Außenwirtschaft für Unternehmen
Klassiker der Hochschullehre
1023
2017
978-3-7398-0358-6
978-3-8676-4825-7
UVK Verlag
Jörn Altmann
In diesem Klassiker der Hochschullehre aus dem Jahr 2001 wird die Außenwirtschaft verständlich erklärt - der Blickwinkel der Unternehmen steht dabei im Mittelpunkt.
Dieses Buch wendet sich an alle, die - insbesondere aus unternehmerischer Sicht - mit Fragen der Außenwirtschaft befasst sind. Unter Verzicht auf abstrakte Theorie gibt der Autor einen Überblick über die wichtigsten Problemkreise des Außenhandels, darunter die Markterschließung, das Marketing, die Organisation, die Finanzierung, die Kaufvertragsgestaltung, die INCOTERMS, die Zahlungsbedingungen, das Währungsrisiko, das Zollrecht und die Exportkontrolle.
All dies macht dieses Buch zu einer Fundgrube für Importeure und Exporteure. Zahllose Beispiele und Praxistipps in allen Abschnitten ergänzen das Wissen für den unternehmerischen Alltag. Die erste Auflage dieses Buches wurde deshalb vom Bundesverband Deutscher Unternehmer (BDU) zum Fachbuch des Jahres 1995 gewählt.
Die zweite Auflage dieses Buches ist im Jahr 2001 im Verlag Lucius und Lucius in der utb-Reihe erschienen. Es handelt sich bei diesem Buch um den unveränderten Nachdruck eines herausragenden Werks der deutschen Lehrbuchliteratur, das nun in der Reihe Klassiker der Hochschullehre in der UVK Verlagsgesellschaft mbH erscheint.
Professor Altmann ist erfolgreicher Lehrbuchautor und betreute den Lehrstuhl International Finance an der ESB Business School, Reutlingen University.
<?page no="1"?> Jörn Altmann ! Außenwirtschaft für Unternehmen Klassiker der Hochschullehre <?page no="3"?> Jörn Altmann Außenwirtschaft für Unternehmen Klassiker der Hochschullehre UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz und München <?page no="4"?> Autor ! Professor Dr. Jörn Altmann betreute den Lehrstuhl International Finance an der ESB Business School, Reutlingen University. Buch und Reihe ! Dieses Buch ist im Jahr 2001 im Verlag Lucius und Lucius in der utb-Reihe erschienen. Es handelt sich bei diesem Buch um den unveränderten Nachdruck der zweiten Auflage eines herausragenden Werks der deutschen Lehrbuchliteratur, das nun in der Reihe Klassiker der Hochschullehre in der UVK Verlagsgesellschaft mbH ersc he in t. Weitere Klassi ker fin den Sie unte r ! ww w. u v k. de / k la ssi k er . ISBN (Print) 978-3-86764-825-7 ISBN (EPUB) 978-3-7398-0357-9 ISBN (EPDF) 978-3-7398-0358-6 Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts-gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2017 Lektorat: Wirtschaftswissenschaftliches Lektorat, München Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Printed in Germany UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de <?page no="5"?> Vorwort zur 2. Auflage Ein Lehrbuch «Au&nwirtschaft fur Unternehmen» zu schreiben, ist eine sehr schwierige Aufgabe. Viele Probleme sind gleichzeitig fur praxisorientierte unternehmerische Überlegungen von Bedeutung, und die diversen Aspekte werden üblicherweise in einer Vielzahl von spezialisierten Arbeiten ausführlich behandelt. Mein Anspruch, die groSe thematische Breite mit der notwendigen fachlichen Tiefe zusammenzufassen, ergibt eine Schwierigkeit, die sich folgendermaiSen umreiSen láfit: «Die Wissenschaft, sie ist und bleibt, was einer ab vom andern scbreibt. Doch trotzdem ist, ganz unbestritten, sie immer weiter fortgeschritten. Der Leser, traurig aber wahr, ist haufig unberechenbar: Hat er nicht Lust, hat er nicht Zeit, dann gdhnt er: «Alies viel zu breit! » Doch wenn er selber etwas sucht, was ich, aus Raumnot, nicht verbucht, wirft er voll Stolz sich in die Brust: «Aha, das hat er nicht gewufit! » Man weifi, die Hoffnung war' zum Lachen, es alien Leuten recht zu machen.» Eugen Roth 1 Im Vordergrund des Buchs steht die Ausrichtung auf Probleme, die tagtáglich in der unternehmerischen Praxis eine Rolle spielen. Dem interessierten Leser soil damit eine Hilfestellung angeboten werden, sich über die zum Teil sehr verflochtenen und oft schwer zugánglichen Details und Zusammenhánge zu informieren. Dies schlieSt auch die Klárung von Begriffen ein, die sich fiir den Nichtfachmann leicht zu einer uniiberwindlichen oder abschreckenden Sprachbarriere auftiirmen kónnen. Im Anschluf? an dieses kurze Vorwort findet sich eine Übersicht über die thematischen Hauptgebiete, gefolgt von einem detaillierten Inhaltsverzeichnis. Ein ausfiihrliches Stichwortregister am SchluíS des Buchs soil das suchende Auge unterstützen, eine Vielzahl von Abbildungen das lesende Auge entspannen und den Praxisbezug unterstreichen. Das Manuskript dieser Neuauflage wurde inhaltlich weitgehend im Juni 2001 abgeschlossen. Die Fachgebiete, die fur die unternehmerische Aufienwirtschaft von Bedeutung sind, zeichnen sich aber durch eine ausgesprochene Veranderungsfreudigkeit aus. Es ist daher unmóglich, ein Fachbuch in diesem Bereich zu publizieren, das wenigstens am Tag der Veróffentlichung auf dem allerletzten aktuellen Stand ist die zahllosen rechtlichen und institutionellen Veranderungen sind einfach schneller. 1 Eugen Roths Tierleben, Mit Illustrationen von Eleonore Gehaber, München 1989, Seite 5/ 6. <?page no="6"?> V ! Vorwort des Herausgebers Das Buch erscheint in ziemlicher zeitlicher Náhe, aber noch vor der Wahrungsumstellung auf den Euro. Daher leben wir redakrionell teils noch in der DM-Welt, teilweise auch schon im Euroraum. In vielen Zusammenhángen sind die kiinftigen Euro-Werte noch nicht verbindlich definiert, insbesondere bei Wertgrenzen, Kosten und Gebiihren, AKA-Finanzierungen, Hermes-Ansicherungen, Zollverfahren, Genehmigungen usw. Mein Dank gilt wie auch bei meinen anderen Lehrbiichern wiederum kritischen Lesern, die mir Hinweise auf Verbesserungsmóglichkeiten gegeben haben. Ais Autor erliegt man leicht dem Wunschdenken, nun wirklich alies perfekt gemacht zu haben, um dann einzusehen, daS es doch immer wieder noch bessere Moglichkeiten gibt. Ich danke auch und insbesondere den vielen Lesern und Rezensenten, die mich darin bestárkt haben, daE die Ausrichtung dieses Buches richtig ist (der Ókonom erkennt dies natiirlich auch gerne am Markterfolg). Die erste Auflage dieses Lehrbuchs wurde vom Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) (Fachgruppe Business Consultants International - BCI) zum «Fachbuch des Jahres 1995» gewáhlt, woriiber ich mich sehr gefreut habe. Bedanken móchte ich mich auch bei zahlreichen Kollegen und Studenten, von deren Anregungen ich profitiert habe, die ich aber namentlich nicht alie nennen kann, aufser stellvertretend - Jochen W. Dortschy, Hans Martin Kaupp und Albrecht Rebholz, sowie bei den Mitarbeitern im Hause meines Verlegers Dr. von Lucius, die das Buch bei der Entstehung und Verbreitung betreut haben und betreuen. Stellvertretend fur viele móchte ich insbesondere Frau Bettina Schmidt hervorheben, die fur die technische Erstellung des Buches rnafsgeblich verantwortlich war. Besonders danken móchte ich auch meinen eigenen Mitarbeitern, die mich beim Erstellen der 2., vollstándig iiberarbeiteten und erweiterten Auflage dieses Lehrbuchs unterstiitzt haben. Stellvertretend hervorheben móchte ich dabei Dipl.-Ing. Kai Hessel. Reutlingen/ Sigmaringen, August 2001 Jóm Altmann <?page no="7"?> Abkürzungsverzeichnis AAA AbschEG ACP AD ADB AfDB AFTD AG AG AGB AHK AHStG AÍDA AKA AKM AktG AKP AKV AL AM AO APG APS ASEAN ATA AUMA aV a W AWB AWG AWV AZO BAFA BALM BDU BEF American Arbitration Association Abschópfungserhebungsgesetz (Staaten aus) Africa, Carribbean, Pacific Anti-Dumping Asian Development Bank African Development Bank American Foreign Trade Definitions Aktiengesellschaft Ausfuhrgenehmigung, Allgemeine Genehmigung Allgemeine Gescháftsbedingungen Auslandshandelskammer AuSenhandelsstatistikgesetz attention, interest, desire, action Ausfuhrkredit-Gesellschaft Ausfuhrkontrollmeldung Aktiengesetz (Staaten aus) Afrika, der Karibik und dem Pazifik Allgemeine Kredit-Vereinbarung Ausfuhrliste, Ausfuhrlizenz Ausfuhranmeldung Abgabenordnung Ausfuhr-Pauschal-Gewáhrleistung Allgemeines Praferenzsystem Association of South East Asian Nations (Carnet ATA) Admission Temporaire/ Temporary Admission Ausstellungs- und Messeausschufi der deutschen Wirtschaft aktive Veredelung aktiver Veredelungsverkehr airway bill Aufsenwirtschaftsgesetz AuKenwirtschaftsverordnung Allgemeine Zollordnung Bundesamt fur Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Bundesanstalt fur landwirtschaftliche Marktordnung Bundesverband Deutscher Unternehmensberater Bundesamt für Ernáhrung und Forstwirtschaft BERI BfAI BFH BGA BGB BIC BIP BIZ B/ L BMEFL BMF BMWi BND BOO BOT BStatG B2B B2C CAD CBF CCC CD CEN-Risiko CEO CFA CFP CFR CIF CIM CIP CISG CLC CLS CMI Business Environment Risk Information Bundesagentur fur Aufienwirtschaft (friiher: Bundesstelle fur Aufienhandelsinformationen) Bundesfinanzhof Bundesverband des Deutschen Grofi- und AuEenhandels Biirgerliches Gesetzbuch International Bank Identifier Code Bruttoinlandsprodukt Bank fiir Internationalen Zahlungsausgleich Bill of Lading (Loading) Bundesministerium fur Ernáhrung, Landwirtschaft und Forsten Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium fur Wirtschaft Bundesnachrichtendienst Build Operate Own Build Operate Transfer Gesetz iiber die Statistik fur Bundeszwecke business-to-business- / bank-tobank- (marketing, financing etc.) business-to-consumer- (marketing) Cash against documents Cash Before Delivery Customs Cooperation Council (Briisseler Zollrat) Certificates of Deposit confiscation, expropriation and nationalization Chief Executive Officer Communaute Financiere Africaine Change Franc Pacifique Costs and Freight Cost, Insurance, Freight Convention internationale concernant le transport des marchandises par chemin de fer Carriage and Insurance Paid to Convention on the International Sale of Goods Commercial Letter of Credit Continuously Linked Settlement Comité Maritime International <?page no="8"?> V I I I Abkürzungsverzeichnis CMR Convention relative au contrat de transport international des marchandises par route COCOM Coordinating Committee for Multilateral Strategic Export Controls COD Cash on Delivery COMECON Council for Mutual Economic Cooperation COO Chief Operating Officer CPT Carriage Paid To CDT Combined Transport Document CTO Combined Transport Operator CWU Chemiewaffeniibereinkommen d/ a documents against accept DAC Development Assistance Committee (der OECD) DAF Delivered At Frontiet DAS Deutscher AusschuS fur Schiedsgerichtswesen DC Developing Countries DDP Delivered Duty Paid DDU Delivered Duty Unpaid DEQ Delivered Ex Quay DES Delivered Ex Ship DGebrZT Deutscher Gebrauchszolltarif DIHT Deutscher Industrie- und Handelskammertag DIS Deutsche Institution für Schiedsgerichtswesen d/ o delivery orders d/ p documents against payment DPC deferred-payment-credit DP-L/ C deferred-payment letter of credit DtA Deutsche Ausgleichsbank DTG Devisen-Termin-Gescháft DVO-ZK Durchfiihrungsverordnung zum Zollkodex DV.l Declaration of Value EAG Einheitliches Gesetz über den Abschlui? von internationalen Kaufvertrágen über bewegliche Sachen EAG Europáische Atomgemeinschaft EAGFL Europaischer Ausrichtungs- und Garantiefonds fur die Landwirtschaft EBRD European Bank for Reconstruction and Development EBWE Europáische Bank fur Wiederaufbau und Entwicklung fur Mittel- und Osteuropa ECE Economic Commission for Europe ECP Euro-Commercial Paper ECU EEA EEF EFTA EG EGKS EGV EIB EKG EKM EL EM EP EPZ ERA ERI ERP ERVG European Currency Unit Einheitliche Europáische Akte Europaischer Entwicklungsfonds European Free Trade Association Europáische Gemeinschaften Europáische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag über die Gründung der Europáischen Gemeinschaft Europáische Investitionsbank Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen Einfuhrkontrollmeldung Einfuhrliste Einfuhranmeldung Einheitspapier, Europáisches Parlament Europáische Politische Zusammenarbeit Einheitliche Richtlinien und Gebráuche für Dokumenten- Akkreditive Einheitliche Richtlinien fur Inkassi European Recovery Programme Einheitliche Richtlinien für Ver- EU EuGH EURATOM EURIBOR EUR.1 Euro-FX EUROSTAT EUSt EUStG EUV E.v. EWG EWGV EWI EWIV EWR EWS ExtraStat EWWU ex Position EXW EZ tragsgarantien Europáische Union Europaischer Gerichtshof Europáische Atomgemeinschaft European Interbank Offered Rate Warenverkehrsbescheinigung Euro-Fixing Statistisches Arm der EG Einfuhrumsatzsteuer Einfuhrumsatzsteuergesetz Vertrag über die Gründung der Europáischen Union Eingang vorbehalten (Schecks) Europáische Wirtschaftsgemeinschaft EWG-Vertrag Europáisches Wáhrungsinstitut Europáische Wirtschaftliche Interessenvereinigung Europaischer Wirtschaftsraum Europáisches Wáhrungssystem EU-externe Statistik Europáische Wirtschafts- und Wáhrungsunion Spezialvorschrift zu einer Position («explizit») Ex Works Entwicklungszusammenarbeit <?page no="9"?> Abkürzungsverzeichnis IX EZB Europáische Zentralbank EZBS Europáisches Zentralbanken- System EZT Elektronischer Zolltarif, Europáischer Zolltarif FAO Food and Agricultural Organization FAS Free Alongside Ship FBL Forwarders Bill of Lading FCA Free Carrier FCR Forwarders Certificate of Receipt FCT Forwarders Certificate of Transport FIAS Foreign Investment Advisory Service FIATA Federation Internationale des Associations des Transitaires et Assimiles FIBOR Frankfurt Interbank Offered Rate FOB Free on Board Form A Ursprungsnachweis aus Entwicklungslándern F&E Forschung und Entwicklung FZ Finanzielle Zusammenarbeit GAAP Generally Accepted Accounting Principles GAB General Agreement to Borrow GATT General Agreement on Tariffs and Trade g e m W gemeinsames Versandverfahren GG Grundgesetz G.I.E. Groupement d'lnteret Economique GmbH Gesellschaft mit beschrankter Haftung GPS General System of Preferences G+V Gewinn- und Verlustrechnung GVÜ Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (Europáisches) g W gemeinschaftliches Versandverfahren GWB Gesetz gegen Wertbewerbsbeschrankungen GZT Gemeinschaftszolltarif, Deutsche Gesellschaft fur technische Zusammenarbeit HADDEX Handbuch der Deutschen Exportkontrolle HERMES (Kreditversicherungs-AG) HGB Handelsgesetzbuch HS Harmonisiertes System HV Hauptverpflichteter HZA Hauptzollamt IAEO Internationale Atomenergie- Organisation IAS International Accounting « Standards LATA International Air Transport Association IBRD International Bank for Reconstruction and Development IC International Import Certificate ICC International Chamber of Commerce IDA International Development Association IDB Interamerican Development Bank ID-Nr. «Identnummer»: Umsatzsteueridentifikationsnummer IEA International Energy Agency IEA Interministerieller EinfuhrausschuK 1EB Internationale Einfuhrbescheinigungen IFC International Finance Corporation IGH Internationaler Gerichtshof IHK Industrie- und Handelskammer 1LO International Labour Organization IMA Interministerieller Ausschul? IMF International Monetary Fund INCOTERMS International Commercial Terms INF-... Zoll-Informationsblatter IntraStat EU-interne Statistik IPG Individuelle Pauschalgenehmigungen IPR Internationales Privatrecht ITC International Trade Center H O International Trade Organization IWF Internationaler Wáhrungsfonds JPMA Joint Production and Marketing Agreements JV Joint Venture KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau KG Kommanditgesellschaft KLIMA Kleiner Interministerieller Ausschufi KMU Kleine und mittlere Unternehmen K8cM Konsular- und Mustervorschriften KN Kombinierte Nomenklatur KOBRA Kantrolle bei der Ausfuhr KT Konvertierungs- und Transferrisiken KWKG Kriegswaffenkontrollgesetz, Kreditwesenkontrollgesetz KWL Kriegswaffenliste <?page no="10"?> X Abkürzungsverzeichnis L L/ C LDC LE LIBOR LUXIBOR MAD MbO MbE MFA MFN MIGA MIS MITI M O MOEL MOG MOR MTO MWSt MWZ NAFTA NEA NIC NIMEXE NRZZ (Ausfuhr-) Lizenz letter of credit Least Developed Countries Lieferantenerklarung London Interbank Offered Rate Luxemburg Interbank Offered Rate Militárischer Abschirmdienst Management by Objectives Management by Exceptions Multifaserabkommen Most Favoured Nations-Prinzip Multilateral Investment Guarantee Agency Management Information System Ministry of International Trade and Industry (Japan) Marktordnung mittel- und osteuropaische Lander Marktordnungsgesetz Marktordnungsrecht Multilateral Trade Organization Mehrwertsteuer Mitteilungen fur Weltwirtschaftliche Zusammenarbeit North American Free Trade Association Nuclear Energy Agency Newly Industrializing Countries Nomenklatur Import Export Europa Nomenklatur des Rates fur die Zusammenarbeit auf dem PNUD PPM PRI ProdHG PrPG PSC PTA pV p W PwC R&D Repo RET-EXP ROI RoRo RWG SAF SAP SCHUFA SCM srrc SLC STABEX SWIFT SWOT SYSMIN Gebiet des Zollwesens NTBT NTHH OAS OFD OECD OEEC OHG OMA OPEC ORI Non-tariffary barriers to trade Nicht-tarifare Handelshemmnisse Organisation (Latein-) Amerikanischer Staaten Oberfinanzdirektion Organization for Economic Cooperation and Development Organization for European Economic Cooperation OFD Oberfinanzdirektion offene Handelsgesellschaft Orderly Market Arrangements Organization of the Petrol Exporting Countries Operation Risk Index SZR Programa de las Naciones Unidas de Desarrollo (UNDP) process and production methods Political Risk Index Produkthaftungsgesetz Produktpirateriegesetz Pre-Shipment-Certificate Preferential Trade Area passive Veredelung passiver Veredelungsverkehr Price, Waterhouse, Cooper Research and Development repurchase (Pensionsgeschafte) Return to Exporteur Return on Investment «Roll on, roll off» Rat fur gegenseitige Wirtschaftshilfe Strukturanpassungsfazilitát Strukturanpassungsprogramm Schutzvereinigung fur Allgemeine Kreditsicherung Supply Chain Management Standard International Trade Classification Standby Letter of Credit System zur Stabilisierung der Exporterlose Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats System zur Stabilisierung der Exporterlose aus mineralischen Erzeugnissen Sonderziehungsrecht PPD probability (Wahrscheinlichkeit) protracted default T I , T2, T2L TARIC T'EUR TIEx TIR ml tn.sh. T.o.T. TRIMS TRIPS TVA Zoll-Versandpapiere Tarif Integré Communautaire 1000 Euro Transport International par Exprés (Carnet TIRJTransport International de Marchandises par Route long ton (britische t., 1016 kg) short ton (amerikanische t., 907,18 kg) Terms-of-Trade Agreement on trade related investment measures Agreement on trade related intellectual property rights Taxe sur le valeur ajouté <?page no="11"?> Abkürzungsverzeichnis XI TWB TZ U UCC UE ÜLG UN UNCDF UNCITRAL UNCTAD UNDP UN-ECE UN-ECOSOC UNIDO UNO URDG USD USt UStG UstldenNr UZ VER V.m.U. trackway bill Technische Zusammenarbeit Ursprangszeugnis Uniform Commercial Code Ursprungserklarung iiberseeische Lander und Gebiete United Nations United Nations Capital Development Fund United Nations Commission on International Trade Law United Nations Conference on Trade and Development United Nations Development Programme Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen fur Europa United Nations Economic and Social Council United Nations Industrial Development Organization United Nations Organization Uniform Rules on Demand Guarantees US-Dollar Umsatzsteuer Umsatzsteuergesetz Umsatzsteueridentifikationsnummer Ursprangszeugnis Volountary Export Restraints Vormaterialien mit Ursprangseigenschaft VN V.o.U. VSF V.u.B. VZTA WáG WCO WG WHO WTA WIPO W.u.P. WVB WZG ZA ZE Z l ZG ZK ZKA ZKom ZM ZOG ZPLA ZPO ZTVO ZV ZWVO Vereinte Nationen Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung Verbote und Beschránkungen verbindliche Tarifauskunft Wahrungsgesetz World Customs Organization Wechselgesetz World Health Organization Welttextilabkommen World Intellectual Property Organization Warenursprang und Praferenzen Warenverkehrsbescheinigung Warenzeichengesetz Zollamt, zugelassener Ausfuhrer zugelassener Empfanger 1 Zahlungsauftrag im Aufienwirtschaftsverkehr (Anlage Z l" ) Zollgesetz Zollkodex Zollkriminalamt Zollkommissariat Zahlungsverbote und Moratorien Zollorganisationsgesetz Zolltechnische Priif- und Lehranstalt ZivilprozeSordnung Zolltarifverordnung zugelassener Versender Zollwertverordnung <?page no="12"?> Übersicht A «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken B Marktauswahl und Markterschlieftung 1. Strategische Grundsatzentscheidungen 2. Gescháftsanbahnung 3. SWOT-Analyse 4. Marktauswahl (Markt-Audit) 5. Strategien der Markterschliefsung 6. Markteintrittsformen 7. Internationaler Marketing-Mix 8. Internationales Beschaffungsmarketing 9. Machbarkeitsstudie und Business Plan C Organisation und Management 1. Aufbau internationaler Fiihrungsstrukturen 2. Personelle Kapazitáten 3. Interkulturelles Management: Gescháftsführung im und mit dem Ausland D Finanzierung des Aulienhandels 1. Cash Management (Treasure Management) 2. Kurzfristige Finanzierung 3. Mittel- und langfristige Finanzierung E Internationale Kaufvertráge 1. Angebotserstellung 2. Kaufmánnische Vertragsinhalte 3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte 4. Anwendbares Recht 5. UNCITRAL-Kaufrecht (UN-Kaufrecht) 6. Internationale Handelsbráuche 7. Exkurs: Unternehmensformen im Ausland F Rechtsverfolgung im Ausland 1. Gütliche Einigung 2. Vergleichsverfahren (Schlichtung) 3. Gerichtliche Auseinandersetzung 4. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit G Liefer- und Zahlungsbedingungen 1. Kaufmánnische Dokumente im AuSenhandel 2. Internationale Lieferklauseln 3. Zahlungsbedingungen im internationalen Handel <?page no="13"?> H Risikomanagement im Aulienhandel 1. Allgemeines Risikomanagement 2. Zahlungsrisiken 3. Exportkreditbesicherung 4. Wechselkursrisiken (Wahrungsrisiken) 5. Zinsánderungsrisiko 6. Produkthaftung 7. Markenpiraterie 8. Seerauber und Piraten ein aktuelles Problem im Seehandel J Auftenhandelspolitik und AulSenhandelsrecht 1. Zweck von Ein- und Ausfuhrformalitáten 2. Rechtsebenen: Nationales, supranationales und internationales Recht 3. Internationales Aufienwirtschaftsrecht 4. Nationales Aufienwirtschaftsrecht 5. Zollrecht 6. Steuerliche Aspekte im Aufienhandel 7. Melderecht K Einfuhrabfertigung 1. Normalverfahren 2. Zólle und Zollpolitik 3. Warenursprung und Práferenzen (W.u.P.) 4. Zollverfahren bei der Einfuhr L Ausfuhrabfertigung 1. Begriffsbestimmungen 2. Informationsquellen zur Ausfuhr 3. Lieferungen in die EG 4. Ausfuhrverfahren (Normalverfahren) 5. Zollverfahren bei der Ausfuhr 6. Exportkontrolle <?page no="14"?> Inhalt Abkürzungsverzeichnis VII A «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken l B Marktauswahl und MarkterschlieBung 7 B-l. Strategischc Grundsatzentscheidungen 7 B-2. Gescháftsanbahnung 8 B-3. SWOT-Analyse 12 B-3.1. Stárken und Schwachen (SW-Analyse) 12 B-3.2. Chancen und Risiken (OT-Analyse) 13 B-4. Marktauswahl (Markt-Audit) 16 B-4.1. Budgetierung 16 B-4.2. Grobanalyse 17 B-4.3. Feinanalyse 18 B-4.4. Markteintrittsbarrieren und Markteintrittsrisiken 21 B-4.5. Entscheidungsfindung: Bewertung der Analysedaten 22 B-5. Strategien der Markterschliefiung 23 B-6. Markteintrittsformen 27 B-6.1. Direkter Export und Import 28 B-6.2. Indirekter Export und Import 29 B-6.2.1. Entscheidungskriterien 29 B-6.2.2. Formen indirekten Handels 31 B-6.1.3. Tauschhandel/ Kompensation 33 B-6.1.4. Switch-Gescháfte 35 B-6.1.5. Leasing 37 B-6.3. Kooperation 37 B-6.4. Vertragsfertigung und Veredelung 38 B-6.5. Lizenzfertigung/ Lizenzvergabe 39 B-6.6. Franchising 41 B-6.7. Direktinvestition 42 B-6.7.1. Investitionsarten 42 B-6.7.2. Motive fur Investoren 44 B-6.7.3. Motive der Gastlánder 45 B-6.7.4. Exkurs: Sonderwirtschaftszonen 45 B-6.7.5. Standortanalyse fur Direktinvestitionen 46 B-6.7.6. Investitionsrechnungen 49 B-6.7.7. Investitionsschutz 49 B-6.8. Management von Joint Ventures: Fallbeispiel 53 B-6.8.1. Zweck eines Joint Venture 53 B-6.8.2. Vorbereitung 54 B-6.8.3. Profil eines idealen Joint Venture 57 <?page no="15"?> Inhaltsverzeichnis B-6.8.4. Identifizierung des Partners (profile check) 57 B-6.8.5. Gründung des Joint Venture 59 B-6.8.6. Management des Joint Venture 64 B-7. Intemationaler Marketing-Mix 66 B-7.1. Internationales Marketing/ internationales Management 66 B-7.2. Strategisches und operatives Marketing 68 B-7.3. Adaption des Marketing-Mix 69 B-7.3.1. Unterschiedliche <Zentrierungen> 70 B-7.3.2. Produkt- und Programmpolitik 72 B-7.3.3. Preispolitik, Kostenrechnung 74 B-7.3.4. Distributionspolitik, Vertrieb, Logistik 84 B-7.3.5. Kommunikationspolitik 89 B-8. Internationales Beschaffungsmarketing 94 B-9. Machbarkeitsstudie und Business Plan 97 C Organisation und AAangement 98 C-l. Aufbau intemationaler Fiihrungsstrukturen 98 C-l.l. Aufbauorganisation 98 C-l.1.1. Zentralisierung und Dezentralisierung 99 C-l.1.2. Stellen- und Funktionenbildung 100 C-l. 1.3. Beispiel: Export- und Importabwicklung 101 C-1.2. Ablauforganisation 102 C-2. Personelle Kapazitáten 104 C-2.1. Kriterien zur Personalauswahl 105 C-2.2. Vor- und Nachteile eines Auslandseinsatzes 108 C-2.3. Vorbereitung und Fortbildung 110 C-3. Interkulturelles Management: Gescháftsführung im und mit dem Ausland . . I l l C-3.1. Strategische Ebene I l l C-3.2. Arbeitsebene 112 C-3.3. Andere Lander, andere Sitten 114 D Finanzierung des AuBenhandels 124 D.l. Cash Management (Treasury Management) 124 D-2. Kurzfristige Finanzierung 126 D-2.1. Exportfinanzierung 127 D-2.1.1. Liefererkredit (Handelskredit) 128 D-2.1.2. Vorauszahlungen, Anzahlungen 128 D-2.1.3. Bankkreditlinien 128 D-2.1.4. Wáhrungskredit 128 D-2.1.5. Euromarktfinanzierung 129 D-2.1.6. Wechselkredit 129 D-2.1.7. Export-Akkreditiv 132 D-2.1.8. Ankauf und Bevorschussung bei Dokumenten-Inkassi 133 D-2.1.9. Zessionskredit 134 D-2.1.10. Lombardkredit 134 D-2.1.11. Export-Factoring 134 <?page no="16"?> X V I Inhaltsverzeichnis D-2.2. Importfinanzierung 137 D-2.2.1. Vorschiisse durch Abnehmer 137 D-2.2.2. Handelskredit (Liefererkredit) 137 D-2.2.3. Bestellerkredit 137 D-2.2.4. Wechselkredit, Avalkredit 137 D-2.2.5. Bankkredite (Importkredit) 138 D-2.2.6. Import-Akkreditiv 138 D-2.2.7. Euromarktfinanzierung 138 D-2.3. Aktuelle Tendenzen: Unternehmens-Rating 138 D-3. Mittel- und langfristige Finanzierung 140 D-3.1. Export-Leasing 140 D-3.2. Forfaitierung 143 D-3.3. Kreditlinien der AKA 146 D-3.3.1. Plafond A: Lieferantenkredite 147 D-3.3.2. Bestellerkredite: Plafonds C, D, E 148 D-3.3.3. CIRR-Kredite 151 D-3.3.4. Exkurs: Der OECD-Konsensus 152 D-3.3.5. Projektfinanzierungen 152 D-3.4. Kreditlinien der KfW 153 D-3.5. Bundesmittel und EU-Mittel 155 D-3.6. Finanzierungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit 155 D-3.7. Exkurs: Der Euromarkt und Off-shore-Márkte 158 E Internationale Kaufvertrage 161 E-l. Angebotserstellung 161 E-l.l. Funktionen des Angebots 161 E-1.2. Vorvertrage 163 E-1.3. Bestatigungsschreiben 164 E-2. Kaufmannische Vertragsinhalte 164 E-3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte 167 E-4. Anwcndbares Recht 176 E-4.1. Rechtskreise 176 E-4.2. Im Streitfall anzuwendendes Recht 178 E-5. UNCrTRAL-Kaufrecht(UN-Kaufrecht) 178 E-5.1. Anwendungsbereich 179 E-5.2. Einschránkungen 180 E-5.3. Allgemeine Vertragsaspekte 180 E-5.4. Aspekte fur den Importeur 181 E-5.5. Aspekte fur den Exporteur 181 E-6. Internationale Handelsbrauche 183 E-7. Exkurs: Unternehmensformen im Ausland 184 F Rechtsverfolgung im Ausland 188 F-l. Giitliche Einigung 188 F-2. Vergleichsverfahren (Schlichtung) 189 <?page no="17"?> Inhaltsverzeichnis X V I I F-3. Gerichtliche Auseinandersetzung 191 F-3.1. Der «Partner» klagt: Durchsetzung auslandischer Rechtstitel in Deutschland . . 191 F-3.2. Durchsetzung eigener Anspriiche im Ausland 191 F-4. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit 193 F-4.1. Schiedsgerichtsvereinbarung 193 F-4.2. Formen und Schiedsordnungen 194 F-4.3. Schiedsgerichtsklausel 195 F-4.4. Schiedsverfahren 195 F-4.5. Zusammensetzung des Schiedsgerichts 196 F-4.6. Durchsetzbarkeit 197 F-4.7. Vor- und Nachteile von Schiedsgerichten 197 G Liefer- und Zahlungsbedingungen 199 G-l. Kaufmánnische Dokumente im Aufonhandel 199 G-l.l. Funktionen der Dokumente 199 G-1.2. Einteilung nach den Rechten 201 G-1.3. Einteilung nach den Verwendungszwecken 201 G-l.3.1. Zahlungsinstrumente 201 G-l.3.2. Versicherungsdokumente 209 G-l.3.3. Handelsdokumente 210 G-2. Internationale Lieferklauseln 225 G-2.1. Zweck 225 G-2.2. INCOTERMS 227 G-2.2.1. Entstehung und Verbreitung 227 G-2.2.2. Einteilung 229 G-2.2.3. Charakteristika der einzelnen Klauseln 231 G-2.2.4. Eignung der INCOTERMS fiir bestimmte Transportmittel 242 G-2.3. Beispiel: Klauseltext CIF 243 G-2.4. Exkurs zur Transportversicherung im internationalen Handel 246 G-3. Zahlungsbedingungen im internationalen Handel 249 G-3.1. lnteressenkonflikte 250 G-3.2. Einige wichtige Details 251 G-3.3. Nicht-dokumentáre (reine) Zahlungsabwicklung 252 G-3.3.1. Vorauszahlung, Anzahlung, Abschlag 252 G-3.3.2. Einfache (offene) Rechnung und offenes Zahlungsziel 253 G-3.3.3. Bankgarantie 255 G-3.3.4. Kompensation (Warentausch) 256 G-3.4. Dokumentáre Zahlungsabwicklung 256 G-3.4.1. Dokumenten-Inkasso 256 G-3.4.2. Dokumenten-Akkreditiv (L/ C) 262 G-3.4.3. Restrisiken und Absicherungen 279 G-3.5. Zahlungsbedingungen bei langfristigen Exportvertrágen . 279 G-3.6. Exkurs: Zahlungsabwicklung mit dem Ausland 279 G-3.6.1. Überweisung und Scheck 279 G-3.6.2. SWIFT 280 G-3.6.3. Einschránkende gesetzliche Rahmenbedingungen 281 <?page no="18"?> XVIII Inhaltsverzeichnis H Risikomanagement im Auftenhandel 282 H-l. Allgemeines Risikomanagement 282 H-l.l. Risiko und Chance 282 H-1.2. Risikostrategien 285 H-1.3. Risikoanalyse und -bewertung 286 H-1.4. Risikopolitik: Instrumente 288 H-1.5. Risikoarten (Überblick) 289 H-l.5.1. Allgemeine Risiken in der Aufienwirtschaft 289 H-l.5.2. Landerrisiken 292 H-l.5.3. Güterrisiken 293 H-2. Zahlungsrisiken 296 H-2.1. Arten des Zahlungsrisikos 297 H-2.2. Risikobegrenzende Mafinahmen 299 H-2.2.1. Bankauskiinfte 299 H-2.2.2. Zahlungsbedingungen und Forderungsverkauf 301 H-2.2.3. Garantien und Biirgschaften 301 H-3. Exportkreditbesicherung 307 H-3.1. Private Exportkreditbesicherung 309 H-3.2. Staatliche Exportkreditbesicherung 312 H-3.2.1. Organisation 312 H-3.2.2. Deckungspolitik 313 H-3.2.3. Regrefs und Umschuldungen 315 H-3.2.4. Deckungsprinzipien . . . .- 316 H-3.2.5. Schuldnerarten: Garantien und Biirgschaften 318 H-3.2.6. Risikoarten 318 H-3.2.7. Deckungsformen 321 H-3.2.8. Kosten 324 H-3.2.9. Mitversicherung 326 H-3.2.10. Projektfinanzierung 327 H-3.2.11. Kautionsversicherungen 328 H-3.2.12. Voraussetzungen für eine Entschádigung 328 H-3.2.13. Versicherung von Bestellerkrediten 330 H-3.2.14. Internationale Harmonisierungsbestrebungen 331 H-4. Wechselkursrisiken (Wahrungsrisikcn) 332 H-4.1. Exposure 333 H-4.2. Devisenmarkt 336 H-4.2.1. Einflufsfaktoren der Wechselkursbildung 336 H-4.2.2. Wechselkursbegriffe 338 H-4.3. Wáhrungsmanagement: Risikobegrenzung beim Transaction Exposure . . . . 350 H-4.3.1. Fakturierung in Inlandswáhrung 351 H-4.3.2. Vorauszahlungen und Bestellerkredite 352 H-4.3.3. Fakturierung in anderen Wáhrungen 352 H-4.3.4. Wáhrungsklauseln 353 H-4.3.5. Akkreditiv 353 H-4.3.6. Forderungsverkauf 354 H-4.3.7. Lagging (und Leading) 354 H-4.3.8. Matching (Hedging, Netting, Covering) 354 <?page no="19"?> Inhaltsverzeichnis H-4.3.9. Fremdwáhrungskonten 355 H-4.3.10. Devisen-Termin-Gescháfte 355 H-4.3.11. Devisenoptionen 359 H-4.3.12. Finanzderivate 360 H-5. Zinsánderungsrisiko 362 H-6. Produkthaftung 364 H-6.1. Deutsches Produkthaftungsrecht 364 H-6.2. US-Produkthaftungsrecht 367 H-6.3. Japanisches Produkthaftungsrecht 369 H-7. Markenpiraterie 370 H-7.1. Problematik 370 H-7.2. Zollamtliche Schutzmóglichkeiten 373 H-7.3. Parallel-Importe und Erschopfung 375 H-7.4. Rechtliche Rahmenbedingungen des Markenrechts 375 H-7.5. Schutzmóglichkeiten der Wirtschaft 376 H-8. Seerauber und Piraten ein aktuelles Problem im Seehandel 377 J Auftenhandeispolitik und AufSenhandelsrecht 382 J-l. Zweck von Ein- und Ausfuhrformalitáten 383 J-2. Rechtsebenen: Natíonales, supranationales und intematíonales Recht 386 J-2.1. Supranationales Recht 386 J-2.1.1. Allgemeines Volkerrecht 388 J-2.1.2. Gemeinschaftsrecht 390 J-2.2. Vólkervertragsrecht (Internationales Recht) 396 J-2.3. Natíonales Recht t 398 J-2.3.1. Notwendigkeit 398 J-2.3.2. Systematik des deutschen Rechts 398 J-2.3.3. Deutsches AuEenwirtschaftsrecht 399 J-2.4. Überschneidungen der Rechtsebenen 400 J-3. Internationales Auficnwirtschaftsrccht 400 J-3.1. WTO/ GAIT 400 J-3.1.1. Grundsátze der WTO 402 J-3.1.2. Nicht-tarifáre Handelshemmnisse 403 J-3.1.3. Wichtige Ausnahmen im GATT/ WTO 403 J-3.1.4. Streitschlichtung 407 J-3.1.5. Perspektiven der WTO 408 J-3.2. MaSnahmen gegen Dumping und Exportsubventionen 409 J-3.2.1. Problematik 409 J-3.2.2. Kriterien 411 J-3.2.3. Vergeltungszólle 413 J-3.2.4. Spezifische Dumpingformen 415 J-4. Natíonales Auüenwirtschaftsrecht 415 J-4.1. Geltungsbereich 415 J-4.2. Arten und Umfang der Beschránkungsmóglichkeiten 418 J-4.3. Yerbóte und Beschránkungen (V.u.B.) 418 <?page no="20"?> XX Inhaltsverzeichnis J-5. Zollrecht 422 J-5.1. Grundlagen und Begriffe 422 J-5.1.1. Rechtsgrundlagen des Zollrechts 422 J-5.1.2. Zollrechtliche Begriffe und Definitionen 424 J-5.1.3. Zollrechtliche Warenbegriffe 430 J-5.2. Aufbau der Bundeszollverwaltung 432 J-5.2.1. Struktur 432 J-5.2.2. Zollamter 433 J-6. Steuerliche Aspekte im Au&nhandel 434 J-6.1. Prinzip der Umsatzsteuer 435 J-6.2. Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) 436 J-6.3. Erwerbsteuer 437 J-6.3.1. MWSt in den EG-Landern 438 J-6.3.2. Übergangsregelung 439 J-6.3.3. Re-Importe 444 J-6.4. Sonderverbrauchsteuern 445 J-6.5. Steuerbefreiung bei der Ausfuhr 446 J-7. Melderecht 447 J-7.1. Zweck 447 J-7.2. ExtraStat 448 J-7.3. IntraStat 449 J-7.4. Zahlungs- und Kapitalverkehr 450 J-7.5. Nummernsalat 451 J-8. Marktordnungsrecht (MOR) 452 K Einfuhrabfertigung 455 K-l. Normalverfahren 455 K-l.l. Priifebenen bei der Einfuhr 455 K-1.2. Informationsquellen zur Einfuhr 456 K-1.3. AuEenwirtschaftsrecht 457 K-1.4. Zollabfertigung (Ablauf) 458 K-1.5. Erleichterungen 469 K-1.5.1. Allgemeine Voraussetzungen fur die Bewilligung von ZoUverfahren 470 K-1.5.2. Vereinfachungen und Erleichterungen bei der Einfuhr 472 K-1.6. Abfertigungsunterlagen 476 K-2. ZoUe und Zollpolitik 481 K-2.1. Okonomische Grundlagen 481 K-2.1.1. Zollzwecke 481 K-2.1.2. Zollarten und ZoUwirkungen 485 K-2.1.3. Einfuhrkontingente 487 K-2.3. Bemessung der Einfuhrabgaben 489 K-2.3.1. Tarifieren/ Einordnen in den Zolltarif 489 K-2.3.2. Zollwert 499 K-2.3.3. EUSt-Wert 505 K-2.3.4. Exkurs: Reiseverkehr 506 K-2.4. Abwicklung der Zollschuld 510 <?page no="21"?> Inhaltsverzeichnis K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 516 K-3.1. Drei Ursprungsbegriffe 516 K-3.2. Nicht-praferentieller Ursprung 518 K-3.2.1. Zweck 518 K-3.2.2. Ursprungsbestimmung 519 K-3.3. Praferentieller Ursprung 523 K-3.3.1. Zweck 523 K-3.3.2. Praferenzabkommen der EU 524 K-3.3.3. Ursprungsregeln 526 K-3.3.4. Praxistip: Ablaufschema zur praferentiellen Ursprungsbestimmung 532 K-3.3.5. Einige Details 534 K-3.3.6. Ermáchtigter Ausführer 535 K-3.3.7. Ursprungsnachweise 536 K-3.3.8. Kritik 542 K-3.4. Wettbewerbsrechtlicher Ursprung («Made in Germany») 544 K-4. Zollverfahren bei der Einfuhr 546 K-4.1. Versandverfahren bei der Einfuhr 546 K-4.1.1. Zweck 546 K-4.1.2. Arten 546 K-4.1.3. Ablauf 548 K-4.1.4. Vereinfachungen 549 K-4.1.5. Risiken und Probleme 550 K-4.2. Aktive Veredelung 551 K-4.2.1. Zweck 551 K-4.2.2. Ablauf 553 K-4.2.3. Abrechnung 554 KA.2A. Draw-back-Verbot 555 K-4.3. Freiháfen, Zollager und Freizonen 555 K-4.3.1. Freihafenlagerung 555 K-4.3.2. Zollagerverfahren 556 K-4.4. Voriibergehende Verwendung 562 K^.4.1. Zweck 562 K-4.4.2. Teilverzollung 563 K-4.5. Bleibende Verwendung 564 K-4.6. Umwandlung 564 K-4.7. Vernichtung oder Zerstórung 565 K-4.8. Wiederausfuhr und Verbringen in einen Freihafen 565 L Ausfuhrabfertigung 566 L-l. Begriffsbestimmungen 566 L-2. Informationsquellen zur Ausfuhr 568 L-3. Lieferungen in die EG 569 L-4. Ausfuhrverfahren (Normalverfahren) 569 L-4.1. Verfahrensschritte bei der Ausfuhrzollstelle 570 L-4.2. Verfahrensschritte bei der Ausgangszollstelle 572 L-4.3. Verfahrensvereinfachungen und Erleichterungen im Ausfuhrverfahren . . . . 573 L-4.4. Abfertigungsunterlagen bei der Ausfuhr 578 <?page no="22"?> XXII Inhaltsverzeichnis L-5. Zollverfahren bei der Ausfuhr 583 L-5.1. Versandverfahren bei der Ausfuhr 583 L-5.1.1. Tl-/ T2-Verfahren 583 L-5.1.2. AbwicklungTl 584 L-5.1.3. AbwicklungT2 585 L-5.1.4. Vereinfachungen und Erleichterungen 586 L-5.2. Versand mit dem Carnet TIR 586 L-5.3. Carnet ATA 589 L-5.4. Passive Veredelung 593 L-5.4.1. Zweck 593 L-5.4.2. Bewilligung und Durchfiihrung 594 L-5.4.3. Differenzverzollung 595 L-5.4.4. Probleme 598 L-5.5. Andere Zollverfahren auf der Ausfuhrseite 598 L-6. Exportkontrolle 599 L-6.1. Strategische Ziele des deutschen Ausfuhrkontrollrechts 600 L-6.2. Kriterien für Exportbeschránkungen 604 L-6.2.1. Warenabhángige Beschránkungen 604 L-6.2.2. Landerabhángige Beschránkungen 609 L-6.2.3. Verwendungsund'empfángerabhángige Beschránkungen 611 L-6.3. Erleichterungen und Vereinfachungen 613 L-6.4. Exkurs: Boykott und Embargo (am Beispiel des Golfkriegs) 613 L-6.4.1. Begriffsabgrenzung 613 L-6.4.2. Rechtliche Verankerung 618 L-6.4.3. Entschádigung für Embargoscháden 619 L-6.5. Ausfuhrkontrolle im Unternehmen 620 L-6.5.1. Ausfuhrverantwortlicher 620 L-6.5.2. Innerbetriebliche Organisation 622 L-6.5.3. Genehmigungsverfahren 623 L-6.5.4. Aufsenwirtschaftsrechtliche Betriebspriifungen 629 L-6.5.5. Sanktionen: BuSgelder und Strafen 631 L-6.5.6. Bewertung der Exportkontrollen 634 L-6.5.7. COCOM und Wassenaar-Abkommen 638 Literaturverzeichnis 640 Register 644 <?page no="23"?> «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken oder «Was die Weltwirtschaft angeht, so ist sie verflochten.» 1 A «Globalisierung» ist eines der aktuellsten Schlagworte. Heutzutage haben die meisten Untemehmen intemationale Gescháftskontakte; <going globab ist fiir viele Untemehmen das strategische Gebot der Stunde; 2 fiir sehr viele Untemehmen ist das intemationale Gescháft die Existenzgrundlage geworden. Márkte sichern, Kosten sparen, Kapazitáten auslasten, Renditen sichern das sind die Ziele (Abb. A-l/ 1). Etwas iiberspitzt wird schon vom grofien <Weltdorf> gesprochen: Die Kundenbediirfnisse werden weltweit immer áhnlicher, die Produktstandards immer starker harmonisiert. Unabhángig davon gibt es viele kleinere und mittlere Untemehmen, insbesondere Handwerksbetriebe, die sich nur im heimischen Binnenmarkt und dabei oft nur regional orientieren und gar kein Auslandsengagement eingehen wollen teils aus Risikoscheu, teils weil sie nicht weiter wachsen wollen, teils aus Mangel an Informationen iiber die Chancen des Auslandsgescháfts. Abb. A-1/ 1: Going Global Globalisierung im Mittelstand Raus in die Welt Firmengruppe Liebherr - Auslandsgescháft immer wichtiger „Ohne das Werk Bangkok gábe es Rodenstock nicht mehr Der Briilenfabrikant feiert seine erfolgreiche Produktionsveriagerung nach Thailam I Bilfinger+Berger verstarkt die Aktivitáten im Ausland Akquisitionsplane in Nordamerika und Australien Es ist fiir jedes Untemehmen wichtig, seine Strategic zu definieren, die sich aus einer Vision ableiten sollte: Wo steht man heute, wo will man morgen stehen, und wie gelangt man dahin? Vielfach erschopft sich dies in navigatorischer Rhetorik, vagen Formulierungen, Deklarationen und Metaphern. Einige Untemehmen verkaufen ihre Produkte <nur so nebenbei> ins Ausland, andere sind in hohem MaEe vom Auslandsgescháft abhángig und miissen sich daher sehr viel intensiver auf die Auslandsmárkte und die Anforderungen einstellen, die sich aus dem Auslandsgescháft ergeben. Einige Untemehmen verkaufen oder produzieren welt- 1 Kurt Tucbolsky, Kurzer Abrifi der Nationalokonomie, in: Weltbiihne 15.9.1931. Schóner kann man es nicht sagen. 2 Niehoff, Walter/ Reitz, Gerhard, Going Global - Strategien. Methoden und Techniken des Auslandsgescháfts, Berlin et al. 2000. <?page no="24"?> 2 A «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken weit iiberall, wo sich Marktchancen bieten (global selling) und kaufen weltweit dort ein, wo es am giinstigsten ist (global sourcing), andere selektieren geographisch und beschránken sich auf ausgewáhlte Lánder oder Lándergruppen. Die Absatzchancen grower neuer Márkte, wie z. B. in Indien, China und anderen asiatischen Lándern sowie zunehmend in Lateinamerika sind oft verlockend. Ein Hersteller von Schuhsohlen schwármte: «Es gibt eine Milliarde Chinesen, und jeder hat zwei Fiifse ...». Das Motto Going global bezieht sich nicht nur auf GroSkonzerne und Megafusionen, sondern vor allem auf die unzáhligen Untemehmen, die sich international betátigen. Die internationale Perspektive ermoglicht es einem Untemehmen, beziiglich Steuem, Arbeitskosten, Sozial- und Umwelmormen und anderen Standortkriterien nach den besten Rahmenbedingungen zu suchen und eventuell Begrenzungen des heimischen nationalen Rechts zu umgehen. Die Diskussion urn den Standort Deutschland ist sehr breit und tief mit Publikationen aller sektoraler Interessen und politischer und emotionaler Schattierungen unterlegt. Die Standortqualitat ist nur unzureichend zu beschreiben. Und'jeder miEt und bewertet es anders; <objektive> Kriterien wie Arbeitskosten, Steuerbelastung, Arbeitsmarktstatistiken etc. werden mal so, mal so definiert: Es gibt kaum zwei miteinander vergleichbare Studien. 3 Die Wettbewerbsfahigkeit eines Unternehmens leitet sich in erster Linie aus mikrookonomischen, betriebswirtschaftlichen Bestimmungsfaktoren ab. Die Rahmenbedingungen des Standortes seien sie makrookonomischer, rechtlicher, politischer, sozialer, kultureller oder anderer Art iibertragen sich aber auch auf die Wettbewerbsfahigkeit eines Unternehmens, sei es ais Anbieter, sei es ais Kunde von anderen Untemehmen. Letztlich ist fur den Unternehmer aber weniger die internationale Wettbewerbsfahigkeit einer Volkswirtschaft interessant, sondem ob er selbst Erfolg hat oder nicht. Internationale Wirtschaftsbeziehungen hat es schon im Altertum gegeben; die Chinesen, die Romer, die Griechen, die Araber, die Perser und viele andere Volker haben Aufenhandel betrieben, im Vergleich zu heute natiirlich mit relativ geringer Intensitat, aber immerhin. Dies hat sich im Zeitablauf stark verándert. Gerade fur Deutschland ist die internationale Verflechtung ein wesentliches, selbstverstandlich.es Merkmal der Wirtschaftsstruktur geworden: • Der Lebensstandard Deutschlands beruht zu einem guten Viertel auf importierten Giitem; im Jahr 2000 iiberschritt der Import erstmals die Billionengrenze (1058,5 Mrd. DM); • ein Drittel der im Inland produzierten Giiter wird ins Ausland exportiert; auch der Export iiberschritt 2000 erstmals die Billionengrenze (1,1675 Billionen DM); • Untemehmen wickeln einen zunehmenden Anteil ihres Umsatzes im Ausland ab, transportieren Giiter rund um die Welt, lassen Dienstleistungen im Ausland erbringen, produzieren und investieren im Ausland; bei vielen Giitem fállt es heute schwer, das «made in ...» eindeutig zuzuordnen; • ein grofser Teil der Arbeitsplátze nicht nur in Deutschland hángt direkt oder indirekt vom Aufenhandel ab; • aus Direktinvestitionen fliefsen Einkommen ins Ausland und aus dem Ausland; • internationale Kooperationen, Unternehmensbeteiligungen und Fusionen sind an der Tagesordnung. 3 Eine interessante Lektüre ist Miiller, Stefan I Kornmeier, Martin, Internationale Wettbewerbsfahigkeit, Miinchen 2000. <?page no="25"?> A «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken 3 Auch im táglichen Leben wird die Bevólkerung laufend mit intemationalen Wirtschaftsaspekten konfrontiert: Neben der Wetterkarte sind die Bewegungen des Dollarkurses, des intemationalen Goldpreises oder die Entwicklung von Aktienindizes wie dem amerikanischen Dow-Jones- und dem japanischen Nikkei-Index fester Bestandteil der Nachrichtensendungen (wenngleich dem Durchschnittsbiirger die konkrete Bedeutung solcher Daten oft unklar bleiben diirfte). Die Frage, weshalb sich Untemehmer im Ausland engagieren, láfit sich relativ schnell beantworten: Sie wollen Geld verdienen und den Bestand des Unternehmens sichern. Das betriebswirtschaftliche Interesse ist eindeutig: Ohne Exportmárkte lieSen sich Umsatz, Gewinne und Bescháftigung nicht sichern; ohne Importe auslándischer Güter wáren viele inlándische Produktionsleistungen unmóglich; ohne eigene Prásenz in auslandischen Markten kónnten viele Unternehmen ihre Positionen auch im Inland nicht halten; ohne Kooperation und oft ZusammenschluG mit auslandischen Partnern kónnten viele Unternehmen nicht im intemationalen Wettbewerb bestehen. Den Schliissel zum Erfolg hat ein Untemehmer knapp formuliert: «Man braucht eine Spezialisierung, gutes Marketing und gute Leute.» So einfach ist das. Die volkswirtschaftlich notwendige Sicherung der heimischen Arbeitsplatze allerdings dies muí? deutlich gesagt werden steht aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Unternehmensziel nur selten im Vordergrund. Arbeitskráfte sind notwendige Produktionsfaktoren, die zur Verfolgung des unternehmerischen Gewinnziels benótigt werden. Unabhángig von sozialpolitischen Uberlegungen, die sicherlich bei vielen Unternehmern auch eine Rolle spielen, mufs gesehen werden, dafi ein Unternehmen auf Dauer nur bestehen kann, wenn es eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals erwirtschaftet (Rendite 4 ), die deutlich iiber der alternativen Anlagerendite auf dem Kapitalmarkt liegt: Andernfalls kónnte der Untemehmer sein Geld mit geringerem Risiko und eher miihelos in Wertpapierfonds anlegen. Wenn die Gewinne ausbleiben, ist das Ende eines Unternehmens schnell nahe. Unternehmen, die sich nicht international engagieren, verlieren leicht auch ihre inlándische ókonomische Basis; viele retten sich vor den kostenmáfiigen Nachteilen des Standortes Deutschland ins Ausland (Abb. A-1/ 2). Einige machen sich freiwillig und von sich aus auf ins Ausland, wollen expandieren oder <kundennáher> operieren, andere reagieren eher Abb. A-1/ 2: Zug ins Ausland „Zur Produktionsverlagerung gibt es keine Alternative" er Standort Deutschland ist fur groBe Teile der Textilindustrie nieht mehr haltbar • Deutsche Baufirmen streben ins Ausland Studie: Expansion nach Asien / Mehr Umsatz mit weniger Bescháftigten Kfz-Zulieferindustrie Metzeler AP bestátigt Fertigungsverlagerung 4 Rechnerisch bedeutet dies die Relation Gewinn: Kapitaleinsatz, wobei es verschiedene Varianten gibt: Eigen- oder Fremdkapital, Betriebs- oder Unternehmensgewinn, vor/ nach Steuern usw. D <?page no="26"?> 4 A «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken unfreiwillig, passiv und meist auch zógerlich auf externe Impulse und sehen dabei vor allem die Risiken des internationalen Wettbewerbs und auslándischer Engagements. Nicht wenige Unternehmen halten sich fálschlicherweise fur zu klein fur Auslandsgescháfte. Die weitverbreitete Meinung, da£ Exporte Arbeitsplátze schaffen, Direktinvestitionen im Ausland hingegen Jobkiller sind, muí? etwas differenziert werden. Durch Diversifizierung der Standorte lassen sich vor allem bei Vorprodukten Kosten sparen, wáhrend die Endproduktion wieder <zu Hause> erfolgen kann. Vor allem im Mittelstand ist diese Form der Mischkalkulation verbreitet. Viele Mittelstándler fertigen aber auch komplett im Ausland, vor allem in Osteuropa, um kostengunstige Produkte von dort nach Deutschland zu liefern. Zudem mufs wer im Export erfolgreich sein will auch <vor Ort> prásent sein. Oft haben Zulieferer gar keine Wahl, als ihren Hauptkunden ins Ausland zu folgen, beispielsweise in der Automobilindustrie. Auslandsinvestitionen sind somit Teil einer Uberlebensstrategie, um teils bestehende Márkte zu sichern, teils neue zu erschlieSen. Ob dies die Bescháftigungssituation im Inland verschlechtert oder verbessert, ist umstritten. Manche Schátzungen sagen, dafi für jeweils drei Arbeitsplátze, die im Ausland geschaffen werden, einer im Inland entsteht. Ich halte diese Rechnung fur blauáugig, denn die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Deutschland und anderen Industrielandern spricht eine andere Sprache. In vielen Branchen findet eine Produktionsverlagerung ins Ausland statt, nicht zusatzlich zur inlándischen Produktion, sondern an deren Stelle. Beim Drang ins Ausland kann man Schub- und Sogfaktoren unterscheiden (Push- und Pull- Faktoren), wobei es auf die Betrachtungsweise ankommt: Vergleichsweise hohe Lohnkosten bei gleichzeitig zunehmender (billiger) Importkonkurrenz in bestimmten Branchen <drangen> Unternehmen ins Ausland, umgekehrt sind niedrige Lohnkosten in Osteuropa oder Siidostasien attraktive Sogfaktoren. Dann bietet sich oft eine Verlagerung von Produktionskapazitáten in <Billiglohnlánder> an: Deutsche Nordseekrabben («Granat») werden mit Kühllastern z. B. nach Ungarn gebracht, dort <gepult> und wieder nach Deutschland zum Verkauf zuriickgebracht; Stoff wird in Deutschland gewebt und daraus in Hongkong T-Shirts gefertigt; Wasche wird von Deutschland nach Polen gebracht und dort gewaschen, usw. Eine Arbeiterstunde kostet in Ungarn knapp 5 Mark, in Bulgarien noch weniger, in Deutschland rund 48 Mark (2001). Solche Auslagerungen von Produktionen oder Produktionsschritten sind in der Textil-, Leder- oder Elektroindustrie und vielen anderen Branchen zu beobachten und in steigendem MaEe auch bei Computersoftware, wo sich beispielsweise Indien einen Namen gemacht hat; die Idee mit der Green Card fur den <Import> von Computerspezialisten im Jahr 2000 war nur ein (ziemlich unsinniges) Detail. Schubfaktoren sind sicherlich das Wegsacken von Inlandsmárkten durch Sáttigung der Nachfrage oder Konkurrenz aus dem Ausland (Abb. A-l/ 3). «In Deutschland wáchst nichts mehr; wir miissen in die Welt gehen», sagte mir unlángst ein Unternehmenschef. Daher kónnen viele Unternehmen ihre Kapazitáten nur durch Auftráge aus dem Ausland auslasten oder Kostendegressionen (economies of scale) realisieren; nicht wenige Branchen u. a. Bau-, Chemie- oder Autoindustrie, Maschinen- und Anlagenbau sind in ihrer Existenz in starkem Mafe von Auslandsauftrágen abhángig. Ein wichtiger Aspekt ist sicherlich auch das Streben nach Risikostreuung. Als Sogfaktor ist auch anzusehen, wenn Zulieferer mit wichtigen Kunden mitgehen (miissen), u. a. in der Autoindustrie, wo sie den Herstellern beispielsweise in die USA oder nach <?page no="27"?> A «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken 5 Abb. A-1/ 3: Importkonkurrenz Uhrenbranche leidet unter Fernost-Konkurrenz t Fiir viele Hersteller hat das letzte Stiindlein geschlagen Schiffbau beklagt „ruinosen Druck" aus Osteuropa illiglohnlánder bleiben in der Textilindustrie auf dem Vormarsch Brasilien gefolgt sind, oder Untemehmen miissen ihren Konkurrenten ins Ausland folgen («me too! »), urn nicht <iiberholt> und <abgehangt> zu werden und ins Hintertreffen zu geraten, durch Ausnutzen von Kostenvorteilen und Besetzen von Marktpositionen (outpacing). Auch ungarische Kunden kaufen eher Konsum- oder Investitionsgiiter, wenn die Firma durch Fabriken, Gescháfte oder Biiros im eigenen Lande vertreten ist. Insgesamt entsteht fiir viele Untemehmen ein zunehmender Zwang zur Teilnahme am internationalen Gescháft. Auch Untemehmen, die noch vor wenigen Jahren nicht daran gedacht haben, erkennen heute eine Notwendigkeit, internationale Beziehungen aufzunehmen. In nicht wenigen Fallen ergeben sich die ersten Auslandskontakte eines Unternehmens <passiv>, indem ein Exportauftrag von einem bislang unbekannten auslándischen Kunden eingeht, der von sich aus den Kontakt herstellt oder neben dem der Juniorchef vielleicht zufállig im Urlaub an der Bar gesessen hat. Schon aktiver wird ein Untemehmen, wenn es sich auf einer Fachmesse oder heute in zunehmendem MaiSe im Internet prásentiert bzw. Kontakte sucht, um Auslandsauftráge einzuwerben. Die Intemationalisierung erfordert nicht nur veránderte Blickwinkel seitens der Untemehmen, sondem wirkt sich auf den Managementstil und das untemehmerische Verhaltensweisen aus: Viele Unternehmer und Mitarbeiter sitzen mehr im Flugzeug ais im Auto; das Produktdesign, die Vertriebsmethoden und die Werbung miissen auf auslándische Kulturkreise abgestimmt werden; die spezifischen Risiken des Auslandsgescháfts miissen erkannt und abgesichert werden, usw. Dadurch ergibt sich auch eine Globalisierung des Arbeitskráfteeinsatzes: Wer heute in der Wirtschaft Karriere machen will, muS fest damit rechnen, oft und viel im und mit dem Ausland zu arbeiten. Die Verwirklichung des Binnenmarktes der Europáischen Union und die Schaffung der Wáhrungsunion mit dem Euro bedeuten eine gewaltige Schubkraft fiir die Intemationalisierung. Hinzu kam der Zusammenbruch des Ostblocks mit der Folge, daft sich die ehemaligen sozialistisch orientierten Lander der Marktwirtschaft zugewandt haben. Viele sog. «Transformationslánder» in Osteuropa und Asien bemiihen sich um neue Formen der wirtschaftlichen Entwicklung. Parallel dazu vollzieht sich schon seit lángerem weltweit ein Prozefi der Liberalisierung der Márkte und der Deregulierung vieler Sektoren. Viele kleinere Untemehmen sind noch deutlich auf die EU fixiert. Neben Westeuropa haben sich ais Schwerpunkte des internationalen Handels Nordamerika, Osteuropa und der ost- und siidostasiatische Raum herausgébildet. Die Industrielánder dieser sog. Tríade machen den GroSteil des Welthandels unter sich aus. Zudem haben sie die Handelsbeziehungen zu Mittel- und Osteuropa sowie Lateinamerika verstarkt («emerging markets», Reformlander, : <?page no="28"?> 6 A «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken Transformationslánder). Afrika spielt nach wie vor kaum eine Rolle in der globalisierten Wirtschaft; allenfalls Südafrika und Agypten weisen eine gewisse Dynamik und Attraktivitat auf (Abb. A-1/ 4). Abb. A-1/ 4: Afrika verlorener Kontinent? Afrika fallt wirtschaftlich zuriick Bürgerkriege, steigende Energiepreise und schlechte Wirtschafts- und Finanzpolitiken Afrikas Wirtschaft: Ein Alptraum I Schulden, Inflation und zu schwaches Wachstum auf dem Sehwarzen Kontinent Die Globalisierung ist nicht aufzuhalten; wir werden damit leben müssen. Der externe Druck wird sich noch verschárfen; man spricht bereits von einer «dritten industriellen Revolution». In diesem Zusammenhang erhalten Begriffe wie Globalisierung oder internationale Arbeitsteilung einen tendenziell zu positiven, zu neutralen touch: Globalisierung bedeutet in weiten Bereichen der Wirtschaft einen entsprechenden Veránderungsdruck und Anpassungszwang. Dieser áuSert sich auch und insbesondere in einer Zurückführung unserer sozialen Absicherungssysteme. Wegen des Hintergrundes der Massenarbeitslosigkeit erscheint eine Ausdünnung des sozialen Netzes erforderUch, derm immer weniger Beitragszahler müssen durch immer hóhere Beitráge stándig sinkende Leistungen an immer mehr Empfánger finanzieren. In einer Situation der Wollbeschdftigung ware von solchen <Reformen> sicherlich keine Rede. Um so erstaunlicher ist es, daft diese ókonomischen und sozialen Veranderungen bislang relativ wenig Reaktionen in der Bevólkerung hervorrufen. Im folgenden Teil B werden wir Aspekte darstellen, die fur die Beurteilung, Auswahl und ErschlieSung neuer Márkte von Bedeutung sind. <?page no="29"?> Marktauswahl und Markterschlie&ung B-1. Strategische Grundsatzentscheidungen Bevor man sich auf internationale Aktivitáten einláSt, sollten einige vorbereitende Grundsatzüberlegungen sehr bewufit angestellt werden: (1) Wollen wir uns iiberhaupt im Ausland engagieren? Warum? Welche Ziele werden mit einem Auslandsengagement verfolgt und wie sollen sie erreicht werden? Die Antwort hángt davon ab, welche Vorteile man sich von einem Auslandsengagement verspricht, u. a. im Hinblick auf Umsatzausweitung, Kapazitátsauslastung, Kostensenkung, Gewinnzuwachs oder Beschaftigungssicherung. Toyota hatte dies fur den Eintritt in den US-amerikanischen Markt griffig formuliert: Beat Benzl 1 Man sollte auch beherzigen: Kein Export urn jeden Preis. (2) Suchen wir fur die bestehende Produktpalette neue Márkte wobei das Produkt ggf. auch angepafit und verándert werden mufi - (ressourcenorientierte Strategie) oder wollen wir fur ausgewáhlte Zielmárkte Produkte entwickeln (marktorientierte Strategie)? (Abb. B-l/ 1). Abb. B-1/ 1: Erfolgskriterien „Erfolgreiche Unternehmen bieten nicht das an, was sie für kundenorientiert halten, sondern das, was ihre Kunden für kundenorientiert halten." „Die Produktidee ¡st die Lósung eines Kundenbedürfnisses." (3) Welcher Markt ist fiir unsere Produkte geeignet? Hat das Unternehmen exportfáhige Produkte? Miissen Produkte ggf. angepafSt werden? Zur Beantwortung dieser Fragen miissen vergleichende Marktanalysen angefertigt werdem, die u. a. das Nachfragepotential, das Absatzpotentíal, die Kundenzielgruppen und die interne und externe Wettbewerbsstruktur erhellen. (4) Welche Art von Auslandsengagement wollen wir? Wollen wir allein vorgehen oder eine Kooperation mit anderen Unternehmen im Inland oder Ausland suchen? Dies hángt von zahlreichen Aspekten ab, u. a.: • Kónnen wir den Markt von Deutschland aus bedienen oder miissen wir <vor Ort> prásent sein? Hierbei sind Gesichtspunkte zu beriicksichtigen wie z. B. Transportkosten, Verteilungssysteme, Serviceintensitát, Kundenbeziehungen, Einfuhrvorschriften etc. Eine wichtige Entscheidung ist dabei, ob ein Produktionsunternehmen oder nur eine Distributionseinheit errichtet werden soil. 1 Zitiert nach Markus Harttnann, Orga-Systems, Paderborn. <?page no="30"?> 8 B Marktauswahl und MarkterschlieRung • Wollen wir nicht nur auf der strategischen, sondern auch auf der operativen Managementebene entscheiden und fiihren? • Welche Kosten entstehen durch unterschiedliche Formen des Engagements? Wieviel Kapital wollen wir investieren? • Sind die wirtschaftlichen und politischen Risiken akzeptabel? (5) Haben wir hierfiir hinreichend technische, finanzielle personelle, organisatorische und zeitlicbe Kapazitáten fur die Betreuung und Abwicklung der Auslandsaktivitáten? Was geschieht damit, wenn sich unsere Erwartungen nicht erfiillen? Grundlage eines Auslandsengagements sollte eine umfassende strategische Analyse sein. Sie geht vori den Unternehmenszielen und den Grundprinzipien des Unternehmens aus und muí? unbedingt die mit dem internationalen Engagement anvisierten Ziele definieren (Abb. B-l/ 2). Dies wird ergánzt durch eine nach innen und auSen gerichtete SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats - Stárken, Schwáchen, Chancen, Risiken; die Methodik wird ausfuhrlich in Abschnitt B-3 dargestellt). Aus diesen analytischen Grundlagen wird dann ein strategisches Konzept entwickelt. Es umfaEt neben der Selektion der Zielmárkte (Marktauswahl) die Frage, wie man in diese Márkte eintreten will (ob man beispielsweise fur die gegebene Produktpalette neue Márkte sucht oder auch mit ggf. neu zu entwickelnden oder entsprechend anzupassenden Produkten auf neue Márkte vordringen will: Markteintrittsstrategie), die Entscheidung tiber die Markteintrittsform (dies reicht von <blof>em> Export bis zur Tochtergesellschaft und ist vor allem eine Frage des Kapitaleinsatzes und des unternehmerischen Risikos), die Entscheidungen iiber die Marketinginstrumente und die Organisation dieser Parameter im Unternehmen. Dies ist zu ergánzen durch Finanzierungsiiberlegungen. Oft wird es sich anbieten, die Gesamtheit dieser Vorüberlegungen ais Projekt zu definieren, um Alternativen zu erarbeiten und die Entscheidungen vorzubereiten. Abb. B-1/ 2: Strategieschritte Entscheidungen treffen • über die mit dem Schritt ins Ausland verfolgten Ziele • in welche Márkte man geht (Marktauswahl, Abschnitt B-4) • über die Markteintrittsstrategie (Abschnitt B-5) • wie man in die Márkte eintritt (Markteintrittsform, Abschnitt B-6) • über die Marketinginstrumente (Marketingmix, Abschnitt B-7) • über die Organisationsform (Teil C) B-2. Gescháftsanbahnung Fiir viele Unternehmer ergibt sich der erste Geschaftskontakt ins Ausland oft zufdllig, weil sie mit einem spáteren Gescháftspartner irgendwo aus ganz anderem Anlafs zusammengetroffen sind oder weil von bislang unbekannter Seite ein Auftrag eingeht (Ordergescháft). Eine gezielte Gescháftsanbahnung kann auf vielfáltige Weise erfolgen: Unternehmen stellen sich auf Messen im Inland oder Ausland vor, durch Aufhahme in Profil- und Adrefidateien <?page no="31"?> B-2. Geschaftsanbahnung 9 von Verbánden, Banken, Kammern und Institutionen (beispielsweise kann eine Registrierung im Supply Roster beim IAPSO, dem Inter Agency Procurement Service Office der Vereinten Nationen, oder in das Unternehmensregister einzelner UN-Organisationen Auftráge bringen) 2 , oder durch Prásentation im Internet, durch Werbung in in- und auslándischen Fachzeitschriften, in branchenspezifischen Lánderbeilagen grofier auslándischer Tageszeitungen (die z. B. oft im Zusammenhang mit Staatsbesuchen aufgelegt werden), oder sie nehmen teil an Informations- und Kontaktanbahnungsreisen, die nicht selten finanziell unterstiitzt werden (u. a. vom Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft, den Unternehmensverbánden oder den Bundes- oder Landeswirtschaftsministerien) - und dann wartet man ab, ob Fische anbeifien. PRAXISTIP Auf Bundes- und Landesebene gibt es finanzielle Unterstützungen für Untemehmen, die eine Beratungsfirma mit der Evaluierung von Auslandschancen beauftragen wollen. Die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern verfügen über Informationen, ebenso das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (www.bmwi.de). Zudem fórdert das Bundeswirtschaftsministerium jedes Jahr Informations- und Kontaktveranstaltungen in Deutschland und im Ausland. Das Programm kann unter www.bfai.de abgerufen werden. Parallel dazu werten Untemehmen ihrerseits Informationen aus dem Ausland aus, schreiben potentielle Parmer von sich aus direkt an (Offertengescháft) oder nehmen Kontakt auf mit Anlaufstellen im In- und Ausland wie z. B. Trade Development Boards (Councils) anderer Lander oder den Wirtschaftsabteilungen der deutschen Botschaften und Generalkonsulate, nehmen an intemationalen Ausschreibungen (tenders) teil, iiber die u. a. die Bundesagentur für AuSenwirtschaft (Bfai, Kóln) (friiher: Bundesstelle fur Auslandsinformationen, Bfai 3 ), die dem Bundeswirtschaftsministerium angegliedert ist, die Industrie- und Handelskammern (IHKs 4 ) oder die AHKs (Auslandshandelskammem) informieren, die dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) 5 unterstellt sind (Abb. B-2/ 1). Die AHKs bieten ein spezielles, umfassendes Servicepaket «Internationale MarkterschlieSung» an. Es umfafit Marktstudien, Absatzberatung (Nennung von potentiellen Abnehmern, Produkt- und Unternehmenspositionierung etc.), Terminorganisation bei Erkundungsreisen und Rechtsauskunft (Handels- und Bonitátsauskünfte, Vertragsgestaltung, Handelsvertreterrecht, Firmengriindung, Arbeitsrecht und Inkassoverfahren). 6 Abb. B-2/ 1: Die Auslandskammern vereinheitlichen ihr Beratungsangebot Marktstudien, Absatz- und Rechtsberatung, Terminorganisation / Qualit&tsmanagement fur Untemehmen 2 Einzelheiten konnen bei der Bundesstelle fur AuGenhandelsinformationen (bfai) in Kóln erfragt werden (www.bfai.de). 3 Im November 2000 hat die Bfai ihr Büros in London, Paris, Atlanta und Santiago/ Chile aus Kostengriinden geschlossen... 4 Sprachlich práziser ais IHKs ware HKn, aber das sagt niemand. 5 Seit 2001; vorher DIHT: Deutscher Industrie- und Handelstag. 6 Die Kosten Iiegen zwischen 500 und 3000 DM. Für das Qualitátsmanagement der Serviceprodukte der AHKs bestehen IS0-9002-Zertifikate. <?page no="32"?> 10 B Marktauswahl und Markterschlieftung Diese Organisationen ebenso wie Delegierte und Reprásentanzen der Deutschen Wirtschaft in vielen Landern («Deutsche Hauser») oder Vereine wie der Ostasiatische Verein (OAV) verfügen über sehr umfassende und solide Beratungskompetenzen. Viele Informationen werden von der Bfai kostenlos an die HKs weitergegeben, die diese meist ohne Quellenangabe in ihr Beratungsangebot iibernehmen. Die Informationen, die von auslándischen Regierungsstellen ins Internet gestellt werden, sind mit Vorsicht zu geniefien, weil oft unbequeme Details verschwiegen und auch schon mal falsche Behauptungen aufgestellt werden. Externe Daten von drifter Seite sind aber auch nicht immer 100-prozentig richtig. Der Beratungs- und Unterstiitzungsservice der Wirtschaftsreferate der deutschen Botschaften im Ausland ebenso wie der diplomatischen Vertretungen auslándischer Staaten in Deutschland hángt das mul? man leider sagen von der personellen Kompetenz und dem persónlichen Engagement der Ansprechpartner im Einzelfall ab. Meine Erfahrungen mit Anfragen von Deutschland aus an unsere diplomatischen Vertretungen im Ausland sind gemischt, wenngleich insgesamt positiv. Anfragen an auslándische Vertretungen in Deutschland schneiden schlechter ab. Viele Entwicklungslánder kónnen ihre Botschaften oder Konsulate in Deutschland aus Kostengriinden nur mit Miihe offenhalten (ein Umzug nach Berlin stellt oft erhebliche Probleme). Umgekehrt wurde in Afrika jede zehnte deutsche Botschaft in den letzten zwei Jahren geschlossen. Wenn es irgend geht, sollte man sich die Kosten und die Miihe machen, eine Sondierung <vor Ort> im Ausland zu unternehmen, um dann zu entscheiden, ob vertiefende Markterkundungen sinnvoll sind. PRAXISTIP Bei Reisen in auRereuropaische Lander sollte man zur Informationsgewinnung neben den deutschen Botschaften unbedingt auch Kontakt suchen zu den Vertretungen der politischen Stiftungen (KAS: Konrad-Adenauer-Stiftung / CDU); FES: Friedrich-Ebert-Stiftung / SPD; FNS: Friedrich-Naumann-Stiftung / FDP; HSS: Hanns- Seidel-Stiftung / CSU), HBS: Heinrich-Bóll-Stiftung / Bündnis90/ Grüne) sowie der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die in derRegel über profunde und verláfSliche Informationen verfügen und auch Kontakte zu lokalen Unternehmen und Verbánden vermitteln kónnen. Dies sollte man ergánzen durch Gespráche mit Botschaftsvertretern anderer Lánder und Reprásentanten internationaler Institutionen wie Weltbank, Internationalem Wáhrungsfonds (IWF/ IMF) oder dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP/ PNUD). Ganz wichtig aber das zeigen die Erfahrungen immer wieder ist der Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmem, und zwar sowohl mit eigenen Zulieferern, Kunden, Konkurrenten als auch mit erfahrenen Kollegen aus anderen Branchen im Inland und im Zielland. Im Hinblick auf die Anbahnung konkreter Kontakte sind Messen eines der erfolgreichsten Marketinginstrumente natürlich nur, wenn sie entsprechend nacbbearbeitet werden: Kontaktpflege ist wichtig. In diese sollten auch wichtige Mitarbeiter des <eigentlichen> Gescháftspartners einbezogen werden. Nach dem Motto «Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft» kann man beispielsweise anláElich nationaler Feiertage oder Feste oder zum Firmenjubiláum oder aus sonst einem AnlaE einen GruE senden und überhaupt den Partner auch über Entwicklungen und Veránderungen im eigenen (Export-)Land auf dem laufenden halten, auch wenn dies nicht direkt mit einem Auftrag zusammenhángt. <?page no="33"?> B-2. Gescháftsanbahnung 11 Deutschland ist der wichtigste Messeplatz der Welt; mehr als zwei Drittel der international bedeutsamen Messen dinden hier statt. Messen dienen neben der Prásentation von Waren und der Informationsvermittlung auch der Anbahnung von Kontakten und dem AbschluS von Kontrakten (Verkaufsmessen), so daS sie teils Vorstufe des AuKenhandels, teils selbst Handelsform sind (Abb. B-2/ 2). Vielen Unternehmen ist die Orderfunktion, d. h. das Hereinholen von Auftrágen, weniger wichtig als die Kommunikationsfunktion. Schátzungsweise kónnen 20 % aller Exportauftráge auf Messebeteiligungen zuriickgefiihrt werden. Aus Anbietersicht sind Messen im Ausland auch Gelegenheiten, Absatzwege, Kaufgewohnheiten und Verbraucherpraferenzen kennenzulemen und last not least das Konkurrenzangebot zu priifen. Fur Messen. und Ausstellungen miissen Waren, Anlagen und andere Giiter ins Ausland transportiert und ggf. anschlieEend wieder zurückgebracht werden. Die damit verbundenen Abb B-2/ 2- Kosten kónnen erheblich sein. Die Bun- ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ _ desregierung und die Bundeslánder fór- INDIEN / Praxisnahes Angebot findet Zuspruch d e r n d a h e r _ n e b e n a llg e meiner Beratung DaS MeSSegeSChaft Spielt und finanzieller Unterstiitzung auch eine herailSrageil.de Rolle Messebeteiligungen deutscher Firmen im Ausland, insbesondere in Form von Firmengemeinschaftsstánden, bei denen u.a die Betreuung am Messeort, die Überlassung von Ausstellungsfláchen, die allgemeine Werbung und die Nutzung von Kommunikationsmitteln mit óffentlichen Mitteln gewáhrleistet oder unterstiitzt wird. Sofern die auf Messen angebotenen Giiter im Ausland nicht verkauft werden sollen, muS bei der Verbringung ins Gastland eine bestimmte zollrechtliche Behandlung erfolgen, damit der nur voriibergehende «Import» ins Gastland nicht zu Zoll- oder anderen Abgabenzahlungen fiihrt (vgl. Abschnitt L-5.3 zum Carnet ATA). PRAXISTIP Neben anderen Stellen (BMWi, Landes-Wirtschaftsministerien, IHK's, BfAl) informiert der Ausstellungs- und Messeausschuft der deutschen Wirtschaft (AUMA) in Koln (www.auma.de) tiber die Auslandsmessen, die mit Bundesmitteln gefordert werden. Von den insgesamt iiber 10.000 Messen im Ausland werden etwa 150-200 in das offizielle Messeprogramm aufgenommen. Dabei werden keine direkten Zahlungen geleistet, sondern die Forderung vollzieht sich uber subventionierte Teilnahmegebühren, die urn 40-50% niedriger liegen kónnen. 90% der gefórderten Unternehmen sind KMU, urn deren Nachteile im Wettbewerb mit gróReren Unternehmen, in der Informationsbeschaffung und der Finanzíerung zu vermindern. Natürlich treten dabei auch «Mitnahmeeffekte» auf, weil Firmen auch ohne diese Unterstiitzung an einer Messe teilgenommen harten. Befragungen zeigen, dafi Unternehmen mit zunehmender GróSe sich eher an Messen beteiligen. Das wichtigste Problem ist der Aufwand fur die Messevorbereitung. In kleineren Unternehmen nimmt meist der Chef selbst an den Messen teil und ist dadurch entsprechend belastet. Die Messe-Nachbereitung kommt daher oft zu kurz, und dies wiederum beeintráchtigt den Nutzen der Messebeteiligung. Wenn man schon etwas weiter <globalisiert> ist, empfehlen sich komplementáre Aktivitáten: <?page no="34"?> 12 B Marktauswahl und MarkterschlieGung Die IHK-Gesellschaft zur Fórderung der Aufienwirtschaft und der Unternehmensfiihrung mbH in Berlin bescháftigt sich mit Schulungsprogrammen, Wirtschaftstagen und Exportseminaren, vorrangig für Mittel- und Osteuropa, Asien und Amerika. Das Kooperationsbiiro der Deutschen Wirtschaft, Berlin, berát vor allem Unternehmen aus den neuen Bundeslandern bei der MarkterschlieEung in Mittel- und Osteuropa und vermittelt auch Kontakte und Kooperationen. Alliiberall in Europa und 30mal in Deutschland ist die EU mit Beratungsstellen vertreten (Euro Info Centren), die über rechtliche, wirtschaftliche, technische und soziale Fragen bezüglich der Mitgliedslánder Auskunft geben. Im Rahmen der bi- und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit ergeben sich zahllose Móglichkeiten der Auftragsbeschaffung. Um Überschneidungen zu vermeiden, vergleichen Sie bitte auch Teil D im Zusammenhang mit Finanzierungsmóglichkeiten. Soweit, so gut. Nun liegen also Anfragen, Angebote und Kaufauftrage auf Ihrem Tisch. Wenn man es nicht schon vorher gemacht hat, mufi spátestens jetzt am besten durch eine SWOT-Analyse untersucht werden, ob das Unternehmen grundsátzlich Chancen auf Auslandsmarkten hat. Und dann muE entschieden werden, welche Márkte von Interesse sind. Hier besteht ein gewisses Wechselspiel, weil die Stárken und Schwachen eines Unternehmens auch marktabhángig sind, wáhrend umgekehrt die Marktauswahl vom Profil des Unternehmens mit bestimmt wird. B-3. SWOT-Analyse Eine SWOT-Analyse untersucht Stárken (strengths), Schwachen (weaknesses), Chancen (opportunities) und Risiken (threats). Sie geht von den Unternehmenszielen und den Grundprinzipien des Unternehmens aus und kann sich auf das Unternehmen insgesamt, auf ein Produkt, eine Produktgruppe, ein Projekt oder einzelne Prozesse erstrecken, entweder allgemein oder mit Blick auf bestimmte Márkte. Eine SWOT-Analyse kann für Exportmárkte, für Direktinvestitionen und eigentlich fur jede Entscheidungsfrage angestellt werden. Die Perspektive ist dabei sowohl nach innen ais auch nach aufsen gerichtet: Stárken und Schwachen beziehen sich auf interne Aspekte des Unternehmens und kónnen vom Unternehmen beeinflufst werden (z. B. das Produktprogramm oder das Marketingkonzept), Chancen und Risiken ergeben sich aus den externen Rahmenbedingungen und entziehen sich der Beeinflussung durch das Unternehmen (z. B. die rechtlichen Rahmenbedingungen im Zielland). Vgl. auch Abschnitt B-5. B-3.1. Stárken und Schwachen (SW-Analyse) Für die untemehmensiMterweM Starken und Schwachen (strengths and weaknesses) müssen Kriterien und Indikatoren erarbeitet werden (vgl. unten). Stárken sind komparative Vorteile des Unternehmens (bzw. des Produkts), z. B. im Hinblick auf die Kernkompetenzen und die technischen, personellen, organisatorischen oder finanziellen Ressourcen und Kapazitáten des Unternehmens. Schwachen sind komparative Nachteile, Defizite oder zurückhaltender: <Bereiche mit Verbesserungspotentialen>. Sie signalisieren Handlunsgbedarf. Stárken und Schwachen kónnen sinnvoll nur im (zumindest impliziten) Vergleich mit anderen Unternehmen betrachtet werden, wobei sowohl aktuelle als auch potentielle Konkur- <?page no="35"?> B-3. SWOT-Analyse 13 renten zu berücksichtigen sind. Sinnvoll ist es, sich fur jedes Kriterium mit einem vorbildhaften Unternehmen zu vergleichen (benchmarking), denn der Vergleich mit einem fulSkranken Kollegen verleitet zur Selbstüberschátzung. In vielen Fallen ist es auch móglich, start an einem Vergleichsunternehmens sich an etablierten Normen und Standards zu orientieren (beispielsweise ISO- oder DIN-Normen), urn ihre Erreichung zu überprüfen. Produkte lassen sich natürlich fast problemlos vergleichen; das <fast> bezieht sich auf Produktionsdetails, Rezepturen und sonstige Geheimnisse. In der Praxis ist es hingegen nicht immer einfach, Vergleichsdaten fur Konkurrenzunternehmen zu bekommen, denn viele Daten sind - und bleiben natürlich unternehmensintern. Insbesondere der Vergleich mit auslándischen Konkurrenten in neuen Zielmarkten ist nicht immer leicht durchzuführen. Dafiir lohnt sich Industriespionage nur selten. Im náheren Umfeld hingegen deutsche Konkurrenten im Auslandsmarkt láEt sich so manches in Erfahrung bringen, z. B. aus veróffentlichten Jahresabschlüssen (die <verkürzte> Publizitátspflicht für kleine Kapitalgesellschaften in Form der Hinterlegung des vereinfachten - Jahresabschlusses beim Handelsregistergericht bringt allerdings selten viel Erhellendes). Zudem kennt man sich meist sowieso in der Branche, und ein bilSchen Umhóren trágt viel Interessantes zusammen. («Ich sage es Ihnen nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit ...», und schon ist es 'rum im Markt). PRAXISTIP Stárken-Schwáchen-Analysen, die ja unternehmens/ '/ iierne Aspekte evaluieren, sollten móglichst durch externe Fachleute unterstützt werden, weil sie meist objektiver sind und oft Dinge sehen, für die Untemehmensangehorige betriebsblind geworden sind. Meist ist die eigene Einschátzung zu optimistisch oder zu pessimistisch; Optimisten glauben geme ihrer eigenen Propaganda. Externe sind u.a. nützlich bei Bewertungen von Managementfahigkeiten, organisatorischen Strukturen, Wettbewerbssituation, Marktanalysen, technologischen Entwicklungen, Kundenmeinungen und -einstellungen. B-3.2. Chancen und Risiken (OT-Analyse) Auf der anderen Seite müssen die Chancen und Risiken (Gefahren) (opportunities and threath$) analysiert werden, die sich aus dem in- und auslándischen Umfeld ergeben, also unternehmensexier« sind und sich der Beeinflussung durch das betrachtete Unternehmen entziehen, u.a. die Wettbewerbsstruktur, traditionell und kulturell geprágte Besonderheiten. Chancen (opportunities) ergeben sich aus einem positiven Umfeld, in welchem die Stárken des Untemehmens unterstützt werden und folglich ausgebaut werden sollten, ggf. unter Zurückführung anderer Aktivitáten, für die Schwachen oder Risiken identifiziert wurden (eine günstige Regierungskoalition, die den Rechtsrahmen günstig verándert, aktuelle Ereignisse, aus denen man Nutzen Ziehen kann (Hackerangriffe bereiten den Markt fur elektronischen Datenschutz vor). Ein allgemeiner Bedarf an bestimmten Gütern ist grundsátzlich eine Chance. Das Marktpotential sollte allerdings etwa práziser quantifiziert werden, als es der eingangs zitierte Schuhsohlenhersteller tat: 1 Milliarde Chinesen mal zwei FüEe gleich Marktchance. Risiken (threats, challenges) ergeben sich aus ungiinstigen, negativen Rahmenbedingungen, <?page no="36"?> 14 B Marktauswahl und MarkterschlieGung die wenn man sie nicht hinreichend berücksichtigt, den Erfolg des Unternehmens beeintráchtigen konnen, beispielsweise das Beziehungsgeflecht, das im japanischen Markt typisch ist, oder aktuelle Ereignisse, die sich láhmend auswirken kónnen (Umweltskandale erschiittern das Image eines Industriesektors). Risiken weisen wie Schwachen auf Handlungsbedarf hin. Eine Umfeldanalyse umfafit insbesondere eine Branchenanalyse: Branchenstruktur (Organisation, Zahl der Anbieter), Markteinteile (absolut, relativ, Verhalmis zu Marktanteilen von Konkurrenten 7 ), Kapazitátsauslastung, Umsátze, Qualitáten, Preise, sonstige Konditionen, Lieferfristen, Service, Substituierbarkeit, Kostenstruktur, Gewinnsituation etc. Hinzu kommt eine Analyse der Kundenstruktur (u. a. Zahl und Bedeutung der Kunden) sowie eine allgemeine Nachfrageanalyse (Erfahrungen, Trends). Die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflussen u. a. die Kaufkraft und die Konsumgewohnheiten. (Interessanterweise lassen sich Luxusgiiter oft gerade in ármeren Lándern absetzen, weil sie als Statussymbole fur die Reichen einen guten Markt haben.) Hinzu kommen die landesinternen Finanzierungsmoglichkeiten oder die Fluktuationen der Wechselkurse (Volatilitat), die steuerliche Belasrung von Gewinnen oder allgemein die Kalkulationssicherheit. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Verfiigbarkeit von Inputs, auf die ein Unternehmen zurückgreifen muE, sei es im Hinblick auf materielle Vorleistungen (Rohstoffe, Halb- und Fertigprodukte) oder Dienstleistungen, sei es die Verfiigbarkeit von qualifizierten Arbeitskraften. Die politischen Rahmenbedingungen kónnen die Stabiiitat von Geschaftsbeziehungen oder das Risiko von Investitionen stark beeinflussen, u. a. im Hinblick auf das Enteignungsrisiko oder die Einschránkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Zum Beispiel ist immer wieder zu beobachten, dafi Investoren aufgrund der Investitionsgesetzgebung im Gastland eine <Mindestbelegschaft> fur das Management lokal rekrutieren miissen, wobei die Qualihkationen nicht immer im Vordergrund stehen kónnen. Hinzu kommen Transferrisiken fiir Kapital und Gewinne sowie ethnische oder religiose Spannungen und Auseinandersetzungen bis hin zum Biirgerkrieg, aber auch die Unterbrechung von Geschaftsbeziehungen durch ein Embargo, so wie es viele deutsche Unternehmen im Hinblick auf Iran, Irak oder Serbien erleben muEten. Vgl. auch Abschnitt B-6.7.7 zum sog. Landerrisiko. Die politischen Rahmenbedingungen iiberschneiden sich meist mit den rechtlichen Rahmenbedingungen, die vor allem wichtig sind fur den Investitionsschutz und das Wettbewerbsrecht, die Vertragsgestaltung, Absatzwege, Markenschutz und Patentrecht, die Produkthaftung oder den Umweltschutz. Die administrativen Rahmenbedingungen sind wichtig fiir Genehmigungsverfahren und sonstige behordliche Prozeduren (hierzu gehort auch das Phanomen der Korruption, das fiir westliche Kaufleute oft sehr ungewohnt und schwierig ist) sowie fiir die Gestaltung von Arbeits- oder Handelsvertretungs-Vertrágen (Abb. B-3/ 1). 7 Beispielsweise kann man dies ausdriicken als 1 = ebenso groS wie der Konkurent, beide sind gemeinsam Marktfiihrer; 2 = zweimal so grofi wie der Zweite; 0,5 = halb so grofi wie Marktfiihrer. <?page no="37"?> B-3. SWOT-Analyse 15 Abb. B-3/ 1: Korruption «Be stechung bei Au sla nd s g e s cháft e n ist imm e r noch die N o r m " Korruption ist ein „Grundrecht" China versucht sich in Korruptionsbekámpfung In Amerika wird Bestechung auslándischer Beamter streng geahndet Hohe Geldstrafen für Unternehmen/ Auch in Deutschland steht Schmiergeldzahlung im Ausland unter Strafe EXKURS Zwischen Agentenhonoraren, Sponsorengeldern und «nützlichen Aufwendungen» (NA, sprich: Bestechung) ist schwer zu unterscheiden. Eine OECD-Arbeitsgruppe gegen Korruption schátzt, daB fast jeder Exporteur bereits einmal bestochen und so versucht hat, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. 1997 hat die OECD eine Konvention gegen Korruption verabschiedet, die von 34 Staaten unterzeichnet wurde; 26 haben sie in nationale Gesetze umgesetzt. In Deutschland ist Bestechung auch im Ausland ein Straftatbestand. Juristischen Personen droht allerdings nur ein Buftgeld; ggf. kann ein Unternehmen aber den Schutz durch die Hermes-Kreditversicherung verliegen (vgl. Abschnitt H-3.2). Jedoch: In Lándern mit endemischer Korruption u. a. China, Rutland oder im arabischen Raum kann ein Unternehmen durch Verzicht auf Korruption schnell grofte Márkte einbüGen. Eine echte Zwickmühle. Aber es gibt ja Makler und andere Agenten ... In China und auch anderen Lándern ist die Abgrenzung zwischen strafrechtlich relevanter Korruption und der Pflege und Nutzung sozialer Beziehungen (guanxi) einschlieftlich Vetternwirtschaft und Nepotismus flieftend. Manche Beobachter unterscheiden auch zwischen <grolSer> und <kleiner Korruption>. Man sollte die <petite corruption* zwar nicht verniedlichen, sie aber doch abgrenzen gegen die Korruption gróRten Stils, die Politikern in leider sehr vielen Lándern vorzuwerfen ist. Wir kommen in verschiedenen Abschnitten auf das Korruptionsthema zuriick. Seit 1993 arbeitet in Miinchen das Deutsche Chapter der gemeinnützigen Transparency International, die sich dem weltweiten Kampf gegen Korruption verschrieben hat (www.ti-deutschland.de). Tl ist in 70 Lándern vertreten. Die soziologiscben, kulturellen und demograpkiscben Rahmenbedingungen geben Aufschlufi iiber die Familien-, Alters- und Geschlechterstruktur oder das Bildungsniveau der Konsumenten (in Lándern mit hohem Analphabetismus z. B. kónnen Werbebotschaften nur bedingt auf der Schrift aufbauen); ein Markt wie Japan hat traditionell sehr viel lángere Vertriebswege als z. B. Deutschland, in die auslándische Unternehmen nur <mit langem Atem> einsickern kónnen; patriarchalisch geprágte Gesellschaften sind anders anzusprechen als emanzipierte; religiose Normen setzen háufig Gebote oder Verbote die Liste der Beispiele lieSe sich beliebig verlángern. Ein wichtiger Aspekt ist oft auch die Rolle von einflufireichen Interessengruppen (z. B. Frauen-, Umwelt-, Minderheiten- und andere Gruppen) sowie die Einschátzung von relevanten Behorden und anderen Institutionen. Der Kontakt mit und ein <?page no="38"?> 16 B Marktauswahl und MarkterschlieRung positives Verháltnis zu diesen Akteuren ist oft ein wichtiger Aspekt, den man bei der Planung einer Markteintrittsstrategie nicht früh genug berücksichtigen kann. Zu den Rahmenbedingungen záhlen ferner geographische und klimatische Faktoren sowie die relevante Verkehrs- und Kommunikations-iw/ rasirw^iwr des Ziellandes. Besonderheiten der Infrastruktur kónnen beispielsweise die Vertriebswege beeinflussen, wenn statt Lkw oder Bahn Boote verwendet werden miissen; in tropischem Klima miissen fur verderbliche Ware durchgehende Kühlketten móglich sein; stándig zusammenbrechende Strom- oder Telefonnetze kónnen ebenso gravierende Hindernisse darstellen wie extrem unzuverlássige Verkehrsverbindungen, usw. (Abb. B-3/ 2). Abb. B-3/ 2: Infrastrukturprobleme Unsichere Transportwege erschweren Handel mit Osteuropa Schwierigkeiten besonders mit dem Zoll / StraBengüterverkehr wachst um den Faktor 10 Deutsche Unternehmen leiden unter schlechter Infrastruktur in China Delegiertenbüro sprieht von desolaten Verhaltnissen / Busse bringen illegal Waren in die Stadte B-4. Marktauswahl (Markt-Audit) Unabhángig von móglichen zufálligen Kontakten sollte die Auswahl eines neuen Zielmarktes grundsátzlich rational erfolgen, und früher getroffene Entscheidungen für Auslandsmárkte sollten immer wieder gezielt iiberpriift werden. Viele Überlegungen im Auslandsgescháft sind denen áhnlich, die auch im Inlandsgescháft angestellt werden. Nur: Vieles ist eben doch anders, und daher ist eine solide Vorbereitung anzuraten, um nicht unverhofft in ungeahnte Probleme hineinzuschlittern. Die Marktfáhigkeit von Produkten láSt sich bereits aus existierenden AuSenhandelsstatistiken allgemein einschátzen: Man kann daran sehen, welche Produkte von welchen Lándern importiert werden. Ein sicheres Indiz ist auch, wenn Konkurrenten bereits erfolgreich exportieren. Schon in dieser Phase sollte man auch an operative Aspekte denken, die sich auf Transport- und Verpackungsfragen, Lagerung, Haltbarkeit des Produkts etc. erstrecken. Wenn seitens der Untemehmensleitung grundsátzlich entschieden ist, Auslandsaktivitáten aufzunehmen, sollte das konkrete Engagement solide vorbereitet werden. Dabei stellt sich die Frage, ob man dies aus eigener Kraft tut oder auf externe professionelle Unterstiitzung zuriickgreift. Im Ausland unerfahrene Unternehmen sollten so belegt die Erfahrung sich unbedingt beraten lassen. Dabei kónnen sie wie oben bereits deutlich wurde eine Vielzahl von Unterstützungsmóglichkeiten in Anspruch nehmen. B-4.1. Budgetierung Ein wichtiger Aspekt sollte eine Abschátzung der mit der Marktanalyse und Marktbeobachtung verbundenen internen und externen Kosten sein. Dies hángt natiirlich insbesondere von der Prioritat ab, die das Unternehmen dem Vorhaben einráumt. Die Kostenplanung und die konkrete Budgetierung sollte sich auf die gegenwártige Sondierungsphase und anschlieiSende Up-dates erstrecken, weil eine Marktauswahl keine statische Entscheidung, sondern ein dynamischer ProzeS ist. Die Kosten der kontinuierlichen Marktbeobachtung sind daher ein wichtiges strategisches Planungselement, das in vielen Unternehmen vernachlas- <?page no="39"?> B-4. Marktauswahl (Markt-Audit) 17 sigt wird, und háufig ist die Kostenrechnung dann auch iiberfordert und liefert keine brauchbaren Daten. Immer wieder kommt es vor, daS es einem Unternehmen zwar tatsáchlich gelingt, einen FuE in einen neuen Markt zu bekommen, sogar Konkurrenten Marktanteile abzunehmen aber dann fehlt das Geld, um diese Position auch zu halten und auszubauen, weil die budgetierten Mittel verbraucht sind. B-4.2. Grobanalyse Eine gezielte Marktauswahl sollte das Spektrum der über 230 Staaten dieser Welt auf die Lander reduzieren, in denen das Unternehmen tatig sein will. Dabei kónnen darüber hinaus insbesondere in so grofien Lándern wie den USA, China, Rutland, Australien oder Indien interne, regionale Begrenzungen vorgenommen werden. Allgemein ist es meist sinnvoller, in einem oder wenigen Lándern mit einem stárkeren Engagement vorzugehen als in vielen Lándern mit schwácheren Aktivitáten, weil man sich dann leicht verzetteln kann. Dies gilt um so mehr, wenn die Kosten des Markteintritts und der Marktpflege relativ hoch sind und die Zielmárkte, auf die man sich beschránkt, hinreichend gute Wachstumschancen bieten. Eine regional breite Diversifizierung macht vor allem dann Sinn, wenn die Marktbedienung mit relativ geringem Aufwand móglich ist. Potentielle Márkte sollten nach drei zentralen Kriterien betrachtet werden: Marktattraktivitát, Wettbewerbsvorteile, Risiken. Auch dies kann in Form einer SWOT-Analyse erfolgen. Je mehr sich ein Unternehmen in auslándische Márkte einbindet, desto wichtiger wird es, die wirtschaftlichen, rechtlichen, administrativen, politischen und soziologischen Rahmenbedingungen zu beriicksichtigen. Dabei bietet es sich an, zunáchst eine Grobanalyse vorzunehmen, um die Spreu vom Weizen zu trennen (Marktselektierung). Einige Lándermárkte scheiden moglicherweise von vornherein aus (beispielsweise aus sprachlichen, religiósen oder ideologischen Griinden), andere, weil bestimmte Mindestbedingungen nicht erfiillt sind (wie die politische Stabilitát oder eine verláSliche Infrastruktur). Die verbleibenden Márkte werden danach einer intensiveren Feinanalyse unterzogen, bei der die konkreten produktspezifischen Marktchancen im Mittelpunkt stehen. Ein wichtiger Aspekt ist daher die Definition und Prázisierung der Auswahl- und Ausschluiikriterien. Beispielsweise kónnte eine bestimmte MindestgroSe des Marktes als AusschluEkriterium dienen. Die ausgewáhlten Lander miissen dann einer náheren Untersuchung unterzogen werden. Die Vorgehensweise ist natiirlich nicht zwingend, aber einige allgemeine Uberlegungen lassen sich verallgemeinern. PRAXISERFAHRUNG Die Firma Motee Motoren in Günzburg berichtete, daR sie in Kenia, einem Land mit einer eigentlich notorisch unzuverlassigen Stromversorgung, gute Gescháfte mit Elektromotoren gemacht habe, die vor allem von Handwerksbetrieben und Autowerkstátten gekauft wurden. Diese haben auf die lokalen Behórden eingewirkt, damit die Stromversorgung verbessert wurde. Hier hat sich quasi der Produkterfolg auf die Rahmenbedingungen ausgewirkt, und nicht umgekehrt. Es empfiehlt sich, die Analyse der in Frage kommenden Lándermárkte nicht erst bis zu hoher Vollkommenheit voranzutreiben, bevor man sich an die Feinanalyse mit den spezifi- <?page no="40"?> 18 B Marktauswahl und MarkterschlieBung schen Gegebenheiten des Sektormarktes macht. Wahrscheinlich wird man zunáchst einen tendenziellen Eindruck vom Lándermarkt zu gewinnen suchen, dann moglicherweise die produktspezifischen Marktchancen evaluieren und dies durch eine Analyse von Details der landerspezifischen Rahmenbedingungen abrunden. Die hier verwendete Einteilung in Grob- und Feinanalyse ist also nicht unbedingt chronologisch zu verstehen, und die Abgrenzung ist teilweise fliefiend. Die zur Auswahl von Auslandsmárkten anzustellenden Analysen kónnen leicht sehr umfangreich (und kostspielig) werden. Die Erhebung eigener Daten (Primárdaten) ist fur ein einzelnes Unternehmen oft zu umfangreich und zu kostspielig, oft auch nicht móglich. Schwierig sind beispielsweise umfassende Kundenbefragungen im Ausland. Daher kann auf Sekundárquellen zurückgegriffen werden sowie auf Gespráche mit Kunden, Lieferanten, Konkurrenten, HK-Fachleuten auf Messen, Untemehmenssprechtagen wann immer. Insbesondere im Hinblick auf die (politischen) Lánderrisiken gibt es eine Mehrzahl qualitativ hochwertiger Informationsmóglichkeiten. Man sollte aber grundsatzlich darauf Wert legen, daS die externen Quellen eine moglichst enge Vertrautheit mit dem Zielmarkt haben und eine mit der eigenen unternehmerischen Blickrichtung kompatible Orientierung verfolgen. Beispielsweise lassen sich aus finanzpolitischen Analysen der Banken die erforderlichen sektorspezifischen Schwerpunkte für den Maschinenbau nicht unbedingt mit der erforderlichen Schárfe ableiten; die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts sagt wenig aus iiber die Entwicklung des Marktsegments fur Biiromaschinen. Daher sollten grundsatzlich verschiedene Quellen zu Rate gezogen werden. Problematisch kann sein, daté für das eigene Produkt keine spezifischen Daten verfiigbar sind, sondern nur iibergeordnete Produktgruppen ausgewiesen werden (Haushaltsgeráte, und nicht Kiihlschranke). PRAXISTIP Einige IHKs bieten in Zusammenarbeit mit deutschen Auslandshandelskammer und anderen Fachleuten gegen geringe Gebühr ais Service einen Pre- Market-Check an. Dabei kónnen gezielt die auf das eigene Unternehmen bezogenen Fragen wie Marktchancen, Konkurrenz, geeignete Vertriebswege und Rechtsfragen durch für die IHK arbeitende Fachleute <vor Orb untersucht werden. Cleichzeitig wird geprüft, ob eventuell gesetzliche Regelungen der Einfuhr des betreffenden Produkts entgegenstehen. Bei Bedarf kónnen auch Kooperationspartner ermittelt werden. Für gezielte Fragen bietet auch die Bundesagentur für AuRenwirtschaft (bfai/ Kóln) einen Auskunftsservice an und recherchiert gegen eine Gebühr von DM 40,pro angefangener halber Stunde im Internet, Gesetzestexten, Statistiken, Archiven etc. B-4.3. Feinanalyse Vor dem Hintergrund der allgemeinen Landermarktbeurteilung muE der Markt im Hinblick auf seine produktspezifische Attraktivitát analysiert werden. Hierzu záhlen Aspekte wie das aktuelle und potentielle Marktvolumen (wobei der Seriositát externer Schátzungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist), die Struktur des Kundenpotentials (demographische, soziographische, kulturelle und andere zu beachtende Besonderheiten der Abnehmerstruk- <?page no="41"?> B-4. Marktauswahl (Markt-Audit) 19 tur), die Wettbewerbsstruktur (Zahl, GróSe, Marktanteil von aktuellen und potentiellen Konkurrenten: Markterfolge locken oft Mitbewerber an), Markteintrittsbarrieren (z. B. Besonderheiten im Handelsvertreterrecht, Niederlassungsbeschánkungen, Káuferverhalten), usw. Aus diesen Untersuchungen sollten die unternehmens- und produktspezifischen Chancen und Risiken des betreffenden Zielmarktes abgeleitet werden, sowohl beziiglich der Eignung des Produkts im Hinblick auf die Nachfragestruktur als auch beziiglich der Durchsetzbarkeit gegeniiber Konkurrenzanbietern vor dem Hintergrund der Wettbewerbssituation im Land (dies entspricht dem OT: den Opportunities and Threats einer SWOT-Analyse; siehe oben). Kriterien dabei sind beispielsweise die Kosten, Preise und Handelsspannen im Vergleich zu Konkurrenzangeboten und die giiterbezogenen Nutzenunterschiede aus der Sicht der Abnehmer. Informationen sammeln und sortieren ist nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Aktivitát, die vor allem nicht iibertrieben werden sollte. Datenfriedhofe sind eher kontraproduktiv. Sehr wichtig ist, all diese Erkenntnisse auszuwerten. Dies kommt oft zu kurz. Um den Uberblick zu verbessern, sollten die externen und internen Vor- und Nachteile explizit gegenübergestellt werden, um sozusagen den Nettoeffekt herauszuarbeiten. Dies kann natiirlich nicht im strengen Wortsinn geschehen, weil dies an der mangelnden Quantifizierbarkeit von Stárken, Schwáchen, Chancen und Risiken scheitern diirfte. Aber auch aus einem mehr qualitativ definierten Uberblick kann sich eine solide Einschátzung ableiten lassen. Natiirlich ist es schwierig, ein zu erwartendes gutes Nachfragepotential gegen gleichzeitig hohe Lánderrisiken aufzurechnen, so wie es beispielsweise für Rufiland der Fall ist. Die Entscheidung fur oder gegen den Eintritt in einen solchen Markt hángt dabei sehr deutlich von der Intensitát der Risikoaversion des Unternehmens ab (vgl. Teil H). Unabhángig davon sollte eine quantitative Prognose der Rentabilitát des geplanten Engagements aufgestellt werden, wobei die Treffsicherheit der verschiedenen Methoden fur Investitionsvergleiche z. B. Gewinnvergleich, Rentabilitásvergleich oder Kapitalwertmethode von der Vertrautheit mit dem betreffenden Markt und der entsprechenden Prognostizierbarkeit von Umsátzen und Kosten abhángt. Materialkosten sollten deflatorisch, Personalkosten inflatorisch prognostiziert werden. Ungewohnte und unbekannte Márkte bergen daher beachtliche Planungsrisiken in sich. Oft bietet sich an, eine pauschale Plan-Deckungsbeitragsrechnung zu erstellen, um zunáchst eine Deckung der variablen Kosten sicherzustellen, weil anvisierte Márkte grundsátzlich im Kontext mit den anderen vom Unternehmen bearbeiteten Márkte gesehen werden sollte. Sofern mehrere Márkte gleichzeitig analysiert werden, láftt sich hieraus eine Attraktivitátshierarchie ableiten. 8 Sehr niitzlich ist es, einen eigenen Eindruck vom Zielmarkt zu gewinnen. Das richtige <Gefühl> für einen neuen Markt in einem fremden Land kann man schlecht aus Erzáhlungen oder Papieren gewinnen. Wenn es irgend geht, sollten diese Informationen durch eigene Auf die betriebswirtschaftlichen Aspekte der Investitionsbewertung oder der Kostenrechnung kónnen wir hier nicht eingehen. Die allgemeine BWL-Literatur bietet hierzu eine Fiille von einschlágigen Quellen an. Traditionelle Marketingbücher halten sich allerdings im Hinblick auf <harte> Kalkulations- und Bewertungsmethoden meist eher bedeckt; Investitions- und Finanzierungsbiicher sind oft ergiebiger. <?page no="42"?> 20 B Marktauswahl und MarkterschlieRung Anschauung komplettiert werden. Eine Markterkundungsreise, die sich vielleicht mit einem Messebesuch oder einer Messebeteiligung im Zielland verbinden láSt, sollte wegen der aufzuwendenen Kosten gut vorbereitet werden. Es muí? vor allem klar sein, welche Ziele mit der Reise verbunden werden. Unternehmensintern folgt daraus die Entscheidung, wer diese Reise durchführt: Weil man selten ein Team von Vertretern jeder Abteilung aussendet, muE dies gut abgestimmt werden. Die Erkundungsreise sollte zum einen bestehende Informationsliicken schlielsen, zum anderen bestimmte bekannte strategisch wichtige Daten überprüfen. Viele der folgenden Punkte sind fur den auslandserfahrenen Gescháftsmann (-frau) wahrscheinlich redundant, aber vielleicht findet sich doch noch ein neues Detail. PRAXISTIPS Markterkundungsreise: Sinnvoll ist, eine Liste aller bereits vorhandenen Kontakte aufzustellen (Namen, Adressen, Telefon, email, ggf. bisherige Ergebnisse etc.). Es lohnt sich, Zeit zu investieren in eine sorgfáltige Auswahl der zu kontaktierenden Gespráchspartner, weil dies im Land Zeit und Kosten sparen kann. Die gewünschten Gespráchspartner sollten rechtzeitig angesprochen und koordiniert werden. Dies ist oft vom Inland aus nicht umfassend móglich, so daft unbedingt Pufferzeiten in den Reiseplan eingebaut werden sollten, urn Verschiebungen aufzufangen und spontane Kontakte wahrnehmen zu kónnen. Manche Reise brachte enttáuschende Ergebnisse, weil man nicht darauf vorbereitet war, daft im Gastland gerade nationale Feiertage, Ferien, Ramadan oder sonstige <Ausfallzeiten> anfielen oder anvisierte Gespráchspartner verhindert, verreist oder «nicht da» waren {«please come back tomorrow ...»). Nach der Ankunft im Land sollten vorab vereinbarte Termine bestátigt werden. Man sollte hinreichend Visitenkarten, Briefpapier mit Firmenkopf, Bankreferenzen, Empfehlungsschreiben, Prospekte, Produktmuster, Informationsmaterial etc. mitführen, móglichst in der Landessprache, oft reicht ersatzweise aber auch Englisch (Übersetzungen sollten unbedingt gegengecheckt werden! ), ferner Mustervertráge, Verkaufs- und Lieferbedingungen und Auftragsformulare. Der Nutzen von Unterlagen in Deutsch dürfte gering sein. Dies gilt auch für Funktionsbezeichnungen: Wenn auf einer Visitenkarte steht «Werner Hammer, Prokurist», dann weift der auslándische Gespráchspartner oft nicht, was das sein man. <Manager> sagt auch nicht viel, aber Hierarchiebegriffe sollten in eine allgemeinverstándliche Terminologie überführt werden. CEO (Chief Executive Officer) und COO (Chief Operating Officer) sind fast schon in den normalen Sprachgebrauch übernommen worden. Vor allem unsere amerikanischen Partner haben oft eine faszinierende Phantasie: Was mag ein Senior Assistant Vice-President für eine Funktion haben? Sie und Ihr Gespráchspartner wollen wissen, ob mit der Position des anderen auch Entscheidungskompetenzen verbunden sind, urn verbindliche Absprachen treffen zu kónnen. Dies ist bei einem ersten Kontakt nicht immer eindeutig festzustellen. Zur Vorbereitung von Gespráchen und Interviews sind Checklisten und Fragebogen nützlich. Nach der Rückkehr sollten getroffene Vereinbarungen schriftlich bestátigt werden. <?page no="43"?> B-4. Marktauswahl (Markt-Audit) 21 B-4.4. Markteintrittsbarrieren und Markteintrittsrisiken Als Markteintrittsbarrieren werden Bedingungen bezeichnet, die ein Unternehmen erst einmal erfiillen mufi, um auf dem Zielmarkt tátig werden zu kónnen, bzw. Gegebenheiten im Zielmarkt, die ihm einen Erfolg erschweren oder unmóglich machen. Eine grundsátzliche ókonomische Markteintrittsschranke ergibt sich, wenn sich der Markteintritt nicht <rechnet>, da die abzusehenden Kosten in keinem tragbaren Verhaltnis zu den Erlósen stehen. Diese Barriere gliedert sich in zwei Komponenten: zum einen in den bei einem Mifierfolg zu erwartenden absoluten Verlust des eingesetzten Kapitals, zum anderen in die Wahrscheinlichkeit eines MifSerfolges. Über letztere lassen sich meist keine soliden Vorhersagen machen. Dieses allgemeine unternehmerische Risiko wirkt bei einem risikoscheuen Unternehmer eher als Markteintrittsschranke als bei einem risikofreudigen. Für eine solide Analyse sollten die Wertschópfungsketten transparent sein (Wer liefert was wie an wen? ). Vor allem Unternehmen aus Industrielándern sehen sich oft mit einem Problem in Form eines Bumerang-Effekts konfrontiert, der auch als intemationaler Produktzyklus bezeichnet wird: Zunáchst beliefert das Unternehmen durchaus erfolgreich einen auslándischen Markt durch Exporte. Spater wird auch die Produktion ganz oder teilweise in den Zielmarkt verlagert, z. B. auch durch Lizenzvereinbarungen oder Joint Ventures. Dadurch erwerben die auslándischen Partner (und andere) entsprechendes Know-how. Nicht selten werden Produkte auch schlicht imitiert. Die neuen auslándischen Konkurrenten beliefern zunáchst ihren eigenen Markt, spáter dann móglicherweise sogar den Markt des ursprünglichen Exporteurs und nehmen ihm hier wie dort Marktanteile ab. Besonders betroffen von solchen Entwicklungen aufgrund von legalem oder illegalem Know-how-Transfer sind u. a. Sportartikel, Bekleidung, Biiromaschinen, Spielzeug, Plastikartikel und Video- und Musiktráger. Klassische Barrieren ergeben sich aus protektionistischen Mafsnahmen, mit denen Lander den Güterimport oder Direktinvestitionen gezielt behindern, um ihre eigene Wirtschaft zu schiitzen. Die Skala der protektionistischen MaSnahmen ist breit und reicht von tarifiiren Barrieren wie Importzóllen und anderen Importabgaben über nicht-tarifáre Handelsbzw. Investitionshemmnisse wie z. B. Importquoten, Hóchst- oder Mindestpreise, Devisen- oder Kapitalverkehrsbeschránkungen, Local-content-Vorschriften, technischen und anderen Produktnormen und Standards sowie <freiwilligen> Selbstbeschránkungen, d. h. mit politischem Druck vereinbarten Exportquoten, bis hin zu Import- oder Investitionsverboten. Es gibt Listen mit 700-1000 verschiedenen nicht-tarifáren handelsbehindernden MaSnahmen, zusammengestellt u. a. von der WTO und der OECD. Auch Lánderrisiken kónnen als Eintrittsbarriere empfunden werden. Damit werden Risiken bezeichnet, die sich aus der Situation des Ziellandes ergeben, beispielsweise politische Instabilitát (bis hin zum Bürgerkrieg) oder das Rjsiko von Enteignung (vgl. Abschnitt B-6.7.7). Zudem sind marktseitige Barrieren zu iiberwinden, die seitens des Ziellandes gar nicht bewuSt als Schranke konzipiert wurden, sich aber trotzdem so auswirken. Hierzu záhlen z. B. die Sprache, das Nachfrageverhalten, Kultur und Mentalitát, Korruption, Kriminalitát oder ungewohnte Distributionssysteme, technische Normen, wenn im Importland andere Normen gelten und eine Produktanpassung für das exportierende Unternehmen zu kostspielig werden würde, ferner ein für das deutsche Unternehmen ungewohntes Rechtssystem sowie spezifische rechtliche Probleme, wenn z. B. im Handelsvertretungsrecht eine Aus- <?page no="44"?> 2 2 B Marktauswahl und MarkterschlieGung schlieSlichkeitsklausel unzulássig ist. Für Japan gelten die traditionsbezogenen und sehr stark auf gegenseitige Loyalitát begriindete Lieferbeziehungen als Marktschranken, die auch ein vor Ort ansássiges auslándisches Unternehmen nur schwer iiberwinden kann. Auch das Konsumentenverhalten kann eine Markteintrittsschranke sein, beispielsweise wenn die Bevólkerung inlándische Produkte bevorzugt. Je hóher die Markteintrittsbarrieren sind, desto hóher sind die Risiken und die notwendigen Investitionen fur einen Markteintritt und desto geringer ist natürlich der externe Wettbewerbsdruck. B-4.5. Entscheidungsfindung: Bewertung der Analysedaten Es gibt eine Vielzahl von Methoden zur Entscheidungsfindung. Meist schwórt jeder auf die Methode, die er selbst anwendet. Viele Unternehmer verlassen sich auf ihr Gefühl, <hóren auf ihren Bauch> - und fahren oft sehr gut dabei. Andere bevorzugen komplexe Entscheidungsmethoden, nicht selten auf quantitativer Basis. Quantitative Kriterien sind vor allem dann mit Vorsicht zu genieSen, wenn ursprünglich qualitative, ordinale Variable (gut/ besser) oder <weiche> Kriterien (Lebensqualitát) in irgendeiner Weise quantifiziert wurden, z. B. durch Zuordnung von Punkten oder anderen Gewichten, denn dabei schleichen sich leicht sehr subjektive Aspekte ein, wáhrend die quantifizierte Information plótzlich sehr <objektiv> und <hart> aussieht. Insbesondere die Auswahl von Informationen und ihre Gewichtungen fiihren leicht zu ungewollten Verzerrungen. Solche Verfahren vermitteln nicht selten einen Eindruck von Prázision und Zuverlássigkeit, der bei náherem Hinsehen gar nicht gerechtfertigt ist. Methodisch bieten sich als Ausgangsbasis Brainstorming und Metaplanning an. 9 Hinsichtlich der Formulierung von Analyseergebnissen und Bewertungen lafit sich sagen, daté der eine Leser gerne eine klare, deutliche, auch drastische Sprache bevorzugt, in der ein Aspekt z. B. auch mal als «katastrophal» oder «nicht akzeptabel» bezeichnet werden mag, wáhrend der andere Leser eine behutsame Diktion bevorzugt, in welcher derselbe Aspekt vielleicht als «suboptimal» oder «noch verbesserungsfahig» bezeichnet wird. Wenn man den Analytiker nicht gut kennt, sollte man ihm (ihr) getrost sagen, wie man es gerne harte bzw. fragen, wie es gemeint ist. Vielfach ist es niitzlich, die Stárken und Schwáchen (SW) in einem Profil graphisch auszuwerten und sie ggf. mit dem Profil eines Vergleichsunternehmens zu kombinieren (benchmarking) (Abb. B-4/ 1) oder eine Auswertung in Form einer Matrix, in der strategische Wettbewerbsvor- und -nachteile gegeniiber einem Vergleichunternehmen nach den Kriterien wichtig/ unwichtig und unterlegen/ iiberlegen bewertet werden. Analog kónnen Chancen- Gefahren-Profile (OT) zur Verdeutlichung verwendet werden. Die Skalierung kann beispielsweise in einem Spektrum von +5 bis - 5 , in Prozent der Zielerreichung oder von <1> (sehr gut) bis <6> (unzureichend) erfolgen; es gibt zahlreiche Móglichkeiten. Der Wert einer SWOT-Analyse im Rahmen einer Marktuntersuchung hángt in hohem MaGe von der Zuverlássigkeit des vorhandenen Datenmaterials ab. Grundsátzlich ist immer zu 9 Durch Brainstorming sammelt man in einer Gruppe <unsortiert> spontane Ideen. Diese kann man z. B. visualisieren und strukturieren, indem sie auf Kártchen notiert werden, die man auf einer Pinwand nach Belieben groEfláchig sortieren, verschieben, gruppieren und im Team diskutieren kann (Metaplanning). Sehr oft ergeben sich dabei Impulse, die man auf dem <flachen> Schreibblock - und vor allem allein nicht entdeckt hatte. <?page no="45"?> B-5. Strategien der Markterschlieftung 23 Abb. B-4/ 1: Starken-/ Schwachen-Profil* Kriterium 1. Produktqualitat 2. Marketingkonzept 3. Finanzsituation 4. Deckungsbeitrag 5. Standort 6. Managementsystem 7. Distributionssystem 8. Personalkapazitat Schlecht x-=c: o Durchschnitt O xkc^ ,---o Gut ^ x ^ l —-X —x * stark vereinfacht fragen, ob die zur Verfiigung stehenden Informationen geeignet sind, zur Problemlósung beizutragen und ob aus ihnen Schliisse fur den Untersuchungszweck gezogen werden kónnen. Hinsichtlich der Vollstándigkeit der Daten wird man oft «funfe grade sein lassen miissen», aber es ist wichtig, eventuelle wichtige Informationslücken aufzuspiiren und zu schliefien versuchen. Die Zuverlássigkeit (Validitát) der Daten kann oft nur erhofft werden; dies hángt auch von der allgemeinen Vertrauenswiirdigkeit der Quelle ab. Problematisch aber nicht selten ist, wenn urspriinglich schlicht als Meinungen zu klassifizierende Aussagen im Zuge der Weiterreichung den Status von harten Fakten erhalten. Hinsichtlich der Aktualitát der Informationen ist zu beurteilen, wie stark sich die Situation zwischenzeitlich geándert haben kónnte. Wie schon erwáhnt, sollte sich ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verháltnis beziiglich des mit der Analyse verbundenen Aufwands ergeben. Viele Untemehmen wenden bei Entscheidungssituationen A-B-C-Methoden an, sei es bei der Bewertung von Márkten und Produkten oder der Klassifizierung von Lieferanten oder Kunden: A ist super, C rat zu Vorsicht, D ist vóllig <out>. Natiirlich kann man das Klassifizierungsspektrum beliebig verbreitern oder modifizieren, sollte sich aber bewufst sein, daS es sich wiederum um eine subjektive Klassifizierung handelt. Andere Untemehmen erstellen Tabellen, in denen bestimmte Kriterien fur die betrachteten Marktalternativen zusammengestellt und benotet oder bepunktet werden - Marktzugang, Produktionsbedingungen, Káuferpotential, Wettbewerbssituation, Absatzprognosen usw. usw. Hier kann man beliebig in die Breite und die Tiefe gehen, sollte dies aber nicht iibertreiben, weil man sonst den Wald vor Báumen nicht mehr sieht. Als Entscheidungsforbereitung sind solche Ubersichten aber niitzlich. Wie irnmer die angewendete Analysemethode auch aussieht: In jedem Fall sollte ein konkreter Entscheidungst/ orscWtfg abzuleiten sein, um nicht auf der Einserseits-andererseits-Ebene hángen zu bleiben. B-5. Strategien der Markterschlieftung Eine SWOT-Analyse, so wie sie vorstehend umrissen wurde, ist zunáchst eine Bestandsaufnahme, dann aber die Basis fur die Entwicklung von Strategien und Planungen. Stárken <?page no="46"?> 24 B Marktauswahl und MarkterschlieRung (z.B. profunde Markterfahrung oder <unschlagbare> Produkte) sind die Basis fiir Erfolg; Schwáchen (veraltete Maschinen und Anlagen) kónnen geheilt werden, wenn die Ressourcen ausreichen; manchmal kann eine Schwáche in eine Stárke verwandelt werden (z. B. als Marktnischenstrategie eines kleinen Unternehmens); Chancen sollten erkannt und ergriffen werden; Risiken, Bedrohungen und Gefahren miissen akzeptiert, und ihnen muS begegnet werden. Eine SO-Strategie interne Stárken (Kompetenzen) und externe Chancen ist offensiver Natur und versucht, die günstigen Faktoren starker zu nutzen. Eine WT-Strategie (interne Schwáchen und externe Risiken) ist defensiv und will einerseits Schwáchen minimieren, andererseits den ungünstigen Faktoren und Gefahren ausweichen bzw. ihnen entgegenwirken. Daher wird alternativ auch von SOFT-Analysen gesprochen, bei denen die positiven, günstigen Aspekte auf der einen Seite (Strengths, Opportunities) und die negativen, ungünstigen auf der anderen (Failures = weaknesses, Threats) gegenübergestellt werden. 10 Eine ST- Strategie versucht, externe Risiken durch internen Stárke zu minimieren. Eine WO-Strategie stellt darauf ab, angesichts günstiger Rahmenbedingungen unternehmensinterne Schwáchen zu beseitigen. In Amerika werden die vier Bereiche auch gerne zu einer TOWS-Matrix zusammengestellt. Eine SWOT-Analyse kann produktbezogen - Informationen liefern hinsichtlich der strategischen Beurteilung in Form einer Portfolio-Analyse nach dem sog. Boston-Fenster (Abb. B-5/ 1): Abb. B-5/ 1: Boston-Fenster „Nachwuchs" „arme Hunde" (Sorgenkinder) „ Stars" „Melkkühe" Marktanteil niedrig • hoch Stars sind Produkte, bei denen man in einem Markt mit hohem Wachstumspotential zudem noch über einen hohen Marktanteil verfügt. Besser kann es nicht sein. Der Nachwuchs (oder «Fragezeichen») wird reprásentiert durch Produkte, bei denen man in Wachstumsmárkten (noch) über nur geringe Marktanteile verfügt, die man also ausbauen sollte, sofern man nicht doch lieber aussteigt. Melkkühe (cash cows) sind Produkte, die noch einen hohen Marktanteil aufweisen, wobei der betreffende Markt jedoch keine groSe Dynamik (mehr) hat. Ergo: Die Situation ausnutzen und herausholen, was geht, solange es noch geht. Die Armen Hunde (underdogs) sind die Sorgenkinder, d.h. Güter mit geringen Marktanteilen in zudem wachstumsschwachen Márkten. Zu überlegen ist, ob man sich aus diesen Márkten nicht herausziehen sollte. Andererseits gibt es nicht wenige Unternehmen, die mit einer sol- Í In Lateinamerika spricht man analog von FODA: fuerzas, oportunidades, debilidades, amenazas. <?page no="47"?> B-5. Strategien der Markterschlieftung 25 chen Nischenposition durchaus zufrieden sind, weil sie davon hervorragend leben kónnen. Fiir kleinere Unternehmen ist das Kriterium des relativen Marktanteils oft wenig aussagekraftig, weil man sich im NuU-Komma-Bereich bewegt. Stattdessen kann man auch den Anteil des betrachteten Produkts am eigenen Umsatz und statt des allgemeinen Marktwachstums die eigenen Marktchancen ais Bezugsgrófse wáhlen. Auf der strategischen Ebene lassen sich vier Varianten mit unterschiedlichen Risikograden unterscheiden (Abb. B-5/ 2; sog. Ansoff-Matrix). Die Strategien sollten u. a. jeweils verdeutlichen, was zu ihrer Verwirklichung getan werden mul? und was dariiber hinaus getan werden konnte. Abb. B-5/ 2: Strategische Alternativen erschlossene Márkte neue Márkte etablierte Produkte 1: statische Strategic 2: Marktentwicklung neue Produkte 3: Produktentwicklung 4: simultane Innovation • Strategic 1 bezieht sich auf ein Unternehmen, welches in erschlossenen Márkten (im Inland oder Ausland) etablierte Produkte vermarktet. Dies ist eine relativ unproblematische, statische Strategic und kann der Ausgangspunkt fiir strategische Erweiterungen sein. • Wenn etablierte Produkte auf neuen Márkten im Ausland verkauft werden sollen (Strategic 2: Marktentwicklung, Marktdiversifikation, Market Strecbing), muE man sich auf die Gegebenheiten der neuen Ziellánder einstellen. Dies ist eine Standardsituation im expansiven internationalen Gescháft und wird auch als regionale Diversifikation bezeichnet. Neue Márkte kónnen <verwandte> oder <fremde> Márkte sein; vgl. oben Abschnitt B-4. Regionale Diversifikation setzt voraus, da8 man iiber strategische Vorteile wie schlecht imitierbare oder nicht substituierbare Ressourcen verfügt (z. B. Patente, Know-how, spezialisierte Manpower, Logistikkonzept), weil sonst die Gefahr besteht, sich durch legale Nachahmung oder illegale Imitation Nachteile einzuhandeln. Die im deutschen bzw. europáischen Umfeld vorhandene Rechtssicherheit insbesondere des Markenschutzes ist nur bedingt auf viele andere Lánder iibertragbar. • Sofern das Unternehmen in bereits erschlossenen Auslandsmárkten neue Produkte verkaufen will (Strategic 3: Produktentwicklung, Produktdiversifikation), erfordert dies ein entsprechendes neues, produktabhángiges Marketing. Nicht wenige Unternehmen folgen dabei dem Beispiel von schon vorausgegangenen Konkurrenten (Me-foo-Strategie). Es sei nochmals betont, dal? sich vorangehende Erfahrungen nur bedingt auf andere Márkte iibertragen lassen. • Besonders schwierig und riskant ist Strategic 4, bei der neue Produkte in neue Márkte eingefuhrt werden sollen, denn dies erfordert simultane Innovationen in beiden Dimensionen. Dabei unterscheidet man horizontale Diversifikation, wenn das Produktsortiment erweitert wird, vertikale Diversikation, wenn eine Wertschópfungsstufe vor- oder nachgeschaltet wird, oder laterale Diversifikation, wenn das Unternehmen etwas vóllig Neues macht (ein Margarinehándler geht in den Touristikmarkt) (Unilever). Hinsichtlich der Erschliefiung neuer Auslandsmárkte sind aus anderer Perspektive wiederum zwei grundsátzliche Strategien zu unterscheiden: <?page no="48"?> 2 6 B Marktauswahl und MarkterschlieGung (1) Oft wird eine Wasserfall-Strategie verfolgt, indem man von erschlossenen Márkten aus im Zeitablauf auf verwandte und schlieSlich auch auf fremde Márkte vordringt, d. h. den Weltmarkt nach und nach <aufrollt> (Abb. B-5/ 3). Erschlossene Markte sind solche, auf denen das Untemehmen bereits tátig ist und sich gut auskennt. Als verwandte Markte bezeichnet man solche, die Ahnlichkeiten mit den erschlossenen Márkten aufweisen, für ein in Deutschland tatiges Untemehmen beispielsweise Ósterreich, Schweiz oder Niederlande oder wenn man bereits in Belgien tátig ist - Frankreich, oder bei europáischer Erfahrung ein nordamerikanischer Staat, wobei man jedoch die Unterschiede zwischen verwandten Márkten auf keinen Fall unterschátzen sollte. Beispielsweise gilt die Schweiz als einer der schwierigsten Márkte, wo man am Telefon am besten Schwyzerdiitsch spricht. Frankreich ist nicht Paris, London ist nicht Grofibritannien. Kanada kann nicht von den USA aus mitbetreut werden; da wird schon eher eine Bearbeitung von Deutschland aus akzeptiert. Abb. B-5/ 3: Wasserfall-Strategie Heimatmarkt Markt A Markt B Markt C • Zeit Zu den fremden Márkten záhlen die Lander, die sich erheblich von den heimischen Markten unterscheiden und/ oder mit denen man wenig vertraut ist, z. B. im Hinblick auf die politischen Verháltnissen, die Infrastruktur oder die Kultur und die Mentalitát der Bevólkerung (vielleicht Spanien, Osteuropa, USA, Vietnam, China, Korea). Nachdem in der Vergangenheit aus deutscher Sicht iiberwiegend Lander der ersten beiden Kategorien als Handelspartner in Frage gekommen waren, riicken im Zuge der immer starker werdenden Globalisierung zunehmend Lander der dritten, <fremden> Kategorie in das wirtschaftliche Interesse. Eine Wasserfallstrategie kann nur bei relativ langen Produktzyklen realisiert werden, weil sonst die Attraktivitát der Produkte abnimmt. Entsprechend ist die Amortisationsdauer der Investitionen meist lánger. (2) Bei kiirz'eren Produktzyklen (Mode, Computersoftware) wird daher meist eine Sprinkler-Strategie verfolgt (Abb. B-5-4): Ein Produkt wird gleichzeitig und parallel in unterschiedlichen Márkten eingeführt, bevorzugt in der sog. Tríade (Europa, Nordamerika, Japan/ Ostasien), urn global prásent zu sein. So gelang es beispielsweise damals, das Videosystem VHS gegeniiber dem technisch iiberlegenen System Video 2000 durchzusetzen, das strategisch nur regional ausgerichtet war. Durch eine Sprinkler-Strategie wird das Risiko der Abhángigkeit von einzelnen Márkten verringert, weil weitgehend standardisierte Produkte global vermarktet werden. Eine Markterschliefsungsstrategie nach dem Sprinkler-Prinzip bietet Kostenvorteile, da Forschungsr> r> r\ <?page no="49"?> B-6. Markteintrittsformen 27 • Abb. B-5/ 4: Sprinkler-Strategie Markt A ' \ f > D B \l C Heimatmarkt und Entwicklungskosten reduziert werden und man sich mit weniger Entwicklungsaufwand fur Einfiihrungs- oder Promotionkampagnen begniigen kann. Zudem beginnen die Produktzyklen in alien Márkten gleichzeitig, verlaufen allerdings nicht unbedingt parallel, weil dies von verschiedenen Faktoren unterschiedlich beeinfluSt wird (Konsumgewohnheiten, Wettbewerbsstruktur). Sprinklerstrategien bedeuten aber auch Probleme. Bei globaler Markteinfiihrung kann die Sicherung von Schutzrechten (Markenname, Patente) wegen der Unterschiede in den nationalen Rechtssystemen ein nicht unerhebliches Problem darstellen. Eine andere Gefahr besteht darin, daS man bei áhnlichen Márkten die dennoch bestehenden feinen Unterschiede nicht entsprechend beriicksichtigt. Beispielsweise bestehen im Zusammenhang mit der Kommunikationspolitik (u.a. Werbung) vielfáltige Unterschiede zwischen áhnlichen Lándern. Eine Konservendose ist in Grofibritannien <tin> und in den USA <can>; in Spanien heiSt Auto coche und carro in Lateinamerika; <matador> bedeutet in Spanien Stierkámpfer und <Killer> in Puerto Rico, etc. Wáhrend das Produkt standardisiert verkauft wird, muS der Marketing-Mix oft angepafit werden. Die hier skizzierten Beispiele strategisch nützlicher Instrumente sind natiirlich nur beispielhaft und unvollstándig, aber wir kónnen die allgemeinen Aspekte des Managements und Marketings auch im Hinblick auf diverse auSenwirtschaftliche Spezifika hier nicht ausbauen, ohne den Rahmen vóllig zu sprengen (dieses Buch ist ohnehin schon recht umfangreich, sagt mein Verleger). B-6. Markteintrittsformen In vielen Unternehmen entwickelt sich die Intemationalisierung graduell; nur wenige machen einen <revolutionáren Sprung>. Eine vorsichtige Ausweitung der Inlandsaktivitáten auf das Ausland (regionale Diversifikation) ist vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) fast als Standardstrategie anzusehen - Schritt fur Schritt, zunáchst meist über Exporte (oder Importgescháfte), die vom Inland aus abgewickelt und vielleicht von Handelsvertretern vor Ort betreut werden, spáter vielleicht gefolgt von eigener Prásenz im Ausland durch eine Vertriebsniederlassung, und schliefilich gar eine eigene Produktionstochter. Natiirlich láfit sich dies nicht pauschalieren, da branchenmaSig und sektoral sehr viele Unterschiede bestehen, beispielsweise zwischen Unternehmen, die nur im Handel, und solchen, die auch in der Fertigung tátig sind. Dennoch lassen sich einige grundsátzliche Aspekte herausstellen. <?page no="50"?> ' 28 B Marktauswahl und MarkterschlieRung Die verschiedenen Markteintrittsformen unterscheiden sich vor allem hinsichtlich des erforderlichen Kapitaleinsatzes und der mit dem Auslandsengagement verbundenen Risiken (vgl. Abb. B-6/ 1). Beides nimmt in der folgenden Darstellung tendenziell Schritt fur Schritt zu. Abb. B-6/ 1: Alternative Markteintrittsformen Risiko i i • Errichtung einer Produktionsniederlassung • Kauf einer Produktionsniederlassung • Joint Venture • Verkaufsniederlassung • Lizenzvergabe, Lizenzfertigung, Auftragsproduktion • Indirekter Export, Vertriebskooperation • Direkter Export • Kapitaleinsatz Alie Markteintrittsformen weisen Vor- und Nachteile auf. Welche angewandt wird, hángt von den Zielen und den Moglichkeiten des Untemehmens, den rechtlichen Rahmenbedingungen und den spezifischen Marktverhaltnissen ab. Verschiedene Elemente kónnen jedoch kombiniert werden, urn einzelne Nachteile zu kompensieren. So kónnen Direktinvestitionen beispielsweise durch Auftragsproduktion vorbereitet und die in der Regel lángere Vor- und Anlaufzeit einer Direktinvestition überbrückt werden. Háufig sind verschiedene Markteintrittsformen denkbar. Dann bietet es sich an, den EntscheidungsprozeS zu objektivieren, indem fur die verschiedenen Alternativen die Konsequenzen durchgespielt und quantifiziert werden, wobei verschiedene Variable (Gewinn, Zólle, Wechselkurse etc.) in best case-, worst case- und mittlerer Prognose (mit x-%iger Wahrscheinlichkeit) miteinander gekoppelt werden. Im Regelfall wird ein Unternehmen danach trachten, daE seine Entscheidungsfreiheit móglichst wenig eingeschránkt wird. Je hóher der Selbstbestimmungsgrad sein soil, desto hóher ist aber in der Regel der notwendige Kapitaleinsatz. Da das unternehmerische Risiko nicht zu versichern ist, kann eine falsche Markteinschátzung weitreichende Folgen haben. Im folgenden werden die wichtigsten Markteintrittsformen etwas náher untersucht. B-6.1. Direkter Export und Import Exportbzw. Importbeziehungen kónnen direkt zwischen dem inlandischen Unternehmen und dem auslándischen Partner abgewickelt werden oder indirekt. Beim direkten AufSenhandel besteht eine direkte Beziehung zwischen Importeur und Exporteur (Ablader) ohne Zwischenschaltung von z. B. Maklern oder Ausfuhrhandlern, die vielleicht aus einem Lager heraus weiterverkaufen. Sofern Unternehmen sich auf ein sporadisches oder geographisch breiter gestreutes Exportgeschaft beschránken, ist es nicht selten, daS die Aktivitáten vollstándig vom Sitzland aus gesteuert werden. Direkter Handel ist insbesondere innerhalb Europas und auch im EG-USA-Handel iiblich. Die wesentlichen Vorteile des direkten Handels bestehen in hoher Flexibilitát, geringerem Kapitalaufwand (im Vergleich zum indirekten Handel wird eine Handelsstufe eingespart) <?page no="51"?> B-6. Markteintrittsformen 29 und relativ geringerem Risiko: Bei einer Fehleinschátzung kónnen die Gescháftsbeziehungen schnell beendet werden, und die «sunk-costs» sind relativ gering. Gegen das Zahlungsrisiko, d.h. dafi der Kunde nicht zahlt, kann sich der Exporteur weitgehend absichern (vgl. Abschnitt H-3.2 zur Hermes-Versicherung). Die Verteilung der transportbedingten Kosten, Risiken und Abwicklungsverpflichtungen auf Exporteur und Importeur ist vertraglich zu regeln, was meist weniger eine Frage von Kostenunterschieden ist, sondern eine Frage der Risikoverteilung und der ZweckmáSigkeit (vgl. Abschnitt G-2 zu den Incoterms). Fiir risikoscheue und auch kapitalschwache Unternehmen ist diese Markteintrittsstrategie sehr vorteilhaft. Nachteilig ist die (geographische) Kundenfeme auch wenn man den Markt gut kennt -, was sich erschwerend z. B. auf die Servicequalitat, aber auch die Akquisition von Neugescháften im Ausland sowie allgemein auf die Lieferanten-Kunden-Beziehung auswirken kann. Manche Márkte sind auf diese Weise nicht zu erschlieSen. Unter anderem in Japan ist der persónliche, direkte Kontakt zum Kunden fast unabdingbar; auch in China ist die lokale Prásenz ein Mul? . 11 Dies kann zunáchst durch reisende Exportvertreter, im Ausland ansássige eigene Handler oder Vertreter oder durch Vertragshándler abgedeckt werden. In einer spáteren Stufe ist ggf. stándig eine eigene Prásenz erforderlich, fur die es verschiedene Moglichkeiten gibt (vgl. weiter unten). Allgemein besteht bei direktem Export die Gefahr von Kommunikationsproblemen mit den Gescháftspartnem, und es kann zu transportbedingten Lieferverzógerungen und verzbgerter Einfuhrabwicklung im Bestimmungsland kommen, welche die Zufriedenheit des Kunden beeintráchtigen kónnen, auch wenn sie vom Exporteur nicht zu vertreten und nicht zu beeinflussen sind. Háufig kónnen sich Unternehmen daher nicht auf Dauer auf reine Exportgescháfte beschránken. Zudem kónnen im Auslandsmarkt lokale Produzenten ais Konkurrenten auftreten, oder es kommt zu Importkonkurrenz aus anderen Lándern. Dies führt nicht nur zu Absatzproblemen, wenn die Konkurrenz gleich gut, aber billiger ist, sondern auch, weil die Konkurrenz vor Ort prásent ist und Marktchancen unmittelbarer wahrnehmen kann. Es ist eine alte Marketingweisheit, daS es siebenmal teurer ist, einen neuen Kunden zu gewinnen, ais einen alten zu halten. Die Kundenzufriedenheit (clienting) ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, der aulSer durch die Preis- und Qualitátspolitik vor allem vom Service bestimmt wird. Die Náhe zum Kunden kann Friktionen vermeiden oder abbauen, die sich aus reiner Exportbelieferung ergeben kónnen. B-6.2. Indirekter Export und Import B-6.2.1. Entscheidungskriterien Beim indirekten Aufienhandel erfolgen Kauf und Verkauf über zwischengeschaltete Personen oder Unternehmen. Dies bietet sich an, wenn Ausbzw. Einführer nur über geringe Auslandserfahrung und weniger Marktkenntnis und Kontakte verfügen ais der Zwischenhánd- 11 Die Medima-GmbH, Hersteller von Wollwásche, berichtete, daf? sich erst nach sieben mageren Anlaufjahren die betráchtlichen Investitionen in den Aufbau persónlicher, intensiver Betreuungsstrukturen in Japan amortisiert harten. Mittlerweile steht das Unternehmen allerdings vor dem gánzlichen Aus. Das wird sicher nicht nur am japanischen Engagement gelegen haben. <?page no="52"?> 30 B Marktauswahl und Markterschlieftung ler. Import- und Exportaspekte sind oft spiegelbildlich, so daS wir hier vor allem auf den Export eingehen. Beim indirekten Export nutzt man die Erfahrung von Untemehmen oder Personen aus, die den Markt im Partnerland gut kennen, ihr Know-How und Dienstleistungen einbringen und den Export moglicherweise auch den Import im Zielmarkt technisch abwickeln, z. B. selbstándige Exportvertreter, Vertragshándler, Makler oder spezifische Export-Management-Dienstleister (Handelsháuser). Dadurch ist das Risiko der Marktferne geringer. Dieser Geschaftspartner kann sowohl im Exportland als auch im Importland ansássig sein. Sofern der Zwischenhándler in Deutschland ansássig ist und auf eigene Rechnung und Gefahr arbeitet, handelt es sich fur das deutsche Untemehmen im Prinzip um ein reines Binnengescháft. Aus haftungsrechtlicher Sicht allerdings kann auch bei solchen Transaktionen der Hersteller bzw. Verkáufer sich mit den Folgen eines Exportgescháfts konfrontiert sehen (vgl. Abschnitt H-6 zur Produkthaftung). Der Vorteil des indirekten Exports besteht vor allem in geringeren Investitions- und Organisationserfordernissen (keine Exportabteilung, keine Vertriebsorganisation im Ausland). Nicht selten erfolgt die Belieferung des Zielmarktes durch Kommissionáre, die aus Konsignationslágern heraus verkaufen, die oft als Zollager organisiert sind (vgl. unten und Abschnitt K-4.3) und die Marktbedienung erleichtern. (Sofern die Vertriebsleute im Ausland erfolgreich sind, wird sich allerdings bald die Frage stellen, ob nicht doch eine eigene Produktion vor Ort sinnvoll ist, eventuell allein oder mit einem Partner, siehe unten.) Zudem konnen eine Reihe von Risiken und Kosten auf die zwischengeschalteten Untemehmen iibertragen werden: Beim indirekten Export ist beispielsweise kein eigenes Vertriebsnetz des Exporteurs erforderlich, und das Absatzrisiko und weitere Risiken (vgl. Teil H) sowie die Kosten ab Zwischenhándler liegen bei diesem. Beim indirekten Export iiber ein im Importland ansássiges Untemehmen bestehen fur den Kunden oft bessere Móglichkeiten, die Ware vor VertragsabschluS zu priifen. Solchen (hier nur unvollstándig angesprochenen) Vorteilen steht in der Regel der Nachteil gegeniiber, dafi zwischengeschaltete Handelsháuser oder selbstándige Handelsvertreter sich nur begrenzt vom Exportland aus steuern lassen. Der indirekte Handel steht und fállt mit dem Engagement, den Qualifikationen und der Fortune des Reprásentanten im Gastland. Auch ist der Kontakt zwischen dem eigentlichen Hersteller und dem Kunden durch die Zwischenschaltung einer Handelsstufe eben auch nur indirekt. Der Zwischenhándler oder Vertreter tut sich oft schwer, die produktbezogenen Stárken gegen den Nachteil herauszukehren, dais der Hersteller nicht im Land prásent ist, was tendenziell Pre- und After-Sales- Servicenachteile bedeuten kann (geographische Entfernung, telefonische Erreichbarkeit [ggf. Zeitverschiebung, Feiertage], Reaktions- und Lieferzeiten, Sprache etc.). Das wirtschaftliche Risiko, ob der ausgewáhlte Vertreter auch etwas taugt, ist oft grower, weil <eine gute Wahl> oft ein Problem darstellt. Hier muS man sich oft auf trial and error einlassen. Eine enge ókonomische Bindung an das Stammhaus kann ein sinnvolles Instrument sein, beispielsweise durch attraktive Provisionen oder durch eine Einbindung als Mitgesellschafter. Die Gewinnung guter Reprásentanten im Ausland ist oft schwerer als die Rekrutierung neuer Mitarbeiter im Stammhaus (Abb. 6/ 2). Probleme kónnen sich ferner ergeben aus der rechtlichen Vertragsgestaltung, z. B. im Hinblick auf auslándisches Handelsvertreterrecht: Nicht in alien Lándern kónnen die nach deut- <?page no="53"?> B-6. Markteintrittsformen 31 schem Recht móglichen AusschlieElichkeitsvereinbarungen durchgesetzt werden, so dafi der <eigene> Handelsvertreter móglicherweise gleichzeitig Konkurrenzuntemehmen vertreten kann, was sich auch vom Heimatland aus schlecht kontrollieren lafst. Beispielsweise vertreten in den USA sog. «Multiple Line Reps» (= representatives) typischerweise 5 bis 15 verschiedene Hersteller. Auch innerhalb der EG ist das Handelsvertreterrecht trotz einer Harmonisierungsrichtlinie der EG nicht umfassend harmonisiert. Rechtliche Risiken kónnen durch entsprechende juristische Beratung weitgehend ausgeschaltet werden, was jedoch einen entsprechenden Kostenaufwand erfordert. PRAXISTIP Die Bundesagentur fiir AufSenwirtschaft (bfai) in K6ln führt eine Liste von Rechtsanwálten und Patentanwalten in Europa. Auch die Intemetseiten von Lexmundi (einem Verbund von rund 160 Anwaltskanzleien und 14.000 Anwálten enthalten Informationen iiber Niederlassungs-, Steuer, Arbeits- und Handelsvertreterrecht. Die Benutzung ist kostenlos: www.lexmundi.org. Die Einschaltung von Zwischenstufen ist ein zusátzlicher Kostenfaktor, wodurch die Gewinnspanne reduziert werden kann. 12 Fiir einen eigenen stándigen Reprásentanten im Ausland muf> man als Gehaltsfixkosten (incl. Auslandszulagen und Reisespesen) leicht 125.000 Euro (und mehr) pro Jahr rechnen; ein Gescháftsführer einer Auslandsniederlassung erwartet eher 200.000 Euro. Hinzu kommen Biirokosten, die in manchen Lándern Asiens enorm teuer sind. Eine Reprásentanz kann sich so schnell auf 500.000 Euro p.a. summieren. Andererseits gibt es viele Negativbeispiele, wo zwar billigere, aber unerfahrene Kráfte im Ausland keinen Erfolg hatten. Dann ist die komplette Investition als <sunk costs> anzusehen, und mehr ware oft mehr gewesen: Nicht kleckern, sondern klotzen. - Fiir die Überlegung, ob die Exportbzw. Importaktivitaten in einer speziellen Abteilung zusammengefafit oder von den Funktionseinheiten mitbetreut werden, vgl. Abschnitt L-6.5.2. B-6.2.2. Formen indirekten Handels (a) Einfuhr-/ Ausfuhrhandler Ein Ausfuhrhandler stellt eine eigene Handelsstufe dar: Der deutsche Hersteller z. B. verkauft an einen deutschen AuEenhándler (Zwischenhándler, z. B. ein GroEhándler); das Eigentum an der Ware geht auf den Aufenhándler iiber. Dieser verkauft im eigenen Namen und fiir eigene Rechnung an auslándische Importeure. Dies gilt analog fiir Einfuhrhándler als Zwischenstufe zwischen auslándischem Exporteur und inlándischem Káufer, nicht selten ais Vertragshándler. Faktisch ergibt sich daraus ein Inlandsgescháft. (b) Absatz- oder Handelsmittler Absatz- oder Handelsmittler stellen keine eigene Handelsstufe dar. Daher findet sich gelegentlich die Aufassung, daS es sich folglich auch nicht im indirekten Handel handelt. Wir 12 Andererseits kann man als indirekter Importeur auch von Mengenrabatten profirieren, die der Einfuhrhándler in Anspruch nehmen kann. <?page no="54"?> 32 B Marktauswahl und MarkterschlieRung woilen diese eher akademische Frage hier jedoch nicht vertiefen, weil dies fur die Praxis egal ist. Es gibt es eine Reihe verschiedener Absatz- oder Handelsmittler: • Ein Reisender steht in einem (stándigen) unselbstándigen Gescháftigungsverháltnis zu dem vertretenen Unternehmen. Er handelt in fremdem Namen und auf fremde Rechnung (auch: unselbstándiger Handelsvertreter). • Ein (selbstándiger) Handelsvertreter (Agent) ist ein rechtlich selbstándiger Kaufmann, der aber in fremdem Namen und auf fremde Rechnung handelt (§ 84 HGB). Die konkrete Rechtsbeziehung im Innenverhaltnis kann vertraglich gestaltet werden; z. B. kann sich die Handlungskompetenz erstrecken nur auf die Vermittlung von Kontakten oder auch auf den AbschluE (Abschlufrvertreter). Handelsvertreter stehen in der Regel in einem stándigen Vertragsverhaltnis zu dem vertretenden Unternehmen und arbeiten auf Provisionsbasis (oft ist auch ein Fixum iiblich), háufig auch fur mehrere Auftraggeber. Sie kónnen im Inland (Exportvertreter) oder Ausland (Auslandsvertreter) tátig sein. Auslandsvertreter iibernehmen oft die Einfuhrabwicklung und organisieren den Transport fur den Kunden. CIF-Agenten haben sich meist auf bestimmte Warengruppen spezialisiert und bieten diese zu CIF-Konditionen an, d. h. «frei Grenze» Importland. 13 Sie haben dabei oft ein Alleinvertretungsrecht, was hingegen in den USA eher untypisch ist. Die rechtlichen Regelungen beziiglich der Handelsvertreter sind international sehr unterschiedlich, z. B. was die Moglichkeiten anbelangt, die Tátigkeit von Handelsvertretern fur Konkurrenzunternehmen auszuschliefien. Vor Abschluf? von Handelsvertretungsvertragen sollte man sich griindlich über die nationalen rechtlichen Besonderheiten informieren. PRAXISTIP Informationen und Unterstützung bieten an u. a. die Centralvereinigung Deutscher Handelsvertreter und Handelsmakler-Verbánde (www.cdh.de). der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU; www.bdu.de) oder der Bundesverband des Deutschen Graft- und Auftenhandels e.V. (BGA; www.bga.de). Bundesverband Deutscher Vertriebsfirmen (www.bdv-aktuell.de) oder der Bundesverband des deutschen Exporthandels e.V. (BDEx; www.bdex.de). • Ein Makler (vom niederdeutschen tnaken = machen) (§§ 93ff HGB) ist selbstándig und spezialisiert auf Vertragsanbahnung und -vermittlung zwischen wechselnden Auftraggebern. In der Regel besteht kein stándiges Vertragsverhaltnis, sondern es handelt sich um Einzelauftráge. Typische Beispiele sind Warenmakler (die bei Auktionen und Bórsengescháften tátig werden), Versicherungsmakler oder Schiffsmakler. Fur Maklergeschafte gelten meist bestimmte Formvorschriften (z. B. muS eine sog. Schlufinote über getátigte Gescháfte ausgestellt werden). Der Maklerlohn (Gebühr) wird auch als Courtage bezeichnet (vor allem bei Devisentransaktionen) und wird iiblicherweise zwischen beiden Vertragspartner geteilt. Makler handeln in eigenem Namen fur fremde Rechnung. Im internationalen Handel spricht man auch von cif-Agent, comprador, distributor und jobber. Im Finanzbereich werden Makler auch als Broker bezeichnet. 13 CIF (costs, insurance, freight) ist eine Standardklausel (vgl. Abschnitt G-2) und bedeutet, da(? Lade- und andere Kosten, Versicherung und Fracht bis zum Bestimmungsort im Ausland vom Exporteur getragen werden. <?page no="55"?> B-6. Markteintrittsformen 33 • Eine andere Móglichkeit besteht darin, «Briickenkopfe» mit Kommissionswaren zu begründen. Ein Kommissionár (§ 383ff HGB) (commision [frz.] = Auftrag) kauft bzw. verkauft selbstándig in eigenem Namen, aber auf Rechnung des jeweiligen Auftraggebers (Kommittent). Er iibemimmt z. B. für einen Exporteur Ware in eigenem Namen, aber fur fremde Rechnung (Verkaufskommissionár) und erhált dafiir eine Provision. Es findet also kein Zwischenerwerb start; das Eigentum verbleibt bis zum Verkauf beim Exporteur, d. h. der Exporteur tragi das Absatzrisiko. Sofern die Ware nicht verkauft wird, entstehen ihm Lager- und andere Kosten, und er muí? ggf. auch den Riicktransport der Ware tragen, sofern es nicht giinstiger ist was oft der Fall ist -, die Ware vor Ort zu <verramschen>. Móglich ist auch das Handeln auf eigene Rechnung des Kommissionáres durch Selbsteintritt und anschlieSenden Verkauf aus eigenen Bestánden. Sofern der Exporteur sein Warensortiment durch Zukáufe im Ausland ergánzt und diese im Ausland wieder verkauft, liegt auSenwirtschaftsrechtlich Transithandel vor (vgl. Abschnitt J-4). Im Innenverháltnis zum Verkaufer entspricht der Kommissionár weitgehend einem Handelsvertreter. Analoges gilt im Export fur einen Verkaufskommissionár. Kommissionslager werden oft als Konsignationslager organisiert (consigner [frz.] = verwahren, hinterlegen), dessen Bestánde Eigentum des Verkáufers bleiben: Der Produzent/ Lieferant (Konsignant) liefert Waren in ein Lager, zu treuen Hánden des Lagerhalters (Konsignatar). Dieser rechnet z. B. monatlich über die aus dem Lager entnommenen Waren ab. Export-Konsignationslager liegen meist im Importland. Sie sichern eine schnelle Belieferung des auslándischen Marktes und ermóglichen dem auslándischen Káufer eine Besichtigung und Pruning der Ware. Der Exporteur bleibt Eigentiimer der Ware. PRAXISTIP Die Ware mulS im Lager und in der Bestandsbuchhaltung als Konsignationsware gekennzeichnet sein, urn vor einer Zwangsvollstreckung geschiitzt zu sein. Bei der Einfuhr werden Konsignationslager zudem oft als Zollager gefiihrt. Dies hat den Vorteil, dafi die Ware ohne aufienwirtschaftsrechtliche Abfertigung und in einer vereinfachten zollrechtlichen Behandlung in das Zollager verbracht werden kann, ohne dafi wáhrend der Lagerzeit Zolle oder Steuern erhoben werden. Dies geschieht erst bei Verlassen des Zollagers zur endgiiltigen Einfuhr (vgl. Abschnitt K-4.3). Beispielsweise fiihren Automobilhersteller und Versandhandelsunternehmen meist riesige Warenlager als Zollager. Háufig wird Ware exportiert, die der Exporteur bei Lieferanten einkauft und von dort aus direkt an den Kunden ausliefern láSt (Streckengescháft), nicht selten in neutraler Verpackung und Aufmachung, so daE der Kunde dies gar nicht merkt. Der Exporteur sollte dabei sicher sein, daE der Lieferant richtig leistet; ggf. kann man spezialisierte Unternehmen mit einer Qualitátsprüfung vor Versendung beauftragen (Pre-Shipment-lnspckúon). B-6.1.3. Tauschhandel / Kompensation In vielen Fallen muS im internationalen Gescháft in Kauf genommen werden, dafi der Káufer nicht in auslándischen Devisen bezahlen kann, weil sie in seinem Land nicht in hinreichendem MafSe zur Verfiigung stehen und er auch nicht auf Devisenkredite zuriickgreifen kann (vgl. Abschnitt D-2.2 zu Bestellerkrediten). Fur Exporteure stellt sich daher oft die <?page no="56"?> 34 B Marktauswahl und Markterschlieftung Frage, ob sie ein Kompensationsgescháft akzeptieren oder auf einen AbschlufS verzichten. Tausch- oder Kompensationsgescháfte werden auch als Gegengeschafte, Verbundgeschafte, Bíjríer-Gescháfte oder counter trade bezeichnet (Abb. B-6/ 3). Aus der Sicht-des Exportuntérnehmens sind derartige Gescháfte meist unbeliebt, denn sie verursachen Probleme, die auSerhalb des üblichen Gescháftsbetriebes liegen: Der Exporteur von Maschinen wird beispielsweise mit LederfuSbállen bezahlt, oder ein Hersteller von Motoren fur Sportfluge muS Kaffee als Bezahlung akzeptieren. Nicht selten kónnen so auch noch Produkte vermarktet werden, die ais regulare Ware nicht mehr absetzbar wáren, weil auch der Káufer Kompromisse machen muí? . Abb. B-6/ 3: Tauschhandel Am Kompensationshandel mit Osteuropa fiihrt noch kein Weg vorbei | Im Handel Maschinen gegen Rohstoffe ist Vertragstreue gefragt Die GUS bleibt für Maschinen- und Anlagenbau Grimma wichtig / „Trinkfestigkeit gefragt" Russen bezahlen die Modernisierung ihrer Kraftwerke mit Erdgas Es liegt auf der Hand, daf? Kompensationsgescháfte besonderen Risiken und Problemen unterliegen. In erster Linie ist dabei an die Festlegung der Verrechnungswerte zu denken, da es zwar fur bestimmte Rohstoffe Warenborsen gibt, aber z. B. nicht fur Turnschuhe. Der Warenwert wiederum hángt ab von der Qualitát und somit von Qualitátsmángeln, wenn bei unzuverlassigen oder unseriosen Partnern die im Tausch gelieferte Ware minderwertig ist und folglich nicht den erwarteten Verkaufserlos erbringt. Hinzu kommen der lángere Verhandlungsaufwand vor dem AbschluS, Lieferverzogerungen, ggf. erst spáterer Liquiditátszufluí? und ein betráchtlicher administrativer Aufwand, sowohl hinsichtlich der Behordenformalitaten als auch innerbetrieblich (statt lediglich einen Zahlungseingang zu buchen, muí? ein Warenimport- oder Transitgescháft abgewickelt werden). Obgleich hier eine betráchtliche statistische Grauzone vorliegt, schátzt der IWF den internationalen Kompensationshandel auf ein Volumen von 300-400 Mrd. USD oder 15-20% des Welthandels. Für deutsche Firmen betrágt der Kompensationsanteil meistens nur bis zu 1 % des Umsatzes; nur in Einzelfállen werden Werte bis zu 10 % des Umsatzes genannt. Am verbreitetsten ist der Tauschhandel im Zwischenhandel mit osteuropáischen Staaten und Entwicklungslándern, sektoral in der Chemie-, Maschinen-, Metall- und Fahrzeugindustrie. Grófere Firmen haben in der Regel bessere Móglichkeiten, die als <Bezahlung> angenommenen Güter wieder zu vermarkten. Innerbetrieblich entstehen zudem betriebsinterne Abwicklungs- und Verwaltungskosten. Die Kosten betragen nicht selten 15%-50% des Warenwertes, und diese müssen bei den Verrechnungspreisen berücksichtigt werden. Nicht wenige Unternehmen unterhalten hierfiir eigene Abteilungen, andererseits gibt es auch Spezialunternehmen, welche Counter-Trade-Güter aufkaufen und vermarkten: eine Art Güter- Factoring. Dabei sind als Kosten meist zu berücksichtigen Vermittlungsgebühren, Inspektionsgebühren im Exportland und Abwicklungsgebühren; ferner sind wegen der diversen Risiken oft betráchtliche Preisabschláge hinzunehmen. Nicht selten tauchen solche Waren in billigen Verbrauchermárkten als Sonderposten auf. <?page no="57"?> B-6. Markteintrittsformen 35 Verschiedene Formen von Kompensationsgescháften sind zu unterscheiden: • Beim Kompensationsgcschaft i.e.S. (<klassischer> barter) werden Waren gegen Waren (bzw. Dienstleistungen) getauscht, z. B. werden Arzneimittel geliefert und in FuSbállen <bezahlt>. Dabei werden Lieferung und Gegenlieferung im Rahmen ein und desselben Vertrages in einer Wáhrung bewertet, u. U. sogar formal fakturiert, und gegeneinander aufgerechnet. Wenn keine Vollkompensation zu 100 % vorliegt, erfolgt ggf. ein Spitzenausgleich auf dem Zahlungsweg (Teilkompensation). Dritte sind dabei nicht eingeschaltet (im Gegensatz zum Switch-Geschdft, vgl. nachstehend Abschnitt B-6.1.4). Eine Weitergabe der Abnahmeverpflichtung des Exporteurs an Dritte ist nicht móglich. Diese Form der Gegengescháfte (GG) ist heute recht selten geworden. • Bei Gegenkáufen (counterpurchase) verpflichtet sich der Verkaufer der Exportware, fur einen Teil des Exporterlóses Waren aus dem Abnehmerland, u. U. Erzeugnisse des Importeurs, abzunehmen, so dai? dort keine Devisen abfliefien. Es handelt sich dabei um zwei sich wertmaSig entsprechende, formal aber getrennte Vertrage. Der zweite Vertrag enthált eine Vertragsstrafe (Pónale) für den Fall der Nichterfüllung des ersten Vertrags; er kann mit Einverstándnis des Abnehmers auch durch Dritte erfiillt werden. Gegenkáufe werden auch als Parallel- oder Junktimgeschaft oder Auflagenverkaufe bezeichnet. PRAXISTIP Diese Trennung ¡st insbesondere wichtig ¡m Hinblick auf eine Absicherung des Exportgescháfts durch die Hermes-Versicherung (vgl. Abschnitt H-3.2), da nur ein von Importvertrágen unabhangiger Exportvertrag zu besichem ist; zumindest darf das Gegengeschaft nicht explizit aus dem Exportvertrag hervorgehen. Im Zusammenhang mit der Devisenknappheit der osteuropaischen Lander verstarken sich die Forderungen des Exportwirtschaft, auch <klassische> Kompensationsgeschafte im obigen Sinne in die Hermes-Versicherung einzubeziehen. • Beim Vorwegkauf (advanced purchase) erhált der Exporteur zuerst die Gegenware und zahlt den Kaufpreis auf ein Treuhandkonto (escrow account) ein. Dadurch erhált er die Sicherheit, daS seine noch zu leistende Lieferung in Hóhe dieses Betrages gesichert ist. Dann erfolgt die Lieferung an den Importeur. Gegen Vorlage der entsprechenden Dokumente (Akkreditiv) erhált der Exporteur Zahlung aus dem Treuhandkonto. • Bei Rückkáufen (product-buy-back) liefert der Exporteur z. B. Werkzeugmaschinen und nimmt als <Bezahlung> Werkzeuge ab, die mit eben diesen - oder analogen - Maschinen erstellt werden (auf dieser Basis verlief seinerzeit das sog. Erdgas-Róhren-Gescháft mit der UdSSR). Da Lieferung und Gegenlieferung zeitlich verzogert erfolgen, ist dabei eine Kreditvereinbarung erforderlich. • Eine Variante sind trade-off sets, bei denen sich der Exporteurs verpflichtet, im Rahmen der Produktion der betreffenden Lieferung Unterauftráge an Unternehmen des Importlandes zu vergeben. So gesehen liegt dann eine Auftragsfertigung vor. Eine weitere Variante stellen Dreieckskompensationen dar; dazu anschlieSend. B-6.1.4. Switch-Geschafte Switch-Geschafte (to switch = tauschen, wechseln) oder Dreieckskompensationen waren im <?page no="58"?> 36 B Marktauswahl und MarkterschlieRung Ost-West-Handel weit verbreitet, werden aber auch im Handel mit Entwicklungslandern getátigt. Vor allem drei Varianten sind gebráuchlich: (a) Dreieckskompensation mit barter Ware: A liefert harte, d. h. gut verkaufliche Ware an B, dieser harte Ware an C, C zahlt an A harte Devisen. (b) Dreieckskompensation mit weicher Ware: A liefert harte, d. h. gut verkaufliche Ware an B, dieser weiche, d. h. schwer verkaufliche Ware an C, dafiir berechnet C eine «Preisstiitzung» (Risikoabschlag) und zahlt an A harte Devisen minus Abschlag, den A in seiner Kalkulation bereits berücksichtigt hat. (c) Dreieckskompensation mit Finanzswitch: Ein direkter Export aus Aland nach Benesien scheitert am Devisenmangel: Benesien kann nur in seiner <weichen> Inlandswáhrung (Taler) zahlen. Folglich bietet sich folgendes Verfahren an (Abb. B-6/ 4): Der Exporteur verkauft seine Ware einem Switch-Handler und wird in harter Wáhrung bezahlt (Euro), der Handler verkauft die Ware nach Benesien und wird in weichen benesischen Talern bezahlt. So gesehen, hat er harte gegen weiche Wáhrung getauscht ein schlechter Tausch. Er tut dies jedoch, weil er bei einer zweiten Transaktion den umgekehrten Weg beschreitet: Der Handler kauft Ware in Benesien, bezahlt in Talern, verkauft die Ware nach Aland und erhált harte Wáhrung selbstverstándlich jedesmal mit entsprechenden Gewinnmargen. Abb. B-6/ 4: Switch-Ceschaft 1 Exporteur Aland V \ \ Ware Euro \ \ Importeur Benesien / / Taler Ware / / Switch-Handler Cedonien 2 Importeur Aland \ \ \ Ware Euro W Exporteur Benesien / / Taler Ware / / Switch-Handler Cedonien PRAXISTIP Rechtzeitig d. h. vor VertragsabschluG sollten Informationen über die rechtlichen Rahmenbedingungen von Gegengescháften im Importland eingeholt werden. Dies ist zu ergánzen durch frühzeitige Informationen über Vermarktbarkeit der Gegenware (Mengen, Preise). Wie erwáhnt, sollten Export- und Importvertrag klar getrennt werden. Die Vertráge sollten eindeutige Regelungen enthalten für Verzug (auf beiden Seiten) und für Nicht- oder Schlechtlieferung. Unbedingt sollten Regelungen,zur Streitschlichtung vereinbart werden, insbesondere in Form einer Schiedsklausel (vgl. Abschnitt F-4). Sinnvoll ist eine Transferklausel, die eine Abtretung der Abnahmeverpflichtung des Exporteurs für die Gegenware an Dritte erlaubt. <?page no="59"?> B-6. Markteintrittsformen 37 B-6.1.5. Leasing Bei Leasinggescháften werden die Giiter nicht verkauft, sondern vermietet. Abschnitt D-3.1 geht ausführlicher auf Formen und Bedeutung des Leasing ein. B-6.3. Kooperation Unter Kooperation (Ko-Produktion) versteht man eine sachlich und/ oder zeitliche begrenzte Zusammenarbeit zwischen ansonsten unverbundenen Unternehmen. Kooperationen kónnen auf jeder beliebigen Wertschópfungsebene erfolgen. Beispielsweise werden Marktforschung oder Produktentwicklung gemeinsam durchgefiihrt, Marketingstrategien entwickelt oder Vertriebsstrukturen gemeinsam aufgebaut und genutzt, andere Kooperationen erstxecken sich auf Beschaffung, Fertigung, Vertrieb, Marketing und Werbung, Finanzierung oder Forschung und Entwicklung (Abb. B-6/ 5). Im AuEenhandel werden auch oft Kooperationsvertráge zur Beschickung von Messen geschlossen, um die Vorbereitung und Abwicklung zu erleichtem und zu koordinieren und um Kosten zu sparen. Abb. B-6/ 5: Kooperationen Kosten senken durch Ko o p e r a tio n Erfahrungen aus dem Maschinenbau / Gleiche Kunden, vcrschiedenc Produkte Deutsche Investitionsgüterhersteller kooperieren zu wenig Henkel erschliefit durch Kooperation neue Márkte in Polen Henkel Bautechnik - Polska GmbH / Ein deutsch-polnisches Gemeinschaftsunternehmen gegründet Kooperationen werden insbesondere gerne gewáhlt, um ohne gróSeren Kapitaleinsatz einen Ful? in einen auslándischen Markt setzen zu kónnen. Manchmal kooperieren dabei kleinere Unternehmen mit gróSeren, im Ausland bereits etablierten Unternehmen, um von deren Erfahrungen zu profirieren (sog. Huckepack-Strategie), aber auch Kooperationen zwischen <gleichen> Partnern sind gebráuchlich. Kooperationen bieten sich auch an zur Ausfuhrung von Auftrágen oder Projekten, die fur einzelne Unternehmen zu groS sind. Nach Abschlul? des Projekts lost sich die Kooperation wieder auf (im Inland werden z. B. Autobahnbauabschnitte oft von einer «ArGe» [Arbeitsgemeinschaft] ausgefiihrt). Daneben gibt es dauerhafte Kooperationen, beispielsweise Unternehmenspools: Zwei oder mehrere Unternehmen tun sich zusammen, teilen sich die Kosten und auch das Risiko, um mit relativ geringem Aufwand einen neuen Markt zu testen. Neben meist vertriebsorientierten gibt es auch zahlreiche Beispiele fur Servicepools. In der Regel handelt es sich dabei nicht um unmittelbare Konkurrenten. Erfolgt die Kooperation in der gleichen Branche und auf derselben Produktionsstufe, spricht man von horizontaler Kooperation (z. B. gemeinsamer Betrieb einer Versuchsanlage); arbeiten verschiedene Produktionsstufen zusammen, liegt vertikale Kooperation vor. In einer Interessengemeinschaft versuchen mehrere Unternehmen, ihre Interessen gemeinsam besser durchzusetzen als einzeln. Hierzu záhlen auch branchenspezifísche Verbánde und <?page no="60"?> 38 B Marktauswahl und Markterschlieftung Vertretungen im Ausland. In zunehmendem Mafie sind funktionsspezifische Kooperarionen zu beobachten zwischen Unternehmen, die grundsátzlich Konkurrenten sind, die als strategische Allianzen bezeichnet werden. Im Rahmen solcher Biindnisse werden beispielsweise im Automobilbau Motoren oder andere Komponenten entwickelt und gefertigt, die beide Allianzpartner nutzen. Zweck der Übung ist, Risiken gemeinsam zu tragen und durch die Biindelung von Ressourcen Kostenvorteile nutzen zu kónnen, u. a. bei Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen (F&cE), oder um gegen gemeinsame Feinde zu Felde zu Ziehen. Es wird einleuchten, daS solche Allianzen auf horizontaler Ebene den internen Wettbewerb zwischen den Kooperationspartnern begrenzen. Hierfur wurde eine schóne Wortschópfung gefunden: Coopetition, also eine Kombinantion von cooperation (Zusammenarbeit) und competition (Wettbewerb). 14 Natiirlich gibt es auch vertikale Allianzen (entlang der Wertschópfungskette zum Kunden) und branchenfremde Kooperarionen. Vor allem Mittelstándler beginnen dieses Instrument als niitzlich zu begreifen im Wettbewerb mit Konzernen. Die Abgrenzung zu Joint Ventures (vgl. unten) ist dabei oft unscharf. Nicht selten entwickeln sich aus anfánglichen Allianzen auch umfassendere Unternehmenszusammenschliisse. An dieser Stelle bleibt zu betonen, dafi die vertragliche Ausgestaltung einer Kooperarion oder eines Joint Venture eine Sache ist, ihre Umsetzung in die und in der Praxis aber eine andere, und eine viel entscheidendere. Oft wird vertraglichen Details zuviel Aufmerksamkeit geschenkt, womit jedoch konkrete Praxisprobleme nicht immer gelóst werden kónnen. Kooperarionen gleich welcher Form werden um so erfolgreicher sein, je besser es gelingt, Wí'tt-i¿w-Situationen auszunutzen, bei denen beide (alie) Partner profirieren. Wenn sich die Vor- und Nachteile zu ungleichgewichtig verteilen, wird die Kooperarion nicht von langer Dauer sein. B-6.4. Vertragsfertigung und Veredelung (a) Bei der Auftragsproduktion (Vertragsfertigung, sub-contracting, contracting-out) bekommt ein Unternehmen im Ausland den Auftrag, für das heimische Unternehmen Zwischen- oder Endprodukte zu produzieren. Diese Giiter kónnen anschlieSend sowohl auf dem heimischen ais auch auf dem auslándischen Markt abgesetzt werden. Dies kann eine Vorstufe zu einer direkten Beteiligung deutscher Unternehmen an auslándischen Unternehmen darstellen, insbesondere wenn dabei ein Transfer von Know-how, Maschinen, Ausbildungsprogrammen und Kapital erfolgt, um die Qualitát des zu produzierenden Gutes sicher zu stellen. Bei geographisch grofseren Entfernungen kann sich aber die Kontrolle und Steuerung, insbesondere die Qualitátskontrolle als problematisch erweisen, denn man kann nicht mal eben kurz nach Singapore fliegen, dort nach dem Rechten sehen und am náchsten Tag wieder zuriick in Deutschland sein: In nicht wenigen Fallen haben deutsche Unternehmen ausgelagerte Produktionsbereiche wieder zuriickgeholt, weil die Kostenvorteile, die zunáchst im Vordergrund standen und meist den Anreiz für ein outsourcing darstellten, durch Effizienznachteile oder Qualitátsverluste überkompensiert wurden (Abb. B-6/ 6). Die Kosten für erforderliche Schulungen auslándischer Partner werden oft stark unterschátzt, aber die Nachteile unzureichender Produktivitát in der Produktion und schlechter Qualitát der Güter stellen sich erst mit Verzógerung im Lauf der Zeit heraus. 14 Nalebuff, B. I Brandenburger, A., Coopetition kooperativ konkurrieren, Heidelberg 1999. <?page no="61"?> B-6. Markteintrittsformen 39 Abb. B-6/ 6: Outsourcing hat nur Sinn bei Qualitátsverbesserung Allein die Kostensenkung sollte nicht im Vordergrund stehen / ; > Die Vertráge gehen oft zu Lasten des Dienstleisters (b) Eine wichtige Form des internationalen Warenverkehrs sind Veredelungen. Veredelung bedeutet Bearbeitung, Verarbeitung oder Ausbesserung von Waren und Rücksendung an das Herkunftsland innerhalb bestimmter Fristen. Dabei gíbt es zwei Arten: Bei einer passiven Veredelung transportiert z. B. ein deutsches Unternehmen Stoffe nach Indien und láEt sie dort zu Hemden verarbeiten. AnschlieEend werden die Hemden wieder nach Deutschland zuriickgebracht und dort oder von dort aus verkauft. AnlaS fur passive Veredelungen sind die oft erheblich niedrigeren Arbeitskosten im Partnerland («Billiglohnlander»), wobei insbesondere Siidostasien und Osteuropa eine bedeutende Rolle im Veredelungsgescháft spielen. Auch hier besteht ein Nachteil in der Schwierigkeit, die Qualitát der auslándischen Produktion zu sichern. PRAXISTIP Bei Produktionsverlagerungen se¡ es durch Kooperationen, Auftragsfertigung, passive Veredelungen, Joint Ventures oder Direktinvestitionen empfiehlt es sich, von Anfang an eine starke Beratungskomponente für den Partner mit einzuplanen. In der Regel wird in der Anlaufphase immer viel «Entwicklungshilfe» zu leisten sein. Dies wird in der Kostenplanung oft vernachlassigt und setzt auch entsprechende personelle Kapazitáten des <Mutterhauses> voraus. Umgekehrt werden Waren aus dem Ausland im Rahmen der aktiven Veredelung nach Deutschland gebracht, meist urn gewartet oder repariert zu werden, weil das erforderliche Know-how im Ausland nicht vorhanden ist. Sofern der Transport dafiir zu aufwendig oder gar nicht móglich ist, reist alternativ der Monteur von Deutschland aus zu seinen Maschinen eine Form des Dienstleistungsverkehrs. Immer mehr Service-Komponenten gehen in die Industrieausfuhren ein, neben der Warning u. a. Verpackungsdienste, juristische Beratung oder Werbekampagnen, die als Vorleistungen eingekauft werden. Sofern die Veredelung auf fremde Rechnung erfolgt, spricht man von Lohnveredélung, sonst von Eigenveredelung. Vgl. auch Abschnitte K-4.2 und L-5.4 zur zoUrechtlichen Behandlung der Veredelungsverkehre. B-6.5. Lizenzfertigung/ Lizenzvergabe Lizenzfertigung bedeutet die Vergabe von Produktionsrechten oder Ausleihung von Knowhow an auslándische Produzenten oder Handler, also einen entgeltlichen Technologietransfer. Beispielsweise erlaubt ein deutscher Lizenzgeber einem brasilianischen Lizenznehmer, für einen bestimmten Zeitraum zur Produktion eines Gutes bestimmte Produktionsverfahren einzusetzen oder die Produkte mit seinem Warenzeichen zu versehen. Dies kann eine Alternative zur Direktinvestition sein, da der Lizenzgeber die Risiken einer eigenen MarkterschlieSung bzw. einer Direktinvestition umgeht. Eine Produktionslizenz bedeutet aus der Sicht des Lizenzgebers die auslándische Produktion nach inlándischer Technologie, ggf. als Markenlizenz auch <unter inlándischer Flagge>, so daS der Káufer keinen Unterschied <?page no="62"?> 4 0 B Marktauswahl und MarkterschlielSung erkennt. Eine Vertriebslizenz erstreckt sich auf das Recht, im Exportland produzierte (Marken-)Ware im eigenen Land zu vertreiben. Der Lizenznehmer entrichtet für diesen Knowhow-Transfer und diese Genehmigung an den Lizenzgeber eine Gebiihr. Ihre Hóhe ist weder gesetzlich geregelt, noch existieren hierfiir allgemeingiiltige Richtlinien. Die Lizenzgebiihren kónnen beispielsweise gewinnabhángig sein, wobei Mindestlizenzgebiihren nicht selten sind. Im Vergleich zum Export hat eine Lizenzvergabe für den Lizenzgeber den Vorteil, daE Zollbelastungen vermieden und eventuelle Importbeschrankungen umgangen werden, da ggf. nur Vormaterialien, nicht aber Fertigprodukte angeliefert werden oder die Produktion sogar vollstándig im Zielland mit lokálen Ressourcen erfolgen kann. Durch Lizenzen kónnen auch Márkte erschlossen werden, in denen (zunáchst) keine Direktinvestitionen móglich sind oder noch nicht sinnvoll erscheinen, oder sie werden vorbereitet, indem der Lizenzgeber nach Ablauf der Lizenzdauer selbst auf dem Markt auftritt. Die eingefiihrte Technologien kann sich fur andere interessierte Unternehmen als vom Lizenzgeber erwiinschte - Markteintrittsschranke erweisen. Um eine Aufdeckung von Gescháftsgeheimnissen zu vermeiden, kann der Lizenzgeber auch Bestandteile oder Komponenten, die fur die Herstellung benótigt werden, dem Lizenznehmer zur Verfiigung stellen. Beispielsweise liefert Coca Cola den Geschmackssirup direkt an die Abfiillbetriebe. Die Kapitalbindung des Lizenzgebers ist dabei gering, so daS die Lizenzvergabe besonders fur kapitalschwache Unternehmen eine Alternative zur Direktinvestition sein kann. Wenn beim Lizenznehmer (bzw. seinen Mitarbeitern) das benótigte Know-how nicht vorhanden ist, muí? der Lizenzgeber oft Unterstiitzung leisten, damit die Qualitát der Produkte gewáhrleistet ist, vor allem, wenn sie unter seinem Namen oder Warenzeichen vertrieben werden und die Kunden unzureichende Produktqualitát mit dem Lizenzgeber verbinden kónnen dies kann sich leicht imageschádigend auswirken. Die Einhaltung der Vertragsinhalte (u. a. bezüglich Produktqualitát, Produktverfügbarkeit und Preisgestaltung) kann meist weniger gut kontrolliert werden, als wenn der Lizenzgeber Produktion und Vertrieb selbst steuern wiirde. Ein weiterer Nachteil der Vergabe von Lizenzen besteht in den relativ geringen Einnahmemóglichkeiten, was insbesondere dann bedauerlich ist, wenn das Produkt im Ausland grofien Erfolg hat und mógliche Gewinne an den Lizenznehmer «verschenkt» wurden. Hinzu kommt, dafi der Lizenzgeber für die Dauer der Vertragsgültigkeit nicht selbst auf dem Markt tátig werden darf. Ihm kann es somit passieren, erst dann auf dem Markt aktiv werden zu konnen, wenn der Absatz bereits rückláufig ist. Móglich ist auch, daf? sich der Lizenzgeber durch seinen Partner nach Ablauf des Lizenzvertrages einen kompetenten Konkurrenten herangezüchtet hat, der ihm vielleicht sogar auf seinem angestammten Heimatmarkt Marktanteile abnehmen kann, wenn es ihm nicht gelingt, seinen urspriinglichen Technologievorsprung zu halten bzw. auszubauen und somit den Lizenznehmer zu einem AnschluS-Lizenzvertrag zu nótigen. Daher bietet es sich vielfach an, mit dem Partner ein Joint Venture zu begründen (vgl. weiter unten). In der internationalen Praxis werden Lizenzen vor allem zwischen Mutter-Tochter-Unternehmen vergeben. Die Lizenzzahlungen ermóglichen dabei einen <verdeckten> Transfer von Gewinnen, z. B. aus Hochsteuerin Niedrigsteuerlánder, indem eigentlich kostenloser Knowhow-Transfer über Lizenzvertráge abgewickelt wird. Nach § 16 AWG kann die Lizenzvergabe genehmigungspflichtig sein, wenn sie die ínteres- <?page no="63"?> B-6. Markteintrittsformen 41 sen des vergebenden Landes beeintráchtigt. Z. B. kónnte die Herstellung bestimmter Biersorten in einem Land, das den entsprechenden Qualitátsstandard renommierter bayrischer Biersorten nicht garantieren kann, das Image nationaler Brauereien beeintráchtigen, weil diese Produkte als Re-Importe nicht klar von den Originalen zu unterscheiden sind. Allerdings hat die Ware dann in der Regel nicht den Ursprung des Lizenzgeberlandes, sondern des Produktionslandes. Dies kann zu «made in ...»-Problemen fiihren (Abschnitt K-3). B-6.6. Franchising Franchising ist ein Vertriebs- und Dienstleistungssystem, in dem rechtlich und finanziell selbstándige Unternehmen unter einem Markenkonzept zusammenarbeiten. Es ist die starkste Form vertraglicher Vertriebsverbindungen und eine Sonderform der Lizenzfertigung. Es handelt sich dabei um iinen Vertrag zwischen einem Francbise-Geber und mehreren Hándlern {Franchise-Nehmer), die ais selbstándige Unternehmer, jedoch unter gleicher Marketingstrategie die Produkte des Herstellers anbieten, iiblicherweise im Rahmen eines AusschlieGlichkeitsvertrages (Abb. B-6/ 7). Insbesondere Osteuropa und Siidostasien sind in den letzten Jahren von einer regelrechten Franchisewelle iiberflutet worden. Bekannte Franchisesysteme in Deutschland sind Coca-Cola, McDonald's, Obi, Minit, Eismann, Quick-Schuhe und Portas (Türrenovierungen). Abb. B-6/ 7: Franchise-Nehmer fühlen sich ais selbstándige Unternehmer Zufriedenhcit mit Aufgaben und Erfolg / Hohe Arbeitsbelastung / Franchise-Geber mit Schwachen " im Marketing ; ; Der Franchisenehmer fiihrt sein Unternehmen nach den Vorgaben und Weisungen und unter Kontrolle des Lizenzgebers. Der Franchisegeber stellt Firmen- und Markenzeichen zur Verfügung, untersriitzt den Franchisenehmer z. B. bei Betriebsaufbau, Werbung, Sortimentsplanung und Verkaufsforderung, Aus- und Weiterbildung des Personals, sorgt fiir Lieferung der Artikel zu festgelegten Preisen und fiir die Gewáhrung von Gebietsschutzrechten. Im Gegenzug verpflichtet sich der Franchisenehmer, das Gescháft nach den vorgegebenen Richtlinien zu fiihren, Kontrollen zu dulden, Daten- und Ergebnismeldungen durchzufiihren und vor allem dazu, seine Waren lediglich beim Franchisegeber oder explizit angegebenen Bezugsquellen zu beziehen. Franchising ist fiir den Franchisenehmer nicht sehr kapitalintensiv und bietet fiir den Franchisegeber den Vorteil, auf einem Auslandsmarkt schnell FuK fassen, ohne hierfiir gróSere finanzielle Risiken einzugehen. KostenmaSig diirfte eine Lizenzvergabe oder ein Franchising aus der Sicht des Gebers in der Regel billiger sein als ein Filialsystem, weil der Franchisenehmer neben seiner Motivation oft auch lokale Marktkenntnis einbringt. Der Franchisenehmer profitiert seinerseits meist von der Professionalitát und dem Marken-Image des «Mutter»-Unternehmens, wird in der Regel auch in der Standortwahl und im Management beraten und kann sich oft mit Kollegen austauschen. Diesen Vorteilen steht die Abhángigkeit vom Franchisegeber gegeniiber; auch kónnen Fehler oder Schwachen anderer Partner auf alie Franchisenehmer des Systems zuriickfallen. Da der Franchisegeber die Fáhigkeiten des Franchisenehmers jedoch nur bedingt einschátzen kann, kann sich unter Umstánden <?page no="64"?> 42 B Marktauswahl und MarkterschlieGung spáter als notwendig erweisen, SchulungsmaSnahmen für die lokalen Mitarbeiter durchzufiihren, was die angefuhrten Vorteile zumindest teilweise kompensiert. Die Erfahrungen zeigen, daE Franchisenehmer das angebotene System háufig nur ungeniigend priifen und sich von blumigen Erfolgsprognosen táuschen lassen. Unternehmensgriinder scheitern oft an dem hohen Mindest-Eigenkapital, das die Franchisegeber voraussetzen, und den oft erheblichen, teils einmaligen, teils laufenden Gebiihren. PRAXISTIP Die Deutsche Ausgleichsbank (DtA) in Bonn und Berlin berát und hilft Franchise-Startern mit finanzieller Unterstützung. B-6.7. Direktinvestition B-6.7.1. Investitionsarten Das deutsche AuSenwirtschaftsrecht versteht unter Direktinvestition den Kapitalexport von Unternehmen zur «Anlage von Vermógen in fremden Wirtschaftsgebieten zur Schaffung dauerhafter Wirtschaftsverbindungen» mit der Betonung auf <dauerhaft>, um sie gegen kurzfristige, oft spekulative Finanzanlagen (Portfolio-Investitionen) abzugrenzen, die renditeorientiert erfolgen und z. B. kurzfristig auf Zinsánderungen reagieren. Betriebswirtschaftlich kónnen Direktinvestitionen in verschiedenen Formen bzw. Abstufungen erfolgen: • Errichten (Griindung) oder Kauf (Akquisition)von neuen Unternehmen, Betriebsstátten oder Zweigniederlassungen, • Erwerb von Beteiligungen an auslándischen Unternehmen, • dauerhafte Kreditvergabe an auslándische Unternehmen, • Ausstattung von auslándischen Unternehmen mit Finanz- und Sachmitteln, Kauf von Gebáuden, Grundstücken und Anlagen. In der Zahlungsbilanzstatistik werden Beteiligungen bis 25% als Portfolioinvestition, dariiber als Direktinvestition gefiihrt. Dies ist nicht ganz deckungsgleich mit der betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise: Bilanzrechtlich kónnen Anteile an Unternehmen entweder dem Umlaufvermógen oder dem Anlagevermogen zugerechnet werden. Zum Umlaufvermógen rechnen sie, wenn sie nur kurzfristig gehalten werden sollen (üblicherweise wird kurzfristig als bis zu vier Jahren interpretiert) und der Investitionszweck vorrangig in der Verzinsung der Finanzanlage besteht (Portfolioinvestition). Zum Anlagevermogen záhlen sie, wenn sie langfristig, d. h. voraussichtlich lánger als vier Jahre gehalten werden sollen und der Investitionszweck neben Renditeiiberlegungen vor allem in der EinfluEnahme auf das Management des betreffenden Unternehmen besteht. Bei einem Anteil zwischen 20 und 50% am Gesellschaftsvermógen eines anderen Unternehmens spricht man von einer Beteiligung, ab 50% von verbundenenUnternehmen («Mutter-Tochter»-Beziehung). Aus der Sicht des Investors kann aber auch eine geringere Investition subjektiv durchaus als Beteiligung verstanden werden; es kommt dabei auf die strategische Absicht an. In vielen Unternehmensbilanzen werden daher auch Beteiligungen von weniger als 20 % im Anlagevermogen gefiihrt. Zudem kónnen auch <verbundene Unternehmen) unterhalb der 50%-Schwelle entstehen, weil vertraglich Mitbestimmungs- und Entscheidungsrechten vereinbart werden kónnen (u. a. Gewinnabfiihrungs- oder Beherr- <?page no="65"?> B-6. Markteintrittsformen 43 schungsvertráge) (sofern dem keine gesetzlichen Bestimmungen entgegenstehen, die natürlich nicht vertraglich <ausgehebelt> werden kónnen). Als Tochterunternehmen bezeichnet man ein rechtlich selbstándiges Unternehmen, das von einer übergeordneten Muttergesellschaft zu 100% kontroUiert wird. Sie werden teils nur als Vertriebs-, teils nur als Produktionseinheit gegriindet bzw. gekauft, teils umfassen sie als vollstándiges Tochterunternehmen beides. Grundsátzlich sind Neugründungen wegen des meist erheblichen Aufwandes und der damit verbundenen Risiken langfristig angelegt. Sie werden nach auslandischem Recht gegriindet; entstehende Gewinne flieSen voll der Tochtergesellschaft zu und miissen im Ausland nach dortigem Recht versteuert werden. PRAXISTIP Der Finanzbedarf für Direktinvestitionen wird oft dramatisch unterschátzt, insbesondere im Hinblick auf lnvestitions-fo/ gekosten: Lóhne, Mieten, Lagerhaltung, Rohstoffe, Zulieferungen, Refinanzierungen, Leasingkosten. Hier kónnen Zulieferer im Ausland oft Hilfestellung leisten, weil sie die Branche gut überblicken, aber auch Konkurrenten, wenn man sich nicht gerade in ihrem direkten Umfeld niederlassen will. Untemehmensberater sind von unterschiedlicher Qualitát, aber meist nicht billig. Bei solchen Beratervertrágen sollten neben dem Honorar unbedingt die Nebenkosten abgesprochen werden, etwa im Hinblick auf die Einbeziehung von Anwálten oder Steuerfachleuten. Banken sind meist weniger stark in der Aufstellung von Kostenplánen für Investitionen. Insgesamt sparen viele Unternehmen bei den Beraterkosten an der falschen Stelle, bevor sie sich zu einem Engagement entschlieGen. Im Sprachgebrauch wird bei Beteiligungen oft etwas unscharf von Fusion gesprochen, auch wenn diese formal nicht vorliegt und es sich vielmehr um eine Beteiligung oder Akquisition handelt: A kauft B, ganz oder teilweise, aber beide Firmen bleiben bestehen. Bei einer Fusion hingegen verschtnelzen die beteiligten Unternehmen zu einem Gebilde. Dabei gibt es zwei Varianten: • Bei der Fusion durch Neugriindung wird aus den Unternehmen A und B ein neues Unternehmen, wáhrend A und B aufhóren zu existieren. Der neue Firmenname ist háufig aus Marketinggrunden eine Kombination aus den bekannten Namen der beiden Fusionspartner (DaimlerChrysler AG). • Bei der aufnehmcnden Verschmelzung übernimmt Unternehmen A das Unternehmen B vollstándig; dieses wird aufgelóst, und nur A bleibt bestehen. Die Bestimmung des «richtigen» Kaufpreises ist insbesondere in Entwicklungslándern und in osteuropáischen Lándern schwierig, weil die Rechnungslegungs- und Bilanzierungsstandard gewohnten Standards nicht entsprechen. Riskant sind auch Altlasten und ungeklárte Besitzverháltnisse. Nicht selten müssen Investitions- und Arbeitsplatzgarantien gegeben werden, die bei schlechter wirtschaftlicher Entwicklung zu einem grófseren Problem werden kónnen. In der jüngeren Vergangenheit hat sich für bestimmte Engagements der Begriff Joint Venture (JV) eingebürgert. Darunter versteht man die in der Regel langfristig angelegte Beteiligung zweier (oder mehr) Unternehmen an Besitz und Führung eines dritten Unternehmens. <?page no="66"?> 4 4 B Marktauswahl und MarkterschlieGung B-6.7.2. Motive für Investoren Direktinvestitionen werden aus den unterschiedlichsten Gründen getátigt, so dafi wir hier nur einige beispielhafte Aspekte betrachten kónnen. Meist sind die Produktionskosten, insbesondere die Lohn- oder Energiekosten, im Gastland niedriger als im Heimatland. Viele Gastlánder versuchen auch, auslándische Direktinvestitionen anzulocken durch Investitionsanreize in Form von Steuervergiinstigungen oder attraktive Kreditbedingungen (vgl. unten). In einer Befragung durch den DIHK wurden von deutschen Unternehmen Motive fur Direktinvestitionen auf einer Skala von 0 (unwichtig) bis 4 (sehr wichtig) zugeordnet (Abb. B-6/ 8). Bei kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) ist die Kundennáhe, die «Tuchfiihlung» mit Kundenwiinschen und Lifestyles und Trends der wichtigste Aspekt, bei GroSunternehmen sind es die Lohnkosten und Subventionen. Abb. B-6/ 8: Motive für Direktinvestitionen MarkterschlieBung (Absatz- und Beschaffungsmárkte) Sicherung potentieller Márkte Niedrigere Arbeitskosten Sicherung und Pflege bestehender Márkte Lángere Arbeitszeiten Lángere Maschinenlaufzeiten Niedrigere Steuern Wechselkursrisiko Stárkung der Wettbewerbsfáhigkeit durch Vorleistungsproduktion llberwindung von Handels- und Importschranken Bessere Einkaufs- und Beschaffungsmoglichkeiten Weniger Verwaltungsaufwand Ceringere Umweltauflagen 3,2 3,1 3,0 2,7 2,1 2,0 1,9 1,6 1,5 1,4 1,3 1,2 1,2 0 = unwichtig, 4 = sehr wichtig (Quelle: DIHK) Bei Hoechst wird immer mehr Forschung in das Ausland verlagert Inlandsanteil rutscht Richtung 40 Prozent / 90 Forschungszentren weltweit Auf der Suche nach neuen Absatzmarkten Der wesentliche Vorteil einer Markteintrittsstrategie durch Direktinvestition sei es durch Neugriindung oder Akquisition besteht darin, dafi der Investor unabhangig von Partnern ist und wirtschaftliche Entscheidungen selbstándig treffen kann. Die erwirtschafteten Gewinne fliefien voll dem Investor zu. Er mul? aber zu 100% finanzieren, trágt das voile Risiko und ist auch auf sich allein angewiesen, wenn es urn die Nutzung lokaler Expertise geht. Daher bevorzugen viele Unternehmen eine Beteiligung oder ein Joint Venture (vgl. eine ausfiihrliche Betrachtung im folgenden Abschnitt B-6.8). <?page no="67"?> B-6. Markteintrittsformen 45 B-6.7.3. Motive der Gastlánder Aus der Sicht der Gastlánder sollen auslándische Investoren <angelockt> werden, um die lokale Bescháftigungssituation auch hinsichtlich des Ausbildungsniveaus zu verbessern, um durch steigende Exporte den Zuflufi konvertibler Devisen zu erhóhen, aber auch um die Produktion fiir den Binnenmarkt zu verbessern, insbesondere durch Technologietransfer, Verbesserung der Qualitát des eigenen Warenangebots, auch mit Blick auf Importsubstitution (Devisenersparnis) sowie Zugang zu neuen Industrielándermárkten. Zu den Anreizen für Direktinvestoren záhlen z. B. zollfreie Einfuhr von Vorleistungen, bevorzugte administrative Behandlung, steuerfreie oder steuervergünstigte Wirtschaftstátigkeit, Eigentumsgarantie, d. h. Schutz vor Verstaatlichung, grofiziigige Abschreibungsbedingungen, Transfergarantien fur Gewinne, Bereitstellung entsprechender Infrastruktur durch den Staat (u. a. kostenlose Bahn und StraSenanschlüsse), billiges Bauland, langfristige Miet- oder Pachtvertráge, <weiche> Kreditkonditionen, etc. Viele Lander regeln Art und Umfang von auslándischen Direktinvestitionen in ihrem Hoheitsgebiet durch spezielle Investitionsgesetze, die sich u. a. auf die maximale Hohe der Beteiligung, den Einbezug lokaler Produktionsfaktoren (insbesondere Arbeitskráfte) und insbesondere auch auf die Gewinnverwendung und den Gewinntransfer erstrecken. Wáhrend in der Vergangenheit viele Lander die maximale auslándische Beteiligung auf unter 50% begrenzten, sind die meisten dieser Lander davon abgegangen (z. B. in Osteuropa) und lassen nun Beteiligungen bis 100% zu, da bei einer niedrigen Beteiligungsgrenze verstándlicherweise wenig Investoren Interesse an einer Investition haben, die sie selbst nicht kontrollieren dürfen. Bei einer Begrenzung auf weniger als 100% sind Joint Ventures eine mógliche Lósung. Zum Investitionsschutz vgl. unten Abschnitt B-6.7.7. B-6.7.4. Exkurs: Sonderwirtschaftszonen In vielen Lándern wurden Sonderwirtschaftszonen, Freizonen, Freie Wirtschaftszonen, Nationale Freihandelszonen, Industrieparks und wie sie sonst heifien geschaffen, nicht zuletzt auch in ehemaligen Ostblocklándern, um den Übergang zur Marktwirtschaft praktisch unter Laborbedingungen zu erleichtern (vgl. Abb. B-6/ 9). Weitere Begriffe sind Freie Produktionszone, Investitions-Fórderzone, Zollzone, Freihandelszone oder in Frankreich - Privilegierte Investitionszone (ZIP - Zone d'Investissement Friviligée). Auch in anderen Industrielandern (USA) gibt es Freizonen. In Kolumbien wurde eine Investitionsforderstelle gegriindet. Allgemein handelt es sich dabei um abgegrenzte Gebiete innerhalb des Wirtschaftsraumes des betreffenden Staates, fur die zoll- und steuerrechtliche und andere Sonderbestimmungen gelten. Diese Gebiete werden nicht selten als Kapitalgesellschaften gefiihrt (bspw. in Polen als Aktiengesellschaften, bei denen der Staat Hauptaktionár ist). Abb. B-6/ 9: 1 Neue Steuergesetze sollen Investoren nach Usbekistan locken Willkürliche Handhabung schreckte Auslánder bisher ab / Grofíter Handelspartner Deutschlands in Zentralasien Die in Exportfórderzonen (Exportsonderzonen) produzierten Giiter sollen exportiert werden, um Devisen zu bringen. Viele Lander haben Freizonen eingerichtet, in denen erleich- <?page no="68"?> 46 B Marktauswahl und MarkterschlieRung terte Produktionsbedingungen fur Giiter gelten, die nicht in den inlandischen Warenverkehr gebracht werden sollen. Die bisherigen Erfahrungcn mit Sonderwirtschaftszonen sind gemischt. Wáhrend diese Experimente in vielen Landern gescheitert sind, weil dirigistische Strukturen im Kernland sich nicht ohne weiteres in regionalen Teilbereichen ausschalten liefsen, gibt es auch ausgesprochen positive Erfahrungen. B-6.7.5. Standortanalyse fiir Direktinvestitionen B-6.7.5.1. Wichtige Aspekte Aufgrund von Befragungen wissen wir, daG vorangehende (positive) Exporterfahrung einen stark positiven EinfluG auf die Entscheidung fiir eine Direktinvestition hat. Tendenziell neigen grófiere Firmen (aufgrund ihrer Finanzkraft) eher zu Direktinvestitionen als KMU. Fiir private Direktinvestitionen in Entwicklungslandern, denen eine gewisse entwicklungspolitische Bedeutung zuzurechnen ist, kónnen oft Finanzierungshilfen staatlicher oder internationaler Institutionen in Anspruch genommen werden (vgl. Abschnitt D-3 zur mittel- und langfristigen Finanzierung). Die Beurteilung der Qualitáten eines Standorts bereitet erhebliche methodische Schwierigkeiten, derm es gibt <weicbe> und <harte> Standortfaktoren. Harte Faktoren kónnen gemessen (quantifiziert) werden, weiche Faktoren sind qualitativ und kónnen nur beschrieben werden. Zu den <weichen> Standortbedingungen záhlt die Ausstattung einer Zielregion mit óffentlichen Gütern, das Ausbildungsniveau der Bevólkerung und der erforderlichen Arbeitskráfte, der soziale Konsens einschliefslich des Arbeitsfriedens, allgemein Kultur und Religion, die óffentliche Sicherheit einschlieSlich Kriminalitát, usw. In Abschnitt B-3 wurde im Zusammenhang mit einer SWOT-Analyse auslándischer Zielmárkte bereits die Bedeutung der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, rechtlichen, administrativen, geographischen, klimatischen und sonstigen Rahmenbedingungen ausfiihrlich herausgearbeitet; dies gilt fur eine Entscheidung über den Standort einer Direktinvestition analog und soil hier nicht wiederholt werden. Grundsátzlich sollten bei Direktinvestitionen neben den rechtlichen Bestimmungen des Gastlandes auch die steuerlichen Auswirkungcn aus der Sicht der deutschen Steuergesetzgebung analysiert werden, u. a. im Hinblick auf die Bilanzierungspflichten auslándischer Investitionen in der deutschen (Konzern-)Bilanz. Zu beachten sind auch abweichende Rechnungslegungsvorschriften im Ausland, beispielsweise in den USA nach den International Accounting Standards (IAS) oder den Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP), die sich von den deutschen Vorschriften betráchtlich unterscheiden. Dies betrifft insbesondere die Gründung von Tochterunternehmen und kann Auswirkungen auf das komplette Rechnungslegungssystem des Mutterunternehmens in Deutschland haben. Kollisionen kónnen sich ergeben wegen des Souveránitátsprinzips, das auch fiir die Steuerhoheit gilt. Industrielánder knüpfen ihr Besteuerungsrecht in der Regel an objektive Merkmale wie Wohnsitz oder Sitz der Gescháftsleitung, Entwicklungslánder haben eher territorial ausgerichtete Steuersysteme und erfassen alie in ihrem Staatsgebiet entstehenden Einkiinfte. Durch ein Nebeneinander von beschránkter und unbeschránkter Steuerpflicht im Heimat- und im Gastland kann es zu Doppel- und Minderbesteuerungen kommen, sofern <?page no="69"?> B-6. Markteintrittsformen 47 nicht Doppelbesteuerungsabkommen dies ausschliefsen. Dabei gibt es die Anrechnungs- und die Freistellungsmethode, worauf wir hier aber nicht eingehen kónnen. Ein wichtiger Aspekt fur Direktinvestitionen ist das sog. Landerrisiko, womit man die Gesamtheit politischer und wirtschaftspolitischer (staatlicher) Risiken bezeichnet, die eine Investition insgesamt in Frage stellen kónnen (aber auch im Handel zu Zahlungsausfállen fiihren kann; Abschnitt H-l.5.2.1). Es handelt sich also nicht urn das allgemeine untemehmerische Risiko einer Fehlinvestition, sondern vor allem das Risiko von Eigentumsentzug (Enteignung u , Beschlagnahme, Verstaatlichung, Nationalisierung). Man spricht auch von CEN- Risiko: confiscation, expropriation and nationalization. Für das Landerrisiko bei Investitionen gibt es eine Reihe von Absicherungsmóglichkeiten, auf die wir unten in Abschnitt B-6.7.7 eingehen. Bei der Beurteilung der Kreditwiirdigkeit eines Landes, vor allem im Zusammenhang mit der Begebung internationaler Anleihen, spielt das Lánder-Rating eine wichtige Rolle, weil sich dies unmittelbar auf die durchsetzbaren Konditionen auswirkt: Ein Absinken im Rating muS erfahrungsgemáfi mit hóherem Verzinsungsangebot kompensiert werden. Abb. B-6/ 10 gibt einige gángige Ratings wieder. Insgesamt ist festzustellen, dais die individuellen Investitionsentscheidungen sich in der Praxis nur in geringem Mafie an solchen publizierten Ratings orientieren. Dies liegt u. a. daran, daE die verschiedenen Lánderrisikoanalysen im Quervergleich oft sehr widerspriichliche Ergebnisse produzieren. Dies ist angesichts der betráchtlichen Subjektivitát der Beurteilungen auch nicht verwunderlich. Insbesondere aber lassen die pauschalen Lánderratings jegliche branchenspezifische Differenzierung vermissen. Sie werden daher allenfalls dazu dienen, die individuelle Entscheidungsfindung zu unterstiitzen. Dessenungeachtet finden Verschiebungen in den exponierten Rangplátzen ganz <oben> oder ganz <unten> meist doch gewisse Beachtung. B-6.7.5.2. Investitionshemmnisse Investitionshemmnisse unterscheiden sich natiirlich von Land zu Land. Problembereiche sind u. a.: • Unsicherheit über die politische Entwicklung und die Freiheit fur Kapital- und Gewinntransfers (vgl. anschliefiend zu <Investitionsschutz>). • Begrenzungen, daS bei Beteiligungen oder Joint Ventures der auslándische Kapitalanteil nur z. B. 49 % betragen darf, sind sehr selten geworden. • Das gróGte Hindernis liegt in einer unklaren Rechtssituation, d. h. Rechtsetzung, Rechtsanwendung und Rechtsauslegung beziiglich Zóllen, Genehmigungen und anderen biirokratischen Prozessen, einschlieSlich - und insbesondere der weitverbreiteten Korruption (Abb. B-6/ 11). • Gesetzlich geregelte Prozeduren sind unklar und was noch schwerer wiegt ándern sich laufend. Dies ist problematisch fur langfristige Investitionsobjekte, die eine Kalkulation über lángere Zeitraume erfordern. • Ein wichtiger Punkt sind unklare Eigentumsfragen in Bezug auf Grund und Boden sowie Zum Beispiel in Chile Anfang der 70er Jahre, spater Iran. <?page no="70"?> 4 8 B Marktauswahl und MarkterschlieGung Abb. B-6/ 10: Lander-Ratings Standard & Poor's (S&P) AAA AA A BBB BB B CCC CC C D Moody Aaa Aa A Baa Ba B Caa Ca C D CBRS A++ A+ A B++ B+ B C++ c+ c D Bedeutung Sehr sehr gut, hóchste Qualitát Fast sehr sehr gut, hohe Qualitát Gute Qualitát, externe Risiken bedeuten geringe Beeintráchtigung Mittlere Qualitát, externe Risiken bedeuten spürbare Beeintráchtigung Fast mittlere Qualitát, sofern externe Bedingungen stabil bleiben Niedrige Qualitát, in lángerer Sicht unsicher Schlechte Qualitát, niedriges Standing, Gefahr des <Notleidens> Oh'oh'. Sehr schlechte Qualitát. Ein Engagement ware sehr spekulativ. Extrem schlechte Qualitát; notleidend No comment Anmerkung: Moody's Investors Service ergánzt die Buchstabenkategorien durch die Zusátze 1,2,3, je nachdem ob sich der betrachtete Wert im oberen, mittleren oder unteren Drittel der Kategorie befindet. _ Bonitat von Argentinien heruntergestuft ft Standard & Poor's begriindet Schritt mit Erb.6h.ung des Staatsdefizits Die Kreditwürdigkeit der Türkei ist weiter gesunken Von fiihrenden Rating-Agenturen herabgestuft / „Unzureichende Politik der tiirkischen J g Regierung" Immobilienbesitz. Viele Unternehmen unterschatzen das Problem von Altlasten im Zuge sich entwickelnder Umweltschutzgesetzgebung. • Reformen werden nur halbherzig durchgefiihrt und zudem immer wieder verándert. Durch Subventionierung inlándischer Betriebe ergeben sich Wettbewerbsverzerrungen. • Produktionsrelevante Aspekte sind die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskráften, die Moglichkeiten der Qualitátssicherung und die materielle und soziale Infrastruktur. • Wichtig sind auch Vorschriften bezüglich der Beschaftigung inlándischer bzw. auslándischer Arbeitskráfte. Beispielsweise mufi manchmal ein bestimmter Prozentsatz des Managements lokal rekrutiert werden, was betráchtliche Qualitatsprobleme mit sich bringen kann. • Oft ist es für auslándische Unternehmen schwierig, die Steuergesetze zu durchschauen und Anderungen nachzuvollziehen. <?page no="71"?> B-6. Markteintrittsformen 49 Abb. B-6/ 11: Ineffizienz und Korruption in Indonesien Staatsbetriebe bringen hohe Verluste / Auslandsinvestitionen auf Tiefstand Die Willkür russischer Finanzámter behindert auslándische Investoren Marti: Chaos und eigenmachtige Abbuchungen / „Praktiken mit rechtsstaatlichen Grundsatzen vdllig unvereinbar" Die überbordende Kriminalitát lahrnt die Investitionen in Südafrika Übergriffe gegen deutsche Unternehmer / 10 Milliarden DM Schaden / ^m J^ Sogar der Polizei werden Computer gestohlen k • Auch Vetternwirtschaft und die allgemeine Mentalitát und Kultur kónnen sich behindemd auswirken. • In manchen Lándern ist ein wichtiger hemmender Faktor der Bereich Kriminalitát, Korruption und Erpressung (Schutzgeld). Dies hángt natürlich mit der unklaren Rechtssituation zusammen, wenn Entscheidungen wegen der Interpretationsspielráume von Personen abhángen. B-6.7.6. Investitionsrechnungen Die verschiedenen Verfahren der Finanzierungs- und Investitionsrechnung, die aus der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre bekannt sind, kónnen grundsátzlich analog auf Direktinvestitionen im Ausland angewendet werden. Wir kónnen hier nicht weiter darauf eingehen. Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich in der Regel aus der Notwendigkeit, zukünftige Ertráge (Absatz, Umsátze, cash flow) und Kosten zu schátzen, um im Rahmen statischer Investitionsrechnungen Vergleiche zwischen Investitionsalternativen zu ziehen (u. a. Kosten-, Gewinn-, Rendite- oder Amortisationsvergleichsrechnungen) oder im Rahmen dynamischer Rechnungen z. B. Kapitalbarwerte (discounted cash flow, net present value etc.) zu ermitteln. Die erforderlichen Prognosen der Variablen sind meist mit einem hohen Grad an Unsicherheit behaftet, weil die Marktdaten unvollstándig, veraltet und/ oder unzuverlássig sind. Im Ergebnis fiihrt dies dazu, daS man entweder entsprechende Risikoabschláge einrechnen muí? (wodurch auch grundsátzlich rentable Investitionen unrentabel werden kónnen) oder Risiken schlicht akzeptieren muS. Dies ist natürlich für kleine und mittlere Unternehmen weniger einfach ais für groEe, die auch schon mal eine Fehlinvestition absorbieren kónnen. Neben das allgemeine unternehmerische Risiko einer betriebswirtschaftlichen Fehlinvestition treten zusátzliche Risiken, die sich aus dem Lánderrisiko des Gastlandes ableiten kónnen. Diese allerdings lassen sich in gewissem Umfang be- und versichern. Hierzu der náchste Abschnitt. B-6.7.7. Investitionsschutz Die Erfahrung zeigt, daS nur diejenigen Staaten private Investitionen an sich ziehen kónnen, die dem Investor attraktive Rahmenbedingungen und vor allem Rechtsschutz bieten. Dies gilt insbesondere fur mittel- und osteuropáische, südostasiatische und lateinamerikanische Lander; die ármsten Entwicklungslánder, vor allem in Afrika, sind dabei weit zurückgefallen. <?page no="72"?> 5 0 B Marktauswahl und Markterschlieftung Ein einschneidendes Risiko bei Direktinvestitionen besteht im Hinblick auf die Móglichkeit von Eigentumsentzug, wie oben beschrieben. In den meisten Staaten ist dies grundsátzlich gesetzlich zulássig, aber mit einem Entschadigungsanspruch verbunden. Im Vorfeld einer Direktinvestition sollten daher die Investitionsgesetze des Gastlandes, insbesondere aber auch die Gesetze zum Investitionsschutz ausfiihrlich analysiert werden. Dies ist in der Regel durch bilaterale zwischenstaatliche Investitionsschutzabkommen gesichert, welche den auslándischen Investor einem Inlander gleichstellen (sog. Inlánderbehandlung), wobei Entschádigungsregelungen fur den Fall einer Enteignung vorgesehen werden (Abb. B-6/ 12). Ohne ein solches Investitionsschutzabkommen kónnen Direktinvestitionen sehr riskant sein. Bislang gibt es keine multilateralen Abkommen auSer einem Abkommen der Weltbank aus dem Jahr 1965 iiber die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehorigen anderer Staaten. Dabei handelt es sich allerdings nicht um materielles Recht, sondern ausschliefilich um Verfahrensrecht. Abb. B-6/ 12: Investitionsschutzabkommen mit Simbabwe Voraussetzung zur Nutzung wichtiger Standortvorteile im südlichen Afrika erftillt Investitionsschutzabkommen mit WeiBrulMand Günstigere Rahmenbedingungen und Rechtsschutz für Investoren Investitionen in Mexiko erleichtert Abkommen mit Deutschland in Kraft • Handel mit EU bislang unbedeutend Freihandelsvertrag hat Investitionen nicht erhoht Problematisch ist der entschadigungslose Eigentumsentzug z. B. durch Beschlagnahmung oder Enteignung, der oft vor dem Hintergrund politischer Krisen und Konflikte zu beobachten ist (Iran, Irak, Libyen), wobei Staaten sich ókonomische oder personelle Faustpfánder verschaffen. In solchen Situationen umfafst das Risikospektrum auch das Sicherheitsrisiko für Mitarbeiter und ihre Angehórigen sowie fur die Anlagen. Weniger dramatisch, aber für den Investitionserfolg eventuell ausschlaggebend sind Risiken, die sich aus der nachtráglichen Anderung von Genehmigungen oder Zusagen (Subventionen, Zollschutz) ergeben kónnen, aus willkürlicher Erhóhung von Abgaben (Steuern, Zólle) oder Kosten (Lóhne, Zinsen) sowie aus gezielter Einschránkung des Güter- oder Kapitalverkehrs. Dies berührt auch das Sog. Dispositionsrisko, d. h. daS der auslandische Investor in seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit eingeschránkt wird, z. B. durch Vorschriften über den Einsatz lokaler Produktionsfaktoren (auch hinsichtlich der Bescháftigung von lokalem Personal) oder Produktionsart und -umfang sowie technische Vorschriften, Einschránkung der Bewegungsfreiheit im Gastland oder bei der Ein- und Ausreise, Diskriminierung bei der Vergabe óffentlicher Auftráge, Preiskontrollen, Beschrankung des Zugangs zum Geld- und Kapitalmarkt, etc. GleichermaSen ist zu prüfen, ob eine Rückführung des investierten Kapitals ebenso wie ein Transfer von Gewinnen ins Ausland móglich ist, weil sich andernfalls das Problem einer «Mausefallen»-Investition ergibt (nicht selten gibt es Re-Investitionsvorschriften). Wichtige Risiken sind Zahlungsverbote und Moratorien (ZM-Risiko) sowie Konvertierungs- und Transferrisiken (KT-Risiko) (Abschnitt H-2.1). <?page no="73"?> B-6. Markteintrittsformen 51 Die Erfahrung zeigt, dai? die Existenz einer Investitionsschutzversichcrung gegen politische Risiken die Kapitalaufbringung erleichtert, denn potentielle Finanziers schlafen dann besser. Deutschland: GKA-Deckung Die meisten westlichen Staaten haben fur ihre eigenen international tátige Unternehmen die Móglichkeit geschaffen, Kapitalverluste aufgrund von Lánderrisiken zu besichern. 16 Die Bundesrepublik Deutschland hat 1960 das «Garantiesystem fiir Kapitalanlagen im Ausland» eingefiihrt (GKA-Deckung). Der Bund hat die Bearbeitung von Investitionsschutzgarantien der PwC Deutsche Revision AG Wirtscbaftsprüfungsgesellschaft 17 iibertragen. Seit 1993 kónnen deutsche Unternehmen neben Eigenkapital und Gesellschafterdarlehen auch «beteiligungsáhnliche Darlehen» und Kapitalausstattungen gegen politische Risiken versichem zumeist langfristige Darlehen, bei denen Tilgung und Verzinsung vom wirtschaftlichen Erfolg des Schuldners abhángen, vor allem Bankdarlehen an auslándische Projektgesellschaften. Die Bundesgarantie erstreckt sich sowohl auf Verluste an investiertem Kapital (Kapitaldeckung) als auch auf Ertragsverluste aus Beteiligungen (Ertragsdeckung). Versicherbar ist neben Enteignung, Verstaatlichung, Krieg, Revolution, Aufruhr, ZM- und KT-Risiken auch der Bruch staatlicher Zusagen (z. B. beziiglich Zoll- und Steuervorteilen, Finanzierungskonditionen, Altlasteniibernahme, Lizenzvergabe, Schaffung von Infrastrukturen usw.). Die Wahrscheinlichkeit politischer Risiken in Form von Moratorien hat in der heutigen Zeit abgenommen, weil sich bei flexiblen Wechselkursen Devisenknappheit eher in Abwertungen als in Zahlungsunterbrechungen áuEert; gegen Abwertungen kónnen ókonomische Instrumente eingesetzt werden (vgl. Abschnitt H-4.3). Das Dispositionsrisiko ist nur insofern abzusichern, ais es sich um fur das Unternehmen existenzbedrohende Mafinahmen handeln mid? . Die Besicherung mufi vor dem Zeitpunkt der Investition erfolgen; eine Ausnahme stellen reinvestierte Gewinne aus bereits garantierten Beteiligungen dar, die nachtráglich in die Deckung einbezogen werden kónnen. Voraussetzung ist die Existenz eines bilateralen Investitionsscbutzabkommens mit dem betreffenden Gastland, in dem die Partnerregierung zusichert, deutsche Investoren nicht zu diskriminieren. Die meisten Versicherungsfalle sind daher Verstófie gegen solche Abkommen (Chile, Iran, Jugoslawien). Der Bund leistet dabei Schadenersatz und hat entsprechende Regressanspriiche gegen den betreffenden Staat. Dadurch trágt der Staat aufgrund seines politischen und diplomatischen Potentials zu einer Verringerung dieser Risiken bei. Allerdings liegt die Gesamtsumme der seit 1960 gezahlten Entschádigungen unter der Gesamtsumme der Pramien, welche die Wirtschaft fur Investitionsgarantien an den Bund gezahlt hat. Der Investor muE eine Selbstbeteiligungsquote von 5 % tragen. Die Deckungslaufzeit ist in der Regel auf 15 Jahre begrenzt, in Ausnahmefállen bis zu 20 Jahren. Das Deckungsewige/ f betrágt pro Jahr 0 , 5 % des garantierten Betrages. Hinzu kommt eine einmalige Bearbeitungsgebiihr von 1 %o bis 5 Mio. Euro und von 0,5 %o fiir den 5 Mió. übersteigenden Garantiebetrag, hóchstens 10.000 Euro. Eine wichtige Versicherungsbedingung bei privaten wie bei 16 Um Miféverstándnissen vorzubeugen: Investitionsschutzversicherungen decken ausschlieSlich politische Risiken ab (sovereign risk) und auf gar keinen Fall das ókonomische unternehmerische Risiko einer Fehlinvestition. 17 Früher: zunáchst Deutsche Treuarbeit, dann C&L Treuarbeit Deutsche Revision AG, dann C&cL Deutsche Revision AG (C&L: Coopers & Lybrand International), jetzt PwC Deutsche Revision AG Wirtschaftspriifungsgesellschaft (PwC: PriceWaterhouseCoopers). <?page no="74"?> 5 2 B Marktauswahl und MarkterschlieGung staatlichen Versicherern ist, daS der Investor Stillschweigen bewahren muE iiber die Existenz der Investitionsschutzversicherung, wenn er den Deckungschutz nicht gefáhrden will. Umgekehrt machen die Versicherer ihre Aktivitáten die von Streitschlichtung bis Schadensregulierung reichen nicht gerne publik, und dies gilt analog aus einsichtigen Griinden fur die jeweiligen Gastlánder. Insgesamt hüllt diesen Bereich daher ein Mantel des Schweigens und der Datenstille ein. Ziemlich sicher ist aber, daft die Existenz einer Investitionsschutzversicherung auch einen Abschreckungseffekt haben kann, weil ein Gastland, das z. B. mit dem Gedanken einer Enteignung oder einer Untersagung von Devisentransfers spielt, sich dann nicht nur mit dem Investor, sondern mit einem institutionellen Kontrahenten auseinandersetzen muE. Und eine ungelostes Investitionsschutzproblem kann so leicht auf zwischenstaatliche Handels- und Finanzbeziehungen durchschlagen, was sicher nicht im Interesse des Gastlandes ist. So manche geplante Aktion ist hinter den Kulissen als «MiEverstándnis» zuriickgenommen worden. Die Bundesgarantien fur Kapitalanlagen werden wie die Ausfuhrgewahrleistungen des Bundes zum Schutz gegen Zahlungsausfálle im Export (Abschnitt H-3.2) jáhrlich im Haushaltsgesetz veranschlagt. Rund 20% aller deutschen Direktinvestitionen in Reform- und Transformationslándern werden durch Bundesgarantien abgesichert, ein Viertel davon für kleine und mittlere Unternehmen. Von den beantragten Kapitalanlage-Besicherungen werden im Schnitt nur rund 2 % abgelehnt, z. B. weil das Investitionsland grundsátzlich aus der Bundesdeckung herausfállt (z. B. Irak, Libyen). Private Versicherer Daneben bieten auch private Versicherer Kapitalanlagebesicherungen an, u. a. das Lloyd's- Syndikat in London, die American International Group (AIG) sowie speziell fur Osteuropa die Garant AG in Wien, die Black Sea and Baltic General Insurance Ltd. in London (beides Tochtergesellschaften der russischen Gesellschaft Ingostrakh) und die Zurich-American in der Schweiz. Die staatlichen Versicherer boten immer schon sehr langfristige Deckungen an (iiblicherweise 15-20 Jahre), wáhrend die privaten bis etwa 1996 maximal 3 Jahre anboten. Dies hat sich mittlerweile dramatisch verandert, und 10 Jahre-Deckungen sind heute Standard, lángere Deckungen nicht selten. Neue Entwicklungen zeigen, daE die privaten und staatlichen Versicherer sich teilweise gegenseitig Rückversicherungen gewáhren, und sie arbeiten auch zusammen und bieten Co-Versicherungen an. Eine Harmonisierung der staatlichen Investitionschutzangebote ist bislang noch nicht erfolgt; auch der OECD-Konsensus beziiglich der Harmonisierung der staatlichen Exportkreditversicherungen klammert diesen Bereich aus. Internationale Investitionsschutzmoglichkeiten Die zur Weltbankgruppe gehórende MIGA (Multilateral Investment Guarantee Agency) gibt privaten Investoren in Entwicklungslandem Garantien gegen nicht-kommerzielle Risiken wie Enteignungen, Restriktionen bei Kapital- und Devisentransfers, Kriege oder Unruhen. Die Garantien kónnen bilaterale Investitionsschutzabkommen und private Versicherungen ergánzen. Sie decken Griindung, Erweiterung oder Umstrukturierung eines Unternehmens ab. Im Gegensatz dazu kann die gleichfalls zur Weltbankgruppe gehórende IFC (International Finance Corporation) nur ihren eigenen Anteil an einem Investitionsvorhaben garande- <?page no="75"?> B-6. Markteintrittsformen 53 ren. Die IFC gewahrt lanfgristige Darlehen und Eigenkapitalbeteiligungen an Privatunternehmen sowie Garantien fiir potentielle Investoren. PRAXISTIP MIGA und IFC bieten einen gemeinsamen Beratungsservice FIAS an (Foreign Investment Advisory Service), der auf einem breiten Informationspotential (bis hin zu administrativen Details) beruht und auch Managementberatung einschlieftt. Dennoch ist die Kapazitát zur konkreten betriebswirtschaftlichen Beurteilung potentieller Partnerunternehmen begrenzt. Dies hángt jedoch hier wie auch sonst auch vom konkreten Personalprofil der Ansprechpartner in einem Land ab. Die MIGA-Konditionen sind kostenmaRig den nationalen Systemen vergleichbar. Wie dort, muG der Investor einen Selbstbehalt tragen. B-6.8. Management von Joint Ventures: Fallbeispiel B-6.8.1. Zweck eines Joint Venture Joint Ventures (JV) bieten Móglichkeiten, in Márkten zu operieren, die andernfalls wegen unzureichender Erfahrung und Vertrautheit mit den lokalen Gegebenheiten auSerhalb der Reichweite des heimischen Unternehmens lágen. Die Griindung eines Joint Ventures erfolgt zumeist aufgrund der Tatsache, da£ ein 100%-iges Direktengagement aus Finanzierungsgriinden, aus Risikoiiberlegungen oder aus den rechtlichen Bestimmungen des Ziellandes nicht moglich ist. Die Móglichkeiten, einen geeigneten JV-Partner zu finden, sind aber oft begrenzt. Ein wesentlicher Vorteil eines JV besteht im geringeren Kapitalbedarf und der Risikominderung im Vergleich zu einer 100 % -igen Auslandsbeteiligung. Oft bringt das (bspw.) deutsche Unternehmen das gesamte Finanz- und Sachkapital und technisches Know-how in die Beziehung ein, wáhrend das einheimische Partnerunternehmen iiber das lokale Know-how, d. h. die notwendige Marktkenntnis und politische Beziehungen verfügt. Eventuell kónnen durch den neuen Absatzmarkt auch weitere Absatzmárkte im gleichen oder einem benachbarten Wirtschaftsraum erreicht werden. Fiir einen deutschen JV-Partner ergibt sich oft der Vorteil, an nationalen Fórderprogrammen partizipieren zu kónnen und bei der Vergabe von óffentlichen Ausschreibungen und Staatsauftrágen im Gastland beriicksichtigt zu werden. Da das deutsche Unternehmen durch die Beteiligung quasi als einheimisches Unternehmen gilt, kann es auch zu Imagevorteilen bei den auslándischen Káufern kommen. Durch die Produktion im Auslandsmarkt kónnen zudem Importrestriktionen und Zólle vermieden und umgangen werden. PRAXISTIP In zunehmendem Malk arbeiten mehrere (deutsche) Unternehmen zusammen, urn über einen Unternehmenspool z. B. mit einem gemeinsamen Büro und einem gemeinsamen lokalen Reprásentanten erste Erfahrungen in einem unbekannten Umfeld zu sammeln. Dies bietet sich sowohl für Vertriebsais auch für Servicezwecke an und reduziert z. B. auch die Lagerkosten. Natürlich eignet sich dies vorrangig für Unternehmen, die keine direkten, unmittelbaren Konkurrenten sind. Aber es gibt auch erfolgreiche - Beispiele der anderen Art. 18 So haben die Schreibwarenhersteller Edding und Schwan-Stabilo ihre nationalen und internationalen Vertriebsapparate zusammengelegt. <?page no="76"?> 54 B Marktauswahl und Markterschlieftung Grundsátzlich kombiniert ein JV die Ressourcen der Partner und verteilt das Risiko. Aus der Sicht des Kapitalgebers wird darauf Wert gelegt werden, dai? der EinfluS auf die Managemententscheidungen des JV gewahrleistet ist. Auf der anderen Seite kónnen in einem <richtigen> Joint Venture Entscheidungen iiber die Gescháftspolitik nicht mehr alleine getroffen werden, sondern sind partnerschaftlich zu treffen. Beide Partner sind also voneinander abhángig. Unterschiedliche Vorstellungen kónnen zu Problemen fiihren, wenn z. B. der deutsche Partner Gewinne reinvestieren mochte, wáhrend der lokale Partner an Gewinnausschiittungen interessiert ist {«quick money»). Auch bei einer formalen Mehrheitsbeteiligung muS auf die Interessen des Partners Rücksicht genommen werden, da sonst kaum eine produktive Zusammenarbeit móglich sein wird. Die notwendige Riicksichtnahme auf einen Partner kann nur durch die Akquisition eines Untemehmens oder durch die Griindung eines selbstándigen Tochterunternehmens ausgeschlossen werden. Eine Entscheidung fiir ein joint venture sollte gut vorbereitet sein, weil in manchen Lándern restriktive Bestimmungen fiir auslándische Investitionen bestehen (vgl. Abschnitt B-6.7.5.2 iiber Investitionshemmnisse). Eine solide allgemeinrechtliche, steuerlich-, arbeitsmarkt- und sozialrechtliche Vorbereitung ist unabdingbar, unabhangig von der Analyse der Marktchancen. Wenn beispielsweise nur Beteiligungen bis max. 49 % des Kapitals zulássig sind, ist kein hinreichender EinfluS auf das Management gewahrleistet. Da dies den Kapitalzuflufi logischerweise behinderte, sind in den meisten Lándern die Investitionsbestimmungen gelockert worden, so dafs Beteiligungen bis zu 100% zulássig sind. PRAXISTIP lm Rahmen des speziellen Joint-Venture-Programms JOP fórdert die Europaische Union JVs in Osteuropa, einschlieftlich Joint Production and Marketing Agreements (JPMA), so daG auch zeitlich befristete und losere Kooperationen unterstützt werden kónnen. B-6.8.2. Vorbereitung B-6.8.2.1. Strategische Vorentscheidungen Joint Ventures sind komplexe und nicht selten zerbrechliche Strukturen. Je heterogener die Partner sind, desto gróSer ist die Notwendigkeit, das JV sorgfáltigst zu plañen und vorzube(eiten. Friihe Investitionen in juristische und kulturelle Beratung sind daher meist lohnende Investitionen. Bei der Griindung eines JV stehen grundlegende strategische Fragen am Anfang, die grundsátzlich bei jedem Auslandsengagement zu beantworten sind (vgl. Abschnitt B-4 iiber die Marktauswahl). Es zahlt sich aus, Zeit und Geld in eine sorgfáltige Vorbereitung und Untersuchung eines geplanten JV zu investieren. Meist ist es erforderlich, den lokalen Markt selbst zu untersuchen und zu besuchen und die lokalen Partner selbst zu kontaktieren. Dies gilt natiirlich gegenseitig. Nach der grundsátzlichen strategischen Entscheidung fiir ein Auslandsengagement in Form eines Joint Venture miissen drei strategische Fragen beziiglich der Griindung eines JV beantwortet werden: 1. Welche strategischen Ziele verfolgen wir, was wollen wir tnit dem JV erreichenf Beispielsweise hat ein deutsches Unternehmen ein JV gegriindet fiir die Fertigung von Baumaschi- <?page no="77"?> B-6. Markteintrittsformen 55 nen, die in China aus exportierten Komponenten montiert und auf dem chinesischen Markt verkauft werden. Langfristig ist auch der Re-Import fertiger Maschinen nach Deutschland geplant. Das JV ist als Profit Center fur Montage und Vertrieb konzipiert. 2. Warum brauchen wir einen Partner? Es hat sich als sinnvoil erwiesen, diese Frage durch eine Stárken-Schwáchen-Analyse zu beantworten. Dadurch lassen sich Bereiche identifizieren, die sich fiir eine Kooperation anbieten, d. h. solche, die auf eine entsprechende Unterstiitzung angewiesen sind, und solche, bei denen das Zusammenarbeiten auch Synergieeffekte haben kann. • Im unten ausgeführten Beispiel handelt es sich zwar bei dem deutschen Partner um ein renommiertes Unternehmen mit sehr gutem Markterfolg in Europa, jedoch ohne jegliche Erfahrung auf dem chinesischen Markt. Die Erfahrung zeigt, dafi es sehr ratsam ist, den chinesischen Markt in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen lokalen Partner zu bedienen. Verallgemeinert bedeutet dies, dafi durch die Kombination der Erfahrungen und Ressourcen der Partner Wettbewerbsvorteile realisiert werden konnen. • Hinzu kommt, dai? durch eine Produktion vor Ort Einfuhrabgaben (Zólle) gespart werden kónnen, so dafi der Endpreis niedriger kalkuliert werden kann. • Nicht selten kann der auslándische Partner von der Reputation des lokalen Partners profitieren, insbesondere, wenn in der Bevólkerung oder der Verwaltung eine gewisse Reserviertheit gegen auslándische Investoren besteht. • Ein weiteres Motiv kann in der Moglichkeit bestehen, über den Partner staatliche Auftráge zu erhalten oder lokale Finanzquellen zu erschliefsen, die einem auslándischen Unternehmen allein nicht offen stiinden. Insgesamt gesehen muE sich eine giinstige Bilanz der Vor- und Nachteile des JV ergeben. Tendenziell nehmen die Vorteile von JV im Zeitablauf ab, so dafs viele nach einigen Jahren aufgelóst werden. Es sei hier unterstellt, daft eine vergleichende Analyse der verschiedenen Kooperationsmoglichkeiten (Abschnitt B-6) zu der Entscheidung für ein JV geführt hat. Folglich stellt sich die dritte Frage: 3. Welcher Typ von JV soil gewdhlt werden? Es gibt eine Reihe von Alternativen, um ein JV zu konstruieren (vgl. die Übersicht in Abb. B-6/ 13). B-6.8.2.2. Konstruktion eines Joint Venture (a) Zum Standort Die grundsátzliche Struktur ist eine Triade: die <Miitter> A und B und das Joint-venture- Unternehmen C. A und B kónnen im selben oder in verschiedenen Landern residieren, und das JV C kann im Sitzland einer der <Mutter> (das ist der Regelfall) oder in einem anderen Land angesiedelt sein (Abb. B-6/ 14). (b) Errichtung Das JV kann errichtet werden durch • Ausgliederung und Verschmelzung von existierenden Teilen beider Partner, • Ausgliederung eines existierenden Teils eines Partners, • gemeinsamen Aufkauf eines bestehenden Untemehmens, • gemeinsame Neugriindung. <?page no="78"?> 56 B Marktauswahl und MarkterschlieGung Abb. B-6/ 13: Joint-Venture-Formen • Verschmelzung / Erweiterung einer bestehenden Unternehmenseinheit • gemeinsamer Kauf / Gründung eines Unternehmens • Contractual JV / Equity JV -Mehrheits-(>50%), -Minderheits-(<50%), - <reines> Equity-JV (50: 50). • Y-Typ / X-Typ • horizontales JV / vertikales JV "Gemeinschaftsunternehmen in Asien sind die richtige Antwort" Für den deutschen Textilmaschinenbau wird der Wettbewerb auf dem Weltmarkt hárter Ein neues Joint-venture in (ten USA (c) Intensitat Vertragliche JV (contractual JV oder kooperative JV) sind relativ lose Formen der Kooperation. Sie werden z. B. gegründet für gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsaktivitáten oder fur die Ausfiihrung von Bauvorhaben (Konsortien, ArGe's). Sie erfordem nicht zwangslaufig einen Kapitalinput (im Gegensatz zu Kapital-JV), sondern stellen auf die interne Arbeitsteilung und die Organisation von Aktivitáten ab. Solche JV sind enge Verwandte von strategischen Allianzen. Kapital-JV {capital JV) erfordem Kapitaleinsatz und bedeuten die Griindung einer rechdich selbstándigen Einheit. Die Anteile konnen dabei unterschiedlich aufgeteilt werden: • als Minderheitsbeteiligung {minority joint venture), wobei der auslándische (deutsche) Partner weniger als 50% der Anteile halt (in der Praxis selten), • ais paritátischen Beteiligung {equity joint venture) (50: 50) oder • als Mehrheitsbeteiligung {majority joint venture). Wenn der auslándische (deutsche) Partner die Mehrheit halt, kann das JV u. U. auch als <auslandisches> Untemehmen identifiziert werden, was nicht nur im Hinblick auf die Unterstiit- Abb. B-6/ 14: Joint-Venture-Standort A B ^ C Fast 5000 Gemeinschaftsuntemehmen in Polen Hoher Anteil deutscher Investoren / Niedrige Arbeitskosten A \ 1 B / C <?page no="79"?> B-6. Markteintrittsformen 57 zung lokaler bzw. nationaler Behorden nachteilig sein kann. Es empfiehlt sich jedoch nicht, in einem Joint Venture (mit Betonung auf <joint>) auf fórmale Mehrheiten zu pochen, weil dies vor allem in konsensbetonten Kulturkreisen nicht gut ankommt und den Keim des Mifierfolgs sáen kann. (d) Struktur Man unterscheidet X- und Y-Typen. X-JV sind eine Kooperation bei von den beiden Partnern bislang parallel betriebenen Aktivitáten, wiederum z. B. Forschung und Entwicklung. Sie dienen vorrangig der Rationalisierung. Y-JV haben eine komplementare Struktur und kombinieren beispielsweise das technische Know-how eines Partners mit der lokalen Marktkenntnis des anderen, mit (meist) oder ohne Kapitalinput (sog. Markt-/ Technologie-Typ). (e) Wettbewerb Horizontale JV werden von eigentlich konkurrierenden Partnern derselben Produktionsstufe betrieben (analog dem X-Typ). Vertikale JV verbinden Partner verschiedener Produktionsstufen, z. B. Vorlieferanten und Hersteller. Es hat sich als sinnvoll erwiesen, fur die Konstruktion eines JV eine Art Master Plan (Entwicklungsplan) zu erstellen. Ein solches strukturiertes Design eines idealen JV kann dann als Referenzpunkt verwendet werden. Dieses Profil umfafit <harte> (quantifizierbare) und <weiche> (qualitative) Aspekte. B-6.8.3. Profil eines idealen Joint Venture Es empfiehlt sich, das Profil des JV so zu entwerfen, wie es idealerweise realisiert werden sollte. Vor diesem Hintergrund lassen sich dann potentielle JV-Partner miteinander vergleichen. Abb. B-6/ 15 bezieht sich auf einen konkreten Fall. B-6.8.4. Identifizierung des Partners (profile check) Urn den <richtigen> Partner aus mehreren Altemativen auszuwáhlen, sollten wichtige Kriterien gege nü be rgeste I It werden. • Welcher Partner ist unter Berücksicbtigung der vorangehenden Kriterien geeignet? Es ist fur einen auslándischen Investor nicht einfach, in einem fremden Land geeignete Partner zu identifizieren. Viele relevante Informationen werden nicht zu erlangen sein. Im Fall eines horizontalen JV wird es schwierig sein, alie relevanten Informationen zu erlangen, denn wir wiirden auch von unserer Seite aus zogern, unsere eigenen Starken und Schwáchen einem potentiellen Konkurrenten offenzulegen. Daher ist es wichtig, einen lokalen Kontakt aufzubauen, der für das deutsche Unternehmen tátig werden kann. Beispielsweise ist es sehr günstig, wenn man Kontaktpersonen finden kann, die Deutschlanderfahrung haben, vielleicht sogar in Deutschland fachlich einschlágig studiert haben. Dies erleichtert die Partnersuche erheblich, nicht zuletzt auch aus sprachlichen Gründen. • Welcbe Ziele verfolgt der Partner? Sind diese mit unseren Interessen kompatibel? Wenn der Partner beispielsweise das JV ais Sprungbrett ansieht, den auslándischen Partner in absehbarer Zeit <auszubooten>, kann dies sehr schnell zu Konfliktsituationen führen. Dies gilt natürlich auch andersherum. <?page no="80"?> 58 B Marktauswahl und Markterschlieftung Abb. B-6/ 15: Konstruktionsprofil eines ¡dealen JV («Wunschliste») Standort JV-Typ Art der Partner (Grofte, Erfahrungen, gewünschte komplementáre Stárken), staatliche vs. private Partner (Beziehungen vs. Flexibilitat...? ) Zahl der Partner (min./ max.), I Kapitalanteile (absolut/ relativ) Strategische Ziele Kapitalanteile, Manpower, Know-how Zeithorizont Nahe Beijing • equity JV F • Markt-/ Technologie-Typ • Produzenten mit Verthebserfahrung • móglichst privat • mittlere Grófie • finanziell gesund • 1-2 (Kosten und Zeitbedarf nehmen disproportional zu f wenn mehr ais zwei Partner kooperieren. Jeder zusátzliche Partner bedeutet weniger zusátzlichen Nutzen.) • 51: 49 (Üblicherweise bevorzugt wenigstens einer der Partner eine Mehrheitsbeteiligung.) • Insgesamt 2 Mio Euro (In China erfordert das Equity-Joint-Venture-Gesetz Mindestkapitalinputs. Kapitalanteile reflektieren nicht unbedingt spiegelbildlich die Móglichkeiten zur Beeinflussung des Management- und Entscheidungsprozesses. Trotzdem sollten die Partner nicht zu unterschiedliche <Groften> aufweisen, weil dies auch den Managementstil beeinfluftt und natürlich die Finanzkraft, die u.a. für erforderliche Nachschüsse von Bedeutung ist.) • Bedeutender Marktanteil in der Beijing-Region mit • Beziehungen im übrigen China • Das JV soil Vorstufe zu einer 100% eigenen Produktionsunternehmen • 2x1.000.000 Euro • Managementpersonal 3: 2 • technisches und kaufmannisches Personal wird lokal rekrutiert • technische Spezialisierung • Verthebserfahrung • Vertrautheit mit lokalen Gegebenheiten • politische Beziehungen 10Jahre (urn Steuererleichterungen in Anspruch nehmen zu konnen) <?page no="81"?> B-6. Markteintrittsformen 59 • Wird der Partner mit uns gliicklich werden und wir mit ihm? Stimmen seine Interessen mit unseren übereinf Das Profil eines idealen Partners sollte mit den konkreten Profilen von Partnerkandidaten verglichen werden. Neben einer verbalen Beschreibung bietet es sich an, die Realisierung dieser Kriterien zu visualisieren, wobei die unterschiedlichsten Methoden verwendet werden kónnen (vgl. auch Abschnitt B-3 zu SWOT). In Abb. B-6/ 16 wird eine tabellarischen Gegeniiberstellung mit Angabe einiger Kriterien in Prozent verwendet. Diese <Quasi-Quantifizierung> ist natiirlich subjektiv, und man sollte sich nicht von seinen eigenen Zahlen in die Irre fiihren lassen. Und fur welchen der beiden Kandidaten unseres Beispiels sollen wir uns nun entscheiden? Die Entscheidung fiir oder gegen einen JV-Partner wird oft durch die Verwendung von Scoringmodellen mit gewichteter Bepunktung erleichtert. Natiirlich stellt sich dabei sofort das Problem der Gewichtung der untersuchten Kriterien. Wir gehen darauf nicht weiter ein. PRAXISTIP Nachdem man sich für einen Partner entschieden hat, sollten die Verhandlungen, zumindest die Beziehungen mit anderen Partner fortgesetzt werden, denn nicht selten stellt man bereits kurz nach Beginn einer JV-Kooperation fest, daB man sich vertan hat, und dann ist sehr günstig, wenn man auf Alternativen zurückgreifen kann. Natürlich kónnen Parallelverhandlungen nicht geheim gehalten werden, und man sollte daher mit offenen Karten spielen. B-6.8.5. Gründung des Joint Venture In einem JV verschmelzen Elemente von Unternehmen mit unterschiedlichem historischen und kulturellen Hintergrund und mit verschiedenen Managementstrukturen. Die interpersonelle Zusammenarbeit kann nur in begrenztem Umfang durch Vertráge determiniert werden. Dessenungeachtet ist es wesentlich, die wichtigsten Gesichtspunkte vertraglich zu regeln. Ublicherweise wird dies in mehreren Schritten getan. Der wichtigste Faktor ist dabei - Geduld. Die wichtigsten Unterlagen, die erarbeitet werden miissen, sind ublicherweise die in Abb. B-6/ 17 aufgefiihrten; sie werden im Text kommentiert. Zu 1 : Absichtserklárung (letter of intent) Die schriftliche Absichtserklárung, ein JV zu griinden - Letter of intent ist eine erste Formalisierung vorangehender Kontakte und Verhandlungen. Die Absichtserklárung ist im Vergleich mit dem spáteren JV-Vertrag allgemeiner und sehr viel kiirzer. Dessenungeachtet hat sie einen wichtigen Stellenwert im Hinblick auf die beiderseitige Bindung der Partner. Zu 2 und 3: Feasibility-Studie Der náchste Schritt ist meist eine Durchfiihrbarkeitsstudie (Machbarkeitstudie, feasibility study; possibility study), welche die Realisierbarkeit des Vorhabens nach den verschiedendsten Kriterien analysiert (finanzielle, technische, legale, administrative, organisatorische Machbarkeit etc.). Grundsátzlich sollten beide Partner an ihrer Erstellung mitarbeiten, unabhángig davon, ob die Studie móglicherweise von einem externen Dritten erarbeitet wird. Die fertige Studie mufi von beiden Partner akzeptiert werden. Dies sollte formal und schriftlich geschehen, denn die Feasibility-Studie wird vom Partner háufig ais <Bibel> angesehen, auf die er sich noch lange Zeit in Zweifelsfállen beruft. <?page no="82"?> 60 B Marktauswahl und MarkterschlieRung Abb. B-6/ 16: Profile potentieller Partner Ideal: 100 Finanzielles <Standing>, erforderlicher Kapitaleinsatz Markterfahrung location near Beijing Infrastruktur am Standort Eigene Gebáude Lokale Einbindung, politische Beziehungen Strategischer <fit> Managementstil und unternehmerisches Denken Innovatives Potential, Kreativitat Teamgeist Konfliktmanagement Kultureller <fit> benótigtes technisches Personal - Anzahl - Qualifikation Potentieller Partner X 100 80 nur mit veralteter Technologie vertraut 100 90 (teilweise unbefestigte Stra&en) 0 90 Anwohner 80 nicht an Erweiterungen interessiert 60 ehemaliger Staatsangestellter 60 passiv 80 ist auf Anweisungen angewiesen 90 lange Erfahrung 70 traditionell, Aversion gegen westliche Einflüsse 80 erfahrene <alte Krafte> Y 95 Das JV würde eine betráchtliche Anstrengung bedeuten 60 ehemaliger Bauunternehmer 80 80 km von Beijing 90 dto. 100 50 neu in der Region, aus weit entfernter Region 70 potentieller Konkurrent 80 jüngeres Managementstudium 80 entwickelt eigene Ideen 90 kooperativ 70 dominanter Stil, <bossy> 90 offen für Veránderungen, Auslandserfahrung 70 Fortbildung und Praxis erforderlich <?page no="83"?> B-6. Markteintrittsformen 61 Abb. B-6/ 17: Wichtige Unterlagen für einen JV-Vertrag 1. Absichtserklarung (letter of intent), 2. Feasibility Study («Machbarkeitsstudie»; meist wird der englische Begriff verwendet, auch: possibility study), 3. Annahme der Feasibility Studie durch beide Partner, 4. JV-Vertrag (Basic Agreement, JV agreement/ contract, shareholder agreement), 5. JV-Satzung, -Statut (articles of association), 6. Zusatzvereinbarungen, Ergánzungen (Investitionsvertrag, Know-how-Vertrag, Kreditvertráge, Lizenzvertráge, Lieferverpflichtungen). Nach der Unterzeichnung der Vertráge kónnen die formalen Schritte zur Errichtung des JV eingeleitet werden: 7. Registrierung entsprechend der rechtlichen Vorschriften (dabei sollte man einschlágig erfahrene Rechtsanwálte einschalten); 8. Beantragung der Gewerbeerlaubnis (business licence); dies kann erhebliche Zeit beanspruchen. Zu 4: JV-Vertrag Nach diesen Vorarbeiten deren Wichtigkeit nicht unterschátzt werden sollte wird der eigentliche JV-Vertrag ausgearbeitet (Basic Agreement, statute, JV agreement, JV contract, shareholder agreement). Im Vergleich mit der Absichtserklarung enthált er alie relevanten Details. Dabei gibt es einen <eingebauten> Konflikt zwischen Raumlassen im Vertrag fur Flexibilitát in der Praxis und Rechtssicherheit durch Regelung aller móglichen Details. Was soil aber geschehen, wenn sich die Rahmenbedingungen ándern? Uneinigkeit dariiber kann betráchtliche Spannungen hervorufen. Nigeria oder Indien haben z. B. nach und nach die Stellung des lokal zu rekrutierenden Managements verstárkt. Nicht alie Eventualitáten kónnen in Szenarios verankert werden. Wichtig ist, dafi man sich auf gar keinen Fall auf miindliche Absprachen verlassen sollte. Die folgenden Punkte sollten in keinem JV-Vertrag fehlen (Abb. B-6/ 18): Einige der aufgelisteten Punkte sind kurz zu kommentieren: • Partner des JV: Wie in jedem Vertrag werden auch im JV-Vertrag die Vertragspartner genau bezeichnet. • Ziele des JV: Die Festschreibung der Ziele des JV ist keineswegs ein redundantes Detail, weil sie ais grundsátzliche Orientierung fur das Management und die zu verfolgende Strategic dienen, durchaus auch bei Uneinigkeit über das <richtige> Vorgehen. • Beschreibung der Produkte, Márkte etc.: Auch die Beschreibung der zu produzierenden bzw. zu handelnden Produkte und der zu bedienenden Márkte sowie anderer Aspekte dient der gegenseitigen Klárung und Festlegung auf bestimmte Aktivitáten. • Kapitalanteile: In manchen Lándern gibt es Vorschriften für Hóchst- oder Mindestanteile. In China beispielsweise konnen nur bis zu 25 % des Kapitals in Form von Know-how eingebracht werden. Kapitalanteile kónnen auch ais Sacheinlage erfolgen; vgl. nachstehend. • Andere einzubringende Ressourcen: Dabei ist insbesondere an Immobilien zu denken. Probleme ergeben sich immer wieder aus der Bewertung von Sacheinlagen (Land, Ge- <?page no="84"?> 62 B Marktauswahl und MarkterschlieRung Abb. B-6/ 18: Wlchtige Elemente des JV-Vertrages (Basic Agreement/ Statute) • Partner des JV • Ziele des JV • Unternehmenskonzept (Beschreibung der Produktpalette, Kapazitaten, Unternehmensplanung, Investitionsvolumen, Finanzplanung, etc.) • Marktabgrenzung, Marketingkonzept • Kapitalanteile • andere einzubringende Ressourcen (Grundstücke, Gebáude) • Technologietransfer; Zusicherung für einzelne Technologievertráge • Rolle der Mutter bei Aufbaumanagement und Engineeringleistungen • Bezugsrechte, Lieferverpflichtungen • Dauer der Zusammenarbeit; Beschránkung der VeráuRerung von Gescháftsanteilen • Gewinnverwendung • Organisationsstruktur, Kompetenzen • Verteilung der wichtigsten leitenden Führungspositionen, Mitwirkung der <Mütter> bei Auswahl, Einstellung und Entsendung des Personals • Regeln für Management (Entscheidungen), Information und Kontrolle, insbes. bezüglich Rechnungs- und Berichtswesen und Aufstellung des Jahresabschlusses; Geheimhaltung • Konfliktmanagement • Auflósung des JV; Regeln für Kündigung oder Beendigung des Zusammenschlusses • Regeln für die Vordergründungsphase bis zur Errichtung der JV-Kapitalgesellschaft báude, gebrauchte Maschinen), weil seitens der Eigentiimer eine Tendenz besteht, diese überzubewerten. In Transformationslándem (Osteuropa, China) steigen die Immobilienkaufpreise und -Mieten oft mit atemberaubender Geschwindigkeit. Legale Verbriefungen über Grundstückseigentum sind ein kritischer Aspekt sind, wenn die Eigentumsverháltnisse nicht eindeutig sind. • Dauer der Zusammenarbeit: Dies kann z. B. von Bedeutung sein, um Steuervergiinstigungen in Anspruch nehmen zu kónnen (in China mindestens 10 Jahre). • Gewinnverwendung: Sollen die Gewinne re-investiert oder ausgeschiittet werden? In welchem Verháltnis? Wir haben eingangs bereits auf mógliche Spannungen bezüglich <quick money* vs. Konsolidierung hingewiesen. • Organisationsstruktur: Im wesentlichen wird man im JV-Vertrag nur die Aufbauorganisation regeln, d.h. die wesentlichen Zustándigkeiten und Verantwortlichkeiten. Einzelheiten der Ablauforganisation sollten nur im Ausnahmefall angesprochen werden, wenn sie besondere Bedeutung haben. • Verteilung der wichtigsten leitenden Führungspositionen: Ein delikater Punkt ist die asymmetrische Struktur der Gehálter, denn ein deutscher Manager kann leicht ein Vielfaches des Gehalts seiner auslándischen Partner verdienen. Dies muS der Partnerseite <verkauft> werden, denn das JV muE die Gehálter verdienen, wenn man nicht was nicht selten vor- <?page no="85"?> B-6. Markteintrittsformen 63 kommt ein <topping-up>, d. h. einen Zuschlag zum Gehalt fur die deutschen Manager aus externen deutschen Mitteln vorsieht. Dies geschieht dann oft auch verdeckt, wird meist aber trotzdem bekannt und kann Spannungen produzieren. • Regeln fiir Management, Information und Kontrolle: Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sollten in Ergánzung zur Aufbaustruktur klar geregelt werden, ebenso Planungsverfahren, Berichtswesen, Entscheidungsregeln (z. B. grundsátzliches Konsensverfahren), etc. Verantwortungsbereiche. Meist handelt es sich nicht urn gewohnte oder gar Routineprozesse, so dafi vorhandene organisatorische Regelungen selten angewendet werden kónne. Oft empfiehlt sich eine Festlegung zustimmungspflichtiger Gescháfte (Investitionsgrenzen, Anderung des Produktionsprogramms, Vertrage mit neuen Gesellschaftern). • Konfliktmanagement: Wie soil bei grófieren Konflikten verfahren werden, die sich nicht ohne weiteres intern regeln lassen? Soil ein externer Schiedsrichter bestellt werden? Dabei ist darauf zu achten, dal? er in Status und Kompetenz von beiden Seiten anerkannt wird. • Auflósung des JV: Fur den geplanten oder ungeplanten Fall der Auflosung des JV sollte unbedingt u. a. geregelt werden, was mit dem Firmenmantel geschieht und wie das Vermógen des JV desinvestiert werden soil. Es ist dringend anzuraten, sich bei der Vertragsgestaltung juristisch beraten zu lassen, da das, was dem deutschen Partner im deutschen Recht gángig und vertraut ist, in einem fremden nationalen Recht ganz anders geregelt sein kann. Wenn man solche Abweichungen erst im Problemfall entdeckt werden, ist es vielleicht fur Anderungen zu spat. Insgesamt ist wichtig, sich nicht auf verbale Erklárungen des Partners zu verlassen. Solange keine Konflikte auftauchen, ist dies nicht so wichtig, aber wenn die Harmonie gestort ist, wiinscht man sich, man hátte bestimmte Aspekte lieber schriftlich fixiert. Ein kritischer Punkt ist die Sprache. In unserem Beispielfall wurde Deutsch direkt in Chinesisch iibersetzt und umgekehrt, aber man kann nie sicher sein, dal? die Übersetzung korrekt ist. Oft gibt es kein passendes Wort fiir den deutschen Begriff, insbesondere bei technischem und juristischem Vokalular. Oder der Übersetzer kann den feinen Unterschied zwischen Eigentum und Besitz oder zwischen Garantie und Biirgschaft nicht nachvollziehen und iibersetzt <frei> nach seiner Interpretation. Gángig ist auch, dafi der verbindliche Vertragstext in einer dritten Sprache erstellt wird, z. B. in Englisch. Bei schriftlichen Vertrágen ist in jedem Fall anzuraten, aus dem fremdsprachlichen Text eine Riickiibersetzung ins Deutsche anfertigen zu lassen, um eine weitestgehende Kongruenz zwischen verschiedensprachlichen Textfassungen sicherzustellen. In China ist es schwierig, schriftliche Vertráge zu verandern; die oft erst nach miihsamen Verhandlungen vereinbarten Formulierungen gelten zunáchst als unantastbar. In anderen Landern z. B. in Indien oder Thailand beginnen die Verhandlungen erst richtig, sowie der Vertrag unterschrieben ist. Zu 5: JV-Satzung Neben dem JV-Vertrag wird oft noch eine Satzung (Statut, articles of association, statute) vereinbart. Diese wird z. B. gegenüber Behórden verwendet, da der Basisvertrag auch Details enthalten kann, die nicht fiir Externe bestimmt sind. Die Satzung kann dann z. B. als Grundlage fiir staatliche Genehmigungs- oder Registrierungsverfahren dienen. <?page no="86"?> 64 B Marktauswahl und MarkterschlieRung Zu 6: Zusatzvereinbarungen, Ergánzungen Meist wird der JV-Vertrag durch Anhange ergánzt, um den Vertragstext frei zu halten von platzraubenden Detailregelungen, z. B. (Investitionsvertrag, Know-how-Vertrag, Kreditvertráge, Lizenzvertráge, Lieferverpflichtungen usw.). Nach der Unterzeichnung der Vertráge kónnen die formalen Schritte zur Errichtung des JV eingeleitet werden: Zu 7: Registrierung und 8: Gewerbeerlaubnis Die vorangehenden Schritte sind Voraussetzung dafür, dal? das JV bei den zustándigen Behórden entsprechend der lokalen Formvorschriften registriert werden kann. Dies setzt meist ein vorangehendes Priifverfahren voraus und kann erhebliche Zeit beanspruchen. Um Formfehler zu vermeiden, sollten auch hier kompetente Sachverstandige (Juristen) einbezogen werden. Beispielsweise ist China auch das Land der 1000 Stempel, weil man fur jeden einzelnen Aspekt Behórden aller Art bemühen muS. Überhaupt haben Stempel in China eine so hohe Bedeutung, wie sie bei uns in diesem AusmalS unbekannt ist: Stempel miissen fiir bestimmte Zwecke - Schecks, Wechsel, offizielle Korrenspondenz etc. behórdlich registriert sein. Man kann also nicht einfach irgendwelche Firmenstempel verwenden. Es ist sinnvoll, mit den zustándigen Behórden so früh wie móglich Kontakt aufzunehmen, um keine Aspekte zu iibersehen. In manchen Lándern wird man sich fur Deutsche (meist) ungewohnt auch darauf einstellen miissen, daf> es iiblich ist, dabei kleine Freundlichkeiten oder Gefálligkeiten einzubringen platt gesagt: zu bestechen -, wenn man den GenehmigungsprozeS nicht verzogern oder gar blockieren will. Wir gehen in diesem Buch an verschiedenen Stellen auf Korruption ein; vgl. das Stichwortverzeichnis. Wenn alies gutgeht, erhált das JV schlieSlich Zulassung und Gewerbeerlaubnis. In unserem Beispielfall vergingen zwischen der anfánglichen Idee und dem Start der Gescháftsaktivitáten ungefáhr 18 Monate nicht zu lang fiir einen ziemlich komplizierten ProzeS. GróSere Vorhaben, fur die móglicherweise noch kartellrechtliche Fragen geklárt werden miissen, kónnen leicht erheblich lánger dauern. B-6.8.6. Management des Joint Venture B-6.8.6.1. Allgemeine Erfahrungen • Ein Joint Venture ist mehr ein LernprozeE als ein PlanungsprozeS. Man muS mit vielen Unsicherheiten leben, weil viele Aspekte der Zusammenarbeit nicht vorab geregelt werden kónnen und offenbleiben miissen. Das Management wird daher gewóhnlich den Prinzipien des Management by Objectives (MbO) und des Management by Exceptions (MbE) folgen. • Üblicherweise ist ein JV zeitlich begrenzt. Der Erfolg oder MiEerfolg kann erhebliche Riickwirkungen auf die Mutterunternehmen der Parmer haben, da ein JV in die Managementstrukturen und -prozesse integriert sein sollte. • Mit Beginn des JV verlieren die Partner einen Teil ihrer bisherigen Unabhángigkeit und Flexibilitát. Sehr oft kommt ein JV nach wenigen Jahren <in rauhes Wasser>, weil die Auf- <?page no="87"?> B-6. Markteintrittsformen 65 merksamkeit und die Kontrollintensitát nach einer Anfangsphase nachlassen. Dadurch kann eine Controllingliicke entstehen. Trotz einer groSen Dunkelziffer láfit sich feststellen, dal? die Quote unbeabsichtigter Auflósungen und Liquidationen von JV relativ hoch ist. Manche sagen, dafi es nicht die Frage ist, ob ein JV scheitert, sondern wann. B-6.8.6.2. Erfolgsfaktoren Einige Erfahrungen beziiglich Erfolg oder MiEerfolg von Joint Venture lassen sich verallgemeinern; Abb. B-6/ 19 fast sie zusammen. • Wichtig ist, dal? die strategischen Interessen und operativen Ansichten der Partner kompatibel sind (der <fit>). Der bereits zitiert Konflikt zwischen langfristig orientierten strategischen Interessen des einen und der Vorliebe fur <quick money> des anderen Partners ist gefáhrlich. Dies gilt analog, wenn ein Partner kommerzielles Controlling betont, der andere aber mehr auf technische Effizienz Wert legt. Schwierig ist auch, wenn die Partner unterschiedlich auf sich verandernde Rahmenbedingungen reagieren wollen, z. B. wenn einer nicht bereit oder in der Lage ist, eine Nachfinanzierung zu akzeptieren. • Die Integration unterschiedlicher Unternehmenskulturen unter einem neuen Dach ist eine zentrale Herausforderung und erfordert hohe Sensibilitát auf beiden Seiten. Mit zunehmender Anzahl der Partner erhóht sich das Konfliktpotential. JV sind zudem ein Balanceakt zwischen Partnern und Konkurrenten. • Ein weiter, loser Ansatz ist besser als ein enges Konzept. • Grundsatzlich sollte eine Win-win-Situation bestehen, von der -beide Partner profirieren und mit der sie zufrieden sind. • Das Stárke- und Kráfteverháltnis sollte ausgewogen sein. Bei ungleichen Partnern besteht eine Tendenz, daí? der stárkere den schwácheren aufkauft. Je heterogener die Partner sind, desto gróSer sind die <Zentrifugalkrafte>: Dreiviertel der aufgelósten JV wurden durch Übernahmen beendet. Auch bei anfánglich komplementárer Abhángigkeit (Kapital und Technik beim einen, Landeskenntnis beim anderen Partner) wird oft einer der beiden starker und unabhángiger und braucht die Zusammenarbeit immer weniger. Oder: Der <Know-how-Partner> ist nicht (mehr) bereit, Know-how-Transfer zu leisten. Industriespionage ist auch in JV nicht unbekannt. • Guter Wille und voller Einsatz auf beiden Seiten sowie Verstandnis und Vertrauen sind wichtige Erfolgsvoraussetzungen, ebenso wie eine gegenseitige Lembereitschaft und die Bereitschaft, kulturelle Unterschiede zo akzeptieren und zu tolerieren. In sehr vielen JV sind Entscheidungen nicht auf die formalen Anteilsverháltnisse gegriindet, sondern erfolgen im gegenseitigen Einvernehmen. • Ungewohntes lokales Arbeitsrecht oder ungewohnte lokale Traditionen und Mentalitaten kónnen westliche Partner leicht in schwierige Situationen bringen. Die Existenz eines von beiden Seiten akzeptierten Konfliktmanagement hilft hier ebenso wie bei unterschiedlichen Vorstellungen beziiglich Investitionen, Marketingpolitik oder Gewinnverteilung. • Das JV darf nicht nur auf der Leitungsebene beschlossen und getragen werden. Wichtig ist, daS das auch mittlere Management <dahintersteht> und sich dementsprechend engagiert. Dies setzt Integration, Information und Transparenz voraus. Mitarbeiter, die von der Zusammenarbeit nicht überzeugt sind, kónnen zu verdeckten Hemmnissen werden. <?page no="88"?> 66 B Marktauswahl und MarkterschlieGung • Unterschiedliche Managementstile sind ungiinstig. Vor allem kleine und mittlere Partner sind oft an «/ am the bossl» gewóhnt und schwer fur Teamarbeit zu begeistem. • Nicht selten sind die operativen Managementkapazitáten unzureichend oder ungleich (Kompetenz und Erfahrung). Im Bereich Rechnungslegung und Bilanzierung kónnen Transparenzprobleme auftreten, weil der eine Partner z. B. die chinesischen Belege nicht lesen kann. • Giinstig ist, wenn die Strukturen und Prozesse so wenig wie móglich von den Gewohnheiten der Partner abweichen. • Harmonierende Wertvorstellungen (Normen) kónnen in gegenseitiger Sympathy resurtieren und sind ein wichtiger Stabilisierungsfaktor. Kulturelle Differenzen kónnen zu MiSverstándnissen, Spannungen und persónlichen Konflikten fiihren; die «Chemie» mufi stimmen. (In einem Fall wurde unlángst ein westlich orientierter Manager auf der Partnerseite durch einen konservativ-asiatisch denkenden ersetzt, und das Projekt geriet in starke Schieflage). Nach diesem Fallbeispiel gehen wir in den folgenden Abschnitten auf einige Aspekte des internationalen Marketing ein. B-7. Internationaler Marketing-Mix B-7.1. Internationajes Marketing/ intemationales Management Die Abgrenzung zwischen internationalem Management und internationalem Marketing ist fliefiend; zumindest ist die Schnittmenge jedoch sehr groS. Der Sprachgebrauch ist in Literatur und Praxis uneinheitlich und hángt oft auch vom eigenen professionalen Schwerpunkt ab: Ein <hauptberuflicher> Marketingmann neigt eher dazu, Marketing als Oberbegriff fur alie auslandsbezogenen Funktionen zu sehen, wahrend andere Manager das Marketing als Teilaufgabe des internationalen Management z. B. neben Produktentwicklung, Produktion oder Finanzierung verstehen. Auch in diesem Buch wird Marketing ein wenngleich sehr wichtiger - Funktionsbereich neben anderen verstanden. Internationales Marketing/ Management ist eine Querschnittsfunktion, die eine strategische Integrations- und Orientierungsfunktion ausiibt und mit alien Unternehmensfunktionen verzahnt sein sollte. Oberziel eines Unternehmens ist immer, durch den Verkauf seiner Produkte (incl. Dienstleistungen) Geld zu verdienen. An diesem Oberziel müssen sich alie Unternehmensfunktionen orientieren. Marketing bezieht sich auf Überlegungen und Handlungen, die sich bewuEt auf den Markt (market) beziehen, vorrangig auf den Verkaufsmarkt, aber daraus abgeleitet auch auf den Einkaufsmarkt. Dies umfaSt die Erkundung potentieller Márkte, ihre ErschlieEung durch Ansprache des Kundenpotentials, Gestaltung eines entsprechenden Produktangebots sowie Wahl bestimmter Markteintrittsstrategien (z. B. unabhángig oder in Kooperation mit anderen Unternehmen), die Marktpflege (z. B. durch Information und Service) sowie überlappend damit die Markterweiterung durch Gewinnung neuer Kundengruppen. Abstrakter gesprochen umfafit Marketing Anbahnung, Aufbau und Pflege sowie Abwicklung aller Markttransaktionen und sollte daher keineswegs gleichgesetzt werden z. B. nur mit Marktforschung oder Werbung. <?page no="89"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 67 Abb. B-6/ 19: Einige Erfolgs- und MiGerfolgefaktoren Positiv Kompatible strategische Interessen und operative Vorstellungen Ein weiter Ansatz ist besser als ein enges (detailliertes) Konzept Win-win-Situation Komplementare Vorteile Ausbalancierte Stárken Engagement, voller Einsatz, gegenseitiges Verstándnis und Vertrauen Promoter mit Einsatz und Engagement auf beiden Seiten, Überzeugtes mittleres Management Übereinstimmung von Werten und Vorstellungen (Normen) Gegenseitige Bereitschaft zu lernen und kulturelle Unterschiede zu akzeptieren Effizientes Konfliktmanagement Negativ Langfristige Strategie vs. <schnelles Geld> heterogene Partner -> zentrifugale Kráfte Management-Cegensátze/ -Konflikte z. B. kaufmannisches Controlling vs. technische Effizienz Unterschiedliche Managementstile Unzureichende operative Steuerungsmoglichkeiten Unterschiedliche Reaktionen auf Veránderungen Unzureichende Managementkompetenz Kulturelle Cegensatze CHINA - Kostgn für Gemginschaftsupterpghrnfln steigen tagMgh. oft auc-h unkontroilierbar - Per gesetzliche Rahmen wird ausgefüllt und damit stabiler Der Problemkatalog für Joint Ventures ist noch lang Im intemationalen Marketing werden Kenntnisse, Erfahrungen und Fáhigkeiten eingesetzt, die genauso auch fur das nationale Marketing von Bedeutung sind. Sie sind jedoch stándig hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit im Ausland zu iiberprüfen. Zum anderen kommen Aspekte hinzu, die sich spezifisch aus dem Auslandsmarkt ergeben und für das nationale Marketing in dieser Form nicht von Bedeutung sind, z. B. andere Kriterien bei der Produktgestaltung oder der Werbung oder andere Vertriebs- oder Wettbewerbsstrukturen. Folglich kónnen die in einzelnen Márkten gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen weder <?page no="90"?> 68 B Marktauswahl und Markterschlieftung ohne weiteres auf andere iibertragen werden (beispielsweise im Hinblick auf die optische Gestaltung von Produkten), noch pauschal untereinander verglichen werden. Unterschiede ergeben sich meist auch beziiglich der Verfiigbarkeit von Marktdaten, sowohl quantitativ als auch hinsichtlich ihrer Zuverlássigkeit. In Deutschland gibt es spezialisierte Dienstleister, die Marktdaten erheben und anbieten. Dies ist im Ausland oft sehr viel weniger ausgeprágt, wenn man einmal von Márkten wie den USA absieht. Im internationalen Marketing mul? daher oft sehr viel mehr mit Annahmen und mit Trial and Error gearbeitet werden. Solide Erfahrungen im nationalen Marketing sind eine der Erfolgsvoraussetzungen im internationalen Bereich. Die Ausgestaltung und die Kombination der zur Verfiigung stehenden Marketinginstrumente (Marketing-Mix) unterscheidet sich jedoch oft deutlich von den im Heimatland gewohnten Erkenntnissen. Insbesondere werden sie von lánderspezifischen Gegebenheiten des Ziellandes beeinfluBt. Hierzu záhlen neben rechtlichen und administrativen Besonderheiten (technische Normen, Umweltschutz, Verbraucherschutz, Importvorschriften) in erster Linie EinfluSfaktoren, die sich aus Kultur, Sprache, Religion, Tradition und Mentalitát ableiten. Das Umgehen mit diesen Faktoren wird auch als interkulturelles Marketing oder interkulturelles Management bezeichnet (Abschnitt C-3). B-7.2. Strategisches und operatives Marketing Das strategische Marketing ist langfristig orientiert. Aus den grundsátzlichen strategischen Marketingentscheidungen u. a. die Produktfelder (Giiterpalette), der Unternehmensstandort und die zu bedienenden Auslandsmarkte leiten sich auf der mittel- und kurzfristigen Ebene des operativen Marketing Vorgaben fur die Absatz- und Vertriebsplanung ab. Hieran orientiert sich die Produktionsplanung und daran die Beschaffung, woraus sich wiederum Vorgaben fur die Investitions- und die Finanzplanung ergeben: Strategische Grundsatzentscheidungen werden somit auf die operativen Ebenen <heruntergebrochen>. Gelegentlich wird in der Literatur noch zwischen taktischen und operativen Aspekten unterschieden, was wir hier nicht vertiefen wollen. Bei náherer Betrachtung ergeben sich Differenzierungen hinsichtlich der Art der zu vermarktenden Giiter. Daher unterscheidet man u. a. Konsumgütermarketing (business-toconsumer marketing, B2C), Investitionsgütermarketing (Industriegiitermarketing, businessto-business marketing, B2B), Handelsmarketing und Dienstleistungsmarketing. In zunehmendem Mal? e entwickeln auch Stádte und Gemeinden, Sportvereine oder Parteien Marketingkonzepte (Non-Business- oder Now-íVo/ íí-Marketing). Bei Betonung von Umweltaspekten spricht man heute von Okomarketing (Eco-marketing). Grundsátzlich steht der Kunde als Abnehmer der Produkte im Mittelpunkt. Die Kunden sind der Markt; sie entscheiden über den Erfolg des Unternehmens, und alie Marketingentscheidungen sollten sich hieran orientieren. Nicht selten wird Marketing in der Literatur daher implizit auch nur als Absatzmarketing interpretiert, so daf? das Beschaffungsmarketing als Spezialgebiet angesehen wird (Abschnitt B-7.4). Auch im folgenden steht die Exportorientierung im Mittelpunkt. Zudem hat sich das interne Marketing innerhalb des eigenen Unternehmens zu einem wichtigen Arbeitsfeld entwickelt, d. h. z. B. der <Verkauf> der Unternehmensziele und -strategien an die Mitarbeiter und Aufbau und Pflege eines Zusammen- <?page no="91"?> B-7. Intemationaler Marketing-Mix 69 gehorigkeitsgefiihls (Corporate Identity), wobei das interne Untemehmensimage mit dem externen übereinstimmen sollte. In Praxis und Wissenschaft konnte man in der Vergangenheit beobachten, wie sich Marketing) immer mehr spezialisierte und differenzierte. Dies vollzog sich teilweise auch nur auf der sprachlichen Ebene, wo neue meist anglophone - Begriffsprágungen inhaltlichen Fortschritt behaupteten, oft jedoch nur alten Wein in neuen Schláuchen anboten. Ein grundsátzliches Phánomen des internationalen Marketing besteht zudem darin, dai? «Marketing» Element einer Unternehmensphilosophie ist, die originar im US-amerikanischen Kulturkreis entwickelt wurde und nach und nach in anderen Lándern übernommen wurde. Nicht nur die Instrumente des Marketing, sondern auch zentrale Konzepte wie Produktzyklen, Markentreue, wahrgenommene Risiken etc. sind oft amerikanischen Ursprungs. Daher stellt sich immer die Frage nach der interkulturellen Anwendbarkeit solcher Konzepte. Auch in der Marktbeobachtung ist zu beriicksichtigen, daS das Instrumentarium fur auslándische Markten <justiert> werden mufi. Ordinale MeSskalen (z. B. «ungeniigend mangelhaft ausreichend befriedigend gut sehr gut») kónnen zwar verbal iibersetzt werden, doch gilt nicht unbedingt, daS die Distanz zwischen diesen Wertungen so wie bei uns empfunden wird. Befriedigend mul? nicht gleichwertig mit satisfactory, moyen oder medio sein. Daher sollte hinreichend Zeit in die Verifizierung der lokalen Wertekategorien investiert werden, was in der Praxis nicht immer geschieht. 19 Die Entwicklung einer Marketingstrategie fur Auslandsmárkte ist ein komplexes Unterfangen und impliziert eine Vielzahl von Veránderungen, die sowohl unternehmensintern als auch extern Probleme hervorrufen kónnen personelle, organisatorische, finanzielle, rechtliche und andere Probleme. Die hier notwendige Beschránkung auf ausgewáhlte Aspekte sollte hierfiir nicht den Blick verstellen. B-7.3. Adaption des Marketing-Mix Planung, Kombinantion und Koordination sowie Kontrolle der Instrumente, mit denen der Verkauf der abzusetzenden Produkte gefordert werden soil, wird als Marketing-Mix bezeichnet. Den Untemehmen stehen im internationalen Marketing mit der Produktpolitik, der Distributionspolitik, der Kommunikationspolitik und der Preispolitik die gleichen Instrumente zur Verfiigung wie im nationalen Marketing. In der anglophonen Literatur werden diese vier Instrumente auch als die <4P> bezeichnet: product, price, place (sinngemáS: Distributionspolitik), promotion (in etwa: Kommunikationspolitik). In vielen Márkten kommen noch 2 P's hinzu: politics und public opinion, wodurch das Marketing zum Mega-Marketing 20 wird: Bei groSerem Auslandsengagement kann es erforderlich sein, Unterstiitzung auf der politischen Ebene des Gastlandes zu haben (politics), beisielsweise wenn sich konkurrierende Unternehmen um Investitionsgenehmigungen oder Lizenzen bemiihen. Ob und inwieweit das dabei fast durchgángig anzutreffende Phánomen von <nützlichen Aufwendungen> (N. A., vulgo: Korruption) ein Marketinginstrument ist, soil hier nicht vertieft werden. Die óffentliche Meinung (public opinion) spielt " Usunier, Jean-Claude I Walliser, Bjórn, Interkulturelles Marketing, Wiesbaden 1993, S. 84. 20 Kotler, Philip, Marketing-Management: Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung, 9. Aufl. 1999, S. 588. <?page no="92"?> 70 B Marktauswahl und MarkterschlieGung dabei sehr oft eine wichtige Rolle, und es gibt viele Beispiele, wo Unternehmen durch den Bau von Firmenwohnungen oder Sponsoring von Schulen, Krankenhausern, Umweltprojekten oder des Sports ihr Image verbessern und den Absatz ihrer Produkte fórdern wollen. B-7.3.1. Unterschiedliche <Zentrierungen> Ob auf dem auslándischen Markt der gleiche oder zumindest ein áhnlicher Marketing-Mix anzuwenden ist wie im inlándischen Markt, hángt vom Standardisierungsgrad ab. Standardisierung ist in zweierlei Hinsicht zu verstehen: zum einen als Vereinheitlichung der Marketinginstrumente, zum anderen aus der Sicht des Abnehmers, indem das Frodukt fur unterschiedliche Marktteilnehmer den gleichen Nutzen, den gleichen Wert und die gleiche Bedeutung besitzt. Bei vollstándigem Standardisierungsgrad im letzteren Sinne sind die Eigenschaften des Produktes weltweit gleich bzw. werden von den Kunden weitgehend gleich beurteilt (wie vielleicht Handys, Windows-Software, Waschmaschinen oder Kameras). Konsequenterweise kann dann auch fur die verschiedenen Zielmárkte ein weitgehend einheitlicher Marketing-Mix angewendet werden. Als anderes Extrem mufi bei vólliger Differenzierung praktisch fur jedes Absatzgebiet ein eigener Mix erarbeitet werden. Meist gilt als Faustregel: Soviel Standardisierung wie móglich, soviel Differenzierung wie nótig. Bei der Produktpolitik ist der Grad der Standardisierung pauschal gesehen am hochsten, wáhrend bei der Preispolitik die stárksten Differenzierungen vorliegen. Aber auch in der Kommunikationspolitik sind meist unterschiedliche Ansátze angebracht, die spezifisch auf die von Land zu Land verschiedenen Kaufersegmente abgestimmt sind. So wird beispielsweise in der Autowerbung bei manchen Autos in Skandinavien mehr der Sicherheitsaspekt betont, wáhrend in Deutschland beim selben Modell Eleganz und Exklusivitát im Vordergrund stehen. Tendenziell fórdert die Werbung im Internet eine weitreichende Standardisierung. Je nach dem Grad der Differenzierung der Marketingstrategie fur die Zielmárkte werden vier Falle unterschieden. 21 In Abschnitt C-l werden daraus resultierende organisatorische Überlegungen angesprochen. • Für viele Unternehmen, insbesondere für KMU, bietet sich ein ethnozentriscb.es Management- und Marketingkonzept an, bei der die Überlegungen, die fur den Heimatmarkt im Inland gelten, auf das Ausland übertragen werden. Eine ethnozentrische Orientierung findet sich typischerweise bei Unternehmen, die ihre Produkte so wie sie sind auch im Ausland verkaufen, also keine für das Ausland spezifischen Produkte oder Produktvarianten anbieten. Grundsátzlich ist aber davon auszugehen, dal? die Káuferstruktur auf auslándischen Márkten sich von der vertrauten heimischen Struktur unterscheidet. Natürlich ist es problematisch, Lánder bzw. Vólker pauschal zu klassifizieren, doch gibt es Untersuchungen wie die Ewrosty/ e-Analyse 22 , die <typische> Charakteristika für 15 europáische Lándern herausarbeiten. Beispielsweise wird für GroíSbritannien und Belgien eine hóhere Konzentration von innovativen, risikobereiteren und Neuerungen aufgeschlossenen Káufern ausgewiesen als für Deutschland oder Frankreich. Solche und andere Unterschiede müssen berücksichtigt werden. 21 Perlmutter, H. V., Multinational Organization Development, Reading 1979. 22 GfK Lebensstilforschung, The Light Blue Book, Niirnberg 1990. <?page no="93"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 71 • Ein polyzentrisches Konzept, welches die spezifischen Besonderheiten der Auslandsengagements individuell und differenziert beriicksichtigt und beispielsweise auch ein lánderspezifisches Produktprogramm bedeutet, ist erst von einer gewissen UnternehmensgroEe an sinnvoll. Im Mittelpunkt steht die Kundenorientierung, beruhend auf entsprechender Erkundung der auslándischen Zielmárkte. • Eine Zwischenform stellt ein regiozcntrisches Konzept dar, das sich auf eine relativ homogene Lándergruppe orientiert (z. B. Nordafrika oder Zentralamerika). Dabei handelt es sich meist urn ein Produktangebot, daszwischen den einzelnen Teilmarkten der Region wenig differenziert ist. • Als geozentrische Orientierung schlieSlich bezeichnet man ein weltweit gespanntes, globales Managementkonzept (global management 1 *). Dabei sind zwei Ebenen zu unterscheiden: Die geographische globale Dimension umfaftt auch das weltweite Ausnutzen von Produktions- oder Beschaffungsvorteilen in verschiedenen Lándern: Es wird eingekauft, wo es am giinstigsten ist, und verkauft, wo sich Chancen bieten. Parallel dazu gibt es die Ebene der Standardisierung: Ein globales Managementkonzept beruht in der Regel auf standardisierter Produktion, wobei man aber eine in gewissem Sinne lánderübergreifend áhnliche Zielgruppe anvisiert (globale Kernmárkte bzw. Marktsegmente, z. B. Yuppies oder EDV-Anwender) und Marktchancen in beliebigen Lándern ausnutzt. Ethnozentrische und geozentrische Konzepte sehen die Welt zwar aus verschiedenen Blickwinkeln, führen aber zu sehr áhnlichen, vereinheitlichenden Konsequenzen. Tendenziell erschwert Anpassung (Adaptation) an Besonderheiten des auslándischen Marktes das Marketingmanagement und bedeutet hóhere Kosten und damit tendenziell auch hóhere Preise. Marke, Positionierung, Werbebotschaft, Kundendienst und Garantien lassen sich eher standardisieren als Absatzwege, Verkaufsorganisation, Preise, Rabatte und Werbemedien, aber auch dies hángt vom konkreten Fall ab. Produktionstechnisch lassen sich Adaptationsmóglichkeiten teilweise durch ein Baukastenprinzip oder Module verwirklichen, mit denen globale Basismodelle (Produktkerne) variiert werden kónnen (z. B. bei Baumaschinen: Caterpillar). Andererseits haben bestimmte Produkte gerade wegen ihrer auslándischen Provenienz besondere Marktchancen (deutsche Automobile, franzósische Parfums). Durch international immer áhnlicher werdende Kundenwünsche und sich angleichende Produktstandards (insbesondere durch Übernahme westlicher Konsumgewohnheiten und Modetrends) nehmen die kulturellen Differenzen ab. Ein interessanter Aspekt ist dabei das Product Placement in Filmen oder Fernsehserien, die in vielen Lándern ausgestrahlt werden. Dadurch werden die Márkte zunehmend homogenisiert (der Held fáhrt bevorzugt mit xy- Sportwagen, trinkt xz-Whiskey und raucht zw-Zigaretten), und es besteht wie erwáhnt in einigen Sektoren eine Tendenz zu geozentrischen Strategien mit entsprechenden Standardisierungen. Wenn Qualitát und Preis eines Produktes iiberzeugen, belegt die Erfahrung, dai? die Verbraucher auch Veránderungen ihrer eige'nen, traditionellen Konsumstruktur vornehmen und standardisierte <Weltprodukte> akzeptieren. Dies eróffnet Chancen, um durch Mengenwachstum Kostendegressionen auszunutzen. In vielen Branchen ist jedoch auszugehen von deutlich unterschiedlichen Verhaltensmustem der Konsumenten, abweichenden Normen, technischen Standards und Zulassungsverfahren 23 So bereits Porter, Michael £., Competitive Strategy, New York 1980, S. 275. <?page no="94"?> 72 B Marktauswahl und MarkterschlieRung sowie von abweichenden Wettbewerbsstrukturen, so daS der Standardisierung Grenzen gesetzt sind. In der Praxis wird man wie so oft auch hier háufig einen goldenen Mittelweg zwischen Standardisierung und Differenzierung anstreben. Wáhrend im Konsumbereich eher von einem standardisierbaren Breitengescháft auszugehen ist, haben im Investitionsgüterbereich kundenspezifische Auftráge, Variationen und Projekte eine zentrale Bedeutung. Solche Unterschiede wirken sich auf die Produktpolitik, die Preisfindungsstrategien, die Distribution und die Kommunikationspolitik aus. Es wurde schon betont, da£ interkulturelle Unterschiede einen ganz zentralen Aspekt des internationalen Marketing darstellt. Hinzu kommen auch Unterschiede in der funktionalen Bedeutung von Produkten: Wáhrend bei uns ein Fahrrad vorrangig ein Produkt fur Freizeit und Sport ist, stellt es in vielen Lándern ein wichtiges Transportmittel dar. Dies ist sowohl in der Produktgestaltung zu berücksichtigen als auch in der Kommunikation mit dem Kunden. B-7.3.2. Produkt- und Programmpolitik Zur Entwicklung einer internationalen Marketingstrategie wird im Rahmen der Produkt- und Programmpolitik festgelegt, welche Produkte oder Dienstleistungen sich für eine Internationalisierung anbieten. Beispielsweise wird die Produktpalette von Untemehmen aus Industrielándern für Entwicklungslándermárkte im Vergleich mit dem europáischen Produktangebot oft reduziert. Neben der Art der anzubietenden Giiter hinsichtlich Produktdifferenzierungen und -varianten (Sortimentspolitik, Qualitátspolitik) sind fur die Produkt- und Programmpolitik Faktoren von Bedeutung wie Ausstattungskomponenten (Farbe, Kennzeichnung), Markenpolitik (Markennamen, Markenzeichen), Verpackung und Service. Die Grenze zur Kommunikationspolitik ist dabei nicht immer eindeutig zu ziehen. Bei der Produktgestaltung muS kulturellen Besonderheiten, dem NationalbewuEtsein, der Bedeutung von Farben und Symbolen und vielen anderen Aspekten besondere Beachtung geschenkt werden. Nicht selten iibertragen Unternehmen ihre strategischen Vorstellungen aus dem Inland oder aus anderen Lándern, in denen sie bereits tátig sind, auch auf neue Márkte. Beispielsweise sind deutsche Unternehmer meist deutlich auf Qualitát und Qualitátskontrolle eingeschworen. Hinsichtlich der Produkt- oder Programmpolitik ist dies sicherlich vóllig in Ordnung, nur sollte der wichtige Bereich des <Verkaufens> dieser Produktargumente nicht vernachlassigt werden. Obgleich beispielsweise die USA ein Land des strengen Verbraucherschutzes sind, orientieren sich die Kunden oft aber sehr viel deutlicher am Preis als an nicht immer erkennbaren hohen Qualitatsstandards (vielleicht abgesehen von Autos). Diese müssen dann kommuniziert werden. B-7.3.2.1. Standardisierung und Differenzierung Ein zentrales Entscheidungsproblem im internationalen Marketing bezieht sich darauf, ob man unterschiedliche Márkte standardisiert oder differenziert erschlieSen will. Wenn man vereinfachend nur die Produktpolitik und die Kommunikationspolitik betrachtet, lassen sich fünf Falle der Standardisierung bzw. Differenzierung unterscheiden (Abb. B-7/ 1). • Im einfachsten Fall wird das gleiche Produkt wie im Inland mit der gleichen Kommunikation unverándert auf den Auslandsmarkt übertragen. Dies kann differenzierten Kon- <?page no="95"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 73 Abb. B-7/ 1: Standardisierung und Differenzierung Business as usual Einfache Anpassung Einfache Anpassung Zweifache Anpassung Simultane Innovation Produkt unverándert unverándert angepaftt angepafct neu Kommunikation unverándert angepaftt unverándert angepaftt neu sumgewohnheiten nicht gerecht werden und ist nur bei Giitern anwendbar, bei denen die Substitutionskonkurrenz gering ist, d. h. daS man nicht so leicht von Konkurrenzprodukten verdrángt werden kann. Wenn sich dies ais Fehleinschátzung erweist, dürften die Kostenvorteile aufgrund der «einfachen» Markteinfiihrung schnell dahinschmelzen. • Im zweiten Fall ist das Produkt standardisiert, aber die Kommunikation wird an den Auslandsmarkt angepaEt (einfache Anpassung bzw. einfache Innovation), indem insbesondere bestimmte Werbestilmittel verwendet bzw. nicht verwendet werden (beispielsweise indem erotische Assoziationen in bestimmten Landern vermieden werden). • Der dritte Fall ist analog, bei dem das Produkt an den Auslandsmarkt angepaEt wird und die Kommunikation standardisiert wird (gleichfalls eine einfache Anpassung), z. B. durch unterschiedliche Geschmacksnuancen fur <Hamburger>-Saucen, Pulverkaffee oder Abgaswerte bei Autos. Wie schon erwáhnt, fiihrt die Werbung im Internet zu einer tendenziell standardisierten Kommunikation. • Im vierten Fall findet eine zweifache Anpassung auf beiden Ebenen statt. • Den fiinften Fall schlieSlich bildet eine vollstándig neue, lánderspezifische Produktentwicklung mit neuer, lánderspezifischer Kommunikation sicherlich ein schwieriger Ansatz. EXKURS Der McDonald-Wechselkurs: Der McDonald-<Hamburger> wird wegen seiner als weitgehend standardisiert anzusehenden Produktbeschaffenheit ais serióser Indikator für den Vergleich nationaler Preisniveaus und die <Richtigkeit> von Devisen- Wechselkursen verwendet (kein Scherzl). Wenn der Preis in der Schweiz (zum offiziellen Wechselkurs umgerechnet) 40% über und in Polen 70% unter dem US-Preis liegt, láftt sich daraus auf das Verháltnis der allgemeinen Preisniveaus zueinander zurückschlie&en. Nach der sog. Kaufkraftparitátentheorie müftten die Wechselkurse diese Unterschiede widerspiegeln, wáhrend sie in der Praxis natiirlich aufgrund anderer Einfluftfaktoren davon abweichen. B-7.3.2.2. Produktanpassung Die Entwicklung eines Produkts mit globaler Standardisierung ist insgesamt gesehen eher eine Ausnahme; Beispiele sind Fotokameras oder viele Autotypen. Die globale Standardisierung kann sich dabei ais gefáhrlich erweisen, wenn Konkurrenten erfolgreich lander spezifisch differenzierte Varianten anbieten. Bei voUstándigem Standardisierungsgrad hingegen sind die Eigenschaften des Produktes auf <?page no="96"?