganisation hergestellt. Das heißt, dass der Hersteller Löhne zahlt, die dem Arbeitnehmer ein ausreichendes Entgelt zum Überleben sichern und humane Arbeitszeiten sowie das Mitspracherecht der Belegschaft bietet. Das Mobiltelefon ist so konstruiert, dass Einzelteile wie Akku und Display ausgetauscht oder gar repariert werden können. Im Gegensatz zu aktuellen Konkurrenzprodukten ist das Fairphone schwerer und dicker und bietet geringere Audio- und Kameraqualität. Quelle: http: / / www.zeit.de/ digital/ mobil/ 2014-01/ fairphone-test-bench mark Fünf Merkmale werden Innovatoren von zugeschrieben (vgl. Christensen et al. 2006, S. 96ff.). Sie: treiben aktiv den Gesellschaftswandel mithilfe von Skaleneffekten und Nachbildungen decken unerfüllte und mangelhaft erfüllte Bedürfnisse bieten kostengünstige Produkte mit weniger aber ausreichenden Funktion zur Kundenbefriedigung an <?page no="268"?> 267 lokalisieren und verwenden ungewöhnliche Ressourcen wie Spenden, freiwilliger (oder ehrenamtlicher) Mitarbeit etc. werden vom Wettbewerb unterschätzt Brem und Wolfram (2014, S. 19) definieren als: “An approach that focuses on social change by breaking down existing social and economic structures and creating new market structures which involves new development approaches of systematic, sustainable, and system-shifting kind.” ist ähnlich zu . Im Fokus stehen Innovationen für Menschen in den untersten Gesellschaftsschichten, entwickelt von Menschen in derselben Schicht, um gegebene Missstände mit limitierten Ressourcen zu mildern oder zu beseitigen. bedienen sich jedoch im Gegenteil zu einem Netzwerkansatz, in dem ein intensiver Austausch zwischen den Menschen stattfindet. Die Kommunikationsnetzwerke helfen die wenigen Ressourcen schnell und effizient zu verteilen und unterstützen gerade in ländlichen Gegenden über große Distanzen hinweg wirtschaftliche Interaktionen. Das Honey Bee Network ist ein Netzwerk aus Einzelpersonen wie Bauern, Akademikern oder Politikern bis hin zu Unternehmern und gemeinnützigen Gesellschaften. In diesem Netzwerk werden Problemlösung und Erfindungen zu technischen aber auch Alltagsproblemen durch die Mitglieder eingepflegt. Die Erfinder werden mit Namen und Kontakt benannt. Möchte ein Unternehmen oder eine Einzelperson diese Idee oder Erfindung nutzen, erhält der Erfinder eine gerechte Entlohnung. Das vor 25 Jahren in Indien entwickelte Netzwerk existiert bereits in 75 Ländern. Quelle: http: / / www.sristi.org/ hbnew/ aboutus.php Während der letzten Jahre wurde auch ein ökologischer Status zugeordnet. Die nachhaltige Entwicklung von Produkten durch lokale Personen und Vereine sowie der nachhaltige Verbrauch von Ressourcen spielen hier eine zentrale Rolle (vgl. Seyfang und Smith 2007). Auch kann ein professionelles Nachhaltigkeitsmanagement die Marktleistung positiv beeinflussen (Brem und Ivens 2013). Brem und Wolfram (2014, S. 19) definieren als: “Represents a bottom-up development approach that includes social integrity and local civilians as inventors by connecting peoples through social or technical networks in order to develop ecologically and socially acceptable products and services.” <?page no="269"?> 268 Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement unterscheidet sich zu den zuvor genannten Ansätzen signifikant. Zwar wird im ersten Schritt auch eine zugeschnittene Produktentwicklung für Schwellenländer und Gesellschaftsschichten mit niedrigem Einkommen berücksichtigt, im zweiten Schritt wird jedoch eine Anpassung der preisgünstigen Produkte an Industrieländer und reichere Gesellschaftsschichten fokussiert. Die traditionelle Wertschöpfung in Industrieländern und der Konsum in Schwellenländern werden damit umgekehrt. General Electric entwickelte ein Ultraschallgerät für den chinesischen Markt in China. Das Gerät kostet ca. 15.000 US-Dollar, ein Bruchteil des Preises eines Ultraschallgerätes für Industriestaaten. Das Gerät weist nur die notwendigsten Funktionen auf, reicht jedoch für den Großteil medizinischer Untersuchungen aus. Das chinesische Gerät wird nun auch, in angepasster Form, in den USA vertrieben. Dies zeichnet eine Kehrtwende in der Produktentwicklung aus. Gewöhnlich werden Neuprodukte „westlicher“ Unternehmen in den Industriestaaten entwickelt und danach in Schwellenländern auf die Marktanforderungen angepasst und vertrieben (vgl. Immelt, Govindarajan und Trimple 2009). Brem und Wolfram (2014, S. 19) definieren als: “Represents the development of new products in and for emerging countries by DMF 5 or EMF 6 which will be introduced equally in developed markets if the demand in developed markets is identified. The extreme case of is the development of new products in emerging countries which are only introduced in developed markets.” Während die Produktentwicklung und die Produktion vor allem in Industrieländern stattfinden, werden Rohstoffe günstig in Schwellen- und Entwicklungsländern eingekauft. Die fertigen Produkte werden verhältnismäßig teuer von den Schwellen- und Entwicklungsländern zurückgekauft. Um diesen nachteiligen Kreislauf zu unterbrechen, fokussieren gerade Schwellenländer wie China und Indien eine zunehmende Tätigkeit in Produktentwicklung und Produktion aufstrebender Technologien wie bspw. Elektromobilität im Fahrzeugbau oder erneuerbare Energien. Abschließend lässt sich festhalten, dass das globale Management von Forschung und Entwicklung im Zuge der Globalisierung der letzten Jahrzehnte immer wichtiger wurde. Gleichzeitig erfreut die Erkenntnis, dass trotz diesen offensichtlichen Trends immer wieder interessante und unerwartete Aspekte zu Tage treten, indem z.B. etablierte Verfahrensweisen hinterfragt werden. 5 Developed Market Firms - Unternehmen aus Industrieländern 6 Emerging Market Firms - Unternehmen aus Schwellenländern <?page no="270"?> 269 Wer hätte gedacht, dass es einmal den Ansatz geben würde, dass man in Schwellenländern forscht und Produkte entwickelt, die ausschließlich für westliche Märkte gedacht sind? Vor diesem Hintergrund gibt es in diesem Themenfeld noch viele Forschungsbereiche für zukünftige Wissenschaftler, die sich für diese spannenden Phänomene interessieren. FFrraaggeenn Was sind die Hauptmotive zur Internationalisierung der F&E? Wie beeinflusst die Internationalisierung die F&E in Industriestaaten und in Schwellenländern? Was sind die wesentlichen Unterschiede in der F&E zwischen Industrie- und Schwellenländern? Welche Strategien zur Produktentwicklung von Unternehmen in Schwellenländern sind bekannt, und wie bewerten Sie diese? Welche Patentstrategie-Typen werden in Schwellenländern angewendet? Wie änderten sich die Zitierungen der in China angemeldeten Patente durch ausländische Unternehmen? LLiitteerraattuurr Agarwal, N., & Brem, A. (2012). Frugal and reverse innovation - Literature overview and case study insights from a German MNC in India and China. In: Engineering, Technology and Innovation (ICE), 2012 18th International ICE Conference on (pp. 1-11). IEEE. Barczak, G., Griffin, A., Kahn, K. B. (2009). Perspective: Trends and Drivers of Success in NPD Practices: Results of the 2003 PDMA Best Practices Study Journal of Product Innovation Management, 26(1), 3-23. Berger, M., Nones, B. (2008). Der Sprung über die große Mauer. Die Internationalisierung der F&E und das chinesische Innovationssystem. Steiner, M. 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Im Beitrag wird aufgezeigt, dass allein eine integrale Sicht aller drei Dimensionen erfolgreich Gestaltungsaufgaben für diese Pfade realisieren kann. Bei der ethischen Beurteilung ist nicht eine Berufung auf ethische Fundamentalüberzeugungen (Menschenwürde, Gerechtigkeit) ausreichend, sondern eine differenzierte hermeneutische Situationsanalyse der Einbettungsfaktoren technologisch-ökonomischer Entwicklungspfade, also Orientierung an Leitbildern wie Nachhaltigkeit und abwägende Gerechtigkeit erforderlich. Lernziele Erkennen der Dreidimensionalität im Hinblick auf die Normativität der Praxis technologisch-ökonomischer Entwicklungspfade und der Notwendigkeit einer hermeneutisch-integralen bzw. integrativ-transdisziplinären Sichtweise der zeitlich-räumlichen Struktur, der netzwerkartigen historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Einbettungsfaktoren wie der legitimatorischen Überprüfung der Ziele von Entwicklungspfaden bei der Problemanalyse und der Suche nach Lösungen im Hinblick auf Gestaltungsaufgaben. Aufgabe im Sinne einer Fallanalyse Der Leser soll erkennen, dass die Nutzung fossiler Ressourcen in der Bereitstellung von Energie und traditioneller industrialisierter Landwirtschaft zu einem anthropogenen Anteil am Treibhauseffekt beiträgt. Dieser hat negative Auswirkungen auf die Natur und die Menschheit, zum Beispiel einen weltweiten Anstieg des Meeresspiegels. Hermeneutisch ethische Argumentationen sollen aufzeigen, dass diese vermieden oder dessen Kosten kompensiert werden müssen, zum Beispiel durch ökonomisch-technologische Anpassungen und Ausgleichszahlungen, insbesondere für arme Länder. Derartige Überlegungen sollen durchgeführt und aufgelistet werden. Die technokratische Grundeinstellung bei der Interpretation technologischer Entwicklung versucht, menschlich-gesellschaftliche Probleme durch Technologie zu lösen. Diese utilitaristische Haltung wächst durch Globalisierung ins schier Unermessliche. Das naturwüchsige Vertrauen in Technik aufgrund von Gewöhnung und Trivialisierung nicht nur der Ingenieure, sondern auch der Techniknutzer muss hinterfragt werden (Irrgang 2010c). Die Verbesserung <?page no="276"?> 275 der menschlichen Lage als Bewertungsmaßstab technischer Entwicklung wie die die Idee der Emanzipation von der Begrenzung der Natur, dessen Rückschlag wir heute in den ökologischen Problemen erfahren, sind Programme der aufklärerischen Moderne. Technische Entwicklungspfade sind Ergebnisse von Machtkämpfen und von politischen Konflikten, kein Schicksal. Oftmals aber sind der Ausgang solcher Konflikte und die Austragung von Kämpfen schicksalhafter Natur. 88..11 TThheeoorriieenn tteecchhnnoollooggiisscchh--öökkoonnoommiisscchheerr PPffaaddaabbhhäännggiigg-kkeeiitt Pfadabhängigkeit bezeichnet einen vergangenheitsdeterminierten Prozess relativ kontinuierlicher bzw. anwachsender Entwicklungen. Die jeweils erreichten Zustände können kollektiv ineffizient oder suboptimal sein, ohne dass der Prozess deshalb notwendigerweise zum Erliegen kommt oder radikal geändert wird. Der Begriff Pfadabhängigkeit wurde vom Wirtschaftshistoriker Paul A. David und dem Wirtschaftsmathematiker W. Brian Arthur geprägt. Das Konzept steht in der Tradition von Arbeiten, die die Effizienzannahmen der neoklassischen Ökonomie kritisieren oder relativieren. Intuitiv plausibel erscheint Paul Davids exemplarische Analyse der Entstehung und Verfestigung der QERTY-Tastatur (deutsch QWERTZ), die durch die Mechanik der klassischen Schreibmaschine vorgegeben war, aber durch neue elektronische Buchstabenkombinationen hätte verbessert werden können, was aufgrund von Nutzerverweigerung nicht durchgesetzt werden konnte (vgl. Werle 2007, 119). Pfadabhängige Diffusionsprozesse finden insbesondere im Bereich der Netzwerktechnologien statt. Hier lässt sich der Siegeszug der jeweils dominanten Technologien als ein häufigkeitsabhängiger Prozess erklären, in dem die steigende Zahl der Nutzer die Attraktivität der Technologie erhöht. Kontinuitätssichernde Mechanismen sind positive Feedback-Ereignisse, anwachsende Gewinne, Selbstverstärkung. Letztere entsteht (1) durch Lerneffekte: Nutzererfahrungen verbessern den Umgang mit einer Technik und erhöhen so ihre Leistungsfähigkeit; (2) durch Größen der Regression: wenn Techniken, die einen hohen Entwicklungsaufwand verursacht haben, in großer Stückzahl produziert werden, fällt dieser weniger ins Gewicht; (3) durch adaptive Erwartung: wird erwartet, dass eine Technik sich ausbreitet und damit verbunden, ihr Nutzen steigt, dann steigt auch die Nachfrage; (4) durch Netzwerkexternalitäten: der Nutzen einer Technik steigt mit dem Grad ihrer Verbreitung. Wie etwa beim Telefon werden hierdurch neue Nutzer gewonnen, und die Technik wird intensiver genutzt; (5) durch Koordinationseffekte: mit steigender Ausbreitung einer Technologie wird es zunehmend attraktiver, zu ihr komplementäre und kompatible Produkte herzustellen, die wiederum bewirken, dass die Technologie noch attraktiver wird (zum Beispiel ein Betriebssystem und passende Anwendungssoftware); (6) durch Interdependenz: je stärker technische Komponenten und technische Kompetenzen aufeinander <?page no="277"?> 276 Ethische Hermeneutik bezogen sind, desto fester etabliert sich eine Technologie (vgl. Werle 2007, 120f.). Während für den ressourcenbasierten Teil der Wirtschaft die konventionellen Annahmen der ökonomischen Theorie als im Allgemeinen angemessen gelten, wird dies für den wissensbasierten Sektor und für Netzwerktechnologien generell infrage gestellt. Hier verwandelt sich ein kleiner, oft zufällig erworbener Vorteil einer Technologie in einem uneinholbaren Vorsprung gegenüber allen alternativen Technologien. Diese verschwinden vom Markt oder etablieren sich erst gar nicht. Unter den Bedingungen von Pfadabhängigkeit setzt sich nicht die unbedingt effizienteste Technologie durch. Die Interdependenz der Nachfrage verstärkt den Verbreitungsgrad desjenigen Standards, der zu Beginn den relativ größten Marktanteil hat. Es bedarf somit externer Anstöße, im Extremfall exogener Schocks, um ein Lock-in zu überwinden (z.B. politisch-juristische Intervention, Käuferverweigerung) und zu einer neuen Technologie zu wechseln. Konventionen wie das Rechtsfahrgebot im Autoverkehr unterstützen die Pfadbildung. Auch Sprachentwicklung und Sprachaneignung kann als Paradigma für Pfadentwicklung interpretiert werden. So bietet sich die Theorie der Pfadabhängigkeit als Hintergrund für eine Konzeption institutionellen Wandels an. Bündelungen, anwachsende Gewinne und Netzwerkstrukturen ermöglichen also Pfadabhängigkeiten und ihre Entwicklung. Insbesondere James Mahoney (Mahoney 2000) hat diesen Aspekt der Pfadabhängigkeit hervorgehoben. Ausgehend von einer frühen technologiebezogenen Formulierung von Pfadabhängigkeit (auf der Basis einer ausgefeilten Handlungstheorie z.B. bei Irrgang 2001b, Irrgang 2002a und Irrgang 2002b, Irrgang 2004) wurden ökonomische Erweiterungen insbesondere institutionentheoretischer Art vorgenommen. Dies führte dazu, dass die vom Konzept des Lok-in suggerierten Vorstellung der Unausweichlichkeit bestimmter Entwicklungsverläufe gerade den ökonomisch-sozialwissenschaftlicher Forschung zur Betonung eines bestimmten Konservativismus in der Entwicklungspfadtheorie vorgezeichnet schien. Gegenüber Stabilisierungsmechanismen sind aber auch die Destabilisierungs-Mechanismen zu betonen, die nicht zuletzt ebenfalls technologiebezogen sind und ökonomisch-gesellschaftliche Folgen haben. Diese sind gemäß meiner Konzeption von technologischen Entwicklungspfaden in technologischen Innovationen zu sehen, die eine gewisse Modifikation der Entwicklungspfadtheorie durch eine Konzeption permanenter Innovation erforderlich macht (Irrgang 2006b, Irrgang 2007c, Irrgang 2008d, Irrgang 2010c). Frühe Ereignisse strukturieren zwar mögliche zukünftige Alternativen, sie schließen aber einen weitgehenden Wandel, wenn er in einer graduellen Sequenz erfolgt, nicht aus. Gradueller sequenzielle Wandel ist möglicherweise sogar der einzige Weg, auf dem letztlich relativ weitgehende Änderungen erreicht werden können (vgl. Werle 2007, 127) Nach meinem Dafürhalten sind Innovationen auch durch das Nutzerverhalten und durch den Gebrauch der Technik durch Anwender möglich. <?page no="278"?> 277 In diese Richtung haben schon Schumpeters Überlegungen zum dynamischen Unternehmer und den Prozess der schöpferischen Zerstörung hingearbeitet und eine Theorie sozial eingebetteten unternehmerischen Handelns und strategischer Handlungsfähigkeit vorbereitet, die ein bewusstes abweichen von einem bestehenden Pfad und die Schaffung eines neuen Pfades um fast. Die mit dem Konzept der Pfadabhängigkeit verbundene Vorstellung, dass historisch zurückliegende oft ungeplante Ereignisse von zunächst geringfügiger Bedeutung in kaum mehr zu steuerbarer Weise die Gegenwart prägen, wird zwangsläufig die Frage nach den Möglichkeiten auf, die sozialen Akteuren bleiben, Neues zu schaffen und den Lauf der Ereignisse gezielt zu beeinflussen. Diese Frage ist besonders deshalb wichtig, weil das Konzept der Pfadabhängigkeit Akteurbzw. mikrofundiert ist. Es sind Handlungssequenzen individueller, kollektiver oder korporative Akteure, die im Endeffekt Pfadabhängigkeit erzeugen. Dennoch fehlt dem Konzept der Pfadabhängigkeit eine ausgeführte Theorie der Handlung. Diesem Mangel konnte ich bereits mit meinem Buch Irrgang 2001a beheben, indem ich eine Theorie des impliziten Wissens und Entscheidens bei der Technikkonstruktion mit Innovationskonzepten verband, welche ich in den folgenden Jahren in vielfacher Form ergänzt habe (s.o). Allerdings wurde meine bisher in der ausschließlich englischsprachlichen Literatur nicht berücksichtigt (eine Monografie zum Themenfeld wird gerade für die Übersetzung vorbereitet). Unternehmer erkunden neue Möglichkeiten und experimentieren mit ihnen. Sie schaffen Nischen oder geschützte Räume, in denen die Anwendung und der Gebrauch einer neuen Technologie ausprobiert und als weiter entwickelte auch angenommen werden können. Hieraus gewinnen sie gesellschaftliche Hilfestellungen, die weitere Nutzungen ermöglichen. Dies verweist auf den politischen Charakter des Prozesses der Pfadkreation, indem politische Unternehmer bestrebt sind, ein neues oder stark verändertes Institutionen-System dauerhaft zu etablieren. Die sozialwissenschaftliche Erweiterung des Konzeptes der Pfadabhängigkeit hat dazu geführt, dass gesellschaftliche Behaarungstendenzen im Allgemeinen überschätzt werden (vgl. Werle 2007, 128f.). Dagegen richtet sich nicht zuletzt meine Erweiterung der technischen Pfadtheorie durch technische, ökonomische, soziale, und kulturellen-moralische Innovationen, die Anforderungen an den Wandel technologischer Entwicklungspfade stellen und zu größerer Akzeptanz technologischer Entwicklungspfade führen kann. Die historische Soziologie bietet methodische Hilfsmittel an, speziell geeignet für Studien zu Pfadabhängigkeiten technisch-ökonomischer Entwicklungen. Wenn man Pfadabhängigkeit nicht nur als historische Zufälligkeit eines Geschehnisses oder eigenes Verlaufs definiert, müssen Charakteristika von Pfadabhängigkeiten spezifiziert werden, insbesondere geschichtliche Ereignisfolgen mit kontingenten Ereignissen, insofern sie insbesondere mit institutionellen Entwicklungen und Ereignisketten in einen Zusammenhang gebracht werden können, die deterministischen Charakter aufweisen. Die Iden- <?page no="279"?