Außenwirtschaft für Unternehmen
Klassiker der Hochschullehre
1023
2017
978-3-7398-0358-6
978-3-8676-4825-7
UVK Verlag
Jörn Altmann
In diesem Klassiker der Hochschullehre aus dem Jahr 2001 wird die Außenwirtschaft verständlich erklärt - der Blickwinkel der Unternehmen steht dabei im Mittelpunkt.
Dieses Buch wendet sich an alle, die - insbesondere aus unternehmerischer Sicht - mit Fragen der Außenwirtschaft befasst sind. Unter Verzicht auf abstrakte Theorie gibt der Autor einen Überblick über die wichtigsten Problemkreise des Außenhandels, darunter die Markterschließung, das Marketing, die Organisation, die Finanzierung, die Kaufvertragsgestaltung, die INCOTERMS, die Zahlungsbedingungen, das Währungsrisiko, das Zollrecht und die Exportkontrolle.
All dies macht dieses Buch zu einer Fundgrube für Importeure und Exporteure. Zahllose Beispiele und Praxistipps in allen Abschnitten ergänzen das Wissen für den unternehmerischen Alltag. Die erste Auflage dieses Buches wurde deshalb vom Bundesverband Deutscher Unternehmer (BDU) zum Fachbuch des Jahres 1995 gewählt.
Die zweite Auflage dieses Buches ist im Jahr 2001 im Verlag Lucius und Lucius in der utb-Reihe erschienen. Es handelt sich bei diesem Buch um den unveränderten Nachdruck eines herausragenden Werks der deutschen Lehrbuchliteratur, das nun in der Reihe Klassiker der Hochschullehre in der UVK Verlagsgesellschaft mbH erscheint.
Professor Altmann ist erfolgreicher Lehrbuchautor und betreute den Lehrstuhl International Finance an der ESB Business School, Reutlingen University.
<?page no="1"?> Jörn Altmann ! Außenwirtschaft für Unternehmen Klassiker der Hochschullehre <?page no="3"?> Jörn Altmann Außenwirtschaft für Unternehmen Klassiker der Hochschullehre UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz und München <?page no="4"?> Autor ! Professor Dr. Jörn Altmann betreute den Lehrstuhl International Finance an der ESB Business School, Reutlingen University. Buch und Reihe ! Dieses Buch ist im Jahr 2001 im Verlag Lucius und Lucius in der utb-Reihe erschienen. Es handelt sich bei diesem Buch um den unveränderten Nachdruck der zweiten Auflage eines herausragenden Werks der deutschen Lehrbuchliteratur, das nun in der Reihe Klassiker der Hochschullehre in der UVK Verlagsgesellschaft mbH ersc he in t. Weitere Klassi ker fin den Sie unte r ! ww w. u v k. de / k la ssi k er . ISBN (Print) 978-3-86764-825-7 ISBN (EPUB) 978-3-7398-0357-9 ISBN (EPDF) 978-3-7398-0358-6 Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts-gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2017 Lektorat: Wirtschaftswissenschaftliches Lektorat, München Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Printed in Germany UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de <?page no="5"?> Vorwort zur 2. Auflage Ein Lehrbuch «Au&nwirtschaft fur Unternehmen» zu schreiben, ist eine sehr schwierige Aufgabe. Viele Probleme sind gleichzeitig fur praxisorientierte unternehmerische Überlegungen von Bedeutung, und die diversen Aspekte werden üblicherweise in einer Vielzahl von spezialisierten Arbeiten ausführlich behandelt. Mein Anspruch, die groSe thematische Breite mit der notwendigen fachlichen Tiefe zusammenzufassen, ergibt eine Schwierigkeit, die sich folgendermaiSen umreiSen láfit: «Die Wissenschaft, sie ist und bleibt, was einer ab vom andern scbreibt. Doch trotzdem ist, ganz unbestritten, sie immer weiter fortgeschritten. Der Leser, traurig aber wahr, ist haufig unberechenbar: Hat er nicht Lust, hat er nicht Zeit, dann gdhnt er: «Alies viel zu breit! » Doch wenn er selber etwas sucht, was ich, aus Raumnot, nicht verbucht, wirft er voll Stolz sich in die Brust: «Aha, das hat er nicht gewufit! » Man weifi, die Hoffnung war' zum Lachen, es alien Leuten recht zu machen.» Eugen Roth 1 Im Vordergrund des Buchs steht die Ausrichtung auf Probleme, die tagtáglich in der unternehmerischen Praxis eine Rolle spielen. Dem interessierten Leser soil damit eine Hilfestellung angeboten werden, sich über die zum Teil sehr verflochtenen und oft schwer zugánglichen Details und Zusammenhánge zu informieren. Dies schlieSt auch die Klárung von Begriffen ein, die sich fiir den Nichtfachmann leicht zu einer uniiberwindlichen oder abschreckenden Sprachbarriere auftiirmen kónnen. Im Anschluf? an dieses kurze Vorwort findet sich eine Übersicht über die thematischen Hauptgebiete, gefolgt von einem detaillierten Inhaltsverzeichnis. Ein ausfiihrliches Stichwortregister am SchluíS des Buchs soil das suchende Auge unterstützen, eine Vielzahl von Abbildungen das lesende Auge entspannen und den Praxisbezug unterstreichen. Das Manuskript dieser Neuauflage wurde inhaltlich weitgehend im Juni 2001 abgeschlossen. Die Fachgebiete, die fur die unternehmerische Aufienwirtschaft von Bedeutung sind, zeichnen sich aber durch eine ausgesprochene Veranderungsfreudigkeit aus. Es ist daher unmóglich, ein Fachbuch in diesem Bereich zu publizieren, das wenigstens am Tag der Veróffentlichung auf dem allerletzten aktuellen Stand ist die zahllosen rechtlichen und institutionellen Veranderungen sind einfach schneller. 1 Eugen Roths Tierleben, Mit Illustrationen von Eleonore Gehaber, München 1989, Seite 5/ 6. <?page no="6"?> V ! Vorwort des Herausgebers Das Buch erscheint in ziemlicher zeitlicher Náhe, aber noch vor der Wahrungsumstellung auf den Euro. Daher leben wir redakrionell teils noch in der DM-Welt, teilweise auch schon im Euroraum. In vielen Zusammenhángen sind die kiinftigen Euro-Werte noch nicht verbindlich definiert, insbesondere bei Wertgrenzen, Kosten und Gebiihren, AKA-Finanzierungen, Hermes-Ansicherungen, Zollverfahren, Genehmigungen usw. Mein Dank gilt wie auch bei meinen anderen Lehrbiichern wiederum kritischen Lesern, die mir Hinweise auf Verbesserungsmóglichkeiten gegeben haben. Ais Autor erliegt man leicht dem Wunschdenken, nun wirklich alies perfekt gemacht zu haben, um dann einzusehen, daS es doch immer wieder noch bessere Moglichkeiten gibt. Ich danke auch und insbesondere den vielen Lesern und Rezensenten, die mich darin bestárkt haben, daE die Ausrichtung dieses Buches richtig ist (der Ókonom erkennt dies natiirlich auch gerne am Markterfolg). Die erste Auflage dieses Lehrbuchs wurde vom Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) (Fachgruppe Business Consultants International - BCI) zum «Fachbuch des Jahres 1995» gewáhlt, woriiber ich mich sehr gefreut habe. Bedanken móchte ich mich auch bei zahlreichen Kollegen und Studenten, von deren Anregungen ich profitiert habe, die ich aber namentlich nicht alie nennen kann, aufser stellvertretend - Jochen W. Dortschy, Hans Martin Kaupp und Albrecht Rebholz, sowie bei den Mitarbeitern im Hause meines Verlegers Dr. von Lucius, die das Buch bei der Entstehung und Verbreitung betreut haben und betreuen. Stellvertretend fur viele móchte ich insbesondere Frau Bettina Schmidt hervorheben, die fur die technische Erstellung des Buches rnafsgeblich verantwortlich war. Besonders danken móchte ich auch meinen eigenen Mitarbeitern, die mich beim Erstellen der 2., vollstándig iiberarbeiteten und erweiterten Auflage dieses Lehrbuchs unterstiitzt haben. Stellvertretend hervorheben móchte ich dabei Dipl.-Ing. Kai Hessel. Reutlingen/ Sigmaringen, August 2001 Jóm Altmann <?page no="7"?> Abkürzungsverzeichnis AAA AbschEG ACP AD ADB AfDB AFTD AG AG AGB AHK AHStG AÍDA AKA AKM AktG AKP AKV AL AM AO APG APS ASEAN ATA AUMA aV a W AWB AWG AWV AZO BAFA BALM BDU BEF American Arbitration Association Abschópfungserhebungsgesetz (Staaten aus) Africa, Carribbean, Pacific Anti-Dumping Asian Development Bank African Development Bank American Foreign Trade Definitions Aktiengesellschaft Ausfuhrgenehmigung, Allgemeine Genehmigung Allgemeine Gescháftsbedingungen Auslandshandelskammer AuSenhandelsstatistikgesetz attention, interest, desire, action Ausfuhrkredit-Gesellschaft Ausfuhrkontrollmeldung Aktiengesetz (Staaten aus) Afrika, der Karibik und dem Pazifik Allgemeine Kredit-Vereinbarung Ausfuhrliste, Ausfuhrlizenz Ausfuhranmeldung Abgabenordnung Ausfuhr-Pauschal-Gewáhrleistung Allgemeines Praferenzsystem Association of South East Asian Nations (Carnet ATA) Admission Temporaire/ Temporary Admission Ausstellungs- und Messeausschufi der deutschen Wirtschaft aktive Veredelung aktiver Veredelungsverkehr airway bill Aufsenwirtschaftsgesetz AuKenwirtschaftsverordnung Allgemeine Zollordnung Bundesamt fur Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Bundesanstalt fur landwirtschaftliche Marktordnung Bundesverband Deutscher Unternehmensberater Bundesamt für Ernáhrung und Forstwirtschaft BERI BfAI BFH BGA BGB BIC BIP BIZ B/ L BMEFL BMF BMWi BND BOO BOT BStatG B2B B2C CAD CBF CCC CD CEN-Risiko CEO CFA CFP CFR CIF CIM CIP CISG CLC CLS CMI Business Environment Risk Information Bundesagentur fur Aufienwirtschaft (friiher: Bundesstelle fur Aufienhandelsinformationen) Bundesfinanzhof Bundesverband des Deutschen Grofi- und AuEenhandels Biirgerliches Gesetzbuch International Bank Identifier Code Bruttoinlandsprodukt Bank fiir Internationalen Zahlungsausgleich Bill of Lading (Loading) Bundesministerium fur Ernáhrung, Landwirtschaft und Forsten Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium fur Wirtschaft Bundesnachrichtendienst Build Operate Own Build Operate Transfer Gesetz iiber die Statistik fur Bundeszwecke business-to-business- / bank-tobank- (marketing, financing etc.) business-to-consumer- (marketing) Cash against documents Cash Before Delivery Customs Cooperation Council (Briisseler Zollrat) Certificates of Deposit confiscation, expropriation and nationalization Chief Executive Officer Communaute Financiere Africaine Change Franc Pacifique Costs and Freight Cost, Insurance, Freight Convention internationale concernant le transport des marchandises par chemin de fer Carriage and Insurance Paid to Convention on the International Sale of Goods Commercial Letter of Credit Continuously Linked Settlement Comité Maritime International <?page no="8"?> V I I I Abkürzungsverzeichnis CMR Convention relative au contrat de transport international des marchandises par route COCOM Coordinating Committee for Multilateral Strategic Export Controls COD Cash on Delivery COMECON Council for Mutual Economic Cooperation COO Chief Operating Officer CPT Carriage Paid To CDT Combined Transport Document CTO Combined Transport Operator CWU Chemiewaffeniibereinkommen d/ a documents against accept DAC Development Assistance Committee (der OECD) DAF Delivered At Frontiet DAS Deutscher AusschuS fur Schiedsgerichtswesen DC Developing Countries DDP Delivered Duty Paid DDU Delivered Duty Unpaid DEQ Delivered Ex Quay DES Delivered Ex Ship DGebrZT Deutscher Gebrauchszolltarif DIHT Deutscher Industrie- und Handelskammertag DIS Deutsche Institution für Schiedsgerichtswesen d/ o delivery orders d/ p documents against payment DPC deferred-payment-credit DP-L/ C deferred-payment letter of credit DtA Deutsche Ausgleichsbank DTG Devisen-Termin-Gescháft DVO-ZK Durchfiihrungsverordnung zum Zollkodex DV.l Declaration of Value EAG Einheitliches Gesetz über den Abschlui? von internationalen Kaufvertrágen über bewegliche Sachen EAG Europáische Atomgemeinschaft EAGFL Europaischer Ausrichtungs- und Garantiefonds fur die Landwirtschaft EBRD European Bank for Reconstruction and Development EBWE Europáische Bank fur Wiederaufbau und Entwicklung fur Mittel- und Osteuropa ECE Economic Commission for Europe ECP Euro-Commercial Paper ECU EEA EEF EFTA EG EGKS EGV EIB EKG EKM EL EM EP EPZ ERA ERI ERP ERVG European Currency Unit Einheitliche Europáische Akte Europaischer Entwicklungsfonds European Free Trade Association Europáische Gemeinschaften Europáische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag über die Gründung der Europáischen Gemeinschaft Europáische Investitionsbank Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen Einfuhrkontrollmeldung Einfuhrliste Einfuhranmeldung Einheitspapier, Europáisches Parlament Europáische Politische Zusammenarbeit Einheitliche Richtlinien und Gebráuche für Dokumenten- Akkreditive Einheitliche Richtlinien fur Inkassi European Recovery Programme Einheitliche Richtlinien für Ver- EU EuGH EURATOM EURIBOR EUR.1 Euro-FX EUROSTAT EUSt EUStG EUV E.v. EWG EWGV EWI EWIV EWR EWS ExtraStat EWWU ex Position EXW EZ tragsgarantien Europáische Union Europaischer Gerichtshof Europáische Atomgemeinschaft European Interbank Offered Rate Warenverkehrsbescheinigung Euro-Fixing Statistisches Arm der EG Einfuhrumsatzsteuer Einfuhrumsatzsteuergesetz Vertrag über die Gründung der Europáischen Union Eingang vorbehalten (Schecks) Europáische Wirtschaftsgemeinschaft EWG-Vertrag Europáisches Wáhrungsinstitut Europáische Wirtschaftliche Interessenvereinigung Europaischer Wirtschaftsraum Europáisches Wáhrungssystem EU-externe Statistik Europáische Wirtschafts- und Wáhrungsunion Spezialvorschrift zu einer Position («explizit») Ex Works Entwicklungszusammenarbeit <?page no="9"?> Abkürzungsverzeichnis IX EZB Europáische Zentralbank EZBS Europáisches Zentralbanken- System EZT Elektronischer Zolltarif, Europáischer Zolltarif FAO Food and Agricultural Organization FAS Free Alongside Ship FBL Forwarders Bill of Lading FCA Free Carrier FCR Forwarders Certificate of Receipt FCT Forwarders Certificate of Transport FIAS Foreign Investment Advisory Service FIATA Federation Internationale des Associations des Transitaires et Assimiles FIBOR Frankfurt Interbank Offered Rate FOB Free on Board Form A Ursprungsnachweis aus Entwicklungslándern F&E Forschung und Entwicklung FZ Finanzielle Zusammenarbeit GAAP Generally Accepted Accounting Principles GAB General Agreement to Borrow GATT General Agreement on Tariffs and Trade g e m W gemeinsames Versandverfahren GG Grundgesetz G.I.E. Groupement d'lnteret Economique GmbH Gesellschaft mit beschrankter Haftung GPS General System of Preferences G+V Gewinn- und Verlustrechnung GVÜ Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (Europáisches) g W gemeinschaftliches Versandverfahren GWB Gesetz gegen Wertbewerbsbeschrankungen GZT Gemeinschaftszolltarif, Deutsche Gesellschaft fur technische Zusammenarbeit HADDEX Handbuch der Deutschen Exportkontrolle HERMES (Kreditversicherungs-AG) HGB Handelsgesetzbuch HS Harmonisiertes System HV Hauptverpflichteter HZA Hauptzollamt IAEO Internationale Atomenergie- Organisation IAS International Accounting « Standards LATA International Air Transport Association IBRD International Bank for Reconstruction and Development IC International Import Certificate ICC International Chamber of Commerce IDA International Development Association IDB Interamerican Development Bank ID-Nr. «Identnummer»: Umsatzsteueridentifikationsnummer IEA International Energy Agency IEA Interministerieller EinfuhrausschuK 1EB Internationale Einfuhrbescheinigungen IFC International Finance Corporation IGH Internationaler Gerichtshof IHK Industrie- und Handelskammer 1LO International Labour Organization IMA Interministerieller Ausschul? IMF International Monetary Fund INCOTERMS International Commercial Terms INF-... Zoll-Informationsblatter IntraStat EU-interne Statistik IPG Individuelle Pauschalgenehmigungen IPR Internationales Privatrecht ITC International Trade Center H O International Trade Organization IWF Internationaler Wáhrungsfonds JPMA Joint Production and Marketing Agreements JV Joint Venture KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau KG Kommanditgesellschaft KLIMA Kleiner Interministerieller Ausschufi KMU Kleine und mittlere Unternehmen K8cM Konsular- und Mustervorschriften KN Kombinierte Nomenklatur KOBRA Kantrolle bei der Ausfuhr KT Konvertierungs- und Transferrisiken KWKG Kriegswaffenkontrollgesetz, Kreditwesenkontrollgesetz KWL Kriegswaffenliste <?page no="10"?> X Abkürzungsverzeichnis L L/ C LDC LE LIBOR LUXIBOR MAD MbO MbE MFA MFN MIGA MIS MITI M O MOEL MOG MOR MTO MWSt MWZ NAFTA NEA NIC NIMEXE NRZZ (Ausfuhr-) Lizenz letter of credit Least Developed Countries Lieferantenerklarung London Interbank Offered Rate Luxemburg Interbank Offered Rate Militárischer Abschirmdienst Management by Objectives Management by Exceptions Multifaserabkommen Most Favoured Nations-Prinzip Multilateral Investment Guarantee Agency Management Information System Ministry of International Trade and Industry (Japan) Marktordnung mittel- und osteuropaische Lander Marktordnungsgesetz Marktordnungsrecht Multilateral Trade Organization Mehrwertsteuer Mitteilungen fur Weltwirtschaftliche Zusammenarbeit North American Free Trade Association Nuclear Energy Agency Newly Industrializing Countries Nomenklatur Import Export Europa Nomenklatur des Rates fur die Zusammenarbeit auf dem PNUD PPM PRI ProdHG PrPG PSC PTA pV p W PwC R&D Repo RET-EXP ROI RoRo RWG SAF SAP SCHUFA SCM srrc SLC STABEX SWIFT SWOT SYSMIN Gebiet des Zollwesens NTBT NTHH OAS OFD OECD OEEC OHG OMA OPEC ORI Non-tariffary barriers to trade Nicht-tarifare Handelshemmnisse Organisation (Latein-) Amerikanischer Staaten Oberfinanzdirektion Organization for Economic Cooperation and Development Organization for European Economic Cooperation OFD Oberfinanzdirektion offene Handelsgesellschaft Orderly Market Arrangements Organization of the Petrol Exporting Countries Operation Risk Index SZR Programa de las Naciones Unidas de Desarrollo (UNDP) process and production methods Political Risk Index Produkthaftungsgesetz Produktpirateriegesetz Pre-Shipment-Certificate Preferential Trade Area passive Veredelung passiver Veredelungsverkehr Price, Waterhouse, Cooper Research and Development repurchase (Pensionsgeschafte) Return to Exporteur Return on Investment «Roll on, roll off» Rat fur gegenseitige Wirtschaftshilfe Strukturanpassungsfazilitát Strukturanpassungsprogramm Schutzvereinigung fur Allgemeine Kreditsicherung Supply Chain Management Standard International Trade Classification Standby Letter of Credit System zur Stabilisierung der Exporterlose Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats System zur Stabilisierung der Exporterlose aus mineralischen Erzeugnissen Sonderziehungsrecht PPD probability (Wahrscheinlichkeit) protracted default T I , T2, T2L TARIC T'EUR TIEx TIR ml tn.sh. T.o.T. TRIMS TRIPS TVA Zoll-Versandpapiere Tarif Integré Communautaire 1000 Euro Transport International par Exprés (Carnet TIRJTransport International de Marchandises par Route long ton (britische t., 1016 kg) short ton (amerikanische t., 907,18 kg) Terms-of-Trade Agreement on trade related investment measures Agreement on trade related intellectual property rights Taxe sur le valeur ajouté <?page no="11"?> Abkürzungsverzeichnis XI TWB TZ U UCC UE ÜLG UN UNCDF UNCITRAL UNCTAD UNDP UN-ECE UN-ECOSOC UNIDO UNO URDG USD USt UStG UstldenNr UZ VER V.m.U. trackway bill Technische Zusammenarbeit Ursprangszeugnis Uniform Commercial Code Ursprungserklarung iiberseeische Lander und Gebiete United Nations United Nations Capital Development Fund United Nations Commission on International Trade Law United Nations Conference on Trade and Development United Nations Development Programme Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen fur Europa United Nations Economic and Social Council United Nations Industrial Development Organization United Nations Organization Uniform Rules on Demand Guarantees US-Dollar Umsatzsteuer Umsatzsteuergesetz Umsatzsteueridentifikationsnummer Ursprangszeugnis Volountary Export Restraints Vormaterialien mit Ursprangseigenschaft VN V.o.U. VSF V.u.B. VZTA WáG WCO WG WHO WTA WIPO W.u.P. WVB WZG ZA ZE Z l ZG ZK ZKA ZKom ZM ZOG ZPLA ZPO ZTVO ZV ZWVO Vereinte Nationen Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung Verbote und Beschránkungen verbindliche Tarifauskunft Wahrungsgesetz World Customs Organization Wechselgesetz World Health Organization Welttextilabkommen World Intellectual Property Organization Warenursprang und Praferenzen Warenverkehrsbescheinigung Warenzeichengesetz Zollamt, zugelassener Ausfuhrer zugelassener Empfanger 1 Zahlungsauftrag im Aufienwirtschaftsverkehr (Anlage Z l" ) Zollgesetz Zollkodex Zollkriminalamt Zollkommissariat Zahlungsverbote und Moratorien Zollorganisationsgesetz Zolltechnische Priif- und Lehranstalt ZivilprozeSordnung Zolltarifverordnung zugelassener Versender Zollwertverordnung <?page no="12"?> Übersicht A «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken B Marktauswahl und Markterschlieftung 1. Strategische Grundsatzentscheidungen 2. Gescháftsanbahnung 3. SWOT-Analyse 4. Marktauswahl (Markt-Audit) 5. Strategien der Markterschliefsung 6. Markteintrittsformen 7. Internationaler Marketing-Mix 8. Internationales Beschaffungsmarketing 9. Machbarkeitsstudie und Business Plan C Organisation und Management 1. Aufbau internationaler Fiihrungsstrukturen 2. Personelle Kapazitáten 3. Interkulturelles Management: Gescháftsführung im und mit dem Ausland D Finanzierung des Aulienhandels 1. Cash Management (Treasure Management) 2. Kurzfristige Finanzierung 3. Mittel- und langfristige Finanzierung E Internationale Kaufvertráge 1. Angebotserstellung 2. Kaufmánnische Vertragsinhalte 3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte 4. Anwendbares Recht 5. UNCITRAL-Kaufrecht (UN-Kaufrecht) 6. Internationale Handelsbráuche 7. Exkurs: Unternehmensformen im Ausland F Rechtsverfolgung im Ausland 1. Gütliche Einigung 2. Vergleichsverfahren (Schlichtung) 3. Gerichtliche Auseinandersetzung 4. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit G Liefer- und Zahlungsbedingungen 1. Kaufmánnische Dokumente im AuSenhandel 2. Internationale Lieferklauseln 3. Zahlungsbedingungen im internationalen Handel <?page no="13"?> H Risikomanagement im Aulienhandel 1. Allgemeines Risikomanagement 2. Zahlungsrisiken 3. Exportkreditbesicherung 4. Wechselkursrisiken (Wahrungsrisiken) 5. Zinsánderungsrisiko 6. Produkthaftung 7. Markenpiraterie 8. Seerauber und Piraten ein aktuelles Problem im Seehandel J Auftenhandelspolitik und AulSenhandelsrecht 1. Zweck von Ein- und Ausfuhrformalitáten 2. Rechtsebenen: Nationales, supranationales und internationales Recht 3. Internationales Aufienwirtschaftsrecht 4. Nationales Aufienwirtschaftsrecht 5. Zollrecht 6. Steuerliche Aspekte im Aufienhandel 7. Melderecht K Einfuhrabfertigung 1. Normalverfahren 2. Zólle und Zollpolitik 3. Warenursprung und Práferenzen (W.u.P.) 4. Zollverfahren bei der Einfuhr L Ausfuhrabfertigung 1. Begriffsbestimmungen 2. Informationsquellen zur Ausfuhr 3. Lieferungen in die EG 4. Ausfuhrverfahren (Normalverfahren) 5. Zollverfahren bei der Ausfuhr 6. Exportkontrolle <?page no="14"?> Inhalt Abkürzungsverzeichnis VII A «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken l B Marktauswahl und MarkterschlieBung 7 B-l. Strategischc Grundsatzentscheidungen 7 B-2. Gescháftsanbahnung 8 B-3. SWOT-Analyse 12 B-3.1. Stárken und Schwachen (SW-Analyse) 12 B-3.2. Chancen und Risiken (OT-Analyse) 13 B-4. Marktauswahl (Markt-Audit) 16 B-4.1. Budgetierung 16 B-4.2. Grobanalyse 17 B-4.3. Feinanalyse 18 B-4.4. Markteintrittsbarrieren und Markteintrittsrisiken 21 B-4.5. Entscheidungsfindung: Bewertung der Analysedaten 22 B-5. Strategien der Markterschliefiung 23 B-6. Markteintrittsformen 27 B-6.1. Direkter Export und Import 28 B-6.2. Indirekter Export und Import 29 B-6.2.1. Entscheidungskriterien 29 B-6.2.2. Formen indirekten Handels 31 B-6.1.3. Tauschhandel/ Kompensation 33 B-6.1.4. Switch-Gescháfte 35 B-6.1.5. Leasing 37 B-6.3. Kooperation 37 B-6.4. Vertragsfertigung und Veredelung 38 B-6.5. Lizenzfertigung/ Lizenzvergabe 39 B-6.6. Franchising 41 B-6.7. Direktinvestition 42 B-6.7.1. Investitionsarten 42 B-6.7.2. Motive fur Investoren 44 B-6.7.3. Motive der Gastlánder 45 B-6.7.4. Exkurs: Sonderwirtschaftszonen 45 B-6.7.5. Standortanalyse fur Direktinvestitionen 46 B-6.7.6. Investitionsrechnungen 49 B-6.7.7. Investitionsschutz 49 B-6.8. Management von Joint Ventures: Fallbeispiel 53 B-6.8.1. Zweck eines Joint Venture 53 B-6.8.2. Vorbereitung 54 B-6.8.3. Profil eines idealen Joint Venture 57 <?page no="15"?> Inhaltsverzeichnis B-6.8.4. Identifizierung des Partners (profile check) 57 B-6.8.5. Gründung des Joint Venture 59 B-6.8.6. Management des Joint Venture 64 B-7. Intemationaler Marketing-Mix 66 B-7.1. Internationales Marketing/ internationales Management 66 B-7.2. Strategisches und operatives Marketing 68 B-7.3. Adaption des Marketing-Mix 69 B-7.3.1. Unterschiedliche <Zentrierungen> 70 B-7.3.2. Produkt- und Programmpolitik 72 B-7.3.3. Preispolitik, Kostenrechnung 74 B-7.3.4. Distributionspolitik, Vertrieb, Logistik 84 B-7.3.5. Kommunikationspolitik 89 B-8. Internationales Beschaffungsmarketing 94 B-9. Machbarkeitsstudie und Business Plan 97 C Organisation und AAangement 98 C-l. Aufbau intemationaler Fiihrungsstrukturen 98 C-l.l. Aufbauorganisation 98 C-l.1.1. Zentralisierung und Dezentralisierung 99 C-l.1.2. Stellen- und Funktionenbildung 100 C-l. 1.3. Beispiel: Export- und Importabwicklung 101 C-1.2. Ablauforganisation 102 C-2. Personelle Kapazitáten 104 C-2.1. Kriterien zur Personalauswahl 105 C-2.2. Vor- und Nachteile eines Auslandseinsatzes 108 C-2.3. Vorbereitung und Fortbildung 110 C-3. Interkulturelles Management: Gescháftsführung im und mit dem Ausland . . I l l C-3.1. Strategische Ebene I l l C-3.2. Arbeitsebene 112 C-3.3. Andere Lander, andere Sitten 114 D Finanzierung des AuBenhandels 124 D.l. Cash Management (Treasury Management) 124 D-2. Kurzfristige Finanzierung 126 D-2.1. Exportfinanzierung 127 D-2.1.1. Liefererkredit (Handelskredit) 128 D-2.1.2. Vorauszahlungen, Anzahlungen 128 D-2.1.3. Bankkreditlinien 128 D-2.1.4. Wáhrungskredit 128 D-2.1.5. Euromarktfinanzierung 129 D-2.1.6. Wechselkredit 129 D-2.1.7. Export-Akkreditiv 132 D-2.1.8. Ankauf und Bevorschussung bei Dokumenten-Inkassi 133 D-2.1.9. Zessionskredit 134 D-2.1.10. Lombardkredit 134 D-2.1.11. Export-Factoring 134 <?page no="16"?> X V I Inhaltsverzeichnis D-2.2. Importfinanzierung 137 D-2.2.1. Vorschiisse durch Abnehmer 137 D-2.2.2. Handelskredit (Liefererkredit) 137 D-2.2.3. Bestellerkredit 137 D-2.2.4. Wechselkredit, Avalkredit 137 D-2.2.5. Bankkredite (Importkredit) 138 D-2.2.6. Import-Akkreditiv 138 D-2.2.7. Euromarktfinanzierung 138 D-2.3. Aktuelle Tendenzen: Unternehmens-Rating 138 D-3. Mittel- und langfristige Finanzierung 140 D-3.1. Export-Leasing 140 D-3.2. Forfaitierung 143 D-3.3. Kreditlinien der AKA 146 D-3.3.1. Plafond A: Lieferantenkredite 147 D-3.3.2. Bestellerkredite: Plafonds C, D, E 148 D-3.3.3. CIRR-Kredite 151 D-3.3.4. Exkurs: Der OECD-Konsensus 152 D-3.3.5. Projektfinanzierungen 152 D-3.4. Kreditlinien der KfW 153 D-3.5. Bundesmittel und EU-Mittel 155 D-3.6. Finanzierungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit 155 D-3.7. Exkurs: Der Euromarkt und Off-shore-Márkte 158 E Internationale Kaufvertrage 161 E-l. Angebotserstellung 161 E-l.l. Funktionen des Angebots 161 E-1.2. Vorvertrage 163 E-1.3. Bestatigungsschreiben 164 E-2. Kaufmannische Vertragsinhalte 164 E-3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte 167 E-4. Anwcndbares Recht 176 E-4.1. Rechtskreise 176 E-4.2. Im Streitfall anzuwendendes Recht 178 E-5. UNCrTRAL-Kaufrecht(UN-Kaufrecht) 178 E-5.1. Anwendungsbereich 179 E-5.2. Einschránkungen 180 E-5.3. Allgemeine Vertragsaspekte 180 E-5.4. Aspekte fur den Importeur 181 E-5.5. Aspekte fur den Exporteur 181 E-6. Internationale Handelsbrauche 183 E-7. Exkurs: Unternehmensformen im Ausland 184 F Rechtsverfolgung im Ausland 188 F-l. Giitliche Einigung 188 F-2. Vergleichsverfahren (Schlichtung) 189 <?page no="17"?> Inhaltsverzeichnis X V I I F-3. Gerichtliche Auseinandersetzung 191 F-3.1. Der «Partner» klagt: Durchsetzung auslandischer Rechtstitel in Deutschland . . 191 F-3.2. Durchsetzung eigener Anspriiche im Ausland 191 F-4. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit 193 F-4.1. Schiedsgerichtsvereinbarung 193 F-4.2. Formen und Schiedsordnungen 194 F-4.3. Schiedsgerichtsklausel 195 F-4.4. Schiedsverfahren 195 F-4.5. Zusammensetzung des Schiedsgerichts 196 F-4.6. Durchsetzbarkeit 197 F-4.7. Vor- und Nachteile von Schiedsgerichten 197 G Liefer- und Zahlungsbedingungen 199 G-l. Kaufmánnische Dokumente im Aufonhandel 199 G-l.l. Funktionen der Dokumente 199 G-1.2. Einteilung nach den Rechten 201 G-1.3. Einteilung nach den Verwendungszwecken 201 G-l.3.1. Zahlungsinstrumente 201 G-l.3.2. Versicherungsdokumente 209 G-l.3.3. Handelsdokumente 210 G-2. Internationale Lieferklauseln 225 G-2.1. Zweck 225 G-2.2. INCOTERMS 227 G-2.2.1. Entstehung und Verbreitung 227 G-2.2.2. Einteilung 229 G-2.2.3. Charakteristika der einzelnen Klauseln 231 G-2.2.4. Eignung der INCOTERMS fiir bestimmte Transportmittel 242 G-2.3. Beispiel: Klauseltext CIF 243 G-2.4. Exkurs zur Transportversicherung im internationalen Handel 246 G-3. Zahlungsbedingungen im internationalen Handel 249 G-3.1. lnteressenkonflikte 250 G-3.2. Einige wichtige Details 251 G-3.3. Nicht-dokumentáre (reine) Zahlungsabwicklung 252 G-3.3.1. Vorauszahlung, Anzahlung, Abschlag 252 G-3.3.2. Einfache (offene) Rechnung und offenes Zahlungsziel 253 G-3.3.3. Bankgarantie 255 G-3.3.4. Kompensation (Warentausch) 256 G-3.4. Dokumentáre Zahlungsabwicklung 256 G-3.4.1. Dokumenten-Inkasso 256 G-3.4.2. Dokumenten-Akkreditiv (L/ C) 262 G-3.4.3. Restrisiken und Absicherungen 279 G-3.5. Zahlungsbedingungen bei langfristigen Exportvertrágen . 279 G-3.6. Exkurs: Zahlungsabwicklung mit dem Ausland 279 G-3.6.1. Überweisung und Scheck 279 G-3.6.2. SWIFT 280 G-3.6.3. Einschránkende gesetzliche Rahmenbedingungen 281 <?page no="18"?> XVIII Inhaltsverzeichnis H Risikomanagement im Auftenhandel 282 H-l. Allgemeines Risikomanagement 282 H-l.l. Risiko und Chance 282 H-1.2. Risikostrategien 285 H-1.3. Risikoanalyse und -bewertung 286 H-1.4. Risikopolitik: Instrumente 288 H-1.5. Risikoarten (Überblick) 289 H-l.5.1. Allgemeine Risiken in der Aufienwirtschaft 289 H-l.5.2. Landerrisiken 292 H-l.5.3. Güterrisiken 293 H-2. Zahlungsrisiken 296 H-2.1. Arten des Zahlungsrisikos 297 H-2.2. Risikobegrenzende Mafinahmen 299 H-2.2.1. Bankauskiinfte 299 H-2.2.2. Zahlungsbedingungen und Forderungsverkauf 301 H-2.2.3. Garantien und Biirgschaften 301 H-3. Exportkreditbesicherung 307 H-3.1. Private Exportkreditbesicherung 309 H-3.2. Staatliche Exportkreditbesicherung 312 H-3.2.1. Organisation 312 H-3.2.2. Deckungspolitik 313 H-3.2.3. Regrefs und Umschuldungen 315 H-3.2.4. Deckungsprinzipien . . . .- 316 H-3.2.5. Schuldnerarten: Garantien und Biirgschaften 318 H-3.2.6. Risikoarten 318 H-3.2.7. Deckungsformen 321 H-3.2.8. Kosten 324 H-3.2.9. Mitversicherung 326 H-3.2.10. Projektfinanzierung 327 H-3.2.11. Kautionsversicherungen 328 H-3.2.12. Voraussetzungen für eine Entschádigung 328 H-3.2.13. Versicherung von Bestellerkrediten 330 H-3.2.14. Internationale Harmonisierungsbestrebungen 331 H-4. Wechselkursrisiken (Wahrungsrisikcn) 332 H-4.1. Exposure 333 H-4.2. Devisenmarkt 336 H-4.2.1. Einflufsfaktoren der Wechselkursbildung 336 H-4.2.2. Wechselkursbegriffe 338 H-4.3. Wáhrungsmanagement: Risikobegrenzung beim Transaction Exposure . . . . 350 H-4.3.1. Fakturierung in Inlandswáhrung 351 H-4.3.2. Vorauszahlungen und Bestellerkredite 352 H-4.3.3. Fakturierung in anderen Wáhrungen 352 H-4.3.4. Wáhrungsklauseln 353 H-4.3.5. Akkreditiv 353 H-4.3.6. Forderungsverkauf 354 H-4.3.7. Lagging (und Leading) 354 H-4.3.8. Matching (Hedging, Netting, Covering) 354 <?page no="19"?> Inhaltsverzeichnis H-4.3.9. Fremdwáhrungskonten 355 H-4.3.10. Devisen-Termin-Gescháfte 355 H-4.3.11. Devisenoptionen 359 H-4.3.12. Finanzderivate 360 H-5. Zinsánderungsrisiko 362 H-6. Produkthaftung 364 H-6.1. Deutsches Produkthaftungsrecht 364 H-6.2. US-Produkthaftungsrecht 367 H-6.3. Japanisches Produkthaftungsrecht 369 H-7. Markenpiraterie 370 H-7.1. Problematik 370 H-7.2. Zollamtliche Schutzmóglichkeiten 373 H-7.3. Parallel-Importe und Erschopfung 375 H-7.4. Rechtliche Rahmenbedingungen des Markenrechts 375 H-7.5. Schutzmóglichkeiten der Wirtschaft 376 H-8. Seerauber und Piraten ein aktuelles Problem im Seehandel 377 J Auftenhandeispolitik und AufSenhandelsrecht 382 J-l. Zweck von Ein- und Ausfuhrformalitáten 383 J-2. Rechtsebenen: Natíonales, supranationales und intematíonales Recht 386 J-2.1. Supranationales Recht 386 J-2.1.1. Allgemeines Volkerrecht 388 J-2.1.2. Gemeinschaftsrecht 390 J-2.2. Vólkervertragsrecht (Internationales Recht) 396 J-2.3. Natíonales Recht t 398 J-2.3.1. Notwendigkeit 398 J-2.3.2. Systematik des deutschen Rechts 398 J-2.3.3. Deutsches AuEenwirtschaftsrecht 399 J-2.4. Überschneidungen der Rechtsebenen 400 J-3. Internationales Auficnwirtschaftsrccht 400 J-3.1. WTO/ GAIT 400 J-3.1.1. Grundsátze der WTO 402 J-3.1.2. Nicht-tarifáre Handelshemmnisse 403 J-3.1.3. Wichtige Ausnahmen im GATT/ WTO 403 J-3.1.4. Streitschlichtung 407 J-3.1.5. Perspektiven der WTO 408 J-3.2. MaSnahmen gegen Dumping und Exportsubventionen 409 J-3.2.1. Problematik 409 J-3.2.2. Kriterien 411 J-3.2.3. Vergeltungszólle 413 J-3.2.4. Spezifische Dumpingformen 415 J-4. Natíonales Auüenwirtschaftsrecht 415 J-4.1. Geltungsbereich 415 J-4.2. Arten und Umfang der Beschránkungsmóglichkeiten 418 J-4.3. Yerbóte und Beschránkungen (V.u.B.) 418 <?page no="20"?> XX Inhaltsverzeichnis J-5. Zollrecht 422 J-5.1. Grundlagen und Begriffe 422 J-5.1.1. Rechtsgrundlagen des Zollrechts 422 J-5.1.2. Zollrechtliche Begriffe und Definitionen 424 J-5.1.3. Zollrechtliche Warenbegriffe 430 J-5.2. Aufbau der Bundeszollverwaltung 432 J-5.2.1. Struktur 432 J-5.2.2. Zollamter 433 J-6. Steuerliche Aspekte im Au&nhandel 434 J-6.1. Prinzip der Umsatzsteuer 435 J-6.2. Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) 436 J-6.3. Erwerbsteuer 437 J-6.3.1. MWSt in den EG-Landern 438 J-6.3.2. Übergangsregelung 439 J-6.3.3. Re-Importe 444 J-6.4. Sonderverbrauchsteuern 445 J-6.5. Steuerbefreiung bei der Ausfuhr 446 J-7. Melderecht 447 J-7.1. Zweck 447 J-7.2. ExtraStat 448 J-7.3. IntraStat 449 J-7.4. Zahlungs- und Kapitalverkehr 450 J-7.5. Nummernsalat 451 J-8. Marktordnungsrecht (MOR) 452 K Einfuhrabfertigung 455 K-l. Normalverfahren 455 K-l.l. Priifebenen bei der Einfuhr 455 K-1.2. Informationsquellen zur Einfuhr 456 K-1.3. AuEenwirtschaftsrecht 457 K-1.4. Zollabfertigung (Ablauf) 458 K-1.5. Erleichterungen 469 K-1.5.1. Allgemeine Voraussetzungen fur die Bewilligung von ZoUverfahren 470 K-1.5.2. Vereinfachungen und Erleichterungen bei der Einfuhr 472 K-1.6. Abfertigungsunterlagen 476 K-2. ZoUe und Zollpolitik 481 K-2.1. Okonomische Grundlagen 481 K-2.1.1. Zollzwecke 481 K-2.1.2. Zollarten und ZoUwirkungen 485 K-2.1.3. Einfuhrkontingente 487 K-2.3. Bemessung der Einfuhrabgaben 489 K-2.3.1. Tarifieren/ Einordnen in den Zolltarif 489 K-2.3.2. Zollwert 499 K-2.3.3. EUSt-Wert 505 K-2.3.4. Exkurs: Reiseverkehr 506 K-2.4. Abwicklung der Zollschuld 510 <?page no="21"?> Inhaltsverzeichnis K-3. Warenursprung und Praferenzen (W.u.P.) 516 K-3.1. Drei Ursprungsbegriffe 516 K-3.2. Nicht-praferentieller Ursprung 518 K-3.2.1. Zweck 518 K-3.2.2. Ursprungsbestimmung 519 K-3.3. Praferentieller Ursprung 523 K-3.3.1. Zweck 523 K-3.3.2. Praferenzabkommen der EU 524 K-3.3.3. Ursprungsregeln 526 K-3.3.4. Praxistip: Ablaufschema zur praferentiellen Ursprungsbestimmung 532 K-3.3.5. Einige Details 534 K-3.3.6. Ermáchtigter Ausführer 535 K-3.3.7. Ursprungsnachweise 536 K-3.3.8. Kritik 542 K-3.4. Wettbewerbsrechtlicher Ursprung («Made in Germany») 544 K-4. Zollverfahren bei der Einfuhr 546 K-4.1. Versandverfahren bei der Einfuhr 546 K-4.1.1. Zweck 546 K-4.1.2. Arten 546 K-4.1.3. Ablauf 548 K-4.1.4. Vereinfachungen 549 K-4.1.5. Risiken und Probleme 550 K-4.2. Aktive Veredelung 551 K-4.2.1. Zweck 551 K-4.2.2. Ablauf 553 K-4.2.3. Abrechnung 554 KA.2A. Draw-back-Verbot 555 K-4.3. Freiháfen, Zollager und Freizonen 555 K-4.3.1. Freihafenlagerung 555 K-4.3.2. Zollagerverfahren 556 K-4.4. Voriibergehende Verwendung 562 K^.4.1. Zweck 562 K-4.4.2. Teilverzollung 563 K-4.5. Bleibende Verwendung 564 K-4.6. Umwandlung 564 K-4.7. Vernichtung oder Zerstórung 565 K-4.8. Wiederausfuhr und Verbringen in einen Freihafen 565 L Ausfuhrabfertigung 566 L-l. Begriffsbestimmungen 566 L-2. Informationsquellen zur Ausfuhr 568 L-3. Lieferungen in die EG 569 L-4. Ausfuhrverfahren (Normalverfahren) 569 L-4.1. Verfahrensschritte bei der Ausfuhrzollstelle 570 L-4.2. Verfahrensschritte bei der Ausgangszollstelle 572 L-4.3. Verfahrensvereinfachungen und Erleichterungen im Ausfuhrverfahren . . . . 573 L-4.4. Abfertigungsunterlagen bei der Ausfuhr 578 <?page no="22"?> XXII Inhaltsverzeichnis L-5. Zollverfahren bei der Ausfuhr 583 L-5.1. Versandverfahren bei der Ausfuhr 583 L-5.1.1. Tl-/ T2-Verfahren 583 L-5.1.2. AbwicklungTl 584 L-5.1.3. AbwicklungT2 585 L-5.1.4. Vereinfachungen und Erleichterungen 586 L-5.2. Versand mit dem Carnet TIR 586 L-5.3. Carnet ATA 589 L-5.4. Passive Veredelung 593 L-5.4.1. Zweck 593 L-5.4.2. Bewilligung und Durchfiihrung 594 L-5.4.3. Differenzverzollung 595 L-5.4.4. Probleme 598 L-5.5. Andere Zollverfahren auf der Ausfuhrseite 598 L-6. Exportkontrolle 599 L-6.1. Strategische Ziele des deutschen Ausfuhrkontrollrechts 600 L-6.2. Kriterien für Exportbeschránkungen 604 L-6.2.1. Warenabhángige Beschránkungen 604 L-6.2.2. Landerabhángige Beschránkungen 609 L-6.2.3. Verwendungsund'empfángerabhángige Beschránkungen 611 L-6.3. Erleichterungen und Vereinfachungen 613 L-6.4. Exkurs: Boykott und Embargo (am Beispiel des Golfkriegs) 613 L-6.4.1. Begriffsabgrenzung 613 L-6.4.2. Rechtliche Verankerung 618 L-6.4.3. Entschádigung für Embargoscháden 619 L-6.5. Ausfuhrkontrolle im Unternehmen 620 L-6.5.1. Ausfuhrverantwortlicher 620 L-6.5.2. Innerbetriebliche Organisation 622 L-6.5.3. Genehmigungsverfahren 623 L-6.5.4. Aufsenwirtschaftsrechtliche Betriebspriifungen 629 L-6.5.5. Sanktionen: BuSgelder und Strafen 631 L-6.5.6. Bewertung der Exportkontrollen 634 L-6.5.7. COCOM und Wassenaar-Abkommen 638 Literaturverzeichnis 640 Register 644 <?page no="23"?> «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken oder «Was die Weltwirtschaft angeht, so ist sie verflochten.» 1 A «Globalisierung» ist eines der aktuellsten Schlagworte. Heutzutage haben die meisten Untemehmen intemationale Gescháftskontakte; <going globab ist fiir viele Untemehmen das strategische Gebot der Stunde; 2 fiir sehr viele Untemehmen ist das intemationale Gescháft die Existenzgrundlage geworden. Márkte sichern, Kosten sparen, Kapazitáten auslasten, Renditen sichern das sind die Ziele (Abb. A-l/ 1). Etwas iiberspitzt wird schon vom grofien <Weltdorf> gesprochen: Die Kundenbediirfnisse werden weltweit immer áhnlicher, die Produktstandards immer starker harmonisiert. Unabhángig davon gibt es viele kleinere und mittlere Untemehmen, insbesondere Handwerksbetriebe, die sich nur im heimischen Binnenmarkt und dabei oft nur regional orientieren und gar kein Auslandsengagement eingehen wollen teils aus Risikoscheu, teils weil sie nicht weiter wachsen wollen, teils aus Mangel an Informationen iiber die Chancen des Auslandsgescháfts. Abb. A-1/ 1: Going Global Globalisierung im Mittelstand Raus in die Welt Firmengruppe Liebherr - Auslandsgescháft immer wichtiger „Ohne das Werk Bangkok gábe es Rodenstock nicht mehr Der Briilenfabrikant feiert seine erfolgreiche Produktionsveriagerung nach Thailam I Bilfinger+Berger verstarkt die Aktivitáten im Ausland Akquisitionsplane in Nordamerika und Australien Es ist fiir jedes Untemehmen wichtig, seine Strategic zu definieren, die sich aus einer Vision ableiten sollte: Wo steht man heute, wo will man morgen stehen, und wie gelangt man dahin? Vielfach erschopft sich dies in navigatorischer Rhetorik, vagen Formulierungen, Deklarationen und Metaphern. Einige Untemehmen verkaufen ihre Produkte <nur so nebenbei> ins Ausland, andere sind in hohem MaEe vom Auslandsgescháft abhángig und miissen sich daher sehr viel intensiver auf die Auslandsmárkte und die Anforderungen einstellen, die sich aus dem Auslandsgescháft ergeben. Einige Untemehmen verkaufen oder produzieren welt- 1 Kurt Tucbolsky, Kurzer Abrifi der Nationalokonomie, in: Weltbiihne 15.9.1931. Schóner kann man es nicht sagen. 2 Niehoff, Walter/ Reitz, Gerhard, Going Global - Strategien. Methoden und Techniken des Auslandsgescháfts, Berlin et al. 2000. <?page no="24"?> 2 A «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken weit iiberall, wo sich Marktchancen bieten (global selling) und kaufen weltweit dort ein, wo es am giinstigsten ist (global sourcing), andere selektieren geographisch und beschránken sich auf ausgewáhlte Lánder oder Lándergruppen. Die Absatzchancen grower neuer Márkte, wie z. B. in Indien, China und anderen asiatischen Lándern sowie zunehmend in Lateinamerika sind oft verlockend. Ein Hersteller von Schuhsohlen schwármte: «Es gibt eine Milliarde Chinesen, und jeder hat zwei Fiifse ...». Das Motto Going global bezieht sich nicht nur auf GroSkonzerne und Megafusionen, sondern vor allem auf die unzáhligen Untemehmen, die sich international betátigen. Die internationale Perspektive ermoglicht es einem Untemehmen, beziiglich Steuem, Arbeitskosten, Sozial- und Umwelmormen und anderen Standortkriterien nach den besten Rahmenbedingungen zu suchen und eventuell Begrenzungen des heimischen nationalen Rechts zu umgehen. Die Diskussion urn den Standort Deutschland ist sehr breit und tief mit Publikationen aller sektoraler Interessen und politischer und emotionaler Schattierungen unterlegt. Die Standortqualitat ist nur unzureichend zu beschreiben. Und'jeder miEt und bewertet es anders; <objektive> Kriterien wie Arbeitskosten, Steuerbelastung, Arbeitsmarktstatistiken etc. werden mal so, mal so definiert: Es gibt kaum zwei miteinander vergleichbare Studien. 3 Die Wettbewerbsfahigkeit eines Unternehmens leitet sich in erster Linie aus mikrookonomischen, betriebswirtschaftlichen Bestimmungsfaktoren ab. Die Rahmenbedingungen des Standortes seien sie makrookonomischer, rechtlicher, politischer, sozialer, kultureller oder anderer Art iibertragen sich aber auch auf die Wettbewerbsfahigkeit eines Unternehmens, sei es ais Anbieter, sei es ais Kunde von anderen Untemehmen. Letztlich ist fur den Unternehmer aber weniger die internationale Wettbewerbsfahigkeit einer Volkswirtschaft interessant, sondem ob er selbst Erfolg hat oder nicht. Internationale Wirtschaftsbeziehungen hat es schon im Altertum gegeben; die Chinesen, die Romer, die Griechen, die Araber, die Perser und viele andere Volker haben Aufenhandel betrieben, im Vergleich zu heute natiirlich mit relativ geringer Intensitat, aber immerhin. Dies hat sich im Zeitablauf stark verándert. Gerade fur Deutschland ist die internationale Verflechtung ein wesentliches, selbstverstandlich.es Merkmal der Wirtschaftsstruktur geworden: • Der Lebensstandard Deutschlands beruht zu einem guten Viertel auf importierten Giitem; im Jahr 2000 iiberschritt der Import erstmals die Billionengrenze (1058,5 Mrd. DM); • ein Drittel der im Inland produzierten Giiter wird ins Ausland exportiert; auch der Export iiberschritt 2000 erstmals die Billionengrenze (1,1675 Billionen DM); • Untemehmen wickeln einen zunehmenden Anteil ihres Umsatzes im Ausland ab, transportieren Giiter rund um die Welt, lassen Dienstleistungen im Ausland erbringen, produzieren und investieren im Ausland; bei vielen Giitem fállt es heute schwer, das «made in ...» eindeutig zuzuordnen; • ein grofser Teil der Arbeitsplátze nicht nur in Deutschland hángt direkt oder indirekt vom Aufenhandel ab; • aus Direktinvestitionen fliefsen Einkommen ins Ausland und aus dem Ausland; • internationale Kooperationen, Unternehmensbeteiligungen und Fusionen sind an der Tagesordnung. 3 Eine interessante Lektüre ist Miiller, Stefan I Kornmeier, Martin, Internationale Wettbewerbsfahigkeit, Miinchen 2000. <?page no="25"?> A «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken 3 Auch im táglichen Leben wird die Bevólkerung laufend mit intemationalen Wirtschaftsaspekten konfrontiert: Neben der Wetterkarte sind die Bewegungen des Dollarkurses, des intemationalen Goldpreises oder die Entwicklung von Aktienindizes wie dem amerikanischen Dow-Jones- und dem japanischen Nikkei-Index fester Bestandteil der Nachrichtensendungen (wenngleich dem Durchschnittsbiirger die konkrete Bedeutung solcher Daten oft unklar bleiben diirfte). Die Frage, weshalb sich Untemehmer im Ausland engagieren, láfit sich relativ schnell beantworten: Sie wollen Geld verdienen und den Bestand des Unternehmens sichern. Das betriebswirtschaftliche Interesse ist eindeutig: Ohne Exportmárkte lieSen sich Umsatz, Gewinne und Bescháftigung nicht sichern; ohne Importe auslándischer Güter wáren viele inlándische Produktionsleistungen unmóglich; ohne eigene Prásenz in auslandischen Markten kónnten viele Unternehmen ihre Positionen auch im Inland nicht halten; ohne Kooperation und oft ZusammenschluG mit auslandischen Partnern kónnten viele Unternehmen nicht im intemationalen Wettbewerb bestehen. Den Schliissel zum Erfolg hat ein Untemehmer knapp formuliert: «Man braucht eine Spezialisierung, gutes Marketing und gute Leute.» So einfach ist das. Die volkswirtschaftlich notwendige Sicherung der heimischen Arbeitsplatze allerdings dies muí? deutlich gesagt werden steht aus betriebswirtschaftlicher Sicht als Unternehmensziel nur selten im Vordergrund. Arbeitskráfte sind notwendige Produktionsfaktoren, die zur Verfolgung des unternehmerischen Gewinnziels benótigt werden. Unabhángig von sozialpolitischen Uberlegungen, die sicherlich bei vielen Unternehmern auch eine Rolle spielen, mufs gesehen werden, dafi ein Unternehmen auf Dauer nur bestehen kann, wenn es eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals erwirtschaftet (Rendite 4 ), die deutlich iiber der alternativen Anlagerendite auf dem Kapitalmarkt liegt: Andernfalls kónnte der Untemehmer sein Geld mit geringerem Risiko und eher miihelos in Wertpapierfonds anlegen. Wenn die Gewinne ausbleiben, ist das Ende eines Unternehmens schnell nahe. Unternehmen, die sich nicht international engagieren, verlieren leicht auch ihre inlándische ókonomische Basis; viele retten sich vor den kostenmáfiigen Nachteilen des Standortes Deutschland ins Ausland (Abb. A-1/ 2). Einige machen sich freiwillig und von sich aus auf ins Ausland, wollen expandieren oder <kundennáher> operieren, andere reagieren eher Abb. A-1/ 2: Zug ins Ausland „Zur Produktionsverlagerung gibt es keine Alternative" er Standort Deutschland ist fur groBe Teile der Textilindustrie nieht mehr haltbar • Deutsche Baufirmen streben ins Ausland Studie: Expansion nach Asien / Mehr Umsatz mit weniger Bescháftigten Kfz-Zulieferindustrie Metzeler AP bestátigt Fertigungsverlagerung 4 Rechnerisch bedeutet dies die Relation Gewinn: Kapitaleinsatz, wobei es verschiedene Varianten gibt: Eigen- oder Fremdkapital, Betriebs- oder Unternehmensgewinn, vor/ nach Steuern usw. D <?page no="26"?> 4 A «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken unfreiwillig, passiv und meist auch zógerlich auf externe Impulse und sehen dabei vor allem die Risiken des internationalen Wettbewerbs und auslándischer Engagements. Nicht wenige Unternehmen halten sich fálschlicherweise fur zu klein fur Auslandsgescháfte. Die weitverbreitete Meinung, da£ Exporte Arbeitsplátze schaffen, Direktinvestitionen im Ausland hingegen Jobkiller sind, muí? etwas differenziert werden. Durch Diversifizierung der Standorte lassen sich vor allem bei Vorprodukten Kosten sparen, wáhrend die Endproduktion wieder <zu Hause> erfolgen kann. Vor allem im Mittelstand ist diese Form der Mischkalkulation verbreitet. Viele Mittelstándler fertigen aber auch komplett im Ausland, vor allem in Osteuropa, um kostengunstige Produkte von dort nach Deutschland zu liefern. Zudem mufs wer im Export erfolgreich sein will auch <vor Ort> prásent sein. Oft haben Zulieferer gar keine Wahl, als ihren Hauptkunden ins Ausland zu folgen, beispielsweise in der Automobilindustrie. Auslandsinvestitionen sind somit Teil einer Uberlebensstrategie, um teils bestehende Márkte zu sichern, teils neue zu erschlieSen. Ob dies die Bescháftigungssituation im Inland verschlechtert oder verbessert, ist umstritten. Manche Schátzungen sagen, dafi für jeweils drei Arbeitsplátze, die im Ausland geschaffen werden, einer im Inland entsteht. Ich halte diese Rechnung fur blauáugig, denn die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Deutschland und anderen Industrielandern spricht eine andere Sprache. In vielen Branchen findet eine Produktionsverlagerung ins Ausland statt, nicht zusatzlich zur inlándischen Produktion, sondern an deren Stelle. Beim Drang ins Ausland kann man Schub- und Sogfaktoren unterscheiden (Push- und Pull- Faktoren), wobei es auf die Betrachtungsweise ankommt: Vergleichsweise hohe Lohnkosten bei gleichzeitig zunehmender (billiger) Importkonkurrenz in bestimmten Branchen <drangen> Unternehmen ins Ausland, umgekehrt sind niedrige Lohnkosten in Osteuropa oder Siidostasien attraktive Sogfaktoren. Dann bietet sich oft eine Verlagerung von Produktionskapazitáten in <Billiglohnlánder> an: Deutsche Nordseekrabben («Granat») werden mit Kühllastern z. B. nach Ungarn gebracht, dort <gepult> und wieder nach Deutschland zum Verkauf zuriickgebracht; Stoff wird in Deutschland gewebt und daraus in Hongkong T-Shirts gefertigt; Wasche wird von Deutschland nach Polen gebracht und dort gewaschen, usw. Eine Arbeiterstunde kostet in Ungarn knapp 5 Mark, in Bulgarien noch weniger, in Deutschland rund 48 Mark (2001). Solche Auslagerungen von Produktionen oder Produktionsschritten sind in der Textil-, Leder- oder Elektroindustrie und vielen anderen Branchen zu beobachten und in steigendem MaEe auch bei Computersoftware, wo sich beispielsweise Indien einen Namen gemacht hat; die Idee mit der Green Card fur den <Import> von Computerspezialisten im Jahr 2000 war nur ein (ziemlich unsinniges) Detail. Schubfaktoren sind sicherlich das Wegsacken von Inlandsmárkten durch Sáttigung der Nachfrage oder Konkurrenz aus dem Ausland (Abb. A-l/ 3). «In Deutschland wáchst nichts mehr; wir miissen in die Welt gehen», sagte mir unlángst ein Unternehmenschef. Daher kónnen viele Unternehmen ihre Kapazitáten nur durch Auftráge aus dem Ausland auslasten oder Kostendegressionen (economies of scale) realisieren; nicht wenige Branchen u. a. Bau-, Chemie- oder Autoindustrie, Maschinen- und Anlagenbau sind in ihrer Existenz in starkem Mafe von Auslandsauftrágen abhángig. Ein wichtiger Aspekt ist sicherlich auch das Streben nach Risikostreuung. Als Sogfaktor ist auch anzusehen, wenn Zulieferer mit wichtigen Kunden mitgehen (miissen), u. a. in der Autoindustrie, wo sie den Herstellern beispielsweise in die USA oder nach <?page no="27"?> A «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken 5 Abb. A-1/ 3: Importkonkurrenz Uhrenbranche leidet unter Fernost-Konkurrenz t Fiir viele Hersteller hat das letzte Stiindlein geschlagen Schiffbau beklagt „ruinosen Druck" aus Osteuropa illiglohnlánder bleiben in der Textilindustrie auf dem Vormarsch Brasilien gefolgt sind, oder Untemehmen miissen ihren Konkurrenten ins Ausland folgen («me too! »), urn nicht <iiberholt> und <abgehangt> zu werden und ins Hintertreffen zu geraten, durch Ausnutzen von Kostenvorteilen und Besetzen von Marktpositionen (outpacing). Auch ungarische Kunden kaufen eher Konsum- oder Investitionsgiiter, wenn die Firma durch Fabriken, Gescháfte oder Biiros im eigenen Lande vertreten ist. Insgesamt entsteht fiir viele Untemehmen ein zunehmender Zwang zur Teilnahme am internationalen Gescháft. Auch Untemehmen, die noch vor wenigen Jahren nicht daran gedacht haben, erkennen heute eine Notwendigkeit, internationale Beziehungen aufzunehmen. In nicht wenigen Fallen ergeben sich die ersten Auslandskontakte eines Unternehmens <passiv>, indem ein Exportauftrag von einem bislang unbekannten auslándischen Kunden eingeht, der von sich aus den Kontakt herstellt oder neben dem der Juniorchef vielleicht zufállig im Urlaub an der Bar gesessen hat. Schon aktiver wird ein Untemehmen, wenn es sich auf einer Fachmesse oder heute in zunehmendem MaiSe im Internet prásentiert bzw. Kontakte sucht, um Auslandsauftráge einzuwerben. Die Intemationalisierung erfordert nicht nur veránderte Blickwinkel seitens der Untemehmen, sondem wirkt sich auf den Managementstil und das untemehmerische Verhaltensweisen aus: Viele Unternehmer und Mitarbeiter sitzen mehr im Flugzeug ais im Auto; das Produktdesign, die Vertriebsmethoden und die Werbung miissen auf auslándische Kulturkreise abgestimmt werden; die spezifischen Risiken des Auslandsgescháfts miissen erkannt und abgesichert werden, usw. Dadurch ergibt sich auch eine Globalisierung des Arbeitskráfteeinsatzes: Wer heute in der Wirtschaft Karriere machen will, muS fest damit rechnen, oft und viel im und mit dem Ausland zu arbeiten. Die Verwirklichung des Binnenmarktes der Europáischen Union und die Schaffung der Wáhrungsunion mit dem Euro bedeuten eine gewaltige Schubkraft fiir die Intemationalisierung. Hinzu kam der Zusammenbruch des Ostblocks mit der Folge, daft sich die ehemaligen sozialistisch orientierten Lander der Marktwirtschaft zugewandt haben. Viele sog. «Transformationslánder» in Osteuropa und Asien bemiihen sich um neue Formen der wirtschaftlichen Entwicklung. Parallel dazu vollzieht sich schon seit lángerem weltweit ein Prozefi der Liberalisierung der Márkte und der Deregulierung vieler Sektoren. Viele kleinere Untemehmen sind noch deutlich auf die EU fixiert. Neben Westeuropa haben sich ais Schwerpunkte des internationalen Handels Nordamerika, Osteuropa und der ost- und siidostasiatische Raum herausgébildet. Die Industrielánder dieser sog. Tríade machen den GroSteil des Welthandels unter sich aus. Zudem haben sie die Handelsbeziehungen zu Mittel- und Osteuropa sowie Lateinamerika verstarkt («emerging markets», Reformlander, : <?page no="28"?> 6 A «Raus in die Welt» - Chancen und Risiken Transformationslánder). Afrika spielt nach wie vor kaum eine Rolle in der globalisierten Wirtschaft; allenfalls Südafrika und Agypten weisen eine gewisse Dynamik und Attraktivitat auf (Abb. A-1/ 4). Abb. A-1/ 4: Afrika verlorener Kontinent? Afrika fallt wirtschaftlich zuriick Bürgerkriege, steigende Energiepreise und schlechte Wirtschafts- und Finanzpolitiken Afrikas Wirtschaft: Ein Alptraum I Schulden, Inflation und zu schwaches Wachstum auf dem Sehwarzen Kontinent Die Globalisierung ist nicht aufzuhalten; wir werden damit leben müssen. Der externe Druck wird sich noch verschárfen; man spricht bereits von einer «dritten industriellen Revolution». In diesem Zusammenhang erhalten Begriffe wie Globalisierung oder internationale Arbeitsteilung einen tendenziell zu positiven, zu neutralen touch: Globalisierung bedeutet in weiten Bereichen der Wirtschaft einen entsprechenden Veránderungsdruck und Anpassungszwang. Dieser áuSert sich auch und insbesondere in einer Zurückführung unserer sozialen Absicherungssysteme. Wegen des Hintergrundes der Massenarbeitslosigkeit erscheint eine Ausdünnung des sozialen Netzes erforderUch, derm immer weniger Beitragszahler müssen durch immer hóhere Beitráge stándig sinkende Leistungen an immer mehr Empfánger finanzieren. In einer Situation der Wollbeschdftigung ware von solchen <Reformen> sicherlich keine Rede. Um so erstaunlicher ist es, daft diese ókonomischen und sozialen Veranderungen bislang relativ wenig Reaktionen in der Bevólkerung hervorrufen. Im folgenden Teil B werden wir Aspekte darstellen, die fur die Beurteilung, Auswahl und ErschlieSung neuer Márkte von Bedeutung sind. <?page no="29"?