> 7 4 B Marktauswahl und Markterschlieftung alien Absatzmarkten gleich und werden von den Abnehmern weitgehend gleich beurteilt. In diesen Fallen wird global ein vereinheitlichtes Marketingkonzept (-Mix) angewendet. Aber auch dabei gibt es Nuancen: Coca Cola ist beispielsweise je nach Zielland unterschiedlich gesüEt; McDonald verwendet in Mexico nicht Ketchup, sondern ChilisoEe; die Autofirmen müssen unterschiedliche technische - Ausstattungsvorschriften berücksichtigen; die Barbiepuppe von Mattel hat in Japan angepaEte Proportionen erhalten; Pulverkaffee hat in Deutschland, Frankreich oder den USA unterschiedlichen Geschmack; ein Suppenhersteller variiert dieselbe Tomatensuppe für Italien (cremig) und Kolumbien (pikant); griine Kiihlschránke verkaufen sich in China besser als weiEe, denn die Trauerfarbe ist in China weiE; Trinkgláser sóllten für tropische Márkte groE genug sein, um Eiswiirfel aufzunehmen, etc. Je differenzierter die Produktpalette ist, desto uniibersichtlicher wird sie auch. Manche Unternehmen verwenden für dieselben Produkte verschiedene Namen in den einzelnen Márkten (was aus sprachlichen Gründen nachvollziehbar ist, weil sich der Kunde sonst leicht die Zunge bricht); teilweise unterscheiden sich auch die Produktzusammensetzungen aus ásthetischen oder rechtlichen Gründen (unzulássige Komponenten, z. B. bei Kosmetika oder Arzneimitteln). Ein nicht unerwünschter Nebeneffekt ist, daE solche Unterschiede bei regionaler Preisdifferenzierung - Re-Importe erschweren. Viele Konsumgüter kónnen in armen Lándern nicht in groEen VerpackungsgroEen verkauft werden, weil der Konsument sich das nicht leisten kann. Dann bildet sich sehr oft ein informeller Markt, auf dem beispielsweise Zigaretten oder Maggiwürfel einzeln (zu vergleichsweise deutlich hóheren Stuck preisen) gekauft werden kónnen. In manchen Fallen werden unterschiedliche Produktstandards (Umwelt-, Sicherheits-, technische Standards) unter verschiedenen Namen vertrieben. Wiederum zerflieEt die Abgrenzung zur Kommunikationspolitik. B-7.3.2.3. Dienstleistungen ais Produktergánzung Nicht nur, aber insbesondere im Maschinen- und Anlagenbau stehen neben der Qualitát und dem Preis der Ware weitere Aspekte im Zentrum des Angebots. Qualitativ sind die Produkte vieler Hersteller oft sehr áhnlich; dies gilt auch für die Preisstellung. Zunehmend wichtiger wird eine dienstleistungsorientierte Produktentwicklung, die Komponenten wie Fernüberwachung und Ferndiagnose (Telemetrie) und Steuerung (bei kommunikationsfahigen Maschinen und Anlagen) sowie integrierte Abrechnung (Kostenerfassung) umfaEt. Dies muE oft ergánzt werden durch produktbegleitende Dienstleistungen wie Schulungsangebote und Service fur die Anwender in den Kundenbetrieben. Und last not least muE der Exporteur seinem potentielen Kunden meist auch eine attraktive Finanzierung gleich mit anbieten (vgl. Teil D). Diese ergánzenden Komponenten werden von den Unternehmen nicht immer hinreichend gut vermarktet; die Kommunikations- und Informationspolitik ist oft verbesserungsfáhig. B-7.3.3. Preispolitik, Kostenrechnung Der Preis ist neben dem optischen Erscheinungsbild des Produkts das auffálligste Merkmal des Produkts. Daher kommt der Preispolitik im Konzert mit den anderen Marketinginstrumenten eine sehr wichtige Bedeutung-zu. Grundsátzlich hat der Kunde eine subjektive Vorstellung vom Preis-Leistungs-Verháltnis. Allgemein ist daher wichtig zu wissen, welchen <?page no="97"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 75 Preis der Kunde akzeptiert. Ob ein geforderter Preis durchgesetzt werden kann, hángt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Im Massengescháft wird man durch Erfahrung, Beobachtung, Ausprobieren oder auch Befragung Modifikationen machen kónnen. In Preisverhandlungen mit Einzelkunden bietet es sich an, Verhandlungsspielraum zu haben, ggf. sogar unter Inkaufnahme von Kostenunterdeckungen, um den Kunden zu gewinnen und vielleicht in Anschlufígescháften diese Erstyerluste wieder aufzuholen; das Prinzip der Mischkalkulation ist nicht selten. Neben dem Preis sind auch die Zahlungskonditionen und die Serviceleistungen fur die Akzeptanz des eigentlichen Produktpreises wichtige Aspekte. Allgemein ist zu unterscheiden auf der einen Seite zwischen der Preisfindung bei Einzel- und Auftragsfertigung, oft im Rahmen von Ausschreibungen oder bei individuellen Preisverhandlungen, und auf der anderen Seite der Preissetzung für ein anonymes breites bis Massengescháft, von welchem wir zunáchst ausgehen. B-7.3.3.1. Preisstrategien für auslándische Márkte Die Probleme der Preispolitik gelten grundsátzlich im In- und Ausland; im Ausland kommen jedoch einige erschwerende Faktoren hinzu. Grundsátzlich sollen Preise angeboten werden, die, allgemein gesehen, zu Káufen und zur Erlangung von Auftragen, spezifischer: zur Deckung der auftragsbezogenen Kosten und zur Deckung der gesamten Unternehmenskosten fiihren. Langfristig miissen die Erlóse (Umsátze) alie Kosten, d. h. Fixkosten und variable (proportionale) Kosten (vgl. unten) sowie einen als angemessen erachteten Gewinn abdecken. Die Angemessenheit leitet sich ab aus einem untemehmensintem, d. h. subjektiven Verhaltnis von Gewinn zu Kapitaleinsatz (Rendite, Eigenkapitalverzinsung, Return on Investment [ROÍ 24 ] o. á.). Die Preisbildung ist aber vorrangig kein mathematisch-rechnerisches, sondern ein preis-<politisches> Problem. Verschiedene EinfluSgrofen sind zu beriicksichtigen: Auftragsbestand, Bescháftigungssituation, Kapazitátsauslastung, die eigene Stellung und Verhandlungsmacht am Markt, die grundsátzlich Preisstrategie sowie das Interesse am Kunden. Da die Nachfrage negativ mit der Preishóhe korreliert, mülSte im Idealfall die Preisabsatzfunktion bekannt sein. Dies ist im Gegensatz zur ókonomischen Theorie in der Praxis jedoch allgemein nicht der Fall, auch wenn Erfahrungswerte aus der Vergangenheit oder aufgrund der Marktbeobachtung vorliegen. Eine Absatzprognose ist auf Auslandsmárkten mit besonderen Unsicherheiten verbunden, denn die Marktdaten sind oft unsicher, das Konsumentenverhalten ist anders als im Heimatmarkt und die Belastbarkeit des Verbrau- Return on Investment: G/ K = Gewinn zu eingesetztem Kapital. In der Praxis wird diese Relation zunáchst in die Faktoren (G/ U) * (U/ K) aufgespaltet (U = Umsatz) und die Faktoren wiederum in weitere Komponenten, so daS sich eine Kennzahlen-Pyramide ergibt, mit deren Hilfe sich strategische und operative Aspekte beobachten lassen. In der Praxis gibt es zahlreiche verschiedene ROI-Definitionen, je nachdem, wie Gewinn und Kapital definiert werden, z.B. Jahresiiberschufi oder Bilanzgewinn, Eigen-, Fremd- oder Gesamtkapital usw. Ein verwandter Ansatz ist das Konzept der Balanced Score Card: Von der obersten Zielebene werden Zielvorgaben bis auf die operative Ebene der Arbeiter heruntergebrochen und immer konkreter spezifiziert. Damit soil jedem einzelnen seine Aufgabe z. B. zum Ziel «Kostensenkungum 5% im náchsten Quartal» verdeutlicht und vorgegeben werden. Sinnvoll ist, solche Zielvorgaben mit den Betroffenen gemeinsam zu vereinbaren («Management by Objectives» und «Management by Participation»). <?page no="98"?> 76 B Marktauswahl und Markterschlieftung chers und seine Preisempfindlichkeit (Preis- und Einkommenselastizitat) sind meist nicht bekannt. Viele Untemehmen berücksichtigen diese Unsicherheiten durch pauschale Risikozuschláge, kalkulieren sich dabei aber auch leicht aus dem Markt. Allgemein gibt es kostenorientierte und káuferorientierte Preisstrategien (Abb. B-7/ 2). Bei kostenorientierten Preisfindungsverfahren steht das Ziel im Vordergrund, die Kosten durch entsprechende Kalkuiation des Verkaufspreises zu decken. Dabei wird man sámtliche Kosten summieren und einen als angemessen erachteten Gewinnzuschlag hinzurechnen, der sich aus der erwarteten Mindestverzinsung des eingesetzen Kapitals ableiten wird (ROI) (Boííom-wp-Kalkulation). Dabei kann sich entweder ergeben, daS der so gefundene Preis aus der Sicht des Kunden zu hoch ist und es nicht zum Kauf kommt, oder eine móglicherweise hóhere Zahlungsbereitschaft des Kunden nicht ausgeschópft werden kann. Eine Punktlandung ist eher Zufall. Bei kundenbzw. nacbfrageorientierten Ansátzen hingegen steht gerade die Zahlungsbereitschaft des Kunden im Vordergrund. Dabei kann unter Umstanden auch ein AbschluS zu nicht-kostendeckenden Preisen zustande kommen, um den Kunden nicht zu verlieren (vgl. unten). Eine solche Top-áoi^Tí-Kalkulation geht von einem gegebenen Verkaufspreis aus (der entweder vom allgemeinen Markt oder vom Kunden bestimmt wird). Von diesem Preis aus wird dann heruntergerechnet, welches Kostenniveau noch akzeptabel ware, um einen Mindestgewinn pro Stuck zu realisieren (design to cost), anders formuliert: Was darf das Produkt maximal kosten? Hier geraten Untemehmen leicht in <Kostendruck>. Die strategische Variable ist hier also nicht der Preis, sondern die Kostensumme, und wenn diese nicht zu komprimieren ist: die Gewinnspanne. - Im Massengescháft dominieren Top-down-, im Einzelgescháft Boííow-wp-Preisfindungsmethoden. Gelegentlich findet sich das Miftverstándnis, daft ein Angebotspreis <ab Werk> des Verkáufers (EXW: Ex Works) attraktiver ist ais z. B. ein CIF-Angebot (Costs, Insurance, Freight), d. h. inclusive der Transport- und Versicherungskosten bis zum Bestimmungsort im Importland. Natiirlich ist ein EXW-Preis niedriger als ein CIF-Preis, aber auch bei EXW kommen ebenso natürlich diese Nebenkosten für den Káufer noch hinzu, mit dem Unterschied, daft bei EXW der Káufer die Transport- und Versicherungsvertráge abschlieften muft, wáhrend dies bei CIF dem Verkáuferobliegt. Unterschiede im Bruttopreis kónnen sich allerdings ergeben, wenn Káufer und Verkáufer z. B. unterschiedlich gute Frachtkonditionen aushandeln kónnen. Vgl. zur Auswahl der Lieferbedingungen (INCO- TERMS) ausführlich Abschnitt G-2. Zu unterscheiden ist die erstmalige Festsetzung eines Einfiihrungspreises von der Veránderung des Preises im Zeitablauf. Um einen neuen Markt zu erschliefsen, kann man entweder auf Massenverkauf bei kleiner Gewinnmarge setzen oder auf kleinere Stückzahlen mit hóherer Spanne bzw. auf dazwischen liegende Varianten. Formaler gesprochen, stehen zur Preissetzung die Hochpreisstrategie und die Niedrigpreisstrategie zur Verfugung. 1. Eine Hochpreisstrategie wird auch als Preisfiihrerschaft oder in gewissen Fallen - Abschopfungsstrategie bezeichnet (engl. skimming). Dabei zielt man auf kaufkráftige Marktsegmente bzw. bestimmte Káufergruppen, die breit sind, für gute und bessere Qualitát entsprechend hohe Preise zu zahlen (Práferenzstrategie). Da der Umsatz das Produkt <?page no="99"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 77 Abb. B-7/ 2: Preiskalkulation I I • Preis A Cewinn Kosten Bottom-up \ 1 Preis 1 Gewinn Kosten | Top-down aus Absatzmenge und Preis ist, werden bei einer Hochpreisstrategie tendenziell kleinere Absatzmengen anvisiert (Nischenstrategie) als bei einer Niedrigpreisstrategie, die zwar pro Stuck weniger Gewinn bringt, aufgrund groSer Absatzzahlen aber dennoch einen entsprechenden Umsatz ermóglicht. Bei einer <richtigen> Abschópfungsstrategie wird der Preis dann im Zeitablauf zuriickgenommen, um auch andere Káufergruppen anzusprechen, die nicht bereit waren, den hohen Einfiihrungspreis zu zahlen, und nach und nach <von oben nach unten> abzuschópfen. Beispielsweise werden Bücher ais Neuerscheinungen zunáchst in hochwertiger gebundener Form angeboten, z. B. zum Preis von 19,90 Euro. Und nach geraumer Zeit erscheit dasselbe Buch als Paperback zu 9,90 Euro. Wer also nicht 50 cm representative Kultur für das Buchregal kaufen will, sondern nur den Text, wiirde spontan das Paperback kaufen aber dann muE er ein Jahr warten. Diese Strategic láfSt sich vor allem dann durchfiihren, wenn bei den Produkten ein hoher Neuheits- oder Prestigewert besteht (Luxusgiiter), nur eine geringe Konkurrenz herrscht und eventuell zwar verwandte, aber áhnliche Produkte nebeneinander angeboten werden kónnen, wie z. B. bei verschiedenen Autotypen, die aufgrund des Baukastenprinzips sicherlich nicht immer auch unterschiedliche Preise rechtfertigen. Die Kosten der Produktentwicklung und der Produktionsanlagen quasi-heterogener (weil eben doch áhnlicher) Giiter amortisieren sich durch hohe Anfangspreis oft sehr schnell. Grundsatzlich sind Hochpreisstragegien riskant. Gerade in den emerging markets, den neuen Márkten in Osteuropa, Ostasien und Südostasien, besteht die Gefahr des outpacing: Durch die hohe Gewinnerzielung werden moglicherweise Konkurrenten angelockt (die teilweise eine rigorose Niedrigpreispolitik betreiben, um zunáchst einmal FuS zu fassen), so daE man leicht <überholt>, d.h verdrángt wird (out-pacing), nicht selten durch Produktimitationen oder gar Produktfálschungen. Zudem ist die Preiselastizitát bei sinkenden Preisen oft nicht hoch genug, um den abnehmenden Stiickgewinn durch entsprechend zunehmende Nachfragemengen zu kompensieren. 2. Ganz anders verláuft die Markteroberung bei einer Penetrarionsstrategie. Hier wird der Einfiihrungspreis bewuEt sehr niedrig angesetzt, damit eine moglichst schnelle und breite <?page no="100"?> 7 8 B Marktauswahl und MarkterschlieGung Marktdurchdringung gelingt und Marktsegmente besetzt werden (Niedrigpreisstrategie, Preiskampf, Verdrángungsstrategie, Discount-Strategie). Die Produktionskosten sollen dabei bei niedrigem Stiickgewinn durch hohe Absatzmengen verdient werden, wobei durchaus auch fur eine Übergangszeit Kostenunterdeckungen d. h. Verluste in Kauf genommen werden. Diese Strategic kann nur bei einigermafien áhnlichen (homogenen) Konkurrenzprodukten im Massenmarkt zum Erfolg führen und wird nicht selten bei «me ioo»-Strategien angewendet, wenn Unternehmen dem Beispiel ihrer Konkurrenten folgen und nun auch ins Ausland gehen. Ziel ist zum einen, das Risiko eines Fehlschlages zu reduzieren, und zum anderen, durch die zunáchst geringen Gewinnmoglichkeiten potentielle Mitanbieter vom Marktzutritt abzuhalten. Start «so gut wie moglich» werden Produkte nach der Devise «so gut wie nótig» konzipiert: Es wird nicht die technische, sondern die wirtschaftlich beste Lósung angestrebt (Kostenfiihrerschait). Im Maschinen- und Anlagenbau z. B. wird ein Teil so konstruiert, daté der Gesamtschaden, der bei seinem Ausfall durch Gewahrleistung oder Schadenersatz entsteht, kleiner ist als der Mehraufwand fur ein dauerhafteres Teil. Zu einem spáteren Zeitpunkt wird der Preis fur das Produkt dann erhóht, urn so hóhere Gewinne zu erzielen, oft unter anderem Produktnamen, denn für das marktschreierische Argument «NEUM» zahlt der Kunde in der Regel selten mehr. Im Vergleich zur Skimming-Strategic ist der Amortisationszeitraum einer Investition bei einer Penetrationsstrategie relativ lang. Zudem besteht die Gefahr, dai? die Konsumenten nicht bereit sind, eine spátere Preiserhóhung zu tragen. In der Praxis wird die Penetrationsstrategie vor allem auf Massenmarkten für Verbrauchsgüter eingesetzt. Grundsatzlich sollte sich die Preisstrategie auf eine solide Kostenrechnung stiitzen; dies gilt generell, nicht nur in Auslandsmárkten. Für das wirtschaftliche Überleben jedes Unternehmens ist es wichtig, den <Punkt> zu kennen, der Gewinn- und Verlustzone voneinander abgrenzt. Theoretisch gesprochen ist dies der Break-Even-Punkt (Abb. B-7/ 3), der genau Abb. B-7/ 3: Break-Even-Punkt Umsatz (x • P) Preis (P), Kosten (K) Kosten(x • K) kritische Menge Menge (x) <?page no="101"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 79 definiert, welche Produktmenge abgesetzt werden mufi, um die Kosten zu decken. Um mit diesem abstrakten Konzept operativ umgehen zu kónnen, müssen natürlich móglichst prázise Informationen iiber die zu deckenden Kosten und zu erwartenden Erlóse vorliegen. B-7.3.3.2. Geographische Preisdifferenzierung Auch bei der Preispolitik kann bezüglich verschiedener Márkte standardisiert oder difieren ziert werden. Bei Standardisierung gilt ein einheitlicher Preis <ab Werk> (EXW: Ex Works, ex fábrica) fur alie Márkte, der sich iiber die entsprechenden Wechselkurse in die lokalen Preise umrechnet (vgl. Abschnitt H-4). Bei mehreren Produktionsstandorten stellt sich natürlich die Frage: Ab welchem Werk? Ein global einheitlicher Verkaufspreis ist problematisch. Zum einen müssen Transport- und Versicherungskosten, Einfuhrzólle, Steuern und Zuschláge für zwischengeschaltete Handelsstufen beriicksichtigt werden, die sich leicht zu unattraktiven Bruttopreisen für den Endverbraucher addieren kónnen. Zudem muE das Produkt in einem bestimmten Verháltnis zum Einkommen der Zielgruppe bleiben. Ein nur über den Wechselkurs umgerechneter Preis eines schwedischen Fahrrads ware für den pakistanischen Markt aufierhalb realistischer Reichweiten. Daher behelfen sich die Hersteller oft mit lokaler Produktion, um das Kostenniveau anzupassen. In der Praxis überwiegt die lánderspezifische Preisdifferenzierung, deren allgemeines Ziel ist, die lokalen Gewinnpotentiale unter Berücksichtigung der jeweiligen Einkommens- und Preisniveaus optimal auszuschópfen. Dabei kann man u. a. bei unterschiedlichen Produktionsstandorten von unterschiedlichen Produktionskosten ausgehen. In anderen Fallen werden im Auslandsgeschaft nur die direkten Kosten in den Preisen verrechnet, wáhrend die Gemeinkosten aus den Inlandsumsatzen gedeckt werden müssen, oder man kalkuliert mit Deckungsbeitragen, die zunáchst nur die varia bien Kosten decken und nur einen Beitrag zur Deckung der totalen Fixkosten liefern (daher der Name; vgl. unten), wobei einige Produkte ggf. nicht ihre gesamten Stückkosten decken, andere hingegen einen Ausgleich bringen (Mischkalkulation). PRAXISTIP Eine besondere Problematik ergibt sich dabei bei international unterschiedlichen Preisen im Hinblick auf Dumping 25 : Verlangt ein Hersteller auf dem Auslandsmarkt einen niedrigeren Ab-Werk-Preis als auf seinem eigenen Inlandsmarkt, liegt nach dem internationalen Handelsrecht der WTO aufgrund der «regionalen Preisdifferenzierung» ein Dumpingtatbestand vor. Der Import aus dem «Billigland» kann dann u. U. auf Antrag geschadigter Wirtschaftskreise im Importland mit einem Anti-Dumping- Strafzoll belegt werden, um den Preisunterschied abzuschópfen. Dabei ist das US-amerikanische Anti-Dumpingrecht noch rigoroser ais das EU-Recht, das sich genau am WTO-Recht orientiert (vgl. ausfiihrlicher Abschnitt J-3.2). Bei Preisunterschieden aufgrund billigerer Produktion im Ausland liegt natürlich kein Dumping vor. Dies gilt auch, wenn ein Hersteller im In- und Ausland denselben Preis verlangt, aber in beiden Fallen dieses Produkt «unter Kosten» verkauft (z. B. aufgrund einer Mischkalkulation), denn dies ist seine freie untemehmerische Entscheidung. Engl, to dump = (Abfall) wegwerfen. <?page no="102"?> 80 B Marktauswahl und Markterschlieftung Regionale Preisdifferenzierungen werden durch die zunehmende Transparenz und Interdependenz zwischen den Márkten beeintráchtigt, die zu Re-Importen anregen kann: «Billigexporte» (deutscher Produkte) kónnen im Ausland von inlándischen (deutschen) Kaufern aufgekauft und ins Exportland re-importiert werden. Innerhalb Europas ist so vor allem aufgrund unterschiedlicher umsatzsteuerlicher Belastungen ein betráchtlicher (aber vóllig legaler) <grauer Markt> bei Automobilen entstanden; auch bei Medikamenten bestehen oft erhebliche regionale Preisunterschiede. Der Versuch, dem durch Servicebegrenzungen fur Re-Importe entgegenzuwirken, verstóSt gegen EU-Recht und ist weil rechtswidrig nur noch selten beobachtbar. Nicht selten versuchen Hersteller, sich durch Lieferbegrenzungen dagegen zu schiitzen. Es ist aber nach EU-Recht ebenfalls rechtswidrig, einem deutschen Káufer den Kauf eines (billigeren) deutschen Exportautos in Belgien (oder sonstwo innerhalb der EU) zu verweigern. Der europaische Gerichtshof hat in der jiingeren Vergangenheit ziemlich drastische Strafen gegen deutsche Autokonzeme verhángt (Abb. B-7/ 4). B-7.3.3.3. Preisuntergrenzen bei Einzelauftrágen Bei Einzelauftrágen, nicht selten im Rahmen von internationalen Ausschreibungen, steigt die Wahrscheinlichkeit, den Zuschlag zu erhalten, natiirlich mit der Attraktivitát des Angebotspreises. Beriicksichtigt man alie Eventualitáten und Risiken als Kostenfaktoren in der Preiskalkulation, hat man sich schnell aus dem Markt herauskalkuliert. Es hángt wieder von der Strategic bzw. hier práziser: von der Taktik ab, ob man einen Auftrag auch dann akzeptiert, wenn er nicht die gesamten Kosten (Vollkosten) deckt (variable plus fixe Kosten) 26 , sondern fur sich gesehen einen Verlust bringt. Dadurch wurde jedoch vielleicht ein Kunde gewonnen oder erhalten, dessen AnschluEauftráge den entgangenen Gewinn wieder wettmachen. Zudem wird oft iibersehen, dais auch ein solcher Auftrag zur Deckung der Fixkosten beitrágt, solange der sog. Deckungsbeitrag positiv ist (vgl. unten). Hinsichtlich des Umfangs der Kostenverrechnung zur Preisfestsetzung stehen Altemativen zur Auswahl, die unterschiedliche Ergebnisse liefern: Eine Vollkostenrechnung verrechnet alie Kosten auf die Kostentrager fixe wie variable Kosten - , wobei man aus einer ganz anderen Sicht zwischen Einzelkosten, die den Kostentragern direkt zurechenbar sind (direkte Kosten; u. a. im Produkt enthaltene Materialkosten, unmittelbare Lohnkosten der Ferti- Abb. B-7/ 4: Autos in Deutschland teurer als im Ausland Preise zum Teil 20 Prozent hoher / EU kritisiert das Preisgefalie Volkswagen drohen móglicherweise hohe Schadenersatzforderungen von den Autohdndlern Das Bufigeld fur den VW-Konzern kommt nicht unerwartet Volkswagen bestreitet Gcfáhrdung des geltenden Vertriebssystems / Uaucrnd Árger mit der Kommission Variable Kosten verandern sich proportional zur Produktionsmenge (eingesetztes Material, Energieverbrauch etc.), fixe Kosten sind produktionsunabhángig (Abschreibung auf Anlagen, allgemeine Verwaltungskosten etc.). Es kommt dabei auf den zeitlichen Horizont an: kurzfristig sind Fertigungslóhne in der Kiindigungszeit fixe Kosten, mittelfristig variable Kosten. <?page no="103"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 81 gung), und nicht direkt zurechenbaren Gemeinkosten (indirekte Kosten) unterscheidet. 27 Letztere miissen durch móglichst realistische - Verteilungsschliissel umgelegt werden. Beispielsweise kann man allgemeine Verwaltungskosten (Telefon, Pfortner, Chefsekretariat, Sicherheitspersonal) nicht direkt den Produktionskosten von Stühlen oder Drehbánken zurechnen. Die Verrechnung erfolgt innerhalb der sog. Kostenstellenrecbnung 2 * (Abb. B-7/ 5). Abb. B-7/ 5: Kostenzurechnung direkte Kosten A i r \ ] Produkt A Gemeinkosten 1 Verrechnungsschlüssel direkte Kosten B i ' \ 1 Produkt B Eine kleine Anmerkung: Wenn ein Betriebswirt den Begriff Unkosten hórt, zuckt er zusammen, obgleich der Begriff teils zu Recht, teils zu Unrecht diffamiert wird. Sprachhistorisch leitet er sich aus dem mittel-niederdeutschen Wort unkost ab. Die Bedeutung der Vorsilbe <un-> ist aber nicht wie bei ungerade oder unschon als Gegensatz zu verstehen, sondern wie bei Unwetter oder Unkraut in der Bedeutung von <schlimm>. Unkosten sind daher nicht das Gegenteil von Kosten, sondern als Unkosten wurden friiher solche <schlimmen> Kosten bezeichnet, die sich nicht wie die <guten> Einzelkosten direkt zurechnen lassen und daher im Sinne des heutigen Begriffs Gemeinkosten verrechnet werden miissen. Wenn also bei einem Stadtfest ein Unkostenbeitrag erhoben wird, ist das insofern falsch, als damit nicht nur die Gemeinkosten, sondern auch die Einzelkosten abgedeckt werden sollen. Dann sollte man schon zusammenzucken, den Begriff Unkosten vermeiden und lieber pauschal von Kosten sprechen. Teilkostenrechnungen hingegen gehen von der Tatsache aus, dafi fixe Kosten (Abschreibungen, Kreditzinsen) dem zu kalkulierenden Produkt nicht verursachungsgerecht zuge- Direkte wie indirekte Kosten kónnen fix oder variable sein. Analog konnen fixe wie variable Kosten direkt oder indirekt verrechnet werden. Stellen Sie sich einen (Kosten-)Würfel vor, den Sie von links, rechts, oben oder unten betrachten kónnen: Die Gesamtkosten sind dieselben, nur die Brille, mit der Sie sie betrachten, ist anders. In der Kostenstellenrechnung werden Verantwortungsbereiche für das Kostenmanagement eingerichtet. So kónnen bestimmte Produktionsbereiche als Kostenstellen definiert werden (Arbeitsvorbereitung, Lackiererei) ebenso wie Materiallager, Chefsekretariat, Labors, Vertrieb etc. - Indirekte Kosten oder Gemeinkosten (overheads) werden nach unternehmensinternen Schliisseln - Heizungskosten vielleicht nach Quadratrnetern der Kostenstelle zugerechnet und werden als prozentuale Zuschláge auf die direkten Produktkosten <draufgerechnet>: z. B. direkte Materialkosten plus 26% Material-Gemeinkostenzuschlag. <?page no="104"?> 82 B Marktauswahl und MarkterschlieBung schlüsselt werden kónnen. Daher werden sie nicht dem Produkt <angelastet>, sondern en bloc in das Betriebsergebnis iibernommen. Eine Teilkostenrechnung erfaEt somit nur die proportionalen Selbstkosten (variablen Kosten), die dem Kostentrager (dem Produkt) direkt und ohne <kiinstliche> Schliisselung verursachungsgerecht zurechenbar sind (Material-, Energieverbrauch, produktbezogene Fertigungslóhne) (direct costing). 29 Die Differenz zwischen dem zu erlósenden Preis und der dem Produkt direkt zurechenbaren variablen Kosten wird Deckungsbeitrag genannt (DB = P - Kv). Die Summe aller Deckungsbeitráge muE den gesamten Fixkostenblock des Unternehmens und den kalkulierten Mindestgewinn abdecken. Dabei kann natürlich ern kalkulatorischer Ausgleich erfolgen: Je hóher die Deckungsbeitráge einzelner Produkte sind, desto geringer kónnen die Deckungsbeitráge anderer Produkte sein (Abb. B-7/ 6). Abb. B-7/ 6: Deckungsbeitráge Produkt A Unternehmen Preis A variable Kosten A DB A • DB = Deckungsbeitrag Die Vor- und Nachteile dieser Verfahren und ihre Details und Verfeinerungen kónnen hier nicht diskutiert werden, aber (nicht nur) bei Einzelauftrágen ist es sinnvoll, zwei parallele Kostenrechnungen durchzufiihren: • Die Angcbotskalkulation sollte durchaus auf der Basis von Vollkosten erfolgen (Selbstkosten, Herstell(ungs)kosten 30 ). Unter Abzug der proportionalen Kosten (variablen Kosten) láfit sich so ein Angebotspreis beziiglich eines optimalen Soll-Deckungsbeitrag als Zielgrofie errechnen. • Als Parallelkalkulation sollten die variablen (proportionale) Kosten plus Mindestdeckungsbeitrag als minimale Preisuntergrenze bestimmt werden, um in <harten Zeiten> Auftráge hereinholen zu kónnen, die der Verkáufer <vor Ort> bei den Verhandlungen mit dem Kunden aber nicht unterschreiten darf, damit sie z. B. wenigstens die variablen Produktionskosten des Produkts abdecken. Ein spezielles Problem besteht insbesondere im Maschinen-, Anlagen- und Werkzeugbau, wo besonders oft Kundenwiinsche (claims) zu berücksichtigen sind. Aus technischer Sicht 29 Da bei linearemKostenverlauf die variablen Kosten (proportionalen Kosten) den Grenzkosten entsprechen die Steigung der Kostenfunktion ist konstant -, spricht man auch von Grenzkostenrechnung. 30 Herstellkosten ist ein kalkulatorisches, Herstellungskosten ein bilanzielles Kostenkonzept, die im Ergebnis durchaus unterschiedliche Stückkosten ergeben kónnen. Für die Ermittlung von Herstellungskosten sind handels- und steuerrechtliche Vorschriften zu beachten, kalkulatorische Kosten kann man berechnen, wie man will. DB C DB B DB A Fixe Kosten Gewinn <?page no="105"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 83 meist kein Problem, aber die damit verbundenen Kosten werden meist nicht hinreichend vorab erfaSt (Abb. B-7/ 7). Gezieltes Claim Management (CM) sollte dafiir sorgen, dafi der Techniker nicht Dinge verspricht, die der Finanzmanager nicht realisieren kann. Neben dem KostenbewulStsein ist hierfür Kompetenz in Verhandlungsführung erforderlich, um dem Kunden die Auswirkungen auf Preise und Termine zu verdeutlichen. Und dies setzt ein unternehmensinternes Controllingsystem voraus (móglichst via Laptop und Datenfernübertragung bereits wáhrend des Verkaufsgespráchs), was oft deutlich unterentwickelt ist. Abb. B-7/ 7: „Die Ingeiüeure machen uns die Rendite kaputt! " Insbesondere bei Einzelauftrágen und bei Projekten ist eine Nachkalkulation wichtig. Der Vergleich von Sollwerten (Plankosten) mit den tatsáchlichen Istkosten in der Nachkalkulation deckt Fehler auf, die sich zwar nicht mehr korrigieren lassen, aber die Informationsbasis fur spátere Angebote bilden. Auf anderer Ebene umfafit die Preisstellung als Element des Marketing auch das <Feilschen> ais Aktivitát wáhrend der Vertragsverhandlungen vor Vertragsabschlufi. In nicht wenigen Kulturkreisen sind die Diskussionen um den Kaufpreis ein wichtiges Element der zwischenmenschlichen Kommunikation. Feilschen wird geradezu erwartet, weil dies auch ein Zeichen der gegenseitigen Achtung und Anerkennung der fachlichen Kompetenz ist (vgl. auch Abschnitt C-3). B-7.3.3.4. Konditionenpolitik Die Preispolitik faSt man begrifflich mit der Konditionenpolitik (Rabatte, Skonti, Gewáhrleisrungen, Service etc.) oft zur Kontrahierungspolitik zusammen; man kann durchaus auch die Zahlungs- und Lieferbedingungen dazu záhlen (vgl. Abschnitte G-2 u. G-3). Für den Verkáufer ungünstige, weil kostentráchtige Konditionen kónnen sich in hóheren Angebotspreisen auswirken, wáhrend umgekehrt für den Verkáufer günstige Konditionen auch eine artraktivere Preisstellung begünstigen. Als zu hoch empfundene Preise kónnen relativiert werden durch attraktive Zahlungsziele oder durch <Beigaben> wie z. B. Software oder Service. Die Zulássigkeit der Gewáhrung von Rabatten und Zugaben wird international recht unterschiedlich gehandhabt und muE ebenso wie die von Sonderverkáufen (u. a. Schlufi-, Ráumungs-, Jubiláumsverkáufe) nach dem jeweiligen nationalen Recht geprüft werden. Die Kombination von Preis und sonstigen Konditionen ist für den AuEenstehenden meist nicht transparent und erschwert daher für den Kunden einen Marktüberblick. Je starker der Kunde auf das Produkt <eingeschworen> ist und sich auch emotional mit dem Produkt verbunden fühlt («Das ist genau das, was ich haben will»), desto eher wird er auch hohere Preise akzeptieren. Fehlt diese Bindung, wird er sich leicht einem etwas billigeren Konkurrenzprodukt zuwenden. Das Relationship-Marketing zur Herstellung und Festigung sozialer und emotionaler Bindungen kann in Auslandsmarkten in der Regel nicht den aus dem Inland vertrauten Marketingmix übernehmen. Je breiter das Auslandsengagement gestreut ist, desto schwieriger wird es, die Kundenbeziehungen zu pflegen. Insbesondere kleinere Unternehmen kónnen hier sehr schnell an entsprechende Kapazitátsgrenzen stoSen. GroSere Unternehmen kónnen beispielsweise wichtige Kunden durch spezialisierte und spe- <?page no="106"?> 84 B Marktauswahl und Markterschlieftung ziell geschulte Ansprechpartner in jeder beliebigen Hinsicht betreuen lassen {Key-account- Management), so daE diese für unterschiedliche Sachfragen - Qualitatskontrolle, Instandhaltung, Transport, Zolldokumente etc. nicht von einer Stelle zur anderen gereicht werden - und dies nicht selten vergebens -, sondern alies in einer Hand liegt (One-stop-Shopping). (Welches Konzept ist eigentlich nicht in Amerika entwickelt worden? ) B-7.3.4. Distributionspolitik, Vertrieb, Logistik Die internationale Distribution (Vertrieb) hat die Aufgabe, die Produkte physisch zum Kunden zu bringen. Je differenzierter die Produktions- und Vertriebsstruktur in geographischer Hinsicht ist, desto komplexer sind die logistischen Distributionsprobleme. (Wie bringt man einen Aktenvernichter von Balingen in Baden-Wiirttemberg nach Valparaiso in Chile? Wie gelangt ein Kiihlaggregat von Dresden nach Bangui in der Zentralafrikanischen Republik? ) Die Funktionsfáhigkeit der Vertriebswege hat daher besondere strategische Bedeutung, durch die Wettbewerbsvorteile erzielt werden kónnen. Daher sollte darauf geachtet werden, dal? Absatzkanále nicht <versanden>. Grundsátzlich stehen distributionspolitisch und logistisch die Aspekte Zeit (Geschwindigkeit), Kosten der Transportmittel, gebundenes Kapital (eigener oder fremder Fuhrpark? ) sowie Kontrolle, Steuerung und Sicherheit im Vordergrund. Bei einem pauschalen Kostenvergleich ergibt sich Bahn < LKW < Schiff < Flugzeug, wobei natiirlich nicht der zeitliche Aspekt deutlich wird. * B-7.3.4.1. Vertriebspolitik Beziiglich der Vertriebspolitik stehen zahlreiche Móglichkeiten des ein- oder mehrstufigen, ein- oder mehrgleisigen oder des direkten und indirekten Vertriebs zur Auswahl, je nachdem, ob Zwischenhándler eingeschaltet oder verschiedene Vertriebswege verwendet werden. Ob man Handelsvertreter, Makler, Kommissionáre oder GroShándler im In- oder Ausland einschaltet, hángt von zahlreichen unternehmens- und produktspezifischen Erwágungen ab. Unter anderem spielen auch rechtliche Aspekte eine Rolle, weil beispielsweise eine nach deutschem Recht mógliche Ausschliefilichkeitsbindung eines Handelsvertreters nicht in jedem Land rechtlich zulássig, d. h. durchsetzbar ist. Der Zugang zu den Vertriebswegen wird durch Vertrautheit mit den landesspezifischen Gegebenheiten erleichtert. Vgl. auch den ausfiihrlichen Abschnitt B-6.2 iiber direkte und indirekte Handelsformen. Gleichzeitig erhóhen sich mit jeder zusátzlichen Distributionsstufe die Kosten. Dadurch kann eine Niedrigpreisstrategie gefahrdet werden, wenn die Zuschláge der Zwischenhándler nicht vom Hersteller kontrolliert werden kónnen. Problematisch kann auch sein, wenn Abnehmer schon von den Zwischenstufen bedient werden und sich ggf. graue Márkte bilden, die sich der Kontrolle des Hersteller entziehen, oder wenn die Produktqualitát durch Manipulationen oder Serviceprobleme beeintráchtigt wird. Der Handel hat eine wichtige Scharnierfunktion zwischen Hersteller und Verbraucher. Seine Bedeutung wird u.a. auch in der Diskussion um LadenschluSzeitzen deutlich, bei denen international ja sehr unterschiedliche Gepflogenheiten gelten: Der Verbraucher weiS es zu schatzen, wenn er quasi an jedem Tag rund um die Uhr einkaufen kann. Der angestellte Verkáufer sieht das ganz anders, und der Lohn zahlende Unternehmer oft auch. Auch strukturell muS man sich oft an lokale Gegebenheiten anpassen, wie beispielsweise in Japan, wo es <?page no="107"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 85 kaum móglich ist, ohne etablierte Zwischenhándler an die Abnehmer zu verkaufen, im Kleinen wie im Grofien. Beim Vertrieb von Importwaren nutzen viele Unternehmen ais Distributionsstützpunkte Zollagcr im Auslandsmarkt, die oft als Konsignationslager organisiert sind (vgl. Abschnitte B-6.2 und K-4.3). Diese Konstruktion ermóglicht eine zeitnahe Belieferung der Abnehmer (der ggf. im Gegensatz zum direkten Export die Produkte im Lager im Sinne von Auswahllager vorher begutachten kann), wahrend die Entstehung von Einfuhrabgaben (Zólle, Importsteuern) bis zum Verlassen des Zollagers hinausgeschoben wird. Eine kurze Lieferzeit und eine hohe Servicebereitschaft ist ais betráchtliches «akquisitorisches Potential> anzusehen und z. B. im Ersatzteilmanagement unabdingbar. Auch hier bieten sich Kooperationen mit anderen Unternehmen und die Integration von Dienstleistern an. Sehr oft werden Ersatzteile per Kurier oder im Handgepáck des Monteurs direkt eingeflogen. 31 Vor der Versendung von Waren aus dem Exportland ist eine gründliche Befassung mit den Einfuhrbestimmungen des Importlandes anzuraten, und zwar nicht nur beziiglich der Einfuhrabgaben, sondern insbesondere beziiglich anderer Importvorschriften. Diese kónnen die Exportgescháfte nachhaltig beschránken, auch wenn aus der Sicht der Bundesrepublik keine Beschrankungen bestehen, und es istschwer, dabei den Kenntnisstand aktuell zu halten. Beispielsweise darf ein Maschinenbauer beim Export in manche Lander seine Transportkisten nicht mit Holzwolle ausstopfen, weil das Importland dies aus Furcht vor dem Einschleusen von Holzschadlingen nicht zulalSt. In anderen Fallen sind spezielle amtliche - Unbedenklichkeitsnachweise erforderlich. Waren und Verpackungen müssen Kennzeichnungs- und Auszeichnungsvorschriften entsprechen («made in ...», Gewichte, Preise, Produktbestandteile etc.), Begleitdokumente müssen oft beglaubigt sein, Informationsmaterial muG in der Sprache des Importlandes abgefalft sein, usw. (vgl. auch Abschnitt L-2 mit Hinweisen zu Informationsquellen). Unter anderem stellen die USA aufgrund ihrer Warenmarkierungsvorschriften fur Exporteure oft ein schwieriges Terrain dar, weil VerstólSe mit weitreichenden Konsequenzen verbunden sein kónnen, die vom Einfuhrverbot für das Produkt über Zollstrafen bis zum Einfuhrverbot für alie Produkte des Untemehmens reichen kónnen. Die grundsátzliche Entscheidung für eine produktbezogene, funktionale oder Matrixorganisation des Managements bestimmt oft auch die Distributionsstruktur. Funktionale Verkaufsstrukturen haben den Nachteil, daE derselbe Kunde fur verschiedene Aspekte z. B. Qualitátssicherung, Lieferbedingungen, Finanzierung ggf. von mehreren Ansprechpartnern betreut wird, so dafs in der Praxis oft einer produktbezogenen regionalen Verkaufsstruktur der Vorzug gegeben wird. Bei wichtigen Kunden (dies sind z. B. Autohersteller für die Zulieferer) erfolgt zudem oft wie oben bereits erwáhnt eine kundenorientierte Vertriebsorganisation (Key-account-Management), bei dem das Management aller relevanten Funktionen und der Vertrieb der Produkte fur den speziellen Abnehmer in einer Hand liegen. Dadurch kónnen die kundenspezifischen und die landesspezifischen Besonderheiten effizienter berücksichtigt werden. 31 Fur die damit oft verbundenen ausfuhrundeinfuhrrechtlichen Probleme vgl. Kapitel K u. L). <?page no="108"?> 86 B Marktauswahl und MarkterschlieRung B-7.3.4.2. Verkaufspolitik Im Zusammenhang mit der Verkaufspolitik kommt der fachlichen und persónlichen Qualifikation der Kundenbetreuer und des Verkaufspersonals eine grofie Bedeutung zu, insbesondere wenn die Verkáufer einen anderen kulturellen Hintergrund mitbringen als ihre Kunden; dies betrifft insbesondere Verhandlungsfiihrung und Verkaufsgesprache. Sehr oft ist der direkte und stabile Kundenkontakt unabdingbar fur Verkaufsabschliisse. Bestellungen nach Liste oder Katalog sind beispielsweise in Asien oder Lateinamerika eher als Ausnahmen anzusehen. Der persónliche Verkauf dominiert vor allem bei Investitionsgiitern und langlebigen Konsumgütern, wáhrend im Massengescháft die Medienwerbung eine gróGere Rolle spielt. Zum Aufbau von Distributionsstrukturen bieten sich auch die in Abschnitt B-6 betrachteten Móglichkeiten der Kooperation, des Joint Ventures und des Franchising an. Beispielsweise sind Gescháftsbeziehungen in Japan geprágt durch eine sehr enge, gegenseitige Loyalitát, aber auch gegenseitige Abhángigkeiten zwischen Handel und Industrie, in die neue Anbieter nur sehr schwer eindringen kónnen. Daher sind Kooperationen mit lokalen Unternehmen oft der einzige Weg, in diese Strukturen integriert zu werden. Viele Handelsbráuche sind traditionell verwurzelt. Neben der Kultur des gegenseitigen Respekts záhlen in Japan hierzu auch die langen Gescháfts- und Ladenóffnungszeiten, die grofízügige Behandlung von Beschwerden und die extensive Kreditgewahrung. Logistische Leistungen lassen sich meist effizienter einkaufen als selbst gestalten; viele Unternehmen haben diesbeziiglich ehemals eigene Funktionsbereiche ausgelagert (outsourcing, terzerización). Externe Dienstleister iibernehmen dabei sowohl absatzals auch beschaffungslogistische Dienstleistungen, die auch Lagermanagement, Bestellungsabwicklung und Fakturierung umfassen kónnen und somit dem Kunden eine umfassende Abdeckung seiner Logistikbediirfnisse anbieten (one-stop shopping). Der Spediteur besorgt selbstándig die Versendung von Giitern in eigenem Namen und auf Rechnung des jeweiligen Versenders. Viele Spediteure bieten internationale logistische ProzeEketten an (Supply Chain Management, SCM). Dies umfafst die Abstimmung von Bedarf und Versorgung sowohl auf der Einkaufsals auch auf der Verkaufsseite, d. h. sie iibernehmen aufier dem <bloi? en> Transport auch Zusammenstellung von Ladungen, Beschaffung der Begleitdokumente, Überprüfung und Umpacken der Ware, Auswahl von Frachtfiihrern und Lagerhaltem, Lagerungen, Bestándemanagement, Import- und Exportabwicklung, Verzollung etc. Dabei werden alie internen und externen Beteiligten verbunden, um Kosten, Zeiten, Qualitát und Service zu oprimieren. Fállt beispielsweise eine eingeplante Zulieferung aus, werden zum einen alie davon Betroffenen sofort iiber die Konsequenzen informiert, zum anderen treten sofort Alternativpláne in Kraft, um negative Auswirkungen zu vermeiden bzw. zu minimieren. In dem MaSe, wie die unternehmensinterne Logistik zurückgeführt wird, um Kosten zu sparen, nimmt natiirlich die Koordinations- und Steuerungsbedarf zu - und die entsprechenden Kosten. Eine solche Integration unternehmensexterner Vertriebs- und Einkaufsstrukturen in die ProzeSketten der Wertschopfung verringert die Notwendigkeit eigener Investitionen bzw. ersetzt Fixkosten durch auftragsbezogene variable Kosten, erhóht jedoch die Steuerungs- und Kontrollrisiken und die Notwendigkeit der unternehmensinternen Koordinierung und Information. Kritische Punkte sind dabei offensichtlich die Vernetzungen der Informations- und <?page no="109"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 87 Kommunikationstechnologien der Beteiligten und die Aktualisierung der Daten. Dementsprechend verursacht die Neueinfiihrung eines SCM in der Regel erhebliche Kosten. Ein wesentlicher Aspekt, der von Anfang an als laufender Kostenfaktor eingeplant sein sollte, aber oft unterschátzt wird, ist das Controlling, neben Kosten und Zeitaspekten vor allem im Hinblick auf Qualitat, Innovation und Service. Innerhalb des europáischen Binnenmarktes sind dabei tendenziell komplexere Strukturen zu realisieren als in Entwicklungslándermárkten, wo insbesondere die Kommunikation oft Begrenzungen unterliegt. Dies wird teilweise kompensiert durch global tátige Spediteure sowie durch Kurier- und Exprefidienste für kleinere Volumina. Heute stehen Sendungsverfolgungssysteme zur Verfiigung, die nicht nur die aktuelle Positionsbestimmung leisten, sondern auch den Zustand der Giiter ausweisen. Und trotzdem ist manchmal eine Sendung nie wieder auffindbar. In vielen Auslandsmárkten stellt die unzureichende Infrastniktur (StraSen- und Eisenbahnnetz, Kommunikationsnetze) ein betráchtliches Hindernis dar fur eine verláSliche Distribution und beeintráchtigt die Abdeckung eines Auslandsmarktes in der Breite (vgl. oben Abb. B-3/ 2). Dies wird oft verschárft durch Ineffizienzen beziiglich Vertragstreue und Zeiteinhaltung. Bestimmte Probleme lassen sich durchaus durch eine Anpassung an lokal gebráuchliche Korruptionsmechanismen glátten (doch dies ist auch eine Frage der Mentalitát). Ein nigerianischer Zóller stand direkt unter einem grof>en Plakat «Do not bribe! ! » und fragte: «What do you give me for Christmas? Oh, that is not enough, I need more for my family! » So ist das halt. Zusátzliche Schwierigkeiten kónnen für die Distribution entstehen durch klimatische Probleme, die u. a. besondere Verpackungen oder Kühlsysteme erforderlich machen, die z. B. im europáischen Umfeld nicht notwendig sind. Es empfiehlt sich geographisch gesehen -, diejenigen Marktsegmente zuerst zu erschlieSen, die am wenigsten technische Probleme aufwerfen, um die Marktabdeckung dann sukzessive auszuweiten. Parallel dazu ist oft ein zunáchst engeres Produktprofil anzuraten, das nach einer Konsolidierungsphase differenziert werden kann. B-7.3.4.3. «Die Logistik ist das Bindeglied zum Kunden» Lastwagenverkehr Per LKW ist jeder Punkt <punktgenau> zu erreichen. Hervorzuheben ist die Verdrángung des Eisenbahnverkehrs in Europa durch den Strafientransport, der sich seit 1960 mehr als versechsfacht hat; dies sei hier nur am Rande mit einem Seitenblick auf Umwelteffekte erwáhnt. Ein Lkw bringt in Deutschland seine Ladung z. B. mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 65 km/ h ans Ziel, die Bahn kommt nur auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 16 km/ h. 32 Luftfracht Der Luftfrachtverkehr ist in vielen Fallen der idéale Transportweg (Abb. B-7/ 8). In vielen Logistikketten müssen bei verkiirzten Produktionszyklen Baugruppen, Einzel- oder Fertigteile ohne gróSere Lagerbestande schnell verfiigbar sein (im Extrem: Just in time). 33 Auch 32 Iwd 19/ 2000. 33 In vielen Lándern auch: «just im Stau! » <?page no="110"?> 8 8 B Marktauswahl und MarkterschlieGung bei Ersatzteilen kommt es meist auf eine schnelle Zustellung an. Aber auch bei Maschinen werden Prototypen (quasi «Muster») oft per Luftfracht befórdert, oft mit den als <Arbeitspferde> bekannten russischen Antonows 124. In Deutschland gibt es ca. 270 Luftfrachtspediteure, teilweise mit besonderen Spezialisierungen. Von den 30 weltweit gróEten Luftfrachtanbietern haben knapp die Hálfte ihren Sitz in Ostasien. Abb. B-7/ 8: Zum Luftfrachtverkehr gibt es háufig keine Alternative Das Marktvolumen wáchst bestandig / Schnelle Beforderung spart Geld / Schwertransporte nehmen deutlieh zu Eisenbahnverkehr Spezialwaggons (Kesselwagen, Doppelstockwagen fur Kfz, Selbstentladewagen, Huckepackverkehr fur LKW) werden heutzutage nicht mehr im Wagenpark der Deutschen Bundesbahn gefiihrt, sondern von Privatfirmen vermietet. Probleme ergeben sich durch unterschiedliche Spurweiten in verschiedenen Landern (Finnland, Spanien, Portugal, Rutland) oder Kupplungssysteme (Rutland), wodurch Radsatzbzw. Achswechsel oder Umladungen (Rutland, baltische Staaten) erforderlich werden. Letztere Staaten lassen zudem hóhere Zuggewichte zu als sie im westeuropaischen Schienennetz móglich sind, so daf> die schwacher konstruierten westeuropaischen Waggons nicht in Ziigen mit hóheren Zug- und Druckkráften mitgeführt werden kónnen. Der Einsatz umgeachster óstlicher Waggons im westlichen Schienennetz ist daher jeweils nur mit Sondergenehmigungen zulássig. Die Bahnen der GUS, der baltischen Staaten, Georgiens und der VR China erkennen nicht das Bahnrecht der CIM 34 an, wie die europáischen Staaten, sondern stiitzen sich auf ein eigenes Bahnfrachtrecht. Allein aus diesem Grunde schon ist keine durchgehende Spedition móglich, so dai? Frachtgut an den jeweiligen Grenzen in jedem Fall umgeladen und mit einer neuen Frachtdokumentation versehen werden mufi. Dies legt oft die Vereinbahrung der Lieferbedingung DAF (Delivered at Frontier) nahe (vgl. Abschnitt G-2). Schiffstransporte Die Bedeutung der Seeschiffahrt liegt ausschlieSlich im <entfernteren> internationalen Handel. Bei kurzen und bei besonders langen Transportstrecken oder wenn kurze Laufzeiten wichtig sind, steht der Seeverkehr in direkter Konkurrenz mit landgebundenen Transportmitteln und mit dem Luftfrachtverkehr. Die grenziiberschreitende Binnenschiffahrt ist vor allem fur den Massenguttransport von Bedeutung, u. a. für Kohle, Mineralólerzeugnisse, Erze und Metallabfálle, Steine und Erden sowie fur Diingemittel. Fiinzu kommt in steigendem MaSe der Containertransport. Da die Binnenschiffe für die Verladung lángsseits der Seeschiffe gehen kónnen (Lieferbedingung FAS), bieten sie oft Vorteile gegeniiber dem Strafien- oder Schienentransport, bei denen der Containerumschlag zunáchst im Containerterminal erfolgt und eine anschlieSende Verladung auf das Seeschiff erforderlich macht (Lieferbedingung FCA). Kombinierte Transporte Neben dem traditionellen StraEengiiterverkehr ist der kombinierte Verkehr hervorzuheben, insbesondere der RoRo-Verkehr («Roll on, roll off»). Dabei erfolgt eine Verladung der LKW 34 CIM: Convention Internationale concernant le transport des marcbandises par cbemin de fer nationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr). <?page no="111"?> B-7. Intemationaler Marketing-Mix 89 oder Bahnwaggons auf geeignete Transportschiffe, indem diese sog. Selbstfahrer aus eigener Kraft über spezielle Rampen in das Transportschiff einbzw. ausfahren. Es gibt dabei zahlreiche Varianten, auch unter Einbezug schiffseigener Zugmaschinen. Insgesamt lassen sich dadurch die Laufzeiten und die teuren Hafenliegezeiten verkürzen, beispielsweise im Güterverkehr mit dem Nahen Osten und Nordafrika. Andere Varianten sind Eisenbahnfáhren und der Huckepackvcrkehr, bei dem der LKW auf die Bahn verladen wird. Eine weitere Kombinationsmóglichkeit ist der Sea-Air-/ Air-Sea-Verkehr, z. B. von Japan nach Kanada mit dem Schiff und von doit aus Weitertransport mit dem Flugzeug nach Europa. Die Verwendung von Containern ermóglicht Güterbewegungen auch iiber weite Entfernungen von Haus zu Haus ohne Umladungen (vgl. auch Abschnitt L-5.2 zum TIR-Versand). Uber die Trans-Sibirien-Route sind dabei Containerverladungen von Europa nach Japan oder China innerhalb eines Monat móglich. Im europáischen Schienenbereich hat die Intercontainer einen grenziiberschreitenden Abwicklungsverbund entwickelt. B-7.3.5. Kommunikationspolitik Die Kommunikationspolitik wird hier zwar zuletzt angesprochen, ist jedoch keineswegs von nachrangiger Bedeutung, im Gegenteil Sie umfaSt verschiedene Bereiche: • Imagewerbung und Óffentlichkeitsarbeit (Public Relations) sind die Grundlagen der allgemeinen Darstellung des Unternehmens. • Die direkte Produktwerbung ist natiirlich ein zentraler Aspekt. In Abschnitt B-l wurde schon hervorgehoben, dafi der Kunde als einziger entscheiden kann, was er unter Kundenorientiertheit versteht. Die Produktwerbung kann dabei ein Teil der Imagewerbung sein, beispielsweise durch Verwendung von Firmenlogos. • Die Verkaufsforderung (Sales Promotion) umfaEt u. a. Prospekte, Dokumentationen Vorfuhrungen und Schulungen, Sponsoring (von Sport-, Kultur- oder Umweltveranstaltungen), Aktionen am Point of Sale sowie Product Placement (z. B. Autos oder Getranke, die in Spielfilmen zu sehen sind). • Ein wichtiger Bereich der Kommunikation ist die Prásentation auf Messen, insbesondere, weil der Messebesucher einen direkten Quervergleich mit Konkurrenten anstellen kann. PRAXISTIP Sehr sinnvoll ist das Informieren und <Bewerben> von Multiplikatoren, beispielsweise Zulieferern oder Kunden der eigentlichen Zielgruppe(n), oder auch von Steuerberatern, Unternehmensberatern und Rechtsanwalten, so daft auf diese Weise Impulse über «Beeinflusser» in die Unternehmen getragen werden, die dort bereits über ein entsprechendes Vertrauenspotential verfügen. Hier bietet sich so manche strategische Allianz an. In instrumenteller Hinsicht sind persónliche und nicht-personliche Kommunikation zu unterscheiden. Nicht-persónliche Kommunikation findet im Massengescháft, beispielsweise im Konsumguterbereich, insbesondere in den Medien statt; ein neuer, wichtiger Bereich ist das Internet (business-to-consumer-Markeúng: B2C). Persónliche Kommunikation iiberwiegt im business-to-business-Marketing (B2B) (Investitionsgüter, Dienstleistungen) und ist in vielen Kulturkreisen eine unabdingbare Sáule der Kundenbeziehungen. Im persónlichen Kontakt mit Partnern und Kunden stellen sich im internationalen Marketing hohe Anfor- <?page no="112"?> 90 B Marktauswahl und MarkterschlieRung derungen beziiglich fachlicher (in zunehmendem Mafie sowohl betriebswirtschaftlicher als auch technischer Hinsicht), interkultureller und persónlicher Kompetenzen. Nicht nur in vielen Auslandsmarkten sollten bestehende Kundenbeziehungen gepflegt werden. Es ist um ein Vielfaches schwieriger, neue Kunden zu gewinnen, ais alte an sich zu binden. Hauptzweck jeder Kommunikationspolitik ist, den Verkauf der eigenen Produkte zu stimulieren. Der Ablauf wird AIDA genannt: Zunáchst soil die Aufmerksamkeit des potentiellen Káufers geweckt werden {attention), dann sein Interesse {interest), dadurch sein Kaufwunsch {desire), so dafi er schlieSlich zum Kauf schreitet {action). Wie auch in der Produktgestaltung stellt sich in der Kommunikationspolitik die grundsatzliche Frage nach Standardisierung und Differenzierung. Allgemein gilt, daS weder Kampagnen noch Produktnamen weltweit umzusetzen sind; fast immer miissen Details nachbearbeitet werden. Think global, act local globale Marken: ja, globales Marketing: nein. Dabei ist besondere Sorgfalt anzuraten, um MiSverstándnisse und Peinlichkeiten bei Markennamen, Farben, Formen, Symbole, Gesten zu vermeiden. Mangelnde Sprachkenntnisse, Humor an der falschen Stelle oder Betonung von Produkteigenschaften, die fur den Káufer nicht relevant sind, kónnen leicht zu Abwehrreaktionen führen (Abb. B-7/ 9). Abb. B-7/ 9: Konsumenten im Ausland denken anders Neue Aufgaben fur die Unternehmenskommunikation Auch gutgemeinte Ideen kónnen sich ungewollt negativ auswirken: In einem afrikanischen Land wurde Mánnern, die sich freiwillig sterilisieren lieSen, ein Transistorradio geschenkt. Wer nun mit einem Kofferradio gesehen wurde ... Firmen- und Markennamen (branding) Grundsátzlich muS sich jedes Unternehmen entscheiden, unter welcher <Flagge> es seine Produkte international vermarkten will. In nicht wenigen Fallen vertreiben deutsche Unternehmen im Ausland Produkte unter Markennamen, die keinen Bezug zum eigentlichen Hersteller erkennen lassen. Meist handelt es sich dabei um Giiter, die entweder von geringerer Qualitát sind, so daí? diese des Qualitátsimage der <Stammprodukte> nicht beeintráchtigen sollen, oder um qualitativ vergleichbare, aber deutlich billigere Produkte, die würde der deutsche Konsument dies erkennen zu Re-Importen nach Deutschland anregen würden. Die strategischen Alternativen des Branding umfassen ein Spektrum zwischen vólliger internationaler Standardisierung und lánderspezifischer Ausrichtung. Dabei ist zwischen Weltmarken, regionalen Marken und lokalen Marken (bzw. Zeichen, Logos oder Melodien) zu unterscheiden. Differenzierungen kónnen zum einen wie bei der Produktgestaltung aufgrund lokaler, insbesondere kultureller Besonderheiten erforderlich sein, aber auch durch Markenschutzrechte bedingt sein, die in bestimmten Lándern die Führung des eigenen Namens oder Zeichens einschránken. Háufig werden «Dachmarken» verwendet, z. B. der Firmenname oder das Firmenlogo, durch die für alie Produkte lánderübergreifend ein einheitliches Image angestrebt wird. Die jeweiligen Submarken werden dadurch leicht iiberstrahlt. Es mufi daher abgewogen werden, ob die Charakteristika des Einzelprodukts oder das allgemeine Image zugkráftiger sind. Von der Attraktivitat des Markennamens mufi die der Herkunftsbezeichnung abgegrenzt werden: Für viele Produkte gilt die Angabe «Made in Germany» als Zeichen besonderer <?page no="113"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 91 Qualitát, so daS qualitátiv durchaus gleichwertige Produkte daraus einen Nachteil habeh kónnen. Die Zulássigkeitskriterien fur die Herkunftsbezeichnung «made in ...» sind iibrigens andere als die fur die zollrechtliche Ursprungsbestimmung (vgl. Abschnitt K-3). Hervorzuheben ist, daS «made in ...» im Zuge der Globalisierung zunehmend verdrángt wird durch «made by ...», und zwar weltweit. Eine globale Verwendung von Firmennamen ais Imagetráger wird oft beeintráchtigt, wenn der Firmenname in der anderen Sprache <sperrig> ist. Dies gilt z. B. fur Beiersdorf oder Pfanni (in England: daher Panni) ebenso wie fur Hyundai oder Daewoo. Oft wird daher auf Produktmarken ausgewichen, die sich in der lokalen Sprache besser verankern lassen (Pampers statt Proctor &c Gamble). Viele Untemehmen ersetzen ihren Firmennamen durch international <gangigere> englische Namen, beispielsweise wurde die Schweizer Riick(versicherung) zu Swiss Re, das Traditionsunternehmen Kreditanstalt wurde zu Credit Suisse, etc. In China (und anderen Lándern) sollten für Firmen- oder Markennamen Namen mit reizvollen Nebenbedeutungen gewáhlt werden, wenn es geht, mit angenehmen Lautassoziationen. Sie sollten in kunstvoller Schreibweise prásentiert werden, unter Beriicksichtigung von Yin und Yang (Zeichen mit gerader Gesamtzahl von Strichen sind Yin [weiblich], mit ungerader Anzahl Yang [mánnlich]; bei Namen mit drei Zeichen klingt Yin Yin Yang positiver als Yin Yang Yin) usw. Werbung Die Wahl des richtigen Werbemediums (Printmedien: Zeitschriften, Zeitungen, Plakatierung, Wurfsendungen etc.; Radio, Fernsehen, Internet) hángt insbesondere von der Verbreitung bzw. Nutzung in der Káuferzielgruppe ab. Dies ist international sehr unterschiedlich und hángt neben dem Konsumentenverhalten vor allem vom Entwicklungsstand des Landes ab. In Lándern mit einer hohen Analphabetenquote (bspw. Marokko: 49%) ist mehr auf Fotos, Symbole, Zeichen und Farben zu setzen als auf Schrift. Wáhrend in Industrielándern alie Medien nebeneinander nutzbar sind, dominieren in Entwicklungslándern Radio- und Fernsehwerbung. Bei den Printmedien haben in Deutschland die Zeitungen eine gróEere Reichweite als die Zeitschriften, in Frankreich ist es umgekehrt; Japaner lesen meist zwei Zeitungen, hóren aber wenig Radio usw. 35 Symbole, Farben Bei der Kommunikation muS oft bei gleichen Produkten die gleiche Werbebotschaft in unterschiedlicher Sprache und mit anderen Namen oder Farben verwendet werden, urn keine falschen Assoziationen hervorzurufen oder Tabus zu verletzen: • Der Esso-Tiger soil Kraft und Schnelligkeit symbolisieren; in Indien hingegen wird mit dem Tier Furcht assoziiert. • Der Elchkopf von Ikea hat in Skandinavien eher die Bedeutung wie ein Eselskopf in Deutschland (Dummkopf), so daS dort ein anderes Firmensymbol verwendet wird. • Die lila Kuh von Milka würde in Venezuela der Farbe wegen leicht mit dem Tod in Ver- Vgl. hier und unten Quellen und weitere Beispiele bei Bemdt, Ralph I Fantapié Altobelli, Claudia I Sander, Matthias, Internationale Marketing-Politik, Berlin et al. 1997, S. 275 ff., oder Kotler, Philip, Marketing-Management: Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung, 9. Aufl. 1999, S. 581 ff. <?page no="114"?> 92 B Marktauswahl und MarkterschlieGung bindung gebracht. In Indien kann sie gar nicht verwendet werden, weil die Kuh ein heiliges Tier ist; 36 • Weil? (Raffaelo) symbolisiert in Europa Unschuld, Friede und Sauberkeit, ist aber in Japan, China oder Pakistan eine Trauerfarbe; • Grim gilt meist als Farbe der Hoffung und der Natur, wird in Italien auch mit Neid und Arger in Verbindung gebracht («sich grün árgern»). • Blau (Aral) hat in China ein negatives Image. • Die Bank of China hat ihre Filíale in Hongkong bewufSt am 8. 8.1988 erórfnet, denn 8 gilt als Gliickszahl; die Kunden sollen spiiren, da6 man um ihr <Wohlergehen> besorgt ist. Die Zahl 4 wird ausgesprochen wie <Tod>. • In Korea macht es sich gut, rot-goldene Drachen als Symbol einzubinden. Usw., usw. Kulturunterschiede Fiir ein Medikament wurde mit einer Bildergeschichte «ohne Worte» geworben, mit drei nebeneinander plazierten Bildern (1) (2) (3): (1) Mensch mit krankem Gesichtsausdruck, (2) Mensch nimmt besagtes Medikament, (3) Mensch sieht gesund aus. In Ágypten kam diese Werbung nicht so recht an, weil im Arabischen von rechts nach links gelesen wird ... • Wenn bei uns in der Bierwerbung eine gemiitliche Kneipenszene als Alttagssituation anzusehen ist {slice of life), ware dies z. B. in afrikanischen Lándern weitestgehend unbekannt. • Deutsche Fernsehwerbung setzt ziemlich wenig auf Humor, im Gegensatz zu Grol? britannien oder den USA. • Wáhrend japanische Firmen in Europa selten mit ihrer Herkunft werben, sind umgekehrt auslándische Produkte und fremde Sprachen in Japan <schick>; deutsche Autofirmen benutzen dort Werbespots mit deutschen Nummernschildern. • In einigen Lándern sind Preisangaben in der Fernsehwerbung gebráuchlich (Frankreich), in anderen sehr viel seltener (Deutschland). • Die Einstellung zu informativer Werbung ist unterschiedlich: Die sich wissenschaftlich gebenden Werbespots fiir Zahnpasta machen z. B. in Mexiko wenig Sinn, weil man sich iiber Karies kaum Gedanken macht. • Werbung mit entblófiten Personen kommt in China nicht an. • Demonstrativer Konsum (Snob-Effekt) ist in England verpónt, in China hingegen guter Ton und oft Statussymbol: Weinbrand fiir 2000.- DM verkauft sich gut. Auch in Japan werden gerne Statuselemente betont. • Eine Luftlinie sollte in arabischen Lándern nicht mit einer Stewardess werben, die den Passagieren Champagner serviert, denn dies verletzt islamische Normen. • Regen gilt in Europa als Symbol fiir Frische, in manchen Lándern Afrikas als Fruchtbarkeitssymbol; 36 GroGe Teile der Bevolkerung haben eine angeborene Milchunvertráglichkeit, so daS die religiose Sonderstellung der Kuh durchaus medizinische Griinde hat. <?page no="115"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 9 3 • der Marlboro-Cowboy, der allgemein als Symbol fur Mánnlichkeit und Freiheit gilt, wird in Argentinien als Mitglied der Unterklasse angesehen, usw. usw. Sprache Durch sprachliche Hin- und Heriibersetzungen vom schwedischen Original ins Englische, dann ins Koreanische und schlieSlich Deutsche kónnen sehr falsche Formulierungen entstehen, insbesondere bei Übersetzungen aus oder in fremde Schriftzeichen (Chinesisch, Japanisch, Kyrillisch etc.). Bei Übersetzungen in die Zielsprache ist immer eine (oder mehrere) Riickiibersetzungen in die Ursprungssprache anzuraten. Sogar innerhalb desselben Sprachraums gibt es Begriffsunterschiede (tin/ can, carro/ coche). Andererseits ist ein Trend feststellbar, Werbebotschaften sprachlich nicht anzupassen, sondern zu vereinheitlichen, indem sie auch in nicht-anglophonen Lándern in Englisch verbreitet werden (wichtig ist dabei eine visuelle Unterstiitzung). Ein sprachlich problematisches Land ist Frankreich, da aufgrund entsprechender gesetzlicher Vorschriften - Fremdworter durch frankophone Begriff ersetzt werden sollen. Zwar halt man sich vielfach nicht daran, aber die Gestaltung von Produktverpackungen, Gebrauchsanweisungen oder Informationsmaterial wird dadurch nicht erleichtert. Auch in Polen gibt es solch ein Sprachgesetz, das allerdings weniger strikt durchgesetzt wird, als zunáchst befurchtet wurde. Dennoch haben viele Ausführer zusátzliche Probleme mit Polenexporten. Unachtsamer Umgang mit Produktnamen Beispiele fiir Marketing-Flops gibt es in groEer Zahl: • Die Autofirma Chevrolet versuchte, eine Modellvariante mit dem Namen <Nova> im lateinamerikanischen Markt einzufuhren mit maSigem Erfolg, weil nicht beachtet worden war, dal? mo va> im Spanischen «geht nicht» bedeutet. • Das Deodorant Irish Mist kam im deutschsprachigen Raum nicht gut an. • Ein Autotyp MR 2 klingt in Frankreich sehr áhnlich wie «merde». • Die Typbezeichnung Pajero (von Mitsubishi) wird in der spanischen Umgangssprache als ziemlich grobes Schimpfwort verwendet. 37 • Die Marke Tosca (von 4711) bedeutet im Spanischen «grobschláchtig». • In Japan wurde das Deo Rexona wegen negativer sprachlicher Assoziationen in Rexana umgetauft. Werberecht Der Einsatz der Werbemedien ist unterschiedlich moglich: In Deutschland sind die Werbezeiten im Fernsehen begrenzt man muE die Werbezeiten langfristig im voraus buchen -, in den USA gibt es sehr viel weniger Restriktionen. Zeitungswerbung ist in Italien und Frankreich von grófierer Effektivitát als in Ósterreich; in Deutschland und GroSbritannien gibt es Zeitungen mit nationaler Verbreitung, wáhrend sie in Spanien nur lokale Reichweiten haben. • In Deutschland sind Gutscheine fur Preisnachlásse verboten, in den USA weit verbreitet. In Spanien wird das Auto mittlerweile unter der Bezeichnung Montero (Jáger) vertrieben. <?page no="116"?> 94 B Marktauswahl und MarkterschlielSung • In manchen Lándern ist Werbung fiir Alkoholika, Tabakwaren oder Pharmazeutika verboten. • In bestimmten Lándern ist vergleichende Werbung unter Wahrung bestimmter Fairnesskriterien erlaubt (Danemark, USA), in anderen verboten (Frankreich, Italien; in Deutschland darf ein Produkt beispielsweise nicht ais «das beste» angepriesen werden), usw. Differenzierungen Bei gleicber Werbebotscbaft kann sich die Werbedarstellung an unterschiedliche Normen anpassen: Eine Seife wurde in der Werbung in den USA von einer badenden (ziemlich wenig bedeckten) Frau benutzt; in Siidamerika war es ein Mann im Badezimmer, in Italien konnte man nur die Hand eines Mannes sehen, und in Japan wartete ein Mann vor dem Badezimmer auf die Frau. 38 Bei gleicbem Produkt kann auch die Werbebotschaft verándert werden, indem beispielsweise beim Automobil in Skandinavien «Sicherheit» betont wird, in den USA «Vergniigen», in Deutschland «Komfort» oder «Umweltschutz». B-8. Internationales Beschaffungsmarketing Im Rahmen des internationalen Beschaffungsmarketing beschafft sich das Unternehmen benótigte Vorleistungen im Ausland (Rohstoffe, Vor-, Zwischen- oder Endprodukte, aber auch Diensdeistungen). Die auslandischen Beschaffungsmarkte stehen dabei im Wettbewerb mit dem heimischen Markt. In dem Mafe, wie die Transparenz der internationalen Markte zugenommen hat und die Lieferstrukturen dereguliert und liberalisiert wurden, haben auch die grenziiberschreitenden Beschaffungen zugenommen. Aufgabe des Beschaffungsmarketing ist zu analysieren, welche Bezugsquellen existieren, wie dabei die Kosten optimiert werden kónnen und vor allem: ob der potentielle Lieferant die betreffende Ware in gewünschter Qualitát und Menge fristgerecht - und oft dauerhaft liefern kann. Dies erfolgt nicht immer in hinreichendem MaEe (Abb. B-8/ 1). Die sinnvollerweise zu erstellenden Lieferantenprofile sollten ergánzt werden durch eine Analyse der entsprechenden lánderspezifischen Rahmenbedingungen. Beispielsweise kann die absolute unternehmerische Korrektheit eines Lieferanten eingeschránkt werden durch unzuverlássige Transportbedingungen im Lieferland, die der Lieferant nicht beeinflussen kann. Bei der Entscheidung fur den Wechsel einer Bezugsquelle muí? daher immer abgewogen werden, ob beispielsweise ein Preisvorteil in einem akzeptablen Verhaltnis zu den sich ergebenden lieferanten- und lánderspezifischen Umstellungsrisiken stehen, insbesondere hinsichtlich der Qualitatssicherung. Umgekehrt sollten auch etablierte Lieferantenbeziehungen einer gelegentlichen, am besten regelmáfigen Evaluierung unterzogen werden. Abb. B-8/ 1: Systematisches Lieferantenmanagement ist selten Anforderungen an den Einkauf wachsen / Fahrzeugbau am fortschrittlichsten / Internet wird zu wenig genutzt Kotler, a.a.O., S. 607. <?page no="117"?> B-8. Internationales Beschaffungsmarketing 95 Grundsátzlich stellt sich immer die Frage nach dem Make-or-Buy: Will man bestimmte Produkte oder Dienstleistungen zukaufen oder selber machen? Dies ist natiirlich nur unternehmensspezifisch zu beantworten. Allgemein besteht eine Tendenz, dais sich die Untemehmen auf ihre <Kernkompetenzen> konzentrieren und nur die Produkte oder Dienstleistungen selber machen, die eine hohe strategische Bedeutung haben und für die gleichzeitig die Versorgung durch Zulieferanten als zu riskant angesehen wird. Alie übrigen Produkte oder Dienstleistungen werden zugekauft. Dadurch ergeben sich oft Umstrukturierungen, indem die Verantwortung fur bisherige Untemehmenaktivitaten nach auSen verlagert wird. Wenn es sich dabei urn einen grofieren Bereich handelt, den man komplett einem Externen iibertragt, spricht man von Outsourcing (wie die oben angesprochene Abschaffung eines eigenen Fuhrparks), wenn lediglich bestimmte Aktivitáten auf Vertragsbasis nach aufien verlagert werden, von Contracting-out; die Abgrenzung ist flieSend. Im Beschaffungsmarketing ist man daher auf der Suche nach den giinstigsten Bezugsquellen..Dabei sind verschiedene Strategien móglich. 1. Regionenbezogene Beschaffung • Durch Local Sourcing werden die Beschaffungsquellen in der geographischen Náhe des Unternehmens genutzt. Dies kann u. a. auch im Óko-Marketing herausgestellt werden, weil sich dadurch die transportbedingten Umweltbelastungen minimieren lassen. Bei lokaler Beschaffung sind in der Regel die geringsten Lieferverzogerungen zu erwarten; Ausnahmen (Streik bei Vor-Vorlieferanten) bestátigen diese Regel. • Domestic Sourcing nutzt die Beschaffungsquellen innerhalb des Wirtschaftsraumes, in dem das Untemehmen angesiedelt ist. Dies kann national interpretiert werden oder z. B. auch EU- oder EWR-weit. • Global Sourcing) nutzt alie weltweit zur Verfiigung stehenden Beschaffungsquellen, ohne geographische Beschránkungen. 2. Lieferantenbezogene Beschaffung • Bei Vorprodukten, die einen hohen Beitrag zur eigenen Wertschópfung leisten, wird oft pro Beschaffungsobjekt oder -projekt bzw. pro ProzeEabschnitt nur eine Beschaffungsquelle identifiziert. Dies erleichtert über den Aufbau partnerschaftlicher Beziehungen und ein entsprechendes Vertrauensverháltnis zwar die Qualitátskontrolle, fiihrt aber zu Abhángigkeiten. Bei Vorprodukten mit geringerem Wertschópfungsanteil arbeitet man oft mit mehreren Bezugsquellen, so dafá die Wettbewerbsintensitat zwischen den Lieferanten starker ist. Dies wird insbesondere bei Standardteilen praktiziert, um Kostenvorteile auszunutzen und urn Lieferengpásse zu vermeiden. Nicht selten werden im Einkauf gleichbleibender Giiter fallende Beschaffungspreise vorgegeben, weil man eine Lemkurve beim Lieferanten unterstellt, die sich in sinkenden Kosten niederschlagt. DaS dies nicht immer der Fall ist, stórt Einkaufer mit starker Nachfragemacht nicht so sehr. PRAXISTIP Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME), Frankfurt, bietet regelmáftig «Einkáuferreisen» in verschiedene Lander an, mit denen oft auch Kontaktbórsen und vorab vermittelte Kontakte mit potentiellen Gescháftspartnern verbunden sind (www.bme.de). <?page no="118"?> 96 B Marktauswahl und Markterschlieftung Eine Bezugsstruktur mit vielen verschiedenen insbesondere auch wechselnden - Lieferanten, um jeweils Preisvorteile auszunutzen, ist abzuwágen gegen eine stabilere Konzentration auf nur wenige, bekannte Zulieferer. Bei einer zersplitterten Lieferstruktur kónnen die Kostenvorteile durch Lieferrisiken und die erforderlichen Managementkosten beeintrachtigt oder iiberkompensiert werden. Umgekehrt kann eine differzierte Lieferstruktur unter dem Aspekt der Risikostreuung wiederum Vorteile bringen. PRAXISTIP Nicht selten sind die Einkáufer mit der Problematik des sog. Warenursprungs wenig vertraut. Wenn bspw. ein Unternehmen Büromaschinen nach Polen verkauft, so erfolgt die Einfuhr nach Polen zollfrei, weil Polen mit der EU ein entsprechendes (Zoll-) Praferenzabkommen geschlossen hat vorausgesetzt, die gelieferte Ware <hat EU-Ursprung>. Dies bedeutet verkürzt gesagt, daft die Ware innerhalb der EU produziert worden ist bzw. daft Zulieferungen aus Drittlandem einen bestimmten Anteil nicht überschreiten (sog. local content) 39 . Wenn nun die Einkaufsabteilung die bisher verwendeten Zulieferungen aus Belgien durch kostengünstigere Ware aus Tunesien ersetzt, kann der Fall eintreten, daft das Fertigprodukt aus polnischer Sicht nicht mehr als EU-Produkt angesehen wird und beim Import nach Polen verzollt werden muft. Móglicherweise hat der polnische Kunde dann kein Interesse mehr an einer Belieferung. Eine andere oft zuwenig abgestimmte Problematik ergibt sich in der Fakturierungspraxis. Im Hinblick auf das Devisenmanagement ist es sinnvoll, daft sich Forderungen und Verbindlichkeiten in auslándischen Wáhrungen móglichst weitgehend kompensieren, um die Wechselkursrisiken zu minimieren. Der Einkauf sollte daher in Abstimmung mit dem Verkauf auf Fakturierung in bestimmten Wáhrungen achten. Vgl. hierzu ausfuhrlich Abschnitt H-4. Viele Unternehmen haben auch die Beschaffungslogistik <outgesourced>. Heute bieten spezialisierte Logistikdienstleister vor allem fur kleinere und mittlere Unternehmen einen umfassenden Service, der Defizite beim Beschaffungs-Know-how (Beschaffungsmárkte, Make-or-Buy-Annlysen, Angebotseinholung, Lieferantenauswahl, Rechtsprobleme) ebenso ausgleicht wie Kapazitátsengpásse im Personalbereich (Auftragsabwicklung und -iiberwachung, Zahlungsabwicklung und -iiberwachung). In zunehmendem MaSe stiitzt man sich dabei auch auf das Internet. Eine Alternative zum Outsourcing sind Kooperationen, Firmenpools oder Joint Ventures mit anderen Unternehmen. Die Transportlogistik wird tendenziell sehr viel starker nach auEen verlagert als die Erkundung von Beschaffungsquellen. Dies umfaSt meist auch ein outsourcing des Fuhrparkmanagements bzw. der gesamten Flotte. Der Vertragspartner iibernimmt dabei die Verantwortung, die benótigten Giiter <punktgenau> zu liefern. Wie er dies leistet, ist sein Problem. Die Transportlogistik hángt dabei auch von den Lieferbedingungen ab (Incoterms, vgl. Abschnitt G-2), kann diese aber umgekehrt auch bestimmen, indem man bestimmte Komponenten gerne selber iibernimmt bzw. sie dem Handelspartner übertragen móchte. Beispielsweise verursachen Beschaffungen im Ausland unter EXW (Ab Werk) erheblichen Aufwand. 3 ' Dieser Anteil wird meist in Prozent des Ab-Werk-Preises ausgedriickt und wird vertraglich - und pro duktspezifisch! in dem vólkerrechtlichen (internationalen) Praferenzabkommen hier zwischen EU und Polen festgelegt. Vgl. Abschnitt K-3.3. <?page no="119"?> B-9. Machbarkeitsstudie und Business Plan 97 PRAXISTIP • «Wer liefert was? » (www.wlw.de) • «Freie Lieferantenrecherche in Deutschland, Osterreich und der Schweiz (www.farside.net) • www.branchenbuch.com bzw. www.branchenbuch.de. • www.worldyellowpages.com • 150.000 Firmen aus Nordamerika: hhtp/ / : thomasregister.com (die Nutzung erfordert eine Registrierung) B-9. Machbarkeitsstudie und Business Plan Die umfangreichen vorangehenden Betrachtungen zur Marktauswahl und zur Bestimmung des Marketingmix sollten in einem konkreten Plan fur das zweckmáSige Vorgehen zusammengefaGt werden: Mit welchem Produkt wollen wir in welchen Markt wie eindringen? Dieser Business Plan beschreibt die verfolgten Ziele (quantitativ und qualitativ), die aus den verschiedenen Alternativen ausgewáhlte Strategic und die sich daraus ableitenden geplanten Mafinahmen, einschlieElich quantitativer Eckwerte und Kostenpláne. Basis ist eine Pruning der Durchfiihrbarkeit (Machbarkeitsstudie, Feasibility-Stadie) und eine Abschatzung der Rentabilitát des Vorhabens. Damit dient der Businessplan auch als Grundlage fur Finanzierungsgespráche mit Banken. Vielfach bietet es sich an, alternative Szenarien durchzuspielen (best case: optimistisch, worst case: pessimistisch, business as usual: keine groSen Veránderungen in den Parametern), die gleichzeirig auch als Orientierung dienen kónnen, wenn sich sparer doch ungeplante Veránderungen einstellen. Diese strategischen und planerischen Instrumente sind allgemeines Managementriistzeug und werden daher hier nicht weiter ausgebaut. <?page no="120"?> r V a * Organisation und Management Bezüglich der Auslandsaktivitáten eines Unternehmens sind unter anderem zwei Dinge zu kláren: • der personelle Bedarf im Unternehmen in qualitativer Hinsicht (Kompetenzen) und quantitativer Hinsicht (Anzahl von Mitarbeitern) sowie • die organistorische Einbindung der Auslandsfunktionen in die Aufbau- und Ablauforganisation. Viele Unternehmen werden eher zufállig in das Auslandsgescháft hineingezogen, weil sie unverhofft einen Auftrag aus dem Ausland erhalten, weil sie auf einer Messe vertreten waren oder weil der Juniorchef im Urlaub einen interessanten Kontakt schlieSt. Dann sind erfahrungsgemáfi die organisatorischen Vorkehrungen gering. Bei sporadischen Auslandsgescháften sowohl auf der Exportals auch auf der Importseite erledigt oft ein Mitarbeiter die auslandsbezogenen Aufgaben <so nebenbei>, der bei Bedarf durch externe Spezialisten unterstiitzt werden muE, z. B. import- oder exporterfahrene Spediteure, Handelsháuser, Versicherungen, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Fachanwálte, ZoUconsultants usw. Manchmal schlieSen sich auch mehrere (meist kleinere) Unternehmen zu einer Exportvereinigung zusammen, oder sie kooperieren im <Huckepackverfahren> mit einem grofieren, erfahrenen Unternehmen, das iiber die entsprechenden Markt- und Landeskenntnisse verfügt (vgl. Abschnitt B-6 iiber Markteintrittsformen). Spezielles eigenes Personal ist erst bei umfangreichen und dauerhaften Auslandsaktivitáten sinnvoll, u. a. im Hinblick auf die Beachtung gesetzlicher Vorschriften im Bereich des Steuer-, Zoll-, Exportkontroll-, Arbeits-, Kaufvertrags- und Wettbewerbsrechts sowie bei Finanzierungs- und Versicherungsfragen. Nicht wenige Unternehmen haben fur ihre Zoll- und Exportabteilungen Fachleute aus der Zollverwaltung abgeworben. Man sollte jedoch daran denken, daft Erfolg oder MiSerfolg des Auslandsgescháfts sehr stark von der Qualifikation der dafiir im Unternehmen Verantwortlichen abhángen. C-1. Aufbau internationaler Fiihrungsstrukturen C-1.1. Aufbauorganisation Ob in einem Unternehmen eine spezielle Zollund/ oder Export-Abteilung sinnvoll ist, ob diese für alie Unternehmensbereiche oder auch für alie verbundenen Unternehmen zustándig ist, ob fachspezifische Fortbildungen ausreichen oder ob auf externen Sachverstand zuriickgegriffen werden sollte, kann natiirlich nicht allgemein beantwortet werden. Ein Grundsatz sollte über alien stehen: So einfach wie móglich, so komplex wie nótig, oder anders gesprochen: «Die Form folgt der Funktion» bzw. «Die Struktur folgt der <?page no="121"?> C - 1 . Aufbau ¡nternationaler Führungsstrukturen 99 Strategic» 1 Die Veranderung einer etablierten Organisationsstruktur zu einer international orientierten Fiihrungsstruktur geht nicht immer reibungslos vonstatten. Nicht selten entwickeln sich Widerstande, weil Mitarbeiter, aber auch Zulieferer und Kunden von einer Ausweitung des Auslandsengagements Nachteile befiirchten. PRAXISTIP Wie immer die organisatorischen Strukturen entwickelt werden wichtig ist in jedem Fall, daft für die Betreuung der Auslandsaktivitáten verantwortliche Ansprechpartner definiert werden und dafi diesen die erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen zur Verfügung stehen. C-1.1.1. Zentralisierung und Dezentralisierung In Abschnitt B-5 wurden die verschiedenen <Zentrierungs>-Alternativen des internationalen Marketing angesprochen. Sie wirken sich'auch auf die Führungsstrukturen aus. Dabei stehen zwei grundsátzliche Alternativen zur Auswahl: zentralisierte und dezentralisierte Strukturen (Abb. C-l/ 1). • Eine ethnozentrische Marketingstrategie, bei der die Überlegungen, die für das Inland gelten, auf das Ausland iibertragen werden, weist meist aber nicht zwingend auch eine zentralisierte Fiihrungsstruktur auf, bei der das Auslandsgescháft vom Inland aus gemanaged wird. Zumindest gilt dies für strategische Entscheidungen, wáhrend das operative Management durchaus dezentral vom Ausland aus gefiihrt werden kann. • Polyzentrische und regiozentrische Strukturen, welche die spezifischen Besonderheiten einzelner Lánder oder Lándergruppen individuell und differenziert beriicksichtigen und beispielsweise auch ein lánderspezifisches Produktprogramm bedeuten, miissen zwangslaufig dezentralisiert sein und sind oft aber nicht zwingend mit eigener Prásenz des Unternehmens im Ausland verbunden. • Eine geozentrische (globale) Strategie beruht meist auf einer zentralen Führungsstruktur und einer Vereinheitlichung von Abláufen. Ein wichtiges Differenzierungselement ist jedoch die Besetzung der Strukturen mit Fachkráften, die den jeweils lánderspezifischen Besonderheiten Rechnung tragen kónnen, günstigerweise vor Ort. Fiir eine Zentralisierung spricht, daf> das Risiko inkonsistener Parallelentscheidungen, die dem konkreten Managementproblem nur unzureichend gerecht werden, geringer ist (der eine <htih>, der andere <hott>). Auch bei Aktivitáten mit Mengeneffekten (Einkaufsrabatte, Konditionen) bietet sich eine Zentralisierung an, ebenso wie fiir das Handling von Wáhrungs- und Zahlungsrisiken. Dagegen spricht, daS eine zentralisierte Fiihrung oft <weitab vom Schui? > sein kann, so dai? erforderliche operative Entscheidungen verzogert werden oder falsch getroffen werden oder ihre Rationalitát intransparent ist. Insbesondere lánderspezifische Aspekte - Prioritáten, Rechtsfragen, Mentalitátsfragen kónnen von der Zentrale aus nicht immer effizient berücksichtigt werden (wie es so schón heif? t: «Bis die Zentrale reagiert, ist alies passiert»). Dezentralisierte Führungsstrukturen sind problemnáher. Sie gehen oft auch mit gróferer Motivation der Mitarbeiter vor Ort einher, erfordern aber einen entsprechenden Informa- 1 «Form follows function, structure follows strategy.» A. D. Chandler, Strategy and Structure, Cambridge 1962. <?page no="122"?> 100 C Organisation und Management Abb. C-1/ 1: Organisationsalternativen Alternative Fiihrungsstrukturen • autoritáre • kooperative Führungsstruktur • divisionale • funktionale • gemischte (hybride) Führungsstruktur tions-, Koordinations- und Abstimmungsaufwand. Der Asien-Chef sollte móglichst nicht in Stuttgart residieren. Strategien fur unbekannte neue Márkte lassen sich zwar in Deutschland formulieren, aber sie sollten lokal an den lokalen Gegebenheiten ausgerichtet werden. Zumindest ihre Adaption sollte im Zielmarkt erfolgen. «Think global, act local», heifst die Devise. C-1.1.2. Stellen- und Funktionenbildung In vielen mittelstándischen Unternehmen ist der Export «Chefsache». Das ist grundsátzlich auch richtig, weil dies die strategische Bedeutung unterstreicht, die das Exportgescháft fur viele Unternehmen hat. Er wird das aber kaum allein leisten kónnen. Das operative Gescháft wird in kleineren Unternehmen oft von Mitarbeitern <so nebenbei> mit abgewickelt; erst von einem bestimmten Auslandsumsatzvolumen im Export wie im Import lohnt es sich, spezialisierte Mitarbeiter zu bescháftigen. Für einige spezifische Aspekte sind besonders geschulte Fachkráfte erforderlich, Im Hinblick auf die allgemeinen Grundsátze der Stellen- und Funktionsbildung kann hier nur auf eine breite Literatur verwiesen werden, u. a. im Hinblick auf Aufgabenanalysen, rationale Stellenabgrenzungen (urn Uberschneidungen und Liicken zu vermeiden) und entsprechende Stellenbeschreibungen (job descriptions). Wie im Inland sind auch bei international orientierten Managementstrukturen grundsátzlich divisionale (produktbezogene), funktionale (tátigkeitsbezogene 2 ) und gemischte Strukturen (hybride Strukturen) (z. B. Matrixstrukturen oder Teams) zu unterscheiden. Ebenso finden sich <klassische> Linienorganisationen oder Stab-Linien-Varianten. Dies hángt auch von dem im Unternehmen praktizierten Führungsstil ab (autoritar, partizipativ, kooperativ etc.). In der Praxis sind drei Tendenzen festzustellen: 1. Allgemein wird versucht, die Organisationstiefe zu minimieren und Hierarchieebenen zu vermeiden bzw. abzubauen (lean management). 2. In den meisten international tátigen Unternehmen ergeben sich unabhangig von einer divisionalen oder funktionalen Grundstruktur besondere regionale Zustándigkeiten im • ethnozentrische • polyzentrische Führungsstruktur • zentralisierte • dezentrale Führungsstruktur 2 Z. B. Produktentwicklung, Produktion, Finanzierung, Vertrieb usw. <?page no="123"?> C - 1 . Aufbau ¡nternationaler Führungsstrukturen 1 0 1 Management, d. h. dafi in die Grundstruktur jeweils <geographische> Ebenen eingezogen werden. Dann gibt es beispielsweise den Produktmanager Haushaltsgeráte fiir Siidostasien neben dem fur das Inland oder fiir andere Regionen. Dies begiinstigt auch die Betreuung heterogener, d. h. lánderspezifischer Produktvarianten. 3. Es besteht zudem eine Abkehr von groEen Unternehmensbereichen und eine Tendenz zur Dezentralisierung durch Schaffung von Profit Centers im Ausland, also faktisch Unternehmen im Unternehmen, in grofiem Stil beispielsweise VW/ USA oder Bayer/ Argentinien, in kleinerer Dimension z. B. eine ausgelagerte Produktion eines deutschen Getriebeherstellers fur Baumaschinen in China. Da wir nicht alie betrieblichen Funktionen aus organisatorischer Sicht analysieren konnen, gehen wir im folgenden Abschnitt beispielhaft auf die Einbindung der Export- und Importabwicklung ein. C-1.1.3. Beispiel: Export- und Importabwicklung Vom Einkauf (Zólle, Warenursprung) iiber die Lagerung (dto.) bis zum Verkauf (Warenursprung, Exportkontrolle) ziehen sich zoll- und aufenwirtschaftsrechtliche Fragen wie ein roter Faden durch das international tátige Unternehmen. Es ist aber immer wieder festzustellen, da(? auf der Ebene der Untemehmensleitung nicht nur in mittelstándischen Unternehmen zuwenig Kenntnisse und daraus folgend auch wenig Interesse an diesen Aspekten besteht; das Ohr fiir diesen Bereich ist oft recht schwerhórig. Dies kann zum einen ókonomische Nachteile mit sich bringen (falsche Tarifierung, unnotige Abgaben), zum anderen auch rechtliche Risiken. Aber die notwendige Einsicht entsteht nicht selten erst, wenn das Unternehmen in Schwierigkeiten geraten ist (vgl. Abschni(t L-6 zur Exportkontrolle). Teures Lehrgeld. Vieles spricht fiir eine Biindelung der verfahrensmáfsigen Einfuhr- und Ausfuhrzustándigkeiten in einer Organisationseinheit, nicht zuletzt im Hinblick auf einen Ansprechpartner fur Behórden, aber auch aus sachlicher Sicht, weil beispielsweise das Praferenzrecht sowohl den Import ais den Export berührt und auf beiden Seiten Práferenzregeln beachtet und Ursprungsnachweise gepriift bzw. erstellt werden miissen. Die finanziellen Vorteile kompetenter Verantwortlicher fiir Export- und Importfragen bleiben in nicht wenigen Unternehmen auf der Leitungsebene undeutlich: u. a. Ausnutzung von günstigen Verfahrensalternativen und Práferenzregelungen, interne Kostenersparnisse, entsprechende Einkauf- und Verkaufharmonisierung und allgemein: bessere Marktchancen. Genauso wie sich fur ein Finanzamt ein Betriebspriifer sehr schnell amortisiert, gilt dies im Unternehmen fiir das Einfuhr- und Ausfuhrcontrolling eben auch. Grundsátzlich ist wichtig, daí? den zoll- und auSenwirtschaftsrechtlichen Fragen durch eine klare organisatorische Einbindung Rechnung getragen wird, und dies umfafit sowohl die Benennung von Personen ais auch die Definition von Verantwortlichkeiten und Zustándigkeiten. Hierzu gehórt ein umfassendes Informationsrecht bei alien Unternehmensteilen. Bei gróEerem Exportvolumen wird oft zunáchst eine Exportbzw. Importstellé, spáter dann vielleicht eine Abteilung eingerichtet, die fiir die Abwicklung zustándig ist. 3 In der Kosten- 3 Wir begründen weiter unten, weshalb eine Integration bestimmter Import- und Exportfunktionen sinnvoll sein kann. <?page no="124"?> 102 C Organisation und Management und Leistungsrechnung kann diese Einheit als Kostenstelle bzw. als Profit Center gefuhrt werden, um Aufwand und Ertrag des Auslandsengagements gegenüberstellen zu kónnen. Die sonstigen kaufmannischen Aspekte (Vertragsgestaltung, Zahlungsverkehr, Finanzierung, Risikomanagement etc.) kónnen von den jeweils für den Inlandsmarkt zustándigen Organisationseinheiten mit betreut und abgewickelt werden. Erst von bestimmten, nur subjektiv bestimmbaren Schwellenwerten an ergibt sich die Notwendigkeit, komplexere auslandsbezogene Fiihrungstrukturen zu entwickeln, weil die Entscheidungsparameter zunehmen und komplexer werden, mit zunehmender Unsicherheit auch gróEere, zumindest andere Risiken entstehen und weil spezifischere Kompetenzen erforderlich werden. Das Exportkontroll- und Zollrecht ist ein Aufgabengebiet, das grundsátzlich nicht <aus den Augenwinkeln> beobachtet werden kann. Allein die Verfolgung der laufenden Anderungen der Rechtsgrundlagen (nationale und europáische Gesetzestexte, Fachliteratur und ganz wichtig aktuelle Rechtsprechung) erfordert meist mehr Aufwand, als er <so nebenbei> serios zu leisten ware. Viele Vorschriften kónnen nur mit betrachtlichem Mittelaufwand aktuell gehalten werden. Rechtsverletzungen kónnen jedoch fur das Unternehmen, aber auch für verantwortliche Personen teilweise sehr massive Konsequenzen haben (vgl. u. a. Abschnitt L-6.5.5). Eine gezielte Fortbildung ist in jedem Fall sowohl unerláSlich als auch zeitaufwendig. Von einem bestimmten Aktionsvolumen an wird dies daher zu einer hauptberuflichen Beschaftigung, deren Bedeutung für den Unternehmenserfolg nicht unterschátzt werden sollte. In vielen Unternehmen ist allerdings zu beobachten, dai? sich die Fachkompetenz für Zoll- und Exportkontrollfragen personell stark konzentriert, so dai? sich dabei ein betráchtliches «Herrschaftswissen» ansammelt. Das rácht sich spátestens, wenn Herr oder Frau Soundso nicht nur mal in Urlaub ist (dann bleibt aller Zollkram eben liegen), sondern das Unternehmen ganz verlafst. Eine kompetente Vertretungsregelung sollte eigentlich eine Selbstverstándlichkeit sein, damit nichts anbrennt, ist es aber oft nicht. C-1.2. Ablauforganisation Die Ablauforganisation wird wesentlich von der Aufbauorganisation beeinfluSt. Wir konnen hier natürlich nicht auf alie funktionsspezifischen Aspekte im Bereich Beschaffung, Produktion, Finanzierung, Marketing und Verkauf etc. eingehen, sondern greifen auch hier nur einige wichtige Aspekte heraus. Wenn in eine Managementstruktur dezentrale Elemente eingebaut werden, sind zwei Aspekte wichtig: • Es müssen klare Zustándigkeiten und Verantwortlichkeiten definiert werden. • Wegen des erhóhten Koordinierungsbedarfs muí? ein effizientes Management-Informationssystem (MIS) entwickelt werden, denn es müssen komplexere Analyse-, Planungs-, Entscheidungs- und Kontrollprobleme gelóst und Entscheidungen abgestimmt werden. Ein MIS ist ein Controlling-Instrument, welches oft parallel zum traditionellen Berichts- und Rechnungswesen entwickelt werden muí? . Effizientes Informationsmanagement (Wissensmanagement) ist eine wichtige Voraussetzung fur ein erfolgreiches Engagement im Auslandsgescháft. Gelegentlich ist in unerfahrenen Unternehmen die irrige Meinung anzutreffen, dies sei nicht so wichtig, und man kónne dies leicht nebenbei erledigen. Mag sein, daf? <?page no="125"?> C - 1 . Aufbau internationaler Führungsstrukturen 103 dies im Einzelfall mal hinhaut. Spatestens von einem etwas umfangreicheren Auslandsengagement ist eine gezielte Informationsbeschaffung und dies ist besonders wichtig) - Informationsverarbeitung ein MuG (u. a. in Bezug auf sog. Ursprungsregeln auf der Importwie auf der Exportseite), und hiermit sind auch Kosten verbunden, das muf> klar gesehen werden. Die Verfiigbarkeit einer grol? en Zahl von Informationeri ist jedoch nicht gleichbedeutend mit mehr Wissen; Datenfriedhofe behindem eher (Abb. C-l/ 2). Abb. C-1/ 2: Wissensmanagement Die Pflege von Datenbanken ist noch kein Wissensmanagement ..Bespektlosigkeit vor Erfahrung" / Standardlosungen nicht problemgerecht / Begriffschaos als Hinderois Wissensmanagement in vielen Unternehmen nur Lippenbekenntnis Keine genauen Kenntnisse über die eigenen Kompetenzen / Wissen wird kaum an Mitarbeiter vermittelt „Viele Informationen führen nicht automatisch zu viel Wissen" Export- und Zollverantwortliche sollten einen direkten Draht zur Unternehmensleitung haben, sofern sie nicht sogar selbst in diese eingebunden sind. Wir gehen im Zusammenhang mit der Exportkontrolle in Abschnitt L-6.5 ausfiihrlich auf die Position des Exportbeauftragten ein, der in vielen Unternehmen qua Gesetz ernannt werden mu£, sofern diese in <sensiblen> Exportbereichen tátig sind. In den Abschnitten K-2 und K-3 werden die zollrechtlichen Aspekte ausfiihrlich untersucht, die neben Kostenaspekten auch die Wettbewerbspqsition beeinflussen kónnen. In gewisser Weise sind die folgenden Uberlegungen daher vor die Klammer gezogen, um zu verdeutlichen, daS zoll- und aufienwirtschaftsrechtliche Fragen oft eine Querschnittsfunktion haben. Sie spielen in vielen Unternehmensbereichen eine Rolle, was auf den ersten Blick nicht immer deutlich werden mag. • Ganz offensichtlich ist die Bedeutung zollrechtlicher Fragen fur den Wareneinkauf. Kaufvertráge sollten vor dem AbschluS mit der Zollabteilung des Unternehmens abgesprochen werden, um die sich ergebenden Zollbelastungen, eventuelle Einfuhrverbote und -beschránkungen (V.u.B.), die Beschaffung erforderlicher Dokumente vom Lieferanten oder vor allem um Ursprungsfragen abzukláren. Dies betrifft auch den Verkauf, mit dem sich der Einkauf gleichermaSen friihzeitig absprechen sollte, weil z. B. neue, preislich giinstigere Zulieferungen aus Hongkong start aus Belgien zwar auf den ersten Blick die Kosten senken mógen, dies jedoch fur die produzierte Ware bedeuten kann, daS sie den EG- Ursprung verliert und damit nicht mehr zollfrei z. B. in Polen importiert werden kann. Dann kónnten Kunden leicht abspringen. • Beim Wareneingang konnen'Falschlieferungen oder erkannte Mangel ggf. zu einer anderen Tarifierung fiihren oder evtl. zollrechtlich eine Wiederausfuhranmeldung erforderlich machen. Daher sollten zugelieferte Waren móglichst nicht ohne weiteres zum freien Verkebr abgefertigt werden, denn eine dadurch entstandene Zollschuld kann i.d.R. nicht rückgángig gemacht werden. Beim Wareneingang spielt die Dokumentation eine wichtige Rolle, beispielsweise weil Práferenz- oder Ursprungsnachweise vorliegen miissen (beim Einschalten von Kurierdiensten passieren hier viele Fehler). • Hinsichtlich des (Einkauf-(Lagers stellt sich die Frage, ob ein Zollager sinnvoll ist. Dies <?page no="126"?> 1 0 4 C Organisation und Management gilt analog fur den Verkauf, wenn Waren durchgehandelt werden. Dann sollte sichergestellt werden, daí? weder Zólle noch Einfuhrumsatzsteuer noch Mehrwertsteuer zu entrichten sind. • Die Produktentwicklung (F&E) ist u. U. zollrelevant, wenn sie auSerhalb der EU erfolgt und ggf. in den Zollwert importierter Giiter einzubeziehen ist (Konstruktionsplane, Patente, Lizenzen); dies sollte auch bei Funktionsverlagerungen ins Ausland bedacht werden. • In der Produktion sind ursprungsrechtliche Fragen von grofiter Bedeutung, d. h. vor allem: ob bei der Verwendung von Zulieferungen aus anderen Landern die produzierte Ware z. B. den deutschen bzw. den EG-Ursprung erhált oder nicht, aber z. B. auch, ob sich eine passive Veredelung im Ausland lohnt. • Der Verkauf wird sich stark für práferenzrechtliche Aspekte interessieren, d. h. ob der Kunde die Ware zollfrei mit EG-Ursprung importieren kann oder nicht. Sehr wichtig ist, ob die Ausfuhr Exportbeschrankungen unterliegt, die teils waren-, teils lander-, teils verwendungsabhangig sein konnen, was vielen Exporteuren gar nicht bewuSt ist. • Für den Export miissen ggf. bestimmte Dokumente besorgt werden (z. B. Ursprungsnachweise, Ausfuhrnachweise), auch nach vorübergehender Verwendung (Abschnitt K-4.4). Abzukláren ist insbesondere auch, ob die Waren vorher den Zollbehórden gestellt werden miissen, um die zoll- und auftenwirtschaftsrechtliche Abfertigung zu erledigen. Um diese Aspekte jederzeit zu iiberblicken, sollte ein zoll- und exportkontrollrechtlich orientiertes Controlling móglich sein. Dies setzt ein entsprechendes Rechnungswesen voraus, in dem beispielsweise die Abgabenwirkung von Rechnungsgutschriften oder Nachbelastungen im Einkauf und Verkauf ermittelt und berücksichtigt wird. Insbesondere ist dabei ein laufender Abgleich mit den Zollanmeldungen und mit den steuerlichen und anderen Auswirkungen auf die Einfuhrabgaben (Zolle, EUSt, Verbrauchsteuern, Agrarzólle) erforderlich. Günstigerweise sollten Informationen computergestützt zur Verfügung stehen, u. a. hinsichtlich des Zolltarifs, der Ursprungsregeln (ein wahrer Dschungel), der Sammelzollverfahren, der Lander- und Warenlisten etc. Aus der Analyse der entsprechenden Probleme ergeben sich oft auch Auswirkungen auf die Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmens, z. B. hinsichtlich der Belegdokumentation oder des Informationsflusses. Dies ist nicht zuletzt auch im Hinblick auf Betriebsprüfungen durch den Zoll erforderlich. Die Rechtsabteilung vieler Unternehmen ist zwar meist auf steuerrechtliche, weniger aber auf zoll- und auSenwirtschaftsrechtliche Fragen im wünschenswerten MaSe vorbereitet. Auch und insbesondere hier muí? von der Unternehmensleitung entscheiden werden, ob ggf. auf externe Berater zurückgegriffen werden soil oder ob die Bescháftigung von Zollspezialisten erforderlich ist. Diese kónnen oft kostensparende Verfahrensvarianten vorschlagen, deren Existenz und Bedeutung für den Nichtfachmann oft nicht erkennbar ist. C-2. Personelle Kapazitáten Um Auslandsgescháfte erfolgreich abzuwickeln, braucht jedes Unternehmen eine entsprechende personelle Kompetenz. Dabei stellt sich die Frage, ob die eigenen Personalkapazitáten reichen oder of man auf externes Personal zurückgreifen mufi, denn im ersten Schritt <?page no="127"?> C - 2 . Personelle Kapazitáten 1 0 5 wird ein Unternehmen, das sich erstmalig in den Export wagt, wohl kaum zusátzlich Personal rekrutieren. Wie schon gesagt: «Man braucht eine Spezialisierung, gutes Marketing und gute Leute» (Abb. C-2/ 1). In der Zusammenarbeit mit auslándischen Partnern treten Unterschiede in den Gescháftssystemen, Führungs- und Organisationsstrukturen, Philosophien und Unternehmenskulturen deutlich zutage. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die eigenen Managementstrukturen mit geeigneten Personen zu besetzen, die diese Aspekte berücksichtigen kónnen. Abb. c-2/ 1: „ Wir brauchen mehr internationale Führungskrafte" Die Anforderungen an die Mitarbeiter sind gestiegen: • Zum einen miissen Mitarbeiter heutzutage fast immer damit rechnen, einen nicht unerheblichen Teil ihrer Arbeitszeit im Ausland zu verbringen, teils in Form von Reisen, teils durch permanente Prásenz in Filialen oder Tochtergesellschaften im Ausland. Dies erfordert ein hohes MaS an Flexibilitát und Mobilitát und stellt auch hohe Anforderungen an die Familien der Mitarbeiter. • Zum anderen hat sich das Anforderungsprofil erweitert, indem neben produktbezogenen Kompetenzen auch betriebswirtschaftliche Qualifikationen erwartet werden sowie interkulturelle Kompetenzen, d. h. insbesondere exzellente Spracbkenntnisse, die Fáhigkeit, fremde Márkte einschátzen zu kónnen und mit Kunden und Kollegen aus anderen Lándern und Kulturen zusammenzuarbeiten. Die Stellenanzeigen in einer beliebigen Tageszeitung belegen dies. Die berufliche Internationalisierung betrifft neben der Managementebene der Unternehmensleitung vor allem Einkauf, Vertrieb und Service. «Der Manager von morgen wird nach 20 Berufsjahren zwei Drittel dieser Zeit auSerhalb seines Geburtslandes verbracht haben und in der Lage sein, in mehreren Sprachen, darunter Englisch und mindestens eine asiatische Sprache, zu verhandeln» (FAZ vom 25.3.98). Irgendwo habe ich gelesen: «Das Kapital des Unternehmens verláEt das Unternehmen jeden Abend durch den Haupteingang. Human Capital d. h. die Mitarbeiter sind das wichtigste Gut.» Das hórt jeder Mitarbeiter gem und studiert nochmal seine Gehaltsabrechnung. Grundsátzlich sollten die Personalmanager, die Mitarbeiter fur Auslandsaktivitáten einstellen oder iiber die Besetzung von Auslandspositionen entscheiden, die damit verbundenen Anforderungen einschátzen kónnen. Dies ist jedoch nicht immer gegeben. DaS jemand gut Englisch spricht, qualifiziert ihn oder sie noch nicht ohne weiteres fur eine Tátigkeit in Asien. Andererseits wenden viele Unternehmen grofie Mühe auf bei der Besetzung von Auslandspositionen, und Bewerber miissen sich nicht selten in Assessment Centers bewáhren. Doch auch solche Labortests sind keine Garantie fur den Erfolg. C-2.1. Kriterien zur Personalauswahl Bei der Personalauswahl unterscheiden sich die Strategien: • Manche Unternehmen legen mehr Wert auf Mitarbeiter, die sofort einsetzbar sind, weil sie bereits an anderer Stelle Erfahrungen gesammelt haben, andere bevorzugen die interne Ausbildung und Entwicklung ihrer Mitarbeiter. In Unternehmen des letzteren Typs haben also Hochschulabsolventen eher eine Chance als in den anderen. <?page no="128"?> 106 C Organisation und Management • Einige Unternehmen stellen ihre Mitarbeiter zentral für alie Filialen und mit teilweise ausgekliigelten Tests ein, andere iiberlassen die Personalentscheidung den Führungskráften vor Ort. Viele Unternehmen stellen für ihre Mitarbeiter, die im Ausland oder mit dem Ausland arbeiten, spezielle Anforderungsprofile auf. Abb. C-2/ 2 wertet eine beispielhafte Stellenanzeige für einen Auslandsmitarbeiter aus. Abb. C-2/ 2: Standardqualifikationen Stellenanzeige: Verkaufsleiter für den GroBmotorenbau in Siidostasien Sind Sie der kaufmánnisch erfahrene Techniker oder aber der technisch versierte Kaufmann? Haben Sie Ihr Verhandlungsgeschick, Ihr Durchsetzungsvermógen und Ihre AbschluBsicherheit auch schon auf internationaler Ebene unter Beweis stellen konnen? Sind Sie zwischen 30 und 40 Jahre alt. sprechen flieBend Enalisch und suchen nun eine neue Herausforderung? Dann senden Sie Ihre aussagekráftige Bewerbung an ... Standardqualifikationen • fachliche und berufliche Fahigkeiten • Landeskenntnjsse • Sprachkenntnisse (dabei ist Englisch selbstverstandlich) • Anpassungsfahigkeit, Flexibilitat • Mobilitat • Kommunikationsfahigkeit • kulturelles Verstandnis, Toleranz • Motivation • psychische Belastbarkeit • physische Belastbarkeit • Familienstand Neben der grundsátzlich natürlich unabdingbaren fachlichen Eignung werden für Auslandseinsátze andere Kriterien zunehmend wichtiger. Ein Unternehmer sagte, daS Menschenkenntnis wichtiger ist als Marktkennmis, weil man sich letztere eher aneignen kann, aber ich glaube eher, dafs beides zusammen da sein mufi. Da die bei einem Auslandseinsatz auftretenden Schwierigkeiten nur bedingt durch das Stammhaus abgefangen werden kónnen, muS auf die personliche Qualifikation des Auslandsmitarbeiters besonderer Wert gelegt werden. Neben der Frustration für den Mitarbeiter stellt ein Fehlschlagen des Auslandseinsatzes für das Unternehmen eine kostentráchtige Fehlinvestition dar, deren negative Konsequenzen oft nicht zu reparieren sind: Wenn ein Mitarbeiter bei den auslandischen Partnern <Porzellan zerschlagen> hat, laf>t sich dies oft nicht mehr kitten. Singles sind zwar oft billiger, aber viele Unternehmen bevorzugen verheiratete Auslandsmitarbeiter, denn Ehepartner kónnen in einem schwierigen, ungewohnten Umfeld ein Stabilisierungsfaktor sein (Abb. C-2/ 3). Hinzu kommt oft, daS bei gesellschaftlichen Anlássen <?page no="129"?> C - 2 . Personelle Kapazitáten 1 0 7 der Ehepartner iiblicherweise mit einbezogen wird. In der Tendenz sind Frauen auch in Auslandspositionen unterreprásentiert. Frauen müssén sich in arabischen Lándern an einige Beschránkungen gewóhnen. In Saudi-Arabien kónnen Frauen nach wie vor nur in Begleitung ihres Marines, Bruders oder Vaters einreisen, was schon zu mancher Scheinehe gefiihrt hat; selbstándige Unternehmerinnen schicken mánnliche Manager vor. Dubai scheint auch fur unverheiratete Frauen einflexiblererStandort zu sein, ebenso die Tiirkei. Oft scheint die Blockade jedoch eher in der deutschen Personalpolitik als in der auslándischen Kultur zu liegen. Abb. C-2/ 3: Familieninteressen Beim Auslandseinsatz die Interessen des Ehepartners berücksichtigen Die entsandte Führungskraft braucht eine intakte Familie Vergiitung und Einsatzbedingungen ¡m Ausland / Erschwerniszulage, Auslandsprámien und Kaufkraftausgleich Ohne ihren Lebenspartner gehen Manager nicht ins Ausland Wachsende Bedeutung kurzfristiger Atislandsaufenthalte I Hohe Kosten und Karriererisiken als Hemmnisse Eine wichtige Voraussetzung ist die Mobilitát des Mitarbeiters. Hier liegt das Problem oft nicht nur beim Mitarbeiter selbst, sondern insbesondere auch bei seiner Familie, derm es handelt sich nicht nur urn eine zeitlich begrenzte Gescháftsreise: Der Mitarbeiter soil meist auf lángere Sicht (oft 3-6 Jahre) in diesem Land mit seiner Familie leben. Deshalb sind u. a. folgende Faktoren zu berücksichtigen: • schulische Ausbildung der Kinder und Anerkennung von Schulabschliissen; • berufliche Tátigkeit des Ehepartners und dessen Bereitschaft, seine Karriere im Notfall der des anderen unterzuordnen; • Unsicherheit oder sogar Furcht der Familie vor dem neuen Umfeld; • ausreichende sprachliche und landeskundliche/ kulturelle Kenntnisse aller Beteiligten, die eine Integration ermóglichen. Aus diesem Grund sollte das Unternehmen vor der Entsendung auch die Familie des Mitarbeiters in VorbereitungsmaSnahmen für das Entsendungsland mit einbeziehen. Gute Sprachkenntnisse sind unerláfilich, weil sonst sogenannte «Kommunikationslócher» entstehen kónnen, von den Integrationsproblemen in einer neuen Gruppe ganz zu schweigen. Es kommt immer noch vor, daE vor allem amerikanische - Manager in Konzernniederlassungen in Deutschland nicht über hinreichende Sprachkennmisse verfügen und sich ihren Mitarbeitern nicht in Deutsch mitteilen kónnen. Der berühmte Wutausbruch von FuEballehrer Trappatoni («wie Flasche leer» und «ich habe fertig») hat zwar Kultstatus, belegt dies aber beispielhaft. Dies kann zu Autoritátsverlust fiihren, wenn ein Vorgesetzter nicht ernst genommen wird. Er kann dann seine Mitarbeiter auch nicht motivieren. Grundsátzlich sollte man die Landessprache sprechen oder wenn diese eine exotischere Sprache ist zumindest eine im Land gángige Sprache wie Englisch, Franzosisch, Spanisch oder Arabisch beherrschen. Auch geringe Kenntnisse in einer lokalen Sprache fórdern in jedem Fall die Akzeptanz. <?page no="130"?> 1 0 8 C Organisation und Management Der Auslandsmitarbeiter muE oft mehr Verantwortung fur Entscheidungen tragen als dies zu Hause üblich war. Oft arbeitet er (sie) ohne Kontrolle vom Mutterhaus, und nicht immer kann er sich auf ein effizientes Backstopping verlassen. Auch die neue betriebliche Umwelt kann belasten. In der ersten Zeit ist der soziale Kontaktpartner fast ausschlieiSlich die Familie, die ihrerseits selbst noch Probleme haben mag, sich zurecht zu finden und Kontakte aufzubauen. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten kónnen zu einer zusátzlichen psychischen Belastung werden. C-2.2. Vor- und Nachteile eines Auslandseinsatzes Vor allem unerfahrene Mitarbeiter sehen einem Auslandseinsatz oft mit bangem Herzen entgegen, weil sie unsicher sind, was sie erwartet. Gleichzeitig fiihlen sie sich belastet durch die Verantwortung fur das Wohl ihrer Familie in dem neuen Umfeld. Grundsátzlich erfolgt eine Herauslósung aus der gewohnten sozialen Umgebung und den sozialen Beziehungen, was auch gelegentliche Heimaturlaube nur im Ansatz kompensieren kónnen. Bis man von den <Einheimischen> nicht mehr als expatriate oder gringo (sprich: Auslánder) angesehen wird, vergeht viel Zeit. Oft geschieht das nie. Probleme mit ungewohnter Mentalitát bis hin zum richtigen Kulturschock sind gángig (Abb. C-2/ 4). Abb. C-2/ 4: Auslandsmitarbeiter Wer in China Erfolg haben will, stellt Kinder von Parteimitgliedern ein Bedeutung soziopolitischer Interessengruppen für deutsche Unternehmen in China / Beim Bankett zeigt sich, wer die chinesische Kultur versteht Gescháfte in China erfordern den Einsatz gut geschulter Mitarbeiter ^ ^ ^ Interkulturelle Seminare dienen der Vorbereitung fiir Auslandseinsatze I Verhandlungen mit Chinesen als Spiel mit Finten und Finessen I Auch Familienangehórige benotigen Tips Fiir High-Tech-Unternehmen ist die Mitarbeitersuche in Asien schwierig Schott bildet in Deutschland aus / Heraeus sieht bei China keine schnellen Erfolge / Der Lookruf Asiens In der ungewohnten Umgebung sind die Familienmitglieder oft mehr aufeinander angewiesen als zuvor; dies kann zu Spannungen fiihren. Im Extxemfall kann eine soziale Isolierung entstehen, so wie es in den Containerstádten von Baustellencamps zu beobachten ist. So manche Karriere im Ausland ist am Ehepartner gescheitert, der sich nicht zurechtfand, oder allgemeiner: an Familienproblemen. Schulpflichtige Kinder kónnen durch die Umschulung in ein meist andersartiges Schulsystem (oft in internationalen Schulen) Schulprobleme entwickeln; im Ausland erreichte Schulabschliisse werden in Deutschland nicht immer als gleichwertig anerkannt. In der Regel wird eine berufliche Tátigkeit des Ehepartners unterbrochen, und er (sie) muf> bereit sein, seine Karriere im Notfall der des Partners unterzuordnen. Der mógliche Verzicht auf Zweitgehalt des Ehepartners wird nicht immer durch das Gehalt des Erstverdieners auf- <?page no="131"?> C-2. Personelle Kapazitáten 109 gewogen. Ehefrauen diirfen oft aus Imagegriinden nicht arbeiten (die Frau eines Gescháftsfiihrers braucht eben nicht zu arbeiten), oft erhalten sie auch keine Arbeitserlaubnis. Die berufliche Unterbrechung kann bei der Rückkehr zu Jobproblemen des Ehepartners fiihren. Mit Auslandseinsátzen sind oft Karrierechancen verbunden. Nicht selten sind Auslandserfahrungen Voraussetzung fur einen beruflichen Aufstieg oder zumindest fur die Jobsicherung und sicherlich wertvoll fur die persónliche «Horizonterweiterung» und die berufliche Attraktivitát bei Bewerbungen. Aber auch berufliche Nachteile sind durchaus móglich, wenn der Mitarbeiter wáhrend des Auslandsaufenthaltes von den internen Unternehmensstrukturen abgekoppelt ist. Mancher Befórderungsknick láfit sich so erkláren. Je lánger der Auslandseinsatz gedauert hat, desto gróEer ist die Gefahr von beruflichen und sozialen Reintegrationsproblemen nach der Riickkehr. Nicht alie Untemehmen bieten systematische Re-Integrationshilfen an. Und last not least sind viele Lander auch sehr attraktive Einsatzlánder, in die andere Menschen nur als zahlende Touristen gelangen - und nun wird man auch noch dafiir bezahlt... In vielen anderen Lándern hingegen kann das ungewohnte Klima eine Belastung sein. Ein Leben in feucht-heiSem oder auch trocken-heiSem tropischen Klima stándig unterbrochen von kiihlschrankarrigen Schocks von Klimaanlagen in der Wohnung, im Biiro oder im Auto kann sehr anstrengend sein. Wenn all dies noch von Sprach- oder Akzeptanzproblemen iiberlagert wird, kann man sich leicht seiner Überforderungsgrenze náhern. Damit der Mitarbeiter seine Aufgaben im Ausland optimal erfiillt und seinen Aufenthalt nicht vorzeitig abbricht, miissen von Unternehmensseite Anreize geschaffen werden. Dabei geht es dabei nicht nur aber auch um Geld (LebenshaltungskostenzuschuE, Inflationsausgleich, Mietzuschul? , Schulgeld, andere Nebenleistungen wie Sprachkurse fur den Mitarbeiter und seine Familie). Auch die Aussichten auf berufliche Weiterentwicklungsmóglichkeiten nach erfolgreich beendetem Auslandsaufenthalt kónnen die Probleme des neuen sozialen Umfeldes und das, was die Familie in Deutschland aufgegeben hat, kompensieren. Die Ent- und <Belohnung> der Mitarbeiter orientiert sich an unterschiedlichen Kriterien: Die Motivation, das Engagement, das Selbstwertgefiihl und damit das Leistungspotential der Mitarbeiter wird in dem einen Untemehmen durch ein ausgeprágtes Ma6 an Selbstverantwortlichkeit und Mitbestimmung erhóht. Andere Untemehmen setzt auf hohe Lóhne und eine Erfolgsbeteiligung, um ihre Mitarbeiter zu motivieren. Eine allgemeine Aussage iiber die <richtige> Personalstrategie ist nicht móglich: Die Untemehmen sind offenbar mit den unterschiedlichsten Strategien erfolgreich. Meist erhált der Auslandsmitarbeiter ein Basisgehalt. Zusatzlich werden vom Untemehmen die durch den Auslandseinsatz entstehenden Mehrkosten aufgefangen bzw. erstattet. Üblich sind dabei insbesondere: • Kaufkraftausgleich und/ oder Auslandszulage, ggf. Hárteprámie, • Transportkostenerstattung beim Umzug, • Ubemahme von Mietkosten, falls eine Wohnung in Deutschland beibehalten wird, • Mietzuschüsse im Ausland. • Schulgeld der Kinder (oft in einer intemationalen Schule), • Ausgleich der Sozialleistungen, Fortzahluog der Rentenversicherungs- und anderer Beitráge, • Einkommensteuerausgleich, <?page no="132"?> 110 C Organisation und Management • Dienstwagen (oft mit Fahrer, was weniger aus Prestigeals aus Griinden der Fahrsicherheit nótig ist; es gibt schon Stádte mit extremen Fahrgewohnheiten! ), • Heimaturlaub-Zulage (incl. Reisekosten fur die gesamte Familie), • Darlehen fur besondere Aufwendungen. PRAXISTIP Es ist sinnvoll, diese Zulagen nicht in das Gehalt hineinzurechnen. Vielmehr sollten alie Zuwendungen getrennt ausgewiesen werden und transparent bleiben und einzeln begrilndet werden, um zu vermeiden, daft bei den in- und auslándischen Kollegen Neid wegen des hohen Bruttogehalts entsteht. Natürlich differieren diese Zulagen in Art und Hóhe von Unternehmen zu Unternehmen. Insgesamt ist festzuhalten, dafi mit einem Auslandseinsatz meist recht erhebliche finanzielle Anreize verbunden sind. Wer aber einen Auslandsjob nur des Geldes wegen anstrebt, diirfte von ziemlich falschen Voraussetzungen ausgehen. Die Besteuerung von Auslandsbeziigen ist davon abhángig, ob ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem betreffenden Land existiert (durch wird vermieden, dafs ein im Ausland erzieltes Einkommen sowohl im Ausland als auch im Heimatland also zweimal besteuert würde), denn bei lángerem Aufenthalt stellt sich die Frage nach dem Wohnsitz oder dem gewóhnlichen Aufenthalt des Mitarbeiters und dem Sitz des zahlenden Arbeitgebers. Es ist in jedem Fall ratsam, sich vorher griindlich zu informieren. C-2.3. Vorbereitung und Fortbildung Eine gewissenhafte Vorbereitung durch das Unternehmen auf die im Ausland zu erwartenden Probleme ist sehr wichtig. Unverstándlicherweise vernachlássigen viele Unternehmen diese Phase und lassen ihre Mitarbeiter ins kalte Wasser springen. Dies ist riskant, weil dadurch in der Anfangsphase falsche Weichen gestellt werden kónnen, und schon mancher irreparable Schaden ist verursacht worden, weil interkulturelle Probleme nicht erkannt worden sind. Voraussetzung dabei ist ein Vergleich des Anforderungsprofils der zu besetzenden Auslandsposition mit dem Qualifikationsprofil des bzw. der Kandidaten. Fiir die Vorbereitung stehen zahllose Moglichkeiten zur Verfiigung, sowohl im eigenen Unternehmen (In-house) als auch extern. Empfehlenswert ist ggf. auch eine nochmalige Fórderung der fachlichen Kompetenz des zu entsendenden Mitarbeiters, weil dies zu Anfang in einem unbekannten Terrain ein erhóhtes MaS an Sicherheit verleiht. Wichtig ist, die Gebráuche und die Mentalitát im Gastland so gut und so schnell wie móglich kennenlernen. Günstig sind Kurzzeiteinsátze vor dem eigentlichen Langzeiteinsatz, wenn nicht im Zielland, so doch zumindest in der Region. Dies kann teilweise durch Seminare und Trainingskurse geschehen, die z. B. durch audiovisuelle Medien oder Rollenspiele eigene Erfahrungen simulieren. Soweit wie móglich, sollte die Familie beteiligt sein. Ganz wichtig ist eine intensive sprachliche Vorbereitung, am besten durch Sprachkurse im Ausland. DaS man Informationsmaterial über das Gastland durcharbeitet, ist selbstverstándlich. Unbedingt nutzen sollte man die Erfahrung von Kollegen oder Bekannten, die bereits im Ausland waren und Tips geben kónnen. Mancher Mitarbeiter organisiert auch auf eigene Kosten eine kurze «Orientierungsreise» in das Zielland. <?page no="133"?> C - 3 . Interkulturelles Management: Gescháftsführung im und mit dem Ausland 1 1 1 Im übrigen wird auch die beste Vorbereitung in <Trockenkursen> die tatsáchliche Wirklichkeit nur sehr unvollkommen abbilden kónnen. Grundsatzlich sollte man also darauf gefafit sein, dafi man sehr viel mehr verarbeiten muS, als man sich vorgestellt hat. C-3. Interkulturelles Management: Gescháftsführung im und mit dem Ausland Das Umgehen mit Problemen und Chancen, die sich aus Kultur- und Mentalitátsunterschieden ergeben, wird als interkulturelles Management bezeichnet, gleichbedeutend auch ais <multikulturelles Management> oder <cross-o*/ íwrtf/ -Management<, und die Fáhigkeit, dies zu tun, als interkulturelle Kompetenz. Sie umfaSt grundsatzlich drei Ebenen: die kognitive Ebene (Vermittlung und Aneignung von Wissen, Kenntnisse), die pragmatische Ebene (Fáhigkeiten) und die emotionale Ebene (Einstellungen, Werte). Sie bezieht sich u. a. • auf das Vorgehen bei Verhandlungen mit Geschaftspartnern, • auf die Produktgestaltung und die Werbung, • auf die Kundenorientierung und Kundenbetreuung, • in der Vertragsgestaltung auf die Zahlungsbedingungen, auch im Zusammenhang beziiglich der Vorgehensweise bei Mángelrügen oder Mahnungen; • auf das Personalmanagement, und dabei im Arbeitsrecht z. B. auf unterschiedliche Gepflogenheiten (Piinktlichkeit, religiose Besonderheiten wie Ramadan in arabischen Landern); • im Rechnungswesen und im Controlling auf die Zuverlássigkeit - und Lesbarkeit von Daten (z.B. eine japanische Stromrechnung), u.a.m. C-3.1. Strategische Ebene In vorangehenden Abschnitten ist bereits angeklungen, daS man in bestimmten Márkten vor allem Asiens und Lateinamerikas vor Ort prásent sein muí? , urn Erfolg zu haben. Dies ist manchem Unternehmen nicht klar, weil die oft hohen Kosten eine Art Erkenntnisbarriere darstellen. Und dann wird ein Markt eben irgendwann aufgegeben, weil man sich nach dem Kleckern nicht zum Klotzen durchringen will. Umgekehrt nutzen nur wenige deutsche Unternehmen auslándischen Sachverstand auf der Führungsebene. Tendenziell sind Tochterunternehmen starker internationalisiert als die <Miitter>. Eine erfolgversprechende Personalstrategie ist die Anwerbung von auslándischen Fachkráften, die über profunde deutsche Erfahrungen (und meist auch deutsche Sprachkenntnisse) verfügen, sich aber in ihrem Land eben doch mehr wie ein Fisch im Wasser fiihlen als das deutsche Unternehmen. Gerade bei vielen Asiaten sind mittelstandische Unternehmen mit <familiaren> Mitarbeiterbindungen als Arbeitgeber sehr beliebt. In einer Vorphase sind Praktika sehr niitzlich, bei denen man sich gegenseitig <priifen> kann. Eine Mehrzahl von renommierten MBA-Programmen deutscher Hochschulen mit meist sehr hohem Auslánderanteil stellen ein Reservoir von hochqualifizierten Ingenieuren, Naturwissenschaftlern Juristen, Ókonomen, Sprachlern und anderen Spezialisten dar. 4 4 Beispiel: University of Economics and Technology, School of Business and Information Science, Alteburgstrafe 150, D-72762 Reutlingen. <?page no="134"?> 112 C Organisation und Management Hinsichtlich der Entlohnungssysteme werden nicht selten deutsche Gewohnheiten exportiert. Festgehálter sind aber oft weniger attraktiv ais Erfolgsbeteiligungen, sei es in Form von Cash oder via stock options, also Anrechten auf Aktien. In den USA sind schátzungsweise 90 % der Topmanager an ihrem Unternehmen beteiligt, und ihr Gehaltsniveau liegt oft iiber deutschen Vorstellungen. C-3.2. Arbeitsebene Viele Probleme, die sich von den gewohnten Márkten des Unternehmens unterscheiden, leiten sich aus dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen ab; dies sollte auf keinen Fall unterschatzt werden. Verhaltensweisen und Mentalitat von Kunden und Partnern sind oft deutlich anders gepragt, als wir es gewohnt sind (Abb. C-3/ 1). Dies wird gelegentlich verwischt durch einen Effekt, der im Englischen treffend als de-alienation 5 bezeichnet wird (im Deutschen eher De-Mystifizierung). Gemeint ist, dafi man sich daran gewohnt hat, mit Menschen aus anderen Landern zusammenzutreffen und diese den Status des «Fremdseins» mehr und mehr verlieren. Dies liegt nicht zuletzt an einer globalen Kommunikation und Information, aber auch am Tourismus, der uns in die entferntesten Winkel dieser Welt tragi und umgekehrt Besucher aus aller Herrén Lander zu uns bringt. Das Fremde wird zur Gewohnheit, ist selbstverstándlich. Dennoch sollte ganz bewulSt sein, dafi sich die natiirliche Andersartigkeit von Kunden, Lieferanten und Partnern auf fast alie Gescháftsbereiche auswirkt. Bereits grundlegende Annahmen kónnen anders sein: • Wie sieht das allgemeine Menschenbild aus? • Welchen gesellschaftlichen Wert haben Aspekte wie Legalitát, Vertragstreue, Fairness? (In vielen Lándern ist Drangeln in, in anderen vóllig out.) • Kultur, Tradition, Sitten und Gebráuche, Mentalitáten und Sprache sind wichtige Kriterien. Beispielsweise ist in Asien das Entscheidungsverhalten vertrauensorientierter und konsensorientierter als in Europa. Lediglich aufgrund einer formalen Mehrheit etwa bei einem 51: 49-Joint-Venture ist keine erfolgreiche Durchsetzung móglich. In westlichen Kulturen gilt die Unterschrift unter einen Vertrag meist als AbschluS der Verhandlungsphase, wáhrend in Indien oder im Nahen Osten die Verhandlungen durchaus auch danach weitergehen, weil der schriftliche Vertrag nicht denselben Stellenwert hat, wie wir es gewohnt sind und nicht als <Gesetz> zwischen den Partner betrachtet wird. Hingegen haben miindliche Zusagen oft eine sehr hohe, von moralischen Normen abgesicherte Bedeutung. BEISPIEL Ein deutscher Manager verhandelte monatelang mit einer chinesischen Firma, die eine Werkzeugmaschine kaufen wollte. Mit dem technischen Direktor entwickelte sich ein sehr personliches, vertrauensvolles Verháltnis. Der Kaufabschluft wurde jedoch auf Betreiben des kaufmánnischen Leiters immer wieder hinausgezógert, der eine zusatzliche technische Spezifikation ohne Aufpreis verlangte. SchliefSlich machte der technische Direktor dem Deutschen unter vier Augen den Vorschlag: «Wenn Du unterschreibst und die Spezifikation bietest, garantiere ich Dir, daft wir sie nie von Euch einfordern werden.» Und so geschah es. 5 Engl, alien = fremd, auslándisch, aufierirdisch. <?page no="135"?> C-3. Interkulturelles Management: Cescháftsführung ¡m und mit dem Ausland 113 Abb. C-3/ 1: Internationale Teams konnen an der Vielfalt scheitem - Oder sie nutzen mdere Kulturen und Denkweisen in Firmen mufi systematiscl Oft erweist sich schon die gemeinsame Sprache als Problem Verstandnis fur andere Kulturen und Denkweisen in Firmen mufi systematisch trainiert werden. | Natiirlich gibt es eine Unzahl von Gegenbeispielen, bei denen asiatische Partner sich als ausgesprochen vertragsfixiert erwiesen haben. Das gibt es zweifellos, aber allgemein ist der Dreh- und Angelpunkt einer Geschaftsbeziehung nicht der Vertrag, sondern das gegenseitige Vertrauen. Viele Unternehmen in Asien schlieSen untereinander gar keine Vertráge. Das Bestehen auf einer vertraglichen Regelung kann sogar Mifitrauen erwecken. Stimmt die Grundbeziehung nicht, ist auch ein Vertrag nicht viel niitze. Ein Vertrag ist weniger von materiellem, inhaltlichem als von ideellem Wert: Er kann einen hohen Prestigecharakter haben, und das sollte man wissen. Allerdings ist es gefáhrlich, sich von Stereotypen leiten zu lassen, wie sie Abb. C-3/ 2 andeutet. Abb. C-3/ 2: Gemiitliche Manager in Belgien, autoritáre in Frankreich In Indien und Japan ist bei Managern Fachwissen gefragt Interkulturelles Management ist nicht nur ein wichtiger Aspekt fur die Untemehmensleitung: Die Hauptarbeit ist vom mittleren Management zu leisten. Der Tritt ins interkulturelle Fettnápfchen ist oft schon vorprogrammiert: Denkweisen, Kommunikationsstile, Verhaltensmuster sind durch den kulturellen Hinterrund geprágt. Mifiverstándnisse und Fehlinterpretationen ergeben sich daher sehr leicht. Natiirlich ist diese Gefahr geringer in Lándern, deren die «Business-Kultur» der unseren áhnelt, z. B. in Osterreich, der Schweiz, den Benelux- Landern oder Skandinavien. Defizite im kulturellen Verstandnis lassen sich kaum durch das Studium von Fachliteratur beheben. Es reicht nicht aus, die Sprache zu beherrschen und durch Marktstudien fremde Márkte zu erforschen; theoretische Marktkenntnisse helfen nur bedingt weiter. Insgesamt aber sind sowohl Erfahrung ais auch Sensibilitát und Offenheit wichtige Eigenschaften im interkulturellen Management. Grundsatzlich sollte man sich die Erfahrungen zu Nutze machen, die andere bereits gemacht haben. Einige Aspekte kónnen helfen, das interkulturelle Verstandnis zu verbessern: • Vorbedingung ist, sich der Bedeutung interkultureller Probleme grundsatzlich und friihzeitig bewuEt zu sein: andere Lander, andere Sitten. • Genauso, wie man sich über das Verhalten anderer wundern mag, wundern diese sich iiber unser Verhalten. • Man sollte flexibel genug sein, urn sich ungewohnten Verhaltensweisen anzupassen und nicht versuchen, seine eigenen Ansichten anderen aufzudrángen, auch wenn die eigenen Kulturwerte gerade in unbekanntem Terrain als sehr wichtig empfunden werden kónnen. Manche Kritik oder ein VerstoS gegen einheimische Sitten kann schnell zu einer Isolation des «Neulings» fiihren; sein Integrationsprozefs wird erschwert, wenn nicht gar unmóglich. In diversen Fallen mufiten entsandte Mitarbeiter zurückgerufen werden. <?page no="136"?> 114 C Organisation und Management • Aber auch das andere Extrem, sich allem anpassen zu wollen, ist unangebracht. Solches iibertriebene Verhalten wirkt auf andere eher negativ und oft peinlich (Abb. C-3/ 3). In den meisten Landern werden Fremde mit Respekt behandelt und ihr Anderssein toleriert, solange sie sich gleichfalls respektvoll verhalten. Die überlieferte Empfehlung: « When in Rome, do as the Romans do» stellt in erster Linie darauf ab, Briiskierungen bei Einwohnern des Gastlandes zu vermeiden. Abb. C-3/ 3: „Wer mit Stábchen essen kann, ist noch lange kein Chinese" Deutsche Investoren und fernostliche Werie / Hohe Lohnnebenkosten / Kompiiziertes Arbeitsrecht • Das Verstandnis fiir das Anderssein des Partners sollte vor den ersten Kontakten entwickelt werden, nicht erst, wenn man bereits in <rauhe See> (hot water) geraten ist. Je mehr man von den Eigenheiten seines Gastlandes weifi, desto besser: Man wird nicht so leicht iiberrascht und eckt auch nicht so leicht an. • MiSverstandnisse auf der Arbeitsebene sollten unbedingt geklárt werden. • Wenn man nicht sehr gut in einer Fremdsprache ist, sollte man bei wichtigen Dingen Übersetzer hinzuziehen. Wichtig ist, daS man dem Übersetzer wirklich vertrauen kann, weil man ihn ohne Rückübersetzung (was meist nicht machbar ist) nicht kontrollieren kann. • Man sollte immer bedenken, daS bestimmte Dinge sich nicht iibersetzen lassen. In multinationalen Teams ist die gemeinsame Sprache ein sensibler Aspekt. In vielen Fallen wird Englisch gesprochen, zum VerdruE der schweigenden deutschen Mehrheit, nur weil zwei Amerikaner dabei sind, die kein Deutsch kónnen. Also sprechen alie Englisch oft mehr schlecht als recht, und die amerikanischen Kollegen sprechen naturlich, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Dies verleiht ihnen naturlich eine kommunikative Dominanz, denn non-native speakers sind oft zu hóflich oder zu schüchtern, stándig nachzufragen. C-3.3. Andere Lander, andere Sitten ... Beispiele fiir interkulturelle Probleme füllen Bibliotheken. Sie lassen sich an einigen ausgewáhlten Beispielen exemplarisch verdeutlichen. Eine breites Sortiment bietet auch die Bfai an (vertrieb@bfai.com). Naturlich erhebt diese Auswahl weder den Anspruch auf Vollstándigkeit, noch ware sie eine ausreichende Vorbereitung fiir einen Auslandseinsatz, aber die Problematik wird dadurch etwas konkreter. BegriiBung In manchen Lándern sind tageszeitliche Begriifiungen wie «Guten Morgen» oder «Guten Tag» uniiblich. Chinesen begrüSen sich vielmehr mit «Dir geht es gut? » oder «Hast Du gegessen? » Das letzte, was ein Chinese dann hóren will, ist hier ein «Nein» oder die Krankheitsgeschichte seines Gegeniibers. Die iibliche Antwort ist «Ich habe gegessen», liigen ist also hier erlaubt. Dies entspricht in etwa dem amerikanischen «How do you do}», worauf man auch keinesfalls konkret eingehen sollte. Die iibliche Antwort ist die Retourkutsche: «How do you do? » (im Gegensatz zu «How are you? », woraufhin eine Zustandsbeschreibung durchaus angemessen ist: «Fine! »). In Arabien sollte man nicht nach dem Befinden der Ehefrau, sondern nach der Familie fragen. <?page no="137"?> C - 3 . Interkulturelles Management: Gescháftsführung ¡m und mit dem Ausland 1 1 5 In Asien ist eine BegriilSung in der hierarchischen Rangordnung angebracht, ersatzweise nach dem Alter, das westliche «ladies first» ist eher uniiblich. Behórdenvertreter stehen im Status meist über Managern (Entscheidungstrágern), und diese über (beauftragten) Gescháftsführern und Angestellten. Ein deutscher Gescháftsmann sollte sich daher móglichst als «Manager» auf der Visitenkarte bezeichnen. (Ein Amerikaner wies sich einmal als First Assistant Vice-President aus, was immer das in einem kleineren Unternehmen auch bedeuten mochte). Wenn man den Familiennamen nicht kennt, sollte man grundsátzlich (zumindest zunáchst) eine formelle Anrede wáhlen (Sir/ Madam/ Miss, Monsieur/ Madame/ Mademoiselle, Señor/ Señora/ Señorita). In Lateinamerika werden auch unbekannte Besucher bei Ranggleichheit sehr schnell geduzt (áhnlich wie in den USA, wo die Anrede mit Vornamen iiblich ist); trotzdem ist man korrekt, meist sehr hóflich und manchmal sogar recht fórmlich. In China hingegen ware es eine sehr unhofliche Peinlichkeit, den Gescháftspartner zu duzen. (Es kommt aber immer mal wieder vor, daE der auslándische Besucher unabsichtlich Vor- und Zunamen verwechselt. Das wird schon toleriert.) In Deutschland verwenden viele als Zwischenlósung ein Sie plus Vorname. In vielen Lándern, besonders in Lateinamerika, sind Titel auch im Gesprách ausgesprochen wichtig. Profesor, Doctor, Diplomado, Licenciado, Ingeniero oder Architécto mit oder ohne Nachname ist Standard (bzw. die weiblichen Pendants ...). Besonders popular sind Licenciado und Ingeniero, denn damit kann jeder angesprochen werden, der eine hóhere Ausbildung hat. In Chile ist diese Inflation unbekannt, und nur Mediziner werden mit akademischem Titel (Doctor) angesprochen; in manchen anderen Lándern gilt Doctor hingegen fast fur jeden, der eine Universitát besucht hat. Sehr hóflich und respektvoll ist Don (Doña) plus Vorname, wenn man sich kennt. Auch bezüglich des Kórperkontakts sind die Gepflogenheiten sehr unterschiedlich. Das westliche «Shakehands» ist international nicht immer angebracht; háufig ist es auf die erste Begegnung begrenzt. Amerikaner, Franzosen und viele Lateinamerikanischer pflegen zwar bei der ersten BegrüSung die Hand zu geben, danach aber kaum noch, im Gegensatz zu Deutschen. Muslemischen oder hinduistischen Frauen sollten Manner nicht von sich aus die Hand geben. Das bei Lateinamerikanern übliche Umarmen und Schulterklopfen («abrazo», wenn man sich ein wenig kennt), ist in China ausgeschlossen. Araber sollte man <als Ungláubiger> nicht von sich aus beriihren, auch nicht kleine Kinder streicheln; auch in anderen Kulturen sollte man auf keinen Fall den Kopf eines Menschen beriihren, denn in ihm «sitzt die Seele». Chinesen mógen keinen Kórperkontakt in der Óffentlichkeit, KiiSchen links und rechts schon gar nicht. Don gilt ais hófliche Begrüfiung eine leichte Verbeugüng oder Kopfnicken, wobei es keine Verbeugungsrituale gibt wie in Japan oder Korea. In einigen hinduistisch geprágten Landern kann man auch ais Auslánder zur BegrüSung die Hánde vor dem Brustkorb flach zusammenlegen und sich leicht verneigen. In Lateinamerika fassen sich Damen gerne an den Unterarmen, ohne sich die Hánde zu schütteln, und geben sich einen «Luftkufr, ohne die Wangen zu beriihren. Ein traditionsbewuSter Araber wird einer Frau aus Zuriickhaltung nie die Hand schütteln, und dies gilt umgekehrt fur Araberinnen, die eine zur BegrüfSung ausgestreckte Hand des Besuchers hóflich, aber bestimmt verweigern. Traditionelle Tiirken sehen einer Frau bei der BegrüSung oft nicht in die Augen, aus Respekt, nicht aus Unhóflichkeit. <?page no="138"?> 116 C Organisation und Management In vielen Landern ist es Routine, Visitenkarten auszutauschen, insbesondere in Asien. Dabei sollte man sie u. a. in China mit beiden Hánden übergeben, und zwar direkt in die Hand, sie also nicht auf den Tisch legen, wobei der Inhalt auf den ersten Blick sichtbar sein sollte. Die Visitenkarten sollten in Englisch beschriftet sein, ggf. mit chinesischer Riickseite, aber das sollte man auf guten Klang und positive Bedeutung priifen lassen. Kleidung hat oft einen besonderen Stellenwert. In den USA wird die Kombination von Jeans und Sakko auf gescháftlicher Ebene meist nicht als stilvoll angesehen (bei uns sind Jeans mit Sakko hingegen zwar <lassig>, aber bei nicht allzu offiziellen Anlássen durchaus salonfáhig). Auch in China und vielen lateinamerikanischen Landern ist es besser, auf saloppe Outfits zu verzichten: Je konservativer, desto besser. Nicht nur in arabischen Landern ist vor allem Frauen dezente Bekleidung anzuraten: Unter dem Schutz des strengen Moralkodex steht nur, wer sich an die lokalen Normen halt. Traditionelle einheimische Kleidung zu tragen wirkt meist eher lácherlich als verbindlich. Geschenke dienen Aufbau und Erhalt von Beziehungen. In Arabien oder China ist es dabei wichtig zu wissen, daS Geschenke und Essenseinladungen meistens nicht sofort angenommen werden. Hier heifit die Devise: Mehrmals anbieten, denn das wird erwartet. Analog sollten angebotene Geschenke zunáchst einmal abgelehnt werden. Faustregel: erst beim drittenmal annehmen. Wenn man in Arabien einen Gegenstand zu sehr bewundert, kann sich der Besitzer verpflichtet fühlen, ihn zu verschenken. Bei einer Einladung sollte man ein kleines Gastgeschenk mitbringen, aber nicht enttauscht sein, wenn es nicht ausgepackt wird, denn es gilt ais unhóflich, dies vor dem Überreicher zu tun. Geschenke fur die Kinder kommen immer gut an. In Italien sollte man der Gastgeberin keine Chrysanthemen iiberreichen, denn sie gelten als Begrábnisblumen. Gewohnungsbediirftig ist oft die in vielen Landern fest etablierte Korruption, die im frankophonen Afrika auch als matabiche oder cadeau (Geschenk), verklausuliert als «Artikel 15>, im anglophonen Afrika als <dash> (wie ein Spritzer in einen Cocktail) bezeichnet wird. Die Grenzen sind offenbar flieSend. Viele Entscheidungen und vor allem administrative Gescháftsabláufe geraten ohne «Schmiermittel» leicht ins Stocken. Das Umgehen mit Bestechung ist meist gewohnungsbediirftig. Man sollte aber bedenken, daS dies in vielen Kulturkreisen zum System gehort, mit dem vor allem die sehr niedrigen Gehálter im óffentlichen Dienst «teilprivatisiert» und auf den Nutzer staatlicher Dienstleistungen iiberwalzt werden. Korruption wird in vielen Landern als ein «Grundrecht» angesehen, dem keine kriminielle Qualitát anhaftet (vgl. oben Abb. B-3/ 3). In meinen friihen Jahren wunderte ich mich einmal in einem zentralafrikanischen Land, dais in meinem PostschlieEfach nie Post war bis mir ein Tip eiñgab, in meiner durch das hinten offene - SchlieSfach gestreckten Hand einen kleinen Geldschein zu halten. Von nun an wurde dieser gerne gegen die jetzt haufige Post ausgetauscht, ohne daS man den Empfanger dabei persónlich erkennen konnte. Das Anschliefien eines Telefons, eine Zollabfertigung, eine Lizenz, ein Stempel, eine Bestátigung all dies kann oft ohne eine «Bearbeitungsgebiihr» kaum erreicht werden, die meist eine gut berechenbare Grofte ist. DafS vor allem im politischen Raum die erforderlichen Bestechungsgelder oft ganz andere Dimensionen erreichen, die keineswegs mehr harmlos sind, sollte das «Gebiihrensystem» auf der unteren Ebene der Dienstleistungen nicht pauschal mit in Frage stellen. SchlielSlich zahlen auch wir gerne ein Trinkgeld fur einen guten Service, und so sollte man auch ein cadeau sehen. Aber das ist natiirlich Ansichtssache. Daf> <?page no="139"?> C - 3 . Interkulturelles Management: Gescháftsführung im und mit dem Ausland 1 1 7 in manchen Lándern von einem Minister geradezu erwartet wird (nicht nur von seiner Familie, sondern auch seitens der Offentlichkeit), daS er seine Funktion clever nutzt und sich bereichert, steht wieder auf einem anderen Blatt («Wenn er nicht mal das kann ...»). Essen Essen gehort in vielen Lándern zur Gescháftsanbahnung. Gemeinsames Essen gilt oft als eine Form der Kommunikation, zum Kennenlernen, zum Beziehungsaufbau. Dies erfordert Geduld und kann anstrengend sein; man sollte sich darauf vorher einstellen. Wenn man in Spanien von 14-17 Uhr zu Mittag gegessen hat mit Aperitif, Wein und Digestivo -, kommen anschlieEend leicht Konzentrationsprobleme auf. Araber und Hindus waschen sich vor und nach dem Essen (meist) die Hánde. Vor konkreten Vertragsverhandlungen finden in Asien móglichst erst mehrere Essen start, vielleicht auch eine Betriebsbesichtigung. Im Gesprách kommt man nicht schnell zum Punkt, dies gilt als unangenehm. Zunáchst soil eine angenehme, vertraute Atmospháre geschaffen werden, um den Gesprachspartner kennenzulernen. Chinesen, Japaner und viele andere Asiaten fragen bei den ersten Kontakten nach persónlichen Aspekten wie der Familie, den Kindern oder privaten Hobbies, ohne das Geschaftliche iiberhaupt zu erwáhnen. Politische Diskussionen und Witze sind besser zu vermeiden, aber auch Themen wie Scheidung und uneheliche Kinder sollte man besser auslassen. In China redet man lieber gern und oft iiber Geld und die Familie. Unverheiratete Frauen sollten damit rechnen, daE sie immer wieder gefragt werden, ob sie verheiratet seien und Kinder harten. Dies empfinden manche oft als unangenehme «Ausfragung», ist aber sicherlich nicht so gemeint. Persónliche Dinge sind jedoch nach asiatischer Auffassung untrennbar mit dem Gescháft verbunden. Die deutsche oder noch starker: amerikanische Neigung, mit der Tur ins Haus zu fallen und direkt in Vertragsverhandlungen einsteigen zu wollen («John-Wayne-Stil»), verschlieSt leicht so manche Tur. Damen sollten zum Essen mit Parfum zuriickhaltend sein; es stórt den Geruchssinn. Auch in Frankreich wird Gescháftliches eher «entre la poire et le frontage» besprochen (nach dem Obst und vor dem Káse). In Arabien ist es meist iiblich, beim Betreten eines Hauses die Schuhe auszuziehen. In Lateinamerika gilt es nicht ais unhóflich, wenn man deutlich zu spat kommt. Raucht man dort in Gesellschaft, ist es iiblich, auch alien anderen Anwesenden eine Zigarette anzubieten, was einen entsprechenden Vorrat voraussetzt. Ein Anstandsrest auf dem Teller ist in Arabien, China und vielen anderen Lándern iiblich (sonst wird nachgelegt), in Lateinamerika hingegen weniger. Man sollte alies zumindest probieren, auch wenn es fur den europáischen Gaumen abenteuerlich wirkt. Die Tischsitten sind oft anders als in Deutschland: Hierzulande verponte ESgeráusche sind in China und einigen islamischen Lándern erlaubt, denn das zeigt, daS es schmeckt. Dies verpflichtet aber nicht zur Nachahmung, und man braucht seine eigenen Umgangsformen nicht zu verleugnen: Man mufi nicht riilpsen. Araber und Inder (andere auch) lassen beim Essen gern die linke Hand im Schofi liegen (zur linken Hand siehe unten), in Mexiko und anderen lateinamerikanischen Lándern ist dies nun gerade unhóflich. Beim Heranwinken von Kellnern wird in einigen Lándern gezischelt, in anderen geklatscht oder geschnalzt oder gerufen (manchmal kommt der Kellner ja auch von sich aus ...). In arabischen Lándern wird dem Besucher oft und gerne suffer Pfefferminztee oder starker Kaffee angeboten, so dafi er nach mehreren Terminen hintereinander leicht <gluckert>. In <?page no="140"?> 118 C Organisation und Management Indien wird der Gastgeber Speisen und Getránke mehrmals anbieten. Es gilt ais hóflich, mehrfach abzulehnen. Trinkfest sollte man in vielen Lándem sein, nicht zuletzt in Osteuropa, aber auch in Japan, wo oft regelrechte <Sauftouren> der Gescháftsvorbereitung und dem <Networking> dienen. Frauen haben es leichter, sich dabei zu distanzieren, aber mehr und mehr werden start Gescháftsessen auch andere social events wie Golfspielen zum Kennenlernen genutzt. Sogar Moslems unterscheiden nicht selten zwischen den Korangesetzen fur <draul? en> und fur zu Hause. In einigen arabischen Staaten hingegen herrscht striktes Alkoholverbot. In vielen asiatischen Lándern dauert es ewig, bis man bei einer Einladung tatsachlich ans Essen geht. Nach dem Essen steht man dann allerdings ruckzuck auf und verláGt binnen weniger Minuten das Restaurant oder verabschiedet sich vom Gastgeber. Damit ist keine personliche Abwertung verbunden. In Arabien sollte man nach dem Servieren von Kaffee auf subtile Zeichen achten wie das Herumreichen eines Weihrauchkessels oder einer Wasserpfeife, weil es dann Zeit wird, sich zu verabschieden. In Lateinamerika sollte man sich nach einer Gastlichkeit nicht verabschieden, weil man miide sei (denn dies kónnte ja dem Gastgeber anzulasten sein), sondern besser, weil man morgen einen schweren Tag habe. Verhandlungsfiihrung In vielen Lándern ist der wichtigste Faktor Geduld und Hóflichkeit, Ungeduld und Aggressivitát auch gegeniiber Kindern gelten ais sehr unhóflich oder kónnen sogar beleidigend wirken. Chinesen ebenso wie Japaner haben langfristige Ziele im Auge, so da£ der Zeitaufwand bei Verhandlungen nebensáchlich ist. Wir hingegen sind ungeduldig und wollen schnelle Ergebnisse erzielen. Als besonders extrem in dieser Hinsicht gelten Amerikaner. Wer mal eben in China oder Japan, aber auch in Lateinamerika fur einen Tag einflieEt, urn schnell ein Gescháft abzuschlieEen, dürfte damit kaum Erfolg haben. Im Vordergrund steht nicht der kurzfristige, schnelle Gewinn, sondern der Aufbau dauerhafter, von gegenseitigem Vertrauen gepragter Gescháftsbeziehungen. Auch von Führungskráften wird in Japan personliche Bescheidenheit erwartet (im Gegensatz zu den USA, wo man seine Erfolge gerne herausstellt). Dabei ist die Glaubwiirdigkeit ein wichtiger Faktor. Usunier/ Walliser 6 zitieren das Beispiel eines kanadischen Gescháftsmannes, dem von einem potentiellen ágyptischen Partner eine Kooperation geboten wurde. Der Kanadier war hocherfreut und schlug vor, sich am náchsten Tag zusammen mit den Rechtsanwalten wiederzutreffen, um die Einzelheiten zu besprechen. Aber der Agypter erschien nicht, denn was der Kanadier als konstruktive Unterstiitzung fur die Verhandlung angesehen hatte, interpretierte der Ágypter als MiStrauen gegeniiber seinem mündlichen Versprechen. Rangniedrigere Verhandlungspartner werden oft nicht akzeptiert. Analog haben in asiatischen und arabischen Kulturkreisen altere Gespráchspartner einen Autoritatsvorsprung, wáhrend jiingeren Gesprachspartnern leicht mit Skepsis begegnet wird. Hingegen werden u. a. in den USA auch hohe Funktionen von jungen Managern bekleidet. Obgleich sich viel verandert hat, ist es insbesondere in arabischen Lándern, aber auch in vielen asiatischen Lándern noch selten, daf? Frauen hohe Managementfunktionen ausiiben. Die gesellschaft- 6 Usunier, Jean-ClaudeI'Walliser, Bjórn, Interkulturelles Marketing, Wiesbaden 1993, S. 247. <?page no="141"?> C - 3 . Interkulturelles Management: Gescháftsführung ¡m und mit dem Ausland 1 1 9 liche Stellung der Frau sollte insbesondere im Personalmanagement bei der Besetzung von Fiihrungspositionen und bei der Zusammensetzung von Verhandlungsdelegationen beachtet werden. Eine Frau diirfte z. B. als General Manager einer deutschen Niederlassung in Saudi Arabien einige Probleme haben. Anhaltender Blickkontakt ist in Japan unhoflich anders als in Deutschland, wo ein direkter Blick Offenheit bedeutet -, denn der Gespráchspartner kann sich leicht unbehaglich oder gar beleidigt fiihlen. Hingegen ist in Arabien und Lateinamerika der Augenkontakt sehr wichtig. Auch in Deutschland wird ein ausweichender Blick eher als negativ, unfreundlich oder unsicher interpretiert. Manner sollten in arabischen Lándern keinen Augenkontakt zu Frauen suchen. In vielen asiatischen und afrikanischen Lándern gilt es als besonders vornehm und zeugt von Wichtigkeit, sehr leise und mit wenig Modulation zu sprechen, so daf> man oft schon sehr genau hinhoren mufi, vor allem wenn die Klimaanlage saust oder eine Baustelle nebenan ist. Lateinamerikaner hingegen sprechen meist laut und temperamentvoll (und schnell). In <westlichen> Kulturen sind Tagesordnungen und Termine wichtige Institutionen, in Japan eher Orientierungsdaten. In Deutschland geht man auf ein Thema direkt los, in China kreist man es ein. Eine direkte Verhandlungsstrategie geht daher meist nicht auf; das eigentliche Verkaufsgesprách findet oft unter vier Augen start und nicht am Konferenztisch. «Feilschen» Eine ausfuhrliche Diskussion urn den Kaufpreis ist in vielen Kulturkreisen ein unabdingbares Ritual. Das Feilschen ist eine Form der zwischenmenschlichen Kommunikation und wird geradezu erwartet, weil dies auch ein Zeichen der gegenseitigen Achtung und Anerkennung ist. Bei westlichen Partnern hingegen gilt oft <Zeit ist Geld>, und sie betrachten den Verhandlungsprozefi ais mühsam. Das Zeitverstándnis ist jedoch in vielen Kulturkreisen sehr viel anders als <bei uns> (vgl. unten). Nichtverbale Kommunikation Nichtverbale Kommunikation (silent language) gibt es in jedem Kulturkreis, aber die stille Sprachvielfalt ist analog komplex. Schweigen sollte bei asiatischen Gesprachspartnern nicht vorschnell als Ablehnung interpretiert werden. Vielmehr ist es oft ein Zeichen der Achtung vor einer Aussage, die man auf sich wirken lassen will. Auch hierbei wird ein anderes Zeitverstándnis deutlich. Eine verbale Aussage kann im Kontext eine ganz andere Bedeutung erhalten: Übertriebener Dank soil negativ klingen, ja kann wie nein gemeint sein. Die Bedeutung des Kontextes einer expliziten Botschaft ist in vielen Kulturen (Japan, Arabien, Lateinamerika) sehr viel grófser als z. B. in Deutschland oder Skandinavien. Menschen aus stark kontextbetonenden Kulturenkreisen wollen den Partner erst kennenlernen, bevor sie zum Gescháftlichen kommen, Menschen aus weniger kontextbetonten Kulturenkreisen wollen gleich zur Sache kommen und keine Zeit auf Vorgeplánkel verschwenden. Auch im Hinblick auf die Gestaltung von Werbung sollte in kollektiv orientierten Kulturen (u. a. Asien) oft mehr die Gruppensituation als das Individuum betont werden. Das deutsche Kopfnicken fur <ja> bedeutet in Griechenland und Bulgarien nein. In Indien sieht eine dem deutschen Kopfschütteln áhnliche, etwa in der Form einer Acht ausgefiihrte Kopfbewegung wie ein skeptisches Abwágen oder gar Ablehnung aus, bedeutet jedoch <?page no="142"?> 120 C Organisation und Management Zustimmung oder «schau'n wir mal». Dies kann leicht zu MiSverstandnissen fiihren. Das «Ja» eines Japaners ist oft keine Zustimmung, sondern «Ja, ich habe es gehórt». Das Zeigen von FuSsohlen kann in asiatischen und muslemischen Kulturkreisen als grobe Unhóflichkeit verstanden werden, weil der Ful? der niedrigste und schmutzigste Kórperteil ist. Vor allem beim Übereinanderschlagen der Beine sollte man darauf achten. In vielen Lándern Asiens und Arabiens kann das Berühren eines Menschen oder das Übergeben eines Gegenstands mit der als <unsauber> geltenden linken Hand (was auf bestimmte archaische sanitare Praktiken zurückgeht) als beleidigend empfunden werden, was wiederum bei schulterklopfenden Lateinamerikanern kein Problem darstellt. In Arabien oder Indien sollte man nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen dies gilt als áuSerst unhóflich -, sondern die gestreckte ganze Hand dazu benutzen. In Kolumbien sollte man analog eine Strecke nicht mit zwei nach vorne ausgestreckten Zeigefingern kennzeichnen, so wie wir es gerne tun. Das mit gespreizten Fingern geformte V steht fast international fiir 'victory> wenn die Handfláche nach aufien zeigt; umgekehrt ausgefiihrt ist es vor allem in Lateinamerika und Italien eine obzóne Geste, die dem Effenberg-Finger entspricht (dies sollte man beim Záhlen an den Fingern beachten). In Deutschland beginnt man beim Záhlen mit den Fingern meist mit dem Daumen; in vielen Lándern legt man dazu den Zeigefinger an den kleinen Finger der anderen Hand. Wenn Venezolaner den Daumen zwischen Zeigefinger und Ringfinger stecken, bedeutet das «Viel Gliick! » (so wie wir Zeige- und Ringfinger kreuzen). In anderen Lándern sollte man diese Geste besser unterlassen. In Argentinien ruft man jemanden zu sich heran, indem man mit dem Handriicken nach oben winkt, was in Deutschland eher wie Wegwinken aussáhe, in anderen Lándern winkt man nach unten. Eine Drehbewegung mit der Faust neben dem Mundwinkel bedeutet in einigen Lándern «ausgezeichnet! » Die bei uns gángige ok-Geste, bei der Daumen und Zeigefinger einen Kreis bilden, ist in Brasilien und einigen anderen Lándern eine sehr obzóne Geste. Sachen gibt's ... Konfliktmanagement In Asien sind Konfrontation und Streit verpónt, MiSbilligung oder Ablehnung wird nicht gezeigt, man sagt nicht nein, sondern weicht aus. Auch der Englánder sagt eher nicht nein, sondern «yes, but...», und der Lateinamerikaner sagt gerne «como no? » (warum eigentlich nicht? ) oder «vamos a ver» (schaun' wir mal...) anstelle eines klaren ja oder nein. Wir werden anders erzogen und auf direktes Ansprechen, Klarheit und Durchsetzen vorbereitet, nicht so in Asien. Hier empfehlen sich integrative Strategien. In Verhandlungen helfen Unterbrechungen, Konfrontationen zu vermeiden. Giinstig ist aüch die Einschaltung von Alteren oder Ranghóheren oder von Personen, die mit beiden Kulturen vertraut sind (transponder: Vermittler), welche die Reaktionen von Partnem interpretieren und erlautern konnen. Das Gesicht zu wahren hat in Asien hóchste Prioritát; Nachgeben in Nebenaspekten kann hierzu beitragen. Man sollte einen anderen nicht kritisieren, weil er sonst sein Gesicht verliert. Andererseits verliert der Kritiker selbst durch diesen faux pas sein Gesicht. Fehler der einzelnen Person werden leicht auch auf das Unternehmen iibertragen, was den Verhandlungen sicher nicht dienlich ist. Bei der Zahlungsabwicklung treten oft Verzógerungen auf, die in vielen Lándern durchaus als iiblich anzusehen sind. Beispielsweise werden in Südeuropa lángere Zahlungsziele erwar- <?page no="143"?> C - 3 . Interkulturelles Management: Gescháftsführung im und mit dem Ausland 1 2 1 tet, als sie in Westeuropa gángig sind. Unabhángig von der formalen Vertragslage werden vereinbarte Zahlungsziele daher oft routinemáEig überzogen. Es ist ratsam, dafs die für das Mahnwesen zustándigen Stellen dabei einfiihlsam vorgehen und die in Deutschland durchaus üblichen Vorgehensweisen den Besonderheiten des interkulturellen Management anpassen. In vielen Fallen lauern potentielle Konflikte durch das Aufeinandertreffen von Personen, die Gruppierungen angehoren, die sich gegenseitig ablehnen. Dies beruht auf religiósen, ethnischen, politischen und anderen Aspekten: Walonen und Flamen in Belgien, Protestanten und Katholiken in Irland, Araber und Juden, Türken und Kurden, Serben und Bosnier, Kroaten und Albaner, Hutus und Tutsis in Burundi und Ruanda, Malayen und Chinesen, Afrikaner und Inder, und viele andere mehr. In vielen Lándern spielt dabei ein oft recht krasser Rassismus eine Rolle. Sprachprobleme Ein zentrales Problem bei Verhandlungen ist die Sprache. Auch versierte Dolmetscher verstehen nicht alie Begriffe, insbesondere Fachworter. Um ihr Gesicht nicht zu verlieren, fragen sie nicht nach nicht, sondern übersetzen irgend etwas. Ein Indiz ist, wenn eine lángere Ausführung in zwei-drei kurzen Sátzen zusammenfassend übersetzt wird. Auch Zuhórer oder Gesprachspartner fragen oft nicht nach (Abb. C-3/ 4). Man braucht aber viel Takt, um z. B. einen eigenen, kompetenten Dolmetscher in Verhandlungen mit einzubringen, wenn man sich nicht (nur) auf den des Partners verlassen will. Neben der allgemeinen Sprachkompetenz des Dolmetschers ist natürlich seine fachspezifische Kompetenz das <Fach-Chinesisch> im wahrsten Sinne des Wortes von besonderer Bedeutung. Manche Unternehmen verfügen über intern entwickelte Glossarien der gángisten Fachausdrücke (ein guter Dolmetscher auch). Es ist ratsam, den Dolmetscher vor Beginn der Verhandlung ausfuhrlich über den Verhandlungsgegenstand, den derzeitigen Stand und die Ziele der Verhandlung in Kenntnis zu setzen. Informelle Informationen sind natürlich nur bei erprobt loyalen Dolmetschern gut aufgehoben. Abb. C-3/ 4: Nichtjeder, der freundlich nickt, hat auch etwas verstanden Bei Übersetzungen kónnen sich gewaltige Unterschiede zwischen der urspriinglichen und der neuen Bedeutung des Wortes ergeben. Manche Begriffe existieren nicht in der Zielsprache und müssen umschrieben werden, so wie sehr viele anglophone Marketing- und Managementbegriffe (Übersetzen Sie mal «One-stop-shopping» ins Deutsche ...). Grundsátzlich ist es günstig, wenn ein Übersetzer in seine eigene Sprache übersetzen kann; dies setzt dann natürlich zwei Übersetzer voraus und wird nicht immer zu realisieren sein. Rückübersetzungen aus der Zielsprache wie bei Schriftstücken sind in Konferenz- oder Verhandlungssituationen nicht móglich. Wenn man selbst keine Kenntnis der Zielsprache hat, muE man darauf vertrauen, daS die Übersetzung richtig ist. Ein erprobter <Trick> bei Übersetzungen bei Verhandlungen ist, fur den Dolmetscher eine Erfolgsprámie dafiir auszusetzen, daS es zu einem Vertragsabschlul? kommt. <?page no="144"?> 122 C Organisation und Management . In vielen Lándern trifft man auf Menschen, die hervorragend Deutsch sprechen, weil sie friiher in der DDR gelebt, gearbeitet oder studiert haben. Wir haben in Vietnam teilweise Verhandlungen vollstandig in Deutsch geführt in exzellentem, oft akzentfreien Deutsch. Diesem unschátzbaren Sprachpotential, das nicht wenige Untemehmen im Ausland als Mitarbeiter nutzen konnen, droht jedoch die langsame Versandung, weil es zuwenig deutsche Sprachprogramme im Ausland gibt, die den Nachwuchs ausbilden konnten. Die meist gut bekannten Goethe-Institute, die Deutsche Stiftung für Internationale Entwicklung (DSE) und die Carl-Duisberg-Gesellschaft (CDG) haben in der Vergangenheit ihre Angebote angesichts gekürzter Budgets zurückfahren müssen. Das ist kurzsichtig, denn deutsche Entwicklungshilfegelder konnten hier sehr wichtige Dienstleistungen für die deutsche Wirtschaft darstellen. Es ist immer wieder zu beobachten, dafi Gesprachsteilnehmer sich langatmig áufiern. Dies kann sich nur negativ auf die Qualitát der Übersetzung auswirken. Kurze, klare Statements oder Fragen sind am besten zu iibermitteln. Oft ist eine Satz-für-Satz-Übersetzung sinnvoll. Viele deutsche Untemehmen haben Englisch als Unternehmenssprache eingefiihrt; die internen Rundschreiben und Sitzungsprotokolle werden in Englisch verfaSt, in Konferenzen meetings und briefings wird Englisch gesprochen (nicht immer Oxford-Englisch, aber immerhin), weil sich ein GroEteil der Geschaftsbeziehungen im Ausland abgespielt, und dort wird vorrangig Englisch gesprochen. Die Qualitát ist oft verbesserungsfáhig und eine potentielle Ursache fur MiEverstándnisse und Fehler. Arbeitsbeziehungen Auf der Arbeitsebene gibt es unterschiedliche Distanzkriterien zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. In verbaler Hinsicht wurde bereits das in den USA oder Lateinamerika oder Schweden vertraulichere Duzen bzw. die Anrede mit dem Vornamen erwáhnt, das in Asien (kurzfristig) kaum móglich ist. Unterschiedliche Distanzauffassungen bestehen auch im ráumlichen Sinne, indem beispielsweise in arabischen, südeuropáischen und vielen lateinamerikanischen Lándern eher Kórperkontakt iiblich ist als z. B. in den USA oder Nordeuropa. In arabischen und afrikanischen Lándern ist es oft gángig, daS der Gescháftspartner dicht heranrückt, und nicht selten die Hand des Partners ergreift und sie als Zeichen der Verbundenheit wáhrend des Gespráchs festhált. Eine Verweigerung kann als Affront gewertet werden. Wáhrend ein amerikanischer Gespráchspartner zurückweicht, wenn ihm sein lateinamerikanischer Partner ráumlich zu nahe kommt und in seinen <personlichen Raum> eindringt, setzt der Südamerikaner nach, um seine für Sprechkontakt notwendige Náhe wiederzuerlangen. Man fafit sich im Gesprách auch gerne am Arm oder Ellenbogen an. In hierarchisch geprágten Kulturen gehen Untergebene davon aus, daf? sie von ihren Vorgesetzten Anweisungen erhalten, die sie auszufuhren haben. In kooperativeren Kulturen gehen sie eher davon aus, daS sie in den EntscheidungsprozeS einbezogen werden. Unsere Gesellschaft ist individuell orientiert, lateinamerikanische und insbesondere asiatische meist kollektiv orientiert: In China ist die Gruppe sehr wichtig; daher sollte man z. B. bei deutschchinesischen Joint Ventures in der Arbeitsorganisation Móglichkeiten schaffen, um die gegenseitige Verstándigung zu verbessern. Multikulturelle Arbeitsgruppen brauchen fur Ent- <?page no="145"?> C - 3 . Interkulturelles Management: Gescháftsführung im und mit dem Ausland 1 2 3 scheidungen meist mehr Zeit und haben háufiger Konflikte. Aber auch Anweisungen kónnen <verpackt> sein: Wenn die Zentrale eines amerikanischen Unternehmens dem Leiter der deutschen Niederlassung schreibt: «You may wish to consider to raise your prices», dann tut er gut daran, dies umgehend zu machen (Macioscek 1997, S. 44). Arbeitsdisziplin Ein leistungsfahiges, diszipliniertes Produktionssystem im Ausland aufzubauen, erweist sich in der Praxis aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen von Arbeitsmoral oder Piinktlichkeit oft als langwieriger und schwieriger als geplant. In Arabien werden Terminabsprachen meist mit dem Zusatz «Inschallah» (so Gott will) versehen. Hinzu kommen saisonale Besonderheiten: Beispielsweise sind im arabischen Raum wáhrend des Ramadan (Fastenzeit) nórmale Arbeitsrhythmen nur schwer einzuhalten. Die Regierung von Katar hat unlángst eine neue Wochenendregelung geschaffen: Das dortige Wochenende umfaSt Donnerstag und Freitag; Banken sind allerdings nur freitags geschlossen. Einige internationale Firmen haben <ihr> Wochenende auf Freitag und Samstag gelegt. Umgekehrt tun sich auslandische Partner oft mit unseren ausgedehnten Betriebsbzw. Sommerferien schwer («Ihr kónnt den Laden doch nicht 4 Wochen lang zumachen? ? »). Doch, kónnen wir. Das Zeitverstándnis unterscheidet sich in manchen Kulturkreisen deutlich von dem bei uns Gewohnten. Dies betrifft sowohl unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich der Notwendigkeit, Aufgaben jetzt oder spáter zu erledigen (in Lateinamerika: «mañana ...», im Sinne von «Morgen ist auch noch ein Tag», wobei der Zeitraum nicht wortlich gemeint ist), als auch die Interpretation von Piinktlichkeit: Wenn man sich in Lateinamerika fur 10 Uhr verabredet, wird man nicht selten gefragt: hora local ó hora alemana? (d. h. lokal übliche laxe - Zeitvorstellung oder deutsche Piinktlichkeit? ). Auch der Planungshorizont ist anders: Westliche Manager sind gegenwarts- und zukunftsorientierter als z. B. Japaner und Chinesen, die auch im Tagesgescháft deutlicher als wir die langfristige Perspektive betonen. Zeit kann ais grundsátzlich knapp und daher kostbar oder auch als beliebig verfiigbar angesehen werden; time ist nicht iiberall money. Dessenungeachtet werden kurzfristige Terminvereinbarungen meist nur hochrangigen Partner zugestanden. Ein voller Terminplan ist in Deutschland fast ein Rangabzeichen, in anderen Kulturen kommt man auch ohne Zeitplaner aus. Die Kenntnis kultureller Besonderheiten ist eine Sache, das Umgehen mit ihnen eine andere, denn Kenntnis fiihrt nicht automatisch zu Sympathie; was man versteht, muS man nicht mógen. Andererseits hat es der Partner mit uns nicht leichter als wir mit ihm. Bei lánger andauemden Kontakten, insbesondere in Joint Ventures, wird man feststellen, da£ sich eine spezifische venture culture herausbildet mit gemeinsamen Regelungen und Umgangsformen. <?page no="146"?> L ^ Finanzierung des Auftenhandels Auslandsengagements sind meist mit mehr Kosten verbunden ais das heimische business as usual: Die Risiken sind im Auslandsgescháft hóher und erfordern entsprechende Besicherungen, die Markt- und Kundenpflege ist mit Reisen, Messebesuchen, Telekommunikarion, fremdsprachlichen Unterlagen oder Mitarbeitern vor Ort verbunden, der Informations- und Beratungsbedarf ist hoher, oft mufs neben dem eigenen Produktionsbzw. Vertriebsaufwand auch dem Kunden eine Finanzierung zur Verfiigung gestellt werden, usw. Nach einer Untersuchung der Dresdner Bank ist in Dreivierteln der mittelstándischen Unternehmen die Finanzierung Chefsache. Finanzierung und Management liquider Mittel (cash management, treasury management) sind eng miteinander verflochten. D-1. Cash Management (Treasury Management) Zentrale Aufgabe des Cash Management ist die Sicherstellung der jederzeitigen Zahlungsfáhigkeit des Unternehmen, da Zahlungsunfáhigkeit ein eher der - Konkursgrund ist. Vorübergehende Liquiditátsengpásse müssen durch entsprechende Finanzierung ausgeglichen werden; meist lassen sie sich durch Kontokorrentkredite auffangen. Daher ist es gefáhrlich, wenn diese Kreditlinien permanent in der Náhe des Maximums beansprucht werden: Zum einen ist es teuer (der Kontokorrentkredit ist in der Regel die teuerste Finanzierungsform), zum anderen bleibt dann kein Spielraum, falls es zusátzlich mal eng wird. Das Cash Management ist daher ein sehr enger Verwandter der kurzfristigen Finanzplanung; die Schnittmenge ist groS. Mafinahmen zur Liquiditátsverbesserung erstrecken sich zum einen auf eine Erhóhung des Zahlungszuflusses, zum anderen auf eine Verminderung des Zahlungsabflusses. Abb. D-l/ 1 enthált eine Übersicht geeigneter MaSnahmen. Neben der Sicherung der Zahlungsbereitschaft mufs der Cash Manager nicht unmittelbar benótigte Liquiditát so disponieren, dafi sie zum einen entsprechend der kurzfristigen Finanzplanung zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Hóhe auf dem richtigen Konto wieder zur Verfiigung stehen wird und zum anderen die hóchstmógliche Rendite abwirft. Liquiditát auf dem Girokonto kostet Geld, weil die Habenverzinsung nur symbolisch ist und von den Kontoführungsgebühren in kiirzester Zeit verschluckt wird. Einem Guthaben auf dem Konto A sollte móglichst kein Defizit auf dem Konto B gegenüberstehen. Ein weiterer wichtiger Verwandter des Cash Management ist das Devisenmanagement. Dadurch soil angestrebt werden, da£ Forderungen und Verbindlichkeiten in einer Wahrung sich móglichst ausgleichen zum selben Zeitpunkt, in derselben Hóhe -, so dafi das Nettoexposure móglichst Null ist (vgl. ausfuhrlich Abschnitt FM.l) und móglichst kein Wechselkursrisiko besteht. Wechselkursrisiken führen zu schlechtem Rating (vgl. Abschnitt D-2.3), sofern sie nicht abgesichert werden. Dies erfordert eine entsprechende Abstimmung mit Ein- <?page no="147"?> D - 1 . Cash Management (Treasury Management) 125 Abb. D-1/ 1: MalSnahmen zur Liquiditátsverbesserung • Erhohung des Zahlungszuflusses: • Zeitnahe Fakturierung • Strikte Forderungstiberwachung • Verkürzung der Kreditziele • Skontogewáhrung (Anreiz zu früher Zahlung) • Forderungsverkauf • Vorauszahlungen, Anzahlungen der Kunden • Verkauf nicht benótigter Aktiva • Verminderung des Zahlungsabflusses: • Ausnutzung von Zahlungszielen beim Einkauf • Leasing von Ausriistungen und Anlagen • Kosteneinsparung (re-engineering, lean management) • Reduzierung von Lagerbestánden kauf und Verkauf, um die <richtigen> Fakturierungswáhrungen zu bestimmen und die entsprechenden Devisenzu- und abfliisse in die gewiinschten Bahnen zu lenken. Die Aufienhandelsfinanzierung umfafit die Import- und die Exportfinanzierung. Die verschiedenen Kreditbeziehungen zwischen Exporteur, Importeur und den beteiligten Banken gibt Abb. D-1/ 2 in einer Ubersicht wieder. Sprachlich bestehen Verwechslungsmoglichkeiten und Abgrenzungsprobleme, weil bestimmte Kredite nach den Ksedkgebern, andere nach den Kreditnehmem bezeichnet werden: Der Handelskredit (synonym: Lieferkredit, Liefererkredit, Liefervertragskredit oder auch im Sprachgebrauch: Lieferantenkredit) wird dern Importeur seitens des Exporteurs (= Kreditgeber) gewáhrt (Rechtsverháltnis Kunde/ Exporteur). Der Lieferantenkredit ist ein Kredit, der dem inlándischen Exporteur (= Kreditnehmer) seitens einer Bank zur Finanzierung seiner Kosten bis zur Bezahlung durch den Káufer gewáhrt wird (Rechtsverháltnis Banlc/ Exporteur). Die Verwechslungsmoglichkeit ergibt sich z. B. folglich daraus, ob man den Lieferantenkredit als Kredit an den oder durch den Lieferanten ansieht. Fiir Kreditinstitute ist ein Lieferantenkredit ein Kredit an den Lieferanten (vgl. auch Abschnitt D-2.1). Ein Bestellerkredit schlieElich ist ein Kredit, den eine inlandi- Abb. D-1/ 2: Kreditbeziehungen Exporteur t Lieferantenkredit Exportbank Liefer(er)kredit* Bestellerkredit Bank-zu-Bankkredit 1 Imp kre 1 ortdit * ¡m Sprachgebrauch oft auch als Lieferantenkredit bezeichnet. <?page no="148"?> 126 D Finanzierung des AuíSenhandels sebe Bank einem auslándischen Kunden zur Finanzierung seiner Order gewáhrt (Rechtsverháltnis Bank/ Importeur) (vgl. unten). D-2. Kurzfristige Finanzierung Zur kurzfristigen Finanzierung rechnet man Fristen bis zu einem Jahr (360 Tage), dariiber hinaus spricht man etwas unscharf bereits von langfristig (im Unterschied zur bilanziellen Finanzierung, wo langfristig mehr als 4 Jahre bedeutet). Manche Unterteilungen unterscheiden zwischen mittelfristiger Finanzierung bis zu 4-5 Jahren und dariiber hinaus langfristiger Finanzierung. Die Finanzierung der auEenwirtschaftlichen Aktivitaten muS natiirlich in das gesamte Finanzierungskonzept des Unternehmens eingepaSt werden. Einige Aspekte der Finanzierung iiberschneiden sich mit den in Abschnitt G-3 behandelten Zahlungsbedingungen, werden jedoch der Vollstándigkeit halber nochmals mit aufgefiihrt. Auf die Aspekte der Risikoabsicherung wird im Teil H ausfuhrlich eingegangen. Abb. D-2/ 1 gibt eine Übersicht über die Finanzierungsmóglichkeiten, die anschlieEend erláutert werden. PRAXISTIP bezüglich der Euro-Einführung: Bei gewáhrten und aufgenommenen Krediten ebenso wie bei Leasingvertragen, die über das Jahr 2001 hinausgehen, sollte eine Konvertierungsklausel (Kontinuitatsklausel) enthalten sein, die auf den offiziellen Umrechnungskurs des Euro Bezug nimmt. Dies gilt analog bei Forfaitierungen und Factoring. Die Klausel kónnte etwa lauten «xy DM or official Euro-countervalue» («xy DM oder Gegenwert in Euro gemáft offiziellem Umrechnungskurs»). Zinsen berechnen sich grundsátzlich unabhangig von der zugrunde liegenden Wáhrung. In einer Vielzahl von Gesetzen und Vertrágen wird auf die Zinssátze der Deutschen Bundesbank Bezug genommen. Da diese Instrumente mit der Übertragung der geldpolitischen Befugnisse auf die Europáische Zentralbank (EZB) weggefallen sind, mufiten gesetzliche Nachfolgeregelungen geschaffen werden. Darlehen mit variablem Zins, die bislang Bezug nahmen auf Referenzzinssátze wie Diskont- oder Lombardsatzsatz oder FIBOR 1 , werden ab 2002 automatisch auf eine fur den Euro vorgesehene BezugsgróSe umgestellt. Fur den Wegfall der Diskont- und Lombardsatze wird bis dahin gemáfi Diskont-Überleitungs-Gesetz (DUG) der sog. Basiszinssatz als Behelfs-Diskontsatz verwendet. Dieser folgt dem entsprechenden Leitzins der EZB (dem Zinssatz für lángerfristige Refinanzierungsgescháfte). 2 Die Zinszahlung ist in Euro zu leisten. Wenn móglich, sollte man als Kreditnehmer ver- 1 Frankfurt Inter Bank Offer Rate - Geldmarktsatz zwischen Banken am Frankfurter Geldmarkt. 2 Dieser wird marginaler LRG-Satz genannt, weil die Refinanzierungsgescháfte der EZB als Zinstender zum Mindestbietungssatz ausgeschrieben sind, d.h. die Refinanzierung-suchende Bank macht ein Zinsangebot, áhnlich wie auf einer Versteigerung. Der margínale LRG-Satz gibt dann den niedrigsten bzw. hóchsten Zinssatz an, zu dem Mittel von der EZB noch zugeteilt bzw. hereingenommen werden. Der Basiszins der Bundesbank wird dem EZB-Leitzins aber nur in festen Abstánden jeweils am 1.1., 1.5. und 1.9. angepaSt, sofern sich die europáische BezugsgróSe um mindestens 0,5 Prozentpunkte ándert. Der Lombardsatz wird ais BezugsgróSe ersetzt durch den Zinssatz der EZB fur die Spitzenrefinanzierungsfazilitat (SRF-Satz). <?page no="149"?> D-2. Kurzfristige Finanzierung 127 Abb. D-2/ 1: Finanzierungsmoglichkeiten Kurzfristige Finanzierung Exportfinanzierung • Liefererkredit • Vorauszahlung, Anzahlung • Bankkreditlinien • Wáhrungskredit • Euromarktfinanzierung • Wechselkredit - Diskontkredit/ Rembourskredit - Negotiationskredit • Export-Akkreditiv • Ankauf und Bevorschussung bei Inkassi • Zessionskredit • Lombardkredit • Export-Factoring Mittel- und langfristige • Leasing • Forfaitierung • Kreditlinien der AKA • Kredite der KfW • Finanzierungen in der Importfinanzierung • Vorschüsse durch Abnehmer • Handelskredit (Liefererkredit) • Bestellerkredit • Wechselkredit, Avalkredit • Bankkredite (Importkredit) • Import-Akkreditiv • Euromarktfinanzierung Finanzierung Entwicklungszusammenarbeit suchen, sich durch entsprechende Laufzeiten oder lángerfristige Zinsbindungen ein gegenwártig niedriges Niveau zu sichern, was aber nicht immer realisierbar sein diirfte. D-2.1. Exportfinanzierung Für den Exporteur bestehen zwei hauptsáchliche Finanzierungszwecke: Zum einen muG er im Handel seinen Wareneinkauf, in der Produktion die Vorleistungen anderer Produktionsstufen und seine eigenen Lager- und Produktionskosten finanzieren (Exportvorfinanzierung). Hinzu kommen Transport-, Versicherungs-, Vertriebs-, Montage- und Servicekosten (Exportfinanzierung i.e.S.) sowie die Finanzierungskosten, bis der Kunde seiner Zahlungsverpflichtung nachkommt (AnschluSfinanzierung). Daneben kónnen Kosten aus erforderlichen Bietungs-, Anzahlungs- oder Gewáhrleistungsgarantien entstehen, die der Exporteur stellen muí? . Zum anderen mufJ der Exporteur seinen Kunden neben einem attraktiven Warenangebot in sehr vielen Fallen auch gleich eine attrakrive Finanzierung mit anbieten, wenn er zum AbschluS kommen will. Insbesondere im Investitionsgiiterbereich ist dies fast unabdingbar. Zur Exportfinanzierung kann man auch die Instrumente záhlen, die der Exporteur dem Importeur verschafft oder vermittelt, damit dieser seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Dies ist Interpretarionssache. Wir behandeln diese Instrumente in Abschnitt D-2.2 Importfinanzierung. <?page no="150"?> 1 2 8 D Finanzierung des AuBenhandels D-2.1.1. Liefererkredit (Handelskredit) Genauso, wie der Exporteur seinem auslándischen Kunden ein Zahlungsziel einráumen kann, kann er selbst einen Kredit seines Zulieferers in Anspruch nehmen; seine Position ist dann analog der des Importeurs. Der Exporteur erhált von seinem Zulieferer Ware auf Ziel und muS den Rechnungsbetrag erst nach z. B. 30, 60 oder 90 Tagen begleichen. Das Zahlungsziel kann dabei sowohl formal vereinbart sein als auch durch schleppende Zahlung («lagging») erzwungen sein. Der Vorteil des Handelskredits besteht insbesondere in seiner Formlosigkeit. D-2.1.2. Vorauszahlungen, Anzahlungen Die Finanzierungfunktion für den Exporteur von Vorauszahlungen (cash before delivery), Anzahlungen (down payment) sowie von Abschlagszahlungen (pro-rata-Zahlungen) als Mitfinanzierung der Herstellungskosten durch den Besteller ist offensichtlich und braucht hier wohl nicht ausgefiihrt zu werden. Als Zahlungsbedingung setzt dies jeweils eine relativ starke Marktposirion des Exporteurs gegeniiber dem Kaufer sowie als clean payment, d. h. ohne bankmáSige Besicherung ein entsprechendes Vertrauensverháltnis zwischen den Partnern voraus. Andererseits sind derartige Klauseln bei Bestellung von Giitern mit lángerer Herstelldauer - Anlagen, Schiffe, Kraftwerke üblich. Die gebráuchliche Absicherung von An- und Vorauszahlungen durch eine Bankgarantie bzw. -bürgschaft (vgl. Abschnitt H-2.4.3) mufi bei den Finanzierungskosten beriicksichtigt werden. D-2.1.3. Bankkreditlinien Dem Exporteur wird nach Pruning seiner Bonitát eine Kreditlinie in Inlandswahrung eingeráumt, die er bis zum zugesagten Hochstbetrag (Limit) in Anspruch nehmen und (oft) nach Belieben tilgen kann (Lieferantenkredit). (Achtung: Der Lieferantenkredit an den Exporteur, den dieser ggf. zur Finanzierung von Produktionskosten benótigt, ist abzugrenzen gegen den Liefererkredit (Lieferantenkredit) durch den Exporteur an den Importeur. Vgl. Abschnitt D-2.1). Dabei ist der Kontokorrentkredit die von der Abwicklung her einfachste und flexibelste, in der Regel aber auch die teuerste Kreditform, denn neben den Kreditzinsen wird ggf. wenn das Limit iiberzogen wird eine (hóhere) Überziehungsprovision erhoben. Meist sind Bankkredite durch inlándische Sicherheiten abgesichert, doch kann dies auch durch die Abtretung von Forderungen aus dem Auslandsgescháft geschehen (Zessionskredit). Die meisten Kreditinstitute verbinden mit einer Kreditzuweisung von Kontokorrentlinien die Erwartung, teilweise als explizite Bedingung, daE der Kreditnehmer ihnen auch andere Auslandsgescháfte zuweist (Akkreditive, Inkassi, Devisentermingeschafte etc.) (sog. cross selling), urn weitere Provisionen und Kursmargen an sich zu ziehen. D-2.1.4. Wáhrungskredit Kredite in einer auslándischen Wáhrung (Wáhrungkredite) haben in der Regel eine feste Laufzeit zu festen Sátzen. Die Zinsen entsprechen dem Zinsniveau der jeweiligen Wáhrung. Für den Exporteur bieten sich Wáhrungskredite insbesondere an, wenn der Bezug von Vorleistungen und der Exporterlós in derselben Wáhrung fakturiert ist, um eine zweimalige <?page no="151"?> D-2. Kurzfristige Finanzierung 129 Konvertierung zu vermeiden. In der Regel benotigt der Kreditnehmer ein entsprechendes Wáhrungskonto. Ein Wahrungskredit ist relativ teuer, da die kreditgewahrende Bank ihre Kurssicherungskosten einbeziehen wird. Daher eignen sich Wáhrungskredite selten ais Instrument nur zur Absicherung eines anderweitig bestehenden Wechselkursrisikos seitens des Exporteurs (Matching; vgl. Abschnitt H-4.3.2). D-2.1.5. Euromarktfinanzierung Die Exportbank nimmt fur den Exporteur, der dies nicht seibst kann, Mittel am Euromarkt auf (sog. Erstfinanzierung). Dies kann günstiger sein ais eine Kreditaufnahme des Exporteurs am Inlandsmarkt, da seine Bank am Euromarkt bessere Konditionen erreichen kann. Sofern die Bank die Mittel nicht selber direkt aufnehmen kann, wird sie in der Regel einen Euromarktkredit bei einem anderen Institut vermitteln kónnen. Vgl. Abschnitt D-3.7. D-2.1.6. Wechselkredit Der Wechsel ist ein Wertpapier, das ein abstraktes, vom zugrundeliegenden Warengescháft unabhángiges Zahlungsversprechen enthált und das durch besondere, recht strenge Bestimmungen des Wechselrechts gesichert ist. Der Wechsel ist mit gewissen rechtlichen Einschránkungen faktisch eine Art <Schuldschein>. Abschnitt G-l.3.1 enthált eine ausführliche Darstellung. Auf der Exportseite besteht die Finanzierungsfunktion des Wechsels darin, daf? der Exporteur (Gláubiger) den Wechsel verkaufen kann, in der Regel an seine Hausbank. Diese zieht von der Wechselsumme einen gewissen Prozentsatz ab (Diskontsatz), in dem sich die Verzinsung wáhrend der restlichen Laufzeit und das Einlosungssrisiko niederschlagen. Ein Aval einer guten Bank erleichtert es dem Lieferanten (Exporteur), einer Zahlungsabsicherung durch Wechsel zuzustimmen. Die avalierende Bank iibernimmt fiir ihren Kunden (Importeur) gegenüber seinem Gláubiger eine Biirgschaft. In Abb. D-2/ 2 sind Standardfálle dargestellt. Im Fall (1) zieht der Exporteur einen Wechsel auf den Importeur, der ihn akzeptiert, und der Exporteur diskontiert den Wechsel bei seiner Hausbank. Dies kann analog mit einem Solawechsel erfolgen, den der Importeur ausstellt und durch Indossament auf den Exporteur übertrágt. (2) Eine Variante stellt folgendes Verfahren dar: Der Importeur iibersendet dem Exporteur einen Wechsel incl. Akzept des Importeurs (Eigenakzept), mit der Bitte, den Wechsel als Aussteller zu unterzeichnen und an den Importeur zuriick zu indossieren (Umkehrwechsel). Dieser verkauft den Abschnitt an seine Bank und stellt den Diskonterlós dann dem Exporteur zur Verfiigung, z. B. durch Übersendung eines Verrechnungsschecks (Scheck-Wechsel-Verfahren). Dies bietet sich an, wenn der Importeur durch ein Skonto die Diskontkosten iiberkompensieren kann oder wenn die Diskontkosten im Importland (deutlich) günstiger sind als im Exportland. Dabei besteht ein Risiko, indem der Exporteur in der Ausstellerhaftung steht und der Scheck moglicherweise ungedeckt sein kann. Das Verfahren setzt daher ein Vertrauensverháltnis zwischen Káufer und Verkáufer voraus. D-2.1.6.1. Diskontkredit Einen Diskontkredit ráumt ein Kreditinstitut ein, indem es einen Wechsel («Abschnitt») vor Fálligkeit ankauft und dem Wechselverkáufer (Exporteur) den Wechselbetrag abzüglich des <?page no="152"?> 130 D Finanzierung des AuGenhandels Abb. D-2/ 2: Wechselkredite (1) Gezogener Wechsel Exporteur 'u 1 Einreichung Diskonterlós 1 1 Exportbank (2) Umkehrwechsel 1 Exporteur zieht auf Diskonterlós — • Importeur Importeur 1 'u Einreichung Diskonterlós 1 T Importbank Diskonts 3 auszahlt. Der Diskont deckt die Zinsen bis zur Fálligkeit des Wechsels sowie das Wechselrisiko ab. Ein Wechsel eines Kunden aus Kinshasa diirfte einen hoheren Diskontsatz bedingen als ein Wechsel auf die Chase Manhattan. Oft werden dem Kunden Diskontlinien eingeráumt, unter denen er Wechsel bis zu einem vereinbarten Hóchstvolumen einreichen kann. Dabei kónnen von der Bank ungeeignet erscheinende Abschnitte zuriickgewiesen werden. BEISPIEL Der Diskontsatz betrágt 6%; die Restlaufzeit des Wechsels sei (zur Vereinfachung) 12 Monate (bei kiirzeren Laufzeiten muf> interpoliert werden). 6% von der Wechselsumme 100.000 Euro bedeuten eine Auszahlung von 94.000 Euro (= Barwert; present value). Unter Berücksichtigung des Zinseszinseffekts berechnet sich jedoch der Effektivzins als n-te Wurzel aus Wechselsumme geteilt durch (Barwert - 1) x 100 [n = Laufzeit] (hier ohne Berechnung) = 6,38%. Dieser Effektivzins, der also hóher ¡st als der Diskontsatz, muG vom Kreditgeber bei der Kalkulation der Wechselsumme berücksichtigt werden («Schuldnerzins»). Bis 31.12.98 konnten die Banken aufgekauftes Wechselmaterial zu günstigen Sátzen an die Bundesbank weiterverkaufen (rediskontieren). Dieses Instrument existiert seit Gründung 3 Ein sog. praenumerando, eine vorherige Zinszahlung, Gegenteil: postnumerando, nachtrágliche Zinszahlung. Bei einem Disagio wird ein Teil der Kreditsumme nicht ausbezahlt; dafur als KompromiS ist der Kreditzins niedriger. <?page no="153"?> D-2. Kurzfristige Finanzierung 131 der Europáischen Zentralbank (EZB) nicht mehr. Zwar ist nach wie vor eine Refinanzierung bei der Bundesbank móglich, aber zu normalen Geldmarktsatzen. Zudem kónnen die Kreditinstitute bei Bedarf Wechsel als Sicherheiten fur Bundesbankkredite einsetzen (Lombard, vgl. auch unten). Manche Banken bevorzugen Lombards, weil dies technisch einfacher ist, als eine Vielzahl von Wechseln zum Diskont einzureichen. Da bei verspátetem Eingang der Wechselsumme nach Vorlage beim Wechselschuldner Verzugszinsen berechnet werden müssen/ kónnen, kalkulieren die meisten Banken bereits bei der Diskontberechnung bis zu 10 sog. Respckttage ein. Fremdwahrungswechsel werden zum Sichtkurs abgerechnet, d. h. der Devisengeldkurs wird um bestimmte Spannen gekiirzt (vgl. Abschnitt H-4.2.2). BEISPIEL Abrechnungsschema eines Fremdwáhrungswechsels: Barwert [94.000 Euro] x Sichtkurs (= Devisengeldkurs • - 1,5%o (mind. 7,- Euro) Abwicklungsprovision - Euro 2,50 Auslagen - 0,25%o Courtage bei Fremdwahrung. -0,5 [Briefkurs-Geldkurs]) (Hinweis: Devisengeldkurs entspricht Eurobriefkurs. Vgl. Abschnitt H-4.2.2.) D-2.1.6.2. Akzeptkredit/ Rembourskredit Beim Akzeptkredit verpflichtet sich eine Bank (meist innerhalb eines bestimmten Kreditlimits), Wechsel zu akzeptieren, die je nachdem der Importeur oder der Exporteur auf sie zieht. Durch das Akzept sind die Wechsel am Geldmarkt gut verwertbar (diskontierbar); z. B. kann der Importeur das Akzept seinem Lieferanten weiterreichen. Die Bank stellt also zunáchst ihren guten Namen zur Verfiigung («Kreditleihe»). Hierfiir ist eine spezielle Akzeptprovision an die Bank zu zahlen (ca. 0,5-2% p.a.). Üblich wenngleich nicht zwingend ist dabei, daE die akzeptierende Bank den Wechsel selbst ankauft und dem Importeur den Diskonterlós zur Verfiigung stellt. Gelangt des Akzept in Umlauf, haftet die Akzeptbank zwar im Aufienverhaltnis als Hauptverpflichteter, wird sich jedoch im Innenverháltnis so absichern, dal? der Importeur den Wechselbetrag vor Fálligkeit anschaffen muS. Der Exporteur zieht den Wechsel meist auf seine eigene Hausbank, die dafiir von der Importbank beauftragt wird, diskontiert den akzeptierten Wechsel bei seiner Bank und kann sich somit (re)finanzieren (Rembourskredit) (direkter Rembours; akzepiert eine andere Bank als die Exportbank die Tratte, spricht man von indirektem Rembours) (Abb. D-2/ 3). Dies erfolgt iiblicherweise auf der Basis eines Akkreditivs; vgl. nachfolgend). D-2.1.6.3. Negotiatiónskredit Mit einem meist sehr kurzfristigen - Negotiatiónskredit (Negoziierungskredit) überbrückt die Bank den Zeitraum zwischen Versendung der Ware und Aufnahme der Dokumente durch den Kaufer. Dabei raurnt die Bank dem Exporteur eine Kreditlinie zu meist günstigen Konditionen ein, die er gegen Vorlage bestimmter Dokumente in Anspruch nehmen kann. Man spricht auch dann von Negotiatiónskredit, wenn die Exportbank von der Importbank (im Auftrag des Importeurs) ermachtigt wird, vom Exporteur ausgestellte Tratten (vor <?page no="154"?> 132 D Finanzierung des Aultenhandels Abb. D-2/ 3: Wechselkredite II (1) Akzeptkredit I Tratte Akzept ¡ V | f (2) Rembourskredit Exporteur Importeur TratteAkzept Diskonterlos Exportbank Akzeptauftrag • Importbank Akzept) anzukaufen (authority to negocíate oder auch authority to purchase). Hierfiir erhált die Exportbank eine Negoziierungsprovision. Da Banken oft auch im Rahmen eines Rembourskredits bereit sind, Tratten anzukaufen (unabhángig von einer Beauftragung durch die Importbank), áhneln sich beide Kreditformen in der Praxis. D-2.1.7. Export-Akkreditiv Das Akkreditiv selbst stellt keinen Kredit dar, doch besteht eine enge wirtschaftliche Verbindung zwischen Akkreditiv und Finanzierung. Die unten in Abschnitt G-3.4.2 dargestellten Akkreditivformen haben alie eine Finanzierungsfunktion auf der Verkauferund/ oder auf der Kauferseite. Hier werden einige der unten ausführlich behandelten Aspekte vorab hervorgehoben. (1) Durch ein (unwiderrufliches) Sicht-Akkreditiv erhált der Exporteur gegen Vorlage bestimmter Dokumente bei der Versendung der Ware die vereinbarte Akkreditivsumme und kann sich so bereits refinanzieren, bevor die Ware beim Káufer eintrifft. (2) Bei einem Akkreditiv mit hinausgeschobener Zahlung (deferred payment) (Nach-Sicht- Akkreditiv) gewáhrt der Exporteur dem Importeur ein Zahlungsziel, dessen Kosten (Zinsen) er in der Akkreditivsumme verrechnen wird. Der Akkreditivbetrag kann dem Begünstigten bevorschuSt werden, allerdings auf Risiko der bevorschussenden Bank. Diese Variante ist kostengünstiger ais ein Akzept-Akkreditiv. Die Gutschrift erfolgt auf einem Kontokorrentkonto, bei gleichzeitiger Belastung eines Vorschufskontos. Dieses wird bei Eingang des Akkreditivbetrags ausgeglichen. Ebenso kann der Exporteur statt <?page no="155"?> D-2. Kurzfristige Finanzierung 133 einer Bevorschussung seine Forderung forfaitieren (vgl. unten), dies durchaus an seine Hausbank. (3) Ein Nach-Sicht-Akkreditiv kann angekauft oder dem Exporteur bevorschujit werden (i.d.R. von der Avisbank, aber auch einer anderen Bank), mit dem Vorbehalt, daft der Betrag zuriickbelastet wird, wenn die Auslandsbank bei Fálligkeit nicht zahlt (Bevorschussung ist auch bei Inkassi móglich). Dabei verbleibt das Auslandsrisiko nach wie vor beim Exporteur. Auch eine Bevorschussung durch den Káufer (bzw. die Akkreditivbank) ist móglich (packing credits), (vgl. auch Abschnitt D-2.1.8 Finanzierung), ebenso die Inanspruchnahme eines Zahlungsziels beim Vorlieferanten des Exporteurs oder eine Kreditierung seitens der Exportbank. PRAXISTIP Da der Exporteur beim Nach-Sicht-Akkreditiv für das Zahlungsziel sicherlich Zinsen berechnet, sollte der Importeur vergleichen, ob die Kombination eines Sichtakkreditivs mit einer AnschluRfinanzierung seiner eigenen Bank ggf. günstiger ist. (4) Bei einem Remboursakkreditiv verschafft der Importeur dem Exporteur ein Akzept der Importbank oder der Exportbank, das der Exporteur entsprechend diskontieren kann. Beispielsweise akzeptiert die Exportbank eine auf sie gezogene Tratte im Auftrag der Importbank, die wiederum im Auftrag des Importeurs handelt. Der Exporteur kann sich also unmittelbar nach Einreichung der Akkreditivdokumente durch Diskontierung des Akzepts refinanzieren. Der Importeur muS die Ware erst bei Fálligkeit des Akzept bezahlen. In der Zwischenzeit kann er die importierte Ware vermarkten (self-liquidation des Kreditgescháfts). Das Remboursakkreditiv setzt also im Gegensatz zum Akzeptkredit, der ein reines Finanzgescháft sein kann ein zugrundeliegendes Warengeschaft voraus. Der Rembourskredit kommt insbesondere in Frage, wenn die Kreditkosten im Exportland (Remboursland) niedriger sind als im Importland. Beim direkten Rembours leistet die Exporteurbank das Akzept, beim indirekten Rembours eine dritte Bank, z. B. wenn in einer Drittwáhrung fakturiert wurde (ein deutscher Exporteur verkauft auf Dollarbasis nach Indien; Remboursplatz New York). Im Akkreditiv muE bestimmt sein, wer die Diskontkosten trágt. (5) Durch ein iibertragbares Akkreditiv kann der Akkreditivbetrag ganz oder teilweise einem Dritten zur Verfugung gestellt werden, beispielsweise einem Vorlieferanten des Exporteurs. kann der Akkreditiv-begiinstigte Exporteur Waren einkaufen, ohne selbst eigene Mittel einsetzen zu miissen. Analoges gilt für das (seltene) Gegenakkreditiv (backto-back-Akkreditiv). Vgl. auch die ausfiihrliche Behandlung des Akkreditivs als Zahlungsbedingung in Abschnitt G-3.4.2. D-2.1.8. Ankauf und Bevorschussung bei Dokumenten-lnkassi Exporteure haben háufig ein bestimmtes noch ausstehendes Inkassovolumen. Dieses kann von der Exportbank bevorschuSt oder angekauft (negoziiert) werden, wobei die Forderungen und Versicherungen (Transportversicherung, Hermes-Abdeckung) an die Bank abgetreten werden. Eine Absicherung durch Ubereignung eingekaufter Vorleistungen unterbleibt <?page no="156"?> 1 3 4 D Finanzierung des AuRenhandels meist, weil die Abwicklung zu aufwendig ist (vgl. nachstehend). Da der Eingang der Zahlung durch den Importeur nicht sichergestellt ist, wird die Vereinbarung einer entsprechenden Exporteurshaftung sowie ggf. eine Kurssicherung erforderlich sein. Die Bevorschussung erfolgt in der Regel zu Kontokorrentsátzen. Diese Finanzierungsform ist in der Praxis relativ selten. Eine gewisse Bedeutung hat noch die erwáhnte «authority to purchase», die vor allem im Zahlungsverkehr mit dem Fernen Osten vorkommt: Dabei ermáchtigt die Importbank eine Exportbank zum Ankauf von Wechseln, die der Exporteur auf den Káufer gezogen hat und die von den vorgeschriebenen Dokumenten begleitet werden, bei vollem Rückgriffsrecht auf den Wechselaussteller. D-2.1.9. Zessionskredit Bei einem Zessionskredit tritt der Kreditnehmer (Exporteur) eine Forderung an die Bank als Sicherheit ab. Dies setzt eine entsprechende Zessionspriifung voraus. In der Regel wird der Schuldner der Forderung von der Abtretung informiert, weil er mit schuldbefreiender Wirkung nur an den Forderungsinhaber zahlen kann. (Beim Factoring vgl. anschlieSend wird die Forderung nicht beliehen, sondern verkauft.) D-2.1.10. Lombardkredit Ein Lombardkredit wird durch Verpfándung beweglicher Sachen besichert. An die Stelle der dinglichen Übergabe im Privatbereich z. B. beim Pfandleiher tritt beim Warenlombard i.d.R. die Indossierung und Übergabe entsprechender Traditionspapiere (z. B. Pfandindossament auf einem Orderlagerschein). Der Warenlombard wird u. a. bei Rohstoffen, Kaffee, Tee, Tabak und Baumwolle praktiziert. Diese Güter sind zumeist an der Bórse handelbar, ggf. konnen sie leicht versteigert werden. Bis 31.12.98 konnten sich Kreditinstitute bei der Bundesbank durch Verpfándung bestimmter Wertpapiere kurzfristige Kredite beschaffen, die zum Lombardsatz verzinst wurden; dies war immer noch günstiger ais der nórmale Geldmarktzinssatz. Auch dieses Instrument wurde mit Griindung der EZB abgeschafft und durch eine (relativ teure) Stand-by-Kieditfazilitát bis max. 14 Tage ersetzt. Günstiger sind Pensionsgescháfte (Repo's, repurchase), bei denen z. B. Wertpapiere oder Devisen verkauft werden um Liquiditát zu erhalten - und gleichzeitig eine Rückkaufverpflichtung eingegangen wird. Die Papiere oder Devisen gehen also quasi kurzfristig <in Pensions D-2.1.11. Export-Factoring Factoring gewinnt in zunehmendem MaSe an Bedeutung und kann in vielen Fallen als gute Alternative zum Akkreditiv angesehen werden. Es vollzieht sich über spezialisierte Factoring-Unternehmen, die oft Tochtergesellschaften von Kreditinstituten sind. Der Faaor kauft dem Exporteur in der Regel im Rahmen eines langerfristigen und umfassenden Vertrages seine sámtlichen Forderungen gegenüber seinen (inund/ oder auslándischen) Debitoren ab, wobei bestimmte Kauflimits vereinbart werden kónnen. Der Forderungsverkáufer hat dabei eine Andienungspflicht, d. h. er muís alie vertraglich vereinbarten Forderungen zum Kauf anbieten, wáhrend der Faaor grundsatzlich eine Ankaufspflicht hat (auSer bei zwei- <?page no="157"?> D-2. Kurzfristige Finanzierung 135 Abb. D-2/ 4: Exportfactoring " Zahlung des Kaufpreises \\ Factor Verkauf der Forderung / Bezahlung der Forderung Bonitatsprüfung \ A Abnehmer/ Debitor Die deutsche Factoringbranche will auch international wachsen Kunden haben Liquiditatsbedarf und wollen Schutz vor Ausfalirisiken / Beziehungen zu mehr als 30 Branchen Di e Fr e i e n S D Í >arkassen steigen in s F a c t o ri n g - G e s c h a ft ein „100 Proz ent S c h u t z vor F o r d e r u n g s v e r l u s t e n " felhaften Forderungen). Exportfactoring erstreckt sich iiblicherweise auf kurzfristige Forderungen und ist vor allem im Konsumgiiterbereich verbreitet. Abb. D-2/ 4 zeigt den Zusammenhang. Die Vorteile fiir den Exporteur liegen auf der Hand: Er verwandelt eine Forderung in sofortige Liquiditát und kann daher dem Kunden ein Zahlungsziel einráumen, das ihn den Exporteur nicht belastet (die Factoringkosten wird er dem Kunden iibertragen); er verkauft gleichzeitig auch das Zahlungs- und Wáhrungsrisiko und vermeidet den Aufwand fiir die Debitorenkontrolle (vgl. unten ausführlicher). Bei neuen Kunden sollte der Exporteur vor AbschluE des Kaufvertrages den abzusichernden Betrag bei seinem Factor anfragen, urn sicherzustellen, dal? die Forderung im Rahmen des vereinbarten Limits angekauft wird. Der Factor iibernimmt dabei meist auch eine Bonitátsprüfung des Importeurs sowie weitere Service- und Informationsfunktionen bezüglich des auslándischen Marktes {financial engineering). Je weniger der Kundenstamm variiert, desto geringer sind die Prüfungskosten des Factors, was sich gebührendsenkend auswirken kann. Die angedienten Forderungen werden bis zu 90% bevorschuSt (manchmal weniger). Die verbleibende Summe (Sperrbetrag, 10-20%, gelegentlich bis zu 30%) wird abziiglich des Factoringabschlags (2-3 %, gelegentlich mehr) ausgezahlt, sobald der Schuldner an den Factor gezahlt hat. Dadurch sichert sich der Factor u. a. gegen Mángelrügen, Warenretouren oder Skontoabziige ab. Beim internationalen Factoring wird háufig neben dem Exportfactor im Land des Exporteurs ein Importfactor im Land des Importeurs eingeschaltet, der dem Exportfactor zur Beurteilung-der Bonitát des Importeurs zur Verfiigung steht und dem Exportfactor im Innen- <?page no="158"?> 1 3 6 D Finanzierung des AuRenhandels verháltnis die Einbringlichkeit der Forderung garantieren kann bzw. sie seinerseits aufkauft (Two-Factor-System). Móglich ist auch, daS der Exporteur direkt mit dem Importfactor kontrahiert (Single-Factor-System). Die Kosten des Exportfactoring umfassen iiblicherweise • Gebiihren fur die Bonitátsprüfung des Kunden, • die Refinanzierungskosten des Factors in Hohe marktiiblicher Sollzinsen, • eine Dienstleistungsgebühr zwischen V2 und 4 % des Umsatzes, • eine Delkrederegebiihr zwischen 3 / A und 1,5% des Umsatzes. Hinzu kommen fur den Forderungsverkáufer entgangene Zinsen auf den Sperrbetrag. Exportfactoring ist meist 0,2 bis 0,5 Prozentpunkte teurer als Inlandsfactoring. Der Forderungskaufer iibernimmt damit bestimmte Funktionen: einmal die Finanzierungsfunktion, da der Exporteur vor Falligkeit Zahlung erhált, die er u. a. auch zur Begleichung eigener Verbindlichkeiten unter Ausnutzung von Skonti einsetzen kann, zum zweiten eine Dienstleistungsfunktion, weil der Factor u. a. Bonitátsprüfung (vor VertragsabschluS mit dem Importeur), Rechnungsversand (Inkasso) und Mahnwesen iibernimmt, und drittens eine Delkredere-Funktion, indem der Factor auch vollstándig das Risiko des Zahlungsausfalls iibernimmt (echtes Factoring); 4 hierfiir ist die Delkredere-Provision zu zahlen. Anderfalls handelt es sich um unechtes Factoring, das allerdings nur selten praktiziert wird, weil es lediglich den Charakter einer Kreditvergabe an den Exporteur hat. Ganz selten ist Falligkeitsfactoring, bei dem der Forderungsverkáufer sein Geld erst erhált, wenn der Schuldner bezahlt hat. Sofern sich das Factoring nur auf diese Dienstleistungsfunktion des Inkasso beschránkt, spricht man auch von Service-Factoring. Zudem iibernimmt der Factor das Wechselkursrisiko. Je nachdem, ob der Debitor iiber den Forderungsverkauf informiert ist oder nicht, spricht man vom offenen bzw. vom stillen Verfahren. Die Information erfolgt meist durch einen Hinweis auf der Rechnung, dai? die Forderung abgetreten wird und der Schuldner mit befreiender Wirkung nur an den Factor zahlen kann. Die gelegentlich noch anzutreffende Meinung, dafi offenes Factoring ais Zeichen finanzieller Schwáche anzusehen sei, weicht in zunehmendem MaSe einer realistischeren Einschátzung. Zudem ist stilles Factoring seltener geworden, weil aufgrund einer internationalen Konvention aus dem Jahre 1988 in Ottawa/ Kanada (in Deutschland 1998 in Kraft getreten) das offene Factoring durch Verfahrensvereinfachungen erleichtert wird. So entfallen z. B. die im romanischen Rechtskreis sonst erforderlichen und recht umstándlichen Vorschriften iiber die Zustellung einer Abtretungsurkunde durch den Gerichtsvollzieher, oder die nach deutschem Recht sonst erforderliche Notwendigkeit, die Benachrichtigung an den Schuldner zu unterschreiben: Dies kónnte vor allem Massenfactoring behindern. Durch das internationale Abkommen wird die Stellung des Factors gegeniiber dem Debitor geklárt und gestárkt, da letzterer den Anspruch des Factors anerkennen mufi (unter Aufrechterhaltung der ihm auch sonst gegen den Forderungsverkáufer zustehenden Einreden und Rechte). Abb. D-3/ 4 (Abschnitt D-3.2) stellt die wesentlichsten Unterschiede zwischen Factoring und Forfaitierung gegeniiber, wobei natiirlich im konkreten Einzelfall auch andere Konditionen als die dargestellten móglich sind. 4 DaG dieses Risiko betráchtlich sein kann, belegt der Konkurs der bis dahin renommierten Procedo- Exportfactoring GmbH in Wiesbaden vor wenigen Jahren, die zu viele <faule> Forderungen angekauft hatte. <?page no="159"?> D-2. Kurzfristige Finanzierung 137 D-2.2. Importfinanzierung Viele Überlegungen leiten sich spiegelbildlich aus den Ausfuhrungen zur Exportfinanzierung ab. Um Wiederholungen auf ein MindestmaS zu begrenzen, ist die folgende Darstellung stark komprimiert. D-2.2.1. Vorschüsse durch Abnehmer Sofern der Importeur die gekaufte Importware weiterhandelt, besteht die Móglichkeit, da£ er den Importpreis durch Voraus- oder Anzahlungen oder Abschlagszahlungen seiner Abnehmer ganz oder teilweise finanziert. D-2.2.2. Handelskredit (Liefererkredit) Die Finanzierung des Importeurs kann durch Zahlungsziele erfolgen, die der Exporteur seinem Kunden einráumt (Lieferkredit, Liefererkredit, teilweise auch Lieferantenkredit; auf die sprachlichen Verwechslungsmoglichkeiten zwischen dem Lieferantenkredit an den Exporteur und seitens des Exporteurs wurde bereits eingangs im Abschnitt D-2.1 hingewiesen.) Das Zahlungsziel kann dabei sowohl formal vereinbart sein als auch durch schleppende Zahlung («lagging») erzwungen sein. Der Vorteil des Handelskredits besteht insbesondere in seiner Formlosigkeit. D-2.2.3. Bestellerkredit Alternativ kann der Exporteur dem Abnehmer einen Bestellerkredit vermitteln, den eine Bank im Exportland dem auslandischen Kunden zur Finanzierung seiner Order gewáhrt (Rechtsverháltnis Bank/ Importeur). Einige deutsche Institute stellen Partnerbanken Rahmenkredite zur Verfügung, welche diese an ihre inlándischen Kunden weiterreichen. Die Zinskonditionen orientieren sich an denen des AKA-Plafond-C (Abschnitt D-3.3.2). Dabei werden in der Regel zwischen 85 und 100% des Auftragswertes finanziert, wobei dieser oft je nach Kreditanbieter ein bestimmtes Mindestvolumen nicht unterschreiten soil (100-250.000 Euro). Die Konditionen richten sich nach der aktuellen Marktsituation. Sie werden mit dem Kreditnehmer verhandelt (Zinssatz, Bereitstellungsprovision, Bearbeitungsgebühr) und von diesem getragen. Bestellerkredite sind oft langerals kurzfristig. D-2.2.4. Wechselkredit, Avalkredit Gángig ist die Unterlegung eines dem Importeur gewáhrten Zahlungsziels durch Wechsel, die der Exporteur auf den Importeur zieht, sei es im Rahmen dokumentárer oder nichtdokumentarer Zahlungsbedingungen. Die Finanzierungsfunktion des Wechsel für den Importeur besteht darin, da£ die Wechselstrenge es dem Exporteur leichter macht, ein Zahlungsziel einzuráumen. Es wurde bereits oben gezeigt, dal? es Varianten gibt, bei denen der Importeur das Wechselmaterial diskontieren láSt und den Diskonterlós dem Exporteur zur Begleichung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung stellt. Wie erwáhnt, macht das Aval einer guten Bank auf einem Wechsel den Abschnitt für den Exporteur sicherer (Kreditleihe). <?page no="160"?> 1 3 8 D Finanzierung des Auftenhandels D-2.2.5. Bankkredite (Importkredit) In Abgrenzung zum Bestellerkredit (Exportbank an Importeur) handelt es sich hier urn Importvorschiisse, u. U. auch auf der Basis von Lombardkrediten, die eine Bank im Importland dem Importeur gewáhrt. Die Kosten berechnen sich nach den entsprechenden Kreditkonditionen. Ggf. wird dem Importeur von seiner Bank ein Fremdwahrungskredit eingeráumt. D-2.2.6 Import-Akkreditiv Der Importeur beantragt bei seiner Bank die Eróffnung eines Importakkreditivs. Die Akkreditivbank wird das Akkreditiv <herauslegen>, wenn die spátere Zahlung (<Anscbaffung>) der Akkreditivsumme durch den Importeur sichergestellt ist. Dies kann aufgrund von Guthaben oder durch Kreditvereinbarungen geschehen. Die Bank des Importeurs garantiert dem Exporteur Zahlung gegen Vorlage bestimmter Dokumente (vgl. Abschnitt G-3.4.2). Die Auszahlung der Akkreditivsumme an den Exporteur erfolgt dabei, bevor der Importeur die Dokumente aufnimmt und iiber die Ware verfügen kann. Bei einem Akkreditiv mit hinausgeschobener Zahlung (deferred-payment-Akkreditiv) oder bei einem Akkreditiv auf Wechselbasis erhált der Importeur ein Zahlungsziel. D-2.1.7. Euromarktfinanzierung Die Importbank nimmt für den Importeur, der dies nicht kann, Mittel am Euromarkt auf (sog. Erstflnanzierung). Dies kann günstiger sein ais eine Kreditaufnahme des Importeurs am Inlandsmarkt, da seine Bank am Euromarkt bessere Konditionen erreichen kann. Sofern die Bank die Mittel nicht selber direkt aufnehmen kann, wird sie in der Regel einen Euromarktkredit bei einem anderen Institut vermitteln kónnen. D-2.3. Aktuelle Tendenzen: Unternehmens-Rating Banken unterliegen in Deutschland wie in den meisten Staaten begrenzenden Vorschriften, um zu gewáhrleisten, daE ausgeliehende Mittel in bestimmtem MaEe durch haftendes Eigenkapital <unterlegt> (gedeckt) sind (in Deutschland gegenwartig 8%). Der Basler Ausschufl für Bankenaufsicht hat Mitte 1999 Vorschláge fur eine Neuregelung der angemessenen Eigenkapitalausstattung gemacht (das sog. Basel II), in deren Mittelpunkt die Bestimmung des Kreditrisikos steht: Bei Schuldnern mit hoher Bonitát sind die Kreditrisiken geringer, und dementsprechend braucht auch nur weniger Eigenkapital zur Deckung zur Verfügung zu stehen ais bei schwácheren Kreditnehmern nicht die Kreditsumme, sondern das Kreditrisiko bestimmt die erforderliche Eigenkapitalunterlegung. Je geringer diese ist, desto mehr Kredite kann eine Bank gewáhren. Bisher erfolgte die Prüfung der Kreditwiirdigkeit eines Kreditnehmers nur nach internen Kriterien der Kreditinstitute. Es zeichnet sich aber zunehmend ein Übergang zu Ratingsystetnen ab, die in den USA wo sonst wohl bereits seit langem angewendet werden. Rating wird das System der Zukunft sein. Externe Gutachter vergeben fur die Kreditwiirdigkeit von Unternehmen «Zensuren» eine Art ókonomischer TÜV (Abb. D-2/ 5; vgl. zum System auch Abb. B-6/ 10). Bei einem guten Rating ware der Zins niedriger als bei geringerer Kredit- <?page no="161"?> D-2. Kurzfristige Finanzierung 139 wiirdigkeit. Ein gutes Rating ist ein Giitesiegel, analog zu einer ISO-Zertifizierung 5 , und verbessert auch das Image, das <standing> eines Unternehmens, das auch in der Auftendarstellung eingesetzt werden kann, auch zum Ankniipfen neuer Geschaftsbeziehungen. Auch der Wechsel zu einem anderen Kreditinstitut wird leichter, weil das Unternehmen seine Benotung mitnimmt. Dies kann auch die Verhandlungsposition gegenüber der derzeitigen Hausbank verbessern. Auch in der Zusammenarbeit mit Lieferanten und Versicherungen ist ein gutes Rating von Nutzen, und ggf. lassen sich auch eher Investoren fur Projekte oder Beteiligungen finden. Neben dem exteren Rating kónnen die Banken bei Unternehmen, die nicht an den Kapitalmarkt herantreten, aber nach wie vor interne Ratings durchführen. Abb. D-2/ 5: Von AAA bis D - Buchstaben entscheiden über Millionen Rating-Agenturen beeinflussen das Wohl und Wehe von Banken un Unternehmen • Nur der Markt begrenzt die Macht der Kontrolleure ielbst viele GroBunternehmen haben noch kein Rating Der Firmenkredit wird nicht zwangsláufig teurer / Drehen die Banken an der Marge? Die Banken betonen bei dieser Entwicklung positive Faktoren, insbesondere, dafi das Rating fur die Unternehmen Transparenz schafft und soliden Unternehmen Kostenvorteile bringt. Der Mittelstand scheint dieser Entwicklung zunáchst abwartend bis skeptisch gegeniiberzustehen, zumal die Ratingagenturen bisher kaum Mittelstándler in ihren Listen haben. Fiir ein externes Rating miiSten auch allgemeingiiltige Kriterien definiert werden, wovon derzeit noch keine Rede sein kann. Hinzu kommt, daS mittelstándische Unternehmen es nicht leicht haben werden, die Anforderungsprofile fiir gute Ratings zu erfullen und Superratings wie AAA, AA+ o.á. zu erreichen, so dafi sie tendenziell mit ungiinstigeren Kreditkonditionen rechnen miissen, auch wenn dies von Bankenseite uneinheitlich dementiert wird (Abb. D-2/ 6). Dies gilt analog fiir die Konditionen der privaten Ausfuhrkreditversicherer. Uberhaupt ist eine Tendenz zu beobachten, daS die Kreditinstitute die normalen Unternehmenskredite nicht mehr so attraktiv finden und sich teils aus dem Gescháft zurückziehen und sich stattdessen dem Investmentbanking zuwenden, teils Spezialinstitute griinden oder andere Formen des outsourcing wáhlen. Wie sagte unlángst ein Bankmanager: «Man mul? auch mal den Mut haben, sich von einem Kunden zu trennen.» Damit ist der Trend klar. Abb. D-2/ 6: „Mit dem Rating kommt es noch schlimmer" Die Bauwirtschaft befürchtet, über einen Kamm geschoren zu werden » Geschaftsbanken ziehen sich aus der Kredit-Finanzierung des Mittelstandes zurück Creditreform: Ein Drittel der kleinen Unternehmen hat Probleme mit Banken Die Kredite fiir den Mittelstand werden immer teurer Ratings und Eigenkapitalvorschriften der Banken gehen zu Lasten kleiner Kreditnehmer/ Factoring als Alternative 5 Z.B. ISO 9000 ff. (Qualitát) oder ISO 14000 ff. (Umweltschutz). <?page no="162"?> 1 4 0 D Finanzierung des AuGenhandels Unternehmensratings werden in Deutschland von gro&n internationalen Instituten wie Moody's, Standard & Poors's oder Fitch IBCA angeboten, aber auch von der EuroRating AG in Frankfurt, die u. a. von der Deutschen Ausgleichsbank mitgetragen wird. Auf mittelstándische Unternehmen spezialisieren sich die URA Unternehmens Ratingagentur AG in Miinchen (PS Rating Services AG Miinchen) und die Creditxeform Rating AG in Neuss sowie die R@S Rating Services AG in Miinchen. Fur ein erstes Rating wird man je nach GróSe des Unternehmens zwischen 5.000 und 50.000 DM zahlen müssen, zusátzlich zu den durch das Ratingverfahren entstehenden Kosten im Unternehmen. D-3. Mittel- und langfristige Finanzierung Der AulSenhandels mit Investitions- und anderen Kapitalgütern erfordert eine mittelbis langfristige Finanzierung, insbesondere auf der Seite der Importeure. Fiir das dabei besonders relevante Zinsánderungsrisiko vgl. Abschnitt H-5. Vgl. auch Abschnitt B-6.7 iiber Direktinvestitionen. D-3.1. Export-Leasing Beim Exportleasing (cross border leasing) verhandelt der Exporteur mit einem potentiellen Káufer z. B. eines Investitionsgutes. Wenn die Kaufverhandlungen eine konkrete Basis gefunden haben, verkauft der Exporteur das betreffende Gut an eine Leasinggesellschaft (Leasinggeber), die das Objekt auch bilanziert, nachdem er zuvor mit dem auslándischen Kiinden (Leasingnehmer) die Bedingungen des Leasing vereinbart hat. Der Kunde schlieSt dann einen Leasingvertrag mit dem Leasinggeber: Der auslándische Leasingnehmer erhált dadurch das ausschliefiliche Nutzungsrecht des Investitionsgutes fur eine bestimmte Laufzeit (Grundmietzeit, i.d.R. unkündbar) und entrichtet wáhrend dieser Zeit die Leasingraten an den Leasinggeber (Finanzierungsleasing). In dieser Form ist die Finanzierung fur den Exporteur der klassischen Bestellerfinanzierung vergleichbar, und das Gescháft wird fur ihn zu einem inlándischen Cash-Gescháft. Dabei ist auch Fremdwáhrungsleasing móglich. Die Leasingforderung kann Hermes-besichert werden, wobei der Leasinggeber einen Selbstbehalt tragen mufi (Abschnitt H-3.2). Diese Konstruktion wird indirektes oder unechtes Leasing genannt, da nicht der Hersteller des gemieteten Anlagegutes, sondern eine zwischengeschaltete Leasinggesellschaft Leasinggeber wird. Anderenfalls láge direktes oder echtes Leasing vor (Abb. D-3/ 1), wenn der Exporteur Leasinggeber ist. Dabei refinanziert er sich meist bei seiner Bank und tilgt den Kredit mit den Leasingraten. Als Sicherheit tritt er die Leasingforderung an die Bank ab. Beim direkten Leasing trágt der Exporteur aber samtliche Delkredere-, Transfer-, Landeretc. -Risiken, so daS sich unter diesem Aspekt oft eine indirekte Leasingkonstruktion anbietet. Dabei wiederum muS der Kunde meist einen hoheren Endpreis bezahlen, so das es auch stark von der Marktsituation und der Risikopolitik abhángt, welcher Form der Vorzug gegeben wird. Leasing enthált Elemente der Gebrauchsüberlassung (Miete) ebenso wie der Eigentumsübertragung (Kauf). Juristisch werden Leasingvertráge immer als Miete gewertet, steuerrechtlich kommt es darauf an, welches Element überwiegt (vgl. anschlieSend). Wird steuerrechtlich Miete angenommen, wird das Objekt beim Leasinggeber bilanziert, dem auch das <?page no="163"?> D-3. Mittel- und Langfristige Exportfinanzierung 141 Abb. D-3/ 1: Direktes/ lndlrektes Leasing Direktes Leasing Exporteur (Leasinggeber) Leasingobjekt Indirektes Leasing Exporteur Leasingraten Leasingobjekt Importeur (Leasingnehmer) (Kaufvertrag) Leaslnggesellschaft (Leasinggeber) \^ (Exportland) Importeur (Leasingnehmer) (Leasingraten) (Kaufvertrag) Leasinggesellschaft (Importland) (b) (c (d) Recht der Abschreibung zukommt; wird steuerrechtlich Kauf angenommen, wird das Objekt beim Leasingnehmer bilanziert, und umsatzsteuerrechdich liegt eine Lieferung vor, so daf? das gesamte Leasingentgelt zu versteuern ist, nicht wie bei der Miete lediglich die Leasingraten, die als <Mietzins> anzusehen sind. Folgende Varianten des Fianzierungsleasing sind iiblich: (a) Nach Ablauf der Grundmietzeit und voller Bezahlung des Leasingobjekts (ggf. Rest- *kaufpreis) geht das Eigentum an den Leasingnehmer iiber (Mietkauf). Der Vertrag enthált eine Kaufoption, die der Leasingnehmer ausnutzen kann, aber nicht ausnutzen muí? . Der Leasinggeber ware dann zur Rücknahme des Objekts verpflichtet. Der Vertrag enthált eine Verlángerungsoption, die der Leasingnehmer durch einseitige Willenserklárung ausnutzen kann, i.d.R. zu günstigeren Bedingungen ais wáhrend der Grundmietzeit. Der Vertrag enthált keine Option, d. h. es handelt sich urn einen normalen Mietvertrag, der mit Ablauf der Grundmietzeit endet. Die Leasingraten sind so bemessen, da8 das vermietete Objekt nach Ablauf der Grundmietzeit voll amortisiert ist und der Leasinggeber einen Gewinn erzielt hat. Der Leasingnehmer trágt dabei das voile Investitionsrisiko, insbesondere hinsichdich des technischen Fortschritts (Überalterung des Leasingsobjekts). Zudem trágt er die anfallenden Warnings-, Reparatur- und Versicherungsrisiken. Diese Leasingform eignet sich insbesondere fiir Auftragsfertigung, die nach den speziellen Wünschen des Leasingnehmers erfolgt. Die Vorteile fiir den Importeur konnen steuerrechtlicher, bilanzieller, devisenrechtlicher und zollrechtlicher Art sein (Abb. D-3/ 2): • Durch Leasing benótigt der auslándische Káufer keinen Kapitaleinsatz in der vollen Hóhe des Investitionsgutes, sondern kann in Raten, aber zu 100% finanzieren. • Der Leasinggeber ubernimmt dabei das politische und wirtschaftliche Risiko des Exporteurs. • In vielen Landern kann der Zoll und die Einfuhrumsatzsteuer bis zum Ende der Leasing- <?page no="164"?> 142 D Finanzierung des AuRenhandels Abb. D-3/ 2: ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ _ ^ Das Leasinggeschaft floriert D e u t s c h e B a n k s t o B . ^" l * L e a s m g - G e s c h a f t a b UMSATZSTEUER - Europáischer Binnenmarkt fiihrt zu Problemen bei Leasing und Miete Nationale Regeln in der EU hemmen grenzüberschreitende Vertráge dauer gestundet oder iiber die Leasingdauer verteilt werden. Ob die Transaktion steuerrechtlich als Leasing anerkannt wird (Leasingraten als Aufwand), sollte vorher genau gepriift werden, weil das Wirtschaftsgut je nach Vertragskonditionen entweder dem Leasingnehmer oder dem Leasinggeber zuzurechnen ist. • Einige Lander werten Leasing steuerrechtlich immer als Miete (u. a. Frankreich), andere nehmen ein Liefergescháft an. Nach deutschem Recht wird bei einer Grundmietzeit iiber 40% und unter 90% der «betriebsgewóhnlichen Nutzungszeit» steuerrechtlich Leasing (Miete) angenommen, (d. h. Bilanzierung des Leasingobjekts beim Leasinggeber; der Leasingnehmer behandelt die Leasingraten als Betriebsausgaben in der Gewinn- und Verlustrechnung), bei weniger als 40% und bei mehr als 90% ist Kauf (Liefergescháft) anzunehmen (Bilanzierung beim Leasingnehmer). Spezielle Leasingobjekte (Sonderanfertigungen) werden grundsátzlich beim Leasingnehmer bilanziert. Bei Mietverlángerungsmóglichkeiten oder Kaufoptionen kommt es auf zusátzliche Kriterien an. Daher ist eine steuerrechtliche Beratung vor dem Abschlufs von Leasing- oder Mietvertrágen anzuraten. • Wenn es sich um einen kommerziellen Leasingvertrag zwischen Unternehmen handelt und sowohl das Land des Leasinggebers ais auch des Leasingnehmers den Vertrag als Miete ansehen, kann ggf. eine Nullregelung greifen: Der z. B. deutsche Leasinggeber braucht die Vermietungsleistung nicht zu deklarieren und zahlt keine Umsatzsteuer, weil der Leistungsort der Vermietung im Ausland liegt, ebensowenig der (z. B. franzósische) Leasingnehmer. Ware der Leasingnehmer hingegen eine Privatperson oder eine Behórde, trate die Umsatzsteuerpflicht in Deutschland ein. • Bei Beforderungsmitteln liegt eine steuerliche Sonderbehandlung vor: Vermietet eine deutsche Leasinggesellschaft als Mietkauf fabrikneue PKW an einen franzosischen Leasingnehmer mit einer unkiindbaren Grundmietzeit von fiinf Jahren, wird nach deutschem Recht eine Lieferung angenommen (Grundmietzeit iiber 90% der Nutzungszeit). Wáhrung bei Miete von Beforderungsmitteln der Leistungsort immer im Land des Vermieters liegt, liegt er bei Lieferung im Land des Empfángers (ergo keine deutsche Umsatzsteuer). Wenn Frankreich hingegen einen Mietvertrag unterstellt, was in der Regel der Fall ist, unterliegen die Mietleistungen in Deutschland auch nicht der franzosischen Umsatzsteuer. (Es kann bei anderen Leasingobjekten aber auch der umgekehrte Fall eintreten: Vermietung von Computern an Privatpersonen = Mietannahme in Deutschland = Steuerpflicht in Deutschland; Kaufannahme im Ausland = Steuerpflicht im Bestimmungsland.) • Zoll- und Steuerbemessungsgrundlage ist bei Miedcauf nicht der urspriingliche Auftragswert, sondern der am Ende der Leasingdauer zu zahlende Restkaufpreis. • Die Bilanzierung erfolgt nach deutschem Recht nicht beim Leasingnehmer. Dadurch kann er die Leasingraten in voller Hóhe (Zins und Tilgung) als Betriebsausgaben in seiner Gewinn- und Verlustrechnung ansetzen und entlastet gleichzeitig seine Bilanz durch die <?page no="165"?> D-3. Mittel- und Langfristige Exportfinanzierung 143 Nicht-Bilanzierung (Bilanzverkiirzung). Andererseits weist die Bilanz im langfristigen Anlagevermógen die Leasingobjekte nicht aus; dies erfolgt in der Regel in den Erláuterungen zum Jahresabschlufi. Diese Bilanzverkiirzung verringert jedoch auch das ggf. als Sicherheit zur Verfügung stehende Anlagevermógen. (In der Praxis werden Anlagen und Maschinen ohnehin nur sehr begrenzt von Kreditgebern als Sicherheiten akzeptiert, weil sie meist nicht gut verwertbar sind.) Aus der Sicht des Bilanzanalytikers ist Leasing meist ein Hinweis auf einen aktuellen Technologiestand und so gesehen etwas Positives. • In andernen Lándern gelten oft Sonderregeln. So schreibt das spanische Recht eine Aktivierung des Leasinggegenstandes beim Leasingnehmer und eine Aktivierung der Leasingforderung beim Leasinggeber vor. Die erheblichen umsatzsteuerrechtlichen und bilanziellen Unterschiede machen einen Bilanzvergleich auf europáischer Ebene schwierig und oft unmoglich. • Für das Eingehen von Leasingverbindlichkeiten ist meist keine devisenrechtliche Genehmigung der jeweiligen Zentralbank erforderlich. In Abgrenzung zum Finanzierungsleasing gibt es das Operating-Leasing. Auch hierbei handelt es sich urn einen normalen Mietvertrag, der von beiden Seiten meist mit kurzer Frist gekiindigt werden kann. Folglich trágt der Leasinggeber das voile Investitionsrisiko, so dais diese Leasingform nur für Güter gebráuchlich ist, die bei Kündigung auch von anderen Leasingnehmern genutzt werden kónnen (Standardmaschinen, Kfz, Lkw). Das Operating Leasing kommt oft als full service leasing vor, d. h. incl. Warning und anderer Kundendienstleistungen durch den Leasinggeber. Operating Leasing ist wegen der Unsicherheit der Leasingdauer nicht durch Hermes zu besichern und daher auch nicht zu refinanzieren. PRAXISTIP Bezüglich der Euro-Einführung: Bei Leasingvertrágen, die über das Jahr 2001 hinausgehen, sollte eine Konvertierungsklausel (Kontinuitatsklausel) enthalten sejn, die auf den offiziellen Umrechnungskurs des Euro Bezug nimmt. Dies gilt analog bei Forfaitierungen und Factoring. Die Klausel konnte etwa lauten «xy DM or official Euro-countervalue» («xy DM oder Gegenwert in Euro gemáls offiziellem Umrechnungskurs»). D-3.2. Forfaitierung Bei der Forfaitierung verkauft der Exporteur (Forfairist) seine AufSenhandelsforderung mit Abschlag (Diskont) an einen Forfaiteur (meist eine Bank), wobei er selbst jegliche Haftung ausschlieSt bzw. der Forderungskaufer auf jeden Riickgriff gegeniiber dem Forderungsverkáufer verzichtet (Verkauf a forfait, d. h. «in Bausch und Bogen» 6 ). Forfaitierung bedeute folglich regrefilose Abwálzung aller Risiken auf den Forfaiteur: u. a. Delkredere-Risiko, politisches Risiko, Zinsánderungsrisiko, Wáhrungsrisiko (Abb. D-3/ 3). Der Forderungskaufer prasentiert nach Ablauf des Zahlungsziels die Forderung beim Importeur. Die Kosten dieser Transaktion trágt der Exporteur in Form des Abschlags, die er seinerseits in die Kreditsumme hineinkalkulieren wird, die der Importeur tilgen muí? . Aufgrund des meist nicht 6 Engl, in etwa: «in the lump» oder «lock, stock and barrel» (Gewehrlauf, GewehrschloS, Gewehrlauf), also ein komplettes Gewehr. <?page no="166"?> 1 4 4 D Finanzierung des AuRenhandels Abb. D-3/ 3: FORFAITIERUNG - Káufer übemimmt die Erfüllunqsrisiken Bewáhrte Problemlosung für Risiken im Aufienhandel unbetrachtlichen Risikos (wegen der langen Laufzeit) sind Forfaitierungen relativ teuer. Diese Kosten werden in der Praxis jedoch oft zu spat ermittelt, so dafi sie der Exporteur nicht hinreichend in seiner Kalkulation und seinen Vertragsverhandlungen beriicksichtigt hat. Wie beim Exportfactoring (vgl. oben) bestehen die Vorteile fur den Exporteur in der sofortigen Liquiditátszufuhr durch die Umwandlung eines Zielgescháfts in ein Sichtgescháft, in der Entlastung der Bilanz (Aktivtausch: eine Forderung wird in Liquiditát umgewechselt), im Wegfall der Kreditsicherung und -iiberwachung und in der einfache Abwicklung der Forfaitierung: Der Káufer erwirbt die Forderungen durch Indossament oder Erklárung. Grundsátzlich ist jede dokumentierte Forderung mit einem spezifizierten Zahlungstermin forfaitierbar. Im Gegensatz zum Factoring erstreckt sich Forfaitierung i.d.R. auf mittelfristige Einzelforderungen mit hohen Betragen (z. B. mindestens 50.000 Euro, oft erst ab 1 Mio. USD), z. B. bei Investitionsgiitern, auf bankavalierte Wechselforderungen sowie auf Forderungen aus Nachsicht-Akkreditiven und nicht wie beim Factoring auch auf das gesamte Volumen kurzfristiger und auch kleinerer Forderungen des Exporteurs. Der Exporteur kann also von Fall zu Fall entscheiden, ob er forfaitieren will und ist nicht wie beim Factoring an einen Rahmenvertrag mit Andienungspflicht gebunden. Als Forfaiteur operieren meist mit Kreditinstituten verbundene Institute an internationalen Bankplátzen, aber es gibt auch andere auf Eorfaitierungen spezialisierte Unternehmen. Sie refinanzieren sich auf den Euromarkten, durch institutionelle und private Anleger, bei ihren Mutterhausern oder durch Weiterverkauf der Forderungen auf sog. Sekundármárkten. Der Exporteur fragt im konkreten Fall unter Nennung aller relevanten Angaben friihzeitig den Forfaiteur, ob er zur Forfaitierung der Forderung bereit ist (den Exportvertrag bereits vorher abzuschlieSen, kann daher was die Refinanzierung betrifft riskant sein). Die Bank gibt daraufhin entweder eine Indikation ab, d. h. eine unverbindliche und kostenfreie Stellungnahme hinsichtlich der moglichen Konditionen (die nur fur den Zeitpunkt der Anfrage gelten, an die sich der angefragte Forfaiteur aber ceteris paribus eine gewisse Zeit gebunden halt) oder eine verbindliche, aber kostenpflichrige optionale Fest-Offerte, die oft auch nur für den Tag der Abgabe gilt. Mit der Annahme der Festofferte, d. h. der Bereitstellung der Forfaitierung, sind die Bedingungen für beide Seiten verbindlich vereinbart. Für bestimmte Lander ist es oft schwer oder unmóglich, Forfaiteure zu finden. Das politische Risiko des Schuldnerlandes (Lánderrisiko; vgl. Abschnitt H-l.5.2) beeinfluGt auch die Kosten und Laufzeiten von Forfaitierungen (zwischen 1 z. B. Rutland, Iran - und 7 oder mehr Jahren: Eurolánder); oft verhindert es Forfaitierungen gerade dann, wenn man sie am meisten braucht. Bei Forfaitierungen werden bevorzugt Forderungen verkauft, die durch Solawechseln des Káufers <unterlegt> sind, weil der Exporteur bei Ubertragung von Solawechseln durch Indossament seine wechselrechtliche Haftung durch den Zusatz «ohne Obligo» {without recourse) <?page no="167"?> D - 3 . Mittel-und Langfristige Exportfinanzierung 1 4 5 ausschlieSen kann (sog. «Angst-lndossament»). Dies ist beim gezogenen Wechsel, den typischerweise der Exporteur auf den Importeur zieht, für den Aussteller (Exporteur) nicht móglich, den dieser kann die wechselrechtliche Ausstellerhaftung beim gezogenen Wechsel nicht ausschlieSen. Es ist jedoch móglich, daí? der Forfaiteur eine Regrefiverzichtserklárung abgibt (auch Enthaftungs- oder Freistellungserklárung genannt). Diese zivilrechtliche Konstruktion schliefit allerdings nicht aus, da£ der Exporteur von gutgláubigen Erwerbern des Wechselmaterials in Anspruch genommen wird, beispielsweise wenn der Forfaiteur illiquide ist. Um dies auszuschliefen, miifite der RegreEverzicht bei jedem AnschluÉgescháft vom Zweit-/ Dritterwerber ebenfalls Vertragsbestandteil sein. Daher ist die Forfaitierung gezogener Wechsel zwar móglich, aber sehr viel seltener als die von Solawechseln. Neben Wechselforderungen kónnen auch Buchforderungen forfaitiert werden, sofern diese qualitativ wechselgesicherten Forderungen entsprechen. Da es sich dabei aber nicht um abstrakte Forderungen handelt, sind Einreden aus dem Grundgescháft móglich. Zudem ist eine Weiterverwertung forfaitierter Buchforderungen auf Sekundármárkten in der Regel nicht móglich, weil keine fungiblen Sicherheiten vorliegen. Wenn die Forderung durch eine Garande zugunsten des Exporteurs abgesichert ist, mufi aus dem Garantietext hervorgehen, daS die Rechte und Ansprüche aus der Garande zu Finanzierungszwecken auf Dritte iibertragen werden kónnen. Gángig ist, die Abtretung von der schriftlichen Zustimmung des Garanten abhángig zu machen, um eine Weitergabe an <untragbare> Adressen zu vermeiden. Die zu forfaitierenden Forderungen rnussen auf konvertible Wáhrung lauten und i.d.R. durch eine Bank (meist im Land des Schuldners) avaliert sein. Da das auf dem Wechsel angebrachte Aval mit dem Wechsel iibertragen wird, stellt dies die unkomplizierteste Besicherung dar. Móglich sind aber auch separate abstrakte Bankgarantien oder andere Formen der Besicherung. Bei erstklassigen Schuldner wird auf Avale meist verzichtet. Bei Ratenzahlungen ist es gángig, daS der Exporteur von seinem Kunden eine von einer erstklassigen Bank avalierte - Solawechselserie erhált, deren erster Wechsel nach Ablauf einer vereinbarten Frist fállig wird und die anschlieSenden Wechseln in einem vertraglich vereinbarten Rhythmus, meist ais Halbjahrestranchen mit gleich hohen Betrágen (dies ist Bedingung fur eine Hermes-Absicherung). Nach Indossierung verkauft der Exporteur dann das gesamte Wechselpaket «á forfait» an den Forfaiteur. Die Kosten der Forfaitierung umfassen den Diskont (in Abhángigkeit von den Refinanzierungskosten des Forfaiteurs, dem anzukaufenden Risiko, das sich aus der Bonitát des Schuldners, des Importlandes und der Avalbank sowie der Wáhrung und der Restlaufzeit ableitet, auch bezüglich des Zinsánderungsrisikos) sowie eine Bereitstellungsprovision (bei nicht sofortiger Einreichung der Forfaitierungsdokumente), die i.d.R. monatlich im voraus zahlbar ist. Bei der Restlaufzeit werden üblicherweise sog. Respekttage hinzugezáhlt, um die erfahrungsgemáfi der Forderungsbetrag verspátet eingeht. Móglich ist auch eine Optionsprdmie, wenn zwischen Angebotsabgabe und -annahme durch den Exporteur mehr als 48 Stunden liegen. Hermes-besicherte Forderungen (vgl. Abschnitt H-3.2) sind besonders gut forfaitierbar. In der Praxis wird trotz des prinzipiell regrefilosen Verkaufs oft ein Rückgriff auf den Verkáufer vereinbart, falls Hermes nicht innerhalb von 9 Monaten reguliert. International hat sich ein Sekundármarkt gebildet, auf dem Spezialinstitute und Banken vorrangig aus Deutsch- <?page no="168"?> 146 D Finanzierung des Auftenhandels land, GroSbritannien und der Schweiz - Forderungen untereinander handeln. Damit kann ein Exporteur seine Forderung auch dann verkaufen, wenn das von ihm angesprochene Institut selbst nicht zur Übernahme bereit ist. Abb. D-3/ 4 stellt die Unterschiede zwischen Forfaitierung und Factoring heraus. PRAXISTIP Bezüglich der Euro-Einführung: Bei Forfaitierungen, die über das Jahr 2001 hinausgehen, sollte eine Konvertierungsklausel (Kontinuitatsklausel) enthalten sein, die auf den offiziellen Umrechnungskurs des Euro Bezug nimmt. Dies gilt analog bei Factoring. Die Klausel kónnte etwa lauten «xy DM or official Euro-countervalue» («xy DM oder Gegenwert in Euro gemáft offiziellem Umrechnungskurs»). Securization Eine neue Variante der Forfaitierung wird als Securization bezeichnet. Dabei handelt es sich urn die Verbriefung von Forderungen, die dann als Wertpapiere an institutionelle Investoren wie Pensionsfonds und Versicherungen verkaufen werden. Diese Asset Backed Securities (ABS) sind Wertpapiere, die durch einen Pool gleichartiger Forderungen gedeckt sind, beispielsweise aus dem Autoleasing oder Autokreditvertragen. D-3.3. Kreditlinien der AKA Die Ausfuhrkredit-Gesellschaft mbH kurz AKA-Bank oder AKA 7 ist ein von derzeit 36 deutschen Banken getragenes Kreditinstitut, das seit 1952 Exportfinanzierungen anbietet. (Auch verschiedene nicht zur AKA gehórende Kreditinstitute bieten sehr áhnliche Kreditmóglichkeiten an.) Die AKA gewáhrt Lieferantenkredite an deutsche Exporteure (mit abnehmender Bedeutung), vor allem aber Bestellerkredite (gebundene Finanzkredite) an auslándische Káufer oder deren Banken. Bestellerkredite haben den Vorteil, dai? der Exporteur keinen Kredit in seinen Büchern führt, sondern von der AKA direkt bezahlt wird. Die AKA kauft auch Hermes-gedeckte Exportforderungen deutscher Exporteure an (vgl. zu Hermes Abschnitt H-3.2). Die Finanzierungsmittel werden durch die Gesellschafterbanken (Konsortialbanken) zur Verfugung gestellt, soweit die AKA nicht eigene Mittel oder am Geld- und Kapitalmarkt aufgenommene Mittel einsetzt. Die AKA-Zinsen orientieren sich an der allgemeinen Entwicklung des Geld- und Kapitalmarkts, insbesondere an EURIBOR und LIBOR 8 . Das Antragsverfahren láuft über die zum Gesellschafterkreis der AKA gehórende Hausbank des Exporteurs; er kann sich also nicht direkt an die AKA wenden. Der Kreditantrag mul? durch bankübliche Unterlagen unterlegt sein (Beschreibung des Exportgeschafts, Jahresabschlüsse des Exporteurs, ggf. auch des Importeurs, Zahlungsbedingungen, Ausfuhrgenehmigung, Liste móglicher Sicherheiten, Hermes-Urkunde bzw. -Kreditversicherungsantrag etc.). Die Hausbank stellt 7 5 % der erforderlichen Kreditmittel und tragt die entsprechenden Refinanzierungskosten, die iibrigen Gesellschafter der AKA teilen sich die verbleibenden 2 5 % (sog. Konsortialschliissel). Über die Kreditantráge entscheidet der Kreditausschufi der AKA in seinen turnusmafigen Sitzungen, soweit die Gescháftleitung nicht eine eigenstándige 7 AKA Ausfuhrkreditgesellschaft mbH, ursprünglich: Ausfuhrkreditanstalt. 8 EURIBOR: Euro Inter-Bank Offer Rate; LIBOR: London. <?page no="169"?> D-3. Mittel-und Langfristige Exportfinanzierung 147 Abb. D-3/ 4: Unterschiede Forfaitierung/ Factoring Merkmale Wesen Groltenordnung Laufzeit Wan rung Delkredererisiko Politisches Risiko Transferrisiko Finanzierung Voraussetzungen Besonderheiten Forfaitierung Kauf von Exportforderungen ohne Rückgriff auf den Exporteur Einzelgeschafte mindestens 50000 Euro 3 Monate bis 8 Jahre DM, US$, sfr, Yen, FF und Ecu sowie andere Wahrungen, in denen eine kongruente Refinanzierung móglich ist Forfaiteur Forfaiteur Nominalwert der Forderung./ . Diskont erstklassige Schuldneradresse oder gutes Bankaval, ausreichende Bonitát des Importlandes gesamte Abwicklung durch Forfaiteur Export/ Factoring Kauf von Exportforderungen ohne Rückgriff auf den Exporteur Rahmenvertrag Umsatz pro Land und Jahr mindestens 500000 Euro maximal 180 Tage Keine Einschránkung, da Wáhrungsrisiko beim Forderungsverkáufer verbleibt Factor Exporteur 80% des Bruttorechnungswertes ausreichende Bonitát des Lieferanten, des auslándischen Importeurs und des Korrespondenzfactors Buchhaltung, Mahnwesen und Inkasso kann vom Factor übernommen werden Entscheidung fallen kann. Der Kredit wird durch Abtretung der Exportforderung des Exporteurs sowie etwaiger Sicherheiten des Importeurs (z. B. Wechsel) an die AKA in Form einer stillen Zession gesichert. Auch die Hermes-Besicherung ist an die AKA abzutreten. PRAXISTIP Über die Moglichkeiten einer AKA-Finanzierung kann man sich direkt bei der AKA informieren (Grofte GallusstraGe 1-7,60311 Frankfurt/ M; www.akabank.de) oder über die eigene Hausbank, die sehr oft Gesellschafterbank der AKA sein wird. D-3.3.1. Plafond A: Lieferantenkredite Die Kredite der AKA werden aus sogenannten Plafonds gewáhrt. Plafond A (mit nur noch 0,5 Mrd. EUR; Plafonds C und D umfassen zusammen 11 Mrd. EUR) steht fur Lieferantenkredite zur Verfiigung, also Kredite an den Exporteur. Der Kredit kann eine Finanzierung der Fabrikationskosten einschlieSen. Die zugrundliegenden Exportkredite müssen von einer <?page no="170"?> 148 D Finanzierung des AuRenhandels Laufzeit iiber 24 Monaten i.d.R. Hermes-besichert sein. Der Exporteur mu2 eine Selbstfinanzierungsquote von 10% (bei staatlichen) bzw. 15% (bei privaten Abnehmem) iibernehmen, die ggf. bei Befiirwortung durch seine Hausbank entfallen kann. Zudem miissen 10 bzw. 15 % der Vertragssumme als An- oder Zwischenzahlungen des Kunden bis zur Auslieferung getragen werden. Der Exporteur verpflichtet sich, den AKA-Kredit auch dann zu tilgen, wenn der Abnehmer nicht zahlt; er trágt also das voile Exportrisiko (insoweit, als es nicht Hermes-besichert ist), d. h. der Kreditvertrag ist losgelost vom Liefergeschaft (abstrakt). Dem steht nicht entgegen, dafi der Liefervertrag Voraussetzung für den Kreditvertrag ist (Abb. D-3/ 5). BEISPIEL Plafond-A-Kredit, Export an einen privaten Abnehmer: Auftragswert ./ . Anzahlung des Káufers 15% ./ . Selbstbeteiligung des Exporteurs 15% Kredit AKA EUR EUR EUR EUR EUR 1.000.000 150.000 850.000 127.500 722.500 Für Plafond-A-Kredite werden marktiibliche Zinsen verlangt, wobei sowohl feste als auch variable Zinssátze vereinbart werden kónnen. Hinzu kommen Provisionen fur genehmigte Betráge bzw. fur vorzeitige Riickzahlungen in der GróGenordnung von 0,25 % p.a., manchmal mehr. (Bei festen Zinsen sollten die Rechtsfolgen für den Fall vorzeitiger Tilgung analysiert werden! ) PRAXISTIP Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Globalkredit aus Plafond A in Anspruch genommen werden, bei dem der Exporteur in einem vereinfachten Verfahren eine Vielzahl von kurz- und mittelfristigen Ausfuhrgescháften refinanzieren kann, deren Einzelbearbeitung zu aufwendig ware, z. B. Abrufauftráge, i.d.R. für einen Zeitraum zwischen einem und fünf Jahren. Dabei entfallen viele Formalitaten und Kosten, die bei der Finanzierung von Einzelgescháften erforderlich wáren. Die Kreditbesicherung erfolgt über eine Globalzession (Mantelzession), d. h. Abtretung der entsprechenden Exportforderungen an die AKA. Plafond B existiert seit 1996 nichtmehr. Nariirlich werden noch vorher gewáhrte Kredite abgewickelt. Abb. D-3/ 6 gibt einen dem Internet entnommenen - Finanzierungs- und Tilgungsplan der AKA wieder. D-3.3.2. Bestellerkredite: Plafonds C, D, E Für die Gewáhrung von «gebundenen Finanzkrediten», d. h. Krediten an den Importeur (Bestellerkredite) stehen die Plafonds C, D und E zur Verfügung. Plafonds C und D haben zusammen ein Volumen von 11 Mrd. EUR, Plafond E ist nicht begrenzt. Bei Plafonds C und D werden die Finanzmittel nach dem oben erwáhnten Konsortialschlüssel (75: 25) von der Hausbank bzw. den AKA-Konsorten erbracht. C-Mittel werden zu festen oder variablen Zinsen ausgeliehen, D- und E-Mittel sind sog. Margenkredite, d. h. verzinst gemáS EURI- BOR plus Marge (Zuschlag) in Abhangigkeit vom Kreditrisiko. Bei E-Krediten werden die <?page no="171"?> D-3. Mittel-und Langfristige Exportfinanzierung 149 Abb. D-3/ 5: Lieferantenkredit mit Hermes-Deckung* Exporteur i Lieferung (Kredit) KrpHitriirk7ahliincr I | > ^ ° Refinanzierung ^ ^ Sicherungs- \ . abtretung (Kaufpreis, ^ ^ Bundesdeckung) Bank/ AKA auslandischer Besteller Ausfuhrgewahrleistung des ¡ Bundes ! * mit Ausfuhrdeckung des Bundes Kreditmittel nur von der vermittelnden Hausbank (80-90%) und der AKA, nicht aber von den anderen Konsortialbanken aufgebracht. Daher hángt die Kreditentscheidung auch nicht vom Kreditausschul? der AKA ab. Dies erhóht die Vertraulichkeit. Plafonds C, D und E stehen auch fur Bank-zu-Bank-Kredite zur Verfugung (AKA an Importbank), welche die Importbank an ihre Kunden (Importeure) weiterreicht. Abrufbare Bestellerkredite werden direkt an den Exporteur ausgezahlt, um den theoretischen Hin- und Hertausch zwischen AKA, Import- und Exportbank auszuschlieEen. Für den Exporteur ergibt sich also faktisch ein Inlands-Cash-Gescháft eine feine Sache. Abb. D-3/ 6: Musterfinanzierungsplan Plafond A (in T'EUR) Monate ab Genehmigung / Kreditvertragsabschluft Aufwendungen ./ . Zahlungseingánge ./ . 10% Selbstfinanzierungsquote Kredit Tilgungmit90% der Exporterlóse kumulativer Kreditbetrag 1 2 6 9 12 18 24 30 36 42 48 54 60 66 72 300 200 300 100 100 50 100 85 85 85 85 85 85 85 85 85 85 250 200 300 100 - 25 20 30 10 - 225 180 270 90 - 76 77 76 77 76 77 76 77 76 77 225 405 675 765 765 689 612 536 459 383 306 230 153 77 - Cesamtauftragswert: EUR 1.000.000,- Zahlungsbedingungen: 5% Anzahlung bei Vertragsabschluft 10% gegen Verschiffungsdokumente 85% in 10 gleichen Halbjahresraten, deren erste 6 Monate nach Lieferung fallig wird Quelle: www.akabank.de <?page no="172"?> 150 D Finanzierung des AuRenhandels Der Hochstbetrag des Einzelkredits, der dem Importeur gegen Sicherheiten, z. B. Bank- oder Staatsgarantien auf Antrag der Hausbank des Exporteurs gewáhrt wird, entspricht dem um An- oder Vorauszahlungen verminderten Auftragswert. Grundsatzlich bei der AKA sollte der Mindestbetrag 500.000 EUR sein, doch sind auch kleinere Summen finanzierbar. Auch andere Kreditanbieter finanzieren selten unter 125.000 EUR. In mirtelstandigen Unternehmen liegt der Kreditschwerpunkt bei Summen zwischen 250.000 und 1 Mio. EUR. Im Plafond C kónnen neben variablen Zinsen auch einzelfallbezogene Zinssátze vereinbart werden; die Zinssátze in Plafond D beruhen auf EURIBOR oder LIBOR; in Plafond E sind auf Vorschlag der Hausbank sámtliche marktorientierten Zinsgestaltungen móglich (fest, variable, LIBOR etc.). Gebundene Finanzkredite sind vom Kreditnehmer in gleichhohen Halbjahresraten zu tilgen. Ein AKA-Bestellerkredit muE durch eine (Hermes-)Gewáhrleistung des Bundes abgesichert werden (Abb. D-3/ 7). Der Exporteur muí? gegeniiber der AKA eine meist «Exporteurgarantie» genannte Verpflichtungserklarung abgeben, daE er zum einen die Zahlung der Entgelte fur die Gewáhrleistungen des Bundes übernimmt sowie fur die von Hermes nicht gedeckten 5% (Selbstbehalt der AKA) haftet, zum anderen auch dafiir, daS der Besteller berechtigterweise Zahlungen zurückhált, Hermes zwar die AKA kompensiert, aber Regrei? auf den Exporteur nimmt. Zudem muS der Exporteur auch Kosten der Bank iibernehmen, die bei der Kreditverfolgung entstehen kónnen (z. B. Reisekosten zum Schuldner). Vgl. auch Abschnitt Hermes H-3.2. BEISPIEL Plafond-C-Kredit, Export an einen privaten Abnehmer: Auftragswert EUR 1.000.000 ./ . Anzahlung15% EUR 150.000 Kredit AKA EUR 850.000 Üblicherweise werden davon 95 % Hermes-besichert, die 5 % ige nichtabwálzbare Selbstbeteiligung trágt die Hausbank, wofür der Exporteur eine Exporteursgarantie abgibt. Abb. D-3/ 7: Bestellerkredit* Exporteur Exporteurgarantie Kaufpreis Lieferung Besteller Bank/ AKA Darlehen Finanzkreditdeckung des Bundes * mit Kreditdeckung des Bundes <?page no="173"?> D-3. Mittel- und Langfristige Exportfinanzierung 151 Plafonds-D-Kredite kónnen auch in einigen auslandischen Wahrungen gewahrt werden. Sie sind sog. Margenkredite, bei denen sich die Verzinsung nicht an den deutschen Zinssátzen, sondern an internationalen Interbankenzinsen orientiert, zu denen die AKA einen Lander risiko-abhángigen Aufschlag (Marge) addiert. Auch bei den Bestellerkrediten werden in zunehmendem MaSe Grundvertrage (ohne Betragslimit) oder Rahmenvertrage (mit Betragslimit) mit vereinfachter Dokumentation mit auslandischen Unternehmen in derzeit 30 Lándern abgeschlossen. Unter Plafonds C, D und E kauft die AKA wie fast alie groSen Kreditinstitute auch Hermes-gedeckte Exportforderungen zu marktiiblichen Bedingungen an, i.d.R. nur ab 100.000,- DM. Diese Forfaitierungen kónnen offen (mit Benachrichtigung des Schuldners) oder verdeckt erfolgen. Ob man als Exporteur einen Lieferantenkredit unter Plafond A oder einen Bestellerkredit unter Plafond C (bzw. D) bevorzugt, hángt zum einen von der Bilanzoptik ab. Ein Lieferantenkredit erscheint ais Forderung im Umlaufvermógen, ein Bestellerkredit (nach Auszahlung) ais Liquiditát. Die erforderliche «Exporteurgarantie» (siehe vorstehend) muS als Eventualverbindlichkeit <unter dem Bilanzstrich> bilanziert werden (in der Steuerbilanz nicht anerkannt). Zum anderen ist ein 'Bestellerkredit fiir den Besteller teurer, so daE die Wettbewerbssituation eine Rolle spielt. Und schlieSlich diirfte die zu erzielende Verzinsung bei einem Lieferantenkredit hóher sein ais der Einsatz des Cash Flows in einer Finanzanlage (z. B. am Euromarkt). Wer es sich also liquiditátsmáSig leisten kann, kann durch eigene Kreditgewáhrung eine hóhere Rendite erwirtschaften. In jedem Fall ist es wichtig (weil Voraussetzung fiir den AKA-Kredit), daE Hermes Deckung gewahrt. Wir kommen im Abschnirt H-3.2 darauf zuriick. D-3.3.3. CIRR-Kredite Seit neuestem bietet die AKA sogenannte CIRR-Kredite an (Commercial Interest Reference Rate) (Gesamtvolumen: 250 Mio. Euro p.a. revolvierend), die nicht aus den Volumina der Plafonds finanziert werden. Dabei handelt es sich um Mittel aus dem ERP-Sondervermógen, das grundsátzlich von der KfW verwaltet wird, und bei denen die KfW als Kreditgeber firmiert (Abschnirt D-3.4). CIRR-Mittel der AKA kónnen jedoch von der Hausbank des Exporteurs direkt vermittelt werden, so daE diese allein als Kreditgeber auftreten kann. Der CIRR ist ein Referenzzinssatz, den die OECD ihren Mitgliedstaaten als Mindestzinssatz fiir staatliche gefórderte Finanzierungen von Investitionsgiiterexporten und den damit verbundenen Leistungen in Entwicklungslánder vorgibt (vgl. anschlie&nd). In den Lándern der Euro-Zone gilt ein einheitlicher CIRR-Satz, aber national kónnen unterschiedliche Fórderungskriterien angewendet werden. Deutschland begrenzt die Forderung beispielsweise nur auf Entwicklungslánder, die in einer bestimmten Liste des Development Assistance Committee (DAC) der OECD aufgefiihrt sind (dabei sind die meisten sog. Transformationslánder ausgeklammert). CIRR-Kredite • sind mittelbis langfristige Bestellerkredite oder Bank-zu-Bank-Kredite (mindestens vier Jahre), • beziehen sich auf deutsche Lieferungen und Leistungen (mit zulássigen Zulieferungen aus der EU), <?page no="174"?> 152 D Finanzierung des AuRenhandels • finanzieren max. 85% des tatsáchlichen Auftragswertes (nach Abzug der An- und Zwischenzahlungen), • werden in Euro oder USD gewáhrt (USD-Kredite erfordern eine lángere Bearbeitungszeit) und pro rata direkt an den Exporteur nach Erfiillung der Auszahlungsvoraussetzungen ausgezahlt, • haben einen festen Zinssatz (jeweils bei VertragsabschluS giiltige CIRR 5 ), zuziiglich Bereitstellungsprovision, • erfordern eine Hermesdeckung (Finanzkreditbiirgschaft oder -garantie), i.d.R. mit nicht • abwálzbarem Selbstbehalt von 5% • und werden in gleichhohen Halbjahresraten getilgt. D-3.3.4. Exkurs: Der OECD-Konsensus Um zu verhindern, daS sich durch unterschiedliche staadiche Hilfestellung diskriminierende Exportfórderungspraktiken ergeben, wurde 1978 von den Mitgliederstaaten der OECD ein Abkommen iiber Leitlinien fiir staatlich finanzierte und staatlich abgesicherte Exportkredite abgeschlossen. Die Regelungen dieses sog. OECD-<Konsensus> sind in Abhángigkeit vom Pro-Kopf-Einkommen nach Lánderkategorien reiche, mittlere, arme Lander: Kategorie I, II bzw. Ill differenziert. Sie erstrecken sich u. a. auf die mindestens und maximal abzusichernde Kreditlaufzeit, die Hóhe der vom Káufer zu erbringenden Mindestanzahlung bzw. -Voraus- oder Zwischenzahlungen, die beschránkte Einbeziehung órtlicher Kosten in die Kreditsumme sowie auf Mindestzinssátze (wiederum nach Lándergruppen differenziert). Fur relativ arme und mittlere Lander gelten dabei sog. Tabellenzinssátze ais Mindestzinsen, die sich aus den Umlaufrenditen óffentlicher Anleihen ableiten; fiir <reiche> Lander gelten bestimmte Referenzzinssátze des kommerziellen Kapitalmarktes als Mindestzins (Commercial Interest Reference Rate, CIRR), die jeweils am 15. eines Monats festgelegt werden (vgl. vorstehend Abschnitt D-3.3.3). Wenn ein Mitglied gegen diese Bestimmungen verstófSt, kónnen die anderen Mitglieder gleichziehen und ihren Exporteuren die gleichen Konditionen gewáhren. Auf EG-Ebene gibt es bisher keine Harmonisierung der Export¿reáí£-Konditionen (Abschnitt H-3.2). D-3.3.5. Projektfinanzierungen Auf Antrag der Hausbank kónnen auch Projektfinanzierungen - Flugháfen, Staudamme, Kraftwerke, Pipelines, Brücken, Tunnel, Kupferabbau, Hotels, Schiffe usw. iiber die AKA abgewickelt werden. Bei Projektfinanzierungen kniipft die Kreditgewahrung nicht an die Bonitát bzw. Sicherheiten des Kreditnehmers an, sondern an die Hartwáhrungserlóse {cash flow) und die Ertragskraft des Projekts, aus der heraus der Schuldendienst zu leisten ist. Meist werden groEere Konsortien gebildet, die eine Ad-hoc-Gesellschaft griinden. Die Erfolgsaussichten eines Projekts und die entsprechenden Risikoanalysen sollten auf der Basis pessimistischer Szenarien erfolgen. Die AKA-Kreditbedingungen orientieren sich meist an den Plafond-D-Bedingungen. Bei sog. BOT-Projekten build, operate, transfer beteiligen sich die Exporteure kapitalmáfiig an der Projekttrágergesellschaft, ubemehmen fiir einen bestimmten Zeitraum zusammen mit dem ' Diese kónnen dem Internet entnommen werden: www.akabank.de oder www.oecd.org. <?page no="175"?> D-3. Mittel-und Langfristige Exportfinanzierung 153 Abnehmer das Betreiberrisiko (oft vor Hintergrund von staatlichen Garantien, die auf Offs/ ? ore-Treuhandkonten deponiert sind) und übertragen diesem das Projekt nach Ablauf der Kreditlaufzeit. Der Kredit soil sich aus dem cash flow des Projekts amortisieren. Hierfur sind meist sehr aufwendige (extern zu erstellende) Feasibility-Studien erforderlich. Bei BOT-Projekten fliefen die Ertráge wáhrend einer Operationsphase den Investoren zu, bevor das Projekt nach Ablauf einer vereinbarten Zeit an den Auftraggeber übertragen wird (Transfer). Bei BOO-Projekten (Build Operate Own) bleibt das Projekt im Eigentum der Investoren. Projektfinanzierungen sind nicht nur wegen der meist erheblichen Volumina mit besonderen Risiken verbunden. Sie beziehen sich auf das Projektrisiko im eigentlichen Sinne, auf die Risiken, die sich aus den Projektbetreibern ergeben, und aus dem politischen Risiko (Lánderrisiko). Das Projektrisiko wiederum unterteilt sich in die Projektphasen (Errichtungrisiko der Projektgesellschaft, Produktions- und Betriebsrisiko, Marktrisiko und Finanzierungsrisiko). Keiner der Beteiligten zu denen Darlehensgeber, Anlagenbauer, Rohstofflieferanten, Lizenzgeber, Abnehmer, Sponsoren und das Gastland záhlen kann oder will diese Risiken allein tragen. Daher ist eine Risikoverteilung durch ein Geflecht von Vertrágen sinnvoll. Das Risiko der Nichtfertigstellung des Projekts wird meist im Rahmen eines Turnkey-Vertrages oder einer Fertigstellungsgarantie (completion guarantee) auf den Anlagelieferanten übertragen. Dieser muS meist auch das Risiko der Kostenüberschreitung tragen, sofern nicht ein Sponsor eine NachschufSverpflichtung übernimmt. Diese kann ggf. limitiert werden. Zur Absicherung der Risiken aus Rohstoffmangel oder zu geringem Absatz werden gerne langfristige Liefervertráge geschlossen. Dem unternehmerischen Risiko schlechten Managements kann durch Einbau einer professionellen Gescháftsführungsgesellschaft begegnet werden. Sachscháden sind versicherbar, Umweltscháden nur begrenzt, so daS hier erhebliche Belastungen auftreten kónnen: Durch Umweltaudits kónnen die Umweltrisiken zwar analysiert werden, sie schlieSen aber in der Regel Altlasten aus. Im englischen Rechtskreis ist dabei die lenders liability verbreitet, nach der der Darlehensgeber aufgrund der ihm gewáhrten dinglichen Sicherheiten auch für die Umweltrisiken des Objekts einzustehen hat. Politische Risiken wie Enteignung, Krieg, Nichterteilung von Lizenzen und Genehmigungen etc. sind schwer vorherzusehen und kaum ex ante zu beherrschen. Eine Einbindung des Gastlandes in diesen Risikokreis ist daher sinnvoll. In vielen Projekten wollen sich die Beteiligten durch eine Force-majeure-Klausel (Hóhere Gewalt) absichern, wonach sie für Scháden aufgrund Krieg, Naturkatastrophen, Rechtsanderungen etc. für die Dauer der Hóheren Gewalt nicht einstehen. Aus der Sicht des Begünstigten ist darauf zu drángen, daS solche Ausschlufiklauseln auf ein Minimum begrenzt werden. D-3.4. Kreditlinien der KfW Die staatliche Kreditanstalt für Wicdcraufbau (KfW) 10 ist 1948 zur Abwicklung des «Marshall-Plans» (European Recovery Programme, ERP) gegründet worden. Sie wird zu 80% vom Bund und zu 20% von den Lándern getragen. Hire Aufgabe ist allgemein die Fórderung der inlándischen Wirtschaft. Sie bietet heute neben anderen Aufgaben im In- und Ausland, insbesondere auch in den ostdeutschen Bundeslandern und im Rahmen der finan- 10 Kreditanstalt für Wiederaufbau, Palmengartenstrafie 5-9, D-60325 Frankfurt/ M., www.kfw.de. <?page no="176"?> 1 5 4 D Finanzierung des AulSenhandels ziellen Entwicklungszusammenarbeit mit Entwicklungslándern, auf die hier nicht einzugehen ist wie die AKA Besteller- und Lieferantenkredite an, ist jedoch lángerfristiger orientiert als die AKA: Gegenstand der Finanzierung sind langlebige Investitionsgiiter und die damit in Zusammenhang stehenden Leistungen. Langfristige Lieferantenkredite mit mindestens 4 Jahren Laufzeit werden dem Exporteur seitens der KfW gewáhrt zur Refinanzierung eines dem Importeur eingeraumten Zahlungsziels. Dabei mui? die Hausbank des Exporteurs die Haftung iibemehmen. Auch die KfW erwartet (meist) die international iibliche Eigenbeteiligung (Selbstfinanzierung, meist durch Anzahlungen des Kunden) von 15% seitens des Exporteurs. In bestimmten Fallen kann auch diese Quote durch die KfW finanziert werden. Zudem verlangt die KfW eine Hermes- Deckung und die Übertragung der Ansprüche aus dem Exportgescháft sowie eine Garantie des Exporteurs beziiglich der Hermesprámie. Für den in der Hermes-Deckung verbleibenden Selbstbehalt von 5 % stellt die KfW keine gesonderte Risikopratnie in Rechnung. Bei Hermes-gedeckten Krediten (auch bei den nachfolgenden Bestellerkrediten) erfolgt die Tilgung in gleich hohen Halbjahresraten nach dem Starting Proint der Darlehenslaufzeit: Dieser kann aber flexible vereinbart werden, z. B. Datum der letzten gróSeren Lieferung, oder mittlerer Liefertermin, oder Beginn der Betriebsbereitschaft. Die durchschnittliche Kreditlaufzeit liegt zwischen 8 und 10 Jahren. Wie bei der AKA kónnen Bestellerkredite an auslándische Unternehmen, ggf. auch als Bankzu-Bank-Kredit gewáhrt werden (Corporate-Finanzierungen). Diese Kredite kónnen vom deutschen Exporteur oder vom auslándischen Káufer beantragt werden. Sie kónnen mit und ohne Hermes-Besicherung ausgelegt werden und haben eine Mindestlaufzeit von vier Jahren. Die Hauptkreditwáhrungen bei Bestellerkrediten sind Euro und USD, aber auch britisches Pfund, Yen und schweizer Franken sind móglich. Alternativ kónnen feste oder variable Zinsen vereinbart werden. Bei Entwicklungslándern orientiert sich der Zins an der CIRR (vgl. oben). In der Regel wird eine 15%ige Eigenfinanzierung des Importeurs verlangt. Die Auszahlung der verbleibenden 85 % erfolgt ohne Abzug ggf. pro rata an den Exporteur. In bestimmten Fallen ist auch eine 100%-Finanzierung móglich. Der Exporteur mul? die Hermes-Kosten übernehmen. Voraussetzung ist eine Sicherstellung des Kredits durch eine Zahlungsgarantie eines erstklassigen auslándischen Garanten; teilweise kónnen auch Staatsgarantien genutzt werden. Bei Bank-zu-Bank-Krediten kann auf den auslándischen Garanten ggf. verzichtet werden. Zur Vereinfachung insbesondere wiederkehrender kleinerer Kredite kónnen mit Unternehmen oder Banken im Ausland Rahmenkredite vereinbart werden. Neben KfW und AKA bieten auch Gescháftbanken und Girozentralen langfristige Kredite für die Exportfinanzierung an. Die KfW fórdert auch Investitionen mittelstándischer Unternehmen im Ausland («Mittelstandsprogramm», insbesondere die Griindung von Tochterunternehmen und Joint Ventures). Ihr Jahresumsatz darf 500 Mio. Euro nicht iiberschreiten, und sie miissen sich mehrheitlich in Privatbesitz besitzen. Die Finanzierung erstreckt sich auch auf Anlaufkosten bei Griindung oder Erweiterung des Gescháftsbetriebs (einschlieSlich - oder separat von Feasibility-Studien oder Ausbildungskosten von Mitarbeitern) (in Hóhe von maximal 30% der gesamten Investitionskosten). Die Laufzeit hángt von der Investition ab (Maschinen und Anlagen bis zu 10 Jahren, Bauinvestitionen bis zu 20 Jahren). <?page no="177"?> D-3. Mittel-und Langfristige Exportfmanzierung 155 Besonders gefórdert werden umweltrelevanten Investitionen. Die Darlehen kónnen in Euro, GBP, USD oder Yen beantragt werden, mit variablen oder festen.Zinsen (Yen nur variabel), die um rd. 0,25 Prozentpunkte unter dem <normalen> Mittelstandsprogramm liegen. Der Kredithóchstbetrag betrágt in beiden Programmen 5 Mio. Euro. Dabei kónnen 2-3 tilgungsfreie Jahre gewáhrt werden. Die Tilgung erfolgt wie international allgemein iiblich in gleichhohen. Halbjáhrlichen Raten. Die KfW vergibt ihre Kredite über ein durchleitendes Kreditinstitut. Dieses iibernimmt auch die Haftung fiir die Kredite (Primárhaftung). In bestimmten Fallen stellt die KfW das Kreditinstitut von 50% dieser Haftung frei, sofern das Unternehmen mit Sitz in Deutschland als Antragsteller, Mithafter oder durch Stellung von Sicherheiten in das Kreditverhaltnis eingebunden ist. D-3.5. Bundesmittel und EU-Mittel Das Bundesministerium fur wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstiitzt privatwirtschaftliche Engagements deutscher Unternehmen in Afrika, Lateinamerika und Afrika. Dabei werden offentliche und private Mittel kombiniert (Public Private Partnership, PPP). Unterstiitzt werden Neugriindungen (Tochtergesellschaften, Joint-Ventures) und Erweiterungen von Unternehmen in den Zielregionen, ferner Umweltschutzinvestitionen, Aus- und WeiterbildungsmaSnahmen und Know-how-transfer (vor allem fur Mitarbeiter von Zulieferern und Kunden in den Zielregionen), Qualitátssicherung von Zulieferern, Zertifizierung von Produkten und Produktionsverfahren sowie Produkt- und Produktionsanpassungen ah lokale Gegebenheiten sowie die Kofinanzierung von Prototypen und Pilotanlagen. Unter PPP werden bis zu 50% der Investitionen bzw. Kosten bis zu max. 120.000 Euro pro Jahr und Projekt als verlorene Zuschiisse iibernommen. 11 Auch die staatliche DEG (Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH, www. deginvest.de)* in Koln vermittelt Auslandspartner fur Direktinvestitionen und bietet langfristige Darlehen, Risikokapital, Biirgschaften und Garantien im Rahmen der Projektfinanzierung und vermittelt andere Finanzierungen, u. a. aus Mitteln der EG. Die in London (! ) ansássige Osteuropabank hat sich auf die mittel- und osteuropáischen Transformationslander spezialisiert. Die Europáische Union unterstiitzt Kleine und Mittlere Unternehmen der EU bei der Griindung grenziiberschreitenden Gemeinschaftsunternehmen («Joint-Venture-Programm»; vgl. auch Abschnitt B-é, insbesondere B-6.7 und B.-6.8). D-3.6. Finanzierungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit Im Rahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Entwicklungslandern (Entwicklungszusammenarbeit, EZ; «Entwicklungsbilfe») gibt es eine Reihe von Finanzierungsmóglichkeiten (Abb. D-3/ 8). Im Rahmen der Kapitalhilfe (finanzielle Zusammenarbeit, FZ) werden Projekte finanziert, deren Auftragsvergabe i.d.R. durch eine internationale, ggf. auch nur durch eine auf die Bundesrepublik begrenzte Ausschreibung seitens des begünstigten Ent- 11 Náhere Informationen gibt die Europa Bank AG, B.P. 734, L-2017 Luxemburg, oder das Institut der deutschen Wirtschaft, Kóln. * seit 2001 mit der KfW fusioniert. <?page no="178"?> 156 D Finanzierung des Aultenhandels wicklungslandes erfolgt. Mit FZ-Mitteln wird auch die sog. Warenhilfe finanziert, bei der dem Entwicklungsland bestimmte Giiter zur Verfiigung gestellt werden. Interessierte Exportunternehmen kónnen sich iiber Publikationen der Bundesstelle für Aufienhandelsinformationen (BfAI) in Kóln informieren, insbesondere durch die «Mitteilungen für Weltwirtschaftliche Zusammenarbeit» (MWZ). Abb. D-3/ 8: Entwicklungshilfe-Finanzierung Viele Auftrage durch Entwicklungsbanken Deutsche Kapitalhilfe für Dritte Welt / Über Auftrage 84 Prozent flieBen zuriick £{ Entwicklungshilfe für weniger Lander 37 bevorzugte Partnerlander gb. PARIS, 13. Februar. Die Zahl der bevorzugte Partnerlander bezeichnet. Empfángerlander, die in den GenuB AuBerdem ist die deutsche Entwickder bilateralen deutschen Entwicklungspolitik dadureh gekennzeichnet, lungshilie kommen, wurde von 118 dafi die multilateralen Hilfsprogramme aul 70 reduziert. 37 davon werden ais einer Überprüfung unterzogen werden. Auch im Rahmen der technischen Zusammenarbeit (TZ), dem zweiten Bein der EZ, werden gleichfalls Liefer- und Leistungsauftrage vergeben, welche iiber die staatliche Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH in Eschborn nach der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) und für Bauleistungen (VOB) abgewickelt werden. Die BfAI macht auch diese Ausschreibungen bekannt. Auch im Rahmen der vom Europdischen Entwicklungsfonds (EEF) finanzierten Projekte erfolgen Ausschreibungen. Über MaÉnahmen der Europdischen lnvestitionsbank (EIB) im Rahmen des Lomé-Abkommens oder aufgrund von Assoziierungs- und Kooperationsabkommen mit Lándern des Mittelmeerraums informieren die erwáhnten MWZ der BfAI. SchlieSlich kónnen deutsche Untemehmen auch an Ausschreibungen teilnehmen, die von verschiedenen multilateralen Entwicklungshilfeinstitutionen durchgefiihrt werden, u. a. von der Weltbankgruppe [hierzu gehóren Weltbank: International Bank for Reconstruction and Development (E3RD), die International Development Association (IDA) sowie die International Finance Corporation (D? C)], ferner die Asian Development Bank (ADB), Banco Interamericano de Desarrollo (BED), African Development Fund (ADF), African Development Bank (ADB), diversen Organisation den der Vereinten Nationen, u.a. UN Development Programme (UNDP, New York), UNEP (United Nations Environment Programme), Nairobi, UN High Commissioner for Refugees (UNHCR) Genf, Food and Agricultural Organization (FAO, Rom), World Health Organization (WHO, Genf), International Labour Organization (ELO, Genf) oder Industrial Development Organization (UNIDO, Wien) (es gibt noch mehr). In Genf findet alie zwei Jahre die internationale Beschaffungsmesse WORLDAID start (www.bmwi.de) (Abb. D-3/ 9). Die IFC finanziert private Investitionen, oft in Zusammenarbeit mit der MIGA (Multilateral Investment Guarantee Agency), die auch zur Weltbankgruppe gehórt und das politische Risiko privater Investitionen abdeckt (vgl. dazu Abschnitt B-6.7.7). Ein Engagement der IFC <?page no="179"?> D-3. Mittel-und Langfristige Exportfinanzierung 157 Abb. D-3/ 9: Internationale Ausschreibungen Ausschreibungen EG-finanzierter Vorhaben Nr. 3437 - Caricom Secretariat Gegenstand der Leistung: Lieferung, Montage und Inbetriebnahme von einer Wáhl- Nebenstellenanlage. Vorhaben Nr.: 5100.02.01.189 Ausschreibungsunterlagen (in englischer Sprache): SOFRECOM, M. C. Coste, 24, avenue du Petit Pare, F-94307 Vincennes Cedex. Preis der Unterlagen: 200 FF (ca. 30,- Euro). Angebotsschluft: 29. September 2001 Ausschreibungen der Weltbank und anderer Entwicklungsbanken Áthiopien: Addis Ababa Administrative Region Project, Implementation Office, Harámbee Building, 3rd Floor, House No. 904-13, P.O. Box 6921, Addis Ababa (Tel. 15-37-92, 15-33-46): Tender No. 2161-ET: Supply, in eight lots, of miscellaneous equipment, machinery and vehicles for the Second Addis Ababa Urban Development Project. Lastenheftgebühr: 150 Br. AngebotsschluG: 15. April 2001 bei einem privaten Investitionsvorhaben hat oft Signalfunktion fiir andere Kapitalgeber und kann als Multiplikator wirken. Die IFC berechnet bankeniibliche Zinsen und Gebiihren. Neben Krediten konnen auch Einlagenfinanzierungen beschafft werden. PRAXISTIP MIGA und IFC bieten einen gemeinsamen Beratungsservice FIAS an (Foreign Investment Advisory Service), der auf einem breiten Informationspotential (bis hin zu administrativen Details) beruht und auch Risk-Management-Beratung einschlieftt. MIGA und IFC sind durch Reprásentationsbüros in Frankfurt am Main vertreten. Die Weltbank unterhált ein Business Partnership Centre in Washington. Auch die IHKs konnen meist Kontakte vermitteln. Viele Unternehmen nutzen die sehr zahlreichen EU-Programme, aus denen Zuschiisse zu erhalten sind. Die gróSten Chancen haben dabei Projekte, die eine deutlich <europaische> Prágung haben, sei es in Bezug auf Forschung und Technologie (mit einem besonders breiten Forderungsprogramm) oder sonstige Kooperationen, die nicht selten auch in der Form der «Europáischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung» (EWTV) organisiert sind (vgl. Abschnitt E-7). Die Einhaltung der Formvorschriften bei der Antragstellung erscheint oft wichtiger als der Inhalt; die Prozeduren sind oft miihsam und langwierig. Viele Mittelstándler scheuen daher den Aufwand, aber wer es sich leisten kann, den dornigen Antragsweg zu Ende zu schreiten, kann oft nachhaltige finanzielle Unterstützung erhalten (Kontakt: research@cec.eu.int). <?page no="180"?> 158 D Finanzierung des AuBenhandels PRAXISTIP Mittlerweile gibt es zahlreiche private Dienstleister, die sich im EU- Dschungel auskennen, Forderungsmoglichkeiten zeigen kónnen und bei der Antragstellung und Abwicklung Unterstützung anbieten. D-3.7. Exkurs: Der Euromarkt und Off-shore-Markte Um es vorweg zu nehmen: Der Begriff «Euromarkt» bezieht sich nicht auf die europáische Wáhrung <Euro>, sondern auf spezielle Geld- und Devisentransaktionen. Der Euromarkt, auch Off-Shore-Markt oder Xe«o-Markt u genannt, umfaíSt alie Geld- und Kreditgescháfte in einer Wáhrung aufierhalb ihres Geltungsbereichs als gesetzliches Zahlungsmittel, sog. Fremdwáhrungsgeschafte. Diese kónnen in jeder beliebigen Wáhrung durchgeführt werden, weshalb man auch von Euro-Dollar-, Euro-DM- oder Euro-Pfund-Markt spricht. Eine Euro-Dollar-Transaktion kónnte sich beispielsweise zwischen einer deutschen und einer franzósischen Bank auf Dollarbasis abwickeln. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Euro- Geld-, Euro-Kredit- und Euro-Kapital-Markt (vgl. unten). Der Euromarkt ist in den 50er Jahren entstanden. 1958 fiihrten die wichtigsten westeuropáischen Staaten die Konvertibilitát ihrer Wáhrungen ein. Gleichzeitig wiesen die USA ein grofses, anhaltendes Zahlungsbilanzdefizit aus, so da(? die am Weltmarkt <schwimmenden> US-Dollars Anlagemoglichkeiten auEerhalb der USA suchen muSten, weil die USA Hóchstzinssátze für kurzfristige Einlagenin amerikanischen Banken (sog. Regulation Q des Federal Reserve Act) sowie weitere restriktive MaSnahmen einführten. Zudem harte GroSbritannien 1957 Kontrollen für Pfund-Kredite an Gebietsfremde eingeführt. Da andererseits nichtamerikanische Nachfrager nur in eingeschránktem MaSe Dollarkredite bei amerikanischen Banken erhalten konnten, bildete sich (zunáchst in London) der Euro-Dollar-Markt heraus. «Euro» leitet sich aus dem Telex-Kiirzel der sowjetischen Staatsbank in London ab. Im Zeitablauf entstanden weitere Euromárkte u. a. in Paris, Zurich, Luxemburg (dort insbesondere ein Euro-DM-Markt), den Bahamas, den Cayman-Inseln, Niederlándische Antillen, Panama, Bahrein, Hongkong, Singapur, Tokyo («Asien-Dollar-Markt»), sogar seit 1981 in New York selbst: 13 Die Bezeichnung «Euro-» ist also nicht geographisch zwingend, und offshore liegt nicht auf Hoher See (Abb. D-3/ 10). Vielfach sind Banken an den Off-shore- Plátzen nicht als Institute prásent, sondern unterhalten blofie Briefkastenfirmen. Neben den bereits <vagabundierenden> Eurodollars erhielten die Off-shore-Márkte einen gewaltigen Schub durch die Überschüsse der OPEC-Staaten im Zuge der Olkrisen 1973/ 1979. Aus dieser Zeit stammt auch eine mógliche Beschránkungen des Kapitalzuflusses nach Deutschland im Auftenwirtschaftsgesetz: Um ein Aufbláhen der Geldmenge durch Kreditzuflüsse aus dem Ausland zu neutralisieren, kann vorgeschrieben werden, dafs ein Teil dieser Mittel bis zu 100%! zinslos bei der Bundesbank hinterlegt werden muS (Bardepot). Damit wird natürlich der eventuelle Zinsvorteil eines Eurokredits hinfállig, und man láfit es. Rund 20 % des internationalen Bankgescháfts laufen über die Off-shore-Márkte. Zum Eurogeldmarkt záhlen wie bei alien Off-shore-Márkten - Sichtguthaben bei Gescháftsbanken, vorrangig Termineinlagen mit festen Laufzeiten zwischen 1 Tag (over-night money) a Xeno (griech.) = fremd. u Allerdings als International Banking Facility; auf die Abgrenzung solcher «Bankenfreizonen» zum Euromarkt kann hier verzichtet werden: die Kriterien sind eng verwandt. <?page no="181"?