> 278 Ethische Hermeneutik tifikation von Pfadabhängigkeiten verlangt sowohl eine historische Rekonstruktion wie den Aufweis kausaler Zusammenhänge auf der Basis früherer historischer Bedingungen. Substantive Analysen von Pfadabhängigkeiten und Fahrten können Erklärungen anbieten für spezifische Resultate, die häufig zudem relativ individuell und speziell ausfallen. So kann eine gewisse historische Rationalität im Wandel aufgewiesen werden (Mahoney 2000, 507f.). So können Pfadabhängigkeiten durch ein Ineinander von Kausalzusammenhängen und Konditional-Zusammenhängen ähnlich wie revolutionäre Entwicklungspfade in der Biologie modelliert und verstanden werden. Solche Pfadabhängigkeiten werden durch sich selbst verstärkende Sequenzen charakterisiert, die eine Langzeiterhaltung gegebener Institutionen ermöglichen, wie zum Beispiel von Brian Arthur als „increasing returns“ (anwachsende Unternehmensgewinne) identifiziert wurden. Im Vordergrund standen als soziale Erklärungen. Pfadabgängige Erklärungen erfordern das Studium kausaler Prozesse, die hochsensitiv abhängig sind von Ereignissen in ihrer Anfangsphase und dann zu sich verfestigen denn Ereignisfolgen übergehen. Frühe Ereignisse am Anfang eines Pfades sind meist hochgradig kontingent und können nicht aus der Basis früherer Ereignisse oder anfänglichen Konditionen erklärt werden. Solche Konditional-Zusammenhänge lassen sich nur als Netzwerkstrukturen verstehen, die nicht in jedem Detail kausal erklärt werden können. Unabhängig von ihrem Ursprung ergeben sich Konstellationen, die eine relativ konsequente Weiterentwicklung ermöglichen. Sie entwickeln sogar eine gewisse Routine und Trägheit, sodass in späteren Phasen eines Entwicklungspfades Änderungen relativ schwer möglich sind. Dies ist eine Folge von Selbstverstärkung, die der Kette der von Ereignissen eine interne Logik gibt aufgrund von institutionellen Mustern, welche dann die Entwicklung stabilisieren. Dabei lassen sich in der Regel Gründe für die Selbstverstärkung bzw. Reversibilität aufweisen. Konditional orientierte Studien sind in ihrer überwiegenden Mehrzahl Vergleiche. So können oft bei der Untersuchung von Pfadabhängigkeiten keine pfadabhängigen Erklärungen abgegeben werden (vgl. Mahoney 2000, 510f.). Mahoney betont die institutionelle Einbettung von Entwicklungspfaden insbesondere historischer oder soziologischer Art. Besonders wichtig sind dabei Prozesse der institutionellen Genese durch kritische Verbindungen, die sich angesichts von Entscheidungsalternativen auf der weiter schreitenden Pfadabhängigkeit von Entwicklungen ergeben. Aufgrund dieser institutionellen Zusammen-Bindungen wird es immer schwieriger, zum Ausgangspunkt zurückzukehren, vor allen Dingen, wenn weitere Alternativen auftauchen und entschieden werden. So entscheiden Entwicklungspfade als bestimmte Durchführungen von Verästelungen, die nicht unbedingt probabilistisch oder spieltheoretisch beschrieben werden können. Wirtschaftshistoriker behandeln die Annahme von ineffizienten Technologien als zufällig, weil ein solches Ende eines Entwicklungspfades den Vorhersagen der neoklassischen Theorie <?page no="280"?> 279 widerspricht, obwohl solche Ergebnisse von Entwicklungspfaden durchaus konsistent sein können im Hinblick auf die Erwartungen von alternativen Entwicklungspfaden. Vielmehr richtet sich die Theorie der technisch-ökonomischen Entwicklungspfade direkt gegen die Rationalitätsannahmen der Neoklassik und ihrer ökonomischen Paradigmen. Gemäß der Theorie der Pfadabhängigkeit ist die Kausalität der Pfadabhängigkeit unabhängig von den institutionellen Rahmenbedingungen, welche die Pfadabhängigkeit und ihre Ausrichtung fordern (vgl. Mahoney 2000, 512-515). Damit grenzt sich der eher pragmatisch-instrumentel orientierte geschichtlich-ökonomische sozialphilosophische Ansatz der Entwicklungspfadtheorie vom Utilitarismus der Neoklassik ab und scheint mir deshalb näher an der Realität zu liegen als die konkurrierende herkömmliche ökonomische Theorie, sowohl durch seinen methodischen Rahmen wie auch die konkrete geschichtliche (und nicht ahistorische) neoklassische Analyse. Diese arbeitet mit Kosten-Nutzen-Kalkulationen, während die funktional-technische Analyse auf immanente Entwicklungsgesetzmäßigkeiten der Technikdynamik hinweist. Die Interpretation von technisch ökonomischen Entwicklungspfaden als Machtfaktor (vgl. Irrgang 2007) thematisiert die institutionelle Dimension dieser Artikulation von Technik und Ökonomie, während die legitimatorische Erklärung auf die Normfunktion und die moralisch-kulturelle Tradition als Ausrichter von technologischen Entwicklungspfaden ihr Augenmerk richtet (Irrgang 2007a). Die neue Theorie vermeidet durch ihre Vierfach-Perspektive die Einseitigkeiten der technologischen Sachzwangtheorie wie der utilitaristischen Kosten-Nutzen Theorie oder des klassischen Ansatzes einer Risiko- Chancen-Abwägung. Es handelt sich bei Pfaden um Lernprozesse sowohl von Konstrukteuren wie Nutzern im Kontext von Unternehmensentwicklungen. Die Systemfunktionalität ersetzt den utilitaristischen Effizienz-Gedanken durch die Thematisierung von Macht, die sich insbesondere in Institutionen manifestiert, die sich selbst verstärken und somit den Selbsterhalt von Institutionen fördern (vgl. Mahoney 2000, 516-521). Die legitimatorische Interpretation verweist auf die Bedeutung von kultureller Moralität und den entsprechenden Wertvorstellungen, die in einer Gemeinschaft herrschen. Insbesondere diese legitimatorische Vorstellungen berufen sich auf Rationalität und Vernunft im praktischen Sinne des Wortes und als Exponenten einer sittlichen Klugheit. Auch dieser Ansatz richtet sich direkt gegen den Utilitarismus, sollte aber auf jeden Fall den Pragmatismus und die Macht technisch ökonomischer Entwicklungspfade wie der sie fördernden Institutionen in Rechnung stellen (vgl. Mahoney 2000, 523). Legitimationsüberlegungen unterstützen insbesondere institutionentheoretische Einbettungs-Konzeptionen technologischer Entwicklungspfade und können dazu führen, dass aus zufälligen Entwicklungsanfängen bzw. Innovationen Technikroutinen werden. Andererseits ermöglichen gerade Legitimationsüberlegungen auch reaktive Bewegungen, Widerstand gegen technologische Ent- <?page no="281"?> 280 Ethische Hermeneutik wicklungspfade, Überlegungen zu Alternativen, stärken also individuelle und gemeinschaftliche Akteure (Irrgang 1999). Sie ermöglichen ein gewisses Aufbrechen des konservativen Zuges an der Entwicklungspfadtheorie, wie er insbesondere von der institutionentheoretischen Interpretation der Entwicklungspfadtheorie aufgeworfen wird. Jedenfalls bewirkt historische Zufälligkeit eine Netzkausalität nichtlinearer Art, die zu Prognoseunsicherheiten über die Zukunft von Entwicklungspfaden führt. Erst bei fester Routinisierung kann diese einigermaßen aufgehoben werden. Bei hinreichendem Widerstand kann es zu Brüchen und der Entwicklung alternativer Pfade kommen. So sind technisch-industrielle ökonomische Entwicklungspfade gekennzeichnet durch Unvorhersehbarkeit, Narrativität und inhärente Folgerichtigkeit (vgl. Mahoney 2000, 525-528). Wichtig sind Scheidepunkte in Entwicklungspfaden, welche nicht beschritten wurden und damit als versäumte Chancen gewertet werden dürfen. Der entscheidende Gesichtspunkt bei der Interpretation von Entwicklungspfaden aus philosophisch-ethischer Sicht ist es, dass es uns gelingt, eine Bedeutung und einen Sinn in Entwicklungspfaden nicht zuletzt gesellschaftlicher Art und im Hinblick auf mögliche legitimatorische Prüfung erkennen zu können. Außerdem muss eine klare zeitliche Reihenfolge und Sequenzierung zu finden (vgl. Mahoney 2000, 531). Mahoney weist wie ich (Irrgang 2002a) darauf hin, dass die historisch-soziale Analyse der industriellen Revolution gute Ansätze für eine Theorie der Pfadabhängigkeit technisch-ökonomischer Entwicklung anzubieten vermag. Bis zu einem gewissen Grad konterkariert der Ansatz bei technologischen Entwicklungspfaden die Bemühungen der historischen Soziologie, gewisse Universalisierungen oder Generalisierungen zu identifizieren, die vielen Entwicklungspfaden gemeinsam sein sollen. Auch wenn es Vergleichbarkeit bis zu gewissen Grenzen Gebens sollte, sind solche Entwicklungspfade individuell zu konstruieren bzw. zu rekonstruieren, wobei gegenüber allen konstruktivistischen Versuchen einer sozialen Konstruktion von Technik hermeneutisch-geschichtliche Zweifel gegenübergestellt werden sollten. Auch die moderne Komplexitätstheorie mit ihrer Betonung der Anfangspunkte für die weitere Entwicklung setzt neue Akzente gegenüber der Neoklassik, die in herkömmlichen Kausalitätsvorstellungen gefangen bleibt (vgl. Mahoney 2000, 536 f.). Entwicklungspfade sind charakterisiert (1) durch die Kontingenz ihrer Ausgangspunkte, meist Innovationen, deren Wirkungen in der Regel keinen Projekt-Charakter tragen und damit auch nicht rational geplant sind; (2) die Pragmatik des Gelingens der technologischen oder technischen Konstruktion. Technik entwickelt sich gemäß einer internen Selektion der Kompossibilität seiner Teile; (3) durch den Erfolg bei den Nutzern oder im Gebrauch der neuen Technologien, welche nicht unbedingt mit gesamtgesellschaftlicher Nützlichkeit oder gar Effizienz verbunden sein muss, aber Akzeptanz manifestiert; (4) sie entwickeln eine eigene institutionelle Trägheit pragmatischer <?page no="282"?> 281 Art, welche nur (5) durch Reaktion, Widerstand oder Nichtnutzung abgebrochen oder verändert werden kann; (6) Legitimation wird durch routinierten Gebrauch oder ethisch-rationale Überlegung bzw. Argumentation erreicht. Gemäß Kants Theorie der Imperative lassen sich technisch-instrumentelle, geschichtlich pragmatische und kulturell-moralische Dimension von Einbettungsfaktoren unterscheiden, die je spezifische Arten von Normativität für die Entwicklung von technischen Pfaden etablieren können. Zur philosophischen Beantwortung der Frage nach der Gestaltbarkeit technisch-ökonomischer Entwicklungspfade sollten drei Ebenen des Bewertens unterschieden werden: (1) Beurteilung der Dienlichkeit der immanent technisch-instrumentellen Dimension einer Technologie, (2) die pragmatisch strategisch-organisatorische Nützlichkeit des Gebrauchs einer Technologie in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten und (3) moralisch-sittlich ethische Dimension des Guten, Förderlichen und des Gemeinwohls. 88..22 IImmmmaannuueell KKaanntts s eetth hiisscch hee TThheeoorriie e i im m GGrru un nddrri is sss Wir handeln im Vollsinn des Begriffs des menschlichen Handelns unter der Differenz von sittlich richtig oder sittlich falsch. Ansonsten verhalten wir uns instinktiv, triebmäßig oder strategisch. Kants Anliegen in der „Grundlegung“ ist, eine Ethik auszuweisen, die den Namen einer Wissenschaft verdient (Näheres zum folgenden Kapitel unter Irrgang 1998). Dazu ist darzulegen, dass eine Verpflichtung, eine Verbindlichkeit, Kant nennt sie auch Pflicht, mit absoluter Notwendigkeit geboten sein muss (Kant, GMS BA VIII), wenn sie Gegenstand einer wissenschaftlichen Ethik sein soll. Um dieses ausweisen zu können, bedarf es einer Erhellung des obersten Prinzipes der Moralität (Kant, GMS BA XV), dessen, was Kant später den Kategorischen Imperativ nennen wird. Sein Ausgangspunkt bei einer absolut sicheren Basis für Ethik und ihre Begründung schränkt Kants Möglichkeiten sittlicher Argumentation ein. Denn weder liegen die Folgen des Handelns in der Macht des Handelnden, noch reicht allein die gute Gesinnung oder Absicht aus, vielmehr wird zum Ausgangspunkt von Kants Ethik die Regel oder Maxime, nach der eine Handlung beschlossen wird (Kant, GMS BA 13). Das Beurteilungskriterium ergibt sich aus der Frage, unter welcher Bedingung ein vernunftgeleiteter Wille an sich gut, also sittlich gut ist. Das Prüfungsverfahren besteht in der Generalisierung der jeweiligen Handlungsmaxime. Zu untersuchen ist, ob sie ein allgemeines Gesetz werden könne (Kant, GMS BA 17). Für Kant ist die Generalisierung ein einfach zu handhabendes Verfahren (Kant, GMS BA 19f). Von erheblicher Wichtigkeit ist, dass das Prüfungsverfahren mittels Identifikation und Ausschluss des Unsittlichen erfolgt. Auf dieser Basis kann Kant nun hypothetische und kategorische Imperative unterscheiden (Kant, GMS BA 39). Hypothetische Imperative oder Klugheitsregeln haben immer nur praktische Notwendigkeit für sich. Sie sind be- <?page no="283"?> 282 Ethische Hermeneutik dingt. Denn alle Klugheit und Raffinesse in der Macht eines Verbrechers sind zwar hochwirksam, aber unsittlich. Die Sittlichkeit eines Handelns bringt wieder das Prüfungsverfahren ans Tageslicht: Verbrechen lassen sich nicht generalisieren, da sie universal praktiziert zur Zerstörung der Gesellschaft und damit der Lebensvoraussetzungen auch des Verbrechers führen würden. Kant lehnt hypothetische Imperative nicht ab, er bestreitet auch nicht, dass einige hypothetische oder bedingte Imperative auch sittlich sein mögen, allerdings bestreitet er, dass wir in der Tat endgültig wissen können, ob hypothetische Imperative mit Notwendigkeit sittlich sind oder nicht. Aber nur sittliche Aussagen mit absoluter Notwendigkeit sind im strengen kantischen Sinne wissenschaftlich. Kant unterscheidet daher Regeln der Geschicklichkeit, Ratschläge der Klugheit oder Gesetze bzw. Gebote der Sittlichkeit, also technische, pragmatische und moralische Imperative (Kant, GMS BA 43f). Dies ist keine Herabwürdigung der hypothetischen Imperative oder der Klugheit wie der Geschicklichkeit. Doch ist festzuhalten, dass sittlich ausgezeichnet nur der Kategorische Imperativ ist, weil nur die Handlungsregel, die durch das Feuer der Generalisierung gegangen ist, auf seine Sittlichkeit hin wissenschaftlich überprüft wurde. Anwendungsorientierte Ethik kann daher nach Kant nie im strikten Sinne Ethik sein und daher sich selbst und ihre Anweisungen nur hypothetisch begründen. Ganz ähnlich verfährt Kant, wenn er hinsichtlich des Menschen Preis und Würde unterscheidet (Kant, GMS BA 77). Es kann klug oder geschickt sein, einen anderen Menschen ausschließlich als ein Mittel zu gebrauchen, ihn auszunutzen, auszubeuten oder zu versklaven. Aber sittlich ist das nicht. Denn, so argumentiert Kant, eine derart ausschließliche Betrachtung des Menschen zerstört seine Freiheit und damit seine Sittlichkeit. Sie entzieht der Ethik den Boden, zerstört das Humane am Menschen und lässt sich nicht generalisieren. Eine Theorie, und sei sie noch so klug und geschickt, selbst unter Einbezug aller erdenklichen hypothetischen Imperative bleibt unsittlich, wenn sie den Menschen ausschließlich nach seinem Marktpreis bewertet. Damit bereitet Kant den systematisch wichtigen und für die Begründung der Menschenwürde zentralen Gedanken der „Selbstzweckformel“ vor. Um die Ableitung des Kategorischen Imperatives und vor allem um die Anzahl seiner Formeln besteht eine umfangreiche und ausgeprägte Diskussion. Seit Paton hat man sich daran gewöhnt, fünf Formeln zu unterscheiden (Paton 1962). Ich möchte mich hier auf die drei Formeln beschränken, die Kant in der „Grundlegung“ selbst erwähnt, ohne damit ausschließen zu wollen, dass es mehr als drei Formeln des Kategorischen Imperatives, mithin Prinzipien der sittlichen Rationalität geben könnte. Doch dieses Problem steht hier nicht zur Debatte. Ich wende mich wieder der „Grundlegung“ zu. Dort behauptet Kant, dass es nur einen Kategorischen Imperativ gibt. Allerdings formuliert er im Folgenden drei Versionen, wobei die ersten beiden nahe verwandt klingen und aus der Generalisierungsregel abgeleitet erschei- <?page no="284"?> 283 nen, während die „Selbstzweckformel“ aus der Struktur der sittlichen Handlung und des ihr zugrundeliegenden Subjektes entwickelt wird. Zunächst aber sind die drei Versionen zu benennen, die Kant in der „Grundlegung“ entwickelt. Sie lauten: (1) „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“ (Kant, GMS BA 52). (2) „Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte“ (Kant, GMS BA 52). (3) „Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest“ (Kant, GMS BA 66f). Dabei führt die letzte Ver sio n des Ka teg or isc he n Imp er at iv es, die „Selb stz wec kf orm el “, die vo n einigen Interpreten als die wichtigste Auslegung des Kategorischen Imperatives begriffen wird (Ricken 1988, 1-11; Schröer 1988, 200f u. 215), weil sie die kantische Ethik in der Menschenwürde selbst noch einmal begründet, direkt in den Gedanken eines „Reiches der Zwecke“ (Kant, GMS BA 77), in dem gemäß der Dichotomie von instrumenteller und sittlicher Rationalität alles entweder einen Preis oder eine Würde hat (Kant, GMS BA 77). Aber auch die anderen beiden Formeln sind nicht unwichtig, denn die erste, die um die Formulierung eines „allgemeinen Gesetzes“ kreist, enthält in sich die Formulierung des „Transsubjektivitätsprinzipes“. Dieses formuliert den sittlichen Entschluss, sich nicht mit instrumentell restringierten Formen menschlichen Handelns zufrieden zu geben, sondern einen Standpunkt einzunehmen, der die eigenen Interessen transzendiert (Wimmer 1980, 193). Während den hypothetischen Imperativen Zweckrationalität zugrunde liegt, die in der Sprache der Preise ausgedrückt werden kann, betont die zweite Formel dann die „Allgemeinheit des Sittengesetzes“ in der „Naturgesetzformel“ (Wimmer 1980, 175). So begründen - modern formuliert - (1) die „Transsubjektivitätsformel“, (2) die „Naturgesetzformel“ und (3) die „Selbstzweckformel“ die Würde des Menschen und seine Sittlichkeit. In ihnen explizieren sich die obersten, kategorischen Prinzipien sittlicher Rationalität in Abgrenzung zur instrumentellen Rationalität der hypothetischen Imperative. Abgrenzungskriterium ist das Universalisierungsverfahren, mit dessen Hilfe Kant auch die Struktur sittlicher Vernunft expliziert und aufweist, dass diese sich in mindestens drei Grundsätzen artikuliert. Die Universalisierungsregel als Überprüfungsinstrument der Sittlichkeit zielt nun ähnlich wie der methodische Zweifel in der theoretischen Reflexion darauf ab, ein Unbedingtes im Sittlichen festzustellen. Was sich universalisieren lässt, ist notwendig und unbedingt sittlich verpflichtend. Allen voran gilt dies für die Selbstzweckformel und die Begründung der Menschenwürde. Als potentiell sittlich handelnder Mensch kann ich weder bei mir noch bei anderen Menschen wollen, dass Menschenwürde als Voraussetzung für sittliches Handeln aufgehoben wird, weil dies einen praktischen Widerspruch implizieren würde. Kants metaethische Analysen stellen einen wichtigen Beitrag zur <?page no="285"?