> Marktauswahl und Markterschlie&ung B-1. Strategische Grundsatzentscheidungen Bevor man sich auf internationale Aktivitáten einláSt, sollten einige vorbereitende Grundsatzüberlegungen sehr bewufit angestellt werden: (1) Wollen wir uns iiberhaupt im Ausland engagieren? Warum? Welche Ziele werden mit einem Auslandsengagement verfolgt und wie sollen sie erreicht werden? Die Antwort hángt davon ab, welche Vorteile man sich von einem Auslandsengagement verspricht, u. a. im Hinblick auf Umsatzausweitung, Kapazitátsauslastung, Kostensenkung, Gewinnzuwachs oder Beschaftigungssicherung. Toyota hatte dies fur den Eintritt in den US-amerikanischen Markt griffig formuliert: Beat Benzl 1 Man sollte auch beherzigen: Kein Export urn jeden Preis. (2) Suchen wir fur die bestehende Produktpalette neue Márkte wobei das Produkt ggf. auch angepafit und verándert werden mufi - (ressourcenorientierte Strategie) oder wollen wir fur ausgewáhlte Zielmárkte Produkte entwickeln (marktorientierte Strategie)? (Abb. B-l/ 1). Abb. B-1/ 1: Erfolgskriterien „Erfolgreiche Unternehmen bieten nicht das an, was sie für kundenorientiert halten, sondern das, was ihre Kunden für kundenorientiert halten." „Die Produktidee ¡st die Lósung eines Kundenbedürfnisses." (3) Welcher Markt ist fiir unsere Produkte geeignet? Hat das Unternehmen exportfáhige Produkte? Miissen Produkte ggf. angepafSt werden? Zur Beantwortung dieser Fragen miissen vergleichende Marktanalysen angefertigt werdem, die u. a. das Nachfragepotential, das Absatzpotentíal, die Kundenzielgruppen und die interne und externe Wettbewerbsstruktur erhellen. (4) Welche Art von Auslandsengagement wollen wir? Wollen wir allein vorgehen oder eine Kooperation mit anderen Unternehmen im Inland oder Ausland suchen? Dies hángt von zahlreichen Aspekten ab, u. a.: • Kónnen wir den Markt von Deutschland aus bedienen oder miissen wir <vor Ort> prásent sein? Hierbei sind Gesichtspunkte zu beriicksichtigen wie z. B. Transportkosten, Verteilungssysteme, Serviceintensitát, Kundenbeziehungen, Einfuhrvorschriften etc. Eine wichtige Entscheidung ist dabei, ob ein Produktionsunternehmen oder nur eine Distributionseinheit errichtet werden soil. 1 Zitiert nach Markus Harttnann, Orga-Systems, Paderborn. <?page no="30"?> 8 B Marktauswahl und MarkterschlieRung • Wollen wir nicht nur auf der strategischen, sondern auch auf der operativen Managementebene entscheiden und fiihren? • Welche Kosten entstehen durch unterschiedliche Formen des Engagements? Wieviel Kapital wollen wir investieren? • Sind die wirtschaftlichen und politischen Risiken akzeptabel? (5) Haben wir hierfiir hinreichend technische, finanzielle personelle, organisatorische und zeitlicbe Kapazitáten fur die Betreuung und Abwicklung der Auslandsaktivitáten? Was geschieht damit, wenn sich unsere Erwartungen nicht erfiillen? Grundlage eines Auslandsengagements sollte eine umfassende strategische Analyse sein. Sie geht vori den Unternehmenszielen und den Grundprinzipien des Unternehmens aus und muí? unbedingt die mit dem internationalen Engagement anvisierten Ziele definieren (Abb. B-l/ 2). Dies wird ergánzt durch eine nach innen und auSen gerichtete SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats - Stárken, Schwáchen, Chancen, Risiken; die Methodik wird ausfuhrlich in Abschnitt B-3 dargestellt). Aus diesen analytischen Grundlagen wird dann ein strategisches Konzept entwickelt. Es umfaEt neben der Selektion der Zielmárkte (Marktauswahl) die Frage, wie man in diese Márkte eintreten will (ob man beispielsweise fur die gegebene Produktpalette neue Márkte sucht oder auch mit ggf. neu zu entwickelnden oder entsprechend anzupassenden Produkten auf neue Márkte vordringen will: Markteintrittsstrategie), die Entscheidung tiber die Markteintrittsform (dies reicht von <blof>em> Export bis zur Tochtergesellschaft und ist vor allem eine Frage des Kapitaleinsatzes und des unternehmerischen Risikos), die Entscheidungen iiber die Marketinginstrumente und die Organisation dieser Parameter im Unternehmen. Dies ist zu ergánzen durch Finanzierungsiiberlegungen. Oft wird es sich anbieten, die Gesamtheit dieser Vorüberlegungen ais Projekt zu definieren, um Alternativen zu erarbeiten und die Entscheidungen vorzubereiten. Abb. B-1/ 2: Strategieschritte Entscheidungen treffen • über die mit dem Schritt ins Ausland verfolgten Ziele • in welche Márkte man geht (Marktauswahl, Abschnitt B-4) • über die Markteintrittsstrategie (Abschnitt B-5) • wie man in die Márkte eintritt (Markteintrittsform, Abschnitt B-6) • über die Marketinginstrumente (Marketingmix, Abschnitt B-7) • über die Organisationsform (Teil C) B-2. Gescháftsanbahnung Fiir viele Unternehmer ergibt sich der erste Geschaftskontakt ins Ausland oft zufdllig, weil sie mit einem spáteren Gescháftspartner irgendwo aus ganz anderem Anlafs zusammengetroffen sind oder weil von bislang unbekannter Seite ein Auftrag eingeht (Ordergescháft). Eine gezielte Gescháftsanbahnung kann auf vielfáltige Weise erfolgen: Unternehmen stellen sich auf Messen im Inland oder Ausland vor, durch Aufhahme in Profil- und Adrefidateien <?page no="31"?> B-2. Geschaftsanbahnung 9 von Verbánden, Banken, Kammern und Institutionen (beispielsweise kann eine Registrierung im Supply Roster beim IAPSO, dem Inter Agency Procurement Service Office der Vereinten Nationen, oder in das Unternehmensregister einzelner UN-Organisationen Auftráge bringen) 2 , oder durch Prásentation im Internet, durch Werbung in in- und auslándischen Fachzeitschriften, in branchenspezifischen Lánderbeilagen grofier auslándischer Tageszeitungen (die z. B. oft im Zusammenhang mit Staatsbesuchen aufgelegt werden), oder sie nehmen teil an Informations- und Kontaktanbahnungsreisen, die nicht selten finanziell unterstiitzt werden (u. a. vom Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft, den Unternehmensverbánden oder den Bundes- oder Landeswirtschaftsministerien) - und dann wartet man ab, ob Fische anbeifien. PRAXISTIP Auf Bundes- und Landesebene gibt es finanzielle Unterstützungen für Untemehmen, die eine Beratungsfirma mit der Evaluierung von Auslandschancen beauftragen wollen. Die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern verfügen über Informationen, ebenso das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (www.bmwi.de). Zudem fórdert das Bundeswirtschaftsministerium jedes Jahr Informations- und Kontaktveranstaltungen in Deutschland und im Ausland. Das Programm kann unter www.bfai.de abgerufen werden. Parallel dazu werten Untemehmen ihrerseits Informationen aus dem Ausland aus, schreiben potentielle Parmer von sich aus direkt an (Offertengescháft) oder nehmen Kontakt auf mit Anlaufstellen im In- und Ausland wie z. B. Trade Development Boards (Councils) anderer Lander oder den Wirtschaftsabteilungen der deutschen Botschaften und Generalkonsulate, nehmen an intemationalen Ausschreibungen (tenders) teil, iiber die u. a. die Bundesagentur für AuSenwirtschaft (Bfai, Kóln) (friiher: Bundesstelle fur Auslandsinformationen, Bfai 3 ), die dem Bundeswirtschaftsministerium angegliedert ist, die Industrie- und Handelskammern (IHKs 4 ) oder die AHKs (Auslandshandelskammem) informieren, die dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) 5 unterstellt sind (Abb. B-2/ 1). Die AHKs bieten ein spezielles, umfassendes Servicepaket «Internationale MarkterschlieSung» an. Es umfafit Marktstudien, Absatzberatung (Nennung von potentiellen Abnehmern, Produkt- und Unternehmenspositionierung etc.), Terminorganisation bei Erkundungsreisen und Rechtsauskunft (Handels- und Bonitátsauskünfte, Vertragsgestaltung, Handelsvertreterrecht, Firmengriindung, Arbeitsrecht und Inkassoverfahren). 6 Abb. B-2/ 1: Die Auslandskammern vereinheitlichen ihr Beratungsangebot Marktstudien, Absatz- und Rechtsberatung, Terminorganisation / Qualit&tsmanagement fur Untemehmen 2 Einzelheiten konnen bei der Bundesstelle fur AuGenhandelsinformationen (bfai) in Kóln erfragt werden (www.bfai.de). 3 Im November 2000 hat die Bfai ihr Büros in London, Paris, Atlanta und Santiago/ Chile aus Kostengriinden geschlossen... 4 Sprachlich práziser ais IHKs ware HKn, aber das sagt niemand. 5 Seit 2001; vorher DIHT: Deutscher Industrie- und Handelstag. 6 Die Kosten Iiegen zwischen 500 und 3000 DM. Für das Qualitátsmanagement der Serviceprodukte der AHKs bestehen IS0-9002-Zertifikate. <?page no="32"?> 10 B Marktauswahl und Markterschlieftung Diese Organisationen ebenso wie Delegierte und Reprásentanzen der Deutschen Wirtschaft in vielen Landern («Deutsche Hauser») oder Vereine wie der Ostasiatische Verein (OAV) verfügen über sehr umfassende und solide Beratungskompetenzen. Viele Informationen werden von der Bfai kostenlos an die HKs weitergegeben, die diese meist ohne Quellenangabe in ihr Beratungsangebot iibernehmen. Die Informationen, die von auslándischen Regierungsstellen ins Internet gestellt werden, sind mit Vorsicht zu geniefien, weil oft unbequeme Details verschwiegen und auch schon mal falsche Behauptungen aufgestellt werden. Externe Daten von drifter Seite sind aber auch nicht immer 100-prozentig richtig. Der Beratungs- und Unterstiitzungsservice der Wirtschaftsreferate der deutschen Botschaften im Ausland ebenso wie der diplomatischen Vertretungen auslándischer Staaten in Deutschland hángt das mul? man leider sagen von der personellen Kompetenz und dem persónlichen Engagement der Ansprechpartner im Einzelfall ab. Meine Erfahrungen mit Anfragen von Deutschland aus an unsere diplomatischen Vertretungen im Ausland sind gemischt, wenngleich insgesamt positiv. Anfragen an auslándische Vertretungen in Deutschland schneiden schlechter ab. Viele Entwicklungslánder kónnen ihre Botschaften oder Konsulate in Deutschland aus Kostengriinden nur mit Miihe offenhalten (ein Umzug nach Berlin stellt oft erhebliche Probleme). Umgekehrt wurde in Afrika jede zehnte deutsche Botschaft in den letzten zwei Jahren geschlossen. Wenn es irgend geht, sollte man sich die Kosten und die Miihe machen, eine Sondierung <vor Ort> im Ausland zu unternehmen, um dann zu entscheiden, ob vertiefende Markterkundungen sinnvoll sind. PRAXISTIP Bei Reisen in auRereuropaische Lander sollte man zur Informationsgewinnung neben den deutschen Botschaften unbedingt auch Kontakt suchen zu den Vertretungen der politischen Stiftungen (KAS: Konrad-Adenauer-Stiftung / CDU); FES: Friedrich-Ebert-Stiftung / SPD; FNS: Friedrich-Naumann-Stiftung / FDP; HSS: Hanns- Seidel-Stiftung / CSU), HBS: Heinrich-Bóll-Stiftung / Bündnis90/ Grüne) sowie der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die in derRegel über profunde und verláfSliche Informationen verfügen und auch Kontakte zu lokalen Unternehmen und Verbánden vermitteln kónnen. Dies sollte man ergánzen durch Gespráche mit Botschaftsvertretern anderer Lánder und Reprásentanten internationaler Institutionen wie Weltbank, Internationalem Wáhrungsfonds (IWF/ IMF) oder dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP/ PNUD). Ganz wichtig aber das zeigen die Erfahrungen immer wieder ist der Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmem, und zwar sowohl mit eigenen Zulieferern, Kunden, Konkurrenten als auch mit erfahrenen Kollegen aus anderen Branchen im Inland und im Zielland. Im Hinblick auf die Anbahnung konkreter Kontakte sind Messen eines der erfolgreichsten Marketinginstrumente natürlich nur, wenn sie entsprechend nacbbearbeitet werden: Kontaktpflege ist wichtig. In diese sollten auch wichtige Mitarbeiter des <eigentlichen> Gescháftspartners einbezogen werden. Nach dem Motto «Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft» kann man beispielsweise anláElich nationaler Feiertage oder Feste oder zum Firmenjubiláum oder aus sonst einem AnlaE einen GruE senden und überhaupt den Partner auch über Entwicklungen und Veránderungen im eigenen (Export-)Land auf dem laufenden halten, auch wenn dies nicht direkt mit einem Auftrag zusammenhángt. <?page no="33"?> B-2. Gescháftsanbahnung 11 Deutschland ist der wichtigste Messeplatz der Welt; mehr als zwei Drittel der international bedeutsamen Messen dinden hier statt. Messen dienen neben der Prásentation von Waren und der Informationsvermittlung auch der Anbahnung von Kontakten und dem AbschluS von Kontrakten (Verkaufsmessen), so daS sie teils Vorstufe des AuKenhandels, teils selbst Handelsform sind (Abb. B-2/ 2). Vielen Unternehmen ist die Orderfunktion, d. h. das Hereinholen von Auftrágen, weniger wichtig als die Kommunikationsfunktion. Schátzungsweise kónnen 20 % aller Exportauftráge auf Messebeteiligungen zuriickgefiihrt werden. Aus Anbietersicht sind Messen im Ausland auch Gelegenheiten, Absatzwege, Kaufgewohnheiten und Verbraucherpraferenzen kennenzulemen und last not least das Konkurrenzangebot zu priifen. Fur Messen. und Ausstellungen miissen Waren, Anlagen und andere Giiter ins Ausland transportiert und ggf. anschlieEend wieder zurückgebracht werden. Die damit verbundenen Abb B-2/ 2- Kosten kónnen erheblich sein. Die Bun- ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ _ desregierung und die Bundeslánder fór- INDIEN / Praxisnahes Angebot findet Zuspruch d e r n d a h e r _ n e b e n a llg e meiner Beratung DaS MeSSegeSChaft Spielt und finanzieller Unterstiitzung auch eine herailSrageil.de Rolle Messebeteiligungen deutscher Firmen im Ausland, insbesondere in Form von Firmengemeinschaftsstánden, bei denen u.a die Betreuung am Messeort, die Überlassung von Ausstellungsfláchen, die allgemeine Werbung und die Nutzung von Kommunikationsmitteln mit óffentlichen Mitteln gewáhrleistet oder unterstiitzt wird. Sofern die auf Messen angebotenen Giiter im Ausland nicht verkauft werden sollen, muS bei der Verbringung ins Gastland eine bestimmte zollrechtliche Behandlung erfolgen, damit der nur voriibergehende «Import» ins Gastland nicht zu Zoll- oder anderen Abgabenzahlungen fiihrt (vgl. Abschnitt L-5.3 zum Carnet ATA). PRAXISTIP Neben anderen Stellen (BMWi, Landes-Wirtschaftsministerien, IHK's, BfAl) informiert der Ausstellungs- und Messeausschuft der deutschen Wirtschaft (AUMA) in Koln (www.auma.de) tiber die Auslandsmessen, die mit Bundesmitteln gefordert werden. Von den insgesamt iiber 10.000 Messen im Ausland werden etwa 150-200 in das offizielle Messeprogramm aufgenommen. Dabei werden keine direkten Zahlungen geleistet, sondern die Forderung vollzieht sich uber subventionierte Teilnahmegebühren, die urn 40-50% niedriger liegen kónnen. 90% der gefórderten Unternehmen sind KMU, urn deren Nachteile im Wettbewerb mit gróReren Unternehmen, in der Informationsbeschaffung und der Finanzíerung zu vermindern. Natürlich treten dabei auch «Mitnahmeeffekte» auf, weil Firmen auch ohne diese Unterstiitzung an einer Messe teilgenommen harten. Befragungen zeigen, dafi Unternehmen mit zunehmender GróSe sich eher an Messen beteiligen. Das wichtigste Problem ist der Aufwand fur die Messevorbereitung. In kleineren Unternehmen nimmt meist der Chef selbst an den Messen teil und ist dadurch entsprechend belastet. Die Messe-Nachbereitung kommt daher oft zu kurz, und dies wiederum beeintráchtigt den Nutzen der Messebeteiligung. Wenn man schon etwas weiter <globalisiert> ist, empfehlen sich komplementáre Aktivitáten: <?page no="34"?> 12 B Marktauswahl und MarkterschlieGung Die IHK-Gesellschaft zur Fórderung der Aufienwirtschaft und der Unternehmensfiihrung mbH in Berlin bescháftigt sich mit Schulungsprogrammen, Wirtschaftstagen und Exportseminaren, vorrangig für Mittel- und Osteuropa, Asien und Amerika. Das Kooperationsbiiro der Deutschen Wirtschaft, Berlin, berát vor allem Unternehmen aus den neuen Bundeslandern bei der MarkterschlieEung in Mittel- und Osteuropa und vermittelt auch Kontakte und Kooperationen. Alliiberall in Europa und 30mal in Deutschland ist die EU mit Beratungsstellen vertreten (Euro Info Centren), die über rechtliche, wirtschaftliche, technische und soziale Fragen bezüglich der Mitgliedslánder Auskunft geben. Im Rahmen der bi- und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit ergeben sich zahllose Móglichkeiten der Auftragsbeschaffung. Um Überschneidungen zu vermeiden, vergleichen Sie bitte auch Teil D im Zusammenhang mit Finanzierungsmóglichkeiten. Soweit, so gut. Nun liegen also Anfragen, Angebote und Kaufauftrage auf Ihrem Tisch. Wenn man es nicht schon vorher gemacht hat, mufi spátestens jetzt am besten durch eine SWOT-Analyse untersucht werden, ob das Unternehmen grundsátzlich Chancen auf Auslandsmarkten hat. Und dann muE entschieden werden, welche Márkte von Interesse sind. Hier besteht ein gewisses Wechselspiel, weil die Stárken und Schwachen eines Unternehmens auch marktabhángig sind, wáhrend umgekehrt die Marktauswahl vom Profil des Unternehmens mit bestimmt wird. B-3. SWOT-Analyse Eine SWOT-Analyse untersucht Stárken (strengths), Schwachen (weaknesses), Chancen (opportunities) und Risiken (threats). Sie geht von den Unternehmenszielen und den Grundprinzipien des Unternehmens aus und kann sich auf das Unternehmen insgesamt, auf ein Produkt, eine Produktgruppe, ein Projekt oder einzelne Prozesse erstrecken, entweder allgemein oder mit Blick auf bestimmte Márkte. Eine SWOT-Analyse kann für Exportmárkte, für Direktinvestitionen und eigentlich fur jede Entscheidungsfrage angestellt werden. Die Perspektive ist dabei sowohl nach innen ais auch nach aufsen gerichtet: Stárken und Schwachen beziehen sich auf interne Aspekte des Unternehmens und kónnen vom Unternehmen beeinflufst werden (z. B. das Produktprogramm oder das Marketingkonzept), Chancen und Risiken ergeben sich aus den externen Rahmenbedingungen und entziehen sich der Beeinflussung durch das Unternehmen (z. B. die rechtlichen Rahmenbedingungen im Zielland). Vgl. auch Abschnitt B-5. B-3.1. Stárken und Schwachen (SW-Analyse) Für die untemehmensiMterweM Starken und Schwachen (strengths and weaknesses) müssen Kriterien und Indikatoren erarbeitet werden (vgl. unten). Stárken sind komparative Vorteile des Unternehmens (bzw. des Produkts), z. B. im Hinblick auf die Kernkompetenzen und die technischen, personellen, organisatorischen oder finanziellen Ressourcen und Kapazitáten des Unternehmens. Schwachen sind komparative Nachteile, Defizite oder zurückhaltender: <Bereiche mit Verbesserungspotentialen>. Sie signalisieren Handlunsgbedarf. Stárken und Schwachen kónnen sinnvoll nur im (zumindest impliziten) Vergleich mit anderen Unternehmen betrachtet werden, wobei sowohl aktuelle als auch potentielle Konkur- <?page no="35"?> B-3. SWOT-Analyse 13 renten zu berücksichtigen sind. Sinnvoll ist es, sich fur jedes Kriterium mit einem vorbildhaften Unternehmen zu vergleichen (benchmarking), denn der Vergleich mit einem fulSkranken Kollegen verleitet zur Selbstüberschátzung. In vielen Fallen ist es auch móglich, start an einem Vergleichsunternehmens sich an etablierten Normen und Standards zu orientieren (beispielsweise ISO- oder DIN-Normen), urn ihre Erreichung zu überprüfen. Produkte lassen sich natürlich fast problemlos vergleichen; das <fast> bezieht sich auf Produktionsdetails, Rezepturen und sonstige Geheimnisse. In der Praxis ist es hingegen nicht immer einfach, Vergleichsdaten fur Konkurrenzunternehmen zu bekommen, denn viele Daten sind - und bleiben natürlich unternehmensintern. Insbesondere der Vergleich mit auslándischen Konkurrenten in neuen Zielmarkten ist nicht immer leicht durchzuführen. Dafiir lohnt sich Industriespionage nur selten. Im náheren Umfeld hingegen deutsche Konkurrenten im Auslandsmarkt láEt sich so manches in Erfahrung bringen, z. B. aus veróffentlichten Jahresabschlüssen (die <verkürzte> Publizitátspflicht für kleine Kapitalgesellschaften in Form der Hinterlegung des vereinfachten - Jahresabschlusses beim Handelsregistergericht bringt allerdings selten viel Erhellendes). Zudem kennt man sich meist sowieso in der Branche, und ein bilSchen Umhóren trágt viel Interessantes zusammen. («Ich sage es Ihnen nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit ...», und schon ist es 'rum im Markt). PRAXISTIP Stárken-Schwáchen-Analysen, die ja unternehmens/ '/ iierne Aspekte evaluieren, sollten móglichst durch externe Fachleute unterstützt werden, weil sie meist objektiver sind und oft Dinge sehen, für die Untemehmensangehorige betriebsblind geworden sind. Meist ist die eigene Einschátzung zu optimistisch oder zu pessimistisch; Optimisten glauben geme ihrer eigenen Propaganda. Externe sind u.a. nützlich bei Bewertungen von Managementfahigkeiten, organisatorischen Strukturen, Wettbewerbssituation, Marktanalysen, technologischen Entwicklungen, Kundenmeinungen und -einstellungen. B-3.2. Chancen und Risiken (OT-Analyse) Auf der anderen Seite müssen die Chancen und Risiken (Gefahren) (opportunities and threath$) analysiert werden, die sich aus dem in- und auslándischen Umfeld ergeben, also unternehmensexier« sind und sich der Beeinflussung durch das betrachtete Unternehmen entziehen, u.a. die Wettbewerbsstruktur, traditionell und kulturell geprágte Besonderheiten. Chancen (opportunities) ergeben sich aus einem positiven Umfeld, in welchem die Stárken des Untemehmens unterstützt werden und folglich ausgebaut werden sollten, ggf. unter Zurückführung anderer Aktivitáten, für die Schwachen oder Risiken identifiziert wurden (eine günstige Regierungskoalition, die den Rechtsrahmen günstig verándert, aktuelle Ereignisse, aus denen man Nutzen Ziehen kann (Hackerangriffe bereiten den Markt fur elektronischen Datenschutz vor). Ein allgemeiner Bedarf an bestimmten Gütern ist grundsátzlich eine Chance. Das Marktpotential sollte allerdings etwa práziser quantifiziert werden, als es der eingangs zitierte Schuhsohlenhersteller tat: 1 Milliarde Chinesen mal zwei FüEe gleich Marktchance. Risiken (threats, challenges) ergeben sich aus ungiinstigen, negativen Rahmenbedingungen, <?page no="36"?> 14 B Marktauswahl und MarkterschlieGung die wenn man sie nicht hinreichend berücksichtigt, den Erfolg des Unternehmens beeintráchtigen konnen, beispielsweise das Beziehungsgeflecht, das im japanischen Markt typisch ist, oder aktuelle Ereignisse, die sich láhmend auswirken kónnen (Umweltskandale erschiittern das Image eines Industriesektors). Risiken weisen wie Schwachen auf Handlungsbedarf hin. Eine Umfeldanalyse umfafit insbesondere eine Branchenanalyse: Branchenstruktur (Organisation, Zahl der Anbieter), Markteinteile (absolut, relativ, Verhalmis zu Marktanteilen von Konkurrenten 7 ), Kapazitátsauslastung, Umsátze, Qualitáten, Preise, sonstige Konditionen, Lieferfristen, Service, Substituierbarkeit, Kostenstruktur, Gewinnsituation etc. Hinzu kommt eine Analyse der Kundenstruktur (u. a. Zahl und Bedeutung der Kunden) sowie eine allgemeine Nachfrageanalyse (Erfahrungen, Trends). Die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflussen u. a. die Kaufkraft und die Konsumgewohnheiten. (Interessanterweise lassen sich Luxusgiiter oft gerade in ármeren Lándern absetzen, weil sie als Statussymbole fur die Reichen einen guten Markt haben.) Hinzu kommen die landesinternen Finanzierungsmoglichkeiten oder die Fluktuationen der Wechselkurse (Volatilitat), die steuerliche Belasrung von Gewinnen oder allgemein die Kalkulationssicherheit. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Verfiigbarkeit von Inputs, auf die ein Unternehmen zurückgreifen muE, sei es im Hinblick auf materielle Vorleistungen (Rohstoffe, Halb- und Fertigprodukte) oder Dienstleistungen, sei es die Verfiigbarkeit von qualifizierten Arbeitskraften. Die politischen Rahmenbedingungen kónnen die Stabiiitat von Geschaftsbeziehungen oder das Risiko von Investitionen stark beeinflussen, u. a. im Hinblick auf das Enteignungsrisiko oder die Einschránkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Zum Beispiel ist immer wieder zu beobachten, dafi Investoren aufgrund der Investitionsgesetzgebung im Gastland eine <Mindestbelegschaft> fur das Management lokal rekrutieren miissen, wobei die Qualihkationen nicht immer im Vordergrund stehen kónnen. Hinzu kommen Transferrisiken fiir Kapital und Gewinne sowie ethnische oder religiose Spannungen und Auseinandersetzungen bis hin zum Biirgerkrieg, aber auch die Unterbrechung von Geschaftsbeziehungen durch ein Embargo, so wie es viele deutsche Unternehmen im Hinblick auf Iran, Irak oder Serbien erleben muEten. Vgl. auch Abschnitt B-6.7.7 zum sog. Landerrisiko. Die politischen Rahmenbedingungen iiberschneiden sich meist mit den rechtlichen Rahmenbedingungen, die vor allem wichtig sind fur den Investitionsschutz und das Wettbewerbsrecht, die Vertragsgestaltung, Absatzwege, Markenschutz und Patentrecht, die Produkthaftung oder den Umweltschutz. Die administrativen Rahmenbedingungen sind wichtig fiir Genehmigungsverfahren und sonstige behordliche Prozeduren (hierzu gehort auch das Phanomen der Korruption, das fiir westliche Kaufleute oft sehr ungewohnt und schwierig ist) sowie fiir die Gestaltung von Arbeits- oder Handelsvertretungs-Vertrágen (Abb. B-3/ 1). 7 Beispielsweise kann man dies ausdriicken als 1 = ebenso groS wie der Konkurent, beide sind gemeinsam Marktfiihrer; 2 = zweimal so grofi wie der Zweite; 0,5 = halb so grofi wie Marktfiihrer. <?page no="37"?> B-3. SWOT-Analyse 15 Abb. B-3/ 1: Korruption «Be stechung bei Au sla nd s g e s cháft e n ist imm e r noch die N o r m " Korruption ist ein „Grundrecht" China versucht sich in Korruptionsbekámpfung In Amerika wird Bestechung auslándischer Beamter streng geahndet Hohe Geldstrafen für Unternehmen/ Auch in Deutschland steht Schmiergeldzahlung im Ausland unter Strafe EXKURS Zwischen Agentenhonoraren, Sponsorengeldern und «nützlichen Aufwendungen» (NA, sprich: Bestechung) ist schwer zu unterscheiden. Eine OECD-Arbeitsgruppe gegen Korruption schátzt, daB fast jeder Exporteur bereits einmal bestochen und so versucht hat, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. 1997 hat die OECD eine Konvention gegen Korruption verabschiedet, die von 34 Staaten unterzeichnet wurde; 26 haben sie in nationale Gesetze umgesetzt. In Deutschland ist Bestechung auch im Ausland ein Straftatbestand. Juristischen Personen droht allerdings nur ein Buftgeld; ggf. kann ein Unternehmen aber den Schutz durch die Hermes-Kreditversicherung verliegen (vgl. Abschnitt H-3.2). Jedoch: In Lándern mit endemischer Korruption u. a. China, Rutland oder im arabischen Raum kann ein Unternehmen durch Verzicht auf Korruption schnell grofte Márkte einbüGen. Eine echte Zwickmühle. Aber es gibt ja Makler und andere Agenten ... In China und auch anderen Lándern ist die Abgrenzung zwischen strafrechtlich relevanter Korruption und der Pflege und Nutzung sozialer Beziehungen (guanxi) einschlieftlich Vetternwirtschaft und Nepotismus flieftend. Manche Beobachter unterscheiden auch zwischen <grolSer> und <kleiner Korruption>. Man sollte die <petite corruption* zwar nicht verniedlichen, sie aber doch abgrenzen gegen die Korruption gróRten Stils, die Politikern in leider sehr vielen Lándern vorzuwerfen ist. Wir kommen in verschiedenen Abschnitten auf das Korruptionsthema zuriick. Seit 1993 arbeitet in Miinchen das Deutsche Chapter der gemeinnützigen Transparency International, die sich dem weltweiten Kampf gegen Korruption verschrieben hat (www.ti-deutschland.de). Tl ist in 70 Lándern vertreten. Die soziologiscben, kulturellen und demograpkiscben Rahmenbedingungen geben Aufschlufi iiber die Familien-, Alters- und Geschlechterstruktur oder das Bildungsniveau der Konsumenten (in Lándern mit hohem Analphabetismus z. B. kónnen Werbebotschaften nur bedingt auf der Schrift aufbauen); ein Markt wie Japan hat traditionell sehr viel lángere Vertriebswege als z. B. Deutschland, in die auslándische Unternehmen nur <mit langem Atem> einsickern kónnen; patriarchalisch geprágte Gesellschaften sind anders anzusprechen als emanzipierte; religiose Normen setzen háufig Gebote oder Verbote die Liste der Beispiele lieSe sich beliebig verlángern. Ein wichtiger Aspekt ist oft auch die Rolle von einflufireichen Interessengruppen (z. B. Frauen-, Umwelt-, Minderheiten- und andere Gruppen) sowie die Einschátzung von relevanten Behorden und anderen Institutionen. Der Kontakt mit und ein <?page no="38"?> 16 B Marktauswahl und MarkterschlieRung positives Verháltnis zu diesen Akteuren ist oft ein wichtiger Aspekt, den man bei der Planung einer Markteintrittsstrategie nicht früh genug berücksichtigen kann. Zu den Rahmenbedingungen záhlen ferner geographische und klimatische Faktoren sowie die relevante Verkehrs- und Kommunikations-iw/ rasirw^iwr des Ziellandes. Besonderheiten der Infrastruktur kónnen beispielsweise die Vertriebswege beeinflussen, wenn statt Lkw oder Bahn Boote verwendet werden miissen; in tropischem Klima miissen fur verderbliche Ware durchgehende Kühlketten móglich sein; stándig zusammenbrechende Strom- oder Telefonnetze kónnen ebenso gravierende Hindernisse darstellen wie extrem unzuverlássige Verkehrsverbindungen, usw. (Abb. B-3/ 2). Abb. B-3/ 2: Infrastrukturprobleme Unsichere Transportwege erschweren Handel mit Osteuropa Schwierigkeiten besonders mit dem Zoll / StraBengüterverkehr wachst um den Faktor 10 Deutsche Unternehmen leiden unter schlechter Infrastruktur in China Delegiertenbüro sprieht von desolaten Verhaltnissen / Busse bringen illegal Waren in die Stadte B-4. Marktauswahl (Markt-Audit) Unabhángig von móglichen zufálligen Kontakten sollte die Auswahl eines neuen Zielmarktes grundsátzlich rational erfolgen, und früher getroffene Entscheidungen für Auslandsmárkte sollten immer wieder gezielt iiberpriift werden. Viele Überlegungen im Auslandsgescháft sind denen áhnlich, die auch im Inlandsgescháft angestellt werden. Nur: Vieles ist eben doch anders, und daher ist eine solide Vorbereitung anzuraten, um nicht unverhofft in ungeahnte Probleme hineinzuschlittern. Die Marktfáhigkeit von Produkten láSt sich bereits aus existierenden AuSenhandelsstatistiken allgemein einschátzen: Man kann daran sehen, welche Produkte von welchen Lándern importiert werden. Ein sicheres Indiz ist auch, wenn Konkurrenten bereits erfolgreich exportieren. Schon in dieser Phase sollte man auch an operative Aspekte denken, die sich auf Transport- und Verpackungsfragen, Lagerung, Haltbarkeit des Produkts etc. erstrecken. Wenn seitens der Untemehmensleitung grundsátzlich entschieden ist, Auslandsaktivitáten aufzunehmen, sollte das konkrete Engagement solide vorbereitet werden. Dabei stellt sich die Frage, ob man dies aus eigener Kraft tut oder auf externe professionelle Unterstiitzung zuriickgreift. Im Ausland unerfahrene Unternehmen sollten so belegt die Erfahrung sich unbedingt beraten lassen. Dabei kónnen sie wie oben bereits deutlich wurde eine Vielzahl von Unterstützungsmóglichkeiten in Anspruch nehmen. B-4.1. Budgetierung Ein wichtiger Aspekt sollte eine Abschátzung der mit der Marktanalyse und Marktbeobachtung verbundenen internen und externen Kosten sein. Dies hángt natiirlich insbesondere von der Prioritat ab, die das Unternehmen dem Vorhaben einráumt. Die Kostenplanung und die konkrete Budgetierung sollte sich auf die gegenwártige Sondierungsphase und anschlieiSende Up-dates erstrecken, weil eine Marktauswahl keine statische Entscheidung, sondern ein dynamischer ProzeS ist. Die Kosten der kontinuierlichen Marktbeobachtung sind daher ein wichtiges strategisches Planungselement, das in vielen Unternehmen vernachlas- <?page no="39"?> B-4. Marktauswahl (Markt-Audit) 17 sigt wird, und háufig ist die Kostenrechnung dann auch iiberfordert und liefert keine brauchbaren Daten. Immer wieder kommt es vor, daS es einem Unternehmen zwar tatsáchlich gelingt, einen FuE in einen neuen Markt zu bekommen, sogar Konkurrenten Marktanteile abzunehmen aber dann fehlt das Geld, um diese Position auch zu halten und auszubauen, weil die budgetierten Mittel verbraucht sind. B-4.2. Grobanalyse Eine gezielte Marktauswahl sollte das Spektrum der über 230 Staaten dieser Welt auf die Lander reduzieren, in denen das Unternehmen tatig sein will. Dabei kónnen darüber hinaus insbesondere in so grofien Lándern wie den USA, China, Rutland, Australien oder Indien interne, regionale Begrenzungen vorgenommen werden. Allgemein ist es meist sinnvoller, in einem oder wenigen Lándern mit einem stárkeren Engagement vorzugehen als in vielen Lándern mit schwácheren Aktivitáten, weil man sich dann leicht verzetteln kann. Dies gilt um so mehr, wenn die Kosten des Markteintritts und der Marktpflege relativ hoch sind und die Zielmárkte, auf die man sich beschránkt, hinreichend gute Wachstumschancen bieten. Eine regional breite Diversifizierung macht vor allem dann Sinn, wenn die Marktbedienung mit relativ geringem Aufwand móglich ist. Potentielle Márkte sollten nach drei zentralen Kriterien betrachtet werden: Marktattraktivitát, Wettbewerbsvorteile, Risiken. Auch dies kann in Form einer SWOT-Analyse erfolgen. Je mehr sich ein Unternehmen in auslándische Márkte einbindet, desto wichtiger wird es, die wirtschaftlichen, rechtlichen, administrativen, politischen und soziologischen Rahmenbedingungen zu beriicksichtigen. Dabei bietet es sich an, zunáchst eine Grobanalyse vorzunehmen, um die Spreu vom Weizen zu trennen (Marktselektierung). Einige Lándermárkte scheiden moglicherweise von vornherein aus (beispielsweise aus sprachlichen, religiósen oder ideologischen Griinden), andere, weil bestimmte Mindestbedingungen nicht erfiillt sind (wie die politische Stabilitát oder eine verláSliche Infrastruktur). Die verbleibenden Márkte werden danach einer intensiveren Feinanalyse unterzogen, bei der die konkreten produktspezifischen Marktchancen im Mittelpunkt stehen. Ein wichtiger Aspekt ist daher die Definition und Prázisierung der Auswahl- und Ausschluiikriterien. Beispielsweise kónnte eine bestimmte MindestgroSe des Marktes als AusschluEkriterium dienen. Die ausgewáhlten Lander miissen dann einer náheren Untersuchung unterzogen werden. Die Vorgehensweise ist natiirlich nicht zwingend, aber einige allgemeine Uberlegungen lassen sich verallgemeinern. PRAXISERFAHRUNG Die Firma Motee Motoren in Günzburg berichtete, daR sie in Kenia, einem Land mit einer eigentlich notorisch unzuverlassigen Stromversorgung, gute Gescháfte mit Elektromotoren gemacht habe, die vor allem von Handwerksbetrieben und Autowerkstátten gekauft wurden. Diese haben auf die lokalen Behórden eingewirkt, damit die Stromversorgung verbessert wurde. Hier hat sich quasi der Produkterfolg auf die Rahmenbedingungen ausgewirkt, und nicht umgekehrt. Es empfiehlt sich, die Analyse der in Frage kommenden Lándermárkte nicht erst bis zu hoher Vollkommenheit voranzutreiben, bevor man sich an die Feinanalyse mit den spezifi- <?page no="40"?> 18 B Marktauswahl und MarkterschlieBung schen Gegebenheiten des Sektormarktes macht. Wahrscheinlich wird man zunáchst einen tendenziellen Eindruck vom Lándermarkt zu gewinnen suchen, dann moglicherweise die produktspezifischen Marktchancen evaluieren und dies durch eine Analyse von Details der landerspezifischen Rahmenbedingungen abrunden. Die hier verwendete Einteilung in Grob- und Feinanalyse ist also nicht unbedingt chronologisch zu verstehen, und die Abgrenzung ist teilweise fliefiend. Die zur Auswahl von Auslandsmárkten anzustellenden Analysen kónnen leicht sehr umfangreich (und kostspielig) werden. Die Erhebung eigener Daten (Primárdaten) ist fur ein einzelnes Unternehmen oft zu umfangreich und zu kostspielig, oft auch nicht móglich. Schwierig sind beispielsweise umfassende Kundenbefragungen im Ausland. Daher kann auf Sekundárquellen zurückgegriffen werden sowie auf Gespráche mit Kunden, Lieferanten, Konkurrenten, HK-Fachleuten auf Messen, Untemehmenssprechtagen wann immer. Insbesondere im Hinblick auf die (politischen) Lánderrisiken gibt es eine Mehrzahl qualitativ hochwertiger Informationsmóglichkeiten. Man sollte aber grundsatzlich darauf Wert legen, daS die externen Quellen eine moglichst enge Vertrautheit mit dem Zielmarkt haben und eine mit der eigenen unternehmerischen Blickrichtung kompatible Orientierung verfolgen. Beispielsweise lassen sich aus finanzpolitischen Analysen der Banken die erforderlichen sektorspezifischen Schwerpunkte für den Maschinenbau nicht unbedingt mit der erforderlichen Schárfe ableiten; die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts sagt wenig aus iiber die Entwicklung des Marktsegments fur Biiromaschinen. Daher sollten grundsatzlich verschiedene Quellen zu Rate gezogen werden. Problematisch kann sein, daté für das eigene Produkt keine spezifischen Daten verfiigbar sind, sondern nur iibergeordnete Produktgruppen ausgewiesen werden (Haushaltsgeráte, und nicht Kiihlschranke). PRAXISTIP Einige IHKs bieten in Zusammenarbeit mit deutschen Auslandshandelskammer und anderen Fachleuten gegen geringe Gebühr ais Service einen Pre- Market-Check an. Dabei kónnen gezielt die auf das eigene Unternehmen bezogenen Fragen wie Marktchancen, Konkurrenz, geeignete Vertriebswege und Rechtsfragen durch für die IHK arbeitende Fachleute <vor Orb untersucht werden. Cleichzeitig wird geprüft, ob eventuell gesetzliche Regelungen der Einfuhr des betreffenden Produkts entgegenstehen. Bei Bedarf kónnen auch Kooperationspartner ermittelt werden. Für gezielte Fragen bietet auch die Bundesagentur für AuRenwirtschaft (bfai/ Kóln) einen Auskunftsservice an und recherchiert gegen eine Gebühr von DM 40,pro angefangener halber Stunde im Internet, Gesetzestexten, Statistiken, Archiven etc. B-4.3. Feinanalyse Vor dem Hintergrund der allgemeinen Landermarktbeurteilung muE der Markt im Hinblick auf seine produktspezifische Attraktivitát analysiert werden. Hierzu záhlen Aspekte wie das aktuelle und potentielle Marktvolumen (wobei der Seriositát externer Schátzungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist), die Struktur des Kundenpotentials (demographische, soziographische, kulturelle und andere zu beachtende Besonderheiten der Abnehmerstruk- <?page no="41"?> B-4. Marktauswahl (Markt-Audit) 19 tur), die Wettbewerbsstruktur (Zahl, GróSe, Marktanteil von aktuellen und potentiellen Konkurrenten: Markterfolge locken oft Mitbewerber an), Markteintrittsbarrieren (z. B. Besonderheiten im Handelsvertreterrecht, Niederlassungsbeschánkungen, Káuferverhalten), usw. Aus diesen Untersuchungen sollten die unternehmens- und produktspezifischen Chancen und Risiken des betreffenden Zielmarktes abgeleitet werden, sowohl beziiglich der Eignung des Produkts im Hinblick auf die Nachfragestruktur als auch beziiglich der Durchsetzbarkeit gegeniiber Konkurrenzanbietern vor dem Hintergrund der Wettbewerbssituation im Land (dies entspricht dem OT: den Opportunities and Threats einer SWOT-Analyse; siehe oben). Kriterien dabei sind beispielsweise die Kosten, Preise und Handelsspannen im Vergleich zu Konkurrenzangeboten und die giiterbezogenen Nutzenunterschiede aus der Sicht der Abnehmer. Informationen sammeln und sortieren ist nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Aktivitát, die vor allem nicht iibertrieben werden sollte. Datenfriedhofe sind eher kontraproduktiv. Sehr wichtig ist, all diese Erkenntnisse auszuwerten. Dies kommt oft zu kurz. Um den Uberblick zu verbessern, sollten die externen und internen Vor- und Nachteile explizit gegenübergestellt werden, um sozusagen den Nettoeffekt herauszuarbeiten. Dies kann natiirlich nicht im strengen Wortsinn geschehen, weil dies an der mangelnden Quantifizierbarkeit von Stárken, Schwáchen, Chancen und Risiken scheitern diirfte. Aber auch aus einem mehr qualitativ definierten Uberblick kann sich eine solide Einschátzung ableiten lassen. Natiirlich ist es schwierig, ein zu erwartendes gutes Nachfragepotential gegen gleichzeitig hohe Lánderrisiken aufzurechnen, so wie es beispielsweise für Rufiland der Fall ist. Die Entscheidung fur oder gegen den Eintritt in einen solchen Markt hángt dabei sehr deutlich von der Intensitát der Risikoaversion des Unternehmens ab (vgl. Teil H). Unabhángig davon sollte eine quantitative Prognose der Rentabilitát des geplanten Engagements aufgestellt werden, wobei die Treffsicherheit der verschiedenen Methoden fur Investitionsvergleiche z. B. Gewinnvergleich, Rentabilitásvergleich oder Kapitalwertmethode von der Vertrautheit mit dem betreffenden Markt und der entsprechenden Prognostizierbarkeit von Umsátzen und Kosten abhángt. Materialkosten sollten deflatorisch, Personalkosten inflatorisch prognostiziert werden. Ungewohnte und unbekannte Márkte bergen daher beachtliche Planungsrisiken in sich. Oft bietet sich an, eine pauschale Plan-Deckungsbeitragsrechnung zu erstellen, um zunáchst eine Deckung der variablen Kosten sicherzustellen, weil anvisierte Márkte grundsátzlich im Kontext mit den anderen vom Unternehmen bearbeiteten Márkte gesehen werden sollte. Sofern mehrere Márkte gleichzeitig analysiert werden, láftt sich hieraus eine Attraktivitátshierarchie ableiten. 8 Sehr niitzlich ist es, einen eigenen Eindruck vom Zielmarkt zu gewinnen. Das richtige <Gefühl> für einen neuen Markt in einem fremden Land kann man schlecht aus Erzáhlungen oder Papieren gewinnen. Wenn es irgend geht, sollten diese Informationen durch eigene Auf die betriebswirtschaftlichen Aspekte der Investitionsbewertung oder der Kostenrechnung kónnen wir hier nicht eingehen. Die allgemeine BWL-Literatur bietet hierzu eine Fiille von einschlágigen Quellen an. Traditionelle Marketingbücher halten sich allerdings im Hinblick auf <harte> Kalkulations- und Bewertungsmethoden meist eher bedeckt; Investitions- und Finanzierungsbiicher sind oft ergiebiger. <?page no="42"?> 20 B Marktauswahl und MarkterschlieRung Anschauung komplettiert werden. Eine Markterkundungsreise, die sich vielleicht mit einem Messebesuch oder einer Messebeteiligung im Zielland verbinden láSt, sollte wegen der aufzuwendenen Kosten gut vorbereitet werden. Es muí? vor allem klar sein, welche Ziele mit der Reise verbunden werden. Unternehmensintern folgt daraus die Entscheidung, wer diese Reise durchführt: Weil man selten ein Team von Vertretern jeder Abteilung aussendet, muE dies gut abgestimmt werden. Die Erkundungsreise sollte zum einen bestehende Informationsliicken schlielsen, zum anderen bestimmte bekannte strategisch wichtige Daten überprüfen. Viele der folgenden Punkte sind fur den auslandserfahrenen Gescháftsmann (-frau) wahrscheinlich redundant, aber vielleicht findet sich doch noch ein neues Detail. PRAXISTIPS Markterkundungsreise: Sinnvoll ist, eine Liste aller bereits vorhandenen Kontakte aufzustellen (Namen, Adressen, Telefon, email, ggf. bisherige Ergebnisse etc.). Es lohnt sich, Zeit zu investieren in eine sorgfáltige Auswahl der zu kontaktierenden Gespráchspartner, weil dies im Land Zeit und Kosten sparen kann. Die gewünschten Gespráchspartner sollten rechtzeitig angesprochen und koordiniert werden. Dies ist oft vom Inland aus nicht umfassend móglich, so daft unbedingt Pufferzeiten in den Reiseplan eingebaut werden sollten, urn Verschiebungen aufzufangen und spontane Kontakte wahrnehmen zu kónnen. Manche Reise brachte enttáuschende Ergebnisse, weil man nicht darauf vorbereitet war, daft im Gastland gerade nationale Feiertage, Ferien, Ramadan oder sonstige <Ausfallzeiten> anfielen oder anvisierte Gespráchspartner verhindert, verreist oder «nicht da» waren {«please come back tomorrow ...»). Nach der Ankunft im Land sollten vorab vereinbarte Termine bestátigt werden. Man sollte hinreichend Visitenkarten, Briefpapier mit Firmenkopf, Bankreferenzen, Empfehlungsschreiben, Prospekte, Produktmuster, Informationsmaterial etc. mitführen, móglichst in der Landessprache, oft reicht ersatzweise aber auch Englisch (Übersetzungen sollten unbedingt gegengecheckt werden! ), ferner Mustervertráge, Verkaufs- und Lieferbedingungen und Auftragsformulare. Der Nutzen von Unterlagen in Deutsch dürfte gering sein. Dies gilt auch für Funktionsbezeichnungen: Wenn auf einer Visitenkarte steht «Werner Hammer, Prokurist», dann weift der auslándische Gespráchspartner oft nicht, was das sein man. <Manager> sagt auch nicht viel, aber Hierarchiebegriffe sollten in eine allgemeinverstándliche Terminologie überführt werden. CEO (Chief Executive Officer) und COO (Chief Operating Officer) sind fast schon in den normalen Sprachgebrauch übernommen worden. Vor allem unsere amerikanischen Partner haben oft eine faszinierende Phantasie: Was mag ein Senior Assistant Vice-President für eine Funktion haben? Sie und Ihr Gespráchspartner wollen wissen, ob mit der Position des anderen auch Entscheidungskompetenzen verbunden sind, urn verbindliche Absprachen treffen zu kónnen. Dies ist bei einem ersten Kontakt nicht immer eindeutig festzustellen. Zur Vorbereitung von Gespráchen und Interviews sind Checklisten und Fragebogen nützlich. Nach der Rückkehr sollten getroffene Vereinbarungen schriftlich bestátigt werden. <?page no="43"?> B-4. Marktauswahl (Markt-Audit) 21 B-4.4. Markteintrittsbarrieren und Markteintrittsrisiken Als Markteintrittsbarrieren werden Bedingungen bezeichnet, die ein Unternehmen erst einmal erfiillen mufi, um auf dem Zielmarkt tátig werden zu kónnen, bzw. Gegebenheiten im Zielmarkt, die ihm einen Erfolg erschweren oder unmóglich machen. Eine grundsátzliche ókonomische Markteintrittsschranke ergibt sich, wenn sich der Markteintritt nicht <rechnet>, da die abzusehenden Kosten in keinem tragbaren Verhaltnis zu den Erlósen stehen. Diese Barriere gliedert sich in zwei Komponenten: zum einen in den bei einem Mifierfolg zu erwartenden absoluten Verlust des eingesetzten Kapitals, zum anderen in die Wahrscheinlichkeit eines MifSerfolges. Über letztere lassen sich meist keine soliden Vorhersagen machen. Dieses allgemeine unternehmerische Risiko wirkt bei einem risikoscheuen Unternehmer eher als Markteintrittsschranke als bei einem risikofreudigen. Für eine solide Analyse sollten die Wertschópfungsketten transparent sein (Wer liefert was wie an wen? ). Vor allem Unternehmen aus Industrielándern sehen sich oft mit einem Problem in Form eines Bumerang-Effekts konfrontiert, der auch als intemationaler Produktzyklus bezeichnet wird: Zunáchst beliefert das Unternehmen durchaus erfolgreich einen auslándischen Markt durch Exporte. Spater wird auch die Produktion ganz oder teilweise in den Zielmarkt verlagert, z. B. auch durch Lizenzvereinbarungen oder Joint Ventures. Dadurch erwerben die auslándischen Partner (und andere) entsprechendes Know-how. Nicht selten werden Produkte auch schlicht imitiert. Die neuen auslándischen Konkurrenten beliefern zunáchst ihren eigenen Markt, spáter dann móglicherweise sogar den Markt des ursprünglichen Exporteurs und nehmen ihm hier wie dort Marktanteile ab. Besonders betroffen von solchen Entwicklungen aufgrund von legalem oder illegalem Know-how-Transfer sind u. a. Sportartikel, Bekleidung, Biiromaschinen, Spielzeug, Plastikartikel und Video- und Musiktráger. Klassische Barrieren ergeben sich aus protektionistischen Mafsnahmen, mit denen Lander den Güterimport oder Direktinvestitionen gezielt behindern, um ihre eigene Wirtschaft zu schiitzen. Die Skala der protektionistischen MaSnahmen ist breit und reicht von tarifiiren Barrieren wie Importzóllen und anderen Importabgaben über nicht-tarifáre Handelsbzw. Investitionshemmnisse wie z. B. Importquoten, Hóchst- oder Mindestpreise, Devisen- oder Kapitalverkehrsbeschránkungen, Local-content-Vorschriften, technischen und anderen Produktnormen und Standards sowie <freiwilligen> Selbstbeschránkungen, d. h. mit politischem Druck vereinbarten Exportquoten, bis hin zu Import- oder Investitionsverboten. Es gibt Listen mit 700-1000 verschiedenen nicht-tarifáren handelsbehindernden MaSnahmen, zusammengestellt u. a. von der WTO und der OECD. Auch Lánderrisiken kónnen als Eintrittsbarriere empfunden werden. Damit werden Risiken bezeichnet, die sich aus der Situation des Ziellandes ergeben, beispielsweise politische Instabilitát (bis hin zum Bürgerkrieg) oder das Rjsiko von Enteignung (vgl. Abschnitt B-6.7.7). Zudem sind marktseitige Barrieren zu iiberwinden, die seitens des Ziellandes gar nicht bewuSt als Schranke konzipiert wurden, sich aber trotzdem so auswirken. Hierzu záhlen z. B. die Sprache, das Nachfrageverhalten, Kultur und Mentalitát, Korruption, Kriminalitát oder ungewohnte Distributionssysteme, technische Normen, wenn im Importland andere Normen gelten und eine Produktanpassung für das exportierende Unternehmen zu kostspielig werden würde, ferner ein für das deutsche Unternehmen ungewohntes Rechtssystem sowie spezifische rechtliche Probleme, wenn z. B. im Handelsvertretungsrecht eine Aus- <?page no="44"?> 2 2 B Marktauswahl und MarkterschlieGung schlieSlichkeitsklausel unzulássig ist. Für Japan gelten die traditionsbezogenen und sehr stark auf gegenseitige Loyalitát begriindete Lieferbeziehungen als Marktschranken, die auch ein vor Ort ansássiges auslándisches Unternehmen nur schwer iiberwinden kann. Auch das Konsumentenverhalten kann eine Markteintrittsschranke sein, beispielsweise wenn die Bevólkerung inlándische Produkte bevorzugt. Je hóher die Markteintrittsbarrieren sind, desto hóher sind die Risiken und die notwendigen Investitionen fur einen Markteintritt und desto geringer ist natürlich der externe Wettbewerbsdruck. B-4.5. Entscheidungsfindung: Bewertung der Analysedaten Es gibt eine Vielzahl von Methoden zur Entscheidungsfindung. Meist schwórt jeder auf die Methode, die er selbst anwendet. Viele Unternehmer verlassen sich auf ihr Gefühl, <hóren auf ihren Bauch> - und fahren oft sehr gut dabei. Andere bevorzugen komplexe Entscheidungsmethoden, nicht selten auf quantitativer Basis. Quantitative Kriterien sind vor allem dann mit Vorsicht zu genieSen, wenn ursprünglich qualitative, ordinale Variable (gut/ besser) oder <weiche> Kriterien (Lebensqualitát) in irgendeiner Weise quantifiziert wurden, z. B. durch Zuordnung von Punkten oder anderen Gewichten, denn dabei schleichen sich leicht sehr subjektive Aspekte ein, wáhrend die quantifizierte Information plótzlich sehr <objektiv> und <hart> aussieht. Insbesondere die Auswahl von Informationen und ihre Gewichtungen fiihren leicht zu ungewollten Verzerrungen. Solche Verfahren vermitteln nicht selten einen Eindruck von Prázision und Zuverlássigkeit, der bei náherem Hinsehen gar nicht gerechtfertigt ist. Methodisch bieten sich als Ausgangsbasis Brainstorming und Metaplanning an. 9 Hinsichtlich der Formulierung von Analyseergebnissen und Bewertungen lafit sich sagen, daté der eine Leser gerne eine klare, deutliche, auch drastische Sprache bevorzugt, in der ein Aspekt z. B. auch mal als «katastrophal» oder «nicht akzeptabel» bezeichnet werden mag, wáhrend der andere Leser eine behutsame Diktion bevorzugt, in welcher derselbe Aspekt vielleicht als «suboptimal» oder «noch verbesserungsfahig» bezeichnet wird. Wenn man den Analytiker nicht gut kennt, sollte man ihm (ihr) getrost sagen, wie man es gerne harte bzw. fragen, wie es gemeint ist. Vielfach ist es niitzlich, die Stárken und Schwáchen (SW) in einem Profil graphisch auszuwerten und sie ggf. mit dem Profil eines Vergleichsunternehmens zu kombinieren (benchmarking) (Abb. B-4/ 1) oder eine Auswertung in Form einer Matrix, in der strategische Wettbewerbsvor- und -nachteile gegeniiber einem Vergleichunternehmen nach den Kriterien wichtig/ unwichtig und unterlegen/ iiberlegen bewertet werden. Analog kónnen Chancen- Gefahren-Profile (OT) zur Verdeutlichung verwendet werden. Die Skalierung kann beispielsweise in einem Spektrum von +5 bis - 5 , in Prozent der Zielerreichung oder von <1> (sehr gut) bis <6> (unzureichend) erfolgen; es gibt zahlreiche Móglichkeiten. Der Wert einer SWOT-Analyse im Rahmen einer Marktuntersuchung hángt in hohem MaGe von der Zuverlássigkeit des vorhandenen Datenmaterials ab. Grundsátzlich ist immer zu 9 Durch Brainstorming sammelt man in einer Gruppe <unsortiert> spontane Ideen. Diese kann man z. B. visualisieren und strukturieren, indem sie auf Kártchen notiert werden, die man auf einer Pinwand nach Belieben groEfláchig sortieren, verschieben, gruppieren und im Team diskutieren kann (Metaplanning). Sehr oft ergeben sich dabei Impulse, die man auf dem <flachen> Schreibblock - und vor allem allein nicht entdeckt hatte. <?page no="45"?> B-5. Strategien der Markterschlieftung 23 Abb. B-4/ 1: Starken-/ Schwachen-Profil* Kriterium 1. Produktqualitat 2. Marketingkonzept 3. Finanzsituation 4. Deckungsbeitrag 5. Standort 6. Managementsystem 7. Distributionssystem 8. Personalkapazitat Schlecht x-=c: o Durchschnitt O xkc^ ,---o Gut ^ x ^ l —-X —x * stark vereinfacht fragen, ob die zur Verfiigung stehenden Informationen geeignet sind, zur Problemlósung beizutragen und ob aus ihnen Schliisse fur den Untersuchungszweck gezogen werden kónnen. Hinsichtlich der Vollstándigkeit der Daten wird man oft «funfe grade sein lassen miissen», aber es ist wichtig, eventuelle wichtige Informationslücken aufzuspiiren und zu schliefien versuchen. Die Zuverlássigkeit (Validitát) der Daten kann oft nur erhofft werden; dies hángt auch von der allgemeinen Vertrauenswiirdigkeit der Quelle ab. Problematisch aber nicht selten ist, wenn urspriinglich schlicht als Meinungen zu klassifizierende Aussagen im Zuge der Weiterreichung den Status von harten Fakten erhalten. Hinsichtlich der Aktualitát der Informationen ist zu beurteilen, wie stark sich die Situation zwischenzeitlich geándert haben kónnte. Wie schon erwáhnt, sollte sich ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verháltnis beziiglich des mit der Analyse verbundenen Aufwands ergeben. Viele Untemehmen wenden bei Entscheidungssituationen A-B-C-Methoden an, sei es bei der Bewertung von Márkten und Produkten oder der Klassifizierung von Lieferanten oder Kunden: A ist super, C rat zu Vorsicht, D ist vóllig <out>. Natiirlich kann man das Klassifizierungsspektrum beliebig verbreitern oder modifizieren, sollte sich aber bewufst sein, daS es sich wiederum um eine subjektive Klassifizierung handelt. Andere Untemehmen erstellen Tabellen, in denen bestimmte Kriterien fur die betrachteten Marktalternativen zusammengestellt und benotet oder bepunktet werden - Marktzugang, Produktionsbedingungen, Káuferpotential, Wettbewerbssituation, Absatzprognosen usw. usw. Hier kann man beliebig in die Breite und die Tiefe gehen, sollte dies aber nicht iibertreiben, weil man sonst den Wald vor Báumen nicht mehr sieht. Als Entscheidungsforbereitung sind solche Ubersichten aber niitzlich. Wie irnmer die angewendete Analysemethode auch aussieht: In jedem Fall sollte ein konkreter Entscheidungst/ orscWtfg abzuleiten sein, um nicht auf der Einserseits-andererseits-Ebene hángen zu bleiben. B-5. Strategien der Markterschlieftung Eine SWOT-Analyse, so wie sie vorstehend umrissen wurde, ist zunáchst eine Bestandsaufnahme, dann aber die Basis fur die Entwicklung von Strategien und Planungen. Stárken <?page no="46"?> 24 B Marktauswahl und MarkterschlieRung (z.B. profunde Markterfahrung oder <unschlagbare> Produkte) sind die Basis fiir Erfolg; Schwáchen (veraltete Maschinen und Anlagen) kónnen geheilt werden, wenn die Ressourcen ausreichen; manchmal kann eine Schwáche in eine Stárke verwandelt werden (z. B. als Marktnischenstrategie eines kleinen Unternehmens); Chancen sollten erkannt und ergriffen werden; Risiken, Bedrohungen und Gefahren miissen akzeptiert, und ihnen muS begegnet werden. Eine SO-Strategie interne Stárken (Kompetenzen) und externe Chancen ist offensiver Natur und versucht, die günstigen Faktoren starker zu nutzen. Eine WT-Strategie (interne Schwáchen und externe Risiken) ist defensiv und will einerseits Schwáchen minimieren, andererseits den ungünstigen Faktoren und Gefahren ausweichen bzw. ihnen entgegenwirken. Daher wird alternativ auch von SOFT-Analysen gesprochen, bei denen die positiven, günstigen Aspekte auf der einen Seite (Strengths, Opportunities) und die negativen, ungünstigen auf der anderen (Failures = weaknesses, Threats) gegenübergestellt werden. 