Stay cool - überzeugend präsentieren
Studieren im Quadrat
0116
2017
978-3-7398-0249-7
978-3-8676-4765-6
UVK Verlag
Jens Starke-Wuschko
Ihr Ratgeber für überzeugendes Präsentieren!
Präsentationen vor Dozenten und Kommilitonen gehören für Studierende zum Alltag. Viele werden aber schon beim Gedanken an das Halten eines Vortrags nervös. Dieser Ratgeber hilft Ihnen dabei, cool zu bleiben.
Der Autor erläutert verständlich und umsetzbar, was eine gute Präsentation ausmacht: Aufbau und Stil eines Vortrags, Körpersprache und der Umgang mit Nervosität, der richtige Einsatz von Präsentationsprogrammen, das Eingehen auf das Publikum und die Auswahl des richtigen Raums.
Das Besondere: Zu praktisch jedem Tipp, den Ihnen dieser Ratgeber vorstellt, hat der Autor zur Veranschaulichung Videobeispiele aus dem Internet aufgeführt. Denn: Präsentieren ist nicht schwer, es will einfach nur gelernt sein!
<?page no="2"?> Studieren im Quadrat <?page no="3"?> Was bedeutet Studieren im Quadrat? Erfolgreich studieren, das ist leichter gesagt als getan. Denn zwischen Hörsaal, Bibliothek und Prüfungen gibt es im Studi-Alltag so manche Herausforderung zu meistern. Die UVK-Reihe »Studieren im Quadrat« hilft Ihnen dabei, in allen Lebenslagen cool zu bleiben - vom Praktikum über die Studienkrise bis hin zur Gründung des ersten Start-ups. Also keine Sorge, die bunten Bücher stehen Ihnen bei Fragen rund ums Studium bei. Bislang sind erschienen: Mein Praktikum: Bewerben, einsteigen, aufsteigen Erfolgreich gründen: Start-Up im Studium Vom Studenten zum Chef Don‘t Panic! Studienabbruch als Chance Gechillt und entspannt durchs Studium Stay cool: Überzeugend präsentieren Beruf und Studium: Büffeln nach Feierabend <?page no="4"?> Jens Starke-Wuschko Studieren im Quadrat Stay cool Überzeugend präsentieren 2., bearbeitete Auflage UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz und München <?page no="5"?> Jens Starke-Wuschko ist selbständiger Coach für Präsentation und Kommunikation. Zuvor arbeitete er 16 Jahre lang in leitenden Positionen im Vertrieb bei Procter & Gamble. Dieses Buch erschien bisher bei utb. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. ISBN 978-3-86764-765-6 (Print) ISBN 978-3-7398-0248-0 (E-PUB) ISBN 978-3-7398- 0249-7 (E-PDF) © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2017 Umschlaggestaltung: Susannne Engstle und Susanne Fuellhaas UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531/ 9053-0 · Fax 07531/ 9053-98 www.uvk.de <?page no="6"?> Vorwort Viele Menschen betrachten Präsentationen als Schreckgespenst, vor dem sie Angst haben. Manche Menschen betrachten sie als notwendiges Übel. Eine kleine Gruppe sieht sie als Chance für sich selbst. Letztere haben einen unschätzbaren Vorteil. Denn Präsentationen sind nicht nur relevant für eine Abschlussnote im Seminar, sondern spielen im Berufsleben eine entscheidende Rolle für die eigene Entwicklung — egal in welchem Umfeld. Warum sind Präsentationen so wichtig? Für uns Menschen ist die direkte physische Kommunikation mit anderen Menschen essentiell. So erhalten wir Feedback auf uns und unser Tun. Das passiert sogar dann, wenn kein Wort gesagt wird. Unsere Körpersprache übernimmt diese Rolle. Zusätzlich zur Sprache und gleichzeitig. Aber was kann man tun, wenn man keine „Rampensau“ ist und Präsentationen nicht gerade liebt? Kein Problem! Überzeugend ist man nicht unbedingt, wenn man „auf den Putz haut“. Auch leise Menschen können großartige Reden halten. Ich selbst habe mich noch als 14-Jähriger kaum getraut, einen Termin beim Kieferorthopäden selbst auszumachen. So groß war das Lampenfieber, mit unbekannten Menschen zu sprechen. Heute halte ich Reden vor sehr großen Auditorien und freue mich sogar darauf. Wie kann man das erreichen? In meiner langjährigen Erfahrung als Manager und Präsentationscoach habe ich ein einfaches Konzept zum Erstellen überzeugender Präsentationen entwickelt, das MAP-Konzept. Es teilt das Thema in die drei wichtigsten Bereiche auf: Die Botschaft, das Publikum und den Auftritt. Alles, was Sie in diesem Buch lernen, ordnet <?page no="7"?> 6 Vorwort sich Ihrer Botschaft unter. Diese „Werkzeuge“ dienen einzig dem Zweck, Ihre Botschaft zu unterstützen, sie stärker zu machen. Zu praktisch jedem Werkzeug, das Ihnen dieses Buch vorstellt, habe ich für Sie Videobeispiele aus dem Internet gefunden. Dazu finden Sie an der jeweiligen Stelle im Buch einen QR-Code mit direktem Link auf eine Verlagsseite (www.uvklucius. de/ praesentieren) mit allen Links auf die über 20 Videobeispiele. Schauen Sie sich die angegebenen Filmsequenzen an, sie sind tolle Quellen der Inspiration! Überzeugend zu präsentieren kann jeder lernen. Auch Sie. Ich helfe Ihnen mit diesem Buch dabei. Wir haben diese 2. Auflage für Sie neu durchgesehen und verbessert. Viel Spaß beim Lernen und Ausprobieren! Viel Erfolg bei Ihren Präsentationen! Jens Starke-Wuschko <?page no="8"?> Inhalt Vorwort ............................................................................................................................................. 5 1 MAP-Technik..................................................................................................................... 11 1.1 Präsentieren im Studium........................................................................................11 1.2 Präsentieren ist Kommunikation.........................................................................12 1.3 Präsentieren ist Lernen ...........................................................................................13 1.4 Präsentieren macht Spaß .......................................................................................16 1.5 Präsentieren darf unterhalten - bitte! ...............................................................17 1.6 Mit der MAP-Technik zum Erfolg.........................................................................18 2 Message - Botschaft...................................................................................................... 21 2.1 Allgemein .................................................................................................................... 22 2.2 Klarheit..........................................................................................................................25 2.3 Strukturen....................................................................................................................29 2.3.1 Struktur Eins ...................................................................................................29 2.3.2 Struktur Zwei .................................................................................................32 2.3.3 Struktur Drei ...................................................................................................35 2.3.4 Struktur Logik ................................................................................................37 2.3.5 Struktur Bogen ..............................................................................................39 <?page no="9"?> 8 Inhalt 2.3.6 Struktur Geschichte ....................................................................................41 2.3.7 Struktur Metapher .......................................................................................43 2.3.8 Übersicht der Strukturen...........................................................................45 2.3.9 Kombination von Strukturen...................................................................46 2.4 Erinnerung ...................................................................................................................49 2.4.1 Gehirn und Erinnerung..............................................................................49 2.4.2 Sehen ...............................................................................................................51 2.4.3 Hören................................................................................................................54 2.4.4 Tasten...............................................................................................................56 2.4.5 Riechen und Schmecken...........................................................................57 2.4.6 Emotion ...........................................................................................................59 3 Audience - Publikum ....................................................................................................... 61 3.1 Bedürfnisse .................................................................................................................. 62 3.1.1 Bedeutung des Hirnstammes zum Präsentieren .............................63 3.1.2 Bedeutung der rechten und linken Gehirnhälfte zum Präsentieren ...................................................................................................65 3.2 Erwartungen ...............................................................................................................67 3.3 Kontext .........................................................................................................................69 3.3.1 Ort ......................................................................................................................69 3.3.2 Zeit.....................................................................................................................71 <?page no="10"?> Inhalt 9 3.3.3 Genereller Rahmen ......................................................................................73 3.4 Interaktion....................................................................................................................76 3.4.1 Warum ist Interaktion so wichtig? ..........................................................76 3.4.2 Wie kann ich interagieren? ........................................................................77 3.4.3 Umgang mit Publikumsfragen ................................................................87 4 Performance - Auftritt ................................................................................................... 91 4.1 Vorbereitung ..............................................................................................................93 4.1.1 Letzte Tage......................................................................................................95 4.1.2 Der Vorabend .................................................................................................96 4.1.3 Der Morgen oder Tag ..................................................................................97 4.1.4 Gleich geht es los..........................................................................................98 4.2 Basisregeln ............................................................................................................... 103 4.2.1 Sprache.......................................................................................................... 103 4.2.2 Stimme .......................................................................................................... 108 4.2.3 Körpersprache............................................................................................. 109 4.2.4 Verwenden von Medien.......................................................................... 111 4.2.5 Weitere Basisregeln................................................................................... 115 4.3 Kür................................................................................................................................ 119 4.3.1 Brechen der Basisregeln.......................................................................... 120 <?page no="11"?> 10 Inhalt 4.3.2 Flipchart und Tafel..................................................................................... 123 4.3.3 Bilder .............................................................................................................. 127 4.3.4 Requisiten..................................................................................................... 129 4.3.5 Raum .............................................................................................................. 132 4.3.6 Demonstration............................................................................................ 135 4.3.7 Rollenspiel .................................................................................................... 137 4.3.8 Weitere Personen auf der Bühne ......................................................... 138 4.3.9 Zwei Präsentatoren................................................................................... 140 4.3.10 Humor ......................................................................................................... 141 4.3.11 Musik............................................................................................................ 143 4.3.12 Verkleidung ............................................................................................... 145 4.3.13 Überraschung ........................................................................................... 146 4.3.14 Spannung................................................................................................... 148 5 Literatur ..............................................................................................................................151 Index.............................................................................................................................................153 <?page no="12"?> 1 MAP-Technik 1.1 Präsentieren im Studium Vor nicht einmal 20 Jahren war Präsentieren im Studium vielfach nur nötig etwa zum Abschluss von Hausarbeiten oder zur Verteidigung einer Doktorarbeit. In vielen Hochschulen und Fakultäten wurde wenig Wert auf eine hochwertige verbale Darstellung vor Publikum gelegt. Für Hochschullehrer gab es häufig gar keine Ausbildung zum guten Präsentieren. Geschweige denn für Studierende. Das hat sich grundlegend geändert. Heute müssen Studenten in vielen Fachbereichen häufig vor Kommilitonen und Lehrenden präsentieren. Nicht nur beim Abschluss des Studiums, sondern bereits in frühen Semestern. Im Berufsleben werden Präsentationen heute bereits im Bewerbungsprozess zu einem essenziellen Bestandteil. In sogenannten Assessment-Centern werden Bewerber auf Herz und Nieren geprüft und müssen sich und ihre Ideen vor anderen vorstellen. Leider gibt es heute immer noch nicht an allen Hochschulen Angebote im Curriculum zum Erlernen der nötigen Fertigkeiten für Präsentationen. Hier ist häufig die Eigeninitiative der Studierenden gefragt. Vielfach haben die extrovertierten Typen vermeintlich die Nase vorn. Dabei kommt es für den Erfolg von Präsentationen nur am Rande darauf an, ob jemand ein nach außen gekehrtes Naturell hat oder nicht. Es ist ein Trugschluss, dass sich Präsentationen an Hochschulen dadurch auszeichnen, dass sie besonders kompliziert und schwer verständlich sein müssen. <?page no="13"?> 12 1 MAP-Technik Entscheidend sind vielmehr die richtige Botschaft, eine klare Struktur und eine verständliche Darstellung. Sie müssen sich mit Ihrer Persönlichkeit wohlfühlen bei der Art und Weise wie Sie präsentieren. Natürlich müssen Sie auch darauf Rücksicht nehmen, was der Lehrende von Ihnen erwartet und welchen Stil er oder sie persönlich bevorzugt. Wie geht so etwas? Video 1 „Wir irren uns empor oder warum ist die Physik so erfolgreich? “ Schauen Sie sich die großartige Präsentation „Wir irren uns empor oder warum ist die Physik so erfolgreich? “ von Harald Lesch an. Diesen Vortrag hielt Lesch im Juli 2011 an der Universität Bayreuth. Er vereint hohen Anspruch an den Inhalt und einen unterhaltsamen, leicht verständlichen Stil. Mit Erfolg: Lesch wurde vom Deutschen Hochschulverband zum „Hochschullehrer des Jahres 2012“ gekürt. 1.2 Präsentieren ist Kommunikation Egal in welcher Form, an welchem Ort und vor welchem Publikum Sie präsentieren - Sie kommunizieren! Laut duden.de ist Kommunikation „Verständigung untereinander; zwischenmenschlicher Verkehr besonders mithilfe von Sprache, Zeichen“. Als Synonyme nennt duden.de unter anderem Informationsaustausch, Kontakt und Verständigung (http: / / www.duden.de/ rechtschreibung/ kommunikation). <?page no="14"?> 1.3 Präsentieren ist Lernen 13 Und genau darum geht es. Wir tauschen über Kommunikation Informationen untereinander aus. Wir verständigen uns über diese Informationen. Das findet statt über Zeichen oder über Sprache. Und natürlich gibt es noch zahlreiche andere Wege der Verständigung. Präsentationen sind für mich Kommunikation in Reinform. Durch sie können wir uns sehr effizient mit mehreren Menschen gleichzeitig verständigen. Wir Menschen brauchen einander und hören uns gerne gegenseitig zu. Vor allem dann, wenn ein Vortragender überzeugend ist. Wie das auch Ihnen gelingt, lernen Sie in diesem Buch! 1.3 Präsentieren ist Lernen Wir haben im vorhergehenden Abschnitt festgestellt, dass Präsentieren Kommunikation ist. Aber nicht nur das. Wenn unsere Zuschauer oder Zuhörer unseren Botschaften folgen können, dann lernen sie etwas. Das ist das eigentliche Ziel beim Präsentieren. Vor allem im akademischen Umfeld. Das Lernen geht aber noch weiter. Ich selbst lerne als Präsentator nämlich auch dazu. Das passiert durch Interagieren mit dem Publikum. Dann tauchen auf einmal Fragen auf, die ich mir selbst so nie gestellt habe. Oder ich merke, dass ein Punkt, den ich als zweitrangig betrachte, für meine Zuschauer in Wahrheit der Wichtigste ist. Vielleicht lerne ich auch durch einen Zuschauerkommentar, dass eine bestimmte Darstellungsmethode einer Problematik besonders leicht zu verstehen und zu behalten ist. 1982 stellte der amerikanische Erziehungswissenschaftler Howard Gardner sein Modell der „Multiplen Intelligenzen“ vor. Er verabschiedete sich vom einfachen Messen der Intelligenz über den IQ-Wert und führte sieben „Intelligenzdimensionen“ ein. Diese erweiterte er zwischenzeitlich auf neun. Obwohl seine Theorie <?page no="15"?> 14 1 MAP-Technik keine wissenschaftliche Evidenz in der heutigen Intelligenzforschung hat, enthält sie für an Lehre interessierte Menschen spannende Ansätze. Als einfaches Konzept hilft sie, zu verstehen, wie Lernen funktioniert. Welche Rolle die „Multiplen Intelligenzen“ für uns als Präsentatoren spielen, besprechen wir nun für die sieben ursprünglich von Gardner beschriebenen Intelligenzen. Diese sind die für das Präsentieren relevantesten. Je mehr Intelligenzen wir als Präsentator bei unserem Publikum ansprechen, desto leichter fällt diesem das Aufnehmen der Inhalte unserer Präsentation, das Lernen. [1] Die sprachlich-ling ui stis che Intellig enz d re ht s ic h gan z um S pr ache un d wi e wi r mit ih r ge s ch liff en u mg eh en. S ie ist n atü rl ich eine Kernintelligenz beim Präsentieren. Klare und einfache Sprache fordert uns Präsentatoren heraus. Es gilt, lange und versc hachtelte Sätze zu vermeiden. [2] Die logisch-mathematische Intelligenz ist die Kernintelligenz der Wissenschaft. Sie ist die Fähigkeit, Probleme logisch anzugehen, darzustellen und zu lösen. In einer wissenschaftlichen Präsentation erwartet Ihr Publikum selbstverständlich von Ihnen, dass Sie diese Fähigkeit zeigen. Sie müssen einen Sachverhalt logisch und nachvollziehbar erklären können. [3] Einer meiner persönlichen Lieblingspunkte beim Präsentieren ist die Ansprache der bildlich-räumlichen Intelligenz. Viele Präsentatoren verwenden heute bereits Bilder zur Veranschaulichung. Was noch völlig untergeht, ist die Verwendung des Raumes, also der „Bühne“ zum Verdeutlichen der Inhalte. <?page no="16"?> 1.3 Präsentieren ist Lernen 15 [4] In der körperlich-kinästhetischen Intelligenz geht es um das Nutzen des eigenen Körpers zur Problemlösung. Das ist quasi das, was unsere Hände ganz von alleine tun, wenn wir sie nur lassen. Wir können natürlich auch ganz bewusst mit Händen und Füßen Dinge illustrieren. [5] Die interpersonale Intelligenz bezieht sich auf das Interagieren von Menschen untereinander. Besonders betrifft das die Interaktion des Präsentators mit dem Publikum. Wir können aber au ch g ezielt d ie Z us ch au er u nt er ei nand er i nt er ag iere n las se n. [6] In der intrapersonellen Intelligenz schauen wir auf den Menschen als Einzelnen. Wir müssen als Präsentatoren auf die Erwartungen und Bedürfnisse der Individuen vor uns eingehen. Dann können wir sie auch effektiv erreichen. [7] Die musikalisch-rhythmische Intelligenz hat nur vordergründig keine Bedeutung beim Präsentieren für uns. Der Rhythmus unseres Vortrages ist aber sehr wohl wichtig für uns selbst und für das Publikum. Denken Sie nur an den Unterschied zwischen einem monoton Vortragenden und einer Präsentation mit Variationen im Tempo. <?page no="17"?> 16 1 MAP-Technik 1.4 Präsentieren macht Spaß Viele Menschen haben Angst, vor anderen zu sprechen. Genaue Zahlen dazu gibt es nicht. Aber fragen Sie doch einfach mal zehn Ihrer Freunde. Fast allen wird es keine Freude machen, vor anderen zu präsentieren. Nur ganz wenigen macht es wirklich Spaß. Das sind meist die Extrovertierten unter uns. Es gibt aber viele tolle Beispiele eher zurückhaltender Menschen, die sichtlich mit Freude präsentieren. Der Gründer und ehemalige CEO (Vorstandsvorsitzende) von Apple, Steve Jobs, ist so ein Beispiel. Ihm hätte ich schwerlich das Attribut „extrovertiert“ zugeordnet. Und doch waren seine Präsentationen Momente, auf die Millionen von Menschen warteten. Video 2 „Oft Held gespielt und immer noch zu leise? “ Ein anderes Beispiel aus dem deutschsprachigen, wissenschaftlichen Bereich ist Gunter Dueck. Er ist ehemaliger Mathematikprofessor und Innovationsmanager beim amerikanischen Technologiekonzern IBM. Dueck bezeichnet sich selbst als „beinahe Asperger-Typ“. Eher zurückhaltend und in sich gekehrt ist er doch ein hervorragender Präsentator. Er erzählt seine Geschichte vom „kleinen Gunter“ ganz wunderbar in einer TEDx-Präsentation mit dem Titel „Oft Held gespielt und immer noch zu leise? “. Dueck erzählt so warmherzig und mit so viel Humor, dass das Zuschauen einfach nur Spaß macht. Den hat Dueck sichtlich selbst auch. <?page no="18"?> 1.5 Präsentieren darf unterhalten - bitte! 17 Nicht zuletzt zeigen die zahlreichen Science-Slams, wie viel Freude wissenschaftliche Themen Publikum und Präsentatoren machen können. „Science-Slams“ sind öffentliche Veranstaltungen, bei denen Wissenschaftler ihre Themen in einem Wettstreit möglichst verständlich und unterhaltsam präsentieren. Nur ein Beispiel ist der im Vorwort genannte, sehr unterhaltsame Vortrag „Darm mit Charme“ der Frankfurter Medizinstudentin Giulia Enders. Diesen hat sie 2012 mit riesigem Erfolg bei diversen Science-Slams gehalten. So lustig und anschaulich hat wohl noch nie zuvor jemand vor Publikum den Darm erklärt. Video 3 „Darm mit Charme“ Enders Erfolg beschränkte sich nicht nur auf die Science-Slams. Sie war im April 2013 als erste Studentin Rednerin auf der Gala des renommierten Felix Burda Award im Berliner Hotel Adlon. Ihr Vortrag wurde dort begeistert aufgenommen und hat bei Publikum und Veranstalter bleibenden Eindruck hinterlassen. Im Frühjahr 2014 machte sie mit ihrem Buch „Darm mit Charme“ Furore. Sie stürmte die Bestseller-Listen und war Dauergast in diversen Talkshows. 1.5 Präsentieren darf unterhalten - bitte! Wenn Präsentieren den Präsentatoren Spaß machen kann und darf - warum dann nicht auch dem Publikum? Was haben wir davon, wenn unser Publikum unsere Botschaft zwar versteht, aber dabei einschläft? Oder wenn wir als so langweilig bekannt sind, dass der Saal leer bleibt? <?page no="19"?> 18 1 MAP-Technik Auf der anderen Seite ist ein Vortrag, der nur unterhält, aber inhaltlich nichts bietet, auch ein Problem. Wenigstens rennen die Zuschauer aber anschließend nicht fluchtartig aus dem Saal. Wir bezahlen für Unterhaltung in Kino oder Fernsehen. Würden wir uns nicht auch über unterhaltendes Lernen freuen? Ein Freund, der selbst ein begnadeter Präsentator ist, sagte einmal über das Publikum zu mir: „Jeder will unterhalten werden. Jeder. Auch in Präsentationen.“ Perfekt ist also die Mischung von klarer, qualifizierter Botschaft und einem unterhaltsamen Stil. Das ist heute leider nicht die Regel. Es gibt aber zahlreiche ermutigende Beispiele. Auch im deutschsprachigen Raum. Einige davon lernen Sie in diesem Buch kennen. 1.6 Mit der MAP-Technik zum Erfolg Obwo hl Präsentationen in Unternehmen zum „täglich Brot“ gehören, sind sie häufig schlecht. Das liegt am hohen Zeitdruck, zahlreichen Prioritäten und der Angst, etwas falsch zu machen. Neidvoll sehen wir auf Kollegen aus dem angelsächsischen Raum, die vermeintlich so viel besser präsentieren können. Dabei kommt es doch nicht auf die Show oder tolle Witze an, sondern auf das Ergebnis. Das zeigt sich darin, ob die Zuschauer die Problematik verstanden haben und entsprechend der Empfehlung des Vortragenden handeln. Was so einfach klingt, ist in der Praxis aber eine hohe Hürde. Denn häufig sind sich die Präsentatoren nicht einmal selbst über ihre Botschaft im Klaren. Hier hilft der Einsatz der MAP-Technik. Ich habe sie ursprünglich vor einigen Jahren für Präsentationen in Unternehmen entwickelt. „MAP“ steht für „Message - Audience - Performance“. <?page no="20"?> 1.6 Mit der MAP-Technik zum Erfolg 19 Die MAP-Technik ist ein einfaches und mächtiges Hilfsmittel, um die eigenen Botschaften in Präsentationen wirksam und einprägsam zu kommunizieren. Drei Säulen definieren die entscheidenden Elemente: Botschaft (Message) - Publikum (Audience) - Auftritt (Performance). Für eine überzeugende Präsentation müssen alle drei in der Vorbereitung und im tatsächlichen Vortrag angemessen berücksichtigt werden. Abb. 1: Die drei Säulen der MAP-Technik Diese grundlegenden Anforderungen an Präsentationen im beruflichen Umfeld können wir direkt auf Präsentationen im Studium übertragen. Kommunikation funktioniert hier wie dort nach demselben Schema. Deshalb eignet sich die MAP- Technik hervorragend auch für den Einsatz im Studium. Die spezifischen Anforderungen im Studium werden wir in diesem Buch parallel zur Darstellung der MAP-Technik erarbeiten. Jedes der folgenden Kapitel behandelt eine der drei Säulen der MAP-Technik. <?page no="22"?> 2 Message - Botschaft „Im Anfang war das Wort.“ Ich interpretiere „Wort“ für mich frei mit „Botschaft“. Die erlebte Realität bei der Vorbereitung von Präsentationen spiegelt dieses biblische Zitat viel zu selten wider. Denn allzu oft geht es sofort los mit dem Sammeln von Einzelfakten und deren Reproduzieren als Slides im Präsentationsprogramm. Dabei wird das Wichtigste in der Kommunikation, gerade vor Gruppen, glatt vergessen - die Botschaft, das Wort. Was sollen Ihre Zuhörer von Ihnen und über Sie mit nach Hause nehmen? Wie möchten Sie bei den für Ihre Präsentation wichtigen Zuschauern erscheinen? Kompetent? Vorbereitet? Überzeugend? Das alles ist Teil Ihrer Botschaft! Damit Ihr Publikum Ihre inhaltliche Botschaft auch wirklich verinnerlichen kann, brauchen Sie selbst absolute Klarheit über Ihre Aussage. Bei Ihrer Kernbotschaft sollte kein Raum für Interpretationen bleiben. Es gibt zahllose Wege, wie man die Kommunikation einer Botschaft strukturieren kann. Die für Präsentationen wichtigsten lernen Sie in diesem Kapitel kennen. Um zu erreichen, dass unser Publikum später das macht, was wir möchten, muss die Erinnerung an unsere Botschaft stark sein. Diese muss im Kopf unserer Zuschauer bleiben - möglichst lange nach unserer Präsentation. Sie merken schon an dieser Stelle, wie vielseitig alleine das Spielfeld der Botschaft ist. Zunächst sprechen wir im Folgenden über ein paar allgemeine Hinweise zu ihr. <?page no="23"?