> 284 Ethische Hermeneutik Ethik-Begründung dar, können aber für eine konkrete Anwendung nicht auf Umstände und Folgen rekurrieren. Oftmals aber wird sich nicht ein Apriori- Begriff wie das Lügen für eine Durchführung der nicht-empirischen Verallgemeinerung finden. Dann allerdings darf durchaus auf die Umstände der Handlung zurückgegriffen und nach dem Zusammenhang von technischen, pragmatischen und kategorischen Imperativen gefragt werden. Nach der Ableitung der Selbstzweckformel fasst Kant seine drei Formeln des Kategorischen Imperatives noch einmal zusammen und unterscheidet (1) die Form der Allgemeinheit einer Handlungsmaxime, (2) die Selbstzweckformel und (3) das Zusammenstimmen der Maximen oder das Reich der Zwecke (Kant, GMS BA 80f). Kant nimmt hierbei eine Parallelisierung dieser drei Formen des Kategorischen Imperatives zur Kategorientafel hinsichtlich Einheit, Vielheit und Allheit vor. Kant versucht, den Kategorischen Imperativ und die Selbstzweckformel zusammenzudenken, wobei Kant in zunehmendem Maße Materialität und Komplexität berücksichtigt. Kant kennt zwei Formeln der Verallgemeinerung, zum einen die Naturgesetzanalogie, die dem Wissenschaftsmodell nahesteht und der Metaphysik der Natur entlehnt ist, zum anderen das Reich der Zwecke, das sich der Konzeption der Selbstzweckformel verdankt und damit handlungstheoretisch bestimmt ist. Das handlungstheoretische Modell weist die Form von Zirkularität auf, die auch Ausgangspunkt einer hermeneutischen Ethik ist. Hier liegen die Grenzen einer Parallelisierung des Kategorischen Imperatives in Gestalt der Allgemeinheit und der Selbstzweckformel. Die Form der Zirkularität liegt beim handlungstheoretischen Ansatz vor, nicht beim Universalisierungsverfahren. Dies liegt daran, dass die handlungstheoretische Interpretation des Kategorischen Imperatives, die Selbstzweckformel, nicht nur formal ist, sondern anthropologische Grundannahmen über den Menschen voraussetzen muss, die nicht allein aus der Struktur der reinen Vernunft abzuleiten sind. Das Universalisierungsverfahren könnte als rein formal ausgelegt werden, obwohl eine Maximen-Bildung rein formal nicht möglich ist. In der „Kritik der praktischen Vernunft“ geht Kant nur noch vom Universalisierungsverfahren aus, so dass seine spätere Position insgesamt stärker auf eine formale Ethik hinausläuft. Jeder müsse sich so verhalten, als ob er durch seine Maximen jederzeit ein gesetzgebendes Glied im allgemeinen Reich der Zwecke wäre (Kant, GMS BA 83). So lautet eine der Umschreibungen des Kategorischen Imperativs in der „Grundlegung“. Dies impliziert, dass jedes autonome Subjekt sittlich dazu verpflichtet ist, Maximen zu wählen, die dem Kategorischen Imperativ entsprechen. Wenn sie durch das Verallgemeinerungsverfahren geprüft sind, gelten die subjektiven Handlungsmaximen in derselben Situation auch für alle anderen Selbstzwecke, also für alle sittlich zurechenbar handelnden Subjekte. Die soziale Dimension ist im Kategorischen Imperativ mitgedacht, garantiert wird sie aber durch eine allgemein verbindliche praktische Vernunft, die allen <?page no="286"?> 285 Menschen unterstellt wird, die in der Lage sind, Kants Überprüfungsverfahren von Maximen anzuwenden und Konsistenzüberlegungen hinsichtlich der Maximen-Bildung anderer sittlich zurechenbarer Subjekte vorzunehmen. Das allgemein verbindliche Überprüfungsverfahren garantiert, dass alle moralisch handelnden Subjekte zu derselben sittlichen Bewertung einer Situation kommen. Das „Reich der Zwecke“ ist eine sozialethische Idee, die allerdings von einer allgemeinen Vernunft in jedem Subjekt ausgeht. Die Autonomie des Willens besagt nach Kant, seinen Willen am Kategorischen Imperativ auszurichten (Kant, GMS BA 87). Das autonome Subjekt wird durch Realisierung des Kategorischen Imperativs zuallererst konstituiert. Dadur ch wird es in die Lage verset zt, das Reich der Zw ec ke z u realisier en und die Mittel zu wählen, die verantwortbar sind. Diese Zwecke sind dadurch bestimmt, dass sie zusammenstimmen, dass sie im Hinblick aufeinander gewollt werden können. Dies ist ein praktisches Konsistenzprinzip. Mit seiner Hilfe kann praktische Vernunft die Struktur des Reiches der Zwecke analysieren. Eine hermeneutische Ethik (Irrgang 2007a) verdankt dem Ansatz Kants viel, geht allerdings nicht wie Kant davon aus, dass jedem Anwender die Durchführung des Verallgemeinerungstestes immer gelingt. Zudem ist dieses Verfahren Kants an eine Begriffsbildung gebunden, an die Formulierung einer Handlungsregel. Eine hermeneutische Ethik unterstellt, dass es auch nichtbegrifflich formulierte Handlungsregeln gibt, die sittlicher Natur sein können. Nach Kant ist die sittliche Autonomie des einzelnen Subjektes im Reich der Zwecke an sich selbst begründet. Ich muss nach einer Lösung für ein sittliches Problem suchen, die die Zustimmung aller vernünftigen Wesen finden würde, wenn ich sie denn einholen könnte. Dies kann ich aber nicht, außerdem ist die Irrtumsmöglichkeit bei der Durchführung des Prüfverfahrens nicht auszuschließen, so dass der Ansatz bei einer hermeneutischen Ethik plausibler erscheint als bei Kant, obwohl eine hermeneutische Ethik an Kants Begründung der Autonomie grundsätzlich festhält (vgl. insgesamt Irrgang 1998). 88..33 AAr ri isstto otte elleess‘‘ TTh heeoorri iee mmeennsscchhlliicchheen n HHaanndde ellnnss Schon Aristoteles unterscheidet in seiner drei Arten des Wissens ( ), welches zum Handeln befähigt, nämlich , und also Werk, Vollzug im Sinne der (Klugheit) und Spekulation (Näheres siehe Irrgang 1998). Im Bereich der Technik war der der Sklave oder Handwerker zugeordnet, die Praxis dem Architekten oder Künstler und Theorie dem Mechaniker oder Mathematiker. Auch in der Wissenschaft lässt sich diese Dreiteilung durchführen: vorbereitende Assistententätigkeit unterscheidet sich von Forschungspraxis und theoretischem wissenschaftlichem Wissen. Diese drei Arten des Wissens korrespondieren bei Kant in seiner drei Arten von Imperativen, technischen, pragmatischen und sittlichen bzw. kategorischen. Nur kategorische <?page no="287"?> 286 Ethische Hermeneutik Imperative können bei Kant Gegenstand einer wissenschaftlichen Ethik sein. Diese Unterscheidung bietet die Grundlage für die Konzeption des klassischen Wissenschaftsethos. Es ist ein Ethos der Sicherung des wissenschaftlichen Wissens. Dieses setzt voraus, (1) dass Wissenschaft ohne Forschungspraxis realisierbar (reine Beobachtung) ist und Ethik eine Wissenschaft auf der Basis notwendig gültigem Wissen sein sollte (Kants kategorischem Imperativ). In der Philosophiegeschichte entwickelten sich auf diesem Feld mehrere Gegensatzpaare, nämlich die von instrumentellem Herstellen ( ) und (kommunikativem) Handeln ( von Aristoteles bis Habermas, die von Theo r ie u nd Pr a x is un d bei K an t di e Zu sam me nf as sun g von i ns tr um ent ell en und pragmatischen Anforderungen einerseits, dem Reich der Theoria (reine und praktische Vernunft). An die Stelle des modernen „Entweder-Oder“, welches methodische Dualismen hervorbringt, stelle ich das „Sowohl - als auch“ als methodische Anleitung für die Hypermoderne (Irrgang 2007a), gemäß der alle drei Formen des Wissens menschliches Wissen darstellen und nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten (sollten). Alle drei Wissensarten und Arten der Anweisung und Anleitung haben grundsätzliche Unterschiede und Eigentümlichkeiten. Sie entsprechen (1) der wissenschaftlichen Erkenntnis ( ) oder dem theoretischen Wissen, (2) der sittlichen Einsicht oder Ethik bzw. dem sittlichen Wissen und (3) oder praktisches Können und dem dazu geordneten Typ des impliziten Wissens oder Könnens. Dabei zielt praktisches oder auch instrumentelles Können ( ) auf ein Entstehen, genauer gesagt auf ein Ausschauhalten, wie etwas entstehen könnte (Genese oder ). Exaktheitsideale theoretischer Art und Reinheitsideale technischer Art haben insbesondere in der Moderne immer wieder zu scharfen Abgrenzungen der drei Wissensarten geführt. Es gibt aber in der Philosophiegeschichte seit Aristoteles auch Ansätze, die die menschlichen Wissensarten zwar methodisch unterscheiden, aber sonst eher insgesamt als eine Einheit des Wissenkönnens, also des Könnens und des Wissens auffassen. Aristoteles unterscheidet in der 1140A4 - , also die Herstellungspraxis, und - , also die technische Praxis, wie sie z.B. im Hausbau in Planung und Durchführung bei der Herstellung des Hauses ihre Anwendung findet. Wissen, insbesondre theoretisches Wissen, verdankt sich bei Aristoteles zwei Denk-Bewegungen, nämlich oder Verallgemeinerung (Abduktion, fälschlicherweise oft Induktion genannt) und Schlussfolgern ( ) aus dem so gewonnenen allgemeinen Prinzip. Also bereits bei Aristoteles liegt die Grundfigur des Wissens offen, Verallgemeinerung einerseits Anwendung auf den Einzelfall oder Herleitung andererseits machen die Grundstruktur des methodischen Vorgehens in allen drei Bereichen aus. Instrumentelles Wissen beschränkt sich auf Hilfsdienste, macht aber auch nicht die Gesamtheit des technischen Wissens aus. Die Gesamtkonzeption kann ich hier nicht entwi- <?page no="288"?> 287 ckeln, nur das Resultat vorstellen. Wissen und (geistig-leibliches) Können sind nicht ohne einander zu denken und greifen ineinander: techné oder praktisches und implizites Wissen (Irrgang 2004; Irrgang 2009) Aristoteles schreibt in der Buch 6,5: „Nun, als Merkmal des Menschen mit sittlicher Einsicht gilt, dass er fähig ist, Wert oder Nutzen für seine Person richtig abzuwägen und zwar nicht im speziellen Sinn, z.B. Mittel und Weg zu Gesundheit oder Kraft, sondern in dem umfassenden Sinn: Mittel und Weg zum guten und glücklichen Leben. Ein Zeichen dafür ist, wenn wir von sittlicher Einsicht auch bei denen sprechen, die sie in Bezug auf eine bestimmte Einzelheit bekunden, wenn sie sich also klug abwägend ve rhal ten ha ben und in H in sicht a uf ei n wertv ol les En dziel [ ...] eines p rak tischen Könnens fallen“ (Dirlmeier 1979, 126). „So kann also die sittliche Einsicht nicht wissenschaftliche Erkenntnis sein und auch nicht praktisches Handelns verständlich sein, auch praktisches Können nicht, weil Handeln und Hervorbringen der Gattung nach verschieden sind“ (Dirlmeier 1979, 127). Im aristotelischen Sinn meine ich daher, dass vernünftige Praxis (Kunst) und Wissenschaft ineinander greifen müssen, um letztlich den Zusammenhang von Technologie, Ethik und Wissenschaft begreifen zu können (Irrgang 2007a für die Ethik; Irrgang 2008a für die Technik; Irrgang 2004 für die Technikwissenschaft). 88..44 DDi ie e vveerraannttwwo orrttuun nggsseetthhiis scch hee PPo ossiit tiio onn ddeess TThhoommaass vvoonn AAqquui in n Die verantwortungsethische Konzeption bei Thomas von Aquin setzt im Rahmen einer Klugheitsethik beim instrumentellen Verstehen an. Thomas grenzt im Anschluss an Aristoteles‘ „Nikomachische Ethik“ (Aristoteles; Nikomachische Ethik 1140 b 2 und 1140 b 21)) „prudentia“ von „ars“ als Sammelbegriff für Kunst und Technik ab (Thomas; Sth I-II, 57,3). Ars ist die „richtige Vernunft“ (ratio recta) des Machbaren und Herstellbaren, prudentia die richtige Vernunft des Handelns. Machen und Herstellen definiert Thomas als einen menschlichen Akt, der sich wie das Erbauen nach außen richtet. Handeln jedoch verharre ständig im Handelnden (Thomas; Sth I-II, 57,4). Die Richtigkeit einer Wahl, einer Entscheidung aber hänge zum einem ab von der Sittlichkeit des Zieles, welches die Tugend bewerte, und von dem, was in geeigneter Weise angeordnet werde, um das geschuldete Ziel zu erreichen (Thomas; Sth I-II, 57,5). Um aber eine Entscheidung treffen zu können, bedürfe es dreier Akte der Vernunft. Sie umfassten das sich Beratschlagen, das Urteilen und das Vorschreiben (Thomas; Sth I-II, 57,6). Die Anzahl der Akte der Vernunft schwankt zwar bei Thomas je nach dem Zusammenhang, in dem sie diskutiert werden. Quaestio 57 geht jedoch von der Dreizahl aus (näheres siehe Irrgang 1998). <?page no="289"?> 288 Ethische Hermeneutik Der unverzichtbare Bezug der Freiheit und der Sittlichkeit zur Vernunft ist so bereits deutlich geworden. Er manifestiert sich zunächst darin, dass die Klugheit die grundlegende Tugend ist. Diese versteht Thomas als praktische Vernunft (ratio practica; Thomas; Sth II-II, 47,2). Die Klugheit ist die Anwendung der universellen Prinzipien auf die Einzelhandlungen durch Schlussfolgerungen im Sinne des praktischen Syllogismus (Honnefelder 1987, 147-169; Thomas; Sth II-II, 47,6). Dabei ist das Urteil über Sittliches abzugrenzen vom Urteil über Machbares oder Herstellbares. Ein sittliches Urteil liegt erst dann vor, wenn das Urteilen gemäß der Lehre von den drei Akten der praktischen Vernunft bis zum Vorschreiben voranschreitet (Thomas; Sth II-II, 47,8). Die Zurechenbarkeit einer Handlung hängt von ihrer Freiwilligkeit ab. Dem Willen kann keine Gewalt angetan werden. Auch Gott vermag ihn nicht zu zwingen (Thomas; Sth I-II, 6,3). Konsequent unterscheidet Thomas den Willen, der sich auf etwas richtet, von der Freiwilligkeit, dem Willen, der sich auf sich selbst bezieht und daher zu wollen anhebt. Die Ebene der naturalen Rekonstruktion einer Handlung ist nicht identisch mit der Reflexionsebene, die erst Sittlichkeit ausweist. Das Wünschen ist auf der Ebene instrumenteller Rationalität, im Bereich des Machens angesiedelt, der Wille, etwas zu wollen, formuliert das Problem im Kontext sittlicher Rationalität (Thomas; Sth I-II, 6,6). In diesem Sinne unterscheidet Thomas auch den Zweck (eine instrumentelle Zielbestimmung) vom eigentlichen sittlichen Ziel. Aufgrund des erreichten Reflexionsstandes kann Thomas das Verhältnis von Nützlichkeit und Moralität genauer bestimmen. Ausführlich diskutiert Thomas die Bedeutung der Umstände für eine Handlung (Gründel 1963). Betrachte man ausschließlich die sittliche Qualität einer Handlung, so könne diese nicht von den Umständen abhängen. Denn sie gehörten nicht zum Wesen der Handlung (Thomas; Sth I-II, 7,2) Sie sind die individuierenden Akzidentien in einem Urteil über eine Handlung. Da Handlungen aber Singularia sind, sind die Umstände für ihre Bewertung höchst wesentlich. Daher wendet Thomas ein, dass die Unkenntnis der Umstände Unfreiwilligkeit und Sünde hervorbringe. So kommt Thomas zu dem Schluss: Die Bestimmung des Handelns zum Ziel geschehe mittels einer Betrachtung der Umstände. Die Berücksichtigung der Umstände sei wichtig, um (1) mittels der Klugheit das Ziel hinsichtlich Gut und Böse zu bestimmen. Die sittliche Qualität einer Handlung hänge zudem (2) bisweilen von den Umständen ab. Und (3) könne die Verdienstlichkeit einer Handlung, die Verantwortlichkeit eines Tuns nur von den Umständen her richtig beurteilt werden (Thomas; Sth I-II, 7,2). Immer jedoch könne die Zweckdienlichkeit und Nützlichkeit einer Handlung aus den Umständen herausgelesen werden (Thomas; Sth I-II, 7,2). So bestimmen die Umstände nach Thomas zumindest die Nützlichkeits-Qualität eines Handlungszieles und haben so Hinweischarakter auf Tugend. Der Umstand lasse sich als das verstehen, was außerhalb der Handlung liege, diese aber berühre. <?page no="290"?> 289 Dennoch gebe es spezielle Umstände oder Folgen, die die Qualität eines Aktes ausmachten. Umstände gehörten faktisch zur Handlung, aber nicht notwendig. Die eigentliche Sittlichkeit erhalte ein Akt vom Ziel her. Bei Thomas ist also für den Handlungsbegriff der Willensbegriff und das Ziel bestimmend. Das Ziel definiere eine Handlung begrifflich, und zwar im Sinne einer praktisch-sittlichen Prädikation (Thomas; Sth I-II, 7,4). Nützliches und Sittliches verhalten sich bei Thomas nicht nach gleicher Weise, gehören aber zur gleichen Potenz (Thomas; Sth I-II, 8,2). Sittliches (Ziel) und Nützliches (Mittel) sind bei Thomas zwei verschiedene Artbegriffe des Guten (Thomas; Sth I-II, 8,3). Das Ziel wird um seiner selbst willen gew ollt , d ie Mittel j edo ch we rd en imm er dur ch da s Zi el qual ifi zi er t. D er p rak tische Syllogismus stimmt den Schlussfolgerungen wegen der Sittlichkeit der Prinzipien zu, daher sind Nützliches und Sittliches nicht Bestimmungen gleichrangiger Art. Wer das Ziel will, will nicht notwendig ein bestimmtes Mittel. Es ist daher ein eigener Akt, die Mittel zu erwählen. Dennoch sind sie im praktischen Syllogismus aufeinander bezogen (Thomas; Sth I-II, 8,3). Die Konklusion muss daher Wirkursache und Zielursache berücksichtigen. Thomas unterscheidet im Anschluss an Aristoteles (Aristoteles; De Anima, Kap 3) die Motivation des Willens in zweifacher Hinsicht: (1) hinsichtlich der Ausübung des Aktes (die Entscheidung des Subjektes zu handeln oder nicht zu handeln) und (2) hinsichtlich der Bestimmung des Aktes (nach seinem Objekt; die Entscheidung, dies oder das zu tun). Die Tätigkeit eines Subjektes ist durch ein Ziel bestimmt. Dieses muss gewusst werden. Davon zu unterscheiden ist das Wissen, was zum Ziel führt. Dieses ist Gegenstand des Verstandes. Dass überhaupt eine Handlung anhebt, ist Sache des Willens. Die Spezifikation jedoch der Willensentscheidung, dies oder das zu tun, geht vom Intellekt aus. Denn der Verstand bewegt den Willen durch Aufzeigen des Objektes oder des Zieles. Hinsichtlich der Handlung bewegen Wille und Intellekt sich gegenseitig unter je anderer Rücksicht. Der Wille veranlasst den Intellekt, das konkrete Ziel zu bestimmen. Das Ziel wiederum veranlasst den Willen zur konkreten Handlung. Der Intellekt ist als ratio practica und nicht als ratio speculativa zu verstehen. Das Gute und das Angemessene bewegen den Willen. Dieses wird vom Intellekt bestimmt. Aber die Erkenntnis des Zieles hängt vom Charakter und der Disposition des handelnden Menschen ab. Damit erhalten Affekte einen Einfluss auf die Bestimmung des Handlungszieles. So wird der Wille zuweilen von den Affekten bewegt. Die Ratio zwingt nicht: Zuwiderhandlungen sind möglich (Thomas; Sth I-II, 9,2). Der Wille ist Herr seines Aktes. Er bewegt sich selbst dadurch, dass der Wille ein Ziel will. Der Wille veranlasst sich selbst zum Wollen dessen, was zum Ziele führt. Damit formuliert Thomas eine gewisse Priorität des Willens. Thomas deutet die Selbstgegenwärtigkeit des Willens als Bedingung der Möglichkeit von Freiheit an. Dabei ist das Vermögen zur Selbstaktuierung stets vorhanden, wird aber nicht immer vollzo- <?page no="291"?