10 Eine ST- Strategie versucht, externe Risiken durch internen Stárke zu minimieren. Eine WO-Strategie stellt darauf ab, angesichts günstiger Rahmenbedingungen unternehmensinterne Schwáchen zu beseitigen. In Amerika werden die vier Bereiche auch gerne zu einer TOWS-Matrix zusammengestellt. Eine SWOT-Analyse kann produktbezogen - Informationen liefern hinsichtlich der strategischen Beurteilung in Form einer Portfolio-Analyse nach dem sog. Boston-Fenster (Abb. B-5/ 1): Abb. B-5/ 1: Boston-Fenster „Nachwuchs" „arme Hunde" (Sorgenkinder) „ Stars" „Melkkühe" Marktanteil niedrig • hoch Stars sind Produkte, bei denen man in einem Markt mit hohem Wachstumspotential zudem noch über einen hohen Marktanteil verfügt. Besser kann es nicht sein. Der Nachwuchs (oder «Fragezeichen») wird reprásentiert durch Produkte, bei denen man in Wachstumsmárkten (noch) über nur geringe Marktanteile verfügt, die man also ausbauen sollte, sofern man nicht doch lieber aussteigt. Melkkühe (cash cows) sind Produkte, die noch einen hohen Marktanteil aufweisen, wobei der betreffende Markt jedoch keine groSe Dynamik (mehr) hat. Ergo: Die Situation ausnutzen und herausholen, was geht, solange es noch geht. Die Armen Hunde (underdogs) sind die Sorgenkinder, d.h. Güter mit geringen Marktanteilen in zudem wachstumsschwachen Márkten. Zu überlegen ist, ob man sich aus diesen Márkten nicht herausziehen sollte. Andererseits gibt es nicht wenige Unternehmen, die mit einer sol- Í In Lateinamerika spricht man analog von FODA: fuerzas, oportunidades, debilidades, amenazas. <?page no="47"?> B-5. Strategien der Markterschlieftung 25 chen Nischenposition durchaus zufrieden sind, weil sie davon hervorragend leben kónnen. Fiir kleinere Unternehmen ist das Kriterium des relativen Marktanteils oft wenig aussagekraftig, weil man sich im NuU-Komma-Bereich bewegt. Stattdessen kann man auch den Anteil des betrachteten Produkts am eigenen Umsatz und statt des allgemeinen Marktwachstums die eigenen Marktchancen ais Bezugsgrófse wáhlen. Auf der strategischen Ebene lassen sich vier Varianten mit unterschiedlichen Risikograden unterscheiden (Abb. B-5/ 2; sog. Ansoff-Matrix). Die Strategien sollten u. a. jeweils verdeutlichen, was zu ihrer Verwirklichung getan werden mul? und was dariiber hinaus getan werden konnte. Abb. B-5/ 2: Strategische Alternativen erschlossene Márkte neue Márkte etablierte Produkte 1: statische Strategic 2: Marktentwicklung neue Produkte 3: Produktentwicklung 4: simultane Innovation • Strategic 1 bezieht sich auf ein Unternehmen, welches in erschlossenen Márkten (im Inland oder Ausland) etablierte Produkte vermarktet. Dies ist eine relativ unproblematische, statische Strategic und kann der Ausgangspunkt fiir strategische Erweiterungen sein. • Wenn etablierte Produkte auf neuen Márkten im Ausland verkauft werden sollen (Strategic 2: Marktentwicklung, Marktdiversifikation, Market Strecbing), muE man sich auf die Gegebenheiten der neuen Ziellánder einstellen. Dies ist eine Standardsituation im expansiven internationalen Gescháft und wird auch als regionale Diversifikation bezeichnet. Neue Márkte kónnen <verwandte> oder <fremde> Márkte sein; vgl. oben Abschnitt B-4. Regionale Diversifikation setzt voraus, da8 man iiber strategische Vorteile wie schlecht imitierbare oder nicht substituierbare Ressourcen verfügt (z. B. Patente, Know-how, spezialisierte Manpower, Logistikkonzept), weil sonst die Gefahr besteht, sich durch legale Nachahmung oder illegale Imitation Nachteile einzuhandeln. Die im deutschen bzw. europáischen Umfeld vorhandene Rechtssicherheit insbesondere des Markenschutzes ist nur bedingt auf viele andere Lánder iibertragbar. • Sofern das Unternehmen in bereits erschlossenen Auslandsmárkten neue Produkte verkaufen will (Strategic 3: Produktentwicklung, Produktdiversifikation), erfordert dies ein entsprechendes neues, produktabhángiges Marketing. Nicht wenige Unternehmen folgen dabei dem Beispiel von schon vorausgegangenen Konkurrenten (Me-foo-Strategie). Es sei nochmals betont, dal? sich vorangehende Erfahrungen nur bedingt auf andere Márkte iibertragen lassen. • Besonders schwierig und riskant ist Strategic 4, bei der neue Produkte in neue Márkte eingefuhrt werden sollen, denn dies erfordert simultane Innovationen in beiden Dimensionen. Dabei unterscheidet man horizontale Diversifikation, wenn das Produktsortiment erweitert wird, vertikale Diversikation, wenn eine Wertschópfungsstufe vor- oder nachgeschaltet wird, oder laterale Diversifikation, wenn das Unternehmen etwas vóllig Neues macht (ein Margarinehándler geht in den Touristikmarkt) (Unilever). Hinsichtlich der Erschliefiung neuer Auslandsmárkte sind aus anderer Perspektive wiederum zwei grundsátzliche Strategien zu unterscheiden: <?page no="48"?> 2 6 B Marktauswahl und MarkterschlieGung (1) Oft wird eine Wasserfall-Strategie verfolgt, indem man von erschlossenen Márkten aus im Zeitablauf auf verwandte und schlieSlich auch auf fremde Márkte vordringt, d. h. den Weltmarkt nach und nach <aufrollt> (Abb. B-5/ 3). Erschlossene Markte sind solche, auf denen das Untemehmen bereits tátig ist und sich gut auskennt. Als verwandte Markte bezeichnet man solche, die Ahnlichkeiten mit den erschlossenen Márkten aufweisen, für ein in Deutschland tatiges Untemehmen beispielsweise Ósterreich, Schweiz oder Niederlande oder wenn man bereits in Belgien tátig ist - Frankreich, oder bei europáischer Erfahrung ein nordamerikanischer Staat, wobei man jedoch die Unterschiede zwischen verwandten Márkten auf keinen Fall unterschátzen sollte. Beispielsweise gilt die Schweiz als einer der schwierigsten Márkte, wo man am Telefon am besten Schwyzerdiitsch spricht. Frankreich ist nicht Paris, London ist nicht Grofibritannien. Kanada kann nicht von den USA aus mitbetreut werden; da wird schon eher eine Bearbeitung von Deutschland aus akzeptiert. Abb. B-5/ 3: Wasserfall-Strategie Heimatmarkt Markt A Markt B Markt C • Zeit Zu den fremden Márkten záhlen die Lander, die sich erheblich von den heimischen Markten unterscheiden und/ oder mit denen man wenig vertraut ist, z. B. im Hinblick auf die politischen Verháltnissen, die Infrastruktur oder die Kultur und die Mentalitát der Bevólkerung (vielleicht Spanien, Osteuropa, USA, Vietnam, China, Korea). Nachdem in der Vergangenheit aus deutscher Sicht iiberwiegend Lander der ersten beiden Kategorien als Handelspartner in Frage gekommen waren, riicken im Zuge der immer starker werdenden Globalisierung zunehmend Lander der dritten, <fremden> Kategorie in das wirtschaftliche Interesse. Eine Wasserfallstrategie kann nur bei relativ langen Produktzyklen realisiert werden, weil sonst die Attraktivitát der Produkte abnimmt. Entsprechend ist die Amortisationsdauer der Investitionen meist lánger. (2) Bei kiirz'eren Produktzyklen (Mode, Computersoftware) wird daher meist eine Sprinkler-Strategie verfolgt (Abb. B-5-4): Ein Produkt wird gleichzeitig und parallel in unterschiedlichen Márkten eingeführt, bevorzugt in der sog. Tríade (Europa, Nordamerika, Japan/ Ostasien), urn global prásent zu sein. So gelang es beispielsweise damals, das Videosystem VHS gegeniiber dem technisch iiberlegenen System Video 2000 durchzusetzen, das strategisch nur regional ausgerichtet war. Durch eine Sprinkler-Strategie wird das Risiko der Abhángigkeit von einzelnen Márkten verringert, weil weitgehend standardisierte Produkte global vermarktet werden. Eine Markterschliefsungsstrategie nach dem Sprinkler-Prinzip bietet Kostenvorteile, da Forschungsr> r> r\ <?page no="49"?> B-6. Markteintrittsformen 27 • Abb. B-5/ 4: Sprinkler-Strategie Markt A ' \ f > D B \l C Heimatmarkt und Entwicklungskosten reduziert werden und man sich mit weniger Entwicklungsaufwand fur Einfiihrungs- oder Promotionkampagnen begniigen kann. Zudem beginnen die Produktzyklen in alien Márkten gleichzeitig, verlaufen allerdings nicht unbedingt parallel, weil dies von verschiedenen Faktoren unterschiedlich beeinfluSt wird (Konsumgewohnheiten, Wettbewerbsstruktur). Sprinklerstrategien bedeuten aber auch Probleme. Bei globaler Markteinfiihrung kann die Sicherung von Schutzrechten (Markenname, Patente) wegen der Unterschiede in den nationalen Rechtssystemen ein nicht unerhebliches Problem darstellen. Eine andere Gefahr besteht darin, daS man bei áhnlichen Márkten die dennoch bestehenden feinen Unterschiede nicht entsprechend beriicksichtigt. Beispielsweise bestehen im Zusammenhang mit der Kommunikationspolitik (u.a. Werbung) vielfáltige Unterschiede zwischen áhnlichen Lándern. Eine Konservendose ist in Grofibritannien <tin> und in den USA <can>; in Spanien heiSt Auto coche und carro in Lateinamerika; <matador> bedeutet in Spanien Stierkámpfer und <Killer> in Puerto Rico, etc. Wáhrend das Produkt standardisiert verkauft wird, muS der Marketing-Mix oft angepafit werden. Die hier skizzierten Beispiele strategisch nützlicher Instrumente sind natiirlich nur beispielhaft und unvollstándig, aber wir kónnen die allgemeinen Aspekte des Managements und Marketings auch im Hinblick auf diverse auSenwirtschaftliche Spezifika hier nicht ausbauen, ohne den Rahmen vóllig zu sprengen (dieses Buch ist ohnehin schon recht umfangreich, sagt mein Verleger). B-6. Markteintrittsformen In vielen Unternehmen entwickelt sich die Intemationalisierung graduell; nur wenige machen einen <revolutionáren Sprung>. Eine vorsichtige Ausweitung der Inlandsaktivitáten auf das Ausland (regionale Diversifikation) ist vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) fast als Standardstrategie anzusehen - Schritt fur Schritt, zunáchst meist über Exporte (oder Importgescháfte), die vom Inland aus abgewickelt und vielleicht von Handelsvertretern vor Ort betreut werden, spáter vielleicht gefolgt von eigener Prásenz im Ausland durch eine Vertriebsniederlassung, und schliefilich gar eine eigene Produktionstochter. Natiirlich láfit sich dies nicht pauschalieren, da branchenmaSig und sektoral sehr viele Unterschiede bestehen, beispielsweise zwischen Unternehmen, die nur im Handel, und solchen, die auch in der Fertigung tátig sind. Dennoch lassen sich einige grundsátzliche Aspekte herausstellen. <?page no="50"?> ' 28 B Marktauswahl und MarkterschlieRung Die verschiedenen Markteintrittsformen unterscheiden sich vor allem hinsichtlich des erforderlichen Kapitaleinsatzes und der mit dem Auslandsengagement verbundenen Risiken (vgl. Abb. B-6/ 1). Beides nimmt in der folgenden Darstellung tendenziell Schritt fur Schritt zu. Abb. B-6/ 1: Alternative Markteintrittsformen Risiko i i • Errichtung einer Produktionsniederlassung • Kauf einer Produktionsniederlassung • Joint Venture • Verkaufsniederlassung • Lizenzvergabe, Lizenzfertigung, Auftragsproduktion • Indirekter Export, Vertriebskooperation • Direkter Export • Kapitaleinsatz Alie Markteintrittsformen weisen Vor- und Nachteile auf. Welche angewandt wird, hángt von den Zielen und den Moglichkeiten des Untemehmens, den rechtlichen Rahmenbedingungen und den spezifischen Marktverhaltnissen ab. Verschiedene Elemente kónnen jedoch kombiniert werden, urn einzelne Nachteile zu kompensieren. So kónnen Direktinvestitionen beispielsweise durch Auftragsproduktion vorbereitet und die in der Regel lángere Vor- und Anlaufzeit einer Direktinvestition überbrückt werden. Háufig sind verschiedene Markteintrittsformen denkbar. Dann bietet es sich an, den EntscheidungsprozeS zu objektivieren, indem fur die verschiedenen Alternativen die Konsequenzen durchgespielt und quantifiziert werden, wobei verschiedene Variable (Gewinn, Zólle, Wechselkurse etc.) in best case-, worst case- und mittlerer Prognose (mit x-%iger Wahrscheinlichkeit) miteinander gekoppelt werden. Im Regelfall wird ein Unternehmen danach trachten, daE seine Entscheidungsfreiheit móglichst wenig eingeschránkt wird. Je hóher der Selbstbestimmungsgrad sein soil, desto hóher ist aber in der Regel der notwendige Kapitaleinsatz. Da das unternehmerische Risiko nicht zu versichern ist, kann eine falsche Markteinschátzung weitreichende Folgen haben. Im folgenden werden die wichtigsten Markteintrittsformen etwas náher untersucht. B-6.1. Direkter Export und Import Exportbzw. Importbeziehungen kónnen direkt zwischen dem inlandischen Unternehmen und dem auslándischen Partner abgewickelt werden oder indirekt. Beim direkten AufSenhandel besteht eine direkte Beziehung zwischen Importeur und Exporteur (Ablader) ohne Zwischenschaltung von z. B. Maklern oder Ausfuhrhandlern, die vielleicht aus einem Lager heraus weiterverkaufen. Sofern Unternehmen sich auf ein sporadisches oder geographisch breiter gestreutes Exportgeschaft beschránken, ist es nicht selten, daS die Aktivitáten vollstándig vom Sitzland aus gesteuert werden. Direkter Handel ist insbesondere innerhalb Europas und auch im EG-USA-Handel iiblich. Die wesentlichen Vorteile des direkten Handels bestehen in hoher Flexibilitát, geringerem Kapitalaufwand (im Vergleich zum indirekten Handel wird eine Handelsstufe eingespart) <?page no="51"?> B-6. Markteintrittsformen 29 und relativ geringerem Risiko: Bei einer Fehleinschátzung kónnen die Gescháftsbeziehungen schnell beendet werden, und die «sunk-costs» sind relativ gering. Gegen das Zahlungsrisiko, d.h. dafi der Kunde nicht zahlt, kann sich der Exporteur weitgehend absichern (vgl. Abschnitt H-3.2 zur Hermes-Versicherung). Die Verteilung der transportbedingten Kosten, Risiken und Abwicklungsverpflichtungen auf Exporteur und Importeur ist vertraglich zu regeln, was meist weniger eine Frage von Kostenunterschieden ist, sondern eine Frage der Risikoverteilung und der ZweckmáSigkeit (vgl. Abschnitt G-2 zu den Incoterms). Fiir risikoscheue und auch kapitalschwache Unternehmen ist diese Markteintrittsstrategie sehr vorteilhaft. Nachteilig ist die (geographische) Kundenfeme auch wenn man den Markt gut kennt -, was sich erschwerend z. B. auf die Servicequalitat, aber auch die Akquisition von Neugescháften im Ausland sowie allgemein auf die Lieferanten-Kunden-Beziehung auswirken kann. Manche Márkte sind auf diese Weise nicht zu erschlieSen. Unter anderem in Japan ist der persónliche, direkte Kontakt zum Kunden fast unabdingbar; auch in China ist die lokale Prásenz ein Mul? . 11 Dies kann zunáchst durch reisende Exportvertreter, im Ausland ansássige eigene Handler oder Vertreter oder durch Vertragshándler abgedeckt werden. In einer spáteren Stufe ist ggf. stándig eine eigene Prásenz erforderlich, fur die es verschiedene Moglichkeiten gibt (vgl. weiter unten). Allgemein besteht bei direktem Export die Gefahr von Kommunikationsproblemen mit den Gescháftspartnem, und es kann zu transportbedingten Lieferverzógerungen und verzbgerter Einfuhrabwicklung im Bestimmungsland kommen, welche die Zufriedenheit des Kunden beeintráchtigen kónnen, auch wenn sie vom Exporteur nicht zu vertreten und nicht zu beeinflussen sind. Háufig kónnen sich Unternehmen daher nicht auf Dauer auf reine Exportgescháfte beschránken. Zudem kónnen im Auslandsmarkt lokale Produzenten ais Konkurrenten auftreten, oder es kommt zu Importkonkurrenz aus anderen Lándern. Dies führt nicht nur zu Absatzproblemen, wenn die Konkurrenz gleich gut, aber billiger ist, sondern auch, weil die Konkurrenz vor Ort prásent ist und Marktchancen unmittelbarer wahrnehmen kann. Es ist eine alte Marketingweisheit, daS es siebenmal teurer ist, einen neuen Kunden zu gewinnen, ais einen alten zu halten. Die Kundenzufriedenheit (clienting) ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, der aulSer durch die Preis- und Qualitátspolitik vor allem vom Service bestimmt wird. Die Náhe zum Kunden kann Friktionen vermeiden oder abbauen, die sich aus reiner Exportbelieferung ergeben kónnen. B-6.2. Indirekter Export und Import B-6.2.1. Entscheidungskriterien Beim indirekten Aufienhandel erfolgen Kauf und Verkauf über zwischengeschaltete Personen oder Unternehmen. Dies bietet sich an, wenn Ausbzw. Einführer nur über geringe Auslandserfahrung und weniger Marktkenntnis und Kontakte verfügen ais der Zwischenhánd- 11 Die Medima-GmbH, Hersteller von Wollwásche, berichtete, daf? sich erst nach sieben mageren Anlaufjahren die betráchtlichen Investitionen in den Aufbau persónlicher, intensiver Betreuungsstrukturen in Japan amortisiert harten. Mittlerweile steht das Unternehmen allerdings vor dem gánzlichen Aus. Das wird sicher nicht nur am japanischen Engagement gelegen haben. <?page no="52"?> 30 B Marktauswahl und Markterschlieftung ler. Import- und Exportaspekte sind oft spiegelbildlich, so daS wir hier vor allem auf den Export eingehen. Beim indirekten Export nutzt man die Erfahrung von Untemehmen oder Personen aus, die den Markt im Partnerland gut kennen, ihr Know-How und Dienstleistungen einbringen und den Export moglicherweise auch den Import im Zielmarkt technisch abwickeln, z. B. selbstándige Exportvertreter, Vertragshándler, Makler oder spezifische Export-Management-Dienstleister (Handelsháuser). Dadurch ist das Risiko der Marktferne geringer. Dieser Geschaftspartner kann sowohl im Exportland als auch im Importland ansássig sein. Sofern der Zwischenhándler in Deutschland ansássig ist und auf eigene Rechnung und Gefahr arbeitet, handelt es sich fur das deutsche Untemehmen im Prinzip um ein reines Binnengescháft. Aus haftungsrechtlicher Sicht allerdings kann auch bei solchen Transaktionen der Hersteller bzw. Verkáufer sich mit den Folgen eines Exportgescháfts konfrontiert sehen (vgl. Abschnitt H-6 zur Produkthaftung). Der Vorteil des indirekten Exports besteht vor allem in geringeren Investitions- und Organisationserfordernissen (keine Exportabteilung, keine Vertriebsorganisation im Ausland). Nicht selten erfolgt die Belieferung des Zielmarktes durch Kommissionáre, die aus Konsignationslágern heraus verkaufen, die oft als Zollager organisiert sind (vgl. unten und Abschnitt K-4.3) und die Marktbedienung erleichtern. (Sofern die Vertriebsleute im Ausland erfolgreich sind, wird sich allerdings bald die Frage stellen, ob nicht doch eine eigene Produktion vor Ort sinnvoll ist, eventuell allein oder mit einem Partner, siehe unten.) Zudem konnen eine Reihe von Risiken und Kosten auf die zwischengeschalteten Untemehmen iibertragen werden: Beim indirekten Export ist beispielsweise kein eigenes Vertriebsnetz des Exporteurs erforderlich, und das Absatzrisiko und weitere Risiken (vgl. Teil H) sowie die Kosten ab Zwischenhándler liegen bei diesem. Beim indirekten Export iiber ein im Importland ansássiges Untemehmen bestehen fur den Kunden oft bessere Móglichkeiten, die Ware vor VertragsabschluS zu priifen. Solchen (hier nur unvollstándig angesprochenen) Vorteilen steht in der Regel der Nachteil gegeniiber, dafi zwischengeschaltete Handelsháuser oder selbstándige Handelsvertreter sich nur begrenzt vom Exportland aus steuern lassen. Der indirekte Handel steht und fállt mit dem Engagement, den Qualifikationen und der Fortune des Reprásentanten im Gastland. Auch ist der Kontakt zwischen dem eigentlichen Hersteller und dem Kunden durch die Zwischenschaltung einer Handelsstufe eben auch nur indirekt. Der Zwischenhándler oder Vertreter tut sich oft schwer, die produktbezogenen Stárken gegen den Nachteil herauszukehren, dais der Hersteller nicht im Land prásent ist, was tendenziell Pre- und After-Sales- Servicenachteile bedeuten kann (geographische Entfernung, telefonische Erreichbarkeit [ggf. Zeitverschiebung, Feiertage], Reaktions- und Lieferzeiten, Sprache etc.). Das wirtschaftliche Risiko, ob der ausgewáhlte Vertreter auch etwas taugt, ist oft grower, weil <eine gute Wahl> oft ein Problem darstellt. Hier muS man sich oft auf trial and error einlassen. Eine enge ókonomische Bindung an das Stammhaus kann ein sinnvolles Instrument sein, beispielsweise durch attraktive Provisionen oder durch eine Einbindung als Mitgesellschafter. Die Gewinnung guter Reprásentanten im Ausland ist oft schwerer als die Rekrutierung neuer Mitarbeiter im Stammhaus (Abb. 6/ 2). Probleme kónnen sich ferner ergeben aus der rechtlichen Vertragsgestaltung, z. B. im Hinblick auf auslándisches Handelsvertreterrecht: Nicht in alien Lándern kónnen die nach deut- <?page no="53"?> B-6. Markteintrittsformen 31 schem Recht móglichen AusschlieElichkeitsvereinbarungen durchgesetzt werden, so dafi der <eigene> Handelsvertreter móglicherweise gleichzeitig Konkurrenzuntemehmen vertreten kann, was sich auch vom Heimatland aus schlecht kontrollieren lafst. Beispielsweise vertreten in den USA sog. «Multiple Line Reps» (= representatives) typischerweise 5 bis 15 verschiedene Hersteller. Auch innerhalb der EG ist das Handelsvertreterrecht trotz einer Harmonisierungsrichtlinie der EG nicht umfassend harmonisiert. Rechtliche Risiken kónnen durch entsprechende juristische Beratung weitgehend ausgeschaltet werden, was jedoch einen entsprechenden Kostenaufwand erfordert. PRAXISTIP Die Bundesagentur fiir AufSenwirtschaft (bfai) in K6ln führt eine Liste von Rechtsanwálten und Patentanwalten in Europa. Auch die Intemetseiten von Lexmundi (einem Verbund von rund 160 Anwaltskanzleien und 14.000 Anwálten enthalten Informationen iiber Niederlassungs-, Steuer, Arbeits- und Handelsvertreterrecht. Die Benutzung ist kostenlos: www.lexmundi.org. Die Einschaltung von Zwischenstufen ist ein zusátzlicher Kostenfaktor, wodurch die Gewinnspanne reduziert werden kann. 12 Fiir einen eigenen stándigen Reprásentanten im Ausland muf> man als Gehaltsfixkosten (incl. Auslandszulagen und Reisespesen) leicht 125.000 Euro (und mehr) pro Jahr rechnen; ein Gescháftsführer einer Auslandsniederlassung erwartet eher 200.000 Euro. Hinzu kommen Biirokosten, die in manchen Lándern Asiens enorm teuer sind. Eine Reprásentanz kann sich so schnell auf 500.000 Euro p.a. summieren. Andererseits gibt es viele Negativbeispiele, wo zwar billigere, aber unerfahrene Kráfte im Ausland keinen Erfolg hatten. Dann ist die komplette Investition als <sunk costs> anzusehen, und mehr ware oft mehr gewesen: Nicht kleckern, sondern klotzen. - Fiir die Überlegung, ob die Exportbzw. Importaktivitaten in einer speziellen Abteilung zusammengefafit oder von den Funktionseinheiten mitbetreut werden, vgl. Abschnitt L-6.5.2. B-6.2.2. Formen indirekten Handels (a) Einfuhr-/ Ausfuhrhandler Ein Ausfuhrhandler stellt eine eigene Handelsstufe dar: Der deutsche Hersteller z. B. verkauft an einen deutschen AuEenhándler (Zwischenhándler, z. B. ein GroEhándler); das Eigentum an der Ware geht auf den Aufenhándler iiber. Dieser verkauft im eigenen Namen und fiir eigene Rechnung an auslándische Importeure. Dies gilt analog fiir Einfuhrhándler als Zwischenstufe zwischen auslándischem Exporteur und inlándischem Káufer, nicht selten ais Vertragshándler. Faktisch ergibt sich daraus ein Inlandsgescháft. (b) Absatz- oder Handelsmittler Absatz- oder Handelsmittler stellen keine eigene Handelsstufe dar. Daher findet sich gelegentlich die Aufassung, daS es sich folglich auch nicht im indirekten Handel handelt. Wir 12 Andererseits kann man als indirekter Importeur auch von Mengenrabatten profirieren, die der Einfuhrhándler in Anspruch nehmen kann. <?page no="54"?> 32 B Marktauswahl und MarkterschlieRung woilen diese eher akademische Frage hier jedoch nicht vertiefen, weil dies fur die Praxis egal ist. Es gibt es eine Reihe verschiedener Absatz- oder Handelsmittler: • Ein Reisender steht in einem (stándigen) unselbstándigen Gescháftigungsverháltnis zu dem vertretenen Unternehmen. Er handelt in fremdem Namen und auf fremde Rechnung (auch: unselbstándiger Handelsvertreter). • Ein (selbstándiger) Handelsvertreter (Agent) ist ein rechtlich selbstándiger Kaufmann, der aber in fremdem Namen und auf fremde Rechnung handelt (§ 84 HGB). Die konkrete Rechtsbeziehung im Innenverhaltnis kann vertraglich gestaltet werden; z. B. kann sich die Handlungskompetenz erstrecken nur auf die Vermittlung von Kontakten oder auch auf den AbschluE (Abschlufrvertreter). Handelsvertreter stehen in der Regel in einem stándigen Vertragsverhaltnis zu dem vertretenden Unternehmen und arbeiten auf Provisionsbasis (oft ist auch ein Fixum iiblich), háufig auch fur mehrere Auftraggeber. Sie kónnen im Inland (Exportvertreter) oder Ausland (Auslandsvertreter) tátig sein. Auslandsvertreter iibernehmen oft die Einfuhrabwicklung und organisieren den Transport fur den Kunden. CIF-Agenten haben sich meist auf bestimmte Warengruppen spezialisiert und bieten diese zu CIF-Konditionen an, d. h. «frei Grenze» Importland. 13 Sie haben dabei oft ein Alleinvertretungsrecht, was hingegen in den USA eher untypisch ist. Die rechtlichen Regelungen beziiglich der Handelsvertreter sind international sehr unterschiedlich, z. B. was die Moglichkeiten anbelangt, die Tátigkeit von Handelsvertretern fur Konkurrenzunternehmen auszuschliefien. Vor Abschluf? von Handelsvertretungsvertragen sollte man sich griindlich über die nationalen rechtlichen Besonderheiten informieren. PRAXISTIP Informationen und Unterstützung bieten an u. a. die Centralvereinigung Deutscher Handelsvertreter und Handelsmakler-Verbánde (www.cdh.de). der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU; www.bdu.de) oder der Bundesverband des Deutschen Graft- und Auftenhandels e.V. (BGA; www.bga.de). Bundesverband Deutscher Vertriebsfirmen (www.bdv-aktuell.de) oder der Bundesverband des deutschen Exporthandels e.V. (BDEx; www.bdex.de). • Ein Makler (vom niederdeutschen tnaken = machen) (§§ 93ff HGB) ist selbstándig und spezialisiert auf Vertragsanbahnung und -vermittlung zwischen wechselnden Auftraggebern. In der Regel besteht kein stándiges Vertragsverhaltnis, sondern es handelt sich um Einzelauftráge. Typische Beispiele sind Warenmakler (die bei Auktionen und Bórsengescháften tátig werden), Versicherungsmakler oder Schiffsmakler. Fur Maklergeschafte gelten meist bestimmte Formvorschriften (z. B. muS eine sog. Schlufinote über getátigte Gescháfte ausgestellt werden). Der Maklerlohn (Gebühr) wird auch als Courtage bezeichnet (vor allem bei Devisentransaktionen) und wird iiblicherweise zwischen beiden Vertragspartner geteilt. Makler handeln in eigenem Namen fur fremde Rechnung. Im internationalen Handel spricht man auch von cif-Agent, comprador, distributor und jobber. Im Finanzbereich werden Makler auch als Broker bezeichnet. 13 CIF (costs, insurance, freight) ist eine Standardklausel (vgl. Abschnitt G-2) und bedeutet, da(? Lade- und andere Kosten, Versicherung und Fracht bis zum Bestimmungsort im Ausland vom Exporteur getragen werden. <?page no="55"?> B-6. Markteintrittsformen 33 • Eine andere Móglichkeit besteht darin, «Briickenkopfe» mit Kommissionswaren zu begründen. Ein Kommissionár (§ 383ff HGB) (commision [frz.] = Auftrag) kauft bzw. verkauft selbstándig in eigenem Namen, aber auf Rechnung des jeweiligen Auftraggebers (Kommittent). Er iibemimmt z. B. für einen Exporteur Ware in eigenem Namen, aber fur fremde Rechnung (Verkaufskommissionár) und erhált dafiir eine Provision. Es findet also kein Zwischenerwerb start; das Eigentum verbleibt bis zum Verkauf beim Exporteur, d. h. der Exporteur tragi das Absatzrisiko. Sofern die Ware nicht verkauft wird, entstehen ihm Lager- und andere Kosten, und er muí? ggf. auch den Riicktransport der Ware tragen, sofern es nicht giinstiger ist was oft der Fall ist -, die Ware vor Ort zu <verramschen>. Móglich ist auch das Handeln auf eigene Rechnung des Kommissionáres durch Selbsteintritt und anschlieSenden Verkauf aus eigenen Bestánden. Sofern der Exporteur sein Warensortiment durch Zukáufe im Ausland ergánzt und diese im Ausland wieder verkauft, liegt auSenwirtschaftsrechtlich Transithandel vor (vgl. Abschnitt J-4). Im Innenverháltnis zum Verkaufer entspricht der Kommissionár weitgehend einem Handelsvertreter. Analoges gilt im Export fur einen Verkaufskommissionár. Kommissionslager werden oft als Konsignationslager organisiert (consigner [frz.] = verwahren, hinterlegen), dessen Bestánde Eigentum des Verkáufers bleiben: Der Produzent/ Lieferant (Konsignant) liefert Waren in ein Lager, zu treuen Hánden des Lagerhalters (Konsignatar). Dieser rechnet z. B. monatlich über die aus dem Lager entnommenen Waren ab. Export-Konsignationslager liegen meist im Importland. Sie sichern eine schnelle Belieferung des auslándischen Marktes und ermóglichen dem auslándischen Káufer eine Besichtigung und Pruning der Ware. Der Exporteur bleibt Eigentiimer der Ware. PRAXISTIP Die Ware mulS im Lager und in der Bestandsbuchhaltung als Konsignationsware gekennzeichnet sein, urn vor einer Zwangsvollstreckung geschiitzt zu sein. Bei der Einfuhr werden Konsignationslager zudem oft als Zollager gefiihrt. Dies hat den Vorteil, dafi die Ware ohne aufienwirtschaftsrechtliche Abfertigung und in einer vereinfachten zollrechtlichen Behandlung in das Zollager verbracht werden kann, ohne dafi wáhrend der Lagerzeit Zolle oder Steuern erhoben werden. Dies geschieht erst bei Verlassen des Zollagers zur endgiiltigen Einfuhr (vgl. Abschnitt K-4.3). Beispielsweise fiihren Automobilhersteller und Versandhandelsunternehmen meist riesige Warenlager als Zollager. Háufig wird Ware exportiert, die der Exporteur bei Lieferanten einkauft und von dort aus direkt an den Kunden ausliefern láSt (Streckengescháft), nicht selten in neutraler Verpackung und Aufmachung, so daE der Kunde dies gar nicht merkt. Der Exporteur sollte dabei sicher sein, daE der Lieferant richtig leistet; ggf. kann man spezialisierte Unternehmen mit einer Qualitátsprüfung vor Versendung beauftragen (Pre-Shipment-lnspckúon). B-6.1.3. Tauschhandel / Kompensation In vielen Fallen muS im internationalen Gescháft in Kauf genommen werden, dafi der Káufer nicht in auslándischen Devisen bezahlen kann, weil sie in seinem Land nicht in hinreichendem MafSe zur Verfiigung stehen und er auch nicht auf Devisenkredite zuriickgreifen kann (vgl. Abschnitt D-2.2 zu Bestellerkrediten). Fur Exporteure stellt sich daher oft die <?page no="56"?> 34 B Marktauswahl und Markterschlieftung Frage, ob sie ein Kompensationsgescháft akzeptieren oder auf einen AbschlufS verzichten. Tausch- oder Kompensationsgescháfte werden auch als Gegengeschafte, Verbundgeschafte, Bíjríer-Gescháfte oder counter trade bezeichnet (Abb. B-6/ 3). Aus der Sicht-des Exportuntérnehmens sind derartige Gescháfte meist unbeliebt, denn sie verursachen Probleme, die auSerhalb des üblichen Gescháftsbetriebes liegen: Der Exporteur von Maschinen wird beispielsweise mit LederfuSbállen bezahlt, oder ein Hersteller von Motoren fur Sportfluge muS Kaffee als Bezahlung akzeptieren. Nicht selten kónnen so auch noch Produkte vermarktet werden, die ais regulare Ware nicht mehr absetzbar wáren, weil auch der Káufer Kompromisse machen muí? . Abb. B-6/ 3: Tauschhandel Am Kompensationshandel mit Osteuropa fiihrt noch kein Weg vorbei | Im Handel Maschinen gegen Rohstoffe ist Vertragstreue gefragt Die GUS bleibt für Maschinen- und Anlagenbau Grimma wichtig / „Trinkfestigkeit gefragt" Russen bezahlen die Modernisierung ihrer Kraftwerke mit Erdgas Es liegt auf der Hand, daf? Kompensationsgescháfte besonderen Risiken und Problemen unterliegen. In erster Linie ist dabei an die Festlegung der Verrechnungswerte zu denken, da es zwar fur bestimmte Rohstoffe Warenborsen gibt, aber z. B. nicht fur Turnschuhe. Der Warenwert wiederum hángt ab von der Qualitát und somit von Qualitátsmángeln, wenn bei unzuverlassigen oder unseriosen Partnern die im Tausch gelieferte Ware minderwertig ist und folglich nicht den erwarteten Verkaufserlos erbringt. Hinzu kommen der lángere Verhandlungsaufwand vor dem AbschluS, Lieferverzogerungen, ggf. erst spáterer Liquiditátszufluí? und ein betráchtlicher administrativer Aufwand, sowohl hinsichtlich der Behordenformalitaten als auch innerbetrieblich (statt lediglich einen Zahlungseingang zu buchen, muí? ein Warenimport- oder Transitgescháft abgewickelt werden). Obgleich hier eine betráchtliche statistische Grauzone vorliegt, schátzt der IWF den internationalen Kompensationshandel auf ein Volumen von 300-400 Mrd. USD oder 15-20% des Welthandels. Für deutsche Firmen betrágt der Kompensationsanteil meistens nur bis zu 1 % des Umsatzes; nur in Einzelfállen werden Werte bis zu 10 % des Umsatzes genannt. Am verbreitetsten ist der Tauschhandel im Zwischenhandel mit osteuropáischen Staaten und Entwicklungslándern, sektoral in der Chemie-, Maschinen-, Metall- und Fahrzeugindustrie. Grófere Firmen haben in der Regel bessere Móglichkeiten, die als <Bezahlung> angenommenen Güter wieder zu vermarkten. Innerbetrieblich entstehen zudem betriebsinterne Abwicklungs- und Verwaltungskosten. Die Kosten betragen nicht selten 15%-50% des Warenwertes, und diese müssen bei den Verrechnungspreisen berücksichtigt werden. Nicht wenige Unternehmen unterhalten hierfiir eigene Abteilungen, andererseits gibt es auch Spezialunternehmen, welche Counter-Trade-Güter aufkaufen und vermarkten: eine Art Güter- Factoring. Dabei sind als Kosten meist zu berücksichtigen Vermittlungsgebühren, Inspektionsgebühren im Exportland und Abwicklungsgebühren; ferner sind wegen der diversen Risiken oft betráchtliche Preisabschláge hinzunehmen. Nicht selten tauchen solche Waren in billigen Verbrauchermárkten als Sonderposten auf. <?page no="57"?> B-6. Markteintrittsformen 35 Verschiedene Formen von Kompensationsgescháften sind zu unterscheiden: • Beim Kompensationsgcschaft i.e.S. (<klassischer> barter) werden Waren gegen Waren (bzw. Dienstleistungen) getauscht, z. B. werden Arzneimittel geliefert und in FuSbállen <bezahlt>. Dabei werden Lieferung und Gegenlieferung im Rahmen ein und desselben Vertrages in einer Wáhrung bewertet, u. U. sogar formal fakturiert, und gegeneinander aufgerechnet. Wenn keine Vollkompensation zu 100 % vorliegt, erfolgt ggf. ein Spitzenausgleich auf dem Zahlungsweg (Teilkompensation). Dritte sind dabei nicht eingeschaltet (im Gegensatz zum Switch-Geschdft, vgl. nachstehend Abschnitt B-6.1.4). Eine Weitergabe der Abnahmeverpflichtung des Exporteurs an Dritte ist nicht móglich. Diese Form der Gegengescháfte (GG) ist heute recht selten geworden. • Bei Gegenkáufen (counterpurchase) verpflichtet sich der Verkaufer der Exportware, fur einen Teil des Exporterlóses Waren aus dem Abnehmerland, u. U. Erzeugnisse des Importeurs, abzunehmen, so dai? dort keine Devisen abfliefien. Es handelt sich dabei um zwei sich wertmaSig entsprechende, formal aber getrennte Vertrage. Der zweite Vertrag enthált eine Vertragsstrafe (Pónale) für den Fall der Nichterfüllung des ersten Vertrags; er kann mit Einverstándnis des Abnehmers auch durch Dritte erfiillt werden. Gegenkáufe werden auch als Parallel- oder Junktimgeschaft oder Auflagenverkaufe bezeichnet. PRAXISTIP Diese Trennung ¡st insbesondere wichtig ¡m Hinblick auf eine Absicherung des Exportgescháfts durch die Hermes-Versicherung (vgl. Abschnitt H-3.2), da nur ein von Importvertrágen unabhangiger Exportvertrag zu besichem ist; zumindest darf das Gegengeschaft nicht explizit aus dem Exportvertrag hervorgehen. Im Zusammenhang mit der Devisenknappheit der osteuropaischen Lander verstarken sich die Forderungen des Exportwirtschaft, auch <klassische> Kompensationsgeschafte im obigen Sinne in die Hermes-Versicherung einzubeziehen. • Beim Vorwegkauf (advanced purchase) erhált der Exporteur zuerst die Gegenware und zahlt den Kaufpreis auf ein Treuhandkonto (escrow account) ein. Dadurch erhált er die Sicherheit, daS seine noch zu leistende Lieferung in Hóhe dieses Betrages gesichert ist. Dann erfolgt die Lieferung an den Importeur. Gegen Vorlage der entsprechenden Dokumente (Akkreditiv) erhált der Exporteur Zahlung aus dem Treuhandkonto. • Bei Rückkáufen (product-buy-back) liefert der Exporteur z. B. Werkzeugmaschinen und nimmt als <Bezahlung> Werkzeuge ab, die mit eben diesen - oder analogen - Maschinen erstellt werden (auf dieser Basis verlief seinerzeit das sog. Erdgas-Róhren-Gescháft mit der UdSSR). Da Lieferung und Gegenlieferung zeitlich verzogert erfolgen, ist dabei eine Kreditvereinbarung erforderlich. • Eine Variante sind trade-off sets, bei denen sich der Exporteurs verpflichtet, im Rahmen der Produktion der betreffenden Lieferung Unterauftráge an Unternehmen des Importlandes zu vergeben. So gesehen liegt dann eine Auftragsfertigung vor. Eine weitere Variante stellen Dreieckskompensationen dar; dazu anschlieSend. B-6.1.4. Switch-Geschafte Switch-Geschafte (to switch = tauschen, wechseln) oder Dreieckskompensationen waren im <?page no="58"?> 36 B Marktauswahl und MarkterschlieRung Ost-West-Handel weit verbreitet, werden aber auch im Handel mit Entwicklungslandern getátigt. Vor allem drei Varianten sind gebráuchlich: (a) Dreieckskompensation mit barter Ware: A liefert harte, d. h. gut verkaufliche Ware an B, dieser harte Ware an C, C zahlt an A harte Devisen. (b) Dreieckskompensation mit weicher Ware: A liefert harte, d. h. gut verkaufliche Ware an B, dieser weiche, d. h. schwer verkaufliche Ware an C, dafiir berechnet C eine «Preisstiitzung» (Risikoabschlag) und zahlt an A harte Devisen minus Abschlag, den A in seiner Kalkulation bereits berücksichtigt hat. (c) Dreieckskompensation mit Finanzswitch: Ein direkter Export aus Aland nach Benesien scheitert am Devisenmangel: Benesien kann nur in seiner <weichen> Inlandswáhrung (Taler) zahlen. Folglich bietet sich folgendes Verfahren an (Abb. B-6/ 4): Der Exporteur verkauft seine Ware einem Switch-Handler und wird in harter Wáhrung bezahlt (Euro), der Handler verkauft die Ware nach Benesien und wird in weichen benesischen Talern bezahlt. So gesehen, hat er harte gegen weiche Wáhrung getauscht ein schlechter Tausch. Er tut dies jedoch, weil er bei einer zweiten Transaktion den umgekehrten Weg beschreitet: Der Handler kauft Ware in Benesien, bezahlt in Talern, verkauft die Ware nach Aland und erhált harte Wáhrung selbstverstándlich jedesmal mit entsprechenden Gewinnmargen. Abb. B-6/ 4: Switch-Ceschaft 1 Exporteur Aland V \ \ Ware Euro \ \ Importeur Benesien / / Taler Ware / / Switch-Handler Cedonien 2 Importeur Aland \ \ \ Ware Euro W Exporteur Benesien / / Taler Ware / / Switch-Handler Cedonien PRAXISTIP Rechtzeitig d. h. vor VertragsabschluG sollten Informationen über die rechtlichen Rahmenbedingungen von Gegengescháften im Importland eingeholt werden. Dies ist zu ergánzen durch frühzeitige Informationen über Vermarktbarkeit der Gegenware (Mengen, Preise). Wie erwáhnt, sollten Export- und Importvertrag klar getrennt werden. Die Vertráge sollten eindeutige Regelungen enthalten für Verzug (auf beiden Seiten) und für Nicht- oder Schlechtlieferung. Unbedingt sollten Regelungen,zur Streitschlichtung vereinbart werden, insbesondere in Form einer Schiedsklausel (vgl. Abschnitt F-4). Sinnvoll ist eine Transferklausel, die eine Abtretung der Abnahmeverpflichtung des Exporteurs für die Gegenware an Dritte erlaubt. <?page no="59"?> B-6. Markteintrittsformen 37 B-6.1.5. Leasing Bei Leasinggescháften werden die Giiter nicht verkauft, sondern vermietet. Abschnitt D-3.1 geht ausführlicher auf Formen und Bedeutung des Leasing ein. B-6.3. Kooperation Unter Kooperation (Ko-Produktion) versteht man eine sachlich und/ oder zeitliche begrenzte Zusammenarbeit zwischen ansonsten unverbundenen Unternehmen. Kooperationen kónnen auf jeder beliebigen Wertschópfungsebene erfolgen. Beispielsweise werden Marktforschung oder Produktentwicklung gemeinsam durchgefiihrt, Marketingstrategien entwickelt oder Vertriebsstrukturen gemeinsam aufgebaut und genutzt, andere Kooperationen erstxecken sich auf Beschaffung, Fertigung, Vertrieb, Marketing und Werbung, Finanzierung oder Forschung und Entwicklung (Abb. B-6/ 5). Im AuEenhandel werden auch oft Kooperationsvertráge zur Beschickung von Messen geschlossen, um die Vorbereitung und Abwicklung zu erleichtem und zu koordinieren und um Kosten zu sparen. Abb. B-6/ 5: Kooperationen Kosten senken durch Ko o p e r a tio n Erfahrungen aus dem Maschinenbau / Gleiche Kunden, vcrschiedenc Produkte Deutsche Investitionsgüterhersteller kooperieren zu wenig Henkel erschliefit durch Kooperation neue Márkte in Polen Henkel Bautechnik - Polska GmbH / Ein deutsch-polnisches Gemeinschaftsunternehmen gegründet Kooperationen werden insbesondere gerne gewáhlt, um ohne gróSeren Kapitaleinsatz einen Ful? in einen auslándischen Markt setzen zu kónnen. Manchmal kooperieren dabei kleinere Unternehmen mit gróSeren, im Ausland bereits etablierten Unternehmen, um von deren Erfahrungen zu profirieren (sog. Huckepack-Strategie), aber auch Kooperationen zwischen <gleichen> Partnern sind gebráuchlich. Kooperationen bieten sich auch an zur Ausfuhrung von Auftrágen oder Projekten, die fur einzelne Unternehmen zu groS sind. Nach Abschlul? des Projekts lost sich die Kooperation wieder auf (im Inland werden z. B. Autobahnbauabschnitte oft von einer «ArGe» [Arbeitsgemeinschaft] ausgefiihrt). Daneben gibt es dauerhafte Kooperationen, beispielsweise Unternehmenspools: Zwei oder mehrere Unternehmen tun sich zusammen, teilen sich die Kosten und auch das Risiko, um mit relativ geringem Aufwand einen neuen Markt zu testen. Neben meist vertriebsorientierten gibt es auch zahlreiche Beispiele fur Servicepools. In der Regel handelt es sich dabei nicht um unmittelbare Konkurrenten. Erfolgt die Kooperation in der gleichen Branche und auf derselben Produktionsstufe, spricht man von horizontaler Kooperation (z. B. gemeinsamer Betrieb einer Versuchsanlage); arbeiten verschiedene Produktionsstufen zusammen, liegt vertikale Kooperation vor. In einer Interessengemeinschaft versuchen mehrere Unternehmen, ihre Interessen gemeinsam besser durchzusetzen als einzeln. Hierzu záhlen auch branchenspezifísche Verbánde und <?page no="60"?> 38 B Marktauswahl und Markterschlieftung Vertretungen im Ausland. In zunehmendem Mafie sind funktionsspezifische Kooperarionen zu beobachten zwischen Unternehmen, die grundsátzlich Konkurrenten sind, die als strategische Allianzen bezeichnet werden. Im Rahmen solcher Biindnisse werden beispielsweise im Automobilbau Motoren oder andere Komponenten entwickelt und gefertigt, die beide Allianzpartner nutzen. Zweck der Übung ist, Risiken gemeinsam zu tragen und durch die Biindelung von Ressourcen Kostenvorteile nutzen zu kónnen, u. a. bei Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen (F&cE), oder um gegen gemeinsame Feinde zu Felde zu Ziehen. Es wird einleuchten, daS solche Allianzen auf horizontaler Ebene den internen Wettbewerb zwischen den Kooperationspartnern begrenzen. Hierfur wurde eine schóne Wortschópfung gefunden: Coopetition, also eine Kombinantion von cooperation (Zusammenarbeit) und competition (Wettbewerb). 14 Natiirlich gibt es auch vertikale Allianzen (entlang der Wertschópfungskette zum Kunden) und branchenfremde Kooperarionen. Vor allem Mittelstándler beginnen dieses Instrument als niitzlich zu begreifen im Wettbewerb mit Konzernen. Die Abgrenzung zu Joint Ventures (vgl. unten) ist dabei oft unscharf. Nicht selten entwickeln sich aus anfánglichen Allianzen auch umfassendere Unternehmenszusammenschliisse. An dieser Stelle bleibt zu betonen, dafi die vertragliche Ausgestaltung einer Kooperarion oder eines Joint Venture eine Sache ist, ihre Umsetzung in die und in der Praxis aber eine andere, und eine viel entscheidendere. Oft wird vertraglichen Details zuviel Aufmerksamkeit geschenkt, womit jedoch konkrete Praxisprobleme nicht immer gelóst werden kónnen. Kooperarionen gleich welcher Form werden um so erfolgreicher sein, je besser es gelingt, Wí'tt-i¿w-Situationen auszunutzen, bei denen beide (alie) Partner profirieren. Wenn sich die Vor- und Nachteile zu ungleichgewichtig verteilen, wird die Kooperarion nicht von langer Dauer sein. B-6.4. Vertragsfertigung und Veredelung (a) Bei der Auftragsproduktion (Vertragsfertigung, sub-contracting, contracting-out) bekommt ein Unternehmen im Ausland den Auftrag, für das heimische Unternehmen Zwischen- oder Endprodukte zu produzieren. Diese Giiter kónnen anschlieSend sowohl auf dem heimischen ais auch auf dem auslándischen Markt abgesetzt werden. Dies kann eine Vorstufe zu einer direkten Beteiligung deutscher Unternehmen an auslándischen Unternehmen darstellen, insbesondere wenn dabei ein Transfer von Know-how, Maschinen, Ausbildungsprogrammen und Kapital erfolgt, um die Qualitát des zu produzierenden Gutes sicher zu stellen. Bei geographisch grofseren Entfernungen kann sich aber die Kontrolle und Steuerung, insbesondere die Qualitátskontrolle als problematisch erweisen, denn man kann nicht mal eben kurz nach Singapore fliegen, dort nach dem Rechten sehen und am náchsten Tag wieder zuriick in Deutschland sein: In nicht wenigen Fallen haben deutsche Unternehmen ausgelagerte Produktionsbereiche wieder zuriickgeholt, weil die Kostenvorteile, die zunáchst im Vordergrund standen und meist den Anreiz für ein outsourcing darstellten, durch Effizienznachteile oder Qualitátsverluste überkompensiert wurden (Abb. B-6/ 6). Die Kosten für erforderliche Schulungen auslándischer Partner werden oft stark unterschátzt, aber die Nachteile unzureichender Produktivitát in der Produktion und schlechter Qualitát der Güter stellen sich erst mit Verzógerung im Lauf der Zeit heraus. 14 Nalebuff, B. I Brandenburger, A., Coopetition kooperativ konkurrieren, Heidelberg 1999. <?page no="61"?> B-6. Markteintrittsformen 39 Abb. B-6/ 6: Outsourcing hat nur Sinn bei Qualitátsverbesserung Allein die Kostensenkung sollte nicht im Vordergrund stehen / ; > Die Vertráge gehen oft zu Lasten des Dienstleisters (b) Eine wichtige Form des internationalen Warenverkehrs sind Veredelungen. Veredelung bedeutet Bearbeitung, Verarbeitung oder Ausbesserung von Waren und Rücksendung an das Herkunftsland innerhalb bestimmter Fristen. Dabei gíbt es zwei Arten: Bei einer passiven Veredelung transportiert z. B. ein deutsches Unternehmen Stoffe nach Indien und láEt sie dort zu Hemden verarbeiten. AnschlieEend werden die Hemden wieder nach Deutschland zuriickgebracht und dort oder von dort aus verkauft. AnlaS fur passive Veredelungen sind die oft erheblich niedrigeren Arbeitskosten im Partnerland («Billiglohnlander»), wobei insbesondere Siidostasien und Osteuropa eine bedeutende Rolle im Veredelungsgescháft spielen. Auch hier besteht ein Nachteil in der Schwierigkeit, die Qualitát der auslándischen Produktion zu sichern. PRAXISTIP Bei Produktionsverlagerungen se¡ es durch Kooperationen, Auftragsfertigung, passive Veredelungen, Joint Ventures oder Direktinvestitionen empfiehlt es sich, von Anfang an eine starke Beratungskomponente für den Partner mit einzuplanen. In der Regel wird in der Anlaufphase immer viel «Entwicklungshilfe» zu leisten sein. Dies wird in der Kostenplanung oft vernachlassigt und setzt auch entsprechende personelle Kapazitáten des <Mutterhauses> voraus. Umgekehrt werden Waren aus dem Ausland im Rahmen der aktiven Veredelung nach Deutschland gebracht, meist urn gewartet oder repariert zu werden, weil das erforderliche Know-how im Ausland nicht vorhanden ist. Sofern der Transport dafiir zu aufwendig oder gar nicht móglich ist, reist alternativ der Monteur von Deutschland aus zu seinen Maschinen eine Form des Dienstleistungsverkehrs. Immer mehr Service-Komponenten gehen in die Industrieausfuhren ein, neben der Warning u. a. Verpackungsdienste, juristische Beratung oder Werbekampagnen, die als Vorleistungen eingekauft werden. Sofern die Veredelung auf fremde Rechnung erfolgt, spricht man von Lohnveredélung, sonst von Eigenveredelung. Vgl. auch Abschnitte K-4.2 und L-5.4 zur zoUrechtlichen Behandlung der Veredelungsverkehre. B-6.5. Lizenzfertigung/ Lizenzvergabe Lizenzfertigung bedeutet die Vergabe von Produktionsrechten oder Ausleihung von Knowhow an auslándische Produzenten oder Handler, also einen entgeltlichen Technologietransfer. Beispielsweise erlaubt ein deutscher Lizenzgeber einem brasilianischen Lizenznehmer, für einen bestimmten Zeitraum zur Produktion eines Gutes bestimmte Produktionsverfahren einzusetzen oder die Produkte mit seinem Warenzeichen zu versehen. Dies kann eine Alternative zur Direktinvestition sein, da der Lizenzgeber die Risiken einer eigenen MarkterschlieSung bzw. einer Direktinvestition umgeht. Eine Produktionslizenz bedeutet aus der Sicht des Lizenzgebers die auslándische Produktion nach inlándischer Technologie, ggf. als Markenlizenz auch <unter inlándischer Flagge>, so daS der Káufer keinen Unterschied <?page no="62"?> 4 0 B Marktauswahl und MarkterschlielSung erkennt. Eine Vertriebslizenz erstreckt sich auf das Recht, im Exportland produzierte (Marken-)Ware im eigenen Land zu vertreiben. Der Lizenznehmer entrichtet für diesen Knowhow-Transfer und diese Genehmigung an den Lizenzgeber eine Gebiihr. Ihre Hóhe ist weder gesetzlich geregelt, noch existieren hierfiir allgemeingiiltige Richtlinien. Die Lizenzgebiihren kónnen beispielsweise gewinnabhángig sein, wobei Mindestlizenzgebiihren nicht selten sind. Im Vergleich zum Export hat eine Lizenzvergabe für den Lizenzgeber den Vorteil, daE Zollbelastungen vermieden und eventuelle Importbeschrankungen umgangen werden, da ggf. nur Vormaterialien, nicht aber Fertigprodukte angeliefert werden oder die Produktion sogar vollstándig im Zielland mit lokálen Ressourcen erfolgen kann. Durch Lizenzen kónnen auch Márkte erschlossen werden, in denen (zunáchst) keine Direktinvestitionen móglich sind oder noch nicht sinnvoll erscheinen, oder sie werden vorbereitet, indem der Lizenzgeber nach Ablauf der Lizenzdauer selbst auf dem Markt auftritt. Die eingefiihrte Technologien kann sich fur andere interessierte Unternehmen als vom Lizenzgeber erwiinschte - Markteintrittsschranke erweisen. Um eine Aufdeckung von Gescháftsgeheimnissen zu vermeiden, kann der Lizenzgeber auch Bestandteile oder Komponenten, die fur die Herstellung benótigt werden, dem Lizenznehmer zur Verfiigung stellen. Beispielsweise liefert Coca Cola den Geschmackssirup direkt an die Abfiillbetriebe. Die Kapitalbindung des Lizenzgebers ist dabei gering, so daS die Lizenzvergabe besonders fur kapitalschwache Unternehmen eine Alternative zur Direktinvestition sein kann. Wenn beim Lizenznehmer (bzw. seinen Mitarbeitern) das benótigte Know-how nicht vorhanden ist, muí? der Lizenzgeber oft Unterstiitzung leisten, damit die Qualitát der Produkte gewáhrleistet ist, vor allem, wenn sie unter seinem Namen oder Warenzeichen vertrieben werden und die Kunden unzureichende Produktqualitát mit dem Lizenzgeber verbinden kónnen dies kann sich leicht imageschádigend auswirken. Die Einhaltung der Vertragsinhalte (u. a. bezüglich Produktqualitát, Produktverfügbarkeit und Preisgestaltung) kann meist weniger gut kontrolliert werden, als wenn der Lizenzgeber Produktion und Vertrieb selbst steuern wiirde. Ein weiterer Nachteil der Vergabe von Lizenzen besteht in den relativ geringen Einnahmemóglichkeiten, was insbesondere dann bedauerlich ist, wenn das Produkt im Ausland grofien Erfolg hat und mógliche Gewinne an den Lizenznehmer «verschenkt» wurden. Hinzu kommt, dafi der Lizenzgeber für die Dauer der Vertragsgültigkeit nicht selbst auf dem Markt tátig werden darf. Ihm kann es somit passieren, erst dann auf dem Markt aktiv werden zu konnen, wenn der Absatz bereits rückláufig ist. Móglich ist auch, daf? sich der Lizenzgeber durch seinen Partner nach Ablauf des Lizenzvertrages einen kompetenten Konkurrenten herangezüchtet hat, der ihm vielleicht sogar auf seinem angestammten Heimatmarkt Marktanteile abnehmen kann, wenn es ihm nicht gelingt, seinen urspriinglichen Technologievorsprung zu halten bzw. auszubauen und somit den Lizenznehmer zu einem AnschluS-Lizenzvertrag zu nótigen. Daher bietet es sich vielfach an, mit dem Partner ein Joint Venture zu begründen (vgl. weiter unten). In der internationalen Praxis werden Lizenzen vor allem zwischen Mutter-Tochter-Unternehmen vergeben. Die Lizenzzahlungen ermóglichen dabei einen <verdeckten> Transfer von Gewinnen, z. B. aus Hochsteuerin Niedrigsteuerlánder, indem eigentlich kostenloser Knowhow-Transfer über Lizenzvertráge abgewickelt wird. Nach § 16 AWG kann die Lizenzvergabe genehmigungspflichtig sein, wenn sie die ínteres- <?page no="63"?> B-6. Markteintrittsformen 41 sen des vergebenden Landes beeintráchtigt. Z. B. kónnte die Herstellung bestimmter Biersorten in einem Land, das den entsprechenden Qualitátsstandard renommierter bayrischer Biersorten nicht garantieren kann, das Image nationaler Brauereien beeintráchtigen, weil diese Produkte als Re-Importe nicht klar von den Originalen zu unterscheiden sind. Allerdings hat die Ware dann in der Regel nicht den Ursprung des Lizenzgeberlandes, sondern des Produktionslandes. Dies kann zu «made in ...»-Problemen fiihren (Abschnitt K-3). B-6.6. Franchising Franchising ist ein Vertriebs- und Dienstleistungssystem, in dem rechtlich und finanziell selbstándige Unternehmen unter einem Markenkonzept zusammenarbeiten. Es ist die starkste Form vertraglicher Vertriebsverbindungen und eine Sonderform der Lizenzfertigung. Es handelt sich dabei um iinen Vertrag zwischen einem Francbise-Geber und mehreren Hándlern {Franchise-Nehmer), die ais selbstándige Unternehmer, jedoch unter gleicher Marketingstrategie die Produkte des Herstellers anbieten, iiblicherweise im Rahmen eines AusschlieGlichkeitsvertrages (Abb. B-6/ 7). Insbesondere Osteuropa und Siidostasien sind in den letzten Jahren von einer regelrechten Franchisewelle iiberflutet worden. Bekannte Franchisesysteme in Deutschland sind Coca-Cola, McDonald's, Obi, Minit, Eismann, Quick-Schuhe und Portas (Türrenovierungen). Abb. B-6/ 7: Franchise-Nehmer fühlen sich ais selbstándige Unternehmer Zufriedenhcit mit Aufgaben und Erfolg / Hohe Arbeitsbelastung / Franchise-Geber mit Schwachen " im Marketing ; ; Der Franchisenehmer fiihrt sein Unternehmen nach den Vorgaben und Weisungen und unter Kontrolle des Lizenzgebers. Der Franchisegeber stellt Firmen- und Markenzeichen zur Verfügung, untersriitzt den Franchisenehmer z. B. bei Betriebsaufbau, Werbung, Sortimentsplanung und Verkaufsforderung, Aus- und Weiterbildung des Personals, sorgt fiir Lieferung der Artikel zu festgelegten Preisen und fiir die Gewáhrung von Gebietsschutzrechten. Im Gegenzug verpflichtet sich der Franchisenehmer, das Gescháft nach den vorgegebenen Richtlinien zu fiihren, Kontrollen zu dulden, Daten- und Ergebnismeldungen durchzufiihren und vor allem dazu, seine Waren lediglich beim Franchisegeber oder explizit angegebenen Bezugsquellen zu beziehen. Franchising ist fiir den Franchisenehmer nicht sehr kapitalintensiv und bietet fiir den Franchisegeber den Vorteil, auf einem Auslandsmarkt schnell FuK fassen, ohne hierfiir gróSere finanzielle Risiken einzugehen. KostenmaSig diirfte eine Lizenzvergabe oder ein Franchising aus der Sicht des Gebers in der Regel billiger sein als ein Filialsystem, weil der Franchisenehmer neben seiner Motivation oft auch lokale Marktkenntnis einbringt. Der Franchisenehmer profitiert seinerseits meist von der Professionalitát und dem Marken-Image des «Mutter»-Unternehmens, wird in der Regel auch in der Standortwahl und im Management beraten und kann sich oft mit Kollegen austauschen. Diesen Vorteilen steht die Abhángigkeit vom Franchisegeber gegeniiber; auch kónnen Fehler oder Schwachen anderer Partner auf alie Franchisenehmer des Systems zuriickfallen. Da der Franchisegeber die Fáhigkeiten des Franchisenehmers jedoch nur bedingt einschátzen kann, kann sich unter Umstánden <?page no="64"?