> D-3. Mittel-und Langfristige Exportfinanzierung 159 Abb. D-3/ 10: Off-Shore-Zentren Pazifik Samoa Cook- Inseln Marshall- Inseln Nauro Vanatu Niue Tonga Karibik Caiman- Inseln Tures and Caicos Bahamas Bermudas Jungfem- Inseln St. Kitts and Nevis Anguilla Antigua St. Lucia Barbados St. Vincent Aruba NId. Antillen Grenada Dominica Montserrat Europa Dublin (Irl.) Guernsey Jersey Isle of Man Gibraltar Andorra Luxemburg Liechtenstein Schweiz Monaco Malta Zypern Naher Osten/ Afrika Libanon Bahrein Israel Liberia Seychellen Malediven Mauritius Ostasien Singapur Thailand Philippinen Macau Hongkong Mittelamerika Costa. Rica Panama Belize Ostasien spielt eine immer grofiere Rolle am Euro-Kreditmarkt und einem, drei, sechs oder zwólf Monaten, die als Kredite oder sofern sie verbrieft sind (Depositenzertifikate [CD's], Euro-Commercial Papers [ECP's], Euronotes; vgl. nachstehend) als Wertpapiere auf dem Sekundarmarkt gehandelt werden. Rund 8 0 % des Volumens des Eurogeldmarktes wird in Dollar abgewickelt, etwa 1 5 % in Euro, gefolgt vom schweizer Franken und dem englischen Pfund. Die Zinssátze sind sog. Interbankensátze, die sich an den verschiedenen Euromárkten frei bilden. Der bekannteste ist dabei der LIBOR (sprachlich eigentlich «die»: ), die «London Inter-Bank Offered Rate», also ein Angebotszinssatz (Briefsatz). Im konkreten Eurokredit-Geschaft orientiert sich der Zins dabei am LIBOR, indem dieser je nach Bonitát um kleinere oder grofiere Zuschláge (Margen) erhóht wird (z. B. Libor plus 75 Basispunkte 14 ). Neben dem LIBOR gibt es vor allem den EURIBOR fur den Euro als Referenzzinssatz. Das Pendant zum LIBOR ist der LIBBD, die London Interbank Bid Rate, also ein Nachfragezinssatz. Der entsprechende Mittelwert wird LIMEAN genannt. Off-shore-Markte zeichnen einige Besonderheiten aus, aufgrund derer die Euromarktzinsen niedriger sind ais auf den nationalen Márkten. Erstens unterliegen sie im Gegensatz zu nationalen Geld- und Kreditmarkten keiner wáhrungspolitischen Kontrolle einer Zentral- 14 Z.B. 6,15 plus 0,75 = 6,9%. <?page no="182"?> 1 6 0 D Finanzierung des Aultenhandels bank; insbesondere besteht keine Mindestreservepflicht, die ja wegen ihrer Unverzinslichkeit wie eine Steuer wirkt. Zudem existiert keine oder nur eine minimale Bankenaufsicht. Aufierdem ist die Steuerbelastung an vielen Euromarktplátzen sehr niedrig, und aufgrund der (relativ) wenigen, aber meist sehr groSen Marktteilnehmer halten sich auch die Personal- und Verwaltungskosten der Eurobanken in Grenz'en. Zweitens vollzieht sich die Kredittransaktionen am Euromarkt ohne Stellung von Sicherheiten, was einen weiteren Kostenvorteil bedeutet: Das Verwalten von Sicherheiten ist kostspielig (Urkunden beziiglich Lágern, Forderungen, Grundschulden, persónlichen Biirgschaften etc.). Das Teilnehmerspektrum ist daher auf «Adressen» allererster Bonitát begrenzt: Der Euromarkt besteht in erster Linie zwischen Geschaftbanken, Wáhrungsbehórden und staatlichen Institutionen, von denen einige stándig, andere nur gelegentlich am Markt auftreten. Hinzu kommen auch Unternehmen und Institutionen mit erstklassiger Bonitát. Insgesamt betátigen sich ca. 50-60 international bekannte Adressen am Euromarkt. Drittens erfolgen die Abschliisse formlos per Telefon oder Fax (und werden anschliefsend schriftlich bestátigt). Dabei gilt als ungeschriebenes Gesetz die absolute Zuverlássigkeit und die unbedingte Einhaltung von Zusagen und Terminen; andererseits ware ein Marktteilnehmer umgehend <drau£en>. Viertens werden am Euromarkt nur sehr groEe, <runde> Betráge gehandelt. Zum Eurofcra/ í'fmarkt záhlen (meist verbriefte) kurz-, mittel- und langfristige Kredittransaktionen mit Laufzeiten von iiberwiegend 3-10Jahren, teilweise auch lánger, háufig 5-jáhrig). Eine besondere und sehr bedeutende Finanzierungsform ist der Roll-over-Kredit mit einer Laufzeit von mehreren Jahren, wobei jedoch der Zins fur aufeinander folgende Prolongationen (Laufzeitverlángerungen) auf der Basis des LIBOR der aktuellen Entwicklung kurzfristig angepaSt wird. Am Euiokapitalmaikt werden langfristige Anleihen (Eurobonds) allererster staatlicher und privater «Adressen» und supranationaler Emittenten wie der Weltbank gehandelt. Der Eurokreditmarkt wird oft von Kapitalnehmern beansprucht, deren Bonitát nicht ausreicht, um selbst am Eurokapitalmarkt Anleihen zu begeben. In einigen Publikationen wird nicht zwischen Euro-Kredit- und Euro-Kapital-Markt unterschieden, in anderen wird der Euro- Kredit-Markt als Oberbegriff fiir den kurzfristigen (Geld-) und mittelfristigen Kreditmarkt verwendet. Der besonderen Leichtigkeit der Kreditaufnahme- und -vergabe auf den Off-shore-Márkten (auch für enorme Betráge) ist es mit zu verdanken, daS die im Gefolge der Ólkrisen und der diversen Verschuldungs- und Wáhrungskrisen auftretenden Storungen finanziert werden konnten. Andererseits begiinstigen dieselben Charakteristika auch eine spekulative Verstárkung von Storungen. Die Problematik der Euromarkte liegt in diesem Zusammenhang insbesondere in der durch keinerlei wáhrungsbehórdliche Restriktionen begrenzten Kreditschópfungsmóglichkeiten und der sich daraus móglicherweise ergebenden Erhóhung der inlándischen Geldmengen (Stichwort: Geldmengeninflation). Fiir <normale> Unternehmen ist der Euromarkt wegen der geforderten erstklassigen internationalen Bonitát und der sehr hohen Betráge unmittelbar kein interessanter Markt. Es besteht jedoch die Moglichkeit, indirekt am Euromarkt teilzunehmen, indem z. B. eine Bank mit erstklassiger Bonitát als direkter Marktteilnehmer auftritt und die giinstigeren Konditionen, die sie erreichen kann, teilweise an ihren Kunden weitergibt. Mittel vom Euromarkt kónnen daher am kostengiinstigsten sein. Daher lohnt sich immer eine Anfrage bei der Hausbank. <?page no="183"?> Internationale Kaufvertráge Ein Vertrag ist ein zweiseitiges Rechtsgescháft und kommt zustande durch zwei einander entsprechende Willenserklárungen, die ais Antrag 1 und Annahmé bezeichnet werden auf der Grundlage von Leistung und Gegenleistung. Grundformen sind Kaufvertrag (bzw. Werklieferungsvertrag, bei dem der Verkáufer die Ware beschafft), Werkvertrag (Fertigung oder Dienstleistung mit bestimmtem Erfolg) und Dienstleistungsvertrag (ohne konkret vereinbarten Erfolg). Aus der Vielzahl moglicher Rechtsbeziehungen beschránken wir uns im folgenden auf Aspekte internationaler Kauf- und Liefervertráge. Andere Aspekte, z. B. bezüglich Miet-, Leasing- oder Beratungsvertrágen kónnen hier nicht dargestellt werden. E-1. Angebotserstellung E-1.1. Funktionen des Angebots Ein Angebot kann mündlich oder schriftlich erfolgen. Mündliche Angebote werden üblicherweise schriftlich bestátigt. Ein Kaufvertrag wird allerdings grundsátzlich schriftlich geschlossen. In der Praxis entwickeln sich immer mehr Kaufrechtsbeziehungen auf elektronischer Basis von Internetofferten, vor allem im Versandhandel. Logischerweise hat der Besteller dabei kaum eine Móglichkeit, auf die Vertragsgestaltung EinfluE zu nehmen, weil der Verkáufer seine Vertragsbedingungen vorgibt. Das Angebot hat vor allem vier Funktionen zu erfüllen: eine Marketing-, eine kaufmánnische, eine rechtliche und eine administrative Funktion. 2 (a) Marketingfunktion Vielfach ist das Angebot der erste Kontakt mit einem potentiellen Kunden. Aus Art und Form des Angebots kann er sich einen ersten Eindruck seines potentiellen Lieferanten machen; das Angebot ist wie eine Visitenkarte des Untemehmens. Daher ist es wichtig, sich im anbietenden Unternehmen in die Situation des Kunden zu versetzen und das Angebot <mit seinen Augen> zu verfassen: Was will er erfahren? Wozu benótigt er das Angebot? Günstig ist, wenn man weifi, auf wessen Tisch das Angebot landet (Stellung, Befugnis, Kompetenz des <Lesers>: Techniker, Jurist, Kaufmann). Dies ist bei Erstkontakten natürlich schwieriger ais bei bereits bestehenden Gescháftsbeziehungen. So gesehen, ist ein Angebot ein einseitiges schriftliches Verkaufsgesprách. Beigefügtes Material (Prospekte, Dokumentationen etc.) sollten für den Kunden verstándlich sein (Zusammenhang, Sprache: nicht jeder tunesische Kunde kann deutsche Prospekte lesen). Es ist daher ratsam, sich im anbietenden Unternehmen solide Gedanken zu machen, wer ein Angebot erstellen und wie es aussehen solí. 1 Kaufmánnisch unscharf: Auftrag. 2 In Anlehnung an meinen Kollegen Walter Niehoff, Reutlingen. E <?page no="184"?> 162 E Internationale Kaufvertráge (b) Kaufmánnische Funktion Ein Angebot ist der erste Schritt mit Blick auf einen VertragsabschluE. Formal bedeutet es eine Erklárung eines Kaufmanns, daS er bereit ist, seinem potentiellen Kunden eine bestimmte Ware oder Leistung zu bestimmten Bedingungen zu liefern, die er spezifiziert (u.a. Qualitát, Preis, Zahlungsbedingungen, Lieferzeit). Das Angebot sollte alie wesentlichen Vertragsbedingungen enthalten. Auf Anfrage sollte ein Angebot so schnell wie moglich an den Interessenten gehen, denn erstens móchte der potentielle Kunde sicherlich umgehend Informationen erhalten, und zweitens dient bei mehreren Anbietern das zuerst eingehende Angebot oft als VergleichsmaEstab mit den anderen. Dessenungeachtet ist es oft günstig, daE Angebot so abzufassen, daS es nur insgesamt als <Paket> und nicht einzelne Komponenten mit Konkurrenzangeboten verglichen werden kónnen. Varianten des Angebots (Alternativen, Optionen) sollten deutlich erkennbar sein, um die Aussagekraft nicht zu beeintráchtigen. Beispielsweise bieten viele Exporteure alternativ z. B. EXW-, FCA- und CIF-Preise an (vgl. Abschnitt G-2). Probleme ergeben sich sparer oft daraus, daf? das Angebot aufgemacht ist mit dem Ziel, den Auftrag zu erhalten, dal? aber spáter beispielsweise und insbesondere bei einer Akkreditiveroffnung durch den Kunden (Abschnitt G-3.4.2) - Daten auftauchen, die so nicht im Angebot enthalten waren (Termine, Werte, Verpackung, Herstellerangaben, Warenursprung, Lieferbedingungen etc.). Im Zusammenhang mit groSeren Auftrágen im Rahmen von Ausschreibungen muB der Anbieter oft eine Garantie beibringen, dafi der bereit und fáhig ist, sein Angebot auch zu erfiillen (Bietungsgarantie; vgl. Abschnitt H-2.3.3). Eventuelle Vorgaben des Kunden, z.B. Lastenhefte, sollten sehr genau eingehalten werden. PRAXISTIP Es empfiehlt sich, die Exportabteilung mit in die Angebotserstellung einzubeziehen, um spátere Abwicklungsprobleme vermeiden zu helfen (Transportlogistik, Versicherung, ggf. Genehmigungspflichten). (c) Rechtliche Funktion Ein Kaufmann bindet sich mit seinem Angebot: Ein Angebot ist ein Antrag auf VertragsabschluE. Sofern der Kunde es annimmt, mufi der Anbieter nach deutschem Recht wie angeboten leisten; die Bestandteile des Angebots werden Vertragsbestandteil (auf einige Abweichungen in anderen Rechtskreisen gehen wir weiter unten ein). Daher sollte ein Angebot inhaltlich und formal sehr korrekt sein. Grundsátzlich sollte dem Partner bei einem Vertragsangebot verdeutlicht werden, dafs eine Anderung von Vertragsklauseln als Ablehnung anzusehen ist. Wenn man nicht sicher ist, ob man bestimmte Angebotsteile erfiillen kann z. B. Liefertermine oder Preise sollte man dies unbedingt kennzeichnen, z. B. durch Vermerke wie • «unverbindlich», • «Lieferung vorbehalten» (keine Lieferpflicht bei Unmóglichkeit der Beschaffung), • «Selbstbelieferung vorbehalten» (keine Lieferpflicht bei ausbleibender Vorlieferung), • «Zwischenverkauf vorbehalten» (Verkauf an andere vor Annahme des Angebots ist zulássig), • «Preis freibleibend» (es gilt z. B. der Marktpreis am Bestelldatum). <?page no="185"?> E - 1 . Angebotserstellung 1 6 3 Aus der Sicht des Kunden ist dies naturlich weniger befriedigend als ein verbindliches Angebot. Da sich im Auslandsgescháft die Rahmenbedingungen schnell ándern kónnen (u. a. Wechselkurse bezüglich des Angebotspreises), sollte ein Angebot unbedingt befristet werden. Ggf. kann eine Absicherung des Wáhrungsrisikos durch eine Devisenoption erfolgen (vgl. Abschnitt H-4). Probleme ergeben sich oft durch national unterschiedliche Rechtsnormen zur Eigenschaft des Stellvertreters, z. B. wenn der Juniorchef (Prokurist) eines deutschen Unternehmens in den USA einen Vertrag mit einem japanischen Prokuristen schlieSt. Nach welchem Recht bestimmt sich die Stellvertreter-Eigenschaft? (d) Administrative Funktion Im Auslandsgescháft benutzt der potentielle Kunde das Angebot oft auch, urn Importlizenzen oder Devisenzuteilungen zu beantragen. Es ist daher oft sinnvoll, das Angebot als Pro-forma-Rechnung aufzumachen (vgl. Abschnitt G-l). Das Angebot sollte alie Positionen enthalten, die aus der Sicht des Anbieters Vertragsbestandteil werden sollen. E-1.2. Vorvertráge Háufig wird vor AbschluE des eigentlichen Vertrags ein Vorvertrag abgeschlossen, in dem die Grundzüge des beabsichtigten Hauptvertrages festgelegt werden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen einem Vorvertrag im engeren Sinne und einer Absichtserklárung. Ein Vorvertrag (Heads of Agreement oder Memorandum of Understanding) ist nach deutschem Recht bindend und verpflichtet die Parteien, den angestrebten Hauptvertrag tatsáchlich zu schlieSen. Eine Absichtserklárung (Letter of Intent, aber manchmal eben auch als Heads of Agreement oder Memorandum of Understanding bezeichnet) legt zwar auch bestimmte Eckdaten fest, aber der eigentliche Hauptvertrag wird nur unverbindlich in Aussicht gestellt. Die Bindung ist also nicht rechtlich, sondern nur faktisch. Daher sollte immer gepriift werden, ob beide Seiten aus rechtlicher Sicht dasselbe anstreben. Der aus deutscher Sicht rechtlich verpflichtende Vorvertrag ist z. B. nach US-Recht in den USA nicht einklagbar (enforcable) (vgl. Abschnitt E-4.1). Der deutsche Partner kann also u. U. asymmetrisch in Anspruch genommen werden (Abb. E-l/ 1). Abb. E-1/ 1: Vorvertrag kann Geschaftspartner in falscher Sicherheit wiegen Rasche rechtliche Bindung / Aber Risiken durch lückenhafle Abreden Ein Vorvertrag bietet sich an, wenn eine grundsátzliche Einigung besteht, aber die oft komplizierten Einzelheiten noch abgeklárt werden miissen. Vor allem bei beabsichtigten Kooperationen ist dies gángig, um eine friihe Bindung zu ermoglichen, u. a. auch, weil solche Verhandlungen nicht immer iiber einen lángeren Zeitraum hinweg vertraulich bleiben konnen. Kónnen sich die Partner nicht auf den Hauptvertrag einigen, mufi der Vorvertrag formal aufgehoben werden. Eine gerichtliche Erzwingung des Hauptvertrags ist in der Praxis selten, weil man einen unwilligen <Partner> schlecht zur Kooperation zwingen kann, aber auch solche Falle gibt es. Ein Vorvertrag ist zu unterscheiden von einem Rahmenvertrag (Master <?page no="186"?> 164 E Internationale Kaufvertráge Agreement), in dem allgemeine Aspekte quasi vor die Klammer gezogen werden kónnen, oft unter Einbezug von AGBs. E-1.3. Bestatigungsschreiben Nach einer ernsthaften miindlichen oder telefonischen Vertragsverhandlung pflegt man im deutschen Rechtskreis das Ergebnis in einem Bestatigungsschreiben festzuhalten. Schweigen auf dieses Schreiben hin gilt nach deutschem (und schweizer) Recht unter Kaufleuten als Zustimmung. Dies kann auf internationale Gescháfte nicht ohne weiteres übertragen werden. Auch in den Niederlanden und in Ósterreich hat das Bestatigungsschreiben nur eine schwáchere Rechtskraft. Im britischen und spanischen Recht ebenso wie im UN-Kaufrecht gibt es keine Regeln bezüglich des kaufmánnischen Bestátigungschreibens. In Frankreich und Italien hángt die Beweiskraft eines Bestátigungsschreibens vom branchenbezogenen Handelsbrauch ab. E-2. Kaufmannische Vertragsinhalte Der Vertragsgestaltung kommt bei internationalen Wirtschaftsbeziehungen besondere Bedeutung zu, weil sich in der Regel Vertragspartner gegenüberstehen, die an unterschiedliche rechtliche Regelungen gewóhnt sind. Daher ist es erforderlich, alie relevanten Aspekte der Gescháftbeziehung vertraglich eindeutig und rechtswirksam zu vereinbaren. Ein Kaufvertrag wird grundsátzlich schriftlich geschlossen. In vielen Unternehmen ist es iiblich geworden, daf? wichtige Vertráge von einem Ingenieur, einem Kaufmann und einem Juristen verhandelt werden. Diese Kapazitáten stehen aber kleineren Unternehmen meist nicht zur Verfiigung. Vor AbschluS eines gro(? eren Kaufvertrages mit einem Partner in einem bislang unbekannten Rechtsraum empfiehlt es sich daher, ein Gutachten eines Sachverstandigen einzuholen [legal opinion), ob der geplante Kaufvertrag mit all seinen Komponenten rechtlich unbedenklich bzw. empfehlenswert ist. Dabei ist es immer sinnvoll, wenn man auf lokalen Sachverstand aus dem Land des Vertragspartners zuriickgreifen kann. Viele Anwaltsbiiros haben sich auf bestimmte Lander oder Rechtskreise spezialisiert und arbeiten mit Kollegen im Partnerland zusammen. Ein solches Gutachten schützt den Exporteur allerdings nicht absolut, denn wenn es fehlerhaft ist und dadurch beispielsweise eine zugesagte Hermes-Deckung nicht <greift>, weil keine rechtsbestándige Forderung entstanden ist, tragt der Exporteur alie Risiken. Er kann sich dann allenfalls um Schadenersatz seitens seines Beraters bemiihen. PRAXISTIP Es ist sinnvoll, Export- und Importvertráge so weit wie moglich zu standardisieren, weil dies die Überprüfungskosten und die Restrisiken minimiert. Vor jedem Vertragsabschluft sollte eine Checkliste abgearbeitet werden, in welcher die aus Unternehmenssicht individuell wichtigen Aspekte enthalten sind. In den folgenden Abschnitten werden am Beispiel eines Kaufvertrags zunáchst einige regelungsbediirftige Punkte umrissen, die teils den eher kaufmánnischen, teils den formaljuristi- <?page no="187"?> E-2. Kaufmánnische Vertragsinhalte 165 Abb. E-2/ 1: Wichtige Vertragsbestandteile Kaufmánnische Aspekte • Vertragspartner (Verkáufer, Káufer) • gehandelte Ware (Art, Qualitat, Menge etc.) • Kaufpreis, Wahrung • Lieferbedingungen (ggf. Incoterms) • Lieferzeit • Zahlungsbedingung • Ggf. Liefervorbehalt • Endverbleib Fórmale Vertragsaspekte • Sprache • Rechtswahl • Erfiillungsort • Gerichtsstand • Eigentumsvorbehalt • Allgemeine Geschaftsbedingungen • Garantien • Gewahrleistungen • Verzugszinsen • Vertragsstrafen • Schiedsklausel • «Force majeure»-Klausel • Salvatorische Klausel schen Bereich des Vertrages betreffen (vgl. Abb. E-2/ 1). Daran anschliefsend werden einige rechtliche Aspekte vertieft. Da aus rechtlicher Sicht durch einfache Zustimmung des Kunden (Unterschrift) zum Angebot eines Kaufmanns (Annahme) ein rechtskráftiger Vertrag zustande kommt, den beide Seiten erfüllen müssen, sollten alie Aspekte, die aus der Sicht des Anbieters Vertragsbestandteile werden sollen, bereits im Angebot enthalten sein. Einige Aspekte sind allerdings oft erst relevant, wenn klar ist, daS ein Kaufvertrag zustandekommen wird. Móglich ist auch, daS Kaufvertrage als Erganzung zu bestehenden Rahmenvertragen geschlossen werden, so daf> sich viele Einzelregelungen eriibrigen. (1) Wer ? - Zunáchst ist es wichtig, die Vertragspartner - Verkáufer wie Káufer eindeutig zu identifizieren. Dies mag trivial klingen, ist es aber nicht, wenn man sich ein Hochhaus in Hongkong vorstellt mit einer Unzahl darin ansássiger Firmen, die für europáische Ohren sehr áhnliche Ñamen tragen konnen (in chinesischer Schrift) und deren Anschrift sich vielleicht nur durch das Stockwerk oder gar nur Raumnummern unterscheiden. Beim Káufer kónnen Liefer- und Rechnungsanschrift unterschiedlich sein. (2) Was ? - Ein Kaufvertrag sollte eine Práambel enthalten, in welcher das Ziel des Vertrages verdeutlicht wird. Ein wichtiger Vertragspunkte ist die eindeutige Prazisierung der gehandelten Ware nach Art, Typ, Qualitat, Menge, GroSe, Farbe, Aufmachung, Verpackung usw. Verschiedene Lieferpositionen sollten durchnumeriert werden. Die Angabe von Tarifnummern nach dem Europáischen Zolltarif («Harmonisiertes System») sowie statistische Warennummern (z. B. nach der NIMEXE: Nomenklatur fur Import und Export; vgl. Abschnitt J-7) erleichtern die Ausfuhr- und Einfuhrabwicklung. Mengen- und Gewichtsangaben sollten für den Kunden verstándlich sein; bei der Gewichtsangabe Tonne sollte deutlich sein, ob es sich um die metrische Tonne (1000 kg), die britische <ton> (1016 kg; long ton: tn.l.) oder die amerikanische handelt (907,18 kg; short ton: tn.sh.). Probleme mit dem englischen GewichtsmaE Pfund (nicht 500, sondern 453 g) ergeben sich in der kommerziellen Praxis allerdings so gut wie gar nicht, eher schon mal mit yard (91,44 cm) und inch (1/ 36 <?page no="188"?> 166 E Internationale Kaufvertráge yard = 25,4 mm); wenn der Kunde «inch» bestellt hat und in Metern beliefert wird, sollte die Umrechnung angegeben werden. 3 Auch sonst ist bei Zahlen Vorsicht geboten: Wáhrend der deutsche Kaufmann bei Einhunderttausend an 100.000,denkt, verwendet der Amerikaner Punkt und Komma genau anders herum: 100,000.-. Die deutsche Eins mit Anstrich kann im anglophonen Raum als Sieben mifsVerstanden werden, oder die amerikanische Sieben (ohne Querstrich) bei uns als Eins. Eine deutsche Milliarde ist amerikanisch <one billion>, die deutsche Billion <trillion>. Nur Million ist million. Bei Übersetzungen vom Amerikanischen ins Deutsche ergeben sich daher oft wundersame Vervielfachungen. Vielfach muí? der Lieferant neben der Hauptpflicht, eine bestimmte Ware zu liefern, auch Nebenpflichten iibernehmen, z. B. Plane, Zeichnungen, Warnings- und Betriebsanleitungen etc. zu liefern. Auch dies sollte genau spezifiziert werden. (3) Wie, wo, warm? - Der Kaufpreis sollte pro Einheit und in eindeutiger Wáhrung definiert sein (z.B. «effektiv 200.000 Euro») und eventuelle Nebenkosten und Abgaben (Steuern) ausweisen. Sehr oft wird beim Preis die Lieferbedingung mit angegeben, um Abgrenzungen zu Nebenkosten deutlich zu machen, bspw. 20,- Euro/ kg FOB Hamburg (zu den Lieferbedingungen vgl. ausführlich Abschnitt G-2). Die Voraussetzungen fur Abziige, Rabatte, Skonti o. a. sollten klar sein. Zusátzliche Kosten (Montage, Schulung, Wartungsvertrag etc.) miissen erkennbar abgegrenzt sein, weil sie bei der Einfuhr nicht in den Zollwert eingerechnet werden (vgl. Abschnitt K-2.3.2). Die Übernahme von Montage- oder anderen Nebenkosten sollte eindeutig sein (wer bezahlt Flugtickets und Hotels, welche Airlines, Flugklasse bzw. Hotelstandards? ). Sofern fur den Export der Ware eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich ist (vgl. Abschnitt L-6.5.3), sollte unbedingt ein Passus in die Lieferverpflichtung aufgenommen werden «Vorbehaltlich der Erteilung der Ausfuhrgenehmigung». Die Lieferbedingungen gemafi Incoterms bestimmen die Aufteilung von Transportkosten und -gefahren auf Káufer und Verkáufer. Eventuelle Abweichungen (z. B. «Verkáufer besorgt Frachtvertrag») oder besondere Abmachungen beziiglich Inspektionsgebiihren, der Verpackung, des Transporrweges, Zulássigkeit von Teillieferungen o. á. sollten deutlich gekennzeichnet sein. Als Lieferzeit kann z. B. vereinbart werden sofort (so schnell wie móglich nach VertragsabschluS), innerhalb einer vereinbarten Frist (ggf. auf Abruf) oder zu einem bestimmten Termin. Die Einhaltung einer Frist bzw. eines Termins kann Gescháftsgrundlage sein, d. h. die Nichteinhaltung berechtigt zum Riicktritt. Daher sollten Terminzusagen (Verladung, Verschiffung, Ankunft etc.) sehr sorgfáltig gepriift werden und kalendarisch eindeutig sein. Auch dabei muS man aufpassen: In manchen Lándern wird start Tag-Monat-Jahr geschrieben Monat-Tag-Jahr (3. April 2000 = 04-03-00). Die Zahlungsmodalitáten wer zahlt wann, in welcher Wáhrung (beim «Dollar» ist zu prázisieren, welcher: amerikanischer, kanadischer, australischer, Hongkong-, sonstiger Dollar? ), wieviel (Teilzahlung? ) an wen, wo, wie (z. B. Ratenzahlung, bei Presentation bestimmter 3 Weshalb wird Rohól in <Barrel> von 158,987 Litem gemessen? Barrel hei(? t FaE. Die ersten Olbohrer fullten das «Steinol» (petro oleum) in den Behaltern ab, die ihnen in groSer Menge zur Verfiigung standen: Whiskyfasser. Zeitweise waren die Fasser teurer als der Inhalt, als die Ólforderung stieg und die Nachfrage nach Fássern entsprechend auch. <?page no="189"?> E-3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte 167 Dokumenten [d/ p, d/ a], im Rahmen eines Akkreditivs, mit welchen Dokumenten etc.) miissen eindeutig sein. Für Finanzierungen sollten die Bedingungen und die Kostenaufteilung klar definiert werden. Bei Überschreitung von Zahlungszielen kónnen Verzugszinsen vereinbart werden (diese sind keine Vertragsstrafen! ). Üblich ist ein Liefervorbehalt fur den Fall, z. B. daS ein Akkreditiv nicht erbffhet wird oder Hermes keine Deckung iibernimmt (vgl. Abschnitte G-3.4.2 u. H-3.2). Ggf. sind Absprachen oder Zusicherungen iiber die Beibringung von Dokumenten erforderlich (z. B. bezüglich des Endverbleibs der gelieferten Ware bei Ausfuhr-genehmigungspflichtigen Waren). Der Importeur benótigt ggf. fur die zollfreie Einfuhr Warenverkehrsbescheinigungen (EUR.l) oder andere Ursprungsnachweise. Die Sprache fur die Dokumente mufi festgelegt werden. PRAXISTIPS Anerkennung des Wáhrungswechsels auBerhalb Europas. Gelegentlich kommt die Frage auf, ob durch die Euro-Einführung im Sinne von «Treu und Glauben» des deutschen Rechts (§242 BGB) ein Wegfall der Gescháftsgrundlage gegeben ¡st. Grundsatzlich nein: Im deutschen wie im nationalen Recht der EU-Partner würde dies besonders schwere Stórungen der ókonomischen Verháltnisse mit unzumutbaren Folgen für eine Vertragspartei voraussetzen. Dies ¡st im vorliegenden Fall bei EU-Binnengescháften nicht gegeben (Euro-Ergánzungsverordnung Art. 3). Eine einseitige Kündigung z. B. von Liefervertrágen durch Lieferanten scheidet damit also aus. Bei Gescháften mit Drittlandsberührung, insbesondere, wenn Nicht-EU-Recht gilt, ¡st die Situation hingegen nicht einhellig zu beurteilen und vielfach unklar, so in Osteuropa, Mittel- und Südamerika, aber auch in den USA mit unterschiedlichem Bundesstaatenrecht. Hier empfiehlt sich eine entsprechende Rechtsberatung. In den meisten Lándern wird ein Ersatz von DM durch Euro wohl akzeptiert werden, weil im internationalen Recht weitgehend anerkannt ist, dafí das Wáhrungsstatut durch das Recht des Landes bestimmt wird, in dessen Wáhrung die Schuld ausgedrückt ist («/ ex monetae»). Bei Altvertrágen mit Drittlandsberührung, bei denen mit einer Anfechtung zu rechnen sein kónnte, sollte rechtzeitig mit dem Vertragspartner Kontakt aufgenommen werden, urn ggf. ausdrückliche Zusatzvereinbarungen abzuschliefkn (Individualanpassung), insbesondere bei Vertragen mit einer wahrungsspezifischen AusschliefSlichkeitsklausel. Bei Neuvertragen vor 2002 sollte unbedingt eine Klausel zur Wahrungsumstellung aufgenommen werden: Sie kónnte etwa lauten «xy DM or official Euro-countervalue» («xy DM oder Gegenwert in Euro gernafi offiziellem Umrechnungskurs»). E-3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte Viele Unternehmen verwenden wenig Energie auf die Vereinbarung formaljuristischer Details mit ihren Geschaftspartnem, weil sie aufgrund eingespielter und harmonischer Gescháftsbeziehungen davon ausgehen, dafi etwaige Probleme einvernehmlich geregelt werden. Bei weniger etablierten, vor allem neuen Kontakten empfiehlt sich aber in jedem Fall juristische Sorgfalt, die man ja <einkaufen> kann. Grundsatzlich ist es ratsam, sich bei Vertragen mit auslándischen Partnem vor Vertragsabschlul? ausfuhrlich und qualifiziert beraten zu lassen. <?page no="190"?> 168 E Internationale Kaufvertráge Natiirlich verursacht dies Kosten, doch stehen diese meist in keinem unakzeptablen Verháltnis zu den Nachteilen, die aus juristisch nicht abgesicherten Vertragen resultieren konnen. Binationale und nationale Handelskammern, die Botschaften des betreffenden Landes, Auslandsabteilungen der Kreditinstitute, spezialisierte Rechtsberater sowie die Bundesstelle fur Auslandsinformationen in Kóln (bfai) kónnen dabei Informationen geben. PRAXISTIP Um international rechtsbestándige Vertráge incl. Liefer- und Zahlungsbedingungen ausarbeiten zu lassen, empfiehlt es sich daher oft, ein erfahrenes Anwaltsbüro einzuschalten. Sehr sinnvoll ist beispielsweise die Vereinbarung eines Schiedgerichts, das bei Einreden des Kunden eine objektive Entscheidung fállt. Andernfalls müíSte der Klageweg beschritten werden, um die Einrede wirkungslos werden zu lassen. Weitere sinnvolle Aspekte sind ein internationaler Gerichtsstand und die Vereinbarung internationalen Rechts. Auch die Liefer- und Zahlungsbedingungen sollte man rechtlich <durchchecken> lassen. Last not least kann der anwaltliche Ratgeber im Schadensfall eventuell auch haftbar gemacht werden. (a) Sprache Von elementarer Bedeutung ist bereits ganz friihzeitig die Einigung auf eine Verhandlungs- und Vertragssprache (beide sollten móglichst iibereinstimmen). Natiirlich wird es jeder Vertragspartner wohl grundsátzlich vorziehen, daS seine eigene Sprache verwendet wird, doch wird dies bei international weniger verbreiteten Sprachen (dazu záhlt Deutsch) nicht ohne weiteres durchzusetzen sein; es hángt natiirlich teilweise auch von. der Marktposition der Partner ab. Vielfach einigt man sich aber auch eine fur beide Partner fremde «Drittsprache», insbesondere Englisch als international geláufiger Handelssprache, die also fur beide Partner nicht Muttersprache, sondern eine Fremdsprache ist. Vertráge in Fremdsprachen bzw. Übersetzungen davon kónnen ganz betráchtliche Interpretationsprobleme aufwerfen 4 und sollten nicht ohne Not ohne fachkundige Beratung und Priifung aufgesetzt bzw. abgeschlossen werden. (b) Rechtswahl Im Hinblick auf die nicht speziell vertraglich geregelten Rechte und Pflichten der Vertragspartner und insbesondere auf die juristische Überprüfung ist die Prázisierung des im Streitfall anzuwendenden Rechts erforderlich. Dies sollte móglichst explizit vertraglich erfolgen. Aus dem anzuwendenden Recht ergeben sich zahlreiche Aspekte, die iiblicherweise nicht vertraglich geregelt werden, wie z. B. Formvorschriften, mógliche Rechtsbehelfe, Schuldzinshóhe, Verjáhrungs- und andere Fristen etc. Aufgrund der grundsátzlichen Vertragsfreiheit sind die Vertragsparteien hinsichtlich einer Vereinbarung iiber das auf ihren Kaufvertrag anzuwende Recht frei (Parteiautonomie), sofern nicht zwingende Rechtsvorschriften dem entgegenstehen (wie beim Immobilienerwerb). Zum Beispiel erkennen die meisten arabischen Lánder oder auch Brasilien auslándische Rechtswahlvereinbarungen nur sehr eingeschránkt an. Eine nach deutschem Recht wirksame Vereinbarung kann dann móglicherweise im Ausland gar nicht durchsetzbar sein; Abschnitt E-4 geht darauf ein. 4 Beispielsweise die Unterscheidung zwischen Eigentum und Besitz: beides oft unscharf als property übersetzt, oder Garantie und Bürgschaft (guarantee). <?page no="191"?> E-3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte 169 Aus praktischen Gründen sollte das gewáhlte Recht einen Bezug zum zugrunde liegenden Rechtsgescháft haben, so dais beispielsweise ein deutscher und ein amerikanischer Partner nicht gerade portugiesisches Recht vereinbaren werden, nicht zuletzt aus sprachlichen Gründen. Welches (privatrechtliche) Recht vereinbart wird, hángt insbesondere auch von der Machtstellung der Partner ab, denn jeder Beteiligte hat natiirlich zum einen ein Interesse daran, sich auf das ihm vertraute Recht zu stiitzen und wird sich nicht ohne Not auf ein fremdes Recht einlassen, und zum anderen ist zu berücksichtigen, ob das gewáhlte Recht im Streitfall auch durchsetzbar ist. Eine sog. Vertragsspaltung, bei der Teile des Vertrags verschiedenen Rechten unterstellt wird, ist problematisch. Grundsátzlich ist es günstig, wenn das anzuwendende Recht mit dem Gerichtsstand übereinstimmt; andernfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dais das zustándige Gericht mit dem anzuwendenden Recht ohne weiteres vertraut ist. Dies kann zu Verzógerungen, Kosten und Interpretationsproblemen führen, z. B. wenn ein deutsches Gericht franzósisches Recht anwenden mufi. Sofern nationales Recht nicht explizit unter Ausschlufi des UN-Kaufrechts vereinbart wurde, gilt bei Kaufvertrágen mit deutsche Beteiligung das UN-Kaufrecht automatisch für internationale Vertráge über den Kauf von Waren (vgl. unten Abschnitt E-5). (c) ErfüUungsort Der ErfüUungsort ist der Ort, an dem der Schulder die geschuldete Leistung erbringen und der Gláubiger die Leistung annehmen muls", d. h. einerseits der Lieferort der Ware, andererseits der Zahlungsort fur den entsprechenden Kaufpreis. Der Lieferort wird auch durch die Incoterms definiert, z. B. CIF Rotterdam. Nach deutschem (und franzósischem) Recht gilt sofern keine Vereinbarung erfolgt ist der Sitz des Schuldners (Káufers) zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverháltnisses (Kaufvertrags) ais ErfüUungsort. Nach dem sich immer mehr verbreitenden UN-Kaufrecht hingegen ist der Sitz des Exporteurs auch ErfüUungsort für die Zahlung. Ob dies für den Exporteur immer günstig ist, hángt u. a. auch von der Durchsetzbarkeit deutschen Rechts im Ausland ab; vgl. Teil F. Anmerkung: Im UN-Kaufrecht wird von «Lieferort» (Place of Delivery) gesprochen, wáhrend das BGB Begriffe wie «ErfüUungsort» oder «Leistungsort» verwendet (§§ 269,447 BGB). Die auf den ersten Blick verwirrende Begriffsmehrheit wird in der Praxis akademisch sein, weil sich anhand der vereinbarten Lieferbedingung (i.d.R. nach ICC 5 Incoterms 2000) ergibt, welche Leistungshandlung von Liefererseite vorzunehmen ist, um den vertragsgemáSen Erfolg herbeizuführen. Hieraus ergibt sich dann auch der «Leistungsort», bei dessen MiSachtung die entsprechenden Rechtsfolgen einsetzen. 6 (d) Gerichtsstand Die Wahl des Gerichtsstandes ist ein wichtiger Aspekt sowohl für die ProzeSführung (grundsátzlich in der Sprache des Gerichtslandes und mit inlándischen Anwálten) ais auch für die Durchsetzbarkeit eventueller Gerichtstitel. Der Gerichtsstand kann wie alie übrigen Vertragspunkte frei, aber ausdrücklich und schriftlich vereinbart werden. In der EG und der EFTA gilt das Europáische Gerichtsstands- und Vollstreckungsüber- 5 International Chamber of Commerce (Internationale Handelskammer), Paris. 6 Nach RA Hahn, DIHK, Bonn/ Berlin. <?page no="192"?> 170 E Internationale Kaufvertráge einkommen (GVÜ). Danach kann als Gerichtsstand ein beliebiger Ort im Geltungsbereich des Abkommens vereinbart werden; dies gilt auch für Partner, die lediglich eine Zweigniederlassung im Geltungsbereich des GVÜ haben (siehe auch unten Abschnitt F-3.2). Im Europáischen Binnenmarkt geniigt grundsátzlich ein Vermerk auf dem Gescháfts-Briefpapier, um den Gerichtsstand des Unternehmens anzuzeigen. Widerspricht der Gescháftspartner dem nicht, ist er daran gebunden. Der EuGH hat entschieden, daS dies dann gilt, wenn davon auszugehen ist, dal? beide Vertragsparteien diesen Handelsbrauch kennen oder kennen müfiten. Problematisch ist es, wenn der Exporteur in seinen AGB den Gerichtsstand im Exportland bestimmt, wáhrend der Importeur das Vertragsangebot auf der Basis seiner AGB mit Gerichtsstand im Importland annimmt. Sofern kein Gerichtsstand explizit vereinbart wird, sind die Gerichte am Sitz des Beklagten zustándig, d. h. klagt der Exporteur, ergibt sich für ihn ein auslándischer Gerichtsstand. Dies láEt sich durch eine Gerichtsstandsklausel vermeiden. Die Klausel muí? prázise formuliert sein, weil jede Ungenauigkeit weitere Probleme produzieren und den ProzeG verzogern kann. Abb. E-3/ 1 enthált eine gángige Formulierung. Aus deutscher Sicht ist natiirlich fur ein staatliches Gericht ein deutscher Gerichtsstand günstig, weil die Gerichtssprache deutsch ist und der (eigene) deutsche Anwalt moglicherweise am Gericht bekannt ist; dies sind potentielle Nachteile für den ProzeSgegner (ggf. aber auch Abb. E-3/ 1: Gerichtsstandsklausel «Bei alien sich aus dem Vertragsverhaltnis ergebenden Streitigkeiten ist die Klage bei dem Gericht zu erheben, das für den Hauptsitz des Lieferers zustándig ist. Der Lieferer ist auch berechtigt, am Hauptsitz des Káufers zu klagen.» Gerichtsstandsvereinbarungen kónnen sich auszahlen Folgen fur Vollstreckbarkeit auslándischer Urteile / Klare Formulierungen notig Quelle: FAZ, Karikatur: Kai Felmy <?page no="193"?> E-3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte 171 Vorteile: vgl. unten Abschnitt F-3.2). Nicht wenige Untemehmen verzichten auf ein Gescháft, wenn der potentielle Partner keinen deutschen Gerichtsstand akzeptiert. Es kann sehr riskant sein, sich auf einen aus deutscher Sicht auslándischen Gerichtsstand einzulassen. Vor allem im arabischen Raum, aber auch vielen Entwicklungslándern in anderen Kontinenten herrscht deutlich gesprochen absolute Rechtsunsicherheit. Einen ProzeS im Ausland fiihren zu miissen, verursacht leicht so hohe Kosten, die auch ein gewonnener ProzeS nicht ausgleichen kann, unabhángig davon, dafS die (versuchte) Durchsetzung eines erstrittenen Urteils eine zweite kostentráchtige Expedition bedeuten kann mit sehr ungewissem Ausgang. Fazit: Wenn es irgend geht, sollte man keinen auslándischen Gerichtsstand akzeptieren. Dennoch ist zu priifen, ob ein deutscher Gerichtsstand immer zweckmáíjig ist: In einigen Lándern (u. a. Indien oder Pakistan) muf? ein deutsches Urteil bei einer Klage im jeweiligen Partnerland nochmals verhandelt und entschieden werden. Unter Umstánden kann für den auslándischen Partner ein deutscher Gerichtsstand sogar von Vorteil sein. Beispielsweise müSte ein amerikanisches Urteil, das in Deutschland durchgesetzt werden soil, in Deutschland gerichtlich anerkannt werden; dies kann Verzógerungen und Kosten bedeuten. Móglich ist, daG Teile des auslándischen Titels nicht vollstreckt werden kónnen, z. B. die punitive damages (hoher Schadensersatz mit Strafcharakter; vgl. Abschnitt H-6.2) widerspricht deutschem Recht und ist nicht durchsetzbar. Auch kónnen Mafinahmen des vorláufigen Rechtsschutzes oder der Beweissicherung am Ort des Gerichtsstandes erlassen werden. Ein akzeptabler KompromiG kann ein neutrales Drittland sein. Es ist jedoch zu beachten, dafi in manchen Lándern die vereinbarte Zustándigkeit eines auslándischen Gerichtsstandes (Prorogation) und damit die Nicht-Zustándigkeit des inlándischen Gerichtsstandes (Derogation) nicht anerkannt wird, so daS damit z. B. die Anerkennung eines deutschen Gerichtsurteils nicht gegeben ist. Dann kann es geschehen, daf? sich trotz z. B. vereinbarten deutschen Gerichtsstandes ein auslándisches Gericht für zustándig erklárt und den vereinbarten Gerichtsstand ignoriert. Solche Anerkennungsprobleme kónnen sich auch mit einigen Bundesstaaten der USA ergeben, so daf> sich eine frühzeitige Prüfung empfiehlt. Grundsátzlich ist es günstig, wenn das vereinbarte Recht und der Gerichtsstand iibereinstimmen; andernfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dai? das zustándige Gericht mit dem anzuwendenden Recht ohne weiteres vertraut ist. Dies kann wie erwáhnt zu Verzógerungen, Kosten und Interpretationsproblemen fiihren. Wenn der Erfiillungsort (siehe oben) als Gerichtstand vereinbart wird, sollte das anwendbare Recht explizit vereinbart werden, da der Erfiillungsort nicht in alien Rechtskreisen gleich definiert wird. Bei Vereinbarung auslándischer Gerichtsstánde oder auslándischen Rechts ist bereits bei der Vertragsgestaltung die Einschaltung von Rechtsanwálten ratsam, die mit den auslándischen Gegebenheiten vertraut sind. Dabei kónnen sich wichtige Abweichungen von den deutschen Gebráuchen ergeben. Nach deutschem Recht trágt die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens und der Gegen- • partei, was bei auslándischem Gerichtsstand nicht der Fall sein mufi (z. B. USA), so daS man auf seinen Anwalts- und sonstigen Kosten sitzen bleibt. Diese kónnen sich nach gerichtlichen Gebiihrentabellen richten oder aber frei vereinbart werden, was zu deutlich hóheren Kosten als in der Bundesrepublik fiihren kann. Zudem ist in manchen Lándern (z. B. den USA) ein Erfolgshonorar iiblich, das in der Bundesrepublik unzulássig ist. <?page no="194"?> 172 E Internationale Kaufvertráge Sofern man einen auslándischen Gerichtsstand akzeptieren muí? , sollte darauf geachtet werden, daf? der Vertragspartner dort auch Vermogen hat und ggf. ein Zugriff darauf duren Zwangsvollstreckung móglich ist (vgl. unten). Auch hier kann man eventuell auf ein Drittland ausweichen, in dem der Vertragspartner Vermogen hat. Umgekehrt sollte man hellhórig sein, wenn der Vertragspartner von sich aus ein Drittland vorschlágt, mit dem es moglicherweise kein Vollstreckungsabkommen gibt. In Frankreich gibt es mit dem Handelsgericht (Tribunal de Commerce) einen eigenen kaufmánnischen Gerichtszweig mit lokalen Zustándigkeiten. Insgesamt ist die Reputation der Handelsgerichte nicht sehr hoch (Abb. E-3/ 2), weil fehlende Neutralitát behauptet und eine gewisse Korruptionsanfálligkeit vermutet wird. Die Richter sind juristische Laien meist Unternehmer und Banker. Aber auch leitende Angestellte und Kleingewerbetreibende, die z. B. auch iiber die Zukunft angeschlagener Unternehmen entscheiden. Dabei kann es vorkommen, daS der Besitzer eines iiberschuldeten Unternehmens einem Vorsitzenden Richter gegeniibersteht, der sein gróEter Konkurrent oder auch sein Hauptgláubiger ist. Beim Handelsgericht werden eine Vielzahl von óffentlichen Registern geführt (u. a. Firmen-, Gesellschaftsvertrags-, JahresabschluE, Protest-, Pfand- und Leasingregister). Die schriftliche Anforderung von Registerauskiinften kann allerdings zeitaufwendig sein. Obgleich der Schriftsteller Honoré de Balzac schon im 19. Jahrhundert gegen die Handelsgerichte zu Felde zog (offenbar aufgrund eigener schlechter Erfahrungen), scheint sich das System bisherigen Reformversuchen erfolgreich zu widersetzen. Abb. E-3/ 2: Ein vernichtendes Urteil iiber Frankreichs Handelsgerichte Parlamentsausschufi kritisiert Korruption / Widerstande gegen eine Reform (e) Eigentumsvorbehalt Nach deutschem Recht kann der Exporteur das Risiko der Nichtzahlung seitens des auslándischen Káufers durch den Eigentumsvorbehalt verringern. Dies bedeutet, daS die gelieferte Ware bis zur vollstándigen Bezahlung Eigentum des Verkáufers bleibt. Im Konkursfall des Káufers hátte der Verkáufer einen Herausgabeanspruch bezüglich seiner Ware. Der Eigentumsvorbehalt steht einem Weiterverkauf, d. h. einem schnellen Warenumschlag, entgegen. Daher gilt er meist in Form des <verlángerten Eigentumsvorbehalts>, bei dem an die Stelle der Riickforderung der Ware die Abtretung der Forderung aus dem Weiterverkauf tritt. Ob dies eine sinnvolle Vertragsklausel ist, hángt davon ab, ob der rechtliche und finanzielle Aufwand der Durchsetzung sich lohnt und vor allem: ob der Eigentumsvorbehalt im Land des Káufers durchzusetzen ist, denn dieses Rechtsinstitut ist teils unbekannt, teils an bestimmte Voraussetzungen gekniipft (Abb. E-3/ 3). So muS der Eigentumsvorbehalt beispielsweise in der Schweiz beim Kantonalgericht registriert werden, das für den Wohnsitz des Káufers zustándig ist. In Mexiko gibt es ein Eigentumsregister, in das ein Eigentumsvorbehalt einzutragen ist. Auch in den USA muí? ein sog. security interest binnen 20 Tagen in ein Register eingetragen werden. Und auch in Danemark ist ein Eigentumsvorbehalt nicht ohne weiteres durchsetzbar: Hierfiir ist eine ausdriickliche und. klare Vereinbarung Voraussetzung; ein Hinweis auf der Rechnung geniigt nicht. <?page no="195"?> E-3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte 173 Abb. E-3/ 3: Eigentumsvorbehalt im Ausland nutzlos Forderungen beim Export effektiver schiitzen In vielen Lándern wird nicht wie nach deutschem Recht zwischen Kaufvertrag (§ 433 BGB) und Eigentumsiibertragung (§ 925 BGB) unterschieden, so daí? dort bei Abschlufi des Kaufvertrages auch das Eigentum iibergeht und ein Eigentumsvorbehalt im Zeitpunkt des Grenziibertritts der Ware gegenstandslos wird. Auch der verlangerte Eigentumsvorbehalt ist nach auslándischem Recht meist nicht durchsetzbar. Für Exportvertráge sollten daher móglichst andere Alternativen der Kaufpreissicherung gewáhlt werden. Der Eigentumsvorbehalt in der deutschen Interpretation kann nicht auf wichtige Partnerlánder wie Frankreich, Grofibritannien oder die USA angewendet werden. Dessenungeachtet sollte auch in diesen Fallen der deutsche Eigentumsvorbehalt Vertragsbestandteil werden; schaden kann es nicht und greift manchmal trotzdem. Private Exportkreditversicherer schreiben oft die vertragliche Vereinbarung des Eigentumvorbehalts vor. Sofern dieser im betreffenden Land nicht durchsetzbar ist, sollte man sich friihzeitig mit dem Versicherer besprechen, da andernfalls im Schadensfall die Deckung verloren gehen kann. PRAXISTIP Háufig ist anstelle eines EV eine Forderungsabsicherung durch Wechsel sinnvoll, da der WechselprozeR meist einen deutlich schnelleren Zugriff auf das Schuldnervermógen zuláíSt ais der Zivil- oder HandelsprozeB; z. B. kann ggf. das Schuldnervermógen bereits vor Ablauf des Verfahrens beschlagnahmt werden (z. B. Mexico). Umgekehrt ist ein Wechsel in Marokko wegen mangelnder Rechtssicherheit wenig wert; Urteile sind über Jahre nicht zu erhalten und dann schwer zu vollstrecken. Insgesamt stellt der Eigentumsvorbehalt in der Rechtsbeziehung zwischen Verkáufer und Káufer rechtlich sehr viel weniger Probleme als der in der Praxis sehr viel wichtigere Konkursfall. Wir kónnen dies hier jedoch nicht vertiefen. (f) Allgemeine Geschaftsbedingungen Die im deutschen Recht giiltigen Bestimmungen beziiglich der Wirksamkeit Allgemeiner Geschaftsbedingungen (AGB) (excemption clauses) unterscheiden sich sehr oft von den im Lande des Gescháftspartners giiltigen Regeln, wo tendenziell formal strengere Grundsátze gelten als in Deutschland. Dies wird in der Praxis háufig nicht geniigend beachtet, allerdings auch erst im Streitfall deutlich. Es ist also wichtig und entscheidend, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Grundsátzlich werden in vielen auslandischen Rechtsordnungen AGB nur dann rechtswirksam, wenn sie offenkundig Vertragsinhalt geworden sind (dies ist insbesondere im E-commerce oft nicht gegeben). Ein Indiz hierfiir ist meist, daS sie vom Káufer bewulSt unterschrieben werden. Eine blofse Übersetzung in die Sprache des Káufers und Beifiigung zum Kaufvertrag (etwa kleingedruckt auf der Rückseite) und das Argument, der Káufer habe nicht ausdriicklich widersprochen, reicht meist nicht aus. Unterschriebene, hand- oder maschinengeschriebene AGB werden dabei leichter anerkannt als (klein)gedruckte. Einheitliche intemationale Regelungen in diesem Bereich gibt es nicht. Das deutsche Recht ist tendenziell grolSziigiger (beziiglich der Anerkennung) als auch andere europáische Rechte. Eine in den AGB enthaltene Klausel beziiglich des ggf. anzuwendenden Rechts <?page no="196"?> 174 E Internationale Kaufvertráge kann daher nur dann wirksam werden, wenn die AGB rechtlich verbindlich vereinbart worden sind. Hier konnen z. B. Probleme entstehen, wenn ein diesbeziigliches kaufmánnisches Bestátigungsschreiben zwar nach deutschem Recht hinreichend ist, nicht aber nach dem Recht des Vertragspartners oder nach dem UN-Kaufrecht (vgl. dazu unten). Die Lieferbedingungen (z. B. Incoterms) záhlen formal zu den AGB. Nicht selten, aber problematisch ist, wenn sich die Klauseln des Kunden und des Lieferanten widersprechen, um durch sog. Abwehrklauseln Regelungen des Gescháftspartners auszuschlieEen. Dann kann es hin- und hergehen, mit ungewissem Ausgang (das Problem des letzten Wortes, wie in der Ehe...) (vgl. auch Abschnitt E-5.3). (g) Garantien Fiir eine Reihe von Risiken werden bei internationalen Kauf- und Liefervertrágen seitens des Importeurs oft Garantien verlangt (in der Regel als Bankgarantien). • Gángig sind u. a. Bietungsgarantien (bid bonds), insbesondere bei Ausschreibungen: Halt sich ein Anbieter, der den Zuschlag erhált, nicht an sein Angebot, verfállt die Garantie (unabhángig von sonstigen Anspriichen). • Bei Ausschreibungen müssen Interessenten háufig eine Bankauskunft vorlegen (Praqualifikation), in der die Bank u. a. auch ihre Bereitschaft zur Übemahme von Bietungsgarantien ausdrückt. Diese Erklárung ist jedoch zunáchst unverbindlich. Aus den diversen Angeboten erstellt der Ausschreiber meist eine Short List mit geeigneten Anbietern. • Durch Anzahlungsgarantien soil gewáhrleistet werden, dafi einem Káufer, der eine Anzahlung geleistet hat, diese zurückgezahlt wird, wenn der Verkáufer nicht leistet (Riickerstattungs- oder Riickzahlungsgarantie); • durch Liefer- und Gewáhrleistungsgarantien soil sichergestellt werden, dafi der Verkáufer dem Káufer vertragsgerechte Ware liefert und ggf. seinen Pflichten im Rahmen von Gewáhrleistungen nachkommt; etc. Derartige Garantien werden in der Regel «auf erstes Anfordern» hin zahlbar gestellt, d. h. ohne materielle Prüfung des Anspruchs. Dies kann zu Problemen fiihren: In manchen Lándern ist es nicht uniiblich, solche Garantien unberechtigterweise «einfach mal so> in Anspruch zu nehmen, ohne dafi sich der Verkáufer dagegen wehren kann (<unfair calling)) (man kann sich aber dagegen versichern; vgl. Abschnitt H-2.3.3). Grundsátzlich sollten Garantien zeitlich befristet werden. Die Internationale Handelskammer (ICC) in Paris hat Einheitliche Ricbtlinien fur auf Anforderung zahlbare Garantien auf internationaler Ebene eingefiihrt, die jedoch in der Praxis keine allzugroSe Beachtung finden. Unbeschadet der MifSbrauchsmoglichkeiten sollte im Kaufvertrag eindeutig geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen und unter Vorlage welcher Nachweise Garantien in Anspruch genommen werden kónnen, weil dies die Hemmschwelle hóher setzt. (h) Gewáhrleistungen Die Gewáhrleistungsbedingungen und -kriterien sollten prázise festgelegt werden. Auslándische Rechtsordnungen enthalten insgesamt sehr unterschiedliche Gewáhrleistungsvorschriften. Meist wird aber wie im deutschen Recht zwischen zugesicherten Eigenschaften (conditions = wichtig, warranties = unwichtig), gesetzlichen Verpflichtungen und vertraglichen Ausschliissen unterschieden. Bei auslándischer Rechtsgrundlage mufi man mit kurzen Riigefristen und umfassenden Gewáhrleistungsausschlüssen rechnen. <?page no="197"?> E-3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte 1 7 5 (i) Verzugszinsen Nach dem BGB sind 4 % Verzugszinsen vorgesehen, sofern vertraglich keine anderen Regelungen getroffen sind. Eine hóhere Verzinsung kann aufgrund eines hoher anzusetzenden Verzugsschadens begriindet sein. Nach englischem Recht gibt es keine gesetzlichen Verzugszinsen. Diese müssen ggf. in einer Zinsklausel explizit vereinbart werden. (k) Vertragsstrafen Vertragsstrafen bzw. Konventionalstrafen (Ponale) sollen die Nichteinhaltung von Vertragspunkten sanktionieren, z. B. Überschreiten von Terminen oder Qualitátsabweichungen. Sie sollten nach Eintrittsgrund und Hóhe eindeurig definiert sein. Verzugszinsen sind keine Vertragsstrafe. (m) Schiedsklausel Für den Fall von Auseinandersetzungen mit dem Vertragspartner sollte im Vertrag explizit geregelt sein, wie dies ggf. erfolgen soil (dispute settlement). Grundsatzlich kann dies vor einem staatlichen oder einem privaten Schiedsgericht erfolgen. Um Auseinandersetzungen vor ordentlichen Gerichten zu vermeiden oder bei unklarer oder komplizierter Rechtslage wird oft auf auSergerichtliche Schiedsgerichtsverfahren ausgewichen (Arbitrage, vgl. ausfiihrlich Abschnitt F-4). Um Probleme und Unklarheiten hinsichtlich des Gerichtsstandes und des anzuwendenden Rechts zu vermeiden, sollten daher die Vertragspartner diesen Punkt einvernehmlich und ausdriicklich im Vertrag regeln. Zuvor sollte geklárt werden, ob nicht nationale Vorschriften die private Schiedsgerichtsbarkeit beschránken, wie es bis vor kurzem z. B. in Guatemala der Fall war. In manchen Fallen ist es móglich, auch nachtráglich ein Schiedsgericht zu vereinbaren (via separatem Schiedsvertrag), wenn die Gescháftspartner beide an einer objektiven Konfliktlósung interessiert sind. (n) «Force majeure»-Klausel Unter «force majeure» (hóhere Gewalt) versteht man Ereignisse auSerhalb der Kontrolle der Vertragsparteien, entweder natiirlicher Art (Erdbeben, Uberschwemmungen) oder menschlich verursacht (Krieg, Streiks, Embargos), welche die Vertragspartner daran hindern, ihre Verpflichtungen zu erfiillen. Unter einer entsprechend gestalteten «force majeure»-K\ausel kann z. B. der Exporteur im Falle der Unmóglichkeit der Vertragserfiillung nach Ablauf einer bestimmten Frist Anspriiche gegen den Vertragspartner gelten machen bezüglich Erstattung aller Kosten, die fur (Teil-) Leistungen entstanden sind, die bis zum Eintritt des «force majeure »-Ereignisses angefallen sind. Es ist empfehlenswert, den Begriff der Hóheren Gewalt genau zu spezifizieren, ggf. enumerativ, da es hierfiir keine international verbindlichen Regeln gibt. (p) Salvatorische Klausel In viele Vertráge wird eine «salvatorische Klausel> eingebaut (lat salvare: retten). Danach bleibt der Vertrag in seiner Gesamtheit und den iibrigen Klauseln wirksam, wenn eine einzelne oder mehrere Klauseln aus welchen Griinden auch immer unwirksam wird. Dies <rettet> moglicherweise den Aufwand, der mit der Erstellung des Vertrags verbunden war. (q) Inkrafttreten Das Inkrafttreten des Vertrages sollte von Bedingungen abhángig gemacht werden wie Akkreditiveróffnung, Hermes- oder Finanzierungszusage einer Bank. <?page no="198"?> 1 7 6 E Internationale Kaufvertráge E-4. Anwendbares Recht Welches Recht ist auf einen Streitfall anzuwenden, wenn z. B. ein deutscher Exporteur eine Ware, die in Ósterreich lagert, in der Schweiz an einen brasilianischen Káufer verkauft, der auf ein Konto auf den Bahamas zahlen soil, und die Vertragspartner das anzuwendende Recht nicht vereinbart haben? Wir werden hier nicht die Losung ableiten, sondern nur die Problematik verdeutlichen. E-4.1. Rechtskreise Zu den wichtigsten zu regelnden Aspekten in einem internationalen Kaufvertrag gehórt das anwendbare Recht. Um es vorweg zu nehmen: Sofern dies nicht vertraglich vereinbart wurde, kommt es auf die Umstánde des konkreten Einzelfalls an. Grundsátzlich ist davon auszugehen, dafs das deutsche Recht, das deutschen Exporteuren und Importeuren vertraut ist, in dieser Form nicht im Ausland gilt. Beispielsweise ist wie oben besprochen der in Deutschland gángige Eigentumsvorbehalt in der Regel im Ausland unwirksam. Ob wesentliche Unterschiede bestehen, hángt insbesondere davon ab, wekhem Rechtskreis das betreffende Ausland zuzurechnen ist. Rechtskreise sind historisch gewachsen und von den jeweiligen kulturellen, sozialen und und religiósen Hintergriinden geprágt. Aufgrund der Kolonialisierung, aber auch aufgrund freiwilliger Übernahme von Rechtsmaterie sind auch die meisten nicht-europáischen Lander von sog. kontinental-europaischem Recht (im Englischen: Civil Law) oder von anglo-amerikanischem Recht (engl.: Common Law) mehr oder weniger stark beeinfluSt. Innerhalb des kontinental-europáischen Rechts werden dabei zwei Hauptgruppen unterschieden, die germanischen Rechte, die vom deutschen Recht geprágt sind, und die romanischen Rechte, die auf die Gesetzgebung Napoleons zuriickgehen. Der heutige deutsche Rechtskreis ist vom 1900 in Kraft getretenen BGB geprágt. In vielen Lándern gelten Rechtsordnungen, die dem deutschen jedoch zumindest áhnlich sind: Die ósterreichische und die liechteinsteinische Rechtsordnung weisen viele Gemeinsamkeiten mit der deutschen auf (die schweizerische Rechtsordnung, die in der Tiirkei iibernommen wurde, hingegen weicht vom deutschen System ab). Das griechische Zivilgesetzbuch áhnelt im Aufbau dem deutschen BGB, ebenfalls das chinesische im Hinblick auf die ersten drei Biicher; ursprünglich auch das japanische, das aber spáter stark von anglo-amerikanischen Einfliissen iiberlagert wurde. Der anglo-amerikanische Rechtskreis ist kasuistisch fundiert und basiert nachhaltig auf einer Fall-Rechtssprechung (case law) («Kramer gegen Kramer»). Dies ist fur Kontinentaleuropáer ein erheblicher Unterschied zum eigenen Rechtskreis. Zu diesem Rechtskreis záhlen GroSbritannien, die USA ohne Louisiana, Kanada ohne Quebec, Australien, Neuseeland, Südafrika, Indien, Pakistan, viele Lander West- und Ostafrikas, und in Asien die Philippinen. Die USA <zerfallen> zudem in das Bundesrecht und das Recht aller Einzelstaaten; es gibt also kein einheitliches US-Recht. Wenn Kláger und Beklagte nicht im gleichen Bundesstaat ansássig sind (complete diversity), kann von einem Bundesgericht geklagt werden. Als Beispiel fur einen wichtigen Unterschied im anglo-amerikanischen Recht gegeniiber dem deutschen Recht sei erwáhnt, daS der Anbieter nicht an sein Angebot gebunden ist, solange keine Annahme des Angebots stattgefunden hat (der Anbieter ist allerdings ggf. bei Nichteinhaltung seines Angebots schadenersatzpflichtig). Schweigen auf ein Angebot gilt im <?page no="199"?> E-4. Anwendbares Recht 1 7 7 englischen Recht ais Ablehnungserklárung (ebenso im UNCITRAL-Kaufrecht). Im deutschen Recht wird «Schweigen» als kauimannische Zustimmung gewertet. Was also, wenn also ein koreanischer Kaufer auf ein Schreiben des deutschen Partners nicht antwortet... ? In Abschnitt H-6 wird im Zusammenhang mit dem Produkthaftungsrecht auf einige Besonderheiten des US-amerikanischen Gerichtssystems eingegangen. In GroEbritannien gelten das aus dem Mittelalter entwickelte Common Law (eine Form des Gewohnheitsrechts) und die Equity, ein zum Ausgleich von Harten des Common Law entwickeltes Billigkeitsrecht. Im historischen Zeitablauf kam dann geschriebenes Recht (Statute Law) hinzu, welches insbesondere auch das Handelsrecht beeinfluSt. Zwischen den Landesteilen (England, Wales, Schottland) bestehen dabei teilweise erhebliche Unterschiede. Das englische Recht unterscheidet nicht zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten, ebensowenig wie zwischen zivil- und handelsrechtlichen Vertrágen. Handelsbráuche («Usancen») kónnen Vertragsbestandteil auch dann werden, wenn die Vertragspartner diese gar nicht kennen (vgl. Abschnitt E-6). Allgemein kann man bei britischen Geschaftspartnern von einem weitverbreiteten Sinn fur Fairness ausgehen aber darauf hat man keinen Rechtsanspruch. Also: Vertrauen ist gut, Vorsicht ist besser. Der romanische Rechtskreis beruht auf dem napoleonischen Code Civile und erstreckt sich auf Frankreich, Luxemburg, Belgien, die Niederlande, die meisten der ehemaligen franzósischen Kolonien, die Provinz Quebec in Kanada, den Bundesstaat Louisiana in den USA, Argentinien und Brasilien; auch Spanien und Italien sind mit einigen Einschránkungen hinzuzurechnen. Franzósische Gescháftspartner messen juristischen Fragen meist erst im ProzeSfall richtige Bedeutung zu. Ein deutscher Formal) urist kann da für den franzósischen Geschmack bei Vertragsverhandlungen schon leicht ein wenig zu weit vorpreschen. Von den iibrigen Rechtskreisen sind noch zu erwáhnen der skandinavische und der fernostliche Rechtskreis (insbesondere China, Japan, Korea). Bei Vertrágen mit finnischen Partnern z. B. wird nicht selten finnisches Recht vereinbart (UW 5/ 96: 61). Das finnische Kaufgesetz (kauppalaki) unterscheidet sich im systematischen Aufbau und zahlreichen Einzelaspekten vom deutschen Recht, u. a. bei der Gewáhrleistung für Mangel. Einzelheiten zu nationalen Kaufrechten von auslándischen Partnern sollten vorzugsweise bei bilateralen Handelskammern eingeholt werden, wie im Beispielsfall bei der Deutsch-Finnischen Handelskammer in Helsinki. Zudem gibt es eine Mehrzahl weiterer, aber schwer abgrenzbarer Rechtskreise, die stark religiós geprágt sind, so der islamische, der buddhistische oder der hinduistische Rechtskreis. Für die Ausgestaltung internationaler (Handels-) Rechtsbeziehungen haben diese lokalen oder regionalen Normen jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung. Eine fur den «Wettbewerb» der verschiedenen Rechtsordnungen (Abb. E-4/ 1) interessante Situation ergab sich durch den Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks. Die mittel- und Abb. E - 4 / 1 : Rechtsordnungen Wettbewerb der Rechtsordnungen in Osteuropa Stiftung für Rechtsberatung: Deutschland fállt nicht zurück / Wirtschaft fürchtet Benachteiligungen Unterschiedliches Recht hemmt die Wirtschaft Wettbewerbsrechtler pládieren für Internationale Harmonisierung <?page no="200"?> 1 7 8 E Internationale Kaufvertráge osteuropáische Lander (MOEL) müssen ihre Rechtssysteme neu gestalten. Viele versuchen, diese Aufgabe so zu losen, daE sich dabei ein Hóchstmafi an Vertráglichkeit mit den Rechtsordnungen der westeuropaischen Handelspartner ergibt. Andererseits haben auch amerikanische Berater die Chance erkannt, Rechtsordnungen zu entwickeln, die mit den eigenen so weit wie móglich kompatibel sind. Gegenwártig ist noch davon auszugehen, dafi keines der potentiellen Beitrittslánder zur EU über die Fáhigkeit verfügt, europáisches Recht nicht nur zu übernehmen, sondern auch tatsáchlich anzuwenden. E-4.2. Im Streitfall anzuwendendes Recht Wenn das anzuwendende Recht nicht explizit vertraglich vereinbart wurde, kann das mit dem Problem befaSte zustándige Gericht zwar nach der Sachlage des Falles das anzuwendende Recht nach bestimmten Regeln des internationalen Privatrechts bestimmen, 7 aber dabei kann man Überraschungen erleben, vor denen nur eine explizite Vereinbarung schützt. Die Vertragsparteien sind dabei frei (Parteiautonomie), sofern nicht zwingende Rechtsvorschriften (z. B. beim Immobilienerwerb) dem entgegenstehen. Zum Beispiel bestehen im islamischen Rechtskreis oft grundsátzliche Verbote, auslándisches Recht anzuwenden, ebenfalls in Brasilien. Prinzipiell gibt es vier Móglichkeiten der Rechtsvereinbarung: • das nationale Recht des Verkáufers, • das nationale Recht des Káufers, • ein drittes <neutrales> nationales Recht (z. B. schweizerisches oder ósterreichisches Recht, • und schliefslich internationales Recht (UN-Recht). Rechtswahlvereinbarungen sind nur dann wirksam, wenn sie Vertragsbestandteil geworden sind. Dies kann beispielsweise dann problematisch sein, wenn sich die Rechtswahl aus den Allgemeinen Gescháftsbedingungen ergibt, deren Gültigkeit jedoch in vielen Lándern ganz anders gehandhabt wird ais in Deutschland (vgl. oben Abschnitt E-3). E-5. UNCITRAL-Kaufrecht (UN-Kaufrecht) Das UN-Kaufrecht (synonym: Wiener Kaufrecht oder UNCiTRAL-Kaufrecht oder CISG: United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods: «UN-Übereinkommen zum internationalen Warenkauf») wurde 1980 von der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) in Wien vorgelegt und gilt seit 1991 auch in Deutschland. 8 Im Jahr 2001 war es bereits in 55 Staaten geltendes Recht, vor allem in Europa, aber auch in den USA, in Australien, China und RuEland. Grob geschátzt werden jeweils mehr als zwei Drittel der deutschen Importe und Exporte mit Vertragspartnern ab- 7 In Deutschland hat das «Ge'setz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts» vom 1.9.1986 die bislang geltenden <steinalten> Regelungen im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) aus dem Jahre 1900 novelliert. 8 Vorláufer des UN-Kaufrechts war das <Haager Kaufrechtsübereinkonunen>, das von 1974-1990 gait. Es war faktisch nur begrenzt innerhalb der EG von Bedeutung. <?page no="201"?> E-5. UNCITRALTKaufrecht(UN-Kaufrecht) 179 gewickelt, fur deren Staaten das UN-Kaufrecht gilt. 9 Nach anfánglichem Zogern ist das UN-Kaufrecht für weite Bereiche des internationalen Handels zur Rechtsgrundlage geworden. Es ist praxisorientiert, klar und straff. Die Praxisrelevanz leitet sich vor allem aus der engen Orientierung an Handelsbráuchen ab. Das Abkommen weicht in vieler Hinsicht vom deutschen BGB und HGB ab, da es ais Kompromifi zwischen Vertretern unterschiedlicher Rechtskreise zustandegekommen ist. Dies kann natiirlich in der Praxis zu Auslegungsproblemen führen. Es existieren verbindliche Fassungen in englischer, franzósischer, spanischer, russischer, arabischer und chinesischer Sprache. Die deutsche Version ist nicht amtlich, sondern gilt nur als unverbindliche Ubersetzung und Orientierungshilfe für Rechtsanwender in Deutschland, Ósterreich und der Schweiz. Im Vergleich mit einer Originalversion ergeben sich manche Nuancen. PRAXISTIPS Wenn ein deutscher Exporteur mit seinem Kunden vertraglich die Anwendung deutschen Rechts vereinbart hat, gilt dennoch automatisch UN-Kaufrecht, sofern dieses nicht explizit ausgeschlossen wurde. Das UN-Kaufrecht gilt folglich unabhángig davon, ob seine Anwendung von den Vertragspartnem beabsichtigt oder sein automatisches Inkrafttreten ihnen überhaupt bewuftt ist. Es ist daher keine explizite positive Entscheidung für, sondern eine negative Entscheidung gegen das UN-Recht erforderlich. Aus der Sicht deutscher Beteiligter mur> daher im Zweifelsfall immer mit der Anwendung des UN-Kaufrecht gerechnet werden. Der Ausschluft des UN-Kaufrechts sollte nicht routinemaRig, quasi durch die AGB erfolgen, sondern es sollte im Einzelfall geprüft werden, welche Rechtswahl im konkreten Einzelfall am günstigsten ist. Ein Anwalt, der den Ausschluft ohne eine solche Prüfung empfiehlt, láuft Gefahr, wegen Falschberatung in Regreft genommen zu werden. 10 E-5.1. Anwendungsbereich Das UN-Kaufrecht regelt das Zustandekommen von Kaufvertrágen, einschlieSlich bestimmter Formvorschriften und der Vereinbarung von Allgemeinen Gescháftsbedingungen, sowie ihre Abánderung und Aufhebung. Dabei stehen die Rechte und Pflichten der Vertragspartner (Káufer, Verkáufer) im Mittelpunkt. Im Vergleich mit dem nationalen deutschen Recht bringt das UN-Kaufrecht vor allem fur den Exporteur betráchtliche Veránderungen mit sich. Das Abkommen erstreckt sich auf den Kauf von Waren, so dafi andere Rechtsbereiche wie u. a. Kauf von Immobilien, Wertpapieren, Devisen, Rechten (Lizenzen), Elektrizitat, (groSen) Schiffen oder Flugzeugen ebenso wie Kompensationsgeschafte (aufier counter purchase) (vgl. Abschnitt B-6.1.3), Dienstleistungsvertráge oder Veredelungsgescháfte nach wie vor eine Einigung auf ein nationales Recht erfordern. Software gilt hingegen als Ware im Sinne des UN-Kaufrechts, ebenso 0 1 , Erdgas und andere Energien als Strom. Erkennbar zum nur persónlichen Gebrauch oder zum Gebrauch in Familie oder Haushalt getátigte Káufe unterliegen dem UN-Kaufrecht nicht. Hier gelten die jeweiligen nationalen Verbraucherschutzbestimmungen. 9 Vgl. beispielhaft die ausgezeichnete Einführung von Piltz 1996. 0 Patricia Nacimiento, in: FAZ vom 6.3.01. <?page no="202"?> 1 8 0 E Internationale Kaufvertráge E-5.2. Einschránkungen Zunáchst einmal haben eine Reihe von Staaten Vorbehaltsklauseln hinsichdich der Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts durchgesetzt, d. h. bestimmte Aspekte gelten u. a. nicht in skandinavischen Lándern, den USA, China sowie der Tschechischen und der Slowakischen Republik, insbesondere bezüglich des Vertragsabschlusses. Insgesamt sind diese AusschluEmóglichkeiten aber viel begrenzter als im alten Haager Kaufrecht. Die Anwendbarkeit ist materiell beschrankt auf bewegliche Giiter, allerdings nicht fur den persónlichen (privaten) Gebrauch, sondern nur fiir kommerzielle Zwecke. Weitere Ausschliisse bestehen hinsichdich Káufen auf Versteigerungen, von Wertpapieren und Zahlungsmitteln, von Schiffen und Luftfahrzeugen und von elektrischer Energie. Bei der Haftpflicht sind Personenscháden explizit ausgeklammert, weil die Produkthaftpflicht sich nicht überall gegen den Hersteller richtet wie in der Bundesrepublik - , sondern vertraglich geregelt werden muE, und dies soil nach wie vor nationalem Recht unterliegen. Viele wichtige Aspekte wie der Eigentumserwerb, Aufrechnung, Vertragsstrafen, Verjáhrung, Abtretung von Ansprüchen werden durch das UN-Kaufrecht nicht geregelt. Das Abkommen lafit zudem eine Reihe von Rechtsbegriffen unbestimmt (z. B. eine <angemessene> Frist, die ein Hamburger vielleicht anders sieht ais ein Libanese) und láí? t andere Fragen wie die Wáhrung des Kaufpreises oder die Hóhe der Verzinsung offen. Es existiert kein supranationales oder internationales Gericht, welches die Anwendung des UN-Kaufrechts überprüft. In Zweifelsfragen miissen nationale Gerichte Streitigkeiten bezüglich des UN-Kaufrechts kláren. Dabei soil aber nach dem Wortlaut des UN-Rechts dessen internationaler Charakter berücksichtigt werden. Grundsatzlich ist es ratsam, erkennbaren Unschárfen und Regelungslücken von vornherein durch entsprechende prázisierende Vereinbarungen im Kaufvertrag zu begegnen. Beispielsweise ist ein allgemeiner Passus sinnvoll wie «AuSerhalb des Geltungsbereichs des UN-Kaufrechts soil dieser Vertrag deutschem Recht unterliegen» oder «subsidiar gilt deutsches Recht». E-5.3. Allgemeine Vertragsaspekte Im Gegensatz zu deutschem Recht kann ein Vertragsangebot nach dem UN-Kaufrecht 11 so wie im anglo-amerikanischen Recht bis zur Absendung der Annahmeerklarung widerrufen werden (dies kann jedoch Schadenersatzpflichten nach sich ziehen). Aus der Sicht des Káufers sollte daher auf einer zumindest befristeten eindeutigen Unwiderruflichkeit bestanden werden («... gilt unwiderruflich bis zum...»). Die Annahme des Angebots muí? rechtzeitig erfolgen, denn eine verspátete Annahmeerklarung gilt nicht als Gegenangebot (anders als im BGB); der Vertrag ist dann nicht zustandegekommen. Eine (wesentlich) abweichende Annahmeerklarung hingegen gilt als Gegenofferte, die wiederum der Annahme bedarf. Da das UN-Kaufrecht keine Formvorschriften macht, sollten diese ggf. explizit eingebaut werden, etwa hinsichdich der Notwendigkeit der Bestátigung von Vertragsánderungen in Schriftform. Der Eigentumsubergang vollzieht sich ausschlieSlich nach dem nationalen Recht des Ortes, an dem sich die Ware dann befindet; dies kann auch nicht durch Nebenabsprachen ab- 11 Wie im BGB mufi sich das Angebot an eine bestimmte Person richten und hinsichdich Preis und Menge etc. konkret sein: Ein Warenprospekt ist kein Angebot, sondern genau umgekehrt eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots durch den Kaufer. <?page no="203"?> E-5. UNCITRAL-Kaufrecht (UN-Kaufrecht) 1 8 1 bedungen werden. Ein wirksamer Eigentwnsvorbehalt im Sinne des deutschen Rechts setzt also eine analoge Regelung im Bestimmungsland voraus, was nur selten der Fall ist. Von Bedeutung ist auch, daS Allgemeine Gescháftsbedingungen (AGB) nach dem UN-Kaufrecht nur unter strengeren Bedingungen Giiltigkeit erlangen als z. B. nach deutschem Recht, andererseits nationale Regelungen anderer Lánder deutlich abschwáchen. Die AGB rnussen dem Káufer in jedem Falle im Wortlaut und in einer für ihn verstándlichen Sprache bekannt gemacht werden. Dies bedeutet, dai? sie ihm vorliegen; ein blofier Hinweis reicht nicht aus. Dabei gilt vielfach die bereits erwáhnte «Regel des letzten Wortes»: Wenn der Lieferant ein Angebot unterbreitet, das auf seinen AGB beruht, und der Kunde eine Auftragsbestátigung abgibt, die auf seinen AGB beruht, so würden diese gelten sofern der Lieferant dem nicht widerspricht, und so kann es hin- und hergehen. Dadurch wiirde der Vertrag in Gefahr geraten zu scheitern, weil Angebot und Annahme nicht iibereinstimmen. Dies sollte zwischen den Vertragsparteien frühzeitig geklárt werden. E-5.4. Aspekte für den Importeur Rechtliche Aspekte werden für den Importeur vor allem dann relevant, wenn die Ware nicht vertragsgemal? geliefert wird oder der Lieferant mit der Bezahlung unzufrieden ist. Nation als (deutsches) Recht halt eine Vielzahl von Fallstricken bereit, in denen sich der deutsche Importeur z. B. bei Mdngelriigen gegenüber dem auslándischen Lieferanten verheddern kann (Fristen, Formen, Beweislast, Rechtsmittel etc.). Das UN-Kaufrecht stellt den Importeur bei nicht ordnungsgemáSer Lieferung besser ais das deutsche Recht. Das UN-Kaufrecht unterscheidet keine verschiedenen Arten von Leistungsstórungen (BGB/ HGB: u.a. Verzug, Unmóglichkeit, Sachmángelgewáhrleistung; Haftung fur zugesicherte Eigenschaften, positive Vertragsverletzung). Im Gegensatz zum deutschen Recht sind zudem für die móglichen Rechtsbehelfe bei nicht ordnungsgemáEer Vertragserfullung (Erfullungsanspruch, Vertragsaufhebung, verschuldensunabhángiger Schadenersatz) weder Mahnung noch Nachfrist erforderlich (anders hingegen fur Minderung). Allerdings sind recht kurzfristige - Untersuchungs- und Rügepflichten des Káufers zu beachten. Hingegen sind u. U. auch verspátete Mángelrügen móglich, und die Gewdhrleistungsfristen sind lánger und die Getvdhrleistungspflichten des Verkáufers strenger als nach deutschem Recht. Insbesondere ist eine verschuldungsunabhángige Garantiehaftung (Schadenersatzpflicht) des Verkáufers herauszustellen, von der sich dieser nur sehr schwer befreien kann. Wenn der Gefahrenübergang nicht ausdrücklich geregelt wurde z. B. wenn keine INCO- TERM-Klausel vereinbart wurde -, geht die Gefahr nach UN-Kaufrecht i.d.R. bei Übergabe der Ware an den ersten Frachtfuhrer über (sog. Befórderungsverkauf); bei bereits <schwimmender> oder <rollender> Ware geschieht dies im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Rechtliche Vorteile für den Importeur sind natürlich analoge Nachteile für den Exporteur und umgekehrt. E-5.5. Aspekte für den Exporteur Für den Exporteur besteht vor allem das Abnahme- und das Zahlungsrisiko bezüglich des auslándischen Káufers. Auch hier ist das UN-Recht in einigen Aspekten für den Exporteur günstiger als das deutsche Recht: <?page no="204"?> 1 8 2 E Internationale Kaufvertrage Im Gegensatz zu deutschem Recht ist Erfiillungsort nicht der Sitz des Káufers, sondern des Verkáufers, auch bezüglich der Leistung des Kaufpreises, sofern nichts anderes vereinbart wurde. Dies gilt mit einigen Einschránkungen auch im Falle des vertraglich nicht geregelten Gerichtsstandes. Im europáischen Kontext mit Lieferungen gegen offene Rechnung ist dies besonders relevant. Für den Exporteur ist diese generelle Regelung auSerhalb Europas natiirlich nur dann von Vorteil, wenn ein deutsches Urteil ggf. auch im Land des Káufers durchsetzbar ist. Bei Zahlungsverzug mul? der sáumige Káufer Zinsen zahlen, unabhángig davon, ob er den Verzug zu vertreten hat oder nicht, und ohne dai? dafiir eine Mahnung oder Fristsetzung erforderlich ist. Die Zinshóhe ist allerdings nicht konkretisiert. Der Káufer mul? zudem ggf. verschuldensunabhángig Schadensersatz leisten für Scháden, die dem Verkaufer entstehen. Insbesondere ist er verpflichtet, (rechtzeitig) alies zu unternehmen, damit der Kaufpreis zum Fálligkeitszeitpunkt ordnungsgemál? gezahlt wird. Im Falle von Konvertierungs- oder Transferproblemen (KT-Risiken; vgl. Abschnitt H-2.1) kann der Verkaufer die eigene Leistung zurückhalten oder den Vertrag auch losen, ohne eine Vertragsverletzung zu begehen. Es ist ratsam, den Fálligkeitszeitpunkt und den Erfiillungsort fur die Zahlung prázise zu bestimmen, sofern sich dies nicht z. B. aus einer vereinbarten dokumentáren Zahlungsbedingung ergibt. Bei nicht ordnungsgemáí? er Lieferung hat der Verkaufer nach UN-Kaufrecht das sog. Recht der zweiten Andienung, d.h. er kann nachbessem, ohne dal? dies seinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises einschránkt. Allerdings muí? er entstandene Scháden ersetzen. Der Káufer mul? zur Geltungmachung von Anspriichen und fur Riigen bestimmte Fristen beachten, die teilweise kürzer sein kónnen ais nach deutschem Recht. Auch ein Riicktritt des Káufers vom Vertrag ist nach UN-Recht schwieriger: Der Verkaufer wird u. U. lieber einen Schadenersatz leisten, als eine nicht ordnungsgemáSe Warenlieferung rückgángig zu machen, was für ihn mit erheblichen Kosten und Problemen verbunden sein kann. Umgekehrt kann der Verkaufer bei wesentlicher Vertragsverletzung des Káufers vom Vertrag zuriicktreten (z. B. um sich von zukiinftigen Lieferverpflichtungen zu befreien) und/ oder vom Káufer Schadenersatz verlangen, z. B. bei nicht ordnungsgemáfier Zahlung. Sofern kein Lieferort also z. B. keine INCOTERM-Klausel vereinbart wurde, geht das UN-Kaufrecht vom sog. Befórderungskauf vor. Danach muí? der Verkaufer die entsprechenden Befórderungsvertráge abschlieí? en, dies aber auf Kosten des Káufers. Die Beauftragung eines Spediteurs (in Abgrenzung zum Frachtfiihrer) ist daher im Gegensatz zur deutschen Praxis nicht ausreichend. E-6. Internationale Handelsbráuche Bestimmte Handelsbráuche haben sich im internationalen und nationalen Handel seit altersher entwickelt. Sie haben zwar keine unmittelbare Rechtskraft, sie werden jedoch oft wie quasi-gesetzliche Regelungen beachtet, etwa im Status von Gewohnheitsrecht, allerdings nur im Zusammenhang mit einer bestimmten Situation. Beispielsweise gilt nach deutschem (Handelsgewohnheits-)Recht unter Kaufleuten das Schweigen als Zustimmung. Im deutschen Handelsgesetzbuch (HGB) besagt § 346, daf? unter Kaufleuten auf die im Handels- <?page no="205"?> E-6. Internationale Handelsbráuche 183 verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebrauche Riicksicht zu nehmen ist. Auch das o.a. UNCITRAL-Kaufrecht bestátigt den quasi-formalen Status von Handelsbráuchen, ebenso wie das Europaische Gerichtsstand- und Vollstreckungsabkommen (vgl. D-1.5.2). Die Unkenntnis einer Partei bezüglich eines Handelsbrauchs beeintráchtigt dabei grundsátzlich nicht seine Giiltigkeit und Anwendbarkeit; in der Rechtsliteratur werden allerdings auch gegenteilige Auffassungen vertreten. Wahrend formales (zwingendes) Recht den Vorrang vor Handelsbráuchen hat, kónnen diese vertraglich vereinbartes (nachgiebiges) Recht <brechen>. Dessenungeachtet haben Handelsbráuche keinen formalen Rechtsstatus, kónnen also u. a. kein Revisionsgrund sein. In Streitfállen ist es aber oft schwierig, Handelsbráuche hinreichend exakt zu definieren, so daft man dabei leicht in eine rechtliche Grauzone gerát. Einige Handelsbráuche sind lediglich faktisch, beruhen auf der Überlieferung und haben háufig nur lokale Bedeutung, andere Usancen sind im Zeitablauf formalisiert und festgeschrieben (kodifiziert) worden, haben damit eine gróEere internationale Bedeutung und kónnen problemlos in vertragliche Übereinkiinfte einbezogen werden. Hierzu záhlen die Incoterms, die Hamburger Regeln, die Institute-Cargo-Klauseln und die Abwicklung von Akkreditiven (ERA), Inkassi (ERI) und Garanden (vgl. Abschnitte G-3.4 und G-3.3.3). Juristen streiten allerdings darüber, welchen rechtlichen Status die ERI und ERA haben. Die Mehrzahl ordnet sie den Allgemeinen Gescháftsbedingungen zu, mit Ausnahme der Teile, die Handelsbráuche wiedergeben. Dieser akademisch anmutende Dissenz kann im Streitfall Auswirkungen auf das anwendbare Recht haben. Es ist empfehlenswert, sich bei internationalen Kauf- und Liefervertrágen auf die INCO- TERMS, d. h. die International Commercial Terms zu stützen, die von der Internationalen Handelskammer (ICC, International Chamber of Commerce) erarbeitet werden. Sie regeln klar und systematisch den Kosten- und Gefahrenübergang und die damit verbundenen Rechte und Pflichten von Káufer und Verkáufer (vgl. ausführlicher Abschnitt G-2). Im Bereich von industriellen Maschinen, Anlagen und langlebigen Konsumgiitern gibt es dariiberhinaus mit den ECE-Lieferbedingungen (ECE = Economic Commission for Europe = UN-Wirtschaftskommission fiir Europa) spezielle Regelungsvorschláge (Mustervertráge) fur Allgemeine Lieferbedingungen. Im angelsáchsischen Bereich gibt es aber sog. Formularvertráge, die als Vorbereitung fur den VertragsabschluSrecht gebráuchlich sind. Zu den Rechtsvereinheitlichungen, welche die internationale Vertragsgestaltung eindeutig(er) machen und damit erleichtern, sind auch die Einheitlichen Richtlinien fur Dokumentengescháfte (Dokumenteninkassi und Akkreditive) zu záhlen. Hierauf wird im Abschnitt G-3.4 vertiefend eingegangen. Auch die ICC-Schiedsgerichtsordnung záhlt zu diesen transnational formalisierten Handelsbráuchen. Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen bezüglich solcher Handelsbráuche werden oft (internationale) Handelskammem urn ein Gutachten gebeten. Die UNCITRAL beschaftigt sich mit Arbeiten zu einem Model Law on Electronic Commerce sowie mit Arbeiten zur Praxis des internationalen Warentransportrechts, u. a. bezüglich Warenkontrolle und Warenbeschreibung in den Transportdokumenten, bei denen international erhebliche Unterschiede bestehen. <?page no="206"?> 1 8 4 E Internationale Kaufvertráge E-7. Exkurs: Unternehmensformen im Ausland Fur den Exporteur oder Importeur ist es wichtig, seinen Vertragspartner einschátzen zu kónnen. Einer von vielen Aspekten ist die Rechtsform des Partnerunternehmens. Auf die international gángigen Unternehmensformen und ihre Besonderheiten kann natiirlich im Rahmen dieses Buchs nicht im Detail eingegangen werden. Wir beschranken uns hier auf einen Uberblick iiber die verschiedenen Bezeichnungen, um eine Einordnung eines Gescháftspartners zu erleichtern. Die Abb. E-7/ 1 bis E-7/ 4 fassen sie zusammen. Die vereinfachte franzosische Aktiengesellschaft ist auch als Rechtsform fur deutsche Toch- Abb. E - 7 / 1 : Aktiengesellschaft Staat B DK D FIN F GR CB IRL I L NL A P EU S E Name Société Anonyme (S.A.)/ Naamloze Vennootschap (NV) Aktieselskab (A/ S) Aktiengesellschaft (AG) Osakeyhtió (Oy) Société Anonyme (S.A.) Société par Action Simplifiée - SAS Société en Commandite par Action (SCA) Anonymos Etaeria (A.E.) Public Company Limited by Shares Public Limited Company Unlimited Company Societá per Azioni (S.A.P.A.) Societá Accomadita per Azioni (S.A.P.A.) Société Anonyme (S.A.) Naamloze Vennootschap (NV) Aktiengesellschaft (AG) Sociedad Anónima (S.A.) ab 2004: Societas Europeae Aktiebolag (AB) Sociedad Anónima (S.A.) Mitgl. 2 3 1 1 7 2 2 7 1 2 1 1 5 1 3 Mindestkapital (in Euro) 62.000 EUR 67.250 EUR 51.100 EUR 2.500 EUR 37.000 EUR 6.200 EUR 31.000 EUR 72.500 EUR 38.000 EUR 103.000 EUR 31.000 EUR 45.000 EUR 72.000 EUR 25.000 EUR 120.000 EUR 56.000 EUR 11.250 EUR 60.000 EUR Mindesteinlage/ Bemerkung 25% Mindesteinlage/ mind. 61.973,38 EUR 25% Mindesteinlage Mindesteinlage 100% des Minimalkapitals (Mischform AG/ GmbH) ... bei Bórsennotierung ... ohne Bórsennotierung KGaA mind. 31.000 EUR Mindesteinlage 25% Mindesteinlage 25% Mindesteinlage KGaA 30% Mindesteinlage KGaA, selten 25% Mindesteinlage 25% Mindesteinlage 25% Mindesteinlage 30% Mindesteinlage bei Borsennotierung/ 100% Mindesteinlage ohne Borsennotierung/ 100% Mindesteinlage 25% Mindesteinlage SE die Europáische Aktiengesellschaft Eine Option fur grenziiberschreitend tatige Unternehmen „Deutsche Unternehmen sind im Nachteil" Die Wirtschaft áuBert heftige Kritik art der geplanten Europa AG <?page no="207"?> E-7. Exkurs: Unternehmensformen im Ausland 185 terunternehmen interessant. Das Grundkapital von 250.000 FRF (rd. 6.200 Euro) braucht zunáchst nur zur Hálfte eingezahlt zu werden. Die Muttergesellschaft kann 100% der Anteile halten und die SAS durch Aufnahme weiterer Aktionáre in ein Joint Venture umwandeln. Die Übertragung der Aktien ist einfacher (kostengiinstiger) ais bei der S.A.R.L., der «franzósischen GmbH». Die Europa-AG (Société Européenne - S.E.) kónnte international operierende Unternehmen von Begrenzungen durch unterschiedliche nationale Rechte befreien. Die EU-Staaten haben bis 2004 Zeit, die Ende 2000 vom Ministerrat beschlossene «Societas Europeae» (lateinisch) in nationales Recht umzusetzen. Noch sind viele steuerrechtliche Fragen offen. Grofébritannien, Spanien und andere Lánder befürchten einen verstárkten Einfluí? unternehmerischer Mitbestimmung deutscher Prágung, quasi «ein K.O.-Schlag fur Kooperationen». Deutschland und andere Lánder befürchten im Gegenteil die Flucht grofser Unternehmen vor der starken deutschen Mitbestimmung in die schwáchere Form der Mitbestimmung des Gemeinschaftsrechts. 12 Die S.E. unterliegt aus deutscher Sicht auch einem weniger strengen und damit flexibleren Aktienrecht. Die Unternehmensform der Europdischen Wirtschaftlichen lnteressenvereinigung (EWTV) kann seit 1989 gegriindet werden. Sie ist eine Handelsgesellschaft im Sinne des deutschen HGB, aber keine juristische Person (im Gegensatz zu Frankreich)und auch keine unabhángige Gesellschaftsform. Sie unterliegt dem jeweiligen nationalen Steuerrecht. Mit der EWTV kónnen Unternehmen bestimmte nicht-gewinnorientierte Funktionen gemeinsam ausiiben. Abb. E-7/ 2: Gesellschaft mit beschránkter Haftung Staat B DK D FIN F GR GB IRL 1 L NL A Name Société á responsabilité limitée (SPRL) Besloten Vennootschap met beperte aansprakelijkhid (BVBL) Anpartsselskab (ApS) GmbH Osakeyhtió (Oy) SARL Entreprise unipersonnelle á responsabilité (EURL) Eteria Periorismenis (EPE) Privat Limited Company (Ltd.) Public Limited Company (pic) Privat Limited Company Societá a resonsabilitá limita (S.r.l.) SARL Besloten Vennootschap met beperte ansprakelijkheid (BVBL) GmbH Mitgl. 1 1 1 2 bis 50 (1)2 1 2 bis 50 1 2 1 1 Mindestkapital 750.000 BEF 200.000 DKK 25.000 Euro 50.000 FRF 3 Mió. GRD - - 20 Mió. ITL 500.000 LUF 40.000 NLG 500.000 ATS Mindesteinlage/ Bemerkung 20% Mindesteinlage, mind. 250.000 BEF mind. 500 DEM je Gesellschafter Mischform AG/ GmbH 100 % Mindesteinlage, max. 50 Gesellschafter Einmann-GmbH - - 100% Mindesteinlage 25% Mindesteinlage 25% Mindesteinlage 50% Mindesteinlage n Bernstorff, Cbristopb Graf von, Risiko-Management im Auslandsgescháft, 2. Aufl. Frankfurt/ M. 1995, S. 155. <?page no="208"?> 186 E Internationale Kaufvertráge Abb. E-7/ 3: Offene Handelsgesellschaft Staat B DK D FIN F GR CB IRL I L NL A P S E EU Name Société en nom collectif/ Vennootschap onder firma Interessentskab (l/ S) Offene Handelsgesellschaft (OHC) Avoin yhtio (Ay) Société en Nom Collectif (SNC) Omorrythmi Eteria (OE) Eterorrythmi Eteria - EE General Partnership General Partnership Societá in nome collettivo (S.n.c.) Société en nom collectif Vennootschap onder firma (VOF) Offene Handelsgesellschaft (OHG) Sociedad en nome colectivio Handelsbolag (HB) Compañía Colectia (Cia.) Europaische wirtschaftliche Vereinigung (EWIV) Bemerkung/ Gesellschafter selten mind. 2 mind. 2 Mischform OHG/ KG; mind. 2 max. 20 max. 20 selten sehr selten neu Sie ist branchenunabhangig und bietet sich z. B. an fur ein gemeinsames Forschungs- und Entwicklungsvorhaben oder fur gemeinsamen Einkauf, Vertrieb, Rechnungswesen, etc. Ein Mindestkapital ist nicht erforderlich, daher harten alie Mitglieder gesamtschuldnerisch und unbegrenzt. Die EWTV ist in der Bundesrepublik dem OHG-Recht unterstellt, kann also ins Handelsregister eingetragen werden, allerdings mit einer Gescháftsführung wie bei der GmbH. Inhaltlich áhnelt die EWTV der ARGE als begrenzte Arbeitsgemeinschaft. Die Partner behalten aufierhalb der Zusammenarbeit ihre voile juristische und wirtschaftliche Selbstándigkeit. Die EWTV ist vorrangig eine Unternehmensform fur kleine und mittlere Unternehmen: Eine Verflechtung mit anderen EWIV ist nicht móglich, sie darf nicht rnehr als 500 Mitarbeiter bescháftigen, und sie darf keine Anteile eines der Mitgliedsunternehmen halten. Ergánzend, aber unvollstándig, sei verwiesen auf die Gesellschaft biirgerlichen Rechts (GbR): in Frankreich Société Civile (SC), die Genossenschaft: Société Cooperative (B, F). Niederlassungen auslándischer Unternehmen werden bezeichnet als Succursale (B, F, L), Filiaal (B, NL), Filial (DK), Sivuliike (SF), Place of Business of a foreign Company (Gescháftssitz) (GB), Branch (Niederlassung) (GB). <?page no="209"?> E-7. Exkurs: Unternehmensformen im Ausland 187 Abb. E-7/ 4: Kommanditgesellschaft Staat B DK D FIN F GR GB IRL I L NL A P S SF Name Société en commandite simple/ Commanditaire Vennootschap Kommanditseldkab (K/ S) Kommanditgesellschaft (KG) Kommandiittiyhtio Société en Commandite Simple (SCS) Eterorrythmi Eteria (EE) Unlimited Company Limited Partnership Limited Partnership Societá in accomandita semplice (S.a.s.) Société en commandite simple (SCS) Commanditaire Vennootschap (CV) Kommanditgesellschaft (KG) Sociedade em comandita Kommanditbolag (KB) Kommandiittiyhtio Bemerkung sehr selten mind. 2 mind. 2 sehr selten Kapitalgesellschaft selten sehr selten mind. 2 sehr selten <?page no="210"?> Rechtsverfolgung im Ausland Probleme mit dem Gescháftspartner beziehen sich meist auf Vertragsverletzungen. Beim Verkaufer sind dies typischerweise Lieferverzug und mangelhafte Lieferung, beim Káufer Annahmeverzug und Zahlungsverzug. Mangel der Lieferung konnen sein Sacbmangel (Falschlieferung, d. h. einwandfrie, aber nicht bestellte Ware, Qualitátsfehler, d. h. Mangel der Beschafienheit, oder Quantitátsfehler, d. h. Mehr- oder Mindermenge) oder Rechtsmdngel (z. B. fehlendes Eigentum an der Ware seitens des Verkáufers). Mángel kónnen offen sein (und erfordem Riige bei der Eingangskontrolle), versteckt (und erfordern Ruge bei Entdecken innerhalb der Gewáhrleistung) oder arglistig verschwiegen (und erfordern Riige bei Entdecken). Rechtsfolgen sind iiblicherweise Wandlung (Riicktritt vom Vertrag), Minderung (PreisnachlaS), Nachhesserung, Neulieferung oder Schadenersatz. Ob man solche Anspriiche gegeniiber einem auslandischen Partner durchsetzen kann, hángt sowohl von der <Machtverteilung> als auch von den rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Grundsatzlich ist es empfehlenswert, sich rechtzeitig vor einem VertragsabschluE so umfassend wie móglich iiber die rechtlichen Besonderheiten für den Fall eines Streits zu informieren. Dies gilt unabhangig davon, ob man sich vor einem auslandischen Gericht streiten oder versuchen miiEte, ein deutsches Urteil im Ausland durchzusetzen. In beiden Fallen wird man sich mit der auslandischen Rcchtsordnung auseinandersetzen miissen. Oft kónnen spezielle Publikationen z. B. bilateraler (deutsch-auslándischer) Handelskammern eine erste Orientierung geben. Fur spezifische Aspekte sollte man aber auf eine spezialisierte Beratung zuriickgreifen. Hinsichtlich der Streitintensitát kann man unterscheiden einen giitlichen Einigungsversuch, Schlichtungen oder gerichtliche Klárung, wobei letztere durch ein privates Schiedsgericht oder ein ordentliches staatliches Gericht erfolgen kann. PRAXISTIP Die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen im Ausland ist aus deutscher Sicht auBerhalb des Europáischen Wirtschaftsraums aufwendig und mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden sowohl in finanzieller, zeitlicher als auch nervlicher Hinsicht. Sie sollten nur ein allerletztes Mittel sein. Mit Blick auf Zahlungsprobleme ist es zweckmaGiger, start für den Notfall rechtliche Schritte einzukalkulieren, von vornherein auf andere Formen der Kaufpreisabsicherung zu setzen (z. B. Akkreditiv, Hermes-Versicherung, inlandische Bankgarantien, Treuhandkonten). F-1. Gütliche Einigung Vertragliche Absprachen werden nicht unbedingt von jedem auslandischen Gescháftspartner als <Gesetz> angesehen; dies ist auch kulturabhángig (vgl. Abschnitt C-3). Streitigkeiten mit dem auslandischen Vertragspartner belasten die Gescháftsbeziehungen und zer- <?page no="211"?> F-2. Vergleichsverfahren (Schlichtung) 189 stóren die Vertrauensbasis und die Harmonie. Daher ist entsprechendes Augenmai? angebracht, bevor man z. B. zu formalrechtlich korrekten und nach deutschem Rechtsverstándnis auch angemessenen Rugen oder Mahnungen greift. Grundsátzlich sollte bei Problemen mit einem auslandischen Partner zunáchst versucht werden, eine giitliche Einigung durch Schriftwechsel, Telefónate oder ggf. auch einen persónlichen Besuch zu erreichen. Móglicherweise befindet man sich auch in einer Situation, in der man auf den Partner Druck ausiiben kann, weil eine gewissen Abhángigkeit besteht bei Lieferanten insbesondere im Hinblick auf Folgeauftráge, bei Kunden, weil er nicht auf alternative Bezugsquellen ausweichen kann. Nicht selten verhilft dem Partner schon die Aussicht auf negative Publizitát zur Einsicht. Ein weiterer Anreiz fur eine giitliche Einigung ist die Fiille von rechtlichen Problemen, die iiblicherweise mit einer juristischen Auseinandersetzung verbunden sind. Im nationalen Umfeld kann man sich auf ein etabliertes und vertrautes Rechtssystem stützen. Im internationalen Bereich handelt es sich aber meist um Partner aus anderen Rechtssystemen, als es der deutsche Kaufmann gewóhnt ist. Neben formalen Unterschieden ist vor allem an die Rechtsunsicherheit zu denken, mit der man in vielen Lándern rechnen muE (Abb. F-l/ 1). Diese beruht auf der fremden Rechtsordnung, deren Gesetze oft nicht in der eigenen Sprache zugánglich sind, auf einem anders strukturierten Gerichtssystem, auf ungewohnten Praktiken bei Rechtsberatung und Rechtsbeistand und auf der ungewissen Vollstreckbarkeit von Anspriichen, die gegeniiber dem auslandischen Vertragspartner (oder besser: -gegner) erwirkt wurden. Abb. F-1/ 1: Rechts(un)sicherheit In Lateinamerika zu viel Rechtsunsicherheit IADB: Die offentliche Verwaltung ist beklagenswert / Der Kuf nach Reformen Richter müssen sich im europáischen Recht kundig machen Ungewohnt ist oft auch die Handhabung rechtlicher Normen, die auf dem Papier oft als hervorragende Regelwerke erscheinen. Neben den nicht selten sehenswerten administrativen Abláufen, deren Verzwicktheit und Zeitaufwand deutsche Biirokratien oft stromlinienfórmig erscheinen láEt (ein Unternehmer verglich dies treffend als «fluidity of very thick honey» - Fliissigkeit sehr dicken Honigs). Hinzu kommen insbesondere gewohnungsbediirftige Korruptionspraktiken und Verternwirtschaft, hinter denen mancher Beklagte unbehelligt Schutz finden kann. Allgemein kann man sagen, daS der Gang zum Gericht immer nur ein letztes Mittel sein sollte, das vor allem unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten kritisch zu sehen ist. Der Kostenaufwand ist meist hoch, der Verfahrensablauf nicht immer iiberschaubar und nicht selten mit unangenehmen Überraschungen verbunden. F-2. Vergleichsverfahren (Schlichtung) Sofern eine informelle giitliche Einigung nicht móglich ist, zwischen den Vertragspartnern kein Schiedsgerichtsverfahren (vgl. unten Abschnitt F-4) vereinbart wurde und auf eine Klage vor einem ordentlichen Gericht (zunáchst) verzichtet werden soil, bietet sich der Ver- <?page no="212"?> 1 9 0 F Rechtsverfolgung ¡m Ausland such einer formellen giitlichen Regelung an: Die Parteien kónnen sich darauf einigen, an einem Schlichtungsverfahren (Mediation) teilzunehmen, um zu versuchen, einen Vergleich zu erreichen (Abb. F-2/ 1). Allerdings ist darauf zu achten, daS durch den damit verbundenen Zeitaufwand keine Probleme im Hinblick auf Verjáhrungsfristen entstehen. Dies kann durch eine Scblichtungsklausel bereits vertraglich vereinbart werden, andernfalls muS nachtráglich eine Scblicbtungsvereinbarung geschlossen werden. Abb. F-2/ 1: 1 Schlichten statt Prozessieren Im Streirfall ofter die gütliche Einigung bedenken Mit dem Schlichter Konflikte schneller und kostengünstiger losen Ein Vergleich bedeutet einen Vertrag zwischen zwei urspriinglich streitenden Parteien, dessen Inhalte im Wege des gegenseitigen Nacbgebens ermittelt werden. Dies setzt also den beiderseitigen guten Willen zur Einigung voraus. Sofern vertraglich nichts anderes bestimmt worden ist, nehmen die Parteien an der Schlichtung freiwillig teil. Dabei kónnen sie sich gemeinsam auf ein Schlichtungsverfahren und den oder die Schlichter einigen oder aber auf vorstrukturierte Schlichtungsordnungen zuriickgreifen, wie sie von vielen Institutionen wie z. B. der erwahnten Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris, nationalen Industrie- und Handelskammern oder Verbánden und in Deutschland auch bei verschiedenen Amtsgerichten angeboten werden. In einer Schlichtung miissen die Parteien sich nicht auf nur juristisch relevante Aspekte beschránken, sondern kónnen auch andere Begleitumstánde des Falles einbringen. Die Parteien entscheiden, was und woriiber verhandelt wird; sie bestimmen den Verhandlungsinhalt, die Schlichter den Ablauf. Schlichtungen kónnen ohne grofien Verfahrensaufwand und zeitlich sehr ziigig erfolgen. Im Gegensatz zum Schiedsgericht ist der Spruch des Schlichters lediglich ein Vorschlag, dem die Parteien zustimmen kónnen oder auch nicht. Im letzteren Fall ist die Schlichtung gescheitert, und es kommt kein Vergleich zustande. Vielfach wird auch verabredet, dafi im Falle des Scheiterns der Schlichtung ein Schiedsgericht angerufen wird, dessen Spruch dann fur beide Seiten verbindlich ist. Diese Abfolge ist jedoch nicht zwingend, d. h. ein gescheiterter Vergleich geht nicht zwangsláufig in ein Schiedsgerichtsverfahren iiber, und ebensowenig setzt ein Schiedsgerichtsverfahren zunáchst einen Schlichtungsversuch voraus. Bei kleineren Streitwerten wird man einen Einzelschlichter vereinbaren, bei grofseren Problemen sind auch Beisitzer iiblich. Die Schlichter erhalten i.d.R. ein Zeithonorar von 100-250 EUR pro Stunde; manchmal werden auch Pauschalen in Abhángigkeit vom Streitwert vereinbart. Die EG-Kommission arbeitet gegenwártig an der Konzeption eines europáischen Netzes von Clearingstellen, um auSergerichtliche Einigungen bei Auseinandersetzungen zwischen Verbrauchern und Herstellern zu fórdern. Verbraucher kónnen sich an die Clearingstelle wenden, die dabei behilflich sein wird, eine geeignete Schlichtungsstelle zu vermitteln. I <?page no="213"?> F-3. Gerichtliche Auseinandersetzung 191 F-3. Gerichtliche Auseinandersetzung Wenn alie gütlichen Einigungsbemühungen erfolglos waren und man nicht auf seinen Anspruch verzichten will das ist oft immer noch die zweitbeste Alternative -, bleibt keine Alternative zur gerichtlichen Klárung. Sofern der Gerichtsstand in Deutschland liegt, bewegt man sich auf heimatlichem Terrain. Wenn nicht, wird in der Regel die Einschaltung von Rechtsanwálten ratsam sein, die mit den auslándischen Gegebenheiten vertraut sind. Dabei kónnen sich aber wie bereits oben angesprochen wichtige Abweichungen von den deutschen Gebráuchen ergeben. F-3.1. Der <Partner> klagt: Durchsetzung auslándischer Rechtstitel in Deutschland Man sollte es nicht auf die leichte Schulter nehmen, wenn man im Ausland verklagt und verurteilt wird, selbst wenn man selbst keine Vermogenswerte im betreffenden Land hat (Forderungen, Warenlager, Immobilien), auf die ein Prozefigegner zugreifen kónnte. Zum einen hángt ein solches Urteil sehr lange wie ein Damoklesschwert iiber etwaigen anderen Gescháftsbeziehungen. Zum anderen kónnen auch auslándische Rechtstitel in Deutschland - oder auch in einem Drittstaat, in dem man Vermogen halt durchgesetzt werden. Grundsátzlich setzt dies ein Gegenseitigkeitsabkommen voraus. Mit einer Reihe von Lándern hat die Bundesrepublik Abkommen iiber die Anerkennung und Vollstreckung von Zivilurteilen geschlossen. Auch wenn kein Abkommen vorliegt, ist in den meisten Fallen eine Anerkennung bzw. Vollstreckung von auslándischen Gerichtsentscheiden móglich. Also Vorsicht. Die Anerkennung eines auslándischen Gerichtsentscheides erfordert in der Bundesrepublik keine besonders aufwendigen Verfahrensschritte. Fiir die Durchsetzung ist erforderlich, daf? nach deutschem Rechts das auslándische Gericht auch zustándig war, daS keine Formfehler vorliegen (z. B. bezüglich der Anhórung des Beklagten) und daS das auslándische Urteil mit den Grundsátzen deutschen Rechts vereinbar ist. Fiir die Vollstreckung ist beim zustándigen auslándischen Gericht ein Antrag auf Erteilung einer Vollstreckbarkeitserklarung (Exequatur) einzureichen, iiber den ohne Anhórung des Schuldners entschieden wird. Allerdings kann dieser dagegen Rechtsbehelfe einlegen, welche die Vollstreckung zumindest nachhaltig verzógern kónnen. F-3.2. Durchsetzung eigener Ansprüche im Ausiand Wie in Abschnitt E-3 ausgefiihrt, kann der Gerichtsstand frei vereinbart werden. Das ProzeSrisiko ist bei einem auslándischen Gerichtsstand ungleich gróEer ais wenn ein Prozefi in Deutschland durchgeführt wird. Gerichtsstand in Deutschland Sofern ein deutsches Unternehmen gegenüber einem auslándischen Gescháftspartner (nun Gegner) eine Forderung durchsetzen will (z. B. einen Zahlungsanspruch), kann fur die Erlangung eines Vollstreckungstitels unter der Voraussetzung eines deutschen Gerichtsstands entweder das gerichtliche Mahnverfahren oder das Klageverfahren gewáhlt werden. Das Mahnverfahren ist im Vergleich zum Klageverfahren kostengiinstiger und in der Regel <?page no="214"?> 192 F Rechtsverfolgung im Ausland schneller. Beim gerichtlichen Klageverfahren wird im Gegensatz zum Mahnverfahren nicht nur die formelle, sondern auch die sachliche Begriindung des Gláubigeranspruchs gepriift. Grundsátzlich ist die Wirksamkeit eines Gerichtsentscheides auf den Staat begrenzt, in dem das Gericht seinen Sitz hat, sofern nicht entsprechende Abkommen iiber die (gegenseitige) Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen vorliegen. Andernfalls richtet sich die Anerkennung bzw. Vollstreckung deutscher Gerichtsentscheide nach dem (autonomen) nationalen Zivilprozefsrecht des betreffenden Landes. Einige Lander erkennen einen auslándischen (deutschen) Gerichtsstand nicht oder nur eingeschrankt an. Dann kann der Fall eintreten, dal? zwar ein deutsches Urteil erlangt wurde, dies jedoch nach dem Rechts des Landes des Vertragspartners nicht respektiert wird (vgl. oben Abschnitt E-3). In der EG und der EFTA gilt das <Übereinkommen iiber die gerichtliche Zustándigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen>, kürzer: das Europáische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (GVÜ). (Der Geltungsbereich wird sich mit der Osterweiterung der EG vergróSern.) Die Unterzeichnerstaaten sind volkerrechtlich zur Anerkennung auslándischer Vollstreckungstitel verpflichtet. Mit einer grofien Zahl von (auch Nicht-EG-)Landern hat die Bundesrepublik Abkommen iiber die Anerkennung und Vollstreckung von Zivilurteilen geschlossen. Auch ohne Gegenseitigkeitsabkommen sind Vollstreckungen im Ausland móglich, doch vollziehen sich diese gemál? den jeweiligen nationalen Vorschriften. Dabei gibt es zwei Typen: Viele Lander vor allem des anglo-amerikanischen Rechtskreises überprüfen <lediglich> die Erfüllung bestimmter Grundanforderungen an den erlassenen Gerichtsentscheid, meist in dem Sinne, dai? die Rechte des auslándischen Beteiligten im deutschen Verfahren nach den Kriterien des auslándischen Rechts hinreichend gewahrt worden sind. Andere Lander (insbesondere des franzósischen Rechtskreises) verlangen eine sachliche und rechtliche Überpriifung des auslándischen (deutschen) Urteils, d. h. es wird praktisch ein neuer Prozel? erforderlich. Einige Lander z. B. die Vereinigten Staaten gehen zwar von einem neuen Prozefi aus, beriicksichtigen jedoch den auslándischen Gerichtsentscheid als wichtigen Beweis. FAZIT In rund 25 Staaten kónnen deutsche Urteile vollstreckt werden; aufterhalb dieses Lánderkreises stehen die Chancen hierfür trotz theoretischer Durchsetzbarkeit eher schlecht. Bereits bei der Vertragsgestaltung sollte man die mógliche Anerkennung und Durchsetzbarkeit eines deutschen Urteils im Auge behalten. Gerichtsstand im Ausland In den Abschnitten E-2.6 und H-6 werden einige Besonderheiten auslándischer Rechtskreise skizziert, die das Risiko verdeutlichen, wenn man im Ausland einen ProzeS fiihren mul? . Unterstellen wir einmal, dal? der deutsche Kláger im Ausland unter auslandischem Recht gegen seinen auslándischen ProzeSgegner tatsáchlich gewonnen und einen vollstreckbaren Titel errungen hat. Soweit, so gut, aber die Praxis ist oft anders: In Indien wurde mir unlángst ein Fall berichtet, wo Gerichtsbescheide nicht zugestellt werden konnten, weil die Postanschrift nicht korrekt war, so dai? das Verfahren im Sande verlief, weil der Beschuldigte nicht aufzufinden war. Und Indien hat ein vergleichsweise hoch entwickeltes Rechtssystem. <?page no="215"?> F-4. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit 193 PRAXISTIP Man sollte sich nur bedingt auf die Empfehlung auslándischer Gescháftspartner bezüglich kompetenter Fachanwalte in ihrem Land verlassen. In nicht wenigen Lándern muft man damit rechnen, daft diese sich doch recht eng den lokalen Untemehmen verbunden fühlen und nicht immer objektiv beraten. Hinzu kommt, daft die Honorare oft ausgehandelt werden müssen, weil es keine festen Gebührentabellen gibt. Háufig kónnen die Auftenhandelskammem oder die Botschaften auf Erfahrungen zurückgreifen. Grundsátzlich aber ist eine gewisse Vorsicht nicht schádlich. Die Bundesstelle für Auftenhandelsinformationen (BfAl) in Kóln führt eine Liste von Rechtsanwálten und Patentanwálten in Europa (ais Broschüre erhaltlich). Die hier nur angedeuteten Probleme bei der ProzeSführung und EntscheidungsvoUstreckung im Ausland fuhren oft dazu, daS die Vertragsparteien von vornherein den ordentlichen Gerichtsweg ausschlieSen und ein auSergerichtliches Schiedsgerichtsverfabren vorsehen. F-4. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit F-4.1. Schiedsgerichtsvereinbarung Sofern keine gütliche Einigung móglich ist, bleibt keine Alternative zur formalen rechtlichen Klárung. Diese kann entweder gerichtlich vor einem ordentlichen Gericht oder aufiergerichtlich im Wege von privaten Schiedsgerichtsverfahren erfolgen. Ein Schiedsgericht mul? jedoch vorber vertraglich durch eine Schieds [gerichts]klausel vereinbart worden sein. Eine nachtrágliche Vereinbarung setzt Konsens zwischen den Parteien voraus (Schiedsvertrag), wovon im Streitfall nur selten auszugehen ist (kommt aber vor, weil man sich eigentlich gut versteht und z. B. nur eine sachliche Expertenmeinung zur Warenquaütát braucht [Qualitatsarbitrage]; siehe unten). Vielfach wird, wie erwáhnt, auch bei vorangehenden Schlichtungsversuchen verabredet, dafs im Falle des Scheiterns ein Schiedsgericht angerufen wird, dessen Spruch dann für beide Seiten verbindlich ist. Die Schiedsgerichtsbarkeit ist eine sehr zu empfehlende Alternative zu einem Verfahren vor einem ordentlichen staatlichen Gericht, nicht nur im internationalen Handel. Schiedsgerichte sind private Gerichte, die privatrechtliche Streitigkeiten beilegen kónnen; ein Schiedsvertrag ist ein zivilrechtlicher Vertrag mit prozefoechtlichen Wirkungen. Im internationalen Handel überwiegen Schiedsverfahren bei weitem die ordentlichen Gerichtsverfahren, weil sie eine Reihe von Vorteilen bieten. Das beste Schiedsverfahren ist allerdings jenes, welches gar nicht stattfindet. Grundsátzlich kónnen die Einzelheiten einer Schiedsgerichtsvereinbarung zwischen den Vertragspartnem vóllig frei abgesprochen werden (Parteiautonomie). Obgleich es keine dabei Formvorschriften gibt, sollte die Vereinbarung einer Schiedsklausel als Vertragsbestandteil im Kaufvertrag enthalten sein und der Schiedsgerichtsvertrag immer schriftlich und als gesonderter Vertrag fixiert werden. (Nach deutschem Recht kann darauf nur verzichtet werden, wenn beide Parteien Kaufleute sind. Eine Schriftfassung ist aber in jedem Fall zu emp- <?page no="216"?> 194 F Rechtsverfolgung ¡m Ausland fehlen.) Um den Abstimmungsaufwand zu minimieren, wird háufig bei VertragsabschluE nur eine grundsatzliche Schiedsgerichtsklausel mit den wesentlichsten Aspekten vereinbart, wahrend einzelne Punkte erst bei Bedarf in der ersten Verhandlung konkretisiert werden. Es bietet sich auch an, sich auf die ausformulierten Schiedsgerichtsordnungen institutionalisierter Schiedsgerichte (vgl. unten) zu stützen, die ggf. auch modifiziert werden kónnen. Bei der Ausgestaltung des Schiedsverfahrens haben die Vertragspartner weitgehend freie Hand. Sie kónnen sich auf ein institutionalisiertes Schiedsgericht einigen, wobei das Schiedsverfahren extern vorbestimmt ist, oder ein Ad-hoc-Schiedsgericht (Arbitrage) vereinbaren, dessen Besetzung vóllig autonom gestaltet werden kann. Die vertragliche Vereinbarung eines Schiedsgerichts bedeutet den AusschluB des ordentlichen Rechtsweges: Der Spruch eines Schiedsgerichtes ist endgiiltig und verbindlich; es gibt keine Revision oder Berufung (Abb. F-4/ 1). Der Spruch des Schiedsgerichts kann gerichtlich vollstreckt werden. Abb. F-4/ 1: Rechtsmittel Berufung ist ein Rechtsmittel gegen ein meist erstinstanzliches Urteil. Die Berufung hemmt die Rechtskraft des Urteils und láftt ein Gericht der náchsthóheren Instanz (Berufungsgericht) zustándig werden. Im Berufungsverfahren ist das Urteil in vollem Umfang -formell (rechtlich) und materiell (inhaltlich, einschliefSlich des Sachverhalts) zu überprüfen. Sofern das Berufungsgericht das vorinstanzliche Urteil aufhebt, kann es entweder selbst neu entscheiden oder das Verfahren an die Vorinstanz zurückverweisen. Eine Revision stützt sich auf Fehler in der Rechtsanwendung durch die Vorinstanz, prüft also im Gegensatz zur Berufung nur formell und nicht nochmals die Sachfragen. F-4.2. Formen und Schiedsordnungen Beim Schiedsgerichtsverfahren sind zwei Grundtypen zu unterscheiden: institutionalisierte und Ad-hoc-Schiedsgerichte. Ad-hoc-Schiedsgerichte treten meist nur fur den betreffenden Fall zusammen und losen sich anschlieEend wieder auf. Sie entscheiden ohne Überwachung des Schiedsverfahrens durch eine Schiedsinstitution. Stándige, institutionalisierte Schiedsgerichte bestehen bei verschiedenen Organisationen, Verbanden, Handelskammern und Borsen. Besonders hervorzuheben sind dabei die bereits envahnte Internationale Handelskammer (ICC) in Paris, der London Court of Arbitration (LCA), das Internationale Schiedsgericht bei der Ziircher Handelskammer, die «Wiener Regeln» der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft in Wien, die «Stockholmer Regeln» der Stockholmer Handelskammer, die American Arbitration Association (AAA) 1 in New York sowie die Schiedsgerichte der deutschen Auslandshandelskammern oder der zahlreichen binationalen Handelsorganisationen. In der Bundesrepublik gibt es die Deutsche Institution für Schiedsgerichtswesen (DIS) in Bonn, die dem DIHT institutionell verbunden ist. Sie betátigt sich national und international. Diese Schiedsgerichte konkurrieren natiirlich miteinander um die Klientel (Abb. F-4/ 2). 1 Nicht zu verwechseln mit der absolut besten Kreditbenotung (AAA: triple A) oder der American Automobile Association, AAA. <?page no="217"?> F-4. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit 195 Die Auswahl einer bestimmten Institution wird nicht zuletzt auch von ihrer Reputation abhángen. Meist wird ein On gewáhlt, der in einem <neutralen> Land liegt. Fiir viele Rohstoffe (Kaffee, Tee, Baumwolle etc.) gibt es institutionalisierte Qualitatsarbitragen. Grundsátzlich ist zu empfehlen, europáische Schiedsgerichte zu vereinbaren und beispielsweise nicht das Pekinger Schiedsgericht, von dem durchwachsene Erfahrungen berichtet werden. Abb. F-4/ 2: Der gute Ruf entscheidet im Wettbewerb der weltweit tátigen Schiedsgerichte F-4.3. Schiedsgerichtsklausel Die vertraglich zu fixierende Schiedsgerichtsklausel sollte entweder direkt oder indirekt iiber einen separaten Schiedsvertrag die in Abb. F-4/ 3 aufgeführten Punkte regeln. Institutionalisierte Schiedsgerichte haben meist eine eigene Schiedsordnung (siehe oben), die viele der dieser Punkte bereits regeln. Daneben gibt es aber auch internationale Muster-Schiedsgerichtsordnungen wie die Schiedsgerichtsordnung der UN-Wirtschaftskommission fiir Europa (UN-ECE-Schiedsgerichtsordnung) (vielfach im Ost-West-Handel) sowie branchenspezifische Verfahrensordnungen. Fiir die im Vertrag zu vereinbarende Schiedsklausel gibt es Standardformulierungen, die nach Bedarf modifiziert oder ergánzt werden kónnen. Wenn dies der Fall ist, sollte die Zustimmung der betreffenden Schiedsinstitution eingeholt werden, ob sie auf der Basis einer geánderten Schiedsklausel arbeiten wird. Abb. F-4/ 3: Schiedsklausel • Einsetzung eines Schiedsgerichts • Ort des Schiedsverfahrens • Art des Schiedsgerichts (Institution, ad hoc) • Zusammensetzung des Schiedsgerichts nach Zahl und Qualifikation der Richter • Methode der Auswahl der Richter (die in aller Regel erst im Streitfall namentlich benannt werden), Ersatzschiedsrichter • Ort des Schiedsverfahrens • anzuwendende Schiedsordnung • das im Schiedsverfahren anzuwendende Recht • Sprache des Schiedsverfahrens • Verteilung der Kosten F-4.4. Schiedsverfahren Das Verfahren soil am Beispiel des Schiedsgerichtshofes der ICC dargestellt werden. Der Schiedsgerichtshof entscheidet nicht selbst, sondern iiberwacht, dafi die eingesetzten Schiedsgerichte das in der Schiedsordnung vorgesehene Verfahren einhalten. Das Schiedsgericht kann direkt oder iiber die jeweils zustándige Landesgruppe des ICC angerufen werden. Dem eigentlichen Schiedsverfahren wird in der Regel ein Yergleichsverfabren vorgeschaltet, um zu versuchen, eine einvernehmliche Lósung zu erreichen (Abschnitt F-2). Gelingt dies nicht, wird der Streitfall einem Schiedsgericht iibergeben. <?page no="218"?> 196 F Rechtsverfolgung im Ausland Die ICC bestimmt einen KostenvorschufS fur die Schiedskosten (Verwaltungsgebiihren und Honorare fur die Richter), der sich aus einer Gebiihrentabelle ergibt und von den die Parteien anteilig zu zahlen haben. Das eigentliche Verfahren ist nicht-óffentlich und somit diskreter als ein ordentliches Gerichtsverfahren. Oft wird eine Handelskammer oder auch ein Hotel ais Tagungsort gewáhlt. Der Schiedsspruch wird in der Regel innerhalb von 2 Monaten verkiindet, oft sehr viel schneller. F-4.5. Zusammensetzung des Schiedsgerichts Schiedsverfahren werden entweder von einem Einzelrichter oder von einem Gremium von drei Schiedsrichtern entschieden. Bei Ad-hoc-Schiedsgerichten kann die Zusammensetzung des Schiedsgerichts frei vereinbart werden. Bei kleineren Streitwerten wird das Schiedsgericht oft aus Kostengriinden nur aus einem Richter bestehen, auf den sich die Parteien gemeinsam einigen oder der durch einen von den Parteien bestimmten neutralen Dritten, z. B. eine Handelskammer, gewáhlt wird. Móglich sind auch zwei Richter, die dann einen Schiedsobmann (Vorsitzenden Schiedsrichter) wáhlen. Bei grofaeren Streitwerten ist folgende Klausel beliebt: Jede Partei bestimmt einen Richter («Parteienschiedsrichter»), ein drifter wird gemeinsam festgelegt. Wenn sich die Parteien nicht auf den oder die Schiedsrichter einigen kónnen, kónnen sie von neutralen Stellen bestimmt werden (z. B. der zustándigen IHK). Auch bei institutionalisierten Schiedsgerichten wie dem der ICC kónnen ein- oder mehrkópfige Gerichte gewáhlt werden, die im Fall des ICC vom Prásidenten des Schiedsgerichtshofes emannt werden, falls die Parteien keine andere Regelung treffen. Ein Richter ist natürlich billiger ais drei, aber es kann riskant sein, sich auf die Entscheidung eines einzelnen zu verlassen, weil diese wie erwáhnt nicht mehr (nur bei krassen Formfehlern) zu korrigieren ist. Achtung: Wenn die unterlegene Partei einen Formfehler behauptet und gegen den Schiedsspruch klagt, kann sich diese Klárung natürlich hinziehen und den urspriinglichen Zeitvorteil zunichte machen. Die Richter sollen meist bestimmte beruflich-fachliche und sprachliche Qualifikationen aufweisen. Natürlich muG ein Schiedsrichter unabhángig sein und darf in derselben Angelegenheit nicht bereits mitgewirkt haben; die «Besorgnis der Befangenheit» genügt meist, urn die Unparteilichkeit in Frage zu stellen (das ware so ein Formfehler. Vgl. auch Abschnitt F-4.6). PRAXISTIP Die Auswahlkriterien sollten nicht zu eng sein, um zu verhindem, daG sich die Parteien im Streitfall gegenseitig die Schiedsrichter ablehnen. Im Gegensatz zu ordentlichen Gerichten wird ein Schiedsverfahren bei Ausfall eines Richters nicht automatisch einem anderen übertragen. Daher ist eine Regelung bezüglich der Vertretung oder des Ersatzes von Schiedsrichtern empfehlenswert. Die oben bereits angeführten Schiedsgerichte bieten internationale Schiedsordnungen mit Musterregelungen an, u. a. für die Schiedsvereinbarung, Bestellung, Ablehnung oder Abberufung von Richtern und für das Verfahren bei Tod oder Amtsunfáhigkeit von Richtern. Diese Schiedsordnungen kónnen von institutionalisierten wie von Ad-hoc-Schiedsgerichten angewendet werden. Die UNCITRAL hat 1985 ein Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vorgelegt. Um MiSverstándnissen vorzubeugen: Der Grundsatz der Parteiautonomie wird durch vorformulierte Schiedsordnungen nicht angetastet; die <?page no="219"?> F-4. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit 1 9 7 Vertragsparteien sind in der Gestaltung eines Schiedsgerichtsvertrages absolut frei. Modellordnungen sind insbesondere für die Aspekte von Bedeutung, die im privaten Vertrag nicht oder nur unzureichend geregelt wurden. F-4.6. Durchsetzbarkeit In der Praxis werden Schiedsgerichtsurteile meist freiwillig erfiillt. Im Konfliktfall kónnen sie jedoch auch gerichtlich durchgesetzt werden. In- und auslándische Schiedssprüche werden nach dem Zivilrecht der meisten Staaten automatisch anerkannt und sind unmittelbar vollstreckbar. Der Schiedsspruch gilt ais Urteil des Landes, in dem das Schiedsverfahren durchgefuhrt wurde. Dies muf> nicht unbedingt das Land sein, in dem eine Schiedsinstitution ihren Sitz hat. Beispielsweise finden die meisten Schiedsverfahren der ICC nicht in Paris, sondern in einem von den Vertragspartnern vereinbarten Schiedsort statt. Die (gerichtliche) Vollstreckbarkeit von Schiedsgerichtssprüchen hángt davon ab, ob es zwischen den betroffenen Staaten ein Abkommen iiber die gegenseitige Anerkennung von Schiedsspriichen gibt. Wenn dies nicht der Fall ist, mulS das nationale Recht des Landes, in dem der durch den Schiedsspruch <Verurteilte> seinen Sitz hat, herangezogen werden. In der BRD regelt dies die ZivilprozeSordnung (ZPO), nach der ein auslándischer Schiedsspruch nach dem für inlándische Schiedssprüche gültigen Verfahren für vollstreckbar erklárt werden kann. Voraus$etzung ist allerdings, da£ die Vereinbarung über die Anrufung eines Schiedsgerichts freiwillig und nicht unter mifsbrauchlicher Ausnutzung wirtschaftlicher oder sonstiger Macht erzwungen worden ist. Im letzteren Fall würde ein auslándischer Schiedsspruch nach deutschem Recht nicht anerkannt und folglich auch nicht durchgesetzt werden. Das wohl wichtigste internationale Abkommen in diesem Zusammenhang ist das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung auslándischer Schiedssprüche von 1958 (New Yorker Abkommen), das von rund 120 Staaten ratifiziert worden ist. Danach sind Schiedssprüche aus Vertragsstaaten genauso zu vollstrecken wie inlándische, d. h. sie dürfen keinen anderen Verfahrens- oder Kostenvorschriften unterworfen werden. Schiedssprüche müssen zuvor von ordentlichen Gerichten fur vollstreckbar erklárt werden, wobei das Gericht jedoch keine materielle Überprüfung des Sachverhalts, sondern nur eine formelle Pruning des Verfahrens vornimmt, z. B. im Hinblick auf Zustándigkeiten und ob die verurteilte Partei nicht in ihrem Recht auf rechtliches Gehór verletzt worden ist. Auf Lander, die dem UN-Abkommen nicht beigetreten sind, wird das Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln im Handelsverkehr von 1923 oder das Genfer Abkommen über die Vollstreckung auslándischer Schiedssprüche von 1927 angewendet. Dies macht deutlich, daf? die Wahl des Ortes des Schiedsverfahrens, den die Parteien bestimmen kónnen, insbesondere seine Bedeutung auch darin hat, ob für das dadurch bestimmte Land entsprechende Durchsetzungsregelungen gelten. F-4.7. Vor- und Nachteile von Schiedsgerichten Private Schiedsgerichte (nicht nur internationale) sind fachlich meist auSerordentlich kompetent, da sie mit Spezialisten für den betreffenden Fall besetzt sind. Hiervon kann im ordentlichen Gerichtsverfahren nicht immer ausgegangen werden, so dai? dort sowieso meist externe Gutachter mit herangezogen werden müssen. Folglich liegt es nahe, solche Gutach- <?page no="220"?> 198 F Rechtsverfolgung ¡m Ausland ter direkt als Schiedsrichter einzusetzen. Diesem Vorteil steht der Nachteil entgegen, daS der Spruch des Schiedsgerichts wie erwáhnt endgiiltig ist und keine Berufung oder Revision móglich ist. Je nachdem, ob man gewinnt oder verliert, wird man dies als Vor- oder Nachteil ansehen. In der Regel wird ein Schiedsrichter jedoch versuchen, einen Schiedsspruch auf der Basis eines Vergleichs zu fallen. Im Gegensatz zum Schlichtungsvorschlag ist der Schiedsgerichtsspruch also bindend. Schiedsgerichtsverfahren sind im Vergleich mit ordentlichen Gerichtsverfahren meist (aber nicht immer) weniger zeitaufwendig und weniger kostspielig. Dies gilt vor allem fur Ad-hoc- Schiedsgerichte, bei denen i.d.R. nur Honorare und Spesen, aber keine allgemeinen Verwaltungsgebiihren wie bei institutionalisierten Schiedsgerichten anfallen. Allerdings gibt es keine allgemeine Gebiihrenordnung, so dafi die Kosten von Ort zu Ort variieren. Die Kosten- und Zeitvorteile gelten allerdings nicht für Bagatellfalle, da die Schiedsgerichte i.d.R. auch bei kleinen Streitwerten Mindestgebiihren verlangen, und auch dann nicht, wenn bei unstreitigen Forderungen schnell ein vollstreckbarer Titel erworben werden soil: Dies ist iiber ein Schiedsgerichtsverfahren oft zeitaufwendiger. Zudem kónnen komplizierte Falle auch bei Schiedsgerichten zwei Jahre und mehr dauern. Zu den Schiedskosten im engeren Sinne miissen die Kosten der Vollstreckbarkeiterklárung (Exequatur) durch ein staatliches Gericht hinzugerechnet werden, die vor allem dann betráchtlich sein kónnen, wenn die unterlegene Partei Schwierigkeiten macht. Dann ist auch der urspriingliche Zeitvorteil schnell aufgebraucht. Die aulSergerichtliche Streitbeilegung ist meist weniger belastend fur die Gescháftsbeziehungen der streitenden Parteien als der Spruch eines ordentlichen Gerichts, insbesondere da sie nicht-óffentlich und somit diskreter ist. Es ist insgesamt festzustellen, daS Schiedsspriiche (Arbitragen) in der Regel von den Parteien erfüllt werden, ohne da£ eine gerichtliche Durchsetzung erforderlich wiirde. Die vertragliche Vereinbarung eines Schiedsgerichts bedeutet den AusschluS des ordentlichen Rechtsweges. Allerdings gibt es auch Falle (u. a. in Brasilien), in denen die Schiedsklausel durchaus ignoriert wird und die Gegenpartei doch vor einem ordentlichen Gericht im eigenen Land klagt, ohne dafs dieses die Klage abweist. Abb. F-4/ 4 faSt die Vor- und Nachteile von Schiedsgerichten zusammen. Abb. F-4/ 4: Vor- und Nachteile von Schiedsgerichten • Fachliche Kompetenz • Spruch des Schiedsgerichts • AusschlufS des ordentlichen • weniger zeitaufwendig • weniger kostspielig ist endgültig und verbindlich Rechtsweges • weniger belastend für die Gescháftsbeziehungen • nicht-óffentlich, diskreter China Wt • Vietnam N e u e S c hi e d s g e ric htsr e g e ln H a n d e l s - S c h i e d s s t e l l e Finnland - Neue Schiedsgerichtsordnung der Deutsch-Finnischen Handelskammer <?page no="221"?> Liefer- und Zahlungsbedingungen Liefer- und Zahlungsbedingungen sind wesentliche Elemente des internationalen Kaufvertrags. Sie sind oben in Teil E nur kursorisch erwáhnt worden, weil sie eine ausfiihrlichere Betrachtung erfordem. Sie spielen in der Praxis des AulSenhandels eine wichtige Rolle. Daher werden im folgenden Abschnitt die wichtigsten kaufmannischen Dokumente vorgestellt. Die diversen Dokumente werden u. a. auch im Zusammenhang mit den Zahlungsbedingungen (Abschnitt G-2) und den Lieferbedingungen benótigt (Abschnitt G-3). Die zur Abwicklung von Importen und Exporten aus aujienwirtschaftsrechtlicher oder zollrecbtlicber Sicht zusátzlich erforderlichen sonstigen Formulare werden in den Teilen K und L behandelt. G-1. Kaufmánnische Dokumente im Auftenhandel Der Begriff <Dokument> ist vom lateinischen Ursprung her (documentum) eigentlich ein <Beweis>, wird jedoch im Sprachgebrauch allgemeiner fur eine Vielzahl schriftlicher <Urkunden> verwendet. Fiir Exporteure ist anzuraten, daS sie sich hinreichend informieren, welche Dokumente ihr Kunde beim Import benótigt. In manchen Lándern herrschen strenge Brauche, deren Nichtbeachtung bis zur Beschlagnahme der Ware fiihren kann. Zunáchst wird betrachtet, wofiir man Dokumente benótigt. PRAXISTIP Eine gute Informationsquelle über die für den Import in den einzelnen Lándern erforderlichen Dokumente sind die Konsular- und Mustervorschriften («K&M»), die von der Handelskammer Hamburg herausgegeben werden. G-1.1. Funktionen der Dokumente Die im Aufienhandel verwendeten Dokumente haben je nach ihrer Ausstattung unterschiedliche Funktionen. Zunáchst einmal haben viele Dokumente eine Wertpapierfunktion, indem nur dem Inhaber dieser Papiere die in der Urkunde verbrieften Rechte zukommen. Zur Ausiibung dieses Rechts, z. B. der Herausgabe der Ware, muf? das betreffende Papier vorgelegt werden (Legitimationsfunktion) (im Privatbereich z. B. ein Garderobenschein, um den Pelzmantel abzuholen). Geborene Orderpapiere wie Scheck und Wechsel kónnen ohne Orderklausel indossiert werden. Dokumente, die keine «geborenen» Orderpapiere sind (z. B. Konnossement, Ladeschein, Transportversicherungspolice), miissen zur Weitergabe eine explizite Orderklausel erhalten («an die Order von ...») («gekorene» oder «gewillkiirte» Orderpapiere), z. B. • «fur uns (oder: fur mich), an die Order von Walter Matthau» (for us, for me, to the order of...), wodurch der náchste Verfügungsberechtigte prázise definiert wird, G <?page no="222"?> 200 G Liefer- und Zahlungsbedingungen • oder lediglich «an Order» (to order), wodurch der Kreis der Verfiigungsberechtigten offen bleibt. Alie Orderpapiere kónnen nur durch Indossament weitergegeben werden, d. h. durch Übertragungsvermerk «auf dem Rücken» des Papiers (ital. in dossd). Mit dem Indossament iibertragt z. B. der bisherige Inhaber des Schecks das Eigentum und damit die Rechte aus dem Papier auf den neuen Eigentiimer. Sofern Papiere lediglich «an Order» gestellt sind, braucht derjenige, der z. B. die Ware herauszugeben hat, die Berechtigung nicht zu priifen, d. h. es wird mit befreiender Wirkung an denjenigen geleistet, der das Papier vorlegt. Die Indossierung geschieht oft nur durch die Unterschrift des Indossanten («Jorn Altmann»), ohne den náchsten Begiinstigten namentlich auszuweisen (Blankoindossament). Dadurch wird das Orderpapier zum Inhaberpapier, kann also weitergegeben werden, ohne dafi der blanko Begiinstigte in der Indossantenkette ausgeweisen wird; er kann das Papier mit eben diesem Blankoindossament weitergeben, ohne selbst ein Indossament anbringen zu müssen. Zum Beispiel muí? bei Konnossementen ais Begiinstigter (consignee) «to order» angegeben und ein Blankoindossament angebracht werde. Durch die Angabe des Indossatars, d.h. des neuen Eigentiimers («Fiir mich an Walter Matthau / to the order of Walter Matthau» - Unterschrift Jórn Altmann») wird das Indossament zum Vollindossament) und Walter Matthau kann das Papier seinerseits nur durch ein neues Indossament iibertragen. Neben der sog. Transportfunktion, mit der die Rechte iibergehen (Dbertragungsfunktion), hat das Indossament auch eine Garantiefunktion, da der Indossant dem rechtmáSigen Besitzer des Papiers fiir die Rechte aus dem Papier haftet. Zudem hat des Indossament eine Legitimationsfunktion (Beweisfunktion), mit der der Besitzer sich ais rechtmáSigen Eigentiimer legitimieren kann, sofern die Indossamentenkette liickenlos ist. Der Vermerk «nicht an Order» 1 ist ein Rektavermerk (von lat. recta: gerade, ohne Umschweife) und laSt eine Aushándigung nur. an den letzten namentlich benannten Empfánger zu; eine Weitergabe kann nicht durch Indossament, sondern nur mit Abtretungserklárung des Inhabers erfolgen (Zession). Die Zession ist ein gesondertes, von der Urkunde getrenntes Dokument. Dadurch sind Rektapapiere wenig fungjbel. 2 Andererseits kann es ebenso wie bei Orderpapieren weder Irrtum oder Versehen noch Diebstahl geben. Eine weitere wichtige Funktion ist die Sperrfunktion. Manche Dokumente geben dem Inhaber die Móglichkeit, bereits verfrachtete Ware nachtráglich umzuleiten oder zum Absender zuriickzurufen (Dispositionspapiere), beispielsweise ein Frachtbriefdoppel: Kurz nach der Versendung gegen offene Rechnung erfáhrt der Verkáufer, daE sein Kunde illiquide ist. Um zu verhindern, daS die Ware ohne Bezahlung ausgeliefert wird, beauftragt der Verkáufer seinen Spediteur (gegen Vorlage des Frachtbriefdoppels), die Ware zu ihm zuriickzubringen. Vgl. unten Abschnitt G-1.3.3.2. Eine Beweisfunktion haben Dokumente, wenn sie bestimmte Tatbestánde nachweisen, z. B. Gewichte, den Zeitpunkt der Absendung, die chemische Zusammensetzung, usw. Dies kann als Beleg zur Erfiillung bestimmter Vertragspflichten ebenso von Bedeutung sein wie bei Schadenersatzproblemen, beispielsweise wenn falsche Warenbeschreibungen zu Importverboten fiihren, oder der Bestimmungsort im Frachtbrief. Von einer Finanzierungsfunktion 1 «Fur uns an Walter Matthau, nicht an Order». 2 Fungibilitat: die Leichtigkeit der Übertragung. <?page no="223"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente im AuGenhandel 2 0 1 wird gesprochen, wenn Dokumente z. B. als Kreditsicherheit verwendet werden konnen, beispielsweise ein Konnossement. Im folgenden werden die wichtigsten Dokumente náher dargestellt. G-1.2. Einteilung nach den Rechten Man unterscheidet Inhaber-, Order- und Rektapapiere. Inbaberpapiere berechtigen jeden Inhaber («to the bearer»), auch den unrechtmáSigen: Dieb, Finder. Bei Orderpapieren ergibt sich aus der Hinzufiigung «an die Order von ...», wer aus dem Papier Rechte geltend machen kann; dies geschieht in der Regel durch ein Indossament. Rektapapiere (Akkreditiv) kónnen nicht durch Indossament iibertragen werden, sondern nur durch einen Abtretungsvertrag; siehe oben. G-1.3. Einteilung nach den Verwendungszwecken Die im AuEenhandel gebráuchlichen Dokumente lassen sich in drei Hauptgruppen unterteilen (vgl. Abb. G-l/ 1): • kaufmánnisch erforderliche Dokumente, • auEenwirtschaftsrechtlich erforderliche Dokumente, • zollrechtlich erforderliche Dokumente. Im folgenden wird zunáchst nur auf die aus kaufmdnnischer Sicht für den Import bzw. Export erforderlichen Dokumente eingegangen. Die fiir aulSen- und zollrechtliche Zwecke erforderlichen Unterlagen werden in den Abschnitten K-1.6 und L-4.4 behandelt. Die kaufmánnischen Dokumente lassen sich unterteilen in • Zahlungsdokumente, • Handelsdokumente und • Versicherungsdokumente. Hinzu kommen eine Vielzahl von weiteren Unterlagen, u. a. fur die Transport- und die Zahlungsabwicklung, die jedoch auSerhalb des Kompetenzbereichs des Importeurs bzw. Exporteurs erstellt werden, insbesondere von Maklern, Frachtführern, Spediteuren, Versicherungen und Banken. Auf diese Papiere wird im folgenden nicht eingegangen. Eine Sammlung der verschiedenen Dokumente, die im AuEenhandel zu finden sind, fiillt schnell mehrere Aktenordner. G-1.3.1. Zahlungsinstrumente G-1.3.1.1. Scheck Ein Scheck ist eine Anweisung an einen Bezogenen (in der Regel ein Kreditinstitut), gegen Vorlage des Schecks zu Lasten seines Kontos den angegebenen Betrag zu zahlen. Der Begriff leitet sich ab vom Chancellor of the Exchequer, dem englischen Finanzminister, der heute in London in der Downingstreet 10 residiert. Der Scheck ist nach deutschem Recht ein Inhaberpapier, d. h. der Scheckeinreicher braucht seine Legitimation nicht nachzuweisen; dies wird durch die Formulierung «Zahlen Sie gegen diesen Scheck (Betragsangabe) an ... oder Überbringer» deutlich. Daher sind Schecks in der Praxis meist nicht bar einzulosen (Barscheck), sondern werden «nur zur Verrechnung» aus- <?page no="224"?> Abb. C-1/ 1: Einteilung der Dokumente Kaufmannische Dokumente AuBenwirtschaftsrechtliche Dokumente Zahlungsdokumente, z. B. - Wechsel - Scheck - Dokumenten-Akkreditiv Handelsdokumente a) Begleitdokumente, z. B. - Handelsrechnung - Packliste - Inspektionszertifikat - Analysezertifikat b) Versanddokumente, z. B. - Eisenbahnverkehr: CIM-Frachtbrief - Luftverkehr: Luftfrachtbrief (IATA-AWB) - LKW-Verkehr: CMR-Frachtbrief - Seeverkehr: Seekonnossement* c) Lagerdokumente - Orderlagerschein* - <normale> Lagernachweise d) Versicherungsdokumente - Policen - Zertifikate Einfuhr, z. B.: Einfuhranmeldung (zugleich Zollantrag) Einfuhrgenehmigung Einfuhrlizenz Ursprungszeugnis Ursprungserklárung Einfuhrerklárung Internationale Einfuhrbescheinigung Wareneingangsbescheinigung Qualitatsbescheinigung z. B. für Obst, Gemüse, Fleisch, Blumen, Saatgut, - Kaffeezeugnis - Kakaozeugnis Statistische Meldungen im Zahlungsverkehr etc. Ausfuhr, z. B.: Ausfuhranmeldung Ausfuhrgenehmigung Negativbescheinigung Ausfuhrlizenz Endverbleibsnachweis Endverblei bserkláru ng - Internationale Einfuhrbescheinigung - Wareneingangsbescheinigung Qualitatsbescheinigung u.a. Kaffeezeugnis - Kakaozeugnis Statistische Meldungen im Zahlungsverkehr etc. * Traditionspapiere <?page no="225"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente ¡m AuRenhandel 203 gestellt (Verrechnungsscheck) (dies wird meist durch zwei Querstriche auf der Vorderseite der Urkunde deutlich gemacht: cross/ ng-Vermerk), so dafi der Weg der Zahlung zum Begiinstigten ggf. zuriickverfolgt werden kann. Bei einem Rektascheck kann nur die in der Urkunde namentlich erwáhnte Person den Scheck zum Inkasso vorlegen («nicht an Order», «nicht übertragbar», not transferable). Der Scheckinhaber hat scheckrechriich keinen Anspruch auf Einlósung. Die Aushándigung von Scheckformularen an den Kontoinhaber begriindet einen Vertrag, der den Kontoinhaber verpflichtet, Schecks nur bei ausreichender Deckung auszustellen. Die wissentliche Ausstellung ungedeckter Schecks kann strafbar sein (Scheckbetrug). Schecks sind in der Regel an die Order des Begünstigten ausgestellt (Orderscheck); daher muí? der Scheckeinreicher den Scheck vor der Weitergabe auf der Riickseite (ital.: in dossa) indossieren. Bankschecks ins Ausland sind immer Order-Verrechnungschecks. Auslandsschecks tragen háufig keinen Zusatz «oder Überbringer», um bei der Weitergabe ein Indossament zu erzwingen. Bei der Vorlage von Wechseln und Schecks zum Einzug ist es Handelspraxis, daS der Vorlegende ein Blankoindossament anbringt, um nachvollziehen zu kónnen, wer das Papier eingereicht hat. Das Kreditinstitut priift bei Orderpapieren die Indossamentenkette. In den auslándischen Scheckrechten bestehen einige Unterschiede zum deutschen Scheckrecht, z.B. beziiglich der Vorlage- oder Sperrfristen oder in formeller Hinsicht. Unlángst wurde mir die Einlósung eines Schecks in Guatemala abgelehnt, weil Datum und Unterschrift in der falschen Reihenfolge angebracht waren. Dennoch ist das internationale Scheckrecht soweit vereinheitlicht, daf? sich daraus keine Abwicklungsprobleme ergeben. Auf der Exportseite kann der Exporteur entweder einen auf D-Mark oder auf eine Fremdwáhrung lautenden Bank- oder Privatscheck erhalten, der von seiner Hausbank angekauft werden kann. Bei bekannten Einreichern oder Ausstellern erfolgt in der Regel eine sofortige <E.v.-Gutschrift> («Eingang vorbehalten») unter dem Vorbehalt des endgültigen Eingangs des Gegenwertes bei der Bank. Bei anderen Schecks wird die Gutschrift fiir den Einreicher erst nach Gutschrift durch den Bezogenen erfolgen. Die Gutschriftskosten liegen meist bei 1,5 %o des Scheckbetrages. In den USA sind Schecks in der Regel kostengünstiger ais Überweisungen. PRAXISTIP Für eine rasche Gutschrift kann man seine Bank beauftragen, den Scheck im direkten Inkasso der bezogenen Bank einzureichen und nicht im Sammelinkasso: Sammelinkasso bedeutet, daG alie ein bestimmtes Land betreffenden Schecks erst mal gesammelt und dann an eine Korrespondenzbank geschickt werden. Aber das kann etwas dauern... Direktinkasso ist meist doppelt so teuer (3%o) wie ein Sammelinkasso. Bei Fremdwdhrungsschecks érfolgt der Ankauf zum sog. Sichtkurs, der eine halbe Spanne der Differenz Brief-/ Geldkurs unter dem Devisenankaufskurs (Geldkurs) liegt. Dies soil den Zinsverlust auffangen, der fiir die Zeit zwischen Scheckankauf und Gutschrift des Scheckbetrages bei der ankaufenden Bank entsteht. Die Kursdifferenz entspricht sinngemáE einer Verzinsung des bevorschussten Gegenwertes. Oft schreibt der Aussteller die Zahlung in einer bestimmten Wáhrung vor («effektive Euro»), die dann durch keine andere Wáhrung ersetzt werden darf (Effektiwermerk). Bei Forfaitierungen ist dies Standard. <?page no="226"?> 204 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Wáhrend Bankschecks in der Regel problemlos eingelóst werden, ist dies bei Privatschecks nicht unbedingt der Fall, da das Einloserisiko groSer ist, weil in der Regel keine Bonitátsprüfung des Ausstellers moglich ist. Um so grofSere Bedeutung kommt dann für den Scheckeinreicher der Garantiefunktion des Indossaments bei, da er auch nach lángerer Frist (nach anglo-amerikanischem Recht bis zu sechs Jahren) in RegreS genommen werden kann. In Deutschland wird der Scheck kaum als Zahlungsmittel verwendet, im Gegensatz zu Frankreich und GrofSbritannien und insbesondere den USA, wo umgekehrt Überweisungen abgesehen von Gehaltszahlungen kaum gebráuchlich sind. In vielen Lándern, auch in den USA, kónnen die Scheckformulare individuell gestaltet werden, solange sie bestimmte Formvorschriften (u. a. bezüglich des Formats) erfullen. Es gibt wirklich schóne, farbenpráchtige Exemplare. G-1.3.1.2. Wechsel (1) Bedeutung Der Wechsel ist vergleichsweise das kostengiinstigste (Re-)Finanzierungsinstrument. Er wird bereits um das Jahr 1100 in Oberitalien ais <Finanzinnovation> erwáhnt, indem er den umstándlichen und gefáhrlichen Transport von Silbermünzen überflüssig macht. Ursprünglich daher der Begriff diente der Wechsel dem Umtausch in andere Wáhrungen; allein in Süddeutschland kursierten Ende des 16. Jahrhundert ca. 50 Wáhrungen. 3 Auf dem Wechselformular (Abb. G-l/ 2) finden sich Zahlungsort und Verfalldatum rechts oben wieder, weil die Geldwechsler friiher die Formulare in ihrer Brieftasche mit sich fuhrten (daher auch das Wechselfbrmat) und so leicht den Bestand sortieren und durchbláttern konnten. Unter den Zahiungsinstrumenten kommt dem Wechsel eine groSe Bedeutung zu (engl. Bill of Exchange, frz. Lettre de Change, span.: Letra de Cambio). Ein Wechsel ist ein Orderpapier, das vóUig losgelóst vom eigentlichen Schuldverháltnis als eigenstándiges Wertpapier eine unabhángige abstrakte Forderung verbrieft. Er ist also nicht an die Existenz des zugrunde liegenden Rechtsgescháfts gebunden, ist also keine akzessorische Forderung (dies ist in Frankreich beispielsweise nicht der Fall). Hinzu kommt in den meisten Lándern ein sehr striktes Wechselrecht, dessen Nichtbeachtung sehr schnell zu rechtlichen und finanziellen Konsequenzen fuhrt; hierzu gleich. Der Wechsel ist damit eine Urkunde, deren Verwaltung kostspieliger ist als eine <normale> Kreditverwaltung. Eine Forderungsabsicherung durch Wechsel ist im internationalen Handel weit verbreitet. Im spanischsprachigen Raum wird auch das wechseláhnliche Pagaré verwendet. Es handelt sich dabei um ein unbedingte schriftliche Verpflichtung des Ausstellers des Dokuments, einem Dritten oder an dessen Order eine bestimmte Geldsumme zu einem bestimmten Termin zu zahlen. Das Pagaré entspricht nicht immer alien Kriterien des jeweiligen nationalen Wechselrechts. (2) Formen Es gibt insbesondere zwei wichtige Formen, den gezogenen Wechsel und den Solawechsel (oben Abb. G-l/ 2): • Mit einem gezogenen Wechsel weist der Aussteller (z. B. ein Importeur) den Bezogenen (z. B. seine Hausbank) an, einen bestimmten Betrag an den Wechselnehmer (Remittent) 3 Nach meinem Banker-Kollegen Jochen W. Dortschy, Filderstadt. <?page no="227"?> ÍGnofOii t the 4 ° &• / fr% £U>x- Fori M..£.Q....¿a pay thisrf/ ft- Bill of Exchange {.....^: ... unpaid) to the or To f2£s£tíL D.$.p..<*iÉr.. t&L. 001.97/ 034 W. Kohihammer payable at fr¿rtier*oA W&Vn¿jfc/ 3 t*rÁ / °<0¿«tfgr>L Z* • PROMISSORY NOTE si tí ^ ¿ e Amou o/ okJoCt.. / O íét ' ' ÜAÉ.H H Í Í H M 4 D « U » ( I N M N^ji* of Boolb l a M m I < "*W On S.9-...T3.. QfrLP..^^.. ? " . _ . * . against this promissory note I (W K I» ss ¿7 - * - » ! ! .7 " : • TO ttessrs- £xpix$r fc£ the sum of: Amount In wordi FOR VALUE RECEIVED JhV&>CC AJO. T f í f p.r.bie.t: fo^okoboJl iyet£t*>/ h.sAr J>cui£. ^ni^p&CÍ 6? £ — len,<¿&* "~"" m $*2 <?page no="228"?> 206 G Liefer- und Zahlungsbedingungen (z. B. den auslándischen Exporteur, d. h. den Aussteller) zu zahlen («Gegen diesen Wechsel zahlen Sie an mich/ an uns», aber auch: «an die Order von ...» - «pay against this bill of exchange to the order of ourselves, to the order of ...). Der Zahlungsort wird iiblicherweise dem Bezogenen iiberlassen, so dafj meist der Sitz seiner Bank die Domizilstclle ist. Solange der gezogene Wechsel nicht vom Bezogenen akzeptiert ist, spricht man von einer Tratte {draft, traite). Das Akzept wird auf den iiblichen Wechselformularen <quer> zum eigentlichen Text angebracht, daher spricht man auch von <Querschreiben>. 4 Wird das Akzept verweigert, haftet der Aussteller einem Erwerber der Tratte gegeniiber fur die Wechselsumme und etwaige Nebenkosten (z. B. ggf. Wechselsteuer). Wechselrechtlich ist auch die Tratte bereits ein Wechsel. In der Praxis sind Tratten jedoch selten diskontierbar. PRAXISTIP Der zahlungsunfahige Bezogene sagt: «Weisen Sie mir mal nach, daG diese Unterschrift mein Akzept ist! » Was nun? Gegebenenfalls sollte man sich das Akzept beim Notar oder von der Botschaft bestatigen lassen. In der Praxis kommt es bei eingespielten Geschaftsbeziehungen sehr oft vor, dafj nicht der Aussteller dem Bezogenen den Wechsel zum Akzept vorlegt und dieser ihn dann zuriicksendet, sondern der Bezogene den Wechsel selbst <ausstellt> in dem Sinne, dafS er das Formular ausfiillt, sein Akzept anbringt und dem Wechselgláubiger zusendet. Dieser macht den Wechsel dann mit seiner Unterschrift als Aussteller zum vollstándigen Wechsel. Von einem Sichtwechsel spricht man, wenn der Wechsel bei erster Vorlage bezahlt werden soil («Zahlen Sie bei Sicht ...») (at sight, a vue), im Gegensatz zum Nach-Sicht-Wechsel (z.B. «Zahlen Sie 14 Tage nach Sicht ...»). Die in den meisten Wechselformularen eingedruckten Begriffe «erste/ zweite Ausfertigung» beziehen sich darauf, daS man im Postverkehr aus Sicherheitsheitsgriinden gerne zwei Wechsel mit getrennter Post versendet (Erstpost, Zweitpost; dies geschieht auch heute noch bei wichtigen Dokumenten), wobei die Einlósung des zuerst vorgelegten Wechselexemplars das andere gegenstandslos macht (die Einlósung wird auf dem Formular quittiert). • Im Gegensatz zum gezogenen Wechsel verpflichtet sich der Wechselschulder als Aussteller bei einem Solawechsel (einem eigenen Wechsel) selbst; Aussteller und Bezogener sind identisch («Gegen diesen Wechsel zahle ich ...»). Dies entspricht faktisch, betriebswirtschaftlich, nicht juristisch der anglo-amerikanischen promissory note (sinngemaS: Zahlungsversprechen, frz.: billet a ordre). Der Exporteur kann also einen Solawechsel des Importeurs mit einem <Angstindossament> versehen (vgl. unten) und z. B. an einen Forfaiteur verkaufen und kann somit wechselrechtlich nicht in Anspruch genommen werden. Um Solawechsel verwerten (verkaufen) zu kónnen, miissen sie in der Praxis (nicht aus Rechtsgriinden) durch eine Bank avaliert sein. Im Forfaitierungsgescháft sind bankavalierte Solawechsel sehr gebráuchlich. (3) Wechselrecht Auf internationaler Ebene gibt es schon seit langem Abkommen iiber die Vereinheitlichung des Wechselrechts. Die Genfer Wechselrechtskonferenz von 1930 fiihrte u. a. zum Abkom- 4 Ich zitiere immer gerne meinen bereits erwahnten Kollegen Jochen W. Dortschy, der seinerseits seine damaligen kaufmannischen Lehrer zitiert: «Schreibe hin, schreibe her, schreibe niemals quer! » <?page no="229"?> G - 1 . Kaufmannische Dokumente ¡m AuGenhandel 207 men iiber das Einheitlicbe Wechselgesetz, das weitgehend mit dem heute giiltigen deutschen Wechselgesetz (WG) identisch ist. Das Abkommen wurde von 22 (meist europáischen) Lándern ratifiziert, allerdings nicht von GroEbritannien (und einigen Commonwealth-Staaten) und den USA, so daS es heute nebeneinander das anglo-amerikaniscbe Wecbselrecbt und das Genfer Einheitlicbe Wechselrecht gibt. Seit 1972 (mit Revisionen 1977 und 1982) liegt ein Entwurf eines Einheitlichen Gesetzes iiber die intemationalen Wechsel vor, welcher von der bereits erwáhnten UNCITRAL erarbeitet wurde. Der Entwurf weicht jedoch in vielen Punkten vom in Europa gewohnten Wechselrecht ab, so dai? mit einer Ratifizierung in absehbarer Zukunft nicht zu rechnen ist. (4) Einige Einzelheiten Sofern (wie in Deutschland) keine Wechselsteuer zu entrichten ist, entstehen durch den Wechsel keine direkten Kosten. Der Wechsel ist daher ein sehr kostengünstiges Refinanzierungsinstrument. Die durch die Kreditlaufzeit entstehenden Zinsausfallkosten werden üblicherweise in die Wechselsumme hineingerechnet, ebenso etwaige sonstige Kosten, insbesondere der Diskont beim vorzeitigen Verkauf des Wechsels. Dadurch werden alie Nebenkosten _ auf den Wechselschuldner iiberwalzt. Wechsel miissen einer Reihe formaler Bedingungen geniigen (die von Land zu Land abweichen kónnen); u. a. muí? nach dem deutschen Wechselrecht in der Urkunde das Wort <Wechsel> enthalten sein. Grundsatzlich kann man die erforderlichen Wechselbestandteile auch auf einem Bierdeckel anbringen und diesen zu einem wechselrechtlich einwandfreien Wechsel machen; es gibt keine Formularvorschrift. Das Wechselrecht ist ansonsten ein besonders strenges Recht. Fehlt eins der formalen Wechselbestandteile, ist das Papier lediglich eine Art Uberweisungsauftrag und wechselrechtlich wertlos. Wechsel diirfen keine Bedingungen fur die Zahlung enthalten. Allerdings kann Bezug genommen werden auf ein damit zusammenhángendes Handelsgescháft, beispielsweise durch Angabe einer Rechnungs- oder Akkreditivnummer. Auf englischen Wechselformularen hingegen mufl eine ^consideration eingetragen werden, aus der sich die Gegenleistung fur die Geldleistung ergibt, also beispielweise die Nummer einer Handelsrechnung. (Der Wechsel ist nichtsdestotrotz eine abstrakte Forderung; siehe oben.) Vielfach besteht der Aussteller eines gezogenen Wechsels auf eine Einlosegarantie durch eine gute Bank, die ggf. anstelle des Bezogenen in die Wechselhaftung eintritt. Die Bank kennzeichnet ihre Biirgschaftsverpflichtung durch den Zusatz «per Aval» und zwei Unterschriften auf der Vorderseite (quer) des Wechsels. Im englischen Wechselrecht gibt es kein Bankaval auf dem Formular; stattdessen wird eine getrennte Einlosegarantie gegeben. (5) Clbertragung, Indossament, Haftung Als geborenes Orderpapier (vgl. oben) kann der Wechsel durch Indossament übertragen werden, wobei alie Indossamentsformen - Voll-, Blankoindossament etc., móglich sind (ein Rektaindossament [«Für mich an Walter Matthau, nicht an dessen Order»] ist allerdings absolut unüblich). Alie Wechselbeteiligten (Bezogener bzw. Akzeptant, Aussteller, jeder Indossant, ggf. ein Avalist) haften als Gesamtschuldner im RegreE (Riickgriff), wenn der Wechsel <platzt>, d. h. wenn nicht fristgerecht gezahlt wird und dies durch Wechselprotest festgestellt wird. Die Ausstellerhaftung beim gezogenen Wechsel kann nach deutschem Recht auf keinen Fall ausgeschlossen werden (im Gegensatz zu den USA); entsprechende <?page no="230"?> 208 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Absprachen sind wechselrechtlich nichtig. Um diese Haftung des Wechselgláubigers für seine eigene Forderung zu vermeiden, wird in vielen Fallen der oben erwáhnte Solawechsel gewáhlt. Wechselrechtliche Haftungsverbindlichkeiten müssen ais Eventualverbindlichkeiten in der kaufmánnischen Bilanz unter der Bilanzsumme - <unter dem Strich> in einer gesonderten Position ausgewiesen werden (oft erfolgt dies auch in den Erlauterungen im Anhang). Bei Forfaitierungen fiihrt die Verwendung von Solawechseln folglich zu einer Bilanzentlastung (Aktivtausch Forderungen —» Liquiditát) (vgl. Abschnitt D-3.2). Die Haftung des Indossanten kann durch ein «Angstindossament» ausgeschlossen werden: «Für mich, ohne Obligo (ohne Regrei? , ohne Haftung), an die Order von ...». Der Wechselverkáufer kann dann nicht in Anspruch genommen werden. (Beim Scheck ist kein Angstindossament móglich.) Durch den Zusatz «Wert zur Einziehung» (oder «zum Inkasso» oder «in Prokura») wird eine Bank beauftragt, den Wechsel beim Bezogenen einzuziehen. Durch dieses Inkassoindossament entsteht keine Indossantenhaftung, wozu auch, denn wenn der Wechsel nicht eingelóst werden kann, muS der Indossant als letzter Wechselinhaber ohnehin gegen den Bezogenen vorgehen; er würde quasi fur sich selbst haften. Sofern auf der Rückseite des Wechselformulars kein Platz mehr für weitere Indossamente ist, kann der Wechsel durch ein angeklebtes Zusatzblatt beliebig «verlángert» werden (Allonge), um weitere Indossamente anzubringen. Die Klebestelle wird meist mit einem Stempel oder einer Unterschrift <gesichert>. (6) Diskontieren Wechsel kónnen zu marktüHichen Konditionen verkauft werden (Diskont), in der Regel an die Hausbank, die sich ihrerseits durch Weiterverkauf an die Bundesbank (Rediskont) refinanzieren kann. Früher gab es eine spezielle, kostengünstige Rediskont-Kreditlinie für die Banken bei der Bundesbank, die zum 31.12.1998 eingestellt wurde. s Dies bedeutete eine Verteuerung des Diskontgescháfts. PRAXISTIP Die Bundesbank und viele Banken kaufen Wechsel nur an, in denen der Monat in Buchstaben ausgeschrieben ist (Abkürzungen sind zulássig). Dies liegt ¡rtsbesondere an der in manchen Lándern üblichen Zahlenschreibweise, bei der der Monat zuerst genannt wird (3. April 2001 = 04-03-01), was natürlich leicht zu Verwechslungen führen kann. Wenn der Akzeptant vorhersehen kann, daE er den Wechsel nicht einzulósen vermag, kann er den Aussteller um eine Verlangerung ersuchen (Prolongation). Dies geschieht meist, indem der Aussteller einen neuen Wechsel auf den Schuldner zieht (Prolongationswechsel). Eine Prolongation ist nichts Ungewóhnliches, sollte aber grundsátzlich zur Vorsicht mahnen. In manchen Landern ist die Prolongation durch Datumsanderung auf dem Wechselformular zulássig (Schweiz, Finnland). (7) Wechseiprotest und Wechselstrenge Wenn der Wechselverpflichtete nicht zahlt, <platzt> der Wechsel und <geht zu Protest). In Deutschland mul? der Protest an einem der beiden Werktage erfolgen, die auf den Fálligkeitstermin folgen; in vielen anderen Landern sind die Protestfristen lánger (in Frankreich 5 Nicht alie Lander des Euroraumes waren bereit, das Rediskontinstrument zu iibernehmen. <?page no="231"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente ¡m Auftenhandel 2 0 9 und Groi? britannien z. B. ist noch nach 8 Tagen Protesterhebung móglich. Die Verweigerung der Zahlung muí? nach deutschem Recht durch eine óffentliche Urkunde eines Notars oder Gerichtsvollziehers festgestellt werden («Ich habe die Urkunde vorgelegt, und sie ist nicht bezahlt worden» - Unterschrift auf der Vorderseite des Papiers, ggf. durch einen Zusatz- <zettel>). Wenn der Bezogene nicht anwesend ist, trágt der Protestbeamte in die Protesturkunde einen Wandprotest ein (er spricht den Protest quasi gegen die Wand), wenn der Sitz des Bezogenen nicht feststellbar ist, spricht er einen Windprotest <in den Wind>. Der Wechselgláubiger kann nach dem Protest jeden Wechselverpflichteten den Bezogenen, alie Indossanten, den Aussteller als Gesamtschuldner in beliebiger Folge in Anspruch nehmen («Sprungregrei? » start Reihenrückgriff). Der Wechselinhaber muí? allerdings seinen unmittelbaren Vormann und den Aussteller benachrichtigen, was meist durch Zusendung des unbezahlten Wechsels erfolgt. Durch fehlenden Protest wird der Wechsel wechselrechtlich wertlos, weil keine <Wechselstrenge> mehr greift; die Anspriiche miii? ten auf dem Weg einer <normalen> Zivilklage geltend gemacht werden. Wenn auf den Wechselprotest hin Klage erhoben wird, ist im Wechselprozei? der Zeitraum zwischen Zustellung der Wechselklage und der miindlichen Verhandlung sehr kurz im Unterschied zum normalen Zivilprozei? , in dem man beispielsweise einen Buchkredit einklagen miii? te. Der Beklagte wird meist am Verhandlungstag zur Zahlung verurteilt (sofern er keine signifikanten Einreden gegen die Form machen kann, was sehr selten der Fall ist), und das Urteil ist sofort ohne Kosten für den Gláubiger vollstreckbar, z. B. durch Pfandung durch den Gerichtsvollzieher. Hinzu kommt, dai? die <faulen> Schuldner geplatzter Wechsel .(und Schecks) lebenslang in einer Schuldnerliste gespeichert werden (PL = Protestliste, SCHUFA-Liste 6 ), in der potentielle Kreditgeber routinemáí? ig vor Gewahrung eines Kredits nachsehen. Die Regularien sind im europáischen Ausland zwar anders, aber durchaus ahnlich, aber nicht immer: In Italien wird der Protest óffentlich ausgehangt, in Frank reich erfolgt eine Streichung nach zwei Jahren, in einigen arabischen Lándern wird die Nichtzahlung mit Gefángnis bedroht, in Israel gibt es gar keinen Protest. G-1.3.1.3 Akkreditiv Ein gleichermaEen wichtiges Dokument im Aui? enhandel ist das Akkreditiv. Mit einem Akkreditiv weist z. B. ein Importeur seine Bank an, einem Begiinstigten bei Erfiillung bestimmter Bedingungen einen bestimmten Betrag auszuzahlen. Das Akkreditiv ist ein vom eigentlichen Grundgescháft losgelóstes Zahlungsversprechen. In der Regel ist die Auszahlung an die Vorlage bestimmter, im Akkreditiv spezifizierter Dokumente gekniipft (Dokumenten-Akkreditiv), mit denen u.a. beispielsweise die ordnungsgemal? e Verschiffung der Ware nachgewiesen wird (in Abschnitt G-1.3.3.2 wird dies vertieft). G-1.3.2. Versicherungsdokumente Eine Versicherungspolice ist eine Urkunde eines Versicherers {underwriter) iiber einen abgeschlossenen Versicherungsvertrag, die als Namens-, Order- oder Inhaberpolice ausgestellt werden kann. Dabei sind Einzelpolicen fur eine einzelne Warensendung und Generalpolicen für laufende Versicherungen fur einen bestimmten Zeitraum oder eine bestimmte Menge 6 Schutzvereinigung für allgemeine Kreditsicherung. <?page no="232"?> 210 G Liefer-und Zahlungsbedingungen (Abschreibepolicen) gebráuchlich. Letztere sind Rahmenvertráge und gelten für alie Warensendungen meist innerhalb eines bestimmten Zeitraumes und innerhalb eines bestimmten Wertrahmen. Unter Generalpolicen wird der Exporteur háufig ermáchtigt, selbst die einzelnen Versicherungszertifikate {Versicherungsscbein) auszustellen. Dies erleichtert die zeitgerechte Abwicklung. Die Notwendigkeit dieser Dokumente hángt insbesondere auch von den vereinbarten Lieferbedingungen ab. Liegt beispielsweise ein CIF- oder CIP-Vertrag vor (vgl. Abschnitt D-3), ist der Exporteur zum Abschlul? einer Transportversicherung auf seine Kosten verpflichtet, die bestimmte Mindeststandards eindeckt, und muS dies dem Importeur entsprechend dokumentieren. Die Mindeststandards richten sich in der Regel nach den Londoner «Institute Cargo Clauses»; im Abschnitt G-2.2.3 wird dies vertieft. Versicherungsdokumente sind daher háufig Teil der vorzulegenden Papiere bei Dokumentenakkreditiven. G-1.3.3. Handelsdokumente Die Handelspapiere unterteilen sich in die Hauptgruppen Begleitpapiere, die mit der Ware reisen, und Versandpapiere, die lediglich den Versand der Ware nachweisen und ebenfalls mit der Ware reisen kónnen oder auch nicht. G-1.3.3.1. Begleitpapiere Art und Anzahl der Begleitdokumente, die mit der Ware reisen, richten sich vielfach nach den Einfuhrbestimmungen des Importlándes, aber auch nach den speziellen Wünschen des Importeurs. Es ist empfehlenswert, die jeweiligen ImportvoTschriften des Einfuhrlandes im Hinblick auf die Aufmachung von Dokumenten genau zu beachten, weil eine nachtrágliche Ánderung der Papiere oft nicht moglich ist oder mit Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist oder sogar zu Zollstrafen und Beschlagnahmung der Ware führen kann. Beispielsweise schreiben die arabischen Staaten des persischen/ arabischen Golfs die Bezeichnung <Arabischer Golf> vor, wáhrend der Iran keine Importe mit eben dieser Zielbestimmung aufnimmt, sondern die Bezeichnung <Persischer Golf> verlangt. ZweckmáSigerweise wird man in den Papieren dieses Problem durch die Angabe des konkreten Bestimmungsorts umgehen. Die Beachtung von formalen Vorschriften ist genauso wichtig im Hinblick auf Verpackungs- und Markierungsvorschriften sowie auf die verwendete Sprache. (1) Handelsrechnung Die Handelsrechnung ist eines der wichtigsten Dokumente im Aufenhandel. Der Zugang der Handelsrechnung (commercial invoice) lost oft für den Kaufer die Zahlungspflicht nach den vereinbarten Zahlungsbedingungen aus; sie hat daher eine zentrale zivilrechtliche Bedeutung. Gleichzeitig ist sie auf der Importseite - Grundlage fur die Ermittlung des Zollwertes (der wiederum aus deutscher Sicht die Einfuhrumsatzsteuer bedingt). Die Handelsrechnung enthált üblicherweise u. a. folgende Angaben: Ñamen und Anschrift des Exporteurs und des Importeurs, Ausstellungsdatum, genaue Beschreibung der Ware (Art, Menge, Gewicht, Verpackung, etc.), Preis(e) einschlieSlich ev. Rabatte oder Skonti, die Lieferbedingungen, die Zahlungsbedingungen sowie eine rechtsverbindliche Unterschrift. Für manche Importlánder ist eine Beglaubigung (Legalisierung) durch die Handelskammer oder das Konsulat des Importlándes im Exportlandes erforderlich. Der Hintergrund <?page no="233"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente ¡m AuGenhandel 211 ist dabei meist, da(S in Weichwáhrungslandern der «Überfakturierung» {over-invoicing) vorgebeugt werden soil, weil z. B. der Importeur auf der Grundlage einer überhóhten Rechnung eine überhóhte Devisenzuteilung erhált, die ins Ausland transferiert werden kann. Mit Unterfakturierungen (under-invoicing) kónnte eventuell ein niedrigerer Zollwert zu geringerer Zollbelastung fuhren (Abb. G-l/ 3). Abb. C-1/ 3: Exportinspektionen AUSSENWIRTSCHAFT / 27 Entwicklungslander lassen deutsche Ausfuhren inspizieren Exportpreispriifungen sollen die schmalen Devisenkassen der Dritten Welt schonen IRAN / Inspektionszertifikate fiir Einfuhren Senegal verfeinert seine Einfuhrinspektion See- und Flugmanifeste, Zollbefreiungen, Dumpingverdachte einbezogen Die Angaben in der Handelsrechnung miissen beim Dokumentenakkreditiv prazise mit der Warenbeschreibung im Akkreditiv iibereinstimmen; zudem darf der Rechnungspreis (in der Regel) nicht hóher sein ais die Akkreditivsumme (siehe aber in Abschnitt G-3.4.2 zur «circa»-Stellung). Probleme kónnen sich ergeben, wenn das Importland eine Originalrechnung des Herstellers verlangt, der Exporteur jedoch nicht selbst Hersteller ist und dieser u. U. nicht feststellbar ist. Die elektronische Erstellung, Übermittlung und Begleichung von Handelsrechnungen (e-billing) steckt in Europa noch in den Anfángen, im Gegensatz wer hátte das gedacht zu den USA. Probleme bereitet nach wie vor die Fálschungssicherheit und die Autentizitát von Unterschriften (elektronische Signatur). (2) Pro-forma-Rechnung Eine Pro-forma-Rechnung (pro-forma-invoice) wird meist vor der Lieferung der Ware oder sogar vor GescháftsabschluE ausgestellt, z. B. in der Angebotsphase. Papiermafig ist sie meist mit der (Original-)Handelsrechnung identisch und enthált lediglich den Zusatz «profortna invoice, no commercial value». Sie dient in vielen Lándern ais Grundlage für die Beantragung von Importlizenzen und Devisenzuteilungen, 7 kann fiir die Eróffnung eines Importakkreditivs erforderlich sein, begleitet Ersatzlieferungen (Gewahrleistung), begleitet Kommissionsware oder Waren bei voriibergehender Verwendung im Ausland etc. (vgl. Abschnitt K-4.4). Im Gegensatz zur Handelsrechnung lost sie keine Zahlungspflicht aus. In manchen Lándern muí? der Importeur bei der Importabwicklung eine Herstellerrechnung vorlegen, wenn die Ware nicht direkt beim Hersteller bezogen wird. Dafi diese Bedingung in der Praxis zu Problemen führen kann insbesondere, wenn eine Ware iiber mehrere Handelsstufen importiert wird -, liegt auf der Hand. Hier wird oft eine Pro-forma-Rechnung akzeptiert. 7 In einigen Lándern übernimmt eine Zoll- oder Konsulatsfaktura diese Funktion. <?page no="234"?> 212 G Liefer- und Zahlungsbedingungen (3) Zollfaktura Die Zollfaktura (customs invoice oder oft genauer: Combined Certificate of Value and Origin and Invoice) ist im Commonwealth-Raum noch gebrauchlich. Sie ist der Konsulatsfaktura (vgl. unten) vom Zweck her áhnlich und dient der Verzollung der Importware (meist auf der Basis des FOB-Wertes). Eine Zollfaktura muí? bestimmten formellen und inhaltlichen Vorschriften geniigen. Der Exporteur bestátigt, daS der angegebene Warenwert dem tatsáchlichen Verkehrswert in seinem Land entspricht [fair market value oder domestic market value). Dadurch sollen sowohl Dumpingpreise ais auch überhóhte Preise unterbunden werden. Eine Legalisierung ist zwar nicht gebrauchlich, 8 manchmal muí? jedoch die Unterschrift des Exporteurs durch einen zeichnungsberechtigten Zeugen desselben Unternehmens beglaubigt werden. Meist diirfen keine Firmenstempel angebracht werden. Durch den Ubergang der meisten Lander zur WTO-iiblichen CIF-Verzollung auf der Basis des sog. Transaktionswertes, der sich auch des Problems des <richtigen> Wertes annimmt (vgl. Abschnitt G-2), ist die Zollfaktura als Basis fur die Zollwertbestimmung abgeschafft worden (u. a. in den USA, Kanada, Neuseeland und Australien), doch wird sie in vielen Lándern noch ais Ursprungserklárung verlangt (4) Konsulatsfaktura Die Konsulatsfaktura (consular invoice) war in einigen meist lateinamerikanischen - Landern fur die Zollabwicklung erforderlich. Heute wird sie nur noch sehr selten gefordert. Sie entspricht inhaltlich prinzipiell der Handelsrechnung, doch miissen oft die ausgewiesenen Preise durch das Konsulat des Einfuhrlandes gegen Gebiihr legalisiert (beglaubigt) werden, d. h. das Konsulat bestátigt, dal? der Warenwert dem tatsáchlichen Verkehrswert im Exportland entspricht. Háufig miissen für die Konsulatsfaktura spezielle Formulare verwendet werden, meist in der Sprache des Importlandes (also in der Regel Spanisch) oder der iiblichen Korrespondenzsprache. Sie sind beim zustándigen Konsulat erháltlich. Durch die Bestátigung des <eigenen> Konsulats sollte wie bei der Zollfaktura insbesondere der Gefahr entgegengewirkt werden, dal? durch überhóhte Importrechungen ein illegaler Devisenexport móglich ware: Das Konsulat bestátigte den «fair market value» oder den «Current Domestic Value». Die englische Bezeichnung «Combined Certificate of Value and Origin and Invoice» ist daher aufschlufoeich. Vor allem zwischen verbundenen Unternehmen wáren fingierte Rechnungen nicht sehr schwierig zu erstellen. Besonders empfindlich ist man daher auch meist im Hinblick auf Anderungen, Radierungen, Ubermalungen oder Rasuren in den Dokumenten. Derart korrigierte Papiere werden in der Regel auch nicht legalisiert. Mit der Einführung des WTO-Zollwert-Kodex haben die meisten Staaten, die früher auf einer Konsulatsfaktura bestanden, diese abgeschafft (teilweise noch Dominikanische Republik, Haiti, Panama, Paraguay und für einige Waren - Philippinen). Stattdessen wird oft ein Inspektionszertifikat verlangt; vgl. nachstehend. (5) Pre-Shipment Certificate / Inspektionszertifikat Bei Dokumentenakkreditiven, aber auch aufgrund amtlicher Importvorschriften ist oft ein Pre-Shipment Inspection Certificate (PSI; Vorversandkontrolle, Vorverschiffungskontrolle, 8 Legalisierung bedeutet hier, dafi die auslándische Vertretung in Deutschland bestátigt, da(? die Unterschrift auf der Rechnung von einem Berechtigten geleistet worden ist. Dies kann bei Notarsunterschriften eine vorherige «Überbeglaubigung» beim zustándigen Landesgericht erfordern. <?page no="235"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente im AuRenhandel 213 Waren-Kontroll-Zertifikat, Inspektions-Zertifikat) erforderlich, das die Übereinstimmung der verpackten Ware mit der Bestellung bzw. den Importbestimmungen des Einfuhrlandes bescheinigt. Mit diesem Dokument bestátigt ein vom Importeur beauftragter Priifer in der Regel auf Kosten des Importeurs in einem «clean report of findings» die Korrektheit von Preis, Qualitát und Menge der verschifften Ware. In vielen Lándern schreiben die staatlichen Einfuhrvorschriften dies vor, um Über- oder Unterfakturierungen, aber auch dem Import von Fálschungen bei angeblichen Markenartikeln vorzubeugen (Abb. G-l/ 4). Von der Exportwirtschaft wird diese Einschaltung unabhángiger Prüffirmen eher ais nichttarifáres Handelshemmnis betrachtet, weil es die Abwicklung erschweren kann, denn die auf diese Aufgaben spezialisierten Prüffirmen haben nicht selten einen betráchtlichen Entscheidungsspielraum. Bei strittigen Punkten mufi dann oft der Prüffirma nachgegeben werden, weil z. B. die Ausnutzung eines Akkreditivs unter zeitlicher Befristung steht. Vielfach betátigen sich Spezialfirmen auf diesem Gebiet, z. B. die SGS/ Societé Genérale de Surveillance Controllo, die weltweit vertreten ist und daher auch für Importe nach Deutschland tátig werden kann, oder die Bureau Veritas, die SOCOTEC International Inspection, die COTECNA (alie in Hamburg), 1ST Intertek Testing Services, Inspectorate Griffith, für Rutland der DIN GOST TÜV in Berlin u.a.m. (Seit 1997 ist ein GOST-Konformitatszeichen auf dem Produkt, Label, der Verpackung oder den Versandpapieren beim Import nach Rutland vorgeschrieben.) Manche Lander u. a. Iran erleichtern die Einfuhr von Sendungen, die freiwillig einer Preshipment-Kontrotte durch eine dafür beauftragte Unternehmung (hier: SGS) unterzogen wurden. Andere Lander z. B. Argentinien haben zahlreiche Waren von der Vorversandkontrolle wieder ausgenommen. Andererseits haben einige Lander (u. a. Ghana und Nigeria) die Pre-Sfopwewi-Inspektionen im Exportland durch Destination Inspections im Importland ersetzt, wodurch sich das Risiko des Exporteurs erheblich erhóht. Innerhalb der WTO wurde ein spezielles Schiedsverfahren für Pre-Shipment-Probleme etabliert. Der Exporteur, der mit den Prüfungsergebnissen eines Inspektionsunternehmens unzufrieden ist, kann dieses Schiedsgericht anrufen. Wenn das Inspektionszerifikat allerdings z. B. Teil einer Akkreditivdokumentation ist, dürfte ein zeitaufwendiges Schiedsverfahren nicht mehr viel nützen. (6) Packliste Die Packliste (packing ¡ist) ist eine Erganzung der Handelsrechnung und enthált eine genaue Spezifizierung der verpackten Ware hinsichtlich Art (Codenummern), Anzahl, Brutto- und Nettogewicht, usw. Sie kann ggf. durch Gewichtslisten, Aufmafilisten oder sonstige Warenbeschreibungen ergánzt werden oder aber diese Angaben selbst enthalten. Packlisten und Gewichtsbescheinigungen (oft von dazu ermachtigten amtlichen Stellen) sind u. a. auch für Zollzwecke erforderlich (z.B. bei genehmigungsbedürftiger Ausfuhr) sowie für Versicherungszwecke. Zur Warenspezifikation werden daneben weitere Dokumente verwendet wie Wiege- oder Aufmafibescheinigungen. (7) Ursprungsnachweise Für eine Reihe von auSenwirtschafts- und zollrechtlichen Zwecken ist es im Importland erforderlich, den Warenursprung nachzuweisen, insbesondere im Zusammenhang mit Importgenehmigungen und Zollpráferenzen (vgl. auch Abschnitt K-3). Ursprungszeugnisse <?page no="236"?> 2 1 4 G Liefer-und Zahlungsbedingungen Abb. G-1/ 4: Pre-Shipment-Zertifikat • 0 U 3 i s u ¿ i S u s t a u a t b ü b § s ( j J t a ü s « S ü a t i i j 3 » s ü a t 5 i j b i S U S t c ) ü c > t s i j S i b i j i » 5 ( j 3 i » ü i f i u s « 5 ü i « i i j b » fe% 5g S 5S 5S 5 I ViolenstraOe 27 Lingnerallee 3 D-28195 Bremen D 0 1 0 6 9 Dresden Postfach 106529 0 - 2 8 0 6 5 Bremen Raboisen 28 BehringstraBe 154 0 - 2 0 0 9 5 H a mburg 0 - 2 2 7 6 3 H a m b u r g PosHach 10 5 * 80 Postfach 10 54 8 0 D-20037 H amburg D-20037 H a m b u r g SGSControll-Co.m.b.H. Auf der Hohe 49 lm Freihafen 4 D-47059 D u h b u r g 0-47138 Duraburg Baukauer StraGe 98 0 - 4 4 6 5 3 H e m * Postfach 101112 D-44601 H e m e A m Neuen Rheinhafen 12a D-67346 Sp*Y«f Postfach 19 28 0 - 6 7 3 2 9 Speyer A m Getreidehafen 3 0-18147 Rostock Zertifikat Certificate No 0101/ 198458 CERTIFICATE OF QUALITY In pursuance of an order received from: I GmbH & Co requesting us to carry out the instructions summarized as under supervision of quality of a consignment designated as: Consignee: Notify: Vessel: B/ L No 1 dated: Port of loading: Destination: 3.113.247 MT German Milling Wheat, in bulk, crop 2000 Goods to be sound, loyal and merchantable Test weight min 76 kg/ hi Protein basis 12 pet min 11.5% Falling Number min 230 sec. as per Hagberg Method Zeleny min 28 Moisture max 14,5 pet Admixture max 6% out of which foreign matter max 2 pet TO ORDER Grain Trading Sp. z.o.o. UL Lechonia 3 01-556 Warsawa Poland MV ANTON 29.09.2000 Wolgast Szczecin t 8 t o ? s «? o ? O) o í o» O ? v> O s s f8 . 7 2 G****tclMit «i Btftnan « H I 2«rM*atti n m vrtpftcNisigtn ml Mm Kj^xri.tg ntcfttukomnwn Em«*««n«i«< T«* l k * < l O* tm ¡Lf\<\Kt: t ÓO»i nt s 58 S V> O t • SGS«SGSeSG5eSGSoSGS«SGSoSGS«SGSoSGS«SGSoSGSoSGSoSGSoSGS«SGS«SGSoSGSoSGSoSGSoSGSoSGS#SGS»SGS» <?page no="237"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente im Aultenhandel 215 werden von einer dazu berechtigten Stelle ausgestellt bzw. beglaubigt, z. B. der Zollbehórde des Exportlandes oder wie in Deutschland von der IHK, wáhrend Ursprungserklárungen durch den Exporteur auf der Handelsrechnung angebracht werden. Die EG verwendet im Handel mit den EFTA- und MOEL-Staaten für den Práferenznachweis spezielle Warenverkehrsbescheinigungen (z. B. EUR.l; vgl. auch Abschnitt K-3). In einigen fernostlichen Lándern sind sog. Werksatteste (Hersteller-Erklárungen) erforderlich, mit denen der Hersteller erklárt, wer die Ware hergestellt hat. Dies mul5 in der Regel durch das jeweilige Konsulat beglaubigt werden. In einigen Lándern dienen die Ursprungsnachweise dazu, Embargobestimmungen zu iiberwachen. So muís im arabischen Raum nicht selten nachgewiesen werden, dafi die Ware keine Beziige zu Israel aufweist (Ursprung, <shipper>). Sofern derartige diskriminierenede Papiere von den Behórden des Exportlandes ausgestellt oder beglaubigt werden miissen, sehen sich deutsche Exporteure in Schwierigkeiten, weil die dafiir zustándigen Industrie- und Handelskammern (IHK's) dies ablehnen werden: Die Bundesregierung hat 1993 im Alleingang die Beteiligung an BoykottmaEnahmen verboten, die nicht von der Bundesregierung selbst angeordnet sind. Deutsche Unternehmen diirfen danach keine entsprechenden Erklárungen abgeben. Vgl. mehr in Abschnitt L-6.4. (8) Weitere Begleitpapiere Die Importbestimmungen vieler Lander erforden oft Nachweise iiber spezielle Aspekte der Beschaffenheit der Waren, z. B. Pflanzengesundheitszeugnisse oder veterinármedizinische Testate oder sonstige Analysezertifikate z. B. bezüglich der chemischen Zusammensetzung einer Ware. Australien verlangt z. B. bei Holzverpackungen den Nachweis, dafi eine Behandlung gegen die Sirexwespe erfolgt ist. Verschiedene Lander - RuEland, Mexiko verlangen fur viele Erzeugnisse Zertifikate, welche die Konformitát mit nationalen Sicherheitsanforderungen und Normen nachweisen. Im Rahmen bestimmter spezieller Abkommen (z. B. betreffend Kaffee, Kakao, Textilien) sind spezielle Papiere erforderlich (z. B. Kaffeezeugnis, Kakaozeugnis). 9 Bei Nahostexporten ist háufig eine Zusicherung «aus versicherungstechnischen Gründen» erforderlich, die oft vom jeweiligen Konsulat des Importlandes im Exportland beglaubigt werden muS und z. B. bescheinigt, daS das Schiff oder Flugzeug ein bestimmtes Alter nicht iiberschreitet (Sicherheitsaspekt), die kontrahierte Reederei oder Luftfahrtgesellschaft nicht in Israel ansássig ist bzw. israelischen Biirgem gehort und da£ das Schiff oder Flugzeug keine israelischen Háfen oder Flughafen anláuft bzw. anfliegt oder entsprechenden Luftraum berührt. Dies steht nicht im Widerspruch zum gerade erwáhnten grundsátzlichen Verbot von Boykotterklárungen, das seit 1993 in Deutschland gilt, weil <versicherungstechnisch>... G-1.3.3.2. Versanddokumente Bei den Versandpapieren ist zu unterscheiden zwischen solchen, die lediglich den Versand der Ware nachweisen (Versandnachweise, sie konnen, miissen aber nicht mit der Ware reisen), und solchen, welche die Ware <reprasentieren>, d. h. deren Besitz gleichbedeutend ist 9 Der Formularverlag C. W. Niemeyer verlegt eine Broschüre «Importbestimmungen anderer Lándern»; die Handelskammer Hamburg gibt die «K&M ¡Consular- und Mustervorschriften» heraus; die Bfai in Koln informiert über Lánderbestimmungen. <?page no="238"?> 216 C Liefer-und Zahlungsbedingungen mit der Verfiigungsgewalt iiber die Ware (Traditionspapiere, synonym: Dispositionspapiere). Versandnachweise haben eine rechtlich schwáchere Stellung ais Traditionspapiere, indem sie keine Wertpapiere sind, d. h. keine Vermogensrecht verbriefen, sondern nur Beweisurkunden hinsichtlich des Abschlusses von Befórderungsvertrágen sind. Die Auslieferung der Ware erfolgt dabei an den bestimmten Empfánger, ohne dafj dieser Originale oder Duplikate des Versandnachweises vorlegen mufi. Der UNO-Ausschui? fur internationales Handelsrecht (UNCITRAL) bescháftigt sich seit Mitte 2000 mit Vorarbeiten zu einem internationalen Transportrecht. Dabei findet eine Zusammenarbeit statt mit der Internationalen Handelskammer (ICC) und dem Comité Maritime International (CMI). Gegenstand der Arbeiten sind vor allem die Warenkontrolle und die Warenbeschreibung in den Transportdokumenten, bei denen international erhebliche Unterschiede bestehen: In einigen Staaten miissen die Waren nur áuíSerlich in Ordnung sein («in good apparent order»), in anderen - Australien, Japan sind Gewicht oder sogar Geruch wichtige Kriterien. Auch zu Prüfvorgángen, Datumsangaben, Unterzeichnung werden Vereinheitlichungen angestrebt. (1) Traditionspapiere Als Traditionspapiere bezeichnet man solche, die einen selbstándigen, schuldrechtlichen Anspruch auf Auslieferung der Ware begründen. Sie verkorpern die Ware; ihre Übergabe ersetzt im allgemeinen die Übergabe der Ware. Sie ermachtigen bei Vorlage aller Originale zu Verfiigungen iiber schwimmende, rollende oder lagernde Ware und berechtigen zur Herausgabe der Ware bzw. <reprasentieren> die Ware. (a) Konnossemente Je nach Verkehrstráger sind verschiedene Formen von Konnossementen zu unterscheiden. Der Begriff leitet sich aus dem franzósischen «connaksement» ab, frei iibersetzt als Anerkennung, d. h. es handelt sich um Übemahme-Erklárungen des Verfrachters bzw. Frachtfuhrers (z. B. der Reederei) sowie die Verpflichtung zur Befórderung der Ware fiir den Ablader (Shipper)' 0 . Im englischen Sprachgebrauch ist der Begriff bill of lading iiblich. 11 Besondere Bedeutung kommt dem Konnossement dadurch zu, daí? es ein Traditionspapier und nicht nur ein Legitimationspapier ist wie der Frachtbrief (vgl. unten). Zwar verwenden die Reedereien jeweils individuell unterschiedliche Konnossementsformulare, doch entsprechen sich diese inhaltlich weitgehend. Im deutschen Handelsrecht ist das Konnossement in §§ 642ff. HGB verankert und dort spezifiziert. Das Seekonnossement (Reedereikonnossement, marine, liner oder ocean bill of lading, B/ L) ist das klassische Traditionspapier der Seeschiffahrt (Abb. G-l/ 5); es ist nur auf eine Hafenzu-Hafen-Verladung anwendbar. In der Regel werden zwei oder meistens drei Originalexemplare erstellt, von denen jedes allein die Ware vertritt und zur Herausgabe der Ware berechtigen. Die Gezamtzahl der Originale wird im Konnossement vermerkt (siehe Abbildung) und als voller Satz (full set) bezeichnet. Bei Akkreditiven wird dann z. B. die Vorlage von 2/ 3 oder 3/ 3 des vollen Satzes verlangt, d. h. zwei der drei bzw. alie drei Originale miis- 10 Der Ablader schlieGt den Seefrachtvertrag mit dem Verfrachter und bringt die Ware an das Schiff. Sofern er nicht selbst der Ausftihrer ist, sondern z. B. als Seehafenspediteur im Auftrag des Ausführers handelt, bezeichnet man letzteren auch als Urablader. 11 Gelegentlich findet sich auch (sprachlich veraltet) bill of loading. <?page no="239"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente im AuRenhandel 217 Abb. G-1/ 5: Seekonnossement SAlXMf (SHI p f n p MAS C H I N E NBAU - GMBH & CO. KG W M W M M M D « H V ^ V M l M H WEST GERMANY Consigne* (CO) TO THE ORDER OF Notify 1NF1 Local vassal Oaten M ssoi POLESSK From (local port of toooWgi Port of toning Bremen PORT Customer-No. Cusiomer ' i Rol LINER BILL OF LADING BALTIC SHIPPING COMPANY 5, Mezhevol canal. Leningrad 198035, USSR Cable: Morílot Leningrad B a l t i c - C o n t i n e n t / S o u t h A m e r i c a W e s t C o a s t , W e s t I n d i e s , C a r i b b e a n , C e n t r a l A m e r i c a , M e x i c o , U. S . Golf. Agents at Bremen & Hamburg Überseesehif fartrtsagen tur TRANSNAUnCGmbH & Co. KG Port oí discharge PORT LIMÓN Final destination f («fgw payable »i BREMEN Number of c*irsruu>B/ L 3/ TRES Marks * Numbara (MN, Number oi paduoaa/ dascnplion of goods Gross we-ght KOS I . C . E . 6 9 8 0 1 0 / O . C . 3G066 L I C . PUB. 5 1 0 1 2. SUMINISTRO PARCIAL VIA PORT LIMON PESO BRUTO: 407 PESO NETO: 248 COSTA RICA 1 CAJA EQUIPOS, REPUESTOS Y ==== ACCESORIOS, COMO REFERENCIA ORDEN DE COMPRA NO. 3 6 0 6 6 , DTD NOVEMBER 2, •awae.w» 407,-KGS KG KG IRREVOCABLE LETTER OF CREDIT NO. «(-2168 DEL BANCO COOPEFATIVO COSTARRICENSE R.L SAN JOSE/ C.RICA C AND F PORT LIMON, WITH FINAL DESTINATION ADUANA PRINCIPAL, SAN JOSE COSTA RICA . 2 . SUMINISTRO PARCIAL ON BOARD FREIGHT PREPAID Demurrage and Detention of Container»; Freetime of 7 working days Is granted to shippers/ receivers. After expiry of freetime. the following charges are duet First 7 days t 5.00 per 20* and S 10.00 per 40* per calendar day thereafter $ 10.00 per 20" and $ 20.00 per 4(7 per calendar day FRBGHT AND CHARGES FLETE M A R I N O : DM 2.60V Original Particulars furnished by the Merchant SHIPPED M I board In apparent good order and condition, weight, measure. marka, numbers. quality, conienn and valua unknown, lor carrtoga lo tha port of diseñaros or to near thereunlo aa iha Vassal may salary gal and ba always afloat. 10 bo dattvarad In tha Ilka good order and condition at Iha aforesaid Port unto Consigna»* of ihair Assigns, thay paying freight • * par nota on Iha trtargln plus otnar charges incurrad in accordance with the provision! In this 8Ht ol Lading. In ace to ting ihla BU of Lading Iha Merchant an prosify accapn and agree* to all ila ttiputationi on bolh pages, whether wnltan. printed, itampod or otherwise Incorporated, as lulty as il iney were a l argued by the Merchant One original Bin or Lading muel be surrendad duly annoraed ~ " Iha goods or deBwery order. ITNESS whereof tha Maalar ol the said Vassal has r ol original B«» ol Lading Haled above, art ol Ibis Mtor and data, one the which being sccompiltrted. Iha 6 Hand vow. IN ACCIPTWQ THIS BILL OP LADINO THE SHIPPER, CONSIGNEE AMD THE OWNERS OP THE GOODS. AND THE HOLDER OP TMS BILL OP LADING. AQREE TO BE BOUND BY ALL OP ITS CONDITIONS? EXCEPTIONS ANO PROVISIONS WHETHER WRITTEN, PRINTED OP STAMPED ON THE FRONT OR BACK HEREOF. <?page no="240"?> 218 G Liefer- und Zahlungsbedingungen sen vorgelegt werden. Wenn ein Original bezahlt wird, sind alie anderen Origínale «erledigt» (kassatorische KlauseF). Neben den Originalen gibt es fur verschiedene Zwecke noch eine beliebige Zahl weiterer Kopien, die nicht begebbar sind («Copy I not negociable») und nicht die Ware reprásentieren. Die Origínale sind gemalS § 363 HGB durch Indossament begebbar («negotiable B/ L»), meist durch Blankoindossament, wobei als Begiinstigter (consignee) «an Order» angegeben wird (Orderkonossement), so dafs sie faktisch Inhaberpapiere werden (Inhaberkonnossement). Dadurch erhalten Konnossemente ihre herausragende Bedeutung im Handel. Durch ein Blankoindossament kann der Exporteur via Indossament liber die Ware verfugen. Wiirde man als Begiinstigten den Importeur angeben ein Vollindossament erzeugt ein Namenskonnossement -, ware allein dieser verfiigungsberechtigt. Zahlt der Importeur nicht, muíste er seinerseits ein Indossament anbringen. Ob er das aber macht...? Wenn ein Konnossement explizit micht an Orden gestellt ist, ist es ein Rektakonnossement, und nur der genannte Berechtigte hat einen Herausgabeanspruch (selten). Das in der Praxis am meisten verwendete Konnossement ist das «an Order» ausgestellte und blanko indossierte Order-Konnossement. PRAXISTIP Sofern es nicht ausdrücklich verlangt wird, sollte das Konnossement nicht an eine bestimmte Order ausgestellt sein, weil der Exporteur damit die Verfügungsgewalt iiber die Ware abgibt. Meistens enthalten Konnossemente auf der Rückseite die erwáhnte (eingedruckte) kassatorische Klausel, welche die genaue Anzahl der Originale angibt, sowie Beziige auf international anerkannte Klauseln, welche verschiedene Schadensfálle betreffen (Konnossementsklauseln), z. B. die Both-to-blame-Khusel bei Kollisionen mit Schuld auf beiden Seiten, oder die Himalaya-Klausel bezüglich der Haftung des Schiffspersonals, bzw. allgemein Hinweise auf Beforderungsbedingungen der Reederei, die nicht eigens im Konnossement aufgefiihrt werden. Dann spricht man auch von Short form B/ L. Daneben kónnen auch individuelle Vermerke und Einfügungen in Konnossementen enthalten sein. Hinweise auf z. B. Beschádigungen der Ware machen ein Konnossement «unrein» (unclean). Für Akkreditive ist grundsátzlich eine «Rein-Zeichnung» erforderlich. 1924 wurde eine Internationale Vereinbarung zur Vereinheitlichung der Regeln für Konnossemente geschlossen. Diese sog. Haager Regeln sind iiberarbeitet worden und 1978 durch ein UN-Abkommen, die sog. Hamburger Regeln ersetzt worden, die auch für einige Aspekte der Incoterms von Bedeutung sind (Abschnitt G-2), doch ist dieses Abkommen in Ermangelung einer hinreichenden Zahl von Ratifizierungen durch Vertragsstaaten (auch nicht von Deutschland) noch nicht in Kraft getreten. Die Einbeziehung dieser Regeln in das Konnossement wird als Paramount-Klausel bezeichnet. Wie erwáhnt, wird in der UNCITRAL eine Harmonisierung diskutiert. Dann ist auch eine internationale Regelung für elektronische B/ L zu erwarten. Diese werden BOLERO-B/ L genannt und müssen als <BBL> gekennzeichnet sein. 12 Frz. encaisser = (ein-)<kassieren>. <?page no="241"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente ¡m AulSenhandel 219 PRAXISTIP «Bolero.net» ist eine in London ansássige Gesellschaft neuerdings mit Sitz auch in Frankfurt und Reprásentanzen in mehreren deutschen Stádten - , deren Ziel es ist, die international gebrauchlichen Dokumente auf etwa 50 Standardtypen zu reduzieren (incl. Zoll- und Versicherungsdokumenten) und für die elektronische Abwicklung aufzubereiten. Die als Standard Trade Settlement Terms bezeichneten Musterformulare sollen ab 2001 aus dem Internet kostenlos heruntergeladen werden kónnen. Zweckmafsigerweise sollte im Konnossement ein «Notify-Vermerk» mit einer Adresse angebracht werden, damit der Frachtfuhrer bei Ankunft im Bestimmungshafen die angegebene Person bzw. Firma verstándigen kann. Oft werden die Konnossementsangaben auch iiber Fax vom Linienagenten der Reederei im Verladehafen an einen Agenten im Bestimmungshafen iibermittelt. Dieser stellt dem Empfánger eine Arrival Note zu, damit die Warenabnahme vorbereitet werden kann. Wenn das Konnossemen blanko «an Order» indossiert ist, sollte die Notify-Adresse die Anschrift des Empfángers sein, andernfalls z. B. die eines Spediteurs oder einer Bank im Bestimmungshafen. Das Konnossement hat also eine Doppelfunktion. Zum einen ist es eine Urkunde iiber den Frachtvertrag zwischen Ablader (Befrachter) und Schiffsfrachtfuhrer, zum anderen eine Urkunde hinsichtlich des Rechtsverháltnisses zwischen Frachtfuhrer und berechtigtem Empfánger. Bevor das Schiff den Bestimmungshafen erreicht, kann der Ablader oder der Konnossementsinhaber nur Anweisungen beziiglich Riickgabe oder Auslieferung der Ware geben, wenn er dem Schiffer alie Origínale des Konnossements zurückgibt. Da es nicht selten ist, daS das Konnossement nicht rechtzeitig beim Káufer eintrifft, kann der Importeur auch dann die Ware erhalten, wenn eine Konnossementsgarantie gestellt wird, um eine kostentráchtige Einlagerung zu vermeiden. Diese schützt die Reederei vor Schadensanspriichen, falls sich die Warenübernahme als unrechtmáfig herausstellt. Verschiedene Konnossementsarten sind gebráuchlich. Mit einem Ubernahme-Konnossement bestátigt der Verfrachter, die Ware übernommen zu haben ^received for shipment), wobei die Verladung (Abladung) und Verschiffung noch aussteht, z. B. weil das Schiff noch nicht feststeht oder noch nicht im Hafen liegt ^intended vessel). Daneben gibt es Hafen- oder Lagerhalterkonnossemente (port b/ 1, custody b/ 1), mit denen sowohl die Warenübernahme als auch die Verpflichtung bescheinigt wird, die Ware innerhalb einer bestimmten Frist zu verladen. Mit einem (An-)Bord-Konnossement bestátigt der Verfrachter, daS er die Ware an Bord genommen hat und die Verpflichtung zum Transport anerkennt. Für Akkreditive werden meist An-Bord-Konnossemente verlangt. Durch den vom Kapitán angebrachten Vermerk «shipped on board» (der nicht unterzeichnet sein muE) kann ein Ubernahme-Konnossement in ein An-Bord-Konnossement überführt werden. Dies ist bei bestimmten Lieferbedingungen (vgl. Abschnitt G-2) von Bedeutung, weil es dem Importeur die GewifSheit gibt, dafi die Ware bereits an Bord verladen und mit dem benannten Schiff zum Versand gekommen ist. Ein Mate's Receipt ist ein Zwischendokument zum Bordkonnossement, mit dem der Verladeoffizier den Empfang der Ware bestátigt. Ublicherweise hat der Inhaber des Mate's Receipt Anspruch auf Aushándigung des Konnossements. Für einzelne Warenmengen, die zu einer Gesamtsendung zusammengefafit werden, konnen was aber nicht oft geschieht - Teilkonnossemente ausgestellt werden, die jedes für sich alie Konnossementsfunktionen haben, insbesondere also Traditionspapiere sind. Wenn beispielsweise ein Importeur eine Partie an verschiedene Kunden weiterverkaufen mochte, kann er <?page no="242"?> 220 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Teilkonnossemente ausstellen lassen, die sich nur in der Warenmenge unterscheiden und die an die einzelnen Káufer weitergeleitet werden. Allerdings erfahren seine Kunden damit den Ñamen des Abladers, so dal? sie sich bei spáteren Gelegenheiten u. U. direkt an den Lieferanten wenden kónnten. Daher werden in solchen Fallen meist andere Papiere verwendet, die keine Traditionspapiere sind, also kein Eigentum verbriefen, sondern nur einen schuldrechtlichen Herausgabeanspruch. Man spricht dann von Teilscheinen. Eine andere Moglichkeit stellen Sammelkonnossemente dar. Sie werden háufig verwendet, wenn mehrere kleinere Lieferungen zusammengefaft: werden. In der Regel tritt dabei der Seehafenspediteur gegeniiber dem Verfrachter als Ablader und Auftraggeber auf. Im Innenverháltnis zu seinen Auftraggebern wiederum stellt er jeweils Spediteurskonnossemente aus. Diese sind keine Traditionspapiere und sind nur dann akkreditivfáhig, wenn dies im Akkreditiv ausdriicklich zugelassen ist, da die Haftung eines Spediteurs fur die Ware begrenzter ist als die eines Frachtführers. Da ein Sammelkonnossement einen anderen Ablader ausweist ais z. B. den im Akkreditiv Begünstigten, muí? das Akkreditiv dann eine entsprechende Third-Party-Klausel enthalten, z.B. «B/ L showing third party as shipper acceptable». Der Ablader-Spediteur beauftragt einen Korrespondenzspediteur im Bestimmungshafen, die Ware zu übernehmen. Hierzu mufi er das Reedereikonnossement vorlegen. Die Weiterleitung der einzelnen Teilsendungen erfolgt auf der Basis von Delivery Orders (d/ o), welche Weisung enthalten, die Teilsendungen gegen Vorlage der einzelnen Spediteurskonnossemente an die einzelnen Abnehmer auszuliefern. Im Gegensatz zum Reedereikonnossement bzw. zum Teilkonnossement sind weder Spediteurskonnossemente noch Delivery Orders Traditionspapiere. Einzelheiten sind hier entbehrlich. In der Binnenschiffahrt wird das entsprechende Dokument als Flufikonnossement oder Ladeschein bezeichnet (§§444-450 BGB). Es reprásentiert die Ware, kann an Order gestellt sein und ist durch Indossament iibertragbar. Zwei Zusátze sind noch zu erláutern. Konnossemente sollen fur Akkreditivzwecke «rein» sein (clean), d. h. die Papiere diirfen keine Vermerke iiber Mangel an Ware oder Verpackung enthalten (andemfalls sind sie «claused», d.h. enthalten Klauseln oder Zusátze, die das B/ L «unclean» machen). Der Frachtfiihrer ist verpflichtet, bei offenkundigen Mángel diese auf dem Konnossement festzuhalten, und Banken werden Verladedokumente unter einem Akkreditiv nicht aufnehmen, die derartige Zusátze enthalten. Als «alt» (stale) wird ein Konnossement bezeichnet, daS erst nach Ankunft der Ware beim Empfánger eintrifft, er die Ware also nicht unverziiglich in Empfang nehmen kann. Dadurch kónnen Lager- und Versicherungskosten entstehen. Bei Beteiligung mehrerer Frachtfiihrer z. B. Strafe, See, StraEe kónnen Durch-Konnossemente erstellt werden, die den gesamten Transportvorgang abdecken. Die FIATA 13 Multimodal Transport Bill of Lading (FIATA-FBL-Dokument) kommt fur Transportketten mit verschiedenen Verkehrsmitteln in Frage (kombinierter oder multimodaler Transport 14 , min- 13 FIATA: Federation Internationale des Associations des Transitaires et Assimiliés) 14 Auch Combined Shipment; bedeutet Gütertransporte iiber mehrere Stationen mit verschiedenen Transportmitteln, z. B. Lkw-Bahn-Schiff, im Unterschied zum Through Transport System mit nur einem Transportmittel iiber verschiedene Stationen. Ein echtes Durchkonnossement liegt dann vor, wenn der das Konnossement ausstellende erste Frachtfiihrer die Verantwortung fur den gesamten Transport und nicht nur fur <seinen> Teilabschnitt iibernimmt (dann: unechtes Durchkonnossement). Die Bezeichnung Through Bill of Lading wird teilweise auch für reinen Landtransport verwendet. <?page no="243"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente ¡m AuGenhandel 221 destens aber ein Transportabschnitt per Schiff); es kann jedoch auch nur als Seekonnossement verwendet werden (Dann ist unbedingt der oben angesprochene Vermerk «shipped on board» erforderlich). Die von der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris anerkannte FIATA-FBL ist wie jedes <richtige> Konnossement begebbar (negociable) (Art. 25d ERA). Nicht begebbare Exemplare miissen den Aufdruck «not negociable» tragen. Mit der Ausstellung eines FIATA-FBL haftet ein Spediteur wie ein Frachtfuhrer, also weitergehender als bei der allgemeinen Spediteurshaftung (vgl. weiter unten). Vom Seekonnossement abzugrenzen ist der in der Praxis entwickelte Seefrachtbrief. Dieser ist in weiten Teilen wie ein Seekonnossement aufgemacht, ist jedoch kein Traditionspapier und hat keine Sperrfunktion. Er weist den AbschluS eines Seefrachtvertrages und den Empfang der Ware aus. Fiir die Auslieferung an den Empfanger ist hingegen nicht die Vorlage des Dokuments erforderlich, sondern sie erfolgt durch ein Auslieferungspapier, das der Seefrachtführer mit den Daten des Seefrachtbriefs z. B. per Telex oder Fax ausdrucken láSt. PRAXISTIP Wegen des unterschiedlichen rechtlichen Status insbesondere Traditionspapier oder nicht sollte vor allem bei Akkreditiven mit der Einreicherbank vor der Akkreditiveróffnung abgeklárt werden, ob ein bestimmte Papier akkreditivfáhig ist, um Ánderungen des Akkreditivs zu vermeiden (vgl. dazu Abschnitt G-3.4.2.6). (b) (Order-)Lagerschein Lagerscheine (Warehouse Warrants, W/ W) sind sinngemáG <connaissements> eines Lagerhalters, mit denen der Lagerhalter die Übernahme der Ware bescheinigt und die Auslieferung verspricht. Der Orderlagerschein («to order»)\st ein Dokument einer staatlich konzessionierten Lagerhausgesellschaft. Wie bei anderen Traditionspapieren wird die Ware nur gegen seine Vorlage ausgeliefert oder nach Order disponiert. Ein Namens-Lagerschein ist auf den Ñamen des Berechtigten ausgestellt. Orderlagerscheine kónnen durch Indossament weitergegeben werden. Wird eingelagerte Ware in Teilen ausgeliefert, wird dies durch Abschreibungen auf der Rückseite des Orderlagerscheins vermerkt. (2) Versandnachweise Die Versandnachweise unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Ausgestaltung in Abhángigkeit vom verwendeten Transportmittel. Unabhangig von der Art des Transportmittels erstellen Spediteure Spediteursübernahmebescheinigungen, mit der Verpflichtung des Spediteurs, die Ware an den benannten Empfanger weiterzuleiten bzw. sie zu seiner Verfiigung zu halten. Von besonderer Bedeutung sind dabei FIATA-Spediteursdokumente. Mit ihnen bestatigt der Spediteur gegeniiber seinem Auftraggeber unabhangig von den Verkehrstrágerdokumenten, die fur die Transportdurchführung unerláfslich sind die Übernahme der Sendung zum Transport, mit unterschiedlicher Verantwortung und Verpflichtung, je nach Art des fur die Transportabwicklung ausgestellten Dokuments. (a) Eisenbahntransport Fiir den Eisenbahntransport wird der CIM-FrachtbrieP verwendet. Er besteht aus fiinf Exemplaren, von denen eines das Frachtbrieforiginal mit der Ware reist und fiir die Aus- 15 CIM: Convention Internationale concernant le transport des marchandises par chentin de fer (Inter nationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr). Engl.: railway consignment note. <?page no="244"?> 222 G Liefer- und Zahlungsbedingungen lieferung an den Empfánger benótigt wird. Das bahnseitig abgestempelte Frachtbriefdoppel (Duplikatfrachtbrief) behált der Absender ais Beweisurkunde, dai? die Ware ordnungsgemáE dem Frachtführer (Bahn) übergeben worden ist; die übrigen Exemplare werden für bahnspezifische Zwecke verwendet. Im Frachtbrief werden u. a. alle warenspezifischen Merkmale (Menge, Art, Gewicht etc.) sowie Absender, Frachtführer und Empfánger vermerkt. Das Frachtbriefdoppel hat die besondere Funktion, dafi der Besitzer dieses Dokuments zwar nicht mehr Eigentiimer der Ware ist, aber weiterhin eine Verfiigungsgewalt iiber die Ware hat: Gegen Vorlage des Exemplars kann die Ware zuriickbeordert oder umgeleitet bzw. die Auslieferung an den Empfánger verhindert werden (Sperrfunktion). Übt der Absender dieses Recht nicht aus, wird die Ware an den Empfánger ausgeliefert, und die Sperrfunktion erlischt. Sofern der Káufer diese Verfügungsmacht ausschlieSen will, muE er friihzeitig die Übergabe des Frachtbriefdoppels verlangen. Dies ist bei Dokumentenakkreditiven oder Dokumenteninkassi regelmafsig der Fall. Wáhrend die Auslieferung der Ware an den Empfánger nicht von der Vorlage des Frachtbriefsoriginals abhángt, ist für die Ausübung der Sperrfunktion die Vorlage des Doppels erforderlich. Der Frachtbrief ist kein Traditionspapier. Er kann aber als Kreditunterlage dienen, da Banken die rollende Ware gegen Übergabe des Frachtbriefdoppels bevorschussen kónnen. Das Frachtbriefdoppel ist auch ais Inkassopapier geeignet: Der Empfánger zahlt gegen Übergabe des Frachtbriefdoppels, um nachtrágliche Verfügungen des Versenders auszuschlieSen. (b) Luftfracht Bei Luftfrachtsendungen wird der Luftfrachtbrief verwendet (airway bill, AWB). Hierfur wurde von der LATA 16 ein einheitliches Formular entwickelt. Der Luftfrachtbrief besteht aus drei Originalen und einer unbestimmten Zahl von Kopien. Ein Original ist für die Luftfahrtgesellschaft bestimmt, eines reist mit der Ware und ist für den Empfánger bestimmt, eines wird nach Übemahme der Ware durch die Luftfahrtgesellschaft von dieser unterzeichnet und dem Absender übergeben. Dieses Exemplar hat die analogen Beweis- und Sperrfunktionen wie das o. a. Frachtbriefdoppel (« Luftfrachtbriefdritt»: «Original 3 for Shipper»). Der Empfánger benótigt zum Empfang der Ware hingegen kein Frachtbriefexemplar. Der Luftfrachtbrief ist kein Traditionspapier enthált daher auch den Eindruck «not negociable» -, sondern ein Übernahme- und Begleitpapier. PRAXISTIP Wegen der Moglichkeit von Flugánderungen und -verzógerungen sollte in einem Akkreditiv das tatsachliche Verladedatum und ggf. eine Flugnummer verlangt werden. (c) StraGentransport Für den Güterkraftverkehr wurde mit analogen Funktionen der Internationale CMR- Frachtbrief 17 entwickelt (LKW-Frachtbrief oder truckway bill, TWB). (d) Multimodaler Transport Die besondere Funktion multimodaler Transportdokumente leitet sich zum einen aus der Tatsache ab, daS beim Warentransport verschiedene Verkehrsmittel benutzt werden kónnen 16 LATA: International Air Transport Association. 17 CMR: Convention relative au contrat de transport international des marchandises par route. <?page no="245"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente im Auftenhandel 223 Abb. G-1/ 6: Luftfrachtbrief Shipper's Name and Address C a r g o GmbH P o s t s t r a f l e 4 Shipper's Accounl Number Air Waybill Issued Dy L U F T H A N S A Copies 1, 2 end 3 of this Air Waybill are originals and have the same validity Consignee's Neme end Address Consignee's Account Number 0 0 1 7 5 6 00 T h e H o n g k o n g a n d S h a n g h a i B a n k K o w l o o n B r a n c h M a t h a n Road/ KOWLOON/ HONGKONG N Is agreed thai the goode deecribed herein are accepted in apparent good order and condition (except as noted) (or carriage SUBJECT TO THE CONDITIONS OF CONTRACT ON THE REVERSE HEREOF THE SHIPPER'S ATTENTION IS DRAWN TO THE NOTICE CONCERNING CARRIER'S LIMITATION OF LIABILITY. Shipper may increase sucti limitation of liability by declaring a higher value for carriage and paying a supplemental charge ¡I required. Issuing Carrier's Agent Name and City DACHSER SPEDITION MUNICH/ GERMANY 1 5 0 7 - 0 0 2 - 1 0 0 3 6 1 Agent's IATA Code 2 3 - 4 - 7 0 1 2 Accounl No. 7070 Airport ot Departure (Addr ot Drat Carrier} and Requeeted Routing MUNICH GERMANY By first C a r r i e r ^ l HKG LH LH 6 4 0 Currency DMK 15F Value tor Carriage NVD Declared Value for Customs NVD Airport ot Destination HONGKONG HONG K Handling Intortnatkin NOTIFY: THE NATIONAL COMPILER COMPANY LTD. VICTORIA STREET, HONGKONG/ HONGKONG Gross Weight 2 5 5 , 0 : < : n i ! 2 5 5 , 0 Rate Class 9 7 3 5 / OCABLE Chargeable Weight 5 6 0 , 0 ETTER R E I \ Prepaki / \ Weight Charge / \ Cotatct / 2 2 9 6 , 0 0 Rate 4 , 1 0 CREDIT Iff H T 2 2 9 6 , 0 0 JIO. H . A . S . 9 8 | | l / X X / 9 2 R E P A I ELECTRONIC ACCOUNTING MACHINES AS PER PRO FORMA INVOIVE DATED AUGUST 8-1HBB 2 2 9 6 , 0 0 Other Charges 5 / 1 2 0 / 8 0 / 70 \ Valuation Charge / \ C / Total other Charges Due Agenl pertouaars on the taca hereof are correct end tha "* pert le property described by name and le In proper leroue Goode Fleguletlone. s any part of I condition for Total other Chargee Due Carrier e ol Shipper or his Agei \ | Currency Corivertirjn Rates / \ cc chargee In Deaf- Ctfreni O c t o b e r 1 5 , MUNICH-RIEM of Issuing Carrier or Its Agent \ ChwyeTi <^w; ORKMNAL 3 (FOR SHIPPER) <?page no="246"?> 224 G Liefer- und Zahlungsbedingungen (sog. multimodaler Transport, z. B. mit dem LKW zur Bahn und von der Bahn mit dem LKW zum Schiff), zum anderen aus der Unterscheidung zwischen Spediteur und Frachtfuhrer. Ein Spediteur ist in gewissem Sinne ein Makler, der den Abschlui? eines Transportvertrages vermittelt bzw. den Transport durch Dritte (vertragliche Frachtfuhrer, Unterfrachtfiihrer) besorgen lálSt. Ein Frachtfuhrer besorgt den Transport mit eigenen Transportmitteln. Ein Spediteur gilt selbst als Frachtfuhrer, wenn er als Fixkostenspediteur bzw. als Sammelspediteur auftritt. Die Unterscheidung zwischen Spediteur und Frachtfuhrer ist in haftungsrechtlicher Hinsicht von Bedeutung, indem Spediteure nur fur die sorgfáltige Auswahl der Frachtfuhrer haften, nicht jedoch fiir deren Handlungen bzw. Unterlassungen. Auch hinsichtlich der Erfüllung der Lieferbedingungen (INCOTERMS) ist diese Unterscheidung von Bedeutung (vgl. Abschnitt G-2.2). Mit den Spediteur-Dokumenten bestatigt der Spediteur unabhángig von den Dokumenten der Verkehrstráger die Übernahme der Ware. Ein Papier für den multimodalen Transport wird allgemein auch als Combined Transport Document (CTD) bezeichnet (nach der franzósischen Abkiirzung auch TC-Dokument); der Spediteur ist dann ein Combined Transport Operator (CTO). Dabei gibt es die bereits erwáhnte Negociable FIATA Combined Transport Bill od Lading (FBL) als Durchkonnossement für den internationalen Transport. Das FBL ist ein von der ICC anerkanntes begebbares Dokument {negociable), sofern es nicht den ausdrücklichen Vermerk «non negociable» trágt. Damit ist es auch akkreditivfáhig. Der Spediteur iibernimmt mit diesem Dokument die Verantwortung sowohl fiir die Ware als auch fiir die Durchführung des Transports. Das FIATA-FCR-Dokument {Forwarders Certificate of Receipt, Spediteur-Ubernahmebescheinigung) wird verwendet, wenn ein Transportmittel noch nicht bereitsteht. Es hat gleichermaSen eine Beweis- und Sperrfunktion: Mit dem Dokument, das dem Absender bei Übernahme der Ware iibergeben wird, verpflichtet sich der Spediteur, die Ware an den Empfánger zu senden bzw. zu seiner Verfügung zu halten. Zur Ausübung der Sperrfunktion ist die Vorlage des Originals erforderlich, allerdings nur, solange der Spediteur noch nicht ausgeliefert hat. Das FIATA-FCR ist insbesondere bei dokumentárer Zahlung und vereinbarter Ab-Werk-Lieferung (EXW: ex works) gebráuchlich. Das FCR ist kein Traditionspapier. Es ist nicht begebbar, kann also nicht <an Orden gestellt werden. Sofern neben dem einzigen Original Kopien erstellt werden miissen, so sind diese mit dem Aufdruck « copy not negociable» zu versehen. Bei Dokumentenakkreditiven mui? es ausdrücklich und namentlich im Akkreditiv angefiihrt sein. Im Gegensatz zum FIATA-FCR ist das FIATA-FCT-Dokument begebbar {negociable) (FCT = Forwarders Certificate of Transport; Spediteur-Transportbescheinigung). Die Auslieferung an den Empfánger erfolgt daher nur bei Vorlage des indossierten Originaldokuments. Wie das FCR muís auch das FCT bei Akkreditiven ausdrücklich und namentlich aufgeführt sein (dies gilt nicht fur die oben behandelte FIATA-FBL [FIATA Combined Transport Bill of Lading], die ein vollwertiges akkreditivgerechtes Instrument ist). Das FCT ist bei den Lieferbedingungen von Bedeutung, bei denen der Verkáufer das Transportrisiko bis zur Übergabe an den Empfánger trágt. Da es sich aber um ein Spediteursdokument handelt, übernimmt der Spediteur keine spezielle Frachtführerhaftung, aber eine Garantieverpflichtung für die Auslieferung. Dies hat insbesondere versicherungstechnische und -kostenmáfsige Konsequenzen, auf die hier nicht weiter eingegangen wird. <?page no="247"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 225 (e) Postverkehr Im kommerziellen AuSenhandel ist der Postverkehr einschlieSlich des Luftpostverkehrs vor allem fur Kleinsendungen von Bedeutung, z. B. im Zusammenhang mit Ersatzteilen, Warenmustern oder -proben. Posteinlieferungsscheine sind Empfangsbestátigungen des Postamtes mit Beweisfunktion, obgleich sie keine Warenbeschreibung enthalten. Dies gilt analog fur Kuriersendungen, deren Bedeutung stándig zunimmt. Auf die Tatsache, dafi neben den vorangehenden Dokumenten noch zahlreiche weitere Papiere fur auSenwirtschafts- und zollrechtliche Zwecke erforderlich sind, wurde bereits eingangs hingewiesen. Diese Papiere werden spáter im Zusammenhang mit den rechtlichen Import- und Exportvorschriften behandelt. Abb. G-l/ 7 gibt beispielhaft einige Probleme im Zusammenhang mit AuSenhandelspapieren wieder. G-2. Internationale Lieferklauseln G-2.1. Zweck Wie bei alien Aspekten des internationalen Kaufvertrags besteht grundsátzlich Vertragsfreiheit (Parteiautonomie) (sofern sich nicht aus dem jeweiligen nationalen Recht etwas anderes ergibt, z. B. wenn zur Rechtswirksamkeit einer Klausel die Schriftform erforderlich ist). Es ist dabei von Vorteil, wenn man auf vereinheitlichte Klauseln zuriickgreifen kann, die sich aus der Praxis entwickelt haben und die in der Rechtsprechung abgesichert sind. Beide Vertragspartner sollten dann unter bestimmten Begriffen grundsátzlich dasselbe verstehen. Dies erspart auch eine ausfuhrliche Ausformulierung im Vertragstext, da es dann geniigt, bestimmte Kiirzel zu vereinbaren. In besonders ausgeprágter Weise haben sich solche Klauseln für die Lieferbedingungen und die Zahlungsbedingungen entwickelt. Lieferbedingungen regeln, wie die Ware zum Abnehmer gelangt, und beziehen sich insbesondere auf die Abwicklung und die Aufteilung von Kosten und Gefahren der Lieferung auf den Káufer und den Verkáufer einer Ware. Zahlungsbedingungen beziehen sich auf die Abwicklung des zum Warengescháft gehórenden gegenláufigen Zahlungsstrom zum Lieferanten. Alie übrigen Aspekte miissen gesondert vertraglich geregelt werden. Ungeachtet der Tatsache, daS diese Klauseln in internationalen Abkommen standardisiert sind, handelt es sich dabei lediglich um Formulierungsvorschlage. Eine rechtliche Bindung ergibt sich erst durch die explizite (aber freiwillige) Verankerung einer Liefer- oder Zahlungsklausel im Vertrag, wobei eine Kurzform ausreicht. Der Klauseltext (Basisklausel) kann aber bei Bedarf von den Vertragspartnern beliebig verándert oder ergánzt werden. Je mehr allerdings bei individuellen Vereinbarungen von der Standardformulierung abgewichen wird, desto groSer wird die Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Interpretation. Im Streitfall besteht oft das Problem, dal? es für diese spezielle Vertragsvariante keine Prázedenzfálle gibt und die Partner (nun Gegner) den Sachverhalt unterschiedlich interpretieren. ¿Dhne besonderen Grund sollte man daher nicht von den erprobten Klauseln abweichen bzw. vorher kompetenten Rat einholen. Insbesondere ist zu prüfen, ob eine Abánderung auch realisierbar ist, z. B. wenn der Exporteur Leistungen im Importland erbringen soil, dies aber rechtlich nicht móglich ist (z. B. Einholen einer Einfuhrgenehmigung). <?page no="248"?> 226 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Abb. G-1/ 7: Papier-Probleme Indien - Herstellerrechnung wird verlangt Bei der Einfuhr nach Indien muft der Importeur die Rechnung des Herstellers der einzuführenden Ware vorlegen, wenn diese nicht vom Hersteller selbst bezogen wird. Ferner ist der genaue und korrekte Wert der Importware anzugeben. Diese Maftnahme zielt dem Vernehmen nach auf eine Kontrolle des «overinvoicing». Niégale Devisenabflüsse durch überhóhte Rechnungen auslándischer Lieferanten sollen unterbunden werden. Die Vorlage einer Rechnung des Produzenten kónne jedoch Schwierigkeiten bereiten, wenn es sich um Güter handelt, die über einen oder mehrere Zwischenhándler eingeführt werden und der Hersteller u.U. gar nicht bekannt ist. Aufterdem sei ein Rückschluft vom Erzeugerauf den Verkaufspreis nur bedingt móglich. An den Zollgrenzen Indiens kónne es, so wird befürchtet, zu einem Rückstau von Importgütem kommen. Libyen - Neue Konsulatsgebühren Nach einer Mitteilung der Libyschen Botschaft werden jetzt folgende Konsulatsgebühren erhoben: Ursprungszeugnisse, pro Exemplar DM 45 f -; Hersteller-Erklárungen, pro Exemplar DM45,-; Black-List-Certificates, pro Exemplar DM45,-; zuzüglich GHORFA-Gebühr, pro Exemplar DM 20,-. Die Übersetzung des Ursprungszeugnisses muB wieder von einem vom Volksbüro anerkannten Übersetzer erfolgen. VR China - Gefálschte Lizenzen bei Textil-Export Die EG-Kommission weist die Untemehmen, die Textilien und Bekleidung aus China direkt oder über ein Drittland ¡mportieren, darauf hin, daft hinreichende Gründe für die Annahme bestehen, daft Ausfuhrlizenzen und Ursprungserzeugnisse für die Kategorien vier, funf, sechs, sieben, acht und 21 zur Umgehung der Bestimmungen des bilateralen Textilabkommens gefálscht worden sind. Die Einführer in der EG werden ersucht, bis auf weiteres die Ausfuhrlizenzen und Ursprungszeugnisse für die vorgenannten Kategorien von den chinesischen Handelsvertretungen in der Gemeinschaft beglaubigen zu lassen. Iran - Inspektions-Zertifikat Exportgüter, die für den Iran bestimmt sind, müssen nach den iranischen Vorschriften vor Versand durch eine Prüfungsgesellschaft abgenommen werden. Für die Bundesrepublik Deutschland ist die Firma GHSMI (Gellatly Hankey Marine Services International) bevollmachtigt worden, die Inspektionen und Zertifizierungen vorzunehmen. Die Lieferbedingungen sind ein wichtiger Bestandteil der Distributionspolitik. Sie beziehen sich insbesondere auf Liefertermin, Lieferort, Transportmittel und Transportweg. Die gebráuchlichsten Lieferbedingungen sind im international Handel die International Commercial Terms (INCOTERMS). Sie werden auch Internationale Vertragsformeln genannt etwas milSverstandlich - , denn es gibt noch andere standardisierte Vertragsklauseln, wie z. B. hinsichdich der Zahlungsbedingungen, auf die in Abschnitt G-3 eingegangen wird. Die Incoterms regeln neben dem Gefahr- und Kosteniibergang keine weiteren Aspekte wie z. B. <?page no="249"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 227 bezüglich des anzuwendenden Rechts, der Zahlungsbedingungen, einer Schiedsgerichtsklausel, Eigentumsübergang, Gewáhrleistung oder eventueller Leistungsstórungen. Hierfiir sind jeweils gesonderte Vereinbarungen im Kaufvertrag erforderlich. G-2.2. INCOTERMS Die Aufteilung der mit einem Liefervertrag verbundenen Kosten und Gefahren sowie der mit der Abwicklung verbundenen Pflichten (z. B. Dokumentenbeschaffung) auf den Káufer und den Verkáufer sollte vertraglich geregelt werden. Der Gefahrenbegriff bezieht sich auf Untergang oder Beschádigung der Ware. Der Gefahriibergang ist nach den Incoterms so zu verstehen, daS der Káufer den Kaufpreis bezahlen mufi, sobald die Gefahr auf ihn tibergegangen ist, auch wenn er die Ware noch nicht erhalten hat oder im Extrem: auch gar nicht erhalten wird, z. B. bei Havarien. Der Kosteniibergang bezieht sich auf den Zeitpunkt, zu dem insbesondere die Transport- und Versicherungskosten vom Verkáufer auf den Káufer übergehen. Hinzu kommen Abwicklungskosten, Zólle, Steuern, Beschaffung und Beglaubigung von Dokumenten usw. G-2.2.1. Entstehung und Verbreitung Seit 65 Jahren greift man im internationalen Handel auf die INCOTERMS zuriick. Sie werden seit 1936 von der Internationalen Handelskammer (ICC) 18 in Paris veróffentlicht und in unregelmáfigen Abstánden nach Bedarf entsprechend der Weiterentwicklung des internationalen Handels überarbeitet. Gegenwártig ist eine Version aus dem Jahre 2000 aktuell (INCOTERMS 2000). 19 Die Incoterms beruhen auf praxisnahen Regelungen, die teilweise eme lange Tradition haben; viele Aspekte sind bereits in der Segelschiffahrt entwickelt worden, u. a. die bekannte Klausel FOB: «free on board». Heute sind die Klauseln an die modernen Transport- und Datenverarbeitungssysteme angepaSt worden und geniigen z. B. auch den Anforderungen des Containerverkehrs oder des RoRo-Verkehrs (Abb. G-2/ 1). 20 Auch andere kombinierte Transportverkehre wie Haus-zu-Haus-Verkehr (mit genormten Ladeeinheiten unter Verwendung verschiedener Verkehrstráger), Huckepack-Verkehr (Befórderung von LKWs auf der Bahn) oder Lash-Verkchr (Kombination von Binnen-, Kiisten- und Seeschiffahrt) haben Veránderungen der Handelsbrauche mit sich gebracht. PRAXISTIP Es empfiehlt sich, für etwaige Auslegungsprobleme bezüglich der Incoterms vertraglich ein Schiedsverfahren zu vereinbaren, günstigerweise die ICC- Schiedsgerichtsbarkeit, die auf extensive Praxiserfahrung zurückgreifen kann. Die Incoterms sind branchen- und lánderunabhángig. Dies macht sie zwar universell anwendbar, erfordert aber doch oft eine Abánderung des Basistextes, urn speziellen Bediirfnissen des Einzelvertrags Rechnung zu tragen. Viele Branchen haben daher teils nationale, 18 International Chamber of Commerce. 19 Anderungen haben sich gegeniiber den Incoterm 1990 ergeben bezüglich der Zollfreimachung und Zahlung der Zollgebühren unter FAS und DEQ sowie bezüglich der Be- und Entladepflichten unter FCA. 20 RoRo = roll on, roll off; Fahrzeuge kónnen mit eigener Kraft an und von Bord rollen, z. B. über den aufgeklappten Bug oder das Heck von Spezialschiffen. <?page no="250"?> 2 2 8 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Abb. G - 2 / 1 : RoRo-Verkehr Quelle: Dresdner Bank teils generelle branchenspezifische Standardkaufvertrage erarbeitet, welche die Standard- Incoterms fiir ihre Zwecke spezifizieren, z. B. in der Bau-, Elektro-, Chemie- oder Metallindustrie oder im Baumwoll- oder Getreidehandel. Dann wird man im Kaufvertrag nicht auf die ICC-Incoterms Bezug nehmen, sondern auf diese speziellen Formular-Kaufvertráge. In einem Getreide-Kaufvertrag kann sich dann z. B. die Klausel finden: «All other terms and conditions in accordance with the current GAFTA No. 64 contract form and Arbitration Rules Form 125», wobei Contract No. 64 bedeutet «General Contract F.O.B. Terms for Grain in Bulk» der Grain and Feed Trade Association (GAFTA) mit den entsprechenden Schiedsregeln Nr. 125. Für andere gebráuchliche Klauseln gibt es dann analoge Formular- Kaufvertráge, z. B. fiir CIF- oder FAS-Terms (vgl. unten). Auch die UN Economic Commission for Europe (ECE) hat Standard-Lieferbedingungen vorgeschlagen, u. a. fiir den Export von Maschinen und Anlagen, die mit den INCOTERMS zu kombinieren sind. Neben den Incoterms gibt es noch andere, áhnliche Lieferklauseln, z. B. die American Foreign Trade Definitions (AFTD). Diese sind jedoch nur lokal bzw. regional im jeweiligen Binnenmarkt von Bedeutung und finden im internationalen Gescháft kaum Anwendung. Dennoch empfiehlt es sich, immer explizit auf die gewiinschte Fassung Bezug zu nehmen, um Verwechslungen zu vermeiden, z. B. «FOB ICC-Incoterms 2000». (Beispielsweise kann FOB nach AFTD bereits bei der Übergabe an den ersten Frachtführer beginnen, wáhrend die ICC-Interpretation «an Deck» im Verladehafen beginnt; vgl. unten). Die Jahreszahl ist insbesondere dann wichtig, wenn die Klauseln gerade verándert worden sind und <alte> neben <neuen> Vertrágen existieren. Sofern nichts anderes vereinbart wird, gilt automatisch immer die aktuellste Fassung, und zwar in der englischen Originalversion. Fremdsprachliche Ubersetzungen z. B. ins Deutsche dienen nur der Vereinfachung. Die Incoterms sollten nicht verwechselt werden mit den von der ICC publizierten Trade Terms, welche die Handelsbráuche von fast 30 Lánder definieren. Ais Beispiel fiir einen Handelsbrauch sei die in bestimmten Bereichen iibliche sog. tel-quel-Klausel erwáhnt, wonach der Káufer die Ware in der Qualitát abzunehmen hat, die sie bei Lieferung aufweist; es wird also keine Gewáhr für eine bestimmte Qualitát übernommen. Handelsüblich ist dabei oft, daS eine mittlere Giite geliefert werden muí? . Sprachliche Verwechslungsmóglich- <?page no="251"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 229 keiten bestehen auch zu den Terms of Trade, welche das statistische Verháltnis eines Exportpreisindex zu einem Importpreisindex ausdriicken. Die Hamburger Regeln (Hamburg Rules) beziehen sich auf Seefrachtvertráge und enthalten detaillierte Regeln im Hinblick auf Rechte und Verpflichtungen des Verfrachters. Sie sind eine Weiterentwicklung der Haager Regeln von 1921 bezüglich Stauen, Lagern, Betreuen und Loschen (Ausladen) von Seefracht und gelten heute anders als friiher nicht nur für Verfrachtungen unter Konnossementen. Die Institute Cargo Clauses sind Versicherungsklauseln, die vom Institute of London Underwriters erarbeitet wurden. Sie strukturieren einen dreistufigen Deckungsumfang (Klauseln A, B und C) und werden u. a. im Zusammenhang mit den Incoterms verwendet (vgl. Abschnitt G-2.2.3). Aus Raumgründen beschránkt sich die folgende Darstellung nur auf die wichtigsten Elemente der Incoterms, da eine erschópfende Analyse den Rahmen sprengen würde. Die meisten Kreditinstitute bieten ausführliche Texte an. Für die Handhabung in der Praxis ist unbedingt das Heranziehen von Kommentaren anzuraten. G-2.2.2. Einteilung Es gibt 13 verschiedene ICC-Lieferklauseln. Die Incoterms sind klar und übersichtlich aufgebaut: In jeweils 10 Positionen werden die Pflichten von Káufer (A) und Verkáufer (B) auch optisch gegenübergestellt (Abb. G-2/ 2). Dabei nehmen von Klausel 1 bis Klausel 13 die Verkáuferpflichten fortschreitend zu und die Káuferpflichten entsprechend ab. Gleiche Verpflichtungen werden mit gleichlautenden Formulierungen beschrieben, um den Vergleich der Klauseln untereinander zu erleichtern. Abb. G-2/ 2: Incoterms-Verpflichtungen (1) Lieferung vertragsgemáíter Waren / Zahlung des Kaufpreises (2) Lizenzen, Genehmigungen und Formalitáten (3) Befórderungs- und Versicherungsvertrag (4) Lieferung / Abnahme (5) Gefahrenübergang (6) Kostenteilung (7) Benachrichtigung des Káufers / des Verkáufers (8) Liefernachweis, Transportdokument (9) Prüfung, Verpackung, Kennzeichnung der Ware (10) sonstige Verpflichtungen Welche der Klauseln vereinbart wird, hángt zum einen von der Marktbzw. Machtposition der Partner ab, weil ein verhandlungsstarker Partner durchaus die eine oder andere Kostenkomponente oder Risiken auf den Partner überwálzen kann. Andererseits dürfte einleuchten, dal? der Verkaufspreis <aber Werk> des Verkáufers sicherlich niedriger sein wird als eine <Frei-Haus>-Belieferung des Káufers, bei der der Verkáufer für Transport und Versicherung zustándig ist. Was der Káufer bei einem <Ab-Werk>-Preis zunáchst <spart>, muS er folglich bei den sich anschlieiSenden Lieferkosten selbst aufwenden per Saldo ergibt sich im AuSenhandel preislich meist kein grofier Unterschied. <?page no="252"?> 230 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Natürlich kónnen sich durchaus unterschiedliche Bruttopreise ergeben (d. h. incl. Nebenkosten), wenn Exporteur und Importeur unterschiedlich gute Transport- oder Versicherungskonditionen aushandeln kónnen. Meist verlangen Importeure daher bei C- und D- Klauseln, welche die Nebenkosten bis zum Bestimmungsort einschliefien, auch die Angabe des <Ab-Werk>- oder FOB-Preises, urn die Nebenkosten besser vergleichen zu kónnen. Entscheidende Kriterien fur die Auswahl einer Lieferklausel sind daher meist weniger Kostenaspekte, sondern die Risikoverteilung, die Verteilung der Zustándigkeiten hinsichtlich des Abschlusses von Transport- und Versicherungsvertragen und fur Export- und Importprozeduren sowie die Zweckmafligkeit der Klausel fiir die betreffende Transaktion. Importeure aus devisenschwachen Lándern bevorzugen einerseits Frachtfuhrer oder Versicherer, die sie bei FOB-Verladung in lokaler Wáhrung bezahlen kónnen. Oft schreiben nationale Gesetze auch die Wahl eines nationalen Unternehmens vor. Andererseits bevorzugen Importeure in Transformations- und Entwicklungslandern háufig CIF-Kontrakte, weil der Exporteur über bessere Móglichkeiten und Erfahrungen verfiigt, um internationale Frachtkontrakte oder Versicherungen abzuschliefien. PRAXISTIP Fiir den Exporteur sind háufig Klauseln günstig, bei denen er die Wahl des Frachtführers und der Versicherung hat (z. B. CIF oder eine D-Klausel), so daft er nicht von auslándischen Gesellschaften abhángig ist und bei Abwicklungspoblemen die Ansprechpartner direkt <zu Haus> hat. Umgekehrt bevorzugen Importeure aus eben diesem Grund z. B. FCA oder FOB, auch um eingespielte eigene Gescháftsbeziehungen zu nutzen und auch um zu vermeiden, daft die Ware vom Exporteur z. B. mit dubiosen Schiffen unter Billigflaggen auf den Weg gebracht wird. Sofern eine auslándische Versicherung vorgeschrieben wird, sollte man sich bei heimischen Versicherungen bezüglich der Bedingungen und Klauseln und ihres Standings informieren. Der Untergang von Ware wird zwar vom Versicherer wertmáfiig kompensiert, tróstet aber den Káufer nicht, wenn er genau auf diese Ware zu einem bestimmten Zeitpunkt angewiesen ist. Der finanzielle Schadenersatz kann daher keine Stórungen des Vertrauensverháltnisses zwischen Exporteur und Importeur kompensieren. Auch aus diesem Grund bevorzugen viele Importeure und Exporteure Lieferklauseln, bei denen sie selbst den Frachtfuhrer bestimmen kónnen. Alie Klauseln werden durch drei Buchstaben bezeichnet, die sich aus den Anfangsbuchstaben der englischen Originalfassung ableiten. Die 13 Klauseln lassen sich vier Hauptgruppen zuordnen (Abb. G-2/ 3). Aus der Sicht des Verkáufers ist die (einzige) E-Klausel (E-term; EXW: Ex Works) die giinstigste, da ef die Ware lediglich auf seinem Gelánde zur Verfugung stellen muE (sog. Abholklausel). Bei den drei F-Klauseln {F-terms; FCA: Free Carrier, FAS: Free Alongside Ship, FOB: Free on Board) mufs der Verkáufer die Ware dem vom Káufer bestimmten Frachtfuhrer iibergeben, d. h. der Haupttransport ist vom Káufer zu bezahlen. Bei den vier C-Klauseln (C-terms; CFR: Costs and Freight, CIF: Costs, Insurance, Freight, CPT: Carriage Paid To, CIP: Carriage and Insurance Paid To) muE der Verkáufer den Befórderungsvertrag (Haupttransport) auf eigene Kosten abschlieiSen. Allerdings geht die Gefahr mit der Übergabe an den Frachtfuhrer auf den Káufer über: Kosten- und Gefahreniibergang erfolgen nicht am <?page no="253"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 231 Abb. G-2/ 3: Gruppeneinteilung der INCOTERMS E-Klausel (E-Term; EXW: Ex Works) F-Klauseln (F-Terms) FCA: Free Carrier FAS: Free Alongside Ship FOB: Free on Board C-Klauseln (C-Terms) CFR: Costs and Freight CIF: Costs, Insurance, Freight CPT: Carriage Paid To CIP: Carriage and Insurance Paid To D-Klauseln (D-Terms) DAF: Delivered At Frontier DES: Delivered Ex Ship DEQ: Delivered Ex Quai DDU: Delivered Duty Unpaid DDP: Delivered Duty Paid selben Ort (sog. Zwei-Punkt-Klauseln), im Gegensatz zu alien iibrigen Klauseln (Ein-Punkt- Klauscln). Bei den fiinf D-Klauseln (D-terms, DAF: Delivered At Frontier, DES: Delivered Ex Ship, DEQ: Delivered Ex Quai, DDU: Delivered Duty Unpaid, DDP: Delivered Duty Paid) muí? der Verkáufer alie Kosten und Risiken bis zum Bestimmungsort tragen (sog. Ankunftsklauseln). Einige Klauseln eignen sich besonders bzw. einige nicht fiir bestimmte Transportwege. Hierauf wird in Abschnitt G-2.2.4 eingegangen. Seit 2000 muí? der Verkáufer bei alien Klauseln auEer EXW die Ware fiir den Export freimachen (vorher gait dies nicht bei FAS), wáhrend der Káufer bei alien Klausel bis auf DDP die Importabfertigung iibernehmen muS. Durch Modifikationen der Basisklauseln lassen sich vielfáltige Varianten erreichen, die den jeweiligen Erfordernissen des konkreten Liefervertrags bestmóglich gerecht werden. G-2.2.3. Charakteristika der einzelnen Klauseln G-2.2.3.1. E-Klausel (1) EXW = Ex Works = Ab Werk ... (benannter Ort) 21 EXW wird im folgenden zur bespielhaften Verdeutlichung etwas ausführlicher dargestellt ais die iibrigen Klauseln. Sie ist als Abhol-Klausel die Minimalverpflichtung fiir den Verkáufer; fiir diesen ist EXW faktisch ein Inlandsgescháft. Er mul? die Ware auf seinem Betriebsgelánde (sellers premises) bzw. einem iiblichen Ort zur vereinbarten oder iiblichen Zeit in transportgerechter Verpackung (z. B. fiir den Seetransport geeignet) lediglich zur Verfiigung stellen. Die Kosten der Verpackung sind also vom Verkáufer zu tragen (Klauseltext A.9). Der Verkáufer muS den Káufer in angemessener Weise und rechtzeitig benachrichtigen, an wel- 21 In der Praxis wird auch Ex Factory oder Ex Mill, Plantation, Warehouse etc. verwendet. <?page no="254"?> 2 3 2 G Liefer- und Zahlungsbedingungen chem Ort und zu welcher Zeit die Bereitstellung erfolgen soil (A.7). Im Kaufvertrag kann aber auch vereinbart werden, daS der Káufer Ort und Zeitpunkt der Abnahme selbst bestimmt. «Angemessen» bedeutet, dal? eine móglichst schnelle Kommunikationsart zu wáhlen ist, heute zunehmend per E-mail oder Fax, vorab auch per Telefon. Innerhalb der meisten europáischen Lánder dürfte auch der nórmale Postweg genügen, sicherlich aber nicht im Überseeverkehr. Der Abnahmeort (siehe den Zusatz «Ab Werk ._,_. ») sollte móglichst prázise bestimmt werden, z. B. «Ab Werk, Zweigwerk Bochum, Rampe 5, ICC Incoterms 2000». Zur Verfügung stellen bedeutet nicht Verladen; dies ist grundsátzlich Sache des Káufers (Klauseltext EXW A.4). Da in der Regel aber der Verkáufer über die erforderlichen Verladeeinrichtungen verfügt (z. B. einen Gabelstapler), wird er diese in der Praxis dem Káufer auch auf dessen Kosten und Gefahr überlassen, denn Gefahr des Verlustes und der Beschádigung und Kosten gehen bereits auf den Káufer über, wenn der Verkáufer die Ware zur Verfügung gestellt hat (Klauseltext EXW A.5/ B.5). Dies erfordert u. a. auch die deutliche Konkretisierung (Absonderung), welche von einer Vielzahl auf Rampe 5 lagernden Kisten denn nun zu der zu verladenden Partie gehóren. Der Káufer mufí die Ware wie angekündigt übernehmen und dies dem Verkáufer in geeigneter Weise nachweisen (also nicht umgekehrt), z. B. durch eine Empfangsquittung (B.8). Daraus ergibt sich die Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises. Der Káufer ist fur Verladung, Abtransport und die Abfertigung sowohl beim Ausfuhrals auch beim Ausgangszollámt verantwortlich (A.2/ B.2). Erfolgt die Verladung verspátet, kónnen u. a. Lagerkosten fur den Káufer anfallen (B.6). Eventuelle Qualitátsprüfungen vor Verladung (Pre-Shipment Inspection), die nicht fur die Übernahme erforderlich sind, gehen zu Lasten des Káufers, sofern der Kaufvertrag nichts anderes bestimmt (A.9/ B.9). Der Verkáufer muS ihm bei der Beschaffung erforderlicher Dokumente jede Hilfe gewáhren, kann jedoch dafiir Kostenerstattung verlangen (A.10/ B.10). Zólle, Steuern und andere Abgaben muS der Káufer tragen (B.6). Hinsichtlich Befórderungs- und VersiCherungsvertrag obliegen keiner Seite Verpflichtungen (A.3/ B.3). EXW bedeutet also, daf? der Káufer Gefahr und Kosten des gesamten Transports tragen sowie die Export- und die Importabwicklung durchfuhren soil. Dies bietet sich z. B. an, wenn der Káufer verschiedene Warensendungen im Exportland zu einer Gesamtsendung zusammenstellen will. EXW setzt daher voraus, daí? der Káufer den Export auch tatsáchlich abwickeln kann. Problematisch kann dies beispielsweise sein, wenn eine Exportgenehmigung erforderlich ist, die Gebietsfremde nicht erhalten kónnen. Dann kónnte man den Zusatz vereinbaren «Exporteur macht Ausfuhrabfertigung». Ggf. ware eine F-Klausel geeigneter. Im internationalen Handel hat EXW keine besonders grofie Bedeutung, weil die Notwendigkeit der Exportabfertigung durch den Káufer meist eine ziemliches Abwicklungshemmnis bedeutet. G-2.2.3.2. F-Klauseln F-Klauseln sind Absendevertrage (shipment contracts). Eine F-Klausel sollte gewáhlt werden, wenn der Káufer Gefahren und Kosten ab einem bestimmten Lieferort im Exportland tragen, der Verkáufer aber die Exportabfertigung übernehmen soil. Der Káufer hat dabei die <?page no="255"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 233 Wahl des Transportmittels und des Frachtführers, kann z. B. mit Reedereien seines eigenen Landes verladen. Allerdings ist es auch nicht selten, dal? auch bei einer F-Klausel vereinbart wird, dalS der Verkáufer den Frachtvertrag besorgt, wenn er dies besser leisten kann als der Káufer, zum Beispiel wenn er giinstigere Frachtraten erzielen kann. Hinsichtlich der F-Klauseln ist die im vorangehenden Abschnitt bereits angesprochene Unterscheidung zwischen Frachtfiihrer und Spediteur wichtig, insbesondere beziiglich der Haftung, da der Spediteur weniger umfassend fiir die Ware haftet als ein Frachtfiihrer. Ein Spediteur ist eine Art Makler, der den Transport durch Dritte, z. B. einen vertraglichen Frachtfiihrer, besorgen lai? t. Der Spediteur iibernimmt also nicht die Verantwortung fiir den Transport bis zum Bestimmungsort, sondern nur fiir die sorgfáltige Auswahl des Frachtführers, durch den er den Transport besorgen láfit. Der Spediteur kann auch selbst die Befórderungsverpflichtung iibernehmen und damit vertraglicher Frachtfiihrer werden (Selbsteintritt). Dies ist bei Einsatz unterschiedlicher Transportmittel (multimodaler Transport) nicht selten; vgl. oben in Abschnitt G-l.3.3.2 die Ausfuhrungen zur spediteurspezifischen FIATA Combined Bill of Lading (FBL). F-Klauseln haben den Vorteil, dai? sich der Importeur bei Problemen mit «seiner» Reederei bzw. Versicherung auseinandersetzen kann, d. h. in seinem Land auch nicht im (fernen) Exportland. (2) FCA = Free Carrier = Frei Frachtfiihrer... (benannter Ort) Die FCA-Klausel («Franco Spediteur ...» 22 ) ist auf alie Transportarten anwendbar, d. h. fiir Transporte über die «nasse» oder die «trockene Grenze». Der Káufer hat die sog. Transportdisposition. Die Verantwortung des Verkáufers endet (seit Incoterms 2000) erst mit der Verladung, wobei er fiir die Abfertigung beim Ausfuhrzollamt zustandig ist; der Carrier transported: die Ware dann iiber die Ausgangszollstelle ins Ausland (vgl. Abschnitt L-4). Mit der Angabe des Lieferorts im Exportland wird meist auch die Transportad: festgelegt, z.B. «FCA Flughafen Dusseldorf» oder «FCA Zweiglager Miinchen» (also Lkw) oder «FCA Giiterbahnhof Kassel». Sofern keine Festlegung der Transportad erfolgt, wird der Káufer dies frtihzeitig im Rahmen seiner Benachrichtigungspflicht vorab tun miissen, damit der Verkáufer seiner Pflicht zur transpodgerechten Verpackung nachkommen kann. Neben Sicherheitsaspekten sind dabei ggf. auch Bestimmungen des Impodlandes zu beachten, die sich oft auch auf Markierungsvorschriften erstrecken. Spátestens mit der Transpodbenachrichtigung sollte auch der Od so genau wie móglich prázisied werden, z. B. «FCA Freihafen Bremen, Schuppen 14, Rampe 3» (Ein Schuppen ist eine Lagerhalle im Freihafen). Ware lediglich «FCA Freihafen Bremen» bestimmt, kónnte sich der Verkáufer theoretisch eine beliebige Übergabestelle im weiten Hafengelánde auswáhlen (Klauseltext FCA A.4). Wann die Lieferung abgeschlossen ist, hángt vom benannten Od ab: Wenn die Ware am Sitz des Verkáufers iibergeben wird, ist die Lieferung mit der Verladung auf das vom Káufer bereitgestellte Transpodmittel erfolgt, bei einem anderen Lieferod (z. B. Giiterbahnhof) bereits, wenn die Ware dem Frachtfiihrer oder einem anderen Beauftragten des Káufers unentladen zur Verfiigung gestellt wurde. 22 Fiir die meisten ICC-Klauseln kursieren in der Praxis leicht abweichende Bezeichnungen, die jedoch inhaltlich kongruent verwendet werden. «Franco Spediteur» ist eine Bezeichnungen der UN-Economic Commission for Europe (ECE), Genf. <?page no="256"?> 234 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Bei FCA-Klauseln ist die Tertnintreue wichtig, weil dies fiir den Káufer aufgrund eigener Lieferverpflichtungen von grower Bedeutung sein kann. Fristiiberschreitung kann im Sinne eines Fixgescháfts nach § 376 HGB zu Schadenersatzpflicht wegen Nichterfiillung fiihren. Demzufolge sind die Benachrichtigungspflichten beider Seiten über Lieferungs- und Übernahmemodalitáten besonders wichtig. Hinsichtlich des Transports bedeutet FCA einen gebrochenen Transport «bis Lieferort» und «ab Lieferort bis Bestimmungsort», wobei es aber in Abánderung der FCA-Basisklausel vertraglich oft dem Verkaufer iibertragen wird, auch fiir den Transportvertrag ab Lieferort zu sorgen, allerdings auf Kosten des Káufers oder sofern móglich durch unfreie Versendung. Der Verkaufer ist fiir die Exportabwicklung verantwortlich, muE also alie Zoll- und sonstigen behórdlichen Formalitáten abwickeln. Ggf. sollte ein Vorbehalt wie z. B. «vorbehaltlich Exportgenehmigung» vertraglich vereinbart werden. Eine Pflicht zur Transportversicherung besteht nicht, jedoch diirfte es ratsam sein, daS der Verkaufer den Transport bis zur Übergabe an den Frachtfiihrer und der Káufer danach jeweils auf eigene Kosten versichert. PRAXISTIP Solche «gebrochenen» Policen sind jedoch sowohl teurer als auch problematisch, wenn im Schadensfall nicht mehr festgestellt werden kann, ob ein Schaden vor oder nach Übergabe an den Frachtfiihrer eingetreten ist. Im Zweifel wird sich keine der beteiligten Versicherungen zustándig fühlen. In der Praxis wird daher oft der Abschluft einer durchgehenden Versicherung vereinbart, wobei die Kosten wiederum aufgeteilt werden kónnen. Durchgehende Versicherungspolicen bis zum Bestimmungsort - «von Haus zu Haus» kónnen andererseits Probleme bei der Zollwertbestimmung ergeben, weil die Nebenkosten, die auf den Transport innerhalb des Binnenmarkts des Importlandes entfallen, nicht in den Zollwert eingehen. Eine Aufteilung ist aber nicht immer móglich (vgl. Abschnitt K-2.3.2). FCA wurde 1980 fiir den Containerverkehr <erfunden>. Wiirde man dabei FOB Seehafen wáhlen (vgl. unten [4]), ergibt sich das Problem, dafi der Káufer gar nicht «an Deck» liefern kann, weil die Beladung des Schiffs mit Containern in der Verantwortung des Seefrachtführers erfolgt, folglich nicht im EinfluEbereich des Verkáufers liegt. Dieser endet im Container- Terminal, wo die Übergabe an den Frachtfiihrer stattfindet (A.4). Die Containerverladung auf das Schiff erfolgt dementsprechend schon auf Kosten und Gefahr des Káufers; man kónnte aber vereinbaren «FCA ..., Terminal-Abwicklungskosten zu Lasten des Verkáufers». Fiir den sonstigen Seefrachtverkehr entspricht FCA den FOB-Bestimmungen weitgehend. Wáhrend früher Transportgüter meist nur von Hand (durch <Schauerleute> 23 ) zu <stauen> 24 waren (Bailen, Sácke, Fásser, Kartons), sind heute mechanisch behandelbare Ladeeinheiten erforderlich, z. B. unterfahrbare Vollholzkisten, Paletten, d. h. genormte, mit FiiSen versehene Lade- und Hubplatten, oder Container, deren Mafie durch die International Standards Organization (ISO) den Stauráumen in Schiffen und Cargoflugzeugen angepaSt wurden. 23 Hafenarbeiter fiir Schiffsfrachten, von niederl. sjouwen «hart arbeiten». Das tun sie in der Tat. 24 Eine Ladung rutschfest und platzsparend in einem Fahrzeug z. B. Schiffsladeraum verstauen. <?page no="257"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 235 Dies hat auch den Charakter der Seehafen total verándert; von Schiffsromantik und Faszination von Geriichen und seltenen Waren ist keine Rede mehr nur Metallkisten... (Abb. G-2/ 4). Da verschiedene Warendokumente Beweis- oder Sperrfunktionen haben (vgl. oben 2.2.), regelt FCA A8/ B8 ausfiihrlich die Pflichten zur Beschaffung und Zurverfiigungstellung der Liefernachweise bzw. Transportdokumente der verschiedenen Transportarten. PRAXISTIPS Bei EXW, F- oder C-Kontrakten ohne Versicherungspflicht des Export e r s láuft dieser ein wirtschaftliches Risiko, weil er nicht auf die Versicherung des Importeurs zugreifen kann. Es sind Falle zu beobachten, daft der Importeur im Schadensfall die Annahme der Ware unter dem Vorwand der Falschlieferung verweigert, folglich auch nicht zahlt. Dieses Argument wird nicht selten auch noch nachgeschoben, wenn die Versicherung des Importeurs nicht umfassend und zügig reguliert. Eventuelle Lager- und dortige Versicherungskosten sind zunáchst vom Exporteur zu tragen, ebenso die Kosten eines eventuellen Rücktransports oder Drittverkaufs. Háufig decken die Erlose dann kaum die Kosten. Vgl. den Praxistip zu FCA. Das entsprechende Risiko des Exporteurs kann durch eine Exportschutzversicherung abgedeckt werden, wenn ein Transportschaden zu vertragswidrigem Verhalten des Importeurs führt. Mit der Regulierung gehen die entsprechenden Ansprüche des Exporteurs auf die Zusatzversicherung über. Ihre Kosten liegen meist bei 50% der Transportversicherung. Urn hierbei nicht zum MiGbrauch einzuladen, ist eine grundlegende Bedingung für den Versicherungsschutz das Stillschweigen über seine Existenz gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber dem Kunden. Eigentlich logisch. Die Exportschutzversicherung deckt keine Scháden ab, die durch eine Exportkreditversicherung abzusichern sind, also insbesondere Zahlungsunfáhigkeit des Káufers. Umgekehrt schlieGt die Exportkreditversicherung alie Scháden aus, die von einer Exportschutzversicherung abgedeckt werden konnen. (3) FAS = Free Alongside Ship = Freí Lángsseite Schiff ... (benannter Verschiffungshafen) FAS («Franco lángsseits Schiff...») bietet sich an bei Verladung von Massengiitern auf konventionelle Schiffe (z. B. Getreide, Kohle oder Schrott) (nicht bei Containern, wenn diese nicht direkt an das Schiff herangebracht werden konnen). Die Verladung kann von der <trockenen> oder der <nassen> Seite erfolgen, d. h. entweder vom Kai aus oder von der Wasserseite, z. B. aus Leichtern, Bockschiffen oder Schuten. Dies ist oft der Fall, wenn Seeschiffe nicht in zu flache oder besetzte - Háfen einlaufen konnen und daher vor dem Hafen «auf Reede» beladen werden müssen (z. B. Lagos/ Nigeria ist chronisch <verstopft>). FAS ist im See- und Binnenschiffsverkehr anwendbar. Die Lieferverpflichtung ist erfiillt, wenn die Ware vom Kai oder vom Wasser mit den Ladeeinrichtungen am Kai oder mit dem Ladegeschirr des Schiffes verladen werden kann. Dann geht die Gefahr auf den Káufer über. Dieser muE den Verkáufer über den Ñamen des Schiffes, den Liegeplatz und die Ladezeit rechtzeitig benachrichtigen (sog. FAS-Instruktion). Die Gefahr geht auch dann aus den Káufer über, wenn das Schiff nicht zum vereinbarten Termin einláuft oder früher ausláuft. Die Kosten bis zur Anlieferungsstelle trágt der Verkáufer, <?page no="258"?> 236 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Abb. G-2/ 4: Seehafen die Kosten des Verladens und alie weiteren Kosten der Káufer. Der Verkaufer ist fur die Exportabfertigung verantwortlich. (Die Klausel wurde 2000 geándert: Zuvor schuldete der Verkaufer keine exportfreie Ware.) (4) FOB = Free On Board = Frei an Bord ... (benannter Verschiffungshafen) FOB («Franco Bord ...») ist eine klassische Lieferklausel im konventionellen Schiffsverkehr (fur den Container-Verkehr ist FCA geeigneter); sie ist neben CIF wohl die allgemein bekannteste, wenn auch nicht die am meisten verwendete Klausel. Zur Veranschaulichung wird der komplette Klauseltext anschliefSend in Abschnitt G-2.3 wiedergegeben. Der Verkaufer muE exportfreie Ware liefern, d. h. er muE die Ausfuhrformalitaten erledigen. Grundsátzlich muS der Káufer den Transportvertrag auf seine Kosten abschlieEen (sog. echtes FOB-Gescháft; zu den Kosten záhlen u. a. die Frachtkosten, Schiffsmaklerspesen und -provisionen, Umladekosten im Schiff etc.). In der Praxis ist es aber nicht selten, daS dies - <?page no="259"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 237 auf Kosten des Káufers dem Verkáufer iibertragen wird mit dem Zusatz «FOB, verschifft» (unechtes FOB-Geschaft mit Gescháftsbesorgungsvertrag fur den Transport). In Chartervertrágen sind auch Modifikationen gebrauchlich wie «FOB verstaut» oder «FOB verstaut und getrimmt», wonach der Exporteur neben den Beladungskosten auf das Schiff auch die Staukosten im Schiff tragen mufi. PRAXISTIP Im Kaufvertrag sollte klargestellt werden, ob sich diese Zusátze neben den Kosten auch auf die Gefahren beziehen. In der Praxis immer wieder anzutreffende Formeln wie «FOB ab Werk», «FOB Fabrik» oder FOT («Free on Truck») sollten vermieden werden, weil sie nicht definiert sind, dem Charakter der FOB-Klausel als Seefrachtklausel widersprechen und erfahrungsgemáfi leicht zu Auslegungsproblemen fiihren. Dies gilt analog fiir FOB Named Inland Carrier at Named Point of Exportation (das kommt FCA nahe, siehe unten) oder FOB Named Inland Point in the Country of Importation (das kommt DDU nahe, siehe unten). Der Verkáufer hat keinerlei Versicherungspflicht (A.3), wird die Ware aber sinnvollerweise bis zur Verladung versichern. Er hat alie Kosten zu tragen bis einschlieSlich der Verladung auf das Schiff («an Deck»). In manchen Háfen wird die Ware jedoch bereits an Land vom Seefrachtfiihrer iibernommen; dann sind die Verladekosten Teil der Schiffsfracht. Der Káufer muí? dem Verkáufer analog zu FAS eine rechtzeitige FOB-Instruktion iiber den Ñamen des Schiffes, den Liegeplatz und den Verladetermin geben. Der Gefahreniibergang richtet sich nach altem Handelsbrauch: Die Gefahr geht auf den Káufer in dem Moment iiber, wo die Ware die Schiffsreling zum ersten Mai iiberschreitet. Sie kann dabei durchaus noch in der Luft im Ladegeschirr eines Krans schweben. Dies kann von Bedeutung sein, wenn der Kran aus irgendwelchen Griinden wieder zuriickschwenkt (z. B. weil das Deck nicht frei ist), die Ware wieder auf dem Kai absetzen will und sie dabei beschádigt wird: Dies geht zu Lasten des Káufers, ebenso wie sich daraus evtl. ergebende weitere Kosten durch Umladungen oder zusatzliche Lager- und Versicherungskosten. Das gleiche gilt, wenn die Ware aus dem Ladegeschirr auf das Deck fállt: Auch dann sind Gefahr und Kosten auf den Káufer iibergegangen, jedoch nicht, wenn die Ware vor Überqueren der Reling neben das Schiff ins Wasser oder auf den Kai fállt. Wie beweist man das? Die Verladung wird (meist) von einem Tallyman 15 beobachtet, der die Ladevorgánge notiert. Der Verkáufer muE dem Káufer «jede Hilfe» beim Beschaffen des «üblichen Transportdokuments fur den vereinbarten Bestimmungshafen» gewáhren. Dies wird in den meisten Fallen ein Seekonnossement, kann aber auch ein Seefrachtbrief sein (vgl. oben Abschnitt G-l.3.3.2). FOB-Vertráge werden oft vom Importland vorgeschrieben, um Auftráge fur eigene Unternehmen zu sichern und um Devisen zu sparen, da nationale Transporteure und Versicherungen in Inlandswáhrung bezahlt werden kónnen. Sofern der Importeur wegen eingetretender Transportscháden die Dokumente nicht aufnimmt bzw. Ware nicht abnimmt (vgl. Abschnitt G-3 zu den Zahlungsbedingungen), stellt sich die Frage nach Einlagerung und Versicherung der Ware. Bei einer FOB-Verladung hat 25 Engl, to tally = iibereinstimmen. («Hey, Mr. Tallyman» ein schoner Song von Harry Belafonte). <?page no="260"?> 2 3 8 G Liefer- und Zahlungsbedingungen der Exporteur keine Móglichkeit, die Versicherung des Importeurs in Anspruch zu nehmen. Vgl. den Praxistip zu FCA. G-2.2.3.3. C-Klauseln Die C-Klauseln sind wie die F-Klauseln - Absendevertráge {shipment contracts): Im Unterschied zu den F-Klauseln mul? der Verkáufer bei C-Klauseln auch den Transportvertrag (ggf. auch den Versicherungsvertrag) abschliefjen und die Kosten bis zum Bestimmungsort tragen. Alie C-Klauseln sind sog. Zwei-Punkt-Klauseln, weil der Gefahreniibergang im Abgangsort erfolgt und der Kosteniibergang im Bestimmungsort. Unbeschadet des Gefahriibergangs erfolgt der Eigentumsiibergang in der Regel erst am Bestimmungsort durch Übergabe der Ware bzw. entsprechender Papiere (z. B. Konnossement). Unter C-Klauseln kann der Exporteur mit Frachtfiihrern und Versicherern in seinem Land arbeiten, was die Regelung von Problemen erleichtern kann. (5) CFR = Costs and Freight = Kosten und Fracht... (benannter Bestimmungshafen) Bei CFR («Kosten und Fracht bis ...», in der Praxis auch angesprochen als C&F, C und F, C+F) muE der Verkáufer zusátzlich zu seinen FOB-Verpflichtungen (das bedeutet u. a. exportfreie Ware) den Frachtvertrag (nicht áber einen Versicherungsvertrag) abschlieSen und die regularen Frachtkosten bis zum Bestimmungshafen tragen. Der Seefrachtfiihrer ist also Beauftragter des Verkáufers. (Eine analoge Anwendung auf den Luftfrachtverkehr ist nicht moglich, weil der Verkáufer nicht «on board», d. h. ins Flugzeug liefern kann; hier bietet sich als Alternative an z. B. FCA mit Zusatz «Fracht zu Lasten des Verkáufers»). Der Transport mufs auf dem iiblichen Weg und in der iiblichen Weise reisen (A.3), d. h. ein Anlaufen mehrerer Háfen oder auch Umladen unterwegs kónnen durchaus iiblich sein. Der Gefahreniibergang entspricht FOB, also bei erstmaligem Überschreiten der Schiffsreeling im Verladehafen. Die Importabwicklung ist Sache des Káufers. Dem Káufer ist ein Transportdokument zur Verfiigung zu stellen, mit dem er die Ware wáhrend des Transports verkaufen bzw. die Herausgabe der Ware vom Frachtfiihrer verlangen kann. Dies kann muS aber nicht ein Konnossement sein. Sofern schwimmende Ware verkauft wird, gehen bis dahin eingetretene Risiken auf den neuen Káufer über. Durch die Einbeziehung der Transportkosten in die Pflichten des Verkáufers wird CFR wie alie C-Klauseln zu einer Zwei-Punkt-Klausel. Entladungskosten trágt der Verkáufer, wenn sie Teil der Schiffsfracht sind, also ein Seefrachtvertrag zu sog. «Liner-Terms» vorliegt, der Belade-, Stau- und Entladekosten einschliefit. Bei einer abweichenden FIO-Vereinbarung («free in and out») miiSte der Empfánger die Entladekosten tragen. Ggf. ware dann besser «CFR landed» zu vereinbaren, wenn der Verkáufer in jedem Fall die Entladekosten tragen soil. Es muS aber eindeutig sein, was die Parteien unter <landed> verstehen, weil dies in den verschiedenen Handelszweigen unterschiedlich ausgelegt wird. Alie übrigen Kosten, die nicht zur Schiffsfracht záhlen, trágt der Káufer, z. B. auSerordentliche Liegekosten, die durch Verzógerungen in Zwischenháfen anfallen, oder Verzógerungen durch Eis oder Krieg (A.6/ B.6). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dafs eine Versicherungspolice mit «voller Deckung» (all risks) auch nicht alie Risiken abdeckt, sondern u. a. Scháden durch Reiseverzogerungen (Streiks), Piraterie sowie Kriegs- und politische Risiken ausschlieiit. Ein Einschlufs erfordert Zusatzvereinbarungen (vgl. bei CIF). <?page no="261"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 239 PRAXISTIP In der Praxis kónnen sich Probleme ergeben, wenn wáhrend des Transports Scháden durch den Frachtführer verursacht werden. Wáhrend die Cefahr auf den Káufer übergegangen ist, liegt das Eigentum móglicherweise - und meist noch beim Verkáufer, so daft der Káufer Schwierigkeiten haben kann, seine Ansprüche aus deliktischer Haftung gegenüber dem Frachtführer durchzusetzen, da der Verkáufer den Frachtvertrag abgeschlossen hat. Um dies zu vermeiden, sollte der Káufer daher unbedingt eine Importschutzversicherung als Zusatzversicherung abschlieften. Diese sichert den Importeur bei einem Versagen des Versicherungsschutzes des Exporteurs ab. Siehe auch oben analog zur Exportschutzversicherung. (6) CIF = Costs, Insurance, Freight = Kosten, Versicherung, Fracht... (benannter Bestimmungshafen) Auch CIF ist eine klassische Seefrachtklausel. CIF erweitert die CFR-Verpflichtungen des Verkáufers. Ein Vergleich von CIF- oder CIP-Angeboten mit FOB/ FCA ist für den Káufer oft am transparentesten, weil dabei alie transportbedingten Nebenkosten bis zum Bestimmungsort im Importland eingeschlossen sind. Der Exporteur muE die Ware in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag transportgerecht verpackt und termingerecht an Bord des Schiffes liefern und dem Káufer die Verladung unverzüglich mitteilen. Er trágt alie Gefahren fur die Ware, bis sie im Abladehafen die Reling des Seeschiffs überschritten hat. Neben dem Seefrachtvertrag bis zum Bestimmungshafen muE der Verkáufer auf seine Kosten, aber zugunsten des Káufers also auf dessen Namen eine (ggf. übertragbare) Transportversicherung zu bestimmten Mindestbedingungen abschlieEen, die den Káufer zur Erhebung von Ansprüchen ermáchtigt (die Gefahr verbleibt beim Káufer). CIF entspricht also FOB plus regulare Frachtplus Versicherungskosten. Wie bei CFR trágt der Verkáufer die Entladungskosten, wenn sie Teil der Schiffsfracht sind, also ein Seefrachtvertrag zu sog. «Liner- Terms» vorliegt, der Belade-, Stau- und Entladekosten einschlieEt. Bei einer FIO-Vereinbarung («free in and out») müEte der Empfanger die Entladekosten tragen. Ggf. ware dann «CIF landed» zu vereinbaren, wenn der Káufer nicht die Entladekosten tragen soil. Da unterschiedliche Versicherungsbedingungen zum Tragen kommen kónnen, verpflichtet CIF den Verkáufer zum AbschluE einer übertragbaren Seeversicherungspolice mit Mindestdcckung (der sog. Clause C der Cargo-Klauseln des Institute of London Underwriters). Damit ist die Ware zu 110% versichert (Kaufpreis plus 10% für imaginaren Gewinn), u. a. gegen Feuer oder Explosion, Schiffsuntergang, Auf-Grund-Laufen, Kentern oder Kollision des Schiffes. Ggf. müEte der Káufer eine Zusatzversicherung zu seinen Lasten abschlieEen (lassen). Vgl. weiter unten Abschnitt G-2.4 zur Transportversicherung. PRAXISTIP Der (deutsche) Importeur sollte unter einer CIF-Verladung darauf bestehen, daft das Versicherungsdokument den Vermerk «Prámie bezahlt» sowie «Scháden zahlbar in Deutschland» trágt. Dem Verkáufer muE dem Káufer einen vollstándigen Satz reiner, begebbarer Orderkonnossemente mit Vermerk «shipped on board» und «freight prepaid» beschaffen. Zudem muE er dem Importeur auf dessen Verlangen, Kosten und Gefahr Ursprungszeugnis und Konsu- <?page no="262"?> 2 4 0 G Liefer- und Zahlungsbedingungen latsfaktura beschaffen sowie bei der Beschaffung aller fur die Einfuhr im Bestimmungsland erforderlichen Dokumente behilflich sein. Der Káufer muí? die ordnungsgemaS erbrachten Dokumente aufnehmen und den vereinbarten Kaufpreis zahlen, die neben Transport und Versicherung anfallenden Kosten tragen, auch fur die Beschaffung von Ursprungszeugnissen oder Konsulatsfakturen, und die Zollgebiihren und sonstigen Einfuhrabgaben im Importland zahlen. Gángige Modifikationen der Basisklausel sind ein Einbezug der Bankzinsen bis zur Fálligkeit der Zahlung (CIF&I: Interest) oder von Einkaufsprovisionen, die der Exporteur trágt (CIF8cC: Commission) oder beides: CIFCI. CIF Liner Terms ist oft redundant, macht aber explizit, daf? der Verkáufer die Lóschkosten (Be- und Entladekosten) trágt, die in die Frachtkosten einbezogen sind. Bei CIF Landed trágt der Verkáufer die Lóschkosten auch dann, wenn sie nicht in den Frachtraten enthalten sind. CIFW deckt bei der Versicherung auch Kriegsrisiken ein (War). Obgleich eigentlich überflüssig, macht CIF Free In explizit deutlich, daS der Verkáufer die Beladungskosten, CIF Free Out analog, daf> der Kaufer die Entladekosten trágt; beides kann zu CIF Free In and Out (FIO) zusammengefafit werden. Eine Anmerkung: Unabhángig von den tatsáchlich vereinbarten Lieferklauseln werden in Zahlungsbilanzstatistiken alie Exporte fiktiv mit FOB-Werten und alie Importe mit CIF- Werten angesetzt, um jeweils den Wert der Ware «an der Grenze» zu erfassen. Ebenso wird der Zollwert beim Import fiktiv auf CIF-Basis ermittelt; vgl. Abschnitt K-2.3.2.1. (7) CPT = Carriage Paid To = Frachtfrei bis ... (benannter Bestimmungsort) CPT («Fracht bezahlt bis ...») ist bei alien Transportarten anwendbar, wenn der Verkáufer auf seine Kosten, aber auf Gefahr des Káufers die Ware bis zu einem bestimmten Bestimmungsort liefern soil. (Dieser muE im Gegensatz zu CIF kein Hafen sein; fur einen Hafen ware CFR anwendbar.) CPT wird háufig bis zur Grenze von Belarus in Rutland vereinbart. Der Verkáufer kommt seiner Verpflichtung nach, wenn er exportfreie Ware liefert, den Befórderungsvertrag auf seine Kosten abschliefit und die Ware dem ersten Frachtfuhrer iibergibt; die Gefahr geht dabei auf den Káufer iiber (vgl. oben die Unterscheidung von Spediteur und Frachtfuhrer; dies ist insbesondere bei multimodalem Transport von Bedeutung). Dem Verkáufer obliegt keine Versicherungspflicht. CPT entspricht also CFR mit dem Unterschied, dai? der Bestimmungsort kein Hafen ist, bzw. FCA plus Freimachung fur den Export plus Frachtkosten. Der Káufer trágt alie Kosten ab Gefahreniibergang, die nicht zur Fracht gehóren, also ggf. auch Entladekosten, sofern diese nicht in der Fracht enthalten sind, und ist fur die Importabwicklung zustandig. Zur Versicherung des Transportrisikos vgl. bei CFR. Die in der Praxis gelegentlich verwendeten Formulierungen wie «frei Grenze ...» (franco border, franco frontiére) sind miSverstándlich, da sie sich in der Regel nur auf die Transportkosten, jedoch nicht auf die Risikoübernahme bis zur Grenze erstrecken sollen. Daher sollte man stattdessen «CPT» vereinbaren. Sofern der Verkáufer dennoch die Risiken übernehmen soil, ware DAF («Geliefert Grenze ...») angebracht. (8) CIP = Carriage and Insurance Paid to = Frachtfrei versichert bis ... (benannter Bestimmungsort) CIP («Fracht einschliefilich Versicherung bis ...») entspricht weitgehend wórtlich - CPT mit zusátzlicher Versicherungspflicht. Die Versicherungsklausel wiederum entspricht der <?page no="263"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 241 entsprechenden CIF-Regelung (Mindestdeckung, siehe oben). CIP ist also eine CIF-analoge Klausel fur Bestimmungsorte, die nicht Hafen sind. Die Klausel ist in der Praxis sehr gebráuchlich, weil der Káufer sich nicht um die organisatorische Abwicklung, sondern nur um die Einfuhrabfertigung kiimmern muS. In Abhángigkeit davon, ob ein Bestimmungs/ w/ én oder ein anderer Bestimmungsort vereinbart wurde, ergibt sich folglich inhaltlich eine weitgehende Übereinstimmung von CFR/ CPT bzw. von CIF/ CIP. G-2.2.3.4. D-Klauseln Die fiinf D-Klauseln sind Ankunftsvertrage und Ein-Punkt-Klauseln. Sie erweitern die Verantwortung des Verkáufers neben den Kosten u. a. um die Transportgefahren bis zum Bestimmungsort, wo erst die Gefahr iibergeht (im Gegensatz z. B. zu CIF oder CIP, bei denen die Gefahr beim Káufer liegt, aber der Verkáufer die Versicherungskosten trágt). Der Verkáufer muG bei D-Klauseln zwar keine Versicherung abschlieften, wird dies aber aus Vorsichtsgriinden sicher tun. (9) DAF = Delivered At Frontier = Geliefert Grenze ... (benannter Ort) DAF («frei Grenze ...») ist prinzipiell für alie Transportarten anwendbar, wird in der Praxis jedoch vorrangig im StralSen- und Eisenbahntransport gewáhlt, u. a. an der sog. Belarus- Grenze in RuSland wegen unterschiedlicher Spurweite der Bahnen. Im TIR-Verkehr per Lkw erfolgt meist keine Umladung. Die Verpflichtung des Verkáufers endet, wenn er die nicht entladene Ware in einem genau zu bestimmenden Lieferort an (vor) der Grenze des Bestimmungslandes dem Káufer zur Verfiigung stellt; er schuldet also keine importfreie Ware. Grundsátzlich ist der Verkáufer frei in der Wahl des Transportmittels bis zum vereinbarten Ort. Zur Verfiigung stellen bedeutet, daS der Káufer die Ware iibernehmen und iiber sie verfügen kann. Der Káufer trágt die Kosten der Umladung bzw. Entladung. Eine reibungslose DAF-Abwicklung setzt voraus, daí? alie erforderlichen Warendokumente für eine Importabfertigung vorliegen, z. B. ein Carnet-TIR oder eine rmportgenehmigung. Nimmt der Káufer die Ware nicht ab, gehen Gefahr und Kosten trotzdem auf ihn iiber. (10) DES = Delivered Ex Ship = Geliefert ab Schiff... (benannter Bestimmungshafen) DES («Frei... ex ship») ist eine Seetransportklausel und entspricht prinzipiell CIF, mit dem Unterschied, dal? der Verkáufer nicht nur die Versicherungskosten, sondern auch die Gefahr bis zur Lieferung trágt. Die Lieferverpflichtung bedeutet Zurverfügungstellen der Ware an Bord des Schiffes im Bestimmungshafen, so da£ sie in üblicher Weise vom Káufer übernommen werden kann. Dementsprechend muS er iiber die erforderlichen Dokumente verfiigen. Nimmt er die Ware nicht ab, geht die Gefahr trotzdem iiber. Die Kosten der Entladung trágt der Káufer (sofern sie nicht in der Fracht enthalten sind), der auch die Importabfertigung besorgen und tragen muS. DES hat in der Praxis keine allzu grofie Bedeutung, wird aber beim Übergang zur Freihafenlagerung verwendet. (11) DEQ = Delivered Ex Quai = Geliefert ab Kai ... (benannter Bestimmungshafen) Bei dieser Seetransport-Klausel («Frei Kai...») schuldet der Verkáufer exportfreie Ware, die er auf dem Kai des benannten Bestimmungshafens dem Káufer zur Verfiigung stellt. Der Verkáufer trágt die Kosten und Gefahren der Befórderung bis zum Bestimmungshafen einschliefilich der Entladung. Dem Káufer obliegt die Einfuhrabfertigung. Durch Zusatzverein- <?page no="264"?> 242 G Liefer- und Zahlungsbedingungen barungen konnen Verpflichtungen auf den Verkáufer bezüglich der Einfuhrabfertigung iibertragen werden. Sofern der Verkáufer die Gefahren und Kosten des Verbringens in ein Lagerhaus oder einen Terminal im Hafen tragen soil, bieten sich die Klauseln DDU oder DDP an. (Die Klausel wurde 2000 geándert: Zuvor schuldete der Verkáufer importfreie Ware.) Auch DEQ hat in der Praxis nur geringe Bedeutung, wird aber ebenfalls im Zusammenhang mit der Freihafenlagerung eingesetzt. (12) DDU = Delivered Duty Unpaid = Celiefert unverzollt... (benannter Bestimmungsort) Die Klausel DDU («Frei... unverzollt») wurde 1990 in die Incoterms aufgenommen. Sie ist für alie Transportarten anwendbar. (Wenn die Lieferung an Bord eines Schiffes oder auf dem Kai des Bestimmungshafen erfolgen soil, bieten sich DES oder DEQ an). DDU áhnelt DAF, jedoch liegt der Leistungsort im Binnenland des Einfuhrlandes. Der Verkáufer trágt alie Kosten und Gefahren bis zu diesem Ort und stellt die Ware auf dem Transportmittel unentladen zur Verfugung, jedoch sifld Einfuhrformalitáten und Einfuhrabgaben Sache des Káufers; dieser trágt auch alie Kosten und Gefahren, falls sich Einfuhrverzógerungen oder andere Probleme ergeben. Soil der Káufer die Transportgefahr tragen, bietet sich CPT an, soil er zudem auch die Kosten des Transports iibernehmen, FCA. Falls der Verkáufer über eingespielte Beziehungen zu einem Zollagenten im Importland verfiigt, kann z. B. vereinbart werden «DDU, Zollformalitáten durch Verkáufer», wobei der Káufer aber die Importabgaben zu tragen hat. (13) DDP = Delivered Duty Paid = Geliefert verzollt... (benannter Bestimmungsort) DDP («Verzollt ...») ist das spiegelbildliche Pendant zu EXW, indem es aus der Sicht des Verkáufers die Maximalverpflichtung darstellt: «Geliefert frei Haus» («frei Haus» ist nur in Deutschland eine gebráuchliche Spediteursbezeichnung). Nach DDP mu6 der Verkáufer die Ware auf eigene Kosten und Gefahr bis zu einem Bestimmungsort im Importland liefern und dabei alie anfallenden Formalitáten erledigen sowie neben alien Kosten auch alie Einfuhrabgaben tragen. Dies setzt neben einem entsprechenden durchgehenden Frachtdokument auch voraus, da(? ihm alie für den Import erforderlichen Dokumente zur Verfugung stehen. DDP entspricht inhaltlich DDU plus Zollabwicklung oder DEQ plus Lieferung ins Binnenland. Auch hierbei kónnen Modifikationen erfolgen wie «DDP, Einfuhrumsatzsteuer nicht bezahlt». Die Ausfiihrung von DDP-Lieferungen setzt meist die Einschaltung von Zollbzw. Steueragenten (-vertretern) im Importland voraus. G-2.2.4. Eignung der INCOTERMS für bestimmte Transportmittel Ob und welche Klausel im konkreten Fall angewendet wird, ist wegen des Kostenaspekts sowohl eine Sache der Verhandlungsposition von Exporteur und Importeur als auch und vor allem eine Frage der ZweckmáSigkeit; dies wurde eingangs bereits hervorgehoben. Wie gezeigt, lassen sich durch Modifikationen der Basisklauseln vielfáltige Varianten erreichen, die den jeweiligen Erfordernissen des konkreten Liefervertrags bestmóglich gerecht werden. Zusammenfassend kann man sagen, dafi sieben Klauseln für alie Transportarten angewendet werden kónnen (EXW, FCA, CPT, CIP, DAF, DDU, DDP). Speziell nur fur den (See- oder Binnen-) Schiffstransport geeignet sind FAS, FOB, CFR, CIF, DES und DEQ. Für den Luft- und Eisenbahntransport bieten sich insbesondere FCA und DAF an. <?page no="265"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 243 G - 2 . 3 . Beispiel: Klauseltext Frei an Bord [FOB] (Free on Board) (... benannter Verschiffungshafen) «Frei an Bord» bedeutet, daf? der Verkáufer liefert, wenn die Ware die Schiffsreling in dem benannten Verschiffungshafen überschritten hat. Dies bedeutet, daE der Káufer von diesem 2xitpunkt an alie Kosten und Gefahren des Verlusts oder der Beschádigung der Ware zu tragen hat. Die FOB-Klausel verpflichtet den Verkáufer, die Ware zur Ausfuhr freizumachen. Diese Klausel kann nur fur den See- oder Binnenschiffstransport verwendet werden. Falls die Parteien nicht beabsichtigen, die Ware iiber die Schiffsreling zu liefern, sollte die FCA- Klausel verwendet werden. A Verpflichtungen des Verkáufers A1 Lieferung vertragsgemaRer Ware Der Verkáufer hat die Ware in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag zu liefern sowie die Handelsrechnung oder die entsprechende elektronische Mitteilung und alie sonstigen vertragsgemáGen Belege hierfiir zu erbringen. A2 Lizenzen, Genehmigungen und Formal itaten Der Verkáufer hat auf eigene Gefahr und Kosten die Ausfuhrbewilligung oder andere behórdliche Genehmigung zu beschaffen sowie, falls anwendbar, alie Zollformalitáten zu erledigen, die fur die Ausfuhr der Ware erforderlich sind. A3 Beforderungs- und Versicherungsvertráge a) Beforderungsvertrag Keine Verpflichtung. b) Versicherungsvertrag Keine Verpflichtung. A4 Lieferung Der Verkáufer hat die Ware an Bord des vom Káufer bezeichneten Schiffes im benannten Verschiffungshafen in dem verein- B Verpflichtungen des Káufers B1 Zahlung des Kaufpreises Der Káufer hat den Preis vertragsgemál? zu zahlen. B2 Lizenzen, Genehmigungen und Formal itaten Der Káufer hat auf eigene Gefahr und Kosten die Einfuhrbewilligung oder andere behórdliche Genehmigung zu beschaffen sowie, falls anwendbar, alie erforderlichen Zollformalitáten für die Einfuhr der Ware und gegebenenfalls fur ihre Durchfuhr durch jedes Land zu erledigen. B3 Beforderungs- und Versicherungsvertráge a) Beforderungsvertrag Der Káufer hat auf eigene Kosten den Vertrag über die Beforderung der Ware vom benannten Verschiffungshafen abzuschlieSen. b) Versicherungsvertrag Keine Verpflichtung. B4 Abnahme Der Káufer hat die Ware abzunehmen, wenn sie gemáíS A4 geliefert worden ist. <?page no="266"?> 244 G Liefer- und Zahlungsbedingungen barten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist und dem Hafenbrauch entsprechend zu liefern. A5 Gefahrenübergang Der Verkáufer hat, vorbehaltlich der Bestimmungen von B5, alie Gefahren des Verlusts oder der Beschadigung der Ware solange zu tragen, bis sie die Schiffsreling im benannten Verschiffungshafen iiberschritten hat. A6 Kostenteilung Der Verkáufer hat, vorbehaltlich der Bestimmungen von Be, zu tragen • alie die Ware betreffenden Kosten bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie die Schiffsreling im benannten Verschiffungshafen iiberschritten hat; und, • falls anwendbar, die Kosten der fur die Ausfuhr notwendigen Zollformalitáten sowie alie Zólle, Steuern und andere Abgaben, die bei der Ausfuhr der Ware anfallen. B5 Gefahrenübergang Der Káufer hat alie Gefahren des Verlusts oder der Beschadigung der Ware zu tragen, und zwar • von dem Zeitpunkt an, in dem sie die Schiffsreling im benannten Verschiffungshafen iiberschritten hat; und • von dem fur die Lieferung vereinbarten Zeitpunkt an oder vom Ablauf der hierfiir vereinbarten Frist an, die dadurch entstehen, daS er die Benachrichtigung gemáfi B7 unterláfjt oder weil das von ihm benannte Schiff nicht rechtzeitig eintrifft oder die Ware nicht iibemehmen kann oder schon vor der gemáS B7 festgesetzten Zeit keine Ladung mehr annimmt, vorausgesetzt jedoch, daS die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d. h. ais der für den Verkáufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf andere Art kenntlich gemacht worden ist. B6 Kostenteilung Der Káufer hat zu tragen • alie die Ware betreffenden Kosten von dem Zeitpunkt an, in dem sie die Schiffsreling im benannten Verschiffungshafen iiberschritten hat; und • alie zusátzlichen Kosten, die entweder dadurch entstehen, dafi das von ihm bezeichnete Schiff nicht rechtzeitig eintrifft oder die Ware nicht iibemehmen kann oder schon vor der gemál? B7 mitgeteilten Zeit keine Ladung mehr annimmt, oder der Káufer die Benachrichtigung gemáft B7 unterlassen hat, vorausgesetzt jedoch, daté die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. ais der für den Káufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf andere Art kenntlich gemacht worden ist; und, <?page no="267"?