> 22 2 Message - Botschaft 2.1 Allgemein Auch wenn es sich für Sie wie reine Theorie anhört, versuchen Sie es und machen Sie die Dinge frühzeitig! Denken Sie an die tickende Uhr! Während Sie Probleme beim Ausdrucken Ihrer Diplomarbeit vielleicht noch mit einer letzten Nachtschicht ausbügeln können, ist genau das für eine Präsentation tödlich. Sie müssen fit und ausgeruht sein. Tiefe Ränder unter den Augen sind aller Ehren wert. Sie führen aber nicht zu einer besseren Verständlichkeit Ihres Vortrages oder gar zu einer besseren Beurteilung. Es ist zwar cool, den Kommilitonen von der neuesten Last-Minute-Aktion zu erzählen. Noch cooler ist es aber, am Abend vor einer Präsentation entspannt mit der Freundin oder dem Freund ins Kino zu gehen. Absolut uncool ist allerdings der Klassiker der Präsentation, ein Problem beim Durchlauf der Präsentationsfolien. Sei es, dass eine Seite und damit die Logik fehlt. Sei es, dass eine Grafik nicht lesbar ist oder das eingebundene Video nicht funktioniert. Wer seine Botschaft dann nicht einmal grundlegend im Kopf hat, kann sprichwörtlich einpacken. Ich schreibe das aus reicher eigener Erfahrung und zahllosen erlebten schlechten Beispielen auch der schlauesten Menschen. Weisheit schützt im Falle von Präsentationen leider nicht vor dummen Fehlern. Meine Erfahrungen in der Vorbereitung einer Präsentation sind auf den Punkt gebracht: 1. Früh anfangen. Also sofort. 2. Eine Struktur der zu erledigenden Aufgaben machen. 3. Am Ball bleiben und lieber „zu früh“ fertig sein. <?page no="24"?> 2.1 Allgemein 23 Für den ersten Punkt brauchen Sie keine Hilfsmittel. Den inneren Schweinehund müssen Sie selbst killen - dazu hat jeder seine eigenen Rezepte. Für den zweiten Punkt empfehle ich Ihnen eine Anleihe aus dem Projektmanagement, ein einfaches Tableau. In Abbildung 2 habe ich Ihnen ein kleines Beispiel erstellt. Abb. 2: Projekttableau zur Präsentationserstellung In den Zeilen habe ich exemplarisch einige wichtige Aufgaben für die Präsentationserstellung aufgeführt. Diese habe ich sortiert nach den drei für eine Präsentation wichtigen Bereichen Botschaft -Publikum - Auftritt (MAP-Technik). Die Spalten geben die Wochen bis zur Präsentation an. Betitelt habe ich die Wochenspalten hier mit „Woche -6“, „Woche -5“ und so weiter. Stattdessen können Sie natürlich auch als Spaltentitel die Kalenderwochen nehmen oder wie im angelsächsischen Raum den Tag, mit dem eine jeweilige Woche beginnt. Ich empfehle Ihnen aber in jedem Fall die Wahl von Wochen versus Tagen oder Monaten. Das Eine ist zu detailliert, das Letztere verführt zur Faulheit. <?page no="25"?> 24 2 Message - Botschaft Für das Finden der Kernbotschaft und das Definieren der Struktur setze ich genau so viel Zeit an, wie für die Details und die Erstellung der Folien. Sehr frühzeitig kümmere ich mich um den Raum der Präsentation und um einen „Buddy“, der meine ersten Ideen spiegeln und mich moralisch unterstützen soll. Auch die Frage, wer meine Zuschauer sein werden, setze ich recht früh an. Genauso wie das Suchen von Requisiten für meine Präsentation. Die letzten zwei Wochen sind dann nur noch den Proben und dem Feinschliff vorbehalten. Natürlich bedeutet so ein Plan nicht, dass man die ganze Woche nichts Anderes mehr macht. Arbeiten Sie besser jeden Tag eine halbe Stunde an Ihrer Präsentation als einen einzigen ganzen Tag am Stück. Das Visualisieren der Präsentationsvorbereitung auf eine solche Art und Weise hilft vielen Menschen ungemein bei der Umsetzung. Probieren Sie es aus. Erstellen Sie einen für Sie umsetzbaren Plan und drucken Sie ihn aus. Hängen Sie den Plan über den Schreibtisch und haken Sie erledigte Punkte direkt ab. So verliert jede Präsentation deutlich an Schrecken! Natürlich ist ein solcher Projektplan auch für Seminararbeiten oder andere große Projekte eine gute Hilfe. Als Akademiker haben Sie sicherlich schon vom Pareto-Prinzip gehört. 80% eines Ergebnisses werden mit 20% des gesamten Aufwandes erzielt. Das gilt auch für Präsentationen. 80% des Ergebnisses einer Präsentation werden mit dem Finden der richtigen Botschaft erzielt, was ungefähr den 20% des Aufwandes aus dem Pareto-Prinzip entspricht. Mit der falschen Botschaft können Sie noch so lange an tollen Charts und Details basteln - spitze wird das Ergebnis nie! <?page no="26"?> 2.2 Klarheit 25 2.2 Klarheit Wer dieses Buch bis hierhin gelesen hat und nicht erst an dieser Stelle einsteigt, hat hoffentlich verstanden, warum unsere Botschaft so wichtig ist. Nur wenn wir als Präsentatoren wissen, was wir eigentlich sagen wollen, hat unser Publikum eine Chance aus unserem Vortrag etwas in unserem Sinne Substanzielles mitzunehmen. Haben Sie schon einmal etwas von der Kontrollillusion gehört? Wie Rolf Dobelli in seinem spannenden Buch über Denkfehler („Die Kunst des klaren Denkens“) schreibt, unterliegen wir ihr alle. Worum geht es bei der wissenschaftlich bewiesenen Kontrollillusion? Schlicht und einfach darum, dass wir in Wirklichkeit weniger kontrollieren können als wir glauben. Auf Präsentationen herunter gebrochen hat diese Kontrollillusion praktisch jeder Präsentator, der seine Präsentation voll auf einem Präsentationsprogramm aufbaut. Das sind grob geschätzt 98% aller Präsentatoren. Diese vertrauen voll auf Power Point, Key Note oder was es sonst noch so gibt und ihre Fähigkeiten im Umgang mit diesen Programmen. Doch stehen sie regelmäßig kurz vor der Präsentation unter Strom, wenn auf einmal etwas nicht läuft. Noch schlimmer: Sie starten die Präsentation verspätet und basteln coram publico daran herum, ihre Präsentation zum Laufen zu bringen. Die echte Katastrophe: Sie starten ein Video, das ganz offensichtlich nicht richtig funktioniert, wieder und wieder neu. Wie oft habe ich das schon gesehen - das passiert sogar den angesehensten Koryphäen auf den großen Kongressen. Warum reite ich so auf diesem Punkt herum? Was denken Sie machen die übrigen 2% der Präsentatoren? Diese nutzen entweder gar keine Technik und sind damit keinesfalls technisch zurückgeblieben, sondern wahrscheinlich sehr progressiv. Oder sie sind auf einen Ausfall der Technik vorbereitet und machen einfach ohne weiter. <?page no="27"?> 26 2 Message - Botschaft Mit was soll man weiter machen, wenn der Inhalt auf Folien eines Präsentationsprogrammes ist, welches nicht läuft? Um genau darauf antworten zu können, starten Sie bitte ab sofort die Vorbereitung einer Präsentation nie mehr mit dem Füllen von Folien, sondern mit dem Finden Ihrer Botschaft. Gehen wir einmal zur Abbildung 2 zurück und schauen uns an, was dort die ersten zeitlich zu erledigenden Punkte sind. Dort finden sich „Kernbotschaft“ und „Struktur“. Das Erste besprechen wir jetzt, das Zweite im Abschnitt 2.3. Das Wort „Botschaft“ leitet sich vom im mittelhochdeutschen bereits verwendeten Wort „Bote“ ab. Das ist laut Duden-Herkunftswörterbuch der „Verkünder“ oder „Herold“. Verkünden wollen wir als Präsentatoren auch etwas, nämlich uns wichtige Informationen. Zwar nicht so höfisch zeremoniell wie ein Herold, aber doch mindestens so gewichtig. Eine Botschaft hat zwei für das Publikum wichtige Dimensionen. Erstens die inhaltliche Dimension, „Was sage ich? “. Die zweite Dimension ist „Wie sage ich etwas? “. Das „Wie? “ ist eine Art „Dauerbotschaft“ über uns selbst. Wir senden sie praktisch permanent und häufig unbewusst. Die Frage „Wie hat sich der Präsentator dargestellt? “ können selbst Zuschauer beantworten, die inhaltlich rein gar nichts verstanden haben oder nicht einmal die Sprache des Vortragenden verstehen. Beispiele für Wie-Botschaften sind „kennt sich im Thema aus“, „ist selbstbewusst“ oder „nimmt die Zuschauer ernst“. Das sind alles positive Botschaften über uns als Präsentator. Diese oder ähnliche sollten wir vor, während und nach unserem Vortrag möglichst zahlreich senden. Natürlich könnte es auch negative Botschaften über uns selbst geben. Beispiele wären „ist unvorbereitet“, „zeigt kein Engagement“ oder „hat keine Ahnung“. Diese gilt es natürlich zu vermeiden. <?page no="28"?> 2.2 Klarheit 27 Sie sollten nun für sich selbst überlegen, welche zwei oder drei positiven Wie-Botschaften Sie gerne dauerhaft senden möchten oder glauben zu senden. Dann nehmen Sie sich beim nächsten Präsentieren einmal auf Video auf. Seien Sie aber nicht zu kritisch mit sich selbst. Ein hinzugezogener Freund oder eine Freundin sind für diese Übung sehr hilfreich. Schauen Sie, welche Elemente Sie selbst sehen, die jede der von Ihnen angestrebten Wie-Botschaften unterstützt. Das kann alles sein von Ihrer Kleidung, Stimme, Aussprache bis hin zur Körpersprache. Sie brauchen hierzu keine psychologische Ausbildung. Benutzen Sie einfach Ihre Menschenkenntnis und wenden Sie sie auf sich selbst an. Nach dieser Übung ersetzen Sie vielleicht eine der vorher definierten positiven Wie-Botschaften, falls sie doch nicht zu Ihnen passte. Nun wissen Sie, wie Sie beim Publikum ankommen wollen und wie Sie das selbst erlebt haben. Ihre so gefundenen Wie-Botschaften sollten sich für die nächste Zeit auch nicht mehr verändern. Am besten schreiben Sie sie auf. Bei der Vorbereitung zu einer Präsentation starten Sie dann als erstes immer mit einem Blick auf „Ihre“ Wie-Botschaften. Kommen wir nun zur anderen Dimension einer Botschaft, dem „Was? “. Das ist der Inhalt, den Sie Ihrem Publikum näher bringen möchten. Genauer gesagt ist diese Was-Botschaft das, was Sie vom Publikum möchten, was es tut oder nicht tut. Das kann eine Aktion sein oder das im akademischen Bereich Naheliegende, das Erlernen eines bestimmten Sachverhaltes. Die Botschaft ist nicht jedes einzelne Detail, sondern der für Ihre Präsentation entscheidende Punkt. Ich habe das weiter oben auch mit „Kernbotschaft“ bezeichnet. Vielleicht enthält Ihre Kernbotschaft auch drei entscheidende Punkte, aber bitte nicht mehr. Praktisch niemand kann sich aus einer Präsentation mehr als drei inhaltliche Dinge mitnehmen und im Gedächtnis behalten. <?page no="29"?> 28 2 Message - Botschaft Kommen wir zur „Killerfrage“. Was hat die Wie-Botschaft mit der Was-Botschaft zu tun? Alles! Ist zum Beispiel die unwillentlich von mir gesendete Wie-Botschaft „ignoriert die Zuschauer“. Die Was-Botschaft meiner Präsentation soll aber sein: „Kommunikation ist der Schlüssel zur Problemlösung“. Dann heben sich diese beiden Aussagen gegeneinander auf. Und damit ist meine Was-Botschaft unglaubwürdig. Das ist fatal. Die Was-Botschaft muss also auf der Wie-Botschaft aufbauen. Das „Was ich sage“ muss mit dem „Wie ich es sage“ kongruent sein. Deshalb sind mit dicken Aktienoptionen und Privilegien versehene Vorstände großer Unternehmen in der eigenen Belegschaft mit einer Botschaft „wir müssen den Gürtel enger schnallen“ niemals glaubwürdig. In Abbildung 3 habe ich das ideale Verhältnis von Wie-Botschaft und Was-Botschaft schematisch dargestellt. Letztere darf nicht aus dem Kreis der Wie-Botschaft ausbrechen. Sonst passen beide nicht zusammen. Abb. 3: Was- und Wie-Botschaft Was auch immer meine Was- und Wie-Botschaften sind - ich muss mir absolut klar darüber sein. Ansonsten hat das Publikum keine Chance, dasselbe zu verste- <?page no="30"?> 2.3 Strukturen 29 hen. Jeder nimmt dann etwas anderes mit. Das ist ganz sicher nicht in unserem Sinne als Präsentatoren. Wenn ich übrigens im Buch außerhalb dieses Abschnittes über „Botschaft“ spreche, dann meine ich immer die „Was-Botschaft“. 2.3 Strukturen Für die Verständlichkeit einer Präsentation essenziell ist ihre Struktur. Aber machten Sie sich bisher bei Ihren Präsentationen über die Struktur wirklich Gedanken? Oder bauten Sie nicht vielmehr die Inhalte in einer wie auch immer gearteten logischen Form aufeinander auf? Sofern die Reihenfolge einer gewissen Logik folgt, haben Sie unbewusst eine Struktur verwendet, nämlich die „Logik“. Leider verwenden fast alle Präsentationen im deutschsprachigen Raum einzig und alleine diese Struktur. Dabei gibt es zahlreiche andere. Im Folgenden besprechen wir die sieben für Präsentationen wichtigsten. Zum Abschluss schauen wir uns an einem konkreten Beispiel mögliche Kombinationen von Strukturen an. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Alle hier genannten Strukturen sind für eine ganze Präsentation als „Überstruktur“, aber auch als kleine „Substruktur“ einsetzbar. 2.3.1 Struktur Eins Die Struktur Eins ist einfach und klar. Verschiedenste Argumente führen immer wieder auf ein und dieselbe Aussage. Das prominenteste Beispiel jüngerer Zeit ist das „Yes we can“ von Barack Obama. In seiner Rede nach der Vorwahl in New Hampshire im Januar 2008 hat Obama die Struktur Eins absolut stringent durchgezogen. <?page no="31"?> 30 2 Message - Botschaft Video 4 „Yes we can“ Obamas Botschaft „Yes we can“ ist der Kern. Darauf kommt er konkret ab Minute 10: 10. Er nennt diese Botschaft dreimal. Dann wiederholt das Publikum sie in Sprechchören. Daraufhin nennt Obama zahlreiche Beispiele, wo Amerikaner sich dieses „Mantra“ zu Eigen gemacht hatten und Widerstände überwanden. Immer wieder und wieder „prügelt“ er das „Yes we can“ seinem Publikum ein und endet auch damit. Obama greift mit dieser Botschaft das „We can never be satisfied“ von Martin Luther King Jr. aus dessen berühmter 45 Jahre zuvor gehaltener Rede „I have a dream“ auf. Er weist sogar explizit auf Kings Vision hin. Auch dessen Rede ist übrigens ein starkes Beispiel der Struktur Eins. Video 5 “We can never be satisfied” Sehen wir uns zur Veranschaulichung der Struktur Eins die Abbildung 4 an. Dort sind die Personen und Gruppen aufgeführt, die Obama in seiner Rede in Form der Struktur Eins benennt. <?page no="32"?> 2.3 Strukturen 31 Abb. 4: Struktur Eins in Obamas „Yes we can“-Rede Eine ganze Präsentation an der Struktur Eins zu orientieren, ist im wissenschaftlichen Umfeld sicherlich schwierig. Schließlich erwartet Ihr Dozent von Ihnen einen kritischen Umgang mit der Thematik. Das gefühlt Eindimensionale einer Struktur Eins steht dem vermeintlich entgegen. Das stimmt aber nicht. So lange wir die Botschaft intakt lassen, können wir uns sehr wohl aus allen Richtungen mit ihr beschäftigen. Vielleicht ist das gefühlt Eindimensionale auch der Grund, warum es praktisch keine deutschsprachigen Beispiele einer Präsentation mit Struktur Eins aus dem universitären Umfeld im Internet gibt. Zumindest habe ich bisher keines gefunden. Falls Sie eines kennen, geben Sie mir bitte einen entsprechenden Tipp! Credo in der Verfassung Sklaven & Sklavereigegner Immigranten & Siedler „Yes we can“ J.F. Kennedy Für das Wahlrecht kämpfende Frauen Arbeiter in Gewerkschaften Martin Luther King <?page no="33"?> 32 2 Message - Botschaft Einfacher ist natürlich das Verwenden der Struktur Eins in einem Abschnitt einer Präsentation. Zum Beispiel bei der Nennung der zahlreichen Gründe für die Richtigkeit Ihrer Aussage. Die Struktur Eins benötigt mindestens fünf Elemente. Im Beispiel der Obama- Rede „Yes we can“ sind es ganze sieben. Zählen Sie in Abbildung 4 nach. Wenn Sie in Ihrer Präsentation nur vier Punkte haben, beschränken Sie sich lieber auf das Nennen oder Verwenden der drei wichtigsten und nutzen Sie so die Struktur „Drei“. Diese besprechen wir später. 2.3.2 Struktur Zwei Eine sehr klassische und häufig verwendete Struktur ist die „Zwei“. In ihr werden zwei möglichst gegensätzliche Elemente miteinander in Beziehung gesetzt. Ganz klassisch machten das bereits die alten Griechen mit dem Paar These/ Antithese. Video 1 „Wir irren uns empor … oder warum ist die Physik so erfolgreich? ““ In seinem herrlichen Vortrag „Wir irren uns empor … oder warum ist die Physik so erfolgreich? “ nutzt Harald Lesch die Struktur Zwei gleich mehrfach: Zunächst verdeutlicht Lesch die zwei Ebenen in seinem Vortrag (05: 04 - 05: 41 Min.). Wenn er über die Verfahren und Annahmen der Physik spricht, steht er auf dem „Boden“. Spricht er aber über die Vereinigung von Elementarteilchenphysik und Kosmologie, so befindet er sich auf dem Podest vor der Tafel. <?page no="34"?> 2.3 Strukturen 33 Dann nutzt Lesch die Tafel, um zwei gegensätzliche zeitliche Zustände darzustellen. Links ist das Heute und rechts der „Anfang“. Er verdeutlicht dies noch dadurch, dass er ansagt, beim Sprechen über das Heute links zu stehen und beim Sprechen über den Anfang rechts (05: 41 - 06: 12 Min.). Zwei Ebenen im Raum mit zwei Ebenen eines Vortrages zu verknüpfen ist „großes Kino“ der Präsentation. Gleich zwei Zweierstrukturen miteinander zu verweben, fordert natürlich von Präsentator und Publikum sehr hohe Aufmerksamkeit. Aufgrund ihrer Einfachheit hilft die „Zwei“ Ihnen, Ihre Botschaft klar und einfach zu kommunizieren. Im Folgenden erhalten Sie zur Inspiration ein paar einfach umsetzbare Beispiele der Zweierstruktur. früher - heute oder heute - morgen pro - contra positiv - negativ wir - ihr schwarz - weiß entweder - oder links - rechts hoch - tief Achten Sie bitte darauf, dass Sie innerhalb der beiden Seiten nicht uferlos viele Punkte aufführen. Viele Punkte machen nur dann Sinn, wenn eine Seite Ihre Botschaft klar unterstreichen soll. Dann führen Sie auf der anderen Seite natürlich nur wenige Punkte auf. So kommt jeder selbst darauf, was Ihre Empfehlung ist. Das <?page no="35"?> 34 2 Message - Botschaft darf natürlich nicht zu offensichtlich und einseitig werden. Sonst wird man Ihnen mangelhaftes wissenschaftliches Arbeiten unterstellen. In der Regel sollten Sie bei balancierter Diskussion auf beiden Seiten gleich viele Punkte aufführen. Am besten nicht mehr als je drei. Warum das so ist, lernen wir im Abschnitt der Struktur „Drei“. Ganz besonders gut eignet sich die Struktur „Zwei“ zum Einsetzen von Elementen, die wir im Kapitel vier unter „Kür“ kennenlernen werden. Das oben besprochene Video von Harald Lesch ist ein klasse Beispiel. Aber es geht noch einfacher: Nehmen Sie zwei Flipchartständer. Stellen Sie einen rechts auf die „Bühne“ und einen nach links. Alleine das schafft schon Aufmerksamkeit und Spannung. Nun müssen Sie nur noch stringent Punkte der einen Seite auf das linke Flipchart schreiben und die Punkte der anderen Seite auf das rechte Flipchart. Schon haben Sie Ihrem Publikum einfach, klar und gut zu merken Ihre Inhalte mit zwei Seiten kommuniziert. Das klingt so einfach und ist es auch. Es wird nur leider viel zu selten praktiziert. Aufgrund ihrer Polarität sorgt die Struktur Zwei für Spannung. Das merken Sie auch daran, dass sie in praktisch jedem spannenden Kinofilm verwendet wird: Gut - Böse. Obwohl wir vorher wissen, wie es ausgeht - immer wieder schauen wir uns Filme mit diesem Schema an. Nutzen auch Sie diese polarisierende Struktur zum Steigern der Spannung und damit der Aufmerksamkeit Ihres Publikums! <?page no="36"?> 2.3 Strukturen 35 2.3.3 Struktur Drei Diese Struktur ist DER neuzeitliche Klassiker für Präsentationen. Die „Drei“ ist Teil unseres Alltags. Die Christliche Kirche nutzt als Fundament die Dreifaltigkeit. Ampeln für Autofahrer haben praktisch global drei verschiedenfarbige Lichter. Die besten und griffigsten Werbesprüche bestehen aus drei Worten („Freude am Fahren“ oder „Mars macht mobil“). Und und und. Jeder amerikanische Redner beherrscht heute die Struktur Drei aus dem Effeff: “Tell them what you’ll tell them. Tell them. Tell them what you told them.” Im deutschsprachigen Raum verwenden wir die Struktur Drei eher in kastrierter Form. Die Einleitung wird mit dem üblichen Agenda-Chart dargestellt. Eine echte Botschaft geht darin meist unter. Dann kommt der inhaltliche Vortrag, der die Agenda förmlich abhakt. Der Schluss ist nur noch kümmerlich vorhanden: Man legt die Agenda nochmal auf, spricht sie durch und beendet den Vortrag mit dem unseligen Chart „Fragen? “. Es geht besser. Auch bei uns. Die Mikrobiologin Anke Domaske etwa hat ihre Präsentation „The Milky Way“ anschaulich klassisch aufgebaut. Video 6 „The Milky Way“ Sie startet mit einem sehr aufmerksamkeitsstarken Intro: „Ich erkläre euch heute, wie Paula die Kuh zum Lagerfeld von morgen wird.“ (bis 00: 20 Min.). Dann stellt sie im Hauptteil in sehr unterhaltsamer und leicht verständlicher Art dar, warum <?page no="37"?> 36 2 Message - Botschaft das so ist. Zum Schluss leitet sie elegant auf die Zukunft der Textilfasern über. Natürlich machen aus ihrer Sicht Milchfasern sehr viel Sinn (ab 05: 05 Min.). Domaske könnte die einzelnen Teile noch besser gegeneinander abgrenzen. Dann wäre die Dreierstruktur rundum perfekt umgesetzt. Viel viel mehr Spielraum bietet die Struktur Drei als Substruktur innerhalb einer Präsentation. Wo die „Eins“ zu penetrant und die „Zwei“ zu limitiert sind, da ist die „Drei“ häufig das Mittel der Wahl. Drei Argumente sind besser als zwei, die vielfach zu wenig Alternativen bieten. Bei vier Argumenten ist häufig eines zu schwach. Die „Drei“ fühlt sich einfach gut an. Nicht umsonst ist die MAP-Technik in ihrer grundlegenden Form eine Struktur von drei Elementen mit je drei Punkten. Video 7 „Tiermodelle für die psychiatrische Forschung“ D er Biologe Carsten Wotjak vom Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie verwendet zu Beginn seines Vortrages „Tiermodelle für die psychiatrische Forschung“ eine Struktur Drei. Darin zeigt er anschaulich, welche drei Einflussfaktoren das menschliche Gehirn primär prägen (00: 45 - 03: 15 Min.). Diese Faktoren greift er dann zum Schluss noch einmal auf. Die grafisch klarste Darstellung der „Drei“ ist das von Wotjak auch verwendete Symbol des Dreiecks. Im Dreieck ist jeder Eckpunkt ohne Überschneidung mit jedem anderen Eckpunkt verbunden. In der Mitte steht das Thema. Das fühlt sich gut und griffig an. In Abbildung 5 habe ich exemplarisch die drei für Präsentatoren wichtigen Kernpunkte der „Botschaft“ als Dreieck dargestellt. <?page no="38"?> 2.3 Strukturen 37 Abb. 5: Beispiel Struktur Drei Aus meiner Sicht sollte in praktisch jeder Präsentation mindestens einmal die Struktur Drei vorkommen. Sie ist dermaßen tief in unserem Alltag verankert, dass eine Präsentation ohne „Drei“ sich irgendwie nicht „rund“ anfühlt. 2.3.4 Struktur Logik Die im deutschsprachigen Raum in Präsentationen meistverwendete Struktur ist die „Logik“. Sie entspricht dem Bild, das man auf der Welt vom Deutschen hat, dem klaren und sachlichen Ingenieur. Die Logik baut Argumente sequentiell aufeinander auf. Erst wenn ein Schritt abgeschlossen ist, kommt der nächste. Zur Verdeutlichung dient die Abbildung 6. Abb. 6: Schema zur Struktur Logik <?page no="39"?> 38 2 Message - Botschaft Hier habe ich exemplarisch eine logische Struktur mit der Darstellung einer Idee abgebildet. Nach der Schilderung der Situation wird die Idee präsentiert. Darauf baut die Erklärung der Umsetzung auf. Der Abschluss zeigt, wie es nun konkret weitergeht. Die Medizinstudentin Giulia Enders bringt ihrem Publikum beim Science-Slam 2012 in Berlin den Charme des Darmes näher. Eine Logikstruktur verwendet Enders im Zeitraum 04: 07 - 11: 14 Min. Video 3 „D ar m mi t Ch ar me “ End ers erläutert zunächst den Anus und seine Funktionsweise. Dann definiert sie ihn als Spitze des Eisbergs. Sie entfaltet daraufhin den Darm buchstäblich. Das führt sie zu der Frage, ob der Darm auch Emotionen hat oder spiegelt. Diese Frage beantwortet sie mit ja und führt das Publikum schlussendlich zu viel größeren Fragen in Zusammenhang mit der Darmflora. Jeder im Publikum kann ihren einfachen Ausführungen zu einem eigentlich tabuisierten und vermeintlich unspannenden Thema folgen. Neben der sauberen Logikstruktur verwendet Enders zahlreiche andere Elemente, die wir an anderer Stelle besprechen. Die Logikstruktur hat klare Vorteile. Wenn sie schlüssig dargestellt ist, können die Zuschauer ihr einfach folgen. Umso mehr, da diese Struktur häufig verwendet und damit bekannt ist. Die Struktur ermöglicht ein einfaches „Führen“ der Zuschauer. <?page no="40"?> 2.3 Strukturen 39 Allerdings gibt es auch deutliche Nachteile. Da die einzelnen Teile aufeinander aufbauen, ist es zwingend nötig, bei allen Teilen das Publikum „abgeholt“ zu haben. Auch kennt diese Struktur praktisch nur eine Richtung, nach vorne. Stellt jemand eine Frage, die sich auf einen früheren Teil bezieht, dann wird es für die meisten Präsentatoren mental schwierig. Dieser Teil war nämlich bereits „abgehakt“. Nicht zuletzt ist die Logik für die Zuschauer häufig allzu vorhersehbar und damit leicht langweilend. 2.3.5 Struktur Bogen Einer der erfolgreichsten Hollywoodfilme aller Zeiten ist „Titanic“ mit Leonardo di Caprio und Kate Winslet. Der Film beginnt mit der 101-jährigen Rose. Diese erzählt eine Geschichte. Es ist die Geschichte ihrer Fahrt als junges Mädchen auf der Titanic. Dort lernt sie den mittellosen Jack kennen und lieben. Jack kommt beim Untergang der Titanic ums Leben. Nach diesem dramatischen Höhepunkt endet der Film, nachdem die alte Dame Rose auf dem Meer über der Titanic ihr Diamantcollier zu Jack ins nasse Grab wirft. Was der Film Titanic hier benutzt, ist die Struktur Bogen. Diese habe ich in Abbildung 7 schematisch dargestellt. Die eigentliche Geschichte wird verpackt in einen Rahmen, hier das Auftreten der alten Dame Rose. Der Wechsel von Roses Erzählung zu Beginn mit dem Sprung achtzig Jahre zurück erzeugt Spannung über die Hauptgeschichte hinaus. Zum Ende wird diese Spannung aufgelöst und die Katastrophe des Untergangs und des Verlustes von Jack bekommt durch das Werfen des Colliers etwas Tröstliches. Ich will hier nicht besprechen, ob der Regisseur sich die danach folgende kleine Szene mit einem Wiedersehen von Jack und Rose nicht hätte sparen können. <?page no="41"?> 40 2 Message - Botschaft Abb. 7: Schema zur Struktur Bogen Bei d er Lo gi kstrukt ur h ab en wir berei ts den V or tra g vo n Giul ia E nders k enn eng el er nt . Ne ben ih re r phant as ti sc hen lo ckere n und l us ti ge n Art f in de i ch g anz b esonders überzeugend, wie sie die Struktur Bogen verwendet. Video 3 „Darm mit Charme“ Enders startet damit, zu erläutern, wie toll man bei Tanten das Studienfach Medizin verkaufen kann. Im Gegensatz dazu hat ihre Schwester mit dem Fach Kommunikationsdesign einen eher schweren Stand - keine Tante kann sich darunter etwas vorstellen. Dann erläutert sie sehr plastisch, wie sich die Begeisterung der Tanten für ihr Studienfach in Erschrecken wandelt. Das Ganze illustriert Enders mit einfachen Zeichnungen, die fast Strichmännchen nahekommen (00: 30 - 01: 20 Min.). Ihren Vortrag schließt Enders ab mit einem erneuten Bild der lächelnden Tanten (11: 35 - 11: 45 Min.). Dabei dankt sie ihrer Schwester, die das in Kommunikationsdesign Gelernte bei den in Enders‘ Vortrag verwendeten Zeichnungen eingesetzt <?page no="42"?> 2.3 Strukturen 41 hatte. Das Publikum macht kollektiv „Aha“ und jubelt begeistert. Besser kann man einen Vortrag kaum beenden. Der „Bogen“ als Struktur ist sicherlich eher „Hohe Schule“. Dennoch lohnt es sich, ihn einzusetzen, wenn man eine spannende Idee hat. Ich sehe eigentlich nur Vorteile für diese Struktur. Vor allem, weil der Bogen die Aufmerksamkeit des Publikums zu steigern hilft. Warum das für unsere Botschaften so wichtig ist, sehen wir im Abschnitt „Erinnerung“ am Ende dieses Kapitels. 