> 42 B Marktauswahl und MarkterschlieGung spáter als notwendig erweisen, SchulungsmaSnahmen für die lokalen Mitarbeiter durchzufiihren, was die angefuhrten Vorteile zumindest teilweise kompensiert. Die Erfahrungen zeigen, daE Franchisenehmer das angebotene System háufig nur ungeniigend priifen und sich von blumigen Erfolgsprognosen táuschen lassen. Unternehmensgriinder scheitern oft an dem hohen Mindest-Eigenkapital, das die Franchisegeber voraussetzen, und den oft erheblichen, teils einmaligen, teils laufenden Gebiihren. PRAXISTIP Die Deutsche Ausgleichsbank (DtA) in Bonn und Berlin berát und hilft Franchise-Startern mit finanzieller Unterstützung. B-6.7. Direktinvestition B-6.7.1. Investitionsarten Das deutsche AuSenwirtschaftsrecht versteht unter Direktinvestition den Kapitalexport von Unternehmen zur «Anlage von Vermógen in fremden Wirtschaftsgebieten zur Schaffung dauerhafter Wirtschaftsverbindungen» mit der Betonung auf <dauerhaft>, um sie gegen kurzfristige, oft spekulative Finanzanlagen (Portfolio-Investitionen) abzugrenzen, die renditeorientiert erfolgen und z. B. kurzfristig auf Zinsánderungen reagieren. Betriebswirtschaftlich kónnen Direktinvestitionen in verschiedenen Formen bzw. Abstufungen erfolgen: • Errichten (Griindung) oder Kauf (Akquisition)von neuen Unternehmen, Betriebsstátten oder Zweigniederlassungen, • Erwerb von Beteiligungen an auslándischen Unternehmen, • dauerhafte Kreditvergabe an auslándische Unternehmen, • Ausstattung von auslándischen Unternehmen mit Finanz- und Sachmitteln, Kauf von Gebáuden, Grundstücken und Anlagen. In der Zahlungsbilanzstatistik werden Beteiligungen bis 25% als Portfolioinvestition, dariiber als Direktinvestition gefiihrt. Dies ist nicht ganz deckungsgleich mit der betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise: Bilanzrechtlich kónnen Anteile an Unternehmen entweder dem Umlaufvermógen oder dem Anlagevermogen zugerechnet werden. Zum Umlaufvermógen rechnen sie, wenn sie nur kurzfristig gehalten werden sollen (üblicherweise wird kurzfristig als bis zu vier Jahren interpretiert) und der Investitionszweck vorrangig in der Verzinsung der Finanzanlage besteht (Portfolioinvestition). Zum Anlagevermogen záhlen sie, wenn sie langfristig, d. h. voraussichtlich lánger als vier Jahre gehalten werden sollen und der Investitionszweck neben Renditeiiberlegungen vor allem in der EinfluEnahme auf das Management des betreffenden Unternehmen besteht. Bei einem Anteil zwischen 20 und 50% am Gesellschaftsvermógen eines anderen Unternehmens spricht man von einer Beteiligung, ab 50% von verbundenenUnternehmen («Mutter-Tochter»-Beziehung). Aus der Sicht des Investors kann aber auch eine geringere Investition subjektiv durchaus als Beteiligung verstanden werden; es kommt dabei auf die strategische Absicht an. In vielen Unternehmensbilanzen werden daher auch Beteiligungen von weniger als 20 % im Anlagevermogen gefiihrt. Zudem kónnen auch <verbundene Unternehmen) unterhalb der 50%-Schwelle entstehen, weil vertraglich Mitbestimmungs- und Entscheidungsrechten vereinbart werden kónnen (u. a. Gewinnabfiihrungs- oder Beherr- <?page no="65"?> B-6. Markteintrittsformen 43 schungsvertráge) (sofern dem keine gesetzlichen Bestimmungen entgegenstehen, die natürlich nicht vertraglich <ausgehebelt> werden kónnen). Als Tochterunternehmen bezeichnet man ein rechtlich selbstándiges Unternehmen, das von einer übergeordneten Muttergesellschaft zu 100% kontroUiert wird. Sie werden teils nur als Vertriebs-, teils nur als Produktionseinheit gegriindet bzw. gekauft, teils umfassen sie als vollstándiges Tochterunternehmen beides. Grundsátzlich sind Neugründungen wegen des meist erheblichen Aufwandes und der damit verbundenen Risiken langfristig angelegt. Sie werden nach auslandischem Recht gegriindet; entstehende Gewinne flieSen voll der Tochtergesellschaft zu und miissen im Ausland nach dortigem Recht versteuert werden. PRAXISTIP Der Finanzbedarf für Direktinvestitionen wird oft dramatisch unterschátzt, insbesondere im Hinblick auf lnvestitions-fo/ gekosten: Lóhne, Mieten, Lagerhaltung, Rohstoffe, Zulieferungen, Refinanzierungen, Leasingkosten. Hier kónnen Zulieferer im Ausland oft Hilfestellung leisten, weil sie die Branche gut überblicken, aber auch Konkurrenten, wenn man sich nicht gerade in ihrem direkten Umfeld niederlassen will. Untemehmensberater sind von unterschiedlicher Qualitát, aber meist nicht billig. Bei solchen Beratervertrágen sollten neben dem Honorar unbedingt die Nebenkosten abgesprochen werden, etwa im Hinblick auf die Einbeziehung von Anwálten oder Steuerfachleuten. Banken sind meist weniger stark in der Aufstellung von Kostenplánen für Investitionen. Insgesamt sparen viele Unternehmen bei den Beraterkosten an der falschen Stelle, bevor sie sich zu einem Engagement entschlieGen. Im Sprachgebrauch wird bei Beteiligungen oft etwas unscharf von Fusion gesprochen, auch wenn diese formal nicht vorliegt und es sich vielmehr um eine Beteiligung oder Akquisition handelt: A kauft B, ganz oder teilweise, aber beide Firmen bleiben bestehen. Bei einer Fusion hingegen verschtnelzen die beteiligten Unternehmen zu einem Gebilde. Dabei gibt es zwei Varianten: • Bei der Fusion durch Neugriindung wird aus den Unternehmen A und B ein neues Unternehmen, wáhrend A und B aufhóren zu existieren. Der neue Firmenname ist háufig aus Marketinggrunden eine Kombination aus den bekannten Namen der beiden Fusionspartner (DaimlerChrysler AG). • Bei der aufnehmcnden Verschmelzung übernimmt Unternehmen A das Unternehmen B vollstándig; dieses wird aufgelóst, und nur A bleibt bestehen. Die Bestimmung des «richtigen» Kaufpreises ist insbesondere in Entwicklungslándern und in osteuropáischen Lándern schwierig, weil die Rechnungslegungs- und Bilanzierungsstandard gewohnten Standards nicht entsprechen. Riskant sind auch Altlasten und ungeklárte Besitzverháltnisse. Nicht selten müssen Investitions- und Arbeitsplatzgarantien gegeben werden, die bei schlechter wirtschaftlicher Entwicklung zu einem grófseren Problem werden kónnen. In der jüngeren Vergangenheit hat sich für bestimmte Engagements der Begriff Joint Venture (JV) eingebürgert. Darunter versteht man die in der Regel langfristig angelegte Beteiligung zweier (oder mehr) Unternehmen an Besitz und Führung eines dritten Unternehmens. <?page no="66"?> 4 4 B Marktauswahl und MarkterschlieGung B-6.7.2. Motive für Investoren Direktinvestitionen werden aus den unterschiedlichsten Gründen getátigt, so dafi wir hier nur einige beispielhafte Aspekte betrachten kónnen. Meist sind die Produktionskosten, insbesondere die Lohn- oder Energiekosten, im Gastland niedriger als im Heimatland. Viele Gastlánder versuchen auch, auslándische Direktinvestitionen anzulocken durch Investitionsanreize in Form von Steuervergiinstigungen oder attraktive Kreditbedingungen (vgl. unten). In einer Befragung durch den DIHK wurden von deutschen Unternehmen Motive fur Direktinvestitionen auf einer Skala von 0 (unwichtig) bis 4 (sehr wichtig) zugeordnet (Abb. B-6/ 8). Bei kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) ist die Kundennáhe, die «Tuchfiihlung» mit Kundenwiinschen und Lifestyles und Trends der wichtigste Aspekt, bei GroSunternehmen sind es die Lohnkosten und Subventionen. Abb. B-6/ 8: Motive für Direktinvestitionen MarkterschlieBung (Absatz- und Beschaffungsmárkte) Sicherung potentieller Márkte Niedrigere Arbeitskosten Sicherung und Pflege bestehender Márkte Lángere Arbeitszeiten Lángere Maschinenlaufzeiten Niedrigere Steuern Wechselkursrisiko Stárkung der Wettbewerbsfáhigkeit durch Vorleistungsproduktion llberwindung von Handels- und Importschranken Bessere Einkaufs- und Beschaffungsmoglichkeiten Weniger Verwaltungsaufwand Ceringere Umweltauflagen 3,2 3,1 3,0 2,7 2,1 2,0 1,9 1,6 1,5 1,4 1,3 1,2 1,2 0 = unwichtig, 4 = sehr wichtig (Quelle: DIHK) Bei Hoechst wird immer mehr Forschung in das Ausland verlagert Inlandsanteil rutscht Richtung 40 Prozent / 90 Forschungszentren weltweit Auf der Suche nach neuen Absatzmarkten Der wesentliche Vorteil einer Markteintrittsstrategie durch Direktinvestition sei es durch Neugriindung oder Akquisition besteht darin, dafi der Investor unabhangig von Partnern ist und wirtschaftliche Entscheidungen selbstándig treffen kann. Die erwirtschafteten Gewinne fliefien voll dem Investor zu. Er mul? aber zu 100% finanzieren, trágt das voile Risiko und ist auch auf sich allein angewiesen, wenn es urn die Nutzung lokaler Expertise geht. Daher bevorzugen viele Unternehmen eine Beteiligung oder ein Joint Venture (vgl. eine ausfiihrliche Betrachtung im folgenden Abschnitt B-6.8). <?page no="67"?> B-6. Markteintrittsformen 45 B-6.7.3. Motive der Gastlánder Aus der Sicht der Gastlánder sollen auslándische Investoren <angelockt> werden, um die lokale Bescháftigungssituation auch hinsichtlich des Ausbildungsniveaus zu verbessern, um durch steigende Exporte den Zuflufi konvertibler Devisen zu erhóhen, aber auch um die Produktion fiir den Binnenmarkt zu verbessern, insbesondere durch Technologietransfer, Verbesserung der Qualitát des eigenen Warenangebots, auch mit Blick auf Importsubstitution (Devisenersparnis) sowie Zugang zu neuen Industrielándermárkten. Zu den Anreizen für Direktinvestoren záhlen z. B. zollfreie Einfuhr von Vorleistungen, bevorzugte administrative Behandlung, steuerfreie oder steuervergünstigte Wirtschaftstátigkeit, Eigentumsgarantie, d. h. Schutz vor Verstaatlichung, grofiziigige Abschreibungsbedingungen, Transfergarantien fur Gewinne, Bereitstellung entsprechender Infrastruktur durch den Staat (u. a. kostenlose Bahn und StraSenanschlüsse), billiges Bauland, langfristige Miet- oder Pachtvertráge, <weiche> Kreditkonditionen, etc. Viele Lander regeln Art und Umfang von auslándischen Direktinvestitionen in ihrem Hoheitsgebiet durch spezielle Investitionsgesetze, die sich u. a. auf die maximale Hohe der Beteiligung, den Einbezug lokaler Produktionsfaktoren (insbesondere Arbeitskráfte) und insbesondere auch auf die Gewinnverwendung und den Gewinntransfer erstrecken. Wáhrend in der Vergangenheit viele Lander die maximale auslándische Beteiligung auf unter 50% begrenzten, sind die meisten dieser Lander davon abgegangen (z. B. in Osteuropa) und lassen nun Beteiligungen bis 100% zu, da bei einer niedrigen Beteiligungsgrenze verstándlicherweise wenig Investoren Interesse an einer Investition haben, die sie selbst nicht kontrollieren dürfen. Bei einer Begrenzung auf weniger als 100% sind Joint Ventures eine mógliche Lósung. Zum Investitionsschutz vgl. unten Abschnitt B-6.7.7. B-6.7.4. Exkurs: Sonderwirtschaftszonen In vielen Lándern wurden Sonderwirtschaftszonen, Freizonen, Freie Wirtschaftszonen, Nationale Freihandelszonen, Industrieparks und wie sie sonst heifien geschaffen, nicht zuletzt auch in ehemaligen Ostblocklándern, um den Übergang zur Marktwirtschaft praktisch unter Laborbedingungen zu erleichtern (vgl. Abb. B-6/ 9). Weitere Begriffe sind Freie Produktionszone, Investitions-Fórderzone, Zollzone, Freihandelszone oder in Frankreich - Privilegierte Investitionszone (ZIP - Zone d'Investissement Friviligée). Auch in anderen Industrielandern (USA) gibt es Freizonen. In Kolumbien wurde eine Investitionsforderstelle gegriindet. Allgemein handelt es sich dabei um abgegrenzte Gebiete innerhalb des Wirtschaftsraumes des betreffenden Staates, fur die zoll- und steuerrechtliche und andere Sonderbestimmungen gelten. Diese Gebiete werden nicht selten als Kapitalgesellschaften gefiihrt (bspw. in Polen als Aktiengesellschaften, bei denen der Staat Hauptaktionár ist). Abb. B-6/ 9: 1 Neue Steuergesetze sollen Investoren nach Usbekistan locken Willkürliche Handhabung schreckte Auslánder bisher ab / Grofíter Handelspartner Deutschlands in Zentralasien Die in Exportfórderzonen (Exportsonderzonen) produzierten Giiter sollen exportiert werden, um Devisen zu bringen. Viele Lander haben Freizonen eingerichtet, in denen erleich- <?page no="68"?> 46 B Marktauswahl und MarkterschlieRung terte Produktionsbedingungen fur Giiter gelten, die nicht in den inlandischen Warenverkehr gebracht werden sollen. Die bisherigen Erfahrungcn mit Sonderwirtschaftszonen sind gemischt. Wáhrend diese Experimente in vielen Landern gescheitert sind, weil dirigistische Strukturen im Kernland sich nicht ohne weiteres in regionalen Teilbereichen ausschalten liefsen, gibt es auch ausgesprochen positive Erfahrungen. B-6.7.5. Standortanalyse fiir Direktinvestitionen B-6.7.5.1. Wichtige Aspekte Aufgrund von Befragungen wissen wir, daG vorangehende (positive) Exporterfahrung einen stark positiven EinfluG auf die Entscheidung fiir eine Direktinvestition hat. Tendenziell neigen grófiere Firmen (aufgrund ihrer Finanzkraft) eher zu Direktinvestitionen als KMU. Fiir private Direktinvestitionen in Entwicklungslandern, denen eine gewisse entwicklungspolitische Bedeutung zuzurechnen ist, kónnen oft Finanzierungshilfen staatlicher oder internationaler Institutionen in Anspruch genommen werden (vgl. Abschnitt D-3 zur mittel- und langfristigen Finanzierung). Die Beurteilung der Qualitáten eines Standorts bereitet erhebliche methodische Schwierigkeiten, derm es gibt <weicbe> und <harte> Standortfaktoren. Harte Faktoren kónnen gemessen (quantifiziert) werden, weiche Faktoren sind qualitativ und kónnen nur beschrieben werden. Zu den <weichen> Standortbedingungen záhlt die Ausstattung einer Zielregion mit óffentlichen Gütern, das Ausbildungsniveau der Bevólkerung und der erforderlichen Arbeitskráfte, der soziale Konsens einschliefslich des Arbeitsfriedens, allgemein Kultur und Religion, die óffentliche Sicherheit einschlieSlich Kriminalitát, usw. In Abschnitt B-3 wurde im Zusammenhang mit einer SWOT-Analyse auslándischer Zielmárkte bereits die Bedeutung der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, rechtlichen, administrativen, geographischen, klimatischen und sonstigen Rahmenbedingungen ausfiihrlich herausgearbeitet; dies gilt fur eine Entscheidung über den Standort einer Direktinvestition analog und soil hier nicht wiederholt werden. Grundsátzlich sollten bei Direktinvestitionen neben den rechtlichen Bestimmungen des Gastlandes auch die steuerlichen Auswirkungcn aus der Sicht der deutschen Steuergesetzgebung analysiert werden, u. a. im Hinblick auf die Bilanzierungspflichten auslándischer Investitionen in der deutschen (Konzern-)Bilanz. Zu beachten sind auch abweichende Rechnungslegungsvorschriften im Ausland, beispielsweise in den USA nach den International Accounting Standards (IAS) oder den Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP), die sich von den deutschen Vorschriften betráchtlich unterscheiden. Dies betrifft insbesondere die Gründung von Tochterunternehmen und kann Auswirkungen auf das komplette Rechnungslegungssystem des Mutterunternehmens in Deutschland haben. Kollisionen kónnen sich ergeben wegen des Souveránitátsprinzips, das auch fiir die Steuerhoheit gilt. Industrielánder knüpfen ihr Besteuerungsrecht in der Regel an objektive Merkmale wie Wohnsitz oder Sitz der Gescháftsleitung, Entwicklungslánder haben eher territorial ausgerichtete Steuersysteme und erfassen alie in ihrem Staatsgebiet entstehenden Einkiinfte. Durch ein Nebeneinander von beschránkter und unbeschránkter Steuerpflicht im Heimat- und im Gastland kann es zu Doppel- und Minderbesteuerungen kommen, sofern <?page no="69"?> B-6. Markteintrittsformen 47 nicht Doppelbesteuerungsabkommen dies ausschliefsen. Dabei gibt es die Anrechnungs- und die Freistellungsmethode, worauf wir hier aber nicht eingehen kónnen. Ein wichtiger Aspekt fur Direktinvestitionen ist das sog. Landerrisiko, womit man die Gesamtheit politischer und wirtschaftspolitischer (staatlicher) Risiken bezeichnet, die eine Investition insgesamt in Frage stellen kónnen (aber auch im Handel zu Zahlungsausfállen fiihren kann; Abschnitt H-l.5.2.1). Es handelt sich also nicht urn das allgemeine untemehmerische Risiko einer Fehlinvestition, sondern vor allem das Risiko von Eigentumsentzug (Enteignung u , Beschlagnahme, Verstaatlichung, Nationalisierung). Man spricht auch von CEN- Risiko: confiscation, expropriation and nationalization. Für das Landerrisiko bei Investitionen gibt es eine Reihe von Absicherungsmóglichkeiten, auf die wir unten in Abschnitt B-6.7.7 eingehen. Bei der Beurteilung der Kreditwiirdigkeit eines Landes, vor allem im Zusammenhang mit der Begebung internationaler Anleihen, spielt das Lánder-Rating eine wichtige Rolle, weil sich dies unmittelbar auf die durchsetzbaren Konditionen auswirkt: Ein Absinken im Rating muS erfahrungsgemáfi mit hóherem Verzinsungsangebot kompensiert werden. Abb. B-6/ 10 gibt einige gángige Ratings wieder. Insgesamt ist festzustellen, dais die individuellen Investitionsentscheidungen sich in der Praxis nur in geringem Mafie an solchen publizierten Ratings orientieren. Dies liegt u. a. daran, daE die verschiedenen Lánderrisikoanalysen im Quervergleich oft sehr widerspriichliche Ergebnisse produzieren. Dies ist angesichts der betráchtlichen Subjektivitát der Beurteilungen auch nicht verwunderlich. Insbesondere aber lassen die pauschalen Lánderratings jegliche branchenspezifische Differenzierung vermissen. Sie werden daher allenfalls dazu dienen, die individuelle Entscheidungsfindung zu unterstiitzen. Dessenungeachtet finden Verschiebungen in den exponierten Rangplátzen ganz <oben> oder ganz <unten> meist doch gewisse Beachtung. B-6.7.5.2. Investitionshemmnisse Investitionshemmnisse unterscheiden sich natiirlich von Land zu Land. Problembereiche sind u. a.: • Unsicherheit über die politische Entwicklung und die Freiheit fur Kapital- und Gewinntransfers (vgl. anschliefiend zu <Investitionsschutz>). • Begrenzungen, daS bei Beteiligungen oder Joint Ventures der auslándische Kapitalanteil nur z. B. 49 % betragen darf, sind sehr selten geworden. • Das gróGte Hindernis liegt in einer unklaren Rechtssituation, d. h. Rechtsetzung, Rechtsanwendung und Rechtsauslegung beziiglich Zóllen, Genehmigungen und anderen biirokratischen Prozessen, einschlieSlich - und insbesondere der weitverbreiteten Korruption (Abb. B-6/ 11). • Gesetzlich geregelte Prozeduren sind unklar und was noch schwerer wiegt ándern sich laufend. Dies ist problematisch fur langfristige Investitionsobjekte, die eine Kalkulation über lángere Zeitraume erfordern. • Ein wichtiger Punkt sind unklare Eigentumsfragen in Bezug auf Grund und Boden sowie Zum Beispiel in Chile Anfang der 70er Jahre, spater Iran. <?page no="70"?> 4 8 B Marktauswahl und MarkterschlieGung Abb. B-6/ 10: Lander-Ratings Standard & Poor's (S&P) AAA AA A BBB BB B CCC CC C D Moody Aaa Aa A Baa Ba B Caa Ca C D CBRS A++ A+ A B++ B+ B C++ c+ c D Bedeutung Sehr sehr gut, hóchste Qualitát Fast sehr sehr gut, hohe Qualitát Gute Qualitát, externe Risiken bedeuten geringe Beeintráchtigung Mittlere Qualitát, externe Risiken bedeuten spürbare Beeintráchtigung Fast mittlere Qualitát, sofern externe Bedingungen stabil bleiben Niedrige Qualitát, in lángerer Sicht unsicher Schlechte Qualitát, niedriges Standing, Gefahr des <Notleidens> Oh'oh'. Sehr schlechte Qualitát. Ein Engagement ware sehr spekulativ. Extrem schlechte Qualitát; notleidend No comment Anmerkung: Moody's Investors Service ergánzt die Buchstabenkategorien durch die Zusátze 1,2,3, je nachdem ob sich der betrachtete Wert im oberen, mittleren oder unteren Drittel der Kategorie befindet. _ Bonitat von Argentinien heruntergestuft ft Standard & Poor's begriindet Schritt mit Erb.6h.ung des Staatsdefizits Die Kreditwürdigkeit der Türkei ist weiter gesunken Von fiihrenden Rating-Agenturen herabgestuft / „Unzureichende Politik der tiirkischen J g Regierung" Immobilienbesitz. Viele Unternehmen unterschatzen das Problem von Altlasten im Zuge sich entwickelnder Umweltschutzgesetzgebung. • Reformen werden nur halbherzig durchgefiihrt und zudem immer wieder verándert. Durch Subventionierung inlándischer Betriebe ergeben sich Wettbewerbsverzerrungen. • Produktionsrelevante Aspekte sind die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskráften, die Moglichkeiten der Qualitátssicherung und die materielle und soziale Infrastruktur. • Wichtig sind auch Vorschriften bezüglich der Beschaftigung inlándischer bzw. auslándischer Arbeitskráfte. Beispielsweise mufi manchmal ein bestimmter Prozentsatz des Managements lokal rekrutiert werden, was betráchtliche Qualitatsprobleme mit sich bringen kann. • Oft ist es für auslándische Unternehmen schwierig, die Steuergesetze zu durchschauen und Anderungen nachzuvollziehen. <?page no="71"?> B-6. Markteintrittsformen 49 Abb. B-6/ 11: Ineffizienz und Korruption in Indonesien Staatsbetriebe bringen hohe Verluste / Auslandsinvestitionen auf Tiefstand Die Willkür russischer Finanzámter behindert auslándische Investoren Marti: Chaos und eigenmachtige Abbuchungen / „Praktiken mit rechtsstaatlichen Grundsatzen vdllig unvereinbar" Die überbordende Kriminalitát lahrnt die Investitionen in Südafrika Übergriffe gegen deutsche Unternehmer / 10 Milliarden DM Schaden / ^m J^ Sogar der Polizei werden Computer gestohlen k • Auch Vetternwirtschaft und die allgemeine Mentalitát und Kultur kónnen sich behindemd auswirken. • In manchen Lándern ist ein wichtiger hemmender Faktor der Bereich Kriminalitát, Korruption und Erpressung (Schutzgeld). Dies hángt natürlich mit der unklaren Rechtssituation zusammen, wenn Entscheidungen wegen der Interpretationsspielráume von Personen abhángen. B-6.7.6. Investitionsrechnungen Die verschiedenen Verfahren der Finanzierungs- und Investitionsrechnung, die aus der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre bekannt sind, kónnen grundsátzlich analog auf Direktinvestitionen im Ausland angewendet werden. Wir kónnen hier nicht weiter darauf eingehen. Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich in der Regel aus der Notwendigkeit, zukünftige Ertráge (Absatz, Umsátze, cash flow) und Kosten zu schátzen, um im Rahmen statischer Investitionsrechnungen Vergleiche zwischen Investitionsalternativen zu ziehen (u. a. Kosten-, Gewinn-, Rendite- oder Amortisationsvergleichsrechnungen) oder im Rahmen dynamischer Rechnungen z. B. Kapitalbarwerte (discounted cash flow, net present value etc.) zu ermitteln. Die erforderlichen Prognosen der Variablen sind meist mit einem hohen Grad an Unsicherheit behaftet, weil die Marktdaten unvollstándig, veraltet und/ oder unzuverlássig sind. Im Ergebnis fiihrt dies dazu, daS man entweder entsprechende Risikoabschláge einrechnen muí? (wodurch auch grundsátzlich rentable Investitionen unrentabel werden kónnen) oder Risiken schlicht akzeptieren muS. Dies ist natürlich für kleine und mittlere Unternehmen weniger einfach ais für groEe, die auch schon mal eine Fehlinvestition absorbieren kónnen. Neben das allgemeine unternehmerische Risiko einer betriebswirtschaftlichen Fehlinvestition treten zusátzliche Risiken, die sich aus dem Lánderrisiko des Gastlandes ableiten kónnen. Diese allerdings lassen sich in gewissem Umfang be- und versichern. Hierzu der náchste Abschnitt. B-6.7.7. Investitionsschutz Die Erfahrung zeigt, daS nur diejenigen Staaten private Investitionen an sich ziehen kónnen, die dem Investor attraktive Rahmenbedingungen und vor allem Rechtsschutz bieten. Dies gilt insbesondere fur mittel- und osteuropáische, südostasiatische und lateinamerikanische Lander; die ármsten Entwicklungslánder, vor allem in Afrika, sind dabei weit zurückgefallen. <?page no="72"?> 5 0 B Marktauswahl und Markterschlieftung Ein einschneidendes Risiko bei Direktinvestitionen besteht im Hinblick auf die Móglichkeit von Eigentumsentzug, wie oben beschrieben. In den meisten Staaten ist dies grundsátzlich gesetzlich zulássig, aber mit einem Entschadigungsanspruch verbunden. Im Vorfeld einer Direktinvestition sollten daher die Investitionsgesetze des Gastlandes, insbesondere aber auch die Gesetze zum Investitionsschutz ausfiihrlich analysiert werden. Dies ist in der Regel durch bilaterale zwischenstaatliche Investitionsschutzabkommen gesichert, welche den auslándischen Investor einem Inlander gleichstellen (sog. Inlánderbehandlung), wobei Entschádigungsregelungen fur den Fall einer Enteignung vorgesehen werden (Abb. B-6/ 12). Ohne ein solches Investitionsschutzabkommen kónnen Direktinvestitionen sehr riskant sein. Bislang gibt es keine multilateralen Abkommen auSer einem Abkommen der Weltbank aus dem Jahr 1965 iiber die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehorigen anderer Staaten. Dabei handelt es sich allerdings nicht um materielles Recht, sondern ausschliefilich um Verfahrensrecht. Abb. B-6/ 12: Investitionsschutzabkommen mit Simbabwe Voraussetzung zur Nutzung wichtiger Standortvorteile im südlichen Afrika erftillt Investitionsschutzabkommen mit WeiBrulMand Günstigere Rahmenbedingungen und Rechtsschutz für Investoren Investitionen in Mexiko erleichtert Abkommen mit Deutschland in Kraft • Handel mit EU bislang unbedeutend Freihandelsvertrag hat Investitionen nicht erhoht Problematisch ist der entschadigungslose Eigentumsentzug z. B. durch Beschlagnahmung oder Enteignung, der oft vor dem Hintergrund politischer Krisen und Konflikte zu beobachten ist (Iran, Irak, Libyen), wobei Staaten sich ókonomische oder personelle Faustpfánder verschaffen. In solchen Situationen umfafst das Risikospektrum auch das Sicherheitsrisiko für Mitarbeiter und ihre Angehórigen sowie fur die Anlagen. Weniger dramatisch, aber für den Investitionserfolg eventuell ausschlaggebend sind Risiken, die sich aus der nachtráglichen Anderung von Genehmigungen oder Zusagen (Subventionen, Zollschutz) ergeben kónnen, aus willkürlicher Erhóhung von Abgaben (Steuern, Zólle) oder Kosten (Lóhne, Zinsen) sowie aus gezielter Einschránkung des Güter- oder Kapitalverkehrs. Dies berührt auch das Sog. Dispositionsrisko, d. h. daS der auslandische Investor in seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit eingeschránkt wird, z. B. durch Vorschriften über den Einsatz lokaler Produktionsfaktoren (auch hinsichtlich der Bescháftigung von lokalem Personal) oder Produktionsart und -umfang sowie technische Vorschriften, Einschránkung der Bewegungsfreiheit im Gastland oder bei der Ein- und Ausreise, Diskriminierung bei der Vergabe óffentlicher Auftráge, Preiskontrollen, Beschrankung des Zugangs zum Geld- und Kapitalmarkt, etc. GleichermaSen ist zu prüfen, ob eine Rückführung des investierten Kapitals ebenso wie ein Transfer von Gewinnen ins Ausland móglich ist, weil sich andernfalls das Problem einer «Mausefallen»-Investition ergibt (nicht selten gibt es Re-Investitionsvorschriften). Wichtige Risiken sind Zahlungsverbote und Moratorien (ZM-Risiko) sowie Konvertierungs- und Transferrisiken (KT-Risiko) (Abschnitt H-2.1). <?page no="73"?> B-6. Markteintrittsformen 51 Die Erfahrung zeigt, dai? die Existenz einer Investitionsschutzversichcrung gegen politische Risiken die Kapitalaufbringung erleichtert, denn potentielle Finanziers schlafen dann besser. Deutschland: GKA-Deckung Die meisten westlichen Staaten haben fur ihre eigenen international tátige Unternehmen die Móglichkeit geschaffen, Kapitalverluste aufgrund von Lánderrisiken zu besichern. 16 Die Bundesrepublik Deutschland hat 1960 das «Garantiesystem fiir Kapitalanlagen im Ausland» eingefiihrt (GKA-Deckung). Der Bund hat die Bearbeitung von Investitionsschutzgarantien der PwC Deutsche Revision AG Wirtscbaftsprüfungsgesellschaft 17 iibertragen. Seit 1993 kónnen deutsche Unternehmen neben Eigenkapital und Gesellschafterdarlehen auch «beteiligungsáhnliche Darlehen» und Kapitalausstattungen gegen politische Risiken versichem zumeist langfristige Darlehen, bei denen Tilgung und Verzinsung vom wirtschaftlichen Erfolg des Schuldners abhángen, vor allem Bankdarlehen an auslándische Projektgesellschaften. Die Bundesgarantie erstreckt sich sowohl auf Verluste an investiertem Kapital (Kapitaldeckung) als auch auf Ertragsverluste aus Beteiligungen (Ertragsdeckung). Versicherbar ist neben Enteignung, Verstaatlichung, Krieg, Revolution, Aufruhr, ZM- und KT-Risiken auch der Bruch staatlicher Zusagen (z. B. beziiglich Zoll- und Steuervorteilen, Finanzierungskonditionen, Altlasteniibernahme, Lizenzvergabe, Schaffung von Infrastrukturen usw.). Die Wahrscheinlichkeit politischer Risiken in Form von Moratorien hat in der heutigen Zeit abgenommen, weil sich bei flexiblen Wechselkursen Devisenknappheit eher in Abwertungen als in Zahlungsunterbrechungen áuEert; gegen Abwertungen kónnen ókonomische Instrumente eingesetzt werden (vgl. Abschnitt H-4.3). Das Dispositionsrisiko ist nur insofern abzusichern, ais es sich um fur das Unternehmen existenzbedrohende Mafinahmen handeln mid? . Die Besicherung mufi vor dem Zeitpunkt der Investition erfolgen; eine Ausnahme stellen reinvestierte Gewinne aus bereits garantierten Beteiligungen dar, die nachtráglich in die Deckung einbezogen werden kónnen. Voraussetzung ist die Existenz eines bilateralen Investitionsscbutzabkommens mit dem betreffenden Gastland, in dem die Partnerregierung zusichert, deutsche Investoren nicht zu diskriminieren. Die meisten Versicherungsfalle sind daher Verstófie gegen solche Abkommen (Chile, Iran, Jugoslawien). Der Bund leistet dabei Schadenersatz und hat entsprechende Regressanspriiche gegen den betreffenden Staat. Dadurch trágt der Staat aufgrund seines politischen und diplomatischen Potentials zu einer Verringerung dieser Risiken bei. Allerdings liegt die Gesamtsumme der seit 1960 gezahlten Entschádigungen unter der Gesamtsumme der Pramien, welche die Wirtschaft fur Investitionsgarantien an den Bund gezahlt hat. Der Investor muE eine Selbstbeteiligungsquote von 5 % tragen. Die Deckungslaufzeit ist in der Regel auf 15 Jahre begrenzt, in Ausnahmefállen bis zu 20 Jahren. Das Deckungsewige/ f betrágt pro Jahr 0 , 5 % des garantierten Betrages. Hinzu kommt eine einmalige Bearbeitungsgebiihr von 1 %o bis 5 Mio. Euro und von 0,5 %o fiir den 5 Mió. übersteigenden Garantiebetrag, hóchstens 10.000 Euro. Eine wichtige Versicherungsbedingung bei privaten wie bei 16 Um Miféverstándnissen vorzubeugen: Investitionsschutzversicherungen decken ausschlieSlich politische Risiken ab (sovereign risk) und auf gar keinen Fall das ókonomische unternehmerische Risiko einer Fehlinvestition. 17 Früher: zunáchst Deutsche Treuarbeit, dann C&L Treuarbeit Deutsche Revision AG, dann C&cL Deutsche Revision AG (C&L: Coopers & Lybrand International), jetzt PwC Deutsche Revision AG Wirtschaftspriifungsgesellschaft (PwC: PriceWaterhouseCoopers). <?page no="74"?> 5 2 B Marktauswahl und MarkterschlieGung staatlichen Versicherern ist, daS der Investor Stillschweigen bewahren muE iiber die Existenz der Investitionsschutzversicherung, wenn er den Deckungschutz nicht gefáhrden will. Umgekehrt machen die Versicherer ihre Aktivitáten die von Streitschlichtung bis Schadensregulierung reichen nicht gerne publik, und dies gilt analog aus einsichtigen Griinden fur die jeweiligen Gastlánder. Insgesamt hüllt diesen Bereich daher ein Mantel des Schweigens und der Datenstille ein. Ziemlich sicher ist aber, daft die Existenz einer Investitionsschutzversicherung auch einen Abschreckungseffekt haben kann, weil ein Gastland, das z. B. mit dem Gedanken einer Enteignung oder einer Untersagung von Devisentransfers spielt, sich dann nicht nur mit dem Investor, sondern mit einem institutionellen Kontrahenten auseinandersetzen muE. Und eine ungelostes Investitionsschutzproblem kann so leicht auf zwischenstaatliche Handels- und Finanzbeziehungen durchschlagen, was sicher nicht im Interesse des Gastlandes ist. So manche geplante Aktion ist hinter den Kulissen als «MiEverstándnis» zuriickgenommen worden. Die Bundesgarantien fur Kapitalanlagen werden wie die Ausfuhrgewahrleistungen des Bundes zum Schutz gegen Zahlungsausfálle im Export (Abschnitt H-3.2) jáhrlich im Haushaltsgesetz veranschlagt. Rund 20% aller deutschen Direktinvestitionen in Reform- und Transformationslándern werden durch Bundesgarantien abgesichert, ein Viertel davon für kleine und mittlere Unternehmen. Von den beantragten Kapitalanlage-Besicherungen werden im Schnitt nur rund 2 % abgelehnt, z. B. weil das Investitionsland grundsátzlich aus der Bundesdeckung herausfállt (z. B. Irak, Libyen). Private Versicherer Daneben bieten auch private Versicherer Kapitalanlagebesicherungen an, u. a. das Lloyd's- Syndikat in London, die American International Group (AIG) sowie speziell fur Osteuropa die Garant AG in Wien, die Black Sea and Baltic General Insurance Ltd. in London (beides Tochtergesellschaften der russischen Gesellschaft Ingostrakh) und die Zurich-American in der Schweiz. Die staatlichen Versicherer boten immer schon sehr langfristige Deckungen an (iiblicherweise 15-20 Jahre), wáhrend die privaten bis etwa 1996 maximal 3 Jahre anboten. Dies hat sich mittlerweile dramatisch verandert, und 10 Jahre-Deckungen sind heute Standard, lángere Deckungen nicht selten. Neue Entwicklungen zeigen, daE die privaten und staatlichen Versicherer sich teilweise gegenseitig Rückversicherungen gewáhren, und sie arbeiten auch zusammen und bieten Co-Versicherungen an. Eine Harmonisierung der staatlichen Investitionschutzangebote ist bislang noch nicht erfolgt; auch der OECD-Konsensus beziiglich der Harmonisierung der staatlichen Exportkreditversicherungen klammert diesen Bereich aus. Internationale Investitionsschutzmoglichkeiten Die zur Weltbankgruppe gehórende MIGA (Multilateral Investment Guarantee Agency) gibt privaten Investoren in Entwicklungslandem Garantien gegen nicht-kommerzielle Risiken wie Enteignungen, Restriktionen bei Kapital- und Devisentransfers, Kriege oder Unruhen. Die Garantien kónnen bilaterale Investitionsschutzabkommen und private Versicherungen ergánzen. Sie decken Griindung, Erweiterung oder Umstrukturierung eines Unternehmens ab. Im Gegensatz dazu kann die gleichfalls zur Weltbankgruppe gehórende IFC (International Finance Corporation) nur ihren eigenen Anteil an einem Investitionsvorhaben garande- <?page no="75"?> B-6. Markteintrittsformen 53 ren. Die IFC gewahrt lanfgristige Darlehen und Eigenkapitalbeteiligungen an Privatunternehmen sowie Garantien fiir potentielle Investoren. PRAXISTIP MIGA und IFC bieten einen gemeinsamen Beratungsservice FIAS an (Foreign Investment Advisory Service), der auf einem breiten Informationspotential (bis hin zu administrativen Details) beruht und auch Managementberatung einschlieftt. Dennoch ist die Kapazitát zur konkreten betriebswirtschaftlichen Beurteilung potentieller Partnerunternehmen begrenzt. Dies hángt jedoch hier wie auch sonst auch vom konkreten Personalprofil der Ansprechpartner in einem Land ab. Die MIGA-Konditionen sind kostenmaRig den nationalen Systemen vergleichbar. Wie dort, muG der Investor einen Selbstbehalt tragen. B-6.8. Management von Joint Ventures: Fallbeispiel B-6.8.1. Zweck eines Joint Venture Joint Ventures (JV) bieten Móglichkeiten, in Márkten zu operieren, die andernfalls wegen unzureichender Erfahrung und Vertrautheit mit den lokalen Gegebenheiten auSerhalb der Reichweite des heimischen Unternehmens lágen. Die Griindung eines Joint Ventures erfolgt zumeist aufgrund der Tatsache, da£ ein 100%-iges Direktengagement aus Finanzierungsgriinden, aus Risikoiiberlegungen oder aus den rechtlichen Bestimmungen des Ziellandes nicht moglich ist. Die Móglichkeiten, einen geeigneten JV-Partner zu finden, sind aber oft begrenzt. Ein wesentlicher Vorteil eines JV besteht im geringeren Kapitalbedarf und der Risikominderung im Vergleich zu einer 100 % -igen Auslandsbeteiligung. Oft bringt das (bspw.) deutsche Unternehmen das gesamte Finanz- und Sachkapital und technisches Know-how in die Beziehung ein, wáhrend das einheimische Partnerunternehmen iiber das lokale Know-how, d. h. die notwendige Marktkenntnis und politische Beziehungen verfügt. Eventuell kónnen durch den neuen Absatzmarkt auch weitere Absatzmárkte im gleichen oder einem benachbarten Wirtschaftsraum erreicht werden. Fiir einen deutschen JV-Partner ergibt sich oft der Vorteil, an nationalen Fórderprogrammen partizipieren zu kónnen und bei der Vergabe von óffentlichen Ausschreibungen und Staatsauftrágen im Gastland beriicksichtigt zu werden. Da das deutsche Unternehmen durch die Beteiligung quasi als einheimisches Unternehmen gilt, kann es auch zu Imagevorteilen bei den auslándischen Káufern kommen. Durch die Produktion im Auslandsmarkt kónnen zudem Importrestriktionen und Zólle vermieden und umgangen werden. PRAXISTIP In zunehmendem Malk arbeiten mehrere (deutsche) Unternehmen zusammen, urn über einen Unternehmenspool z. B. mit einem gemeinsamen Büro und einem gemeinsamen lokalen Reprásentanten erste Erfahrungen in einem unbekannten Umfeld zu sammeln. Dies bietet sich sowohl für Vertriebsais auch für Servicezwecke an und reduziert z. B. auch die Lagerkosten. Natürlich eignet sich dies vorrangig für Unternehmen, die keine direkten, unmittelbaren Konkurrenten sind. Aber es gibt auch erfolgreiche - Beispiele der anderen Art. 18 So haben die Schreibwarenhersteller Edding und Schwan-Stabilo ihre nationalen und internationalen Vertriebsapparate zusammengelegt. <?page no="76"?> 54 B Marktauswahl und Markterschlieftung Grundsátzlich kombiniert ein JV die Ressourcen der Partner und verteilt das Risiko. Aus der Sicht des Kapitalgebers wird darauf Wert gelegt werden, dai? der EinfluS auf die Managemententscheidungen des JV gewahrleistet ist. Auf der anderen Seite kónnen in einem <richtigen> Joint Venture Entscheidungen iiber die Gescháftspolitik nicht mehr alleine getroffen werden, sondern sind partnerschaftlich zu treffen. Beide Partner sind also voneinander abhángig. Unterschiedliche Vorstellungen kónnen zu Problemen fiihren, wenn z. B. der deutsche Partner Gewinne reinvestieren mochte, wáhrend der lokale Partner an Gewinnausschiittungen interessiert ist {«quick money»). Auch bei einer formalen Mehrheitsbeteiligung muS auf die Interessen des Partners Rücksicht genommen werden, da sonst kaum eine produktive Zusammenarbeit móglich sein wird. Die notwendige Riicksichtnahme auf einen Partner kann nur durch die Akquisition eines Untemehmens oder durch die Griindung eines selbstándigen Tochterunternehmens ausgeschlossen werden. Eine Entscheidung fiir ein joint venture sollte gut vorbereitet sein, weil in manchen Lándern restriktive Bestimmungen fiir auslándische Investitionen bestehen (vgl. Abschnitt B-6.7.5.2 iiber Investitionshemmnisse). Eine solide allgemeinrechtliche, steuerlich-, arbeitsmarkt- und sozialrechtliche Vorbereitung ist unabdingbar, unabhangig von der Analyse der Marktchancen. Wenn beispielsweise nur Beteiligungen bis max. 49 % des Kapitals zulássig sind, ist kein hinreichender EinfluS auf das Management gewahrleistet. Da dies den Kapitalzuflufi logischerweise behinderte, sind in den meisten Lándern die Investitionsbestimmungen gelockert worden, so dafs Beteiligungen bis zu 100% zulássig sind. PRAXISTIP lm Rahmen des speziellen Joint-Venture-Programms JOP fórdert die Europaische Union JVs in Osteuropa, einschlieftlich Joint Production and Marketing Agreements (JPMA), so daG auch zeitlich befristete und losere Kooperationen unterstützt werden kónnen. B-6.8.2. Vorbereitung B-6.8.2.1. Strategische Vorentscheidungen Joint Ventures sind komplexe und nicht selten zerbrechliche Strukturen. Je heterogener die Partner sind, desto gróSer ist die Notwendigkeit, das JV sorgfáltigst zu plañen und vorzube(eiten. Friihe Investitionen in juristische und kulturelle Beratung sind daher meist lohnende Investitionen. Bei der Griindung eines JV stehen grundlegende strategische Fragen am Anfang, die grundsátzlich bei jedem Auslandsengagement zu beantworten sind (vgl. Abschnitt B-4 iiber die Marktauswahl). Es zahlt sich aus, Zeit und Geld in eine sorgfáltige Vorbereitung und Untersuchung eines geplanten JV zu investieren. Meist ist es erforderlich, den lokalen Markt selbst zu untersuchen und zu besuchen und die lokalen Partner selbst zu kontaktieren. Dies gilt natiirlich gegenseitig. Nach der grundsátzlichen strategischen Entscheidung fiir ein Auslandsengagement in Form eines Joint Venture miissen drei strategische Fragen beziiglich der Griindung eines JV beantwortet werden: 1. Welche strategischen Ziele verfolgen wir, was wollen wir tnit dem JV erreichenf Beispielsweise hat ein deutsches Unternehmen ein JV gegriindet fiir die Fertigung von Baumaschi- <?page no="77"?> B-6. Markteintrittsformen 55 nen, die in China aus exportierten Komponenten montiert und auf dem chinesischen Markt verkauft werden. Langfristig ist auch der Re-Import fertiger Maschinen nach Deutschland geplant. Das JV ist als Profit Center fur Montage und Vertrieb konzipiert. 2. Warum brauchen wir einen Partner? Es hat sich als sinnvoil erwiesen, diese Frage durch eine Stárken-Schwáchen-Analyse zu beantworten. Dadurch lassen sich Bereiche identifizieren, die sich fiir eine Kooperation anbieten, d. h. solche, die auf eine entsprechende Unterstiitzung angewiesen sind, und solche, bei denen das Zusammenarbeiten auch Synergieeffekte haben kann. • Im unten ausgeführten Beispiel handelt es sich zwar bei dem deutschen Partner um ein renommiertes Unternehmen mit sehr gutem Markterfolg in Europa, jedoch ohne jegliche Erfahrung auf dem chinesischen Markt. Die Erfahrung zeigt, dafi es sehr ratsam ist, den chinesischen Markt in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen lokalen Partner zu bedienen. Verallgemeinert bedeutet dies, dafi durch die Kombination der Erfahrungen und Ressourcen der Partner Wettbewerbsvorteile realisiert werden konnen. • Hinzu kommt, dai? durch eine Produktion vor Ort Einfuhrabgaben (Zólle) gespart werden kónnen, so dafi der Endpreis niedriger kalkuliert werden kann. • Nicht selten kann der auslándische Partner von der Reputation des lokalen Partners profitieren, insbesondere, wenn in der Bevólkerung oder der Verwaltung eine gewisse Reserviertheit gegen auslándische Investoren besteht. • Ein weiteres Motiv kann in der Moglichkeit bestehen, über den Partner staatliche Auftráge zu erhalten oder lokale Finanzquellen zu erschliefsen, die einem auslándischen Unternehmen allein nicht offen stiinden. Insgesamt gesehen muE sich eine giinstige Bilanz der Vor- und Nachteile des JV ergeben. Tendenziell nehmen die Vorteile von JV im Zeitablauf ab, so dafs viele nach einigen Jahren aufgelóst werden. Es sei hier unterstellt, daft eine vergleichende Analyse der verschiedenen Kooperationsmoglichkeiten (Abschnitt B-6) zu der Entscheidung für ein JV geführt hat. Folglich stellt sich die dritte Frage: 3. Welcher Typ von JV soil gewdhlt werden? Es gibt eine Reihe von Alternativen, um ein JV zu konstruieren (vgl. die Übersicht in Abb. B-6/ 13). B-6.8.2.2. Konstruktion eines Joint Venture (a) Zum Standort Die grundsátzliche Struktur ist eine Triade: die <Miitter> A und B und das Joint-venture- Unternehmen C. A und B kónnen im selben oder in verschiedenen Landern residieren, und das JV C kann im Sitzland einer der <Mutter> (das ist der Regelfall) oder in einem anderen Land angesiedelt sein (Abb. B-6/ 14). (b) Errichtung Das JV kann errichtet werden durch • Ausgliederung und Verschmelzung von existierenden Teilen beider Partner, • Ausgliederung eines existierenden Teils eines Partners, • gemeinsamen Aufkauf eines bestehenden Untemehmens, • gemeinsame Neugriindung. <?page no="78"?> 56 B Marktauswahl und MarkterschlieGung Abb. B-6/ 13: Joint-Venture-Formen • Verschmelzung / Erweiterung einer bestehenden Unternehmenseinheit • gemeinsamer Kauf / Gründung eines Unternehmens • Contractual JV / Equity JV -Mehrheits-(>50%), -Minderheits-(<50%), - <reines> Equity-JV (50: 50). • Y-Typ / X-Typ • horizontales JV / vertikales JV "Gemeinschaftsunternehmen in Asien sind die richtige Antwort" Für den deutschen Textilmaschinenbau wird der Wettbewerb auf dem Weltmarkt hárter Ein neues Joint-venture in (ten USA (c) Intensitat Vertragliche JV (contractual JV oder kooperative JV) sind relativ lose Formen der Kooperation. Sie werden z. B. gegründet für gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsaktivitáten oder fur die Ausfiihrung von Bauvorhaben (Konsortien, ArGe's). Sie erfordem nicht zwangslaufig einen Kapitalinput (im Gegensatz zu Kapital-JV), sondern stellen auf die interne Arbeitsteilung und die Organisation von Aktivitáten ab. Solche JV sind enge Verwandte von strategischen Allianzen. Kapital-JV {capital JV) erfordem Kapitaleinsatz und bedeuten die Griindung einer rechdich selbstándigen Einheit. Die Anteile konnen dabei unterschiedlich aufgeteilt werden: • als Minderheitsbeteiligung {minority joint venture), wobei der auslándische (deutsche) Partner weniger als 50% der Anteile halt (in der Praxis selten), • ais paritátischen Beteiligung {equity joint venture) (50: 50) oder • als Mehrheitsbeteiligung {majority joint venture). Wenn der auslándische (deutsche) Partner die Mehrheit halt, kann das JV u. U. auch als <auslandisches> Untemehmen identifiziert werden, was nicht nur im Hinblick auf die Unterstiit- Abb. B-6/ 14: Joint-Venture-Standort A B ^ C Fast 5000 Gemeinschaftsuntemehmen in Polen Hoher Anteil deutscher Investoren / Niedrige Arbeitskosten A \ 1 B / C <?page no="79"?> B-6. Markteintrittsformen 57 zung lokaler bzw. nationaler Behorden nachteilig sein kann. Es empfiehlt sich jedoch nicht, in einem Joint Venture (mit Betonung auf <joint>) auf fórmale Mehrheiten zu pochen, weil dies vor allem in konsensbetonten Kulturkreisen nicht gut ankommt und den Keim des Mifierfolgs sáen kann. (d) Struktur Man unterscheidet X- und Y-Typen. X-JV sind eine Kooperation bei von den beiden Partnern bislang parallel betriebenen Aktivitáten, wiederum z. B. Forschung und Entwicklung. Sie dienen vorrangig der Rationalisierung. Y-JV haben eine komplementare Struktur und kombinieren beispielsweise das technische Know-how eines Partners mit der lokalen Marktkenntnis des anderen, mit (meist) oder ohne Kapitalinput (sog. Markt-/ Technologie-Typ). (e) Wettbewerb Horizontale JV werden von eigentlich konkurrierenden Partnern derselben Produktionsstufe betrieben (analog dem X-Typ). Vertikale JV verbinden Partner verschiedener Produktionsstufen, z. B. Vorlieferanten und Hersteller. Es hat sich als sinnvoll erwiesen, fur die Konstruktion eines JV eine Art Master Plan (Entwicklungsplan) zu erstellen. Ein solches strukturiertes Design eines idealen JV kann dann als Referenzpunkt verwendet werden. Dieses Profil umfafit <harte> (quantifizierbare) und <weiche> (qualitative) Aspekte. B-6.8.3. Profil eines idealen Joint Venture Es empfiehlt sich, das Profil des JV so zu entwerfen, wie es idealerweise realisiert werden sollte. Vor diesem Hintergrund lassen sich dann potentielle JV-Partner miteinander vergleichen. Abb. B-6/ 15 bezieht sich auf einen konkreten Fall. B-6.8.4. Identifizierung des Partners (profile check) Urn den <richtigen> Partner aus mehreren Altemativen auszuwáhlen, sollten wichtige Kriterien gege nü be rgeste I It werden. • Welcher Partner ist unter Berücksicbtigung der vorangehenden Kriterien geeignet? Es ist fur einen auslándischen Investor nicht einfach, in einem fremden Land geeignete Partner zu identifizieren. Viele relevante Informationen werden nicht zu erlangen sein. Im Fall eines horizontalen JV wird es schwierig sein, alie relevanten Informationen zu erlangen, denn wir wiirden auch von unserer Seite aus zogern, unsere eigenen Starken und Schwáchen einem potentiellen Konkurrenten offenzulegen. Daher ist es wichtig, einen lokalen Kontakt aufzubauen, der für das deutsche Unternehmen tátig werden kann. Beispielsweise ist es sehr günstig, wenn man Kontaktpersonen finden kann, die Deutschlanderfahrung haben, vielleicht sogar in Deutschland fachlich einschlágig studiert haben. Dies erleichtert die Partnersuche erheblich, nicht zuletzt auch aus sprachlichen Gründen. • Welcbe Ziele verfolgt der Partner? Sind diese mit unseren Interessen kompatibel? Wenn der Partner beispielsweise das JV ais Sprungbrett ansieht, den auslándischen Partner in absehbarer Zeit <auszubooten>, kann dies sehr schnell zu Konfliktsituationen führen. Dies gilt natürlich auch andersherum. <?page no="80"?> 58 B Marktauswahl und Markterschlieftung Abb. B-6/ 15: Konstruktionsprofil eines ¡dealen JV («Wunschliste») Standort JV-Typ Art der Partner (Grofte, Erfahrungen, gewünschte komplementáre Stárken), staatliche vs. private Partner (Beziehungen vs. Flexibilitat...? ) Zahl der Partner (min./ max.), I Kapitalanteile (absolut/ relativ) Strategische Ziele Kapitalanteile, Manpower, Know-how Zeithorizont Nahe Beijing • equity JV F • Markt-/ Technologie-Typ • Produzenten mit Verthebserfahrung • móglichst privat • mittlere Grófie • finanziell gesund • 1-2 (Kosten und Zeitbedarf nehmen disproportional zu f wenn mehr ais zwei Partner kooperieren. Jeder zusátzliche Partner bedeutet weniger zusátzlichen Nutzen.) • 51: 49 (Üblicherweise bevorzugt wenigstens einer der Partner eine Mehrheitsbeteiligung.) • Insgesamt 2 Mio Euro (In China erfordert das Equity-Joint-Venture-Gesetz Mindestkapitalinputs. Kapitalanteile reflektieren nicht unbedingt spiegelbildlich die Móglichkeiten zur Beeinflussung des Management- und Entscheidungsprozesses. Trotzdem sollten die Partner nicht zu unterschiedliche <Groften> aufweisen, weil dies auch den Managementstil beeinfluftt und natürlich die Finanzkraft, die u.a. für erforderliche Nachschüsse von Bedeutung ist.) • Bedeutender Marktanteil in der Beijing-Region mit • Beziehungen im übrigen China • Das JV soil Vorstufe zu einer 100% eigenen Produktionsunternehmen • 2x1.000.000 Euro • Managementpersonal 3: 2 • technisches und kaufmannisches Personal wird lokal rekrutiert • technische Spezialisierung • Verthebserfahrung • Vertrautheit mit lokalen Gegebenheiten • politische Beziehungen 10Jahre (urn Steuererleichterungen in Anspruch nehmen zu konnen) <?page no="81"?> B-6. Markteintrittsformen 59 • Wird der Partner mit uns gliicklich werden und wir mit ihm? Stimmen seine Interessen mit unseren übereinf Das Profil eines idealen Partners sollte mit den konkreten Profilen von Partnerkandidaten verglichen werden. Neben einer verbalen Beschreibung bietet es sich an, die Realisierung dieser Kriterien zu visualisieren, wobei die unterschiedlichsten Methoden verwendet werden kónnen (vgl. auch Abschnitt B-3 zu SWOT). In Abb. B-6/ 16 wird eine tabellarischen Gegeniiberstellung mit Angabe einiger Kriterien in Prozent verwendet. Diese <Quasi-Quantifizierung> ist natiirlich subjektiv, und man sollte sich nicht von seinen eigenen Zahlen in die Irre fiihren lassen. Und fur welchen der beiden Kandidaten unseres Beispiels sollen wir uns nun entscheiden? Die Entscheidung fiir oder gegen einen JV-Partner wird oft durch die Verwendung von Scoringmodellen mit gewichteter Bepunktung erleichtert. Natiirlich stellt sich dabei sofort das Problem der Gewichtung der untersuchten Kriterien. Wir gehen darauf nicht weiter ein. PRAXISTIP Nachdem man sich für einen Partner entschieden hat, sollten die Verhandlungen, zumindest die Beziehungen mit anderen Partner fortgesetzt werden, denn nicht selten stellt man bereits kurz nach Beginn einer JV-Kooperation fest, daB man sich vertan hat, und dann ist sehr günstig, wenn man auf Alternativen zurückgreifen kann. Natürlich kónnen Parallelverhandlungen nicht geheim gehalten werden, und man sollte daher mit offenen Karten spielen. B-6.8.5. Gründung des Joint Venture In einem JV verschmelzen Elemente von Unternehmen mit unterschiedlichem historischen und kulturellen Hintergrund und mit verschiedenen Managementstrukturen. Die interpersonelle Zusammenarbeit kann nur in begrenztem Umfang durch Vertráge determiniert werden. Dessenungeachtet ist es wesentlich, die wichtigsten Gesichtspunkte vertraglich zu regeln. Ublicherweise wird dies in mehreren Schritten getan. Der wichtigste Faktor ist dabei - Geduld. Die wichtigsten Unterlagen, die erarbeitet werden miissen, sind ublicherweise die in Abb. B-6/ 17 aufgefiihrten; sie werden im Text kommentiert. Zu 1 : Absichtserklárung (letter of intent) Die schriftliche Absichtserklárung, ein JV zu griinden - Letter of intent ist eine erste Formalisierung vorangehender Kontakte und Verhandlungen. Die Absichtserklárung ist im Vergleich mit dem spáteren JV-Vertrag allgemeiner und sehr viel kiirzer. Dessenungeachtet hat sie einen wichtigen Stellenwert im Hinblick auf die beiderseitige Bindung der Partner. Zu 2 und 3: Feasibility-Studie Der náchste Schritt ist meist eine Durchfiihrbarkeitsstudie (Machbarkeitstudie, feasibility study; possibility study), welche die Realisierbarkeit des Vorhabens nach den verschiedendsten Kriterien analysiert (finanzielle, technische, legale, administrative, organisatorische Machbarkeit etc.). Grundsátzlich sollten beide Partner an ihrer Erstellung mitarbeiten, unabhángig davon, ob die Studie móglicherweise von einem externen Dritten erarbeitet wird. Die fertige Studie mufi von beiden Partner akzeptiert werden. Dies sollte formal und schriftlich geschehen, denn die Feasibility-Studie wird vom Partner háufig ais <Bibel> angesehen, auf die er sich noch lange Zeit in Zweifelsfállen beruft. <?page no="82"?> 60 B Marktauswahl und MarkterschlieRung Abb. B-6/ 16: Profile potentieller Partner Ideal: 100 Finanzielles <Standing>, erforderlicher Kapitaleinsatz Markterfahrung location near Beijing Infrastruktur am Standort Eigene Gebáude Lokale Einbindung, politische Beziehungen Strategischer <fit> Managementstil und unternehmerisches Denken Innovatives Potential, Kreativitat Teamgeist Konfliktmanagement Kultureller <fit> benótigtes technisches Personal - Anzahl - Qualifikation Potentieller Partner X 100 80 nur mit veralteter Technologie vertraut 100 90 (teilweise unbefestigte Stra&en) 0 90 Anwohner 80 nicht an Erweiterungen interessiert 60 ehemaliger Staatsangestellter 60 passiv 80 ist auf Anweisungen angewiesen 90 lange Erfahrung 70 traditionell, Aversion gegen westliche Einflüsse 80 erfahrene <alte Krafte> Y 95 Das JV würde eine betráchtliche Anstrengung bedeuten 60 ehemaliger Bauunternehmer 80 80 km von Beijing 90 dto. 100 50 neu in der Region, aus weit entfernter Region 70 potentieller Konkurrent 80 jüngeres Managementstudium 80 entwickelt eigene Ideen 90 kooperativ 70 dominanter Stil, <bossy> 90 offen für Veránderungen, Auslandserfahrung 70 Fortbildung und Praxis erforderlich <?page no="83"?> B-6. Markteintrittsformen 61 Abb. B-6/ 17: Wichtige Unterlagen für einen JV-Vertrag 1. Absichtserklarung (letter of intent), 2. Feasibility Study («Machbarkeitsstudie»; meist wird der englische Begriff verwendet, auch: possibility study), 3. Annahme der Feasibility Studie durch beide Partner, 4. JV-Vertrag (Basic Agreement, JV agreement/ contract, shareholder agreement), 5. JV-Satzung, -Statut (articles of association), 6. Zusatzvereinbarungen, Ergánzungen (Investitionsvertrag, Know-how-Vertrag, Kreditvertráge, Lizenzvertráge, Lieferverpflichtungen). Nach der Unterzeichnung der Vertráge kónnen die formalen Schritte zur Errichtung des JV eingeleitet werden: 7. Registrierung entsprechend der rechtlichen Vorschriften (dabei sollte man einschlágig erfahrene Rechtsanwálte einschalten); 8. Beantragung der Gewerbeerlaubnis (business licence); dies kann erhebliche Zeit beanspruchen. Zu 4: JV-Vertrag Nach diesen Vorarbeiten deren Wichtigkeit nicht unterschátzt werden sollte wird der eigentliche JV-Vertrag ausgearbeitet (Basic Agreement, statute, JV agreement, JV contract, shareholder agreement). Im Vergleich mit der Absichtserklarung enthált er alie relevanten Details. Dabei gibt es einen <eingebauten> Konflikt zwischen Raumlassen im Vertrag fur Flexibilitát in der Praxis und Rechtssicherheit durch Regelung aller móglichen Details. Was soil aber geschehen, wenn sich die Rahmenbedingungen ándern? Uneinigkeit dariiber kann betráchtliche Spannungen hervorufen. Nigeria oder Indien haben z. B. nach und nach die Stellung des lokal zu rekrutierenden Managements verstárkt. Nicht alie Eventualitáten kónnen in Szenarios verankert werden. Wichtig ist, dafi man sich auf gar keinen Fall auf miindliche Absprachen verlassen sollte. Die folgenden Punkte sollten in keinem JV-Vertrag fehlen (Abb. B-6/ 18): Einige der aufgelisteten Punkte sind kurz zu kommentieren: • Partner des JV: Wie in jedem Vertrag werden auch im JV-Vertrag die Vertragspartner genau bezeichnet. • Ziele des JV: Die Festschreibung der Ziele des JV ist keineswegs ein redundantes Detail, weil sie ais grundsátzliche Orientierung fur das Management und die zu verfolgende Strategic dienen, durchaus auch bei Uneinigkeit über das <richtige> Vorgehen. • Beschreibung der Produkte, Márkte etc.: Auch die Beschreibung der zu produzierenden bzw. zu handelnden Produkte und der zu bedienenden Márkte sowie anderer Aspekte dient der gegenseitigen Klárung und Festlegung auf bestimmte Aktivitáten. • Kapitalanteile: In manchen Lándern gibt es Vorschriften für Hóchst- oder Mindestanteile. In China beispielsweise konnen nur bis zu 25 % des Kapitals in Form von Know-how eingebracht werden. Kapitalanteile kónnen auch ais Sacheinlage erfolgen; vgl. nachstehend. • Andere einzubringende Ressourcen: Dabei ist insbesondere an Immobilien zu denken. Probleme ergeben sich immer wieder aus der Bewertung von Sacheinlagen (Land, Ge- <?page no="84"?