> G - 2 . Internationale Lieferklauseln 2 4 5 A7 Benachrichtigung des Káufers Der Verkáufer hat den Káufer in angemessener Weise zu benachrichtigen, da£ die Ware gemáE A4 geliefert worden ist. A8 Liefemachweis, Transportdokument oder entsprechende elektronische Mitteilung Der Verkáufer hat auf seine Kosten dem Káufer den üblichen Nachweis der Lieferung gemáíS A4 zu beschaffen. Der Verkáufer hat, sofern das im vorstehenden Absatz erwáhnte Dokument nicht das Transportdokument ist, dem Káufer auf dessen Verlangen, Gefahr und Kosten bei der Beschaffung eines Transportdokuments zum Befórderungsvertrag (z. B. eines begebbaren Konnossements, eines nicht begebbaren Seefrachtbriefs, eines Dokuments des Binnenschiffstransports oder eines multimodalen Transportdokuments) jede Hilfe zu gewáhren. Wenn sich Verkáufer und Káufer auf elektronische Datenkommunikation geeinigt haben, kann das im vorstehenden Absatz erwáhnte Dokument durch eine entsprechende Mitteilung im elektronischen Datenaustausch (EDI message) ersetzt werden. A9 Prüfung - Verpackung - Kennzeichnung Der Verkáufer hat die Kosten der Prüfung (wie Qualitátsprüfung, Messen, wiegen und Záhlen) zu tragen, die fur die Lieferung der Ware gemáS A4 erforderlich ist. Der Verkáufer hat auf eigene Kosten fur eine Verpackung zu sorgen (sofern es nicht handelsüblich ist, die im Vertrag beschriebene • falls anwendbar, alie Zólle, Steuem und andere Abgaben sowie die Kosten der Zollformalitáten, die bei der Einfuhr der Ware und bei der Durchfuhr durch jedes Land anfallen. B7 Benachrichtigung des Verkáufers Der Káufer hat dem Verkáufer in angemessener Weise den Ñamen des Schiffs, den Ladeplatz und die erfordprliche Lieferzeit anzugeben. B8 Liefemachweis, Transportdokument oder entsprechende elektronische Mitteilung Der Káufer hat den in Übereinstimmung mit A8 erbrachten Liefemachweis anzunehmen. B9 Prüfung der Ware Der Káufer hat die Kosten fur jede Warenkontrolle vor der Verladung (pre-shipment inspection) zu tragen, mit Ausnahme behórdlich angeordneter Kontrollen des Ausfuhrlandes. <?page no="268"?> 246 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Ware unverpackt zu verschiffen), die für den Transport der Ware erforderlich ist, wenn und soweit die Transportmodalitáten (z. B. Transportart, Bestimmungsort), dem Verkáufer vor Abschlul? des Kaufvertrags zur Kenntnis gebracht worden sind. Die Verpackung ist in geeigneter Weise zu kennzeichnen. A10 Sonstige Verpflichtungen Der Verkáufer hat dem Káufer auf dessen Verlangen, Gefahr und Kosten bei der Beschaffung aller anderen als in A8 genannten Dokumente oder entsprechender elektronischer Mitteilungen, die im Verschiffungsund/ oder Ursprungsland ausgestellt oder abgesendet werden und die der Káufer zur Einfuhr der Ware und gegebenenfalls zur Durchfuhr durch jedes Land benótigt, jede Hilfe zu gewáhren. Der Verkáufer hat dem Káufer auf dessen Verlangen die fur die Versicherung der Ware erforderlichen Auskiinfte zu erteilen. G-2.4. Exkurs zur Transportversicherung im internationalen Handel Für die Auswahl von Versicherern kónnen Versichentngsmakler eingeschaltet werden, die meist einen besseren Marktiiberblick haben als Unternehmen, die nur gelegentlich im Aufsenhandel tátig sind. Die Servicequalitdt eines Versicherers spielt neben der Hóhe der Versicherungspramien eine Rolle bei der Auswahl alternativer Angebote. Sie zeigt sich allerdings erst im konkreten Schadensfall, láíSt sich aber dennoch meist aus Sekundárinformationen abschátzen. Der Teufel steckt dabei jedoch oft im Detail des eigenen Falls. Die Wahl eines heimischen Versicherers erleichtert und verkiirzt im Schadensfall meist die Abwicklungsprozeduren, nicht zuletzt auch aus sprachlichen Griinden. PRAXISTIP Sofern auslándische Versicherer gewahlt werden, sollte die Versicherung in derselben Wahrung wie der Kaufvertrag abgeschlossen werden, um ein gesondertes Wechselkursrisiko zu vermeiden. Da es keine gesetzlichen Bestimmungen beziiglich der Transportversicherung gibt, kónnen Bedingungen und Prámien frei ausgehandelt, d. h. bedarfsgerecht gestaltet werden. Nur bei háufigen Transporten bietet sich eine Generalpolice an. Die Versicherungspramien leiten sich grundsátzlich aus Prámientabellen ab. Diese decken jedoch nur Standardfálle ab, so daS iiblicherweise im Einzelfall Modifikationen in der Hóhe nach oben wie nach unten erforderlich sind. Zur Verminderung der Versicherungsprámie kann eine Selbstbeteiligung (Fran- B10 Sonstige Verpflichtungen Der Káufer hat alie Kosten und Gebiihren für die Beschaffung der in A10 genannten Dokumente oder entsprechender elektronischer Mitteilungen zu tragen und diejenigen des Verkáufers zu erstatten, die diesem bei der Hilfeleistung hierfiir entstanden sind. <?page no="269"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 247 chise) vereinbart werden. Der Versicherungsvertrag kann zugunsten eines Dritten geschlossen werden (so wie bei der CIF-Abladung erforderlich). Bei CIF- und CIP-Verladungen miissen dabei Mindestrisiken eingedeckt werden, die der A-Klausel des Institute of London Underwriters entsprechen miissen (Abb. G-2/ 5-1, 2). In Deutschland ist das Versicherungs- Vertragsgesetz (WG) die gesetzliche Grundlage fiir Versicherungsvertrage im internationalen Handel. Danach konnen bestimmte Normen nicht vertraglich abbedungen oder geándert werden; andere kónnen nur zugunsten des Versicherungsnehmers abgeándert werden. Je nach Transportmittel sind Seeversicherungen und Binnentransportversicherungen zu unter- Abb. G-2/ 5-1: Klauseln des Institute of London Underwriters • Klausel A (all risks) Deckt alie durch áulSere Ursachen entstandenen Scháden und Verluste, ausgenommen Krieg, Bürgerkrieg, Unruhen (kann bei Luft- und Seeversicherung mitversichert werden), Streik, Aussperrung, Beschlagnahme, Eingriffe <von hoher Hand>, politische Gewalthandlungen. • Klausel B Deckt Scháden aus einer Reihe von Elementarereignissen, die in einer Positivliste aufgefiihrt sind, u.a. Schiffskollision, Feuer, Explosion, Strandung, Erdbeben, Uberbordspülen der Ladung, Wassereinbruch. • Klausel C deckt nur wenige Falle ab: Feuer, Explosion, Strandung, Entladung der Ladung in einem Nothafen. Jeweils nicht-versicherte Gefahren und Scháden kónnen durch spezielle Zusatzversicherungen abgedeckt werden. Zusatzklauseln sind die Institute War Clause, die Institute Strike Clause und die Malicious Damage Clause (gegen mutwillige Beschádigungen). Für bestimmte Sparten hat das Institut spezielle Commodity Trade Clauses entwickelt (Kühlgut, Erdól, Holz). Die Institute Classification Clause bezieht sich auf den Qualitátszustand der Schiffe. Niedrige Standards führen wegen hóherer Risiken zu hoheren Pramien. Abb. G-2/ 5-2: Institute of London Underwriters Englische Versicherungsgesellschaften haben das Institute of London Underwriters gegründet, welches Versicherungsklauseln für bestimmte Risiken ausarbeitet, insbesondere für den Seetransport. Auf diese Klauseln wird oft in Versicherungsvertrágen in áhnlicher Weise Bezug genommen wie auf die Incoterms. Die o.a. Clause C ist eine Minimalklausel mit geringstem Versicherungsschutz; Clause B ist eine «mittlere Deckung»; den hóchsten Deckungsschutz gewáhrt Clause A. Aber auch eine Versicherungspolice nach Clause A mit «voller Deckung» (all risks) deckt auch nicht alie Risiken ab, sondern schlielU u.a. Scháden durch Krieg, Streik, Aufruhr, Piraterie 23 oder Verzógerungen aus. Ggf. müGte der Káufer eine Zusatzversicherung zu seinen Lasten abschliefSen (lassen). Vor allem im siidchinesischen und malaisischen Meer nehmen die Falle von Seepiraterie betrachtlich zu (vgl. Abschnitt H-8). <?page no="270"?> 248 C Liefer- und Zahlungsbedingungen scheiden. Die notwendigen landgebundenen oder mit Flugzeug erfolgenden Vor- und Nachreisen záhlen dessenungeachtet mit zur Seeversicherung. Nur der vereinbarte Reiseweg ist versichert. Seitens der Versicherungswirtschaft wurden die Allgemeinen Deutschen Seeversicherungs-Bedingungen (ADS) erarbeitet, die das in dieser Hinsicht unzureichende HGB ergánzen. Besonderheiten im Seetransport • Grofie Havarie (Havarie grosse): Schiff und Ladung bilden eine Gefahren- und Opfergemeinschaft, so dafj z. B. der Kapitán versucht, Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr (Brand) zu retten. Dies kann auch durch Aufopferung von Ladung (Über-Bord- Werfen, Seewurf) geschehen, um ein auf Grund gelaufendes Schiff wieder flott zu machen. Dabei sind Reeder und Ladungseigentümer (Exporteur bzw. Importeur je nach Gefahrenübergang) gemeinsam Kostentráger fur Rettungsaufwendundungen, und der Ladungseigentümer kann anteilig (bis zu 20% des Warenwertes) für die Schiffsrettung in Anspruch genommen werden, auch wenn seine Ladung selbst unbeschadigt geblieben ist. Zur Sicherstellung dieses Anspruches hat die Reederei ein Pfandrecht an der Ladung. Bei FOB- und CFR-Ladungen wendet sich die Reederei dabei gerne an den Exporteur als Ablader, der wiederum Probleme haben kann, auf den Importeur zurückzugreifen, wenn dieser keine ausreichende Transportversicherung abgeschlossen hat. • Eine Besondere Havarie verursacht Scháden oder Verluste durch zufállige Ereignisse (Kollision, Feuer, Strandung). Im Gegensatz zur groSen Havarie tragen hier die Betroffenen jeweils den sie individuell betreffenden Schaden. • Als Kleine Havarie (Teilhavarie) bezeichnet man nicht, wie der Begriff vermuten lieSe, geringere Havariescháden, sondern die im Seeverkehr iiblichen Kosten für Lotsen, Hafen- und Schleppgebühren, die normalerweise in den Frachtkosten enthalten sind. Sofern der Versicherungsschutz durch eine bestimmte Versicherungsgesellschaft nicht hinreichend ist, diese aber gleichwohl gewáhlt werden soil oder mufj, weil der Partner darauf besteht oder die Bestimmungen des Partnerlandes dies vorschreiben, kann durch den AbschluS einer Konditions-Differenz-Versicherung (DIC: Difference in Conditions) ein hóheres Versicherungsniveau erreicht werden. Grundsátzlich besteht eine Haftung des Spediteurs und der Frachtfuhrer auf der Grundlage einer Pflichtversicherung, die aber aufgrund von Haftungsbeschrankungen des Verkehrsgewerbes dem Grunde und der Hóhe nach meist unzureichend ist. Sehr oft sind bei Transportscháden Dritte haftbar, die oft nicht oder nur begrenzt zur Verantwortung zu Ziehen sind. Daher ist der AbschluS einer eigenstándigen Transportversicherung ratsam, die im Innenverháltnis zum Versicherungsnehmer unabhángig von der Haftung Drifter reguliert. Dieser Versicherer kann nach Schadensersatzleistung an den Versicherungsnehmer auf die Pflichthaftung von Spediteur bzw. Frachtfuhrer Rückgriff nehmen, womit der Exporteur bzw. Importeur jedoch nichts zu tun hat. Der Versicherungsumfang sollte sich erstrecken auf Gefahren (z. B. Strandung, Feuer, Diebstahl, Blitzschlag), die sich für Ware und Transportmittel wáhrend der Versicherungsdauer ergeben (Transportzeit und Lagerung wegen Umschlag) und Scháden, die sich aus der versicherten Gefahr ergeben (Totalverlust, Bruch, Verderb etc.). Gefahr ist die Móglichkeit des Eintritts eines ungewissen, aber als negativ einzustufenden <?page no="271"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m internationalen Handel 249 Ereignisses: Diebstahl, Feuer, Schiffsuntergang. Die Versicherungsleistung knüpft nicht an der Tatsache des Schadens an, sondern an der Versicherung der dafür ursáchlichen Gefahr. Tritt ein Schaden aufgrund einer nichtversicherten Gefahr ein (Vernichtung durch nichtversichertes Feuer, wáhrend Bruch versichert ist), leistet der Versicherer keine Entschádigung. Der Versicherungsnehmer sollte daher zur Vertragsgestaltung alie Umstánde (Gefahren, Interessen) mit dem Versicherer absprechen. Dies wirkt sich natiirlich auf die Prámiengestaltung aus, ist aber erforderlich, weil der Versicherer nur auf dieser Grundlage das Risiko kalkulieren und entsprechen annehmen oder ablehnen kann. Ándern sich diese Umstánde, müssen sie dem Versicherer mitgeteilt werden, da sonst ggf. die Móglichkeit eines Versicherungsausschlusses besteht. Schaden durch inneren Verderb der Güter oder Einwirkungen der Verpackung auf die Waren sind in der Regel von Transportversicherungen nicht abgedeckt (nicht versicherbares kommerzielles Risiko). Vorsátzlich oder fahrlássig herbeigeführte Scháden kónnen ais mittelbare Schaden abgesichert werden. Gegenstand der Transportversicherung ist nicht die Versicherung des befórderten Gutes gegen Scháden, sondern das in Geld mefibare Interesse, daft die Güter unversehrt an einen Bestimmungsort gelangen, der Versicherungswert. Dieser entspricht dem Ersatzwert zur Zeit des Versicherungsfalies. Dabei wird der CIF-Wert bis zum Bestimmungsort plus 10% fur imaginaren Gewinn angesetzt. Der Warenwert ergibt sich aus dem Rechnungswert, einem móglichen Verkaufserlóse, dem Wiederbeschaffungspreis oder einem gesondert geschátzten oder vereinbarten Wert (Taxe). Hinzu kommen Aufwendungen zur Abwendung bzw. Minderung des Schadens sowie Kosten der Schadensfeststellung durch Dritte. Nicht versichert sind indirekte Kosten, bedingt z. B. durch Reiseverzogerungen, Produktions- oder Verdienstausfall oder Vertragsstrafen. G-3. Zahlungsbedingungen im internationalen Handel Lieferbedingungen beziehen sich vereinfacht gesagt auf die Abwicklung der Warenlieferung, Zahlungsbedingungen auf die Abwicklung der dabei zu leistenden Zahlungen. Jede Zahlungsvereinbarung muí? folgende Fragen kláren: Wer zahlt, wann, wieviel, in welcher Wáhrung, wie (Zahlungsweg und -form), wo, an wen? Dabei gibt es natürlich Schnittstellen: Beispielsweise definieren die INCOTERMS die Verpflichtung des Káufers, den Kaufpreis zu zahlen, jedoch nicht die entsprechende Fálligkeit. Diese wird sich aus den Zahlungsbedingungen ergeben. Liefer- und Zahlungsbedingungen sollten daher inhaltlich und formal aufeinander abgestimmt werden. PRAXISTIP Bei gewáhrten Zahlungszielen, die über das Jahr 2001 hinausgehen, solite eine Konvertierungsklausel (Kontinuitatsklausel) enthalten sein r die auf den offiziellen Umrechnungskurs des Euro Bezug nimmt. Die Klausel kónnte etwa lauten «xy DM or official Euro-countervalue» («xy DM oder Gegenwert in Euro gemáft offiziellem Umrechnungskurs»). Die zahlreichen móglichen Zahlungsbedingungen ha ben fur die Vertragspartner unterschiedliche Vor- und Nachteile. <?page no="272"?> 250 G Liefer- und Zahlungsbedingungen G-3.1. Interessenkonflikte Analog zu den Lieferbedingungen sind auch die Zahlungsbedingungen unterschiedlich vorteilhaft bzw. risikoreich fiir Importeure (Káufer) oder Exporteure (Verkáufer). Abb. G-3/ 1 verdeutlicht schematisch den Interessengegensatz zwischen Exporteur und Importeur: Der Exporteur ist beispielsweise an einer móglichst frühen, der Importeur an einer móglichst spáten Zahlung interessiert, sowohl aus liquiditáts- und zinstechnischen Gründen ais auch wegen des Lieferbzw. Abnahmerisikos. Der Importeur will sicherstellen, dafi er die richtige Ware erhált und ggf. Mangel vor Zahlung rugen kann. Beide wollen also letztlich ihre Risiken und Kosten minimieren (vgl. auch Teil H zum Risikomanagement). In Zeiten sich abschwáchender Konjunktur nimmt erfahrungsgemaS auch die Zahlungsmoral ab, so dafi einer absichemden Zahlungsbedingung groije Bedeutung zukommt. Die Vereinbarung einer bestimmten Klausel hángt auch hier nicht zuletzt von der Stárke der Verhandlungsposition (Machtverteilung) der Vertragspartner ab. Abb. G-3/ 1: Interessenkonflikte Interessen des Káufers Interessen des Verkáufers • keine Risiken übemehmen • keine Risiken übernehmen (Zahlungsrisiko, Abnahmerisiko) (Lieferrisiko) • keine Kosten der Kreditfinanzierung • keine Kosten der Kreditfinanzierung tragen (Lieferantenkredit) tragen (Bestellerkredit) d.h.: d.h.: • Zahlung móglichst spát leisten • Zahlung móglichst früh erhalten • Ware móglichst früh erhalten (Vorauszahlung) • Ware móglichst spát liefern Bei den meisten Gescháften wird nur eine Zahlungsbedingung vereinbart. Bei gróSeren Transaktionen, vor allem mit lángerer Laufzek, sind mehrere Zahlungsbedingungen gángig, z. B. eine 15%ige Anzahlung bei Vertragsabschlufs gegen Stellung einer Anzahlungsgarantie seitens des Exporteurs, 50% bei erster Teillieferung gegen Dokumentenakkreditiv, die restlichen 35 % gegen Sichttratte bei SchluElieferung. - Bei Investitionsgütern ist z. B. gángig 5 % Anzahlung, zahlbar 30 Tage nach Inkrafttreten des Vertrages, abgesichert durch Anzahlungsgarantie, 10% Zwischenzahlungen pro rata Lieferungen gegen Dokumente oder aus einem unwiderruflichen Dokumentenakkreditiv, 85% in 10 gleicheHalbjahresraten in bankavalierten Solawechseln, wobei die erste Rate 6 Monate nach Betriebsbereitschaft fállig ist. Solche Konstruktionen werden nicht zuletzt von den Exportkreditversicherern verlangt; vgl. Abschnitt H-3. Allgemein lassen sich gesicherte und ungesicherte Zahlungsbedingungen unterscheiden: Ungesichert ist beispielsweise eine offene Rechnung, gesichert ist eine Zahlung im Rahmen eines Akkreditivs. Einige Zahlungsbedingungen sind an bestimmte Dokumente gebunden (dokumentáre Zahlung: Inkassi, Akkreditiv), andere nicht (nicht-dokumentáre Zahlungsabwicklung: Vorauszahlung, Anzahlung, Zahlung bei Lieferung, einfache Rechnung und offenes Zahlungsziel). Abb. G-3/ 2 enthált eine Übersicht. <?page no="273"?> G-3. Zahlungsbedingungen im ¡nternationalen Handel 251 G-3.2. Einige wichtige Details In vielen Fallen wird eine Effektivklausel verwendet («500.000 Euro effektiv»), d.h. der Káufer ist verpflichtet, Euro zu liefern und kann diese nicht durch eine andere Wáhrung ersetzen, weder Dollar noch schweizer Franken noch sonst eine Wáhrung. Bevor man eine Effektivklausel vertraglich verankert, sollte man natürlich sicher sein, daS dies nach den Devisenbestimmungen des Importlandes auch zulássig ist. Der Zahlungsort legt fest, wo der Káufer leisten muf>. Nach deutschem und franzósischen Recht ist dies der Sitz des Káufers (sog. Schickschuld), nach UN-Kaufrecht der Sitz des Verkáufers. Aber wie so vieles kann - und sollte auch der Zahlungsort explizit vereinbart werden. PRAXISTIP Bei Hermes-Absicherungen wird nurselten ein auslandischer Zahlungsort akzeptiert, denn bei einer Schickschuld muft der Káufer lediglich die rechtzeitige Anweisung nachweisen. Ob das Geld je ankommt, ist nicht sein Problem. Hinsichtlich des Zahlungstermins sollte immer ein Spátest-Termin explizit benannt werden, am besten durch einen Kalendertag, weil die Fálligkeit für die Bestimmung eines Zahlungsverzugs ausschlaggebend ist. Üblich sind jedoch Formulierungen wie «30 Tage nach Eingang der Rechnung», was jedoch nicht selten nur schwer bestimmbar ist. Aufserdem ist das vereinbarte Zahlungsziel fur viele Kunden ohnehin nur ein Orientierungsdatum, und man wird dabei oft von der deutschen Genauigkeif abweichen miissen. Die Kosten der Zahlungsabwicklung sollten explizit auf die Partner verteilt werden (insbesondere Bankspesen). Sehr oft tragen Exporteur und Importeur jeweils die Kosten, die auf <ihrer Seite> entstehen, aber sie kónnen auch insgesamt dem Káufer übertragen werden. Abb. G-3/ 2: Übersicht über die Zahlungsbedingungen Risiko und Finanzierungslast beim Importeur ** ^ beim Exporteur Vorauszahlung/ Anzahlung* * L/ C - Kasse gegen Dokumente* L/ C - Akzept gegen Dokumente* D/ P-lnkasso* D/ A-lnkasso* Zahlung nach Erhalt der Ware** Offenes Zahlungsziel/ Liefererkredit* * dokumentáre Sicherung ** keine dokumentáre Sicherung Die Zahlungsmoral verschlechtert sich Viele Unternehmen reñnanzieren sich mit Lieferantenkrediten <?page no="274"?> 252 G Liefer- und Zahlungsbedingungen PRAXISTIP Wenn eine Absicherung durch Hermes oder eine Refinanzierung durch Factoring- oder Forfaitierungsgesellschaften beabsichtigt ¡st, sollten diese bezüglich der zu verabredenden Zahlungsbedingung vor Vertragsabschluft konsultiert werden. Die Zahlungsbedingungen sind eng mit Finanzierungsfragen verbunden. Um Überschneidungen zu vermeiden, werden solche Aspekte in diesem Abschnitt ausfiihrlicher dargestellt; im Teil D wurde dies nur gestreift. G-3.3. Nicht-dokumentare (reine) Zahlungsabwicklung C-3.3.1. Vorauszahlung, Anzahlung, Abschlag Vorauszahlung (cash before delivery, advance payment, prepayment) bedeutet Leistung des geschuldeten Betrags in voller Hóhe vor Erhalt der geschuldeten Ware. Für den Importeur ist die Vorauszahlung die ungiinstigste, fur den Exporteur die giinstigste und sicherste Zahlungsbedingung, weil das Risiko des Zahlungsausfalls vgl. Abschnitt H-2 vollstándig ausgeschlossen wird. Zudem hat die Vorauszahlung eine Finanzierungsfunktion, die dem Exporteur Liquiditát zufuhrt und Zinsbzw. Finanzierungskosten spart. Eine Vorauszahlung setzt entweder eine entsprechende Machtposition des Exporteurs voraus oder/ und ein ausgeprágtes Vertrauen seitens des Káufers, der ja eine Vorleistung erbringt, ohne sicher sein zu kónnen, daS er die entsprechende Gegenleistung erhalt. Andererseits wird gerade bei ungewisser Bonitát des Kunden oder bei kritischen Lándern (wie gegenwártig RuSland) gern Vorauszahlung verlangt, um eine aufwendige Erforschung der Bonitát des Kunden zu umgehen (vgl. auch Abb. G-3/ 3). Der Kunde wird meist durch eine Bankgarande abgesichert; auch kann eine Einzahlung auf ein notarielles Treuhandkonto vereinbart werden. Nicht wenige Unternehmen bestehen bei Neukunden zunáchst auf einer Anzahlung andernfalls verzichten sie auf das Gescháft -, machen aber gleichzeitig deutlich, daft man bei einer stabilen Gescháftsbeziehung sicherlich darauf verzichten wird. Abb. G-3/ 3: Rufiland-Geschaft nur noch bei Vorauskasse Manchmal bietet der Káufer von sich aus auch Vorauszahlung an, um einen PreisnachlalS zu erreichen oder um sich bei Fakturierung in Fremdwáhrung vor einer Aufwertung zu schützen. Staatliche Káufer Ziehen oft Zahlungen zeitlich vor, um innerhalb des Haushaltsjahres zu bleiben. Vorauszahlungen sind unabhángig davon auch üblich bei Sonderauftrágen, die erhebliche Vorkosten verursachen, und bei Investitionsgiitern, die entsprechende Vorfinanzierung erfordern. Dabei sind auch Anzahlungen gángig: Anzahlung (down payment, payment on account) bedeutet Leistung eines Teils des bei Lieferung geschuldeten Betrags vor Erhalt der Ware; es wird also eine Vorleistung erbracht, der noch keine Gegenleistung gegeniibersteht, im Gegensatz zum Abschlag: Abschlagszahlungen sind Teilzahlungen z. B. bei Erreichen bestimmter Fertigungsstufen eines Gutes mit lángerer Herstelldauer (Pro-rato-Zahlung). 15% Anzahlung sind i.d.R. Voraussetzung für AKA-Kredite und Hermes-Besicherungen (vgl. Abschnitte D-3.3 und H-3.2). Aus der Sicht des Exporteurs verringern Anzahlung und Abschlagszahlung die Zahlungsrisiken und haben gleichzeitig eine Finanzierungsfunktion, aus der Sicht des Importeurs bleibt das Risiko der <?page no="275"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m ¡nternationalen Handel 253 Nichtlieferung (Lieferrisiko). Daher wird háufig eine Anzahlungsgarantie vereinbart. Sie garantiert dem Importeur, daf? er bei Nichtlieferung der Ware seine Anzahlung zurückerhált. Vielfach wird vom Káufer die letzte Rate zuriickbehalten, bis er mit der vertraglichen Leistung der Verkáufers bzw. Lieferanten zufrieden ist (dagegen kann man sich versichern); Abschnitt H-3. Nicht nur im Chinageschaft ist dies ein weit verbreiteter Streitpunkt in Schiedsgerichtsverfahren. In manchen Fallen ist beobachtbar, dai? Kunden die geleistete Anzahlung als Druckmittel benutzen, um hinsichtlich der noch ausstehenden Zahlungen Preiszugestándnisse zu erreichen. Auch mit einer Hermes-Absicherung ware ein <Aussteigen> des Káufers aus dem Vertrag fur den Exporteur in der Regel wegen des vom ihm zu tragenden Selbstbehalts mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden, so dai? dieses Drohpotential nicht irrelevant ist. G-3.3.2. Einfache (offene) Rechnung und offenes Zahlungsziel Bei «Zahlung bei Lieferung» (cash on delivery, c.o.d.) wird die Ware bzw. der Herausgabeanspruch gegen einen Lagerhalter gegen Leistung der Zahlung ausgehándigt. Dieses einfache Inkasso wird meist vom Frachtführer durchgeführt oder im Postverkehr durch Nachnahme oder allerdings nur in manchen Lándern auch auf der Basis von Eisenbahn- und Luftfrachtbriefen. «Cash» kann neben Barzahlung auch Bezahlung durch Scheck zulassen oder eine Bankbestátigung (mittels verschliisseltem Telex/ SWIFT), daS der Káufer die Zahlung zugunsten des Verkáufers unwiderruflich angewiesen hat. Cash-Zahlungen sind vor allem dann fur den Kunden interessant, wenn er Friihzahlungsnachlásse (Skonti) geltend machen kann. Allerdings hángt die tatsáchliche Ausführung des Zahlungsauftrags davon ab, dal? ein ausreichendes Guthaben bzw. eine entsprechende Kreditlinie vorliegt. Hinzu kommt, daS auch ein unwiderruflicher Zahlungsauftrag nach deutschem Recht «aus wichtigem Grund» widerrufen werden kann, wobei es zunáchst im Ermessen des Zahlungspflichtigen liegt, was ein wichtiger Grund ist, d. h. seine Bank wird den Widerruf zunáchst beachten. Der Zahlungsauftrag betrifft námlich grundsátzlich das Innenverháltnis zwischen Importeur und Bank, woraus ein Aufienstehender keine Rechte ableiten kann. Dies ist nur dann móglich, wenn die vorlegende Bank nicht dem Importeur, sondern gegeniiber dem zahlungsbegiinstigten Exporteur den unwiderruflichen Zahlungsauftrag bestátigt. Zahlung bei Lieferung áhnelt in ihrer Wirkung der Bedingung «Dokumente gegen Zahlung», vgl. Abschnitt G-3.4.1. Bei den Zahlungsbedingungen «einfache Rechnung» (clean payment) und «offenes Zahlungsziel» (open terms) versendet der Exporteur die Ware vor der Zahlung durch den Káufer ohne Sicherstellung, im Gegensatz zu Akkxeditiv oder Inkasso (vgl. unten). Bei «Zahlung nach Erhalt der Ware/ Rechnung» hat der Káufer die Móglichkeit, die Ware auf Mangel zu untersuchen, bevor er die Rechnung (einschliefilich Bankspesen in Deutschland) durch Scheck, Überweisung oder Wechsel begleicht, entweder nach Erhalt der Lieferung, nach Erhalt der Rechnung oder unter Inanspruchnahme eines eingeráumten (offenen, d. h. ungesicherten) Zahlungsziels. Dies ermoglicht es dem Importeur unter Umstánden, sich durch die Weiterverwertung der Ware Liquiditát zu beschaffen, um den Verkáufer zu bezahlen. Je ausgeprágter die Unterkapitalisierung ist, desto mehr sind Unternehmen auf die Vermarktung von Produkten angewiesen, bevor sie ihre Beziige bezahlen kónnen. <?page no="276"?> 254 G Liefer- und Zahlungsbedingungen In der Regel wird ein Skonto eingeraumt, wenn der Káufer ein Zahlungsziel nicht ausnutzt und sofort zahlt (z. B.: «Rechnungsbetrag zahlbar innerhalb von 30 Tagen, 2% Skonto innerhalb von 14 Tagen»). Ein Verzicht auf die Inanspruchnahme eines Skontos ist wohl die teuerste Kreditform, die es gibt: Die Nichtbeanspruchung der 2 % entspricht fur die zusátzlichen 16 Tage ab SkontoschluEtag arithmetisch 51,4 % auf das Jahr gerechnet. 27 Nicht iibel. SkontoausschluS wird z. B. formuliert als: «Netto Kasse bei Erhalt der Rechnung». Ein Zahlungsziel entspricht also einem ungesicherten Kredit (meist als Lieferantenkredit bezeichnet; das vertiefen wir nochmal). Vielfach wird ein Zahlungsziel durch Wechsel abgesichert. Andererseits ist die Wechselstrenge oft nur eine vermeintliche Besserstellung des Gláubigers, da ein Wechselprotest im Ausland andere Folgen fur den Bezogenen haben kann als in Deutschland und daher abgewogen werden muS, ob sich ein kostentráchtiger - Wechselprotest lohnt. Im Ernstfall wird im Aufienhandel nur selten tatsáchlich ein Wechselprozel? angestrengt. Die offene Rechnung stellt für den Importeur die giinstigste Zahlungsbedingung dar. Neben der Kreditfunktion bietet sie die Móglichkeit, vor Zahlung zu priifen, ob die Ware kontraktgerecht geliefert wurde. Analog stellt sie für den Exporteur die ungiinstigste Form dar, da ihm neben dem Abnahmerisiko (der Importeur verweigert die Annahme der Ware) auch Zins- und andere Finanzierungskosten entstehen. Die offene Rechnung setzt daher seitens des Exporteurs grofies Vertrauen in den Importeur voraus und wird vor allem zwischen Vertragspartnern mit eingespielten Gescháftsbeziehungen verwendet, insbesondere im innereuropáischen Aufienhandel und im Handel mit Nordamerika. Man muS zwischen vertraglich vereinbarten Zahlungsfristen und Zahlungsverzug unterscheiden. In der EG sind die branchenüblichen Zahlungsfristen sehr verschieden. Grundsátzlich fiihren lange Handelsketten meist zu lángeren Zahlungszielen, wobei in siidlichen Lándern tendenziell lángere Fristen iiblich sind als im Norden. Bei sehr langen Zahlungszielen kann es vorkommen, dai? Banken die Finanzierung solcher Gescháfte ablehnen. Manchmal sind auch die Vereinbarungen unklar. Bei einer Klausel «zahlbar innerhalb von 30 Tagen» fehlt es an der Prázisierung, wann die Frist beginnt. In Deutschland mufs ein exaktes Datum definiert werden, urn einen Verzugsschaden (§§ 284ff. BGB) beim Schuldner einklagen zu kónnen, wahrend in Italien «zahlbar innerhalb von 30 Tagen» hinreichend ist, wobei man i.d.R. vom Tage des Erhalts der Rechnung ausgeht. In GroSbritannien konnen keine Verzugszinsen eingeklagt werden. In einigen Lándern miissen langwierige Schlichtungsverfahren vor einer Verzugsklage durchgefiihrt werden. Hinzu kommt, da£ schon innerhalb der Banksysteme oft erhebliche Verzógerungen bei Überweisungen auftreten, die nicht vom Káufer zu verantworten sind. Dies gilt auch innerhalb Europas (Abb. G-3/ 4). Technisch also theoretisch kónnten Überweisungen im Euroraum Abb. G-3/ 4: Beschwerdestellen EZB moniert hohe Gebühren für Auslandsüberweisungen Grenzüberschreitende Überweisungen sind háufig schwierig Die Runden kónnen sich bei verschiedenen Steilen beschweren / Aufiergerichtüche Einigung angestrebt 27 (360 * 2) / (30-16) = 51,4%. <?page no="277"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m internationalen Handel 255 innerhalb von 24 Stunden ausgeführt werden, denn seit November 1999 gibt es ein Zahlungssystem der Euro Banking Association (EBA 28 ) mit «Step 1» fur Kleinzahlungen. In der Praxis dauert es natürlich erheblich lánger; die Europaische Kommission sieht ein Maximum von 6 (sechs! ) Tagen als zumutbar an; das Europaische Parlament hat eine Verkiirzung auf drei Tage verlangt. Euro-Überweisungen sind teuer: Für eine Überweisung von 100 Euro werden in der EU im Schnitt 17 Euro Gebuhren berechnet - 17%, nicht schlecht, auch wenn es in Deutschland meist etwas billiger ist. Hinzu kommt, dafs oft auch noch die Bank des Empfángers Gebuhren abzwackt, so dafi nicht der voile Betrag auf dem Konto auflauft. Dies ist zwar schon seit 1997 verboten, aber... Die Argumente der Kreditinstitute, weshalb dies so ist, lassen sich nur schwer nachvollziehen. Die Spitzenverbander der EU-Banken haben sich Mitte 2001 («im Grundsatz») geeinigt, dai? die Empfangerbank maximal 3 Euro kassieren darf. PRAXISTIP Seit August 1999 gilt in Deutschland das Überweisungsgesetz. Nicht jedem ist bekannt, daft man seitdem bei Unklarheiten im grenziiberschreitenden Zahlungsverkehr die Dienste von Beschwerdestellen in Anspruch nehmen kann, mit dem Ziel, auftergerichtliche Einigungen herbeizuführen. Es gibt sie sowohl bei den Verbánden der Kreditinstitute als auch eine zentrale «Schlichtungsstelle» bei der Bundesbank in Frankfurt/ M. Überweisungen in Drittstaaten werden erst ab 2002 einbezogen. Die Schlichtungsstelle befaftt sich auch nicht mit Problemen im Zusammenhang mit Euroschecks oder Lastschriftverfahren sowie dem Handel mit Wertpapieren. Die Schlichtungsstelle gibt eine Liste der zustándigen Beschwerdestellen in den anderen EU-Landern heraus (Tel. 069-9566-4050 oder -4056 Fax, www.bundesbank.de). G-3.3.3. Bankgarantie Eine Garantie ist ein abstraktes Zahlungsversprechen in der Regel einer Bank, aber z. B. auch seitens der Konzernmutter eines Tochterunternehmens. In den USA spricht man meist von bond 29 , auch demand guarantee ist gebráuchlich. Grundsátzlich ist das Verlangen nach einer Garantie immer ein Zeichen des Mifitrauens. Eine Garantie ist in der Regel auf <erste Anforderung> hin zu stellen (first calling) und unter Verzicht auf jegliche Einwendungen oder Einreden d. h. materiell ungepriift zu erfüllen. Obgleich móglich, ist es wenig iiblich, die Auszahlung einer Garantie an andere Bedingungen zu kniipfen als die Plausibilitát der Behauptung, dai? der Garantiefall eingetreten ist. Eine Garantie deckt sowohl Zahlungsunfáhigkeit als auch Zahlungsunwilligkeit des Káufers ab, ggf. auch das Lánderrisiko (vgl. Abschnitt H-l.5.2), wenn die Garantie von einer inlándischen Bank abgegeben wird. Analog kann eine Bankgarantie den Importeur gegen eine Nicht- oder Schlechtleistung absichern. PRAXISTIP Bezüglich der Umstellung auf den Euro besteht bei einer Garantiestellung innerhalb der EU kein Anpassungsbedarf. Bei Adressen aufterhalb der EU ist eingehend wie ausgehend eine Konvertierungsklausel (Kontinuitatsklausel) ratsam. Dies gilt auch für Verlangerungen. Die Klausel konnte etwa lauten «xy DM or official Eurocountervalue» («xy DM oder Cegenwert in Euro gernafS offiziellem Umrechnungskurs»). Der EBA gehóren 120 Banken in 21 Landern an. Bonds sind i.d.R. akzessorisch, d. h. nicht auf Erstes Anfordern zahlbar. Sie miissen meist für mehr als 100% der Forderungssumme gestellt werden. <?page no="278"?> 256 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Die miíSbráuchliche Inanspruchnahme einer Garantie (unfair calling) 30 kann strafrechtliche Konsequenzen haben, die Frage stellt sich aber, ob sich eine Verfolgung aus der Sicht des deutschen Exporteurs im Hinblick auf einen (z. B.) pakistanischen Importeur lohnt. Manchmal werden Zusatzbedingungen in die Garantieerklárung aufgenommen, die der Anspruchsberechtigte erfüllen muí? , z. B. Vorlage bestimmter Dokumente. Die ICC-Paris hat Einheitliche Richtlinien beziiglich der Abgabe von auf erstes Anfordern hin zahlbarer Garanden entwickelt, deren Bedeutung in der Praxis jedoch nur máíSig ist. Vgl. auch Abschnitt H-2.4.3. G-3.3.4. Kompensation (Warentausch) Viele Unternehmen müssen ais Bezahlung Waren start Geld akzeptieren, weil es sonst nicht zum Kaufabschlui? kommt. Auf die Verrechnung und die damit verbundenen Probleme wird in Abschnitt H-2 eingegangen. G-3.4. Dokumentare Zahlungsabwicklung Bei dokumentarer Zahlung sichert sich der Exporteur gegen das Zahlungsrisiko und der Importeur gegen das Lieferrisiko dadurch ab, dafs die Aushándigung der Warendokumente und die Auszahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug erfolgen. Dabei spielen vor allem zwei Formen eine Rolle: das Dokumenten-/ «¿íJS50 und das Dokumenten-Akkreditiv. In beiden Fallen erfolgt die Abwicklung in der Praxis durch die Einschaltung einer Bank im Land des Exporteurs; Direktauftráge an eine Bank im Importland sind wegen der damit verbundenen Rechtsunsicherheit selten. Bei Inkassi und Akkreditiven sollte vereinbart werden, dai? die jeweils aktuelle Fassung der entsprechenden Einheitlichen Richtlinien (ERI bzw. ERA 31 ) Anwendung finden (vgl. unten). G-3.4.1. Dokumenten-lnkasso Beim dokumentaren Inkasso beauftragt der Exporteur (Verkáufer) seine Bank (Einreicherbank), den vom Káufer geschuldeten Betrag in der Regel durch Einschaltung einer Bank im Importland gegen Aushándigung bestimmter, mit dem Importeur vereinbarter Dokumente einzuziehen (Inkassobank) (engl. collection, frz. encaissement), wobei der Importeur i.d.R. ohne diese Dokumente nicht iiber die Ware verfügen kann. Andererseits wird seine Liquiditát erst bei Übernahme der Dokumente beansprucht. Die Bank des Exporteurs ist dabei Treuhánder (Gescháftsbesorgungsvertrag mit dem Exporteur) und Vermittler zwischen Exporteur und Importeur. Zwei Formen sind zu unterscheiden: Dokumente gegen Zahlung (documents against payment: d/ p oder [seltener] synonym: cash against documents: c/ d) und Dokumente gegen Akzept (documents against acceptance, d/ a). Die Kiirzel d/ p und d/ a sind international allgemein gebrauchlich. Das dokumentare Inkasso wird oft mit Faaoring verbunden, d. h. die mit dem Inkasso beauftragte Bank kauft dem Exporteur die Forderungen ab und zieht sie auf eigene Rechnung ein (vgl. Abschnitt D-2.1.11). Hat die Einreicherbank (Exportbank) 30 Man kann sich dagegen u. a. bei der Hermes AG versichern. Vgl. auch Abschnitt H-3.2.12. 31 Einheitliche Richtlinien fiir Inkassi (ERI) bzw. fiir Dokumentenakkreditive (ERA), vgl. unten Abschnitte G-3.4.1 und G-3.4.2.5. <?page no="279"?> G-3. Zahlungsbedingungen im ¡nternationalen Handel 257 den Inkassoauftrag vorfinanziert, veranlaiSt sie den Exporteur háufig, ihr seine Ansprüche gegen den Bezogenen aus dem Grundgescháft abzutreten. Dies ist vor allem dann im Inter esse des Auftraggebers, wenn nach der Rechtsordnung des Importlandes sein Anspruch gegenüber dem Importeur nicht ohne weiteres durchsetzbar ist. Die Einreicherbank kann ihre Ansprüche gegenüber der Inkassobank i.d.R. eher durchsetzen. G-3.4.1.1. Dokumente gegen Zahlung (d/ p) Diese Zahlungsbedingung ist insbesondere beim Warentransport per LKW, Bahn und Luftfracht verbreitet. Das Dokumenten-Inkasso láuft vereinfacht folgendermafien ab (Abb. G-3/ 5): Abb. G-3/ 5: Dokumenteninkasso (d/ p) Waren ® Exporteur l b ] Inkasso auftrag mit Dokumenten versand Lager Inkasso- ( 0 erlós Waren- —®— aufnahme Dokumenten aufnahme durch Zahlung Importeur ® (3) Einreicherbank Inkassoerlos Prasentation der | Dokumente -o- Inkassobank Inkassoauftrag mit Dokumenten (1) Der Exporteur versendet die Ware und gelangt damit in den Besitz des entsprechenden Transportdokuments. Bei Seefracht setzt die Herausgabe der Ware den Besitz eines ordnungsgemafi indossierten Konnossements voraus. Bei direktem Versand per Luft- oder Bahnfracht, Post oder LKW würde die Ware an den Importeur auch dann übergeben, wenn er die Inkassodokumente nicht honoriert. Daher ist es gebráuchlich, daE die Ware nicht direkt an den Importeur, sondern an ein Zwischenlager eines Spediteurs oder in einem Zollager im Importland, aus dem der Káufer die Ware nur gegen Vorlage bestimmter Dokumente (z. B. einem Konnossement oder einem Lagerschein) übernehmen kann. (2) Daraufhin reicht der Exporteur die mit der Warenlieferung zusammenhángenden Dokumente (Transportdokument, Ursprungsnachweis, Rechnung, Versicherungszertifikat, Packliste etc.) seiner Bank ein (Einreicherbank, Exportbank, remitting bank), zusammen mit einem Inkassoauftrag d/ p (hierfür haben die Kreditinstitute individuelle Formulare entwickelt). Dieser muS alie Angaben enthalten, die fur die Durchführung des Inkassos <?page no="280"?> 258 G Liefer- und Zahlungsbedingungen erforderlich sind, insbesondere wann (z. B. «bei Ankunft des Schiffs») und wie die Dokumente zu übergeben sind und was bei einer Zahlungsverweigerung zu tun ist (Riicksprache, Einlagerung, Riicktransport, Notverkauf o. a.)- Die Einreicherbank haftet im Rahmen eines Gescháftsbesorgungsvertrags und ihrer Allgemeinen Gescháftsbedingungen fur die ordnungsgemáfie Ausführung des Auftrags, iibernimmt aber keine Haftung fur den Erfolg der Bemühungen. PRAXISTIP Wahrend der Übergangszeit im Euroraum, d. h. vor der vollstándigen Umstellung auf den Euro, mulS der Inkassoauftrag unmiBverstándliche und vollstándige Anweisungen enthalten, gegen welche Wahrung die Dokumente aufgenommen werden konnen. (3) Die Einreicherbank leitet die Dokumente und den Inkassoauftrag an eine Bank im Importland weiter (Inkassobank, vorlegende Bank, collecting bank), oft in zwei Sendungen (Erste Post, Zweite Post), um das Verlustrisiko zu vermindern. Sofern zwischen Exporteur und Importeur keine Absprachen hinsichtlich der zu beteiligenden Banken bestehen, wird die Einreicherbank dem Exporteur ein geeignetes Instituí vorschlagen oder ggf. nach eigenem Ermessen eine geeignete Inkassobank auswáhlen; meist bestehen diesbezüglich eingespielte Beziehungen. Móglich ist auch, daS eine dem Importeur angenehme Bank vereinbart wird. (4) Die Inkassobank legt die Dokumente dem Importeur vor («Erste Prásentation», Andienung) (Gescháftsbesorgung im Sinne von § 675 BGB) (Bei guten Kunden kommt auch jemand von der Bank ins Unternehmen ...). In der Praxis kann der Importeur in den Ráumen der Vorlegerbank Einsicht in die Dokumente nehmen und hat dann meistens eine Zahlungsfrist von 24 Stunden. Die vorlegende Bank darf die Dokumente nicht vor Erhalt der Zahlung übergeben, auch nicht «zu treuen Hánden». Tut sie dies dennoch, was nicht selten ist, geschieht dies auf ihr eigenes Risiko beziiglich MiSbrauch oder Verlust; der Importeur darf die Dokumente nicht zur Besichtigung der Ware verwenden. (Im Handel mit Südamerika und Afrika kommt es hingegen oft vor, daS der Importeur schon vor Aufnahme der Dokumente an die Ware kommt.) Übergabe von Dokumenten «zu treuen Hánden» ist daher ein besonderer Vertrauensbeweis der Bank, da der Importeur abredewidrig verfahren kann. Die Überlassung von Kopien der Dokumente an den Importeur wird als erste Prásentation betrachtet und hat die unmittelbare Zahlungspflicht zur Folge. (5) Wenn der Importeur die Dokumente «aufnimmt» bzw. «einlóst», leistet er Zahlung (Hauptbetrag plus ggf. Gebühren und Zinsen) und erhált Zug um Zug die Dokumente. Mit Hilfe der Dokumente kann der Importeur die Ware übernehmen. (6) Die Inkassobank überweist die geleistete Zahlung an die Einreicherbank (bzw. direkt an den Exporteur, wenn sie alleinige Bank war). (7) Die Einreicherbank schreibt dem Exporteur den Inkassoerlós gut. Die vom Auftraggeber vorgeschriebenen Versendungswege fur Dokumente und Zahlungen diirfen auf keinen Fall verlassen werden. (Einige banktechnische Zwischenschritte werden hier übergangen.) <?page no="281"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m ¡nternationalen Handel 259 G-3.4.1.2. Dokumente gegen Akzept (d/ a) Die Zahlungsbedingung d/ a (documents against acceptance) entspricht in den ersten Schritten d/ p, mit dem Unterschied, dafi dem Importeur ein Zahlungsziel eingeráumt wird (Abb. G-3/ 6). Zu seiner Absicherung prásentiert die Inkassobank im Schritt (4) dem Importeur einen nicht-akzeptierten Wechsel (Tratte). (5) Der Importeur akzeptiert die Tratte (leistet das Akzept) und erhált die Dokumente ausgehandigt, mit denen er die Ware iibernehmen kann. Es kann auch vereinbart werden, daS die Tratte erst nach Ankunft der Ware vorgelegt werden darf. (6) Je nach Auftrag leitet die Inkassobank das Akzept über die Einreicherbank (7) an den Exporteur weiter, oder das Akzept bleibt bis zur Fálligkeit bei der Inkassobank. Gebráuchlich ist auch, daG der akzeptierte Wechsel vor Fálligkeit diskontiert wird, entweder bereits durch die Inkassobank, die den Diskonterlós direkt oder iiber die Einreicherbank an den Exporteur leitet, oder durch die Einreicherbank. Im Überseehandel ist es nicht selten, dai? der Importeur den Exporteur zuvor durch einen letter of authority ermachtigt, die Tratte auf ihn oder seine Bank zu ziehen. Durch die Leistung des Akzepts ist die Zahlungsbedingung d/ a erfüllt. Danach entsteht eine neue Zahlungsverpflichtung aus dem Wechsel. Fiir die Verwertung des Akzepts, d. h. in der Regel die Diskontierung des akzeptierten Wechsels, vgl. auch die Abschnitte D-2.1.6 (Finanzierung) und G-l.3.1.2 (Dokumente). G-3.4.1.3. Besondere Aspekte des Dokumenteninkassos PRAXISTIP Immer mehr Banken bieten eine elektronische Abwicklung des dokumentáren Auslandsgescháfts an. Vgl. unten im Zusammenhang mit Akkreditiven. Abb. G-3/ 6: Dokumente gegen Akzept (d/ a) Waren- @ Exporteur ,1b) Inkasso auftrag mit Dokumenten versand Lager Waren- - < 4 b V aufnahme Importeur Diskont- ( 6 ) erlós Akzept ® (3) Einreicherbank <gb> Presentation der | Dokumente -©- Inkassobank Inkassoauftrag mit Dokumenten 53 Diskonterlós nach Diskontierung durch Inkassobank, oder: 5b Wechsel-Weiterreichung, dann: Diskontierung durch Einreicherbank <?page no="282"?> 260 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Die Abwicklung der dokumentáren Zahlungsbedingungen ist natiirlich mit Kosten verbunden (Provisionen, Courtagen). Die Aufteilung dieser Kosten sollte vertraglich geregelt werden. Gángig ist beispielsweise, daf> jeder Vertragspartner die Kosten «auf seiner Seite» trágt; dies kann jedoch beispielsweise auch nur dem Importeur zufallen. Die Banken iibertragen den Inkassoauftrag des Exporteurs meist auf ein weiteres Formular für die <Andienung> bei der Inkassobank. Gelegentlich kommen dabei Übertragungsfehler vor. Bei beiden Inkassoformen (d/ p und d/ a) bleibt fiir den Exporteur das Abnahmerisiko bestehen, dafj der Importeur die Dokumente nicht aufnimmt (nicht «honoriert»). Dann stellt sich die Frage nach Einlagerung und Versicherung der Ware, und es konnen sich für den Exporteur erhebliche Kosten ergeben (Lagerkosten, Riicktransport, Versicherung, Notverkauf mit Preisabschlag, etc.). PRAXISTIP Im Inkassoauftrag sollte bereits eine klare Weisung gegeben werden für den Fall, daft die Dokumente nicht bezahlt werden, beispielsweise «Die Ware ist einzulagern und zu versichern» oder «Agent XY im Importland ist zu verstándigen.» Die beteiligten Banken sind nicht verpflichtet, irgendwelche Maftnahmen zum Schutz der Ware zu ergreifen. Probleme bzw. Verzogerungen konnen sich ergeben, wenn für den Güterimport eine Importgenehmigung erforderlich ist oder der Importeur in Fremdwáhrung zu leisten hat (aus seiner Sicht) und er die erforderlichen Devisen beantragen muE. Dies wiederum kann u. U. voraussetzen, daE die Ware zollamtlich abgefertigt ist. (Dieser Prozei? kann ggf. durch eine vorherige Vorlage einer Zoll- oder Konsulatsfaktura verkürzt werden; vgl. oben Abschnitt G-l.3.3.1). In einigen Lándern mit eingeschránkter Wáhrungskonvertibilitát übergeben die Banken in der Praxis die Dokumente bereits bei Hinterlegung des entsprechenden Betrages in Inlandswahrung. Das bei Zahlung in Auslandswáhrung bestehende Wechselkursrisiko für den Exporteur sollte dieser in geeigneter Weise absichern (vgl. Abschnitt H-4). PRAXISTIP Bei einer Einlagerung insbesondere in Zollagern sind die in vielen Lándern geltenden Lagerhóchstfristen zu beachten, deren llberschreitung zur offentlichen Versteigerung der.Ware führen kann. Es gibt Falle, in denen der Importeur genau dies gezielt beabsichtigt und natürlich über einen Strohmann zu Schleuderpreisen an die Ware gelangt. Es kommt immer wieder vor, dalS der Importeur bei einer FOB-Lieferung mit unzureichendem Versicherungsschutz die Ware wegen eingetretener Transportscbaden nicht abnimmt. Der Exporteur hat dabei keine Móglichkeit, die Versicherung des Importeurs in Anspruch zu nehmen. Die entsprechenden Lager- und Versicherungskosten sind zunachst vom Exporteur zu tragen, ebenso die Kosten eines eventuellen Rücktransports oder Drittverkaufs. Háufig decken die Erlóse dann kaum die Kosten. Der Importeur gelangt dadurch oft in eine Situation, aus der heraus er den Kaufpreis drücken kann. <?page no="283"?> G-3. Zahlungsbedingungen im internationalen Handel 261 PRAXISTIP Um solche Falle zu vermeiden, empfiehlt es sich für den Exporteur, eine Export-Schutz-Versicherung im eigenen Land abzuschlieften. Sie deckt das Interesse des Exporteurs ab und kann im Schadensfall nur vom Exporteur in Anspruch genommen werden. Ihre Kosten liegen meist bei 50% der Transportversicherung. Vgl. auch die Praxistips zu FCA und CFR. Sowohl d/ p als auch d/ a setzen daher grundsatzlich ein bestimmtes Vertrauensverháltnis zwischen den Vertragspartnern und eine hinreichende Bonitát des Importeurs voraus. Der Inkassoauftrag muG daher genaue Anweisungen enthalten, was bei Nichtaufnahme der Dokumente zu tun ist, etwa ob bei d/ a Wechselprotest erhoben werden soil. Um bei d/ a das Wechselrisiko zu begrenzen, kann die Inkassobank oder eine andere Bank zusátzlich eine Biirgschaftsverpflichtung in Form eines Wechselavals iibernehmen. Die d/ pbzw. d/ a-Klauseln kónnen variiert werden, beispielsweise als «Zahlbar bei Ankunft der Ware (oder: des Schiffes)», wodurch der Zeitpunkt der Dokumenteniibergabe hinausgeschoben wird. Üblicherweise prásentieren die Banken die Dokumente unverziiglich nach Posteingang, so daS dem Importeur durch den Zusatz bis zur Ankunft der Ware/ des Schiffes ein Zahlungsziel eingeráumt wird. In der Praxis nehmen manche Kaufer ein solches Zahlungsziel auch unvereinbart in Anspruch, indem sie die Aufnahme der Dokumente hinauszógern, bis die Ware eingetroffen ist. Móglich ist z. B. auch «Zahlbar xy Tage nach erster Prásentation, d/ p», wodurch dem Importeur gleichfalls eine Zahlungsfrist eingeráumt wird und die Dokumente Zug um Zug xy Tage nach Prásentation gegen Zahlung ausgehándigt werden. Bei d/ a wird für den Exporteur der Schuldner aus dem Kaufvertrag durch einen Wechselschuldner ersetzt, was aus Gláubigersicht aus rechtlichen Gründen giinstiger sein kann. Dies hángt jedoch in hohem MaSe davon ab, ob eventuelle Anspiiche aus Wechselprotesten seitens des Exporteurs im Importland auch durchgesetzt werden konnen bzw. ob die damit verbundenen Kosten in einem realistischen Verháltnis zum móglichen Erfolg stehen (vgl. oben Teil F iiber Rechtsverfolgung im Ausland). Das Dokumenteninkasso ist auf der Seite der Einreicher- und der Inkassobank mit Kosten (Bankspesen) verbunden (vgl. unten Abb. G-3/ 9). Ihre Aufteilung sollte vertraglich explizit geregelt werden. Gángig ist beispielsweise, dafs jeder Vertragspartner die Kosten «auf seiner Seite» trágt; dies kann jedoch beispielsweise nur dem Importeur zufallen. Für die Gestalrung und Abwicklung von Zahlungsbedingungen gibt es in Deutschland keine gesetzlichen Regelungen. Die Abwicklung von Dokumenteninkassi wird international nach den «Einheitlichen Richtlinien für Inkassi» (ERI) abgewickelt {Uniform Rules for Collections), die von der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris entwickelt wordensind und im Zeitablauf an die Bedürfnisse der Praxis angepaEt werden (die aktuelle Version sind die ERI 522, in Kraft seit 1.1.1996). Sie enthalten prázise Verfahrensvorschriften (vgl. analog unten zu den ERA 500 für Akkreditive). Die ERI tragen dazu bei, daS bei der Inkassoabwicklung Mifsverstandnisse und Interpretationsprobleme vermieden werden. Sofern keine anderslautenden Vereinbarungen getroffen worden sind und keine nationalen Gesetze entgegenstehen, sind die ERI für alie Beteiligten (Exporteur, Importeur, Banken) bindend. Dies beruht darauf, daS in vielen Lándern die international tátigen Kreditinstitute und Bankver- <?page no="284"?> 262 G Liefer- und Zahlungsbedingungen einigungen die ERI lánderweise kollektiv angenommen haben (z. B. alie deutschen Kreditinstitute) (dies muí? bei jeder Revision neu geschehen), so daS Inkassi, die über deutsche Kreditinstitute laufen, automatisch nach den ERI abgewickelt werden. In den meisten iiberseeischen Lándern erkennen hingegen nur einige Banken die ERI als bindend an. Die ERI enthalten verschiedene Begriffsdefinitionen (u. a. Inkasso, die Beteiligten, Dokumente, etc.). PRAXISTIP In der Praxis kommt es nicht selten vor, daft das Dokumenteninkasso über einen Spediteur abgewickelt wird. Es muB betont werden, daft die ERI allgemein nur für Banken gelten und der Exporteur auf die automatische Teilsicherheit verzichtet, die sich durch Einschaltung von Banken ergeben. Der Exporteur müftte den Spediteur daher explizit zur Anerkennung und Anwendung der ERI veranlassen. Hervorzuheben ist, dal? die beteiligten Einreicher- und Inkassobanken lediglich verpflichtet sind, die Vollzdhligkeit der erhaltenen Dokumente gemáfi dem Inkassoauftrag zu priifen und sie auftragsgemáfi weiterzuleiten und auszuhándigen; sie haben keinerlei inhaltliche oder formelle Priifungspflicht oder weitergehende Verpflichtungen (ERI 522 Art. 4a; im Gegensatz zum Akkreditiv, vgl. unten). Obgleich die Banken im Auftrag des Exporteurs tátig werden, ist es aber Praxis, daS die vorlegende Bank den Importeur berát. Eine Zuriickweisung der Dokumente durch die Importbank kann nur auf ausdrückliche Weisung des Importeurs erfolgen. Nicht selten wird die vorlegende Bank vom Importeur dennoch mit der Dokumentenpriifung und der Aufnahme der Papiere beauftragt. Dies geschieht dann aber auferhalb des Inkassoauftrags, und der Importeur kann bei einem Fehler weder die Einreicherbank noch den Inkassoauftraggeber in Anspruch nehmen. Die Banken mtissen die erteilten Weisungen exakt befolgen, etwa beziiglich Fristen oder der Art der Dokumentenubergabe an den Importeur oder hinsichtlich der Weiterleitung der Dokumente über mehrere Kreditinstitute. Andernfalls kónnen sie schadenersatzpflichtig werden. Dies gilt auch, wenn Banken wie erwáhnt und nicht selten guten Kunden die Dokumente bereits vorab zu treuen Hánden übergeben mit der Nebenbedingung, da£ der Kunde von den Papieren erst nach Erfiillung seiner Verpflichtungen gebrauch macht. Wie deutlich geworden sein diirfte, verbleiben bei d/ p und d/ a sowohl für den Exporteur als auch für den Importeur Risiken: Der Importeur kann nicht sicher sein, da£ der Exporteur vertragsgerechte Ware liefert. (Das Lieferrisiko kann verringert werden, wenn der Importeur ein Inspektionszertífikat verlangt, das in seinem Auftrag vor bzw. bei der Verfrachtung erstellt wird; vgl. Abschnitt G-l.3.3.1). Der Exporteur kann nicht sicher sein, dafs der Importeur die Dokumente aufnimmt, d. h. zahlt. Hinzu kommen fur den Exporteur politische und devisentechnische Risiken. Eine bessere Absicherung wird dadurch erreicht, daE die Zahlung ausgelóst wird durch Prásentation bestimmter Dokumente, welche die Verfrachtung der Ware nachweisen: ein sog. Dokumenten-Akkreditiv. G-3.4.2. Dokumenten-Akkreditiv (L/ C) G-3.4.2.1. Bedeutung Im Sprachgebrauch wird der Begriff Akkreditiv üblicherweise als Dokumentenakkreditiv interpretiert (documentary letter of credit, L/ C, LC). Allerdings gibt es auch Bar-Akkreditive <?page no="285"?> G-3. Zahlungsbedingungen im internationalen Handel 263 (einfache oder glatte Akkreditive), die z. B. im Reiseverkehr móglich sind, bei denen die Auszahlung des Akkreditivbetrags an denjenigen erfolgt, der sich ais Begünstigter ausweisen kann. In der Praxis sind sie angesichts anderer Móglichkeiten (Reiseschecks, Kreditkarten) und relativ hoher Kosten fast bedeutunglos geworden. Der Begriff Akkreditiv leitet sich daraus ab, daS in Deutschland bis 1870 die Griindung von Aktiengesellschaften verboten war. Daher gab es keine deutschen Grofibanken, und deutsche Banken muSten sich bei britischen Banken akkreditieren (lat. accredere = beglaubigen). Im hier betrachteten Fall des internationalen Kaufvertrags ist ein (Dokumenten-)Akkreditiv ein abstraktes Zahlungsversprechen (gemáí? § 780 BGB) der Bank des Importeurs, dem Exporteur innerhalb einer bestimmten Frist gegen Vorlage bestimmter Dokumente eine festgelegte Summe in der Regel den Kaufpreis zu zahlen. Die Dokumente miissen innerhalb einer festgelegten Frist vorgelegt werden und absolut «akkreditivkonform» sein, d. h. in jeder Hinsicht den im Akkreditiv aufgestellten Bedingungen entsprechen (sog. Dokumentenstrenge, vgl. weiter unten). Dieses Akkreditiv wird aus der Sicht des Importeurs als Importakkreditiv bezeichnet, aus der Sicht des Exporteurs ist dasselbe Akkreditiv ein Exportakkreditiv. Die folgenden Ausfiihrungen erfolgen aus der Sicht eines deutschen Importeurs bzw. Exporteurs. Das Akkreditiv stellt damit neben die Zahlungsverpflichtung des Importeurs ein zusátzliches Zahlungsversprechen der Importbank. Dieses ist vom zugrundeliegenden Kaufvertrag losgelóst («abstrakt»), d.h. die Bank kann dem Begünstigten die Zahlung beispielsweise nicht mit dem Hinweis auf z. B. Mángelrügen des Importeurs verweigem, selbst wenn diese objektiv zu Recht erfolgen (ERA 500 Art. 3). (Einzige Ausnahme ist der Fall, in dem offensichtlich ist, daS der Begiinstigte das Akkreditiv unter Rechtsmifibrauch z. B. betrügerisch ausnutzen will, was jedoch als Einwand eine sicher nachweisbare Ausnahme sein sollte.) Das Akkreditiv stellt daher fur den Exporteur abgesehen von der Vorauszahlung die gróStmogliche Zahlungssicherheit dar, natürlich nur, wenn die Akkreditivbank eine <sichere> Adresse ist. Akkreditive sind auch deshalb so beliebt, weil sie nicht von unterschiedlichen Rechtssystemen beeinfluSt werden. Sinnvollerweise sollte daher im Akkreditiv verankert sein, dafi es den Einheitlichen Richtlinien fur Dokumentenakkreditive (ERA) der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris unterliegt (vgl. unten). G-3.4.2.2. Abwicklung Beim Akkreditiv ist sowohl bei Drei-Parteienais auch ein Vier-Parteienverháltnis móglich; hierauf wird gleich eingegangen. Abb. G-3.7 zeigt den schematischen Ablauf eines Dokumenten-Akkreditivs. (1) Im ersten Schritt schlieSen Exporteur und Importeur einen Kaufvertrag iiber die Lieferung und Bezahlung bestimmter Ware. Dieser Vertrag wird neben alien anderen relevanten Vereinbarungen eine Akkreditivklausel enthalten, d.h. die Vereinbarung, dai? Dokumenteniibergabe und Bezahlung im Rahmen eines Dokumentenakkreditivs erfolgen sollen, z. B.: «Zahlung der Kaufsumme aus einem bei der Bank des Káufers zu eróffnenden Akkreditivs zugunsten des Verkáufers gegen Vorlage benannter Dokumente innerhalb eines bestimmten Zeitraums.» Bei einem dabei vereinbarten Konnossement ware eine gángige Akkreditivfor- <?page no="286"?> 264 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Abb. G-3/ 7: Dokumenten-Akkreditiv Exporteur Prásen- (7a) tation I der Zahlung Avisie C i ) Kaufvertrag { ¥ ) Warenversand Importeur abstraktes Akkreditiv Dokumente I rung Zahlungsversprechen a u f t r a g ( ¿ ) Akkreditiv-Eróffnung ® ® (9) Doku- Zahlung mentenübergabe Avisbank (7b) Weiterleitung Akkreditivbank der Dokumente mel «F«/ / sei ocean ¿M' W of lading clean report of findings made out to order blanc endorsed». Im Kaufvertrag sollte auch prázise geregelt werden, welche Seite die entstehenden Kosten des Akkreditivs (vgl. Abschnitt G-3.4.2.7) zu tragen hat. PRAXISTIP Es empfiehlt sich sehr, vor Vertragsabschluft mit dem Káufer die Akkreditivbedingungen mit der eigenen Bank (Exportbank) durchzusprechen, sofern es sich nicht urn einen Routinefall handelt. Dies gilt analog für ein Importakkreditiv. Dadurch kónnen frühzeitig Unklarheiten vermieden werden, die zu einem spáteren Zeitpunkt entdeckt entweder eine Ánderung des Akkreditiv erforderlich machen oder dieses sogar definitiv unrealisierbar werden lassen. Die Akkreditivbedingungen sollten nicht zu umfangreich sein. Recht iiblich sind auch Vertragselemente, daE das Akkreditiv « bei einer erstklassigen, vom Verkáufer akzeptierten Bank » bestehen und «für den Verkáufer akzeptabel abgefaSt» sein sollte. Noch unerfahrene Exporteure sollten sich in dieser Vorphase von ihrer Hausbank beraten lassen, um akzeptable und erfiillbare Akkreditivbedingungen vereinbaren zu kónnen. Vielfach kónnen Checklisten bereitgestellt werden, die eine Vereinbarung von Akkreditivklauseln vorbereiten kónnen. Auch in der Literatur kann auf erprobte Werke zuriickgegriffen werden. 32 Ggf. sollte der Exporteur auf einer Bestátigung durch eine andere Bank meist <seine> Bank bestehen (vgl. unten). Nur in dieser Phase hat der Exporteur (der Akkreditivbegiinstigte) die Móglichkeit, auf die Ausgestaltung des Akkreditivs, d. h. auf die Akkreditivbedingungen Einflul? zu nehmen. Der eventuelle spátere Wunsch nach Anderungen kann nur bei Einverstandnis aller Beteiligten realisiert werden (vgl. unten). Dies gilt auch für Anderungswünsche seitens des Importeurs. (2) Der Importeur (Akkreditivsteller) beantragt bei seiner Bank, ein Akkreditiv (Akkreditivbank) zu eróffnen (Werkvertrag mit Geschaftsbesorgung gemál? §§ 631 ff., 675 BGB), in der 32 z. B. Haberle, Siegfried Georg (Hrsg.), Handbuch der Akkreditive, Inkassi, Exportdokumente und Bankgarantien, Miinchen, Wien 2000. <?page no="287"?> G-3. Zahlungsbedingungen im internationalen Handel 265 Regel mit einem entsprechenden, von Bank zu Bank individuell gestaltetem Formular oder auf andere Weise. PRAXISTIP Immer mehr Banken bieten wie bei Inkassi eine elektronische Abwicklung des dokumentáren Auslandsgescháfts an. So kónnen einmal erstellte Musterakkreditive immer wieder verwendet werden und brauchen nur in den auftragsspezifischen Positionen angepaGtzu werden, einschlieBlich elektronischerUnterschrift. Fürviele Positionen halt die Software integrierte Listen bereit (Warenbezeichnungen, -nummern, Adressen, Bankverblndungen etc.). Cleichzeitig erfolgen Plausibilitátsprüfungen bezüglich der Daten. Die Akkreditivvorlagen kónnen bereits in den Kaufverhandlungen verwendet werden, wodurch die Übereinstimmung mit den spáteren Akkreditivformulierungen gewahrleistet ist und der Anderungsbedarf reduziert wird. Der sensible Aspekt der Datensicherhelt ist heute durch moderne Software (weitestgehend) gelóst. Viele Daten kónnen mit anderen Bereichen verknüpft werden, beispielsweise die terminierten Zahlungsstróme mit der Finanz- oder Cash-flow-Planung. Eine Alternative zur elektronischen Verarbeitung ist die Vereinbarung von Standard-Textmodulen (frames) zwischen Bank und Unternehmen, die dann baukastenartig zusammengefügt werden. Die Akkreditiveróffnung setzt grundsatzlich ein entsprechendes Guthaben oder eine Finanzierungsvereinbarung zwischen Importeur und Akkredirivbank voraus. In manchen Lándern ist fur die Akkreditveroffnung sogar eine Bardeckung erforderlich (z. B. bis vor einiger Zeit Ungarn, heute nicht mehr). Meist werden im Rahmen eines Sicherungsvertrags sámtliche Rechte aus dem Importkontrakt an die Bank abgetreten, und es findet eine Ubereignung der Importware sowie eine Abtretung der Forderungen aus der Vermarktung der Ware start. In der Praxis wird die Bank beim Eróffhungsauftrag des Importeurs aufgrund ihrer Erfahrungen beratend tátig sein. Der Antrag auf Akkreditiveróffnung sollte prázisieren: Begiinstigten, Akkreditivbetrag, Warenart, Warenmenge, verlangte Dokumentation (Ursprungsnachweis, Inspektionszertifikat etc.), Art des Transportdokuments, ggf. Versicherung, Lieferbedingung, Gültigkeitsdauer des Akkreditivs, Vorlagefrist fiir die Dokumente, letztes Verladedatum, Zahlstelle, ggf. Bestátigung, Kostenteilung. Sofern noch keine Gescháftsbeziehungen etabliert sind, priift die Akkredirivbank die Bonitát des Importeurs und wird bei positivem Ergebnis das Akkreditiv wie beantragt «herauslegen». Damit geht sie wie oben gesagt ein abstraktes Schuldversprechen nach § 780 BGB ein. In der Praxis wird die Akkredirivbank darauf bestehen, daS Dokumente verlangt werden, welche die Ware reprasentieren, so daf3 sie bei Erhalt der Dokumente Sicherungsrechte erlangt. PRAXISTIP Endet die Gültigkeitsdauer an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag, gilt der náchste Bankarbeitstag. Die Vorlagefrist sollte im Akkreditiv spezifiziert sein, beispielsweise «30 Tage nach Versendung». Wenn keine Vereinbarung getroffen wird, gelten nach den ERA 21 Tage nach Verladung, Verschiebung wie vorstehend. Wenn das letzte Verladedatum auf einen Sonntag oder Feiertag fállt, gilt der náchste Werktag; wenn das letzte Verladedatum ein Samstag ist, gilt dieser. Diese abweichenden Regelungen führen in der Praxis oft zu Problemen. <?page no="288"?> 266 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Die Akkredítiveróffnung wird im Kaufvertrag oft erst für eínen spáteren Zeitpunkt vereinbart, z. B. «180 Tage vor Verschiffung». Sofern der Importeur dann kein Akkreditiv stellen kann seine Bank verweigert eine Akkreditiveroffnung gilt dies rechtlich als Zahlungsunfáhigkeit. Der Exporteur mul5 seinen Kunden durch Mahnung in Verzug setzen und kann ggf. vom Kaufvertrag zurücktreten und/ oder Schadenersatz verlangen. (3) Im Regelfall, d.h. im Vier-Parteien-Fall, wird die Akkreditivbank nun eine Akkreditiv- Eroffhungsanzeige an eine Korrespondenzbank (Avis-Bank oder Zweitbank, ERA Art. 7) im Exportland senden, mit der Bitte, den begünstigten Exporteur von der Akkreditiveroffnung zu benachrichtigen. 33 Dies wird meist die Bank des Exporteurs sein. Sie ist i.d.R. auch gleichzeitig «Zahlstelle», d. h. das Akkreditiv kann durch Vorlage der Dokumente bei ihr benutzt werden. (In manchen Lándern wird der Eroffhungsbank die Avisbank staatlicherseits vorgeschrieben). Die Avisbank arbeitet im Rahmen eines Gescháftsbesorgungsvertrags gernafi § 675 BGB als Erfiillungsgehilfin der Akkreditivbank, nicht des Káufers. Die Akkreditivbank hat daher der Avisbank grundsátzlich die Akkreditivdeckung vorschufsweise zur Verfiigung zu stellen. Die Zweitbank kann u. U. eine Drittbank als Zahlstelle einschalten. Die Zweitbank kann ggf. auch Bestátigungsbank sein (vgl. unten). Móglich ist auch, daS die Akkreditivbank selbst avisiert, so dafi sich nur ein Drei-Parteien-Verhaltnis ergibt. Diese Variante ist jedoch sehr viel seltener als der Vier-Parteien-Fall. Wichtig ist: Der Importeur hat seine Zahlungsverpflichtung gegeniiber dem Exporteur erfiillt, wenn die Avisbank dem Exporteur die Eróffnung des (korrekten) Akkreditivs mitteilt. (4) Die Avisbank teilt dem Importeur die Akkreditiveroffnung in der im Akkreditivauftrag gewahlten Form mit, z. B. brieflich, in der Regel jedoch auch vorab telefonisch oder per Fax mit dem Hinweis «vollstándige Einzelheiten folgen». PRAXISTIP Die Akkreditiveroffnung und -avisierung sollte vom Exporteur unbedingt sofort nach Eingang sorgfáltig überprüft werden, ob sie mit den im Kaufvertrag vereinbarten Akkreditivbedingungen übereinstimmt und ob er in der Lage sein wird, die Bedingungen fprm- und fristgerecht zu erfüllen. Hierfür kann man eine unternehmensinterne Checkliste erarbeiten; ggf. kónnen Bankvorlagen verwendet werden. Bei Abweichungen zwischen avisiertem und verabredetem Akkreditiv sollte unbedingt mit der Avisbank (bzw. der Bank, bei der das L/ C zu benutzen ist), geklárt werden, ob und welche Akkreditivánderungen verlangt werden sollten, auch wenn damit Kosten verbunden sind (vgl. Abschnitt G-3.4.2.7). Háufige Abweichungen beziehen sich auf • Fristen und Termine (kürzere Gültigkeit des Akkreditivs als vereinbart), • Preise, Kostenverteilung, • verlangte Herstellerangaben, Ursprung (incl. <made in ...»), abweichende Lánderbezeichnungen (Deutschland start EU), 33 Zum Zeitpunkt der Akkreditiveroffnung muí? die Importbank bei eventuell bestehenden Devisenrestriktionen eine entsprechende Divisenzuteilung beantragt und bewilligt bekommen haben. <?page no="289"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m internationalen Handel 267 • Warenbezeichnungen (z. B. will der Importeur günstigere Zollsátze erreichen), • zusátzlich verlangte Umweltvertráglichkeitserklárungen oder andere Papiere, • Lieferbedingungen, ¡ncl. Transportart und -weg, die nicht den ERA 500 entsprechen, • andere Wahrungsangaben, • Verpackungsvorgaben, • Abgabe von Boykott- oder Black-List-Erklarungen. (5) Erst nach Avisierung und Pruning des Akkreditivs wird der Exporteur die Versendung (u.U. auch erst die Produktion) der Ware veranlassen. Damit gelangt er in den Besitz des entsprechenden Transportdokuments (Versandnachweis). (6) Der Exporteur reicht die vereinbarten Versand-, Begleit- und sonstigen Dokumente seiner Bank (Avisbank) ein. (7) Diese priift die Dokumente auf Form und Inhalt, wobei sie strenge MaSstábe an die Akkreditiv-Konformitát legt (vgl. unten). Sofern sich keine Beanstandungen ergeben, zahlt die Avisbank (7a) dem Verkaufer die vereinbarte Summe aus (Sichtakkreditiv, d. h. bei Vorlage der Dokumente), (7b) leitet die erhaltenen Dokumente an die Akkreditivbank weiter und belastet diese gleichzeitig mit dem an den Exporteur ausgezahlten Betrag (sofern keine andere Verabredung getroffen worden ist). Die Einreicherbank ist beziiglich der Akkreditivdokumente Treuhánder im Rahmen eines Geschaftsbesorgungsvertrags. (Start eines Sicht- Akkreditivs kann auch ein Nach-Sicht- oder Deferred-Payment-Akkrediúv vereinbart werden; vgl. unten) (8) Die Akkreditivbank priift ihrerseits die Dokumente (sie wird sich bei einem Konnossement insbesondere fiir den Vermerk «clean» interessieren, vgl. Abschnitt G-1.3.3.2), schreibt der Avisbank den Akkreditivbetrag gut, hándigt dem Káufer die Dokumente aus und belastet ihn mit dem entsprechenden Akkreditivbetrag, sofern dies nicht bereits im Zusammenhang mit Schritt 2 erfolgt ist. PRAXISTIP In manchen Lándern hat sich eine Praxis herausgebildet, daft die Akkreditivbank bei ihrer Dokumentenprüfung Abweichungen moniert, urn (gezielt) die Akkreditivbelastung durch die Einreicherbank (Avisbank) hinauszuzógern. Bei Deferred- Paymenf-Akkreditiven ist die Ware teilweise schon beim Kunden, und dieser versucht oft erfolgreich, dann noch den Kaufpreis herunterzuhandeln. Fur die beteiligten Partner ergeben sich also zwei ganz wesentliche Vorteile, welche die Bedeutung des Akkreditivs in der Praxis erkláren: Der Exporteur versendet die Ware erst, nachdem das Akkreditiv eróffnet worden ist. Er kann dann sicher sein, daS seine Forderung bei korrekter Erfiillung seiner Leistungspflicht, also bei Vorlage akkreditivkonformer Dokumente, umgehend erfiillt wird, d. h. er erhált den Akkreditivbetrag u. U. bereits deudich vor dem Eintreffen der Ware beim Káufer (im Unterschied zum Inkasso). Die Kreditinstitute sind unabhángig von evtl. privatrechtlichen Auseinandersetzungen zur Zahlung verpflichtet, wenn vóllig akkreditivkonforme Dokumentevorgelegt werden. Der Importeur kann andererseits sicher sein, dafi die Zahlung nur erfolgt, wenn aufgrund der eingereichten Dokumente sichergestellt ist, daE der Exporteur vertragsgerecht geliefert hat: Zu den <?page no="290"?> 268 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Akkreditivdokumenten kann beispielsweise ein Inspektionszertifikat (Pre-Shipment Certificate) gehóren (vgl. Abschnitt G-l.3.3.1), welches vor der Versendung im Auftrag des Káufers die Konformitat der Ware mit dem Kaufvertrag bestátigt. Allerdings übernehmen die Banken auch beim Akkreditiv keine Haftung für Menge, Qualitát, Verpackung etc. der durch die Dokumente vertretenen Waren, so dafi ein gewisses Restrisiko fiir den Importeur verbleibt. Vor einer Akkreditiveróffnung sollte sichergestellt werden, dafi die zu importierende Ware keinen Importbeschránkungen unterliegt, weil seitens des Exporteur ordnungsgemáfi prásentierte Dokumente die Zahlung auslósen, auch wenn sich Importprobleme ergeben. Die Laufzeit des Akkreditivs sollte realistisch bemessen sein. Eine zu kurze Laufzeit kann eine Verlángerung (mit entsprechenden Kosten) erforderlich machen, eine zu lange Laufzeit verursacht gleichermaSen unnótige Bankkosten. Das «letzte Verladedatum» sollte nicht zu dicht am Verfallstag des Akkreditivs liegen, um dem Exporteur hinreichen Gelegenheit zum Erstellen und Einreichen der Dokumente zu lassen. Wenn der Akkreditivbetrag nicht von vornherein prázise zu bestimmen ist, kann dies durch entsprechende Formulierungen beriicksichtigt werden, z. B. durch «bis zu» (z. B. mógliche Unterschreitung bei Inanspruchnahme von Skonti), oder durch eine «Circa «-Stellung, weil z. B. Transport- oder Versicherungskosten noch nicht feststehen (bis zu 10%ige Über- oder Unterschreitung sind móglich; ERA Art. 39). PRAXISTIP Bei über 2001 hinaus benutzbaren Akkreditiven ist es ratsam, für die Eróffnung eine Konvertierungsklausel (Kontinuitatsklausel) zu vereinbaren wie etwa «xy DM or official Euro-countervalue» («xy DM oder Gegenwert in Euro gemáfS offiziellem Umrechnungskurs»). Andernfalls ist nicht auszuschliefSen - oder sogar zu erwarten - , dafs bei der Dokumentenvorlage wegen der Dokumentenstrenge Papiere durch die Einreicher- oder Eróffnungsbank zurückgewiesen werden. G-3.4.2.3. Unterschiede Akkreditiv/ Dokumenteninkasso Zwischen den dokumentáren Inkassoformen d/ p bzw d/ a und Akkreditiv bestehen eine Reihe von Unterschieden: • Bei d/ p und d/ a erbringt der Verkaufer eine Vorleistung durch Produktion und Versand der Ware vor Sicherstellung der Zahlung, beim Akkreditiv erhált er Zahlung Zug-um-Zug gegen die Dokumente, bevor die Ware beim Importeur eintrifft. • Fur den Importeur handelt es sich beim Akkreditiv nicht ein um Zug-um-Zug-Geschaft, weil er den Akkreditivbetrag schon beim Eróffnungsauftrag anschaffen mufi. • Beim Akkreditiv prüft die Avisbank die vorgelegte Dokumentation nicht nur formal, sondern auch inhaltlich, bei Inkassi nur formal. • Beim Akkreditiv erbringt die Akkreditivbank (ggf. auch die bestátigende Bank) eine Garantieleistung, bei d/ p und d/ a haben die Banken nur eine ausführende «Brieftrágerfunktion» 34 . • d/ p und d/ a sind verfahrenstechnisch einfacher und kostengünstiger ais ein Akkreditiv. • Bei d/ p und d/ a besteht für den Exporteur ein Abnahmerisiko, beim Akkreditiv nicht. Dies ist eine Formulierung des Autors und kein banktechnischer Begriff. <?page no="291"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m ¡nternationalen Handel 269 C-3.4.2.4. Formen des Akkreditivs Bei der folgenden Darstellung der verschiedenen Ausgestaltungsmóglichkeiten des Akkreditivs werden teilweise auch Aspekte angesprochen, die fur den Finanzierungsaspekt des Akkreditivs von Bedeutung sind. Dieser Abschnitt hier ist daher komplementár zu den Abschnitten D-2.1.7 und D-2.2.5, in denen die Finanzierungsfunktion von Akkreditiven behandelt wird. (a) Unwiderrufliches / widerrufliches Akkreditiv Ein unwiderrufliches Akkreditiv muí? im Akkreditivtext ausdrücklich ais unwiderruflich (irrevocable) bezeichnet sein. Anderungen sind nur mit Zustimmung des Akkreditivbegünstigten und ggf. der bestátigenden Bank (vgl. [b]) móglich. Bei einem unwiderruflichen Akkreditiv kann der Exporteur sicher sein, daE er die Akkreditivsumme erhált, wenn er die akkreditivkonformen Dokumente vorlegt. Sein Risiko besteht abgesehen vom Bonitátsrisiko der eróffnenden Bank also nur darin, daS er diese Dokumente nicht in der verlangten Form oder nicht innerhalb der vereinbarten Frist vorlegen kann. In der Praxis sind fast nur unwiderrufliche Akkreditive iiblich; die Bankformulare enthalten bereits einen entsprechenden Eindruck. Sehr selten sind daher auch sog. «strapapzierte» Akkreditive, bei denen die Inanspruchnahme durch den Begiinstigten nicht nur die Vorlage der iiblichen Dokumente verlangt, sondern auch eine Einwilligungserklárung des Káufers. Ein widerrufliches Akkreditiv kann durch die Eroffnerbank, aber grundsatzlich nur auf Betreiben des Káufers bis zur Dokumentenaufnahme jederzeit annulliert oder abgeandert werden, und zwar ohne Benachrichtigung des Begiinstigten. Die Eroffhungsbank priift dabei nicht, ob der Káufer zum Widerruf oder zur Anderung berechtigt ist. Offensichtlich entbehrt diese Akkreditivform die Sicherheit, daS der Verkaufer gegen Dokumentenvorlage auch tatsáchlich zu seinem Geld kommt. Daher kommen widerrufliche Akkreditive in der Praxis fast nur zwischen Partnern vor, die sich gut kennen und sich gegenseitig vertrauen. Dann wird das widerrufliche Akkreditiv als Alternative zum Dokumenteninkasso eingesetzt, insbesondere wenn das Akkreditiv am Sitz der Verkáuferbank eróffnet wird. Dokumentenakkreditive, die nicht ausdrücklich als unwiderruflich bezeichnet sind, werden als widerruflich angesehen. (b) Bestatigtes / un bestatigtes Akkreditiv Beim unbestátigten Akkreditiv haftet neben dem Káufer nur die Akkreditivbank gegeniiber dem Begiinstigten fur die Zahlung des Akkreditivbetrages in der Regel unwiderruflich. Dennoch verbleibt ein Delkredere-Risiko fur den Begiinstigten (Exporteur) hinsichtlich der zur Zahlung verpflichteten Eroffnerbank sowie ein in bestimmten Lándern nicht unbetráchtliches - Lánderrisiko. Wenn zudem der Ort der «Beniitzung» des Akkreditivs im Land der Eroffnerbank liegt, also aus der Sicht des Exporteurs im Ausland, kommt das Risiko des Postversands der zahlungsauslósenden Dokumente hinzu, auch hinsichtlich der einzuhaltenden Fristen fur die Akkreditivbeniitzung. PRAXISTIP Wenn seitens der Partner Einwande gegen die Akkreditivabwicklung erhoben werden, sollte man immer die prázise Benennung der Anspruchgrundlage nach den ERA verlangen. <?page no="292"?> 270 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Wenn der Exporteur sowohl das Bankdelkredere ais auch das polirische Risiko besichern will, wird er darauf drángen, zusátzlich noch eine Bank im Inland, z. B. seine Hausbank, in die Haftung einzubeziehen. Dann wird er vom Káufer verlangen, ein (unwiderrufliches) bestátigtes Akkreditiv zu stellen. Die Akkreditivbank des Káufers beauftragt dann eine Bank im Exportland, dem Akkreditivschreiben an den Exporteur ihre eigene, zusátzliche Bestátigung beizufügen. Regelmáfsig wird dies die avisierende Bank sein, doch ist dies nicht zwingend: So sind beispielsweise fur algerische Akkreditive tunesische Bankbestátigungen gángig. Die bestátigende Bank haftet dann genauso wie die Akkreditiv-eróffnende Bank (abstraktes Schuldversprechen gemáfs § 780 BGB); für den Begünstigten ergeben sich daraus zwei vom ursprünglichen Kaufvertrag unabhángige Zahlungsversprechen. In der Praxis kommt das (unwiderrufliche) unbestátigte Akkreditiv sehr haufig vor, insbesondere wenn hinsichtlich des Sitzes der Akkreditivbank kein Lánderrisiko besteht. Sofern dieses besichert werden soil, ist eine Akkreditiv-Bestátigung erforderlich. Beim unbestátigtem Akkreditiv priift die eróffnende Bank (Akkreditivbank) verantwortlich, beim bestatigtem Akkreditiv die bestátigende Bank. Die Bestátigung ist mit Kosten verbunden, in der Regel ca. 1-3 %o der Akkreditivsumme, manchmal mehr, in kritischen Fallen z. B. Iran wenn iiberhaupt, bis zu 10-12%. Sie setzt in der Praxis (faktisch) voraus, daS das Akkreditiv unwiderruflich eróffnet ist und dafi dafi Akkreditiv bei der bestátigenden Bank beniitzbar und zahlbar ist. Die bestátigende Bank wird vorab das Delkredere-Risiko der eróffnenden Bank sowie das Lánderrisiko priifen. Vor AbschluS des Kaufvertrags sollte der Exporteur daher sicherstellen, daS seine Bank das entsprechende Akkreditiv auch bestátigen wird. Fur einige besonders risikoreiche Lander definitiv zahlungsunfáhig sind gegenwártig z. B. Athiopien, Albanien, Eritrea oder Somalia wird man keine Bestátigung erhalten kónnen. Nicht selten ist der Kunde (Importeur) zahlungskraftiger als die z. B. brasilianische - Bank. Die konkrete Entscheidung iiber die Bestátigung wird die angesprochene Bank allerdings erst nach Stellung des Akkreditivs und nach Erhalt des Bestátigungsauftrags treffen. Mit der Bestátigung <seiner < Bank hat der Exporteur folglich diese Risiken fiir sich ausgeschlossen. Nach den ERA wird allerdings auch beim bestátigten Akkreditiv das Risiko einer Gescháftsunterbrechung durch hóhere Gewalt, Krieg, Unruhen etc. nicht durch die Bank abgedeckt. Einige Banken z. B. chinesische, weil staatlich lehnen es allerdings ab, ihre Akkreditive bestátigen zu lassen. In solchen Fallen kann man sich behelfen, wenn die Exportbank eine verbindliche Ankaufszusage abgibt («Stille Bestátigung»; silent confirmation), die faktisch einer Bestátigung gleichkommt, dies jedoch auf Kosten des Exporteurs, weil die Akkreditivbank diese Kosten nicht einbeziehen wird. In den USA und Kanada ist zudem der Stand-by-Letter of Credit (SLC) iiblich. Dabei handelt es sich um eine Akkreditiv-Sonderform, die nicht durch Verschiffungs- oder andere Versanddokumente unterlegt ist. Die betreffende Bank verpflichtet sich dabei unwiderruflich, Zahlung zu leisten, sofern der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Das SLC ist gebráuchlich, weil Banken in den USA und Kanada keine Garantien herauslegen diirfen, da dies in die Kompetenz von Versicherungen fállt; es ist also eine als Akkreditiv verkleidete Garantie. Zu Bankgarantien vgl. auch Abschnitt H-2.4.3. Nicht selten wird das SLC auch als Absicherung einer vom Káufer geleisteten Anzahlung verwendet. <?page no="293"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m internationalen Handel 271 (c) Clbertragbares Akkreditiv Bei einem als iibertragbar gekennzeichneten Akkreditiv ist der Begünstigte berechtigt, die zur Zahlung aufgeforderte Bank zu ersuchen, das Akkreditiv ganz oder teilweise einem Dritten verfiigbar zu stellen. Eine Ubertragung ist nur einmalig móglich, d. h. der Zweitbegiinstigte kann seinerseits nicht nochmals iibertragen. Die Ubertragung ist z. B. gebrauchlich, wenn der Exporteur nicht Hersteller, sondern Handler ist und die Ware von einem Vorlieferanten bezieht. Dieser kann seine Anspriiche gegen den Exporteur dadurch besichern, dafi der Akkreditivanspruch ganz oder teilweise auf ihn iibertragen wird. Dadurch braucht der Exporteur keine Liquiditát fur das Akkreditiv zugunsten seines Lieferanten bereitzustellen. Da sich dabei aus den Dokumenten bestimmte Informationen ergeben (Name, Sitz des auslándischen Abnehmers, Preise), lassen die ERA bestimmte Anderungen der Akkreditivdaten zu; ggf. durch Austausch von Dokumenten. Da die Ubertragbarkeit mit zusatzlichen Kosten verbunden ist, kann in der Praxis auch auf eine Ubertragung verzichtet werden, wenn der Lieferant z. B. mit einer Zahlungsgarantie der Bank zufrieden ist. Móglich ist auch die folgende Variante (Abb. G-3/ 8): (d) Gegenakkreditiv Gegenakkreditive werden bei der finanziellen und dokumentáren Abwicklung des Zwischenhandels eingesetzt. Wenn der Importeur einer Ubertragung des von ihm beantragten Akkreditivs auf einen Dritten nicht zustimmt, kann ein Gegenakkreditiv eróffnet werden (backto-back- Akkreditiv, frz.: dos-a-dos). Dabei beantragt der Exporteur bei seiner Bank ein Abb. G-3/ 8: Akkreditiv-Formen zu (c): Clbertragbares Akkreditiv zu (d): Gegenakkreditiv Vorlieferant Exporteur Importeur Vorlieferant Exporteur Basisa Importeur kkreditiv zu (f): Rembours-Akkreditiv zu (g): Negoziierungs-Akkreditiv Exporteur Importeur Exporteur Tratte Tratte Importeur Tratte Diskonterlos Diskonterlós Akzept y 1 1 Exportbank - ^ Akzept Importbank Akzeptauftrag Ankaufsauftrag <?page no="294"?> 272 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Akkreditiv z. B. zugunsten seines Lieferanten, wobei das Akkreditiv des Importeurs (Basisakkreditiv) als Sicherheit dient. Viele Banken stehen dem Gegenakkreditiv daher zuriickhaltend gegeniiber, da sie ein Zahlungsversprechen abgeben, dafi aus ihrer Sicht auch nur durch ein Zahlungsversprechen abgesichert ist. Der Lieferant kann das Gegenakkreditiv (Unterakkreditiv, Weiterakkreditiv, Zweitakkreditiv) bei seiner Bank bevorschussen lassen und somit eine frühzeitige Finanzierung erreichen. Die Bank des Importeurs hat mit der Eroffnung des Gegenakkredits nichts zu tun. Da sich Basis- und Gegenakkreditiv auf dieselbe Lieferung beziehen, kann es wie bei der Übertragung problematisch sein, daft die Dokumentation des Basisakkreditivs Angaben enthált, welche der Lieferant nicht wissen soil (Name des Importeurs, Kaufpreis, etc.). Auf Lósungsmóglichkeiten wurde bereits oben hingewiesen. (e) Revolvierendes Akkreditiv Das revolvierende Akkreditiv bietet sich für regelmáfiig wiederkehrende Lieferungen an, beispielsweise für Teillieferungen, wenn der Káufer zur Ausnutzung von Mengenrabatten oder gerade giinstiger Preise mehr Ware bestellt, ais er gegenwártig benótigt, und diese dann in konstanten Teilmengen liefern láSt. Das Akkreditiv steht dann nach Beniitzung bis zu einem bestimmten Gesamtbetrag erneut zur Verfiigung, beispielsweise Euro 50.000,dreimal revolvierend beniitzbar bis zum Gesamtbetrag von Euro 200.000,-. Ein revolvierendes Akkreditiv kann auch kumulativ erofffnet werden, so daS der in einem Zeitabschnitt nicht genutzte Betrag nicht verfállt, sondern danach zusátzlich zur Verfiigung steht. Revolvierende Akkreditive, die u. a. in der Bauindustrie, im Textilbereich und im Kaffeehandel verwendet wurden, haben in der jiingeren Vergangenheit stark an Bedeutung verloren und sind durch «nórmale» Akkreditive ersetzt worden. U.a. haben sie den Nachteil, daf> der Importeur bei der Akkreditiveróffnung u. U. bereits die gesamte Akkreditivsumme anschaffen muS, so dafi daher mehreren separaten Akkreditiven der Vorzug gegeben wird. (f) Rembours-Akkreditiv / Negoziations-Akkreditiv Bei einem Rembours-Akkreditiv (Akzept-Akkreditiv) beauftragt der Importeur seine Bank, ein Akkreditiv zu eróffnen, unter dem der begünstigte Exporteur eine Zeittratte (Termintratte, Nach-Sicht-Tratte) 35 entweder auf die Importbank oder was für den Exporteur noch sicherer ist auf die bestátigende oder eine dritte (<neutrale>) Bank ziehen kann, am einfachsten aber auf die avisierende (seine) Bank. Ein Rembours bietet sich an, wenn der Exporteur das Akzept des Importeurs nicht für ausreichend halt. Bei Prásentation der Dokumente durch den Exporteur wird dann von seiner Bank start einer Zahlung ein Wechselakzept geleistet, wobei der Exporteur Zug-um-Zug die Dokumente übergibt. Dies entspricht faktisch einer Zahlungsbedingung «Dokumente gegen Bankakzept». Der Exporteur kann sich dann i.d.R. auch bei seiner Bank, je nach Akkreditiv aber auch bei einer anderen Bank durch Diskontierung des Akzepts refinanzieren (retnbourser [frz.] = erstatten, zurückzahlen). Die Importbank beauftragt («ermáchtigt») die Einreicherbank in der Regel durch in der Praxis uneinheitlich bezeichnet eine authority to purchase, authority to pay oder letter of authority zum Ankauf des Wechsels (Negotiation / Negoziierung). Die bezogene Bank lost das Akzept dann bei Fálligkeit ein. Zwischen Akkreditivbank (des Importeurs) und Remboursbank (des Exporteurs) muS folglich eine entsprechende Kreditvereinbarung bestehen. Bei einem bestátigten Akkreditiv negoziiert die Bank ohne móglichen RegreS (Rückgriff) auf 35 Tratte = noch nicht akzeptierter Wechsel. <?page no="295"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m internationalen Handel 273 den Begiinstigten (Aussteller; Exporteur), denn sie hat ihm ja durch ihre eigene Bestátigung ein abstraktes Zahlungsversprechen abgegeben. Bei unbestátigten Akkreditiven hingegeben besteht die Rückgriífsmóglichkeit auf den Aussteller des Wechsels. Vgl. auch Abschnitt G-l.3.1.2. Im Unterschied zur Inkasso-Zahlungsbedingung d/ a erhált der Exporteur bei einem Akzeptakkreditiv vor Versendung der Ware die Ankaufszusicherung der Akzeptbank, wáhrend er bei d/ a nicht sicher sein kann, ob das Akzept geleistet wird. Ein Akzeptakkreditiv ist somit fur den Exporteur ebenso sicher wie ein <normales> Sichtakkreditiv, verschafft aber dem Importeur ein Zahlungsziel. Der Unterschied zwischen Akzeptakkreditiv und bestátigtem Akkreditiv im Hinblick auf die Sicherheit ist gering; das bestátigte Akkreditiv ist aber teurer. Allerdings steht der Exporteur beim Akzeptakkreditiv in der Ausstellerhaftung, sofern keine Solawechsel verwendet werden. Von direktem Rembours spricht man, wenn die Akkreditivbank gleichzeitig Remboursbank ist. Bei Einschaltung einer Zweitbank spricht man von indirektem Rembours. Für den Importeur liegt der Vorteil insbesondere in der Ausnutzung des Zahlungsziels bis zur Falligkeit des Wechsels. Auch kónnen durch Einschaltung einer Zweitbank ggf. niedrigere Kreditkosten als im Importland ausgenutzt werden. Zudem wird das Wechselkursrisiko umgangen. Das Rembours-Akkreditiv entspricht faktisch einem Akzept-Kredit (vgl. Abschnitt D-2.1.6.2). Eine Alternative ist ein Commercial Letter of Credit (siehe unten). (g) Nach-Sicht-Akkreditiv Beim Sichtakkreditiv erhált der Begünstigte den Akkreditivbetrag Zug-um-Zug gegen Vorlage der akkreditivkonformen Dokumente. Beim Nach-Sicht-Akkreditiv leistet die Akkreditivbank die Zahlung nicht bei Eingang der Dokumente, sondern erst zu einem verabredeten spáteren Zeitpunkt (Akkreditiv mit aufgeschobener Zahlung, deferred-payment-credit [DPC], DP-L/ C). Ein solches Akkreditiv ist in der Wirkung fur den Begiinstigten dem Rembours-/ Akzept-Akkreditiv áhnlich. Allerdings erhált dieser kein Wechselakzept, das er diskontieren kónnte, sondern nur eine Buchforderung in Form einer schriftliche Zusage der (eróffhenden oder bestátigenden) Bank, am Fálligkeitstag Zahlung zu leisten. Diese ist forfaitierbar. Der Importeur erhált also eine Zahlungsfrist z. B. nach Verladung oder Einreichung der Dokumente, der Exporteur verfiigt dennoch iiber eine unwiderrufliche Zahlungszusage der Akkreditivbank. Um das Bonitátsrisiko bezüglich der Akkreditivbank zu besichem, empfiehlt sich bei Nachsichtakkreditiven eine Bestátigung durch die Avisbank. PRAXISTIP Da der Exporteur für das Zahlungsziel sicherlich Zinsen berechnet, sollte der Importeur vergleichen, ob die Kombination eines Sichtakkreditivs mit einer Anschlufifinanzierung seiner eigenen Bank ggf. günstiger ist. Der Fálligkeitstag muS nach den ERA genau bestimmbar sein. Unprázise ware z. B. «zahlbar X Tage nach Warenankunft», prázise ware z. B. «X Tage nach Dokumentenvorlage». Für den Exporteur ist zu bedenken, da£ der Importeur vor Zahlung in den Besitz der Ware gelangt und versuchen kann, durch Einreden die Akkreditivabwicklung zu verzógern. (h) Akkreditive mit Anzahlung (VorschuB) Bei Akkreditiven mit Anzahlung (packing credit oder anticipatory credit) kann die Avisbank eine Vorauszahlung an den Begünstigten leisten, die gesichert oder ungesichert sein kann. Bei <?page no="296"?> 274 G Liefer- und Zahlungsbedingungen einer gesicherten Anzahlung gibt die Bank des Begünstigten eine Anzahlungsgarantie). Im Rohstoffhandel ist z. B. die sog. red clause gángig, bei der die Vorauszahlungsklausel friiher mit roter Tinte geschrieben wurde (daher der Name). Die Avisbank kann dabei dem Begünstigten bei Haftung der eróffnenden Bank eine Vorausszahlung gegen dingliche Sicherheit vor Einreichung der Dokumente leisten, damit der Verkaufer den Einkauf der Ausfuhrware finanzieren kann, z. B. wenn die Ware vor der Verschiffung noch gelagert wird. Der Vorschui? wird dann gegen Übergabe des Lagerscheins gewáhrt. Akkreditive mit einer green clause (weil mit griiner Tinte geschrieben) bedeut^n VorschuS ohne dingliche Sicherheit. In der Praxis werden «rot» und «grün» mal so, mal so verwendet. Packing Credits setzen wegen des hohen Risikos fur den Importeur ausgezeichnete Geschaftsbeziehungen voraus. (i) Handelskreditbrief (Commercial Letter of Credit, CLC) Beim Commercial Letter of Credit (dokumentárer Handelskreditbrief) handelt es sich um eine anglo-amerikanische Form des Akkreditivs. Nachdem die englischen Banken seit 1963 die Regelungen der ERA fur Negoziierungsakkreditive fur die CLC ubemommen haben, besteht faktisch kein Unterschied mehr zum frei negoziierbaren Akkreditiv. Der CLC wird nicht iiber eine avisierende Bank, sondern dem Begünstigten direkt zugestellt (ist «direkt aufgemacht», «direkt adressiert»), auch wenn die Zustellung in der Praxis sehr oft über eine Bank im Exportland erfolgt; diese übernimmt jedoch nicht die Funktionen einer Avisbank. Die «Akkreditiv»bank verpflichtet sich im CLC, gegen Übergabe der Dokumente die auf die Akkreditivbank gezogene Tratte zu akzeptieren. Dies geht i.d.R. mit einer «Drawing Authorization» einher, mit der der Káufer den Verkaufer ermachtigt, nach Verschiffung der Ware Tratten auf ihn oder seine Bank zu ziehen und einer Bank seiner Wahl meist der Exportbank zum Ankauf anzudienen. Die Káuferbank wird dabei eine Korrespondenzbank zum Ankauf (Negoziierung) der Tratten ermáchtigen. Diese Ermáchtigung wird, wie erwáhnt, uneinheitlich als authority to purchase, authority to pay oder letter of authority bezeichnet. Das CLC ist immer auf Wechselbasis ausgestellt und als gekorenes Orderpapier durch Indossament gut übertragbar, meist verstárkt durch eine darauf angebrachte «bona-fide»- Klausel, mit der sich die eroffnende Bank jeder ankaufenden Bank gegenüber zur Zahlung verpflichtet. Soil die freie Ausnutzbarkeit ausgeschlossen sein, wird ein Restricted CLC gestellt, welches nur bei der bestátigenden Bank eingelóst werden kann. In der Praxis ist es nicht selten, da£ bei dieser Akkreditivform unserióse Partner fingierte CLCs andienen. Im Zweifelsfall sollte man die Echtheit überprüfen lassen. Andererseits ist festzustellen, dal? sich insgesamt das Akkreditiv gegenüber dem CLC zunehmend durchsetzt, insbesondere weil die Negoziierungsprovision meist hóher ist (ca. 10 %o) als die Akkreditivabwicklungsprovision. (k) Handlerakkreditiv Das Handlerakkreditiv (Merchant's Letter of Credit) ist eine relativ seltene Variante des Akkreditivs, bei der der Káufer das Akkreditiv selbst ausstellt und unterzeichnet. Eine ggf. avisierende Bank übernimt dabei keinerlei Verpflichtungen. Ein Handlerakkreditiv wird daher nur bei absolut erstklassiger Bonitát des Káufers Verwendung finden. G-3.4.2.5. ERA In den meisten Landern, einschlieSlich der Bundesrepublik, gibt es keine spezielle rechtliche Regelung des Akkreditivs. Rechtsgrundlagen sind die einschlagigen Bestimmungen des BGB <?page no="297"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m ¡nternationalen Handel 275 und des HGB sowie die nichtgesetzlichen «Einheitlichen Richtlinien und Gebráuche fur Dokumenten-Akkreditive» (ERA) (Uniform Customs and Practices for Documentary Credits), die von den meisten international tátigen Kreditinstituten lánderweise kollektiv angenommen wurden, sowie die Allgemeinen Gescháftsbedingungen (AGB) der Banken. Die ERA 500 36 in der gegenwártig gültigen Fassung von 1994 wurden wie die oben behandelten ERI, vgl. Abschnitt G-3.4.1 von der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris unter Beteiligung der UNClTKAL und einiger anderer UN-Organisationen erarbeitet. Die ERA werden laufend iiberarbeitet, um den erforderlichen Praxisbezug zu gewáhrleisten. Erganzend dazu bietet die ICC Fallstudien zu Akkreditivproblemen an. Im Hinblick auf bedeutsame Handelspartner, z. B. China, bemiiht sich die ICC auch in direkten Verhandlungen um die Lósung von allgemeinen Problemen. Die ERA regeln jedes einzelne Transportdokument in einem eigenen Artikel, und diese sind jeweils gleich strukturiert, was die Vergleichbarkeit erhóht. Eine sehr wichtige Ánderung gegeniiber friiherern Fassungen besteht darin, da£ Banken Akkreditive auch im eigenen Ñamen eróffnen kónnen. Da die ERA also wie die ERI keine Rechtsnorm sind, gelten sie in den meisten Staaten immer dann, wenn keine anderen Regelungen im Akkreditiv enthalten sind. Dies betrifft auch die Frage des jeweils anzuwendenden internationalen Privatrechts. Im Zweifelsfall wird dies das Recht am Domizil der Akkreditivbank bzw. am Domizil der bestátigenden Bank sein. Zur Harmonisierung der Verfahrensabwicklung hat die ICC verschiedene Standardformulare entwickelt, so fur den Akkreditiv-Antrag, fur die Akkreditiv-Eróffhung, fur die Avisierung und fur Akkreditiv-Anderungen. G-3.4.2.6. Ánderung des Akkreditivs Wenn dem Exporteur die Akkreditiveróffnung avisiert wird, sollte er eingehend priifen, ob die Akkreditivbedingungen den getroffenen Vereinbarungen entsprechen und ob er sie insbesondere im Hinblick auf die Akkreditiv-Konformitát der vorzulegenden Dokumente erfiillen kann. Andernfalls sollte er nicht zogern, eine Anderung des Akkreditivs zu verlangen, auch wenn damit Kosten verbunden sind (vgl. unten). Sofern beispielsweise die Lieferbedingung geandert wird, miissen ggf. auch die Transport- und Versicherungspapiere verándert und ggf. aus der Liste der vorzulegenden Dokumente gestrichen werden. Eine Erhóhung des Akkreditivbetrags kann moglicherweise eine erneute Meldepflicht nach der AuEenwirtschaftsverordnung auslósen (vgl. Abschnitt J-7.4). Umgekehrt sollten die Beteiligten Anderungswünsche der jeweiligen Gegenseite ablehnen, wenn sie nicht akzeptabel sind. Grundsátzlich müssen alie Beteiligten einer Akkreditivánderung zustimmen. Dabei ist daran zu denken, dafs Schweigen als Zustimmung gelten kann. G-3.4.2.7. Kosten des Akkreditivs Die in Abb. G-3/ 9 genannten Sátze kónnen nur beispielhaft verstanden werden, da sie von den Kreditinstituten individuell gestaltet werden. Sie geben jedoch einen Anhaltspunkt fur die Grófienordnungen der Akkreditivkosten. ERA 500, weil sie als Publikation NR. 500 von der ICC veróffentlicht wurden. <?page no="298"?> 276 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Abb. G-3/ 9: Kosten des Akkreditivs (Beispiel) Auf Seiten des Importeurs Abwicklungsprovision, Dokumentenaufnahme, i.d.R. zusammen Fremdwáhrungscourtage Porto, Spesen Deferred - Paymerit- Provision Auf Seiten des Exporteurs Avisierungsprovision Abwicklungsprovision Bestátigungsprovision Ánderungsprovision Akzeptprovision Porto, Spesen 1,5%o 1,5 %o 3%o 0,25 %o 3%o p.m. 3%c bis 3 Mon. 3-6 Mon.: 3%o 1,5%op.m. 1,5%op.m. 3%o p.m. mindestens Euro 35,- Euro 15,mindestens Euro 35,- Euro 5 0 - 2 5 0 mindestens Euro 75,mindestens Euro 50,- Euro 25,mindestens Euro 35,p.m. Euro 15,- Grundsatzlich sind folgende Spesenregelungen móglich: • Alie Kosten gehen zu Lasten des Exporteurs, • alie Kosten gehen zu Lasten des Importeurs, • Exporteur und Importeur tragen jeweils die Kosten auf <ihrer Seite>, • es ist keine Regelung der Spesenteilung erfolgt: Der Exporteur zahlt dann nur die Abwicklungsprovision. Die Akkreditivkosten konnen sich naturlich von Bank zu Bank unterscheiden. Wichtiger als Gebiihrenunterschiede ist jedoch die Servicequalitat im Vorfeld einer Akkreditiwereinbarung und beziiglich ihrer Abwicklung. G-3.4.2.8. Weitere wichtige Aspekte beim Akkreditiv Ein Akkreditiv ist ein abstraktes Zahlungsversprechen, losgelóst vom zugrundeliegenden Kaufvertrag. Diese Tatsache wird gelegentlich verdrángt, z. B. wenn ein Exporteur mit dem Hinweis auf die faktische Erfiillung des Kaufvertrags durch objektiv korrekte Warenlieferung Zahlung verlangt, jedoch nicht alie erforderlichen akkreditivkonformen Dokumente vorlegen kann, oder der Importeur verweist auf Mángelrügen und verlangt, die Zahlung zuriickzuhalten. Die Kreditinstitute sind unabhángig von privatrechtlichen Auseinandersetzungen zur Zahlung verpflicbtet, wenn vóllig akkreditivkonforme Dokumente vorgelegt werden. (a) Aus der Sicht des Importeurs Die Akkreditivbedingungen sollten frühzeitig und so prázise wie móglich im Rahmen des Kaufvertrags zwischen den Partnern abgesprochen werden, um MiSverstandnisse und eventuell erforderliche Anderungen zu vermeiden. Die Kreditinstitute haben für den Antrag auf Akkreditiveróffnung in der Regel individuelle Vordrucke entwickelt. Daneben gibt es einen standardisierten Vordruck, der von der Intemationalen Handelskammer in Paris entwickelt <?page no="299"?> G - 3 . Zahlungsbedingungen ¡m internationalen Handel 2 7 7 worden ist. Die Verwendung solcher Formulare verringert das Risikb unvollstándiger Angaben oder mit den ERA unvereinbarer Akkreditiv-Bedingungen. Sofern keine etablierten Gescháftsbeziehungen bestehen, sollte sich der Importeur von der Seriositát seines Lieferanten iiberzeugen. Der Importeur kann das Risiko nicht-vertragsgerechter Warenlieferung nicht vollstandig ausschliefen, solange dies nur auf der Basis von Dokumenten geprüft wird. Dagegen schützt auch eine sehr ins Detail gehende Waren- ' beschreibung nicht; diese kann vielmehr Schreib- oder Übermittlungsfehler begiinstigen. Die Akkreditivbedingungen sollten klar und iibersichtlich und nicht zu umfangreich sein. Sinnvoll ist es daher háufig, ein Inspektionszertifikat (vgl. Abschnitt G-l.3.3.1) in die Akkreditiv- Dokumentation einzubeziehen. Der Káufer ist nach den ERA fiir die klare und genaue Festlegung der erforderlichen Dokumente und der einzuhaltenden Bedingungen verantwortlich. Die Dokumente sollten im Akkreditiv-Eróffnungsantrag und im Akkreditiv in der Reihenfolge aufgefiihrt werden, wie sie die Kreditinstitute iiblicherweise bei der Dokumentenpriifung einhalten; die entsprechenden Formulare sehen dies in der Regel auch so vor. Beim Antrag auf Akkreditiverófmung sollte die erforderliche Zeit fur die Bearbeitung beriicksichtigt werden. Durch die heute gángigen Kommunikationssysteme (vgl. auch unten Abschnitt G-3.6.2 zu SWIFT) kann die Akkreditiveróffnung allerdings recht schnell erfolgen. Vor einer Akkreditiveróffnung sollte sichergestellt werden, daE die zu importierende Ware keinen Importbeschrdnkungen oder anderen Verboten und Beschrankungen (V.u.B.) unterliegt (vgl. Abschnirt J-4.3). Ggf. sind friihzeitig Genehmigungen zu beantragen, weil seitens des Exporteurs ordnungsgemáE prasentierte Dokumente die Zahlung auslósen, auch wenn sich Importprobleme ergeben. Der Akkreditiv-Begiinstigte sollte so prázise wie móglich bezeichnet werden, um Verwechslungen auszuschlieSen, insbesondere wenn es sich um Ñamen oder Firmen in Lándern handelt, in denen z. B. arabische oder kyrillische oder japanische Schrift geschrieben wird. Dies gilt analog fur die Bank, bei der das Akkreditiv benutzbar sein soil. (b) Aus der Sichts des Exporteurs Die formalen Anforderungen, die bei Akkreditiven an die Dokumente gestellt werden, sind sehr streng (Dokumentenstrenge). Die eingereichten Dokumente miissen im Sinne des Akkreditivs vollstandig sein, áuEerlich in Ordnung, z. B. keine offensichtlichen Irrtiimer aufweisen (Verwechslung von Anschriften) und diirfen sich inhaltlich nicht widersprechen (wenn z. B. im Akkreditiv von einer cif-Lieferung die Rede ist, andere Papiere aber eine fob- Lieferung ausweisen). Bereits geringfügige Abweichungen kónnen zur Zurückweisung von Dokumenten fiihren sei es bei der Einreicherbank, sei es bei der Akkreditivbank. In einem konkreten Fall stand in einem Dokument aufgrund eines offenkundigen Schreibfehlers als Herkunftsangabe «Gemrany» start «Germany»; die Einreicherbank vergewisserte sich telefonisch und per Fax bei der Akkreditivbank, ob dies akzeptabel sei («na ja»). Zahlendreher (51 Mio. start 15 Mio.) werden mit Sicherheit zurückgewiesen. Auch haben Importbanken die Aufnahme von Dokumenten verweigert, die alte vierstellige start neuer funfstelliger Postleitzahlen auswiesen. In diesem Zusammenhang ist nochmals auf die ZweckmaSigkeit einer Konvertierungsklausel (Kontinuitatsklausel) fur die Euro-Umstellung hinzuweisen. Fehler schleichen sich oft ein bei Stiickzahlen, Gewichten, Versanddaten, Warennummern etc. In einem Fall war ein <U> aus einer Warennummer als <V> in ein anderes Dokument iiber- <?page no="300"?> 278 G Liefer- und Zahlungsbedingungen nommen worden, und die Akkreditivbank verweigerte auf Weisung des Importeurs die Aufnahme der Papiere (der Importeur hatte zwischenzeitlich ein giinstigeres Angebot erhalten). Die Akkreditivbank bekam in einem langen Rechtsstreit sogar Recht. Der Exporteur holte dann nach langer Zeit die bereits verschiffte Maschine zuriick und mufite sie <verramschen>. Schaden: eine halbe Million DM. 37 In der Regel entdecken Banken Mangel in den aufzunehmenden Dokumenten vor Auszahlung an den Begünstigten. Allerdings darf die Dokumentenprüfung nur eine <angemessene> Zeit in Anspruch nehmen, insbesondere auch, damit der Begiinstigte in der Zeit bis zum Verfalldatum des Akkreditivs u. U. Nachbesserungen vornehmen kann. Ein geiibter Sachbearbeiter wird die Dokumentenprüfung oft in 10-20 Minuten durchführen kónnen; in wirklichen Problemfallen werden maximal 2-3 Bankarbeitstage anzusetzen sein. PRAXISTIP Die Einreicherbank kann die Überprüfung nur innerhalb der Akkredif/ Vdokumentation vornehmen. Eine Prüfung der Übereinstimmung dieser Dokumente mit den oft umfangreichen Vertragsunterlagen kann nur vorher im Unternehmen selbst erfolgen. Eine Zahlung des Akkreditiv-Betrags unter Vorbehalt oder trotz mangelhafter Dokumentation ist grundsátzlich nicht vorgesehen. Sofern dies doch geschieht, trágt das auszahlende Kreditinstitut wie bei einer Bevorschussung das voile Risiko. Diese absolute Dokumentenstrenge ist zwar mitunter miihsam, aber letztlich fur alie Beteiligten von Vorteil, denn die Bank muí? allein aufgrund von Dokumenten entscheiden, ob akkreditivkonform geleistet wurde und der Akkreditivbetrag auszuzahlen ist. Zur Dokumentenstrenge kommt die Fristenstrenge hinzu: Die Dokumenteneinreichung mufs unbedingt innerhalb der Gültigkeit des Akkreditivs erfolgen. In der Regel wird ein Verladedatum vorgegeben (<spatestens>), wobei die Versanddokumente spátestens 21 Kalendertage nach Ausstellung vorgelegt werden miissen (sofern das Akkreditiv nichts anderes bestimmt). Sofern dies nicht móglich ist, miifste mit Zustimmung alter Beteiligten vom Exporteur eine Fristverlángerung des Akkreditivs beantragt werden. Andernfalls verfállt das Akkreditiv, und die Akkreditivbank sowie ggf. die bestátigende Bank werden von ihrer Zahlungsverpflichtung befreit. Meist ist die Avisbank auch Zahlstelle, d. h. das Akkreditiv ist bei ihr benutzbar. Der Ort der Benützung (d. h. der Ort fur die Dokumentenvorlage) und der Ort der Zahlung kónnen aber auch verschieden sein, z. B. wenn die Dokumente bei der Avisbank prásentiert werden, Zahlstelle jedoch die Akkreditivbank ist, die erst nach Eingang der Dokumente Zahlung leistet. Die Avisbank kann neben anderen Finanzierungsmóglichkeiten das Akkreditiv jedoch auch bevorschussen; vgl. oben zu green und red clauses sowie Abschnitt D-2.1.8. PRAXISTIP Viele Kunden deutscher Exporteure weigern sich, die Zahlungsbedingung Akkreditiv oderDokumenteninkasso zu akzeptieren. In solchen Fallen kann Exportfactoring eine gute Alternative für den Exporteur darstellen. Vgl. Abschnitt D-2.1.11. Nebenbei: Sie kennen sicherlich den Spruch «Jemandem ein X für ein U vormachen». Dies bezieht sich auf die rómische Schreibweise X = 10, V = 5. Wenn man dem V unten zwei Verlángerungsbeine hinzufugen kann, wird aus der 5 eine 10... <?page no="301"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m internationalen Handel 279 G-3.4.3. Restrisiken und Absicherungen Die trotz der standardisierten Zahlungsbedingungen verbleibenden Restrisiken kónnen durch zahlreiche Instrumente verringert oder abgewálzt werden. Hierzu nur einige Stichworte: Forderungen kónnen verkauft werden, u. a. im Rahmen von Factoring, Forfaitierungen oder Wechseldiskontierung (Abschnitte D-2.1 und D-3.2). Móglich ist auch die Einbeziehung von Bürgen oder Garanten, meist aus dem Bankbereich (Abschnitt H-2.4.3). Eine spezielle Form sind die staatlichen Exportgewahrleistungen, die in Deutschland seitens der Hermes-Versicherungs-AG ais Mandatar des Bundes angeboten werden. Dabei wird dem Exporteur bei Zahlungsausfall je nach Art der Forderung bzw. des Risikos 85-95% seiner Forderung erstattet; die Differenz mulS er als Selbstbehalt tragen (Abschnitt H-3.2). Sofern die Zahlungsbedingung Zahlung in Fremdwáhrungen vorsieht, ist es erforderlich, das Wechselkursrisiko entsprechend abzusichern. Hierfur stehen zahlreiche Móglichkeiten zur Verfiigung (Abschnitt H-4). G-3.5. Zahlungsbedingungen bei langfristigen Exportvertrágen Bei GrofSprojekten wie der Errichtung von Zweigwerken, Staudámmen oder gróSerer Anlageinvestitionen bedeutet der lángerfristige Zeithorizont ein zusátzliches Risiko. Daher ist es nicht uniiblich, Festpreise zu vereinbaren und diese durch Bankgarantien oder staatliche Gewáhrleistungen zu besichern. Sofern dies auf der Basis von Fremdwáhrungen erfolgt, ist es erforderlich, das Wechselkursrisiko entsprechend abzusichern. Vgl. hierzu ausfuhrlich Abschnitt H-4. G-3.6. Exkurs: Zahlungsabwicklung mit dem Ausland Für den Überweisungs- und Scheckverkehr unterhalten die Kreditinstitute Beziehungen zu Korrespondenzinstituten. Die Nachrichtenübermittlung erfolgt meist über das Interbanken- System SWIFT (vgl. unten). Eine zentrale Verrechnungsinstitution, die z. B. dem deutschen Zentralbankensystem vergleichbar ware, steht auch in Europa noch nicht zur Verfiigung. Insgesamt ist die Zahlungsabwicklung zeitaufwendiger als im Inlandszahlungsverkehr; teilweise sind zusátzliche Formulare erforderlich. Teurer ist es allemal. G-3.6.1. Clberweisung und Scheck Zahlungen an das Ausland kónnen entweder in Inlandswáhrung (Euro), in der betreffenden Auslandswáhrung oder in einer Drittwáhrung erfolgen. Die Uberweisungskosten liegen bei 3%o der Überweisungssumme (bei kleinen Betrágen werden Mindestgebiihren erhoben, so dafs dies relativ teuer werden kann). Das Konto des Auftraggebers wird bereits am Tag der Ausführung des Überweisungsauftrags belastet, die Überweisungssumme wird dem Konto des Begünstigten aber in der Regel erst einige Tage spáter gutgeschrieben, Kosten meist 1,5 %o. Viele AuSenhandelsunternehmen unterhalten neben ihren DM-Konten auch Fremdwáhrungskonten (z. B. in US-Dollar), entweder bei einer inlándischen Bank oder ein Dollarkonto bei einer amerikanischen Bank. Inlándische Fremdwáhrungskonten werden wenn iiberhaupt meist schlechter verzinst als Euro-Konten; darum bieten sich Konten bei auslándischen Banken an. Dies ist jedoch in vielen Lándern an eine Residenzpflicht gebunden, <?page no="302"?> 280 C Liefer- und Zahlungsbedingungen so dai? man andernfalls doch auf die Heimatbank angewiesen ist, die ggf. ein Konto bei einer Korrespondenzbank fiihren kann. Eingehende Zahlungen in Fremdwáhrung werden zum Devisen-Geldkurs (Ankaufskurs), ausgehende zum Devisen-Briefkurs (Verkaufskurs) abgerechnet. (Achtung: Das entspricht dem Euro-Briefkurs; vgl. Abschnitt H-4.3.2). Hinzu kommen eine Courtage (z. B. 0,25 %o), ggf. eine Abwicklungs- oder Bearbeitungsgebiihr (l,5%o) sowie Porti, Spesen und sonstige Kosten. Im Zahlungsauftrag mufJ angegeben werden, wie sich diese Kosten auf den Auftraggeber bzw. den Empfanger verteilen. Bei einem Fremdwáhrungskonto im Inland entfállt zwar die Courtage, jedoch sind teilweise nicht unerhebliche andere Gebiihren zu entrichten. Das beauftragte Kreditinstitut leitet einen Zahlungsauftrag an ein Korrespondenzinstitut weiter mit der Bitte um Gutschrift auf dem Konto des Begünstigten. Dies kann per Brief, Fax, Fernschreiben, Telegramm oder per SWIFT erfolgen. Der briefliche Zahlungsauftrag hat den Nachteil langer Postlaufzeiten und beinhaltet ein Verlustrisiko. Fernschriftliche Uberweisungen sind zwar schnell, aber relativ teuer. Daher nehmen SW/ FT-Zahlungen immer mehr zu (vgl. unten). Sofern der Zahlungsempfánger kein Konto bei der eingeschalteten Korrespondenzbank fiihrt, leitet diese die Zahlung im nationalen Zahlungsverkehrssystem an ihn weiter. Auf den erforderlichen Zeitaufwand hat die urspriingliche (deutsche) Bank keinen EinfluS; nicht selten ist mit lángeren Laufzeiten zu rechnen. Nach § 59 AWV sind Zahlungen an das Ausland bzw. aus dem Ausland ab 12.500,- Euro meldepflichtig. Das entsprechende Meldeformular «Zahlungsauftrag im AuEenwirtschaftsverkehr (Anlage Zl») wird jedoch in der Praxis bei den meisten Banken auch fur kleinere Betráge verwendet. Ein Exemplar des Durchschreibesatzes wird vom Kreditinstitut an die Landeszentralbank weitergeleitet. Der Zahlungstransfer kann statt durch Überweisung auch durch Privatscheck oder Bankscheck (als Orderschecks). Dies ist in Nordamerika und GroSbritannien sehr verbreitet; in anderen Lander werden Schecks auch verwendet, weil z. B. bei Uberweisungen hohe Gebiihren im Empfangerland anfallen oder keine Kontoverbindung bekannt ist (Abb. G-3/ 10). Als Nachteile ergeben sich die Postlaufzeiten und die entsprechenden Verlustrisiken sowie das Risiko der Nichteinlósung, wenn der Kunde über kein Guthaben verfügt oder den Scheck schlicht hat sperren lassen. Bankschecks werden auch vom ausstellenden Kreditinstitut direkt an den Zahlungsempfánger weitergeleitet, so dafj diese das Übermittlungsrisiko trágt, das bei Privatschecks nicht unerheblich ist; Fálschungen und Diebstahl sind nicht selten. Eine unberechtigte Einlósung wird oft erst mit erheblicher Verzógerung festgestellt, weil Orderschecks beliebig weitergegeben werden konnen und oft im Sammeleinzug vorgelegt werden. Bei Bankschecks wird der Auftraggeber sofort belastet, bei Privatschecks erfolgt eine Belastung erst nach spáterer Scheckvorlage. Vgl. zum Scheck ausfiihrlich oben Abschnitt G-l.3.1.1. Abb. G-3/ 10: Die Lastschrift ist in Amerika nicht popular Rechnungen werden mit Scheck bezahlt / Werbekampagne der Zentralbank G-3.6.2. SWIFT Das Akronym SWIFT steht fur Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication. Es handelt sich dabei um ein genossenschaftliches Unternehmen (nach belgischem <?page no="303"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m intemationalen Handel 281 Recht) mit dem Ziel, durch Datenferniibertragung den intemationalen Zahlungsverkehr zu beschleunigen und zu sichern. Alie bedeutenden Banken sind diesem Datenferniibertragungsnetz angeschlossen. Die Zahlungsanweisungen werden von der Einzelbank landerweise durch einen «Concentrator» gebiindet und an die SWIFT-Zentrale weitergeleitet. Diese sortiert die Auftráge nach Lándern und gibt sie an die jeweiligen Konzentratoren weiter, die die Zahlungsanweisungen an die Adressaten verteilen. Dieser Vorgang dauert nur wenige Minuten. Dadurch wird die Zeitspanne zwischen Kontobelastung und -gutschrift auf ein Minimum reduziert, so daE der sog. Zahlungsfloat teilweise fast ausgeschaltet ist. Dariiberhinaus bietet SWIFT einen hóheren Sicherheitsgrad ais der konventionelle Zahlungsverkehr und reduziert die erforderlichen Zahlungsverkehrsbelege erheblich. Als Float wird die Zeit zwischen Belastung beim Absender und Gutschrift beim Empfánger bezeichnet. Er hángt von der Postlaufzeit ab (Mail Float), von den Transferzeiten innerhalb der Post- und Bankensysteme (Clearing Float) und auch unternehmens-/ konzernintern durch die Abwicklung der Zahlungsstrome (Processing Float). Die Postlaufzeit wird vielfach durch Kurierdienste verkiirzt. Durch Einrichrung von Postfáchern und Koriten bei Banken in der Náhe der Schuldner kónnen weitere Zeiteinsparungen erreicht werden. Diese Postfácher werden táglich (teilweise mehrmals) von den Banken geleert und zahlungsrelevante Eingánge (Schecks) umgehend bearbeitet (Lock-Box-Konzept). G-3.6.3. Einschránkende gesetzliche Rahmenbedingungen Die Zahlungsstrome in das und aus dem Ausland unterliegen genau wie die inlándischen Zahlungen einschránkenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere dem Kreditwesenkontrollgesetz (KWKG), dem Geldwáschegesetz («Gesetz über das Aufspiiren von Gewinnen aus schweren Straftaten»), und dem AuKenwirtschaftsgesetz (AWG/ AWV); Luxemburg und die Schweiz haben analoge Gesetze erlassen. Die móglichen Bes'chránkungen nach dem AuSenwirtschaftsgesetz bzw. der AuSenwirtschaftsverordnung beziehen sich vor allem auf unzulássige Zahlungen in oder aus Embargolándern (vgl. ausfiihrlich Abschnitt L-6). Die Beschránkungen des KWKG und des Geldwáschegesetz wurden primar zur Verbrechensbekampfung konzipiert, werden aber ggf. aber auch bei (massivem) Steuerbetrug angewendet. Verdáchtig sind Bargeldbewegungen ab 15.000 Euro sowie Schecks und Uberweisungen, die nicht im Verhaltnis stehen z. B. zum Umsatz (beispielsweise flieSen dem Inhaber eines kleinen mittelstándischen Unternehmens 5 Mio. USD aus Ecuador zu, die er auf sein Privatkonto umbuchen will). Bei VerstóSen ist ggf. der Bankmitarbeiter verantwortlich, nicht die Bank, und analog der Ausfuhrverantwortliche des Unternehmens, nicht das Unternehmen. In Verdachtsfállen überprüft die Staatsanwaltschaft die Zulássigkeit von Zahlungen (wovon der Kunde informiert wird) und muS innerhalb von 48 Stunden (2 Bankarbeitstagen) entscheiden, ggf. die Zahlung blockieren oder Auflagen erlassen. Die Banken sind jedoch nicht untereinander vernetzt, so daG kumulierte Zahlungsdaten nicht ohne weiteres zur Verfiigung stehen. In vielen Fallen gibt die Staatsanwaltschaft Warnmeldungen heraus. <?page no="304"?> I_l I Risikomanagement im AuGenhandel H-1. Allgemeines Risikomanagement Das Umgehen mit Risiken stellt einen zentralen Aspekt des untemehmerischen Handelns dar. Neben dem in der Betriebswirtschaftslehre immer unterstellten rationalen Verhalten im Zusammenhang mit der angestrebten Gewinnmaximierung ist das unternehmerische Risiko der grundlegende Begriff, vielleicht sogar die Basis der Betriebswirtschaftslehre. Oft wird statt von Risiko auch von Wagnis gesprochen. Das allgemeine unternehmerische Risiko bezieht sich darauf, mit dem Unternehmen <gegen die Wand zu fahren>. Hinzu kommen diverse spezifische Risiken wie z. B. Zahlungs- oder Wechselkursrisiken. Das Umgehen mit Risiken wird als Risikomanagement bezeich.net. In der Praxis nimmt der relative Aufwand hierfiir mit der UnternehmensgróSe zu. Grundsátzlich ist die Notwendigkeit des Risikomanagements keine Besonderheit der AuEenwirtschaft, sondern sollte integraler Bestandteil des untemehmerischen Handelns schlechthin sein. In der Aufenwirtschaft kann sich aber quantitativ und qualitativ ein dichteres Risikoprofil ergeben als im Inlandsmarkt. Auf Aspekte des allgemeinen Unternehmensmanagements kónnen wir hier verstándlicherweise nicht eingehen. H-1.1. Risiko und Chance Grundsátzlich ist <Risiko> als statistischer Begriff neutral, weder negativ noch positiv. Ein risikobehaftetes Ereignis kann positive oder negative Wirkungen hervorrufen. So ist ein Lottohauptgewinn (6 aus 49) ein Risiko mit der Wahrscheinlichkeit von rd. 1: 14.000.000 1 . Im Sprachgebrauch verbindet sich mit dem Begriff «Risiko» aber die Vorstellung eines móglichen Schadens (Gefahr). Auch betriebswirtschaftlich wird Risiko meist ais móglicher Verlust interpretiert (reines Risiko), üblicherweise als Verlust von Geldwerten, aber auch als entgangener Gewinn, so dafi indirekt auch immaterielle Scháden (z. B. Imageschádigung) einbezogen sind. Ein positives Risiko wird als Chance bezeichnet (spekulatives Risiko) (Abb. H-l/ 1). Nicht rechtzeitig erkannte und bewáltigte Risiken kónnen die erfolgreiche Entwicklung des Untemehmens gefáhrden. Sehr oft handelt es sich dabei um Fehlentscheidungen, sofern nicht hóhere Gewalt ursáchlich ist. Jedes bewuEte Akzeptieren eines betrieblichen Risikos setzt voraus, daf? auch Chancen bestehen. Anderfalls ware der Unternehmer besser beraten, wenn er sein Kapital in festverzinslichen Staatsanleihen anlegte. Die Gewinnchancen miissen in einem angemessenen Verháltnis stehen zur Wahrscheinlichkeit, dal? der mógliche Schaden eintritt, und zur potentiellen Hóhe des Schadens. Im Sprachgebrauch bedeutet <riskant> daher meist schon ein betráchtliches Risiko. 1 Wenn man auf beiden Seiten der Autobahn Stuttgart-München 2-Eurostücke aneinanderreiht, mii&e man eine einzige gekennzeichnete Miinze umdrehen. <?page no="305"?> H - 1 . Allgemeines Risikomanagement 283 Abb. H-1/ 1: Risiko und Chance negativ positiv Risiko (Gefahr) (reines Risiko) Chance (spekulatives Risiko) Risiken sind Gefahren, die den ProzeE der Zielerreichung negativ beeinflussen kónnen. Sie beruhen auf unvollstandigen oder unvollkommenen Informationen iiber die Zukunft. Wiirde man die künftige Entwicklung prázise vorhersehen kónnen, gábe es kein Risiko. Unternehmerische Entscheidungen wiirden dann unter Sicherheit getroffen werden. Risiken lassen sich daher durch bessere Informationen vermindern; mancher Fehlschlag ware vermeidbar: Eine amerikanische Autofirma versuchte, eine Modellvariante mit dem Namen <Nova> im lateinamerikanischen Markt einzufuhren mit sehr maSigem Erfolg, denn da£ no va im Spanischen <geht nicht> bedeutet, war nicht bekannt. Für analoge Fehlschláge aufgrund sprachlicher Informationsdefizite gibt es eine Fiille von Beispielen; vgl. hierzu auch Abschnitte B-7.3.5 und C-3. Zur Bestimmung von Risiken kann man auf die Wahrscheinlichkeit des Eintretens des betreffenden Ereignisses zuriickgreifen - oder auch nicht, wie wir gleich sehen werden. Es gibt zwei Formen sicherer Ereignisse. • Entweder, das Ereignis tritt sicher ein. Dann ist die Eintrittswahrscheinlichkeit 1 (oder 100 [Prozent]). Im unternehmerischen Bereich diirfte es sich dabei um seltene Falle handeln («Morgen friih existiert das Unternehmen noch»). • Zweite Móglichkeit: Das Ereignis tritt sicher nicht ein («Morgen friih ist das Unternehmen nicht illiquide»). Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist 0; das Ereignis ist unmoglich. Bei nicht-sicheren Entscheidungen besteht eine Wahrscheinlichkeit gróSer Null und kleiner Eins. Sofern die Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmbar (quantifizierbar) ist, spricht man von Risiko. Wenn die Informationen iiber die Wahrscheinlichkeit so beschaffen sind, dafi jeder, dem diese Informationen zur Verfiigung stehen, zu genau denselben Erwartungen kommt, spricht man von objektiven Wahrscheinlichkeiten (z. B.: Miinze werfen), sonst von subjektiven Wahrscheinlichkeiten, wenn jeder Betrachter aus den vorhandenen Informationen andere Schliisse ziehen kann so wie beim Tip, wer Fufiballweltrrieister wird. Unsicherheit bedeutet, daG iiberhaupt keine Wahrscheinlichkeit bestimmbar ist, weder objektiv noch subjektiv. Die Beispiele sind eher rar, denn meist wird man subjektive Wahrscheinlichkeiten bestimmen kónnen. Der Vollstandigkeit halber sei noch Ungewifsheit erwáhnt, womit die vollige Abwesenheit von Informationen iiber die Zukunft gemeint sind für die Praxis kaum relevant. In der unternehmerischen Praxis herrschen die Falle subjektiver Wahrscheinlichkeiten bzw. subjektiver Erwartungen beziiglich der Zukunft vor. Subjektive Wahrscheinlichkeiten sind typisch insbesondere bei einmaligen Entscheidungen, bei denen man nicht auf Erfahrungs- <?page no="306"?> 284 H Risikomanagement im Auftenhandel Abb. H-1/ 2: Risiko, Sicherheit und Unsicherheit Wahrscheinlichkeit (p = probability) p = 0 P = 1 0 < p < 1 p = ? ? Sicherheit: Das Ereignis tritt nicht ein Sicherheit: Das Ereignis tritt ein Risiko p = objektiv p = subjektiv Unsicherheit (Ungewiftheit) werte zuriickgreifen kann. Unsicherheit ist daher in der Praxis keine relevante Situation, weil man in der Regel zumindest subjektive Wahrscheinlichkeiten festlegen kann (Abb. H-1/ 2). Objektiv meEbare (quantifizierbare) Risiken lassen sich bestimmen sowohl hinsichtlich der Hohe des móglichen Verlustes ais auch hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos. Diese láfst sich aus den Daten entsprechender Zeitreihen ermitteln. In der Praxis lassen sich meist nur objektiv berechenbare Risiken versichern. Versicherungspramien leiten sich aus der Risikowahrscheinlichkeit ab (Feuer, Haftpflicht, Transportscháden, Zahlungsausfálle). Unabhángig davon ist es unternehmerische Praxis, bestimmte Risiken (Wagnisse) kalkulatorisch in der betriebsinternen Kostenrechnung zu beriicksichtigen. In der BWL herrscht begrifflich eine ziemlich Sprachverwirrung beziiglich dessen, was man heute als Risikomanagement bezeichnet. In der ursprünglichen Interpretation bezieht sich der Begriff auf Risiken, die man versichern kann - Feuer, Diebstahl -, also mehr im Sinne eines Versicherungsmanagements {Insurance Management). Fiir Risiko-Management ist dies zu eng, denn gerade bei nicht versicherbaren Risiken ist Risikomanagement erforderlich. Risikomanagement ist eine Führungsaufgabe, die nicht immer ausreichend ausgeiibt wird (Abb. H-l/ 3). Wichtig ist das Bewufitmachen des Risikophánomens auf alien Fiihrungs- und Durchführungsebenen. Konstitutives Element des Risikomanagements ist das Streben nach grófitmóglicher Sicherheit (Risikoaversion), d. h. das Bemiihen, Risiken zu vermeiden oder zu vermindern. Steigende Risikobereitschaft fiihrt tendenziell auch zu steigendem Riskoeintritt, wodurch bereits realisierte Chancen aufgezehrt werden kónnen. Im Rahmen des Risikomanagement sind zunáchst das angestrebte Risikoniveau und das angestrebte Risikoverhalten festzulegen. Dies determiniert die Planung, und zwar sowohl die strategische Planung (Gescháftsfeld (Produkte, Produktelemente, Produktionsverfahren), Organisation, Rechtsform, Informationssystem, Fiihrungskrafteplanung) als auch die operative Planung (Programmplanung, Produktselektion, Absatzpolitik, Produktionssysteme usw.). Abb. H-1/ 3: D a s R i s i k o m a n a g e m e n t wird vernachlássigt Unternehmen verzichten auf systematisches Risikomanagement Die Aktualisierung von Risiken muB zur Routine werden & <?page no="307"?> H - 1 . Allgemeines Risikomanagement 285 H-1.2. Risikostrategien Beim Umgang mit Auslandsrisiken sind verschiedene Varianten von-Risikopolitik oder Risikomanagement (risk management) móglich. Dies bezieht sich auf die MaSnahmen zur Risikoerkennung und -bewertung sowie auf den Einsatz risikopolitischer Instrumente. Oberster Grundsatz sollte sein «Agieren statt Reagieren». Dabei ist zu unterscheiden zwischen ursachenbezogenen [(1) und (2)] und wirkungsorientierten MaSnahmen [(3) bis (5)]. Dabei ist wiederum je nach gewáhlter Risikostrategie eine vollstándige oder eine partidle Absicherung des Risikos móglich. Dies ist nicht zuletzt eine Frage der Kosten. Zwei extreme Verhaltensweisen [(1) und (2)] sowie mehrere dazwischenliegende sind moglich. (1) Risikovermeidung Mit Risikovermeidung ist gemeint, daS die risikobegriindenden Ursachen gemieden oder beseitigt werden und folglich kein Risiko auftreten karin. Der AbschluS eines Devisentermingescháfts schlieSt ein negatives Wechselkursrisiko vollstándig aus. In der extremen Form bedeutet diese defensive Strategic den gánzlichen Verzicht auf riskante Aktivitáten. Es gibt tatsachlich viele (meist kleinere) Unternehmen, die auf Auslandsgescháfte aus Risikoscheu vollstándig verzichten, z. B. auf die Belieferung des US-amerikanischen Marktes wegen des hohen Haftungsrisikos aufgrund des sehr strikten US-amerikanischen Produkthaftungsrechts (vgl. Abschnitt H-5). (Vielen ist jedoch nicht klar, daS der Hersteller oder Verkáufer auch bei indirektem Export iiber einen Dritten dennoch mit haften kann; vgl. Abschnitt H-6.1.) (2) Risikoakzeptierung Die gegensátzliche extreme Variante ist offensiv und besteht in der bewuSten Hinnahme des Risikos, ohne zu versuchen, in irgend einer Weise <gegenzusteuern>. In solchen Fallen werden Risiken zwar erkannt, aber es wird ganz bewuSt auf risikovermindernde oder absichernde MaSnahmen verzichtet. Im ungiinstigen Fall muS man dann den Schaden voll tragen. Diese Strategic láSt sich vor allem dann beobachten, wenn die Eintrittsw,ahrscheinlichkeit eines Schadens als klein angenommen wird, wáhrend die Kosten z. B. der Risikoverminderung oder -versicherung als relativ hoch angesehen werden. Viele Unternehmen verzichten z. B. auf jegliche Exportkreditversicherung bei gut eingespielten Gescháftsbeziehungen. (3) Risikoverminderung Üblicher ist hingegen, daS ein Unternehmer eine gewisse Risikoaversion hat, im Gegensatz zum Spieler, fur den das Risiko vielleicht gerade den <Kick> darstellt. Ein risikoscheuer Unternehmer strebt daher so weit wie móglich nach Sicherheit. Er versucht, das Risiko und damit die Eintrittswahrscheinlichkeit des ungiinstigen Ereignisses zu vermindem. Dies geschieht im AuSenhandel in erster Linie durch Schaffung einer soliden Informationsbasis iiber die Gegebenheiten im Partnerland bzw. den Partner (z. B. auch durch Friihwarnsysteme) (Risikovorbeugung). Aufwand zur Schadensverhiitung kann Versicherungen ersetzen. Risikoverminderung kann auch durch Risikostreuung (Risikoverteilung, Risikoteilung) erfolgen, indem beispielsweise Gescháftsbeziehungen nicht nur mit einem, sondern mit verschiedenen Partnem u. U. in verschiedenen Lándern unterhalten werden. Joint Ventures und Konsortien sind typische Beispiele fur Risikoteilung. <?page no="308"?> 286 H Risikomanagement im Auftenhandel (4) Risikokompensation Durch Risikokompensation wird versucht zu erreichen, da(? sich positive und negative Risiken ganz oder teilweise ausgleichen, d. h. daS z. B. Gewinne und Verluste aus Wechselkursrisiken gleich grof? sind. So kónnte ein Hersteller, der Waren gegen US-Dollars in die USA verkauft, versuchen, beim Einkauf von Vorprodukten gleichfalls in USD zu bezahlen. (5) Risikobesicherung Zahlreiche Risiken kónnen ganz oder teilweise durch Versicherungen, Garanden oder Biirgschaften besichert 2 werden (vgl. hierzu Abschnitt H-2.4.3). Beispielsweise kann man das (politische) Lánderrisiko bei Exportkrediten durch ein bestátigtes Akkreditiv absichern. Versicherungen sind eigentlich eine Sonderform der Kompensation, weil ein negatives Ereignis der Schaden durch ein positives die Ausgleichszahlung kompensiert wird. Die meisten Versicherer bieten ihren Kunden als Serviceleistung eine maSgeschneiderte Absicherung von Auslandsrisiken an, um Doppelversicherungen oder Versicherungsliicken zu vermeiden. Mancher Schaden kann aber nicht durch Geld kompensiert werden, z. B. Imageverluste. Bei der Risikobesicherung ist auch Selbstversicherung iiblich, indem man fur bestimmte Risiken finanzielle Vorsorge betreibt (z. B. Riickstellungen aus dem Cash Flow bildet) oder in der kalkulatorischen Kostenrechnung absichert (z. B. Ausschufoisiken [Produktfehler], Bestánderisiken [Schwund, Diebstahl, Verrosten, Veralten durch Mode- und Technikánderung], Entwicklungsrisiken [sunk costs] oder Gewáhrleistungsrisiken [-wagnisse]). Hierbei geht man iiblicherweise von Erfahrungswerten aus. . (6) Risikoabwálzung Durch Risikoab- oder -iiberwalzung (Risikoiibertragung, Risikoverlagerung) wird das Risko ganz oder teilweise entgeltlich oder unentgeltlich einem Dritten iibertragen, beispielsweise durch Fakturierung in Inlandswahrung, vertragliche Haftungsbegrenzung, Kaufvertragsklauseln (Zahlungsbedingungen, Lieferbedingungen wie die INCOTERMS) oder Verkauf von Forderungen (z. B. durch Factoring oder Forfaitierung). Ob Versicherungen auch <Abwalzung> sind, ware zu diskutieren, lohnt sich aber nicht. Es gibt keine allgemeingiiltige Systematik. H-1.3. Risikoanalyse und -bewertung Um mit Risiken richtig umzugehen, sollte man móglichst viel iiber sie wissen. Welcher Aufwand dabei betrieben wird, ist abhángig von den gerade skizzierten Risikostrategien. Vor allem in kleineren Unternehmen ist zu beobachten, dal? bestimmte Risiken zu aufwendig abgesichert werden, andere wiederum gar nicht. Durch ein systematisches Risiko-Audit man kann auch schlichter sagen: durch eine umfassende Untersuchung aller Risiken und der verfolgten Risikopolitik des Unternehmens lassen sich oft sehr interessante Verbesserungsmoglichkeiten des Risikomanagements ermitteln. Dies bezieht sich auf die strategische Risikopolitik ebenso wie auf das operative Risikohandling. Beispielsweise ist immer wieder zu erleben, daS die Unternehmensleitung vor allem mittlerer Betriebe nur sehr vage Vorstellungen von den rechtlichen Risiken hat, die sich aus Exportbeschránkungen im Bereich von 2 Wáhrend man im Sprachgebrauch beim Abschlui? von Versicherungspolicen meist von Versichern spricht, verwenden Fachleute gerne den Begriff Besichern. Sachlich besteht kein Unterschied. <?page no="309"?> H - 1 . Allgemeines Risikomanagement 287 Dual-use-Giitern ergeben kónnen (vgl. Abschnitt L-6.2). Daher ist es oft sinnvoll, externe Fachleute und Berater mit einzubeziehen, weil die eigene Mannschaft leicht betriebsblind ist und den Wald vor Baurnen nicht sieht. Zudem sind die internen Verwaltungsstrukturen und Informationssysteme von ansonsten sehr erfolgreichen Unternehmen nicht selten archaisch. Vielfach ist die Verfiigbarkeit von Informationen personengebunden. Ein fehlendes institutionelles Gedáchtnis kann sich dann verheerend auswirken, wenn der betreffende Wissenstrager nicht (mehr) zur Verfiigung steht. Dies kann bereits bei unzureichender Urlaubs- oder Krankheitsvertretung deutlich werden. Die Risikoanalyse vergleicht zwei Zustánde mit und ohne Storung. In erster Linie ist es erforderlich, Risiken zu erkennen und zu prognostizieren (Risikoidentifikation). Hieran schlieSt sich die Beschreibung des Risiko-Tatbestands an, gefolgt von der Darstelliing der Risiko- Ursachen und der EinfluEfaktoren (menschliches Versagen, hóhere Gewalt; technische Zusammenhánge usw.). Wichtig ist, die Informationen iiber Wahrscheinlichkeiten zu verbessern; dies ist durchaus schon instrumental i.S.v. Reduzierung des Risikos; vgl. unten. Schliefilich sind die Schadenskonsequenzen abzuschátzen. Dabei sind Abhángigkeiten (Risikokumulation, Serien) zu berücksichtigen. Oft bietet es sich zur potentiellen Schadensanalyse an, Fehlerbaume zu erstellen oder Szenarien durchspielen, um Schwachstellen zu identifizieren. Wie auch beziiglich anderer Managementaspekte sollte sich das Risikomanagement auf ein solides Managementinformationssystem (MIS) stützen kónnen. Dies sagt sich so leicht, stellt jedoch erhebliche Anforderungen an die Verfiigbarkeit sinnvoller und aktueller Daten. Entscheidend ist aber nicht die Existenz eines MIS, sondern ob es vernünftig genutzt wird. Datenfriedhófe sind keine Seltenheit. PRAXISTIP Risiken entstehen durch Managementdefizite. Anzeichen hierfür sind u.a.: • Fehlen spezifischer Planungen für Problemlósungen; • Fehlen von Problemanalysen; • Probleme werden erkannt, aber nicht ais dringend angesehen; • Marktentwicklungen werden nicht rechtzeitig bemerkt; • Hoffen auf allgemeine wirtschaftliche Besserung start Managementaktion; • Unternehmenspolitik und Aktionen werden einseitig von einzelnen beeinflufSt. Die Risikoanalyse ist Grundlage der Risikobewertung. Diese ist wohl der wichtigste Bereich des Risikomanagements. Die Risikobewertung bezieht sich zum einen auf die absolute Schadenshóhe, zum anderen auf die relative Wichtigkeit. Beispielweise kónnen auch kostenmáSig kleine Scháden eine defekte Festplatte im Steuerungscomputer des FlieíSbandes den Betriebsablauf blockieren, wáhrend auch <teure> Scháden so gesehen weniger wichtig sein kónnen (das Gástehaus brennt ab). Die dritte Komponente der Risikobewertung sind die Eintrittswahrscheinlichkeiten, die meist nur grob abzuschátzen sind. Auch existenzbedrohende Risiken werden bei minimaler Wahrscheinlichkeit nicht unbedingt abgesichert (Meteoriteneinschlag). Nach dem Bombenanschlag auf das World Trade Center in New York sind zahlreiche Unternehmen, die ihren Sitz in dem Gebáude harten, Konkurs gegangen, weil sie auf solch eine Katastrophe nicht vorbereitet waren und existentiell wichtige Daten nicht hinreichend gesichert waren. Das Risikomanagement mui? daher zunáchst ein- <?page no="310"?> 288 H Risikomanagement im Auftenhandel mal entscheiden, welche Risikopolitik verfolgt wird, und daraus abgeleitet, welche Risiken in welchem Ausmai? abgesichert werden miissen und mit welchen man auch ohne spezifische Risikovorsorge gut leben kann. Hinsichtlich der Analyseinstrumente gibt es eine Vielzahl von Varianten. Manche schwóren auf Checklisten, andere auf Punktesysteme, die sich moglicherweise noch zu Risikoindizes verdichten lassen (wie beispielsweise der BERI-Index, der Business Environment Risk Index, der gerne für das politische Risiko mit herangezogen wird), wieder andere verwenden Kennzahlen, andere analytische Kommentare jeder wie er mochte. H-1.4. Risikopolitik: Instrumente Eine sehr wichtige' Komponente des Risikomanagements ist die Auswahl des richtigen Instruments. Diese beruht auf der Risikobewertung und baut sie aus durch Abwágen von Wirkungen, Grenzen und Kosten der móglichen MaSnahmen. RisikomaEnahmen zu ergreifen verursacht Kosten, Risikovermeidung durch Verzicht auf bestimmte unternehmerische Handlungen kann z. B. Umsatz- oder Gewinnchancen mindern. Grundsátzlich diirfte ais Máxime gelten, dafi die Kosten der Risikominderung oder -absicherung kleiner sind als der potentielle Schaden. In vielen Fallen liefien sich Risiken durch Verbesserung der Informationsbasis vermindern, z. B. durch rechtliche Beratung bei der Abfassung von Vertrágen, auf Auskünfte über den Vertragspartner sowie auf Informationen über Kosten und Eignung bestimmter Sicherungsinstrumente. Das Problem dabei ist zum einen, die richtigen d. h. kompetenten - Informationsquellen zu finden, zum anderen, eine Balance zwischen entstehendem Kostenaufwand und Nutzen der Informationsgewinnung zu wahren (z. B. die Bonitátsprüfung <ferner> Kunden). Ganz sicher aber ist eine falsche Beratung áuSerst gefáhrlich, weil die Konsequenzen enorm sein kónnen. Ein wichtiger Aspekt ist auch, ob und inwieweit derartige risikobezogene Kosten in die Preise hineinkalkuliert (überwálzt) werden sollen oder kónnen oder ob das Unternehmen sie ggf. selbst tragen muS oder will. Allgemein sind zu unterscheiden Instrumente, die bei den Ursachen ansetzen, und solche, die bei den Wirkungen ansetzen. Ursachenbezogene Instrumente beeinflussen das Schadensereignis (z. B. Verbesserung der Informationsbasis, (Verhaltens-) Training, Ausbildung. Ein typisches wirkungsbezogenes, d. h. schadensbezogenes Instrument ist eine Versicherung. Je nach Risikoneigung kann man versuchen, Risiken umfassend oder partiell abzusichern. • Das allgemeine unternehmerische Risiko ist grundsátzlich nicht abzusichern, • einzelne Risiken hingegen schon, z. B. das Kreditrisiko (Zahlungsrisiko), daS der Abnehmer nicht wie vereinbart zahlt, durch eine Hermes-Abdeckung. Vielfach ist bei der externen Risikoabsicherung eine Selbstbeteiligung üblich. Die Instrumente sind meist kombinierbar; das Risikomanagement sucht dann nach einem optimalen Mix. Zum Risikomanagment gehórt ein solides und konsequentes Risiko-Controlling. Dies ist sehr umfassend zu verstehen und sollte in erster Linie das allgemeine unternehmerische Risiko im Zusammenhang mit den verfolgten Unternehmenszielen im Auge haben. Das Controlling ist durch feed back mit dem Management- und EntscheidungsprozeS verkniipft. Nicht wenige Unternehmen haben durch eine konsequente Risikoanalyse zum einen Kosteneinsparungsmóglichkeiten, zum anderen Verlustpotentiale identifiziert. Im folgenden werden einige wichtige Risikoarten náher untersucht. <?page no="311"?> H - 1 . Allgemeines Risikomanagement 289 H-1.5. Risikoarten (Überblick) Aufgrund der offensichdichen Vielfalt von Problemen und Risiken in der AuSenwirtschaft kann sich bei manchen Untemehmern durchaus eine gewisse <Schwellenangst> vor Auslandsaktivitáten ergeben (Abb. H-l/ 4). Offensichtlich gibt es aber auch eine Fiille von Móglichkeiten, mit diesen Risiken umzugehen, wie die zahllosen Unternehmen belegen, die vom Aufenhandel gut und sehr gut leben. H-1.5.1. Allgemeine Risiken in der AufSenwirtschaft Allgemeine Risiken ergeben sich zunáchst einmal in Form des grundsátzlichen wirtschaftlichen Risikos, das jedes Unternehmen tragen muí? , d. h. der Móglichkeit des Scheitern. Dieses Risiko stellt sich in auslándischen Márkten aber móglicherweise in verschárfter Form, weil die Rahmenbedingungen der Markte und des Wettbewerbs andere sind. Hierzu záhlen insbesondere auch die sozio-kulturellen Rahmenbedingungen eines fremden Landes. Abb. H-1/ 4: Risikoarten Allgemeine Risiken . • Sprache • Mentalitat, Kultur • administrative Probleme • Rechtssicherheit • Kriminalitat • Korruption etc. Güterrisiken • Absatzrisiken (Marktrisiken) • Beschaffungsrisiken • Lieferrisiken • Transportrisiken • Lagerrisiken • Technische Risiken • Produkthaftungsrisiken etc. Wáhrungsrisiken • Umrechnungsrisiken • Bilanzierungsrisiken • Marktchancenrisiken etc. Lánderrisíken • Politische Risiken • kriegerische Ereignisse, Aufruhr • politische Instabilitát • Embargos, Boykotts • Beschiagnahme, Enteignung • Wirtschaftspolitische Risiken • Ánderung der Vorschriften • Konvertierung-, Tansferrisiken etc. Zahlungsrisiken • Abnahmerisiken • Zahlungsrisiken (Delkredere-R-) • Liquiditátsrisiko • Bonitátsrisiko • Inkassorisiko . • Konvertierungs-, Transferrisiken • Kautionsrisiken etc. sonstige Risiken • Produkthaftungsrisiken • Verstólte gegen Export-/ Importvorschriften • Markenpiraterie etc. <?page no="312"?> 290 H Risikomanagement im AuGenhandel (a) Sprache Ein zentrales Problem ist zunáchst einmal die Sprache; dies gilt fur Importeure ebenso wie fur Exporteure. Deutsche Unternehmer kónnen nur in selten Fallen davon ausgehen, dafi ihre Gescháftspartner deutsch sprechen. RegelmáfSig wird es wohl erforderlich sein, daf? sich die Partner auf eine gángige Sprache wie Englisch, Franzosisch oder Spanisch einstellen (Abb. H-l/ 5). Dies bedeutet mógliche Mifsverstándnisse beim Umgang mit Kunden, Lieferanten, Spediteuren, Behórden usw., einschlieSlich etwaiger Sprachprobleme bei Rechtsstreitigkeiten. Natiirlich lassen sich Verstandigungsschwierigkeiten durch Dolmetscher oder Ubersetzer abschwáchen, doch dies kann Verzógerungen und erhebliche Kosten verursachen. Eine hohe Sprachkompetenz auf eigener Seite ist in dieser Hinsicht die beste Risikoabsicherung. Abb. H-1/ 5: Spraehbarrieren als Exportbremse Wenn Danen in Portugal Teppiche verlegen Ein Beispiel ist das franzósische <Gesetz zur Anwendung der franzósischen Sprache> («Loi Toubon»), das allerdings in der Praxis weniger Probleme zu bereiten scheint, ais ursprünglich befiirchtet wurde. In Portugal müssen alie Produkte eine portugiesische Übersetzung fremdsprachlicher Etiketten aufweisen, bevor sie in den Handel gebracht werden kónnen. Zuwiderhandlungen werden ais GesetzesverstóSe geahndet. Ein polnisches Sprachgesetz verlangt, dais grenzüberschreitende Vertráge (auch) in Polnisch abgefaSt sein müssen. Die polnische Sprachregelung gilt allerdings nicht fur Dokumente im grenziiberschreitenden Warenverkehr (z. B. Versanddokumente). Dennoch bleibt Rechtsunsicherheit, weil Polnisch auEerhalb zollrechtlicher Belange von den Zollbeamten durchaus verlangt werden kann. In Problemfállen sollte man sich an die Deutsch-Polnische IHK in Warschau wenden. (b) Mentalitat, Kultur, Sitten und Gebráuche Das Umgehen mit auslándischen Partnern im In- oder Ausland kann erheblich von der jeweiligen Mentalitat beeinfluSt werden, sowohl von expliziten oder ungeschriebenen Umgangsformen etwa bei Verhandlungen oder Konferenzen als auch durch Handelsbráuche und Usancen. Hinzu kommen u.U. ungewohnte Aspekte, wie die Notwendigkeit, beim Umgang mit Behórden kráftig zu <schmieren>, oder eine aus deutscher Sicht ungewohnte Auffassung von Pünktlichkeit oder Zuverlássigkeit: Wohl jeder Exporteur, Importeur oder Investor kann viele Geschichten erzáhlen iiber mangelnde Liefertreue, schlechte Produktqualitáten, schwankende Lieferfáhigkeit usw. Auch wird man sich auf abweichende Feiertagsregelungen einstellen müssen; z. B. ist im arabischen Raum der Freitag ein Feiertag, in Israel der Samstag; wáhrend des Ramadan sind viele Aktivitáten eingeschránkt; Karneval wird in manchen Lándern gefeiert, in anderen nicht; nationale und religiose Feiertage reichen vom Geburtstag Martin Luther Kings (USA, 17. Januar), Neujahr (in Agypten: 6. April) über Buddhas Geburtstag (11. Mai, Indien), Tag der Marine (Japan, 20. Juli), Veteranentag (USA, 11. November) bis hin zum Constitution Day (Taiwan, 25. Dezember). Die verschiedenen Zeitzonen führen dazu, dais" mancher Gescháftspartner gerade nach Hause geht, wenn wir aufstehen, und umgekehrt. Lustig ist immer, wenn man sich mit dem Zeitunterschied verrechnet und urn 10 Uhr denkt, beim Partner ware es jetzt 16 Uhr, und sein Handy ihn urn 4 Uhr morgens weckt. In manchen tropischen Lándern endet der Arbeitstag in den Behórden bereits am Mittag. Dies hat i.d.R. zwei Griinde: <?page no="313"?> H - 1 . Allgemeines Risikomanagement 291 Die einheimischen Arbeitnehmer wohnen meist am Stadtrand (in diesem Sinne ist der sonst disputable Begxiff der sog. Margrnalbevolkerung entfernungstechnisch korrekt), und sie müssen zu ihren Arbeitsplátzen anreisen, meist mit privaten oder óffentlichen Sammeltaxis oder Bussen, in jedem Fall aber gegen Entgelt. Da eine Unterbrechung aller Tátigkeiten in der mittáglichen Hitze in tropischen Gegenden immer üblich und verstándlich ist (man denke an die bekannte Siesta bei unseren spanischen Nachbarn), wiirden die Arbeitnehmer entweder eine mehrstiindige Mittagspause überbrücken müssen, oder wenn sie zwischenzeitlich nach Hause zuriickkehrten wiirden ihnen zweimal Transportkosten entstehen; dies aber ist bei meist sehr bescheidenen Lóhnen nicht finanzierbar. Folglich ist die Variante gángig, daft die Arbeitszeit z. B. 8.00 Uhr bis 14.00 Uhr dauert - und dann ist Schluft (oft aber ais 6-Tage-Woche). Ein nachmittáglicher Telefonananruf aus Europa stóftt folglich ins Leere. Diese Regelung hat im Behórdenbereich noch eine andere simple ókonomische Erklárung: Ein Ende der Dienstzeit gegen Mittag eróffnet die Móglichkeit, einem Zweiterwerb nachzugehen für Staatsbedienstete in vielen Entwicklungslándern vóllig normal. Dies erklárt auch die in den betreffenden Lándern meist intern allgemein akzeptierte, somit institutionalisierte Korruption: Schmiergelder sind normal, gelten quasi als Lohnanteil óffentlich Bediensteter, die sonst nicht wüftten, wie sie bei oft horrenden Inflationsraten und entsprechenden Preisen über die Runden kámen, zumal sie oft ais (Mit-)Ernáhrer einer Groftfamilie fungieren: Wer ein Arm hat, ist moralisch verpflichtet, seine <petits freres> die «kleinen Brüder und Vettern» zu untersriitzen. Solche Probleme lassen sich am besten durch konkrete Erfahrungen vor Ort begreifen. EXKURS Korruption umfaRt ein weites Spektrum: Sie reicht von der Schmiergeldzahlung über Vetternwirtschaft bis hin zu Erpressung und Mord. Meist sind Korruptionspraktiken für beide Seiten - Empfanger wie Zahler von Vorteil. In verschiedenen Lándern in Lateinamerika, Afrika und Asien wurde mir von Gespráchspartnem versichert, daft ein Minister, der es nicht verstehe (um es drastisch auszudrücken), sich wie ein Schwamm vollzusaugen, ein schlechter Minister sei. «Wenn er nicht einmal das kann ...» Zudem sind die Kontrollbehórden und der Justizapparat selbst angesichts niedriger Gehálter anfállig für Korruption. Und daher ist es so schwer, den «Korruptions-Sumpf», wie es so schón heiGt, auszutrocknen. Die gemeinnützige internationale Organisation Transparency International in Berlin hat da einen schweren Stand, ihre Ziele jenseits von Lippenbekenntnissen von Politikern vieler Lander in der Praxis auch zu realisieren. Wir berühren dieses Thema in verschiedenen Abschnitten. (c) Administrative Probleme Auslándische Verfahren und Verfahrensvorschriften erschlieften sich manchmal nur mühsam, aufterdem kónnen sie sich andern, ohne daft es der deutsche Unternehmer erfáhrt. Ein deutscher Gerátehersteller klagte unlángst über ein bestimmtes Zielland, daft keine Ladung nach demselben Schema verzollt würde. Eine solide Informationsgewinnung direkt oder durch kompetente Stellen, im In- oder Ausland kann hier vorbeugen, aber auch Kosten verursachen. <?page no="314"?> 292 H Risikomanagement ¡m AuRenhandel (d) Allgemeine Rechtsprobleme Auf der juristischen Ebene kónnen sich in mancherlei Hinsicht Risiken ergeben, z. B. im Hinblick auf das Arbeitsrecht, auf die administrativen Prozeduren (z. B. bei Rechtsbehelfen), bei der Durchsetzung von Anspriichen bei Streitigkeiten mit dem Geschaftspartner, hinsichdich des Risikos, aus der Produzentenhaftung in Anspruch genommen zu werden, usw. Hier sind mit der auslándischen Rechtslage kompetent vertraute Rechtsberater die beste Risikoabsicherung, auch wenn dies nicht immer billig sein wird: Zwar sind die lokalen Honorare oft bescheiden, doch gibt es meist eine Gebiihrentabelle fur einheimische und eine fiir (reiche) auslándische Klienten. Das muí? man in der Regel akzeptieren. Ein Consultant in einem ziemlich armen (= billigen) Land verlangte von mir unlángst Honorare, wie sie in Tokyo gángig sind. H-1.5.2. Lánderrisiken Der Begriff des Lánderrisikos (politisches Risiko) wird in der Literatur sehr uneinheitlich verwendet. Grundsátzlich sind damit Risiken gemeint, die nicht in der Person des auslándischen Partners begriindet sind, also z. B. keine Bonitátsrisiken, sondern sich aus Mafinahmen der auslándischen Regierung oder allgemein aus der Situation des Partnerlandes ableiten. Das Lánderrisiko erstreckt sich im Ergebnis auf alie Verlustgefahren, die dem auslándischen Unternehmen aus gesamtwirtschaftlichen, politischen und sozio-kulturellen Griinden in seiner Gescháftstátigkeit entstehen konnen. Lánderrisiken sind sowohl inhaltlich schwer zu prázisieren weil sie sich aus einer diffusen Vielzahl von Aspekten ergeben als auch kaum zu prognostizieren. Aus der Vielzahl von Methoden und Analysemodellen sind einige bekannt, weil sie publiziert werden, andere werden von den anwendenden Banken, Versicherungen und Industrieunternehmen unter Verschlui? gehalten. Insgesamt gibt es zwei grofo Hauptgruppen von Analysemodellen: solche zur Ermittlung der Kreditudirdigkeit eines Landes, die also eher bankmáfsig orientiert sind, und solche zur Ermittlung von Risiken bei Handelsbeziehungen und bei Direktinvestitionen. Trotz aller Unterschiede in der Zwecksetzung und der angewendeten Analysemethoden ist die Grundstruktur áhnlich: Zunáchst handelt es sich darum, einen Kriterienkatalog auszuwáhlen, der je nach der Art des zu analysierenden Risikos unterschiedlich strukturiert sein wird: Die Kreditwiirdigkeit eines Landes hángt von anderen Kriterien ab als die Rentabilitát von Investitionen. Diese Kriteriensammlungen umfassen i.d.R. sowohl qualitative Kriterien (z. B. das Ausmai? biirokratischer Hindemisse) als auch quantitative (z. B. Inflationsrate). Einige der Risikoanalysen beschránken sich auf eine reine Beschreibung der Situation, ohne das Lánderrisiko in irgendeiner Weise z. B. in einem Indexwert quantitativ zu verdichten («Lánderbericht»). Andere Ansátze «übersetzen» auch qualitative Kriterien in quantitative Werte. Viele Analysemethoden verwenden eine ¡Combination qualitativer (deskriptiver) und quantitativer Indikatoren, beispielsweise auch bei der Hermes-Kreditversicherung bei der Zuordnung zu Lánderrisikogruppen (vgl. Abschnitt H-3.2.6). Bekannt sind auch Ratingsysteme beziiglich der pauschalen Kreditwiirdigkeit eines Landes bei der Begebung von internationalen Anleihen. Allgemein kann zwischen politischen Risiken i.e.S. und wirtschaftspolitischen Risiken unterschieden werden: <?page no="315"?> H - 1 . Allgemeines Risikomanagement 2 9 3 H-1.5.2.1. Politische Risiken Zu den politischen Risiken záhlen kriegerische Ereignisse, Aufruhr oder Revolution im Ausland, politische Instabilitát (Regierungswechsel, Politikwechsel), entschádigungslose Beschlagnahmung (Konfiszierung) bzw. Enteigung von Giitern (CEN-Risiko: confiscation, expropriation and nationalization; vgl. Abschnitte B-6.7.5 und B-6.7.7 zu Direktinvestitionen), Embargo und Boykott, 3 so dai? die Ware nicht vertragsgemáS exportiert oder importiert werden kann bzw. darf oder der Importeur die Zahlung nicht leisten kann. Im weiteren Sinne záhlt auch erhóhte Kriminalitát zu den politischen Risiken, denn in vielen Fallen haben Unternehmen Probleme mit der Besetzung von Auslandspositionen, weil Mitarbeiter nicht bereit sind, ihre Familien und sich solchen Risiken auszusetzen. Auch eine verbreitete Korruptionsmentalitát kann die Abwicklung von Transaktionen behindern. H-1.5.2.2. Wirtschaftspolitische Risiken Neben die politischen Risiken im oben beschriebenen Sinne treten andere staatliche Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen. Im Importwie im Exportland kónnen sich die AuEenhandelsvorschriften ándern, so daS z. B. Kontingente eingefiihrt werden, Lizenzen bzw. Genehmigungen erforderlich werden oder Einfuhr- oder Ausfuhrverbote erlassen werden. In Landern mit Devisenbewirtschaftung bestehen Konvertierungsbzw. Transferrisiken sowie Zahlungsverbots- und Monzionwms-Risiken (KT- und ZM-Risiken), bei dem der auslándische Importeur durchaus zahlungswillig und in seiner Wáhrung auch zahlungsfáhig ist, jedoch ein Umtausch in und Transfer von Devisen aufgrund staatlicher Mafsnahmen nicht mehr móglich ist; Abschnitt H-2.1 geht hierauf ein. Auch Wechselkurs- und Ztnsanderungen sind zu den wirtschaftspolitischen Risiken zu záhlen. Vgl. hierzu Abschnitt H-4. Dabei liegen die Ursachen in Veránderungen auf den Wáhrungs- und Kreditmárkten. Die Dauer des Risikos gilt vom Zeitpunkt der Angebotsabgabe bis zur Erfullung der letzten Rate der offenen Verbindlichkeit. Der Verlust für den Exporteur besteht dann in Mindererlósen gegenüber den Kalkulationswerten, für den Importeur entsprechend als Verteuerung. Diese Risiken sind um es nochmals zu betonen abzugrenzen vom Zahlungsrisiko (Zahlungsausfallrisiko), das von der Bonitát des Schuldners abhángt (vgl. Abschnitt H-2.1). Wie beim Fabrikationsrisiko kónnen auch hier die Ursachen für die Nichterfüllung des Schuldners politischer oder wirtschaftlicher Natur sein. Der Verlust für den Exporteur besteht in Zahlungsausfállen oder in Zinsverlusten bei verspátetem Eingang. H-1.5.3. Giiterrisiken H-1.5.3.1. Giiterrisiken im Export (1) Absatzrisiko Auf der Exportseite ergibt sich zunáchst einmal ein Absatzrisiko (Marktrisiko), indem für den Export produzierte Ware nicht verkauft werden kann, z. B. weil neue Konkurrenten aufgetreten sind, weil die eigene Preiskalkulation nicht (mehr) den international üblichen Prei- 3 Vgl. dazu Abschnitt L-6.4. <?page no="316"?> 294 H Risikomanagement im AuGenhandel sen entspricht, weil sich neue (Zoll-) Práferenzráume gebildet haben, weil die Produktqualitát nicht (mehr) konkurrenzfáhig ist, weil sich Wechselkursánderungen ergeben haben, usw. Eine entsprechende Marktbeobachtung ist eine notwendige, wenngleich nicht hinreichende Risikoabsicherung. Unzureichende Marktkenntnis kann dazu führen, das fiir den Auslandsmarkt ungeeignete Produkte angeboten werden, falsche Geschaftspartner gewáhlt werden (Kunden, Lieferanten, Spediteure, Makler usw.), die Vertriebsbzw. Beschaffungssysteme unangemessen sind, usw. In Abschnitt B-7.3 wurde bereits darauf eingegangen. (2) Abnahmerisiko Hinzu kommt ein Abnahmerisiko, wenn der auslándische Káufer die bestellte - und móglicherweise bereits ausgelieferte - Ware nicht abnimmt (Annahmerisiko). Dabei kónnen zusátzlich Lagerrisiken entstehen, indem die nicht absetzbare Ware zu Zins- und Lagerkosten fiihrt und von Verderb, Diebstahl oder Überalterung bedroht ist. In Abschnitt G-3.4 ist dies im Zusammenhang mit den Dokumenten-Inkassi ausfiihrlich angesprochen worden. (3) Transport- und Lagerrisiken Transportrisiken bestehen in zweierlei Hinsicht: Erstens besteht die Gefahr, daE die abgesandte Ware an einen falscben Ort geliefert wird oder daf? von der vorgesehenen Reiseroute abgewichen wird bzw. werden muS (z. B. bei Ausbruch von Konflikten) oder dafi die Ware mit zeitlicher Verzogerung ankommt (Streiks) oder unterwegs <steckenbleibt>. Dieses Risiko ist i.d.R. nur schwer abzusichern, ggf. durch Konventionalstrafen, die mit dem Lieferanten vereinbart werden, der sich jedoch insbesondere von Risiken freistellen lassen wird, die nicht in seinem Verantwortungsbereich, sondern beim Spediteur oder Frachtführer oder in hoherer Gewalt {force majeure) begriindet liegen. In den meisten Transportbedingungen aber ist die Haftung fur zeitliche Verzogerungen sehr eingeschrankt und schlieSt u. a. Griinde wie unzureichende Hafenkapazitát, Grenzblockaden, Streiks, Sabotage, hoheitliche Eingriffe (z. B. Beschlagnahmung), politische Ursachen usw. aus. Diese Risiken kónnen i.d.R. nur gesondert und gegen teilweise erhebliche Prámien abgesichert werden (vgl. Abschnitt H-3). Zweitens bestehen Transportrisiken hinsichtlich Qualitdtsverlust, Beschadigung oder Verlust der Ware, nicht zuletzt auch bei erforderlichem Umladen der Ware oder aufgrund klimatischer Einfliisse oder aufgrund des Transportweges (z. B. Seewasserscháden). Diese Risiken kónnen durch entsprechende Versicherungen abgesichert werden bzw. sind bereits in den Frachtraten des Transportführers berücksichtigt. Wer die Kosten dafur trágt, hángt von den vereinbarten Lieferbedingungen ab (vgl. Abschnitt G-2.4 zu Versicherungen). (4) Haftungsrisiko Ein besonderes Risiko kann daraus entstehen, dal? der Exporteur im Rahmen seiner Produzentenhaftung (Produkthaftung) in einem Ausmaft in Anspruch genommen wird, das das nationale Risiko <zu Haus> bei weitem iibertreffen kann, z. B. auf dem US-amerikanischen Markt. Vgl. hierzu ausfiihrlicher Abschnitt H-6. (5) Technische Risiken Besondere klimatische Bedingungen, abweichende Normen und Sicherheitsvorschriften sowie unzureichende Qualitát der menschlichen Arbeit kónnen Nacharbeiten, Umriistungen oder Reparaturen zu Lasten des Exporteurs bedingen. <?page no="317"?> H - 1 . Allgemeines Risikomanagement 295 (6) VerstoBe gegen Exportvorschriften Das Aulsenwirtschaftsrecht beinhaltet eine Reihe von Exportbeschránkungen, insbesondere hinsichtlich des Exports strategischer Giiter. Nach der jetzigen Rechtslage besteht für den deutschen Exporteur das Risiko, daG sein Abnehmer die bezogenen Giiter verbotswidrig verwendet, insbesondere wenn es sich urn dual-use-Gütei handelt oder um Anlagenteile, die fur sich genommen den Exportbedingungen entsprechen, jedoch in Kombination mit anderen Gütern mifibrauchlich für andere Verwendungszwecke eingesetzt werden. Der Lieferant kann dies nicht in letzter Konsequenz iibersehen, und auch die Vorlage von Endverbleibsnachweisen ist keine 100%ige Absicherung (vgl. Abschnitt L-6 zur Exportkontrolle). Unabhángig davon birgt die Komplexitát der auSenwirtschaftsrechtlichen und zollrechtlichen Bestimmungen die Gefahr von (unbeabsichtigten) VerstóGen, die als Ordnungswidrigkeiten mit GeldbuEen geahndet werden kónnen. (7) Kautionsrisiken Háufig muG der Exporteur Garantien stellen (insbesondere Bietungs-, Anzahlungs, Liefer- Gewáhrleistungs-, Erfiillungsgarantien). Da derartige Garantien in der Regel «auf erstes Anfordem» hin, d. h. ohne materielle Prüfung des Anspruchs zahlbar gestellt werden, besteht die Gefahr, da6 sie unberechtigterweise in Anspruch genommen werden (unfair calling) (vgl. Abschnitt H-2.4.3.4). H-1.5.3.2. Giiterrisiken im Import Die Dispositionen des Importeurs beruhen darauf, dai? die Importware so zu seiner Verfiigung gestellt wird, wie er sie geordert hat. Dabei treten eine Reihe von Risiken auf. (1) Beschaffungsrisiko Das Beschaffungsrisiko hat mehrere Dimensionen. Zum einen besteht es in quantitativer Hinsicht darin, daS georderte Ware nicht oder nur in unzureichender Menge geliefert werden kann bzw. geliefert wird (Ausfall von Vorlieferanten und anderen Bezugsquellen, Mifiernten, Naturkatastrophen, Streik, politische Unruhen im Ausland, Konkurs des Lieferanten, Falschdisposition des Lieferanten beim Export). In qualitativer Hinsicht kann eine bestimmte Qualitát nicht zu beschaffen sein oder es wird eine mangelhafte Qualitát geliefert oder es kommen gar komplette Falschlieferungen vor (die Grenze zum quantitativen Beschaffungsrisiko ist dann flieSend). In zeitlicber Hinsicht kann seitens des Lieferanten der zugesagte Liefertermin nicht eingehalten werden oder es treten Verzógerungen bei der Zollabfertigung auf entweder im Export- oder im Importland). Verzógerungen, Falsch- oder Fehllieferungen kónnen den Importeur u. U. selbst in Verzug gegeniiber seinen Abnehmern bringen. In preislicher Hinsicht kann die bestellte und gelieferte Ware aufgrund von zwischenzeitlichen Preisveránderungen fur den geplanten Zweck zu teuer geworden sein (Preissenkungen der Konkurrenten). (2) Lieferrisiko Sofern diese Probleme auf den auslándischen Lieferanten zuriickzufiihren sind, spricht man von Lieferrisiko oder Lieferantenrisiko. Risikovermeidung würde den Verzicht auf Importgescháfte bedeuten. Risikoverminderung ist móglich u. a. durch Sicherstellen alternativer Bezugsquellen, was jedoch háufig dennoch zu zeitlichen Verzógerungen führt und Kosten <?page no="318"?> 296 H Risikomanagement im Auftenhandel nach sich ziehen kann. Gegen Lieferantenrisiken kann sich der Importeur teilweise absichern durch die Pruning der abzusendenden Ware im Exportland vor der Verpackung bzw. Verladung auf der Transportmittel. Hierfiir gibt es wie ausgefiihrt spezialisierte Unternehmen, die im Auftrag des Importeurs solche Untersuchungen durchfiihren und hieriiber ein Inspektionszertifikat (PSC: Pre-Shipment-Certificate) ausstellen, das u.a. auch Bestandteil von Akkreditivdokumenten sein kann. Eine Abschwachung des eventuellen Schadens aus Lieferantenrisiken kann auch durch Vereinbarung von Konventionalstrafen geschehen sowie durch Anzahlungs-, Bietungs- und Liefer-Garantien. Sofern der Importeur jedoch auf den ordnungsgemáSen physischen Eingang der Ware angewiesen ist, niitzen ihm auch kompensierende Geldleistungen oft nur wenig. (3) Transport- und Lagerrisiken Sachrisiken aus Transport, Lagerung und Montage (Beschádigung, Verlust, Verzogerung) bestehen analog wie fur den Exporteur. Hinzu kommt das Risiko von Fehlleitung der Ware. (4) Produkthaftung Unter bestimmten Voraussetzungen unterliegt der Importeur wie der Hersteller und der Exporteur der Produkthaftung. Vgl. Abschnitt H-6. H-2. Zahlungsrisiken «Zahlt Ihr Kunde in harter Wahrung, weicher Wahrung - oder gar nicht? » So fragte die Hermes-Versicherungs-AG in einer Zeitungsannoncen und bildete dazu eine Banane ab. Aber auch in anderen Lándern ais Bananenrepubliken bestehen unabhángig von den im vorangehenden Abschnitt behandelten Risiken im AuSenwirtschaftsverkehr besondere Zahlungsrisiken, auch wenn diese sich in mancher Hinsicht mit den Zahlungsrisiken im Inland iiberschneiden (Abb. H-2/ 1). Hermes hat dafür einige schóne Zitate aus anderen Kulturkreisen gefunden: «Man soil den Scheck nicht vor der Gutschrift loben» oder «Auf einem Abb. H-2/ 1: Zahlungsrisiko Quelle: Hermes-AG Wer zahlt, wenn Ihr Kunde nicht mehr zahlt? <?page no="319"?> H - 2 . Zahlungsrisiken 2 9 7 langen Weg kann viel passieren» oder «Auch starke Dácher brauchen Stützen» oder «Erst am Ufer ist der Fisch gefangen». Eine zentrale Praxiserfahrung ist, daS man die Bonitát der Partner solide prüfen und sich nicht zu unvorsichtigen Engagements verleiten Iassen sollte. Allgemein kann man sagen, daS die Zahlungsrisiken im EG- und EFTA-Bereich im grofen und ganzen den inlándischen Risiken entsprechen, so dai? sich die folgenden Ausfuhrungen in erster Linie auf das sonstige Ausland beziehen, wo neben dem Kundenrisiko auch Lánderrisiken hinzukommen. Dies láSt sich u. a. auch daran ablesen, daS staatliche Exportkreditversicherungen (vgl. Abschnitt H-3.2) nicht für EG-Lander zu erhalten sind; allerdings hat dies auch rechtliche Griinde, die sich aus dem Verbot der Exportsubventionierung im EG-Vertrag ergeben (Art. 87 ff. EGV). Das Risiko von Zahlungsausfállen bei Kunden kann leicht zu einem Dominoeffekt im eigenen Hause fiihren, im Sinne von «Ein Konkurs kommt selten allein». Unternehmen, die sich gegen derartige Risiken nicht absichern, kónnen selbst leicht in Schwierigkeiten geraten. Dies gilt insbesondere für mittelstándische Unternehmen mit einer diinnen Eigenkapitaldecke. Auch wenn ein Forderungsausfall nicht gleich die Existenz des Unternehmens bedroht, wird er sich negativ auf die Erfolgszahlen und -kennziffern auswirken. Aus Hermes- Berechnungen ist zu entnehmen, daS ein Forderungsverlust von 20.000 Euro (vereinfacht) einen Mehrumsatz von 500.000 Euro erfordert, um eine Umsatzrendite vor Steuern von 4 % wieder zu erreichen H-2.1. Arten des Zahlungsrisikos Zu den Zahlungsrisiken (Abb. H-2/ 2) zahlt zunáchst einmal das allgemeine Kredit- oder Delkredere-Risiko, worunter man den Ausfall oder den verspáteten Eingang der Zahlung versteht. Das Delkredere-Risiko umfaiSt bei differenzierterer Betrachtung auch das Abnahmerisiko, d. h. der Importeur nimmt die Ware nicht ab und verweigert logischerweise auch die Zahlung, z. B. weil Beanstandungen gelten gemacht werden oder der Importeur eine giinstigere Bezugsquelle ausfindig gemacht hat. Bei Verweigerung der Abnahme kónnen für den Exporteur erhebliche Kosten entstehen, zunáchst durch entstandene Produktions- und Transportkosten, nun erforderliche Lager- und Versicherungskosten, ggf. auch durch erforderliche Preisnachlásse, um die Ware ohne zu grofie Verzógerung an andere Káufer absetzen zu kónnen, oder durch den erforderlichen Rücktransport der Ware, weil sie auch mit Preisnachlassen nicht anderweitig veráufert werden kann, z. B. bei Spezialanfertigungen. Hinzu kommt das Zahlungsrisiko i.e.S., d. h. der Importeur nimmt die Ware ab, zahlt aber nicht oder nur unvollstándig oder verspátet, obgleich er objektiv voll leisten kónnte (Zah- Abb. H-2/ 2: Zahlungsrisiken Wachsende Risiken im Gesehaft mit RuBland Deutsche Unternehmen beklagen schlechte Zahlungsmoral, Devisenmange! und Korruption in der GUS Moskau will Waggons nicht abnehmen I DEUTSCHE WAGGONBAU AG Ostdeutsches Unternehmen gerát ohne Hermes-Sonderkonditionen in eine schwierige Lage <?page no="320"?> 298 H Risikomanagement im Auftenhandel lungsunwilligkeit). Bei privaten Abnehmern wird die Zahlungsunwilligkeit angenommen, wenn sie ohne rechdich abgesicherte Einreden (z. B. Mángelrüge) die Zahlung verweigern (Nichtzahlung, protracted default; to protract in die Lánge Ziehen); dies macht ca. 80% aller wirtschaftlichen Schadensfálle aus. PRAXISTIP Für den ¡nnereuropáischen Gescháftsverkehr schreibt eine EC-Richtlinie zur Bekámpfung des Zahlungsverzugs im Handelsverkehr vor, daft saumige Schuldner automatisch 30 Tage nach Fálligkeit und Zugang einer Rechnung ohne Mahnung in Verzug geraten und einen Verzugszins von 5% iiber dem Basiszins der EZB zahlen müssen. Den Zugang der Rechnung hat der Gláubiger zu beweisen. Das «deutsche Gesetz zur Beschleunigung fálliger Zahlungen» setzt diese Richtlinie seit Mai 2000 in nationales Recht um. Um wie bisher den Verzug durch Mahnung herbeiführen zu kónnen (Abb. H-2/ 3), sollten die AGB für Gescháfte mit Kaufleuten einen entsprechenden Passus enthalten. Gegenüber Verbrauchem wirkt dies nicht, weil ungünstigere Regelungen ais die gesetzlichen unwirksam sind. Abb. H-2/ 3: Neue Verzugsregel birgt Nachteile für Gláubiger Davon abzugrenzen ist das Bonitatsrisiko, daS sich aus dauerhafter Zahlungsunfdhigkeit des Kunden trotz urspriinglich angenommener Bonitát ergibt (z. B. aufgrund Konkurs, Vergleich, schlechte wirtschaftliche Lage) sowie das Liquiditatsrisiko, wenn der auslandische Importeur voriibergehend nicht zahlen kann. Gelegentlich wird auch als Inkassorisiko bezeichnet, daS der Schuldner die Zahlung bewuSt verweigert oder verzógert. Diese Risiken sind abzugrenzen gegen das Konvertierungsrisiko und das Transferrisiko (KT- Risiko) und das Zahlungsverhots- und Moratoriwnsrisiko (ZM-Risiko), die nicht im EinflulSbereich des Importeurs liegen. Man versteht darunter die Falle, in denen der Káufer durchaus zahlungswillig und in seiner Wáhrung zahlungsfáhig ist, jedoch aufgrund von Devisenbeschránkungen die Zahlung nicht in Devisen ausführen darf. Ein Transferverbot kann sich gezielt gegen bestimmte Lander richten. Transferprobleme kónnen auch noch eintreten, nachdem der Káufer landesintern die Zahlung bereits angewiesen hat. Transferrisiken kónnen insbesondere bei verbundenen Unternehmen («Mutter-ATochter-Unternehmen») u. a. begrenzt werden, indem in Zeiten noch unbehinderten Kapitalverkehrs Zulieferungen in das transferbedrohte Ausland zu iiberhohten Preisen erfolgen, so da(? noch vor dem «Greifen» von Restriktionen Kapital ins Ausland geschleust werden kann. Im weiteren Sinne kann man zum KT-Risiko auch die Falle záhlen, dal? dem Importeur der Transfer aufgrund einer fehlenden Einfuhrgenehmigung nicht ermóglicht wird oder sich die Eróffnung eines vereinbarten Akkreditivs aufgrund von Problemen innerhalb des Bankensystems verzógert. KT-Risiken sind eng verwandt mit einem generellen Zahlungsverbot fur Inlander oder einem einseitig verfiigten, zeitlich begrenzten Moratoriums des betreffenden Staates (ZM-Risiko). Allgemein wird auch von Erfullungsrisiken gesprochen. (Die Abgrenzung zwischen KT- und ZM-Risiken ist fliefiend; meist wird argumentiert, daf> beim KT-Risiko der Schuldner in Inlandswahrung geleistet hat, jedoch die Zahlung ins Ausland blockiert wird, wáhrend er <?page no="321"?> H-2. Zahlungsrisiken 299 beim ZM-Risiko aufgrund der staatlichen MalSnahmen gar nicht erst eine Einzahlung bei seiner Bank zum Zweck des Transfers leisten kann.) Die dauernde Zahlungsablehnung wird in Abgrenzung zum voriibergehenden Moratorium als Repudiation bezeichnet. Zahlungsverbote sind selten; beispielsweise wurden sie 1982 von GrolSbritannien und Argentinien wáhrend des Falklandkrieges verhángt bzw. vom UN-Sicherheitsrat wáhrend des Golfkrieges 1991 gegen Irak und Kuweit und wáhrend des Jugoslawienkrieges 1992 gegen Serbíen und Montenegro. Moratorien in offener oder verdeckter Form waren in den 80er Jahren in Lateinamerika weitverbreitet; zuletzt harten Rutland 1998 und Pakistan 2000 ein Moratorium verhángt. In vielen Fallen kommt es dabei dann anschliefSend zu bi- oder multilateralen Umschuldungsabkommen, die meist bei faktischem, jedoch nicht offiziell erklártem Moratorium in groEer Zahl durchgefiihrt wurden. Die Gláubiger müssen dabei in aller Regel einen Teil ihrer Forderungen <abschreiben>, zumindest aber lángere Tilgungszeiten und/ oder niedrigere Zinsen akeptieren. Die Wahrscheinlichkeit von politischen Risiken in Form von KT- und ZM-Risiken hat im Zeitalter flexibler Wechselkurse abgenommen, weil sich Devisenknappheit eher in Abwertungen als in der Unterbrechung des Zahlungsverkehrs áufiern, wie die Asienkrise 1997/ 98 gezeigt hat. In den ehemaligen soziaiistischen Lándern hat der Trend zur Entstaatlichung und zur Marktwirtschaft in dieser Hinsicht ein iibriges getan. PRAXISTIP Es ist nicht anzunehmen, daft alie Kunden eines Unternehmens in einem Land gleichzeitig in Konkurs gehen, so daft die Absicherung des wirtschaftlichen Risikos selektiv erfolgen kann. Wenn sich hingegen ein politisch.es Risiko realisiert, konnen alie Forderungen in einem Land ausfallen. Daher bietet sich in vielen Fallen die Absicherung des politischen Risikos an. Derartige Zahlungsrisiken kónnen auf mancherlei Weise besichert werden: durch An- und Vorauszahlungen, Akkreditive, Ausfallbürgschaften (so daS anstelle des Schuldners ein Biirge i.d.R. im Land des Schuldners, aber dies ist nicht zwingend in die Verpflichtung eintritt), Ausfuhrgarantien (z. B. staatliche Garantien des Exportlandes gegeniiber dem Gláubiger), Factoring oder Forfaitierung. Auf staatliche MaBnahmen zur Exporterlósabsicherung wird im Abschnitt H-3.2 eingegangen. H-2.2. Risikobegrenzende MaRnahmen H-2.2.1. Bankauskünfte Bevor man als Exporteur einen Liefervertrag unterschreibt, sollte man sich griindlich iiber den potentiellen Káufer informieren. Ein gángiges und relativ einfaches Mittel ist die Einholung von Bankauskiinften bei der eigenen Hausbank. In bestimmten Fallen mag diese den Gescháftspartner selbst kennen, meist kann sie aber iiber Korrespondenzbanken Auskiinfte einholen. In der Regel wird nicht direkt beim Káufer nachgefragt, aber auch solche Aufforderungen zu Selbstauskiinften («Anfrage im Kundeninteresse») kommen vor. Bankauskünfte sind kein Bruch des Bankgeheimnisses. Sie sind aber vertraulich, d. h. das anfragende Unternehmen darf diese Informationen nicht weitergeben. Üblicherweise fragt man an, ob der Káufer für einen bestimmten Betrag <gut> ist. Die Ant- <?page no="322"?> 3 0 0 H Risikomanagement ¡m AuGenhandel wort ist meist recht knapp, aber auch 10-20-seitige Bankauskünfte sind gangig. Die Formulierungen sind manchmal recht vage und erinnern an Umschreibungen, wie man sie in Arbeitszeugnissen findet. Háufig wird dies ergánzt durch zusátzliche Informationen iiber Immobilienbesitz oder andere <Pluspunkte>, wobei auch Einschránkungen z. B. beziiglich einer «angemessenen Belastung des Grundbesitzes» móglich sind. Ein Super-Rating ware eine Formulierung wie: «Wir halten das Unternehmen fur den angefragten Betrag fur unbedenklich gut», denn <unbedenklich> wird nicht <mal s o verwendet. Eine Abschwáchung ware also «Wir halten das Unternehmen für den angefragten Betrag für gut»; skeptisch klingt schon «fur den angefragten Betrag zur Zeit für gut», obgleich diese zeitliche Einschránkung gebráuchlich ist. Ein Hinweis auf eine «befriedigende Auftragslage» ist auch kein Lob in den hóchsten Tónen, ebenso wenig: «Nach unserem Kenntnisstand geht das Unternehmen nur Verbindlichkeiten ein, die es auch erfüllen kann.» Kritisch wird es bei «Uns erscheint der angefragte Betrag hoch/ sehr hoch/ zu hoch» oder «Die finanziellen Verháltnisse scheinen angespannt zu sein», weil Banken es sich zweimal überlegen, ob sie so deutlich werden wollen. Wichtig ist, daS eine Bank mit einer solchen Auskunft keine Haftung übernimmt («ohne Obligo»). Zudem berichtet sie auf ihrem gegenwártigen Kenntnisstand bzw. gibt Informationen weiter, ohne ihre Quelle zu nennen -, wird aber in der Regel keine eigenen Recherchen anstellen. Auch wird sie in der Regel keine nachtráglichen Auskünfte nachreichen, wenn sich die Situation des beurteilten Unternehmens beispielsweise verschlechtert; dies hángt jedoch auch von der Qualitát der Beziehung zum anfragenden Unternehmen und dessen Bedeutung fur die Bank ab. Daher sollte man den Kennntisstand auch über den bekannten Kundenstamm immer wieder aktualisieren, vor allem bei lángeren Kreditlaufzeiten. Für eine Bankauskunft fallen meist Kosten zwischen 50 und 150 Euro an, selten mehr. Bei wichtigen Gescháften ist es sinnvoll, mehrere Auskünfte parallel einzuholen. Problematisch kann es sein, wenn eine Bank über einen eigenen Kunden Auskunft geben soil und dieser vielleicht in Schwierigkeiten steckt: 1st die Bank ehrlich, verliert der Kunde moglicherweise ein gutes Geschaft und gerát weiter in Schwierigkeiten. Man kann auch auf gewerbliche Auskunfteien zurückgreifen, die sicherlich keine eigenen Interessen haben, aber teurer sind (in Deutschland u. a. Creditreform, Schimmelpfeng, Bürgel), sowie auf die Hermes-AG oder Factoring- und Forfaitierungsgesellschaften. Aber auch hier wird man nicht immer aussagekráftige Auskünfte erhalten konnen. Bankauskünfte über Unternehmen in Industrielandern sind meist leichter einzuholen als in <entfernten> Lándern, doch nimmt dieser Unterschied mit zunehmender Prásenz auch der Finanzinstitute in einem globalen Markt mehr und mehr ab. Hinsichtlich der Beurteilung des Standings auslándischer Kreditinstitute (was beispielsweise bei Akkreditiven von grofSer Bedeutung ist), muG man sich in der Regel auf die Einschátzung der eigenen Hausbank verlassen. Natürlich ist ein exportierendes bzw. investierendes Unternehmen gut beraten, sich mit einer Analyse von Unternehmensdaten des Partnerunternehmens zu befassen. Je nach Land und Unternehmensform sind solche Daten nicht immer leicht zu beschaffen. Die Rechtsform des Vertragspartners mag einige Hinweise geben, aber die Unterschiede z. B. hinsichtlich des haftenden Kapitals sind von Land zu Land sehr gro(? (vgl. Abschnitt E-8), und entscheidend ist ja nicht das nominelle Eigenkapital, sondern das reale Vermógen des Unternehmens. Auf inhaltliche Aspekte der Analyse und Auswertung insbesondere von Jahresabschlüssen, Ge- <?page no="323"?> H-2. Zahlungsrisiken 301 scháftsberichten und Kennziffern, kónnen wir hier nicht eingehen, doch ist festzuhalten, daft internationale Unterschiede im Bilanzrecht eine Analyse erschweren. Ein Handelsregisterauszug macht vor allem in Deutschland Sinn. Im englischen Rechtskreis ist ein Handelsregister weitgehend unbekannt: Hier wird nur der Tatbestand der Griindung registriert, aber keine weiteren relevanten Daten. H-2.2.2. Zahlungsbedingungen und Forderungsverkauf Das durch eine Bankauskunft ermittelte <standing> eines Kunden hat EinfluS auf die Wahl einer Zahlungsbedingung und auf die Absicherung des Zahlungsrisikos für den Exporteur, d. h. dafi er leistet, ohne dafs der Káufer rechtzeitig und/ oder vollstándig zahlt. Wie in Abschnitt G-3 ausgefiihrt wurde, láSt sich durch bestimmte Zahlungsbedingungen eine betráchtliche Sicherheit für den Exporteur erreichen, u. a. durch Voraus-, An- oder Abschlagszahlungen oder durch dokumentáre Zahlungsbedingungen (d/ p, d/ a, Akkreditiv). Hinzu kommt die Moglichkeit des Forderungsverkaufs (Factoring, Forfaitierung; vgl. Abschnitt H-2.2.2). Bei vielen Unternehmen ist es iiblich, Forderungen, die nicht durch HERMES zu besichern sind (vgl. Abschnitt H-3.2), zu verkaufen. Dies ist aber gerade wegen der fehlenden Hermes-Absicherung meist mit erheblichen Abschlágen verbunden. H-2.2.3. Garantien und Biirgschaften H-2.2.3.1. Abgrenzung Wie bereits erwáhnt, werden fur eine Reihe von Leistungen bei internationalen Kauf- und Liefervertrágen oft Garantien verlangt, in der Regel ais Bankgarantien oder Bankbiirgschaften. Obgleich diese Begriffe sprachlich oft gleich gesetzt werden, bestehen tatsáchlich wesentliche Unterschiede. 4 (1) Bürgschaft Eine Bürgschaft stellt nach §§ 765ff BGB und §§ 349ff HGB einen Vertrag dar zwischen einem Gláubiger eines Schuldners und einem Biirgen. Dabei verpflichtet sich der Biirge, bei Zahlungsunfáhigkeit oder Zahlungsunwilligkeit des Schuldners für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Schuldners einzustehen. Vertragspartner des Bürgschaftsvertrages sind also der Gláubiger und der Biirge, nicht der Schuldner. Die Bürgschaft gilt nur, soweit die verbürgte Hauptforderung besteht, d. h. wenn die Basisforderung nicht entstanden ist oder aus irgendeinem Grunde erlischt, ist auch die Bürgschaft gegenstandslos (forderungsabhángige oder akzessorische Bürgschaft). Der Bürge kann vom Gláubiger nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Schuldner nicht zu leisten braucht (daher wird im AuSenhandel meist eine Garantie verlangt, siehe unten). Der Bürge haftet üblicherweise subsidiar, d. h. er kann verlangen, dal? die Forderung zunáchst beim Schuldner eingetrieben wird. Erst wenn dies nicht móglich ist (Ausfallbiirgschaft), tritt sein Bürgschaftsversprechen in Kraft (Einrede der Vorausklage), sofern er auf eben diese Einrede nicht vertraglich verzichtet hat (selbstschuldnerische Bürgschaft) und direkt in Anspruch genommen werden kann. Der Bürge 4 Im Zusammenhang mit den Hermes-Gewáhrleistungen des Bundes (vgl. Abschnitt H-3.2.5) werden die Begriffe Bürgschaft und Garantie auch verwendet, jedoch nicht in der strengen juristischen Bedeutung, was leicht zu MiSverstándnissen fiihren kann. <?page no="324"?> 302 H Risikomanagement im AuGenhandel kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden und Einwendungen geltend machen (§§765ff. BGB und § § 349 ff. HGB, wenn es sich um ein Handelsgescháft handelt). Sehr verbreitet ist das Aval, mit dem sich ein Kreditinstitut fur die Verbindlichkeit eines Schuldners verbiirgt (vgl. Abschnitt D-2.1.6). Wegen der Rangfolge erst den Schuldner, dann den Biirgen in Anspruch nehmen hat die Biirgschaft im Gegensatz zur Garantie (vgl. nachstehend) im internationalen Handel nur geringe Bedeutung, denn dem Gláubiger geht es vorrangig davon, im Fall eines Falles ohne lange Diskussionen zu seinem Geld zu kommen. Eine deutliche abgeschwachte Variante der Biirgschaft sind Patronatserklaningen (comfort letters), mit denen ein Mutterunternehmen Lieferanten oder Kreditgeber seiner <Tochter> absichert. Dabei gibt es <weiche> Patronatserklárungen, fur die man sich im Konfliktfall <wenig kaufen> kann, und harte Patronatserklárungen, die eine rechtliche Verpflichtung bedeuten und eine entsprechende Inanspruchnahme ermóglichen. (2) Garantie Der Begriff <Garantie> wird in zweierlei Hinsicht verwendet. (a) Zum einen wird der Begriff im Sprachgebrauch unscharf und rechtlich falsch im Sinne der gesetzlich geregelten Gewáhrleistung verwendet. Dies ist im Zusammenhang mit Kauf- oder Werkvertrágen relevant: Der Hersteller oder Verkáufer eines Gutes mufi dafür einstehen, daS das Gut nicht mit Fehlern behaftet ist (Sachmángel, fehlende zugesicherte Eigenschaft) (Mángelhaftung). Sofern eine Mangelriige gerechtfertigt ist, hat der Káufer Anspruch auf Nachbesserung oder Ersatz (bei Gattungswaren durch Lieferung eines entsprechenden Gutes), oder er kann wahlweise Wandlung (Rückgángigmachung des Kaufvertrages), Minderung (Herabsetzung des Kaufpreises) oder ggf. Schadenersatz wegen Nichterfullung verlangen. Im Gegensatz zur nachstehenden abstrakten Garantie handelt es sich dabei aber nicht um eine Grantie im eigentlichen Rechtssinn, sondern um einen unselbstándigen Bestandteil des Kauf- oder Werkvertrags. (b) Die abstrakte Garantie ist nicht notwendigerweise mit einem bes'timmten Vertragstyp verkniipft: Mit einer Garantie in diesem Sinne entsteht eine unwiderruflicbe Verpflichtung des Garanten, im Auftrag und fur Rechnung seines Auftraggebers fur einen bestimmten Erfolg oder ein Risiko zu haften, insbesondere dem Garantiebegiinstigten einen Schaden zu ersetzen, z.B. wenn der Schuldner nicht zahlen kann oder will (Zahlungsgarantie) oder andere bestimmte Leistungen nicht erbringt. Es besteht also ein rechtlich eigenstandiges Rechtsverháltnis Gláubiger-Garant, unabhángig von der zugrundeliegenden Rechtsbeziehung Glaubiger-Schuldner. Die Zahlung erfolgt üblicherweise sofort auf erstes schriftliches Anfordern (first calling), z. B. wenn der Schuldner nicht gezahlt hat, warum auch immer. Es gibt also keine Einrede der Vorausklage, und der Garant (z. B. eine Bank) kann auch keine Einreden und Einwendungen aus dem Basisgescháft geltend machen. Grundsatz: Erst zahlen, dann prozessieren. DaS dies im Hinblick auf unberechtigte Inanspruchnahme (unfair calling) problematisch sein kann, liegt auf der Hand. Wir gehen weiter unten darauf ein. Es sollte beachtet werden, dafs auch eine Bankgarantie keine absolute Sicherheit bedeutet. Im Zuge der Asienkrise sind zahlreiche Banken zusammengebrochen, deren Garantien folglich wertlos wurden. Man sollte daher darauf achten, dafs eine Bankgarantie von einer international als erstklassig anzusehenden Bank abgegeben wird. <?page no="325"?> H-2. Zahlungsrisiken 303 H-2.2.3.2. Inhaltliche Arten von Garantien Abb. H-2/ 4: Garantie-Gründe Garantievertráge kónnen zwischen den Parteien individuell gestaltet werden, so daS es in der Praxis eine Vielzahl von Ausprágungen gibt. In der Regel ist der Garant eine Bank, doch ist dies nicht zwingend. Der Garantie-Auftraggeber muS jeweils fur den gesamten Garantiezeitraum eine Avalprovision bezahlen (ca. 1 % p.a.). Bei Inanspruchnahme nimmt die zahlende Bank natiirlich Regrefi auf den Auftraggeber. Die nachfolgende dargestellten Garantien sind als die gángigsten anzusehen (Abb. H-2/ 4). (a) Leistungssicherungen für den Kaufer (1) Halt sich bei (internationalen) Ausschreibungen ein Bieter, der den Zuschlag erhált, nicht an sein Angebot, verfállt die Bietungsgarantie oder Offertgarantie (bid bond, tender guarantee) (unabhángig von sonstigen Anspriichen). Die Garantie betrágt i.d.R. 5-15% des Angebotsvolumens, gelegentlich auch mehr. Im anglo-amerikanischen Raum sind akzessorische bonds gángig, die also nicht auf erstes Anfordern hin zahlbar sind. Dabei werden auch Garantiesummen iiber 100 % des Auftragswertes gefordert. Zwei schwáchere Varianten sind gebráuchlich: Mit einer Absichts- oder Verpflichtungserklarung (letter of intent) bestátigt der Garant, daS er im Fall des Zuschlags an seinen Auftraggeber eine Bietungsgarantie abgegeben wird. Mit einer Praqualifikation (Vorauswahl) bestátigt die Bank, daS der sich bewerbende Anbieter die geforderten Leistungen erbringen kann. Erst danach werden ausgewáhlte Anbieter, die in eine Short List aufgenommen werden, zu Abgabe eines Angebots aufgefordert. (2) Mit einer Liefer- oder Leistungsgarantíe (delivery guarantee) wird der Kaufer abgesichert, falls er die Lieferung oder Leistung nicht oder nicht zum vereinbarten Termin erhált. Sie sichert dadurch eine vereinbarte Vertragsstrafe ab (Ponale), i.d.R. 5-15% des Auftragswertes. Sie iiberschneidet sich teilweise mit den folgenden Formen: (3) Durch (Vertrags-)Erfiillungsgarantien (performance bond, warranty bond) soil sichergestellt werden, dal? der Verkáufer dem Káufer vertragsgerechte Ware liefert bzw. im - Fall von Gewáhrleistungsgarantien im Anschlul? an die Lieferung seinen Pflichten im Rahmen der Mángelrüge nachkommt. Dabei sind Garantiesátze von 5-10% des Vertragswerts gángig. Leistungsgarantien werden oft im Rahmen von dokumentárer Zahlung (Akkreditiv, d/ p oder d/ a) zur Absicherungs des Lieferrisikos vom Importeur verlangt und sind dann Teil der Dokumentation. (4) Durch eine Konnossementsgarantie kann der Importeur auch dann die Ware erhalten, wenn das erforderliche Konnossement (Abschnitt G-l.3.3.2) nicht rechtzeitig beim Kaufer eintrifft. Andernfalls würden zusátzliche Kosten wie z. B. Lager- und Versicherungsgebiihren entstehen. Mit der Garantie wird die Reederei oder der Spediteur die • Bietungsgarantie • Liefer- oder Leistungsgarantíe • Erfüllungsgarantien • Gewáhrleistungsgarantien • Konnossementsgarantie • Anzahlungsgarantie • Zahlungsgarantie • SchluGzahlungsgarantie • Konsortialgarantien • Rückgarantien • Transfergarantien • Zollgarantien <?page no="326"?> 3 0 4 H Risikomanagement ¡m Auftenhandel Ware auch ohne das Dokument aushandigen, weil sie sich ggf. bei der garantierenden Bank schadlos halten kónnen, falls sich die Wareniibernahme ais unrechtmáíSig herausstellt. Konnossementsgarantien belaufen sich meist auf 150% des Warenwertes, um auch sámtliche Nebenkosten abzusichern. (5) Durch eine Anzahlungsgarantie (advance payment oder doum payment oder repayment guarantee) soil gewáhrleistet werden, da(? einem Káufer, der eine Anzahlung geleistet hat, diese zuriickgezahlt wird, wenn der Verkaufer nicht leistet (Rückerstattungs- oder Rückzahlungsgarantie). Bei Kreditlieferung ist beispielsweise gángig 5 % Anzahlung bei VertragsabschluS plus 10 % bei Lieferung, Rest auf Ziel. (15 % Anzahlung sind i.d.R. Voraussetzung fur AKA-Kredite und Hermes-Besicherungen.) (b) Zahlungssicherung für den Verkaufer (6) Mit einer Ausfall-Zahlungsgarantie verpflichtet sich die Bank (i.d.R. des Importeurs), einem Exporteur Zahlung zu leisten, wenn dieser eine Erklárung einreicht, dal? der Káufer seiner Zahlungspflicht nicht nachgekommen ist. Diese Garantie ist oft bei «offener Rechnung» zu stellen und schlieSt i.d.R. auch Wechselforderungen ein. Háufig kann der Káufer auch eine geforderte Anzahlung durch eine Garantie seiner Bank ersetzen. Die Zahlungsgarantie ist für den Exporteur aufgrund schwácherer Rechtskraft kein vollwertiger Ersatz für ein Akkreditiv. Da in den USA und Kanada Banken keine Garanden herauslegen dürfen (dies ist Kompetenzbereich von Versicherungen), ist dort (aber auch in anderen Lándern) das Stand-by-Akkreditiv (stand-by letter of credit, SLC) gángig, welches den ERA unterliegt (vgl. Abschnitt G-3.4.2). Das Standby- Akkreditiv ist auf erste Anforderung gegen Vorlage bestimmter Dokumente zahlbar. (7) Durch eine Schlufeahlungsgarantie (retention money guarantee) wird der Verkaufer dagegen abgesichert, daG der Káufer die letzte Rate (AbschluEzahlung) aus Sicherheitsgründen zurückhált. (8) Konsortialgarantien gibt es bei Konsortialgescháften, bei denen mehrere Konsorten oder Lieferanten Leistungen erbringen und gemeinsam eine Bank beauftragen, dem Abnehmer gegenüber eine Garantie abzugeben; für diese harten die Konsorten meist nicht gesamtschuldnerisch, sondern anteilig (pro rata), und müssen für ihre Quote eine Garantie stellen. Zwischen den Konsortialpartnem sind Rückgarantien üblich, wenn nur einer der Partner gegenüber dem Kunden ais Generalunternehmer auftritt und eine Garantie abgibt. Der Garant kann dann von seinen Konsortialpartnem Erstattungen für den Fall verlangen, daE er zunáchst umfassend in Anspruch genommen wird. (9) Durch Transiergarantien wird dem Verkaufer die Zahlung sichergestellt, wenn durch staatliche MaSnahmen verhindert wird, dal? der vom Káufer ordnungsgemáS angeschaffte Betrag nicht in Devisen konvertiert werden (Konvertierungsrisiko) oder transferiert werden kann (Transferrisiko) (sog. KT-Risiko; vgl. Abschnitt H-2.1). (c) Zahlungssicherung gegenüber Behórden (10) Zollgarantien dienen zur Absicherung der ZoUverwaltungen. Aufgrund der teilweise erheblichen Abgabenschulden, die beim Güterimport entstehen kónnen, verlangen die Zollbehórden in einer Reihe von Fallen (Bank-)Sicherheiten, z. B. bei der Genehmigung <?page no="327"?> H-2. Zahlungsrisiken 305 bestimmter Vereinfachungen oder der Genehmigung von Zollagern. Meistens handelt es sich dabei allerdings nicht um Garantien auch wenn dies in der Literatur teilweise so bezeichnet wird -, sondern um Biirgschaften. Abb. H-2/ 4 fafit die gángigsten Garantiearten zusammen. H-2.2.3.3. Direkte und indirekte Garantien Bei einer direkten Garantie besteht eine unmittelbare Beziehung zwischen garantierender Bank und Garantiebegiinstigtem. Dabei gilt das nationale Recht des Garantiegebers (Abb. H-2/ 5). Bei einer indirekten Garantie beauftragt z. B. die Bank des Exporteurs eine Korrespondenzbank im Importland, dem Importeurs eine Garantie abzugeben: In vielen Entwicklungslándern, u.a. im arabischen Raum, diirfen Garantien nur von Instituten abgegeben werden, die im Land ansássig sind. Dabei gilt das nationale Recht der Korrespondenzbank. Die Exportbank wird der Importbank dabei i.d.R. eine bedingungslose, auf erste Anforde- Abb. H-2/ 5: Direkte/ lndirekte Garantie Direkte Garantie Garantiebank t Gescháftsbesorgungsvertrag 1 Garantieauftraggeber (Exporteur) Rückgarantiebank t Geschaftsbesorgungsvertrag 1 Garantieauftraggeber (Exporteur) Kaufvertrag Indirekte Garantie Gescháftsbesorgungsvertrag (mit Rückgarantie) Kaufvertrag Garantiebegünstigter (Importeur) Garantiebank Garantieví mit abstra Zahiungsv \ rtrag <tem srsprechen r Garantiebegünstigter (Impo rteur) <?page no="328"?> 306 H Risikomanagement im AuGenhandel rung zahlbare Riickgarantie geben. Indirekte Garantien bedeuten zusátzliche Kosten und Risiken, u. a. Anerkennung auslándischen Rechts und zeitliche Verzógerungen. H-2.2.3.4. Inanspruchnahme von Garantien Im Vergleich mit der sehr groSen Anzahl abgegebener Garantien werden Garantien de facto relativ selten tatsáchlich abgerufen. Andererseits sind sie aber wie erwahnt meist «auf erstes Anfordern» hin (on first demand/ call), d. h. ohne materielle Pruning des Anspruchs, zahlbar gestellt. Die in Anspruch genommene Bank wird den Garanrie-Auftraggeber von der Inanspruchnahme benachrichtigen, so dafi dieser u. U. im direkten Kontakt mit dem Garantiebegiinstigten versuchen kann, die Inanspruchnahme abzuwenden. Die Garantiebank kann jedoch keine Einreden aus dem Grundgescháft geltend machen, um die Zahlung abzuwehren. Banken iibernehmen sowieso nur sehr selten bedingte Garantien, weil sie hier die Inanspruchnahme materiell priifen müÉten. Bei unbedingten Garantien wird gezahlt, wenn sie form- und fristgerecht angefordert werden. Sofern Garantien doch einmal nicht auf erstes Anfordern zahlbar gestellt werden, sollte der Garantiebegiinstigte darauf achten, daS sich die vom Garantiegeber geforderten Nachweise, da£ der Garantiefall eingetreten ist, in Grenzen halten. Da der Garantieauftraggeber von der Garantiebank in RegreS genommen werden wird, hat er ein Interesse daran, dafi die Garantie nicht unberechtigt ausgezahlt wird. Es hat diverse Falle gegeben, wo der Garanrie-Auftraggeber wufite, dafs unfair calling vorlag und vergebens durch eine einstweilige Verfiigung die Garantieauszahlung verhindern wollte; die Oberlandesgerichte haben in der iiberschaubaren Vergangenheit immer zugunsten der zahlungswilligen Banken entschieden. Nicht wenige Banken weigern sich auch bei zweifelhaften Fallen, eine Garantiezahlung zu verweigern, um nicht ihren guten Ñamen zu beschádigen; in einigen Fallen haben sie die Garantie selbst bezahlt. Trotzdem sollte man im konkreten Fall priifen, ob die Garantiezahlung eventuell vom Auftraggeber blockiert werden kann. PRAXISTIP Wenn Sie doch mal eine einstweilige Verfiigung gegen eine Garantieauszahlung erwirken wollen, beantragen Sie sie abends beim diensthabenden Richter, der meist weniger Einblick in die Problematik haben wird als der Wirtschaftsrichter, der tagsiiber erreichbar ist... Eine direkte (eigene) Garantie kann vom Garantiegeber besser kontrolliert werden als eine indirekte, bei der eine Bezugsbank z. B. in der Mongolei zwischengeschaltet wird. Die Aufforderung zur Garantieauszahlung ist dann auSerhalb der Kontrolle der Garantiebank: Gerichtsstand ware dann vielleicht Ulan Batar. Aufgrund der Rechtslage bzw. den entsprechenden Kosten lohnt es sich in den meisten Fallen nicht, gegen eine ungerechtfertige Inanspruchnahme einer Garantie einen Prozef» anzustrengen (vgl. Teil F). Daher ist es sinnvoll, sich dagegen zu schiitzen, daS Garantien unberechtigt in Anspruch genommen werden. Dies kann z. B. auch durch vorherige Vereinbarung eines Schiedsgerichts erfolgen oder durch eine sog. Kautionsversicherung. Vgl. dazu Abschnitte F-4 und H-3.2.12. Garantien werden oft befristet. Es ist aber in der Praxis nicht selten, daS der Garantiebegiinstigte, z. B. bei einer Ausschreibung, auf Verlangerung der Garantie drángt, d. h. in die- <?page no="329"?> H - 3 . Exportkreditbesicherung 3 0 7 sem Beispiel müssen die Bieter ihr Angebot lánger aufrecht erhalten, ais sie ursprünglich kalkuliert habe. In verschiedenen Fallen wurden auch Bietungsgarantien von den nicht zum Zuge gekommenen Anbietern <kassiert>. Ggf. wird eine erneute Garantie erforderlich. Auch bei Gewáhrleistungsgarantien sind immer wieder Falle beobachtbar, dafi der Garantiebegiinstigte kurz vor Ablauf der Garantiefrist an den Garantiegeber herantritt und ihm das Ultimatum stellt, die Garantie zu verlangern, weil er andernfalls die Garantie in Anspruch nehmen werde («pay or prolong»). Folglich verlángert man dann záhneknirschend, und dieses Spiel kann sich durchaus mehrmals wiederholen. Letztlich kann man bei einem solchen <Partner> nur hoffen, dal? er irgendwann die Garantie zuriickgibt. Manchmal muí? man schon zu ihm hinfahren und versuchen, ihn im Gesprách dazu zu bringen. Ob sich dies lohnt, ebenso wie ein Rechtsstreit bei unfair callings muí? natürlich im Einzelfall kalkuliert werden. Allerdings bewegen sich die Falle von unfair calling im Verhaltnis zur Gesamtzahl von Garanden im Promillebereich, so daS das konkrete MiSbrauchsrisiko iiberschaubar bleibt: Von 1000 Garanden pro Jahr werden vielleicht 5 % (also 50) zu pay or pro/ ong-Fallen; 20 davon fuhren zur konkreten Inanspruchnahme, davon werden wiederum 15 durch interne Verhandlungen erledigt (z. B. indem man androht, den Vorgang zu publizieren: Man habe bei der Adresse Dinge beobachtet, die international unüblich sind), in 3 Fallen akzeptiert der Exporteur, bleiben 2 (0,2%) ais tatsáchliches unfair calling. Seit 1978 gibt es die Einheitlichen Richtlinien für Vertragsgarantien, die von der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris entwickelt worden sind. Die ICC hat Mitte 1992 dazu ergánzend Einheitliche Richtlinien fur auf Anforderung zahlbare Garantien auf internation a l Ebene eingeführt (URDG: Uniform Rules on Demand Guarantees). H-2.2.3.5. Stand-by Letter of Credit Im angloamerikanischen Raum hat der Standby Letter of Credit (SLC) erheblich an Bedeutung als Garantieinstrument gewonnen. Seit 1.1.1999 sind die Rules of International Standby Practices (ISP 98) als ICC-Publikation 590 in Kraft getreten nach einem sehr umstrittenen Entscheidungs- und AbstimmungsprozeS. Ein SLC ist ein unabhángiges, unwiderrufliches dokumentares Zahlungsversprechen; dies entspricht der Akkreditivdefinition nach den ERA 500. Im Gegensatz zur auf erstes Anfordern zahlbaren Garantie ist fur den SLC die Vorlage von Dokumenten erforderlich. Dies geht auf das amerikanische Recht zuriick, nach dem Banken keine Garantien oder Bürgschaften herauslegen diirfen. In den USA und Kanada werden ca. funfmal mehr SLCs als die Akkreditiv-áhnlichen CLCs verwendet (Commercial Letter of Credit; vgl. Abschnitt G-3.4.2.4). Wegen der im Vergleich zum Akkreditiv sehr unterschiedlichen Rechtsbestimmungen sollte man sich vor der Vereinbarung von SLCs als Garantieinstrument umfassend beraten lassen. H-3. Exportkreditbesicherung Es ist davon auszugehen, daí? es fur viele Unternehmen nicht móglich ist, die Bonitát ihrer Kunden im Ausland wirklich solide zu analysieren. Hierfur stehen oft weder aussagekráftige Informationen noch entsprechende Erfahrungen in hinreichendem Mafie zur Verfügung. <?page no="330"?> 308 H Risikomanagement im AuRenhandel Die verschiedenen privaten und staatlichen Exportversicherungstráger mit langjáhriger Erfahrung priifen und iiberwachen die Kreditwiirdigkeit der Abnehmer. DaS dabei eine gewisse Diskretion erforderlich ist, liegt auf der Hand, aber grundsátzlich ist ein Informa tionsersuchen einer Exportkreditversicherung nichts Ehrenrühriges. Grundsátzlich wird der Versicherungsnehmer auch zunáchst eingeschaltet, bevor die Versicherung an den Kunden herantritt. Die Beratung durch die Versicherungsunternehmen geht im konkreten Nutzen háufig weit iiber die reine Risikobesicherung hinaus: Schadensverhiitung statt Schadensvergiitung. Im tatsáchlichen Schadensfall aber erfolgt die Entschádigung für den gróSten Teil eines Forderungsausfalls (meist) ohne grofsen Formularaufwand und grofe Verzógerung. Die Kosten für diese Absicherung halten sich in Grenzen, sind bekannt und folglich kalkulierbar. Entschádigungsansprüche kónnen abgetreten werden und erweitern damit die Kreditmóglichkeiten des Exporteurs. PRAXISTIP Versicherungsmakler haben meist einen besseren Überblick über den zunehmend unübersichtlicher werdenden Assekuranzmarkt ais das Unternehmen und kónnen den jeweils besten (im Sinne von passendstem und/ oder giinstigstem) Versicherer empfehlen. (Bei privaten Versicherem gibt es einen Konditionenwettbewerb; im staatlichen Bereich gibt es in Deutschland nur die Gewáhrleistungen des Bundes.) Da der Versicherungsmakler vom Versicherer bezahlt wird, der den Auftrag erhált, ist dieser Service für das anfragende Unternehmen kostenlos. Der Versicherer wird vor der Risikoeindeckung die Bonitát des Schuldners prüfen. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen ist dies ein interessanter Service. Bei Neugescháften ist es daher ratsam, sich über die Versicherbarkeit einer Exportforderung rechtzeitig, d. h. vor Abschlufi des Exportvertrages zu informieren. Die Versicherer verfügen meist über eingespielte Quellen - Korrespondenzinstitute im Land des Importeurs, Banken, Auskunftsbüros sowie eigene Erfahrungen. Zudem werten sie Unterlagen aus (Selbstauskünfte des Importeurs, Jahresabschlüsse). Bei kleineren Kreditrisiken wird der Exporteur aufgefordert, eine Bonitátsprüfung seines Kunden anhand von Prüfleitlinien selbst durchzufuhren. PRAXISTIP Es ist ratsam, diese Prüfleitlinien sehr genau zu beachten, da andernfalls im Schadenfall die Deckung verloren gehen kann. Die Einhaltung dieser Leitlinien wird natürlich erst nach Anmeldung eines Schadensfalles durch den Exporteur unter die Lupe genommen, und dann ist es móglicherweise zu spat, und es besteht kein Deckungsschutz. Ein kritischer Punkt ist oft der seitens der Versicherung vorgeschriebene Eigentumsvorbehalt, der nicht in jedem Land durchsetzbar ist. Dies sollte vorab mit der Versicherung besprochen werden. Zeitlich sind zwei Risikoabscbnitte zu unterscheiden (Abb. H-3/ 1): das Risiko vor Versand der Ware (Produktions- oder Fabrikationsrisiko) und das Risiko nach Versand der Ware bis zur vollstándigen Bezahlung der Ware (Ausfuhrrisiko). Die Besicherung des Ausfuhrrisikos bezieht sich nur auf Risiken, die nicht von einer Transportversicherung oder einer anderen <?page no="331"?> H - 3 . Exportkreditbesicherung 3 0 9 Versicherungsform abgedeckt werden. Zudem kann das Kreditrisiko von Bestellerkrediten abgedeckt werden (vgl. Abschnitt H-3.2.13). Abb. H - 3 / 1 : Risikophasen ,# j> 4Ü <** K>* & * * Fabrikations- Ausfuhrrisiko risiko Ohn e Bonner Hermes-Garantie fehlt den Exporteuren eine wichtige Stütze Mittelstand fragt mehr Hermes-Kredite nach Exportkreditversicherung Nur noch 3 Prozent hermesgedeckt Hinsichtlich der Schadensursachen sind zu unterscheiden das Delkredererisiko (Zahlungsunwilligkeit oder -unfáhigkeit des Schuldners sowie die Risiken aus Verzug) und das politische Risiko (Lánderrisiko), das sich aus der Situation des Importlandes ableitet (vgl. Abschnitt H-2.1). Diese Risiken kónnen ganz oder teilweise bei privaten und staatlichen Versicherern abgedeckt werden. Ein wichtiger Unterschied zwischen privaten und staatlichen Versicherern besteht darin, daft bei einem staatlichen Versicherer (in Deutschland: Hermes-AG) nur eine Ja-Nein-Entscheidung bezüglich der Entschádigung móglich ist, wahrend in der privaten Assekuranz zum einen ein Wettbewerb bezüglich der Vertragskonditionen besteht, zum anderen auch Kulanzregelungen móglich sind, die der Hermes-AG aus haushaltsrechtlichen Gründen verwehrt sind. Die privaten Versicherer sind gewinnorientiert (ihre Pramien sind daher oft hóher), die Hermes-AG versucht allenfalls eine Kostendeckung (die bisher nur in sehr wenigen Haushaltsjahren erreicht wurde). 5 H-3.1. Private Exportkreditbesicherung In Deutschland bieten u. a. die Allgemeine Kreditversicberungs-AG, Mainz, die Gerling Konzem Speziale Kreditversicberungs-AG, Kóln, die Zurich' Kautions- und Kreditversicberungs- AG, Frankfurt, die Gotbaer Versicberung, Gottingen, aber auch die Hermes-Kreditversicberungs-AG (mit rd. 50% des Marktes) als Privatversicherer Exportkreditversicherungen an. 5 Die Darstellungen in diesem Kapitel haben von vielen Inputs meines Kollegen Hans Martin Kaupp von der Hermes-AG Stuttgart profitiert. <?page no="332"?> 3 1 0 H Risikomanagement ¡m AuRenhandel Private Versicherer wollen móglichst den kompletten Umsatz des Exporteurs absichern, um ein Risiko-Mix zu erreichen. Dabei ist ein Mantelvertrag (Sammelpolice) mit umfassender Andienungspflicht aller kurzfristigen Risiken des Exporteurs (bis 24 Monaten) gegeniiber privaten Unternehmen mit Sitz im Ausland iiblich, auch innerhalb der OECD. Meist ist eine selektive Absicherung einzelner Risiken wie bei den staatlichen Ausfuhrgewahrleistungen («Hermes») nicht móglich. Die Allgemeine bietet fiir kleine und mittlere Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis zu 2 Mio Euro eine Sonderdeckung an. Im Rahmen der sog. Europa-Police werden die Forderungen bis zu 50.000 Euro pro Kunde und mit Zahlungszielen bis zu 180 Tagen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen sowohl im Inland ais auch im europáischen Ausland besichert. Die Prámie richtet sich nach dem Umsatz des letzten Gescháftsjahres (bei bis zu 1 Mio beispielsweise knapp 2.000 Euro). Private Exportkreditversicherer iibernehmen nur Risiken, deren Eintrittswahrscheinlichkeit einigermaSen prázise zu berechnen ist und fur die eine Rückversicherung móglich ist. Sie decken daher vorrangig nur das wirtscbaftlicbe Exportkreditrisko in OECD-Lándern ab, da die politiscben Risiken nicht prázise genug kalkulierbar seien. Man schátzt, daf? etwa 8 5 % der kurzfristigen Exportkreditversicherungen innerhalb und auSerhalb der EU von privaten Versicherern getragen werden. Fiir einige Lander bieten auch mehr und mehr private Versicherungen Policen gegen politische Risiken an, in der Regel aber nur kurzfristig, d. h. fur maximal 6 Monate. Viele Versicherungsnehmer bevorzugen eine Versicherung <aus einer Hand>, so dal? ein gewisser Druck für die Entwicklung eines privaten Marktangebots besteht. Meist schliefien die Versicherer dafiir Rahmenvertráge mit Korrespondenzinstituten ab, die gleichzeitig die Abwicklung von Importfinanzierungen im Partnerland erleichtern. Das Partnerinstitut iibernimmt dabei oft eine Garantenfunktion fiir <seine> Importeure. Eine Deckung politischer Risiken von Exportkrediten (incl. der Transferrisiken) kann auch wenngleich teuer bei einigen internationalen privaten Kreditversicherungen auf dem sog. Brokermarkt erfolgen, z. B. beim Lloyd's-Syndikat, London, oder der American International Group (AIG), New York. Diese Institute versichern auch politische Risiken bis zu einer Kreditlaufzeit von bis zu drei Jahren: Für lángere Fristen gibt es fiir die Versicherer keine Riickversicherungsmoglichkeiten. Die Garant Versicherungs-AG, Wien, und die Black Sea and Baltic General Insurance Ltd, London, besichern auch Zeitraume bis zu 10 Jahren. Der Selbstbehalt betrágt i.d.R. 10%, die Prámien 1-5%, bei besonders risikoreichen Engagements bis zu 10% der besicherten Forderungen. Die Absicherung des Fabrikationsrisikos ist meist relativ teuer. Das wirtschaftliche Risiko, das in der Person des Schuldners begründet liegt, kann in der Regel nur zu 75 % besichert werden, d. h. der Exporteur muS einen Selbstbehalt von 25 % tragen. Gegen entsprechenden Aufpreis kann der Selbstbehalt allerdings meist verringert werden. Ublicherweise werden bei Waren- und Dienstleistungsvertrágen nur kurze Zahlungsziele bis zu 180 Tagen versichert. Lángere Laufzeiten wie bei Investitionsgiitern iiblich kónnen durch eine spezielle Investitionsgiiterversicherung 6 abgedeckt werden, die gleichzeitig auch das Fabrikationsrisiko einschlieftt. In der EU weisen Frankreich und GroSbritannien ein sehr hohes Insolvenzniveau auf; mit grofSem Abstand folgen dann Deutschland, Italien und Belgien; die Niederlande haben eine 6 Nicht verwechseln mit Investition&scfcwízversicherung; vgl. Abschnitt B-6. <?page no="333"?> H-3. Exportkreditbesicherung 311 sehr geringe Insolvenzquote. Pauschal gesehen besteht ein Zusammenhang zwischen (BIP-)- Wachstum und Insolvenzen: Mit zunehmendem Wachstum nehmen auch die Insolvenzen zu, weil die Eigenkapitaldecke oft zu diinn ist. Die Erfahrung zeigt, dal? sich aus einer Unter nehmenspleite 2-3 Folgeinsolvenzen ergeben (wie gesagt: «Ein Konkurs kommt selten allein»), u. a. weil Wiederbelebungsversuche in Form von Management-Buy-Outs 7 scheitern. Durch die Globalisierung und zunehmende Aktivitáten werden mehr RJsiken abgesichert und treten mehr Schadensfálle auf: Die Schaden aus wirtschaftlichen Risiken haben drastisch zugenommen. Auch als sicher geltende Unternehmen (z. B. Daewoo in Korea) sind zu Risikofállen geworden, die iiber Zulieferverbindungen zu erheblichen Dominoeffekten führen kónnen. Diese sind fur das einzelne Exportunternehmen sehr viel schlechter abzuschátzen als durch Versicherer mit grófierem Überblick. Zur Feststellung des Schadensfalls durch Zahlungsunfáhigkeit des Kunden sind verschiedene Alternativen móglich (dies hángt von der Versicherungsbedingungen ab: Es muí? das Konkursverfahren eróffnet oder mangels Masse abgelehnt sein; alternativ muS ein gerichtlicher Vergleich eingeleitet sein, um den Konkurs abzuwenden; ein auSergerichtlicher Vergleich ist mit alien Glaubigern zustande gekommen; eine Zwangsvollstreckung in das Vermógen des Importeurs hat nicht zu ausreichendem Forderungsausgleich gefiihrt; die Zahlung des Importeurs erscheint aussichtslos. Die zu zahlende Entschadigung (unter Abzug des Selbstbehalts des Exporteurs) schlieSt die Kosten der Rechtsverfolgung nicht ein. Private Versicherer pflegen ihre Zahlungen je nach Prámienklasse zu begrenzen, z. B. auf das Zwanzigfache der Jahresprámie. Unter Umstánden muE der Exporteur sehr lange auf die Entschadigung warten, weil bis zur endgiiltigen Feststellung des Schadens z. B. durch Konkurseróffnung viel Zeit verstreichen kann. Die dabei móglichen Liquiditátsprobleme kónnen gesondert versichert werden. Die Versicherungspramien werden im Gegensatz zur staatlicben Hermes-Besicherung individuell kalkuliert und orientieren sich meist an historischen Zahlungserfahrungen mit den betreffenden Importeuren sowie an den Umsatzzahlen des Exporteurs: Je grófier der Umsatz, desto niedriger die Prámien. Abb. H-3/ 2 enthált ein Beispiel. Neben der eigentlichen Prámie wird eine jáhrliche Prüfungsgebühr fur die Überwachung der auslándischen Schuldner berechnet. Abb. H-3/ 2: Versicherungspramie Exportumsatz Durchschnittliches Zahlungsziel d. h. durchschnittlicher Forderungsbestand Prámiensatz p.m. Prámie p.a. Bei kürzeren Zahlungszielen würde sich die Ais durchschnittliche GróRenordnung kann umsatzes ausgehen. 10Mio. EUR 90 Tage 2,5 Mio. EUR 1,6%, 48.000 EUR Prámie verringern, bei man lángeren erhóhen. von 4 Promille des Export-Jahres- 7 Ehemalige Mitarbeiter übernehmen das Unternehmen ais Eigentümer natiirlich mit externer Kapitalhilfe - und versuchen, es fortzuführen. Oft gelingt dies, oft auch nicht. <?page no="334"?> 3 1 2 H Risikomanagement im AuRenhandel H-3.2. Staatliche Exportkreditbesicherung AJle Industriestaaten und auch andere Lander bieten staatliche Exportkreditversicherungen an. Exporteuren sollen gegen solche Risiken aus dem Auslandsgescháft abgesichert werden, die sie anderweitig nur sehr teuer oder gar nicht besichern kónnten (nicht-marktfáhige Risiken), so dafi sie ggf. auf bestimmte Exportgescháfte verzichten wiirden. Die politischen Zielsetzungen solcher staatlichen Angebots sind Export- und Bescháftigungsfórderung durch ErschlieSung und Erhaltung von Auslandsmarkten. Die staatliche Versicherung soil aber nur eintreten, wenn kein Verdrángungswettbewerb mit dem privaten Assekuranzsektor entsteht. Allerdings werden im Schnitt lediglich 3-5% des deutschen Gesamtexports staatlich versichert, zumeist im Hinblick auf das politische Risiko (Lánderrisiko). Der deutsche AuíSenhandel vollzieht sich in erster Linie mit Industrielandern, fur die es zum einen keine staatlichen Besicherungsmoglichkeiten gibt, zum anderen aber auch keine benótigt werden, da kaum politische Risiken bestehen und ausreichender privatwirtschaftlicher Versicherungsschutz zur Verfugung steht. Etwa 85% der staatlichen Besicherungen entfallen auf Entwicklungs-, Transformations- und Schwellenlánder auSerhalb Europas (ohne OPEC), 10- 12% auf Mittel- und osteuropáische Lander (MOEL). Haupt<kunden> sind Tiirkei, China, Brasilien, Malaysia, Mexiko, Korea, Indonesien, Rutland, Polen, Israel, Siidafrika, Saudi- Arabien und Argentinien; westliche Industrielánder machen nur einen Anteil von 2 % aus. Die staatlichen Exportkreditversicherungen werden vor allem von mittelstándischen Unternehmen genutzt. Natiirlich ergeben sich nicht nur im Export, sondern auch im Import entsprechende Risiken, wie in Abschnitt H-1.5 deutlich wurde, aber Importrisiken kónnen nicht durch Bundesdeckungen abgesichert werden. H-3.2.1. Organisation In der Bundesrepublik gibt es zwei im staatlichen Auftrag arbeitende Versicherer: die Hermes Kreditversicherungs-AG und die PwC Deutsche Revision AG Wirtschaftspiiifungsgesellschaft i . Beide sind private Gesellschaften und arbeiten im Auftrag des Bundes (Mandatare), beide mit Hauptsitz in Hamburg. In den Versicherungsunterlagen ist auch stets <der Bund> Vertragspartner; die Mandatare treten dort nicht in Erscheinung. Die Hermes AG ist im Bereich der Ausfuhrgewáhrleistungen tátig, die PwC im Bereich der Kapitalanlagebesicherung. Hermes hat ein weites Filialnetz in alien Bundeslándern sowie diverse Niederlassungen in Europa, Osteuropa und Südostasien. Wir beschránken uns im folgenden auf die Hermes- Aktivitáten. Die Hermes-AG wurde 1917 gegriindet und bereits 1928 zusammen mit der heute nicht mehr existierenden Frankfurter Allgemeinen Versicherungs-AG vom Reichsfinanzministerium als Mandatar unter Vertrag genommen. (Der Hermes> gehort heute zu fast 90% der Allianz- Münchener-Rückversicherungs-Gruppe 9 (der Staat ist nicht als Anteilseigner an der Hermes AG beteiligt). Die Hermes AG macht rd. 50% ihres Gesamtumsatzes mit Warenkreditversi- 8 Früher: zunáchst Deutsche Treuarbeit, dann C&L Treuarbeit Deutsche Revision AG, dann C&L Deutsche Revision AG (C&L: Coopers & Lybrand International), jetzt PwC Deutsche Revision AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PwC: PriceWaterhouseCoopers). 9 89% Allianz, 5% R+V Allgemeine Versicherungs-AG, 2,7% Wüstenrot + Wiirttembergische AG, 2,9% sonstige. Die Miinchener Riick gilt ais gróEter Rückversicherer der Welt. <?page no="335"?> H-3. Exportkreditbesicherung 313 cherungen als privater Versicherer, knapp 20% mit (staatlichen) Ausfuhrkreditversicherungen und ca. 7% mit Kautionsversicherungen (Garantieversicherungen) (www.hermes.de). Die Monopolstellung der Hermes-AG im Bereich der staatlichen Ausfuhrkreditversicherungen ist umstritten. Befurworter argumentieren, daf? Wettbewerb in diesem Bereich zu insgesamt hoheren Kosten fiihren wiirde. Offensichtlich ist der Drang anderer Versicherer in diesen Sektor auch nicht allzu stark. Da Hermes mit staatlichen Geldern arbeitet, bestehen im Gegensatz zu privaten Versicherern keine Kulanzmoglichkeiten. Gelegentlich hat Hermes daher in der Wirtschaft ein rigides, formalistisches Behórdenimage, doch ist das Bundeshaushaltsrecht eben so. Der maximale Kreditrahmen fur die Ausfuhrgewáhrleistungen des Bundes wird im Haushaltsgesetz jáhrlich festgelegt, und zwar sowohl fur Lieferantenals auch fur Bestellerkredite (vgl. unten); das Deckungsvolumen ist also eine politische Entscheidung. Die Mandatare erhalten fur ihre Dienstleistungen ein erfolgsunabhangiges Beratungshonorar und Kostenerstattung seitens des Bundes. Abgesehen von der Abwicklung der Ausfuhrgewáhrleistungen des Bundes ist die Hermes AG in ihrem sonstigen Privatgescháft grundsátzlich gewinnorientiert. Die Ausfuhrgewáhrleistungen laufen iiber separate, vom Privatgescháft getrennte Treuhandkonten ab, so daS Auszahlungen aus dem Bundeshaushalt geleistet werden und Einnahmen dem Bundeshaushalt zuflieEen. Anders ausgedrückt: Verluste aus Gewahrieistungen deckt der Bundeshaushalt, Gewinne fliefsen in den Bundeshaushalt. Die Gewahrieistungen verursachen in der Kegel Verluste; dies gilt aber international. Zu beriicksichtigen sind im Zeitablauf aber auch substantielle Rückflüsse aus früheren Scháden. Dies gilt insbesondere fiir politische Scháden (vgl. unten), wáhrend die Rückflüsse aus wirtschaftlichen Scháden naturgemáí? gering sind. In den Jahren 1999 und 2000 allerdings schlossen die Bundes-Gewáhrleistungen erstmals seit Anfang der 80er Jahre wieder mit positiven Jahresergebnissen ab, vor allem auch, weil die Ausgaben für Scháden rückláufig waren (Abb. H-3/ 3). Abb. H-3/ 3: Hermes-Gewinne Wi e d e r G e win n e m it He rm e s -Bürg s c h aft e n Wichtig für den Mittelstand Der Bund macht mit Hermes weniger Gewinn Durch Umschuldung mil RuBland steigen Entschadigungszahlungen / Mehr neu gedeckte Ausfuhrgeschafte H-3.2.2. Deckungspolitik Bei der Absicherung von Exportrisiken wird zum einen unterschieden zwischen staatlichen und privaten Abnehmern (Abschnitt H-3.2.5), zwischen politischen und wirtschaftlichen Risiken (Abschnitt H-3.2.6) sowie hinsichtlich des Risikozeitraums (Fabrikations- oder Ausfuhrrisiko; Abschnitt H-3.2.7). Der Exporteur kann sich hierüber durch eine leicht verwirrende Fülle von Merkbláttern vorinformieren; ratsam ist in jedem Fall eine individuelle Beratung. PRAXISTIP Hermes und PwC bieten über eine Servicenummer - 040-88 34-9008 spezielle Beratung für kleine und mittelstandische Unternehmen an (oft besetzt). <?page no="336"?> 314 H Risikomanagement ¡m AuGenhandel Die Besicherung eines Exportgescháfts erfolgt analog zu den privaten Versicherern immer nach individueller Priifung des Einzelfalls. Seitens des Exporteurs besteht kein Anspruch auf eine Besicherung. Bei Laufzeiten von weniger als sechs Monaten wird die Kreditwiirdigkeitspriifung wie auch bei Privatversicherern dem Exporteur iibertragen, und auch hier tut man gut daran, sich strikt an die Priiflisten zu halten, um den Versicherungsschutz nicht zu gefahrden. Die Mandatare kónnen nur iiber Kreditdeckungen bis zu 1 Mio. Euro selbst entscheiden; dies betrifft ca. 70% aller Falle. Dabei wird insbesondere die Bonitát von Sicherungsgebern (meist Banken) auf der Seite des auslándischen Kunden den Ausschlag geben. Bei hóheren Betrágen (ca. 10% der Falle) entscheidet der Interministerielle AusscbufS (IMA), der sich aus Vertretern der Bundesministerien fur Wirtschaft, Finanzen, fur wirtschaftliche Zusammenarbeit und des Auswártigen Amtes zusammensetzt und durch Sachverstándige der Mandatare, der Bundesbank, der Kreditanstalt fiir Wiederaufbau (KfW), der AKA Ausfuhrkreditgesellschaft und Vertretern der Export- und Bankwirtschaft beraten wird. Der AusschuE tagt einmal pro Monat fiir ca. zwei Tage. Fiir kleinere Volumina bis 3 Mio. Euro (ca. 20% der Falle) ist der Kleine Interministerielle Ausscbufi (KLIMA) zustándig, der wóchentlich tagt. Im Falle der Ablehnung kann der Exporteur unter Zusicherung der Vertraulichkeit die Unterlagen von Hermes einsehen. PRAXISTIP Hermes gibt auf Anfrage eine Crundsatzliche Stellungnahme darüber ab, ob eine angefragte Transaktion deckungsfáhig ist. Im positiven Fall werden IMA/ KLIMA unter sonst gleichen Voraussetzungen dadurch gebúnden. Diese Anfrage sollte rechtzeitig vor AbschlufJ des Kaufvertrages erfolgen, um ggf. Auflagen oder Einschránkungen bei den Vertragsverhandlungen berücksichtigen zu kónnen, z. B. entsprechende Zahlungsbedingungen (siehe unten). Der IMA legt allgemein die offizielle Deckungspolitik des Bundes fest. In die Gewahrleistung einbezogene Lander miissen Deutschland gegenüber staatliche Garanden abgeben. Fiir die wichtigsten Lander werden Lánderquoten (Plafonds) festgelegt. Über Einzelgescháfte wird nach den Kriterien <Fórderungswürdigkeit des Gescháftes> und <besonderes staatliches Inter esse> entschieden. Diese Begriffe sind bewufst sehr vage, da die Übernahme von Exportrisiken nicht nur vom Schadensrisiko, sondern vor allem auch von politischen Zweckmáfigkeiten abhángt z. B. bei der Entscheidung iiber die Übernahme von Deckungsrisiken fiir Rutland, Tiirkei, China, Iran oder (seit 2000 wieder) Kuba (Abb. H-3/ 4) - oder den AusschluiS von Deckungen fiir Krisengebiete (Irak, Jugoslawien). 10 Beispielsweise wurde China 1989 nach der Niederschlagung der Tienamen-Revolte voriibergehend aus der Deckung herausgenommen. Eine pikante Randnotiz dazu: Gewáhrleistungen fiir kriegsfuhrende Lander sind grundsátzlich nicht moglich. Anfang der 80er Jahre wurde daher im Iran-Irak-Krieg nur ein ca. 50 km breiter Grenzstreifen des Irak gegenüber dem Iran zum Kriegsgebiet erklárt, um weiterhin fur den damals noch politisch akzeptablen Irak Gewáhrleistungen übernehmen zu kónnen (u. a. fur Staudamm-, Autobahn-, Flughafen-, Wohn- und Industriebauten). 10 Totale Deckungssperren bestehen zur Zeit fur Afghanistan, Angola, Benin, Burundi, Guayana, Irak, Haiti, Jugoslawien, Kambodscha, Kongo/ Zaire, Nordkorea, Kuba, Liberia, Libyen, Nicaragua, Ruanda, Sambia, Sierra Leone, Soalia, Sudan, Surinam, Syrien, Tansania. <?page no="337"?> H-3. Exportkreditbesicherung 315 Abb. H-3/ 4: Deckungspolitik Hermes weitet Bürgschaften für Tiirkei aus Künftig werden auch Kredite für Infrastrukturprojekte gedeckt Bund bei RuBland-Bürgschaften vorsichtig „Es bleibt bei restriktiver Deckungspolitik" / Moskau zahlt 537 Millionen Hermes erneut in der Kritik Exporte von Waren, mit denen hohe ókologische (Emissionen) und sozialpolitische Risiken (Arbeitsschutz, Kinderarbeit) verbunden sind, werden nicht abgesichert; die Sensibilitát hat deutlich zugenommen. Bei Investitionsauftragen ab 5 Mio. Euro muí? der Exporteur eine Erklárung zur Umweltvertráglichkeit abgegeben (ist diese unzutreffend, kann im Schadensfall der Deckungsschutz entfallen). In Zukunft soil ein systematischeres Raster entwickelt werden als bisher, mit ókologischen, sozialen und entwicklungspolitischen Mindestkriterien. Mitte 2001 sind vom IMA entsprechende Leitlinien verabschiedet worden. Für Bundes7Hermes-besicherte Forderungen 11 hat sich ein eigener Forfaitierungsmarkt entwickelt, da durch die Besicherung auch problematischere Lánderrisiken forfaitierbar sind; háufig iibernehmen Forfaiteure jedoch gerade keine politischen Risiken. Die Hermes-AG stimmt einer Abtretung der Garantie- oder Bürgschaftsansprüche an den Forfaiteur i.d.R. zu. Der Forfaiteur mufi die Gesamtforderung iibernehmen, also incl. des Selbstbehalts, wofiir er mit dem Exporteur ggf. eine Prámie vereinbaren kann. Eine Hermes-gedeckte Forfaitierung durch Banken ist meist problemlos zu erhalten. Tendenziell ist sie giinstiger als eine offene (ungesicherte) Forfaitierung. Im Rahmen der Ausfuhrgewáhrleistungen werden zunehmend auch Leasinggescháftc besichert. H-3.2.3. RegrefS und Umschuldungen Sofern die Hermes AG eine Entschadigung leistet, geht die Forderung des Exporteurs auf den Bund über. Jede Hermes-Entschádigung führt zu RegrelSversuchen des Bundes, bei politischen Scháden direkt bei der jeweiligen Regierung, bei wirtschaftlichen Risiken durch versuchten Rückgriff auf den Importeur. Dabei werden marktiibliche Methoden der Forderungseintreibung angewandt, z. B. nationale Inkassogesellschaften, Anwálte oder die Botschaft eingeschaltet, sofern der Aufwand gerechtfertigt erscheint. Auch der Exporteur kann beteiligt werden, der ggf. je nach abgesichertem Risiko - 5-15% der Rechtsverfolgungskosten selbst tragen mu£ (nach der bereits erfolgten Entschadigung; die Kosten des Mahnverfahrens bzw. von Inkassoversuchen vor der Entschadigung muS der Exporteur allein tragen). Wegen des zwischenstaatlichen Garantieabkommens hat nun aber auch der jeweilige Importstaat dem Bund gegeniiber entsprechende Verbindlichkeiten. Diese werden insbesondere aus politischen Schadensfallen in eine eventuelle Umschuldungsverhandlung mit 11 Streng genommen agiert immer der Bund; so wird es auch in den Hermesunterlagen angesprochen. Dennoch spricht man in der Praxis oft von (<dem>) Hermes. <?page no="338"?> 316 H Risikomanagement ¡m AuGenhandel dem Schuldnerland im Rahmen des Pariser Clubs 12 einbezogen, in dem die Hermes AG im Namen der Bundesregierung verhandelt. Im Zeitablauf gehen daher aus solchen Forderungen laufend noch Rückflüsse ein. Insgesamt aber mul? ein Teil der Forderungen definitiv abgeschrieben werden. H-3.2.4. Deckungsprinzipien (a) Die staatlichen Besicherungen erfolgen nach dem Subsidiaritátsprinzip, d. h. sie werden nur dann angeboten, wenn keine privaten Besicherungen zur Verfügung stehen; der Staat will nicht als Wettbewerber auftreten. Daher gibt es seit 1997 für marktfáhige Risiken im Kurzfristgescháft bis 24 Monaten Laufzeit keine Absicherungen mehr im OECD-Bereich (Ausnahmen sind Korea, Mexiko, Türkei, Tschechische Republik, Polen und Ungarn als sog. «assoziierte» OECD-Lánder). Politischen Deckungsschutz gibt es für diese Lánder nur noch sehr eingeschránkt. Bei lángeren Laufzeiten (ab 24 Monaten) kann die Deckung weltweit in Anspruch genommen werden, also auch für OECD-Lánder. Angesichts der beobachtbaren Entwicklungen ist davon auszugehen, daS die staatlichen Kreditversicherungen mehr und mehr von der privaten Assekuranz ersetzt werden. (b) Die Bundesdeckung gilt nur fur deutsche Exporteure bzw. Kreditinstitute im Inland (unter gewissen Bedingungen auch für auslándische Banken, mit denen deutsche Exporteure arbeiten) logisch, weil ja das Geld des deutschen Steuerzahlers eingesetzt wird. Grundsátzlich müssen die besicherten Lieferungen und Leistungen deutschen Ursprungs sein, wobei bei Investitionsgütern Zulieferungen in bestimmtem Umfang zulássig sind (max. 40% Zulieferanteile aus der EU oder max. 10% Zulieferung aus sonstigen Lándern. In der Kombination gelten max. 40% Fremdanteil, also nicht kumulativ). Bei Konsumgütern (Handelsware) ist der Warenursprung unerheblich. PRAXISTIP Es kónnen nur unmittelbare Forderungen durch Hermes besichert werden. Eine mittelbare Forderung ergibt sich z. B., wenn ein deutscher Exporteur ein im Ausland ansassiges Tochterunternehmen einschaltet. Dann liegt keine deutsche Forderung gegenüber dem auslándischen Endabnehmer vor, sondern es handelt sich urn ein grundsátzlich nicht durch Bundesgewáhrleistungen versicherbares auslándisches Inlandsgeschaft. (c) Nach dem Grundsatz der Einheitsdeckung werden wirtschaftliches und politisches Risiko zusammen besichert. Ausnahmen: Bei staatlichen (óffentlichen) Abnehmern gibt es definitorisch kein wirtschaftliches Risiko; bei privaten Abnehmern wird seitens Hermes keine Absicherung des wirtschaftlichen Risikos erfolgen, wenn es sich um ein mit dem Exporteur verbundenes Unternehmen handelt und er sich faktisch vor sich selbst fürchten müSte. (d) Das System der Exportkreditabsicherung in der Bundesrepublik beruht wie in den meisten anderen Lándern grundsátzlich auf dem Prinzip der Selbsttragung, d. h. die Inanspruchnahme von Deckungszusagen ist mit entsprechenden Gebühren und Entgelten ver- 12 Im Pariser Club verhandeln staatliche Gláubiger und der IWF im Bedarfsfall mit einem Schuldnerland iiber erforderliche UmschuldungsmalSnahmen. Im Londoner Club verhandeln private Kreditgeber (meist Banken) mit ihren Schuldnerlándern. <?page no="339"?> H-3. Exportkreditbesicherung 317 bunden, aus welchen sich die etwaigen Auszahlungen finanzieren sollen (Kostendeckungsprinzip). Doch ist dies mehr ein fiktives ais ein reales Prinzip: Sofern das Gewáhrleistungssystem mit Verlust abschlieSt, wird dieser wie erwáhnt aus dem Bundeshaushalt gedeckt. Andererseits muí? auch ganz klar gesehen werden, daf? es sich bei dem staatlichen Exportkredit-Versicherungssystem um eine Exportsubventionierung handelt, denn die abgesicherten Risiken wiirden nach marktwirtschaftlichen Prinzipien zu deutlich hóheren Prámien führen (vgl. Abschnitt H-3.2.7). (d) Grundsátzlich muí? der Versicherte einen Teil des Schadens selbst tragen. Dieser Selbstbehalt (Selbstbehaltsquote) betrágt 5-15 % der Forderung je nach Risikoart - und darf nicht andersweitig versichert werden (5% fur das politische, 15% fiir das wirtschaftliche Risiko). Dadurch soil erreicht werden, daí? der Exporteur alies in seiner Macht stehende unternimmt, um den Schadensfall zu vermeiden und sich nicht auf eine bequeme Hermes- Absicherung verláí? t. In Ausnahmefállen ist eine 100%-Deckung móglich, wenn der deutsche Exporteur Mitglied eines internationalen Konsortiums ist, in dem die anderen Exporteure bei ihren Versicherern eine 100%-Deckung erhalten («Airbus»-Klausel). Das Verbot, den Selbstbehalt anderweitig zu besichern, wird in der Praxis nicht selten umgangen. Damit erlischt zwar die Hermes-Absicherung, doch wird dies gar nicht mal so oft schon im konkreten Schadensfall aufgedeckt, den Hermes meist reibungslos entschádigt, ais sehr viel spáter bei Umschuldungen mit dem Partnerland, bei denen jede einzelne Forderung <abgeklopft> wird. (e) Sofern der Schadensfall bei den besicherten wirtschaftlichen und politischen Risiken náchweislich eingetreten ist, lost dies die Leistungspflicht des Versicherers aus. Nach Einreichung aller fur die Feststellung des Entschádigungsanspruchs erforderlichen Unterlagen stellt Hermes die Schadensberechnung innerhalb von 2 Monaten an. Die Auszahlung erfolgt innerhalb eines weiteren Monats, nachdem der Exporteur die Berechnung anerkannt hat. In bestimmten Fallen sind Abschlagszahlungen móglich. (f) Hermes wacht strikt dariiber, daf? die Zahlungsbedingungen der Vertragsparteien internationalen Gepflogenheiten entsprechen; andernfalls wird kein Versicherungsschutz gewáhrt. In der <Berner Union>, in der sich 30 nationale Kreditversicherer zusammengeschlossen haben, wurde beispielsweise vereinbart, daf? fiir Konsumgiiter maximale Kreditlaufzeiten 180 Tagen gelten sollen und fiir Investitionsgiiter 3-5 Jahre. Fiir Investitionsgiiter ist diese Zahlungsbedingung vorgegeben: 15% Anzahlung des Kunden, 85% Kreditsumme, Tilgung in gleich grof? en Raten, zeitlicher Abstand zwischen den Raten max. 6 Monate (kleinere Zeitraume sind móglich), 1. Rate spátestens 6 Monate nach Lieferung oder Betriebsbereitschaft, Zinsen auf den Restsaldo (degressive Zinsen). PRAXISTIP Vertragsverhandlungen müssen daher entsprechend aufgebaut werden, wenn der Exporteur an eine Bundesdeckung denkt. Viele Techniker, die Verkaufsverhandlungen führen, tun sich mit dem Kaufmannischen aber oft sehr schwer. Verabredete Zahlungsbedingungen sind jedoch i.d.R. nachtráglich kaum veranderbar. Daher ist eine Standardisierung der Vertragsbedingungen nach den obigen Vorgaben bei beabsichtigterHermesdeckung sinnvoll. Standardisierung bedeutet international (meist) keine Wettbewerbsnachteile, weil dies bei abgesicherten Gescháften für alie Mitbewerber gilt. <?page no="340"?> 318 H Risikomanagement im Auftenhandel H-3.2.5. Schuldnerarten: Garantien und Bürgschaften Die Hermes-Deckungen werden allgemein als Gewahrleistungen bezeichnet (Abb. H-3/ 5), wobei unterschieden wird zwischen Garantien und Bürgschaften. Die Begriffe Garantie und Biirgschaft sind jedoch juristisch nicht mit den Begriffen der zivilrechtlichen Sicherungsgescháfte identisch, sondern dienen vorrangig der technischen Unterscheidung (ob die Begriffswahl daher glücklich ist, sei dahingestellt) (im Hause Hermes weifs auch niemand so recht, warum diese Bezeichnungen gewáhlt wurden). Abb. H-3/ 5: Deckungsformen Ausfuhrgewáhrleistungen des Bundes Kautionsversicherung Insolvenz Zahlungsverzug (protracted default) Garantien beziehen sich auf Schuldner, die eine natiirliche Person, eine Personengesellschaft oder eine juristische Person des Privatrechts ist, d. h. prinzipiell wird unterstellt, dafi Zwangsvollstreckung móglich und das Vermógen des Schuldners konkursfáhig ist. Fiir die Feststellung der Zahlungsunfáhigkeit («Konkurs») gelten analoge Kriterien, wie sie im Zusammenhang mit privaten Versicherern angefiihrt wurden (vgl. oben). Bürgschaften gelten in Bezug auf Besteller, die Regierung, Korperschaft des óffentlichen Rechts oder privatrechtlich organisierte Firmen sind, fur die sich der Staat generell oder spezifisch verbiirgt hat. Die Konditionen sind bei Bürgschaften etwas günstiger, weil das Ausfallrisiko bei staatlichen Káufern als gering angesehen wird (keine Konkursfáhigkeit). Der Nichtzahlungstatbestand (protracted default) ist bei Bürgschaften immer abgesichert, bei Garantien kommt es auf die Deckungsart an (vgl. unten). Bei Abgrenzungsproblemen kann man folgende Kriterien anwenden: Konkursfáhigkeit (ja = privater Kunde, nein = óffentlicher Kunde) und Staatshaftung (nein = privater Kunde, ja = óffentlicher Kunde). H-3.2.6. Risikoarten Bei alien Deckungsformen ist zwischen dem wirtschaftlichen und dem politischen Risiko zu unterscheiden. Das wirtschaftliche Risiko ist ein Delkredere-Risiko in Bezug auf den Schuld- <?page no="341"?> H-3. Exportkreditbesicherung 319 ner, das politische Risiko ergibt sich aus den Rahmenbedingungen des Importlandes. Beide Risiken kónnen nur zusammen besichert werden (Prinzip der Einheitsdeckung). Im Schadensfall ist die Exporteursforderung also in jedem Fall abgesichert, unabhangig von der Risikoart. Zu kláren ist dann <lediglich>, welchen Selbstbehalt der Exporteur tragen muí? (dieser ist bei wirtschaftlichen Risiken mit 15 % hoher als bei politischen Risiken - 5 %). Das Risiko des Selbstbehalts darf nicht weiterversichert werden. Bei Fabrikations- und Ausfuhrrisiken ist aber eine Weitergabe an Unterlieferanten zulássig. H-3.2.6.1. Politisches Risiko Das politische Risiko {Ldnderrisiko) leitet sich aus der Situation des Importlandes ab und fiihrt dazu, dai? der Importeur durchaus zahlungswillig ist, aber die Zahlung aus politischen Griinden nicht aus dem Land <herauskommt> (vgl. oben und auch Abschnitt B-6.7). Bei politischen Risiken muí? der Exporteur einen Selbsthalt von 5% tragen, unabhangig von der Risikokategorie des Schuldnerlandes (diese hat nur EinfluS auf die Hóhe des Entgelts, vgl. unten). Der haufigste Fall (ca. 95 % aller politischen Schadensfálle) besteht in einem Konvertierungs- oder Transferverbot (KT-Risiko) im zwischenstaatlichen Zahlungsverkehr, vor allem in Lándern mit akuter Devisenknappheit aufgrund von rückláufigen Preisen und entsprechenden ExporterlóseinbuEen auf den Rohstoffmárkten. Hinzu kommen allgemeine politische Umstánde wie kriegerische Ereignisse, Bürgerkrieg oder gesetzgeberische und behórdliche Mal? nahmen, die eine Erfiillung seiner Verbindlichkeiten des Importeurs verhindern. Gleichfalls fallen unter das politische Risiko EmbargomafSnahmen des Auslandes, die eine Erfiillung der vom deutschen Exporteur geschuldeten Leistungen verhindern und ihm deshalb keine durchsetzbare Forderung fur erbrachte Lieferungen oder Leistungen zustehen. Dies gilt analog fur den Verlust der Ware aufgrund von politischen Umstanden. Durch derartige politische Risiken kónnen die internationalen Handelsbeziehungen empfindlich gestort werden. Hervorzuheben ist, dai? es sich fxir eine Hermesentschadigung urn neue Risiken handeln muí? , die bei der Deckungszusage nur denkbar waren, konkret aber noch nicht bestanden. Beispielsweise ist bekannt, dai? bestimmte arabische Staaten die Einfuhr von Giitern nur zulassen, wenn der Exporteur keine wirtschaftlichen Beziehungen mit Israel unterhált; dies muí? er formal versichern (vgl. Abschnitt D-2.2.3.1). Sofern ein Exporteur dessenungeachtet versucht, in ein arabisches Land zu liefern, obgleich er diese Bedingungen nicht erfiillen kann, liegt natiirlich kein abdeckbares Risiko vor, denn die Handelsbehinderung ist ja bekannt. Hermes stuff die Schuldnerlánder in sieben Risikokategorien ein; hierzu spater. H-3.2.6.2. Wirtschaftliches Risiko Das wirtschaftliche Risiko oder Delkredererisiko bezieht sich auf Zahlungsunfáhigkeit des Schuldners (Insolvenz) oder Zahlungsverzug (Nichtzahlung [lángerer Zahlungsverzug], sog. protracted default: PD). Der Garantiefall aufgrund von Insolvenz tritt ein bei Konkurs, amtlichem und aul? eramtlichem Vergleich, nachgewiesener erfolgloser Zwangsvollstreckung oder nachweislich <ungiinstigen wirtschaftlichen Verhaltnissen> (z. B. Zahlungseinstellung). Bei wirtschaftlichen Risiken muí? der Exporteur einen Selbstbehalt von 10% tragen bei <?page no="342"?> 320 H Risikomanagement im Aultenhandel staatlichen Schuldnern (Biirgschaften) und von 15% bei privaten Schuldnern (Garantien). In vielen Lánder dürfte der fórmale Nachweis der Insolvenz kaum zu fiihren sein. Daher bietet sich dann die Absicherung der Nichtzahlung an sofern móglich (je nach Deckungsart). Der Nichtzahlungstatbestand wird entschádigt, wenn der Káufer innerhalb von sechs Monaten nach Fálligkeit nicht bezahlt hat (und der Exporteur zwischenzeitlich alies in seiner Macht stehende untemommen hat, um die Zahlung zu erreichen (Erinnerungen, Mahnungen, Drohbriefe usw.).. PD kann bei Konsumgutern nicht abgesichert werden bei Ausfuhrgarantien im Rahmen von Einzeldeckungen, sondern nur bei Investitionsgiitern. Dies liegt daran, dafs bei Konsumgutern zu grofie Manipulationsmóglichkeiten bestehen. Wenn der Káufer einer Ladung T-Shirts in Benesien nicht bezahlt, ist es kaum móglich, die Ware auf dem benesischen Markt zu identifizieren und ggf. sicherzustellen. Statt des Káufers muíste dann Hermes bezahlen. Verkáufer und Káufer kónnten folglich mit krummen Gescháften durchkommen. Bei Investitionsgiitern ist dieses Risiko geringer; Maschinen sind in der Regel eher wiederzuerkennen (Motornummern etc.). Der Nichtzahlungsfall bei Konsumgutern kann aber über APGs abgesichert werden (Abschnitt H-3.2.7). H-3.2.6.3. Fabrikationsrisiko Der Exporteur kann zunáchst einmal das Fabrikationsrisiko abdecken, d. h. dal? das vereinbarte Exportgescháft vor dem Warenversand scheitert und die Fertigstellung oder der Versand der Ware nicht mehr móglich oder zumutbar ist. Dann tritt ein Verlust ein in Hóhe der bis dahin entstandenen Selbstkosten. Es wird nicht zwischen Garantien und Biirgschaften und nicht zwischen politischen und wirtschaftlichen Risiken unterschieden. Der Selbstbehalt betrágt einheitlich 5 % der gedeckten Selbstkosten. Nicht gedeckt sind der (dann entgangene) kalkulierte Gewinn der Herstellers, die Hermes- Kosten oder nach deutschem Steuerrecht verbotene NAs («niitzliche Aufwendungen», d. h. Schmiergelder) (diese kónnen sowieso zum Verlust des Deckungsschutzes führen). Das Entgelt fiir Fabrikationsrisiken betrágt i.d.R. 1 % der gedeckten Selbstkosten. Die Haftung aus der Fabrikationsdeckung beginnt mit Abschlufi des Exportkaufvértrags und erlischt mit Abnahme der Ware beim Hersteller (Ex-works-Vertrag) bzw. sonst bei Übergabe an den Spediteur oder Frachtfiihrer. Eine Fabrikationsdeckung sollte immer erfolgen bei Sonderanfertigungen fiir Kunden (vor allem im Anlagen- und Maschinenbau, d. h. Investitionsgiiter) mit langen Produktionszeiten, oder wenn aus anderen Gründen ein Weiterverkauf an Dritte nicht móglich ist. Innerhalb des Fabrikationsrisikos sind auch Teildeckungen móglich, so daS beispielsweise Standard- und Serienprodukte, die auch anderweitig zu verwerten sind, aus der Deckung ausgeklammert werden kónnen. Das Risiko, daf? sich der Exporteur verkalkuliert, indem er sich zur Zeit seines Angebots auf einen Preis festlegt, der im Nachhinein nicht die Fabrikationskosten deckt, kann nicht versichert werden. Fabrikationsrisiken kónnen wiederum auf politischen oder wirtschaftlichen Ursachen beruhen. Politische Risiken beziehen sich auf EmbargomaSnahmen der Bundesrepublik, Weisungen der Bundesrepublik zum Abbruch der Fabrikation, Ausbleiben einer Weisung zur Wiederaufnahme der Produktion, politische Umstánde im Importland, Embargomafsnahmen eines Transfer- oder Transitlandes. Bei einem Embargo kann der Exporteur nicht liefern. In diesem Fall niitzt auch eine Ankaufsgarantie einer Bank fiir ein Akkreditiv nichts, <?page no="343"?> H-3. Exportkreditbesicherung 321 weil der Exporteur die Akkreditivbedingungen nicht erfiillen kann. (Tritt das Embargo nach Warenversendung in Kraft, fállt es unter das Ausfuhrrisiko, siehe unten.) Wirtschaftliche Risiken ergeben sich z. B. aus Insolvenz des Schuldners oder Lossagung des Schuldners vom Vertrag. Nicht selten geht der Exporteur mit der Produktion in Vorleistung, weil z. B. eine Akkreditiveróffnung erst acht Wochen vor Versand vereinbart worden ist (in China-Vertrágen kaum friiher). Ob das Akkreditiv jedoch tatsáchlich eróffnet wird, ist unsicher. Da der Exporteur nicht versenden kann, entsteht auch keine Forderung im Rahmen des Ausfuhrrisikos (vgl. anschliefend). Daher niitzt auch hier keine Ankaufszusage einer Bank bezüglich des Akkreditivs, da dieses gar nicht entsteht. Die Nichteroffnung des Akkreditivs gilt ais Zahlungsunfáhigkeit des Schuldners und fiihrt bei entsprechender Absicherung zur Hermes-Entschádigung. H-3.2.6.4. Ausfuhrrisiko Das Ausfuhrrisiko der Zeitraum zwischen Warenversand und vollstandiger Bezahlung ist bis zu einer Kreditlaufzeit von fiinf Jahren versicherbar. Gedeckt werden sowohl das Abnahmerisiko als auch das Kreditrisiko (incl. Kreditzinsen und Kreditnebenkosten). Preisgleitklauseln (um Kostensteigerungen wáhrend der Vertragslaufzeit auf den Besteller abzuwálzen) konnen in die Deckung mit einbezogen werden, nicht aber Vertragsstrafen oder Verzugszinsen, auch wenn sie Gegenstand des Kaufvertrags sind. Im Gegensatz zum Fabrikationsrisiko erfafst die Besicherung des Ausfuhrrisikos zum einen auch den kalkulierten Gewinn, zum anderen im Hinblick auf die Ursachen auch Konvertierung- und Transferrisiken. PRAXISTIP Ein Exportunternehmen sollte nur Risiken von einer bestimmten Gróftenordnung an absichern, ggf. auch einen hóheren Selbstbehalt vereinbaren, um gravierende Scháden abzudecken. Bei kleineren Risiken kann man stattdessen eine eigene Kreditprüfung vomehmen, ggf. auch eine interne Selbstversicherung (Rückstellungen) auf der Basis von Erfahrungswerten vornehmen. H-3.2.7. Deckungsformen Es gibt zahlreiche Instrumente der Exportabsicherung, die entweder die Forderung des Exporteurs absichern (Forderungsdeckung) oder Kreditinstitute, die dem Importeur eine Finanzierung anbieten (Bestellerkredite; Abschnitt D-2.2.3) (Kreditdeckung). Wir betrachten zunáchst Forderungsdeckungen für den Exporteur. PRAXISTIP Mit Hermes noch unerfahrene Untemehmen sollten in jedem Fall eine ausführliche Beratung in Anspruch nehmen, um einen optimalen Zuschnitt der Deckungsmoglichkeiten für ihre Bedürfnisse zu erreichen. (1) Im Rahmen von Einzeldeckungen werden Forderungen aus einem individuellen Exportgescháft besichert, insbesondere im Anlagenbau, bei Schiffen oder Flugzeugen (vgl. unten Abb. H-3/ 6). Jedes Gescháft muS neu beantragt werden. Eine Einzeldeckung deckt Kredite mit maximal 24 Monaten Laufzeit ab, jedoch nicht aus Geschaften in OECD-Lándern. Ab <?page no="344"?> 3 2 2 H Risikomanagement im AuRenhandel 24 Monaten kann die Deckung weltweit erfolgen. Es werden wie fast immer das wirtschaftliche und das politische Risiko abgesichert. Der Nichtzahlungstatbestand [protracted default) ist nur bei Investitionsgiitern abgesichert; für Konsumgüter bietet sich ggf. dann eine APG an (siehe anschlieSend). (2) Bei regelmáSig wiederkehrenden Exportkrediten bis zu 24 Monaten an einen bestimmten Káufer kann eine revolvierende Einzeldeckung abgeschlossen werden, wobei sowohl das wirtschaftliche ais auch das politische Risiko abgesichert werden. Der Exporteur hat dabei eine Andienungspflicht, d. h. er muS auch zwischenzeitlich als sicher anzusehende Forderungen abdecken. Der Verwaltungsaufwand ist dabei reduziert, da nur ein Deckungsantrag gestellt werden muS. Revolvierende Deckungen versichern nur das Ausfuhrrisiko, aber nicbt den Nichtzahlungstatbestand (protracted default). Diese Deckungsform wird daher relativ wenig nachgefragt; stattdessen werden dann meist APGs gewáhlt: (3) Im Rahmen von Ausfuhr-Pauschalgewahrlcistungen (APG) werden alie kurzfristigen Forderungen (max. bis zu 12 Monaten) gegenüber privaten Bestellern in Nicht-OECD-Landern gedeckt. Private Abnehmer in OECD-Lándern kónnen nicht einbezogen werden. Auf Wunsch kónnen aber die Newcomer-OECD-Lánder Korea, Mexiko, Polen, Tschechische Republik, Tiirkei und Ungarn in die Deckung einbezogen werden. Ausgeschlossene OECD- Lánderrisiken kónnen auch nicht durch Einzeldeckungen <parallel> versichert werden. Bei APGs wird nicht zwischen Garanden und Bürgschaften unterschieden (vgl. oben). Sie schliefien das Fabrikationsrisiko aus (es kann aber als Einzeldeckung besichert werden), den Nichtzahlungstatbestand (protracted default) hingegen ein. Der Selbstbehalt betrágt entweder 5% (fur politische Risiken) oder einheitlich 15% (für wirtschaftliche Risiken). Der Exporteur hat bei APGs eine Andienungspflicht beziiglich privater Abnehmer in Nicht- OECD-Landern d. h. er muE seinen gesamten diesbeziiglichen Umsatz monatlich melden und versichern, auch solche Transaktionen, bei denen das Risiko dies eigentlich nicht erforderlich macht («Alles-oder-Nichts»-Prinzip). Damit soil den staatlichen Versicherern eine angemessene Risikomischung ermóglicht werden; andernfalls wiirden nur wirklich riskante Gescháfte besichert. Die Umsátze müssen monatlich gemeldet und gebührenmáfiig abgerechnet werden. Der Exporteur kann im Rahmen von APGs die Bonitát seiner Kunden selbst priifen oder durch Hermes priifen lassen. Uber den anfánglich vereinbarten Mindestumfang der Gewáhrleistung hinaus kónnen innerhalb der Vertragsperiode weitere Forderungen in die APG einbezigen werden; dies bedeutet eine sehr nützlich Flex ibilitát des Instruments. Auch bei gestiegenen Lánderrisiken honoriert der Bund erfahrungsgemafs den Vertrauensschutz dadurch, daS die Deckungen innerhalb der APG relativ lange beibehalten werden, auch wenn dies für neue Einzelgescháfte móglicherweise bereits ausgeschlossen ist. Der Entgeltsatz für APG wird individuell kalkuliert, ist in der Regel aber günstiger als für Einzeldeckungen; Antrags- und Prüfgebühren entfallen. (4) Seit Anfang 2001 existiert eine Rahmenkreditdeckung für gebundene Finanzkredite, welche der Bund begünstigten Kreditinstiruten zur Verfügung stellt. Diese kónnen die Kreditlinie als betraglich begrenzte Einzelkredite an mittelstandische Unternehmen weitergeben. Die Nutzung der Rahmenkreditdeckung erfolgt über die AKA und die KfW (vgl. Abschnitt D-3), aber auch Nicht-AKA-Banken kónnen partizipieren. Abb. H-3/ 6 gibt einen Überblick über die verschiedenen Risiko-Absicherungen. <?page no="345"?> Abb. H-3/ 6: Risiko-Elemente (Ubersicht) Fabhkationsrisiko Ausfuhrrisiko Gebundener Finanzkredit Nicht-OECD OECD Andienungspflicht Zahlungsbedingung Politische Risiken Insolvenz PD Selbstbeteiligung Einzeldeckung SB 5 % X X X erst ab 24 Monaten 5 % SB 1 5 % SB Nur Investitionsgüter 1 5 % SB Revolvierende Einzeldeckung (selten) X X bis max. 2 J. 5 % SB 1 5 % SB Nie APG X Einbeziehungspflicht Private Abnehmer: ne Verbundene Unterneh Korea, Mexiko, Polen Private Abnehmer: m Verbundene Unterneh Akkreditive: móglich X max. 12 Monate 5 % SB 1 5 % SB Immer, 1 5 % SB 5 / 1 5 % SB = Selbstbehalt PD = protracted default (Nichtzahlungsfall) <?page no="346"?> 324 H Risikomanagement im AuGenhandel H-3.2.8. Kosten H-3.2.8.1. Gebührenarten Die Deckungskosten umfassen eine Bearbeitungsgebühr (Antragsgebühr) bei Beantragung der Deckung (von 100,- Euro bei Risiken bis 25 T'Euro bis zu 5.000,- Euro bei Risiken iiber 50 Mio. Euro); dies gilt auch für Grundsátzliche Stellungnahmen. Hinzu kommt eine Ausfertigungsgebühr für jede Deckungsurkunde (0,25 %o des Auftragswertes bzw. des Darlehensbetrags, mindestens 50,-, hochstens 12.000,- Euro) sowie das Entgelt in Abhángigkeit von der Art des Schuldners, der Deckungsform und der Risikokategorie des Importlandes (vgl. die nachfolgenden Beispiele). Das Entgelt ist in der Regel sofort fállig bei Übergabe des Versicherungsdokuments (um das mit Konkursbzw. Vergleichsfállen des Versicherungsnehmers verbundene Risiko für Hermes auszuschalten). Da dies durchaus stattliche Summen bedeuten kann, ist eine Vorfinanzierung nicht unüblich. Seit Anfang 1999 gilt in den OECD-Staaten ein einheitliches Entgeltsystem auf der Grundlage einer gemeinsamen Risikoklassifizierung der Káuferlánder mit sieben Risikokategorien. 1 gait Mitte 2001 beispielsweise fur Brunei, 2 für Polen, 3 für die Philippinen, 4 für Lettland, 5 für Kolumbien, 6 für Rumánien, 7 für Rutland. Die Einstufung beruht auf einem differenzierten makrookonomischen Modell, in welches wertneutrale makrookonomische Daten eingehen (wirtschaftliche und finanzielle Situation, Score A) sowie Zahlungserfahrungen (Rückstánde, Scháden, Umschuldungen; Score B). Der Gesamtscore A/ B wird aufgrund der Beurteilung der politischen Situation in eine endgültige Klassifizierung überführt. Veránderungen von Variablen kónnen sich folglich aüf die Risikoeinstufung auswirken (vgl. auch www.hermes-kredit.com). Die Einstufungen kónnen neuerdings im Internet eingesehen werden; früher wurden sie nicht veróffentlicht. Dabei gibt es oft diplomatische Verstimmungen, wenn ein Land sich schlecht <gerated> fühlt (Abb. H-3/ 7). Abb. H-3/ 7: Landerrating Argentinien mit verschlechtertem Lánderrisiko ARGENTINIEN / Regierung bediente Schulden unpünktiich Buenos Aires ist verstimmt iiber Hermes-Einstufung Argentinien wurde eingeordnet wie Die Privatwirtsehaft leidet unter Kenia und Malawi Versáumnissen der Regierung H-3.2.8.2. Entgeltbeispiele Das Entgelt berechnet sich in Abhángigkeit von der Kreditlaufzeit als Prozentsatz vom gedeckten Forderungsbetrag bzw. bei Fabrikationsrisiken von den Selbstkosten. Dabei haben die OECD-Lánder Mindestpramien vereinbart. Je nach Art des Schuldners werden Káuferzuschláge erhoben (aufSer bei Fabrikationsrisikodeckungen): <?page no="347"?> H-3. Exportkreditbesicherung 325 1. Staatliche Besteller auf Regierungsebene («sovereign risk») (z.B. Ministerien) sind die Orientierungsmarke; fur sie wird kein Aufschlag auf den Basiswert erhoben. 2. Für alie anderen staatlichen Besteller (non-sovereign public risk) wird ein Zuschlag von 5 Prozentpunkten erhoben. 3. Fur private Schuldner mit Garantie einer akzeptierten Bank gilt ein Zuschlag von 10 Prozentpunkten. 4. Für private Schuldner ohne Bankgarantie werden Zuschláge in Abhangigkeit von der Lánderkategorie erhoben, • Lánderkategorie 1-3 (z. B. EU-Lánder, VR China: 2): 35 % Zuschlag, • Lánderkategorie 4 (z. B. Marokko): 30% Zuschlag, • Lánderkategorie 5-7 (z. B. GUS): 25% Zuschlag. (Rufiland: 5, Indonesien: 6) Die degressive Staffelung der Zuschláge erklárt sich daraus, daS der Basiswert für die Lánderkategorien progressiv steigt, so dafi Lánder hóherer Risikostufen nicht doppelt <bestraft> werden sollen. Der Zuschlag soil die Qualitát des Káufers und nicht die des Landes reflektieren. Vgl. Abb. H-3/ 8. Wenn man das Beispiel mit sonst gleichen Daten modifiziert, indem das Importland der Lánderkategorie 7 zuzuordnen ist, ergibt sich (laut Hermes-Tabellen) ein Entgeltsatz von 2,58 % plus einem Káuferzuschlag (2,58 x 35%) von 0,903% (2,58% + 0,903% = 3,48%), und als Deckungsgebiihr Euro 1.700.000 x 3,48% = Euro 59.160,- (zuzüglich Abwicklungsgebiihren). Das Zeitentgelt wird bis zu 24 Monaten pauschal erhoben, aber in Abhangigkeit von der Risikoeinstufung des Landes. Bei lángeren Zeitráumen wird das Zeitentgelt differenziert berechnet. Auf die Berechnung der dafiir relevanten Risikolaufzcit gehen wir hier nicht ein; Abb. H-3/ 8: Gebührenbeispiel Auftragswert Euro 2.000.000,- Zahlungsbedingung: 15% Anzahlung 85% nach 180Tagen Gedeckter Forderungsbetrag Euro 1.700.000,- Forderungslaufzeit 6 Monate, Lánderkategorie 3 Káuferkategorie: Privat ohne Banksicherheit. Entgeltsatz (Basissatz) für 6 Monate Kategorie 3 (laut hier nicht wiedergegebener Hermes-Tabelle) Káuferzuschlag (0,82 x 35%) Summe gerundet 0,82 % + 0,287% 1,107% 1,11% Euro 1.700.000 x 1,11 % = DM 18.870- (zuzüglich Abwicklungsgebühren) Quelle: HERMES-AG <?page no="348"?> 3 2 6 H Risikomanagement im AuGenhandel für eine genaue Berechnung sind die entsprechenden Hermes-Tabellen erforderlich (u. a. ist im Anlagenbau eine individuelle Vorlaufzeit bis zur Betriebsbereitschaft [starting point] zu berechnen). Die Entgeltsátze reichen von 0,55% (für einen 2-Jahreskredit der Kategorie 1) bis 14,39% (fur einen 12-Jahreskredit der Kategorie 7); das ist schon ein ordentlicher Satz. H-3.2.9. Mitversicherung In vielen Fallen des Investitionsgüterhandels wird der deutsche Exporteur mit einem Unterlieferanten zusammenarbeiten (Multi-sourcing-Pro]ekte). Sofern der Zulieferer gleichfalls in Deutschland ansássig ist, kónnen die Vorleistungen zusammen mit der Leistung des Hauptlieferanten bei Hermes versichert werden. Wenn der Zulieferer im Ausland sitzt, bestehen verschiedene Móglichkeiten, wie dessen Forderungen gegenüber dem Zahlungsrisiko abgesichert werden kónnen - oder auch nicht. (a) Urn Zulieferungen in die <normale> Hermes-Deckung einzubeziehen, dürfen sie bestimmte Wertgrenzen nicht überschreiten, um den deutschen Ursprung nicht zu verlieren: 10% aus Nicht-EU-Landern, 30-40% aus EU-Landern, Schweiz, Norwegen und Japan. 13 (b) Für den Fall einer Parallelversicherung mül? te der Zulieferer einen direkten Zahlungsanspruch gegenüber dem auslándischen Kunden haben. Diesen kónnte er bei seiner (auslándischen) Exportkreditversicherung absichern. Der Kunde müSte jedoch dann zwei separaten Vertrágen zustimmen, was er insbesondere im Hinblick auf Gewahrleistungen kaum akzeptieren dürfte. Diese theoretische Móglichkeit scheidet daher für die Praxis weitestgehend aus. (c) Wenn die Forderung des Zulieferers gegenüber dem Hauptlieferanten nicht von der Zahlung oder Nichtzahlung des Káufers im Ausland abhángt, kann sie nicht bei Hermes mitversichert werden (sog. Stilles Konsortium ohne Mitversicherung). (d) Eine Mitversicherung unter Hermes ist móglich, wenn nur der Hauptlieferant einen Anspruch gegenüber dem Kunden hat und der Zulieferer eine Vertragsklausel akzeptiert, bei der er nur dann vom Hauptlieferanten bezahlt wird, wenn dieser vom auslándischen Káufer bezahlt wird (sog. If-and-when-K\ausel) (Stilles Konsortium mit Mitversicherung). Der Zulieferer unterliegt dann den Zahlungsbedingungen, die der Hauptlieferant mit seinem Kunden vereinbart hat, beispielsweise einem 5-jahrigen Zahlungsziel. Eine If-and-when-K\ause\ wird sich daher nur schwerlich durchsetzen lassen, weil das Risiko des Hauptlieferanten auf den Zulieferer <durchgestellt> wird. Zudem muS diese Klausel sehr frühzeitig in den Vertragsverhandlungen berücksichtigt werden, denn eine nachtrágliche Akzeptierung durch den Zulieferer ist so gut wie ausgeschlossen (wer würde das schon akzeptieren? ). Der Zulieferer würde dabei ggf. von seiner auslándischen Exportkreditversicherung entschádigt, sofern diese eine Mitversicherungsvereinbarung mit Hermes geschlossen hat. Sofern dies nicht der Fall ist, kann das Hauptgescháft u. U. nicht bei Hermes abgesichert werden. Die Zulieferungen dürfen die obigen 10bzw. 30/ 40%-Grenzen natürlich nicht überschreiten. Der Hauptversicherer Hermes würde 13 30% über 5 Mio. DM, 40% bis 5 Mio. DM. Prázise gesehen handelt es sich um den handelspolitischen Ursprung, der vom (zoll-)práferenzrechtlichen abweichen kann. Vgl. Abschnitt K-3. <?page no="349"?> H-3. Exportkreditbesicherung 327 beziiglich der 10-40% Zulieferungen auf die Riickversicherungspartner Zugriff nehmen. (e) Am elegantesten kónnen Zulieferungen aus dem Ausland einbezogen werden, wenn der Zulieferer in einem Land sitzt, dessen Exportkreditversicherung mit Hermes eine Riickversicherungsvereinbarung abgeschlossen hat. Weitere Voraussetzungen sind, (1) dafi der Hauptlieferant das voile Ausfuhrrisiko trágt, (2) der Zulieferer keinen eigenen Zahlungsanspruch gegen den Kunden hat, (3) keine If-and-wben-Khusel vereinbart wurde, und (4) die Zulieferungen die zulássigen Prozentsátze fur eine Einbeziehung nicht iiberschreiten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es wird nur ein Versicherungsvertrag mit nur einem Versicherungsnehmer benótigt; es gibt nur eine Prámienrechnung (von Hermes); die meist schwierigen If-and-when-Verhand\ungen mit dem Zulieferer sind nicht nótig. Die interne Riickversicherung wird von Hermes organisiert. Wegen der erforderlichen Absprachen zwischen den Versicherern benotigen solche Vertráge mehr Zeit als <einfache> Versicherungen. PRAXISTIP Der Exporteur sollte nie <nach hinten>, d. h. gegenüber seinen Zulieferern, vertragliche Bindungen eingehen, solange nicht <nach vome> beim Kunden und bei Hermes die Einhaltung der Prozentklauseln sichergestellt ist. Die Hermes-Absicherung zu suchen, nachdem die Vertráge mit dem Kunden und den Vorlieferanten bereits abgeschlossen sind, kann riskant sein, denn vertragliche Nachbesserungen nach <vorne> oder <hinten> sind meist nicht mehr móglich. Dieser Prüfschritt - «ist die Hermes-Absicherung <wasserdicht> ? » sollte in den internen Entscheidungsablaufen standardisiert sein. Riickvereinbarungen von Hermes bestehen gegenwártig mit Frankreich, GrofSbritannien, Ósterreich, Schweden, Dánemark, Finnland, Spanien, Niederlande und Luxemburg. Gespráche laufen mit Norwegen, Schweiz, Kanada, Portugal und Polen. Die USA sind nicht interessiert, was sehr kurzsichtig ist, weil mancher Hersteller daher amerikanische Zulieferer oft vermeidet. FAZIT Ein Einbezug von Zulieferungen in die Hermes-Deckung ist am einfachsten, wenn eine Riickversicherung besteht. Andernfalls müGte eine / f-anc/ -w/ 7en-Klausel vereinbart worden sein. Wenn dies nicht gegeben ist, kónnte theoretisch eine Parallelversicherung erfolgen, Wenn dies nicht móglich ist, aber eine Hermes-Deckung wichtig ist, miiGte der Zulieferer ausgeschlossen werden, oder das Exportgescháft müftte ohne Hermes-Deckung ablaufen. H-3.2.10. Projektfinanzierung Der Bund (Hermes) nimmt auch Exportgeschafte in Deckung, die als Projektfinanzierungen strukturiert sind, z. B. bei Industrieanlagen, Hotelprojekten, Infrastrukturinvestitionen (z. B. Kraftwerke), Dienstleistungszentren oder beim Schiffbau (vgl. Abschnitt D-3.3.5). Das Projekt soil seine Betriebskosten und den Schuldendienst aus Liquiditátsüberschüssen und Gewinnen (cash flow) selbst erwirtschaften. Daher ist die Ertragskraft des Projektes und nicht <?page no="350"?> 328 H Risikomanagement ¡m Auftenhandel wie bei den anderen Deckungsformen die Bonitát des Kreditnehmers bzw. Garanten entscheidend. Projektbesicherungen beruhen auf einem meist komplizierten Geflecht von Beziehungen zwischen alien Beteiligten (Projektgesellschaft, Lieferanten, Abnehmer, Banken, Staat, Versorger, Versicherer etc.). Die rechtlichen Rahmenbedingungen bei Projektdeckungen sind denen der konventionellen Exportfinanzierungen áhnlich, insbesondere hinsichtlich der Fórderungswürdigkeit und des vertretbaren Risikos. Auch wird das iibliche Entgeltsystem angewendet. Die Entscheidungen über Projektbesicherungen liegt grundsátzlich bei einem speziellen Arbeitskreis «Projektfinanzierungen/ Gegengescháfte», also nicht beim IMA. Aufgrund der háufig internationalen Konstruktion der Projekte (Multi-Sourcing-Vro)ekte) wird oft mit der Weltbank, der IFC oder der EBRD zusammengearbeitet. H-3.2.11. Kautionsversicherungen In den Abschnitten H-2.4.2 und H-2.4.3 wurde dargestellt, welche Garanden (bonds) Exporteure oft abgeben müssen, um den auslándischen Besteller abzusichern (Bietungs-, Anzahlungs, Liefer-, Vertragserfiillungs-, Gewáhrleistungsgarantien etc.). In diesem Zusammenhang bietet der Bund via Hermes Kautionsversicherungen an (Gegengarantien), als Deckungsschutz gegen die widerrechtliche Inanspruchnahme solcher Garantien bzw. Kautionen (unfair calling). Der rechtskráftige Rückerstattungsanspruch des Exporteurs wird dabei wie eine Forderung betrachtet und entsprechend entschádigt. Das Entgelt fur Garantiedeckung betrágt i.d.R. 0,4% des Garantiebetrages bei 10% Selbstbehalt des Exporteurs. H-3.2.12. Voraussetzungen für eine Entschádigung (a) Pflichten des Exporteurs • Der Antrag auf Hermes-Deckung muf? wer harte das gedacht wahrheitsgetreu gestellt werden; alie relevanten Fakten und Daten müssen genannt werden. Die Antragsformulare enthalten neuerdings eine Erklárung, mit welcher der Exporteur zusichert, daS der Exportbzw. Darlehensvertrag nicht durch eine strafbare Handlung (insbesondere Bestechung) herbeigefiihrt wurde. Diese Vorgaben erhalten ihre Bedeutung aus der Tatsache, daS Hermes wie andere Versicherer auch natürlich erst bei Anmeldung eines Schadens priift, ob die Versicherungsbedingungen durch den Antragsteller beachtet worden sind. Wenn nicht, existiert vielleicht gar kein Versicherungsschutz. • Der Exporteur darf nach Zusage der Hermes-Deckung keine Veránderung des Ausfuhrvertrags mehr vornehmen. • Werden ihm gefahrerhóhende Umstande bekannt (insbesondere Informationen über Zahlungsverzug des Kunden), muí? er diese schriftlich melden und seine MaSnahmen zur Risikobegrenzung benennen. • Der Exporteur muí? seinem Schuldner gegenüber Stillschweigen bewahren über die Existenz einer Exportkreditversicherung (logisch). • Der Exporteur muí? auf eigene Kosten (zumutbare) schadensvermeidende MaSnahmen ergreifen (z. B. Auskünfte einholen, mahnen, <Druck machen>). • Im Schadensfall muí? der Exporteur den Eintritt und die Hóhe des Schadens nachweisen. <?page no="351"?> H-3. Exportkreditbesicherung 329 PRAXISTIP Die Anforderungen, die Hermes an den Exporteur stellt, sollten sehr genau beachtet werden, da ihre Einhaltung letztlich erst im Schadensfall geprüft werden. Wenn sich dann herausstellt, daft bestimmte Auflagen nicht erfüllt sind, ist es zu spat und ggf. besteht kein Entschádigungsanspruch. Manchmal stellt sich dies erst nach Jahren im Zuge von Umschuldungsverhandlungen mit dem Importland heraus. (b) Sachliche Voraussetzungen Eínredefreie und rechtsbestandige Forderung Die Entschádigungspflicht des Bundes entfállt, wenn die Exportforderung nicht rechtsbestándig ist. Dies ist regelmáSig der Fall, wenn sich im Entschádigungsverfahren herausstellt, daS strafbare Handlungen (z. B. Bestechung) den Abschluí? des Ausfuhrvertrages begünstigt haben, so dai? der Vertrag nichtig ist. Natiirlich wiirde bereits ein Antrag auf Kreditbesicherung abgelehnt, wenn dies bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt ware. Problematisch ist, wenn der Kunde Einreden macht, weil der Exporteur angeblich nicht vertragsgemaS geleistet hat. Zunáchst zahlt Hermes nicht. Der Exporteur muí? dann nachweisen, da£ die Einrede gegenstandslos ist. In solchen Fallen ist man froh, wenn man eine Schiedsklausel vereinbart hat; Abschnitt F-4. Eine Zahlungsverweigerung von Hermes auch und vor allem vorlaufiger Natur kann sich schnell negativ auf die Kreditzusagen von Banken auswirken. In den an anderer Stelle bereits erwáhnten Fallen, bei denen der Importeur die Aufnahme der Dokumente verweigerte und die Ware versteigert werden muiSte, liegt je nach Lieferbedingung vielleicht auch keine Hermesdeckung vor, weil die Lieferverpflichtung nicht erfüllt ist. Problematisch ist auch, wenn der Exporteur zwar über eine Hermesdeckung verfügt, jedoch nicht leisten kann, so dafi auch keine Forderung entsteht. Dies kann der Fall sein, wenn ein verweigertes Pre-shipment-Zertiñkat dazu führt, daK keine Verschiffung erfolgt und folglich die Akkreditivdokumentation unvollstándig bleibt. Oder ein Exporteur erhalt einen Unterauftrag als Zulieferer zu einem Projekt. Die vereinbarten Lieferungen und Leistungen sollen entsprechend dem Projektfortschritt abgerufen werden. Der Exporteur geht hinsichtlich seiner Produktionskosten in Vorleistung. Die Projektabwicklung verzógert sich jedoch, und seine Güter werden nicht abgerufen. Im Extrem platzt das Projekt sogar ganz. Auch hier kann der Exporteur nicht leisten, und es entsteht keine bei Hermes verwertbare Forderung, sofern nicht das Fabrikationsrisiko abgedeckt ist. PRAXISTIP Zum vorangehenden Beispiel: Vermeiden Sie, daft Sie als Exporteur passiv darauf warten müssen, daft der Importeur agiert Besser ist, wenn die Initiative bei Ihnen liegt: Vereinbaren Sie eine Spátest-Klausel, bis zu der die Waren abgerufen sein müssen. Fixieren Sie vertraglich Ihr Recht, daft Sie nach diesem Termin die Ware bei einem Spediteur einlagern dürfen und daft durch Ausstellung der Spediteurbescheinigung für die Einlagerung die Zahlungsfrist beginnt. In diesem Fall würde Hermes bei Nichtzahlung nach sechs Monaten eintreten müssen (sofern Sie protracted default abgesichert haben). / <?page no="352"?