2.3.6 Struktur Geschichte In Mitteleuropa haben wir über die Jahrhunderte hinweg eine einzigartige Erzählkultur entwickelt: Die zahllosen Märchen, die etwa die Gebrüder Grimm sammelten und veröffentlichten, zeugen davon. Und was haben wir daraus gemacht? Wenige deutschsprachige Autoren sind globale Bestseller. Unser mitteleuropäisches Kino ist praktisch tot. Im Fernsehen gibt es nur noch die immer gleichen Krimis. In Präsentationen, egal ob in der Wissenschaft oder der Wirtschaft, ist es genauso traurig um unsere Erzählkultur bestellt. Dabei ist das Verwenden von Geschichten ein fantastisches Mittel zum Vermitteln von Botschaften. Nichts Anderes war der eigentliche Grund für das Erzählen von Märchen. Die Unterhaltung war nur vordergründig da. Wahrscheinlich erzählen wir in unseren Präsentationen deshalb so wenige Geschichten, weil wir nicht in den Ruch kommen wollen, nur zu unterhalten. Ich habe zwei schöne Beispiele gefunden, wie Geschichten in Präsentationen von Akademikern wunderbar eingesetzt wurden. Beide sind auf einer TEDx-Veranstaltung 2013 in Köln zu sehen gewesen. Das TED-Portal ist übrigens eine hervorra- <?page no="43"?> 42 2 Message - Botschaft gende Plattform zur Inspiration für Präsentationen (www.ted.com). Das erste Beispiel stammt von den Betriebswirten Eike Reinhardt und Daniel Goetz. Betriebswirte erzählen eine Geschichte? Ja! Video 8 „What you give you get? Self Responsibility“ Die beiden erzählen gemeinsam die Geschichte vom Traum eines Indianerjungen (01: 00 - 01: 55 Min.). Diese Geschichte führt direkt zur Botschaft ihres Vortrages „What you give you get“. Sie möchten das Publikum damit neugierig darauf machen, von Naturvölkern zu lernen. In diesem Falle zu lernen, wie Eigenverantwortlichkeit funktioniert. Noch besser ist eine Geschichte natürlich, wenn sie eine persönlich erlebte ist. Im zweiten Beispiel erzählt Gunter Dueck in seinem Vortrag „Oft Held gespielt und immer noch zu leise? “ eine ganze Reihe an persönlichen Geschichten, eingebettet in seine persönliche Geschichte: Video 2 „Oft Held gespielt und immer noch zu leise? “ Fabelhaft ist die Geschichte von Dueck als Schüler mit der Deutsch-Erörterung von Hamlet (9: 00 - 11: 15 Min.). Dueck führt diese so plastisch und bildlich aus, dass man selbst am kleinen Computerbildschirm begeistert nickend dasitzt. Diese <?page no="44"?> 2.3 Strukturen 43 Geschichte ist sehr persönlich und macht Dueck sehr authentisch und glaubwürdig. Wir Menschen lieben Geschichten und hören ihnen fast immer gerne zu. Also lassen Sie uns Geschichten erzählen - auch und gerade in unseren Präsentationen! Geschichten müssen gar nicht lang sein, wie unsere Beispiele zeigen. Sie untermauern unsere Authentizität - sofern sie wirklich von uns sind oder mit uns zu tun haben. 2.3.7 Struktur Metapher Eine ebenfalls in unserem Kulturkreis heute viel zu selten eingesetzte Präsentationsstruktur ist die „Metapher“. Und wenn sie verwendet wird, dann häufig ohne viel Phantasie. Da ich in der Schule im Fach Deutsch nie so richtig aufgepasst habe, nutzen wir das Duden-Herkunftswörterbuch zur Definition einer Metapher: „Übertragener, bildlicher Ausdruck; Bild“ Beispiele für Metaphern in Präsentationen sind „Haus“, „Rad“ oder „Fußballmannschaft“. Funktionierende Metaphern sind immer für die allermeisten Zuschauer leicht verständlich und nachvollziehbar. Schauen wir uns zwei Beispielpräsentationen dazu an. Video 7 „Tiermodelle für die psychiatrische Forschung“ <?page no="45"?> 44 2 Message - Botschaft Im ersten Beispiel verwendet Carsten Wotjak in seinem Vortrag „Tiermodelle für die psychiatrische Forschung“ neben der zuvor besprochenen Struktur Drei sehr schön eine eigentlich vollkommen sachfremde Metapher. Aber gerade das macht die Botschaft so stark. Wotjak erläutert, warum Tiere für die psychiatrische Forschung sehr gut geeignet sind. Dazu etabliert er zunächst die Metapher einer Schweizer Uhr. Diese benennt er sogar explizit als solche. Dann erklärt Wotjak drei (! ) Ebenen der Betrachtung einer Schweizer Uhr (04: 17 - 06: 30 Min.). Diese transferiert er dann im Laufe des Vortrages auf die psychiatrische Forschung mit Hilfe von Versuchstieren. Das versteht damit sogar ein völliger Laie wie ich. Video 6 „The Milky Way“ Auc h Anke Domaske hat im zweiten Beispiel in ihrem Vortrag neben der „Drei“ eine schöne Metapher verwendet. Sie erläutert das Zusammenspiel von Molekülen zum Herstellen von Textilfasern aus Milch. Das macht sie anhand der Metapher einer Party (02: 28 - 03: 18 Min.). Diese Metapher hat Domaske perfekt auf das junge Publikum zugeschnitten. Die Party-Metapher lockert das Thema unheimlich auf und macht es gleichzeitig leicht verständlich. Eine gut gewählte Metapher löst in den Köpfen des Publikums ein Feuerwerk an Assoziationen und Bildern aus. Das steigert die Aufmerksamkeit ungemein. <?page no="46"?> 2.3 Strukturen 45 Gleichzeitig sorgen die Bilder dafür, dass das Publikum sich an die mit der Metapher verknüpfte Botschaft erinnert. Wir Menschen lieben Bilder. Metaphern machen uns komplexe Sachverhalte bildlich. Dadurch verstehen wir sie besser (nicht nur Typen wie ich). Das macht Metaphern so stark als Präsentationsstrukturen. Wir müssen allerdings darauf achten, dass unser Publikum die eingesetzte Metapher auch versteht. Oder noch vielmehr, dass unsere Metapher keine Gefühle verletzt. Sie muss zum Publikum passen. In Indien zum Beispiel zündet eine Metapher der verschiedenen Fleischstücke einer Kuh sehr wahrscheinlich nicht - Kühe sind dort bekanntermaßen heilige Tiere. Eine gute Metapher zu finden, ist echte Arbeit. Wenn Sie eine gefunden haben, dann setzen Sie sie bitte, bitte ein! Sie wird den Unterschied machen. Versprochen. 2.3.8 Übersicht der Strukturen Jetzt haben wir eine Menge verschiedene Strukturen kennengelernt. Zur vereinfachten Handhabung habe ich die wichtigsten Vor- und Nachteile in einer Tabelle zusammengefasst. Struktur Vorteil Nachteil Eins einfach & klar belehrend Zwei polarisiert passt nicht immer Drei Klassiker passt nicht immer Logik gelernt langweilig <?page no="47"?> 46 2 Message - Botschaft Bogen erzeugt Spannung Auflösung muss funktionieren Geschichte geliebt vom Publikum schwierig zu finden Metapher bleibt haften schwierig zu finden Tabelle 1: Vor- und Nachteile der verschiedenen Strukturen 2.3.9 Kombination von Strukturen Nu r di e al le rw eni gs te n Pr äs en ta ti on en komm en m it e in er ei nzi ge n Struktur au s. Häufi g wäre das au ch z ie ml ic h langwe il ig f ür d ie Z us chauer . Un sere A uf gab e al s Präsentator ist es vielmehr, verschiedene Strukturen miteinander zu verweben. Dadurch stellen wir auch sicher, dass unsere Präsentation einzigartig wird und spannend bleibt. Die Kombinationsmöglichkeiten der Strukturen sind riesengroß. Abb. 8: Strukturen im Vortrag Bacha-Trams <?page no="48"?> 2.3 Strukturen 47 Am besten malen Sie sich die Abfolge der von Ihnen geplanten Strukturen auf ein Blatt auf. Ganz so, wie in einer Regieanweisung mit verschiedenen Szenen. Zur besseren Verdeutlichung habe ich das in Abbildung 8 an einem konkreten Beispiel gemacht. Das Beispiel ist ein Science-Slam-Vortrag von Mareike Bacha-Trams mit dem etwas sperrigen Titel „Verteilung der Neurotransmitter-Rezeptoren im menschlichen Gehirn oder was Smarties mit dem Sprachverständnis zu tun haben“. Bacha- Trams war zum Zeitpunkt ihrer Präsentation 2011 am Forschungszentrum Jülich. Video 9 „Vert eilung der Neurotransmitter-Rezeptoren …“ Schenken wir uns die launige Anmoderation durch den Conférencier. Oder besser nicht. Hier sehen wir nämlich, was ein schlechter Moderator so anrichten kann. Er macht sich vor dem Vortrag auf Kosten von Bacha-Trams lustig. Das hat dann auch gleich Auswirkungen auf sie. Bacha-Trams verspricht sich gleich am Anfang. Schade. Bacha-Trams hat den gesamten Vortrag in eine Drei strukturiert. Ein sehr knackiger Beginn, in dem sie sagt, um was es geht (01: 00 - 01: 06 Min.). Der Hauptteil kombiniert verschiedenste Strukturen. Der Abschluss gibt einen Ausblick über das, was noch kommt sowie woran sie und ihre Kollegen in Zukunft arbeiten (08: 51 - 09: 30 Min.). Den Hauptteil umschließt Bacha-Trams mit einer Bogen-Struktur. In dieser nutzt sie einen komplexen und schwierig zu verstehenden Satz zur Erläuterung der <?page no="49"?> 48 2 Message - Botschaft Thematik (01: 07 - 01: 45 Min.). Im zweiten Teil des Bogens holt sie ganz am Ende des Hauptteiles diesen Satz wieder hervor, um zu verdeutlichen, wozu ihre Forschung gut ist (08: 13 - 08: 50 Min.). Dann geht es inhaltlich los. Passend für eine Wissenschaftlerin mit einer Logik- Struktur. Darin führt sie das Publikum von der Unterhaltung zweier Menschen hin zu den Kommunikationsstellen der Gehirnzellen, den synaptischen Endzäpfchen (01: 46 - 02: 30). Die Kommunikation dieser Zäpfchen erläutert sie mit einer Struktur Zwei (02: 30 - 04: 19 Min.). Parallel verdeutlicht sie diese Zwei durch die Metapher „Quatschende Mädchen“. Weiter geht es mit einer erneuten Logik-Struktur. Hier erklärt Bacha-Trams die Verteilung von Neurorezeptoren in verschiedenen Bereichen des Gehirnes (04: 20 - 08: 12 Min.). Und wieder verstärkt sie die Botschaft durch eine Metapher, die „Smarties“ (05: 10 - 07: 50 Min.). Dazu baut sie noch eine schöne Interaktion ein. Sie wirft Smarties-Päckchen ins Publikum und lässt von den Päckchen-Fängern die Verteilung der verschiedenen Farben in den Päckchen prüfen. Dann schließt sie wie zuvor beschrieben mit dem Bogen den Hauptteil ab und geht in den dritten Teil der Drei über. Bacha-Trams hat in ihrem Vortrag aus meiner Sicht sehr schön zahlreiche Strukturen miteinander verwoben. Nicht zuletzt deshalb kann auch ich als BWLer die Botschaft verstehen. Für den Anfang reicht es für Sie, sich klar zu werden, welche Strukturen Sie nutzen möchten. In welcher Reihenfolge. So kommt fast ganz von alleine „Drive“ in Ihren Vortrag. Los geht‘s! <?page no="50"?> 2.4 Erinnerung 49 2.4 Erinnerung Mit Hilfe der beiden vorangegangenen Abschnitte wissen wir, welche Botschaft wir haben und wie wir die Kommunikation derselben am besten strukturieren. Das ist schon eine ganze Menge. Schön wäre es aber jetzt, wenn das alles nicht nur für den Moment im Kopf des Publikums wäre. Sondern für längere Zeit. Für möglichst ganz lange Zeit. Je länger unsere Botschaften dem Publikum nach Ende unserer Präsentation im Kopf bleiben, desto besser. Glauben Sie, dass sich Ihre Botschaften niemand im Kopf behalten kann? Schon gar nicht, wenn Sie ein Vortragender in einer ganzen Reihe sind? Da irren Sie sich. Sie können und müssen sogar dafür sorgen, dass Ihre Präsentation heraussticht und Ihre Botschaften erinnert werden. Sie wollen sich schließlich für die ganze geleistete Arbeit mit einer guten Bewertung Ihrer Präsentation belohnen. Und es ist natürlich von Vorteil, wenn der Professor sich aufgrund Ihrer herausragenden Präsentation neben Ihrer Botschaft auch Ihren Namen merkt. Also hilft es, wenn wir die Erinnerung an unsere Botschaften bewusst verstärken. Dazu gibt es ein paar bewährte Hilfsmittel. Der Einfachheit halber teile ich diese gemäß der fünf „klassischen“ Sinne ein. Das sind Sehen, Hören, Tasten, Riechen und Schmecken. Zunächst schauen wir noch kurz auf den physiologischen „Unterbau“ zum Verständnis. Den Abschluss bildet quasi eine Resultierende aus der effektiven Ansprache der Sinne, die Emotion. 2.4.1 Gehirn und Erinnerung Im Kapitel 3 werden wir uns den Bedürfnissen unserer Zuschauer widmen. Dabei lernen wir die für uns Präsentatoren wichtige Funktionsweise unseres Gehirnes <?page no="51"?> 50 2 Message - Botschaft kennen. Hier nur so viel: Wir müssen sicherstellen, dass die Gehirne unserer Zuschauer wach sind und sich mit uns und unserer Botschaft beschäftigen. Und zwar beide Gehirnhälften. Sonst gibt es nur wenig oder gar keine Erinnerung - außer der Erinnerung, dass man nichts mitbekommen hat oder es schrecklich war. Das ist definitiv das Letzte, was wir wollen. Also ist es sehr wichtig, dass wir die Gehirne unserer Zuschauer wach halten, sie fordern und unterhalten (wie das geht lernen Sie in Kapitel 4 in den Abschnitten „Basisregeln“ und „Kür“). Erst wenn das erfüllt ist, können wir uns Gedanken um die Erinnerung an unsere Botschaften machen. Es gibt in einer typischen Präsentation genau zwei Zeitpunkte, an denen die Gehirne unseres Publikums besonders aufmerksam für uns sind. Das sind der Anfang einer Präsentation und der angekündigte Schluss. Im Zeitraum dazwischen müssen wir uns darum kümmern, die Aufmerksamkeit unseres Publikums hochzuhalten. Indem wir in unserer Präsentation möglichst viele Sinne ansprechen, aktivieren wir die Gehirne unserer Zuschauer. Damit steigern wir die Erinnerung an unsere Botschaften. Traditionell wurde über die Jahrtausende von Rednern neben Emotionen primär der Hörsinn angesprochen. Mit dem Aufkommen von Präsentationsprogrammen hat sich das zum Sehsinn verlagert. Leider sprechen aber viele Präsentatoren den Sehsinn nicht wirklich richtig an, sondern langweilen ihn mit Textwüsten auf der Leinwand. Ich bin mir sicher, Sie machen das besser. Spätestens nach dem Lesen der folgenden Seiten. <?page no="52"?> 2.4 Erinnerung 51 2.4.2 Sehen Das Sehen sprechen naturgemäß praktisch alle Präsentatoren an. Allerdings tun das die Wenigsten zielgerichtet zur Steigerung der Erinnerung an ihre Botschaften. Ein grundlegendes visuelles Mittel ist der Präsentator selbst. Im Abschnitt „Klarheit“ haben wir über den Einfluss der Wie-Botschaften gesprochen. Die Kleidung und Körpersprache des Präsentators werden vom Publikum gesehen und wahrgenommen. Noch vor dem ersten Wort. Ob wir es wollen oder nicht - unsere Erscheinung hat entscheidenden Einfluss auf unser Publikum und dessen Erinnerung an uns und unsere Botschaft. Im vierten Kapitel lernen Sie unter „Basisregeln“ alles Wissenswerte zu Kleidung und Körpersprache. Natürlich kann eine von der Norm abweichende Kleidung die Erinnerung positiv beeinflussen. Aber bitte nicht in zotteligen Klamotten und sichtlich ungewaschenen Haaren auftreten. Das generiert zwar Erinnerung beim Publikum, aber fast sicher nur negative. Es sei denn, Ihre Botschaft hat mit dieser Erscheinung ganz direkt zu tun. Bei der Körpersprache rate ich definitiv immer zu Elementen, die Ihr Auftreten positiv unterstreichen. Hängende Schultern und Fluchtstellungen helfen Ihnen auf keinen Fall. Immer einsetzbar sind Bilder. Richtig gewählt unterstreichen sie unsere Botschaften und verankern diese so besser beim Publikum. Nehmen Sie nicht irgendwelche Bilder. Die in herausragende Bilder investierte Zeit und eventuell auch ein kleines Investment lohnen sich immer. Tolle Bilder können Sie auch selbst machen. Laufen Sie mit offenen Augen durch den Tag. Sie werden jede Menge <?page no="53"?> 52 2 Message - Botschaft schräge und interessante Dinge sehen, die sich, als Foto festgehalten, irgendwann für eine Ihrer Präsentationen eignen werden. Wenn Sie Bilder in Ihren Folien einsetzen, dann bitte immer so groß wie möglich ziehen. Am besten nimmt ein Bild die ganze Folie ein. Wirklich die ganze Folie ohne Titel und so weiter. Trauen Sie sich! Je nach Größe der Projektion können dann sehr eindrucksvolle Visualisierungen herauskommen. Die schaffen Erinnerung. Die Verstärkung von Bildern sind Metaphern. Über sie haben wir im Abschnitt Struktur gesprochen. Metaphern sind extrem stark zur Steigerung der Erinnerung. Ein sehr schönes Beispiel ist der Vortrag „Wie Chuck Norris den Krebs besiegte“ von Christian Stern vom Helmholtz-Institut Braunschweig: Video 10 „Wie Chuck Norris den Krebs besiegte“ Stern verwendet Chuck Norris als Metapher für Salmonellen. Sehr stringent erklärt er mit dieser heute in zahlreichen Witzen verwendeten Actionfigur aus den achtziger Jahren eine neuartige Krebstherapie. Diese Metapher ist sehr außergewöhnlich und bleibt im Kopf hängen. Vor allem in der Kombination mit einem ernsten medizinischen Thema. Sehen Sie sich das ganze Video an. Spätestens danach verstehen Sie, was ich meine. Ich habe einmal bei einer Präsentation vor einem Topmanagement zwei Metaphern genutzt, um den Zustand zweier Organisationen in der Vergangenheit und aktuell darzustellen. Die Vergangenheit wurde symbolisiert durch ein Bild zweier <?page no="54"?> 2.4 Erinnerung 53 Getreidesilos. Die Gegenwart symbolisierte eine Goldmünze. Für sich gesehen schöne Metaphern. Das einzige Problem war nur, dass Getreidesilos und Goldmünzen gedanklich wirklich schwer zusammenzubringen sind. Dadurch funktionierten meine schönen Metaphern leider nicht wirklich. Mein absolutes Lieblingsmittel im visuellen Bereich sind Requisiten. Diese werden wir im Abschnitt „Kür“ des vierten Kapitels noch intensiver anschauen. Schauen wir nur kurz auf das bereits am Ende des Abschnittes „Strukturen“ verwendete Videobeispiel von Mareike Bacha-Trams: Video 9 „Vert ei lu ng de r Ne ur ot ra nsm it ter -Reze pto ren …“ Im Titel ihrer Präsentation tauchen bereits „Smarties“ auf. Bacha-Trams verwendet sie auch live im Vortrag zur Erläuterung der Thematik (05: 10 - 07: 00 Min.). Durch die physische „Anwesenheit“ der Smarties als Requisite vertieft Bacha-Trams die Erinnerung. Das Interagieren mit dem Publikum mittels der Smarties verstärkt die Erinnerung noch weiter. Im Abschnitt „Strukturen“ haben wir Geschichten kennengelernt. Sie sind, wenn man so will, ein einziges Feuerwerk an Bildern. Selbst ohne das Zeigen eines einzigen Bildes haben wir jede Menge Bilder im Kopf, wenn uns jemand eine (persönliche) Geschichte erzählt. Das im Abschnitt „Strukturen“ bereits beschriebene Video mit Gunter Dueck hat zahlreiche Beispiele zu bieten. Besonders starke Wirkung hat die Geschichte von Duecks Mathematik-Dissertation in Bielefeld (12: 13 - 14: 48 Min.). Das himmlische Rollenspiel macht die Ge- <?page no="55"?> 54 2 Message - Botschaft Video 2 „Oft Held gespielt und immer noch zu leise? “ schichte noch stärker. So etwas bleibt hängen. Dueck transportiert seine Botschaften fast nur durch persönliche Geschichten. Viele amerikanische Präsentatoren tun das. Im deutschsprachigen Raum ist das sehr selten. Warum eigentlich? 2.4.3 Hören Den Hö rsi n n sprechen Präsenta to ren me is t nur d ur ch n or ma le s Spr ech en an. D as alleine sorgt aber nicht wirklich für Erinnerung. Zumindest bei den meisten Präsentatoren. Es gibt aber weitere Mittel für den Hörsinn, die wir einfach nutzen können. Das einfachste, aber auch gleichzeitig vielleicht wirksamste Mittel ist die Wiederholung. In den seltensten Fällen merkt sich der durchschnittlich aufmerksame Zuschauer eine Botschaft, wenn er sie nur einmal hört. Es sei denn, diese Botschaft ist für diesen Zuschauer gefühlt ganz besonders wichtig. Ein Beispiel wäre das Ankündigen des Professors, dass für den Schein doch keine Prüfung nötig ist. Oder die Kommunikation einer Gehaltserhöhung oder Entlassung seitens des Arbeitgebers. Also müssen wir unsere Botschaft wiederholen. Prima ist dafür natürlich die Struktur Eins geeignet. Die im Abschnitt „Struktur“ vorgestellte „Yes we can“-Rede Barack Obamas ist ein schönes Beispiel für Wiederholung: <?page no="56"?> 2.4 Erinnerung 55 Video 4 „Yes we can“ Ab Minute 10: 10 wiederholt Obama das „Yes we can“ insgesamt zehn Mal. Mit dem starken Ansprechen von Emotionen seiner Zuschauer verstärkt er die Erinnerung über die reine Wiederholung hinaus. Aber auch ohne Struktur Eins funktioniert die Wiederholung. Wir müssen uns nur vorab Gedanken machen, an welchen Stellen in unserer Präsentation wir unsere Botschaft wie einbauen. Je öfter, desto besser. Auf je mehr unterschiedliche Weisen, desto besser. Je kreativer, desto besser. Sie merken schon, auch hier greift die Wiederholung. Gerne darf Wiederholung aber auch ganz subtil sein. Ganz nach Ihrem Geschmack und Können. Neben der Wiederholung ist die Sprache selbst ein Mittel zum Steigern der Erinnerung. Das kann alles sein, was mich als Präsentator von der einheitlichen grauen Masse der anderen Präsentatoren abhebt. Eine kleine Zusammenstellung möglicher sprachlicher Mittel zum Anfachen der Erinnerung habe ich Ihnen im Folgenden zusammengestellt. sehr laute Stimme - durchgehend oder wenn es besonders wichtig wird leise Stimme - wenn es besonders wichtig wird in Ihrem Heimatdialekt gefärbte Stimme - außerhalb ihrer Heimat oder wenn ein Großteil der Zuschauer nicht aus Ihrer Heimat kommt <?page no="57"?> 56 2 Message - Botschaft Slangwörter - aber mit Vorsicht und Bedacht eine besonders geschliffene Sprache mit kurzen Sätzen - das ist wirklich herausragend und bleibt hängen 2.4.4 Tasten Spätestens hier habe ich unter Umständen die ersten Zweifler. Sehen und Hören, schön und gut. Aber was soll der Tastsinn bei Vorträgen an der Hochschule? Ich habe ergo auch kein einziges Videobeispiel gefunden, wie der Tastsinn in einer akademischen Präsentation eingesetzt wurde. Dasselbe gilt für „Riechen und Schmecken“ im folgenden Abschnitt. Daher muss ich Ihnen meine eigenen beruflichen Beispiele nennen. Wenn es um neue Produkte oder Ideen geht, werden in Präsentationen gerade in Konsumgüterunternehmen gerne Muster mitgebracht. Sie glauben gar nicht, wie intensiv die Zuschauer damit spielen, sobald sie sie in die Hand bekommen. Die Präsentatoren machen dann gerne einen Kardinalfehler: Sie geben Produktmuster aus und lassen sie während ihrer Präsentation im Publikum herumgehen. Das Ergebnis sind ein fantastisch hoher Geräuschpegel und riesige Unruhe. Zuhören kann dann natürlich niemand mehr so wirklich. Es gibt aber gleich zwei Lösungen, wie ich etwas Physisches in die Hände des Publikums bekomme, ohne Aufmerksamkeit zu verlieren. Als erstes kann ich mir einen Freiwilligen suchen. Er bekommt den Gegenstand in die Hand. Dann darf er ihn den anderen Zuschauern beschreiben. Wie fühlt sich der Gegenstand an? Wie schwer ist er? Wie leichtgängig ist die Mechanik? Und so weiter. Die anderen Zuschauer haben dann das Gefühl, dass „einer von uns“ die Sache unter die Lupe nimmt. Sie fühlen den Gegenstand förmlich mit, auch wenn <?page no="58"?> 2.4 Erinnerung 57 sie ihn gar nicht berühren. Besonders gut geht das, wenn die anderen Zuschauer bei der Beschreibung die Augen schließen. Die andere Lösung „verfolgt“ die Zuschauer physisch bis weit nach der Präsentation. Wenn Sie ein gutes Bild beziehungsweise eine starke Metapher für Ihre Botschaften gefunden haben, dann geben Sie den Zuschauern oder zumindest den wichtigsten Personen dieses Bild physisch mit. Vor einigen Direktoren sollte ich eine neue Vermarktungsidee für eine der Procter & Gamble-Marken vorstellen. Meine Idee war eine „Made in Germany“-Promotion. Zahlreiche unserer Produkte wurden in Deutschland produziert, doch die wenigsten Menschen wussten davon. Nach der Darstellung der Idee und Umsetzung gab ich jedem der Entscheidungsträger einen kleinen Turm aus Lego-Steinen in Deutschland-Farben mit. Meine Idee setzte sich gegen fünf andere Ideen durch. Die Promotion wurde sehr erfolgreich umgesetzt. Noch Monate später standen die Deutschland-Türmchen auf den Schreibtischen der Entscheider und wurden regelmäßig zum Spielen beim Telefonieren benutzt. Und noch Jahre später wusste jeder der Entscheider, wer die Idee für diese erfolgreiche Promotion hatte. Lego-Steine oder Playmobil-Männchen sind hervorragend als „Erinnerer“ geeignet. Es gibt keinen Grund, den Tastsinn nicht auch im Hochschulbereich anzusprechen. Machen Sie was draus! 2.4.5 Riechen und Schmecken Eines der Sinnesorgane mit der stärksten Wirkung zur Erinnerung ist der Geruchssinn. Wir assoziieren mit zahlreichen Gerüchen positive oder negative Dinge und Erlebnisse. Auch Jahre später können wir uns noch daran erinnern, wenn wir denselben Geruch wahrnehmen. Das gilt auch für den Geschmackssinn. Wie für den <?page no="59"?> 58 2 Message - Botschaft Tastsinn habe ich auch für das Verwenden dieser Sinne in einer Präsentation leider keine Videobeispiele aus dem Hochschulbereich finden können. Also nehme ich wieder ein eigenes Beispiel. Bei der Vorstellung einer neuen, geschmacklich andersartigen Zahncreme habe ich eine Zuschauerin die Zahncreme live schmecken lassen. Dabei durfte sie dem Publikum den Geschmack und die Textur der Zahncreme beschreiben. Sie tat das so blumig, dass einzelne Zuschauer Beifall klatschten. Die anderen Zuschauer konnten sich dank der Beschreibung den Geschmack selbst vorstellen. Das blieb unbewusst stark hängen. Wie eben beschrieben, funktioniert das Ansprechen von Riechen und Schmecken bereits aus der Imagination heraus. Viel stärker ist es natürlich bei eigenem direktem Empfinden. Wenn Sie also alle Ihre Zuschauer oder zumindest die „Entscheidungsträger“ selbst etwas riechen oder schmecken lassen können, dann sollten Sie das tun. In manchen Elektrofachmärkten wird im Bereich der Kaffeevollautomaten durch ein spezielles Gerät Kaffeeduft versprüht. Das weckt die Erinnerung an schöne Erlebnisse im Café und steigert den Kaufwunsch. Das klingt sehr manipulativ und ist es natürlich auch. Nun brauchen Sie in Ihrer Präsentation keine Automaten aufstellen zum Verströmen des Duftes der Bergwälder Guyanas. Es reicht bereits, wenn Sie Ihr Publikum bitten, die Augen zu schließen. Dann beschreiben Sie die Landschaft, die Bäume, die Tiere, die Geräusche und den Duft. Das funktioniert unglaublich gut. Einen Aufhänger finden und ausprobieren! <?page no="60"?> 2.4 Erinnerung 59 2.4.6 Emotion Emotionen entstehen aus einem Zusammenspiel verschiedenster Bereiche im Gehirn. Sehr häufig sind dabei körperliche Reaktionen beteiligt, also unsere Sinne. Wenn wir als Eltern das Schreien eines Babys hören, können wir wechselweise Glück, Trauer oder Furcht empfinden. Ganz nach unserem Zustand oder wie wir selbst mit diesem Baby in Verbindung stehen. Das Sehen des entscheidenden Tores für unsere Lieblingsmannschaft im Pokalendspiel löst ein unbeschreibliches Glücksgefühl in uns aus. Weil uns Emotionen so sehr bewegen, erzeugen oder unterstützen sie Erinnerung. Denken Sie an den Moment, als der Lieblingshase Ihrer Kindheit starb. Sie haben ihn immer noch vor sich. Das können wir auch in Präsentationen nutzen. Der in diesem Buch häufig besprochene Vortrag von Giulia Enders ist vielleicht auch deshalb so erfolgreich, weil er so sehr unsere Emotionen anspricht. In diesem Falle primär Überraschung und Ekel vor der Thematik Verdauung. Nutzen Sie Emotionen in Ihren Präsentationen. Das ist nichts Unwissenschaftliches. Mindestens erwarte ich von Ihnen die Emotion Begeisterung für die Thematik Ihres Vortrages. Das ist ein guter Anfang und wirkt nachhaltig überzeugend für Sie. <?page no="62"?