> 290 Ethische Hermeneutik gen (Thomas; Sth I-II, 9,3). Freiwilligkeit und Selbstbestimmung des Willens zum Wollen gehören zusammen. Dies schließt eine Anregung von außen nicht aus. Das Wollen-Wollen, der Wille, ist ein Apriori. Nehme ich dieses Apriori nicht an und ersetze es durch eine Determination von außen, so gerate ich in einen unendlichen Regress. Denn wenn ich etwas als Grund einer Handlung betrachte, kann ich wiederum nach der Ursache dieser Ursache fragen. Was ich aber konkret will, wird vom Verstand im praktischen Syllogismus bestimmt. Ist das Wollen-Wollen ausgeschaltet, so liegt Gewalt vor. Aber nicht jede Motivation von außen ist Gewalt (Thomas; Sth I-II, 9,4). Thomas unterscheidet in Bezug auf das Ziel vier Willensakte: Beraten, Wählen, Beschließen, Gebrauchen. Der erste Schritt zur Bestimmung des Ziels ist die Beratung. Die Beratung begründet sich aus der diskursiven Vernunft, denn sie bewegt sich im Raum des Zufälligen und Einzelnen. Hinter dem Prozess der Zielbestimmung steht das Modell des praktischen Syllogismus, der eher an ein empirisches Urteil erinnert und keine deduktive Schlussfolgerung impliziert. Thomas propagiert keine Deduktionsmoral, auch kein analytisches Vorgehen in Sachen Ethikbegründung. Im praktischen Syllogismus ist viel Unsicheres enthalten. Das Beraten als Akt der Vernunft bezieht sich auf die Mittel, die zu einem Ziel führen. Hilfestellung bietet dabei die Wissenschaft mit ihren Schlussfolgerungen aus der Erörterung der Wirkungen und Ursachen (Thomas; Sth I-II, 14,1). Ohne Ziel gibt es keinen praktischen Diskurs (Thomas; Sth I-II, 14,2). Beraten (consilium) kommt vom Zusammensitzen (considium), vom Zusammentragen und setzt ein Vergleichen voraus. Die Umstände sind nicht leicht zu erfassen. Darum ist - modern gesprochen - der Diskurs nützlich, um die Mittel zu erfassen und das Ziel zu erreichen. Denn Handlungen spielen sich im kontingenten Bereich ab (Thomas; Sth I- II, 14,3). Man kann sich beraten über alles, was im Zweifel steht. Dabei weisen gewisse Künste sichere Wege des Handelns. Es gibt allerdings auch Handlungen, die so sicher sind, dass es einer Beratung nicht bedarf (Thomas; Sth I-II, 14,4). Der Beratungsprozess vollzieht sich nicht im luftleeren Raum. Er muss zu einem Ziel kommen. Das Unendliche zu durchschreiten ist unmöglich. Wäre aber eine Ratsuche unmöglich, so würde niemand mit der Beratschlagung anfangen. Die Ratsuche ist endlich hinsichtlich des Prinzips und des Endurteils. Daher endet die Beratschlagung mit der letzten Schlussfolgerung (Thomas; Sth I-II, 14,6). Thomas entwickelt an dieser Stelle eine Art Diskurslogik, die empirische Aussagen über die Natur des Menschen und der menschlichen Handlungen einschließt. Diese Diskurslogik enthält (1) ein formales Prinzip ("Das Gute ist zu tun! "), (2) materiale Voraussetzungen (die Strebungen des Menschen), (3) normative Vorgaben, (4) wissenschaftliche Urteile und (5) faktische Urteile. Der Diskurs ist abschließbar, jedoch nicht mit Gewissheit. Ihn richtig zu beenden, ist Sache der Klugheit und Gegenstand der Diskurs-Logik. <?page no="292"?> 291 Gut ist eine Handlung nur, wenn alle seine Bestimmungsmomente gut sind (integra causa: Sth I-II 18,4; also ein ethischer Kohärentismus; eine integrale Bestimmung einer Ethik der Handlung). Die (1) Situationsanalyse, die (2) Motivationsanalyse, (3) der Entwurf des Handelns, (4) die Analyse der Mittel und eine Analyse der Zwecke, die mit diesen Mitteln verfolgt werden können, und (5) die Folgenanalyse, die im engen Zusammenhang mit dem Entwurf des Handelns, muss zu einem ethisch vertretbaren Ergebnis kommen (Irrgang 2001a). Gut und Böse sind nach Thomas wesentliche Differenzen des Willensaktes. Sie werden nach dem Gegenstand des Willens beurteilt (Thomas; Sth I-II, 19,1). Das Gute gehöre ursprünglich eher dem Willen zu als der Vernunft (Thomas; Sth I-II, 19,2), dennoch sei das Richtmaß des menschlichen Willens die Vernunft. Diese wiederum gründet für den Theologen Thomas im Ewigen Gesetz (Thomas; Sth I-II, 19,4). Letztlich sind Sittlichkeit und Vernunft integral eingebettet in die Schöpfungsordnung. Doch im endlichen menschlichen Vollzug sind sie zwei unterschiedliche Aspekte, die im Gewissensurteil als Ausdruck sittlicher Vernunft verknüpft werden: Das Gewissen ist gewissermaßen ein Ausspruch der Vernunft (Thomas; Sth I-II, 19,5), so lautet die prägnante Zusammenfassung seiner Lehre von der sittlichen Vernunft. Dies hat zur Konsequenz, dass auch ein irrendes Gewissen verpflichtet (Thomas; Sth I-II, 19,5), wenn es auch nicht in allen Fällen entschuldigt (Thomas; Sth I-II, 19,6). Nur unverschuldetes Nichtwissen ohne Nachlässigkeit erkennt Thomas an. Das Verdienst einer Handlung hängt letztlich von der Intention, also vom Ziel ab. Indirekt ausgerichtet ist jeder gute Willensakt auf das höchste Gut (summum bonum) als seinem Endziel (finis ultimus), also auf Gott (Thomas; Sth I-II, 19,9). Das Gutsein einer Handlung wird also vom Ziel her bestimmt. Daher hängt die sittliche Gutheit einer Handlung eher vom Willen ab. Andererseits bemisst sich die Gutheit eines äußeren Aktes eher nach den Umständen und damit nach der Vernunft. Die sittliche Qualität der inneren Handlung bestimmt der Wille, der äußeren Handlung die Vernunft. Für Thomas sind Wille und Vernunft gleichberechtigt (Thomas; Sth I-II, 20,1), wechselseitig aufeinander bezogen. Denn äußerer und innerer Willensakt sind durch ein und dasselbe Ziel bestimmt (Thomas; Sth I-II, 20,3). Einzig ein solcher Wille ist vollkommen, der dann handelt, wenn die Gelegenheit da ist (Thomas; Sth I-II, 20,4). Dies bedeutet, dass die Folgen abgeschätzt werden müssen (Honnefelder 1989, 81-98). Sind sie vorhergesehen worden oder waren sie zumindest vorhersehbar, dann sind sie für das sittliche Urteil relevant. Sind sie zufällig oder treten derartige Folgen nur in seltenen Fällen ein, so sind sie für die Sittlichkeit einer Handlung nicht ausschlaggebend. (Thomas; Sth I-II, 20,5). Das Maß einer Handlung besteht gemäß der Konzeption des Thomas von Aquin darin, ob sie sich einem Ziel zuneigt, das gemäß der Natur ist (Thomas; Sth I-II, 21,1). Damit wird der Naturbegriff hier handlungstheoretisch ausgedeutet, ähnlich wie bei den „inclinationes naturales“ im Horizont von <?page no="293"?> 292 Ethische Hermeneutik Thomas Naturrechtslehre im „Lex“-Traktat. Natürliche Tugend verstehe sich als Hinordnung zum Ziel gemäß den natürlichen Hinneigungen (inclinationes naturales; Thomas; Sth I-II, 21,1). Das Mittlere zwischen zwei Extremen als die geordnete Hinwendung auf ein Ziel bestimme jedoch die Vernunft. Somit ist bei Thomas wie bei Aristoteles das Maß des Willens die menschliche Vernunft. Letztlich sind Vernunft und Wille hingeordnet auf die höchste Regel, die „lex aeterna". Im Horizont des thomanischen theologischen Ansatzes werden Vernunft und Natur als Einheit aufgefasst. Dabei bemessen sich Verdienst und Tadel einer Handlung nach der Gerechtigkeit, vorausgesetzt, die Handlung war zurechenbar (Thomas; Sth I-II,21,3). Im Rahmen seiner Handlungstheorie, wie sie die Quaestionen 6 bis 21 der Prima Secundae der „ “ entworfen haben, wie in der Tugendethik als Klugheitsethik, die sich in den Quaestiones 47, 57 und 58 der Secunda Secundae (Thomas; Sth II-II) finden, erhält die Klugheitslehre, der praktische Syllogismus und die Konzeption des Gewissensurteils einen bevorzugten Platz in der Ethik. Dies ist nicht verwunderlich, denn die Klugheitsethik hat zwei Vorzüge. Zum einen verknüpft die Konzeption des praktischen Syllogismus oder Gewissensurteils größte Nähe zum Einzelfall mit der Bewahrung des Wissenschaftscharakters der Ethik. Diese Klugheitsethik weist in vielfacher Form Parallelen zu einer individuell konzipierten praktischen Ethik aus hermeneutischer Perspektive auf. Zum anderen wird in der thomanischen Ausdeutung der Klugheitsethik als Tugendethik die Bewertung einer Handlung abhängig gemacht von der Verfasstheit des Handelnden (Kluxen 1980, 218). Des Weiteren ist die Konzeption des praktischen Syllogismus als Konkretisierung der Klugheitsethik zwischen Kasuistik und Situationsethik angesiedelt. Allerdings ist die Klugheitsethik um Prinzipien des Handelns gruppiert, nicht um den Grundsatz einer systematischen Ethik. Um eine solche geht es der thomanischen Handlungstheorie als Grundlegung einer Ethik auch nicht. Der Ethiker muss aus der Perspektive der Gegenwart die metaethische Problematik bei Thomas zuspitzen. Natur und Vernunft sind bei Thomas nicht getrennt, nicht einmal ausreichend unterschieden. Vielmehr erscheint Natur als ein minder selbstbewusster Teil der Vernunft, von anderer Ordnungsstruktur. Daher sind die „inclinationes“ mit den Begriffen „Trieb“ oder „Bedürfnis“ nicht exakt wiedergegeben, weil Thomas diese immer als von der Vernunft durchgriffen denkt, zumindest dann, wenn von menschlichen Bedürfnissen und Trieben die Rede ist. Diese Bedeutungsdimension hat der Bedürfnisbegiff heute verloren. Er ist von sich aus nicht mehr normativ. Wir müssen daher die Frage nach den „wahren Bedürfnissen“ stellen. Bei Thomas sind Vernunft und Freiheit „inclinationes naturales“ wie der Selbsterhaltungs- oder der Fortpflanzungstrieb. Letztere sind jedoch auch für Thomas auf einer anderen Ebene angesiedelt, weil diese triebhaften „inclinationes“ durch Sittlichkeit erst noch geleitet werden müssen. Für eine neuzeitliche Ethik stellt <?page no="294"?> 293 Triebhaftigkeit darum eher eine Grenze für sittliches Handeln dar, etwa im Sinne des Diktums „ultra posse nemo tenetur“ (über sein Können hinaus ist niemand sittlich zu verpflichten), das in der Realisierbarkeitsregel Berücksichtigung findet (Irrgang 2008c; vgl. insgesamt zu Thomas Irrgang 1998). 88..55 NNaacchhhhaalltti iggkkeeiitt uunndd GGeerreec chhttiiggkkeeiitt aallss LLeeiittb bi illdde err ffüürr dde enn GGlloobba alliissiieer ru unnggsspprro ozzees sss Drei Dimensionen von Einbettungsfaktoren lassen sich unterscheiden. Gemäß der Metatheorie des menschlichen Handelns unter sittlichen Gesichtspunkten bei Immanuel Kant lassen sich technisch-instrumentelle, geschichtlich-pragmatische und kulturell-moralische Dimensionen von Einbettungsfaktoren unterscheiden, die je spezifische Arten von Normativität entwickeln, gemäß denen Entwicklungspfade ausgestaltet und weiterentwickelt werden können. Dabei impliziert eine Theorie der Pfadabhängigkeit auf der einen Ebene die Rekonstruktion eines geschichtlichen Kausalzusammenhanges mit vielerlei Rückkoppelungseffekten und die Rekonstruktion eines konditionalen Zusammenhanges, der Einbettungsfaktoren auf verschiedenen Ebenen für Entwicklungspfade formuliert. Gerechtigkeit war in der Menschheitsgeschichte schon oft ein Kampfbegriff mit moralinsaurem Unterton, der Ungerechtigkeit vermehrt hat und nicht sittliche Vernunft. Die pragmatische und die sittliche Dimension an dem Handlungskomplex, der mit technisch ökonomischer Entwicklung verbunden ist, sind zu unterscheiden. Wir haben das bekannte Phänomen einer weitgehenden Zustimmung zu Nachhaltigkeitsforderungen und der Etablierung von Entwicklungspfaden hin zu erneuerbaren Energien. Auf der anderen Seite ist ebenfalls festzustellen, dass nur ein geringer Bruchteil derjenigen, die ein ökologisch orientiertes Leben befürworten, dies auch aktiv managen und herbeiführen wollen oder auch können. Ich halte es für eine unrealistische Forderung, einen gewohnten Lebensstandard aufgeben zu sollen, wenn man sich den neuen, vielleicht moralisch besseren Lebensstil finanziell nicht leisten kann oder leisten will. Eine erzwungene Proletarisierung durch Ökodiktatur ist genauso wenig akzeptabel wie eine solche durch Globalisierung. Anzustreben ist daher keine idealistische, sondern reine realistische Interpretation der in Gerechtigkeit im Zusammenhang mit der Forderung nach Nachhaltigkeit, die nicht gegenwärtige Generationen überfordert, um ideale Ziele in der Zukunft zu ermöglichen. Um hier Erfolg zu haben, schlage ich den Rückgriff auf eine Aufklärungsphilosophie vor, wie sie sich im 18. Jahrhundert entwickelt hat, und mir für eine weltbürgerliche Gestaltung der Menschheitsgeschichte - inklusive technologisch ökonomischer Entwicklungspfade - aus gegenwärtiger Perspektive - geeignet erscheint. Letztlich hat diese Epoche sowohl mit Utilitarismus, Pragmatismus, einer Ökonomie des Egoismus wie mit dem Kategorischen Imperativ experimentiert, letztlich aber Ansätze <?page no="295"?> 294 Ethische Hermeneutik zu einem Programm einer toleranten (polyperspektivischen) Vernunft mit Augenmaß (Orientierung an der Empirie und nicht an abstrakter Vernunft) etabliert, welche sich in dem dann folgenden Zeitalter der idealistischen Philosophien, der Ideologien, dem Kampf der Weltanschauungen und extrem aufwendigen Machtspielen in militärischen Szenarien zum Opfer fielen, und nun im Strudel einer weltweiten Globalisierung auf der Basis von Technologie und Ökonomie unterzugehen drohen. Die Theorie technisch-ökonomischer Entwicklungspfade und die Diskussion ihrer Gestaltungsmöglichkeiten könnten nun einen Ausweg bieten, indem Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit nicht als Ideologien konzipiert werden, sondern im Rahmen von problemorientiertem Denken und Handeln zu neuen Lösungsansätzen führen könnten. Ideologien gehen in der Regel von einem Grundprinzip oder Grundgesetz aus, mit dem sie alle Erscheinungen erklären möchten. Die Theorie technischökonomischer Entwicklungspfade möchte aber nicht nur die geschichtliche Entwicklung erklären, sondern auch Normativität als Rahmenbedingung für Gestaltung solcher Entwicklungsprozesse auf unterschiedlichen Ebenen formulieren, nämlich mindestens drei: (1) der Logik instrumentell-technologischer Entwicklung, welche sich technikwissenschaftlich auf der Basis physikalischer Gesetze erklären lässt und eine gewisse Rangfolge der Entwicklung vorschreibt: das Automobil, wie wir es kennen, konnte nicht vor dem Rad erfunden werden; (2) der pragmatischen Einbettung von technologisch-ökonomischen Entwicklungspfaden in gesellschaftliche Macht-Zusammenhänge, die besonders in der Militärgeschichte offensichtlich geworden sind und die politische Dimension des Technischen in der Menschheitsgeschichte unterstreicht. In der Ebene (3) spielt die kulturell-moralische oder sittliche Gestaltung von Entwicklungspfaden eine zentrale Rolle. Kulturelle Identitäten, Leitbilder, Lebensstile können mehr oder weniger moralisch oder gar sittlich ausfallen (Irrgang 2014). Oft geht eine Sonntagsmoral sogar mit heroischer Tugendhaftigkeit einher mit Grausamkeit in der technischen Ausführung. Ein großes Problem beim Scheitern technisch-ökonomischer Entwicklungspfade ist die Autonomie der 3° von Normativität, dem Handeln, kollektives Handeln und technisch-ökonomischer Entwicklungspfade folgen müssen, um nicht nur nützlich und effizient zu sein, sondern letztlich auch die Legitimität auszustrahlen, die kollektives Handeln und gemeinschaftliche Akteurssysteme brauchen, um letztlich erfolgreich zu sein. Wir sehen also, dass eine Theorie technisch-ökonomischer Entwicklungspfade eine handlungstheoretische Unterfütterung braucht, damit auch ihre gestalterischen Dimensionen zum Tragen kommen können. Ich werde mich um diese Dimension im Folgenden besonders bemühen. Um Polyperspektivität im gestalterischen Denken von Akteurskollektiven zur Gestaltung technologisch-ökonomischer Entwicklungspfade erreichen zu können, gehe ich davon aus, dass das letzte Ziel dieser Bemühungen in einem Prinzipiengeflecht zu suchen ist, welches wechselseitig aufeinander bezogen <?page no="296"?> 295 ist und sich rekursiv gegenseitig kritisiert und näher bestimmt. Der eine Pol kann mit Nachhaltigkeit umschrieben werden, der andere mit Gerechtigkeit. Beide Pole zusammen zu denken macht es erforderlich, die größten Ungerechtigkeiten zu benennen und deren Behebung, Abschaffung und Begrenzung zu fordern. Neben der philosophischen Idee der Gerechtigkeit aber sollte die Natur und ihre Kontingenzen, die Evolution und die ökologische Integration aller Arten inklusive der Menschheit ein weiteres Ziel sein, welches mit der Nachhaltigkeitsidee verbunden ist. Also lassen sich zwei Leitbildfelder entwickeln, die in wechselseitiger Verschränkung Gestaltung technisch-ökonomischer Entwicklungspfade auf allen drei Ebenen ihrer Normativität erlaubt. Die Felder lassen sich näher bestimmen durch: [1] Nachhaltigkeit, Langzeitverantwortung, Menschenwürde und eingebettete Autonomie im Rahmen naturaler Eingebundenheit, wobei Nachhaltigkeitsdenken durch evolutionären es denken, Flexibilität, Komplexität, Dynamik, Individualität und vor allem Selbstorganisation gekennzeichnet ist (Irrgang 2002c; Irrgang 2008b). [2] Gerechtigkeit als Gleichheit im Sinne der mathematischen Vernunft, eine mathematische Idee mit dem Ziel der Begrenzung. Angestrebt wird ein gleicher ökologischer Fußabdruck für alle Menschen, unabhängig von dem Ort ihres Lebens und der Geschichte, die zu seinem Standort geführt hat. Eine so konzipierte Idee der Gerechtigkeit widerspricht der Konzeption technisch-ökonomischer Entwicklungspfade und kann daher in einer solchen Konzeption wohl auch nicht realisiert werden. Bricht man aber in wechselseitiger Kritik mit dem Nachhaltigkeitskonzept und unter Berücksichtigungsthematik und der damit verbundenen Normativität technisch-ökonomischer Entwicklungspfade die Abstraktheit vieler Gerechtigkeitskonzeptionen, das scheint mir die Integration solcher Überlegungen über den Nachhaltigkeitsgedanken auf Gestaltung technisch-ökonomischer Entwicklungspfade herangezogen werden zu können (Irrgang 1998). Eine Theorie technisch-ökonomischer Entwicklungspfade ist akteursorientiert und damit bottom-up konzipiert. Einzelnes Handeln wie deren kollektive Varianten in Massen Phänomenen können sich an Ideologien orientieren, die Komplexität reduzieren, aber als nicht geeignet erscheinen, die Problematik zu bewältigen, welche mit der Gestaltung technisch-ökonomischer Entwicklungspfade verbunden ist. Für die Gestaltung technisch-ökonomischer Entwicklungspfade bedarf es einer instrumentellen, pragmatischen und ethischen Feinsteuerung integriert in eine Theorie Komplex-dynamischer Systeme mit Selbstorganisation, Rekursion, Emergenz und Innovation, um falsch-routinisierte Entwicklungspfade korrigieren oder falls erforderlich ersetzen zu können, in der nicht egoistisch-utilitaristische Machtausübung in Unternehmen oder im politischen Handeln das Leitbild bilden, wie dies im Zeichen der Globalisierung zum weitverbreiteten faktisch geltenden Leitbild geworden ist, <?page no="297"?