> 330 H Risikomanagement im Auftenhandel Mahnverfahren Der Exporteur mufi mit zumutbarem Aufwand alies in seiner Macht Stehende unternehmen, urn einen saumigen Kunden zur Zahlung zu bewegen. Nach einer erfolglosen 3. Mahnung sollte man ein Inkassobiiro' einschalten, vor allem aber spátestens dann auch mit Hermes sprechen. Hermes stellt Adressen von erprobten Dienstleistern zur Verfügung. Diese verlangen in der Regel eine überschaubare Gebühr (100-200,- Euro), arbeiten aber ansonsten fiir ein Erfolgshonorar (gángig sind 10-15%, plusminus 5 Punkte). Führt der Inkassoversuch zum Erfolg, entspráche der Selbstbehalt fur den Exporteur den Hermes- Konditionen. Im negativen Fall hat der Exporteur einen Nachweis fur den Inkassoversuch, der die Hermes-Entschadigung auslost. Dabei sind je nach Zielland unterschiedliche Inkassopraktiken beobachtbar. Wáhrend in Rufiland durchaus ein Trupp kráftiger Manner beim Schuldner auftauchen mag, genügt es im asiatischen Umfeld oft, den sáumigen Schuldner zu <outen>, so daK er um seine Ehre und sein <Gesicht> bangen mufi. H-3.2.13. Versicherung von Bestellerkrediten Bestellerkredite gewáhrt eine inlándische Bank einem auslándischen Besteller zur Finanzierung einer Warenlieferung aus einem Kaufvertrag mit einem inlándischen Lieferanten (gebundener Finanzkredit) (vgl. Abschnitt B-2.2.3). Der Exporteur wird direkt aus dem Finanzkredit ausbezahlt. An die Stelle seiner Kaufpreisforderung gegenüber dem Importeur tritt nun ein Rückzahlungsanspruch der Bank aus dem Kreditvertrag. Diesen kann die Bank durch eine Gewáhrleistung des Bundes besichern. Grundsátzlich gilt hierbei fur die Bank ein Selbstbehalt von 10%, doch kónnen Bestellerkredite auf Antrag der kreditgewáhrenden Bank zu 95% durch Hermes besichert werden (5% Selbstbehalt seitens der Bank), wobei zwischen Garantien (privater Besteller) und Bürgschaften (staatlicher Besteller) unterschieden wird. Der 5%ige Selbstbehalt darf seitens der Bank nicht anderweitig besichert werden. Dennoch ist es Praxis (und zulássig), daE die Bank eine Garantie des Exporteurs (Exporteursgarantie) fur nicht von Hermes gedeckte Risiken sowie ggf. entstehende Selbstkosten der Bank wie Reisekosten fordert. Diese bezieht sich u. a. auf Zinsen, bis Hermes die Entschadigung zahlt, das zu bezahlende Hermes-Entgelt und die Haftung, wenn Hermes aufgrund von Falschangaben des Exporteurs nicht zahlt (z. B. Kaufvertrag durch Bestechung). Fiir diesen Risikobereich verlangen die Banken in unterschiedlicher Handhabung eine «Zitterprámie», die teils nur im Schadensfall fállig wird, teil bei Auszahlung des Finanzkredits an den Exporteur einbehalten wird, teils 50: 50 in beiderlei Weise verrechnet wird. Diese Prámie darf allerdings 75 % der 5 % = 3,75 % nicht überschreiten, um die Hermes-Bedingung der Nichtbesicherung des Selbstbehalts nicht zu gefáhrden. Parallel dazu muí? der Exporteur Hermes gegenüber eine Verpflichtungserklárung abgeben, dafi er den Bund (Hermes) von seiner Entschádigungspflicht gegenüber der Bank freistellt, wenn der Exporteur die Umstánde des Basisgescháfts unrichtig oder unvollstándig dargestellt hat, d.h. der Exporteur sieht sich dann Anspruchen der Bank gegenüber und kann nicht auf Hermes verweisen. Aufierdem mul? er zusichern, dafi er seinen Gewdhrleistungsverpflichtungen aus dem Kauf- oder Leistungsvertrag nachkommen wird (z. B. setzt der Kunde Zahlungen wegen unzureichender Warning aus) und auch hier den Bund entspre- <?page no="353"?> H-3. Exportkreditbesicherung 331 chend freistellt, solange der Kunde berechtigte Gewáhrleistungsansprüche geltend machen kann. Die Verpflichtungserklárung muí? ais Eventualverbindlichkeit bilanziert werden. Offensichtlich ist das Restrisiko für den Exporteur aber gut iiberschaubar, denn in der Praxis vollzieht sich die groSe Mehrzahl der kreditfinanzierten Exportgescháfte über Bestellerkredite. Vgl. Abschnitt D-3.3 zur AKA. PRAXISTIP Ob sich für den Exporteur eine - Hermes-besicherte - Exportfinanzierung über einen Lieferantenkredit oder einen Bestellerkredit empfiehlt, kann nicht allgemeingültig beantwortet werden. Verschiedene Kriterien sind abzuwagen, • Rendite < Bei einem Lieferantenkredit kann der Exporteur von seinem Kunden einen individuell zu vereinbarenden Kreditzinsverlangen, der über dem marktüblichen Habenzins liegen wird, für den der Exporteur den Auszahlungsbetrag aus einem Bestellerkredit anlegen kónnte. • Risiko Bei einem Importland mit politischem Risiko ware ein Lieferantenkredit (Selbstbehalt 5-15%) ggf. zu riskant, auch wenn der Importeur einen attraktiven Kreditzins zahlen müRte. Hier ware ein Bestellerkredit (mit nur 5% Selbstbehalt für die Bank und «Zitterprámie» durch den Exporteur) moglicherweise ratsamer. • Bilanzoptik, Cash flow Ein Lieferantenkredit schlágt sich ais Forderung in der Bilanz nieder. Hingegen flieftt aus einem Bestellerkredit sofort Liquiditat zu (Aktivtausch), und der Cash flow wird nicht belastet. Allerdings kann die Forderung ggf. an eine Bank abgetreten oder forfaitiert werden und zu Liquiditat werden (gleichfalls Aktivtausch). Mittelstándische Betriebe neigen mehr zu Bestellerkrediten, grofte Unternehmen kónnen sich eher Lieferantenkredite leisten. H-3.2.14. Internationale Harmonisierungsbestrebungen Die in der OECD gruppierten Industrielander haben fast durchgangig staatliche Kreditversicherungen, wobei es aber auch óffentlich-private Mischformen gibt (z. B. Spanien). Bei Newcomern (Korea, Mexiko, Polen, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn) sind diese teilweise noch nicht endgültig strukturiert. Insgesamt sind die Konditionen im Lándervergleich sehr unterschiedlich, trotz diverser Harmonisierungsbemühungen. Andere OECD-Lánder (u. a. Frankreich, GroSbritannien oder Japan) setzen ihre Exportkreditversicherungssysteme dabei vergleichsweise deutlicher zur Exportfórderung ein ais die in dieser Hinsicht recht zurückhaltende Bundesrepublik. Innerhalb der OECD wird angestrebt, da(? zwar die unterschiedlichen Systeme beibehalten werden konnen, aber die unterschiedlichen Risiken sich in entsprechend unterschiedlichen Prámienstaffeln widerspiegeln. Beispielsweise ist der Selbstbehalt in anderen Landern niedriger; in bestimmten Fallen (USA, Japan, GroSbritannien) entfállt er sogar ganz. Insbesondere die Auswahl der in die Deckungspolitik einzubeziehenden Lander wird jedoch am schwierigsten zu harmonisieren sein, weil hier sehr heterogene Interessen eine Rolle spielen. In GroSbritannien und Japan beispielsweise gibt es keine Risikoausschlüsse, sondern lediglich erhóhte Prámien. Grundsátzlich gibt es in diesen Lándern für den Exporteur also keine unmóglichen Deckungen; sie <?page no="354"?> 3 3 2 H Risikomanagement ¡m AulSenhandel sind allenfalls teurer als andere. Die Gebührensátze sind unterschiedlich; die Entgelte des deutschen Systems sind vergleichsweise hoch und die Abwicklungsfristen relativ lang. Gerade letzteres kann fur Unternehmen in Problemsituationen sehr kritisch sein. Einige Systeme decken Fremdwáhrungen ab, andere nicht; bei einigen kann auf den Selbstbehalt verzichtet werden, bei den meisten nicht; Frankreich deckt zum Teil MarkterschlieEungskosten ab, die nicht durch Erlóse refinanziert werden konnten (Hermes bietet nur die Versicherung des politischen Beschlagnahmerisikos an, wenn ein deutscher Exporteur beispielsweise Ware auf einer Messe im Ausland ausstellt) usw. Eine Vereinheitlichung der fur eine Exportabsicherung verlangten Zahlungsbedingungen wurde im Rahmen des sog. OECD-Konsensus allerdings weitgehend erreicht: Die Kreditlaufzeit soil bei wohlhabenden Lándern hochstens 8,5 Jahre, bei ármeren Lándern maximal 10 Jahre betragen; der Káufer soil eine Anzahlung von mindestens 15% aus Eigenmitteln leisten; Tilgungen sollen halbjáhrlich und in gleichen Raten erfolgen, und die Verzinsung soil bestimmte Mindestzinssátze nicht unterschreiten (vgl. Abschnitt D-3.3.3 zu den CIRR-Krediten der AKA). Die aktuellen Konditionen sind jedoch nur schwer zu vergleichen, weil die diversen Institutionen eine zurückhaltende Informationspolitik betreiben, denn die Exportkreditversicherungen werden ganz offensichtlich als verdeckte Exportsubventionen eingesetzt. Dies widerspricht zwar politischen Absichtserklarungen, dies nicht zu tun es ist aber so. Eine eigentlich sinnvolle und erforderliche Harmonisierung der Ausfuhrkreditsysteme innerhalb der EG gibt es bislang nicht, obgleich dies nach Art. 87 EGV erforderlich ware. H-4. Wechselkursrisiken (Wáhrungsrisiken) Unter Wechselkursrisiko versteht man, dal? sich durch Veránderungen des Wechselkurses der inlándischen Wáhrung zu anderen Wáhrungen (daher auch: Wáhrungsrisiko) ungünstige Effekte einstellen. Dieses Risiko tritt fur den Exporteur bereits zum Zeitpunkt seiner Angebotskalkulation auf, fiir den Importeur dann, wenn er eine Ware bestellt, ohne sofort zu bezahlen. Zum Wechselkursrisiko kommt das Konvertierungs- und Transferrrisiko hinzu (KT-Risiko; vgl. Abschnitt H-2.1). Das Konvertierungsrisiko besteht in der Gefahr der Begrenzung oder vólligen Unterbindung des Umtausches inlándischer Wáhrung in Devisen (oder umgekehrt) und in der Móglichkeit, über auslándische Guthaben nicht nach Belieben verfügen zu kónnen. Das Transferrisko besteht darin, dafi trotz Konvertibilitát die Deviseniibertragung beschránkt oder ausgesetzt wird. In manchen Zusammenhángen kann noch ein Wáhrungseventualrisiko hinzukommen, zum Beispiel wenn sich ein Exporteur zu einer Zahlung in Dollars verpflichtet hat, die er mit einem erwarteten Dollarbetrag seines Kunden begleichen móchte - und dieser Kunde zahlt nicht oder verspátet. Dann muf> der Exporteur sich ggf. am Devisenkassamarkt eindecken, um seine Verpflichtung zu erfiillen. Im folgenden wird zunáchst auf die Bedeutung des Wechselkurses als Risikofaktor eingegangen. Daran schlieSt sich eine Betrachtung der diversen Wechselkursbegriffe an, die in der Praxis eine Rolle spielen (Abschnitt H-4.2). Nach einem Blick auf den Devisenhandel werden anschliefend die Instrumente dargestellt, mit denen sich ein Unternehmen gegen Wechselkursrisiken absichern kann. <?page no="355"?> H-4. Wechselkursrisiken (Wáhrungsrisiken) 333 H-4.1. Exposure Die <Empfindlichkeit> eines Unternehmens gegeniiber Wechselkursveranderungen kann mit dem englischen Begriff <Exposure> prázisiert werden. Exposure bedeutet wortlich <ausgesetzt> (exponiert) oder ungeschützt sein und ist zunáchst ein neutraler Begriff, der auf Gefahren und Chancen von Wechselkursveranderungen anzuwenden ist (vgl. den Risikobegriff in Abschnitt H-1.1.1). Drei Arten sind zu unterscheiden: transaction, book und economic exposure (Abb. H-4/ 1). (1) Das Transaction Exposure (Konvertierungsrisiko, Umwechslungsrisiko) bezieht sich auf die laufenden Operationen einer Unternehmung und bedeutet das Risiko, daS sich Forderungen und Verbindlichkeiten, die auf auslándische Wahrung lauten, durch Wechselkursánderungen ungünstig verándern: Zahlungen aus Lieferungen und Leistungen, Dividenden, Zinsen, Leasing- oder Mietzahlungen etc. Forderungen kónnen durch Aufwertung der Inlandswahrung weniger wert werden. Beispiel: Wáhrend der Exporteur auf der Basis 1 USD = 1 Euro kalkuliert harte, sinkt der Exporterlós in Euro aufgrund einer Euro-Aufwertung/ Dollar-Abwertung auf 1 USD = 0,90 Euro). Analog kónnen Verbindlichkeiten durch Abwertung der Inlandswahrung/ Aufwertung der Auslandswertung <teurer> werden. Das Transaction Exposure bezieht sich also auf die in der Vergangenheit entstandenen Wert- Abb. H-4/ 1: Exposure Allgemeine Definition: In welchem AusmafJ ist ein Unternehmen unmittelbar dem EinfluR von Wechselkursánderungen ausgesetzt? Brutto Forderungen 500 Verbindlichkeit 300 Exposure ~~Ñetto + 200 • Transaction Exposure: Bezieht sich auf bereits bestehende Forderungen und Verbindlichkeiten aus den laufenden Transaktionen, deren Werte sich durch eine Wechselkursánderung verándern. • Translation Exposure (book exposure): Bezieht sich auf bereits bestehende Aktiva und Passiva in der Bilanz, deren DM- Werte sich durch eine Wechselkursánderung verándern. • Economic Exposure: Bezieht sich auf die zukünftige Wettbewerbsfáhigkeit im Weltmarkt und auf dem Binnenmarkt, die durch eine Wechselkursánderung beeinflufít wird. <?page no="356"?> 334 H Risikomanagement im AuRenhandel positionen, die erst zu einem spáteren Zeitpunkt fállig werden, und kann unmittelbar liquiditátswirksam werden. (2) Das <Book Exposure> ^translation exposures Umrechnungrisiko, bilanzielles Risiko, Bewertungsrisiko) bezieht sich auf Positionen, die durch Wechselkurse <iibersetzt> und damit in Euro-Werte umgerechnet z. B. in die Bilanz des Unternehmens eingehen, so daS sich Wechselkursánderungen unmittelbar auf die zu bilanzierenden BestandsgróSen auswirken. Analog kónnen Aufwands- oder Ertragspositionen in der Gewinn- und Verlustrechnung (G+V) betroffen sein (zusammenfassend spricht man jedoch von bilanziellem Wáhrungsrisiko). Das Umrechnungsrisiko ist nicht direkt liquiditatswirksam. Dabei ist jeweils nach den nationalen bilanzrechtlichen Normen zu entscheiden, ob Wechselkursánderungen aktiviert oder passiviert werden kónnen oder ggf. müssen. Dies muE fur jede Einzelposition von Bilanz und G.u.V gepriift werden. Pauschal kann man aber sagen, daf? nach deutschem Bilanzrecht auf der Aktivseite Positionen des Anlagevermogens zu historischen Kursen bewertet werden, z. B. Beteiligungen. Hóherbewertungen erfolgen in der Regel nicht, bei anhaltendem Wertverlust muía jedoch wertberichtigt werden. Beim Umlaüfvermogen (z. B. Lagerbestánden und Forderungsbestánden) gilt das strenge Niederstwertprinzip, so daS bei abweichenden historischen und aktuellen Kursen immer der jeweils niedrigere anzusetzen ist. Kurssteigerungen fiihren also grundsátzlich nicht zu einer Hóherbewertung der Aktiva, sofern sie nicht realisiert sind. Auf der Passivseite der Bilanz gilt das Vorsichtsprinzip, nach dem drohende Verluste (z. B. Kurssteigerungen von Verbindlichkeiten) ausgewiesen werden müssen, wáhrend Kursverluste sich nur dann als niedrigerer Passivposten niederschlagen, wenn sie tatsáchlich realisiert worden sind. Potentielle Gewinne werden also grundsátzlich nicht bilanziert, potentielle Verluste schon. PRAXISTIP Bezüglich des Book Exposure bietet es sich an, Auslandsinvestitionen lokal zu finanzieren, so daG den zu aktivierenden Vermógenswerten entsprechende Verbindlichkeiten auf der Passivseite gegeniiberstehen. Dies hángt aber auch von der Inflationsentwicklung und vom Zinsniveau ab. (3) Beim economic exposure' (ókonomisches Wáhrungsrisiko) kann sich durch eine Wechselkursánderung die Wettbewerbsfáhigkeit oder der Wert eines Unternehmens verbessern oder verschlechtern, sich also indirekte Veránderungen der ókonomischen Gesamtsituation ergeben. Der Begriff ist nicht sehr glücklich, da auch die anderen Risiken okonomische Risiken sind. Ein economic exposure ist kaum zu quantifizieren. Ebensowenig ist eine Absicherung móglich im Gegensatz zum Transaktionsrisiko -, weil ein Ausgleich z. B. iiber Anpassungen der Verkaufspreise oder Modifikation der Produktpalette kaum realisierbar ist. Die verschiedenen Positionen kónnen offensichtlich gleichzeitig, aber unterschiedlich beeinflufit werden. Wenn beispielsweise Dollarforderungen durch eine Euro-Aufwertung in Euro ausgedriickt an Wert verlieren (schlecht), so bedeutet dies auch, dal? sich Dollarverbindlichkeiten analog entwerten (prima). Folglich ist zwischen Brutto- und Netto-Exposure zu unterscheiden: Das Brutto-Exposure erfafst die Auswirkungen einer Wechselkursveránderungen jeweils isoliert 14 auf bestimmte Devisenpositionen, wáhrend das Netto-Exposure 14 Lat. ceteris paribus = unter sonst gleichen Umstánden. <?page no="357"?> H-4. Wechselkursrisiken (Wáhrungsrisiken) 335 die saldierten Effekte ausdriickt. Bei wertgleichen Forderungs- und Verbindlichkeiten in einer Wáhrung mit kongruenten Fristen beispielsweise ware das Nettoexposure Null, weil sich <Gewinne> und <Verluste> aus einer Wechselkursveránderung kompensieren (Abb. H-4/ 1). Wenn man die Aktiva und Passiva gegeniiberstellt, die in einer bestimmten Wáhrung denominiert sind, ergibt sich eine Wáhrungs«'«ze/ position, wenn man sámtliche Wáhrungen einbezieht, die Wáhrungsgesawíposition. Eine Position ist ausgeglichen (geschlossen), wenn sich Aktiva und Passiva ausgleichen, andernfalls entsteht eine offene Position, und zwar eine Aktiityosition, wenn der Wert der Aktiva gróSer ist ais der der Passiva (synonym: Pluspositionen, weil [netto] Guthaben in Fremdwahrung gehalten werden), und von einer Passivposition {Minusposition), wenn [netto] Verbindlichkeiten in Fremdwahrung bestehen. Bei Banken werden Positionen meist táglich berechnet. Offene Positionen kónnen durch entsprechende Transaktionen geschlossen werden (vgl. unten: Matching, Netting). Bei den folgenden Darlegungen steht das Transaction Exposure im Vordergrund. DaS Wechselkursschwankungen die kaufmánnische Kalkulation erschweren, braucht nicht ausgefuhrt zu werden. Instrumente zur Begrenzung von Wechselkursschwankungen werden daher zum einen eingesetzt, um eine sichere, konstante Kalkulationsbasis zu erhalten, auch unter Inkaufnahme des Verzichts auf mogliche Wechselkursgewinne. Zum anderen dienen sie der Absicherung gegen mógliche Wechselkursverluste. BEISPIEL Der Exporteur fürchtet eine Aufwertung seiner Inlandswahrung (Euro) gegenüber der Wáhrung seiner Handelspartner. Wenn gegenwartig ein Kursverhaltnis besteht von 1 US-Dollar = 1 Euro, kónnte ein Amerikaner einen Lichtschalter (Preis 4 Euro) für 4 USD kaufen. Würde jetzt der Euro gegenüber dem Dollar aufwerten (1 US- Dollar = 0,9 Euro, d. h. 1 Euro =1,11 USD), müíSte der Amerikaner 4,44 USD bezahlen und würde vielleicht nicht wieder kaufen, sofern der Exporteur den Preis nicht senken kann oder will. Dies aber kann riskant sein, weil ein Exportpreis (ab Werk), der niedriger ist ais der Inlandspreis, den Tatbestand des Dumping erfüllt und Produzenten im Importland veranlassen kónnte, Anti-Dumping-Zólle zu fordern (Abschnitt J-3.2). Wáren die Exportpreise aber in USD berechnet, würde der Exporteur die Lichtschalter auf der Basis des ursprünglichen Kurses zu 4 USD anbieten. Steigt der Dollarkurs nun auf 1 US- Dollar = 0,9 Euro, würde er nur 3,60 Euro erzielen. Der Exporteur freut sich also über eine Abwertung seiner Wahrung, weil dies bei konstantem Euro-Verkaufspreis für den Kunden eine Verbilligung bedeutet und er hoffentlich mehr kauft (Abb. H-4/ 2). Abb. H-4/ 2: Der Kurs des Euro gerát unter Druck Türkische Lira verliert mehr als 40 Prozent an Wert Umgekehrt fürchtet ein Importeur eine Euio-Abwertung, weil alies, was er in Dollars bezahlen mul? , in Euro umgerechnet teurer wird, und wenn er dies in seinen Preisen weitergibt, laufen ihm die Kunden davon. Also profitiert er von einer Euro-Aufwertung. Dem eenen sin <?page no="358"?> 336 H Risikomanagement ¡m AuRenhandel Uhl is dem annern sin Nachtigall. 15 Der seit seiner Einführung immer schwácher gewordene Euro war/ ist ein ausgezeichneter Exportmotor, via Importpreise aber auch ein Inflationstreiber. Wenn man sich dadurch aus der Affaire zieht, Import- und Exportrechnungen nur in Euro zu akzeptieren hierauf kommen wir gleich zurück - , übertrágt man das Wechselkursrisiko spiegelbildlich auf den Handelspartner. Einen trifft's immer. 16 Es ist Aufgabe des Wáhrungsmanagements (Devisenmanagement) eines Unternehmens, das Netto-Exposure móglichst gering zu halten und offene Positionen abzusichern. Das Wáhrungsmanagement sollte daher eine zentralisierte Funktion sein. Dabei bietet sich an, es mit dem Monitoring der Ein- und Auszahlungsstróme und dem Cash-Management (Abstimmung von Liquiditátsentstehung und -bedarf) zu integrieren. Bevor dies unprofessionel geschieht denn dabei sind teure Fehler móglich - , ist zu überlegen, das Devisen- und Cash- Management <outzusourcen>. Ggf. bietet sich auch eine Kooperation mit anderen Unternehmen an. PRAXISTIP Das Wahrungsmanagement sollte in der Kostenrechnung nur dann als Profitcenter geführt werden, wenn es dispositiven Einfluft auf die Exposure-Struktur hat. H-4.2. Devisenmarkt Ab 1. Juli 2002 ist der Euro in Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Ósterreich, Portugal und Spanien die alleinige gesetzliche Wáhrung. Daher bezieht sich im Zusammenhang mit Wáhrung der Begriff (Wáhrungs-) Ausland auf alie Staaten, die nicht an der Europáischen Wáhrungsunion teilnehmen. Im Mittelpunkt steht der Wechselkurs des Euro gegeniiber anderen Wáhrungen, insbesondere der Euro-Dollar- 17 bzw. der Dollar-Euro-Kurs. In der Übergangszeit bis 2002 ist es noch gebráuchlich, den Wechselkurs in nationale Wáhrungen umzurechnen, also einen Dollar-DM-Kurs auszuweisen. Dies bedeutet, daS es jeweils ebenso viele Wechselkurse gibt wie auslándische Wáhrungen. In der Praxis konzentriert sich das Interesse jedoch auf einige Wáhrungen, in denen internationale Transaktionen vorrangig abgewickelt werden. H-4.2.1. Einfluftfaktoren der Wechselkursbildung Ein freier Wechselkurs als Wertverhaltnis zwischen in- und auslandischer Wáhrung ergibt sich aus Angebot und Nachfrage auf den Devisenmárkten. Angebot und Nachfrage resultieren aus den folgenden Transaktionen: (1) Die wichtigste EinflulSgroSe sind sicherlich Erwartungen beziiglich der kiinftigen Entwicklung eines Wechselkurses (Kursspekulation). Wer z. B. auf steigende Dollarkurse setzt, wird heute Dollars kaufen, um sie spáter mit Gewinn wieder zu verkaufen; wer Dollar- 15 Plattdeutsch: Des einen Eule ist des anderen Nachtigall, frei iibersetzt: Was den einen freut, argert den anderen. (Ich bin geburtiger Bremer.) 16 Die volkswirtschaftlichen Wirkungen von Auf- und Abwertungen konnen hier nicht betrachtet werden. Vgl. hierzu Altmann, Jórn, Wirtschaftspolitik, 7. Auflage, Stuttgart 1999. 17 Der Begriff sollte nicht mit dem Eurodollar verwechselt werden, mit dem man den US-Dollars im Handel auf den sog. Euromarkten bezeichnet, also auf Geld- und Kapitalmárkten, die keiner nationalen Bankaufsicht unterliegen (off-shore-Mirkte) (Abschnitt D-3.7). <?page no="359"?> H - 4 . Wechselkursrisiken (Wáhrungsrisiken) 3 3 7 bestánde besitzt, wird sie in Erwartung fallender Kurse heute verkaufen, um sie ggf. spáter günstiger zurückzukaufen. Natürlich setzt dies entsprechende Kursveránderungen voraus, um GeldTBriefkursdifferenzen und eventuelle Zinskosten zu kompensieren. Solche erwartungsbedingten Verhaltensweisen kónnen dazu führen, daS die Erwartung in Erfiillung geht (self-fulfilling prophecy): Wenn in Erwartung steigender Dollarkurse massiv Dollars gekauft werden, steigt der Dollarkurs (analog: fállt der Eurokurs) sofern andere Einflufifaktoren dies nicht verhindern. (2) Ein zweiter wichtiger Faktor ist der Aufienhandel. Fiir Importe von Waren und Di'enstleistungen, die in Auslandswáhrung fakturiert sind, mufi der (deutsche) Importeur Devisen kaufen (Nachfrage), bei in Euro fakturierten Importen erhált der auslándische Exporteur Euro, die er in der Regel verkaufen wird (Angebot). Im Export gilt dies entsprechend umgekehrt. (3) Im langfristigen Kapitalverkehr ergeben sich durch Direktinvestitionen Angebot von und Nachfrage nach Devisen. (4) Aus Lándern mit hoher Inflation flieSt Kapital ab, d. h. die Kapitalfliichtlinge fragen stabilere Devisen nach und transferieren sie ins Ausland. (5) Auch aus Lándern mit niedrigen Zinsen fliefit Kapital ab, weil Kapital in hóherverzinsliche Anlagen im Ausland transferiert wird (Devisennachfrage). Diese Zinsarbitrage setzt allerdings spiirbare Zinsunterschiede voraus, um den Transferkosten und den Kosten der erforderlichen Wechselkurssicherung (z. B. durch Termingescháfte, vgl. unten) Rechnung zu tragen. Daher sind Zinsentscheidungen der Europaischen Zentralbank oder auslándischer Notenbanken wie z. B. der amerikanischen <Fed> ls wichtige Daten fiir den Devisenmarkt (Abb. H-4/ 3). Abb. H-4/ 3: Nach den Vereinigten Staaten senken auch die Briten die Zinsen Bank of England nimmt Basissatz um 0,25 Prozentpunkte zuriick / Hefhge Diskussion um den Euro (6) Bewufite An- und Verkáufe der Notenbanken, um den Wechselkurs zu beeinflussen, haben an Bedeutung verloren, stellen jedoch immer noch einen potentiellen EinfluSfaktor dar. (7) Ein wichtiger EinfluEfaktor sind last not least politische Krisen und wichtige makroókonomische Daten, wie die amerikanischen Handelsbilanz oder das Haushaltsdefizit. Da diese Faktoren jeder fiir sich in unterschiedliche Richtung wirken kónnen, ist es nicht verwunderlich, dafi Wechselkursprognosen unsicherer als Wetterberichte sind. Die Entwicklung des Dollar-Euro-Kurses seit der Euroeinfiihrung haben die allermeisten Fachleute ganz anders vorausgesagt. Die Vorhersage der kiinftigen Wechselkursentwicklung ist auch kurzfristig nicht prázise móglich, auch wenn verschiedene Prognosemodelle dies mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit anbieten. Wegen der vielen EinfluSfaktoren láSt sich die Kursbildung flexibler Wáhrungen insbesondere iiber den kurzen Zeithorizont hinaus serios nicht vorhersagen (dies gilt auch fur die teilweise sehr favorisierte Cfezrt-Analyse, d. h. die Federal Reserve Bank, die US-amerikanische Notenbank. <?page no="360"?> 338 H Risikomanagement im Auftenhandel Auswertung graphisch dargestellter Entwicklungen und Trends). Gerade gegeniiber der internationalen Hauptwáhrung US-Dollar unterliegt die Eurokursentwicklung teilweise abrupten Schwankungen (Volatilitát). Im folgenden werden die diversen Wechselkursbegriffe dargestellt, die in der unternehmerischen Praxis von Bedeutung sind. H-4.2.2. Wechselkursbegriffe Der Wechselkurs zwischen zwei Wahrungen kann zweierlei aussagen. Beginnen wir zunáchst mit der Version, die vor der Einführung des Euro gang und gábe war und die in der Regel auch verwendet wird, wenn man in Euro denkt und rechnet. H-4.2.2.1. Preis- und Mengennotierung (1) Zum einen driickt der Wechselkurs den Preis aus, den man in Inlandswáhrung fur eine Einheit der Auslandswáhrung bezahlen muK, z. B. 1 USD = 1,10424 Euro bedeutet, dai? 1 amerikanischer Dollar 1,10424 Euro kostet. Dies bezeichnet man als Preiswechselkurs. Am Bankschalter und in den Tageszeitungen ist meist eine verkiirzte Schreibweise iiblich: USD 1,10424, weil es sich von selbst versteht (natiirlich nur fur Eingeweihte), daS sich der Dollarkurs auf eine Einheit bezieht (ebenso bei Pfund und dem brasilianischen Real), wáhrend SFR 0,654 bedeutet, daS 100 schweizer Franken 65,40 Euro kosten. Das tiirkische Pfund (Lira) wird zu 1000 Einheiten, einige exotische Wahrungen gar zu 10.000 berechnet. Manchmal nicht immer werden die Einheiten auch angegeben, so wie in Abb. H-4/ 4 bei den Sortenkursen. Fiir die Wahrungen werden in der Praxis unterschiedliche Kiirzel verwendet. Der amerikanische Dollar wird beispielsweise dargestellt als US-$ oder Am. Dollar oder als USD (dies entspricht dem ISO-Code 19 , der alie Wahrungen mit drei Buchstaben kennzeichnet. Dabei wird der Euro zu EUR und die DM zu DEM.) Gelegentlich wird der Leser auch auf seine Geographiekenntnisse gepriift, indem statt des Wáhrungskiirzels New York oder USA angegeben wird (Stadt, Land, Fluís ...) und der Leser eben wissen mui? , daS es sich dabei nur um amerikanische Dollar handeln kann. Beim Dollar ist das wohl unproblematisch, aber was ist mit Brasilien, Ungarn oder Thailand? 20 (2) Der Kehrwert des Preiswechselkurses ist der Mengenwechselkurs: 1 USD = 1,10424 Euro entspricht wertmafiig identisch (gerundet) 1 Euro = 0,90560 USD (EZB-Referenzkurs in Abb. H-4/ 4). Der Mengenwechselkurs driickt aus, welche <Menge> auslándischer Zahlungsmittel man fiir eine Einheit der Inlandswáhrung tauschen kann. Dieser inlandische Mengenwechselkurs aus der Sicht der Euro entspricht folglich einem Preiswechselkurs aus der Sicht des Dollars. Bis zur Einführung des Euro wurden alliiberall Preiswechselkurse notiert, nur nicht raten Sie in Grofsbritannien, wo man Mengenwechselkurse vorzog. Seit der Einführung des Euro hingegen werden fur den Euro an den Devisenbórsen und in den Tageszeitungen Mengen- 19 International Standards Organization, eine Art internationales DIN (Deutsches Institut fiir Normung). 20 Brasilien = Real, Ungarn = Forint, Thailand = Baht. Aber es gibt amerikanische, kanadische, australische, Hongkong-, Singapur- und andere Dollars... <?page no="361"?> H-4. Wechselkursrisiken (Wáhrungsrisiken) 339 Abb. H-4/ 4: Kursnotierung • DEVISEN- U 22.2.2001 USA Japan Groflbrit. Schweiz Kanada Schweden Norwegen Dánemar* Australien" Neuseeland" Tschechien" Polen" Súdahika* Hongkong" Singapur" US-J Yen £sfr kan-J ski nki dkr A-$ NZ-Í Krone n.Zloty Rand HK-( S-Í ND SORTE R«tei«12)HJfM EuroFX) Md 0,9032 105,1900 0,6257 1,5290 1,3864 9,0141 8,2144 7,4442 1,7270 2,1105 34,5000 3,6710 6,9935 7,0160 1,5750 Brief 0,9092 105,6700 0,6297 1,5330 1,3984 9,0621 8,2624 7,4842 1,7430 2,1265 34,9000 3,8710 7,1935 7,1160 1,5870 « ; E F C 3 Mónita Grid 0,9043 104,0100 0,6270 1,5241 1,3875 8,9970 8,2636 7,4515 Brief 0,9103 104,4900 0,6310 1.5281 1,3995 9,0450 8,3116 7,4915 R 1 EURO SMonatt CeM 0,9050 102,8800 0,6281 1,5194 1,3881 8,9868 8,3158 7,4572 Brief 0,9110 103,3600 0,6321 1,5234 1,4001 9,0348 8,3638 7,4972 Referenzkurse as 0,90560 105,33000 0,62700 1,53170 1,39160 9,05280 8,26000 7,46450 1,73410 2,11960 34,70800 3,76450 7,09540 7,06350 1,58000 P r e f u M Bintidult ert VtritMf 0,8870 102,0000 0,6160 1,5030 1.3260 8,5100 7,8140 7,1350 1,6170 1,9600 32,2500 3,2900 5,7200 6,3100 1,4710 Aakmf 0,9420 112,0000 0,6600 1,5680 1,4660 9,6600 8,8640 7,8250 1,8170 2,4100 38,2500 4,1950 9,3200 8,6100 1,7760 11 Mitgeteilt von der Westlfi Girozentiale, Dusseldorf; " Frankfurter Sortenkurse aus Stcht der Bank, die Bezeidimingen Verkauf und Ankauf entsprechen dem Geld und Brief bei anderen Instituted; mitgeteilt von Deutsche VerkehrsBank; " Freiverkehr. •SORTENKURSE IN DM 22.2.2001 Australien Dánemark GroBbritannlen Hongkong Japan Kanada Neuseeland Norwegen Polen Schweden 1 A - Í 100 dkr It 100 HK-) 100 Yen l k a n - ( 1 N Z - Í 100 nki 100 n. Zloty 100 ski CeM 1,0787 25,0587 3,0089 23,6927 1,7652 1,3268 0,8340 22,0624 42,9853 20,3626 Brief 1,1976 27,4502 3,2327 31,2683 1,9026 1,4772 1,0321 24,4021 53,5844 22,5977 Schweiz Singapur Slowakei Sudafrika Thailand Tschechien TOrkei Ungam USA 100 sfr 100 S-S 100 Krone 100 Rand 100 Bant 100 Krone 10000 Lire lOOForint ll) S - $ CeM 124,8934 110,8119 3,9915 21,4926 4,4962 5,1879 0,0300 0,6309 2,1007 Brief 130,3018 133,5038 5,1469 34,3128 6,8626 6,1698 0,0400 0,9097 2,2352 Mitgeteilt von der Deutschen Bank (16.00 Uhr). Quelle: Handelsblatt wechselkurse notiert. Fiir Bargeld hingegen - Devisen sind bargeldloses Geld, siehe gleich weisen wir nach wie vor Preiswechselkurse aus, weil der Reisende einfach gewohnt ist, in Preisen zu denken. Es wird nun kompliziert, wenn man aus US-Dollar 0,9056 herausfinden will, was ein Dollar nun in DM kostet, denn dafiir muí? man den internen Wechselkurs der DM zum Euro wissen (1 Euro = 1,95583 DM); diese Referenzkurse sind zum 31.12.98 auf politischer Ebene mit dem Übergang in die dritte Stufe der Europáischen Wáhrungsunion unverriickbar festgelegt worden. 21 Also: USA/ US-$ 0,9056 bedeutet • 1 Euro = 0,9056 Dollar (Mengenwechselkurs), • also entspricht ein Dollar 1: 0,9056 = 1,10424 Euro • bzw. mal 1,95583 - 2,1597 DM. In den Kursnotierungen mul? man also genau hinsehen, und man kann sich sehr schnell in der Logik vertun, mit entsprechenden Rechenfehlern, vor allem, wenn man aus vorange- 21 Fiir eine Darstellung der wirtschafts- und wahrungspolitischen Integration vgl. Altmann, Jórn, Wirtschaftspolitik, 7. Auflage, Stuttgart 1999. <?page no="362"?> 3*40 H Risikomanagement im AuRenhandel hender Praxis vorgeprágt ist und sich zur Vorsicht zum Zwecke der Übersicht erst einmal <eine Zeichnung macht>. (Dies trifft auch auf manchen <alten> Banker zu; fragen Sie mal herum.) H-4.2.2.2. Begriffspaare Für die Praxis sind verschiedene Begriffspaare von Bedeutung (vgl. Abb. H-4/ 5). Erstens ist zu unterscheiden zwischen Devisenkursen und Sortenbzw. Notenkursen. Devisenkurse beziehen sich auf bargeldlose Zahlungsmittel (Buchgeld; enge Definition: nur Bankkonten; weite Definition: plus Schecks near money) und werden als Mengenwechselkurse notiert (1 Euro entspricht ... USD) (bei einstelligen Werten meist mit vier Stellen nach dem Komma, bei zweistelligen mit drei Nachkommastellen). Sorten- oder Notenkurse beziehen sich auf Bargeld 22 und werden als Preiswechselkurse - und zwar in Euro notiert (1 USD kostet ... Euro), heute mit drei Stellen, frimer mit zwei Stellen nach dem Komma. Sorten werden vor allem für den Reiseverkehr benotigt. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird oft von Devisen als Oberbegriff für auslándisches Geld gesprochen, obgleich dies sachlich nicht korrekt ist, den Sorten sind banktechnisch keine Devisen. Zweitens sind Kassagescháfte von Termingeschaften zu unterscheiden. Ein Kassagescháft wird zu den heute vereinbarten Konditionen innerhalb von zwei Bankarbeitstagen abgewickelt; ist die vereinbarte Frist lánger, handelt es sich um ein Termingeschaft (forward transaction), dessen Konditionen sich von den heutigen unterscheiden kónnen (vgl. Abschnitt H-4.3.2.3). Abb. H-4/ 5: Wechselkursbegriffe r - 0,0030 I Geldkurs 0,9032 Sorten- Verkaufskurs 0,8632 Referenzkurs 0,9062 + 0,0030 \ Briefkurs 0,9092 1 Sorten- Ankaufskurs 0,9432 i + 0,0030 1 1 l t Sichtkurs 0,9122 22 Ganz exakt gesehen beziehen sich Notenkurse auf Banknoten, wáhrend der Begriff <Sorten> Banknoten und Miinzen abdeckt. <?page no="363"?> H-4. Wechselkursrisiken (Wahrungsrisiken) 341 Drittens werden Geld- und Briefkurse bzw. Ankauf- und Verkaufkurse ausgewiesen. Ankauf- und Verkaufkurse sind immer aus der Sicht einer Bank zu verstehen und beziehen sich auf Bargeld, d. h. die Bank kauft Ihnen einen gruñen Dollar zu 2,1007 DM ab und verkauft ihn fur 2,2352 DM (oben Abb. H-4/ 4). Geld- und Briefkurse sind Ankauf- und Verkaufkurse für Devisen: Der Geldkurs ist der Devisenankaufskurs aus der Sicht der Bank, der Briefkurs ist der Devisenverkaufkurs. (<Geld> und <Brief> wird auch bei Wertpapiernotierungen zur Kennzeichnung von Angebot und Nachfrage verwendet.) Wer gewohnt war, in Preisnotierungen zu denken und zu rechnen, muí? wegen der Mengennotierung umdenken. In Abb. H-4/ 4 wird für den USD notiert (Euro gegen USD, sog. EUR/ USD-Quotierung): Geld 0,9032, d.h.: 1 Euro = 0,9032 USD, Brief 0,9092, d.h.: 1 Euro = 0,9092 USD. Wer USD verkaufen will, schlágt der Bank folgendes Tauschgescháft vor: «Ich biete Dollars, kaufe Euro.» Aus Banksicht handelt es sich also um einen Euroverkauf; sie wird daher den Euro-Briefkurs zugrundlegen (Verkaufskurs für Euro: 0,9092 USD). Wer USD kaufen will, schlágt vor: «Ich kaufe Dollars, verkaufe Euro.» Aus Banksicht handelt es sich also um einen Euroankauf; sie wird daher den Euro-Geldkurs zugrundlegen (Ankaufskurs für Euro: 0,9032 USD). Wenn man in die früher verwendete Preisnotierung umrechnet, wird dies (vielleicht) deutlich: Geld (EUR-Ankauf) 1 Euro = 0,9032 USD entspricht: 1 USD = 1,10717 Euro (Dollar-Verkaufs-Preiswechselkurs) Brief (EUR-Verkauf) 1 Euro = 0,9092 USD entspricht: 1 USD = 1,09987 Euro (Dollar-Ankaufs-Preiswechselkurs) und dies entspricht auf der Basis von 1 Euro = 1,95583 DM: 1 USD = 2,1655 DM I 1 USD = 2,15115 DM Ich mulS mir immer gut zureden, um einzusehen, dai? eine Inlandsbank Inlandswahrung (Euro) an- oder verkauft, so als ob der Eierhandler Euro ankauft und in Eiern «bezahlt». Verkehrte Welt. Egal. FAZIT • Der Euro-Geldkurs (Mengenwechselkurs) entspricht faktisch dem früheren USD-Briefkurs (Preiswechselkurs) und ist anzuwenden, wenn man USD kauft und in Euro bezahlt, die Bank also Euro ankauft; • der Euro-Briefkurs entspricht dem USD-Geldkurs und ist anzuwenden, wenn man USD verkauft und dafür Euro erhált, die Bank also Euro verkauft (vgl. die Beispiele in Abb. H-4/ 6). Geld- und Briefkurse werden durch Abbzw. Zuschláge aus den Referenzkursen (Mittelkursen) errechnet (vgl. oben Abb. H-4/ 4: EuroFX). In unserem Beispiel ware der Mittelkurs 0,9062 Euro (0,0932 + 0,9092 geteilt durch 2). EuroFX und Referenzkurs EZB werden zu verschiedenen Zeiten ermittelt und weichen daher voneinander ab. Vgl. weiter unten. Den <?page no="364"?> 342 H Risikomanagement im AuGenhandel Abb. H-4/ 6: Anwendungs-Beispiele (1) Überweisung in die USA 50.000 USD (die Bank kauft Euro, verkauft USD): 50.000 USD ./ . Euro-Kassa-Geldkurs (0,9032) = 55.358,- Euro, bzw. wenn das Ausgangskonto in DM gefiihrt wird: 55.358x 1,95583 = 108.272,25 DM. (2) Gutschrift aus den USA 50.000 USD (die Bank verkauft Euro, kauft USD): 50.000 USD ./ . Euro-Kassa-Briefkurs (0,9092) = 54.993,40 Euro, bzw. wenn das Ausgangskonto in DM gefiihrt wird: 54.993,40 x 1,95583 = 107.557,74 DM. (3) Dollar-Sortenkauf für die Reise zum Zahnarzt in Miami: 10.000 USD x Verkaufskurs 2,2352 = 22.352,- DM (ab 2002 dann Euro). (4) Rücktausch der übrig gebliebenen Scheine: 10 USD x Ankaufskurs 2,1007 = 21,007 DM (dto.). Unterschied zwischen Geld- und Briefkurs nennt man Spanne oder spread. Beim Dollar betrágt sie in unserem Beispiel +/ - 30, also insgesamt 60 <Stellen> (Punkte, points, <pips>); die ersten beiden Nachkommastellen big figure bleiben also auSen vor. Je nach Marktiage ist die Spanne mal grófier, mal kleiner. Die Sortenkurse der Banken errechnen sich meist morgens aus den Devisenmittelkursen und werden nach Bedarf im Laufe des Tages oft mehrmals angepaEt (daher sind die DM- und die Euro-Sortenkurse in Abb. H-4/ 4 rechnerisch unterschiedlich). Beim <baren> Dollar (am Bankschalter) ist eine Spanne von 0,10-0,15 DM gángig, d. h. ± 0,075 DM vom Referenzkurs (ab 2002 in Euro). DaS Ankaufskurse für Devisen niedriger sind als Verkaufskurse, ist im Handel allgemein einsichtig (das ist auch auf dem Gemüsemarkt so); daS die Spanne bei den Sorten deutlich grower ist ais bei Devisen ist auch einsichtig und erklárt sich aus Personal-, Transport-, Lager-, Versicherungskosten etc., die im bargeldlosen Verkehr nicht anfallen. Ob die Spanne beim baren Dollar allerdings mehr ais zehnmal so grofé sein muE wie beim Devisendollar, ware zu diskutieren. Im Gescháft zwischen den Banken wird oft mit gcspannten Geld- oder Briefkursen gearbeitet. Diese entsprechen jeweils dem arithmetischen Mittel zwischen Referenzkurs (Mittelkurs) und Geldbzw. Briefkurs, liegen also náher am Mittelkurs. Zudem gibt es noch doppelt gespannte Kurse, die jeweils das arithemtische Mittel zwischen dem Mittelkurs und dem gespannten Geld- oder Briefkurs sind und noch dichter am Mittelkurs liegen. Solche Kurse werden als Sonderkonditionen bei guten Kunden angewendet. Einige Tageszeitungen weisen neben den Devisen- und Sortenkursen auch sog. Cross Rates aus (<kreuzweise> Devisenkurse). Aus diesen kann z. B. direkt das Wertverhaltnis Dollar-DM abgelesen werden, oder Dollar-Pfund (Abb. H-4/ 7). Viele Banken bieten Online-Kursinformationen und Um- und Berechnungsmodule an. Bei Devisenabrechnungen über Kreditkarten, Euroschecks oder Reiseschecks fallen in manchen Lándern Nebenkosten an, die nicht immer legal sind: Wer z. B. in Spanien einen Euroscheck auf Pesetas einlóst, muí? damit rechnen, dafi die Bank in Spanien dafiir eine Gebiihr erhebt. Nach dem Euroscheckabkommen ist dies rechtswidrig, denn Euroschecks in Landeswahrung miissen in Landeswáhrung ohne Abzug eingelost werden. Lediglich die bezogene Heimatbank kann eine Courtage (Provision) von 1,75% des Eurobzw. Eurogegenwertes kassieren. Insbesondere spanische, italienische und franzósische Banken neigen <?page no="365"?> H-4. Wechselkursrisiken (Wáhrungsrisiken) 343 Abb. H-4/ 7: Cross-Rates ¡DEVISE 22.2.2001 Euro US-» DM Pfund fen Sfl FF Mr hfl lira Pta N-CR Euro 1,1073 0,511232 1,5986 9,5251 0,6532 1,52449 2,47894 0,45378 0,516457 60,1012 DSS us-$ 0,9031 . 0,4617 1,4437 8,6022 0,5899 1,3768 2,2387 0,4098 0,4664 54,2774 RATES DM 1,95583 2,1657 3,1266 18,6295 1,2775 2,98164 4,84838 0,88752 1,01010 117,547 Pfund 0,6255 0,6927 0,3198 • 5,9584 0,4086 0,9536 1,5506 0,2838 0,3230 37,5933 YM 104,9854 116,2500 53,6782 167,8301 68,5719 160,0492 260,2525 47,6403 54,2204 6309,7485 rfrs 1,5310 1,6956 0,7828 2,4475 14,5832 2,3340 3,7953 0,6947 0,7907 92,0149 FF 6,55957 7,2634 3,35386 10,4861 62,4806 4,2847 162607 2,97660 3,38774 394.238 Mrs 40,3399 44,6684 20,6255 64,4874 384,2416 26,3500 61,4978 - 18,3054 20,8338 2424,48 Ml 2,20371 2,4402 1,12674 3,5229 20,9906 1,4395 3,35953 5,46286 1,13812 132,446 Urt 1936,27 2144,0318 990,000 3095,3212 18443,1(54 1264,7716 2951,82 4799,89 878,641 116372 Pta 166,386 184,2392 85,0718 265,9847 1584,8433 108,6833 253,654 412,460 75,5027 85,9312 Yen per 1000, FF per 10, btrs per 100, Lira per 1000. Pts per 10000, Mitgeteiri von VWD ; Stand 15.00 UI». Quelle: Handelsblatt zur MiEachtung dieser EU-weit verbindlichen Rechtsvorschrift. Überhaupt kann der Versuch des Einlósens eines Euroschecks in Frankreich eine nervenaufreibende Expedition sein. Meist bleibt es auch beim Versuch, doit bietet sich eher die ec-Karte an. Kreditkarten erfreuen sich einer zunehmenden Verbreitung. Barabhebungen am Bankschalter oder Automaten sind jedoch ziemlich teuer. Mit der Einführung des Euro in 2002 miiEte dies Problem eigentlich entfallen, aber schau'n wir mal: Banken sind erfinderisch. PRAXISTIP Wer trotzdem Gebühren zahlen muft, kann sich eine Quittung ausstellen lassen, die vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband erstattet wird. Fragen Sie Ihre Bank. Ob man bei Auslandsreisen lieber zu Hause oder <vor Ort> tauschen soil, kann nicht allgemein beantwortet werden, mal ist es günstiger, mal nicht. Reiseschecks werden in Deutschland zum Devisenbriefkurs (Eurogeldkurs) mit einer Provision von ein Prozent des Gesamtbetrags abgegeben. Die Einlósung ist in einigen Lándern kostenlos, in anderen mit unterschiedlichen Gebühren verbunden. Innerhalb Europas empfehlen sich Euro-Reiseschecks, in Lateinamerika und Asien werden vorrangig Dollarreiseschecks akzeptiert, im frankophonen Afrika auch gerne FFR. In den USA werden Dollar-Reiseschecks wie Bargeld behandelt; daher empfehlen sich auch kleine Stiickelungen von 20 oder 50 USD. Sofern der Schwarzmarkt nicht inoffiziell toleriert wird, sind Schwarzmarkt-Tauschgescháfte riskant: Zum einen drohen in vielen Lándern empfindliche Strafen, und staatliche Spitzel provozieren zum illegalen Umtausch. Zum anderen werden insbesondere Touristen bei solchen Geschaften betrogen, indem ihnen z. B. falsche oder ungiiltige Banknoten angedreht werden oder sie beim Geldabzáhlen iibervorteilt werden: Ein in einem Banknotenbiindel gefaltet enthaltener Geldschein kann leicht ais zwei Scheine gezáhlt werden. In manchen Lándern ist zu beobachten, dafs vor allem bei galoppierender Inflation die nationale Wáhrung (z. B. Peso) verdrángt wird von einer stabilen externen Wáhrung (z. B. Dollar), so daS sich eine inoffizielle Parallelwáhrung ergibt, in der die Preise ausgedriickt und die Transaktionen abgewickelt werden. Ecuador (2000) und El Salvador (2001) haben sogar offiziell ihre bisherigen Wáhrungen durch den US-Dollar ersetzt (Abb. H-4/ 8). Auch Panama und Liberia verwenden ihn als gesetzliches Zahlungsmittel. Bei starker Inflation <?page no="366"?> 3 4 4 H Risikomanagement ¡m AuBenhandel Abb. H-4/ 8: Ecuador fuhrt Dollar ein Eigene Wáhrung nach 116 Jahren aufgegeben / Proteste sollte moglichst immer nur soviel getauscht werden, wie fur die náchsten Transaktionen erforderlich ist, weil u. U. schon nach wenigen Tagen ein giinstigerer Kurs gilt. H-4.2.2.3. Mittelkurse, Referenzkurse In den Medien wird meist nur ein Kurs genannt z. B. «Der Dollar notierte heute bei 0,9062 (Euro)». Zum einen ist dies ein Devisenkurs, zum anderen wird nicht zwischen Geld- und Briefkurs unterschieden. Seit der Einführung des Euro im Jahr 1999 hat sich der Devisenhandel in Europa stark verándert. Bis zu diesem Datum wurden die wichtigsten Wáhrungen der Industrielánder an den zentralen Devisenbórsen an jedem Tag in jedem Land <amtlich> ermittelt, um fiir bestimmte Transaktionen z. B. Gescháften zwischen den Notenbanken oder fur Gerichts- oder Versicherungszwecke offizielle Referenzwerte zu erhalten. Dabei wurden amtliche Mittelkurse festgestellt (rechnerisch Geldplus Briefkurs geteilt durch 2). Heute werden die Referenzkurse nicht mehr durch staatlich bestallte Devisenmakler festgestellt. An die Stelle des amtlichen Fixing sind eine Mehrzahl von Referenzkursen getreten, welche die friiheren amtlichen Mittelkurse ersetzen (vgl. oben Abb. H-4/ 4): • Euro-FX (Euro-Fixing) mit Referenzkursen für acht Fremdwáhrungen, die montags bis freitags gegen 13 Uhr veróffentlicht werden, • Referenzkurse des Europáischen System der Zentralbanken sowie • eine groEe Anzahl von hausinternen Fixings privater Banken. Die Ermittlung und Veróffentlichung der Mittelkurse im Eurofixing durch 15 Kreditinstitute, die im Euro-Pool vertreten sind, erfolgt durch die Nachrichtenagentur Reuters. Pro Wahrung beansprucht das Fixing nur wenige Minuten. 23 Der <normale> Privatkunde, der sich beispielsweise Devisen für eine Urlaubsreise besorgt, wird auch zu diesen Referenzkursen bedient, die sich natiirlich von Tag zu Tag ándern, aber dazwischen unverándert angewendet werden. Wenn der Kunde allerdings darauf besteht weil er laufend N-TV verfolgt und iiber die Entwicklung der Devisenkurse informiert ist - , werden auch im kleinen Privatgescháft die aktuellen Kurse angelegt. Wegen der Vielzahl der existierenden Wáhrungen konzentriert sich der Devisenhandel auf wenige zentrale Werte. Die Referenzkurse des Europáischen System der Zentralbanken beziehen sich neben den Euro-FX-Wáhrungen auch auf Griechenland, Polen, Ungarn, Tschechien, Slowenien, Estland und Zypern sowie auf Australien und Neuseeland. Den Handel mit nicht laufend notierten Wáhrungen (auSerhalb des Euro-FX) bezeichnet man als Freiverkehr (z. B. algerische Dinar, australische Dollar, mexikanische Pesos, saudi-arabische Rial, südafrikanischer Rand, tiirkische Pfund etc.). Der Handel kann rund um die Uhr erfolgen. Fiir die Unternehmen stellt sich dadurch die Frage, welche Referenzkurse reprásentativ sind. Die EZS-Kurse sollten vor allem für statistische Zwecke verwendet werden, beispielsweise 23 Die jeweils zwei hóchsten und zwei niedrigsten Mittelkurse der beteiligten Institute, die zuerst in das Referenzsystem eingehen, werden eliminiert. Aus den verbleibenden Mittelkursen wird das arithmetische Mittel gebildet. <?page no="367"?> H-4. Wechselkursrisiken (Wáhrungsrisiken) 345 bei Bilanzbewertungen, da sie bei ihrer Veróffentlichung nicht mehr tagesaktuell und fiir spontane Dispositionen ganz sicher nicht geeignet sind. Auch bei der Berechnung des Zollwertes bei Wareneinfuhren wird von den Referenzkursen der Zentralbank ausgegangen. Marktnahe Kurse bieten sowohl das Euro-FX gegen 13.00 Uhr und die hausinternen Fixings, ebenso wie die Interbankenkurse gegen 16.00 Uhr. Zur Umrechnung in Statistiken oder bei juristischen Auseinandersetzungen (Schadensersatz etc.) werden die entsprechenden Tageswerte des Euro-Fixing herangezogen. Wáhrend sich die Devisenkurse an den Devisenbórsen aus Angebot und Nachfrage bilden, kónnen die Sortenkurse von den Banken individuell gesetzt werden («Schalterkurse»). Dabei richten sich die Institute in der Regel nach Empfehlungen ihrer Girozentralen. Oben Abb. H-4/ 5 gibt einen Überblick über de Zusammenhang zwischen den verschiedenen Wechselkursbegriffen. Zwei sind noch zu ergánzen: Schecks, die auf auslándische Wáhrungen lauten, werden von den Banken zum Sichtkurs (Scheckkurs) angekauft. Dieser liegt in der Preisnotierung unter dem Devisengeldkurs (Devisenankaufskurs) (in der Mengennotierung über dem Eurobriefkurs), da der Euro-Betrag dem Einreicher frtiher gutgeschrieben wird (als «E.v.», d. h. Eingang vorbehalten), als die ankaufende Bank den Scheckbetrag beim Bezogenen einziehen kann. Fiir diese durchaus einige Tage ausmachende - <Kreditzeit> wird daher der fiir den Kunden etwas ungiinstigere Sichtkurs angewendet. Der Kursunterschied betrágt in der Regel die halbe <Spanne> zwischen Devisenbrief- und -geldkurs, d. h. beim Dollar +0,0030 Euro. Miinzen werden gar nicht zuriickgekauft. Beim Diskontieren von Auslandswechseln klárt die Wechselabteilung einer Bank einen Ankaufskurs mit dem Devisenhandel ab. H-4.2.2.4. Devisenhandel Devisen werden seit Ende des 19. Jahrhunderts international gehandelt. Ab 1880 wurden Transaktionen über ein Atlantikkabel zwischen Irland und New York getátigt. In Deutschland gibt es in Berlin, Dusseldorf, Frankfurt, Hamburg und München offizielle Devisenbórsen. Frankfurt ist der wichtigste Bórsenplatz. Diese Devisenbórsen haben für den internationalen Devisenhandel allerdings nur nachgeordnete Bedeutung. Nur ein Bruchteil des Devisenhandels (1-2%) láuft über die Devisenbórsen, wáhrend sich der allergróSte Teil vor- und nachbórslich im Telefonhandel und über die Terminals zwischen den Banken und anderen professionellen Devisenhándlem und -maklern abspielt. Diese sind dabei hinsichtlich ihrer Kursstellungen vóllig frei: An- und Verkaufskurse richten sich nach Angebot und Nachfrage; die Kurse schwanken entsprechend im Tagesverlauf. Der Devisenhandel wird auf ein Volumen von taglich 3 Billionen USD, mit rd. 200.000 Transaktionen geschátzt, ein zig-faches des Güterhandels, davon 87% in Dollars. Im Gescháft zwischen Devisenhándlem werden die frei veránderlichen Kurse des Telefonhandels angewendet, im Gescháft mit Privatkunden legen die Banken den Euro-Fixingkurs bzw. eigene Referenzkurse zugrunde. Dabei ist zwischen Eigengescbdften zu unterscheiden, denen keine Kundenauftráge zugrundeliegen, und der Abwicklung von Kundengeschdften. Bei Kassagescháften für Kunden handelt die Bank ais Kommissionár mit Selbsteintrittsrecht -, d. h. im eigenen Namen auf fremde Rechnung, deren Risiko jeweils durch Glattstellungen, d. h. entsprechend gegenláuñge Gescháfte, kompensiert wird. Wird das Selbsteintrittrecht wahrgenommen, kónnen die Banken z. B. aus eigenen Bestánden verkaufen oder angebotene Positionen selbst übernehmen. Termingeschafte sind Eigengeschafte der <?page no="368"?> 3 4 6 H Risikomanagement ¡m AuRenhandel Banken. Die zwischenstaatlichen Transaktionen, beispielsweise innerhalb des Europáischen ZentralbankenSystems (EZS), werden zu den Referenzkursen der Notenbanken abgewickelt. Neben den Banken und den darauf spezialisierten Devisenhándlern und -maklern treten auch gróíJere Industrieunternehmen und Handelsháuser direkt am Devisenmarkt als Teilnehmer auf. Das áuíSere Bild bei Devisenhándlern hat sich verándert. Zunáchst sitzen sie (immer noch) in einem Dschungel von Telefonen und bedauern, nur zwei Ohren zu haben (Abb. H-4/ 9). Mit den wichtigsten Gescháftspartnern sind sie in der Regel durch Standleitungen verbunden. Zudem wird die Szene von Monitoren beherrscht, auf denen die sich an vielen Orten der Welt bildenden Kurse gleichzeitig verfolgt werden kónnen. Viele Transaktionen - Káufe, Verkáufe werden automatisch von entsprechenden Programmen ausgelóst. Abb. H-4/ 9: Devisenhandel Quelle: FAZ v. 6. 11. 1990, Abdruck mit freundlicher Genehmigung (Foto: Wolfgang Eilmes) Dennoch herrscht oft Hektik, denn gerade wegen dieser Technisierung ist der Devisenmarkt für alie sehr transparent, und das Ausniitzen von Vorteilen muE blitzschnell gehen. Daher hat sich eine eigene, fur den AuSenstehenden oft unverstándliche Sprache entwickelt. Devisenkurse werden meist bis in die vierte, fünfte Stelle nach dem Komma berechnet. Solche Zahlenkolonnen wáren in der Kommunikation aber viel zu zeitraubend und vor allem fehlertráchtig, so dal? man die ersten beiden Nachkommastellen wegláEt, die ohnehin jeder im Kopf hat; die ersten beiden Stellen nach dem Komma heiSen daher auch big figure, die folgenden small figure. Wenn der Dollarkurs für einen Euro beispielsweise um 0,90 USD herum liegt, dann wird sich ein Devisenhándler iiberlegen, welchen Kurs er stellen wird, wenn er angesprochen wird, d. h. wenn er zu einem Angebot aufgefordert wird. Das kann z.B. sein «fiinfundzwanzig, fiinfunddreiEig». Das bedeutet, dai? er 1 EUR fur 0,9025 USD <?page no="369"?> H-4. Wechselkursrisiken (Wahrungsrisiken) 347 ankauft (sein EUR-Geldkurs: d. h. er verkauft USD zu 1,10803 EUR) und 1 EUR zu 0,9035 USD verkauft (sein EUR-Briefkurs: d. h. er kauft USD zu 1,10681 EUR). Die Differenz zwischen diesen beiden Kursen, iiber die jeder Handler fur sich selbst entscheidet, betrágt iiblicherweisé zehn <Stellen> (wie bei 25/ 35). Dabei gibt es unter Devisenhándler übliche Gebráuche (Usancen): Ein angesprochener Handler mufl einen Geld- und einen Briefkurs nennen (<stellen>), und wenn der Anrufer es so móchte, mufi der angerufene Handler zu diesen Kursen kaufen bzw. verkaufen. Natiirlich kann man auch einmal Abwehrkonditionen, d. h. unrealistische Kurse nennen («colouring the figures»). Dann wird man horen «Thanks, but we saw it slightly better», und der Anrufer wird an anderer Stelle seinen Kontrakt abschliefien. Auch die gehandelten Betráge werden verkiirzt wiedergegeben: «100 Dollar» sind 100 Millionen Dollar, und mit «an Sie! » (oder: «Ich gebe Ihnen ...») ist gerade ein Verkauf und mit «von Ihnen» («Ich nehme») ein Kauf getátigt worden. In Deutschland werden meist Kontrakte (Pakete) iiber 5-Millionen-USD gehandelt. Kleinere Betráge kónnen imageschádlich wirken, aber selten werden mehr als 20 Mio. auf einmal gehandelt. Ein Devisenmakler, der also nicht auf eigene Rechnung handelt, verdient pro 1-Million-Dollar-Kontrakt 10-15 Dollar von jeder <Seite>, d. h. sowohl Káufer ais auch Verkáufer zahlen dem Vermittler diesen Betrag. Kursdifferenzen von tausendstel Pfennig summieren sich zu erheblichen Betrágen. Wenn ein Handler «50 Dollar» (also 50 Millionen Dollar) zu 1,10681 EUR gekauft hat und zu 1,10981 verkauft, hat er <drei Stellen gutgemacht> und hat moglicherweise in wenigen Sekunden - 150.000 EUR Gewinn gemacht. Nicht schlecht. Bank A ruft Bank B an: B: (der Devisenhándler meldet sich mit Namen) A: Wie ist Ihr Kassadollar? B: 25 zu 35. A: OK, ich nehme 5. B: Ich gebe Ihnen 5 zu 25. Wo wollen Sie die Dollar? A: Zur Chase, bitte. Euro zu Lasten meines Kontos. B: OK, und danke! (gemeint ist: «Wie handeln Sie Euro gegen USD zur Lieferung innerhalb von zwei Gescháftstagen? ») z. B. 0,9025 (Geld), 0,9035 (Brief) A akzeptiert das Angebot und kauft 5 Mio. USDzu 1,10803 EUR (1 -r 0,9025). (Bestatigung) Die kaufende Bank A unterhált ein Konto bei der Chase Manhatten Bank of New York sowie ein Konto bei der Bank B, dem der Euro-Gegenwert belastet werden soil. Gespráchsdauer: vielleicht 20 Sekunden. Bei den gewaltigen Summen, die táglich umgesetzt werden, kónnen sich somit Gewinne und Verluste zu gleichfalls stolzen Betrágen summieren, so daE man sich vorstellen kann, unter welchem nervlichen Druck diese Kontrakte abgeschlossen werden. Und alies am Telefon: <?page no="370"?> 3 4 8 H Risikomanagement ¡m AuRenhandel Das gesprochene Wort eines Devisenhándlers gilt; wenn er sich nicht daran halt was juristisch vielleicht móglich ware ware er sehr schnell <draul? en>, weil sich so etwas blitzschnell im Markt herumspricht und niemand mehr Kontrakte mit ihm machen wiirde. Erst nach dem telefonischen AbschluE werden schriftliche Hándlernoten erstellt, die dann ais Grundlage fur die buchmaSige Abwicklung dienen. Viele Devisenhándler zeichen ais Gedáchtnisstiitze das telefonische Geschehen auf Tonband auf; mancher Streitfall laSt sich so schnell kláren, unabhángig davon, da£ dies juristisch nicht als Beweismittel dient. Gegebenfalls teilt man sich auch schon mal den Schaden. Aber wie gesagt: Das gesprochene Wort gilt, und man kennt sich: Sehr viele Handler sprechen sich mit dem Vornamen an und halten schon mal ein Schwátzchen iiber die Familie oder den letzten Urlaub, wenn grade kein Strefi ist. Nach dem durch dubiose Devisengescháfte ausgelósten Zusammenbruch der Herstatt-Bank im Jahre 1974 wurde seitens der Bundesbank durchgesetzt, dai? eine organisatorische Dreiteilung stattfindet, indem der Devisenbandel (am Telefon), die Abwicklung der geschlossenen Gescháfte (z. B. Verkaufvon Wertpapieren, in denen Devisen angelegt waren, sowie Überweisung - «Anschaffung» der verkauften Betráge) und Buchung organisatorisch getrennt erfolgen, um Mauscheleien (fast) unmóglich zu machen (Sechs-Augen-Prinzip). Der internationale Devisenhandel láuft wegen der Verschiebung der Zeitzonen rund um die Uhr und rund um die Welt; wenn in Europa geschlossen wird, láuft in New York das Gescháft noch, und ein deutscher Devisenhándler kann natürlich aus seiner Sicht nachts auf der anderen Seite des Erdballs in Japan Transaktionen abwickeln. Und iiber Nacht kann sich viel verándern. Ab 2002 soil das Continuous Linked Selflement (CLS) dafiir sorgen, dai? trotz der Zeitverschiebung immer «Zahlung gegen Zahlung» erfolgt. Daraus kónnte ein neuer Markt fur «Stundengeld» entstehen. Im Hinblick auf die Gewinniiberlegungen ist zwischen Spekulation und Arbitrage zu unterscheiden. Bei Kurs-Arbitragen werden Kursunterschiede genutzt, die zum selben Zeitpunkt an verschiedenen Borsenplátzen auftreten (Platzarbitrage), z. B. wenn man Dollars in Frankfurt zu 1,10803 Euro kaufen und in Tokyo zu 1,1095 Euro verkaufen kann. Solche Gescháfte sind relativ selten, weil durch die Vernetzung der Informationssysteme derartige Vorteile sofort von vielen Devisenhándlern ausgenutzt wiirden, so daf? sich die Kursunterschiede durch entsprechende Angebots- und Nachfrageverschiebungen sofort einebnen. (Analog gibt es auch Zinsarbitragen, mit denen Zinsdifferenzen zwischen verschiedenen Geldmárkten ausgenutzt werden). Mit Kurs-Spekulation wird auf eine giinstige Kursentwicklungen im Zeitablauf gesetzt (Zeitarbitrage); z. B. wiirde es in Erwartung steigender Dollarkurse lohnend sein, heute Kassadollars zu kaufen, um sie spáter mit Gewinn zu verkaufen. Auch per Termin liefie sich u. a. so spekulieren, daE man per Termin Dollars verkauft in der Hoffnung, dai? der Kassakurs entsprechend niedriger liegt und man die Verkaufverpflichtung giinstig am Kassamarkt eindecken kann. H-4.2.2.5. Exkurs: Geldnamen Viele Geldbezeichnungen lassen die historischen Urspriinge noch erkennen. Der Ubergang vom urspriinglichen Warengeld - Vieh, Salz, Stoff, Muscheln zum Miinzgeld spiegelt sich in einigen Miinzbezeichnungen wider. Schilling kommt vom Germanischen skilling oder <?page no="371"?> H-4. Wechselkursrisiken (Wáhrungsrisiken) 349 skilding, eine Art Schild (der portugisische Escudo = Schild, lat.: scutum). Andere Miinznamen sind Mengenbzw. Gewichtsbezeichnungen, wie das englische oder das tiirkische Pfund, die italienische Lira (von lat. libra: Gewicht, Pfund) oder der deutsche Batzen («ein Heller und ein Ba-ha-tzen ...»); Peso heiEt im Spanischen Gewicht, die spanische Peseta ist ein kleiner Peso (die Englánder nannten den Peso Dollar; siehe unten). Seit der Miinzreform Karls des GroEen war ein <Pfund> Rechenbasis für den Miinzfufi, d. h. die Zahl von Miinzen, die aus einer Gewichtseinheit geprágt werden durften. Mark war urspriinglich ebenfalls eine Gewichtsbezeichnung, leitet sich aber auch von <Markierung> (Marke) ab, welche durch die Miinzprágung angebracht wurde, z. B. ein Kreuz: Kreutzer. Andere Münznamen weisen auf eine geographische Herkunft hin: Der erwáhnte Heller bezieht sich auf Schwábisch Hall (damals Hall am Kochen), und Groschen ist eine Umformung der «groEen Miinze aus Tours» (gros toumois). Der Franc (Franken) entstand aus dem Lósegeld für den 1360 in England festgehaltenen Konig Johann den Guten (Francorum Rex). Die Drachme war schon in der Antike eine Bezeichnung fur Silbermiinzen: <eine Handvoll> kleiner BratspieSe (óbolos; Sie erkennen den Obulus? ), die in Athen als Tauschmittel dienten (Geráte- oder Warengeld). Die Krone kursierte friiher auch in Frankreich (couronne d'or, in England als crown, in Ósterreich-Ungarn als Goldkrone, in den Niederlanden als Zonnekroon (Sonnenkrone). Gulden leitet sich ab aus «guldin pfennic»: goldene Miinzen, die im 13. Jahrhundert in Florenz und anderen italienischen Stádten geprágt wurden und sparer (ab 1600) als Silbergulden in Holland («hfl» hollándischer Florin kommt von florenus = aus Florenz). Ecu hiefien von 1266 bis zur franzósischen Revolution die grofen goldenen Miinzen aus Frankreich, d. h. die álteste franzosische Goldmiinze Ecu d'or au soleil, sparer ecu a la couronne (in den Niederlanden als die erwáhnte Zonnekroon nachgeprágt). Der Ecu aux lauriers (Lorbeer) wurde ab 1726 auch im deutschen Geldverkehr wichtig als Laubtaler oder Franzgeld. (Die damalig europáische ECU des 20. Jahrhunderts harte damit nichts zu tun: European Currency Unit - Europáische Recheneinheit.) Manche Miinzen haben auf dem Rand eine Riffelung oder andere Markierungen. Miinzen aus relativ weichen Edelmetallen wie Gold, Silber oder Kupfer waren eine Freude fur sog. Geldschneider, die mit einem scharfen Messer einen so feinen Span vom Miinzrand abschnitten, daE der nórmale Burger nichts merkte. Damit waren die Miinzen natiirlich weniger Wert, ais aufgeprágt, und das gewonnene Metall konnte verkauft werden. Daher wurden derart gefahrdete Miinzen mit einer Markierung am Rande versehen. Wurde diese abgeschnitten, lieS sich das sofort feststellen. Aus Tradition wird dies bei vielen heutigen Miinzen so beibehalten. (Ein Beutelschneider schlitzte unachtsamen Marktbesuchern den Geldbeutel auf.) Zur Ceschichte des Dollars Vom Wort her leitet sich Dollar aus Miinzen ab, die seit 1515 aus Silber geprágt wurden, das aus Minen in Joachimsthal im Erzgebirge gefórdert wurde. Die «Joachimsthaler Silbermiinze» hat sich im Zeitablauf iiber Taler abgeschliffen zu Dollar. Den amerikanischen Dollar gibt es seit 1792. Zunáchst herrschte bedingt durch den amerikanischen Bürgerkrieg ein Wáhrungswirrwarr. Zum Ende des Biirgerkriegs gab es 7000 verschiedene Banknoten von etwa 1500 Ausgabeinstituten; ein Drittel des Geldumlaufs gait ais gefálscht. Erst <?page no="372"?> 3 5 0 H Risikomanagement ¡m Auftenhandel die Geldscheine der Nordstaaten, die «Greenbacks», setzten sich durch. Bis zur Unabhángigkeit der ehemaligen englischen Kolonien in Nordamerika gait dort das englische Pfund als gesetzliches Zahlungsmittel, allerdings neben einer Vielzahl von verschiedenem Warengeld als Geldsurrogaten - Tabak, Felle, Schiefspulver, Muschelschmuck - und dem spanischmexikanischen Peso. Nach der Unabhángigkeit fehlte zunáchst Bargeld, und so blieb der mexikanische Real in Umlauf, der im Sprachgebrauch <Peso> und von den Englandem «Dollar» genannt wurde. Erst 1857 verlor er die Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel, als eine amerikanische Wahrung eingefuhrt wurde, die man allgemein «Dollar» nannte. Man sagt auch, dal? das Dollarzeichen <$> die zusammengeschobene Abkiirzung «P's» fur Pesos ist (FAZ 28.4.99). Interessant ist auch, daS die Ein-Dollar-Note metaphysische Elemente enthált: Über der Pyramide von Gizeh, um die sich eine Vielzahl von Interpretationen ranken, ist das esotherische sog. «Dritte Auge» abgebildet, das in der Mitte des menschlichen Stirnknochens noch zu fühlen sein soil (dort, wo der griechische Minotauros sein Einauge hatte). Nun zurück zur profanen Realitát. H-4.3. Wáhrungsmanagement: Risikobegrenzung beim Transaction Exposure Für den AuGenhandel sind nur voll konvertible Wahrungen unproblematisch. Wenn eine Wahrung voll konvertibel ist, kann sie aus der Sicht des betreffenden Landes ohne Beschránkungen in unbegrenzter Hóhe in jede beliebige andere Wahrung getauscht werden. Der Euro ist eine solche Wahrung. In manchen Lándern gibt es noch teilkonvertible Wahrungen: Devisen kónnen in beliebiger Art und Hóhe in Inlandswahrung getauscht werden, oder práziser: erworbene Devisen z. B. aus dem Export müssen in das Inland transferiert und bei entsprechenden Stellen, meist Staatsstellen, getauscht werden (innere Konvertibilitat). Ausnahmen müssen beantragt und genehmigt werden. Für Importe kónnen die entsprechenden Devisen auch nur bei eben diesen Stellen auf Antrag erworben werden. Kapitaltransaktionen sind dann meist genehmigungspflichtig. Je nach der Strenge des Antragsprinzips ist der Unterschied zur Devisenbewirtschaftung dann oft nicht mehr grof>. Durch Wáhrungssicherungsinstrumente kann sich der Exporteur zwar gegen die Risiken von Kursverlusten absichern, nicht jedoch gegen den inneren Wertverlust eine Wahrung durch Inflation, was natürlich nur bei lángeren Planungshorizonten insbesondere bei Investitionsgütern von gróSerer Bedeutung ist. Solche Risiken kónnen gegebenenfalls durch entsprechende Zinsvereinbarungen berücksichtigt werden, indem in eine variable Zinsvereinbarung eine entsprechende Anpassungsklausel eingebaut wird. Dies kann in manchen Importlándern gesetzlich unzulássig sein; es empfiehlt sich daher eine entsprechend frühzeitige Information. Das Wechselkursrisiko hángt insbesondere auch vom Wechselkurssystem ab: Die Wahrscheinlichkeit einer Wechselkursveránderung ist bei flexiblen Wechselkursen offensichtlich gróEer als bei festen Wechselkursen. Abb. H-4/ 10 gibt eine Übersicht über Kurssicherungsinstrumente. Unter Risikoabwálzung oder Risikoübertragung versteht man die entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung des Risikos auf andere Wirtschaftssubjekte. <?page no="373"?> H-4. Wechselkursrisiken (Wáhrungsrisiken) 351 Abb. H-4/ 10: Instrumente zur Wechselkursabsicherung • Fakturierung in Inlandswáhrung • Fakturierung in Inlandswáhrung • Wáhrungsklauseln/ Wáhrungsoptionsrechte • Bankgarantien, Avale, Bürgschaften • bestátigtes Akkreditiv • Forderungsverkauf - Factoring - Forfaitierung - Diskontierung von Auslandswechseln - Negoziierung von Akkreditiven • Lagging • Matching (Hedging, Netting, Covering) • Fremdwahrungskonten • Devisen-Termin-Geschafte (Hedging, futures) (Solo-/ Outrightgescháft, Swapgescháft) • Devisenoptionen • Devisen-Swaps Wechselkursabsicherung hilft Wáhrungsrisiko zu begrenzen Wáhrungsrisiken werden háufig unterschátzt Treasury-Abteilungen oft unterbesetzt / Gewachsene EDV-Systeme hinderlich / Systemunterstiitzung notwendig Absicherung gegen Wechselkurs-Schwankungen Multis besser geschützt H-4.3.1. Fakturierung in Inlandswáhrung Offensichtlich besteht kein Wáhrungsrisiko (Exposure), wenn Forderungen bzw. Verbindlichkeiten auf Inlandswáhrung lauten. Ob dies móglich ist, ist vorrangig eine Frage der Marktmacht, weil damit das Wechselkursrisiko unentgeltlich auf den auslándischen Gescháftspartner abgewálzt wird. Ein Beharren auf Euro-Fakturierung kann daher fiir einen Exporteur den Verlust von Auftrágen bedeuten, ebenso wie ein Importeur móglicherweise nicht beliefert würde. Natiirlich kann man oft den Wáhrungsvorteil durch Zugestándnisse bei anderen Aspekten verbinden: Preis, Zahlungsbedingung etc. Es kommt andererseits vor, daE ein konkret benachteiligter Partner den anderen massiv unter Druck setzt, zumindest einen Teil eines entstandenen Wáhrungsverlustes zu ubernehmen, da andernfalls die Gescháftsbeziehungen abgebrochen wiirden. Es kommt immer wieder vor, daS bestimmte Lander ihren eigenen Unternehmen eine Fak- <?page no="374"?> 3 5 2 H Risikomanagement im Aultenhandel Abb. H - 4 / 1 1 : Fakturierung Deutsche Exporteure setzen die Wechselkurssicherung wenig ein Fakturierung in D-Mark iiblich / Devisentermingeschaften wird der Vorzug vor Devisenoptionen gegeben Toyota drángt britische Zulieferer auf Fakturierung in Euro Japaner erleiden Verluste wegen Aufwertung des Pfunds / Abwalzen des Wechselkursrisikos turierung in Inlandswáhrung vorschreiben, so dal? auslándische Gescháftspartner hierüber gar nicht verhandeln kónnen. Da es aber andere Móglichkeiten der Risikoabsicherung gibt, ist dies ertragbar. Andererseits ist festzuhalten, daS iiber 80% der deutschen Exporte und über 50% der deutschen Importe in DM fakturiert wurden (2001) (vgl. Abb. H-4/ 11). Manche Unternehmen verzichten auf Gescháfte, die sie nicht auf Euro-Basis abwickeln kónnen. Angesichts der groSen Bedeutung, die dem EG-internen Handel auch aus der Sicht der Bundesrepublik zukommt, war der damalige Anteil der Fakturierung in EG-Wáhrungen vergleichsweise gering. Dies lalSt sich mit der relativ starken Marktposition deutscher Unternehmen erkláren, die daher DM-Fakturierung durchsetzen konnten, wobei dies fur die Partner angesichts der hohen Wechselkursstabilitát im EWS offenbar ein akzeptables Risiko darstellte. H-4.3.2. Vorauszahlungen und Bestellerkredite Wenn Vorauszahlung vereinbart wird, begrenzt sich das Wáhrungsrisiko auf den (kurzen) Zeitraum zwischen Vereinbarung und tatsachlichem Eingang der Zahlung. Hier ist das Transaction Exposure meist zeitlich kurz, analog zum Akkreditiv. Bei Bestellerkrediten gewáhrt die inlándische Bank dem Importeur einen Kredit, wobei bei Leistungserfullung des Exporteurs die Summe in Euro direkt an den Exporteur ausbezahlt wird (vgl. Abschnitte D-2.2.2 und D-3.3.2). H-4.3.3. Fakturierung in anderen Wáhrungen Bei Gescháftsbeziehungen, bei denen auf beiden Seiten schwache Wáhrungen auftreten, kann es sich anbieten, in einer als stabil angesehenen <neutralen> dritten Wáhrung zu fakturieren, z. B. dem Schweizer Franken. In der Literatur wird dabei háufig durch unscharfe Formulierungen ein MiSverstándnis genáhrt: Das sog. Wáhrungsgesetz (WáG) (Erstes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens») von 1948, mit dem durch die westlichen alliierten Militárregierungen die DM eingefiihrt wurde, schrieb in seinem § 3 vor: «Geldschulden dürfen nur mit Genehmigung der für die Erteilung von Devisengenehmigungen zustándigen Stelle in einer anderen Wáhrung als in Deutscher Mark eingegangen werden.» Ware dies so angewendet worden, wie es damals vor dem Hintergrund von Devisenbewirtschaftung formuliert worden war, harte u. a. jeder Kaufvertrag, der auf auslándische Wáhrung lautete, der Genehmigung durch die Deutsche Bundesbank bedurft. Dies harte auch der Freiheit des Zahlungsverkehrs gem. § 1 AWG widersprochen. Folgerichtig sagte § 49 AWG: «§ 3 Satz 1 des Wáhrungsgesetzes findet auf Rechtsgescháfte zwischen Gebietsansássigen und Gebietsfremden keine Anwendung.» Unabhángig davon galt, 24 dafS der Devisenhandel sowieso nicht unter den Begriff der Geld- Nach den amtlichen Begründungen zum damaligen Entwurf des AWG von 1961. <?page no="375"?> H-4. Wechselkursrisiken (Wáhrungsrisiken) 353 schulden gem. § 3 WáG fiel. Gescháfte zwischen Inlándern in Auslandswáhrung bedurften zwar prinzipiell der Genehmigung nach § 3 WáG, doch hatte die Bundesbank weitreichende allgemeine Genehmigungen erlassen (u. a. fur Fremdwáhrungskonten und -kredite bei Inlandsbanken), so da£ faktisch nur sehr wenige tatsáchlich noch genehmigungsbedürftige Tatbestánde iibrig blieben. Auf Einzelheiten wird hier verzichtet. Nun ist diese Regelung gánzlich obsolet (gegenstandslos) geworden, weil mit Einführung des Euro das Schutzobjekt DM wegfállt. H-4.3.4. Wáhrungsklauseln (1) Durch die Vereinbarung eines Wahrungsoptionsrechts wird in der Regel dem Begiinstigten, ggf. aber auch dem Zahlungspflichtigen das Recht eingeráumt, bei Fálligkeit der Forderung die Wáhrung der Zahlung zu bestimmen. Dabei kann er zwischen mehreren Wáhrungen wáhlen, deren Relation zueinander als absolute Betráge auf der Basis der Devisenkurse bei Vertragsabschlufj festgelegt werden: Es kónnen beispielsweise gezahlt werden 100.000 US-Dollar oder 111.111 Euro oder 72.621 SFR (hier fiktive Wechselkurse). Es ist offensichtlich, daS dies fur den Partner ein erhebliches Wechselkursrisiko bedeuten kann, da der Optionsberechtigte sich die jeweils für ihn günstigste Wáhrung auswáhlen wird. Eine andere Móglichkeit ist es, zwar in einer Auslandswáhrung zu fakurieren, jedoch dem auslándischen Partner durch eine Vertragsklausel das Kursrisiko aufzuerlegen, indem beispielsweise bei einem Zahlungsziel der zu zahlende Betrag aus der Sicht eines $-Kassakurses von z. B. 1,10 Euro als Dollar-Gegenwert von 110.000 Euro definiert wird. Sollte sich zwischenzeidich der DoUarkurs abgeschwácht haben, muíste der auslándische Importeur folglich einen hóheren Dollarbetrag aufwenden als in der Ausgangssituation. Ggf. ware auch nachzuverhandeln. Sofern der DoUarkurs gestiegen ist, hátte der auslándische Importeur einen Gewinn zu verzeichnen. Hierbei wird gelegentlich vereinbart, dais an einem solchen Wáhrungsgewinn auch der Exporteur zu beteiligen ist. Faktisch entspricht diese Klausel einer Fakturierung in Inlandswáhrung, und dies erfordert eine analog starke Verhandlungsposition des Verkáufers. Eine Variante ist dabei zu vereinbaren, dal? der zu zahlende Betrag z. B. $ 100.000,-, mindestens jedoch Euro 110.000,betrágt, so daf> der deutsche Vertragspartner zwar gegen eine Kursverschlechterung geschiitzt ist, jedoch von einer Kursverbesserung profirieren wiirde. Móglich ist auch, eine Marge zu vereinbaren, die das Risiko für den Exporteur minimiert: «Sollte sich der Kurs zum Zeitpunkt der Begleichung der Forderung urn mehr als xy% verschlechtert haben, so ist der Differenzbetrag vom Importeur zu ersetzen.» Andererseits sind in der Praxis auch umgekehrte Wáhrungsklauseln nicht selten, durch die der Káufer einen Anspruch hat, dafi er von kursbedingten zusátzlichen Gewinnen des Exporteurs profitiert: Der Exporteur muS dann den Exportpreis senken, so daS zusátzliche Gewinne verhindert werden. H-4.3.5. Akkreditiv Mit einem Akkreditiv erhált der Exporteur Zahlung zum Zeitpunkt des Warenversands. Somit ist das Wechselkursrisiko zeitlich eng begrenzt. Vgl. die ausfiihrliche Darstellung in Abschnitt G-3.4.2. <?page no="376"?> 3 5 4 H Risikomanagement ¡m AuGenhandel H-4.3.6. Forderungsverkauf Durch Factoring oder Forfaitierung wird das Wechselkursrisiko auf den Forderungskáufer überwálzt (vgl. dazu Abschnitte D-2.1.11 und D-3.2). Dies gilt abgesehen vom Problem des Wechselrückgriffs grundsátzlich auch fur Diskontierung von Auslandswechseln und Negoziierung von Akkreditiven. Natürlich wird sich der Forderungskáufer gegen das Wechselkursrisiko absichern und dies entsprechend im Diskont beriicksichtigen, den den Forderungsverkáufer hinnehmen mufi. H-4.3.7. Lagging (und Leading) Fiir Importeure besteht die Móglichkeit, erwartete Wechselkursveránderungen durch Leading oder Lagging auszunutzen. Leading ist vertragskonform, Lagging nicht. Unter Lagging (engl. to lag = verzógern) versteht man das bewufite Überschreiten eines Zahlungsziels. Damit kann ein deutscher Schuldner sich Vorteile verschaffen, wenn er z. B. in US-Dollar leisten muS und der Dollarkurs sinkt. Hinzu kommen ggf. Zinsvorteile beim Importeur und analoge -nachteile beim Gláubiger. Zwar hat der Gláubiger im strengen Sinne kein Kursrisiko, denn er erhált wenn auch verspátet denselben Dollarbetrag. Sofern er jedoch seinerseits an eine spátere Konvertierung in Euro gedacht hat, erleidet er einen Kursverlust. Er wird sich auch kaum gegen dieses Risiko durch ein Devisen-Termin-Geschaft abgesichert haben. Zudem kann er in Schwierigkeiten geraten, wenn er iiber den erwarteten Betrag bereits anderweitig verfiigt hat. Vertragswidrige Überschreitungen des Zahlungsziels kónnen folglich die Gescháftsbeziehungen belasten. Leading stellt keine Risikoüberwálzung dar, ist absolut vertragskonform und wird hier nur der Vollstándigkeit halber im Zusammenhang mit erwahnt. Leading (engl. to lead = vorangehen) bedeutet eine vorzeitige Zahlung (ggf. bis hin zur Vorauszahlung), was um im obigen Beispiel zu bleiben fur den deutschen Schuldner bei steigendem Dollarkurs giinstig sein kann. Dies mufi gegen die dadurch implizierte Liquiditátsverminderung und eventuelle ZinseinbuEen abgewogen werden. H-4.3.8. Matching (Hedging, Netting, Covering) Um beim Transaktionsrisiko ein Netto-Exposure von nahezu Null zu erreichen (Netting), kónnen offene Positionen durch entsprechende spiegelbildliche Positionen geschlossen (kompensiert) werden. Fiir Matching werden háufig synonym, aber uneinheitlich die Begriffe Covering oder Netting verwendet. Wenn ein Exporteur beispielsweise eine offene Forderung iiber USD 50.000,mit Zahlungsziel in 3 Monaten hat, kann er das Wechselkursrisiko dadurch ausschalten, dai? er eine Verbindlichkeit eingeht z. B. in Form eines Dollarkredites -, die sich inclusive aller Nebenkosten und Zinsen zu exakt demselben Termin auf genau USD 50.000,beláuft. Der aufgenommene Dollarbetrag wird sofort kassa in Euro getauscht. Bei Fálligkeit des Fremdwáhrungskredits wird dieser dann durch die eingehende Forderung gedeckt. Was der Exporteur daher theoretisch bei einer Dollarabwertung beim Euro-Gegenwert seiner Forderung verlóre, wiirde er beim Euro-Gegenwert seiner Verbindlichkeit wieder gewinnen. Die entstehenden Kosten in Hóhe der Zinsdifferenz zwischen Dollar-Soll-Zinsen und Euro-Haben-Zinsen kónnen dabei als <Versicherungspramien> betrachtet werden. Der Einsatz von Instrumenten, um ein bestehendes Risiko zu kompensieren, wird auch als Hedging bezeichnet (der Begriff leitet sich ab aus «to hedge = schiitzen»). In der Literatur <?page no="377"?> H - 4 . Wechselkursrisiken (Wáhrungsrisiken) 3 5 5 wird Hedging háufig auch nur als spezielles Synonym fiir die unten beschriebenen Devisen- Temiin-Gescháfte verwendet. Die Terminologie ist auch hier uneinheitlich. Ob es tatsáchlich sinnvoll ist, gezielt einen Dollarkredit aufzunehmen, urn eine Dollarforderung kurstechnisch abzusichern, ist natürlich wegen der entstehenden Kosten fraglich; grundsatzlich sind Devisentermingescháfte giinstiger. Andererseits ergeben sich in vielen Unternehmen sowieso parallele Auslandsforderungen und -verbindlichkeiten, wenn sowohl der Verkauf als auch der Einkauf international operieren. Offensichtlich erfordert dies eine entsprechende Koordination zwischen dem VertragsabschluS (Einkauf und Verkauf) und dem Wáhrungsmanagement, urn eine móglichst hohe Kongruenz von Fakturierungswahrungen und Falligkeitsterminen zu erreichen. Manche Unternehmen betreiben dies im Rahmen des Cash Management (treasury management) (vgl. Abschnitt D-l). In der Praxis haben gróSere Unternehmen meist bessere Móglichkeiten, Netting/ Matching zu betreiben, insbesondere im Rahmen von Mutter-Tochter-Beziehungen, die gezielt fakturiert werden kónnen. Vollstándiges Matching erfordert eine genau deckungsgleiche Struktur von Forderungen und Verbindlichkeiten hinsichtlich der Betráge und Fristen in der betreffenden Wáhrung. Dies kann sich insbesondere deshalb als problematisch erweisen, wenn die offene Forderung vom Importeur nicht fristgerecht bedient wird (vgl. oben Lagging), so daS am Fálligkeitstag der Verbindlichkeit doch eine offene Position besteht und der Exporteur sich ggf. am Devisenkassamarkt eindecken oder seine Verbindlichkeit prolongieren muí? . Das Entstehen von Wáhrungsráumen wie dem Euroland hat dabei Vor- und Nachteile. Zum einen werden zahllose Auslandsgeschafte wahrungstechnisch zu Inlandsgeschaften, weil sie in Euro fakturiert sind. Zum anderen konnte man friiher aber mit einem belgischen Geschaftspartner durchaus gezielt auf Dollarbasis abschlieSen, was innerhalb des Eurolandes kiinftig wohl kaum noch gángig sein diirfte. So gesehen reduziert der Euroraum die Móglichkeiten, Kompensationsinstrumente zu schaffen. Im Vergleich mit anderen Effekten der Euroeinfuhrung diirfte dies aber ein zu verkraftender Nachteil sein. H-4.3.9. Fremdwahrungskonten Sofern ein Unternehmen laufend Zahlungsein- und -ausgánge in bestimmten Wáhrungen zu verzeichnen hat, bietet sich die Führung von Fremdwahrungskosten an. Dies klammert zum einen das Wechselkursrisiko aus und vermeidet zum anderen Kosten, die beim Hin- und Hertausch durch die Spanne zwischen Devisengeld- und -briefkurs sowie die zweimalige Courtage von 0,25 %o entstiinden. Der Nachteil ist, daS Fremdwahrungskonten relativ teuer sind: Guthaben werden in der Regel nicht verzinst, sofern sie nicht fur einen lángeren Zeitraum als Termineinlagen zur Verfiigung gestellt werden; Kontenbewegungen fiihren zu prozentual oder absolut definierten Gebiihren. Hinzu kommt, daS Barverfiigungen nur iiber zusátzliche Sortengescháfte móglich sind, da Guthaben Devisen (Giralgeld) sind; man kann also nicht einfach von seinem Fremdwahrungskonto wie von einem Euro-Girokonto <abheben>. Bankern leuchtet das meist spontan ein, anderen nicht immer. H-4.3.10. Devisen-Termin-Geschafte (1) Funktion Eine spezielle Form von Risikoabsicherung durch Matching sind Devisentermingescháfte (DTG) (futures). Darunter ist zu verstehen, daG z. B. ein Exporteur heute einen in drei <?page no="378"?> 356 H Risikomanagement im AuRenhandel Monaten eingehenden (bzw. erwarteten) Dollarbetrag aus einem Exportgescháft <per Termin>, d. h. hier in drei Monaten, verkauft (in der Regel an eine Bank, aber das ist nicht zwingend), und zwar zu einem Kurs, der heute festgesetzt wird (Terminkurs; forward rate). Ein solches einseitiges Termingescháft wird ais Sologescháft oder Outright-Gesdiák bezeichnet, im Gegensatz zu sog. Swapgescháften, bei denen ein Kassagescháft mit einem Termingescháft kombiniert wird; vgl. unten. Die Bank ais Káufer geht damit also ein Kursrisiko ein, weil sie zum vereinbarten Termin den Dollarbetrag zum vereinbarten Kurs abnehmen mufi, auch wenn der dann giiltige Kassakurs niedriger liegen sollte. Weshalb sie das trotzdem tut, wird gleich verdeutlicht. Für den Exporteur bedeutet ein Devisentermingescháft also den vólligen Ausschlufi des Kursrisikos, allerdings auch den Verzicht auf einen móglichen Kursgewinn (windfallprofit 25 ) («no risks, no chances»). Die im Zusammenhang mit einem Termingescháft ggf. entstehenden Kosten, auf die gleich eingegangen wird, kónnen auch hier ais Versicherungsprámie betrachtet werden. In der Praxis sind Standardtermine (Quotierungen) in vollen Monaten iiblich, d. h. 30, 60, 90, 180 oder 360 Tage, weil dies den bevorzugten Zahlungszielen entspricht. Es kann aber jede beliebige Laufzeit als «gebrochene» Termine (Zeiten) (broken dates) vereinbart werden, wenn das Basisgescháft dies nahelegt, z. B. 47 Tage. Die Kurse zwischen den beiden Standardterminen hier 30 und 60 Tage werden durch Interpolation berechnet. Gebrochene Termine wird man nur für die Hauptwáhrungen finden, weil bei den anderen vor allem bei Swaps der Markt fehlt. Im Bedarfsfall kann man auch Devisentermingeschafte mit einer Laufzeit-Option aushandeln (Zeitoption; Vereinbarung eines Zeitraums für die Inanspruchnahme) oder eine zeitliche Verlángerung des Kontrakts auf alter Kursbasis (Prolongation). Kunden, die keine Vollkaufleute sind, müssen in der Regel für Termingescháfte Sicherheiten leisten, denn Banken denken immer im Sinne von <worst case>. (2) Swapsatz In Deutschland werden Terminkurse von den Kreditinstituten «gestellt». Die Terminkurse bilden sich nicht wie die Kassakurse durch Angebot und Nachfrage an den Devisenmárkten, sondern leiten sich in erster Linie aus Zinsunterschieden zwischen den beteiligten Wáhrungen ab. Die prozentuale Abweichung des Terminkurses vom Kassakurs wird als Swapsatz bezeichnet. Dieser láfst sich nach folgender Formel relativ genau ermitteln (professionelle Devisenhándler arbeiten mit sehr viel differenzierteren Formeln), z. B.: Kassakurs x Zinsdifferenz fur 3-Monats-Geld x Tage Swapsatz = . 360 x 100 x Zinssatz Fremdwáhrung x Tage Auch der folgende vereinfachende Ansatz liefert bereits recht brauchbare Ergebnisse: Kassakurs x Zinsdifferenz x Tage Swapsatz = . 360 x100 Seit Einführung des Euro werden bei Zinsberechnungen Jahre und Monate nicht mehr mit 360 bzw. 30 Tagen gerechnet, sondern entweder nach der englischen Eurozins-Methode actual/ actual, d. h. die tatsachlichen Tage der betreffenden Periode werden genau gezáhlt, Ein Gewinn, der einem «durch den Wind in den Schoí? fállt». <?page no="379"?> • H-4. Wechselkursrisiken (Wáhrungsrisiken) 357 und im Nenner des obigen Bruchs steht 365 (bzw. 366), oder nach der franzosischen Eurozins-Mediode actual/ 360. Dadurch ergeben sich zwischen den Zinsmethoden Abweichungen. Allgemein gilt, daS fur Wahrungen mit einer niedrigeren Verzinsung als der Inlandswahrung (Euro) ein Aufschlag (Report, Agio, premium) auf den Eurokurs gezahlt wird, wáhrend Wahrungen mit einer hóheren Verzinsung per Termin auf Eurobasis mit einem Abschlag (Deport, Disagio, discount) gehandelt werden (vgl. oben Abb. H-4/ 4). Die Abbildung verdeutlich zugleich, daE die Abweichungen vom Kassakurs mit zunehmender Laufzeit grofSer werden; dies dürfte aufgrund des zeitbedingten Risikos einleuchten. Devisenterminkontrakte kónnen bis zu einer Laufzeit von etwa 5 Jahren abgeschlossen werden. Der Schwerpunkt der Gescháfte liegt allerdings im kurzfristigen Bereich zwischen einem und zwólf Monaten. BEISPIEL ' Ein Exporteur erwartet in drei Monaten 100.000 USD. • 1. Schritt: Der Exporteur verkauft die USD heute an seine Bank per Termin 90 Tage auf der Basis des Terminkurses (Euro-Briefkurs) von 0,9103 (1 EUR = 0,9103 USD; vgl. oben Abb. H-4/ 4; dies entspricht einem Dollar-Ankaufskurs von 1 USD = 1,09954). Für die Bank entsteht damit also per Termin eine offene Position (Verkaufverpflichtung für Euro; ein sog. «S/ ? orf»-Vertrag). Urn diese zu schlielten, wiirde sie eine analoge Euro-Ankaufverpflichtung (<</ .ong»-Vertrag) benótigen. Wenn sich diese nicht <von selbsb ergibt, z. B. im Rahmen eines Devisenswaps (vgl. unten), kann die offene Position gezielt durch eine Dollar-Kreditaufnahme geschlossen werden: • 2. Schritt: Die Bank nimmt heute kassa einen Kredit für 90 Tage auf über 100.000 USD, den sie mit 5,33% Zinsen bedienen muft (Zinsen in Abb. H-4/ 12). Durch die Rückzahlungsverpflichtung schlieftt sie die offene Ankaufsposition aus Schritt 1. • 3. Schritt: Die Bank verkauft die USD sofort am Kassamarkt gegen EUR (100.000 USD x 0,9092 = 90.920- EUR. • 4. Schritt: Die Bank legt den Euro-Erlós (90.920,-) am Geldmarkt für 90 Tage für 4,75% an. • Nach 90 Tagen bringt der Exporteur die 100.000 USD; die Bank zahlt damit den USD- Kredit zurück. Ware zwischen Kassa- und Terminkurs kein Unterschied, kónnte man Kapital in die USA transferieren, dort zu hoheren Zinsen als in Europa anlegen und vóllig risikolos per Termin zuriicktauschen. Den Zinsnachteil, den die Bank durch ihre Euro-Anlage im Vergleich zur Dollaranlage erleidet, kompensiert sie durch einen Aufschlag (Report) auf den Euro-Kurs (der einem Deport/ Abschlag auf den Dollarkurs entspricht), wodurch der potentielle Zinsvorteil abgeschópft wird: Bei einem Report auf den EUR/ USD-Kurs «verliert» der Exporteur, weil er per Termin weniger Euro pro Dollar erzielt als zum heutigen Kassakurs. Dies sind seine Kurssicherungskosten. Bei Wahrungen mit Deport wiirde er hingegen einen entsprechenden Kurssicherungsertrag erzielen, so wie es in Abb. H-4/ 12 für den schweizer Franken und den Yen der Fall ist (bei beiden liegen die Terminkurse unter den Kassakursen, weil die Verzinsung unter dem Zinsniveau im Euroland liegt). Für einen Importeur gilt dies entsprechend umgekehrt. Die beiden Spalten in Abb. H-4/ 12 beziehen sich jeweils auf Geld- und Briefzinssátze. <?page no="380"?> 358 H Risikomanagement im Auitenhandel Abb. H-4/ 12: Geldmarktsátze l E U R O G E L D M A R K T S Á T Z E UNTERBANKEM(INPROZEND 22 2 2001 I h n s n M I 1 Momt 2Mowt8 3Mtniti Euro US-* Pfund sfr YEN kan-$ Dr. A-$ mm n.Zioty SG-$ Rand tsch. Krone 5,6000 5,4200 4,9100 3,5000 0,3800 5,3700 5,6000 5,3700 6,1200 4,8800 18,5000 0,5000 10,5000 5,1900 -5,7800 -5,5400 -5,0300 -4,0000 -0,5000 -5,4700 -5,7500 -5,6200 -6,3700 -5,1200 -19,1000 -0,6250 -11,0000 -5,3000 4,7800- '5,4700- 5,5700- 3,4700- 0,3000- 5,2000- 4,7600- 5,4300- 6,2900- 5,2600- 19,1000- 2,0200- 10,4900- 5,2000- 4,8800 5,5700 5,6700 3,5700 0,4000 5,3000 4,8300 5,8100 6,4800 5,4600 19,4000 2.2200 10,7400 5,2900 4,7100- 5,2800- 5,5600 3,3500- 0,3600- 5,1500- 4,7500- 5,3500 6,2000- 5^600 18,6000- 2,0500- 10,4400 5,2000 4,8100 5,4000 5,6600 3,4900 0,4600 5,2500 4,8700 5,5000 6,3500 5,4600 19,0000 2,2500 10,6900 5,2900 4,7500 5,2100- 5,5600- 3,3400- 0,3300 5,1000- 4,7500- 5,3000 6,1500 5,1400 18,3000 2,0600 10,3000 5,1900 4,8500 5,3300 5,6600 3,4800 0,4300 5,2000 4,8700 5,4500 6,3000 5,3400 18,7000 2,2600 10,5500 5,2900 BMointe 4,6700- 5,0800- 5,4700- 3,4500- 0,3100- 4,9000 4,6400- 5,1500- 6,0500- 5,1100- 17,8500- 2,1200- 10,2800- 5,1700- 4,7700 5,1800 5,5700 3,5500 0,4100 5,0300 4,7400 5,3000 6,2000 5.3100 18,1000 2,3200 10,5300 5,4200 12 4,6300 5,0800 5,4000 3,3000 0,2800 4,8700 4,6300 5,0700 6,1000 5,0800 17,3000 2,1800 10,3500 5,2100 4,7300 5,1800 5,5000 3,4000 0.3800 5,0000 4,6900 5.2200 6,2900 5,2800 17,7000 2,3800 10,6000 5,4600 $ = 24 Monate 5 , 2 6 0 0 - 5 3 0 , 3 6 Monate 5,4400-5,4700, Euro • 24 Monate 4,7500-4, t o w (Euro) = 5,72% (21.02.2001); E r t a r (Euro) = 1 Mon. 4,821%, 2 Mon. 4,808%, E w - U t o r (Euro) = 1 Mon. 4,82%, 2 Mon. 4,80438%, 3 Mon. 4,8%, 6 Mon. 4,72125%, U t o ($) = 1 Mon. 5.53%, 2 Mon. 5,44125%, 3 Mon. 5,345%, 6 Mon. 5,18375%, 12 Mi Quelle: Handelsblatt ,7800,36 Monate 4,84004.8700. 3 Mon. 4,798%, 6 Mon. 4,724%, 12 Mon. 4,683%, 12 Mon. 4,67875%. n.5,14625%. Wie ergibt sich dabei der Terminkurs? In der Logik der Mengennotierung <kauft> der Exporteur im 1. Schritt EUR per Termin 90 Tage und wird mit USD bezahlen, d. h. die Bank verkauft Euro gegen Dollar. Darum ist anzuwenden der Euro-Dollar-Termin-Bne/ kurs gegeniiber dem Dollar per 90 Tage von 0,9103 USD pro EUR (dies entspricht einem Dollarankaufspreis von 1,09854 EUR pro USD). Wáhrend der 90 Tage mug die Bank 5,21 % Zinsen fur den USD-Kredit zahlen, erhált aber fiir die DM-Anlage nur 4,75% natürlich immer pro Jahr. Die Jahres-Zinsdifferenz muí? folglich auf die Laufzeit hier 90 Tage umgerechnet werden ([5,21-4,75 = 0,46]*90/ 360). Nach der obigen vereinfachten Formel errechnet sich damit der folgende Swapsatz: 0,9092 x 0,46 x 90 Swapsatz = 360 x100 0,00104558. Der Terminkurs betrágt folglich (1 Euro = ... USD) 0,9092 + 0,00105 = 0,91025 (gerundet: 0,9103) USD, oder umgerechnet: 1 USD = 1,0986 Euro. Zum vereinbarten Termin liefert der Exporteur der Bank die 100.000 USD und erhált dafür den vereinbarten Gegenwert von 109.860,- Euro. Die Bank zahlt den USD-Kredit zuriick. Die Kurssicherungskosten des Exporteurs sind 100.000 + 0,9092 [Kassakurs] = 109.986,80 Euro 1 (100.000 -=- 0,9103 [Terminkurs] = 109.853,89 Euro) = 132,91 Euro und lassen sich also im voraus recht prazise ermitteln und für die Preiskalkulation bzw. die Verhandlungen über den Kaufpreis beriicksichtigen. Sie liegen wie das Beispiel zeigt in Hóhe der Zinsdifferenz zwischen den beteiligten Wáhrungen. (3) Abwicklung Fiir Devisen-Termin-Geschafte setzen die Banken unterschiedliche Mindestsummen voraus, z. B. 10.000 oder 50.000 EUR. Hier bieten sich jedoch auch Verhandlungsmoglichkeiten, indem der Kunde die Konditionen verschiedener Institute vergleicht. Die Kreditinstitute berechnen in der Regel fiir Devisen-Termingeschafte keine Bearbeitungsgebiihren, Courtagen oder Spesen. Sie verdienen <nur> an der Geld-Brief-Marge. Allerdings mug der Kunde <?page no="381"?> H-4. Wechselkursrisiken (Wáhrungsrisiken) 359 meist - Nicht-Kaufleute immer eine Sicherheit für offene Positioner! leisten, in der Regel 20% der Euro-Summe, z. B. durch Verpfándung von Wertpapieren (aufgrund der Unsicherheit des Geldeingangs z. B. wegen Zahlungsunfáhigkeit des Kunden). Nach dem Bórsengesetz muí? der Kunde Devisen-Termin-gescháftsfáhig sein. Daher miissen die Banken in Deutschland private Kunden vor Abschlufs eines Termingescháfts ausfiihrlich über den Ablauf und die damit verbundenen Risiken aufkláren. Soviel Zeit muí? sein. Für die Wechselkursabsicherung per Termin ist der richtige Zeitpunkt wichtig. Betrachten wir wiederum einen Exportfall. Strenggenommen miifste die Kursabsicherung zum Zeitpunkt des Angebots erfolgen. Dies ist jedoch problematisch, weil der Auftrag móglicherweise nicht zustande kommt (vgl. anschlieSend). Realistischer ist also der Zeitpunkt des Vertragsabscblusses, wobei aber ein ungesichertes Risiko zwischen Angebotstermin und Auftragstermin verbleibt. Eine dritte Móglichkeit ist die Kurssicherung am Fakturierungstag, wobei jedoch der Risikozeitraum entsprechend gróSer ist. Hinzu kommt eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich des tatsáchlichen Eingangs des Devisenbetrages sowie auch hinsichtlich der exakten Hóhe, da z. B. nicht feststeht, ob Mangelriigen geltend gemacht werden (Minderung). Derartige offene Risiken lassen sich natiirlich in der Kalkulation durch entsprechende Risikozuschláge beriicksichtigen. H-4.3.11. Devisenoptionen Durch Hedging und Matching kann wie dargestellt das Wechselkursrisiko ausgeschaltet werden. Der Einsatz dieser Instrumente setzt aber u. a. die Kenntnis fester Abwicklungstermine voraus, was z. B. bei Ausschreibungen mit ungewissem Zeitpunkt des Zuschlags nicht immer gegeben ist. Gleichzeitig muS aber auch auf die Móglichkeit verzichtet werden, von einer giinstigen Kursentwicklung zu profitieren. Dies hingegen ist bei Devisenoptionen (Devisenterminoptionen) móglich: Der Inhaber einer Devisenoption hat im Gegensatz zum Termingescháft das Recht, nicht aber die Pflicht, z. B. Dollars zu einem vereinbarten Kurs (Strike Price) zu verkaufen. Liegt zum entsprechenden Termin der Kassakurs hóher, wird der Optionsinhaber seine Option verfallen lassen und zum Kassakurs tauschen («No risks, all chances»). Diese Form der Kursabsicherung ist allerdings urn einiges teurer als die Devisen- Termin-Absicherung, da man die Option kaufen mulS. Eigentlich sind Wáhrungsoptionen <erfunden> worden, um bei Bietungen (tenders) das Wáhrungsrisiko absichern zu konnen. Wenn das Optionsrecht darin besteht, eine Wáhrung kaufen zu diirfen, spricht man von einer Ca/ / -Option, beim Verkaufsrecht von einer Pwf-Option. Bei der Kaufoption wird eine Position aufgebaut (long position), bei der Verkaufsoption abgebaut (short position) (der potentielle Verkáufer erhált noch kein Geld und ist noch short of money). Der Optionskáufer wird als Optionsinhaber bezeichnet, der Optionsverkáufer als Stillhalter. Dieser hat die Pflicht, auf Verlangen des Káufers zu verkaufen bzw. zu kaufen, je nach Optionsart. Der Káufer (Inhaber) bezahlt daher in jedem Fall eine Pramie an den Stillhalter. Wenn das Optionsrecht nur zu einem bestimmten Termin ausgenutzt werden kann, spricht man von Europáischer Option, wenn dies innerhalb einer bestimmten Frist móglich ist, von Amerikanischer Option; diese ist gebráuchlicher. Auf Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden. <?page no="382"?> 360 H Risikomanagement ¡m AuGenhandel BEISPIEL (1) Wenn ein Exporteur, der in 3 Monaten in USD bezahlt wird, mit einem sinkenden Dollarkurs (steigenden Eurokurs) rechnet, wiirde er in 3 Monaten weniger Euro erlósen als heute. Folglich bietet sich für ihn ein Devisentermingeschaft (DTG) an. Fallt der Kurs, wie erwartet, freut er sich, denn dann hat sich das DTG gelohnt; steigt der Kurs, profitiert der Exporteur nicht davon - Pech (no risks, no chances). (2) Wenn der Exporteur mit gleichbleibendem Kurs rechnet, sollte er vorsichtigerweise ein DTG abschlieften. Tut er das nicht (sollte er aber), hat er all risks, all chances. (3) Rechnet der Exporteur mit steigendem Dollarkurs, kónnte er wieder nichts unternehmen und auf all risks, all chances setzen, oder aber eine Devisen-put-Option kaufen und sich damit das Recht erwerben, zum Optionstermin seine Dollars etwa zu heutigen Kassakurs zu verkaufen. Steigt der Dollarkurs, freut er sich und láftt die Option verfallen und verkauft seine Dollars zum dann hóheren Kassakurs (vom Erlós muft er die gezahlte Optionsprámie natürlich abziehen). Bleibt der Kurs gleich, hat er die Optionsprámie umsonst bezahlt. Fállt der Kurs entgegen seinen Erwartungen freut sich der Exporteur auch, we'll er sich ja gegen genau diesen Fall mit der Option versichert hat: no risks, all chances. H-4.3.12. Finanzderivate Derívate sind Wertpapiere, dessen Wert aus einem anderen Wert (underlying) angeleitet wird. Derívate beziehen sich immer auf ein zukünftiges Gescháft (Termingescháft) und dabei auf Preise, Kurse, Zinsen oder Indizes. Der urspriingliche Sinn von Derivaten war ihr Versicherungscharakter. Sie haben sich aber heute verselbstándigt: Pro Tag werden Derívate im Wert von ca. 1,6 Billionen USD gehandelt, d. h. in knapp einer Woche mehr, ais für die Finanzierung des gesamten Jahres-Welthandels mit Waren, Dienstleistungen und für Direktinvestitionen erforderlich ware. Selbst wenn jedes reale Gescháft durch ein Finanzderivat abgesichert ware, wáren dies nur 5 % des Derivathandels. Die übrigen 95 % haben vorrangig spekulativen Charakter. Es gibt zwei Grundformen: Forwards und Optionen. Forwards sollten ursprünglich Preise absichern, wie es bei einem Warentermin-Verkauf deutlich wird: Der Verkaufer bspw. sichert sich einen Verkaufspreis für die Zukunft. Bórsengehandelte Forwards nennt man futures, so wie auch beim Devisentermingeschaft. Optionen sind handelbare Rechte, etwas zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (Put-Option), wie oben im Zusammenhang mit Devisenoptionen erláutert. Bórsengehandelte Derívate sind weitgehend standardisiert. AuSerborslich gehandelte Derivate (over the counter - OTC-Gescháfte) sind individuell zwischen zwei Partnern ausgehandelte Gescháfte und daher schwer handelbar. (a) Devisen-Swaps Sprachlich und sachlich verwandt mit Devisentermingescháften sind Devisenswaps (Abb. H-4/ 13). 26 Swaps nicht verwechseln mit dem obigen Swapsaíz, der den Unterschied zwi- 26 Im Sprachgebrauch wird oft synonym von Devisenswaps und Wahrungsswaps gesprochen. Genau genommen ist ein Devisenswap die Kombination eines Kassamit einem Termingescháft, also zu unterschiedlichen Kursen, ein Wahrungsswap hingegen Verkauf und Riickkauf eines Wáhrungsbetrags einheitlich zum heutigen Kassakurs. <?page no="383"?> H - 4 . Wechselkursrísiken (Wáhrungsrisiken) 3 6 1 schen Kassa- und Terminkursen beschreibt bestehen aus je einem Kassa- und einem Termingescháft, die entgegengerichtet sind, also beispielsweise ein Kassakauf und ein Terminverkauf oder Kassaverkauf und Terminkauf. Dadurch entstehen keine offenen Positionen, die Positionen sind geschlossen. Abb. H-4/ 13: Swaps NEUE FINANZINSTRUMENTE / Commercial Papers erobern den deutschen Kapitalmarkt Mit Swaps und Caps sichern sich Firmen gegen Zins- und Wáhrungsrisiken ab Dollar-Devisenoptionen für Privatkunden Commerzbank bietet Produkt zur Absicherung von Wáhrungsrisiken Das Prinzip des Devisenswaps liegt im Tauscb von zwei Kapitalsummen in zwei verschiedenen Wáhrungen auf Zeit (einschliefSlich der damit verbundenen Zinsverpflichtungen), nach deren Ablauf die Swappartner ihre ursprüngliche Wáhrung wieder zurücktauschen, so dai? ihnen kein Wechselkursrisiko entsteht. Beispielsweise benótigt ein deutsches Unternehmen dD 27 fur seine Tochtergesellschaft dj in Japan eine Finanzierung in Yen, würde aber am japanischen Kapitalmarkt nur ungünstige Konditionen (zu hóheren Kreditzinsen) erhalten. Folglich sucht es sich einen japanischen Partner jj, der bessere Konditionen realisieren kann und gleichzeitig eine analoge Finanzierung für seine Tochtergesellschaft jD am deutschen Kapitalmarkt sucht. Das deutsche Mutterunternehmen stellt dem japanischen Tochterunternehmen in Deutschland einen Kredit zur Verfügung; analog finanziert das japanische Mutterunternehmen das deutsche Tochterunternehmen in Japan. Diese Transaktionen berühren nicht den Devisenmarkt; es gibt kein Kurs-, Transfer- oder Konvertierungsrisiko. Diese Konstruktion kann auch eingesetzt werden, wenn bereits transferierte Hartwahrung in einem Weichwáhrungsland (Benesien) blockiert sind und nicht zurücktransferiert werden kann. Dann kann ein Wáhrungsswap mit einem anderen Investor vereinbart werden, der nun logischerweise keine harten Devisen in die «Ma usefalienwáhrung» tauschen will, stattdessen die blockierten benesischen Betráge in Anspruch nimmt und dem Kreditgeber in Deutschland entsprechend Hartwáhrung zur Verfügung stellt. Hin- und Rück<tausch> bedeuten de facto Kauf und Rück-Verkauf; entsprechend werden beide Transaktionen zum Kassakurs zu Beginn der Transaktion abgewickelt; es ergeben sich folglich keine Kursdifferenzen, und die bilanzielle Bewertung vor und nach dem Swap ist daher identisch. Die Nutzungsunterschiede in Form von Zinsdifferenzen werden wáhrend der Laufzeit durch Zahlungen ausgeglichen. Der Swappartner, der wáhrend des Devisenswaps z. B. den niedrigeren Soll-Zins zu entrichten hat, mufi seinem Tauschpartner den Swapsatz zahlen. Im Unterschied dazu werden beim Devisentermingescháft eine Kassa- und eine Termintransaktion gekoppelt, d. h. es erfolgt eine Nutzungsaustausch von zwei Wáhrungen, und der Nutzungsunterschied in Form von Zinsunterschieden drückt sich im Report bzw. Deport aus. International hat sich ein spezieller, aber breiter Swapmarkt herausgebildet. 27 dD = deutsches Unternehmen in Deutschland, jD = japanisches Unternehmen in Deutschland etc. <?page no="384"?> 3 6 2 H Risikomanagement im AuRenhandel Solche Swaps werden auch eingesetzt, wenn der Termin eines DTG verlegt werden mul? , z. B. weil der Exporteur seinem Kunden ein zusátzliches Zahlungsziel einráumt. Bei Fálligkeit des DTG wird der Wáhrungsbetrag in der Kasse gekauft und auf Termin verkauft, so daS das DTG dadurch glattgestellt wird und das Termingescháft bis zum neuen Fálligkeitstermin erhalten wird. Der Swap kann auf der Basis des alten Kurses prolongiert (verlángert) oder zu einem neuen Kurs abgeschlossen werden. Mit Swaps kann man flexibler auf erwartete Kursánderungen reagieren: Wenn ein Exporteur in 12 Monaten einen DoUareingang erwartet und er damit rechnet, dafi der Dollarkurs aufgrund von Zinsánderungen sinken wird, schliefst er vielleicht zunáchst einen 3-Monats-Swap ab. Wenn der Kurs tatsáchlich gesunken ist, nun aber wahrscheinlich wieder steigen wird, schlieSt er einen 9-Monats-Swap an. Im Vergleich mit Termingescháften lassen sich durch Swaps auch eher lángerfristige Transaktionen absichern, fur die es keinen Terminmarkt gibt Das Instrument von Zins-Swaps - Austausch von fixen gegen variable Zinsverpflichtungen hat keine risikobegrenzende, sondern eine Finanzierungsbzw. Kostenminimierungfunktion, weshalb auf eine Darstellung hier verzichtet wird. (b) Range Forward Beim Range Forward wird der feste Terminkurs durch eine Bandbreite ersetzt. Liegt zum vereinbarten Termin z. B. der Devisenkurs aus der Sicht eines Importeurs unterhalb der Bandbreite, deckt er sich am Kassamarkt ein, bei gestiegenem Kurs zahlt er einen giinstigeren Preis als am Kassamarkt. Das Instrument entsteht durch den gleichzeitigen Kauf und Verkauf von zwei Devisenoptionen, deren Prámien sich gegenseitig ausgleichen. H-5. Zinsánderungsrisiko Sehr oft mul? der Exporteur seinem Kunden die Finanzierung für den Import gleich mit anbieten. In seine Kalkulation gehen daher Soil- und Habenzinssátze aus der Sicht des Kalkulationszeitraums ein; zumindest sollten sie das. Auch in Investitionsentscheidungen gehen Zinserwartungeñ ein. Je lánger der Planungsbzw. Kalkulationshorizont ist, desto groSer ist natürlich das Risiko von Zinsánderungen. Man unterscheidet das absolute und das relative Zinsánderungsrisiko. Das absolute Risko besteht in einer ungünstigen Veránderung des zu bezahlenden (Zinsanstieg) oder des erhaltenen Zinssatzes (Zinssenkung) (bei variablen Zinsen). Eine relatives Zinsrisiko ergibt sich bei festen Zinsen, wenn der zu zahlende oder zu erhaltene Zinssatz im Vergleich mit der Zinsentwicklung ungünstig wird; z. B. hat man 7% Sollzins vereinbart, spáter sinkt das Zinsniveau (es werden also die Opportunitátskosten verglichen). Wáhrend man bei Exportgütervertrágen in der Regel von festen Zinssátzen ausgehen kann, sind für Refinanzjerungen auf dem Kapitalmarkt variable Zinsen keine Seltenheit, die sich z. B. an bestimmten international gebráuchlichen Zinsindikatoren wie LIBOR oder EURI- BOR 28 orientieren. Die práferierte Zinsbindung hángt daher von der Einschátzung der Zins- 28 LIBOR = London Inter-Bank Offer Rate: Zinssatz zwischen Londoner Banken; EURIBOR = European Interbank Offered Rate; Geldmarktzinssatz zwischen Banken. Der EURIBOR hat seit 1.1.1999 die nationalen Referenzzinssatze im Eurogebiet wie z. B. FIBOR = Frankfurt Inter-Bank Offer Rate ersetzt. <?page no="385"?> H-5. Zinsánderungsrisiko 363 entwicklung ab. Rechnet man als Kreditgeber mit steigenden Zinsen, wird man variable Zinssátze bevorzugen, andernfalls feste. Der Kreditnehmer denkt natiirlich umgekehrt. Bei Festzinsvereinbarungen sollte man mit dem Kreditinstitut die Móglichkeit von Sondertilgungen, d. h. von friihzeitigen Riickzahlungen aushandeln, um bei fallenden Schuldzinsen eher aus der Zinsbindung herauszukommen. Diese kónnen u. U. durch einen niedriger verzinslichen Kredit finanziert werden. Háufig stimmen Banken auch einer formellen Umschuldung zu. Üblicherweise wird das Zinsánderungsrisiko dem Kreditnehmer iibertragen. Er kann sich gegen steigende Zinsen absichern, indem er mit dem Kreditgeber eine Zinsobergrenze vereinbart (Cap-Vertrag; cap = sinngemáfi: Deckel). Der Káufer eines Caps zahlt an den Verkáufer eine einmalige oder periodische Prámie, wofiir dieser bei Überschreiten eines vereinbarten Hochstzinssatzes die Ausgleichszahlungen iibernimmt. Umgekehrt kann sich ein Kreditgeber gegen sinkende Zinsen absichern, indem er mit dem Kreditnehmer - oder einem Dritten einen Floor-Vertrag abschliefst (floor = Boden). Der Káufer eines Floors erwirbt das Recht auf eine Ausgleichszahlung, wenn der Zinssatz eine bestimmte Zinsuntergrenze unterschreitet. Dafiir zahlt der Káufer eine Prámie. SchlieSlich kann man durch Kombination eines Caps mit einem Floor quasi eine feste Verzinsung erreichen; dies wird Collar (Kragen) genannt. Eine andere Móglichkeit: Durch einen Austauschvertrag kónnen zwei Parteien den gegenseitigen Tausch von Zinszahlungen vereinbaren (Zinsswap). In der Regel werden feste gegen variable Zinsverpflichtungen (oder umgekehrt) getauscht, wobei jeder Partner jeweils die Zinsverpflichtungen des anderen iibernimmt. Oft kann der eine Partner am Markt aufgrund seines Standing bessere Konditionen erreichen und reicht diese dann (gegen eine Prámie) an seinen Swap-Partner weiter. Solche direkten Vertráge sind in der aufienwirtschaftlichen Praxis jedoch selten. Auf den Finanzmárkten sind jedoch Instrumente entwickelt worden, die eine Absicherung gegen die Risiken variabler Verzinsung bieten. BEISPIEL Im Mai erwartet ein Exporteur einen grolSeren Dollarbetrag per November, den er dann in Anleihen anlegen mochte. Er befürchtet jedoch, da6 bis dahin das Zinsniveau sinkt. Daher kauft er heute Treasury Bond Futures mit bestimmter Verzinsung, also per Termin. Bei Zahlungseingang im November kann er die offene Futures-Position durch den Verkauf der Bonds schlieften. Fallen die Zinsen tatsáchlich zwischen Mai und November, steigt der Preis für die hoherverzinslichen Bonds, und der Exporteur macht einen Kursgewinn. Den <Verlust> aus dem gesunkenen Zinsniveau kompensiert er durch den hóheren Anlagebetrag, den er aufgrund des Kursgewinns zur Verfügung hat. Die Vorteile solcher Instrumente erschliefen sich jedoch in der Regel nur von betráchtlichen GróGenordnungen an, so daS sie sich wenig zur Absicherung mittelstándischer Aufáenhandelstransaktionen anbieten. Im hóhervolumigen Investitionsbereich mit langfristigen Finanzierungshorizonten hingegen stellen diese Finanzinnovationen interessante Absicherungen dar. <?page no="386"?> 364 H Risikomanagement im AuRenhandel H-6. Produkthaftung H-6.1. Deutsches Produkthaftungsrecht Das Produkthaftungsrecht regelt die Haftung für Folgescháden an Sachen oder Personen aufgrund der Fehlerhaftigkeit von Produkten. Ein Produkt gilt (nach deutschem Recht) als fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstande berechtigterweise erwartet werden kann. Das Produkthaftungsrecht hat seit Anfang der 60er Jahre grofie Bedeutung gewonnen. Ursprünglich entwickelte es sich aus dem Verbraucherschutzgedanken: Dem Verbraucher sollte die Móglichkeit gegeben werden, ais Geschádigter Schadensersatzanspruche gegeniiber dem Hersteller des fehlerhaften Produkts zu erheben, ohne dafi ein Vertragsverháltnis bestehen muí? . In der Bundesrepublik gilt seit 1.1.1990 das Produkthaftungsgesetz (ProdHG), welches eine 1985 beschlossene EG-Richtlinie in nationales Recht umsetzt. Sie ist allerdings keineswegs deckungsgleich mit Gesetzen, die in anderen EG-Lander erlassen wurden: Die eigentlich beabsichtigte Rechtsharmonisierung innerhalb der EG ist nur teilweise verwirklicht worden. Die nationalen Regelungen sind nach wie vor unterschiedlich, insbesondere im Hinblick auf die Rechtsprechung. Die deutsche Rechtslage bei der Produkthaftung oder práziser: Produzewiewhaftung geht analog zum amerikanischen Recht von der Gefáhrdungshaftung aus und nicht mehr wie friiher von einer Verschuldungshaftung (sog. deliktiscbe Haftung). Dies betrifft insbesondere auch Exporteure und Impórteme. Nach alter Rechtslage mufite dem Hersteller eines Produkts nachgewiesen werden, daS durch sein Verschulden ein Schaden entstanden ist. Im Normalfall wird zwischen Hersteller und Endverbraucher kein Vertragsverháltnis bestehen, aus dem sich Schadenersatzanspriiche bei Sach- oder Personenscháden ableiten liefien, weil der Endverbraucher nicht beim Hersteller, sondern beim Handler bzw. Importeur kauft. Ein Vorgehen gegen den Handler war aber meist wenig aussichtsreich, sofern ihm nicht Vorsatz oder Fahrlássigkeit oder das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft nachgewiesen werden konnte (deliktische Haftung nach § 823 ff. BGB). Nach der jetzigen Rechtslage haftet ein Hersteller für Scháden, die durch einen Fehler seines Produktes entstanden sind, unabhdngig davon, ob er den Schaden vorsátzlich oder fahrlássig verursacht hat. 29 Beispielsweise wurde nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs ein Hersteller von Kindertee zur Verantwortung gezogen, weil er nicht ausreichend darauf aufmerksam gemacht hat, daS sein Produkt bei übermáSigem Genufi Kariesscháden bei Kleinkindern verursachen konnte. Die Haftung erstreckt sich auf Personen- und private Sachscháden, nicht aber auf immaterielle Scháden (Schmerzensgeld) sowie gewerbliche Sachscháden, d. h. die Haftung stellt auf den Endverbraucher ab. Schmerzensgeldansprüche müssen auch nach der neuen Rechtslage nach der verschuldensabhangigen Delikthaftung gemaiS § 823 BGB geltend gemacht werden. Es gibt also zwei von einander unabhángige 29 Es mu6 hier deutlich unterschieden werden zwischen der üblichen Gewáhrleistung, die sich auf Schaden am Produkt bezieht, und der Gewáhrleistung (Schadenersatz) für Scháden, die durch das Produkt verursacht werden. <?page no="387"?> H-6. Produkthaftung 365 Anspruchsgrundlagen. Der Anspruch verjáhrt innerhalb von drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruchsberechtigte von dem Schaden, dem Fehler und von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat oder hátte erlangen müssen, spátestens aber 10 Jahre nach Inverkehrbringen des Produkts. Haftung Neben dem tatsáchlichen Hersteller (incl. Zulieferern) haften nun u. a. auch Quasi-Hersteller, welche fremde Produkte unter eigenem Namen oder eigenem Markenzeichen vertreiben (z. B. bestimmte Kaufhausketten), der Importeur für Güter aus Nicht-EG-Lándern und unter bestimmten Bedingungen auch der Handler (Lieferant), ggf. auch fur Produktteile. Der Geschádigte kann sich dabei seinen Anspruchsgegener aussuchen. Der Haftungsausschlul? des Importeurs fur EG-Importe beruht auf der Annahme, dafs Ansprüche innerhalb der EG am Schadensort eingeklagt und am Sitz des Herstellers durchgesetzt werden kónnen, wáhrend Hersteller im EG-Ausland z. B. bei No-Md/ we-Produkten oft nicht in Anspruch genommen werden kónnen. Diese Importeurshaftung erstreckt sich auch auf Re-Importe, da speziell für den Export vorgesehene Güter oft anderen Standards unterliegen als im Inland. Der Handler haftet im Sinne einer «Auffanghaftung», wenn der Hersteller nicht festgestellt werden kann. Durch Benennung des Herstellers oder von Vorlieferanten innerhalb bestimmter Fristen kann sich der Handler entlasten. Die Produzentenhaftung kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden, insbesondere nicht durch entsprechende Klauseln in den Allgemeinen Gescháftsbedingungen. Nach alter wie neuer Rechtslage muS der Geschádigte nachweisen, daf? das Produkt einen Fehler hat, allerdings nicht (mehr), daS die Fehlerursache im Verantwortungsbereich des Herstellers liegt. Sofern der Hersteller nachweisen kann, dafa der Fehler nicht in seinem Zustándigkeitsbereich, sondern sparer entstanden ist dies kann z. B. durch die Dokumentation der Lieferketten (insbesondere bei Zulieferern) oder entsprechender Qualitáts-, Ein- und Ausgangskontrollen geschehen ist er entlastet; die Beweislast liegt aber bei ihm. Der Hersteller haftet auch nicht für unterschlagene oder gestohlene Güter, ebenso nicht fur Güter, die zu dem Zeitpunkt, als er sie in den Verkehr gebracht hat, zwingenden Rechtsvorschriften entsprachen: Dies kann z. B. auf gesetzlich vorgeschriebene chemische Zusátze bei Lebensmitteln zutreffen, die sich sparer ais schádlich erweisen. SchlieElich haftet er nicht fur Fehler, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht erkennbar waren (sog. Entwicklungsrisiko), hingegen für Konstruktions-, Fabrikations-, Produktbeobachtungsbzw. Überwachungsfehler (unterlassener Rückruf fehlerhafter Produktion) und Instruktionsfehler (Gebrauchsanleitung); letzteres ist insbesondere bei Übersetzungen für auslándische Verbraucher ein wichtiger Aspekt, aber auch hinsichtlich des Verstándnisses technischer Laien (Abb. H-6/ 1). Der Hersteller muí? auch hinreichend auf mógliche Nebenwirkungen hinweisen (Aufklárungshaítung). Kritisch sind daher Zusicherungen in Verkaufsgespráchen oder Werbematerial («absolut unschádlich») oder die vereinfachte Darstellung von Gütern zu Werbezwecken: Riskant ist es beispielsweise, wenn zur besseren Veranschaulichung des Funktionierens einer Maschine in einem Film Sicherheitsvorrichtungen entfernt werden. Die Schadenersatzpflicht für Personenscháden ist begrenzt auf 80 Mio Euro Hóchstbetrag für den einzelnen Schadensfall bzw. die Gesamtschuldsumme bei einem Fehler in einer Serienproduktion. Eine Haftung für Schmerzensgeld besteht nach dem ProdHG nicht; die- <?page no="388"?> 366 H Risikomanagement im AuRenhandel Abb. H-6/ 1: Gebrauchsanweisungen Gebrauchsanweisungen oft vollig unbrauchbar «Druecken die Knopf mit dem Daumen zur Nummer Wendung» • «Wenn das Wetter kalt ist, wird die Puff Unterlage sich langsam puffen. Entrollen die Puff Unterlage liegen auf ihr, dann wird sie von der Wárme Inflation bekommen» (eine taiwanesische Luftmatratze). • «... und druecken die Knopf mit dem Daumen zur Nummer Wendung ... Wenn Sie es vermeiden wollen, dass jemande die Nummer verstohlen blicken, koennen Sie nach dem Oeffnen die Nummer nicht ordnend wenden, dann druecken die knopf und eist es im Schloss» (Anleitung für ein Koffer-Zahlenschloss). • «Wechssin der Brtterie» • «Drücken Sie den Knopf A für 2 Sekunden herunter, wenn Sie dann Knopf b drücken, springen die letzten zwei Digitalsekungen auf ==, oder dürcken Sie Knopf A und lassen dann wieder los, urn die gewiinschte Funktion zu erhalten, dann drücken Sie Knopf B ...» (Radiowecker). • «Der Mitnehmer wird so eingestellt, daft die Ausschnittkanten der Falle im Bereich der Starttaste symmetrisch zum Tastenschieber stehen» (Anleitung für Tonbandgerát). Quelle: Rheinische Post ses mufi ggf. nach BGB eingeklagt werden. Die Hóhe der Sachschadenshaftung ist nicht begrenzt. Allerdings ist bei Sachscháden ein Selbstbehalt des Geschádigten in Hóhe von 560 Euro anzurechnen. Dies bedeutet einen Schutz gegen ungerechtfertigte Anspriiche und gegen Bagatellklagen. Schadensersatz unterhalb der Bagatellgrenze kann aber weiterhin nach § 823 BGB eingeklagt werden. Es ist moglich, vor der Anmeldung von Produkthaftungsansprüchen ein Strafverfahren einzuleiten, wodurch letztlich ohne Kostenrisiko für den Klagenden die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs des Produkthaftungsanspruchs abgeklárt werden kann. Auf Einzelheiten der Verjáhrung von Ansprüchen wird hier verzichtet. Neben dem Produkthaftungsgesetz gelten auch andere gesetzliche Haftungsgrundlagen, wie z. B. das deutsche Arzneimittelgesetz. Absicherungsmoglichkeiten Um sich gegen Schadenersatzansprüche abzusichern, sollte der beschriebene Kreis von potentiellen Haftern dafiir Sorge tragen, dafi die Bezugs- und Lieferketten und der Produktionsablauf genau dokumentiert werden kann. Bei der Güterproduktion ist für den móglichen Nachweis von strengen Qualitatskontrollen zu sorgen. Dies gilt auch für Güter oder Teile von Gütern, die von anderen bezogen werden. Dem Qualitatsmanagement kommt daher auch aus der haftungsrechtlichen Sicht eine zunehmende Bedeutung zu. Dies gilt ins- I <?page no="389"?> H-6. Produkthaftung 367 besondere im Hinblick auf Vorprodukte und andere Zulieferungen. Gebrauchsanweisungen und Anleitungen sollten unmifiverstandlich und nachvollziehbar sein, insbesondere, wenn es sich um Übersetzungen handelt. Dringend zu empfehlen ist auch eine Absicherung durch entsprechende Versicherungen. H-6.2. US-Produkthaftungsrecht Das US-amerikanische Produkthaftungsrecht ist besonders streng, weshalb es hier ais Beispiel fur auslándische Rechtsnormen angefiihrt wird. Allerdings gibt es nicht <das> US-Produkthaftungsrecht, sondern eine Vielzahl teilweise recht unterschiedlicher Varianten, weil es ais Teil des Zivilrechts grundsátzlich in die Kompetenz der Bundesstaaten fallt. Allerdings gibt es einen iibergeordneten, vereinheitlichenden Uniform Commercial Code (UCC). Einige grundsátzliche Aspekte des Produkthaftungsrechts lassen sich aber verallgemeinern, wobei hier nur auf solche eingegangen wird, die iiber die vorangehenden Ausfiihrungen zum deutschen Recht hinausgehen. Zunáchst wird im amerikanischen Recht unterstellt, daí? der Hersteller ausdrücklick oder stillschweigend garantiert, daft die verkauften Produkte fur den «gewóhnlichen Gebraucb» bzw. den «besonderen Zweck» geeignet sind, ausdriicklich {expressed warranty) z. B. durch Produktbeschreibungen, Prospekte, aber auch im Verkaufsgesprach, stillschweigend (implied warranty) u. a. durch den Gebrauchszweck des Gutes oder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen bzw. auch, wenn der Verkáufer weiE, dafi der Káufer auf bestimmte Eigenschaften des Gutes angewiesen ist (z. B. Wasserdichtigkeit einer Taucheruhr) und er nicht klarstellt, dafi diese nicht gegeben sind. Die Haftung des Herstellers (in der oben fur das deutsche Recht ausgefiihrten weiten Interpretation beziiglich Zulieferer, Importeur, Exporteur, Handler) tritt im Sinne der beschriebenen Gefahrdungshaftung bei einem Verstofi gegen diese garantierte Zusicherung ein (breach of warranty), wenn ein Produktfehler ursachlich fur einen Schaden ist, unabhángig z. B. von einer Fahrlássigkeit des Herstellers. Voraussetzung ist, dafi das Produkt den Geschádigten im wesentlichen in dem Zustand erreicht hat, in dem es verkauft wurde. Ais Fehler gelten Fehler aller Art, u. a. Konstruktions-, Fabrikations- und Informationsfehler. Fehler in der Verpackung oder in der Gebrauchsanweisung werden Produktfehlern gleichgestellt. Insgesamt ergeben sich als Anspruchsgrundlagen (a) die gerade ausgefiihrte Zusicherungshaftung (warranty), (b) die Verschuldungshaftung, wenn dem Verkáufer z. B. Fahrlássigkeit anzurechnen ist (negligence), und (c) die strikte Deliktshaftung (strict liability) im Sinne der Gefahrdungshaftung, wenn objektiv ein Schaden verursacht wurde, aber (a) und (b) nicht greifen. Dem Kláger steht es dabei frei, sámtliche Mitglieder der Handelskette, mehrere oder einzelne zu verklagen. Der Produktfehler kann dabei ein Fabrikationsfehler sein (manufacturing defect), ein Konstrukrionsfehler (design defect) oder ein Instruktionsfehler (failure to warn). Ein wichtiges Instrument des amerikanischen Verbraucherschutzes ist die Gruppenklage (class action). Diese wird zugelassen, wenn die Zahl der Geschádigten so groí? ist, daS nicht alie Kláger persónlich auftreten kónnen, die Ansprüche der Kláger auf denselben Rechtsbzw. Tatfragen basieren und wenn gewáhrleistet ist, dal? der stellvertretende Kláger die Interessen der Gruppe angemessen und fair wahrnehmen wird. Hersteller gleichartiger Produkte <?page no="390"?> 368 H Risikomanagement im AuRenhandel (Sorten) konnen im Rahmen einer Marktanteilshaftung (Risikobeitragshaftung) herangezogen werden (z. B. Zigarettenhersteller). Die grundsátzlich klágerfreundliche Haltung der Gerichte hat sich im Zeitablauf etwas abgeschwácht, offenbar auch aufgrund zunehmender Schadenersatzklagen. Andererseits hat sich die durchschnittliche Entschádigungssumme von rd. 500.000 USD im Jahr 1992 auf 1,8 Mio. USD 1999 mehr ais verdreifacht (unten Abb. H-6/ 2). Tendenziell miissen groiSe und finanzstarke Unternehmen mit hóheren Schadenersatzsummen rechnen ais kleinere und schwáchere. In den USA hat jeder Bundesstaat ein eigenes Gerichtssystem. Allgemein aber kennt der amerikanische Zivilprozef? zwei Etappen: Zunáchst erfolgt ein Beweismittelverfahren (pre-trial discovery) und anschliefend das Hauptverfahren. Das Beweismittelverfahren beruht auf der Sammlung von Beweisen auEerhalb des Gerichts und erfolgt fast ohne richterliche Aufsicht (Vernehmung oder schriftlich Befragung von Parteien und Zeugen unter Eid, Einsicht in Dokumente, Fotografieren von Beweismitteln, etc.). Damit kann der Kláger sich oft erst das Material verschaffen, das er zur Geltungsmachung seines Anspruchs iiberhaupt benotigt. Dieses Verfahren kann fur den Beschuldigten sehr kostenintensiv sein, ohne daS eine Móglichkeit auf Kostenerstattung bei erwiesener Unschuld bestünde. Das Hauptverfahren findet anders als in Deutschland bzw. Europa auch bei Zivilprozessen (meist) vor Geschworenengerichten statt, also vor juristischen und meist auch fachlichen Laien. Die Jury entscheidet die Tatfragen, der Richter die Rechtsfragen (unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Vermeidung von Geschworenenverfahren moglich). Auch das Anwaltsystem unterscheidet sich von deutschen Regelungen. Amerikanischen Anwálten ist es gestattet, Werbung zu betreiben und potentielle Klienten selbst anzusprechen. Im Gegensatz zum deutschen System kann der Anwalt auf der Basis von Erfolgshonoraren tátig werden (in Deutschland nach Gebührensátzen auf der Basis des Streitwertes), so daS dem Kláger kein Kostenrisiko entsteht, wohl aber dem Beklagten, weil auch bei abgewiesener Klage jede Partei ihre eigenen Kosten tragen muS und ein Anwalt eines Beklagten kaum auf Erfolgsbasis arbeiten wird. Mancher potentiell Beklagte wird daher unter Kostenaspekten bereit sein, sich auch bei vóllig unbegriindeten und aussichtlosen Anspriichen mit dem klagebereiten Gegner zu vergleichen. Die allermeisten Produkthaftungsprozesse in den USA enden mit einem Vergleich. Die Hohe der Entschddigung unterscheidet sich gleichfalls deutlich von deutschen Standards. Ein materieller Schaden muí? wie in Deutschland konkret nachgewiesen werden (Kosten, Rechnungen, Verdienstausfall etc.). Ein immaterieller Schaden (Schmerzensgeld) Abb. H-6/ 2: Schadenersatz „ P u nitiv e D a m a g e s " sollen a b s c h r e c k e n ProzeB urn GM zeigt transatlantische Unterschiede in Schadenersatz-Fállen E n t s c h á dig u n g s s u m m e n in A m e rik a steigen weiter a n Mehr als 3 Milliarden Dollar Schadenersatz für einen Raucher Es ist die hochste jemals in Amerika individué! ! gewáhrte Summe / Philip Morris geht in die Berufung <?page no="391"?> H-6. Produkthaftung 369 wird nach freiem Ermessen des Gerichts bestimmt und kann betrachtliche Summen ausmachen. Zudem gibt es im amerikanischen Recht den Begriff des «punitive damage», d. h. um einen Schadensersatz mit (empfindlich spiirbarem) Strafcharakter: Diese über den reinen Schadensersatz hinausgehende Strafe ist dabei aber nicht wie in Deutschland an gemeinniitzige oder óffentliche Institutionen zu zahlen, sondern direkt an den Geschádigten (Abb. H-6/ 2). «Straf-»Schadenersatz (z. B. bei Umweltschaden: Tankerungliicke) in Millionenhohe sind gángig. Je bekannter (reicher) das beklagte Unternehmen ist, desto hóher ist tendenziell der Schadensersatz. In einem Fall war GM wegen einer mangelhaften Tankkonstruktion verurteilt worden, den Eltern eines Verunglückten 4,2 Mio. USD Schadenersatz sowie 101 Mio. (! ) USD Bufe zu zahlen. Als Konsequenz solcher Risiken ergeben sich Versicherungskosten, die mit auEeramerikanischen Verhaltnissen nicht zu vergleichen sind; insbesondere die punitive damage ist oft nicht zu besichern oder nur zu prohibitiven Prámien. Viele Unternehmen laufen daher gezielt das Risiko, ganz oder teilweise ohne Versicherungsschutz zu arbeiten (sofern dies gesetzlich zulássig ist) und im Schadensfall ruiniert zu sein. Aus der Sicht deutscher Exporteure ist der US-amerikanische Markt also mit besonderen, betráchtlichen Risiken gespickt. Die Haftungsbestimmungen sind aus nicht-amerikanischer Sicht durchaus ais nicbt-tarifáre Handelshemmnisse zu werten. Manche Unternehmen verzichtet daher grundsátzlich auf eine Bedienung des amerikanischen Marktes. Das Risiko ist damit jedoch nicht eliminiert: Besonders problematisch kann sich der «indirekte Export» durch andere auch Touristen erweisen. Zudem ist der Hersteller dafiir verantwortlich, dafiir Sorge zu tragen, dal? sein Produkt nicht in die Hánde Unbefugter fállt. Insbesondere fur den US-Markt sollte daher auf alie móglichen Gefahrenquellen am Produkt und in den Beschreibungen hingewiesen werden. Die Griindung einer juristisch selbstándigen USTochter kann dazu fiihren, daS eventuelle Klagen gegen diese und nicht gegen die deutsche Muttergesellschaft gerichtet werden. Die Selbstándigkeit muS jedoch auch faktisch erheblich sein, sonst ist u. U. dennoch ein Durchgriff auf die <Mutter> móglich. Bei Unternehmenskaufen ist eine Haftung fiir Vorrisiken durch das iibernehmende Unternehmen zwar begrenzt, aber in sehr vielen Fallen dennoch gegeben. Unternehmensintern kónnen die Durchgriffsmóglichkeiten abgeschwácht werden durch eigene Produktentwicklung bei der Tochter, wobei die amerikanischen Sicherheits- und Qualitatsstandards genau beachtet werden sollten. Die entsprechenden Dokumentationen (incl. Testdokumentationen) miissen detailgenau sein. Dazu gehóren auch Erprobungen durch US-Verbraucher vor der Produkteinfuhrung. In Zuliefervertrágen sollte eine vertragliche Beistandspflicht des Zulieferers im Falle einer Klage verankert werden. Absolute Behauptungen über die Produktsicherheit sollten in der Werbung vermieden werden. Erforderliche Produktriickrufe sollten rechtzeitig, schnell und unbedingt effizient erfolgen. H-6.3. Japanisches Produkthaftungsrecht Das japanische Produkthaftungsgesetz vom 1.7.1995 legt wie international nun fast iiblich eine verschuldensunabhangige Gefahrdungshaftung fest, die sich auch auf den Importeur erstreckt. Dieser wird in der Regel einen vertraglich abgesicherten Ersatzanspruch gegeniiber dem auslándischen Hersteller haben. Die zu vertretenden Fehler sind auch in Japan Fabri- <?page no="392"?> 3 7 0 H Risikomanagement im AuRenhandel kations-, Konstruktions- und Instruktionsfehler. Da sich das japanische Rechtsempfinden jedoch grundsátzlich z. B. vom deutschen oder amerikanischen Prinzip des <Rechthabens> unterscheidet, ist nur mit relativ wenigen gerichtlichen Schadenersatzforderungen zu reclinen. Stattdessen werden Verbraucherbeschwerdestellen und eine auSergerichtliche Streitschlichtung zusammen mit Gruppen-Produkt-Haftpflichtversicherungen eine wichtige Rolle spielen. H-7. Markenpiraterie H-7.1. Problematik Eine eingetragene Marke gewáhrt das Recht, einem Dritten zu verbieten, ein identisches Zeichen fur seine Produkte oder Dienstleistungen zu verwenden. Allgemein versteht man unter Markenpiraterie (synonym: Produktpiraterie; engl. counterfeiting) die detailgetreue Imitation eines Produktes, das unter dem illegal verwendeten Markennamen oder Logo, aber erheblich billiger als das Original angeboten wird. Das Imitieren bezieht sich insbesondere auf den Namen, bestimmte Markenzeichen oder Symbole (Abb. H-7/ 1) sowie auf das Design des Produkts (beispielsweise sind auch bestimmte Gartenzwerge als Marke geschiitzt ...) oder die Verpackung. Die Fálschungen sind meist qualitativ schlechter als das Vorbild, doch gibt es auch Beispiele für Plagíate, die auch von Fachleuten nur schwer vom Original zu unterscheiden sind. Technisch bestehen kaum Probleme für Fálschungen jeder Art; die Móglichkeiten der Nachahmung nehmen sehr viel schneller zu als die Móglichkeiten zu ihrer Verhinderung. Die Produktpalette gefálschter Produkte umfaSt u. a. Textilien, Uhren, Kosmetika, Lederwaren, Autozubehór, Audio- und Videogeráte, Bild- und Tontráger (Cassetten, CDs), Computersoftware, Biiroartikel, Werkzeuge, elektrische und elektronische Gtiter, chemische und pharmazeutische Produkte (Medikamente, Diingemittel), Waschmittel, Zahnpasta, Shampoos, etc. Die EU-Kommission schátzt das Volumen des Piraten-Umsatzes weltweit auf 500 Mrd. Euro pro Jahr; Tendenz steigend, auch für das Wertvolumen beschlagnahmter Fálschungsprodukte. Insgesamt sind mindestens 7-8 % des Welthandels oder 20 % der Umsátze echter Marken dem Handel mit Plagiaten zuzurechnen, aber dabei ist noch eine betráchtliche Dunkelziffer anzunehmen. Produktionszentren der Falsifikate sind nach Angaben der deutschen Zollverwaltung in absteigender Bedeutung insbesondere Polen, Tiirkei, Rutland, Tschechische Republik, Thailand, China, Siidkorea, Indonesien, Hongkong, Pakistan, USA und Taiwan, aber auch Lander in Siidamerika, Afrika (Marokko, Nigeria), und Westeuropa (Italien, Frankreich, GroEbritannien, auch Bundesrepublik [Computersoftware]). Einige Lander versuchen, die Produktpiraterie zu bekámpfen (vgl. unten Abb. H-7/ 3), aber meist mit maSigem Erfolg. Die Verfahren dauern lange; einstweilige Verfügungen sind oft nicht durchsetzbar; die verhángten Strafen sind meist wirtschaftlich bedeutungslos. Es gibt verschiedene Typen von Schutzrecht-Verletztern. Neben Herstellern ohne Verletzungsabsicht gibt es solche, die durch die Ahnlichkeit der verwendeten Zeichen an der Marke eines anderen <schmarotzen>, um Assoziationen zu wecken, ohne es jedoch auf Identitátstáuschung anzulegen (dabei liegt keine konkrete Schutzverletzung vor), sowie solche, die auf <?page no="393"?> H-7. Markenpiraterie 371 Abb. H-7/ 1: Produktpiraterie I Milliardengescháft f ü r P í raten eine gezielte Markenverwechslung abstellen und dem Original zum Verwechseln áhnliche, aber nicht vollig identische Aufmachungen hinsichtlich Markennamen, Designs oder Werbebotschaften verwendet: NTVOLIA statt ÑTVEA (Abb. H-7/ 2), Papsi Cola statt Pepsi Cola, McDouglas statt McDonald, fast gleiche Markenzeichen, etc. Und schlieSlich gibt es vollstándige Imitationen (Kopien) von Markenprodukten. Die hier nur skizzierten Schutzrechte werden unter dem Begriff Gewerblicher Rechtsschutz zusammengefaEt. Dieser umfaEt den Schutz von Marken, Sorten (z. B. Blumen, Saatgut), Patenten, Gebrauchsmustern, Geschmacksmustern, 30 Halbleitern, ferner das Wettbewerbs- 30 Patente beziehen sich auf gróGere technische und naturwissenschaftliché Neuerungen, Gebrauchsmuster schützen <kleinere> Erfindungen, Geschmacksmuster beziehen sich auf ásthetische Aspekte, z. B. beim Produktdesign oder im Modebereich. <?page no="394"?> 3 7 2 H Risikomanagement ¡m AuRenhandel Abb. H-7/ 2: Produktpiraterie II Wirtschaft kampft gegen Produktpiraten Aktionskreis will Detektive einschalten / «Gewerbliche Schutzrechte nutzen» Der Zoll geht gegen die wachsende Produktpiraterie vor Ruf nach starkerer Bekampfung der Produkt- und Markenpiraterie Die Wirtschaft kritisiert staatliche Verfolgungsbehorden / Milliardenschaden durch Nachahmungen recht, das Urheberrecht und den Schutz geographischer Herkunftsbezeichnungen (vgl. zu <made in Germany> Abschnitt K-4). Die Ursachen fur die zunehmende Markenpiraterie sind vor alien in den technisch guten Nachahmungsmoglichkeiten zu sehen. Hinzu kommt ein diffuser Zwischenhandel, aber auch die Hersteller sind schwer zu fassen. SchlieSlich gibt es auch sehr viele Nachfrager, die wissentlich Plagiate kaufen, weil es ihnen um den Hauch von Exklusivitát geht, der sich aus der Sequenz Marke -> Qualitátskennzeichen -> Preis -> erhoffter eigener Status ableitet. Die negativen Konsequenzen von Produktimitationen liegen auf der Hand: • Die in ihren Rechten verletzten Markenhersteller erleiden Umsatzverluste. Dies gilt sowohl unmittelbar als auch mittelbar durch Beeintráchtigung des Marken-Image durch qualitativ minderwetige Plagiate. Die oben zitierten bis zu 500 Mrd. EUR pro Jahr sind wahrscheinlich nicht iibertrieben. • Daraus resultieren negative Bescháftigungseffekte, d. h. verlorene bzw. nicht geschaffene Arbeitsplátze, deren Volumen kaum serios quantifiziert werden kann; allein für Europa sind jedoch Schátzungen iiber 100.000 Arbeitsplátze gángig. • Den staatlichen Haushalten entstehen durch illegale Produktion und illegale Einfuhr erhebliche Steuerausfalle. • Die Verbraucher werden durch minderwertige Produkte ókonomisch geschádigt, sowohl allgemein, indem sie in ihren Preis-Qualitáts-Erwartungen getáuscht werden, als auch konkret, indem z. B. Krankenkassen mit dem Hinweis auf die Existenz billigerer Substitutionsgüter die Erstattung teurer Medikamente verweigern. • Durch qualitativ unzureichende Imitate bestehen konkrete physische und gesundheitliche Gefahren: Medikamente sind teilweise wirkungslos oder sogar gesundheitsgefáhrdend; Auto- oder Flugzeugersatzteile wie z. B. Bremsen oder Benzinpumpen versagen; medizinische Geráte arbeiten aufgrund nachgemachter Komponenten fehlerhaft, etc. <?page no="395"?> H-7. Markenpiraterie 373 Der Anreiz fiir die Attraktivitat der Produktpiraterie ist jedoch plausibel: Sie stellt in vielen Lándern eine relativ einfache, aber dringend benótigte Arbeitsbeschaffungsmóglichkeit dar, und sie ist (bislang) sowohl schwer aufzukláren ais auch zu verhindern. Die moralische Rechtfertigung dafiir leitet sich insbesondere aus dem Vorwurf ab, dai? die Industrielánder den aufstrebenden Entwicklungslandern den Zugang zu dem entsprechenden technischen und geistigen Know-how verweigern: Somit scheint die ¡llégale Aneignung des geistigen Eigentums der einzige Weg zu sein, dieser Behinderung zu begegnen. Hinzu kommt, dafs auch in den betroffenen Importmarkten entsprechende Interessen angesiedelt sind: Viele ¡llégale Nachahmungen sind Auftragsproduktion von Importeuren in Industrielandern. Damit scheint es legitim zu sein, iiberteuerte Produkte durch billigere Substitute zu ersetzen. Dies gilt fiir fast alie Importlánder, und nicht zuletzt in Osteuropa besteht eine sehr groSe, unkritische Nachfrage nach westlichen Markenprodukten. Imitationen werden in zunehmendem Maf»e nicht nur im informellen Sektor, sondern auch in regularen Gescháften angeboten. Der Begriff «Original Copy of... (Markenname)» ist fast zu einem Markenzeichen auf den grauen Markten geworden. Etwas zynischer: «It's a trick and not a Sony». H-7.2. Zollamtliche Schutzmoglichkeiten Mitte 1990 ist das deutsche «Gesetz zur Starkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekámpfung der Produktpiraterie» (Produktpirateriegesetz, PrPG) in Kraft getreten. Es gewáhrt dem in seinen Rechten verletzten Hersteller einen erzwingbaren Anspruch auf Auskunft iiber die Herkunft der Plagiate, also über Hintermánner, Bezugsquellen, Handler, Vertriebswege und Importeure. In Übereinstimmung mit iibergeordneten EG-Recht (ProduktpiraterieVO von 1994) ermoglicht das PrPG auch die Beschlagnahme und ggf. Vemichtung gefálschter Produkte oder Kennzeichnungsmittel (Etiketten, Prospekte etc.) (Abb. H-7/ 3). Art. 58 ZK (Zollkodex) verbietet die Überführung nachgeahmter Ware in den zollrechtlich freien Verkehr. Eine Beschlagnahme der Ware setzt einen kostenpflichtigen - Antrag des Inhabers des Schutzrechts voraus (meist zwischen 100 und 200 EUR). Zustándig ist zentral fiir Deutschland die OFD Niirnberg, AuSenstelle München. Allerdings miissen die Zollstellen bei offensichtlichen Fálschungen auch von Amis wegen vorláufig eingreifen und von sich aus eine Beschlagnahme vornehmen. Eine positive Entscheidung bezüglich des Antrags hat zwei Jahre Bestand; der Antrag kann aber beliebig oft wiederholt werden. Im Falle der Beschlagnahme kann der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung bezüglich der MaSnahme verlangen. Die festgehaltene Ware wird dann von der Zollstelle in Verwahrung genommen bzw. einem Lagerhalter zur Verwahrung iibergeben, ggf. auch dem Einfiihrer bei gleichzeitigem Verfiigungsverbot. Die Widerspruchsfrist betrágt 2 Wochen. Dauerhaft eingezogene Waren werden meist entschadigungslos vernichtet; eine Wiederausfuhr oder ein Verkauf irgendwelcher Art ist nicht zulássig, auch nicht nach Entfemen der Fálschungsmerkmale. Zur Absicherung von Schadenersatzanspriichen aufgrund ungerechtfertigter Beschlagnahme muS der Antragsteller Sicherheit leisten, i.d.R. durch eine (unbefristete, selbstschuldnerische) Bankbiirgschaft. Fiir den nicht-kommerziellen Reiseverkehr hingegen besteht eine Ausnahme, indem die Zollverwaltungen von Bagatellmai? nahmen im sog. «Ameisenhandel» befreit werden, allerdings nur bis zu einem Wajenwert (Kaufpreis im Drittland) von 100 EUR. <?page no="396"?> 374 H Risikomanagement ¡m AuGenhandel Abb. H-7/ 3: Produktpiraterie ^J^/ J^jsrmh ^^^¿ir^rt"* 1 Quelle: (c)dpa/ AFP A3077 In China Todesstrafe fiir Produktpiraten In Kairo blüht der Handel mit Raubkopien K Die ágyptische Regierung soil hárter gegen Produktfalscher vorgehen / Neues Patentgesétz «Die Türkei bekámpft entschlossen Produktfalscher» <?page no="397"?> H-7. Markenpiraterie 375 Bei unrichtigen geographischen Herkunftsbezeichnungen (<Made in Germany>) erfolgt die Beschlagnahme von Amts wegen. Von solchen <echten> geographischen Hinweisen sind andere, nicht schutzwiirdige abzugrenzen, wie z. B. Wiener Schnitzel oder Frankfurter Wiirstchen, weil es sich dabei um Warenbezeichnungen und nicht um Herkunftsangaben handelt, anders ais z. B. Champagner oder Cognac. PRAXISTIP Antráge auf Grenzbeschlagnahme sollten sorgfaltig vorbereitet werden. Es ¡st sinnvoll, sich unter www.grenzbeschlagnahme.de mit Merkblattern zur Vorgehensweise vertraut zu machen. Anfragen kann auch die OFD Nürnberg, Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz in München, beantworten. H-7.3. Parallel-lmporte und Erschópfung Waren diirfen unter einem eingetragenen Markenzeichen nicht in die EU importiert werden, wenn es der Markeninhaber nicht zulafit, und zwar unabhangig davon, ob es sich um legal im Ausland produzierte Waren handelt (beispielsweise von Tochterunternehmen des Markenunternehmens in einem Billiglohnland) oder um illegale Markenpiraterie. Eine Ware darf nur dann frei in der EU zirkulieren, wenn sie rechtmafsig mit Zustimmung des Markeninhabers importiert worden ist. Die Zollverwaltung muS nun legitime von illegitimer Ware unterscheiden und ist auf die informative Unterstiitzung der Markeninhaber angewiesen. Bei legal produzierten und nun in die EU re-importieren Waren besteht ein klarer Interessenkonflikt zwischen der Markenindustrie und Handelsunternehmen: Die kiinstliche Marktspaltung schránkt die Móglichkeit des Re-Imports legal produzierter Produkte und somit auch den Preiswettbewerb ein, weil Importeure Waren, die sie auEerhalb der EU billiger einkaufen kónnen, nicht in die EU verbringen diirfen: Nach der derzeitigen Rechtslage gelten Original-Markenartikel, die fur den Markt auEerhalb der EU hergestellt sind und nun wieder eingefiihrt werden (Parallelimporte), als Falschungen, weil der Markeninhaber nicht nur die Marke selbst, sondern auch den Vertriebsweg schiitzen lassen kann. Markenrechte erlóschen nur nach einer Erstvermarktung im europáischen Markt («Europáische Erschópfung»), nicht aber auf dem internationalen Markt (keine <internationale Erschopfung>). PRAXISTIP EG-lmporteure von EG-Markenwaren sollten rechtzeitig mit dem Zollamt, ggf. auch mit dem Markeninhaber Kontakt aufnehmen und die Rechtslage kláren. H-7.4. Rechtliche Rahmenbedingungen des Markenrechts Die erste einheitliche Regelung des Markenrechts in Deutschland brachte das Reichsgesetz iiber den Markenschutz vom 30.11.1874. Die formalrechtliche Absicherung des Markenschutzes ist seitdem und insbesondere in der jiingeren Vergangenheit deutlich verbessert worden. Auf internationaler Ebene bemiiht sich die World Intellectual Propperty Organization (WIPO) in Genf um eine Fortentwicklung des noch aus dem vorigen Jahrhunderts stammenden Madrider Abkommens zum Scbutz des geistigen Eigentums. Seit 1995 gilt in Deutschland das «Gesetz iiber den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Mar- <?page no="398"?> 376 H Risikomanagement im Auftenhandel kenG)». Das Markengesetz ersetzt das Warenzeichengesetz (WZG), auch begrifflich, denn start von <Warenzeichen> wird nunmehr von <Marke> gesprochen. Marken sollen Produkte von Konkurrenzprodukten abgrenzen und die Identitat eines Produktes gegen Verwechslungen absichern. Als Marke kónnen alie Zeichen geschiitzt werden, d. h. Wórter, Namen, Buchstaben, Zahlen, Abbildungen, akustische Zeichen (Hórzeichen), dreidimensionale Zeichen, die Form der Ware oder Verpackung, Aufmachungen, Farben und Farbzusammenstellungen. Der Markenschutz erstreckt sich auch auf die Nutzung durch Waren und Dienstleistungen in ganz anderen Bereichen, um der Gefahr der «Rufausbeutung» und der «Verwásserung» entgegenzuwirken. Der Markenschutz ist nicht von einem Gescháftsbetrieb abhángig, sondern jede rechtsfáhige Person kann Markeninhaber werden. Unabhángig davon werden Marken durch gewohnheitsrechtliche Verkehrsgeltung unter Herstellern, Hándlern und Verbrauchem geschiitzt. Eine weitere Markenart sind sog. notorisch bekannte Marken, wie z. B. Coca Cola, Porsche oder Marlborough, die weltweit bekannt sind und auch dann in einem Land geschiitzt sind, wenn sie dort weder eingetragen noch wegen geringer Verbreitung aufgrund der Verkehrsgeltung geschiitzt ist. Marken kónnen in Deutschland in der sog. Zeichenrolle eingetragen werden, die beim Patentamt in München geführt wird. Die Schutzdauer betrágt grundsátzlich 10 Jahre. VerstóEe gegen den Schutz des geistigen Eigentums werden insbesondere aufgrund des PrPG von Geld- und Freiheitstrafen bedroht. Im Hinblick auf die damit verbundenen Beschránkungen des Aufienwirtschaftsverkehrs knüpfen diese Vorschriften an die allgemeinen Beschránkungsmóglichkeiten nach §6 AWG an («Abwehr schádigender Einwirkungen aus fremden Wirtschaftsgebieten»). Seit dem 1.1.1996 kónnen Anmeldungen für die Europáische Gemeinschaftsmarke eingereicht werden. Damit kann parallel zum nationalen Markenrecht der Markenschutz für alie Mitgliedsstaaten der EU erlangt werden. Die zustándige europáische Stelle ist das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt in Alicante/ Spanien (www.oami.eu.int). Die Anmeldung kann jedoch auch über das Benelux-Markenamt oder die zustándigen Behórden für den gewerblichen Rechtsschutz in den Mitgliedsstaaten erfolgen (in Deutschland beim Deutschen Patentamt in München). H-7.5. Schutzmoglichkeiten der Wirtschaft Das Problem der Markenpiraterie liegt jedoch in erster Linie nicht in der rechtlichen Fundierung, sondern in der Anwendung und Durcbsetzung der Normen. Zum einen werden fernóstliche Produktpiraten sich kaum von den Sanktionsandrohungen deutscher oder europáischer Gesetze beeindrucken lassen, weil diese in ihrem Land kaum durchzusetzen sind. Zum anderen sind die EG-Aul? engrenzen hinsichtlich ihrer Kontrollintensitát doch recht unterschiedlich, so da£ Produktpiraten wahrscheinlich nicht unbedingt über die relativ strikt kontrollierten deutschen Zollgrenzen in die EG vorzustoSen versuchen werden. Die abnehmende Kontrollintensitát seitens der Zollbehórden - Verzicht auf Beschau, Vereinfachungen bei den Zollanmeldeverfahren verlagert den Akzent in der Praxis daher auch auf EigenmaiSnahmen der Wirtschaft. Umso wichtiger ist der Aspekt, wie sich Unternehmen gegen Produktpiraterie schützen kónnen. Im Hinblick auf unternehmensinterne MalSnahmen ist es zunáchst von Bedeutung, die zu schützenden Rechte registrieren zu lassen. Hinzu kommen MaSnahmen zur Geheimhaltung zu schützender Verfahren, fálschungssichere <?page no="399"?> H - 8 . Seeráuber und Piraten ein aktuelles Problem im Seehandel 3 7 7 Kennzeichnung der Produkte (z. B. durch Holographie-Logos) und die Pflege von Datensammlungen im <Falschungsmarkt>, auch im Austausch mit anderen Unternehmen. Bei Gescháftskontakten und insbesondere Vertrágen sollten Geheimhaltungspflichten beziiglich Know how Vereinbart werden. Untemehmensextem steht vor allem die Marktbeobachtung im Vordergrund, wobei sich Marktbeobachtung, Testkáufe, der Einsatz spezieller auslándischer Detektive, Agenten und verdeckter Ermittler, Gegenanzeigen in Zeitungen und auch hier die Kooperation mit anderen Unternehmen als sinnvoll erwiesen haben. Im konkreten Verletzungsfall sollten zivilrechtliche und strafrechtliche Schritte strikt verfolgt werden. Einige Staaten, die als Brutstátten der Markenpiraterie gelten, unterstützen mittlerweile durch strenge Mafinahmen die Bekámpfung des Fálschungsgewerbes. Zur Unterstützung der Zollbehórden sollten diesen ggf. Vergleichsmuster und anderes Anschauungsmaterial zur Verfügung gestellt werden. Zweckmáfig ist auch die Benennung eines Ansprechpartners im Unternehmen, an den sich die Zollbeamten fur Rücksprachen wenden kónnen. Kleine und mittelstándische Unternehmen (KMU), deren Móglichkeiten der Tatsachenermittlung und Schadensvermeidung bzw. -begrenzung und der Rechtsverfolgung begrenzt sind, haben einen besonders schweren Stand. Die ICC hat mit dem Counterfeiting Intelligence Bureau (CIB) in London eine auf Markenpiraterie spezialisierte Institution geschaffen. Das CIB stellt auch Nachforschungen im Auftrag an, aktiviert die brtlichen Uberwachungs- und Strafverfolgungsbehórden und informiert allgemein iiber neue Erkenntnisse in der Produktpiraterie. H-8. Seeráuber und Piraten ein aktuelles Problem im Seehandel Piraten mit Augenklappe und Totenkopfflagge das scheint nur ein Thema für Abenteuerfilme zu sein. Tatsáchlich aber ist Piraterie ein sehr aktuelles Problem im Seehandel, auch wenn man davon nur wenig merkt. Dies liegt in erster Linie daran, daS viele Piratenakte nicht als solche registriert werden, und wenn doch, nicht verfolgt werden. Nach Angaben der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris nehmen vor allem im südchinesischen und malaisischen Meer die Falle von Seepiraterie betráchtlich zu (Abb. H-8/ 1). Nach der Hochseekonvention der Vereinten Nationen (1958) und der Internationalen Seerechtskonvention (1982) versteht man unter Piraterie das «Entern eines Schiffes zu privaten Zwecken, und zwar unter Einbeziehung von Gewalt, dem illegalen Zuriickhalten von Menschen und Abb. H - 8 / 1 : Seepiraterie I Zunahme der Piraterie alarmiert Schiffahrt Weltweit 120 Überialle und Entftihrungen / Von Tankern bis Container! ) / Reeder schweigen Moderne Piraterie auf den Weltmeeren Mehr als 400 Seeleute als Geiseln / Somalia: Nomaden werden Seeráuber <?page no="400"?> 378 H Risikomanagement im AuGenhandel Besitz oder dem Diebstahl oder Zerstórung von Gütern.» Das klingt juristisch trocken und prázise, versteckt aber das Problem ganz wesentlich: Diese Konventionen gelten nur auf Hoher See; diese umfaftt rund zwei Drittel der Erdoberfláche. Dort ist jedoch kein Staat in irgendeiner Weise fur den Schutz der Seefahrt und fur die Verfolgung von Verbrechen oder Vergehen zustándig die Hohe See ist ein rechts- und gesetzesfreier Raum. Zwischen Abgangs- und Bestimmungshafen unterliegt ein Schiff aufterhalb von Hoheitsgewassern keinerlei Kontrolle - oder Schutz. Wenn ein Flugzeug entfiihrt wird, herrscht international helle Aufregung. Ein gekapertes Schiff kummert praktisch niemanden. Wer ist zustándig für ein Schiff unter der Flagge von Honduras mit pakistanischer Besatzung und griechischen Offizieren, einer Ladung Rohól aus Kuweit, unter einer britischen Versicherung, das einem niederlándischen Eigner gehórt und in der chinesischen See aufterhalb der philippinischen Hoheitsgewásser gekapert, móglicherweise versenkt wird? Für Gewásser innerhalb der territorialen Grenzen, die in manchen Fallen bis zu Hunderten von Kilometern vom Ufer entfernt sein kónnen, gilt nationales Recht. Dieses erfaftt Piratenakte oft unter anderen Verbrechenskategorien wie zum Beispiel Mord, Vergewaltigung, Raub oder Diebstahl. Auch Plünderungen, die von Polizei-, Zoll- oder Kriegsschiffen durchgefiihrt werden, gelten nicht als Piraterie. Insbesondere chinesische und indonesische Beamte sind berüchtigt für solche Übergriffe. Über 80% der tatsachlichen Überfálle werden daher nicht als Piraterie erfaftt. Hinzu kommt eine sehr hohe Dunkelziffer von überhaupt nicht registrierten Angriffen: Viele Falle werden nicht gemeldet, weil die erforderlichen Formalitaten Zeitverlust bedeuten, und Liegezeiten im Hafen kónnen pro Tag leicht 25.000 USD kosten (Abb. H-8/ 2). Last not least ist festzuhalten, daft Überfálle auf private Jachten, Fischerboote und Fluftboote so gut wie gar nicht beachtet werden. Man muft von Tausenden solcher Attacken pro Jahr ausgehen. Abb. H-8/ 2: Seepiraterie II Lieber Lósegeld fui* die Piraten ais lástige Fragen der Polizei rfálle vor dem Horn von Afrika werden auch deshalb immer gefáhrlicher, weil die Schiff seigner sie nicht melden m^ Das International Maritime Bureau der ICC in London hat 1992 in Kuala Lumpur/ Malaysia das erste weltweite Piracy-Reporting-Zentrum gegriindet, um der zunehmenden Zahl von auch gewalttátigen - Fallen von Seepiraterie entgegenzuwirken. Das Zentrum sendet Funkwarnungen aus, registriert verdáchtige Vorfálle und arbeitet mit den Ermittlungsbehorden zusammen. Pro Jahr werden durchschnittlich nur rund 150 Falle von Seepiraterie offiziell gemeldet; das 1MB weift von mindestens der vierfachen Zahl, aber die Dunkelziffer nichtregistrierter Überfálle ist enorm. Die Gewásser mit der gróftten Wahrscheinlichkeit eines Piratenüberfalls sind die Regionen in Südostasien, und zwar die Meerenge von Malacca zwischen Malaysia und Indonesien, der Phillips-Kanal südóstlich der Malacca-Meerenge und die Meerenge von Singapur. Diese sind die am háufigsten befahrenen Wasserwege der Welt. Gefáhrlich ist auch das «Piraten-Dreieck» zwischen Hongkong, Hainan (China) und Luzon (Philippinen) im Südchinesischen Meer. Hochgradig betroffen sind auch die Küstenstriche und Háfen Westafrikas (Abb. H-8/ 3), und in Südamerika vor _ <?page no="401"?> H-8. Seerauber und Piraten ein aktuelles Problem im Seehandel 379 Brasilien (vor allem Santos), Kolumbien und Venezuela. Bewaffnete Uberfalle fanden vor Somalia und anderen ostafrikanischen Hafen, im sudlichen Roten Meer, im Golf von Bengalen und vor Siidindien statt. In Westafrika und Sudamerika konzentrieren sich die Uberfalle mehr auf vor Anker liegende Schiffe, wahrend in Siidostasien die Uberfalle im allgemeinen auf fahrende Schiffe ausgeiibt werden. Aber auch europaische Gewasser sind vor Piraten nicht sicher: Uberfalle geschehen auch in turkischen, italienischen und griechischen Gewassern. Abb. H-8/ 3: Seepiraterie III D e u t s c h e s S c h i f f v o n P i r a t e n g e e n t e r t Uberfall vor Nigeria In der internationalen Seefahrt bleiben viele Verbrechen und Betriigereien ungesuhnt keine Polizeibehorde fiihlt sich zustandig fiir die Bekampf ung von Piraterie und Mord auf See. In vielen Fallen rauben die Piraten die Crew und das Schiff aus und gehen dann wieder von Bord. Das geschieht entweder, wenn die Schiffe vor Anker liegen oder sich auf Hoher See befinden. Die Piraten benutzen meist kleine Hochgeschwindigkeitsboote und verschaffen sich Zugang durch Enterhaken und Taue. Sie sind hauptsachlich aus auf Bargeld aus dem Safe des Kapitans und auf Uhren, Fernglaser, tragbare Radios und Kameras. Der durchschnittliche Verlust durch diese Art von Uberfallen ist nicht hoch (ca. $ 7000); es handelt sich dabei praktisch urn eine Art von Einbruchdiebstahl und spontanem Raub auf hoher See. In anderen Fallen wird jedoch die Fracht eines Schiffes gestohlen, wobei die Crew solange eingesperrt wird, bis die Ladung auf ein anderes Schiff verladen ist. Hier kann sich der Verlust auf mehrere Millionen Dollar belaufen. Nicht selten wird die gestohlene Fracht dem Eigner bzw. seiner Versicherung zum Riickkauf angeboten. In zunehmendem MafSe entfuhren die Piraten auch das gesamte Schiff und lassen es in einem fremden Hafen unter anderer Flagge, anderem Namen und Anstrich neu registrieren. Gefalschte Fracht- oder Eignerpapiere zu bekommen ist kein Problem: Nicht die Qualitat der Falschung ist entscheidend, sondern die Motivation derjenigen, welche die Papiere priifen. Viele geraubte Schiffe pendeln danach jahrelang im Piratendienst. Sie werden auch gerne als Embargobrecher eingesetzt, weil niemand zu belangen ist. Es ist dabei oft sehr schwierig, fur ein wiederentdecktes Schiff die Freigabe durch die zustandigen Behorden zu erreichen; die Schiffe liegen haufig monatelang fest. In einigen Fallen wurden zudem die beraubten Eigner noch wegen illegaler Anlandung belangt. Oft verschwinden Schiff und Besatzung spurlos. Gangig ist auch, Versicherungsfalle zu konstruieren, bei denen angeblich wertvoile Fracht mit dem Schiff untergegangen ist. Man schatzt, daf? 98% dieser Betrugsfalle mit Milliardenschaden straffrei bleiben. Die Piraten beziehen ihr Wissen meist aus gutunterrichteten Quellen. Viele Angriffe sind systematisch vorausgeplant und gut organisiert; viele Piraterien erfolgen auf Bestellung, nachdem der Auftraggeber sich im Hafen ein Schiff ausgesucht hat. Oft sind groSe Banden beteiligt, ausgeriistet mit schweren Waffen, Gewehren, Macheten, Schwertem oder Feuerbomben, die hauptsachlich bei Uberfallen auf Tanker benutzt werden. Bei den nicht selte- <?page no="402"?> 3 8 0 H Risikomanagement im AuGenhandel nen gewaltsamen Attacken sind viele Menschen schwer verletzt oder ermordet worden; in vielen Fallen wurde die Besatzung auf hoher See iiber Bord geworfen; die Zahl der ermordeten Seeleute ist ungewiS; das Maritime Bureau geht von hundert Todesopfern pro Jahr aus. Der Schutz der Handelsschiffe durch die zustandigen Behorden ist absolut unzureichend, u.a. auch aus geographischen Griinden. Innerhalb des indonesischen Archipels beispielsweise konnen die Piraten zwischen unzahligen Inseln operieren und sich dort vor dem Radar der Patrouillenboote verstecken. Obwohl die indonesische Marine zahlenmafiig grofi ist, kann sie das riesige Gebiet, das sie zu bewachen hat, nicht hinreichend abdecken. Der Handel zwischen den Inseln und das Fischen wird von vielen kleinen Booten betrieben, von denen jedes ein verkapptes Piratenschiff sein konnte. Obwohl die indonesische Marine fur intensives Patrouillieren geschaffen wurde, ist sie uberfordert und kann ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Nur in einem Fall hat die indische Marine weit aufierhalb ihrer Hoheitsgewasser ein gekapertes Schiff aufgebracht und die Piraten verhaftet, um sie allerdings bald wieder freilassen zu mussen, weil die Drahtzieher im Hintergrund erfahrene Anwalte einschalten. Eine Schwierigkeit, die sich fur Handelsschiffe ergibt, ist die Tatsache, dafi die Piraten ihre Schiffe oft als Patrouillenboote der Regierung tarnen und sich mit nachgemachten Marineuniformen ausriisten. Das Handelsschiff hat entweder die Moglichkeit zu stoppen und die «Beamten» an Bord zu lassen oder die Einwilligung zur Besichtigung durch die Polizei zu verweigern und damit eine Geldstrafe zu riskieren. Daher werden die als Kiistenwache verkleideten Piraten meist an Bord gelassen. Nicht selten arbeiten Behorden mit den Piraten zusammen. Die Geschichte der Piraterie zeigt, daE Piraten, wenn sie iiber einen langeren Zeitraum operieren, lokale Behorden bestochen haben oder von ihnen sogar aktiv unterstiitzt wurden. Korrupte Beamte geben Hinweise oder decken die Piraten und erhalten dafiir im Gegenzug eine Bezahlung. Die Kiistenwache ist oft «zufallig» gerade nicht da. Die Regierung Hongkongs behauptete unlangst, dafi von rund 100 Fallen von Piraterie fast 50% von der chinesischen Polizei, den Zollbehorden oder der chinesischen Marine ausgefiihrt wurden. Von den chinesischen Behorden in Haft genommene Piraten werden iiblicherweise in kurzer Zeit ohne Anklage wieder auf freien FuS gesetzt und nach Hause geschickt, vermutlich auch gegen saftige Schmiergelder. Meist sind es sowieso nur Handlanger; die eigentlichen Drahtzieher werden so gut wie nie belangt. Das Interesse an der Aufklarung von Piratenakten ist oft sehr gering, sowohl seitens des zustandigen Landes als auch seitens der Staates, in dem das betroffene Schiff beheimatet ist. Zum einen sind die verursachten Schaden meist vergleichsweise gering, zum anderen stehen offenbar auch kommerzielle und diplomatische Interessen entgegen. In zahlreichen Fallen wurden angegriffene Schiffe von den zustandigen Behorden festgehalten und die regularen Crews ohne rechtlichen Beistand tagelang verhort. Sie mufiten Protokolle in Landessprache (z. B. Indonesisch oder Chinesisch) ohne Ubersetzung unterzeichnen. Oft werden die Schiffe erst nach Wochen wieder freigegeben. Bei vielen Uberfallen von Piraten kann der Kapitan oder ein Mitglied der Besatzung noch einen Hilferuf absenden. Die Kiistenwache und Marinepatrouillen reagieren aber auf solche Hilferufe meist nicht, weder am selben noch am nachsten Tag. Dies liegt daran, daS Pirate- <?page no="403"?> H - 8 . Seerauber und Piraten ein aktuelles Problem im Seehandel 3 8 1 rie sich aus der Sicht des Kustenstaates meistens gegen ein Schiff richtet, das unter fremder Flagge fahrt, in auslandischem Besitz ist und eine Crew fremder Nationalist hat. Die meisten Regierungen schenken Straftaten auf See aufierhalb ihres Hoheitsgebietes nicht viel Beachtung. Hinzu kommt, daE zur Untersuchung des Falls separat durchgefuhrte Ermittlungen koordiniert und diplomatische Feinheiten beachtet werden miissen, um weitere Komplikationen zu vermeiden. Gekaperte Schiffe konnen leicht zu einer Gefahrdung der Umwelt werden. In zahlreichen Fallen wurden die Navigationsinstrumente durch Piraten zerstort und die Besatzung eingeschlossen, so dafi Briicke und Maschinenraum unbemannt waren, nachdem die Piraten das Schiff verlassen hatten. Das weiterfahrende Schiff hatte auf Grund laufen oder mit einem anderen Schiff kollidieren konnen, was die Verschmutzung des Meeres oder auch den Verlust von Menschenleben bedeutet hatte. Einige Reedereien meiden Piraterie-trachtige Regionen vollig und leiten ihre Schiffe gegebenenfalls um. Eine materielle Absicherung gegen Verluste oder Schaden durch Piraterie kann durch eine Versicherungspolice gesucht werden. Das Piraterierisiko kann Bestandteil der gewohnlichen Seeschiffahrts-Versicherungspolicen {^marine cover») sein. Die Standardklauseln des Marktfuhrers Institute of London Underwriters behandeln dieses Risiko genauso wie Verluste, die durch Naturkrafte oder allgemeines seemannisches MiSgeschick (Kollisionen, Strandung) verursacht werden. Eine andere Moglichkeit sind Kriegsrisiko-Versicherungen, welche Schiffs- und Frachteigner abschliefien, um die vielen Risiken, die von der gewohnlichen «marine cover* ausgeschlossen sind, abzudecken. Es gibt jedoch keinen einheitlichen Versicherungsmarkt fur Piraterierisiken. <?page no="404"?> J Auftenhandelspolitik und Auftenhandelsrecht AuEenhandelspolitik - oder kiirzer: Handelspolitik ist in umfassendem Sinne zu verstehen: Hierzu zahlen neben den unmittelbar handelsbezogenen Regelungen und direkt handelswirksamen Mafinahmen (z. B. ZoUtarife, Handelsabkommen etc.) auch alle anderen Aspekte, die indirekt mit dem AuSenhandel verkniipfte sind (Technologietransfer, Steuerpolitik etc.). Faktisch gehoren zur Handelspolitik alle Rahmenbedingungen und Mafinahmen, deren Zweck es ist, den AufSenhandel zu beeinflussen. Umgekehrt werden handelspolitische MaSnahmen auch fur Zwecke eingesetzt, die nicht direkt im AuSenhandelsbereich liegen, etwa aus auSenpolitischen (Integrationsabkommen, Embargos), entwicklungspolitischen (Zollpaferenzen) oder umweltpolitischen Griinden. Selten wird dies so deutlich ausgedriickt wie im Zollgesetz der Republik Moldau: «In der Republik Moldau wird eine Zollpolitik verwirklicht, die Bestandteil der Innen- und Aufienpolitik des Staates ist.» AuEenhandelspolitik dient dabei der Verfolgung konkreter, durchaus egoistischer nationaler Wirtscbaftsziele. Dazu zahlen insbesondere die Bekampfung von Arbeitslosigkeit und die Sicherstellung der Versorgung der Bevolkerung mit Waren und Dienstleistungen. Auf der Exportseite sollen aufsenhandelspolitische Mafsnahmen der eigenen Wirtschaft das Exportieren erleichtern, auf der Importseite den Wettbewerbsdruck seitens auslandischer Konkurrenten abschwachen oder ganzlich kompensieren. In diesem Zusammenhang spricht man auch abschwachend von «strategischem Handel». Dabei ist die Abgrenzung zu «Industriepolitik» fliefend. AuSenhandelspolitik konkretisiert sich in den Bestimmungen des AulSenhandelsrechts. Dieser Begriff wird hier als Oberbegriff fur alle rechtlichen Regelungen verstanden, die den grenzuberschreitenden Handel mit Waren, Dienstleistungen und den internationalen Kapitalverkehr betreffen; man kann dabei auch von Aufienwirtschaftsrecht i.w.S. sprechen. Mit Aufienwirtschaftsrecht i.e.S. sind die Bestimmungen gemeint, welche regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen oder Einschrankungen Giiter ein- oder ausgefuhrt werden diirfen. Zum Aufienwirtschaftsrecht im weit(est)en Sinn) sind alle anderen Rechtsgebiete zu zahlen, die den grenzuberschreitenden Handel und andere Transaktionen betreffen, z. B. Produkthaftungsrecht (vor allem problematisch beim Export), internationales Kaufrecht, Wettbewerbsrecht (Fusionen! ), Marken- und Warenzeichenschutz, Produkthaftungsrecht, internationales Privatrecht (Zivilrecht), internationale Schiedsgerichtsbarkeit usw. Wir werden im folgenden nicht etwa die deutsche oder europaische Handelspolitik analysieren, weil wir damit von der betriebswirtschaftlichen Perspektive dieses Buches abweichen wurden. Vielmehr wird in den nachsten Abschnitten die verfahrensrechtlichen Regelungen dargestellt, die sich aus der politisch fundierten Handelspolitik ableiten. Dennoch werden bei der Abwicklung von Export- und Importgeschaften an der einen oder anderen Stelle die handelspolitischen Beziige deutlich werden. <?page no="405"?> J - 1 . Zweck von Ein- und Ausfuhrformalitaten 383 J-1. Zweck von Ein- und Ausfuhrformalitaten Grundsatzlich ist der Waren-, Dienstleistungs-, Kapital-, Zahlungs- und sonstige Wirtschaftsverkehr frei (§ 1 AWG - Aufienwirtschaftsgesetz). Dies steht in Einklang mit dem supra nationalen Handels- und Wirtschaftsrecht der Europaischen Gemeinschaft und dem internationalen Handels- und Wirtschaftsrecht, das sich vor allem im Vertrag iiber die Welthandelsorganisation (WTO: World Trade Organization) mit Sitz in Genf niederschlagt. Dennoch gibt es zahlreiche Verfahrensvorschriften, die auch Beschrankungen des AuEenwirtschaftsverkehrs umfassen in Form von Handlungspflichten, Genehmigungsvorschriften oder Verboten. Ihr Sinn erstreckt sich vor allem auf • den Schutz der inlandischen Wirtschaft vor Wettbewerbsverzerrungen durch <unfaire> Importe (Dumping, Markenpiraterie), • die Einhaltung nicht-okonomisch motivierter Schutzbestimmungen beim Import und Export, insbesondere zum Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen, • auf die Kontrolle von Exportbeschrdnkungen, Stichwort: Riistungsexporte. • Zudem miissen fiir viele Importe sog. Einfuhrabgaben in Form von Zollen oder Steuern entrichtet werden. Die Kontrolle dieser Vorschriften setzt eine Uberwachung des grenziiberschreitenden Warenverkehrs bei der Einfuhr und der Ausfuhr voraus, und zwar auf seeks Rechtsgebieten, die unterschiedlichen Zwecken dienen (Abb. J-l/ 1): • Au/ Senwirtschaftsrechtlich wird gepriift, ob und ggf. unter welchen Bedingungen eine Warenein- oder -ausfuhr zuldssig ist, insbesondere im Hinblick auf Waffen und Kriegsgerat und unter dem Aspekt von Handelsembargos gegeniiber einzelnen Staaten. • Die Frage nach dem <ob> wird erganzt durch die erwahnten zahlreichen Verbote und Beschdnkungen (V.u.B.), u.a. im Hinblick auf Rauschgift, Artenschutz oder das Tierseuchengesetz. Es gibt eine Vielzahl nicht-okonomisch motivierter V.u.B. fur Warenein- oder -ausfuhr. • Zollrechtlich wird bei zulassiger Einfuhr gepriift, ob ggf. Zblle zu erheben sind und ob verfahrenstechnische Formalitaten bei Einfuhr oder Ausfuhr zu beachten sind. Abb. J-1/ 1: Abfertigungsebenen Auftenwirtschaftsrecht Verbote und Beschrankungen (V.u.B.) Zoilrecht Steuerrecht (Marktordnungsrecht) Melderecht <?page no="406"?> 3 8 4 J AuRenhandelspolitik und Auflenhandelsrecht • Dies geht Hand in Hand mit der steuerrecbtlicken Prufung, ob Einfuhrsteuern zu erheben sind (Einfuhrumsatzsteuer [EUSt], ggf. Verbrauchsteuern wie z. B. Mineralol-, Tabak- oder Branntweinsteuer) bzw. bei der Ausfuhr, ob Anspruch auf Steuerbefreiung bzw. -erstattung besteht. • Marktordnungsrecbtlich wird bei Agrarwaren gepriift, ob bei der Einfuhr Agrarabgaben («Agrarzolle») zu erheben sind, die den Unterschied zwischen EU-Preis und Weltmarktpreis abschopfen, oder umgekehrt dem Exporteur Ausfuhrerstattungen gezahlt werden mussen. • Melderechtlich wird gepriift, ob auf den Formularen die vorgeschriebenen statistischen Angaben gemacht werden, die u. a. fur die Aufienhandelsstatistik und die Zahlungsbilanz benotigt werden. Auch der Zahlungsverkehr (auch der private! ) unterliegt bestimmten Meldepflichten. Durch die Verwirklichung des Binnenmarkts am 1.1.1993 Im Europaischen Binnenmarkt gelten in der Europaischen Union die «vier Freiheiten»: • Freiheit des Warenverkehrs, • Freiheit des Dienstleistungsverkehrs, • Freiheit des Personenverkehrs, • Freiheit des Kapitalverkehrs. Dadurch sind die warenbezogenen Grenzkontrollen im innergemeinschaftlichen Warenverkehr vollstandig weggefallen (von Stichproben in konkreten Verdachtsfallen - Rauschgift, Steuerschmuggel abgesehen). 1 Ein Warentransport von Stuttgart nach Madrid erfolgt nun genauso einfach wie nach Hamburg; auf Warentransaktionen innerhalb des Binnenmarkts werden weder Zolle noch Agrarabgaben erhoben. Um aber einem MilSverstandnis vorzubeugen: Die iibrigen der oben angefuhrten Rechtsgebiete - Aufienwirtschaftsrecht, Verbote und Beschrankungen, Steuerrecht, Melderecht gelten nach wie vor auch innerhalb des Binnenmarkts und erfordern auch im Binnenhandel entsprechende Formalitaten. Insbesondere die auSenwirtschaftsrechtlichen Beschrankungen im Export werden oft mifiachtet (vgl. Abschnitt L-6 zur Exportkontrolle). Die Freiheit des Warenverkehrs im Binnenmarkt ist nur eine zollrechtliche Freiheit. Um eine steuerliche Gleichbelastung von auslandischen Waren im Hinblick auf die inlandische Mehrwertsteuer (MWSt) zu erreichen, unterliegen Waren aus anderen EU-Staaten der Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb («Erwerbsteuer»). Auf Importe aus Landern auSerhalb der EU wird die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) erhoben. Die Steuerbelastung ist dabei jeweils identisch. Das Erwerbsteuerverfahren ist recht kompliziert und bedeutet in der Praxis erheblichen Verwaltungsaufwand fiir die Unternehmen. Analog werden auslandische Waren mit den denselben Verbrauchsteuern belastet wie inlandische Warenkaufe (z. B. Mineralol-, Branntwein-, Kaffee-, Tabaksteuer), wahrend umgekehrt die Waren bei der Ausfuhr aus Deutschland von deutschen Steuern befreit sind. Sie unterliegen dann den entsprechenden Steuern im Einfuhrland (vgl. Abschnitt J-6). Durch den Wegfall der Kontrollen an den Binnengrenzen wird es natiirlich aber schwieriger, die gerade angefuhrten Aspekte zu iiberwachen. Viele dieser Kontrollen haben sich dadurch 1 Die Uberwachung des grenziiberschreitenden Warenverkehrs obliegt der Zollverwaltung, die des Personenverkehrs grundsatzlich dem Bundesgrenzschutz. <?page no="407"?> J - 1 . Zweck von Ein- und Ausfuhrformalitaten 385 in die Unternehmen verlagert, wo sie im Rahmen von Betriebsprtifungen erfolgen. Ein Unternehmer hat es mit Blick auf die latent drohenden finanziellen und rechtlichen Sanktionen einmal sehr griffig so gesagt: «Es gibt im AuSenwirtschaftsverkehr dicke Dornenhecken an den Grenzen, an denen man sich ratschen kann.» PRAXISTIP Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Geschaften, bei denen der Besteller Ware auf elektronischem Wege ordert, die ihm meist postwendend durch private Kuriere oder Paketdienste ausgeliefert werden, ist hervorzuheben, daft viele Einfuhr- und Ausfuhrvorschriften auch fur diese Transaktionen gelten, insbesondere in steuerlicher, zollrechtlicher und auftenwirtschaftsrechtlicher Hinsicht, und grundsatzlich auch innerhalb der EU. Dies nicht oft berucksichtigt, beispielsweise wenn dringende Ersatzteile versandt werden. Die konkrete Ubenvachung und Kontrolle der auEenwirtschaftlichen Bestimmungen erfolgt in Deutschland in erster Linie durch die Zollverwaltung (Abb. J-l/ 2). In der Regel werden die obigen sechs Rechtsgebiete im Warenhandel mit Nicbt-EU-Ldndem (Umgangssprache: Drittldndem) sowohl bei der Einfuhrals auch bei der Ausfuhrabfertigung in einem Arbeitsgang berucksichtigt. Man kann sich wohl vorstellen, welche Fiille von Gesetzen und Bestimmungen die Zollbeamten grundsatzlich im Kopf haben miissen. Daher kann es schon mal vorkommen, daS eine konkrete Frage bei der Einfuhr oder Ausfuhr nicht sofort geklart werden kann. Insgesamt besteht ein klarer Zielkonflikt zwischen dem nicht nur staatlichen - Bestreben auf der einen Seite, die geltenden Schutzvorschriften moglichst liickenlos zu iiberwachen, und auf der anderen der Erwartung der Wirtschaft zu entsprechen, dafi der Warenverkehr moglichst unbehindert und ziigig ablaufen kann. Der Versuch einer umfassenden physischen Kontrolle und Beschau der Warenstrome mit Drittlandern wiirde den grenziiberschreitenden Verkehr sofort zusammenbrechen lassen. Folglich miissen sich die Uberwachungsbehorden in erster Linie auf die juristische «Vermutung» stutzen, daS die Angaben der Importeure und Exporteure korrekt sind, so daS weitestgehend nur eine papierbzw. buchmaSige Ubenvachung der Ein- und Ausfuhren erfolgt. Nur in sehr begrenztem Umfang konnen physische Warenkontrollen durchgefiihrt werden, die sich auf Stichproben und • meist auf oft recht oberflachliche Untersuchungen beschranken miissen. PRAXISTIP Die verschiedenen oben skizzierten Rechtsgebiete unterliegen standigen Veranderungen. Es ist schwer, den Vorschriftenwust nach aktuellen Neuerungen zu durchforsten. Literatur in traditioneller Buchform mulS genau wie dieses Buch schon allein wegen der Zeit fur die Drucklegung und nach Erscheinen mit gewissen Aktualitatsdefiziten leben. Eine ausgezeichnete Informationsquelle fur aktuelle auRenwirtschafts-, zoll- und steuerrechtliche Fragen ist die monatlich erscheinende Zeitschrift «Au(Senwirtschaftliche Praxis - AW-Prax», Verlag Bundesanzeiger, Koln, und Ueberreuter, Wien. <?page no="408"?> 3 8 6 J AulSenhandelspolitik und Auftenhandelsrecht Abb. J - 1 / 2 : V.u.B. Quelle: BZ der BFV Miinster J-2. Rechtsebenen: Nationales, supranationales und internationales Recht Das fur die AuSenwirtschaft relevante Recht stellt sich als eine nicht leicht zu durchschauende Verzahnung von nationalem, internationalem und supranationalem Recht dar. Angesichts der grofien Anderungsfreudigkeit beziiglich der Bestimmungen im AuGenwirtschaftsbereich ist es ausgesprochen schwierig, einen aktuellen Informationsstand zu wahren. Abb. J-2/ 1 verdeutlicht diese Komplexitat. J-2.1. Supranationales Recht Supranationales Recht ist solches Recht, das dem nationalen Recht iibergeordnet ist, indem es nationales Recht <bricht>: Nationale Rechtsnormen, die dem supranationalen Recht ent- <?page no="409"?> 1-2. Rechtsebenen: Nationales, supranationales und internationales Recht 387 Abb. J-2/ 1: Auftenwirtschaftsrecht Aufienwirtschaftsrecht i.w.S. besteht aus den Ebener * nternationales Recht i * s upranationaies Kecnt. * nationales Recht betrifft Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Zahlungsverkehr srstreckt sich auf Aufcenwirtschaftsrecht i.e.S. Verbote und Beschrankungen (V.u.B.) (aus nicht-wirtsch. Criinden) Steuerrecht statistische Meldepflichten Zollrecht i.w.S. - Zolltarifrecht - Praferenzrecht - Zollwertrecht - Zollagerrecht - Versandrecht etc. Marktordnungsrecht E U -Wettbewerbsrecht Produkthaftungsrecht Markenzeichenrecht intemat. Kaufrecht intemat. Privatrecht internat. Schiedsrecht etc. gegenstehen, sind dadurch automatisch nichtig. Da6 <die> in Briissel Regelungen treffen konnen, die fiir Deutschland wie fur die anderen Mitgliedsstaaten verbindlich sind, ohne dai? z. B. das deutsche Parlament befragt worden ist, oder daft der UN-Sicherheitsrat deutschen Unternehmen den Handel mit bestimmte Landern untersagen kann, liegt an Art. 23 und 24 GG, nach denen Souveranitatsrechte auf supranationale Organisationen bzw. Institutionen <?page no="410"?> 3 8 8 J Auftenhandelspolitik und AuBenhandelsrecht iibertragen werden konnen. Zum supranationalen Recht zahlen das Allgemeine Volkerrecht und das Recht der Europaischen Union {Gemeinschaftsrecht). J-2.1.1. Allgemeines Volkerrecht Das Volkerrecht unterteilt sich in die allgemeinen Regeln des Allgemeinen Volkerrechts und die speziellen Regelungen des Volkervertragsrechts («internationales Recht»; letzteres wird in Abschnitt J-2.3 behandelt. Das allgemeine Volkerrecht bildet die oberste Rechtsebene des supranationalen Rechts. Es umfaSt die allgemeinen Regeln («principes generaux») fur die Beziehungen zwischen den Staaten und den Institutionen der internationalen Staatengemeinschaft. Dabei handelt es sich im wesentlichen um ungeschriebenes Volkergewohnheitsrecht (im Gegensatz zum formalisierten Volkervertragsrecht). In einigen Bereichen ist das Volkergewohnheitsrecht formalisiert worden, z. B. im Statut des Internationalen Gerichtshofes (IGH) in Den Haag, in der UN-Seerechtskonvention oder in der Wiener Vertragskonvention. Beim Volkergewohnheitsrecht steht ein gleichmafsig praktiziertes Verhalten von Staaten im Mittelpunkt, die in ihrem Handeln eine bestimmte Rechtsauffassung erkennen lassen, d. h. sie handeln in dem BewuStsein, rechtmaSig zu handeln. Fur die AuEenwirtschaft wichtige Regelungsbereich sind u. a. die Stellung der Staaten als Rechtssubjekte (beispielsweise die Moglichkeit, als Staat zu klagen oder verklagt zu werden), die Regelung der Hoheitsbereiche, die Rechte und Pflichten der Staaten untereinander (beispielsweise die Verpflichtung, geschlossene Vertrage einzuhalten («pacta sunt servanda*: Wiener Vertragskonvention), das Prinzip der Ratifizierung internationaler Abkommen, das Recht auf Hochseefischerei, das Recht der freien Durchfahrt von Handelsschiffen (Beschlagnahmung bedeutet Bruch des Volkerrechts), die «Rechtlosigkeit» der Hohen See (vgl. Abschnitt H-8), das Recht der Kiistenstaaten am Festlandsockel 2 , die Immunitat von diplomatischen Vertretungen, Ersatzpflichten fur volkerrechtliche Delikte, die allgemeinen Regeln der internationalen Gerichts- und Schiedsgerichtsbarkeit, etc. Die allgemeinen Regeln des Volkerrechts sind gemaS Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrecbts, «(...) gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar fur die Bewohner des Bundesgebietes.» Sie miissen also nicht transformiert werden in nationales Recht (vgl. unten), sondern es erfolgt eine automatische Transformation (Abb. J-2/ 2) Dies bezieht sich allerdings nicht auf internationale Vertrage wie z. B. Handelsabkommen oder den WTO-Vertrag: Regelungen des Volkervertragsrechts miissen auf die nationale Rechtsebene transformiert werden; vgl. dazu Abschnitt J-2.3. Nach Art. 100 Abs. 2 GG muG im Zweifelsfall das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob eine Regel des -allgemeinen Volkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist und ob sie folglich unmittelbare Rechten und Pflichten fur den einzelnen erzeugt. Nach Art. 23 und 24 GG konnen Hoheitsrechte auf supranationale Organe iibertragen werden. In der Praxis sind diese Normen in zweierlei Hinsicht relevant: Zum einen sind Hoheitsrechte auf die Organe der Europaischen Gemeinschaft iibertragen worden (vgl. an- 2 Geologisch endet der Festlandsockel bei ca. 130-200 m Tiefe; dann folgt der «Hangknick» hin zum steileren Kontinentalabfall. Nach der UN-Seerechtskonferenz (1973-1981) endet der Festlandssockel nach 200 sm. Der Festlandssockel ist nicht Teil des Hoheitsgebiets, sondern volkerrechtlich Hohe See. Die Kiistenstaaten haben jedoch das Recht der ausschliefilichen Nutzung des Festlandssockels. <?page no="411"?> J-2. Rechtsebenen: Nationales, supranationales und internationales Recht 389 Abb. J-2/ 2: Verzahnung der Rechtsebenen Allgemeines Volkerrecht D e n E G - R i c h tli n i e n muB L e b e n e i n g e h a u c h t w e r d e n Internationales Recht Art. 25 GG Primares GR Art. 59 GG Supranationales Recht Gemeinschaftsrecht UN-Recht Sekundares GR RL, VO, E Art. 249 EGV Art. 23, 24 GG Art. 24 GG Art. 70-82 GG y Nationale Wirtschaft schlieSend Abschnitt J-2.2). Im Dezember 1992 wurde der Art. 23 inhaltlich neu in das Grundgesetz aufgenommen (er tritt an die Stelle einer durch die Wiedervereinigung tiberholten Vorschrift). Er besagt, dafi die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der (politischen) Europaischen Union mitwirkt. Die dazu ggf. erforderliche Ubertragung von Hoheitsrechten durch den Bund kann das ist neu nur durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates erfolgen. Bundestag und Bundesrat wirken in Angelegenheiten der Europaischen Union mit. Zum anderen hat der UN-Sicherheitsrat, der nur aus einigen UN-Mitgliedern besteht, nach Art. 24 GG hoheitsrechtliche Kompetenzen, indem er gestiitzt auf Artikel 39-51 der UN- Charta z. B. wirtschaftliche und militarische Sanktionen gegen Staaten verhangen kann, die eine Bedrohung fur den Weltfrieden darstellen (konkrete Beispiele: Irak 1990, Lybien 1992, Serbien/ Montenegro 1992). Derartige Beschliisse sind fur alle Mitgliedstaaten nach Art. 25 der UN-Charta verbindlich, mtissen aber dessenungeachtet in nationale Mal? nahmen bzw. Rechtsnormen umgesetzt werden, insbesondere, um sie mit nationalen Sanktionsmoglichkeiten bei Zuwiderhandlungen zu verkniipfen, denn im supranationalen Recht gibt es keine Sanktionsmoglichkeiten gegen Personen. Das Grundgesetz ist insgesamt recht volkerrechtsfreundlich orientiert; u. a. unterwirft sich die Bundesrepublik gemaS Art 24 Abs. 3 GG zur Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten der intemationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Diese ist im intemationalen Bereich institutionalisiert durch den Intemationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. Der IGH ist formal ein Organ der UNO, urteilt jedoch nicht im Namen der Vereinten Nationen. Er hat 15 Mit- <?page no="412"?> 390 J AuRenhandelspolitik und AuGenhandelsrecht glieder verschiedener Staatsangehorigkeit, die von der UN-Vollversammlung und dem UN- Sicherheitsrat in getrennten Wahlgangen fiir jeweils neun Jahre bestimmt werden. Alle drei Jahre wird ein Drittel der Richter neu gewahlt. Faktisch allerdings besteht ein regionaler Proporz, indem vier Richter aus Westeuropa kommen, zwei aus Osteuropa, einer aus den USA, zwei aus Sudamerika und je drei aus Afrika und Asien. Der Gerichtsbarkeit des IGH unterstehen nur Staaten (keine Individuen), die sich dazu freiwillig bereit erklart haben, so wie die Bundesrepublik in Art. 24 GG. Der IGH wurde z. B. 1992 von Lybien mit dem seitens des UN-Sicherheitsrates verhangten Embargo gegen das Land befaftt, oder 1986 wegen der Verminung von Hafen in Nicaragua durch die USA. Eine etwaige Verurteilung eines Staates durch den IGH hat jedoch praktisch keine Konsequenzen, abgesehen von moralischem Druck und dem Echo in der Presse. Insbesondere ziehen sich beklagte Staaten oft hinter die Behauptung zuriick, daft der IGH keine Kompetenz zur Entscheidung bei politischen Differenzen habe. Individuen konnen gegen Volkerrechtsverletzungen vor dem Europaischen Menschenrechtsgerichtshof in Straftburg klagen. J-2.1.2. Gemeinschaftsrecht Das Recht der Europaischen Union (Gemeinschaftsrecht) ist eine besondere Ebene, die weder dem nationalen Recht noch dem Volkerrecht zuzuordnen ist. Die Europaische Union hat als zwischenstaatliche Einrichtung nach dem Volkerrecht dieselben Rechte und Pflichten wie einzelne Staaten, so daft sie auch verbindliches Recht setzen kann/ Dieses gilt sowohl fiir die europaischen Organe als auch fur die Mitgliedstaaten, die nationalen Behorden, die nationalen Gerichte und die einzelnen Burger und beruht, wie erwahnt, auf Art. 24 GG. Damit ist das Gemeinschaftsrecht insgesamt dem nationalen Recht iibergeordnet (supranationales Recht): Gemeinschaftsrecht <bricht> nationales Recht. Sofern sich nationales und supranationales Recht im konkreten Fall widersprechen, ist das supranationale Gemeinschaftsrecht anzuwenden; das nationale Recht tritt dann zuriick. Grundsatzlich sind drei Falle zu unterscheiden (vgl. Abb. J-2/ 3): • Fall (a) kennzeichnet den gerade angesprochenen Tatbestand, daft nationales Recht durch Schaffung supranationalen Gemeinschaftsrechts (meist sekundaren Gemeinschaftsrechts) <iiberflussig> (obsolet) geworden ist. Anstelle des nationalen Rechts regelt nun Gemein- Abb. J-2/ 3: Gemeinschaftsrecht und nationales Recht Gemeinschaftsrecht nationales Recht nationale Wirtschaft B rii s s e l w ill b e i d e n G a r t e n g r i l l e r n kii n fti g fiir m e h r S i c h e r h e i t s o r g e n <?page no="413"?> J-2. Rechtsebenen: Nationales, supranationales und internationales Recht 391 schaftsrecht den betreffenden Tatbestand (z. B. im Bereich des Zollrechts i.e.S.; vgl. Abschnitt K). • Fall (b) zeigt den Fall, da(? es auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts (noch) keine Regelung fiir bestimmte Tatbestande gibt (z. B. im Bereich der Verbrauchsteuern). Dann gilt nach wie vor nationales Recht. • Fall (c) tritt dann ein, wenn es zwar supranationale Regelungen gibt, aber aus rechtstechnischen Griinden parallel dazu nationales Recht <benotigt> wird, urn beispielsweise Tatbestande aus dem AuEenwirtschaftsrecht mit Strafsanktionen bedrohen zu konnen. Ein Verstof? gegen ein Exportembargo gegen Serbien beispielsweise kann nach UN-Recht gar nicht sanktioniert werden, nach EG-Recht lediglich mit einer GeldbufSe belegt werden und bedarf fur eine strafrechtliche Wiirdigung (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren! ) einer nationalen Rechtsnorm: Das supranationale EG-Recht kennt keine Strafbestimmungen, weil der EU im primaren Gemeinschaftsrecht keine strafrechtlichen Kompetenzen iibertragen wurden. Daher sind nur ordnungsrechtliche Sanktionen (BufSgelder) moglich. EXKURS: HeiBt es nun EG oder EU? Hierbesteht betrachtliche Unsicherheit, weil vielfach angenommen wird, die EU habe die EG abgelost. Das ist nicht der Fall. Die ursprunglich getrennten drei Europaischen Gemeinschaften (EWG, Euratom und Montanunion) wurden schon 1965 im sog. Fusionsvertrag als Europaische Gemeinschaft (EG) zusammengefaftt. Die Organe - Rat, Kommission, Parlament, Rechnungshof sind nach wie vor EG-Organe. Die EG besteht nach wie vor und h a t im Gegensatz zur EU eine eigene Rechtspersonlichkeit, so daft internationale Vertrage nicht von der EU, sondern der EG unterzeichnet werden. In Ursprungsnachweisen (Abschnitt K-3.3.7) wird daher auch nach wie vor «Europaische Gemeinschaft* ausgewiesen. Der Begriff Europaische Union wurde im Vertrag uber die Europaische Union (EUV, synonym: Vertrag von Maastricht vom 7.2.1992, in Kraft seit 1.11.1993) verankert. Der Maastricht-Vertrag reformierte auch den bisherigen Vertrag uber die Europaische Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) zum Vertrag uber die Grundungder Europaischen Gemeinschaft (EGV). Der EUV geht uber den EGV hinaus, indem neben der okonomischen und monetaren Integration eine politische Integration beschlossen wurde, die auf den drei <Saulen> EG-Vertrag (EGV, dem fruheren EWG-Vertrag), gemeinsame AuRen- und Sicherheitspolitik (GASP) und Zusammenarbeit in der Innen- und Justizpolitik steht. Die Bestimmungen des EWGV wurden in weiten Bereichen in den EGV ubernommen, jedoch in einigen Aspekten den Maastrichter Beschlussen entsprechend modifiziert und erganzt. Mit der Reform des Maastricht-Vertrages durch den Vertrag von Amsterdam (1997) hat sich unter anderem auch die Numerierung der Artikel des EGV gegenuber dem EWGV nachhaltig verandert. Eine verwandte Problematik ergibt sich, ob es nun WTO oder GATT heilSt: Der (revidierte) GATT-Vertrag ist eine Komponente des heutigen WTO-Abkommens. Ein Staat, welcher der WTO beitritt, ubernimmt damit <im Paket> alle unter dem Dach der WTO integrierten Handels- und sonstigen Abkommen, einschlieftlich des GATT. Vgl. unten Abschnitt J-3. <?page no="414"?> 3 9 2 J AuRenhandelspolitik und Aufienhandelsrecht Rechdiche KontroUinstanz fur das Gemeinschaftsrecht ist der Europaische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, der mit seiner Rechtsprechung gleichfalls supranationales Recht setzt. Der EuGH hat 13 Richter sowie 6 Generalanwalte, die von den Mitgliedstaaten fur jeweils drei Jahre ernannt und in der Regel wiedergewahlt werden. Das Gericht tagt teils in Vollsitzungen, teils in Kammern mit drei bzw. sechs Richtern. Seit 1989 gibt es zur Entlastung des Gerichts eine 1. Instanz beim EuGH mit weiteren 12 Richtern, die u. a. fiir Wettbewerbsfragen und fur Individualklagen gegen ein EU-Organ zustandig ist. Nach Art. 133 EGV liegt die rechtliche Normierung der auSenwirtschaftlichen Beziehungen in der alleinigen Kompetenz der EG. Die Umsetzung, d. h. Durchfiihrung des Gemeinschaftsrechts im Sinne der Verwaltungskompetenz obliegt hingegen grundsatzlich den Mitgliedstaaten und ihren Behorden (Ausnahmen bestehen u. a. im Bereich des Wettbewerbsrechts). Da die nationalen Durchfuhrungsvorschriften jedoch sehr unterschiedlich sind, konnen sich betrachtliche Abweichungen ergeben. In vielen Fallen erlaSt die EG aber auch Verfahrensregeln, insbesondere im Zollrecht, das seit 1.1.94 durch den EG-Zollkodex auch im Verfahrensbereich harmonisiert ist. Die Durchfuhrungsverordnung zum Zollkodex umfafit rund 1000 Artikel... J-2.1.1.1. Primares Gemeinschaftsrecht Auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts ist zu unterscheiden zwischen primdrem und sekunddrem Gemeinschaftsrecht; manche sehen in den Entscheidurtgen der EG-Organe sogar tertidres Gemeinschaftsrecht (vgl. unten). Das primare Gemeinschaftsrecht umfaSt die Griindungs- und Erweiterungsvertrage der Europaischen Gemeinschaften, also den Vertrag iiber die Griindung der Europaischen Gemeinschaft fiir Kohle und Stahl (EGKS) vom 18.4.1951 (sog. Montanunions-Vertrag oder Pariser Vertrag), den Vertrag zur Griindung der Europaischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) vom 25.3.1957 und den Vertrag zur Griindung der Europaischen Atomgemeinschaft (EAG oder EURATOM), ebenfalls vom 25.3.57. Der EWG- und der EURATOM-Vertrag werden nach ihrem Unterzeichnungsort auch als Romische Vertrage bezeichnet. Zum primaren Gemeinschaftsrecht zahlen auch die Griindungs- und Zusatzprotokolle und -abkommen, die spateren Erganzungsvertrage wie z. B. die Einheitliche Europaische Akte von 1986, der Vertrag von Maastricht (Vertrag iiber die Europaische Union, «Unionsvertrag», EUV) von 1992 und seine Reform durch den Vertrag von Amsterdam von 1997 (Vertrag zur Griindung der Europaischen Gemeinschaft, EGV) sowie die Beitrittsvertrdge mit neuen Mitgliedern, insbesondere im Hinblick auf die Osterweiterung mit Mittel- und Osteuopaischen Landern (MOEL). Das primare Gemeinschaftsrecht gilt entweder ohne weitere nationale Umsetzung unmittelbar fur den einzelnen Burger (z. B. die Regelungen des EG-Wettbewerbsrechtes) oder verpflichtet die Organe der Gemeinschaft zum Handeln bzw. die nationalen Gesetzgeber zur Umsetzung in nationales Recht. J-2.1.1.2. Sekundares Gemeinschaftsrecht Als sekundares Gemeinschaftsrecht bezeichnet man die Rechtsnormen, die sich aus dem primaren Gemeinschaftsrecht ableiten, z. B. das Zollrecht. Gemafi Art. 249 EGV gibt es dabei drei Formen: Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen. Sie konnen vom Euro- <?page no="415"?> J-2. Rechtsebenen: Nationales, supranationales und intemationales Recht 393 paischen Rat (Ministerrat) (Ratsrecht) oder von der Kommission (Europaische Kommission oder Kommission der Europaischen Gemeinschaft: KEG) beschlossen werden. Auf die Rolle des Europaischen Parlaments kann hier nicht eingegangen werden. Sofern sie sich auf Aspekte der Europaischen Wirtschaftsunion beziehen, werden sie als <EG>-Verordnungen oder -Richdinien bezeichnet, sofern sie andere Rechtsmaterien regeln i.d.R. als <EU>-Verordnungen oder -Richdinien. Wir werden im folgenden daher zumeist von EG-Recht sprechen. (1) Richtlinie Im Unterschied zur Verordnung (siehe unten), die in jedem Mitgliedstaat fur alle Individuen, Unternehmen, Institutionen und den Staat gilt (vollverbindliche Norm), ist eine EG-Richtlinie fiir jeden Mitgliedstaat hinsichriich des zu erreichenden Zieles verbindlich; sie bindet nur den Staat. Wie dieses Ziel aber erreicht werden soil, bleibt den einzelnen Staaten iiberlassen. Eine Richtlinie ist also nicht unmittelbar anwendbar wie eine Verordnung, sondern muE in einem zweiten Schritt in nationales Recht umgesetzt (transformiert) und damit konkretisiert und anwendbar gemacht werden (teilverbindliche Norm). Die EG-Richtlinien lassen den Mitgliedslandern haufig einen nicht unerheblichen Spielraum bei der Anpassung des nationalen Rechts, so daE letztlich erst anhand des genauen Wortlauts der nationalen Regelung die Umsetzung der Richtlinie uberpriift werden kann. Bei alien Formen des sekundaren Gemeinschaftsrechts gibt es sowohl <seriose> als auch schone biirokratische Exemplare: EG-RICHTLINIEN • Richtlinie 98/ 97/ EG des Europaischen Parlaments und des Rates vom 22. Dezember 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten fur Dungemittel. • Richtlinie des Rates vom 13. Februar 1989 uber die Pflichten der in einem Mitgliedstaat eingerichteten Zweigniederlassungen von Kreditinstituten und Finanzinstituten mit Sitz aufSerhalb dieses Mitgliedstaats zur Offenlegung von JahresabschlulSunterlagen. • Richtlinie 1999/ 79/ EG der Kommission vom 27. Juli 1999 zur Festlegung gemeinschaftlicher Analysemethoden fur die amtliche Untersuchung von Futtermitteln. • Richtlinie 93/ 14/ EWG zur Anderung der Richtlinie 93/ 91/ EWG iiber die Anpassung der Richtlinie 73/ 316/ EVVG uber die Innenausstattung der Kfz (Kennzeichnung der Betatigungseinrichtungen, Kontrolleuchten und Anzeiger) an den technischen Fortschritt. • Richtlinie der Kommission Nr. 79/ 408/ EWG bezuglich des Wilderns der Turteltaube (Streptopelia turtur) in Frankreich. Wichtige Richdinien im Aufenwirtschaftsbereich betreffen u.a. die Harmonisierung der nationalen Steuergesetze. Eine EG-Richtlinie ist in etwa mit der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes fiir Lander und Gemeinden zu vergleichen (z. B. gemafs Art. 75 GG fur allgemeine Grundsatze des Hochschulwesens oder des Melde- und Ausweiswesens). Der EuGH hat im November 1991 eine bahnbrechende Entscheidung getroffen (und diese Anfang 1996 nochmals bestatigt): In der Praxis gab es haufig Falle, in denen Mitgliedstaaten die Umsetzung einer EG-Richtlinie in nationales Recht hinauszogerten. Die Haftpflicht der Mitgliedsstaaten besteht auch dann, wenn die Verzogerung dem eigenen Parlament zu- <?page no="416"?> 394 J AuBenhandelspolitik und Aufienhandelsrecht zuschreiben ist, und unabhangig von Vorsatz oder Fahrlassigkeit von Amtstragern. Nach dem EuGH-Urteil nun kann ein Burger bzw. ein Unternehmen seinen Staat auf Schadenersatz verklagen, wenn dieser ihm Rechte vorenthalt, die auf Gemeinschaftsebene gewahrt wurden. Die Entschadigung mu£> «dem erlittenen Schaden angemessen sein», was auch entgangenen Gewinn einschlieSt; andere Regelungen waren «unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht». Dies bedeutet erstmalig auch eine indirekte Form von Sanktionen gegen einen Staat, der gegen EG-Vorschriften verstoSt, indem er die vorzunehmende Umsetzung von Gemeinschaftsrecht in nationaies Recht verzogert und damit die Rechtsharmonisierung in der EG beeintrachtigt. In einem konkreten Fall gab der EuGH einer franzosischen Brauerei recht, welche die Bundesrepublik auf Schadenersatz wegen Einfuhrbeschrankungen aufgrund des deutschen Reinheitsgebots fur Bier verklagt hatte. Der Entschadigungsanspruch lafit sich laut EuGH unmittelbar aus dem EG-Recht ableiten; ein <Umweg> iiber nationaies Recht ist also nicht erforderlich. (2) Verordnung Eine Verordnung ist allgemeingiiltig, d. h. sie gilt in alien ihren Teilen unmittelbar in alien Mitgliedstaaten fur alle staatlichen Instanzen, Burger, Unternehmen und Institutionen. Beispielsweise werden alle Zollsatze (synonym: Zolltarife) durch Verordnungen festgesetzt. EG- Verordnungen werden dennoch meist in nationaies Recht iibernommen, und zwar aus zwei Griinden: • Zum einen sind nur auf der Ebene des nationalen Rechts andere Sanktionen als Bufigelder moglich (z. B. Geld- oder Freiheitsstrafen); ein europaisches Strafrecht gibt es nicht. • Zum anderen mussen die Mitgliedsstaaten organisatorische Regelungen treffen konnen, z. B. beziiglich von Zustandigkeiten oder des Verwaltungsaufbaus. In ihrer Rechtskraft ahnelt die EG-Verordnung am ehesten dem, was man auf nationaler Ebene als Gesetz bezeichnet, wobei allerdings die erheblichen Unterschiede im Gesetzgebungsverfahren zu berucksichtigen sind: Die EG-Kommission oder der Ministerrat entscheiden, und das Europaische Parlament hat beim ErlaE von EG-Verordnungen weitgehend keine Mitentscbeidungs-Kompetenz, sondern wird vielfach lediglich gehort. Die wichtigsten, auch als Grundverordnungen bezeichneten Verordnungen werden vom Ministerrat erlassen (ggf. zusammen mit dem Europaischen Parlament), Ausfiihrungsbzw. Durchfiihrungsverordnungen dazu in der Regel von der Europaischen Kommission. Die Mitgliedstaaten mussen das betreffende Rechtsgebiet an die EG-VO anpassen, d. h. nationaies Recht u. U. aul? er Kraft setzen bzw. Regelungsliicken der VO durch nationaies Recht schliefien. Dies ist oft problematisch, weil die VO als «starrer Block» unveranderlich feststeht - und unmittelbar in alien Mitgliedstaaten gilt -, aber nicht immer in alien Teilen ohne weiteres mit nationalem Recht kompatibel ist. Wahrend einige VO sehr detailliert sind und damit jeden nationalen Gestaltungsspielraum ausschliefien, sind andere VO eher als «Rahmengesetz» konstruiert und konnen auf nationaler Ebene konkretisiert werden; diese VO sind dann den Richtlinien sehr ahnlich. VO der Kommission kommen obgleich der Vergleich bedenklich ist in ihrer Wirkung noch am ehesten einer nationalen Rechtsverordnung nahe (beispielsweise der Aujlenwirtscbaftsverordnung, AWV). Die VO 17/ 62 des Rates beispielsweise ist Grundlage fur das EU-Kartellrecht, wahrend die Kommission u. a. durch VO Zollsatze festlegt oder VO mit nur kurzer Geltung fur die Agrarpreisfestsetzungen <?page no="417"?> J-2. Rechtsebenen: Nationales, supranationales und internationales Recht 395 erlafit. Die EG-Verordnungen sind nach dem EG-Vertrag zu begriinden und werden im Amtsblatt der Gemeinschaft veroffentlicht. EG-VERORDNUNGEN • Verordnung (EC) 308/ 1999 des Rates vom 8. Februar 1999 zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische MaGnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren. • Verordnung (EWG) Nr. 1715/ 90 des Rates vom 20. Juni 1990 fiber die von den Zollbehorden der Mitgliedstaaten erteilten Auskiinfte iiber die Einreihung von Waren in die Zollnom'enklatur. • Verordnung (EWG) Nr. 295/ 91 des Rates vom 8. April 1991 iiber eine gemeinsame Regelung fur ein System von Ausgleichsleistungen bei Nichtbeforderung im Linienverkehr (Anmerkung: dies betrifft Uberbuchungen). • Verordnung (EWG) Nr. 254/ 90 der Kommission vom 31. August 1990 iiber die Wiedereinfuhrung des Zollsatzes fur Nachthemden, Schlafanziige, Bademantel und -jacken aus Gewirken der Warenkategorie Nr. 24 (laufende Nummer 40.0240) und Kleider fur Frauen und Madchen der Warenkategorie Nr. 26 (laufende Nummer 40.0260) mit Ursprung in Indonesien, dem die in der Verordnung (EWG) Nr. 3897/ 89 des Rates vorgesehenen Zollpraferenzen gewahrt werden. • Verordnung (EWG) Nr. 2829/ 90 der Kommission vom 27. September 1990 zur Einstellung des Pollackfanges durch Schiffe unter spanischer Flagge. (3) Entscheidung Entscheidungen leiten sich in vielen Fallen aus Richtlinien und Verordnungen ab und werden daher von manchen auch als tertiares Recht bezeichnet. Im Gegensatz zur allgemeingultigen Verordnung ist eine Entscheidung nur fur den Einzelfall und nur fur die in der Entscheidung bezeichneten natiirlichen oder juristischen Personen verbindlich. Entscheidungen sind auch nicht veroffentlichungsbedurftig und sind in ihrer Wirkung mit dem Verwaltungsakt des deutschen Rechts zu vergleichen. Betroffenen steht der direkte Klageweg zum Europaischen Gerichtshof (EuGH) often. EG-ENTSCHEIDUNGEN Beispiele: Entscheidung iiber einen seitens eines Wirtschaftsverbandes beantragten Anti- Dumping-Zoll, Verhangung einer Geldbufte gegen Unternehmen bei KartellverstoGen, Entscheidung iiber eine beantragte Fusion. • Entscheidung des Rates vom 13. Februar 1989 zur Festlegung eines europaischen Plans fur die Stimulierung der Wirtschaftswissenschaften (1989-1992) (SPES). • Entscheidung der Kommission vom 29. Februar 1991 iiber eine spezifische Maftnahme zur Behebung von Schwierigkeiten beim Wittlingfang in der Nordsee. (4) Andere Akte Neben diesen drei rechtsverbindlichen Formen sekundaren Gemeinschaftsrechts konnen Rat und Kommission, aber auch das Europaische Parlament aufgrund eigener Initiative Empfehlungen und Gemeinsame Standpunkte formulieren sowie und bei Anfragen - Stellungnahmen abgeben. Aus der Arbeit des Rates in seiner wechselnden fachlichen Zusam- <?page no="418"?> 396 J AuRenhandelspolitik und AuBenhandelsrecht mensetzung konnen sich ferner Erklarungen, politische Beschlusse oder Vereinbarungen ergeben. Das Amtsblatt der EG veroffentlicht auch schriftliche Anfragen mit Antwort: SCHRIFTLICHE ANFRAGEN MIT ANTWORT • Nr. 668/ 90 von Herrn Kenneth Stewart an die Kommission betrifft: Fruhlingstulpen aus Ankara. • Nr. 1014/ 90 von Herrn Alain Pompidou an die Kommission betrifft: Harmonisierung der Normen fur Reitkappen. • Nr. 2540/ 90 von Herrn Jan Sonneveld an die Kommission betrifft: Gemeinschaftsregelung fur schmierbare gelbe Fette. • Nr. 2949/ 90 von den Abgeordneten Giuseppe Mottola und Gerardo Gaibisso an die Kommission betrifft: Geanderter Vorschlag fur eine Richtlinie iiber die Etikettierung von Tabakerzeugnissen - Angefeucheter Tabak zum Lutschen - Dokument KOM (90)538. Eine Uberpriifung des EG-Rechts im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz findet nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1987 nicht start, solange die EG und die Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofes einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegeniiber der Hoheitsgewalt gewahrleisten. PRAXISTIP In der Regel wird der Europabiirger sich uber das europaische Recht jeweils in seiner eigenen Sprache informieren. Die sich daraus fur ihn ergebende Rechtssicherheit kann jedoch eine vermeintliche Sicherheit sein, denn ein Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen des europaischen Rechts ergibt teilweise deutliche Abweichungen. Nun kann sich der Europaburger aber nicht auf die ihm vertraute Fassung berufen, weil der EuGH in mehreren Entscheidungen klargestellt hat, daG die isolierte Betrachtung einer Sprachfassung nicht ausschlielk, daft wegen der Notwendigkeit einer einheitlichen Rechtsanwendung abweichende Fassungen in einer anderen Sprache zu berucksichtigen sind. Dann lesen Sie mal... Fur den Normalbiirger, der zumeist kaum das Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaft in seiner eigenen Sprache verfolgen durfte, ist das Gesamtsystem nicht uberschaubar, und dies gilt per Saldo auch fur die groGe Mehrheit durchaus spezialisierter Rechtsanwalte. J-2.2. Volkervertragsrecht (Internationales Recht) Internationales Recht (gleichbedeutend: spezielles Volkerrecht; Volkeri/ ertragsrecht) besteht aus Abkommen und Vertragen. Sie konnen bilateral, plurilateral, multilateral oder universell gelten. Es handelt sich dabei um (schriftliche) ubereinstimmende Willenserklarungen von mindestens 2 Staaten oder Staatengebilden (wie z. B. der Europaischen Union). Volkerrechtliche Vertrage, welche die Europaische Union geschlossen hat bzw. denen sie beigetreten ist, werden nach Art. 300 EGV Bestandteil des Gemeinschaftsrechts und sind damit automatisch fur die Mitgliedstaaten verbindlich, wie z. B. der WTO-Vertrag, die Abkommen zwischen der EG und den EFTA-Staaten, die Lome-Vertrage (das 5. Abkommen wurde 2000 in Cotonou/ Benin unterzeichnet) (Abb. J-2/ 4) oder andere Praferenzabkommen. Rein for- <?page no="419"?> J - 2 . Rechtsebenen: Nationales, supranationales und internationales Recht 3 9 7 mal handelt es sich dabei um sekundares Gemeinschaftsrecht, weil es sich aus Handlungen der EG-Organe ableitet, doch ist derartigen internationalen Vertragen doch eine herausgehobene Bedeutung etwa im Vergleich mit innergemeinschaftlichen Verordnungen beizumessen. Abb. J-2/ 4: Fiinftes Lom§-Abkommen unterzeichnet Handelserleichterungen zwischen EU und AKP-Staaten Volkerrechtliche Vertrage und Abkommen, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln und die nicht Gemeinschaftsrecht sind, bediirfen nach Art. 59 GG der Ratifizierung der fur die Bundesgesetzgebung jeweils zustandigen Korperschaften, d. h. Bundestag und Bundesrat, um auf nationaler Ebene Rechtskraft zu erhalten, beispielsweise der WTO-Vertrag. (Formal ist es daher umstritten, ob es korrekt ist, Listen oder Anhange als Erganzungen internationaler Abkommen nicht als Gesetz zu ratifizieren, sondern durch einfache Rechtsverordnung der Exekutive in nationales Recht zu transformieren.) Die Transformation ist erforderlich, weil das Volkerrecht oberhalb der sog. «Grenze der Undurchdringlichkeit» schwebt und erst durch die Transformation in nationales Recht auf der konkreten nationalen Ebene Wirkung entfalten kann. Dies gilt uneingeschriinkt fur «gesetzesinhaltliche» Vertrage wie z. B. ein Doppelbesteuerungsabkommen: Es mufS transformiert werden. Politische Vertrage wie z. B. ein Freundschaftsabkommen miissen zwar von den entsprechenden Organen z. B. von Bundestag und Bundesrat bestatigt werden (z. B. durch ein Zustimmungsgesetz), nicht aber notwendigerweise auch in nationales Recht transformiert werden. Exkurs zur Ratifizierung Ein internationaler bzw. volkerrechtlicher Vertrag (Staatsvertrag) kommt i.d.R.' zustande durch (a) Vertragsverhandlungen mit der Einigung auf einen Vertragstext. Bei einer sehr groEen Zahl von Teilnehmerstaaten (multilateraler Vertrag) erfolgt dies iiblicherweise durch Abstimmung (meist ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich), wahrend bei bilateralen und plurilateralen Vertragen einstimmige Zustimmung erforderlich ist. (b) Nun erfolgt die Paraphierung des vorlaufigen Vertragstextes. d. h. «Unterzeichnung» des nicht mehr veranderbaren Vertragstextes mit den Anfangsbuchstaben der Namen der Verhandlungsfuhrer (Parapberi); durch die Paraphierung sind die Verhandlungspartner weder gebunden noch zur endgiiltigen Zustimmung verpflichtet. (c) Um wirksam zu werden, muS der Vertrag von einer bestimmten Anzahl von Staaten, moglicherweise alien, ratifiziert werden. Dies erfordert das Durchlaufen des nationalstaatlichen Zustimmungsprozesses und bedeutet Transformation des volkerrechtlichen Vertrags z. B. durch ein entsprechendes (gleichlautendes) nationales Vertragsgesetz oder durch ein Zustimmungsgesetz in nationales Recht. Je nach Anzahl der beteiligten Staaten und <Stimmungslage> wahrend der Willensbildung in den Vertragsstaaten kann dieser ProzeE durchaus mehrere Jahre dauern. (d) Schliefslich erfolgt die Ratifikation, d. h. die formelle Bestatigungserklarung durch das Staatsoberhaupt nach erfolgter parlamentarischer Transformation in nationales Recht; haufig wird auch bereits das parlamentarische Zustimmungsverfahren als Ratifikation bezeichnet. (e) Nach nationaler Ratifikation erfolgt ein gegenseitiger Austausch bzw. bei multilateralen Vertragen - Hinterlegung der Ratifikationsurkunden. Wenn der internationale Vertrag nach Erreichen <?page no="420"?> 3 9 8 J AuGenhandelspolitik und AuRenhandelsrecht der vorgeschriebenen Mindestzahl von Ratifikationen durch Vertragsstaaten in Kraft tritt, sind daran nur die Staaten gebunden, die ihn ratifiziert haben. Durch die Transformation kommt auf nationaler Ebene rechtlich nicht extemes Recht zur Anwendung,.sondern nationales Recht, das materiell dem externen Recht entspricht. J-2.3. Nationales Recht J-2.3.1. Notwendigkeit Trotz der bereits weitgehenden Integration der Europaischen Union ist eine Vielzahl von Wirtschaftsbereichen (noch) nicht durch Gemeinschaftsrecht geregelt. In diesen Fallen greift das jeweilige nationale Recht. AIs nationales Recht sind die Normen zu verstehen, die aus der nationalen Rechtsetzung hervorgegangen sind. Im Fall Deutschlands sind dies die im jeweiligen verfassungsgemaSen Gesetzgebungsverfahren verabschiedeten Bundes- und Landesgesetze und die sich daraus ableitenden Rechtsverordnungen, z. B. das Aufienwirtschaftsgesetz (AWG) und die AuSenwirtschaftsverordnung (AWV). Wie in Abschnitt J-2.1.2 ausgefiihrt, gelten nationale Regelungen gelten immer nur dann, wenn es keine entsprechenden Regelungen im Gemeinschaftsrecht gibt. Nationales Recht wird bzw. ist durch entsprechende Regelungen im Gemeinschaftsrecht aufier Kraft gesetzt; dem Gemeinschaftsrecht widersprechende nationale Regelungen sind automatisch nichtig: Gemeinschaftsrecht <bricht> nationales Recht. Dennoch gibt es in vielen Bereichen ein Nebeneinander von fast gleichem Recht auf supranationaler und nationaler Ebene; vgl. weiter unten. J-2.3.2. Systematik des deutschen Rechts Das deutsche Recht stiitzt sich auf verschiedene Ebenen von Rechtsquellen. Die wichtigsten ursprunglichen Rechtsquellen sind Gesetze, die von den verfassungsgemaSen Gesetzgebungsorganen nach den in der Verfassung (Grundgesetz) niedergelegten Regeln erlassen worden sind. In der obersten Ebene steht hier das Grundgesetz und darunter die Bundes- und Landesgesetze. Neben den «normalen», allgemeinen Gesetzen, die sich an die Allgemeinheit richten und auf Dauer gelten, sind drei weitere Formen zu erwahnen: • (Nur) formelle Gesetze sind inhaltlich keine allgemeingiiltigen Gesetze, sondern werden nur aufgrund ihrer inhaltlichen Bedeutung dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren unterworfen. Vom Inhalt her sind sie eher Ausdruck des Verwaltungshandelns. Aus ihnen lassen sich im Gegensatz zu materiell-formellen Gesetzen (die Terminologie ist uneinheitlich) keine Rechte und Pflichten fur den Burger ableiten, z. B. aus den Bundes- oder Landes-Haushaltsgesetzen. • Mafinahmengesetze sind im Gegensatz zu den allgemeinen Gesetzen nicht auf Dauer angelegt, sondern werden nach Erreichung eines bestimmten Zwecks gegenstandslos (obsolet), z. B. Investitionshilfegesetze im Zuge der Wiedervereinigung. • In bestimmten Rechtsbereichen, z. B. im Allgemeinen Verwaltungsrechts, steht auch Gewohnheitsrecht dem Gesetz gleich. Unterhalb der Rechtsebene der ursprunglichen Rechtsquellen gibt es die abgeleiteten Rechtsquellen: die Rechtsverordnungen (RVO oder VO). VOs werden nicht wie Gesetze von <?page no="421"?> J - 2 . Rechtsebenen: Nationales, supranational und internationales Recht 3 9 9 der Legislative erlassen sondern von der Exekutive. Da sie Rechtsetzungskraft haben und in diesem Sinne zwar nicht formelle, aber «materielle Gesetze» sind, durchbrechen sie das Prinzip der Gewaltenteilung, weil dies eigentlich die Kompetenz der Legislative ist. Rechtsverordnungen dienen jedoch der Vereinfachung und machen Detailregelungen in Gesetzen iiberflussig. Eine VO setzt eine ausdriickliche gesetzliche Ermachtigung voraus, die zugleich auch Zweck, Inhalt und Ausmaf? der Rechtsverordnung festlegt. Sehr haufig werden daher Durchfiihrungsverordnungen erlassen, so z. B. auch die Aufienwirtschaftsverordnung (AWV) zum AufSenwirtschaftsgesetz (AWG), vgl. anschlielSend. Die Kompetenz zum ErlaE von VO in ihrem jeweiligen Zustandigkeitsbereich haben die Bundesregierung, die Bundesminister, die Lander, die Landerregierungen und -minister sowie Obere Bundes- und Obere Landesbehorden. VO werden im Bundesgesetzblatt bzw. in den Verordnungsblattern der Lander veroffentlicht (vgl. Abschnitt J-4.2 zu aufsenwirtschaftsrechdichen VO). Sprachlich mifiverstandlich sind allerdings einige «Ordnungen» im Gesetzesbereich: So heif? t die Abgabenordnung als allgemeines Rahmengesetz fur alle steuerlichen und sonstigen Abgaben nur aus historischen Griinden «Ordnung», denn sie ist ein Bundesgesetz. Auch die StrafprozeSordnung (StPO) ist ein Bundesgesetz. Die Strafenverkehrsordnung (StVO) hingegen ist eine Rechtsverordnung zum StV-Gesetz in der Kompetenz des Bundesministers fur Verkehr (analog zur AuSenwirtschaftsverordnung, diese allerdings im Zustandigkeitsbereich der gesamten Bundesregierung in ihrer Gesamtheit). Auf der Grundlage von urspriinglichen und abgeleiteten Rechtsquellen wird die Verwaltung u. a. gegenuber dem Burger in Form von Verwaltungsakten tatig (z. B. in einer Entscheidung liber ein beantragtes Zollager oder die Festsetzung der Abgabenschuld in einem Zollbescbeid). Obgleich sie selbst keine Rechtsnormen sind und prinzipiell nur innerhalb der Verwaltung gelten, haben sog. Verwaltungsvorschriften (haufig als Erlafi bezeichnet) nicht selten eine AuSenwirkung fur den Burger, z. B. wenn sie Ermessensspielraume, Anwendungsbereiche oder Auslegungsmoglichkeiten von Rechtsnormen konkretisieren. Sie bediirfen keiner gesetzlichen Ermachtigung und werden i.d.R. auch nicht veroffentlicht. J-2.3.3. Deutsches AuBenwirtschaftsrecht Nach Art. 133 EGV ist die Europaische Union fur die Gestaltung der gemeinsamen (Aufsen-) Handelspolitik zustandig. Dies bezieht sich u. a. auf den AbschlufS von Zoll- und Handelsabkommen, die handelspolitischen SchutzmaSnahmen und die Festsetzung der Zollsatze. Fur nationales Recht verbleiben im AuSenwirtschaftsrecht i.w.S. daher nur die Bereiche, die (noch) nicht durch Gemeinschaftsrecht geregelt sind bzw. die aus den mehrfach angefuhrten Sanktionsaspekten neben dem Gemeinschaftsrecht <parallel> in nationales Recht transformiert worden sind. Nach Art. 73 und 74 GG ist fur den AuSenwirtschaftsbereich allein der Bund zustandig. Das fur die AuSenwirtschaft einschlagige nationale deutsche Recht umfafit zum einen Gesetze - und die sich daraus ableitenden Rechtsverordnungen -, die sich unmittelbar auf die Aufienwirtschaft richten, wie z. B. das Aufienwirtscbaftsgesetz (AWG) oder das Umsatzsteuergesetz (UStG), insbesondere im Hinblick auf die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt). Zum anderen gehoren dazu auch alle gesetzlichen Regelungen, die sowohl die inlandischen als auch die auslandischen Wirtschaftsbeziehungen betreffen, wie z. B. die Abgabenordnung (AO) als allgemeines Verfahrensrecht fur Zolle, Abschopfungen, Steuern und andere Abgaben, das <?page no="422"?> 4 0 0 J Auftenhandelspolitik und Auftenhandelsrecht Gesetzgegen Wettbewerbsbeschrdnkungen (GWB), das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) oder die Verbrauchsteuergesetze. Diese Beispiel beziehen sich in erster Linie auf den AuSenhandel. Oben Abb. J-2/ 1 macht deutlich, daS der Begriff Au&enwirtschaftsrecht sehr viel weiter geht. J-2.4. Uberschneidungen der Rechtsebenen Rechtsakte der EG sind eigenstandig und sollen nicht durch nationales Recht dupliziert werden. Technisch bedeutet dies, dafs nationale Gesetze und Verordnungen die konkreten Formulierungen des supranationalen Rechts nicht enthalten (diirfen), sondern diese vom <Rechtsanwender>, wie es so schon heiSt, separat heranzuziehen sind. Das deutsche AuEenwirtschaftsrecht enthalt jedoch eine Reihe von Vorschriften, die parallel auch auf EG-Ebene rechtlich normiert sind. Die EG hat zwar die grundsatzliche Rechtssefzwwgskompetenz, aber die Mitgliedsstaaten haben Rechtsanwendungskompetenz. Daher miissen in vielen Fallen EG-Normen in das nationale Recht ubernommen werden: Die Parallelitat hat insbesondere den Grund, daf? damit bestimmte Tatbestande auch den Sanktionsmechanismen des deutschen (AuSenwirtschafts-)Rechts in strafrechtlicher Hinsicht unterworfen werden, denn diese gibt es nicht im Gemeinschaftsrecht. Hinzu kommt die Notwendigkeit, z. B. organisatorische Regelungen (Zustandigkeiten, Formvorschriften) in jedem Mitgliedstaat individuell rechtlich zu normieren. Insofern also erganzen sich die beiden Rechtsebenen, da das Gemeinschaftsrecht in vielen Bereichen unvollstandig ist. Der EuGH halt diese Parallelitat von Rechtsnormen auf gemeinschaftlicher und auf nationaler Ebene fur rechtswidrig, denn es existiert gleichzeitig zweierlei unmittelbar geltendes Recht, doch sprechen die erwahnten praktischen Griinden fur die (vorlaufige) Beibehaltung der Praxis des <Nebeneinanders> von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht. Vor diesem Hintergrund sind auch die enormen Bemuhungen zu sehen, zur Vollendung des europaischen Binnenmarktes die unterschiedlichen nationalen Gesetze zu harmonisieren. Dies wird in vielen Fallen noch betrachtliche Zeit in Anspruch nehmen, so dafs bis dahin unterschiedliche nationale Rechte nebeneinander in der Gemeinschaft gelten werden. Bis dahin kann auch noch nicht davon gesprochen werden, daE die Wirtschaftsgemeinschaft der EG vollendet ware. J-3. Internationales Auftenwirtschaftsrecht J-3.1. WTO/ GATT Das internationale Aufienwirtschaftsrecht wird in hohem Mafie von der World Trade Organization (WTO) in Genf gepragt. Sie ist Teil eines arbeitsteiligen Institutionenkanons, der aus der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg datiert, und neben einer Vielzahl weiterer Organisationen vor allem die WTO, den Internationalen Wahrungsfonds (IWF) und die Weltbank umfaEt. 3 Diese Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, in denen die meisten Staaten Mitglieder sind, wurden bereits wahrend des Zweiten Weltkrieges konzi- 3 Vgl. zu diesen und anderen Institutionen ausfuhrlich Alttnann, Jorn I'Kulessa, Margareta, Internationale Wirtschaftsorganisationen, Stuttgart 1998. <?page no="423"?> J - 3 . Internationales AuGenwirtschaftsrecht 4 0 1 piert, auf der Konferenz von Bretton Woods 1947 verhandelt und erganzen sich in ihren Aufgaben: • Der IWF (Internationaler Wahrungsfonds, International Monetary Fund, IMF) ist zustandig fur internationale Wahrungsfragen und bietet betroffenen Staaten Unterstiitzung bei kurz- und mittelfristigen Zahlungsbilanzproblemen an. Er funktioniert wie eine Genossenschaftsbank, indem er Mitgliedsstaaten bei Bedarf Kredite gewahrt. Dabei miissen bestimmte wirtschaftspolitische Auflagen erfiillt werden, um die ursachlichen Probleme zu bereinigen (u. a. Verringerung des Haushaltsdefizits, Verringerung der Inflation, meist Abwertung der Wahrung, etc.). • Die Weltbank (World Bank, offizielle Bezeichnung: Internationele Bank fur Wiederaufbau und Entwicklung, International Bank for Reconstruction and Development, IBRD, aber das sagt kaum jemand) ist zustandig fur die langfristige Finanzierung von Aufgaben im Zusammenhang mit Entwicklungs- und Strukturproblemen der sog. Entwicklungslander. Die Weltbank gewahrt langfristige und zinsgiinstige Kredite fur Entwicklungsprojekte (z. B. fur die Trinkwasserversorgung fur die Bevolkerung oder fur die Verbesserung der Agrarproduktion) und fur strukturelle Anpassungsprogramme, insbesondere bei der Umstellung von Transformations- und Entwicklungslandern auf die Marktwirtschaft. Die Weltbank hat einige Tochtergesellschaften, die in diesem Buch in verschiedenen Zusammenhangen erwahnt werden: IFC, IDA, MIGA. Vgl. das Register. • Die WTO (Welthandelsorganisation, World Trade Organization) ist wie ihr Name sagt zustandig fur Fragen des internationalen Handels, insbesondere im Hinblick auf die allgemeinen Regeln (was ist zulassig und was gilt als unzulassige Protektion? ). Sie hat 1995 das General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) aus dem Jahre 1948 abgelost. Das GATT mit Sitz in Genf war volkerrechtlich gesehen keine Organisation, sondern hatte formal nur den Status eines (vorlaufigen) internationalen Handelsabkommens ohne eigene Rechtspersonlichkeit, agierte aber faktisch und volkergewohnheitsrechtlich als und wie eine internationale Organisation im Sinne des UN-Rechts. Dieses Provisorium hatte also rund 45 Jahre Bestand. Erst mit der Griindung der WTO als Ergebnis der sog. Uruguay-Runde des GATT im April 1994 in Marrakesch/ Marokko wurde diese institutionelle Liicke geschlossen. Die WTO nahm am 1.1.1995 ihre Tatigkeit auf und hat heute (2001) 140 Mitglieder. Rund 30 Staaten verhandeln iiber eine Mitgliedschaft, u. a. China, Rutland, Kroatien, Algerien, Saudi-Arabien, Sudan. Der eigentliche GATT-Vertrag besteht aus lediglich 38, allerdings teilweise recht umfangreichen Artikeln, die auffalligerweise mit romischen Zahlen gekennzeichnet sind. 4 Der Vertrag besteht aus vier Teilen, ist aber wenig systematisch aufgebaut (was sich aus seinem urspriinglich als vorlaufig geplanten Charakter erklart): So regelt bereits Art. IV als einer der in der chronologischen Reihenfolge ersten Artikel Sonderbestimmungen fur Kinofilme, wahrend erst in Art. XI und XIII auf die sicherlich nicht unwichtigeren (allgemeinen) mengenmafii-' gen Handelsbeschrankungen Bezug eingegangen wird. 4 Urspriinglich sollte (1944-47) neben der Weltbank und dem IWF auch eine International Trade Organization (ITO) geschaffen werden. Dieser Vertrag wurde pikanterweise von den USA nicht ratifiziert, die die ITO initiiert hatten. Die Entwiirfe zum Teilabkommen «GATT» waren zur Unterscheidung mit romischen Ziffern erstellt worden. <?page no="424"?> 402 J AuGenhandelspolitik und AuRenhandelsrecht Das heutige WTO-Abkommen umfaSt inhaltlich das bisherige GATT-Basisabkommen (GATT '95) als zentrales Giiterabkommen mit einigen Nebenabkommen (Kodizes) sowie 28 multilateral und einige plurilaterale Abkommen, 5 insbesondere das Dienstleistungsabkommen (GATS: General Agreement on Trade in Services), das Abkommen iiber geistiges Eigentum (TRIPS: Agreement on trade related intellectual property rights) und das Abkommen iiber lnvestitionsmafinahmen (TRIMS: Agreement on trade related investment measures)- Texte mit insgesamt rund 10.000 Seiten (Spotter interpretieren GATT als ^General Agreement to Talk and Talk» ...). J-3.1.1. Grundsatze der W T O (1) Liberalisierung In der Praambel und Art. XI des GATT wird zum Ausdruck gebracht, dafS die Vertragsparteien danach streben, den intemationalen Handel von Zollen und anderen, nicht-tarifaren Handelsschranken zu befreien und Diskriminierungen zu beseitigen (Grundsatz der Liberalisierung). Anders herum betrachtet bedeutet dies ein Verbot der Erhohung oder Einfuhrung von Zollen und allgemeiner: ein Verbot der Verscharfung bestehender oder der Einfuhrung neuer Handelshemmnisse, einschlieSlich solcher nicht-tarifarer Art. Die WTO fordert dabei nicht bedingungslosen Freihandel, denn es gibt zahllose Ausnahmeregelungen, sondern ein Vorantreiben der Liberalisierung. Bestehende Zolle diirfen zunachst beibehalten werden, jedoch nicht erhoht und keine neuen eingefuhrt werden. In bestimmten Fallen sind Ausnahmen vorgesehen, u. a. fur Entwicklungslander, die oft von ZoUeinnahmen <leben>, oder fiir akute Zahlungsbilanzprobleme. (2) Meistbegiinstigung Der Grundsatz der allgemeinen Meistbegiinstigung (Art. I, II) besagt folgendes: Wenn Aland dem Staat Benesien eine Handelsvergiinstigung einraumt, dann soil diese Vergiinstigung automatisch auch fur alle anderen Staaten (Cedonien etc.) gelten. Dies wird analog auch als Grundsatz der Nicht-Diskriminierung bezeichnet, da aus der Sicht von Aland alle Staaten sofern sie WTO-Mitglieder sind! gleich behandelt werden sollen (Most Favoured Nations- Prinzip: MFN) und nicht zwischen einem begiinstigen Benesien und einem nicht-begunstigten Cedonien «diskriminiert» werden soil. Aufgrund der zahlreichen Ausnahmeregelungen im GATT-Vertrag ist es moglich, dafi die Meistbegiinstigung als Privileg gewahrt werden kann - oder auch nicht (vgl. Abb. J-3/ 1). (3) Inlander-Behandlung Die Nicht-Diskriminierung bezieht sich im weiteren Sinne auch darauf, daS eingefuhrte Waren den gleichen internen Abgaben (z. B. Verbrauchsteuern) und Rechtsvorschriften unterworfen werden wie inlandisch produzierte Waren (Art. II und III: sog. Inlander(gleich) behandlung oder synonym: Paritatsklausel). Eine Anderung dieser Meistbegiinstigungsklauseln kann nur durch einstimmigen Beschlufi aller Vertragsparteien erfolgen. Also nicht. (4) Gegenseitigkeit Wenn Aland Benesien eine Vergiinstigung einraumt (z. B. Zollfreiheit fiir Agrarwaren), dann soil Benesien gleichwertige Gegenleistu'ngen fiir Aland erbringen. Dies wird auch als Reziprozitat bezeichnet. 5 Multilateral: fur viele, plurilateral: fur einige Staaten. <?page no="425"?> J-3. Internationales AuGenwirtschaftsrecht 403 Abb. J-3/ 1: Meistbegunstigung Zollfreiheit fiir Schwarzafrika und Karibik Gute Vorzeichen fiir die Normalisierung der Handelsbeziehungen mit China WASHINGTON ^ B M e i s t b e g i i n s t i g u n g fiir C h i n a v e r l a n g e r t Clinton hebt Kuppelung von Handelsprivilegien an Menschenrechte auf Diese Grundsatze hangen eng zusammen: Eine einzige bilaterale Liberalisierung zwischen Aland und Benesien hatte wegen der Meistbegunstigung und Gegenseitigkeit theoretisch automatisch in einem Schneeballsystem zu multilateraler, letztlich weltweiter Liberalisierung fuhren miissen. Offensichtlich ist weltweiter Freihandel in der Praxis aber nicht gegeben; hierzu gleich. J-3.1.2. Nicht-tarifare Handelshemmnisse Viele nationale Vorschriften und MafSnahmen wirken sich als nicht-tarifare Handelshemmnisse aus. Die kann gewollt oder ungewollt sein. Eine gezielte Behinderung des internationalen Handels, urn die eigene Wirtschaft zu schiitzen und zu fordern, ware nach den Bestimmungen und dem Geist des WTO-Vertrages unzulassig; betroffene Staaten konnten im Rahmen der WTO dagegen vorgehen und auf eine Beseitigung der Behinderungen drangen. Andererseits ist es natiirlich zulassig, daS die Mitgliedsstaaten der WTO schutzwiirdige Giiter schiitzen, seien es Leben und Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen, sei es die innere oder aufiere Sicherheit. Entscheidend fur die Zulassigkeit ist demnach der Grund fiir eine Behinderung des Handels. So sind auch DIN- oder VDE-Normen zulassige nichttarifare Handelshemmnisse, im Gegensatz zum deutschen Reinheitsgebot fur Bier, das vom EuGH als unzulassige Handelsbehinderung klassifiziert wurde, im Widerspruch zum BGH, der das anders sah. Natiirlich wird kein WTO-Mitglied ein Handelshemmnis mit okonomischen Schutzmotiven begriinden dies ist nur in wenigen und seltenen Ausnahmefallen zulassig -, sondern einen anderen Schutzgrund bemuhen. Simple okonomische Protektion ist unzulassig, aber okologische, arbeitsrechtliche, gesundheitspolitische und viele andere Protektionsgriinde sind vertretbar. Wenn es in der Praxis Streitigkeiten gibt, dann beziehen sie sich immer auf die Begriindung der Protektionsma&iahme (Abb. J-3/ 2). Abb. J-3/ 3 zeigt beispielhaft, welche Breite von protektionistischen nicht-tarifaren MafSnahmen angewendet wird. J-3.1.3. Wichtige Ausnahmen in CATT/ WTO (1) Artikel XX GATT listet verschiedene Ausnahmefalle auf, in denen als Ausnahme vom Liberalisierungsprinzip handelsbeschrankende MaSnahmen unter entsprechenden Voraussetzungen zulassig sind. Dabei handelt es sich um nicht-okonomische Griinde, u. a. um Beschrankungen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen, zum Schutz der offentlichen Sittlichkeit, zum Schutz des nationalen Kulturgutes, zur Erhaltung erschopflicher Naturschatze sowie (Art. XXI) zur Wahrung der wesentlicher Sicherheitsinteressen bzw. zur Erhaltung des internationalen Frie- <?page no="426"?> 404 J AuRenhandelspolitik und Auftenhandelsrecht Abb.J-3/ 2: Handelsstreit Amerika und Japan wenden den Ausbruch eines Handelskrieges ab Einigung Uber mehrere strittige Themen / Abet kcine Einignng liber die Offnung des japanischen Automarktes D e r EU d r o h t n e u e r rv u J u J 1 * •* S tr e it mit d e n D r o h e n d e r H a n d e l s s tr e it V e r e i n i g t e n S t a a t e n d e r E U m i t d e r T t t r k e i Z w i s t iib er A u t o m o b i l h a n d e l i m M e r c u s o r Abkommen bleibt unwirksam / Argentinien will Zulieferindustrie schutzen C h i n a w i l l d e n H a n d e l s k o n f l i k t m i t A m e r i k a e n t s c h a r f e n dens (eine Ausnahme sind Anti-Dumping-Zolle, die eindeutig okonomische Interessen schutzen. Vgl. Abschnitt J-3.2). Nebenbedingung ist dabei, dafs derartige Mafinahmen nicht-diskriminierend angewendet werden. Eine Vielzahl von Exportkontrollen des deutschen und europaischen Aufenwirtschaftsrechts stiitzen sich auf diese beiden GATT-Artikel. Hinsichtlich der Sicherheitsinteressen ergeben sich in der Praxis zudem immer wieder politische Situationen, in denen einzelne Staaten durch die sog. <V6lkerfamilie>, vertreten den UN-Sicherheitsrat, mit einem Wirtschafts-Embargo <bestraft> werden (u. a. Irak, Libyen, Serbien). Importbeschrankungen z. B. Schutzzolle oder Importverbote sind also zulassig, um den Bewohnern und der Gesellschaft des Importlandes Schutz vor nicht-okonomischen - Bedrohungen zu gewahren. Beispielsweise konnen Produkte, von denen eine Gefahr ausgeht, vom Import ausgeschlossen werden wohlgemerkt: nur Produkte, und geschiitzt werden nur die Bewohner des Importlandes bzw. dessen Territoriums. Handelspolitische MaSnahmen (wie Zolle oder Importverbote), deren Zweck es ware, einen analogen Schutz fur die Bewohner des Exportlandes durchzusetzen, sind nach dem internationalen Handelsrecht der WTO im Einklang mit dem allgemeinen Volkerrecht unzulassig (Verbot der Extra-Territorialitat), weil die Durchsetzung nationaler Rechtsnormen auSerhalb des eigenen Territoriums volkerrechtlichen Prinzipien widersprache. Ausnahmen sind Embargos der gesamten Volkerfamilie, sprich UNO. Daraus folgt auch, dafi kein Staat Importbeschrankungen gegen Giiter verhangen kann, von denen selbst keine Gefahren ausgehen, deren Produktionsmethoden (process and production methods, PPM) aber schadlich fur die Menschen, die Gesellschaft oder die Umwelt im Exportland sind, auch dann nicht, wenn es sich dabei um «allgemeine Werte der Volkergemeinschaft» handelt {global commons wie die Ozonschicht, das Weltklima, Tropenwalder, aussterbende Tier- und Pflanzenarten oder Kulturdenkmaler). Umweltbelastend gefordertes Rohol aus Sibirien die Fordergebiete sehen aus wie olbeschmierte Mondlandschaften -, Produkte aus Chemiefabriken in Indien, die ozonschadigende Emissionen in die Atmosphare blasen, Schnittblumen aus Plantagen, in denen die Pflucker Gesundheitsschaden durch Pflanzenschutzgifte erleiden, Teppiche aus Kinderarbeit oder allgemein Produkte aus einem Land, das in eklatanter Weise die Menschenrechte mifiachtet, diirfen nicht mit staatlichen <?page no="427"?> J-3. Internationales Aullenwirtschaftsrecht 405 Abb. J-3/ 3: Nicht-tarifare Handelshemmnisse (Ubersicht) Formale Handelsbeschrankungen Administrative Handelsbeschrankungen Nichttarifare Importbelastungen (Preisbezogene MaRnahmen) • Grenzzuschlage • Hafen- und statistische Taxen • Nichtdiskriminierende Verbrauchsteuern und Einschreibgebuhren • Diskriminierende Verbrauchsteuern, staatliches Versicherungsobligatorium • Nicht- und diskriminierende Umsatzsteuern • Importdepot • Variable Abgaben • Konsulargebuhren • Stempelsteuern • Verschiedene Sonder- und Zusatzsteuern Mengenrestriktionen und ahnliche spezifische Handelsbeschrankungen (Mengenbezogene MaGnahmen) • Lizenzvorschriften Kontingentierung und Quoten • Embargo • Exportbeschrankungen und -verbote • Devisen- und andere monetare oder Finanzkontrollen • Staatliche Preisfestsetzungen und -Kontrollen • Ubernahme- und Leistungspflichten • Restriktive Geschaftsbedingungen • Diskriminierende bilaterale Abkommen • Diskriminierende Ursprungsregeln • Internationale Kartelle • Freiwillige Exportbeschrankungen (Orderly Marketing Agreements) Diskriminierende Frachtansatze (Flaggenprotektionismus) E U - D a t e n b a n k f u r H a n d e l s h e m m n i s s e Beteiligung des Staates am Handel • Subventionen und andere staatliche Beihilfen • Staatshandel, Staatsmonopole und Konzessionsvergabe • Importentmutigende Gesetze und Verordnungen • Probleme im Zusammenhang mit der allgemeinen Staatspolitik • Offentliches Einkaufswesen • Steuererleichterungen, Kredit- und Burgschaftsgewahrung • Boykott Technische Normen, Standards und Verbraucherschutzbestimmungen • Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen • Pharmazeutische Kontrollvorschriften • Produktgestaltungsvorschriften • Herstellungsvorschriften • Industrienormen • MaG- und Gewichtsvorschriften • Beschriftungs- und Verpackungsvorschriften • Kennzeichnungsvorschriften • Verwendungsvorschriften • Vorschriften zum Schutz geistigen Eigentums • Markenrechtliche Bestimmungen Zollabfertigung und weitere administrative Beschrankungen • Antidumping-Politik • Zollberechnungsgrundlagen • Formalitaten der Konsularbehorden • Beglaubigungsvorschriften • Administrative Schwierigkeiten • Warenklassifikation • Vorschriften betreffend Mustersendungen, Rucksendungen und Wiederausfuhren • Ausgleichszolle und -steuern • Beschwerderecht • Notrecht <?page no="428"?> 4 0 6 J AuGenhandelspolitik und Aultenhandelsrecht Importverboten belegt werden. Was der private Kunde tut, wird davon nicht beriihrt; daher sind privat organisierte BoykottmaSnahmen von diesem Verbot nicht betroffen. (So gibt es das RUGMARK-Warenzeichen fur Teppiche, die <garantiert> nicht von Kindern geknupft sind. Die Kontrollmoglichkeiten sind jedoch unzureichend.) Im Zusammenhang mit prozeSorientierten Handelsrestriktionen gibt es zwei prominente Streitfalle im damaligen GATT. Beide gehen aus von der US-amerikanischen Gesetzgebung, die bestimmte Fangmethoden fur Thunfisch sowie fur Krabben vorsieht. Im einen Fall wurde die Einfuhr von Thunfisch aus Mexiko verboten, weil beim Fang sich auch unverhaltnismaSig viele Delphine in den Netzen verhedderten. Im anderen Fall verbot die US-Regierung den Krabbenimport aus bestimmten asiatischen Landern, weil beim Fang iiberdurchschnittlich viele Schildkroten umkamen. In beiden Konfliktfallen legten die boykottierten Parteien Beschwerde beim GATT ein, und sie bekamen prompt Recht. (Man hat dann allerdings auf dem Verhandlungswege technische Losungen gefunden, die von den USA finanziell unterstiitzt wurden.) Die Argumentation von GATT/ WTO ist sogar plausibel. Waren prozeEbezogene Handelsrestriktionen (Zolle, Verbote) zulassig, wurde einem moglichen MiSbrauch Tiir und Tor geoffnet, denn die MaSnahmen konnten sich gegen jede Art von ProzeSstandards richten, die im Exportland nicht, wohl aber im Importland beachtet werden und deren MiSachtung folglich den Exporteuren einen Wettbewerbsvorteil brachte: Die Skala reicht von Umweltschutzbestimmungen («Umweltdumping») iiber Kinderarbeit und <zu> niedrigen Lohnen bis zu fehlenden Arbeitsschutzmafinahmen (« Sozialdumping»); praktisch jeder Standard konnte protektionistisch miSbraucht werden. Hier fiihlt sich die WTO als Setzer internationalen Handelsrechts und Schiedsrichter iiberfordert: Besser nichts tun, als etwas Falsches tun. Wir wollen dies hier nicht weiter diskutieren. (2) Das GATT laSt Ausnahmen vom Meistbegunstigungsprinzip und vom Liberalisierungsprinzip zu fur Integrationsraume wie Freihandelszonen, Zollunionen, gemeinsame Markte und Wirtschaftsgemeinschaften, 6 deren Mitglieder sich untereinander Vergiinstigungen einraumen konnen (z. B. Zollfreiheit), ohne diese obligatorisch auch Drittlandern gewahren zu miissen, denn sonst ware es ja keine Vorzugsbehandlung mehr. Dies gilt beispielsweise fur die Gewahrung der Zollfreiheit innerhalb der Europaischen Union oder fur Zollpraferenzen, die nur Entwicklungslandern eingeraumt werden. AuSerdem gilt die MFN-Klausel natiirlich nur fur Mitglieder der WTO. Sie kann jedoch durchaus auch Nieht-Mitgliedern als Privileg gewahrt werden, wenn ein Land dies so beschlieSt (vgl. oben Abb. J-3/ 1). Sofern ein Land also keine Zollpraferenzen genieSt, unterliegen seine Exporte den <normalen> sog. Drittlandszollsatzen im Importland, die vor diesem Hintergrund folglich zu Unrecht als Me«ibegiinstigungszollsatze (MFN-Z6lle) bezeichnet werden, denn es gibt offenbar ja noch gunstigere, ggf. sogar Zollfreiheit. Sie heifien trotzdem so. 6 Verkiirzt gesagt, haben alle Integrationszonen im Endzustand interne Zollfreiheit. Eine Freihandelszone hat aber autonome, national unterschiedliche Aufienzolle; eine Zollunion hat einen gemeinsamen Zolltarif; ein gemeinsamer Markt (EG-Binnenmarkt) hat neben der internen freien Giitermobilitat auch Faktormobilitat (Arbeitskrafte, Kapital). In einer Wirtschaftsgemeinschaft sollte auch die Wirtschaftspolitik harmonisiert sein, incl. Steuerharmonisierung und anderer relevanter Rechtsbereiche (Wettbewerbsrecht, Arbeitsrecht etc.). <?page no="429"?> J - 3 . Internationales AulSenwirtschaftsrecht 4 0 7 (3) Fur Entwicklungslander wurde 1965 dem urspriinglichen GATT ein Teil IV hinzugefugt, der spezielle Regelungen beinhaltet; die Probleme und Interessen dieser Lander konnten logischerweise 1948 noch nicht beriicksichtigt werden, weil es damals noch keine Entwicklungslander im heutigen Sinne gab. Durch die Erganzung wurde Vorsorge dafur getroffen, daS Entwicklungslander keine Verpflichtungen ubernehmen miissen, die mit ihrem Entwicklungsstand und ihren finanziellen und handelspolitischen Erfordernissen nicht zu vereinbaren sind. Teil IV lafit daher Ausnahmen zu vom Prinzip der Gegenseitigkeit, der Meistbegiinstigung und vom Verbot der Erhohung oder Einfiihrung von Zollen, da viele Entwicklungslander ihre Staatshaushalte auf die Einnahmen aus der Besteuerung des AuSenhandels stiitzen. Die Ausnahmeregelungen des Teils IV sind die Grundlage fur einseitige Praferenzabkommen, so fur das Allgemeine Praferenzsystem der EG fur Entwicklungslander (APS, engl. GSP: General System of Preferences), fur das Lome-Abkommen zwischen den Landern Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP-Staaten) und der EG (Ausnahme von der Gegenseitigkeit) (das Fiinfte Lome-Abkommen wurde 2000 in Cotonou/ Benin unterzeichnet, nachdem der urspriinglich vorgesehene Tagungsort Fidji-Inseln wegen eines Staatsstreiches abgesagt werden muEte), aber auch fur Ausnahmen von der Meistbegiinstigung im Rahmen multilateraler Abkommen zwischen Entwicklungslandern iiber gegenseitige Zollsenkungen (so ein gegenseitiges Praferenzabkommen zwischen 18 Entwicklungslandern aus dem Jahr 1973) (Abschnitt K-3.3.2 geht ausfiihrlich auf Praferenzabkommen ein). (4) Das WTO-Abkommen enthalt zudem Bestimmungen hinsichtlich der Behandlung von Dumping 7 und von Exportsubventionen, zu deren Abwehr unter bestimmten Voraussetzungen Anti-Dumpingbzw. Ausgleichszolle zulassig sind (vgl. Abschnitt J-3.2). J-3.1.4. Streitschlichtung Im Zuge der Reformen des GATT zur WTO wurden die Streitschlichtungsmechanismen verbessert {dispute settlement). Im Sinne von Schiedsgerichten (Abschnitt F-4) konnen Panels strittige Falle entscheiden und die beteiligten Lander zur Umsetzung anhalten (Abb. J-3/ 4). Allerdings sind die Sanktionsmoglichkeiten gering. Im Extrem kann ein Land die Importe aus einem nicht kooperierenden Land beschranken, straft sich dabei aber auch selbst. Zudem ist das Drohpotential kleiner Lander gegeniiber den GrofSen gering. So gesehen regiert das Recht des Starkeren. Es ist aber festzustellen, daf? die meisten Panelentscheidungen nicht nur formal akzeptiert, sondern auch respektiert werden. Ein Antragsrecht beim Streitschlichtungsgremium der WTO steht nur Staaten zu (aus deutscher Sicht Deutschland und die EU), so daf? benachteiligte Untemehmen wenig Chancen haben, sofern sie nicht die Bundesregierung oder die EU als Klagefuhrer bei der WTO gewinnen konnen. Abb. J - 3 / 4 : W T O - P a n e l e r w e i t e r t S a n k t i o n s k a t a l o g Ecuador darf gegeniiber EU geistige Eigentumsrechte verletzen E U befriedigt iiber WTO - S pru c h g e g e n Am erika s Exportforderung 7 Dumping bedeutet vereinfacht -, da£ Waren im Export billiger sind als im eigenen Land. <?page no="430"?> 408 J AufSenhandelspolitik und Au&enhandelsrecht PRAXISTIP Von Handelhemmnissen in Drittlandem betroffene Untemehmen sollten sich bei der EU-Kommission gegen illegale Handelspraktiken wenden, urn die Kommission zu Konsultationen oder einer WTO-Klage zu veranlassen. Wenn die dabei gesetzten Fristen nicht eingehalten werden, kann das Untemehmen nach der Trade Barriers Regulation der EU (VO Nr. 3286/ 94) beim Europaischen Gerichtshof oder dem Cericht erster Instanz in Luxemburg klagen. Fur interne Klagen gegen die EU lafSt der EuGH WTO-Recht allerdings nicht zu. Dies ist rechtlich umstritten, weil es in sekundares Gemeinschaftsrecht transformiert worden ist (vgl. Abschnitt J-2). J-3.1.5. Perspektiven der WTO Gegenwartig sind wichtige Wirtschaftsbereiche nicht den WTO-Regeln unterworfen: die Landwirtschaft, der Dienstleistungsverkehr, die Textilindustrie, fur die innerhalb der mit dem Multifaserabkommen (synonym: Welttextilabkommen) Sonderregelungen gelten, der Schutz geistigen Eigentums (das in Form von Patenten und Lizenzen fast ausnahmslos von Inhabem in Industrielandern gehalten wird), der Schutz auslandischer Investitionen und last not least der Umweltschutz. Die Verhandlungen im Rahmen der Uruguay-Runde haben verdeutlicht, dafs sich der nichttarifare Protektionismus nebem dem eigentlichen Warenhandel insbesondere auch auf zwei andere Bereiche erstreckt: Zum einen behindem national unterschiedliche Bestirnmungen u. a. beziiglich Niederlassung, Zulassung oder Qualifikation die Intemationalisierung des Dienstleistungsverkehrs. Zum anderen entstehen weltweit immense Schaden durch Verstofie gegen den Schutz geistigen Eigentums. In Abschnitt H-7 wird auf die Problematik der Markenpiraterie eingegangen. Auf die WTO warten noch grofie Aufgaben. Zu den zentralen Themen der Verhandlungen in der Zukunft wird zum einen der Umweltschutz gehoren. Nach langen Jahren der Abstinenz hatte sich da's GATT schlieSlich doch noch gegen Ende der Uruguay-Runde mit «Handel und Umwelt» befafit. Dieses «Greening of the GA7T» geht einher mit entsprechenden Initiativen insbesondere innerhalb der OECD, aber auch vieler anderer Organisationen und Konferenzen. (Mittlerweile unterliegen auch die Hermes-Exportversicherungen okologischen Kriterien. Vgl. Abschnitt H-3.2.2). Besondere Bedeutung hat die Thematik hinsichtlich des sog. Oko-Protektionismus zum Schutz gegen Oko-Dumping: Damit bezeichnet man handelsbehindemde MaSnahmen, die unter dem Vorwand des Umweltschutzes ergriffen werden, um so gesehen unberechtigte Handelsvorteile auszugleichen, die sich aus unterlassenem Umweltschutz ableiten. Die GegenmaSnahmen lassen aber oft grundsatzlich anders gelagerte, egoistische Motive erkennen. Daher wird es erforderlich sein, die umweltschutzpolitischen und umweltrechtlichen MaEnahmen zu harmonisieren und internationale Standards fur Umweltnormen zu entwickeln. Kritiker befurchten dabei allerdings, dafs die WTO als Handelsorganisation mit der Umweltproblematik iiberfordert wird, zumal noch andere sensible Themen diskutiert werden miissen: Parallel zur Umweltproblematik wird die Diskussion um Sozialstandards und nationale Arbeitsbedingungen fortgesetzt werden. Ein sehr heikler Punkt ist dabei Kinderarbeit. Analog zum Oko-Dumping spricht man dabei aus Importsicht von Sozialdumping, wahrend <ausgebremste> Exportlander, insbesondere Entwicklungslander, das Aufkommen von <?page no="431"?> J-3. Internationales AuRenwirtschaftsrecht 409 Sozialprotektionismus befiirchten. Kritiker warnen in diesem Zusammenhang vor einer Politisierung des Welthandels und vor einem Mifibrauch von Handelsregelungen zur Durchsetzung vollig anders gelagerter Interessen (Abb. J-3/ 5). Die Liberalisierung des Welthandels bedeuten Veranderungen in vieler Hinsicht, bestimmt Chancen und Risiken. Etablierte Marktpositionen werden durch qualifizierte Billiganbieter bedroht; Produktionszweige und Dienstleistungen (Forschung, Warning) werden ins Ausland verlagert, insbesondere nach Osteuropa und Asien, wo billige, motivierte und gutausgebildete Arbeitskrafte zur Verfiigung stehen meist allerdings ohne arbeits- und sozialpolitische Absicherungen, wie wir sie gewohnt sind. Der von aufien kommende Druck auf die nationalen Arbeitsmarkte vor allem in Industrielandem bedeutet jedoch ein innen- und sozialpolitisches Spannungspotential, das nicht zu unterschatzen ist. Die Internationalisierung hat auch fiskalische Konsequenzen: Konzerne bemiihen sich, Kosten dort entstehen zu lassen, wo die Steuern am hochsten und Gewinne dort, wo sie am niedrigsten sind. Abb. J-3/ 5: Kinderarbeit in Pakistan hat viele Gesichter W a r m i n g vor Dumpiitglohnen Insgesamt flieSen all diese Probleme zusammen zu der Aufgabe, eine internationale Wettbewerbsordnung zu schaffen, was auch kartellrechtliche und arbeits- und sozialrechtliche Fragen umfassen mufs. Die oben angefuhrten Sektorabkommen (z. B. Schutz geistigen Eigentums, die Dienstleistungsabkommen, das offentliche Auftragswesen etc.) lassen noch sehr viele Unvollkommenheiten erkennen, bis allgemein von fairem Handel gesprochen werden kann. Interessenkonflikte und Machtkampfe werden auch in Zukunft das Tagesgeschehen im Welthandel kennzeichnen. J-3.2. MaBnahmen gegen Dumping und Exportsubventionen J-3.2.1. Problematik Im Zuge der WTO/ GATT-Verhandlungsrunden sind die Schutzzolle weltweit auch in der EG betrachtlich gesenkt worden: Der durchschnittliche Zollsatz liegt in der EG bei 3,7%, was Schutzzolle von 15-20 % bei einzelnen Giitern nicht ausschliefo. Die sog. tarifare Protektion wird als Instrument also zunehmend unwirksamer. Um so bedeutsamer werden nicht-tarifare Mafinahmen. 8 Hierzu zahlen gezielte staatliche Exportsubventionen und private <Preiskriege> mit Hilfe von Dumping-Preisen. Beide Problemkreise unterscheiden sich also darin, wer der Schuldige ist: Im Gegensatz zur Exportsubventionierung handelt es sich bei Dumping nicht um staatliche, sondern um unternehmerische Mafinahmen. Wahrend staatliche Subventionen aufgrund der WTO-Regeln untersagt und damit ggf. durch Interventionen auf Regierungsebene unterbunden werden konnen, ist dies bei privatwirtschaftlichem Dumping nicht moglich, weil es nicht ohne weiteres durchsetzbar ist. Dieser Unterschied wirkt sich auch auf die GegenmaSnahmen aus, wie gleich zu zeigen ist. Dumping und Exportsubventionen gelten nach dem GATT/ WTO-Vertrag als <unfaire> Mafsnahmen, gegen die sich benachteiligte Staaten wehren konnen mit Hilfe von Anti-Dumping- Z. B. administrative Importbehinderungen. Vgl. hierzu nochmals oben Abb. J-3/ 3. <?page no="432"?> 410 J AuRenhandelspolitik und Auflenhandelsrecht Zollen bzw. Ausgleichzollen (bei Exportsubventionen). Diese miissen in der EG von den betroffenen Unternehmensverbanden (selten von einzelnen Untemehmen, vgl. unten) bei der EG-Kommission beantragt werden. Eine Zeitlang konnten in der EG die Anti-Dumping-Regeln umgangen werden: Da der Strafzoll auf einem bestimmten Fertigprodukt lastet, wurden stattdessen die Einzelteile, aus denen das Fertigprodukt besteht und die keinem Anti-Dumping-Zoll unterlagen, in die EG eingefuhrt und dort in sog. «Schraubenzieherfabriken» zusammengesetzt. Dies ist heute nicht mehr moglich: Da nach den GATT-Regeln keine Zdlle auf die Verwendung importierter Produkte erhoben werden diirfen, liefsen sich die entsprechenden Schlupflocher also nur durch differenzierte Zollbestimmungen fur Einzelteile schlieSen. PRAXISTIP Achtung: Seit 1988 konnen zudem erhohte Zolle erhoben werden, wenn sich herausstellt, daft der Ausfuhrer den verhangten Zoll tragt und nicht an den Importeur weitergibt. Dadurch soil eine Preiserhohung im Importland erzwungen werden. In der EG stiitzt sich das heutige (Anti-)Dumping- und (Anti-) Subventionsrecht auf die entsprechenden GATT-Kodizes, die in den WTO-Vertrag eingegangen sind. 9 Die Anti-Dumping-Regeln der WTO sind aus dem bisherigen Anti-Dumping-Kodex hervorgegangen, der 1967 im Rahmen der Kennedy-Runde entwickelt wurde und 1980 wie der Subventionskodex in Kraft trat. Auch er wurde seinerzeit nur von einer begrenzten Zahl von Mitgliedern ratifiziert. Die Anti-Dumping- und Anti-Subventions-Regeln der WTO konkretisieren die Bestimmungen der Art. VI und XVI GATT und erganzen sie durch Verfahrensvorschriften. Diese sollen nicht nur die von Dumping-Einfuhren betroffenen Importlander schiitzen, sondern insbesondere auch den Exportlandern Schutz bieten vor ungerechtfertigten Anti-Dumping-MaSnahmen. Die EG hatte bereits die bisherigen Anti-Dumping-Regeln in Gemeinschaftsrecht ubernommen, wobei es allerdings Abweichungen zwischen den EG- und den WTO-Bestimmungen gibt. In der EG ist fur die Festsetzung von Anti-Dumping-Zollen und Ausgleichszollen die EG- Kommission zustandig. Sie kann nach Bedarf nationale Behorden einschalten. Fur die Einleitung des entsprechenden Priifverfahrens ist ein Antrag erforderlich, entweder einer natiirlichen oder juristischen Person (also auch eines einzelnen Unternehmens, das ist allerdings selten) oder einer nichtrechtsfahigen Vereinigung, die im Namen eiries Wirtschaftszweiges der Gemeinschaft handelt (z. B. eines Verbandes). 10 Die Kommission priift vier Kriterien: 1. ob der Tatbestand des Dumping bzw. der Subventionierung besteht, 2. ob eine bedeutende Schddigung eines Wirtschaftszweiges in der EG vorliegt oder droht, 3. ob ein kausaler Zusammenhang zwischen dieser Schadigung und dem Tatbestand nachgewiesen wird und 4. ob die Erhebung eines Strafzolls im europdiscben Interesse ist. 9 Im EGKS- und im EAG-Vertrag gibt es abweichende Besonderheiten, auf die hier nicht eingegangen wird. 10 I.d.R. ist ein Marktanteil von mindestens 25% Voraussetzung. <?page no="433"?> J-3. Internationales Auftenwirtschaftsrecht 411 J-3.2.2. Kriterien (1) Nachweis des Tatbestands (a) Dumping Dumping kann auf zweierlei Weise definiert werden: • Definition 1: Aus betriebswirtschaftlicher (unternehmerischer) Sicht liegt Dumping vor, wenn Produkte zu nicht kostendeckenden Preisen vertrieben werden (<Verlustdumping>). Um diesen Tatbestand nachzuweisen, miifite man Einblick haben in die unternehmerische Preiskalkulation, was seitens der angeschuldigten Unternehmen wohl kaum freiwillig geschehen diirfte und nur durch Industriespionage zu erkennen ware. Obgleich systema-, tisch einleuchtend, ist diese Definition nicht operational. Zudem wiirde sie mit dem Postulat der unternehmeriscben Freiheit kollidieren, derm wenn ein Unternehmer beschlieSt aus welchen Griinden auch immer -, ein Gut zu nicht-kostendeckenden Preisen anzubieten, dann ist das ausschlieSlich seine Sache. Bei Sommer- und Winterschlufiverkaufen und ahnlichen Aktionen kommt dies ja sehr oft vor. • Definition 2: Folglich verwendet man im internationalen Handelsrecht eine andere Definition, nach der Dumping dann vorliegt, wenn ein Produkt auf Auslandsmdrkten billiger angeboten wird als auf dem inlandischen Heimatmarkt des Anbieters (sog. Normalpreis); es mul? also eine regionale Preisdifferenzierung vorliegen. Dies ist relativ leicht zu iiberpriifen; Anruf geniigt. Diese zweite Definition liegt sowohl dem WTO-Recht als auch dem EU-Recht zugrunde. (b) Exportsubventionierung Direkte Exportsubventionen sind nach dem WTO/ GATT-Vertrag verboten. Unter Subventionen versteht das GATT staatliche Beihilfen zugunsten der inlandischen Wirtschaft im weitesten Sinne, mit dem Ziel, die Ausfuhr eines Gutes zu steigern oder die Einfuhr zu verringern. Diese konnen die unterschiedlichsten Formen annehmen neben unmittelbaren, direkten finanziellen Zuwendungen die Befreiung von direkten und indirekten Steuern, Zinsvergiinstigungen oder die Ubernahme von Verlusten aus Exportgeschaften (der Gestaltung der Konditionen fur Exportkreditversicherungen in Deutschland « Hermes »-Versicherungen ist daher besondere Aufmerksamtkeit zu widmen; Abschn. H-3.2 geht darauf ein) oder z. B. vergiinstigte Transport- und Frachtgebiihren fur Exporteure. Besondere Bedeutung haben staatliche Export-FordermaSnahmen in Wirtschaftssektoren mit Struktur- und Beschaftigungsproblemen, in der EG u. a. im Bereich der Agrarwirtschaft (ebenso in den USA) sowie in der Stahl- und der Schiffbauindustrie. Aber: Staatliche Subventionen, mit denen binnenwirtschaftliche oder sozialpolitische Ziele verfolgt werden (z. B. Beschaftigungssicherung; sog. heimische Subventionen) sind nach dem Subventionskodex im Gegensatz zu Exportsubventionen zulassig. Hierzu zahlen u.a. die Forderung von Forschungs- und Entwicklungsprogrammen, die Forderung wirtschaftlich und sozial schwacher Regionen sowie beschaftigungsfordernde MaSnahmen (Bergbau im Ruhrgebiet). Diese Unterscheidung ist zum einen schwer zu definieren, zum anderen nicht sehr iiberzeugend, da solche Subventionen gleichermafien zu Preisvorteilen fiihren konnen wie direkte Exportbeihilfen. Der Tatbestandsnachweis ist daher sehr schwer zu fiihren. Daher gibt es <?page no="434"?> 412 J AuRenhandelspolitik und AuGenhandelsrecht Abb. J-3/ 6: Die europaische Agrarpolitik schadet der Dritten Welt „Subventionierte Ausfuhr beenden" / Hilfsorganisationen erheben Vorwiirfe / Haushaltsplanung kritisiert kaum Ausgleichzolle, vor allem auch deshalb, weil entsprechende Probleme in zwischenstaadichen Verhandlungen gelost werden und kaum durch Strafzolle. 1980 trat im GATT ein Subventionskodex in Kraft, den lediglich 30 Staaten ratifizierten (EG = 1 Staat). Die EG hatte bereits damals die entsprechenden Regelungen in (sekundares) Gemeinschaftsrecht iibernommen. Da der Subventionskodex wie eine Reihe anderer Nebenabkommen im Zuge der Uruguayrunde in das WTO-Abkommen iibernommen wurde, bedeutet dies, daS jeder Staat, der der WTO beitritt, automatisch alle Zusatzabkommen <im Paket> mit anerkennt. Exportsubventionen konnen auf andere Vertragspartner als Anbieterkonkurrenten nachteilige Wirkungen haben. Sie sind daher fur Industriegiiter und mineralische Grundstoffe bereits seit 1962 grundsatzlich verboten (aufer fur Entwicklungslander). Fiir andere Grundstoffe sind bedingte Ausnahmen moglich, solange das subventionierende Land keinen «mehr als angemessenen Anteil» am Welthandel mit diesem Grundstoff erhalt. Mit diesem recht vagen Begriff ist u. a. gemeint, daS dadurch nicht die Ausfuhr eines anderen Staates verdrangt wird. Grundstoffe im Sinne des GATT-V sind alle Erzeugnisse der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei und alle mineralischen Erzeugnisse. Fiir letztere gilt also eine Ausnahme von der Ausnahme, indem das Subventionsverbot sich auch auf fiir mineralische Grundstoffe erstreckt. Die ungleiche Behandlung von Industriegiitern und Agrarprodukten ist nicht sonderlich uberzeugend. Gerade die Agrarsubventionen der EG mit ihren hohen Produktionsiiberschiissen stellen auf vielen Produktmarkten fiir andere Lander eine grofe Behinderung dar (Abb. J-3/ 6). Neben vielen anderen Landern haben insbesondere die USA ein ausgepragtes Interesse daran, die Agrarprotektion der EG abzubauen. Das Stagnieren bzw. Scheitern der Uruguay-Runde leitete sich unmittelbar aus dem Beharren der EG auf eben diesen Subventionen bzw. Abschopfungen auf der Importseite ab. Der Nachweis des Dumping bzw. der Subventionstatbestandes ist vom geschadigten Wirtschaftszweig zu fiihren, der einen Ausgleichzoll beantragt. Die Verhandlungsergebnisse der Uruguay-Runde fiihren dazu, daf? Importlander kiinftig noch genauer nachweisen mussen, daS die betreffende Industrie durch angebliches Dumping oder Exportsubventionierung geschadigt wird. Die Preisunterschiede mussen dabei mehr als geringfugig sein. (2) Schadigung und kausaler Zusammenhang Eine Schadigung des betreffenden Wirtschaftszweiges wird u. a. daran beurteilt, ob seit Bestehen des Tatbestands des Dumpings bzw. der Subventionierung eine erhebliche Zunahme der Importe dieses Gutes zu verzeichnen ist und ob sich dies negativ auf Kriterien wie Auftragsentwicklung, Kapazitatsauslastung, Umsatz, Beschaftigung etc. ausgewirkt hat. Eine Schadigung wird u. a. daran beurteilt, ob eine erhebliche Zunahme der Importe dieses Gutes zu verzeichnen ist und ob die Preise der betreffenden Importguter niedriger lagen im Vergleich zu vergleichbaren Giitern im Importland. Es muE sich um eine bedeutende Schadigung handeln, welche die Hersteller gleichartiger Produkte mit einem Marktanteil von etwa <?page no="435"?> J-3. Internationales AuGenwirtschaftsrecht 413 25% trifft. Wie im Kartellrecht erweist sich dabei die Marktabgrenzung oft als Problem. Dabei sind besondere Anforderungen an die prognostizierten Entwicklungen und Wirkungen zu stellen, um einem Mifibrauch dieser Bestimmungen vorzubeugen. Dabei sind als Indikatoren die im Exportland bestehenden oder absehbar entstehenden Ausfuhrkapazitaten sowie die Wahrscheinlichkeit der Ausfuhr in die EG heranzuziehen. Letzteres kann z. B. durch langfristige Liefervertrage belegt werden. Der kausale Zusammenhang ist nachzuweisen, weil Schadigungen moglicherweise zu Unrecht einem Dumpingtatbestand zugeordnet werden, obgleich ganz andere Faktoren ursachlich sind, z. B. konjunktureller Art oder Wechselkursanderungen. Hierbei treten in der Praxis oft erhebliche Abgrenzungsprobleme auf. (3) Interessenabwagung Sofern die vorangehenden drei Kriterien erfullt sind, kann das Importland entscheiden, ob und in welcher Hohe ein Ausgleichszoll erhoben werden soil. Beispielsweise mogen Uhrenhersteller durch gedumpte Importe bestimmter Werkteile geschadigt werden. Wenn diese Teile aber gleichzeitig in anderen Industriezweigen zu deren Vorteil verwendet werden, muf? eine Interessenabwagung stattfinden. Dabei ist immer wieder zu beobachten, daS die Interessen von Produzenten in der EG und von Importeuren sich unterscheiden, weil Importeure natiirlich gerne billig im Ausland einkaufen (vgl. Abb. J-3/ 7). Abb. J - 3 / 7 : S t a h l h e r s t e l l e r w e i t e r g e g e n B i l l i g i m p o r t e E u r o p a s F a h r r a d i m p o r t e u r e w e h r e n s i c h g e g e n S t r a f z o l l e S t r a f z o l l e b e d r o h e n d e u t s c h e n L e b e n s m i t t e l e x p o r t J-3.2.3. Vergeltungszolie Zum Ausgleich der durch Dumping oder Exportsubventionen zu niedrigen Importpreise in die EG kann die EG-Kommission <Vergeltungszolle> erheben. Bei Dumping nennt man sie Antidumping-Zolle, bei Exportsubventionen nicht Anti-Subventionszolle, sondern Ausgleichszolle, warum auch immer. Die entsprechenden Priif- und Festsetzungsverfahren der EG-Kommission konnen sich uber langere Zeit hinziehen (6-12 Monate), wahrend in der Zwischenzeit die Schadigungen andauern. Daher kann bei Dumpingverdacht ein vorlaufiger Zoll festgesetzt werden (bis zu vier Monaten, mit moglicher zweimonatiger Verlangerung), der nach AbschluE der Priifung bestatigt oder aufgehoben wird (Abb. J-3/ 8). Der vorlaufige Zoll wird allerdings nicht tatsachlich erhoben, sondern der Zollschuldner (i.d.R. der Importeur in der EG) mufS eine entsprechende Sicherheit in Hohe der mutmafSlichen Dumpingspanne leisten, um die Ware in die EG einfiihren zu konnen. Dies erfolgt meist durch eine Bankgarantie, die erst bei negativem Aufklarungsergebnis wieder freigegeben wird. Abb. J-3/ 8: Antidumpingzoll auf Bursten und Pinsel ungultig Ein Anti-Dumping-Zoll darf den entstandenen Schaden nicht iiberkompensieren, d. h. es muS das Prinzip der VerhaltnismaEigkeit zwischen Schaden und MafSnahme gewahrt blei- <?page no="436"?> 4 1 4 J AuGenhandelspolitik und Auftenhandelsrecht ben. Ublicherweise wird als Dumpingspanne die Differenz zwischen dem Inlandspreis im Exportland und dem Exportpreis abgeschopft. Der Ausgleichszoll daf sich nur gegen das subventionierende Land richten, nicht gegen Importe aus anderen Landern: Es mufl in dieser Hinsicht also ausnahmsweise diskriminiert werden. Der Dumping-Kodex fordert allerdings die Unterzeichnerstaaten auf, moglichst auf die Erhebung von Anti-Dumping- Zollen gegeniiber Entwicklungslandern zu verzichten, d. h. eine Schlichtung auf andere Weise zu erreichen. Neben Ausgleichszollen konnen GegenmaEnahmen nach Art. XXIII GATT auch in der Riicknahme von Zugestandnissen bzw. Verpflichtungen bestehen (z. B. Widerruf gewahrter Meistbegiinstigung) oder in Form von nicht-tarifaren Handelshemmnissen (z. B. Importquoten). Zudem wird eine Frist festgelegt, nach deren Ablauf die Strafzolle automatisch auslaufen (sog. sunset- [«Sonnenuntergang»-] Klausel; bisher 5 Jahre), sofern nicht eine erneute Priifung ihre Verlangerung belegt. Die neuen Anti-Dumping- und Anti-Subventions-Kodizes der WTO entsprechen im wesentlich dem seit langem in der EU praktizierten Verfahren. Die nationalen Untersuchungen konnen in der WTO auf ihre Plausibilitat uberpriift werden. Die US-amerikanischen Praktiken sind da viel rigoroser. Bei einer Klage auf Verhangung von Anti-Dumping- oder Ausgleichszolle werden die betroffenen auslandischen Unternehmen einer detaillierten Befragung unterzogen. Bei nicht hinreichend, aber unbefriedigend geklarten Sachverhalten (« best information available*) wird den Behauptungen des amerikanischen Klagers gerne Recht gegeben. Ein anderer Aspekt: Nach WTO-Recht sollen zur Ermittlung der Dumpingspanne Durchschnittspreise verglichen werden, urn geringfiigige Preisschwankungen nicht sofort zu Dumpingfallen werden zu lassen. Nach amerikanischem Recht hingegen wird grundsatzlich der niedrigste Preis des Exporteurs auf dem amerikanischen Markt zum Vergleich mit dem Heimatmarktpreis herangezogen. Und ein einmal verhangter Anti- Dumpirig-Zoll kann faktisch nur mit Zustimmung des urspriinglichen Klagers wieder beseitigt werden. Dies widerspricht den WTO-Regelungen ziemlich eindeutig. Insgesamt ist das US-amerikanische AuGenwirtschaftsrecht im Vergleich mit dem deutschen nationalistischer und protektionistischer. Jahrlich stehen in der EU etwa 30-40 Verfahren zur Entscheidung an. Neben der EU und den USA nutzen Kanada, Australien und Neuseeland das Anti-Dumping-Instrument (Abb. J-3/ 9). Japan braucht offenbar wegen der Abgeschlossenheit seiner Markte keine Anti-Dumping-MaSnahmen. Anti-Dumping-Zdlle werden insbesondere auf Waren aus Japan, China und den «kleinen Tigerlandern* (Singapur, Hongkong, Siidkorea und Taiwan) verhangt. Die WTO berichtet, daS in zunehmendem MaEe Entwicklungslander zu Anti-Dumping- MaSnahmen greifen, so dafi sie in der Summe mehr AD-Verfahren laufen haben als die Industrielander. Allerdings unterliegen sie denselben Verfahrensbestimmungen hinsichtlich der Fallanalyse (investigation) und der Anwendung von MaGnahmen. Sie weisen sektoral und regional ahnliche Muster auf wie die Industrielander. Abb. J-3/ 9: Amerika verhangt Sanktionen gegen Japan U S A v e r h a n g e n A m e r i k a d r o h t C h i n a S t r a f z o l l e a u f I m p o r t s t a h l m i t S t r a f z o l l e n f <?page no="437"?