> 3 Audience - Publikum Ohne Publikum gibt es keine Präsentation. Ohne einen Empfänger wird Ihre Information ins Leere laufen. Wir brauchen das Publikum, damit sich unsere Ideen und Gedanken verbreiten. Am besten wie ein Virus, schnell und breit streuend. Ein Virus ist immer dann am erfolgreichsten, wenn es sich an seinen Überträger und Empfänger anpasst. Genau diese Adaptation müssen wir als Präsentatoren vollziehen, um erfolgreich zu sein. Das heißt nicht, dass wir uns in unserer Persönlichkeit verbiegen müssen. Im Gegenteil! Unser Publikum ist wichtig. Aber kennen wir es überhaupt? Bei Präsentationen im Studium sind Ihr Publikum die Lehrenden sowie Ihre Kommilitonen. Ihre Lehrenden vergeben die für Sie so wichtigen Beurteilungen und wollen vor allem verstehen, ob Sie das Thema verstanden haben. Ihre Kommilitonen interessiert im besten Fall Ihre Wissensvermittlung - im schlechtesten, ob Sie die Präsentation überhaupt schaffen. Haben Sie für Ihren Vortrag an die unbewussten Bedürfnisse dieser Menschen zum Zeitpunkt der Präsentation gedacht? An ihre bewussten spezifischen Erwartungen an Sie und Ihren Vortrag? Haben Sie den Kontext von Zeit und Ort zum Thema berücksichtigt? Wer hat vor Ihnen über welches Thema gesprochen? Können Sie Ihren Vortrag damit verbinden? Wie nutzen Sie die Interaktion mit dem Publikum als das Schlüsselelement für alle diese Fragen? Verwenden Sie bitte möglichst viel Zeit und Energie dafür, Ihr Publikum vorab bestmöglich zu verstehen! Das wird sich auszahlen. Ihre Beurteilung wird besser und Sie werden freier und mit Spaß präsentieren. <?page no="63"?> 62 3 Audience - Publikum 3.1 Bedürfnisse Um die Bedürfnisse des Publikums besser zu verstehen, betrachten wir uns zunächst den Aufbau des menschlichen Gehirnes. Da ich in Biologie schon zu Schulzeiten eine Niete war, kann und will ich in diesem Abschnitt keine fachlich fundierte Beschreibung des Gehirnes abgeben. Wir sprechen hier also mehr über Konzepte als über stichfeste Darstellungen. Unser Gehirn ist extrem komplex. Wir haben mehr Nervenzellen im Gehirn als es Menschen auf der Erde gibt. Jede dieser Nervenzellen hat mit durchschnittlich mehr als 5.000 anderen Nervenzellen eine direkte Verbindung. Aber nicht jede Gehirnzelle gleicht der anderen. Es gibt im Gehirn zahlreiche Bereiche, die die unterschiedlichsten Aufgaben übernehmen. Manche Aufgaben werden unter verschiedenen Bereichen aufgeteilt. Das ist außerordentlich vielschichtig. Für mich als Betriebswirtschaftler sind das schier unfassbare Vorgänge und Zusammenhänge. Ich nehme daraus mit, dass in unserem „Präsentator-Gehirn“ und in den Gehirnen unserer Zuschauer sehr viel passiert. Das meiste davon geschieht bei der riesigen Masse an Informationsübertragungen sicherlich unbewusst. Schauen wir uns einmal ganz vereinfacht den Aufbau des menschlichen Gehirnes an. Michael Madeja unterteilt es in seinem sehr verständlich geschriebenen Buch „Das kleine Buch vom Gehirn“ in drei Bereiche. Oben liegt das Großhirn, in dem das eigentliche Denken stattfindet. Darunter befindet sich das primär für die Steuerung der Muskeln zuständige Kleinhirn. Ebenfalls an der Unterseite des Gehirnes liegt der Hirnstamm. Dieser leitet die Nervenreize aus dem Körper ins Gehirn und zurück. Zusätzlich ist das Gehirn in zwei Hälften geteilt. Diese übernehmen unterschiedliche Bereiche des Denkens und steuern die jeweils andere Körperseite. Die rechte Gehirnhälfte steuert also die linke Körperhälfte und umgekehrt. <?page no="64"?> 3.1 Bedürfnisse 63 Den beiden für uns Präsentatoren wichtigsten Teilen des Gehirnes habe ich im Folgenden je einen eigenen Punkt gewidmet, dem Hirnstamm und den beiden Gehirnhälften. 3.1.1 Bedeutung des Hirnstammes zum Präsentieren Im Hirnstamm laufen die Informationen der zahllosen Nervenzellen unseres Körpers zusammen. Von dort werden sie, ähnlich einer Schaltstation, an den jeweils zuständigen Bereich im Gehirn weitergeleitet. Das betrifft zunächst natürlich unsere Sinne. Die haben wir bereits im vorangegangenen Kapitel in der Hinsicht diskutiert, wie ihre Ansprache die Erinnerung an unsere Botschaft steigert. Es gibt noch einen weiteren Grund, warum der Hirnstamm für uns Präsentatoren sehr wichtig ist. Der liegt darin, die Aufmerksamkeit unseres Publikums nicht durch für uns negative Faktoren zu beeinträchtigen. Diese sind grundlegende Bedürfnisse des Menschen. Zum Beispiel das Bedürfnis nach Schlaf, Hunger, Kälteempfinden und so weiter. Wenn ich müde bin, kann ich nicht zuhören. Dann kämpfe ich mit dem Schlaf. Wem ist das in einer Vorlesung noch nicht passiert? Besonders peinlich, wenn man dann in der ersten Reihe sitzt und der Professor einen durch direkte Ansprache aus dem Schlaf holt. So ist mir das beim „giftigsten“ Professor meiner Studienzeit tatsächlich ergangen. Wenn ich Hunger habe, fällt mir das Zuhören auch schwer. Der Blutzuckerspiegel sinkt und das Gehirn stellt auf Sparflamme um. Wenn mir kalt ist, überlege ich fieberhaft, wie ich einen Vorwand finde, um meine Jacke holen zu können. Wenn ich also als Präsentator die grundlegenden Bedürfnisse meiner Zuschauer ignoriere, dann werden diese mir nicht voll und ganz zuhören können. In der Folge ist meine Botschaft „in den Schornstein geschrieben“. Im Folgenden führe <?page no="65"?> 64 3 Audience - Publikum ich die für Präsentationen wichtigen Bedürfnisse auf und wie wir verhindern können, dass sie bei unserem Publikum die Aufmerksamkeit reduzieren. Müdigkeit - Sorgen Sie vor Ihrem Vortrag für frische Luft. Fenster auf oder wenigstens alle Türen, wenn es keine Fenster gibt. Zur Not geht das auch während des Vortrages. Sprechen Sie möglichst viele Sinne an. Variieren Sie Ihre Stimme. Schreien oder Flüstern br ing t Ei nsc hlaf end e sc hn ell zu sic h. O de r ge be n Sie de m Pub li ku m vor Be ginn no ch fü nf Mi nuten ext ra , um s ich ei nen Kaf fe e holen zu k ön ne n. Kälte / Wärme - Wenn Sie vor Ihrer Präsentation in den Raum kom men und es bereits nicht nur Ihnen sehr kalt oder heiß ist, dann suchen Sie den Hausmeister auf und lassen Sie die Klimaanl age regulieren. Vielleicht gibt es ja auch im Raum regulierbare Heizkörper. Warum nicht ein Fenster öffnen, auch mitten in der Präsentation? Das zeigt, dass Sie sich um Ihre Zuschauer kümmern und nicht nur den Tunnelblick auf Ihr Thema haben. Hunger / Durst - Je nach Größe des Auditoriums kann man ein paar Schokoriegel fürs Publikum dabei haben, wenn die letzte Pause viel zu lange her ist. Oder ein paar Becher Wasser. Viel einfacher aber ist es, den Beginn der Präsentation noch ein paar Minuten hinauszuschieben und eine kurze Pause zu machen. „Müssen“ - Das ist das der Aufmerksamkeit abträglichste Bedürfnis. Wenn ich dringend auf die Toilette muss, dann kann ich mich auf nichts anderes mehr konzentrieren. So geht das den <?page no="66"?> 3.1 Bedürfnisse 65 meisten im Publikum, wenn seit Stunden keine Pause war. Also gilt wie beim Punkt Hunger - eine kurze Pause einschieben. Auch wenn Sie dadurch ein paar Minuten Ihrer Präsentationszeit verlieren. Sprechen Sie lieber kürzer bei voller Aufmerksamkeit des Publikums, als lange Zeit, ohne dass jemand zuhören kann. 3.1.2 Bedeutung der rechten und linken Gehirnhälfte zum Präsentieren Berei ts in d en s echzi ger J ah ren fand en Wi ssenschaf tler wi e der s pätere No belpreisträger Roger Sperry heraus, dass das Gehirn seine Aufgaben unterschiedlich auf die beiden Gehirnhälften verteilt. Zwar ist die Steuerung des Körpers paritätisch geteilt. Die rechte Gehirnhälfte steuert den linken Teil des Körpers und umgekehrt. Aber die Aufgaben des Denkens sind nicht paritätisch verteilt. Sperry fand heraus, dass die linke Gehirnhälfte sich überwiegend logischen Dingen wie Worten, Zahlen oder Analysen widmet. Die rechte Gehirnhälfte kümmert sich um Aufgaben wie Bilder, Raumempfinden und Imagination. Der britische „Mentalguru“ Tony Buzan hat in seinem sehr lesenswerten Buch „Entdecken Sie Ihre kreative Intelligenz“ eine schöne Tabelle zur Aufteilung der Aufgaben der beiden Gehirnhälften gemacht. <?page no="67"?> 66 3 Audience - Publikum links rechts Wörter Farbe Zahlen Rhythmus Logik Räumliche Wahrnehmung Analyse Imagination Linearität Ganzheitliches Bewusstsein Tabelle 2: Aufgabenverteilung der Gehirnhälften, nach Tony Buzan He ut e wi ss en w ir , das s di ese Aufteilunge n ni cht starr si nd u nd t ei lw ei se U nt er schiede zum Beispiel zwischen Links- und Rechtshändern existieren. Das Konzept bleibt dennoch wichtig für uns Präsentatoren. Meist sprechen wir in Präsentationen nur die linke Gehirnhälfte an. Wir werfen mit Zahlen, Worten, Logik und Analyse nur so um uns. Farbe, Raum und Imagination kommen viel zu kurz. In der Folge fühlen sich die rechten Gehirnhälften unserer Zuschauer nicht angesprochen. Sie schalten ab oder tun andere Dinge. Das ist tödlich für unsere Botschaft und deren langfristige Verankerung. Also müssen wir in unseren Präsentationen beide Gehirnhälften ansprechen. Wir brauchen Fakten und Logik. Klar. Ganz besonders in der Wissenschaft. Aber wir brauchen auch Bilder und Imagination. Erst dann nutzen wir unser volles geistiges Potenzial UND das unserer Zuschauer. Deshalb kommen „andersartige Präsentationen“, wie etliche der von mir in diesem Buch beschriebenen, so gut an. Achten Sie ab jetzt darauf! <?page no="68"?> 3.2 Erwartungen 67 3.2 Erwartungen Im Gegensatz zu den für das Publikum meist unbewussten Bedürfnissen, sind dem Publikum seine Erwartungen wohl bewusst - hoffentlich. Ganz grundlegend wird jeder Ihrer Zuhörer von Ihnen eine verständliche und unterhaltsame Darstellung erwarten oder zumindest erhoffen. Wenn Sie einen wohlmeinenden Professor haben, dann gibt er strukturiert seine Erwartungen an studentische Vorträge in Form und Inhalt vor. Das kann sogar so weit gehen, dass alle Vorträge einer einheitlichen Formatvorlage im Präsentationsprogramm folgen müssen. Letzteres kann für Ihre Vorträge hilfreich sein, da Sie sich dann um das Format der visuellen Darstellung weniger Gedanken machen müssen. Es gibt aber noch weitaus mehr Elemente, die von Ihnen erwartet werden könnten. Wenn Sie weniger Glück haben, dann gibt es keine strukturiert vorliegenden Erwartungen oder diese beschränken sich rein auf oben beschriebene Formatvorlagen. Wie finden Sie dann heraus, was der Professor von Ihnen erwartet? Werden Sie selbst aktiv und kreativ! Jede Minute, die Sie vorab darin investieren, die Erwartungen Ihres Publikums zu verstehen, zahlt sich später mehr als fünffach in gesparter Zeit bei der Überarbeitung der Präsentation aus. Ganz zu schweigen vom unglaublichen Vorteil, den Sie haben, wenn Sie die ungeäußerten Erwartungen jenseits der Formalien womöglich als Einziger begriffen und erfüllt haben. Überlegen Sie, welche Art und Weise der Darstellung Sie selbst am liebsten bei anderen Präsentatoren sehen. Ähnlich wird es vielen anderen Menschen gehen. <?page no="69"?> 68 3 Audience - Publikum Setzen Sie sich in eine Veranstaltung, in der andere Studenten vor Ihrem Professor präsentieren dürfen. Schauen Sie, was bei ihm gut ankommt. Fragen Sie Kommilitonen, die bereits vor Ihrem Professor präsentiert haben. Geben Sie sich nicht mit allgemeinen, oberflächlichen Floskeln zufrieden. Bohren Sie nach. Schauen Sie sich an, wie der Professor seine eigenen Vorträge hält. Das ist jedoch nicht immer gleichzusetzen mit den Erwartungen an studentische Präsentationen. Fr age n Sie I hr en P ro fe ss or di re kt. O de r sp re ch en S ie m it e ine m seiner Assistenten. Damit verschaffen Sie sich einen Vorsprung. Denn selten erfragen Studenten Dinge jenseits des Inhaltes und der r einen Form. Schauen Sie in die sozialen Netzwerke. Wie positioniert sich der Professor dort? Natürlich ist es auch eine gute Idee, Ihre Kommilitonen zu fragen, was diese sich von Ihrem Vortrag erwarten. Rechnen Sie jedoch damit, in staunende Gesichter zu schauen. Machen Sie sich zum Abschluss Eines bewusst: Niemand sieht sich gerne langweilige und unverständliche Vorträge an! Wirklich niemand. <?page no="70"?> 3.3 Kontext 69 3.3 Kontext Ein sehr wichtiger Punkt, der gerade im Hochschulbereich in der Regel nicht beachtet wird, ist der Kontext eines Vortrages. Für uns als Präsentatoren sind dabei drei Faktoren besonders zu berücksichtigen: Ort, Zeit und der generelle Rahmen. Jeden davon schauen wir uns im Folgenden näher an. 3.3.1 Ort Zum Ort gibt es für Sie wahrscheinlich zunächst einmal nicht viel zu entscheiden. Ihr Professor hat einen bestimmten Raum in einem bestimmten Gebäude festgelegt. Vielleicht hat er dabei sogar daran gedacht, ob sich dieser Raum für Präsentationen besonders eignet. In der Regel wird Ihnen dieser Raum aus Lehrveranstaltungen bekannt sein. Und dann wissen Sie auch, ob Sie sich in diesem Raum wohlfühlen oder nicht. In letzterem Falle könnten Sie beim Lehrstuhl oder über die Fachschaft einen besser geeigneten Raum vorschlagen. Hat noch nie jemand gemacht? Warum sind Sie dann nicht der Erste? Wie sieht ein optimaler Raum zum Präsentieren aus? Bevorzugen Sie helle, freundliche Räume. Reduzieren Sie lieber die Details auf Ihren Folien, bevor Sie für diese einen Raum so weit abdunkeln müssen, dass die Zuschauer einschlafen (müssen). Suchen Sie Räume mit viel Platz am Kopfende. Gerne auch mit irgendeiner Art Bühne. Seien Sie für Ihre Präsentation „der Boss“. <?page no="71"?> 70 3 Audience - Publikum Sie sind für die Zuschauer die Hauptperson - auch wenn die eigentlichen Hauptpersonen natürlich vor Ihnen sitzen. Meiden Sie Räume mit zentralem, feststehendem Rednerpult. Das könnte Sie dazu verleiten, sich am Pult festzuklammern. Niemand will das sehen. Am besten sind Räume, in denen alle Zuschauer freien Blick nach vorne haben. Solche gibt es in den Hochschulen sehr viel mehr als in der Wirtschaft. Nutzen Sie diesen Vorteil! Su chen Si e Rä um e, d ie m ög li ch st „ aus ve rka uf t “ s ei n we rde n. Wenn a ll e od er f as t all e Plä tz e be legt s in d, k om mt a uto ma tis ch das Gefühl im Publikum auf, bei etwas „Gutem“ dabei zu sein. Kein Fußballer oder Musiker spielt gerne vor halb leeren Rängen. Und kein Zuschauer wird halb leere Ränge als angenehm empfinden. Er fragt sich dann eher, ob er hier richtig ist, wenn so wenige Leu te da sind. Also, nehmen Sie lieber den kleineren Raum. Schaffen Sie sich den für Ihren Vortrag nötigen Platz im Raum, wenn Sie die Möglichkeit dazu haben. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Publikum Sie bestmöglich sehen und hören kann. Darüber hinaus ist der Raum unseres Vortrages aber noch in einer anderen Dimension für uns wichtig. Gute Präsentatoren nehmen immer in irgendeiner Form Bezug auf den Raum, die Stadt oder das Land, in dem sie gerade vortragen. Die beiden letzten Punkte fallen für gewöhnlich im Studium aus. Aber ist es nicht ein Leichtes, auf den Raum selbst Bezug zu nehmen? Vielleicht war es der Raum Ihrer ersten Vorlesung im Studium oder in diesem Fachbereich. Vielleicht können Sie <?page no="72"?> 3.3 Kontext 71 mit der Raumnummer einen Bezug zu Ihrem Vortrag herstellen. Vielleicht können Sie die Raumgröße in Ihrer Präsentation als Bezugspunkt nennen oder die Anzahl der Zuschauer. Grenzen setzt Ihnen hierbei nur Ihre Phantasie. 3.3.2 Zeit Ihre Freiheit, sich die Zeit oder den Tag Ihres Vortrages auszusuchen, ist vermutlich beschränkt. Aber wie auch beim Raum ist es eine gute Idee, ungünstige Termine zu hinterfragen. Falls Schnelligkeit oder frühes Aufstehen fürs Eintragen in eine Terminliste gefragt ist, lohnt sich dieses Investment für Sie vor allem dann, wenn Sie nicht der geborene Präsentator sind und zu Nervosität neigen. Auch wenn es per se keine perfekten oder schlechten Zeiten gibt, so kann man tendenzielle Aussagen zur Vortragszeit machen. Vermeiden Sie das Mittagsloch. Das sind ungefähr die zwei Stunden nach dem Mittagessen. Und wenn es schon in dieser Zeit sein muss, dann am besten direkt nach dem Mittagessen. So haben Sie in jedem Fall einen Aufhänger für den Beginn Ihrer Präsentation. Streben Sie den ersten oder letzten Termin in einer Reihe von Vorträgen an. So setzen Sie entweder die initiale „Duftmarke“ oder bleiben als Abschluss dem Publikum im Gedächtnis. Vermeiden Sie einen Freitagstermin. Oder zumindest den Freitagnachmittag. Auch Ihr Professor denkt wahrscheinlich nur noch ans Wochenende. Er wird Ihnen somit kaum die volle Aufmerksamkeit schenken. <?page no="73"?> 72 3 Audience - Publikum Die Zeit ist aber noch über den möglichst optimalen Zeitpunkt oder Tag hinaus für uns als Präsentatoren wichtig. Gute Redner nehmen Bezug auf die Uhrzeit, zu der sie sprechen oder den Tag. Letzterer bietet unglaublich viele Möglichkeiten der Anknüpfung. Die Vereinten Nationen begehen zahlreiche weltweite Gedenktage: http: / / www.unric.org/ de/ internationale-tage-und-jahre Viele davon sind eher unbekannt. Viele regen die Phantasie des Publikums mit Sicherheit allein schon beim Nennen des Tages an. Das machen zum Beispiel der „Tag des Glücks“ am 21. März oder der „Tag der biologischen Vielfalt“ am 22. Mai. Schauen Sie vorab nach, an welchem Tag Ihr Vortrag ist und knüpfen Sie an den entsprechenden Gedenktag an. Das kostet Sie nur wenige Minuten - wird aber einen großen Effekt haben. Neben diesen Gedenktagen können Sie aktuelle oder kommende Ereignisse in Ihre Präsentation einbauen. Sie finden zum Beispiel auf der Webseite der Süddeutschen Zeitung eine tolle Vorschau der kommenden Ereignisse und Jahrestage: http: / / www.sz-photo.de/ suddeutsche-zeitung-photo/ kalender Der Bezug auf ein Tagesereignis für sich alleine ist nett für das Publikum. Aber in der Hochschule reicht das nicht aus. Sie sollten auf jeden Fall einen Bogen zu Ihrem Vortragsthema oder Ihrer Kernbotschaft schlagen. Der Jahrestag von Hitchcocks „Die Vögel“ am 28. März zum Beispiel ist ein dankbarer Bezug für Biologen. Aber auch Psychologen können hier prima anknüpfen. Oder Filmwissenschaftler oder oder ... Der Jahrestag der „Costa-Concordia-Katastrophe“ am 13. Januar bietet Ingenieuren, Wirtschaftswissenschaftlern oder Rechtswissenschaftlern einen einfachen Aufhänger für zahlreiche Fragestellungen. <?page no="74"?> 3.3 Kontext 73 Auch das Archiv der lokalen Tageszeitung ist eine riesige Fundgrube. Was passierte in dieser Stadt oder Region vor 20, 30 oder 50 Jahren? Machen Sie sich die Mühe und stellen Sie einen spannenden Bezug dazu her. Sie werden damit Aufmerksamkeit erregen und das Publikum für Ihr Thema interessieren. Und - Sie sind wahrscheinlich einer von ganz wenigen, die das tun. 3.3.3 Genereller Rahmen Neben Zeit und Ort können wir als Präsentatoren noch auf den generellen Rahmen oder Kontext Bezug nehmen. Das ist sicherlich das gängigste Element. Als unterste Ebene bietet sich der Rahmen Ihres Vortrages selbst an. Was passierte davor, wer sprach vor Ihnen über was? Loben Sie Ihren Vorredner und beziehen Sie sich in Ihrem Vortrag auf ihn. In der Regel wissen Sie vorher, wer vor Ihnen spricht und können mit dieser Person vorab Kontakt aufnehmen. Tauschen Sie sich über Ihre Vorträge aus. Unter Umständen entdecken Sie dabei den Aufhänger, der Ihnen bisher für einen tollen Einstieg gefehlt hat. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für die Person, die nach Ihnen sprechen wird. Wenn Sie in Ihrer Präsentation bereits auf deren Inhalte positiv referenzieren, wirken Sie sehr professionell. Der nachfolgende Redner wird sich dann wahrscheinlich auch auf Sie beziehen und das Lob zurückgeben. So profitieren Sie gleich doppelt. Die nächste Stufe des Kontextes ist die Veranstaltung selbst. Selten präsentieren Sie in der Hochschule ganz alleine. In der Regel sind Sie einer von mehreren Präsentatoren. Denken Sie an den Hintergrund der Veranstaltung. Vielleicht ist es ein Jubiläum oder eine Premiere. Greifen Sie dies für Ihren Vortrag auf. <?page no="75"?> 74 3 Audience - Publikum Denken Sie auch darüber nach, ob Ihr Vortrag in einen aktuellen politischen, wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Kontext passt. Und wenn es Ihnen noch so trivial erscheint - bauen Sie es ein. Wenn Ihr Thema einen aktuellen Bezug hat, dann sollten Sie diesen explizit nennen. Zum Beispiel sollte in einem Vortrag über Energieeffizienz auf jeden Fall die aktuelle politische Diskussion darüber auftauchen. Der Bezug auf etwas Größeres und Aktuelles macht Ihren Vortrag relevanter und glaubhafter. Und bleiben Sie bitte nicht bei vagen „Wie Sie alle wissen“-Plattitüden. Werden Sie konkret und bringen Sie aktuelle Statements bekannter Persönlichkeiten ein. Sicherlich ist es bei Ihren Präsentationen im Studium überhaupt keine Frage, wer diese hält - nämlich Sie. Es gibt allerdings eine Herausforderung. Den größten Eindruck macht bei einem Vortrag natürlich immer der größte verfügbare Experte auf diesem Gebiet. Häufig sind das wahrscheinlich nicht Sie selbst. Das ist ein Problem, da Sie für die Beurteilung oder den Abschluss den Vortrag selbst halten müssen. Aber Sie können einen Experten anwesend sein lassen. Verwenden Sie ein Bild von ihm im Vortrag und nennen Sie den Namen an prominenter Stelle. Dadurch steigt für die Zuhörer ganz unbewusst Ihre Glaubwürdigkeit. Vielleicht kommen Sie auch aus derselben Stadt wie der bekannteste Experte oder in Ihrer Heimatstadt ist das bedeutendste Institut für Ihre Thematik ansässig (das bedeutendste nach dem Ihres Professors natürlich). Sagen Sie das dem Publikum - der Glanz der Experten wird auf Sie abfärben. Achtung: Ich meine in diesem Absatz nicht das Nennen eines Goethezitates oder eines anderen Philosophen. Das machen schlechte Präsentatoren inflationär. Ich meine einen Experten aus Ihrem Fachgebiet. Ganz entscheidend ist aber: Sorgen Sie bitte unbedingt dafür, dass Sie die Thematik, über die Sie sprechen, von vorne bis hinten verstanden haben! <?page no="76"?> 3.3 Kontext 75 Nur so können Sie glaubhaft die Inhalte Ihres Vortrages vertreten. Wenn dies nicht der Fall ist, verschieben Sie den Vortrag lieber um ein Semester. Falls Sie nämlich eine schlechte Präsentation abliefern, so wird Ihnen das beim Professor und den Kommilitonen und vor allem Ihnen selbst lange nachhängen. Der generelle Rahmen ist also ein Bündel von Dingen, die Ihren Vortrag positiv wie negativ beeinflussen können. Hervorragende Präsentatoren berücksichtigen das praktisch immer. Der für mich immer noch mit Abstand beste Einsatz von Kontext ist die Rede des damaligen Außenministers Hans-Dietrich Genscher am 30. September 1989. Hier teilt er den tausenden Flüchtlingen in der Prager Botschaft die Erlaubnis zur Ausreise in die BRD mit. Genscher wartet mit dieser Nachricht so lange, bis er persönlich vor den Flüchtlingen steht. Er erscheint im Dunkeln auf einem Balkon über dem Garten und löst einen unbeschreiblichen Jubel aus: „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise ...“. Der Rest ist Geschichte. Schauen Sie sich auf www.youtube.de eines der zahlreichen Videos dazu an. Sicherlich hätten die Flüchtlinge die Ausreiseerlaubnis auch früher und undramatischer mitgeteilt bekommen können. Der Effekt für den Rest der Welt wäre dann aber deutlich kleiner gewesen. Und eigentlich wäre der Kanzleramtsminister, Rudolf Seiters, dafür zuständig gewesen, nicht der Außenminister. Aber Genscher wusste um die Symbolkraft seiner Person - er ist in Ostdeutschland geboren und siedelte 1952 in die BRD über. <?page no="77"?> 76 3 Audience - Publikum 3.4 Interaktion Die Interaktion mit dem Publikum unterscheidet die durchschnittlichen Präsentatoren von den herausragenden. Durchschnittliche Präsentatoren senden Ihre Botschaften nur in eine Richtung, zum Publikum. Zumindest während des eigentlichen Vortrages. Herausragende Präsentatoren interagieren durchgehend mit dem Publikum. Sie erhalten in der Regel auch eine weit bessere Resonanz zu Ihrer Präsentation - unabhängig vom dargestellten Wissensstand. Wir möchten als Menschen von anderen gemocht und/ oder verstanden werden. Das gilt für die allermeisten von uns. Das gilt auch und besonders für uns als Präsentatoren. Niemals werden uns alle Zuschauer mögen, aber es sollten doch deutlich mehr davon im Publikum sein als Leute, die unser Vortrag langweilt oder nervt. Wenn wir nun in eine hemmungslose Schleimerei dem Publikum gegenüber verfallen, fällt das sofort als aufgesetzt auf. Also müssen wir wir selbst bleiben, authentisch. Das schafft Glaubwürdigkeit. 3.4.1 Warum ist Interaktion so wichtig? Diese Frage beantworten Sie sich am besten erst einmal selbst. Also: Warum ist Interaktion mit dem Publikum für mich als Präsentator wichtig? Welche Arten der Interaktion mit dem Publikum fallen Ihnen ein? Wenn Ihnen bei der ersten Frage wenig einfiel, dann sicher auch bei der zweiten. Ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen. Hatten Sie schon einmal ein erfolgreiches „Date“, das sich durch hartnäckiges Schweigen oder konsequentes Totreden ausgezeichnet hat? Falls ja, dann legen <?page no="78"?> 3.4 Interaktion 77 Sie am besten dieses Buch zur Seite. Oder Sie springen weiter zum Kapitel 4, wenn Sie mir noch eine Chance geben wollen. Für alle anderen wird es spannend. Die Interaktion mit den Zuschauern ist für Präsentatoren der Schlüssel zu ihren Herzen. Wenn wir diese gewinnen können, erreichen wir auch besser die Köpfe. Mehr Hintergrund dazu haben wir im Abschnitt 3.1 „Bedürfnisse“ in diesem Kapitel erfahren. Interaktion macht Spaß. Interaktion grenzt uns positiv von den zahlreichen anderen Präsentatoren ab, die wenig davon nutzen. Interaktion hilft uns, die Nerven zu behalten. 3.4.2 Wie kann ich interagieren? Es gibt unglaublich viele Weisen, mit dem Publikum zu interagieren. Im Folgenden beschränke ich mich nur auf die Arten, die für Sie in der Hochschule auch einsetzbar sind. Etliche davon haben Sie schon einmal gesehen, hoffentlich möglichst viele in Ihrem Studium. Dann darf ich Ihnen gratulieren. Offensichtlich steht Ihr Lernen bei Ihren Lehrenden hoch im Kurs. Lernen passiert nämlich für die meisten Menschen nicht nur über die kognitive Aufnahme von Wissen. Im Abschnitt 1.3 „Präsentieren ist Lernen“ im ersten Kapitel haben Sie erfahren, warum verschiedene Dimensionen in Ihren Präsentationen das Lernen Ihres Publikums vorantreiben. In diesem Abschnitt besprechen wir die wichtigsten Aspekte dieser Dimensionen in Bezug auf Interaktion zwischen Ihnen und dem Publikum. 3 3..44..22..11 UUmmffrraaggee uunnd d AAbbsst tiimmmmuunngg Umfrage und Abstimmung gehören zu den gängigsten Mitteln der Interaktion mit dem Publikum. In der einfachsten Form bittet der Referent das Publikum um Handzeichen. Er könnte etwa zu Beginn einer Präsentation fragen, auf welchem <?page no="79"?> 78 3 Audience - Publikum Wissensstand das Publikum in der Thematik ist. Eine Einteilung könnte zum Beispiel sein „keine Ahnung“ - „etwas Hintergrund“ - „tiefes Wissen“. Im folgenden Videobeispiel fragt Michael Lindenthal an der Universität Innsbruck seine Studenten, von woher sie kommen (00: 00 - 03: 30 Min.). Gleichzeitig setzt er damit ein Fragezeichen, wieso die Mehrheit der Studenten in einem zulassungsbeschränkten Studium gar nicht aus Tirol, geschweige denn Österreich kommt. Video 10 „E in fü hr ung in d ie P sy ch ol og ie “ Eine Umfrage mit Handzeichen lässt sich einfach umsetzen. Gleichzeitig binden Sie alle Teilnehmer aktiv ein. Gestalten Sie Ihre Fragen immer so, dass sich jeder mindestens einmal gemeldet haben sollte. Geben Sie dem Publikum Rückmeldung, wie viele Leute sich gemeldet haben oder welcher Anteil dies vom gesamten Publikum ist. Besonders hilfreich sind Umfragen zu Beginn als „Icebreaker“ oder in einer Phase niedriger Energie im Publikum. Die Abstimmung ist der Umfrage in der Umsetzung sehr ähnlich. Sie können eine Abstimmung zum Beispiel nutzen, wenn Sie im Vortrag mehrere gleichberechtigte Optionen haben. Überlassen Sie dem Publikum, mit welcher Sie beginnen. Das zeugt von großer Souveränität sowohl für Sie als Präsentator, als auch über Ihr Wissen in der Materie. Umfragen und Abstimmungen lassen sich mit Technik noch weiter verfeinern. Denken Sie zum Beispiel an den Publikumsjoker bei „Wer wird Millionär? “. <?page no="80"?