> 296 Ethische Hermeneutik sondern eine Unternehmensethik zu verfolgen bei allen Größen des Unternehmens, die Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit zusammenzubringen versucht. Ein Kapitalismus, der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklaffen lässt und die Mittelschicht zerstört, welche neben einzelnen Unternehmern zunehmend versucht, Nachhaltigkeit zu realisieren, ist die falsche Politik. Die Neoklassik hat in der Wirtschaftsethik wie -politik komplett versagt. Im Sinne ihrer Kritik wurde die Theorie technisch-ökonomischer Entwicklungspfade formuliert und konzipiert, sollte aber nicht in einen Defätismus münden, der von der Stabilität, dem Konservativismus und Routinisierung von Entwicklungspfaden ausgeht, an denen angeblich nichts geändert zu werden vermag. Ein zentraler Punkt bei der Gestaltung technologisch-ökonomischer Entwicklungspfade ist das Thema Innovation (Irrgang 2006b, Irrgang 2007c, Irrgang 2008d, Irrgang 2010c). Die Veränderung von technologischen Entwicklungspfaden geschieht in der technologischen Hypermoderne durch eine Konzeption permanenter Innovation (Irrgang 2008a). Durch diese können sich nur bestimmte Entwicklungspfade stabilisieren und auf eine lange Zeit schien konservativ in einem Stadium verbleiben, welches sich nicht mehr verändert. Auch unser Energiesystem, das auf fossilen Energieressourcen beruht, hat lange Zeit einen solchen Stabilitätszustand genommen. Ähnliches gilt für unsere Mobilitätssysteme. Nun aber zwingen uns der Treibhauseffekt und die Erwärmung des Erdklimas dazu, gerade im Bereich erneuerbare Energien neue technologische Entwicklungspfade zu generieren. Konzepte wie die permanente Innovation oder technologische Revolution korrigiert eingetretene Pfade in der Generierung technologischer Entwicklung. Viele gemeinschaftliche Akteursgruppen in Technologie, Wissenschaft und Forschung, aber auch in der Politik, der Ökonomie, im Bereich des juristischen staatlich und nicht staatlich arbeiten in immer komplexeren Formen zusammen, um diese Gestaltungsaufgabe bewältigen zu können. Eindeutig ungerechte Zustände und Prozesse, wie riesige Firmen, die keine Steuern bezahlen, die durch ihren Gigantismus technische Entwicklungspfade dominieren und in eine Super- Technokratie zu münden scheinen, die Globalisierung nicht vollstreckt, sondern pervertiert, ist eine Gefahr, die dramatisch und real geworden ist. Langzeitverantwortung und Gemeinwohlorientierung als ethische Grundlagen müssen sich wieder gegenüber einem aggressiven Utilitarismus und Egoismus individueller oder kollektiver Art durchsetzen. So mündet eine Theorie der Gestaltbarkeit technisch-ökonomischer Entwicklung zwangsläufig in ethische Fragestellungen (Irrgang 2002c; Irrgang 2008b). <?page no="298"?> 297 PPrri im määrrl li it teerra attuur r Aquin, Thomas von: Summa theologiae, abgekürzt als Sth mit Band, z.B. Primae Secundae als I-II Aristoteles: Sämtliche Werke; zitiert mit Titel und Nummerierung nach Bekker (Standardzählweise); Übersetzung von B. I. Kant GMS: Kant, Immanuel: „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“; abgekürzt mit GMS; A für die erste Auflage von 1785, B für die zweite Auflage von 1786; BA bedeutet, dass die Stelle in beiden Auflagen identisch ist. SSeekkuunnd däärrlliitte er raattu urr Dirlmeier, Franz 1979: Aristoteles: Nikomachische Ethik; Darmstadt Gründel, Johannes 1963: Die Lehre von den Umständen der menschlichen Handlung im Mittelalter; Münster Honnefelder, Ludger 1987: Wahrheit und Sittlichkeit. Zur Bedeutung der Wahrheit in der Ethik; in: Emerich Coreth (Hg.): Wahrheit in Einheit und Vielheit. Beiträge zur Theologie und Religionswissenschaft; Düsseldorf, 147-169 Honnefelder, Ludger 1988: Die ethische Rationalität des mittelalterlichen Naturrechts. Max Webers und Ernst Troeltschs Deutung des mittelalterlichen Naturrechts und die Bedeutung der Lehre vom natürlichen Gesetz bei Thomas von Aquin; in: Wolfgang Schluchter (Hg.); Max Webers Sicht des okzidentalen Christentums; Frankfurt, 254-27 Irrgang, B. 1996a: Von der Technologiefolgenabschätzung zur Technologiegestaltung. Plädoyer für eine Technikhermeneutik; in: Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften 37, 51-66 Irrgang, B. 1996b: Die ethische Dimension des Nachhaltigkeitskonzeptes in der Umweltpolitik: in: Ethica 4 (1996) H. 3, 245-264 Irrgang, B. 1998: Praktische Ethik aus hermeneutischer Perspektive; Paderborn Irrgang, B. 1999: Globalisierung der technologisch-ökonomischen Entwicklung und die Wiederkehr des Verantwortungssubjektes; in: Hans-Günter Gruber, Benedikta Hintersberger (Hg.) Das Wagnis der Freiheit. Theologische Ethik im interdisziplinären Gespräch. Johannes Gründel zum 70. Geburtstag; Würzburg, 343-353 Irrgang, B. 2001: Technische Kultur. Instrumentelles Verstehen und technisches Handeln; (Philosophie der Technik Bd. 1) Paderborn <?page no="299"?> 298 Ethische Hermeneutik Irrgang, B. 2002a: Technische Praxis. Gestaltungsperspektiven technischer Entwicklung; (Philosophie der Technik Bd. 2); Paderborn Irrgang, B. 2002b: Technischer Fortschritt. Legitimitätsprobleme innovativer Technik; (Philosophie der Technik Bd. 3); Paderborn Irrgang, B. 2002c: Natur als Ressource, Konsumgesellschaft und Langzeitverantwortung. Zur Philosophie nachhaltiger Entwicklung; Technikhermeneutik Band 2; Dresden 2002 Irrgang, B. 2003: Nachhaltigkeit als Ideologie? ; in: Revista Portugesa de Filosofia 84/ 3 2003, 763-784 Irrgang, B. 2004: Konzepte des impliziten Wissens und die Technikwissenschaften; in: G. Banse, G. Ropohl (Hg.): Wissenskonzepte für die Ingenieurpraxis. Technikwissenschaften zwischen Erkennen und Gestalten; VDI-Report 35; Düsseldorf 2004, 99-112 Irrgang, B. 2006a: Technologietransfer transkulturell. 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Authentifizierungsart Man unterscheidet bei der Authentifizierungsart zwischen etwas, das die Person hat, weiß und ist: [1] Etwas, das die Person hat, ist ein Gegenstand im Besitz der Person. Hier besteht die Gefahr, dass der Gegenstand gestohlen wird oder verloren geht. [2] Etwas, das die Person weiß, ist eine geheime Information im Gedächtnis der Person. Lange und komplizierte Informationen können zwar nicht so schnell von Angreifern erraten werden, allerdings werden diese schneller vergessen oder als Gedächtnisstütze aufgeschrieben. [3] Etwas, das die Person ist, umfasst jegliche biometrische Daten über eine Person. Alles, was eine Person einzigartig macht, kann dazu genutzt werden, z.B. Fingerabdruck, Klang der Stimme, Schriftart oder Aufbau des Auges. Die Schwierigkeiten liegen hier vor allem bei der Akzeptanz der Anwender. Einige Kontrollmechanismen, z. B. der Scan des Auges, können unangenehm sein. Außerdem können biometrische Eigenschaften zur Gefährdung von Leib und Leben führen, wenn Angreifer diese mit allen Mitteln erlangen wollen. Balanced Scorecard Kennzahlensystem, das die vier Perspektiven Finanzperspektive, Marktperspektive, Mitarbeiterperspektive und technische Perspektive <?page no="303"?> 302 Glossar verbindet und jeweils in den Dimensionen beschreibt: Strategie, Strategische Zielsetzung, Messgröße, Zielwert und strategische Aktionen. Ziel der Balanced Scorecard ist einerseits ein ausgewogenes Zielsystem zu schaffen, bei dem die Beziehungen zwischen strategischen Rahmenfestlegungen und Einzelaktionen transparent gemacht werden und die Kennzahlen aus den nicht-finanziellen Perspektiven als Frühwarn-Indikatoren für Abweichungen in der Finanzperspektive gelten können. Befragungstechniken Verbreitete Befragungstechniken sind z.B. Interviews, Umfragen, Brainstorming und Delphi-Technik: [1] In Interviews werden Experten direkt und grundsätzlich einzeln befragt. [2] Umfragen ermöglichen die schriftliche und zeitlich versetzte Beantwortung vorgegebener Fragen durch eine Gruppe oder das gesamte Personal. [3] Brainstorming ist eine Technik zur Suche nach neuen Ideen unter kreativitätsfördernden Rahmenbedingungen. Dabei werden spontane Eingebungen der Teilnehmer gesammelt, ohne Kritik auszuüben. [4] Die Delphi-Technik umfasst eine wiederholte Befragung von Experten. Durch die Verteilung von anonymen Antworten in der Expertengruppe sollen diese zusammengeführt und eingegrenzt werden. Best Practices in der sicheren Softwareentwicklung Zu verbreiteten Best Practices in der sicheren Softwareentwicklung zählen: [1] SAMM (www.opensamm.org) definiert auf der höchsten Ebene die vier Geschäftsfunktionen Governance, Construction, Verification und Deployment. Jede Geschäftsfunktion umfasst drei Sicherheitspraktiken, die sicherheitsrelevante Aktivitäten beinhalten. Für jede Sicherheitspraktik definiert SAMM drei Reifegrade. Je höher der Reifegrad ist, desto anspruchsvoller sind die umzusetzenden Ziele. Jedes Unternehmen, in dem Softwareentwicklung betrieben wird und das Sicherheitspraktiken erfüllt, kann mit einem Reifegrad kategorisiert werden. [2] BSIMM (http: / / bsimm.com) definiert auf der höchsten Ebene die vier Domänen Governance, Intelligence, SSDL Touchpoints und Deployment. Auch hier kann ein Unternehmen mit einem Reifegrad kategorisiert werden. Jede Domäne umfasst drei Sicherheitspraktiken mit untergeordneten sicherheitsrelevanten Aktivitäten. <?page no="304"?> Glossar 303 Bilanzverlängerung Gleichzeitige Zunahme der Aktiv- und Passivseite der Bilanz. Erhöht sich mit der Bilanzverlängerung der Bestand an Fremdkapital, so verschlechtert sich die Eigenkapitalquote als rating-relevante Kennzahl. Gegenmaßnahmen können off-balance-Geschäfte oder Saldierungen sein. Birthday Attack Bei der Birthday Attack wird nicht der eigentliche Algorithmus angegriffen, sondern es wird versucht, die unerwartet hohe Wahrscheinlichkeit von Kollisionen auszunutzen, um Daten so zu manipulieren, dass sie den gleichen Hashwert wie die originalen Daten besitzen. Die Birthday Attack basiert auf dem Geburtstagsparadoxon, nach dem die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Gruppe von 23 Personen mehr als zwei Personen am selben Tag Geburtstag haben, über 50 % liegt. Da diese Wahrscheinlichkeit von den meisten Menschen falsch eingeschätzt wird, spricht man von einem Paradoxon. Börsengang Erste öffentliche Ausgabe von Aktien zum Börsenhandel. Business Consolidation konzernweites Management Reporting, das die Eliminierung innerkonzernlicher Beziehungen ähnlich durchführt wie die externe Konzernberichterstattung. Ziel ist es, auch für die konzerninterne Berichterstattung die innerkonzernlichen Beziehungen zu eliminieren und sich auf die Transaktionen mit konzernexternen Wirtschaftssubjekten zu fokussieren. Business Judgement Rule Rechtsvorschrift in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, wonach eine Pflichtverletzung nicht vorliegt, wenn ein Vorstandsmitglied bei einer Unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Die Regelung hat Ausstrahlungswirkungen sowohl auf Entscheidungen des Aufsichtsrats wie auch auf andere Rechtsformen. Die Vorschrift grenzt schadenersatzpflichtige Pflichtverletzungen von nicht-schadenersatzpflichtigen unternehmerischen Fehlentscheidungen ab. Cash generating Unit kleinste identifizierbare Gruppe von Vermögenswerten, die Mittelzuflüsse erzeugen, die weitestgehend unabhängig von den Mittelzuflüssen anderer Vermögeswerte oder anderer Gruppen von Vermögenswerten sind (IAS 36.6). Ein Impairmenttest auf Basis von Cash generating Units wird immer dann erforderlich, wenn der einzelne Vermögenswert keine isolierbaren Cashflows generieren kann. <?page no="305"?> 304 Glossar Cashflow Hedge Bewertungseinheit, bei der spezifische Risiken künftiger Zahlungsströme abgesichert werden, z.B. Zinszahlungen in Fremdwährung o.Ä. In diesem Fall ist das Sicherungsinstrument (Derivat) als Finanzinstrument zu bilanzieren und zu jedem Bilanzstichtag zum Fair Value zu bewerten. Zur Vermeidung von Ergebnisschwankungen sind allerdings die Fair Value Änderungen ins Eigenkapital, d.h. in die Neubewertungsrücklage einzustellen. Closing cockpit Steuerungsinstrument zur Koordinierung von Abschlussfunktionen in sachlicher, zeitlicher, kompetenzmäßiger und hierarchischer Hinsicht. Continual Service Improvement Prozesse Die Continual Service Improvement umfasst die folgenden Prozesse: Service Review: Regelmäßige Beurteilung der Services für Geschäftsfunktionen und Infrastruktur, Verbesserungen der Qualität und Effizienz von Services suchen, Process Evaluation: Regelmäßige Auswertung von Prozessen, Identifikation von nicht erreichten Zielkennzahlen, Durchführung regelmäßiger Benchmarks, Audits und Reifegrad-Bewertungen, Definition of CSI Initiatives: Festlegung von Initiativen für die Verbesserung von Services und Prozessen basierend auf den Ergebnissen von Service Review und Process Evaluation, Initiativen können intern oder in Kooperation mit Kunden umgesetzt werden, Monitoring of CSI Initiatives: Überprüfung, ob die Initiativen nach Plan verlaufen und wenn notwendig Umsetzung von Korrekturmaßnahmen. Corporate Governance Vorschriften zur Leitung und Überwachung von Unternehmen und Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung. Derivat Finanzinstrument, das folgende drei Merkmale enthält (IAS 39.9): Der Wert des derivativen Finanzinstruments hängt von einer bestimmten Einflussgröße ab, wie z.B. Zins, Preis, Wechselkurs o.Ä., es erfordert keine oder keine nennenswerten Anfangsausgaben und es wird in der Zukunft erfüllt. Direktinvestitionen Direktinvestitionen ist eine Form der Übertragung inländischen Kapitals ins Ausland. Sie sind im speziellen durch die Akquise ausländischer Vermögenswerte wie Unternehmen, Betriebsstätten oder Immobilien im Ganzen oder in Teilen gekennzeichnet. Die ökonomische Aktivität im Ausland steht hierbei <?page no="306"?> Glossar 305 im Vordergrund. Gegenteil stellt die Portfolio-Investition dar, die überwiegend als Geldanlage genutzt wird. Discounted Cashflow Verfahren Verfahren, bei dem der Wert eines Vermögensgegenstandes ermittelt wird aus dem Barwert der Zahlungen, die er hervorbringen kann aus der fortgesetzten Nutzung und ggf. dem endgültigen Abgang. Das Discounted Cashflow Verfahren ist eine Methode, den Fair Value zu bestimmen, wenn weder beobachtbare Preise für identische Vermögenswerte noch für vergleichbare Vermögenswerte vorliegen. Das DCF-Verfahren ist auch anzuwenden zur Bestimmung des Nutzungswertes im Rahmen von Impairmenttests nach IAS 36. Drohverlustrückstellung Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften. Sie ist vorgeschrieben nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB und IAS 37.66-69; sie ist dagegen verboten in der Steuerbilanz nach § 5 Abs. 4a EStG. dualistisches System Das dualistische System ist eine Form der Organisationsverfassung für Unternehmen, bei dem Geschäftsführung und Kontrolle getrennt sind, wie z.B. bei der deutschen AG in Vorstand und Aufsichtsrat. Im Gegensatz dazu steht das monistische System. Effektivitätsmessung Untersuchung, ob eine Risikoabsicherung in Form eines Hedges wirksam ist. Dies kann mit verschiedenen Methoden geschehen, z.B. der Dollar-Offset- Methode oder statistischen Regressionsanalysen (IAS 39.AG105(a)). Ein Hedge gilt als hoch effektiv, wenn sich die Korrelation der Wertänderungen innerhalb eines Risikokorridors von 80 125% bewegt. Dabei wird zwischen retrospektiver und prospektiver Effektivität unterschieden. Embeddedness Einbindung nationaler Einheiten in einen übergeordneten Kontext. Erkennungstechniken Man unterscheidet bei Antivirensoftware zwischen musterbasierten und verhaltensbasierten Erkennungstechniken: [1] Bei musterbasierten Erkennungstechniken wird Schadsoftware erst erkannt, nachdem neue Muster in Form von Updates an die Antivirensoftware übermittelt wurden. [2] Bei verhaltensbasierten Erkennungstechniken kann Schadsoftware anhand von unüblichem Verhalten erkannt werden, jedoch sind diese Erkennungstechniken unscharf und können zu Fehlalarmierungen (engl. <?page no="307"?> 306 Glossar False Positives) und Nichterkennen (engl. False Negatives) von Schadsoftware führen. Erweiterungen des Strategic Alignment Models Das Strategic Alignment Model wurde in Bezug auf die Perspektiven und Dimensionen erweitert. Von Luftman (1996, S. 63 ff.) erfolgte die Erweiterung der Perspektiven. Zuvor gingen die Perspektiven von der Geschäftsstrategie und IT-Strategie aus. Die neuen Perspektiven starten mit der organisatorischen Infrastruktur und Prozessen sowie mit der IT-Infrastruktur und -Prozessen. Von Maes (1999, S. 6 ff.) erfolgte eine Erweiterung der Dimensionen, und damit auch der Domänen. Er hat eine weitere vertikale und horizontale Dimension eingefügt. Quellen: Luftman, J. N. (1996): Managing in the Information Age: Practical Applications of the Strategic Alignment Model, Oxford University Press, New York 1996. Maes, R. (1999): Reconsideing Information Management Through a Generic Framework, PrimaVera Working Paper 99- 15, Amsterdam 1999. erzielbarer Betrag Vergleichswert im Rahmen des Impairmenttests nach IAS 36. Man geht von der Vorstellung aus, dass der Buchwert auf zwei Möglichkeiten wieder erlangt, d.h. erzielt werden kann (recoverable amount): zum einen durch Verkauf des Vermögenswertes zum anderen durch dessen Nutzung. Da die IFRS-Rechnungslegung keine worst-case-Bilanzierung darstellt, dient der höhere Wert aus Verkaufspreis und Nutzungswert als Vergleichswert für den (vorläufigen) Buchwert des Vermögenswertes. ethnozentrisch Die ethnozentrische Unternehmung verfolgt eine weitest gehende Entscheidungszentralisierung im Heimatland und versucht Konzepte, Strategien und Praktiken, die sich im Stammland als erfolgreich erwiesen haben, auch im Ausland zu realisieren. Dabei werden Unterschiede in der Kultur zwischen Heimatland und Gastländern weitgehend vernachlässigt. F&E-Management Umfasst die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Unternehmen. F&E bezeichnet dabei alle systematischen Aktivitäten, die Unternehmen intern entfalten oder extern durchführen, um neue Erkenntnisse zu erwerben oder solche Erkenntnisse anzuwenden. Fair Value Hedge Bewertungseinheit, bei der der Fair Value eines Vermögenswertes, eines Schuldpostens oder einer festen vertraglichen Verpflichtung abgesichert werden soll. Dabei werden Grund- und Sicherungsgeschäft bilanziert, beide zum <?page no="308"?