> J-4. Nationales AuGenwirtschaftsrecht 415 PRAXISTIP Die Handelskammer Hamburg fiihrt ein Antidumping-Register iiber festgesetzte oder geplante EU-Strafz6lle. Es kann abonniert werden. J-3.2.4. Spezifische Dumpingformen Im Gegensatz zum oben definierten Preisdumping sieht die WTO im sog. Valuta-Dumping keinen Dumpingtatbestand: Durch gezielte Unterbewertung der Wahrung des Exportlandes konnen u.U. erhebliche Wettbewerbsvorteile erzielt werden. Der Dumping-Kodex unterscheidet zudem zwischen direktem und indirektem Dumping: Bei direktcm Dumping werden durch Giiter des Exportlandes Aland gleichartige des Importlandes Benesien verdrangt, wahrend bei indirektem Dumping durch Aland in Benesien Giiter eines anderen Exportlandes Cedonien verdrangt werden. Benesien kann in diesem Fall auch MaSnahmen zugunsten von Cedonien ergreifen. Daneben gibt es weitere Dumpingvorwurfe. In Abschnitt J-3.1.5 wurde bereits auf Oko- Dumping oder Umweltdumping hingewiesen. Damit bezeichnet man den Effekt, daf? Unternehmen aus bestimmten Landern billiger anbieten konnen, weil sie nicht wie Konkurrenten im Ausland die Kosten von Umweltschutzauflagen tragen miissen. Von Sozialdumping wird gesprochen, wenn niedrige Sozialstandards und die Arbeitsbedingungen (Stichwort: Kinderarbeit) zu geringen Lohnkosten fiihren und die Exportunternehmen auf dem Weltmarkt dann entsprechend billiger anbieten konnen. In diesen Fallen sind Anti-Dumping- Mafinahmen nicht zulassig. J-4. Nationales AuBenwirtschaftsrecht J-4.1. Geltungsbereich Wie in Abschnitt J-2 ausgefiihrt, greifen nationale Rechtsnormen nur, wenn es keine entgegenstehenden Gemeinschaftsregelungen gibt. Fiir die nationale Aufienwirtschaftspolitik ist heutzutage also wenig Bewegungsfreiheit geblieben. Das AuSenwirtschaftsgesetz erstreckt sich (sachlicher Geltungsbereich) nach § 1 auf den gesamten Waren-, Dienstleistungs-, Kapital-, Zahlungs- und sonstigen Wirtschaftsverkehr mit fremden Wirtschaftsgebieten sowie den Verkehr mit Auslandswerten und mit Gold zwischen Gebietsansassigen (einige Begrifferklarungen folgen weiter unten). Das AuSenwirtschaftsrecht ist also ein Recht fiir alle Bereiche der Aufsenwirtschaft; dies deckt in Zweifelsfallen der Passus «sonstiger Wirtschaftsverkehr* ab (ist Strom eine Ware? ). Eine wichtige Ausnahme allerdings ist der Agrarbereich, fur den mit dem Gesetz iiber die gemeinsamen Marktordnungen (MOG) eigene Regelungsmechanismen aufSerhalb des AWG geschaffen worden sind, mit dem die MaSnahme der Gemeinsamen (EG-)Agrarpolitik national umgesetzt wurden. Neben dem AWG betreffen auch die Bestimmungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KWKG) von 1961 (mit teilweise strengeren Sanktionen als im AWG) den AuSenwirtschaftsverkehr. Das KWKG regelt die Herstellung, die Beforderung und das Inverkehrbringen von Kriegswaffen. Der Begriff des Warenverkehrs ist im AuBenwirtschaftsrecht nicht unproblematisch. Was ist z. B. mit Software? Konstruktions-Know-how? Im Abschnitt L-6 iiber Exportkontrolle gehen <?page no="438"?> 4 1 6 J AuGenhandelspolitik und AuGenhandelsrecht wir darauf ein. Dicnstleistungen umfassen z.b: Transporte, Versicherungen oder Lizenzen, der Kapitalvcrkehr u.a. Kreditgeschafte, Wertpapiertransaktionen sowie Immobiliengeschafte und Unternehmensbeteiligungen. Zahlungs-, d. h. Devisenbeschrankungen (aus den typischen wahrungspolitischen Griinden), sind nach dem AWG unzulassig: Weder AWG noch AWV enthalten Beschrankungsmoglichkeiten fur den internationalen Zahlungsverkehr (allerdings die mogliche Einfuhrung einer Bardepotpflicht; vgl. J-3.2.(l)); hierzu miifite ggf. das AWG geandert werden. Eine Ausnahme stellen die Beschrankungen gegen Irak, Kuweit, Libyen, Serbien und Montenegro dar, die sich allerdings nicht auf wahrungspolitische, sondern auf sicherheitspolitische Motive gemaf? § 7 AWG stiitzen; vgl. dazu unten. Das deutsche AuSenwirtschaftsrecht ist im Kern ein Exportkontrollrecht. Es behandelt die Frage, ob eine Ausfuhr zulassig ist oder nicht. Dieser Aspekt sollte abgegrenzt werden gegen Zulassigkeitsfragen, die sich aus dem Recht der Verbote und Beschrankungen (V.u.B.) ergeben. Der Unterschied liegt in der Zielrichtung: Auf? enwirtschaftsrechtliche Beschrankungen haben eine wirtschaftliche oder auEenpolitische Motivation, die iibrigen Verbote und Beschrankungen stellen ab auf den Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen sowie auf die Wahrung der inneren und gesellschaftspolitischen Sicherheit (Abb. J-4/ 1). In Abschnitt L-6 wird Konzeption und Aufbau des Exportkontrollrechts vertieft. Der rdumliche Geltungsbereich des AWG das sog. Wirtschaftsgebiet (§ 4 AWG) ist das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik. Hierzu zahlen auch Gebiete, die als Zollfreigebiete nicht zum Zollgebiet gehoren (vgl. die Gegeniiberstellung in Abschnitt J-5.1.2), z. B. die Freihdfen und die Insel Helgoland. Nicht zum Wirtschaftsgebiet gehoren Zollausschlusse wie die Gemeinde Biisingen an der deutsch-schweizerischen Grenze, die als zum (fremden) Wirtschaftsgebiet der Schweiz zugehorig gewertet wird. Die Regelungen iiber Zoll-An- und -Ausschliisse werden in Staatsvertragen getroffen. Gleichfalls nicht zum Wirtschaftsgebiet zahlen deutsche Flugzeuge und Schiffe unter deutscher Flagge aufierhalb des Hoheitsgebiets, wohl aber die sog. 12-Meilen-Zone" an den Meereskiisten, welche das Hoheitsgebiet begrenzt. Das gesamte Ausland und die Hohe See gelten als fremdes Wirtschaftsgebiet. Nur noch als historische FuEnote sei erwahnt, daG das Gebiet der ehemaligen DDR weder fremdes noch (deutsches) Wirtschaftsgebiet war: Wirtschaftsgebiet konnte sie nicht sein, weil sie nicht zum Geltungsbereich des AWG (d. h. dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik) zahlte, als fremdes Wirtschaftsgebiet (Ausland) konnte sie nach den Bestimmungen des Grundgesetzes nicht gewertet werden. Fur den Wirtschaftsverkehr mit der DDR galten daher eine Fiille von Sonderbestimmungen fur den sog. innerdeutschen Handel, die auch im Kontext mit der EG und auch aus (import-) steuerrechtlicher Sicht zahlloser Besonderheiten und rechtliche Probleme mit sich brachten. Hieraus erklaren sich auch die sprachlich urnstandlichen Bezeichnungen wie z. B. Wirtschaftsgebiet (statt Inland), fremdes Wirtschaftsgebiet (start Ausland) und Gebietsansassiger bzw. Gebietsfremder (statt Inlander bzw. Auslander): Als gebietsansdssig («Inlander») gelten vollig unabhangig von der Staatsangehorigkeit nariirliche Personen mit Wohnsitz oder gewohnlichem Aufenthalt im Wirtschaftsgebiet sowie juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften mit Sitz der 11 Seit der UN-Seerechtskonferenz von 1973-1982 wird international eine 12-Meilen-Zone toleriert. Deutschland hat diese Regelung erst 1995 anerkannt. Auf der Konferenz wurde als Neuerung eine AusschlieGliche Wirtschafcszone von 200 sm definiert, innerhalb derer der Kustenstaat bestimmte Hoheitsrechte geniefit, u.a. im Hinblick auf die Ausbeutung von Naturschatzen. <?page no="439"?> J-4. Nationales AuRenwirtschaftsrecht 417 Abb. J-4/ 1: Beschrankungen im Auftenwirtschaftsverkehr Nicht-tarifare Handelsbeschrankungen Tarifare Handelsbeschrankungen Auftenwirtschaftsrecht i. e. S. Verbote und Beschrankungen (VuB) Zoll-/ Steuerrecht (Erhebung von Einfuhrabgaben) • Warenverkehr - Einfuhr - Ausfuhr - Durchfuhr • Dienstleistungsverkehr • Kapitalverkehr • Zahlungsverkehr Unternehmensleitung im Wirtschaftsgebiet; dies gilt auch fur Zweigniederlassungen oder Betriebsstatten (§ 4 AWG). Der im folgenden gelegentlich verwendete Begriff Inlander sollte in diesem Sinne verstanden werden. Die Bestimmungen des AWG kniipfen also an zwei Kriterien an: Unter territorialen Aspekten erstreckt sich das AWG auf grenziiberschreitende Warenbewegungen aus der Sicht des deutschen Territoriums, also auf die Sacben, unabhangig davon, ob die beteiligten Personen Inlander oder Auslander sind (nach § 10a AWG sind EG-Biirger dabei (deutschen) «Gebietsansassigen» gleichgestellt). Unter personellen Aspekten ist es bei bestimmten Rechtsgeschaften mit dem Ausland (z. B. im Dienstleistungs-, Kapital- und Zahlungsverkehr) hingegen entscheidend, ob die Beteiligten Inlander oder Auslander sind, unabhangig davon, ob sich diese Transaktionen im Inland oder Ausland vollziehen (Verkauf von Wertpapieren durch einen Deutschen an einen Franzosen in Deutschland). Die Einbeziehung von Transaktionen mit Auslandswerten und Gold auch zwischen Inlandern (§ 1 AWG) ist vorrangig historisch, aus der Zeit der damaligen Devisenbeschrankungen zu sehen; in diesen Bereichen gibt es heute keine Beschrankungen. Das bereits 1961 in Kraft getretene Aufienwirtschaftsgesetz (AWG) ist ein Rahmengesetz, auf dessen Ermachtigungsgrundlage Rechtsverordnungen insbesondere die AuEenwirtschaftsverordnung (AWV) erlassen werden, welche das Rahmengesetz konretisieren und Details regeln. Dies gewahrleistet die erforderliche Flexibilitat, da Rechtsverordnungen ohne umstandliche Gesetzgebungsprozeduren und Zeitaufwand von Regierungsbehorden nach Bedarf den aktuellen Gegebenheiten angepafit werden konnen. Die AWV war zusammen mit dem AWG 1961 in Kraft getreten, wurde jedoch 1987 nach 59 Anderungsverordnungen durch eine iiberarbeitete neue Fassung abgelost (die mittlerweile auch bereits durch 54 Anderungsverordnungen, insbesondere zum Embargorecht, novelliert wurde. Hinzu kommen zahlreiche (bis jetzt iiber 90) gesonderte - Anderungsverordnungen fur die Ausfuhrliste. Die Paragraphen der AWV enthalten in den Uberschriften Hinweise auf die gesetzlichen Ermachtigungsgrundlagen fur die einzelnen Vorschriften, z. B. lautet § 69 k AWV (Serbien/ Montenegro): «Beschrankungen nach § 7 Abs. 1 AWG auf Grund der Resolution <?page no="440"?> 4 1 8 J Auftenhandelspolitik und AuRenhandelsrecht 757 (1992) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Abschnitt VII der Charta) vom 30. Mai 1992», oder die Bestimmungen des 2.Titel im Abschnitt VI iiber den Kapitalverkehr sind iiberschrieben mit «Meldevorschriften nach § 26 AWG». J-4.2. Arten und Umfang der Beschrankungsmoglichkeiten Nach dem AWG sind zwei grundsatzliche Arten von Beschrankungen moglich: entweder Verbote oder Genehmigungsvorbehalte. Beschrankungen sind i.d.R. Gebote, wie z. B. das Erfordernis, bestimmte Bescheinigungen vorzulegen (z. B. Trichinenfreiheit bei Fleisch). Bei Verboten sind zu unterscheiden: • absolutes Verbot ohne Ausnahmen (z. B. Einfuhr verseuchter Tiere), • relatives Verbot mit moglicher Ausnahmebewilligung (z. B. Einfuhrverbot fur Waffen; Ausnahmen durch Bundeskriminalamt), • relatives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt (z. B. Einfuhr von artengeschiitzten Tieren oder Pflanzen). Absolute Verbote von Handlungen oder Rechtsgeschaften sind selten (z. B. Exportverbote im Rahmen des Irak-Embargos), weil mit einer rationalen Handhabung von Genehmigungspflichten flexibler, differenzierter, aber genauso konsequent analoge Wirkungen erzielt werden konnen. Genehmigungen werden nur auf (meist formgebundenen) Antrag gewahrt und konnen mit Nebenbestimmungen verbunden sein, z. B. einer zeitlichen Befristung oder der Einhaltung bestimmter Bedingungen oder Auflagen, oder unter einem Widerrufsvorbehalt stehen. Fiir Einfuhrgenehmigungen ist das Bundesamt fur Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn zustandig (bundesamt@bafa.de oder www.bafa.de). Grundsatzlich ist fiir den Erlafi von auEenwirtschaftlichen Rechtsverordnungen die Bundesregierung zustandig (§ 27 AWG), wobei wegen der meist umfassenden Bedeutung derartiger Regelungen die Entscheidung des Gesamtkabinetts erforderlich ist. Sie bediirfen in der Regel nicht der Zustimmung des Bundesrates, sondern werden diesem ebenso wie dem Bundestag lediglich mitgeteilt. Der Bundestag kann innerhalb von vier Monaten nach Verkiindung die unverzugliche Aufbebung einer derartigen Rechtsverordnung anordnen (dies ist bisher noch nicht vorgekommen). Hinsichtlich solcher Rechtsverordnungen, die <nur> der Umsetzung von EG-Recht oder der Erfullung von Verpflichtungen aus internationalen Vertragen dienen, ist der Bundeswirtsckaftsminister (im Einvernehmen mit dem BundesauEen und -finanzminister) zustandig. Diese Rechtsverordnungen brauchen auch nicht Bundestag und Bundesrat mitgeteilt zu werden. Ein extremes Beispiel: Um 10.00 Ortszeit faEt der UN-Sicherheitsrat in New York einen Embargobeschlufi. Kurze Zeit sparer, um 17.00 MEZ, iibernimmt die EG-Kommission den Embargobeschlul? (der BeschluS wird am nachsten Tag im Amtsblatt der EG veroffentlicht), um 17.25 geht ein Fax an das BMWi, wo eine entsprechende Anderung der AWV formuliert wird; um 18.10 unterschreibt der Minister; wenn Sie aufwachen, ist die Verordnung in Kraft. Dieses Verfahren ist hektisch und fehlertrachtig. J-4.3. Verbote und Beschrankungen (V.u.B.) Die Bestimmungen des AuSenwirtschaftsrechts (i.e.S.) werden erganzt durch zahlreiche andere Vorschriften, die Einfuhr- oder Ausfuhrvorschriften aus nicht-okonomischen Griinden ent- <?page no="441"?> J-4. Nationales AulSenwirtschaftsrecht 419 halten: sog. Verbote und Beschrankungen (V.u.B.). Die Rechtsgrundlagen dafiir finden sich entweder im EG-Recht oder im nationalen Recht, wobei letztere in einer Vielzahl von Gesetzen verankert sind (rund 100), z. B. Lebensmittelrecht, Naturschutzgesetz, Artenschutzrecht, Tierseuchengesetz, Arzneimittelrecht, Abfallrecht, Marken- und Warenzeichenrecht, Eichgesetz usw. Die ZoUbehorden haben die Einhaltung der Verbote und Beschrankungen zu uberwachen. Ob die Einfuhr einer Ware verboten ist bzw. ob eine Einfuhrgenehmigung erforderlich ist, ergibt sich aus der Einfuhrliste in Abhangigkeit von der Warenart bzw. dem Lieferland. Zwar gibt es mit dem Elektronischen Zolltarif (EZT) ein <Nachschlagewerk>, aus dem sich meist Hinweise auf Beschrankungen ergeben (vgl. Abschnitt 6), er weist aber nicht bei jeder Ware durch den Hinweis <V.u.B.> auf Beschrankungen hin, so dafi hierzu erganzend Dienstanweisungen des Bundesfinanzministeriums herangezogen werden miissen. Daher ist grundsatzlich anzuraten, dafi man sich beim Warenimport noch urn erganzende Informationen bemiiht, z. B. bei den Industrie- und Handelskammern (IHK) oder bei den ZoUbehorden. Die folgende Liste gibt eine Ubersicht iiber die wichtigsten, aber nur beispielhaften V u. B.: 12 1. Schutz der offentlichen Ordnung • Verfassungswidrige Schriften: -> verboten, • Banknotenpapier. —> erlaubnispflichtig, • aufter Kurs gesetzte Miinzen, Medaillen: -> verboten, • Schuldurkundenpapier (auch fiir Euroschecks etc.): -» genehmigungspflichtig • Waffen, Munition, Ceschosse (aufter Kriegswaffen) fur Jagd, Sport, Spiel: -» genehmigungspflichtig, Kennzeichnungspflicht, -> bestimmte Typen sind verboten (u. a. Springmesser, Schlagringe), • Kriegswaffen: —> genehmigungspflichtig, • Sprengstoffe: —> Berechtiguhgsnachweis erforderlich, • Radioaktive Stoffe: -» genehmigungspflichtig, • verfassungswidrige Medien: —» verboten, Beschlagnahme, • strafrechtlicher Schutz der offentlichen Ordnung und Sicherheit (Gewaltdarstellung, Rassenhaft, harte Pornographic jugengefahrdende Schriften): —> verboten, Beschlagnahme, • Guter, die die Sicherheit der Allierten Streitkrafte gefahrden: —> genehmigungspflichtig, • Sendeanlagen: -^ genehmigungspflichtig. 2. Schutz der Umwelt • Beseitigung von Abfallen: —> genehmigungspflichtig (Abfallbeseitigungsgesetz, Immissionsschutzgesetz) n Eine ausgezeichnete Vertiefung bietet Henke, Reginhard, Verbote und Beschrankungen bei Ein- und Ausfuhr, Herne/ Berlin 2000. <?page no="442"?> 420 J AuRenhandelspolitik und AuGenhandelsrecht • Seit 1994 hat Deutschland das <Basler Obereinkommen> uber die <Kontrolle der grenzuberschreitenden Verbringung gefahrlicher Abfalle und ihrer Entsorgung> in nationales Recht umgesetzt. Dies wird erganzt durch EG-Verordnungen. Alle Abfalle, die nicht auf einer Positivliste gelistet sind und die grenzuberschreitend transportiert werden sollen, erfordern eine Genehmigung. • DDT: -» verboten. 3. Schutz der menschlichen Gesundheit • Fleisch (nicht nur BSE-verdachtiges Rindfleisch aus GroRbritannien): —» veterinar-medizinische Untersuchungspflicht, —> zubereitetes Affen-, Katzen-, Hunde-, Pferdefleisch, Fleisch von anderen Einhufern: verboten • Gefliigelfleisch mit bestimmten Zusatzen (Zartmacher): —» verboten, • Methylalkohol, Absinth, Wein, Likorwein, Schaumwein: —» Verkehrsbeschrankung (muR im Ursprungsland zum Verzehr geeignet gewesen sein) • Betaubungsmittel: —> genehmigungspflichtig (Bundesgesundheitsamt), • Krankheitserreger: —> genehmigungspflichtig, • Arzneimittel: —> genehmigungspflichtig, gemaft Bundesarzneimittelgesetz, • Lebensmittel: —• Verkehrsbeschrankungen gemaR Lebensmittelgesetz (Abb. J-4/ 2), Beforderungsvorschriften fur leicht verderbliche Lebensmittel. (Anmerkung: Die Einfuhr veterinarkontrollpflichtiger Waren aus Drittlandern (Fleisch und Fleischprodukte, Wurst, lebende und tote Tiere) darf nur uber zugelassene Zollstellen erfolgen. 4. Schutz der Tierwelt • kranke Tiere: verboten, • lebende Einhufer, Hasen, Kaninchen, Katzen, Hunde, Geflugel, Vogel, Affen, Fische: —> genehmigungspflichtig, • Knochen: —> verboten, • bestimmte seltene Tierarten: —» verboten (Artenschutzabkommen), sofern keine Genehmigung zulassig (dann genehmigungspflichtig), Beschlagnahme (Bsp. Krokodile, Elfenbein) (Abb. J-4/ 3), ggf. genehmigungspflichtig Abb. J-4/ 2: Reinheitsgebot kein vorsatzlicher Verstofi Bundesgerichtshof weist Klage eines franzdsischen Bierbrauers ab Die E U halt am Einfuhrverbot fiir Fleisch hormonbehandelter Tiere fest Niederlage vor der Welthandelsorganisation wahrscheinlich Rindfleisch-Exportverbot w a r R echtens Europaischer Gerichtshof weist Klage GroBbritanniens ab <?page no="443"?> J - 4 . Nationales AuGenwirtschaftsrecht 4 2 1 Abb. J-4/ 3: Artenschutz Quelle: FAZ v. 15.07.96, Abdruck mit freundlicher Genehmigung (Foto: Frank Roth) f Z o ll n e r i m Elsafi e s c h l a g n a h m e n 57 L e g u a n e • Tierarzneimittel: —> genehmigungspflichtig, • Futtermittel: - » tiberwachungs-, ggf. genehmigungspflichtig. 5. Schutz der Pflanzenwelt • Pflanzen und Saatgut: —> kann genehmigungspflichtig/ verboten sein (BLE), Saatgut nur als EG-Ursprungsware • Pflanzenschutzmittel: —> genehmigungspflichtig durch Biologische Bundesanstalt, • bestimmte seltene Pflanzenarten: —> verboten (Artenschutzabkommen), sofern keine Genehmigung zulassig (dann genehmigungspflichtig): Beschlagnahme. 6. Gewerblicher Rechtschutz • falsche Angaben auf Waren (Gattung, Ursprung [made in . . . ] , Markenname («Markenpiraterie», Verwendung) (vgl. Abschnitt H-7): —> Beschlagnahme 7. Branntwein —> genehmigungspflichtig (nur Branntweinmonopolverwaltung darf einfuhren), <?page no="444"?> 4 2 2 J AuRenhandelspolitik und AulSenhandelsrecht 8. Verkehrsbeschrankungen auf den Cebiet der Verbrauchsteuern -> Verpackungszwang, -* Beipackverbot bei Tabakwaren, 9. Verkehrsbeschrankung auf dem Cebiet der nationalen Marktordnungen —» Andienungszwang bei Getreide, Fleisch (BALM), 10. Sonstige Verkehrsbeschrankungen - » medizinische Meftgerate nur, wenn sie geeicht sind, —> Textilkennzeichnungspflicht (Materialbestandteile). Nationale Verbote und Beschrankungen stehen natiirlich potentiell im Konflikt mit den Freihandelsnormen der WTO und des EG-Vertrages. Oben wurde aber bereits ausgefiihrt, daS Art. XX GATT eine generelle Ausnahme-Klausel darstellt fur nationale MafSnahmen aus nicht-okonomischen Griinden, die z. B. den Schutz der offentlichen Ordnung, der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen oder der offentlichen Sicherheit zum Ziel haben. Dies gilt sinngemaS fur den analogen Art. 30 im EG-Vertrag. Fur beide Normen ist Voraussetzung, daft die SchutzmaSnahmen nicht-diskriminierend getroffen werden und nicht etwa verdeckte Handelsbehinderungen darstellen, also okonomische Ziele haben. Nach dieser Betrachtung des AufSenwirtschaftsrechts und der nicht-okonomischen V.u.B. gehen wir nun iiber zum Zollrecht. J-5. Zollrecht J-5.1. Grundlagen und Begriffe Neben dem AuSenwirtschaftsrecht i.e.S. stellt das Zollrecht das zweite zentrale Rechtsgebiet fur AufSenwirtschaftsbeziehungen dar. Zwei Unterschiede sind hervorzuheben. Erstens: Im Gegensatz zum AuEenwirtschaftsrecht, das noch stark auf nationalem Recht beruht, ist das Zollrecht weitestgehend Gemeinschaftsrecht. Man muf? jedoch hervorheben, daS dessenungeachtet die Durchfiihrung und Anwendung des weitgehend harmonisierten EG-Zollrechts in den Handen von derzeit - 15 unterschiedlichen Zollverwaltungen mit unterschiedlichen Strukturen und Mentalitaten liegt. Zweitens unterliegt innerhalh der Gemeinschaft der Handel mit Gemeinschaftswaren keiner zollrechtlichen Uberwachung. Im Bereich des AuEenwirtschaftsrechts gibt es jedoch noch zahlreiche nationale Bestimmungen, die auch auf den Binnenhandel anzuwenden sind (vgl. Abschnitte J-2.3 und J-4). Daneben sind auch weitere Formalitaten zu beachten, vor allem im Hinblick auf steuerliche und statistische Aspekte (vgl. Abschnitt J-6 und J-7). Die folgenden zollrechtlichen Ausfiihren erstrecken sich demnach lediglich auf den Warenverkehr mit Drittlandern. J-5.1.1. Rechtsgrundlagen des Zollrechts Das Zollrecht ist primares Gemeinschaftsrecht, indem im EG-Vertrag zollrechtlich relevante Bestimmungen enthalten sind: Im Drirten Teil des EGV (Amsterdam) («Die Politiken der Gemeinschaft*) im Titel I «Der freie Warenverkehr» besagt der Art. 23 (1) EGV im Wortlaut: <?page no="445"?> J-5. Zollrecht 423 «Grundlage der Gemeinschaft ist eine Zollunion, die sich auf den gesamten Warenaustausch erstreckt; sie umfafit das Verbot, zwischen den Mitgliedstaaten Ein- und Ausfuhrzolle und Abgaben gleicher Wirkung zu erheben, sowie die Einfuhrung eines Gemeinsamen Zolltarifs gegeniiber dritten Landern.» Das Zollrecht bezieht sich auf Aspekte, ob und unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen der grenzuberschreitende Warenverkehr zollpflichtig ist und welche Abwicklungsverfahren angewendet werden; das Zolltan'/ recht bezieht sich darauf, in welcher Hohe Abgaben anfallen. Am 1.1.1994 trat der Zollkodex (ZK) der Europaischen Gemeinschaft in Kraft (mit leichter Verzogerung, da dies eigentlich bereits zur Vollendung des Binnenmarktes am 1.1.1993 geschehen sollte). Dies bedeutet eine betrachtliche Straffung der vorher stark zersplitterten, zerstreuten und selten zusammenhangenden zollrechtlichen Grundlagen: Der ZK hat 28 EU-Rats-Verordnungen, die dazugehorige Durchfuhrungsverordnung zum Zollkodex (DVO-ZK) weitere 75 Kommissions-Verordnungen ersetzt. Dies erleichtert die Arbeit mit dem Zollrecht ganz erheblich. Eine Vielzahl von Aspekten wurde neu geregelt, teils inhaltlich, teils nur rechtssystematisch. Die systematische und inhaltliche Straffung ist allerdings nicht gleichbedeutend mit einer Verringerung des Umfangs der Vorschriften: Der Zollkodex umfafSt rd. 250, die DVO rd. 1000 Artikel, erganzt durch 113 (teilweise umfangreiche) Anhange. Diese Normen werden im supranationalen Recht u. a. erganzt durch eine Anti- Dumping-VO. Die Bedeutung des ZK geht weit iiber die EU hinaus: Insbesondere in osteuropaischen Staaten, aber auch in vielen Entwicklungslanden orientiert sich das dortige Zollrecht am ZK. Beispielsweise wenden Jordanien und Brasilien das Harmonisierte System des Zolltarifs wie die EU an, und die Handhabung der im folgenden behandelten Zollverfahren ist dort sehr ahnlich. Auf den Internetseiten der Generaldirektion Zolle der EG kann man import- und exportrelevante Aspekte recherchieren: http: / / www.europa.eu.int. Die Internetseiten des www.bundesfinanzministerium.de (BMF) bzw. der Bundeszollverwaltung (www.zoll-d.de) sind in dieser Hinsicht leider weniger ergiebig. Der Zollkodex regelt einen grofien Bereich der zollrechtlich relevanten Aspekte, klammert jedoch bestimmte Aspekte aus bzw. sieht explizit nationale Vorschriften vor (z. B. organisatorische Aspekte oder die Regelungen fiir ZoUordnungswidrigkeiten bzw. -straftaten), so dafs auch weiterhin nationales Zollrecht erforderlich ist. Der ZK ist aus rechtssystematischer Sicht wie auch andere Rechtsmaterien in drei Hauptbereiche zu ordnen: allgemeine Grundsatze und Regeln, materielles Zollrecht und Zollverfahrensrecht. Der strukturelle Aufbau des ZK ist nicht immer einleuchtend. Auf der Ebene des sekundaren Gemeinschaftsrcchts gibt es eine Vielzahl von Ricbtlinien und Verordnungen, die den ZK erganzen. Was die Belastung des Warenverkehrs mit Abgaben betrifft, so ist die fur eine Wirtschaftsgemeinschaft unabdingbare Rechtsharmonisierung hinsichtlich der Z6'/ / e (interne Zollfreiheit, gemeinsamer Aufienzolltarif, weitgehend harmonisiertes Tarifrecht und Zollwertrecht) sehr viel weiter fortgeschritten als bei den iibrigen Einfuhrabgaben wie Einfuhrumsatzsteuer und Verbrauchsteuern. Hier ist noch viel an Harmonisierungsarbeit zu leisten. Im Bereich des internationalen Zollrechts ist vor allem der WTO/ GATT-Vertrag hervorzuheben, dessen Bestimmungen in Gemeinschaftsrecht transformiert worden sind (vgl. ausfuhrlich oben Abschnitt J-3). Daneben bestehen im Rahmen der WCO (World Customs <?page no="446"?> 424 J Auftenhandelspolitik und Auftenhandelsrecht Organization, friiher Briisseler Zollrat: Customs Cooperation Council, CCC) in Briissel volkerrechtliche Abkommen, u.a. iiber das «Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren» (HS), das gleichfalls in EG-Recht transformiert wurde. Das nationale Zollrecht ist bislang zwischen den EG-Staaten noch nicht umfassend harmonisiert worden; in vielen Details, aber auch hinsichtlich wichtiger Aspekte (wie z. B. der Organisation oder der zollrechtlichen Sanktionen) bestehen von Staat zu Staat unterschiedliche Regelungen. Nationales Zollrecht gilt nur noch, sofern es der Zollkodex explizit so vorsieht, z. B. im Hinblick auf Zustandigkeitsregelungen, das Verfahren bei Zahlungsaufschub oder das System des Rechtsbehelfs, also nicht wie in anderen Rechtsgebieten automatisch bei Regelungsliicken im Gemeinschaftsrecht. In Deutschland werden hierzu das Zollverwaltungsgesetz (ZollVG) von 1992 und die Zollverordnung (ZollV) angewendet. Erganzend gelten auch die Vorschriften der Abgabenordnung (AO), dem «Grundgesetz» des deutschen Steuerrechts. Im folgenden werden eine Reihe von Begriffen erlautert, die im Zusammenhang mit der Zollbehandlung von Bedeutung sind. Gleichzeitig ergibt sich daraus ein Einblick in den grundsatzlichen Ablauf der Zollbehandlung. Darunter sind alle Amtshandlungen zu verstehen, die sich an die Gestellung von Nichtgemeinschaftswaren (vgl. unten Abschnitt J-5.1.3) anschlieSen. J-5.1.2. Zollrechtliche Begriffe und Definitionen (1) Zollgebiet Die Abgrenzung des Zollgebiets ist wichtig hinsichtlich des Geltungsbereichs der jeweiligen nationalen bzw. supranationalen Zollvorschriften. Dabei sind das nationale deutsche Zollgebiet und das Gemeinschaftszollgebiet der EG zu unterscheiden. (a) Zollgebiet der Cemeinschaft Die EG umfaEt derzeit 15 Staaten, doch ergibt sich aufgrund besonderer Beziehungen mit anderen Landern die Notwendigkeit, die zollrechtlichen Beziehungen in zwischenstaatlichen Abkommen zu regeln, um den innereuropaischen Warenverkehr nicht zu behindern, beispielsweise mit dem EFTA-Staat Schweiz und mit einer Vielzahl von Kleinstaaten innerhalb des Gebiets der Europaischen Gemeinschaft. Gegenwartig bewerben sich 13 europaische Staaten um eine EU-Mitgliedschaft. Sieben von ihnen attestiert die EU, dafi sie fur den Beitritt zum nachstmoglichen Termin reif seien (Estland, Malta, Polen, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Zypern). Bei funf weiteren werden die 1993 auf dem EU-Gipfel in Kopenhagen festgelegten Beitrittsbedingungen in absehbarer Zeit noch nicht erfullt sein (Bulgarien, Lettland, Litauen, Rumanien, Slowakei). Der Tiirkei kommt nach wie vor eine Sonderrolle zu, da auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet noch eine betrachtliche Anpassung erfolgen mufs. Der Geltungsbereich des EG-Zollrechts ist das Zollgebiet der EU. Dieses entspricht weitgehend der Summe der nationalen Hoheitsgebiete, d. h. einschliejllicb der Freihafen, der Kiistenhoheitsgewasser (in der Regel ist dies eine 12-sm-Zone), der Binnengewasser und des Luftraums. Nicht zum Zollgebiet gehoren Schiffe und Flugzeuge (genauer: Luftfahrzeuge) in Gebieten, die keinem Zollgebiet angehoren (z. B. Schiffe auf hoher See, Flugzeuge in der Luft). Auch verschiedene hoheitsrechtliche souverane Staaten und andere Gebiete, u.a. <?page no="447"?> J- 5 . Zollrecht 4 2 5 Monaco, San Marino und Andorra, gehoren nicht zum Gebiet der EU, werden aber aufgrund von Staatsvertragen mit Frankreich, Spanien und Italien als Teil des ZoUgebiet der EU angesehen (Zollgebietsfiktion) (siehe den anschlieSenden Exkurs). Umgekehrt gibt es Gebiete, die zwar zum Gemeinschaftsgebiet, aufgrund geographischer, politischer und historischer Besonderheiten aber nicht zum ZoUgebiet der EU gehoren (ZoUausschliisse), u u. a. in Deutschland Helgoland (vgl. nachstehend) sowie die deutsche Gemeinde Biisingen bei Schaffhausen (ZollanschluG an die Schweiz), das zu Danemark gehorenden Gronland und die Faroer Inseln, in Grofibritannien die Insel Man und die Kanalinseln Guernsey und Jersey, in Italien Livignio, Campione d'ltalia und Teile des Luganer Sees als italienische Enklaven (Zollanschlusse) im ZoUgebiet der Schweiz, in Frankreich (weil als Departements der franzosischen Republik Teil des franzosischen ZoUgebietes) Guadeloupe, Guyana, Martinique, Reunion, St-Pierre-et-Miquelon und Franzosisch Guayana, als Teil Spaniens die kanarischen Inseln (die Balearen sind uneingeschrankt Teil des ZoUgebietes; fur die Kanarischen Inseln gelten Sonderbestimmungen, so daf? man von dort nicht beliebig Waren zoll- und steuerfrei aus dem Urlaub mitbringen darf; vgl. unten), gleichfalls in Spanien die autonomen (spanischen) Stadte Ceuta und Melilla ostlich von Tanger an der Mittelmeerkuste Marokkos, sowie als Teile Portugals die Azoren und Madeira. (b) Exkurs: Zwergstaaten in Europa Eine haufig vorkommende Beziehung von Kleinstaaten zur EG ist die Schachtelzollunion. Sie hat nicht die Ausdehnung des ZoUgebietes der Gemeinschaft auf Drittlander zur Folge, sondern fiihrt auf Grund der rechtlichen Konstellation zur Bildung eines neuen ZoUgebietes, von dem das ZoUgebiet der Gemeinschaft nur ein Teil ist. Die damit verbundenen Rechtsverhaltnisse wurden bislang nicht (ausreichend) geregelt. So fehlt es an einer positiven Definition des ZoUgebietes in den jeweiligen Abkommen oder ProtokoUen oder den auf ihrer Grundlage erlassenen Bestimmungen. Eine solche Definition hatte auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dafi von der Gemeinschaft mit unterschiedlichen Partnern errichtete Zollunionen auch Beziehungen zwischen den jeweiligen Partnern schaffen. Wenn sich Waren aus San Marino oder Andorra in der Gemeinschaft im Freiverkehr befinden, so befinden sie sich auch jeweils in anderen Partnerstaaten im freien Verkehr, so z. B. der Tiirkei, mit der ebenfalls ein Abkommen iiber eine Zollunion geschlossen wurde. Insofern bringen Schachtelzollunionen eine erhebliche Komplizierung der Rechtslage mit sich. Sie werfen zumindest theoretisch regelmaSig die Frage auf, welches Zollrecht anzuwenden ist: das der Gemeinschaft oder das des Kleinstaates. Das massive politische Ubergewicht der Gemeinschaft hat in alien bisherigen Fallen zu einer Ubernahme des Gemeinschaftszollrechts ohne «wenn und aber» gefuhrt. Dennoch handelt es sich bei der Schachtelzollunion um eine neue, von der Gemeinschaft abgehobene Rechtsordnung, da die betreffenden Lander im Prinzip nicht als Drittstaaten anzusehen sind, wie dies auf Grundlage des Zollkodex der Gemeinschaft zweifelsfrei der Fall ist. Als praktische Konsequenz wirft dies die Frage auf, ob Gemeinschaftswaren, die in das Gebiet des Partnerstaates verbracht werden, als ausgefuhrt im Sinne des Zollkodex gelten. Es stellt sich die Problematik einer (ggf.) unterbleibenden Exportkontrolle oder z, B. der Kontrolle des Warenursprungs. Im letzteren Fall ist mit Problemen zu rechnen, wenn der gemeinschaftliche Standard der D Dies hat dann auch steuerlicbe Ausnahmen zur Folge. <?page no="448"?> 4 2 6 J AuRenhandelspolitik und AuGenhandelsrecht Anwendung einschlagiger Bestimmungen von seiten des Partnerstaates nicht gewahrleistet ist. ZoUrechtler bekommen bei solchen Problemen glanzende Augen, Praktiker schiitteln nur leise den Kopf. Schachtelzollunionen bestehen u. a. mit dem Fiirstentum Andorra und der Republik San Marino, aber auch mit anderen Staaten, z. B. mit der Tiirkei. Im folgenden werden einige Regelungen mit einzelnen Kleinstaaten oder Gebieten mit Sonderstatus skizziert. Helgoland gehort aus historischen Griinden zwar zum deutschen Hoheitsgebiet, nicht jedoch zum Zollgebiet. Die Waren werden daher nicht mit Einfuhrabgaben belastet. Eine Zollbehandlung erfolgt erst, wenn Waren Helgoland Richtung EG verlassen. Das entsprechende Steuerprivileg existiert nicht mehr; damit gibt es auch keine «Butterfahrten» mehr. Die deutsche Gemeinde Biisingen, die ganz von schweizerischem Hoheitsgebiet umschlossen wird, stellt ein deutsches ZollausschluGgebiet dar. Aus schweizerischer Sicht handelt es sich um ein ZollanschluBgebiet, in dem aufgrund entsprechender Vertrage schweizerisches Zollrecht gilt. Das Fiirstentum Liechtenstein ist seit dem 01.07.1991 als eigenstandiger Staat Mitglied der EFTA. Davor wurde das Land iiber die Zollunion mit der Schweiz innerhalb der EFTA vertreten. Uber den Europaischen Wirtschaftsraum (EWR) ist Liechtenstein neben alien anderen EFTA-Mitgliedern aufier der Schweiz in Form einer Freihandelszone mit der Gemeinschaft verbunden. Mit den ungefahr in der Mitte zwischen GroSbritannien und Island gelegenen Faroer-Inseln (autonome Inselgruppe des danischen Konigreichs) sowie mit Gronland (autonomer Teil Danemarks, 1985 aus der EU ausgeschieden) besteht ein einseitiges Praferenzabkommen, das den ungehinderten Zugang faroerianischer Waren (dies sind vor allem land- und fischereiwirtschaftliche Produkte, Woll- und Strickwaren) zum Markt der Gemeinschaft ermoglicht. Ohne das Praferenzabkommen hatten die Faroer durch den Beitritt Danemarks zur Gemeinschaft ihren klassischen Absatzmarkt verloren, was den wirtschaftlichen Ruin bedeutet hatte. Gibraltar wird als «territoire comtnunautaire sous souverainete britannique* (Gemeinschaftsgebiet unter britischer Hohheit) im innergemeinschaftlichen Handel wie EU-Inland behandelt. Es gilt als Teil der EU in der Form eines «non fully-fledged members», wobei die Regierung GroSbritanniens fiir die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht in Gibraltar als "British Dependent Territory* verantwortlich ist. Auch die Isle of Man geniefit innerhalb der EU einen Sonderstatus, der in Protokollnotiz Nr. 3 zum Beitrittsvertrag GroSbritanniens zur Gemeinschaft festgeschrieben ist. Die Isle of Man ist weder Mitglied noch mit der EU assoziiert (und gehort als "internally self governing dependent territory of the Crown* auch nicht zu GroSbritannien). In der Protokollnotiz ist jedoch festgelegt, daS die Isle of Man zum Zollgebiet der EU gerechnet wird; dies ermoglicht einen unkomplizierten Handel mit Waren und Giitern mit den Mitgliedstaaten. Mit Ausnahme des Zollrechts gilt das iibrige Gemeinschaftsrecht nicht. Dies gilt auch fur die Bestimmungen iiber die Erzeugung von und den Handel mit Agrarprodukten. Die Behorden der Isle of Man gewahrleisten jedoch die Gleichbehandlung aller natiirlichen und juristischen Personen der Gemeinschaft mit Einheimischen. Die Isle of Man erhalt weder Zahlungen aus Gemeinschaftskassen noch fiihrt sie selbst Beitrage ab. Fiir das Fiirstentum Monaco liegt die Zollhoheit, also die Zustandigkeit fiir die Erhebung <?page no="449"?> J-5. Zollrecht 427 von Zollen und Abschopfungen, bei Frankreich. Monaco gehort zum ZoUgebiet, ohne jedoch selbst zur Gemeinschaft zu gehoren. Monaco bildet mit Frankreich eine historisch gewachsene Zoll- und Wahrungsunion. Mit Griindung der EWG wurde das monegassische Hoheitsgebiet als zum gemeinschaftlichen ZoUgebiet gehorend angesehen, ohne dafi explizit vertragliche Regelungen getroffen wurden. Im Jahre 1963 schlossen das Fiirstentum Monaco und Frankreich ein Abkommen iiber die administrative Zusammenarbeit hinsichtlich der Zolle und Abschopfungen der Gemeinschaft. Die entsprechenden vertraglichen Regelungen sehen vor, daS Zolleinnahmen in den franzosischen Staatshaushalt flieSen, gleichzeitig aber Anspriiche auf Ausgleichszahlungen bestehen. Die von Frankreich erhobenen und an die Gemeinschaft abzufiihrenden Zolleinnahmen werden um diese Ausgleichszahlungen an Monaco gekiirzt. Zwischen dem Fiirstentum Andorra und der Europaischen Gemeinschaft wurde 1989 ein Abkommen iiber die Errichtung einer Zollunion geschlossen, die sich allerdings ausschliefslich auf gewerbliche Waren bezieht. Andorra hat damit die Vorteile des Freiverkehrs fur seine gewerblichen Waren, die bis dahin nur innerhalb Frankreichs und Spaniens bestand, auf das gesamte ZoUgebiet der Gemeinschaft ausdehnen konnen. Die Beschrankung auf gewerbliche Waren macht allerdings eine Ursprungskontrolle aller ubrigen Waren erforderlich und zwingt somit dazu, auch den unter die Regelungen der Zollunion fallenden Teil des Warenverkehrs unter Kontrolle zu stellen. Andorra wurde aus der Sicht der Gemeinschaft mit AbschluE des Abkommens iiber die Errichtung der Zollunion zum «Gebiet mit Erstattungsregelungen». DaS das Fiirstentum Andorra als Einkaufsparadies eine gewisse Beruhmtheit erlangt hat, liegt nicht an der Zoll-, sondern an der Steuerfreiheit der Waren und Giiter. Mit der Republik San Marino, die seit dem Jahre 1939 eine Zollunion mit Italien bildet, wurde seitens der EG am 16. Dezember 1991 ein Abkommen iiber eine Zollunion geschlossen. Diese Zollunion gilt fur alle Waren des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ausnahme der unter den Vertrag iiber die Griindung der Europaischen Gemeinschaft fur Kohle und Stahl fallenden Waren (EGKS-Waren). Als gleichrangiger Partner in dieser Zollunion kann San Marino Anspruch auf diejenigen Einfuhrabgaben erheben, die in der Gemeinschaft auf Waren anfallen, die, obwohl zum Verbrauch im eigenen Territorium bestimmt, in der Gemeinschaft in den freien Verkehr uberfuhrt werden. In der vorangegangenen Zollunion mit Italien war dies nicht moglich. Bei der Republik San Marino handelt es sich seitdem ebenfalls um ein «Gebiet mit Erstattungsregelungen». • Der Vatikan hat einen Sonderstatus: Er ist sowohl auSenwirtschaftsals auch zollrechtlich EU-Ausland (Drittland), auch fur Italien, und gehort auch nicht fiktiv zum ZoUgebiet der EU, aber die Gemeinschaft verzichtet hier wie in anderen Fallen u. a. Kanalinseln auf die Erhebung von Einfuhrabgaben, um den Warenverkehr nicht zu komplizieren. Lebensmittellieferungen in die Vatikanstadt konnen allerdings zu Ausfuhrerstattungen zu Lasten der Kassen der Gemeinschaft fiihren. Die Gemeinschaft gewahrt dem Vatikan eine aufiertarifliche Zollbefreiung auf der Grundlage einer mit Italien getroffenen Zollvereinbarung vom 30. Juni 1930 («Convenzione Dogatuzle»). Die zoUfrei eingefiihrten Waren sind jedoch auf den Eigenbedarf des Vatikans beschrankt. Die ganz von Griechenland umschlossene Monchsrepublik «Berg Athos» hat den Status eines autonomen und selbstverwalteten Gebietes. Die Vertretung nach auSen erfolgt iiber <?page no="450"?> 4 2 8 J Auftenhandelspolitik und Aufienhandelsrecht die Griechische Republik, mit der eine historisch gewachsene Wahrungsunion besteht. GemaS Gesetz Nr. 16/ 1926 besteht fur alle Giiter sowohl Zollals auch Steuerfreiheit. Diese Bestimmung wird dariiber hinaus als fiir alle Zeiten unantastbar festgeschrieben. Der Beitrittsvertrag Griechenlands mit der Gemeinschaft enthalt ebenfalls eine entsprechende Bestimmung, nach der sich alle gegenwartigen und kunftigen Mitgliedstaaten an die Zoll- und Steuerfreihalt halten miissen. In der sechsten Richtlinie des Rates (77/ 388/ EWG Nr. 145/ 1) wird die Monchsrepublik als EG-Ausland definiert. Es handelt sich somit um ein Drittland mit genereller auSertariflicher Zollbefreiung. Bei einzelnen zum italienischen Hoheitsgebiet gehorenden Teilen des Luganer Sees, den Gemeinden Livigno und Campione d'ltalia sowie den Gebieten von Gex und Haute-Savoie handelt es sich nach einer Definition der EG um sogenannte «Freizonen». Die iiberwiegend historisch gewachsenen Sonderregelungen, die im Zuge des Warenhandels der jetzigen Mitgliedstaaten mit der Schweiz entstanden sind, lassen in diesen Zonen den zollfreien Verbrauch von Drittlandswaren gleich welchen Ursprungs zu. Die Kanarischen Inseln wurden ab Mitte 1991 in das Zollgebiet der Gemeinschaft einbezogen. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um einen Beitritt zur Gemeinschaft dieser war bereits 1986 mit der Mitgliedschaft Spaniens vollzogen sondern um einen nachgeholten Beitritt zur Zollunion dieser Gemeinschaft. Allerdings handelt es sich dabei um einen Beitritt «mit einem Bein»: erhebliche Ausnahmen hinsichtlich der Anwendung der gemeinschaftlichen Einfuhrabgaben werden mit der extremen Randlage der Gebiete gerechtfertigt. Die hierdurch erforderlichen Vorkehrungen der Verwendungsiiberwachung dienen seitdem eher als Musterbeispiel der Denaturierung des Zollunionskonzeptes. Fiir die Kanalinseln Jersey, Guernsey, Alderney, Sark, Jethou und Herm wurden den Status betreffende Regelungen in ein Zusatzprotokoll zum Beitrittsvertrag Grofibritanniens aufgenommen. Nach den dort festgelegten Bestimmungen nehmen die Inseln am freien Verkehr von Waren und Agrarprodukten teil. Es gelten somit die gemeinschaftlichen Bestimmungen fiir die Ein- und Ausfuhr von Agrarerzeugnissen. Beziiglich des freien Warenhandels werden die Kanalinseln und GroSbritannien als Einheit behandelt. Hieraus ergibt sich die Anwendung des gemeinsamen Zolltarifs. In alien anderen Belangen gelten die Inseln als Drittstaat. Einige der Inseln gewahren die iibrigen Grundfreiheiten, die auch innerhalb der Gemeinschaft gelten. Dies geschieht jedoch einseitig, z. B. konnen sich Burger der EG auf Guernsey oder Jersey niederlassen, im Gegenzug bestehen jedoch Beschrankungen fur die als EU-Auslander geltenden Burger dieser Inseln, sofern diese sich in einem Mitgliedstaat (mit Ausnahme GroEbitanniens) niederlassen wollen. Die Inseln erhalten weder Zahlungen aus Haushaltsmitteln der Gemeinschaft noch fiihren sie Abgaben ab. Die Ubersee-Territorien Guadeloupe, Martinique, Reunion und Franzosisch Guyana sind seit 1946 Departements der Franzosischen Republik und gehoren somit auch zum Zollgebiet der Gemeinschaft. Jedoch werden alle Waren gleich welchen Ursprungs, die in die Uberseedepartements verbracht werden, der Sondersteuer ^octroi de mer» unterworfen. Dem franzosischen Uberseedepartement Guyana ist es iibrigens zu verdanken, daS Frankreich und dadurch die Europaische Gemeinschaft iiber eine direkte Landgrenze zu Brasilien verfiigt. Die von marokkanischem Festland umgebenen Stadte Ceuta und Mellila gehoren zwar zum Hoheitsgebiet Spaniens, nicht jedoch zum Zollgebiet der Gemeinschaft. Sie muGten sowohl <?page no="451"?> J-5. Zollrecht 429 im innergemeinschaftlichen als auch im innerspanischen Handel wie ein Drittland behandelt werden. Allerdings besteht ein gegenseitiges Praferenzabkommen, das fur den Handel mit Waren und Dienstleistungen die Gleichbehandlung mit dem innergemeinschaftlichen Handel vorsieht. Die Inselgruppen der Azoren, Madeira und die Ilhas Calvenghas gehoren kraft ihrer Zugehorigkeit zum portugiesischen Hoheitsgebiet auch zum ZoUgebiet der Gemeinschaft. Die im Vergleich zu den Kanarischen Inseln (vgl. oben) nicht minder extreme Randlage hat allerdings nicht zu Sonderregelungen gefiihrt. (Ende des Exkurses) (2) ZoUgrenze Die ZoUgrenze umschlieSt das ZoUgebiet. Sie ist mit der Hoheitsgrenze identisch, d. h. sie umschlieSt das Festland und die Kiistengewasser innerhalb der 12-Meilenzone. (3) Grenznaher Raum («Zollgrenzbezirk») Der Zollgrenzbezirk wird auf den Ortschildern angegeben und umfaSt einen ca. 30 km breiten Gelandestreifen parallel zur ZoUgrenze (50 km an der Seegrenze). In diesem Gebiet haben die Zollbehorden besondere Kontrollbefugnisse (u. a. der korperlichen Durchsuchung oder Uberholung [Abb. J-5/ 1]; vgl. unten) und der Burger besondere Pflichten (u. a. der Duldung dieser Kontrollen). Zudem entfallen fiir die Bewohner dieses Gebiets die im Reiseverkehr fiir den personlichen Bedarf bestehenden Vergunstigungen (Freimengen). Weil es innerhalb des Europaischen Binnenmarkts keine Grenzkontrollen gibt, ermoglicht es ein sog. Anhalterecht den Zollbeamten, auch auSerhalb des Zollgrenzbezirks Kontrollen durchzufuhren. (4) Zollanschliisse/ Zollausschlusse Zollanscbliisse sind ausldndiscbes Hoheitgebiet, das dem deutschen ZoUgebiet angeschlossen ist. Seit Osterreich der EG beigetreten ist, ist das scheme Beispiel mit dem Kleinen Walsertal hinfallig geworden. Zollausschliisse sind Teile des deutschen Hoheitsgebiet, die nicht zum deutschen ZoUgebiet gehoren, sondern einem auslandischen ZoUgebiet angeschlossen sind (das einzige Beispiel ist die Gemeinde Biisingen an der deutsch-schweizerischen Grenze bei Schaffhausen). (5) Freizonen und Freilager Freizonen sind Teile des Zollgebiets, in denen das Zollrecht in weiten Teilen nicht wirksam ist (aber nicht vollig ausgeschlossen ist); sie sind durch Umzaunung vom iibrigen ZoUgebiet getrennt. Freizonen sind Freihafen und Freilager. Freizonen wie z. B. Freihdfen zahlen zwai zum Gemeinschaftszollgebiet. Nach dem Zollkodex aber werden Waren, die in Freizonen verbracht worden sind, als nicht im ZoUgebiet der Gemeinschaft befindlich angesehen, sc Abb. J-5/ 1: Zollgrenzgebiet Quelle: BZ der BFV Miinster <?page no="452"?> 430 J AuGenhandelspolitik und Aufienhandelsrecht als ob sie gar nicht existierten (Freizonenfiktion). U. a. gibt es keine Gestellungs- und Anmeldepflicht, und die Waren in Zollfreigebieten bleiben abgabenfrei. Die Zollbehandlung erfolgt erst bei Verlassen des Zollfreigebiets in Richtung EG-Zollgebiet. Freihafen gibt es an den Kiisten und im Binnenland, in Deutschland in Bremen, Bremerhafen, Cuxhafen, Emden, Hamburg (alle an der Nordsee), Deggendorf an der Donau (seit 1991), Duisburg an der Mundung von Ruhr und Emscher in den Rhein (seit 1991, der erste Binnen-Freihafen Europas) und Kiel an der Ostsee. In diesen besonderen Gebieten sollen Umschlag und Lagerung von Waren erleichtert werden, wobei das Zollrecht nur sehr eingeschrankte Geltung hat, z. B. hinsichtlich der Bedingungen beziiglich Ge- und Verbrauch oder Lagerung der Waren, fiir die diese Sonderbehandlung gelten soil (vgl. Abschnitt K-4.3.1). Freilager sind (theoretisch) gleichfalls vom iibrigen Zollgebiet abgetrennte Flachen oder Raumlichkeiten im Binnenland z. B. auf Flughafen -, fiir die dieselben Bedingungen gelten wie fiir Freihafen. In der Praxis gibt es gegenwartig jedoch in der EU noch keine Freilager (bitte nicht verwechseln mit Zollagem, vgl. Abschnitt K-4.3.2). J-5.1.3. Zollrechtliche Warenbegriffe (1) Gemeinschaftswaren / Drittlandswaren Waren sind bewegliche, greifbare, beherrschbare Giiter sowie elektrischer Strom. Keine Ware ist Software auf einer Diskette, die ihrerseits eine Ware ist. Dies ist Zollrechts-systematisch eine unbefriedigende Grauzone. Zollrechtlich ist ein wichtiger Aspekt der Status einer Ware, d. h. ob sie eine Gemeinschaftsware oder eine Nichtgemeinschaftsware ist. Drittlandswaren (so die Umgangssprache; korrekt, aber umstandlicher ist der Begriff Nichtgemeinschaftswaren) sind alle Waren aus Landern, die nicht zur Gemeinschaft gehoren (<Drittlander>), die sich (noch) nicht im freien Verkehr der Gemeinschaft befinden. Unter anderem muS Drittlandsware beim Verbringen in das Zollgebiet der EG <gestellt> werden, und die Zollbehorden haben u. a. das Recht zur Uberholung und Verwahrung (siehe unten). Drittlandsware unterliegt der zollatntlichen Uberwachung, d. h. daf? iiber sie nicht beliebig verfiigt werden darf, sondern nur unter Beachtung bestimmter zollrechtlicher Bindungen, und sie konnen jederzeit zollamtlich uberpriift werden. Dies gilt unabhangig davon, ob fiir eine Ware Zoll bezahlt werden muf? oder nicht. Eine Ware bleibt Drittlandsgut, bis sie Gemeinschaftsware wird, untergeht, vernichtet oder ausgefuhrt wird. Waren gelten solange als Nichtgemeinschaftsware, bis ihr Gemeinschaftscharakter durch geeignete Unterlagen nachgewiesen ist. Gemeinschaftswaren befinden sich im zollrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedsstaates der Gemeinschaft. Dabei kann es sich im wesentlichen urn drei Falle handeln: • Waren mit <Ursprung> in der Gemeinschaft, die vollstandig in der EG erzeugt worden sind (Obst), • Drittlandswaren, die zum freien Verkehr abgefertigt worden sind (<verzollte Drittlandswaren)). • Waren, die aus verzollten Drittlandswaren durch Be- oder Verarbeitung hergestellt worden sind. Gemeinschaftsware unterliegt keinen zollrechtlichen Bindungen. Dies setzt voraus, daS auch keine Verbote und Beschrankungen mehr zu beachten sind (V u. B., vgl. Abschnitt J-4.3). Bei <?page no="453"?> J-5. Zollrecht 431 Verlassen des Zollgebietes der EG (Ausfuhr) verliert Gemeinschaftsware automatisch diesen Status und wird zur Drittlandsware. Wenn dies vermieden werden soil, sind ggf. Zollverfahren zu warden, die eine Wiedereinfuhr als Gemeinschaftsware erlauben (z. B. im Zuge einer passiven Veredelung). Auch durch Vermischung mit Nichtgemeinschaftsware verliert Gemeinschaftsware ihren Status: Wenn beispielsweise in einem Silo EG-Getreide mit Drittlandsgetreide vermischt wird, gilt der gesamte Siloinhalt als Drittlandsgetreide. (2) Einfuhr/ Eingang Bei diesen Begriffen ist es wichtig, die hier relevante zollrechtliche Interpretation klar zu unterscheiden von der auEenwirtschaftsrechtlichen: Zollrecbtlich ist Einfuhr das Verbringen von Ware aus einem Nicht-EU-Land in das Gemeinschafts-Zollgebiet. Dabei ist ursachlicher <menschlicher Wille> Voraussetzung: z. B. ist ausgebrochenes Vieh, das die Zollgrenze iiberschreitet, nicht eingefuhrt, wohl aber, wenn es mit menschlichem Willen an der Riickkehr gehindert wird. Dies gilt auch fur angeschwemmtes Strandgut. Aufienwirtschaftsrechtlich hingegen ist Einfuhr das Verbringen von Ware in das (deutsche) Wirtscbaftsgebiet. Eingang ist die <Einfuhr> von Waren aus einem anderen EG-Mitgliedstaat; der Oberbegriff fur Einfuhr und Eingang ist «Bestimmung» (auf der Ausfuhrseite gibt es keinen analogen Oberbegriff). (3) Ausfuhr/ Versendung/ Versand Ausfuhr ist (zollrechtlick) das Verbringen von Waren aus dem EG-Zollgebiet in ein fremdes Zollgebiet, auflenwirtschaftsrechtlich das Verlassen des deutschen Wirtschaftsgebietes. Auch dabei ist ursachlicher <menschlicher Wille> Voraussetzung. Eine Warenbewegung in einen anderen EG-Staat wird als Versendung bezeichnet. Versand ist Ausfuhr oder Versendung unter den formalen Bedingungen des Zollkodex zwischen der EG und/ oder bestimmten Partnerlandern; vgl. Abschnitte K-4.1 und L-5.1. In diesem Buch werden neben den Begriffen Einfuhr/ Ausfuhr die im Sprachgebrauch iiblichen analogen Begriffe Import/ Export synonym verwendet. (4) Durchfuhr/ Transit Durchfuhr ist die (physische) Beforderung von Waren aus fremden Wirtschaftsgebieten durch das Wirtscbaftsgebiet, ohne da£ sie in den freien Verkehr des Wirtschaftsgebiets gelangen, also nacheinander sowohl Einfuhr als auch Ausfuhr (der Begriff wird zoll- und aufienwirtschaftsrechtlich unterschiedlich verwendet). Siehe auch Abschnitt J-4. Transit ist im deutschen Sprachverstandnis ein rein aufienwirtschaftsrechtlicher Begriff (da zollrechtliche Belange nicht beriihrt werden) und bedeutet, daS Inlander Waren von Auslandern erwerben und sie wieder an Auslander verauSem, ohne daft die Waren in das Wirtschaftsgebiet verbracht werden bzw. wenn doch, ohne dafi sie einfuhrrechtlich abgefertigt werden. Beispielsweise kauft ein deutsches Unternehmen Computerplatinen in Siidkorea und verschifft sie direkt an einen Kunden in den USA. Im Sprachgebrauch werden die Begriffe Transit und Durchfuhr trotz dieses definitorischen Unterschieds haufig synonym verwendet. Auch in anderen Sprachen wird der Vorgang, den wir im Deutschen als Durchfuhr bezeichnen, als transit iibersetzt; die Differenzierung zwischen Durchfuhr und Transit ist eine Spezialitat des deutschen Rechts, aber mit entsprechenden aufienwirtschaftsrechtlichen Konsequenzen (vgl. Abschnitt L-6.2.1 zur Exportkontrolle). <?page no="454"?> 4 3 2 J Auftenhandelspolitik und AuRenhandelsrecht J-5.2. Aufbau der Bundeszollverwaltung J-5.2.1. Struktur Die von den Mitgliedern der EG erhobenen Zollabgaben flie(? en zwar nicht den nationalen Haushalten zu, sondern werden an den Haushalt der EG abgefuhrt (Verwendungskompetenz). Die Verwaltung der Zolleinnahmen i.S.v. Erhebung und Uberwachung der Zollabgaben obliegt jedoch den nationalen Zollbehorden (Verwaltungskompetenz). In der Bundesrepublik ist dafiir die Bundeszollverwaltung zustandig, die dem Ressort des Bundesministers der Finanzen (BMF) zugeordnet ist. Die Struktur der Zollverwaltung wird in den nachsten Jahren aufgrund der Osterweiterung der EU gravierend verandert. Das Bundesfinanzministerium ist oberste Verwaltungsbehorde. Auf der mittleren Verwaltungsebene arbeiten die Oberfinanzdirektionen (OFD) als Mittelbehorden unter Leitung von Oberfinanzprdsidenten. Nach verschiedenen Zusammenlegungen gibt es gegenwartig nur noch 8 OFDen. Die OFDen sind zugleich als Mittelbehorden fiir die Verwaltung der Ldndersteuern zustandig. Die Zoll- und Verbrauchsteuerabteilungen werden jeweils von einem Finanzprdsidenten geleitet. In Zolltechniscben Prufungs- und Lehranstalten (ZPLA) als Dienststellen der OFD'en werden Untersuchungen im Zusammenhang mit Problemen der Zolltarifierung und der Zollwertbestimmung vorgenommen (vgl. Abschnitt K-2.3). Auf der unteren Verwaltungsebene arbeiten 84 Hauptzollamter (HZA) als ortliche Verwaltungsbehorden (es ist geplant, sie bis 2005 auf 43 zu reduzieren). Die gegenwartig 21 «HZA fur Prufungen», die als Konsequenz der Verlagerung der Kontrollen von den Grenzen in die Betriebe die Einhaltung der zoll-, aufenwirtschafts- und verbrauchsteuerrechtlichen Bestimmungen anhand des Rechnungswesens der Unternehmen priifen, werden in die verbleibenden HZA integriert. Die noch 388 Grenzubergangs- und Binnen-ZoHimtcr (mit abnehmender Tendenz: sie sollen um ein Drittel abgebaut werden) sind Abfertigungsstellen des HZA. Mit der Reduzierung der Grenzzollamter aufgrund der Osterweiterung werden die Mobilen Kontrollgruppen aufgestockt, die im grenznahen Bereich (Zollgrenzbezirke) und im ganzen Bundesgebiet agieren. Hinzu kommen etwa 53 Zollkommissariate (ZKom) fiir die Uberwachung der «grunen» und der «nassen Grenzen», die mit der Osterweiterung der EU auf 30 reduziert werden. In Hamburg aber eben nur in Hamburg gibt es seit 1996 eine sehr teure Container-Priifanlage beim HZA Hamburg-Waltershof, in der Container und LKW durchleuchtet werden konnen. Patrouillenboote des Zolls kontrollieren die Kustengewasser und u. a. den Bodensee. Ortliche Verwaltungsbehorden sind auch die (noch) 21 Zollfahndungsamter, die auf 8 reduziert und an das Zollkriminalamt (ZKA) in Koln angegliedert werden sollen. Dieses untersteht als Bundesoberbehorde direkt dem BMF. Der Zweck der zollamtlichen Uberwachung ist sicherzustellen, daS der Zoll und die anderen Einfuhrabgaben erhoben und daf? bestehende Verbote und Beschrankungen bei der Ein- und Ausfuhr beachtet werden. Zolle sind nach der Abgabenordnung (AO) Steuern, und die zollamtliche Uberwachung ist folglich Steueraufsicht. Die Wirtschaft sieht die «Verschlankung» der Zollverwaltung naturlich mit gemischten Gefuhlen, denn es wird dadurch fur die Importeure und Exporteure nicht einfacher, sich Informationen liber die teilweise komplizierten Vorschriften zu beschaffen. Die SchlieSung von Zollstellen bedeutet geographische Nachteile fiir die Ein- und Ausfuhrabwicklung. Diese konnen nur durch Vereinfachungen <?page no="455"?> J-5. Zollrecht 433 und Verfahrenserleichterungen aufgefangen werden die jedoch beantragt, gepriift und laufend uberwacht werden miissen. PRAXISTIP Beim HZA Frankfurt/ Main wurde ein Zoll-lnformations-Center eingerichtet: info@zoll-infocenter.de. Tel. 069-469976-0, Fax -99, dessen kommunikative Effizienz allerdings noch deutlich ausbaufahig ist. J-5.2.2. Zollamter Fur die Unterscheidung von Hauptzollamt und Zollamt vgl. oben Abschnitt J-5.2.1. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Bezeichnungen fur die entsprechenden Dienststellen in bestimmten Zusammenhangen. (1) Abfertigungszollstelle Dies ist ein Oberbegriff fiir jede abfertigende Zollstellen, sowohl bei der Einfuhr als auch der Ausfuhr und sowohl in zollals auch aufienwirtschaftsrechtlicher Hinsicht. Aus geographischer Sicht sind dabei zu unterscheiden Grenziibergangsstellen an der Hoheitsgrenze und Binnenzollstellen (Abb. J-5/ 2). PRAXISTIP Eine Zollabfertigung bei der <eigenen> Binnenzollstelle, d. h. am Sitz des Ein- oder Ausfiihrers, hat oft den Vorteil, daft das Unternehmen sowie sein Warenkreis dem Zollamt bekannt ist. Dies kann erhebliche Wartezeiten einsparen. Aus der Sicht der Wirtschaft empfiehlt es sich daher, moglichst immer mit einem (oder mehreren) gleichbleibenden Abfertigungszollamt zusammenzuarbeiten, da bei einem Wechsel viele informelle Informationen verlorengehen konnen, welche die Abfertigung durchaus erleichtern konnen, z. B. im Hinblick auf bereits geklarte Zweifelsfragen und Probleme. Ein guter personlicher Kontakt hat einen eigenen Wert. (2) Eingangszollstelle Dabei handelt es sich um die Zollstelle, bei der Waren bei der Einfuhr in das Zollgebiet gestellt werden. Dies kann eine Grenz- oder eine Binnenzollstelle sein. Man spricht dabei auch von erster Zollstelle im Erhebungsgebiet. (3) Grenzzollstelle Eine Grenzzollstelle liegt an der AuEengrenze der EU. Hier sind eingehende Waren grundsatzlich zu gestellen und anzumelden, wobei anstelle der Abfertigung zum freien Verkehr in den meisten Fallen eine andere Zollbehandlung verlangt wird, z. B. ein Versandverfahren, um die Abfertigung an einer Binnenzollstelle am Bestimmungsort vorzunehmen. Auf der Ausfuhrseite ist die Ausgangszollstelle oft eine Grenzzollstelle (aber nicht immer: z. B. nicht bei Luftfracht). (4) Ausfuhrzollsteile Die Ausfuhrzollsteile (bis 1993 Versandzollstelle genannt) ist die Zollstelle, bei der die Ausfuhrzollanmeldung (AM) abzugeben ist; dies ist i.d.R. das fur den Sitz des Ausfiihrers Abb. J-5/ 2: Zollverwaltung Quelle: BMF <?page no="456"?> 434 J AufJenhandelspolitik und Auftenhandelsrecht zustandige ZA. Die Ausfuhrzollstelle priift dabei, ob die Ausfuhr nach dem AufSenwirtschaftsrecht zulassig ist. (5) Ausgangszollstelle Die Ausgangszollstelle ist die letzte Zollstelle vor dem physischen Verlassen des ZoUgebiets bzw. Wirtschaftsgebiets, bei der die fur die Ausfuhr vorgesehene Ware unter Vorlage der abgefertigten Ausfuhranmeldung (nochmals) gestellt wird; dies kann eine Grenz- oder eine Binnenzollstelle sein, je nach Transportmittel. Die vom Ausfuhrer grundsatzlich frei wahlbare Ausgangszollstelle uberwacht die tatsachliche Ausfuhr aus dem Wirtschaftsgebiet. Sofern bereits eine Abfertigung bei einer Ausfuhrzollstelle/ Versandzollstelle (i.d.R. einer Binnenzollstelle) stattgefunden hat, uberpriift die Ausgangszollstelle in der Praxis lediglich, ob die Abfertigung ordnungsgemaS stattgefunden hat. (6) Abgangszollstelle Bei der Abgangszollstelle beginnt das Versandverfahren (vgl. Abschnitte K-4.1 und L-5.1); dies ist i.d.R. das fur den Sitz des Ausfiihrers zustandige ZA. Sie ist im Export zugleich Ausfuhrzollstelle. (7) Bestimmungszollstelle Bei der Bestimmungszollstelle ist die Ware bei Beforderung im Versandverfahren erneut zu gestellen ist; meist endet das Versandverfahren dort. I.d.R. wird dies eine Binnenzollstelle sein. (8) DurchgangszoUstelle Eine DurchgangszoUstelle ergibt sich beim Versandverfahren, wenn z. B. ein Versandverfahren in Mailand eroffnet wird, die Ware an der DurchgangszoUstelle/ Ausgangszollstelle in Como (Italien) das EG-Zollgebiet verlaSt, liber Chiasso und Basel als schweizer Zollstellen nach Weil am Rhein gelangt (Durchgangszollstelle/ Eingangszollstelle) und zur Bestimmungszollstelle Reutlingen transportiert wird. (9) Abfertigungsplatze auBerhalb des deutschen ZoUgebiets Dabei handelt es sich um (einige wenige) Abfertigungsstellen in Zollfreigebieten oderauSerhalb des ZoUgebiets (z. B. Basel Badischer Bahnhof), in denen Amtshandlungen nach EG- Zollrecht vorgenommen werden. J-6. Steuerliche Aspekte im Aufienhandel 14 Die ZoUabfertigung umfafit neben der zollrechtlichen und aufienwirtschaftsrechtlichen Behandlung auch die steuerrechtliche Abfertigung. Seit Realisierung des Binnenmarktes ab 1.1.1993 gibt es bei der Umsatzsteuer in Deutschland drei Steuerwelten: • Die deutsche Umsatzsteuer (USt) (Mehrwertsteuer; MWSt) wird nur auf Umsatze innerhalb Deutschlands erhoben (sog. innere Umsatzsteuer); • die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) betrifft die Wareneinfuhr aus Drittlandem (d. h. Nicht- EG-Landern), 14 Auf Aspekte der Besteuerung von Direktinvestitionen im Ausland und von Kapitaleinkiinften aus dem Ausland gehen wir nicht ein. <?page no="457"?> J - 6 . Steuerliche Aspekte im AuGenhandel 4 3 5 • die Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb (Erwerbsteuer) gilt fiir Warenbewegungen innerhalb der EG; sie wird auch dujlere Umsatzsteuer genannt. 15 Diese drei aus steuersystematischen Grunden erforderlichen separaten Umsatzsteuern sind faktisch deckungsgleich, d.h. sie wenden dieselben Steuersatze auf jeweils sehr ahnliche Steuertatbestande an. Das Steuergebiet ist eine nationale <Veranstaltung>, weil die indirekten Steuern - Umsatzsteuern und besondere Verbrauchsteuern innerhalb der EG nicht harmonisiert sind. Das Steuergebiet der Deutschlands ist das deutsche Hoheitsgebiet ohne die Gemeinde Biisingen bei Schaffhausen (ZollanschluS an die Schweiz) und die Insel Helgoland, ohne die Freihafen und ohne die Gewasser und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie. Auch deutsche Schiffe und Flugzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehoren (auf hoher See und im internationalen Luftraum) gehoren nicht zum Steuergebiet. Durch AnschluEvertrage gelten die deutschen Verbrauchsteuergesetze in den osterreichischen Gemeinden Mittelberg und Jungnau im Kleinen Walsertal. J-6.1. Prinzip der Umsatzsteuer Indirekte Steuern (Mehrwertsteuer, Verbrauchsteuern) sollen vom Sinn her den Endverbraucher belasten (sog. Verkehrsteuern). Sie werden prinzipiell vom Kaufer beim Kauf entrichtet, und der Verkaufer fiihrt sie an die Steuerbehorden ab (daher indirekte Steuer). Umsatze von Waren und Dienstleistungen innerhalb der deutschen Wirtschaft unterliegen grundsatzlich der Umsatzsteuer. (So heifit sie, auch wenn im Sprachgebrauch stattdessen von der Mehrwertsteuer gesprochen wird. Das entsprechende Gesetz heiSt auch UStG und nicht MWStG.) Rechtliche Grundlage ist das Umsatzsteuergesetz (UStG) in der Fassung vom 1.1.1996. Als nationales Recht muE es in Einklang stehen mit der 6. EG-Richtlinie des Rates zur Umsatzsteuer von 1977 (mit seitdem zahlreichen Anderungen) und bei Bedarf angepafSt werden. Eine Umsatzsteuer im klassischen Sinne (sog. Brutto-Allphasen-Steuer) belastet jeweils den vollen Wert der Umsatze auf jeder Produktionsbzw. Handelsstufe. Damit erhoht sich die Steuerbelastung fur ein Gut, je mehr Produktionsbzw. Handelsstufen zwischengeschaltet sind. Dies stellt einen Anreiz dar zur vertikalen Konzentration, d. h. z. B. zu einem Aufkauf vor- oder nachgelagerter Produktions- oder Handelsstufen (Stichwort: Konzentration von Marktmacht). Eine Mehrwertsteuer ist auch eine Steuer auf Umsatze, so daf? sie als Spezialfall einer USt anzusehen ist. Sie besteuert faktisch nur die Differenz zwischen den Umsatzwerten, eben den Mehrwert bzw. die Wertschopfung. Technisch werden bei einer MWSt zwar auf jeder Handelsstufe die jeweiligen Umsatze (Verkaufe) vollstandig belastet (Allphasensystem), doch kann der Verkaufer, der diese Steuern vom Kaufer <kassiert> und an die Steuerbehorden abzufuhren hat, all die Steuern abziehen, die er seinerseits bei Einkaufen auf Vorleistungen bezahlen muSte (Vorsteuerabzug: Netto-Allphasensteuer). Faktisch iiberweist der Verkaufer also tatsachlich nur den Steueranteil auf die Wertschopfung an sein Finanzamt, walzt diesen aber an seinen Kaufer weiter. Da der Endverbraucher dies nicht kann und 15 Fiir sprachlich Empfindliche: Es heiSt Erwerbsteuer und nicht Erwerbs_steuer: Das genitivische <s> existiert bei den Steuerbezeichnungen nicht, also auch Verbrauchsteuer und nicht Verbrauchssteuer; usw. <?page no="458"?> 436 J AulSenhandelspolitik und AuGenhandelsrecht als privater Kaufer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, tragt er die voile Belastung durch die MWSt. Bei einem MWSt-System ist folglich die Anzahl der Produktions- oder Handelsstufen hinsichtlich der letztendlichen Steuerbelasturig fur den Konsumenten wegen des Vorsteuerabzugs unerheblich. MWSt-Systeme sind daher konsumentenfreundlicher als USt-Systeme i.e.S., aber technisch aufwendiger. BEISPIEL Ein Unternehmer kauft Ware von einem Lieferanten + 16% MWSt Einkaufspreis und verkauft sie an einen Endverbraucher weiter + 16% MWSt An das Finanzamt zahlt er lediglich 800- 640 = 1 6 0 - (Zahllast) 16 , auf die Wertschopfung von 5.000 - 4.000 = DM 1.000,-. 4 . 0 0 0 - 640,- 4 . 6 4 0 - 5.000- 800,- 5.800dies entspricht 16 % PRAXISTIP Zur Geltungmachung des Vorsteuerabzugs bei Intemet-Kaufen mussen nach deutschem Steuerrecht traditionelle Rechnungsdaten wie Name und Anschrift des Rechnungsstellers in einer Urkunde enthalten sein. Ein rein elektronisches Internet- Billing, bei dem der Kunde per Internet bestellt und per Kreditkarte bezahlt, ware nur auf Datentragern gespeichert diese sind keine Urkunden - und kann zur Ablehnung des Vorsteuerabzugs fuhren. Urn dies zu vermeiden, empfiehlt sich bis zu einer gesetzlichen Neuregelung zumindest nachtraglich eine zusatzliche Rechnung auf Papier, ggf. als Fax. J-6.2. Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) Eine in die EU eingefiihrte Ware unterliegt der Einfuhrsteuer des EU-Landes, in dem sie zoll- und steuerrechtlich zum freien Verkehr abgefertigt wird. In Deutschland heifst sie Einfuhrumsatzsteuer (EUSt). Sie wird bei der Einfuhr von Waren aus Drittlandern in das deutsche Steuergebiet 17 von der Zollverwaltung erhoben, damit Waren, die i.d.R. von der Umsatzbzw. Mehrwertsteuer des Exportlandes befreit sind, eine analoge Belastung wie inlandische Waren erfahren. Der Kaufer mufs folglich auf eingefiihrte Waren dieselben Steuern bezahlen wie auf inlandische (Verbrauchsland- oder Bestimmungslandprinzip). Die Bemessungsgrundlage der EUSt ist der EUSt-Wert (vgl. Abb. J-6/ 1). Der EUSt-Wert ergibt sich als Summe aus Zollwert (vgl. die Berechnung in Abschnitt K-2.3.2) + nicht im Kaufpreis enthaltene ausldndiscbe Steuern und Abgaben (z. B. Exportzolle) 16 Bei entsprechender Sachlage kann diese Aufrechnung zwischen Steuerverbindlichkeiten und Aufrechnungsanspriichen natiirlich durchaus zu einer Steuervergiitung fuhren. 17 Das deutsche Umsatzsteuergebiet ist nicht identisch mit dem deutschen Zollgebiet. Auf eine Abgrenzung wird hier verzichtet. <?page no="459"?> 1-6. Steuerliche Aspekte im AuBenhandel 437 + Zoll, Agrarabschopfung, Verbrauchsteuern aufer EUSt 18 + Beforderungskosten in der EG (Fracht-, Lade-, Lager-, Behandlungs-, Versicherungskosten) bis zum Bestimmungsort in der EG (sofern diese nicht bereits im Zollwert enthalten sind) (der Bestimmungsort ergibt sich meist aus dem Transportdokument, z. B. dem Frachtbrief) + Einkaufsprovisionen = EUSt-Wert Abb.J-6/ 1: EUSt-Wert Beispiel Zollwert + Zoll (5% auf den Zollwert) + Beforderungskosten innerhalb der EG = EUSt-Wert davon 16% Gesamte Einfuhrabgaben also 6.000 Zoll + 20.960 EUSt 26.960 Euro Die Tatsache, daE die Einfuhrabgaben (Zolle, Agrarabschopfung, Verbrauchsteuern) in den EUSt-Wert einbezogen sind, ist fur den Normalburger nicht immer leicht einzusehen, denn dies bedeutet die Besteuerung von Steuern, hat aber den Sinn, den Einfuhrwert zu besteuern, der sich bis zur Verfugbarkeit der Ware an der EG-AuGengrenze ergeben hat («CIF Grenze»), und dazu zahlen wie Transportkosten eben auch Einfuhrabgaben. Die EUSt ist fur die Unternehmen ein durchlaufender Posten, da sie gemaE § 15 UStG als Vorsteuer von der an das Finanzamt abzufuhrenden Umsatzsteuer abzuziehen ist, sofern die Importware weiterverkauft wird. Wie gehen auf die EUSt-Berechnung in Abschnitt K-2.3.3. nochmals ein. PRAXISTIP Wenn ein in Deutschland ansassiges Unternehmen Drittlandsware bei einer deutschen Zollstelle im Normalverfahren zur Oberfuhrung in den freien Verkehr anmeldet, so kann diese von der EUSt befreit werden, wenn sie nach der Oberfuhrung in den zollrechtlich freien Verkehr die Ware in ein EU-Land weitergeliefert wird. Der dortige Empfanger muft die Ware dann in seinem Land versteuern (Bestimmungslandprinzip). J-6.3. Erwerbsteuer Mit Realisierung des Binnenmarktes entfallt der Steuertatbestand der Einfuhr aus anderen EG-Staaten und somit die EUSt auf EG-Einfuhren. Stattdessen wird beim «Eingang» aus EG-Staaten die Erwerbsteuer erhoben. Auch dabei wird grundsarzlich das Verbrauchsland- 18 Z. B. Tabak-, Branntwein-, Mineralolsteuer. 120.000 6.000 4.000 130.000 = 20.960 (EUSt) <?page no="460"?> 4 3 8 J AuGenhandelspolitik und Aufienhandelsrecht oder Bestimmungslandprinzip angewendet: Die Steuern werden nicht im Land des Herstellers oder Verkaufers erhoben (Ursprungslandprinzip), sondern im <Importland>. Daher ist neben die Mehrwertsteuer (auf innerdeutsche Umsatze) und die EUSt (auf Drittlandsimporte) die Erwerbsteuer zu stellen, die Kaufe aus anderen EU-Landern in analoger Weise besteuert. Dies klingt jedoch einfacher, als es ist. J-6.3.1. MWSt in den EG-Landern Die Umsatzsteuerstrukturen der derzeitigen 15 EG-Lander zeichnen sich durch eine verwirrende Vielfalt aus: Einige Lander haben nur zwei Steuersatze (Normalsatz, ermafiigter Satz) (z. B. Bundesrepublik, Niederlande), andere haben verschiedene ermaEigte Satze fur unterschiedliche Steuertatbestande (z. B. Belgien, Italien), einige Lander haben erhohte Steuersatze («Luxussteuersatze») (z. B. Italien, Frankreich), andere nicht; einige Lander haben (noch) einen Nullsatz (Steuerbefreiung) (z.B. Belgien, GroSbritannien) (lauft aus). Die Normalsteuersatze streuen zwischen 15% (Luxemburg) und 25% (Danemark, Schweden) (Abb. J-6/ 2). Belgien, Irland und Luxemburg haben vier verschiedene MWSt-Satze, Danemark hat nur den 25%-Satz. Derzeit hat die EG eine zulassige Mehrwertsteuerspanne von 15 bis 25 Prozent festgelegt. Deutschland liegt mit 16% also am unteren Rand eine weitere Erhohung in Richtung auf 20 % ist also fast vorprogrammiert. Als Faustregel kann man sagen, daS ein Prozentpunkt mehr 5-8 Mrd. DM mehr Steuereinnahmen bedeutet. Der Finanzminister rechnet schon... Bei der MWSt wurde innerhalb der EG bislang nur eine gemeinsame Bemessungsgrundlage geschaffen, so daS die EU auf dieser Basis eigene Einnahmen erheben kann. Aus dem Grundsatz des Bestimmungslandprinzips folgte bei der MWSt vor 1993 ein Umsatzsteuerausgleich an der Grenze: Die MWSt als Endverbrauchsteuer wurde bei der Verbringung aus Deutschland erstattet bzw. es wurde auf die Erhebung verzichtet und bei der Einfuhr nach Frankreich die entsprechende franzosische MWSt erhoben (TVA: Taxe sur le valeur ajoute) (aufSer im Reiseverkehr); analoges gait fur die Verbringung von Frankreich nach Deutschland. Dies ist wettbewerbsneutral, denn damit wird gewahrleistet, daS eine im Inland gekaufte Ware dieselbe MWSt-Belastung tragt wie eine importierte. Die dadurch erforderliche Prozedur des Grenzausgleichs wiirde im Hinblick auf die Steuerbelastung der Ware hingegen nur im Falle gleicher Steuerstrukturen iiberfliissig sein. Mit der Realisierung des Binnenmarktes entfielen aber alle Grenzkontrollen, also auch der steuerliche Grenzausgleich. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, miifsten folglich die MWSt der EG-Lander harmonisiert werden. Dies bezieht sich auf die Steuerbemessungsgrundlage, die Anzahl und die Hohe der Steuersatze. Insgesamt wird die Harmonisierung landerindividuell zu spezifischen Problemen fiihren: Beispielsweise finanziert Danemark iiber den Normalsatz von 25% sein Sozialversicherungssystem. Eine Reduzierung auf z. B. harmonisierte 20 % wiirde eine erhebliche Veranderung des entsprechenden Finanzierungssystems bedingen. Kein Wunder, dafs die Bereitschaft dafur recht gedampft ist. Diese Umstellung der fiskalischen Strome wiirde erhebliche Veranderungen mit sich bringen, denn Netto-Import-Staaten, d. h. solche mit defizitarem AuEenhandel, wiirden auf bisherige Steueranteile verzichten miissen. Um die Nachteile des Ursprungslandprinzips fur die betroffenen Staaten auszugleichen, war diskutiert worden, bis zu einer Harmonisierung der Umsatzsteuersysteme ein Ausgleichsystem (Clearingsystem) zu schaffen. Eine Clearingstelle <?page no="461"?> J-6. Steuerliche Aspekte im AuRenhandel 439 Abb. J-6/ 2: Umsatzsteuern EG-Staaten Belgien Danemark Deutschland Finnland Frankreich Criechenland Irland Italien Luxemburg Niederlande Osterreich Portugal Schweden Spanien Vereinigtes Konigreich Bezeichnung der Umsatzsteuer in der Landessprache taxe sur la valeur ajutee (TVA) oder belasting over de toegevoegde waarde (BTW) ormsaetningsavgift (MOMS) Umsatzsteuer (USt) Arvonlisavero taxe sur la valeur ajoutee foros prostithemenis axias (FPA) value added tax (VAT) imposta sul valore aggiunto (IVA) taxe sur la valeur ajoutee (TVA) omzetbelasting (OB) oder belasting over de toegevoegde waarde (BTW) Umsatzsteuer imposto sobre o valor acrescentado (IVA) mervardeskatt (ML) impuesto sobre el valor anadido (IVA) value added tax (VAT) Umsatzsteuersatze Normalsatz 21 25 16 22 19,6 18 21 20 15 17,5 20 17 25 16 17,5 ermaftigter Satz 1; 6; 12 - 7 8; 17 2,1; 5,5 4; 8 3,3; 12,5 4; 10 3; 6; 12 6 10; 12 5; 12 6; 12 4; 7 5 Nullsatz ja ja - - ja ja - - ja ja sollte als supranationale Behorde fiir einen Ausgleich sorgen: Staaten als Netto-Exporteure sollten an die Clearingstelle zahlen, Netto-Importeure Zahlungen erhalten, so dai? die Staaten trotz der Umstellung auf das Ursprungslandprinzip dieselben MWSt-Einnahmen erhalten wiirdem wie nach dem gegenwartigen Bestimmungslandprinzip. Nach heutigen Daten wiirden die Bundesrepublik, Belgien/ Luxemburg und die Niederlande an die Clearingstelle zahlen, alle iibrigen EG-Lander wiirden Zahlungen erhalten. Die Finanzbehorden muEten monatlich Aufstellungen fiir die Clearingstelle erbringen. J-6.3.2. Ubergangsregelung Der EG-Ministerrat hat jedoch bislang keine eindeutige Entscheidung fur das Ursprungslandprinzip gefallt. Fiir gewerbliche Warenlieferungen gilt nach wie vor weitgehend die Besteuerung nach dem Bestimmungslandprinzip. Mit dem Begriff «Harmonisierung» verbindet sich eigentlich der Eindruck von Vereinfachung und Straffung. Im steuerlichen <?page no="462"?> 440 J AuGenhandelspolitik und AuRenhandelsrecht Bereich allerdings scheint die Harmonisierung eher mit Komplikationen einherzugehen. Die steuerliche Abwicklung des Warenhandels mit Drittlandern ist einfacher als innerhalb der EG. Naturlich ist dies ein klares Werturteil des Autors. Die erforderliche, technisch ziemlich komplizierte Ubergangsregelung hat in vielen Unternehmen zu erheblichem Mehraufwand gefiihrt(Abb.J-6/ 3): Abb. J-6/ 3: Ubergangslosungen Reiseverkehr < Lieferschwelle Gewerbliche Lieferung Gewerbliche Lieferung, Verbleib im Verkaufsland Banken, off. Unternehmen Neue Kfz Gebrauchte Kfz Beforderungsleistungen ohne ID mit ID Ursprungslandprinzip X X X X X Bestimmungslandprinzip X X . X X 1) Waren, die im Lieferland mit MWSt belastet wurden, diirfen ohne mengen- oder wertmaSige Beschrankung und mit der USt des Abgangsstaates belastet in ein anderes EG- Land gebracht werden, sofern sie dem privaten Verbrauch zugerechnet werden kbnnen {Ursprungslandprinzip); dies trifft insbesondere auf den Reiseverkehr zu. Jeder Einkauf eines Reisenden wird mit der Umsatzsteuer des Kauflandes belastet. Diese Besteuerung ist endgiiltig und bleibt beim Grenzubertritt mit der Ware in einen anderen EG- Staat bestehen. Im Versandhandel muf? differenziert werden: Wenn der Abnehmer Privatpersonen ist und die sog. Lieferschwelle (Gesamtsumme der Warenbeziige) des Bestimmungslandes nicht uberschritten ist, wird mit der Mehrwertsteuer des Versandlandes fakturiert. Bei Uberschreiten der Lieferschwelle muE mit der Mehrwertsteuer des Bestimmungslandes fakturiert werden. Ohne diese Schwelle wurden alle Versandsendungen nur mit den deutschen 16% belastet. Die Lieferschwelle fur Versendungslieferungen betragt beispielsweise fur Frankreich 115.000 Euro; sie kann naturlich immer erst im nachhinein fur das Vorjahr ermittelt werden. PRAXISTIP Bei privaten Neukunden sollte man zunachst einen Abholfall konstruieren («ab Werk»), der dann mit den deutschen 16% fakturiert wird. Der Kunde muft moglichst selbst den Speditionsauftrag vergeben, sonst wird es doch ein Versendungsfall mit dem Problem der Lieferschwelle. Jedoch: Ein deutsches Unternehmen darf z. B. gar keine franzosische Mehrwertsteuer (TVA, taxe de valeur ajoutee) fakturieren; dazu miifite es sich noch durch einen Fiskalvertreter <?page no="463"?> J - 6 . Steuerliche Aspekte im AuGenhandel 4 4 1 vertreten lassen, der meist" gegenuber den Steuerbehorden gleichberechtigt haftet (und sich entsprechend bezahlen lassen wird). Fiskalvertreter sind auch in den anderen Mitgliedstaaten erforderlich, also auch in Deutschland: Seit 1.1.1997 konnen sich im Ausland ansassige Unternehmen in Deutschland steuerrechtlich vertreten lassen, wenn das Unternehmen in Deutschland Umsatze tatigt. Wird kein Fiskalvertreter bestellt, kann die Umsatzsteuer dem jeweils inlandischen - Vertragspartner belastet werden. Aber: Die obligatorische Bestellung von Fiskalvertretern in Frankreich, Italien, Belgien und Spanien wird am 1.1.2002 abgeschafft. Auslandische Unternehmen konnen von da an ihren Steuerpflichten in direktem Kontakt mit den Steuerbehorden nachkommen. 2) Gewerbliche «innergemeinschaftlichen Lieferungen» (Unternehmen an Unternehmen) werden im Bestimmungsland versteuert. Der Verkaufer berechnet keine Mehrwertsteuer (fakturiert also rein netto), wenn der Kaufer im Bestimmungsland als Mehrwertsteuer pflichtiger mit ID-Nummer registriert ist. Innerhalb der EG wird jedem Unternehmen eine Umsatzstcueridentifikationsnummer (! ) (UStldenNr, ID-Nr., «Identnummer») zugewiesen; sie grenzt gewerbliche und nicht-gewerbliche (private) Kunden ab. Dabei gibt es von Land zu Land verschiedene «Erwerbsschwellen»: Ist man drunter, ist man privat, liegt man driiber, ist man Unternehmen. Sonderprobleme stellen Banken, Versicherungen, Arzte etc. dar. Die Id-Nummer sollte nicht verwechselt werden mit der regularen Steuernummer. Die Id-Nummer dient vor allem dem steuerlichen Informationsaustausch zwischen den EU-Staaten. In Deutschland ist dafur zentral das Bundesamt fur Finanzen zustandig. Die in Deutschland 11-stellige ID-Nummer (z. B. DE1234567 89) wird von seiner AuSenstelle Saarlouis auf Antrag ausgegeben. Fiir den grenziiberschreitenden Handel ist es zweckmaEig, die Id-Nummer in den Geschaftspapieren mit anzugeben. Die Handelsrechnung muE sowohl die ID-Nummern des Lieferanten als auch der Abnehmer enthalten. Der Lieferant muS auf der Rechnung vermerken, daS es sich aus seiner Sicht um eine steuerfreie EU-Lieferung handelt. Der Kaufer hat die MWSt in dem Staat zu entrichten, in den die von ihm gekaufte Ware geliefert wird. Er berechnet die MWSt auf seine Einkaufe aus EG-Landern und muf? den innergemeinschaftlichen Erwerb in einer periodischen (meist vierteljahrlichen) Steuererklarung (Umsatzsteuer-Voranmeldung) Steuererklarung als Gewerbetreibender gesondert angeben, getrennt nach allgemeinem und ermafiigtem Steuersatz. Er ist dabei zum Vorsteuerabzug berechtigt. Problematisch ist dies, wenn was sehr oft der Fall sein wird die Rechnung des Exporteurs aus der Sicht des Importeurs in auslandischer Wahrung ausgestellt ist. Hierfur sind eigene steuerliche Umrechnungstabellen erforderlich. Insgesamt miissen die Unternehmen mit entsprechenden Steuerpriifungen rechnen. Unabhangig davon muS das (deutsche) Unternehmen zu Kontrollzwecken vierteljahrlich (jeweils bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Kalendervierteljahres) eine sog. Zusammenfassende Meldung (Vordruck ZM) an das Bundesamt fiir Finanzen, Aufenstelle Saarlouis, abgeben, in der alle Lieferungen an Kunden in anderen Mitgliedstaaten mit ID-Nummer und Gesamtumsatz pro Kunde enthalten sind. Fiir Kleinunternehmen (bis zu 15.000 Euro EG-Umsatz pro Jahr) und im Versandhandel bestehen Sonderregelungen (grundsatzlich Ursprungslandprinzip, oberhalb der Wertgrenzen Bestimmungslandprinzip). " Z. B. nicht in Danemark, wo er nur als <administratives Bindeglied> zwischen Finanzbehorde und Unternehmen fungiert. <?page no="464"?> 442 J AuBenhandelspolitik und AuGenhandelsrecht Das System mit den ID-Nummern hat seine Tiicken. Wahrend friiher die Grenzabfertigung von Spediteuren erledigt werden konnte, die auch alle Papierformalitaten iibernahmen, ergeben sich fur den Warenhandel im <kleinen Grenzverkehr> Probleme. Wenn z. B. kleinere Restaurants in Freiburg Wein aus dem Elsaf? kaufen wollen, miissen sie ungewohnt fiir viele das die Ware «begleitende Verwaltungsdokument» ausfullen (einschlieSlich der oft erst zu beantragenden ID-Nummer) und an den Winzer zuriickschicken. Dieses Papier dient als Nachweis, daS die Ware in Deutschland versteuert wurde bzw. wird, so daS der Wein in Frankreich steuerfrei bleibt. Anderfalls muS der Winzer nachversteuern. (Beim Einkauf direkt in Frankreich wird auch dort die Steuer bezahlt.) Mancher Gastwirt hat fiir derartige Formalitaten wenig Sinn. Und noch schwieriger ist es mit privaten Kunden (aufSerhalb des Reiseverkehrs! ), die gar keine ID-Nummer beantragen konnen: Ein Privatkunde miiSte also theoretisch zum Finanzamt gehen, dort die Mehrwertsteuer entrichten und das o. a. «begleitende Verwaltungsdokument» («vereinfachtes Begleitdokument») abstempeln lassen, dann das fiir ihn zustandige Zollamt aufsuchen, sich dort einen weiteren Stempel fur die Weinbzw. Sektsteuer beschaffen und das Begleitpapier schlieSlich an den Lieferanten zuriicksenden. Wer rut das schon? PRAXISTIP Bei Nettoverkauf an Privatkunden kann das Privileg des Vorsteuerabzugs vom Finanzamt <kassiert> werden. Der Lieferant sollte daher «mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns» versuchen, die ID-Nummer seines Kunden zu uberpriifen, z. B. beim Bundesamt fur Finanzen in Saarlouis. Jedoch: Bei telefonischer Anfrage wird man nicht <durchkommen>, eine schriftliche Anfrage <dauert>. Die Befragung einer Internetseite gilt nicht als qualifizierte Abfrage oder Prufung. Trotz Bestatigung der Unternehmereigenschaft bleibt ein Restrisiko, weil man diese ja auch wieder aufgeben kann. Ggf. sollte man von seinem Kunden ein <Deposit> von 16% verlangen, dies aber nicht auf der Rechnung als USt-Deposit ausweisen, weil man dann die Originalrechnung korrigieren, d. h. zuruckfordern und einziehen mufke. Die 16%-Steuerbelastung ist in vielen Fallen viel wichtiger als eine Zollbelastung! Gewerblicher Einkauf aus EG-Landern lafst sich steuertechnisch vereinfachen, wenn der Erwerber sich bei seinem Hauptzollamt als « berechtigterer Empfanger» zulassen laSt (eigentlich ein zollrechtlicher Status) und mit dem Finanzamt Fristen vereinbart, innerhalb derer entsprechende Steuererklarungen abzugeben sind. Neben Steuerberatern und Steuerbevollmachtigten konnen auch Spediteure Hilfestellung in Steuersachen leisten, sofern dies Einfuhrabgaben betriftt (§ 4 Steuerberatungsgesetz; StBG) (also nicht im <normalen> Mehrwertsteuerbereich). PRAXISTIP Viele Untemehmen verzichten auf die Ruckerstattung von im Ausland gezahlter MWSt, da sie entweder uber die Rikkerstattungsmoglichkeiten nicht informiert sind oder den Verwaltungsaufwand scheuen. Die Deutsch-belgisch-luxemburgische Handelskammer debelux in Briissel bietet auf Provisionsbasis einen Service an zum Betreiben des Verfahrens zur Ruckerstattung bei den auslandischen Finanzamtern. Auch die Deutsch-Britische IHK in London bietet Unterstiitzung an (www.ahk-london.co.uk). In einigen Landern ist eine Ruckerstattung noch bis zu vier Jahren nach der Rechnungslegung moglich. Auch der DIHT, Bonn, informiert (USt-Stelle). <?page no="465"?> J-6. Steuerliche Aspekte im AuRenhandel 443 3) Bleibt die Ware im Land des Verkdufers, ist sie dort zu versteuem (Ursprungslandprinzip). 4) Auch bei Lieferungen an nicht der MWSt unterliegende Unternehmen (z. B. Versicherungen, Banken und nicht-steuerpflichtige offentliche Unternehmen) stellt der Verkaufer die MWSt in Rechnung (Ursprungslandprinzip), wenn der Gesamtwert der Lieferungen an diesen Abnehmer 100.000 Euro im laufenden oder vorangehenden Jahr nicht iibersteigt. 5) Vom Ursprung'slandprinzip ausgenommen sind Kaufe von neuen Fahrzeugen (Land-, Wasser und Luftfahrzeuge). Der kommerzielle ebenso wie der private Kaufer wird im Bestimmungsland mit der Mehrwertsteuer belastet: Ein deutscher Kaufer eines Fiat zahlt nicht die italienische, sondern die deutsche Umsatzsteuer. «Neu» bedeutet beim Kfz eine Fahrleistung von nicht mehr als 6000 km oder erste Inbetriebnahme vor nicht mehr als 6 Monaten. Die Kontrolle der Versteuerung und der «neu»-Kriterien erfolgt iiber die Kfz- Zulassungsstelle. Steuerbemessungsgrundlage ist das Entgelt, d. h. der vom Lieferer in Rechnung gestellte Betrag, einschlieSlich Nebenkosten z. B. fur die Beforderung. Fremde Wahrungsbetrage sind zum Tageskurs im Zeitpunkt der Lieferung umzurechnen; dieser kann durch Bankmitteilung oder Kurszettel nachgewiesen werden. Das zustandige Finanzamt ist das fur die Einkommensteuerveranlagung des Kaufers zustandige. Fur jedes neue Fahrzeug ist als Einzelversteuerung innerhalb von 10 Tagen eine Umsatzsteuererklarung abzugegeben, in der der Kaufer die Steuer selbst berechnen mufi. Die Zulassungsstelle mufi das zustandige Finanzamt die erstmalige Ausgabe von Fahrzeugbriefen mitteilen, und sie muS den Fahrzeugschein einziehen, wenn die Mehrwertsteuer nicht entrichtet wird. - Fur Gebrauchtwagen gelten die <normalen> Bestimmungen, d. h. die Versteuerung erfolgt nach dem Ursprungslandprinzip. 6) Die Beforderungsleistung ist grundsdtzlich in dem Land steuerpflichtig, in dem die innergemeinschaftliche Giiterbeforderung beginnt, im Beispiel unten also in Italien nach italienischem Steuerrecht. Dieser Grundsatz gilt nicht, wenn der Auftraggeber fiir die Beforderungsleistung eine Id-Nummer verwendet, denn dann ist die Leistung immer in dem Land zu versteuem, welches diese Id-Nummer ausgegeben hat. Wenn in unserem Beispiel unten der Auftraggeber eine niederlandische Id-Nummer angibt, ist die Beforderungsleistung in den Niederlanden zu versteuem, unabhangig davon, ob deren Gebiet beruhrt wird oder nicht. Wird keine Id-Nummer angegeben, ist die Leistung im Abgangsland zu versteuem. Problematisch ist dies oft bei Nachnahmen, wenn nicht sicher ist, ob der Abnehmer eine Id-Nummer verwendet wird, und wenn ja: welche, weil die Speditionsrechnung entsprechend unterschiedlich aufgemacht werden mufSte. BEISPIEL 1 Ein deutsches Unternehmen macht passive Lohnveredelung in Finnland. Die kostenlose Lieferung von Vormaterialien nach Finnland ist umsatzsteuerfrei, weil kein Entgelt verlangt wird. Bei der Ruckfuhrung nach Deutschland miiftte der Finne Montage und sonstige Leistungen (Beratung) mit der deutschen MWSt fakturieren, weil der Auftraggeber dem finnischen Veredler seine deutsche ID-Nummer angibt und damit den «Ort der Leistung» nach Deutschland verlagert (bei einerfranzosischen ID-Nummer muBte die franzosische TVA fakturiert werden, mit den obigen Problemen: Fiskalvertreter). In den meisten EG-Staaten muftte ggf. die Steuerschuld auf den Empfanger formal <?page no="466"?> 444 J AuGenhandelspolitik und AuBenhandelsrecht Cibertragen werden, der dann in seinem Land die Versteuerung durchfuhren wurde. Fiir Deutschland kann jedoch eine Sonderregelung angewendet werden, die sog. Nullregelung, nach der die Rechnung netto ausgewiesen werden kann unter Verweis auf die Nullregelung - und der Empfanger die Ware in Deutschland versteuert. BEISPIEL 2 Ein Franzose laftt sein Auto in Deutschland reparieren. Ohne ID-Nummer werden 16% deutsche MWSt in Rechnung gestellt, weil der Ort der Leistung in Deutschland liegt. (Mit franzosischer ID-Nummer zoge er den Ort der Leistung nach Frankreich, TVA 20,6%, Fiskalvertreter, siehe oben.) PRAXISTIP Der deutsche Veredler sollte nettofakturieren unddieUbertragungder Steuerschuld in die Rechnung schreiben, womit das Problem faktisch auf den Auftraggeber ubergeht. BEISPIEL 3 Innergemeinschaftliche Dreiecks-Transportgeschafte Ein Franzose bestellt Ware in Deutschland, der Deutsche beschafft diese Ware durch Bestellung in Italien, wobei der Italiener direkt nach Frankreich liefern soil: ein typisches Dreiecks-, ReihenoderStreckengeschaft. Dabei entspricht der RechnungsfluR nicht dem Warentransport. Die Lieferung von Italien nach Frankreich ist steuerrechtlich eine fiktive Lieferung von Italien nach Deutschland; der benutzte LKW wird im Umsatzgeschaft von Italien nach Deutschland tatig. Fiktiv folgt darauf eine Lieferung von Deutschland nach Frankreich. Damit wird der Deutsche «nach Frankreich gezogen», denn der Ort der Lieferung ist Frankreich, und der Deutsche unterliegt der franzosischen Mehrwertsteuer. Dies kann nur umgangen werden, wenn die physische Lieferung via Deutschland erfolgt, der LKW also einen ziemlichen Umweg fahrt; dann ist eine Versteuerung durch den franzosischen Kaufer in Frankreich moglich ... J-6.3.3. Re-lmporte Aufgrund der unterschiedlichen Steuerbelastungen ergeben sich sehr oft starke Preisunterschiede fur ein und dasselbe Produkt in den verschiedenen EG-Landern. Dies stellt natiirlich einen Anreiz dar, Giiter dorf zu kaufen, wo sie unter Berucksichtigung der Transportkosten am billigsten sind. Vor allem bei Autos hat sich ein reger Re-Importhandel entwickelt. Dieser ist den Herstellern ein Dorn im Auge, weil diese Geschafte damit am etablierten Vertragshandlernetz vorbei laufen. So mancher Autohersteller hat daher versucht, zum einen die Gewahrleistungen fiir re-importierte Fahrzeuge einzuschranken, zum anderen seine Handler im Ausland mit subtilen und weniger subtilen Mitteln davon abzubringen, Fahrzeuge an deutsche Kaufer zu verkaufen. Dies ist natiirlich illegal, weil es gegen die Freiheit des Warenverkehrs im Binnenmarkt und gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstofit. Zwar sind die sog. selektiven Handlersysteme aufgrund einer Gruppenfreistellung (noch) vom Kartellverbot freigestellt worden, doch darf der Re-Import nicht behindert werden; dies hat der Europaische Gerichtshof unlangst nochmals bestatigt. Die Europaische Kommission hat in diesem Zusammenhang gegen mehrere Autokonzerne massive BuEgelder verhangt: Volkswagen und Opel waren schon dran, Daimler-Chrysler ist demnachst an der Reihe, weitere Verfahren betreffen Peugeot, Renault und Citroen (Abb. J-6/ 4). «Das <?page no="467"?> J - 6 . Steuerliche Aspekte im AulSenhandel 4 4 5 Abb. J - 6 / 4 : Steuergefalle EU-weiter Preisvergleich ' 9 k In Deutschland ist der Autokauf fast a m teuersten M Volkswagen legt Revision gegen das Bufigeldurteil ein Europaisches Gericht verhangte BuBe uber 90 Millionen Euro / Auswirkungen auf Vertriebssystem moglich M i l l i o n e n - B u B e f u r O p e l i n d e n N i e d e r l a n d e n Reimporte behindert / Als nachstes ist Daimler-Chrysler an der Reihe Recht, Produkte billiger in anderen Mitgliedstaaten zu erwerben, ist einer der Hauptvorteile des Binnenmarktes», sagte Wettbewerbskommissar Mario Monti. J-6.4. Sonderverbrauchsteuern Die Verbrauchsteuern umfassen in Deutschland Steuern auf den Kauf von Mineralol, Branntwein, Bier, Schaumwein (Sekt), Tabak, Kaffee. (Die sog. <kleinen> Verbrauchsteuern [Bagatellsteuern] auf Tee, Zucker, Salz und Leuchtmittel sind zum 1.1.93 entfallen). Fiir jede Steuer gibt es ein eigenes Verbrauchsteuergesetz. Da auch die Mehrwertsteuer eine Steuer ist, die den Verbrauch belastet, werden die anderen Verbrauchsteuern oft als Sonderverbrauchsteuern bezeichnet. Die Verbrauchsteuern sind in den (noch) 15 EG-Staaten recht unterschiedlich strukturiert; der Harmonisierungsbedarf ist groS. 20 Das Hauptproblem liegt im Bereich der Alkoholsteuern, wobei gegenwartig keine Umrisse fiir eine Harmonisierungslosung erkennbar sind. Analoge Probleme gibt es fiir Mineralole und Tabakwaren. Die Bundesrepublik erhebt eine Kaffeesteuer (besteuert wird der Rostkaffee), andere EG-Lander nicht; andere EG-Lander erheben eine Weinsteuer, Deutschland nicht; in Deutschland gibt es keine Steuern auf nichtalkoholische Getranke, aber in vielen anderen EG-Staaten. Zudem sind auch die Steuersatze (noch) in jedem EG-Staat anders (pro Steuer also 15 verschiedene Satze). Immerhin werden seit dem 1.1.93 EG-einheitliche Steuern auf Alkohol und alkoholische Getranke (dazu gehort auch Bier und mit Einschrankungen Wein) sowie auf Mineralol und Tabak erhoben. Fiir eine weitere Harmonisierung miifiten also bestimmte Steuern komplett abgeschafft werden (dies ist wegen des Wegfalls von Steuereinnahmen eher unwahrscheinlich), oder bestimmte Lander mtifsten neue Steuern einfuhren. Um eine Gleichbehandlung von Inlandskaufen und Beziigen aus dem Ausland sicherzustellen, werden eingefuhrte Waren mit denselben Verbrauchsteuern belastet wie inlandische Warenkaufe, wahrend umgekehrt die Waren bei der Ausfuhr im Ausfuhrland entsprechend entlastet werden. Im privaten Bereich, insbesondere im Reiseverkehr, ist dies nicht durchfuhrbar. Daher gab es friiher mengen- und wertmafSigen Begrenzungen fur abgabenfreie Einfuhren (sog. Reiseproviantmengen). Durch den Wegfall der Grenzkontrollen entfallen folglich auch diese Begrenzungen. Fiir die Sonderverbrauchsteuern ist keine Clearingstelle vorgesehen, sondern ein europaisches Steuerlager-Verbundsystem. Im gewerblichen Warenverkehr zwischen den Mitglied- 20 Auch in den Bereichen der Kraftverkehrs-, der Unternehmens- und der Kapitalbesteuerung besteht erheblicher Harmonisierungsbedarf. <?page no="468"?> 4 4 6 J AuGenhandelspolitik und AuGenhandelsrecht staaten mit hochsteuerbaren Waren, die den Verbrauchsteuern fur Mineralol, Alkohol und Tabaksteuer unterliegen, wird die Ware in einem iiberwachten Verfahren unter Steueraussetzung befordert und erst im Bestimmungsland nach den dort geltenden Bestimmungen versteuert (Bestimmungslandprinzip). Nur zugelassende Steuer-Lagerinhaber sind hierzu berechtigt. Wer nicht Inhaber eines Steuerlagers ist, kann durch Zulassung zum berechtigten Empfanger an diesem System unter sonst gleichen Bedingungen teilnehmen. Nichtberechtigte Hersteller mufiten also fur die Ausfuhr die Waren erst in ein inlandisches Steuerlager bringen. Dabei hat der Versender (ggf. jemand anders) eine Sicherheit fur das Steuerausfallrisiko zu leisten. Beim Versand ist ein Beforderungspapier (begleitendes Verwaltungsdokument) mitzufuhren. Dieses wird in vier Ausfertigungen erstellt, von denen die dritte als Riickschein dient, der nach Ankunft der Waren von den zustandigen Behorden zu bestatigen ist und an den Versender zuriickgesandt wird. In Deutschland wurde vorgeschrieben, dafi der Riickschein von den Steuerbehorden durch Sichtvermerk bestatigt wird. Bei der Versendung bereits versteuerter verbrauchssteuerpflichtiger Waren ist eine Erstattung moglich. Waren im steuerrechtlich freien Verkehr konnen in einen anderen EG-Staat verbracht werden, beispielsweise wenn ein deutscher Mineralolhandler einen osterreichischen Handler mit leichtem Heizol beliefert. Obgleich Deutschland keine Weinsteuer erhebt, ist das Verfahren auch bei Wein anzuwenden; fur Kleinbetriebe sind Erleichterungen vorgesehen. Im Verkehr mit den EFTA-Staaten kann anstelle des begleitenden Verwaltungsdokuments oder von Handelspapieren auch das Einheitspapier (als Versandschein T2) mit zusatzlichen Exemplaren oder Kopien der Ex. 1+5 verwendet werden. Dies setzt voraus, daft die Beteiligten Steuerlagerinhaber sowie zugelassener Versender bzw. Empfanger im Sinne des zollrechtlichen Versandverfahrens sind. Die verwendeten Exemplare des EP miissen dabei neben den Angaben fur das Versandverfahren auch die besonderen Angaben fur Verbrauchsteuerzwecke enthalten (in den Feldern 31 und 44, u.a. die Verbrauchsteuernummer). J-6.5. Steuerbefreiung bei der Ausfuhr Ausfuhren in Drittlander unterliegen nicht der Mehrwertsteuer und Verbrauchsteuern. Da gewerbliche innergemeinschaftliche Lieferungen im Bestimmungsland versteuert werden, berechnet der Verkaufer keine Mehrwertsteuer (fakturiert also rein netto), um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Steuerrechtlich liegt dabei eine bedingte Abgabenbefreiung vor («Verlassen des inlandischen Steuergebiets»). Ein deutscher Lieferant kann die Steuerbefreiung fur Ausfuhrlieferungen auch dann in Anspruch nehmen, wenn die von ihm gelieferte Ware vor ihrer Ausfuhr in das Drittlandsgebiet in einem anderen EG-Staat noch be- oder verarbeitet wurde. Die Steuerfreiheit bei gewerblichen Ausfuhren mufi nachgewiesen werden. Dadurch ergeben sich auf einer technischen Ebene einige Belastungen fur die Unternehmen: Zum Nachweis des korperlichen Grenzubertritts, der fur die Steuerbefreiung erforderlich ist, wird in der Praxis bei Drittlandsausfuhren teils das von der Ausgangszollstelle abgefertigte Exemplar 3 der Ausfuhranmeldung (AM; Ausfuhrschein) verwendet, teils eine sog. «weil? e Spediteursbescheinigung» fur Umsatzsteuerzwecke, welche die steuerrechtlichen Anforderungen in vollem Umfang erfullt. Wahrend in anderen Mitgliedstaaten diese Bescheinigung wegen geanderter Rechtslage nicht mehr erforderlich sein mag, ist sie fur Deutschland nach wie vor <?page no="469"?> J-7. Melderecht 447 dringend anzuraten, denn zusammenfassende Meldungen iiber Lieferungen an innergemeinschaftliche Erwerber und betriebliche Aufzeichnungen (als Buch- oder Belegnachweis) werden nicht von jedem Finanzamt akzeptiert. Unabhangig davon sind Lieferungen in EG- und Drittlander vom Verkaufer in seiner Umsatzsteuervoranmeldung (in einer Summe) anzumelden. Zudem ist in der Unternehmensbuchfiihrung nachzuweisen, daE die Waren in einen anderen Staat gelangt sind und daE der Empfanger in seinem Land der Umsatzsteuer unterliegt (Angabe der Ident-Nummer). Parallel dazu werden die Ausfuhren in der vierteljahrlichen Zusammenfassenden Meldung an das Bundesamt fur Finanzen angegeben. PRAXISTIP Es kommt sehr oft vor, dafi z. B. Monteure dringend zu einem Kunden gerufen werden und im Fluggepack Ersatzteile mitnehmen. Es sollte organisatorisch sichergestellt werden, daft trotz der Eile ordnungsgemafte Ausfuhrpapiere beschafft werden, denn Lagerfehlbestande sind mehrwertsteuerpflichtig. Verkaufe von Einzelhandelsunternehmen an Reisende mitWohnsitz in Drittlandern (« Export iiber den Ladentisch») konnen auch umsatzsteuerfrei erfolgen; dies erfordert jedoch die Kooperation des Kaufers. Ein japanischer Tourist mit Wohnsitz in Frankreich ist kein Drittlandskunde. Der Verkaufer sollte sich Ausweisdokumente zeigen lassen und sich eine Kopie davon anfertigen; fur diese Belege gibt es keine Formvorschriften. Die erworbene Ware muE innerhalb von drei Monaten im Reisegepack ausgefuhrt werden: sie darf also beispielsweise nicht per Post, Spediteur oder Kurier versendet werden. Der Verkaufer sollte unbedingt darauf achten, daE die dem Kunden ausgehandigte Rechnung keine Mehrwertsteuer ausweist, denn diese wiirde der Verkaufer dann ungeachtet der Ausfuhr dem Finanzamt schulden. Die Steuerschuld wiirde nur erloschen, wenn eine wirksame Berichtigung der Rechnung und Gutschrift erfolgt. Aus Vereinfachungsgriinden ist die Berichtigung entbehrlich, wenn der Kunde die urspriingliche Rechnung (ggf. Kassenbon) zuriickgibt und der Verkaufer den Beleg bei seinen Buchhaltungsunterlagen aufbewahrt. Der Kaufer muE sich beim Grenzzollamt, ggf. bei der deutschen Auslandsvertretung im Wohnortland des Kaufers, die Ausfuhr bestatigen lassen (natiirlich gibt es hierfur ein Formular) und den Nachweis an den Verkaufer zuriickschicken. Ggf. kann man auch ein spezialisiertes Serviceunternehmen einschalten. PRAXISTIP Steueranmeldung Der als Nachweis der Ausfuhr Verkaufer sollte diese umsatzsteuerpflichtige fuhren kann. Ladentisch-Exporte zunachst in Inlandsumsatze deklarieren, bis seiner er den J-7. Melderecht J - 7 . 1 . Zweck Bestimmte Rechtsgeschafte und Handlungen im AuEenwirtschaftsverkehr (Warenhandel, Dienstleistungsverkehr, Kapital- und Zahlungsverkehr) sind den zustandigen Behorden zu melden. Rechtsgrundlagen fur die Meldepflicht sind neben dem AWG und der AWV das AufSenhandelstatistikgesetzes (AHStG), das Gesetz iiber die Statistik fur Bundeszwecke <?page no="470"?> 4 4 8 J AulSenhandelspolitik und Auftenhandelsrecht (BStatG), das Bundesdatenschutzgesetz, das Umsatzsteuergesetz und einige Verbrauchsteuergesetze (u.a. Tabaksteuer-, Mineralol-, Bier- Kaffeesteuergesetz). VerstoEe gegen diese Meldepflichten stellen Ordnungswidrigkeiten dar, die mit GeldbufSen geahndet werden konnen. Fiir Transaktionen mit Drittlandern vollzieht sich dies im Rahmen der zollamtlichen Abfertigung, 21 man spricht dabei von ExtraStat, d. h. Statistik des Aufienhandels mit Nicht-EG- Staaten (incl. EFTA). Im innergemeinschaftlichen Bereich spricht man von IntraStat. Die Daten werden an das Statistische Bundesamt und die Deutsche Bundesbank weitergeleitet. Neben den Warenhandelsstatistiken gibt es statistische Meldungen im Zahlungsverkehr mit dem Ausland. Besondere Meldepflichten bestehen im Dienstleistungsbercich, u. a. bezuglich des Abschlusses von Charter- und Frachtvertragen im Seeverkehr mit Gebietsfremden, in der Filmwirtschaft iiber Vorfuhrungs- und Senderechte und im Braugewerbe iiber Vertriebsrechte. Die Unternehmen stohnen natiirlich meist iiber den Aufwand, den sie durch das penible Ausfiillen der Formulare betreiben miissen. Nicht immer wird deutlich, wofiir all diese Zahlen benotigt werden, und die amtlichen Erlauterungen sind meist wenig geeignet, dem Leser aufSer dem nachdrlicklichen Hinweis, er sei zum Ausfiillen der Formulare verpflichtet und riskiere ein BuSgeld, wenn er dies nicht korrekt tue vielleicht auch den beabsichtigten Verwendungszweck dieser Daten in geeigneter Verstandlichkeit nahezubringen. Hier fehlt oft eine marketingkundige Hand in der amtlichen Redaktion. Natiirlich wissen wir aber: Sinn und Zweck der Erhebung all dieser Daten ist, fur politische und administrative Entscheidungen eine statistisch abgesicherte Basis zu erhalten. Aus den Informationen wird u. a. die Zahlungsbilanz erstellt. Ferner kann uberpruft werden, ob die Voraussetzungen fur Anordnung, Aufhebung oder Erleichterung von Beschrankungen (noch) vorliegen und ob die Verpflichtungen aus zwischenstaatlichen Vereinbarungen erfullt werden. Zudem kann die Struktur der Warenstrome ermittelt werden, sowohl was beim Import die Warenherkunft als auch beim Im- und Export die regionale Beteiligung innerhalb der Bundeslander anbelangt. Neben der Auflenhandelsstatistik wird eine Verkehrsstatistik gefuhrt. Aus den Angaben iiber die AbfertigungszoUstellen, Transportmittel (Bahn, LKW, Luftverkehr, Seeverkehr) und Transportwege konnen Riickschliisse fur die Infrastrukturpolitik gezogen werden, sowohl was allgemein das Strafsen- und Schienennetz als auch besondere Brennpunkte im Handelsverkehr betrifft, so daE Grenziibergange, TransitstraSen und Zolldienststellen entsprechend ausgebaut werden konnen. Dies strahlt auch auf den Finanzausgleich zwischen Bund und Landern und zwischen den Landern aus. GleichermaEen wird deutlich, von welchen Importgutern die Wirtschaft besonders abhangig wird, und von welchen Giitern der Export besonders profitiert. Dies wiederum kann Auswirkungen haben auf das Steuerrecht, auf Subventionsentscheidungen, auf den Einsatz von Forschungsmitteln. Last not least werden auch die Preisdaten ermittelt, die sich auf die Berechnung der Inflationsraten auswirken. J-7.2. ExtraStat Ein- und Ausfuhrsendungen sind den Zollbehorden durch die statistischen Anmeldescheine (Einfuhranmeldung, Ausfuhranmeldung) schriftlich anzumelden (ausgenommen u. a. priva- 21 Mit unterschiedlichen Exemplaren des sog. Einheitspapiers (weil es europaweit einheitlich fur fast alle zollrechtlichen Abfertigungen verwendet wird). <?page no="471"?> J-7. Melderecht 449 ter Reiseverkehr und gewerbliche Kleinsendungen wie Muster). Anmeldepflichtig ist jeweils der Zollanmelder. Diese Anmeldungen erfolgen in der Regel im Zuge der Erstellung bestimmter Zollformulare im Durchschreibeverfahren. Die Verwendung des Einheitspapiers (EP) standardisiert die Erhebung von Daten fur die EG-externe AuSenhandelsstatistik. Ausgenommen davon sind im gewerblichen Bereich Kleinsendungen bis Euro 250,sowie auch Waren, fur die (aufiertarifliche) Zollbefreiungen gelten. Bei der Ausfuhr verwendet die Praxis fur die Ermittlung der Warennummem gern das (hellblaue) Warenverzeichnis fur die AuEenhandelsstatistik. Dabei wird die statistische Warennummer (EP Feld 33, 6 Stellen) oft recht lassig gehandhabt man beschrankt man sich meist auf die vierstellige <Position> oder auch nur auf das 2-stellige Kapitel, wahrend bei der Einfuhr in der Regel durchgangig vollstandig tarifiert wird nicht zuletzt im Hinblick auf Zolltarifvergunstigungen unter Angabe der statistische Warennummem (8-stellig), die sich aus dem Europaischen Zolltarif (EZT) ergibt (vgl. Abschnitt K-2.3). Fiir Einfuhren und Ausfuhren ist jeweils der «statistische Wert» (Feld 46) anzugeben. Dieser ist im Export / bb-EG-Grenze, im Import c«/ -EG-Grenze anzugeben, vollig unabhangig von den tatsachlichen Vereinbarungen im Kaufbzw. Liefervertrag. Daher miissen z. B. bei EXW- oder FCA-Lieferungen die entsprechenden Elemente fiktiv errechnet (geschatzt) und angegeben werden. Diese Praxis ist international iiblich. Aus diesem Grund abgesehen von anderen, hier nicht zu beriicksichtigenden Erfassungs- und Bewertungsproblemen differieren folglich bei ein und demselben Vorgang auch der FOB-Exportwert z. B. von Deutschland in die USA und der entsprechende CIF-Importwert aus der Sicht der USA, weil dort die Beforderungskosten mit einbezogen sind. J-7.3. IntraStat Seit der Verwirklichung des Binnenmarktes sind fur den EG-internen Handel mit Gemeinschaftswaren alle Zollverfahren und damit auch die entsprechenden Anmeldungen entfallen, zumeist auf der Basis entsprechender Exemplare des Einheitspapiers, das als wichtige statistische Informationsquelle diente. Fiir Transaktionen im Binnenmarkt ist daher ein separates Statistiksystem entwickelt worden, das auf direkten Anmeldungen der umsatzsteuerpflichtigen Untemehmen und Personen beim Statistischen Bundesamt beruht und das als IntraStat bezeichnet wird. Die Teilnahme am EG-Binnenhandel fiihrt zu einer gesetzlich verankerten Auskunftspflicht an das Statistische Bundesamt (EWG-VO 3330/ 91), sofern es sich urn eine natiirliche oder juristische Peron handelt, der vom Finanzamt eine Umsatzsteuernummer zugewiesen worden ist. Dies bezieht sich auf den <Veranlasser> der Transaktionen, nicht auf kontrahierte Subuntemehmer wie z. B. Spediteure. Neben entgeltlicher Versendung und Eingang (Erwerb) erstreckt sich die Auskunfstpflicht auch auf unentgeltliche Leistungen, z. B. im Rahmen von Gewahrleistungen. Privatpersonen sind grundsatzlich von der Auskunftspflicht befreit, ebenso Untemehmen, deren Intra-Einfuhren oder -Ausfuhren (d. h. pro Seite) im Vorjahr 200.000 Euro nicht uberschritten haben, statistisch bezeichnet als Versendung = innergemeinschaftliche <Ausfuhr> bzw. Eingang = innergemeinschaftliche <Einfuhr>. Bei Uberschreiten dieses Wertes im laufenden Jahr sind ab dem Folgemonat Meldungen abzugeben, und zwar bezuglich jeder Transaktion: Es gibt hier keine Freigrenzen. Die Meldepflicht ist an die Umsatzsteuerpflicht gekoppelt (vgl. Abschnitt J-6). <?page no="472"?> 450 J AuRenhandelspolitik und AufSenhandelsrecht Sofern nicht fur die Meldung von einzelnen Vorgangen das Einheitspapier verwendet wird (Exemplar 2 fur die Versendung, Exemplar 7 fur den Eingang) oder eine Meldung mit magnetischen Datentragern zugelassen wird, mussen die IntraStat-Meldungen monatlich auf bestimmten Formularen erfolgen. (Das Statistische Bundesamt hat eine 50 Seiten starke Anleitung zum Ausfullen dieser Meldungen erarbeitet, die jedes einzelne Meldefeld kommentiert...) Bei wiederkehrenden Sendungen innerhalbeinesMonatskonnen die Angaben zusammengefalSt werden, so dafi nicht furjeden Einzelfall eine Meldung erfolgen muE. Fiir kleinere Umsatze sind vereinfachte Meldeverfahren bzw. ganzliche Befreiungen vorgesehen, und insgesamt sind seit 2001 einige Pflichtdaten entfallen. PRAXISTIP Man kann die IntraStat-Daten mithilfe eines online zur Verfugung gestellten Formulars ubermitteln. Dies bietet sich bei an, wenn nur wenige Transaktionen pro Monat zu melden sind. Bei mehr Dynamik bieten sich Dateimeldungen per Diskette an. SchlieRlich konnen die Daten mit einem Internet-Programm erzeugt und versandt werden: http: / / w3stat.statistik-bund.de. 22 J-7.4. Zahlungs- und Kapitalverkehr Neben den Giiterstatistiken gibt es auch statistische Meldungen im Zahlungs- und Kapitalverkehr mit dem Ausland. Der Euro ist zwar eine frei konvertible Wahrung und kann von jedermann ohne Beschrankungen oder Genehmigungen in beliebiger Hohe vom Inland ins Ausland (und umgekehrt) transferiert werden. Dessenungeachtet besteht eine statistische Meldepflicht fiir Zahlungen im Aubenwirtschaftsverkehr, und zwar grundsatzlich auch fur Privatpersonen, was haufig nicht bekannt ist: Im AufSenwirtschaftsgesetz (AWG) in Verbindung mit der AuEenwirtschaftsverordnung (AWV) sind Meldebestimmungen fur den Zahlungs- und Kapitalverkehr in das Ausland oder aus dem Ausland iiber Euro 12.500,verankert 23 (bar, durch Scheck, Wechsel, Uberweisung oder Auf- und Verrechnungen). Die Zahlungsstrome beziehen sich auf Forderungen und Verbindlichkeiten aus dem Waren- und Dienstleistungshandel, aufgenommene und gewahrte Kredite, auf Wertpapiere, Unternehmensbeteiligungen und andere Direktinvestitionen und Vermogensanlagen. Hierfiir werden natiirlich diverse verschiedene Meldeformulare verwendet. In der Praxis vollziehen sich diese Meldungen meist automatisch iiber die beteiligten Bankinstitute; vielen wird das Formular «Anlage Z 1 zur AWV - Zahlungsauftrag im Aubenwirtschaftsverkehr - Meldung nach § 59 AWV» bekannt sein. Eingehende Zahlungen melden die Kreditinstitute mit dem Formular Z 4 an die Landeszentralbanken. Derartige Meldeformulare sind auch in anderen Landern ublich. Pro Jahr werden in der Bundesrepublik weit iiber 4 Millionen Posten durch das Zl-Formular registriert. Von der Meldepflicht ausgenommen sind Privatpersonen, die Zahlungen im Reiseverkehr an Ort und Stelle im Ausland leisten. Alle Meldungen im Zahlungsverkehr dienen ausschlieSlich statistischen Zwecken; personenbezogene Daten werden bei der Weiterleitung an das Statistische Bundesamt bzw. an die Landeszentralbanken anonymisiert und geraten z. B. auf keinen Fall in das Blickfeld der Steuerbehorden (hier greift u. a. das Bankgeheimnis) (§ 16 des Gesetzes iiber die Statistik fur 22 Mit einerAusfiillanleirungunter dem Button «Datenerhebung»,dann Mouse w3stat und «allgemein». 23 Bundesanzeiger N3. 239 vom 20.12.2000. Bis Anfang 2001 waren es DM 5.000,-. <?page no="473"?> J-7. Melderecht 451 Bundeszwecke und § 5 Bundesdatenschutzgesetz). Die Meldeformulare selbst werden kurzfristig vernichtet; erhalten bleiben dann lediglich die sich daraus ergebenden aggregierten Zahlen. Nur die volkswirtschaftlichen Implikationen sind von Bedeutung, weil sich die Zahlungsstrome auf die inlandische Geldmenge und diese wiederum auf das Preisniveau auswirken (Stichwort: Geldmengeninflation) sowie auf die Devisenbestande in der privaten Wirtschaft. Die Uberwachung der Zahlungsbewegungen dienen also primar der Inflationsbeobachtung. J-7.5. Nummernsalat... Beziiglich der Unternehmens-bezogenen Nummern herrscht ein betrachtlicher Nummern- Wirrwarr: Steuernummer (Umsatzsteuernummer) In den statistischen Meldungen IntraStat ist (in Feld 1) grundsatzlich die Steuernummer anzugeben, die von dem regional zustandigen Finanzamt vergeben wird (dies ist nicht die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer! ). Mit der firmenspezifischen Steuernummer werden die Werte der gemeldeten Statistikdaten mit den Werten aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung abgeglichen, die dem Statistischen Bundesamt von der Finanzverwaltung iibermittelt werden. In den einzelnen Bundeslandern hat die 9-llstellige Steuernummer eine unterschiedliche Struktur. Sie ist wiederum Voraussetzung fur die Erteilung einer Umsatzsteuer- Identifikationsnummer (siehe unten). Unterscheidungs- und Zusatznummer Wenn die Intrahandelsstatistik in einem Unternehmen nicht zentral erstellt wird, kann das es beim Statistischen Bundesamt eine dreistellige Unterscheidungsnummer (fur ein Unterfeld von Feld 1) anfordern zur Identifizierung von Organisationseinheiten, die innerhalb eines Unternehmens dezentral Daten an das Statistische Bundesamt melden. Kenn-Nummer Bei Anmeldungen innerhalb der IntraStat mit magnetischen Datentragern wird eine 16stellige Kennummer verwendet, die sich aus einer Schlusselnummer des zustandigen Finanzamts und der individuellen (Umsatz-)Steuernummer zusammensetzt und ggf. rechtbiindig mit Nullen auf 16 Stellen aufzufiillen ist. Materialnummer Mit der Materialnummer wird seitens des Statistischen Bundesamtes ein magnetischer Datentrager auSerlich und innerhalb der Dateien gekennzeichnet, der im Rahmen vereinfachter Meldeverfahren verwendet wird. Umsatzsteuer-ldentifikationsnummer Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in der Praxis meist Ident-Nummer oder ID- Nummer genannt wird nur vom Bundesamt fur Finanzen/ AuSenstelle Saarlouis vergeben. In Deutschland besteht sie aus zwei Buchstaben und 9 Ziffern. Das Statistische Bundesamt hat keinen Zugriff auf diese Kennzeichnung. Uber die ID-Nummer kann die Kontrollbehorde im Empfangsland feststellen, ob der Kaufer die nationale Umsatzsteuer fur den Erwerb gezahlt hat (Bestimmungslandprinzip). <?page no="474"?> 4 5 2 J Auftenhandelspolitik und Auftenhandelsrecht Firmennummer des Statistischen Bundesamts Unternehmen, denen vereinfachte Anmeldeverfahren bei Ein- oder Ausfuhr im Warenverkehr mit Drittlandern bewilligt wurden, erhalten eine 7-stellige statistische Firmennummer, die in den Anmeldungen zur ExtraStat (Drittlandshandel) zur Identifizierung des Auskunftspflichtigen anzugeben ist. Fiir die Statistik selbst ist sie belanglos. Verbrauchsteuernummer Eine 12-stellige Verbrauchsteuernummer braucht jeder, der mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren handelt, sie empfangt oder versendet. Sie wird vom Zollamt erteilt. Zollnummer Die Oberfinanzdirektion Karlsruhe (Zentralstelle Zolldateien, ZZD) vergibt zentral eine 7-stellige Zollnummer fur Beteiligte, die an automatisierten Zollverfahren oder an den verschiedenen Genehmigungsverfahren bei der Ein- oder Ausfuhr teilnehmen. Die Zollnummern dient den Genehmigungsbehorden als Erkennungsnummer fur den Zollbeteiligten. Sie ist im Einheitspapier anzugeben, sofern keine statistische Firmennummer zugeteilt wurde. Fiir die IntraStat ist die Zollnummer belanglos. Registerkennzeichen Zur Erleichterung des Zahlungsverkehrs hat die deutsche Zollverwaltung eine 23-stellige(! ) Registernummer entwickelt, die von den Zahlungspflichtigen verwendet werden soil. Landercodes und -zeichen In den Meldeformularen werden Kiirzel fur die Landernamen verwendet, die von der International Standards Organization in Genf entwickelt wurden (ISO 3166). Sie entsprechen nicht den im StraSenverkehr verwendeten Zeichen, zudem werden im Deutschen Gebrauchs- Zolltarif andere Landercodes verwendet als im Praferenzverkehr in der EU (warum eigentlich? ), die z. B. in der Lieferantenerklarung angegeben werden. SchlieSlich ist zu bedenken, dafi auch die Waren mit unterschiedlichen Nummern identifiziert werden, u. a. nach dem Harmonisierten System des gemeinsamen europaischen Zolltarifs, nach der deutschen Aufienhandelsstatistik, nach dem TARIC etc. (vgl. Abschnitt K-2.3). Dabei kann sich auch ein geiibter und erfahrener Sachbearbeiter vertun. J-8. Marktordnungsrecht (MOR) Mit der Unterzeichnung des EWG-Vertrages von Rom (1957) verpflichteten sich die Griindungslander der EWG zu einer Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Hierzu beschloS der Ministerrat der Europaischen Gemeinschaft 1960 eine gemeinsame Markt- und Preispolitik mit einer einheitlichen Marktverwaltung und gemeinsamen Regeln an den Aufiengrenzen der Gemeinschaft das sog. Marktordnungssystem, was marktwirtschaftlich klingt, aber genau das Gegenteil ist, denn im Ergebnis setzt es die Marktkrafte auf den Markten fur zahlreiche Agrarprodukte weitgehend auf? er Kraft, u.a. fur Milch, Milchprodukte, Oliven, Getreide, Rind-, Schweine-, Schaffleisch, Fette, Zucker, Trockenfutter, Tabak, Wein, Gefliigel, Obst und Gemiise, Fischereierzeugnisse (Abb. J-8/ 1). Die Marktordnungen sind je nach Art des Produktes und der konkreten Marktsituation <?page no="475"?> J - 8 . Marktordnungsrecht (MOR) 4 5 3 Abb.j-8/ 1: Hohe Stutzungskaufe fur Rindfleisch E U - A g r a r m i n i s t e r e n t s c h e i d e n iib e r n e u e M a r k t r e g e l u n g fiir B a n a n e n Der Protektionismus konnte neue Bluten treiben / Reform der Marktordnungen fur Tabak und Olivenol N e u e E U - S u b v e n t i o n e n fii r d e n W e i n b a u Beihilfen fur die Umstellung der Rebflachen / Wohin mit dem UbersehuB? 3 4 0 0 0 T o n n e n F l e i s c h f u r E U - K i i h l h a u s e r unterschiedlich gestaltet. Ein durchgangiger Aspekt ist aber die Garantie von Mindestpreisen fiir die Erzeuger der betreffenden Agrarprodukte bei gleichzeitiger staatlicher Aufkaufgarantic fiir bestimmte Mengen, um die Ziele der EG-Agrarpolitik zu realisieren. Zu den Zielen zahlt neben der Selbstversorgung auch die Sicherung der landwirtschaftlichen Einkommen. Zur Absicherung gegen den Weltmarkt wird die EG-Landwirtschaft durch politisch festgelegte Agrarabschopfungen (Agrarzolle) vor Niedrigpreiseinfuhren aus Drittlandern und vor Schwankungen der Weltmarktpreise geschiitzt. Natiirlich produziert der Landwirt unter diesen Voraussetzungen, was Feld und Stall hergeben, mit dem Ergebnis, daS sich bei zahlreichen Produkten gewaltige Uberschiisse ergaben und ergeben, die der EG-Inlandsmarkt zu den garantierten Mindestpreisen nicht abnehmen will - Fleischberge, Butterhiigel, Milch- und Weinseen. Was aber kann man mrt diesen Uberschiissen tun? Man sagt, daft zu jeder Mark, mit der die landwirtschaftliche Produktion gefordert wird, eine weitere hinzugefiigt werden muS, um die Produktion wieder vom Markt zu schaffen: Eine Moglichkeit ist, die wegen der staatlichen Garantien aufzukaufenden Produkte einzulagern - Butter, Fleisch, Getreide. Dies verschlingt Unsummen fur Ankaufpreise und Lagerkosten: Eine Kuhlhalle fiir Butter hat die Dimension einer Sporthalle. Teuer! Und wenn diese voll ist? Dann greift die zweite Moglichkeit: denaturieren, d. h. Produkte werden zweckentfremdet: Butter wird zu ordinarem Butterschmalz umgewandelt, Getreide wird verfuttert, Wein wird zu Industriealkohol verarbeitet, usw. Teuer! Dritte Moglichkeit: Bei nicht lagerfahigen Giitern (Obst, Gemiise, Wein, Milch) bleibt nur vemicbten. Bei einigen Giitern erfolgt nach dem Ankauf durch die Interventionsstelle der direkte Transport zur Abfalldeponie. Teuer! Verschenken geht nur in geringem Ausmafs, denn man kann EG-intern die Mindestpreise natiirlich nicht unterlaufen, und extern wiirde man den Erzeugern in Entwicklungslandern die Preise, den Markt und damit den Anreiz zur Selbstversorgung zerstoren. Auch nicht so gut; das geht in der Regel nur als Katastrophenhilfe. Aber es gibt noch eine Moglichkeit: Agrariiberschiisse werden auf dem regularen Weltmarkt verkauft. Aber natiirlich nicht zu den hohen garantierten EG-Mindestpreisen, sondern zum jeweiligen, grundsatzlich viel niedrigeren Weltmarktpreis. Also erhalt der Exporteur eine Subvention, die ihm die Differenz zwischen dem garantierten EG-Mindestpreis und dem niedrigeren Weltmarktpreis erstattet: die Agrar-Ausfuhrerstattung. Teuer! Natiirlich ist dies eine ewige Quelle fiir Betrugereien, denn fiir den Export bestimmter Agrar- <?page no="476"?> 4 5 4 J Auftenhandelspolitik und Auftenhandelsrecht produkte fliefien die entsprechenden Exporterstattungen. Und wenn man findig ist, lassen sich eben dieselben Produkte wieder in die EG zuriickschleusen und erneut exportieren, mit nochmaliger Erstattung natiirlich. Manchmal kann man sich auch die Miihe des physischen Exports ohnehin sparen, weil allein der papiermaSige Nachweis geniigt, und Papier ist geduldig und die GrenzkontroUen nicht wasserdicht. Wer kann schon wissen, was in der Mitte eines Kuhltransports mit gefrorenen Schweinehalften tatsachlich lagert? Man kann den LKW doch nicht auftauen und entladen. Jedes Jahr verschwinden so viele Milliarden Euro an erschwindelten Exporterstattungen in den Taschen von Betriigern. Wir wollen honorigen Agrarproduzenten nichts unterstellen, aber das EG-Agrarsystem ist eine schlichte Einladung zum Betrug. (Eine Anmerkung: Fiir den Fall, daf? das Preisniveau der EG einmal unter dem Weltmarktpreisniveau liegen sollte, hat die EG die theoretische Moglichkeit, Ausfuhrzolle zu erheben, um zu verhindern, daf? EG-Landwirte ihre Produkte gewinnbringend exportieren und in der EG eine preissteigernde Angebotslucke entsteht. Ausfuhrzolle verteuern Exporte der EG in Drittlafider.) Die Sicherung landwirtschaftlicher Einkommen erfolgt auch iiber direkt einkommenswirksame Zahlungen. Landwirte erhalten beispielsweise bei der Erzeugung oder Lagerung bestimmter Produkte Erzeuger- oder Lagerbeihilfen. Aufserdem konnen der verarbeitenden Industrie Produktionserstattungen gewahrt werden, um die Verwendung von EG-Agrarerzeugnissen zu fordern. Eine weitere Moglichkeit ist die Einkommenssicherung mit Hilfe sogenannter Ausgleichszahlungen, die mit Produktionsvermeidung wie z. B. Flachenstillegungen verbunden sein konnen. Die Notaufkaufe von riesigen Rinderherden zur Schlachtung und Vemichtung im Jahr 2001 im Gefolge der BSE-Krise sind analoge Beispiele der « Marktstiitzung ». Nach verschiedenen vorangegangenen insgesamt ziemlich erfolglosen - Reformversuchen erfolgte 1992 eine grofiere Agrarreform zur Neuorientierung der gemeinsamen Agrarpolitik. Hier ist nicht der Ort, Zweck und Erfolg der nach okonomischen Kriterien absurden - Agrarpolitik naher zu analysieren, so dafs in den obigen Bemerkungen nur einige Grundlinien skizziert wurden. Ob ab 2001 ein umfassend neuer Anlauf gelingt, erscheint wenig wahrscheinlich. Festzuhalten bleibt beziiglich der zollamtlichen Import- und Exportabfertigung, daS bei der Einfuhr von Agrarprodukten neben den anderen dargestellten Aspekten - Einfuhrzolle, EUSt, Verbote und Beschrankungen auch gepriift werden muK, ob nach dem Marktordnungsrecht Verbote und Beschrankungen zu beachten sind (z. B. BSE-Rindfleisch? ) und ob und welche Importabschopfungen (Agrarzolle) zu erheben sind; sie zahlen wie die <normalen> Einfuhrzolle und die Steuern zu den Einfuhrabgaben. Bei der Ausfuhr ist entsprechend zu priifen, ob die Voraussetzungen fur die Zahlung von Exporterstattungen gegeben sind. Auf die abfertigungstechnischen Einzelheiten u. a. beziiglich der Dokumentation und der Berechnung konnen wir hier nicht eingehen. <?page no="477"?> Einfuhrabfertigung K-1. Normalverfahren Viele Reisende sind erstaunt, daE sie bei der Riickkehr nach Europa von Zollbeamten empfangen werden, weil sie denken, die waren in Europa langst abgeschafft. Ganz so ist es jedoch nicht. Eine Einfuhrabfertigung ist immer erforderlich, wenn Waren aus einem Nicht- EG-Staat in das Zollgebiet der EG gebracht werden sollen. Beim Warenverkehr innerhalb der EG gibt es seit 1993 keine GrenzkontroUen mehr; die Zollamter an den Binnengrenzen wurden weitgehend aufgelost. Parallel dazu sind in den Vertragstaaten des Schengener Abkommcns - Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Osterreich, Portugal und Spanien auch die Personenkontrollen an den Grenzen weggefallen, auEer wenn besondere Anlasse dies erfordern. An den ubrigen Grenzen erfolgen weiterhin Kontrollen durch den Bundesgrenzschutz, den Zoll und in Bayern durch die Polizei. Durch diese «Bewegungsfreiheiten» innerhalb der Europaischen Union sind genaue Kontrollen an den Aufiengrenzen wichtiger geworden. Die Grenzen Deutschlands zu Polen, der Tschechischen Republik und der Schweiz sind zugleich AuiSengrenzen der EU, ebenso die Flughafen und Seehafen. Damit der Wegfall der Binnengrenzen keine Nachteile fur die innere Sicherheit bedeutet, zu Rauschgift- und Zigarettenschmuggel und zu unterschiedlichen Besteuerungen fiihrt, setzt die Zollverwaltung mobile Kontrolltrupps ein, die Personen und Fahrzeuge im Inland anhalten und kontrollieren konnen. K-1.1. Priifebenen bei der Einfuhr Die Wareneinfuhr ebenso wie die Ausfuhr ist nach dem deutschen Aufienwirtschaftsrecht grundsatzlich frei. Bei jeder Einfuhr muS jedoch geklart werden, • ob es Einfuhrbeschrankungen oder -verbote gibt (aulSenwirtschaftsrechtlicher Art oder andere Verbote und Beschrankungen [V.u.B.]; vgl. Abschnitt J-4), • ob und wieviel Zoll oder andere Einfuhrabgaben zu entrichten sind (EUSt, Verbrauchsteuern, Agrarabgaben) (vielleicht gibt es Zollbefreiungen oder Zollvergiinstigungen: Zollpraferenzen), • welche Papiere fur die Einfuhrformalitaten in der EU vorgelegt werden mussen und welche statistischen Meldungen erforderlich sind. Die amtliche Priifung dieser Fragen erfolgt durch die Zollbehorden, und zwar in jedem Fall, auch wenn die einzufuhrende Ware zollfrei ist. Insgesamt gesehen bestehen nur fur wenige Waren Einfuhrbeschrankungen oder Uberwachungsvorschriften: Rund 95% aller Waren konnen unbeschrankt und frei eingefuhrt werden. Bei Giitern der gewerblichen Wirtschaft bestehen nur bei einigen Giitern bzw. Giitergruppen Einfuhrbeschrankungen, so z. B. bei Textilien, Stahl, bestimmten Porzellan- und Keramikerzeugnissen sowie bei einigen mineraliscben Produkten und bei Kohle; zudem gibt es bei einer Reihe von agrarischen Giitern, die K <?page no="478"?> 456 K Einfuhr unter die Marktorganisationen fallen (z. B. Zucker, Bananen), mengenmafsige Importbeschrankungen (Abschnitt J-8). Besondere Regelungen betreffen die Lander, mit denen die EG Assoziierungs- oder Praferenzabkommen geschlossen hat, auf die in Abschnitt K-3.3.2 eingegangen wird. Einfuhr ist zollrechtlich das Verbringen von Waren in das Zollgebiet der EU (vgl. Abschnitt J-5.1), in Abgrenzung zum AuEenwirtschaftsrecht, wo Einfuhr ein Verbringen von Waren in das deutscbe 'Wirtschaftsgebiet bedeutet. Eine Einfuhr setzt ein bewuStes menschliches Handeln beziiglich der Verbringung eines Gutes in das Zollgebiet voraus: Wenn ein Jager auf deutschem Gebiet ein gerade aus Polen heriiber gewechseltes Wildschwein erlegt, liegt keine Verbringung und somit auch keine Einfuhr vor. Einfuhrsendung ist die Warenmenge, die an demselben Tag von demselben Lieferer an denselben Einfiihrer abgesandt worden ist und von derselben Zollstelle abgefertigt wird. Dies ist insbesondere von Bedeutung, wenn in Abhangigkeit vom Warenwert (definiert in § 4 AWV) ein erleichtertes Einfuhrverfahren moglich ist (hierzu weiter unten). Dabei konnen mehrere Einfuhrsendungen als zusammengehoriger Gesamtvorgang gewertet werden, um ein Unterlaufen von etwaigen Wertgrenzen durch Teillieferungen zu verhindern. Einfiihrer ist, wer Waren in das Wirtschaftsgebiet verbringt oder verbringen lafit. Der Begriff ist vor allem auEenwirtschaftsrechtlich relevant, wo es um Verbote und Beschrankungen geht, bei deren Mifiachtung - Import von Waffen oder artgeschiitzten Pflanzen der Einfiihrer zur Verantwortung gezogen wird (Zoll- und steuerrechtlich ist der Zollanmelder relevant, der ggf. Zollscbuldner wird, vgl. Abschnitt K-l). Ein Spediteur ist i.d.R. nicht selbst Einfiihrer, sondern handelt als bevollmachtigter Vertreter des Ein- oder Ausfiihrers, also <in fremdem Namen>. Eine Vertretung setzt natiirlich entsprechende Bevollmachtigungen voraus; die Zollstelle kann durchaus die Vorlage einer Legitimation verlangen. Ein blofSer Speditionsauftrag ist hierfiir nicht ausreichend. Die Zollstelle ist jedoch nicht verpflichtet, die Besitz- und Eigentumsverhaltnisse zu priifen, so daS auch ein Dieb als Antragsteller auftreten kann. Der Spediteur kann daher zwar die Formulare selbst ausfullen und abgegeben. Er handelt nicht als, sondern fur den Einfiihrer, und sollte dies in der Zollanmeldung (Felder 8,14, 54) explizit mit dem Zusatz <i.V> oder <i.A.> kenntlich machen, d. h. «in Vertretung» oder «im Auftrag». Wenn der Spediteur nicht als Vertreter, sondern <in eigenem Namen> handelt, wird er selbst Einfiihrer, und ihn treffen dann auch alle aufienwirtschaftsrechtlichen Konsequenzen sowie als Zollanmelder auch als Zollschuldner bzw. bei Fehlern oder Falschanmeldungen. Sofern die Einfuhr aufgrund eines Kaufvertrages zwischen einem Gebietsansassigen 1 (z.B. dem deutschenImporteur) und einem Gebietsfremden {«Ablader») ausMexiko erfolgt, der z. B. aufgrund einer DDP-Lieferklausel die Waren ins deutsche Wirtschaftsgebiet verbringt, gilt dessenungeachtet nur der Deutsche als Einfiihrer. K-1.2. Informationsquellen zur Einfuhr Um festzustellen, ob eine geplante Wareneinfuhr Beschrankungen unterliegt, ob und welche Einfuhrabgaben 2 zu entrichten sind, welche Formalitaten zu beachten und welche Doku- 1 Die Terminologie des Aufienwirtschaftsrechts ist ziemlich umstandlich, riihrt aber aus Ex-DDR-Zeiten her. Vgl. Abschnitt J-4. 2 Friiher: Eingangsabgaben. <?page no="479"?> K - 1 . Normalverfahren 4 5 7 mente erforderlich sind, konnen die warenbezogene Einfuhrliste und die verschiedenen Landerlisten eingesehen werden, die unten behandelt werden, oder der Gemeinsame Zolltarif der EG (GZT), der alle Waren erfafSt und alle zoll(tarif)rechtlichen Bestimmungen enthalt. Dies ist miihsam und unpraktisch. In der Praxis bietet sich als Informa*tionsquelle der Deutsche Gebrauchszolltarif an (DGebrZT). Dabei handelte es sich friiher um mehrere dickleibige Folianten, die heute durch CDs ersetzt worden sind (Elektronischer Zolltarif, EZT). Die Lekture ist nicht einfach und erfordert sowohl groSe Warenkenntnis als auch die Fahigkeit, mit dem Zolltarif umzugehen, u. a. um jeder Ware eine Codenummer zuzuordnen. Im Abschnitt K-2.3 wird hierauf ausfuhrlich eingegangen. K-1.3. AuBenwirtschaftsrecht Grundsatzlich ist nach § 10 AWG die Einfuhr durch Gebietsansassige (i.S.v. Inlander: in Deutschland ansassig) ohne weiteres zulassig, sofern nicht eine Einfuhrgenehmigung vorgeschrieben ist; Gebietsfremde brauchen hingegen grundsatzlich eine Einfuhrgenehmigung. Da dies im Widerspruch zum EG-Vertrag stiinde, sind EG-Biirger bei ansonsten genehmigungsfreier Einfuhr den Gebietsansassigen gleichgestellt. Um die Genehmigungsfreiheit oder -notwendigkeit bei der Einfuhr priifen zu konnen, miissen die einzufuhrenden Giiter den zustandigen Behorden, also der zustandigen Zolldienststelle, dargelegt werden (dies geschieht in der Praxis meist gleichzeitig mit der zollrechtlichen Gestellung; hierauf wird in Abschnitt K-1.4 ausfuhrlich eingegangen). Die Zollbehorden diirfen die Sachen untersuchen und ggf. Proben nehmen. Sofern es sich beim Einfuhrer um einen Gebietsansassigen oder EU-Ansassigen handelt (also personenbedingt keine Einfuhrgenehmigung benotigt wird), ist von der Zollstelle zu priifen, ob warenbedingt nach dem deutschen AufSenwirtschaftsrecht eine Einfuhrgenehmigung erforderlich ist. Dies geschieht mithilfe der Einfuhrliste. Die Einfuhrliste gibt fur jede Ware an, ob eine Einfuhrgenehmigung erforderlich ist oder nicht. Sie ist als Anlage zu § 10 AWG, der als die zentrale Einfuhrbestimmung des Auf? enwirtschaftsrechts anzusehen ist, Teil des AWG, kann aber durch Rechtsverordnung geandert werden, hat also selbst den Charakter einer Rechtsverordnung; dies wird jeweils im Bundesanzeiger bekannt gegeben. Da auf nationaler Ebene nur noch wenige Entscheidungskompetenzen verblieben sind, erfolgt die Anderung der Einfuhrliste in der Regel nur als deklaratorische Anpassung an die unmittelbar geltenden Einfuhrvorschriften der EG. Es gibt schon insgesamt uber 140 Verordnungen zur Anderung der Einfuhrliste. In der 460 Seiten starken Einfuhrliste (Abb. K-l/ 1) sind alle Waren mit ihren statistischen Warennummern und -bezeichnungen nach der Systematik des Verzeicbnisses fiir die Aufienhandelsstatistik erfafit. Aus der Warenliste ist den jeweiligen Zeichen bzw. Anmerkungen eine eventuelle Genehmigungsbedurftigkeit zu entnehmen. Zudem ist die ggf. fur Genehmigungen zustandige Behorde codiert angegeben: 09 beispielsweise bedeutet den Zustandigkeitsbereich <Textilien> im Bundesamt fur Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn. Um in der Praxis festzustellen, unter welchen Voraussetzungen eine Ware (aufienwirtschaftsrechtlich gesehen) eingefuhrt werden kann, priift man in der Warenliste oder im Zolltarif im entsprechenden Abschnitt fur die betreffende Ware, ob dort Beschrankungen angefiihrt sind, z.B. eine Genehmigungsbedurftigkeit. Die Vielzahl von Landerlisten, die im Zusammen- <?page no="480"?> 458 K Einfuhr Abb. K-1/ 1: Einfuhrliste (Ausschnitt) (vgl. Abb. K-2/ 7) Kapitel 95 Spielzeug, Spiele, Unterhaltungsartikel und Sportgerate; Teile davon und Zubehor Spielfahrzeuge, zum Besteigen und Fortbewegen durch Kinder geeignet (z. B. Dreirader, Roller, Autos mit Tretwerk); Puppenwagen: 9501 0010 - Puppenwagen 9501 0090 andere Puppen, nur Nachbildungen von Menschen darstellend: - Puppen, auch bekleidet: 95021010 - aus Kunststoff 95021090 --ausanderen Stoffen - Teile und Zubehor: 9502 91 00 - - Bekleidung und Bekleidungszubehor, Schuhe und Kopfbedeckungen 95029900 -andere hang mit den ehemaligen Ostblocklandern von Bedeutung waren, sind insgesamt weggefallen. Im Exportbereich gibt es noch die Landerliste K mit <sensiblen> Landern 3 , fur die ggf. eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich ist. K-1.4. Zollabfertigung (Ablauf) Im folgenden werden die einzelnen Abfertigungsschritte so dargestellt, wie sie theoretisch nacheinander ablaufen. In der Praxis erfolgen sie teilweise simultan. (1) «Zollstraften» Bei grenziiberschreitenden Warenbewegungen sind die amtlich bindend vorgeschriebenen Zollstrafien (dabei handelt es sich urn Land- oder Wasserstraften, Schienenwege oder auch Rohrleitungen) zu den gleichermafien bindenen Dienstbzw. Offnungszeiten der Zolldienststellen zu benutzen (also nicht iiber die <griine Grenze>! ) (Abb. K-l/ 2). Dabei handelt es sich um Land- oder WasserstrafSen, Schienenwege oder auch Rohrleitungen. Im Luftverkehr sind nur besrimmte Landungsplatze als ZoUflugplatze, beim Benutzen von Wasserzollstraisen nur besrimmte Zollandungsplatze zulassig. (2) Gestellung Jede Zollabfertigung beginnt grundsatzlich damit, da£ der Importeur bzw. Exporteur oder der von ihm Beauftragte (z. B. ein Spediteur) die mitgefuhrte Ware bei der zustandigen Zoll- 3 (Mitte 2001): Iran, Kuba, Libanon, Mosambik, Nordkorea, Syrien. Afghanistan, Angola, alle Nachfolgestaaten im Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, Libyen, Irak, Myanmar (Burma/ Birma) und Somalia unterliegen andere Embargobestimmungen. Vgl. Abschnitt L-6.2. <?page no="481"?> K - 1 . Normalverfahren 4 5 9 Abb. K-1/ 2: Grune Grenze Quelle: eigenes Archiv dienststelle gestellt und anmeldet, d. h. sie muf? auf den Amtsplatz der ZoUstelle (oder einen anderen zugelassenen Ort) verbracht werden. Ohne Gestellung ist keine zollamtliche Behandlung moglich. Bei der Einfuhr muS dies unverziiglich und unverandert erfolgen, und die Ware muS <erkennbar angeboten> werden und darf z. B. nicht versteckt oder verheimlicht werden (Einfuhrschmuggel; dies bedeutet z. B. Steuerhinterziehung oder ggf. VerstoG gegen Verbote und Bescbrankungen [z.B. im Artenschutz]: sog. Bannbruch). Mit der Gestellung beginnt grundsatzlich das eigentliche Abfertigungsverfahren. Wenn Sie von einer Urlaubsreise zuruckkehren, fragen die Zollbeamten daher auch nicht, ob Sie etwas zu verzollen haben; dabei waren Sie ggf. iiberfordert, weil Sie die Zollbestimmungen gar nicht iiberblicken. Sie fragen vielmehr, ob Sie etwas anzumelden haben das ist eine Aufforderung zur vollstandigen Gestellung. Gestellen muE derjenige, der das Zollgut selbst befordert oder die Beforderung (etwa durch einen Spediteur) veranlaSt hat, und zwar grundsatzlich am Amtsplatz der ZoUstelle (stellt man sein Fahrzeug aufierhalb des verstopften Amtsplatzes ab, ist dies keine Gestellung). Gestellte Waren diirfen nur mit Zustimmung der ZoUstelle vom Amtsplatz entfernt werden, in der Regel erst nach erfolgter Zollabfertigung. Im Rahmen einer Reihe von Erleicbterungen und Ausnahmen kann die Gestellung auch auSerhalb des Amtsplatzes der ZoUstelle erfolgen, z.B. bei zugelassenen Empfangern (vgl. Abschnitt K-4.1); ebenso gibt es generelle (z. B. fur Briefe) und spezielle Gestellungsbefreiungen in bestimmten Fallen (vgl. z. B. Abschnitt K-1.5.2). Auf weitere Ausnahmen wird an anderen Stellen eingegangen. Fur den Reiseverkehr gelten besondere, hier nicht zu behandelnde Befreiungen und andere Bestimmungen. (3) Ubemolung Um zu uberpriifen, ob Zollgut eingefuhrt und ordnungsgemaE und vollstandig gestellt worden ist, haben die Zollstellen das Recht (nicht die Pflicht) zur Uberholung: Dies bedeutet die physische Durchsuchung des Beforderungsmittels, Beforderungsmitteln, Behaltern oder der Ladung, wobei der Gestellungspflichtige zur Hilfestellung nach zollamtlicher Anweisung verpflichtet ist: Die Zollbehorden konnen jederzeit ein Abladen oder Auspacken der Waren <?page no="482"?> 460 K Einfuhr verlangen, urn die Waren oder das Beforderungsmittel zu uberpriifen. Erganzend zur Uberholung ist eine korperliche Durchsuchung und Untersuchung von Personen moglich, um z. B. am Korper versteckte Schmuggelware zu identifizieren. Der sog. <Gestellungspflichtige> muE die Uberholung bzw. Durchsuchung dulden und in zumutbarer Weise unterstiitzen («Machen Sie mal bitte den Kofferraum auf! »). Ggf. kann ein Kfz-Mechaniker hinzugezogen werden, dessen Kosten der Gestellungspflichtige zu tragen hat, wenn nicht-gestellte Ware gefunden wird. Andernfalls muE die Zollverwaltung die Kosten tragen bzw. entstandene Sachschaden ersetzen. Die Uberholung erfolgt nach der Gestellung und ist daher zollrechtlich zu unterscheiden von einer Uberpriifung, die im Zollgrenzbezirk z. B. zur Schmuggelbekampfung durchgefuhrt werden kann, obgleich im Ergebnis praktisch kein Unterschied besteht (Vgl. auch (7): Uberpriifung der Zollbehandlung). (4) Zollanmeldung (a) Summarische Anmeldung Sobald die Ware gestellt ist, muE nach dem Zollkodex eine summarische Anmeldung abgegeben werden, die jedoch noch keine Festlegung hinsichtlich des beabsichtigten Zollverfahrens (b) und keine Einzelheiten beziiglich der Ware beinhaltet (c). Erfolgt sofort eine Zollanmeldung (b), ist die summarische Anmeldung iiberflussig. In der Praxis trifft dies beispielsweise bei Vorlage eines Versandscheins zu (vgl. Abschnitt K-4.1). Mit der Zollanmeldung wird implizit gleichzeitig ein Antrag auf auEenwirtschaftsrechtliche Abfertigung gestellt sowie auf Freigabe unter dem Aspekt von etwaigen Verboten und Beschrankungen (V.u.B.). Dies dient der Pruning, ob die Einfuhr einer Ware zulassig ist und ggf. unter welchen Bedingungen. (b) Zollrechtliche Bestimmung Gestellte Ware muE eine zollrechtliche Bestimmung erhalten. Damit ist gemeint, daS der Zollanmelder erklart, was er mit der Ware zu tun beabsichtigt. Dies muE innerhalb von 45 Tagen nach der summarischen Anmeldung fur Waren geschehen, die auf dem Seeweg befordert wurden, und innerhalb von 20 Tagen fur Waren, die auf andere Weise befordert wurden. Diese Frist ist u. a. dafiir niitzlich, daE der Einfuhrer die Ware priifen und ggf. unverzollt an den Lieferanten zuriicksenden kann (siehe auch (5) Verwahrung). Die Zollanmeldung ist somit eine Willenserklarung: Der Anmelder muE sich bei seinem Zollantrag hinsichtlich der zollrechtlichen Bestimmung zwischen den folgenden Alternativen entscheiden (Art. 4 ZK): • Uberfiihrung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr (durch Bezahlung der Einfuhrabgaben), • Versandverfahren (Transport von Drittlandsware innerhalb der EU), • Verbringen in ein Zollager in der EU (Zollagerverfahren), • <Einfuhr> zur aktiven Veredelung (mit spaterer <Wiederausfuhr>), 4 • Umwandlung unter zollamtlicher Uberwachung, • voriibergehende Verwendung (ohne Abgabenerhebung) zu bestimmten Zwecken, 4 Die <Anfuhrungszeichen> sollen verdeutlichen, dal? es sich formal nicht um ein Einfuhr- oder Ausfuhrverfahren handelt. <?page no="483"?> K - 1 . Normalverfahren 461 • <Wiedereinfuhr> nach passiver Veredelung in einem Drittland, oder eine andere Bestimmung 5 , alternativ zu einer Uberfuhrung in ein Zollverfahren: • Verbringen in eine Freizone oder ein Freilager, • Vernichtung oder Zerstorung oder • Wiederausfuhr aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft, • Aufgabe zugunsten der Staatskasse. Fur die verschiedenen Zollverfahren werden i.d.R. jeweils verschiedene Exemplare des Einheitspapier verwendet. Diese tragen dann im Feld B (Mitte unten rechts) einen entsprechenden Eindruck, z. B. Versandanmeldung oder aktive Veredelung, sind aber ansonsten im Aufbau identisch (vgl. Abb. K-1/ 3). Verschiedene Zollverfahren mussen vor der ersten <Benutzung> vom HZA allgemein genehmigt werden. Vgl. hierzu den anschliefienden Abschnitt K-1.5. Der Vollstandigkeit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daS auch die Ausfuhr ein Zollverfahren ist, obgleich es in der EU keine Ausfuhrzolle gibt. Die Ausfuhranmeldung hat aber eine zentrale auEenwirtschaftsrechtliche Bedeutung fur die sog. Exportkontrolle, u.a. beziiglich Waffen, Rauschgift und Dual-use-Giitern (Abschnitt L-4). In Abb. K-1/ 3 wird beispielsweise die Abfertigung eines Importgutes zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr beantragt (IM 4). Die Zollverfahren konnen fast beliebig hintereinander geschaltet werden. So kann beispielsweise fur Ware mexikanischen Ursprungs an ein Versandverfahren von Bremen nach Mannheim ein Zollagerverfahren in Heidelberg angeschlossen werden; an dieses schlieSt sich eine passive Veredelung in Bulgarien an, die wieder von einem Zollagerverfahren in Madrid abgelost wird; von Madrid wird die Ware schliefilich nach Korea ausgefuhrt. Und wahrend all dieser Vorgange mu&en keine Einfuhrabgaben bezahlt werden. Eine Uberfuhrung in den freien Verkehr an der EG-Aufiengrenze ist in der gewerblichen Praxis eher die Ausnahme. Stattdessen wird meist ein anderes Zollverfahren oder eine Verfahrenserleichterung gewahlt. Andernfalls wiirde allein wegen der gewaltigen Zahhl von sonst erforderlichen Abfertigungen an den AuSengrenzen (incl. Flughafen) der Handel in schwerstem MaEe behindert. Hinzu kommt, daf? eine Anmeldung zum zoll- und ste'uerrechtlich freien Verkehr nur in ganz bestimmten Fallen riickgangig gemacht werden kann, d. h. dadurch entstandene Einfuhrabgabenschulden - Zoll, Steuern konnen normalerweise weder erlassen noch erstattet werden. Wir werden diese Zollverfahren ausfuhrlich in den folgenden Abschnitten betrachten. Fiir die Zollanmeldung (Ein- und Ausfuhr) werden in der gewerblichen Praxis im Regelfall Durchschreibeformulare («Einheitspapier»: EP) verwendet (vgl. nachstehend), doch sind auch andere Verfahren moglich, z. B. im Wege der Datenverarbeitung oder mundlich. (Anmerkung: Aus organisatorisch-kostenmafigen Griinden konnen Zollvordrucke nicht bei den Zollstellen erworben werden, sondern die amtlichen Vordrucke mussen im Handel bezogen werden. Nur in seltenen, begriindeten Ausnahmefallen werden Zollformulare seitens der Zolldienststellen unentgeltlich an Zollbeteiligte abgegeben.) Anmerkung zur Systematik: Diefolgendenvier Alternativen sind keine Zollverfahren, sondern sog. Bestimmungen alternativ zu einer Uberfuhrung in ein Zollverfahren. (Die friiher mogliche «bleibende Zollgutverwendung» ist jetzt ebenso wie die «Freigutverwendung» im Freiverkehrsverfahren aufgegangen.) <?page no="484"?> r ' M 3 « J » » 0 9 i 9 I F ' » 0 I | M » M t « a u a x p a d x g ' - [ - [ " ° W * V T H q u i o ^ a d d s u e j ^ i i a u u p s u o x ^ T p a d s * A * T * n * V * T X O O Z ' L ' L T . l u i s B O p u n a e » S 3 m i S T I O Z S M l H m u S 3 f i M H D H f i O 3 N I U ( l B d r x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x l x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x * E , 1 , , l f i , , t : ) w ( p j e i p u n ) » i a i s r i o « 5 i f f l i u u j i i r a g e s W O t o u t s g ^ s i s x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x 1 i p j n p u w t n M I x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x _ 3 1 1 3 1 £ 1 1 0 Z S 3 N ¥ 3 8 V 3 J _ j a i a i y a j d j s ' j d n e H 0 ! ( 6 9 ) » » W H ¥ » l * W t H 6 u n p | 3 U i u e j q n j u ! 3 _ 3 « 3 M Z S 2 h n r i 3 n 8 B _ 3 A » f U N 3 A V 9 N V I S I B E K I s a p f c m w p i a n g | t q n ^ i v n e s i w 4 « / S t u a M a g i a j a m s g t x x x x x x x x x x x x x l S o n B i u p u a g s t A ' 8 W O i 6 f g > u f u l t o u n c t i u j » f j 0 0 2 0 0 1 * c 7 T x x x x x x x x x x x ( v g e * t & d m w i t H S ( j j » e t n » » p « B a g i ^ j 3 T j q q . q o p a j u n e q u a s T " i B i f J t d J D / u S u n p t s u i u v e g K i i n u i i n s 0 t 0 0 9 0 K m u u t f ' 3 I G T F 7 T 0 1 0 0 0 | 0 1 0 0 0 * x x 1 " W • 3 p 0 3 p u e i i f & n t £ l e u i u m u t i i i e M E C M N M S O d | | T A d 6 u n p x a u i u B ^ a a A t T ° Z a 6 e x u v 7 T o j n a 0 f r ' 0 T £ ^ u o s f c u n u i u i i ^ s a a s t q u a ^ s o y a X T O « j n q o s s n E 2 U © 6 a q a « a 6 u j e 6 u i e ) i 2 T - I * u ^ N S + S S U O ^ J P M 3 X U K p u n m n u y ' N a u t e i u t o u o u i u m N p u n u K p » ; x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x u a q e & j i w e g p u n T U B U I J g ; ^ o T o T T o o T x x x x x x x x x x x x x x x x x p u e t s D u m m u i t s a f l a 9 0 ' i ' x x ' i o o e • u a t x ^ j ^ s n v p u e t t f u f u d s j r i s i u a T X B j ^ s n v X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X p t * ; 1 0 0 8 s ^ l X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X x x x x x x x 2 a n j i s i i D B O H n m n u s a s * X X X X X X X X X X * I W I D H H i 1 3 H i l » 1 B j n q u i ^ H t « 3 p e i i u 3 u 6 6 2 T a n » ; s ; : 3 / 5 E t i i ! E i j j u f i i s w r s ^ a i I X > a z i w g w p I I i s , \ i s g a s t p u c u j s i u e B » * r e m i ) | S r t B E f r 0 0 1 5 J T M ° S t w U K u s f i u n j a p t i p a , M | | l u s p u a i i a J t i a s i M p w a j f t s a p t o r f w i q a C w s i B i i s p a n w y j i a z u i B i i \ z U O & f i C M u u q u v u p a q J i e u u i s f i u n j e p j o j e g s a p i t a j a H o u a o n n j e s i $ p w u w p w u w a | \ C T I * w ^ 4 z n g 5 ( U B a j 8 0 0 2 9 a J S P J ^ s j a ^ n o ' H q » " 0 ^ J o d s u c j ^ i T s u M ^ S * « i a 4 W A , ' B p | a u j u v t I 6 e s s e j ^ s a a 6 a t n q u i B H 9 U j n q o g p u n j e q o s * ^ j « i a 5 w ; t f l u J 3 g a u j n o q t a w ' d u i o o T O O M u e T x e a ^ s n v , { p u e i p u n j u a n a u s t i u i i S n q n m u o a t a i a s a f l w , i s B u f l i n p a f f l o u a f l s S q v i t i p o n q u a t t M p w a w q s p t r f i t U V H 0 S N I 3 W 3 B 3 H 3 S i y d O U ( 1 3 S u n p p w u B j q n j m g : £ / l , - > l q q v J M ^ U B » 3 ^ <?page no="485"?> K - 1 . Normalverfahren 463 (c) Das Einheitspapier Seit dem 1.1.1988 sind in der EG eine Vielzahl von Formularen durch das sog. Einheitspapier ersetzt worden. Es wird als einheitliches Anmeldeformular bei Ein- und Ausfuhren verwendet; u. a. haben auch einige EG-Beitrittskandidaten das Einheitspapier bereits eingefuhrt (in ihrer Sprache; Abb. K-l/ 4). Fur die Zollanmeldung ist grundsatzlich das Einheitspapier zu verwenden, sofern nicht andere Formulare ausdrikklich zugelassen sind, beispielsweise ein Carnet TIR oder ATA (vgl. Abschnitte L-5.2 und L-5.3). Abb. K-1/ 4: Polnisches EP HZECZPOSPOLITA POLSKA Nr 8W13S401 itranQ POLS* flEBCN CELNA Mi 126 SZCZECI N UPMCHNEg) 5 WHIN HUEH5KI 000367/ 00 11 Zntt i pnynrieautf pnowma ao*a nrecotj pny twywffi* RIGINfl IDE 20 Vttnrtd dosawy C I F l SZCZECIN 21 Z n * i pnymeavtt p r t w w a ttyvmgo Srodto nreoonu ( i r t n a a m g o g m c 22 w*n i ogdni «aM0 nteiy USD| 13ai»0,67 23 KtfSflMy 4,5733 |1 |1 | 25 Rotiflj tmpom 28 RodDi nrapof&i I rBoranty i «KWL r li 29 Urzadcarvwvnaj lgQ400/ / 7Z 27 MspaoyOUtlj 38 L d a k a o n w n j 20 u v a q e ftareow l untaMe BANK PKO S.A V O/ WfiRSZAWfi 9107623 Znata i lurwy - Nunery u n m l t o l - I d a I reda 32 PffiyCB "33 KodtmefV 1| * 10019Q91I 1 | Das Einheitspapier ist ein Formularsatz mit insgesamt acht Exemplaren (Vollsatz),-die im Durchschreibeverfahren ausgefiillt werden, wobei unterschiedliche Kombinationen der einzelnen Exemplare (Teilsatze) je nach Sachverhalt verwendet werden. Der Vollsatz besteht aus den folgenden Exemplaren: • Exemplar 1 fur das AusfuhrWersendungsland, • Exemplar 2 fur die Statistik des AusfuhrTVersendungslands, • Exemplar 3 fur den Ausfiihrer/ Versender, • Exemplar 4 fur die Bestimmungszollstelle, • Exemplar 5 ist der Riickschein im Versandverfahren, • Exemplar 6 fur das Bestimmungsland, • Exemplar 7 fur die Statistik des Bestimmungslands, • Exemplar 8 fur den Empfanger. Durch die Auswahl der Formularexemplare und entsprechende Eintragungen im Anmeldefeld Nr. 1 wird bestimmt, welchem Zweck das Einheitspapier gerade dienen soil. IM 4 bedeutet beispielsweise Abfertigung von Drittlandswaren zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr, EX 1 bezeichnet einen endgiiltigen Exportvorgang, im Warenverkehr mit <?page no="486"?> 464 K Einfuhr den EFTA-Staaten lautet die Eintragung immer EU. Aus anderen Eintragungen ergeben sich neben den Warendaten Angaben fur die AuSenhandelsstatistik, z. B. hinsichtlich des Bestimmungslandes, des Ursprungslandes, der Beforderungsmittel, der Art von Sicherheiten etc. Je nach Zollverfahren sind nur bestimmte der insgesamt 54 Felder des Formulars auszufullen. Weil der Raum in den Feldern begrenzt ist, miissen viele Angaben codiert werden, wobei zahlreiche Felder miteinander <korrespondieren>. Zudem konnen bzw. miissen bei Platzmangel oder in anderen bestimmten Fallen Ergdnzungsvordrucke und Zusatzbldtter zu verwenden. Dem Einheitspapier sind in der Praxis meist weitere erforderliche Unterlagen beizufugen (vgl. Abschnitte K-1.6 und L-4.4). Die Logik der Formularsatze erschliefo sich dem Ungetibten nur schwer. Man kann auf ein 100 (! ) Seiten starkes Merkblatt zuruckgreifen. Dieses Merk<blart> ist ein Horrorbeispiel fur die didaktische Aufbereitung von Anleitungen, Erlauterungen und Hinweisen, die dem Benutzer ja eigentlich eine Hilfestellung bieten soil. Es ist bei den IHKs erhaltlich oder auch im Internet auf den Seiten des BMF abrufbar. Seit einiger Zeit ist es zulassig, vollstandig per EDV erstellte Formulare des Einheitspapiers zu verwenden. Einzelheiten konnen abgerufen werden unter www.zoll-d.de oder unter vertrieb@obermeit.de. Bei der ZoUanmeldung gibt es eine Vielzahl von Vereinfachungen, auf die in den folgenden Abschnitten an verschiedenen Stellen eingegangen wird. Die Verwendung des Einheitspapiers beschrankt sich heutzutage prinzipiell auf Ein- und Ausfuhren im Handelsverkehr mit Drittlandem (incl. EFTA) sowie auf Warenbewegungen mit Drittlandswaren innerhalb der EG, die sich in der EG nicht im freien Verkehr befinden. Bei Warenbewegungen zwischen zwei Orten der EG wird das Einheitspapier nur noch verwendet, wenn der Transport iiber ein EFTA-Land erfolgt sowie aus umsatzsteuerrechtlichen Griinden im Warenverkehr mit den Kanarischen Inseln, den Kanalinseln, den franzosischen uberseeischen Gebieten, Aland (gehort zu Danemark) und der Monchsrepublik <Berg Atos> in Griechenland. PRAXISTIP Urn Verzogerungen oder gravierendere Unannehmlichkeiten bei der Zollabfertigung zu vermeiden, ist u. a. auch bei der Verwendung des Einheitspapiers als Durchschreibformular darauf zu achten, daft das Durchschreiben technisch problemlos erfolgt. Fehlende oder unleserliche Angaben konnen zu Problemen bei der Abfertigung fiihren. Streichungen und Zusatze sollten bestatigt werden, Rasuren sind nicht zulassig. (d) Zollwertanmeldung (Einfuhr) Die ZoUanmeldung ist also wie gerade ausgefiihrt zum einen eine Willenserklarung hinsichtlich der Bestimmung, zum anderen eine Wissenerkldrung: In der ZoUanmeldung mufs der Zollanmelder alle Angaben machen, die fur die Verzollung der Ware von Bedeutung sind (Menge, Beschaffenheit, Ursprungsland, Zollwert, etc.). PRAXISTIP Die ZoUanmeldung ist somit auch eine Steuererklarung im Sinne der Abgabenordnung (AO), die bei unrichtigen Angaben entsprechende bufSgeld- oder strafrechtliche Konsequenzen nach sich Ziehen kann. In vielen Fallen ist gleichzeitig ein Formblatt iiber Angaben zum Zollwert abzugeben. Zur Vorbereitung der ZoUanmeldung kann u.U. eine Vorbesichtigung des Zollgutes erfolgen, <?page no="487"?> K - 1 . Normalverfahren 465 um beispielsweise die richtige Tarifnummer festzustellen. Dabei konnen auch Muster und Proben entnommen werden, die allerdings nicht zollfrei sind. Im Reiseverkehr sowie im gewerblichen Warenverkehr bis zu einem bestimmten Gesamtwert braucht i.d.R. keine schriftliche Zollanmeldung abgegeben zu werden. PRAXISERFAHRUNG In manchen Landern ist es iiblich aus praktischer Sicht oft sogar ratsam - , die formelle Zollanmeldung durch einen «blauen» oder einen entsprechend andersfarbigen Zollantrag zu erganzen (ein 100-DM-Schein war blau). In Deutschland sollte man das lieber nicht versuchen. (5) Zollanmelder Zollanmelder ist nach dem EG-Zollkodex derjenige, der die Zollbehandlung beantragt oder in seinem Namen beantragen laSt und der die Folgen dieser Erklarung tragt. Entscheidend ist also nicht, wer die Erklarung ubergibt. In der Regel wird der Einfuhrer auch der Zollanmelder sein oder ein von ihm beauftragter bevoUmachtigter Vertreter (z. B. der Spediteur oder ein Zollkommissionar; vgl. oben zum Begriff des Einfuhrers). Der Zollanmelder hat u. a. die Pflicht zur Abgabe der Zollanmeldung und zur Gestellung des Zollguts. Er wird, sofern Einfuhrabgaben (Abschnitt K-2.3) zu entrichten sind, Abgabenschuldner (Zollschuldner). Sofern der Anmeldende (z. B. ein Spediteur) nicht Zollschuldner werden soil, muf? die Anmeldung «im Auftrag und in Vollmacht» des Zollbeteiligten (z. B. des Importeurs) erfolgen. Dabei ist sowohl die direkte Vertretung («in fremdem Namen fur fremde Rechnung») als auch fur deutsches Recht ungewohnt die indirekte Vertretung («in eigenem Namen fur fremde Rechnung») moglich; letzteres bezieht sich z. B. auf die vor allem auch in Siideuropa bekannten sog. Zollagenten und Zollspediteure. (6) Verwahrung Prinzipiell soil auf die Gestellung die weitere Zollbehandlung folgen, die vom Zollanmelder zu beantragen ist, d. h. die gestellten Waren miissen eine zollrechtliche Bestimmung erhalten (vgl. unten). Mitunter ist dies jedoch nicht sofort moglich, z. B. weil Unterlagen fehlen. Die Zollanmeldung kann daher auch spater innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen. In der Zwischenzeit wird das gestellte Zollgut von der Zollstelle verwahrt. Dabei gibt es drei Moglichkeiten, iiber deren Anwendung die Zollstelle entscheidet: • Die Zollstelle uberlafit das Zollgut dem Gestellungspflichtigen oder seinem Beauftragten, z. B. einem Spediteur (vorldufige Uberlassung zur voriibergehenden Verwahrung), • sie uberlafit es einem anderen, z. B. einem Lagereiunternehmen oder • sie nimmt es selbst in eigenen Lagerraumen in Verwahrung (dies ist aus Platzmangel und lagertechnischen Griinden sehr selten). Wer Zollgut zur Verwahrung iibernommen hat, ist dafur verantwortlich, daE es unverandert erhalten bleibt. Er haftet auch fur den Zoll und sonstige Einfuhrabgaben, falls wahrend der Verwahrungszeit eine Abgabenschuld entsteht, beispielsweise durch Diebstahl. Um die Ware wiedererkennen zu konnen, wird die Namlichkeit gesichert (vgl. unten [14]). In Ausnahmefallen ist auch eine entsprechende Sicherheit zu leisten. Die Verwahrung durch den Zoll oder durch Dritte ist i.d.R. mit Kosten verbunden. <?page no="488"?> 466 K Einfuhr (7) Uberpriifung der ZoUbehandlung (Zollbeschau) Nach der Zollanmeldung mu(? das Zollgut bereitgehalten werden, um eine physische Besichtigung des Zollguts zur Uberpriifung der in der Zollanmeldung gemachten Angaben zu ermoglichen. Die Uberpriifung der ZoUbehandlung (friiher: Zollbeschau; bis auf weiteres wird man diesen Begriff wohl auch weiter verwenden wir auch) ist die steuerliche Ermittlung von Art und Menge des in der Zollanmeldung erfaEten Zollguts durch die Abfertigungsbeamten. Sie ist eine Kann-Bestimmung, d. h. eine Besichtigungspflicht existiert nicht (aufier bei vielen Marktordnungswaren). Dann erfolgt die Zollabfertigung ohne Zollbeschau auf der Grundlage der Angaben in der Zollanmeldung. Dies wird bei der Zollabfertigung durch den Abfertigungsleiter in der Zollanmeldung mit dem Zusatz «o. B.» (ohne Beschau) bestimmt. Oft wird die ZoUstelle sich auf Stichproben beschranken. Eine Zollabfertigung mit Zollbeschau wird aber immer dann erfolgen, wenn Zweifel an der Richtigkeit der Angaben in der Zollanmeldung bestehen. Ob eine Zollbeschau stattfindet oder nicht, liegt allein im Ermessen der ZoUstelle. Faktisch findet gleichzeitig oft auch eine partielle Uberholung statt (Abb. K-l/ 5). Das Recht der ZoUstelle auf Zollbeschau geht einher mit der Pflicht des ZoUbeteiligten auf Darlegung des Zollgutes in einer Weise, da6 die Zollabfertigung vorgenommen werden kann. Der Zollanmelder (oder sein Vertreter) muS dazu z. B. Behalter offnen, die Ware auspacken, zur Waage bringen etc. Hervorzuheben ist, daS die Zollbeamten sich nicht am Aus- oder Einpacken beteiligen diirfen, um Einwanden vorzubeugen, sie hatten die Ware manipuliert (daher fordert z. B. im Reiseverkehr der Zollbeamte den Passagier auf, doch bitte einmal den Koffer selbst zu offnen). Bei der Zollbeschau konnen in Zweifelsfallen Muster und Proben entnommen werden, die nicht zollfrei sind, um eine nahere Untersuchung des Zollguts z. B. bei einer Zolltechnischen Priifungs- und Lehranstalt zu veranlassen, um eine richtige Tarifierung zu ermoglichen. Die Kosten solcher Analysen allerdings tragt die Verwaltung. Abb. K-1/ 5: Zollbeschau und Uberholung Quelle: dpa <?page no="489"?> K-1. Normalverfahren 467 Damit sind nun folgende Begriffe zu unterscheiden: Die Uberholung (3) erfolgt nach ordnungsgemaGer Gestellung und vor der Durchfiihrung der Zollbehandlung, um zu priifen, ob Zollgut vollstandig gestellt worden ist. Dies kann auch im Zollgrenzbezirk zur Schmuggelbekampfung erfolgen. Die Zollbeschau (7) erfolgt nach der ZoUanmeldung zur Uberpriifung der gemachten Angaben. Das Pendant zur Zollbeschau ist seitens des Zollanmelders die Vorausbesichtigung von ZolK gut. Diese kann von der Zollstelle genehmigt werden, damit der Zollbeteiligte sich vor der ZoUanmeldung iiber Art, Beschaffenheit und Menge der Einfuhrwaren informieren kann. (8) Vermutung Wenn die Zollstelle von ihrem Recht zur Zollbeschau keinen Gebrauch macht oder nur Stichproben durchfuhrt, so wird vermutet dies ist ein rechtlicher Terminus -, daS die in der ZoUanmeldung gemachten Angaben zutreffen. (9) Zollbefund (Vermerke der Zollstelle) Die erfolgte Zollbehandlung wird durch die «Vermerke der Zollstelle* (friiher: Zollbefund) als amtlichem Feststellungsbescheid beurkundet. Die Vermerke i.d.R. als Zusatzblatt zum Einheitspapier sind auch Grundlage fur den Zollbescheid (12). (10) [Vorzeitige] Freigabe Auf der Grundlage der «Vermerke der Zollstelle* aufgrund der «Uberprufung der Zollbehandlung* oder der Vermutung kann bei als sicher geltenden Zollbeteiligten eine vorzeitige Freigabe erfolgen, d. h. das Zollgut wird dem Anmelder iiberlassen, bevor iiber die ev. Abgabenbelastung entschieden wird, und die gestellte Ware kann vom Amtsplatz entfernt werden. Ggf. ist dafiir Sicherheit zu leisten. Die Ermittlung der Einfuhrabgaben erfolgt dann spater aufgrund der vorliegenden ZoUanmeldung. In alien anderen Fallen erfolgt die Freigabe, sobald die Einfuhrabgaben gezahlt, aufgeschoben oder gestundet sind (vgl. Abschnitt K-2.4). Somit ist zu unterscheiden: Die vorlaufige Uberlassung gemaS (6) erfolgt vor der ZoUanmeldung, die vorzeitige Uberlassung gemaE (10) nach der ZoUanmeldung, aber bevor der Zollbescheid ergeht. So ist das nun mal. (11) Zollwert, Tarifieren Der fur Drittlandstvaren ggf. zu entrichtende Zoll wird nach dem ermittelten Zollwert und den fur die betreffende Ware giiltigen Zollsatzen festgelegt, die (weil die EG eine Zollunion ist) EG-einheitlich im Europaischen Zolltarif (EZT) 6 regelt sind. Fur die Praxis gibt es den erwahnten elektronischen (Deutschen Gebrauchs-)Zolltarif, der auch andere, fur den AuSenhandel wichtige zoll-, aufenwirtschafts- und steuerrechtliche Bestandteile umfaEt (vgl. Abschnitt K-2.3). Der Begriff Zolltarifbezieht sich also einmal auf den Tarif i.S.v. Abgabe, der zum Beispiel durch einen Prozentsatz festgelegt ist, zum anderen auf das dicke Werk (heute meist auf CD), in dem diese Abgabensatze aufgefiihrt sind (GZT/ EZT). Die oft schwierige - Zuordnung einer bestimmten Ware zu einer bestimmten Position (Codenummer bzw. Warenbeschreibung) im Zolltarif nennt man Tarifieren. Dabei wird fur jeden einzelnen Vorgang der individuelle Transaktionswert als Bemessungsgrundlage fur den Zollwert und die Abgabenberechnung ermittelt (vgl. unten Abschnitt K-2.3). Die Anwendung 6 Auch Gemeinsamer Zolltarif genannt, GZT. <?page no="490"?> 468 K Einfuhr vergiinstigter Zollsatze (Zollpraferenzen), z. B. fur Einfuhren aus bestimmten Entwicklungslandern, mufS durch Angabe bestimmter Codes explizit beantragt werden; von sich aus miissen die Zollbehorden nicht darauf hinweisen. Im nichtkomtnerziellen Warenverkehr (z. B. Reiseverkehr) kann abweichend von den individuellen Satzen im Zolltarif eine Pauschalierung vorgenommen werden, indem z. B. einheitlich auf alle eingefiihrten Waren 10% erhoben werden. Dies dient der verwaltungstechnischen Vereinfachung (Abschnitt K-2.3.4). Im kommerziellen Bereich kann bei Waren, bei denen der Aufwand zur tariflichen Einreihung in keinem Verhaltnis zur Hohe der Einfuhrabgabenstiinde (z.B. beiMusterkollektionen, die abernicht als «Muster»,sondern «regular» eingefiihrt werden), auf Antrag des Anmelders in dem Sinne pauschaliert werden, dafi alle Waren mit dem hochsten dabei in Frage kommenden Abgabensatz belastet werden. (12) Zollbescheid Der Zollbescheid ist die miindliche oder schriftliche Aufforderung der Zollstelle an den Zollanmelder zur Zahlung der ermittelten Einfuhrabgaben. Er differenziert u. a. zwischen den Codes «100: Zolle Euro (Europa)» und «200: EUSt». Hinzukommen konnen Verbrauchsteuern, AntidumpingzoUe oder Marktordnungszolle. In vielen Fallen kann die Begleichung der Zollschuld hinausgeschoben werden (Zollaufschub). Der Zollbescheid kann innerhalb von drei Jahren zu Gunsten oder zu Lasten des Abgabenschuldners berichtigt werden. (13) Einfuhrabgaben Die zu zahlenden Einfuhrabgaben 7 konnen nicht nur den (tariflichen) Zoll umfassen, sondern auch <Majinahmen gleicher Wirkung> wie Anti-Dumpingbzw. Ausgleichszolle (vgl. Abschnitt J-3.2) oder Abschopfungen bei Marktordnungswaren (vgl. Abschnitt G), ferner als nationale Abgaben die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) und sonstige Verbrauchsteuern (z. B. Mineralol- oder Tabaksteuer) (vgl. Abschnitt J-6); letztere sind weil national nicht im gemeinschaftsrechtlichen Begriff der Einfuhrabgaben enthalten. Grundsatzlich ist die Zollabfertigung kosten- und gebuhrenfrei. Ausnahmen ergeben sich nur dann, wenn die Abfertigung auf Antrag des Zollbeteiligten aufierhalb des Amtsplatzes oder der Offnungszeiten der Zollstelle vorgenommen wird. Die Kosten halten sich in Grenzen: Pro Stunde wird gegenwartig eine Pauschale von 15,- Euro berechnet plus einer zusatzlichen Stunde fur An- und Abfahrt. (14) Namlichkeit Im Zusammenhang mit der Abfertigung zu bestimmten Zollverfahren, z. B. zu einem Versandverfahren, oder bei der vorlaufigen Uberlassung von Zollgut, ist es erforderlich, die Identitat des Zollgutes bis zur endgiiltigen Abfertigung zu sichern, damit die Ware spater eindeutig wiedererkannt werden kann (Namlichkeitssicherung). Dies kann u.a. geschehen durch ZollverschlulS, wobei z. B. ein <zollsicherer> LKW oder Container verplombt wird (vgl. Abb. K-l/ 6), durch Siegel oder Stempel, prazise Beschreibung (Motor-, Fabrik-, Seriennummer, besondere Kennzeichen wie Kratzer oder Beulen), ein Foto, durch Muster oder Abbildungen sowie durch buchmafSige Uberwachung, d. h. durch schlichte Beschreibung in den Papieren. Eine zollamtliche Bewachung oder Begleitung kommt wegen des grofSen Aufwan- 7 Friiher: Eingangsabgaben. <?page no="491"?> K - 1 . Normalverfahren 469 Abb. K-1/ 6: Zollplombe Quelle: BMF des kaum vor. Ggf. werden die vorgenommen Namlichkeitsmittel in einem Formblatt INF.2 festgehalten. 8 PRAXISTIP Zollsicher ist ein Fahrzeug, wenn aus einem zollamtlich verschlossenen Teil keine Waren entnommen oder in ihn hineingebracht werden konnen, ohne daft dies sichtbar erkennbar ist. Zudem mussen alle fur die Aufnahme von Waren geeigneten Raume fur die Zollkontrolle leicht zuganglich sein. Beispiele fur gangige Mangel: • Eine doppelflugelige Tur wird nur auf einer Seite gesichert, obgleich die andere Seite nicht uberlappt wird. • In einer Schutzdecke sind groftere Risse (Praxis: groRer als 2 cm). Namlichkeitsmittel wie ZoUplomben oder Siegel diirfen nur durch die ZoUstelle oder mit ihrer Zustimmung entfernt werden. Zuwiderhandlungen gelten als Siegelbmch und konnen sogar mit Freiheitsstrafe geahndet werden. Sofern die Sicherung der Namlichkeit gefahrdet wird z. B. bei einer Beschadigung einer verplombten Abdeckplane bei einem Unfall soilten daher sofort Zoll- oder Polizeidienststellen eingeschaltet werden. K-1.5. Erleichterungen Das dargestellte Normalverfahren bei der Einfuhr mit prinzipieller Gestellung und Anmeldung jedes einzelnen Importvorgangs zum «zoll- und steuerrechdich freien Verkehr» bei der 8 Auch <Inef-zwo> genannt. <?page no="492"?> 4 7 0 K Einfuhr Eingangszollstelle, d. h. der ersten Zollstelle beim <Betreten> des EG-Zollgebiets, erscheint zunachst wahrscheinlich recht komplex und kompliziert. In der gewerblichen Praxis ist es hingegen in dieser Form eher die Ausnahme. Andernfalls wiirde haufige Einfuhr in den betroffenen Untemehmen in erheblichem MaEe Kapital binden und Kosten verursachen, aber auch fur die Zollverwaltung zu einer groSen administrativen Belastung fuhren und den AuSenhandel stark behindern. Man schatzt, daft z. B. in Rotterdam alle 6 Sekunden ein Container abgefertigt wird. Daher gibt es beim Import wie beim Export eine Vielzahl von Vereinfachungen und Erleichterungen, die den Verfahrensablauf bei der Zollabfertigung in der Praxis stark <glatten> konnen und sehr viel reibungsloser machen konnen, als es zunachst erscheinen mag (Abb. K-l/ 7). Die Erleichterungen und Verfahrensvereinfachungen, die analog auch im Export zur Verfugung stehen, werden von den meisten Importunternehmen in Anspruch genommen. Sie konnen auch fur bevollmachtigte Drifte^ z. B. Spediteure, gewahrt werden. Zum einen handelt es sich dabei um Zollverfahren, mit denen okonomische und verfahrenstechnische Vorteile verbunden sind. Bei einem Versandverfahren beispielsweise kann der Importeur start der Zollabfertigung am Grenzzollamt an der Auftengrenze der EU eine Zollabfertigung bei seinem Zollamt im Binnenland durchfuhren. Bei einem Zolllagerverfahren konnen Waren unverzollt und unversteuert deponiert werden, bis sie aus dem Lager entnommen werden. Bei einer aktiven Veredelung konnen Waren zollfrei importiert werden, um nach erfolgter Be- oder Verarbeitung wieder exportiert zu werden, usw. Einige dieser Zollverfahren miissen zuvor vom HZA genehmigt werden. Zum anderen sind innerhalb der einzelnen Zollverfahren wiederum Vereinfachungen und Erleichterungen moglich. Abb. K-1/ 7: Z o l l a b w i c k l u n g e n s i n d n o c h i m m e r z u a u f w e n d i g fri. BRUSSEL, 26. Februar. Der Verwaltungsaufwand ftir die Unternehmen bei den Zpllerklarungen soil verringert werden. K-1.5.1. Allgemeine Voraussetzungen fiir die Bewilligung von Zollverfahren Zollverfahren dienen der Vereinfachung von Verfahrensablaufen. In der Regel bedeuten sie fur den «Inhaber des Verfahrens», wie es im Zollrechtsjargon so schon umstandlich heiSt, also fiir denjenigen, dem das Zollverfahren bewilligt wurde, konkrete Vorteile. Bei Zollverfahren «mit wirtschaftlicher Bedeutung» ist das Vorgehen zweistufig: Im ersten Schritt muft das Verfahren zunachst einmal allgemein bewilligt werden. Erst danach kann im zweiten Schritt das Verfahren konkret in Anspruch genommen werden erst den Fuhrerschein machen, dann Auto fahren. Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung sind Zollagerverfahren, aktive Veredelung, passive Veredelung, Umwandlung unter zollamtlicher Uberwachung und vorubergehende Verwendung. Fiir die allgemeine Bewilligung (erster Schritt) sind drei Voraussetzungen zu erfiillen: (1) Personliche Voraussetzungen Zu den personlichen Bewilligungsvoraussetzungen zahlt die (steuerliche) Vertrauenswiirdigkeit des «Inhabers der Bewilligung* und die Gewahr fur den ordnungsgemaften Ablauf <?page no="493"?> K-1. Normalverfahren 471 des Verfahrens. Dies wird unterstellt, sofern nicht das Gegenteil bekannt ist. Hierzu zahlt auch die Gewahr fur eine ordnungsmafSige Fiihrung der Biicher. Der Antragsteller muf? in der Gemeinschaft ansassig sein (auSer bei der vorubergehenden Verwendung). Unabhangig davon muE der Verfahrensinhaber entsprechende Sicherheiten fiir die eventuelle Zollschuld vorweisen, z. B. als Bankbiirgschaft oder auch als Gesamtsicberheit (die z. B. von Berufsverbanden, Banken oder Versicherungen ubernommen wird). Dingliche Sicherheiten sind theoretisch moglich, aber uniiblich. Dabei sind Einzelbiirgschaften (z. B. fiir em Versandverfahren) oder Gesamtbiirgschaften fiir mehrere Versandverfahren moglich. Die Biirgschaften konnen aus deutscher Sicht hinterlegt werden bei der Eingangs- oder Abgangszollstelle, bei der Zollstelle, fiir die die Burgschaftsleistung erbracht wird, oder beim BMF. Zu verschiedenen Zeiten ist die Inanspruchnahme von Gesamtbiirgschaften im Versandverfahren fiir bestimmte Waren ausgesetzt worden, weil sich massive Betriigereien hauften und die Biirgen in groSem Umfang in Anspruch genommen wurden. (2) Wirtschaftliche Voraussetzungen Hier erfolgt eine Interessenabwagung zwischen betriebswirtschaftlichen Aspekten, die den Antragsteller leiten, und volkswirtschaftlichen Uberlegungen, nach denen faire Wettbewerbsbedingungen auch fur andere Unternehmen gewahrleistet werden sollen, die keine Zollvergiinstigungen in Anspruch nehmen konnen oder wollen. Diese Interessenabwagung ist zwar theoretisch einleuchtend, in der Praxis aber nicht immer nachvollziehbar. (Fiskalische Uberlegungen - Schutz finanzieller Interessen des Staates sind bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht relevant.) Bei der aktiven Veredelung wird z. B. gepriift, ob vergleichbare Waren, wie sie zur Veredelung voriibergehend eingefuhrt werden, in der Gemeinschaft nicht oder nicht in ausreichender Menge hergestellt werden. In der Praxis mehren sich die Stimmen, die eine Abschaffung dieser Bewilligungsvoraussetzung verlangen, weil sie nur noch eine Alibifunktion zum Schutzzpllgedanken darstellt. In Deutschland mu£ die Zollbehorde bei beabsichtigter Ablehnung der Bewilligung dem BMF berichten. Es ist nicht auszuschliefien, daS so manche Bewilligung gewahrt wird, um diese Mehrarbeit zu vermeiden. (3) Zolltechnische Durchfuhrbarkeit und VerhaltnismaBigkeit Hierzu zahlen insbesondere die Namlichkeitssicherung und die Zuverlassigkeit von Anschreibungen in der Unternehmensbuchfuhrung. Die Sicherung der Namlichkeit kann sehr aufwendig sein, z. B. bei passiven Veredelungen in der Textilindustrie, so dai? die verfahrenstechnische Durchfuhrbarkeit gegeben sein mufs. Insgesamt sollte zwischen den wirtschaftlichen Bediirfnissen des Antragstellers und den sich fur ihn ergebenden wirtschaftlichen Vorteile des Verfahrens und dem Aufwand bei Priifung und anschlieEender Uberwachung des Zollverfahrens kein Mifsverhaltnis entstehen. Dies setzt immer einen gewissen <Umsatz> innerhalb des Verfahrens voraus. FAZIT Bewilligung, Abwicklung und Kontrolle dieser «wirtschaftlichen Zollverfahren» i s t unabhangig von ihren betriebs- und volkswirtschaftlich sinnvollen Effekten in der Praxis ziemlich aufwendig. Ein wesentlicher Schwachpunkt in der europaischen Zollpolitik ist die unzureichende Vernetzung der nationalen Verwaltungen. Die Bewilligung eines Zollverfahrens ist in dem Mitgliedstaat gultig, in dem sie erteilt worden ist. <?page no="494"?> 472 K Einfuhr Fur die Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung ist eine Bewilligung fur mehrere bzw. alle Mitgliedstaaten vorgesehen, doch dies stoftt in der Praxis auf Probleme, da die beteiligten Staaten jeweils zustimmen miissen, was zumindest sehr zeitaufwendig ist. Ein Bewilligungsantrag mit Gultigkeit fur andere Mitgliedstaaten kann daher moglicherweise nicht sinnvoll realisiert werden. Bislang ist es beispielsweise nicht gelungen, wesentliche Zollverfahren wie z. B. das Zollagerverfahren so zu konzipieren, daG den Unternehmen ein zentrales europaweites Management moglich ware. Sehr oft stolen bewilligte Verfahrenserleichterungen an die nationalen Grenzen, weil sie nicht auf die anderen Mitgliedsstaaten ausgedehnt werden konnen. Vielleicht machen es Entwicklungen im Bereich der IT-gestiitzen Verfahren in der Zukunft moglich, aber gegenwartig ist diese Perspektive noch nicht sehr realistisch. K-1.5.2. Vereinfachungen und Erleichterungen bei der Einfuhr Innerhalb der verschiedenen Zollverfahren sind Vereinfachungen und Verfahrenserleichterungen moglich. Sie konnen bei alien Zollverfahren auf der Einfuhr- oder Ausfuhrseite bewilligt werden. Die Vereinfachungen konnen auch Spediteuren oder anderen Vertretern des Zollanmelders bewilligt werden, wobei diese jedoch nicht Abgabenschuldner werden, sondern die durch sie vertretenen Einfiihrer. In jedem Fall muS auSenwirtschaftsrechtlich und zollrechtlich verfahrenstechnische Kongruenz bestehen: Es ware wenig sinnvoll, wenn zwar ein zollrechtlich vereinfachtes Verfahren bewilligt wiirde, diese Vereinfachungen jedoch durch auSenwirtschaftsrechtlich erforderliche Verfahrensschritte wieder aufgehoben wiirden anders ausgedriickt: Das auSenwirtschaftsrechtliche Verfahren darf das zollrechtliche Verfahren nicht hemmen und umgekehrt. Zollrechtlich gewahrte Vereinfachungen und Erleichterungen (vgl. Abschnitt F-2.3) fiihren folglich (da das auSenwirtschaftsrechtliche Anmeldeverfahren, wie erwahnt, formlos ist) zu analogen Vereinfachungen und Erleichterungen in auBenwirtschaftsrechtlicher Hinsicht: Die Zollformulare egal, ob im Standardverfahren oder vereinfacht dienen der auSenwirtschaftsrechtlichen Anmeldung. Die meisten Vereinfachungen sind beim zustandigen HZA zu beantragen. Die HZA-Bezirke werden immer grower; daher werden Vereinfachungen auch um so eher genehmigt, je weiter der Importeur entfernt ist, beispielsweise im Hinblick auf die Mindestanzahl von monatlichen Importvorgangen. (1) Unvollstandige Anmeldung Die Zollstellen konnen nach Gestellung unvollstandig ausgefullte Einfuhranmeldungen (Zollanmeldungen) annehmen, sofern bestimmte Mindestangaben gemacht werden. Diese Vereinfachung bedarf keiner vorherigen formlichen Bewilligung, mui? aber in jedem Einzelfall beantragt werden und ist nur in begriindeten Fallen moglich, z. B. wenn der Einfiihrer Subunternehmer (Spediteure) einsetzt, die u. a. den Rechnungspreis nicht angeben konnen oder aus Grunden des Geschaftsgeheimnisses keine Preise, Lieferbedingungen oder Angaben uber den Lieferanten im Ausland erfahren sollen, oder wenn verbundene Unternehmen (Zweigwerke etc.) beteiligt sind. Bei der Einfuhr kann dann die Hohe der Einfuhrabgaben noch nicht festgelegt werden. Dann wird in der Regel eine Sicherheit verlangt werden. In der Praxis wird gerne Zahlungsaufschub in Anspruch genommen. Gegen eine Bankbiirgschaft <?page no="495"?> K - 1 . Normalverfahren 473 stellen die Zollbehorden dafiir einen Aufschubnehmerausweis aus, der faktisch wie eine Zoll-Kreditkarte verwendet werden kann (vgl. Abschnitt K-2.4). Eine unvoUstandige Anmeldung bedeutet, daS im Einheitspapier (EP) als ZoUanmeldung nur bestimmte Mindestangaben gemacht werden miissen: Bei der Einfuhr sind u. a. anzugeben zollrechtliche Bestimmung, Anmelder, Warenbezeichnung (im Hinblick auf evtl. aufSenwirtschaftsrechtliche Beschrankungen) und Zollwert. Die Ware ist grundsatzlich zu gestellen und wird von der Zollstelle nach Priifung u. U. gegen Sicherheit iiberlassen. Die vollstdndige Anmeldung (Exemplare 1 und 2 des EP) ist danach in der EG innerhalb eines Monats, in Deutschland innerhalb von 10 Tagen unaufgefordert der Zollstelle zuzuleiten, die fur den Einfuhrer zustandig ist (BuSgeld moglich). (2) Vereinfachtes Anmeldeverfahren Das vereinfachte Anmeldeverfahren ist eine weitere Vereinfachung von (1) in dem Sinne, daf? zwar die einzelnen Einfuhren jeweils gestellt und unvollstandig angemeldet werden; die Ware wird ggf. gegen Sicherheit iiberlassen. Die jeweils erganzenden Anmeldungen werden jedoch nicht innerhalb von 10 Tagen, sondern nur periodisch als erganzende Sammelanmeldung mit alien zoll- und auEenwirtschaftsrechtlich relevanten Daten nachgereicht, auf deren Basis die Zollstelle fiir den Abrechnungszeitraum die Einfuhrabgaben ermittelt. 9 Abrechnungszeitraum ist in der Regel ein Kalendermonat, wobei die Waren getrennt nach Warengruppen, EUSt-Satz, Zollverfahren und anderen Kriterien anzumelden sind. Die Abrechnung kann ggf. auch durch den Zollanmelder selbst erstellt werden. Ublicherweise ist die erganzende Anmeldung am 3. Werktag, bei Selbstberechnern am 10. Werktag des Folgemonats vorzulegen. Die Abgaben werden fiir den Abrechnungszeitraum dann statt fur jede einzelne Position in einer Summe entrichtet. Wenn die Zollschuld mit der Annahme der ZoUanmeldung entsteht, sind die Abgaben am 16. des Folgemonats fallig und zu entrichten (Zahlungsaufschub). Im Gegensatz zur unvollstandigen Anmeldung mul? das vereinfachte Anmeldeverfahren zuvor vom HZA bewilligt werden, denn der Sammelzollanmelder ubernimmt in gewisser Weise die Verantwortung der Zollstelle. Voraussetzung ist wie bei fast alien Erleichterungen eine Vertrauenswiirdigkeitspriifung des Antragstellers, setzt die Gewahrleistung der Uberwachung durch zuverlassige Anschreibungen im Unternehmen voraus, welche eine Kontrolle der Warenbewegungen sicherstellen, und ist nicht fur alle Waren moglich. Insbesondere darf die Uberwachung von Verboten und Beschrankungen nicht beeintrachtigt werden. Grundsatzlich ist eine Gestellung bei der Zollstelle mit dem Zweck der Zollbeschau erforderlich, auf die auch verzichtet werden kann (oft). Die Bewilligung des vereinfachten Anmeldeverfahrens verschafft dem Unternehmen den Status des zugelasscnen Einfiihrers (ZE). Die Vereinfachungen konnen auch Spediteuren oder anderen Vertretern des Zollanmelders bewilligt werden. Ggf. kann die Zollbehorde Zollhilfspersonen (vgl. unten 6) zur Verfahrensvereinfachung bestellen. Nachteilig ist, da(3 trotzdem fur jede Einfuhr eine (unvoUstandige) ZoUanmeldung erstellt und die Waren bei der zustandigen Zollstelle gestellt werden miissen, wodurch der Einfuhrer an die Offnungszeiten der Zollstelle gebunden ist. 9 Das Verfahren entspricht faktisch der fruheren Zollabfertigung nach vereinfachter ZoUanmeldung (ZnV). <?page no="496"?> 474 K Einfuhr PRAXISTIP Gunstig ist eine gleichzeitige Zulassung als zugelassener Einfuhrer und zugelassener Empfanger im Zusammenhang mitVersandverfahren. Vgl. Abschnitt K-4.1. Von der Moglichkeit von Sammelzollanmeldungen bei der Einfuhr wird in der Praxis in erheblichem Umfang Gebrauch gemacht; die Einzelzollanmeldung ist bei laufenden Ein- und Ausfuhren im gewerblichen Bereich eher die Ausnahme. (3) Anmeldung im Anschreibeverfahren Beim Anschreibeverfahren wird auf die Gestellung am Amtsplatz der Bestimmungszollstelle verzichtet. Dies hat den besonderen Vorteil, daf? der Einfuhrer nicht an die Offnungszeiten des Zollamtes gebunden ist. Stattdessen muS der Einfuhrer die Waren unverziiglich in seinem Rechnungswesen anschreiben. 10 Dies hat dann die gleiche Rechtswirkung wie eine Zollanmeldung. Uber die aufgezeichneten Waren darf erst nach Uberlassung durch die Zollbehorde verfugt werden. Diese kann jedoch fernmiindlich oder automatisch zum Zeitpunkt der Aufzeichnung erfolgen. Die Abfertigungs- und Aufzeichnungsunterlagen miissen zur Verfugung gehalten werden. Da jedoch (nach dem Zollkodex, im Gegensatz zu bisherigem deutschen Recht) keine Aufzeichnungsanzeige an die Zollstelle mehr erfolgt, kann diese die gegenwartige Bestimmung der Ware i.d.R. nicht nachvollziehen. Bei der Einfuhr ist das Verfahren nur moglich im Anschlufi an ein vorangehendes Zollverfahren, z. B. ein Versand- oder ein Zollagerverfahren). Das Anschreibeverfahren hat in der Praxis grofie Bedeutung. Es gilt grundsatzlich nur fur genehmigungs- und lizenzfreie Ware. Die Bewilligung ist an die personliche Zuverlassigkeit des Einfuhrers gebunden; innerhalb des Unternehmens miissen zudem entsprechende Uberwachungsmoglichkeiten gegeben sein, insbesondere hinsichtlich der sehr zeimahen Erfassung der einzelnen Vorgange (Anschreibung) in der Buchfiihrung. Das Verfahren wird nur fur ein gewisses Mindestvolumen an Einfuhrvorgangen bewilligt (ca. 15-20 Falle pro Monat aus mindestens drei Herkunftslandern). Auch das Anschreibeverfahren mufs vom HZA zuvor bewilligt werden, und auch dies verschafft den Unternehmen den Status des zugelassenen Einfuhrers (ZE). Faktisch handelt es sich dabei um eine Verlagerung der Zollstelle in die Geschaftsraume des Unternehmens. Ein zugelassener Einfuhrer/ Empfanger darf auch Namlichkeitsmittel (z. B. Plomben) entfernen und nach Anschreibung der Ware uber sie verfugen. Es erfolgt keine Einfuhrbehandlung durch die Zollstelle. Da die Ware nicht mehr gestellt zu werden braucht, die Zollstelle jedoch Gelegenheit haben muS, ggf. eine Beschau (insbesondere zur aufenwirtschaftsrechtlichen) Uberwachung durchzufuhren, mufj die Wareneinfuhr der Zollstelle mitgeteilt werden (ggf. telefonisch); das Zollamt kann aber auch auf eine Eingangsmitteilung verzichten. Die Ware wird u. U. nur gegen Sicherheit iiberlassen. Am Ende des Abrechungszeitraums von i.d.R. einem Monat reicht der Einfuhrer eine Sammelzollanmeldung beim zustandigen HZA nach. Dabei konnen auch Einfuhren zusammengefafit werden, die uber verschiedene Zollstellen eingefuhrt wurden. Diese Vereinfachung entspricht faktisch der friiheren Zollabfertigung nach Aufzeichnung (ZnA) und der Zollbehandlung nach Gestellungsbefreiung (ZnG). <?page no="497"?> K-1. Normalverfahren 475 (4) Kombinationen und Verzahnungen Die Vereinfachungen konnen auch in Kombination bewilligt werden. Beispielsweise kann die unvollstandige Anmeldung zusammen mit dem Anschreibeverfahren sinnvoll sein. Ebenso kann eine Verzahnung des Anschreibeverfahrens mit Versandverfahren (z. B. in ein EFTA- Land) zweckmaSig sein. Im Versandverfahren konnen die Unternehmen den Status des zugelassenen Versenders (ZV) bzw. des zugelassenen Empfangers (ZE) mit entsprechenden Vereinfachungen erlangt werden (vgl. Abschnitt K-4.1). (5) Vereinfachung des vereinfachten Verfahrens Bei der Einfuhr zur Uberfiihrung in den freien Verkehr kann das EP oder auch ein anderes amtliches Papier, ggf. auch die Handelsrechnung verwendet werden. Dabei sind bestimmte Mindestangaben zur Warenbestimmung erforderlich. Das Einheitspapier kann durch kaufmannische Unterlagen wie Lieferschein oder Handelsrechnung, ggf. auch durch elektronische Medien ersetzt werden. Dies muB dem Einfuhrer gesondert bewilligt werden. (6) Zollhilfspersonen und -organe Das HZA kann sachkundige Personen, die nicht Mitglied der Zollverwaltung sind, sondern i.d.R. vom Zollbeteiligten beschaftigt werden, zu Zollhilfspersonen zur Verfahrensvereinfachung bestellen (dieser Begriff ist gangig, obgleich eigentlich von Steuerhilfsperson zu sprechen ware). Eine ZoUhilfsperson ist Amtstrager und darf Tatsachen feststellen, die sonst nur zollamtlich festgestellt werden, z. B. Warenmengen, Gewichte, Unversehrheit von Plomben, Aufsicht bei der Vernichtung von Waren usw. Diese Feststellungen gelten als amtlich. Andererseits diirfen sie keine hoheitlichen Aufgaben (Amtshandlungen) ausfiihren wie z. B. Entgegennahme des Zollantrags. Grundsatzlich ha ben alle Gerichte und Behorden der Zollverwaltung Amtshilfe zu leisten (§111 AO). Daneben kann der BMF aber Zollhilfsorgane bestellen, z. B. die Deutsche Lufthansa AG, internationale Luftlinien, die Deutsche Schlafwagen- und Speisewagengesellschaft mbH oder grenzuberschreitende Busunternehmen. Zollhilfsorgane miissen den Zollbehorden dienstliche Hilfe leisten, u. a. ihre Verkehrszeiten mitteilen und Zollbedienstete unentgeltlich befordern und ihnen Zugang zu ihren Anlagen gewahren. Angestellte dieser Unternehmen konnen allerdings nicht belangt werden, wenn sie z. B. Schmuggler nicht melden. (7) Elektronische Datenubermittlung Die elektronische Zollabfertigung ist bislang noch kein Ruhmesblatt des Zollwesens. Sie stellt noch keinen vollwertigen Ersatz fur die traditionellen <papiergestiitzten> Verfahren dar. Seit Oktober 2000 versucht das BMF, mit einer neuen Managementstrategie die IT-Entwicklungen voranzutreiben. Dabei werden aber nach wie vor die nationalen Eigenbroteleien ein massives Entwicklungshindernis darstellen. Bislang konnen an sich vielversprechende Konzepte wie ein europaweites Management von Zollverfahren durch die Unternehmen kaum realisiert werden. Die Kluft zwischen existierenden elektronischen Technologien und ihrer zolltechnischen Anwendbarkeit ist immens. Fazit Die in den vorstehenden Abschnitten beschriebenen Vereinfachungen bedeuten eine erhebliche Entlastung sowohl der Zollanmelder als auch der Zollbehorden. Allerdings mufi nochmals herausgestellt werden, daf? durch den umfassenden Verzicht auf die Zollbeschau bzw. <?page no="498"?> 476 K Einfuhr die physische Kontrolle der Ware die Abfertigungen weitestgehend nur papiermaSig erfolgen und dies zu grofSen Teilen nur in der Buchfuhrung der beteiligten Unternehmen. Der oben bereits angesprochene Zielkonflikt zwischen moglichst geringem Verwaltungsaufwand und damit moglichst geringer zeitlicher und kostenmafSiger Belastung der Unternehmen (und der Verwaltung) und dem Erfordernis der Uberwachung zoll- und aufenwirtschaftsrechtlicher Bestimmungen diirfte auch hier deutlich werden. K-1.6. Abfertigungsunterlagen Bei der Einfuhrabfertigung werden wie schon mehrfach erwahnt in einem Arbeitsgang verschiedene rechtliche Sachgebiete abgedeckt (dies gilt analog fur die Ausfuhrabfertigung): Die auSenwirtschaftsrechtliche Abfertigung bezieht sich zusammen mit der Beachtung von Verboten und Beschrankungen (V. u. B.) darauf, ob Waren eingefuhrt werden diirfen, die zoll- und steuerrechtliche Abfertigung ermittelt die Hohe der ggf. zu entrichtenden Einfuhrabgaben, gleichzeitig ergeben sich aus den Unterlagen bestimmte Angaben fur die AuSenhandelsstatistik. Hervorzuheben ist, daS die Liste der Papiere nicht im Sinne von «und ... und ... und» zu lesen ist, sondern (in Abhangigkeit) als «oder ... oder ... oder». Es ist schon bemerkenswert, wieviele Dokumente und Papiere fur Transport, Versicherung, Zahlungsverkehr, auGenwirtschafts-, zoll- und steuerrechtliche Zwecke im AuSenhandel erforderlich sind (zu den aus kaufmannischer Sicht gebrauchlichen Instrumenten vgl. Abschnitt G-l Dokumente). (1) Einfuhranmeldung/ Zollanmeldung Der Einfiihrer muf? bei der Zollstelle die aufienwirtschaftsrechtliche Einfuhrabfertigung beantragen (Einfuhranmeldung), unabhangig davon, ob die Einfuhr genehmigungsfrei ist oder nicht oder zollfrei oder nicht. Grundsatzlich ist dies formlos moglich, geschieht aber i.d.R. zusammen mit der gleichzeitig erfolgenden Zollanmeldung (vgl. Abschnitt K-1.4) unter Verwendung der entsprechenden Exemplare des Einheitspapiers. Oft muf? zusammen mit der Zollanmeldung auch eine Zollwerterklarung abgegeben werden. (2) Einfuhrgenehmigung Fiir bestimmte Waren ist die Einfuhr aus handels- oder wirtschaftspolitischen Griinden beschrankt, teilweise im Rahmen von Kontingenten (Abschnitt K-2.1.3). Sofern die Einfuhrliste dies vorschreibt (Abschnitt K-1.2), ist bei der Einfuhrabfertigung eine Einfuhrgenehmigung vorzulegen ($ 10 AWG, §§ 30, 31 AWV); bei einigen Agrarprodukten ist stattdessen eine Einfuhrlizenz erforderlich (vgl. unten 6). Eine Einfuhrgenehmigung bzw. -lizenz ist vor der Einfuhr bei den dafur zustandigen Behorden (siehe oben) zu beantragen, ggf. durch datenmaschinelle Bearbeitung als «Einfubrgenehmigung-EDV»; fur Waren der gewerblichen Wirtschaft beim BAFA, fiir landwirtschaftliche Produkte beim Bundesamt fur Landwirtschaft und Ernahrung (BLE) in Frankfurt. Der Antrag auf eine Einfuhrgenehmigung wird auf einem Formular gestellt, welches der Antragsteller komplett ausfiillt; der Vordruck kann bei der IHK oder im Formularhandel bezogen werden. Simultan wird ein Uberwachungsdokument (UD) beantragt (vgl. unten [4]). Die Genehmigungsbehorde vermerkt die Einfuhrgenehmigung auf dem Antrag und sendet dieses Dokument dem Antragsteller zuruck (Abb. K-l/ 8), so dafi er es bei der Einfuhrabfertigung vorlegen kann. <?page no="499"?> K - 1 . Normalverfahren 477 Abb. K-1/ 8: Einfuhrgenehmigung Nimt und AntchnH del Antr.gat.lLr*: Miiller-Liidenscheidt OHG 34 « « « « 1 . » M • . I » I I I » | . . | d a n * ! • A n t n g »uf Ehrfuhrgeiwhmlgiing (» 30 Aba. 1 dar AuBanwIrtachafuvarordnung) 05200401005 Aatag* E l n t AWV 1 . Ausfertlgung FQr Elnfuhrer zur Einfuhrabfertlgung Textilimport / -handel Barul odor Gawarb* daa Anlragatallar 040-676552 Famnil / Fart actual bar 1. Oberhemnden, T-Shirts, Unter2iehpullis und andere Unterkleidung. 3 i i c G e W l r ] c 6 n Banannung dar War«(n) mrt ihraf handalaublicnan Baiaichnung e. 6004190, 6004200. 6004220, 6004230. 60^4240, 6004260, 6QQ441Q, 6 0 0 4 5 0 0 6 0 0 4 5 8 0 e » n , n n u , t 0 **< WaraXn) naeh dam WarafiTafiawhma >0r dia Auomhandalaatatialik 600471ol 600479o[ 6004890 3 . S . O . 1r{n). d.» War*n**ri«icl 6. Gaaamtwart: • ) In DM • far di. Aufi.nh.nd.lMuUi.IJh .. 09 ZuaUndigkaiiabaraich Praia fQr dn handalaubticha Ein 25.000 Stuck in handalaUblichan Einhaitan Turkei Uraprung eland 1 1 . Zihlung hi« : 3 0 . 0 8 . , a, Turkei vorgaaartanar Endlormi Einkaufeland 1J. Ueferang M s: Varaertdungeland 0.06.) 13. Beaondere Angaben: •) Auaiufullatt. II. Einfuhrgenehmigung NleM Ube<tJ , ab . r! (9 30 Aba. 1 dar AuBanwfrtachaftavarordnung) Nr. A.ucr.,..b..g» I Nr 0 5 2 0 0 4 0 1 0 0 5 i.DemAntragsteiierwirdgenehmigt. Oberhemden, T-shirts, Unterziehpulljs und andere Unterkleidung, aus Gewirken 6004190, 6004200, 6004220, 6004230, 6004240, 6004260, 6004410, 6004500, 6004580, 6004710, 6004790, 6004890 Banannung dar War*(n) und Nri,n). > bis zum Betrege Im Gegenwert von DM § j n Weren*ariatchn.e lOr dia Au6anharnJa.MU.ia- M bia zur Menge von i Wonen: achtzehntausendsechshundertsechsunddreiBig einzufuhren, wenn Einkaufs-, Ursprungs- und Versendungsland die unter den Nrn. 8 bia 10 dea Antrags angegebenen Lander sind. 2. 0 1 * Einfuhrgenehmigung wird m i j | ) ^ urtgOrUg, wenn die Einfuhrabfertigung bis dahin nicht beantragt ist 3. Bedingungen, Auflagen, Widenufsvorbehalt: Die EG/ vorherige Bewilligung (Genehmigung) konnte nur in dieser Hohe genehmigt werden, da die beantragte Gesamtmenge das zur Einfuhr vorgesehene Kontingent uberstieg.{72) Rechtabehelfsbelehrung ist beigetugt 4. Oiese Einfuhrgenehmigung befreit nur von der Einfuhrbeschrankung des AuSenwirtschaftsgesetzes und der auf Grund dieses Gesetzea erlasaenen Rechtsverordnungen. Andere Verbote und Beaehrankungen bJeiben unberUhrt Dieneteiagal Die Gultigkeit der Einfuhrgenehmigung fOf die Einfuhrabfertigung wird veriingert bia zum Ort und Tag iMAtffMg untaracrmfl <?page no="500"?> 478 K Einfuhr Um der deutschen Wirtschaft die Moglichkeit zu geben, die Vorteile auslandischer Produktionsstandorte im Rahmen passiver Veredelungen (Abschnitt L-5.4) mit auszunutzen, werden Re-Importe aus passiven Veredelungen nicht in die Einfuhrkontingente mit einbezogen, sondern gesondert erfafit. Fiir eine grundsatzlich genehmigungspflichtige Einfuhr mufi daher bei einer passiven Veredelung gleichfalls eine Einfuhrgenehmigung beantragt werden, weil die Veredelungserzeugnisse sonst nicht re-importiert werden konnten. In vielen Fallen setzt die Erteilung einer Einfuhrgenehmigung in die EU eine spiegelbildliche Ausfuhrgenehmigung (Exportbzw. Ausfuhrlizenz oder -zertifikat), aus dem Exportland voraus. Diese mul? sich der potentielle Ausfuhrer folglich rechtzeitig besorgen. Zudem muE oft ein Ursprungszeugnis vorgelegt werden (Abschnitt K-3.3.7). Durch die Einfuhrgenehmigung erhalt der Antragsteller das Recht, Waren innerhalb der genehmigten Wert- oder Mengengrenzen innerhalb einer bestimmten Frist einzufuhren. Die Genehmigungsbehorde muft dabei sicherstellen, dal? der Zweck der Einfuhrbeschrankung nicht beeintrachtigt wird (vgl. oben Abschnitt J-4.2). Bei Inanspruchnahme der Genehmigung wird die eingefuhrte Menge auf der Einfuhrgenehmigung nach Menge und Wert <abgescbrieben>, d. h. das in Anspruch genommene Volumen wird auf dem Formular festgehalten. Der Einfuhrer mufi ausgenutzte Genehmigungen funf Jahre aufbewahren. Nicht ausgenutzte Einfuhrgenehmigungen miissen der Genehmigungsstelle unverziiglich zuruckgegeben werden. In der AWV (§§32ff.) sind zahlreiche Ausnahmen von der prinzipiellen Genehmigungspflicht aufgefuhrt. Dies bezieht sich sowohl auf eine Vielzahl bestimmter Giitergruppen (rund 30 Positionen) als auch auf bestimmte Einfuhrzwecke: So sind Kleinsendungen bis zu einem Wert von 500 Euro von der Genehmigungspflicht befreit, wenn sie nicht kommerziell verwendet werden sollen, ebenso Giiter, fur die eine Zollbefreiung gilt, ferner Einfuhren durch Gebietsfremde fur Ausstellungen und Messen. Zur Durchfiihrung einer Mehrzahl von gleichgelagerten Einfuhrfallen konnen auch Globalgenehmigungen gewahrt werden, die zeitlich, mengen- oder wertmaSig begrenzt sein konnen. Andererseits entfallen eine Reihe von Vereinfachungen, die ansonsten gelten wiirden, im Rahmen von genehmigungsp/ fc/ ? frge« Einfuhren, so z. B. die Befreiung von der Vorlage von Ursprungsnachweisen (vgl. nachfolgend). Die folgenden Unterlagen konnen je nach Sachlage sowohl bei der genehmigungsfreien als auch bei der genehmigungsbedurftigen Einfuhr erforderlich sein: (3) Herkunfts- und Ursprungsnachweise Da Einfuhrbeschrankungen vom Warenursprung abhangen konnen, ist vielfach ein Herkunftsnachweis erforderlich. Die Notwendigkeit dafiir kann sich dabei aus der Einfuhrliste oder aber aus der Einfuhrgenehmigung ergeben. In Abgrenzung zur Gewahrung von Zollpraferenzen, die gleichfalls am Warenursprung ansetzen (praferenzieller Ursprung), spricht man bei den anderen Ursprungsbedingungen vom nicht-praferenziellen Ursprung, z. B. im Hinblick auf Embargos oder «made in ...». Im Abschnitt K-3 iiber «Warenursprung und Praferenzen» werden diese Nachweise ausfuhrlich besprochen, u. a. Ursprungszeugnis, Warenverkehrsbescheinigung EUR.l, Formblatt A, Ursprungserklarung, Lieferantenerklarung, etc. (4) Uberwachungsdokument (UD) Das Uberwachungsdokument (UD) (friiher: Einfuhrerklarung EE oder EEG) ist ein Instrument zur Uberwachung der Einfuhren bestimmter (nur noch weniger) <sensibler> Waren aus <?page no="501"?> K - 1 . Normalverfahren 4 7 9 Drittlandern, z.B. Abschnitt 64 des Zolltarifs (Schuhe), Abschnitt 70 (Glaswaren), Abschnitt 72 und 73 (Eisen- und Stahlwaren), Abschnitt 95 (Spielzeug). Die Einfuhr dieser Waren ist zwar frei, unterliegt aber dennoch einer vorherigen Einfuhriiberwachung. Damit sollen ungewohnliche Einfuhrentwicklungen bei einigen Nichtgemeinschaftswaren erkannt werden, fur die keine Einfuhrgenehmigung erforderlich ist. Ob ein solches Dokument benotigt wird, ergibt sich aus der Einfuhrliste. Die Einfuhrerklarung ist also nicht mit einem Genehmigungsvorbehalt verbunden; sie hat nur eine reine Informationsfunktion fur die Uberwachungsbehorden. Das Uberwachungsdokument ist somit von der Einfuhrawme/ dung und vor allem von der Einiuhrgenehmigung zu unterscheiden. Den zustandigen Behorden ist das Formular zeitlich vor der Einfuhrabfertigung zur Abstempelung und Auswertung vorzulegen. Fiir Waren der gewerblichen Wirtschaft ist das Bundesatnt fiir Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn zustandig, fiir landwirtschaftliche Produkte das Bundesamt fiir Landwirtschaft und Ernahrung (BLE) in Frankfurt. Das zustandige Bundesamt vermerkt auf dem UD einen Endtermin fiir die Einfuhrabfertigung sowie einen Prozentsatz, um den die angegebene Einfuhr wertbzw. mengenmafiig iiberschritten werden darf. Das UD muE der Einfiihrer bei der Einfuhrabfertigung der Einfuhrzollstelle zusammen mit der Rechnung vorlegen, wobei u. a. gepriift wird, ob der Verwendungstermin des UD eingehalten worden ist, ob der Rechnungspreis den im UD erklarten Preis nicht iiberschreitet und ob die erklarte Einfuhrmenge (inklusive der Uberziehungsmarge) eingehalten worden ist; andernfalls wird die Einfuhrabfertigung abgelehnt. (5) [Internationale] Einfuhrbescheinigungen/ Endverbleibsnachweise Einfuhrbescheinigungen konnen seitens des auslandischen Exporteurs vom Importeur verlangt werden, damit der Exporteur seinen Behorden gegeniiber den ordnungsgemaSen Eingang iiberwachter Exporte nachweisen kann, z. B. bei genehmigungspflichtigen Lieferungen von Waren, insbesondere bei Waffen, Munition, Riistungsmaterial, kerntechnischen Anlagen und vielen Dual-use-Giitern (vgl. Abschnitt L-6 zur Exportkontrolle). Dabei gibt es vor allem zwei Papiere, die aus deutscher Importeurssicht beim BAFA zu beantragen sind (es gibt hierfiir jeweils Merkblatter, die man tunlichst genau beachten sollte): • In den meisten Fallen geniigt in der Regel eine privatrechtliche - Endverbleibserklarung des Importeurs. Einige Exportlander verlangen jedoch eine Internationale Einfuhrbescheinigung (IEB; International Import Certificate, EC; auch IC). Sie ist in der Regel Voraussetzung fur die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung im Exportland. Fiir den Antrag wird ein spezielles Durchschreibeformular verwendet. Das zugrundeliegende Geschaft mufi durch entsprechende Unterlagen nachgewiesen werden (z. B. Kaufvertrag, Auftragsbestatigung o. a.). Die IEB mufi also rechtzeitig vor der Wareneinfuhr beantragt werden. Bei der Wareneinfuhr wird ein Exemplar von der Zollstelle abgestempelt und muS unverziiglich dem BAFA vorgelegt werden. • Eine ahnliche Funktion hat eine nachtraglich vorzulegende - Wareneingangsbescheinigung (WEB) {Delivery Verification Certificate, DVC), mit der das tatsachliche Eintreffen der genehmigungspflichtigen Exportware im Importland nachgewiesen wird. Dies kann je nach Exportland durch spezielle Unterlagen oder auch durch Importzollunterlagen erfolgen. Eine WEB wird vom BAFA nachtraglich, d. h. nach erfolgter Zollabfertigung im <?page no="502"?> 480 K Einfuhr Importland, ausgestellt und setzt einen zollamtlichen Abfertigungsnachweis voraus. Sie dient als Nachweis fur den tatsachlichen, ordnungsgemafien Eingang der genehmigungspflichtigen Exportgiiter im Bestimmungsland und geht in der Regel an den Exporteur zuriick, der sie seinen Behorden vorlegen muS. Das Vorgehen wird insgesamt auch als IC/ DV-Verfahren angesprochen. Neben den staatlichen Endverbleibserklarungen werden von den auslandischen Exportkontrollbehorden zunehmend auch private Erklarungen akzeptiert. Das BAFA stellt daher auch «Bestatigungen uber Erklarungen der Endabnehmer» aus. Auf eine Reihe von Vereinfachungen wird hier nicht eingegangen. (6) Einfuhrlizenz Sofern im Warenverzeichnis fur die AuSenhandelsstatistik bzw. in der Einfuhrliste oder dem Elektronischen Zolltarif (EZT) in den Hinweisspalten zu einer Ware ein <L> angegeben ist, wird fur eine ganze Reihe von Agrarwaren eine Einfuhrlizenz benotigt. Einfuhrlizenzen sollen eine mengenmaSige Begrenzung von Importwaren ermoglichen, deren unbegrenzte Einfuhr eine Stoning der EU-Agrarmarkte bewirken konnten (weil wir diese Produkte selbst in geniigender Menge erzeugen...). Fiir die meisten betroffenen Produkte gibt es Freimengen. Wenn diese iiberschritten werden, muE beim BLE eine Einfuhrlizenz beantragt werden auf einem speziellen EG-einheitlichen Formular. Eine spiegelbildliche Exportlizenz aus dem Ausfuhrland ist aus EG-Sicht nicht erforderlich. Stattdessen muE eine Kaution gestellt werden, mit der der Importeur eine Verpflichtung zur Einfuhr eingeht, die sich auf einen bestimmten Zeitraum bezieht (meist zwischen einem und sechs Monaten). Erfullt er die Einfuhrverpflichtung nicht, d. h. importiert er die angekiindigte Waren nicht, verfallt die Kaution. Der Sinn ist, dafi ohne die tatsachliche Durchfuhrung der beantragten Einfuhr keine prazise Marktbeobachtung der konkreten Importmengen moglich ware. Zur Kautionsfreigabe mufi die Lizenz an die BLE zuriickgegeben werden. Nicht selten erfolgt die Freigabe der Kaution durch die BLE mit Verzogerung, so daE bei oft 6-7-stelligen Kautionssummen erhebliche Zinsverluste eintreten konnen. Es ist nicht moglich, solche Kosten von der Verwaltung zuriickzufordern, wahrend andererseits Zahlungsverzug des Importeurs sofort zu Sanktionen fiihrt. Das rnufi man so hinnehmen wie das Wetter. PRAXISTIP Neben den lizenzrechtlichen Einfuhrbeschrankungen gibt es haufig Zollkontingente, die eine meist zeitlich begrenzte zollfreie oder zollreduzierte Einfuhr in Abhangigkeit von bestimmten Ursprungslandern zulassen. Diese Zollkontingente soilten nicht mit den Mengenkontingenten der BLE verwechselt werden. (7) Riickwarennachweis Immer wieder kommt es vor, daft Waren nach dem Export wieder zuriickkommen z. B. im Rahmen von Gewahrleistungen oder weil der Empfanger die Abnahme verweigert hat. Ursprungswaren der EG, die sich vor der Ausfuhr im freien Verkehr befunden haben, konnen von den Einfuhrabgaben befreit werden, wenn sie unverandert und innerhalb von drei Jahren re-importiert werden. Sofern Giiter re-importiert werden, die urspriinglich definiriv im Ausland bleiben sollten, kann das bei der Ausfuhr abgefertigte Ausfuhrpapier (Exemplar 3) als Riickwarennachweis verwendet werden. Ggf. sind auch andere Nachweise moglich. <?page no="503"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 481 PRAXISTIP Sofern bereits bei der Ausfuhr bekannt ist, daft die Waren als Ruckwaren zuriickverbracht werden (beispielsweise bei der vortibergehenden Ausfuhr von Jagd- oder Sportwaffen), kann ein Formblatt INF.3 beim Export von der Zollstelle abgefertigt werden. Dies kann bspw. bei Messewaren sinnvoll sein, bei denen das Carnet- ATA-Verfahren (vgl. Abschnitt L-5.3) nicht anwendbar ist, weil das Zielland dem ATA- Abkommen nicht beigetreten ist. Ein wichtiger Aspekt ist dabei natiirlich die Sicherung der Namlichkeit. Bei der Anmeldung zur Einfuhr muf? die Ruckwareneigenschaft in der Zollanmeldung deutlich gemacht werden. Riickwaren unterliegen ausnahmslos der Einfuhrumsatzsteuer, weil der Importeur in der Regel zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist. Daher wird in der Zollanmeldung iiblicherweise der Code 4010 zutreffen (Einfuhr von Riickwaren ohne EUSt-Befreiung). (8) Sonstige Unterlagen Bei der genehmigungsfreien Einfuhr von Obst und Gemiise, fur das von der EG Qualitats- Mindeststandards festgelegt sind, muS eine entsprechende KontroUbescheinigung oder Empfangsbestatigung vorgelegt werden, aus der die Qualitatsbedingung hervorgeht; auch bei einigen Textilerzeugnissen hangt die Genehmigungsfreiheit davon ab, daf? bestimmte Qualitatsbescheinigungen bei der Einfuhr vorgelegt werden; bei Fleiscb konnen veterinarmedizinische Untersuchungen erforderlich sein; bei der Einfuhr von Kaffee ist nach den Bestimmungen des Internationalen Kaffeeabkommens, wenn Einfuhrquoten in Kraft sind, z. B. ein Kaffeezeugnis erforderlich. Analoges gilt fiir Kakao (Kakaozeugnis). Usw., usw. K-2. Zolle und Zollpolitik K-2.1. Okonomische Grundlagen Abb. K-2/ 1: Zollschild Das Wort <Zoll> leitet sich sprachhistorisch aus dem griechischen «telae» im Sinne von Abgaben, aus «telos» = geschuldete Zahlung, Steuern, Kosten und dem lateinischen «teloneum» = Zollhaus ab, wobei aus der Vorsilbe <tel> im Mittelalter durch Lautverschiebung <tob entstand (siehe auch engl.: <toll>) und sich iiber <tsol> schlieSlich <Zoll> herausbildete. Noch heute steht auf griechischen Zollschildern «teloneion» (Abb. K-2/ 1). Sachlich gleichbedeutend ist das gotische «mauta» = Maut. Der folgende Abschnitt geht auf die Griinde fiir Zollerhebung ein. K-2.1.1. Zollzwecke Historisch wurden Zolle zumeist im Binnenland erhoben, teils als Benutzungsgebiihren fur Strafien, Fliisse, Briicken, Hafen oder Markte (heute noch: Mauten), teils als Schutzgebiihren (Geleitzolle). Erst im 19. Jahrhundert verlagerte sich die Zollerhebung weitgehend <?page no="504"?> 482 K Einfuhr an die Landesgrenze (Passierzolle), in Deutschland vor allem durch die Griindung des Deutschen Zollvereins (1834), durch den die Binnenzolle abgeschafft und gemeinsame AuSenzolle fur Warenbewegungen eingefuhrt wurden (quasi ein Vorlaufer der EG-Zollunion). Es gibt zwei Zollzwecke, die sich gegenseitig ausschlieSen («entwederoder»): Fiskalzolle und Schutzzolle. Fiskalzolle sollen Einnahmen fur den Staatshaushalt erbringen, und dies ist historisch auch das traditionelle Zollmotiv, wie die Zolle (Steuern) auf Barte und offentliche Toiletten belegen (pecunia non olet). Auch nach der deutschen Abgabenordnung (AO), dem <Grundgesetz> fur alle Steuern, sind Zolle Steuern, also Leistungen ohne Gegenleistung, und dienen explizit der Erzielung von Einnahmen (§ 3 AO). Da sie das zu verzollende Gut entsprechend verteuern, setzt die Verwirklichung des Einnahmeziels voraus, daf? die Nachfrage nach den so kiinstlich verteuerten Giitern nicht in einem solchen Maf? e zuriickgeht, daS der Einnahmezweck verfehlt wird. Formaler gesprochen bedeutet das, dafS die Preiselastizitdt der Nachfrage nach diesen Giitern moglichst klein ist, d. h. daf? sich die Nachfrager moglichst wenig durch die Zollerhebung abschrecken lassen. Der Fiskalzweck von Zollen ist in manchen Staaten sehr ausgepragt. Nach IWF-Angaben liegt der Anteil der ZoUeinnahmen an den Staatseinnahmen in sehr vielen Staaten zwischen 25 und 35%, in Burkina Faso sind es 46%, im Sudan 4 3 % , im Libanon 40%. Daher ist es verstandlich, wenn viele Lander aus fiskalischen Grunden kein ausgepragtes Interesse an einer Handelsliberalisierung haben, wie sie im Rahmen der WTO propagiert wird. Sie befinden sich daher auch in einem Dilemma, wenn der IWF im Rahmen von Strukturanpassungsprogrammen zur Sanierung der Wirtschaft eine Importliberalisierung «empfiehlt»: Zunachst miiSte bei FiskalzoUen direkt auf ZoUeinnahmen verzichtet werden, was in der Regel nicht durch andere Steuereinnahmen kompensiert werden kann. Hinzu kommt bei SchutzzoUen, daS durch Importe inlandische Produktion verdrangt werden kann, was zum einen zu BeschaftigungseinbufSen fuhrt, zum anderen aber gleichfalls EinbuSen bei den Steuern bedeuten kann, die sich bislang aus der inlandischen Produktion ergaben (Umsatz- und Verbrauchsteuern, Einkommen- und Gewinnsteuern). Verschiedene Lander haben sich auslandische Managementberatung ins Land geholt, urn ihre Zollverwaltung effizienter zu machen. Die Kosten der technischen Hilfe haben sich in der Regel sehr schnell durch hohere ZoUeinnahmen amortisiert. Das zweite Zollmotiv ist der Wirtschaftszoll (Abb. K-2/ 2). Sein Ziel ist nicht die Einnahmeerzielung, sondern der Schutz der inlandischen Wirtschaft vor billigerer auslandischer Importkonkurrenz (Schutzzoll). Dieses historisch im Merkantilismus (bzw. im Kameralismus als deutscher Version) entstandene Zollmotiv steht auch heute in der Europaischen Gemeinschaft (wie in alien Industrielandern) im Vordergrund: Die EG erhebt nur Importzolle. Sie sind eindeutig Schutzzolle, obgleich bei einigen Giitern, die nicht im Inland erzeugt werden z. B. Kaffee noch der urspriingliche Fiskalaspekt weiterbesteht. Aus nationaler Sicht besteht sowieso kein Einnahmeziel, da die von den Zollverwaltungen eingenommenen Zolle seit 1975 an den EU-Haushalt nach Briissel abgefuhrt werden. Sie machen dort allerdings rd. 16 % der EU-Haushaltseinnahmen aus. Die von den deutschen Zollbehorden erhobenen Einnahmen belaufen sich zudem auf weniger als 0,05 % der Staatseinnahmen. Das Schutzmotiv wird auch daran deutlich, dal? die Zolle in aller Regel mit zunehmendem Verarbeitungsgrad der importierten Giiter zunehmen, d. h. die verarbeitende Industrie schiitzen, <?page no="505"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 483 Abb. K-2/ 2: Zollzwecke und Zollarten • Erziehungszoll • Retorsionszoll Vergeltungszoll • Anti-Dumping-Zoll • Ausgleichszoll • Prohibitivzoll Importzoll Exportzoll Zollarten Wertzoll spezifischer Zoll gemischter Zoll wahrend in der Gemeinschaft nicht produzierte - Rohstoffe gar nicht oder nur gering von Zollen belastet werden. Die EG erhebt auch in Abhangigkeit von der Jahreszeit Saisonzolle fur Obst und Gemiise, urn ihre eigene Produktion zu schiitzen. Im Vergleich mit der pauschalen Einfuhrumsatzsteuerbelastung von 16% fur alle Importe diskriminieren Zolle also im Hinblick auf die Schutzeffekte fur verschiedene Wirtschaftszweige. Das Schutzzollargument ist historisch als Erziehungszoll entstanden (Friedrich List; 1789- 1846)," d. h. als zeitlich begrenzter Zoll, in dessen Schutz sich die begiinstigten Industrien auf den Wettbewerb auf dem Weltmarkt vorbereiten sollten. Sobald die Wettbewerbsfahigkeit gegeniiber den Konkurrenten im Ausland ausreichend gestarkt ist, soil ein solcher Schutzzoll abgebaut werden. Vielfach denaturieren Erziehungszolle jedoch zu Dauereinrichtungen, welche die Erstarrung und Verkrustung ineffizienter Wirtschaftsstrukturen begiinstigen; die Abschottung des EG-Agrarmarktes vom Weltmarkt ist ein einschlagiges schlechtes Beispiel. Das Schutzzollargument wird unterstiitzt durch das Zahlungsbilanz-Argument: Verringerung des Imports bedeutet eine analoge Verringerung des Devisenbedarfs und damit moglicherweise auch eine Verringerung des fur Importe erforderlichen Kreditbedarfs. Allerdings setzt dies voraus, daE die Nachfrage naoh den durch Zolle verteuerten Importgiitern so preiselastisch reagiert, da£ tatsachlich eine Verringerung des Importwertes eintritt (vgl. auch weiter unten). Sofern durch Zolle der Import vollig zum Erliegen kommt und faktisch ein Importverbot vorliegt, spricht man von Prohibitivzoll, wahrend Zolle, die als Reaktion auf die Zollerhebung eines anderen Landes eingefuhrt werden, als Retorsionszoll oder Vergeltungszoll bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang sind auch Anti-Dumping-Zolle als tarifare Protektion gegen «Schleuderpreise» und Ausgleichszolle fur staatlich subventio- 11 Friedrich List, geb. in Reutlingen, pladierte fur die Abschaffung der damals 17 Zollgrenzen in Deutschland. <?page no="506"?> 484 K Einfuhr nierte Ausfuhren anzufiihren, welche ungerechtfertigt billige Importe auf ein <richtiges> Preisniveau anheben sollen (vgl. Abb. K-2/ 3). Die Einfuhrung von Anti-Dumping-Zollen erfordert in der EU ein kompliziertes Priifungsverfahren und lost natiirlich bei den Betroffenen Exporteuren und Importeuren wenig Freude aus (Abschnitt J-3.2). Abb. K-2/ 3: K o m m i s s i o n d r o h t A m e r i k a S t r a f z o l l e a n Strafzolle von 4,043 Milliarden Dollar angekundigt / Streit um Exportgesetz In der groSen Mehrzahl sind Zolle immer Einfuhrzolle, d. h. sie verteuern im Sinn einer Importsteuer die eingefiihrten Waren fur den inlandischen Verbraucher. Nur sehr wenige Staaten erheben Exportzolle, bis vor kurzem neben Rutland und China noch einige Entwicklungslander, teils aus fiskalischen, teils aus Schutzgriinden, um den Export bestimmten Giiter zu erschweren z. B. aus Naturschutzgriinden, um die Giiterversorgung im Inland nicht zu gefahrden oder um Wertschopfungsprozesse im Inland anzuregen. 12 Auch das EG- Recht sieht potentiell die Moglichkeit vor, im Agrarbereich Ausfuhrabgaben zu erheben, wenn die Weltmarktpreise iiber den vereinbarten EG-Preisen liegen, da dann die EG-Produkte verstarkt auf den Weltmarkt abfliefien konnten und die Binnenversorgung u. U. gefahrdet ware. Unter dem Gesichtspunkt der Protektion sind nur SchutzzoUe als protektionistische Mafinahmen zu werten. Natiirlich wirken auch Fiskalzolle handelshemmend, doch werden sie eben aus anderen wirtschaftspolitischen Griinden eingesetzt als SchutzzoUe. Wahrend im Zuge der verschiedenen GATT-Runden das durchschnittliche Zollniveau weltweit auf lediglich 3-4 % gesunken ist, gibt es noch einige Sektoren mit recht hohen Schutzzollen, so bei Elektronik, im Automobilhandel und bei Textilien, wo Zolle noch 20-30% erreichen. In den iibrigen Sektoren ist die Zollerhebung fur den Importeur weniger eine Problem der finanziellen Belastung, sondern ein logistisches Problem beziiglich der Importabwicklung und der dabei erfoderlichen Beachtung der zahllosen Vorschriften, deren Nichtbeachtung drastische rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben kann. Das Institut fur Weltwirtschaft in Kiel halt eine lineare Senkung aller Zolle fur wirksamer als einen nach Branchen differenzierten Zollabbau. Die handelsschaffenden Wirkungen seien groSer. Die EG verfolgt als Zollunion eine gemeinsame (harmonisierte) Zollpolitik; das Zollrecht gilt daher fur alle Mitgliedsstaaten gemeinsam; es gibt einen gemeinsamen Zolltarif, der die Zollsatze fur alle Waren enthalt. Dadurch unterliegt z. B. eine Wareneinfuhr, die in Rotterdam abgefertigt ist, zollrechtlich denselben Vorschriften und Belastungen wie in Hamburg. Aufgrund einer Vielzahl von Kleinstaaten und besonderer Beziehungen mit anderen Landern ergibt sich die Notwendigkeit, die zollrechtlich,en Beziehungen in zwischenstaatlichen Abkommen zu regeln, um den innereuropaischen Warenverkehr nicht zu behindern: Monaco, San Marino, Andorra, der Vatik'an, Gronland, Helgoland, einige franzosische iiberseeische Gebiete (u. a. Guadeloupe, Guyana, Martinique); fur die Kanarischen Inseln gelten Sonderbestimmungen, so da£ man von dort nicht beliebig Waren zoll- und steuerfrei aus dem Urlaub mitbringen darf (Abschnitt J-5.1.2). 12 Beispielsweise erhebt Indonesien Exportsteuern auf bestimmte Holzprodukte (u.a. Stammholz, Schnittholz, Sperrholz). <?page no="507"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 485 K-2.1.2. ZoMarten und Zollwirkungen Zolle belasten nach heutigem internationalen Handelsrecht nur Waren (Sachgiiter), jedoch keine immateriellen Giiter (Software, Rechte, Lizenzen) oder Dienstleistungen. Auch der elektronische Handel iiber das Internet ist nach WTO-Recht zollfrei. Hier ergibt sich eine Grauzone, denn ein Manuskript kann gedruckt werden (dann ist es eine Ware) oder auf dem Bildschirm gelesen werden (dann ist es eine Dienstleistung). Die Zollproblematik wiederholt sich sinngemaf? auf der steuerlichen Ebene (Mehrwertsteuer, Einfuhrumsatzsteuer). K-2.1.2.1. Spezifische Zolle und Wertzolle Es gibt zwei Zollarten: spezifische Zolle und Wertzolle. Ein Wertzoll bemiSt sich nach einem bestimmten Prozentsatz des Zollwertes (synonym: proportionaler Zoll), ein spezifischer Zoll wird pro quantifizierbarer Einheit erhoben (z. B. Stuck [Stiickzoll], Gewicht, Volumen, Lange, Alkoholanteil, etc.). Die Schweiz und das mit ihr in einer Zollunion verbundene Fiirstentum Liechtenstein sind wohl die einzigen Lander weltweit, die ein rein spezifisches Zollbemessungssystem anwenden: Die Rollex-Uhr wird also gewogen. Verpackte Waren werden nach dem Bruttogewicht, unverpackte Waren nach dem Nettogewicht plus einem Tarazuschlag verzollt (bei Fischen bis 400%). Fiir Datenverarbeitungsanlagen gilt ein Zollsatz von 75,80 sfr pro 100 kg brutto, Tarazuschlag 20%, Klaviere 48,80 sfr/ 100 kg brutto, Tarazuschlag 20%, Smaragde 920 sfr/ 100 kg brutto, Tarazuschlag 10%. Fiir die Einfuhr in die Schweiz sollten unbedingt Gewichtsbescheinigungen vorliegen. Sachen gibt's... Zolle verteuern die zu importierenden Giiter. Bei spezifiscben Zbllen nimmt die relative Belastung mit steigendem Zollwert ab. Anders ausgedruckt: Relativ billige Giiter werden durch spezifische Zolle starker belastet (bzw. behindert) als vergleichbare teurere Giiter (Schutzeffekt gegen Billigwaren), wahrend der Schutzeffekt bei steigenden Weltmarktpreisen abnimmt. Beispielsweise betragt bei einem spezifiscben Zoll von Euro 3,pro Liter Wein die Zollbelastung 50%, wenn es sich um einen Fuselwein im Wert von 6,- Euro pro Liter handelt, und 10%, wenn es eine Spatlese im Wert von 30,- Euro ist. Bei Wertzollen ist die relative Belastung hingegen unabhdngig vom Wert des betreffenden Gutes: Ob eine Ware 100,- oder 100.000,- Euro wert ist, beeinfluEt bei gegebenem Zollsatz nicht die prozentuale Belastung. Zollabgaben und Zollwert entwickeln sich daher proportional. Nicht selten gibt es gemischte Zolle, die Wertzolle und spezifische Zolle kombinieren, beispielsweise 7% vom Zollwert, mindestens aber xy Euro, oder hochstens yz Euro. Wahrend die Bestimmung von spezifischen Zbllen vergleichsweise problemlos ist, hat die Bestimmung des Zollwertes hat bei Wertzollen entscheidenden EinfluS auf die Hohe der Zollabgaben: Der blofie Warenwert eines Importgutes z. B. gemaG der Handelsrechnung wird logischerweise geringer sein als die gesamten Bezugskosten einschliefilich Fracht-, Verpackungs- und Versicherungskosten sowie Maklerprovisionen, etc. Ob und welche Nebenkosten in den zu verzollenden Zollwert eingehen, unterliegt in der Praxis genauen Regelungen, weil die Zollbelastung sonst durch manipulierte Rechnungen vermindert werden kbnnte (vgl. Abschnitt K-2.3). In der Volkswirtscbaftstheorie werden im Hinblick auf die gesamtwirtschaftlichen Zollwirkungen folgende Effekte unterschieden: der Schutzeffekt hinsichtlich der Mbglichkeiten der geschiitzten Wirtschaftszweige, teurer anzubieten als die auslandische Konkurrenz, der Ein- <?page no="508"?> 486 K Einfuhr nahmeeffekt hinsichtlich des Staatshaushalts, der Konsumeffekt, der sich durch die Reaktionen der Nachfrager auf die zollbedingte Verteuerung der Importguter und ggf. eine Verlagerung der Nachfrage auf substitutive Inlandsguter ergibt, der Terms-of-Trade-Effekt, der die Veranderungen in der intemationalen Wettbewerbsfahigkeit der inlandischen Wirtschaft ausdriickt, hervorgerufen durch eine veranderte Relation der Preisindizes der Export- und Importguter (Terms-of-Trade), der Umverteilungseffekt, der die Einkommensumverteilungen zwischen Verbrauchern und Anbietern beschreibt, die durch die Zollerhebung hervorgerufen werden. Es gibt noch andere Effekte; auf diese Zusammenhange wird hier jedoch nicht eingegangen. K-2.1.2.2. Effektive Protektion Auf den ersten Blick konnte man annehmen, daf? die in den Zolltarifen ausgewiesenen Zollsatze auch den Schutz widerspiegeln, den sie fur inlandische Produzenten gegeniiber auslandischen Konkurrenten darstellen. Tatsachlich ist das sehr oft nicht der Fall. Je starker Zolle mit zunehmenden Verarbeitungsgrad der importierten Giiter zunehmen, desto starker schutzen sie die verarbeitende Industrie, wahrend in der Gemeinschaft nicht produzierte - Rohstoffe oft gar nicht oder nur mit geringen Zollen belastet werden. Diese sog. (Zoll-)Tarif- Eskalation bezeichnet man als effektive Protektion, im Unterschied zur nominalen Protektion, die sich aus den Zolltarifen fur die jeweiligen Giiter ablesen laSt. Betrachten wir ein nktives Beispiel (Abb. K-2/ 4). Abb. K-2/ 4: Effektive Protektion I Freihandelspreis + Zoll (nominal) in % in Euro = Importpreis Zollschutz nominal effektiv Rohstoff 1 2 0 - 0% -,- 1 2 0 - 240: 200 -> 120: 80 -> Endprodukt 2 0 0 - 20% 4 0 - 2 4 0 - 20% Wertschopfungsspanne 8 0 - 1 2 0 - 50% » D e r e f f e k t i v e P r o t e k t i o n i s m u s i s t f i i n f m a l s o h o c h w i e d i e Z o l l b e l a s t u n g d e r W a r e n Bei Freihandel kann ein inlandischer Produzent fur die Verarbeitung des Rohstoffs Baumwolle zu Stoff im Importland maximal 80,erzielen (die sog. Wertschopfungsspanne, d. h. Verarbeitungskosten plus Gewinn). Durch einen SchutzzoU von 20% auf das Endprodukt Stoff kann diese Spanne aber erhoht werden auf 120,-, d. h. der inlandische Stoffproduzent kann bei seiner Kalkulation um 40,teurer sein als sein auslandischer Konkurrent. Die <?page no="509"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 487 geschiitzte Wertschopfungsspanne kann der Inlander entweder durch einen hoheren Gewinn abschopfen, ohne einen Wettbewerbsnachteil zu haben, oder aber entsprechend billiger anbieten als die auslandische Konkurrenz und sich so einen Wettbewerbsvorteil sichern. Die durch den Zollschutz tatsachlich mogliche Wertschopfungsspanne bezeichnet man als effektive Protektion. Da die Wertschopfung urn 50% hoher sein kann als bei Freihandel, betragt die effektive Protektion 50% (120,im Vergleich zu 80,-), die nominale Protektion nur 20% (240im Vergleich zu 200,-). Verandern wir nun das Beispiel, indem Rohstoff und Fertigprodukt mit dem gleichen nominalen Zollsatz von 20% geschutzt werden (Abb. K-2/ 5): Jetzt betragt der Unterschied zwischen beiden Wertschopfungsspannen tatsachlich nur 20% (96,im Vergleich zu 80,-), und die effektive Protektion ist nun identisch mit der nominalen Protektion. Abb. K-2/ 5: Effektive Protektion II Freihandelspreis + Zoll (nominal) in % in Euro = Importpreis Zollschutz nominal effektiv Rohstoff 1 2 0 - 20% 24,- 144,- 240: 200 -> 96: 80 -> Endprodukt 200,- 20% 4 0 - 2 4 0 - 20% Wertschopfungsspanne 8 0 - 9 6 - 20% Je niedriger die Zolle auf Rohstoffe bzw. allgemeiner: Vorleistungen im Vergleich zu Fertigprodukten sind, desto hoher ist die effektive Protektion, und umgekehrt: Wenn der Baumwollzoll unter sonst gleichen Voraussetzungen z. B. 30 % betriige (Importpreis dann 120 + 36 = 156,-), ware die Wertschopfungsspanne nur noch 84,- und die effektive Protektion nur noch 5% (240-156 = 84,-; 84,im Vergleich zu 80,bei Freihandel = 5%), d.h. die nominale Protektion wiirde einen Schutzeffekt behaupten, der effektiv aber viel niedriger liegt. K-2.1.3. Einfuhrkontingente Einfuhrkontingente seitens der EG bestehen insbesondere im Textilbereich (hierfur sind Einiuhrgenehmigungen erforderlich, die gegen Vorlage einer entsprechenden Ausfuhrlizenz aus dem Exportland beim BAFA beantragt werden kann) sowie im Landwirtschaftsbereicb fiir eine ganze Reihe von Marktordnungswaren (fiir die Eintuhilizenzen des BLE benotigt werden), daneben aber auch im Rahmen von bilateralen Abkommen, insbesondere mit ehemaligen Staatshandelslandern, sowie im Zusammenhang mit Selbstbescbrankungsabkommen (u.a. iiber japanische Automobilexporte; Abb. K-2/ 6). AufSer aus auEenwirtschaftsrechtlichen Griinden sind Kontingente auch iiblich im Rahmen von Zollpraferenzen; aus Vereinfachungsgriinden werden diese hier an dieser Stelle mitbehandelt. Die Kompetenz zur Einrichtung von Kontingenten liegt bei der EG-Kommission. Das Ge- <?page no="510"?> 488 K Einfuhr samtkontingent fur die EG wird nach Quoten auf die Mitgliedstaaten aufgeteilt, denen auch die Uberwachung der Einhaltung der Kontingentierung zukommt. Die nationalen Kontingente konnen meist ohne Zustimmung der Kommission um einen bestimmten Prozentsatz iiberzogen werden. Sofern auch dies nicht ausreicht, ist eine Aufstockung bei der Kommission zu beantragen. Bei Kontingenten, die aus wirtschaftspolitischen Griinden eingerichtet werden, erfolgt jedoch vielfach eine Eingrenzung des Kreises der Berechtigten, z. B. werden bei Messekontingenten nur Antrage beriicksichtigt, die auf einem Messekaufvertrag beruhen. Dabei sind auch Antragshochstgrenzen iiblich. Ein Interministerieller Einfuhrausschuf> (IEA) erlafit Richtlinien fur die Erteilung von Einfuhrgenehmigungen und die Durchfiihrung von Einfuhrausschreibungen. Der AusschuS setzt sich zusammen aus Vertretern der Bundesministerien fur Wirtschaft und fur Ernahrung, Landwirtschaft und Forsten sowie der Deutschen Bundesbank (nicht zu verwechseln mit dem Interministeriellen Ausschufi (IMA), der iiber HERMES-Deckungen entscheidet; vgl. Abschnitt H-3.2). Wenn bei Einfuhrkontingenten die Genehmigungsantrage das verfugbare Volumen iiberschreiten, muB eine Auswahl getroffen werden. Daher wird das Verfahren i.d.R. zum Jahresbeginn durch Ausschreibungen im Bundesanzeiger unter Angabe der Antragsbedingungen und des Volumens des Kontingents vorbereitet (Einfuhrbzw. Ausfuhrausschreibung), um Interessenten die Moglichkeiten zur Antragstellung zu geben. Die in einem bestimmten Zeitraum nacheinander gestellten Antrage sollen dabei als gleichzeitig gestellt betrachtet werden (sog. Gleichbehandlungszeitraum). Bei der Ausnutzung von Kontingenten soil sowohl eine volkswirtschaftlich als auch betriebswirtschaftlich sinnvoile Nutzung moglich sein. Die Kontingente werden statistisch von einem Rechenzentrum bei der OFD Diisseldorf uberwacht (Zentralstelle fur Zollkontingente, ZKK). PRAXISTIP Die Europaische Kommission hat die Datenbank QUOTA (Zollkontingente und Zollplafonds) im Internet kostenlos bereitgestellt: http: / / europa.eu/ int.comm/ taxation^customs/ dds/ de/ home.htm (manchmal klappts) Bei der Aufteilung der Kontingente sind verschiedene Verfahren moglich: (1) Beim sog. Windhundverfahren werden die Genehmigungfen nach der zeitlichen Reihenfolge ihrer Beantragungen erteilt: «Wer zuerst kommt, mahlt zuerst». Dabei konnen allerdings nur schwer volkswirtschaftliche Kriterien beriicksichtigt werden. Insbesondere Zollkontingente werden nach dem Windhundverfahren verwaltet, bei denen im Gegensatz zu Agrarkontingenten keine besondere Einfuhrlizenz erforderlich ist. Der Kontingentzollsatz wird entsprechend dem Datum des Eingangs der Antrage solange angewendet, bis die Kontingentsmenge erschopft ist. Dies ist haufig schon kurz nach der Ausschreibung des Kontingents der Fall. Danach wird wieder der Drittlandszoll angewendet. Abb. K-2/ 6: Neue Obergrenze fur Autoimporte aus Japan now. BRUSSEL, 18. Oktober. Die japanische Regierung und die Europaische Kommission haben sich auf eine Erhdhung der diesjahrigen Obergrenze fiir die Einfuhr japanischer Autos in die Europaische Union (EU) geeinigt. <?page no="511"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 489 (2) Das Referenzverfahren ist sachlicher, indem die Antrage auf der Grundlage von Vergleichswerten entschieden werden, etwa dem Volumen der Vorjahresantrage, um traditionelle Handelsstrome zu beriicksichtigen («grandfathering*). Dabei wird eine sog. <Newcomer-Quote> fiir Antragsteller reserviert, die im Referenzzeitraum keine Antrage gestellt hatten. (3) Im (einfachen) Quotenverfahren wird das Kontingent gleichmafig auf alle Antragsteller verteilt (Kontingentscheinverfahren). (4) In der Praxis wird eine Kombination von (2) und (3) bevorzugt (Quotenreferenz-Verfahren), indem ein Teil des Kontingents zu gleichen Teilen und der Rest nach Referenzwerten zugeteilt wird. (5) Insbesondere bei Selbstbeschrankungsabkommen kann auch eine Verteilung durch das Lieferland erfolgen. Das Importland hat dann keinen Einflufs auf die Entscheidung iiber die Person des Einfuhrers und das Volumen der Einfuhr. Die Ausfuhrberechtigung wiederum kann von einer Exportgenehmigung abhangen: Im Welttextilabkommen z. B. setzen Einfuhrgenehmigungen die Vorlage einer Exportlizenz voraus. K-2.3. Bemessung der Einfuhrabgaben K-2.3.1. Tarifieren/ Einordnen in den Zolltarif Die Aufienzolle gegeniiber Drittlandern ergeben sich aus dem Gcmeinsamen Zolltarif (GZT) der EG. Der GZT hat keine eigenstandige Rechtskraft, sondern ist eine redaktionelle, verwaltungstechnisch vereinfachende Zusammenfassung aller tarifrechtlich relevanten Bestimmungen, insbesondere aufgrund von Praferenzabkommen (vgl. dazu Abschnitt K-3), Zollaussetzungen, Zollkontingente und -plafonds sowie Anti-Dumping- und Ausgleichszollen. Der GZT umfafst zum einen eine Beschreibung faktisch aller nur denkbaren Waren (Nomenklatur), zum anderen die gegeniiber Drittlandern anzuwendenen Zollsdtze. Das Auffinden der Warennummer und die Zuordnung der entsprechenden Einfuhrabgaben nennt man Tarifieren oder Einreihen. Der Begriff <Zolltarif> bezieht sich also zum einen auf das Nachscblagewerk, in dem alle tarifrelevanten Informationen zusammengefaSt sind, zum anderen auf die konkreten Zollsdtze als Prozentsatze des Zollwertes. 13 K-2.3.1.1. Nomenklatur Die systematische Auflistung der Waren die Nomenklatur oder synonym: das Zolltarifschema basiert seit dem 1.1.1988 auf dem internationalen «Harmonisierten System» (HS) zur Bezeichnung und Codierung von Waren». Das HS wurde auf internationaler Ebene ausgearbeitet und wird von iiber 100 Staaten auf rund 90% des Welthandels angewendet. Die dem HS-Ubereinkommen beigetretenen Staaten verpflichten sich, sowohl ihre Zolltarife als auch ihre AuSenhandelsstatistiken nach der Nomenklatur des HS aufzubereiten. Das HS ist eine Weiterentwicklung von friiher bzw. teilweise noch heute verwendeten Systematiken. So gab es von 1950 bis 1987 eine «Nomenklatur des (damaligen) Rates fur die 13 Die Agrarzolle [Abscbopfungen] bei Marktordnungswaren werden nicht durch den GZT, sondern durch jeweilige EG-Verordnungen festgesetzt. Die in der Offentlichkeit bekannteste Marktordnung diirfte ausgerechnet die fiir Bananen sein... <?page no="512"?> 490 K Einfuhr Zusammenarbeit auf denfGebiet des Zollwesens» (NRZZ; Customs Cooperation Council I CCC in Brussel, heute: WCO, World Customs Organization), das sog. Briisseler Zolltarifschema. Dieses wiederum verfeinerte die Standard International Trade Classification (SITC), ein internationales Verzeichnis fur den Aufienhandel, das im Rahmen der UNO fur international statistische Vergleiche vereinbart wurde. In der EG gab es zuvor und damit iiberlappend die NIMEXE, die Nomenklatur Import Export Europa. Das HS wurde mit dem NIMEXE in einer Kombinierten Nomenklatur der EG (KN) zusammengefafit. Die KN erganzt die sechsstellige Warencodierung des HS um zw,ei weitere Stellen (vgl. Abb. K-2/ 7). Der TARIC (Tarif Integre des Communautees Europeennes: Integrierter Zolltarif der EG) umfafSt 11 Stellen und erfafst auch Zollaussetzungen, Zollkontingente und -plafonds, Zollpraferenzen, Antidumping- und Ausgleichszolle sowie Uberwachungs- und SchutzmaSnahmen. Daneben gibt es spezielle - und unterschiedliche - Nomenklaturen im Transportbereich (Seefahrt, Eisenbahnverkehr, Luftfracht) und in verschiedenen regiohalen Integrationsraumen. Auch der ehemalige RGW/ COMECON hatte eine eigene Nomenklatur, allerdings nicht mit Zollen, sondern mit entsprechenden Gebiihren. Die Vielfalt dieser Codierungen erschwert(e) logischerweise sowohl statistische Zusammenfassungen als auch internationale Vergleiche. PRAXISTIP Die Europaische Kommission hat den TARIC im Internet kostenlos bereitgestellt; die Abfrage ist sehr komfortabel, u. a. mit einer Funktion «Blattem», wenn man mit dem Tarif noch nicht so sehr umgehen kann; http: / / europa.eu/ int.comm/ taxation-customs/ dds/ de/ home.htm. Die Datenbank DDS / Tariff Data Dissemination System bietet neben dem TARIC auch die Zollkontingente und Plafonds an (QUOTA) (siehe oben). Abb. K-2/ 7: Tarifzusammenhang (Beispiel) (vgl. Abb. K-1/ 1) Codenummer: Warenbezeichnung: 95021010100 Spielzeugpuppe 95 Kapitel HS («Spielzeug, Spiele, Unterhaltungsartikel und Sportgerate») 9502 Position HS («Puppen, nur Nachbildungen von Menschen darstellend») 950210 Unterposition HS («- Puppen, auch bekleidet») 95021010 Kombinierte Nomenklatur (KN) («— aus Kunststoff») 9502101010 Taric-Unterposition (« handgearbeitete dekorative Puppen in fur das Ursprungsland charakteristischer Volkstracht») 95021010100 ggf. nationale Besonderheiten In der Praxis wird gerne mit dem 8-stelligen Warenverzeichnis fiir die Statistik des Aufienhandels der Gemeinschaft und des Handels zwischen den Mitgliederstaaten gearbeitet, dem sog. «Spediteur-Tarif», der eine relativ leichte Einreihung ermoglicht, und fur den Export vollig ausreicht. Fur den Import sind weitere Informationen erforderlich, so daS ein Blick in den Deutschen Gebrauchszolltarif (DGebrZT) ratsam ist, der den Warencode auf 12 Stellen und mehr) erweitert, auch nationale Besonderheiten enthalt und im Umfang etwa 4 prallen DIN-A4-Aktenordnern vergleichbar ist. In den DGebrZT ist die (deutsche) Einfuhrliste ein- <?page no="513"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 491 gearbeitet. Sie ist eine Anlage zum AuSenwirtschaftsgesetz und gibt fur jede Ware an, ob fur die Einfuhr eine Genehmigung erforderlich ist und welche Institution dafur zustandig ist. Den DGebrZT gibt es in elektronischer Form (EZT: elektroniscber Zolltarif) in verschiedenen kommerziell vertriebene Versionen, meist als CD, u. a. Easycode, EasiRun, Breakthru oder BOS und Online-Dienste, die sicherlich aktueller sind als Hardcopies, aber auch teuer (Bundesanzeigerverlag, Koln: vertrieb@bundesanzeiger.de). Eine Buchversion des GZT ist kaum noch erhalriich und auch wenig sinnvoll: Angesichts der grofien Anderungsfreudigkeit der Bestimmungen im Aufsenwirtschaftsbereich ist es ausgesprochen schwierig, einen aktuellen Informationsstand zu wahren. Ein guter EZT sollte u.a. Auskunft geben iiber • die Warenbeschreibung (Nomenklatur) incl. Codenummer (ll-12stellig), • auEenwirtschaftsrechtliche Behandlung (z. B. genehmigungsbedurftige Einfuhr, Erfordernis der Ursprungserklarung), • aufienhandelsstatistische Anmeldung, • Zollsatze, ggf. Zollvergiinstigungen, • Ursprungsregeln, • andere Einfuhrabgaben (EUSt-Satz, ggf. Verbrauchsteuerpflicht), • Zollkontingente und -plafonds sowie • Verbote und Beschrankungen (V.u.B.). K-2.3.1.2. Einreihung Einer der wichtigsten Schritte in der Abfertigung von Waren ist die Einreihung in den Zolltarif (Tarifieren), d. h. das Auffinden der fur die Ware zutreffenden Position und der entsprechenden Warenlinie im Zolltarif, denn dort ist der anzuwendende Zollsatz angefuhrt. Eine unrichtige Einreihung kann zu einem unrichtigen Zollsatz fuhren: Entweder der Importeur zahlt zuviel, oder er sieht sich eventuell nach Jahren anlaSlich einer Betriebspriifung Nachforderungen der Zollverwaltung gegeniiber. Das kann teuer werden; siehe unten. Das HS gliedert sich in 21 Abschnitte und 97 Kapitel, und diese wiederum in rd. 1250 sechsstellige Positionen, und ordnet jeder Ware eine Codenummer zu. Die ersten sechs Ziffern dieser Nummer sind in den Zolltarifen aller Lander, die das HS anwenden, gleich. Die Systematik besteht dabei vereinfacht darin, daf? die Waren zu Warengruppen zusammengefafSt sind und dabei nach dem Produktionsprinzip nach zunehmendem Verarheitungsgrad geordnet sind: Unverarbeitete Giiter wie z. B. lebende Tiere und Waren tierischen Ursprungs sind in Abschnitt I, Maschinen in Abschnitt XVI enthalten; innerhalb der Abschnitte gilt jeweils das analoge Prinzip, so dafi z. B. im Abschnitt I lebende Tiere in Kapitel 1, Milcherzeugnisse in Kapitel 4 enthalten sind, und innerhalb des Kapitels erhalt rohes Holz die Position 4403, Ziergegenstande aus Holz die Position 4420, etc. Die Positionen des HS als Oberbegriffe werden in den Unterpositionen immer feiner aufgegliedert (TARIC), wobei als Kriterien u. a. dienen: Wirtschaftszweig (Lebensmittelindustrie), biologische Gattung (Krebstiere, Weichtiere), Rohstoff (Eisen), Anteil bestimmter Stoffe (Zucker-, Alkoholgehalt), Gewicht, Grofie, Verarbeitung (geschliffen, poliert), Verwendungszweck (zum Verzehr), Zustand (gekuhlt, flussig), Form (in Barren, in Strangen), Verpackung (in Flaschen). Auch Abb. K-2/ 7 macht dies beispielhaft de'utlich. Fiir eine korrekte Einreihung sind haufig sehr profunde Warenkenntnisse erforderlich, denn wer kann schon den Fettgehalt von Kase bestimmen oder Mantel aus nicht-gesponnenen <?page no="514"?> 492 K Einfuhr Tierhaaren zuordnen? Andere Zweifelsfalle sind schneller gelost: 1st ein Plastikpuppe ein Spielzeug oder ein Plastikartikel? 14 Dabei kann zum einen nach dem Zweck, zum anderen nach stofflichen Gesichtspunkten vorgegangen werden, wobei meist der Zweck wichtiger ist als die stoffliche Beschaffenheit («Zweck geht vor Stoff»). Zunachst sind die infrage kommenden Kapitcl zu identifizieren. Nach dem Zweck handelt es sich in unserem Beispiel um Spielzeug (Kapitel 95 des HS), nach dem Stoff um eine Ware aus Kunststoff (Kapitel 39). Dann ist bzw. sind die Positionen zu ermitteln, wobei sich nicht selten aus den Anmerkungen Zuweisungen zu oder Ausweisungen aus anderen Positionen ergeben. 15 Unsere Puppe findet sich in Position 9502 wieder, sofern sie einen Menschen darstellt. Im Kapitel 39 besagt Anmerkung 2, Buchstabe u, daS Waren des Kapitels 95 (z. B. Spielzeug, Spiele, Sportgerate) nicht zu Kapitel 39 gehoren. Damit gilt Position 9502. Die Unterteilungen innerhalb des Tarifs (Warenlinien) verdichten sich (vgl. oben Abb. K-2/ 7) als Spalte 1 des DGebrZT in einer 12-stelligen Codenummer, die hier am Beispiel unserer Puppe (9502 1010 9000) verdeutlicht werden soil: Die ersten beiden Ziffern geben das Kapitel im HS wieder (95 = Spielzeuge, Sportgerate etc.), die Ziffern drei und vier die sog. Position im HS (9502), die funfte und sechste Ziffer die Unterposition im HS (9502 10), die siebte und achte Ziffer erganzen die sechs HS-Ziffern zur kombinierten Nomenklatur (KN) (9502 1010), die neunte und zehnte Ziffer (9502 1010 90) bezieht sich auf gemeinschaftsrechtliche Besonderheiten des TARIC 16 ) (z. B. Zollaussetzungen), die elite Ziffer (9502 1010 900) bezieht sich auf nationale Besonderheiten (z. B. Einfuhrliste), weitere Ziffern konnen weitere codierte Angaben aufnehmen, z. B. des Marktordnungsrechts (Ziffern 12-14) oder des Verbrauchsteuerrechts (Ziffern 15-18) oder fur nationale Unterteilungen (Ziffern 19-22). Wie Abb. K-2/ 7 und K-l/ 1 zeigen, unterscheiden sich Puppen aus verschiedenen Stoffen erst in der siebten und achten Stelle der Codenummer (aus Kunststoff: -1010, aus anderen Stoffen -1090), und die neunte und zehnte Stelle unterscheidet Puppen in Volkstracht (-10) von anderen (90). Die elfte Stelle dient der nationalen Statistik. Abb. K-2/ 8 zeigt, wie sich der Zolltarif heute auf dem Bildschirm prasentiert. In der Mitte sieht man die Warennummer. Da als Ursprungsland Irak angegeben ist, weist die Maske ein «Einfuhrverbot» aus. Andernfalls ware ein Drittlandssteuersatz von 4,7% bzw. ggf. ein Praferenzzollsatz von Null anzuwenden («frei» z. B. fur Einfuhr aus einem Entwicklungsland). Der EUSt-Satz ist der Regelsatz von 16%. Weitere Angaben in der nicht dargestellten Folgemaske weisen auf zu berucksichtigende V.u.B. beziiglich Produktsicherheit hin und die Zustandigkeit des Bundesamts fur Wirtschaft in Eschborn. (Sofern sachlich angebracht, wiirde der Zolltarif zudem auf vorzulegende Unterlagen hinweisen, z. B. Einfuhrgenehmigung, Ursprungszeugnis, Ursprungserklarung, Uberwachungsdokument o.a.). Dennoch gibt es oft Auslegungsalternativen. Ein Hersteller von Aluminiumteilen tarifiert ein von seinem Kunden bestelltes Teil als Rohling, als Aluminiumblock. Sein Kunde hingegen sieht das Teil als Gehauseunterteil fur Pumpen, weil es erkennbar fur eine bestimmte Ver- 14 Beispiel entnommen aus Bleihauer, Hans-Jurgen, Zolltarif, in: Witte, Peter/ Wolfgang, Hans- Michael, Lehrbuch des europaischen Zollrechts, 2. Aufl. Herne/ Berlin 1995, S. 347. 15 Ein Zusatz <ex> (explizit, z.B. «ex Kap 9502») bedeutet, daG die angegebene Bedingung nur fur die angefiihrte Position gilt. 16 Prazise: TARIC II, weil Anfang 1996 groSere Anderungen im HS auch zu einer Revision des TARIC gefuhrt haben. <?page no="515"?> K - 2 . Zolle und Zollpolitik 4 9 3 Abb. K-2/ 8: Zolltarif '$ 1. EZT - Auskunfl • EinfuhimaBnahmen Datei Vetbiauchsleuern Tesrte ? EinfuhimaBnahmen MaDg. Z e i t p . Codenimner F Heurslng ZC Warenbeschreibung J26.03.2001 p 5 ' ^ 2 " [ i o " [ i o ' p o ' | o ' | " ~ | andere Gebiets-ID Geographisches Gebiet EUSt ZC Geb. HN MaDnahneart ID ID WW MaBnahmen Einfuhrverbot Drittlandszollsatz Zollpraferenz Zollpraferenz I J 4,7 Irei Irei Undergrp. OK if AnzaN; 4 v wendung - Pumpen gedacht ist. Und immer wieder gibt es Probleme: Damen- und Herrenjacken unterscheiden sich durch die linken bzw. rechten Knopfleisten. Was aber machen wir mit einem Anorak mit ReiEverschluf? oder mit Ponchos aus Wolle, bei denen der Zolltarif die Positionen 6101 fur Manner und 6102 fur Frauen bereithalt? Die Zuordnung von Waren in dieses Tarifschema ist eine Wissenschaft fur sich, erfordert ein sehr hohes MaS an Warettkenntnis, wobei in manchen Fallen die Sachkunde des Einfuhrers der Zollstelle iiberlegen sein kann. Beispielweise hat der Zolltarif im Bereich der Position 8542 «Halbleiter» einen richtigen <Bauch> mit zahllosen Varianten. Da muE man sich schon auskennen. Daher sollte der Importeur entsprechende Vorarbeiten leisten, in der Zollerklarung die entsprechende Position und zumindest eine aussagekrafrige Warenbeschreibung angeben und ggf. Belege oder Bestatigungen vorlegen. Die Warenbeschreibung ist allerdings nicht bin- <?page no="516"?> 4 9 4 K Einfuhr dend, so dafi beispielsweise bei einem rechteckigen Glasblock mit Hohlung, in den eine Zigarette eingegossen ist, sich der Zollbeamte vor einem Aschenbecher sieht, wahrend der Importeur das Ding als Kunstobjekt ansehen will. Differenzierungen konnen sich auch hinsichtlich des Verwendungszwecks ergeben: CD- ROM-Laufwerke zum Einbau in PCs unterliegen einem niedrigeren Zollsatz als z. B. fur den Einbau in Industriecomputer (ICs) oder zu anderen Verwendungszwecken. Daher muS eigentlich auch genau gepruft werden, ob der begunstigte Verwendungszweck auch eingehalten wird. Dies kann natiirlich nur sporadisch erfolgen. Erlauterungen Die sehr umfangreichen Erlauterungen zur Kombinierten Nomenklatur (Erl.KN) sind eine unentbehrliche Informationsquelle bei Zweifelsfragen. Sie enthalten Kommentierungen zum Harmonisierten System bis zur sechsstelligen Unterposition sowie zur achtstelligen Unterposition der Kombinierten Nomenklatur, einzelne Entscheidungen zur Einreihung bestimmter Waren sowie nationale Anordnungen des jeweiligen Mitgliedstaates. Hinzu kommen die Allgemeinen Vorschriften (AV), die Anweisungen geben beziiglich der Einreihung von Waren. Beispielsweise geht aus ihnen hervor, dafi den Uberschriften im Zolltarif keine juristische Qualitat zukommt, sondern sie lediglich redaktionellen Charakter haben; bestimmte Waren werden bestimmten Positionen explizit zugewiesen, obgleich sie grundsatzlich nicht dort eingereiht wiirden (Zuweisung), in anderen Fallen wird die Einreihung explizit ausgeschlossen (Ausweisung); (teilweise fragwiirdige) Definitionen unterstiitzen eine Vereinheitlichung («Bambus gilt als Holz», «Tierzahne sind Elfenbein»). Ferner werden verbindliche Regelungen getroffen, wenn eine Ware vollig tarifsystematisch in zwei gleichwertige Positionen eingereiht werden konnte, z. B. bei unserer Puppe eine Zweckposition (Spielzeug) und eine Stoffposition (Kunststoff) (sog. Positionskonkurrenz). Problematisch sind oft auch Warenzusammenstellungen, z. B. Rock und Bluse, Oberhemd mit Schlips, Radio mit Uhr, Tabakpfeife mit Tabakdose, oder ein Erste-Hilfe-Koffer. Zubehor und Warenteile Teile verlieren ihre tarifrechtliche Selbstandigkeit, wenn sie in die Hauptsache eingehen, z. B. die Glasaugen unserer Puppe, sofern sie nicht lose sind (echt! ). Zubehor bleibt hingegen grundsatzlich selbstandig, wird also nicht Bestandteil der Hauptsache, z. B. ein Handspiegel, den die Puppe halt. Er wird aber gemaS Anmerkung 3 zu Abschnitt 95 wie die Puppe eingereiht («Teile und Zubehor, erkennbar ausschlieElich oder hauptsachlich fur die Waren dieses Kapitels bestimmt, werden wie diese Waren eingereiht*). Ein interessanter Aspekt ergibt sich hinsichtlich Uberlegungen, Giiter komplett oder zerlegt einzufuhren, auch im Zusammenhang mit Anti-Dumping-Ma&iahmen. Beispielsweise unterliegt ein Fernsehempfangsgerat einem Zollsatz von 14%, die einzelnen Bestandteile jedoch Zollsatzen zwischen 4 und 7%. Daher bote es sich an, diese <lose> einzufuhren. Komplett zerlegte (completely knocked doum), aber gemeinsam eingefuhrte Teile werden jedoch wie das Gesamtprodukt tarifiert; hier ergabe sich kein Zollvorteil, sondern wegen der erforderlichen Zusammenbaus ein okonomischer Nachteil. Losung: Man fiihrt das Gerat in zwei Sets zerlegt und an verschiedenen Tagen bzw. iiber verschiedene Zollamter ein (semiknocked doum)} 7 Diese Umgehung ist in der Praxis kaum zu verhindern. 17 Beispiel iibernommen von H. P. Prefiler-Hoft, AuGenwirtschaftsberater, Hamburg. <?page no="517"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 495 K-2.3.1.3. Tarifauskiinfte In den vorangehenden Ausfuhrungen wurde bereits deutlich, dafi die Entscheidung iiber die Zuordnung von Waren zu den Positionen des Zolltarifs (Einreihung, friiher «Tarifierung») erhebliche Warenkunde voraussetzt und dafi auch bedeutende okonomische Aspekte damit verbunden sind (daher gilt der Grundsatz: «Einreihung ist Chefsache»). Beispielsweise unterliegen einfache Videocameras (Camcorder) mit Aufzeichnungsmoglichkeiten ausschlieSlich iiber die Kameraoptik (Position 85 25) einem Zollsatz von 4,9%, wahrend Camcorder mit zusatzlichen direkten Aufzeichnungsmoglichkeiten von externen Videotuners (mit seitlichem Eingang, Position 85 21) einem Zollsatz von 14% unterliegen. 18 Daher kann zwischen ZoUbeteiligten und Zollverwaltung ein Interessenkonflikt bestehen, indem erstere in Zweifelsfallen eher einer Eingruppierung mit niedrigerem, letztere mit hoheren Zollsatz zuneigen mag. Unrichtige Tarierungen bei der Einfuhr konnen folglich innerhalb des Verjahrungszeitraums durchaus zu Nachforderungen seitens der Zollbehorden oder Erstattungsanspriichen seitens der ZoUbeteiligten fuhren (vgl. oben Abschnitt K-2.4). Letzte Instanz auch in derartigen Fragen ist der EuGH, der dabei zu 80% aus Deutschland in Anspruch genommen wird gegen Entscheidungen des BMF, 19 und in der Mehrzahl der Klagen obsiegt die antragstellende Wirtschaft. Der EuGH ist aber offenbar nicht sehr erfreut, iiber derartige Details entscheiden zu miissen, denn manche Urteilsbegriindungen sind recht <knurrig>. Fur die betroffenen Unternehmen konnen solche Feinheiten aber groSe Summen an Zollabgaben bedeuten. FALL Ein Versandhaus klagte gegen eine Entscheidung einer OFD, dafS eine Garnitur BH plus Slip in getrennte Tarifpositionen einzureihen sei (da eine entsprechende EG- Verordnung dies so regie). Dies ergab eine hohere Zollbelastung als eine gemeinsame Einordnung in die Position mit dem niedrigere Zollsatz. Das Finanzgericht entschied zu Gunsten des Versandhauses und stellte test, die entsprechende EG-VO sei ungultig. Da es sich aber urn europaisches Recht handelt, muftte der EuGH damit befaftt werden. Er entschied: gemeinsame Einreihung, aber zum hoheren der beiden Zollsatze. Im Ergebnis hatte es dem Versandhaus zwar nichts gebracht, aber zumindest war nun die Rechtslage wieder bereinigt. Grundsatzlich hat der Importeur ein kostenfreies allgemeines Auskunftsrecht bei der Zollverwaltung, wobei diese Auskunft aber nicht rechtsverbindlich ist. In Problemfallen kann eine verbindliche Zolltarifauskunft (VZTA) eingeholt werden. Nach Wahl des Antragstellers kann dies in seinem Land oder in dem Land, in dem die Ware verwendet werden soil, geschehen. In Deutschland kann sie bei den Zolltechnischen Priifungs- und Lehranstalten (ZPLA, in Frankfurt, Miinchen, Berlin, Hamburg und Koln, je nach Warenart) beantragt werden, allerdings nur fur konkret in Betracht gezogene Handelsgeschafte, also nicht <nur so> (dies geht andererseits aus dem Antrag auf Tarifauskunft meist gar nicht hervor), Kosten ca. 30-50 Euro, je nach Aufwand aber auch bis zu 300,- Euro, Dauer durchaus ein paar 18 Beispiel ubernommen von H. P. Prejller-Hoft, AuEenwirtschaftsberater, Hamburg. 19 Beispiel: Urteil C-143/ 96 v. 9.12.97 zum Begriff des zerkleinerten Gemusepaprika i.S. der Unterposition 0904 20 90 KN. <?page no="518"?> 496 K Einfuhr Wochen (die zustandigen Stellen findet man unter www.zoll-d.de 20 . linker Frame, Praxishilfen). Sinnvollerweise sollte dem Antrag eine Probe oder ein Muster beigefugt werden, in • jedem Fall aber eine aussagekraftige Beschreibung, ggf. auch ein Foto der fraglichen Ware. Die Auskunft gilt nur fiir den Antragsteller, bindet aber alle EG-Zollbehorden unter sonst gleichen Voraussetzungen fur maximal sechs Jahre 21 fiir Einfuhren nach Erteilung der Auskunft, sofern nicht bestimmte Griinde vorher zu ihrer Ungiiltigkeit fiihren (z. B. Anderung der sonstigen Rechtslage). Fiir die Anwendung der Zolltarifauskunft muS sichergestellt werden, daf? die gestellte Ware der in der Tarifauskunft beschriebenen Ware in jeder Hinsicht entspricht. Eine Tarifauskunft kann gleichfalls fiir Ausfuhrwaren angefordert werden. Daneben besteht die Moglichkeit einer unverbindlichen Tarifauskunft, die auf Anfrage jede Zolldienststelle bzw. die Zoll-Lehranstalten (ZLA) erteilen. Bei einzelnen OFDen (Frankfurt/ M., Dortmund, Miinster) sind zudem Zentrale Auskunftsstellen fur unverbindlicbe Zolltarifauskiinfte eingerichtet worden. Diese stiitzen sich auf das computergestutzte - «Tarifierungsunterstiitzungs- und Suchsystem» (System TAUNUS). Grundsatzlich sollte in alien Zweifelsfallen, die den AuSenwirtschaftsbzw. Zollbereich betreffen, iiber die zustandigen Zolldienststellen oder Industrie- und Handelskammern eine Klarung oder Vermittlung an kompetente Stellen moglich sein. (Zyniker kolportieren die wahrheitswidrige Behauptung «1 Ware - 2 Zollner - 3 Meinungen».) PRAXISTIP Miindliche Auskilnfte sollte man schriftlich zusammenfassen und an die Zollstelle zuriicksenden. Sofern darauf keine Reaktion erfolgt, kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, daft die Auskunft im Zweifelsfall als verbindlich gewertet werden wiirde. K-2.3.1.4. Zollsatze Die im DGebrZT aufgefiihrten Zollsatze sind grundsatzlich Importzolle gegeniiber Drittlandem (Drittlandszolle), die im Rahmen der Meistbegiinstigung angewendet werden (MFN-Zollsatze: Most-Favoured-Nations-Zo\lsatze), sofern keine <besonderen Zollsatze> (Praferenzzolle) anzuwenden sind (Abb. K-2/ 8). 22 Die MFN-Z6lle iiben eine Schutzzollfunktion aus. Ggf. weist der Zolltarif auf (noch bestehende 23 ) Zollaussetzungen (A) und Zollkontingente (K) hin (vgl. unten). Die Inanspruchnahme besonderer Zollsatze bedarf des Nachweises, dafi die betreffenden Waren ihren Ursprung in den begiinstigten Drittlandern haben (Praferenznachweis). In Abschnitt K-3 gehen wir ausfiihrlich auf Warenursprung und Praferenzen ein. Die Anwendung eines giinstigeren Praferenzzollsatzes setzt die ordnungsgemaEe Uberfiihrung der Ware in den zollrechtlich freien Verkehr voraus. Entsteht die Zollschuld aus anderen Griinden, etwa weil die Ware aus der Zollaufsicht im Rahmen eines Versandverfahren entzogen wor- 20 Die zuvor verwendete umstandliche Adresse vyww.bundesfinanzministerium.de/ abteiliingm/ inHpY. html ist damit hinfallig. 21 Die EG-Kommission beabsichtigt, die Giiltigkeitsdauer der VZTA auf drei Jahre zu verkurzen. 22 Wir haben bereits erwahnt, da6 «most favoured" bedeutet, daS bei Existenz von Praferenzzollen faktisch der ungiinstigste Zollsatz angewendet wird. 23 Aufgrund der Ergebnisse der GATT-Uruguay-Runde werden mengenmafiige Einfuhrbeschrankungen schritrweise durch gestaffelte Zollsenkungen ersetzt (sog. «Tariffication»). <?page no="519"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 497 den ist, ist eine Praferenzgewahrung grundsatzlich nicht moglich; nur in Ausnahmefallen, die tendenziell das Nichtverschulden des Zollbeteiligten belegen, kann die entstandene Zollschuld im Sinne des Praferenzzolls u. U. erlassen bzw. erstattet werden. K-2.3.1.5. Zollfreistellungen Bei der Abfertigung von Waren zum freien Verkehr ist zu priifen, ob sie zu verzollen sind oder ob eine Zollfreistellung vorliegt (sog. Vorzugsbehandlung). Zollfreistellungen konnen auf tarifliche oder aufSertarifliche Griinde zuruckzufiihren sein. Diese Unterscheidung hat vor allem steuerliche Konsequenzen. (a) Tarifliche Zollbefreiung Bei einer tariflichen Befreiung sieht der Zolltarif fur bestimmte Verwendungszwecke («besondere Verwendung») im Vergleich zur normalen Verwendung vergunstigte Zolltarife vor. Dabei ist die EUSt allerdings in vollem Umfang zu entrichten. Die Verwendungsbegiinstigung ist von solchen Zollfreistellungen bzw. -vergunstigungen zu unterscheiden, bei denen der Warenursprung das Kriterium ist (z. B. bei Entwicklungslandern, vgl. Abschnitt K-3.3). Ein Beispiel fur die Anwendung eines niedrigeren Zollsatzes unter Verwendungsauflagen ist Papier fur den Zeitungsdruck: Sofern das eingefuhrte Papier nicht fur den Zeitungsdruck verwendet wird, sondern anderen Verwendungen zugefuhrt wird, z. B. fur den Buch- oder Kalenderdruck, ist ein hoherer Zollsatz anzuwenden, auch nachtraglich. Die Verwendung steht also unter zollamtlicher Uberwachung. Die begiinstigte Verwendung mufi schriftlich beantragt werden. Die Frist zur begiinstigten Verwendung betragt iiblicherweise ein Jahr. Bei tariflichen Zollfreistellungen weist der Zolltarif in der Warenlinie einen Zollsatz von Null aus («frei» in Abb. K-2/ 8). Dies kann grundsatzlich gelten oder ein Praferenzzollsatz sein wie bei Rohstoffeinfuhren aus AKP-Landern oder im Rahmen von Freihandelsabkommen. Zolltarifliche Begiinstigungen verfolgen demnach okonomische Ziele wie die Handelsforderung oder die Sicherung der Rohstoffversorgung oder auch entwicklungspolitische Ziele. Dabei sind zwei Formen zu unterscheiden: Bei Zollaussetzungen werden ermaEigte oder Nullzollsatze vorubergehend angewendet, d. h. zeitlich befristet, meist fur die Dauer eines Jahres, weil ein temporarer Bedarf einen Verzicht auf den Schutzzoll nahelegt. Dabei bestehen aber keine mengenmaEigen Einfuhrbeschrankungen; es handelt sich also nicht um Kontingente. Die Zollaussetzung kann allgemein gelten oder auf bestimmte Ursprungslander beschrankt sein. Bei (Zoll)Kontingenten hingegen ist die Zollbegiinstigung (Zollfreistellung oder Praferenzzoll) auf ein mengen- oder wertmaSig definiertes und zeitlich befristetes Kontingent begrenzt; ist das Kontingent erschopft, werden wieder die normalen Drittlandszollsatze angewendet (vgl. Abschnitt K-2.1.3 allgemein zu Kontingentverfahren). Tarifliche Zollfreistellungen bzw. Praferenzzolle haben grundsatzlich keinen EinfluS auf die Erhebung der anderen Einfuhrabgaben, d. h. unbeschadet der ZoUfreiheit konnen z. B. EUSt oder Verbrauchsteuern zu entrichten sein. Die Zollbehorden miissen von sich aus priifen, ob die Einfuhrwaren nach dem Zolltarif oder aus anderen Griinden einfuhrabgabenfrei sind; der Einfuhrer hat einen Rechtsanspruch darauf (das war nicht immer so). <?page no="520"?> 498 K Einfuhr (b) AuRertarifliche Zollbefreiung Bei aufiertariflichen Zollbefreiungen wird auf die Zollerhebung verzichtet, obgleich im Zolltarif ein Zollsatz ausgewiesen ist. Dies geschieht u. a. fur Heiratsgut, Umzugsgut, Erbschaftsgut, Diplomatengut, Treib- und Schmierstoffestoff in Kraftfahrzeugen (aber nur in serienmaSigen Tanks und iiblichen Reservekanistern), fur bestimmte wissenschaftliche und kulturelle Zwecke, fur Test- und Untersuchungszwecke, aus humanitaren Griinden (Katastrophenhilfe), aus kulturellen Griinden (Erwerb von Kunstschatzen), im Reiseverkehr (bis zu bestimmten Hochstgrenzen, 24 zur Verwaltungsvereinfachung (Grenzverkehr), etc. Grundsatzlich handelt es sich dabei um Motive, die keinen EinfluG auf den Wettbewerb und fiskalisch geringe Bedeutung haben, und ist mit einer vollstandigen Befreiung von alien Abgaben (auch Steuern) verbunden. Es ware wenig verstandlich, wenn Sanitatszelte im Rahmen von Katastrophenhilfe zwar zollfrei eingefuhk werden diirften, gleichwohl aber EUSt zu entrichten ware. Die Zollstelle muf? die aufsertariflichen Zollbefreiungen nach der Zollbefreiungs-VO, die der Anmelder moglicherweise gar nicht kennt und die Ware daher in Unkenntis zur Einfuhrabfertigung anmeldet, von Amts wegen priifen. Ggf. konnen dennoch gezahlte Einfuhrabgaben nachtraglich erstattet werden. Eine auEertarifliche Zollbefreiung kann auch fur Riickwaren gewahrt werden: Wenn Gemeinschaftswaren aus dem Zollgebiet ausgefiihrt worden sind, aber unverandert wieder eingefuhrt werden, konnen sie von den Einfuhrabgaben befreit werden. Dies kann z. B. der Fall sein bei Mangelriigen, wenn der Exporteur die gelieferten Waren zurucknehmen muE (vgl. Abschnitt K-1.6), oder wenn z. B. Eisenbahnwaggons, LKW oder Container in einem Drittland voriibergehend verwendet worden sind. Riickwarenverbringung ist kein besonderer Zollverkehr, sondern eine Variante der Abfertigung zum freien Verkehr. Die Zollanmeldung ist dabei zu erganzen durch eine spezielle Riickwarenerklarung. Riickwaren sind abzugrenzen gegen Waren, die im Rahmen passiver Veredelungsverkehre wieder in das Zollgebiet verbracht werden (vgl. Abschnitt L-5.4). Sie miissen daher bestimmte Voraussetzungen erfullen: • Die Ware muf? aus dem Zollgebiet der EG ausgefiihrt worden sein (ggf. Vorlage der Ausfuhranmeldung), • die Namlichkeit ist nachzuweisen (sofem bereits bei der Ausfuhr die Wiedereinfuhr abzusehen ist, kann bereits bei der Ausfuhr ein Namlichkeitsnachweis erstellt werden; Formblatt INF-3), • die Riickverbringung muS innerhalb von drei Jahren erfolgen (Marktordnungswaren innerhalb von 12 Monaten), • der Wiedereinfuhrer muE mit dem Ausfuhrer identisch sein, • die Waren miissen in unverandertem Zustand zuriickgebracht werden: Sie diirfen zwar verwendet, nicht aber behandelt worden sein, d. h. es darf keine Wertsteigerung erfolgt sein (andernfalls ware ein passiver Veredelungsverkehr zu beantragen). 24 Dariiberhinaus kann abweichend von den individuellen Satzen im Zolltarif eine Pauschalierung vorgenommen werden, indem z. B. einheitlich auf alle eingefuhrten Waren 10 % erhoben werden. Dies dient der verwaltungstechnischen Vereinfachung. 25 Transaktionswert bei nicht verbundenen Unternehmen (Art. 29 ZK), Transaktionswert bei verbundenen Unternehmen (Art. 29 ZK); die iibrigen haben wenig praktische Bedeutung: Transaktionswert fur gleiche Waren (Art. 30 ZK), Transaktionswert fur gleichartige Waren (Art. 30 ZK), deduktive Methode (Art. 30 ZK), Methode des errechneten Wertes (Art. 30 ZK), SchluGmethode (Art. 31 ZK) (bei Geschenken, Mustern, entspricht einer Schatzwertmethode). <?page no="521"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 499 K-2.3.2. Zoilwert Die EU verfolgt als Zollunion eine gemeinsame (harmonisierte) Zollpolitik; das Zollrecht gilt daher fiir alle Mitgliedsstaaten gemeinsam. Dadurch unterliegt z. B. eine Wareneinfuhr, die in Rotterdam abgefertigt ist, zollrechtlich denselben Vorschriften und Belastungen wie in Hamburg. Zur Ermittlung der Hohe der Einfuhrabgaben (Zolle, Einfuhrumsatzsteuer, Verbrauchsteuern, Abschopfungen), die sich als Prozentsatze bestimmen, miissen die Bemessungsgrundlagen definiert werden. Die Darstellung beschrankt sich hier auf den Zoilwert und den EUSt-Wert. Auf verbrauchsteuerrechtliche Aspekte kann nicht naher eingegangen werden, da die Vielzahl der Verbrauchsteuern den Rahmen sprengen wiirden. Allgemein kann aber gesagt werden, dafi eingefuhrte Waren verbrauchsteuerrechtlich genauso behandelt werden wie Inlandsware. Der Zoilwert ist von Bedeutung fur Waren, die Wertzollen unterliegen (in Abgrenzung zu spezifischen Zollen z. B. pro Snick oder pro Gewichtseinheit, vgl. Abschnitt K-2.1.2). Der Zoilwert ist die Berechnungsgrundlage, auf den der entsprechende Zollsatz angewendet wird: Wenn der Zollsatz z. B. 5 % betragt, stellt sich die Frage: wovon? Je hoher der Zoilwert als BezugsgrofSe ist, desto hoher ist logischerweise auch die absolute Belastung eines Importgutes durch Zolle und ggf. andere Abgaben. Der Zoilwert kann nicht immer ohne weiteres aus der Handelsrecbnung abgeleitet werden, da diese u. a. auch von den Lieferbedingungen abhangt und u. a. die Kosten von Dienstleistungen wie Transport oder Versicherung (z. B. CIF oder FOB, Abschnitt G-2) enthalten kann - oder auch nicht; ferner kbnnen Lieferant und Einfiihrer z. B. als «Mutter und Tochter» konzemmafiig verbunden sein, so daS der Rechnungspreis nicht automatisch der Marktpreis sein muS; aufserdem konnen start eines Kaufvertrages u. a. kostenlose Lieferungen (Schenkungen), Leasing- oder Mietvertrage, Leih- oder Tauschvertrage vorliegen, usw. Besondere Probleme bereiten Sammlerstiicke. PRAXISTIP Bei Tochter-Mutter-Beziehungen konnen steuerliche Probleme entstehen, wenn der Lieferpreis nicht marktgerecht ist und eventuell als verdeckte Gewinnausschiittung eingeordnet werden kann. Sofern unterschiedliche Verfahren bei der Bestimmung des Zollwertes angewendet werden konnten (z. B. hinsichtlich der Beriicksichtigung oder des Ausschlusses einzelner Komponenten in bzw. aus dem Zoilwert), wiirden sich unterschiedliche Wirkungen ergeben. Der am 1.1.1994 in Kraft getretene EG-Zollkodex hat inhaltlich die Methoden zur Zollwertermittlung iibernommen (dort: ZK-Abschnitt 3), die im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) als «Ausfiillung» des Art. VII als vereinheitlichender Zollwert-Kodex beschlossen worden waren und die nach dem Ubergang zur WTO nunmehr fur alle WTO-Mitglieder Giiltigkeit haben. Der Zoilwert ist bei der Zollanmeldung vom Einfuhrer anzugeben, in der gewerblichen Praxis von einem Warenwert ab 5000 ECU auf einem speziellen Formblatt D.V.I (DV = Declaration of Value). Diese Angabe gilt als Steuererkldrung und ist sofern sie unrichtig ist von buEgeld- oder strafrechtlichen Konsequenzen bedroht. Je nach Art des Einfuhrfalles sieht der Zollkodex insgesamt sieben unterschiedliche Methoden zur Ermittlung des Zollwertes vor. 25 Die Darstellung beschrankt sich hier auf die gebrauchlichste Variante des <?page no="522"?