> 62 B Marktauswahl und MarkterschlieRung Abb. B-6/ 18: Wlchtige Elemente des JV-Vertrages (Basic Agreement/ Statute) • Partner des JV • Ziele des JV • Unternehmenskonzept (Beschreibung der Produktpalette, Kapazitaten, Unternehmensplanung, Investitionsvolumen, Finanzplanung, etc.) • Marktabgrenzung, Marketingkonzept • Kapitalanteile • andere einzubringende Ressourcen (Grundstücke, Gebáude) • Technologietransfer; Zusicherung für einzelne Technologievertráge • Rolle der Mutter bei Aufbaumanagement und Engineeringleistungen • Bezugsrechte, Lieferverpflichtungen • Dauer der Zusammenarbeit; Beschránkung der VeráuRerung von Gescháftsanteilen • Gewinnverwendung • Organisationsstruktur, Kompetenzen • Verteilung der wichtigsten leitenden Führungspositionen, Mitwirkung der <Mütter> bei Auswahl, Einstellung und Entsendung des Personals • Regeln für Management (Entscheidungen), Information und Kontrolle, insbes. bezüglich Rechnungs- und Berichtswesen und Aufstellung des Jahresabschlusses; Geheimhaltung • Konfliktmanagement • Auflósung des JV; Regeln für Kündigung oder Beendigung des Zusammenschlusses • Regeln für die Vordergründungsphase bis zur Errichtung der JV-Kapitalgesellschaft báude, gebrauchte Maschinen), weil seitens der Eigentiimer eine Tendenz besteht, diese überzubewerten. In Transformationslándem (Osteuropa, China) steigen die Immobilienkaufpreise und -Mieten oft mit atemberaubender Geschwindigkeit. Legale Verbriefungen über Grundstückseigentum sind ein kritischer Aspekt sind, wenn die Eigentumsverháltnisse nicht eindeutig sind. • Dauer der Zusammenarbeit: Dies kann z. B. von Bedeutung sein, um Steuervergiinstigungen in Anspruch nehmen zu kónnen (in China mindestens 10 Jahre). • Gewinnverwendung: Sollen die Gewinne re-investiert oder ausgeschiittet werden? In welchem Verháltnis? Wir haben eingangs bereits auf mógliche Spannungen bezüglich <quick money* vs. Konsolidierung hingewiesen. • Organisationsstruktur: Im wesentlichen wird man im JV-Vertrag nur die Aufbauorganisation regeln, d.h. die wesentlichen Zustándigkeiten und Verantwortlichkeiten. Einzelheiten der Ablauforganisation sollten nur im Ausnahmefall angesprochen werden, wenn sie besondere Bedeutung haben. • Verteilung der wichtigsten leitenden Führungspositionen: Ein delikater Punkt ist die asymmetrische Struktur der Gehálter, denn ein deutscher Manager kann leicht ein Vielfaches des Gehalts seiner auslándischen Partner verdienen. Dies muS der Partnerseite <verkauft> werden, denn das JV muE die Gehálter verdienen, wenn man nicht was nicht selten vor- <?page no="85"?> B-6. Markteintrittsformen 63 kommt ein <topping-up>, d. h. einen Zuschlag zum Gehalt fur die deutschen Manager aus externen deutschen Mitteln vorsieht. Dies geschieht dann oft auch verdeckt, wird meist aber trotzdem bekannt und kann Spannungen produzieren. • Regeln fiir Management, Information und Kontrolle: Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sollten in Ergánzung zur Aufbaustruktur klar geregelt werden, ebenso Planungsverfahren, Berichtswesen, Entscheidungsregeln (z. B. grundsátzliches Konsensverfahren), etc. Verantwortungsbereiche. Meist handelt es sich nicht urn gewohnte oder gar Routineprozesse, so dafi vorhandene organisatorische Regelungen selten angewendet werden kónne. Oft empfiehlt sich eine Festlegung zustimmungspflichtiger Gescháfte (Investitionsgrenzen, Anderung des Produktionsprogramms, Vertrage mit neuen Gesellschaftern). • Konfliktmanagement: Wie soil bei grófieren Konflikten verfahren werden, die sich nicht ohne weiteres intern regeln lassen? Soil ein externer Schiedsrichter bestellt werden? Dabei ist darauf zu achten, dal? er in Status und Kompetenz von beiden Seiten anerkannt wird. • Auflósung des JV: Fur den geplanten oder ungeplanten Fall der Auflosung des JV sollte unbedingt u. a. geregelt werden, was mit dem Firmenmantel geschieht und wie das Vermógen des JV desinvestiert werden soil. Es ist dringend anzuraten, sich bei der Vertragsgestaltung juristisch beraten zu lassen, da das, was dem deutschen Partner im deutschen Recht gángig und vertraut ist, in einem fremden nationalen Recht ganz anders geregelt sein kann. Wenn man solche Abweichungen erst im Problemfall entdeckt werden, ist es vielleicht fur Anderungen zu spat. Insgesamt ist wichtig, sich nicht auf verbale Erklárungen des Partners zu verlassen. Solange keine Konflikte auftauchen, ist dies nicht so wichtig, aber wenn die Harmonie gestort ist, wiinscht man sich, man hátte bestimmte Aspekte lieber schriftlich fixiert. Ein kritischer Punkt ist die Sprache. In unserem Beispielfall wurde Deutsch direkt in Chinesisch iibersetzt und umgekehrt, aber man kann nie sicher sein, dal? die Übersetzung korrekt ist. Oft gibt es kein passendes Wort fiir den deutschen Begriff, insbesondere bei technischem und juristischem Vokalular. Oder der Übersetzer kann den feinen Unterschied zwischen Eigentum und Besitz oder zwischen Garantie und Biirgschaft nicht nachvollziehen und iibersetzt <frei> nach seiner Interpretation. Gángig ist auch, dafi der verbindliche Vertragstext in einer dritten Sprache erstellt wird, z. B. in Englisch. Bei schriftlichen Vertrágen ist in jedem Fall anzuraten, aus dem fremdsprachlichen Text eine Riickiibersetzung ins Deutsche anfertigen zu lassen, um eine weitestgehende Kongruenz zwischen verschiedensprachlichen Textfassungen sicherzustellen. In China ist es schwierig, schriftliche Vertráge zu verandern; die oft erst nach miihsamen Verhandlungen vereinbarten Formulierungen gelten zunáchst als unantastbar. In anderen Landern z. B. in Indien oder Thailand beginnen die Verhandlungen erst richtig, sowie der Vertrag unterschrieben ist. Zu 5: JV-Satzung Neben dem JV-Vertrag wird oft noch eine Satzung (Statut, articles of association, statute) vereinbart. Diese wird z. B. gegenüber Behórden verwendet, da der Basisvertrag auch Details enthalten kann, die nicht fiir Externe bestimmt sind. Die Satzung kann dann z. B. als Grundlage fiir staatliche Genehmigungs- oder Registrierungsverfahren dienen. <?page no="86"?> 64 B Marktauswahl und MarkterschlieRung Zu 6: Zusatzvereinbarungen, Ergánzungen Meist wird der JV-Vertrag durch Anhange ergánzt, um den Vertragstext frei zu halten von platzraubenden Detailregelungen, z. B. (Investitionsvertrag, Know-how-Vertrag, Kreditvertráge, Lizenzvertráge, Lieferverpflichtungen usw.). Nach der Unterzeichnung der Vertráge kónnen die formalen Schritte zur Errichtung des JV eingeleitet werden: Zu 7: Registrierung und 8: Gewerbeerlaubnis Die vorangehenden Schritte sind Voraussetzung dafür, dal? das JV bei den zustándigen Behórden entsprechend der lokalen Formvorschriften registriert werden kann. Dies setzt meist ein vorangehendes Priifverfahren voraus und kann erhebliche Zeit beanspruchen. Um Formfehler zu vermeiden, sollten auch hier kompetente Sachverstandige (Juristen) einbezogen werden. Beispielsweise ist China auch das Land der 1000 Stempel, weil man fur jeden einzelnen Aspekt Behórden aller Art bemühen muS. Überhaupt haben Stempel in China eine so hohe Bedeutung, wie sie bei uns in diesem AusmalS unbekannt ist: Stempel miissen fiir bestimmte Zwecke - Schecks, Wechsel, offizielle Korrenspondenz etc. behórdlich registriert sein. Man kann also nicht einfach irgendwelche Firmenstempel verwenden. Es ist sinnvoll, mit den zustándigen Behórden so früh wie móglich Kontakt aufzunehmen, um keine Aspekte zu iibersehen. In manchen Lándern wird man sich fur Deutsche (meist) ungewohnt auch darauf einstellen miissen, daf> es iiblich ist, dabei kleine Freundlichkeiten oder Gefálligkeiten einzubringen platt gesagt: zu bestechen -, wenn man den GenehmigungsprozeS nicht verzogern oder gar blockieren will. Wir gehen in diesem Buch an verschiedenen Stellen auf Korruption ein; vgl. das Stichwortverzeichnis. Wenn alies gutgeht, erhált das JV schlieSlich Zulassung und Gewerbeerlaubnis. In unserem Beispielfall vergingen zwischen der anfánglichen Idee und dem Start der Gescháftsaktivitáten ungefáhr 18 Monate nicht zu lang fiir einen ziemlich komplizierten ProzeS. GróSere Vorhaben, fur die móglicherweise noch kartellrechtliche Fragen geklárt werden miissen, kónnen leicht erheblich lánger dauern. B-6.8.6. Management des Joint Venture B-6.8.6.1. Allgemeine Erfahrungen • Ein Joint Venture ist mehr ein LernprozeE als ein PlanungsprozeS. Man muS mit vielen Unsicherheiten leben, weil viele Aspekte der Zusammenarbeit nicht vorab geregelt werden kónnen und offenbleiben miissen. Das Management wird daher gewóhnlich den Prinzipien des Management by Objectives (MbO) und des Management by Exceptions (MbE) folgen. • Üblicherweise ist ein JV zeitlich begrenzt. Der Erfolg oder MiEerfolg kann erhebliche Riickwirkungen auf die Mutterunternehmen der Parmer haben, da ein JV in die Managementstrukturen und -prozesse integriert sein sollte. • Mit Beginn des JV verlieren die Partner einen Teil ihrer bisherigen Unabhángigkeit und Flexibilitát. Sehr oft kommt ein JV nach wenigen Jahren <in rauhes Wasser>, weil die Auf- <?page no="87"?> B-6. Markteintrittsformen 65 merksamkeit und die Kontrollintensitát nach einer Anfangsphase nachlassen. Dadurch kann eine Controllingliicke entstehen. Trotz einer groSen Dunkelziffer láfit sich feststellen, dal? die Quote unbeabsichtigter Auflósungen und Liquidationen von JV relativ hoch ist. Manche sagen, dafi es nicht die Frage ist, ob ein JV scheitert, sondern wann. B-6.8.6.2. Erfolgsfaktoren Einige Erfahrungen beziiglich Erfolg oder MiEerfolg von Joint Venture lassen sich verallgemeinern; Abb. B-6/ 19 fast sie zusammen. • Wichtig ist, dal? die strategischen Interessen und operativen Ansichten der Partner kompatibel sind (der <fit>). Der bereits zitiert Konflikt zwischen langfristig orientierten strategischen Interessen des einen und der Vorliebe fur <quick money> des anderen Partners ist gefáhrlich. Dies gilt analog, wenn ein Partner kommerzielles Controlling betont, der andere aber mehr auf technische Effizienz Wert legt. Schwierig ist auch, wenn die Partner unterschiedlich auf sich verandernde Rahmenbedingungen reagieren wollen, z. B. wenn einer nicht bereit oder in der Lage ist, eine Nachfinanzierung zu akzeptieren. • Die Integration unterschiedlicher Unternehmenskulturen unter einem neuen Dach ist eine zentrale Herausforderung und erfordert hohe Sensibilitát auf beiden Seiten. Mit zunehmender Anzahl der Partner erhóht sich das Konfliktpotential. JV sind zudem ein Balanceakt zwischen Partnern und Konkurrenten. • Ein weiter, loser Ansatz ist besser als ein enges Konzept. • Grundsatzlich sollte eine Win-win-Situation bestehen, von der -beide Partner profirieren und mit der sie zufrieden sind. • Das Stárke- und Kráfteverháltnis sollte ausgewogen sein. Bei ungleichen Partnern besteht eine Tendenz, daí? der stárkere den schwácheren aufkauft. Je heterogener die Partner sind, desto gróSer sind die <Zentrifugalkrafte>: Dreiviertel der aufgelósten JV wurden durch Übernahmen beendet. Auch bei anfánglich komplementárer Abhángigkeit (Kapital und Technik beim einen, Landeskenntnis beim anderen Partner) wird oft einer der beiden starker und unabhángiger und braucht die Zusammenarbeit immer weniger. Oder: Der <Know-how-Partner> ist nicht (mehr) bereit, Know-how-Transfer zu leisten. Industriespionage ist auch in JV nicht unbekannt. • Guter Wille und voller Einsatz auf beiden Seiten sowie Verstandnis und Vertrauen sind wichtige Erfolgsvoraussetzungen, ebenso wie eine gegenseitige Lembereitschaft und die Bereitschaft, kulturelle Unterschiede zo akzeptieren und zu tolerieren. In sehr vielen JV sind Entscheidungen nicht auf die formalen Anteilsverháltnisse gegriindet, sondern erfolgen im gegenseitigen Einvernehmen. • Ungewohntes lokales Arbeitsrecht oder ungewohnte lokale Traditionen und Mentalitaten kónnen westliche Partner leicht in schwierige Situationen bringen. Die Existenz eines von beiden Seiten akzeptierten Konfliktmanagement hilft hier ebenso wie bei unterschiedlichen Vorstellungen beziiglich Investitionen, Marketingpolitik oder Gewinnverteilung. • Das JV darf nicht nur auf der Leitungsebene beschlossen und getragen werden. Wichtig ist, daS das auch mittlere Management <dahintersteht> und sich dementsprechend engagiert. Dies setzt Integration, Information und Transparenz voraus. Mitarbeiter, die von der Zusammenarbeit nicht überzeugt sind, kónnen zu verdeckten Hemmnissen werden. <?page no="88"?> 66 B Marktauswahl und MarkterschlieGung • Unterschiedliche Managementstile sind ungiinstig. Vor allem kleine und mittlere Partner sind oft an «/ am the bossl» gewóhnt und schwer fur Teamarbeit zu begeistem. • Nicht selten sind die operativen Managementkapazitáten unzureichend oder ungleich (Kompetenz und Erfahrung). Im Bereich Rechnungslegung und Bilanzierung kónnen Transparenzprobleme auftreten, weil der eine Partner z. B. die chinesischen Belege nicht lesen kann. • Giinstig ist, wenn die Strukturen und Prozesse so wenig wie móglich von den Gewohnheiten der Partner abweichen. • Harmonierende Wertvorstellungen (Normen) kónnen in gegenseitiger Sympathy resurtieren und sind ein wichtiger Stabilisierungsfaktor. Kulturelle Differenzen kónnen zu MiSverstándnissen, Spannungen und persónlichen Konflikten fiihren; die «Chemie» mufi stimmen. (In einem Fall wurde unlángst ein westlich orientierter Manager auf der Partnerseite durch einen konservativ-asiatisch denkenden ersetzt, und das Projekt geriet in starke Schieflage). Nach diesem Fallbeispiel gehen wir in den folgenden Abschnitten auf einige Aspekte des internationalen Marketing ein. B-7. Internationaler Marketing-Mix B-7.1. Internationajes Marketing/ intemationales Management Die Abgrenzung zwischen internationalem Management und internationalem Marketing ist fliefiend; zumindest ist die Schnittmenge jedoch sehr groS. Der Sprachgebrauch ist in Literatur und Praxis uneinheitlich und hángt oft auch vom eigenen professionalen Schwerpunkt ab: Ein <hauptberuflicher> Marketingmann neigt eher dazu, Marketing als Oberbegriff fur alie auslandsbezogenen Funktionen zu sehen, wahrend andere Manager das Marketing als Teilaufgabe des internationalen Management z. B. neben Produktentwicklung, Produktion oder Finanzierung verstehen. Auch in diesem Buch wird Marketing ein wenngleich sehr wichtiger - Funktionsbereich neben anderen verstanden. Internationales Marketing/ Management ist eine Querschnittsfunktion, die eine strategische Integrations- und Orientierungsfunktion ausiibt und mit alien Unternehmensfunktionen verzahnt sein sollte. Oberziel eines Unternehmens ist immer, durch den Verkauf seiner Produkte (incl. Dienstleistungen) Geld zu verdienen. An diesem Oberziel müssen sich alie Unternehmensfunktionen orientieren. Marketing bezieht sich auf Überlegungen und Handlungen, die sich bewuEt auf den Markt (market) beziehen, vorrangig auf den Verkaufsmarkt, aber daraus abgeleitet auch auf den Einkaufsmarkt. Dies umfaSt die Erkundung potentieller Márkte, ihre ErschlieEung durch Ansprache des Kundenpotentials, Gestaltung eines entsprechenden Produktangebots sowie Wahl bestimmter Markteintrittsstrategien (z. B. unabhángig oder in Kooperation mit anderen Unternehmen), die Marktpflege (z. B. durch Information und Service) sowie überlappend damit die Markterweiterung durch Gewinnung neuer Kundengruppen. Abstrakter gesprochen umfafit Marketing Anbahnung, Aufbau und Pflege sowie Abwicklung aller Markttransaktionen und sollte daher keineswegs gleichgesetzt werden z. B. nur mit Marktforschung oder Werbung. <?page no="89"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 67 Abb. B-6/ 19: Einige Erfolgs- und MiGerfolgefaktoren Positiv Kompatible strategische Interessen und operative Vorstellungen Ein weiter Ansatz ist besser als ein enges (detailliertes) Konzept Win-win-Situation Komplementare Vorteile Ausbalancierte Stárken Engagement, voller Einsatz, gegenseitiges Verstándnis und Vertrauen Promoter mit Einsatz und Engagement auf beiden Seiten, Überzeugtes mittleres Management Übereinstimmung von Werten und Vorstellungen (Normen) Gegenseitige Bereitschaft zu lernen und kulturelle Unterschiede zu akzeptieren Effizientes Konfliktmanagement Negativ Langfristige Strategie vs. <schnelles Geld> heterogene Partner -> zentrifugale Kráfte Management-Cegensátze/ -Konflikte z. B. kaufmannisches Controlling vs. technische Effizienz Unterschiedliche Managementstile Unzureichende operative Steuerungsmoglichkeiten Unterschiedliche Reaktionen auf Veránderungen Unzureichende Managementkompetenz Kulturelle Cegensatze CHINA - Kostgn für Gemginschaftsupterpghrnfln steigen tagMgh. oft auc-h unkontroilierbar - Per gesetzliche Rahmen wird ausgefüllt und damit stabiler Der Problemkatalog für Joint Ventures ist noch lang Im intemationalen Marketing werden Kenntnisse, Erfahrungen und Fáhigkeiten eingesetzt, die genauso auch fur das nationale Marketing von Bedeutung sind. Sie sind jedoch stándig hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit im Ausland zu iiberprüfen. Zum anderen kommen Aspekte hinzu, die sich spezifisch aus dem Auslandsmarkt ergeben und für das nationale Marketing in dieser Form nicht von Bedeutung sind, z. B. andere Kriterien bei der Produktgestaltung oder der Werbung oder andere Vertriebs- oder Wettbewerbsstrukturen. Folglich kónnen die in einzelnen Márkten gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen weder <?page no="90"?> 68 B Marktauswahl und Markterschlieftung ohne weiteres auf andere iibertragen werden (beispielsweise im Hinblick auf die optische Gestaltung von Produkten), noch pauschal untereinander verglichen werden. Unterschiede ergeben sich meist auch beziiglich der Verfiigbarkeit von Marktdaten, sowohl quantitativ als auch hinsichtlich ihrer Zuverlássigkeit. In Deutschland gibt es spezialisierte Dienstleister, die Marktdaten erheben und anbieten. Dies ist im Ausland oft sehr viel weniger ausgeprágt, wenn man einmal von Márkten wie den USA absieht. Im internationalen Marketing mul? daher oft sehr viel mehr mit Annahmen und mit Trial and Error gearbeitet werden. Solide Erfahrungen im nationalen Marketing sind eine der Erfolgsvoraussetzungen im internationalen Bereich. Die Ausgestaltung und die Kombination der zur Verfiigung stehenden Marketinginstrumente (Marketing-Mix) unterscheidet sich jedoch oft deutlich von den im Heimatland gewohnten Erkenntnissen. Insbesondere werden sie von lánderspezifischen Gegebenheiten des Ziellandes beeinfluBt. Hierzu záhlen neben rechtlichen und administrativen Besonderheiten (technische Normen, Umweltschutz, Verbraucherschutz, Importvorschriften) in erster Linie EinfluSfaktoren, die sich aus Kultur, Sprache, Religion, Tradition und Mentalitát ableiten. Das Umgehen mit diesen Faktoren wird auch als interkulturelles Marketing oder interkulturelles Management bezeichnet (Abschnitt C-3). B-7.2. Strategisches und operatives Marketing Das strategische Marketing ist langfristig orientiert. Aus den grundsátzlichen strategischen Marketingentscheidungen u. a. die Produktfelder (Giiterpalette), der Unternehmensstandort und die zu bedienenden Auslandsmarkte leiten sich auf der mittel- und kurzfristigen Ebene des operativen Marketing Vorgaben fur die Absatz- und Vertriebsplanung ab. Hieran orientiert sich die Produktionsplanung und daran die Beschaffung, woraus sich wiederum Vorgaben fur die Investitions- und die Finanzplanung ergeben: Strategische Grundsatzentscheidungen werden somit auf die operativen Ebenen <heruntergebrochen>. Gelegentlich wird in der Literatur noch zwischen taktischen und operativen Aspekten unterschieden, was wir hier nicht vertiefen wollen. Bei náherer Betrachtung ergeben sich Differenzierungen hinsichtlich der Art der zu vermarktenden Giiter. Daher unterscheidet man u. a. Konsumgütermarketing (business-toconsumer marketing, B2C), Investitionsgütermarketing (Industriegiitermarketing, businessto-business marketing, B2B), Handelsmarketing und Dienstleistungsmarketing. In zunehmendem Mal? e entwickeln auch Stádte und Gemeinden, Sportvereine oder Parteien Marketingkonzepte (Non-Business- oder Now-íVo/ íí-Marketing). Bei Betonung von Umweltaspekten spricht man heute von Okomarketing (Eco-marketing). Grundsátzlich steht der Kunde als Abnehmer der Produkte im Mittelpunkt. Die Kunden sind der Markt; sie entscheiden über den Erfolg des Unternehmens, und alie Marketingentscheidungen sollten sich hieran orientieren. Nicht selten wird Marketing in der Literatur daher implizit auch nur als Absatzmarketing interpretiert, so daf? das Beschaffungsmarketing als Spezialgebiet angesehen wird (Abschnitt B-7.4). Auch im folgenden steht die Exportorientierung im Mittelpunkt. Zudem hat sich das interne Marketing innerhalb des eigenen Unternehmens zu einem wichtigen Arbeitsfeld entwickelt, d. h. z. B. der <Verkauf> der Unternehmensziele und -strategien an die Mitarbeiter und Aufbau und Pflege eines Zusammen- <?page no="91"?> B-7. Intemationaler Marketing-Mix 69 gehorigkeitsgefiihls (Corporate Identity), wobei das interne Untemehmensimage mit dem externen übereinstimmen sollte. In Praxis und Wissenschaft konnte man in der Vergangenheit beobachten, wie sich Marketing) immer mehr spezialisierte und differenzierte. Dies vollzog sich teilweise auch nur auf der sprachlichen Ebene, wo neue meist anglophone - Begriffsprágungen inhaltlichen Fortschritt behaupteten, oft jedoch nur alten Wein in neuen Schláuchen anboten. Ein grundsátzliches Phánomen des internationalen Marketing besteht zudem darin, dai? «Marketing» Element einer Unternehmensphilosophie ist, die originar im US-amerikanischen Kulturkreis entwickelt wurde und nach und nach in anderen Lándern übernommen wurde. Nicht nur die Instrumente des Marketing, sondern auch zentrale Konzepte wie Produktzyklen, Markentreue, wahrgenommene Risiken etc. sind oft amerikanischen Ursprungs. Daher stellt sich immer die Frage nach der interkulturellen Anwendbarkeit solcher Konzepte. Auch in der Marktbeobachtung ist zu beriicksichtigen, daS das Instrumentarium fur auslándische Markten <justiert> werden mufi. Ordinale MeSskalen (z. B. «ungeniigend mangelhaft ausreichend befriedigend gut sehr gut») kónnen zwar verbal iibersetzt werden, doch gilt nicht unbedingt, daS die Distanz zwischen diesen Wertungen so wie bei uns empfunden wird. Befriedigend mul? nicht gleichwertig mit satisfactory, moyen oder medio sein. Daher sollte hinreichend Zeit in die Verifizierung der lokalen Wertekategorien investiert werden, was in der Praxis nicht immer geschieht. 19 Die Entwicklung einer Marketingstrategie fur Auslandsmárkte ist ein komplexes Unterfangen und impliziert eine Vielzahl von Veránderungen, die sowohl unternehmensintern als auch extern Probleme hervorrufen kónnen personelle, organisatorische, finanzielle, rechtliche und andere Probleme. Die hier notwendige Beschránkung auf ausgewáhlte Aspekte sollte hierfiir nicht den Blick verstellen. B-7.3. Adaption des Marketing-Mix Planung, Kombinantion und Koordination sowie Kontrolle der Instrumente, mit denen der Verkauf der abzusetzenden Produkte gefordert werden soil, wird als Marketing-Mix bezeichnet. Den Untemehmen stehen im internationalen Marketing mit der Produktpolitik, der Distributionspolitik, der Kommunikationspolitik und der Preispolitik die gleichen Instrumente zur Verfiigung wie im nationalen Marketing. In der anglophonen Literatur werden diese vier Instrumente auch als die <4P> bezeichnet: product, price, place (sinngemáS: Distributionspolitik), promotion (in etwa: Kommunikationspolitik). In vielen Márkten kommen noch 2 P's hinzu: politics und public opinion, wodurch das Marketing zum Mega-Marketing 20 wird: Bei groSerem Auslandsengagement kann es erforderlich sein, Unterstiitzung auf der politischen Ebene des Gastlandes zu haben (politics), beisielsweise wenn sich konkurrierende Unternehmen um Investitionsgenehmigungen oder Lizenzen bemiihen. Ob und inwieweit das dabei fast durchgángig anzutreffende Phánomen von <nützlichen Aufwendungen> (N. A., vulgo: Korruption) ein Marketinginstrument ist, soil hier nicht vertieft werden. Die óffentliche Meinung (public opinion) spielt " Usunier, Jean-Claude I Walliser, Bjórn, Interkulturelles Marketing, Wiesbaden 1993, S. 84. 20 Kotler, Philip, Marketing-Management: Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung, 9. Aufl. 1999, S. 588. <?page no="92"?> 70 B Marktauswahl und MarkterschlieGung dabei sehr oft eine wichtige Rolle, und es gibt viele Beispiele, wo Unternehmen durch den Bau von Firmenwohnungen oder Sponsoring von Schulen, Krankenhausern, Umweltprojekten oder des Sports ihr Image verbessern und den Absatz ihrer Produkte fórdern wollen. B-7.3.1. Unterschiedliche <Zentrierungen> Ob auf dem auslándischen Markt der gleiche oder zumindest ein áhnlicher Marketing-Mix anzuwenden ist wie im inlándischen Markt, hángt vom Standardisierungsgrad ab. Standardisierung ist in zweierlei Hinsicht zu verstehen: zum einen als Vereinheitlichung der Marketinginstrumente, zum anderen aus der Sicht des Abnehmers, indem das Frodukt fur unterschiedliche Marktteilnehmer den gleichen Nutzen, den gleichen Wert und die gleiche Bedeutung besitzt. Bei vollstándigem Standardisierungsgrad im letzteren Sinne sind die Eigenschaften des Produktes weltweit gleich bzw. werden von den Kunden weitgehend gleich beurteilt (wie vielleicht Handys, Windows-Software, Waschmaschinen oder Kameras). Konsequenterweise kann dann auch fur die verschiedenen Zielmárkte ein weitgehend einheitlicher Marketing-Mix angewendet werden. Als anderes Extrem mufi bei vólliger Differenzierung praktisch fur jedes Absatzgebiet ein eigener Mix erarbeitet werden. Meist gilt als Faustregel: Soviel Standardisierung wie móglich, soviel Differenzierung wie nótig. Bei der Produktpolitik ist der Grad der Standardisierung pauschal gesehen am hochsten, wáhrend bei der Preispolitik die stárksten Differenzierungen vorliegen. Aber auch in der Kommunikationspolitik sind meist unterschiedliche Ansátze angebracht, die spezifisch auf die von Land zu Land verschiedenen Kaufersegmente abgestimmt sind. So wird beispielsweise in der Autowerbung bei manchen Autos in Skandinavien mehr der Sicherheitsaspekt betont, wáhrend in Deutschland beim selben Modell Eleganz und Exklusivitát im Vordergrund stehen. Tendenziell fórdert die Werbung im Internet eine weitreichende Standardisierung. Je nach dem Grad der Differenzierung der Marketingstrategie fur die Zielmárkte werden vier Falle unterschieden. 21 In Abschnitt C-l werden daraus resultierende organisatorische Überlegungen angesprochen. • Für viele Unternehmen, insbesondere für KMU, bietet sich ein ethnozentriscb.es Management- und Marketingkonzept an, bei der die Überlegungen, die fur den Heimatmarkt im Inland gelten, auf das Ausland übertragen werden. Eine ethnozentrische Orientierung findet sich typischerweise bei Unternehmen, die ihre Produkte so wie sie sind auch im Ausland verkaufen, also keine für das Ausland spezifischen Produkte oder Produktvarianten anbieten. Grundsátzlich ist aber davon auszugehen, dal? die Káuferstruktur auf auslándischen Márkten sich von der vertrauten heimischen Struktur unterscheidet. Natürlich ist es problematisch, Lánder bzw. Vólker pauschal zu klassifizieren, doch gibt es Untersuchungen wie die Ewrosty/ e-Analyse 22 , die <typische> Charakteristika für 15 europáische Lándern herausarbeiten. Beispielsweise wird für GroíSbritannien und Belgien eine hóhere Konzentration von innovativen, risikobereiteren und Neuerungen aufgeschlossenen Káufern ausgewiesen als für Deutschland oder Frankreich. Solche und andere Unterschiede müssen berücksichtigt werden. 21 Perlmutter, H. V., Multinational Organization Development, Reading 1979. 22 GfK Lebensstilforschung, The Light Blue Book, Niirnberg 1990. <?page no="93"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 71 • Ein polyzentrisches Konzept, welches die spezifischen Besonderheiten der Auslandsengagements individuell und differenziert beriicksichtigt und beispielsweise auch ein lánderspezifisches Produktprogramm bedeutet, ist erst von einer gewissen UnternehmensgroEe an sinnvoll. Im Mittelpunkt steht die Kundenorientierung, beruhend auf entsprechender Erkundung der auslándischen Zielmárkte. • Eine Zwischenform stellt ein regiozcntrisches Konzept dar, das sich auf eine relativ homogene Lándergruppe orientiert (z. B. Nordafrika oder Zentralamerika). Dabei handelt es sich meist urn ein Produktangebot, daszwischen den einzelnen Teilmarkten der Region wenig differenziert ist. • Als geozentrische Orientierung schlieSlich bezeichnet man ein weltweit gespanntes, globales Managementkonzept (global management 1 *). Dabei sind zwei Ebenen zu unterscheiden: Die geographische globale Dimension umfaftt auch das weltweite Ausnutzen von Produktions- oder Beschaffungsvorteilen in verschiedenen Lándern: Es wird eingekauft, wo es am giinstigsten ist, und verkauft, wo sich Chancen bieten. Parallel dazu gibt es die Ebene der Standardisierung: Ein globales Managementkonzept beruht in der Regel auf standardisierter Produktion, wobei man aber eine in gewissem Sinne lánderübergreifend áhnliche Zielgruppe anvisiert (globale Kernmárkte bzw. Marktsegmente, z. B. Yuppies oder EDV-Anwender) und Marktchancen in beliebigen Lándern ausnutzt. Ethnozentrische und geozentrische Konzepte sehen die Welt zwar aus verschiedenen Blickwinkeln, führen aber zu sehr áhnlichen, vereinheitlichenden Konsequenzen. Tendenziell erschwert Anpassung (Adaptation) an Besonderheiten des auslándischen Marktes das Marketingmanagement und bedeutet hóhere Kosten und damit tendenziell auch hóhere Preise. Marke, Positionierung, Werbebotschaft, Kundendienst und Garantien lassen sich eher standardisieren als Absatzwege, Verkaufsorganisation, Preise, Rabatte und Werbemedien, aber auch dies hángt vom konkreten Fall ab. Produktionstechnisch lassen sich Adaptationsmóglichkeiten teilweise durch ein Baukastenprinzip oder Module verwirklichen, mit denen globale Basismodelle (Produktkerne) variiert werden kónnen (z. B. bei Baumaschinen: Caterpillar). Andererseits haben bestimmte Produkte gerade wegen ihrer auslándischen Provenienz besondere Marktchancen (deutsche Automobile, franzósische Parfums). Durch international immer áhnlicher werdende Kundenwünsche und sich angleichende Produktstandards (insbesondere durch Übernahme westlicher Konsumgewohnheiten und Modetrends) nehmen die kulturellen Differenzen ab. Ein interessanter Aspekt ist dabei das Product Placement in Filmen oder Fernsehserien, die in vielen Lándern ausgestrahlt werden. Dadurch werden die Márkte zunehmend homogenisiert (der Held fáhrt bevorzugt mit xy- Sportwagen, trinkt xz-Whiskey und raucht zw-Zigaretten), und es besteht wie erwáhnt in einigen Sektoren eine Tendenz zu geozentrischen Strategien mit entsprechenden Standardisierungen. Wenn Qualitát und Preis eines Produktes iiberzeugen, belegt die Erfahrung, dai? die Verbraucher auch Veránderungen ihrer eige'nen, traditionellen Konsumstruktur vornehmen und standardisierte <Weltprodukte> akzeptieren. Dies eróffnet Chancen, um durch Mengenwachstum Kostendegressionen auszunutzen. In vielen Branchen ist jedoch auszugehen von deutlich unterschiedlichen Verhaltensmustem der Konsumenten, abweichenden Normen, technischen Standards und Zulassungsverfahren 23 So bereits Porter, Michael £., Competitive Strategy, New York 1980, S. 275. <?page no="94"?> 72 B Marktauswahl und MarkterschlieRung sowie von abweichenden Wettbewerbsstrukturen, so daS der Standardisierung Grenzen gesetzt sind. In der Praxis wird man wie so oft auch hier háufig einen goldenen Mittelweg zwischen Standardisierung und Differenzierung anstreben. Wáhrend im Konsumbereich eher von einem standardisierbaren Breitengescháft auszugehen ist, haben im Investitionsgüterbereich kundenspezifische Auftráge, Variationen und Projekte eine zentrale Bedeutung. Solche Unterschiede wirken sich auf die Produktpolitik, die Preisfindungsstrategien, die Distribution und die Kommunikationspolitik aus. Es wurde schon betont, da£ interkulturelle Unterschiede einen ganz zentralen Aspekt des internationalen Marketing darstellt. Hinzu kommen auch Unterschiede in der funktionalen Bedeutung von Produkten: Wáhrend bei uns ein Fahrrad vorrangig ein Produkt fur Freizeit und Sport ist, stellt es in vielen Lándern ein wichtiges Transportmittel dar. Dies ist sowohl in der Produktgestaltung zu berücksichtigen als auch in der Kommunikation mit dem Kunden. B-7.3.2. Produkt- und Programmpolitik Zur Entwicklung einer internationalen Marketingstrategie wird im Rahmen der Produkt- und Programmpolitik festgelegt, welche Produkte oder Dienstleistungen sich für eine Internationalisierung anbieten. Beispielsweise wird die Produktpalette von Untemehmen aus Industrielándern für Entwicklungslándermárkte im Vergleich mit dem europáischen Produktangebot oft reduziert. Neben der Art der anzubietenden Giiter hinsichtlich Produktdifferenzierungen und -varianten (Sortimentspolitik, Qualitátspolitik) sind fur die Produkt- und Programmpolitik Faktoren von Bedeutung wie Ausstattungskomponenten (Farbe, Kennzeichnung), Markenpolitik (Markennamen, Markenzeichen), Verpackung und Service. Die Grenze zur Kommunikationspolitik ist dabei nicht immer eindeutig zu ziehen. Bei der Produktgestaltung muS kulturellen Besonderheiten, dem NationalbewuEtsein, der Bedeutung von Farben und Symbolen und vielen anderen Aspekten besondere Beachtung geschenkt werden. Nicht selten iibertragen Unternehmen ihre strategischen Vorstellungen aus dem Inland oder aus anderen Lándern, in denen sie bereits tátig sind, auch auf neue Márkte. Beispielsweise sind deutsche Unternehmer meist deutlich auf Qualitát und Qualitátskontrolle eingeschworen. Hinsichtlich der Produkt- oder Programmpolitik ist dies sicherlich vóllig in Ordnung, nur sollte der wichtige Bereich des <Verkaufens> dieser Produktargumente nicht vernachlassigt werden. Obgleich beispielsweise die USA ein Land des strengen Verbraucherschutzes sind, orientieren sich die Kunden oft aber sehr viel deutlicher am Preis als an nicht immer erkennbaren hohen Qualitatsstandards (vielleicht abgesehen von Autos). Diese müssen dann kommuniziert werden. B-7.3.2.1. Standardisierung und Differenzierung Ein zentrales Entscheidungsproblem im internationalen Marketing bezieht sich darauf, ob man unterschiedliche Márkte standardisiert oder differenziert erschlieSen will. Wenn man vereinfachend nur die Produktpolitik und die Kommunikationspolitik betrachtet, lassen sich fünf Falle der Standardisierung bzw. Differenzierung unterscheiden (Abb. B-7/ 1). • Im einfachsten Fall wird das gleiche Produkt wie im Inland mit der gleichen Kommunikation unverándert auf den Auslandsmarkt übertragen. Dies kann differenzierten Kon- <?page no="95"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 73 Abb. B-7/ 1: Standardisierung und Differenzierung Business as usual Einfache Anpassung Einfache Anpassung Zweifache Anpassung Simultane Innovation Produkt unverándert unverándert angepaftt angepafct neu Kommunikation unverándert angepaftt unverándert angepaftt neu sumgewohnheiten nicht gerecht werden und ist nur bei Giitern anwendbar, bei denen die Substitutionskonkurrenz gering ist, d. h. daS man nicht so leicht von Konkurrenzprodukten verdrángt werden kann. Wenn sich dies ais Fehleinschátzung erweist, dürften die Kostenvorteile aufgrund der «einfachen» Markteinfiihrung schnell dahinschmelzen. • Im zweiten Fall ist das Produkt standardisiert, aber die Kommunikation wird an den Auslandsmarkt angepaEt (einfache Anpassung bzw. einfache Innovation), indem insbesondere bestimmte Werbestilmittel verwendet bzw. nicht verwendet werden (beispielsweise indem erotische Assoziationen in bestimmten Landern vermieden werden). • Der dritte Fall ist analog, bei dem das Produkt an den Auslandsmarkt angepaEt wird und die Kommunikation standardisiert wird (gleichfalls eine einfache Anpassung), z. B. durch unterschiedliche Geschmacksnuancen fur <Hamburger>-Saucen, Pulverkaffee oder Abgaswerte bei Autos. Wie schon erwáhnt, fiihrt die Werbung im Internet zu einer tendenziell standardisierten Kommunikation. • Im vierten Fall findet eine zweifache Anpassung auf beiden Ebenen statt. • Den fiinften Fall schlieSlich bildet eine vollstándig neue, lánderspezifische Produktentwicklung mit neuer, lánderspezifischer Kommunikation sicherlich ein schwieriger Ansatz. EXKURS Der McDonald-Wechselkurs: Der McDonald-<Hamburger> wird wegen seiner als weitgehend standardisiert anzusehenden Produktbeschaffenheit ais serióser Indikator für den Vergleich nationaler Preisniveaus und die <Richtigkeit> von Devisen- Wechselkursen verwendet (kein Scherzl). Wenn der Preis in der Schweiz (zum offiziellen Wechselkurs umgerechnet) 40% über und in Polen 70% unter dem US-Preis liegt, láftt sich daraus auf das Verháltnis der allgemeinen Preisniveaus zueinander zurückschlie&en. Nach der sog. Kaufkraftparitátentheorie müftten die Wechselkurse diese Unterschiede widerspiegeln, wáhrend sie in der Praxis natiirlich aufgrund anderer Einfluftfaktoren davon abweichen. B-7.3.2.2. Produktanpassung Die Entwicklung eines Produkts mit globaler Standardisierung ist insgesamt gesehen eher eine Ausnahme; Beispiele sind Fotokameras oder viele Autotypen. Die globale Standardisierung kann sich dabei ais gefáhrlich erweisen, wenn Konkurrenten erfolgreich lander spezifisch differenzierte Varianten anbieten. Bei voUstándigem Standardisierungsgrad hingegen sind die Eigenschaften des Produktes auf <?page no="96"?> 7 4 B Marktauswahl und Markterschlieftung alien Absatzmarkten gleich und werden von den Abnehmern weitgehend gleich beurteilt. In diesen Fallen wird global ein vereinheitlichtes Marketingkonzept (-Mix) angewendet. Aber auch dabei gibt es Nuancen: Coca Cola ist beispielsweise je nach Zielland unterschiedlich gesüEt; McDonald verwendet in Mexico nicht Ketchup, sondern ChilisoEe; die Autofirmen müssen unterschiedliche technische - Ausstattungsvorschriften berücksichtigen; die Barbiepuppe von Mattel hat in Japan angepaEte Proportionen erhalten; Pulverkaffee hat in Deutschland, Frankreich oder den USA unterschiedlichen Geschmack; ein Suppenhersteller variiert dieselbe Tomatensuppe für Italien (cremig) und Kolumbien (pikant); griine Kiihlschránke verkaufen sich in China besser als weiEe, denn die Trauerfarbe ist in China weiE; Trinkgláser sóllten für tropische Márkte groE genug sein, um Eiswiirfel aufzunehmen, etc. Je differenzierter die Produktpalette ist, desto uniibersichtlicher wird sie auch. Manche Unternehmen verwenden für dieselben Produkte verschiedene Namen in den einzelnen Márkten (was aus sprachlichen Gründen nachvollziehbar ist, weil sich der Kunde sonst leicht die Zunge bricht); teilweise unterscheiden sich auch die Produktzusammensetzungen aus ásthetischen oder rechtlichen Gründen (unzulássige Komponenten, z. B. bei Kosmetika oder Arzneimitteln). Ein nicht unerwünschter Nebeneffekt ist, daE solche Unterschiede bei regionaler Preisdifferenzierung - Re-Importe erschweren. Viele Konsumgüter kónnen in armen Lándern nicht in groEen VerpackungsgroEen verkauft werden, weil der Konsument sich das nicht leisten kann. Dann bildet sich sehr oft ein informeller Markt, auf dem beispielsweise Zigaretten oder Maggiwürfel einzeln (zu vergleichsweise deutlich hóheren Stuck preisen) gekauft werden kónnen. In manchen Fallen werden unterschiedliche Produktstandards (Umwelt-, Sicherheits-, technische Standards) unter verschiedenen Namen vertrieben. Wiederum zerflieEt die Abgrenzung zur Kommunikationspolitik. B-7.3.2.3. Dienstleistungen ais Produktergánzung Nicht nur, aber insbesondere im Maschinen- und Anlagenbau stehen neben der Qualitát und dem Preis der Ware weitere Aspekte im Zentrum des Angebots. Qualitativ sind die Produkte vieler Hersteller oft sehr áhnlich; dies gilt auch für die Preisstellung. Zunehmend wichtiger wird eine dienstleistungsorientierte Produktentwicklung, die Komponenten wie Fernüberwachung und Ferndiagnose (Telemetrie) und Steuerung (bei kommunikationsfahigen Maschinen und Anlagen) sowie integrierte Abrechnung (Kostenerfassung) umfaEt. Dies muE oft ergánzt werden durch produktbegleitende Dienstleistungen wie Schulungsangebote und Service fur die Anwender in den Kundenbetrieben. Und last not least muE der Exporteur seinem potentielen Kunden meist auch eine attraktive Finanzierung gleich mit anbieten (vgl. Teil D). Diese ergánzenden Komponenten werden von den Unternehmen nicht immer hinreichend gut vermarktet; die Kommunikations- und Informationspolitik ist oft verbesserungsfáhig. B-7.3.3. Preispolitik, Kostenrechnung Der Preis ist neben dem optischen Erscheinungsbild des Produkts das auffálligste Merkmal des Produkts. Daher kommt der Preispolitik im Konzert mit den anderen Marketinginstrumenten eine sehr wichtige Bedeutung-zu. Grundsátzlich hat der Kunde eine subjektive Vorstellung vom Preis-Leistungs-Verháltnis. Allgemein ist daher wichtig zu wissen, welchen <?page no="97"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 75 Preis der Kunde akzeptiert. Ob ein geforderter Preis durchgesetzt werden kann, hángt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Im Massengescháft wird man durch Erfahrung, Beobachtung, Ausprobieren oder auch Befragung Modifikationen machen kónnen. In Preisverhandlungen mit Einzelkunden bietet es sich an, Verhandlungsspielraum zu haben, ggf. sogar unter Inkaufnahme von Kostenunterdeckungen, um den Kunden zu gewinnen und vielleicht in Anschlufígescháften diese Erstyerluste wieder aufzuholen; das Prinzip der Mischkalkulation ist nicht selten. Neben dem Preis sind auch die Zahlungskonditionen und die Serviceleistungen fur die Akzeptanz des eigentlichen Produktpreises wichtige Aspekte. Allgemein ist zu unterscheiden auf der einen Seite zwischen der Preisfindung bei Einzel- und Auftragsfertigung, oft im Rahmen von Ausschreibungen oder bei individuellen Preisverhandlungen, und auf der anderen Seite der Preissetzung für ein anonymes breites bis Massengescháft, von welchem wir zunáchst ausgehen. B-7.3.3.1. Preisstrategien für auslándische Márkte Die Probleme der Preispolitik gelten grundsátzlich im In- und Ausland; im Ausland kommen jedoch einige erschwerende Faktoren hinzu. Grundsátzlich sollen Preise angeboten werden, die, allgemein gesehen, zu Káufen und zur Erlangung von Auftragen, spezifischer: zur Deckung der auftragsbezogenen Kosten und zur Deckung der gesamten Unternehmenskosten fiihren. Langfristig miissen die Erlóse (Umsátze) alie Kosten, d. h. Fixkosten und variable (proportionale) Kosten (vgl. unten) sowie einen als angemessen erachteten Gewinn abdecken. Die Angemessenheit leitet sich ab aus einem untemehmensintem, d. h. subjektiven Verhaltnis von Gewinn zu Kapitaleinsatz (Rendite, Eigenkapitalverzinsung, Return on Investment [ROÍ 24 ] o. á.). Die Preisbildung ist aber vorrangig kein mathematisch-rechnerisches, sondern ein preis-<politisches> Problem. Verschiedene EinfluSgrofen sind zu beriicksichtigen: Auftragsbestand, Bescháftigungssituation, Kapazitátsauslastung, die eigene Stellung und Verhandlungsmacht am Markt, die grundsátzlich Preisstrategie sowie das Interesse am Kunden. Da die Nachfrage negativ mit der Preishóhe korreliert, mülSte im Idealfall die Preisabsatzfunktion bekannt sein. Dies ist im Gegensatz zur ókonomischen Theorie in der Praxis jedoch allgemein nicht der Fall, auch wenn Erfahrungswerte aus der Vergangenheit oder aufgrund der Marktbeobachtung vorliegen. Eine Absatzprognose ist auf Auslandsmárkten mit besonderen Unsicherheiten verbunden, denn die Marktdaten sind oft unsicher, das Konsumentenverhalten ist anders als im Heimatmarkt und die Belastbarkeit des Verbrau- Return on Investment: G/ K = Gewinn zu eingesetztem Kapital. In der Praxis wird diese Relation zunáchst in die Faktoren (G/ U) * (U/ K) aufgespaltet (U = Umsatz) und die Faktoren wiederum in weitere Komponenten, so daS sich eine Kennzahlen-Pyramide ergibt, mit deren Hilfe sich strategische und operative Aspekte beobachten lassen. In der Praxis gibt es zahlreiche verschiedene ROI-Definitionen, je nachdem, wie Gewinn und Kapital definiert werden, z.B. Jahresiiberschufi oder Bilanzgewinn, Eigen-, Fremd- oder Gesamtkapital usw. Ein verwandter Ansatz ist das Konzept der Balanced Score Card: Von der obersten Zielebene werden Zielvorgaben bis auf die operative Ebene der Arbeiter heruntergebrochen und immer konkreter spezifiziert. Damit soil jedem einzelnen seine Aufgabe z. B. zum Ziel «Kostensenkungum 5% im náchsten Quartal» verdeutlicht und vorgegeben werden. Sinnvoll ist, solche Zielvorgaben mit den Betroffenen gemeinsam zu vereinbaren («Management by Objectives» und «Management by Participation»). <?page no="98"?> 76 B Marktauswahl und Markterschlieftung chers und seine Preisempfindlichkeit (Preis- und Einkommenselastizitat) sind meist nicht bekannt. Viele Untemehmen berücksichtigen diese Unsicherheiten durch pauschale Risikozuschláge, kalkulieren sich dabei aber auch leicht aus dem Markt. Allgemein gibt es kostenorientierte und káuferorientierte Preisstrategien (Abb. B-7/ 2). Bei kostenorientierten Preisfindungsverfahren steht das Ziel im Vordergrund, die Kosten durch entsprechende Kalkuiation des Verkaufspreises zu decken. Dabei wird man sámtliche Kosten summieren und einen als angemessen erachteten Gewinnzuschlag hinzurechnen, der sich aus der erwarteten Mindestverzinsung des eingesetzen Kapitals ableiten wird (ROI) (Boííom-wp-Kalkulation). Dabei kann sich entweder ergeben, daS der so gefundene Preis aus der Sicht des Kunden zu hoch ist und es nicht zum Kauf kommt, oder eine móglicherweise hóhere Zahlungsbereitschaft des Kunden nicht ausgeschópft werden kann. Eine Punktlandung ist eher Zufall. Bei kundenbzw. nacbfrageorientierten Ansátzen hingegen steht gerade die Zahlungsbereitschaft des Kunden im Vordergrund. Dabei kann unter Umstanden auch ein AbschluS zu nicht-kostendeckenden Preisen zustande kommen, um den Kunden nicht zu verlieren (vgl. unten). Eine solche Top-áoi^Tí-Kalkulation geht von einem gegebenen Verkaufspreis aus (der entweder vom allgemeinen Markt oder vom Kunden bestimmt wird). Von diesem Preis aus wird dann heruntergerechnet, welches Kostenniveau noch akzeptabel ware, um einen Mindestgewinn pro Stuck zu realisieren (design to cost), anders formuliert: Was darf das Produkt maximal kosten? Hier geraten Untemehmen leicht in <Kostendruck>. Die strategische Variable ist hier also nicht der Preis, sondern die Kostensumme, und wenn diese nicht zu komprimieren ist: die Gewinnspanne. - Im Massengescháft dominieren Top-down-, im Einzelgescháft Boííow-wp-Preisfindungsmethoden. Gelegentlich findet sich das Miftverstándnis, daft ein Angebotspreis <ab Werk> des Verkáufers (EXW: Ex Works) attraktiver ist ais z. B. ein CIF-Angebot (Costs, Insurance, Freight), d. h. inclusive der Transport- und Versicherungskosten bis zum Bestimmungsort im Importland. Natiirlich ist ein EXW-Preis niedriger als ein CIF-Preis, aber auch bei EXW kommen ebenso natürlich diese Nebenkosten für den Káufer noch hinzu, mit dem Unterschied, daft bei EXW der Káufer die Transport- und Versicherungsvertráge abschlieften muft, wáhrend dies bei CIF dem Verkáuferobliegt. Unterschiede im Bruttopreis kónnen sich allerdings ergeben, wenn Káufer und Verkáufer z. B. unterschiedlich gute Frachtkonditionen aushandeln kónnen. Vgl. zur Auswahl der Lieferbedingungen (INCO- TERMS) ausführlich Abschnitt G-2. Zu unterscheiden ist die erstmalige Festsetzung eines Einfiihrungspreises von der Veránderung des Preises im Zeitablauf. Um einen neuen Markt zu erschliefsen, kann man entweder auf Massenverkauf bei kleiner Gewinnmarge setzen oder auf kleinere Stückzahlen mit hóherer Spanne bzw. auf dazwischen liegende Varianten. Formaler gesprochen, stehen zur Preissetzung die Hochpreisstrategie und die Niedrigpreisstrategie zur Verfugung. 1. Eine Hochpreisstrategie wird auch als Preisfiihrerschaft oder in gewissen Fallen - Abschopfungsstrategie bezeichnet (engl. skimming). Dabei zielt man auf kaufkráftige Marktsegmente bzw. bestimmte Káufergruppen, die breit sind, für gute und bessere Qualitát entsprechend hohe Preise zu zahlen (Práferenzstrategie). Da der Umsatz das Produkt <?page no="99"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 77 Abb. B-7/ 2: Preiskalkulation I I • Preis A Cewinn Kosten Bottom-up \ 1 Preis 1 Gewinn Kosten | Top-down aus Absatzmenge und Preis ist, werden bei einer Hochpreisstrategie tendenziell kleinere Absatzmengen anvisiert (Nischenstrategie) als bei einer Niedrigpreisstrategie, die zwar pro Stuck weniger Gewinn bringt, aufgrund groSer Absatzzahlen aber dennoch einen entsprechenden Umsatz ermóglicht. Bei einer <richtigen> Abschópfungsstrategie wird der Preis dann im Zeitablauf zuriickgenommen, um auch andere Káufergruppen anzusprechen, die nicht bereit waren, den hohen Einfiihrungspreis zu zahlen, und nach und nach <von oben nach unten> abzuschópfen. Beispielsweise werden Bücher ais Neuerscheinungen zunáchst in hochwertiger gebundener Form angeboten, z. B. zum Preis von 19,90 Euro. Und nach geraumer Zeit erscheit dasselbe Buch als Paperback zu 9,90 Euro. Wer also nicht 50 cm representative Kultur für das Buchregal kaufen will, sondern nur den Text, wiirde spontan das Paperback kaufen aber dann muE er ein Jahr warten. Diese Strategic láfSt sich vor allem dann durchfiihren, wenn bei den Produkten ein hoher Neuheits- oder Prestigewert besteht (Luxusgiiter), nur eine geringe Konkurrenz herrscht und eventuell zwar verwandte, aber áhnliche Produkte nebeneinander angeboten werden kónnen, wie z. B. bei verschiedenen Autotypen, die aufgrund des Baukastenprinzips sicherlich nicht immer auch unterschiedliche Preise rechtfertigen. Die Kosten der Produktentwicklung und der Produktionsanlagen quasi-heterogener (weil eben doch áhnlicher) Giiter amortisieren sich durch hohe Anfangspreis oft sehr schnell. Grundsatzlich sind Hochpreisstragegien riskant. Gerade in den emerging markets, den neuen Márkten in Osteuropa, Ostasien und Südostasien, besteht die Gefahr des outpacing: Durch die hohe Gewinnerzielung werden moglicherweise Konkurrenten angelockt (die teilweise eine rigorose Niedrigpreispolitik betreiben, um zunáchst einmal FuS zu fassen), so daE man leicht <überholt>, d.h verdrángt wird (out-pacing), nicht selten durch Produktimitationen oder gar Produktfálschungen. Zudem ist die Preiselastizitát bei sinkenden Preisen oft nicht hoch genug, um den abnehmenden Stiickgewinn durch entsprechend zunehmende Nachfragemengen zu kompensieren. 2. Ganz anders verláuft die Markteroberung bei einer Penetrarionsstrategie. Hier wird der Einfiihrungspreis bewuEt sehr niedrig angesetzt, damit eine moglichst schnelle und breite <?page no="100"?> 7 8 B Marktauswahl und MarkterschlieGung Marktdurchdringung gelingt und Marktsegmente besetzt werden (Niedrigpreisstrategie, Preiskampf, Verdrángungsstrategie, Discount-Strategie). Die Produktionskosten sollen dabei bei niedrigem Stiickgewinn durch hohe Absatzmengen verdient werden, wobei durchaus auch fur eine Übergangszeit Kostenunterdeckungen d. h. Verluste in Kauf genommen werden. Diese Strategic kann nur bei einigermafien áhnlichen (homogenen) Konkurrenzprodukten im Massenmarkt zum Erfolg führen und wird nicht selten bei «me ioo»-Strategien angewendet, wenn Unternehmen dem Beispiel ihrer Konkurrenten folgen und nun auch ins Ausland gehen. Ziel ist zum einen, das Risiko eines Fehlschlages zu reduzieren, und zum anderen, durch die zunáchst geringen Gewinnmoglichkeiten potentielle Mitanbieter vom Marktzutritt abzuhalten. Start «so gut wie moglich» werden Produkte nach der Devise «so gut wie nótig» konzipiert: Es wird nicht die technische, sondern die wirtschaftlich beste Lósung angestrebt (Kostenfiihrerschait). Im Maschinen- und Anlagenbau z. B. wird ein Teil so konstruiert, daté der Gesamtschaden, der bei seinem Ausfall durch Gewahrleistung oder Schadenersatz entsteht, kleiner ist als der Mehraufwand fur ein dauerhafteres Teil. Zu einem spáteren Zeitpunkt wird der Preis fur das Produkt dann erhóht, urn so hóhere Gewinne zu erzielen, oft unter anderem Produktnamen, denn für das marktschreierische Argument «NEUM» zahlt der Kunde in der Regel selten mehr. Im Vergleich zur Skimming-Strategic ist der Amortisationszeitraum einer Investition bei einer Penetrationsstrategie relativ lang. Zudem besteht die Gefahr, dai? die Konsumenten nicht bereit sind, eine spátere Preiserhóhung zu tragen. In der Praxis wird die Penetrationsstrategie vor allem auf Massenmarkten für Verbrauchsgüter eingesetzt. Grundsatzlich sollte sich die Preisstrategie auf eine solide Kostenrechnung stiitzen; dies gilt generell, nicht nur in Auslandsmárkten. Für das wirtschaftliche Überleben jedes Unternehmens ist es wichtig, den <Punkt> zu kennen, der Gewinn- und Verlustzone voneinander abgrenzt. Theoretisch gesprochen ist dies der Break-Even-Punkt (Abb. B-7/ 3), der genau Abb. B-7/ 3: Break-Even-Punkt Umsatz (x • P) Preis (P), Kosten (K) Kosten(x • K) kritische Menge Menge (x) <?page no="101"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 79 definiert, welche Produktmenge abgesetzt werden mufi, um die Kosten zu decken. Um mit diesem abstrakten Konzept operativ umgehen zu kónnen, müssen natürlich móglichst prázise Informationen iiber die zu deckenden Kosten und zu erwartenden Erlóse vorliegen. B-7.3.3.2. Geographische Preisdifferenzierung Auch bei der Preispolitik kann bezüglich verschiedener Márkte standardisiert oder difieren ziert werden. Bei Standardisierung gilt ein einheitlicher Preis <ab Werk> (EXW: Ex Works, ex fábrica) fur alie Márkte, der sich iiber die entsprechenden Wechselkurse in die lokalen Preise umrechnet (vgl. Abschnitt H-4). Bei mehreren Produktionsstandorten stellt sich natürlich die Frage: Ab welchem Werk? Ein global einheitlicher Verkaufspreis ist problematisch. Zum einen müssen Transport- und Versicherungskosten, Einfuhrzólle, Steuern und Zuschláge für zwischengeschaltete Handelsstufen beriicksichtigt werden, die sich leicht zu unattraktiven Bruttopreisen für den Endverbraucher addieren kónnen. Zudem muE das Produkt in einem bestimmten Verháltnis zum Einkommen der Zielgruppe bleiben. Ein nur über den Wechselkurs umgerechneter Preis eines schwedischen Fahrrads ware für den pakistanischen Markt aufierhalb realistischer Reichweiten. Daher behelfen sich die Hersteller oft mit lokaler Produktion, um das Kostenniveau anzupassen. In der Praxis überwiegt die lánderspezifische Preisdifferenzierung, deren allgemeines Ziel ist, die lokalen Gewinnpotentiale unter Berücksichtigung der jeweiligen Einkommens- und Preisniveaus optimal auszuschópfen. Dabei kann man u. a. bei unterschiedlichen Produktionsstandorten von unterschiedlichen Produktionskosten ausgehen. In anderen Fallen werden im Auslandsgeschaft nur die direkten Kosten in den Preisen verrechnet, wáhrend die Gemeinkosten aus den Inlandsumsatzen gedeckt werden müssen, oder man kalkuliert mit Deckungsbeitragen, die zunáchst nur die varia bien Kosten decken und nur einen Beitrag zur Deckung der totalen Fixkosten liefern (daher der Name; vgl. unten), wobei einige Produkte ggf. nicht ihre gesamten Stückkosten decken, andere hingegen einen Ausgleich bringen (Mischkalkulation). PRAXISTIP Eine besondere Problematik ergibt sich dabei bei international unterschiedlichen Preisen im Hinblick auf Dumping 25 : Verlangt ein Hersteller auf dem Auslandsmarkt einen niedrigeren Ab-Werk-Preis als auf seinem eigenen Inlandsmarkt, liegt nach dem internationalen Handelsrecht der WTO aufgrund der «regionalen Preisdifferenzierung» ein Dumpingtatbestand vor. Der Import aus dem «Billigland» kann dann u. U. auf Antrag geschadigter Wirtschaftskreise im Importland mit einem Anti-Dumping- Strafzoll belegt werden, um den Preisunterschied abzuschópfen. Dabei ist das US-amerikanische Anti-Dumpingrecht noch rigoroser ais das EU-Recht, das sich genau am WTO-Recht orientiert (vgl. ausfiihrlicher Abschnitt J-3.2). Bei Preisunterschieden aufgrund billigerer Produktion im Ausland liegt natürlich kein Dumping vor. Dies gilt auch, wenn ein Hersteller im In- und Ausland denselben Preis verlangt, aber in beiden Fallen dieses Produkt «unter Kosten» verkauft (z. B. aufgrund einer Mischkalkulation), denn dies ist seine freie untemehmerische Entscheidung. Engl, to dump = (Abfall) wegwerfen. <?page no="102"?