> 3.4 Interaktion 79 Seit kurzem finden sogenannte „Clicker“ Verwendung in den ersten Hochschulen. Das sind drahtlose elektronische Abstimmhilfen. Ein Beispiel ist die Universität Würzburg, wo seit Ende 2012 Clicker sehr erfolgreich eingesetzt werden. Einer der Intensivverwender ist der Psychologe Wolfgang Lenhard. Er erhielt folgerichtig 2013 den „Preis für gute Lehre“ des bayerischen Wissenschaftsministeriums. In Würzburg schätzt man die Clicker zum Anregen von Diskussionen der Studenten untereinander. Die Anonymität des Clickers setzt die Hemmschwelle für Antworten der Studenten effektiv herab. Abb. 9: Clicker im Einsatz, Universität Würzburg Noch einen Schritt weiter geht der Einsatz von Online-Umfrageprogrammen. Beispiele sind das weit verbreitete de.surveymonkey. com oder das umfassende deutschsprachige www.onlineumfragen. com. Bei beiden Anbietern gibt es eine kostenlose Basisversion. Für fortgeschrittene Anwendungen existieren ausgefeilte Preismodelle. Auch die Basisversion kann <?page no="81"?> 80 3 Audience - Publikum für eine einfache Umfrage im Rahmen einer Präsentation bereits völlig ausreichend sein. Als Ersteller einer Umfrage versenden Sie an Ihre Teilnehmer eine Email mit Verlinkung auf Ihre Umfrage. Die Teilnehmer können problemlos auch ihr Smartphone für die Antworten nutzen. Direkt nach Abgabe der Antworten können Sie die Auswertung anonymisiert dem Publikum präsentieren. Der Phantasie sind hier wenige Grenzen gesetzt. Wir haben Onlineumfragen häufig eingesetzt zum anonymen Abfragen des Wissenstandes meiner Organisation. Die Ergebnisse haben wir in der Gruppe besprochen und so einfach sehen können, wo noch Lücken sind und wo die Allermeisten sicher im Thema waren. 33..4 4..22..22 FFrraaggeenn aann ddaass PPuubblliikkuumm Das ist der Klassiker der Interaktion an der Hochschule: Der Professor stellt eine Frage in die Runde. Merkwürdigerweise melden sich dann meistens nur diejenigen, die die Antwort absolut sicher geben können. Das liegt daran, dass viele Professoren auch heute noch dazu neigen, falsche Antworten als schlecht zu brandmarken. Ein besonders abschreckendes Beispiel war ein Professor in meinem Studium, der bei jeder Antwort von Studenten diesen gezeigt hat, wie wenig sie doch wissen. Kein Wunder, dass sich dann nur noch die Streber gemeldet haben und sich der Rest wegduckte. Es geht aber besser. Sie kennen sicherlich auch positive Beispiele. Schauen Sie, was diese Lehrenden gut machen. Wie stellen Sie ihre Fragen und wie gehen sie mit den Antworten um? Wahrscheinlich stellen die guten Beispiele Fragen nicht mit dem Hintergedanken, die Unwissenheit des Publikums zu demonstrieren. Sie stellen sie vielmehr so, damit sie gemeinsam mit dem Publikum einen Gedanken entwickeln können. Sie <?page no="82"?> 3.4 Interaktion 81 wertschätzen jedwede sachliche Antwort und bauen Sie in ihre Argumentation ein. Ich habe kein Videobeispiel für einen hervorragenden Einsatz von Fragen finden können. Sie haben aber hoffentlich ein lebendes Vorbild irgendwo in Ihrer Fakultät. Einen besonderen Haken gibt es bei Fragen an das Publikum. Wenn die Frage zu schwierig erscheint oder offensichtlich richtige und falsche Antworten produziert, wird sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit niemand melden. Das können Sie umgehen, indem Sie vorab ein bis zwei Personen „vorwarnen“ und um eine Antwort bitten für den Fall, dass sich niemand anderes meldet. Das ist unter Wissenschaftlern gängige Praxis, zum Beispiel bei Kongressen. Daran ist nichts Ehrenrühriges. Oder Sie nutzen gleich die Ansprache von Einzelpersonen, die wir im Folgenden besprechen. 33..4 4..22..33 AAnnsspprraacchhee EEiinnzzeel lppeer rssoonn Eine sehr starke Möglichkeit, Bindung mit dem Publikum aufzubauen, ist die gezielte positive Ansprache einzelner Personen. Dabei überträgt das Auditorium die offensichtliche Bindung des Präsentators zu dieser Person auf sich als Ganzes. Grund dafür ist, dass diese Person als „eine von uns“ betrachtet wird. Probieren Sie es einmal selbst aus. Möglichkeiten der direkten Ansprache sind zahlreich. Gratulieren Sie einer anwesenden Person zum gerade bestandenen Examen oder zum heutigen Geburtstag. Verweisen Sie auf einen tollen Vortrag oder eine spannende Publikation einer anwesenden Person zu einem ähnlichen Thema vor einiger Zeit. <?page no="83"?> 82 3 Audience - Publikum Danken Sie einer Person für die Mithilfe zum Beispiel bei der grafischen Gestaltung Ihres Vortrages. Danken Sie auch dem Professor für die fantastische Unterstützung Ihrer Arbeit - wenn es denn so war. In meiner Tätigkeit bei Procter & Gamble habe ich natürlich meist vor Leuten präsentiert, die mich kannten. Daher habe ich die Ansprache von Einzelpersonen häufig verwendet. Wann immer möglich, habe ich Einzelne vor der Gruppe für Ihre Arbeit gelobt oder Jemanden um Erlebnisberichte von seinen Erfahrungen gebeten. Wenn Sie einzelne Personen ansprechen, werden Sie ziemlich sicher eine Antwort erhalten. Sie müssen Ihre Frage nur richtig stellen. Ich bin mir sicher, dass Sie das können. 3 3..44..22..44 DDeemmoonnssttr ra at ti ioonn Wenn Sie einen (schwierigen) Sachverhalt einfach erklären möchten, dann verwenden Sie am besten ein Bild zur Veranschaulichung. Sehen Sie dazu auch im Abschnitt 2.3.7 „Struktur Metapher“ nach sowie unter Abschnitt 4.3 „Kür“. Noch lebendiger wird ein Bild, wenn Sie es mit einem oder mehreren Zuschauern als „Objekte“ erklären. In einer Präsentation zur Strategie für eine Procter & Gamble-Marke habe ich einmal drei Personen nach vorne gebeten. Die drei waren sehr unterschiedlich groß. Zuerst ließ ich die drei sich nebeneinander auf die Bühne stellen. Von links nach rechts in absteigender Größe. Das war das Bild für die Entwicklung der Marke in der Vergangenheit - abwärts. Dann fragte ich das Publikum, wie es sich die Zukunft mit der neuen Strategie vorstellte. Natürlich war die Zukunft positiv. Die drei Kandidaten wurden genau anders herum aufgestellt. <?page no="84"?> 3.4 Interaktion 83 Nun standen sie von links nach rechts in aufsteigender Größe - „es geht aufwärts“ war dieses Bild. Und damit beendete ich dann auch meine Präsentation. Interaktion als Demonstration ist sicherlich eher herausfordernd für unerfahrene Präsentatoren. An den beiden Beispielen sehen Sie aber, wie einfach die Umsetzung häufig ist, und können erahnen, wie stark die Wirkung beim Publikum sein kann. Auch hier gilt: Ausprobieren! 3 3..44..22..55 QQuuiizz Sehr stark ist d as Interaktio nselem ent Quiz. Mit einfachste n Mitteln können Sie damit auch ein sehr ruhiges Publikum aktivieren. Gerade am Anfang einer Präsentation hilft ein Quiz dem Publikum, zu verstehen, worum es eigentlich geht. Dem Präsentator hilft es, Nervosität abzubauen und sich mit dem Publikum zu verbinden. Ein Quiz in einer Präsentation läuft ähnlich wie im Fernsehen. Der Präsentator stellt eine Frage und gibt drei oder vier Antworten vor. Dann löst er das Quiz auf. Am besten ist die richtige Antwort natürlich eine, die das Publikum überrascht. Eine weitere Möglichkeit für ein Quiz ist das Zeigen eines Bildes mit der Frage, was das ist. Das kann zum Beispiel ein stark vergrößerter Ausschnitt eines Ganzen sein oder eine Darstellung, die man so noch nicht gesehen hat. Je abstruser das Bild auf den ersten Blick erscheint, desto mehr arbeitet die Phantasie des Publikums. Oder man zeigt etwas vermeintlich Offensichtliches und hat eine verblüffende andere Lösung. <?page no="85"?> 84 3 Audience - Publikum Video 11 „Elvis ist nicht tot, er ist nur nach Hause geflogen“ Der Psychologe Sebastian Bartoschek präsentiert in seinem Science-Slam-Vortrag „Elvis ist nicht tot, er ist nur nach Hause geflogen“ 2011 in Berlin das Bild eines vermeintlich bekannten Prominenten. Das trifft aber nicht zu (01: 30 - 02: 00 Min.). Mit dieser Überraschung sorgt Bartoschek für Aufmerksamkeit und Spaß. Er steigert damit das Interesse seines Publikums an seinem Thema. Wie Sie sehen, ist ein Quiz relativ einfach umsetzbar und aktiviert das Publikum effektiv. Hier kann ein Präsentationsprogramm sehr nützlich sein, da ein Quiz mit Bildern am besten funktioniert. 3 3..4 4..22..66 AAuuffggaabbeenn ffüürr aallllee Wenn das Publikum aus der betrachtenden und konsumierenden Rolle in eine verbal antwortende und mitdenkende wechselt, dann ist das schon sehr viel im Vergleich zum Gros der heutigen Präsentationen. Der nächste Schritt ist, wenn wir das ganze Publikum zum Mitmachen bewegen können. Natürlich muss die Botschaft zu der Aktivität passen, die wir vom Publikum erwarten. Video 3 „Darm mit Charme“ <?page no="86"?> 3.4 Interaktion 85 Nehmen wir ein drastisches Beispiel. Giulia Enders von der Universität Frankfurt präsentierte auf diversen Science-Slams „Das Darmrohr - Darm mit Charme“. Im Vortrag erläutert sie die Funktionsweise der beiden Darmschließmuskeln. Sie fordert das Publikum auf, die Steuerungsmöglichkeit der Schließmuskel selbst auszuprobieren. Dabei hat sie eine Doppeldeutigkeit eingebaut, die zusätzlich für einen großen Aha-Effekt sorgt (04: 10 - 05: 00 Min.). Man spürt förmlich, wie das Publikum zu verstehen beginnt und wie dabei Lernen stattfindet. Dieses Beispiel ist besonders stark, weil jeder Zuschauer direkt angesprochen wird. Das vermeintlich Peinliche sorgt zusätzlich für Aufmerksamkeit und Spaß. Ein anderes Beispiel finden wir im Vortrag „Zurück in die Zukunft“ von Andrea Krajewski aus der Hochschule Darmstadt. Bei einer TEDxRheinMain-Veranstaltung zeigt sie mit einer schönen Aufgabe für das Publikum, dass die vermeintlich hochtechnische Virtualität eine ganz natürliche Sache ist. Sie zeigt das Bild einer Häuserfassade und fragt, wie viele Türen das Haus hat, in dem jeder Zuschauer selbst wohnt (02: 40 - 04: 10 Min.). Video 12 „Zurück in die Zukunft“ Sofort fängt jeder im Geiste an, durch das Haus zu gehen. Ein wirklich gelungener Aha-Effekt zur Darstellung von Krajewskis Aussage. <?page no="87"?> 86 3 Audience - Publikum 33..44..22..77 HHuummoorr Der Königsweg zur Interaktion mit dem Publikum ist der Humor. Das Lachen der Zuschauer ist die Antwort für den Präsentator, dass die Botschaft angekommen ist. Humor verbindet und lockert auch eine gespannte Stimmung auf. Er sichert Aufmerksamkeit. Humor ist auch in vermeintlich „professionell“ geprägten Vorträgen einsetzbar, ohne den Wert der Botschaft herabzusetzen. Im bereits besprochenen Vortrag „Oft Held gespielt und immer noch zu leise? “ von Gunter Dueck finden wir sehr schöne Beispiele für den Einsatz von Humor zur Interaktion. Video 2 „Oft Held gespielt und immer noch zu leise? “ Die ersten anderthalb Minuten steht er ganz bescheiden und fast schüchtern auf der Bühne und erzählt lapidar, was er in seinem Vortrag so sagen wird. Alleine das ist schon lustig. Das Publikum ist sich aber noch nicht so sicher, was es zu erwarten hat. Schließlich steht da ein hochdekorierter Professor und Manager. Während er dann erzählt, was ein sehr prägender Leitspruch für ihn war, baut er einen Witz über Spargel aus Schwetzingen und Köln ein (01: 25 - 01: 45 Min.) - das Eis ist gebrochen. Den ganzen Vortrag hindurch nutzt Dueck Humor. Er baut damit Schranken ab und macht sich zu einem Menschen „wie du und ich“. Ihnen fallen bestimmt etliche andere Beispiele aus Ihrer Universität ein. Humor ist kein Selbstzweck, sondern erleichtert Lernen, indem er Menschen auf eine Ebene bringt. <?page no="88"?> 3.4 Interaktion 87 Falls Sie sich, so wie ich mich selbst, nicht in der Lage sehen, auf offener Bühne einen Witz zu erzählen, dann nutzen Sie bitte trotzdem Ihren Humor. Es ergibt sich immer irgendeine Situationskomik. Nutzen Sie sie. Ganz so, wie Sie es auch privat machen würden. Dabei sollten Sie natürlich die Grenzen des guten Geschmacks nicht überschreiten. Nehmen Sie sich nicht so ernst. Der Rest geht von alleine. Weil der Humor eine so wichtige Rolle für herausragende Präsentatoren spielt, werden wir uns im Abschnitt 4.3 „Kür“ noch einmal damit befassen. 3.4.3 Umgang mit Publikumsfragen Fragen aus dem Auditorium sind für das Publikum und für uns als Präsentatoren das Salz in der Suppe. Sie zeigen dem Publikum, ob Sie sich wirklich in der Materie auskennen. Ob Sie wirklich an das glauben, was Sie gerade vorschlagen? Wie bauen Sie also Fragen des Publikums am besten ein? Für viele Präsentatoren bedeutet Interaktion einzig, dass sie Fragen des Publikums zulassen. Der Klassiker ist die Ansage zu Beginn: „Fragen bitte am Schluss meines Vortrages“. Untermalt wird das gerne dadurch, dass die letzte Folie der Präsentation ein Fragezeichen und das Wort „Fragen“ enthält. TUN SIE DAS BITTE NICHT. Im Kapitel 2 „Botschaft“ erkläre ich, warum es entscheidend ist, dass wir in unserer Präsentation die Zügel in der Hand halten. Das gilt entscheidend für den Anfang und das Ende. Denken Sie einfach an die letzten zwei oder drei Präsentationen zurück, wo die berühmte „Fragen“-Folie den Schlusspunkt markierte. Wer hat hier die letzte Botschaft gesetzt? Falls es der Präsentator war (Glück für ihn), hat er dann seine Kernbotschaft noch ans Ende setzen können? Wahrscheinlich nicht. Sie brauchen sehr viel Erfahrung, um auch die abwegigste Frage noch auf Ihre <?page no="89"?> 88 3 Audience - Publikum Kernbotschaft zurückzuführen und in einer Fragerunde den Schlusspunkt zu setzen. In der Regel macht das nämlich der Dozent für Sie. Und damit ist Ihre Botschaft dann völlig außerhalb Ihrer Kontrolle. Ich rate Ihnen dringend, Zeit für Fragen während Ihres Vortrages einzuplanen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Die erste ist der „Chicken-Way“. Die zweite ist die für das Publikum beste, nämlich jederzeit. Im „Chicken-Way“ bauen Sie Fragemöglichkeiten nach logischen Blöcken in Ihren Vortrag ein. Sagen Sie das dem Publikum am Anfang. Und sagen Sie es, wenn es so weit ist. Verkneifen Sie sich bitte eine entsprechende Folie. Wenn Sie mit einem Präsentationsprogramm arbeiten, dann bauen Sie an dieser Stelle entweder eine schwarze Folie ein oder Sie drücken einfach die Taste „B“. Nochmaliges Drücken dieser Taste macht Ihre Präsentation wieder sichtbar. Um Wortmeldungen bitten Sie in offener Form, also mit sogenannten „W-Fragen“. Zum Beispiel mit: „Was denken Sie dazu? “ oder „Wo haben Sie das schon einmal gesehen? “. Vermeiden Sie bitte die geschlossene Form: „Haben Sie Fragen? “. Ja, das Publikum hat Fragen. Nein, es wird sie jetzt aber nicht stellen, weil Sie offensichtlich keine echten Fragen zulassen wollen. Die für das Publikum beste Möglichkeit für Fragen ist, diese jederzeit zuzulassen. Haben Sie keine Angst, dass Ihnen jemand Ihren „Flow“ zerstört. Das passiert ziemlich selten. In der Regel werden Ihnen Fragen des Publikums helfen, noch nicht verstandene Punkte besser zu erklären oder Ihre Botschaft zu unterstreichen. Das klappt natürlich nur dann, wenn wir das Publikum als unseren Freund ansehen und nicht als Feind fürchten. Ermuntern Sie das Publikum während Ihrer Präsentation zu Fragen, falls keine gestellt werden - oder stellen Sie selbst welche. <?page no="90"?> 3.4 Interaktion 89 Viele Präsentatoren haben einen vermeintlich guten Grund, Fragen an den Schluss zu schieben. Sie fürchten schwierige Fragen oder Fragen, die sie nicht beantworten können. Daher ist es eine einfache Möglichkeit, dieses Risiko durch das Verschieben der Fragen an das Ende zu minimieren - in der Hoffnung, dass dann keine Zeit mehr bleibt. Wer das macht, zeigt eigentlich nur, dass er keine Lust hat, sich auf das Publikum einzulassen. Die Qualität eines solchen Vortrages wird wahrscheinlich auch als eher schwach empfunden. Wie gehen Sie also am besten mit einer schwierigen Frage um, wenn Sie denn gestellt wird? Danken Sie dem Fragenden für seine gute Frage. Wiederholen Sie die Frage für das Publikum in Ihren eigenen Worten . Machen Sie das aber bitte nur, wenn Sie glauben, die Frage verstanden zu haben. Wenn Sie die Frage nicht verstanden haben, fragen Sie noch einmal nach. Beantworten Sie dann die Frage in wenigen Sätzen. Dabei referenzieren Sie auf das von Ihnen bereits Vorgetragene und auf Ihre Botschaft. In seltenen Fällen gibt es Fragen, die Sie nicht beantworten können. Reden Sie bei einer solchen Frage nicht einfach drauf los. Das Publikum merkt sofort, wenn Sie anfangen „zu schwimmen“. Geben Sie es offen zu, wenn Sie keine Antwort parat <?page no="91"?> 90 3 Audience - Publikum haben. Bieten Sie dem Fragenden jedoch an, nach dem Vortrag die Frage mit Ihnen persönlich zu besprechen. In noch selteneren Fällen werden Sie mit einer Frage konfrontiert, die nicht wohlwollend oder neutral ist. Es gibt diese „bösen Fragen“. Bleiben Sie ruhig und lassen Sie sich nicht provozieren. Bedanken Sie sich auch für diese Frage. Da Sie ja sehr sicher in Ihrem Thema sind, können Sie diese Frage sachlich kurz beantworten. Bereiten Sie sich vorab auf die möglichen „Killerfragen“ vor. Diese finden Sie am besten, indem Sie sich selbst vorstellen, welche Fragen Sie stellen würden, um dem Präsentator Ihres Themas „richtig Feuer“ zu machen. <?page no="92"?> 4 Performance - Auftritt Nachdem wir intensiv an unserer Botschaft gearbeitet und diese genau auf unser Publikum abgestimmt haben, kommen wir in diesem Kapitel zur eigentlichen Präsentation. Diese heißt in der MAP-Technik „Performance“, übersetzt „Auftritt“. Wenn dieser Begriff für Sie nach Schauspiel klingt, dann ist das gewollt. Das gilt aber nur für den Bezug zum „auf einer Bühne stehen“. Das tun Sie nämlich bei jeder Präsentation. Selbst wenn es bei Ihren Präsentationen keine physische Bühne und keine Scheinwerfer gibt. Wer bei Auftritt an Schauspielerei und falschen Schein denkt, geht für meine Begriffe zu weit. Genau darauf kommt es für den Erfolg einer Präsentation nämlich nicht an. Wann immer ich Teilnehmer meiner Präsentationskurse frage, was ihrer Meinung nach einen überzeugenden und herausragenden Präsentator ausmacht, so taucht zuverlässig eine Beschreibung auf: „Er ist authentisch.“ Authentisch ist nach duden.de „echt; den Tatsachen entsprechend und daher glaubwürdig“. Synonyme sind unter anderem zuverlässig, wahr und ungeschönt. http: / / www.duden.de/ rechtschreibung/ authentisch Video 13 „Die Kopernikanische Wende“ Ich habe zur Anschauung ein Beispiel eines herausragenden deutschen Unternehmers herausgesucht. Götz Werner ist Gründer und Aufsichtsratsmitglied von <?page no="93"?> 92 4 Performance - Auftritt dm-drogerie markt. Daneben war er von 2003 bis 2010 Professor am Karlsruher Institut für Technologie. Er spricht im Video über seine Herzensangelegenheit „bedingungsloses Grundeinkommen“. Beurteilen Sie für sich selbst, ob Sie Werner authentisch finden und warum. Lassen Sie sich dabei bitte nicht von Ihrer politischen Einstellung leiten. Warum ist Werner in meinen Augen authentisch? Werner ist ganz er selbst. Er spricht mit dialektgefärbter Stimme. Werner tritt bescheiden und ungeschönt auf. Bei ihm ist kein arroganter Habitus vieler anderer erfolgreicher Unternehmer erkennbar. Er möchte Menschen überzeugen und nicht „platt machen“ nach dem Motto „Ich bin sehr erfolgreich - ich weiß wie es geht.“. Werner hat den ganzen Vortrag hindurch die etwas alberne Krone am Arm, die jeder Teilnehmer des Kongresses offensichtlich erhalten hat - damit wirkt er ungeschönt. Nicht zuletzt spricht er völlig frei. Er hat sein Thema wirklich im Kopf. Wenn wir es als Präsentatoren schaffen, unserem Publikum so, wie wir selbst als Menschen sind, gegenüberzutreten, dann sind wir authentisch. Das klingt ganz einfach. Scheint es aber nicht zu sein. Viele Menschen spielen beim Präsentieren eine Rolle. Sie zwängen sich in einen „Anzug“, der ihnen sichtlich nicht passt. Im Wirtschaftsleben habe ich zahlreiche Beispiele davon erlebt. Etwa der Vorgesetzte, der sich produziert und seine Unwissenheit durch dominantes Auftreten überspielen möchte. Oder der extrem gute Kollege, der sich selbst klein macht, sobald er vor anderen spricht. Schon in der Schule konnten wir alle Beispiele beobachten, bei denen Lehrer und natürlich auch Mitschüler nur eine Rolle spielten. <?page no="94"?> 4.1 Vorbereitung 93 Was ist in den meisten Fällen das Ergebnis bei „Rollenspielern“? Die Menschen glauben und vertrauen ihnen nicht. Sie machen nur mit, weil sie es aufgrund der Strukturen müssen oder glauben zu müssen. Oder sie arbeiten im schlimmsten Fall in die andere Richtung. Leider lehren die meisten Bücher zum Thema Präsentation, wie man es gut macht und wie nicht. Sie vermitteln das Bild eines Idealtypus. Wenn wir diesem Ideal entsprechen wollen, müssen wir eine Rolle spielen. Damit können wir nicht gleichzeitig authentisch sein. Ich möchte Ihnen in diesem Kapitel drei Dinge vermitteln: Erstens, wie wichtig die Vorbereitung Ihrer Botschaft und Ihres Auftrittes für Ihren Erfolg und den Spaß am Präsentieren ist. Zweitens, welche beim Präsentieren wichtigen Basisregeln Sie zumindest kennen müssen. Drittens, was Sie machen können, um einer Präsentation Ihren eigenen Stempel, Ihre eigene Persönlichkeit aufzudrücken - das ist die Kür. Wenn Sie diese drei Dinge befolgen, haben Sie gute Chancen, als authentisch wahrgenommen zu werden. Sie werden dann eine Präsentation halten, die herausragt. Dadurch werden Sie auch den Erfolg erzielen, den Sie sich wünschen. Grundbedingung ist natürlich, dass Sie Ihr Thema wirklich beherrschen. 4.1 Vorbereitung Vorbereitung ist beim Präsentieren alles. Ohne Vorbereitung ist alles nichts. Selbst die größte „Rampensau“ legt auf eine wie auch immer geartete Vorbereitung sehr großen Wert. Glauben Sie bitte nicht, dass zum Beispiel Steve Jobs für seine großartigen Präsentationen einfach auf die Bühne lief und loslegte. Wirklich jede Kleinigkeit war von ihm exakt vorgeplant und dutzendfach geprobt. <?page no="95"?> 94 4 Performance - Auftritt Sobald Sie wissen, dass Sie zu einem Zeitpunkt X eine Präsentation über ein bestimmtes Thema halten dürfen (dieses Wort verwende ich hier ohne jede Ironie), tickt die Uhr. Buchstäblich gegen Sie. Und weil wir das alle wissen, werden viele von uns mit jedem Tag, jeder Stunde, jeder Minute, die uns der Präsentation näher bringt, immer nervöser. Ich empfehle Ihnen daher noch einmal, sich so früh wie möglich mit Ihrer Präsentation auseinanderzusetzen. Das Visualisieren der verbleibenden Zeit hilft Ihnen dabei durch den ganzen Prozess hindurch. Wie das geht, haben Sie im allgemeinen Abschnitt von Kapitel 2 gelernt. Die MAP-Technik unterstreicht durch den ersten Pfeiler „Botschaft“ (Message) deren zentrale Bedeutung. Die Botschaft zu finden und zu erarbeiten, ist bereits der erste Teil der Vorbereitung. Häufig übergehen Präsentatoren selbst diesen entscheidenden Punkt und gehen gleich zur Umsetzung über - „wir basteln schnell ein paar Charts zusammen“. Im Kapitel 2 haben wir intensiv über die Elemente einer klaren Botschaft gesprochen. Wir fanden heraus, wie man sie herausarbeitet, wie man sie in einer Präsentation strukturiert und wie man dafür sorgt, dass das Publikum sich später noch bestmöglich an sie erinnern kann. Sobald Ihre Präsentation inhaltlich steht, können Sie an die Umsetzung gehen. Viele Tipps dazu erhalten Sie später in diesem Kapitel in den Abschnitten 4.2 „Basisregeln“ und 4.3 „Kür“. Gerade Elemente aus der Kür erfordern häufig spezifische Vorbereitungen. Fangen Sie damit lieber zu früh an. Vielleicht möchten Sie zum Beispiel im Raum einen kleinen Umbau vornehmen. Wenn Sie die Erlaubnis des Hausmeisters dazu erst am Vortag der Präsentation einholen möchten, wird die Antwort ziemlich wahrscheinlich für Sie negativ sein. In diesem Abschnitt sprechen wir über die Vorbereitungsschritte „auf den letzten Metern“. Botschaft und Inhalte stehen fest. Alle notwendigen Ressourcen stehen bereit oder sind fest geplant. Jetzt geht es nur um Sie selbst. Ich unterteile diese <?page no="96"?> 4.1 Vorbereitung 95 letzten Meter in vier Phasen, die wir im Folgenden einzeln beleuchten: Die letzten Tage, der Vorabend, der Morgen und die Zeit unmittelbar vor Ihrer Präsentation. 4.1.1 Letzte Tage Wahrscheinlich sind die meisten Studenten in den letzten Tagen vor einer wichtigen Präsentation noch intensiv mit der Botschaft oder dem Erarbeiten von Charts beschäftigt. Sie sind dabei übrigens in guter Gesellschaft. Auch die meisten Menschen in der freien Wirtschaft schieben vieles auf das Ende hin. Das soll aber nicht Ihr Anspruch sein. Denn Sie haben Zeit und Geld investiert, um dieses Buch zu lesen. Sie haben also bereits eine fertige Botschaft und den allergrößten Teil der Umsetzung in trockenen Tüchern. Je nachdem, wie sicher Sie sich fühlen, sollten Sie sich mehr oder weniger viel Zeit für Trockenübungen einplanen. Es ist dabei ratsam, eher an drei Tagen je eine Stunde zu verwenden als drei Stunden am Stück. Ihr Unterbewusstsein soll sich mit der Umsetzung der Präsentation beschäftigen, nicht mit der Nervosität davor. Nehmen Sie aus den folgenden Tipps diejenigen für sich mit, die Sie persönlich ansprechend finden und die Sie logistisch auch umsetzen können: Machen Sie zu Hause die Tür zu Ihrem Zimmer zu und gehen Sie Ihre Präsentation detailliert in Echtzeit durch. Versuchen Sie dabei, möglichst frei zu sprechen. Bitte lernen Sie nichts auswendig. Bei der ersten Frage Ihres Professors sind Sie nämlich sonst in ernsten Schwierigkeiten. Und es ist für Ihr Publikum und Sie selbst todlangweilig. <?page no="97"?> 96 4 Performance - Auftritt Nehmen Sie für Ihre Trockenübung alle Ressourcen, die Sie bei der Präsentation auch einsetzen möchten. Sehr wahrscheinlich nutzen Sie Ihren Laptop zum Präsentieren, dann auch bitte bei der Trockenübung. Noch besser nutzen Sie dafür auch gleich einen Beamer. Versuchen Sie, sich bei der Trockenübung den Raum, in dem Sie präsentieren werden, vorzustellen. Vielleicht haben Sie sogar die Möglichkeit, einen Durchlauf in eben diesem Raum zu machen. Fragen S ie e in fach in de r Ho chs chule nach, d en n „ei n biss erl w as ge ht im me r! “. Nehmen Sie sich für einen Durchlauf einen oder mehrere gute Freu nde als Publikum dazu. Vorteilhaft ist es, wenn sie aus einem an deren Fachgebiet kommen. Wenn die Freunde Ihre Präsentation verstehen können, dann sind Sie auf dem richtigen Weg. Gehen Sie die Präsentation mit geschlossenen Augen durch. Stellen Sie sich vor, welche Fragen oder Unterbrechungen wahrscheinlich eintreffen werden und wie Sie darauf reagieren werden. 4.1.2 Der Vorabend Viele ältere Studenten erzählen sich gerne die wüstesten Geschichten zu diversen Nachtschichten vor der Abgabe von Hausarbeiten und so weiter. Damit kann man natürlich toll angeben. Eine erfolgreiche Präsentation hält man mit solch einer Strategie aber nicht. Erst recht nicht, wenn man in seinem Leben noch nicht so viele Präsentationen gehalten hat. <?page no="98"?