> Glossar 307 Fair Value bewertet und die auf das gesicherte Risiko zurückzuführenden Fair Value-Änderungen erfolgswirksam in der GuV-Rechnung erfasst, wo sie sich entgegen laufen und zu einem Nettoeffekt von ungefähr Null ergeben. Zu beachten ist der Risikokorridor von 80-125% gemäß IAS 39.AG105. Fast Close rasche und qualitätsgesicherte Erstellung und Veröffentlichung von Finanzinformationen in Form von Jahresabschlüssen wie auch von Halbjahresfinanzberichten. Finance Lease Leasingvertrag, bei dem die wesentlichen Chancen und Risiken aus dem Leasinggegenstand auf den Leasingnehmer übergehen. In diesem Fall hat der Leasingnehmer den Leasinggegenstand zu aktivieren und eine gleich hohe Verbindlichkeit zu passivieren. Dadurch stellt sich eine Bilanzverlängerung ein, durch die sich die Eigenkapitalquote vermindert. Ziel ist, dass das Eingehen von Risiken bilanziell so abgebildet wird, dass sich eine rating-relevante Kennzahl, nämlich die Eigenkapitalquote, verschlechtert. Firewallarten Die grundsätzlichen Firewallarten sind die Packet-Filter-, Stateful-Inspection- und Application-Layer-Firewall: [1] Bei Packet-Filter-Firewalls werden lediglich die Informationen im Kopf eines Datenpakets betrachtet, um zu entscheiden, ob es weitergeleitet wird. Dabei werden in der Regel Ziel- und Empfangsadresse, Protokoll sowie Portnummer berücksichtigt. [2] Bei Stateful-Inspection-Firewalls werden übertragene Datenpakete von der Firewall vorgehalten, um zu entscheiden, ob neue Datenpakete zu einer bestehenden Verbindung gehören und mit anderen Datenpaketen in Beziehung stehen. Datenpakete, die nicht zu einer legitimen Verbindung passen, werden blockiert. [3] Eine Application-Layer-Firewall, auch als Web Application Firewall bezeichnet, kann die Inhalte von Datenpaketen mit Protokollen abgleichen. Wenn unerwünschte Daten in einem Standardprotokoll getunnelt werden, kann die Firewall dies erkennen. Auf diese Weise ist eine Kontrolle des Datenverkehrs auf Applikationsebene möglich. Forschung & Entwicklung Forschung & Entwicklung ist die systematische Suche nach neuem Wissen und neuen Erkenntnissen. Dabei zielt die Forschung auf den Erwerb gänzlich neuen Wissens ab, währenddessen die Entwicklung Erkenntnisse in die Praxis umsetzt. <?page no="309"?> 308 Glossar Generierungstechniken Zu den Generierungstechniken von Token gehören Verschlüsselung, Hashing und Nummerierung: [1] Wenn Verschlüsselungstechniken bei der Generierung von Token eingesetzt werden, werden verschlüsselte Daten aus den schützenswerten Daten erstellt und als Token genutzt. Durch die Möglichkeit, die Token mithilfe von Schlüsseln wieder in ihre Ursprungsdaten zu überführen, sind Verschlüsselungstechniken zur Generierung von Token weniger geeignet. [2] Hashing, das mit einem Algorithmus aus großen Datenmengen kleine Zeichenfolgen berechnet, ist für die Generierung von Token besser geeignet. Obwohl Hashing ursprünglich für die Integritätsprüfung von Daten entwickelt wurde, können durch das Hashing erzeugte Zeichenfolgen auch als Token genutzt werden. Allerdings ist die Eindeutigkeit der Token nicht sichergestellt, wenn ein Hashing-Algorithmus genutzt wird, der Kollisionen zulässt. Sie entstehen, wenn verschiedenen Ursprungsdaten ungewollt dasselbe Token zugeordnet wird. [3] Weitere Techniken zur Generierung von Token sind die Nutzung einer fortlaufenden Nummer oder einer Zufallsnummer. Grundsätzlich kann jede Zeichenfolge als Token genutzt werden, solange sie eine eindeutige Identifikation ermöglicht, also nahezu keine Kollisionen zulässt, und solange sie nicht mit einem Algorithmus in ihre Ursprungsdaten überführt werden kann. geozentrisch Diese Grundhaltung des internationalen Marketings ist durch die Überlegung geprägt, dass die optimale Allokation von Ressourcen nur durch gleichzeitige Nutzung von Standardisierungs- und Anpassungsvorteilen möglich ist. Muttergesellschaft und ausländische Tochtergesellschaften werden nicht als unabhängige Unternehmenseinheiten, sondern als integrative Teile eines weltweiten Unternehmensnetzes betrachtet. Unabhängig von den jeweiligen Gastlandbedingungen werden in der Muttergesellschaft und in den ausländischen Tochtergesellschaften diejenigen Managementtechniken eingesetzt, die die globale Effizienz des Unternehmens maximieren Hashing-Algorithmen Zu den bekanntesten Hashing-Algorithmen gehören der Message Digest 5 (MD5) und der Secure Hash Algorithm 1 (SHA-1): [1] Der MD5 wurde im Jahr 1991 von Ron Rivest erfunden und im Request for Comments (RFC) 1321 definiert. Der MD5 verwendet einen Hashwert, der eine Größe von 128 Bit besitzt. Es sind 2 hoch 128 verschiedene Hashwerte möglich. Der MD5 wird allgemein als unsicher betrachtet, da Angreifer Schwachstellen mithilfe von Kollisionen ausnutzen können. <?page no="310"?> Glossar 309 [2] Der SHA-1 ist eine im Jahr 1994 veröffentlichte Überarbeitung des im Jahr 1993 durch das NIST entwickelten Secure Hash Algorithm (SHA). Die Hashwerte von SHA-1 besitzen eine Größe von 160 Bit. Die Erweiterung SHA-2 wurde im Jahr 2001 veröffentlicht und ermöglicht größere Hashwerte, z. B. mit den Größen 256 Bit (SHA-256) und 512 Bit (SHA-512). Hedge Accounting Bewertungseinheit. Das Hedge Accounting wird angewandt, wenn aus einem Grundgeschäft Risiken resultieren, die das Unternehmen zwar nicht vermeiden kann, aber durch ein Gegengeschäft, d.h. ein Geschäft mit einem entgegen gesetzten Risikoverlauf kompensieren kann. Um in solchen Fällen, wenn eine hohe Risikokorrelation besteht und eine designierte und dokumentierte Strategie zur Risikokompensation besteht, im Rechnungswesen die wirtschaftlichen Folgen der Risikokompensation angemessen abzubilden, wird im Rahmen des Hedge Accountings das Imparitäts- und Einzelbewertungsprinzip außer Kraft gesetzt. Ziel des Hedge Accountings ist immer die Vermeidung von Ergebnisschwankungen. Dabei unterscheidet man den Fair Value Hedge von dem Cashflow Hedge. Das Hedge Accounting basiert immer auf einer mit dem unternehmensinternen Risikomanagement abgestimmten Risikostrategie. Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Einsatz von Produktionsfaktoren entstehen für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen (§ 255 Abs. 2 Satz 1 HGB). Innovation Durchsetzung neuer technischer, wirtschaftlicher, organisatorischer und/ oder sozialer Problemlösungen im Unternehmen. Innovationsmanagement Das Innovationsmanagement beinhaltet die Planung, Organisation, (Durch-) Führung und Kontrolle von Innovationen in Unternehmen. Dabei umfasst der Begriff der Innovation sowohl Inventionen als auch die tatsächliche Nutzung einer Erfindung durch das Unternehmen. Innovationsmanagement ist eine Kerntätigkeit des Unternehmens, die sich an den Eigenschaften einer Innovation ausrichtet (http: / / wirtschaftslexikon. gabler.de/ Definition/ innovationsmanagement.html). Hierbei gibt es jedoch zwei Unterscheidungen - das strategische Innovationsmanagement bewertet Einflussfaktoren und prognostiziert zukünftige Entwicklungen am Markt und in Technologien; das operative Innovationsmanagement widmet sich der Gestaltung und Etablierung des Innovationsprozesses, beginnend von der Ideenentwicklung bis zur Umsetzung der Idee in einem Produkt. <?page no="311"?> 310 Glossar Innovationsprozess Innovationsprozess ist der Rahmen für eine strukturierte Vorgehensweise zur Erzeugung, Bewertung und Umsetzung einer Idee bis zur Markteinführung (oder fundierter Ablehnung). Internationales Marketing Analyse, Planung, Durchführung, Koordination und Kontrolle marktbezogener Unternehmensaktivitäten bei einer Geschäftstätigkeit in mehr als einem Land. Internationalisierung Die Internationalisierung stellt die Ausweitung der (ökonomischen) Aktivitäten in weiteren Ländern als dem Heimatland dar. Eine Internationalisierung der F&E ist somit die Ausübung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten über nationale Grenzen hinaus. Invention Zeitpunktbezogene Erfindung, die noch keiner wirtschaftlichen Nutzung zugänglich gemacht wurde. Joint Venture Joint Ventures stellen eine bestimmte Kooperationsform dar, in der mehrere Kooperationspartner Kapitalbeteiligungen an einem Unternehmen besitzen (Equity Joint Venture). Sie kommen zumeist bei risikoreichen Geschäften zustande wie bspw. dem Aufbau einer ausländischen Geschäftseinheit oder eines größeren Forschungsprojektes. Die Kooperationspartner teilen auf diese Weise ihr finanzielles Risiko und können ggf. Synergieeffekte erzielen. Kalkulatorische Eigenkapitalzinsen Opportunitätskosten für den Einsatz von Eigenkapital im eigenen Unternehmen gemessen an den entgangenen Einnahmen aus einer anderweitigen Verwendung der Ressourcen außerhalb des Unternehmens. Es wird dabei regelmäßig auf das Capital Asset Pricing Modell zurückgegriffen. Die kalkulatorischen Eigenkapitalzinsen sind in keinem Rechnungswesensystem als Aufwand auszuweisen, sondern vielmehr aus dem Gewinn zu bedienen. Ausführungen zu den kalkulatorischen Eigenkapitalzinsen finden sich allerdings oft als freiwillige Zusatzberichterstattung in Jahres- und Konzernabschlüssen. Key Management Zum Key Management gehört, dass kryptographische Schlüssel im Fall einer Kompromittierung oder nach Ablauf einer definierten Nutzungsdauer ausgetauscht werden. Best Practices zum Key Management wurden vom National Institute of Standards and Technology (NIST) in der Special Publication <?page no="312"?> Glossar 311 800-57 veröffentlicht, die für verschiedene Schlüssel jeweils eine Nutzungsdauer empfiehlt. Private Schlüssel, die bei der Aushandlung von symmetrischen Schlüsseln genutzt werden, sollen eine Nutzungsdauer von ein bis zwei Jahren haben. Symmetrische Schlüssel sollen maximal einen Monat zur Verschlüsselung und können mehrere Jahre zur Entschlüsselung verwendet werden. Quelle: E. B.; Barker, W. C.; Burr, W. E.; Polk, W. T.; Smid, M. E. (2012) NIST Special Publication 800-57: Recommendation for Key Management - Part 1: General (Revision 3), 2012, http: / / www.nist. gov/ customcf/ get_ pdf. cfm? pub_id=910342 Latente Steuern Künftige Steuerbe- oder -entlastungen, die sich aus temporären oder quasipermanenten Bilanzstandsdifferenzen zwischen der IFRS- oder Handelsbilanz und den entsprechenden Steuerwerten der Bilanzsachverhalte ergeben. Aktive latente Steuern können auch aus verwertbaren Verlustvorträgen resultieren. Sie sind auf ihre Nutzbarkeit zu überprüfen. Latente Steuern sind als aktive oder passive Bilanzposten auszuweisen. Liability-Methode Konzept latenter Steuerabgrenzungen, wonach sich latente Steuern als Forderungen bzw. Verpflichtungen dem Finanzamt gegenüber darstellen lassen. Daraus folgt, dass einerseits neben temporären Differenzen auch quasi-permanente Differenzen zu latenten Steuern führen, andererseits dass eine Neubewertung von Steuerlatenzposten angezeigt ist, wenn sich der Ertragsteuersatz ändert. Management Approach Grundsatz der Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen mit der Vorstellung, dass es keinen konzeptionellen Unterschied zwischen beiden Reportingsystemen geben darf. So wie nach innen gesteuert wird, wird auch nach außen berichtet. Dies führt zu einer höheren Transparenz und Akzeptanz des Rechnungswesens und erleichtert Abstimmungs- und Abschlussprozesse, indem Überleitungsrechnungen und Erläuterungen zu den Unterschieden erspart werden. Management Reporting unternehmens- oder konzerninterne Regel- und ad-hoc-Berichterstattung nach intern festgelegten Berichtsinhalten, Formaten, Zeiträumen und Zeitpunkten. Marketing Planung, die Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmensziele verwirklicht werden. <?page no="313"?> 312 Glossar Marketingstandardisierung Die Marketingstandardisierung umfasst die Vereinheitlichung von Marketinginhalten und -Prozessen. Dabei kennzeichnet die inhaltliche Standardisierung das Ausmaß, mit dem einzelne Marketing-Mix-Elemente, Rahmenkonzepte oder Marketingstrategien für einen länderübergreifenden Einsatz vereinheitlicht werden können. Dem gegenüber beinhaltet die Prozessstandardisierung die einheitliche Strukturierung und ablauforganisatorische Vereinheitlichung von Marketingentscheidungen. Matching Principle Grundsatz, wonach die Erträge und die Aufwendungen eines Vorgangs in denselben Perioden auszuweisen sind. Dadurch kann eine Vorstellung vermittelt werden, welcher Erfolg aus dem Vorgang resultiert. Auch soll nach dem Matching Principle vermieden werden, dass in einer einzelnen Periode ein Verlust ausgewiesen wird, wenn das Projekt insgesamt einen Gewinn erwarten lässt. Dies führt dazu, dass z.B. Ausgaben für selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte in der Entwicklungsphase aktiviert und damit neutralisiert werden, weil in dieser Projektphase kein Ertrag gegenüberstehen kann und ein Aufwand, dem kein Ertrag gegenübersteht, einen Verlust bedeuten würde. Wenn im weiteren Verlauf des Projektes die kommerzielle Nutzungsphase erreicht wird und projektbezogene Erträge erzielt werden, dann werden diesen Erträgen Abschreibungsaufwendungen gegenübergestellt. Aus der Differenz projektbezogener Erträge und Aufwendungen kann der Erfolg des Projektes abgelesen werden. Mehrstaatlichkeitsprinzip Mindestens zwei der Gründungsgesellschaften einer SE (Societas Europae) müssen ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedsstaaten haben. Modellierung Eine Modellierung ist ein Verfahren, das eine vereinfachte Abbildung eines Realitätsausschnitts beschreibt, z. B. ein Prozess als Abfolge von geschäftlich relevanten Ereignissen und Tätigkeiten, die ein Eingabeobjekt in ein Ausgabeobjekt umwandeln. monistisches System Beim monistischen System (engl. one-tier system) ist die Geschäftsleitung nicht institutionell von der Überwachung getrennt. Diese beiden Funktionen werden vielmehr von ein und demselben Organ (Board of Directors, Verwaltungsrat) wahrgenommen. <?page no="314"?> Glossar 313 multinational Strategische Orientierung eines international tätigen Unternehmens mit polyzentrischer Prägung. Es erfolgt eine größtmögliche Anpassung an lokale Gegebenheiten bei gleichzeitig größtmöglicher Dezentralisierung. Tochtergesellschaften im Ausland handeln weitgehend autonom und unabhängig von der Muttergesellschaft. multinationale Unternehmen Multinationale Unternehmen sind Unternehmen, die in über Ländergrenzen hinaus, Tochtergesellschaften besitzt und somit durch Direktinvestitionen in mehreren Ländern tätig ist. Netzwerksegmentierung Die Netzwerksegmentierung dient dazu, den Teil des Netzwerks, in dem schützenswerte Daten verarbeitet werden, vom restlichen Teil zu trennen und besonders abzusichern. Die Umsetzung kann mithilfe von Firewalls, Routern oder Switches mit Zugriffssteuerungslisten (engl. Access Control Lists oder kurz ACL) erfolgen, die angeschlossene Systeme logisch einem virtuellen lokalen Netzwerk (engl. Virtual Local Area Network oder kurz VLAN) zuordnen können. Die Zugriffssteuerungslisten werden dabei so eingerichtet, dass die Systeme im ersten Segment nicht mit den Systemen im zweiten Segment kommunizieren können. Für eine Netzwerksegmentierung mit Firewalls muss eine eigenständige Firewall zwischen der sicheren und der unsicheren Netzwerkumgebung positioniert werden. Firewalls können den Datenverkehr filtern und bieten den größtmöglichen Schutz. Firewalls und Router können Netzwerkumgebungen mit verschiedenen Adressbereichen oder Architekturen verbinden. Dies ist wichtig, wenn eine Netzwerkumgebung mit einer anderen Architektur vorhanden ist, die mit der sicheren Netzwerkumgebung Daten austauschen soll, z. B. bei einer Fernwartung von Systemen. Router sollten für die Netzwerksegmentierung eingesetzt werden, wenn der Datenverkehr nicht gefiltert, sondern nur zwischen Netzwerkumgebungen weitergeleitet werden soll. Switches besitzen keine Sicherheitsfunktionen oder Filtermöglichkeiten. Wenn das Switch-Modell Zugriffssteuerungslisten unterstützt, kann lediglich konfiguriert werden, mit welcher Netzwerkumgebung ein System kommunizieren darf. Switches sollten für die Netzwerksegmentierung eingesetzt werden, wenn die Netzwerkumgebungen sowohl die gleiche Architektur als auch den gleichen Adressbereich nutzen. Niederstwertprinzip Handelsrechtlicher Grundsatz, der aus dem Vorsichtsprinzip abgeleitet wird, wonach bei Aktiva im Vergleich zwischen den (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten (primärer Wertansatz) und dem Markt- und Börsenpreis bzw. beizulegenden Wert (sekundärer Wertansatz) grundsätzlich der niedrigere Wert zu wählen ist. Allerdings gibt es nach § 253 Abs. 3 und 4 <?page no="315"?> 314 Glossar HGB verschiedene Ausprägungsformen des Niederstwertprinzips. Bei Sach- und immateriellem Anlagevermögen besteht bei dauerhafter Wertminderung eine Abschreibungspflicht, bei vorübergehender Wertminderung ein Abschreibungsverbot. Bei Finanzanlagen besteht bei dauerhafter Wertminderung eine Abschreibungspflicht, bei vorübergehender Wertminderung ein Abschreibungswahlrecht. Beim Umlaufvermögen besteht unabhängig von der Dauerhaftigkeit der Wertminderung eine Abschreibungspflicht auf den niedrigeren sekundären Wertansatz. Not-Invented-Here-Syndrom Not-Invented-Here-Syndrom stellt die Ablehnung externer Ideen, Entwicklungen oder Produkte durch interne Mitarbeiter dar wodurch häufig Doppelarbeit entsteht. Nutzungswert Barwert der künftigen Cashflows, der voraussichtlich aus einem Vermögenswert abgeleitet werden kann aus seiner fortgesetzten Nutzung und seinem endgültigen Abgang. (IAS 36.6) Operate Lease Leasingvertrag, bei dem die wesentlichen Chancen und Risiken aus dem Leasinggegenstand beim Leasinggeber verbleiben. Daher wird der Leasinggegenstand beim Leasinggeber bilanziert und der Leasingnehmer bucht die gezahlten Leasingraten als Leasingaufwand. Patches Patches dienen dem Schließen von Sicherheitslücken oder dem Beheben funktionaler Probleme in Betriebssystemen und Applikationen. Patent Patent ist ein technisches Schutzrecht, das technische Erfindungen vor Imitationen für einen definierten Zeitraum und ein definiertes Gebiet schützt. Patentstrategie-Typ Patentstrategie-Typ stellt ein Handlungsmuster zur Patentierung neuer Technologien dar. Percentage of Completion Methode Methode der Ertragsrealisierung bei Projekten, die mehr als ein Geschäftsjahr umfassen. Hier wird unterstellt, dass der Projektgewinn nicht erst bei Abnahme, Gefahrübergang und Entstehen eines Werklohnes, also am Projektende, entsteht, sondern dass sich der Projektgewinn proportional dem Projektfortschritt aufbaut. Dieser Form der Ertragsrealisierung, die nicht am Gläubigerschutzprinzip ausgerichtet ist, liegt die Vorstellung zugrunde, dass <?page no="316"?