> 500 K Einfuhr Transaktionswerts bei nicht verbundenen Unternehmen (Art. 29 ZK), die in iiber 90% aller Falle zutrifft. Nur wenn diese Hauptnorm nicht anwendbar ist, wird in absteigender Folge eine der iibrigen Zollwertnormen angewendet. K-2.3.2.1. Ermittlung Zollwert ist danach der sog. Transaktionswert der einzufuhrenden Ware. Dieser ist entspricht dem Kaufpreis, der vom Kaufer tatsachlich gezahlt oder zu zahlen ist. Ob der zu zahlende Preis marktiiblich ist oder nicht, ist dabei unerheblich. Nach dieser sog. Hauptnorm werden rund 90 % aller Einfuhren behandelt. Wenn aber der Preis z. B. durch die Verbundenheit der Beteiligten beeinflufst wurde (Mutterunternehmen liefert zu Vorzugspreisen an Tochterunternehmen) oder in anderen, hier nicht auszufuhrenden Fallen (z. B. bei Geschenken), ist durch andere Verfahren der zugrundezulegende Wert durch die Zollstelle zu ermitteln, z. B. bei kostenlosen Einfuhren durch Anwendung des Transaktionswertes bei Einfuhren gleicher oder gleichartiger Ware. Die folgende Darstellung ist leicht verkiirzt (a) Tatsachlicher Kaufpreis Fur den Zollwert ist also zunachst der tatsachlich gezahlte oder zu zahlende Netto-Preis heranzuziehen, ggf. unter Beriicksichtigung von Skonti, Rabatten oder Preisnachlassen aufgrund von Qualitatsmangeln (sofern sich diese auf die eingefiihrte Ware und nicht etwa auf andere Einfuhren beziehen). Ein PreisnachlaS fur verspatete Lieferung ware daher nicht anzuerkennen, weil sich der Nachlaf? nicht aus der Ware, sondern anderen Faktoren ableitet. Geteilte Rechnungen (15% Anzahlung oder so) werden zusammengefaSt. Handelsiibliche Skontomoglichkeiten konnen abgesetzt werden, unabhangig davon, ob sie tatsachlich in Anspruch genommen werden (konnen), denn dies steht zum Zeitpunkt der Zollwertermittlung oft noch nicht fest. Der tatsachliche Preis ist dann ggf. durch Hinzurechnungen oder Abziige zu berichtigen (hierzu gleich). Preise bzw. Kosten, die auf auslandische Wahrung lauten, sind auf der Basis eines amtlichen Monats-Durchschnittskurses umzurechnen. Hierbei gilt der EZB-Referenzkurs (vgl. Abschnitt H-4.2.2) des vorletzten Mittwochs eines Kalendermonats fur den gesamten folgenen Monat, sofern nicht groSere Kursschwankungen eine veranderte Festlegung erfordern. Dies gilt auch fur Zahlungen, die bereits vorher erfolgt sind. Nicht notierte Wahrungen werden auf der Basis des letzten Kurses umgerechnet, der von Kreditinstituten fur Handelsgeschafte mit der betreffenden Ware angewendet wurde. Sofern feste Umrechnungskurse vertraglich vereinbart wurden, werden diese herangezogen. (b) Hinzurechnungen Der Zollwert wird faktisch auf cif-Basis ermittelt, d. h. verkiirzt incl. aller Beforderungs- und Versicherungskosten und sonstigen Nebenkosten 26 bis zum Ort des Verbringens in das Zollgebiet der EG. Dies ist vereinfacht der Wert der Ware frei EG-Grenze, unabhangig davon, ob die tatsachlichen Lieferbedingungen dies so regeln oder eine andere Klausel bein- Fracht-, Lade- und Umlade-, Behandlungs-, Versicherungskosten, Kosten fur das Ausstellen von Frachtpapieren, fur die Benutzung von Beforderungsmitteln, von Schutzabdeckungen, Grenzabfertigungs- und Zollabfertigungsgebiihren im Exportland, etc. <?page no="523"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 501 halten, und unabhangig davon, ob diese Positionen auf der Lieferrechnung enthalten oder anders ausgewiesen sind (Art. 32 ZK). Zum Nettopreis sind daher ggf. folgende Positionen hinzuzurechnen (sofern sie nicht schon im tatsachlichen Kaufpreis enthalten sind): 1. Hinzuzurechnen sind Kosten, die neben dem Preis fur den Kaufer entstanden sind und gesondert berechnet werden, z. B. Provisionen, Courtagen und Maklerlohne (aufier Einkaufsprovisionen; vgl. unten C) sowie Kosten der Umscblieflungen («Behaltnisse»; z. B. Containermiete) oder Verpackungskosten. Eine Einkaufsprovision wird nicht in den Zollwert eingerechnet, wenn der Agent als Einkaufskommissionar fur Rechnung des Einfuhrers beim Kauf der Importware tatig geworden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Agent die Transaktion als unmittelbarer Stellvertreter (in fremdem Namen) oder als mittelbarer Vertreter (in eigenem Namen) vermittelt hat. Eine Einkaufsprovision kann leicht als Verkaufsprovision gewertet werden, wenn faktisch Aufgaben des Herstellers (Verkaufers) geleistet werden, und geht dann in den Zollwert ein. BEISPIEL Eine Einkaufsgesellschaft in China ubemimmt die Auswahl von Lieferanten, die Weiterleitung von Bestellungen, die Qualitatskontrolle, die / \usfuhrabwicklung nach Deutschland und die Transferierung des Kaufpreises an den Hersteller. Moglichkeit A: Verkaufspreis des Herstellers Einkaufsprovision der Einkaufsgesellschaft Grundlage fur den Zollwert Moglichkeit B: Verkaufspreis des Herstellers Verkaufspreis der Einkaufsgesellschaft Grundlage fur den Zollwert 100 10 100 100 110 110 Hinzuzurechnen sind ferner: 2. der Wert von Gegenstanden und Leistungen, die dem Verkaufer vom Kaufer unentgeltlich oder zu ermafligten Preisen im Zusammenhang mit der Herstellung oder dem Verkauf der einzufuhrenden Waren geliefert wurden bzw. werden (einerlei, ob es sich um Gemeinschaftsware handelt oder nicht) (vgl. Euro 2000,unten in Abb. K-2/ 10). Diese Vorleistungen des Kaufers sind in den einzufuhrenden Waren enthalten oder wurden bei der Herstellung verwendet (z. B. Chemikalien oder Gufiformen), aber auch Know-How, das aufierhalb der EG erarbeitet wurde (z. B. Konstruktionsplane werden zur Verfugung gestellt). (Will man solche Hinzurechnungen vermeiden, ware ggf. ein passives Veredelungsverfahren eine Alternative); 3. Lizenzgebiihren, die der Kaufer fur die eingefuhrten Waren zu zahlen hat (z. B. Nutzungs- oder Urheberrechte, Warenzeichen) (aul? er Gebiihren fur das Recht zur Vervielfaltigung der eingefuhrten Waren, die nicht hinzuzurechnen sind). Es mu6 ein direkter Bezug zur eingefuhrten Ware bestehen, so daf? fur Lizenzentgelte, mit denen keine Wareneinfuhr verbunden ist, kein Zollwert ermittelt werden kann; <?page no="524"?> 502 K Einfuhr 4. Erlose aus Weiterverkdufen der eingefuhrten Waren, die dem Verkaufer zugute kommen (auch hier mul? ein direkter Bezug zur Importware bestehen, so dafi u.a. allgemeine Gewinnbeteiligungen nicht hinzuzurechnen sind) (z. B. erhalt der Verkaufer zum erzielten Verkaufspreis noch 3 % aus dem Weiterverkaufspreis); 5. Beforderungskosten (Fracht-, Lade- und Umlade-, Behandlungs-, Versicherungskosten, Kosten fur das Ausstellen von Frachtpapieren, fur die Benutzung von Beforderungsmitteln, von Schutzabdeckungen, Grenzabfertigungs- und Zollabfertigungsgebuhren im Exportland, etc.) bis zum Ort des Verbringens in das Zollgebiet der EG ein sehr wicktiger Posten (Feld 17 der Zollanmeldung). Die Beforderungskosten miissen ggf. aufgeteilt werden in Kosten bis zum Ort des Verbringens in die EG und daran anschliefiende - Kosten bis zum endgiiltigen Bestimmungsort in der EG (Abb. K-2/ 9). Die Lieferklauseln CFR, CIF, DES und DAF sehen z. B. Lieferung zum Ort des ersten Verbringens in das Zollgebiet vor, sind also fur die Zollwertberechnung meist unproblematisch. Bei alien iibrigen Lieferbedingungen muG der Rechnungspreis korrigiert werden, um faktisch «CIF Verbringungsort» zu erhalten: entweder durch Hinzurechnung anteiliger Kosten (z. B. bei E- und F-Klauseln) oder durch Verminderung (z. B. bei CPT, CEP und D-Klauseln). Abb. K-2/ 9: Aufteilung der Beforderungskosten D R I T T L A N D Versendungsort o Hongkong E G Ort des Bestimmungs- Verbringens ort in das Zollgebiet o • o Marseille Koln zum Zollwert zum EUSt-Wert Bei Frachtkosten ist die Aufteilung meist problemlos, da sich diese oft aus Entfernungstarifen ableiten und vom Spediteur entsprechend rechnungsmaSig gesplittet werden konnen. Problematisch kann es bei Versicherungskosten sein, die oft die gesamte Strecke zwischen Absende- und Bestimmungsort abdecken und nicht verniinftig <bis zum Ort des Verbringens> aufzuteilen sind. Sie werden dann obgleich dies strittig ist voll dem Zollwert zugerechnet. 27 Auch im Postverkehr zahlt das Porto in voller Hohe zum Zollwert, weil eine Aufteilung weder moglich noch iiberhaupt okonomisch sinnvoll ware. Der Ort des Verbringens ist im Seeverkehr der Entladehafen, ggf. auch der Umladehafen, wenn die Ware in einen anderen EG-Hafen verbracht wird. Die Umladung mufS von der Zollstelle im Umladehafen bestatigt werden. Beim direkten Ubergang vom Seein den Binnenschiffahrtsverkehr, z.B. von Rotterdam nach Duisburg, gilt «der erste fur das Entladen 27 Allerdings handelt es sich dabei vergleichsweise meist um geringe Betrage, so daG eine miihsame Aufsplittung ineffizient ware. Vgl. auch weiter unten zur EUSt-Berechnung. <?page no="525"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 503 in Betracht kommende Hafen» hier Rotterdam als Ort des Verbringens (an dem man aber getrost vorbeifahren kann, er gilt nur rechnerisch). Im Landverkehr (LKW, Bahn) ist der Ort des Verbringens die politische Gemeinde der ersten Zollstelle nach Verbringen der Ware in das Zollgebiet. Im Luftverkehr ist grundsatzlich der Ort des Verbringens der Ort, an dem die Landgrenze der EU iiberflogen wird. Da dies im Einzelfall schwer zu ermittlen ware, werden in der Praxis Listen verwendet (Anhang zur ZK-DVO), die fur die verschiedenen Abflug- und Bestimmungsflughafen die anzusetzenden Prozentsatze ausweisen. Beispielsweise gehen bei einer Luftfrachtrechnung New York-Frankfurt/ M. 66% der Frachtkosten in den Zollwert ein, d. h. 34% werden als innergemeinschaftlicher Transport herausgerechnet, bei einem Import aus Taiwan iiber Stuttgart werden 81 % der Luftfracht als Transportkosten aufierhalb der EG gewertet und in den Zollwert einbezogen, bei Vietnam via Hamburg waren es 75%, etc. PRAXISTIP Interessante Fragen • Wo werden die Einfuhrabgaben im • Eingangsfrachten? • Auf die Ware? • Margenmindemd? fur die Kostenrechnung Controlling gebucht? sind: Die moglichen Hinzurechnungen werden von der Zollstelle von Amts wegen beriicksichtigt, im Gegensatz zu den nachfolgenden Abziigen, die der Zollwertanmelder von sich aus geltend machen muf>. (c) Abziige Abziige vom zu zahlenden Kaufpreis als Basis des Zollwertes ergeben sich nach Art. 33 ZK fur folgende Positionen nur, sofern diese in (A) enthalten sind (beispielsweise bei der Lieferbedingung DDU - «geliefert unversteuert frei Haus», vgl. Abschnitt G-2.2): 1. ab dem <Ort des ersten Verbringens in das Zollgebiet> (wenn diese, wie gerade ausgefuhrt, getrennt ermittelt werden konnen); 2. Zahlungen fur Bau, Montage, Instandhaltung etc. nach der Einfuhr (sie miissen aber getrennt vom Rechnungspreis ausgewiesen werden); 3. Zinsen fur einen Kredit, die der Importeur an den Verkaufer zu zahlen hat; 4. Zahlungen fiir Vervielfdltigungsrechte; 5. Einkaufsprovisionen, weil sie im Gegensatz zu den unter (B) aufgefuhrten Maklerprovisionen nicht mit der Herstellung bzw. Bereitstellung der Ware zusammenhangen, z. B. Auswahl von Lieferanten, Qualitatskontrolle, Ausfuhrabwicklung. (Die Differenzierung ist nicht recht plausibel, denn manche Position kann genauso als Verkaufsaktivitat interpretiert werden, wenn faktisch Aufgaben des Verkaufers iibernommen werden, und dann mufiten sie dem Zollwert zugerechnet werden: Vgl. unser obiges Beispiel. Sei's also drum.); 6. Steuern und andere Einfuhrabgaben, die in der Europaischen Gemeinschaft wegen der Einfuhr zu zahlen sind; 7. Kosten fiir die Lagerung in Zollagern oder Freizonen. Diese Abziige kann der Zollwertannmelder geltend machen, von Amts wegen findet in dieser Hinsicht im Gegensatz zu den Hinzurechnungen keine Berichtigung start. <?page no="526"?> 504 K Einfuhr Abb. K-2/ 10: Zollwertberechnung V e r m e r f c e d t r Z o H a t e l l e A. Gtundlage der Berechnurtg 1 1 (a) N e M o p r e i a i n d e f R E C H N U N G S W A H R U N G fT»r»*ch4ich geimWte* Prei» octet Preit im ma&gebenden Bewftun^fWpunki) U S D NettopreiB N A T r O N A L E R W A H R U N G __ tUmrechnungakura L » 9.1A1.. > lb) MitteJbare Z a h l u n g e n ( « • * • F M «b) ( U mr e chnung a kur e - ) 29_..7G.Q_, 30.106,43 1 2 S u m m e A in N A T I O N A L E R W A H R U N G EUR 30.106,43 B. H1NZU- R E C H N U N G E N : Kostenin NATK> NALER W A H - R U N G , dio NfCHTin enthorten Bind') Gegebenenfafts NAC H - STEHEND Iruhere Zottentacheidungenhierzu engeben 1 3 K o s t e n , di e fOr d e n Kfiufer e n t s t a n d e n aind (a) Prqvisionen ( a u s g e n o m m e n Einteufsprovisionen) (b) M aklerlohne (c) UmschReftungen u n d V e r p a c k u n g 1 4 G e g o n s t a n d e Oder L e istu n g e n , die v o m Kaufer unent geltlich o d e r zu e i m a B i g t e n Preisen fur di e V e r w e n d u n g tm Z u s a m m e n h a n g mrt d e r H e r t t e ll u o g u n d d e m Verkauf zur Ausfuhr d e r eingefOhrten W a r e n geliefert warden D i e aufgefuhrten W e r l e sind ggf. e n t a p r e c h e n d aufgeteilt. (a) In d e n eingefOhrten W a r e n e n t h a h e n e M aterialien, B esta ndteile und d e r g l e ic h e n (b) Bei d e r H eratellung d e r eingefOhrten W a r e n verw e n d e t e W e r k z e u g e , G u 6 f o r m e n _ u n d d e rgl e tch e n (c) Bei d e r H e rst ellung d e r eingefOhrten W a r e n verbr a ucht e Materialien {d) Ftir die HerateHung der etngefUhrten Waren notwendige Techniken, Entwicuungen, Entwurfe, Plane und Skizzen, die auBerhalb der Gemeinechaft erarbeitet wurdan 1 5 LizenzgebOhren (tier* F+td »•] 1 6 E T M M aus Weitetverkaufan, aonettgen Ubertaaaungen Oder Vecwendungen, die dem Verkaukv zuguto komman (war* Few 6b) 1 7 Lieferungakoaten bis (On<iMV*rUr>g«r*) USD 969,65 x UK 1,0137 x 81% (a) Beforderung (b) L a d e k o a t e n und B e h a n d t u n g s k o s t e n (c) V ereichenjng 0 , 7 5 %0 2 . 0 0 0 , - 774,81 2 2 5 , 7 1 C. ABZUGE Kosten in NATIO- NALER W A H - RUNG, die N I A E N T - HALTEN s m d ' ) 1 9 Beforderungskoeten n a c h Ankunft a m O f t d e s V erbringena 2 0 Zahkingen (Or den Bau, die Errichtung, Montage, InstandhaHung oder techntsche UnterstUtzung nach der Einfuhr 2 1 A n d or e Z a h l u n g e n (An) 2 2 Z<e und S t e u e m , die in d e r G e m e i n s c h a ft w e g e n d e r Einfuhr oder d e s Verkaufs d e r W a r e n zu zahlen aind 2 4 A N G E M E L D E T E R W E R T {A + B - C ) 33.107,04 ' ) W e n n B e t r a g e in A U S L A N D I S C H E R W A H R U N G zu zahlen sin d , hier d e n B e tr a g in auslandischer W a h r u n g u n d d e n U m r e c h n u n g a k u r s unter B e z u g auf j e d e W a r e und Zeile a n g e b e n . B e z u g B e t r a g U m r e c h n u n g s k u rs ZusM zlldM Angaben <?page no="527"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 505 Auf den Zollwert (A + B - C) ist als nachster Schritt dann der entsprechende Zollsatz anzuwenden (Abb. K-2/ 10). Der Zollwert wiederum wird bei der Ermittlung des EUSt-Wertes herangezogen. Vgl. dazu Abschnitt J-6.2. K-2.3.2.2. Besonderheiten Bei der Einfuhranmeldung miissen Angaben iiber den Zollwert gemacht werden (Felder 46 und 47 des Einheitspapiers). Bei einem Warenwert von mehr als 5.000 Euro ist eine gesonderte Zollwerterklarung gemaE Abb. K-2/ 10 (Declaration of Value, D.V.I) abzugeben. Fur die Zollwertbestimmung wird der Preis herangezogen, den der in der D.V.I angemeldete Kaufer zu zahlen hat. Dies ist insbesondere von Bedeutung bei sog. Kauferketten, bei denen eine Ware mehrmals den Eigentumer wechselt, bevor sie ins Zollgebiet verbracht wird. Die Angaben iiber den Zollwert konnen auEer vom Kaufer der Ware (Einfuhrer) auch von anderen Personen gemacht werden, sofern sie alle fur die Zollwertbestimmung malSgeblichen Unterlagen vorweisen konnen. Die Ermittlung des Zollwertes kann auch aus anderen Griinden als den bisher erwahnten zu unterschiedlichen Auffassungen seitens des Zollbeteiligten und der Zollbehorde fiihren. Durch den in der Praxis weitgehenden Verzicht auf die Zollbeschau werden Warenmangel oft nicht bei der Zollabfertigung, sondern erst verspatet festgestellt. Sofern der Einfuhrer feststellt, daE z. B. aufgrund von Beschadigungen der Warenwert objektiv nicht mehr dem Rechnungspreis entspricht, sollte er versuchen, innerhalb der Frist von 20 Tagen, die ihm zwischen summarischer ZoUanmeldung bzw. Gestellung und ZoUantrag gewahrt ist, durch Vereinbarung mit seinem Lieferanten eine herabgesetzte Rechnung zu erhalten und der Zollstelle vorzulegen. Andernfalls muS der Zoll auch fur mangelbehaftete Ware nach dem normalen Tarif berechnet werden; Herabsetzungen der Zollschuld bedingen dann (insgesamt umstandlicher) eine Berichtigung des Zollwerts durch die Zollstelle bei Nachweisen des niedrigeren Wertes und entsprechende Erstattungs- oder Erlajiverfabren. Gegenstand eines Rechtsstreits war die Zollwertbestimmung bei gefrorenem Rindfleisch. Dabei war die Frage strittig, ob ausgetretener Fleischsaft (Blutwasser) zum Zollgewicht der Ware gehort. Im konkreten Fall wurde entschieden, daE angefrorener Fleischsaft als Teil des Gefrierblocks zum Zollgewicht gehort, nicht hingegen ausgetretener flussiger Fleischsaft, der mit der Verpackung vernichtet wird (strenggenommen ist das kein Problem der 'Wert-, sondern der Mewgenermittlung und damit des Zollbefundes). Details aus dem Ausland: In Pakistan wurden feste Zollwerte fur rd. 15.000 Positionen des Zolltarifs festgesetzt, um dem MiEbrauch von Unterfakturierungen entgegenzuwirken. In Vietnam wurden bei bestimmten Waren Mindestpreise fur die Zollwertbemessung festgesetzt, wenn die im Kaufvertrag angefuhrten Preise im Vergleich nicht als angemessen angesehen werden bzw. wenn die Preise unter den Mindest-Preisen liegen. Auch dabei wird der CIF-Wert angesetzt. K-2.3.3. EUSt-Wert Die Bemessungsgrundlage der Einfuhrumsatzsteuer ist der EUSt-Wert. Er ergibt sich (vereinfacht 28 ) als Summe aus: Das Berechnungsschema ist in Abschnitt J-6.2 ausfuhrlicher dargestellt. <?page no="528"?> 506 K Einfuhr Zollwert + Zoll, Abschopfung, Verbrauchsteuern auSer EUSt + Beforderungs- und Versicherungskosten bis zum Bestimmungsort im Einfuhrland = EUSt-Wert BEISPIEL Zollwert + Zoll (7% auf den Zollwert) + Beforderungskosten innerhalb der EG = EUSt-Wert davon 16% Gesamte Einfuhrabgaben also 2.317,49 Zoll + 5.717,59 EUSt 8.035,08 Euro Der beim Zollwert gerade herausgerechnete Teil der Transportkosten unterliegt natiirlich der deutschen EUSt, analog zur MWSt. Daher ist es meist auch nicht so tragisch, wenn die Versicherungskosten fur den Zollwert nicht gesplittet werden konnen, denn sie unterliegen in jedem Fall ganzlich der EUSt. Die Tatsache, daE die Einfuhrabgaben (Zolle, Abschopfung, Verbrauchsteuern) in den EUSt-Wert einbezogen sind, ist oft schwer einzusehen, denn dies bedeutet die Besteuerung von Steuern, hat aber den Sinn, den Wareneinfuhrwert zu besteuern, der sich bis zur Verfugbarkeit an der Grenze ergeben hat, und dazu zahlen eben auch Einfuhrabgaben. Sofern (steuerrechdich) eingefiihrte Ware keinem Wertzoll unterliegt (z. B. bei Warenbewegungen innerhalb der EG), wird die EUSt vom Entgelt (Preis) erhoben. Die EUSt ist fur die Einfuhrunternehmen ein durchlaufender Posten, da sie gemaS § 15 UStG als Vorsteuer von der an das Finanzamt abzufiihrenden Umsatzsteuerschuld abgezogen werden kann. Eine kostenmafiige Belastung des Importeurs stellen daher nur Zolle und ggf. Verbrauchsteuern dar. K-2.3.4. Exkurs: Reiseverkehr (1) Innerhalb der EG konnen Waren ohne mengen- oder wertmafSige Beschrankungen ein- oder ausgefiihrt werden; dies gilt sowohl fur den gewerblichen Bereich als auch fur den Reiseverkehr. 29 Im Reiseverkehr werden keine Einfuhrsteuern erhoben, sofern die Waren aus dem freien Verkehr der EG stammen und fur den personlichen Bedarf bestimmt sind. Im Gegensatz dazu sind im gewerblichen Warenverkehr steuerliche Bestimmungen zu beachten. Grundsatzlich sind Reisemitbringsel in dem Land zu versteuern (Mehrwert- und Verbrauchsteuern), in dem sie erworben werden (Ursprungslandprinzip), wahrend im gewerblichen Bereich vom Bestimmungslandprinzip ausgegangen wird und die Waren dort anzumelden und zu versteuern sind, wo sie ge- oder verbraucht werden. Um den privaten Reiseverkehr vom gewerblichen Bereich abzugrenzen, wird auch im 33.107,04 2.317,49 310,40 35.734,94 = 5.717,59 EUSt 29 Warensendungen zwischen Privatpersonen werden analog zu Reisemitbringseln behandelt. <?page no="529"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 507 Binnenmarkt neben anderen Kriterien ein Mengenkatalog verwendet, der die Mengen an Tabakwaren und alkoholischen Getranken (incl. Bier! ) auflistet, die steuerfrei eingefiihrt werden diirfen. Grofsere Mengen sind ein Anzeichen fur eine gewerbliche Bestimmung und konnen dann der Steuerpflicht im Bestimmungsland unterliegen. Die Steuerfreiheit fur Waren bei Reisen innerhalb der Europaischen Union besteht nicht mehr. Das bedauern Betreiber und Kunden der zahlreichen Duty-Free-Shops, deren Angebot in dieser Hinsicht nur noch bei Reisen in Drittlander spiirbare Preisvorteile umfafit (meist). Fur die Kanarischen Inseln, die britischen Kanalinseln, die franzosischen uberseeischen Departements und einige andere Reiseziele gelten gunstigere Sonderbestimmungen, da sie zwar zum Zollgebiet, nicht aber zum Steuergebiet der EG gehoren. Daher werden Sie bei der Riickkehr aus Teneriffa kontrolliert, nicht aber, wenn Sie aus Mallorca kommen. (2) Bei der Ausreise zu einer Urlaubsreise aufierhalb der EU werden Sie normalerweise keinen Kontakt mit deutschen Zollbeamten haben; lediglich der Bundesgrenzschutz wird Ihre Personalpapiere checken. Nur in Ausnahmefallen wird der Zoll uberpriifen, ob bestimmte Verbote und Beschrankungen bei der Ausreise eingehalten sind, beispielsweise im Hinblick auf Waffen, Rauschgift oder Falschgeld. Denken Sie aber daran, dafi auch viele Urlaubslander strikte Einreisebestimmungen haben, u. a. bezuglich Lebensmitteln, Tieren und Pflanzen (beispielsweise die USA oder Ecuador), und vor allem bei Devisenvergehen, Waffen und Rauschgift teilweise extreme Strafen bis hin zur Todesstrafe androhen, und das ist meist keine leere Drohung. Nehmen Sie daher die Warnhinweise ernst, die Ihnen nahelegen, immer Ihr Gepack zu beaufsichtigen, damit man Ihnen nicht etwas <unterschiebt>, und dies gilt fur die Hin- und Riickreise. PRAXISTIP Wenn Sie Waren mit sich fiihren, die Ihnen bei der Wiedereinfuhr Probleme schaffen konnten - Juwelen, hochwertige Sportgerate, Kleidungsollten Sie sich die Ausfuhr aus der EG bestatigen lassen. Andemfalls mussen Sie bei der Ruckkehr ggf. nachweisen, daft das Snowboard nicht vielleicht doch wahrend des Urlaubs in den USA gekauft wurde und folglich verzollt werden mtiftte. Als Nachweis kann die Kaufrechnung aus der EG dienen, aber wer fuhrt die schon bei sich? Wem also kurz vor der Grenze noch Bedenken kommen, der kann sich spontan am Flughafen- oder dem Grenzzollamt einen Ausfuhrnachweis beschaffen. (3) Bei der Einreise in die EU sind die Bestimmungen schon strikter. Bevor Sie jedoch wieder in heimatliche Gefilde kommen, mussen Sie die Ausfuhrbestimmungen des Gastlands beachten, und dort kann beispielsweise die Ausfuhr von Antiquitaten oder von artengeschiitzten Tieren bereits verboten sein. Dies gilt auch fur restliche Devisen, die Sie nicht ausgegeben haben. Bewahren Sie moglichst Umtauschquittungen auf. Man sollte sich rechtzeitig noch im Gastland erkundigen. In die EG konnen Sie Devisen in beliebiger Hohe zuriickbringen. Sollte man Sie nach mitgefuhrtem Bargeld fragen, stehen dabei die Bestimmungen des Geldwaschegesetzes im Hintergrund, urn Geld aus illegalen Handlungen aufzuspiiren und die organisierte Kriminalitat zu bekampfen. Tauschungsversuche bei einer solchen Befragung konnen recht teuer werden (und ggf. strafbar sein). Die Vielzahl von unterschiedlichen Vorschriften je nach Herkunftsland ist fur den Laien nur schwer zu iiberblicken, und unbeabsichtigte VerstoSe sind daher gangig. Einfuhr- <?page no="530"?> 508 K Einfuhr schmuggel ist aber auch im Reiseverkehr kein Kavaliersdelikt, denn je nach Schwere des Vergehens kann dies zu einem Strafverfahren fiihren (i.d.R. ab einem Wert des Schmuggelgutes von 300 Euro) und ggf. zu einer Geldstrafe oder sogar einer Freiheitstrafe auf Bewahrung, also zu einer oft karriereschadlichen - Vorstrafe. Unabhangig davon sind in jedem Fall die Einfuhrabgaben sowie oft ein Zollzuschlag von 100% zu entrichten. Bei ordnungsgemaSer Anmeldung zoll- und steuerpflichtiger Waren sind die Einfuhrabgaben im Reiseverkehr meist geringer, als man glaubt. Mengen- und Wertgrenzen Waren, die Sie aus einem Drittland mit in die EG zuruckbringen, sind grundsatzlich zoll- und steuerpflichtig. Dies gilt auch fiir Waren aus Duty-free-Laden bei der Riickreise aus Nicht-EU-Landern. Damit der Verkehr nicht zusammenbricht, sind davon ausgenommen begrenzte Mengen von Reisemitbringseln, die mitgefiihrt werden (also beispielsweise nicht mit der Post geschickt werden; siehe unten) und fiir den personlichen Ge- oder Verbrauch, fiir Ihren Haushalt oder als Geschenk gedacht sind, also fiir nicht-gewerbliche Zwecke. Der Warenkatalog ist umfassender als der fiir den EG-internen Reiseverkehr und erstreckt sich auf Tabakwaren, Alkoholische Getranke, Kaffee, Parfiims und Toilettwasser, Arzneimittel und andere Waren bis zu einem Hochstwert von gegenwartig 30 - 175 Euro (auSer Gold) (fur Waren aus Polen und der Tschechischen Republik 75 Euro). Die Freigrenzen bei Tabak und Alkohol sind erheblich niedriger als innerhalb der EG, dariiberhinaus ist ein Mindestalter des Reisenden Voraussetzung. PRAXISTIP Die 175-Euro-Freigrenze ist schnell Qberschritten, wenn Sie eine wertvolle Uhr, Skier oder einen Teppich gekauft haben. Beispiel: Eine Kamera fur 175,darf frei eingefuhrt werden; eine Kamera incl. Wechselobjektiv fiir 400,profitiert nicht von der Befreiung, weil die Kamera nicht teilbar ist. Dies kann man nur umgehen, wenn man Kamera und Objektiv getrennt verpackt und sich getrennte Rechnungen ausstellen laGt, denn dann sind es zwei Artikel. Dabei ergaben sich manchmal knifflige Tarifierungsprobleme, z. B. wenn aus den USA verschiedene Tabakwaren eingefuhrt werden, die insgesamt gesehen iiber die Freigrenze von 175 Euro <hinausragen> und nun abzuwagen ware, ob lieber Zigarren- oder Zigarettenmengen teilweise verzollt und versteuert werden sollen. In der Praxis wird dabei entweder nach dem Gunstigkeitsprinzip die fiir den Anmelder giinstigste Variante gewahlt, oder es wird zur Vereinfachung pauschaliert, d. h. ein fur den Einfiihrer giinstiger, niedriger Pauschalsatz (fiir alle Einfuhrabgaben zusammen) wird angewendet (fiir einige hochsteuerbare Waren und Agrargiiter ist die Pauschalierung nicht moglich): Bis zu einem Gesamtwert von 400 Euro erhebt der Zoll im Reiseverkehr pauschale Einfuhrabgaben in Hohe von derzeit - 20 % 31 auf Waren aus den USA, Kanada, den GUS- Staaten, Australien, Neuseeland, Japan, Taiwan, Nord- und Siidkorea und Siidafrika. Mit alien iibrigen Staaten hat die EG Praferenzabkommen geschlossen und den Pauschalsatz im nichtkommerziellen Bereich auf 10% halbiert. Dies ist nicht viel, wenn man den regularen 30 Das andert sich gelegentlich, also besser nachfragen. Oft sind Broschiiren erhaltlich. 31 Darin sind also 16% EUSt enthalten, so daG mit einem Durchschnittszollsatz von 4% operiert wird. Das ist insgesamt gesehen realistisch. <?page no="531"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 509 Mehrwertsteuersatz bedenkt. Das bedeutet auch, dalS der bei Reisenden beliebte Kleinschmuggel sich okonomisch gesehen wahrhaftig nicht lohnt; meist driickt man sich ja auch wegen der zeitlichen Verzogerung vor der Anmeldung (dabei geht die Abfertigung meist schneller, als man denkt). Um die Abfertigung zu beschleunigen, wurden im Flugreiseverkehr «griine» und «rote» Kanale eingerichtet, deren Beniitzung einer verbalen Erklarung gleichzusetzen ist. Die Zollbeamten haben einen erstaunlichen <Riecher> dafiir, bei welchem Reisenden in der <griinen Zollspur> der Gepackhalle des Flughafens sich ein genauerer Blick lohnt. (In Mexico «pickt» ein Computer nach dem Zufallsprinzip.) Der Reisende ist iibrigens verpflichtet, bei der Kontrolle aktiv mitzuwirken, d. h. er muf? sein Gepack bzw. seine Waren so <darlegen>, daS sie iiberpruft und abgefertigt werden konnen. Bis zu bestimmten Wertgrenzen geniigt eine miindliche Erklarung iiber die Warenherkunft; in anderen Fallen sind formale Nachweise erforderlich, die man sich vor der Abreise beschaffen muE (woran man meist nicht gdeacht hat). Um den Warenwert nachweisen zu konnen, sollten moglichst Rechnungen vorgelegt werden. Ggf. wird der Zoll den Warenwert schatzen. Nicht teilbare Waren (z. B. Schmuck), die iiber diese 400-Euro-Grenze hinausgehen, werden zum vollen Wert versteuert bzw. verzollt; sie konnen auch nicht auf mehrere Personen aufgeteilt werden. Dies gilt beispielsweise auch fur eine Golfausriistung, die man in den USA erworben hat, auch wenn sie dort bereits benutzt wurde. Der Zollsatz fur Laptops betragt 4,4%, Camcorder 14%, Spiegelreflexkameras 6,6%, Jeans 13,8%, Golfschlager5,3% (plus 16% EUSt). Fiir einige hochsteuerbare Waren werden spiirbare Verbrauchsteuern erhoben (Kaffee, Tabakwaren, Schaumwein). Treibstoff in Kraftfahrzeugen isP im normalen Tank abgabenfrei, ansonsten werden kraftige Abgaben erhoben (Mineralolsteuer). Personen, die im grenznahen Raum leben, sowie Personen, die beruflich auf gewerblichen Beforderungsmitteln Reisen (etwa Zugschaffner, Reisebegleiter oder Stewardessen) konnen die Freimengen nicht im ublichen Umfang ausnutzen. Fiir sie gelten deutlich niedrigere Freimengen, die auch nur einmal am Tag ausgenutzt werden diirfen. BEISPIEL Sie haben sich im Urlaub in Kanada ein Fernglas «made in Taiwan* im Wert von umgerechnet 878,- Euro gekauft und es sich mit der Post zuschicken lassen. Dies gilt nicht als Reiseverkehr. Beim Abholen mussen Sie an der Postzollstelle folgende Abgaben entrichten: Zollwert 8 7 8 - Zoll Euro 13% = 114,14 Zoll + 114,14 EUStWert = 992,40 davon 16% = 158,74 EUSt = 278,88 Einfuhrabgaben. Zoll und EUSt lasten in voller Hohe nur auf Waren aus den oben angefuhrten Landern, weil fur Waren aus vielen Lander Zollfreiheit besteht und nur die Einfuhrumsatzsteuer anfallt. Bewahren Sie daher moglichst Kaufrechnungen auf, aus denen Wert und Herkunft der Ware hervorgeht. Wenn Sie richtig teure Dinge mitbringen wollen, sollten Sie sich erkundigen, ob Ihnen ein formaler Ursprungsnachweis zu Zollvergiinstigungen verhelfen kann. Fiir die <?page no="532"?> 510 K Einfuhr Inanspruchnahme von Praferenzollsatzen (zum Beispiel bei AKP-Waren 32 ) miifSten entsprechende Ursprungsnachweise vorliegen, an die der Reisende meist nicht gedacht hat (bis zu 600 Euro reicht eine mundliche Erklarung). Die meisten Praferenzabkommen enthalten daher entsprechende Ausnahmeregelungen fur solche Falle. Die Zollkontrollen im Reiseverkehr dienen jedoch tendenziell weniger der ordnungsgemaEen Erhebung von Einfuhrabgaben als der Kontrolle von Verboten und Beschrankungen, u.a. beziiglich Waffen, Rauschgift, Hygienebestimmungen (Quarantine fur Hunde oder Katzen), Artenschutz (Elfenbein, Krokodil- und Schlangenleder, Schildkroten, Jagdtrophaen usw.), gewerblichem Rechtsschutz (Markenpiraterie) und einigem mehr. All diese Bestimmungen sind vielen Reisenden nicht gelaufig, und in der Praxis ergeben sich daraus immer wieder unliebsame Uberraschungen, wenn Trophaen, Felle und andere Souveniers vom Zoll beschlagnahmt werden. Wenn Sie Tiere oder Pflanzen mitbringen wollen, sollten Sie sich vorher iiber die Zulassigkeit und eventuell notwendige Dokumente informieren. Es empfiehlt sich, bereits vor der Abreise ins Ausland entsprechende Erkundigungen einzuholen. Antiquitaten sind zollfrei, unterliegen aber der Einfuhrumsatzsteuer. Jager und andere Waffentrager sollten ihre SchuGwaffen und Munition unbedingt unaufgefordert anmelden und iiber entsprechende Dokumente («Waffenpa£») verfugen. K-2.4. Abwicklung der Zollschuld Das Zollschuldrecht ist in Titel VII des Zollkodex geregelt. Besonders hervorzuheben ist dabei der sehr systematische Aufbau der Vorschriften, indem z. B. im Kapitel 2 iiber die Entstehung der Zollschuld in jedem einschlagigen Artikel zunachst im Abs.l der Entstehungstatbestand, im Abs. 2 der Zeitpunkt und im Abs.3 der ZoUschuldner behandelt wird. Dies erleichtert das Umgehen mit den Normen im Vergleich zur «Vor-Kodex-Zeit» erheblich. (1) Entstehung der Abgabenschuld Als Abgabenschuld ist die Verpflichtung einer (naturlichen oder juristischen) Person zu verstehen, die Abgaben fur abgabenpflichtige Waren zu entrichten. Praxisrelevant sind in der EG nur Einfuhrabgaben, da die Ausfuhr nicht abgabenpflichtig ist. 33 Die Abgabenschuld wird dem ZoUschuldner mit dem ZoUbescheid mitgeteilt (vgl. oben Abschnitt K-1.4). Die Abgabenschuld kann sich je nach Einfuhrfall zusammensetzen aus • Zollen, • Einfuhrumsatzsteuer (EUSt), • Verbrauchsteuern, • Agrarzollen (fur Marktordnungswaren), • Anti-Dumping- oder Ausgleichszollen. Verbrauchsteuerschulden (incl. der Einfuhrumsatzsteuer, EUSt) und Abschopfungen (mit einigen Besonderheiten) entstehen analog den Vorschriften zur Zollschuldentstehung. In der Praxis wird daher haufig verkiirzt nur von <Zollschuld> gesprochen, obgleich in den meisten Fallen zumindest auch eine EUSt-Schuld entsteht. 32 AKP = ca. 70 Lander in Afrika, der Karibik und im Pazifik, mit denen die EG den Lome-Praferenzvertrag geschlossen hat. 33 Einzige Ausnahme sind mogliche Ausfuhrabgaben bei bestimmten Agrarwaren, sofern deren Weltmarktpreise iiber den EG-Mindestpreisen liegen (im Normalfall liegen die Weltmarktpreise darunter, so dafi bei der Ausfuhr Erstattungen gezahlt werden. Dies kommt ausgesprochen selten vor). <?page no="533"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 511 Die Abgabenschuld entsteht (verkiirzt) mit dem Zeitpunkt der Annahme der (wirksamen) Zollanmeldung durch die Zollbehorde. Dieser Zeitpunkt ist auch mafigeblich fur die Hohe der Abgabenschuld, denn zwischen Annahme der Zollanmeldung • und Verkiindung des Zollbescheids vgl. (oben Abschnitt K-1.4) kann sich der Warenwert und damit die Bemessungsgrundlage fur den Zollwert bzw. andere Abgaben verandern (z. B. durch Qualitatsverlust). Die Abgabenschuld entsteht in der Hohe, die sich aus den Vorschriften ergibt; ein unrichtiger Abgabenbescheid muE daher korrigiert werden. Abgabenschuldner ist der Zollanmelder. Werden die Zollformalitaten z. B. durch einen Spediteur oder Frachtfuhrer vorgenommen, so wird nicht dieser, sondern der vertretene Einfuhrer, in dessen Namen die Einfuhr erfolgt, Zollschuldner. Der Spediteur sollte in diesen Fallen den Zollantrag auch mit dem Zusatz «i.A.» (im Auftrag) unterzeichnen. Neben der gerade behandelten Uberfuhrung in den freien Verkehr (auch aus einem vorangehenden Zollverfahren wie z. B. einem ZoUagerverfahren; vgl. Abschnitt K-4.3.2) entsteht die Zollschuld auch in einer Reihe anderer Falle, u. a. wenn eine Ware der zollamtlichen Uberwachung entzogen wird, z. B. bei Diebstahl aus einem Zollager. In vielen Fallen konnen neben dem Anmelder auch andere Personen zu Zollschuldnern werden, beispielsweise beim Schmuggel sowohl der Titer, andere Teilnehmer wie z. B. der Auftraggeber als auch der Erwerber (Hehler). Alle diese Zollschuldner sind Gesamtschuldner" d.h. die Zollbehorde kann sich an jeden beliebigen Zollschuldner halten, z. B. beim Diebstahl aus dem Zollager zunachst an den Lagerhalter, und es ist dann sein Problem, ob und wie er dies beim Dieb wieder eintreiben kann. Verbrauchsteuerschulden (incl. der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) und Abschopfungen (mit einigen Besonderheiten) entstehen analog den Vorschriften zur Zollschuldentstehung. (2) Falligkeit Die Abgabenschuld ist mit der Bekanntgabe des Abgabenbescheid grundsatzlich sofort fdllig; wird der Zollbescheid z. B. postalisch zugestellt, ist nach dem Zollkodex eine Zahlungsfrist von bis zu 10 Tagen vorzusehen. Die falligen Abgaben sind ggf. sofort bei der Zahlstelle des Abfertigungszollamtes zii entrichten. Dabei sollte bar bezahlt werden, da Schecks sofern es sich nicht urn Euroschecks handelt erst nach Feststellung der Deckung eingelost werden. In der gewerblichen Praxis wird jedoch oft ein Zahlungsaufschub in Anspruch genommen (vgl. anschlieSend). Oft ist damit verbunden, daf? die Zollschuld vom Importeur periodisch (z. B. monatlich) selbst berechnet und uberwiesen wird. Dies kann die Zollabwicklung erheblich erleichtern. Auf fallige Einfuhrzollschulden sind Ausgleichszinsen zu zahlen. Sofern das Anschreibeverfahren bewilligt worden ist (vgl. Abschnitt K-1.5), werden die Einfuhrabgaben fur den Abrechnungszeitraum ermittelt. Abrechnungszeitraum ist in der Regel ein Kalendermonat, wobei die Waren getrennt nach Warengruppen, EUSt-Satz, Zollverfahren und anderen Kriterien abzurechnen sind. Die Abgaben sind dann bis zum 16. des Folgemonats in einer Summe zu entrichten. Zum 1.12.2001 hat die Zollverwaltung vorgezogen auf den Euro umgestellt. (3) Zahlungsaufschub Zolle sind indirekte Abgaben, die vom Endverbraucher getragen werden (sollen). Daher kann nach den Bestimmungen des Zollkodex auf (formlosen) Antrag des Abgabenschuld- <?page no="534"?> 512 K Einfuhr ners die Zahlung der Zollschuld fur 30 Tage aufgeschoben werden (auf Einzelheiten der Bestimmung des Fristbeginns wird hier verzichtet). In der Regel wird Sicherheit in der vollen Hohe der Zollschuld verlangt. Dies wird meist mithilfe einer Bankbiirgschaft (Zollaval) geschehen. Wer standig Waren einfuhrt, kann laufenden Zahlungsaufschub beantragen. Dazu wird dem Zollanmelder ein Aufschubnehmerausweis ausgestellt, der bei der Abfertigung vorzulegen ist und in seiner Funktion einer Kreditkarte vergleichbar ist. Es ist auch moglich, daS ein Einfuhrer, der selbst nicht iiber ein Aufschubkonto verfiigt, seine Abgabenschulden auf einem fremden Aufschubkonto, z. B. des Spediteurs, anrechnen zu lassen. Dies erfolgt mittels eines Anrechnungsantrags, mit dem der Spediteur eine Schuldubernahme erklart. (4) Uberlassung der Ware Nach Zahlung (oder Aufschub oder Stundung) der Abgabenschuld wird aus Nichtgemeinschaftsgut («Drittlandsgut») nun Gemeinschaftsgut, d. h. die Ware wird freigegeben und der Einfuhrer kann nach Belieben iiber sie verfugen. Die Uberlassung erfolgt durch formlose Erklarung des Abfertigungsbeamten. Da die Berechnung der Einfuhrabgaben Zeit beanspruchen kann, kann die Ware unter bestimmten Voraussetzungen vorzeitig iiberlassen werden, wenn es sich um einen «sicheren» Zollanmelder handelt (z. B. den Inhaber eines Aufscbubnebmerai&weises) und die Zollbeschau (Uberpriifung der ZoUbehandlung) erfolgt ist bzw. auf sie verzichtet wurde. Das Exemplar der Zollanmeldung, auf dem die Berechnung der Einfuhrabgaben ersichtlich ist, wird dem Zollbeteiligten dann nachgereicht. (5) Verwahrung, Sicherstellung Sofern die Ware nach der Gestellung nicht sofort abgefertigt werden kann (z. B. weil erforderliche Papiere fehlen), kann die Zollstelle das Zollgut selbst in Verwahrung nehmen oder es dem Gestellungspflichtigen oder auch dem Empfanger oder einem Dritten in Verwahrung geben, wobei der Betreffende sowohl das Zollgut unverandert wieder zur Verfiigung stellen mufi als auch fur die Einfuhrabgaben haftet. Wenn die Bestimmung nicht rechtzeitig beantragt wird (vgl. die 20/ 45-TageFristen in Abschnitt K-1.4), kann die Zollstelle das Zollgut sicherstellen und verauEern, wobei aus dem VerauEerungserlos zunachst die Einfuhrabgaben und Gebiihren zu bestreiten sind. Unter Umstanden kann das Zollgut auch vernichtet werden, beispielsweise bei verdorbener Ware (faule Bananen). (6) ErlaB, Erstattung Unrichtige Zollbescheide konnen durch Erlal? (vor der Zahlung) bzw. Erstattung (nach bereits erfolgter Zahlung) korrigiert werden. Dabei sind die folgenden Griinde am haufigsten: Der Zollbescheid erfolgte zu Unrecht (z. B. falsche Berechnung); es liegt eine irrtiimliche Abfertigung zum freien Verkehr vor, obgleich eine aktive Veredelung vorgesehen war; Waren sollen wieder ausgefuhrt werden, z. B. aufgrund von Mangelriige oder Falschbestellung. Erlafi oder Erstattung setzen einen Antrag des Berechtigten voraus und werden dem Zollbeteiligten in einem Bescheid der Zollstelle mitgeteilt; beim ErlaE erloschen dabei die Anspruche der Zollverwaltung. <?page no="535"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 513 BEISPIEL 1 Rohgarne wurden zum freien Verkehr abgefertigt. Sie sollen nach einem speziellen Impragnierverfahren zu Gewebe verarbeitet werden. Beim Impragnieren wird festgestellt, daft die Game Fehler aufweisen und fur den vorgesehenen Zweck nicht geeignet sind. Die Verwendung ist hier kein Hindemis fiir eine Erstattung (bzw. einen Erlaft), weil erst durch die Verwendung festgestellt werden konnte, daft die Game nicht fur den vorgesehenen Zweck geeignet waren. BEISPIEL 2 Durch einen Fehler beim Impragnieren konnen die Game nicht zum vorgesehenen Zweck verwendet werden. Hier waren die Game zum Zeitpunkt der Abfertigung fiir den vorgesehenen Zweck geeignet. Es liegt eine unsachgemafte Behandlung vor; eine Erstattung ist nicht moglich. Es kann vorkommen, da£ bei nachtraglicher Uberpriifung eines Zollbescheides festgestellt wird, dafs die Einfuhrabgaben unrichtig berechnet worden sind. Prinzipiell miissen zu wenig entrichtete Abgaben nacherhoben (vgl. (8)), zuviel erhobene erlassen oder erstattet werden. (7) Stundung, Niederschlagung Stundung bedeutet, daf? die Begleichung der Abgabenschuld bei Vorliegen bestimmter Tatbestande, die von der Zollstelle zu priifen sind (z. B. bei voriibergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Abgabenschuldners), auf Antrag auf einen spateren Zeitpunkt verscboben wird. Bei einer Niederschlagung verzichtet die Zollstelle von sich aus, aber ohne dies dem Abgabenschuldner mitzuteilen und im Gegensatz zum Erlafi ohne auf ihre Anspriiche zu verzichten, (zunachst) auf eine Verfolgung ihrer Anspruche, z. B. weil es wegen Konkurs des Abgabenschuldners sinnlos ist. Sollten sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen des Schuldners jedoch verbessem, kann der Anspruch wieder verfolgt werden. (8) Nacherhebung Genauso, wie sich die Anspruche der Zollverwaltung gegeniiber dem Zollbeteiligten verringern konnen, besteht auch die Moglichkeit einer nachtraglichen Erhohung der Abgabenschulden. Die Verjahrungsfrist fur Nachforderungen betragt drei Jahre. Innerhalb dieser Frist kann sich z. B. durch eine Zollpriifung ergeben, dafi Waren (unabsichtlich) falsch tarifiert worden sind oder daS der Warenwert/ Zollwert zu niedrig angesetzt wurde. Bei gezielter <Beschonigung> der Tatbestande (vgl. (10) sind die Verjahrungsfristen je nach Tatbestand 5 bis 10 Jahre. Ein Verzicht auf Nacherhebung ist in der Praxis aufserst selten, da dies einen <aktiven Irrtum> (z. B. falsches Tarifieren) der Zollstelle voraussetzt: Ubernimmt sie beispielsweise die unrichtige Tarifierung des ZoUanmelders, liegt diese Voraussetzung nicht vor. Nach einer EG-Verordnung kann von einer Nacherhebung abgesehen werden, wenn die Nichterhebung auf einen Irrtum der Zollstelle zuruckzufiihren ist und der ZoUschuldner diesen Irrtum nicht erkennen konnte, er ansonsten aber ordnungsgemaS gehandelt hat. Dabei ist auch die Erfahrung des betreffenden Abgabenschuldners und die von ihm aufgewendete Sorgfalt zu berucksichtigen, da andernfalls eine Nacherhebung praktisch immer ausgeschlossen ware. Nacherhebungen konnen betrachtliche Summen bedeuten, die in kurzer Frist zu zahlen sind. Die kurzen Fristen leiten sich daraus ab, daf? ggf. gezielte Steuerverkiirzungen nicht noch mit <?page no="536"?> 514 K Einfuhr <doppeltem> Zahlungsaufschub belohnt werden sollen, gelten jedoch gleichermafien auch fur unbeabsichtigte Fehler. Tragische Falle konnen sich beispielsweise ergeben, wenn sich nach langerer Zeit oft erst nach vielen Jahren herausstellt, dafi jahrelang zu Unrecht eine zollfreie Einfuhr in Anspruch genommen wurde, weil die vorgelegten praferentiellen Ursprungsnachweise nicht richtig waren. Dies hat in einigen Fallen zu Zollnachforderungen in zweistelliger Millionenhohe gefiihrt (vgl. Abschnitt K-3.3.8). In Zweifelsfallen bei der Zollanmeldung empfiehlt es sich daher, die Zollverwaltung schriftlich um eine entsprechende Klarung zu ersuchen. (9) Rechtsbehelfe Bei Unstimmigkeiten zwischen Zollanmelder und den Abfertigungsbeamten sollte zunachst versucht werden, Probleme im direkten Gesprach, ggf. mit dem Abfertigungsleiter oder dem Leiter des Zollamts zu klaren. Ergibt sich daraus und ggf. aus einem Gesprach mit dem zustandigen Hauptzollamt (HZA) oder der zustandigen Oberfinanzdirektion (OFD) keine Losung, besteht die Moglichkeit einer Beschwerde bei der OFD. Diese wird in einem schriftlichen Bescheid entweder der Beschwerde ganz oder teilweise abhelfen oder die Meinung der Abfertigungszollstelle bestatigen. Sofern es sich nicht um Verhaltensfragen handelt (z. B. ein nach Meinung des Zollanmelders unangemessener ruder Ton eines Beamten), sondern um die Feststellung der Einfuhrabgaben, konnen Rechtsbehelfe eingelegt werden. Die Zollbehandlung ist ein Besteuerungsverfahren im Sinne der AO, und der Zollbescheid ist ein steuerlicher Verwaltungsakt (Steuerbescheid). Dieser kann vom betroffenen Zollschuldner im auSergerichtlichen oder gerichdichen Verfahren nachgepruft werden. Der Zollbescheid enthalt dazu eine entsprechende Rechtsbehelfs-Belehrung. • Im auflergericbtlicben Verfahren nach der AO mufi als Rechtsbehelf beim zustandigen Hauptzollamt binnen eines Monats unter Wahrung bestimmter Formvorschriften - Einspruch erhoben werden. Der Einspruch ist kostenfrei. Wenn der Einspruch form- und fristgerecht erfolgte (i.d.R. innerhalb eines Monats), erfolgt eine sachliche Uberpriifung durch das HZA. Im Ergebnis kann der Einspruch als unbegriindet zuriickgewiesen, als unzulassig verworfen, geandert oder ersatzlos aufgehoben werden. Sofern der Betroffene die Entscheidung akzeptiert, endet dieser Rechtsweg. • Andernfalls ist das (kostenpflichtige) gerichtliche Verfahren nach der Finanzgerichtsordnung zu eroffnen, d. h. der Betroffene mufi vor dem zustandigen Finanzgericht klagen (Anfechtungsklage). Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts ist Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) moglich, dessen Entscheidung entgiiltig ist. Die Revision ist jedoch im Gegensatz zur Klage nicht unbedingt moglich; in vielen Fallen wird sie seitens des Finanzgerichts ausgeschlossen. Eine Revisionsmoglichkeit besteht grundsatzlich bei Zolltarifstreitigkeiten, bei wesentlichen Verfahrensmangeln im Gerichtsverfahren oder wenn das Finanzgericht die Revision zugelassen hat, z. B. bei Rechtssachen von grundsatzlicher Bedeutung. Die Finanzgerichte konnen <am BFH vorbei> direkt eine Entscheidung des Europaischen Gerichtshofs (EuGH) einholen. AuSer in der Bundesrepublik gibt es mit dem Finanzgerichtszweig nur in den Niederlanden eine spezielle Zollgerichtsbarkeit. In alien anderen EG-Staaten werden Zollstreitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten verhandelt. <?page no="537"?> K-2. Zolle und Zollpolitik 515 (10) Nichtbeachtung von Zollvorschriften Die Nichtbeachtung von Zollvorschriften kann zu zoll-, d. h. steuerrechtlichen, ordnungswidrigkeitsrechtlichen oder strafrechtlichen Konsequenzen fiihren. Verstofte gegen Zollvorschriften haben zollrecbtliche Konsequenzen, unabhangig davon, ob schuldkaftes Verhalten vorliegt. Gangige VerstoSe sind beispielsweise: unrichtige oder unvollstandige Angaben im Zollantrag (z. B. Steuerverkiirzung), Einfuhr auSerhalb einer Zollstrafie (Steuergefahrdung, u. U. bei Vorsatz Schmuggel, d. h. Steuerhinterziehung), unrichtige Aufzeichnungen in der Buchfuhrung (Anschreibungen), VerstoSe gegen Frist und Form bei der Gestellung von Drittlandsware, etc. Die Verjahrungsfrist fur Hinterziehungen aus der zollamtlichen Uberwachung betragt 10 Jahre, bei fahrlassigen VerstoSen 3 Jahre. Im Reiseverkehr kann als steuerrechtliche Folge unabhangig vom Verschulden ein Zollzuschlag von 100% erhoben werden (d. h. der Abgabensatz wird verdoppelt), maximal 50 Euro, sofern der Zollschuldner nicht stattdessen mit einer GeldbuEe oder Strafe belegt werden soil. Im gewerblichen Bereich konnen solche Tatbestande als Ordnungswidrigkeiten in geringfiigigen Fallen mit Verwarnungen bis zu 40 Euro, ansonsten mit GeldbuISen bis zu 5000 Euro geahndet werden, wobei bereits fahrlassiges Handeln, d. h. AuSerachtlassen der zumutbaren Sorgfalt geniigen kann, also nicht einmal vorsatzliches Handeln erforderlich ist. ZoWstraftaten sind solche, die nach den Steuergesetzen strafbar sind und ggf. mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren geahndet werden konnen. Bestrafungen nach diesen Vorschriften gelten als Vorstrafen. Hierzu zahlt insbesondere die Zollhinterziehung (Schmuggel, fingierte Rechnungen, falsche Zollanmeldungen). PRAXISTIP Seit Ende 2000 werden Importeure besser geschiitzt: Sofern Zollbehorden aus Drittlandern fur Produkte, die in die EC eingefuhrt werden, Ursprungszeugnisse falsch beglaubigt haben, kann der europaische Importeur im Cegensatz zu fruhernicht mehr dafur haftbar gemacht werden, sofern ihm Gutglaubigkeit unterstellt werden kann. Damit wird verhindert, dafl Unternehmen oft noch Jahre nach dem eigentlichen Geschaftsvorgang fur Fehler in den Exportstaaten haften (Abb. K-3/ 6). Zwischen Zollverwaltung und Wirtschaft ergeben sich immer wieder Spannungen aufgrund unterschiedlicher Grundpositionen. Die Zollverwaltung - und ein wesentlicher Teil der Rechtsprechung stehen auf dem Standpunkt, 34 daE Unkennntnis auch den gutwilligen Unternehmer nicht vor zoUrechtlichen Konsequenzen schiitzt. Zwar garantiere Art. 11 ZK der Wirtschaft einen weitgehenden Auskunftsanspruch zu Fragen des Aufienwirtschaftsrechts, zur Behandlung konkreter Import- und Exportgeschafte und zu kiinftigen Zollbehandlungen. Sonstige Auskunftsanspruche betreffen verbindliche Zolltarif- und Ursprungsauskiinfte. Der Wirtschaftsteilnehmer miisse jedoch alles tun, was die Informationspflicht gebiete, und dazu gehore auch, daS die Auskunft der Behorde selbst nochmals sorgfaltig iiberpriift werde. Wenngleich diese Position an sich schon recht realitatsfern ist, so stellt die Wirtschaft dem noch gegeniiber, daS es einem mittelstandischen Unternehmer unmoglich sei, den Wust an Rechtsvorschriften aufzuarbeiten, der sich aus Briissel iiber ihn standig ergieSt. Auf der Leitungsebene der Zollverwaltung (BMF, OFDen) wird zwar einer verbesserten Zusammen- 34 Ausfuhrungen auf dem 12. Europaischen Zollrechtstag 2000 in Salzburg. <?page no="538"?> 516 K Einfuhr arbeit von Wirtschaft und Verwaltung das Wort geredet. Nicht nur in Einzelfallen ist aber tatsachlich zu beobachten, daft der Zollbeteiligte bei Anfragen als lastiger Bittsteller oder Fragesteller angesehen wird. Vielfach verkneifen sich Unternehmen eine Beschwerde, weil sie am nachsten Tag wiederum auf den eben kritisierten Beamten im Hinblick auf eine ziigige Abfertigung angewiesen sind. Bis zu einem wirklich umfassend kundenfreundlichen Service ist in manchen Amtsstuben noch einiges verbesserungsfahig. K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) K-3.1. Drei Ursprungsbegriffe Im Export wie im Import ist es in vielen Zusammenhangen wichtig, den Ursprung, d. h. das <Geburtsland> bzw. die <6konomische Staatsangehorigkeit> einer Ware festzustellen, beispielsweise um den vom Herkunftsland abhangigen Zollsatz anwenden und ggf. Zollpraferenzen gewahren zu konnen (praferentieller Ursprung) oder um zu entscheiden, ob eine Ware einem landerspezifischen Importverbot unterliegt, wie es im Zusammenhang mit der BSE-Problematik gegeniiber Rindfleisch verhangt worden war oder gegeniiber Waren aus Serbien oder dem Irak gilt (nicbt-praferentieller Ursprung, also nicht im Hinblick auf die Bestimmung des Zollsatzes). Daneben gibt es noch als dritten den wettbewerbsrecbtlichen Ursprung («made in ...»), der vor allem dem Verbraucherschutz dient. Bei einigen Giitern laSt sich der Warenursprung relativ einfach feststellen, beispielsweise wenn Weizen in Deutschland geerntet wurde, hat er deutschen Ursprung. Aber: Eine Banane stammt z. B. aus Ecuador. Was ist mit dem Bananensaft, der in Deutschland hergestellt, dabei mit Zucker aus Jamaika versetzt und in tschechischen Flaschen mit Etiketten aus Hongkong verkauft wird? Und was ist mit einer Damenbluse, die im Auftrag eines deutschen Herstellers aus chinesischer Seide in Italien gefarbt, in Ungarn zugeschnitten und gefertigt und in Tschechien mit Perlmuttknopfen aus Jamaika und Schulterpolstern aus Korea versehen wurde, bevor sie zum Etikettieren wieder nach Deutschland transportiert wurde? Da wird es schon schwieriger. Und die Wichtigkeit der Ursprungsbestimmung mag an dem vorstehenden Beispiel deutlich werden: Wenn die Damenbluse deutschen bzw. EG-Ursprung erhalt, kann sie zollfrei nach Polen importiert werden. Wenn nicht, weil sie beispielsweise chinesischen Ursprung hat, wiirde der polnische Importeur einen recht hohen Einfuhrzoll zu entrichten haben. Logischerweise ware er aus Kostengriinden an einem deutschen bzw. EG-Ursprung interessiert, und der deutsche Exporteur sieht dies aus Marketinggriinden ganz genauso. Und angenommen, die Bluse hatte deutschen Ursprung, und es fiele den Produktmanagern nun ein, aus Kostengriinden den Farbevorgang auch in China durchfuhren zu lassen, dann wiirde die Bluse moglicherweise nun chinesischen Ursprung erhalten (wir werden gleich sehen, wieso), mit der entsprechenden Konsequenz fur den polnischen Kunden. Das Beispiel zeigt, welche Auswirkungen fur das Exportmarketing sich ergeben konnen, wenn beim Einkauf von Vorleistungen oder beim Outsourcen von Fertigungsstufen nicht sehr genau beobachtet wird, wie sich solche Veranderungen auf den Warenursprung auswirken. Viele Ein- und Verkaufer haben erhebliche Kenntnislucken beziiglich des Ursprungsrechts. <?page no="539"?> K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 517 In einem ziemlich drastischen Fall sind auf einen deutschen Textilhersteller Zollnachforderungen plus Ordnungsstrafe in dreistelliger Millionenhohe zugekommen, weil er Schulterpolster mit angeblich italienischem Ursprung in seine Kollektionen <einbaute> und sich erst nach vielen Jahren herausstellte, daE sie koreanischen Ursprung hatten. Solche Fehler konnen ein Unternehmen in den Konkurs treiben. In vielen Unternehmen wird den oft nur latenten - Problemen des Warenursprungs viel zu wenig Bedeutung beigemessen, und die unternehmensinternen Fachleute haben oft einen schweren Stand: «Ach, die Zollmenschen machen schon wieder Theater...» Die Geschaftsleitung wird dann oft erst wach, wenn das Kind im Brunnen liegt, und dann: siehe oben. Fiir die Unternehmenspraxis ist daher anzuraten, daS das Management dafiir sorgt, die Dokumentation iiber den Ursprung samtlicher Zulieferungen und Fertigprodukte sehr genau zu fiihren, standig zu aktualisieren und die strategischen Auswirkungen von Detailveranderungen vorauszuberechnen. PRAXISTIP Die Erstattung von Ordnungsstrafen durch einen in Regreft genommenen Zulieferer ist einkommenbzw. korperschaftsteuerpflichtig. Grundsatzlich steht es im souveranen Belieben eines Staates festzulegen, nach welchen Regeln er den Ursprung von Importwaren und Exportwaren bestimmen will. In der EG geschieht das auf supranationaler Ebene. Wiirde dies jeder Staat anders machen, ergabe sich ein heilloses Durcheinander von Bestimmungen, die nicht zu iiberblicken waren und den Welthandel extrem behindern wiirden. Daher gibt es verschiedene internationale Abkommen, um Entwicklung und Anwendung von Ursprungsregeln zu harmonisieren. Dessenungeachtet wird in jedetn Praferenzabkommen, das zwischen zwei Staaten oder Staatengruppen ausgehandelt wird, in meist sehr umfangreichen und sehr detaillierten Ursprungsprotokollen fur jede Ware oder Warenart im einzelnen festgelegt, nach welchen Regeln der Warenursprung fur diese Ware festzustellen ist, so dafi z. B. die Ursprungsregeln bei Mobelimporten ganz anders konstruiert sein konnen als bei Elektroartikeln. Kaum zwei Ursprungsprotokolle sind einander gleich, weil jeweils landerspezifische Interessen und Probleme berucksichtigt werden miissen: Fiir die EFTA gelten andere Regeln als fur die osteuropaischen Lander; in jedem dieser Abkommen finden sich Besonderheiten. Daher ist es fur die Wirtschaft von groSter Wichtigkeit, iiber die Ursprungsdetails neuer Abkommen so schnell wie moglich informiert zu werden, so wie Mine 2000 beziiglich des damals neuen Freihandelsabkommens zwischen der EU und Mexiko. In der Praxis sind das Ursprungsrecht und das Praferenzrecht ausgesprochen komplexe und sehr komplizierte Materien, die in den Unternehmen erhebliche personelle Ressourcen beanspruchen konnen - und auch auf hochster Ebene nicht immer korrekt iiberblickt werden: «Von den Abkommen werden, so Blanco [Wirtschaftsminister Mexikos] beide Seiten enorm profitieren: die EU, weil sie Zugang zu einem boomenden Markt bekommt und dank der NAFTA iiber Mexiko den gesamten nordamerikanischen Markt leichter bedienen kann (...).» 3J Es diirfte deutlich geworden sein, daS es fur den Importeur in der EG genauso wichtig ist, den praferenzberechtigenden polnischen Ursprung einer Ware nachzuweisen, wie es fiir den 35 Handelsblatt vom 23.6.00, zitiert nach Bernd Stadtler, Hugo Boss AG. Natiirlich besteht kein freier Zugang zum nordamerikanischen Markt fur EG-Waren, sondern nur fur mexikanische Ursprungswaren. <?page no="540"?> 518 K Einfuhr Exporteur wichtig ist, seinem polnischen Kunden den praferenzberechtigenden EG-Ursprung seiner Ware nachzuweisen. Der Sinn der fur den Nichtfachmann haufig abstrus penibel und haarspalterisch wirkenden Ursprungsregeln (vgl. unten Abschnitt K-3.3.3) liegt darin, daS die Zollpraferenzen die Unternehmen innerhalb des Wirtschaftsraums fordern sollen, d. h. sie sollen moglichst die entsprechenden Wertschopfungen vornehmen und Gewinne machen, Steuern zahlen und Arbeitsplatze sichern und schaffen. Wenn diese Wertschopfung ganz oder teilweise auSerhalb des Praferenzraums erfolgt ist, haben externe Unternehmen das Geschaft gemacht, und die Einfuhr der entsprechenden Produkte wird . dann durch Importzolle <bestraft>. Das mufi man ganz klar sehen: Praferenzabkommen sind FordermaSnahmen, die der internen Wirtschaft zugute kommen sollen. K-3.2. Nicht-praferentieller Ursprung K-3.2.1. Zweck Der nicht-praferentielle Ursprung wird in der Praxis auch handclspolitischer Ursprung, IHK-Ursprung oder Kammer-Ursprung genannt, weil ihn die IHKs und die Handwerks- und die Landwirtschaftskammern durch Ausstellen eines Ursprungszeugnisses bestatigen. 36 Der nicht-praferentielle Ursprung verleiht Giitern eine wirtschaftliche <Staatsangehorigkeit>. Er wird nach den Regeln des Exportlandes bestimmt und gilt damit weltweit. Diese sind so beschaffen, dafi immer ein nicht-praferentieller Ursprung erreicht wird, wahrend vielleicht die Anforderungen fiir den praferentiellen Ursprung nicht erfiillt werden: Dann kann es vorkommen, daf? eine Ware zwei verschiedene Urspriinge hat. In diesem Fall sollte man unbedingt vermeiden, daE die Ware anders gekennzeichnet ist als die Dokumente oder diese verschiedene Ursprungsbezeichnungen angeben, das wiirde bei der Importabwicklung kein Zollner akzeptieren. Fur den Export ist der nicht-praferentielle Ursprung vor allem von Bedeutung im Hinblick auf eine Hermes-Versicherung, weil grundsatzlich nur fur deutsche staatliche Gewahrleistungen iibernommen werden (vgl. Abschnitt H-3.2), oder bei Akkreditiven, wo der Ursprungsnachweis Teil der erforderlichen Dokumentation sein kann. Auch im Textilhandel spielt der nicht-praferentielle Ursprung fiir die noch verbreiteten Landerquoten eine wichtige Rolle. AuGerdem konnen die Importbestimmungen anderer Lander ein Ursprungszeugnis verlangen; dies laSt sich anhand der Konsulats- und Mustervorschriften (K&M) 37 oder durch Riickfrage bei den AuEenwirtschaftsabteilungen der IHKs iiberpriifen. Obgleich aus der Sicht des EG-Exporteurs fiir nicht-praferentielle Zwecke ausgestellt, kann ein nicht-praferentieller Ursprungsnachweis fiir den Importeur ZoUvorteile bedeuten: Polen beispielsweise erhebt auf Importwaren mit EG-Praferenzursprung keine Importzolle; sofern der Importeur irgend einen anderen Ursprung nachweist, den MFN-Zollsatz (normalen Importzollsatz); wenn keinerlei Ursprungsnachweis vorliegt, einen Strafzoll von 80%. Im Import ist der nicht-praferentielle Ursprung auch relevant im Zusammenhang mit Importbeschrankungen, wie sie im Textilsektor in Form von Einfuhrkontingenten, gegeniiber Embargolandern wie Serbien oder Irak oder auch bei der Anwendung von Antidumpingzollen gelten, die nur auf Importe aus einem spezifischen Land zielen. 36 In der Schweiz heiEt es auch <autonomer Ursprung>. 37 Herausgegeben von der Handelskammer Hamburg. <?page no="541"?> K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 519 Wenn z. B. ein Anti-Dumping-Zoll auf Fernseher aus Sudkorea verhangt wird, konnte man auf die Idee kommen, alle Teile <lose> nach GroSbritannien zu liefern (ohne AD-Zoll, weil dieser das Fertigprodukt betrifft), sie dort in sog. <Schraubenzieherfabriken> zu montieren und die Fernseher als britische Produkte anzusehen, wodurch der Anti-Dumping-Zoll unter laufen wiirden. Damit dies nicht geschehen kann, darf beispielsweise nach der «Schraubenzieherverordnung» des EG-Antidumping-Rechts von 1987 der Wert der eingefiihrten Teile den heimischen Fertigungsanteil (local content) (innerhalb der EG) nicht um mehr als 50% iibersteigen. Daraus ergibt sich ein 60/ 40-Kriterium, d. h. die Drittlandsteile diirfen maximal 60% des Werts der insgesamt verarbeiteten Komponenten ausmachen. 38 K-3.2.2. Ursprungsbestimmung In der EG beruht die Bestimmung des nicht-praferentiellen Ursprungs nach den Art. 23 und 24 ZK auf zwei Hauptregeln: (1) Vollstandige Erzeugung oder Gewinnung Die Waren erwerben den Ursprung des Landes, in dem sie vollstandig gewonnen oder hergestellt worden sind (natiirlicher Ursprung). Vollstdndig erzeugt ist z. B. Mehl, das aus Getreide hergestellt wurde, das in dem betreffenden Land geerntet wurde, oder Hiihnerkiiken, die im Ursprungsland ausgeschlupft sind, oder im Ursprungsland geforderte Kohle, oder im Ursprungsland gefischte'Fische, etc. Dieses Kriterium kann offenbar nur auf relativ einfache Produktionsvorgdnge vor allem in der Landwirtschaft angewendet werden. Art. 23 ZK enthalt eine abschliefiende Liste, was unter vollstandiger Erzeugung oder Gewinnung zu verstehen ist. Fur alle Waren, die nicht unter diese Kriterien fallen, erfolgt die Ursprungsbestimmung nach der zweiten Ursprungsregel, der «letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung». (2) Letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung Wenn keine vollstandige Erzeugung oder Gewinnung vorliegt, also bei der Herstellung mehrere Lander beteiligt waren, erwerben die Waren nach Art. 24 ZK den Ursprung des Landes, in dem die letzte wesentliche, wirtschaftlich gerechtfertigte Be- oder Verarbeitung stattgefunden hat, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen worden ist und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses gefuhrt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt. Die amtliche Formulierung enthalt einige Elemente, die erklarungsbediirftig sind: Was versteht man unter wesentlich, wirtschaftlich gerechtfertigt, dazu eingerichtetes Unternehmen, neues Erzeugnis, bedeutende Herstellungsstufe? Es kann ja an einem dieser Kriterien liegen, ob eine Ware nun deutschen Ursprung erhalt oder nicht. Und so manches hochstrichterliche Urteil war erforderlich, um Unklarheiten zu beseitigen: • Ob ein Vorgang wesentlich ist, kann nur produktspezifisch beurteilt werden. Wichtig ist, dalS es sich nicht um eine Minimalbehandlung handelt, sondern der letzte Produktionsschritt mufi der Ware charakteristischen Eigenschaften verleihen, die sie vorher nicht hatte; es mufS eine Veranderung der Beschaffenheit vorliegen. 38 Fur den methodisch und theoretisch Interessierten empfiehlt sich die Lektiire von Kaufmann, Donatus Bernhard, Ursprungsregeln, Baden-Baden 1996. <?page no="542"?> 520 K Einfuhr • Der Aspekt wirtscbaftlich gerechtfertigt muiS im Zusammenhang mit der Verfolgung unternehmerischer Ziele gesehen werden. Davon ist grundsatzlich auszugehen, wenn es den Beteiligten Vorteile bringt. Dabei darf es sich aber beispielsweise nicht nur urn einen Ursprungswechsel handeln, um z. B. eine Genehmigungspflicht zu umgehen. • Bei Bearbeitung bleibt die Ware an sich erhalten (z. B. Rosten von Rohkaffee, Farben von Geweben, Lackieren von Metallteilen, Gerben von Tierhauten), bei Verarbeitung verandert sie sich (Zusammennahen von Oberbekleidung aus Stoffteilen, Herstellen von Schuhen aus Leder). • Ein dazu eingerichtetes Unternehtnen ist in der Regel ein Fachbetrieb mit Fachpersonal. Dies soil Scheingeschafte z. B. mit Briefkastenfirmen ausschliefien. • Ein neues Erzeugnis liegt nach einem Urteil des EuGH dann vor, wenn eine objektiv und tatsachlich feststellbare Unterscheidung zum Ausgangsprodukt moglich ist, und das Erzeugnis muf? qualitativ erheblich verandert sein und nicht nur eine andere Aufmachung im Hinblick auf seine Verwendung haben. • Eine bedeutende Herstellungsstufe liegt vor, wenn das Erzeugnis seinem endgultigen Verwendungszweck wesentlich angenahert ist, aber noch kein Fertigprodukt darstellt. Diese Kriterien miissen zur Ursprungsbestimmung im Zusammenhang des konkreten Einzelfalls gewiirdigt werden. Sagen Sie nun nicht, dafi dabei wiederum erklarungsbediirftige Begriffe verwendet werden! Beziiglich der sog. Minimalbehandlungen, die somit keine wesentliche Be- oder Verarbeitung darstellen, enthalt Art. 38 ZK eine abschlieSende Auflistung. Beispiele sind: Liiften, Trocknen, Entfernen verdorbener Teile, einfaches Entstauben, Zerschneiden, Umpacken, einfaches Abfiillen, Anbringen von Etiketten oder einfaches Zusammenfugen von Teilen einer Ware zu einer vollstandigen Ware (z. B. Zusammenstellen eines PC [fur den deutschen Ursprung miiSte eine wesentliche Komponente deutschen Ursprung haben], Montage eines zerlegten Kugelschreibers; Stichwort: «Schraubenzieherfabrik»). Das haufig auftretende Kriterium <einfach> (einfaches Abfiillen) ist jedoch iiberhaupt nicht einfach zu beurteilen. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in der Praxis sehr oft zu Konflikten beziiglich der Interpretation fiihrt. Die Durchfiihrungsverordnung zum Zollkodex (ZK- DVO) enthalt einen Anhang 10 mit einer langen Liste der Be- und Verarbeitungen, die einer Ware die Ursprungseigenschaft verleihen. Achtung: Mehrere einzelne Minimalbehandlungen konnen zusammengenommen die kritische Schwelle uberschreiten. Beispielsweise kann nach dem MOEL-Abkommen das Lackieren in Deutschland (Minimalbehandlung) in Polen montierter Teile (Minimalbehandlung) zusammen ursprungsbegriindend sein. Zubehor, Ersatzteile und Werkzeuge Zubehor, Ersatzteile und Werkzeuge, die z. B. zusammen (gleichzeitig) mit Fahrzeugen oder Maschinen geliefert werden, gelten mit diesen als eine Einheit, wenn sie zur Normalausrustung gehoren, im Preis des Hauptgutes enthalten sind und nicht gesondert in Rechnung gestellt werden, beispielsweise Schleifscheiben fur eine Schleifmaschine. Folglich erwerben gleichzeitig gelieferte Zusatzteile grundsatzlich denselben Ursprung wie das Haupterzeugnis. Ersatzteillieferungen, die im Rahmen eines gesonderten Ersatzteilvertrags geliefert werden, erfiillen diese Bedingung nicht. In manchen Landern (u. a. Siidkorea) lasten auf separaten <?page no="543"?> K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 521 Ersatzteillieferungen sehr hohe Zolle, wahrend gleich mit einer Maschine mitgelieferte Ersatzteile dem meist deutlich geringeren Zollsatz fur die Maschine unterliegen. Cebrauchte Waren Die Ursprungsermittlung fur gebrauchte Waren ist nicht immer einfach, z. B. im Handel mit gebrauchten Maschinen, die oft ins Ausland verkauft werden, aber auch bei Altkleidern (Praxis: Ort der Einsammlung). Bei Maschinen wurden im Laufe der Nutzungsdauer oft Einbauten oder Umbauten vorgenommen, die nicht zwingend denselben Ursprung haben wie die Originalmaschine, wobei haufig keine kompletten Unterlagen mehr vorliegen. Dann mufi ggf. im Konsens zwischen dem Exporteur und der IHK ein Ursprung bestimmt werden, weil es hierfur keine expliziten Regeln gibt. Ursprungsnachweise In Deutschland werden fur Exportzwecke als Ursprungsnachweis Ursprungzeugnisse (UZ) durch die Industrie- und Handelskammern ausgestellt. Obgleich formal dazu gleichfalls ermachtigt, machen die Handwerks- und die Landwirtschaftskammem in der Praxis davon keinen Gebrauch und verweisen auf die IHK. Dies gilt auch fur die Zollstellen, die in der Regel keine Ursprungszeugnisse ausstellen. Das Formular ist europaeinheitlich und als nicht-praferentieller Ursprungsnachweis verbindlich vorgeschrieben (Abb. K-3/ 1). Das Ursprungszeugnis (Durchschreibesatz mit 3 Blattern) wird vom Antragsteller ausgefiillt und bei der IHK eingereicht. Diese bestatigt das Dokument und gibt es dem Antragsteller zuriick. Ursprungszeugnisse konnen nicht nur fur deutsche bzw. Gemeinschaftswaren ausgestellt werden, sondern auch fur jeden anderen Ursprung. In einem Ursprungszeugnis konnen auch mehrere Waren mit unterschiedlichem Ursprung bestatigt werden, die dann in den Feldern fur Waren und Ursprungsland eindeutig zugeordnet werden mussen, beispielsweise a) Deutschland, b) Ungarn. Die Waren sollten spezifiziert werden, ggf. bei Colli 39 durch beigefugte Inhaltslisten. Ursprungszeugnisse sind offentliche Urkunden und unterliegen den Bestimmungen des Strafgesetzbuches, insbesondere im Hinblick auf Falschungen, die als Urkundenfalschung zu werten sind. Tauschungen zur Erlangung eines Ursprungszeugnisses konnen zu Geld- oder Freiheitsstrafen, ggf. zu Bufigeldern fuhren. Ein Ursprungszeugnis ist eine Art «Schwur» bezuglich der «Geburtsurkunde» einer Ware. Einige Lander (u. a. Argentinien, Mexiko und Kolumbien) verlangen fur Akkreditivzwecke abweichende Formulare, jedoch werden in der Regel die EG-Formulare dennoch akzeptiert. Grundsatzlich wird nur ein Original ausgefertigt. Da jedoch in der Praxis fur die Einfuhrabfertigung im Bestimmungsland haufig mehrere Exemplare verlangt werden (Zoll, Bank, Versicherung etc.) erstellt die IHK auf Anforderung mehrere (gelbe) Durchschriften. Die Warenverkehrsbescheinigung EUR.l (vgl. unten), die den Praferenzursprung bescheinigt, kann auch als nicht-praferentielles Ursprungszeugnis anerkannt werden. Im Import ergibt sich aus der Einfuhrliste, ob ein (staatliches) Ursprungszeugnis (UZ) erforderlich ist oder eine (private) Ursprungserklarung (UE) seitens des Exporteurs auf der Handelsrechnung geniigt. Italienisch: allgemeine Bezeichnung fur Frachtstiick. Einzahl collo. <?page no="544"?> 5 2 2 K Einfuhr Abb. K - 3 / 1 : Ursprungszeugnis 1 Absender - Consignor • Expediteur- Expedidor l a a M H t o 4 Cie GmbH •Mtartstrasse 3 20354 Hamburg / Germany 2 Empfanger - Consignee - Dastinatatre - Destinaterio Notify / Applicant: M/ S Baravafan Azarin Inc. No. 113 2nd Floor, Kosar 1st, Sattarkhan Ave., Tehran I.R. of Iran Tel: 6437955-6 8 0 4 5 2 1 EUROPAISCHE GEMEINSCHAFT EUROPEAN COMMUNITY-COMMUNAUTEEUROPEENNE- COMUNIDAD EUROPEA URSPRUN6SZEUGNIS CERTIFICATE OP ORIGIN -CERTIFICAT DVRIGINE- CERTIFICADO DE ORISEN 3 Ursprungsland - Country of origin • Pays d'origina -Pals da origen Germany 4 Angaben uber die Befordemng means ol transportexpedition expediclbn MS "SATURN V" from Hamburg, Germany, Europe to Bandar Imam Khomeini (Persian Gulf) I.R. o f I r a n 5 Bemerkungen remarks • observations • observaciones Irrevocable Documentary Credit Number ' C r e d i t No)63420/ 78205793 Bank Mellat ; Dameshgh Branch) Tehran IR Customs T a r i f f No 1003/ 00 and CB No. 92466184 Insurance e f f e c t e d by I r a n Insurance : o Tlx No. 214134 i n I.R. of I r a n under Insurance Policy No. 78/ 4223/ 4165/ 4048 6 Laufende Nunmer Zetchen, Nunmem, AnzaH uid Art der Pactetucke; Warenbezettfrung European Feed Barley, in bulk as per P/ I NO.MB3701/ 9? dd 991213 8 DIE UNTERZEICHNENDE STELLE BESCHEINIGT. DASS DIE OBEN BEZEICHNETEN WAREN IHREN URSPHUNG IN OEM IN FELD3 GENANNTEN LAND HABEN The undersigned authority certifies that the goods described above originate in the country shown in box 3 L'autorite soussignee certlfie que les marchandises designees ci-dessus sont originalres du pays figurant dans la case No. 3 La autoridad infrascrita certilica que las mercancias arriba mencionadas son originarias del pals que figura en la casilla no. 3 H a n d e l s k a m m e r H a mburg Hamburg Chamber of Commerce Chambre de Commerce oe Hambourg cio Oe Hamburgo April ZOl Hamburg, den ^SwpeiT <?page no="545"?> K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 523 Verbindliche Ursprungsauskiinfte Bei den IHKs konnen verbindliche (nicht-praferentielle) Ursprungsauskiinfte eingeholt werden, die drei Jahre giiltig sind und alle Mitgliedstaaten binden. PRAXISTIP 1. 2. 3. Priifungsschema Existiert eine besondere Regelung in Anhang 10 oder 11 ZK-DVO? Ja: Nein: Liegt mehi Nein: Ja: Prufung beendet (Ursprung definiert) weiter r als eine Minimalbehandlung vor? Prufung beendet, Ursprung der Vormaterialien weiter Letzte wesentliche Be- und Verarbeitung etc.? neues Erzeugnis? Wesentliche Herstellungsstufe? bleibt erhalten. Beispiele 40 (1) Hergestellt werden Fahrradschlauche. Dabei werden Schlauche mit eingestanztem Loch aus Slowenien eingefuhrt. In Deutschland erfolgen Einvulkanisieren eines Ventilfufies (mehr als Minimalbehandlung; wesentliche Stufe) sowie Einschrauben eines Ventilsatzes (Minimalbehandlung). Ergebnis: Der Fahrradschlauch hat deutschen Ursprung. (2) In Deutschland gebaute LKW werden komplett nach Polen geliefert und dort zu Feuerwehrwagen umgeriistet. Damit erhalten sie polnischen (nicht-praferentiellen) Ursprung, konnen aber mit einer polnischen EUR.l zollfrei nach Deutschland zuriickgebracht werden. Fur den Weiterverkauf durch den deutschen Hersteller z. B. in Entwicklungslander ergibt sich nun aber ein Marketingproblem, weil die Kaufer sich auch am Image eines deutschen Produkts orientieren und kein polnisches Fahrzeug wollen. PRAXISTIP In solchen Fallen sollte in den Kaufvertrag aufgenommen werden, daR ein zu definierender Prozentsatz des Ab-Werk-Preises aus Zulieferungen aus anderen Landern als Deutschland bestehen darf. K-3.3. Praferentieller Ursprung K-3.3.1. Zweck Beim Import von Waren konnen Zollvergunstigungen (Zollpraferenzen) in Anspruch genommen werden, wenn die Ware sich im freien Verkehr des Partnerlandes befindet (Freiverkehrspraferenz, z. B. EG-Tiirkei) oder ihren Ursprung in einem praferenzberechtigten Partnerland hat (Ursprungspraferenz, z. B. EFTA-Lander, bilaterale Abkommen [EU- Mexiko, EU-Siidafrika], Entwicklungslander, AKP-Lander; vgl. unten). Dies erleichtert es den Exporteuren im Partnerland, ihre Waren im praferenzgewahrenden Land zu verkaufen, da der Importeur keine oder geringere Einfuhrabgaben zu entrichten hat. Ein Praferenz- 40 In Anlehnung an Marc Bauer, IHK Region Stuttgart. <?page no="546"?> 524 K Einfuhr nachweis kann also fur den Importeur bares Geld bedeuten sofern er das weiS (Abb. K-3/ 2). Der Nachweis der Zollpraferenz kann daher fiir den Importeur ein wichtiger Aspekt fiir die Kaufentscheidung sein. Wenn der Exporteur das nicht bieten kann, holt sich der Kunde das Produkt vielleicht woanders. Daher ist es fiir den Exporteur oft so wichtig, daf> seine Waren EG-Ursprung erhalten oder behalten. Abb. K-3/ 2: Viele Unternehmen zahlen Zoll, ohne es zu mussen Komplizierte Rechtslage / EG-Praferenzabkonunen / Vorubergehende Erlaubnisse moglich Der praferentielle Ursprung ist von Bedeutung im Zusammenhang mit Freihandelsabkommen und gilt nur fiir die Mitglieder einer solchen Praferenzzone. Der EG-Zolltarif weist neben dem <normalen> Drittlandszollsatz je nach Ware ggf. Vorzugszollsatze fiir die verschiedenen Praferenzzonen aus, die gegeniiber dem Normalsatz reduziert sind oder gar Null betragen. Die Praferenz wird durch Angabe entsprechender Praferenzcodes in den Feldern 36 (die Praferenzcodes finden sich in Anhang 38 der ZK-DVO) und 44 (Ursprungsnachweis) des Einheitspapier beantragt. ZoUpraferenzen stehen naturlich mit dem Meistbegunstigungsprinzip des Art. I GATT im Widerspruch (vgl. Abschnitt J-3). Ihre Verwendung erklart sich aber daraus, daS der GATT- Vertrag in Art. XXTV Ausnahmen von der Meistbegiinstigung zulafit fiir Integrationsraume wie Zollunionen und Freihandelszonen (wie innerhalb der EG bzw. bei Freihandelsabkommenzwischen EG und anderen Landern) sowie fiir Praferenzabkommen u. a. gegeniiber Entwicklungslandern (sog. enabling clause, die 1979 im Rahmen der Tokyo-Runde ins GATT eingefugt wurde). Die Ermittlung des Praferenzursprungs bezieht sich allgemein nur auf den kleinsten Teil der Waren eines Unternehmens, macht jedoch den grofiten Aufwand. K-3.3.2. Praferenzabkommen der EU Die EU hat mit zahlreichen Staaten und Staatengruppen Praferenzabkommen abgeschlossen. ZoUpraferenzen beruhen entweder auf zwischenstaatlichen Vertragen wie zwischen EG und EFTA - oder auf autonomen Regelungen der EG, z. B. gegeniiber Entwicklungslandern. Bei den vertraglichen Praferenzen ist zu unterscheiden zwischen zweiseitigen (bilateralen, gegenseitigen Praferenzabkommen und einseitigen (unilateralen) Praferenzen. Autonome Praferenzen der EG sind immer einseitigj z. B. gegeniiber Entwicklungslandern. Die Praferenzabkommen unterscheiden sich hinsichtlich des Umfangs und des Ausmafies der Zollvergiinstigungen. • Mit den EFTA-Staaten (Norwegen, Island, Liechtenstein) bestehen zweiseitige Praferenzabkommen im Rahmen des Europaischen Wirtschaftsraums (EWR); mit der Schweiz, die nicht dem EWR beigetreten ist, wurde ein Geflecht von Abkommen geschlossen, die materiell im Ergebnis das EWR-Abkommen nachbilden, urn die massiven Abwicklungsprobleme zu verringern, die sich aus diesem <blinden Fleck> innerhalb des EWR ergaben. • Mit den Eiroern sowie den Stadten Ceuta und Melilla bestehen zweiseitige Praferenzabkommen. <?page no="547"?> K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 5 2 5 • Mit der Tiirkei besteht ein Zollunionsabkommen: Wenn sich eine Ware egal welchen Ursprungs im freien Verkehr befindet, kann sie zollfrei in das Partnerland eingefiihrt werden. Tiirkische Ursprungswaren sind in das Paneuropaische Kumulationssystem einbezogen (vgl. unten). • Mit Andorra und San Marino bestehen Zollunionsabkommen. • Mit den CEFTA-Staaten 41 bestehen zweiseitige Abkommen (diese Staatengruppe aul? er Slowenien bezeichnet man auch als Mittel- und osteuropaischen Lander: MOEL). Diese Staaten verwenden die gleichen Zollformulare wie die EG (z. B. auch EUR.l), wobei meist andere Wertgrenzen gelten, aber die meisten Vereinfachungen nicht gelten. • Mit den Mittelmeeranrainern bestehen zahlreiche Abkommen: zweiseitige Abkommen mit Malta und Zypern, zweiseitige Abkommen mit den Maghreb-Staaten 42 (Algerien, Marokko, Tunesien) (Zweiseitigkeit erst seit 2000), einseitige Abkommen mit den Maschrek-Staaten (Agypten, Jordanien, Libanon, Syrien), ein zweiseitiges Abkommen mit Israel, ein zweiseitiges Abkommen mit Gaza/ Westjordanland (Palastina). • Mit Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Kosovo und Mazedonien bestehen einseitige Praferenzabkommen. • Mit Mexiko und Siidafrika bestehen bilaterale Abkommen. 43 • Mit den zu EU-Landern gehorigen sog. uberseeischen Landern und Gebieten (ULG) (z. B. Martinique oder Reunion, die franzosische Departements sind) bestehen teils einseitige, teils zweiseitige Praferenzabkommen. • Mit den Vertragsstaaten des sog. Lome-Abkommens 44 bestehen iiber das APS hinausgehende (vgl. unten), teils einseitige, teils zweiseitige Praferenzabkommen (derzeit 71 Staaten aus Afrika, der Karibik und des Pazifik: AKP-Staaten, zumeist ehemalige Kolonien). • Mit der ASEAN, dem CACM und der Andengruppe 45 bestehen einseitige Praferenzabkommen. • Alle Entwicklungslander geniefien autonome, einseitige Zollvergunstigungen im Rahmen des Allgemeinen Praferenzsystems (APS) 46 (die gegenwartig 164 begiinstigten Lander werden in einer Landerliste <J> zusammengefaEt). Entwicklungslander, die bei der Herstellung von Exportgiitern besonders hohe soziale und Umweltstandards einhalten, sollen dafiir mit besonderen Zollerleichterungen bei Lieferungen in die EG belohnt werden. (Abb. K-3/ 3) (Umgekehrt miissen Entwicklungslander bei VerstolSen gegen die Menschenrecht 41 Central European Free Trade Association: Ungarn, Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakischen Republik, Bulgarien, Rumanien, Estland, Lettland, Litauen und Slowenien. 42 Frei aus dem Arabischen iibersetzt bedeutet Maghreb «Staaten des Westens», Maschrek «Staaten des Ostens». 43 Die Ursprungsregeln entsprechen denen der paneuropaischen Kumulationszone. 44 Das Fiinfte Lome-Abkommen wurde 2000 in Cotonou (Benin) unterzeichnet, nachdem der urspriinglich vorgesehene Tagungsort Fidji-Inseln wegen eines Staatsstreichs abgesagt werden muSte. 45 ASEAN = Association of South East Asian Nations; CACM = Central American Common Market (Mercado Comiin de Centro-America, MCCA), Andengruppe = Bolivien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Peru, Venezuela. 46 Engl. General System of Preferences: GSP. <?page no="548"?> 526 K Einfuhr Abb. K-3/ 3: Zollpraferenzen Zollpraferenzen bei hohen ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ U m w e lt s t a n d ard s ^k E U offnet Markt fiir die bu. B R U S S E L, 3. Juni. Entwicklungsarmsten Lander der Welt la nd er > d i e b e i d e r Hersteliung von Exportgtitern uberdurchschnittlich hohe BRUSSEL, 26. Februar (dpa). Die soziale und Umweltstandards einhalten, Europaische Union wird ihren Markt fiir s o l l e n dafur mit besonderen Zollerleich- Produkte der armsten Staaten der Welt terungen bei Lieferungen in die EU vollig offnen. belohnt werden. oder anderem «nicht hinnehmbaren Verhalten» mit dem Entzug von Zollvorteilen rechnen (bislang eine nur theoretische Perspektive). • Im Rahmen der Initiative «Alles auSer Waffen» hat die EG im Marz 2001 fiir 48 LDC (Least Developed Countries: am wenigsten entwickelte Lander) alle Zolle und Quoten fur nahezu alle 47 wichtigen Produkte aufgehoben. • Die Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) geniefSt seit 1998 keine Zollpraferenzen mehr (davor einseitig). Fiir die wenigen ubrigen Lander (i.d.R. Industrieldnder) bestehen keine Zollvergunstigungen. Einfuhren aus diesen Landern werden EG-einheitlich mit den normalen Drittlandszollsatzen nach dem EG-Zolltarif belegt. Der hierfiir in WTO/ GATT verwendete Begriff Meistbegunstigungszollsatz (MFN-Zollsatz) ist daher sehr irrefuhrend, denn die MFN-Zollsatze sind im Vergleich mit den vielen Praferenzsystemen die ungiinstigsten. 48 Der angestrebte entwicklungspolitische Nutzen der Praferenzen fur Entwicklungslanderimporte ist umstritten, weil die Zollfreiheit fiir viele Giiter gilt, die von den begiinstigten Landern gar nicht produziert werden. Den Text der verschiedenen Praferenzabkommen einschlieSlich der Ursprungsregeln (vgl. anschlieSend) kann man sich bei den Industrie- und Handelskammern beschaffen. K-3.3.3. Ursprungsregeln Bei alien Praferenzabkommen der EG erhalten Ursprungswaren aus den Partnerlandern beim Import in die EG die entsprechende Zollvergiinstigung. Nun ware es zu einfach, wenn man fiir den praferentiellen Ursprung dieselben Praferenzregeln anwendete wie beim nichtpraferentiellen Ursprung: Die praferentiellen Ursprungsregeln sind komplizierter und strenger, und die Bestimmung des praferentiellen Warenursprungs kann im konkreten Einzelfall eine sehr komplexe Sache sein. Grundsatzlich gelten wieder zwei Basisregeln: 1. Entweder ist die betreffende Ware vollstdndig im Ursprungsland erzeugt worden. Jedes Ursprungsprotokoll enthalt eine ausfiihrliche Liste von Kriterien, die als «vollstan- 47 Fiir Zucker, Reis und Bananen gelten Ubergangsfristen mit phasenweiser Zollsenkung bis zur Zollfreiheit 2006 bzw. 2009. 48 Anmerkung: Umgangssprachlich wird oft gesagt, dafi Land X der und der Zollsatz gewahrt wird. Das ist naturlich streng genommen unrichtig und nur in dem Sinne zu verstehen, daf? der Importeur in der EU (nicht das Exportland! ) den niedrigeren Zoll bezahlen mufi. Fiir das Exportland bzw. den Exporteur erweist sich dies allerdings als exportfordernd. Von daher ist es nachvollziehbar, wenn man sagt, dai? dem Exportland die Praferenz gewahrt wird. <?page no="549"?> K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 5 2 7 dige Erzeugung» anzusehen sind. Diese Listen sind abschliefSend, d. h. alle Waren, die . nicht unter diese Kriterien fallen, gelten nicht als vollstandig erzeugt. Problematisch wird es daher, wenn Vorprodukte verwendet werden, die ihren Ursprung in einem Land aufierhalb der Praferenzzone haben, wenn z. B. ein deutscher Hersteller USA-Ware verwenden will, das Fertigprodukt aber EG-Ursprung erreichen soil, um praferenzbegiinstigt nach Ungarn geliefert werden zu konnen. Dann gilt die zweite Hauptregel: 2. Die zur Herstellung der Ware verwendeten Materialien sind im betreffenden Land ausreichend be- oder verarbeitet worden, wodurch die Ware den Ursprung dieses Landes erwirbt. Zur Unterscheidung: Beim nicht-praferentiellen Ursprung war das Kriterium die letzte Be- oder Verarbeitung, beim praferentiellen Ursprung ist das Kriterium die ausreichende Be- oder Verarbeitung. Eine letzte Be- oder Verarbeitung gibt es immer, ob sie ausrefchend ist im Sinne der nachstehenden Kriterien -, ist ungewiG. Daher konnen - und zwar gar nicht selten der praferentielle und der nicht-praferentielle Ursprung auseinanderfallen. Jedes Ursprungsprotokoll enthalt sehr detaillierte Listen, die fur jede Ware bzw. Warengruppe individuell definiert, was unter ausreichender Be- oder Verarbeitung zu verstehen ist (Listenkriterium). Diese Listen enthalten in Spake 1 die HS-Position und in Spake 2 die Warenbezeichnung sowie in den Spalten 3 und 4 die Bedingungen siehe die folgenden Beispiele -, die alternativ erfullt sein miissen, um der Ware den Praferenzursprung zu geben. (Gelegentlich ist die Spake 4 leer.) In den meisten Praferenzabkommen sind Waren der Kapitel 25-97 erfaSt, also sehr viele, meist auch sog. Anhang-I-Waren, d. h. landwirtschaftliche Erzeugnisse. Steht vor der ersten Spake ein «ex» (<explizit>), bedeutet dies, daS sich die Regel in Spake 3 oder 4 nur fur den Teil des Kapitels oder der Position bezieht, der in Spake 2 genannt ist. Es handelt sich also um eine spezielle Regel, beispielsweise fur Ventilatoren fur industrielle Zwecke (ex 8414), abweichend von der Generalregel fur Haushaltsgerate im Abschnitt 84. Im Zentrum stehen dabei die Vorerzeugnisse bzw. Vormaterialien <mit> oder <ohne> Ursprung: V.m.U. und V.o.U. Vorerzeugnisse bzw. Vormaterialien sind Rohstoffe, Zutaten, Teile oder Komponenten, die beim Herstellen des Erzeugnisses verwendet werden, einerlei ob sie bereits be- oder verarbeitet oder ihrerseits fertige Produkte sind. Beispielsweise kann ein kompletter Motor ein Vorerzeugnis fur eine Maschine sein. Nicht dazu gehoren neutrale Elemente wie Energie, Brennstoffe, Arbeitszeit oder Forschungs- und Entwicklungstatigkeiten. V.m.U. sind Waren, die bereifs Ursprungserzeugnisse einer der Vertragsparteien sind und im Zuge der weiteren Fertigung in einem anderen Erzeugnis aufgehen. Die Ursprungseigenschaft wird innerhalb einer Vertragspartei, z. B. innerhalb der EG bei Zulieferungen von Frankreich nach Deutschland, durch «Lieferantenerklarungen mit Ursprung» (LE.m.U.) oder durch Ursprungserklarungen (UE) auf den Rechnungen nachgewiesen. In alien anderen Fallen sind ausnahmslos andere Praferenznachweise erforderlich (vgl. Abschnitt K-3.3.7). V.o.U. sind Waren, die (noch) keinen Ursprung des betreffenden Praferenzraumes besitzen, weil sie weder vollstandig im Praferenzraum hergestellt, noch ausreichend be- oder verarbeitet wurden oder aus einem Drittland ohne Praferenzstatus eingefuhrt wurden, z. B. USA- Ware, die in Frankreich nur wenig bearbeitet wurde. Solche Waren konnen nun innerhalb der EG weiter be- oder verarbeitet werden, ohne den EG-Ursprung zu erhalten, d. h. sie behal- <?page no="550"?> 528 K Einfuhr ten den Ursprung USA. Die in der EG dabei ausgefuhrten Be- oder Verarbeitungsschritte konnen jedoch bei der weiteren Praferenzermittlung berucksichtigt werden (Kumulation, vgl. unten), so daS das Endprodukt nach weiteren Fertigungsschritten doch noch EG-Ursprung erhalt. Als Nachweis der bisher durchgefuhrten Be- oder Verarbeitungen werden «Lieferantenerklarungen ohne Ursprung» verwendet, mit denen der Lieferant seine Vorarbeiten beschreibt. Dies ist besonders im Textilbereich von Bedeutung, wo als Ursprungskriterium haufig zwei Bearbeitungsvorgange erforderlich sind (dies bedeutet eine erhebliche Protektion des Binnenmarktes) und der erste Arbeitsschritt dann durch eine LE.o.U. dokumentiert wird. PRAXISTIP Das zweite Kriterium in Spalte 4 ist i.d.R. <milder>, erfordert meist auch weniger Arbeitsaufwand als das erste Kriterium in Spalte 3 und sollte daher immer zuerst gepruft werden. Beispiel: «nicht mehrals40% V.o.U. plus Positionswechsel allerV.o.U.» vs. «nicht mehr als 30% V.o.U.». Vielleicht ist die 30%-Bedingung bereits erfullt, dann braucht der Positionswechsel nicht mehr gepruft zu werden. Material- und Warenbestande sollten getrennt nach V.m.U. und V.o.U. gelagert werden (Identifikationsprinzip). Bei gemeinsamer Lagerung gilt der gesamte Bestand als V.o.U., bis das Lager leer ist. In jedem Fall sollte der Praferenzstatus in die Stammdaten aufgenommen werden, auch im negativen Fall fur Drittlandsware. Naturlich konnen wir angesichts der Vielzahl von Praferenzabkommen hier keine vollstandige Ubersicht geben iiber die zahllosen Praferenzregeln, aber einige wesentliche Hauptregeln lassen sich verallgemeinern. Beispiele fur Listenkriterien: • Herstellen aus Vormaterialien, die alle (im Praferenzraum) vollstandig gewonnen oder hergestellt sein mussen (V.m.U.) (logischerweise ist dann das Fertigprodukt auch vollstandig gewonnen oder hergestellt). • Herstellen aus Waren aus bestimmten Positionen (z. B. muS Bekleidung aus Pelzfellen aus gegerbten, nicht-zusammengesetzten Pelzfellen der Position 4302 hergestellt werden. Werden also bereits zusammengesetzte Pelze verwendet, ist die Bedingung nicht erfullt, weil ein Teil der Wertschopfung bereits erfolgt ist. • Herstellen durch bestimmte Be- oder Verarbeitungsvorgange (Bohren, Frasen; Farben, Zuschneiden); vor allem im Textilsektor sind die Praferenzregeln keine Wertregeln, sondern schreiben bestimmte - und meist zwei - Verarbeitungsschritte vor. Im Gegensatz zu Wertregeln, bei denen man an den Einkaufs- oder Verkaufspreisen etwas <drehen> kann (man kann z.B. den Ab-Werk-Preis anheben oder Einkaufspreise driicken), sind Verarbeitungsschritte nicht manipulierbar: Wenn es heiSt «Herstellen aus rohen Gewirken», kann man dies nicht durch Herstellen aus Garnen ersetzen. • Herstellen, bei dem das erstelite Gut in eine andere Position des ZoUtarifs einzureihen ist als alle Vormaterialien. • Herstellen, bei dem die Vormaterialien, die in dieselbe Position einzureihen sind wie das Fertigprodukt, einen bestimmten Prozentsatz des Ab-Werk-Preises nicht uberschreiten (dies sind meist schwierige, <knappe>Falle; eine 5 %-Schwelle kann leicht zur K.o.-Regel werden). • Herstellen, bei dem die Ware durch die Bearbeitung in eine andere Position einzureihen ist (sog. Positionswechsel, fruher: Tarifsprung). Da der Zolltarif nach zunehmender Intensitat <?page no="551"?> K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 529 der Bearbeitungsprozesse aufgebaut ist, setzt der Positionswechsel meist eine entsprechend intensive Be- oder Verarbeitung voraus, so daE dies die Ursprungseigenschaft rechtfertigt (Verarbeiten von Tomaten zu Tomatenmark). Der Positionswechsel ist aber aus zweierlei Griinden moglicherweise kein geeignetes Kriterium: Einmal kann ein Positionswechsel bereits bei Be- oder Verarbeitungsvorgangen von wirtschaftlich relativ geringer Bedeutung ein, z. B. bei einfaches Abfullen von Fliissigkeiten aus Containern in Flaschen, Zerschneiden von textilen Stoffen oder einfachen Montagevorgangen bei Elektronikgeraten (Minimalbehandlungen, siehe oben und unten). Zum anderen tritt bei bestimmten Giitern umgekehrt trotz materiell relativ intensiver Be- oder Verarbeitung der Tarifwechsel nicbt ein, doch werden die Produktionsvorgange dennoch als ursprungsbegriindet angesehen, weil eine erhebliche qualitative Veranderung eingetreten ist. • Daher bieten sich ergdnzende Regeln an, z. B. Wertregeln, welche einen bestimmten prozentualen Anteil an der Wertschopfung der Ware vorschreiben, sog. <local COHtewr>-Regeln oder deutsch: Vorschriften beziiglich des heimischen Fertigungsanteils. Solche Wertregeln konnen z. B. (! ) beinhalten: - Der Wert der Vormaterialien ohne Ursprung darf 40% des Ab-Werk-Preises des Fertigprodukts nicht uberschreiten, anders ausgedriickt: 60% der Wertschopfung miissen im Ursprungsland erfolgen (dies ist eine sehr gangige Regel z. B. im Kapitel 84), oder: - Der Wert der Vormaterialien ohne darf den Wert der Vormaterialien mit Ursprungseigenschaft nicht uberschreiten. Fiir V.o.U. gilt als Wert der Zollwert, ansonsten der Preis laut Handelsrechnung oder anderer Nachweise. Vorprodukte aus alien Staaten der Paneuropaischen Freihandelszone gelten nicht als Drittlandsware und konnen innerhalb der Praferenzzone mit EUR.l gehandelt werden (bis auf einige Ausnahmen, da nicht alle Mitgliedstaaten der Paneuropaischen Freihandelszone untereinander entsprechende bilaterale Abkommen ratifiziert haben. Beispielsweise sind Waren aus den baltischen Staaten in Rumanien und Bulgarien noch nicht zollbegiinstigt). Wenn in mehreren Landern dieser Praferenzzone Wertschopfungen erfolgt sind, gilt als Ursprungsland das Land mit dem hochsten Wertschopfungsbeitrag. Diese Bedingungen miissen entweder einzeln oder in Kombination mit anderen, d. h. kumuliert erfiillt werden («und»). Bereits bei dieser unvollstandigen Beispielsliste sollte deutlich werden, dai? die Erfiillung bestimmter Kriteiren nur durch sehr spezifische Fachkenntnisse beurteilt werden kann. Der Zollbeteiligte sollte unbedingt Wert darauf legen, da(? er (nicht nur in dieser Hinsicht) mit den Zollbehorden zusammenarbeitet und seiir Wissen anbietet. Ublicherweise ist eine solche Kooperation im beiderseitigen Interesse. PRAXISTIP Ursprungs-Wertregeln sind im unternehmerischen Alltag aufterst brisant, wenn Entscheidungen ohne Kenntnis des Praferenzrechts getroffen werden: Einkaufer andern Bezugsquellen (aus V.m.U. werden V.o.U.), Verkaufer gewahren Rabatte (die zulassigen 40% des Ab-Werk-Preises fiir V.o.U. sinken auf einen niedrigeren Betrag), ohne zu ahnen, welche schlimmen praferenzrechtlichen Konsequenzen dies haben kann. Die fiir Praferenzrecht Verantwortlichen sollten unbedingt sicherstellen, da(S diejenigen, die im Unternehmen praferenzrechtlich relevante Entscheidungen treffen, zumindest Rucksprache halten, sofern sie nicht selbst im Praferenzrecht fit sind. <?page no="552"?> 530 K Einfuhr Minimalbehandlung Wie oben ausgefiihrt, gelten einige Arbeitsschritte nicht als ausreichende Be- oder Verarbeitung, sondern als Minimalbehandlung. Das Minimalbehandlungs-Kriterium muf? nur gepriift werden, wenn alle Vormaterialien aus Drittlandern stammen; bei vollstandiger Erzeugung findet es keine Anwendung. Die im entsprechenden Artikel des Praferenzabkommens aufgelisteten Vorgange sind abschliefend, so daf? ein Vorgang, der nicht in diesem Artikel aufgefiihrt ist, keine Minimalbehandlung darstellt und somit dann nicht aus der «Wertung» bei der Zusammenzahlung in Frage kommender Wertschopfungsaktivitaten herausfallt. Zum Kriterium <einfach> (einfaches Abfullen) siehe oben. Bagatellklausel Vorerzeugnisse ohne Ursprung miissen grundsatzlich alle bei der Be- oder Verarbeitung die jeweiligen Listenkriterien erfiillen, damit aus dem hergestellten Erzeugnis eine Ursprungsware wird. Dies wiirde in der Praxis oft zu unlogischen Ausschliissen fuhren. Daher gibt es eine Bagatellklausel (Toleranzregel), nach der Vormaterialien ohne Ursprung bis zu 10% des Ab-Werk-Preises verwendet werden diirfen, ohne die Ursprungseigenschaft des Fertigprodukts z. B. bei teuren Waren «wegen ein paar Mark» zu gefahrden; dies ware ggf. ein absurdes Ergebnis. Dies gilt natiirlich nur, wenn das Listenkriterium keinen geringen Satz als 10% vorschreibt (> 90% Wertschopfung), aber das ist aufierst selten. Achtung: Die 10%-Toleranz darf natiirlich nicht zu einem Prozentsatz eines Listenkriteriums addiert werden, sondern wird in Abzug gebracht: BEISPIEL 1 4 9 Ein Staubsauger der Position 8509 hat einen Ab-Werk-Preis von Euro 100,-, darin sind enthalten ein Motor (Pos. 8501) japanischen Ursprungs im Wert von Euro 32,sowie Kleinteile aus Korea (Pos. 8509) im Wert von 8 Euro, der Rest ist aufgrund von Ursprungserklarungen EG-Ware. Die Listenkriterien schreiben in Spalte 3 max. 40% V.o.U. plus Positionswechsel aller V.o.U. vor (dies ware beim Motor nicht erfullt) oder in Spalte 4 max. 30% V.o.U.; dies ware auch nicht erfullt (32,- + 8,- = 40%). Durch die Bagatellklausel bleiben aber 10% V.o.U. unberucksichtigt, verbleiben 30%, d. h. der Staubsauger erhalt EG-Ursprung. BEISPIEL 2 Zur Herstellung von Propanheizgeraten der Position 8416 in der EG werden an drittlandischen Erzeugnissen pro Gerat eingesetzt: Brennerdusen (Pos. 8416) 2 0 - Brennerscheiben (Pos. 8416) 15,- Magnetventil (Pos. 8481) 1 5 - Druckminderungsventil (Pos. 9026) 20,- Ventilator (Pos. 8414) 1 5 - Thermostate (Pos. 9023) 22,- Schaltelemente (Pos. 8535) 1 5 - Der Ab-Werk-Preis des Heizgerats soil 500,-/ Stuck betragen. Die Listenbedingung besagt, daft (1) alle verwendeten V.o.U. einen Positionswechsel durchfuhren miissen und (2) der Wert alle V.o.U. 40% des Ab-Werk-Preises nicht ubersteigen darf: 49 Ubernommen von Matthias Sommer, HZA fiir Priifungen, Stuttgart. <?page no="553"?> K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 531 40% des Ab-Werk-Preises = 2 0 0 - Euro, eingesetzte V.o.U. = 1 2 2 - Euro, d. h. das Kriterium (2) ist erfullt; aber die Brennerduse und die Brennerscheibe gehoren bereits zu Pos. 8416, d. h. Kriterium (1) ist nicht erfullt. Nun aber die Bagatellklausel: 10% des Ab-Werk-Preises an V.o.U. diirfen «ursprungsunschadlich* eingesetzt werden, d. h. werden nicht berticksichtig = max. 50,- DM. Die eingesetzten V.o.U. derselben Position betragen nur 35,- DM, werden durch die Bagatellklausel nicht gewertet, d. h. das Kriterium Positionswechsel ist dennoch erfullt. Ergebnis: Das Heizgerat erhalt EG-Ursprung. PRAXISTIP Die Stammdaten jedes Exportprodukts sollten Verknupfungen (links) zu den Listenregeln der wichtigsten d. h. haufig anzuwendenden - Praferenzabkommen enthalten, wobei durch einfache Tabellenkalkulationsmodule beispielsweise sehr schnell gepriift werden kann, ob Prozentregeln wie die obigen 10 oder 40%-Regeln eingehalten werden. Kumulation In vielen Praferenzabkommen ist es zur Erfullung der Ursprungskriterien zulassig, daft auch Produktionsvorgange <mitgezahlt> (kumuliert) werden, die in einem anderen Land der Praferenzzone erfolgen, z. B. aus der Sicht der EG alle Produktionsvorgange, die keine Minimalbehandlungen sind, innerhalb der 30 Staaten von EG, EFTA, CEFTA, den Baltischen Staaten 50 und der Tiirkei (sog. Paneuropaische Kumulation 51 ). Auch im Handel zwischen der EG und ASEAN- und SAARC-Staaten 52 gibt es regionale Kumulationsregeln. Dabei kann es hin- und hergehen mit dem Ursprung: Ein Unternehmen in Deutschland laftt in Polen Game deutschen Ursprungs zu Gewebe verarbeiten: Das Gewebe erhalt dadurch polnischen Ursprung. Anschlieftend wird es nach Osterreich verbracht und dort gefarbt und ausgeriistet: Nun hat das Gewebe innerhalb des paneuropaischen Markts osterreichischen, also EG-Ursprung. Wird es in Norwegen zu Staatsflaggen verarbeitet, erhalten diese moglicherweise norwegischen Ursprung. Meist erhalt die Ware den Ursprung des Landes, in dem die letzte Be- oder Verarbeitung vorgenommen wird, die mehr ist als eine Minimalbehandlung. Sofern mehrere Wertschopfungen in verschiedenen Landern vorliegen, ist das Land mit dem hochsten Wertschopfungsbeitrag Ursprungsland. Wichtig: Es gibt keine Uberlappung zwischen den Praferenzabkommen in dem Sinne, daft Bearbeitungen aus verschiedenen Praferenzraumen kumuliert werden konnten. Andererseits kannes vorkommen, daft fur ein Land zwei Praferenzabkommen anwendbar sind, so wie z. B. jedes AKP-Land auch unter das APS fallt. EFTA = Island, Norwegen, Schweiz, Liechtenstein, CEFTA = Slowenien, Tschechische Republik, Slowakische Republik, Bulgarien, Polen, Rumanien und Ungarn, Baltische Staaten = Lettland, Estland, Litauen. Einige Partnerstaaten haben bilateral noch nicht alle gegenseitigen Abkommen unterzeichnet. Cumulate = Ansammeln, Anhaufen, Speichern. ASEAN: Association of South East Asian Nations; SAARC: South Asian Association for Regional Cooperation. <?page no="554"?> 532 K Einfuhr K-3.3.4. Praxistip: Ablaufschema zur praferentiellen Ursprungsbestimmung 53 Wichtig ist die korrekte Ermittlung aller Warencodes zur Einordnung der betreffenden Ware in den Zolltarif. In vielen Unternehmen umfaEt der Waren- und Materialstamm zigtausend Positionen, und taglich erfinden Ingenieure neue Produkte. Viele unternehmerische Entscheidungen miissen aber schnell getroffen werden, beispielsweise eine Produktionsverlagerung in ein osteuropaisch.es Land, so daft es giinstig ist, wenn die praferenz- und ursprungsrechtlichen Konsequenzen spontan abgerufen werden konnen: Kann die Ware weiterhin mit EUR.l in die Schweiz geliefert werden? Die Erfassung des kompletten Waren- und Material- • stamms verursacht natiirlich Aufwand, zumal die Daten laufend gepflegt und aktualisiert werden miissen, aber diese Vorarbeiten erleichtern spatere Entscheidungen. Fur die praferenzrechtliche Zuordnung geniigt oft die Position (4-stellig), manchmal auch nur das 2-stellige Kapitel. (1) Handelsware Liegt eine EG-Lieferantenerklarung (LE) oder ein Praferenznachweis (PN) vor? Wenn ja: EG-Ursprungszeugnis, wenn nein: kein Ursprungszeugnis. (2) Eigenerzeugnis 1. Welches Praferenzabkommen ist anzuwenden? 2. Handelt es sich um Ware, die vom Abkommen erfaSt ist? Wenn nein: Kein Ursprungserzeugnis. Wenn ja: • Tarifieren des Endprodukts und aller Vorprodukte (Warennummern ermitteln), • die zu den Tarifnummern gehorigen Listenregeln fiir das Endprodukt ermitteln (Spalten 3 und 4 des Ursprungsprotokolls), am besten aus den VSF, ggf. mit Hilfe der IHK; das Zollamt wird meist nicht helfen konnen. Die Listenregeln sollten fiir wichtige Kundenlander in den Material- und Warenstammdaten abgespeichert sein. Wichtige Listenregeln, die z. B. auf Materialarten oder Bearbeitungsvorgange abstellen, sollten zusammengefaSt und dem Einkauf zur Verfugung gestellt werden. 3. Praferenzberechtigung ermitteln anhand der Listenkriterien: • Liegt vollstandige Herstellung/ Gewinnung vor? Wenn ja: Ursprungserzeugnis. Wenn nein: • Priifung beziiglich ausreichender Be- oder Verarbeitung der V.o.U.: Handelt es sich um Minimalbehandlung? Wenn ja: Kein Ursprungserzeugnis. Wenn nein: • Sind die «Listenbedingungen» fiir V.o.U. unter Beriicksichtigung der Kumulierung erfullt? Wenn ja: Ursprungserzeugnis. In diesen Abschnitt warden zahlreiche Anregungen aus den Seminaren fiir die exportierende Wirtschaft (SEFEX) der Exportakademie Reutlingen integriert. <?page no="555"?> K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 533 Wenn nein: • Greift die 10%-Bagatellregel ? Wenn ja: Ursprungserzeugnis. Wenn nein: Kein Ursprungserzeugnis. (3) Schnellverfahren Fiir einmalige Falle lassen sich auch ohne Kenntnis aller Lieferantenerklarungen - Schnellverfahren anwenden, bei denen man <von oben nach unten> (top down) vorgeht. 54 (a) Ab-Werk-Preis - Summe der Einkaufswerte = eigene Wertschopfung. Der Vergleich mit dem Listenkriterium (z.B. «< 40% V.o.U.») gibt oft schon die gesuchte Antwort. In jedem Fall wird so der praferenzberechtigte Wertanteil ermittelt. Im Hinblick auf unterschiedliche Abkommen mit abweichenden Listenregeln deckt die <schlechteste> Regel alle iibrigen mit ab (worst case). •(b) Ab-Werk-Preis - V.o.U. (z. B. aus Japan oder den USA) = praferenzberechtigte Wertanteil (c) Ab-Werk-Preis 100.000 - Materialeinsatz (unabhangig vom Ursprung) 45.000 Bei einer 40%-Regel miifiten nur noch 5.000 nachgewiesen werden, d.h. man sucht noch nach einem Teil mit Ursprung >5.000, und das Fertigprodukt ist praferenzbegiinstigt. (d) Ab-Werk-Preis eigene Wertschopfung wertmafiig grofites zugekauftes praferenzberechtigtes Teil (EG-Ursprung) = moglicher pfiitxenzscbadlicber Wertanteil. (4) Standardverfahren Fiir die laufende Praferenzermittlung des Warenbestandes, die fur alle Vor-, Zwischen- und Endprodukte genau dokumentiert werden sollte, empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen oder <von unten nach oben> (bottom up). Praferenzstatus aller Vormaterialien ermitteln (fur EG-Bezuge durch LE, sonst durch EUR.1 oder UE) + jeweilige Wertsteigerung durch eigene Produktion = Praferenzstatus der Zwischenbzw. Endprodukte Praferenzstatus Zwischenprodukte + jeweilige Wertsteigerung durch eigene Produktion = Praferenzstatus der weiteren Zwischenbzw. Endprodukte etc. (je nach Anzahl der Fertigungsstufen). Obernommen von Michael Haberle, Friedrichshafen. <?page no="556"?> 534 K Einfuhr K-3.3.5. Einige Details Mehrstufige Produktion Unter mehrstufiger Produktion versteht man praferenzrechtlich das Herstellen eines Produkts, das im weiteren FertigungsprozeK in das Endprodukt eingeht, iiber dessen Ursprungseigenschaft zu entscheiden ist. Sofern das Zwischenprodukte aufgrund der erfolgten Be- oder Verarbeitung nach den Listenkriterien den (EG-)Ursprung erworben hat, wird es insgesamt bei der weiteren Berechnung beziiglich des Endprodukts als Vormaterial mit Ursprung behandelt. Bei der Zwischenberechnung unschadlich gewesene Vormaterialien ohne Ursprung <fallen nun unter den Tisch> und werden fur das Endprodukt nicht mehr berucksichtigt. BEISPIEL Ein Motor enthalt Teile aus den USA, erwirbt jedoch durch die Produktion in Deutschland EG-Ursprung. Beim Einbau in eine Maschine wird der komplette Motor als V.m.U. gewertet; die enthaltenen USA-Teile werden nicht mehr als V.o.U. berucksichtigt. Warenzusammenstellungen In einer Warenzusammenstellung konnen Bestandteile erfaSt sein, die nicht vom Praferenzabkommen erfaftt sind. Eine Warenzusammenstellung ist beispielsweise ein Erste-Hilfe- Kasten fur PKW. Warenzusammenstellungen gelten als Ursprungserzeugnisse, wenn alle Bestandteile Ursprungserzeugnisse sind bzw. wenn nicht mehr als 15 % des Ab-Werk-Preise V.o.U. sind. Zubehor, Ersatzteile und Werkzeuge Die Bestimmungen beziiglich Zubehor, Ersatzteilen und Werkzeugen entsprechen denen, die fur die Ermittlung des nicht-praferentiellen Ursprungs gelten; vgl. oben. Wenn dabei ein Wertkriterium (Prozentsatz des Ab-Werk-Preises) anzuwenden ist, wird der Zollwert der Zusatzteile ohne Ursprung zum Wert der V.o.U. hinzugezahlt, kann sich also u.U. ursprungsschadlich auswirken. Auf Ersatzteillieferungen ohne EG-Ursprung, die nicht mit dem Hauptprodukt zusammen, sondern spater geliefert werden, konnen im Bestimmungsland u.U. Zdlle lasten. Insbesondere in Osteuropa konnen hierbei recht hohe Einfuhrabgaben anfallen. UmschlieBungen UmschliefSungen und die in ihnen enthaltenen Giiter werden als Einheit angesehen. Daher diirfen Praferenznachweise fur die Waren auch dann ausgestellt werden, wenn die UmschlieSungen keine Ursprungswaren sind. Sie sind als Bestandteil der in ihnen verpackten Waren anzusehen und miissen wie jedes andere verwendete Material das fur die betreffende Ware giiltige Ursprungskriterium (mit) erfullen. Dies gilt auch fur UmschlieSungen zum Schutz der Waren wahrend Transport und Lagerung, aufier wenn die UmschlieSungen uniiblich sind (z. B. eine Mahagonikiste fur Schrauben) oder einen dauernden, selbstandigen Gebrauchswert auf? er als Umschliefiung haben (z. B. eine glaserne Vase mit Deckel, in der Honig transportiert wird). Territorialitatsprinzip Werden Waren mit Ursprung auSerhalb des Praferenzgebietes be- oder verarbeitet, verlieren sie definitiv ihren Praferenzursprung, d. h. sie gelten bei einer eventuellen Wiedereinfuhr <?page no="557"?> K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 535 als Drittlandswaren. Im EWR- Abkommen und im Rahmen der paneuropaischen Kumulation gibt es dabei eine Toleranzgrenze von 10 % des Ab-Werk-Preises, sofern die exterritoriale Behandlung im Rahmen einer passiven Veredelung erfolgt. Eine allgemeine Ausnahme besteht fiir Ruckwqren, d. h. fur Waren, die innerhalb von drei Jahren unverandert an den Verkaufer zuriickgeschickt werden, beispielsweise im Zuge von Wandlung oder Austausch bei Mangelriigen. Unmittelbare Beforderung Vorgelegte Praferenznachweise sind nur giiltig, wenn die unmittelbare Beforderung der Waren nachgewiesen wird, d. h. dafi entweder eine Beforderung in die EG erfolgt, ohne dafs Gebiet eines anderen Staates zu beriihren (das geht nur bei Nachbarstaaten), oder daE die Ware im Durchfuhr-, Umladungs- oder Einlagerungsland unter zoUamtlicher Uberwachung gestanden hat. Draw-Back-Verbot Nehmen wir an, dafi im Zuge einer Autoproduktion in Deutschland Motorteile aus den USA verwendet werden, die im Rahmen einer aktiven Veredelung (aV) wegen der beabsichtigten Wiederausfuhr zollfrei geblieben waren. Wiirden diese Teile nun durch den Einbau in einem deutschen Auto deutschen (europaischen) Ursprung erlangen, konnten sie aufgrund des EWR-Praferenzabkommens unverzollt nach Norwegen gelangen. Bei Direkteinfuhr der Teile aus den USA nach Norwegen hingegen waren Einfuhrabgaben zu entrichten gewesen. Das darf natiirlich nicht sein. Daher sehen viele Praferenzabkommen ein Draw-back-Verbot vor (u. a. nicht EG-Sudafrika und EG-Tunesien; vergessen? ). Dies bedeutet, daS in Fallen wie in unserem Beispiel keine Praferenznachweise (fur das Auto) ausgestellt werden diirfen, um eine Doppelvergiinstigung auszuschliefsen zollfrei nach Deutschland wegen aktiver Veredelung, zollfrei in Norwegen wegen Praferenzursprung es sei denn, daf? sichergestellt ist, daS die Einfuhrabgaben fiir die Motorteile in Deutschland nachtraglich erhoben werden. Hier entsteht also nachtraglich eine Zollschuld fiir den Veredler in Deutschland, so daS die urspriinglichen Vergiinstigungen aus der aktiven Veredelung aufgehoben werden. Es kann also entweder eine Praferenzvergiinstigung ohne aV in Anspruch genommen werden oder ein aV ohne Praferenzbegiinstigung. Die nachtraglich entstandenen Zolle konnen bei einer Riickverbringung nach Deutschland auch nicht im Wege der Zollriickvergutung erstattet werden. K-3.3.6. Ermachtigter Ausfiihrer Auch im Praferenzrecht gibt es Vereinfachungen bei der Ausstellung von Praferenznachweisen. Dies bedeutet nicht den Verzicht auf den Ursprungsnachweis, sondern Verzicht auf die Gestellung der Waren und den Einzelnachweis in Form einer WVB EUR.l oder A.TR (vgl. unten) (eventuelle auSenwirtschaftsrechtliche Vorschriften wie Exportbeschrankungen bleiben davon natiirlich unberiihrt). Eine EUR.l bei der IFDC abfertigen zu lassen ist teuer: Die Ausstellung kostet zwar nur eine (geringe) Gebiihr, die von Kammer zu Kammer verschieden ist, aber die Axbeitszeit fiir das Ausfiillen des Formulars, Weg- und Wartezeiten sowie Fahrzeugkosten summieren sich schnell auf 70 Euro pro Stuck. Eine mogliche Vereinfachung besteht in der Vorabstemplung der EUR.l durch das HZA blanko, bis auf wenige firmenbezogene Angaben -, und das Formular wird vor der Verwendung durch den Aus- <?page no="558"?> 536 K Einfuhr fiihrer ordnungsgemafi vervollstandigt. Die Ursprungspriifung wird dadurch im voraus bei der Erfassung des Warensortiments durchgefuhrt und nicht fiir jeden Exportfall. Die Vorabstemplung ist eher selten geworden; stattdessen ermoglicht die Zulassung als «ermachtigter Ausfiihrer» die problemlose und einfachere Ausstellung von Lieferantenerklarungen (LE) ohne Wertgrenze durch den Ausfuhrer selbst. In der Schweiz gibt es keine Lieferantenerklarung, so da£ man bei Zulieferungen aus der Schweiz immer eine EUR.l erhalt (die vom Status her <mehr wert> ist als eine LE). LEs miissen vom Datum der praferenzrechtlichen Verwendung der Ware an zwei Jahre aufbewahrt werden; eine riickwirkende Ausstellung ist nicht zulassig, also nicht am 15.2. eine LE fur den Zeitraum 1.1.-31.12. Eine LE sollte ein Herstellerland enthalten, die EG gilt in vielen Landern (USA) nicht als Land. Die Zulassung zu diesem vereinfachte Verfahren fur «ermachtigte Ausfuhrer» 55 setzt voraus, daf? das Ausfuhrunternehmen haufig Waren mit einem Wert iiber 6.000 Euro ausfiihrt; haufig heiSt in der Praxis mehr als 10 Ausfuhrsendungen pro Monat, in berechtigten Fallen auch bei geringerer Anzahl (beispielsweise weil die bisherige Zolldienststelle aufgelost wird). Abgesehen von den iiblichen personellen Voraussetzungen ist seitens des Unternehmens eine Arbeits- und Organisationsanweisung (AuO) vorzulegen - und vom HZA zu priifen -, die sicherstellt, daS die Ursprungspriifung durch das Unternehmen regelgerecht erfolgt. Danach darf der ermachtigte Ausfuhrer selbstandig Praferenznachweise ausstellen, i.d.R. nur fur Ursprungswaren und nur fiir einen begrenzten Warenkreis. Zudem kann unter Umstanden auf das grundsatzlich vorgeschriebene Unterschreiben der Ursprungserklarung verzichtet werden. PRAXISTIP Es ist sinnvoll, wenn parallel zum Ermachtigten Ausfuhrer die Zulassung zum Zugelassenen Ausfuhrer beantragt wird (Vorabstemplung der Ausfuhranmeldung). Aber: Die Vereinfachung wird i.d.R. nur nach einer Zollprufung im Betrieb gewahrt (bei der moglicherweise <Staub aufgewirbelt wird>), ggf. mud eine interne Organisationsanweisung erstellt werden, damit im Einkauf keine Probleme geschaffen werden, und in der Regel erfolgt eine Nachprufung alle 2-3 Jahre. Viele Unternehmen verzichten daher auf die <Vereinfachung>. K-3.3.7. Ursprungsnachweise Wie ausgefuhrt, setzt die Inansptuchnahme von Zollpraferenzen den Nachweis voraus, daS die Importware aus einem praferenzberechtigten Exportland stammt. Die Praferenzberechtigung muS beim Import in die EG vom Importeur durch bestimmte Ursprungsnachweise belegt werden, die der auslandische Exporteur beschaffen bzw. zur Verfugung stellen muS. Welche dies sind, hangt von den Bestimmungen des jeweiligen Importlandes ab. Analog mufi der EG-Exporteur seinem Kunden Ursprungsnachweise liefern, damit dieser seinen Import praferenzbegunstigt abwickeln kann. Die Art der jeweils anzuwendenen Nachweise wird im Praferenzabkommen mit dem Partnerland vereinbart. 55 Im Zollrecht macht die Genehmigung derartiger Vereinfachungen den Zollbeteiligten zum "zugelassenen Ausfuhrer ». <?page no="559"?> K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 537 Der Praferenznachweis kann bei der Einfuhr ggf. verspatet nachgereicht werden, denn in der Praxis nicht selten versaumt es der Exporteur, diesen rechtzeitig zu iibersenden, oder er ist noch mit der Post unterwegs oder wurde schlicht verloren. Hierfur gelten abkommensabhangig unterschiedliche Vorlagefristen, so fur EWR/ MOEL 4 Monate, fur APS (Entwicklungslander) realistischerweise - 10 Monate; fur den etwaigen Normalzoll (MFN- Zollsatz, DrittlandszoUsatz) ist dabei Sicherheit zu leisten. Bei Fristiiberschreitung konnen die Zollbehorden eine Praferenzbehandlung gewahren, sind dazu aber nicht verpflichtet. Man unterscheidet formliche und nicht-formliche Praferenznachweise: (1) Formliche Praferenznachweise • Ein amtliches Ursprungszeugnis (UZ) wird in Deutschland durch die Industrie- und Handelskammern (meist), die Handwerkskammern (sehr selten) und die Landwirtschaftskammern ausgestellt (nicht von den Zollbehorden! ). UZ werden oft u'nter Akkreditiven verlangt. Bei Verlust kann ein Ersatzexemplar ausgestellt werden («Neuausstellung»). PRAXISTIP Details wie Akkreditivnummern, Importlizenznummern etc. sollten nicht im Warenfeld angebracht werden, weil sie dann gepruft werden mussen, sondern unter «Bemerkungen» (vgl. oben Abb. K-3/ 1). • Die Warenverkehrsbescheinigung (WVB) EUR.l weist die Freiverkehrseigenschaft einer Ware in der EG nach; sie wird von den Zollbehorden ausgestellt und verwendet fur den Praferenzverkehr innerhalb der Paneuropaischen Freihandelszone sowie zwischen EG und Mittelmeerlandem. Bei Verlust kann die EUR.l ggf. nachtraglich ausgestellt werden. Bei neu in Kraft getretenen Praferenzabkommen kommt es immer wieder vor, daS die Zollbehorden der neuen Partnerlander mit den EG-Formularen noch nicht hinreichend vertraut sind und beispielsweise das EUR.l als Praferenznachweis nicht anerkennen (Abb. K-3/ 4; vgl. die Ahnlichkeit mit Abb. K-3/ 1). • Eine Ursprungserklarung (UE) ersetzt die WVB EUR.l. Mit der <privaten> UE erklart der Exporteur in eigener Verantwortung meist auf seiner Handelsrechnung 56 den Praferenzursprung fiir Waren bis zu bestimmten Wertgrenzen, z. B. fur EWR/ EFTA oder MOEL bis zu 6000 Euro. Bei der Berechnung der Wertgrenze bleiben Drittlandswaren und Waren mit unbestimmtem Ursprung unberiicksichtigt. BEISPIEL Der Ab-Werk-Preis einer Stanzmaschine, die in die Schweizgeliefert wird, betragt 8.000 Euro, darin sind enthalten Ursprungswaren im Wert von 5.750 Euro und Nichtursprungswaren von 2.250 Euro: Die UE kann ausgestellt werden. Je nach Abkommen gelten teilweise fur die Einfuhr andere Wertgrenzen als fiir Ausfuhr. Fiir <ermachtigte Ausfuhrer> gelten diese Wertgrenzen nicht. Fiir Ursprungserklarungen ist meist ein bestimmter Wortlaut vorgeschrieben, der wiederum von Abkommen zu Abkommen unterschiedlich sein kann, z. B.: Ggf. auch auf der Riickseite oder auf einem gesonderten Blatt. Der Wortlaut kann vorgedruckt sein. Fotokopien mussen eigenhandig unterschrieben sein. <?page no="560"?> 5 3 8 K Einfuhr Abb. K-3/ 4: EUR. 1 WARENVERKEHRSBESCHEMIGUNG 1 . A u a f u h w / E x p o r t e u r (Name, voiltliind: g« Anschrlft, staatj OTEX Maschinenbau KG Baderstrasse 45 67228 Speyer Warenfft d t e A n u f i l dW Q « d f h • t t t t d * o d t r J M » BwohOttrt* 3, E r n p f a r w r (Name, vollit indigo Anschriri, Staat) (AoHOItunfl'froIgaslotlf) BARLANA S'^A. Chemin des Alignes 67. : Y ! >-'; '•. ' ,-CH 2005 Geneve "-•-'•' .- ; - : "'' fl; Angaben iiberdle Befordrtrung (Aw •'" BKW-Transpqrt : ; - - E U R . 1 Nr.l 282462 Vor dem Auafullvn Anm«rkuna*r) «ul dar RiicitMlta baachten 2. B « i c t i e i n i g u n g f u r d e n P r a f e i e n z v e r k e h r z w l s c h e n > e r Europaischen Wirtschaftsgemeinschkft S WITZERLAN D/ SCHWEIZ- (AngBbe"der.betfeflendar> StMten, Staatanijnippenoda 4, Staat, S t a o t e n g r u p p e o d e r G e - V biet, a l s dessenrbzw. d e r e n Ur- : s p r u n a s w a r e n din W a r c n g e l t c n Bundesrep.ubliS; ^ Y. B a i r t S i r u i 5. B e B t i m m u n g s a t a a t , ; e t a a t e n g r u p p e o d e f g r b i n l 11. SICHTVERMERK DER ZOLLBEHORDE Die RichtigkeK der Erktarurig w l r d beachelnlgt Aiiafuhrpapler: ') r* ' •; •. Art/ Muster.._.. A M . .V . . 5 5 . . 2 . 3 1 'vorn,...Z.cl.iaiTj.t.. Spey.er. _....,..: .".; ... -_•-: Zollbohardo .: ,.. ', X- Ausstoil«nd«r/ 8 StaaUGeblet Htindasrepuhlik Deutschland l- ^ i 12. ERKLARUNG DES AUSF0HRER3/ EXPORTEURS Der Untefzeichn'ef ertdart daft die vorgananrrten Waren die Voraussetzungen erfuHen. um' diese Bescheinigung zu crlringan : 6 7006; 'Speyer A _16_."; 4..2p_0x <?page no="561"?> K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 539 «Der Ausfuhrer der Waren, auf die sich dieses Handelspapier bezieht, erklart, daR diese Waren, soweitnichtandersangegeben, praferenzberechtigte... Ursprungswaren 57 sind.» Ort, Datum, Unterschrift Die Zollbehorden des Einfuhrlandes konnen Ubersetzungen verlangen. Daher sollte man sich mit seinem Kunden rechtzeitig abstimmen, in welcher Sprache die LE verlangt wird, und ob man dies sicherstellen kann. (Die Vorschriftensammmlung der Bundesfinanzverwaltung enthalt Fassungen des Wortlauts in diversen Sprachen; VSF Z 4138). Bei Mischsendungen, die unterschiedliche Waren verschiedenen Ursprungs enthalten, miissen diese in der Ursprungserklarung «fur einen Aufenstehenden nachvollziehbar» ausgewiesen sein, ggf. durch Kennzeichen, FuEnoten o. a., und mit der Handelsrechnung verzahnt sein, d. h. die Rechnungspositionen miissen sich den Angaben in der LE eindeutig zuordnen lassen. Bei mehreren unterschiedlichen Ursprungsangaben bietet es sich an, fur die Lander bezeichnungen die amtlichen zweistelligen ISO-Buchstabencodes 58 zu verwenden, die mehr und mehr die dreistelligen Zahlencodes ablosen. • Die Warenverkehrsbescheinigung EUR.2 fur Freiverkehrsware wird ohne Beteiligung der Zollstelle nur in wenigen Praferenzzonen im Postversand verwendet, z. B. mit den ULG oder den AKP-Landern. In den meisten Abkommen ist es durch eine Ursprungserklarung auf der Rechnung ersetzt worden. Fur Mischsendungen mit verschiedenen Urspriingen darf das Formular nicht verwendet werden. Eine nachtragliche Ausstellung ist nicht moglich. Wegen der Eigenverantwortlichkeit der Erklarung sind Ersuchen urn Nachprufung keine Seltenheit. • Der Freiverkehrsnachweis A.TR wird im Warenverkehr mit der Tiirkei verwendet. Er wird vom Exporteur ausgestellt und von der Zollstelle iiberpriift. (Die Tiirkei hat hohe Einfuhrzolle, ein A.TR ist bares Geld wert! ) Eine nachtragliche Ausstellung ist moglich. Das A.TR mu8 innerhalb von drei Monaten der Zollstelle des Einfuhrstaates vorgelegt werden. Im Postverkehr ist kein A.TR erforderlich. • Das Ursprungszeugnis Form A ist fur Einfuhren aus APS-Landern zwingend vorgeschrieben; es wird von den Zollbehorden des Exportlandes ausgestellt (die zur Ausstellung berechtigten Stellen sind in einer Liste der Bundesfinanzverwaltung zusammengestellt). Der Vordruck muS in englischer oder franzosischer Sprache ausgestellt sein und ist bis zu 10 Monate nach Ausstellung giiltig. Bei Importen bis zu 3000 Euro geniigt eine Ursprungserklarung des Exporteurs auf der Rechnung. Die Ware muS unmittelbar aus dem Entwicklungsland in die Gemeinschaft befordert worden sein, sonst verliert sie ihre Praferenzberechtigung. Nicht-kommerzielle Kleinsendungen (bis 215 Euro) und Waren im Reisegepack (bis 600 Euro) werden ohne Nachweis durch miindliche Erklarung als Ursprungswaren akzeptiert. Bei Zweifeln an der Richtigkeit eines Form A gibt es Verfahrensmoglichkeiten zur Uberpriifung. Die Aufmachung des Form A entspricht dem EUR.l (vgl. Abb. K-3/ 4). Waren, die zwischen zwei Orten der EG transportiert werden, gelten kraft einer gesetzlichen Fiktion als Gemeinschaftswaren; der Gemeinschaftscharakter von Gemeinschaftswaren 57 Der Ursprung ist zu prazisieren, z. B. EG-Ursprungswaren. 58 Es gibt zur Verwirrung auch dreistellige ISO-Codes. <?page no="562"?> 540 K Einfuhr (vgl. die Definition in Abschnitt J-5.1.3) braucht dabei nicht mehr nachgewiesen zu werden. Ausnahmen bestehen lediglich fur bestimmte See- und Luftbeforderungen, bei bestimmten Zollverfahren (Zollager, aktive Veredelung, voriibergehende Verwendung), im TIR-Verfahren, beim Carnet ATA und bei Warenbewegungen iiber das Gebiet eines Drittlandes (z. B. von Deutschland iiber die Schweiz nach Italien). In diesen Fallen gelten die Waren als Nichtgemeinschaftswaren, es sei denn, daS der Beforderer den Gemeinschaftscharakter nachweist; hierfiir werden der Versandschein T2 (im gW, vgl. Abschnitt L-5.1) bzw. im iibrigen das Versandpapier T2L verwendet (z. B. beim Carnet-TIR oder im Seeverkehr zwischen Italien und Griechenland). Das T2L ist auch immer dann erforderlich, wenn innerhalb der Gemeinschaft eine Mischsendung von Gemeinschafts- und Nichtgemeinschaftswaren befordert wird, um die Gemeinschaftswaren zu kennzeichnen: Beispielsweise nimmt ein Frachter aus den USA in Rotterdam mit T2L Gemeinschaftsware auf, die fur Bremen bestimmt ist. Statt des T2L kann auch die Handelsrechnung oder ein Beforderungspapier mit bestimmten Mindestangaben verwendet werden. (2) Nicht-formliche Praferenznachweise Bei Kleinsendungen von Privat an Privat (z. B. bis 500 Euro mit der Post) sowie im nichtkommerziellen Reiseverkehr (bis 1200 Euro) geniigt eine glaubhafte miindliche Erklarung. Die Wertgrenzen sind abhangig vom jeweiligen Praferenzabkommen. (3) Lieferantenerklarung Lieferantenerklarungen (LE) sind eine innereuropaische Spezialitat (nicht in der Schweiz). Innerhalb der Paneuropaischen Kumulationszone werden LE als Nachweis fur den Ursprung einer Ware verwendet. Der Aussteller mufi seinen Betriebssitz in der Praferenzzone haben. Er bescheinigt in eigener Verantwortung, ohne Beteiligung irgendeiner Behorde den Warenursprung. Die LE gilt nur im Original, Kopien oder Faxe haben keine Geltung. Die LE ist kein Praferenzpapier, sondern eine Art Vorpapier, denn sie dient dann in der Folge mit als Grundlage fur die Ausstellung von Praferenznachweisen (Abb. K-3/ 5). Da sich hiermit fur den Importeur teilweise erhebliche Zollvergunstigungen ergeben, sind LE wegen der individuellen Verantwortung personlich zu unterschreiben. Verkaufer sollten daher sehr sorgfaltig mit ihren Lieferantenerklarungen umgehen, um eventuellen Regrefsanspriichen ihres Kunden oder sogar strafrechtlichen Konsequenzen vorzubeugen. PRAXISTIP Gefalligkeitserklarungen sollte man auf gar keinen Fall abgeben, weil falsche Angaben als Beihilfe zur Steuerhinterziehung gewertet werden konnen. Sofern man nicht sicher ist, daft Vorlieferanten korrekte LEs abgeben konnen, sollte man auf diese Erklarungen lieber ganz verzichten. Im Zuge der verbreiteten Rechtshilfeabkommen sind Durchgriffe auf den Aussteller unrichtiger Ursprungsangaben nicht selten, und dies kann durchaus auch den Sachbearbeiter treffen. Es ist daher unbedingt fur eine jederzeit aktuelle Dokumentation zu sorgen. LEs diirfen nur bis zu einem Warenwert bis 6000 Euro ausgestellt werden, dariiber ist ein EUR.l erforderlich. Diese Wertgrenze gilt nicht fur «ermachtigte Ausfuhrer». Wichtig sind LEs bei Waren, zu denen mehrere Zulieferer aus der EG Beitrage leisten, die aber zusammengenommen eine ausreichende Be- oder Verarbeitung in der EG bedeuten konnen. <?page no="563"?> K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 541 Abb. K-3/ 5: LE und WVB/ EUR. 1 Drittland CUE/ LP) Zulieferer EG Handler CtD Hersteller A- CtD Zulieferer EFTA, MOEL Kaufer Kaufer CiD Zulieferer LE = Lieferantenerklarung, UE : bescheinigung «EUR. 1» Ursprungserklarung, U = Ursprungszeugnis, WVB = Warenverkehrs- Es gibt vier Arten von Lieferantenerklarungen: • Einzelerklarung fiir Waren mit Praferenzursprung (d. h. mit Ursprung in der Paneuropaischen Kumulationszone), • Einzelerklarung fiir Waren ohne Praferenzursprung, • Langzeitklarung fiir Waren mit Praferenzursprung (1 Jahr giiltig), • Langzeitklarung fiir Waren ohne Praferenzursprung (1 Jahr giiltig). Bei positivem Praferenzstatus («mit Ursprung») ist die korrekte Tarifierung grundsatzlich egal. Daher braucht die Tarifnummer auch nicht auf der LE angegeben zu werden. Fiir LEs werden verschiedene Formulare verwendet. Der Text einer Einzel-LE fiir Waren mit Praferenzursprung miifste lauten: «Der Unterzeichner erklart, daS die in der Rechnung (Nr.) vom (Datum) aufgefuhrten und (mit Sternchen/ a,b,c etc. gekennzeichneten) Waren hergestellt worden sind in (Ursprungsland) und den Ursprungsregeln fiir den Praferenzverkehr mit folgenden Staaten entsprechen (Nennung eines Landes oder Aufzahlung der Mitgliedsstaaten des Praferenzabkommens)» (Ort, Datum, Firma, Unterschrift). PRAXISTIPS Wenn es erforderlich ist, sollte organisatorisch sichergestellt werden, dalS die Lieferanten routinemafiig zur Abgabe von LE angehalten werden; dies geht insbesondere an die Adresse des Einkaufs, der dies bereits bei der Auftragsvergabe unterstreichen sollte. Ihr Eingang im Zusammenhang mit dem Wareneingang und ihre Richtigkeit miissen aber iiberpruft werden, so daft die Notwendigkeit dieses Kostenfaktors gut uberdacht werden sollte. <?page no="564"?> 542 K Einfuhr • Langzeit-LE sollten rechtzeitig zum Beginn eines Geschaftsjahres angefordert werden, um eine einheitliche Terminierung zu erreichen. Dies erleichtert die Oberwachung. • Manche Unternehmen formulieren die LE vor und ubersenden sie den Lieferanten zur Unterschrift; dies spart Riickfragen und vermeidet Fehler. Da man keinen Lieferanten dazu zwingen kann (sofern er sich nicht vertraglich dazu verpflichtet hat; es gibt zahlreiche Unternehmen, die es ablehnen, LEs zu erstellen), kann dies ein Ausschluftkriterium im Einkauf sein. Manche Unternehmen kategorisieren ihre Lieferanten entsprechend. Manche Unternehmen halten ihre Zahlungen bis zum Eingang der LE zuriick. • Auf der Verkaufseite sollten LEs nur auf Anforderung ausgestellt werden. Audi dann empfiehlt sich eine Nachfrage, ob der Kunde die LE tatsachlich benotigt, denn oft reichen die Be- oder Verarbeitungsvorgange beim Kunden aus, um den Praferenzursprung zu erlangen. Dann kann man sich gegenseitig die MCihe sparen. Grundsatzlich konnen LE auch aus der Tiirkei angefordert werden (wegen des Freiverkehrsabkommen EG-Tiirkei), da die Tiirkei in das System der Paneuropaischen Kumulation integriert worden ist. Die Freiverkehrseigenschaft ergibt sich aus dem A.TR. Sofern sich Zweifel an der Gultigkeit einer LE ergeben, kann die Zollstelle des z. B. norwegischen - Importeurs die Vorlage eines Auskunftblattes INF-4 verlangen (in der Praxis spricht man dies gern «Inef-vier» aus). Der z. B. deutsche - Ausfuhrer mufi seinen z. B. belgischen - Lieferanten veranlassen, das INF-4 bei der fur ihn zustandigen belgischen Zollstelle zu beantragen. Diese iiberpriift die belgische LE und bestatigt ggf. ihre Richtigkeit auf dem Formblatt, das es nach Wahl dem Ausfuhrer oder der anfordernden norwegischen Zollstelle zuleitet. Das klingt gut, kann aber schon mal zwei Jahre dauern, wenn der Exporteur beispielsweise seine EUR.l auf eine Kette von LE seiner Vorlieferanten stiitzt, die dann retrograd ggf. alle iiberpriift werden miissen. Bei ungiinstigem Ergebnis mufi der norwegische Importeur u.U. nach langer Zeit Zoll nachzahlen. In einem Fall hatte ein sparsamer schwabischer Unternehmer bei einer Lieferung unter EUR.l in die Schweiz Verpackungen aus Taiwan (mit chinesischen Schriftzeichen) verwendet und loste prompt eine Uberpriifung seiner EUR.l aus... (4) Verbindliche Zollpraferenzauskiinfte Analog zu den verbindlichen Zolltarifauskiinften konnen verbindliche Zollpraferenzauskiinfte und verbindliche Ursprungsauskiinfte bei den Zolltechnischen Priifungs- und Lehranstalten angefordert werden. Sie binden die Zollbehorden beziiglich der zolltariflichen Einreihung und der Feststellung des Ursprungs der konkreten Waren, sind also keine generellen Feststellungen. K-3.3.8. Kritik Wenn man einmal in etwa zusammenzahlt, fur wieviele Lander keine Praferenzen gelten, kommt man nur auf eine Handvoll Lander: USA, Japan, Australien, Neuseeland, einige Schwellenlander wie Hongkong, Singapur, Siidkorea (die aus dem APS <herausgefallen> sind) insgesamt vielleicht 10-12 Lander. Praferenzielle Zollbehandlung bedeutet, dafi Einfuhren aus begunstigten Landern einer niedrigeren Zollbelastung unterliegen als die anderer Lander. Dies beruht auf der Uberlegung, <?page no="565"?> K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 5 4 3 daf? durch PraferenzzoUe den betreffenden Landern Exportchancen eingeraumt werden, weil sie durch den Preisvorteil niedrigerer ZoUsatze wettbewerbsfahiger werden. Es liegt auf der Hand, dafi dieser Vorteil natiirlich nur gilt, wenn andere Landern diese Zollvergunstigungen nicht geniefien und die Vorzugsbehandlung gegeniiber anderen Landern signifikant ist. Andererseits soUten PraferenzzoUe sich potentiell selbst den Boden entziehen: Wenn ein Land ein entsprechendes internationales Wettbewerbsniveau erreicht h^t, so dafi es die Praferenzbehandlung nicht mehr benotigt, dann kann sie ganz oder teilweise entzogen werden, so wie es innerhalb des APS fur <starke> Schwellenlander geschieht. Im Exportsektor ist immer wieder zu beobachten, daS Untemehmen sich von dem erheblichen Aufwand befreien, der mit der Beachtung des komplexen Praferenzrechts verbunden ist: • Lieferantenerklarungen und andere Ursprungsnachweisen miissen fur alle Produkte und Materialien eingeholt und iiberwacht werden. • Die zahlreichen und immer verschiedenen Ursprungsregeln miissen iiber die gesamte Prozefskette iiberwacht werden: Die Produktionssteuerung sollte die Nutzung von Zollpraferenzen optimieren. • In die Materialdatenstamme miissen die praferenzrechtlichen Aspekte und Kennzeichnungen eingearbeitet werden, die iiberwacht und aktualisiert werden miissen. • Dabei sind die EDV-technischen Voraussetzungen oft nur schwer zu schaffen, derm es gibt am Markt kaum gut funktionierende Standardsoftware; auch SAP hat keine iiberzeugende Losung. I.d.R. bemiihen sich Untemehmen um eigene, interne Entwicklungen. Wie aber lafit sich beispielsweise die qualitative Ursprungsregel «Herstellen aus Garn» in ein EDV-Programm iibersetzen? • Im Hinblick auf die Einhaltung von Prozentregeln soUten u. a. Hochsteinkaufs- und Mindestverkaufspreise kalkuliert werden, doch werden diese wiederum von Abkommen zu Abkommen unterschiedlich sein. • Man hat kaum das Gliick, dafs ein neues Abkommen mit einem bereits existierenden kongruent ist: Die jeweils unterschiedlichen Interessenlagen fiihren dazu, daS die Ursprungsregeln und Kumulierungsregeln immer anders, oft unubersichtlich sind; im paneuropaischen Freihandelsraum mtifite der transsylvanische Hersteller wissen, ob er mit einem turkischen Abnehmer durch eine gegenseitige Ratifizierung ihrer Lander verbunden ist. Und ob ein tiirkischer Kleinhersteller weifi, was sein deutscher Kunde wegen des A.TR- Freiverkehrs mit einer Lieferantenerklarung meint, ist ungewiS. • Gelegentlich ergeben sich Uberschneidungen, die <Rosinenpicken> erlauben: Beispielsweise kann Mauritius vom AKP-Abkommen oder vom APS profitieren; unter dem AKP-Abkommen miiEte ein Form A beigebracht werden, das aber nicht unbedingt zur volligen Zollfreiheit fiihrt (Textilien), unter dem APS ist ein EUR.l erforderlich, das zwar Zollfreiheit bedeutet, aber mehr Fehlermoglichkeiten beinhaltet. • In der Lagerhaltung miissen die verschiedenen Urspriinge differenziert werden konnen. • Auch bei grofier Sorgfalt besteht das Risiko des Verlusts der Praferenz durch Formfehler; dies kann eine rentable Kalkulation vollig durchkreuzen: Beim Wareneingang geht ein Tl verloren, eine Zoll- (und Praferenz-) Anmeldung unterbleibt; nachtraglich ist der MFN- Zoll zu zahlen. Dies kann schnell 4-5stellige Betrage kosten. Riickstellungen fur solche «Drohverluste» sind steuerrechtlich nicht zulassig. • Wegen der Zollvergiinstigungen ist im Import mit haufigeren Betriebspriifungen zu rech- <?page no="566"?> 544 K Einfuhr nen, die erhebliche Kapazitaten im Unternehmen binden konnen. (Andererseits ist anzumerken, daS Einfuhrhandelsprufungen d. h. incl. EUSt fur den Fiskus interessanter sind als Praferenzpriifungen, da die Zolleinnahmen in den EG-Haushalt flieSen.) • Gewahrte Praferenzen konnen im Zuge von Nachpriifungen widerrufen werden (vgl. oben zum INF-4 und auch Abschnitt K-2.4). Dies gilt z. B. auch fur Form-A-Nachweise, die im Exportland von Behord^n ausgestellt wurden. Der deutsche Importeur kann sich dabei neuerdings auf «guten Glauben» berufen, wenn er alles zur Rechtfertigung dieser Vorzugsbehandlung unternommen hat (dies war bis vor kurzem nicht moglich; Abb. K-3/ 6); wenn die Bescheinigung bspw. auf falschen Daten des Exporteurs beruht oder die EG- Kommission in ihrem Friihwarnsystem (seit 2001) Hinweise veroffentlicht hat, liegt keine Gutglaubigkeit vor. Ansonsten soil nicht der Importeur die Folgen eines schlechten Funktionierens eines Praferenzsystems tragen miissen. Dies wird in der Praxis sicherlich zu betrachtlichen Auslegungs- und Beweisproblemen fiihren. Abb. K-3/ 6: N e u e r Z o l l k o d e x f i i r P r a f e r e n z a b k o m m e n Niedrigere Einfuhrabgaben fQr „gutglaubig" handelnde Importuntemehmen • Gleichzeitig verbleibt ein Restrisiko beziiglich BuSgeldern, Strafen oder Regrefianspriichen von Kunden. • Auch eine Konzentration der zoll- und auSenwirtschaftsrechtlichen Zustandigkeiten in einer Organisationseinheit kann nur einen Teil der organisatorischen Kosten auffangen, setzt aber ein spezielles Praferenz-know-How voraus, das entsprechend honoriert werden mufi. • Allerdings gibt es keine spezielle Berufsausbildung fur den Bereich Aufienwirtschafts- und Zollrecht. Entsprechend schwer fallt es vielen Unternehmen, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, die sowohl die zollrechtlichen Aspekte abdecken als auch die betrieblichen Ablaufe iiberblicken konnen. Die extrem haufigen Veranderungen im Praferenzrecht erfordern eine standige Schulung und Weiterbildung der derzeitigen, vor allem aber neuer Mitarbeiter, einschlieSlich Vorausschau auf zu erwartende Entwicklungen (Praferenzabkommen EG- Mercosur? ), wobei das einschlagige Seminarangebot teilweise sehr begrenzt ist. (Parallel dazu hort man aus der Wirtschaft gelegentlich den Wunsch nach praxisnaherer Ausbildung der Zollbeamten, die vorrangig recbtlicb und weniger okonomisch geschult werden.) Daher verzichten manche Unternehmen darauf, ihre Kunden praferenzbegunstigt zu bedienen, beliefern sie <normal>, erstatten ihnen jedoch die dadurch entstehende Zollbelastung. Viele Produzenten unterlaufen auch die Zollschranken durch Verlagerung von Produktionsstatten ins Importland. K-3.4. Wettbewerbsrechtlicher Ursprung («Made in Germany») Obgleich in Wirtschaftskreisen gerne davon gesprochen wird, daS die Warenkennzeichnung «Made in ...» in einer global vernetzten Weltwirtschaft heute weniger wichtig ist als «Made by ...» (neuerdings auch ^manufactured by us or our suppliers*), hat der wettbewerbsrechtliche Ursprung durch die Warenkennzeichnung «Made in Germany» nach wie vor groSe Bedeutung, denn sie gilt als Indiz fiir eine hohe Produktqualitat. Ihren Ursprung hat die «Made in ...»-Kennzeichnung im britischen Merchandise Marks Act von 1887. Es sollte <?page no="567"?> K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 5 4 5 britische Kaufer vor Waren deutschen Ursprungs warnen. Offenbar hat sich diese urspriinglich negative Pragung in ein Qualitatszeichen gewandelt. Nicht immer zu recht: Ein Textilmanager berichtet, daf? bei Qualitatsaudits meist Exponate «Made in Italy» pramiert werden, ganz im Gegensatz zu anonymen Vergleichen. Die Ermittlung des wettbewerbsrechtlichen Ursprungs betrifft meist den gesamten Warenkreis eines Unternehmens. In Deutschland und in der EG erfolgt diese Ursprungskennzeichnung freiwillig und in eigener Verantwortung des Herstellers; es ist keine staatliche Genehmigung oder Beteiligung erforderlich. Auch fur auslandische Waren besteht keine Kennzeichnungspflicht. Fiir Lebensmittel bestehen Sondervorschriften, auf die wir hier nicht eingehen. In manchen Landern, z. B. den USA, ist ohne dezidierte Landerkennzeichnung «Made in Herstellungsland» keine Einfuhr moglich; «Made in EEC» wird in den USA, Saudi-Arabien und anderen Landern in der Regel nicht akzeptiert. Kaufer in arabischen Staaten bestehen in Akkreditivbedingungen gerne auf «Made in Germany*. In Brasilien und anderen lateinamerikanischen Staaten sind Falle belegbar, wo falsch gekennzeichnete Ware von den Zollbehorden schlicht ins Meer gekippt wurde. Auch fur Importlander, die auf einer Herkunftskennzeichnung bestehen, richtet sich diese nach den Bestimmungen des Exportlandes; diese werden vom Importland anerkannt. Bei einem vollstandig in Deutschland hergestellten Produkt besteht natiirlich kein Problem. Bei anderen Waren ist die Kennzeichnung «Made in Germany» aber nicht immer leicht zu erfiillen, wenn man die handelsublichen und gesetzlichen Kriterien ernst nimmt. Zu beachten sind aus deutscher Sicht - Bestimmungen des europaischen Zollkodex, die nationalen Vorschriften des Wettbewerbsrechts (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, UWG) und des Markenrechts (Markengesetz) sowie das internationale «Madrider Abkommen iiber die Unterdriickung falscher oder irrefuhrender Herkunftsangaben», bereits aus dem Jahr 1891. Das Madrider Abkommen regelt neben Landerkennungen auch regionale Herkunftsangaben wie Liibecker Marzipan oder Cognac. Falsche oder irrefiihrende Herkunftsangaben berechtigen zur Beschlagnahme der Ware durch den Zoll. Im kommerziellen Verkehr konnen unzutreffende Kennzeichnungen zu Unterlassungs- und ggf. Schadenersatzforderungen der Berechtigten, der Verbraucher und Verbraucherverbande fiihren. Als falsch oder irrefuhrend ist zu werten, wenn eine Angabe «von den beteiligten Verkehrskreisen» in einer Weise verstanden wird, die den tatsachlichen Verhaltnissen nicht entspricht und moglicherweise falsche Erwartungen beziiglich Qualitat und Zuverlassigkeit weckt. Dabei orientiert man sich in der EG an den zollrechtlichen Ursprungskriterien fur den nichtpraferentiellen Ursprung (Art. 24 ZK) («IHK-Ursprung»), siehe oben, insbesondere an der «letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung in einem dazu eingerichteten Untemehmen». Nach dem UWG betrifft dies vor allem Behandlungen, die fur die Produktqualitat entscheidend sind. Dadurch ist es moglich, dafS eine auf deutschen Maschinen nach deutschen Standards in China hergestellte Ware als «Made in Germany* bezeichnet wird. Der zollrechtliche Warenursprung berechtigt immer zu der entsprechenden Bezeichnung «Made in ...», doch ist umgekehrt die Warenbezeichnung «Made in ...» zollrechtlich nicht bindend. In dem oben verwendeten Beispiel mit den Fahrradschlauchen aus Slowenien ware es daher nicht zulassig, wenn der slowenische Hersteller den Schlauchen bereits «Made in Germany* einpragen sollte, denn dies ware beim Import nach Deutschland irrefuhrend. <?page no="568"?> 546 K Einfuhr Selten, aber moglich sind widerspriichliche Ergebnisse, da das Zollrecht auf den letzten wesentlichen Bearbeitungsvorgang abstellt, das UWG auf den fur die Produktqualitat entscheidenden. Dies fiihrt vor allem dann zu Problemen, wenn im Importland ein Ursprungszeugnis verlangt wird und dieses dann von der Warenmarkierung abweichen muS. Um einer Beschlagnahme vorzubeugen, sollte man dann die Warenbezeichnung gut iiberlegen. Moglicherweise findet sich im Gesprach mit der IHK eine Losung. K-4. Zollverfahren bei der Einfuhr K-4.1. Versandverfahren bei der Einfuhr K-4.1.1. Zweck Als Versandverfahren bezeichnet man die Beforderung von Waren unter bestimmter zollrechtlicher Uberwachung, z. B. unverzollter und unversteuerter brasilianischer Drittlandsware innerhalb des Zollgebiets der EG, z. B. von Rotterdam iiber Deutschland nach Wien. In diesem Fall ist die Ware also zollamtlich nicht zum freien Verkehr abgefertigt, und der Einfuhrer kann daher nicht nach Belieben iiber sie verfugen. Die Beforderungsart ist beliebig; 59 der Versand kann iiber die Strafe, mit der Bahn, per Post, per Flugzeug, mit dem Schiff oder auch durch eine Pipeline erfolgen. Der Sinn von Versandverfahren ist zum einen, solche Warenbewegungen so ziigig und kostensparend wie moglich ablaufen zu lassen, zum anderen, den Zollbehorden die Uberwachung nicht abgefertigter Ware mit moglichst geringem Aufwand zu ermoglichen (zu anderen Versandverfahren kommen wir gleich). Die Vorteile von Versandverfahren bei der Einfuhr sind erheblich: Sie ermoglichen den Transport von Nichtgemeinschaftsware innerhalb des Zollgebietes, wodurch die Grenzabfertigung an der EG-Aufengrenze vermieden und an ein Binnenzollamt verlagert wird. Dadurch wird es dem Importeur ermoglicht, die Ware zunachst zu untersuchen, ggf. Mangelriigen geltend zu machen oder die Waren sogar zuriickzusenden, bevor er etwaige Einfuhrabgaben bezahlt hat. Moglicherweise steht zum Zeitpunkt des Verbringens in die EG auch noch gar nicht genau fest, was mit der Ware zollrechtlich geschehen soil; dann ist mit dem Versandverfahren ein Zeitgewinn verbunden. Jahrlich werden in der EG ca. 18 Millionen Versandscheine ausgestellt (Einfuhr und Ausfuhr). K-4.1.2. Arten Man unterscheidet verschiedene Versandverfahren: • Das exteme gemeinschafilicbe Versandverfahren (gW) mit dem EP als Versandschein T l fur den Versand von Drittlandswaren zwischen Orten innerhalb der EU (z. B. von Rotterdam nach Wien) (© in Abb. K-4/ 1), 59 Nur in wenigen Fallen ist bei Luftfracht ein internes Versandverfahren zwingend vorgeschrieben. AuEerdem kann die Abgangszollstelle bei bestimmten sensiblen Waren, bei denen ein hohes Betrugsrisiko besteht (lebende Tiere, Tabakwaren, Alkohol, Mineralol), die Beforderung auf einer bestimmten Route bis zur Bestimmungszollstelle vorschreiben, von der nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen abgewichen werden darf. <?page no="569"?> K-4. Zollverfahren bei der Einfuhr 547 • das interne gemeinscbaftliche Versandverfahren (gW) unter Verwendung des EP als Versandschein T2 bei der Beforderung von Gemeinschaftsware iiber das Gebiet eines Drittlands (von Deutschland durch die Schweiz nach Italien) (in der Praxis meist Transit genannt, obgleich dies nicht dem aufSenwirtschaftsrechtlichen Begriff entspricht: vgl. AbschnittJ-4.1)((D), • Das externe gemeinsatne Versandverfahren (gemW) fur den Versand von Drittlandsware mit dem EP als Versandschein T l , das zwischen EG und EFTA gilt und auf Polen, die Tschechische Republik, die Slowakische Republik und Ungarn ausgedehnt wurde (z. B. ein Versand von Koln nach Warschau) (©), • das interne gemeinsame Versandverfahren (gemW) unter Verwendung des EP als Versandschein T2 bei der Beforderung von Freiverkehrsware zwischen EG und EFTA bzw. anderen Vertragspartnerstaaten (z.B. von Norwegen nach Deutschland) (©). • Weitere Versandverfahren sind moglich aufgrund des Rheinmanifests (sog. Rheinschiffahrtsakte) und fiir bestimmte NATO-Gemeinschaftsprogramme. • Das 1 IK-Verfahren wird vorrangig angewendet, wenn Lander beteiligt sind, mit denen kein g W oder gemW durchgefuhrt werden kann (z. B. RuEland) (es wird im Abschnitt L-5.2 im Zusammenhang mit Ausfuhrverfahren behandelt). • Das Carnet ATA ist zwar formal ein Versandverfahren, in erster Linie aber eine Verfahren der abgabenfreien vorubergekenden Verwendung, z. B. um Ausstellungsgiiter mit relativ wenig formalem Aufwand vorubergehend importieren, auf Messen prasentieren und re-exportieren zu konnen. Auf diese beiden Verfahren gehen wir in den mit Ausfuhraspekten zusammenhangenden Abschnitten L-5.1 und L-5.2 ein. Im folgenden betrachten wir Versandverfahren auf der Einfuhrseite. Abb. K-4/ 1: Versandverfahren Drittland EU • EFTA ©g e m W / T 1 ©gemVV/ T2 ®gemVV/ T1 Drittland Das externe g W ist im Luftverkehr zwingend anzuwenden, wenn Nichtgemeinschaftswaren, die in der EG verladen oder umgeladen werden z. B. aus einem Zollager in Hamburg mit einem Flugzeug zu einem weiteren Ort in der EU (Paris) transportiert werden. Die Transportpapiere (z. B. Luftfrachtbrief) konnen dabei als Tl aufgemacht werden. Auch im Seeverkehr mirS fiir Nichtgemeinschaftswaren das externe gVV zwingend angewendet werden, wenn die Waren in einem EG-Hafen verladen oder umgeladen werden und das Schiff <?page no="570"?> 548 K Einfuhr vor der Entladung im EG-Bestimmungshafen (Bremen) andere EG-Hafen (Rotterdam) anlauft. Sofern dort Gemeinschaftswaren zugeladen werden, muB fiir diese ihr Status nachgewiesen werden, im allgemeinen durch ein T2L. Die Transportpapiere (z. B. Seekonnossement) konnen dabei als Tl aufgemacht werden. Externe Versandverfahren fur Nichtgemeinschaftsware konnen auch durch die Post abgewickelt werden. Die Post muS die Sendung an den dafiir vorgesehenen Postzollstellen gestellen. Dies gilt als Anmeldung zum freien Verkehr, wenn eine Zollinhaltserklarung beigefiigt ist. K-4.1.3. Ablauf Nehmen wir an, daS brasilianische Ware in Rotterdam eingefuhrt und in Stuttgart zollamtlich zum freien Verkehr abgefertigt werden soil (oder zu einem beliebigen anderen Zollverfahren, z. B. sehr oft zu einem Zollagerverfahren). Vereinfacht gesehen lauft das Tl-Versandverfahren nach folgendem Schema ab: • Die Waren werden an der Eingangszollstelle in die EG (Rotterdam) gestellt (vgl. die grundsatzliche Prozedur in Abschnitt K-1.4) und zum Versandverfahren angemeldet (Versandanmeldung auf den Exemplaren 1, 4, 5 und 7 des Einheitspapiers). Die Zollstelle wird damit zur sog. Abgangszollstelle, bei der der Versand beginnt. Dies ist bei der Einfuhr regelmafiig eine Grenzzollstelle bzw. ein Flughafenzollamt. Wenn das Versandverfahren in einem Partnerland z. B. Polen eroffnet wurde, vollziehen sich diese Schritte dort, im Rahmen eines gemW. • Voraussetzttng fur die Eroffnung eines Versandverfahren ist Leistung einer Sicherheit, weil der sog. «Inhaber des Versandverfahrens* (so heifst es tatsachlich...) der <Hauptverpflichtete> ist (HV), der fur die Leistung der Einfuhrabgaben haftet, falls der Einfiihrer (in Stuttgart) nicht korrekt abfertigt und die falligen Einfuhrabgaben nicht zahlt. Das Versandverfahren kann auch durch einen Spediteur durchgefuhrt werden, der eine Gesamtburgschaft stellt und als HV in das Verfahren eintritt. Dies ist natiirlich fur den Kunden ein Abwicklungsvorteil, jedoch muS er natiirlich hohere Kosten tragen, weil der Spediteur das Risiko der Inanspruchnahme mit in seine Tarife kalkulieren wird. • Dabei kann es sich um eine Gesamtburgscbaft handeln, 60 meist als selbstschuldnerische Bankbiirgschaft, die beliebig viele Versandverfahren abdeckt (natiirlich nur bei entsprechender Hohe der Biirgschaft), und zwischen dem Biirgen und dem HZA geschlossen wird. In diesem Fall stellt das zustandige HZA Biirgschaftsbescheinigungen aus, die beispielsweise ein Spediteur seinen Fahrern als Nachweis mitgeben kann. Daneben sind Einzelbiirgschaften moglich durch Hinterlegung von Einzelsicherheitstiteln iiber je 7000 Euro (also entsprechend viele), die nur fiir ein einzelnes Versandverfahren gelten. In diesem Fall sind auch Barsicherheiten an der Abgangszollstelle moglich (aber selten, weil unwirtschaftlich). PRAXISTIP Vor Beantragung einer Gesamtburgschaft sollte man sich telefonisch oder personlich mit dem Hauptzollamt in Verbindung setzen, da im Rahmen eines Referenzbetrages eine Befreiung von der Sicherheitsleistung moglich ist. Die friiheren Pauscbalburgscbaften sind zum 1.7.2001 abgeschafft worden. Der AusschlufS bestimmter sensibler Waren von Gesamtburgschaften wurde zum 1.1.2001 aufgehoben. <?page no="571"?> K-4. Zollverfahren bei der Einfuhr 549 • Die Abgangszollstelle vergleicht die Ware mit den Begleitdokumenten, priift das Vorliegen von Sicherheiten, stellt die Namlichkeit in geeigneter Weise sicher (vgl. Abschnitt K-1.4), behalt das Exemplar 1 ein und fertigt den Versandschein T l aus (das sind die Exemplare 4 und 5 des EP; diese miissen die Ware auf dem gesamten Transportweg bis zur Bestimmungszollstelle in Stuttgart begleiten). Die Abgangszollstelle zeigt der angemeldeten Bestimmungszollstelle das (gemeinsame) Versandverfahren durch eine knappe «Vorab- Ankunftsanzeige» an (diese ist auch Grundlage fur die Warenbeschau). • Die im Versandverfahren beforderten Waren sind «uber eine wirtschaftlich sinnvolleStrecke» zur Bestimmungszollstelle zu befordern. Don (im Beispiel Stuttgart) wird die Ware erneut gestellt und das Versandverfahren materiell abgeschlossen. Die Bestimmungszollstelle setzt die Abgangszollstelle am Tag der Gestellung der Waren durch eine «Eingangsbestatigung» (TC11) iiber die Ankunft der Ware in Kenntnis. Spatestens am nachsten Arbeitstag unterrichtet sie die Abgangszollstelle durch eine einfuhrliche «Kontrollergebnis-Nachricht». Ex. 5 (Riickschein) geht mit den Abfertigungsvermerken iiber die Zentralstelle fur Zollversand in Hamm zuriick an die Abgangsstelle in Rotterdam. Trifft es dort innerhalb von acht Wochen nicht ein, wird ein Mahn- und Suchverfahren eingeleitet. In der Praxis spricht man daher beim Versandverfahren ironisch auch vom «Suchverfahren», weil das Exemplar 5 sich leicht irgendwo verirren kann. Ggf. kann der Hauptverpflichtete jn Anspruch genommen werden. (Eine Riickscheinkontrolle kann bis zu 3 Jahren nachtraglich erfolgen.) Exemplar 4 verbleibt bei der Bestimmungszollstelle, Exemplar 7 geht an das Statistische Bundesamt. Dabei wird die Einhaltung der Wiedergestellungsfrist sowie die Ubereinstimmung der Ware mit dem Beforderungspapier uberpriift, ggf. durch Beschau. Der Ablauf bei Beginn eines gemW z. B. in Warschau ist analog: Riickschein nach Warschau. • An das Versandverfahren mufi sich daher zwangsldufig ein weiteres Zollverfahren anschlieSen (vgl. die in Abschnitt K-1.4 aufgelisteten Moglichkeiten); die Abfertigung zum freien Verkehr (verzollt und versteuert) ist nur eine davon. PRAXISTIP Bei Einschaltung von Kurierdiensten wird die Gestellung am Bestimmungsort oft versaumt; in unerfahrenen Unternehmen sind die Mitarbeiter im Wareneingang oft nicht mit den Zollformalitaten vertraut. In Zweifelsfragen sollte man getrost das Zollamt anrufen und nachfragen, was zu tun ist. Wenn Waren das Zollgebiet der EG (gW) bzw. einer Vertragspartei (gemW) verlassen auch voriibergehend -, muf? bei den Durchgangszollstellen ein Grenziibergangsschein abgegeben werden. Dadurch ist es moglich, im Suchverfahren den Weg der Ware zu rekonstruieren, urn herauszufinden, wo die Waren der Zollaufsicht entzogen worden sind. K-4.1.4. Vereinfachungen Beim Versandverfahren bietet sich die Inanspruchnahme von Vereinfachungen wie unvollstandige Anmeldung, vereinfachtes Anmeldeverfahren oder Anmeldung im Anschreibeverfahren an (vgl. Abschnitt K-1.5). Beim Abschreibeverfahren wird auf die Gestellung der Ware bei der zustandigen Zollstelle verzichtet. Gestellt wird stattdessen am Ort des Entladens im Unternehmen des Importeurs am Bestimmungsort. Dies hat den besonderen Vor- <?page no="572"?> 550 K Einfuhr teil, daS der Einfuhrer nicht an die Offnungszeiten des Zollamtes gebunden ist und er somit sofort iiber die Ware verfugen kann. Das Anschreibeverfahren gilt grundsatzlich nur fur genehmigungs- und lizenzfreie Ware und setzt eine vorherige Bewilligung durch das fur die Abgangszollstelle zustandige HZA nach den iiblichen Kriterien voraus, insbesondere hinsichtlich der zeitnahen Erfassung der einzelnen Vorgange (Anschreibung) in der Buchfuhrung. Der Einfuhrer wird dadurch zum zugelassenen Empfanger (ZE). Voraussetzung fur diese Vereinfachung sind laufende Versandverfahren, weil sich sonst die Bewilligungs- und Uberwachungsprozeduren nicht lohnen. Die Anschreibungen miissen den Behorden nach Bedarf laufende Kontrollen ermoglichen, und es muG eine Gesamtbiirgschaft seitens des Hauptverpflichteten vorliegen; dieser ist in der Regel der Versender, oft auch der Beforderer. Ein zugelassener Empfanger (ZE) darf auch Namlichkeitsmittel (z. B. Plomben) entfernen und nach Anschreibung der Ware iiber sie verfugen; die Anschreibung gilt als Uberlassung. Die Pflichten des Hauptverpflichteten (Inhaber der Versandverfahrens) sind erfiillt, wenn das Versandgut unverandert innerhalb der Gestellungsfrist zusammen mit dem Versandschein dem ZE iibergeben wird. Damit erlischt die Haftung des Hauptverpflichteten. Auf Verlangen des Beforderers stellt der ZE eine Eingangsbescheinigung aus. Der ZE ist zur Gestellung verpflichtet. Dies ist erfolgt, wenn der Eingang der Sendung der Zollstelle angezeigt ist. Dies kann wiederum bei entsprechender Bewilligung auch durch eine globale Anzeige erfolgen. Auf dem Versandschein sind die Zulassungsnummer, der Ort der Ubergabe, das Ergebnise der Priifung der Ware und Verschliisse (z. B. «konform») zu vermerken, der Vermerk ist zu unterschreiben, und der Versandschein innerhalb der Frist der Bestimmungszollstelle zuzustellen, also unabhangig von den Offnungszeiten des Zollamts. Eventuelle UnregelmaSigkeiten sind der Bestimmungszollstelle sofort mitzuteilen, ggf. telefonisch. Im Eisenbahnverkehr ersetzt die Aufgabe beim Versandbahnhof die Gestellung bei der Abgangszollstelle; die Bahnverwaltung wird dabei zum Hauptverpflichteten. Gleichzeitig kann der Versandschein T2 oder Tl durch bahnamtliche Beforderungspapiere ersetzt werden (z. B. einen CIM-Frachtbrief). Die Riickmeldung an die Abgangszollstelle entfallt. Im Luftfrachtverkehr besteht eine Vereinfachung darin, daE die Gestellung von eingefuhrtem Luftfrachtgut, das am Einflughafen umgeladen wird, bei der Zollstelle des Bestimmungsflughafens u. a. dann zugelassen werden kann, wenn die Sendung im Cargomanifest aufgefuhrt ist, fur die Sendung vom Absender ein Luftfrachtbrief fur den Bestimmungsflughafen ausgestellt ist (durchgestellter Frachtbrief), auf dem Einflughafen die Vollstandigkeit festgestellt und im Cargomanifest vermerkt wird und die Sendung unverziiglich weiterbefordert wird. Ggf. bietet sich eine Zwischenlagerung in einem Zollager an (Abschnitt K-4.3.2). K-4.1.5. Risiken und Probleme Fiir jedes Versandverfahren ist bei der Anmeldung ein Hauptverpflichteter (HV) zu benennen, der fur die ausgesetzten Zolle und Steuern im Importland haftet. Bei Nichterledigung des Versandverfahrens wird der HV in Anspruch genommen. Die moglichen Summen konnen existenzgefahrdend sein. PRAXISTIP Sofem wahrend des Transports Unfalle oder VerschluRverletzungen vorkommen, muft die Zollverwaltung umgehend benachrichtigt werden. <?page no="573"?> K-4. Zollverfahren bei der Einfuhr 551 Das Versandverfahren ist trotz der damit verbundenen Vereinfachungen verwaltungstechnisch bei alien Beteiligten ziemlich aufwendig. Jeder Versand erfordert fiinf manuelle Ablaufe: Die Ausgabe des Tl-Papiers an der Abgangszollstelle, das Abstempeln an der Bestimmungszollstelle, die Riicksendung des Riickscheins (Exemplar 5) (die meisten Staaten haben zentrale Sortierstellen fur Tl-Dokumente eingerichtet, iiber welche die Riickscheine geleitet werden), und das Zusammenfiigen des Riickscheins mit dem Original an der Angangszollstelle. Dieser komplizierte Ablauf begiinstigt auch Fehler in der Abwicklung, die sich zunachst auf den HV auswirken konnen. In einem speziellen Fall war ein Postsack mit zahlreichen Tl-Riickscheinen verloren gegangen, was zu erheblichem Nachbearbeitungsaufwand auf seiten der Untemehmen und der Behorden fuhrte. Das gemeinsame Versandverfahren wird durch ein dv-gestutztes New Computerised Transit System (NCTS) unterstutzt. DV/ TT-Verfahren bergen immer ein nicht unerhebiiches Betrugsrisiko, so daE auch zuverlassige Untemehmen nicht vor Nachforderungen der Zollverwaltung geschiitzt sind. Verfahrensverscharfungen treffen immer den redlichen Verfahrensteilnehmer, der die Risiken anderer mittragen muS. K-4.2. Aktive Veredelung K-4.2.1. Zweck Veredelung bedeutet, da£ Waren bearbeitet, verarbeitet oder ausgebessert werden. • Bearbeitung sind Vorgange wie z. B. Lackieren von Mobeln oder Farben von Gewebe; auch Umpacken, Polieren, Abfullen, Zusammensetzung oder Montage (Zusammenbau eines Computers, Annahen von Knopfen, Montage von Autoreifen an Kraftfahrzeuge) sind Bearbeitungsvorgange. Eine bearbeitete Ware ist an sich noch wiederzuerkennen, aber sie ist verandert. Hierzu zahlen auch Wachstumsvorgange (Blumen, Pilze, Tiermast). • Verarbeitung sind Vorgange wie z. B. das Zuschneiden von Stoff und Zusammennahen zu Hemden, Bierbrauen aus Hopfen und Malz, Verbacken von Mehl zu Brot oder die Verarbeitung von Tomaten zu Ketchup; Die Ware bleibt substantiell als Bestandteil erhalten, ist jedoch nicht individuell wiederzuerkennen. • Ausbesserung schlieSt Instandsetzung, Reinigung und Regulierung ein (Reparieren eines PC). Die Ware bleibt als solche erhalten; abgesehen von der Beseitigung des Mangels ist sie unverandert. Der Ersatz einer defekten PC-Festplatte durch eine mit grofierer Speicherkapazitat ware Bearbeitung. Von Lohnveredelung spricht man, wenn die Veredelung fur Rechnung eines in einem Drittland Ansassigen erfolgt, von Eigenveredelung bei Veredelung fur Rechnung eines im jeweiligen Erhebungsgebietes Ansassigen. Von einer rein wirtschaftlichen Veredelung wird gesprochen, wenn keine zollamtliche Bewilligung erforderlich ist, weil die veredelten Waren tariflich zollfrei sind (z. B. Praferenzwaren mit Ursprungsnachweis). Die aktive Veredelung (aV) setzt sich aus einem Einfuhrteil und einem anschlieSenden Ausfuhrteil zusammen. Daher wird sie hier im Zusammenhang mit den Einfuhrverfahren behandelt. Auf die passive Veredelung (pV) erst Export, dann Re-Import gehen wir im Exportteil in Abschnitt L-5.4 ein. Bei einer aV werden Waren (abgabenfrei) aus dem Zollausland (Drittland) ins (EG-)Zollgebiet verbracht, den o. a. Veredelungshandlungen unter- <?page no="574"?> 552 K Einfuhr Abb. K-4/ 2: Aktive Veredelung aktive Veredelung D r i t t l a n j V d i EG {^) = Veredelung zogen und anschliefiend wieder in das Zollausland ausgefuhrt (vgl. Abb. K-4/ 2). Aus deutscher Sicht kommt eine aktive Veredelung insbesondere fur Ausbesserungs- und Wartungsarbeiten in Betracht, bei denen spezielles Know-how erforderlich ist, z. B. bei Flugzeugen oder im Maschinenbau, sowie bei Fertigungsprozessen, bei denen Rohstoffe oder Vorerzeugnisse importiert werden miissen, die im Zollgebiet nicht oder nicht in ausreichendem Mafie verfiigbar sind. Aus handelspolitischer Sicht sollen dadurch die Ausfuhren aus der EG gefordert werden. Im Vergleich mit der passive Veredelung hat die aktive Veredelung in Deutschland wegen der hohen Produktionskosten einen geringeren Stellenwert. Es gibt zwei Varianten: • • Moglich (auf Drangen Danemarks, Hollands und GroEbritanniens, die dieses Verfahren praktizieren), wenngleich selten ist das Zollruclcvergiitungsverfahren, bei dem die Waren zunachst in den zollrechtlich freien Verkehr iiberfuhrt werden, die Einfuhrabgaben jedoch bei der Wiederausfuhr der Veredelungserzeugnisse erlassen oder erstattet werden. • In Deutschland wird hingegen das Nichterhebungsverfahren angewendet, bei dem fur Drittlandsware, die zur Wiederausfuhr in Form von Veredelungserzeugnissen bestimmt ist, auf die Erhebung von Einfuhrabgaben verzichtet wird. Bevor Veredelungsverkehre konkret in Anspruch genommen werden kbnnen, miissen sie vorab grundsatzlich vom zustandigen HZA genehmigt worden sein (erst Fiihrerschein etc. ...). Dabei wird u. a. auch die Methodik zur Berechnung der Ausbeute festgelegt (vgl. unten) Wenn Veredelungsschritte nacheinander in verschiedenen Mitgliedstaaten ausgefuhrt werden sollen, kann die Bewilligung von den Zollbehorden des fur den ersten Veredelungsvorgang zustandigen Landes erteilt werden, allerdings im Benehmen mit den anderen beteiligten Staaten (d.h. es dauert). Kleinere Ausbesserungsarbeiten konnen statt durch das HZA auch ohne vorherige Bewilligung durch Erteilen eines Ausbesserungsscheins von jeder anderen zustandigen Zollstelle bewilligt werden. Die Zollanmeldung zur Uberfiihrung der Waren gilt als Bewilligungsantrag, der durch Annahme der Zollanmeldung bewilligt wird. Bei entgeltlicher Ausbesserung wird ein vereinfachter Zollwert zugrundegelegt. Getrennt ausgewiesene Beforderungskosten werden dabei nicht einbezogen. Kostenlose Reparaturen (Gewahrleistung) werden nicht verzollt. Die Bewilligung von Veredelungsverkehren hangt in personlicher Hinsicht von den ublichen Voraussetzungen ab wie (steuerliche) Vertrauenswiirdigkeit des Antragstellers und ordnungsgemafie Fiihrung der Biicher. In sachlicher (wirtscbaftlicher) Hinsicht ist zu priifen, daf? durch <?page no="575"?> K-4. Zollverfahren bei der Einfuhr 553 die aV keine Interessen von Herstellern (gleichartiger Erzeugnisse) in der EG unverhaltnismaSig beeintrachtigt werden («Konkurrentenschutz»). Dies ist insbesondere immer dann zu verneinen, wenn die zu veredelnden Erzeugnisse in der EG nicht oder nur in unzureichender Menge, Qualitat oder Frist hergestellt werden. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen sind bei Lohnveredelung, bei welcher der Veredler vom Auftraggeber bezahlt wird, i.d.R. immer erfullt, bei Eigenveredelung also auf eigene Kosten und Rechnung sind die Voraussetzungen zu priifen. Ob ein solcher Konkurrentenschutz in einer freien Marktwirtschaft iiberhaupt eine Berechtigung hat, muE allerdings stark bezweifelt werden. Hinzu kommt die Frage, ob eine Zollverwaltung iiberhaupt in der Lage ist, die Interessen eines Wirtschaftszweiges zu beurteilen. Ein wesentliches Kriterium der Bewilligung ist die Ndmlichkeitssicherung, d. h. daf? sichergestellt ist, daS die zu veredelnden Waren in Form veredelter Erzeugnisse das Zollgebiet auch wieder verlassen. Dabei kann u. a. auch zugelassen werden, daS andere als die eingefuhrten, aber aquivalente Waren bei der Veredelung eingesetzt und re-exportiert werden (Gemeinschaftswaren als Ersatzgut; Aquivalenzprinzip), und zwar auch schon vor der Veredelung der eingefuhrten Nichtgemeinschaftswaren (Vorgriff; Vorgriffsgiiter). Dies ist bei starkem Auftragseingang aus dem Ausland von Bedeutung. Beispielsweise werden US-Reifen an deutsche Kfz fiir den Export in die USA montiert. Wegen eines Lieferengpasses will man auf vollig gleichartige Reifen eines belgischen Herstellers zuriickgreifen. Auf Antrag konnen die belgischen Reifen (Gemeinschaftswaren) verwendet werden und mit den Kfz ausgefiihrt werden, bevor die eigentlichen «Veredelungsreifen» aus den USA eintreffen (vorzeitige Ausfuhr). Die spatere US-Lieferung kann dann in entsprechender Menge als Nachholgut zollfrei eingefuhrt und zum freien Verkehr abgefertigt werden (man konnte die Reifen ja dem Belgier «zuriickgeben»). Sofern vorzeitige Ausfuhr und die Einfuhr iiber verschiedene Zollstellen laufen, auch in verschiedenen Mitgliedstaaten, spricht man von Dreiecksverkehr; Ausfuhrer und Einfuhrer miissen nicht identisch sein. Ein Vorteil ergibt sich auch daraus, daG die Waren aus der aktive Veredelung nicht getrennt von den Ersatzwaren gelagert werden miissen; die eingefuhrten Waren werden gegen die Lagerbestande aufgerechnet. Ein a W kann entweder als nicht begrenzte Veredelung bewilligt werden, d. h. zeitlich und mengenmaSig nicht beschrankt, oder mengenmdjiig und/ oder zeitlich begrenzt, wobei ein nichtgenehmigtes Uberschreiten der festzusetzenden Wiederausfuhrfrist grundsatzlich eine Zollschuld entstehen lafit. Bei Vorliegen sachlicher Griinde kann diese Frist (ggf. auch nachtraglich) verlangert werden. Die Wiederausfuhrfrist betragt in Deutschland i.d.R. drei Monate, aber das ist waren- und verfahrensabhangig, bestimmt sich nach einer Fristen-VO und kann bei haufigen Veredelungen global festgelegt werden, z. B. immer zum Ende des Vierteljahres, in dem die Wiederausfuhrfrist endet. 61 K-4.2.2. Ablauf Unter der Voraussetzung der vorherigen Bewilligung durch das zustandige Hauptzollamt ist ein a W vom Inhaber der-Bewilligung mit einem entsprechenden Formularsatz des Ein- 61 Bei einer funfmonatigen Wiederausfuhrfrist miiGten Waren, die z. B. von April bis Juni zur aktiven Veredelung eingefuhrt wurden, spatestens Ende Dezember abgerechnet werden: Juni plus 5 Monate = November, das Vierteljahr endet Ende Dezember. <?page no="576"?> 554 K Einfuhr heitspapiers beim Eingangszollamt anzumelden. Bei aktiver Eigenveredelung sind die entsprechenden au&nwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen und ggf. V.u.B. zu beachten (ggf. Einfuhrgenehmigung, Ursprungsnachweise). Dies ist bei aktiver Lohnveredelung durch Gebietsansassige nicht erforderlich. Bei der konkreten Beantragung eines aktiven Veredelungsverkehrs miissen die zu veredelnde Ware (Art, Menge, Wert), die Veredelungsvorgange und das Veredelungsergebnis («Ausbeute», z. B. in mengenmaGigem oder prozentualen Verhaltnis zur Einfuhrmenge) genau beschrieben werden, urn sicherzustellen, daf? die veredelten Ausfuhrgiiter nach Art und Menge den (ja unverzollten) unveredelten Einfuhrgiitern entsprechen. Daher miissen z. B. auch Gewichtsverluste (etwa durch Trocknung oder Absagen von Holzteilen) vorab berechnet werden. Wenn aus Sperrholz Holzkisten hergestellt werden, sind diese das Hauptveredelungserzeugnis. Zudem konnen Nebenveredelungserzeugnisse mit wirtschaftlichem Wert (Sagespane) oder ohne Wert anfallen (Verschnitt). Solche mit Wert miissen verzollt, vernichtet oder ausgefuhrt werden. Das gleiche gilt fur ausgetauschte (defekte) Teile. Die Beforderung der Waren zwischen Einfuhrzollstelle und dem Ort der Veredelung und von diesem zu einem anderen Veredler kann dann nach Uberfuhrung in die aV formlos erfolgen, d. h. ohne ein externes g W mit Tl vor und nach der Veredelung. Es diirfen nur die bewilligten Veredelungsvorgange vorgenommen werden, aber es besteht keine Veredelungspflicht, wenn man es sich mal anders iiberlegt. Um aber zu vermeiden, daS die aV als Zollager miEbraucht wird (um die miihsame Bewilligung eines Zollagers und dessen Unterhaltung zu umgehen), werden regelmafiig (Straf-)Zinsen erhoben. Dieser Verdacht liegt nahe, wenn verschiedentlich keine tatsachlichen Veredelungen vorgenommen und die Ware anschliefiend in den freien Verkehr oder in ein Versandverfahren iiberfiihrt wird. Es ist der Zinssatz des Mitgliedstaates anzuwenden, in dem der erste Veredelungsvorgang stattgefunden hat. Zinsen werden pro Kalendermonat berechnet. Bei der Ausfuhr sind ggf. Exportbeschrankungen zu beachten (eventuelle Ausfuhrgenehmigungspflicht; vgl. Beispiele in Abschnitt L-6.2.3). K-4.2.3. Abrechnung Das aktive Veredelung-Verfahren wird beendet durch tatsachliche Wiederausfuhr und entsprechende Abrechnung des Verfahrens oder durch Uberfuhrung in irgend ein anderes zulassiges Zollverfahren. Nach erfolgter Abfertigung zum a W und durchgefuhrter Veredelung werden die veredelten Erzeugnisse unter zollamtlicher Uberwachung d. h. nach Gestellung wieder ausgefuhrt. Die a W werden dann abgcrechnct, indem den eingefuhrten Waren die entsprechenden ausgefiihrten Waren gegeniibergestellt werden. Das FiFo-Verfahren ist anzuwenden. 62 Dabei wird verglichen, ob die «Ausbeute» aufgrund der vorher festgelegten Prozentsatze oder Umrechnungskoeffizienten der Einfuhrware entspricht. Von der Menge von Einfuhrwaren, deren Wiederausfuhrfrist abgelaufen ist, werden die Veredelungserzeugnisse abgezogen, die eine andere zollrechtliche Bestimmung erhalten haben, z. B. in ein Zollager verbracht worden sind. Die Veredelungserzeugnisse und die Einfuhr- 62 «First in, first out»: Fiktiv wird unterstellt, dafi zuerst eingegangene Lagerbestande auch zuerst verbraucht werden. <?page no="577"?> K-4. Zollverfahren bei der Einfuhr 555 waren werden unter Beriicksichtigung der Ausbeute verglichen. Wenn mehr Waren eingefiihrt als wiederausgefiihrt werden, ergibt sich eine Fehlmenge, die auf der Basis des Zollwertes der eingefiihrten (nichtveredelten) Drittlandsware zu verzollen ist. Eventuelle Mehrmengen konnen in eine folgende Abrechnung ubernommen werden. Eine ZoUschuld entsteht auch, wenn Waren der zollamdichen Uberwachung entzogen werden, z. B. auch durch Diebstahl oder nicht genehmigtes Zerstoren, bei Uberschreiten der Wiederausfuhrfrist (ggf. Verlangerung beantragen! ). Bemessungsgrundlage ist der Zollwert im Zeitpunkt der Uberfiihrung in die aktive Veredelung. Nebenveredelungserzeugnisse (z. B. Holzverschnitt) bleiben i.d.R. in der EG; sie sind ggf. zu verzollen. Bei einer Uberfiihrung in den freien Verkehr fallen Einfuhrabgaben und Ausgleichzinsen an, zudem sind ggf. handelspolitische Mafinahmen auf der Einfuhrseite zu beachten (ggf. Kontingente). Bei Verkauf einer Ware aus einem aV in der EG heraus in ein EFTA-Land ist dort u. U. eine Nachverzollung erforderlich, sofern die Waren durch die aV keinen EG-Ursprung erlangt haben, sondern den Status von Nichtgemeinschaftswaren behalteri. Bei Ursprungswechsel zur Gemeinschaftsware kann als Praferenznachweis ein EUR.l ausgestellt werden, wobei in der veredelten Ware enthaltene Nichtgemeinschaftswaren in der EFTA nicht mehr verzollt werden. K-4.2.4. Draw-back-Verbot In Abschnitt K-3 wurde bereits ausgefuhrt, daS bei einer aktiven Veredelung das Drawback-Verbot zu beachten ist, d. h. entweder eine Praferenzvergunstigung ohne aV oder ein aV ohne Praferenzbegunstigung in Anspruch genommen werden kann. K-4.3. Freihafen, Zollager und Freizonen Freizonen und Freilager liegen zwar geographisch im Zollgebiet der Gemeinschaft, sind aber rechtlich vom Zollgebiet getrennt: Die Waren in Freizonen gelten als nicht im (EG-) Zollgebiet befindlich, so als ob sie <gar nicht da sind> (sog. Freizonenfiktion). Freizonen miissen eingezaunt sein. Bislang sind nur die Freihafen als Freizonen von Bedeutung. Freilager konnten nach dem EG-Zollkodex Flachen oder Gebaudeteile sein, z. B. auf Flughdfen mit betrachtlichem Warenumschlag. Gegenwartig gibt es dafur noch keine Beispiele. Im folgenden gehen wir daher nur auf Freihafen ein. Freilager sind nicht zu verwechseln mit Zollagern vgl. Abschnitt K-4.3.2 -, auch wenn viele Aspekte ubereinstimmen - oder Sondcrwirtschaftszoncn (synonym: Freie Wirtschaftszonen, Nationale Freihandelszonen, Freie Produktionszone, Exportforderungszone etc.), die in Abschnitt B-6.7.4 iiber Direktinvestitionen behandelt werden. K-4.3.1. Freihafenlagerung Deutschland hat sechs Freihafen an den Meereskiisten (Bremen, Bremerhafen, Cuxhafen, Emden, Hamburg und Kiel) und zwei im Binnenland (Deggendorf an der mittleren Donau nahe der tschechischen Grenze, und Duisburg, der erste Binnen-Freihafen Europas). Freihafen sollen den Umschlag und die Lagerung von Waren im AufSenhandel erleichtern, so dafi diese Aktivitaten moglichst wenig durch Formalitaten behindert werden sollen. Daher entfallt in Freihafen im Gegensatz zu Zollagern jegliche Gestellungs- und Anmel- <?page no="578"?> 556 K Einfuhr depflicht eingehender Waren; es gibt keine Zollabfertigung der von See kommenden Giiter bzw. Schiffe; Waren in Freihafen werden nicht durch Einfuhrabgaben belastet und von handelspolitischen Mafinahmen der EG betroffen (z. B. hinsichtlich Importkontingenten), sondern erst dann, wenn sie in den freien Verkehr iiberfuhrt werden. Freihafen sind damit natiirlich keine rechtsfreien Zonen, da die zollrechtliche Sonderbehandlung an bestimmte Voraussetzungen beziiglich Gebrauch, Verbrauch, Lagerung oder Aufzeichnung ankniipft. Zudem gelten nationale auGenwirtschaftsrechtliche Beschrankungen auch in Freihafen (z. B. Importverbote fur Waffen oder bedrohte Tierarten). Daher muS bei der Ausfu.br ausgeladener Waren aus Freihafen das normale Ausfuhrverfahren beachtet, d. h. eine Ausfuhranmeldung abgegeben werden (Abschnitt L-4). Aus praktischen Griinden gilt dies nicht fur noch nicht ausgeladene Ware. Die in Freihafen lagernde Ware ist mengen- und wertmaffig ebenso unbegrenzt wie die Lagerdauer. Die iiblichen Lagcrhandlungcn sind zulassig (u. a. Warning, Reinigung, Aus- und Umpacken). AuEer Umschlags- und Lageraktivitaten ist jede gewerbliche Tatigkeit in Freizonen grundsatzlich untersagt. Bestimmte Handelsaktivitaten sind zulassig, aber genehmigungspflichtig (beispielsweise der Handel mit Schiffsbedarf). Die gelagerten Waren diirfen auch nicht nicht ge- oder verbraucht werden. Verbrauch beispielsweise fiihrt unmittelbar zum Entstehen der Zollschuld. K-4.3.2. Zollagerverfahren K-4.3.2.1. Okonomische Bedeutung Das herausragende Charakteristikum von Zollagern ist, daS die Zahlung der Einfuhrabgaben fur eingelagerte Waren wahrend der Lagerung hinausgeschoben wird, bis die Ware aus dem Zollager entnommen wird («Zollaufschublager»). Der Lagerinhaber kann den Entstehungszeitpunkt der Zollschuld also selbst bestimmen. Obgleich die durchschnittliche Zollbelastung bei Einfuhren in die EG nach den verschiedenen Zollsenkungsrunden von GATT/ WTO nur noch knapp 4 % betragt, unterliegen bestimmte Giiter noch recht hohen Zollen (Teppiche 20%, Sportschuhe 18%, Jeans 18%) sowie das gilt fur alle Waren der 16 % igen Einfuhrumsatzsteuer; Ende der 80er Jahre wurden auf bestimmte japanische EDV- Produkte Anti-Dumpingzolle von 32% erhoben). Die Lagerdauer ist zeitlich unbegrenzt (fruher: fiinf Jahre); dies kann folglich erhebliche Liquiditats- und damit Zinsvorteile bedeuten (Kreditfunktion). Zollager sind weit verbreitet bei Unternehmen mit starkem Importvolumen. Sie bieten sich immer dann an, wenn zwischen dem Eintreffen der Ware und dem Ubergang in den freien Verkehr langere Zeit verstreichen wird oder wenn noch nicht feststeht, was mit der Ware geschehen soil ob sie beispielsweise wieder ausgefuhrt wird oder nicht. Zudem haben Zollager eine wichtige Distributions- und Logistikfunktion: In ihnen konnen Produktionsmittel, Ersatzteile oder Fertigwaren auf Abruf gehalten werden, weil eine Produktionszeitgerechte Anlieferung (<just in time>) nicht immer moglich ist. Auch im Konsignationsgeschaft mit Kommissionaren sind Zollager ublich (vgl. Abschnitt B-6.2.2). Da Waren in Zollagern fur die Dauer der Lagerung von handelspolitischen Mafsnahmen freigestellt sind (Anti-Dumpingzolle, Lizenzen, Einfuhrgenehmigungen) hat das Zollager auch eine Transitfunktion. Zugelassene Empfanger schlieSen an das Versandverfahren (Abschnitt K-4.1) oft <?page no="579"?> K-4. Zollverfahren bei der Einfuhr 557 ein ZoUagerverfahren an, indem sie die Ware in die Bestandsaufzeichnungen des Zollagers ubernehmen. Als Nachteile von Zollagern ergeben sich insbesondere Kostenaspekte, einmal die direkten Lagerraumkosten, Personalkosten, Kosten der Lagerbuchfiihrung, zum anderen Kosten fur die zu leistende Sicherheit (i.d.R. durch Bankbiirgschaft). Daher kann es oft giinstiger sein, anstelle eines eigenen Zollagers eine Lagerung im Freihafen vorzunehmen oder Lagerraum von Spediteuren zu nutzen (wobei das Lagerrisiko der Lagerhalter tragt). K-4.3.2.2. Arten von Zollagern Rechtssystematisch sollte genau zwischen Zollager und ZoUagerverfahren unterschieden werden. Das Zollager ist der physische Ort, in dem sich Waren befinden. Das ZoUagerverfahren hingegen ist eine der zollrechtlichen Bestimmungen, die bei Verbringen von Waren in das Zollgebiet gewahlt werden konnen. Dabei ist es moglich, daS sich Waren zwar im Zolllagerverfahren befinden, es jedoch gar kein physisch existentes Zollager gibt, so wie beim (fiktiven) Zollager des Typs E (vgl. unten). GleichermaSen mul? zwischen dem Lagerhalter unterschieden werden, welcher der Bewilligungsinhaber fur das Zollager ist, und dem Einlagerer, der Waren in einem Zollager einlagert. Es gibt sechs Arten von Zollagern, die nach Art. 504 DVO etwas unsystematisch unterschieden werden. Sie konnen in zwei Gruppen aufgeteilt werden: offentliche und private Zollager (Abb. K-4/ 3). Abb. K-4/ 3: Zollager Offentliche Zollager F Zolleigene Lager A Lagerhalter verantwortlich B Einlagerer verantwortlich Private Zollager C geschlossenes Lager D offenes Lager E fiktives Lager Verschlu&lager: F, A, B, C Offenes Zollager: D Fiktives Zollager: E (1) Offentliche Zollager In offentlichen Zollagern (friiher auch als Zollniederlagen bezeichnet) kann jedermann Ware einlagern. Dabei handelt es sich urn geschlossene Zollager, entweder direkt unter Zollverschlufi, d. h. nur die Zolldienststelle hat Zugang zum Lager, oder unter ZolbwfYverschluf? , d. h. bei Einlagerung und Entnahme ist eine Mitwirkung der Zollverwaltung erforderlich. Bei offentlichen Zollagern wird die Bemessungsgrundlage bei der Auslagerung ermittelt. Sie haben in Deutschland keine praktische Bedeutung. Man unterscheidet: • Zolleigene Lager in Orten mit starkem Zollverkehr, wenn ein allgemeines Interesse fur die Lagerhaltung besteht und wenn kein anderer Niederlagehalter zu finden ist (Lager-Typ F). Sie konnen nur auf Weisung des BMF eingerichtet werden. In Frankreich bspw. ist der Typ F recht verbreitet. • Daneben gibt es offentliche Zollager vom Typ A, die durch Private verwaltet werden, bei denen der Lagerhalter fur die Lagerung verantwortlich ist (z. B. eine Hafenverwaltung, ein Kommissionar oder eine Spedition). Auch dieser Typ ist selten und mul? direkt vom BMF genehmigt werden. • Bei offendichen Zollagern vom Typ B ist der Einlagerer fur die Lagerhaltung verantwortlich (dto.: selten). <?page no="580"?> 558 K Einfuhr Die Typen A und B sind Lager unter Zollverscblufi. Dies schrankt natiirlich die Verfiigungsfreiheit iiber die Waren ein, zumal wegen der offentlichen Nutzung keine Vereinfachungen in Anspruch genommen werden konnen (die ja individuellen Lagerbenutzern bewilligt werden mufSten). Dies wird aber dennoch vor allem bei Kuhlhausern in Kauf genommen. Die Zollverwaltung geht daher auch davon aus, dafi die offentlichen Lagertypen eher die Ausnahme darstellen, da private Zollager wirtschaftsfreundlicher und flexibler zu handhaben sind, aber ein gewisses Bediirfnis fiir offentliche Zollager ist unverkennbar. Weshalb man die Lagertypen nicht in A,B,C (offentlich) einerseits und D,E,F (privat) andererseits eingeteilt hat, ist nicht schlussig nachzuvollziehen, aber auch egal. (2) Private Zollager Private Zollager stehen nur dem Lagerinhaber zur Verfugung, sind also nicht jedermann zuganglich wie offentliche. Da der Lagerhalter nicht Eigentumer der,Ware sein mu6, konnen somit auch Dritte Ware einlagem (dies ist insbesondere fur Kommissionare und Spediteure von Bedeutung). • Der Typ C als geschlossenes Lager wird u. a. von Spediteuren angeboten. Es ist durch eine Gestellungspflicht bei der Einlagerung und zollamtlicher Mitwirkung bei der Lagerabwicklung gekennzeichnet. 63 Die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen (Zollwert, EUSt- Wert) erfolgt erst bei der Auslagerung (wie bei alien Zollagern aufier Typ D) (d. h. bei der Annahme der Anmeldung zur Uberfuhrung in ein anderes Zollverfahren bzw. durch die analoge Anschreibung); andere Regelungen sind fakultativ moglich). Der Lagertyp C ist gleichfalls relativ selten und kommt insbesondere fur Giiter in Betracht, die Verboten und Beschrankungen unterliegen. • In der Praxis am gangigsten sind Zollager vom Typ D, d. h. private Zollager ohne Zollmitverschlufj (friiher: offenes Zollager, und man nennt sie in der Praxis immer noch so). Dabei finden Einlagerung und Entnahme ohne Mitwirkung der Zollbehorden start, d. h. auch ohne Gestellung und vor der Anmeldung zum freien Verkehr. Wegen der flexiblen Entnahmemoglichkeiten miissen die Bemessungsgrundlagen fiir die Einfuhrabgaben (Zollwert, EUSt-Wert) zum Zeitpunkt der Einlagerung festgestellt werden (sog. Festsetzungsbescheid) so dal? bei der Einlagerung auch eine Zollwertanmeldung erforderlich ist (D.V.I; vgl. Abschnitt K-2.3.2). Die konkrete Berechnung der Einfuhrabgaben erfolgt hingegen erst zum Zeitpunkt der Auslagerung, da vorher keine Abgabenschuld entstanden ist. Zollager vom Typ D sind folglich an bestimmte Auflagen, insbesondere hinsichtlich der Lageraufzeichnungen gebunden. Haufig sind/ waren Duty-Free-Shops in dieser Lagerart organisiert. • Ein neuer, in Zukunft auch in Deutschland wohl recht bedeutsames Zollager wird das Lager vom Typ E sein; in den Niederlanden ist es schon seit langem gebrauchlich. Dabei wird dem Lagerhalter ein Zollager bewilligt. Es ist jedoch nicht erforderlich, daE die einzulagernde Ware tatsachlich physisch in dieses Lager verbracht wird, sondern es geniigt, wenn sie in irgendeiner Lagereinrichtung des Bewilligungsinhabers auch auf einem Transportmittel (LKW, Schiff) eingelagert wird; entsprechende Aufzeicbnungen ersetzen die physische Einbzw. Umlagerung, wobei der Aufenthaltsort der Waren jederzeit 63 Es entspricht faktisch dem friiher iiblichen Zollmitverscblufilager. <?page no="581"?> K-4. Zollverfahren bei der Einfuhr 559 erkennbar sein rnuf? («rollende oder schwimmende Lager»). Dies ermoglicht eine sehr flexible Lagerdisposition, da z. B. ein deutscher Lagerhalter seine Waren dezentral in jedem anderen EG-Staat einlagem kann (fiktive Einlagerung in das Zollager). Die Bemessungsgrundlage wird mit Gestellung bei der Auslagerung ermittelt. Dai? dabei an die Anschreibungen besonders hohe Anforderungen zu stellen sind, wird einleuchten. Gegenwartig beeintrachtigen noch die unterschiedlichen Verbrauchsteuerbelastungen die offensichtlichen Vorteile dieses Lagertyps sowie die Notwendigkeit, daf? (noch) in jedem (betroffenen) Land ein Fiskalvertreter (Steuervertreter) vorhanden sein muS, weil die EUSt ggf. in Finnland fallig wird. K-4.3.2.3. Bewilligung Das Zollagerverfahren ist ein Zollverfahren. Da es ein Nichterhebungsverfahren und zugleich ein Verfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung ist, muf? es vom HZA, in dessen Bezirk es betrieben werden soil, bewilligt werden. Fiir mehrere Zollager kann dies zentral durch das fur den Firmensitz zustandige Hauptzollamt geschehen, auch wenn einzelne Lagerstatten in benachbarten EU-Landern liegen. Voraussetzung ist, daf? sich die beteiligten Staaten insbesondere iiber die KontrollmafSnahmen einigen und die EG-Kommission, die dariiber informiert werden muE, keine Einwande erhebt - Voraussetzungen, aufgrund derer in der Praxis solche Antrage oft steckenbleiben. In der Praxis kommen daher solche <echten> europaischen Zollager, bei denen es nur eine Zollverwaltung als Ansprechpartner gabe, nur selten vor. Die Mitsprache der Europaischen Kommission ist beim Typ E zwar nicht erforderlich, aber dennoch hakt es meist irgendwo. Viele Unternehmen lassen sich daher von den Unwagbarkeiten der Abstimmungen zwischen verschiedenen Zollbehorden abschrecken und beantragen lieber <bilateral> verschiedene Zollager. Ein zentrales Lagermanagement wiirde auch eine zentrale Bewilligung von Vereinfachungen erfordern, aber dies ist in der Praxis bislang nicht moglich. Eine sachliche Voraussetzung der Bewilligung ist, daS die durchschnittliche Lagerdauer langer ist als der durchschnittlich in Anspruch zu nehmende Zahlungsaufschub von rd. 30 Tagen (vgl. Abschnitt K-2.4), denn bei kiirzeren Fristen wiirde der Zahlungsaufschub bei weniger Verwaltungsaufwand zum wirtschaftlich analogen Ergebnis fuhren. 64 Zu den personlichen Bewilligungsvoraussetzungen zahlt die (steuerliche) Vertrauenswiirdigkeit des Lagerhalters und die ordnungsmafsige Fiihrung der Biicher, da bestimmte Anschreibungen zu machen sind, insbesondere bei den Typen D und E. Fiir die Typen D und E wird zudem Sicherheit verlangt, und zwar i.d.R. in Hohe des Betrages, der auf die Warenmenge entfallt, die durchschnittlich in 45 Tagen entnommen wird. Fiir bestimmte hochwertige Gtiter (Kaffee, Branntwein) sind hohere Sicherheiten vorzuweisen. In der Bewilligung werden detaillierte Verfahrensregelungen getroffen (Lagerbehandlungen, Aufzeichnungen usw.). K-4.3.2.4. Vereinfachungen Die ublichen Vereinfachungen unvollstandige Zollanmeldung, vereinfachtes Anmeldeverfahren, Anschreibeverfahren konnen auch fur Zollagerverfahren gewahrt werden. Fiir das 64 Bis zum 15. des Folgemonats, d. h. mindestens 16, hochstens 45 Tage; dies sind durchschnittlich 30 Tage. <?page no="582"?> 560 K Einfuhr vereinfachte Anmeldeverfahren und das Anschreibeverfahren ist zur Uberfuhrung in das Zollagerverfahren eine besondere Zulassung erforderlich. Diese wird i.d.R. mit der Lagerbewilligung, ggf. aber auch nachtraglich erteilt. Beim Typ D gilt fur das vereinfachte Anmeldeverfahren, daS die Uberwachungszollstelle und die Lagereinrichtungen im gleichen HZA- Bezirk liegen miissen, insbesondere weil die Bemessungsgrundlagen fiir Einfuhrabgaben (Menge, Wert, Einreihung in den Zolltarif, Warenbeschaffenheit) bei der Einlagerung ermittelt werden miissen. Allerdings brauchen keine erganzenden Anmeldungen nachgereicht zu werden, weil die strengen Vorschriften zur Bestandsaufzeichnung dies eriibrigen. K-4.3.2.5. Ablauf Waren, die fur Zollager bestimmt sind, miissen gestellt und angemeldet werden. Sie unterliegen umfassend dem Zollrecht, grundsatzlich jedoch keinen handelspolitischen Mafinahmen (z. B. Kontingenten). AuSenwirtschaftsrechtliche Einfuhrvoraussetzungen, z. B. eine Einfuhrgenehmigung oder bestimmte Kennzeichnungsvorschriften, miissen daher in der Regel noch nicht vorliegen. Andererseits greifen normalerweise bereits nicht-okonomisch motivierte Einfuhrbeschrankungen, wie z. B. das Importverbot fiir Waffen oder fiir geschiitzte Tiere und Pflanzen nach dem Artenschutzgesetz. Die Uberfuhrung in das Zollagerverfahren beginnt mit Gestellung und Vorlage der Exemplare 6 und 8 des EP bei der Uberwachungszollstelle (Einfuhrzollstelle), welche bei Typ D die Bemessungsgrundlagen feststellt (bei alien iibrigen Lagertypen erfolgt dies bei der Auslagerung). Die Ware wird dann zum Zollagerverfahren uberlassen; die Beforderung erfolgt im Rahmen des Zollagerverfahrens, d. h. es ist kein Versandverfahren bis zum Zollager erforderlich. Der Einlagerer hat die Pflicht, die Waren ins Zollager zu bringen. Bei offenen Zollagern finden Einlagerung und Entnahme ohne Mitwirkung der Zollbehorden start, d. h. auch ohne Gestellung und vor der Anmeldung zum freien Verkehr. Die Bestandsaufzeichnungen sind in der Regel in die betriebliche Buchfuhrung (nach den Grundsatzen der ordentlichen Buchfuhrung, GoB) integriert (moglicherweise durch Systeme wie SAP) sofern alle relevanten Daten enthalten sind. Wichtig ist, daG die Aufzeichnungen immer zeitnah zur Aufnahme ins Lager erfolgen, so daf? hier wie auch bei anderen Verfahren - «ein sachkundiger Dritter sie in angemessener Zeit nachvollziehen kann», so die Standardsformulierung des Zollrechts. Sofern Ware mit unterschiedlichem zollrechtlichen Status (Gejneinschaftsware, Nichtgemeinschaftsware) gemeinsam gelagert werden soil was recht oft sinnvoll ist, z. B. bei Regalwaren wie Schrauben, aber auch Einbauteilen fiir Kfz -, muE dies gesondert bewilligt werden. Hierfiir mufS ein wirtschaftliches Bediirfnis durch die Zollbehorde anerkannt werden, z. B. wenn die Gemeinschaftswaren als Verpackungsmaterial fiir die Drittlandswaren dienen sollen. Hierfiir kommt meist das Zollager vom Typ D in Betracht, bei dem die Lagerung mit der Entnahme aus dem Lager beendet wird. BuchmafSig mufi jederzeit eine Trennung erfolgen. K-4.3.2.6. Lagerbegriff Der Begriff <Lager> ist weit zu verstehen und beschrankt sich nicht was sprachlich vielleicht nahelage auf umschlossene Raume oder Hallen. Es kann geniigen, in einer Lagerhalle eine bestimmte Flache durch farbige Markierungen auf dem FuSboden abzugrenzen. Aufgrund <?page no="583"?> K-4. Zollverfahren bei der Einfuhr 561 der o. a. Zollschuld-Entstehungstatbestande ist es ja unerheblich, ob Ware aus einem geschlossenen Raum entnommen oder dort verbraucht wird oder schlicht aus/ in einer abgegrenzten Flache. Dies ist auch eine Frage der unternehmensinternen und versicherungstechnischen Praktikabilitat (Diebstahl). Im Zollkodex heifo: es dazu (Art. 98 Abs. 2): «Als Zolllager gilt jeder von den Zollbehorden zugelassene und unter zollamtlicher Uberwachung stehende Ort, an dem Waren unter den festgelegten Bedingungen gelagert werden konnen.» Ein Zollager kann auch aus mehreren getrennten Lagerstatten bestehen. K-4.3.2.7. Lagerbehandlungen Eingelagerte Ware darf ohne Bewilligung nur lageriiblichen Behandlungen (sog. Lagerhandling) unterzogen werden. Die ZK-DVO enthalt Anhange, in dem die zulassigen Aktivitaten abschlieSend und verbindlich aufgelistet sind. Hierzu zahlen einfacbe Behandlungen wie die eigentliche Lagerung, des Be- und Entladen des Beforderungsmittels, Transportvorgange, Umlagerungen in den Lagerraumen, Bestandsaufnahme, Wiegen, Probenentnahmen, Auspacken, Umpacken, Sortieren, sowie Behandlungen, die der Erhaltung der Ware (z. B. Justieren, Reinigung, Kiihlung, Luftung, Schadlingsbekampfung) oder der Verbesserung ihrer Aufmachung und Handelsgiite dient (z. B. Etikettieren, Hinzufugen relativ unbedeutender Waren [Einbau von Autoradios], Vermischen unterschiedlicher Qualitaten [Kaffee, Tabak]), sowie der Vorbereitung des Vertriebs (Testen, Aussondern verdorbener Teile, Rostschutzbehandlung, Biigeln von Textilien). Obgleich der Zollwert bei den meisten Lagertypen erst bei der Entnahme festgelegt wird, gehen die Kosten solcher Lagerbehandlungen nicht in den Zollwert ein (Art. 112, 178 ZK), sofern sie getrennt ausgewiesen werden (dies mufi in bestimmten Fallen beantragt werden). Weitergehende Behandlungen bediirfen der Genehmigung durch die Zollstellen, um eine Abgrenzung insbesondere gegen Produktionsvorgange, die fiktive Entnahme durch Verwendung oder Verarbeitung im Lager und insbesondere gegen aktive Veredelung (vgl. Abschnitt K-4.2) sicherzustellen. Es darf aus der Lagerbehandlung keine andere Ware hervorgehen, d. h. die Ware muf? ihre Identitat behalten, und die Bemessungsgrundlage darf sich nicht durch die Behandlung verandern. Insbesondere darf sich nicht die Position im ZoUtarif verandern. Eine scharfe Abgrenzung zur aV ist jedoch nicht immer moglich. Eine voriibergehende Entfernung aus dem Lager muS gesondert bewilligt werden, beispielsweise wenn aus einem Teppichlager Muster in einer Wohnung ausprobiert werden sollen oder wenn eine erforderliche Warning nur auSerhalb des Zollagers technisch durchfuhrbar ist oder wenn eine Probefahrt mit einem Fahrzeug stattfinden soil. K-4.3.2.8. Beendigung des Zollagerverfahrens Das Zollagerverfahren wird durch Uberfuhrung in den zollrechtlich freien Verkehr oder in jedes andere Zollverfahren beendet. In der Praxis ist besonders der Versand von Bedeutung. In Abhangigkeit vom Lagertyp ist teilweise eine Gestellung erforderlich, teilweise geniigen Anschreibungen, so beim Typ D, bei dem die Lagerung jederzeit und ohne Mitwirkung der Zollverwaltung mit der Entnahme aus dem Lager beendet werden kann. Aus einem Zollagertyp D darf Ware bei Beachtung strenger Anschreibungspflichten in ein anderes D-Zollager verbracht werden, ohne daS eine Zollschuld entsteht. Jede andere nicht <?page no="584"?> 562 K Einfuhr bewilligte -Entnahme aus dem Zollager lafit eine Zollschuld entstehen, sei die Entnahme gewollt (z. B. nach Verkauf der Ware) oder fiktiv (Diebstahl, Brand, Verbrauch im Lager, Fehlmengen). Angenommen, ein Zollager brennt ab. Dann entsteht zunachst eine Fehlmenge, weil der objektiv ermittelbare Lagerbestand nicht dem Buchbestand entspricht, und es mufite eine Zollschuld entstehen. Dies ist zu vermeiden, wenn durch entsprechende Gutachten (z. B. der Feuerwehr) festgestellt wird, daS die Restbestande, Asche etc. dem verbrannten Buchbestand entspricht. Gelingt dies nicht, muS mit einer Nachverzollung gerechnet werden. I.d.R. wird die Entnahme korperlich erfolgen, doch konnen auch rein buchmafige Entnahmen zugelassen werden, d. h. daS die Ware physisch gar nicht bewegt wird. Die durch die Entnahme entstehende Zollschuld bzw. anderen Einfuhrabgaben sind selbst zu berechnen, der Zollstelle anzumelden und bis zum 16. Tag des Folgemonats zu entrichten (ein weiterer Zahlungsaufschub ist nicht moglich). K-4.4. Voriibergehende Verwendung K-4.4.1. Zweck Ziel einer Anmeldung zur voriibergehenden Verwendung ist die voUstandige oder teilweise Befreiung von den Einfuhrabgaben. Die voriibergehende Verwendung bezieht sich auf Falle, in denen Waren nicht endgiiltig, aber voriibergehend in den Wertschopfungsprozef? der EG eingehen. Sie bleiben im Eigentum von Gebietsfremden, werden zeitlich befristet in die EG verbracht, dort zu bestimmten Zwecken voriibergehend verwendet und anschlieSend wieder ausgefuhrt. Voraussetzung ist dabei die Namlichkeitssicherung und in einigen Fallen die Leistung einer Sicherheit fur die normalerweise falligen Einfuhrabgaben. Bei ordnungsgemaSer Wiederausfuhr werden keine Abgaben fallig (Ausnahme vgl. unten), und eventuell geleistete Sicherheiten werden erstattet. (1) Dabei ist zwischen Verwendungszwecken zu unterscheiden, die mit wirtschaftlichen Interessen innerhalb der Gemeinschaft konkurrieren konnen, und solchen, bei denen das nicht der Fall ist. Bei letzteres handelt es sich in der Praxis dabei vorrangig • um PKW und personliche Ausriistungsgegenstande von Touristen im Reiseverkehr, • die voriibergehende Verwendung von Transportmitteln wie z. B. LKW, Anhanger, Sattelschlepperaufleger, Eisenbahnfahrzeuge, Container, Paletten etc., mit denen Waren in das Zollgebiet verbracht werden und die selbst anschlieSend wieder ausgefuhrt werden (hier gilt die voriibergehende Verwendung allgemein als bewilligt) sowie • um Berufsausrustungen, um Muster und andere Waren, die auf Ausstellungen, Messen oder Kongressen ausgestellt oder verwendet werden, oder um Ausriistungen und Material bei Katastropheneinsdtzen. • Das Carnet-ATA-Verfahren ist ein Sonderfall der voriibergehenden Verwendung mit vollstandiger Befreiung vor allem fur Messe- und Ausstellungszwecke, Berufsausrustungen, Sportgeraten usw. Da aus deutscher Sicht der <Start> mit der voriibergehenden Ausfuhr beginnt, wird das Carnet ATA ausfuhrhch in Abschnitt L-5.3 behandelt. Bei diesen Verwendungen erfolgt grundsatzlich keine Abgabenerhebung, die Bewilligung erfolgt i.d.R. sofort bei der Anmeldung, und in vielen Fallen (z. B. Eisenbahnwaggons, LKW oder Container, personliche Habe) erfolgt in der Regel eine fortnlose Abfertigung durch <?page no="585"?> K-4. Zollverfahren bei der Einfuhr 563 <Durchwinken> an den Grenziibergangen. Wenn Gemeinschaftswaren aus dem Zollgebiet ausgefuhrt worden sind, aber unverandert wieder eingefiihrt werden, konnen sie als Riickwaren von den Einfuhrabgaben befreit werden. Riickwarenverbringung ist kein besonderer Zollverkehr, sondern eine Variante der Abfertigung zum freien Verkehr. Auf mogliche abgabenrechtliche Probleme (z. B. muE ein Drittlands-Kfz nach einem Unfall verschrottet werden) kann hier nicht eingegangen werden. Wenn eine voriibergehende Verwendung laufend erfolgt, z. B. bei Fahrzeugen international tatiger Speditionsunternehmen, kann die voriibergehende Verwendung formlos und ohne Leistung von Sicherheit bewilligt werden. In vielen Landern auSerhalb der EG ist fur die voriibergehende Verwendung von Kraftfahrzeugen und anderen Beforderungsmitteln (Schiffe, Flugzeuge, Luftkissenfahrzeuge, Eisenbahnwaggons etc.) ein Zollpassierscheinheft (CametdePassageDouanier, CPD) erforderlich. Dieses wird von den Automobilclubs herausgegeben. Innerhalb der EG ist die voriibergehende Verwendung von Kfz allgemein bewilligt und formlos. K-4.4.2. Teilverzollung Bei Verwendungszwecken, die wirtschaftlichen Interessen von Untemehmen in der EG u. U. zuwiderlaufen konnen, wird hingegen moglicherweise nur eine teilweise Befreiung von den Einfuhrabgaben gewahrt, z. B. bei Spezialtnascbinen im Bergbau, und hier ist eine vorherige Bewilligung erforderlich. Die voriibergehende Verwendung ist hier im Einzelfall zu beantragen. Sie wird direkt und ohne vorherige grundsatzliche Entscheidung (Vorabfertigung) bewilligt (dabei konnen nationale unterschiedliche Voraussetzungen bestehen insbesondere beziiglich der Zweckbestimmung). Grundsatzlich diirfen Waren im Rahmen der gewerblichen voriibergehenden Verwendung maximal 24 Monaten im Zollgebiet verbleiben. (Im privaten Bereich [z. B. Kfz] bestehen kiirzere Beschrankungen; z. B. darf die Verwendung zollgebietsfremder Kfz im Zollgebiet grundsatzlich nicht langer als insgesamt ein halbes Jahr erfolgen.) Die voriibergehende Verwendung ist unter zollamtlicher Uberwachung durch Wiederausfuhr aus dem Zollgebiet zu beenden. Zuwiderhandlungen fiihren i.d.R. zur Entstehung einer Zollschuld und konnen zollrechtliche Konsequenzen (z. B. BuSgeld) nach sich ziehen. Um die Moglichkeit auszuschliefsen, daE eine eigentlich zollpflichtige Einfuhr durch sich wiederholende abgabenfreie <voriibergehende> Verwendungen unterlaufen wird, kann u. a. im Baugewerbe und zu Zwecken der Warenherstellung die voriibergehende Verwendung einer Teilverzollung unterliegen («Pro-rata-temporis-Zoll»), und zwar in Hohe von 3 % pro Monat der Zollschuld, die bei der Abfertigung zum freien Verkehr entstiinde. BE IS PI EL Ein Spezialbagger aus Kanada wird sechs Monate auf einer Baustelle in Delmenhorst verwendet. Bei Oberfuhrung in den freien Verkehr ware eine Zollschuld von 20.000,- Euro entstanden. Fur die voriibergehende Verwendung sind damit 6 x 3 % von 20.000 = 3.600 Euro an Einfuhrzoll zu entrichten. Sofern ein «ubergeordnetes Interesse» vorliegt, kann die voriibergehende Verwendung auch zollfrei genehmigt werden, beispielsweise wenn nach Sturmschaden in den Waldern skandinavische Spezialmaschinen eingesetzt werden sollen. Da die tatsachliche Dauer der voriibergehenden Verwendung oft nicht im voraus zu bestimmen ist z. B. bei aufgrund von <?page no="586"?> 5 6 4 K Einfuhr Verlangerungen -, wird die Zollschuld erst nach Beendigung der voriibergehenden Verwendung ermittelt (maximale Dauer: 24 Monate). I.d.R. ist eine Zollanmeldung erforderlich und Sicherheit zu leisten. Unabhangig von der Verwendungsdauer sind 16 % EUSt auf den vollen Zollwert zu entrichten, da die EUSt als Vorsteuer absetzbar ist und den Verwender nicht kostenmaEig belastet. Eine Reduzierung der EUSt scheidet aus, weil nach dem Umsatzsteuergesetz keine anderen Zollsatze als 16 oder 7% anwendbar sind. Wenn Guter nach Gebrauch aus der voriibergehenden Verwendung anschlieEend in den freien Verkehr uberfuhrt werden, erfolgt eine Verzollung auf der Basis des Zollwerts zum Zeitpunkt der Uberfuhrung in die voriibergehende Verwendung; andernfalls ware ja die Abgabenbelastung erheblich niedriger als bei sofortigem Import. Eventuell bereits geleistete Teilverzollungen nach dem obigen Muster werden dabei angerechnet. Auf die Rest-Zollschuld werden Ausgleichszinsen erhoben, wobei es eine Reihe von Befreiungstatbestanden gibt (u.a. fur Messegiiter). K-4.5. Bleibende Verwendung Im Gegensatz zur voriibergehenden Verwendung hangt bei der bleibenden Verwendung die Zollfreiheit nicht davon ab, daS das Zollgut wieder ausgefiihrt wird. Es gibt nur wenige Falle allgemeiner Bewilligung fur bleibende Verwendung, so z. B. fur die Verwendung von Betriebsstoffen fiir Schiffe oder Luftfahrzeuge. In alien anderen Fallen muf? eine Einzelbewilligung des HZA eingeholt werden. Das faktische Ergebnis der bleibenden zollfreien Verwendung wird in einigen Fallen auch durch eine andere rechdiche Konstruktion erreicht. Sofern Ware fur bestimmte begiinstigte Zwecke verwendet wird, kann sie zum freien Verkehr abgefertigt werden, bleibt aber unter zollamtlicher Uberwachung. Diese Verwendung mufs daher beantragt und bewilligt werden; dazu wird in bestimmten Fallen ein Erlaubnisschein ausgestellt, der bei der Einfuhrabfertigung vorzulegen ist. Dabei kann eine vollstandige Abgabenbefreiung vorliegen oder eine Anwendung ermdfiigter Abgabensdtze. Dies bedeutet, daf? eine Abgabenschuld entsteht, wenn die Ware nicht zu dem vorgesehenen Zweck verwendet wird. Dabei kommt einmal eine aufiertarifliche Befreiung in Frage (vgl. Abschnitt K-2.3), u. a. fur Heiratsgut, Ubersiedlungsgut, fiir den Bedarf auslandischer Botschaften in Deutschland, Treib- und Schmierstoffestoff in Kraftfahrzeugen, fur bestimmte wissenschaftliche und kulturelle Zwecke, bei Waren fur Test- und Untersuchungszwecke etc. Dies ist i.d.R. mit einer vollstandigen Befreiung von alien Abgaben verbundeh. Daneben gibt es die tarifliche Befreiung, wenn der Zolltarif fur die Abfertigung zu bestimmten Verwendungszwecken (unter zollamtlicher Uberwachung) im Vergleich zur normalen Verwendung vergiinstigte Zolltarife vorsieht (z. B. Zeitungspapier). Dies ist von der ZoUfreistellung bzw. -vergiinstigung zu unterscheiden, bei der der Warenursprung das Vergiinstigungskriterium (z. B. bei Praferenzzollsatzen fur AKP-Lander) ist und nicht die Warenverwendung. Bei tariflicher Zollbegiinstigung wird die Einfuhrumsatzsteuer in voller Hohe erhoben. K-4.6. Umwandlung Zweck der Umwandlung ist, eine Ware vor der Abfertigung durch Be- oder Verarbeitung im Zollgebiet, aber unter zollamtlicher Uberwachung so zu verandern, da£ sie einer ge- <?page no="587"?> K-4. Zollverfahren bei der Einfuhr 565 ringeren bzw. gar keiner Abgabenbelastung unterliegt. So konnen beispielsweise holzerne Verpackungskisten (Zollsatz 10%) zu Brennholz (Zollsatz 0%) zerkleinert werden, oder PC- Leiterplatten II. Wahl werden in einem Recycling-Unternehmen sortiert, wobei funktionierende Teile verzollt und in den freien Verkehr iiberfuhrt werden, wahrend die iibrigen Teile als Abfalle zollfrei entsorgt werden. Oder: Sisalgewebe wird eingefuhrt, soil auf Reifiwolfen zerkleinert und der Abfall zu Polierscheiben verarbeitet werden. Sisal ist zollpflichtig, der Abfall nicht und in dieser Form nicht auf dem Weltmarkt zu kaufen. Im Gegensatz zur Veredelung bleiben die umgewandelten Erzeugnisse im Zollgebiet. Die Waren konnen im normalen oder im vereinfachten Verfahren in das Umwandlungsverfahren iiberfuhrt werden. Eine Pflicht zur Umwandlung besteht nicht, man kann es sich also zwischenzeitlich nochmal iiberlegen und ggf. ein anderes Zollverfahren wahlen, aufser Ausfuhr und pV. Zur Berechnung der Zollschuld werden die angemeldeten Waren mit den umgewandelten verglichen. Fehlmengen sind ggf. zu verzollen, ein UberschuS kann auf das nachste Verfahren iibertragen werden. Das Umwandlungsverfahren wird relativ selten in Anspruch genommen. K-4.7. Vemichtung oder Zerstorung Bei der Vemichtung soil das Zollgut unter zoUamtlicher Uberwachung in einen Zustand versetzt werden, in dem es wirtschaftlich nicht mehr nutzhar ist und folglich auch keiner Abgabenbelastung mehr unterliegt. Dies kann z. B. durch Verbrennen des Gutes oder durch Wegschiitten von flussigen Stoffen geschehen. Wahrend die Vemichtung den darauf gerichteten menschlichen Willen voraussetzt, fiihrt der Untergang ohne menschlichen Willen zollrechtlich zum selben Ergebnis, z. B. bei Unfallen oder Naturkatastrophen. Im Gegensatz zur Vemichtung ist bei Zerstorung die verbleibende Materie okonomisch noch zu verwerten, wie z. B. bei der oben angefiihrten Zerkleinerung von Holzkisten zu Brennholz. Dieses muS dann einer Bestimmung zugefuhrt, z. B. in den freien Verkehr iiberfuhrt werden, wobei u. U. Zollabgaben auf die nun veranderte Materie zu entrichten sind. K-4.8. Wiederausfuhr und Verbringen in einen Freihafen Drittlandswaren konnen bereits bei der Einfuhr zur 'Wiederausfuhr angemeldet werden und damit abgabenfrei bleiben. Dabei kann es sich beispielsweise urn Waren handeln, die aufgrund erkannter Mangel zum auslandischen Lieferanten zuriickgesandt werden 90II. Das Verbringen von Ware aus dem Zollgebiet in einen Freihafen kommt faktisch der Wiederausfuhr gleich. Waren, die sich nicht im freien Verkehr befinden, konnen definitionsgemaft nicht ausgefiihrt werden, sondern nur zur Wiederausfuhr angemeldet werden. Dazu muE die Ware gestellt werden (ggf. durch telefonische Mitteilung an die Zollstelle), die Wiederausfuhr mit den Exemplaren 1-3 des Einheitspapiers angemeldet werden und zusatzlich zwingend ein Tl-Versandverfahren eroffnet werden (moglichst durch einen zugelassenen Versender, weil dies die Prozedur vereinfacht). Die AM mufi dabei einen roten Stempel «Export» erhalten. <?page no="588"?> I— Ausfuhrabfertigung Hinsichtlich eines Warenexports aus Deutschland bzw. der EG sind aus verfahrensrechtlicher Sicht grundsatzlich drei Aspekte von zentraler Bedeutung: • Kann der Warenexport wie ein Inlandsauftrag ausgefiihrt werden oder sind besondere Vorschriften oder Beschrankungen zu beachten? • Kann der Export ohne Umsatzsteuerbelastung ausgefuhrt werden? • Welche Bestimmungen des jeweiligen Importlandes sind zu beachten? Systematisch bemerkenswert ist, dafi auch die Ausfuhr nach dem Zollkodex der EU ein Zo/ / verfahren ist, obgleich Ausfuhren in der EU zollfrei sind; Rufiland und China beispielsweise erheben teilweise AusfuhrzoUe. Der wesendiche Sinn der rechdichen Normierung der Ausfuhr als Zollverfahren liegt im System der Exportkontrolle. Dabei greifen zwar mittlerweile auch weitgehende supranationale (EU-)Vorschriften. Die Exportkontrolle beruht jedoch auch auf nationalem Recht, die deutschen Kontrollbestimmungen sind strikter als die gemeinschaftsrechtlichen. Die Einhaltung der Exportbeschrankungen wird daher im Rahmen der Ausfuhr-Zollabfertigung uberwacht. Bevor wir dies vertiefen, sind einige grundsatzliche Aspekte zu klaren. L-1. Begriffsbestimmungen Binnenmarkt- und Drittlandsausfuhren (1) Als Ausfuhr gilt nach dem nationalen deutschen Aufienwirtschaftsrecht (§ 4 AWG) das Verbringen von Sachen und Elektrizitat aus dem deutschen Wirtschafisgebiet in frernde Wirtschaftsgebiete. Demnach sind auch Warenbewegungen in andere EG-Staaten aujienwirtschaftsrecbtlicb Ausfuhr und unterliegen den Bestimmungen des AWG. Fur die Ausfuhr - und anajog fur die Einfuhr gilt nach § 1 des AWG, dafi der Aufienwirtschaftsverkehr grundsatzlich frei ist, jedoch Beschrankungen moglich sind: Es ist alles erlaubt, was nicht verboten (bzw. genehmigungspflichtig) ist. Es gibt allerdings zahlreiche Ausfuhrbeschrankungen, z. B. fur Waffen und <sensible> Dual-use-Guter oder nach dem Gesundheitsschutz- oder Abfallrecht. (2) Hiervon ist der zollrecbtlicbe Ausfuhrbegriff zu unterscheiden, wonach Ausfuhr das Verbringen von Waren aus dem Zollgebiet der EG in ein Drittland ist. Der Warenverkehr mit Gemeinschaftswaren ist innerhalb der EU als Zollunion frei von jeglicher zollrecbtlicben Uberwachung; ein Transport von Bremen nach Madrid unterliegt folglich genausowenig Kontrollen wie von Bremen nach Bochum. Seit Inkraftreten des EG-Zollkodex am 1.1.1994 ist die Ausfuhr formal ein Zo/ / verfahren, und die verfahrenstechnische Abwicklung richtet sich nach den Bestimmungen des Zollkodex. Bei der Direktausfuhr erfolgt die Lieferung aus <?page no="589"?> L - 1 . Begriffsbestimmungen 5 6 7 dem Mitgliedstaat direkt in ein Drittland, bei Transitausfuhr erfolgt sie iiber ein weiteres Mitgliedsland. Ausfiihrer Die Verpflichtungen aus dem Ausfuhrverfahren treffen den Ausfiihrer. Als Ausfiihrer gilt-— nach dem Zollkodex derjenige, fur dessen Rechnung die Ausfuhranmeldung (AM) abgegeben wird bzw. der zum Zeitpunkt der Annahme dieser Anmeldung die Verfiigungsgewalt iiber die Ware hat. Wenn beispielsweise ein deutsches Unternehmen Ware an einen schweizer Kunden verkauft und im Auftrag des Schweizers die Ware aus der EG in die USA ausliefert, ist der Deutsche der Ausfiihrer. Das deutsche Aufienwirtschaftsrecht ist mit dieser Regelung kongruent: Ausfiihrer ist nach § 8 AWV, wer Waren nach fremden Wirtschaftsgebieten verbringt oder verbringen lafit. Bei einem Ausfuhrvertrag mit einem Gebietsfremden (§ 9 AWG), was die Regel sein wird, ist nur der Gebietsansassige Ausfiihrer. Im Regelfall wird der Ausfiihrer auch Anmelder sein, aber nicht zwingend, denn der Ausfiihrer kann sich vertreten lassen: Ein unmittelbarer (direkter) Vertreter kann ein Spediteur oder Frachtfuhrer sein, der die Waren befordert und die Ausfuhrabfertigung ubernimmt. Er kann die AM unterzeichnen, muE aber das Vertretungsverhaltnis z. B. durch den Zusatz «i. A.» deutlich machen. Eine mittelbare Vertretung ist moglich im Fall des in anderen Mitgliedstaaten bekannten Zollagenten und Zollspediteuren, der in eigenem Namen, aber fiir fremde Rechnung handelt. Wer gewerbsmaSig Ausfuhrgeschafte betreiben will, muf? sein Gewerbe beim Gewerbeamt bzw. beim Ordnungsamt seiner Gemeinde bzw. Stadt anmelden. Von einer bestimmten Grofenordnung ab ist zudem eine Eintragung in das Handelsregister durch einen Notar erforderlich, das beim zustandigen Amtsgericht gefiihrt wird. Ausfuhrsendung Ausfuhrsendung ist die Warenmenge, die ein Ausfiihrer gleichzeitig iiber dieselbe Ausgangszollstelle (die Zollstelle, bei der die Ware physisch das Zollgebiet verlaSt; vgl. Abschnitt J-5.2.2) fur dasselbe Kauferland nach demselben Bestimmungsland ausfiihrt. Dies ist vor allem bei Teillieferungen von Bedeutung, da der Begriff der Ausfuhrsendung fiir bestimmte Verfahrensvorschriften, Wertgrenzen und Befreiungen wichtig ist. Kauferland Kauferland ist das Land, in dem der gebietsfremde Kaufer ansassig ist; ggf. gilt das Bestimmungsland als Kauferland. Das Bestimmungsland ist das Land, in dem die Waren ge- oder verbraucht oder be- oder verarbeitet werden sollen. Wiederausfuhr Nicht jede Warenbewegung, die das EG-Zollgebiet verlaSt, ist zollrechtlich eine Ausfuhr. Waren, die sich nicht im freien Verkehr befinden, konnen definitionsgemai? nicht ausgefiihrt werden, sondern nur zur Wiederausfuhr angemeldet werden. Dies betrifft beispielsweise Nichtgemeinschaftsware (z. B. Ersatzteile), die sich in einem Zollager befinden und in das Herkunftsland zuruckgebracht werden sollen. Das Zollagerverfahren kann dann nicht durch Anmeldung zur Ausfuhr, sondern nur durch Wiederausfuhr (oder durch Uberfuhrung in ein anderes Zollverfahren) beendet werden. <?page no="590"?> 568 L Ausfuhrabfertigung L-2. Informationsquellen zur Ausfuhr Fiir die Warenausfuhr bietet sich als zentrale Informationsbasis bezuglich der ausfuhrrechtlichen Bestimmungen die Ausfuhrliste an, die als Anlage zur AWV durch Rechtsverordnung der Bundesregierung nach Bedarf an Veranderungen der Rechtslage angepaSt wird. Aus der Ausfuhrliste und den erganzenden Landerlisten lassen sich jedoch nur die aufienwirtscbaftsrecbtlichen Ausfuhrbeschrankungen ermitteln. Fiir die zahlreichen iibrigen Verbote und Beschrankungen gibt es keine zusammenfassende Informationsquelle; sie miissen branchenbzw. giiterabhangig individuell vom Exporteur beobachtet werden. Die Industrie- und Handelskammem konnen dabei meist Unterstiitzung anbieten. • Die aktuellen Texte des Aul? enwirtschaftsgesetzes (AWG), der Aufienwirtschaftsverordnung (AWV), der Ausfuhrliste, der EG-Dual-use-Liste und des Umschlusselungsverzeichnisses fur die Warenstatistik sind im Buchhandel zu beziehen (u.a. Bundesanzeigerverlag, Koln) bzw. konnen teilweise im Internet und bei den IHK und den Zollstellen eingesehen werden. Das Warenverzeichnis fur die AuEenhandelsstatistik, eine Art Kurzform des Europaischen Zolltarifs (EZT) wird jahrlich neu, auch als CD vom Statistischen Bundesamt/ ZB-PVM in Wiesbaden vertrieben. Fiir ausfiihrliche Informationen konnen die Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung (VSF) und die VSF-Nachrichten (laufende Ausgaben) herangezogen werden (www.bundesfinanzministerium.de). • Die Datenbank DDS/ Tariff Data Dissemination System bietet die Moglichkeit des Abrufs des Integrierten Zolltarifs der EG (TARIC), der Zollkontingente und Plafonds (QUOTA) (http : / / europa .eu .int/ comm/ taxation _customs/ dds/ de/ home. htm). • Wer viel mit Exporten zu tun hat, wird das HADDEX 1 sehr niitzlich finden (Handbuch der deutschen Exportkontrolle), ein 2-bandiges Loseblattwerk, das laufend aktualisiert wird (Bundesanzeiger-Verlag, ca. 280,- DM). • Ein rund 100-seitiges (! ) Merkblatt zum Einheitspapier findet sich zum Herunterladen im Internet auf den Seiten des BMF, ist sonst auch bei den IHKs erhaltlich. Informationen des Bundesausfuhramtes (BAFA) zur Exportkontrolle (vgl. unten) konnen erhalten werden im Internet auf den Seiten des BAFA unter www.bundesausfuhramt.de oder poststelle@bundesausfuhramt.de. • Die Zollsatze und Einfuhrabgaben sowie Verbote und Beschrankungen in Importlandern konnen fiir rund 40 Lander bei der Bundesstelle fur AulSenhandelsinformation (Bfai) abgerufen werden (Preis pro Land 20,- Euro) fwww.bfai.de). • Weitere interessante Intemetadressen sind abgesehen von den lokalen IHKs - : • www.auswaertiges-amt.de Auswartiges Amt, • www.bmwi.de Bundesministerium fiir Wirtschaft und Technologie, • www.statistik-bund.de Statistisches Bundesamt, • www.iccwbo.org Internationale Handelskammer Paris, • www.ea.fh-reutlingen.de SEFEX: Seminare fiir die exportierende Wirtschaft, Exportakademie / Fachhochschule Reutlingen, • www.awa-muenster.de Auswirtschaftsakademie Miinster, • www.europa.eu/ int.eur-lex/ de/ index/ html EUR-Lex - Das Recht der EU. 1 Die meisten Praktiker sagen <der> HADDEX. <?page no="591"?> L-4. Ausfuhrverfahren (Normalverfahren) 569 PRAXISTIP Viele Probleme mit der staatlichen Exportkontrolle ergeben sich, weil Exporteure veraltete Unterlagen verwenden. Es empfiehlt sich, diesem Bereich besondere Aufmerksamkeit zu widmen und dafur Sorge zu tragen, dalS Vorschriftentexte einen aktuellen Stand haben. Ggf. bietet es sich an, hierfur externe Dienstleister in Anspruch zu nehmen. Fiir die Beriicksichtigung von Importbestimmungen im Bestimmungsland bieten sich verschiedene Quellen an. Der Formularverlag CW Niemeyer verlegt eine Broschiire «Importbestimmungen anderer Landern»; die Bfai in Koln informiert iiber Landerbestimmungen, insbesondere in der Reihe «Exportieren nach ...» (Markterkundung und -erschlieSung, Einfuhrvorschriften, Zolle, indirekte Steuern, Reise- und Aufenthaltsbestimmungen, Kontaktadressen). Die Handelskammer Hamburg gibt die «K&M Konsular- und Mustervorschriften» heraus, die als Buch und als CD-Rom zur Verfiigung stehen und alle zwei Jahre aktualisiert werden. Daher ist es nicht nur gegen Ende der Zweijahresperiode empfehlenswert, sich durch Riickfragen beim auslandischen Kunden, bei der deutschen Botschaft im Importland oder der auslandischen Botschaft in Deutschland iiber etwaige Anderungen zu informieren. Wie die Erfahrung zeigt, sind letztere Auskunfte aber nicht immer zuverlassig, wie sich dann bei Importabfertigung im Bestimmungsland herausstellt. Oft lohnt auch ein Blick in www.mkaccdb.eu.int (Market Access Database u. a.: internationale Zolltarife), www.customs.ustreas.gov (US-Zollbehorden), www.bxa.doc.gov (US Bureau of Export). L-3. Lieferungen in die EG Lieferungen in die EU erfolgen ohne jegliche Grenzformalitaten; man spricht hier nicht von Ausfuhren, sondern von «innergemeinschaftlichen Lieferungen». Kaufer und Verkaufer miissen im kommerziellen Handel aber iiber sog. Umsatzsteueridentifikationsnummern (! ) (UStldentNr.) verfiigen, die in der Lieferantenrechnung angegeben sein miissen (vgl. ausfiihrlich Abschnitt J-6). Der Erwerber muS in seinem Land die dort geltende Erwerbsteuer entrichten, die der dortigen MWST entspricht. Der Lieferant muS auf der Rechnung vermerken, daf? es sich aus seiner Sicht urn eine steuerfreie EU-Lieferung handelt. Die Warenverkaufe in die EU miissen monatlich zusammengefafSt («Zusammenfassende Meldung», ZM) an das Bundesamt fiir Finanzen, AuSenstelle Saarlouis, gemeldet werden. Der Verkaufer muS zudem eine spezielle Meldung fur die sog. Intra-Handelsstatistik (IntraStat) an das Statistische Bundesamt in Wiesbaden abgeben, wenn seine Beziige im Vorjahr den Gesamtwert von Euro 100.000 uberschritten haben (Abschnitt J-7). L-4. Ausfuhrverfahren (Normalverfahren) Das Ausfuhrverfahren nach dem EG-Zollkodex ist zwingend zweistufig: Es beginnt bei der Ausfuhrzollstelle und endet an der Ausgangszollstelle bei Verlassen des EG-Zollgebiets (Abb. L-4/ 1). <?page no="592"?> 570 L Ausfuhrabfertigung Abb. L-4/ 1: Ausfuhrverfahren Drittland ^ EG Ausfuhrzollstelle Ausgangszollstelle L-4.1. Verfahrensschritte bei der Ausfuhrzollstelle Das Ausfuhrverfahren beginnt grundsatzlich mit der Gestellung und Anmeldung der anzufuhrenden Waren bei der zustandigen Ausfuhrzollstelle 2 , meist am Sitz des Ausfuhrers, die den Exporteur meist auch kennt, oder eines Subunternehmers (z. B. ein Hersteller, bei dem der Ausfiihrer die Handelsware einkauft), oder am Ort der Verpackung oder Verladung. Der Ausfiihrer kann die ZoUformalitaten aber auch ohne daE dafiir vorangehende Bewilligung erforderlich ist bei einer anderen Zollbehorde abwickeln, wenn dies seinen Interessen besser entspricht, z. B. dort, wo die Ware liegt. Biirgerlich gesprochen, kennzeichnet der Sitz der Ausfuhrzollstelle den Ort, an dem der Exportvorgang beginnt. Zur Ausfuhranmeldung (AM, in der Praxis gerne Ausfuhrscbein genannt; fruher: Ausfuhrerklarung, AE) sind i.d.R. die Exemplare 1, 2 und 3 des Einheitspapiers zu benutzen (Abb. L-4/ 2). Unter bestimmten Voraussetzungen konnen die Mitgliedstaaten der EG aber individuell auch stattdessen die Benutzung eines Handels- oder Verwaltungsdokuments zulassen, z. B. die Handelsrechnung, sofern das gesamte Ausfuhrverfahren auf dem Gebiet des betreffenden Mitgliedstaates ablauft. Sofern das Einheitspapier verwendet wird, behalt die Ausfuhrzollstelle das rote Exemplar 1 ein (Ausfuhranmeldung [AM], vgl. unten), das griine Exemplar 2 sendet sie an das Statistische Bundesamt in Wiesbaden (aus deutscher Sicht), das gelbe Exemplar 3 (Durchschrift der AM) wird mit dem Stempelaufdruck «Export» versehen und dem Anmelder ubergeben. Dieses ist der Ausgangszollstelle vorzulegen. PRAXISTIP Der Ausfiihrer sollte die Warennummern festlegen, weil dies die Uberprufung der Notwendigkeit einer Ausfuhrgenehmigung und andere Normen der Exportkontrolle erleichtert Die Ausfuhrzollstelle priift die Zulassigkeit der Ausfuhr und mogliche Beschrankungen insbesondere anhand der Ausfuhrliste; vgl. nachstehend Abschnitt L-6.2.1 - und fertigt die Ausfuhrwaren zoll- und auSenwirtschaftsrechtlich auf der AM entsprechend ab. Fur genebmigungsfreie Ausfuhren bis zu 2000,- Euro entfallt die Gestellungs- und Anmeldepflicht ebenso wie die Vorlage der AM. Ggf. konnen auch eine unvollstdndige Anmeldung erfolgen (vgl. unten). Bei genehmigungspflichtiger Ausfuhr muE die Ausfuhrgenehmigung bei der Ausfuhrzollstelle vorgelegt werden (bzw. analog eine eventuell erforderliche Ausfuhrlizenz bei Marktordnungswaren); sie mufi also vorher beschafft werden. 2 Bis 1993 Versandzollstelle genannt. <?page no="593"?> L-4. Ausfuhrverfahren (Normalverfahren) 571 Abb. L-4/ 2: Ausfuhranmeldung EUROPAISCHE GEMEIHSCHAFT li X H U I U M *jfir DE9162 V A B 2 " H ^ ^ EX li xxxxx 29 0901*00060 • , AvenueX H H B i ^ B i i * t i * T L M S T Hsupizoiiami stfaivjnd/ 1/ / ) 75782 Pari. Cedex 16? 1 I 1 | I -Zciiami G r > n > . a H < ^ j £ r ^ / E F r a nc e 6 Postoren 6 Pacts, nsoaaami 7 BewBswmw 7 j 1 | xxxxxxx IsGS Controll-Co. 2 B Einplwgei Nr B fctantwortliCJWha dan ZlNuogaarktrr Nr 5 Grain Trading Sp. 2 o.o. xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx ( "• iiL Lechomai PL 01-556 Warezawa 10 Ersfssflaa 111 HtnM I 111 S L f. X X X I I * * ! X X X | >M 14 AimMHVmui »S.Sp.2 I t Hmtai^iiSSi |16 VanJAiaaCode lUBMmmLCMe » vertrotcn durch: C. H j g M i GmbH Deutachland " xxx| t , xx" Q6Q|t,xx .§ JHkliMtveg 1 <> ummi wM 17 BMtnaueilrt * 21107 Hamburg Deutachland Polon * i a Kamaicntn ijid&atSflErtariotta ran BtluidajmjMiiitBbttn AOBMB IB Dr. 20 UsfBftedjngmg t Vf/ S "ANTON* ^ 1467 l x x x xxx| xxxxxxx^<xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx| xx 21 K a n u a d w w j SUttageMrigtst Ms o t w E t o fttfrt w i b w B « W W Bawde^ajainttab 22 Wining u m Redrn pesteKar G e a n d M . 23 U m a d n n j t t a n 24 Art dts < X X X X X X X X X X X X X X X X X X H ^ X X X X X X X X X X X | X X X X X X | X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X | X | 6etflHl 2S vnmimii m 126 HaMtMr S 127 I J S M 2B F r a n - und Bmkmgitw xx l »' 8"™ I xx I atvwiB xx^xyxxxxxxxx | xxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx * 29 AusgjngsnisleHe SB WlrBnort I xxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx s T Jucti 19dm w j Mjnmtfn tfBarw to. . < Anunl tftl Art ~' 82 PcttjB 83 W M I U I I I M *£%" X^ • " ; ' ll I *' 10019099 | I I 9000 nung ^ « i r . J - ' ' - Jf ^ * ^ . M UrcprJand C u t U npbnassa (kg) lote WeichwtJizearnmiurdieAuaa*^ * J \ -004 It, efeacli? 0 ' 600 A * V C ^X~? \ " Y™"* N » Bgmrasa (H) 39 AMngn Aiisfiuhrvimat*«kteaufdemSeevv«r4\ ^ \ t | i £ , ' it W 1000 I n ItT^tctt? 0 • 0 0 ° | xxxxx VO(EG)Nr. 1501/ 95 Art. 13 {£ XjgXp^o}' u smm*. tmrnvim* Antrag auf Anwendung gem Art5A»6yOi33pjNr. 800/ 99 ohne MchtimVtasano\wfahnmi^efmdKci^Water \ • / «i BB«*,M*I*- 44 todw H u t u * . : m a : ' v V / ? i , c v V V > V ^ I I ! J3Si FRE 39793 21.WmiS>^ an it unwwrj Tefflizenz Nr. FRX 46682 v. 26.09.0f gQltig bi« I SSTt* 31.01.CB ausgcstellt durch O.NJ.C, Paris « am*m wan SSurtwl I X X X X X X X X X X X X X X 47 AtQtbari- I Art I B^tTaaauTcjtarwdrtpa I SaB I Brtrap 12A 14B ZahfcwjttufachuB 149 Bazachratig Bat Lagan I * " * 1 " * X X X X X X X X X X X X X X X X X B ANBABEN FOP. VERBUCHUNSSZWECtt xxx ) x x x x x x x x x ) : x x x x x x x x x : : xxxxxx,xxx: : x AusfuhrSniTIGldunQ (Zitsatzblitt) fur EG-Ausfuhrarstattungen faempiar fur die UborwMhuHg«»IIM»lle Swww: ^ _ ^ ^ _ _ _ ^ ^ ^ _ ^ ^ B0 HwpNvprWRrtar Nr. IMenttft: [~C ABGAHSSSTELLE xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx| 51 Migasnra wabalaii durdr j ^ g * I W 111 Dun: |_ (injland) I | xxxxxxxxxxxIxxxxxxxxxxxIxxxxxxxxxxxIxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxIxxxxxxxxxxx 52 Srcherhart _ r f B w a . Coda B3 SeilinunBulafc («aj Land) «cw tm i i ^ x x x x x x i ^ x j ^ x T ^ x x x x x x x x x x x x x x x x x ^ t x ^ O a j ^ x x x I x y j x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x 0 PfliifUNG DURCH DIE ABGANBSSTUIE ' ^ - , •: ' J S a l : ' ' -^ S4 OH i n ! DaUn: / M« . v 'J*> Hamburg, 27.09.2O0i / AngabrtdileVewMusse: AfttaN: J fc/ r& J K ^ : • - — . - ~ f l — ~ . . . 1 ^ UrtersdinH und Na™ des Armajefs/ VBf1rBle< ziicm k jZ-7-ft; ^ t ' , , ' j 3j JurgenfalMI / / O ' f r - ' i ^j£-^) s^ '• —. iy (GeschSfisflJhjer) / / yffl^ . „ . ^iB^ii^B • a M P r / e t 1, 2VUJ7 Hamburfl 0 7 6 3 EmhaNtpapiar (Vafiandunfl/ AutlutH-AustdvaMWIduog [Zuialrtiall) Ila EG-AuttiArarttatlungan) • HI B 1 • (1988) T e l . t w o ^ T S 61 7 6 <?page no="594"?> 572 L Ausfuhrabfertigung Die fur die Ausfuhr angemeldete Ware kann von der Zollstelle beschaut werden, d. h. die in der Zollanmeldung gemachten Angaben (Art, Menge, statistische Angaben etc.) werden durch physische Untersuchung der angemeldeten Waren uberpriift. In den allermeisten Fallen wird die Zollstelle darauf verzichten und die Korrektheit der Angaben unterstellen (Vermutung). Je nach Sachlage kann ggf. die Sicherstellung der Namlichkeit der Ware erforderlich sein (vgl. die analogen Einfuhrschritte in Abschnitt K-1.4). L-4.2. Verfahrensschritte bei der Ausgangszollstelle Die Ausgangszollstelle ist nach dem Zollkodex die letzte Zollstelle vor Verlassen des EU- Zollgebietes und somit diejenige, welche die tatsdchliche physische Ausfuhr iiberwacht, oft eine Grenzzollstelle zwischen einem beliebigen EG-Land und einem Drittland. Im Postverkehr ist es die Einlieferungspoststelle, im Bahn-, Luft- und Seeverkehr die fur den Ort der Warenubergabe an den Frachtfuhrer (Verkehrstrager) zustandige Zollstelle, z. B. am Cargoterminal des Flughafens Frankfurt am Main. Die im Ausfuhrverfahren befindlichen Waren sind unter Vorlage des von der Ausfuhrzollstelle abgefertigten gelben Exemplars 3 der AM bei der Ausgangszollstelle zu gestellen. Die Ausgangszollstelle vergewissert sich, ob die gestellten Waren bei der Ausfuhrzollstelle behandelt worden sind und ob die gestellten Waren den angemeldeten Waren entsprechen (oder «vermutet» es). Die Ausgangszollstelle z. B. in Danemark priift dabei nicht mehr die Zulassigkeit gema'E nationaler, z. B. deutscher Bestimmungen, sondern nur die Identitat der Ware und bestatigt ansonsten lediglich den Tatbestand der Ausfuhr (dies kann auch fur steuerliche Zwecke wichtig sein - Umsatzsteuerfreiheit der Exportware), womit das Ausfuhrverfahren formal abgeschlossen ist. Bei Abweichungen untersagt die Ausgangszollstelle die Ausfuhr, auSer bei Mindermengen: 10 Pakete angemeldet, nur 9 gestellt ist eigendich egal, aber in der Praxis kommt es auch schon dann mal zu Zuruckweisungen. Es kommt sogar vor, dafi die Waren zum Verladeort zuriickgebracht werden miissen, damit die zustandige Ausfuhrzollstelle die erste Stufe des Verfahrens nachholen kann. Die Ausgangszollstelle gibt dem Beforderer (Spediteur) das gelbe Exemplar 3 allerdings nur dann zuriick, wenn der Ausfuhrer im Feld 44 der AM durch den Vermerk «RET-EXP» (Return to Exporteur) oder auf andere Weise deutlich gemacht hat, dafi er die Ruckgabe wunscht. Dann bescheinigt die Ausgangszollstelle auf der Riickseite des Exemplars die korperliche Ausfuhr der Ware (Ausfuhrnachweis). Anstelle des Exemplars 3 des Einheitspapiers kann auch ein gleichwertiges Handels- oder Verwaltungspapier verwendet werden. In der Regel braucht der Exporteur eine Unterlage zum Nachweis der Ausfuhr, um eine Befreiung von der Mehrwertsteuer in Anspruch nehmen zu konnen. Manche Finanzamter akzeptieren das Exemplar 3, andere verlangen eine «weife Spediteursbescheinigung» (nur von EG-Spediteuren) oder eine von der Zollstelle abgestempelte Handelsrechnung. Innerhalb der EU geniigen Verbringungsnachweise des Spediteurs oder die Unterschrift des abholenden Fahrers, d. h. sog. Buchnachweise). Der Beforderer leitet das Papier an den Anmelder zuriick. Dabei ergeben sich nicht selten Schwierigkeiten; beispielsweise weif? man, daf> aus Antwerpen selten abgestempelte Exemplare 3 zuriickkommen. Auf keinen Fall sendet die Zollstelle das Papier an den Ausfuhrer zuriick. <?page no="595"?> L-4. Ausfuhrverfahren (Normalverfahren) 573 PRAXISTIP Es ist klug, sich von der ausgefiillten AM eine Kopie zu verwahren. Nicht an den Ausfuhrer/ Frachtfiihrer zuruckgegebene Exemplare brauchen von der Ausgangszollstelle nicht mit einem Ausfuhrvermerk versehen zu werden (Arbeitserspamis) und nicht aufbewahrt zu werden. Geben Sie Ihrem Spediteur einen Freiumschlag mit, damit er den Ausfuhmachweis direkt und sofort zurucksenden kann und nicht noch tagelang durch Europa mitfuhrt. Dies fuhrt naturlich zu Briefmarken-logistischen Problemen, wenn die Ausfuhrzollstelle in Reutlingen, die Ausgangszollstelle aber in Le Havre ist. Wie soil man dem Spediteur einen mit franzosischen Briefmarken frankierten Umschlag mitgeben? (Wo ein Wille ist...) Es ist aber schon bemerkenswert, daG es bisher noch kein anderes sinnvoUes Verfahren fur die Riickmeldung bzw. Riicksendung von Unterlagen gibt als die traditionelle <gelbe Post>. Vom Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung und -iibermittlung ist man im Bereich der Zollverfahren aufierhalb der Unternehmen noch ziemlich weit entfernt. L-4.3. Verfahrensvereinfachungen und Erleichterungen im Ausfuhrverfahren Das Normalverfahren bei der Ausfuhr mit prinzipieller Gestellung und Anmeldung jedes einzelnen Exportvorgangs sowohl bei der Ausfuhrzollstelle als auch bei der Ausgangszollstelle ist in der Praxis eher die Ausnahme. Dies wiirde bei haufiger Ausfuhr fur die betroffenen Unternehmen, aber auch fur die Zollverwaltung zu einer grofien administrativen Belastung fiihren und in den Unternehmen in erheblichem MaEe Kapital binden und Kosten verursachen. Daher gibt es beim Export eine Vielzahl von Vereinfachungen und Erleichterungen, die den zunachst sehr kompliziert anmutenden Verfahrensablauf bei der Zollabfertigung in der Praxis stark <glatten> konnen und sehr viel reibungsloser machen konnen, als es zunachst erscheinen mag. Die Erleichterungen und Verfahrensvereinfachungen, die analog auch im Import zur Verfugung stehen, werden von den sehr vielen Exportunternehmen in Anspruch genommen. Sie konnen auch fur bevollmachtigte Dritte, z. B. Spediteure, gewahrt werden. (1) Unvollstandige Anmeldung Eine unvollstandige Anmeldung bedeutet, dafs im Einheitspapier (EP) als Ausfuhranmeldung nur bestimmte Mindestangaben gemacht werden mussen, insbesondere das Bestimmungsland und die Warenbezeichnung (im Hinblick auf evtl. aufsenwirtschaftsrechtliche Beschrankungen). 3 Diese Vereinfachung bedarf keiner vorherigen formlichen Bewilligung, mu6 aber in jedem Einzelfall beantragt werden und ist nur in begriindeten Fallen mbglich, z. B. wenn der Ausfiihrer Subunternehmer (Spediteure) einsetzt, die u. a. den Rechnungspreis nicht angeben konnen oder sollen, oder wenn der Exporteur die Ware von einem Vorlieferanten bezieht, der aus Griinden des Geschaftsgeheimnisses keine sensiblen Geschaftsdaten wie Preise, Lieferbedingungen oder Angaben iiber den Kunden im Ausland erfahren soil, die Ware aber vom Vorlieferanten direkt an den Kunden ausgefuhrt werden soil (Strecken- 3 Dieses Verfahren entspricht faktisch der friiheren Versandausfuhrerklarung (VAE). <?page no="596"?> 574 L Ausfuhrabfertigung geschaft), oder wenn Ausfuhrsendungen von mehreren Lieferanten zusammengestellt werden (Teillieferungen), oder wenn verbundene Unternehmen (Zweigwerke etc.) beteiligt sind. Der Spediteur z. B. gestellt die Waren bei der fur ihn zustandigen! - Aws/ w^rzollstelle (die also nicht das Ausfuhrzollamt des Ausfuhrers sein mufs) und legt die Exemplare 1 und 3 vor. Dies ist nur wahrend der Offhungszeiten des Zollamtes moglich; vgl. daher unten (3). Das gelbe Exemplar 3 reist danach mit der Ware (zweistufiges Ausfuhrverfahren! ) zur Ausgangszollstelle (es mufi (im Feld 44) den Vermerk «vereinfachte Ausfuhr» enthalten). Die Ausgangszollstelle bringt darauf eine Ausgangsbescheinigung an; der Spediteur erhalt das Exemplar 3 zuriick. Die Ausgangszollstelle iibersendet das (unvollstandige) Exemplar 1 an die fur die Ausfuhr zustandige Ausfuhrstelle (wo die «erganzende Anmeldung» erfolgen wird). Aufgrund unterschiedlicher nationaler Bestimmungen ist das Verfahren in der Praxis oft problematisch, wenn Ausfuhr- und Ausgangszollstelle in verschiedenen Landern liegen. Die Ausfuhr kann bereits stattfinden, ohne daS die erforderlichen Handelspapiere erstellt sind. Besonders bei Akkreditiven kommt es oft vor, dafi der letzte mogliche Verladetermin immer naherriickt. Ggf. kann man sich fur die Ausfuhrabwicklung mit einem Lieferschein und Schatzwerten behelfen. Die vollstandige Anmeldung (Exemplare 1 und 2 des EP) ist danach in der EG innerhalb eines Monats, in Deutschland innerhalb von 10 Tagen unaufgefordert der Ausfuhrzollstelle des Ausfuhrers zuzuleiten, um die unvollstandige Anmeldung <abzulosen> (andemfalls ist ein Bufigeld moglich). PRAXISTIP Die unvollstandige Anmeldung ist faktisch gegenwartig nur bei der Ausfuhr uber deutsche Ausgangszollstellen moglich. (2) Vereinfachtes Anmeideverfahren Das vereinfachte Anmeideverfahren ist eine weitere Vereinfachung von (1) in dem Sinne, dafs zwar die einzelnen Ausfuhren jeweils unvollstandig gestellt und angemeldet werden (z. B. nur durch Handelspapiere), die jeweils erganzenden Anmeldungen jedoch nicht innerhalb von 10 Tagen, sondern nur periodisch z. B. monatlich oder vierteljahrlich als erganzende Sammelanmeldung (mit ziemlich globalen Angaben) nachgereicht wird. 4 Auch hier ist das zweistufige Verfahren mit Gestellung bei der Ausfuhr- und der Ausgangszollstelle einzuhalten. Die erganzende Sammelanmeldung (vollstandige Exemplare 1 und 2 des EP) ist der AMs/ j<^rzollstelle nachzureichen. Im Gegensatz zur unvollstandigen Anmeldung mufi das vereinfachte Anmeideverfahren zuvor vom HZA bewilligt werden, denn der Sammelzollanmelder ubernimmt in gewisser Weise die Verantwortung der Zollstelle. Der Ausfiihrer wird dadurch zum zugelassenen Ausfuhrer (ZA). Nachteilig ist, daf? trotzdem fur jede Ausfuhr eine (unvollstandige) AM erstellt und die Waren bei der Ausfuhrzollstelle gestellt werden miissen, wodurch der Ausfiihrer an die Offhungszeiten der Zollstelle gebunden ist. Voraussetzung ist wie bei fast alien Erleichterungen eine Vertrauenswiirdigkeitspriifung des Antragstellers. Zudem muE die Uberwachung durch zuverlassige Anscbreibungen im 4 Das Verfahren entspricht faktisch der friiheren Zollabfertigung nach vereinfachter Zollanmeldung (ZnV). <?page no="597"?> L-4. Ausfuhrverfahren (Normalverfahren) 575 Unternehmen gewahrleistet sein, welche eine Kontrolle der Warenbewegungen sicherstellen. Die Vereinfachung ist daher nicht fur alle Waren moglich. Sie kann auch Spediteuren oder anderen Vertretern des Zollanmelders bewilligt werden. Ggf. kann die Zollbehorde Zollhilfspersonen (vgl. in Abschnitt J-5.1) zur Verfahrensvereinfachung bestellen. Das Verfahren ist fur die Ausfuhrpraxis von geringerer Bedeutung als bei der Einfuhr, insbesondere weil die Waren bei der Ausfuhrzollstelle gestellt werden miissen. Die papiermaSigen Vereinfachungen fallen daher nicht sonderlich ins Gewicht. Vorteile konnen sich bei gleichbleibenden Sendungen ergeben. Sinnvoll ist das Verfahren auf der Ausfuhrseite in Verbindung mit dem Anschreibeverfahren: (3) Anmeldung im Anschreibeverfahren Beim Anschreibeverfahren wird auf die Gestellung der Ware und die Abgabe der Ausfuhranmeldung bei der Ausfuhrzollstelle ganzlich verzichtet. Gestellt wird stattdessen am Ort des Verladens oder Verpackens. Dies hat den besonderen Vorteil, da£ der Ausfiihrer nicht an die Offnungszeiten des Zollamtes gebunden ist. Die AM werden z. B. monatlich von der Ausfuhrzollstelle <vorabgefertigt>, d. h. Zoll-Dienststempel und -Unterschrift werden <blanko> auf dem Exemplar 3 angebracht (Vermerk «Vereinfachte Ausfuhr» im Feld 44, Angabe der Bewilligungsnummer und des bewilligenden HZA), oder dem Ausfiihrer wird ein eigener Stempel bewilligt (dies ist bislang noch nicht gangig), oder er darf sich Vordrucke mit eingepragtem Stempel (bei zugelassenen Druckereien) drucken lassen. Es erfolgt keine Warenbehandlung durch die Ausfuhrzollstelle. Da die Ware nicht mehr gestellt zu werden braucht, die Zollstelle jedoch Gelegenheit haben mufs, eine Uberwachung durchzufuhren, muE die Warenausfuhr der Ausfuhrzollstelle i.d.R. vorab (am Vortag) mitgeteilt werden (Verladeanzeige; durchaus telefonisch). Als weitere Vereinfachung kann jedoch bewilligt werden, dafi diese Anmeldungen periodisch, beispielsweise monatlich, quartalsweise oder sogar jahrlich (! ) erfolgen, ohne daf> die Waren bei dieser Vorausanmeldung bereits zu prazisieren waren. Dabei sind der Ort (der nicht im Zustandigkeitsbereich des betreffenden HZA liegen mufi) und der Zeitpunkt des Verpackens oder Verladens anzugeben, um eine Uberwachung (theoretisch) zu ermoglichen. Zulassig ist z. B., alle Werktage dieses Zeitraums anzugeben, so dafi sich der Ausfiihrer nicht festlegen mufi. 5 Beim Anschreibeverfahren beginnt das Ausfuhrverfahren in den Geschaftsraumen des Ausfiihrer, indem das <vorbehandelte> Einheitspapier vervollstandigt wird. Im Feld 7 (Bezugsnummer) ist die Nummer der zugehorigen Rechnung einzutragen. Der Warenabgang ist im Rechnungswesen des Unternehmens anzuschreiben; dies gilt als Uberlassung. Eine Kopie der Rechnung und der AM miissen 3 Jahre aufbewahrt werden. Exemplar 3 ist der Ausgangszollstelle fur die Ausgangsbestatigung vorzulegen und die Anmeldung (Exemplare 1 und 2) der Aws/ wferzollstelle einzureichen. Daher ist eine Kombination mit dem Sammelanmeldeverfahren sinnvoll. Exemplar 3 mit dem Vermerk «vereinfachte Ausfuhr» reist mit der Ware bis zur Ausgangszollstelle, welche die tatsachliche Ausfuhr bescheinigt und ggf. wegen der bisher riicht erfolgten Zollbehandlung - Uberprufungen vornehmen kann. Auch das Anschreibeverfahren hat den besonderen Vorteil, daf? der Ausfiihrer wegen des Wegfalls der Gestellungspflicht nicht an die Offnungszeiten des Zollamtes gebunden ist. Nach erfolgtem Abgang Dieses Verfahren entspricht faktisch dem friiheren Vorausanmeldeverfabren. <?page no="598"?> 576 L Ausfuhrabfertigung der Ware muf? sowohl eine unverziiglich Anschreibung in der Buchfuhrung des Exporteurs erfolgen als auch innerhalb von 10 Tagen bei der Ausfuhrzollstelle eine erganzende Anmeldung abgegeben werden, grundsatzlich als Exemplare 1 und 2 des Einheitspapiers. Die Bewilligung ist an die personliche Zuverlassigkeit des Ausfuhrers gebunden; innerhalb des Unternehmens miissen zudem entsprechende Uberwachungsmoglichkeiten gegeben sein, insbesondere hinsichtlich der zeitnahen Erfassung der einzelnen Vorgange (Anschreibung) in der Buchfuhrung. Der Ausfuhrer wird dadurch zum «zugelassenen Ausfuhrer» (ZA). 6 Das Verfahren wird nur fur ein gewisses Mindestvolumen an Ausfuhrvorgangen bewilligt (ca. 15-20 Falle pro Monat in mindestens drei Bestimmungslander). Das Anschreibeverfahren gilt grundsatzlich nur fur genehmigungs- und lizenzfreie Ware. Fur einen begrenzten Landerkreis kann das Anschreibeverfahren aber auch fur genehmigungspflichtige Waren bewilligt werden, wenn dafur eine Allgemeine Genehmigung (AG) vorliegt (vgl. Abschnitt L-6.5.3). Das Anschreibeverfahren hat in der Praxis grofSte Bedeutung und diirfte rund 80% aller Ausfuhren betreffen. Daher finden aufgrund der auferst groSen Zahl der theoretisch - und zwar aufierhalb des Amtsplatzes! zu priifenden Falle faktisch kaum physische Kontrollen der Ausfuhren statt: Die Beschau-Quote bewegt sich im Pro-Mille-Bereich. Die Uberwachung der Ausfuhr vollzieht sich folglich fast ausschlieiSlich auf der Basis vorgelegter Unterlagen, deren Korrektheit im Normalfall kaum noch uberpriift wird. (4) Vereinfachung des vereinfachten Verfahrens Das Einheitspapier kann durch kaufmannische Unterlagen wie Lieferschein oder Handelsrechnung, ggf. auch durch elektronische Medien (Disketten) ersetzt werden. Dies muE dem Ausfuhrer gesondert bewilligt werden und gilt nur, wenn der Ausfuhrvorgang sich nur auf ein einziges EU-Exportland bezieht bzw. wenn bei mehreren EU-Landern eine entsprechende Vereinbarung zwischen den betreffenden Landern existiert (bspw. Deutschland und Holland). Durch Verwendung eines gesonderten Stempels kann mit dem Handelspapier auch iiber andere Mitgliedstaaten (auSer Griechenland) ausgefuhrt werden. Die Unterlagen miissen die Zoll-Referenznummern der Beteiligten, die Angabe der bewilligenden Zollstelle und den Vermerk «vereinfachte Ausfuhr» enthalten. Die deutschen Zollbehorden stehen dieser Vereinfachung zuriickhaltend gegeniiber. Nehmen Subunternehmer das Anschreibeverfahren in Anspruch, kann zugelassen werden, daS die erganzenden Anmeldungen im Anschreibeverfahren des Exporteurs erfolgen. Eine Kontrolle der Vollstandigkeit der erfafften Anmeldungen erfolgt dadurch, daS die Zollstelle des Subunternehmers ein Exemplar der unvollstandigen Anmeldung an das fur den Exporteur zustandige Zollamt sendet. (5) Kombinationen und Verzahnungen Die dargestellten Vereinfachungen konnen auch in Kombination bewilligt werden, was ja oben schon anklang. Beispielsweise kann die unvollstandige Anmeldung zusammen mit dem Anschreibeverfahren sinnvoll sein. Ebenso kann eine Verzahnung des Anschreibeverfahrens mit einem Versandverfahren (z. B. in ein EFTA-Land) zweckmafsig sein. Beispiel: Der Spediteur als Subunternehmer fuhrt die Ausfuhr mit einem vorabgefertigten unvollstandigen Exemplar 3 durch. Unverziiglich nach Versand legt er seiner Ausfuhrzollstelle ein unvoll- 6 Bei Versandverfahren kann der Status zugelassener Versender (ZV) bewilligt werden. Oft bietet sich eine Kombination beider Vergiinstigungen an; vgl. Abschnitt L-5.1. <?page no="599"?> L-4. Ausfuhrverfahren (Normalverfahren) 577 standiges Exemplar 1 vor, die es der Ausfuhrzollstelle des Ausfiihrers zuleitet. Dieser legt dort innerhalb von 10 Tagen die vollstandigen Exemplare 1 und 2 vor. (6) Elektronische Dateniibermittlung In zunehmendem Mafie werden EDV-gestiitzte Verfahren zugelassen. Dabei leitet der Ausfiihrer die elektronischen Medien mit den Daten der Exemplare 1 (rot) an das Zollrechenzentrum und 2 (griin) an das Statistische Bundesamt. Kiinftig sollen die Unternehmen die Ausfuhranmeldungen iiber das Internet an die Zollstellen senden konnen. Nur noch auf Anfrage miissen sie die Dokumente in <hardcopy> (Papierform) den Zollbehorden vorlegen. Das Bundesfinanzministerium hat bei der OFD Miinster eine Zentralstelle fur elektronische Formulare eingerichtet, die auch die notwendigen Software-Beratungshinweise zur Verfugung stellt. Die elektronische Zollabfertigung ist bislang noch kein Ruhmesblatt des Zollwesens. Die Bemiihungen um eine Einfiihrung des IT-Verfahrens ATLAS sind den Anforderungen nicht gerecht geworden. Alle zunachst genannten Widerrufstermine fur die bisherigen DV-Zollanmeldeverfahren sind gestrichen worden. Daher konnen bis auf weiteres wie bisher nur einige <Insellosungen> wie die DV-gestiitzten Zollanmeldeverfahren ZADAT, ALFA und DOUANE genutzt werden, aber sie stellen noch keinen vollwertigen Ersatz fur die traditionellen <papiergestiitzten> Verfahren dar. Seit Oktober 2000 versucht das BMF, mit einer neuen Managementstrategie die IT-Entwicklungen voranzutreiben. Dabei werden aber nach wie vor die nationalen Eigenbroteleien innerhalb der EG ein massives Entwicklungshindernis darstellen. Bislang konnen an sich vielversprechende Konzepte wie ein europaweites Management von Zollverfahren durch die Unternehmen kaum realisiert werden. (7) Generelle Befreiungen von Gestellungs- und Anmeldepflichten Fiir bestimmte Tatbestande entfallen die Pflichten zur Gestellung und Anmeldung der Waren bei der Ausfuhr. Wichtig ist dabei: Die Wertgrenzen gelten nur fur genehmigungsfreie Ausfuhren. Bei Genehmigungspflicht mufs jeder Ausfuhr bei der Ausfuhrzollstelle angemeldet werden. • Kommerzielle Waren bis zu 800 Euro konnen direkt bei der Ansgangszolhtelle nur miindlich angemeldet werden. • Auch Kleinsendungen mit einem Wert bis zu 3000 Euro, die keinen Beschrankungen unterliegen (z. B. Ersatzteile), miissen nur bei der Ausgangszolktelle gestellt und angemeldet werden, unter Vorlage der Ausfuhranmeldung (Exemplare 1-3 des Einheitspapiers). Es kommt gelegentlich vor, daf> Ausgangszollstellen das Fehlen des ersten Verfahrensschritts bei der Ausfuhrzollstelle beanstanden. Obgleich dies nicht korrekt ist, kann es in der Praxis zur Verhinderung der Ausfuhr und zu Verzogerungen und Kosten fiihren. PRAXISTIP Die Sendung darf nicht gesplittet werden, um unterhalb der Wertgrenzen zu bleiben. Durch Wahl der Lieferbedingung kann aber der Wert der Sendung <manipuliert> werden, bei EXW bleibt man ggf. unter 3000,- Euro, bei CIF nicht. Spediteure bestehen oft auch bei Kleinsendungen auf von der Ausfuhrzollstelle abgefertigten Ausfuhrpapieren, um Schwierigkeiten an der Grenze aus dem Weg zu gehen. • Die Gestellungspflicht kann entfallen, wenn die Gestellung bzw. Anmeldung bei der Ausfuhrzollstelle aus geographischen Griinden unzumutbar ware, z. B. aufgrund zu groSer <?page no="600"?> 578 L Ausfuhrabfertigung Entfernung. Dann kann der Ausfuhrer von der Gestellung doit befreit werden, so dafS er direkt bei der Ausgangszollstelle gestellt und dort die Ausfuhranmeldung vorlegt. • Ausfiihrern von Massengiitern geringen Wertes (z. B. Kies) kann gestattet werden, die Ausfuhranmeldung erst innerhalb einer bestimmten Frist nach der Ausfuhr vorzulegen, i.d.R. bis zum zweiten Werktag des Folgemonats. Diese Erleichterung wird vorrangig in grenznahen Gebieten gewahrt. • Bei Postsendungen wird die Ausfuhranmeldung dem Postamt iibergeben, das bestimmte Uberwachungsfunktionen ausiibt, z. B. priift, ob eine u. U. erforderliche Zollabfertigung vorgenommen wurde. • Fiir Waren zu nichtkommerziellen Zwecken, die an Privatpersonen versandt werden, sowie fur Waren zu nichtkommerziellen Zwecken im personlichen Gepack von Reisenden entfallt das formale Ausfuhrverfahren. (8) Fazit Die in den vorstehenden Abschnitten beschriebenen Vereinfachungen bedeuten eine erhebliche Entlastung sowohl der Zollanmelder als auch der Zollbehorden. Allerdings mufi nochmals herausgestellt werden, daS durch den umfassenden Verzicht auf die Zollbeschau bzw. die physische Kontrolle der Ware die Abfertigungen weitestgehend nur papiermaffig erfolgen und dies zu grofen Teilen nur in der Buchfiihrung der beteiligten Untemehmen. Der oben bereits angesprochene Zielkonflikt zwischen moglichst geringem Verwaltungsaufwand und damit moglichst geringer zeitlicher und kostenmafsiger Belastung der Untemehmen (und der Verwaltung) und dem Erfordernis der Uberwachung zoll- und auEenwirtschaftsrechtlicher Bestimmungen diirfte auch hier deutlich werden. L-4.4. Abfertigungsunterlagen bei der Ausfuhr Die folgenden Ausfiihrungen beziehen sich nur auf Abfertigungsunterlagen, die aus zoll- und aufsenwirtschaftsrechtlicher Sicht erforderlich sind. Um MiSverstandnissen vorzubeugen, sei hervorgehoben, daE natiirlich nicht immer alle hier erwahnten Unterlagen gleichzeitig erforderlich sind, sondern je nach Einzelfall nur bestimmte. Hierzu zahlen aber auch kaufmdnnische Dokumente, die die Richtigkeit der in den amtlichen Formularen gemachten Angaben belegen konnen, insbesondere die Handelsrechnung, aus der u. a. Empfanger, Bestimmungsland und Warenursprung hervorgehen. Daneben verlangt der Kaufer (Importeur) vom Exporteur meist weitere Dokumente, die sich aus den Importbestimmungen des Bestimmungslandes ergeben (beispielsweise Ursprungszeugnisse, Warenverkehrsbescheinigung EUR.l oder andere Dokumente) oder die sich aus dem Kaufvertrag ergeben (beispielsweise Frachtdokumente, Ursprungsnachweise, Inspektionszertifikate), die jedoch aus der Sicht der zollamtlichen Ausfuhrabfertigung in der EU nicht verlangt werden. Vgl. hierzu die Abschnitte K-3 (W.u.P.) und G-l (Dokumente). PRAXISTIP Fur die Preiskalkulation des Exporteurs ist es sinnvoll, die Importzolle im Zielland zu kennen. Fur uber 80 Lander konnen sie im Internet iiber die Market Access Database der EG abgerufen werden (http: / / mkaccdb.eu.int/ wtdtar/ wtdtar.pl). Nach der Auswahl des Ziellandes mussen die ersten vier bzw. sechs Stellen der <Statistischen Warennummer> (Unterposition des «Harmonisierten Systems*) eingegeben werden. Der Zollsatz kann aber auch uber eine Textsuche ermittelt werden. <?page no="601"?> L-4. Ausfuhrverfahren (Normalverfahren) 579 Die nach wie vor erforderliche papiermáfiige Dokumentation bei der Ausfuhrabfertigung wird nur sehr langsam durch elektronische Datenverarbeitung ersetzt; der bisherige Stand der in der Entwicklung befindlichen IT-Verfahren in der Bundesfinanzverwaltung ist doch noch sehr ausbaufáhig. Die Zollverwaltungen benótigen fur die Papierflut entsprechende Bearbeitungszeiten, sind gleichzeitig aber nur unvollkommen in der Lage, die Übereinstimmung von Papieren und Waren zu überwachen. Angesichts des enormen Arbeitsaufwandes auf seiten der Behórden und der Unternehmen gibt die Effizienz solcher Prozeduren zu denken. Verlorene oder nicht auffindbare Papiere kónnen erhebliche Probleme in der Abwicklung der Verfahren und bei den Rechtsfolgen verursachen. (1) Ausfuhranmeldung (AM) Die Ausfuhranmeldung (AM) ist grundsatzlich erforderlich, auch wenn bestimmte Vereinfachungen in der Praxis dazu fiihren, dafi sie faktisch oft weitestgehend entfállt. Dann liegt jedoch eine grundsatzliche Anmeldung vor, auch wenn sich dies nicht konkret formularmáEig niederschlágt. Ausfuhren bis zu einem Gesamtwert von 800 EUR kónnen auch miindlich an der AusgangszoUstelle angemeldet werden. 7 Der Warenwert ist dabei üblicherweise durch eine Handelsrechnung nachzuweisen. Als Ausfuhranmeldung dient grundsatzlich ein Formularsatz des Einheitspapiers (Exemplare 1,2, und 3). (vgl. oben Abb. L-4/ 2). Die AM hieS bis 1993 Ausfuhrerklárung (AE) und wird von vielen alten Hasen auch heute noch so bezeichnet; der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier. Exemplar 1 (mit rotem Rand) dient der Ausfuhranmeldung und der Erfassung im System KOBRA (vgl. Abschnitt L-6.5.3), Exemplar 2 (grim) dient der Statistik (ExtraStat), in welcher der Handel der EG mit Drittstaaten erfafit wird, Exemplar 3 (gelb) begleitet die Ware bis zur AusgangszoUstelle und ist fur den Ausführer bestimmt. Die AusfuhrzoUstelle gibt ihm dieses Exemplar abgestempelt zuriick; er mufi es bei der AusgangszoUstelle vorlegen; es ist der einzige zollrechtliche Nachweis der Ausfuhr (auf die alternative weiSe Spediteursbescheinigung als Nachweis fur die Befreiung der Ausfuhr von der Mehrwertsteuer wurde bereits oben hingewiese^). PRAXISTIP Für das Erstellen der Ausfuhranmeldung empfiehlt sich eine gründliche Auseinandersetzung mit den amtlichen Vorschriften. Hierfür kann man entweder das 100-seitige Merkblatt zum Einheitspapier heranziehen oder den «Praktischen Leitfaden bei der Erstellung der Ausfuhranmeldung», zu beziehen beim Bundesanzeigerverlag in Bonn oder beim Bertelsmann-Verlag in Bielefeld. Die statistischen Warennummern kónnen dem Warenverzeichnis für die Ausfuhrstatistik entnommen werden, das im Buchhandel oder bei den IHK erháltlich ist. Die IHK und das Zollamt sollten bezüglich móglicher Vereinfachungen befragt werden. (2) Unvollstándige Ausfuhranmeldung Start einer AM kann der Ausführer zunáchst auch eine unvollstándige Ausfuhranmeldung 8 verwenden, in der nur wenige Angaben erforderlich sind, u. a. keine Angaben über den Warenwert, das Kauferland, die Wáhrung und die Falligkeit. Im Anmeldeformular wie oben 7 Wenn die Ausfuhr durch einen zugelassenen Versender erfolgt (Abschnitt L-5.1.4), mufi immer eine AM abgegeben werden 8 friiher: Versandausfuhrerklarung (VAE). <?page no="602"?> 580 L Ausfuhrabfertigung in Abb. L-4/ 2 waren z. B. die Felder 4, 6-13,15,20, 22-28, 30,40,46,48, 51-53 nicht ausgefiillt. Die UnvoUstándige AM ist ein vorláufiges Ausfuhrpapier, das innerhalb von 10 Tagen durch eine vollstándige AM des Exporteurs ergánzt bzw. ersetzt werden mufs. Die bis dahin bereits durchgefuhrte Ausfuhr wird mit einem von der Grenzzollstelle abgefertigten Exemplar 3 des EP nachgewiesen. An seine Stelle tritt bei der Ausfuhr im gW, gemW oder im TIR-Verfahren (vgl. dort) entweder eine Ausfuhrbestátigung der Abgangszollstelle, die diese nach Eingang des Riickscheins ausstellt, oder eine Abfertigungsbestátigung der Abgangszollstelle in Verbindung mit einer Eingangsbestátigung der Bestimmungsstelle im Drittland. (3) Anmeldung zu Ausfuhrvorgangen im Rahmen von anderen Zollverfahren Auf der Ausfuhrseite sind verschiedene Zollverfahren móglich, die teils zur endgiiltigen Ausfuhr, teils zur voriibergehenden Ausfuhr fiihren. Die Anmeldung erfolgt mit unterschiedlichen Formularsátzen des Einheitspapiers, auf die hier nicht im Detail eingegangen wird. Auf der Exportseite ist eine Versandanmeldung erforderlich, wenn Gemeinschafts- oder Drittlandswaren innerhalb der Gemeinschaft oder in andere Partnerstaaten in einem vereinfachten Verfahren transportiert werden sollen. Dabei werden nur am Abgangs- und am Bestimmungsort Fórmlichkeiten und Kontrollen durchgefiihrt. Fur die Befórderung von Gemeinschaftsware kann eine Versandanmeldung T 2 erforderlich sein, fiir die Befórderung von Nicht-Gemeinschaftsware eine Versandanmeldung T 1. Vgl. Abschnitt L-5.1. Bei der passiven Veredelung (pV) werden Produktionsvorgánge ins Ausland verlagert, indem Gemeinschaftswaren dort be- oder verarbeitet und anschlieSend <re-importiert> werden. Die Vorleistungen miissen im Rahmen der Anmeldung zum pV auch zollwertmáEig angemeldet werden. Nach erfolgter aktiver Veredelung (aV) werden Drittlandswaren nach Be- oder Verarbeitung in der EG wieder ausgeführt, ohne daS sie verzollt oder versteuert worden sind (Nichterhebungsverfahren) (Abschnitt K-4.2). Waren, die sich nicht im freien Verkehr befinden (sich beispielsweise in einem Zollager befinden), kónnen definitionsgemáS nicht ausgeführt werden, sondern nur zur Wiederausfuhr (hier im engeren Sinne) angemeldet werden (Abschnitt K-4.8). (4) Ausfuhrgenehmigung Fiir Waren bzw. Unterlagen oder Know-how zur Herstellung dieser Waren, die in der Ausfuhrliste aufgeführt sind, sowie in bestimmten anderen Fallen auch fur nicht-gelistete Waren ist eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich (Abb. L-4/ 3). Grundsátzlich ist diese beim Bundesamt fur Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn zu beantragen, auch fur Ausfuhren aus einem anderen Mitgliedstaat der EU, wenn der Ausführer in Deutschland ansássig ist. Eine Ausfuhrgenehmigung mu& formgebunden mit einem bestimmten Formularsatz beantragt werden; dieses ist bei den IHKs und im Formularhandel zu beziehen. In manchen Fallen ist es sinnvoll um Verzogerungen zu vermeiden -, eine warenbezogene Auskunft zur Güterliste (früher: Negativbescheinigung) vorzulegen, da£ die betreffende Ware nicht von der Ausfuhrliste erfafit wird, bzw. einen individuellen Null-Bescheid für den speziellen Ausfuhrantrag (Abschnitt L-6.5.3). <?page no="603"?> L-4. Ausfuhrverfahren (Normalverfahren) 581 Abb. L-4/ 3: Ausfuhrgenehmigung AnumAliwAWV Ausfuhrg e n e h migung ( 9 1 7 A t » . 1 der AuBenwIrtschaflsverordnung) rusammen mlt der Ausfuhrerkflrung der Versindiollstelle vorzulegen NICHT ÜBERTRAGBAR undAiMCMfldMAfilngaWIwi: f ^ 0 7 1 6 1 Maschinenbau* .GmbH d. Co. KG, Portfa ch ( M l t I i fII II II D-4400 MOnater K*>, . Nur M r amulen» Varmetka Escr G« 1 r«»rirr>i3unfjvr J >~ den born, 11 Q5 GOItig 11.05. Ge*chlfa-Nr. d*t AmragaMlOT _ M,1nar.i-..n1h.r1r I f i . r » . r*mnjt / F«m«crtr*b« '• ZiSZXXZZSZ! •• ± 1) 847191900 2) 854380900 3) 847192900 4) 852490910 .......£"*'*" Elaktroniachea MeB-ZObervachungaayatem fflr Nachriehtenfcabelnetse j. a——t—d*M»*>ta*€Wini*): n ^ r n r p n t r r ITrU 2 0 0 7 c o l o r , h o a f e h e n r l « u « ; 1 ) R a c h n a r I B M P S / 2 (m4alk£itVsrw«ndungsiwadt und tochniKto Datan) Modell 50, 2) Bildachirm IBM PS/ 2 color mlt Tastatur. 3) Prucker P80 (Matrix). 4) Software zur automatiachen Fehlermeldung, eritellen von Berichten und Grafiken W.rh.torf-NV blw. Analvaa: • M M : SlDck, Hd. m. qm. wn ErtluMrung Nr. 4 baaoMan D Bqangauncfdin wiMnhg: l f l 5 3 S v a t e m a elnhundertfflnf «. Klufartand: . Coata-RJca t j San Jo s e C e i t a - S i c j • iMBfiBMM «AdvaflMafl» ^mmMmMMMMMMMMMMMMl 10. Abtowif a n .oriaaatwww U M M M I i w ; — 0 ° • 0ft • 1 GemáS § 30 d«! AutUge den Etngang Vcrlage csct PMifliwiisan DM Autfuh. wird oanahmigt. C N M . Qanahnúgung bafraff, nur von dar Auafvhrbaaehrlnfcung daa AurkmrlrMcfurn' g m u i und <W tut Qrund diM M U M ( I M « U M M M Racrrtavarordnungan. Andar. Varbota und Oaachrlnkunoan btaiban unbarOhrt Ricmso»lpEH«i»s»hruna: Gooén diesen Besenaid xann inperhafc alnas • Monats nacn sttner Sexannigaoe scnrHilicn Oder zur Nteoerscnritt oai a«r Genenmlgun^*siolle Widersorucn orn^gap vyeroep fkindosñmt tov/ ; rtst Im A'jífúQ Bedfngungen, Bafrfatungen, Auflagan, Wlderrufavorbehatt UK. 1 AWG wlrd die .«jisiuwoaiehmigono mil G lellt. rum Bunoesamt lúr Wirtscrtalt. Eschbotn. er Ware im Verw.vjcssiand unveuúílicri ilunth llümiücnen 22s: f: tiS'>jri3 RacMsbahaltabalaflning i n balgaHlgt <?page no="604"?> 582 L Ausfuhrabfertigung (5) Ausfuhrlizenz (L) Bei bestimmten landwirtscbaftlichen Erzeugnissen, die einer gemeinsamen EG-Marktorganisation oder -Handelsregelung unterliegen, ist fur die Ausfuhr anstelle der Ausfuhrgenehmigung eine Ausfuhrlizenz (AGREX) erforderlich, die bei der BLE zu beantragen ist, z. Zt. bei Getreide, Fetten, Milch und Milchprodukten, Reis, Rind-, Ziegen- und Schaffleisch, Zucker und Wein. Im Warenverzeichnis fur die AuEenhandelsstatistik ist in den Hinweisspalten zu einer Ware dann ein <L> angegeben. Je nach Warenart gibt es bei bestimmten Giitern Lizenzfreimengen, die ohne Ausfuhrlizenz ausgefuhrt werden diirfen. Lizenzen dienen der Gewinnung von Daten zur Marktbeobachtung. Wie auch Einfuhrlizenzen ist die Ausfuhrlizenz mit der Gestellung einer Kaution verbunden, welche ganz oder teilweise verfállt, wenn die Ausfuhr nicht wie angemeldet durchgefiihrt wird. Der Sinn ist, dafi ohne die tatsáchliche Durchfuhrung der beantragten Einfuhr keine prázise Marktbeobachtung der konkreten Importmengen móglich ware. Zur Kautionsfreigabe muí? die Lizenz an die BLE zurückgegeben werden. Analog zu den Einfuhrlizenzen (vgl. Abschnitt K-1.6) ergeben sich auch hier immer mal wieder administrative Verzógerungen bei der Freigabe der Kautionen. Dies kann bei sechsbis siebenstelligen Kautionen kráftige Zinsverluste bedeuten, die nicht von den Behórden erstattet werden. Umgekehrt werden sáumige Zahlungsflichtige aber sofort mit Sanktionen belegt. Aber wir wollen uns hier nicht aufregen. (6) Carnet ATA Bei der voriibergehenden Ausfuhr von Gemeinschaftswaren kann ein Carnet ATA 9 verwendet werden. Dieses intemationale Zollpassierscheinheft ist in der Praxis sehr gebrauchlich u. a. fur Waren, die auf Ausstellungen, Messen oder Kongressen ausgestellt werden sollen, fiir Berufsausriistungen (z. B. fur Presse, Rundfunk oder Fernsehen, fur Katastropheneinsátze etc.), Sportausrüstungen, Ersatzteile fiir Kfz, die auEerhalb des Zollgebiets beheimatet und voriibergehend im Zollgebiet verwendet werden, fiir Tiere, die bei Turnieren eingesetzt werden, usw. Zweck des Camet-ATA ist zum einen, daS im Zielland keine Einfuhrabgaben zu entrichten sind, zum anderen, daf? die ausgefiihrten Waren analog bei der Wiedereinfuhr abgabenfrei bleiben. Daher muE der Status der Ware als Gemeinschaftsware festgehalten werden. Vgl. ausführlich Abschnitt L-5.3, auch mit einigen Praxistips. (7) Carnet TIR Im Rahmen des speziellen Versandverfahren mit dem Carnet TIR kónnen Waren in einem vereinfachten Verfahren in ein Bestimmungsland gebracht werden, fur das kein Versandverfahren móglich ist (Abschnitt L-5.2). (8) Boykotterklárungen: verboten Nach deutschem Recht (seit 1993) darf der Exporteur keine Boykotterklárung unterstiitzen, die nicht auf deutschem oder supranationalem Recht beruht. Entsprechende Erklárungen in Handelsdokumenten oder Akkreditiven sind unzulássig, und Zuwiderhandlungen kónnen als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden (Abschnitt L-6.4). (9)T5 Fiir Waren, deren Ausfuhr aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft Verboten oder Beschránkungen unterliegt (Abfall, Agrarwaren, Schrott, NE-Metallabfalle) und die voriibergehend 9 Admission Temporaire/ Temporary Admission. <?page no="605"?