> 80 B Marktauswahl und Markterschlieftung Regionale Preisdifferenzierungen werden durch die zunehmende Transparenz und Interdependenz zwischen den Márkten beeintráchtigt, die zu Re-Importen anregen kann: «Billigexporte» (deutscher Produkte) kónnen im Ausland von inlándischen (deutschen) Kaufern aufgekauft und ins Exportland re-importiert werden. Innerhalb Europas ist so vor allem aufgrund unterschiedlicher umsatzsteuerlicher Belastungen ein betráchtlicher (aber vóllig legaler) <grauer Markt> bei Automobilen entstanden; auch bei Medikamenten bestehen oft erhebliche regionale Preisunterschiede. Der Versuch, dem durch Servicebegrenzungen fur Re-Importe entgegenzuwirken, verstóSt gegen EU-Recht und ist weil rechtswidrig nur noch selten beobachtbar. Nicht selten versuchen Hersteller, sich durch Lieferbegrenzungen dagegen zu schiitzen. Es ist aber nach EU-Recht ebenfalls rechtswidrig, einem deutschen Káufer den Kauf eines (billigeren) deutschen Exportautos in Belgien (oder sonstwo innerhalb der EU) zu verweigern. Der europaische Gerichtshof hat in der jiingeren Vergangenheit ziemlich drastische Strafen gegen deutsche Autokonzeme verhángt (Abb. B-7/ 4). B-7.3.3.3. Preisuntergrenzen bei Einzelauftrágen Bei Einzelauftrágen, nicht selten im Rahmen von internationalen Ausschreibungen, steigt die Wahrscheinlichkeit, den Zuschlag zu erhalten, natiirlich mit der Attraktivitát des Angebotspreises. Beriicksichtigt man alie Eventualitáten und Risiken als Kostenfaktoren in der Preiskalkulation, hat man sich schnell aus dem Markt herauskalkuliert. Es hángt wieder von der Strategic bzw. hier práziser: von der Taktik ab, ob man einen Auftrag auch dann akzeptiert, wenn er nicht die gesamten Kosten (Vollkosten) deckt (variable plus fixe Kosten) 26 , sondern fur sich gesehen einen Verlust bringt. Dadurch wurde jedoch vielleicht ein Kunde gewonnen oder erhalten, dessen AnschluEauftráge den entgangenen Gewinn wieder wettmachen. Zudem wird oft iibersehen, dais auch ein solcher Auftrag zur Deckung der Fixkosten beitrágt, solange der sog. Deckungsbeitrag positiv ist (vgl. unten). Hinsichtlich des Umfangs der Kostenverrechnung zur Preisfestsetzung stehen Altemativen zur Auswahl, die unterschiedliche Ergebnisse liefern: Eine Vollkostenrechnung verrechnet alie Kosten auf die Kostentrager fixe wie variable Kosten - , wobei man aus einer ganz anderen Sicht zwischen Einzelkosten, die den Kostentragern direkt zurechenbar sind (direkte Kosten; u. a. im Produkt enthaltene Materialkosten, unmittelbare Lohnkosten der Ferti- Abb. B-7/ 4: Autos in Deutschland teurer als im Ausland Preise zum Teil 20 Prozent hoher / EU kritisiert das Preisgefalie Volkswagen drohen móglicherweise hohe Schadenersatzforderungen von den Autohdndlern Das Bufigeld fur den VW-Konzern kommt nicht unerwartet Volkswagen bestreitet Gcfáhrdung des geltenden Vertriebssystems / Uaucrnd Árger mit der Kommission Variable Kosten verandern sich proportional zur Produktionsmenge (eingesetztes Material, Energieverbrauch etc.), fixe Kosten sind produktionsunabhángig (Abschreibung auf Anlagen, allgemeine Verwaltungskosten etc.). Es kommt dabei auf den zeitlichen Horizont an: kurzfristig sind Fertigungslóhne in der Kiindigungszeit fixe Kosten, mittelfristig variable Kosten. <?page no="103"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 81 gung), und nicht direkt zurechenbaren Gemeinkosten (indirekte Kosten) unterscheidet. 27 Letztere miissen durch móglichst realistische - Verteilungsschliissel umgelegt werden. Beispielsweise kann man allgemeine Verwaltungskosten (Telefon, Pfortner, Chefsekretariat, Sicherheitspersonal) nicht direkt den Produktionskosten von Stühlen oder Drehbánken zurechnen. Die Verrechnung erfolgt innerhalb der sog. Kostenstellenrecbnung 2 * (Abb. B-7/ 5). Abb. B-7/ 5: Kostenzurechnung direkte Kosten A i r \ ] Produkt A Gemeinkosten 1 Verrechnungsschlüssel direkte Kosten B i ' \ 1 Produkt B Eine kleine Anmerkung: Wenn ein Betriebswirt den Begriff Unkosten hórt, zuckt er zusammen, obgleich der Begriff teils zu Recht, teils zu Unrecht diffamiert wird. Sprachhistorisch leitet er sich aus dem mittel-niederdeutschen Wort unkost ab. Die Bedeutung der Vorsilbe <un-> ist aber nicht wie bei ungerade oder unschon als Gegensatz zu verstehen, sondern wie bei Unwetter oder Unkraut in der Bedeutung von <schlimm>. Unkosten sind daher nicht das Gegenteil von Kosten, sondern als Unkosten wurden friiher solche <schlimmen> Kosten bezeichnet, die sich nicht wie die <guten> Einzelkosten direkt zurechnen lassen und daher im Sinne des heutigen Begriffs Gemeinkosten verrechnet werden miissen. Wenn also bei einem Stadtfest ein Unkostenbeitrag erhoben wird, ist das insofern falsch, als damit nicht nur die Gemeinkosten, sondern auch die Einzelkosten abgedeckt werden sollen. Dann sollte man schon zusammenzucken, den Begriff Unkosten vermeiden und lieber pauschal von Kosten sprechen. Teilkostenrechnungen hingegen gehen von der Tatsache aus, dafi fixe Kosten (Abschreibungen, Kreditzinsen) dem zu kalkulierenden Produkt nicht verursachungsgerecht zuge- Direkte wie indirekte Kosten kónnen fix oder variable sein. Analog konnen fixe wie variable Kosten direkt oder indirekt verrechnet werden. Stellen Sie sich einen (Kosten-)Würfel vor, den Sie von links, rechts, oben oder unten betrachten kónnen: Die Gesamtkosten sind dieselben, nur die Brille, mit der Sie sie betrachten, ist anders. In der Kostenstellenrechnung werden Verantwortungsbereiche für das Kostenmanagement eingerichtet. So kónnen bestimmte Produktionsbereiche als Kostenstellen definiert werden (Arbeitsvorbereitung, Lackiererei) ebenso wie Materiallager, Chefsekretariat, Labors, Vertrieb etc. - Indirekte Kosten oder Gemeinkosten (overheads) werden nach unternehmensinternen Schliisseln - Heizungskosten vielleicht nach Quadratrnetern der Kostenstelle zugerechnet und werden als prozentuale Zuschláge auf die direkten Produktkosten <draufgerechnet>: z. B. direkte Materialkosten plus 26% Material-Gemeinkostenzuschlag. <?page no="104"?> 82 B Marktauswahl und MarkterschlieBung schlüsselt werden kónnen. Daher werden sie nicht dem Produkt <angelastet>, sondern en bloc in das Betriebsergebnis iibernommen. Eine Teilkostenrechnung erfaEt somit nur die proportionalen Selbstkosten (variablen Kosten), die dem Kostentrager (dem Produkt) direkt und ohne <kiinstliche> Schliisselung verursachungsgerecht zurechenbar sind (Material-, Energieverbrauch, produktbezogene Fertigungslóhne) (direct costing). 29 Die Differenz zwischen dem zu erlósenden Preis und der dem Produkt direkt zurechenbaren variablen Kosten wird Deckungsbeitrag genannt (DB = P - Kv). Die Summe aller Deckungsbeitráge muE den gesamten Fixkostenblock des Unternehmens und den kalkulierten Mindestgewinn abdecken. Dabei kann natürlich ern kalkulatorischer Ausgleich erfolgen: Je hóher die Deckungsbeitráge einzelner Produkte sind, desto geringer kónnen die Deckungsbeitráge anderer Produkte sein (Abb. B-7/ 6). Abb. B-7/ 6: Deckungsbeitráge Produkt A Unternehmen Preis A variable Kosten A DB A • DB = Deckungsbeitrag Die Vor- und Nachteile dieser Verfahren und ihre Details und Verfeinerungen kónnen hier nicht diskutiert werden, aber (nicht nur) bei Einzelauftrágen ist es sinnvoll, zwei parallele Kostenrechnungen durchzufiihren: • Die Angcbotskalkulation sollte durchaus auf der Basis von Vollkosten erfolgen (Selbstkosten, Herstell(ungs)kosten 30 ). Unter Abzug der proportionalen Kosten (variablen Kosten) láfit sich so ein Angebotspreis beziiglich eines optimalen Soll-Deckungsbeitrag als Zielgrofie errechnen. • Als Parallelkalkulation sollten die variablen (proportionale) Kosten plus Mindestdeckungsbeitrag als minimale Preisuntergrenze bestimmt werden, um in <harten Zeiten> Auftráge hereinholen zu kónnen, die der Verkáufer <vor Ort> bei den Verhandlungen mit dem Kunden aber nicht unterschreiten darf, damit sie z. B. wenigstens die variablen Produktionskosten des Produkts abdecken. Ein spezielles Problem besteht insbesondere im Maschinen-, Anlagen- und Werkzeugbau, wo besonders oft Kundenwiinsche (claims) zu berücksichtigen sind. Aus technischer Sicht 29 Da bei linearemKostenverlauf die variablen Kosten (proportionalen Kosten) den Grenzkosten entsprechen die Steigung der Kostenfunktion ist konstant -, spricht man auch von Grenzkostenrechnung. 30 Herstellkosten ist ein kalkulatorisches, Herstellungskosten ein bilanzielles Kostenkonzept, die im Ergebnis durchaus unterschiedliche Stückkosten ergeben kónnen. Für die Ermittlung von Herstellungskosten sind handels- und steuerrechtliche Vorschriften zu beachten, kalkulatorische Kosten kann man berechnen, wie man will. DB C DB B DB A Fixe Kosten Gewinn <?page no="105"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 83 meist kein Problem, aber die damit verbundenen Kosten werden meist nicht hinreichend vorab erfaSt (Abb. B-7/ 7). Gezieltes Claim Management (CM) sollte dafiir sorgen, dafi der Techniker nicht Dinge verspricht, die der Finanzmanager nicht realisieren kann. Neben dem KostenbewulStsein ist hierfür Kompetenz in Verhandlungsführung erforderlich, um dem Kunden die Auswirkungen auf Preise und Termine zu verdeutlichen. Und dies setzt ein unternehmensinternes Controllingsystem voraus (móglichst via Laptop und Datenfernübertragung bereits wáhrend des Verkaufsgespráchs), was oft deutlich unterentwickelt ist. Abb. B-7/ 7: „Die Ingeiüeure machen uns die Rendite kaputt! " Insbesondere bei Einzelauftrágen und bei Projekten ist eine Nachkalkulation wichtig. Der Vergleich von Sollwerten (Plankosten) mit den tatsáchlichen Istkosten in der Nachkalkulation deckt Fehler auf, die sich zwar nicht mehr korrigieren lassen, aber die Informationsbasis fur spátere Angebote bilden. Auf anderer Ebene umfafit die Preisstellung als Element des Marketing auch das <Feilschen> ais Aktivitát wáhrend der Vertragsverhandlungen vor Vertragsabschlufi. In nicht wenigen Kulturkreisen sind die Diskussionen um den Kaufpreis ein wichtiges Element der zwischenmenschlichen Kommunikation. Feilschen wird geradezu erwartet, weil dies auch ein Zeichen der gegenseitigen Achtung und Anerkennung der fachlichen Kompetenz ist (vgl. auch Abschnitt C-3). B-7.3.3.4. Konditionenpolitik Die Preispolitik faSt man begrifflich mit der Konditionenpolitik (Rabatte, Skonti, Gewáhrleisrungen, Service etc.) oft zur Kontrahierungspolitik zusammen; man kann durchaus auch die Zahlungs- und Lieferbedingungen dazu záhlen (vgl. Abschnitte G-2 u. G-3). Für den Verkáufer ungünstige, weil kostentráchtige Konditionen kónnen sich in hóheren Angebotspreisen auswirken, wáhrend umgekehrt für den Verkáufer günstige Konditionen auch eine artraktivere Preisstellung begünstigen. Als zu hoch empfundene Preise kónnen relativiert werden durch attraktive Zahlungsziele oder durch <Beigaben> wie z. B. Software oder Service. Die Zulássigkeit der Gewáhrung von Rabatten und Zugaben wird international recht unterschiedlich gehandhabt und muE ebenso wie die von Sonderverkáufen (u. a. Schlufi-, Ráumungs-, Jubiláumsverkáufe) nach dem jeweiligen nationalen Recht geprüft werden. Die Kombination von Preis und sonstigen Konditionen ist für den AuEenstehenden meist nicht transparent und erschwert daher für den Kunden einen Marktüberblick. Je starker der Kunde auf das Produkt <eingeschworen> ist und sich auch emotional mit dem Produkt verbunden fühlt («Das ist genau das, was ich haben will»), desto eher wird er auch hohere Preise akzeptieren. Fehlt diese Bindung, wird er sich leicht einem etwas billigeren Konkurrenzprodukt zuwenden. Das Relationship-Marketing zur Herstellung und Festigung sozialer und emotionaler Bindungen kann in Auslandsmarkten in der Regel nicht den aus dem Inland vertrauten Marketingmix übernehmen. Je breiter das Auslandsengagement gestreut ist, desto schwieriger wird es, die Kundenbeziehungen zu pflegen. Insbesondere kleinere Unternehmen kónnen hier sehr schnell an entsprechende Kapazitátsgrenzen stoSen. GroSere Unternehmen kónnen beispielsweise wichtige Kunden durch spezialisierte und spe- <?page no="106"?> 84 B Marktauswahl und Markterschlieftung ziell geschulte Ansprechpartner in jeder beliebigen Hinsicht betreuen lassen {Key-account- Management), so daE diese für unterschiedliche Sachfragen - Qualitatskontrolle, Instandhaltung, Transport, Zolldokumente etc. nicht von einer Stelle zur anderen gereicht werden - und dies nicht selten vergebens -, sondern alies in einer Hand liegt (One-stop-Shopping). (Welches Konzept ist eigentlich nicht in Amerika entwickelt worden? ) B-7.3.4. Distributionspolitik, Vertrieb, Logistik Die internationale Distribution (Vertrieb) hat die Aufgabe, die Produkte physisch zum Kunden zu bringen. Je differenzierter die Produktions- und Vertriebsstruktur in geographischer Hinsicht ist, desto komplexer sind die logistischen Distributionsprobleme. (Wie bringt man einen Aktenvernichter von Balingen in Baden-Wiirttemberg nach Valparaiso in Chile? Wie gelangt ein Kiihlaggregat von Dresden nach Bangui in der Zentralafrikanischen Republik? ) Die Funktionsfáhigkeit der Vertriebswege hat daher besondere strategische Bedeutung, durch die Wettbewerbsvorteile erzielt werden kónnen. Daher sollte darauf geachtet werden, dal? Absatzkanále nicht <versanden>. Grundsátzlich stehen distributionspolitisch und logistisch die Aspekte Zeit (Geschwindigkeit), Kosten der Transportmittel, gebundenes Kapital (eigener oder fremder Fuhrpark? ) sowie Kontrolle, Steuerung und Sicherheit im Vordergrund. Bei einem pauschalen Kostenvergleich ergibt sich Bahn < LKW < Schiff < Flugzeug, wobei natiirlich nicht der zeitliche Aspekt deutlich wird. * B-7.3.4.1. Vertriebspolitik Beziiglich der Vertriebspolitik stehen zahlreiche Móglichkeiten des ein- oder mehrstufigen, ein- oder mehrgleisigen oder des direkten und indirekten Vertriebs zur Auswahl, je nachdem, ob Zwischenhándler eingeschaltet oder verschiedene Vertriebswege verwendet werden. Ob man Handelsvertreter, Makler, Kommissionáre oder GroShándler im In- oder Ausland einschaltet, hángt von zahlreichen unternehmens- und produktspezifischen Erwágungen ab. Unter anderem spielen auch rechtliche Aspekte eine Rolle, weil beispielsweise eine nach deutschem Recht mógliche Ausschliefilichkeitsbindung eines Handelsvertreters nicht in jedem Land rechtlich zulássig, d. h. durchsetzbar ist. Der Zugang zu den Vertriebswegen wird durch Vertrautheit mit den landesspezifischen Gegebenheiten erleichtert. Vgl. auch den ausfiihrlichen Abschnitt B-6.2 iiber direkte und indirekte Handelsformen. Gleichzeitig erhóhen sich mit jeder zusátzlichen Distributionsstufe die Kosten. Dadurch kann eine Niedrigpreisstrategie gefahrdet werden, wenn die Zuschláge der Zwischenhándler nicht vom Hersteller kontrolliert werden kónnen. Problematisch kann auch sein, wenn Abnehmer schon von den Zwischenstufen bedient werden und sich ggf. graue Márkte bilden, die sich der Kontrolle des Hersteller entziehen, oder wenn die Produktqualitát durch Manipulationen oder Serviceprobleme beeintráchtigt wird. Der Handel hat eine wichtige Scharnierfunktion zwischen Hersteller und Verbraucher. Seine Bedeutung wird u.a. auch in der Diskussion um LadenschluSzeitzen deutlich, bei denen international ja sehr unterschiedliche Gepflogenheiten gelten: Der Verbraucher weiS es zu schatzen, wenn er quasi an jedem Tag rund um die Uhr einkaufen kann. Der angestellte Verkáufer sieht das ganz anders, und der Lohn zahlende Unternehmer oft auch. Auch strukturell muS man sich oft an lokale Gegebenheiten anpassen, wie beispielsweise in Japan, wo es <?page no="107"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 85 kaum móglich ist, ohne etablierte Zwischenhándler an die Abnehmer zu verkaufen, im Kleinen wie im Grofien. Beim Vertrieb von Importwaren nutzen viele Unternehmen ais Distributionsstützpunkte Zollagcr im Auslandsmarkt, die oft als Konsignationslager organisiert sind (vgl. Abschnitte B-6.2 und K-4.3). Diese Konstruktion ermóglicht eine zeitnahe Belieferung der Abnehmer (der ggf. im Gegensatz zum direkten Export die Produkte im Lager im Sinne von Auswahllager vorher begutachten kann), wahrend die Entstehung von Einfuhrabgaben (Zólle, Importsteuern) bis zum Verlassen des Zollagers hinausgeschoben wird. Eine kurze Lieferzeit und eine hohe Servicebereitschaft ist ais betráchtliches «akquisitorisches Potential> anzusehen und z. B. im Ersatzteilmanagement unabdingbar. Auch hier bieten sich Kooperationen mit anderen Unternehmen und die Integration von Dienstleistern an. Sehr oft werden Ersatzteile per Kurier oder im Handgepáck des Monteurs direkt eingeflogen. 31 Vor der Versendung von Waren aus dem Exportland ist eine gründliche Befassung mit den Einfuhrbestimmungen des Importlandes anzuraten, und zwar nicht nur beziiglich der Einfuhrabgaben, sondern insbesondere beziiglich anderer Importvorschriften. Diese kónnen die Exportgescháfte nachhaltig beschránken, auch wenn aus der Sicht der Bundesrepublik keine Beschrankungen bestehen, und es istschwer, dabei den Kenntnisstand aktuell zu halten. Beispielsweise darf ein Maschinenbauer beim Export in manche Lander seine Transportkisten nicht mit Holzwolle ausstopfen, weil das Importland dies aus Furcht vor dem Einschleusen von Holzschadlingen nicht zulalSt. In anderen Fallen sind spezielle amtliche - Unbedenklichkeitsnachweise erforderlich. Waren und Verpackungen müssen Kennzeichnungs- und Auszeichnungsvorschriften entsprechen («made in ...», Gewichte, Preise, Produktbestandteile etc.), Begleitdokumente müssen oft beglaubigt sein, Informationsmaterial muG in der Sprache des Importlandes abgefalft sein, usw. (vgl. auch Abschnitt L-2 mit Hinweisen zu Informationsquellen). Unter anderem stellen die USA aufgrund ihrer Warenmarkierungsvorschriften fur Exporteure oft ein schwieriges Terrain dar, weil VerstólSe mit weitreichenden Konsequenzen verbunden sein kónnen, die vom Einfuhrverbot für das Produkt über Zollstrafen bis zum Einfuhrverbot für alie Produkte des Untemehmens reichen kónnen. Die grundsátzliche Entscheidung für eine produktbezogene, funktionale oder Matrixorganisation des Managements bestimmt oft auch die Distributionsstruktur. Funktionale Verkaufsstrukturen haben den Nachteil, daE derselbe Kunde fur verschiedene Aspekte z. B. Qualitátssicherung, Lieferbedingungen, Finanzierung ggf. von mehreren Ansprechpartnern betreut wird, so dafs in der Praxis oft einer produktbezogenen regionalen Verkaufsstruktur der Vorzug gegeben wird. Bei wichtigen Kunden (dies sind z. B. Autohersteller für die Zulieferer) erfolgt zudem oft wie oben bereits erwáhnt eine kundenorientierte Vertriebsorganisation (Key-account-Management), bei dem das Management aller relevanten Funktionen und der Vertrieb der Produkte fur den speziellen Abnehmer in einer Hand liegen. Dadurch kónnen die kundenspezifischen und die landesspezifischen Besonderheiten effizienter berücksichtigt werden. 31 Fur die damit oft verbundenen ausfuhrundeinfuhrrechtlichen Probleme vgl. Kapitel K u. L). <?page no="108"?> 86 B Marktauswahl und MarkterschlieRung B-7.3.4.2. Verkaufspolitik Im Zusammenhang mit der Verkaufspolitik kommt der fachlichen und persónlichen Qualifikation der Kundenbetreuer und des Verkaufspersonals eine grofie Bedeutung zu, insbesondere wenn die Verkáufer einen anderen kulturellen Hintergrund mitbringen als ihre Kunden; dies betrifft insbesondere Verhandlungsfiihrung und Verkaufsgesprache. Sehr oft ist der direkte und stabile Kundenkontakt unabdingbar fur Verkaufsabschliisse. Bestellungen nach Liste oder Katalog sind beispielsweise in Asien oder Lateinamerika eher als Ausnahmen anzusehen. Der persónliche Verkauf dominiert vor allem bei Investitionsgiitern und langlebigen Konsumgütern, wáhrend im Massengescháft die Medienwerbung eine gróGere Rolle spielt. Zum Aufbau von Distributionsstrukturen bieten sich auch die in Abschnitt B-6 betrachteten Móglichkeiten der Kooperation, des Joint Ventures und des Franchising an. Beispielsweise sind Gescháftsbeziehungen in Japan geprágt durch eine sehr enge, gegenseitige Loyalitát, aber auch gegenseitige Abhángigkeiten zwischen Handel und Industrie, in die neue Anbieter nur sehr schwer eindringen kónnen. Daher sind Kooperationen mit lokalen Unternehmen oft der einzige Weg, in diese Strukturen integriert zu werden. Viele Handelsbráuche sind traditionell verwurzelt. Neben der Kultur des gegenseitigen Respekts záhlen in Japan hierzu auch die langen Gescháfts- und Ladenóffnungszeiten, die grofízügige Behandlung von Beschwerden und die extensive Kreditgewahrung. Logistische Leistungen lassen sich meist effizienter einkaufen als selbst gestalten; viele Unternehmen haben diesbeziiglich ehemals eigene Funktionsbereiche ausgelagert (outsourcing, terzerización). Externe Dienstleister iibernehmen dabei sowohl absatzals auch beschaffungslogistische Dienstleistungen, die auch Lagermanagement, Bestellungsabwicklung und Fakturierung umfassen kónnen und somit dem Kunden eine umfassende Abdeckung seiner Logistikbediirfnisse anbieten (one-stop shopping). Der Spediteur besorgt selbstándig die Versendung von Giitern in eigenem Namen und auf Rechnung des jeweiligen Versenders. Viele Spediteure bieten internationale logistische ProzeEketten an (Supply Chain Management, SCM). Dies umfafst die Abstimmung von Bedarf und Versorgung sowohl auf der Einkaufsals auch auf der Verkaufsseite, d. h. sie iibernehmen aufier dem <bloi? en> Transport auch Zusammenstellung von Ladungen, Beschaffung der Begleitdokumente, Überprüfung und Umpacken der Ware, Auswahl von Frachtfiihrern und Lagerhaltem, Lagerungen, Bestándemanagement, Import- und Exportabwicklung, Verzollung etc. Dabei werden alie internen und externen Beteiligten verbunden, um Kosten, Zeiten, Qualitát und Service zu oprimieren. Fállt beispielsweise eine eingeplante Zulieferung aus, werden zum einen alie davon Betroffenen sofort iiber die Konsequenzen informiert, zum anderen treten sofort Alternativpláne in Kraft, um negative Auswirkungen zu vermeiden bzw. zu minimieren. In dem MaSe, wie die unternehmensinterne Logistik zurückgeführt wird, um Kosten zu sparen, nimmt natiirlich die Koordinations- und Steuerungsbedarf zu - und die entsprechenden Kosten. Eine solche Integration unternehmensexterner Vertriebs- und Einkaufsstrukturen in die ProzeSketten der Wertschopfung verringert die Notwendigkeit eigener Investitionen bzw. ersetzt Fixkosten durch auftragsbezogene variable Kosten, erhóht jedoch die Steuerungs- und Kontrollrisiken und die Notwendigkeit der unternehmensinternen Koordinierung und Information. Kritische Punkte sind dabei offensichtlich die Vernetzungen der Informations- und <?page no="109"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 87 Kommunikationstechnologien der Beteiligten und die Aktualisierung der Daten. Dementsprechend verursacht die Neueinfiihrung eines SCM in der Regel erhebliche Kosten. Ein wesentlicher Aspekt, der von Anfang an als laufender Kostenfaktor eingeplant sein sollte, aber oft unterschátzt wird, ist das Controlling, neben Kosten und Zeitaspekten vor allem im Hinblick auf Qualitat, Innovation und Service. Innerhalb des europáischen Binnenmarktes sind dabei tendenziell komplexere Strukturen zu realisieren als in Entwicklungslándermárkten, wo insbesondere die Kommunikation oft Begrenzungen unterliegt. Dies wird teilweise kompensiert durch global tátige Spediteure sowie durch Kurier- und Exprefidienste für kleinere Volumina. Heute stehen Sendungsverfolgungssysteme zur Verfiigung, die nicht nur die aktuelle Positionsbestimmung leisten, sondern auch den Zustand der Giiter ausweisen. Und trotzdem ist manchmal eine Sendung nie wieder auffindbar. In vielen Auslandsmárkten stellt die unzureichende Infrastniktur (StraSen- und Eisenbahnnetz, Kommunikationsnetze) ein betráchtliches Hindernis dar fur eine verláSliche Distribution und beeintráchtigt die Abdeckung eines Auslandsmarktes in der Breite (vgl. oben Abb. B-3/ 2). Dies wird oft verschárft durch Ineffizienzen beziiglich Vertragstreue und Zeiteinhaltung. Bestimmte Probleme lassen sich durchaus durch eine Anpassung an lokal gebráuchliche Korruptionsmechanismen glátten (doch dies ist auch eine Frage der Mentalitát). Ein nigerianischer Zóller stand direkt unter einem grof>en Plakat «Do not bribe! ! » und fragte: «What do you give me for Christmas? Oh, that is not enough, I need more for my family! » So ist das halt. Zusátzliche Schwierigkeiten kónnen für die Distribution entstehen durch klimatische Probleme, die u. a. besondere Verpackungen oder Kühlsysteme erforderlich machen, die z. B. im europáischen Umfeld nicht notwendig sind. Es empfiehlt sich geographisch gesehen -, diejenigen Marktsegmente zuerst zu erschlieSen, die am wenigsten technische Probleme aufwerfen, um die Marktabdeckung dann sukzessive auszuweiten. Parallel dazu ist oft ein zunáchst engeres Produktprofil anzuraten, das nach einer Konsolidierungsphase differenziert werden kann. B-7.3.4.3. «Die Logistik ist das Bindeglied zum Kunden» Lastwagenverkehr Per LKW ist jeder Punkt <punktgenau> zu erreichen. Hervorzuheben ist die Verdrángung des Eisenbahnverkehrs in Europa durch den Strafientransport, der sich seit 1960 mehr als versechsfacht hat; dies sei hier nur am Rande mit einem Seitenblick auf Umwelteffekte erwáhnt. Ein Lkw bringt in Deutschland seine Ladung z. B. mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 65 km/ h ans Ziel, die Bahn kommt nur auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 16 km/ h. 32 Luftfracht Der Luftfrachtverkehr ist in vielen Fallen der idéale Transportweg (Abb. B-7/ 8). In vielen Logistikketten müssen bei verkiirzten Produktionszyklen Baugruppen, Einzel- oder Fertigteile ohne gróSere Lagerbestande schnell verfiigbar sein (im Extrem: Just in time). 33 Auch 32 Iwd 19/ 2000. 33 In vielen Lándern auch: «just im Stau! » <?page no="110"?> 8 8 B Marktauswahl und MarkterschlieGung bei Ersatzteilen kommt es meist auf eine schnelle Zustellung an. Aber auch bei Maschinen werden Prototypen (quasi «Muster») oft per Luftfracht befórdert, oft mit den als <Arbeitspferde> bekannten russischen Antonows 124. In Deutschland gibt es ca. 270 Luftfrachtspediteure, teilweise mit besonderen Spezialisierungen. Von den 30 weltweit gróEten Luftfrachtanbietern haben knapp die Hálfte ihren Sitz in Ostasien. Abb. B-7/ 8: Zum Luftfrachtverkehr gibt es háufig keine Alternative Das Marktvolumen wáchst bestandig / Schnelle Beforderung spart Geld / Schwertransporte nehmen deutlieh zu Eisenbahnverkehr Spezialwaggons (Kesselwagen, Doppelstockwagen fur Kfz, Selbstentladewagen, Huckepackverkehr fur LKW) werden heutzutage nicht mehr im Wagenpark der Deutschen Bundesbahn gefiihrt, sondern von Privatfirmen vermietet. Probleme ergeben sich durch unterschiedliche Spurweiten in verschiedenen Landern (Finnland, Spanien, Portugal, Rutland) oder Kupplungssysteme (Rutland), wodurch Radsatzbzw. Achswechsel oder Umladungen (Rutland, baltische Staaten) erforderlich werden. Letztere Staaten lassen zudem hóhere Zuggewichte zu als sie im westeuropaischen Schienennetz móglich sind, so daf> die schwacher konstruierten westeuropaischen Waggons nicht in Ziigen mit hóheren Zug- und Druckkráften mitgeführt werden kónnen. Der Einsatz umgeachster óstlicher Waggons im westlichen Schienennetz ist daher jeweils nur mit Sondergenehmigungen zulássig. Die Bahnen der GUS, der baltischen Staaten, Georgiens und der VR China erkennen nicht das Bahnrecht der CIM 34 an, wie die europáischen Staaten, sondern stiitzen sich auf ein eigenes Bahnfrachtrecht. Allein aus diesem Grunde schon ist keine durchgehende Spedition móglich, so dai? Frachtgut an den jeweiligen Grenzen in jedem Fall umgeladen und mit einer neuen Frachtdokumentation versehen werden mufi. Dies legt oft die Vereinbahrung der Lieferbedingung DAF (Delivered at Frontier) nahe (vgl. Abschnitt G-2). Schiffstransporte Die Bedeutung der Seeschiffahrt liegt ausschlieSlich im <entfernteren> internationalen Handel. Bei kurzen und bei besonders langen Transportstrecken oder wenn kurze Laufzeiten wichtig sind, steht der Seeverkehr in direkter Konkurrenz mit landgebundenen Transportmitteln und mit dem Luftfrachtverkehr. Die grenziiberschreitende Binnenschiffahrt ist vor allem fur den Massenguttransport von Bedeutung, u. a. für Kohle, Mineralólerzeugnisse, Erze und Metallabfálle, Steine und Erden sowie fur Diingemittel. Fiinzu kommt in steigendem MaSe der Containertransport. Da die Binnenschiffe für die Verladung lángsseits der Seeschiffe gehen kónnen (Lieferbedingung FAS), bieten sie oft Vorteile gegeniiber dem Strafien- oder Schienentransport, bei denen der Containerumschlag zunáchst im Containerterminal erfolgt und eine anschlieSende Verladung auf das Seeschiff erforderlich macht (Lieferbedingung FCA). Kombinierte Transporte Neben dem traditionellen StraEengiiterverkehr ist der kombinierte Verkehr hervorzuheben, insbesondere der RoRo-Verkehr («Roll on, roll off»). Dabei erfolgt eine Verladung der LKW 34 CIM: Convention Internationale concernant le transport des marcbandises par cbemin de fer nationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr). <?page no="111"?> B-7. Intemationaler Marketing-Mix 89 oder Bahnwaggons auf geeignete Transportschiffe, indem diese sog. Selbstfahrer aus eigener Kraft über spezielle Rampen in das Transportschiff einbzw. ausfahren. Es gibt dabei zahlreiche Varianten, auch unter Einbezug schiffseigener Zugmaschinen. Insgesamt lassen sich dadurch die Laufzeiten und die teuren Hafenliegezeiten verkürzen, beispielsweise im Güterverkehr mit dem Nahen Osten und Nordafrika. Andere Varianten sind Eisenbahnfáhren und der Huckepackvcrkehr, bei dem der LKW auf die Bahn verladen wird. Eine weitere Kombinationsmóglichkeit ist der Sea-Air-/ Air-Sea-Verkehr, z. B. von Japan nach Kanada mit dem Schiff und von doit aus Weitertransport mit dem Flugzeug nach Europa. Die Verwendung von Containern ermóglicht Güterbewegungen auch iiber weite Entfernungen von Haus zu Haus ohne Umladungen (vgl. auch Abschnitt L-5.2 zum TIR-Versand). Uber die Trans-Sibirien-Route sind dabei Containerverladungen von Europa nach Japan oder China innerhalb eines Monat móglich. Im europáischen Schienenbereich hat die Intercontainer einen grenziiberschreitenden Abwicklungsverbund entwickelt. B-7.3.5. Kommunikationspolitik Die Kommunikationspolitik wird hier zwar zuletzt angesprochen, ist jedoch keineswegs von nachrangiger Bedeutung, im Gegenteil Sie umfaSt verschiedene Bereiche: • Imagewerbung und Óffentlichkeitsarbeit (Public Relations) sind die Grundlagen der allgemeinen Darstellung des Unternehmens. • Die direkte Produktwerbung ist natiirlich ein zentraler Aspekt. In Abschnitt B-l wurde schon hervorgehoben, dafi der Kunde als einziger entscheiden kann, was er unter Kundenorientiertheit versteht. Die Produktwerbung kann dabei ein Teil der Imagewerbung sein, beispielsweise durch Verwendung von Firmenlogos. • Die Verkaufsforderung (Sales Promotion) umfaEt u. a. Prospekte, Dokumentationen Vorfuhrungen und Schulungen, Sponsoring (von Sport-, Kultur- oder Umweltveranstaltungen), Aktionen am Point of Sale sowie Product Placement (z. B. Autos oder Getranke, die in Spielfilmen zu sehen sind). • Ein wichtiger Bereich der Kommunikation ist die Prásentation auf Messen, insbesondere, weil der Messebesucher einen direkten Quervergleich mit Konkurrenten anstellen kann. PRAXISTIP Sehr sinnvoll ist das Informieren und <Bewerben> von Multiplikatoren, beispielsweise Zulieferern oder Kunden der eigentlichen Zielgruppe(n), oder auch von Steuerberatern, Unternehmensberatern und Rechtsanwalten, so daft auf diese Weise Impulse über «Beeinflusser» in die Unternehmen getragen werden, die dort bereits über ein entsprechendes Vertrauenspotential verfügen. Hier bietet sich so manche strategische Allianz an. In instrumenteller Hinsicht sind persónliche und nicht-personliche Kommunikation zu unterscheiden. Nicht-persónliche Kommunikation findet im Massengescháft, beispielsweise im Konsumguterbereich, insbesondere in den Medien statt; ein neuer, wichtiger Bereich ist das Internet (business-to-consumer-Markeúng: B2C). Persónliche Kommunikation iiberwiegt im business-to-business-Marketing (B2B) (Investitionsgüter, Dienstleistungen) und ist in vielen Kulturkreisen eine unabdingbare Sáule der Kundenbeziehungen. Im persónlichen Kontakt mit Partnern und Kunden stellen sich im internationalen Marketing hohe Anfor- <?page no="112"?> 90 B Marktauswahl und MarkterschlieRung derungen beziiglich fachlicher (in zunehmendem Mafie sowohl betriebswirtschaftlicher als auch technischer Hinsicht), interkultureller und persónlicher Kompetenzen. Nicht nur in vielen Auslandsmarkten sollten bestehende Kundenbeziehungen gepflegt werden. Es ist um ein Vielfaches schwieriger, neue Kunden zu gewinnen, ais alte an sich zu binden. Hauptzweck jeder Kommunikationspolitik ist, den Verkauf der eigenen Produkte zu stimulieren. Der Ablauf wird AIDA genannt: Zunáchst soil die Aufmerksamkeit des potentiellen Káufers geweckt werden {attention), dann sein Interesse {interest), dadurch sein Kaufwunsch {desire), so dafi er schlieSlich zum Kauf schreitet {action). Wie auch in der Produktgestaltung stellt sich in der Kommunikationspolitik die grundsatzliche Frage nach Standardisierung und Differenzierung. Allgemein gilt, daS weder Kampagnen noch Produktnamen weltweit umzusetzen sind; fast immer miissen Details nachbearbeitet werden. Think global, act local globale Marken: ja, globales Marketing: nein. Dabei ist besondere Sorgfalt anzuraten, um MiSverstándnisse und Peinlichkeiten bei Markennamen, Farben, Formen, Symbole, Gesten zu vermeiden. Mangelnde Sprachkenntnisse, Humor an der falschen Stelle oder Betonung von Produkteigenschaften, die fur den Káufer nicht relevant sind, kónnen leicht zu Abwehrreaktionen führen (Abb. B-7/ 9). Abb. B-7/ 9: Konsumenten im Ausland denken anders Neue Aufgaben fur die Unternehmenskommunikation Auch gutgemeinte Ideen kónnen sich ungewollt negativ auswirken: In einem afrikanischen Land wurde Mánnern, die sich freiwillig sterilisieren lieSen, ein Transistorradio geschenkt. Wer nun mit einem Kofferradio gesehen wurde ... Firmen- und Markennamen (branding) Grundsátzlich muS sich jedes Unternehmen entscheiden, unter welcher <Flagge> es seine Produkte international vermarkten will. In nicht wenigen Fallen vertreiben deutsche Unternehmen im Ausland Produkte unter Markennamen, die keinen Bezug zum eigentlichen Hersteller erkennen lassen. Meist handelt es sich dabei um Giiter, die entweder von geringerer Qualitát sind, so daí? diese des Qualitátsimage der <Stammprodukte> nicht beeintráchtigen sollen, oder um qualitativ vergleichbare, aber deutlich billigere Produkte, die würde der deutsche Konsument dies erkennen zu Re-Importen nach Deutschland anregen würden. Die strategischen Alternativen des Branding umfassen ein Spektrum zwischen vólliger internationaler Standardisierung und lánderspezifischer Ausrichtung. Dabei ist zwischen Weltmarken, regionalen Marken und lokalen Marken (bzw. Zeichen, Logos oder Melodien) zu unterscheiden. Differenzierungen kónnen zum einen wie bei der Produktgestaltung aufgrund lokaler, insbesondere kultureller Besonderheiten erforderlich sein, aber auch durch Markenschutzrechte bedingt sein, die in bestimmten Lándern die Führung des eigenen Namens oder Zeichens einschránken. Háufig werden «Dachmarken» verwendet, z. B. der Firmenname oder das Firmenlogo, durch die für alie Produkte lánderübergreifend ein einheitliches Image angestrebt wird. Die jeweiligen Submarken werden dadurch leicht iiberstrahlt. Es mufi daher abgewogen werden, ob die Charakteristika des Einzelprodukts oder das allgemeine Image zugkráftiger sind. Von der Attraktivitat des Markennamens mufi die der Herkunftsbezeichnung abgegrenzt werden: Für viele Produkte gilt die Angabe «Made in Germany» als Zeichen besonderer <?page no="113"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 91 Qualitát, so daS qualitátiv durchaus gleichwertige Produkte daraus einen Nachteil habeh kónnen. Die Zulássigkeitskriterien fur die Herkunftsbezeichnung «made in ...» sind iibrigens andere als die fur die zollrechtliche Ursprungsbestimmung (vgl. Abschnitt K-3). Hervorzuheben ist, daS «made in ...» im Zuge der Globalisierung zunehmend verdrángt wird durch «made by ...», und zwar weltweit. Eine globale Verwendung von Firmennamen ais Imagetráger wird oft beeintráchtigt, wenn der Firmenname in der anderen Sprache <sperrig> ist. Dies gilt z. B. fur Beiersdorf oder Pfanni (in England: daher Panni) ebenso wie fur Hyundai oder Daewoo. Oft wird daher auf Produktmarken ausgewichen, die sich in der lokalen Sprache besser verankern lassen (Pampers statt Proctor &c Gamble). Viele Untemehmen ersetzen ihren Firmennamen durch international <gangigere> englische Namen, beispielsweise wurde die Schweizer Riick(versicherung) zu Swiss Re, das Traditionsunternehmen Kreditanstalt wurde zu Credit Suisse, etc. In China (und anderen Lándern) sollten für Firmen- oder Markennamen Namen mit reizvollen Nebenbedeutungen gewáhlt werden, wenn es geht, mit angenehmen Lautassoziationen. Sie sollten in kunstvoller Schreibweise prásentiert werden, unter Beriicksichtigung von Yin und Yang (Zeichen mit gerader Gesamtzahl von Strichen sind Yin [weiblich], mit ungerader Anzahl Yang [mánnlich]; bei Namen mit drei Zeichen klingt Yin Yin Yang positiver als Yin Yang Yin) usw. Werbung Die Wahl des richtigen Werbemediums (Printmedien: Zeitschriften, Zeitungen, Plakatierung, Wurfsendungen etc.; Radio, Fernsehen, Internet) hángt insbesondere von der Verbreitung bzw. Nutzung in der Káuferzielgruppe ab. Dies ist international sehr unterschiedlich und hángt neben dem Konsumentenverhalten vor allem vom Entwicklungsstand des Landes ab. In Lándern mit einer hohen Analphabetenquote (bspw. Marokko: 49%) ist mehr auf Fotos, Symbole, Zeichen und Farben zu setzen als auf Schrift. Wáhrend in Industrielándern alie Medien nebeneinander nutzbar sind, dominieren in Entwicklungslándern Radio- und Fernsehwerbung. Bei den Printmedien haben in Deutschland die Zeitungen eine gróEere Reichweite als die Zeitschriften, in Frankreich ist es umgekehrt; Japaner lesen meist zwei Zeitungen, hóren aber wenig Radio usw. 35 Symbole, Farben Bei der Kommunikation muS oft bei gleichen Produkten die gleiche Werbebotschaft in unterschiedlicher Sprache und mit anderen Namen oder Farben verwendet werden, urn keine falschen Assoziationen hervorzurufen oder Tabus zu verletzen: • Der Esso-Tiger soil Kraft und Schnelligkeit symbolisieren; in Indien hingegen wird mit dem Tier Furcht assoziiert. • Der Elchkopf von Ikea hat in Skandinavien eher die Bedeutung wie ein Eselskopf in Deutschland (Dummkopf), so daS dort ein anderes Firmensymbol verwendet wird. • Die lila Kuh von Milka würde in Venezuela der Farbe wegen leicht mit dem Tod in Ver- Vgl. hier und unten Quellen und weitere Beispiele bei Bemdt, Ralph I Fantapié Altobelli, Claudia I Sander, Matthias, Internationale Marketing-Politik, Berlin et al. 1997, S. 275 ff., oder Kotler, Philip, Marketing-Management: Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung, 9. Aufl. 1999, S. 581 ff. <?page no="114"?> 92 B Marktauswahl und MarkterschlieGung bindung gebracht. In Indien kann sie gar nicht verwendet werden, weil die Kuh ein heiliges Tier ist; 36 • Weil? (Raffaelo) symbolisiert in Europa Unschuld, Friede und Sauberkeit, ist aber in Japan, China oder Pakistan eine Trauerfarbe; • Grim gilt meist als Farbe der Hoffung und der Natur, wird in Italien auch mit Neid und Arger in Verbindung gebracht («sich grün árgern»). • Blau (Aral) hat in China ein negatives Image. • Die Bank of China hat ihre Filíale in Hongkong bewufSt am 8. 8.1988 erórfnet, denn 8 gilt als Gliickszahl; die Kunden sollen spiiren, da6 man um ihr <Wohlergehen> besorgt ist. Die Zahl 4 wird ausgesprochen wie <Tod>. • In Korea macht es sich gut, rot-goldene Drachen als Symbol einzubinden. Usw., usw. Kulturunterschiede Fiir ein Medikament wurde mit einer Bildergeschichte «ohne Worte» geworben, mit drei nebeneinander plazierten Bildern (1) (2) (3): (1) Mensch mit krankem Gesichtsausdruck, (2) Mensch nimmt besagtes Medikament, (3) Mensch sieht gesund aus. In Ágypten kam diese Werbung nicht so recht an, weil im Arabischen von rechts nach links gelesen wird ... • Wenn bei uns in der Bierwerbung eine gemiitliche Kneipenszene als Alttagssituation anzusehen ist {slice of life), ware dies z. B. in afrikanischen Lándern weitestgehend unbekannt. • Deutsche Fernsehwerbung setzt ziemlich wenig auf Humor, im Gegensatz zu Grol? britannien oder den USA. • Wáhrend japanische Firmen in Europa selten mit ihrer Herkunft werben, sind umgekehrt auslándische Produkte und fremde Sprachen in Japan <schick>; deutsche Autofirmen benutzen dort Werbespots mit deutschen Nummernschildern. • In einigen Lándern sind Preisangaben in der Fernsehwerbung gebráuchlich (Frankreich), in anderen sehr viel seltener (Deutschland). • Die Einstellung zu informativer Werbung ist unterschiedlich: Die sich wissenschaftlich gebenden Werbespots fiir Zahnpasta machen z. B. in Mexiko wenig Sinn, weil man sich iiber Karies kaum Gedanken macht. • Werbung mit entblófiten Personen kommt in China nicht an. • Demonstrativer Konsum (Snob-Effekt) ist in England verpónt, in China hingegen guter Ton und oft Statussymbol: Weinbrand fiir 2000.- DM verkauft sich gut. Auch in Japan werden gerne Statuselemente betont. • Eine Luftlinie sollte in arabischen Lándern nicht mit einer Stewardess werben, die den Passagieren Champagner serviert, denn dies verletzt islamische Normen. • Regen gilt in Europa als Symbol fiir Frische, in manchen Lándern Afrikas als Fruchtbarkeitssymbol; 36 GroGe Teile der Bevolkerung haben eine angeborene Milchunvertráglichkeit, so daS die religiose Sonderstellung der Kuh durchaus medizinische Griinde hat. <?page no="115"?> B-7. Internationaler Marketing-Mix 9 3 • der Marlboro-Cowboy, der allgemein als Symbol fur Mánnlichkeit und Freiheit gilt, wird in Argentinien als Mitglied der Unterklasse angesehen, usw. usw. Sprache Durch sprachliche Hin- und Heriibersetzungen vom schwedischen Original ins Englische, dann ins Koreanische und schlieSlich Deutsche kónnen sehr falsche Formulierungen entstehen, insbesondere bei Übersetzungen aus oder in fremde Schriftzeichen (Chinesisch, Japanisch, Kyrillisch etc.). Bei Übersetzungen in die Zielsprache ist immer eine (oder mehrere) Riickiibersetzungen in die Ursprungssprache anzuraten. Sogar innerhalb desselben Sprachraums gibt es Begriffsunterschiede (tin/ can, carro/ coche). Andererseits ist ein Trend feststellbar, Werbebotschaften sprachlich nicht anzupassen, sondern zu vereinheitlichen, indem sie auch in nicht-anglophonen Lándern in Englisch verbreitet werden (wichtig ist dabei eine visuelle Unterstiitzung). Ein sprachlich problematisches Land ist Frankreich, da aufgrund entsprechender gesetzlicher Vorschriften - Fremdworter durch frankophone Begriff ersetzt werden sollen. Zwar halt man sich vielfach nicht daran, aber die Gestaltung von Produktverpackungen, Gebrauchsanweisungen oder Informationsmaterial wird dadurch nicht erleichtert. Auch in Polen gibt es solch ein Sprachgesetz, das allerdings weniger strikt durchgesetzt wird, als zunáchst befurchtet wurde. Dennoch haben viele Ausführer zusátzliche Probleme mit Polenexporten. Unachtsamer Umgang mit Produktnamen Beispiele fiir Marketing-Flops gibt es in groEer Zahl: • Die Autofirma Chevrolet versuchte, eine Modellvariante mit dem Namen <Nova> im lateinamerikanischen Markt einzufuhren mit maSigem Erfolg, weil nicht beachtet worden war, dal? mo va> im Spanischen «geht nicht» bedeutet. • Das Deodorant Irish Mist kam im deutschsprachigen Raum nicht gut an. • Ein Autotyp MR 2 klingt in Frankreich sehr áhnlich wie «merde». • Die Typbezeichnung Pajero (von Mitsubishi) wird in der spanischen Umgangssprache als ziemlich grobes Schimpfwort verwendet. 37 • Die Marke Tosca (von 4711) bedeutet im Spanischen «grobschláchtig». • In Japan wurde das Deo Rexona wegen negativer sprachlicher Assoziationen in Rexana umgetauft. Werberecht Der Einsatz der Werbemedien ist unterschiedlich moglich: In Deutschland sind die Werbezeiten im Fernsehen begrenzt man muE die Werbezeiten langfristig im voraus buchen -, in den USA gibt es sehr viel weniger Restriktionen. Zeitungswerbung ist in Italien und Frankreich von grófierer Effektivitát als in Ósterreich; in Deutschland und GroSbritannien gibt es Zeitungen mit nationaler Verbreitung, wáhrend sie in Spanien nur lokale Reichweiten haben. • In Deutschland sind Gutscheine fur Preisnachlásse verboten, in den USA weit verbreitet. In Spanien wird das Auto mittlerweile unter der Bezeichnung Montero (Jáger) vertrieben. <?page no="116"?> 94 B Marktauswahl und MarkterschlielSung • In manchen Lándern ist Werbung fiir Alkoholika, Tabakwaren oder Pharmazeutika verboten. • In bestimmten Lándern ist vergleichende Werbung unter Wahrung bestimmter Fairnesskriterien erlaubt (Danemark, USA), in anderen verboten (Frankreich, Italien; in Deutschland darf ein Produkt beispielsweise nicht ais «das beste» angepriesen werden), usw. Differenzierungen Bei gleicber Werbebotscbaft kann sich die Werbedarstellung an unterschiedliche Normen anpassen: Eine Seife wurde in der Werbung in den USA von einer badenden (ziemlich wenig bedeckten) Frau benutzt; in Siidamerika war es ein Mann im Badezimmer, in Italien konnte man nur die Hand eines Mannes sehen, und in Japan wartete ein Mann vor dem Badezimmer auf die Frau. 38 Bei gleicbem Produkt kann auch die Werbebotschaft verándert werden, indem beispielsweise beim Automobil in Skandinavien «Sicherheit» betont wird, in den USA «Vergniigen», in Deutschland «Komfort» oder «Umweltschutz». B-8. Internationales Beschaffungsmarketing Im Rahmen des internationalen Beschaffungsmarketing beschafft sich das Unternehmen benótigte Vorleistungen im Ausland (Rohstoffe, Vor-, Zwischen- oder Endprodukte, aber auch Diensdeistungen). Die auslandischen Beschaffungsmarkte stehen dabei im Wettbewerb mit dem heimischen Markt. In dem Mafe, wie die Transparenz der internationalen Markte zugenommen hat und die Lieferstrukturen dereguliert und liberalisiert wurden, haben auch die grenziiberschreitenden Beschaffungen zugenommen. Aufgabe des Beschaffungsmarketing ist zu analysieren, welche Bezugsquellen existieren, wie dabei die Kosten optimiert werden kónnen und vor allem: ob der potentielle Lieferant die betreffende Ware in gewünschter Qualitát und Menge fristgerecht - und oft dauerhaft liefern kann. Dies erfolgt nicht immer in hinreichendem MaEe (Abb. B-8/ 1). Die sinnvollerweise zu erstellenden Lieferantenprofile sollten ergánzt werden durch eine Analyse der entsprechenden lánderspezifischen Rahmenbedingungen. Beispielsweise kann die absolute unternehmerische Korrektheit eines Lieferanten eingeschránkt werden durch unzuverlássige Transportbedingungen im Lieferland, die der Lieferant nicht beeinflussen kann. Bei der Entscheidung fur den Wechsel einer Bezugsquelle muí? daher immer abgewogen werden, ob beispielsweise ein Preisvorteil in einem akzeptablen Verhaltnis zu den sich ergebenden lieferanten- und lánderspezifischen Umstellungsrisiken stehen, insbesondere hinsichtlich der Qualitatssicherung. Umgekehrt sollten auch etablierte Lieferantenbeziehungen einer gelegentlichen, am besten regelmáfigen Evaluierung unterzogen werden. Abb. B-8/ 1: Systematisches Lieferantenmanagement ist selten Anforderungen an den Einkauf wachsen / Fahrzeugbau am fortschrittlichsten / Internet wird zu wenig genutzt Kotler, a.a.O., S. 607. <?page no="117"?> B-8. Internationales Beschaffungsmarketing 95 Grundsátzlich stellt sich immer die Frage nach dem Make-or-Buy: Will man bestimmte Produkte oder Dienstleistungen zukaufen oder selber machen? Dies ist natiirlich nur unternehmensspezifisch zu beantworten. Allgemein besteht eine Tendenz, dais sich die Untemehmen auf ihre <Kernkompetenzen> konzentrieren und nur die Produkte oder Dienstleistungen selber machen, die eine hohe strategische Bedeutung haben und für die gleichzeitig die Versorgung durch Zulieferanten als zu riskant angesehen wird. Alie übrigen Produkte oder Dienstleistungen werden zugekauft. Dadurch ergeben sich oft Umstrukturierungen, indem die Verantwortung fur bisherige Untemehmenaktivitaten nach auSen verlagert wird. Wenn es sich dabei urn einen grofieren Bereich handelt, den man komplett einem Externen iibertragt, spricht man von Outsourcing (wie die oben angesprochene Abschaffung eines eigenen Fuhrparks), wenn lediglich bestimmte Aktivitáten auf Vertragsbasis nach aufien verlagert werden, von Contracting-out; die Abgrenzung ist flieSend. Im Beschaffungsmarketing ist man daher auf der Suche nach den giinstigsten Bezugsquellen..Dabei sind verschiedene Strategien móglich. 1. Regionenbezogene Beschaffung • Durch Local Sourcing werden die Beschaffungsquellen in der geographischen Náhe des Unternehmens genutzt. Dies kann u. a. auch im Óko-Marketing herausgestellt werden, weil sich dadurch die transportbedingten Umweltbelastungen minimieren lassen. Bei lokaler Beschaffung sind in der Regel die geringsten Lieferverzogerungen zu erwarten; Ausnahmen (Streik bei Vor-Vorlieferanten) bestátigen diese Regel. • Domestic Sourcing nutzt die Beschaffungsquellen innerhalb des Wirtschaftsraumes, in dem das Untemehmen angesiedelt ist. Dies kann national interpretiert werden oder z. B. auch EU- oder EWR-weit. • Global Sourcing) nutzt alie weltweit zur Verfiigung stehenden Beschaffungsquellen, ohne geographische Beschránkungen. 2. Lieferantenbezogene Beschaffung • Bei Vorprodukten, die einen hohen Beitrag zur eigenen Wertschópfung leisten, wird oft pro Beschaffungsobjekt oder -projekt bzw. pro ProzeEabschnitt nur eine Beschaffungsquelle identifiziert. Dies erleichtert über den Aufbau partnerschaftlicher Beziehungen und ein entsprechendes Vertrauensverháltnis zwar die Qualitátskontrolle, fiihrt aber zu Abhángigkeiten. Bei Vorprodukten mit geringerem Wertschópfungsanteil arbeitet man oft mit mehreren Bezugsquellen, so dafá die Wettbewerbsintensitat zwischen den Lieferanten starker ist. Dies wird insbesondere bei Standardteilen praktiziert, um Kostenvorteile auszunutzen und urn Lieferengpásse zu vermeiden. Nicht selten werden im Einkauf gleichbleibender Giiter fallende Beschaffungspreise vorgegeben, weil man eine Lemkurve beim Lieferanten unterstellt, die sich in sinkenden Kosten niederschlagt. DaS dies nicht immer der Fall ist, stórt Einkaufer mit starker Nachfragemacht nicht so sehr. PRAXISTIP Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME), Frankfurt, bietet regelmáftig «Einkáuferreisen» in verschiedene Lander an, mit denen oft auch Kontaktbórsen und vorab vermittelte Kontakte mit potentiellen Gescháftspartnern verbunden sind (www.bme.de). <?page no="118"?> 96 B Marktauswahl und Markterschlieftung Eine Bezugsstruktur mit vielen verschiedenen insbesondere auch wechselnden - Lieferanten, um jeweils Preisvorteile auszunutzen, ist abzuwágen gegen eine stabilere Konzentration auf nur wenige, bekannte Zulieferer. Bei einer zersplitterten Lieferstruktur kónnen die Kostenvorteile durch Lieferrisiken und die erforderlichen Managementkosten beeintrachtigt oder iiberkompensiert werden. Umgekehrt kann eine differzierte Lieferstruktur unter dem Aspekt der Risikostreuung wiederum Vorteile bringen. PRAXISTIP Nicht selten sind die Einkáufer mit der Problematik des sog. Warenursprungs wenig vertraut. Wenn bspw. ein Unternehmen Büromaschinen nach Polen verkauft, so erfolgt die Einfuhr nach Polen zollfrei, weil Polen mit der EU ein entsprechendes (Zoll-) Praferenzabkommen geschlossen hat vorausgesetzt, die gelieferte Ware <hat EU-Ursprung>. Dies bedeutet verkürzt gesagt, daft die Ware innerhalb der EU produziert worden ist bzw. daft Zulieferungen aus Drittlandem einen bestimmten Anteil nicht überschreiten (sog. local content) 39 . Wenn nun die Einkaufsabteilung die bisher verwendeten Zulieferungen aus Belgien durch kostengünstigere Ware aus Tunesien ersetzt, kann der Fall eintreten, daft das Fertigprodukt aus polnischer Sicht nicht mehr als EU-Produkt angesehen wird und beim Import nach Polen verzollt werden muft. Móglicherweise hat der polnische Kunde dann kein Interesse mehr an einer Belieferung. Eine andere oft zuwenig abgestimmte Problematik ergibt sich in der Fakturierungspraxis. Im Hinblick auf das Devisenmanagement ist es sinnvoll, daft sich Forderungen und Verbindlichkeiten in auslándischen Wáhrungen móglichst weitgehend kompensieren, um die Wechselkursrisiken zu minimieren. Der Einkauf sollte daher in Abstimmung mit dem Verkauf auf Fakturierung in bestimmten Wáhrungen achten. Vgl. hierzu ausfuhrlich Abschnitt H-4. Viele Unternehmen haben auch die Beschaffungslogistik <outgesourced>. Heute bieten spezialisierte Logistikdienstleister vor allem fur kleinere und mittlere Unternehmen einen umfassenden Service, der Defizite beim Beschaffungs-Know-how (Beschaffungsmárkte, Make-or-Buy-Annlysen, Angebotseinholung, Lieferantenauswahl, Rechtsprobleme) ebenso ausgleicht wie Kapazitátsengpásse im Personalbereich (Auftragsabwicklung und -iiberwachung, Zahlungsabwicklung und -iiberwachung). In zunehmendem MaSe stiitzt man sich dabei auch auf das Internet. Eine Alternative zum Outsourcing sind Kooperationen, Firmenpools oder Joint Ventures mit anderen Unternehmen. Die Transportlogistik wird tendenziell sehr viel starker nach auEen verlagert als die Erkundung von Beschaffungsquellen. Dies umfaSt meist auch ein outsourcing des Fuhrparkmanagements bzw. der gesamten Flotte. Der Vertragspartner iibernimmt dabei die Verantwortung, die benótigten Giiter <punktgenau> zu liefern. Wie er dies leistet, ist sein Problem. Die Transportlogistik hángt dabei auch von den Lieferbedingungen ab (Incoterms, vgl. Abschnitt G-2), kann diese aber umgekehrt auch bestimmen, indem man bestimmte Komponenten gerne selber iibernimmt bzw. sie dem Handelspartner übertragen móchte. Beispielsweise verursachen Beschaffungen im Ausland unter EXW (Ab Werk) erheblichen Aufwand. 3 ' Dieser Anteil wird meist in Prozent des Ab-Werk-Preises ausgedriickt und wird vertraglich - und pro duktspezifisch! in dem vólkerrechtlichen (internationalen) Praferenzabkommen hier zwischen EU und Polen festgelegt. Vgl. Abschnitt K-3.3. <?page no="119"?> B-9. Machbarkeitsstudie und Business Plan 97 PRAXISTIP • «Wer liefert was? » (www.wlw.de) • «Freie Lieferantenrecherche in Deutschland, Osterreich und der Schweiz (www.farside.net) • www.branchenbuch.com bzw. www.branchenbuch.de. • www.worldyellowpages.com • 150.000 Firmen aus Nordamerika: hhtp/ / : thomasregister.com (die Nutzung erfordert eine Registrierung) B-9. Machbarkeitsstudie und Business Plan Die umfangreichen vorangehenden Betrachtungen zur Marktauswahl und zur Bestimmung des Marketingmix sollten in einem konkreten Plan fur das zweckmáSige Vorgehen zusammengefaGt werden: Mit welchem Produkt wollen wir in welchen Markt wie eindringen? Dieser Business Plan beschreibt die verfolgten Ziele (quantitativ und qualitativ), die aus den verschiedenen Alternativen ausgewáhlte Strategic und die sich daraus ableitenden geplanten Mafinahmen, einschlieElich quantitativer Eckwerte und Kostenpláne. Basis ist eine Pruning der Durchfiihrbarkeit (Machbarkeitsstudie, Feasibility-Stadie) und eine Abschatzung der Rentabilitát des Vorhabens. Damit dient der Businessplan auch als Grundlage fur Finanzierungsgespráche mit Banken. Vielfach bietet es sich an, alternative Szenarien durchzuspielen (best case: optimistisch, worst case: pessimistisch, business as usual: keine groSen Veránderungen in den Parametern), die gleichzeirig auch als Orientierung dienen kónnen, wenn sich sparer doch ungeplante Veránderungen einstellen. Diese strategischen und planerischen Instrumente sind allgemeines Managementriistzeug und werden daher hier nicht weiter ausgebaut. <?page no="120"?