> Glossar 315 eine abschnittsweise Verantwortlichkeit von Managern in den einzelnen Abrechnungsperioden vorliegt und daher die Projektgewinne proportional dem Projektfortschritt ausgewiesen werden. Dies führt zu einer Verstetigung des Erfolgsausweises allerdings nicht in Form einer Gleichverteilung (Linearisierung). Wenn in einer Periode ein größerer Projektfortschritt erzielt wird, wird in diesem Zeitraum auch ein größerer Anteil am Projektgewinn ausgewiesen. polyzentrisch Eine polyzentrische Orientierung konkretisiert sich in hoher Autonomie der Tochtergesellschaften und einer Ausrichtung der personellen und sozialen Ebene der Unternehmensführung an den lokalen Gegebenheiten. Hierbei wird unterstellt, dass nur das Management in den Auslandstochtergesellschaften die Besonderheiten im Auslandsgeschäft richtig erkennen und beurteilen kann. Principal-Agenten-Theorie Eine Theorie, die davon ausgeht, dass der Beauftragte einer wirtschaftlich handelnden Person nicht immer im besten Interesse von dieser Person handelt. Man geht z.B. davon aus, dass z.B. der Kapitalgeber der Principal und der Manager der Agent ist. Regelmäßig ist beobachtbar, dass Manager eigene Ziele verfolgen und daher Vorkehrungen getroffen werden müssen, dass der Shareholder Value auch wirklich im Unternehmen umgesetzt wird. Die Auseinandersetzung mit Delegations- und Anreizproblemen zwischen den Vertragsparteien, mit ungleich verteilten Informationen, Interessenkonflikten oder einseitigen Nutzenmaximierungen (homo oeconomicus mit dem Hang zu opportunistischem Verhalten) sind Gegenstand der Prinzipal-Agenten-Theorie. Die Probleme der Agenturbeziehung ergeben sich im Wesentlichen aus vier Typen von Informationsasymmetrien, aus denen Grauzonen zu Lasten des Prinzipals resultieren. Dazu zählen die Eigenschaften (hidden characteristics), die Absichten (hidden intention), die Informationen (hidden information) sowie die Handlungen (hidden action) des Agenten. Prinzip der erweiterten Mehrstaatlichkeit Mindestens zwei der Gründungsgesellschaften einer SE müssen ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedsstaaten haben, oder aber seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft oder Zweitniederlassung in einem anderen Mitgliedsstaat haben. Prioritätsanmeldung Prioritätsanmeldung ist die Erstanmeldung eines Patentes. Nachfolgende Anmeldungen von Patenten auf Basis derselben Technologie (bis 12 Monate nach Prioritätsanmeldung) in anderen Ländern können sich auf das Anmeldedatum der Prioritätsanmeldung beziehen, ohne bereits zu diesem Zeitpunkt im dem jeweiligen Land angemeldet gewesen zu sein. <?page no="317"?> 316 Glossar Produktentwicklung Die Erarbeitung neuer Leistungsbündel oder Verbesserungen, um ökonomisches Wachstum für ein Unternehmen zu erzeugen. Quality Gate Stufe der Wertschöpfung im Rahmen der Herstellung eines immateriellen Vermögenswertes, die erreicht sein muss, wenn die Forschungsphase zu Ende ist und die Entwicklungsphase beginnt. Die genaue Beschreibung des Quality Gates ist deshalb von Bedeutung, weil die projektbezogenen Ausgaben in der Forschungsphase als Aufwand und die projektbezogenen Ausgaben in der Entwicklungsphase Aktivum ausgewiesen werden. Real time integration Technische Ausstattung eines Systems der Finanzberichterstattung, die es ermöglicht, von verschiedenen Stellen aus Daten einzuspeisen, die sofort verarbeitet und für die anderen Teilnehmer an dem System sichtbar werden. Beispielsweise können in online-Informationssystemen von den dezentralen Einheiten Daten eingegeben werden, die sofort verarbeitet und in der Konzernzentrale abgerufen und dort weiterverarbeitet werden können. Risiken Risiken in der IT sind die Wahrscheinlichkeit und die Auswirkung daraus, dass die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens durch Kompromittierung, Manipulation, Beschädigung oder Störung von Daten und IT-Systemen beeinträchtigt werden kann. Risikoanalyse Untersuchung von Risiken und Risikozusammenhängen sowie deren quantitativen Auswirkungen hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit und mutmaßlicher Schadenshöhe sowie Kumulationseffekten. Risikoanalysen werden regelmäßig mit Hilfe von Simulationen und Monte Carlo-Analysen durchgeführt und dienen der Bestimmung von Risikomanagementmaßnahmen wie Risikovermeidung, Risikoverminderung, Risikoübertragung und Risikotragung. Schutzziele Die Schutzziele der IT-Sicherheit sind primär Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit: [1] Vertraulichkeit wird dadurch gewährleistet, dass Aktivitäten unberechtigter Personen und Systeme verhindert werden. Zutrittskontrollmechanis- <?page no="318"?> Glossar 317 men verhindern das unberechtigte Eindringen in physische und Zugriffskontrollmechanismen in virtuelle Bereiche. Physisch ist z.B. ein Rechenzentrum und virtuell ein Speicherort für sensible Dateien. Eine Antiviren- Software verhindert, dass schädliche Software von unberechtigten Personen und Systemen gestartet wird und anschließend Dateien verändert oder abgegriffen werden. Schädliche Software sind vor allem Viren, Würmer und Trojaner. Eine Verschlüsselung von Daten verhindert, dass abgegriffene Daten gelesen werden können, z. B. durch das Mitschneiden des Netzwerkverkehrs oder den Diebstahl eines Computers. Eine Erhöhung des Sicherheitsbewusstseins der Anwender verringert das Risiko, dass Anwender Opfer von Social Engineering werden, bei dem Angreifer über zwischenmenschliche Kommunikation eine Manipulation ihrer Opfer erreichen wollen. [2] Um die Integrität von Daten zu gewährleisten, werden in der IT-Sicherheit drei Prinzipien angewandt: Das Need-to-Know-Prinzip besagt, dass jeder Anwender nur so viele Berechtigungen haben darf, wie er für seine Aufgabenerfüllung unbedingt benötigt, so dass unberechtigte Manipulationen außerhalb seines Aufgabenbereichs verhindert werden. Beim Separation-of-Duties-Prinzip muss jeder Geschäftsprozess von mehr als einem Anwender bearbeitet werden, so dass Manipulationen bemerkt werden können. Das Rotation-of-Duties-Prinzip sorgt dafür, dass die Aufgabenbereiche zwischen den Anwendern regelmäßig getauscht werden, so dass ein abwesender Anwender durch Kollegen vertreten werden kann und Manipulationen durch diese Kollegen bemerkt werden können. Die Maßnahmen, die zum Schutz der Vertraulichkeit genutzt werden, dienen auch zum Schutz der Integrität. Denn wenn Daten nicht kompromittiert werden können, können sie in der Regel auch nicht beschädigt oder manipuliert werden. [3] Verfügbarkeit wird gewährleistet, indem die Systeme und die Infrastruktur, die zum Zugriff auf die benötigten Daten notwendig sind, zur Nutzung bereitstehen und genügend Kapazitäten besitzen, um alle Anfragen schnell genug abzuarbeiten. Angreifer können die Verfügbarkeit gefährden, indem sie Systeme mit Anfragen überfluten und somit eine Dienstverweigerung der Systeme herbeiführen. Eine Absicherung gegen Angreifer kann unter anderem mit einer Web Application Firewall erreicht werden, die dem Schutz von Internetanwendungen dient. Kapazitätsplanungen können eine zu starke Auslastung der Systeme, z.B. aufgrund von Personalzuwachs, verhindern. Kapazitäten können auch durch äußere Einflüsse, z.B. Umweltkatastrophen, gefährdet werden. Zur Vorbeugung ist ein Business Continuity Management notwendig, bei dem geplant wird, wie der Geschäftsbetrieb im Fall von Störungen aufrechterhalten werden kann. Ein Teil von Business Continuity Management ist Disaster Recovery, beim dem nach einem Totalausfall eine möglichst schnelle Wiederherstellung des Geschäftsbetriebs erreicht werden soll. <?page no="319"?> 318 Glossar Schwellenländer Länder mit einem hohen Wirtschaftswachstum, die sich vom Entwicklungsland zum Industrieland entwickeln. Die bekanntesten Schwellenländer sind Brasilien, Russland, Indien und China - die sogenannten BRIC-Länder. Service Design-Prozesse Die Service Design umfasst die folgenden Prozesse: Service Level Management: Aushandlung von Vereinbarungen mit Kunden, Ausrichtung des Designs von Services an Service Levels, Sicherstellen, dass Vereinbarungen angemessen sind, Überwachen und Berichten von Service Levels, Service Catalogue Management: Servicekatalog erstellen und pflegen, akkurate Informationen über aktuelle und geplante Services für Kunden und andere ITIL-Prozesse bereitstellen, Availability Management: Definieren, Analysieren, Planen, Messen und Verbessern der Verfügbarkeit von Services, Sicherstellen, dass unter anderem angemessene Infrastruktur und Prozesse dafür vorhanden sind, Information Security Management: Sicherstellen von Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit der Daten und Services im Unternehmen, in der Regel als Bestandteil eines unternehmensweiten Security Managements, Supplier Management: Sicherstellen, dass alle Vereinbarungen und Verträge mit Lieferanten den Geschäftsanforderungen gerecht werden und dass die Lieferanten ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllen, Capacity Management: Sicherstellen, dass mit den Services und der Infrastruktur die vereinbarten Service Levels kosteneffektiv und zeitnah erfüllt werden können, Planung aller benötigten Ressourcen, IT-Service Continuity Management: Umgang mit Risiken, die sich auf Services auswirken können, Reduzierung von Ausfallrisiken und Planung einer Wiederherstellung, Design Coordination: Koordination aller Aktivitäten, Prozesse und Ressourcen, die für das Design von Services eingesetzt werden, Sicherstellen von Konsistenz und Effektivität beim Design neuer oder geänderter Services sowie relevanter Systeme und Prozesse, Compliance Management: Sicherstellung der Einhaltung von Richtlinien und gesetzlichen Vorgaben durch Services, Prozesse und Systeme, IT Architecture Management: Planung der zukünftigen Entwicklung der Technologielandschaft unter Berücksichtigung der Service Strategy und neuer Technologien, Risk Management: Identifizieren, Bewerten und Steuern von Risiken, Festlegen des Werts von Vermögensobjekten, Bedrohungen und Schwachstellen analysieren. <?page no="320"?> Glossar 319 Service Operation-Prozesse Die Service Operation umfasst die folgenden Prozesse: Incident Management: Verwaltung von Vorfällen über ihren gesamten Lebenszyklus, Anbieten von schnellen Lösungen für Kunden, Problem Management: Verwaltung von Problemen über ihren gesamten Lebenszyklus, Verhindern von neuen Vorfällen oder zumindest Reduzierung ihrer Auswirkungen, proaktive Datenauswertung zum Erkennen von Trends und Problemen, Event Management: Sicherstellen, dass Configuration Items und Services ständig überwacht werden, Filtern und Kategorisieren von Meldungen, um angemessen reagieren zu können, Request Fulfillment: Erfüllen von Service-Anfragen mithilfe von meist geringfügigen Änderungen oder Decken von Informationsbedarf, Access Management: Zuweisung an Nutzungsrechten für Services an berechtigte Benutzer und Blockieren von nicht berechtigten, Umsetzung von Sicherheitsrichtlinien, IT Operations Control: Überwachen und Steuern von Services und der benötigten Infrastruktur, Routineaufgaben zur Wartung, Backup und Wiederherstellung, Druck- und Ausgabe-Verwaltung, Facilities Management: Verwalten der physischen Umgebung, welche die IT-Infrastruktur umfasst, z.B. Stromversorgung, Kühlung, Zugangsschutz und Überwachung, Application Management: Verwaltung der Applikationen, die für Services benötigt werden, über ihren gesamten Lebenszyklus, Technical Management: Bereitstellen von technischer Expertise und Unterstützung für die Verwaltung der IT-Infrastruktur. Service Strategy-Prozesse Die Service Strategy umfasst die folgenden Prozesse: Strategy Management: Bewertung der Fähigkeiten und Angebote des Service-Anbieters, der Wettbewerber und des Markts, um eine Strategie der Angebote gegenüber Kunden zu finden, und die Umsetzung der Strategie, Service Portfolio Management: Verwaltung des Service Portfolios und Sicherstellung, dass die richtige Kombination von Services angeboten wird, um erforderliche Geschäftsfunktionen kosteneffektiv abzudecken, Financial Management: Verwaltung des Budgets, der Buchhaltung und der Leistungsverrechnung des Service Anbieters, Demand Management: Maßnahmen, um Kundenanforderungen zu verstehen, vorherzusagen und zu beeinflussen, Informationsbeschaffung für das Capacity Management, Business Relationship Management: Pflege einer guten Kundenbeziehung, Berücksichtigung der Bedürfnisse von bestehenden und potenziellen Kunden. <?page no="321"?> 320 Glossar Service Transition Prozesse Die Service Transition umfasst die folgenden Prozesse: Change Management: Steuern aller Änderungen in ihrem gesamten Lebenszyklus, vorteilhafte Änderungen sollen ohne Störung von Services unterstützt werden, Release and Deployment Management: Planung und Steuerung von Freigaben zur Überführung von Änderungen in Test- und Produktionsumgebungen, Sicherstellen, dass die Integrität der Produktionsumgebung geschützt wird und dass die richtigen Objekte freigegeben werden, Application Development: Bereitstellen von Applikationen und Systemen, die für die Funktionalität von Services benötigt werden, Entwicklung und Pflege von selbst entwickelter und Anpassung von fremd entwickelter Software, Knowledge Management: Erfassen, Analysieren, Speichern und Verteilen von Wissen und Informationen im Unternehmen, Erhöhung der Effizienz durch die zentrale Verfügbarkeit von Informationen, Service Asset and Configuration Management: Pflege von Informationen über alle Configuration Items, die für die Erbringung von Services benötigt werden, und ihrer Beziehungen untereinander, Tr an si ti o n Pl an ni ng and Su pp ort: P la nun g und Koord in ati on a lle r Re ssourcen zur Umsetzung von Projekten unter Berücksichtigung vorhandener Einschätzungen zu Zeit, Kosten und Qualität, Service Validation and Testing: Sicherstellen, dass die umgesetzten Änderungen und neuen Services die Kundenerwartungen erfüllen und dass der IT-Betrieb die neuen Services unterstützen kann, Change Evaluation: Bewertung von bedeutenden Änderungen, z.B. ein neuer Service oder eine grundlegende Anpassung, bevor diese in die nächste Phase ihres Lebenszyklus übergehen. Sprinklerstrategie Alle relevanten Schlüsselmärkte werden simultan abgedeckt. Die vorhandenen finanziellen und personellen Ressourcen werden auf alle bedeutenden Märkte verteilt, so dass innerhalb von kurzer Zeit Präsenz in möglichst vielen Ländern erreicht wird. Dabei sollen auf Schlüsselmärkten wichtige Kunden möglichst schnell gewonnen werden. Stakeholder Referenzgruppen eines Unternehmens, die Einfluss auf die Unternehmenstätigkeit ausüben. Man unterscheidet Stakeholder i.e.S., die durch vertragliche Beziehungen oder wirtschaftlichen Einfluss mit dem Unternehmen verbunden sind von Stakeholdern i.w.S., die über marktmäßige Beziehungen bei der Unternehmenspolitik berücksichtigt werden müssen. Beispiele für Stakehol- <?page no="322"?> Glossar 321 der i.e.S. sind Eigen- und Fremdkapitalgeber, Kunden, Lieferanten etc. Stakeholder i.w.S. sind z.B. Nichtraucherorganisationen für einen Zigarettenhersteller. Technologiemanagement Planung, Organisation, (Durch-) Führung und Kontrolle des Einsatzes von Technologien im Rahmen der Leistungserstellungsprozesse und in den Produkten von Unternehmen. Dabei bezeichnet der Begriff der Technologie die praktische Anwendung naturwissenschaftlich technischen Wissens zur Realisierung von Leistungsmerkmalen von Produkten und Betriebsmitteln. Trusted accounting Qualitätsgesichertes und regelmäßig vom Abschlussprüfer geprüftes Rechnungswesen, das einer Qualitätssicherung und Prüfung zugänglich ist. Ausschlaggebend dafür ist regelmäßig der risikoorientierte Prüfungsansatz. Umsatzkostenverfahren Form der GuV-Darstellung, die im operativen Ergebnis die Erträge und Aufwendungen der verkauften Einheiten gegenüberstellt. Im Gegensatz dazu zeigt das Gesamtkostenverfahren die Erträge und Aufwendungen der produzierten Einheiten. Im Umsatzkostenverfahren sind die Aufwendungen nach Kostenstellen gegliedert (Herstellung, Verwaltung, Vertrieb) und die Zwischensummen sind das Bruttoergebnis vom Umsatz, das operative Ergebnis, das Finanzergebnis und das Gesamtergebnis vor und nach Steuern. Bestandsveränderungen sind nicht in der GuV-Rechnung, sondern nur in der Bilanz erkennbar. Das Umsatzkostenverfahren ist nur bei Vorhandensein einer ausgebauten Kosten- und Leistungsrechnung, insbesondere Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung möglich und besitzt eine formale Ähnlichkeit zur Deckungsbeitragsrechnung. Während nach HGB und IFRS sowohl Gesamtals auch Umsatzkostenverfahren zulässig sind, ist nach US-GAAP ausschließlich das Umsatzkostenverfahren zulässig. Value added Analyse Untersuchung, welche Aktivitäten wertschöpfend sind und welche nicht. Daraus wird abgeleitet, welche Bedeutung diese Aktivitäten für den Abschlusserstellungsprozess haben und mit welchem Faktoreinsatz sie unterstützt werden. Verkaufspreis Der Betrag, der durch den Verkauf eines Vermögenswertes in einer Transaktion zu Marktbedingungen zwischen sachverständigen, vertragswilligen Parteien nach Abzug der Veräußerungskosten erzielt werden könnte. (IAS 36.6) <?page no="323"?