> L-5. Zollverfahren bei der Ausfuhr 583 iiber ein Drittland ausgefiihrt und in ein anderes EG-Mitgliedsland gebracht werden sollen, ist ein (spezielles) Kontrollexemplar T5 auszustellen, sofern die Waren nicht bereits einem Zollverfahren unterliegen und nicht in Luft- oder bestimmten Seeverfrachtungen transportiert werden. Dadurch soil sichergestellt werden, dafi die Zulássigkeit der Ausfuhr und die angegebene Verwendung einer Ware iiberwacht werden kónnen. Das Kontrollexemplar T5 wird von der Abgangs- oder Ausfuhrzollstelle erteilt und je nach Sachlage von der Ausgangs- oder Bestimmungszollstelle bestátigt. L-5. Zollverfahren bei der Ausfuhr L-5.1. Versandverfahren bei der Ausfuhr In Abschnitt K-4.1 sind die verschiedenen Varianten des Versandverfahrens aus der Einfuhrsicht ausfiihrlich" definiert und besprochen worden (externe und interne gemeinschaftliche g W - und gemeinsame Versandverfahren gemW; Tl/ T2-Verfahren; vgl. dort auch Abb. K-4/ 1). Im folgenden betrachten wir Versandverfahren aus der Sicht von Exportvorgangen. HINWEIS Um MifWerstandnissen vorzubeugen: Nicht mit alien Staaten, mit denen die EU ein Zoll-Praferenzabkommen geschlossen hat, bestehen auch Abkommen bezüglich gemeinsamer Versandverfahren. Beispielsweise besteht kein Versandabkommen mit der Türkei. L-5.1.1. T1-/ T2-Verfahren (1) Externes Versandverfahren T1 Auf der Ausfuhrseite kommen Versandverfahren sowohl mit Partner-Drittstaaten gemW als auch innerhalb der EG in Frage (gW). Ein Tl/ gemW (fur Drittlandsware) bietet sich an, wenn beispielsweise US-Ware aus einem Zollager in Stuttgart nach Zurich gebracht werden soil, um dort abgefertigt zu werden. Dies kónnte grundsátzlich als ein ganz normaler Ausfuhrvorgang abgewickelt werden, d. h. die Ware wiirde in Stuttgart beim Ausfuhrzollamt zum Export angemeldet 10 und zur deutsch-schweizerischen Grenze gebracht. Sie miilSte dann dort zur Einfuhr oder zu einem nationalen (schweizerischen) Versandverfahren angemeldet werden. Da aber die EG und die Schweiz ein Abkommen iiber ein gemeinsames Versandverfahren geschlossen haben, ist es verfahrensmafsig einfacher, wenn der deutsche Exporteur die US-Ware bereits in Darmstadt zum Versand anmeldet (externes gem W). 11 Das externe geme'mschaftliche Versandverfahren (gVV) ist im Luftverkehr zwingend anzuwenden, wenn Nichtgemeinschaftswaren, die in der EG verladen oder umgeladen werden zum Beispiel am Flughafen in Stuttgart mit einem Flugzeug zu einem weiteren Ort in der EU (Paris) transportiert werden. Die Transportpapiere (z. B. Luftfrachtbrief) kónnen dabei als Tl aufgemacht werden. Auch im Seeverkehr muf> fur Nichtgemeinschaftswaren das externe g W zwingend angewendet werden, wenn die Waren in einem EG-Hafen verladen 10 Nachdem das Zollagerverfahren abgeschlossen worden ist; vgl. Abschnitt K-4.3.2. 11 Ein TIR-Verfahren ist nicht zulássig, da die Móglichkeit eines gemW besteht. Vgl. Abschnitt L-5.2. <?page no="606"?> 584 L Ausfuhrabfertigung oder umgeladen werden (Hamburg) und das Schiff vor der Entladung im EG-Bestimmungshafen (Rotterdam) andere EG-Háfen (Bremen) anláuft. Ein externes g W ware von der Logik her auch anzuwenden, wenn die Drittlandsware aus einem Darmstádter Zollager in ein anderes EG-Land transportiert werden soil, wobei es sich natiirlich nicht urn einen Export handelt. Oft kann der Transport aber z. B. im Rahmen eines Zollagerverfahrens oder einer aktiven Veredelung erfolgen und erfordert dann kein zusátzliches gW. Wir beschránken uns daher in erster Linie auf <richtige> Ausfuhren im Rahmen von gemW. Grundsátzlich ist die zu versendende Ware zu gestellen und zum Versand anzumelden, wobei Vereinfachungen móglich sind; siehe unten. Ais Zollanmeldung wird das Einheitspapier als Tl-Papier verwendet (Eintragung «Tl» im Anmeldefeld). Fiir die Anmeldung eines konkreten Versandverfahrens in ein Partnerland muE wie bei einem Versandverfahren aus einem Partnerland eine Sicherheit vorliegen, meist in Form einer Bankbiirgschaft. (2) Internes Versandverfahren T2 Das interne gemeinscbaftliche Versandverfahren (gW) unter Verwendung des EP als Versandschein T2 bezieht sich auf die Beforderung von Gemeinschaftsware zwischen zwei Orten der Gemeinschaft, aber iiber das Gebiet eines Drittlands. Dieses Verfahren ist relativ selten und wird vor allem aus umsatzsteuerrechtlichen Griinden angewendet, z. B. im sog. Italienverkehr iiber die Schweiz, wenn z. B. ein Versandverfahren in Reutlingen eróffnet wird, die Ware an der (Durchgangszollstelle/ Ausgangszollstelle) Weil am Rhein das EG-Zollgebiet verlaEt, iiber Basel und Chiasso als schweizer Zollstellen und die Durchgangszollstelle/ Eingangszollstelle in Como (Italien) zur Bestimmungszollstelle Mailand transportiert wird. Wenn im Seeverkehr Gemeinschaftswaren in einem EG-Hafen auf ein Schiff verladen oder umgeladen werden, das auch Nichtgemeinschaftsware transportiert, muS fur die Gemeinschaftswaren ihr Status nachgewiesen werden, im allgemeinen durch ein T2L, ais Variante des T2. Wenn im internen gemeinsamen Versandverfahren (gemW) zwischen der EU und EFTAbzw. Visegradlandern Freiverkehrswaren der jeweiligen Partnerlánder befordert werden, wird gleichfalls ein T2-Papier als Versandpapier verwendet. Dieses ist gleichzeitig ein Práferenznachweis. Beispielsweise soil Gemeinschaftsware von Magdeburg nach Warschau befórdert und dort endgültig abgefertigt werden. Grundsátzlich kónnte auch dies als ein normaler Ausfuhrvorgang abgewickelt werden, d. h. die Ware würde in Magdeburg beim Ausfuhrzollamt zum Export angemeldet und zur deutsch-polnischen Grenze gebracht. Sie miiSte dann aber an der polnischen AuEengrenze z. B. in nach Frankfurt/ Oder zu einem nationalen (polnischen) Versandverfahren angemeldet werden. Da die EU auch mit Polen ein Abkommen iiber ein gemeinsames Versandverfahren geschlossen hat, ist es auch hier die Abwicklung einfacher, wenn der deutsche Exporteur die Ware in Magdeburg zum Versand anmeldet. L-5.1.2. Abwicklung T 1 Bleiben wir bei unserem Beispiel mit US-Waren aus einem Zollager in Stuttgart, die nach Zurich versandt werden sollen. Das Zollagerverfahren wird beendet und die Ware bei der Abgangszollstelle in Stuttgart zum Versand (gemW) angemeldet. Der Ausfiihrer legt dabei eine Versandanmeldung mit den Exemplaren 1,4, 5 bei der Abgangszollstelle vor. Diese ver- <?page no="607"?> L-5. Zollverfahren bei der Ausfuhr 585 gleicht die Ware mit den Begleitdokumenten, priift das Vorliegen von Sicherheiten, stellt die Namlichkeit in geeigneter Weise sicher (ggf. durch VerschluS/ Verplombung des Fahrzeugs) und fertigt den ais T1 bezeichneten Versandschein aus, wobei eine Wiedergestellungsfrist am Bestimmungsort festgelegt wird. Das Exemplar 1 verbleibt bei der AbgangszoUstelle. Auf dem Tl und auf dem Frachtbrief wird ein roter Stempel «Export» angebracht. Die Exemplare 4 und 5 des Versandscheins miissen die Ware auf dem gesamten Transportweg bis zur Bestimmungszollstelle begleiten. Nach Eróffnung des Versandverfahrens bei der AbgangszoUstelle befinden sich die Waren unter zollamtlicher Überwachung. Die AbgangszoUstelle beim Versender in Stuttgart ist gleichzeitig Ausgangszollstelle, urn den Aufenthalt an der AuSengrenze so kurz wie móglich zu machen (auch bei Versand per Schiff, Flugzeug oder Bahn ist die Binnenzollstelle gleichzeitig Ausgangszollstelle). Beim Grenziibertritt Deutschland/ Schweiz in Basel (EFTA-Grenze) erfolgen keine Warenkontrollen. Die deutsche Grenzzollstelle überprüft nur noch den kórperlichen Ausgang der Ware aus dem Gemeinschaftsgebiet auf der Basis eines Grenztibergangsscheins; die Schweizer Eingangszollstelle priift die generelle Zulássigkeit der Einfuhr in die Schweiz. Der Empfánger in Zurich ist dann fiir die Zollabfertigung in der Schweiz verantwortlich. Er hat die Ware zu gestellen und zollamtlich abzufertigen. Die Bestimmungszollstelle priift, ob es sich urn die namliche Ware handelt (ggf. durch Beschau) und die Wiedergestellungsfrist eingehalten wurde und bestátigt dies auf dem Versandschein. Durch die Abfertigung des Exemplars 4 an der Bestimmungsstelle in Zurich wird das Versandverfahren materiell abgeschlossen, das Drittstück des Versandscheins, das Exemplar 5 («Riickschein»), geht mit den Abfertigungsvermerken der Bestimmungszollstelle iiber die Zentralstelle fur Zollversand in Hamm zuriick an die Abgangsstelle in Stuttgart, und das Versandverfahren ist damit aus EU-Sicht abgeschlossen vorausgesetzt, der Riickschein trifft dort auch ein. Auf das ggf. erforderliche Suchverfahren haben wir schon in Abschnitt K-4.1 hingewiesen. Ggf. kann der Hauptverpflichtete in Anspruch genommen werden. Im Luft- und Seeverkehr ist das Tl-Verfahren im Fall der Verladung oder Umladungen in einem Hafen oder Flughafen der Gemeinschaft zwingend vorgeschrieben. Eine Ausnahme gilt im Seeverkehr fur die Freihafen der Gemeinschaft. Im Luftfracbtverkebr wird die Gestellung bei der Zollstelle des Einladeflughafens zugelassen, wenn der Luftfrachtbrief fiir den Bestimmungsflughafen im Original vorgelegt wird. Im Babnverkehr ersetzt die Aufgabe beim Versandbahnhof die Gestellung bei der AbgangszoUstelle; die Bahnverwaltung wird dabei zum Hauptverpflichteten. Gleichzeitig kann der Versandschein Tl durch bahnamtliche Befórderungspapiere ersetzt werden (z. B. einen CIM-Frachtbrief), die mit einem Tl- Stempel versehen werden. Auch die Fórmlichkeiten an den Aufiengrenzen entfallen dabei nahezu vollstándig, ebenso eine Rückmeldung von der Bestimmungszollstelle an die AbgangszoUstelle. L-5.1.3. Abwicklung T2 Beim T2-Verfahren ist keine Gestellung erforderlich. Die Versandanmeldung erfolgt • mit den Exemplaren 1, 4, 5 und 7 fiir die Befórderung von Gemeinschaftswaren iiber ein EFTA-Land (z. B. Deutschland —» Italien via Schweiz) bzw. zwischen Teilen der Gemein- <?page no="608"?> 586 L Ausfuhrabfertigung schaft, in denen die sog. 6. Mehrwertsteuerrichtlinie gilt, 12 und den Teilen der Gemeinschaft, in denen diese nicht gilt (Kanarische Inseln, franzósische Überseeische Departements, britische Kanalinseln, griechischer Berg Athos), und • als Versandpapier T2L über ein Drittland (nicht EFTA) auf dem Exemplar 4 (z. B. Lastwagentransport auf der sog. <Balkanstrecke> von Miinchen nach Athen). L-5.1.4. Vereinfachungen und Erleichterungen Die Verfahrensabwicklung im Versand zwischen Abgangs- und Bestimmungszollstelle sind insgesamt recht aufwendig. Daher kónnen Vereinfachungen bewilligt werden, sofern es sich um laufende Versendungen handelt und die üblichen persónlichen und verfahrenstechnischen Voraussetzungen erfiillt sind: Beim Versandverfahren bietet sich die Inanspruchnahme der Anmeldung im Anschreibeverfahren an (vgl. Abschnitt K-1.5) (Kombination zugelassener Ausführer, ZA, und zugelassener Versender, ZV). Bei diesem Verfahren wird auf die Gestellung der Ware und die Abgabe der Versandanmeldung bei der zustándigen Zollstelle verzichtet. Gestellt wird stattdessen am Ort des Verladens oder Verpackens. Dies hat den besonderen Vorteil, da£ der Ausführer (Versender) wegen des Wegfalls der Gestellungspflicht nicht an die Óffnungszeiten des Zollamtes gebunden ist. Der zugelassene Versender muí? hierfür vorher die Versandanmeldungen bei der Abgangszollstelle abfertigen lassen, z. B. fur einen Monatsbedarf. Vor Versand ist die Zollstelle rechtzeitig zu benachrichtigen, damit sie ihre Überwachungsaufgaben wahrnehmen kann (ggf. global: «alie Werktage im Zeitraum ...» dies ist bis zu einem Jahr móglich). Beim Versand vervollstandigt der ZV die vorabgefertigte Versandanmeldung zum Versandschein; dadurch wird er Hauptverpflichteter. Neben den waren- und empfángerbezogenen Angaben muS er angeben: Versandtag, Art der Námlichkeitsmittel, die er ggf. selbst anzubringen hat, Frist fur die Gestellung am Bestimmungsort, Vermerk «vereinfachte Ausfuhr» und ggf. Nummer der Bewilligung und die ausstellende Zollstelle im Feld 44. Zugelassene Versender dürfen den erforderlichen Stempelaufdruck «Export» bei der Eróffnung des Versandverfahrens selbst anbringen. Das Erststück des Versandscheins (Exemplar 1) iibergibt der ZV der Abgangszollstelle, die Exemplare 4 und 5 reisen mit der Ware. Der einzelne Vorgánge muE in der Buchfiihrung zeitnah erfafst werden (Anschreibung). Die Anschreibungen miissen den Behórden nach Bedarf laufende Kontrollen ermóglichen, und es mufs eine Sicherheit vorliegen, meist in Form der oben beschriebenen Biirgschaften. Das Anschreibeverfahren gilt grundsátzlich nur fur genehmigungs- und lizenzfreie Ware. L-5.2. Versand mit dem Carnet TIR Fiir den Warenverkehr mit bzw. über Staaten, zwischen denen keine Versandverfahren verabredet sind, müfiten jeweils verkiirzt gesehen - Ausfuhr- und Einfuhrverfahren aneinandergereiht werden. Dies ware jedoch sehr umstandlich und mit entsprechendem Zeitaufwand verbunden. Für den Warenverkehr mit Staaten aufáerhalb des EWR und einiger MOEL gibt es seit 1959 ein internationales Abkommen zwischen mittlerweise 65 Staaten - 12 In diesen Gebieten wird die EUSt nicht mehr erhoben, stattdessen sind die Regelungen bezüglich des innergemeinschaftlichen Erwerbs anzuwenden. Vgl. Abschnitt J-6. <?page no="609"?> L-5. Zollverfahren bei der Ausfuhr 5 8 7 einschliefilich Tiirkei, Iran, GUS, Kanada, einigen siidamerikanischen, nordafrikanischen und nahóstlichen Staaten zur Vereinfachung deoBeforderung, wobei es gegenwartig aus unterschiedlichen Griinden in 16 Staaten nicht durchgefiihrt werden kann (darunter die USA und Siidkorea, siehe unten). Eine Warenbeforderung mit einem Carnet TIR (Transport International de Marcbandises par Route oder: Routier, d.h. «internationaler Strafientransport») bedeutet, daf? die Waren unverzollt und unversteuert per LKW ohne Umladen und mit geringem Kontrollaufwand bei den Durchgangszollstellen zwischen der Abgangszollstelle eines Mitgliedstaates und der Bestimmungszollstelle eines anderen befórdert werden konnen. Das Verfahren ist aufier im LKW-Transport auch fur den Containerverkehr mit anderen Transportmitteln anwendbar, z. B. per See, Luft oder auf Binnenschiffen. Auf den Autobahnen sieht man zahllose LKW, die vorne und hinten ein blau-weifies TIR- Schild fiihren (Abb. L-5/ 1). (Fahrzeuge, die zeitweilig nicht in einem TIR-Verkehr fahren, miissen die Tafeln abnehmen oder sie z. B. mit rotem Klebeband <entwerten>). Dabei handelt es sich meist um verplombte Fahrzeuge, bei denen beim Grenzübertritt nur die Verplombung überprüft wird und die somit ohne Warenkontrolle die Grenzen beschleunigt passieren konnen. Dafs sich dessenungeachtet an manchen, z. B. der deutsch-polnischen Grenze, erhebliche Wartezeiten ergeben, steht auf einem anderen Blatt. Die endgiiltige Abfertigung erfolgt am Bestimmungsort. Ein wichtiges Kriterium ist dabei verstándlicherweise die Namlichkeitssicherung, z. B. durch Verplombung des LKW. Sofern ein Fahrzeug nicht <zollsicher> ausgeriistet ist (vgl. dazu Abschnitt K-1.4), kónnen die Zollstellen die Durchfiihrung des Verfahrens ablehnen. Man sollte sich also friihzeitig absichern, dafi dies nicht in Frage kommt. Für nicht <zollsicher> hergerichtete Fahrzeuge kann trotzdem ein Carnet TIR verwendet werden, wenn die Nám- Abb. L-5/ 1: TIR Quelle: eigenes Archiv <?page no="610"?> 588 L Ausfuhrabfertigung lichkeit der Ware sicherzustellen ist, beispielsweise bei lebenden Tieren. Hierfiir wird dann ein <offenes> Carnet TIR ausgestellt. Nur Zollbehórden (z. B. nicht die Polizei) sind befugt, die Entladung eines unter TIR-Zollverschlusses stehenden Fahrzeugs zu veranlassen. PRAXISTIP Wenn der ZollverschluR z. B. bei einem Unfall beschádigt wird, ist es unbedingt erforderlich, die Zollbehórden einzuschalten, um Zollprobleme zu vermeiden. Die Verwendung eines Carnet TIR setzt voraus, daE Beginn oder Ende des Transports auSerhalb der Europáischen Gemeinschaft oder der EFTA bzw. anderer Partnerstaaten eines gemeinsamen Versandverfahrens liegen bzw. dafs eine Beforderung zwischen zwei Orten in der EG iiber ein Drittland erfolgt. Anders ausgedriickt: Das TIR-Verfahren kann nicht angewendet werden, wenn die Befórderungen stattfinden soil, ohne daf» ein Land beriihrt wird, mit dem kein Versandverfahren moglich ist. Das TIR-Verfahren ist daher z. B. beim Transit von Deutschland nach Italien iiber die Schweiz nicht zulássig. Zur Teilnahme am TIR-Verfahren muS man ein Carnet (Heft) erwerben, das in Deutschland bei bestimmten, fur den Giiterverkehr zustándigen Stellen ausgegeben wird; 13 deutsche Zollstellen diirfen kein TIR eróffnen. Die (tiberschaubare) Gebtihr deckt u. a. die Kosten fur die Gestellung der erforderlichen Sicherheiten ab, die von den ausgebenden Institutionen gestellt werden müssen. Mit Carnets TIR werden nur die befórderten Waren, nicht die Transportfahrzeuge abgefertigt. Die Teilnehmerstaaten verwenden ein gemeinsames Zolldokument, das aus einem Heft besteht (daher «carnet»), zwischen dessen Utnschlagblatter Einlageblátter geheftet werden, entsprechend der Anzahl der vorher festzulegenden Grenzübergánge. Dort erfolgt die Abfertigung lediglich papiermafiig, d. h. ohne Beschau. Die Grenziibergangszollstellen (Ausgangs- und Eingangszollstellen) trennen jeweils einen Abschnitt heraus und nehmen in den im Carnet verbleibenden Stammabschnitten bestimmte Eintragungen vor, so dafs der Transportweg liickenlos zuriickverfolgt werden kann. In der EG ist nur eine einmalige Gestellung an der EG-Aufiengrenze erforderlich. Das Carnet TIR hat wie das Carnet ATA (Abschnitt L-5.3) eine etwas unhandliche Überlánge (DIN-A-4 plus Stammabschnitte). Nach Beendigung des Transports muS das Carnet TIR an die Ausgabestelle zuriickgegeben werden. Vorteilhaft ist das TIR, weil nur eine Sicherheit, ein Versandpapier und eine Narnlichkeitssicherung (meist Verplombung) erforderlich sind. Der Transportunternehmer muís vor jeder Inanspruchnahme des Verfahrens eine Verpflichtungserklárung unterzeichnen, die bei VerstóEen ein direktes Rückgriffsrecht auf ihn selbst vorsieht. Die dem Abkommen beigetretenen Staaten haben selbst oder durch Verbánde Rückbürgschaften abgeben fur die Zahlung von Abgaben, die bei Verstófen gegen das Verfahren u. U. fállig werden kónnten. Aus diesem Grund war das TIR-Verfahrens sehr gefáhrdet, als Mine der 90er Jahre massive, offenbar organisierte Unterschlagungen von hochsteuerbarer Ware (Zigaretten, Alkohol) im Verkehr von und nach RuSland die Biirgen derart in Anspruch genommen wurden, dafi das Verfahren voriibergehend ausgesetzt wurde (Abb. L-5/ 2). Fiir bestimmte sensible Waren (Fleisch jeder Art und Herkunft, lebende Tiere, Butter, Milchpulver, Zucker) ist es bei TIR-Beginn an einer deutschen Binnenzollstelle heute erforderlich, parallel dazu ein Versandverfahren mit entsprechender Sicherheitsleistung zu u Deutscher Bundesverband fiir Güterfernverkehrs und Logistik (BDF) in Frankfurt/ M. bzw. seine Landesverbánde. <?page no="611"?> L-5. Zollverfahren bei der Ausfuhr 5 8 9 Abb. L-5/ 2: EU-Haushalt büBt Milliarden durch Betrug ein ¡Commission warnt vor organisierter Kriminalitat I Alkoholschmuggel Das Geschaft der Zollbetriiger ist leichter geworden EU-Bericht bemangelt schlechte Ausstattung der deutschen Behorden - Versandverfahren auf dem Prüfstand eroffnen; das Versandverfahren soil zu Beginn der Warenbewegung eroffnet werden, i.d.R. bei der Abgangszollstelle (analog zum g W oder gemW; vgl. Abschnitt L-5.1). L-5.3. Carnet-ATA Das Carnet ATA (Admission Temporaire/ Temporary Admission) wird verwendet, um Waren z. B. zu Messe- und Ausstellungszwecken voriibergehend auszufiihren und sie anschlieEend wieder einzuführen. Wir behandeln das Carnet ATA hier aus der Sicht eines inlándischen (deutschen) Unternehmens, das Gemeinschaftswaren voriibergehend ausfiihren (z. B. nach Ungarn) und dann wieder zuriickfiihren mochte. Die Transaktion <startet> folglich im Inland. Das Carnet-ATA ist ein in der Praxis sehr gebráuchliches einheitliches internationales Zollpapier (Abb. L-5/ 3). Ahnlich wie das oben angeführte Carnet TIR (Abschnitt L-5.2) beruht das Carnet ATA auf einem internationalen Abkommen iiber die voriibergehende Verwendung von Waren, dem gegenwártig rund 70 Staaten beigetreten sind, u. a. alie europáischen Staaten auSer RuSland und Albanien sowie u. a. Australien, Elfenbeinkiiste, Hongkong, Indien, Iran, Israel, Japan, Kanada, Libanon, Mauritius, Senegal, Sri Lanka, Siidafrika, Siidkorea, Tiirkei, USA, Zypern, Malaysia, Neuseeland, Singapur, Thailand, Trinidad und Tobago. Fur Taiwan, das aus volkerrechtlichen Griinden nicht in das Carnet-ATA-System einbezogen werden konnte, wurde Ende 1992 ein spezielles, bilaterales Carnet CPD-Taiwan eingeführt - und von der EG anerkannt -, welche optisch dem Carnet ATA weitgehend áhnelt und faktisch analog zu handhaben ist. Das Carnet ATA macht grundsátzlich alie sonst erforderlichen Dokumente überflüssig und erleichtert und beschleunigt damit die ZoUabfertigung. Unabhangig vom Carnet-ATA ist aber jeweils zu priifen, ob Einfuhr- oder Ausfuhrgenehmigungen erforderlich sind, denn diese werden durch das Carnet nicht ersetzt. Die Messeverwendung ist der Hauptanwendungsfall. Das Carnet ATA wird auch benutzt fur Werbematerial, zur Vorfiihrung von Geráten, Übersetzungseinrichtungen, Tonaufnahmegerate, fur Warenmuster (in handelsiiblichem Unfang und Wert), oder für Gegenstánde zum beruflicben Gebrauch (Berufsausrüstungen, auch fur Presse, Rundfunk oder Fernsehen, MeEgeráte, Laptopsl), Theaterausriistungen bei Gastspielen, Ausrüstungen für Katastropheneinsátze), ferner für Ersatzteile für Kfz, die voriibergehend in einem anderen Zollgebiet verwendet werden (ein deutsches Kfz wird in Rutland vorübergehend verwendet und benotigt ein Ersatzteil aus Deutschland), fur lebende Tiere aller Art, die bei Turnieren, zur Dressur oder zu Zuchtzwecken eingeführt werden, usw. Bei Einfuhren mit einem Carnet-ATA sind keine Eingangsabgaben zu entrichten, da die Waren zollrechtlich als abgabenfreie Rückwaren einzustufen sind. Das Carnet ist jedoch kein Ursprungsnachweis. Das ATA-Verfahren ist ein Sonderfall der voriibergehenden Verwendung mit vollstandiger Befreiung (vgl. Abschnitt K-4.4). Nur wenn von den Verfahrens- und Verwendungsvorschriften abgewichen wird, entstehen Zoll- und Steuerschulden in dem Land, in dem die Waren «zweckentfremdet» werden. <?page no="612"?> 590 L Ausfuhrabfertigung Abb. L-5/ 3: Carnet'ATA DEUTSCHER INDUSTRIE- UND HANDELSTAG, BONN MTBWmiM. «UMHIB CHAM QUINE DE GAAANTIE INTERNATIONALE immimmi mesaimwm AsscoaDoi am tusgetender H CHAINE DE GARANTIE [NIEBNATIONALE imtmmw£ Biinssaunmm CARNET DE PASSAGES EN DOUANE FOR TEMPORARY ADMISSION CARNET DE PASSAGES EN DOUANE POUR [.'ADMISSION TEMPORAIRE CARNET FÜR DIE VORÜBERBEHENDE EINFUHR cusma CMVBmM ON THE H I * . unci HM IKE mmnw mmsm OF «OOOS CONVENTION DOUANIERE SUR LE CARNET A T A POUR L'ADMBSION TEMPORAIRE DE MARCHANDSES ¡oaiiBHEmouucn ism OAS«HIM Kin oil imiiaaxnnamiimm von WAMH I Uw Cinrt, atom rate Meta m a m a m 3) (Avert de iett& te carnet he to notice en page 3 de la couwroie) (Bute ent * e AntefJunfl auí Serie 3 ees Umttogbhttes leseo, oam oes Cemeí neüHaií TO BE RETURNED TO OFFICE OF ISSUE AFTER USE NACH VERWEHDUNG AN WE AUSGEBENDE KAMMEfí ZVRÜCXGEBW A. HOLDER AND ADDRESS ' litulaire el adresse / Inhaber und Anschnil W.G. Mein OHG Stadtgraben 6 40008 Dusseldorf FRONT COVER I Couverture ' IfaJevu Utnxtogtitol (a) A.T.A. GARNET No. / Camet A I A No. / Camet A.T.A. Mr D BY * / Representé pai * / Vertreten ¡lurch * W a lt e r Ni e h off, Ramertsweg 14, 4 0226 D u s s e l d o r f o d e r " V e r t r e t e r gem. b e s . V o ll m a c h t" (b) ISSUED BY / Délivré p a r ' Ausgegeben durcti Industrie- und Handelskammer Dusseldorf C. INTENDED USE / Utilisation prévue des marchandises / BeabSKhtigte Vemendung der Waren (c) VAUD UNTIL / Valable jusqu'au / GiHbg te .../ 08 / 30 Thlt Camet may be used In the f o l o w i n g countries under the guarantee of the following association): / Ce camet est valable darts les pays ci-aprés, sous la garanbe des associations suivantes: / Dieses Camet st in nachstehenden Léndem unter Burgschatt der folgenden Verbande giittig: AUÉRK (DZ) Chambre Nahonale de Commerce. Atoe» NEW ZEAUM (HZ) live WeMnglon Dumber of Commerce. We*rtotw AUSTRALIA (AU) Ihe Slue Chamber of Commerce & Industry. Metmume. NORWAY (NO) Oslo Chamber of Commerce, Oslo. AUSTRIA (AT) BundesWmmer der oewerbticfien Wrnscrtart. Vienna POLAND (PI) Polish Chamber of Foreign Trade. Warsaw BELGIUM (IE) Federaban Nabonafe des Chambres tie Commerce et ¿'Industrie RORTUflAl (FT) Assoaacao Comercial de Loboa. Lisbon M Betgique. Brussels ROMANIA (RO) Romanian Chamber of Correnerce and Industrf. Bucirest The holder of this Camet and h b representative will be held responsible tor campeiance wtth the laws and regulations of the country of depature and the countries of Importation. / A charge pour le litulaire el son representan! de se conformer ata tots el réglemenls du pays de depart el des pays dlmportafton.' Der Cametinnaber und sein Vertreter haben die Gesetze und sorebgen Wrschritten des Ausgangstondes und der Einfuhrtander zu beactiten. CERTIFÍCATE BY CUSTOMS AUTHORfflES / Attestation des autorrlás douaniéres / Bescneimgung der ZoHbehorden a ) H e r t f c a t l M m a r t a have been affixed as htBcatad m column 7 against t h e f o l o w i n g item No(s) of the B t n e r a l U s t / Appose les marques d'idenbfícabon mentioinées dans la colonne 1 en regard du (des) njméra(s) d'ordre sutvant(s) de la Usté genérale / Die in Spatte 7 vermertían Nmíichlteiisj&chen wurüen an den ¡n der ASgemeinen Usté unter to)genda{r)(n) Hummei(n) auigeluhrten Waren angebracht b) Ekwds eKarnarMMl * / verifié les rnatíianofeas * / Die Warn warden beschaut' Ves / Dui / Ja Q No / Non / Nem D { Enrepstre sous IB numero " / Bngetragen unter Nr. ' Data (reM/ emNk/ ÉBT) S e p a s » má M a n * Dale (emití moii/ iowl Signature t i Tnfonj Datum (Jthr/ Wonit/ Tio> Wvenxfmn uió Sttmpsi Signature of authorised official and stamp of the Issuing Association / Signature du delegué el timbre de I'associauon émettnce ' Untersctnilt des Baauttrsgten und Stempei des aus- Industrie- und Handelskammer Dusseldorf i.A. . Dusseldorf, 200x/ 02/ l2 Place Mel Date el I t s » (yte«/ ine**h/ eair) Lieu et dale fenussior (anrafc/ nwis/ jour) Ort una Ausgióeótm V»tir/ Ucnit/ Ttf) (Mein) <?page no="613"?> L-5. Zollverfahren bei der Ausfuhr 591 PRAXISTIP Das ATA wird auch schon mal zweckentfremdet, um ein Ersatzteil relativ einfach zum Kunden zu bringen. Das ausgetauschte Teil wird dann wieder eingeführt. Dies entspricht natürlich nicht den zollrechtlichen Vorschriften. Das Carnet ATA wird in Deutschland von den Industrie- und Handelskammern ausgegeben (iiblicherweise fiillt der Antragsteller das Carnet selbst aus und legt es der IHK vor). Fur jede Reise ist je ein gelbes Ausfuhr- und Wiedereinfuhrblatt erforderlich, deren Stammabschnitte nach Heraustrennung der Blatter im Carnet verbleiben; das Carnet ATA hat daher wie das Carnet TIR ein oft unhandliches Uberformat (DIN-A-4 plus Stammabschnitte). Das Carnet enthált zudem je ein weiSes (Wieder-)Einfuhr- und (Wieder-)Ausfuhrblatt (je nach Reiserichtung). Auf gar keinen Fall sollten Sie zusátzliche Einlegeblátter ohne Zustimmung der IHK hinzufiigen! Die Ausfuhr- oder die Ausgangszollstelle, bei der alie im Carnet aufgeführten Waren auch vorgefiihrt werden müssen und bei der das Carnet ATA zoUamdich - «eróffnet» wird, vermerkt dies auf dem gruñen Umschlagsblatt («Bescheinigung der Zollbehórden»). Die einfuhrrelevanten Daten (Warenanzahl, Verwendungszweck, Wiederausfuhrfrist) dürfen oft erst an der Einfuhrgrenze in Gegenwart des Zollbeamten (eingetragen und) unterschrieben werden. PRAXISTIP In den Warenlisten zum Carnet ATA sollte zu jeder laufenden Position unbedingt der Wert angegeben werden, daverschiedene Lander Warenpositionen, deren Wert zusammengefaBt wurden, nicht akzeptieren. Umgekehrt gibt es auch bei der Wiedereinfuhr in die EU Probleme, wenn Positionen ¡m Ausland geblieben sind, die mit einem globalen Warenwert aufgeführt waren. Es ist zu empfehlen, die Eintragungen durch den Zóllner kontrollieren zu lassen; auf keinen Fall durchwinken lassen! In Rutland ist unlángst ein Firmenmitarbeiter unter dem Vorwurf des versuchten Zollbetrugs iiber eine Woche festgehalten worden, weil sein ATA nicht korrekt ausgefüllt war. Die Kammern in Deutschland dürfen Carnets ATA nur unter spezifischen Bedingungen ausgeben: Das Unternehmen mufs in das Handelsregister eingetragen sein und seinen Sitz im Kammerbezirk haben. Ein oder mehrere Carnets dürfen nur bis zu einem Warenwert von insgesamt 250.000 Euro ausgegeben werden (für lánger ais 8 Jahre eingetragene Unternehmen); für alie übrigen Unternehmen betrágt die Hóchstgrenze 150.000 Euro, aulSer fur eingetragene Kaufleute, eingetragene Partner, eingetragene Vereine, Kleingewerbetreibende und Privatpersonen (15.000 Euro) (Selbstprüfungsgrenze der Kammern), sofern nicht im Einzelfall hóhere Summen mit der Hermes-Kreditversicheung vereinbart worden sind. Für nicht ins Handelsregister eingetragene Gewerbetreibende und andere Personen dürfen Carnets nur bis zu einem Gesamtwert von insgesamt 15.000 Euro ausgegeben werden. Bei Uberschreitung dieser Summen ist eine Bankbiirgschaft von mindestens 30% oder eine Gegenbestátigung von Hermes erforderlich. Es sind keine Kautionen oder Sicherheiten zu stellen; die Sicherheit beruht auf Bürgschaften von nationalen Verbánden der Mitgliedstaaten (in Deutschland des DIHT, dem Dachverband der IHKs), mit einer Rückbürgschaft durch die Hermes-AG. Das Carnet-ATA ist daher gebührenpflichtig; die Gebühr ist wertabhángig, z. B. rd. 20 Euro bis zu einem Warenwert von 12.500,- Euro. <?page no="614"?> 592 L Ausfuhrabfertigung Das Carnet gilt maximal ein Jahr. (Allerdings wird für den Besuch einer zweiwochigen Messe seitens der IHK kein 12-monatiges Carnet ausgestellt werden.) Es kann innerhalb der Geltungsdauer für beliebig viele Grenziiberschreitungen benutzt werden, muE dann natiirlich entsprechend viele Blatter enthalten. Nach Ausstellung durch die zustándige IHK darf der im Carnet aufgeführten Warenliste nichts mehr hinzugefugt werden (auch nicht durch die Zollbehórden). Nachtrágliche Anderungen sind nur seitens der ausstellenden IHK móglich. Beim Grenziibertritt nehmen die Zollbehórden eine geeignete Namlichkeitssicherung der Waren vor, so dai? bei der Wiederausfuhr gepriift werden kann, ob auch alie eingeführten Waren das Land wieder verlassen. Die Waren diirfen im Gastland nicht behandelt oder bearbeitet werden. PRAXISTIP Achten Sie bei der Rückreise in die EU auf die Eintragung des Wiederausfuhrvermerks (Beispiel: aus Rutland), weil die AufmerksamkeitderZollnerbeider Ausfuhr oft geringer ist ais bei der Einfuhr. Wegen des Einfuhr-Ausfuhr-Abgleichs ist es giinstig aber nicht zwingend über dieselbe (EU-) Zollstelle aus- und wieder einzureisen. Bei Verbleib im Gastland (hier RuEland) wird ggf. der Zoll in RuSland fállig, z. B. bei nicht fristgerechter Wiederausfuhr, Verkauf oder Verschenken der Ware, weil der Riicktransport nicht wirtschaftlich ware, Diebstahl oder Untergang ohne Bestátigung. Die dann erforderliche zollamtliche Abfertigung muí? im Carnet vermerkt werden. (Bei Diebstahl ist die Ware wahrscheinlich zu verzoiien, gelegendich helfen Polizeibelege, aber nicht immer.) Findet keine Wiedereinfuhr in die EU start, mulS die EU-Zollverwaltung davon unterrichtet werden. Zudem ist nachtráglich eine Ausfuhranmeldung einzureichen. Der Wiedereinfuhrtrennabschnitt ist von der Eingangszollstelle (der EU) an das Zollamt zuriickzusenden, welches das Carnet zollamtlich eróffnet hat (meist die Ausfuhrzollstelle, oft aber auch die Ausgangszollstelle in der EU). Wenn dies unterbleibt, kommt es zu Riickfragen beim Carnetinhaber. Sofern dieser das erledigte Carnet bereits an die IHK zuriickgegeben hat, kann er keinen Nachweis mehr erbringen. Daher: PRAXISTIP Um Rückfragen und anderen Problemen zu begegnen, sollte man sich bei der Wiedereinfuhr eine Kopie des herausgetrennten Wiedereinfuhrabschnitts anfertigen bzw. anfertigen lassen: Die Zolldienststellen werden in einer Dienstanweisung hierzu aufgefordert. Aus der Sicht eines Untemehmens aus einem Drittland (z. B. RuSland), das Waren unter einem Carnet ATA in die EG verbringt, sind folgende Aspekte wichtig: • Bei der Einfuhr in die EU muS das Carnet der Eingangszollstelle vorgelegt werden. Diese handelt als einzige EG-Zollstelle, d. h. bei Befórderungen innerhalb der EG gibt es keine weiteren Abfertigungen, sondern erst wieder bei Verlassen des Zollgebiets (z. B. auch voriibergehend in die Schweiz). Das vorgelegte Carnet gilt dabei als Antrag und die Annahme durch die EU-Zollstelle ais Bewilligung des ATA-Verfahrens. • Das Carnet gilt auch in den anderen Mitgliedstaaten der EU, ohne daS beim Uberschreiten von EU-Binnengrenzen Zollformalitáten zu erfüllen wáren. Das Verfahren kann aus EU-Sicht durch Wiederausfuhr in einem beliebigen Mitgliedstaat beendet wérden. <?page no="615"?> L-5. Zollverfahren bei der Ausfuhr 5 9 3 L-5.4. Passive Veredelung L-5.4.1. Zweck Mehrstufige Produktionsverfahren kónnen es nahelegen, einzelne Produktionsabschnitte in Lander zu verlegen. Wenn Waren z. B. aus dem Zollgebiet der EG nach Tschechien verbracht werden, um dort bearbeitet, verarbeitet oder ausgebessert und anschliefiend wieder in das Zollgebiet der EG re-importiert zu werden, spricht man aus EG-Sicht von passiver Veredelung (pV) (Abb. L-5/ 4). Die pV setzt sich also aus einem zeitlich vorangehenden Ausfuhrteil und einem Einfuhrteil zusammen. Daher wird sie hier im Zusammenhang mit den Ausfuhrverfahren behandelt. Abb. L-5/ 4: Passive Veredelung passive Veredelung D EU r i t t l a n lnl< d ind (5? ) = Veredelung Was man unter Veredelung zoUrechdich versteht, wurde bereits in Abschnitt K-4.2 (aktive Veredelung) definiert. Veredelung kommt insbesondere fiir Produktionsvorgange in Betracht, bei denen Lohnkostenvorteile im Ausland (in «Billiglohnlándem») ausgenutzt werden kónnen, vorrangig in Osteuropa und Siidostasien, zunehmend in Lateinamerika. Beispielsweise láfit ein deutsches Unternehmen britisches Schurwollgewebe in Vietnam zu Mánteln verarbeiten. Neben der Textilverarbeitung, Zusammensetzen von Elektrogeraten und anderen arbeitsintensiven Produktionsvorgángen lohnt es sich oft auch, Kartoffeln zum Schálen oder Eier zum Fárben oder Wásche zum Waschen zu exportieren und anschlieSend zu re-importieren; Nordseekrabben werden zum <Pulen> nach Polen gebracht und dann im deutschen Markt verkauft. Wenn der Re-Import in ein anderes EG-Land erfolgt als der urspriingliche Export, spricht man von einem Dreiecksgescháft. Es gibt allerdings Falle, bei denen die Einsparungen bei den Produktionskosten durch den Mehraufwand fiir Abwicklung, Transport oder Zólle <aufgefressen> werden, so daS sich eine pV nicht lohnt. Auch wenn zwischen dem Zielland und der EG ein Práferenzabkommen bestehen (u. a. mit Polen oder Ungarn), ist eine pV als Zollverfahren oft nicht sinnvoll, weil sich aufgrund des Práferenzabkommens ohnehin eine zollfreie Verbringung ergibt. Ggf. bieten sich dann Versandverfahren an (vgl. Abschnitt L-5.1). Da eine passive Veredelung aus der Sicht des Auftraggebers spiegelbildlich eine aktive Veredelung aus der Sicht des Veredelungbetriebes ist, miissen auf beiden Seiten die entsprechenden zollrechtlichen Voraussetzungen im voraus gegeben sein. Dies kann zu zusatzlichem Aufwand fiihren. In Argentinien beispielsweise wird teilweise auf der Einschaltung eines <?page no="616"?> 594 L Ausfuhrabfertigung Instituís bestanden, das eine mengenmaíSige Pruning der Eingangswaren vornimmt, um die Abrechnung der (argentinischen) aktiven Veredelung vorzubereiten. Die passive Veredelung beginnt grundsátzlich auf der Ausfuhrseite, da im ersten Schritt die Ware bei der <voriibergehenden Ausfuhr> angemeldet werden muE. Die wirtschaftlich relevanten Effekte die Verzollung nur der Wertsteigerung treten jedoch im zweiten Schritt bei der Wiedereinfuhr auf: Grundsátzlich müfiten beim Import, d. h. beim (Rück-)Verbringen der veredelten Waren, Einfuhrabgaben in Hohe des vollen Zollwerts der veredelten Waren erhoben werden. Da diese jedoch auch die vorab exportierten und nun lediglich re-importierten Gemeinschaftsgiiter ejithalten, wiirde ein solches Vorgehen zur Verzollung von EG-Ware fiihren und damit dem Zweck der Einfuhrabgaben ais Schutzzólle nicht entsprechen. Daher erfolgt nur eine Differenzverzollung (siehe unten). L-5.4.2. Bewilligung und Durchführung Bevor Veredelungsverkehre konkret in Anspruch genommen werden kónnen, miissen sie vorab grundsátzlich genehmigt worden sein (bei Ausbesserung gelten Vereinfachungen). Die Bewilligungsvoraussetzungen passiver Veredelungsverkehre (pV) sind denen aktiver W analog. Die Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen (keine Verletzung von Interessen von EG-Herstellern) erscheint anachronistisch, denn kaum ein Unternehmen diirfte eine pV- Prozedur auf sich nehmen, wenn die betreffenden Waren im Binnenmarkt oder auf dem Práferenzweg erháltlich wáren. Aber so steht es nun einmal im europáischen Zollrecht. Jede einzelne passive Veredelung ist nach der grundsatzlichen Bewilligung des Verfahrens im konkreten Fall durch Gestellung der Waren anzumelden. Die Waren der «voriibergehenden Ausfuhr» miissen Gemeinschaftswaren sein. Da nicht sicher ist, ob diese tatsáchlich wieder in die EG zuriickkehren, erfolgt auch bei der pV eine Prüfung der aufsenwirtschaftsrechtlichen Zulássigkeit der Ausfuhr, einschlieSlich V.u.B., Ausfuhrverboten und -beschránkungen. Die Zollstelle erstellt den Veredelungs-Schein (Exemplar 3 des EP plus Blatt 1 des Zusatzblattes), der bei jeder Abfertigung vorgelegt werden muE. Für die Wiedereinfuhr wird eine Frist gesetzt, die vom vorhersehbaren Zeitaufwand für die Veredelung abhángt, regelmáfig aber drei Monate betrágt. Die Frist kann, wenn die Umstánde dies rechtfertigen auch rückwirkend verlángert werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kónnen auch bei Veredelungsverkehren Sammelzollverfahren zugelassen werden. Ein wichtiger Aspekt ist auch hier die Ndmlichkeitssicherung der zu veredelnden «Waren der voriibergehenden Ausfuhr», insbesondere bei Dreiecksgescháften (niederlándische Krabben werden in Polen gepult und nach Deutschland gebracht). Der entsprechende Zollbefund wird im Einheitspapier vermerkt (Námlichkeitsverfahren; vgl. gleich zum Áquivalenzverfabren). Es diirfen nur die bewilligten Veredelungsvorgánge auSerhalb der EG vorgenommen werden. Bei der Wiedereinfuhr sind alie handelspolitischen MaSnahmen und Verbote und Beschránkungen zu beachten, die für <normale> Einfuhren gelten (von Importkontingenten abgesehen). Oft wird eine Abfertigung zum freien Verkehr erfolgen, aber auch andere Zollbehandlungen sind móglich, wie z. B. Verbringen in ein Zollager oder ein Versandverfahren. Bei der Zollanmeldung ist ein Hinweis auf die pV erforderlich, um die entsprechende Zollvergünstigung (Differenzverzollung; vgl. anschliefiend) in Anspruch zu nehmen. <?page no="617"?> L-5. Zollverfahren bei der Ausfuhr 595 Bei der Wiedereinfuhr sind die Wiedereinfuhrfrist und die Namlichkeitssicherung zu beachten. Ggf. kónnen nach vorheriger Bewilligung auch den veredelten Waren gleichwertige (áquivalente) Waren zugelassen werden (sog. [Sía«í¿? r¿-]Austauschverfahren oder Áquivalenzverfahren, insbesondere in Ausbesserungsfállen). Beispiel: Ein deutsches Unternehmen kauft eine amerikanische Maschine, die nach kurzer Nutzung defekt wird und zur Reparatur in die USA geschickt wird. Der Amerikaner kann sofort eine gleichwertige Maschine nach Deutschland versenden und die defekte Maschine behalten. Dies bringt erstens einen Zeitvorteil mit sich, zweitens kónnen entsprechende Drittlandserzeugnisse billiger sein als der Veredelungsvorgang. Dabei kann auch eine vorzeitige Einfuhr von Ersatzprodukten bewilligt werden, die somit auf Vorrat importiert und bei Bedarf vor Ausfuhr der fehlerhaften Erzeugnisse in den freien Verkehr überführt werden kónnen. L-5.4.3. Differenzverzollung Betrachten wir auch hier ein Beispiel: Móglich ware eine Ausfuhr von Maschinenteilen zum Zusammenbau in Indien und eine anschliefjende Einfuhrabfertigung der kompletten Maschine in Deutschland. Dann miifste die Maschine, die ja eigentlich aus Gemeinschaftswarenteilen besteht, bei der (Wieder-)Einfuhr in die Gemeinschaft komplett verzollt werden (wenn fur die betreffende Ware keine Práferenzregelung mit einem Zollsatz von Null gilt,). Diese Lósung überzeugt wohl nicht. Im Rahmen des ZoUverfahrens der passiven Veredelung (pV) hingegen wird eine geringere Zollbelastung erreicht, indem die aus Deutschland kommenden Gemeinschaftswaren von der Verzollung ausgenommen werden. Daraus ergibt sich eine sog. Differenzverzollung, die aus zwei Schritten besteht: (1) Zunáchst wird wie bei jeder Einfuhr der Zollwert der veredelten (Wiedereinfuhr-) Ware (Maschine) ermittelt. Wenn dem Veredler Waren, Fertigungsmaschinen, Werkzeuge, Gufiformen usw. fur die Herstellung der Veredelungserzeugnisse, Entwiirfe, Software, Plane, Modell, Skizzen oder Verbrauchsmaterial (Schmiermittel) unentgeltlich oder verbilligt zur Verfiigung gestellt werden, ist deren Wert dem Zollwert der veredelten Waren hinzuzurechnen. In den Zollwert gehen auch bei der Einfuhr in das fremde Zollgebiet (beim Veredler) entstandene Abgaben ein sowie die Kosten des Verbringens vom Veredler zuriick bis zum ersten Ort des (Rück)Verbringens ins Zollgebiet (also ohne die Beforderungskosten, die innerhalb des EG-Zollgebiets anfallen). Auf diese Summe wird der entsprechende Einfuhrzollsatz angewendet. (2) Da nur die Nettowertschópfung der Differenzverzollung unterliegt (im wesentlichen also die Arbeitskosten bzw. das Veredelungsentgelt), wird von dem gerade errechneten Zollbetrag fur die komplette Maschine der Zoll auf den Wert der bereitgestellten, zu veredelnden Giiter (Maschinenteile) abgezogen (fiktiver Zoll oder Minderungsbctrag), und zwar auf der Basis der Herstellungskosten oder des Kaufpreises dieser Waren. Als Zeitpunkt der Bemessungsgrundlage fur Menge und Beschaffenheit der Waren der vorübergehenden Ausfuhr gilt die Annahme der Zollanmeldung zur passive Veredelung. Die Lieferkosten bis zum auslándischen Veredler gehóren also nicht zum Zollwert. <?page no="618"?> 596 L Ausfuhrabfertigung BEISPIEL Stoff im Wert von 100.000- Euro wird unentgeltlich nach Hongkong verbracht; EG-Zollsatz 10%. Aus dem Stoff werden Blusen gefertigt, Veredelungsentgelt 50.000,-, EG-Zollsatz für Blusen 15%. Alie Positionen in auslándischer Wáhrung sind in Euro umgerechnet worden (vgl. dazu Abschnitt K-2.3.2.1). Veredelungsentgelt - 3 % Skonto = zu zahlendes Veredelungsentgelt Hinzurechnungen: + Wert der Beistellungen (Stoff) + Befórderungskosten vom Veredler in die EG Luftfracht Versicherung = Zollwert der Veredelungserzeugnisse x Zollsatz 15 % auf das veredelte Gut = Zollbetrag I Davon abzuziehen: Wert der Waren der vorübergehenden Ausfuhr (= Wert der Beistellungen) 100.000,x 10% = Zollbetrag II zu zahlender Differenzzollbetrag 50.000- - 1.500- 48.500- 100.000.- 12.000- 5.000,- 165.500,- = = 24.825- 10.000,- 14.825,- Das vorstehende, zur Veranschaulichung stark vereinfachte Beispiel macht das aufwendige System der Differenzverzollung nicht richtig deutlich. Praxisnáher wáren weitere Beistellungen (Knópfe, Schulterpolster), für die dann die entsprechenden Zollsatze zu beriicksichtigen wáren. Es kann vorkommen, dafi für 15 oder 20 verschiedene Positionen jeweils einzeln die entsprechenden Zollsatze ermittelt und die Zolldifferenz nach diesem System berechnet werden müssen. Hinzu kommt die erforderliche Námlichkeitssicherung für jede Ware. Im Prinzip wird durch die Differenzverzollung eine Verzollung und (Einfuhr-)Versteuerung lediglich der Wertschopfung in Indien erreicht. Dabei werden die normalen Regeln der Zollwertermittlung angewendet (vgl. oben Abschnitt K-2.3.2). An die Stelle des dabei üblichen Transaktionswerts tritt faktisch das für die Veredelung zu zahlende Veredelungsentgelt (Werklohn). Dabei wird der der Veredelung zugrundeliegende Werkvertrag einem Kaufgescháft gleichgestellt. Um zu verhindern, da£ durch überhóhte Ausfuhrwerte der Differenzzoll manipuliert wird, schreibt eine Bewertungsrichtlinie vor, im Zweifelsfall die Herstellkosten plus Gewinnzuschlag anzusetzen. Die endgültige Zollschuld entsteht mit der Annahme der Anmeldung der Veredelungserzeugnisse zur Überführung in den freien Verkehr. Zu diesem Zeitpunkt wird sie konkret berechnet. Wenn bei der Veredelung Waren verwendet wurden, die nicht wie die Beistellungen aus dem Zollgebiet geliefert worden sind, sondern aus dem Drittland stammen (Zutaten), müssen diese bei der Wiedereinfuhr gesondert angemeldet werden. Für die zollfreie Wiedereinfuhr der enthaltenen EG-Waren sind entsprechende Ursprungsnachweise erforderlich, um ein Umgehen der Verzollung von Drittlandswaren zu verhindern. <?page no="619"?> L-5. Zollverfahren bei der Ausfuhr 597 Beispielsweise kónnten sonst Platinen mit USA-Ursprung aus einem deutschen Zollager nach Indien verbracht werden und im Rahmen einer pV <zollfrei> in die EG zuriickimportiert werden. Bei sog. Tarifanomalien gibt es durchaus kuriose Sachverhalte: So unterliegen bestimmte PC-Teile hóheren Zollsátzen (Platinen 12%) ais die nach erfolgter pV eingefiihrten fertigen Geráte (6%). In der Praxis behilft man sich dabei seitens der EG-Kommission oft mit Zollaussetzungen für solche Falle, und oft ist dann auch kein pV nótig bzw. sinnvoll. PRAXISTIP Für den Transport bis zum Veredler und den Riicktransport zum Auftraggeber sollten getrennte Rechnungen für Fracht und Versicherung aufgemacht werden, um die Aufteilung zwischen <Export>- und Re-lmportkosten zu erleichtern. Dabei sollten wiederum für den Re-Import die Lieferkosten bis EG-Auftengrenze und die anschlielSenden EC-internen Kosten getrennt ausgewiesen werden. In der EG wird eine von zwei moglichen Arten der Differenzverzollung angewendet, die eine hóhere Aufienprotektion gewáhrleistet ais die andere. Ein Vergleich der Methoden macht das deutlich: Methode 1: Methode 2: Wertschópfung Zollwert 150.000,- 100.000.- Zollwert 150.000- 100.000.- 50.000- Zollsatz 15% 10% Differenzzoll Zollsatz 15% Zoll 22.500,- 10.000,- 12.500,- Zoll 7.500,- Bei Methode 1 bezieht sich der Begriff Differenzverzollung also auf die Differenz zwischen den"ZoWabgaben,bei Methode 2 zunáchst auf die Differenz zwischen den ZoWwerten. Es wird deutlich, daS die Methode 2 zu geringerer ZoUbelastung (bzw. Zolleinnahmen) und damit auch geringerer Schutzwirkung fur die inlándische Produktion fiihrt. Die vereinfachte Methode ist anzuwenden, wenn «Ausfuhr-» und «Wiedereinfuhrware» denselben Zollsátzen unterliegen. Dann wird dieser auf die Wertschópfung angewendet (Mehrwertmethode). Nach der Mehrwertmethode wird also der Zollsatz für das Fertigerzeugnis auf die Veredelungskosten angewendet. Dies soil ab Mitte 2001 standardmáíSig auf alie pV angewendet werden kónnen. Die Anderungsverordnung ist jedoch noch nicht in Kraft. Bei háufigen passiven Veredelung, deren Abgabenhóhe ungefáhr vorhersehbar ist, kann zwischen den Zollbehórden und dem Bewilligungsinhaber ein mittlerer Abgabensatz verabredet werden. Dieser kann bis zu sechs Monaten bei jeder Wiedereinfuhr angewendet werden (Globalerledigung). Nach Ablauf des festgelegten Zeitraums werden die Abgaben konkret berechnet. Dabei ergibt sich entweder eine Erstattung oder eine Nacherhebung von Einfuhrabgaben. <?page no="620"?> 598 L Ausfurrrabfertigung Kann die Veredelung nicht durchgefiihrt werden (weil der Veredler in Konkurs gegangen ist, oder aus sonst einem Grund) werden die unveredelten Waren als Riickwaren behandelt und kónnen unverzollt wieder in die EG verbracht werden (vgl. Abschnitt K-1.6). L-5.4.4. Probleme • Die Wirtschaft áufiert grundsátzliche Kritik an der gegenwártigen Differenzverzollung: Wenn beispielsweise ein Autohersteller Motoren zum Einbau in Karosserien voriibergehend ausfiihrt, werden diese mit 3 % Zoll abgesetzt. Bei der Wiedereinfuhr des Autos wird zunáchst der Zoll in Hóhe von 10% auf den Gesamtzollwert des Autos ermittelt, in dem aber auch die Motoren enthalten sind - und zwar als recht wesendiche Komponente -, so dafi auch diese EG-Vorleistung in die Zollberechnung und in die Zollbelastung eingeht. Eine <richtige> Wertschopfungsverzollung ergibt sich folglich nur bei vóllig gleichen Zollsátzen auf Vorleistungen und Fertigprodukt. • In vielen Fallen nehmen die Waren durch die passive Veredelung den Ursprung dieses Drittlandes an. Wenn dieses mit der EU ein Praferenzabkommen geschlossen hat, kónnen die Waren dann natiirlich zollfrei ohne Differenzverzollung wiedereingefiihrt werden. (Dies beriihrt jedoch nicht die erforderliche EUSt-Versteuerung der Wertschópfung.) Der Ursprungswechsel kann sich aber auf die Marktattraktivitát des Produkts beim Endverkauf auswirken. PRAXISTIP Auch bei práferenzbegünstigten Wiedereinfuhren kann eine passive Veredelung als Vorsichtsmaftnahme angemeldet werden, denn in nicht wenigen Fallen wird der Práferenznachweis vom Veredler nicht oder nicht rechtzeitig mitgeliefert; auch kommen ¡mmer wieder falsche Nachweise vor. Eine nachtrágliche Bewilligung einer passiven Veredelung ist hingegen nicht móglich. • Durch die pV werden zusátzliche umweltbelastende Giitertransporte verursacht. • Durch die pV kann Know-how ins Ausland transferiert werden. Dies gilt natiirlich nur fur technisches, nicht fur marktbezogenes Know-how. L-5.5. Andere ZoUverfahren auf der Ausfuhrseite Abgesehen vom Ausfuhrverfahren im engen zollrechtlichen Sinn ist mit einer Mehrzahl von anderen ZoUverfahren faktisch ein Ausfuhrvorgang verbunden. Sofern diese Verfahren in erster Linie Ausfuhrverfahren sind, wurden sie in Abschnitt L-4 dargestellt. Auf andere Verfahren mit Ausfuhrkomponente, die auf der Einfuhrseite beginnen, wurde in Abschnitt K-4 eingegangen (u. a. aktive Veredelung, voriibergehende Verwendung, Wiederausfuhr). Wir fassen hier nochmals zusammen. • Von groSer Bedeutung auf der Ausfuhrseite sind Versandverfahren. Im Rahmen eines Ausfuhr-Versandverfahrens kónnen Gemeinschaftswaren oder Drittlandswaren in einem vereinfachten Verfahren zum Bestimmungsort transportiert werden, wo sie endgiiltig abgefertigt werden. Der Verfahrensablauf áhnelt dem <normalen> Ausfuhrverfahren (vgl. Abschnitt L-5.1). • Im Rahmen des speziellen Versandverfahren mit dem Carnet 'I'IK kónnen Waren in einem <?page no="621"?> L-6. Exportkontrolle 599 vereinfachten Verfahren in ein Bestimmungsland gebracht werden, für das kein Versandverfahren móglich ist (Abschnitt L-5.2). • Bei der passiven Veredelung (pV) werden Produktionsvorgánge ins Ausland verlagert, indem Gemeinschaftswaren dort be- oder verarbeitet und anschliefiend <re-importiert> werden (Abschnitt L-5.4). • Nach erfolgter aktiver Veredelung (aV) werden Drittlandswaren nach Be- oder Verarbeitung in der EU wieder ausgefiihrt, ohne daft sie verzollt oder versteuert worden sind (Nichterhebungsverfahren) (Abschnitt K-4.2). • Mit einem Carnet ATA kónnen Waren in ein Drittland <exportiert> werden, die auf Messen oder Ausstellungen ausgestellt und anschlieSend wieder «re-importiert» werden sollen. Die Ausstellung des Carnets erfiillt die Funktion der Anmeldung zur Ausfuhr (Abschnitt L-5.3). • Sofern Drittlandswaren sich unter zollamtlicher Überwachung in einem Zollverfahrens befinden, kann die Überwachung auch durch eine Wiederausfuhr beendet werden (Abschnitt K-4.8). • In vielen Fallen werden Waren ausgefiihrt, die im Bestimmungsland voriibergehend verwendet und dann wieder re-importiert werden sollen, beispielsweise Maschinen, die beim Kunden oder auf Ausstellungen vorgefiihrt werden sollen. Sofern es nicht sinnvoll oder móglich ist, dies im Rahmen eines Carnet-ATA abzuwickeln (Abschnitt L-5.3), sind die Zollpapiere so aufzumachen, als ob es sich um eine ganz nórmale Ausfuhr handelt. Die Handelsrechnung wird dabei i.d.R. durch eine Pro-Forma-Rechnung ersetzt, aus der die voriibergehende Verwendung und der Zeitraum hervorgeht, so daE der Importeur bei seinen Zollbehorden das Zollverfahren der voriibergehenden Verwendung beantragen kann. L-6. Exportkontrolle Der Grundsatz des freien und unbeschránkten AuSenhandels gilt ebenso wie fur die Einfuhr natürlich auch für die Ausfuhr. Es gibt aber ein weites Feld von Fallen, bei denen der Export entweder gánzlich verboten oder aber genehmigungspflichtig ist. Beschránkungen bestehen vor allem bei Waffen, Munition und Kriegsgerát, bei chemischen und biologischen Substanzen sowie bei Gütern, die sowohl zu militárischen als auch zu zivilen Zwecken verwendet werden kónnen (sog. Dual-use-Güter). Die Überwachung dieser Beschránkungen bezeichnet man als Ausfuhrkontrolle. Im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Auffassung geraten auch viele Unternehmen in ihren Erfassungsbereich, die dies von sich aus gar nicht erkennen bzw. für ausgeschlossen halten. Dies ist sowohl von der Sache her ais auch für die Betroffenen bedenklich, denn das deutsche Exportkontrollrecht sieht vielfach drakonische Sanktionen vor. Es empfiehlt sich sehr, daf? Unternehmen immer wieder überprüfen, ob sie aufienwirtschaftsrechtlich <im gruñen Bereich> sind, insbesondere, weil sich die Bestimmungen oft ándern. Beispielsweise hat ein Unternehmen massive Probleme bekommen, das vóllig harmlose Substanzen für Lacke geliefert hat; in der Kombination beim Kunden ergab sich jedoch ein Produkt, das unter die Ausfuhrbeschránkungen für (militárische) Tarnfarben fiel. Ein anderes Unternehmen geriet in Schwierigkeiten, weil in einem 2-Komponentenlack der Hárter in der <?page no="622"?> 600 L Ausfuhrabfertigung Ausfuhrliste stand (vgl. unten), was dem Unternehmen unbekannt war. Und kónnten Spriihstoffe gegen Ameisen vielleicht in einen chemischen Kampfstoff verwandelt werden? Oder kónnten gángige Chlorgasanlagen fur die (zivile) Aufbereitung von Trinkwasser eventuell auch zur Kampfgasherstellung eingesetzt werden? (Die Beteiligung jedweder Art an ABC- Waffen ist strafbar.) Die Liste der «Das haben wir nicht gewu&»-Falle ist lang. Und auch «Wieso? Das ist doch unsere eigene Tochtergesellschaft im Ausland! » ist beliebt, ándert aber nichts an einer Genehmigungspflicht, ggf. auch nicht «Aber wir haben doch nur telefoniert! » Lieber einmal zuviel nachfragen" - oder im Zweifel die Finger von einem ungewissen Gescháft lassen. Im Falle von Beschránkungen kann die Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen grundsátzlich verboten sein (u. a. Waffen, Rauschgift, oder in Embargofalien) oder eine Ausfuhrgenchmigung erfordern, • wenn die Waren oder Dienstleistungen in der sog. Ausfuhrliste aufgefiihrt sind oder • wenn die Waren oder Dienstleistungen zwar nicht gelistet sind, aber sich aus dem Empfangerland und der geplanten Verwendung der Giiter eine Genehmigungspflicht ergibt. In vielen Fallen muí? jeweils eine Genehmigung fur den einzelnen Exportvorgang eingeholt werden, in anderen konnen Sammelgenehmigungen erteilt werden, in wiederum vielen anderen existieren pauschale Ausnahmegenehmigungen, so dafi der Exporteur seinerseits keine Genehmigung mehr einholen muS. Wir werden dies nachstehend vertiefen. L-6.1. Strategische Ziele des deutschen Ausfuhrkontrollrechts Durch die sog. Non-Pwliferationspolitik ls der Bundesregierung soil die Weitergabe von Waffen und sonstigem Rüstungsmaterial beschránkt oder verhindert werden, auch im Hinblick auf die Einhaltung internationaler Vereinbarungen gegen die Weitergabe von Atomwaffen, chemischen und biologischen Kampfmitteln, Raketen, konventionellen Riistungsgiitern und gegen Personen gerichtete Landminen. Deutschland ist nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) nach den USA (mit weitem Abstand) und Rutland der drittgrofste Waffenexporteur der Welt, vor Frankreich und GroSbritannien. Auf der Káuferseite steht die Tiirkei an erster Stelle (Abb. L-6/ 1). Die Ausfuhrkontrolle hat sich in den letzten 15 Jahren sehr stark verándert, ist sehr viel restriktiver und zu einem sensiblen Politikfeld geworden, insbesondere weil die deutsche Wirtschaft klagt, daf? sie im Vergleich mit anderen EU-Staaten aufgrund strengerer Exportvorschriften schlechter gestellt sei, hóhere Kosten zu tragen habe und von manchen Exportchancen ausgeschlossen sei, obgleich iiber 95 % aller Ausfuhrwaren aus Deutschland nicht genehmigungspflichtig sind. Dennoch ist der administrative Aufwand enorm, und zwar sowohl auf seiten der Unternehmen ais auch der Kontrollbehórden. Die Frage, ob sich dieser Aufwand lohnt, wird je nach Interessenlage unterschiedlich beantwortet. 14 Z. B. unter www.bundesausfuhramt.de oder www.bafa.de. Das BAFA - Bundesamt fur Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Eschborn bei Frankfurt ist im Bereich des Warenverkehrs fur Genehmigungen zustándig. Es ist dem Bundeswirtschaftsministerium nachgeordnet. Anfang 2001 wurde das bisherige Bundesausfuhramt (BAFA) mit dem parallel fur Importfragen zustándigen Bundesamt fur Wirtschaft (BAW) fusioniert; das BAW ist nun Teil des neuen BAFA. 15 Proliferation = «Vermehrung», «Wucherung»; von lat. proles u. ferre: <Nachkommen tragen>, hier i.S.v. (Nicht-)Weiterverbreitung. <?page no="623"?> L-6. Exportkontrolle 601 Abb. L-6/ 1: Koalitionspolitik Der Rüstungsexport wird an die Menschenrechte gekoppelt Neue Richtlinien der Bundesregierung / „Grtmdsátzlich zurückhaltend ausíühren" / BDI sieht sich tibergangen Die Koalition streitet über den Export einer Fabrik fiir Gewehrmunition in die Tiirkei «Genehmigung fur die Munitionsfabrik war nicht zu verhindern» Regierung für Export der Plutoniumfabrik Korruptionsvorwiirfe belasten Riistungsdeal mit Siidafrika H I N T E R G R U N D Exportbeschránkungen sollen der Sicherung des internationalen Friedens dienen. Historisch sind sie vor allem vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikt entstanden und sollten verhindern, daG dem damaligen Ostblock durch Exporte aus dem Westen Vorteile erwachsen. Diese Überlegungen gelten grundsatzlich auch heute noch, wenngleich nicht mehr gegeniiber den ehemaligen Ostblocklandem, sondern gegenüber einer Cruppe von kleineren <sensiblen> Lándern, die ohne externe Technologieinputs keine gefáhrlichen technologischen Entwicklungen vomehmen kónnen dürften. Nach einigen spektakuláren Vorfállen wurden in Deutschland die Exportbeschránkungen Anfang der 90er-Jahre nachhaltig verscharft, urn Exporte von direkt oder indirekt kriegsrelevanten Giitern zu unterbinden. Wahrend der Kriegswaffenhandel bereits durch das KriegswaffenkontroUgesetz (KWKG, 1961) str,eng reglementiert war und ist, bestand Handlungsbedarf im Bereich von Dualuse-Giitern. Dies geschah unter dem Eindruck des Krieges zwischen Irak und Iran erstmals 1984, ais deutsche Zulieferungen für eine Giftgasfabrik im Irak bekannt wurden, dann seit Anfang 1989 im Zusammenhang mit der Lieferung von Konstruktionsunterlagen für U-Boote nach Südafrika und mit der Verwicklung deutscher Firmen in die Giftgasfabrik-Affare in Rabta/ Libyen (1989) und spáter aufgrund der im August 1990 durch den Irak ausgelósten Golfkrise. Bis 1995 war die Exportkontrolle ausschlieElich im nationalen Recht verankert. Seitdem existiert nationales Recht neben supranationalem Recht. Beide verbinden sich zu einer nur schwer zu überschauenden Rechtsmaterie. Das EG-Recht beruht insbesondere auf der EG- Dual-Use-VO (im folgenden kurz EG-VO), das deutsche AuSenwirtschaftskontrollrecht vor allem auf dem AuSenwirtschaftsgesetz (AWG) und dem KriegswaffenkontroUgesetz (KWKG). Teil der gemeinsamen Handelspolitik nach Art. 3 b EGV sind allgemeine Ausfuhrregelungen. Die Verordnung (EG) Nr. 3381/ 94, novelliert im Jahr 2000 die EG-Dualuse-VO wurde vom Rat der Europaischen Union beschlossen. Sie regelt die Ausfuhr von Waren aus der EG mit doppeltem Verwendungszweck. Was auf EG-Ebene nicht geregelt <?page no="624"?> 602 L Ausfuhrabfertigung werden konnte, ist nach wie vor im deutschen Recht verankert - Wissenstransfer, Dienstleistungen, Transitgescháfte, nicht-gelistete Giiter. In Deutschland sind Exportkontrollen im AulSenwirtschaftsgesetz (AWV) und der dazugehórigen AuEenwirtschaftvserordnung (AWV), im Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) 16 , dem Chemiewaffeniibereinkommen (CWU) 17 sowie einigen Normen des supranationalen Gemeinschaftsrechts verankert. Beschránkungen des Aufíenwirtschaftsverkehrs auf der Exportwie der Importseite sind móglich, • urn die Sicberheit der Bundesrepublik Deutschland zu gewáhrleisten (hierauf beruhen u. a. Handelsverbote fiir Waffen, Munition und Kriegsgerát), • um eine Stórung des friedlichen Zusammenlebens der Volker zu verhiiten, • um zu verhiiten, dafi die auswártigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich gestórt werden (auf diesen beiden Aspekten beruhen u. a. Embargos 18 gegen bestimmte Staaten), • zur Erfiillung zwischenstaatlicher Vertrage (beispielsweise um Importverbote im Rahmen des Washingtoner Artenschutzabkommens durchzusetzen) oder • zur Abwehr scbadigender Einwirkungen aus «fremden Wirtschaftsgebieten» auf die Wirtschaft, z. B. bei Wettbewerbsverzerrungen (u.a. kann Dumping mit Ausgleichszóllen begegnet werden), zur Abwehr schádigender Geld- und Kapitalzuflüsse (z. B. kann die Kreditaufnahme im Ausland <stillgelegt> werden, was derzeit nicht in Kraft ist) oder zur Sicherung des lebensnotwenigen Bedarfs (wenn theoretisch die Versorgung der eigenen Bevólkerung gefáhrdet wird; auch dies wird gegenwártig nicht praktiziert). Das bereits am 1.9.1961 in Kraft getretene AuKenwirtschaftsgesetz (AWG) gilt für alie «Gebietsansássigen», d. h. fiir alie Personen und Untemehmen mit Sitz im «Wirtschaftsgebiet», d.h. dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Es ist als Rahmengesctz konzipiert, auf dessen Ermáchtigungsgrundlage konkretisierende Rechtsverordnungen insbesondere die Aufienwirtschaftsverordnung (AWV) sowie zwei Zustándigkeitsverordnungen erlassen worden sind, welche das Aufsenwirtschaftsrecht konkret ausgestalten. Diese Konstruktion beruht auf der Ermáchtigung des Art. 80 GG, dal? Gesetze durch Rechtsverordnungen konkretisiert werden kónnen. Dies gewáhrleistet die erforderliche Flexibilitát, um die rechtlichen Bestimmungen ohne umstandliche Gesetzgebungsprozeduren nach Bedarf den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten anpassen zu kónnen, da nationale - Rechtsverordnungen (nicht zu verwechseln mit EG-Verordnungen, vgl. Abschnitt J-2) ohne prozeduale Verzógerungen von der Exekutive (d. h. von Regierungsbehorden) erlassen werden kónnen. Die teilweise sehr umstandliche und gestelzte Sprache des AWR ist vor dem Hintergrund der Teilung Deutschlands zu sehen. Auf der einen Seite war die DDR verfassungsrechtlich kein Ausland. Auf der anderen Seite muSten grenziiberschreitende Warentransaktionen mit der 16 Zwischen AWG und KWKG bestehen Überschneidungen. Allgemein aber ist das KWKG im Verhaltnis zum AWG als Spezialgesetz anzusehen. 17 Das CWU ist ein Abrüstungs- und Rüstungskontrollvertrag, der auf ein weltweites Verbot chemischer Waffen und die Vernichtung entsprechender Waffenbestande gerichtet ist. Das deutsche Ausfuhrungsgesetz und die Ausführungsverordnung zum CWÜ regeln u. a. die Genehmigungs- und Meldepflichten. 18 Vgl. zur sprachlichen Analyse Abschnitt L-6.4.1. <?page no="625"?> L-6. Exportkontrolle 603 DDR analogen Kontrollen unterworfen werden wie mit anderen Landern. Daher spricht das AWG z. B. nicht von Inland und Ausland, sondern von (eigenem) «Wirtschaftsgebiet» und «fremden Wirtschaftsgebieten», und nicht von In- und Auslandem, sondern von «Gebietsansássigen» und «Ansássigen fremder Wirtschaftsgebieten». Es gibt noch so ein paar sprachliche Knoten. Unabhángig davon bedeutete die Verabschiedung des AWG im Jahr 1961 einen gewaltigen Kurswechsel. Nach dem Zweiten Weltkrieg gait auch in der Aufienwirtschaft das Recht der Besatzungsmachte, das stark auf Kontrolle und Repression der deutschen Aktivitáten ausgerichtet war. Mit der Zunahme des Ost-West-Konflikts und der Aufnahme der Bundesrepublik in die Europáische Gemeinschaft ergaben sich jedoch stark veránderte Rahmenbedingungen, die sich auch im AWG niederschlugen. Sofern weder ein Verbotstatbestand, noch ein Ermachtigungsvorbeba.lt (Genehmigungsbediirftigkeit) vorliegt, ist die Warenausfuhr frei (Liberalismusprinzip). Diese Rechtsphilosophie erlaubt ist alies, was nicht verboten ist ist der Gegenpol zu der prinzipiell alternativen Rechtskonstruktion, wonach alies verboten ist, was nicht erlaubt ist (Verbotsprinzip): Dieses Prinzip gait allerdings im Zeitablauf aufgelockert durch eine Vielzahl allgemeiner Genehmigungen vom 19.9.49 an mit dem Gesetz Nr. 53 (Devisenbewirtschaftung und Kontrolle des Güterverkehrs) der amerikanischen Militarregierung Deutschlands (und gleichlautenden Gesetzen der britischen Militarregierung und des franzósischen Hohen Kommissars) bis zum Inkrafttreten des AWG im Jahre 1961 und prágte bis vor kurzem auch das US-amerikanische AuEenwirtschaftsrecht. Das amerikanische Aufienwirtschaftsrecht beruhte daher in sehr hohem MaEe auf Pauschalgenehmigungen, weil andernfalls der AuEenhandel zum Erliegen karne. Beide Rechtsphilosophien kommen folglich von verschiedenen Seiten kommend in der Praxis zu recht áhnlichen Handlungsspielráumen. Seit 1996 sind in den USA neue Ausfuhrbestimmungen in Kraft, nach denen zahllose Lizenzen oder Genehmigungen nicht mehr erforderlich sind, wenn sie nicht ausdriicklich in den neuen Bestimmungen verlangt werden. Der dominante Aspekt der deutschen und europáischen Exportkontrolle sind Beschrankungen, die sich auf bestimmte sensible Waren, Lander und Verwendungszwecke beziehen oder sich aus Handelsembargos der UN oder der EU ergeben. Exportverbote und Erlaubnisvorbehalte bestehen vor allem bei Waffen, Munition und Kriegsgerát, bei chemischen und biologischen Substanzen sowie bei Giitern, die sowohl zu militárischen ais auch zu zivilen Zwecken verwendet werden kónnen (sog. Dual-use-Güter). Die tatsáchlichen und móglichen Beschrankungen erstrecken sich auf Waren, Dienstleistungen, Technologien und den Geld- und Kapitalverkehr. PRAXISTIP Embargolisten muft der Exporteur selbst aktualisieren; er kann sich z. B. nicht auf den Stand im Internet verlassen, z. B. www.bafa.de oder www.un.org. In der EU sind viele Exportkontrollnormen harmonisiert worden, wobei klar ist, dafi eine Regelung im gemeinschaftlichen Konsens keine Maximalpositionen enthalten kann, sondern bestenfalls Kompromisse: In den Verhandlungen wollte Deutschland móglichst viel kontrollieren, die anderen EU-Partner móglichst wenig, geeinigt hat man sich auf ein mittleres Niveau. Neben supranationalen Urspriingen (UN-Embargo, EU-Recht) und inter nationalen Abkommen (z. B. dem Wassenaar-Abkommen), die in nationales Recht iiber- <?page no="626"?> 604 L Ausfuhrabfertigung nommen wurden, gibt es einige deutsche Besonderheiten, insbesondere hinsichtlich des zu kontrollierenden Lander- und Warenkreises, die restriktiver sind als in den Nachbarstaaten. Viele sprechen vom «Draufsatteln» im deutschen Exportkontrollrecht in Bezug auf das EG- Recht. Fiir deutsche Unternehmen ergeben sich daraus zusátzliche Kostenbelastungen und andere Wettbewerbsnachteile. Die Bundesregierung hat im Januar 2000 eine Neufassung ihrer «Politischen Grundsatze fiir den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern» herausgegeben. Sie enthált neben einigen redaktionellen Verbesserungen (auf die hier nicht eingegangen wird) auch neue Sachverhalte. Kriterien fur die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung sind danach die Einhaltung der Menscbenrechte im Empfángerland sowie die Gewaltpravention. Bescháftigungspolitische Gründe dürfen keine (ausschlaggebende) Rolle spielen. Wenn hinreichend Verdacht besteht, dafi zum Export anstehende Rüstungsgüter im Empfángerland zu interner Repression oder «zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen» benutzt würden, soil keine Ausfuhrgenehmigung erteilt werden. Um die Situation zu beurteilen, werden Berichte der EU, des Europarats, der UN, der OSZE sowie internationaler Menschenrechtsorganisationen berücksichtigt, wobei die Datenlage grundsátzlich immer als schwer zu erhárten anzusehen ist. Es soil zudem gesichert sein, daS die Rüstungsgüter im Empfángerland bleiben auch dies ist nur schwer kontrollierbar, auch wenn amtliche Endverbleibserklárungen aus dem Empfángerland einschliefslich Reexportverbot und Erlaubnisvorbehalt der deutschen Behórden vorliegen. Ein weiterer Beurteilungsgesichtpunkt ist, ob die nachhaltige Entwicklung des Empfángerlandes durch «unverháltnismáSige Rüstungsausgaben» beeintráchtigt wird auch dies ist kaum ein operationales Kriterium, ebensowenig wie das Verhalten des Empfángerlandes hinsichtlich des Terrorismus und der organisierten internationalen Kriminalitát, der Einhaltung internationaler Verpflichtungen oder der Übernahme eigener Verpflichtungen im Bereich der Rüstungskontrolle und Abrüstung. Die Bundesregierung muS jáhrlich einen Rüstungsexportbericht vorlegen. L-6.2. Kriterien für Exportbeschránkungen Die geltenden Exportbeschránkungen beziehen sich auf den Warenverkehr, auf den Knowhow-Transfer und auf den Dienstleistungsverkehr. Sie kónnen anknüpfen an der Art der Gutes, am Bestimmungsland oder der Verwendung des Gutes. L-6.2.1. Warenabhángige Beschránkungen Güter - und zwar neue wie gebrauchte 19 - , die in einer speziellen Ausfuhrliste (AL) enthalten sind, konnen grundsátzlich nur mit einer Ausfuhrgenehmigung ausgeführt werden, d. h. in alie Lánder, einschlielSlich der EU-Lánder (§ 5 AWV). Um dies vorwegzunehmen: Es gibt eine Vielzahl von Ausnahmen von der grundsátzlichen Genehmigungspflicht in Form von Allgemeinen Genehmigungen (Abschnitt L-6.5.3); andemfalls wiirde die Exportabfertigung zusammenbrechen. Aber auch der Export von Gütern, die nicht in der AL gelistet sind, kann genehmigungspflichtig sein, wenn bestimmte lánder- oder verwendungsabhángige Beschránkungen zutreffen; hierzu weiter unten. 19 Ob sich dies auch auf unfertige oder fehlerhafte Güter bezieht, ist rechtlich umstritten. <?page no="627"?> L-6. Exportkontrolle 605 Die Ausfuhrliste wird stándig an den Stand der Technik und den erkannten Kontrollbedarf angepafit (seit 1961 ist sie rund lOOmal geándert worden). Sie ist eine Anlage zur AuSenv/ inschzhsverordnung (Anlage AL). Die Einfuhrliste (vgl. Abschnitt K-l) ist hingegen eine Anlage zum AuSenwirtschaftsgeseiz; beide Listen kónnen durch einfache Rechtsverordnung geándert werden - und dies geschieht recht háufig - , haben also selbst den Charakter von Rechtsverordnungen. Wáhrend die Einfuhrliste alie nur denkbaren Waren umfaSt (Positivliste), enthált die Ausfuhrliste im Sinne einer Negativliste nur diejenigen Waren, deren Ausfuhr nicht frei, sondern genehmigungsbediirftig ist. Folglich ist die Ausfuhrliste trotz betrachtlichen Umfangs: fast 200 Druckseiten auch kürzer ais die Einfuhrliste. PRAXISTIPS Die Postanschrift des BAFA ist Postfach 5160, 65726 Eschborn. Auskünfte kónnen auch telefonisch (06196-908-0), per Fax (-908-800) oder per email eingeholt werden (poststelle@bafa.de). Unter www.bundesausfuhramt.de bzw. www.bafa.de stellt das BAFA aktuelle Informationen und wichtige Gesetzestexte im Internet bereit, u.a die AL, Auszüge aus AWG/ AWV, EG-Dual-use-VO, Allgemeine Genehmigungen und Merkblátter. Dort kann auch eine Kurzdarstellung «Exportkontrolle» heruntergeladen werden. Die Ausfuhrliste kann eingesehen werden unter www.bundesausfuhramt.de/ system/ downldc.html, Für die Güter, die in der EG-Dual-use-Verordnung enthalten sind, gibt es ein alphabetisches Verzeichnis, welches den betreffenden Gütern die jeweilige Position in der Ausfuhrliste zuordnet. Diese Hilfestellung erleichtert das Umgehen mit der im wesentlichen nach technischen Gesichtspunkten gegliederten Ausfuhrliste. Das Stichwortverzeichnis kann im Internet abgerufen werden: http/ / : europa.eu.int/ eur-lex/ index.html. In einem speziellen Umschlüsselungsverzeichnis, das beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn oder beim Verlag Metzler-Poeschel, Stuttgart, bezogen werden kann, wird für jede Warennummer aus dem Warenverzeichnis für die Auftenhandelsstatistik angegeben, ob und welche Positionen der Ausfuhrliste eingreifen kónnten (www.bundesausfuhramt.de/ vorschri/ al/ aLstiwo.html). 20 Das Umschlüsselungsverzeichnis sowie das Stichwortverzeichnis für Teil I der Ausfuhrliste sind keine Rechtsquellen; maftgeblich ist immer die Ausfuhrliste. Für eine vertiefende Beschaftigung mit der Materie und vor allem für die unternehmerische Praxis bietet sich das vom BAFA herausgegebene Handbuch der Deutschen Exportkontrolle - HADDEX an. Es kann als Loseblattsammlung vom Bundesanzeiger- Verlag bezogen werden. Anderungslieferungen im Rahmen eines achtbis zehntagigen Schnelldienstes halten das Werk leidlich aktuell. Verschiedene Institutionen bieten einschlágige Schulungsseminare zur Aultenwirtschaftskontrolle an, u.a. die Exportakademie Baden-Württemberg/ FH Reutlingen mit ihren SEFEX-Lehrgángen (Seminare für die exportierende Wirtschaft) und zahlreichen Zoll- und AuBenwirtschaftsseminaren. Auch: wvvTy.bundesausfuhrarnt.de/ bekarmtm/ urnschl/ umschv.html. <?page no="628"?> 606 L Ausfuhrabfertigung Die Ausfuhrliste wird jeweils kurz vor Inkrafttreten von Ánderungen als Beilage zum Bundesanzeiger veróffentÜcht. Exporteure sollen damit Gelegenheit haben, sich rechtzeitig auf Ánderungen einzustellen und z. B. in ihre eigenen Computersysteme einzuarbeiten. Die AL besteht aus zwei Teilen, wovon jedoch nur Teil I relevant ist. 21 Dieser wiederum gliedert sich in drei Unterabschnitte: • Teil A ist die Liste fur Waffen, Munition und Riistungsmaterial, • Teil B enthált nur einige wenige Giiter, u. a. FuEfesseln, Daumenschrauben, Elektroschock- und andere Foltergeráte, stellt also im wesentlichen auf Giiter zur Mifiachtung der Menschenrecht ab (Abb. L-6/ 2), • Teil C ist die sog. Dual-use-Liste, eine Liste von sensiblen Waren, Software und Technologien, die sowohl zivilen ais auch militárischen Zwecken dienen kónnen. Teil C ist der umfangreichste Teil der AL. Er entspricht der Warenliste der EG-Dual-Use-Verordnung (VO) 22 , ergánzt durch einige nationale Sonderpositionen. 23 . . . . , , _ ., -, ., „ Einige der vom Abschnitt I A und C er- Abb. L-6/ 2: AL - Teil B to va <• -it. faisten Kriegswaffen unterhegen zusatzlich IT '4-'\ T? Genehmigungspflichten nach dem KWKG KritlK an JiXpOIt ( d u r c h d a s B MWi) (Entwicklung, Herstel- VOn FolterwerkzeUgen l u n g , Beforderung, In-den-Verkehr-Brinfeb. BERLIN. 26. Februar. Der internagen), so dag dann zwei getrennte Getionale Handel mit Folterwerkzeugen nehmigungen einzuholen sind (BAFA, nimmt weiter zu. Nach einem am Montag RMWH vorgelegten Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International ist Das EG-Recht kennt keine Wertgrenzen die Zahl der Firmen, die Elektroschock- und keine Befreiungen von der Genehmigerate herstellen oder vertreiben, in den g u n g S pfli c ht, im Gegensatz zum deutschen vergangenen Jahren drastisch gestiegen. ° r~ , . , , ., , Darunter befinden sich auch zahlreiche R e c h t > b e l d e m unterhalb bestimmter deutsche Unternehmen; die deutliche Wertgrenzen keine Ausfuhrgenehmigun- Mehrzahl der Elektroschockgerate wird g e n z u beantragen sind. Allerdings ist es aber in den Vereinigten Staaten herge- ... . , , . . ., w , steUt. Entsprechend háufiger ais früher unzulassig, durch Aufteilen von Warenkommen diese vergleichsweise raffiniersendungen die Wertgrenzen zu unterschreiten (Stiickelungsverbot). Nach § 4 AWV gelten solche Teilgescháfte als einheidiches Rechtsgescháft. Im Gegensatz zum deutschen Recht enthált das EG-Recht keine Verbote, sondern nur Genehmigungsvorbehalte, weil hieriiber keine Einigung der Mitgliedstaaten zu erreichen war. Viele Dual-use-Giiter des Teils C sind bereits als Kriegsmaterial in Teil A gelistet (z. B.als «gun driller» bezeichnete Hartmetallbohrer), auch einige, die vollstándig aus zivilen Bestandteilen bestehen, die man praktisch in jedem Baumarkt kaufen kann. So manches Gut ist aufgrund unvorhergesehener Verwendung in die AL aufgenommen worden, so z. B. Gleitfallschirme und Gleitdrachen, mit denen von den Golan-Hóhen aus Angriffe auf israe- 21 Teil II bezieht sich auf Genehmigungs- und Qualitáts-Kennzeichnungspflichten beim Export von bestimmten Waren pflanzlichen Ursprungs. 22 Anhang I der EG-VO 1334/ 2000. 23 An der 900er-Kennung der Warennummer erkennbar. <?page no="629"?> L-6. Exportkontrolle 607 lische Einrichtungen gefuhrt wurden. Natürlich ist nun nicht jeder Gleitschirm genehmigungspflichtig, sondern nur beim Export in bestimmte Lander. Auch fur ein Verbringen innerhalb der EU kann eine Exportgenehmigung erforderlich sein: bei in der AL gelisteten Gütern, insbesondere Rüstungsgütem, bestimmten sensitiven Giitern (Raketenantriebe, Tarntechnologien, Anlagen fiir Isotopentrennung, Mikroorganismen, Toxine, Erreger etc.) sowie Dual-use-Giiter, wenn sie in sog. K-Lánder (vgl. unten) und eine Reihe anderer Lander weitergeliefert werden sollen (§ 7 AWV, Art. 19, 21 EG-Dual-use-VO) und fiir die Direktausfuhr keine Allgemein- oder Globalgenehmigung erteilt ist. Bei nicht gelisteten Giitern ist eine Genehmigung erforderlich, wenn das endgiiltige Bestimmungsland aufierhalb der EU liegt und eine Direktausfuhr genehmigungspflichtig ware. Beispielsweise kónnen Folterinstrumente genehmigungsfrei nach Frankreich geliefert werden, sofern der Verbringer keine Kenntnis von einer Weiterausfuhr hat. PRAXISTIP In innergemeinschaftliche Liefer- und Kaufvertráge sollte bei potentiell genehmigungspflichtigen Waren ein Hinweis auf die Genehmigungspflicht beim Weiterverkauf aufgenommen werden. Genehmigungspflichtig ist ggf. auch der Transithandel, bei denen die betreffenden Waren physisch gar nicht das Gebiet Deutschlands beriihren, beispielsweise wenn auf Veranlassung eines deutschen Untemehmens eine gelistete Ware aus den USA in ein Land aufierhalb der OECD (z.B. Bolivien) geliefert werden soil (§40 AWV) (Abb. L-6/ 3). Gleichermafien wird hinsichtlich der Genehmigungspflichten nicht differenziert zwischen voriibergehender oder endgültiger Ausfuhr oder originárer bzw. Wiederausfuhr; alie diese Transaktionen unterliegen denselben Vorschriften. In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff der Re-Exportgcnchmigung zu kláren: Hierunter ist nicht die Genehmigung zur Wiederausfuhr einer Ware nach erfolgter Einfuhr nach Deutschland zu verstehen (so wie beim zollrechtlichen Re- Export-Begriff), sondern die Zustimmung des BAFA zur Weiterlieferung von mit Ausfuhrgenehmigung ausgefiihrten - Waren aus dem bisherigen Bestimmungsland in ein anderes. Wie die Praxis zeigt, gibt es diesbezüglich dieses Erlaubnisvorbehalts nur sehr wenig Antráge, woraus man schliefien kann, dai? sich nur sehr wenige Empfánger(lánder) um die eingegangenen Endverbleibsverpflichtungen kiimmern, zumal das BAFA ihnen gegeniiber keinerlei Sanktionen verhángen kann. Abb. L-6/ 3: Transit, Durchfuhr Transit Durchfuhr aktiv Aland f 9 l V9 passiv <>» 09 Inland Benesien Aland > - \\ Benesien \ Inland (^) = Ablader <?page no="630"?> 608 L Ausfuhrabfertigung PRAXISTIP Es ¡st gangig, daft bei Baustellen im Ausland Waren als Bezahlung angenommen und im Land weiterverkauft werden oder daft Ausrüstungen und Geráte nach Bauende im Ausland verkauft werden. Auch hier sind dieselben Genehmigungspflichten zu beachten. Die Besrimmungen des Exportkontrollrechts sind recht weitgehend: • Eine Ware unterliegt bereits dann den Beschránkungen, wenn eines ihrer Bestandteile in der Ausfuhrliste angefiihrt ist, • und umgekehrt, wenn eine Ware, die selbst nicht in der Liste steht, Spezialteil ist fur eine andere, in der Liste geführte Ware, gilt die Exportbeschrankung ebenfalls. • Analog ist auch die Ausfuhr der Unterlagen genehmigungspflichtig, die zur Herstellung gelisteter Waren erforderlich sind, z. B. technische Zeichnungen, Blaupausen, Entwürfe etc. (§ 5 AWV). (Bet Angebotsunterlagen beachten! ) • Auch Dienstleistungen von Bundesbiirgern (Handlungen, Beratung und Ausbildung z. B. bei Entwicklung, Herstellung, Erprobung, Wartung, Montage etc.) sind genehmigungspflichtig im Zusammenhang mit der Entwicklung und Herstellung von Waffen, Munition und Kriegsgerát (AL-I A) (z. B. Ausbildung oder Beratung), insbesondere bei Raketenprojekten und kerntechnischen Anlagen in bestimmten Lándern (§ 45ff. AWV). • Auch die Weitergabe oder Transfer von «nicht allgemein zugánglichem» (d. h. i.d.R. nicht publiziertem) Know-how und Technologien (Wissenstransfer, incl. Software und Wartung) ist genehmigungspflichtig sei es als hard copy, per email, Fax oder am Telefon, durch Vortráge bei Fachkongressen oder bei Schulungen im In- oder Ausland, also miindlich (§§4b, 45ff. AWV) (nicht-korperliche Ausfuhr). Die Genehmigungspflicht besteht allerdings nur dann, wenn der <Ausführer> vom BAFA unterrichtet wurde, da£ der beabsichtigte Transferzweck genehmigungspflichtig ist. 23a Achtung: Dies gilt bei Deutschen auch dann, wenn sie nicht in Deutschland ansássig sind. Hier ist ein hohes MaS an Unkenntnis (und auch Unverstandnis) hinsichtlich der bestehenden Kontrollvorschriften festzustellen, vor allem im Hochschulbereich bei Symposien, Vortrágen sowie Betreuung von Gastwissenschaftlern, Diplomanden, Doktoranden und Habilitanden. Pauschal láSt sich sagen, daS die Ausfuhr von Technologie und Software (mit grower Wahrscheinlichkeit) genehmigungspflichtig ist, wenn sie sich bezieht auf Rüstungsgüter, Güter fur den Nuklearbereich, für den (auch zivilen) Flugkorperbereich und die übrigen Güter des Abschnitts C der Ausfuhrliste. VerstóíSe d. h. ungenehmigte Weitergabe «nicht allgemein zugánglichen» Know-hows kónnen als Ordnungswidrigkeiten mit GeldbuSen bis 1 Mio. DM oder sogar als Straftaten mit Freiheitsstrafen bis zu fiinf Jahren geahndet werden (SS 33, 34 AWV) (Abb. L-6/ 4). 24 • Eine besondere Problematik entwickelt sich gegenwártig im Bereich der sog. Kryptographie 25 -Technologien, die zur Verschliisselung also auch zur Sicherung von Daten die- 23a Sog. «Friihwarnungen» sind keine Unterrichtung, da diese direkt und explizit an die Gescháftsleitung des Exporteurs gerichtet sein muí? . Hieraus ergeben sich oft interne Weiterleitungsprobleme. 24 Das BAFA stellt im Internet ein Merkblatt über die Genehmigungspflicht von Wissenstransfer bereit: www.bafa.de. 25 Veránderung einer lesbaren Information in eine Form, die nur «Schliisselbesitzern» erlaubt, die Information zu lesen. <?page no="631"?> L-6. Exportkontrolle 609 A b b . L - 6 / 4 : AUSSENWIRTSCHAFT / Irak-Geschafte Haftstrafe für illegale Rüstungsexporte Waffenexporteur erhielt Haftstrafe Bayerischer Unternehmer lieferte dem irakischen Regime Raketenteile nen, wobei in bestimmten Fallen auch innerhalb der EU eine Genehmigung zur Weitergabe erforderlich ist. Waren, die nicht gelistet sind, konnen unbeschrankt in jedes beliebige Land ausgefiihrt werden, es sei denn, daS fur dieses Land oder im Hinblick auf eine militarische oder andere Verwendung eine Beschránkung gilt (vgl. unten). Nach dem Basler Ubereinkommen iiber Miillexporte ist die Ausfuhr von Abfall in Lander auEerhalb des EWR genehmigungspflichtig. Miillexporteure miissen zudem Sicherheiten leisten, damit ggf. der Riicktransport illegal exportierten Mulls gesichert ist. EXKURS Das Einordnen von Waren in die Ausfuhrliste (Klassifizieren) steht an Komplexitát der Tarifierung im Zolltarif kaum nach und erfordert analog sehr extensive und intensive Warenkenntnisse. Die Kodierung der Waren in der AL enthált Zahlen und Buchstaben, die sich aus Warenkategorien, -gattungen und -kennungen ableiten. Zum Beispiel erfaftt IC002 Hochleistungslegierungen, 2B001 / 201 CNC-Werkzeugmaschinen, 3A002 Elektronische Geráte für allgemeine Zwecke oder 2D101 Software, ausschliefMich entwickelt für die Verwendung von Ausrüstung. Hinzu kommen Hinweise auf den jeweiligen Kontrollgrund (z. B. N = nuclear, M = missile, W = Wassenaar, d. h. dual use). Die Anmerkungen und Erláuterungen in der AL kónnen sich über mehrere Seiten erstrecken. Diverse Begriffe sind von zentraler Bedeutung; einige werden in der AL bzw. der AWV definiert, andere nicht, z. B. «besonders konstruiert», «Spezialteil» oder «fester Einbau». Dies beeintrachtigt die Rechtssicherheit. In der Praxis behelfen sich manche Unternehmen mit informellen Definitionen, die ohne Rechtsverbindlichkeit mit dem BAFA <abgestimmb wurden. L-6.2.2. Lánderabhángige Beschránkungen Lánderabhángige Ausfuhrbeschránkungen konnen auf Beschlüssen des UN-Sicherheitsrates beruhen, der zahlreiche Teil- oder Total-Embargos verhángt hat 26 (u. a. diverse Waffenembargos) (Abb. L-6/ 5). 27 Totalembargos verbieten insbesondere (am Beispiel des Irak-Embargos): 16 Zitat eines Exporrveranwortlichen: «Embargos kommen und gehen, das Exportkontrollrecht bleibt bestehen.» 27 Gegen den Irak besteht ein Totalembargo. Das 1992 verhángte Handelsembargo (nicht das Waffenembargo) gegen Serbien/ Montenegro wurde am 22.11.1995 ausgesetzt. Für die heute selbstándigen Republiken Bosnien/ Herzegowina, Kroatien, Mazedonien und Slowenien besteht ein umfassender Genehmigungsvorbehalt für militarische Ausrüstungen aller Art. Teilembargos bestehen auch gegen Áthiopien/ Eritrea, Angola, Armenien, Aserbaidschan, China, Liberia, Lybien, Myanmar (Burma bzw. Birma), Nigeria, Ruanda, Somalia, Sudan, Syrien, Zaire. Vgl. die zahlreichen Bestimmungen in der AWV. <?page no="632"?> 610 L Ausfuhrabfertigung • die Einfuhr von Giitern aus dem Embargoland, • die Ausfuhr von Giitern in das Embargoland, • jede Tátigkeit, die das Ziel oder die Wirkung hat, verbotene Ein- und Ausfuhren zu fórdern, • die Erbringung von Dienstleistungen, die eine Forderung der Wirtschaft des Embargolandes bezwecken oder bewirken, • Zahlungen im Zusammenhang mit verbotenen Handelsgescháften. Im Einzelfall kann die Ausfuhr folgender Güter und Erzeugnisse genehmigt werden: • Erzeugnisse, die ausschliefilich fiir medizinische Zwecke bestimmt sind, • Nahrungsmittel (die Zustándigkeit hierfiir liegt bei der Bundesanstalt fur Landwirtschaft und Ernáhrung, BLE) • Güter und Lieferungen fiir die notwendigen Bediirfnisse der Zivilbevolkerung. Abb. L-6/ 5: UN-Embargo Sicherheitsrat verhángt Waffenembargo gegen Belgrad China enthalt sich der Stimme / Kufiland auBert Bedenken / Kosovo-Albaner begruBen die Resolution EU-AuBenminister beschlieBen Sanktionen gegen Belgrad Verscharfung des UN-Embargos gegen Serbien und Montenegro Teilembargos beziehen sich meist auf die (Nicht-)Lieferung von Riistungsgiitern und damit in Zusammenhang stehender Waren aller Art sowie oft auf bestimmte, lánderspezifische Waren, z. B. im Falle Angolas Mineralole, Mineralolerzeugnisse der Bergbauausrustungen, Wasser- und Kraftfahrzeugen sowie auf das Verbot der Einfuhr von Diamanten aus Sierra Leone (Abb. L-6/ 6) 28 ; im Falle der Bundesrepublik Jugoslawiens und der Republik Serbiens erfolgte eine Beschrankung des Flugverkehrs, und die Auslandsguthaben wurden eingefroren 29 ; weitere Teilembargos (teilweise stark reduziert) bestehen gegen Libyen, Haiti, Indo- Abb. L-6/ 6: Teilembargo Weltsicherheitsrat verbietet Handel mit «Blutdiamanten» Edelsteine aus dem Burgerkriegsland Sierra Leone diirfen vorerst nicht mehr verkauft werden Herkunftszertifikat für Diamanten beschlossen 28 Um den Handel mit sog. Blutdiamanten zu unterbinden, mit denen sich Rebellen u. a. in Sierra Leone und Angola Einnahmen verschaffen, haben sich Diamantenhandler aus 20 Landern darauf verstándigt, einen Herkunftsnachweis zu verlangen. 29 Im Oktober 2000 wurden die Embargomafinahmen nach den Prásidentschaftswahlen in der Bundesrepublik Jugoslawien weitgehend aufgehoben bzw. so modifiziert, dafi sie sich nur noch gegen den Milosewic-Clan und von diesem kontrollierte Unternehmen richten. Das Waffenembargo sowie das Ausfuhrverbot fiir bestimmte Dual-use-Giiter, die terroristischen Aktivitáten oder Repressionen dienen, bleiben bestehen. <?page no="633"?> L-6. Exportkontrolle 611 nesien und Bosnien/ Herzegowina; gegen zahlreiche Lander bestehen Waffenembargos. 30 Hinzu kommen Lander der sog. Lánderliste K, fur die nach deutschem Recht Beschránkungen bestehen. (Vgl. unten. Siehe auch den Exkurs zum Embargo in Abschnitt L-6.4). L-6.2.3. Verwendungs- und empfángerabhángige Beschránkungen Der Export von Dual-use-Giitern ist nicht a priori ein verwerfliches Unterfangen, denn es handelt sich meist um technisch hochentwickelte Güter, die auch den hohen Technologiestandard Deutschlands widerspiegeln. Allein ihre Náhe zu Rüstungsgütern macht es erforderlich, ihre Verwendung Kontrollen zu unterwerfen. Um eine übermáfiige Ausweitung von Listen genehmigungspflichtiger Güter vermeiden und den gewerblichen Warenverkehr nicht übermáfig zu belasten, wurden sog. Catch-all-Khuseln (Sammelklauseln) entwickelt, die auf bestimmte Verwendungszwecke oder Empfánger ñicht-gelisteter Giiter abstellen: Der Export von Giitern, die nicht in der AL oder im Anhang I zur EG-Dual-use-VO gelistet sind, in ein Land der Lánderliste K 31 ist genehmigungspflichtig, wenn die Ausfuhrgiiter in konventionelle Rüstungsgüter eingebaut werden soil (beispielsweise ein Getriebe, das in einen Panzer eingebaut werden soil) oder sie fur die Errichtung und den Betrieb von Anlagen bestimmt ist, in denen Rüstungsgüter produziert, modernisiert oder gewartet werden (§ 5c AWV), z. B. eigentlich <zivile> Türklinken oder Wasserrohre. Ebenso gilt dies bei nichtgelisteten Waren zur Verwendung in zivilen Atomkraftwerken und kemtechnischen Anlagen i.w.S. in bestimmten Lándern 32 (§ 5d AWV), in Chemieanlagen und fur die Luftbetankung in Libyen. Die Genehmigungspflicht gilt auch - und dies ist oft unbekannt fur eine Verbringung in ein EU-Land, wenn die betreffende Ware von doit aus in ein K-Land weitergeliefert werden soil. Allgemein gilt, da£ bereits die Verbringung innerhalb der EU mit anschlieEender Ausfuhr genehmigungspflichtig ist, wenn die Direktausfuhr genehmigungspflichtig ware. 30 In der AWV werden diese Embargos i.d.R. durch Buchstaben-Paragraphen eingefiigt, bspw. § 69 j AWV beziiglich Afghanistan. 31 Die Lánderliste K umfaGt (Ende 2000) nur noch sechs Lander: Iran, Kuba, Libanon, Mosambik, Nordkorea, Syrien. Gleichzeitig wurden Afghanistan, Angola, alie Nachfolgestaaten im Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, Libyen, Irak, Myanmar (Burma/ Birma) und Somalia gestrichen, weil gegen diese Lander bereits ein internationales Waffenembargo besteht und dadurch bereits vom EG- Exportkontrollrecht erfafit werden. Anderungen der Lánderliste K werden im Bundesgesetzblatt veróffentlicht; Auskunft kann auch das Bundesausfuhramt (BAFA) in Eschborn geben. - Die Bezeichnung der (deutschen) Lánderlisten mit Buchstaben erfolgt zeitlich fortlaufend und hat keine inhaltliche Bedeutung. Ein einmal benutzter Buchstabe wird nicht mehr verwendet. Beispielsweise war die Lánderliste H ein Vorláufer der heutigen Lánderliste K; der Buchstabe H wird als Listenbezeichnis zunáchst nicht mehr verwendet werden. Die frühere Liste L (heute Anhang II zu Teil 3 der EG-VO) war eine Positivliste fur Lander mit vergleichbarem Exportkontrollniveau wie die EU. 32 Eigentlich 10 Lánder, aber zeitgleich mit der Einführung des §5 d AWV wurde die Allgemeine Genehmigung Nr. 5 erlassen, die den Kontrollbereich bei zivilen kemtechnischen Anlagen wieder einschránkte. Eine lückenlose Kontrolle besteht nur noch fur Irak, Iran, Nordkorea und Pakistan, wobei in der Praxis fur diese Lander keine Genehmigungen erteilt werden. <?page no="634"?> 612 L Ausfuhrabfertigung PRAXISTIP Grundsatzlich sollte man sehr vorsichtig sein be¡ Exportgeschaften mit einem Partner in einem eigentlich <harmlosen> Land, wenn dieser deutlich seine Sympathie für eine Partei in einem Krisengebiet erkennen láRt. Die Gefahr besteht, daft der Sympathisant Waren weiterverkaufen kann - und dann wird es dem Erst-Exporteur nicht immer leichtfallen nachzuweisen, daft er keine «positive Kenntnis» davon hatte. Im Zweifel sollte man dann vielleicht auf ein Gescháft verzichten. Die Philosophic des deutschen § 5c AWV konnte nicht in der EG-Dual-use-VO verankert werden, insbesondere, weil man sich nicht auf eine Liste sensibler Lander einigen konnte. Art. 4 der EG-VO enthált lediglich als Catch-all-Khuse\ eine Genehmigungspflicht fur Giiter im Zusammenhang mit ABC-Massenvernichtungswaffen und Trágersystemen. Bei ABC-Waffen erstreckt sich die Bestimmung auf die Verwendung der betreffenden Giiter fur Entwicklung, Herstellung, Umschlag, Handhabung, Warning, Lagerung, Ortung, Identifizierung oder Verbreitung dieser Waffen. Diese umfassende Auflistung láSt kein Schlupfloch, um einer Genehmigungspflicht zu entgehen. Bei Trágersystemen hingegen wird nur auf Entwicklung, Herstellung, Warning und Lagerung abgestellt. Voraussetzung ist allerdings, dafi der Ausfiihrer 33 durch seine Ausfuhrbehórde in Kenntnis gesetzt worden ist (siehe oben) oder von sich aus weifi, da£ die Exportware fur die erwáhnten Verwendungszwecke in einem Land der Lánderliste K bestimmt ist. Juristischer gesprochen: Er mul? «positive Kenntnis» haben; es reicht nicht aus, daf> der Ausfiihrer diese Kenntnis haben konnte oder miiSte. Es besteht also keine «Forschungspflicht». Die oben erwáhnten Friihwarnungen sind zwar formal keine «Kenntnis», doch diirfte es sehr riskant sein, sie aus diesem Grund zu ignorieren. Der entsprechende strafrechtlich erforderliche - Nachweis dieses «Wissens» ist natiirlich nicht einfach, ergibt sich jedoch manchmal aus der Firmenkorrespondenz. BMWi und BAFA veróffentlichen Frühwarnhinweise über Lander und Importeure, die zu exportrechtlichen Bedenken AnlaE geben. Beispielsweise wurde im Februar 2001 gleichzeitig auf China, Dubai, Indien, Irak, Iran, Libyen, Nordkorea, Pakistan, Rutland, Sudan und Syrien hingewiesen. Dies bedeutet ein internes Organisationsproblem: «Wie haben wir Kenntnis, ob wir Kenntnis haben? ». Es kann sinnvoll sein, wenn sich der Exporteur die zivile Nutzung vom Importeur schriftlich bestátigen láEt. Zu iiberlegen ist aber, wieviel kriminalistischen Aufwand ein Exportunternehmen betreiben mufi, um seinen Kundenkreis nach schwarzen Schafen zu durchleuchten. Entsprechende Riickfragen beim Importeur beziiglich der Verwendung kónnen zudem zweischneidig sein: Auf der einen Seite dienen sie der Klárung des Sachverhalts, auf der anderen Seite belegen sie Zweifel des Ausführers, was durchaus gegen ihn verwendet werden kann, wenn er letztlich ohne eigentlich erforderliche Genehmigung dann doch <einfach so> exportiert. 33 Im Unterschied zum Zollrecht, das vor allem auf die Festlegung der zustándigen Zollstelle abstellt, ist für den Status als Ausfiihrer im AuSenwirtschaftsrecht ausschlaggebend, wer die Versendung der Giiter tatsáchlich bestimmt (anordnet) («Gescháftsherrentheorie»). Wenn ein Deutscher Ware an einen Schweizer verkauft und diese im Auftrag des Schweizers in die USA ausliefert, ist der Deutsche der Ausführer. Inlándische Zulieferer kónnen als «Fórderer» Tatbeteiligte werden. <?page no="635"?> L-6. Exportkontrolle 613 BEISPIEL 1 Wenn aus Deutschland ein gelándegángiger PKW nach Syrien ausgefiihrt werden soil, ergeben sich folgende Prüfschritte: • 1st das Fahrzeug in der Ausfuhrliste enthalten ? (nein: grundsátzlich keine Genehmigung erforderlich), • 1st das Empfangerland aber in der Lánderliste K enthalten ? (ja: Genehmigungspflicht bei nicht-ziviler Verwendung), aber: • Hat der Ausführer dabei Kenntnis von geplanter rüstungstechnischer Verwendung ? (nein: keine Genehmigung erforderlich). Ergebnis: Hier ist keine Ausfuhrgenehmigung erforderlich. BEISPIEL 2 Angenommen, das o. a. Fahrzeug wird in Deutschland mit einer Dachluke und einer Halterung für ein schweres Maschinengewehr ausgestattet. Prüfschhtt 1 führt zur Genehmigungspflicht, weil ein derartiges Fahrzeug in der AL aufgefiihrt ist. Dies gilt auch für den Verkauf innerhalb der EG (! ), wenn eine anschlieltende Ausfuhr nach Syrien bekannt ist, um etwaigen Umwegimporten über Lander zu begegnen, deren Ausfuhrrestriktionen weniger strikt sind. Bei Embargowaren wurde eine Verschárfung der Endverbleibskontrollen bei vorgenommen, um Umwegimporte zu unterbinden. Ausfuhrgenehmigungen kónnen i.d.R. beim BAFA in Eschborn beantragt werden. L-6.3. Erleichterungen und Vereinfachungen Das relativ breite und dichte Netz von Ausfuhrbeschránkungen würde in der Praxis zu einer Lahmung der Exportwirtschaft fiihren, wenn es nicht diverse erleichterte Verfahren und zahlreiche Allgemeine Genehmigungen gábe, die individuelle Genehmigungen überflüssig machen (vgl. Abschnitt L-6.5.3). Die meisten Befreiungstatbestánde setzen allerdings eine nichtkommerzielle Ausfuhr voraus und gelten nicht für einen groEen Teil der Güter des Teils I der Ausfuhrliste (Embargogüter); teilweise sind es sehr spezielle Falle (z. B. Erbschaftsgut oder Briefmarken zu Tauschzwecken). Obgleich in der Regel mit der Genehmigungsbefreiung auch Verfahrensvereinfachungen verbunden sind (z. B. Befreiung von der Gestellungs- und Anmeldepflicht), miissen befreite Ausfuhrsendungen auf Verlangen der Ausgangszollstelle doch gestellt werden, um eine Überprüfung vornehmen zu kónnen. L-6.4. Exkurs: Boykott und Embargo (am Beispiel des Golfkriegs) L-6.4.1. Begriffsabgrenzung Der Begriff Boykott geht zuriick auf den englischen Gutsherrn Charles Boycott, der wegen seiner Übergiffe und Harte gegen irische Páchter um 1880 zur Auswanderung aus Irland gezwungen wurde: Privater Inititative gelang es, dafi Gescháftsleute keine Gescháfte mehr mit ihm tátigten, ihn seine Arbeiter verlieEen und jeglicher gesellschaftliche Verkehr mit ihm zum Erliegen kam. AuSenwirtschaftlich gesehen ist ein Boykott ein auf privatwirtschaftlicher <?page no="636"?> 614 L Ausfuhrabfertigung Ebene organisierter, vorrangig ¿wiportorientierter Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen zu einem Staat, z. B. in der früheren Vergangenheit ein Boykott siidafrikanischer Orangen seitens der Verbraucher wegen der Apartheitspolitik Siidafrikas. Eines der jiingsten Beispiele ist die von Greenpeace gegen den Shell-Konzem initiierte Kampagne gegen die beabsichtige Versenkung der von Shell und Esso gemeinsam betriebenen Olplattform Brent Spar in der Nordsee im Jahr 1995, die zu so massiven Umsatzeinbrüchen des Shellkonzerns vor allem in Deutschland gefiihrt hat, daft das Unternehmen letztlich einlenkte. (Spáter stellte sich heraus, dai? die von Greenpeace vorgebrachten Anschuldigen nicht zutrafen. Die Kampagne richtete sich zudem nur gegen Shell und lieS Exxon ungeschoren, das die Plattform auch benutzte.) Eine analoge, wenn auch anders gelagerte Kampagne richtete sich gleichfalls 1995 gegen die franzósischen Atomwaffenversuche auf dem Mururoa-Atoll mit dem Ziel des Boykotts franzosischer Konsumgiiter (Abb. L-6/ 7). Analog kann es natürlich auch privatwirtschaftlich organisierten Ausfuhrboykott geben, indem Exporteure bestimmte Kunden bzw. Lander nicht beliefern. Abb. L-6/ 7: Boykott Aufruf zum Kaufboykott deutscher Produkte Massachusetts will Unternehmen fur ihr Engagement in Birma strafen BRÜSSEL, 16. November (Reuters). BMW, Siemens oder die Westdeutsche Landesbank konnen in Massachusetts nicht auf gute Gescháfte hoffen. Zusammen mit 229 anderen Unternehmen stehen sie auf der schwarzen Liste des amerikanischen Bundesstaats, die jeder im Internet nachlesen kann. Sie alie haben Gescháftsbeziehungen mit Birma, einem Land, dessen Militárregierung Menschenrechtsverletzungen vorgeworf en werden. Auch im Handel mit arabischen Lándern ergeben sich Boykottprobleme. Ein Exporteur darf aus der Sicht des arabischen Importlands keine Handelsbeziehungen zu Israel pflegen und rnufi dies oft in einer Erklárung versichern und sich somit dem Boykott der arabischen Lander anschliefsen (dies bezeichnet man ais Sekundár-Boykott); andernfalls werden die Waren im Importland nicht abgefertigt. Syrien führt eine schwarze Liste mit Exporteuren. Ein B/ íJcé-Lí'sí-Zertifikat («Persilschein») wird Exporteuren von den Konsulaten der Importlander im Exportland ausgestellt. Zusátzlich ist eine Erklárung erforderlich, dafi die Exportware nicht aus Israel stammt (vgl. unten). Dies wiederum bringt den Exporteur in eine schwierige Lage, denn die Bundesregierung hatte 1992 in internationalem Alleingang die Abgabe von Boykotterklárungen verboten, die nicht auf deutschem oder supranationalem Recht beruht (Abb. L-6/ 8). Analog kann die Beteiligung an US-amerikanischen Boykotts als Verstoi? gegen § 70 Abs. 5 AWV mit BuEgeld belegt werden (vgl. unten). 15 Stádte und Regionalverwaltungen haben bereits Verordnungen verabschiedet, um in Birma tátige Unternehmen von offentlichen Auftrágen auszuschlieBen. Vier Bundesstaaten bereiten á h n liche Gesetze vor. Und nicht n ur das: In der Vorbereitung sind auch Gesetze zum Boykott von Landern wie Nigeria, Tibet oder Indonesien. <?page no="637"?> L-6. Exportkontrolle 615 Abb. L-6/ 8: Boykotterklárungen bleiben im Aufienhandel unzulássig Die Bundesregierung fürchtet keinen Zusammenbruch des Geschafts mit Arabien / «Pragmatische Lósungen» Entsprechende Erklárungen in Handelsdokumenten oder Akkreditiven sind unzulássig - und Zuwiderhandlungen kónnen ais Ordnungswidrigkeiten geahndet werden -, insbesondere • Erklárungen zu direkten oder indirekten Gescháftsbeziehungen mit einem bestimmten (boykottierten) Staat (eine solche Erklárung darf auch nicht fur Visazwecke fur eine Gescháftsreise abgegeben werden), • negative Ursprungserklárungen, mit denen der Lieferant versichert, daS die Ware bzw. Teile davon nicht aus einem boykottierten Land stammen, • Black-List-Klauseln, mit denen erklárt wird, dal? die Ware nicht von einem Unternehmen einer Schwarzen Liste stammt oder der Exporteur keine Gescháftsbeziehungen zu einem solchen Unternehmen unterhált oder das Exportunternehmen nicht in der Black-List aufgefiihrt ist bzw. nicht in einem Mutter-Tochter-Verhaltnis zu einem solchen Unternehmen steht oder das Schiff, mit dem die Ware transportiert wird (bzw. die Reederei), nicht in einer Schwarzen Liste aufgefiihrt ist; • Exportbeschránkungen, mit denen der Káufer sich verpflichtet, die Ware nicht an einen bestimmten Staat zu verkaufen. • Eine explizite Bezugnahme auf ein bestimmtes Land, eine Black List oder einen speziellen Boykott ist ais Boykotterklárung anzusehen. • Unzulássig ist auch das Ausfiillen von Fragebógen zu Gescháftsbeziehungen mit einem vom Empfangsland boykottierten Land. Da eine gemeinsame Haltung der EU zu diesem Problem nicht erarbeitet werden konnte, arbeitet man in der Praxis mit einem Kompromil? , der beide Seiten zufriedenstellt, indem der Exporteur zusichert: «Die Einfuhrgesetze des Empfangslandes werden beachtet.» Zulássig - und oft auch ein Ausweg sind «versicherungstechnische» Erklárungen, die oft vom jeweiligen Konsulat des Importlandes im Exportland beglaubigt werden müssen und z. B. bescheinigt, daf> das Schiff (oder Flugzeug) ein bestimmtes Alter nicht iiberschreitet (Sicherheitsaspekt), die kontrahierte Reederei (oder Luftfahrtgesellschaft) nicht in Israel ansássig ist bzw. israelischen Biirgern gehórt und daS das Schiff (oder Flugzeug) keine israelischen Háfen oder Flughafen anláuft (bzw. anfliegt oder entsprechenden Luftraum beriihrt) (Abb. L-6/ 9). Auch die USA bereiten Boykott-Probleme. Auf amerikanischen Lieferrechnungen findet sich gelegentlich der Satz: «Diversion contrary to US law prohibited»: «Weiterverbreitung 34 im Widerspruch zu US-Recht verboten». Damit sind die amerikanischen Export- und Re- Exportvorschriften gemeint (Export Administration Regulations, EAR). Grundsátzlich gelten sie nur fur Unternehmen mit Sitz in den USA, weil nach dem Volkerrecht nationale Gesetze nicht aufserhalb des eigenen Territoriums angewendet werden kónnen. So die Theorie. Wenn aber ein Unternehmen auEerhalb der USA z. B. US-Waren nach Kuba, Libyen, Iran 34 Wórtlich: Umleitung. <?page no="638"?> 616 L Ausfuhrabfertigung Abb. L-6/ 9: Black-List-Zertifikat Briefkopf Schiffsmakler Hamburg Ref. MS «Golden Eagle» As agents of Messrs. XY Shipping Company, Karachi, we herewith certify that the above mentioned vessel is plying the Cyprus flag and is not older than 15 years. Furtheron we confirm that she is not registered in Israel or residents of Israel and will not call at or pass through any Israel to discharging in Karachi. The vessel is chartered by the XY Shipping Company, Karachi. Stempel/ Unterschrift Schiffsmakler Hamburg owned by nationals of portenroute to ... prior oder ein anderes Embargoland weiterverkauft, riskiert es, auf einer schwarzen Liste zu landen. Die Beteiligung an Transaktionen mit Personen, die auf dieser <schwarzen Liste> gefiihrt werden (Denied Persons List), ist verboten (Abb. L-6/ 10). Bei VerstóSen hat schon manches deutsche Unternehmen Probleme bekommen beim Import aus den USA, beim Export in die USA, bei Reisen in die USA (Einreiseverbot) oder bei Finanztransaktionen mit den USA (Kreditverbot) - Sanktionen, die manch ein Unternehmen ruiniert haben. Andere Unternehmen haben Millionenbetráge ais Unterwerfung (consent agreement) gezahlt. Wer dies vermeiden will, muS beim beabsichtigten Re-Export von Giitern, die in der amerikanischen Commerce Control List (CCL) gelistet sind, eine Genehmigung beim BXA (Bureau of Export Administration) in Washington einholen rechtzeitig, denn das kann dauern (www.bxa.doc.govl Natiirlich ist dies ein klassischer VerstoS gegen das wie es im Juristenjargon heifst vólkerrechtliche Verbot der extra-territorialen Anwendung nationaler Normen, d. h. dafi nationales Recht aufierhalb des Geltungsbereichs dieser nationalen Rechts, d. h. des nationalen Hoheitsgebiets, nicht angewendet werden darf. Aber was wollen Sie machen, wenn Ihre Kunden in den USA Verzógerungen bei der Importabwicklung erdulden miissen, oder Ihr Unternehmen nicht vorankommt, wenn Sie eine Tochtergesellschaft in den USA griinden wollen, Sie in den USA keine Kredite aufhehmen kónnen, ggf. Ihre sámtlichen Einfuhren in die USA blockiert werden, ebenso Ausfuhren aus den USA? Man wird Ihnen kaum einen juristisch angreifbaren Grund liefern fur etwaige Benachteiligungen, zumal es sich so gesehen <nur> um einen Verstofj gegen Vólkerrecht, nicht aber praktiziertes nationales amerikanisches Recht handelt. Seit 1996 gibt es eine Anti-Boykott-VO der EG, um die Auswirkungen der extra-territorial wirkenden Boykott-Gesetze der USA zu blockieren: Jeder Person in der EU ist es verboten, Boykottaufforderungen nachzukommen, die sich aus diesen sog. Helms-Burton- und Kennedy-D'Amato-Gesetze ableiten. Zuwiderhandlungen werden in Deutschland mit Geldbufien bis zu 1 Mio. DM bedroht. Im Sprachgebrauch wird die definitorisch prinzipiell klare Abgrenzung zum Embargo oft verwischt: Der Begriff Embargo ist spanischen Ursprungs: Das Verb embargar bedeutet in <?page no="639"?> L-6. Exportkontrolle 617 etwa Anhalten, Beschlagnahmen oder Pfánden. 35 Dies bezieht sich historisch auf das Verhindern des Auslaufens von Schiffen oder des Pfándens von Waren, wenn Hafengebiihren nicht korrekt bezahlt worden waren. Heute versteht man unter Embargo staatlich angeordnete, hoheitliche (Zwangs-)MaEnahmen, mit denen der Giiterhandel mit einen bestimmten Staat unterbunden wird, i.d.R. ais Repressalie gegen Vólkerrechtsverletzungen eines anderen Landes oder um dieses zu bestimmten Handlungen zu zwingen bzw. davon abzuhalten. Im Gegensatz zum eher passiven orientierten Boykott (freiwilliger Verzicht auf Káufe oder Lieferungen) umfaSt ein Embargo also aktives Handeln (Verbot und Unterbindung des Warenverkehrs). Im Hinblick auf den Ansatzpunkt der Restriktionen wird z. B. unterschieden zwischen Importembargo (z. B. Rohól) oder Exportembargo (Handelsembargo), Kapitalembargo (Zahlungssperre oder Verbot von Vermogensiibertragungen; meist in Erganzung zu einem Handelsembargo) oder Transportembargo (Schiffe, Flugzeuge). Je nach AusmaS handelt es sich dabei um ein Total- oder ein Partialbzw. Selektivembargo (z. B. Waffenembargo). Wirken dabei mehrere Staaten zusammen, spricht man von einem Kollektivembargo. Das Embargo ist inhaltlich eng verwandt mit zwei anderen Begriffen. Bei einer Sanktion handelt es sich um eine Reaktion eines Staates als Vergeltung fur ein vólkerrechtswidriges Verhalten eines anderen Staates. Der Begriff Retorsion wird meist im Zusammenhang mit handelspolitischen Sanktionen verwendet. Dies kann also auch ein Embargo sein. Eine Blockade ist eine militárische MaEnahme, die beispielsweise ein (prinzipiell nicht-militarisches) Embargo durchsetzen und unterstiitzen soil. Abb. L-6/ 10: usA-Embargos Embargo gegen Kuba verlángert Amerikanischer Senat für Sanktionen Wer Iran Raketentechnologie verkauft, rmi/ J mit Konsequenzen rechnen Deutscher wegen illegaler Exporte nach Libyen angeklagt Cleveland (AP) - Ein amerikanisches Bundesgericht hat einen deutschen Unternehmer angeklagt, iüegal Maschinenteile nach Libyen exportiert zu haben. Eine Anklagejury in Cleveland im US-Staat Ohio beschuldigte einen Gescháftsmann aus Solingen, damit gegen die 1986 erlassenen Sanktionsvorschriften verstoBen zu haben. Der Geseháftsführer der Doornbos GmbH, sou laut Anklageschrift zweimal - 1991 und 1994 in den USA gefertigte Maschinenteile über die Niederlande und Deutschland in den nordafrikanischen Staat verschifft haben. Er war 1995 in Buffalo verhaftet worden und ist seitdem gegen 250 000 Dollar Kaution auf freiem FuB. Bei dem Exportgut handelte es sich um Ersatzteile für BetongieBereien. Der Betón aus diesen Anlagen wird für den Bau einer 2000 Kilometer langen Pipeline verwendet, mit dem Wasser aus Reservoirs unter der Sahara zu Feldern an der libyschen Mittelmeerküste gepumpt werden soil. Für sprachlich Emphndliche: Der Plural des spanischen Worts Embargo ist Embargos. Verformungen wie Embargen oder (italienisch? ) Embarghi haben keine sprachliche Basis. Embargos ist schon korrekt. <?page no="640"?> 618 L Ausfuhrabfertigung L-6.4.2. Rechtliche Verankerung Am Beispiel des Handelsembargos gegen den Irak im Zusammenhang mit dem Golfkrieg von 1990 wird deutlich, dafi eine derartige MaSnahme auf verschiedenen Rechtsebenen verankert ist (vgl. Abschnitt J-2): (1) Auf der supranationalen Ebene war das Handels- und Kapitalverkehrs-Embargo vom UN-Sicherheitsrat am 2./ 6.8.1990 verordnet worden (gestiitzt auf Art. 41 der UN-Charta, und zwar riickwirkend) (2.8.1990: Verurteilung der Aggression, 6.8.1990 BeschluE über Handels- und Finanzembargo; UN-Resolutionen 660 und 661). Fiir die Bundesrepublik als Mitglied der UN ergab sich daraus bereits eine Bindung an die Beschlüsse des Sicherheitsrates gemáS Art. 24 GG; dies erforderte jedoch gernafs Art. 25 UN-Charta eine Umsetzung in entsprechende nationale Rechtsakte. Das Handelsembargo gegen den Irak wurde durch den UN-Sicherheitsrat komplementiert durch eine Resolution bezüglich der Ermáchtigung zur Seeblockade durch Kriegsschiffe im Mittelmeer und im Persischen Golf. (2) Parallel dazu wurde eine Umsetzung der UN-Beschliisse auf gemeinscbaftsrecbtlicher Ebene auch erforderlich durch analoge Beschlüsse der EG-AuEenminister am 4.8.1990, die das UN-Embargo bestátigten: Nach den Kriterien der Europáischen Politischen Zusammenarbeit (vgl. Art. 1 und 30 der Einheitlichen Europáischen Akte von 1986) bedeutete dies zum einen die Notwendigkeit, diese Beschlüsse in EG-Verordnungen umzusetzen (EG-VO Nr. 2340/ 1990 vom 8.8.1990), zum anderen, diese wiederum in nationales Recht umzusetzen, insbesondere, urn die Embargobeschlüsse mit (nationalen) Sanktionsmóglichkeiten zu verknüpfen, was auf EG-Ebene nicht móglich ist (diese Praxis ist rechtlich sehr umstritten und wird von einigen Fachleuten sogar als rechtswidrig angesehen). (3) Die Umsetzung auf die nationale Ebene geschah in der Bundesrepublik am 7.8.90 aufgrund der erwáhnten Verpflichtungen aus der UN-Charta und dem supranationalen EG- Recht u. a. durch • entsprechende Anderung der AWV durch den Einschub des Kapitels VII a (solche Zusátze zu bestehenden Normen bedeuten meist den Einschub von Paragraphen a,b,c (die spáteren Embargobeschlüsse gegen Libyen, Serbien und Montenegro führten zu Kapiteln VII b und c), • Aussetzung der Hermes-Exportkreditversicherung für den Irak, • Stop aller Ausfuhrgenehmigungen fur den Irak, • Einfrieren aller irakischen Konten in der Bundesrepublik, • Genehmigungspflicht für Durchfuhren von Rüstungsgütern und Nuklearausriistung, • Verbot von Zahlungen im Zusammenhang mit dem Handelsembargo, • Genehmigungsplicht fur sonstige Zahlungen. Durch diese Rechtsakte wurde die UN-Sicherheitsrats-Resolution Nr. 661 voUstándig auf die nationale Rechtsebene Deutschlands transformiert. Jedes Embargo und jeder Boykott hángt in seiner Wirksamkeit davon ab, ob die Mafinahme umfassend angewendet wird oder ob es Staaten bzw. Unternehmen gibt, die es durchbrechen oder umgehen aus welchen Gründen auch immer (Abb. L-6/ 11). Für Unternehmen, die auf der Import- oder der Exportseite von Embargos betroffen werden auch indirekt, z. B. als Sublieferanten -, kónnen sich daraus betráchdiche Nachteile <?page no="641"?> L-6. Exportkontrolle 619 Abb. L-6/ 11: Embargobruch Der Irak umgeht die Sanktionen Statt sozialen Wohnungsbau in Basra ein neuer Palast für Saddam Hussein in seinem Geburtsort Takrit Thailándische Unternehmen helfen Libyen Bau einer weiteren Giftgasfabrik / Washington warnt Bangkok Das Embargo gegen Serbien wird durchbrochen 364 Ermittlungen / Busfahrten als Hauptdelikt / Keine Anhaltspunkte für Waftenlieferungen Iraner brechen Embargo gegen den Irak Grenze schlecht zu kontrollieren g& ergeben, insbesondere wenn wie im Fall der Embargobeschliisse gegen den Irak diese auch ex post in bereits abgeschlossene Vertráge eingreifen: Dies betrifft noch in der Produktion befindliche, gelagerte oder bereits verschiffte Exportwaren und verursacht entsprechende Kosten und Verluste. Eine Umleitung bzw. ein Verkauf an andere Abnehmer ist insbesondere dann kaum móglich, wenn es sich um eine spezielle Auftragsproduktion handelt. Aber auch die Unterhaltung einer rechtlich selbstándigen Niederlassung in einem Embargogebiet oder die vertragliche Vorbereitung bzw. Fortfiihrung von Geschaftsbeziehungen mit Hinblick auf eine Zeit nach Aufhebung eines Embargos kónnen zu rechtlichen Sanktionen fiihren (vgl. Abschnitt L-6.5.5), obgleich die Rechtswidrigkeit umstritten ist. Die Rechtslage bezüglich Schadensersatzansprüchen ist nach wie vor uniibersichtlich. Dies wird gleich wieder am Beispiel des Exportembargos gegen den Irak im Jahre 1990 verdeutlicht. Wenn betroffene Unternehmen z. B. keine Hermes-Exportversicbemng gegen politische Risiken abgeschlossen haben, und dies ggf. bereits fur die Produktionsphase (vgl. Abschnitt H-3.2.6), müssen sie entstehende Scháden selbst tragen. Daher ist es aus dieser Sicht betriebswirtschaftlich subjektiv verstándlich, wenn Unternehmen gelegentlich versuchen, Embargobeschliisse zu unterlaufen oder zu umgehen. Eine moralische Rechtfertigung leitet sich daraus natürlich nicht ab. L-6.4.3. Entschádigung für Embargoscháden Die EG hat den Embargobeschlul? des UN-Sicherheitsrates vom 2.8.1990 durch ihre Verordnung Nr. 2340/ 90 in (supranationales) EG-Recht umgesetzt. Diese war nach Art. 249 EGV-Vertrag damit auf nationaler Ebene unmittelbar geltendes Recht. Die Bundesrepublik Deutschland hat ihrerseits diese EG-Verordnung - und damit indirekt die UN-Resolution mit der 10. Verordnung zur Anderung der Aufienwirtschaftsverordnung in nationales Recht umgesetzt. Anspruchsgrundlage ware danach § 69a AWV, da ein Embargo einen (zulássigen) Eingriff in die Berufsfreiheit gemáS Art. 12 GG bedeutete. AWG und AWV sehen aber keine Entschádigungsregelungen vor. Derartige Risiken gehóren nach Ansicht des Bundes zum AulSenhandelsrisiko, gegen das sich der Exporteur versichern kann (vgl. Abschnitt H-3). Sofern also die EG-Verordnung rechtsgiiltig war, ware die nationale Umsetzung im Hinblick auf Schadensersatzanspriiche gegen den Bund irrelevant, da sie dann wegen der Rechts- <?page no="642"?> 620 L Ausfuhrabfertigung Icraft der EG-Verordnung nicht ursáchlich gewesen ware. Dann ware die EG Anspruchsgegner fur Schadensersatzforderungen ein Scheinerfolg, denn in dieser Hinsicht gibt es keine EG-Regelungen. Es ist allerdings rechtlich umstritten - und in Ermangelung eines EuGH-Urteils bislang auch ungeklárt -, ob die EG iiberhaupt eine Kompetenz zum Erlaf> von Embargovorschriften hat: Wenn ein Embargo als Teil der HandelspoYitik ausgelegt wird, würde es unter den Zustándigkeitsbereich der EG gemáí? Art. 133 EGV fallen («Die gemeinsame Handelspolitik [wird] nach einheitlichen Grundsátzen gestaltet»). Eine eindeutige Entschádigungspflicht seitens der EG ist für diesen Fall jedoch nicht normiert. Wenn ein Embargo hingegen als Teil der Sicberheitspolitik angesehen wird - und vieles spricht dafiir -, dann ware die Embargokompetenz gemáS Art. 296 EGV auf nationaler Ebene verblieben (Art. 296 láEt nationale MaSnahmen eines Mitgliedstaats zu im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit). Gegenwártig vertritt der Bund offensichtlich in Abwehr entsprechender Schadensersatzanspriiche die auf Art. 133 EGV gestiitzte Version. Ende 1992 allerdings wurde im Bundesanzeiger eine Bekanntmachung der Vereinten Nationen veroffentlicht, nach der die UN auf Antrag (Formulare beim Bundesverwaltungsamt Kóln) Entschádigungen aus einem Fonds für Vermógensscháden leisten, die Wirtschaftsunternehmen und Privatpersonen aufgrund der irakischen Invasion entstanden sind. Das klingt aber besser, als es ist: Explizit ausgeschlossen sind reine Embargoscháden. Die Entschádigung erstreckt sich also z. B. auf zerstorte Investitionsobjekte - und sie setzt voraus, dai? der Irak der UN-Resolution entsprechend dem Entschádigungsfonds hinreichende Mittel zur Verfiigung steht. Dies ist wer harte das gedacht bislang nicht der Fall. FAZIT Unternehmen, die sich gegen das politische Risiko, das sich z. B. in einem Embargo tnanifestiert, nicht z. B. bei Hermes versichert haben, müssen den Schaden selbst tragen (Abb. L-6/ 12). Unternehmen, die durch Veránderung der rechtlichen Rahmenbedingungen konkret negativ betroffen sind und nach Schadenersatz streben, müssen gegenwártig noch mit einer betráchtlichen juristischen Unsicherheit bezüglich ihres Anspruchsgegners leben. Die Erfolgsaussichten einer etwaigen Schadensersatzklage sind ausgesprochen unsicher, urn es schwach auszudrücken. Als Trostpflaster wird seitens des Bundes auf die steuerliche Entlastungsmoglichkeiten verwiesen, etwa auf die Herabsetzung von Steuervorauszahlungen oder Stundung oder ggf. Erlafi von Steuerschulden. L-6.5. Ausfuhrkontrolle im Unternehmen L-6.5.1. Ausfuhrverantwortlicher «Exportkontrolle ist Chefsache.» Nach deutschem Recht müssen Unternehmen mit <Nahe> zu gelisteten Kriegswaffen und rüstungstechnischen Gütern 3 * für die Einhaltung von Exportkontrollbestimmungen einen Ausfuhrverantwortlichen benennen. Ausfuhrverantwortlicher 36 Kriegswaffen nach dem KWKG, Waren des Teils I A und bestimmter Waren des Teils I C der AL, teilweise in Abhángigkeit vom Empfangsland (alie K- und 5d-Lander sowie Agypten, Albanien, Bulgarien, Jemen, Kambodscha, Katar, Kuweit, Mauretanien, Rumánien, Saudi-Arabien, Taiwan, Vietnam). <?page no="643"?> L-6. Exportkontrolle 621 kann nur ein fiir die Durchfiihrung der Ausfuhr Abb. L-6/ 12: verantwortliches Mitglied des Vorstandes, ein _ ^ ^ ^ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ Gescháftsführer oder ein vertretungsberechtig- F r e it a g , 28. J a n u a r 1994 ter Gesellschafter sein. Der Ausfuhrverantwortliche ist persbnlich fur die Einhaltung der ^ein Schadenersatz Exportkontrollvorschriften verantwortlich und * u r Embargo-Verlust kann ggf. strafrechtlich zur Verantwortung ge- Karlsruhe (AP). Deutsche Unteri / i . \ c L . j i/ nehmen konnen fiir Verluste durch zogen werden (vgl. unten). Er hat die Verantd a s I r a k _ E m b a r g o d e r E u r o p a i s c h e n wortung fur die Einhaltung der auSenwirt- Union keinen Schadenersatz vom schaftsrechtlichen Bestimmungen und ist fiir B u n d verlangen. Diese Entscheidung . . . . . i .. i „ . • • ¥ -,i hat der Bundesgerichtshof gestern die lnnerbetriebhche Organisation und Ubera u f d i e Klage e i n e s m l t t ie rweile in wachung der Exportkontrolle zustándig. Dies Konkurs befindlichen FahrzeugherschlieGt seine Mitwirkung bei der Auswahl per- ¡? t l e r * s § et ? f De0n - ? a S U n t f ™ í " f n ° r hatte Mitte 1989 mit einer staathchen sónlich zuverlássiger Mitarbeiter ebenso ein wie irakischen GeseUschaft einen Vertrag seine Verantwortung fiir die Schulung und Wei- "ber die Lieferung von 100 Tieflade- . i -ij i ii j IT * L Sattelaufliegem geschlossen (Az.: terbildung innerhalb des Unternehmens. Bundesgerichtshof III ZR 42/ 92). Bis zum Nachweis des Gegenteils wird grundsátzlich die Zuverlássigkeit des Unternehmens unterstellt. Diese ist nach den «Grundsátzen der Bundesregierung zur Pruning der Zuverlássigkeit von Exporteuren von Kriegswaffen und riistungsrelevanten Giitern» vom Dezember 2000 - Voraussetzung fiir die Beantragung einer ggf. erforderlichen Ausfuhrgenehmigung beim BAFA. Diese Grundsátze gelten sowohl fiir den Drittlandsexport als auch fiir die innergemeinschaftliche Verbringung. Neben der Gescháftsleitungsbzw. Vorstandsebene wird auch die Sachbearbeiterebene einbezogen: Genehmigungen oder die Ausstellung von «warenbezogenen Auskiinften zur Giiterliste» (die friihere Negativbescheinigung) kónnen versagt werden, wenn ein Sachbearbeiter ais unzuverlássig aufgefallen ist; das Unternehmen müSte diesen dann auswechseln. Der Ausfuhrverantwortliche mufi formell benannt werden (Formblatt). Er mufs die Ubernahme der Verantwortung unterschreiben und dies jedes Jahr wiederholen. Die Akzeptanz der Bestellung kann seitens des BAFA von persónlichen (Zuverlássigkeit) und sachlichen Voraussetzungen abhángig gemacht werden. Obgleich das BAFA formal kein innerbetriebliches Priifungsrecht hat, ist es daher nicht selten, das die Unternehmen eine Organisationspruning zulassen bzw. sogar anbieten, um ihren goodwill zu zeigen (und Verdachtsmomente auszuráumen, falls dies erforderlich ist). Der Ausfuhrverantwortliche kann sich nicht auf Unkenntnis oder MiEverstehen von Bestimmungen berufen. Diese Verantwortung kann nicht an meist als Ausfuhrbeauftragte oder ExportcontroUer bezeichnete Mitarbeiter delegiert werden (sie sind nur Erfiillungsgehilfen). Diese kónnen sich jedoch andererseits nicht immer hinter der grundsátzlichen Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen verstecken, sondern kónnen durchaus in einen aufienwirtschaftsrechtlichen Strudel mit hineingezogen werden. Bei Zweifelsfállen wird der Ausfuhrbeauftragte immer eine Entscheidung des Ausfuhrverantwortlichen einholen. Sofern er (sie) jedoch positives Wissen von einer Straftat erlangt, kann er sich nicht auf Befehlsnotstand berufen, sondern ist zur Strafanzeige verpflichtet. Andernfalls wird er/ sie zum Tatbeteiligten und setzt sich ggf. Sanktionen der Behórden aus, die sehr empfindlich sein kónnen, bis hin zu strafrechtlichen Folgen (siehe dazu weiter unten). <?page no="644"?> 622 L Ausfuhrabfertigung Dies ist natiirlich eine ziemliche Zwickmiihle: Eine Verweigerung der Beteiligung kann durchaus unternehmensinterne Sanktionen auslósen, von Abmahnungen bis hin zur Kiindigung. Dai? man arbeitsrechtlich wohl dagegen vorgehen kann, ándert nichts am sehr wahrscheinlichen Verlust des Arbeitsplatzes. Was also tun? Bei einer Entscheidung zwischen Strafrecht und Kiindigung ist die Entscheidung móglicherweise einfacher ais auf niedrigerem Sanktionsniveau. Allgemein empfiehlt es sich fur Unternehmensmitarbeiter aber, eventuelle Bedenken schriftlich mitzuteilen und festzuhalten, was auch strafrechtlich ggf. eine Abschwáchung der Schwere einer Tatbeteiligung bedeuten kann. Aber vollstándig kann man sich nicht von der Verantwortlichkeit befreien, das muE ganz klar gesehen werden. L-6.5.2. Innerbetriebliche Organisation Fur viele Untemehmen wird die Ausfuhrkontrolle nur eine lástige Aufgabe sein, die nur am Rande wichtig erscheint. In vielen anderen Untemehmen, vor allem gróSeren mit einer breiteren oder einschlágigen Produktpalette, hat sich die innerbetriebliche Exportkontrolle zu einem auch strategisch wichtigen Feld entwickelt. Unabhángig davon, da£ natiirlich auch ein einziger Fall eines Exportverstofes u. U. massive Probleme mit sich bringen kann, nimmt die Notwendigkeit einer systematischen betriebsinternen Organisation natiirlich mit der Anzahl und Komplexitát der Ausfuhrvorgánge zu. Ein sehr wichtiger Aspekt ist die Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen technischer Produktentwicklung und Produktion auf der einen und Export und Vertrieb auf der anderen Seite, da sich technische Veránderungen auf die Ausfuhrgenehmigungspflichten auswirken kónnen, ohne dal? dies dem technischen Bereich bewufit ist. 37 Grundsátzlich ist es empfehlenswert, die interne Exportkontrolle systematisch zu strukturieren. Besonders wichtig ist die Festlegung und Abgrenzung der persónlichen Verantwortlichkeiten moglichst schriftlich, und nicht nur, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Wie breit und tief diese Strukturen gestaffelt sind, hángt natiirlich vom Einzelfall ab. Dies schliefit auch die Planung und Organisation von Aus- und Fortbildungen ein. Erstaunlich ist, dafi in vielen Untemehmen eine beachtliche Unbekiimmertheit mit auSenwirtschaftsrechtlichen Aspekten zu beobachten ist, nicht zuletzt hinsichtlich der Aktualitát und iiberhaupt der Verfiigbarkeit der relevanten Vorschriften. In vielen Untemehmen vor allem KMU ist eine erschreckende Unkenntnis der geltenden Bestimmungen festzustellen, neben dem Warenbereich insbesondere auch beziiglich Dienstleistungen und Technologietransfer, die den Kontrollbestimmungen unterliegen. Der Ausfuhrverantwortliche ist auch hier fiir entsprechende Schulungen verantwortlich. ZweckmáEig ist eine Biindelung der Zustándigkeiten, insbesondere auch im Hinblick auf die auEenwirtschafts- (und ggf. zoll-) rechtliche Vertretung des Unternehmens nach auEen, um moglichst nur einen zentralen Ansprechpartner im Untemehmen anzubieten (vgl. Abschnitt C-l). Der Aufbau guter persónlicher Beziehungen zu Behórden sollte ein wichtiger Aspekt sein. Je mehr Verfahrensabláufe im Export standardisiert werden kónnen, desto besser, vielleicht auch durch Checklisten, weil dies die Wahrscheinlichkeit von Nachlássigkeiten verringert. 37 Eine sehr áhnliche Problematik ergibt sich hinsichtlich des Warenursprungs und der Zollpráferenzen; vgl. Abschnitt K-3. <?page no="645"?> L-6. Exportkontrolle 623 So manches Unternehmen hat sehr profunde Handbücher zur Exportkontrolle erarbeitet, die alie Aspekte der Aufbau- und Ablauforganisation einschliefilich Aufgaben- und Stellenbeschreibungen, Arbeitsanweisungen, Berichtspflichten etc. sowie umfangreiche Erláuterungen und Verweise auf ergánzende Dokumentationen enthalten. Wichtig sollte eine exakte, vollstándige und zeitnahe Dokumentation sein, insbesondere auch zum Nutzen von Vertretern und eventuellen Nachfolger. In nicht wenigen Unternehmen eignen sich Ausfuhrverantwortliche und -beauftragte ein beachtliches «Herrschaftswissen» an, weil sie oft als Einzelkámpfer auf einem als nicht so relevant erachteten Gebiet tátig sind, aber wehe, wenn sie einmal nicht mehr verfiigbar sind, wie oft bei Fusionen oder allgemeiner Fluktuation. Eine exakte Dokumentation gilt auch als Nachweis der Sorgfalt bei Betriebspriifungen, so dafi VerstóSe moglicherweise zum Verbotsirrtum abgeschwacht werden (man hat sich in der Beurteilung der Sachlage geirrt und das Verbot nicht erkannt), so dafi sich die Beweislast umkehrt und die Behorden die subjektive Schuld nachweisen miissen. PRAXISTIP Sofern der Gescháftsumfang in der Vergangenheit keine institutionalisierte Exportkontrolle erforderlich machte, sollte dies unbedingt von Zeit zu Zeit ¡iberprüft werden. Es empfiehlt sich auch bei bereits institutionalisierter Exportkontrolle, gelegentlich ein <Business Re-engineering» durchzuführen, d.h. gedanklich eine komplett neue Struktur der betriebsinternen Exportkontrolle zu entwickeln günstigerweise mit extemer Beratung - und diese mit den bestehenden Strukturen zu vergleichen. Die Abláufe und Abhángigkeiten sollten auch visuell (graphisch) aufbereitet werden. Meist entdeckt man dabei sowohl Überflüssiges als auch Lücken. Redundanzen verursachen unnótige Kosten, Lücken kónnen rechtlich und okonomisch sehr gefahrlich sein. L-6.5.3. Genehmigungsverfahren Zur Durchfuhrung einer Ausfuhr mufi eine evtl. erforderliche Ausfuhrgenehmigung bereits vorliegen, d. h. sie sollte rechtzeitig beantragt werden. Dies mufi formgebunden mit einem bestimmten Formularsatz geschehen; er ist bei den IHKs und im Formularhandel zu beziehen. Der Ausführer muí? dabei seine Zollnummer angeben, um ihn im Ausfuhrverfahren identifizieren zu kónnen. Sofern ihm noch keine zugewiesen wurde, kann er sie bei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe (Zentralstelle Zolldateien, ZZD) beantragen. Zustándigkeiten Je nach Art des betreffenden Aufienwirtschaftsbereiches sind verschiedene Behorden fur die Erteilung von Genehmigungen zustándig. Zwar ist in § 28 Abs. AWG davon die Rede, daS dies in die Kompetenz von Landesbehórden falle, doch heiEt es dann weiter, dai? durch Rechtsverordnung eine zentrale Bearbeitung durch Bundesbehórden angeordnet werden kann. Dies ist der Fall: Im Bereich des Warenverkehrs ist fur Genehmigungen zustándig das dem Bundeswirtschaftsministerium nachgeordnete Bundesamt fiir Wirtsckaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn 38 (auch fur Ausfuhren aus einem anderen Mitgliedstaat der EU, wenn der Ausführer in Deutschland ansássig ist), fur den Bereich der landwirtschaftlicher Erzeugnisse die Bundesanstalt fiir Landwirtschaft und Emdbrung (BLE) in Frankfurt, 38 Eine AuCenstelle sitzt in Berlin. Das BAFA ist Genehmigungsbehorde, wahrend die KontroUbehorde die Zollverwaltung ist. <?page no="646"?> 624 L Ausfuhrabfertigung für Dienstleistungen im Bereich des Verkehrswesens das Bundesverkehrsministerium und fur den Kapital- und Zahlungsverkehr die Deutsche Bundesbank (bzw. die jeweilige Landeszentralbank). Diese Bundesbehórden haben gegenüber den obersten Landesbehórden ein entsprechendes Weisungsrecht. Der Ausführer kann grundsátzlich Genehmigungen formgebunden bei seiner Heimatbehórde beantragen in seiner Murtersprache -, auch wenn er eine Ausfuhr aus einem anderen Mitgliedstaat beabsichtigt. Eine von einer nationalen Behórde erteilte Ausfuhrgenehmigung gilt in der gesamten Gemeinschaft (Art. 6 Abs. 3 EG-VO). Mit einer in Englisch von einem in Deutschland niedergelassenen englischen Ausführer beantragten BAFA-Genehmigung kann eine Ware also auch z. B. in Frankreich (nariirlich nur mit Übersetzung) zur Ausfuhr angemeldet bzw. ausgefiihrt werden (so die Theorie). In der Praxis ergeben sich aber immer wieder Schwierigkeiten, wenn der Ausführer in einem anderen EU-Staat ansássig ist als dem, von wo aus die Ware ausgeführt werden soil, weil die Zollbehórden der Mitgliedstaaten die deutschen Allgemeinen Genehmigungen nicht immer anerkennen. Parallelantráge nach dem Motto: «Irgendwo wird es vielleicht klappen» (sog. licence shopping) sind jedoch nicht zulássig. Nariirlich stellt sich dabei ein Kontrollproblem, aber die Behórden müssen sich konsultieren, wenn eine Ausfuhr beantragt wird fur Ware, die sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet oder befinden wird allerdings nur bei Einzelgenehmigungen. Grundsátzlich sollte ein Antrag auf Ausfuhrgenehmigung durch eine aussagekráftige Dokumentation und eine technische Beschreibungen der Exportware untersriitzt werden (technische Unterlagen, Prospekte, Fotos), um Rückfragen und Verzogerungen zu vermeiden. Insbesondere sollten die Güter genau identifizierbar sein und die vorgesehene Verwendung vom Endempfánger móglichst prázise beschrieben werden. Die Bearbeitung von Antrágen fur nicht-sensitive Lander (z. B. OECD oder der Lánderliste L 39 ) dauert meist nicht lánger als eine Woche, kann jedoch bei sensitiven Gütern in sensitive Lander mehr als einen Monat beanspruchen, denn ggf. sind ausführlichere Untersuchungen und die Einbeziehung der zustándigen Bundesministerien erforderlich. Schwierige Exportantráge werden im Bundessicherheitsrat oder in einem Interministeriellen Ausschul? (IMA) geklárt, der sich auch an den Absprachen in der Wassenaar-Gruppe orientiert (vgl. Abschnitt L-6.5.7). Das BAFA übertrágt dabei den Ausfuhrantrag des Unternehmens in einen eigenen Bericht, und dieser wird im Wirtschaftsministerium oder IMA behandelt, nicht der Originalantrag. Dabei kónnen schon mal Unstimmigkeiten oder Abweichungen auftreten. Manchmal bleiben Genehmigungsantráge auch unentschieden, um sich nicht der Regrefigefahr wegen falscher Ablehnung auszusetzen. Insbesondere bei Ersatzteillieferungen, die meist sehr schnell verfügbar sein müssen, ist eine vorangehend zu durchlaufende Genehmigungsprozedur sehr problematisch; hier wird so mancher Auftrag an schnellere Mitbewerber gehen. PRAXISTIP Bei der Beantragung der Hauptgenehmigung sollte ein vorhersehbares Volumen von Ersatzteillieferungen gleich mit eingeschlossen werden. 39 Die Lánderliste L ist aufgehoben. Ihre Funktion übernimmt Anlage II zu Teil 3 der EG-VO 1334/ 2000. Sie umfafit Lander mit einem der EU vergleichbaren Exportkontrollniveau. Dies sind die NATO- Staaten und der NATO gleichgestellte Staaten, also die EU- und EFTA-Staaten (auSer Liechtenstein), Australien, Japan, Kanada, Neuseeland, Tiirkei, USA. <?page no="647"?> L-6. Exportkontrolle 6 2 5 Analog zum Verfahren bei Einfuhrgenehmigungen haben die Genehmigungsbehorden einen gewissen Entscbeidungsspielraum, in dessen Rahmen neben volkswirtschaftlichen Kriterien auch aufen- und sicherheitspolitische Aspekte, insbesondere die oben erwáhnten Politischen Grundsatze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Riistungsgiitern aus dem Jahre 2000, sowie insbesondere auch indirekte Wirkungen wie die von Prázedenzfállen zu beriicksichtigen sind. Wenn der Zweck der Beschránkung nicht beeintráchtigt wird, besteht nach § 3 AWG ein Recbtsansprucb auf Erteilung der Ausfuhrgenehmigung. Dabei sind allerdings Auflagen móglich, etwa eine zeitliche Befristung oder eine wert- oder mengenmáSige Begrenzung der Genehmigung. Voranfragen, Auskünfte Wenn der Ausfuhrer weiS, dafi er eine Ausfuhrgenehmigung benótigt, wird er einen entsprechenden Antrag stellen (vgl. unten die verschiedenen Arten). Bei Unsicherheit seitens des Ausfuhrers hinsichtlich der Genehmigungspflicht kann eine Klárung durch das BAFA gesucht werden: Im Vorfeld eines Genehmigungsantrags kann eine Voranfrage gestellt werden, die verfahrensmáfsig wie ein Antrag behandelt wird, d. h. ggf. auch anderen Ressorts vorgelegt wird. Sie sollte obgleich formlos inhaltlich einem Antrag so weit wie móglich entsprechen. In der Praxis verwendet man daher oft ein Antragsformular und versieht es mit der Aufschrift «Voranfrage». Eine positiv beschiedene Voranfrage bindet die Genehmigungsbehórde fur ein Jahr (sofern sich die auSenpolitische Lage nicht gravierend verándert hat). Ein anschliefsender formeller Antrag kann dann sehr ziigig beschieden werden. Mit einer «warenbezogenen Auskunft zur Giiterliste» (friiher: Negativbescheinigung) kann das BAFA auf Antrag bestátigen, da£ die betreffende Ware nicht von der Ausfuhrliste erfaSt wird. Damit ist keine grundsátzliche Genehmigungsfreiheit verbunden, denn wie ausgeführt kónnen auch nicht-gelistete Waren genehmigungsbediirftig sein, insbesondere bei Export in ein K-Land. Die Auskunft ist 12 Monate gültig. Verlángerungen erfordern eine schriftliche Anforderung unter Angabe der bisherigen Bearbeitungsnummer (das BAFA stellt dafiir Standardvordrucke zur Verfiigung). - Hingegen kann das BAFA fur einen speziellen Ausfuhrantrag einen individuellen Null-Bescheid erstellen. Dieser Nachweis der Genehmigungsfreiheit kann natiirlich nicht auf einen anderen Ausfuhrvorgang iibertragen werden, sondern dient vor allem der Verfahrensabwicklung beim Verlassen des Zollgebiets: Auf jeder Ausfuhranmeldung (AM) muís der Ausfuhrer, der keine Exportgenehmigung vorlegt, versichern, daS er keine Kenntnis von riistungstechnischer Verwendung» der Ausfuhrware hat. Bevor ein Unternehmen sich kostentráchtig in Vorarbeiten fur einen Auftrag engagiert (z. B. in Produktvorentwicklungen, Prototypen etc.) sollte die Genehmigung bzw. ein Nullbescheid eingeholt werden. Auflagen Die Genehmigung kann an Auflagen gekniipft werden, etwa eine zeitliche Befristung oder eine wert- oder mengenmá&ge Begrenzung der Genehmigung. Genehmigungen kónnen auch von der Vorlage eines Endverbleibsdokuments abhángig gemacht werden, entweder amtlicher Garantieerklárungen, mit denen der Importstaat Verantwortung für die Überwachung des Endverbleibs und eines etwaigen Re-Exports übernimmt, insbesondere International Import Certificates (IC), deren System aus dem damaligen COCOM übernommen wur- <?page no="648"?> 626 L Ausfuhrabfertigung den, 40 oder privatrechtliche Endverbleibserklarungen (EVE) mit dem Briefkopf des Empfángers, deren Inhalte nach Bestimmungsland, Empfanger, Endverwender und Art der Giiter variieren kann (vgl. auch Abschnitt K-1.6). Bei gelisteten Giitern sind immer EVE erforderlich, meist aber erst von bestimmten Wertgrenzen an, bei Rüstungsgütern ab 5.000,- Euro und bei Dual-use-Gütern ab 10.000,- Euro, aber durchaus auch bei niedrigeren Werte, wenn die Zuverlássigkeit des Ausführers, die Sensitivitát der Exportgüter oder Bedenken bezüglich des Empfángers oder des Empfangslandes dies geboten erscheinen lassen. Fur voriibergehende Ausfuhren (Messen, Service) sind keine EVE nótig, wohl aber fur Leasinggescháfte, die wie Export behandelt werden. Fiir die Verbringung von Waren des Teil IA der AL (Rüstungsgüter) in EU-Staaten ist neben der Verbringungsbzw. Ausfuhrgenehmigung ein Warenbegleitpapier erforderlich, das mit der Ware reist. Auf diesem Dokument wird der Wareneingang beim Empfanger bestátigt. (Dies gilt analog fur den Eingang von Rüstungsmaterial aus anderen EU-Staaten.) PRAXISTIP Solche Endverbleibserklarungen mógen für Genehmigungsverfahren erforderlich sein. Sie sind jedoch im Straf- oder BuGgeldverfahren wertlos. Die Abschaffung der Grenzkontrollen im Binnenmarkt hat betráchtliche Überwachungsprobleme geschaffen. Die zum Teil sehr drastischen Normen des deutschen AWG haben daher nur bedingten <BiS>: Was aus Deutschland nicht mehr ausgefiihrt werden darf, kann problemlos ins benachbarte EG-Ausland verbracht und von dort aus mit oder ohne Genehmigung, oft aber vóllig legal weitergeleitet werden. Das perfektionistische deutsche Überwachungssystem KOBRA, in dem die Ausfuhranmeldungen ebenso verarbeitet werden wie die Ausfuhrbescheinigungen also eine doppelte Kontrolle - , gekoppelt mit den Frühwarnhinweisen des BMWi, hat dadurch betráchtliche Schlupflócher erhalten. Ais Alternative gründen viele Unternehmen für Exporte in <schwierige> Lander (Libyen, Iran, Irak, Serbien) Tochterfirmen im Ausland, vor allem in Frankreich und Grofibritannien, weil dort iiber Ausfuhrgenehmigungen deutlich schneller und meist positiver entschieden wird. In den USA gilt ein Ausfuhrantrag in unkritische Lander automatisch als genehmigt, wenn er nicht binnen 10 Tagen abschlágig beschieden wird. Ein deutsches Unternehmen erhielt nach 10 Monaten eine Ausfuhrgenehmigung, aber mittlerweile hatte der Kunde eine franzósische Firma beauftragt. Was in Deutschland abgelehnt wird, scheint in anderen Exportlándern Freude zu bereiten. Zitat eines BMWi-Beamten, der weifi, wovon er spricht: «Da [in Grofibritannien und Frankreich] kriegt man die Ware gut und genehmigt, bei uns ebenso gut, aber nicht genehmigt.» Die Gefahr besteht, daS sich die deutsche Exportkontrolle als negativer Standortfaktor auswirkt. Zitat eines auslándischen Unternehmers: «LaiSt sie doch zu Hause verbieten, was sie wollen. Wir machen die Gescháfte gern.» (Abb. L-6/ 13) In der Presse werden spektakuláre Falle aufgegriffen (auch wenn solche Informationen nur gelegentlich preisgegeben werden, weil die Unternehmen furchten, daS sie bei spáteren Antrágen Nachteile haben). Zwei Beispiele: Für Importe nach Deutschland stellt das BAFA solche Zertifikate aus, ebenso Wareneingangsbestátigungen (Delivery Verifications). Die meisten OECD-Staaten und einige weitere Lander erkennen ICs an. <?page no="649"?> L-6. Exportkontrolle 6 2 7 Abb. L-6/ 13: Exportkontrolle Eine deutsche Behorde sichert Arbeitsplátze im Au sla n d Die s c h á rfs t e n E x p o r t k o n t r o ll e n d e r Welt / Millionenverlu ste d u r c h nicht erteilte G e n e h mig u n g e n / F r a n kr e ic h u n d GroBbrit a nnie n g elt e n bei d er Verlagerung d er P r o d u k ti o n als „hei8er T i p " H Exportverbote verursachen bei deutschen Unternehmen hohen Schaden Strengere Vorschriften in Deutschland als in anderen EU-Lándern / Modellrechnung zu den Fdgekosten Im Mai des Jahres 1 harte ein deutscher Maschinenhersteller einen Kaufvertrag mit dem iranischen Rote Halbmond (analog: Rotes Kreuz) geschlossen. Zuvor harten bereits zwei andere Anlagen problemlos geliefert werden kónnen. Die Anfrage nach einer Exportgenehmigung wurde im Februar des Jahres 2, d. h. nach neun Monaten, vom BAFA mit einem Nullbescheid beantwortet (d.h. keine Exportgenehmigung erforderlich). Die Anlage wurde gebaut und fur den Export vorbereitet. Ende Juli des Jahres 2 harte die Behórde es sich anders iiberlegt und zog den Nullbescheid zuriick, drei Monate spáter erfolgte die endgiiltige Ablehnung, in der es ausdrücklich hie£, zwar kónnten mit der Anlage keine Kampfstoffe hergestellt werden, aber moglicherweise sei sie doch entsprechend zu verandern. Die Iraner bezogen die Anlage dann aus Schweden, fordern von der deutschen Firma allerdings sechzehn Millionen Schadenersatz (ohne eine finanzstarke Mutter ware das Unternehmen wahrscheinlich in Konkurs gegangen). Das BAFA hingegen fiihlt sich nicht schadenersatzpflichtig, sondern entsandte im Gegenteil die Zollfahndung, um zu prüfen, daS die ja fertige - Anlage nicht doch heimlich ins Ausland geschafft worden ware. - Ein anderes Unternehmen beantragte eine Ausfuhrgenehmigung nach Serbien fur MeSgeráte fiir Schutzkleidung. Das BAFA lehnte mit Hinweis auf das UN-Embargo ab; den Auftrag erhielt eine amerikanische Firma, die ohne Schwierigkeiten eine Ausfuhrgenehmigung erhielt. Insbesondere kleinere Unternehmen mit Existenzsorgen werden auch weiterhin alie Móglichkeiten nutzen, durch Umwegexporte legale oder nicht ganz so legale Schlupflócher zu finden, um sich Exportauftrage zu verschaffen. Als besonders einfach gilt unter Fachleuten der Export aus Griechenland oder Portugal, so daS die Griindung von auslándischen Niederlassungen (in der Rechtsform selbstandiger juristischer Personen) naheliegt. Selbst bei legalen Ausfuhren in und aus diesen Lándern gerát man dabei als deutscher Exporteur leicht in den Verdacht, illegal exportieren zu wollen. Arten von Genehmigungen Es sind verschiedene Arten von Genehmigungen zu unterscheiden. • Mit einer Einzelgenehmigung wird die Ausfuhr eines oder mehrerer Giiter aufgrund eines Auftrags an einen Empfánger genehmigt. Eine Variante sind Hochstbetragsgenehmigungen, die sich für die Serienbelieferung (mehrere Auftráge) eines Kunden mit einem Produkt eignen, z. B. unter einem Rahmenvertrag, wobei man den voraussichtlichen (zu begriindenden) Jahresumsatz ggf. unter EinschluS von Ersatzteillieferungen ais BezugsgrolSe nehmen kann. <?page no="650"?> 628 L Ausfuhrabfertigung • Individuelle Pauschalgenehmigungen (IPG) eignen sich fiir Lieferungen vieler Warengruppen an mehrere Empfánger in mehrere Lander, z. B. bei Ersatzteillieferungen (ohne Endverbrauchsnachweis). Die Praxiserfahrung zeigt, dafs bei Dual-use-Giitern die Exportgenehmigung fur Ersatzteile bis zu 25% des Grundgescháfts gleich mit der Hauptgenehmigung zusammen beantragt werden sollte. • Sammelausfuhrgenehmigungen gelten fiir beliebig viele Ausfuhren von spezifisch und individuell genehmigten Waren an genehmigte Empfánger in mehreren Lándern bis zu einem mit dem BAFA vereinbarten Hochstbetrag. Sie sind in der Praxis eher selten, beispielsweise bei internationalen Kooperationen. Die Anforderungen an die Zuverlássigkeit des Ausfiihrers sind hier besonders hoch; u. a. miissen im Vorjahreszeitraum mindestens 50 Einzelgenehmigungen beantragt worden sein, der Ausfiihrer muE besonders zuverlássig sein, fiir gute Kenntnis der Ausfuhrregeln bekannt sein und ein unternehmensinternes Kontrollprogramm nachweisen. Details müssen mit dem BAFA ausgehandelt werden. Die Antragsbearbeitung kann wegen des Umfangs der erforderlichen Priifungen leicht bis zu 6 Monaten dauern. Ausfuhrgenehmigungen gelten i.d.R. zwei Jahre und kónnen fiir 2 und mehr Jahre verlángert werden. Sie müssen 5 Jahre aufbewahrt werden. Sofern der Ausfiihrer die Genehmigung nicht ausnutzt bzw. wenn sie verfallen ist, muiS sie an das BAFA zuriickgegeben werden. In vielen Fallen braucht kein gesonderter Antrag fur einen Export gestellt zu werden, weil dafiir eine Allgemeine Ausfuhrgenehmigung (AG) in Anspruch genommen werden kann. Es gibt diverse. Die AGs werden im Bundesanzeiger veróffentlicht; sie umfassen i.d.R. 4-6 DIN-A4-Seiten Text; man sollte sie daher im Bedarfsfall ausfiihrlich studieren. Der Exporteur trágt die Verantwortung fiir die korrekte Benutzung der Allgemeinen Genehmigungen; beispielsweise muS in der Ausfuhranmeldung darauf hingewiesen werden (Feld 44: «mit AG Nr.4711»). PRAXISTIP Da die Inanspruchnahme Allgemeiner Genehmigungen im Ergebnis darauf hinausláuft, dafi der Exporteur keine spefizische Genehmigung des BAFA einholt, besteht das Risiko, daR sich durch Interpretationsfehler oder auch durch Ánderung der Rechtslage beim Exporteur ein unrichtiger Sachstand ergibt. Es empfiehlt sich, die aktuellen Informationen des BAFA bzw. der IHK zu verfolgen (www.bafa.de oder www.bundesausfuhramt.de). • Im Intra-Schengen-Handel wurden vereinfachte Verfahren zugelassen, um den Warenverkehr mit strategischen Industriegütem zu liberalisieren, gleichzeitig aber auch die Ausfuhren in kritische Lánder effizient kontrollieren zu kónnen. Die Allgemeine Genehmigung fiir den Intra-Schengen-Handel gestattet Exporte von Gütern und Fertigungsunterlagen aus Teil I-C der Ausfuhrliste, ohne daS vorher Ausfuhrgenehmigungen oder Endverbleibsnachweise beantragt werden müssen. Die Kontrolle dieser Warenbewegungen erfolgt im Nachhinein auf der Basis der vom Exporteur abgegebenen Meldungen. Immer wieder versuchen Unternehmen in unsicheren Fallen ihre Chancen auf eine Exportgenehmigung zu erhóhen, indem sie auf die Notwendigkeit dieser Genehmigung fiir den Erhalt von Arbeitsplatzen hinweisen. Die Erfahrung zeigt, dafi ein Argumentieren mit <?page no="651"?> L-6. Exportkontrolle 629 Bescháftigungswirkungen eher kontraproduktiv wirkt, weil es den Politischen Grundsátzen der Bundesregierung explizit widerspricht. PRAXISTIP Unternehmen konnen im Mailboxsystem BAFA-INFOSYS den Bearbeitungsstand Ihrer Antráge erfragen. Für das System ist eine Zugangsberechtigung zu beantragen. Die Zollbehórden überwachen die Einhaltung der auEenwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen. Die zustandige Oberfinanzdirektion (OFD) ist neben der Staatsanwaltschaft für die Ahndung von VerstóSen zustándig. Ermittlungen werden von den Zollfahndungsamtem und den Hauptzollamtern durchgefiihrt. Unter strengen Voraussetzungen ist das Zollkriminalamt (ZKA) in Kóln befugt, den Brief-, Post- und Femmeldeverkehr zu überwachen, um Straftaten nach dem AWG und dem KWKG zu verhindern. Es führt auch Marktbeobachtungen durch und gibt Informationen an die Zolldienststellen weiter. Das ZKA hat die weitestgehenden Überwachungsrecht in Deutschland, mehr ais BND oder MAD, einschlielSlich der Uberwachung von Post, Fax und Telefon, ohne richterlichen BeschluE. Telefónate mit bestimmten Landern (Iran) werden routinemaSig abgehórt. Man sagt, daS die USA dies auch in Deutschland tun. Aus den Ausfuhranmeldungen werden Daten des sensiblen Warenkreises in einem DV- Verfahren erfaSt und ausgewertet, dessen Akkronym KOBRA sich nur durch beachtliche sprachliche Anstrengung ergibt: Kontrolle bei der Ausfuhr. Egal. Das rote Exemplar 1 der AM geht an das Zollkriminalamt (ZKA) zur Erfassung im System Kobra. Es handelt sich dabei um eine Art nachtráglicher Rasterfahndung. Ein Rechenzentrum in Frankfurt arbeitet im Auftrag des ZKA. Emails sind derzeit noch schwer zu kontrollieren. Das Datenschutzrecht ist nicht immer hilfreich: In einem Fall hatte der BND konkrete Hinweise auf eine Straftat vom amerikanischen CIA erhalten, die wegen aus deutscher Sicht! unzulássiger Beschaffungsmethoden nicht verwertet werden durften (nach US-Recht waren sie legal). Ab in den Papierkorb. L-6.5.4. AuBenwirtschaftsrechtliche Betriebsprüfungen Die zustandige Oberfinanzdirektion kann von den Unternehmen Auskünfte verlangen, um die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu überwachen. Dies kann auch im Rahmen von Betriebsprüfungen erfolgen, die von speziellen HZA für Prüfungen durchgeführt werden, analog zu Steuer- und Zollprüfungen. Unternehmen, die viel genehmigungspflichtige Waren oder Technologien exportieren, müssen alie 2 bis 3 Jahre mit einer Regeipnifung rechnen. Daneben gibt es Anlafipriifungen auf Verlangen einer der zahlreichen, in der Exportkontrolle tátigen Dienststellen 41 aus «gegebenem AnlaS» (wer hátte das gedacht? ), zum Beispiel bei Anzeigen (auch anonymen), Schwerpunktprüfungen bestimmter Branchen oder Technologiebereiche (z. B. Ausfuhren von Chemiegütern in bestimmte Lander), fehlerhaften Papiere, festgestellten oder vermuteten Umgehungen des Rechts, miSbráuchlicher Nutzung von Allgemeinen Genehmigungen etc. Aber auch, wenn ein Unternehmen mehrfach unklare 41 Oberfinanzdirektionen, Bundesfinanzministerium, Bundeswirtschaftsministerium, BAFA, Hauptzollámter für Prüfungen, Zollfahndungsamt, Zollkriminalamt, Bundeskriminalamt, Institutionen der EU oder der UNO, etc. <?page no="652"?> 630 L Ausfuhrabfertigung Exportvorgánge zur Entscheidung vorlegt (eine Voranfrage ist diesbeziiglich sehr viel weniger <sensibel>) oder Antráge mehrfach abgelehnt werden, kann dies móglicherweise eine Betriebsprüfung auslósen, weil man sich offensichtlich in einem unsicheren Feld bewegt. Dies gilt auch, wenn bewilligte Ausfuhrgenehmigungen mehrfach nicht ausgenutzt werden. Die fur die Prüfung zustándige Verwalrungsbehorde ist die jeweilige OFD, die sich i.d.R. des zustándigen «Hauptzollamts fur Priifungen» bedient. Das Unternehmen hat die normalerweise durch eine Priifungsanordnung vorher angekiindigte - Priifung wáhrend der tiblichen Gescháfts- und Arbeitszeit zu dulden und durch Unterlagen und Erlauterungen sowie geeignete Ráumlichkeiten zu unterstiitzen wie bei einer Steuer- oder Zollpriifung. Allerdings sind bei konkretem Anfangsverdacht auch sofortige, unangekiindigte Priifungen móglich. Aus der Sicht der Unternehmen ist es ratsam, sich auf die Priifung sorgfaltig vorzubereiten, die betroffenen Mitarbeiter zu informieren, ggf. eine gemeinsame Vorbesprechung abzuhalten und vielleicht einen «Prufungsverantwortlichen» ais Ansprechpartner fur die Behórden zu bestimmen. Im Hinblick auf die umfassende Auskunftspflicht sollte Akten, Unterlagen und Rechtsvorschriften bereitgelegt und ggf. vorbereitet werden. Auch ein geeigneter Arbeitsplatz ist wichtig, am besten ein eigener Raum. Grundsátzlich sollte kein Zeitdruck bestehen, weil im Zweifel der Priifer immer den lángeren Atem - und Arm hat. Man sollte auch immer davon ausgehen, daS der Priifer solide vorbereitet ist und auch von vielen unternehmensspezifischen Dingen Kenntnis hat, wovon das Unternehmen nichts ahnt. Inhaltlich wird er teils nur punktuelle, spezifische Aspekte priifen, teils eine umfassende Priifung vornehmen, die sich auf die Beachtung der wesentlichen Vorschriften erstreckt. 42 Die Priifung beginnt mit einem Einführungsgesprách, in dem nochmals der Zweck und der geplante Ablauf der Priifung dargelegt wird, und meist einer Betriebsbesichtigung. Wáhrend der Priifung sollte das Unternehmen konstruktiv mitarbeiten (reizen Sie den Priifer nicht; wer sucht, findet immer etwas) und Kontakt zum Priifer halten; dies erleichtert u. U. eigene «Gegenermittlungen» und kann oft zu kostenloser Beratung in vielen Details fiihren. Eine offizielle Schlufsbesprechung ist grundsátzlich nicht erforderlich. Uber das Ergebnis der Pruning erstellt der Priifer einen schriftlichen Priifbericht, in dem er nur die wesentlichen Feststellungen darlegt und die wichtigsten Priifungsunterlagen auflistet. Er wird lediglich Tatsachen anfiihren, jedoch keine Wertungen beziiglich erwaiger Sanktionen vornehmen. Uber getroffene Vereinbarungen beziiglich organisatorischer oder rechtlicher Anderungen oder Mafinahmen, um Zweifelsfragen zu kláren, sollten klare Abmachungen getroffen werden. Wenn Priifer und Unternehmen erkennbar unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten, kann - und sollte die Übersendung des Prüfberichts vor der Auswertung durch die OFD beantragt werden. Als Ergebnis der Priifung kann die OFD bei festgestellten VerstóSen gegen Ausfuhrvorschriften je nach Schwere - BuKgeldverfahren (§ 70 AWV) oder Strafverfahren (§34 AWV) einleiten. Aus der Praxis láSt sich ableiten, daf? viele Verstófie gegen Exportkontrollvorschriften darauf zuriickzufiihren sind, daS die Verantwortlichen und Betéiligten die Rechtslage nicht iiberblicken und sich nicht selten an veralteten Gesetzestexten orientieren. Dies wird 42 Vor allem §§5, 6a, 7ff., 40,45,45b, 51 ff., 69a-o AWV, Art. 4,19,10 EU-Dual-Use-VO sowie einige Statistik- und Anmelde-Vorschriften. <?page no="653"?> L-6. Exportkontrolle 631 erschwert durch komplexe und sich háufig ándernde Vorschriften, die teils im nationalen, teils im supranationalen, teils im internationalen Recht verankert sind; allein fur die AWV sind im Schnitt vier Ánderungen pro Jahr zu verzeichnen. 43 Zustándige Mitarbeiter werden oft nicht geniigend geschult oder fortgebildet. Ein Nachweis der Fortbildung der Mitarbeiter ist jedoch auch im Hinblick auf die Verantwortlichkeit des Ausfuhrverantwortlichen erforderlich. Unzureichende Abstimmungen zwischen Produktion (geánderte Technik, andere Komponenten, die nunmehr genehmigungspflichtig sind) und Exportverantwortlichen, unvollstándige oder veraltete Unterlagen und unzureichende Dokumentation der Ausfuhrvorgánge sind ein guter Náhrboden für VerstóEe. Es sei nochmals erwáhnt, dafi eine Bündelung der operativen Verantwortlichkeiten fur die Exporte eines Unternehmens in móglichst nur einer Stelle aber mit kompetenter Vertretung! zu empfehlen ist. L-6.5.5. Sanktionen: BuBgelder und Strafen VerstóSe gegen Exportbeschrankungen sind meist Ordnungswidrigkeiten. Leichte FormverstóSe z. B. Ausfuhr ohne Genehmigung, die jedoch gewáhrt worden ware, Verletzung der Aufsichtspflicht werden zwar geahndet (und registriert), aber nicht in derselben Strenge wie andere Verstófie, die in leichten Fallen Verwarnungen, in anderen Fallen BuEgelder gegen das Unternehmen bis zu 500.000 Euro nach sich ziehen kónnen. Dies kann erganzt werden durch eine eventuelle voUstandige Bruttogewinnabschopfung, d. h. daS der Taterlós ohne Abzug von entstandenen Kosten der Staatskasse verfállt («Verfall»), durch die Einziehung von Transportmitteln oder anderen tatbezogenen Gegenstánden sowie durch Berufsverbote zwischen einem Jahr und lebenslang. Dies sind bereits sehr harte Sanktionen. Eine Reihe von Bufigeld-bedrohten Ordnungswidrigkeiten sind in § 33 AWG enthalten. Wenn bei diesen noch der sog. Gefahrdungstatbestand hinzukommt, d. h. u. a. daE die aufiere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, das friedliche Zusammenleben der Vólker oder die auswartigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland (erheblich) gefáhrdet wird, kónnen sie zu Straftatbestánden <hochgestuft> werden, vor allem bei vorsátzlicher Ausfuhr, fur die keine Genehmigung erteilt worden ware. VerstóSe gegen Verbote sind Straftaten und mit Freiheitsstrafe bedroht. Strafrechtlich kónnen in Deutschland nur natürliche Personen zur Verantwortung gezogen werden (Abb. L-6/ 14). In GroEbritannien kann eine Geldstrafe gegen juristische Personen verhángt werden; in den USA kann einem Unternehmen die Wiedergutmachung eines verursachten Schadens auferlegt werden. Gegen juristische Personen oder Personenunternehmen kónnen in Deutschland keine Kriminalstrafen, sondern lediglich BuSgelder verhángt werden, sofern ein Mitglied eines vertretungsberechtigten Organs eine Ordungswidrigkeit oder Straftat begangen hat und das Vergehen einen VerstoS gegen die Unternehmenspflich- Abb. L-6/ 14: Im Ausland sind Strafen fur Unternehmen bereits üblich Entwicklung in Deutschland ist noch offen / Sachverstándigenkommission Der Fairness halber muE aber gesagt werden, dafi auch in anderen Landern, beispielsweise den USA, die Exportkontrollvorschriften ziemlich komplex und kompliziert sind. <?page no="654"?> 632 L Ausfuhrabfertigung ten bedeutet oder eine Bereicherung des Unternehmens bedeutet. Nach § 14 StGB záhlen zum straffahigen Personenkreis Vorstand und Gescháftsführung, aber auch Abteilungsleiter, Sachbearbeiter, Meister etc. Verantwortlich ist immer derjenige, durch dessen Tun oder Unterlassen incl. mangelnder Pflichterfullung (Aufsichts-, Informationspflicht etc.) die strafbare Tat ausgelóst wurde. Dabei ist nicht nur direktes eigenes Handeln erfaEt, sondern auch, wenn man einen anderen anweist, die Handlung zu begehen, oder eine Handlung billigend hinnimmt, ohne dagegen vorzugehen. Solche VerstóSe werden als Straftaten des Ausfuhrverantwortlichen bzw. etwaiger Mittáter gewiirdigt. (Zitat eines Unternehmers: «Der Ausfuhrverantwortliche iibernimmt die Verantwortung, «sitzt» und wird befordert.») Dabei ist bereits der Versuch bzw. schon die Gefáhrdung strafbar, und zwar vóllig unabhángig vom Wert der betreffenden Ausfuhr. Derartige Delikte werden mit Geldstrafen oder mit Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren bedroht, wobei zwischen Fahrlassigkeit und Vorsatz abgestuft wird. VerstóEe im Zusammenhang mit einer Beteiligung an ABC-Waffen (Herstellung, Lagerung, Transport, VeráuSerung sowie jegliche Handlung, die diese Tátigkeiten fórdern oder ermóglichen, z. B. Schulungen) werden mit Freiheitsstrafe von mindestens 2 Jahren 44 bis zu 15 Jahren geahndet, Bruch eines Handelsembargos der UN mit mindestens 2 Jahren, bei Fahrlassigkeit mit bis zu 3 Jahren, in besonders schweren Fallen nicht unter 2 Jahren (§ 34 AWG). Die Strafandrohung bezieht sich auf jeden, der die verbotene Handlung oder das Rechtsgescháft vornimmt oder darán beteiligt ist. Innerhalb des Unternehmens kann das alie Mitarbeiter, nicht nur den Ausfuhrverantwortlichen treffen. Einschlágige Falle zeigen zudem, daE auch weit zurückliegende Transaktionen noch geahndet werden, ebenso wie vergleichsweise unbedeutende Vergehen, wie im Fall eines durch Unfall arbeitsunfáhigen Serben, der um seinen Lebensunterhalt zu verdienen gebrauchte (! ) Spritzgufs- und einige andere Maschinen im Wert von knapp 40.000 DM nach Serbien gebracht harte, darán 5000 DM verdiente und zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren 8 Monaten und zur Einziehung seines Sparguthabens von 80.000 DM verurteilt wurde. Seine Revision wurde vom Bundesgerichtshof als unbegriindet zuriickgewiesen. In einem anderen Fall wurde ein Obsthándler, der zu Zeiten des Totalembargos illegal Obst (Obst! ! ) aus Serbien eingeführt hatte, vom Landgericht Nürnberg-Fürth zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten ohne Bewáhrung verurteilt. Bei solchen Fallen zweifelt man (ich) an der juristischen Weisheit der Bestimmungen. Einschránkend ist jedoch festzustellen, da£ sehr viele Verfahren bei der fur Straftaten zustándigen Staatsanwaltschaft mangels eines nachweisbaren subjektiven Straftatbestandes und aufgrund wertmaSig geringer Verstofie eingestellt werden. Die Alternative eines móglicherweise nachhaltig wirkenden - BuSgeldverfahrens durch die OFD ist dann aber nicht mehr moglich. Eine Staffelung von BuE- und Strafverfahren nach einem wertorientierten Kriterium ist jedoch nach geltendem Recht ausgeschlossen. Mit Blick auf die Praxis der Exportkontrolle ist festzustellen, daS der Strafbarkeitsbereich des deutschen AuEenwirtschaftsrechts im Vergleich mit anderen Landern sehr / viel zu weit ist. Lediglich die USA haben ein Exportkontrollrecht vergleichbarer Strenge, dazu noch wie erwáhnt mit extra-territorialer Anwendung. Abgesehen von den ohnehin strafbe- 44 Freiheitsstrafen ab zwei Jahren kónnen nicht zur Bewáhrung ausgesetzt werden. <?page no="655"?> L-6. Exportkontrolle 633 drohten VerstóEen gegen das Ausfuhrverbot konventioneller und ABC-Waffen (sog. Grundtatbestand des Ausfuhrstrafrechts) und den Embargostatbestand werden durch die oben angesprochene sog. Catch-all-Ylzust\n Exportgeschafte auch bei an sich harmlosen Giitern zu riskanten Unternehmen, wenn sie ohne Genehmigung zu militárischen Zwecken in sensible Lander geliefert werden (Gefahrdungstatbestand). Dai? dadurch viele Ordnungswidrigkeiten zu Straftaten werden kónnen (§ 34 AWG), erscheint iiberzogen. Nicht wenige Verstoi? e ergeben sich durch falsche Auslegung bzw. Einordnungsprobleme von Waren in die Ausfuhrliste. Ein alternatives stárkeres Abstellen auf den Verwendungszweck und auf die Empfángerlánder kónnte eine Verbesserung bedeuten. Die Androhung einer Mindeststrafe von zwei Jahren bedeutet einen Verbrechenstatbestand, der in vielen Fallen als iiberzogen einzustufen ist, zumal vom Verfahren her gesehen derartige Falle mit erforderlicher Strafverteidigung mindestens zum Schoffengericht angeklagt werden, was fur die Beklagten einen hohen finanziellen Aufwand bedeutet. Achtung: Bereits im Vorfeld von konkreten Verstófsen ist das deutsche Aufsenwirtschaftsrecht knallhart. Geben Verstofie AnlaS zum Zweifel an der Zuverlássigkeit des Unternehmens, werden Bescheide vom BAFA nicht efteilt (incl. Nachweise der Nichtgenehmigungspflichtigkeit), bis der Zweifel ausgeraumt ist. Parallel dazu erfolgt eine Meldung an das Zollkriminalamt (ZKA), welches seinerseits alie Zolldienststellen anweist, samtliche zollrechtlichen Verfahrensvergiinstigungen auszusetzen. Dies ist eine Art wirtschaftlicher Todesstrafe, denn damit kann ein Unternehmen faktisch vom AuSenwirtschaftsverkehr ausgeschlossen werden. Nicht wenige Unternehmen sind durch dieses «Nebenstrafrecht» in Konkurs gegangen; in vielen Fallen haben Ausfuhrverantwortliche und andere Tatbeteiligte das Unternehmen verlassen miissen, um die Zweifel auszuráumen (ein blofies Umsetzen innerhalb des Unternehmens reicht nicht aus), und zwar auch in Fallen, in denen im Nachhinein keine VerstóSe nachgewiesen werden konnten. Allerdings kann sich bei einem sich anschliefsend als unbegriindet herausstellenden Verdacht ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung ergeben, wenn der Betreffende z. B. seinen Posten verliert. Nicht zu unterschátzen ist auch der mógliche Imageschaden bei wichtigen Gescháftspartnern. Diese Wirkungen sind sehr hart, wenngleich selten, aber vom BMWi so gewollt und beabsichtigt. Formal ist zu beachten, daS gegen diese Ma£nahmen, die sich auf einen Anfangsverdacht stiitzen, keine Rechtsmittel móglich sind, und selbst wenn, kámen dies meist zu spat. Allerdings sind einschlágige Falle selten, und den Exportkontrollbehórden ist in dieser Hinsicht ein sehr gutes AugenmaS zu attestieren. Vor dem Hintergrund des Sanktionsinstrumentariums ist fiir die unternehmerische Praxis daher nochmals anzuraten, dai? die Exportkontrolle nicht <so nebenbei> gehandhabt und organisiert wird. Die Ablauforganisation sollte prázise Arbeitsanweisungen umfassen, und neben entsprechender Sorgfalt bei Auswahl und Schulung der betreffenden Mitarbeiter sollte besonderer Wert auf eine hinreichende Aufsicht gelegt werden. Verstófie gegen Importbestimmungen werden allgemein nur als Ordnungswidrigkeit gewertet, unabhángig von einer evtl. strafrechtlichen Verfolgung wegen Steuerhinterziehung oder anderer Straftatbestánde. <Gángige> Verstofie gegen das AulSenwirtschaftsrecht sind u. a. die Ein- und Ausfuhr ohne Genehmigung (schon der Versuch kann geahndet werden), die Vorlage unrichtiger Papiere, unrichtige Angaben, um Genehmigungen zu erwirken, Behinderung der Nachpriifung, etc. <?page no="656"?> 6 3 4 L Ausfuhrabfertigung L-6.5.6. Bewertung der Exportkontrollen Die sich vielfáltig berührenden, überlagernden und ergánzenden Ausfuhrbeschránkungen teils nationalen, teils supranationalen Rechts ergeben eine nur schwer zu überschauénde Rechtsmaterie; dies dürfte dieses Kapitel deutlich gemacht haben. Für exportorientierte Unternehmen ist es von grolSter Wichtigkeit sicherzustellen, ob und in welchem Ausmai? sie von Ausfuhrbeschránkungen betroffen sind, denn auch vermeintlich harmlose Verstofie die für den aufenstehenden Betrachter auch objektiv harmlos sind kónnen sehr empfindliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Der administrative und vor allem betriebswirtschaftliche Aufwand für die Exportkontrolle ist enorm. Die Frage, ob sich dieser Aufwand lohnt, wird je nach Interessenlage unterschiedlich beantwortet. Insgesamt sind die Einschátzungen eher skeptisch. UN-Generalsekretár Kofi Annan etwa empfahl unlángst, die «ernsten Zweifel» an der Effizienz von Sanktionen durch gezieltere Mafinahmen auszuráumen. Unabhángig davon stellt sich für den externen Beobachter die Sanktionsmaschinerie ais sehr schwerfállig dar: Bis sich etwa der UN-Sicherheitsrat aufrafft, über mógliche Sanktionen gegen ein Land überhaupt nur zu diskutieren, muí? schon allerhand passiert sein; das Serbien-Embargo ist ein sehr gutes schlechtes Beispiel. Und selbst wenn ein Konflikt auf die Tagesordnung des Sicherheitsrates kommt, heifit das noch nicht viel. Und selbst wenn, wird in der Regel zunáchst ein Waffenembargo verhángt. Allerdings gibt es kein einziges Beispiel einer Krisenregion, in der die waffenführenden Parteien sich nicht beinahe beliebig mit modernen Waffen versorgen konnten. Wenn überhaupt, verschlechterten die verhángten Sanktionen die Lage der breiten, meist armen, aber hilflosen Bevólkerung (Irak, Serbien) (Abb. L-6/ 15). Und um offenkundige Menschenrechtsverletzungen - China, Tschetschenien, Serbien macht der Blick des Sicherheitsrates einen grofien Bogen. Die Erwartung, dafi sich dadurch soviel innerer Druck aufbaut, daE das zu sanktionierende Regime hinweggefegt würde, ist vóllig unrealistisch. Das Hauptgegenargument ist, dafi es ohne die Sanktionen noch viel schlimmer ware. Maybe. Und auch die einseitigen Embargos der USA u. a. gegen Iran, Irak, Libien, Kuba oder Haiti haben nicht die erhofften Wirkungen gezeigt. Kein Land der Welt hat so viele Embargos verhángt wie die USA. Abb. L-6/ 15: Sanktions-Wirkungen Die Sanktionen konnten Libyen bisher wenig anhaben Luxusboutiquen und Arbeit für alie Durch Sanktionen zu Reichtum gelangt Wie Saddam Husseins Familie an den Golf-Krisen verdient Das Dickicht der Exportkontrollen hat zum einen sehr viele Verástelungen, noch vertieft durch zahlreiche Ausnahmen und Eventualitáten, was es auch gutwilligen Unternehmen nicht leicht macht, ohne Kollision und Schrammen auf und zwischen alien Rechtsvorschriften zu operieren. Dabei stellt sich immer wieder mal die kaum zu beantwortende - Frage Ein g r a b e s M i t t e l Die wachsende Kritlk an der internationalen Sanktionspraxis zeigt erste Wirkung <?page no="657"?> L-6. Exportkontrolle 635 nach dem Sinn und Zweck einzelner Detailvorschriften. Zum anderen stellt sich insgesamt die Frage nach der Wirksamkeit der nationalen, supra- und internationalen Exportkontrolle. In der Praxis haben sich die Embargos ais lócheriger ais schweizer Káse erwiesen. Einige Staaten betátigen sich fast offiziell ais Embargobrecher, die internationale Solidaritát war immer unzureichend; über die schwácher ais in Deutschland kontrollierte AuSengrenzen flieEen umfangreiche Warenstróme, auch an den offiziellen Grenzübergangstellen wird geschmuggelt, «dafi sich die Bodenbleche biegen», wie ein Zollbeamter an der ungarischserbischen Grenze berichtete, weil natürlich nur Stichproben erfolgen kónnen; Zollbeamte werden bestochen, und natürlich werden Papiere gefálscht: Bei UN-Embargos beispielsweise müssen Ausnahmegenehmigungen in New York gegengezeichnet werden, so dafi die Papiere mehrfach hin- und hergefaxt werden. Es ist nicht schwer, solch ein <amtliches> Fax zu fálschen. Die Geschichte der Exportkontrollen ist lang, und pauschal gesehen wenig erfolgreich. Nach dem Zweiten Weltkrieg war im Rahmen des COCOM (vgl. unten) versucht worden, dem Ostblock sensible Güter vorzuenthalten. Dies hat die damalige Sowjetunion nicht darán gehindert, vor den USA ihren Sputnik in einer Erdumlaufbahn zu plazieren. Auch die spáteren zahlreichen internationalen Vereinbarungen gegen die Weitergabe von Atomwaffen, chemischen und biologischen Kampfmittel, Raketen, konventionellen Rüstungsgütern und gegen Personen gerichteter Landminen haben insgesamt nicht verhindern kónnen, daE in vielen Staaten Entwicklungshilfemittel zur Finanzierung von Rüstungsgütern verwendet und Armeen von Kindersoldaten mit modernen Spezialwaffen ausgerüstet werden; Indien und Pakistan sind mittlerweile zu Atommáchten geworden. Auch deutsche Waffen sind in fast alien Krisengebieten anzutreffen. Theoretisch dürfte dies alies gar nicht sein. Es ist davon auszugehen, daü sich unterhalb der «Spitze des Eisbergs» aufgedeckter ExportverstóSe ein breites Bergmassiv erstreckt, das nicht nur von illegal orientierten deutschen Firmen gebildet wird, sondern in nicht únwesentlichem AusmaE auch von eigens gegründeten «Export-Import»-Firmen aus bestimmten Lándern, die über eine Schicht von Scheinfirrmen und nicht selten mit Unterstützung ihrer diplomatischen Vertretungen sensible Güter und Informationen aus dem Land schleusen. Es mufs aber nochmals deutlich hervorgehoben werden, daE ein ganz klarer Zielkonflikt besteht zwischen dem nicht nur staatlichen - Bestreben bzw. der Erwartung, die Import- und Exportvorschriften nationaler oder supranationaler Art móglichst lückenlos zu überwachen und zu kontrollieren und der Erwartung vor allem der im AuSenhandel tátigen Unternehmen, daS der Warenverkehr móglichst unbehindert und zügig ablaufen kann. Der Versuch einer umfassenden physischen Kontrolle und Beschau der ein- und auszuführenden Waren würde sowohl den grenzüberschreitenden Verkehr und ais auch die Abfertigungskapazitáten der Binnenzollstellen zusammenbrechen lassen. Folglich müssen sich die Überwachungsbehórden (also in erster Linie die Zollverwaltung) in erster Linie auf die juristische «Vermutung» stützen, daS die Angaben der Importeure und Exporteure korrekt sind, so daS weitestgehend nur eine papierbzw. buchmaEige Abwicklung der Formalitaten erfolgt. Daneben kónnen begrenzt physische Kontrollen erfolgen, wobei sich diese zum einen nur auf Stichproben, zum anderen auf oft recht oberfláchliche Untersuchungen beschránken müssen (Abb. L-6/ 16). <?page no="658"?> 6 3 6 L Ausfuhrabfertigung Jáhrlich passieren rund 20 Millionen Exportsendungen und eine analoge Anzahl Importe die deutschen Grenzen. Dieses Volumen macht es unmóglich, daS in jedem Fall eine wirklich eingehende Kontrolle erfolgt, nicht nur aus Griinden der Personalkapazitát der Kontrollbehorden, sondern insbesondere, weil dies eine enorme Verzógerung des Güterhandels bedeuteten würde und den Grundsatz des unbehinderten Handels erheblich einschránken würde. Da kaum ein anderer EG-Staat áhnlich strikte Exportvorschriften hat wie Deutschland, ist es gelegentlich auch móglich, Umwegexporte über schwácher kontrollierte Aufiengrenzen durchzuführen, siehe oben. Selbstverstándlich sind Kontrollen in alien Bereichen erforderlich, die Beschránkungen unterliegen, da wohl kaum davon ausgegangén werden kann, dafi alie Beteiligten von sich aus die geltenden Bestimmungen vorschriftsmáfig beachten: entweder absichtlich oder aufgrund mangelnder Vertrautheit mit den Vorschriften. In vielen Fallen bestehen betráchtliche Auslegungsschwierigkeiten. Was sind beispielsweise Riistungsgiiter oder Kriegswaren? Sehr viele grundsátzlich zivile Waren (z. B. Laborausrüstungen oder Ólpumpen) kónnen auch zu militárischen Zwecken verwendet werden (die immer wieder zitierten dual-use-Güter). Zweifelsfálle müssen gegebenenfalls individuell geprüft werden, was wiederum rein mengenmáfig schnell an Kapazitátsgrenzen stoSen kann, und zwar sowohl im vorherigen Genehmigungsverfahren ais auch bei nachtráglichen, ggf. strafrechtlichen Untersuchungen. Auslegungsprobleme ergeben sich auch aus unprázisen Begriffen wie der 4eichtfertigen Fórderung> von Herstellungshandlungen bei ABC-Waffen. Gehórt hierzu bereits die Ausbildung eines Chemielaboranten, der seine Kenntnisse spáter verbotswidrig einsetzt? (Abb. L-6/ 17). Die deutsche Exportwirtschaft beklagt daher in zunehmendem Mafe die Bebinderungen, die sich aus den Exportkontrollen ergeben, unter dem Blickwinkel von Wettbewerbsnachteilen gegenüber europáischen Konkurrenten, die nur weniger strengen und vor allem administrativ schnelleren Regelungen unterworfen sind. Was in anderen EU-Staaten zulássig ist, kann in Deutschland illegal sein. Es gibt Falle, bei denen sich ein deutsches Unternehmen an einer offiziellen EU-Ausschreibung beteiligte, aber die deutschen Behórden die erforderlichen Ausfuhrgenehmigungen verweigerte. Der deutschen Exportwirtschaft entgehen daher auch Auftráge, weil sich die Unternehmen aufgrund vorangehender Erfahrungen gar nicht erst um eine Exportgenehmigung bemühen oder nicht zur Abgabe eines Angebots aufgefordert Quelle: Aufnahme: ZENIT GRENZKONTROLLEN Lóehhg wie Sehweiier Kase <?page no="659"?> L-6. Exportkontrolle 6 3 7 wurden. Dies ist statistisch überhaupt nicht zu erfassen. Der Anteil zuriickgewiesener Exportantrage ist gering, weil die meisten Unternehmen erst dann eine Ausfuhrgenehmigung beantragen, wenn sie sich ihrer Sache fast sicher sind. Firmenintern verursachen die Vorprüfungen bezüglich der Genehmigungsbediirftigkeit entsprechende Personalkosten. Allerdings wird damit seitens auslándischer Unternehmen teilweise auch Stimmung gegen die deutschen Konkurrenten gemacht, denn die Genehmigungsverfahren sind de facto spurbar verkiirzt worden: Exportantrage, die vom BAFA entschieden werden kónnen, werden nach Angaben des BAFA zu 85% innerhalb von drei Wochen, zu 80% innerhalb von zwei Wochen entschieden. Innerhalb von 2 Tagen werden Exportantrage für dual-use-Güter in OECD-Lánder bearbeitet (diese Fristen werden allerdings aus Kreisen der Wirtschaft bestritten). Wenn hingegen das BMWi bzw. der Wassenaar-AusschuS eingeschaltet werden muS, kónnen daraus durchaus auch sechs bis acht Wochen werden. Das BAFA wiederum schiebt einen Teil der Verantwortung fur lange Bearbeitungszeiten auch den Unternehmen zu, die die Bestimmungen nicht hinreichend kennen (z. B. werden sehr viele überflüssige Antráge gestellt), die zulássige Vereinfachungen nicht in Anspruch nehmen bzw. unvollstándige Unterlagen einreichen. Offensichtlich besteht das Problem darin, einen Kompromifi zwischen ziigiger Exportabwicklung und Vorsicht bzw. Kontrolle zu realisieren. Insgesamt ist es aber erforderlich, die Exportkontrollen international zu harmonisieren, und zwar nicht nur innerhalb der EG, sondern auch mit den USA und Japan. Offensichtlich besteht das Problem darin, einen KompromiS zwischen ziigiger Exportabwicklung und Vorsicht bzw. Kontrolle zu realisieren. Nationale Alleingánge mógen von der Sache her angebracht sein, kónnen jedoch asymmetrische Wettbewerbsverzerrungen bedeuten. Bislang ist in der EG hinsichtlich der Harmonisierung der Exportkontrollen noch die Frage ungeklárt, ob Waffenexporte unter die Harmonisierungskompetenz der EG gemáfi Art. 133 EGV Abb. L-6/ 17: Kontrolle Hier steht's schwarz auf weifi: Fahrradteilc. Also sei nicht so mifltrauisch! Quelle: Stuttgarter Zeitung, Karikatur: LUFF (Rolf Henn) <?page no="660"?> 638 L Ausfuhrabfertigung (Handelspolitik) fallen oder gemáfS Art. 296 (Sicherheitsinteressen) in nationaler Souveránitát zu regeln sind, so wie es gegenwártig der Fall ist. Viele EG-Partner wollen in diesem sensiblen Bereich keine Souveránitátsrechte aufgeben. Bemerkenswert ist dabei, daE hinsichtlich der Einschátzung <sensibler> Lander innerhalb der OECD grolSe Unterschiede bestehen. Nach einer Untersuchung einerWissenschaftlergruppe, die sich «Safer World» nennt, aus dem Jahr 1995 stuften Deutschland, GroSbritannien, Japan und die USA insgesamt 72 Lander als sensibel ein und belegten diese mit Exportbeschránkungen, jedoch wurde die Halite dieser Lander nur auf einer oder zwei Listen gleichzeitig gefiihrt. Frankreich und Italien veróffentlichen nicht einmal Exportkontrollisten. 45 Damit sind Importe von Dual-use-Gütem nur dann kaum móglich, wenn absolute Embargos bestehen. Auch das EG-Dual-Use-Recht bestátigt die Tendenz, daE man sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt und dadurch erhebliche Umgehungsmóglichkeiten offenbleiben. Die verschiedenen Vereinfachungen insbesondere der Wegfall von Gestellungspflichten bedeutet eine erhebliche Einschránkung der Kontrollmoglichkeiten. Andererseits ist zu bedenken, daS eine umfassende physische Kontrolle angesichts des gewaltigen Volumens der Warenausfuhren praktisch unmóglich ist. Aus der Sicht der ZoUverwaltung bedeuten die Vereinfachungen, die verfahrenstechnisch fur beide Seiten grofie Vorteile darstellen, ein gewisses <Risiko>, als sich das Personalstellenvolumen nach dem Abfertigungsvolumen richtet und Vereinfachungen insofern tendenziell eine Stellenreduzierung begiinstigen kónnen. Móglicherweise auch aus diesem Grund ist gelegentlich eine restriktive Bewilligungspraxis der Zollstellen zu beobachten. L-6.5.7. COCOM und Wassenaar-Abkommen Am 19.12.1995 vereinbarten Vertreter von 28 Staaten 46 in Wassenaar, einem Vorort von Den Haag, ein <Arrangement>, welches das bisherige COCOM abgelóst hat. Dieses Coordinating Committee for Multilateral Strategic Export Controls (friiher: Coordinating Committee for East-West Trade Policy) war ais Produkt des Kalten Krieges überfállig geworden. Mit dem Wassenaar-Arrangement wurde 1994/ 95 ein Instrument geschaffen, mit dem der Export von Waffen, von einschlágigen Mehrzweckgütern (Dual-Use-Gütern) und entsprechenden Technologien iiberwacht werden soil. Damit soil es die bestehenden anderen «Nichtverbreitungsabkommen» ergánzen: 1976 schloS sich die Gruppe Nuklearer Lieferlánder zusammen (Nuclear Suppliers Group, NSG), 1985 die Australische Gruppe fiir die Kontrolle chemischer und biologischer Mehrzweckgiiter, 1987 wurde das Trdgertechnologie-Kontrollregime (Missile Technology Control Regime, MTCR) ins Leben gerufen. Das Wassenaar- Arrangement ist kein fórmlicher vólkerrechtlicher Vertrag, ebensowenig wie die anderen oben erwáhnten Kontrollregimes; die Bezeichnung <Arrangement> start <Vertrag> oder <Abkommen> verdeutlicht dies. Dennoch gibt es ein kleines Sekretariat in Wien zur technischen Abwicklung. Das Abkommen steht grundstátzlich alien Staaten offen. Auf Drángen der Bundesregierung waren auch mittel- und osteuropaische Staaten am Verhandlungspro- 45 Vgl. Aufienwirtschaftsbrief 3/ 95: 2. 46 EU, Australien, Japan, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Polen, Russische Foderation, Schweiz, Slowakische Repubik, Tschechische Republik, Tiirkei, Ungarn, USA. <?page no="661"?> L-6. Exportkontrolle 639 zeS beteiligt; neben den meisten NATO-Mitgliedern sind Polen, Rutland, die Tschechische und die Slowakische Republik sowie Ungarn bereits Mitglieder (Abb. L-6/ 18). Die Vertragspartner woUen sich gegenseirig iiber sensitive Exporte unterrichten, um die Transparenz in diesem Bereich zu verbessern und um das polirische Risiko solcher Exporte besser beurtei- •len zu kónnen. Damit sollen auch faire Ausfuhrbedingungen gewáhrleistet werden. Abb. L-6/ 18: Australische Gruppe NSG MTCR Wassenaar Arrangement Ausfuhrliste Teil I 1' 4 Abschnitt A Rüstung Anhang I zur EG-uuai-use-vu Dual-use-Güter der intemationalen Regime Abschnitt B sonstige (national) Dual-use-Güter derEG (die nicht aus den Regimen stammen) V 1 Abschnitt C national und EG <?page no="662"?> Literaturverzeichnis Altmann, Jórn, Wirtschaftspolitik, 7. Aufl., Stuttgart 1999 Altmann, Jórn I Kulessa, Margareta £., Internationale Wirtschaftsorganisationen, Stuttgart 1998 Ausfuhrliste 2000, Bundesanzeiger-Verlag, Bonn 2000 Backhaus, Klaus I Biischken, Joachim I Voeth, Markus, Internationales Marketing, 3. Aufl. Stuttgart 2000 Bandel, Stefan, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, Miinchen 2000 Berndt, Ralph I Fantapié Altobelli, Claudia I Sander, Matthias, Internationales Marketing-Management, Berlin et al. 1999 Bernstorff, Christoph Graf von, Risiko-Management im Auslandsgescháft, 3.Aufl. Frankfurt/ M. 2001 ders., Rechtsprobleme im Auslandsgescháft, 4. Aufl. Frankfurt 2000 ders., Wirtschaftsrecht in der EU. Praxishandbuch, Kóln 1998 ders., Vertragsgestaltung im Auslandsgescháft, 4. Aufl. Frankfurt 1997 Bóckstiegel, Karl-Heinz, Beweiserhebung in internationalen Schiedsverfahren, Kóln 2001 Bredow, Jens I Seiffert, Bodo, Incoterms 2000, Kommentar, Bonn 2000 Breuer, Wo/ / g<j«g,UnternehmerischesWáhrungsmanagement: Eine anwendungsorientierte Einfiihrung, Wiesbaden 2000 Chandler, Alfred D., Strategy and Structure, Cambridge 1962 D'dser, Wulf Heinrich, Einfiihrung in die Gestaltung internationaler Vertráge, Miinchen 2002 Detzer, Ullrich, Gestaltung von Vertragen mit auslandischen Handelsvertretem und Vertragshandlem, Heidelberg 2000 Detzer, Klaus, Gestaltung von Vertragen rait auslandischen Handelsvertretem und Vertragshandlem, Heidelberg 2000 Dortschy, Jochen W. I Jung, Karl-Heinz I Keller, Richard, Auslandsgescháfte: Banktechnik und Finanzierung, 2. Aufl. Stuttgart 1997 Diinnweber, Inge, Das auEenwirtschaftsrechtliche Einfuhrverfahren im Lichte des Rechts der Europaischen Union, Frankfurt 1997 Endrós, Florian, Kaufvertrag in Frankreich, Zustandekommen, Inhalt, Abwicklung, Freiburg 1999 Fischer, Lutz, Besteuerung des internationalen Untemehmenskaufs, Kóln 1999 Frank, Franziska, Franchising in Russland, Miinchen 2000 Friese, Christian, Kompensation von Embargoschaden bei EmbargomaSnahmen der Europaischen Union, Kóln 2000 Gabler Lexikon Auslandsgescháfte, Wiesbaden 2000 Gablers Wirtschaftslexikon, 15. Aufl., Wiesbaden 2000 Gerberich, Claus W., Beschaffungscontrolling, Heme 2002 Gesamtverband der Textilindustrie in der Bundesrepublik Deutschland, Der nicht-práferentielle Ursprung, Ein Leitfaden fur Textilunternehmen, Eschbom 1999 GfK Lebensstilforschung, The Light Blue Book, Niimberg 1990 Gleason, James T., Risikomanagement, Kóln 2001 Gleifiner, Werner I Meier, Giinter, Praxishandbuch Risikomanagement, Methoden und Fallbeispiele, Wiesbaden 2002 Glossner, Ottoarndt, Das Schiedsgericht in der Praxis, Heidelberg 2002 Griiske, Werner, Ratgeber Incoterms 2000, Kóln 2000 Gstoehl, Martin, Grenziiberschreitendes Vertragsrecht, Kóln 1999 Haberle, Siegfried, Handbuch der Akkreditivem Inkassi, Exportdokumente und Bankgarantien, Miinchen 2000 ders, Handbuch der Aufsenhandelsfinanzierung, 2. Aufl. Miinchen 1998 <?page no="663"?> Literaturverzeichnis 6 4 1 Handelskammer Hamburg (Hrsg.), K und M (Konsulats- und Mustervorschriften), Hamburg 2000 Heiming, Ines, Interkulturelles Personalmanagement - Vorbereitung auf den chinesischen Markt, i.d. Reihe <Praxis der AuEenwirtschaft>, hrsg. von Jórn Altmann, Institut fur Aufienwirtschaft, Bochum, Verlag W. Bertelsmann, Bielefeld 1999 Henke, Reginhard, Verbote und Beschránkungen bei der Ein- und Ausfuhr, Heme 2000 Henke, Reginhard I Witte, Peter, Das Zollager: Ein Handbuch fur die Praxis zur Einrichrung von Zollagern und Durchführung des Zollagerverfahrens in der Europaischen Union, Miinchen 1996 Henn, Giinter, Schiedsverfahrensrecht, Handbuch fur die Praxis, Heidelberg 2000 Herber, Rolf, Seefrachtvertrag und Multimodalvertrag. Aktuelle Entwicklungen, Kóln 2000 Hildeggen, Rainer, Internationale Handelsgescháfte. Eine Einführung in das Recht des grenzüberschreitenden Handels, Miinchen 2000 v Hinder, Jens-Uwe, Der Ausfuhrverantwortliche im AuGenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollrecht, Kóln 1999 Hoppen, Dieter, Vertriebsmanagement. Steuerung des Firmenkundengescháfts im Inland und im Export, Miinchen 1999 Huelmann, Sónja, Óffentliche Beschaffungen, Heidelberg 2000 International Chamber of Commerce (ICC), Incoterms 2000, Paris 2000 ders., Einheitliche Richtlinien und Gebráuche fur Dokumentenakkreditive, ICC Publikation Nr. 520 (ERA 500), Paris 1993 ders., Einheitliche Richtlinien fur Inkassi (ERI) ICC Publikation Nr. 522 (ERI 522), Paris 1997 International Maritime Bureau (Hrsg.), Piracy at sea, Paris 1999 Jahn, Uwe, Wechselrecht Europa, Asien, Ozeanien, Bonn 2002 Jahrmann, Fritz-Ulricb, Aufienhandel, 9. Aufl. Kiel 1998 Jost, Dietmar, Zollabwicklung Export, Praktische Arbeitshilfe, Miinchen 2000 Kabst, Riidiger, Steuerung und Kontrolle internationaler Joint Ventures, Mering 2000 Karpenstein, Ulricb, Europáisches Exportkontrollrecht fur Dual-use-Giiter, Stuttgart 1998 Kaufmann, Lutz, Internationales Beschaffungsmanagement, Wiesbaden 2001 Keitscb, Detlef, Risikomanagement, Stuttgart 2000 Kock, Kai-UweIStiiwe, Richard, Zollrecht 2001. Textsammlung mit weiterfiihrenden Hinweisen, Koln 2002 Kofler, Georg, Kaufvertrag in Italien, Zustandekommen, Inhalt, Abwicklung, Freiburg 1999 Kotler, Philip, Marketing-Management: Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung, 9. Aufl. 1999 Kruschwitz, Lutz, Finanzierung und Investition, 2. Aufl. Miinchen, Wien 1999 Lionnet, Klaus, Handbuch der internationalen und nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, Stuttgart 2001 Lorcher, Gino, Das Schiedsverfahren national/ international nach neuem Recht, Heidelberg 2001 Macharzina, Klaus I Oesterle, Michael-]. (Hrsg.), Handbuch Internationales Management, Gabler, 2. Aufl. Frankfurt 2002 Maidl, Johannes, Auslándische AGB im deutschen Recht, Miinchen 2000 Mang, Antje, China für mittelstándische Untemehmen. Praktische Beispiele zum Markteintritt in die VR China, i.d. Reihe <Praxis der AuEenwirtschaft>, hrsg. von Jórn Altmann, Institut für AuSenwirtschaft, Bochum, Verlag W. Bertelsmann, Bielefeld 1998 Masche, Anja, Binnenmarkt Japan, Markteintrittschancen - Aufbau und Pflege von Gescháftsbeziehungen, i.d. Reihe <Praxis der AuSenwirtschaft>, hrsg. von Jórn Altmann, Institut für Aufienwirtschaft, Bochum, Verlag W. Bertelsmann, Bielefeld 1999 Meffert, Heribert I Bolz, ]., Internationales Marketing-Management, 3. Aufl., Stuttgart 1998 Merkt, Hanno, Internationaler Unternehmenskauf, Kóln 2002 Mbller, Katrin, Schiedsverfahrensrecht, Leitfaden fur die betriebliche Praxis, Bielefeld 1998 Mbller, Thomas I Schumann, Gesa, Warenursprung und Práferenzen. Handbuch und systematische Darstellung, Kóln 2001 Miiglich, Andreas I Albrecht, Achim, Internationale Gescháfte vorbereiten und verhandeln. Ein Leitfaden fur Praktiker, Kóln 2002 <?page no="664"?> 6 4 2 Literaturverzeichnis Miiller, Stefan I Kornmeier, Martin, Internationales Marketing. Eine interkulturelle Perspektive, Miinchen 1999 Mundry, Thomas, Kaufvertrag mit Russland, Freiburg 1998 Niehoff, Walter I Reitz, Gerhard, Going global - Strategien, Methoden und Techniken des Auslandsgescháfts, Berlin, Heidelberg 2001 Oehlmann, Alexander W., Praxis der Auslandsgarantien, Bonn 1998 Oelsnitz, Dietrich von der, Markteintritts-Management, Stuttgart 2002 Repels, Aufienhandel, Berlin 1997 ders., Technischer Vertrieb, Berlin 1998 Perlmutter, H.V., Multinational Organization Development, Reading 1979 Piltz, DetlefJ. I Schaumburg, Harald, Betriebsprüfung internationaler Sachverhalte, Kóln 1998 Piske, Peer I., Kaufvertrag in Spanien, Freiburg 1998 Porter, Michael E., Competitive Strategy, New York 1980 ders., The Competitive Advantage of Nations, New York 1990 Reimann, Mathias, Einfuhrung in das US-amerikanische Privatrecht, Miinchen 1997 Ress, Hans-Konrad, Das Handelsembargo: volker-, europa- und aufsenwirtschaftsrechtliche Rahmenbedingungen, Praxis und Entscheidung, Berlin, Heidelberg 2000 Rossbach, Udo, Interkulturelles Management: annotierte Literaturauswahl, 3. Aufl., Frankfurt am Main, 1997 Rothlauf, Jiirgen, Interkulturelles Management: mit Beispielen aus Vietnam, China, Japan, Russland und Saudi-Arabien, 2. Aufl. Miinchen, Wien 1999 Rudolph, Helga, Kaufrecht der Export- und Importvertrage: Kommentierung des UN-Übereinkommens über internationale Warenkaufvertráge, mit Hinweisen fur die Vertragspraxis, Freiburg 1998 Rumpf, Christian, Kaufvertrag in der Tiirkei, Zustandekommen, Inhalt, Abwicklung, Freiburg 1999 Sander, M., Internationales Preismanagement, Heidelberg 1997 Schackmar, Rainer, Die Lieferpflicht des Verkáufers in intemationalen Kaufvertragen : UN-Kaufrecht und INCOTERMS, Berlin 2001 Schafer, Erik, Die ICC-Schiedsgerichtsordnung in der Praxis, Bonn 2000 Schaumburg, Harald I Piltz, Detlef J., Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, Kóln 2000 Schlechtriem, Peter, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht (CISG), Miinchen 2000 Schmidt, Gesine, Die Ursprungsregeln im AuGenwirtschaftsrecht der EG, Berlin 1996 Schmoll, G.A., Risikomanagement im Auslandsgescháft. Mehr Sicherheit bei Exporten und Investitionen, Kóln 2002 ders., KoopeCation, Joint Ventures, Allianzen. Mit Auslandspartnern Wettbewerbs- und Marktvorteile erzielen, Kóln 2001 Schneck, Ottmar, Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, 4. Auflage Miinchen 2000 ders., Betriebswirtschaftslehre. Eine praxisorientierte Einfuhrung mit Beispielen, 2. Aufl. Frankfurt 1999 ders., Finanzierung. Eine Einfuhrung mit Praxisbeispielen, Frankfurt 2001 Schütze, Rolf A., Das Dokumentenakkreditiv im Intemationalen Handelsverkehr: unter besonderer Beriicksichtigung der Einheitlichen Richtlinien und Gebráuche fur Dokumentenakkreditive Revision 1993 (ERA 500), 5. Aufl. Heidelberg 1999 Schulz, Theodor I Zimmermann, Richard, Der Veredelungsverkehr in der Bundesrepublik Deutschland und der Europáischen Gemeinschaft, Kóln 1998 Seethaler, Peter, Hedging von Wáhrungsrisikopositionen: einzelwirtschaftliche Funktionen von Devisenterminkontrakten, Wiesbaden 1999 Seidl, Albert, Hedge-Accounting und Risikomanagement, Wiesbaden 2000 Stahl, Hans-Werner, Modernes Kostenmanagement und Controlling in 70 Fallen, Miinchen 1999 Usunier, ]ean-Claude I Walliser, Bjórn, Interkulturelles Marketing, Wiesbaden 1993 <?page no="665"?> Literaturverzeichnis 6 4 3 Walldo, E. Georg (Hrsg.), Aufienhandel und Kooperation, Marktforschung und Marketing, Finanzierung und Sicherung, München 2000 Weigand, Frank, Practioner's Handbook on International Arbitration, München 2002 Witte, Peter, Zollkodex-Kommentar, 2. Aufl. München 1998 Witte, Peter I Wolfgang, Hans-Micbael, Lehrbuch des Zollrechts, 3. Aufl. Münster 1998 Witz, Wolfgang, Internationales Einheidiches Kaufrecht, Praktiker-Kommentar und Vertragsgestaltung zum CISG, Heidelberg 2000 Zahn I Ehrlich I Neumann, Zahlung und Zahlungssicherung im Aufenhandel, 7. Aufl., Berlin, New York 2001 Zentes, Joachim I Swoboda, Bemhard (Hrsg.), Fallstudien zum Internationalen Management, Wiesbaden 2000 Zoll, Stephan, Grenzüberschreitende Verlustberücksichtígung bei gewerblichen Betriebsstatten und Tochterkapitalgesellschaften, Kóln 2001 <?page no="666"?> Register A-B-C-Methode 23 Abfertigungs- -ebene->• Abb. J-l/ 1 383 -unterlagen 467 ff, 578 -zollstelle 433 Abfertigung, aufienwirtschaftliche 460 Abgabenordnung (AO) 398 f, 424 Abgangszollstelle 434 Abholklausel 231 f Ablader 28,216 Abnahmerisiko 29 f ABS (Asset Backed Securities) 146 Absatz- -marketing 68 -mittler 31 f Abschlagszahlungen 128, 252 AbschluG(vertreter) 32 Abschópfungsstrategie 76 Absendevertráge 232 Absichtserklarung 59,163, 303 Abwehrklausel 174 ADB = African Development Bank 156 ADB = Asian Development Bank 156 ADF = African Development Fund 156 Ad-hoc-Schiedsgericht 194 Advance payment = Vorauszahlung 252 Advanced purchase = Vorwegkauf 35 AE = Ausfuhrerklárung 570 African Development Bank (ADB) 156 African Development Fund (ADF) 156 AFTD = AWrican Foreign Trade Definitions 228 AG = Aktiengesellschafc -» Abb. E-7/ 1 184 AGB = Allgemeine Geschaftsbedingungen 173 Agent 32 Agrar- -abschópfungen 453 -Ausfuhrerstattung 453 -Reform- 454 -zcVlle 453 AGREX 582 AHK = Auslandshandelskammer 9 AHStG = Aufenhandelsstatistikgesetz 447 AIDA-Schema 90 AIG = American International Group 52, 310 airway bill (AWB) -> Abb. G-l/ 6 222 f AKA = Ausfuhrkredit-Gesellschaft 146 f Akkreditiv 35, 128, 209 - , bestatigtes 269 f - , mit Anzahlung —» packing credit, anticipatory credit 273 f - , mit aufgeschobener Zahlung 273 - , revolvierendes 272 - , strapaziertes 269 - , iibertragbares 133, 271 - , unbestatigtes 269 - , unwiderrufliches 269 - , widerrufliches 269 -Bank 133, 264f -begünstigter 264 -formen-> Abb. G-3/ 8 271 -klausel 263 f -kosten -» Abb. G-3/ 9 276 -laufzeit 268 -steller 264 AKM = Ausfuhrkontrollmeldung AKP-Staaten 407, 525, 510, 531 AKV = Allgemeine Kreditvereinbarung Akzept- 206 -akkreditiv 132, 272 f -auftrag 132 -kredit 131 AL = Ausfuhrliste 568, 600, 604 AL = Ausfuhrlizenz 570,582 ALADI = Asociación Latinoamericana de Integración ALALC = Asociación Latinoamericana de Libre Commercio ALFA —» Zollanmeldeverfahren 577 Alleinvertretungsrecht 32 Allgemeine Geschaftsbedingungen (AGB) 173 Allgemeines Práferenzsystem (APS) 407, 525 Allgemeine Zollordnung (AZO) Allianzen - , strategische 38 - , vertikale 38 Allonge 208 Allphasen-System 435 All risks 238 Altemativen, strategische —» Abb. B-5/ 2 25 AM = Ausfuhr (zoll) anmeldung 433, 567, 570 f, 579 American Foreign Trade Definitions (AFD) 228 Amerikanische Option 359 Amtsplatz 459 (An-) Bord-Konnossement 219 Anden-Gruppe 525 Andienungspflicht 134,182, 310 Anfechtungsklage 514 Angst-Indossament 145, 208 AnlaEpriifung 629 Ankaufs- -kurs 341 -pflicht 134 f -zusage 270 Ankunftsklauseln 231 Anmeldung, summarische 460 Annahmerisiko 294 Anschlufsfinanzierung 127 Anschreibeverfahren 474, 550, 586 Ausschreibung 550 Ansoff-Matrix -> Abb. B-5/ 2 25 Anticipatory credit = Akkreditiv mit Anzahlung 273 f <?page no="667"?> Register 6 4 5 Anti-Dumping-Zoll — Abb. J-3/ 8, Abb. J-3/ 9 407, 409 f, 413,414 Anzahlung 128,252 Anzahlungsgarantie 174, 253, 304 AO = Abgabenordnung 398 f, 424 APG = Ausfuhr-Pauschalgewahrleistung 322 APS = Allgemeines Praferenzsystem 407, 525 Aquivalenzverfahren 553, 594 f Arbitrage 194,198 Artenschutz - * Abb. J-4/ 3 421 «Article 15» -> Korruption 116 - * cadeau -» dash —*• matabiche Article of association —• Satzung 63 Arrival note 219 ASEAN (Association of South East Asian Nations) 525, 531 ATA = Admission Temporaire/ Temporary Admission 11 A.TR —• Freiverkehrsnachweis 539 Auffanghaftung 365 Aufkaufgarantie 453 Aufschubnehmerausweis 473,512 Auftrags- -produktion 38 -wert, verminderter 150 AUMA = Ausstellungs- und Messeausschufi der deutschen Wirtschaft 11 Ausbesserungsschein 552 Ausfallbiirgschaft 301 Ausfuhr- 431 -abfertigung 566 ff -abgaben -{zoll-)anmeldung (AM) -> Abb. L-4/ 2 433, 567, 570, 571, 573 f, 579 -beauitragter 621 -begriff, aufienwirtschartlich/ zollrechtlich 566 -beschrankungen 568 -erklárung (AE) 570 -genehmigung (AG) - • Abb. L-4/ 3 581, 627 -gewahrleistungen des Bundes 52, 312 -handler 31 -kreditgesellschaft (AKA) 146 f -liste (AL) 568, 600, 604 ff, 608, 613 -lizenz(AL) 570,582 -Pauschal-Gewáhrleistung (APG) 322 -schein 570 -sendung 567 -verantwortlicher 620 f -verfahren - • Abb. L^/ 15 569, 570, 574 - , vorzeitige 553 -zólle 454 -zollanmeldung (AM) 433 -zollstelle 433, 570,574 Ausfiihrer - , ermachtigter 535 - , zugelassener (ZA) 574, 586 Ausgangszollstelle 434, 574 f Ausgleichszoli 407,409 f, 483 Auskunftsblatt 542 Auskunft zur Güterliste 580, 625 Auslands- -handelskammer (AHK) - • Abb. B-2/ 9 -handelsvertreter 32 -mitarbeiter -» Abb. C-2/ 4 108 -reise 343 -wahrung 353 Ausschliefilichkeits- -vereinbaning 31 -vertrag -> Abb. B-6^7 41 Ausschreibungen - , internationale - • Abb. D-3/ 9 9,156 f Ausstellungs- und Messeausschufi der deutschen Wirtschaft (AUMA) 11 Ausstellerhaftung 207 Austauschverfahren 595 Australische Gruppe —• Abb. L-6/ 18 638 Aufienhandel - , direkter 28 - , indirekter 29 f Aufienhandels- -recht 382 -statistikgesetz (AHStG) 447 Aufienwirtschafts- -gesetz (AWG) 281, 376, 383, 399,415 ff, 566 ff, 602 -recht — Abb. J-2/ 1 383, 387, 399 ff, 415 ff -verordnung (AWV) 281, 394,417, 602 Authority to negocíate 132 Authority to purchase 132 aV = Veredelung, aktive 39, 470, 551 ff, 580, 599 Aval 132, 145, 207, 302 Avalkredit 137 Avisbank 133, 264 ff a W = Veredelungsverkehr, aktiver 552 ff AWB = airway bill - • Abb. G-l/ 6 222 f AWG = Aufienwirtschaftsgesetz AW-Prax = Aufienwirtschaftliche Praxis 385 AWV = Aufienwirtschaftsverordnung 281, 394, 602 B 2 B = Business-to-Business 89 B 2 C = Business-to-Consumer 89 Backstopping 108 Back-to-back-Akkreditiv -> Gegenakkreditiv 133 BAFA = Bundesamt fur Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle 418,457, 476, 479, 568, 580, 613, 623 Bagatellklausel 530 f BALM = Bundesanstalt fur landwirtschaftliche Marktordnung Banco Interamericano de Desarrollo (BID) 156 Bank- -auskunft 299 f -biirgschaft 301 -garantie 252,255 f, 301 -scheck 204 Bank-zu-Bank-Kredit 154 Bannbruch 459 Bardepot 158 Barsicherheit 548 Barter -+ Kompensationsgesellschaft 34 f <?page no="668"?> 6 4 6 Register Basel U 138 Basis- -akkreditiv 272 -gehalt 109 -klausel 225 -zinssatz 126 BAW = Bundesamt fur Wirtschaft 600 BBL = BOLERO-B/ L 218 BDEx = Bundesverband des Deutschen Exporthandels 32 BDU = Bundesverband Deutscher Unternehmensberater 32 Bearbeitung, letzte wesentliche 519 f Beforderungs- -kauf 182 -kosten - • Abb. K-2/ 9 502 -papier 446 Befreiung - , aufiertarifliche 564 - , tarifliche 564 Beglaubigung 210 Begleitpapiere/ -dokumente 85,210 Begiinstigter 200 Beherrschungsvertrag 42 Beitrittsvertrag 392 benchmarking 13, 22 BERI-Index = Business Environment Risk Information 288 Beschaffungs- -marketing 68, 94 ff -risiko 295 Beschlagnahme 47, 373 Beschránkungen im Aufienwirtschaftsverkehr -*Ab b . J - 4 / l 417 Bestanderisiko 286 Bestandaufzeichnung 560 Bestatigung, stille 270 Bestechung —> Korruption Bestellerkredit -* Abb. D-3/ 7 125,137,150 f, 330 Besteuerung von Steuern 506 Bestimmung, zollrechtliche 431, 460 f Bestimmungs- -land 567 -landprinzip 437 -zollstelle 434 Betragslimit 151 Beweis- -funktion (von Dokumenten) 200 f -mittelverfahren 368 Bewilligungsvoraussetzungen, persónliche 470 Bfai = Bundesstelle fur Auslandsinformation 9, 156, 193, 569 BFH = Bundesfinanzhof 514 BGA = Bundesverband des deutschen GroG- und Aufienhandelse.V. 32 BIC = International Bank Identifier Code BID = Banco Interamericano de Desarrollo 156 Bid bonds = Bietungsgarantie 174, 303 Bietungsgarantie 174, 303 Big figure 346 Billiglohnlander 4 , 3 8 Bill of lading (b/ 1) = Konnossement 216 ff Binnenzollstelle 432 f b/ 1 = bill of lading 216 Black-List- -Certificate - • Abb. L-6/ 9 614 f -Erklarung 267 Blankoindossament 200 BLE = Bundesamt fur Landwirtschaft und Ernáhrung 476,479, 623 BME = Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik 95 BMEFL = Bundesministerium fur Ernáhrung, Landwirtschaft und Forsten BMF = Bundesministerium der Finanzen 423, 432, 568 BMWi s Bundesministerium fur Wirtschaft 11, 623 BMZ = Bundesministerium fur wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 155 BOLERO-B/ L (BBL) 218 Bond = Bankgarantie 255 f Bonitats- -prufung 135 -risiko 298 BOO = built, operate, own 153 Book Exposure 334 Bordkonnossement 219 Boston-Fenster -»> Abb. B-5/ 1 24 BOT = built, operate, transfer 152 Both-to-blame-Klausel 218 Bottom-up-Kalkulation 76 f Boykott- -> Abb. L-6/ 7 613, 614 -erklarung - • Abb. L-6/ 8 267, 582, 614 -verbot 215 Brainstorming 22 Branchenanalyse 14 Branding 90 f Break-even-Punkt -> Abb. B-7/ 3 78 Bretton Woods 401 Briefkurs 131,431 Broken dates = Termine, gebrochene 356 Broker = Makler 32 Brokermarkt 310 Brutto-Allphasen-Steuer 435 Brutto-Exposure 334 BStatG = Gesetz über die Statistik fur Bundeszwecke 447 f Buchforderungen 145,273 Budgetierung 16 f Build-operate-own (BOO) 153 Build-operate-transfer 152 Bundesamt fur Landwirtschaft und Ernáhrung (BLE) 476, 479, 623 Bundesamt fur Wirtschaft (BAW) 600 Bundesamt fur Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) 418,457, 476,479, 568, 580, 610, 623 Bundesfinanzhof (BFH) 514 Bundesministerium der Finanzen (BMF) 423, 432, 568 Bundesministerium fur Wirtschaft (BMWi) 11,623 Bundesministerium fur wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 155 Bundesstelle fur Auslandsinformation (Bfai) 9,156, 193, 569 <?page no="669"?> Register 647 Bundesverband des Deutschen Grofi- und Aufienhandels e.V. (BGA) 32 Bundesverband Deutscher Untemehmensberater (BDU) 32 Bundeszollverwaltung 423,432 ff Bureau of Export Administration (BXA) 616 Biirgschaft 301 f, 305 - , akzcssorische 301 - , selbstschuldnerische 301 Business Enviroment Risk Information (BERI) 288 Businessplan 97 Business-to-Business (B 2 B) 89 Business-to-Consumer (B 2 C) 89 BXA = Bureau of Export Administration 616 CAD = Cash against documents 256 «cadeau» —*• Korruption 116 Call-Option 359 Cap-Vertrag 363 Cargomanifest 550 Carnet-ATA -> Abb. L-5/ 3 11, 540, 547, 562, 589, 590, 599 ff Camet de Passage Douanier (CPD) = ZoUpassierscheinheft 563 Camet-TIR 540, 582, 586 ff, 599 Cash against documents (c/ d) 256 Cash Before Delivery (CBD) = Vorauszahlung 252 Cash-cow 24 Cash-flow 49,152 Cash-Management 124 f Catch-all-Klausel 632 CBRS -» Underrating 48 CCC = Customs Cooperation Council 424, 490 c/ d = cash against documents 256 CD = Certificates of Deposit = Depositenzertifikat 159 CEFTA = Central European Free Trade Association 525 CEN-Risiko = confiscation, expropriation and nationalization 47 CEO = Chief Executive Officer 20 Certificates of Deposit (CD) = Depositenzertifikat 159 CFR = Costs and Freight 238 f Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) 602 CIB = Counterfeiting Intelligence Bureau 377 c.i.f. (OF) = Costs, Insurance, Freight 32, 76, 239 f CIF- -Agent 32 -Verbringungsort 502 CIM = Convention intemationale concernant le transport des marchandises par chemin de fer 88 -Frachtbrief 550 CIP = Carriage and Insurance Paid to 239 f CIRR-Kredit = Commercial Interest Reference Rate 151 ff CISG = Convention on the International Sale of Goods 178 f C-Klauseln 230, 238 ff Claims = Kundenwiinsche 82 f Claim-management (CM) 83 Clean payment = einfache Rechnung 128,253 Clean report of findings 213 Clearing- -stelle 190,438 f -system 438 CM = Claim-Management 83 CMR = Convention relative au contrat de transport international des marchandise par route 222 COCOM = Coordinating Committee for Multilateral Strategic Export Controls 634, 638 COD = Cash On Delivery 253 Collar 363 Collecting bank = Inkassobank 257 Combined Certificate of Value and Origin and Invoice = Zollfaktura 212 Combined Shipment = multimodaler Transport 220 Combined Transport Document (CTD) 224 Combined Transport Operator (CTO) 224 COMECON = Council for Mutual Economic Cooperation 490 Comfort letters « Patronatserklárung 302 Comité des Représentants Permanents (COREPER) Comité Maritime International 216 Commercial Letter of Credit (CLC) = Handelskreditbrief 274 Commercial Invoice = Handelsrechnung 210 Completion guarantee = Fertigstellungsgarantie 153 Comprador = Makler 32 Consideration 207 Consignee = Begiinstigter 200 Consular invoice = Konsulatsfaktura 212 Contracting-out = Auftragsproduktion 38, 95 Contractual joint venture 56 COO = Chief Operating Officer 20 Coordinating Committee for Multilateral Strategic Export Controls (COCOM) 634,638 Corporate Identity 69 Council for Mutual Economic Cooperation (COMECON) 490 Counterfeiting Intelligence Bureau (CIB) 377 counterpurchase = Gegenkauf 35,179 counter trade = Kompensation, Abb. B-6/ 3 34 Courtage 32 Covering 354 CPD = Camet de Passage Douanier = ZoUpassierscheinheft 563 CPT = Carriage Paid To 240 Cross border leasing 140 ff Cross rates -> Abb. H-4/ 7 343 Cross selling 128 Crossing Vermerk 203 CTD = Combined Transport Document 224 CTO = Combined Transport Operator 224 Custody b/ 1 = Lagerhalterkonnossement 219 Customs Cooperating Council (CCC) 424, 490 Customs invoice = Zollfaktura 212 CWÜ • Chemiewaffenübereinkommen 602 d/ a = documents against acceptance 256 DAC = Development Assistance Committee 151 DDP = Delivered Duty Paid 242 Deckung, voile 238 Deckungs- <?page no="670"?> 648 Register -beitráge -» Abb. B-7/ 6 79 ft, 82 -formen ->• Abb. H-3/ 6 323 -politik -> Abb. H-3/ 4 314 f -prinzipien 316 f Declaration of Value (D.V. 1) 505 Deferred payment = hinausgeschobene Zahlung 132 -akkreditiv 138,267 -credit (DPC/ DP-L/ C) 273 DEG —* Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesell schaftmbH 155 D-Klauseln 231,241 f delivery orders (d/ o) 220 Delivery guarantee 303 Delivery Verification Cerifícate (DVC) 479 Delkredere- -Funktion 136 -Provision 136 -Risiko 269,297 Demand guarantee = Bankgarande 255 f Deport = Abschlag 357 DEQ = Delivered Ex Quai 241 f Derogation 171 Derivat 360 DES = Delivered Ex Ship 241 Design to cost 76 Destination Inspections 213 Deutsche Ausgleichsbank (DtA) 42,140 Deutsche Bundesbank 623 Deutsche Háuser 9 Deutscher Gebrauchszolltarif (DGebrZT) 490 Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) 9 Deutsche Treuarbeit, Deutsche Revision 51 Devisen- -bewirtschaftung 350 -briefkurs 280 -geldkurs 131,280 -handel -> Abb. H^l/ 9 346 -kurs 340 -management 336 -markt -> Abb. H^t/ 3 336 -(termin-) option 359 f -swaps - • Abb. H-4/ 13 360 ff -termingescháfte (DTG) 128, 355 f DgebrZT = Deutscher Gebrauchszolltarif 490 DIC = Difference des Conditions 248 Dienstleistungs- -abkommen (GATS) 402 -vertrag 161 Differenzverzollung 594 ff DIHK = Deutscher Industrie- und Handelskammertag 9 Direct costing 82 Direktausfuhr 566 Direktinvestitionen, Motive fur 4 2 , 4 4 DIS = Deutsche Institution fur Schiedsgerichtswesen Diskont- -kredit 129 f, 208 -linie 130 -satz 126,130 -überleitungs-Gesetz (DUG) 129 Dispositions- -papiere 216 Dispute settlement 175 Distributions- -politik 84 -struktur 85 Distributor = Makler 32 Diversifikarion - , horizontale 25 - , laterale 25 - , vertikale 25 D-Klauseln d/ o = delivery orders 220 documents against accept (d/ a) 256 documents against payment (d/ p) 256 Dokumente (im Aufenhandel) - • Abb. G-l/ 1 200 ff Dokumenten- -Akkreditiv - • Abb. G-3/ 7 209, 256,262 ff -inkasso —» Abb. G-3/ 5 256 ff -strenge 277 Dollar 349 f Domizilstelle 206 Doppelbesteuerungsabkommen 47 DOUANE -> Zollanmeldeverfahren 577 Down-payment = Anzahlung 128,252 d/ p = documents against payment 256 DPC (DP-L/ C) = Deferred payment credit 273 Draft = Trarte 204 Draw-back-Verbot 535, 555 Drawing authorization 274 Dreiecksgeschaft 35 f, 444, 593 f Drittlands- -beruhrung 167 -waren 430 -zollsatze 406,524 DSS = Tariff Data Dissemination System 568 DtA = Deutsche Ausgleichsbank 42,140 DTG = Devisentermingeschaft 355 f Dual-use- -Güter 599, 606, 638 -VO 601 Dumping 79, 407, 41 Iff - , direktes 415 -formen 415 - , indirektes 415 -sparine 414 Duplikatsfrachtbrief 222 Durch-Konnossement 220 Durchfuhr -> Abb. L-6/ 3 431, 607 Durchfiihrbarkeitsstudie = Feasibility Study 59 Durchführungsverordnung (DVO) 398, 423 Durchgangszollstelle 434 Duty-free-shop 507 f D.V. 1 = Declaration of Value 505 DVC - Delivery Verification Certificate 479, 625 DVO = Durchführungsverordnung 398, 423 e-billing 211 ECE = Economic Commission for Europe 183,228 ECE-Lieferbedingungen 182,228 Economic Commission for Europe (ECE) • UN-Wirtschaftskommission fur Europa 183, 228 <?page no="671"?> Register 649 Economic Exposure 334 f ECP = Euro-Commercial Paper 159 ECU = European Currency Unit 349 EEA = Einheitliche Europáische Akte 392 EEF = Europáischer Entwicklungsfond 156 Effektiv- -klausel 251 -vermerk 203 -zins 130 EFTA = European Free Trade Association 169, 396, 524 EG = Europáische Gemeinschaft 169, 388, 391 -Amtsblatt 396 -Empfehlung 395 -Kommission 391 -Ministerrat 391 -Organe 391 -Parlament 391 -Richdinien 392 ff -Stellungnahme 395 -Verordnungen (VO) 392 ff -Zollkodex 392 -Zolltarif 524 EGKS = Europáische Gemeinschaft fur Kohle und Stahl 392 EGV = Vertrag über die Gründung der Europáischen Gemeinschaft 391 EIB = Europáische Investitionsbank 156 Eigentumsentzug 47 Eigentumsvorbehalt, verlangerter —» Abb. E-3/ 3 172 Eigenveredelung 39, 551 Einfuhr- 431, 455*ff -abgaben 85,454,468 -anmeldung - • Abb. K-l/ 3 462, 476 -bestimmungen 85 -genehmigung 457 -kontingente -> Abb. K-2/ 6 487 f -lander 31 -liste (EL) -> Abb. K-l/ 1 457 f, 476,490 -lizenz 476,480 -schmuggel 459 -sendung 456 -umsatzsteuer (EUSt) 384, 399,434 f, 436 f Einfuhrer 456 Einfiihrer, zugelassener 473 Eingang 431 Eingang vorbehalten (E.v.) 345 Eingangszollstelle 433,470 Einheitliche Europáische Akte (EEA) 392 Einheitliche Richdinien fur - -auf Anforderung zahlbare Garanden 174 -Inkassi (ERI) 183,261 -Vertragsgarantien (ERVG) 307 -Dokumenten-Akkreditive (ERA) 183, 263, 274 f Einheitliches Gesetz über die intemationalen Wechsel (Entwurf) 207 Einheitsdeckung 316 Einheitspapier (EP) -> Abb. K-l/ 4 461 ff, 568 Einkáuferreisen 95 Einkaufsprovision 500 Ein-Punkt-Klauseln 231 Einreicherbank 256 f Einreihen 489,491 f Einrede der Vorausklage 301 Einspruch 514 Einzel- -deckung 321 f -deckung, revolvierende 322 -genehmigung 627 -police 209 Eisenbahntransport 221 f E-Klausel 231 f Elektronischer (Deutscher Gebrauchs-) Zolltarif (EZT) 419,457, 467, 491 Embargo- 616 ff -bruch->Abb. L-6/ 11 618 -listen 603 -scháden -> Abb. L-6/ 12 619 emerging markets 5 Empfánger, zugelassener (ZE) 459, 550 Enabling clause 524 Endverbleibs- -dokument 625 -erklárung (EVE) 479, 625 -nachweis 295,479 Enteignung 47 Entwicklungs- -finanzierung -» Abb. D-3/ 8 156 -hilfe 155 f -lander 407 -risiken 286, 365 -zusammenarbeit (EZ) 155 f EP = Europáisches Parlament 393 EP = Einheitspapier 461 ff equity joint venture 56 ERA = Einheitliche Richtlinien und Gebrauche fur Dokumenten-Akkreditive 183, 263,274 f Erfolgskriterien -» Abb. B-l/ 1 7 Erfullungs- -garanrie 303 -ort 169,171 -risiko 298 ERI = Einheitliche Richdinien für Inkassi 183, 261 Erial? 398 Erlaubnisschein 564 Erláuterungen zur Kombinierten Nomenklatur (Erl.KN) 494 ERP = European Recovery Program 151,153 f -Sondervermbgen 151 Ersatz 302 Erschópfung, europáische/ internationale 375 Erstattungs- und Erlafiverjáhrung 505 Erstfinanzierung 129,138 Ertragsdeckung 51 ERVG = Einheidiche Richdinie fur Vertragsgarantien 307 Erwerbsteuer 384, 435,437 f Erzeugerbeihilfen 454 Erzeugung, vollstandige 519 Erziehungszoll 483 escrow account = Treuhandkonto 35 EU = Europáische Union 391 <?page no="672"?> 650 Register EuGH = Europáischer Gerichtshof 170, 392, 514 EUR.l, EUR.2 = Warenverkehrsbescheinigung 537, 539 EURATOM = Europaische Atomgemeinschaft 391 f EURIBOR 159,362 Euro- -briefkurs 131 -Commercial Paper (ECP) 159 -DM-Markt 158 -Dollar-Markt 158 -Fixing 344 -FX 344 -geldmarkt 158 -Info-Center 12 -kapitalmarkt 158,160 -kreditmarkt 158,160 -markt 129,138,158 -Rating AG 140 Europa AG —» Société Européenne (S.F.) 185 Europaische -Atomgemeinschaft (EAG/ EURATOM) 391 f -Gemeinschaften (EG) 169, 388 -Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 392 -Investitionsbank (E]B) 156 -Kommission (KEG) 393 -Option 359 -Union (EU) 391 -Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWTV) 157,185 f -Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 391 -Zentralbank (EZB) 126 Europáischer -Entwicklungsfond (EEF) 156 -Gerichtshof (EuGH) 170, 392, 514 -Menschenrechtsgerichtshof 390 -Rechnungshof 391 -Wirtschaftsraum (EWR) 524 -Zolltarif (EZT) 467 Europáisches -Gerichtstands- und Vollstreckungsübereinkommen (GVÜ) 169 f, 192 -Parlament (EP) 393 -Zentralbanken-System (EZS) 345 f European -Currency Unit (ECU) 349 -Free Trade Association (EFTA) 169, 396 -Recovery Program (ERP) 151, 153 f Eurozins-Methode (englische/ franzosische) 365 f EUSt = Einfuhrumsatzsteuer 384, 399, 434 f, 436 f EUSt-Wert 499, 505 f EUV = Vertrag iiber die Europaische Union 391 f E.v. = Eingang vorbehalten 345 EVE = Endverbleibserklárung 625 Eventualverbindlichkeit 331 EWG = Europaische Wirtschaftsgemeinschaft 391 EWGV = Vertrag iiber die Europaische Wirtschaftsgemeinschaft 391 f EWIV = Europaische Wirtschaftliche Interessenvereinigung 157,185 f EWR = Europáischer Wirtschaftsraum 524 exemption clauses 173 Exequatur = Vollstreckbarkeitserklarung 198 Expatriate 108 Export- -akkreditiv 132 f, 263 -controller 621 - , direkter 28 ff -embargo 617 - , erstattung 454 -factor 135 -factoring -+. Abb. D-2/ 4 134 f -forderzonen 45 f - , indirekter 29 f -inspektionen —» Abb. G-l/ 3 211 -kontrolle -» Abb. L-6/ 13 601, 626 -kontrollrecht 416 -kreditbesicherung 307 ff -leasing 140 ff -schutzversicherung 235, 239, 261 -sonderzone 45 f -subvenrionierung -» Abb. J-3/ 6 317, 411 ff -vertreter 32 -vorfinanzierung 127 Exporteurs- -haftung 134 -garantie 150,330 Exposure -> Abb. H-A/ l 333 ExtraStat 448 f Extra-Territorialitat 404 EXW = Ex Works 76,230ff EZ = Entwicklungszusammenarbeit 155 f EZB = Europaische Zentralbank 126 EZS = Europáisches Zentralbankensystem 345 f EZT = Elektronischer (DeutscherGebrauchs-) Zolltarif 419, 457,467,491 EZT = Europáischer Zolltarif 467 Fabrikations- -fehler 365 -risiko 310 Factoring, echtes/ unechtes -» Abb. D 3/ 4 301 Fakturierung-> Abb. FM/ 11 9 6 , 3 5 2 , 3 5 9 Falsifikate 370 FAO = Food and Agricultural Organization 156 FAS = Free Alongside Ship 235 f FAS-Instruktion 235 FCA = Free Carrier 233 FCR = Forwarders Certificate of Receipt 224 FCT = Forwarders Certificate of Transport 224 F&E = Forschung und Entwicklung 38 Feasibility study = Durchfiihrbarkeitsstudie 59,153 Feiertagsregelung 290 Fertigstellungsgarantie 153 FES = Friedrich-Ebert-Stiftung 10 Festsetzungsbescheid 558 Fest-Offerte 143 FIAS = Foreign Investment Advisory Service 53, 157 FIATA = Federation Intenational des Associations des Transitaires et Assimilés 220 FIATA-FBL-Dokument = FIATA Multimodal Transport Bill of Lading 220,224 <?page no="673"?> Register 6 5 1 FIATA-FCR-Dokument = FIATA Forwarders Certificate of Receipt = Spediteursubernahmebescheinigung 224 FIATA-FCT-Dokument = FIATA Forwarders Certificate of Transport = Spediteurtransportbescheinigung 224 FIBOR = Frankfurt Interbank Offered Rate 126 Financial engineering 135 Finanzderivate 360 Finanzierung, kurz-, mittel-, langfristige 126 Finanzierungs- -funktion 136 -leasing 140 -mbglichkeiten - • Abb. D-2/ 1 127 Finanz- -gericht 514 -kredite, gebundene 322, 330 -switch 36 FIO-Vereinbarung = free in and out 238 Fiskai- -vertreter 440 f -zoll 482 Fitch IBCA -> Rating 140 Fixgeschaft 234 Fixkosten 75 Fixkostenspediteur 224 F-Klauseln 232 ff Float 281 Floor 363 Flufikonnossement 220 FOB = Free On Board 236 ff, 243 ff FOB-Instruktion 237 FODA = fuerzas, oportunidades, debilidades, amenazas 24 Food and Agricultural Organization (FAO) 156 force majeure-Klausel = Hóhere Gewalt-Klausel 153,175 Forderungsdeckung 321 Forderungsverkauf 301 Forfaiteur 143 Forfaitierung - . Abb. D-3/ 3, Abb. D-3/ 4 133,143 ff, 144, 147, 301, 315 Form A —* Ursprungszeugnis 539 Formblatt D.V. 1 499 Forwarders Certificate of Receipt (FCR) —> Spediteuriibernahmebescheinigung 224 Forwarders Certificate of Transport (FCT) —* Spediteurtransportbescheinigung 224 Forward rate = Terminkurs 356 -doppel 222 -original 221 Frachtfiihrer 224 Franco border 240 Franco frontiere 240 Franchising 41 f Franchise- -geber 41 -nehmer 41 -starter 42 Freigabe, vorzeitige 467 Frei Grenze 240 Freiháfen 429 f, 555 f Freihafenlagerung 555 f Freihandelszone 406 - , nationale 45 f Freistellungserklarung 144 Freiverkehr 344 Freiverkehrsnachweis 539 Freizonen 4 5 f, 4 2 9 f, 5 5 5 Freizonenfiktion 430, 555 Fremdwahrungs- -konto 355 -scheck 203 -wechsel 131 Fiihrungs- -kráfte-> Abb. C-2/ 1 105 -strukturen, dezentralisierte 99 f full set (Konnossement) 216 Fusion 43 Fusionsvertrag 391 futures 355 f GAAP = (US) Generally Accepted Accounting Principles 46 GAP = Gemeinsame Agrarpolitik 452 Garantie 145,174 f, 302 ff - , abstrakte 302 - , direkte -> Abb. H-2/ 5 305 f - , indirekte 305 f -funktion ( von Dokumenten) 20 -griinde -> Abb. H-2/ 4 303 -system fur Kapitalanlagen im Ausland (GKA-Deckung) 52 GASP = Gemeinsame Aufien- und Sicherheitspolitik 391 GATS = General Agreement on Tarifs in Services 402 GATT = General Agreement on Tarifs and Trade 391, 401ff,524 Gebrauchs- -anweisung —* Abb. H-6/ 1 366 -muster 371 Gebührenbeispiel -> Abb. H-3/ 8 325 Gefáhrdungshaftung 364, 369 Gefahren- -begriff 227 -übergang 226 ff Gegen- -akkreditiv 133,271 f -gescháfte = Kompenationsgeschafte 34 -kaufe 35 -seitigkeitsabkommen 191 Geld- -Brief-Marge 358 -kurs 131,280,341 -marktsatze - • Abb. H-4/ 12 358 -wáschegesetz 281 Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) 452 Gemeinsame Aufien- und Sicherheitspolitik (GASP) 391 Gemeinsamer Zolltarif (der EG) = (GZT) 457, 467,489 Gemeinschafts- -recht (primares, sekundáres, terriáres) —» Abb. J-2/ 3 388, 390 ff -waren 430,582 <?page no="674"?> 652 Register -zollgebiet 431 gem VWT1 oder / T2 = gemeinsames Versandverfahren, extern oder intern 546 ff, 583 ff General Agreement on Tarifs and Trade (GATT) 391, 401 ff, 524 General Agreement on Tarifs in Services (GATS) 402 Generalpolice 209 f General System of Preferences (GSP) 407, 525 Gerichtsstand -> Abb. E-3/ 1 169, 170 Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (GVÜ) 169 f Gesamtbürgschaft 548 Gescháfts- -anbahnung 8 -besorgungsvertrag 305 Geschmacksmuster 371 Gesetz 398 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrankungen (GWB) 400 Gesetz über die Statistik fur Bundeszwecke (BstatG) 447 f Gesetz über die gemeinsamen Marktordnungen (MOG) 415 Gestellung 458 f Gestellungs- -befreiung 459 -pflichtiger 460 Gewáhrleistung 174 Gewahrleisrungs- -garantie 174, 302 f, -risiko 286 Gewinnabführungsvertrag 42 Gewinnung 519 Gewohnheitsrecht 398 GKA-Deckung = Garantiesystem fur Kapitalanlagen im Ausland 51 Glattstellung 345 Gleichbehandlungszeitraum 488 global commons 404 Globalisierung 1 Global- -erledigung 597 -genehmigung 478 -kredit 148 -management 71 -selling 2 -sourcing 2 GoB = Grundsátze ordentlicher Buchfuhrung 560 going global —> Abb. A-l/ 1 1 Green- -Card 4 -clause 274 Grenz- -ausgleich 438 -beschlagnahme 375 -übergangsschein 549 -übergangsstelle 433 -übergangszollstelle 433 GroShándler 31 Grund- -gesetz, deutsches 398 -sátze ordentlicher Buchfuhrung (GoB) 560 -sátze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern 624 -vertrag 151 f Grüne Grenze -> Abb. K-l/ 2 458 f Gruppen- -klage 367 -Produkt-Haftpflichtversicherung 370 GSP = General System of Preferences 407, 525 GTZ = Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit 10, 156 guanxi 15 Güter- -abkommen 402 -risiken 293 ff GVÜ = (Europáisches) Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen 169 f, 192 gVWTl oder ÍT2 = gemeinschaftliches Versandverfahren, extern oder intern 546 ff, 583 ff GWB • Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrankungen 400 GZT = Gemeinsamer Zolltarif (der EG) 457, 467, 489 HaagerRegeln 218,229 HADDEX = Handbuch der deutschen Exportkontrolle 568,605 Hafen-Konnossement 219 Hafen-zu-Hafen-Verladung 216 Haftung, deliktische 364 Haftungsrisiko 285 Hamburger Regeln 183, 218,229 Handbuch der deutschen Exportkontrolle (HADDEX) 568,605 Handels- -dokumente 201 -embargo 617 -gericht -» Abb. E-3/ 2 172 -gerichtsbarkeit, international 196 f -hemmnisse, nicht-tarifáre -> Abb. J-3/ 3 369 f, 402 ff, 405 -kredit 125,128 -kreditbrief 274 -mittler 31 f -rechnung 210 -streit->Abb.J-3/ 2 404 -stufe 31 f -vertreter -> Abb. B-6/ 2 30, 32 Hándler- -akkreditiv 274 -noten 348 Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt 376 Harmonisiertes System zur Bezeichnung und Codierung der Ware (HS) 424,489 Havarie - , besondere 248 - , groEe 248 - , kleine 248 Haupt- -norm 500 -veredelungserzeugnisse 554 -verfahren 368 -pflichteter (HV) 548 -vertrag 163 <?page no="675"?> Register 6 5 3 -zollamt (HZA) 432 f, 514, 548, 574 f Haus-zu-Haus-Verkehr 227 Heads of Agreement = Vorvertrag 163 Hedging 354 f Hermes- -abdeckung 133 -Deckungen 146 ff, 154 -Deckungsformen —* Abb. H-3/ 5 318 -Gewinne - • Abb. H-3/ 3 313 -Kreditversicherungs-AG 309, 312 Hersteller-Erklarung 215 Herstellungsstufe 519 f Himalaya-Klausel 218 Hochpreisstrategie 76 Hóchstbetragsgenehmigung 627 Hoheitsgebiet 424 Hot water = Rauhe See 114 HS = Harmonisiertes System zur Bezeichnung und Codierung der Ware 424, 489 Huckepack- -strategie 37 -verkehr 89,227 HV = Hauptverpflichteter 548 HZA = Hauptzollamt 432 f, 514, 548 IAPSO = Inter Agency Procurement Service Office 9 IAS = International Accounting Standards 46 LATA = International Air Transport Association 222 IBRD = International Bank for Reconstruction and Development = Weltbank 156, 400 f IC —IIC ICC = International Chamber of Commerce 174, 183, 216, 227 ICC-Schiedsgerichtsverordnung 183 IC/ DV-Verfahren 480 IDA = International Development Association 156, 401 IEA = Interministerieller Einfuhrausschufi 488 IEB = Internationale Einfuhrbescheinigungen 479 If-and-when-KJausel 326 IFC = International Finance Corporation 52, 156 f, 401 IGH = Intemationaler Gerichtshof 388 ff IHK = Industrie- und Handelskammer 9, 521 ff, 568 -Gesellschaft zur Forderung der Aufienwirtschaft und der Unternehmensfuhrung mbH 12 -Ursprung 518, 545 IIC/ IC = International Import Certificate 479, 625 ILO = International Labour Organization 156 IMA = Interministerieller AusschuJ? 314, 624 Imagewerbung 89 IMF/ IWF = International Monetary Fund = Intemationaler Wahmngsfond 10, 400 f Import- -akkreditiv 263 -bestimmung 569 - , direkter 28 f -embargo 617 -factor 135 -finanzierung 137 ff - , indirekter 29 f -konkurrenz —> Abb. A-l/ 3 5 -schutzversicherung 239 INCOTERMS- = International Commercial Terms 76, 166,183,226 ff -Gruppeneinteilung -> Abb. G-2/ 3 231 -Verpflichtung -> Abb. G-2/ 2 229 Indossament 200 Indossant 200 Indossatar 200 Industriepark 45 f Industrie- und Handelskammer (IHK) 9, 521 ff, 568 INF-4-> Auskunftsblatt 542 Inflation 350 Infrastrukturprobleme -» Abb. B-3/ 2 16 Inhaber- -konnossement 218 -papiere 201 -police 209 Inkasso- 128 -bank 256 -biiro 330 - , direktes 203 - , einfaches 253 -risiko 298 Inlánderbehandlung 50, 402 Insolvenz 310 f Inspektionszertifikat 262 Institute-Cargo-Klauseln 183, 210, 229 Institute of London Underwriters —» Abb. G-2/ 5-1, Abb. G-2/ 5-2 229, 247 Instruktionsfehler 365 Integrationsraume 406 Interessen- -abwágung —> Abb. J-3/ 7 413 -gemeinschaft 37 -konflikte -> Abb. G-3/ 1 250 Interministerieller AusschuG (IMA) 312, 624 Interministerieller Ausschul? , Kleiner (KLIMA) 314 Interministerieller Einfuhrausschui? (IEA) 488 International Accounting Standards (IAS) 46 International Bank for Reconstruction and Development (IBRD) 156, 400 f International Chamber of Commerce (ICC) = Internationale Handelskammer 174,183, 216, 227 International Commercial Terms (INCOTERMS) 76,166, 183,226 f International Development Association (IDA) 156, 401 International Finance Corporation (IFC) 52, 156 f, 401 Internationale Handelskammer 174,183, 216,227 Internationale Handelsorganisation (ITO) 401 Internationale Einfuhrbescheinigungen (IEB) 479 Intemationaler Gerichtshof (IGH) 388 ff Intemationaler Wahmngsfond (IWF) 10, 400 f International Import Certificate (IO IIC) 479, 625 International Labour Organization (ILO) 156 International Maritime Bureau 378 International Monetary Fund (IMF) 10, 400 f International Standards Organisation (ISO) 234 International Trade Organization (ITO) 401 Intra-Schengen-Handel 628 IntraStat = Intra-Handelsstatistik 448 ff, 569 <?page no="676"?> 654 Register Investitions- -arten 42 f -folgekosten 43 -forderstelle 45 -gesetze 45 -giiterversicherung 310 -hemmnisse 47 f -rechnungen 49 -schutzabkommen -> Abb. B-6/ 12 49 ff -schutzversicherung 51 -zone, priveligierte (ZIP) 45 f IPG = Pauschalgenehmigung, individuelle 627 ISO = International Standards Organization 234 ISO-Code 338 ITO = International Trade Organization 401 IWF = Intemationaler Wáhrungsfond 10, 400 f jobber = Makler 32 Joint Production and Marketing Agreements (JPMA) 54 joint-venture 38,43 ff, 53 ff -contract = vertrag -> Abb. B-6/ 17+18 61 f -Erfolgs-/ Mifierfolgsfaktoren -> Abb. B-6/ 19 67 -Formen -> Abb. B-6/ 13 56 - , horizontales 57 - , ideales -> Abb. B-6/ 15 58 -Partner -> Abb. B-6/ 16 60 -Programm der EU (JOP) 54, 155 -Standort -» Abb. B-6/ 14 56 JOP = Joint-venture-Programm der EU 54 JPMA = Joint Production and Marketing Agreements Junktimgíscháft —> Gegenkáufe 35 Kameralismus 482 Kammer-Ursprung 518 Kapital- -anlagebesicherung 312 -barwert 49 -deckung 51 -embargo 617 -joint-venture 56 Kassagescháft 340 Kaufer- -land 567 -zuschláge 324 f Kauf- -Icraftparitatentheorie 73 -preis, tatsáchlicher 500 -vertrag 161 Kautions- -risiko 295 -versicherung 306, 328 KEG = Kommission der Europaischen Gemeinschaft '. Key-account-Management 84 f KfW = Kreditanstalt fur Wiederaufbau 10, 151,153 f Klageverfahren 192 Klausel- - , kassatorische 218 -text 225 KLIMA = Interministerieller AusschulS, Kleiner 314 K&M = Konsular- und Mustervorschriften 199, 569 KMU = Kleine und Mittelstandische Unternehmen 11, 377 KN = Kombinierte Nomenklatur der EG 490, 492 KOBRA = Kontrolle bei der Ausfuhr 626, 628 Kodizes 402 Kommissionár 33 Kommission der Europaischen Gemeinschaft (KEG) 393 Komittent 33 Kommunikation, nichtverbale 118 Kommunikationsfunktion 11 Kompensation —» Warentausch 256 Kompensationsgescháfte 34 f, 179 Konditionenpolitik 83 Konditions-Differenz-Versicherung 248 Konfliktmanagement 120 Konnossement 216 ff Konnossements- -garantie 219, 303 -klauseln 218 Konsignations- -geschaft 556 -lager 33, 85 -ware 33 Konsortial- -banken 148f -schlüssel 148 Konstruktionsfehler 365 Konsular- und Mustervorschriften (K&M) 199, 569 Konsulatsfaktura 211 f Konsumgewohnheiten 14 Kontingente 487 f Kontingentscheinverfahren 489 Kontinuitatsklausel 126, 249 Kontokorrentkredit 128 Kontoverbindung -» Abb. G-3/ 10 280 Kontrahierungspolitik 83 Kontrolle der Ausfuhr -» Abb. L-6/ 17 636 Kontrolle bei der Ausfuhr (KOBRA) 626, 628 Konventionalstrafe —> Vertragsstrafe 175, 296 Konvertibilitat, innere 350 Konvertierungs- -klausel 126,249 -und Transferrisiko (KT-Risiko) 50,182, 298 Konzept, strategisches 8 Kooperation —» Ko-Produkrion, —> Abb. B-6/ 5 37 -dauerhafte 37 -horizontale 37 -vertikale 37 Kooperationsbüro der deutschen Wirtschaft 12 Ko-Produktion - ^ Abb. B-6/ 5 37 Korrespondenzbank 266 Korruption -> Abb. B-3/ 1, Abb. B-6/ 11 15,47 f, 116,291 Kosten- -degression = economies of scale 4 - , direkte 80 - , fixe 80 -fuhrerschaft 78 - , indirekte 81 - , proporciónale 75 <?page no="677"?> Register 655 -stellenrechnung -» Abb. B-7/ 5 81 -iibergang 226 ff - , variable 75 Kredit- -anstalt fur Wiederaufbau (KfW) 10, 151, 153 f -ausschufi der AKA 146 -beziehungen —» Abb. D-l/ 2 125 -deckung 321 -leihe 131 -funkaon 556 -risiko 138,297 -wesenkontrollgesetz (KWKG) 281 Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) 400 Kryptographische TeAnologie 608 KT-Risiko • KonvertierungsundTransferrisiko 50,180, 298 Kumulation 528,531 - , paneuropáische 531 Kunden- -struktur 14 -wünsche -> Abb. B-7/ 7 83 Kuriersendung 225 Kurs- -arbitrage 348 -beispiele-> Abb. H-4/ 6 342 - , gespannt 342 -notierung -> Abb. H-4/ 4 339 -sicheningskosten 357 -spekulation 348 Kreditwesen 281 KWKG » Kreditwesenkontrollgesetz 400, 601 f KWKG = Kriegswaffenkontrollgesetz 415 Ladeschein 220 Lager- -beihilfen 454 -behandlung 561 -halterkonnossement 219 -handling 561 -handlungen 556 -risiko 296 -schein 221 Lagging = schleppende Zahlung 128, 137, 354 Lander- -codes 452 -liste 457 -liste K 610 -liste L 624 -rating -* Abb. B-6/ 10, Abb. H-3/ 7 47 f, 324 -risiko 21, 47,292 Lash-Verkehr 227 l/ c = (documentary) letter of credit 262 ff LDC = Less Developed Countries 526 LE = Lieferantenerklarung -> Abb. K-3/ 5 540 f Leading 354 Lean management 100 Leasing- -> Abb. D-3/ 2 140 ff - , direktes/ indirektes - • Abb. D-3/ 1 100,141 - , echtes/ unechtes 140 -geber 140 -gescháft 315 -nehmer 140 -raten 140 legal option = juristisches Sachverstandigengutachten 164 Legitimationsfunktion (von Dokumenten) 199 f Leistungs- -garantie 303 -ort 169 lenders liability 153 Less Developed Countries (LDC) 526 Letra de cambio = Wechsel 204 letter of authority 259 (Documentary) letter of credit (l/ c) = (Dokumenten-) Akkreditiv 262 ff letter of intent = Absichtserklarung 59, 163, 303 lertre de change = Wechsel 204 Liberalisierung 402 Liberalismusprinzip 603 LIBID = London Interbank Bid Rate 159 LIBOR = London Interbank Offered Rate 159, 362 Licence shopping 623 Lieferanten- -erklárung 540 f -erklarung mit Ursprung 527 -kredit -> Abb. D-3/ 5 125,128,149,152 -management -» Abb. B-8/ 1 94 -risiko 295 Liefererkredit 128 Liefer- -bedingungen 166, 225 -garantie 174,296,303 -klauseln, intemarionale 225 ff -ort 169 -risiko 295 -schwelle 440 LIMEAN 159 Liner-Terms 238 Liquiditatsverbesserung —* Abb. D-l/ 1 124 f Listenkriterium 527 Lizenz- -fertigung 39 -geber 39 -gebiihren 501 -nehmer 39 LKW-Frachtbrief 222 Llyod's-Syndikat 310 Local-content- 96, 519 -Regeln 529 -Vorschrift 21 Lock-Box-Konzept 281 Lohnveredelung 39, 551 Lombardkredit 126 Lomé- -Abkommen 156, 525 -Vertráge ^ Abb. J-2/ 4 396 f, 407 Londoner Club 316. London Interbank Bid Rate (LIBID) 159 London Interbank Offered Rate (LIBOR) 159 LRG-Satz, marginaler 126 Luftfracht- 222 f <?page no="678"?> 6 5 6 Register -briefdritt 222 -verkehr -> Abb. B-7/ 8 87 f Maastricht Vertrag —> Vertrag über die Europaische Union (EUV) 391 Machbarkeitsstudie = feasibility/ possibility study 59 Mahn- und Suchverfahren 549 Mahnverfahren 191,330 Majority-joint-venture 56 Make-or-Buy-Analyse 96 Makler- 32 -gescháft 32 Management- -by Exeptions (MbE) 64 -methoden 64 f -by Objectives (MbO) 64 -by Participation (MbP) 75 -informationssystem (MIS) 102, 287 Management- und Marketingkonzepte, ethnozentrisches, geozentrisches, polyzentrisches, regiozentrisches 71, 99 Mandatar 312 Mángel- -haftung 302 -ruge 302 Mantelvertrag 310 Marginalbevoikerung 291 marine cover = Seeschiffahrtsversicherungspolice 381 Marken- -gesetz 375 f -lizenzen 39 -piraterie 370 -politik 72 -schutz 375 Market Access Database 569 Marketing- -instrumente 8, 70 - , internationales 66 ff - , internes 68 m i x - » 4 P 8,66ff - , operatives 68 - , strategisches 68 market stretching 25 Markt- -audit 16 -auswahl 8, 16 -diversifikarion 25 -eintrittsbarrieren 19,21 -eintrittsformen -»> Abb. B-6/ 1 8, 27 f -eintrittskriterien 19, 21 -eintrittsstrategie 8, 44 -eintrittsrisiken 21 f -entwicklung 25 -erkundungsreise 20 -erschliefiungsstrategien 26 -ordnungsgesetz (MOG) 415 -ordnungsrecht (MOR) — Abb. J-8/ 1 452 ff -ordnungswaren 570 -selektion 16 Markte - , erschlossene 26 - , fremde 26 - , verwandte 26 Marshallplan 153 Master Agreement = Rahmenvertrag 163 f Master Limited Partnership (MLP) MaGnahmengesetz 398 Matching 355 Materia lnummer 451 Mate's Receipt 219 Mausefallen-Investition 50 Mediation = Schlichtungsverfahren 190 Mega-Marketing 69 Mehrwert- -methode 597 -steuer (MWSt) 384, 434 f Meistbegiinstigung -* Abb. J-3/ 1 402 f Meistbegünstigungs- -prinzip 524 -zollsatz (MFN-Zollsatz) 526 Melde- -pflicht 447 -recht 447 f Meldung, zusammenfassende 441 Memorandum of Understanding = Vorvertrag 163 Mengenwechselkurs 338 Mentalitát — Abb. C-3/ 1, Abb. C-3/ 2 113 Merchandise Marks Act 544 f Merchant's Letter of Credit = Hándlerakkreditiv 274 Merkantilismus 482 Messen — Abb. B-2/ 2 10, 11 Me-too-Strategie 25, 78 MEA = Multifaserabkommen 408 MFN = Most Favoured Nations-Prinzip 402 MFN-Zollsatz = Meistbegünstigungszollsatz 496, 526 Mietkauf 141 MIGA = Multilateral Investment Guarantee Agency 52, 156,401 Minderung 302, 595 Mindest- -deckung 239 -preis 453 Minimalbehandlung 520, 530 Minority-joint-venture 56 MIS = Management-Informations-System 102, 287 Mitversicherung 326 f Model Law On Electronic Commerce 183 MOEL = Mittei- und Osteuropaische Lander 177f, 392 MOG = Gesetz über die gemeinsame Marktordnungen 415 Montanunion - • EGKS 391 f MOR = Marktordnungsrecht 452 ff MTCR = Missile Technology Control Regime 638 Multifaserabkommen (MFA) 408 Multilateral Investment Guarantee Agency (MIGA) 52, 156,401 multiple-line rep(resentative) 31 Multiplikatoren 89 Multi-Sourcing-Projekte 328 Mutter-Tochter-Beziehung 42 MWSt = Mehrwertsteuer 384, 434 <?page no="679"?> Register 657 MWSt in den EG-Lándem 438 f MWZ = Mitteilungen fiir Weltwirtschaftliche Zusammenarbeit 156 «NA» = Niitzbche Aufwendungen IS Nachbesserung 302 Nacherhebung 513 Nachfrageanalyse 14 Nach-Sicht- -Akkreditiv 132, 67,273 -Tratte 272 f -Wechsel 206 Namens- -lagerschein 221 -police 209 Námlichkeit 465, 468,481, 498, 572 Namlichkeits- -mirtel 469 -sicherung 468, 553 -verfahren 594 NCTS = New Computerised Transit System 551 Nebenveredelungserzeugnisse 554 Negativbescheinigung 580, 625 negociable = begebbar 224 Negoziationskredit / Negoziierungskredit 131 f negozieren = ankaufen 133 net present value 49 Netting 354 Netto- -Allphasensteuer 435 -Exposure 334 New Computerised Transit System (NCTS) 551 Nichtdiskriminierungsgrundsatz 402 Nichterhebungsverfahren 552 Nichtgemeinschaftswaren 430 Nichtverbreitungsabkommen 638 Nichtzahlungstatbestand 322 Niederschlagung 513 NIMEXE = Nomenklatur Import Export Europa 165, 490 Nischenstrategie 77 Nomenklatur 489 Nomenklatur des Rates fiir die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens (NRZZ) 489 f Nomenklatur Import Export Europa (NIMEXE) 165, 490 No-Name-Produkte 365 Non-Proliferationspolitik 600 Normalverfahren 569 f Notenkurs 340 Notify-Vermerk 219 NRZZ = Nomenklatur des Rates fur die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens 498 f NSG = Nuclear Suppliers Group 638 Null- -bescheid 580, 625 -regelung 142 Nützliche Aufwendungen (NA) 15 OAV = Ostasiatischer Verein 9 Oberfinanzdirektion (OFD) 432, 514 Obligo, ohne 144 Ocean bill of lading = Seekonnossement 216 OECD « Organization for Economic Cooperation and Development 151 f OECD-Konsensus 152,332 OFD = Oberfinanzdirektion 432, 514 Offertgarantie 303 Offertengescháft 9 Off-Shore- -Markt 158 f -Zentren -» Abb. D-3/ 10 159 Oko- -Dumping 408 -Marketing 95 -Protektionismus 408 One-Stop-Shopping 84, 86 Open terms = Offenes Zahlungsziel 253 Operating-Leasing 143 Option 360 Optionsprámie 145 Order- -gescháft 8 -funktion 11 -klausel 199 -konnossement 218 -lagerschein 221 -papier 201 -papier, geborenes 199 -papier, gekorenes 199 -papier, gewillkürtes 199 -police 209 Organisationsalternativen im Unternehmen —* Abb. C-l/ 1 100 Organization for European Economic Cooperation (OEEC) 151 f Organization of the Petrol Exporting Countries (OPEC) 158 OT-Analyse -» SWOT 13 OTC- = over the counter 360 -Gescháft 360 outpacing 5 • Outrightgescháft = Sologescháft 356 outsourcing -> Abb. B-6/ 6 38, 86, 95 Over- -invoicing = Uberfakturierung 211 -night-money 158 4 P - • Marketing-Mix 66 ff packing- -credits 133,273 f -list 213 Packliste 213 Pagaré 204 Papier-Probleme -» Abb. G-l/ 7 226 Parallel- -gescháft —» Gegenkáufe 35 -importe 375 -versicherung 326 -wáhrung ->• Abb. H-4/ 8 344 <?page no="680"?> 658 Register faramount-Klausel 218 Paraphierung 397 Pariser -Club 316 -Vertrag -» EGKS 392 Paritátsklausel 402 Partei- -autonomie 168,193 -schiedsrichter 196 Partialembargo 617 Patente 371 Patronatserklárung 302 Pauschal- -bürgschaft 548 -genehmigung, individuelle (IPG) 627 payment on account = Anzahlung 252 pay or prolong 307 Penetrationsstrategie 77 f Pensionsgeschaft 134 performance bond 303 Personalauswahl, Kriterien zur 105 Pfandindossament 134 PL = Protestliste 209 Place of delivery = Lieferort 169 Plafonds (AKA) A, C, D, E 147 ff Platz-Arbitrage 348 PNUD 10 Point of Sale 89 Pbnale = Vertragsstrafe 35,175, 303 Port-b/ 1 = Hafenkonnossement 219 Portfolio- -analyse 24 -investitionen 42 Position, offene 335 Positionswechsel 528 f Possibility-study = Machbarkeitsstudie 59 Post- -einlieferungsbescheinigung 225 - , erste 258 -verkehr 225 - , zweite 258 PPM = Process and Production Methods 404 PPP = Public Private Partnership 155 Praferenz- -(abkomm)en, bilateral 524 -(abkomm)en, unilateral 524 -abkommen der EU 524 f -codes 524 -nachweis 103,496 -recht 101 -strategic 76 f -system, Allgemeines (APS) 407, 525 -ursprung 524 -zollsatz 497 -zone 524 Práqualifikation 174,303 Preis- -differenzierung 79 -elastizitat 76 -findungsmethode: bottom-up 76 f -findungsmethode: top-down 76 f -findungsmethode, kostenorientierte 76 -findungsmethode, nachfrageorientierte 76 -fuhrerschaft 76 -kalkulation -» Abb. B-7/ 2 77 -strategic 75f -wechselkurs 338 Pre-Market-Check 18 Pre-Shipment-lnspection (PSI) 33, 212 ff Pre-Shipment-lnspection-Certificate —» Abb. G-1/ 4 214 prepayment = Vorauszahlung 252 PR] = Political Risk Index Privatscheck 204 Process and Production methods (PPM) 404 product- -buy-back -» Rückkáufe 35 -placement 71, 89 ProdHG = Produkthaftungsgesetz 364 Produkt- -beobachtungsfehler 365 -entwicklung 104 -haftung 294 ff -haftungsgesetz (ProdHG) 364 -haftungsrecht, amerikanisches 367 -haftungsrecht, deutsches 364 -haftungsrecht, japanisches 369 -keme 71 -piraterie — Abb. H-7/ 1, Abb. H-7/ 2 370, 371,372 -pirateriegesetz (PrPG) 373 -werbung 89 -zyklus, internationaler 21 Produktion, mehrstufige 534 Produktions- -erstattungen 454 -lizenz 39 -methoden 404 -prinzip 491 Produzentenhaftung 293 Profit-Center 101 Pro-forma-invoice = Pro-Forma-Rechnung 211 Prohibitivzoll 483 Projektfinanzierung 152, 327 f Prolongation 208, 356 Promissory note —» Solawechsel 206 Pro-rata-Zahlung = Abschlagzahlung 128, 252 Prorogation 171 protracted default- = Nichtzahlungstatbestand 322 - , effektive -> Abb. K-2/ 4, Abb.K-2/ 5 486 f - , nomínale 486 Protestliste (PL) 209 Provision 33 PrPG = Produktpirateriegesetz 373 PS Rating Services AG 140 punitive damage 171, 368 f pV = Veredelung, passive 39, 359, 580, 599 PwC Deutsche Revision AG Wirtschaftspnifungsgesellschaft 51, 312 Qualitatsarbitrage 193,195 Quasi- <?page no="681"?> Register 659 -hersteller 365 -kontrolle 366 QUOTA 568 Quoten- 488 -referenzverfahren 489 -verfahren 489 Rabatte 83 Rahmen- -kredit 137 -vertrag 151,163 f Range Forward 362 Ratifikation 397 f Ratifizierung 397 Rating, -systeme -> Abb. D-2/ 5, Abb. D-2/ 6 138 f Rationalisierungs-Kuratorium der deutschen Wirtschaft 9 Rechnung, einfache (offene) 253 Recht - , anwendbares 176 - , deutsches 398 ff - , Internationales 396 - , nationales 398 ff - , supranationales 386 ff Rechts- -behelf 514 -ebenen -> Abb. J-2/ 2 387 ff, 389 -kreise 176 ff -ordnungen —» Abb. E-4/ 1 177 -quellen, abgeleitete 398 -quellen, urspriingliche 398 -schutz, gewerblicher 371 -, -unsicherheit -* Abb. F-l/ 1 189 -verfolgungskosten 315 -verordnungen (RVO oder VO) 398 f red clause 274 Rediskont 208 Rediskontkreditlinie 208 Reedereikonnossement 216 Re-Export-Genehmigung 607 Referenz- -kurs 340 f -kurs des EZS 344 -verfahren 489 Regelpriifung 629 Registerkennzeichen 452 Regulation Q (des Federal Reserve Act) 158 Reinzeichnung 218 Re-Import -» Abb. B-7/ 4 74, 80,444 Reisender 32 Reiseproviantmengen 445 Rekta- -konnossement 218 -papier 201 -scheck 202 -vermerk 200 Relationship-Management 83 Rembours- -akkreditiv 272 f d ir e k t e r 131,273 - , indirekter 131,273 -kredit 131 ff remitting bank = Einreicherbank 258 Rendite 3 repayment guarantee = An-/ Ruckzahlungsgaramie 304 Report = Aufschlag 357 Reprasentant 30 f Reprásentanz 31 Repudiation 299 Repurchase —» Pensionsgescháft 134 Respekttage 131,145 retention money guarantee = Schlui&ahlungsgarantie 304 RET-EXP-Vermerk = return to exporteur 572 Retorsion 614 Retorsionszoll 483 Return on Investment (ROI) 75 Revision 194 Reziprozitat 402 Risiko -» Abb. H-l/ 1 283 -absicherung 285 -abwálzung 286 -akzeptierung 285 -analyse 287 -arten -» Abb. H-l/ 4 289 -audit 286 -aversion 284 -besicherung 286 -bewertung 285 -controlling 285 -identifikation 287 -kompensation 286 -management -» Abb. H-1/ 3 282 ff, 284 - , negatives 283 -neigung 288 -niveau 284 -politik 285 -phasen -» Abb. H-3/ 1 309 - , positives 283 - , spekulatives 283 -strategien 285 -streuung 4, 285 -teilung 285 -überwálzung 286 -verhalten 284 -verlagerung 286 -vermeidung 285 -verminderung 285 -versicherung 285 -verteilung 285 -vorbeugung 285 ROI= Return On Investment 75 Roll-over-Kredit 160 Rbmische Vertrage 392 RoRo-Verkehr -> Abb. G-2/ 1 88 f, 227, 228 Riickerstarungsgarantie 174, 304 Ruckgaranrie 304 ff Riickkaufe 35 Rückschein 549,585 Rückverbringung 498 Rückversicherungsvereinbarung 327 Rückwaren- 498,598 <?page no="682"?> 660 Register -erklárung 498 -nachweis 480 f Rückzahlungsgarantie 174, 304 Rüstungs- -exporte -» Abb. L-é/ 1 601 -exportbericht 604 (R)VO = Rechtsverordnung 398 f SAARC = South Asian Association for Regional Cooperation S31 Sachschaden- -, gewerblicher 364 -haftung 366 - , privater 364 Sachverstándigengutachten 164 Salvatorische Klausel 175 Sammel- -anmeldung 574 -ausfuhrgenehmigung 627 -inkasso 203 -konnossement 220 -police 310 -spediteur 224 -zollanmeldung 473 f Sanktionen 617 Sankrionsauswirkung —» Abb. L-6/ 15 634 SAP = Strukturanpassungsprogramm Satz, voller (Konnossement) 216 Satzung 63 Schachtelzollunion 425 f Schaden- -ersatz -> Abb. H-6/ 2 302, 368 - , immaterieller 364 Schalterkurs 345 Scheck 201 ff Scheck-Wechsel-Verfahren 129 Schengener Abkommen 455 Schieds- -gericht -» Abb. F-4/ 2, Abb. F-4/ 4 195,198, 306 -gericht, institutionalisiertes 194 f -gerichtsbarkeit, internationale 193 ff -gerichtsklausel 193 -gerichtsverfahren 189 f, 193 -klausel -> Abb. F-4/ 3 36,175,193 195 -obmann 196 -spruch -> Arbitrage 198 -verfahxen 195 f -vertrag 175,193 Schlichtung -+ Abb. F-2/ 1 190 Schlichtungs- -klausel 190 -ordnung 190 -stelle 190 -vereinbarung —» Vergleichsverfahren 189 f -verfahren = Mediation 190 SchluG- -zahlungsgaranrie 304 -note 32 Schmerzensgeld 364 Schraubenzieherfabrik 410, 519 Schubfaktor 4 SCHUFA = Schutzvereinigung fur allgemeine Kreditsicherung 209 SCHUFA-Liste 209 Schutzzoll 482 Schwarzmarkt 343 SCM = Supply-Chain-Management 86 f Score A, B 324 S.E. = Société Européenne 185 Sea-Air-/ Air-Sea-Verkehr 89 security interest 172 securization 146 See- -frachtbrief 221 -hafen -> Abb. G-2/ 4 236 -konnossement —» Abb. G-1/ 5 216 f -piraterie -> Abb. H-8/ 1, H-8/ 2, H-8/ 3 377 ff -schiffahrts-Versicherungspolice 381 Sekundar- -boykott 613 f -markt 144 Selbst- -behalt 310, 317, 366 -behaltsquote 317 -beteiligungsquote 51 -eintritt 33 -finanzierungsquote 148 -kosten, proportionale 82 -versicherung 286 Selektivembargo 617 Self-liquidation 133 Service-factoring 136 SGS = Société General de Surveillance ControlICo 213 Shipment contract = Absendevertrag 232 Shipped-on-board-Vermerk 219 ff shipper = Ablader 216 short form b/ 1 218 shortlist 174,303 Sicherheit, dingliche 274 Sicht- -akkreditiv 132,273 -kurs 131,203 -wechsel 206 silent- -confirmation = Ankaufszusage 270 -language = nichtverbale Kommunikation 119 Single-factor-System 136 SITC = Standard International Trade Classification 490 Sitten 114 ff skimming = Abschópfungsstrategie 76 Skonto 253 SLC = stand-by-letter of credit 270, 304, 307 small figure 346 Société Européenne (S.E.) 185 Société General de Surveillance ControlICo (SGS) 213 Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) 277, 279 ff SOFT-Analyse 24 Solawechsel 144, 206 Sologescháft 356 <?page no="683"?> Register 661 Sonder- -verbrauchsteuer 445 -wirtschaftszonen -» Abb. B-6/ 9 45 f, 555 Sortenkurs 340 SO-Strategie 24 sourcing - , domestic 95 -.global 95 -.local 95 Sozial- -dumping -» Abb. J-3/ 5 408 f -protektionismus 408 f S&P = Standard 8c Poor's 48 Spediteur- 224 -dokumente 224 -transportbescheinigung 224 -übernahmebescheinigung 224 Spediteurs- -bescheinigung 446 -konnossement 220 -tarife 490 Sperrbetrag 135 Sperrfunktion (von Dokumenten) 200 Spitzenrefinanzierungsfazilita't (SRF-Satz) 126 Sprachprobleme -» Abb. C-3/ 4, Abb. H-l/ 5 121, 290 Sprinkler-Strategie -» Abb. B-5/ 4 27 Sprungregrefí 209 SRF-Satz = Spitzenrefinanzierungsfazilitat 126 Stale alt 220 Standardisierungsgrad 70 Standard & Poor's (S&P) -» Underrating 48 Standard International Trade Classification (SITC) 490 Standardisierung und Differenzierung —» Abb. B-7/ 1 73 Standardqualifikationen -» Abb. C-2/ 2 106 Standardtermine 356 Standard Trade Settlement Terms 219 Stand-by- -Akkreditiv 304 -Kreditfazilitat 134 -letter of credit (SLC) 270, 304, 307 Standort- -analyse 46 ff -faktoren, harte 45 -faktoren, weiche 45 Stars 24 Starken-Schwachen- -Analyse (SW-Analyse) 12 -Profil -> Abb. B-4/ 1 23 Statistisches Bundesamt 569 Statut, statute = Satzung 63 Stellen- -abgrenzung 100 -beschreibung 100 Steuer- -aussetzung 446 -auf den innergemeinschaftlichen Erwerb = Erwerbsteuer 384 -, direkte 435 -gebiet 435 -gefahrdung 515 -gefálle -* Abb. J-6/ 4 445 -hinterziehung 515 - , indirekte 435 -lager 446 -satz 438 -verkürzung 515 Stichprobe -> Abb. L-6/ 16 635 Strafzoll -> Abb. K-2/ 3 483 f Strafentransport 222 Strategie - , marktorientierte 6 - , resourcenorientierte 6 - , statische 25 -schritte -» Abb. B-l/ 2 8 Streckengeschaft 33 Strength, Weakness, Opportunities, Threats (SWOT) 8, 12 ff Strukturen -> Abb. C-l/ 1 99 -, dezentralisierte 99 - , divisionale produktbezogene 99 - , funktionale tátigkeitsbezogene 99 - , hybride gemischte 99 - , zentralisierte 99 ST-Strategie -> SWOT 24 Stuckelungsverbot 606 Stuckzoll 485 Stundüng 513 sub-contracting —» Auftragsproduktion 38 Subsidaritatsprinzip 316 Supply-chain-management (SCM) 86 f Swap- -gescháfte 356 -satz 356 SW-Analyse -* SWOT 12 SWIFT = Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication 277,279 ff Switchgeschaft -» Dreiecksgeschafte -> Abb. B-6/ 4 35 f SWOT-Analyse = Strength, Weakness, Opportunities, Threats 8,12 ff Tl/ T2-Versandverfahren 583 ff T2/ T 2L -» Versandschein 540, 549 ff T5-Kontro! lexemplar 582 f TARIC = Tarif Integré Communitaire 490, 492, 568 Tarif- -anomalien 597 -Integré Communitaire (TARIC) 490,492, 568 -sprung 528 -zusammenhang —» Abb. K-2/ 7 490 Tariff Data Dissemination System (DDS) 568 Tarifieren 467 Tauschgescháft —» Kompensationsgeschaft 34 TC-Dokument = Combined transport document 224 Technische Zusammenarbeit (TZ) 155 Teil- -embargo -> Abb. L-6/ 6 609 f -kompensation 35 -konnossement 219 -kostenrechnung 81 f -satze 463 <?page no="684"?> 6 6 2 Register -schein 220 -verzollung 563 f Telefonhandel 345 Tel-quel-Klausel 228 Tender guarantee = Bietungsgarantie 303 Tenders = Ausschreibungen, intemationale 9 Termin- - , gebrochener 356 -gescháft 340 -tratte 272 f Terms-of-Trade (T.o.T.) 229 Territorialitátsprinzip 534 f terzerización = outsourcing 86 Third-Party-Klausel 220 TI = Transparency International 15, 291 TIEx = Transport International par Exprés TIR = Transport International de Merchandise par Route — Abb. L-5/ 1 540,587 TIR-Verfahren 540, 547 Tochterunternehmen 42 Tokyo-Runde 524 Top Down-Kalkulation 76 f T. o.T. = Terms-of-Trade 229 Totalembargo — Abb. L-6/ 5 609 TOWS-Matrix 24 Trade Barriers Regulation (der EU) 408 Trade Development Boards (Councils) 9 trade-off-sets 35 trade terms 228 Traditionspapiere 216 Trágertechnologie-Kontrollregime —» MTCR 638 Traite 206 Transaction Exposure 333 f Transaktionswert 212, 498, 500 Transfer- -garantie 304 -klausel 36 -risiko 298 Transformation 397 Transformation, automatische 388 Transformations- -lander 5,151 Transit- -> Abb. L-3/ 6 431, 607 -ausfuhr 567 -funktion 556 Translation Exposure 334 Transparency International (TI) 15, 291 Transportdisposition 233 Transport International de Merchandise par Route (TIR) 540 Transport International par Exprés (TIEx) Transport- -embargo 617 -funktion (von Dokumenten) 200 - , kombinierter 220, 222 f - , multimodaler 220, 222 f -risiko 294 ff -versicherung 133 Tratte 131,206 Treasury management 124 f Treuhandkonto 35 Triade 5 TRIMS = Agreement on Trade Related Investment Measures 402 TRIPS = Agreement on Trade Related Intellectual Property Rights 402 Tribunal de Commerce = Handelsgericht 172 turn-key-Vertrag 153 TWB (truckway bill) = LKW-Frachtbrief 222 TZ = Technische Zusammenarbeit 155 Überfakturierung 211 Übergangslósung —> Abb. J-6/ 3 440 Überholung 459 Überlassung, vorláufige/ vorzeititige 467 Übernahme-Konnossement 219 Überseeische Lander und Gebiete (ÜLG) 525 Überwachungsdokument (ÜD) 457,476,478 f Uberwachungsfehler 365 Überweisung, -kosten 279 UCC = Uniform Commercial Code 367 ÜD = Überwachungsdokument 457,476, 478 f UE = Ursprungserklárung 215, 521, 527 ÜLG = Überseeische Lander und Gebiete 525 Umfeldanalyse 14 Umkehrwechsel 129 Umlaufvermogen 42 Umsatzsteuer- (USt) -> Abb. J-6/ 2 399,434 f, 439 -gesetz (UstG) 435 -identifikationsnummer (UstldentNr) 441,451, 569 -voranmeldung 441 Umschliefsungen 501,534 Umschlüsselungsverzeichnis 605 Umschuldungs- -abkommen 299 -verhandlungen 315 f Umwandlung 564 f Umwegexport 635 UNCllKAL = United Nations Commission on International Trade Law 178 f underdog 24 Under-invoicing = Unterfakturierung 211 UNDP = United Nations Development Programme 10, 156 UNEP = United Nations Environment Programm 156 Unfair calling 174,256 UNHCR = United Nations High Commissioner for Refugees 156 UNIDO • United Nations Industrial Development Organization 156 Uniform Commercial Code (UCC) 367 Uniform Rules for Collections -» ERI 261 Uniform Rules on Demand Guarantees (URDG) 307 United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) — UN-Kaufrecht 178 f United Nations Development Programme (UNDP) 10, 156 United Nations Enviroment Programm (UNEP) 156 UN-High Commissioner for Refugees (UNHCR) 156 <?page no="685"?> Register 663 United Nations Industrial Development Organization (UNIDO) 156 UN- -charta 389 -Kaufrecht -> Wiener Kaufrecht 169,178 f -Seerechtskonvention 388 -Sicherheitsrat 389 Unterakkreditiv 272 Unterfakturierung 211 Unternehmen - , verbundene 42 Unternehmens- -daten 300 -formen im Ausland 184 ff -pools 37, 53 -rating 138 -Ratingagentur AG (URA) 140 URDG = Uniform Rules on Demand Guarantees 307 Urheberrecht 372 Ursprung - , handelspolitischer 516, 518 - , nicht-praferentieller 516, 519 - , praferentieller 516, 523 f - , wettbewerbsrechtlicher 544 f Ursprungs- -auskunft 523 -begriffe 516 -erklarung (UE) 215,521,527 -landprinzip 438 -nachweise 103, 213 ff, 536 f -protokolle 517 -regeln 526 ff -wertregeln 529 -zeugnis (UZ) — Abb. K-3/ 1 213 ff, 521, 522, 539 Uruguay-Runde 401,408 US- -Bureau of Export 569 -Embargo -> Abb. L-6/ 10 616 -GAAP = Generally Accepted Accounting Principles 46 -Zollbehbrden 569 USt = Umsarzsteuer 399,434 UStG = Umsatzsteuergesetz 435 UStldentNr = Umsatzsteueridentifikationsnummer 441, 451,569 UZ = Ursprungszeugnis 213 ff, 521 Verantwortung, strafrechtliche —• Abb. L-6/ 14 631 Verbindliche Zolltarifauskunft (VZTA) 495 Verbote - , absolute 418 -, relative 418 Verbote und Beschránkungen (VuB) -> Abb. J-4/ 2 103, 416,418 ff, 420 Verbrauchslandprinzip 437 f Verbrauchsteuer- 384 -gesetz 400 -nummer 452 -schulden 511 Verbringen 502 Verbundgeschafte —> Kompensationsgescháfte 34 Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) 156 Verdingungsordnung fur Leistungen (VOL) 156 Veredelung 598 - , aktive (aV) - • Abb. K-4/ 2 39, 470, 551 ff, 580 -, passive (pV) -> Abb. L-5/ 4 39,551, 593 f, 598 - , wirtschaftliche 551 Veredelungsverkehre 498 - , aktive ( a W ) 552 ff - , passive ( p W ) 552 Vereinte Nationen (VN) 9 Vervielfaltigungsrechte 503 Vergeltungszoll 413, 483 Vergleichsverfahren -» Schlichtung 189 f, 195 f Verhalten -> Abb. C-3/ 3 114 Verhandlungsfiihrung 118 f Verkauf á forfait 143 Verkaufs- -kommissionár 33 -kurs 341 -messen 11 -politik 86 f -provisionen 501 Verkehr, freier 103 Verkehrssteuer 435 Verladeanzeige 575 Vermutung 467, 572 Verpflichtungserklarung 303 Verrechnungs- -scheck 203 -werte 34 Versand 431 -anmeldung -> T 1, T 2 588, 584 f -dokumente 215 f -nachweise 215, 221 -papiere 210 -schein 540,549,585 -verfahren 546 ff, 468, 583 ff, 598 -verfahren, extern gemeinsames (gemW/ T 1) 546 ff, 583 ff, 598 -verfahren, internes gemeinsames (gemVWT 2) 546 ff, 583 ff, 598 -verfahren, extern gemeinschaftliches (gW/ T 1) 546 ff, 583 ff, 598 -verfahren, intern gemeinschaftliches (gVWT 2) 546 ff, 583 ff, 598 -zollstelle Verschmelzung, aufnehmende 43 Verschuldungshaftung 364 Versender, zugelassener (ZV) 475, 586 Versendung 431 Versicherer 209 Versicherungs- -dokumente 201, 209 f -pramie -* Abb. H-3/ 2 311 -schein 210 -vertrag 209 -vertragsgesetz ( W G ) 247 f -wert 249 -zertifikat 210 Verstaatlichung 47 <?page no="686"?> 664 Register Vertrags- -aspekte, formale/ kaufmánnische 167 -bestandteile -> Abb. E-2/ 1 164 f -erfüllungsgarantie 303 -fertigung 38 -formeln, Internationale 226 f -freiheit 168 -spaltung 169 -strafe 35,175 Vertrag über die Europaische Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) 391 Vertrag über die Gründung der Europaischen Gemeinschaft (EWG) 391 Vertrag von Maastricht = Vertrag über die Europaische Union (EUV) 391 Vertretung - , direkte 465 - , indirekte 465 Vertriebslizenz 40 Verwaltungs- -dokument, begleitendes 446 -vorschriften 398 Verwendung - , bleibende 564 - , vorübergehende 104, 562 ff Verwendungsrechnung Verzugs- -regel -> Abb. H-2/ 3 298 -schaden 254 -zinsen 175 V.m.U. = VorerzeugnisseAmaterialien mit Ursprung 527 f VO = hier: (EG-) Verordnungen 392 ff VOB = Verdingungsordnung fur Bauleistungen 156 VOL = Verdingungsordnung fur Leistungen 156 Volatilitat 338 Volker (vertrags) recht 396 Vollindossament 200 Vollkompensation 35 Vollkosten- -rechnung 80 -satz 463 Vollstreckbarkeitserklárung = Exequatur 198 Voranfrage 624 f Voraus- -besichtigung 467 -ka s s e - • Abb. G-2/ 3 252 -zahlung 252 Vorbehaltsklausel 180 VorerzeugnisseAmaterialien mit Ursprung (V.m.U.) 527f VorerzeugnisseAmaterialien ohne Ursprung (V.o.U.) 527 f Vorgriff 553 Vorgriffsgüter 553 Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung (VSF) 568 Vorsteuer 506 Vorsteuerabzug 435 Vorversandkontrolle 212 Vorverschiffungskontrolle 212 Vorvertrage -> Abb. E-l/ 1 163 Vorwegkauf 35 Vorzugszollsatz 524 V.o.U. = Vorerzeugnisse/ -materialien ohne Ursprung 527 f VSF = Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung 568 VSF-Nachrichten 568 VuB = Verbote und Beschrankungen 103,416,418 ff W G = Versicherungsvertragsgesetz 247 VZTA a Verbindliche Zolltarifauskunft 495 Waffen- -embargo 610 -pag 510 Wahrscheinlichkeit -> Abb. H-l/ 2 284 Wahrung -, teilkonvertibel 350 -, voll konvertibel 350 Wahrungs- -eventualrisiko 332 -gesetz(WáG) 332 -kredit 128 f -management 336, 355 -optionsrecht 353 Wandlung 302 Wandprotest 209 warehouse warrant (W/ W) = Lagerschein 221 Waren- -ausfuhr 567 -begleirpapiere 625 -eingangsbescheinigung (WEB) 479 -handelsstatistiken 448 -Kontroll-Zertifikat 213 -linie 492 -lombard 134 -tausch 256 -ursprung 96 -ursprung und Praferenzen (W.u.P) 516 f -verkehr mit Drittlándern 422 -verkehrsbescheinigung (WVB) -> Abb. K-3/ 4 215, 537 f -verzeichnis 490 -zeichengesetz (WZG) 376 -zusammenstellung 534 warrenty- -bond 303 - , expressed 366 - , implied 366 Wasserfall-Strategie -> Abb. B-5/ 3 26 Wassenaar-Abkommen 638 WCO = World Customs Organization 423 f, 490 WEB = Wareneingangsbescheinigung 479 Wechsel 129, 204 ff - , gezogener 145 -formular -» Abb. G-l/ 2 205 -gesetz (WG) 207 -kredit -» Abb. D-2/ 2, Abb. D-2/ 3 129 ff, 132 -recht, anglo-amerikanisches 207 -protest 208 f -prozel? 209 Wechselkurs- -absicherung -» Abb. H-4/ 10 351 -begriffe-* Abb. H-4/ 5 340 <?page no="687"?> Register 665 - , fester 350 - , flexibler 350 -systeme 350 -veranderungen —* Abb. H-4/ 2 335 Weiter- -akkreditiv 272 -verkauf 502 Weltbank 10,156, 400 f Weltprodukt 71 Welttextilabkommen (WTA) 408 Werksatteste 215 Werkvertrag 161 Wert- -papierfunktion (von Dokumenten) 199 -regeln 529 -schópfung 435 -schopfungskette 21 -schópfungsspanne 486 f -verlust, innerer 350 -zoll 499 Wettbewerb 38 Wertbewerbs- -nachteiie 409 -ordnung 636 WG = Wechselgesetz 207 WHO = World Health Organization 599 Wiederausfuhr 565, 567, 580, 599 -frist 553 Wiedereinfuhr 498 Wiedereinfiihrer 498 Wiener- -kaufrecht -> UN-Kaufrecht 178 -vertragskonvention 388 Windfall profit 356 Windprotest 209 Wittschaftsgebiet 416 WIPO « World Intellectual Property Organization 375 Wirtschafts- -zoll 482 f -zone, freie 45 f Wissenmanagement —» Abb. C-l/ 2 103 Without recourse = ohne Obligo 144 WORLDAID 156 World Customs Organization (WCO) 423, 490 World Intellectual Property Organization (WIPO) 375 World Trade Organization (WTO) 79, 383, 391, 400 ff WO-Strategie 24 WTA = Welttextilabkommen 408 WTO- = World Trade Organization 79 -Panels -> Abb. J-3/ 4 407 -Vertráge 396 W.u.P. = Warenursprung und Praferenzen 516 WVB = Warenverkehrsbescheinigung -> Abb. K-3/ 5 215, 537 ff, 541 W/ W = warehouse warrant 221 WZG = Warenzeichengesetz 376 Xeno-Markt 156 X-joint-venture 57 Y-joint-venture 57 ZA = Ausfuhrer, zugelassener 574, 586 ZADAT -»Zollanmeldeverfahren 577 Zahlstelle 266 Zahlung - , bei Lieferung 253 - , schleppende 128, 137 Zahlungs- -auftrag im Aufienwirtschaftsverkehr, Anlage Z 1 280 -ausfallrisiko 293 -bedingungen (Übersicht) -> Abb. G-3/ 2 126, 225,251, 301 -bedingungen im intemarionalen Handel 249 -bilanzstaristik 42 -dokumente 201 -float 281 -garantie 304 -ort 169 -risiko -> Abb. H-l/ 2 293, 296 ff, 296, 301 -sicherung 304 -system der EBA - • Abb. H-2/ 2' 255, 297 -verbote und Moratorien (ZM) 50 -verzug 254 -ziel 259 -ziel, offenes 253 ZE = zugelassener Empfanger 475, 550 Zeichenrolle 376 Zeit- -arbitrage 348 -option 356 -tratte 272 f Zentrale Auskunftstelle fur unverbindliche Tarifauskiinfte 496 Zentralisierung 99 Zentralstelle Zolldateien (ZZD) 623 Zessionskredit 128,134 Zins- -ánderungsrisiko 362 f -arbitrage 348 -obergrenze 363 -swap 362 f -untergrenze 363 ZIP = Zone d'Investissement Priviligée 45 ZK = Zollkodex 392,423 ZKA = Zollkriminalamt 432, 628 ZK-DVO, Anhang zur 503 ZM = Zahlungsverbote und Moratorien 50 ZM-Risiko 298 ZM = Zusammenfassende Meldung 569 Zoll- -abfertigung 458 -abwicklung -> Abb. K-l/ 7 470 -agent 465 -amter 432 f -anmeldeverfahren, DV-gestiitzt -» ALFA, DOUANE, ZADAT 577 -anmeldeverfahren, vereinfachtes 473 -anmelder 456,465 -anmeldung 4 6 0 , 4 7 6 , 4 9 9 -anmeldung, unvollstandige 472 -anschlufi 425,429 <?page no="688"?> 666 Register -arten -» Abb. K-2/ 2 483 -aufschub 468 -aufschublager 556 -ausschlufi 416, 425,429 -aussetzung 497 -aval 512 -befreiung, aufsertarifliche 498 -befreiung, tarifliche 497 f -befund 467 -behandlung 424, 465 -beschau - . Abb. K-l/ 5 466 f, 512 -bescheid 468,514 -betrug -> Abb. L-5/ 2 589 -dokument, gemeinsames 588 -faktura 211 f -, fikriver 595 f -freigebiet 416 -freistellungen 497, 564 -garantie 304 -gebiet 424 -gebietsfikcion 425 - , gemischter 485 -grenzbezirk -> Abb. J-5/ 1 429 -grenze 429 -hilfspersonen 475, 575 -hilfsorgane 475 -hinterziehung 515 -Informations-Center 433 -kodex -» Abb. K-3/ 6 392, 423, 544 -kommissariate 432 -kontingent 497 -kreditkarte 473 -kriminalamt (ZKA) 432,628 -lager -» Abb. K-4/ 3 33, 85,103, 555 ff, 557 -lager, offentliches/ privates 557 f -lagerverfahren 470, 511, 556 ff -mirverschlufi 557 -niederlage 557 -nummer 452, 623 -passierscheinheft (CPD) 563 -plombe -» Abb. K-l/ 6 468 f -politik 481 -praferenzen -» Abb. K-3/ 2, Abb. K-3/ 3 468, 524, 526 -recht 422 ff -rückvergütungsverfahren 552 -sátze 468,489 -schild -» Abb. K-2/ 1 481 -schuld 103, 510 ff, 562 -schuldentstehung 510 -schuldner 456, 465 -straftat 515 -strafie 458 -spediteur 465 -, spezifischer 485 -tarif-» Abb. K-2/ 8 406,467,493 -tarif-Eskalation 486 -tarifschema 489 -technische Priif- und Lehranstalt (ZPLA) 432, 466, 495 -union 406 -verfahren 470 -verfahren, vereinfachtes 472 -vergiinstigung 564 -verwaltung -» Abb. J-l/ 2 386 -verwaltungsgesetz (ZollVG) 424 -vorschrift 515 -vorschufi 468, 557 f -wert 464,467, 499 f, 552, 561 -wertanmeldung 464 f -wertberechnung -> Abb. K-2/ 10 504 -werterklarung 476 -wertkodex 499 -recht, nacionales 424 -zuschlag 515 -zweck -» Abb. K-2/ 2 481 f, 483 Zone d'Invetissement Priviligée (ZIP) = Investitionszone, privilegjerte 45 ZPLA = ZoUtechnische Priif- und Lehranstalt 432, 466, 495 Zusammenfassende Meldung (ZM) 569 Zusicherung 365, 367 ZV = zugelassener Versender 475, 586 Zwei-Punkt-Klauseln 231 Zweitakkreditiv 272 Zwischenhandler 31 ZWVO = Zollwertverordnung ZZD = Zentralstelle Zolldateien 623 <?page no="689"?> ISBN 978-3-86764-825-7 Auch als E-Book www.uvk.de Jörn Altmann AUSSENWIRTSCHAFT FÜR UNTERNEHMEN Jörn Altmann Ein Klassiker der deutschen Hochschullehre In diesem Klassiker der Hochschullehre aus dem Jahr 2001 wird die Außenwirtschaft verständlich erklärt - der Blickwinkel der Unternehmen steht dabei im Mittelpunkt. Dieses Buch wendet sich an alle, die - insbesondere aus unternehmerischer Sicht - mit Fragen der Außenwirtschaft befasst sind. Unter Verzicht auf abstrakte Theorie gibt der Autor einen Überblick über die wichtigsten Problemkreise des Außenhandels, darunter die Markterschließung, das Marketing, die Organisation, die Finanzierung, die Kaufvertragsgestaltung, die INCOTERMS, die Zahlungsbedingungen, das Währungsrisiko, das Zollrecht und die Exportkontrolle. All dies macht dieses Buch zu einer Fundgrube für Importeure und Exporteure. Zahllose Beispiele und Praxistipps in allen Abschnitten ergänzen das Wissen für den unternehmerischen Alltag. Die erste Auflage dieses Buches wurde deshalb vom Bundesverband Deutscher Unternehmer (BDU) zum Fachbuch des Jahres 1995 gewählt. AUSSENWIRTSCHAFT FÜR UNTERNEHMEN Klassiker der Hochschullehre