> 4.1 Vorbereitung 97 Ich empfehle Ihnen eine Art „Runterkommen“ für den Abend vor Ihrer großen Präsentation. Sitzen Sie bitte tunlichst nicht alleine zu Hause herum. Das ist ein sicherer Weg zu großer Nervosität und schlechtem Schlaf. Sie sollten aber ausgeschlafen sein. Wenn Sie am Tag der Präsentation physisch ausgeschlafen sind, dann werden Sie es auch sprichwörtlich sein. Machen Sie zu einer zivilen Zeit „Feierabend“. Legen Sie alle Dinge bereit, die Sie für die Präsentation am nächsten Tag brauchen. Falls Sie eine Präsentation über Laptop machen, dann prüfen Sie noch einmal den technischen Ablauf. Laden Sie den Akku Ihres Laptops auf. Machen Sie dasselbe mit jeglichem anderen akkubetriebenen technischen Gerät, das Sie in der Präsentation einsetzen werden. Abschließend gehen Sie mit Freunden aus. Am besten ins Kino, Kabarett oder Theater. Irgendetwas, wo Sie nicht spät ins Bett kommen, auf andere Gedanken kommen können und möglichst wenig Alkohol oder andere Drogen konsumieren. Sie müssen am nächsten Morgen topfit sein. Natürlich hilft auch ein Abend im Fitness-Studio oder Tanzkurs. Tun Sie, was auch immer Ihnen gemeinsam mit Freunden Freude bereitet. Empfinden Sie das für sich bitte nicht als vorweggenommene Belohnung, sondern als Ansporn für den folgenden Tag. 4.1.3 Der Morgen oder Tag Nachdem Sie einen schönen Abend verlebt haben, sollte der Morgen vor Ihrer großen Präsentation auch zur Entspannung beitragen. Frühstücken Sie ausgiebig und reichhaltig - der Schinkenspeck und das Schokocroissant bleiben aber bitte außen vor. Zwingen Sie sich zum Frühstücken, auch wenn Sie sonst morgens nichts essen. Mit leerem Magen bringen Sie wahrscheinlich nicht genug Konzentration für einen großen Auftritt zusammen. <?page no="99"?> 98 4 Performance - Auftritt Lesen Sie nach Möglichkeit eine aktuelle Tageszeitung. Es findet sich mit großer Wahrscheinlichkeit ein prima Aufhänger für Ihre Präsentation. Vielleicht hatten Sie noch kein gutes Intro mit aktuellem Bezug. In der Zeitung springt es Ihnen bestimmt entgegen. Bitte versuchen Sie am Morgen vor Ihrer Präsentation nicht, sich bisher noch nicht verstandenen Inhalt „reinzuprügeln“. Das ist zum Scheitern verurteilt. Sichern Sie sich Ihren Wissensstatus, indem Sie fit und ausgeruht zur Präsentation gehen. Wenn Ihre Präsentation am Nachmittag oder Abend ist, dann machen Sie trotzdem nichts mehr am Inhalt. Ihre Materialien haben Sie ja schon am Vorabend bereit gelegt und getestet. Also sollten Sie nicht mehr an der Präsentation arbeiten. Und damit vermeiden Sie einen zusätzlichen Stressfaktor. Wenn Sie Zeit finden, machen Sie lieber noch ein bisschen Sport. 4.1.4 Gleich geht es los Was die allermeisten Präsentatoren sträflich vernachlässigen, ist die richtige Vorbereitung unmittelbar vor der Präsentation. Viele lassen den Zeitpunkt einfach auf sich zukommen und werden immer nervöser. Oder sie gehen hektisch noch einmal einen Ausdruck der Präsentation durch. Lassen Sie die Finger davon! Was Sie als Botschaft und Inhalt am Morgen einer Präsentation nicht drauf haben, können Sie nicht mehr retten. Aber Sie können sich zeitnah vor Ihrer Präsentation so vorbereiten, dass Sie das Maximum aus sich herausholen. Sportler, Schauspieler oder Fernsehmoderatoren - sie alle betreiben vor ihrem Wettkampf oder Auftritt ein Warm-Up. Sie tun das, um von der ersten Sekunde an voll da zu sein! Ansonsten ist das Rennen gelaufen oder die Aufführung gerät ins Kippen. Bei Präsentatoren ist es sehr ähnlich. Sie müssen von Anfang an hellwach sein, sonst verlieren sie ihr Publikum. Leider sieht man sehr oft Vortragende, die <?page no="100"?> 4.1 Vorbereitung 99 sich in der Präsentation langsam „warm laufen“. Bis sie auf Betriebstemperatur sind, ist das Publikum bereits geistig weggesackt. Im Folgenden erhalten Sie ein paar Tipps, wie Sie Ihren Körper, Ihren Kopf und Ihre Stimme effektiv „aufwärmen“ können. Ich reklamiere dafür keinerlei wissenschaftliche Evidenz. Probieren Sie es aus und behalten Sie das bei, was Ihnen wirklich hilft. Körper St e he n Si e auf . St el le n Si e be id e B ei ne e tw a do ppe lt sc hu lter brei t auseinander. Die Fußsohlen sind flach auf dem Boden. Wippen Sie nun mit dem ganzen Körper. Ganz so, als ob Sie sich hinsetzen wollten, aber ein Gummiband sie immer wieder zurückzieht. Spüren Sie den Kontakt Ihrer Füße zum Boden. Mit dieser Übung gewinnen Sie Bodenhaftung. Gehen Sie in den Ausfallschritt. Das Schienbein des vorderen Beines ist senkrecht. Das hintere Bein ist gestreckt. Nun üben Sie Druck auf das hintere Bein aus. Dann bleiben Sie mit beiden Füßen an der Stelle und strecken das vordere Bein. Nun Spannung auf das vordere Bein geben. Zweimal wiederholen. Dann wechseln Sie die Position der beiden Füße. Wenn also zunächst Ihr rechter Fuß vorne war und der linke hinten, ist jetzt der linke Fuß vorne. Die Übung spiegelbildlich erneut durchführen. So gewinnen Sie aufrechte Haltung. <?page no="101"?> 100 4 Performance - Auftritt Schütteln Sie intensiv Ihre Hände und Arme sowie Füße und Beine. Übertreiben Sie ruhig. Damit lockern Sie die Muskulatur Ihrer Gliedmaßen. Kopf Stehen oder sitzen Sie entspannt. Ziehen Sie durch die Nase tief Luft ein. Atmen Sie gefühlt unter die Schädeldecke. Hört sich unmöglich an, geht aber. Atmen Sie so lange ein, bis es nicht mehr ge ht . Ku rz inn eha lt en. D an n at me n S ie m it d em B auc h du r ch de n Mun d gan z tie f au s. G an z tie f. B is e s ni c ht m eh r ge ht. Di es e Üb un g pu m pt v iel S auer st of f in I hr e Lu nge n und d amit I hr B lut . Ne be nb ei ge winnen Sie durch sie aufrechte Haltung. Falls Sie zu Hyperventilation neigen, dann seien Sie bei dieser Übung bitte vorsichtig. Stehen Sie aufrecht. Strecken Sie einen Arm vor sich waagrecht aus , Daumen nach oben. Nun fahren Sie mit dem Arm eine liegende Acht vor Ihrem Körper nach. Der Schneidepunkt der beiden Kreise liegt in der Mitte Ihres Körpers. Fixieren Sie bei der Übung mit den Augen den Daumen des ausgestreckten Armes. Der Kopf bewegt sich nicht. Wechseln Sie die Richtung der Armbewegung. Dann wechseln Sie den Arm. Wieder in beide Richtungen einige Achten machen. Zum Abschluss nehmen Sie beide Arme beziehungsweise Hände zusammen. Diese Übung verbindet rechte und linke Gehirnhälfte in sehr effektiver Art und Weise. Ihr Denken wird angeregt, und nebenbei lockern Sie Ihre Schultermuskulatur. <?page no="102"?> 4.1 Vorbereitung 101 Stehen Sie entspannt. Ziehen Sie tief durch die Nase Luft ein. Dann atmen Sie stoßweise durch den Mund aus. Stellen Sie sich dabei eine Feder vor, die Sie mit Ihrem Atem in der Luft halten wollen. So lockern Sie Ihre Atmung. Stimme Ertasten Sie mit beiden Händen rechts und links die Stelle, an der Ihr Kiefergelenk aufgehängt ist. Massieren Sie diese Stellen sanft. Gähnen Sie dabei vorsichtig. Das schafft Energie und lockert die für das Sprechen so wichtige Kiefermuskulatur. Si ng en S ie e ine T onl eite r rau f u nd r un te r, r un te r un d ra uf. M achen Sie dasselbe summend. Werden Sie beim Summen laut und leise. Das können Sie natürlich auch beim Singen machen. So „ ölen“ Sie Ihre Stimme. Sprechen Sie wiederholt einige Zungenbrecher. Mindestens drei verschiedene sollten Ihnen hoffentlich einfallen. Diese Übung lockert Zunge und Kiefer. Suchen Sie sich für alle diese Übungen einen möglichst ruhigen Platz. Ein leeres Nebenzimmer oder ein Seitengang findet sich bestimmt. Falls Sie bereits einige Zeit vor Ihrer Präsentation im Raum sein müssen, schadet das nicht. Die Übungen halten Sie aus meiner Erfahrung bis zu einer Stunde lang fit. Wenn Sie noch länger zuvor im Raum sein müssen oder keinen geeigneten Raum für Ihr Warm-Up finden, machen Sie bitte unbedingt wenigstens die folgenden Übungen. Sie sind auch gut geeignet als „Auffrischung“ des grundlegenden <?page no="103"?> 102 4 Performance - Auftritt Warm-Ups, unmittelbar bevor Sie an die Reihe kommen. Alle diese Übungen sind für eine sitzende Position gedacht: Körper Überschlagen Sie das rechte Bein auf das linke. Der Knöchel des rechten Beines liegt auf dem linken Knie. Dann legen Sie den rechten Arm auf das rechte Bein. Der Ellenbogen liegt auf dem rechten Knie, die rechte Hand umfasst die Zehen des rechten Fußes. Dann ziehen Sie die Zehen an und halten gleichzeitig das Kn ie d ur ch d en E lle nb og en n ac h un te n ge dr üc kt . Ei n pa ar S eku nd en h alte n. Dan n d en D ruck w eg ne hm en. Wi eder a ns pa nne n und wieder entspannen. Nach ein paar Wiederholungen wechseln Sie das Bein und den Arm spiegelbildlich. Bitte machen Sie sich erst mit der Übung vertraut, bevor Sie zu viel Druck ausüben. Sonst kann ein Krampf die Folge sein. Kopf Sitzen Sie entspannt mit beiden Beinen parallel. Beide Füße sind mit der ganzen Fläche auf dem Boden. Atmen Sie ruhig ganz tief durch die Nase ein und durch den Mund aus. Machen Sie diese Übung bitte unbedingt mindestens die letzten fünf Minuten vor Ihrem Vortrag. Dann sind Sie gut geerdet und entspannt. Stimme Summen Sie eine Tonleiter rauf und runter. Runter und rauf. Das kann man ganz leise machen. Die Lippen erwärmen und lockern sich dennoch. <?page no="104"?> 4.2 Basisregeln 103 Falls vor Ihrer Präsentation weitere Vorträge stattfinden oder der Referent eine Einleitung macht, hören Sie aufmerksam zu. Sie werden ganz sicher einen Kommentar hören, auf den Sie in Ihrer Präsentation verweisen können. Da Sie ja ausgeruht und fit sind, haben Sie auch die nötige Aufmerksamkeit. 4.2 Basisregeln Üb er di e Jahrt ausen de h ab en si ch v ie le R ege ln h era usgebi ldet, w as man al s Vo rtragender machen sollte und was nicht. Quintilian verfasste bereits um das Jahr 90 n. Chr. das zwölfbändige Standardwerk der Rhetorik, die „Institutio Oratia“. Diese Unterweisung in der Redekunst hatte nach dem Philologen Otto Seel einen bedeutenden Einfluss auf die Erziehung im Abendland. Martin Luther rühmte Quintilians Werk noch 1400 Jahre später. Heute beschäftigen sich zahllose Bücher mit dem Thema Rhetorik und Präsentation. Dabei fokussieren sie meist auf die computerunterstützte Präsentation. Wir finden in diesen Werken zahlreiche Dos und Don’ts. Viele davon machen Sinn und helfen, die eigene Glaubwürdigkeit zu unterstreichen. Im Folgenden gehen wir auf die meiner Meinung nach wichtigsten Basisregeln ein. Wir beginnen mit den zentralen Elementen, der Sprache und der Stimme. Dann folgen die Körpersprache, das Verwenden von Medien sowie allgemeine Basisregeln. 4.2.1 Sprache Den Wert der Sprache für die Präsentation können wir gar nicht hoch genug ansetzen. Sie ist der Kern. Deutsche tun sich mit verständlicher Sprache in Präsentationen erstaunlicherweise eher schwer. Und das obwohl sie aus dem „Land der <?page no="105"?> 104 4 Performance - Auftritt Dichter und Denker“ kommen. Vielleicht aber auch deswegen. Redner aus dem angelsächsischen Bereich sind hier viel weiter. Gerade Amerikaner sind häufig Meister der klaren Sprache. Der Stellenwert von Rede und Präsentation ist in Nordamerika schon in der Schule viel höher als etwa in Deutschland. Zusätzlich ist die englische Sprache einfacher und bringt Dinge eher auf den Punkt - so glauben wir. Zuhörer beurteilen die Kompetenz eines Vortragenden danach, wie verständlich er spricht. Also gerade nicht danach, wie komplex er mit Sprache umgehen kann. Ich möchte Ihnen im Folgenden ein paar grundlegende Tipps zur Sprache in Präsentationen mitgeben. Mir ist klar, dass Sie dafür möglichst viel Training brauchen. Fangen Sie daher mit der Umsetzung am besten sofort an. Starten Sie nicht erst bei Ihrer wichtigsten Präsentation. Jede noch so kleine Gelegenheit ist nützlich. Sprechen Sie in einfachen Worten. Damit meine ich verständliche Worte. Das sind häufig auch kurze Worte. Wenn Sie ein Wortungetüm wie „Rechtsbehelfsbelehrung“ in Ihrem Vortrag verwenden, so hat Ihr Publikum es schon schwer, dieses Wort überhaupt zu verstehen, geschweige denn den langen Satz darum herum. Verwenden Sie direkte Rede in kurzen Sätzen. Passive Sätze sind zum Zuhören zu kompliziert. Solange Sie nicht in einem „Poetry- Slam“ das Publikum von Ihrer Lyrik begeistern wollen, müssen Sie möglichst einfach verständliche Sätze sprechen. „Bandwurmsätze“ sind nicht nur im Aufsatz oder der Seminararbeit grausam, sondern erst recht im Vortrag. <?page no="106"?> 4.2 Basisregeln 105 Verwenden Sie möglichst viele positive Ausdrücke. Je mehr positiv beladene Worte Sie verwenden, desto „heller strahlt“ Ihre Präsentation. So tragen die Worte, die Sie verwenden, Ihre Freude über Ihr Thema durch die ganze Präsentation. Umgekehrt vermeiden Sie Verneinungen. Sie bringen eine negative Stimmung in Ihren Vortrag. Natürlich gibt es Gelegenheiten, wo man gerade das erzeugen möchte, aber sicherlich nicht Sie in Ihrer Ab sc hl us sp rä se n t at io n. Sprechen Sie Hochdeutsch. Wenn Sie Ihren Heimatdialekt im Privaten sprechen, dann ist es durchaus charmant, diesen in einer Prä sentation leicht durchscheinen zu lassen. Aber nicht mehr. Das gi bt Ihrer Sprache Charakter und Authentizität. Wenn Sie Wörter einsetz en, die es nur in Ihrem Dialekt gibt, dann erklären Sie diese sofort beim Sprechen. Reduzieren Sie die Zahl der Fremdwörter. Das häufige Verwenden von Fremdwörtern zeigt nur vordergründig Expertenwissen. Zahlreiche Präsentatoren verwenden sie geradezu inflationär - sie reden in einer Art „Slang“. Sie tun das aus zwei Gründen. Entweder wollen Sie über Ihre Unwissenheit im Thema hinwegtäuschen oder sie wollen dem Publikum ihre vermeintliche Überlegenheit darstellen. Beides ist nicht akzeptabel. Trotzdem machen es leider viel zu viele Präsentatoren so. Lassen Sie Ihre Finger von diesem „Bullshit-Bingo“! Sie sind als Präsentator umso besser, je einfacher Sie einen schwierigen Sachverhalt darstellen können. Und das bedeutet auch das Verwenden verständlicher Wörter, für <?page no="107"?> 106 4 Performance - Auftritt die man nicht vorab ein Fremdwörterlexikon auswendig gelernt haben muss. Verzichten Sie auf Abkürzungen. Sie sind die bösen Schwestern der Fremdwörter. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie oft ich schon in einem Vortrag saß, in dem gleich zu Anfang eine mir unbekannte Abkürzung vorkam. Entweder beschäftigte sich mein Kopf dann den Rest der Präsentation damit, was die Abkürzung wohl bedeutet oder ich ärgerte mich, dass ich sie nicht verstand. In b eid en F äl len s ch le ch t fü r den P rä se nta to r un d sei ne B ots cha ft. We nn S ie u nb ed ingt A bk ürzunge n ve rw end en m üs se n, d an n e rklä re n Sie dies e gle ic h be im e rs te n V er we nde n. Aus na hm e si nd ei nzig die kleine Handvoll Abkürzungen, von denen Sie sicher ausge hen können, dass jeder, aber auch wirklich jeder im Raum sie kennt und versteht. Eigentlich selbstverständlich, aber der Vollständigkeit halber: Keine „Kraftausdrücke“ verwenden! Ihre Professoren reagieren darauf mit hoher Wahrscheinlichkeit allergisch. Kraftausdrücke können Sie sich wohlplatziert erst dann erlauben, wenn Sie sich einen sicheren Status erarbeitet haben. Also noch nicht im Studium. Das für das Publikum Schlimmste sind Füllwörter. Allen voran die unsäglichen „Ähs“. Sie haben weder eine Bedeutung, noch helfen Sie uns irgendwie beim Präsentieren. Sie sind schlichtweg überflüssig. Das ist noch der beste Fall. In der Regel <?page no="108"?> 4.2 Basisregeln 107 schaltet das Publikum bei zu vielen „Ähs“ einfach ab oder wird gar aggressiv. Füllwörter unterminieren die Kompetenz des Präsentators massiv. Je mehr Füllwörter er verwendet, desto mehr leidet die wahrgenommene Kompetenz. Nebenbei verschwenden Füllwörter die wertvolle Zeit des Publikums. Im Laufe der Jahre habe ich neben den „Ähs“ noch zahlreiche andere Kandidaten aus dieser Liga kennengelernt. „Sozusagen“, „ja“ oder „relativ“ haben für sich genommen als Wort eine Bedeutung. Aber nicht beim ständig wiederholten Verwenden in einer Präsentation. Die allerschlimmsten Exemplare der Zeitverschwender sind wiederholte Füllsätze. Das (dauerhafte) Nutzen von „ich würde sagen“, „wie Sie wissen“ oder noch schlimmer „wenn ich ehrlich bin“ ist nahe an der Folter. Tun Sie das Ihrem Publikum nicht an. Egal um was es geht. Was können Sie machen, wenn Sie wissen, dass Sie Füllwörter verwenden? Zunächst einmal sind Sie schon auf dem richtigen Weg. Sie haben Ihr Problem erkannt. Ich rate Ihnen darauf aufbauend zu einer Radikalkur. Bitten Sie einen Freund, bei Ihrer nächsten Präsentation eine Strichliste aller von Ihnen verwendeten Füllwörter zu machen oder filmen Sie sich auf Video. Sie werden erstaunt oder vielleicht sogar geschockt sein! Versuchen Sie danach, bewusster zu sprechen. Dann fallen Ihnen die Füllwörter von alleine auf. Helfen kann auch, langsamer zu sprechen. Nicht zuletzt empfehle ich Ihnen, sich intensiv mental und physisch direkt vor Ihrem Vortrag vorzubereiten. Erarbeiten Sie dazu den Abschnitt „Vorbereitung“ in diesem Kapitel. In den meisten Fällen sorgt Nervosität für Füllwörter. Wenn Sie diese durch eine bessere Vorbereitung in den Griff bekommen, reduzieren sich die Füllwörter von alleine. <?page no="109"?> 108 4 Performance - Auftritt 4.2.2 Stimme Jeder hätte gerne eine sonore Stimme wie Wolfgang Pampel, die Synchronstimme von Harrison Ford und Gérard Depardieu, oder Franziska Pigulla, die Synchronstimme von „Agent Scully“ und Demi Moore. Beide haben eine lange Schauspielausbildung hinter sich und zahlreiche Sprechrollen in ihrer Vita. So weit müssen Sie aber nicht gehen. Eine tolle Stimme zu haben, ist für Präsentatoren sicherlich wichtig, aber nicht entscheidend. Wenn Sie sich an ein paar Grundregeln halten, kommen Sie schon sehr weit. Sprechen Sie langsam. Als ob Sie auf einer Bühne stehen und Theater spielen. In der Regel ist die eigene Wahrnehmung unserer Sprechg eschwindigkeit deutlich langsamer als die Wirklichkeit. Am besten lassen Sie sich mal beim Präsentieren filmen. Verändern Sie während der Präsentation das Tempo Ihrer Sprache. Ansonsten wirken Sie monoton und schläfern Ihr Publikum ein. Eine gute Idee ist es, immer mal wieder eine bewusste Sprechpause zu machen. Sprechen Sie laut. Selten wird es Ihnen passieren, dass das Publikum Ihre Stimme als zu laut empfindet. Meist sind gerade Studenten beim Präsentieren viel zu leise. Verändern Sie die Lautstärke Ihrer Stimme. Wenn Sie plötzlich inmitten Ihrer Präsentation leise sprechen, wird das Publikum ganz aufmerksam - man könnte eine Stecknadel fallen hören. <?page no="110"?> 4.2 Basisregeln 109 Wenn Sie dann schlagartig laut sprechen, schläft garantiert niemand mehr. 4.2.3 Körpersprache Während unser Publikum bewusst wahrnimmt, was und wie wir sprechen, geschieht das bei der Körpersprache eher unbewusst. Unsere eigene Körpersprache ist dabei mindestens ebenso wichtig in der Überzeugung unseres Publikums wie der Inhalt. Das haben wir im Abschnitt „Klarheit“ im zweiten Kapitel bereits erarbeitet. Die Körpersprache ist eine „Wie-Botschaft“. Noch vor dem Kommunizieren via Phonetik verwendeten unsere Vorfahren die Körpersprache. Die damals entstandenen „Vokabeln“ gelten noch heute. Für eine überzeugende Präsentation erarbeiten Sie sich am besten die folgenden Punkte: Stehen Sie aufrecht. So werden Sie größer und wirken überzeugter von Ihrer Botschaft. Das Wort „aufrecht“ hat nicht nur die physische Bedeutung, sondern auch eine das Verhalten beschreibende: aufrichtig. Unter allen Umständen wollen Sie von sich und Ihrem Inhalt überzeugen. Eine gekrümmte Haltung wird das Gegenteil hervorrufen. Nutzen Sie Ihre Arme und Hände. Diese sind Ihr wichtigstes Körpervehikel zum Transport Ihrer Emotionen - neben Ihrem Gesicht und Ihrer Stimme. Lassen Sie Ihre Arme und Hände sprechen. Das passiert ganz von alleine, wenn Sie Ihnen die Chance dazu geben. <?page no="111"?> 110 4 Performance - Auftritt Als Start lassen Sie einfach Ihre Arme seitlich am Körper herabhängen. Das fühlt sich komisch an - aber nur für Sie. Verwenden Sie offene, dem Publikum zugewandte Positionen. Also Hände aus den Hosentaschen - immer! Vermeiden Sie dominante und aggressive Signale. Diese gehören in die Raubtierdressur. Solche Signale sind zum Beispiel „beide Hände an die Seiten haken“, „sehr breitbeinig stehen“ oder „mit der Fu ßspitze tippe n“. Sc hau en Sie m al bei and er en P räsenta to re n, was Sie dort so alles an Grausamkeiten entdecken. Nutzen Sie Ihren Kopf. Nicht nur sprichwörtlich, sondern auch buchstäblich. An Stellen, wo Sie Ihr Publikum besonders für sich ge winnen möchten, kann schon ein leichtes seitliches Drehen des Kopfes Wunder bewirken. Lächeln Sie. Und wenn Ihre Zähne schön genug sind, dann zeigen Sie sie. Mit einem ernsten und verkniffenen Gesicht können Sie die Herzen Ihres Publikums nicht gewinnen. Natürlich darf das nicht in ein Dauergrinsen ausarten. Es muss einfach passen. Zum Augenblick und zu Ihnen. Den besten Lernerfolg erzielen Sie, wenn Sie so schnell wie möglich anfangen, diese Tipps umzusetzen. Zu Hause vor dem Spiegel, vor einem Freund oder gleich bei Ihrem nächsten Vortrag - Hauptsache, Sie fangen bald an. Schauen Sie, wel- <?page no="112"?> 4.2 Basisregeln 111 che Körpersprache Ihre Lehrenden verwenden. Sie werden selbst große Unterschiede sehen. Und schauen Sie auch, wie Sie selbst Körpersprache bei anderen empfinden. Nun mag es einige Leute geben, die den Einsatz von Körpersprache im akademischen Umfeld als nicht angemessen ansehen. Lassen Sie sich von ihnen nicht zurückhalten. Die vielen Videobeispiele, die ich für Sie gefunden habe, zeigen das Gegenteil. Wenn Sie in das spannende Thema „Körpersprache“ weiter eintauchen möchten, empfehle ich Ihnen ein Buch des „Gurus“ der Körpersprache, Samy Molcho. Noch besser ist es, ihn einmal live zu erleben. Ich garantiere Ihnen einen faszinierenden Tag oder Abend. 4.2.4 Verwenden von Medien Selbst in mancher Grundschule lernen Kinder inzwischen das Präsentieren. Und immer ist das wichtigste Medium ein computergestütztes Präsentationsprogramm wie etwa Microsoft PowerPoint. In Hochschulen konnten sich Overheadprojektoren erstaunlich lange halten. Das ist mehr oder weniger vorbei. Wenn Sie Glück haben, können Sie ein Flipchart nutzen. Dieses ist heute aber in einer echten Präsentation leider nur noch selten im Einsatz. Deshalb bespreche ich Flipcharts als Medium sowie weitere Medien später in diesem Kapitel im Abschnitt „Kür“. Sie kommen heute in der Hochschule um ein Präsentationsprogramm nicht mehr herum. Die meisten Ihrer Kommilitonen verwenden einen Großteil ihrer Vorbereitungszeit darauf, ihre Präsentationen möglichst „schön“ zu machen und die Texte bis ins letzte Detail auszufeilen. Das ist lobenswert, reicht aber gerade mal aus, um eine durchschnittliche Präsentation abzuliefern. <?page no="113"?> 112 4 Performance - Auftritt Damit Sie sich den Kauf eines Buches für Präsentationsprogramme sparen können, habe ich Ihnen folgend die wichtigsten Tipps im Umgang damit zusammengestellt. Diese helfen Ihnen gleichzeitig, mehr Zeit in den Inhalt zu stecken. Entwickeln Sie als Allererstes die Struktur Ihrer Präsentation. Das ist unbedingt nötig, bevor Sie auch nur irgendeine Folie im Präsentationsprogramm füllen. Wie das geht, haben Sie in Kapitel 2 erfahren. Ver we nd en Si e aus dr uc ks st ar ke B ilder. Die se m üs sen nat ürlich zur Botsch af t pas se n. Und sie mü ss en eine h ohe A uf lö su ng h ab en - verwenden Sie keine unscharfen, verpixelten Bilder. Achten Sie darauf, keine Bildrechte zu verletzen. Bedenkenlos kopieren viele Menschen Bilder aus dem Internet im Glauben, das sei legal. Auf Bilddatenbanken wie www.piqs.de können Sie kostenlos hochwertige Bilder für die nicht-kommerzielle Nutzung herunterladen. Setzen Sie möglichst nur ein Bild auf eine Seite. Ziehen Sie es so groß wie möglich auf. Bauen Sie benötigte Grafiken am besten selbst. Oder seien Sie sich absolut sicher, dass Sie keine Rechte verletzen. Reduzieren Sie den Text so weit wie möglich. Viele Präsentationsratgeber arbeiten mit Formeln wie „maximal vier Zeilen à maximal fünf Wörter“. Das ist Quatsch und immer noch viel zu viel. Wenn Sie möchten, dass Ihr Professor vollauf damit beschäftigt <?page no="114"?> 4.2 Basisregeln 113 ist, Ihren Text zu lesen, dann folgen Sie obigen Regeln. Wirklich klasse sind maximal fünf Wörter auf einer Seite. Herausragend eines. Verzichten Sie auf Animationen. Die wirken meistens nur peinlich. Häufig funktionieren sie nicht. Finger weg. Überlassen Sie das den Profis. Vorsicht beim Verwenden von Videos. Vor Publikum geht in über 80% der Fälle etwas schief. Der Film läuft zu früh, zu spät oder gar nicht an. Er ist zu laut oder zu leise. Oder er bricht mittendrin aus unerklärlichen Gründen ab. Das passiert selbst dann häufig, we nn im Hintergrund ein professioneller Regisseur arbeitet. Wenn Sie u nbedingt das fantastische Video der amerikanischen Forsc hungsgruppe zeigen möchten, dann nur dann, wenn Sie das vo rher im Raum fünffach üben konnten. Besser zehnfach. In meinem Studium bestand eine Vorlesung bei 90% aller Professoren darin, dass der Professor beim Sprechen im Fließtext meterweise Overheadfolien beschrieb und bemalte. Und wir Studenten schrieben alles brav ab. Klar, dass man dabei praktisch nichts lernte, sondern zu Hause alles noch einmal nacharbeiten musste. Das hatte aber den praktischen Vorteil, dass man die meisten Vorlesungen auch problemlos schwänzen konnte, solange man irgendwoher eine Mitschrift bekam. Das ist bei Ihnen heute hoffentlich nicht mehr so. Die Overheadprojektoren wurden durch Beamer abgelöst. Ob das jetzt besser ist, müssen Sie selbst beurteilen. Da die Overheadprojektoren aber häufig noch vor Ort sind, sollten Sie sie <?page no="115"?> 114 4 Performance - Auftritt auch einsetzen. Es macht für das Lernen des Publikums nämlich einen großen Unterschied, ob Sie etwas live erarbeiten oder nur die nächste Folie aufrufen. Ganz zu schweigen davon, dass Sie durch das Erarbeiten vor Publikum zeigen können, wie fit Sie im Thema sind. Hier ein paar einfache und wichtige Tipps zum Verwenden von Overheadprojektoren: Prüfen Sie rechtzeitig vor Ihrer Präsentation, ob der Projektor überhaupt funktioniert. Wischen Sie die Folie, die Sie brauchen, sauber oder spulen Sie an eine sa ub er e Stell e. Bri ng en S ie ei ge ne a bw is ch ba re F ol ie ns tif te i n ve rsc hie d en en Farben mit. Und natürlich sollten Sie auch prüfen, ob diese noch fu nktionieren. Verwenden Sie auf der Folie nur Grafiken, Tabellen oder Schlagwörter. Bitte schreiben Sie keine ganzen Sätze. Ausnahme sind für Ihre Präsentation entscheidende Zitate. In der Regel werden Sie mit einem Beamer präsentieren. Nutzen Sie einen Overheadprojektor zusätzlich, um besonders wichtige Dinge hervorzuheben. Diese bleiben noch länger stehen, während Sie im Präsentationsprogramm schon die nächsten Folien aufgerufen haben. Noch stärker arbeitet ein Flipchart. Dazu mehr im Abschnitt 4.3 „Kür“. <?page no="116"?> 4.2 Basisregeln 115 4.2.5 Weitere Basisregeln Unter die weiteren Basisregeln zähle ich die Themenbereiche Auftreten, Kleidung, Hilfsmittel und Zeitmanagement. Ihr Auftreten entspricht Ihrem Verhalten dem Publikum gegenüber. Prinzipiell weicht das erwünschte Verhalten bei einer Präsentation natürlich nicht von den normalen gesellschaftlichen Konventionen ab. Es gibt aber einige Spezifika. Ha l te n Si e ein e Pr äs ent at ion gr un ds ät z li ch im S te hen. N ur d ann können Sie wirklich „der Chef oder die Chefin im Ring“ sein. Sprechen Sie dem Publikum zugewandt. Das ist ganz einfach höflich. Und Ihr Publikum versteht Sie besser. Vermeiden Sie es ergo, zur Projektionsfläche zu sprechen. Stehen Sie auf keinen Fall hinter einem Pult. Sie geraten sonst in dessen magisches Gravitationsfeld. Im Ergebnis kleben Sie dann die ganze Präsentation über hinter dem Pult. Viele Präsentatoren verstecken sich förmlich dahinter. Halten Sie Augenkontakt mit Einzelnen Ihrer Zuschauer. So vermeiden Sie das unselige „Drüberwegschauen“ schlechter Präsentatoren. Sprechen Sie verschiedene Bereiche im Publikum an. Immer nur den Professor zu fixieren, schafft garantiert Unruhe im Raum, weil das restliche Publikum sich nicht angesprochen fühlt. <?page no="117"?