> 322 Glossar Verlustvorträge Nach § 10 d EStG sind nicht ausgeglichene negative Einkünfte, in den folgenden Veranlagungszeiträumen bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Million Euro unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 Prozent des 1 Million Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustvortrag). Daraus folgt, dass mit dem Verlustvortrag eine künftige steuerliche Entlastung verbunden ist, wenn der Verlustvortrag genutzt werden kann, d.h. wenn ausreichend steuerliche Einkünfte zur Verrechnung zur Verfügen stehen werden. Insofern sind auf verwertbare steuerliche Verlustvorträge aktive latente Steuern zu bilden. Verprobung Bei der Verprobung werden den Daten des betrieblichen Rechnungswesens andere bekannte oder als richtig angesehene (qualitätsgesicherte) Informationen gegenübergestellt und die Ergebnisse dieser Gegenüberstellung interpretiert. Es geht um die Überprüfung der Plausibilität von Daten des Rechnungswesens anhand einer Konfrontation mit anderen Daten innerhalb oder außerhalb des Rechnungswesens. Beispiele sind Überprüfung des Wareneinsatzes anhand des Umsatzes und der Kalkulationsgrundlagen (Handelsspanne) Überprüfung der Forderungen anhand der Umsätze und der Zahlungsbedingungen. Verschlüsselungsstandards I.) Bekannte Standards für eine symmetrische Verschlüsselung sind der Data Encryption Standard (DES), der Triple Data Encryption Standard (3DES) und der Advanced Encryption Standard (AES): [1] Der DES wurde im Jahr 1975 durch IBM entwickelt und im Jahr 1976 durch das National Institute of Standards and Technology (NIST) zertifiziert. Der Standard beschreibt einen Algorithmus, der mit Blockverschlüsselung arbeitet. Im Gegensatz zur Stromverschlüsselung, bei dem jedes Zeichen einzeln mit einem Schlüsselstrom verknüpft wird, arbeitet die Blockverschlüsselung mit der Zerlegung der Daten in gleich große Blöcke, die mit demselben Schlüssel verschlüsselt werden. Beim DES werden die zu verschlüsselnden Daten in 64 Bit große Blöcke aufgeteilt und einzeln verschlüsselt. Der Schlüssel besitzt eine Größe von 56 Bit. Da die 2 hoch 56 Möglichkeiten des Schlüssels mit der heutigen Technik in wenigen Stunden durchlaufen werden können, gilt der DES heute als unsicher. [2] Der 3DES ist der Nachfolger vom DES und kombiniert drei Schlüssel, die jeweils eine Größe von 56 Bit besitzen und nicht unterschiedlich sein müssen. Effektiv entspricht die Nutzung von drei unterschiedlichen <?page no="324"?> Glossar 323 Schlüsseln einem Schlüssel mit einer Größe von 168 Bit. Die Daten werden dreimal verschlüsselt (DES-EEE) oder verschlüsselt, entschlüsselt und wieder verschlüsselt (DES-EDE). Bei jeder Ver- oder Entschlüsselung wird ein anderer Schlüssel genutzt. Der 3DES ist zwar leicht zu implementieren, allerdings gibt es mittlerweile andere Standards, die weniger Rechenleistung benötigen, wie Rivest Cipher 6 (RC6) und Blowfish. [3] Der AES wurde von Joan Daemen und Vincent Jijmen unter dem Namen Rijndael entwickelt. Er besitzt eine variable Block- und Schlüsselgröße. Ein Schlüssel mit der Größe 256 Bit gilt heute als unknackbar. II.) Bekannte Standards für eine asymmetrische Verschlüsselung sind RSA, Digital Signature Standard (DSS) und Diffie-Hellman (DH): [1] RSA steht für die ersten Buchstaben der Nachnamen von Ronald Rivest, Adi Shamir und Leonard Adleman, die den Standard im Jahr 1977 entwickelten. Die Grundlage der Verschlüsselung beim RSA ist die Nutzung von Primzahlen, um den privaten und öffentlichen Schlüssel zu generieren. Um vom öffentlichen Schlüssel zurück auf den privaten Schlüssel zu gelangen, müsste man eine technisch sehr aufwendige Primfaktorzerlegung durchführen. Die Zerlegung einer großen Zahl in ihre Primfaktoren ist ein Problem, bei dem selbst leistungsstarke Computer keine effiziente Berechnung durchführen können. Der RSA-Standard wird unter anderem durch viele Webbrowser (SSL-Funktionalität) und durch sichere Netzwerkprotokolle (IPSec) verwendet. [2] Der DSS ist ein Standard vom NIST, der im Jahr 1994 veröffentlicht wurde und einen Algorithmus für digitale Signaturen (engl. Digital Signature Algorithm oder kurz DSA) spezifiziert. Der DSS bezweckt ausschließlich die Signatur von Daten und nicht deren Verschlüsselung. Es wird also nur die Integrität und nicht die Vertraulichkeit geschützt, da Manipulationen zwar bemerkt werden, ein Angreifer die Daten jedoch unbemerkt kompromittieren kann. Der Hashwert beim DSS wird mithilfe des Hashing-Standards SHA-1 erstellt. [3] DH steht für die beiden Entwickler Whitfield Diffie und Martin Hellman, die den Standard DH im Jahr 1976 veröffentlichten. Der DH wird ausschließlich für die Aushandlung eines symmetrischen Schlüssels als Vorbereitung einer symmetrisch verschlüsselten Netzwerkverbindung genutzt. Der Schlüsselaustausch mit dem DH ist durch einen Man-in-themiddle-Angriff verwundbar. Daher ist die Kombination mit einer weiteren Authentifizierung der beiden Parteien untereinander, z.B. durch digitale Signaturen, zu empfehlen. Bei einem Man-in-the-middle-Angriff schaltet sich der Angreifer direkt in den Kommunikationskanal zwischen zwei Kommunikationspartnern, die Daten austauschen. Bei einem erfolgreichen Man-in-the-middle-Angriff kann der Angreifer die Daten unbemerkt einsehen und manipulieren. <?page no="325"?> 324 Glossar Vollkostenbewertung Vorschrift, wonach die Bestandsbewertung der Vorräte und selbst erstellten Anlagegegenstände alle für die Herstellung angefallenen Kosten umfasst. Das bedeutet, dass die wahlweise Einbeziehung von Aufwandsarten, z.B. nach § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB, im Sinne einer Aktivierung ausgeübt wird. Die Folge ist, dass in der Produktionsperiode ein Gewinn von Null entsteht und in der Verkaufsperiode ein Gewinn in Höhe der Differenz zwischen den zu Vollkosten bewerteten Herstellungskosten und dem Verkaufspreis entsteht. Wasserfallstrategie Neue, ausländische Absatzmärkte werden sukzessive erschlossen, d.h. sie werden nacheinander und nach ausgiebiger Informationssuche bearbeitet. Typischerweise werden zuerst die Länder erschlossen, die dem Heimatland am ähnlichsten sind. Wertaufholung Buchhalterischer Vorgang, durch den die Wirkungen einer außerplanmäßigen Abschreibung früherer Jahre rückgängig gemacht werden, wenn die Gründe für die außerplanmäßige Abschreibung in späteren Jahren weggefallen sind. Sie ist für alle Vermögensgegenstände vorgeschrieben mit Ausnahme des Goodwills (§ 253 Abs. 5 HGB). Zahlungsbemessungsfunktion Unter der Zahlungsbemessungsfunktion versteht man die Aufgabe des Jahresabschlusses neben der Information außenstehender Stakeholder die erfolgsabhängigen Zahlungen zu quantifizieren. Als solche kommen in Betracht: Dividenden, Ertragsteuerzahlungen, Erfolgsbeteiligungen an Arbeitnehmer und Tantiemen an Manager (Bonuszahlungen). Die Zahlungsbemessungsfunktion befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen positiven und negativen Zahlungsbemessungsinteressen. Negative Zahlungsbemessungsinteressen, also das Bestreben, möglichst wenig erfolgsabhängige Zahlungen abfließen lassen zu müssen, haben die Gläubiger. Der Gläubigerschutz ist v.a. bei haftungsbeschränkten Rechtsformen von besonderer Bedeutung, weil jeder Euro, der als erfolgsabhängige Zahlung das Unternehmen verlässt, die Haftungsmasse vermindert, die den Gläubigern zur Befriedigung ihrer Ansprüche zur Verfügung steht. Daher gibt es gesetzliche Gläubigerschutzvorschriften sowohl im Bereich der Gewinnermittlung (Vorsichtsprinzip, Niederstwert- und Imparitätsprinzip) wie auch im Bereich der Gewinnverwendung (z.B. § 58 Abs. 4 AktG). Zero-Day-Exploit Der Tag Null (Zero Day) gilt solange, bis ein Patch vom Softwarehersteller erstellt wurde, der diese Sicherheitslücke schließt. Ab da zählen die Tage be- <?page no="326"?> Glossar 325 ginnend bei Eins aufwärts. Ein Schutz vor Zero-Day-Exploits bieten Workarounds, die das Risiko einer Ausnutzung verringern sollen. Erst wenn die Sicherheitslücke geschlossen wurde und ein Patch verfügbar ist, kann sie durch die Patch-Installation vollständig beseitigt werden. <?page no="328"?> DDiiee AAuuttoorreenn Beißel, Stefan, Dr. Information Security Officer, Corporate Compliance bei Blue Cross of Idaho, Meridian, ID, USA. Brem, Alexander, Prof. Dr. Diplom-Kaufmann Professor Dr. Alexander Brem ist als Professor für Technologie- und Innovationsmanagement an der University of Southern Denmark (Sønderborg/ DK) tätig. Am dortigen Mads Clausen Institut leitet er zudem die Innovation & Business Gruppe. Er ist Mitgründer der VEND consulting GmbH sowie von quer.kraft - dem Innovationsverein. Hannemann, Gerfried, Prof. Dr. sc. em. Hochschule für Technik und Wirtschaft, Berlin, Internationaler Handel und Internationales Finanzmanagement. Heyd, Reinhard, Prof. Dr. Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Rechnungswesen und Bilanzierung an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Aalen im Studiengang Internationale Betriebswirtschaftslehre, Honorarprofessor an der Universität Ulm. Höhne, Dora, MA freie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kompetenzzentrum Internationale Innovations- und Mittelstandsforschung, Berlin. Irrgang, Bernhard, Prof. Dr. Dr. Technische Universität Dresden, Philosophische Fakultät, Institut für Philosophie Technikphilosophie, Dresden. Popp, Rebecca Internationale Dipl.-Kffr. (Univ.), freie Forschungsassistentin und freie Doktorandin am Kompetenzzentrum Internationale Innovations- und Mittelstandsforschung, Berlin. Schmeisser, Wilhelm, Prof. Dr. habil. Hochschule für Technik und Wirtschaft, Kompetenzzentrum Internationale Innovations- und Mittelstandsforschung, Berlin, Finanzierung und Investition, Personalwirtschaft und Organisation, Strategisches Management, insbes. Innovationsmanagement. <?page no="329"?> 328 Autorenverzeichnis Wolfram, Pierre Pierre Wolfram ist Referent Innovationsmanagement in der Brose Fahrzeugteile GmbH & Co. KG. Zuvor arbeitete er im Rahmen eines Promotionsstudiums als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. freie Forschungsassistentin am Kompetenzzentrum Internationale Innovations- und Mittelstandsforschung, Berlin. <?page no="330"?> SSttiicchhwwoorrttvveerrzzeeiicchhnniiss 4C-Net-Business-Modell 227 Akkreditiv-Funktionen 139 Akkreditivs-Abwicklung 137 Antivirensoftware 239 Arbeitnehmerbeteiligung 187 Architektur integrierter Informationssysteme 231 Aristoteles, drei Arten des Wissens 285 Auditierbarkeit 103 Aufsichtsorgan 186 Außenfinanzierung 177 Authentifizierung 238 Autorisierung 238 Bank Payment Obligation (BPO) 158 Bedeutungsmatrix 226 besonderes Verhandlungsgremium 188 Beständebewertung 96 Board 187 Börsengang 178 Business Consolidation 103 Business Continuity Management 241 Business Impact Analysis 241 Cashflow Hedge 91 Cash-generating Units 94 Charakteristika von Entwicklungspfaden 280 Clean Payment 126 Completed Contract Methode 85 Continual Service Improvement 230 Controllingdaten 102 Crowdsourcing 210 Datenbereitstellung 98 Derivate 96 Differenzierung 202 Differenzierungsstrategie 202 Direktoren 187 Dokumentationsbereitstellung 99 Dokumenten-Akkreditiv 133 Dokumenten-Inkasso 131 drei Dimensionen von Einbettungsfaktoren 293 drei Ebenen der Gestaltung 294 drei Ebenen der Normativität von Entwicklungspfaden 294 drei Formeln des Kategorischen Imperatives 282, 283 Drei-Ebenen-Modell von Schein 20 dualistisches System 186 Dynamik kultureller Begegnungssituationen 40 Effektivitätstest 91 Eigenfinanzierung 177 Eigenkapitalquote 71 Eigenkapitalrentabilität 71 <?page no="331"?> 330 Stichwortverzeichnis Einbettungsfaktoren, drei Dimensionen von - 293 Einzelabschluss 75 embeddedness 199 Enterprise Wide Information Management 222 Entwicklungskosten 100 Entwicklungspfade - Charakteristika von -n 280 - Drei Ebenen der Normativität von -n 294 - Theorie technisch-ökonomischer - 295 - Vierfach-Perspektive technologischer - 279 ERA 600 136 Ergebnissegmentrechnung 107 ERI 522 132 erweiterte Mehrstaatlichkeit 183 Ethik 24 - Klugheits- 292 ethische Einsicht, Wissenschaftlichkeit 287 ethnozentrisch 201 Exportdokumente, Funktionen 128 Exportrisiken 117 F&E Management 206 Fair Value 77, 86 Fair Value Bewertung 99 Fair Value Hedge 90 Fair Value-Bestimmung 98 Fast Close 102 Fast Close Projekt-Checkliste 103 Finance Lease 92 Finanzberichterstattung 74, 76, 97, 101 Finanzrisikoberichterstattung 108 Firewall 238 Forschung & Entwicklung 252 geozentrisch 202 Gerechtigkeit 293 Gesamtkostenverfahren 87 Geschäftsmodellinnovation 205 Gestaltung. drei Ebenen der - 294 gleichberechtigter kultureller Austausch 38 Gründung durch Verschmelzung 183 Gründungsplan 184 Handlung - Maß einer - 291 - Sittlichkeit der - (integrale Definition) 291 - Zurechenbarkeit einer - 288 Harmonisierung 79 Härtung 239 Hashing 242 Hauptversammlung 187 Hedge Accounting 90 Holding-SE 183 <?page no="332"?> Stichwortverzeichnis 331 immaterielle Vermögenswerte 79 Impairmenttest 94, 95, 99, 108 Impairmenttests 98 Imperative, hypothetische und kategorische 281 inclinationes naturales 292 Information Technology Infrastructure Library 229 Informationswirtschaft 69 Innenfinanzierung 177 Innovation 204, 296 Innovationskultur 208 Innovationsmanagement 206, 255 Innovationsprozess 208, 257 Innovationsstrategie 208 institutionentheoretische Pfadabhängigkeit 276 integriertes Ideenmanagement 210 Interkulturalität 37 interkulturelle Kommunikation 46 interkulturelle Kompetenz 41 interkulturelles Training 51 Internationales Marketing 197 Internationalisierung 252 Invention 204 Islam 23 IT-Compliance 244 IT-Sicherheit 237 kalkulatorische Kosten 108 Kants Metaethik 281 Kategorischer Imperativ, drei Formeln des - 282, 283 Key Management 242 Klugheit, bei Thomas von Aquin 287 Klugheitsethik 292 Kommunikation, interkulturelle 46 Kompetenz, interkulturelle 41 Konditional-Zusammenhänge 278 Konzernabschluss 75 Kosten, kalkulatorische 108 latente Steuern 95, 99 Leasing 92 Legitimation 279 Leitungsorgan 186 Management Approach 78, 98 Management Consolidation 103 Managemententscheidungen 97 Marketing 197 Marketinginnovation 205 Marketing-Mix 203 Marketingstandardisierung 201 market-pull 206 Maß einer Handlung 291 Matching Principle 80, 87 Maximen, Überprüfungsverfahren 284 Mehrstaatlichkeit 182 Metaethik 281 Methodenbereitstellung 99 <?page no="333"?> 332 Stichwortverzeichnis Minderheitenschutzrecht 183 Modellierung 231 monistisches System 187 Neoklassik, Rationalitätsannahmen der - 278 Netnographie 210 Netzwerksegmentierung 247 Netzwerktechnologien 276 Nützliches und Sittliches 289 Operate Lease 92 Organisationsinnovation 205 Percentage of Completion Methode 107 Percentage of Completion- Methode 85 Performance Measurement 103 Pfadabhängigkeit 275 institutionentheoretische 276 Philosophie 17 polyzentrisch 202 Preis und Würde 282 Produktinnovation 205 Prognosenbereitstellung 98 Prozessinnovation 205 Prozessmanagement 102 Prozessstandardisierung 201 Pull-Innovation 206 Punkt-zu-Punkt-Verschlüsselung 246 Push-Innovation 206 Qualitätssicherung 99 Qualitätsverbesserung 105 Rationalitätsannahmen der Neoklassik 278 Religion 17, 22 Reportingprozesse 101 Reportingsystem 101 Risikobewältigungsmethode 237 Risikobewertung 234 Risikomanagement 233 Router 239 Scheidepunkte 280 Schutzziele 237 SEAG 181 SEBG 181 SEEG 181 Segmentbericht 86 sekundäre Gründungsform 182 SE-RL 181 Service Design 230 Service Operation 230 Service Strategy 230 Service Transition 230 SE-VO 181 sichere Softwareentwicklung 239 Sittliches, Nützliches und - 289 Sittlichkeit 288 Sittlichkeit der Handlung, integrale Definition 291 Sitzverlegung 185 Sozialinnovation 205 <?page no="334"?> Stichwortverzeichnis 333 Soziologie 277 Sprinkler-Strategie 200 Standardisierung 201 Standardvorschriften 188 Steuern, latente 95, 99 Strategic Alignment Model 223 Switch 239 Technokratie 274 Technologiemanagement 206 technology-push 206 Theorie technisch-ökonomischer Entwicklungspfade 295 Theorie/ Praxis 286 Thomas von Aquin, Klugheit 287 Tokenisierung 246 Training, interkulturelles 51 Triade 204 Typologie von Unternehmenskulturen nach Deal/ Kennedy 26 Überprüfungsverfahren von Maximen 284 Umsatzkostenverfahren 87 Umstände 288 Umwandlung 184 Umwandlungsplan 185 Uniformed Rules for BPO 750 158 Universalisierungsverfahren 284 Unternehmen, multinationale 255 Unternehmenskultur 19, 31 Wandel 34 Unternehmenskulturforschung 18 Value Based Management 103 Verallgemeinerungstest 285 Verhandlungsgremium 188 Verlegungsplan 186 Vermögenswerte, immaterielle 79 Verschlüsselung 241 Verschmelzung 183 Verschmelzungsplan 183 Verwaltungsrat 187 Vierfach-Perspektive technologischer Entwicklungspfade 279 Vollkostenbewertung 107 Wandel der Unternehmenskultur 34 Wasserfallstrategie 200 Wegzug 183 wettbewerbsbezogene Selektion 198 Wille 289 - und Ziel, Beratung 290 Wirtschaftsethik 22 Wissen, Aristoteles drei Arten des -s 285 Wissenkönnen 286 Wissenschaftlichkeit ethischer Einsicht 287 <?page no="335"?> 334 Stichwortverzeichnis Zahlungsbedingungen dokumentäre 131 internationale 121 Merkmale 122 nichtdokumentäre 123, 130 Zahlungsbemessungsfunktion 72 Zerstörung, schöpferische 277 Zertifikate 243 Ziel 291 Zurechenbarkeit einer Handlung 288 Zusammenhänge, Konditional- 278 <?page no="336"?> www.uvk.de Das Vorstellungsgespräch ist geschafft und der erste Arbeitsvertrag unterschrieben. Nun müssen sich Berufseinsteiger im Arbeitsalltag behaupten. Das ist nicht nur fachlich eine Herausforderung, denn auch die Kommunikation in einem Unternehmen unterscheidet sich ganz wesentlich von der in Schule oder Studium. Im Gespräch mit Vorgesetzten, dem Umgang mit fairen und unfairen Kollegen oder aber in Verhandlungssituationen mit Dienstleistern und Kunden gibt es Spielregeln und Kniffe, die jeder Berufseinsteiger kennen sollte. Zu Beginn stellen die Autoren die unterschiedlichen Rednertypen im Profil vor und gehen auf deren Stärken und Schwächen ein. Darauf aufbauend geben sie dem Leser das rhetorische Rüstzeug für wichtige Kommunikationssituationen, wie zum Beispiel einen Vortrag, das direkte Gespräch, das Kundengespräch, das Verkaufsgespräch und eine Verhandlung an die Hand mit Tipps und Checklisten. Harald Schäfer, Burkhard Schäfer Business-Rhetorik für Berufseinsteiger 2017, 230 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-552-2 Für den perfekten Berufseinstieg <?page no="337"?> www.uvk.de Verhandeln wie professionelle Ein- und Verkäufer Der Erfolg gibt ihnen Recht: die Everest-Methode von Jörg Pfützenreuter und Thomas Veitengruber ist bei Konzernen und Mittelständlern gleichermaßen gefragt. Seit Jahren coachen sie Vertriebler und Einkäufer und lassen die eine Seite in die Karten der anderen schauen. Am Ende entscheidet die strategische, taktische und psychologische Raffinesse, wer als Sieger vom Verhandlungstisch aufsteht. Ein Buch für alle, die im Einkauf oder Vertrieb arbeiten und ihr Verhandlungsgeschick um den alles entscheidenden Gipfelmeter voranbringen wollen. Jörg Pfützenreuter, Thomas Veitengruber Die Everest-Methode Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer 2015, 230 Seiten, flex. Einb. ISBN 978-3-86764-549-2