> r V a * Organisation und Management Bezüglich der Auslandsaktivitáten eines Unternehmens sind unter anderem zwei Dinge zu kláren: • der personelle Bedarf im Unternehmen in qualitativer Hinsicht (Kompetenzen) und quantitativer Hinsicht (Anzahl von Mitarbeitern) sowie • die organistorische Einbindung der Auslandsfunktionen in die Aufbau- und Ablauforganisation. Viele Unternehmen werden eher zufállig in das Auslandsgescháft hineingezogen, weil sie unverhofft einen Auftrag aus dem Ausland erhalten, weil sie auf einer Messe vertreten waren oder weil der Juniorchef im Urlaub einen interessanten Kontakt schlieSt. Dann sind erfahrungsgemáfi die organisatorischen Vorkehrungen gering. Bei sporadischen Auslandsgescháften sowohl auf der Exportals auch auf der Importseite erledigt oft ein Mitarbeiter die auslandsbezogenen Aufgaben <so nebenbei>, der bei Bedarf durch externe Spezialisten unterstiitzt werden muE, z. B. import- oder exporterfahrene Spediteure, Handelsháuser, Versicherungen, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Fachanwálte, ZoUconsultants usw. Manchmal schlieSen sich auch mehrere (meist kleinere) Unternehmen zu einer Exportvereinigung zusammen, oder sie kooperieren im <Huckepackverfahren> mit einem grofieren, erfahrenen Unternehmen, das iiber die entsprechenden Markt- und Landeskenntnisse verfügt (vgl. Abschnitt B-6 iiber Markteintrittsformen). Spezielles eigenes Personal ist erst bei umfangreichen und dauerhaften Auslandsaktivitáten sinnvoll, u. a. im Hinblick auf die Beachtung gesetzlicher Vorschriften im Bereich des Steuer-, Zoll-, Exportkontroll-, Arbeits-, Kaufvertrags- und Wettbewerbsrechts sowie bei Finanzierungs- und Versicherungsfragen. Nicht wenige Unternehmen haben fur ihre Zoll- und Exportabteilungen Fachleute aus der Zollverwaltung abgeworben. Man sollte jedoch daran denken, daft Erfolg oder MiSerfolg des Auslandsgescháfts sehr stark von der Qualifikation der dafiir im Unternehmen Verantwortlichen abhángen. C-1. Aufbau internationaler Fiihrungsstrukturen C-1.1. Aufbauorganisation Ob in einem Unternehmen eine spezielle Zollund/ oder Export-Abteilung sinnvoll ist, ob diese für alie Unternehmensbereiche oder auch für alie verbundenen Unternehmen zustándig ist, ob fachspezifische Fortbildungen ausreichen oder ob auf externen Sachverstand zuriickgegriffen werden sollte, kann natiirlich nicht allgemein beantwortet werden. Ein Grundsatz sollte über alien stehen: So einfach wie móglich, so komplex wie nótig, oder anders gesprochen: «Die Form folgt der Funktion» bzw. «Die Struktur folgt der <?page no="121"?> C - 1 . Aufbau ¡nternationaler Führungsstrukturen 99 Strategic» 1 Die Veranderung einer etablierten Organisationsstruktur zu einer international orientierten Fiihrungsstruktur geht nicht immer reibungslos vonstatten. Nicht selten entwickeln sich Widerstande, weil Mitarbeiter, aber auch Zulieferer und Kunden von einer Ausweitung des Auslandsengagements Nachteile befiirchten. PRAXISTIP Wie immer die organisatorischen Strukturen entwickelt werden wichtig ist in jedem Fall, daft für die Betreuung der Auslandsaktivitáten verantwortliche Ansprechpartner definiert werden und dafi diesen die erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen zur Verfügung stehen. C-1.1.1. Zentralisierung und Dezentralisierung In Abschnitt B-5 wurden die verschiedenen <Zentrierungs>-Alternativen des internationalen Marketing angesprochen. Sie wirken sich'auch auf die Führungsstrukturen aus. Dabei stehen zwei grundsátzliche Alternativen zur Auswahl: zentralisierte und dezentralisierte Strukturen (Abb. C-l/ 1). • Eine ethnozentrische Marketingstrategie, bei der die Überlegungen, die für das Inland gelten, auf das Ausland iibertragen werden, weist meist aber nicht zwingend auch eine zentralisierte Fiihrungsstruktur auf, bei der das Auslandsgescháft vom Inland aus gemanaged wird. Zumindest gilt dies für strategische Entscheidungen, wáhrend das operative Management durchaus dezentral vom Ausland aus gefiihrt werden kann. • Polyzentrische und regiozentrische Strukturen, welche die spezifischen Besonderheiten einzelner Lánder oder Lándergruppen individuell und differenziert beriicksichtigen und beispielsweise auch ein lánderspezifisches Produktprogramm bedeuten, miissen zwangslaufig dezentralisiert sein und sind oft aber nicht zwingend mit eigener Prásenz des Unternehmens im Ausland verbunden. • Eine geozentrische (globale) Strategie beruht meist auf einer zentralen Führungsstruktur und einer Vereinheitlichung von Abláufen. Ein wichtiges Differenzierungselement ist jedoch die Besetzung der Strukturen mit Fachkráften, die den jeweils lánderspezifischen Besonderheiten Rechnung tragen kónnen, günstigerweise vor Ort. Fiir eine Zentralisierung spricht, daf> das Risiko inkonsistener Parallelentscheidungen, die dem konkreten Managementproblem nur unzureichend gerecht werden, geringer ist (der eine <htih>, der andere <hott>). Auch bei Aktivitáten mit Mengeneffekten (Einkaufsrabatte, Konditionen) bietet sich eine Zentralisierung an, ebenso wie fiir das Handling von Wáhrungs- und Zahlungsrisiken. Dagegen spricht, daS eine zentralisierte Fiihrung oft <weitab vom Schui? > sein kann, so dai? erforderliche operative Entscheidungen verzogert werden oder falsch getroffen werden oder ihre Rationalitát intransparent ist. Insbesondere lánderspezifische Aspekte - Prioritáten, Rechtsfragen, Mentalitátsfragen kónnen von der Zentrale aus nicht immer effizient berücksichtigt werden (wie es so schón heif? t: «Bis die Zentrale reagiert, ist alies passiert»). Dezentralisierte Führungsstrukturen sind problemnáher. Sie gehen oft auch mit gróferer Motivation der Mitarbeiter vor Ort einher, erfordern aber einen entsprechenden Informa- 1 «Form follows function, structure follows strategy.» A. D. Chandler, Strategy and Structure, Cambridge 1962. <?page no="122"?> 100 C Organisation und Management Abb. C-1/ 1: Organisationsalternativen Alternative Fiihrungsstrukturen • autoritáre • kooperative Führungsstruktur • divisionale • funktionale • gemischte (hybride) Führungsstruktur tions-, Koordinations- und Abstimmungsaufwand. Der Asien-Chef sollte móglichst nicht in Stuttgart residieren. Strategien fur unbekannte neue Márkte lassen sich zwar in Deutschland formulieren, aber sie sollten lokal an den lokalen Gegebenheiten ausgerichtet werden. Zumindest ihre Adaption sollte im Zielmarkt erfolgen. «Think global, act local», heifst die Devise. C-1.1.2. Stellen- und Funktionenbildung In vielen mittelstándischen Unternehmen ist der Export «Chefsache». Das ist grundsátzlich auch richtig, weil dies die strategische Bedeutung unterstreicht, die das Exportgescháft fur viele Unternehmen hat. Er wird das aber kaum allein leisten kónnen. Das operative Gescháft wird in kleineren Unternehmen oft von Mitarbeitern <so nebenbei> mit abgewickelt; erst von einem bestimmten Auslandsumsatzvolumen im Export wie im Import lohnt es sich, spezialisierte Mitarbeiter zu bescháftigen. Für einige spezifische Aspekte sind besonders geschulte Fachkráfte erforderlich, Im Hinblick auf die allgemeinen Grundsátze der Stellen- und Funktionsbildung kann hier nur auf eine breite Literatur verwiesen werden, u. a. im Hinblick auf Aufgabenanalysen, rationale Stellenabgrenzungen (urn Uberschneidungen und Liicken zu vermeiden) und entsprechende Stellenbeschreibungen (job descriptions). Wie im Inland sind auch bei international orientierten Managementstrukturen grundsátzlich divisionale (produktbezogene), funktionale (tátigkeitsbezogene 2 ) und gemischte Strukturen (hybride Strukturen) (z. B. Matrixstrukturen oder Teams) zu unterscheiden. Ebenso finden sich <klassische> Linienorganisationen oder Stab-Linien-Varianten. Dies hángt auch von dem im Unternehmen praktizierten Führungsstil ab (autoritar, partizipativ, kooperativ etc.). In der Praxis sind drei Tendenzen festzustellen: 1. Allgemein wird versucht, die Organisationstiefe zu minimieren und Hierarchieebenen zu vermeiden bzw. abzubauen (lean management). 2. In den meisten international tátigen Unternehmen ergeben sich unabhangig von einer divisionalen oder funktionalen Grundstruktur besondere regionale Zustándigkeiten im • ethnozentrische • polyzentrische Führungsstruktur • zentralisierte • dezentrale Führungsstruktur 2 Z. B. Produktentwicklung, Produktion, Finanzierung, Vertrieb usw. <?page no="123"?> C - 1 . Aufbau ¡nternationaler Führungsstrukturen 1 0 1 Management, d. h. dafi in die Grundstruktur jeweils <geographische> Ebenen eingezogen werden. Dann gibt es beispielsweise den Produktmanager Haushaltsgeráte fiir Siidostasien neben dem fur das Inland oder fiir andere Regionen. Dies begiinstigt auch die Betreuung heterogener, d. h. lánderspezifischer Produktvarianten. 3. Es besteht zudem eine Abkehr von groEen Unternehmensbereichen und eine Tendenz zur Dezentralisierung durch Schaffung von Profit Centers im Ausland, also faktisch Unternehmen im Unternehmen, in grofiem Stil beispielsweise VW/ USA oder Bayer/ Argentinien, in kleinerer Dimension z. B. eine ausgelagerte Produktion eines deutschen Getriebeherstellers fur Baumaschinen in China. Da wir nicht alie betrieblichen Funktionen aus organisatorischer Sicht analysieren konnen, gehen wir im folgenden Abschnitt beispielhaft auf die Einbindung der Export- und Importabwicklung ein. C-1.1.3. Beispiel: Export- und Importabwicklung Vom Einkauf (Zólle, Warenursprung) iiber die Lagerung (dto.) bis zum Verkauf (Warenursprung, Exportkontrolle) ziehen sich zoll- und aufenwirtschaftsrechtliche Fragen wie ein roter Faden durch das international tátige Unternehmen. Es ist aber immer wieder festzustellen, da(? auf der Ebene der Untemehmensleitung nicht nur in mittelstándischen Unternehmen zuwenig Kenntnisse und daraus folgend auch wenig Interesse an diesen Aspekten besteht; das Ohr fiir diesen Bereich ist oft recht schwerhórig. Dies kann zum einen ókonomische Nachteile mit sich bringen (falsche Tarifierung, unnotige Abgaben), zum anderen auch rechtliche Risiken. Aber die notwendige Einsicht entsteht nicht selten erst, wenn das Unternehmen in Schwierigkeiten geraten ist (vgl. Abschni(t L-6 zur Exportkontrolle). Teures Lehrgeld. Vieles spricht fiir eine Biindelung der verfahrensmáfsigen Einfuhr- und Ausfuhrzustándigkeiten in einer Organisationseinheit, nicht zuletzt im Hinblick auf einen Ansprechpartner fur Behórden, aber auch aus sachlicher Sicht, weil beispielsweise das Praferenzrecht sowohl den Import ais den Export berührt und auf beiden Seiten Práferenzregeln beachtet und Ursprungsnachweise gepriift bzw. erstellt werden miissen. Die finanziellen Vorteile kompetenter Verantwortlicher fiir Export- und Importfragen bleiben in nicht wenigen Unternehmen auf der Leitungsebene undeutlich: u. a. Ausnutzung von günstigen Verfahrensalternativen und Práferenzregelungen, interne Kostenersparnisse, entsprechende Einkauf- und Verkaufharmonisierung und allgemein: bessere Marktchancen. Genauso wie sich fur ein Finanzamt ein Betriebspriifer sehr schnell amortisiert, gilt dies im Unternehmen fiir das Einfuhr- und Ausfuhrcontrolling eben auch. Grundsátzlich ist wichtig, daí? den zoll- und auSenwirtschaftsrechtlichen Fragen durch eine klare organisatorische Einbindung Rechnung getragen wird, und dies umfafit sowohl die Benennung von Personen ais auch die Definition von Verantwortlichkeiten und Zustándigkeiten. Hierzu gehórt ein umfassendes Informationsrecht bei alien Unternehmensteilen. Bei gróEerem Exportvolumen wird oft zunáchst eine Exportbzw. Importstellé, spáter dann vielleicht eine Abteilung eingerichtet, die fiir die Abwicklung zustándig ist. 3 In der Kosten- 3 Wir begründen weiter unten, weshalb eine Integration bestimmter Import- und Exportfunktionen sinnvoll sein kann. <?page no="124"?> 102 C Organisation und Management und Leistungsrechnung kann diese Einheit als Kostenstelle bzw. als Profit Center gefuhrt werden, um Aufwand und Ertrag des Auslandsengagements gegenüberstellen zu kónnen. Die sonstigen kaufmannischen Aspekte (Vertragsgestaltung, Zahlungsverkehr, Finanzierung, Risikomanagement etc.) kónnen von den jeweils für den Inlandsmarkt zustándigen Organisationseinheiten mit betreut und abgewickelt werden. Erst von bestimmten, nur subjektiv bestimmbaren Schwellenwerten an ergibt sich die Notwendigkeit, komplexere auslandsbezogene Fiihrungstrukturen zu entwickeln, weil die Entscheidungsparameter zunehmen und komplexer werden, mit zunehmender Unsicherheit auch gróEere, zumindest andere Risiken entstehen und weil spezifischere Kompetenzen erforderlich werden. Das Exportkontroll- und Zollrecht ist ein Aufgabengebiet, das grundsátzlich nicht <aus den Augenwinkeln> beobachtet werden kann. Allein die Verfolgung der laufenden Anderungen der Rechtsgrundlagen (nationale und europáische Gesetzestexte, Fachliteratur und ganz wichtig aktuelle Rechtsprechung) erfordert meist mehr Aufwand, als er <so nebenbei> serios zu leisten ware. Viele Vorschriften kónnen nur mit betrachtlichem Mittelaufwand aktuell gehalten werden. Rechtsverletzungen kónnen jedoch fur das Unternehmen, aber auch für verantwortliche Personen teilweise sehr massive Konsequenzen haben (vgl. u. a. Abschnitt L-6.5.5). Eine gezielte Fortbildung ist in jedem Fall sowohl unerláSlich als auch zeitaufwendig. Von einem bestimmten Aktionsvolumen an wird dies daher zu einer hauptberuflichen Beschaftigung, deren Bedeutung für den Unternehmenserfolg nicht unterschátzt werden sollte. In vielen Unternehmen ist allerdings zu beobachten, dai? sich die Fachkompetenz für Zoll- und Exportkontrollfragen personell stark konzentriert, so dai? sich dabei ein betráchtliches «Herrschaftswissen» ansammelt. Das rácht sich spátestens, wenn Herr oder Frau Soundso nicht nur mal in Urlaub ist (dann bleibt aller Zollkram eben liegen), sondern das Unternehmen ganz verlafst. Eine kompetente Vertretungsregelung sollte eigentlich eine Selbstverstándlichkeit sein, damit nichts anbrennt, ist es aber oft nicht. C-1.2. Ablauforganisation Die Ablauforganisation wird wesentlich von der Aufbauorganisation beeinfluSt. Wir konnen hier natürlich nicht auf alie funktionsspezifischen Aspekte im Bereich Beschaffung, Produktion, Finanzierung, Marketing und Verkauf etc. eingehen, sondern greifen auch hier nur einige wichtige Aspekte heraus. Wenn in eine Managementstruktur dezentrale Elemente eingebaut werden, sind zwei Aspekte wichtig: • Es müssen klare Zustándigkeiten und Verantwortlichkeiten definiert werden. • Wegen des erhóhten Koordinierungsbedarfs muí? ein effizientes Management-Informationssystem (MIS) entwickelt werden, denn es müssen komplexere Analyse-, Planungs-, Entscheidungs- und Kontrollprobleme gelóst und Entscheidungen abgestimmt werden. Ein MIS ist ein Controlling-Instrument, welches oft parallel zum traditionellen Berichts- und Rechnungswesen entwickelt werden muí? . Effizientes Informationsmanagement (Wissensmanagement) ist eine wichtige Voraussetzung fur ein erfolgreiches Engagement im Auslandsgescháft. Gelegentlich ist in unerfahrenen Unternehmen die irrige Meinung anzutreffen, dies sei nicht so wichtig, und man kónne dies leicht nebenbei erledigen. Mag sein, daf? <?page no="125"?> C - 1 . Aufbau internationaler Führungsstrukturen 103 dies im Einzelfall mal hinhaut. Spatestens von einem etwas umfangreicheren Auslandsengagement ist eine gezielte Informationsbeschaffung und dies ist besonders wichtig) - Informationsverarbeitung ein MuG (u. a. in Bezug auf sog. Ursprungsregeln auf der Importwie auf der Exportseite), und hiermit sind auch Kosten verbunden, das muf> klar gesehen werden. Die Verfiigbarkeit einer grol? en Zahl von Informationeri ist jedoch nicht gleichbedeutend mit mehr Wissen; Datenfriedhofe behindem eher (Abb. C-l/ 2). Abb. C-1/ 2: Wissensmanagement Die Pflege von Datenbanken ist noch kein Wissensmanagement ..Bespektlosigkeit vor Erfahrung" / Standardlosungen nicht problemgerecht / Begriffschaos als Hinderois Wissensmanagement in vielen Unternehmen nur Lippenbekenntnis Keine genauen Kenntnisse über die eigenen Kompetenzen / Wissen wird kaum an Mitarbeiter vermittelt „Viele Informationen führen nicht automatisch zu viel Wissen" Export- und Zollverantwortliche sollten einen direkten Draht zur Unternehmensleitung haben, sofern sie nicht sogar selbst in diese eingebunden sind. Wir gehen im Zusammenhang mit der Exportkontrolle in Abschnitt L-6.5 ausfiihrlich auf die Position des Exportbeauftragten ein, der in vielen Unternehmen qua Gesetz ernannt werden mu£, sofern diese in <sensiblen> Exportbereichen tátig sind. In den Abschnitten K-2 und K-3 werden die zollrechtlichen Aspekte ausfiihrlich untersucht, die neben Kostenaspekten auch die Wettbewerbspqsition beeinflussen kónnen. In gewisser Weise sind die folgenden Uberlegungen daher vor die Klammer gezogen, um zu verdeutlichen, daS zoll- und aufienwirtschaftsrechtliche Fragen oft eine Querschnittsfunktion haben. Sie spielen in vielen Unternehmensbereichen eine Rolle, was auf den ersten Blick nicht immer deutlich werden mag. • Ganz offensichtlich ist die Bedeutung zollrechtlicher Fragen fur den Wareneinkauf. Kaufvertráge sollten vor dem AbschluS mit der Zollabteilung des Unternehmens abgesprochen werden, um die sich ergebenden Zollbelastungen, eventuelle Einfuhrverbote und -beschránkungen (V.u.B.), die Beschaffung erforderlicher Dokumente vom Lieferanten oder vor allem um Ursprungsfragen abzukláren. Dies betrifft auch den Verkauf, mit dem sich der Einkauf gleichermaSen friihzeitig absprechen sollte, weil z. B. neue, preislich giinstigere Zulieferungen aus Hongkong start aus Belgien zwar auf den ersten Blick die Kosten senken mógen, dies jedoch fur die produzierte Ware bedeuten kann, daS sie den EG- Ursprung verliert und damit nicht mehr zollfrei z. B. in Polen importiert werden kann. Dann kónnten Kunden leicht abspringen. • Beim Wareneingang konnen'Falschlieferungen oder erkannte Mangel ggf. zu einer anderen Tarifierung fiihren oder evtl. zollrechtlich eine Wiederausfuhranmeldung erforderlich machen. Daher sollten zugelieferte Waren móglichst nicht ohne weiteres zum freien Verkebr abgefertigt werden, denn eine dadurch entstandene Zollschuld kann i.d.R. nicht rückgángig gemacht werden. Beim Wareneingang spielt die Dokumentation eine wichtige Rolle, beispielsweise weil Práferenz- oder Ursprungsnachweise vorliegen miissen (beim Einschalten von Kurierdiensten passieren hier viele Fehler). • Hinsichtlich des (Einkauf-(Lagers stellt sich die Frage, ob ein Zollager sinnvoll ist. Dies <?page no="126"?> 1 0 4 C Organisation und Management gilt analog fur den Verkauf, wenn Waren durchgehandelt werden. Dann sollte sichergestellt werden, daí? weder Zólle noch Einfuhrumsatzsteuer noch Mehrwertsteuer zu entrichten sind. • Die Produktentwicklung (F&E) ist u. U. zollrelevant, wenn sie auSerhalb der EU erfolgt und ggf. in den Zollwert importierter Giiter einzubeziehen ist (Konstruktionsplane, Patente, Lizenzen); dies sollte auch bei Funktionsverlagerungen ins Ausland bedacht werden. • In der Produktion sind ursprungsrechtliche Fragen von grofiter Bedeutung, d. h. vor allem: ob bei der Verwendung von Zulieferungen aus anderen Landern die produzierte Ware z. B. den deutschen bzw. den EG-Ursprung erhált oder nicht, aber z. B. auch, ob sich eine passive Veredelung im Ausland lohnt. • Der Verkauf wird sich stark für práferenzrechtliche Aspekte interessieren, d. h. ob der Kunde die Ware zollfrei mit EG-Ursprung importieren kann oder nicht. Sehr wichtig ist, ob die Ausfuhr Exportbeschrankungen unterliegt, die teils waren-, teils lander-, teils verwendungsabhangig sein konnen, was vielen Exporteuren gar nicht bewuSt ist. • Für den Export miissen ggf. bestimmte Dokumente besorgt werden (z. B. Ursprungsnachweise, Ausfuhrnachweise), auch nach vorübergehender Verwendung (Abschnitt K-4.4). Abzukláren ist insbesondere auch, ob die Waren vorher den Zollbehórden gestellt werden miissen, um die zoll- und auftenwirtschaftsrechtliche Abfertigung zu erledigen. Um diese Aspekte jederzeit zu iiberblicken, sollte ein zoll- und exportkontrollrechtlich orientiertes Controlling móglich sein. Dies setzt ein entsprechendes Rechnungswesen voraus, in dem beispielsweise die Abgabenwirkung von Rechnungsgutschriften oder Nachbelastungen im Einkauf und Verkauf ermittelt und berücksichtigt wird. Insbesondere ist dabei ein laufender Abgleich mit den Zollanmeldungen und mit den steuerlichen und anderen Auswirkungen auf die Einfuhrabgaben (Zolle, EUSt, Verbrauchsteuern, Agrarzólle) erforderlich. Günstigerweise sollten Informationen computergestützt zur Verfügung stehen, u. a. hinsichtlich des Zolltarifs, der Ursprungsregeln (ein wahrer Dschungel), der Sammelzollverfahren, der Lander- und Warenlisten etc. Aus der Analyse der entsprechenden Probleme ergeben sich oft auch Auswirkungen auf die Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmens, z. B. hinsichtlich der Belegdokumentation oder des Informationsflusses. Dies ist nicht zuletzt auch im Hinblick auf Betriebsprüfungen durch den Zoll erforderlich. Die Rechtsabteilung vieler Unternehmen ist zwar meist auf steuerrechtliche, weniger aber auf zoll- und auSenwirtschaftsrechtliche Fragen im wünschenswerten MaSe vorbereitet. Auch und insbesondere hier muí? von der Unternehmensleitung entscheiden werden, ob ggf. auf externe Berater zurückgegriffen werden soil oder ob die Bescháftigung von Zollspezialisten erforderlich ist. Diese kónnen oft kostensparende Verfahrensvarianten vorschlagen, deren Existenz und Bedeutung für den Nichtfachmann oft nicht erkennbar ist. C-2. Personelle Kapazitáten Um Auslandsgescháfte erfolgreich abzuwickeln, braucht jedes Unternehmen eine entsprechende personelle Kompetenz. Dabei stellt sich die Frage, ob die eigenen Personalkapazitáten reichen oder of man auf externes Personal zurückgreifen mufi, denn im ersten Schritt <?page no="127"?> C - 2 . Personelle Kapazitáten 1 0 5 wird ein Unternehmen, das sich erstmalig in den Export wagt, wohl kaum zusátzlich Personal rekrutieren. Wie schon gesagt: «Man braucht eine Spezialisierung, gutes Marketing und gute Leute» (Abb. C-2/ 1). In der Zusammenarbeit mit auslándischen Partnern treten Unterschiede in den Gescháftssystemen, Führungs- und Organisationsstrukturen, Philosophien und Unternehmenskulturen deutlich zutage. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die eigenen Managementstrukturen mit geeigneten Personen zu besetzen, die diese Aspekte berücksichtigen kónnen. Abb. c-2/ 1: „ Wir brauchen mehr internationale Führungskrafte" Die Anforderungen an die Mitarbeiter sind gestiegen: • Zum einen miissen Mitarbeiter heutzutage fast immer damit rechnen, einen nicht unerheblichen Teil ihrer Arbeitszeit im Ausland zu verbringen, teils in Form von Reisen, teils durch permanente Prásenz in Filialen oder Tochtergesellschaften im Ausland. Dies erfordert ein hohes MaS an Flexibilitát und Mobilitát und stellt auch hohe Anforderungen an die Familien der Mitarbeiter. • Zum anderen hat sich das Anforderungsprofil erweitert, indem neben produktbezogenen Kompetenzen auch betriebswirtschaftliche Qualifikationen erwartet werden sowie interkulturelle Kompetenzen, d. h. insbesondere exzellente Spracbkenntnisse, die Fáhigkeit, fremde Márkte einschátzen zu kónnen und mit Kunden und Kollegen aus anderen Lándern und Kulturen zusammenzuarbeiten. Die Stellenanzeigen in einer beliebigen Tageszeitung belegen dies. Die berufliche Internationalisierung betrifft neben der Managementebene der Unternehmensleitung vor allem Einkauf, Vertrieb und Service. «Der Manager von morgen wird nach 20 Berufsjahren zwei Drittel dieser Zeit auSerhalb seines Geburtslandes verbracht haben und in der Lage sein, in mehreren Sprachen, darunter Englisch und mindestens eine asiatische Sprache, zu verhandeln» (FAZ vom 25.3.98). Irgendwo habe ich gelesen: «Das Kapital des Unternehmens verláEt das Unternehmen jeden Abend durch den Haupteingang. Human Capital d. h. die Mitarbeiter sind das wichtigste Gut.» Das hórt jeder Mitarbeiter gem und studiert nochmal seine Gehaltsabrechnung. Grundsátzlich sollten die Personalmanager, die Mitarbeiter fur Auslandsaktivitáten einstellen oder iiber die Besetzung von Auslandspositionen entscheiden, die damit verbundenen Anforderungen einschátzen kónnen. Dies ist jedoch nicht immer gegeben. DaS jemand gut Englisch spricht, qualifiziert ihn oder sie noch nicht ohne weiteres fur eine Tátigkeit in Asien. Andererseits wenden viele Unternehmen grofie Mühe auf bei der Besetzung von Auslandspositionen, und Bewerber miissen sich nicht selten in Assessment Centers bewáhren. Doch auch solche Labortests sind keine Garantie fur den Erfolg. C-2.1. Kriterien zur Personalauswahl Bei der Personalauswahl unterscheiden sich die Strategien: • Manche Unternehmen legen mehr Wert auf Mitarbeiter, die sofort einsetzbar sind, weil sie bereits an anderer Stelle Erfahrungen gesammelt haben, andere bevorzugen die interne Ausbildung und Entwicklung ihrer Mitarbeiter. In Unternehmen des letzteren Typs haben also Hochschulabsolventen eher eine Chance als in den anderen. <?page no="128"?> 106 C Organisation und Management • Einige Unternehmen stellen ihre Mitarbeiter zentral für alie Filialen und mit teilweise ausgekliigelten Tests ein, andere iiberlassen die Personalentscheidung den Führungskráften vor Ort. Viele Unternehmen stellen für ihre Mitarbeiter, die im Ausland oder mit dem Ausland arbeiten, spezielle Anforderungsprofile auf. Abb. C-2/ 2 wertet eine beispielhafte Stellenanzeige für einen Auslandsmitarbeiter aus. Abb. C-2/ 2: Standardqualifikationen Stellenanzeige: Verkaufsleiter für den GroBmotorenbau in Siidostasien Sind Sie der kaufmánnisch erfahrene Techniker oder aber der technisch versierte Kaufmann? Haben Sie Ihr Verhandlungsgeschick, Ihr Durchsetzungsvermógen und Ihre AbschluBsicherheit auch schon auf internationaler Ebene unter Beweis stellen konnen? Sind Sie zwischen 30 und 40 Jahre alt. sprechen flieBend Enalisch und suchen nun eine neue Herausforderung? Dann senden Sie Ihre aussagekráftige Bewerbung an ... Standardqualifikationen • fachliche und berufliche Fahigkeiten • Landeskenntnjsse • Sprachkenntnisse (dabei ist Englisch selbstverstandlich) • Anpassungsfahigkeit, Flexibilitat • Mobilitat • Kommunikationsfahigkeit • kulturelles Verstandnis, Toleranz • Motivation • psychische Belastbarkeit • physische Belastbarkeit • Familienstand Neben der grundsátzlich natürlich unabdingbaren fachlichen Eignung werden für Auslandseinsátze andere Kriterien zunehmend wichtiger. Ein Unternehmer sagte, daS Menschenkenntnis wichtiger ist als Marktkennmis, weil man sich letztere eher aneignen kann, aber ich glaube eher, dafs beides zusammen da sein mufi. Da die bei einem Auslandseinsatz auftretenden Schwierigkeiten nur bedingt durch das Stammhaus abgefangen werden kónnen, muS auf die personliche Qualifikation des Auslandsmitarbeiters besonderer Wert gelegt werden. Neben der Frustration für den Mitarbeiter stellt ein Fehlschlagen des Auslandseinsatzes für das Unternehmen eine kostentráchtige Fehlinvestition dar, deren negative Konsequenzen oft nicht zu reparieren sind: Wenn ein Mitarbeiter bei den auslandischen Partnern <Porzellan zerschlagen> hat, laf>t sich dies oft nicht mehr kitten. Singles sind zwar oft billiger, aber viele Unternehmen bevorzugen verheiratete Auslandsmitarbeiter, denn Ehepartner kónnen in einem schwierigen, ungewohnten Umfeld ein Stabilisierungsfaktor sein (Abb. C-2/ 3). Hinzu kommt oft, daS bei gesellschaftlichen Anlássen <?page no="129"?> C - 2 . Personelle Kapazitáten 1 0 7 der Ehepartner iiblicherweise mit einbezogen wird. In der Tendenz sind Frauen auch in Auslandspositionen unterreprásentiert. Frauen müssén sich in arabischen Lándern an einige Beschránkungen gewóhnen. In Saudi-Arabien kónnen Frauen nach wie vor nur in Begleitung ihres Marines, Bruders oder Vaters einreisen, was schon zu mancher Scheinehe gefiihrt hat; selbstándige Unternehmerinnen schicken mánnliche Manager vor. Dubai scheint auch fur unverheiratete Frauen einflexiblererStandort zu sein, ebenso die Tiirkei. Oft scheint die Blockade jedoch eher in der deutschen Personalpolitik als in der auslándischen Kultur zu liegen. Abb. C-2/ 3: Familieninteressen Beim Auslandseinsatz die Interessen des Ehepartners berücksichtigen Die entsandte Führungskraft braucht eine intakte Familie Vergiitung und Einsatzbedingungen ¡m Ausland / Erschwerniszulage, Auslandsprámien und Kaufkraftausgleich Ohne ihren Lebenspartner gehen Manager nicht ins Ausland Wachsende Bedeutung kurzfristiger Atislandsaufenthalte I Hohe Kosten und Karriererisiken als Hemmnisse Eine wichtige Voraussetzung ist die Mobilitát des Mitarbeiters. Hier liegt das Problem oft nicht nur beim Mitarbeiter selbst, sondern insbesondere auch bei seiner Familie, derm es handelt sich nicht nur urn eine zeitlich begrenzte Gescháftsreise: Der Mitarbeiter soil meist auf lángere Sicht (oft 3-6 Jahre) in diesem Land mit seiner Familie leben. Deshalb sind u. a. folgende Faktoren zu berücksichtigen: • schulische Ausbildung der Kinder und Anerkennung von Schulabschliissen; • berufliche Tátigkeit des Ehepartners und dessen Bereitschaft, seine Karriere im Notfall der des anderen unterzuordnen; • Unsicherheit oder sogar Furcht der Familie vor dem neuen Umfeld; • ausreichende sprachliche und landeskundliche/ kulturelle Kenntnisse aller Beteiligten, die eine Integration ermóglichen. Aus diesem Grund sollte das Unternehmen vor der Entsendung auch die Familie des Mitarbeiters in VorbereitungsmaSnahmen für das Entsendungsland mit einbeziehen. Gute Sprachkenntnisse sind unerláfilich, weil sonst sogenannte «Kommunikationslócher» entstehen kónnen, von den Integrationsproblemen in einer neuen Gruppe ganz zu schweigen. Es kommt immer noch vor, daE vor allem amerikanische - Manager in Konzernniederlassungen in Deutschland nicht über hinreichende Sprachkennmisse verfügen und sich ihren Mitarbeitern nicht in Deutsch mitteilen kónnen. Der berühmte Wutausbruch von FuEballehrer Trappatoni («wie Flasche leer» und «ich habe fertig») hat zwar Kultstatus, belegt dies aber beispielhaft. Dies kann zu Autoritátsverlust fiihren, wenn ein Vorgesetzter nicht ernst genommen wird. Er kann dann seine Mitarbeiter auch nicht motivieren. Grundsátzlich sollte man die Landessprache sprechen oder wenn diese eine exotischere Sprache ist zumindest eine im Land gángige Sprache wie Englisch, Franzosisch, Spanisch oder Arabisch beherrschen. Auch geringe Kenntnisse in einer lokalen Sprache fórdern in jedem Fall die Akzeptanz. <?page no="130"?> 1 0 8 C Organisation und Management Der Auslandsmitarbeiter muE oft mehr Verantwortung fur Entscheidungen tragen als dies zu Hause üblich war. Oft arbeitet er (sie) ohne Kontrolle vom Mutterhaus, und nicht immer kann er sich auf ein effizientes Backstopping verlassen. Auch die neue betriebliche Umwelt kann belasten. In der ersten Zeit ist der soziale Kontaktpartner fast ausschlieiSlich die Familie, die ihrerseits selbst noch Probleme haben mag, sich zurecht zu finden und Kontakte aufzubauen. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten kónnen zu einer zusátzlichen psychischen Belastung werden. C-2.2. Vor- und Nachteile eines Auslandseinsatzes Vor allem unerfahrene Mitarbeiter sehen einem Auslandseinsatz oft mit bangem Herzen entgegen, weil sie unsicher sind, was sie erwartet. Gleichzeitig fiihlen sie sich belastet durch die Verantwortung fur das Wohl ihrer Familie in dem neuen Umfeld. Grundsátzlich erfolgt eine Herauslósung aus der gewohnten sozialen Umgebung und den sozialen Beziehungen, was auch gelegentliche Heimaturlaube nur im Ansatz kompensieren kónnen. Bis man von den <Einheimischen> nicht mehr als expatriate oder gringo (sprich: Auslánder) angesehen wird, vergeht viel Zeit. Oft geschieht das nie. Probleme mit ungewohnter Mentalitát bis hin zum richtigen Kulturschock sind gángig (Abb. C-2/ 4). Abb. C-2/ 4: Auslandsmitarbeiter Wer in China Erfolg haben will, stellt Kinder von Parteimitgliedern ein Bedeutung soziopolitischer Interessengruppen für deutsche Unternehmen in China / Beim Bankett zeigt sich, wer die chinesische Kultur versteht Gescháfte in China erfordern den Einsatz gut geschulter Mitarbeiter ^ ^ ^ Interkulturelle Seminare dienen der Vorbereitung fiir Auslandseinsatze I Verhandlungen mit Chinesen als Spiel mit Finten und Finessen I Auch Familienangehórige benotigen Tips Fiir High-Tech-Unternehmen ist die Mitarbeitersuche in Asien schwierig Schott bildet in Deutschland aus / Heraeus sieht bei China keine schnellen Erfolge / Der Lookruf Asiens In der ungewohnten Umgebung sind die Familienmitglieder oft mehr aufeinander angewiesen als zuvor; dies kann zu Spannungen fiihren. Im Extxemfall kann eine soziale Isolierung entstehen, so wie es in den Containerstádten von Baustellencamps zu beobachten ist. So manche Karriere im Ausland ist am Ehepartner gescheitert, der sich nicht zurechtfand, oder allgemeiner: an Familienproblemen. Schulpflichtige Kinder kónnen durch die Umschulung in ein meist andersartiges Schulsystem (oft in internationalen Schulen) Schulprobleme entwickeln; im Ausland erreichte Schulabschliisse werden in Deutschland nicht immer als gleichwertig anerkannt. In der Regel wird eine berufliche Tátigkeit des Ehepartners unterbrochen, und er (sie) muf> bereit sein, seine Karriere im Notfall der des Partners unterzuordnen. Der mógliche Verzicht auf Zweitgehalt des Ehepartners wird nicht immer durch das Gehalt des Erstverdieners auf- <?page no="131"?> C-2. Personelle Kapazitáten 109 gewogen. Ehefrauen diirfen oft aus Imagegriinden nicht arbeiten (die Frau eines Gescháftsfiihrers braucht eben nicht zu arbeiten), oft erhalten sie auch keine Arbeitserlaubnis. Die berufliche Unterbrechung kann bei der Rückkehr zu Jobproblemen des Ehepartners fiihren. Mit Auslandseinsátzen sind oft Karrierechancen verbunden. Nicht selten sind Auslandserfahrungen Voraussetzung fur einen beruflichen Aufstieg oder zumindest fur die Jobsicherung und sicherlich wertvoll fur die persónliche «Horizonterweiterung» und die berufliche Attraktivitát bei Bewerbungen. Aber auch berufliche Nachteile sind durchaus móglich, wenn der Mitarbeiter wáhrend des Auslandsaufenthaltes von den internen Unternehmensstrukturen abgekoppelt ist. Mancher Befórderungsknick láfit sich so erkláren. Je lánger der Auslandseinsatz gedauert hat, desto gróEer ist die Gefahr von beruflichen und sozialen Reintegrationsproblemen nach der Riickkehr. Nicht alie Untemehmen bieten systematische Re-Integrationshilfen an. Und last not least sind viele Lander auch sehr attraktive Einsatzlánder, in die andere Menschen nur als zahlende Touristen gelangen - und nun wird man auch noch dafiir bezahlt... In vielen anderen Lándern hingegen kann das ungewohnte Klima eine Belastung sein. Ein Leben in feucht-heiSem oder auch trocken-heiSem tropischen Klima stándig unterbrochen von kiihlschrankarrigen Schocks von Klimaanlagen in der Wohnung, im Biiro oder im Auto kann sehr anstrengend sein. Wenn all dies noch von Sprach- oder Akzeptanzproblemen iiberlagert wird, kann man sich leicht seiner Überforderungsgrenze náhern. Damit der Mitarbeiter seine Aufgaben im Ausland optimal erfiillt und seinen Aufenthalt nicht vorzeitig abbricht, miissen von Unternehmensseite Anreize geschaffen werden. Dabei geht es dabei nicht nur aber auch um Geld (LebenshaltungskostenzuschuE, Inflationsausgleich, Mietzuschul? , Schulgeld, andere Nebenleistungen wie Sprachkurse fur den Mitarbeiter und seine Familie). Auch die Aussichten auf berufliche Weiterentwicklungsmóglichkeiten nach erfolgreich beendetem Auslandsaufenthalt kónnen die Probleme des neuen sozialen Umfeldes und das, was die Familie in Deutschland aufgegeben hat, kompensieren. Die Ent- und <Belohnung> der Mitarbeiter orientiert sich an unterschiedlichen Kriterien: Die Motivation, das Engagement, das Selbstwertgefiihl und damit das Leistungspotential der Mitarbeiter wird in dem einen Untemehmen durch ein ausgeprágtes Ma6 an Selbstverantwortlichkeit und Mitbestimmung erhóht. Andere Untemehmen setzt auf hohe Lóhne und eine Erfolgsbeteiligung, um ihre Mitarbeiter zu motivieren. Eine allgemeine Aussage iiber die <richtige> Personalstrategie ist nicht móglich: Die Untemehmen sind offenbar mit den unterschiedlichsten Strategien erfolgreich. Meist erhált der Auslandsmitarbeiter ein Basisgehalt. Zusatzlich werden vom Untemehmen die durch den Auslandseinsatz entstehenden Mehrkosten aufgefangen bzw. erstattet. Üblich sind dabei insbesondere: • Kaufkraftausgleich und/ oder Auslandszulage, ggf. Hárteprámie, • Transportkostenerstattung beim Umzug, • Ubemahme von Mietkosten, falls eine Wohnung in Deutschland beibehalten wird, • Mietzuschüsse im Ausland. • Schulgeld der Kinder (oft in einer intemationalen Schule), • Ausgleich der Sozialleistungen, Fortzahluog der Rentenversicherungs- und anderer Beitráge, • Einkommensteuerausgleich, <?page no="132"?> 110 C Organisation und Management • Dienstwagen (oft mit Fahrer, was weniger aus Prestigeals aus Griinden der Fahrsicherheit nótig ist; es gibt schon Stádte mit extremen Fahrgewohnheiten! ), • Heimaturlaub-Zulage (incl. Reisekosten fur die gesamte Familie), • Darlehen fur besondere Aufwendungen. PRAXISTIP Es ist sinnvoll, diese Zulagen nicht in das Gehalt hineinzurechnen. Vielmehr sollten alie Zuwendungen getrennt ausgewiesen werden und transparent bleiben und einzeln begrilndet werden, um zu vermeiden, daft bei den in- und auslándischen Kollegen Neid wegen des hohen Bruttogehalts entsteht. Natürlich differieren diese Zulagen in Art und Hóhe von Unternehmen zu Unternehmen. Insgesamt ist festzuhalten, dafi mit einem Auslandseinsatz meist recht erhebliche finanzielle Anreize verbunden sind. Wer aber einen Auslandsjob nur des Geldes wegen anstrebt, diirfte von ziemlich falschen Voraussetzungen ausgehen. Die Besteuerung von Auslandsbeziigen ist davon abhángig, ob ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem betreffenden Land existiert (durch wird vermieden, dafs ein im Ausland erzieltes Einkommen sowohl im Ausland als auch im Heimatland also zweimal besteuert würde), denn bei lángerem Aufenthalt stellt sich die Frage nach dem Wohnsitz oder dem gewóhnlichen Aufenthalt des Mitarbeiters und dem Sitz des zahlenden Arbeitgebers. Es ist in jedem Fall ratsam, sich vorher griindlich zu informieren. C-2.3. Vorbereitung und Fortbildung Eine gewissenhafte Vorbereitung durch das Unternehmen auf die im Ausland zu erwartenden Probleme ist sehr wichtig. Unverstándlicherweise vernachlássigen viele Unternehmen diese Phase und lassen ihre Mitarbeiter ins kalte Wasser springen. Dies ist riskant, weil dadurch in der Anfangsphase falsche Weichen gestellt werden kónnen, und schon mancher irreparable Schaden ist verursacht worden, weil interkulturelle Probleme nicht erkannt worden sind. Voraussetzung dabei ist ein Vergleich des Anforderungsprofils der zu besetzenden Auslandsposition mit dem Qualifikationsprofil des bzw. der Kandidaten. Fiir die Vorbereitung stehen zahllose Moglichkeiten zur Verfiigung, sowohl im eigenen Unternehmen (In-house) als auch extern. Empfehlenswert ist ggf. auch eine nochmalige Fórderung der fachlichen Kompetenz des zu entsendenden Mitarbeiters, weil dies zu Anfang in einem unbekannten Terrain ein erhóhtes MaS an Sicherheit verleiht. Wichtig ist, die Gebráuche und die Mentalitát im Gastland so gut und so schnell wie móglich kennenlernen. Günstig sind Kurzzeiteinsátze vor dem eigentlichen Langzeiteinsatz, wenn nicht im Zielland, so doch zumindest in der Region. Dies kann teilweise durch Seminare und Trainingskurse geschehen, die z. B. durch audiovisuelle Medien oder Rollenspiele eigene Erfahrungen simulieren. Soweit wie móglich, sollte die Familie beteiligt sein. Ganz wichtig ist eine intensive sprachliche Vorbereitung, am besten durch Sprachkurse im Ausland. DaS man Informationsmaterial über das Gastland durcharbeitet, ist selbstverstándlich. Unbedingt nutzen sollte man die Erfahrung von Kollegen oder Bekannten, die bereits im Ausland waren und Tips geben kónnen. Mancher Mitarbeiter organisiert auch auf eigene Kosten eine kurze «Orientierungsreise» in das Zielland. <?page no="133"?> C - 3 . Interkulturelles Management: Gescháftsführung im und mit dem Ausland 1 1 1 Im übrigen wird auch die beste Vorbereitung in <Trockenkursen> die tatsáchliche Wirklichkeit nur sehr unvollkommen abbilden kónnen. Grundsatzlich sollte man also darauf gefafit sein, dafi man sehr viel mehr verarbeiten muS, als man sich vorgestellt hat. C-3. Interkulturelles Management: Gescháftsführung im und mit dem Ausland Das Umgehen mit Problemen und Chancen, die sich aus Kultur- und Mentalitátsunterschieden ergeben, wird als interkulturelles Management bezeichnet, gleichbedeutend auch ais <multikulturelles Management> oder <cross-o*/ íwrtf/ -Management<, und die Fáhigkeit, dies zu tun, als interkulturelle Kompetenz. Sie umfaSt grundsatzlich drei Ebenen: die kognitive Ebene (Vermittlung und Aneignung von Wissen, Kenntnisse), die pragmatische Ebene (Fáhigkeiten) und die emotionale Ebene (Einstellungen, Werte). Sie bezieht sich u. a. • auf das Vorgehen bei Verhandlungen mit Geschaftspartnern, • auf die Produktgestaltung und die Werbung, • auf die Kundenorientierung und Kundenbetreuung, • in der Vertragsgestaltung auf die Zahlungsbedingungen, auch im Zusammenhang beziiglich der Vorgehensweise bei Mángelrügen oder Mahnungen; • auf das Personalmanagement, und dabei im Arbeitsrecht z. B. auf unterschiedliche Gepflogenheiten (Piinktlichkeit, religiose Besonderheiten wie Ramadan in arabischen Landern); • im Rechnungswesen und im Controlling auf die Zuverlássigkeit - und Lesbarkeit von Daten (z.B. eine japanische Stromrechnung), u.a.m. C-3.1. Strategische Ebene In vorangehenden Abschnitten ist bereits angeklungen, daS man in bestimmten Márkten vor allem Asiens und Lateinamerikas vor Ort prásent sein muí? , urn Erfolg zu haben. Dies ist manchem Unternehmen nicht klar, weil die oft hohen Kosten eine Art Erkenntnisbarriere darstellen. Und dann wird ein Markt eben irgendwann aufgegeben, weil man sich nach dem Kleckern nicht zum Klotzen durchringen will. Umgekehrt nutzen nur wenige deutsche Unternehmen auslándischen Sachverstand auf der Führungsebene. Tendenziell sind Tochterunternehmen starker internationalisiert als die <Miitter>. Eine erfolgversprechende Personalstrategie ist die Anwerbung von auslándischen Fachkráften, die über profunde deutsche Erfahrungen (und meist auch deutsche Sprachkenntnisse) verfügen, sich aber in ihrem Land eben doch mehr wie ein Fisch im Wasser fiihlen als das deutsche Unternehmen. Gerade bei vielen Asiaten sind mittelstandische Unternehmen mit <familiaren> Mitarbeiterbindungen als Arbeitgeber sehr beliebt. In einer Vorphase sind Praktika sehr niitzlich, bei denen man sich gegenseitig <priifen> kann. Eine Mehrzahl von renommierten MBA-Programmen deutscher Hochschulen mit meist sehr hohem Auslánderanteil stellen ein Reservoir von hochqualifizierten Ingenieuren, Naturwissenschaftlern Juristen, Ókonomen, Sprachlern und anderen Spezialisten dar. 4 4 Beispiel: University of Economics and Technology, School of Business and Information Science, Alteburgstrafe 150, D-72762 Reutlingen. <?page no="134"?> 112 C Organisation und Management Hinsichtlich der Entlohnungssysteme werden nicht selten deutsche Gewohnheiten exportiert. Festgehálter sind aber oft weniger attraktiv ais Erfolgsbeteiligungen, sei es in Form von Cash oder via stock options, also Anrechten auf Aktien. In den USA sind schátzungsweise 90 % der Topmanager an ihrem Unternehmen beteiligt, und ihr Gehaltsniveau liegt oft iiber deutschen Vorstellungen. C-3.2. Arbeitsebene Viele Probleme, die sich von den gewohnten Márkten des Unternehmens unterscheiden, leiten sich aus dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen ab; dies sollte auf keinen Fall unterschatzt werden. Verhaltensweisen und Mentalitat von Kunden und Partnern sind oft deutlich anders gepragt, als wir es gewohnt sind (Abb. C-3/ 1). Dies wird gelegentlich verwischt durch einen Effekt, der im Englischen treffend als de-alienation 5 bezeichnet wird (im Deutschen eher De-Mystifizierung). Gemeint ist, dafi man sich daran gewohnt hat, mit Menschen aus anderen Landern zusammenzutreffen und diese den Status des «Fremdseins» mehr und mehr verlieren. Dies liegt nicht zuletzt an einer globalen Kommunikation und Information, aber auch am Tourismus, der uns in die entferntesten Winkel dieser Welt tragi und umgekehrt Besucher aus aller Herrén Lander zu uns bringt. Das Fremde wird zur Gewohnheit, ist selbstverstándlich. Dennoch sollte ganz bewulSt sein, dafi sich die natiirliche Andersartigkeit von Kunden, Lieferanten und Partnern auf fast alie Gescháftsbereiche auswirkt. Bereits grundlegende Annahmen kónnen anders sein: • Wie sieht das allgemeine Menschenbild aus? • Welchen gesellschaftlichen Wert haben Aspekte wie Legalitát, Vertragstreue, Fairness? (In vielen Lándern ist Drangeln in, in anderen vóllig out.) • Kultur, Tradition, Sitten und Gebráuche, Mentalitáten und Sprache sind wichtige Kriterien. Beispielsweise ist in Asien das Entscheidungsverhalten vertrauensorientierter und konsensorientierter als in Europa. Lediglich aufgrund einer formalen Mehrheit etwa bei einem 51: 49-Joint-Venture ist keine erfolgreiche Durchsetzung móglich. In westlichen Kulturen gilt die Unterschrift unter einen Vertrag meist als AbschluS der Verhandlungsphase, wáhrend in Indien oder im Nahen Osten die Verhandlungen durchaus auch danach weitergehen, weil der schriftliche Vertrag nicht denselben Stellenwert hat, wie wir es gewohnt sind und nicht als <Gesetz> zwischen den Partner betrachtet wird. Hingegen haben miindliche Zusagen oft eine sehr hohe, von moralischen Normen abgesicherte Bedeutung. BEISPIEL Ein deutscher Manager verhandelte monatelang mit einer chinesischen Firma, die eine Werkzeugmaschine kaufen wollte. Mit dem technischen Direktor entwickelte sich ein sehr personliches, vertrauensvolles Verháltnis. Der Kaufabschluft wurde jedoch auf Betreiben des kaufmánnischen Leiters immer wieder hinausgezógert, der eine zusatzliche technische Spezifikation ohne Aufpreis verlangte. SchliefSlich machte der technische Direktor dem Deutschen unter vier Augen den Vorschlag: «Wenn Du unterschreibst und die Spezifikation bietest, garantiere ich Dir, daft wir sie nie von Euch einfordern werden.» Und so geschah es. 5 Engl, alien = fremd, auslándisch, aufierirdisch. <?page no="135"?> C-3. Interkulturelles Management: Cescháftsführung ¡m und mit dem Ausland 113 Abb. C-3/ 1: Internationale Teams konnen an der Vielfalt scheitem - Oder sie nutzen mdere Kulturen und Denkweisen in Firmen mufi systematiscl Oft erweist sich schon die gemeinsame Sprache als Problem Verstandnis fur andere Kulturen und Denkweisen in Firmen mufi systematisch trainiert werden. | Natiirlich gibt es eine Unzahl von Gegenbeispielen, bei denen asiatische Partner sich als ausgesprochen vertragsfixiert erwiesen haben. Das gibt es zweifellos, aber allgemein ist der Dreh- und Angelpunkt einer Geschaftsbeziehung nicht der Vertrag, sondern das gegenseitige Vertrauen. Viele Unternehmen in Asien schlieSen untereinander gar keine Vertráge. Das Bestehen auf einer vertraglichen Regelung kann sogar Mifitrauen erwecken. Stimmt die Grundbeziehung nicht, ist auch ein Vertrag nicht viel niitze. Ein Vertrag ist weniger von materiellem, inhaltlichem als von ideellem Wert: Er kann einen hohen Prestigecharakter haben, und das sollte man wissen. Allerdings ist es gefáhrlich, sich von Stereotypen leiten zu lassen, wie sie Abb. C-3/ 2 andeutet. Abb. C-3/ 2: Gemiitliche Manager in Belgien, autoritáre in Frankreich In Indien und Japan ist bei Managern Fachwissen gefragt Interkulturelles Management ist nicht nur ein wichtiger Aspekt fur die Untemehmensleitung: Die Hauptarbeit ist vom mittleren Management zu leisten. Der Tritt ins interkulturelle Fettnápfchen ist oft schon vorprogrammiert: Denkweisen, Kommunikationsstile, Verhaltensmuster sind durch den kulturellen Hinterrund geprágt. Mifiverstándnisse und Fehlinterpretationen ergeben sich daher sehr leicht. Natiirlich ist diese Gefahr geringer in Lándern, deren die «Business-Kultur» der unseren áhnelt, z. B. in Osterreich, der Schweiz, den Benelux- Landern oder Skandinavien. Defizite im kulturellen Verstandnis lassen sich kaum durch das Studium von Fachliteratur beheben. Es reicht nicht aus, die Sprache zu beherrschen und durch Marktstudien fremde Márkte zu erforschen; theoretische Marktkenntnisse helfen nur bedingt weiter. Insgesamt aber sind sowohl Erfahrung ais auch Sensibilitát und Offenheit wichtige Eigenschaften im interkulturellen Management. Grundsatzlich sollte man sich die Erfahrungen zu Nutze machen, die andere bereits gemacht haben. Einige Aspekte kónnen helfen, das interkulturelle Verstandnis zu verbessern: • Vorbedingung ist, sich der Bedeutung interkultureller Probleme grundsatzlich und friihzeitig bewuEt zu sein: andere Lander, andere Sitten. • Genauso, wie man sich über das Verhalten anderer wundern mag, wundern diese sich iiber unser Verhalten. • Man sollte flexibel genug sein, urn sich ungewohnten Verhaltensweisen anzupassen und nicht versuchen, seine eigenen Ansichten anderen aufzudrángen, auch wenn die eigenen Kulturwerte gerade in unbekanntem Terrain als sehr wichtig empfunden werden kónnen. Manche Kritik oder ein VerstoS gegen einheimische Sitten kann schnell zu einer Isolation des «Neulings» fiihren; sein Integrationsprozefs wird erschwert, wenn nicht gar unmóglich. In diversen Fallen mufiten entsandte Mitarbeiter zurückgerufen werden. <?page no="136"?> 114 C Organisation und Management • Aber auch das andere Extrem, sich allem anpassen zu wollen, ist unangebracht. Solches iibertriebene Verhalten wirkt auf andere eher negativ und oft peinlich (Abb. C-3/ 3). In den meisten Landern werden Fremde mit Respekt behandelt und ihr Anderssein toleriert, solange sie sich gleichfalls respektvoll verhalten. Die überlieferte Empfehlung: « When in Rome, do as the Romans do» stellt in erster Linie darauf ab, Briiskierungen bei Einwohnern des Gastlandes zu vermeiden. Abb. C-3/ 3: „Wer mit Stábchen essen kann, ist noch lange kein Chinese" Deutsche Investoren und fernostliche Werie / Hohe Lohnnebenkosten / Kompiiziertes Arbeitsrecht • Das Verstandnis fiir das Anderssein des Partners sollte vor den ersten Kontakten entwickelt werden, nicht erst, wenn man bereits in <rauhe See> (hot water) geraten ist. Je mehr man von den Eigenheiten seines Gastlandes weifi, desto besser: Man wird nicht so leicht iiberrascht und eckt auch nicht so leicht an. • MiSverstandnisse auf der Arbeitsebene sollten unbedingt geklárt werden. • Wenn man nicht sehr gut in einer Fremdsprache ist, sollte man bei wichtigen Dingen Übersetzer hinzuziehen. Wichtig ist, daS man dem Übersetzer wirklich vertrauen kann, weil man ihn ohne Rückübersetzung (was meist nicht machbar ist) nicht kontrollieren kann. • Man sollte immer bedenken, daS bestimmte Dinge sich nicht iibersetzen lassen. In multinationalen Teams ist die gemeinsame Sprache ein sensibler Aspekt. In vielen Fallen wird Englisch gesprochen, zum VerdruE der schweigenden deutschen Mehrheit, nur weil zwei Amerikaner dabei sind, die kein Deutsch kónnen. Also sprechen alie Englisch oft mehr schlecht als recht, und die amerikanischen Kollegen sprechen naturlich, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Dies verleiht ihnen naturlich eine kommunikative Dominanz, denn non-native speakers sind oft zu hóflich oder zu schüchtern, stándig nachzufragen. C-3.3. Andere Lander, andere Sitten ... Beispiele fiir interkulturelle Probleme füllen Bibliotheken. Sie lassen sich an einigen ausgewáhlten Beispielen exemplarisch verdeutlichen. Eine breites Sortiment bietet auch die Bfai an (vertrieb@bfai.com). Naturlich erhebt diese Auswahl weder den Anspruch auf Vollstándigkeit, noch ware sie eine ausreichende Vorbereitung fiir einen Auslandseinsatz, aber die Problematik wird dadurch etwas konkreter. BegriiBung In manchen Lándern sind tageszeitliche Begriifiungen wie «Guten Morgen» oder «Guten Tag» uniiblich. Chinesen begrüSen sich vielmehr mit «Dir geht es gut? » oder «Hast Du gegessen? » Das letzte, was ein Chinese dann hóren will, ist hier ein «Nein» oder die Krankheitsgeschichte seines Gegeniibers. Die iibliche Antwort ist «Ich habe gegessen», liigen ist also hier erlaubt. Dies entspricht in etwa dem amerikanischen «How do you do}», worauf man auch keinesfalls konkret eingehen sollte. Die iibliche Antwort ist die Retourkutsche: «How do you do? » (im Gegensatz zu «How are you? », woraufhin eine Zustandsbeschreibung durchaus angemessen ist: «Fine! »). In Arabien sollte man nicht nach dem Befinden der Ehefrau, sondern nach der Familie fragen. <?page no="137"?> C - 3 . Interkulturelles Management: Gescháftsführung ¡m und mit dem Ausland 1 1 5 In Asien ist eine BegriilSung in der hierarchischen Rangordnung angebracht, ersatzweise nach dem Alter, das westliche «ladies first» ist eher uniiblich. Behórdenvertreter stehen im Status meist über Managern (Entscheidungstrágern), und diese über (beauftragten) Gescháftsführern und Angestellten. Ein deutscher Gescháftsmann sollte sich daher móglichst als «Manager» auf der Visitenkarte bezeichnen. (Ein Amerikaner wies sich einmal als First Assistant Vice-President aus, was immer das in einem kleineren Unternehmen auch bedeuten mochte). Wenn man den Familiennamen nicht kennt, sollte man grundsátzlich (zumindest zunáchst) eine formelle Anrede wáhlen (Sir/ Madam/ Miss, Monsieur/ Madame/ Mademoiselle, Señor/ Señora/ Señorita). In Lateinamerika werden auch unbekannte Besucher bei Ranggleichheit sehr schnell geduzt (áhnlich wie in den USA, wo die Anrede mit Vornamen iiblich ist); trotzdem ist man korrekt, meist sehr hóflich und manchmal sogar recht fórmlich. In China hingegen ware es eine sehr unhofliche Peinlichkeit, den Gescháftspartner zu duzen. (Es kommt aber immer mal wieder vor, daE der auslándische Besucher unabsichtlich Vor- und Zunamen verwechselt. Das wird schon toleriert.) In Deutschland verwenden viele als Zwischenlósung ein Sie plus Vorname. In vielen Lándern, besonders in Lateinamerika, sind Titel auch im Gesprách ausgesprochen wichtig. Profesor, Doctor, Diplomado, Licenciado, Ingeniero oder Architécto mit oder ohne Nachname ist Standard (bzw. die weiblichen Pendants ...). Besonders popular sind Licenciado und Ingeniero, denn damit kann jeder angesprochen werden, der eine hóhere Ausbildung hat. In Chile ist diese Inflation unbekannt, und nur Mediziner werden mit akademischem Titel (Doctor) angesprochen; in manchen anderen Lándern gilt Doctor hingegen fast fur jeden, der eine Universitát besucht hat. Sehr hóflich und respektvoll ist Don (Doña) plus Vorname, wenn man sich kennt. Auch bezüglich des Kórperkontakts sind die Gepflogenheiten sehr unterschiedlich. Das westliche «Shakehands» ist international nicht immer angebracht; háufig ist es auf die erste Begegnung begrenzt. Amerikaner, Franzosen und viele Lateinamerikanischer pflegen zwar bei der ersten BegrüSung die Hand zu geben, danach aber kaum noch, im Gegensatz zu Deutschen. Muslemischen oder hinduistischen Frauen sollten Manner nicht von sich aus die Hand geben. Das bei Lateinamerikanern übliche Umarmen und Schulterklopfen («abrazo», wenn man sich ein wenig kennt), ist in China ausgeschlossen. Araber sollte man <als Ungláubiger> nicht von sich aus beriihren, auch nicht kleine Kinder streicheln; auch in anderen Kulturen sollte man auf keinen Fall den Kopf eines Menschen beriihren, denn in ihm «sitzt die Seele». Chinesen mógen keinen Kórperkontakt in der Óffentlichkeit, KiiSchen links und rechts schon gar nicht. Don gilt ais hófliche Begrüfiung eine leichte Verbeugüng oder Kopfnicken, wobei es keine Verbeugungsrituale gibt wie in Japan oder Korea. In einigen hinduistisch geprágten Landern kann man auch ais Auslánder zur BegrüSung die Hánde vor dem Brustkorb flach zusammenlegen und sich leicht verneigen. In Lateinamerika fassen sich Damen gerne an den Unterarmen, ohne sich die Hánde zu schütteln, und geben sich einen «Luftkufr, ohne die Wangen zu beriihren. Ein traditionsbewuSter Araber wird einer Frau aus Zuriickhaltung nie die Hand schütteln, und dies gilt umgekehrt fur Araberinnen, die eine zur BegrüfSung ausgestreckte Hand des Besuchers hóflich, aber bestimmt verweigern. Traditionelle Tiirken sehen einer Frau bei der BegrüSung oft nicht in die Augen, aus Respekt, nicht aus Unhóflichkeit. <?page no="138"?