> 116 4 Performance - Auftritt Zu ihrer Kleidung machen sich manche Präsentatoren erschreckenderweise gar keine Gedanken. Ob wir es richtig finden oder nicht - „Kleider machen Leute“! Das galt schon bei Hans Christian Andersen und gilt heute noch fast unverändert. Mit dem Befolgen einiger wichtiger Tipps können Sie auf diesem Gebiet schon praktisch nichts mehr falsch machen. Grundsatz ist aber immer, dass Sie sich in Ihrer Kleidung wohlfühlen müssen. Das Publikum merkt es sehr schnell, wenn das nicht der Fall ist. Auch wenn Sie normalerweise nur in Surferklamotten herumlaufen, gibt es für Sie adäquate Kleidung für eine Präsentation. Sie müssen sich nur darauf einlassen und sich ein bisschen Mühe bei der Auswahl geben. Grundsätzlich ist die Garderobe, die Sie an Ihrem Professor in der Vorlesung sehen, ein sehr guter Indikator dafür, was er von Ihnen bei Ihrer Präsentation mindestens erwartet. Auch für eine Präsentation gilt der Grundsatz einer privaten Feier. Peinlich wird es eher dann, wenn man „underdressed“ ist. Also lieber eine Nummer zu schick kleiden. Je wichtiger Ihre Präsentation ist, umso eher gilt das. Kleiden Sie sich tendenziell dezent. Das todschicke Gucci-Kleid mit dem tiefen Rückenausschnitt ist sehr wahrscheinlich nicht adäquat. Orientieren Sie sich im Zweifel am Kleidungsstil des Professors. Wählen Sie ein helles Oberteil. Das Publikum tritt Ihnen dann positiver entgegen und kann Sie besser fixieren. Wenn Sie einen dunklen Anzug oder ein dunkles Kostüm tragen, dann bitte mit weißem Hemd beziehungsweise weißer Bluse. <?page no="118"?> 4.2 Basisregeln 117 Wenn Sie als Mann sich mit Krawatten absolut unwohl fühlen, dann ziehen Sie lieber keine an. Tragen Sie aber bitte möglichst ein Jackett oder einen Anzug mit passendem Hemd. Sie wirken automatisch kompetenter als ohne. Bitte nehmen Sie nicht das Jackett oder den Anzug vom Vater, weil Sie selbst nichts Entsprechendes haben. Das sieht in 98% der Fälle peinlich aus. Es passt entweder nicht und/ oder ist schon ein paar Jahre aus der Mode. Weit verbreitete Hilfsmittel in Präsentationen sind Laserpointer sowie Presenter. Mit Laserpointern kann man einen farbigen Punkt auf die Projektionsfläche zeichnen. Presenter ermöglichen das ferngesteuerte Blättern in der computerbasierten Präsentation. Sehr beliebt ist die Kombination beider Funktionen in einem Gerät. Die Funktion eines Presenters ist ziemlich nützlich. So müssen Sie nicht zum Weiterblättern am Computer festkleben oder ständig zum Computer laufen. Achten Sie darauf, dass der Presenter eine Taste hat, mit der Sie die Projektion ausschalten können. Die Projektionsfläche wird dadurch schwarz. Bei einem weiteren Druck auf diese Taste erscheint die Präsentation wieder. Meine Meinung zu Laserpointern ist ganz klar: Finger weg! Ich kenne keinen Menschen, der es aus circa 10 Metern schafft, den dünnen Punkt eines Lasers auf der Projektionsfläche wirklich ruhig zu halten. Das Ergebnis ist in der Regel ein zitternder Punkt oder hektisches Kreisen. Das lenkt alles unnötig ab und schadet Ihrem Auftritt. Entwickeln Sie lieber Folien, die selbsterklärend und klar sind. Oder nehmen Sie Ihren Arm zum Zeigen. <?page no="119"?> 118 4 Performance - Auftritt Das perfekte Zeitmanagement ist ein für den Erfolg von Präsentationen dramatisch unterschätzter Punkt. Schauen wir mal gemeinsam, warum. Entscheidend für die Wirkung von Präsentationen ist die Aufmerksamkeit des Publikums. Sie ist zu Beginn sehr hoch, fällt dann schnell ab und steigt zum prognostizierten Ende hin wieder an. Überzieht der Präsentator die Zeit, so fällt die Aufmerksamkeit flugs dramatisch ab. Das hat für uns als Präsentatoren zwei sehr wichtige Folgen: Erstens unterstreicht es, warum wir vom Start an zu 100% fit sein müssen. Zweitens zeigt es, warum wir auf keinen Fall überziehen dürfen. Zu Beginn unserer Präsentation haben wir also die maximale Aufmerksamkeit des Publikums. Daher müssen wir sofort voll da sein und unsere Botschaft bereits zu diesem frühen Zeitpunkt erstmals platzieren. Ein langsames „Warmwerden“ ist genauso tödlich wie ein ausschweifender, langatmiger Start, der die Botschaft nicht in irgendeiner Form inkludiert. Neben dem „in Schach halten“ unserer Nerven hat die einige Seiten zuvor beschriebene Vorbereitung direkt vor der Präsentation also noch einen zweiten Nutzen: Wer geistig wach ist, kommt schneller auf den Punkt! In Vorlesungen erleben Sie es wahrscheinlich selbst fast täglich. Zum vorgegebenen Ende hin packen alle Zuhörer ihre Sachen und hören spätestens mit dem imaginären Schlussgong nicht mehr zu. Genau so ergeht es Zuschauern bei jeder beliebigen Präsentation in der freien Wirtschaft. Wenn der Vortragende seine vorgegebene Zeit überzieht, hört ab diesem Zeitpunkt praktisch niemand mehr wirklich zu. Das darf uns als herausragendem Präsentator nicht passieren. Überziehen Sie daher niemals. Bitte nicht! Sie haben mit riesiger Wahrscheinlichkeit noch nicht die Fangemeinde eines Steve Jobs, die Ihnen alles verzeiht. Für mich persönlich ist es auch eine Frage des Respekts vor dem Publikum, nicht zu überziehen. <?page no="120"?> 4.3 Kür 119 Die Zeit halten Sie am besten im Blick, wenn Sie für sich gut sichtbar einen großen Wecker postieren. Alternativ oder sogar zusätzlich setzen Sie einen Freund in die erste Reihe. Er gibt ihnen dann dezent ein Zeichen, wenn sich das zeitliche Ende nähert. Timen Sie Ihren Vortrag bitte immer so, dass Sie vor der angegebenen Zeit fertig sind. Dann bleibt noch etwas Zeit für eventuelle Abschlussfragen. Oder alle Zuhörer freuen sich über ein paar „gewonnene“ Minuten. Damit sammeln Sie bei Kommilitonen und Referenten Punkte. Ein Überziehen verzeiht man Ihnen nicht. Denn wer will wegen Ihnen zu spät zur Mensaverabredung mit den Freunden kommen? 4.3 Kür In diesem Abschnitt sprechen wir über all das, was über das „Normale“ hinausgeht. Hier beginnt ein quasi unendlicher Raum der Möglichkeiten. Denn in der Kür kann ich mich als Präsentator am besten mit meiner Persönlichkeit einbringen und den Unterschied machen. Spätestens jetzt beginnt der wirkliche Spaß am Präsentieren. Wie der Name schon verspricht, ist die Kür das „Extra“. Dafür müssen wir aber zunächst unsere Hausaufgaben in der „Pflicht“ gemacht haben. Alles Wichtige dazu haben Sie im bisherigen Verlauf gelernt. Ich beschreibe für Sie im Folgenden kurz die wichtigsten Elemente der Kür. Teilweise überlappen diese untereinander. Anhand konkreter Beispiele zeige ich Ihnen, wie sie das jeweilige Element umsetzen können. Diese Beispiele sollen Sie ermuntern, neue Dinge auszuprobieren. Sie sind der Nährboden für Ihre eigenen tollen Ideen. Was Ihnen gefällt oder was Sie davon spannend finden, sollten Sie in Ihrer nächsten Präsentation versuchen einzubauen. <?page no="121"?> 120 4 Performance - Auftritt 4.3.1 Brechen der Basisregeln Wir haben im Abschnitt „Basisregeln“ einige wichtige „Dos“ und „Don’ts“ für Präsentatoren kennengelernt. Sie machen alle Sinn und helfen uns auch in der Mehrzahl der Fälle, unsere Botschaft angemessen zu übermitteln. Es gibt aber auch Fälle, wo das nicht ausreicht. Vielleicht ist das Publikum zu einer Thematik schon so abgestumpft, dass niemand mehr hinhört. Vielleicht halten Sie einen Vortrag, den inhaltlich ähnlich bereits drei Kommilitonen vor Ihnen gehalten haben. Oder vielleicht möchten Sie einfach mal aus sich herausgehen. Ich habe eine gute Nachricht für Sie - die Präsentationsregeln sind auch dazu da, dass wir sie bei Bedarf gezielt brechen. Mit Augenmaß umgesetzt wird das unsere Botschaft noch verstärken. Video 3 „Darm mit Charme“ In meinem ersten Beispiel dazu sehen wir Giulia Enders mit ihrem bereits bekannten Science-Slam-Vortrag über das Darmrohr. Alleine schon der Titel ist ein Regelbruch: „Das Darmrohr - Darm mit Charme“. Natürlich sind die Titel von Präsentationen bei Science-Slams möglichst reißerisch. Dennoch ist das Verbinden eines eher mit einem Tabu belegten Körperteiles wie dem Darm mit einem Wort wie „Charme“ selbst für Science-Slams außergewöhnlich. Sehen Sie sich bitte nach Möglichkeit das ganze Video an, bevor Sie weiterlesen. Halten Sie dabei Ausschau, wo Giulia Enders außer beim Titel die Regeln bricht. <?page no="122"?> 4.3 Kür 121 Enders redet teilweise Slang. „… blank ziehen“ oder „Wie geht Kacken? “. Slang sollte man eigentlich als Wissenschaftler nicht benutzen. Es gehört aber zu ihrer Geschichte und es passt zu ihr, ohne sie dadurch weniger seriös wirken zu lassen. Enders nutzt den Slang, um dem Publikum die Scheu vor ihrem Tabuthema zu nehmen. Dann verwendet sie zum Teil drastische Bilder, wie den Mann über einem Haufen Sand/ Kot oder die Funktion des Anus. Diese sind aber immer mit einem Augenzwinkern versehen. Das lockert sichtlich die Einstellung des Publikums zur Thematik. Mein absoluter Lieblingsregelbruch ist Enders‘ Demo des äußeren Schließmuskels. Zunächst führt sie das Publikum aufs Glatteis, indem sie die Demo mit dem Mund vormacht. Dann kommt Enders in den Tabubereich: das Publikum soll die Mundbewegung nun mit dem Anus machen. Klingt sehr peinlich, ist es aber nicht. Alles in allem nutzt Enders‘ Vortrag den Tabubruch in vorbildlicher und absolut zum Thema passender Weise. Niemals schämt man sich für sie oder ist als Zuschauer peinlich berührt. Ihr Auftritt mit derselben Präsentation bei der Verleihung des Burda Award 2013 wurde auch von einem eher gesetzten Publikum begeistert aufgenommen. Video 11 „Elvis ist nicht tot, er ist nur nach Hause geflogen“ Mein zweites Beispiel ist ebenfalls auf einem Science-Slam aufgenommen. Sebastian Bartoschek untersucht in seinem Vortrag „Elvis ist nicht tot, er ist nur nach <?page no="123"?> 122 4 Performance - Auftritt Hause geflogen“ Verschwörungstheorien. Schauen Sie sich auch diesen Vortrag zunächst einmal an. Zu Beginn behauptet Bartoschek, dass Paul McCartney tot ist und „beweist“ das auch noch ausgiebig anhand des Plattencovers von „Abbey Road“. Das schafft eine enorme Aufmerksamkeit, weil er dabei sehr überzeugend ist. Abschließend löst er das Ganze fast in einem Nebensatz auf. Sichtlich Unwahres zu behaupten, ist ein tolles Stilmittel zur Erhöhung der Aufmerksamkeit des Publikums. Wie man sieht, funktioniert das prima - natürlich nur, solange man wie Bartoschek das Unwahre auch auflöst. Am Ende begeht Bartoschek einen weiteren Tabubruch, indem er politisch inkorrekte Aussagen gibt zu Gründen, warum Männer und Frauen in unterschiedlichem Maße Verschwörungstheorien anhängen. Er macht das aber mit einem Lächeln und gibt durch seine Körpersprache zu verstehen, dass er das selbst nicht glaubt. Wie wir an diesen beiden Beispielen sehen, macht das Brechen von Tabus beim Präsentieren Spaß. Uns selbst als Präsentatoren und dem Publikum. Aber vor allem steigern bewusst eingesetzte Tabubrüche die Aufmerksamkeit des Publikums. Damit helfen sie unserer Botschaft. Darauf kommt es an! Video 14 „Educate for a creative society“ Schließlich möchte ich Ihnen noch einen Meister des Tabubruchs vorstellen - Tom Peters. Er ist ein amerikanischer Querdenker und hat millionenfach Managementliteratur verkauft. Bevor sich alle Nicht-BWLer mit Grausen abwenden - Tom <?page no="124"?> 4.3 Kür 123 Peters hat etwas zu sagen und ist sehr unterhaltsam. Halten Sie im Video Ausschau, wo und wie er Tabubrüche begeht und denken Sie dabei auch an die prüde amerikanische Gesellschaft. Dieser kurze Ausschnitt „Educate for a creative society“ aus einer längeren Rede von Peters ist ein wahres Feuerwerk an Präsentations-Tabubrüchen. Er schreit, doziert mit erhobenem Finger und nutzt Slang-Wörter wie „Dude“. Peters rennt wie ein Hypernervöser auf der Bühne herum und so weiter. Hier sehen wir einen hochangesehenen Wirtschaftsdenker, der außer seinem Anzug und dem ordentlichen Haarschnitt so gar nicht dem entspricht, was sich viele darunter vorstellen. Peters ist ganz er selbst. Damit ist er hochgradig authentisch. Ein besonderes Highlight des Tabubruches ist seine Erläuterung, warum er niemals Studenten mit Topnoten einstellen wird. Kleine Anmerkung - in den USA ist „4“ die beste Note und „1“ die schlechteste. Der Topstudent mit 4.0 ist niemals vom Pfad abgewichen und hat niemals die Regeln gebrochen. Peters goutiert den Regelbruch damit ausdrücklich. Sowohl im Inhalt als auch in der Form. Zum Thema Regelbrechen möchte ich Ihnen keine weiteren Tipps mitgeben. Horchen Sie in sich hinein, was Ihnen Spaß macht und wo Ihre Botschaft noch verstärkt werden muss. Mit den Videos als Inspiration kommen Sie selbst auf tolle Ideen. Aber übertreiben Sie es nicht. Verwenden Sie lieber nur einen wohlgesetzten Regelbruch, sofern Sie noch kein wirklich sicherer und erfahrener Präsentator sind. 4.3.2 Flipchart und Tafel Da viele Hörsäle heute mit Beamern ausgestattet sind, werden diese hemmungslos für alle Präsentationen genutzt, egal ob sinnvoll oder nicht. Präsentationsprogramme wie PowerPoint sind so herrlich einfach und bieten so unglaublich viele <?page no="125"?> 124 4 Performance - Auftritt Möglichkeiten. Es entstehen regelrechte „Chartshows“. Je mehr Folien eine Präsentation enthält, desto besser. Zahllose Bücher beschäftigen sich alleine damit, wie man die perfekte PowerPoint-Präsentation macht. Alles toll, alles gut. Aber wir dürfen nicht vergessen, Präsentationsprogramme sind nur ein Werkzeug zum Unterstützen unserer Präsentation. Dieser Satz ist bewusst doppeldeutig. Präsentationsprogramme sind ein Werkzeug, sie sind nicht die Hauptsache. Denn das sind wir, die Präsentatoren, und unser Publikum. Präsentationsprogramme sind ein Hilfsmittel, neben vielen anderen, um unsere Botschaft zu verbreiten. Sie hängen in jedem Hörsaal, sie stehen in kleineren Räumen. Die Rede ist von Tafeln und Flipcharts. Das sind die „Old-School“-Werkzeuge der Präsentatoren. Sie sind aber weder altmodisch noch dem neuen Hilfsmittel Beamer generell unterlegen. Herleitungen, Beweise und logische Darstellungen kann ich mit Tafeln und Flipcharts ebenso gut - wenn nicht besser - machen. Die mit ihnen kommunizierte Botschaft bleibt beim Publikum in der Regel besser hängen. Das liegt daran, dass sie anfassbar sind. Alles, was ich live auf Tafel oder Papier erarbeite, demonstriert zusätzlich mein Wissen in der Materie viel stärker als das Durchklicken durch eine Präsentation mit begleitendem, womöglich auswendig gelerntem Text. Zwei sehr schöne Beispiele können das eindrucksvoll zeigen. Schauen Sie sich die dazu verlinkten Videos an und bilden Sie sich selbst Ihr Urteil. Denken Sie dabei daran, dass beide Präsentationen natürlich primär für das dort anwesende Publikum konzipiert waren und erst in zweiter Linie für Zuschauer der Videos. Bei den Anwesenden der Präsentationen sind die Botschaften sicherlich noch besser angekommen. <?page no="126"?> 4.3 Kür 125 Video 1 „Wir irren uns empor … oder warum ist die Physik so erfolgreich? “ Im ersten Beispiel sehen wir Harald Lesch beim bereits zitierten Kolloquium „Wir irren uns empor ...“. Schauen Sie sich im Video die Minuten 04: 00 bis 06: 15 an und beobachten Sie, wie er die Tafel einsetzt: Da steht Lesch also vor dieser riesigen Tafel im Audimax der Uni Bayreuth. Viele kennen ihn aus dem Fernsehen und hoffen vielleicht auf tolle Videos und spektakuläre Bilder. Aber nichts dergleichen. Er nutzt die einfachsten Werkzeuge. Den Inhalt seines Vortrages steckt Lesch mit den Rahmenthemen „Physik“ und „Philosophie“ geradezu physisch erlebbar ab. Ganz rechts auf die riesige Tafel schreibt er PHYSIK. Dann läuft er nach ganz links und notiert PHILOSOPHIE. Danach erläutert er die zeitliche Dimension, über die er sprechen wird. Dazu malt Lesch einen Pfeil von ganz links (symbolisiert das Heute) nach ganz rechts (symbolisiert den Anfang). Das ist so überraschend, dass die Kamera bereits vorgeschwenkt ist und wieder zurück schwenken muss, um das Aufmalen aufnehmen zu können. Die beiden Worte und der Pfeil bleiben den ganzen Vortrag über an der Tafel stehen. Sie geben dadurch Präsentator und Publikum inhaltlichen Halt. Lesch referenziert immer wieder darauf und kann so die Aufmerksamkeit des Publikums (einfacher) hoch halten. Das zweite Beispiel ist Simon Barke vom Max-Planck-Institut Hannover. Bei einem Science-Slam 2012 in Berlin spricht er über „Die 4. Dimension“. Ich habe, nachdem <?page no="127"?> 126 4 Performance - Auftritt ich das Video gesehen habe, endlich die Relativitätstheorie in Grundzügen verstanden. In den ersten fünf Minuten des Videos erläutert Barke wunderbar einfach, wie man sich die vierte Dimension „Zeit“ vorstellen kann: Video 15 „Die 4. Dimension“ Dazu nutzt Barke ein mitgebrachtes Flipchart-Papier zur Erläuterung von zwei Dimensionen. Gemeinsam mit Moderator und Publikum entwickelt er daraus die dritte und vierte Dimension. Sehr klar. Sehr effektiv. Auf einem Beamer ist das niemals so gut darstellbar. Gleichzeitig setzt Barke in diesem Beispiel drei weitere Elemente der Kür ein, den Raum, die Demo und eine weitere Person auf der Bühne. Für den Einsatz von Tafel und Flipchart habe ich die folgenden grundlegenden Tipps für Sie: Stellen Sie sicher, dass die Tafel absolut sauber ist. Beim Verwenden eines Flipcharts überprüfen Sie, dass genug Papier da ist - am besten rein weißes. Karierte oder linierte Papiere behindern Sie und Ihr Publikum nur in Ihrer Kreativität. In der Regel sind Flipchart-Blätter maximal einseitig bedruckt. Drehen Sie bedrucktes Papier einfach um. Für die Tafel bringen Sie Ihre eigene Kreide mit. So stellen Sie sicher, dass Sie die Farben haben, die Sie brauchen, und dass Sie <?page no="128"?> 4.3 Kür 127 sich nicht die Finger an kleinen Kreidestummeln brechen. Letzteres ist nur für auf Schadenfreude spezialisiertes Publikum toll, nicht für Sie. Für ein Flipchart bringen Sie bitte eigene Stifte mit. Nehmen Sie nicht die abgenudelten Dinger aus dem Hörsaal. Die sind sowieso meistens leer. Kaufen Sie sich eigene Stifte. Am besten richtig dicke Marker. Damit sieht Ihre Schrift viel sauberer aus und Zeichnungen gelingen besser. Wenn Sie wiederbefüllbare Marker kaufen, da nn h ab en S ie n och s eh r lan ge e twa s da von. O bw ohl i ch a ns ons ten vo r di r ekt en Pr od uk ttip ps z ur üc ks chr eck e, ge be ic h Ih nen hi erzu doch e inen: d ie S tift e s ind einf ach z u gu t. N eh me n S ie d ie Bi gOne -Stifte der Firma Neuland. Ich kenne nichts Besseres. 4.3.3 Bilder Im dritten Kapitel haben wir im Abschnitt 3.1 „Bedürfnisse“ die Funktionsweise des Gehirnes schematisch kennengelernt. Dabei sahen wir, dass wir die rechte Gehirnhälfte am einfachsten mit Bildern ansprechen können und auch müssen. Viele Präsentatoren setzen heute Bilder in großer Zahl ein. Medizinische Vorträge wimmeln mitunter geradezu davon. So erschlägt man das Publikum buchstäblich. Das ist dann das Ende unserer Botschaft. Wenn sich unsere Zuschauer bei unserem Vortrag fühlen wie beim Ansehen eines MTV-Musikclips, dann läuft etwas ganz falsch. Auch wenn wir bereits im Abschnitt 4.2 „Basisregeln“ über den Einsatz von Bildern im Vortrag gesprochen haben, bekommt dieses Thema in der „Kür“ einen eigenen <?page no="129"?> 128 4 Performance - Auftritt Punkt. Der perfekte Einsatz von Bildern kann nämlich ausschlaggebend sein. Er kann mir als vielleicht noch etwas unsicherem oder eher stillem Präsentator deutlich mehr Gewicht verleihen. Video 16 „Ich will doch nur spielen“ Der Informatiker Jens Dittrich von der Universität des Saarlandes setzt in seinem Vortrag „Ich will doch nur spielen“ virtuos Bilder in einem Fachgebiet ein, wo dies die wenigsten erwarten. Sehen Sie sich am besten das ganze Video an. Alle von Dittrich verwendeten Bilder passen 1: 1 zum Inhalt. So leitet er das Thema „Spiel“ mit ein paar großformatigen Bildern von Spielen ein. Häufig haben die Bilder einen tieferen Sinn und sorgen nach kurzem Denken für die Erheiterung des Publikums. So zum Beispiel ein Bild vom „Bettspiel“ oder vom „Kopierexperten Gutti“. Die Bilder des Bibliothekars und der Kundin hat Dittrich offensichtlich hochwertig selbst gemacht. Dadurch kann er sie in verschiedenster Form gleich mehrfach verwenden. Dittrich verwendet in seinem Vortrag etliche Bilder. Der Text ist maximal reduziert. Durch den konstanten Inhaltsbezug der Bilder und einige logische Herleitungen wird seine Präsentation aber gerade nicht zum „MTV-Clip“. Die Reaktion des Publikums ist ein prima Gradmesser dafür, dass seine Botschaft gerne aufgenommen wurde. Und sehr wahrscheinlich hat das Publikum sie auch verstanden und behält sie im Kopf. <?page no="130"?> 4.3 Kür 129 Wir müssen Bilder gar nicht zwangsläufig physisch zeigen - das Publikum kann sie sich auch vorstellen. Sehen Sie sich die ersten fünf Minuten des TEDx-Vortrages „Dare to dream“ der amerikanischen Langstreckenschwimmerin Diana Nyad an. Video 20 „Dare to dream“ Ny ad besch re ib t pl asti sch, w ie s ie z ur S ch wi mmer in w urde . In e in em e in fa che n Rollenspiel bringt sie ihren Vater mit seinem schweren Akzent auf der Bühne zum Leben. Ihre Hände demonstrieren das große Wörterbuch, in dem der Vater ihr als Fünfjähriger die Bedeutung des Namens Diana zeigt. Das Publikum ist ganz gebannt von der Geschichte und sieht die dargestellten Szenen förmlich vor sich. Wenn Ihnen das Erzeugen von Bildern im Kopf als zu anspruchsvoll erscheint, dann heben Sie sich das für die Zukunft auf. Da Sie aber sehr wahrscheinlich einen Beamer für Ihren Vortrag haben, nutzen Sie ihn bitte zum Darstellen von tollen Bildern zum Unterstützen Ihrer Botschaft. Gute Bilder gehören in jede Präsentation - egal ob sichtbar oder im Kopf! 4.3.4 Requisiten „Requisit“ klingt für viele Leser sicherlich nach Theater. Das Duden-Herkunftswörterbuch schreibt, dieser Begriff kommt aus dem lateinischen „requisita“ und bedeutet „das Erforderliche, Nötige“. Erforderlich sind Requisiten im Theater - aber in Präsentationen? Im angelsächsischen Raum sind Requisiten, englisch als „Props“ bezeichnet, ein fester Bestandteil der Präsentationskultur. Im deutsch- <?page no="131"?> 130 4 Performance - Auftritt sprachigen Raum sind sie im Rahmen von Präsentationen leider noch ziemlich exotisch. Das ist selbst in den deutschen Niederlassungen amerikanischer Firmen noch so. Dabei sind Requisiten noch besser als Bilder geeignet, durch die direkte Ansprache der rechten Gehirnhälfte Botschaften nicht nur rein rational zu vermitteln. Requisiten sind nicht nur abstrakt im Raum wie ein an die Wand geworfenes Bild, sondern sie sind ganz real auf der Bühne oder in der Hand des Präsentators. Dadurch sorgen sie für eine hohe Aufmerksamkeit des Publikums. Drei Beispiele verdeutlichen dies im Folgenden. Video 6 „The Milky Way“ Im ersten Beispiel kommt die Mikrobiologin Anke Domaske mit einer Spielzeugkuh auf die Bühne. Das schafft Aufmerksamkeit, zumal es auch direkt zum Titel „The Milky Way“ passt. Domaske gibt der Kuh einen Namen und macht sie dadurch noch interessanter für das Publikum. Dann stellt sie die Kuh gut sichtbar auf das Podium. Über den ganzen Vortrag hinweg bleibt die Kuh als Anker für die Botschaft stehen. Video 8 „What you give you get? Self Responsibility“ <?page no="132"?> 4.3 Kür 131 Die Betriebswirte Eike Reinhardt und Daniel Goetz nutzen zwei Requisiten für den Einstieg in ihre Präsentation auf der TEDxKoeln 2013. In Ihrem Vortrag „What you give you get? Self Responsibility“ zeigen sie den Zuschauern, was man von indigenen Völkern für sich lernen kann. Zu Beginn stehen Reinhardt und Goetz mit einem Büffelschädel beziehungsweise einem Plüschtierwolf in Händen auf der Bühne. Mit dem Büffelgeweih erklärt Reinhardt, dass die beiden im Land der Büffel bei den Prärie-Indianern waren und dort deren Ritualen beiwohnten. Goetz nutzt den Wolf, um den Inhalt des Vortrages darzustellen. Dazu erzählt er eine Geschichte vom Indianerjungen und dem Wolf. Die beiden Präsentatoren schaffen durch das Verwenden ihrer Requisiten einen grandiosen Start. Das Publikum lauscht sehr gespannt. Ganz zum Schluss beziehen sich die beiden wieder auf die Geschichte mit dem Wolf. Hier hätten sie den Plüschwolf noch einmal einsetzen können, um den Bogen perfekt zu machen. Aber auch so ist das ein fantastisches Beispiel, wie einfache Requisiten die eigene Botschaft massiv stärken können. Video 17 „Wetterstatistiken und Klimamodelle” Das dritte Beispiel zeigt ein ganzes Feuerwerk von Requisiten. Sebastian Bathiany vom Max-Planck-Institut in Hamburg erklärt in seinem Science-Slam-Vortrag, wie ein Klimamodell aufgebaut ist. Sehen Sie sich bitte mindestens die ersten fünf Minuten des Videos an. <?page no="133"?> 132 4 Performance - Auftritt Einen Kochtopf, Wasser, Salz, Erde und so weiter bringt Bathiany live zusammen - fertig ist das Klimamodell. Die Requisiten hat er alle in einer schwarzen Tasche dabei und holt sie der Reihe nach heraus. Ein toller Effekt. Dann nimmt er das ganze Modell und zeigt, welchen Einfluss die Sonne darauf hat, indem er sich mit dem Kochtopf auf der Bühne dreht. Nebenbei erklärt Bathiany damit, warum die Prognose von Klimamodellen so unglaublich komplex ist. Hier werden Requisiten auf faszinierende Weise eingesetzt. Dazu macht Bathiany mit ihnen einige Demos. Mehr dazu unter dem Punkt 4.3.6 „Demonstration“. 4.3.5 Raum Eines der einfachsten Hilfsmittel überhaupt wird erstaunlicherweise äußerst selten von Präsentatoren eingesetzt - der Raum. Im universitären Umfeld galt das jahrzehntelang ganz besonders. Overheadprojektoren fesselten die Referenten förmlich an sich. Doch auch ohne Overheadprojektoren halten sich viele Referenten hinter einem Rednerpult verschanzt. Nutzen wir den Raum! Das befreit uns Präsentatoren regelrecht. Es spricht die bildlich-räumliche Intelligenz sowie die rechte Gehirnhälfte an. Dadurch erweitern wir die Ebenen des Lernens. Unsere Botschaften bleiben besser haften. Das geht natürlich nur, wenn man den Raum bewusst nutzt. Schauen wir uns zwei Videobeispiele dazu an: Video 1 „Wir irren uns empor oder warum ist die Physik so erfolgreich? “ <?page no="134"?> 4.3 Kür 133 Im ersten Beispiel sehen wir erneut das Kolloquium von Harald Lesch „Wir irren uns empor ...“. Zwischen den Minuten 05: 00 und 06: 15 erläutert der Wissenschaftler die Struktur seines Vortrages anhand des Ortes, an dem er sich gerade befindet. Steht er vor der kleinen Bühne, dann spricht er darüber, warum die Physik so erfolgreich ist. Steht er auf der Bühne, dann geht es um Physik selbst. Befindet er sich links, dann geht es ums Heute. Steht er rechts, dann ist er am Anfang. Lesch zieht diese Einteilung durch den ganzen Vortrag hin. Sie hilft den Zuschauern effektiv, dessen komplexe Thematik einfacher zu verstehen. Video 15 „Die 4. Dimension“ Als zweites Beispiel dient die im Punkt 4.3.2 „Flipchart und Tafel“ besprochene Präsentation „Die 4. Dimension“ von Simon Barke. Er nutzt die ganze Bühne, um zu erläutern, warum wir in unserem dreidimensionalen Raum keine vierte Dimension darstellen können (01: 15 - 02: 15): Barke verwendet das bereits diskutierte Flipchart und fügt mit einer Leine die dritte Dimension hinzu. Diese Leine gibt er einer Zuschauerin in der ersten Reihe und lässt sie von ihr spannen. Damit erweitert er sogar die Bühne und interagiert gleichzeitig noch mit dem Publikum. Darüber hinaus setzt er sehr plastisch Requisiten ein, um die Botschaft stärker zu machen. Trauen Sie sich, den Raum zu nutzen! Schiller hätte gesagt: „Raum ist in der kleinsten Hütte“. Folgend habe ich noch ein paar Tipps zum Nutzen des Raumes für Sie: <?page no="135"?> 134 4 Performance - Auftritt Für alle Botschaften in einer Struktur „Zwei“ eignet sich das von Harald Lesch demonstrierte „links - rechts“ auf der Bühne perfekt. Stehen Sie links, wenn Sie zum Beispiel über das „Pro“ reden und rechts, wenn Sie über das „Contra“ sprechen. „Vorne - hinten“ funktioniert nur dann richtig gut, wenn Sie eine gewisse Tiefe auf der Bühne haben. „Dreierstrukturen“ lassen sich analog darstellen, wenn Sie drei fixe Punkte auf der Bühne wählen. Das müssen Sie dann aber auch konsequent durchhalten. Wechseln Sie zwischen frontalem Vortrag und Präsentation aus dem Publikum heraus. Das kann sich zum Beispiel beim Wechsel von Theorie und Praxis anbieten. Gehen Sie hinter Ihr Publikum, wenn Sie eine Änderung des Standpunktes verdeutlichen wollen. Wenn Sie gerne herumlaufen, dann tun Sie das, während Sie Details erzählen. Immer wenn es wichtig wird, sollten Sie (an einem bestimmten Ort) stehen. <?page no="136"?> 4.3 Kür 135 4.3.6 Demonstration Die Demonstration ist uns bereits im Abschnitt 3.4 „Interaktion“ im dritten Kapitel begegnet. Dort habe ich beschrieben, wie man Sachverhalte mittels anderer Personen darstellen kann. Natürlich geht das auch ohne Personen. Demonstrationen gehören zu den stärksten Werkzeugen, um Zuschauer zu überzeugen. Jahrzehntelang wurden Fernsehzuschauer in der Werbung mit sogenannten „side-by-sidedemos“ von den Vorteilen bestimmter Waschmittel oder Windeln beschallt. Mein ehemaliger Arbeitgeber Procter & Gamble war hierin führend. Eine abstrakte Demonstration via Fernsehen hat natürlich Grenzen in der Überzeugungskraft. Live vor Publikum kann eine Demonstration regelrecht magisch werden. Video 17 „We tterstatistiken und Klimamodelle” Schauen wir uns ein tolles Beispiel einer Demonstration an. Im Punkt „Requisiten“ haben wir Sebastian Bathianys „Requisitenfeuerwerk“ kennengelernt. Gleichzeitig ist seine Präsentation auch ein „Demonstrationsfeuerwerk“. Er startet mit der Demonstration eines Klimamodells (01: 15 - 03: 30 Min.). Im Anschluss macht Bathiany dann gleich die nächste Demonstration. Dieses Mal erläutert er, warum es bei einem mit Vegetation bedeckten Landstrich mehr regnet und feuchter ist als in der Wüste. Er stellt sich selbst als Baum dar, der Feuchtigkeit aus dem Boden aufnimmt und in die Luft wieder abgibt. Jetzt wird auch klar, warum Bathiany eine braune Hose und einen grünen Pulli trägt. <?page no="137"?> 136 4 Performance - Auftritt Ab Minute 05: 45 erläutert Bathiany mithilfe eines Stuhles, wie das Klima von einem Zustand in einen anderen kippen kann. Sehr eindrucksvoll und nachhaltig. Abschließend beschreibt er sein hochkomplexes Modell der Berechnung des gegenseitigen Einflusses verschiedener geografischer Punkte anhand des Spielplanes einer fiktiven Fußball-EM. Das ist ungewöhnlich und ziemlich überraschend. Die Reaktion des Publikums spricht für Bathiany. Video 18 „Komplexitätsanalyse von Typen” In einem Vortrag für Schüler im Rahmen eines „Probestudiums Informatik“ an der Uni München setzt Steffen Jost eine an einen separaten Projektor angeschlossene Kamera ein, um seine Demonstration für alle besser sichtbar zu machen (ab Min. 19: 00). Die Kamera ist auf eine Art Spielbrett gerichtet. Das nutzt Jost, um Datenobjekte und den Umgang mit ihnen plastisch zu erläutern. Die verschiedenen Objekte werden durch verschieden geformte, verschieden farbige Bausteine dargestellt. Becher symbolisieren Datencontainer. Durch die Kamera kann das Publikum die Demonstration auf dem Brett sehr gut verfolgen. Man sieht in diesem Video sehr deutlich, wie stark eine Demonstration die Interaktion mit dem Publikum steigern kann. Gleichzeitig ist die Performance von Jost dann am stärksten, wenn er die Demonstration am Brett nutzt. <?page no="138"?> 4.3 Kür 137 4.3.7 Rollenspiel In diesem Punkt kommen wir zu einem vermeintlich besonders herausfordernden Element der Kür: dem Rollenspiel. Es erfordert vom Präsentator eine Portion Mut. Die Belohnung dafür ist aber umso größer. Richtig eingesetzt sind Rollenspiele sehr, sehr stark darin, Botschaften dem Publikum förmlich einzubrennen. Video 3 „Darm mit Charme“ Mein erstes Beispiel ist die schon mehrfach zitierte Präsentation „Das Darmrohr - Darm mit Charme“ von Giulia Enders. Eine bereits zu Beginn eingeführte Konversation ihrer Tanten über ihr Studienfach (00: 35 - 01: 40 Min.) führt Enders im Verlauf gekonnt weiter (06: 25 - 06: 50 Min.). Das Rollenspiel am Anfang nutzt Enders, um die eventuelle Scheu ihres Publikums vor dem Thema etwas aufzulösen. Sie spielt die auf der Leinwand hinter sich als Comicfiguren dargestellten Tanten und deren Reaktion auf ihr Studienfach und ihren Schwerpunkt. Mit kleinen Bewegungen und Verändern der Stimme kauft man ihr die alten Tanten ab. Stark. Ein zweites Beispiel bringt Gunter Duecks bereits beschriebener Vortrag „Oft Held gespielt und immer noch zu leise? “. Einem schüchternen Menschen wie ihm werden die wenigsten Menschen ein Rollenspiel auf offener Bühne zutrauen. Sehen Sie sich an, wie großartig er seine Erfahrung als Mathematik-Doktorand in Bielefeld beschreibt (12: 15 - 16: 15 Min.). <?page no="139"?> 138 4 Performance - Auftritt Video 2 „Oft Held gespielt und immer noch zu leise? “ Dueck reflektiert Zwiegespräche zwischen seinem Professor und ihm selbst. Dabei spielt er den Chef, indem er die Stimme erhebt und bestimmende Gesten macht. Sich selbst stellt er mit piepsiger Stimme und hängenden Schultern dar. Zum Abschluss kommt eine weitere Person ins Spiel, ein russischer Gastprofessor. Als dieser schaut Dueck ernst und schweigsam - sich selbst dagegen spielt er nun dynamisch und fordernd. Das alles sind ganz einfache Handlungen. Diese Art von Rollenspiel kann praktisch jeder von uns. Im privaten Bereich wenden wir sie gerne beim Erzählen von selbst erlebten Begebenheiten an. Doch in einer Präsentation machen das die allerwenigsten Menschen. Schade. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Giulia Enders und Gunter Dueck. Der Erfolg wird Ihnen Recht geben. 4.3.8 Weitere Personen auf der Bühne Als Präsentator müssen wir nicht zwangsläufig alles alleine machen. Das Nutzen eines „Assistenten“ kann uns im Ablauf sehr helfen. Es schafft gleichzeitig eine andere Atmosphäre durch die bloße Anwesenheit einer weiteren Person auf der Bühne. Ein Beispiel ist der im Abschnitt 4.3.5 „Raum“ schon besprochene Vortrag „Die 4. Dimension“ von Simon Barke. Zur Darstellung der Dreidimensionalität des Raumes holt er sich den Moderator auf die Bühne zurück (01: 25 - 02: 20). <?page no="140"?> 4.3 Kür 139 Video 15 „Die 4. Dimension“ Ganz offensichtlich genießt dieser seine Rolle auch. Es war vorher abgesprochen, dass er das Flipchart zur Demonstration von zwei Dimensionen hochhält. Natürlich wäre das auch ohne Assistenten gegangen. Denken Sie aber selbst nach, ob der Lerneffekt für das Publikum dann derselbe wäre. Den Assistenten sollte man vorab über seine Aufgaben informieren. Am besten geht man mit ihm die Präsentation in mehreren Proben durch. So kann man gleichzeitig wertvolle Anregungen erhalten. Für wirklich einfache Tätigkeiten kann man sich den Assistenten auch problemlos aus dem Publikum holen. Das steigert als Nebeneffekt die Interaktion. Bitte fragen Sie zum Suchen eines Freiwilligen nicht einfach in den Zuschauerraum hinein. Das endet oft peinlich, wenn sich niemand meldet. Besser haben Sie vorab einen Freund als „Freiwilligen“ bestimmt. Oder Sie fragen gezielt einen Zuschauer, den Sie kennen. Je nachdem was Sie vorhaben, können Sie natürlich auch mehrere Personen auf die Bühne bitten. Achten Sie darauf, dass alle etwas zu tun haben und niemand verloren herumsteht. Geben Sie jeder Person genaue Anweisungen. Je mehr Personen Sie auf der Bühne haben, desto schwieriger wird Ihr Job potenziell. <?page no="141"?> 140 4 Performance - Auftritt 4.3.9 Zwei Präsentatoren Ein ganz besonderes Schmankerl der Kür sind zwei gleichzeitig auf der Bühne stehende Präsentatoren. Das stellt natürlich spezielle Anforderungen sowohl an die Präsentatoren selbst als auch an die Struktur des Vortrages. Video 8 „What you give you get? Self Responsibility“ Schauen Si e si ch das ber ei ts i m Punkt „ Re qu is it en“ b es pro ch en e Vid eo „ Wh at y ou give you get? Self Responsibility“ der Betriebswirte Eike Reinhardt und Daniel Goetz an. Beobachten Sie dabei vor allem, wie die beiden wirklich gemeinsam präsentieren: Reinhardt und Goetz wechseln sich fließend ab. Jeder bespricht einen abgeschlossenen Punkt, dann der andere nahtlos den nächsten. Ausgefallen gut ist ihr Einstieg. Reinhardt setzt den räumlichen und anthropologischen Rahmen, Goetz erzählt eine kleine Geschichte über den Inhalt des Vortrages. Ich habe einmal mit einem Kollegen auf großer Bühne zusammen präsentiert. Wir spielten beide eine Rolle: er war Mr. Spock und ich Captain Kirk. Unsere „Mission“ war es, eine neue Zahnbürste vorzustellen. Dazu hatten wir ein ausgefeiltes Drehbuch erarbeitet, da wir auf und von der Bühne „gebeamt“ wurden. Die Reaktion des Publikums auf unsere Präsentation war sagenhaft. Noch Jahre später waren Vortrag und Botschaft vielen Kollegen präsent. Soweit können Sie vermutlich in der Hochschule nicht gehen. Das würde ich Ihnen auch nicht raten. Sehr wohl empfehle ich Ihnen aber, auch einmal zu zweit <?page no="142"?> 4.3 Kür 141 zu präsentieren - wenn es passt und Sie sich mit dem Co-Präsentator gut verstehen. Sie müssen aber beide inhaltlich auf demselben Niveau spielen. Spannend ist es für das Publikum, wenn sie unterschiedliche Charaktere sind und ihr authentischer Präsentationsstil voneinander abweicht. Besonders schön ist es, wenn das alles zu den Inhalten passt. Dann werden Sie und Ihr Partner definitiv eine gelungene Präsentation abliefern. Bitte präsentieren Sie möglichst nicht zu dritt oder sogar mit noch mehr Leuten gleichzeitig. Das Ergebnis ist sonst sehr wahrscheinlich nicht überzeugend. Die zu einem Zeitpunkt nicht beschäftigten Präsentatoren stehen schnell verloren vor dem Publikum oder lenken komplett ab. Mehr als einen Kollegen können Sie als Präsentator nicht wirklich führen. Das ersparen Sie sich lieber. 4.3.10 Humor Angelsächsische Präsentationen sprühen vor Humor. Selbst bei hochdekorierten universitären Koryphäen darf gelacht werden. Im deutschsprachigen Raum sind bei Studenten die Referenten besonders beliebt, die auch mal einen Witz machen. Viele Professoren glauben, dass sich Humor mit wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit beißt. Dass vielleicht sogar das Gegenteil zumindest möglich ist, beweist der Erfolg des Astrophysikers Harald Lesch, der es mit seiner humorvollen Art sogar zu einer eigenen Fernsehsendung gebracht hat und hohe wissenschaftliche Anerkennung genießt. Wir haben im dritten Kapitel im Abschnitt 3.4 „Interaktion“ bereits über Humor als Königsweg zur Interaktion gesprochen. Weil der Humor so wichtig ist, greifen wir ihn hier noch einmal auf. Nehmen wir als konkretes Beispiel einen bekannten Politiker, Peer Steinbrück. Überspringen Sie die ersten sechs Minuten der Ankündigung seines Vortrages „Konsequenzen der jüngsten Wirtschafts- und Finanzkrise“ an der „NRW School of Governance“ im Jahr 2011. <?page no="143"?> 142 4 Performance - Auftritt Video 19 „Konsequenzen der jüngsten Wirtschafts- und Finanzkrise” Gleich zu Beginn setzt Steinbrück ein Ausrufezeichen. Er nimmt sich und seine Profession auf den Arm. Steinbrück warnt die Zuhörer, dass man ihm ein Mikrofon gegeben habe sowie 60 Minuten Zeit. Diese Kombination sei sehr gefährlich. Zur Verdeutlichung erzählt er eine vermutlich erfundene Geschichte, die eigentlich ein Witz ist. Peer Steinbrück kaschiert das aber sehr geschickt durch die Aussage „Ich kenne einen Politiker, der ...“. Was wir hier sehen, ist sehr professionelles „Eisbrechen“. Der Humor verbindet Präsentator und Publikum. Man spürt förmlich, wie sich die Stimmung im Saal nach den eher steifen und langen Eingangsworten des Rektors lockert. Peer Steinbrücks Einstieg ist auch so gesetzt, dass er keinem Zuschauer irgendwie auf die Füße tritt - es sei denn, er ist Politiker. Video 16 „Ich will doch nur spielen“ Das nächste Beispiel ist der bereits unter „Bilder“ besprochene Vortrag „Ich will doch nur spielen“ von Jens Dittrich. Damit erzielte er beim Science-Slam Hannover 2012 den ersten Platz. Genießen Sie selbst. <?page no="144"?> 4.3 Kür 143 Wie Steinbrück im ersten Beispiel startet Dittrich mit einem sehr gut vorbereiteten Witz auf Kosten seiner Profession. Er erklärt den Unterschied zwischen Physikern und Informatikern an Hand einer Party. Dabei unterstützt er den Witz mit zwei einfachen Bildern. Durch dieses Intro hat er das Publikum sofort auf seiner Seite. Man hat mit einem Augenzwinkern Mitleid mit den armen Informatikern. Das greift Dittrich dann sofort auf und bedankt sich, beim Science-Slam überhaupt auftreten zu dürfen, wo es ja um humorvolle Wissensvermittlung gehen soll. Also erklärt er dem Publikum, wie spannend der Tag eines Informatikers sein kann. Und führt es damit gleich in eine Sackgasse. Denn genau so will er Informatik nicht erklären. Also redet er über Spiele. Und spannt dadurch ein vermeintlich völlig anderes Themenfeld auf, das ihm aber sehr viel einfacher humorvolle Bezüge ermöglicht. Diese nutzt er auch massiv aus. Sein ganzer Vortrag ist ein humorvolles Feuerwerk. Nebenbei lernt das Publikum fundamentale Dinge über Informatik, ohne es wirklich zu merken oder langweilig finden zu können. Sein Thema so treffend abstrahieren zu können, ist wirklich „Großes Kino“. Setzen Sie Humor ein. Vor allem wenn Sie das in Ihrem „normalen Leben“ auch ständig tun. Sie sind sonst nicht authentisch. Wer privat keine Witze erzählen kann, sollte davon auf der Bühne die Finger lassen. Aber auch humorvolle Anspielungen oder Bezüge kann wirklich jeder einbauen. Was heißt kann? - muss! 4.3.11 Musik Das Verwenden von Musik in einem Vortrag ist im deutschsprachigen Raum sehr ungewöhnlich. Einige Präsentatoren setzen Musik vor ihrem Vortrag ein oder zu Beginn. Damit schaffen sie eine bestimmte Atmosphäre. Bei großen Firmenpräsentationen ist das häufig treibende Musik, die das Publikum „anheizen“ soll. Im <?page no="145"?> 144 4 Performance - Auftritt universitären Umfeld ist das sicherlich ungewöhnlich bis unter Umständen negativ behaftet. Worüber Sie aber nachdenken sollten, ist leise angenehme Musik laufen zu lassen, bevor Ihr Vortrag beginnt - sofern vor Ihnen eine Art von Pause ist. Das bringt positive Energien in den Raum und überträgt sich auf Sie selbst und Ihr Publikum. Video 20 „Dare to dream“ Ganz stark ist es, Musik in der Präsentation einzusetzen, um die eigene Botschaft zu unterstützen. Dafür gibt es nur sehr wenige Beispiele. Ein fantastisches zeigt Diana Nyad in dem bereits erwähnten Vortrag „Dare to dream“ bei der TEDxBerlin 2012. Zwischen den Minuten 15: 30 und 17: 45 erläutert sie, wie brutal Langstreckenschwimmen ist und wie sie über Stunden ihren Rhythmus beibehält. Dazu hat sie sich bestimmte Lieder ausgesucht, die vom Takt genau ihrem Tempo entsprechen. Eines davon demonstriert sie mit begleitenden Schwimmzügen, das berühmte „Me and Bobby McGee“ von Janis Joplin. Fast jeder im Saal kennt das Lied. Die ohnehin sehr hohe Intensität zwischen ihr und dem Publikum steigert sich dadurch nochmals. Nyad singt nicht nur den Anfang, sondern auch das Ende des Songs und stellt dar, wie gleich danach der Song von vorne losgeht. So kann sich das Publikum ein bisschen vorstellen, was es heißt, alleine über 50 Stunden zu schwimmen und dabei den Rhythmus zu behalten. <?page no="146"?> 4.3 Kür 145 4.3.12 Verkleidung Das Verwenden einer Verkleidung in Präsentationen ist an Hochschulen extrem selten, wenn es überhaupt eingesetzt wird. Ich habe trotz intensiver Suche leider kein einziges deutschsprachiges Video-Beispiel im Internet finden können. Wenn Sie eines kennen, schicken Sie mir bitte unbedingt den Link dazu. Also müssen wir auf die in „youtube“ wahrscheinlich meistgesehene universitäre Vorlesung zurückgreifen, die „Last Lecture“ von Randy Pausch von der Carnegie Mellon University in den USA. Video 21 „The last lecture“ An mehreren Stellen setzt Pausch eine Verkleidung ein, um seinen Punkt klarer zu machen. Falls Sie die Präsentation bisher noch nicht gesehen haben, so holen Sie das unbedingt nach. Außer den Verkleidungen erwartet Sie ein wahres Stakkato an Elementen der Kür. Als Pausch über seinen revolutionären Kurs „BVW“, eine Verbindung von Informatik und Kunst spricht, schließt er seine Erfahrungen dazu mit dem Verdeutlichen der zahlreichen Schwierigkeiten beim Erarbeiten und Umsetzen ab. Das symbolisiert er mit einer mit Indianerpfeilen bestückten Weste, die er vom Kursteam geschenkt bekommen hatte (44: 10 - 44: 40 Min.). In einem zweiten Beispiel spricht Pausch über seinen größten Erfolg, zahllosen Menschen Träume zu erfüllen, die Entwicklung von „Alice“. Das ist eine Software zum spielerischen Erlernen von Programmiersprachen. Er verdeutlicht dies, in- <?page no="147"?> 146 4 Performance - Auftritt dem er sich einen großen Zaubererhut aufsetzt. Und so ist er dann förmlich ein Zauberer aus „Alice im Wunderland“ (52: 30 - 54: 40). Auf einer Jahrestagung meines Braun-Außendienstes bin ich einmal als alternder Fußballtrainer aufgetreten. Angezogen in einem Kunstfaser-Trainingsanzug und bewaffnet mit Mütze und Trillerpfeife erklärte ich dem ganz überwiegend männlichen Publikum eine neue Vertriebstaktik. Dazu hatte ich noch ein Taktikbrett dabei, ganz so wie Trainer es einsetzen. Die Aufmerksamkeit meiner Zuschauer war mir so absolut sicher. Natürlich empfehle ich Ihnen keine Präsentation in Verkleidung für eine für Sie entscheidende Abschlusspräsentation. Vielleicht finden Sie aber für einen anderen Vortrag einen Aufhänger, wo diese definitiv außergewöhnliche Art zu präsentieren passt. Wie immer ist entscheidend, dass das Mittel der Wahl die Botschaft unterstützt! 4.3.13 Überraschung Eines der mit Abstand stärksten, aber auch schwierigsten Elemente der Kür ist die Überraschung. Sie fungiert sehr effektiv als Verstärker der Aufmerksamkeit des Publikums. Wenn sie auch noch direkt mit der Botschaft verknüpft ist, haben Präsentatoren alles richtig gemacht. Der bereits zitierte Vortrag von Jens Dittrich „Ich will doch nur spielen“ hat ein wunderbares Beispiel parat (02: 45 - 03: 15 Min.). Video 16 „Ich will doch nur spielen“ <?page no="148"?> 4.3 Kür 147 Anstatt einfach zu sagen, dass das Spiel, mit dem er sich beschäftigt, mit Büchern zu tun hat, nutzt Dittrich die überraschende Einlage „... vorab noch einen Fachbegriff klären“. Das Publikum erwartet hier alles, aber nicht das übertriebene und simple Darstellen eines Buches. Spontaner Beifall zeigt, dass es funktioniert hat. Dabei geht es ja gar nicht um Bücher. Dittrich lenkt damit sehr geschickt von der Komplexität seines Themas ab und hat die Aufmerksamkeit aller Zuschauer sicher. Video 10 „Wi e Chuck N or ri s de n Kre bs b esi egte“ Ei n weiteres Beispiel ist die Science-Slam-Präsentation „Wie Chuck Norris den Krebs besiegte“ von Christian Stern vom Helmholtz-Institut Braunschweig. Bereits der Titel klingt verheißungsvoll. Chuck Norris und Krebs - was haben die beiden Begriffe miteinander zu tun? Im Jahr der Präsentation, 2011, waren Chuck-Norris- Witze noch präsenter als heute. Zunächst erläutert Stern den ernsten Hintergrund seiner Präsentation, die immer noch unzureichenden Krebstherapien. Dann erläutert er einen Ansatz der Heilung, nämlich mit Salmonellen. Um besser erklären zu können, wie Salmonellen Krebs heilen können, führt er Chuck Norris als Metapher ein (03: 40 - 04: 20 Min.). Dafür gibt es spontanen Applaus. Das ist ein untrügliches Zeichen für hohe Aufmerksamkeit des Publikums dank dieser überraschenden Idee. Im Folgenden beschreibt Stern zwei Ansätze, wie „Chuck Norris“, also Salmonellen, in der Zukunft Tumore bekämpfen könnte. Auf seiner Abschlussfolie hat er dann noch einen Chuck-Norris-Witz notiert und zementiert damit seine Botschaft. <?page no="149"?> 148 4 Performance - Auftritt Warum sind nur viele Präsentationen so vorhersehbar und langweilig? Ein Grund liegt sicher in der immer gleichen linearen und logischen Struktur der meisten Vorträge. Im Abschnitt „Struktur“ im zweiten Kapitel haben wir etliche Auswege durch das Verwenden und Kombinieren anderer Strukturen kennengelernt. In den beiden gerade besprochenen Beispielen haben wir zudem überraschende Ideen gesehen, wie wir Inhalte anders darstellen können. Dafür muss man sich natürlich schon frühzeitig Gedanken machen. Ich denke aber, dass sich das in jedem Fall lohnt! 4.3.14 Spannung Eng verwandt mit der Überraschung ist die Spannung. Sie trägt aber noch länger. Richtig eingesetzt können wir durch Spannung die Aufmerksamkeit unseres Publikums ziemlich lange hoch halten. Das passiert ganz analog zu Kinofilmen. Ohne Spannung wird ein Film schnell langweilig. Man schaltet ab. Zur Spannung gibt es eher wenige Beispiele aus dem Hochschulbereich im Netz. Zwei bereits besprochene schauen wir uns unter diesem Gesichtspunkt noch einmal an. Im ersten Beispiel verspricht Sebastian Bartoschek Spannung bereits mit dem Titel seines Vortrages: „Elvis ist nicht tot“. Video 11 „Elvis ist nicht tot, er ist nur nach Hause geflogen“ Sehr stringent zieht er seine Forschung über Mythen bis zum Ende hin durch. So bleibt die Spannung sehr lange erhalten. Das Publikum erhofft irgendwo doch <?page no="150"?> 4.3 Kür 149 noch die bahnbrechende Information, dass Elvis noch lebt. Aber die kommt natürlich nicht. Es ist nur ein Mythos. Und genau das ist Bartoscheks Botschaft. Das zweite Beispiel bringt uns der im vorherigen Punkt gesehene Vortrag „Wie Chuck Norris den Krebs besiegte“ von Christian Stern. Video 10 „Wie Chuck Norris den Krebs besiegte“ A uch h ie r br in gt b erei ts de r ung ew öh nl ic he T it el S pannu ng. D as w il l man d oc h genauer wissen - wie kann Chuck Norris den Krebs besiegen? Mit Abstrichen kann Stern in seinem Vortrag die Spannung hoch halten. Wenn er langsamer sprechen würde und die Bilder etwas weniger „lustig“ gestaltet hätte, wäre die Spannung sicher bis zum Ende des Vortrages erhalten geblieben. Das Erzeugen von Spannung in einer Präsentation ist sicherlich eines der Kür-Elemente, mit dem sich unerfahrene Präsentatoren wirklich schwer tun. Es erfordert fast zwingend ein regelrechtes „Skripten“ der Präsentation schon weit im Voraus. Stellen Sie sich ein solches Skript wie ein Drehbuch vor. Schreiben Sie darin so genau wie möglich auf, was Sie wann tun und sagen. Alle großen Präsentationen werden so erarbeitet. Wir haben im zweiten Kapitel zwei Strukturen erarbeitet, die Spannung erzeugen: „Geschichte“ und „Bogen“. Wenn wir sie konsequent als „große“ Strukturen über eine ganze Präsentation hinweg einsetzen, dann können wir mit ihrer Hilfe die Spannung lange hochhalten. <?page no="151"?> 150 4 Performance - Auftritt Ich möchte Sie zum Verwenden von Spannung in Ihren Präsentationen ermuntern. Ihre Zuschauer werden sich dann zunehmend darauf freuen, „gespannt zu sein“, Sie einmal wieder präsentieren sehen zu dürfen! Viel Erfolg bei Ihren Präsentationen! <?page no="152"?> 5 Literatur Buzan, Tony: Nichts vergessen! , München, Wilhelm Goldmann Verlag 2000 Buzan, Tony: Entdecken Sie Ihre kreative Intelligenz, München, Wilhelm Goldmann Verlag 2002 Dobelli, Rolf: Die Kunst des klaren Denkens, München, Carl Hanser Verlag 2011 Drosdowski, Günther: Duden Etymologie, Mannheim, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG 1989 Gardner, Howard E.: Abschied vom I.Q. - Die Rahmen-Theorie der vielfachen Intelligenzen, Stuttgart, Klett-Cotta 1991 Isaacson, Walter: Steve Jobs - Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers, München, C. Bertelsmann Verlag 2011 Madeja, Michael: Das kleine Buch vom Gehirn, München, Deutscher Taschenbuch Verlag 2012 Molcho, Samy: Körpersprache, München, Wilhelm Goldmann Verlag 2013 Seel, Otto: Quintilian oder Die Kunst des Redens und Schweigens, München, Deutscher Taschenbuch Verlag 1987 <?page no="154"?> Index Abstimmung 77 Andersen, Hans Christian 116 Ansprache 81 Aufmerksamkeit 63 Auftreten 115 Auftritt 91 Authentizität 91 Bacha-Trams, Mareike 47, 53 Barke, Simon 125, 133, 138 Bartoschek, Sebastian 84, 121, 148 Basisregeln 103, 120 Bathiany, Sebastian 131, 135 Bedürfnisse 62 Bild 51, 127 Bogen 39, 47, 149 Botschaft 21, 94 Buzan, Tony 65 Clicker 79 Demonstration 82, 135 Dittrich, Jens 128, 142, 146 Dobelli, Rolf 25 Domaske, Anke 35, 44, 130 Drei 32, 34, 35, 44, 47 Dueck, Gunter 16, 42, 53, 86, 137 Eins 29, 36, 54 Emotion 55, 59 Enders, Giulia 17, 38, 40, 59, 85, 120, 137 Erinnerung 49 Erwartungen 67 Flipchart 123 Fragen 80 Gardner, Howard 13 Gedenktage 72 Gehirn 49, 62 <?page no="155"?> 154 Index Gehirnhälfte 63, 65 Geschichte 41, 53, 149 Goetz, Daniel 42, 131, 140 Hilfsmittel 117 Hirnstamm 62, 63 Hören 54 Humor 86, 141 Interaktion 48, 76 Jobs, Steve 16, 93, 118, 151 Jost, Steffen 136 King, Martin Luther Jr. 30 Klarheit 25 Kleidung 51, 116 Kommunikation 12 Kontext 69 Kontrollillusion 25 Körpersprache 51, 109 Krajewski, Andrea 85 Kür 34, 119 Lenhard, Wolfgang 79 Lernen 13, 77 Lesch, Harald 12, 32, 83, 125, 133, 141 Lindenthal, Michael 78 Logik 37, 40, 48 Luther, Martin 103 Madeja, Michael 62 MAP-Technik 11, 18, 23, 36, 91, 94 Medien 111 Metapher 43, 48, 52, 147 Molcho, Samy 111 multiple Intelligenzen 13 Musik 143 Muster 56 Nyad, Diana 129, 144 Obama, Barack 29, 54 Ort 69 Overheadprojektor 113 Pareto-Prinzip 24 Pausch, Randy 145 Peters, Tom 122 Präsentationsprogramm 111, 123 <?page no="156"?> Index 155 Projektmanagement 23 Publikum 61 Publikumsfragen 87 Quintilian 103 Quiz 83 Rahmen 73 Raum 132 Reinhardt, Eike 42, 131, 140 Requisit 53, 129 Riechen 57 Rollenspiel 53, 137 Schmecken 57 Science-Slam 17, 47, 84, 85, 120, 121, 125, 131, 142, 147 Seel, Otto 103 Sehen 51 Sinne 49, 50 Spannung 34, 39, 148 Sperry, Roger 65 Sprache 55, 104 Steinbrück, Peer 141 Stern, Christian 52, 147, 149 Stimme 108 Struktur 29, 45, 46, 148 Tafel 123 Tasten 56 TEDx 16, 41, 85, 129, 131, 144 Überraschung 146 Umfrage 77 Verkleidung 145 Vorbereitung 22, 93 Was-Botschaft 27 Werner, Götz 91 Wie-Botschaft 26, 51, 109 Wiederholung 54 Wotjak, Carsten 36, 44 Zeit 71 Zeitmanagement 118 Zwei 32, 36, 48 <?page no="157"?> www.uvk.de Das Must-have für Studierende Rödiger Voss Wissenschaftliches Arbeiten ... leicht verständlich! 2015, 200 Seiten, Broschur ISBN 978-3-8252-8649-1 Bei der Planung und Bearbeitung wissenschaftlicher Arbeiten treten eine Vielzahl von Fragen auf, wie z. 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