> 116 C Organisation und Management In vielen Landern ist es Routine, Visitenkarten auszutauschen, insbesondere in Asien. Dabei sollte man sie u. a. in China mit beiden Hánden übergeben, und zwar direkt in die Hand, sie also nicht auf den Tisch legen, wobei der Inhalt auf den ersten Blick sichtbar sein sollte. Die Visitenkarten sollten in Englisch beschriftet sein, ggf. mit chinesischer Riickseite, aber das sollte man auf guten Klang und positive Bedeutung priifen lassen. Kleidung hat oft einen besonderen Stellenwert. In den USA wird die Kombination von Jeans und Sakko auf gescháftlicher Ebene meist nicht als stilvoll angesehen (bei uns sind Jeans mit Sakko hingegen zwar <lassig>, aber bei nicht allzu offiziellen Anlássen durchaus salonfáhig). Auch in China und vielen lateinamerikanischen Landern ist es besser, auf saloppe Outfits zu verzichten: Je konservativer, desto besser. Nicht nur in arabischen Landern ist vor allem Frauen dezente Bekleidung anzuraten: Unter dem Schutz des strengen Moralkodex steht nur, wer sich an die lokalen Normen halt. Traditionelle einheimische Kleidung zu tragen wirkt meist eher lácherlich als verbindlich. Geschenke dienen Aufbau und Erhalt von Beziehungen. In Arabien oder China ist es dabei wichtig zu wissen, daS Geschenke und Essenseinladungen meistens nicht sofort angenommen werden. Hier heifit die Devise: Mehrmals anbieten, denn das wird erwartet. Analog sollten angebotene Geschenke zunáchst einmal abgelehnt werden. Faustregel: erst beim drittenmal annehmen. Wenn man in Arabien einen Gegenstand zu sehr bewundert, kann sich der Besitzer verpflichtet fühlen, ihn zu verschenken. Bei einer Einladung sollte man ein kleines Gastgeschenk mitbringen, aber nicht enttauscht sein, wenn es nicht ausgepackt wird, denn es gilt ais unhóflich, dies vor dem Überreicher zu tun. Geschenke fur die Kinder kommen immer gut an. In Italien sollte man der Gastgeberin keine Chrysanthemen iiberreichen, denn sie gelten als Begrábnisblumen. Gewohnungsbediirftig ist oft die in vielen Landern fest etablierte Korruption, die im frankophonen Afrika auch als matabiche oder cadeau (Geschenk), verklausuliert als «Artikel 15>, im anglophonen Afrika als <dash> (wie ein Spritzer in einen Cocktail) bezeichnet wird. Die Grenzen sind offenbar flieSend. Viele Entscheidungen und vor allem administrative Gescháftsabláufe geraten ohne «Schmiermittel» leicht ins Stocken. Das Umgehen mit Bestechung ist meist gewohnungsbediirftig. Man sollte aber bedenken, daS dies in vielen Kulturkreisen zum System gehort, mit dem vor allem die sehr niedrigen Gehálter im óffentlichen Dienst «teilprivatisiert» und auf den Nutzer staatlicher Dienstleistungen iiberwalzt werden. Korruption wird in vielen Landern als ein «Grundrecht» angesehen, dem keine kriminielle Qualitát anhaftet (vgl. oben Abb. B-3/ 3). In meinen friihen Jahren wunderte ich mich einmal in einem zentralafrikanischen Land, dais in meinem PostschlieEfach nie Post war bis mir ein Tip eiñgab, in meiner durch das hinten offene - SchlieSfach gestreckten Hand einen kleinen Geldschein zu halten. Von nun an wurde dieser gerne gegen die jetzt haufige Post ausgetauscht, ohne daS man den Empfanger dabei persónlich erkennen konnte. Das Anschliefien eines Telefons, eine Zollabfertigung, eine Lizenz, ein Stempel, eine Bestátigung all dies kann oft ohne eine «Bearbeitungsgebiihr» kaum erreicht werden, die meist eine gut berechenbare Grofte ist. DafS vor allem im politischen Raum die erforderlichen Bestechungsgelder oft ganz andere Dimensionen erreichen, die keineswegs mehr harmlos sind, sollte das «Gebiihrensystem» auf der unteren Ebene der Dienstleistungen nicht pauschal mit in Frage stellen. SchlielSlich zahlen auch wir gerne ein Trinkgeld fur einen guten Service, und so sollte man auch ein cadeau sehen. Aber das ist natiirlich Ansichtssache. Daf> <?page no="139"?> C - 3 . Interkulturelles Management: Gescháftsführung im und mit dem Ausland 1 1 7 in manchen Lándern von einem Minister geradezu erwartet wird (nicht nur von seiner Familie, sondern auch seitens der Offentlichkeit), daS er seine Funktion clever nutzt und sich bereichert, steht wieder auf einem anderen Blatt («Wenn er nicht mal das kann ...»). Essen Essen gehort in vielen Lándern zur Gescháftsanbahnung. Gemeinsames Essen gilt oft als eine Form der Kommunikation, zum Kennenlernen, zum Beziehungsaufbau. Dies erfordert Geduld und kann anstrengend sein; man sollte sich darauf vorher einstellen. Wenn man in Spanien von 14-17 Uhr zu Mittag gegessen hat mit Aperitif, Wein und Digestivo -, kommen anschlieEend leicht Konzentrationsprobleme auf. Araber und Hindus waschen sich vor und nach dem Essen (meist) die Hánde. Vor konkreten Vertragsverhandlungen finden in Asien móglichst erst mehrere Essen start, vielleicht auch eine Betriebsbesichtigung. Im Gesprách kommt man nicht schnell zum Punkt, dies gilt als unangenehm. Zunáchst soil eine angenehme, vertraute Atmospháre geschaffen werden, um den Gesprachspartner kennenzulernen. Chinesen, Japaner und viele andere Asiaten fragen bei den ersten Kontakten nach persónlichen Aspekten wie der Familie, den Kindern oder privaten Hobbies, ohne das Geschaftliche iiberhaupt zu erwáhnen. Politische Diskussionen und Witze sind besser zu vermeiden, aber auch Themen wie Scheidung und uneheliche Kinder sollte man besser auslassen. In China redet man lieber gern und oft iiber Geld und die Familie. Unverheiratete Frauen sollten damit rechnen, daE sie immer wieder gefragt werden, ob sie verheiratet seien und Kinder harten. Dies empfinden manche oft als unangenehme «Ausfragung», ist aber sicherlich nicht so gemeint. Persónliche Dinge sind jedoch nach asiatischer Auffassung untrennbar mit dem Gescháft verbunden. Die deutsche oder noch starker: amerikanische Neigung, mit der Tur ins Haus zu fallen und direkt in Vertragsverhandlungen einsteigen zu wollen («John-Wayne-Stil»), verschlieSt leicht so manche Tur. Damen sollten zum Essen mit Parfum zuriickhaltend sein; es stórt den Geruchssinn. Auch in Frankreich wird Gescháftliches eher «entre la poire et le frontage» besprochen (nach dem Obst und vor dem Káse). In Arabien ist es meist iiblich, beim Betreten eines Hauses die Schuhe auszuziehen. In Lateinamerika gilt es nicht ais unhóflich, wenn man deutlich zu spat kommt. Raucht man dort in Gesellschaft, ist es iiblich, auch alien anderen Anwesenden eine Zigarette anzubieten, was einen entsprechenden Vorrat voraussetzt. Ein Anstandsrest auf dem Teller ist in Arabien, China und vielen anderen Lándern iiblich (sonst wird nachgelegt), in Lateinamerika hingegen weniger. Man sollte alies zumindest probieren, auch wenn es fur den europáischen Gaumen abenteuerlich wirkt. Die Tischsitten sind oft anders als in Deutschland: Hierzulande verponte ESgeráusche sind in China und einigen islamischen Lándern erlaubt, denn das zeigt, daS es schmeckt. Dies verpflichtet aber nicht zur Nachahmung, und man braucht seine eigenen Umgangsformen nicht zu verleugnen: Man mufi nicht riilpsen. Araber und Inder (andere auch) lassen beim Essen gern die linke Hand im Schofi liegen (zur linken Hand siehe unten), in Mexiko und anderen lateinamerikanischen Lándern ist dies nun gerade unhóflich. Beim Heranwinken von Kellnern wird in einigen Lándern gezischelt, in anderen geklatscht oder geschnalzt oder gerufen (manchmal kommt der Kellner ja auch von sich aus ...). In arabischen Lándern wird dem Besucher oft und gerne suffer Pfefferminztee oder starker Kaffee angeboten, so dafi er nach mehreren Terminen hintereinander leicht <gluckert>. In <?page no="140"?> 118 C Organisation und Management Indien wird der Gastgeber Speisen und Getránke mehrmals anbieten. Es gilt ais hóflich, mehrfach abzulehnen. Trinkfest sollte man in vielen Lándem sein, nicht zuletzt in Osteuropa, aber auch in Japan, wo oft regelrechte <Sauftouren> der Gescháftsvorbereitung und dem <Networking> dienen. Frauen haben es leichter, sich dabei zu distanzieren, aber mehr und mehr werden start Gescháftsessen auch andere social events wie Golfspielen zum Kennenlernen genutzt. Sogar Moslems unterscheiden nicht selten zwischen den Korangesetzen fur <draul? en> und fur zu Hause. In einigen arabischen Staaten hingegen herrscht striktes Alkoholverbot. In vielen asiatischen Lándern dauert es ewig, bis man bei einer Einladung tatsachlich ans Essen geht. Nach dem Essen steht man dann allerdings ruckzuck auf und verláGt binnen weniger Minuten das Restaurant oder verabschiedet sich vom Gastgeber. Damit ist keine personliche Abwertung verbunden. In Arabien sollte man nach dem Servieren von Kaffee auf subtile Zeichen achten wie das Herumreichen eines Weihrauchkessels oder einer Wasserpfeife, weil es dann Zeit wird, sich zu verabschieden. In Lateinamerika sollte man sich nach einer Gastlichkeit nicht verabschieden, weil man miide sei (denn dies kónnte ja dem Gastgeber anzulasten sein), sondern besser, weil man morgen einen schweren Tag habe. Verhandlungsfiihrung In vielen Lándern ist der wichtigste Faktor Geduld und Hóflichkeit, Ungeduld und Aggressivitát auch gegeniiber Kindern gelten ais sehr unhóflich oder kónnen sogar beleidigend wirken. Chinesen ebenso wie Japaner haben langfristige Ziele im Auge, so da£ der Zeitaufwand bei Verhandlungen nebensáchlich ist. Wir hingegen sind ungeduldig und wollen schnelle Ergebnisse erzielen. Als besonders extrem in dieser Hinsicht gelten Amerikaner. Wer mal eben in China oder Japan, aber auch in Lateinamerika fur einen Tag einflieEt, urn schnell ein Gescháft abzuschlieEen, dürfte damit kaum Erfolg haben. Im Vordergrund steht nicht der kurzfristige, schnelle Gewinn, sondern der Aufbau dauerhafter, von gegenseitigem Vertrauen gepragter Gescháftsbeziehungen. Auch von Führungskráften wird in Japan personliche Bescheidenheit erwartet (im Gegensatz zu den USA, wo man seine Erfolge gerne herausstellt). Dabei ist die Glaubwiirdigkeit ein wichtiger Faktor. Usunier/ Walliser 6 zitieren das Beispiel eines kanadischen Gescháftsmannes, dem von einem potentiellen ágyptischen Partner eine Kooperation geboten wurde. Der Kanadier war hocherfreut und schlug vor, sich am náchsten Tag zusammen mit den Rechtsanwalten wiederzutreffen, um die Einzelheiten zu besprechen. Aber der Agypter erschien nicht, denn was der Kanadier als konstruktive Unterstiitzung fur die Verhandlung angesehen hatte, interpretierte der Ágypter als MiStrauen gegeniiber seinem mündlichen Versprechen. Rangniedrigere Verhandlungspartner werden oft nicht akzeptiert. Analog haben in asiatischen und arabischen Kulturkreisen altere Gespráchspartner einen Autoritatsvorsprung, wáhrend jiingeren Gesprachspartnern leicht mit Skepsis begegnet wird. Hingegen werden u. a. in den USA auch hohe Funktionen von jungen Managern bekleidet. Obgleich sich viel verandert hat, ist es insbesondere in arabischen Lándern, aber auch in vielen asiatischen Lándern noch selten, daf? Frauen hohe Managementfunktionen ausiiben. Die gesellschaft- 6 Usunier, Jean-ClaudeI'Walliser, Bjórn, Interkulturelles Marketing, Wiesbaden 1993, S. 247. <?page no="141"?> C - 3 . Interkulturelles Management: Gescháftsführung ¡m und mit dem Ausland 1 1 9 liche Stellung der Frau sollte insbesondere im Personalmanagement bei der Besetzung von Fiihrungspositionen und bei der Zusammensetzung von Verhandlungsdelegationen beachtet werden. Eine Frau diirfte z. B. als General Manager einer deutschen Niederlassung in Saudi Arabien einige Probleme haben. Anhaltender Blickkontakt ist in Japan unhoflich anders als in Deutschland, wo ein direkter Blick Offenheit bedeutet -, denn der Gespráchspartner kann sich leicht unbehaglich oder gar beleidigt fiihlen. Hingegen ist in Arabien und Lateinamerika der Augenkontakt sehr wichtig. Auch in Deutschland wird ein ausweichender Blick eher als negativ, unfreundlich oder unsicher interpretiert. Manner sollten in arabischen Lándern keinen Augenkontakt zu Frauen suchen. In vielen asiatischen und afrikanischen Lándern gilt es als besonders vornehm und zeugt von Wichtigkeit, sehr leise und mit wenig Modulation zu sprechen, so daf> man oft schon sehr genau hinhoren mufi, vor allem wenn die Klimaanlage saust oder eine Baustelle nebenan ist. Lateinamerikaner hingegen sprechen meist laut und temperamentvoll (und schnell). In <westlichen> Kulturen sind Tagesordnungen und Termine wichtige Institutionen, in Japan eher Orientierungsdaten. In Deutschland geht man auf ein Thema direkt los, in China kreist man es ein. Eine direkte Verhandlungsstrategie geht daher meist nicht auf; das eigentliche Verkaufsgesprách findet oft unter vier Augen start und nicht am Konferenztisch. «Feilschen» Eine ausfuhrliche Diskussion urn den Kaufpreis ist in vielen Kulturkreisen ein unabdingbares Ritual. Das Feilschen ist eine Form der zwischenmenschlichen Kommunikation und wird geradezu erwartet, weil dies auch ein Zeichen der gegenseitigen Achtung und Anerkennung ist. Bei westlichen Partnern hingegen gilt oft <Zeit ist Geld>, und sie betrachten den Verhandlungsprozefi ais mühsam. Das Zeitverstándnis ist jedoch in vielen Kulturkreisen sehr viel anders als <bei uns> (vgl. unten). Nichtverbale Kommunikation Nichtverbale Kommunikation (silent language) gibt es in jedem Kulturkreis, aber die stille Sprachvielfalt ist analog komplex. Schweigen sollte bei asiatischen Gesprachspartnern nicht vorschnell als Ablehnung interpretiert werden. Vielmehr ist es oft ein Zeichen der Achtung vor einer Aussage, die man auf sich wirken lassen will. Auch hierbei wird ein anderes Zeitverstándnis deutlich. Eine verbale Aussage kann im Kontext eine ganz andere Bedeutung erhalten: Übertriebener Dank soil negativ klingen, ja kann wie nein gemeint sein. Die Bedeutung des Kontextes einer expliziten Botschaft ist in vielen Kulturen (Japan, Arabien, Lateinamerika) sehr viel grófser als z. B. in Deutschland oder Skandinavien. Menschen aus stark kontextbetonenden Kulturenkreisen wollen den Partner erst kennenlernen, bevor sie zum Gescháftlichen kommen, Menschen aus weniger kontextbetonten Kulturenkreisen wollen gleich zur Sache kommen und keine Zeit auf Vorgeplánkel verschwenden. Auch im Hinblick auf die Gestaltung von Werbung sollte in kollektiv orientierten Kulturen (u. a. Asien) oft mehr die Gruppensituation als das Individuum betont werden. Das deutsche Kopfnicken fur <ja> bedeutet in Griechenland und Bulgarien nein. In Indien sieht eine dem deutschen Kopfschütteln áhnliche, etwa in der Form einer Acht ausgefiihrte Kopfbewegung wie ein skeptisches Abwágen oder gar Ablehnung aus, bedeutet jedoch <?page no="142"?> 120 C Organisation und Management Zustimmung oder «schau'n wir mal». Dies kann leicht zu MiSverstandnissen fiihren. Das «Ja» eines Japaners ist oft keine Zustimmung, sondern «Ja, ich habe es gehórt». Das Zeigen von FuSsohlen kann in asiatischen und muslemischen Kulturkreisen als grobe Unhóflichkeit verstanden werden, weil der Ful? der niedrigste und schmutzigste Kórperteil ist. Vor allem beim Übereinanderschlagen der Beine sollte man darauf achten. In vielen Lándern Asiens und Arabiens kann das Berühren eines Menschen oder das Übergeben eines Gegenstands mit der als <unsauber> geltenden linken Hand (was auf bestimmte archaische sanitare Praktiken zurückgeht) als beleidigend empfunden werden, was wiederum bei schulterklopfenden Lateinamerikanern kein Problem darstellt. In Arabien oder Indien sollte man nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen dies gilt als áuSerst unhóflich -, sondern die gestreckte ganze Hand dazu benutzen. In Kolumbien sollte man analog eine Strecke nicht mit zwei nach vorne ausgestreckten Zeigefingern kennzeichnen, so wie wir es gerne tun. Das mit gespreizten Fingern geformte V steht fast international fiir 'victory> wenn die Handfláche nach aufien zeigt; umgekehrt ausgefiihrt ist es vor allem in Lateinamerika und Italien eine obzóne Geste, die dem Effenberg-Finger entspricht (dies sollte man beim Záhlen an den Fingern beachten). In Deutschland beginnt man beim Záhlen mit den Fingern meist mit dem Daumen; in vielen Lándern legt man dazu den Zeigefinger an den kleinen Finger der anderen Hand. Wenn Venezolaner den Daumen zwischen Zeigefinger und Ringfinger stecken, bedeutet das «Viel Gliick! » (so wie wir Zeige- und Ringfinger kreuzen). In anderen Lándern sollte man diese Geste besser unterlassen. In Argentinien ruft man jemanden zu sich heran, indem man mit dem Handriicken nach oben winkt, was in Deutschland eher wie Wegwinken aussáhe, in anderen Lándern winkt man nach unten. Eine Drehbewegung mit der Faust neben dem Mundwinkel bedeutet in einigen Lándern «ausgezeichnet! » Die bei uns gángige ok-Geste, bei der Daumen und Zeigefinger einen Kreis bilden, ist in Brasilien und einigen anderen Lándern eine sehr obzóne Geste. Sachen gibt's ... Konfliktmanagement In Asien sind Konfrontation und Streit verpónt, MiSbilligung oder Ablehnung wird nicht gezeigt, man sagt nicht nein, sondern weicht aus. Auch der Englánder sagt eher nicht nein, sondern «yes, but...», und der Lateinamerikaner sagt gerne «como no? » (warum eigentlich nicht? ) oder «vamos a ver» (schaun' wir mal...) anstelle eines klaren ja oder nein. Wir werden anders erzogen und auf direktes Ansprechen, Klarheit und Durchsetzen vorbereitet, nicht so in Asien. Hier empfehlen sich integrative Strategien. In Verhandlungen helfen Unterbrechungen, Konfrontationen zu vermeiden. Giinstig ist aüch die Einschaltung von Alteren oder Ranghóheren oder von Personen, die mit beiden Kulturen vertraut sind (transponder: Vermittler), welche die Reaktionen von Partnem interpretieren und erlautern konnen. Das Gesicht zu wahren hat in Asien hóchste Prioritát; Nachgeben in Nebenaspekten kann hierzu beitragen. Man sollte einen anderen nicht kritisieren, weil er sonst sein Gesicht verliert. Andererseits verliert der Kritiker selbst durch diesen faux pas sein Gesicht. Fehler der einzelnen Person werden leicht auch auf das Unternehmen iibertragen, was den Verhandlungen sicher nicht dienlich ist. Bei der Zahlungsabwicklung treten oft Verzógerungen auf, die in vielen Lándern durchaus als iiblich anzusehen sind. Beispielsweise werden in Südeuropa lángere Zahlungsziele erwar- <?page no="143"?> C - 3 . Interkulturelles Management: Gescháftsführung im und mit dem Ausland 1 2 1 tet, als sie in Westeuropa gángig sind. Unabhángig von der formalen Vertragslage werden vereinbarte Zahlungsziele daher oft routinemáEig überzogen. Es ist ratsam, dafs die für das Mahnwesen zustándigen Stellen dabei einfiihlsam vorgehen und die in Deutschland durchaus üblichen Vorgehensweisen den Besonderheiten des interkulturellen Management anpassen. In vielen Fallen lauern potentielle Konflikte durch das Aufeinandertreffen von Personen, die Gruppierungen angehoren, die sich gegenseitig ablehnen. Dies beruht auf religiósen, ethnischen, politischen und anderen Aspekten: Walonen und Flamen in Belgien, Protestanten und Katholiken in Irland, Araber und Juden, Türken und Kurden, Serben und Bosnier, Kroaten und Albaner, Hutus und Tutsis in Burundi und Ruanda, Malayen und Chinesen, Afrikaner und Inder, und viele andere mehr. In vielen Lándern spielt dabei ein oft recht krasser Rassismus eine Rolle. Sprachprobleme Ein zentrales Problem bei Verhandlungen ist die Sprache. Auch versierte Dolmetscher verstehen nicht alie Begriffe, insbesondere Fachworter. Um ihr Gesicht nicht zu verlieren, fragen sie nicht nach nicht, sondern übersetzen irgend etwas. Ein Indiz ist, wenn eine lángere Ausführung in zwei-drei kurzen Sátzen zusammenfassend übersetzt wird. Auch Zuhórer oder Gesprachspartner fragen oft nicht nach (Abb. C-3/ 4). Man braucht aber viel Takt, um z. B. einen eigenen, kompetenten Dolmetscher in Verhandlungen mit einzubringen, wenn man sich nicht (nur) auf den des Partners verlassen will. Neben der allgemeinen Sprachkompetenz des Dolmetschers ist natürlich seine fachspezifische Kompetenz das <Fach-Chinesisch> im wahrsten Sinne des Wortes von besonderer Bedeutung. Manche Unternehmen verfügen über intern entwickelte Glossarien der gángisten Fachausdrücke (ein guter Dolmetscher auch). Es ist ratsam, den Dolmetscher vor Beginn der Verhandlung ausfuhrlich über den Verhandlungsgegenstand, den derzeitigen Stand und die Ziele der Verhandlung in Kenntnis zu setzen. Informelle Informationen sind natürlich nur bei erprobt loyalen Dolmetschern gut aufgehoben. Abb. C-3/ 4: Nichtjeder, der freundlich nickt, hat auch etwas verstanden Bei Übersetzungen kónnen sich gewaltige Unterschiede zwischen der urspriinglichen und der neuen Bedeutung des Wortes ergeben. Manche Begriffe existieren nicht in der Zielsprache und müssen umschrieben werden, so wie sehr viele anglophone Marketing- und Managementbegriffe (Übersetzen Sie mal «One-stop-shopping» ins Deutsche ...). Grundsátzlich ist es günstig, wenn ein Übersetzer in seine eigene Sprache übersetzen kann; dies setzt dann natürlich zwei Übersetzer voraus und wird nicht immer zu realisieren sein. Rückübersetzungen aus der Zielsprache wie bei Schriftstücken sind in Konferenz- oder Verhandlungssituationen nicht móglich. Wenn man selbst keine Kenntnis der Zielsprache hat, muE man darauf vertrauen, daS die Übersetzung richtig ist. Ein erprobter <Trick> bei Übersetzungen bei Verhandlungen ist, fur den Dolmetscher eine Erfolgsprámie dafiir auszusetzen, daS es zu einem Vertragsabschlul? kommt. <?page no="144"?> 122 C Organisation und Management . In vielen Lándern trifft man auf Menschen, die hervorragend Deutsch sprechen, weil sie friiher in der DDR gelebt, gearbeitet oder studiert haben. Wir haben in Vietnam teilweise Verhandlungen vollstandig in Deutsch geführt in exzellentem, oft akzentfreien Deutsch. Diesem unschátzbaren Sprachpotential, das nicht wenige Untemehmen im Ausland als Mitarbeiter nutzen konnen, droht jedoch die langsame Versandung, weil es zuwenig deutsche Sprachprogramme im Ausland gibt, die den Nachwuchs ausbilden konnten. Die meist gut bekannten Goethe-Institute, die Deutsche Stiftung für Internationale Entwicklung (DSE) und die Carl-Duisberg-Gesellschaft (CDG) haben in der Vergangenheit ihre Angebote angesichts gekürzter Budgets zurückfahren müssen. Das ist kurzsichtig, denn deutsche Entwicklungshilfegelder konnten hier sehr wichtige Dienstleistungen für die deutsche Wirtschaft darstellen. Es ist immer wieder zu beobachten, dafi Gesprachsteilnehmer sich langatmig áufiern. Dies kann sich nur negativ auf die Qualitát der Übersetzung auswirken. Kurze, klare Statements oder Fragen sind am besten zu iibermitteln. Oft ist eine Satz-für-Satz-Übersetzung sinnvoll. Viele deutsche Untemehmen haben Englisch als Unternehmenssprache eingefiihrt; die internen Rundschreiben und Sitzungsprotokolle werden in Englisch verfaSt, in Konferenzen meetings und briefings wird Englisch gesprochen (nicht immer Oxford-Englisch, aber immerhin), weil sich ein GroEteil der Geschaftsbeziehungen im Ausland abgespielt, und dort wird vorrangig Englisch gesprochen. Die Qualitát ist oft verbesserungsfáhig und eine potentielle Ursache fur MiEverstándnisse und Fehler. Arbeitsbeziehungen Auf der Arbeitsebene gibt es unterschiedliche Distanzkriterien zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. In verbaler Hinsicht wurde bereits das in den USA oder Lateinamerika oder Schweden vertraulichere Duzen bzw. die Anrede mit dem Vornamen erwáhnt, das in Asien (kurzfristig) kaum móglich ist. Unterschiedliche Distanzauffassungen bestehen auch im ráumlichen Sinne, indem beispielsweise in arabischen, südeuropáischen und vielen lateinamerikanischen Lándern eher Kórperkontakt iiblich ist als z. B. in den USA oder Nordeuropa. In arabischen und afrikanischen Lándern ist es oft gángig, daS der Gescháftspartner dicht heranrückt, und nicht selten die Hand des Partners ergreift und sie als Zeichen der Verbundenheit wáhrend des Gespráchs festhált. Eine Verweigerung kann als Affront gewertet werden. Wáhrend ein amerikanischer Gespráchspartner zurückweicht, wenn ihm sein lateinamerikanischer Partner ráumlich zu nahe kommt und in seinen <personlichen Raum> eindringt, setzt der Südamerikaner nach, um seine für Sprechkontakt notwendige Náhe wiederzuerlangen. Man fafit sich im Gesprách auch gerne am Arm oder Ellenbogen an. In hierarchisch geprágten Kulturen gehen Untergebene davon aus, daf? sie von ihren Vorgesetzten Anweisungen erhalten, die sie auszufuhren haben. In kooperativeren Kulturen gehen sie eher davon aus, daS sie in den EntscheidungsprozeS einbezogen werden. Unsere Gesellschaft ist individuell orientiert, lateinamerikanische und insbesondere asiatische meist kollektiv orientiert: In China ist die Gruppe sehr wichtig; daher sollte man z. B. bei deutschchinesischen Joint Ventures in der Arbeitsorganisation Móglichkeiten schaffen, um die gegenseitige Verstándigung zu verbessern. Multikulturelle Arbeitsgruppen brauchen fur Ent- <?page no="145"?> C - 3 . Interkulturelles Management: Gescháftsführung im und mit dem Ausland 1 2 3 scheidungen meist mehr Zeit und haben háufiger Konflikte. Aber auch Anweisungen kónnen <verpackt> sein: Wenn die Zentrale eines amerikanischen Unternehmens dem Leiter der deutschen Niederlassung schreibt: «You may wish to consider to raise your prices», dann tut er gut daran, dies umgehend zu machen (Macioscek 1997, S. 44). Arbeitsdisziplin Ein leistungsfahiges, diszipliniertes Produktionssystem im Ausland aufzubauen, erweist sich in der Praxis aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen von Arbeitsmoral oder Piinktlichkeit oft als langwieriger und schwieriger als geplant. In Arabien werden Terminabsprachen meist mit dem Zusatz «Inschallah» (so Gott will) versehen. Hinzu kommen saisonale Besonderheiten: Beispielsweise sind im arabischen Raum wáhrend des Ramadan (Fastenzeit) nórmale Arbeitsrhythmen nur schwer einzuhalten. Die Regierung von Katar hat unlángst eine neue Wochenendregelung geschaffen: Das dortige Wochenende umfaSt Donnerstag und Freitag; Banken sind allerdings nur freitags geschlossen. Einige internationale Firmen haben <ihr> Wochenende auf Freitag und Samstag gelegt. Umgekehrt tun sich auslandische Partner oft mit unseren ausgedehnten Betriebsbzw. Sommerferien schwer («Ihr kónnt den Laden doch nicht 4 Wochen lang zumachen? ? »). Doch, kónnen wir. Das Zeitverstándnis unterscheidet sich in manchen Kulturkreisen deutlich von dem bei uns Gewohnten. Dies betrifft sowohl unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich der Notwendigkeit, Aufgaben jetzt oder spáter zu erledigen (in Lateinamerika: «mañana ...», im Sinne von «Morgen ist auch noch ein Tag», wobei der Zeitraum nicht wortlich gemeint ist), als auch die Interpretation von Piinktlichkeit: Wenn man sich in Lateinamerika fur 10 Uhr verabredet, wird man nicht selten gefragt: hora local ó hora alemana? (d. h. lokal übliche laxe - Zeitvorstellung oder deutsche Piinktlichkeit? ). Auch der Planungshorizont ist anders: Westliche Manager sind gegenwarts- und zukunftsorientierter als z. B. Japaner und Chinesen, die auch im Tagesgescháft deutlicher als wir die langfristige Perspektive betonen. Zeit kann ais grundsátzlich knapp und daher kostbar oder auch als beliebig verfiigbar angesehen werden; time ist nicht iiberall money. Dessenungeachtet werden kurzfristige Terminvereinbarungen meist nur hochrangigen Partner zugestanden. Ein voller Terminplan ist in Deutschland fast ein Rangabzeichen, in anderen Kulturen kommt man auch ohne Zeitplaner aus. Die Kenntnis kultureller Besonderheiten ist eine Sache, das Umgehen mit ihnen eine andere, denn Kenntnis fiihrt nicht automatisch zu Sympathie; was man versteht, muS man nicht mógen. Andererseits hat es der Partner mit uns nicht leichter als wir mit ihm. Bei lánger andauemden Kontakten, insbesondere in Joint Ventures, wird man feststellen, da£ sich eine spezifische venture culture herausbildet mit gemeinsamen Regelungen und Umgangsformen. <?page no="146"?> L ^ Finanzierung des Auftenhandels Auslandsengagements sind meist mit mehr Kosten verbunden ais das heimische business as usual: Die Risiken sind im Auslandsgescháft hóher und erfordern entsprechende Besicherungen, die Markt- und Kundenpflege ist mit Reisen, Messebesuchen, Telekommunikarion, fremdsprachlichen Unterlagen oder Mitarbeitern vor Ort verbunden, der Informations- und Beratungsbedarf ist hoher, oft mufs neben dem eigenen Produktionsbzw. Vertriebsaufwand auch dem Kunden eine Finanzierung zur Verfiigung gestellt werden, usw. Nach einer Untersuchung der Dresdner Bank ist in Dreivierteln der mittelstándischen Unternehmen die Finanzierung Chefsache. Finanzierung und Management liquider Mittel (cash management, treasury management) sind eng miteinander verflochten. D-1. Cash Management (Treasury Management) Zentrale Aufgabe des Cash Management ist die Sicherstellung der jederzeitigen Zahlungsfáhigkeit des Unternehmen, da Zahlungsunfáhigkeit ein eher der - Konkursgrund ist. Vorübergehende Liquiditátsengpásse müssen durch entsprechende Finanzierung ausgeglichen werden; meist lassen sie sich durch Kontokorrentkredite auffangen. Daher ist es gefáhrlich, wenn diese Kreditlinien permanent in der Náhe des Maximums beansprucht werden: Zum einen ist es teuer (der Kontokorrentkredit ist in der Regel die teuerste Finanzierungsform), zum anderen bleibt dann kein Spielraum, falls es zusátzlich mal eng wird. Das Cash Management ist daher ein sehr enger Verwandter der kurzfristigen Finanzplanung; die Schnittmenge ist groS. Mafinahmen zur Liquiditátsverbesserung erstrecken sich zum einen auf eine Erhóhung des Zahlungszuflusses, zum anderen auf eine Verminderung des Zahlungsabflusses. Abb. D-l/ 1 enthált eine Übersicht geeigneter MaSnahmen. Neben der Sicherung der Zahlungsbereitschaft mufs der Cash Manager nicht unmittelbar benótigte Liquiditát so disponieren, dafi sie zum einen entsprechend der kurzfristigen Finanzplanung zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Hóhe auf dem richtigen Konto wieder zur Verfiigung stehen wird und zum anderen die hóchstmógliche Rendite abwirft. Liquiditát auf dem Girokonto kostet Geld, weil die Habenverzinsung nur symbolisch ist und von den Kontoführungsgebühren in kiirzester Zeit verschluckt wird. Einem Guthaben auf dem Konto A sollte móglichst kein Defizit auf dem Konto B gegenüberstehen. Ein weiterer wichtiger Verwandter des Cash Management ist das Devisenmanagement. Dadurch soil angestrebt werden, da£ Forderungen und Verbindlichkeiten in einer Wahrung sich móglichst ausgleichen zum selben Zeitpunkt, in derselben Hóhe -, so dafi das Nettoexposure móglichst Null ist (vgl. ausfuhrlich Abschnitt FM.l) und móglichst kein Wechselkursrisiko besteht. Wechselkursrisiken führen zu schlechtem Rating (vgl. Abschnitt D-2.3), sofern sie nicht abgesichert werden. Dies erfordert eine entsprechende Abstimmung mit Ein- <?page no="147"?> D - 1 . Cash Management (Treasury Management) 125 Abb. D-1/ 1: MalSnahmen zur Liquiditátsverbesserung • Erhohung des Zahlungszuflusses: • Zeitnahe Fakturierung • Strikte Forderungstiberwachung • Verkürzung der Kreditziele • Skontogewáhrung (Anreiz zu früher Zahlung) • Forderungsverkauf • Vorauszahlungen, Anzahlungen der Kunden • Verkauf nicht benótigter Aktiva • Verminderung des Zahlungsabflusses: • Ausnutzung von Zahlungszielen beim Einkauf • Leasing von Ausriistungen und Anlagen • Kosteneinsparung (re-engineering, lean management) • Reduzierung von Lagerbestánden kauf und Verkauf, um die <richtigen> Fakturierungswáhrungen zu bestimmen und die entsprechenden Devisenzu- und abfliisse in die gewiinschten Bahnen zu lenken. Die Aufienhandelsfinanzierung umfafit die Import- und die Exportfinanzierung. Die verschiedenen Kreditbeziehungen zwischen Exporteur, Importeur und den beteiligten Banken gibt Abb. D-1/ 2 in einer Ubersicht wieder. Sprachlich bestehen Verwechslungsmoglichkeiten und Abgrenzungsprobleme, weil bestimmte Kredite nach den Ksedkgebern, andere nach den Kreditnehmem bezeichnet werden: Der Handelskredit (synonym: Lieferkredit, Liefererkredit, Liefervertragskredit oder auch im Sprachgebrauch: Lieferantenkredit) wird dern Importeur seitens des Exporteurs (= Kreditgeber) gewáhrt (Rechtsverháltnis Kunde/ Exporteur). Der Lieferantenkredit ist ein Kredit, der dem inlándischen Exporteur (= Kreditnehmer) seitens einer Bank zur Finanzierung seiner Kosten bis zur Bezahlung durch den Káufer gewáhrt wird (Rechtsverháltnis Banlc/ Exporteur). Die Verwechslungsmoglichkeit ergibt sich z. B. folglich daraus, ob man den Lieferantenkredit als Kredit an den oder durch den Lieferanten ansieht. Fiir Kreditinstitute ist ein Lieferantenkredit ein Kredit an den Lieferanten (vgl. auch Abschnitt D-2.1). Ein Bestellerkredit schlieElich ist ein Kredit, den eine inlandi- Abb. D-1/ 2: Kreditbeziehungen Exporteur t Lieferantenkredit Exportbank Liefer(er)kredit* Bestellerkredit Bank-zu-Bankkredit 1 Imp kre 1 ortdit * ¡m Sprachgebrauch oft auch als Lieferantenkredit bezeichnet. <?page no="148"?> 126 D Finanzierung des AuíSenhandels sebe Bank einem auslándischen Kunden zur Finanzierung seiner Order gewáhrt (Rechtsverháltnis Bank/ Importeur) (vgl. unten). D-2. Kurzfristige Finanzierung Zur kurzfristigen Finanzierung rechnet man Fristen bis zu einem Jahr (360 Tage), dariiber hinaus spricht man etwas unscharf bereits von langfristig (im Unterschied zur bilanziellen Finanzierung, wo langfristig mehr als 4 Jahre bedeutet). Manche Unterteilungen unterscheiden zwischen mittelfristiger Finanzierung bis zu 4-5 Jahren und dariiber hinaus langfristiger Finanzierung. Die Finanzierung der auEenwirtschaftlichen Aktivitaten muS natiirlich in das gesamte Finanzierungskonzept des Unternehmens eingepaSt werden. Einige Aspekte der Finanzierung iiberschneiden sich mit den in Abschnitt G-3 behandelten Zahlungsbedingungen, werden jedoch der Vollstándigkeit halber nochmals mit aufgefiihrt. Auf die Aspekte der Risikoabsicherung wird im Teil H ausfuhrlich eingegangen. Abb. D-2/ 1 gibt eine Übersicht über die Finanzierungsmóglichkeiten, die anschlieEend erláutert werden. PRAXISTIP bezüglich der Euro-Einführung: Bei gewáhrten und aufgenommenen Krediten ebenso wie bei Leasingvertragen, die über das Jahr 2001 hinausgehen, sollte eine Konvertierungsklausel (Kontinuitatsklausel) enthalten sein, die auf den offiziellen Umrechnungskurs des Euro Bezug nimmt. Dies gilt analog bei Forfaitierungen und Factoring. Die Klausel kónnte etwa lauten «xy DM or official Euro-countervalue» («xy DM oder Gegenwert in Euro gemáft offiziellem Umrechnungskurs»). Zinsen berechnen sich grundsátzlich unabhangig von der zugrunde liegenden Wáhrung. In einer Vielzahl von Gesetzen und Vertrágen wird auf die Zinssátze der Deutschen Bundesbank Bezug genommen. Da diese Instrumente mit der Übertragung der geldpolitischen Befugnisse auf die Europáische Zentralbank (EZB) weggefallen sind, mufiten gesetzliche Nachfolgeregelungen geschaffen werden. Darlehen mit variablem Zins, die bislang Bezug nahmen auf Referenzzinssátze wie Diskont- oder Lombardsatzsatz oder FIBOR 1 , werden ab 2002 automatisch auf eine fur den Euro vorgesehene BezugsgróSe umgestellt. Fur den Wegfall der Diskont- und Lombardsatze wird bis dahin gemáfi Diskont-Überleitungs-Gesetz (DUG) der sog. Basiszinssatz als Behelfs-Diskontsatz verwendet. Dieser folgt dem entsprechenden Leitzins der EZB (dem Zinssatz für lángerfristige Refinanzierungsgescháfte). 2 Die Zinszahlung ist in Euro zu leisten. Wenn móglich, sollte man als Kreditnehmer ver- 1 Frankfurt Inter Bank Offer Rate - Geldmarktsatz zwischen Banken am Frankfurter Geldmarkt. 2 Dieser wird marginaler LRG-Satz genannt, weil die Refinanzierungsgescháfte der EZB als Zinstender zum Mindestbietungssatz ausgeschrieben sind, d.h. die Refinanzierung-suchende Bank macht ein Zinsangebot, áhnlich wie auf einer Versteigerung. Der margínale LRG-Satz gibt dann den niedrigsten bzw. hóchsten Zinssatz an, zu dem Mittel von der EZB noch zugeteilt bzw. hereingenommen werden. Der Basiszins der Bundesbank wird dem EZB-Leitzins aber nur in festen Abstánden jeweils am 1.1., 1.5. und 1.9. angepaSt, sofern sich die europáische BezugsgróSe um mindestens 0,5 Prozentpunkte ándert. Der Lombardsatz wird ais BezugsgróSe ersetzt durch den Zinssatz der EZB fur die Spitzenrefinanzierungsfazilitat (SRF-Satz). <?page no="149"?> D-2. Kurzfristige Finanzierung 127 Abb. D-2/ 1: Finanzierungsmoglichkeiten Kurzfristige Finanzierung Exportfinanzierung • Liefererkredit • Vorauszahlung, Anzahlung • Bankkreditlinien • Wáhrungskredit • Euromarktfinanzierung • Wechselkredit - Diskontkredit/ Rembourskredit - Negotiationskredit • Export-Akkreditiv • Ankauf und Bevorschussung bei Inkassi • Zessionskredit • Lombardkredit • Export-Factoring Mittel- und langfristige • Leasing • Forfaitierung • Kreditlinien der AKA • Kredite der KfW • Finanzierungen in der Importfinanzierung • Vorschüsse durch Abnehmer • Handelskredit (Liefererkredit) • Bestellerkredit • Wechselkredit, Avalkredit • Bankkredite (Importkredit) • Import-Akkreditiv • Euromarktfinanzierung Finanzierung Entwicklungszusammenarbeit suchen, sich durch entsprechende Laufzeiten oder lángerfristige Zinsbindungen ein gegenwártig niedriges Niveau zu sichern, was aber nicht immer realisierbar sein diirfte. D-2.1. Exportfinanzierung Für den Exporteur bestehen zwei hauptsáchliche Finanzierungszwecke: Zum einen muG er im Handel seinen Wareneinkauf, in der Produktion die Vorleistungen anderer Produktionsstufen und seine eigenen Lager- und Produktionskosten finanzieren (Exportvorfinanzierung). Hinzu kommen Transport-, Versicherungs-, Vertriebs-, Montage- und Servicekosten (Exportfinanzierung i.e.S.) sowie die Finanzierungskosten, bis der Kunde seiner Zahlungsverpflichtung nachkommt (AnschluSfinanzierung). Daneben kónnen Kosten aus erforderlichen Bietungs-, Anzahlungs- oder Gewáhrleistungsgarantien entstehen, die der Exporteur stellen muí? . Zum anderen mufJ der Exporteur seinen Kunden neben einem attraktiven Warenangebot in sehr vielen Fallen auch gleich eine attrakrive Finanzierung mit anbieten, wenn er zum AbschluS kommen will. Insbesondere im Investitionsgiiterbereich ist dies fast unabdingbar. Zur Exportfinanzierung kann man auch die Instrumente záhlen, die der Exporteur dem Importeur verschafft oder vermittelt, damit dieser seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Dies ist Interpretarionssache. Wir behandeln diese Instrumente in Abschnitt D-2.2 Importfinanzierung. <?page no="150"?> 1 2 8 D Finanzierung des AuBenhandels D-2.1.1. Liefererkredit (Handelskredit) Genauso, wie der Exporteur seinem auslándischen Kunden ein Zahlungsziel einráumen kann, kann er selbst einen Kredit seines Zulieferers in Anspruch nehmen; seine Position ist dann analog der des Importeurs. Der Exporteur erhált von seinem Zulieferer Ware auf Ziel und muS den Rechnungsbetrag erst nach z. B. 30, 60 oder 90 Tagen begleichen. Das Zahlungsziel kann dabei sowohl formal vereinbart sein als auch durch schleppende Zahlung («lagging») erzwungen sein. Der Vorteil des Handelskredits besteht insbesondere in seiner Formlosigkeit. D-2.1.2. Vorauszahlungen, Anzahlungen Die Finanzierungfunktion für den Exporteur von Vorauszahlungen (cash before delivery), Anzahlungen (down payment) sowie von Abschlagszahlungen (pro-rata-Zahlungen) als Mitfinanzierung der Herstellungskosten durch den Besteller ist offensichtlich und braucht hier wohl nicht ausgefiihrt zu werden. Als Zahlungsbedingung setzt dies jeweils eine relativ starke Marktposirion des Exporteurs gegeniiber dem Kaufer sowie als clean payment, d. h. ohne bankmáSige Besicherung ein entsprechendes Vertrauensverháltnis zwischen den Partnern voraus. Andererseits sind derartige Klauseln bei Bestellung von Giitern mit lángerer Herstelldauer - Anlagen, Schiffe, Kraftwerke üblich. Die gebráuchliche Absicherung von An- und Vorauszahlungen durch eine Bankgarantie bzw. -bürgschaft (vgl. Abschnitt H-2.4.3) mufi bei den Finanzierungskosten beriicksichtigt werden. D-2.1.3. Bankkreditlinien Dem Exporteur wird nach Pruning seiner Bonitát eine Kreditlinie in Inlandswahrung eingeráumt, die er bis zum zugesagten Hochstbetrag (Limit) in Anspruch nehmen und (oft) nach Belieben tilgen kann (Lieferantenkredit). (Achtung: Der Lieferantenkredit an den Exporteur, den dieser ggf. zur Finanzierung von Produktionskosten benótigt, ist abzugrenzen gegen den Liefererkredit (Lieferantenkredit) durch den Exporteur an den Importeur. Vgl. Abschnitt D-2.1). Dabei ist der Kontokorrentkredit die von der Abwicklung her einfachste und flexibelste, in der Regel aber auch die teuerste Kreditform, denn neben den Kreditzinsen wird ggf. wenn das Limit iiberzogen wird eine (hóhere) Überziehungsprovision erhoben. Meist sind Bankkredite durch inlándische Sicherheiten abgesichert, doch kann dies auch durch die Abtretung von Forderungen aus dem Auslandsgescháft geschehen (Zessionskredit). Die meisten Kreditinstitute verbinden mit einer Kreditzuweisung von Kontokorrentlinien die Erwartung, teilweise als explizite Bedingung, daE der Kreditnehmer ihnen auch andere Auslandsgescháfte zuweist (Akkreditive, Inkassi, Devisentermingeschafte etc.) (sog. cross selling), urn weitere Provisionen und Kursmargen an sich zu ziehen. D-2.1.4. Wáhrungskredit Kredite in einer auslándischen Wáhrung (Wáhrungkredite) haben in der Regel eine feste Laufzeit zu festen Sátzen. Die Zinsen entsprechen dem Zinsniveau der jeweiligen Wáhrung. Für den Exporteur bieten sich Wáhrungskredite insbesondere an, wenn der Bezug von Vorleistungen und der Exporterlós in derselben Wáhrung fakturiert ist, um eine zweimalige <?page no="151"?> D-2. Kurzfristige Finanzierung 129 Konvertierung zu vermeiden. In der Regel benotigt der Kreditnehmer ein entsprechendes Wáhrungskonto. Ein Wahrungskredit ist relativ teuer, da die kreditgewahrende Bank ihre Kurssicherungskosten einbeziehen wird. Daher eignen sich Wáhrungskredite selten ais Instrument nur zur Absicherung eines anderweitig bestehenden Wechselkursrisikos seitens des Exporteurs (Matching; vgl. Abschnitt H-4.3.2). D-2.1.5. Euromarktfinanzierung Die Exportbank nimmt fur den Exporteur, der dies nicht seibst kann, Mittel am Euromarkt auf (sog. Erstfinanzierung). Dies kann günstiger sein ais eine Kreditaufnahme des Exporteurs am Inlandsmarkt, da seine Bank am Euromarkt bessere Konditionen erreichen kann. Sofern die Bank die Mittel nicht selber direkt aufnehmen kann, wird sie in der Regel einen Euromarktkredit bei einem anderen Institut vermitteln kónnen. Vgl. Abschnitt D-3.7. D-2.1.6. Wechselkredit Der Wechsel ist ein Wertpapier, das ein abstraktes, vom zugrundeliegenden Warengescháft unabhángiges Zahlungsversprechen enthált und das durch besondere, recht strenge Bestimmungen des Wechselrechts gesichert ist. Der Wechsel ist mit gewissen rechtlichen Einschránkungen faktisch eine Art <Schuldschein>. Abschnitt G-l.3.1 enthált eine ausführliche Darstellung. Auf der Exportseite besteht die Finanzierungsfunktion des Wechsels darin, daf? der Exporteur (Gláubiger) den Wechsel verkaufen kann, in der Regel an seine Hausbank. Diese zieht von der Wechselsumme einen gewissen Prozentsatz ab (Diskontsatz), in dem sich die Verzinsung wáhrend der restlichen Laufzeit und das Einlosungssrisiko niederschlagen. Ein Aval einer guten Bank erleichtert es dem Lieferanten (Exporteur), einer Zahlungsabsicherung durch Wechsel zuzustimmen. Die avalierende Bank iibernimmt fiir ihren Kunden (Importeur) gegenüber seinem Gláubiger eine Biirgschaft. In Abb. D-2/ 2 sind Standardfálle dargestellt. Im Fall (1) zieht der Exporteur einen Wechsel auf den Importeur, der ihn akzeptiert, und der Exporteur diskontiert den Wechsel bei seiner Hausbank. Dies kann analog mit einem Solawechsel erfolgen, den der Importeur ausstellt und durch Indossament auf den Exporteur übertrágt. (2) Eine Variante stellt folgendes Verfahren dar: Der Importeur iibersendet dem Exporteur einen Wechsel incl. Akzept des Importeurs (Eigenakzept), mit der Bitte, den Wechsel als Aussteller zu unterzeichnen und an den Importeur zuriick zu indossieren (Umkehrwechsel). Dieser verkauft den Abschnitt an seine Bank und stellt den Diskonterlós dann dem Exporteur zur Verfiigung, z. B. durch Übersendung eines Verrechnungsschecks (Scheck-Wechsel-Verfahren). Dies bietet sich an, wenn der Importeur durch ein Skonto die Diskontkosten iiberkompensieren kann oder wenn die Diskontkosten im Importland (deutlich) günstiger sind als im Exportland. Dabei besteht ein Risiko, indem der Exporteur in der Ausstellerhaftung steht und der Scheck moglicherweise ungedeckt sein kann. Das Verfahren setzt daher ein Vertrauensverháltnis zwischen Káufer und Verkáufer voraus. D-2.1.6.1. Diskontkredit Einen Diskontkredit ráumt ein Kreditinstitut ein, indem es einen Wechsel («Abschnitt») vor Fálligkeit ankauft und dem Wechselverkáufer (Exporteur) den Wechselbetrag abzüglich des <?page no="152"?> 130 D Finanzierung des AuGenhandels Abb. D-2/ 2: Wechselkredite (1) Gezogener Wechsel Exporteur 'u 1 Einreichung Diskonterlós 1 1 Exportbank (2) Umkehrwechsel 1 Exporteur zieht auf Diskonterlós — • Importeur Importeur 1 'u Einreichung Diskonterlós 1 T Importbank Diskonts 3 auszahlt. Der Diskont deckt die Zinsen bis zur Fálligkeit des Wechsels sowie das Wechselrisiko ab. Ein Wechsel eines Kunden aus Kinshasa diirfte einen hoheren Diskontsatz bedingen als ein Wechsel auf die Chase Manhattan. Oft werden dem Kunden Diskontlinien eingeráumt, unter denen er Wechsel bis zu einem vereinbarten Hóchstvolumen einreichen kann. Dabei kónnen von der Bank ungeeignet erscheinende Abschnitte zuriickgewiesen werden. BEISPIEL Der Diskontsatz betrágt 6%; die Restlaufzeit des Wechsels sei (zur Vereinfachung) 12 Monate (bei kiirzeren Laufzeiten muf> interpoliert werden). 6% von der Wechselsumme 100.000 Euro bedeuten eine Auszahlung von 94.000 Euro (= Barwert; present value). Unter Berücksichtigung des Zinseszinseffekts berechnet sich jedoch der Effektivzins als n-te Wurzel aus Wechselsumme geteilt durch (Barwert - 1) x 100 [n = Laufzeit] (hier ohne Berechnung) = 6,38%. Dieser Effektivzins, der also hóher ¡st als der Diskontsatz, muG vom Kreditgeber bei der Kalkulation der Wechselsumme berücksichtigt werden («Schuldnerzins»). Bis 31.12.98 konnten die Banken aufgekauftes Wechselmaterial zu günstigen Sátzen an die Bundesbank weiterverkaufen (rediskontieren). Dieses Instrument existiert seit Gründung 3 Ein sog. praenumerando, eine vorherige Zinszahlung, Gegenteil: postnumerando, nachtrágliche Zinszahlung. Bei einem Disagio wird ein Teil der Kreditsumme nicht ausbezahlt; dafur als KompromiS ist der Kreditzins niedriger. <?page no="153"?> D-2. Kurzfristige Finanzierung 131 der Europáischen Zentralbank (EZB) nicht mehr. Zwar ist nach wie vor eine Refinanzierung bei der Bundesbank móglich, aber zu normalen Geldmarktsatzen. Zudem kónnen die Kreditinstitute bei Bedarf Wechsel als Sicherheiten fur Bundesbankkredite einsetzen (Lombard, vgl. auch unten). Manche Banken bevorzugen Lombards, weil dies technisch einfacher ist, als eine Vielzahl von Wechseln zum Diskont einzureichen. Da bei verspátetem Eingang der Wechselsumme nach Vorlage beim Wechselschuldner Verzugszinsen berechnet werden müssen/ kónnen, kalkulieren die meisten Banken bereits bei der Diskontberechnung bis zu 10 sog. Respckttage ein. Fremdwahrungswechsel werden zum Sichtkurs abgerechnet, d. h. der Devisengeldkurs wird um bestimmte Spannen gekiirzt (vgl. Abschnitt H-4.2.2). BEISPIEL Abrechnungsschema eines Fremdwáhrungswechsels: Barwert [94.000 Euro] x Sichtkurs (= Devisengeldkurs • - 1,5%o (mind. 7,- Euro) Abwicklungsprovision - Euro 2,50 Auslagen - 0,25%o Courtage bei Fremdwahrung. -0,5 [Briefkurs-Geldkurs]) (Hinweis: Devisengeldkurs entspricht Eurobriefkurs. Vgl. Abschnitt H-4.2.2.) D-2.1.6.2. Akzeptkredit/ Rembourskredit Beim Akzeptkredit verpflichtet sich eine Bank (meist innerhalb eines bestimmten Kreditlimits), Wechsel zu akzeptieren, die je nachdem der Importeur oder der Exporteur auf sie zieht. Durch das Akzept sind die Wechsel am Geldmarkt gut verwertbar (diskontierbar); z. B. kann der Importeur das Akzept seinem Lieferanten weiterreichen. Die Bank stellt also zunáchst ihren guten Namen zur Verfiigung («Kreditleihe»). Hierfiir ist eine spezielle Akzeptprovision an die Bank zu zahlen (ca. 0,5-2% p.a.). Üblich wenngleich nicht zwingend ist dabei, daE die akzeptierende Bank den Wechsel selbst ankauft und dem Importeur den Diskonterlós zur Verfiigung stellt. Gelangt des Akzept in Umlauf, haftet die Akzeptbank zwar im Aufienverhaltnis als Hauptverpflichteter, wird sich jedoch im Innenverháltnis so absichern, dal? der Importeur den Wechselbetrag vor Fálligkeit anschaffen muS. Der Exporteur zieht den Wechsel meist auf seine eigene Hausbank, die dafiir von der Importbank beauftragt wird, diskontiert den akzeptierten Wechsel bei seiner Bank und kann sich somit (re)finanzieren (Rembourskredit) (direkter Rembours; akzepiert eine andere Bank als die Exportbank die Tratte, spricht man von indirektem Rembours) (Abb. D-2/ 3). Dies erfolgt iiblicherweise auf der Basis eines Akkreditivs; vgl. nachfolgend). D-2.1.6.3. Negotiatiónskredit Mit einem meist sehr kurzfristigen - Negotiatiónskredit (Negoziierungskredit) überbrückt die Bank den Zeitraum zwischen Versendung der Ware und Aufnahme der Dokumente durch den Kaufer. Dabei raurnt die Bank dem Exporteur eine Kreditlinie zu meist günstigen Konditionen ein, die er gegen Vorlage bestimmter Dokumente in Anspruch nehmen kann. Man spricht auch dann von Negotiatiónskredit, wenn die Exportbank von der Importbank (im Auftrag des Importeurs) ermachtigt wird, vom Exporteur ausgestellte Tratten (vor <?page no="154"?> 132 D Finanzierung des Aultenhandels Abb. D-2/ 3: Wechselkredite II (1) Akzeptkredit I Tratte Akzept ¡ V | f (2) Rembourskredit Exporteur Importeur TratteAkzept Diskonterlos Exportbank Akzeptauftrag • Importbank Akzept) anzukaufen (authority to negocíate oder auch authority to purchase). Hierfiir erhált die Exportbank eine Negoziierungsprovision. Da Banken oft auch im Rahmen eines Rembourskredits bereit sind, Tratten anzukaufen (unabhángig von einer Beauftragung durch die Importbank), áhneln sich beide Kreditformen in der Praxis. D-2.1.7. Export-Akkreditiv Das Akkreditiv selbst stellt keinen Kredit dar, doch besteht eine enge wirtschaftliche Verbindung zwischen Akkreditiv und Finanzierung. Die unten in Abschnitt G-3.4.2 dargestellten Akkreditivformen haben alie eine Finanzierungsfunktion auf der Verkauferund/ oder auf der Kauferseite. Hier werden einige der unten ausführlich behandelten Aspekte vorab hervorgehoben. (1) Durch ein (unwiderrufliches) Sicht-Akkreditiv erhált der Exporteur gegen Vorlage bestimmter Dokumente bei der Versendung der Ware die vereinbarte Akkreditivsumme und kann sich so bereits refinanzieren, bevor die Ware beim Káufer eintrifft. (2) Bei einem Akkreditiv mit hinausgeschobener Zahlung (deferred payment) (Nach-Sicht- Akkreditiv) gewáhrt der Exporteur dem Importeur ein Zahlungsziel, dessen Kosten (Zinsen) er in der Akkreditivsumme verrechnen wird. Der Akkreditivbetrag kann dem Begünstigten bevorschuSt werden, allerdings auf Risiko der bevorschussenden Bank. Diese Variante ist kostengünstiger ais ein Akzept-Akkreditiv. Die Gutschrift erfolgt auf einem Kontokorrentkonto, bei gleichzeitiger Belastung eines Vorschufskontos. Dieses wird bei Eingang des Akkreditivbetrags ausgeglichen. Ebenso kann der Exporteur statt <?page no="155"?> D-2. Kurzfristige Finanzierung 133 einer Bevorschussung seine Forderung forfaitieren (vgl. unten), dies durchaus an seine Hausbank. (3) Ein Nach-Sicht-Akkreditiv kann angekauft oder dem Exporteur bevorschujit werden (i.d.R. von der Avisbank, aber auch einer anderen Bank), mit dem Vorbehalt, daft der Betrag zuriickbelastet wird, wenn die Auslandsbank bei Fálligkeit nicht zahlt (Bevorschussung ist auch bei Inkassi móglich). Dabei verbleibt das Auslandsrisiko nach wie vor beim Exporteur. Auch eine Bevorschussung durch den Káufer (bzw. die Akkreditivbank) ist móglich (packing credits), (vgl. auch Abschnitt D-2.1.8 Finanzierung), ebenso die Inanspruchnahme eines Zahlungsziels beim Vorlieferanten des Exporteurs oder eine Kreditierung seitens der Exportbank. PRAXISTIP Da der Exporteur beim Nach-Sicht-Akkreditiv für das Zahlungsziel sicherlich Zinsen berechnet, sollte der Importeur vergleichen, ob die Kombination eines Sichtakkreditivs mit einer AnschluRfinanzierung seiner eigenen Bank ggf. günstiger ist. (4) Bei einem Remboursakkreditiv verschafft der Importeur dem Exporteur ein Akzept der Importbank oder der Exportbank, das der Exporteur entsprechend diskontieren kann. Beispielsweise akzeptiert die Exportbank eine auf sie gezogene Tratte im Auftrag der Importbank, die wiederum im Auftrag des Importeurs handelt. Der Exporteur kann sich also unmittelbar nach Einreichung der Akkreditivdokumente durch Diskontierung des Akzepts refinanzieren. Der Importeur muS die Ware erst bei Fálligkeit des Akzept bezahlen. In der Zwischenzeit kann er die importierte Ware vermarkten (self-liquidation des Kreditgescháfts). Das Remboursakkreditiv setzt also im Gegensatz zum Akzeptkredit, der ein reines Finanzgescháft sein kann ein zugrundeliegendes Warengeschaft voraus. Der Rembourskredit kommt insbesondere in Frage, wenn die Kreditkosten im Exportland (Remboursland) niedriger sind als im Importland. Beim direkten Rembours leistet die Exporteurbank das Akzept, beim indirekten Rembours eine dritte Bank, z. B. wenn in einer Drittwáhrung fakturiert wurde (ein deutscher Exporteur verkauft auf Dollarbasis nach Indien; Remboursplatz New York). Im Akkreditiv muE bestimmt sein, wer die Diskontkosten trágt. (5) Durch ein iibertragbares Akkreditiv kann der Akkreditivbetrag ganz oder teilweise einem Dritten zur Verfugung gestellt werden, beispielsweise einem Vorlieferanten des Exporteurs. kann der Akkreditiv-begiinstigte Exporteur Waren einkaufen, ohne selbst eigene Mittel einsetzen zu miissen. Analoges gilt für das (seltene) Gegenakkreditiv (backto-back-Akkreditiv). Vgl. auch die ausfiihrliche Behandlung des Akkreditivs als Zahlungsbedingung in Abschnitt G-3.4.2. D-2.1.8. Ankauf und Bevorschussung bei Dokumenten-lnkassi Exporteure haben háufig ein bestimmtes noch ausstehendes Inkassovolumen. Dieses kann von der Exportbank bevorschuSt oder angekauft (negoziiert) werden, wobei die Forderungen und Versicherungen (Transportversicherung, Hermes-Abdeckung) an die Bank abgetreten werden. Eine Absicherung durch Ubereignung eingekaufter Vorleistungen unterbleibt <?page no="156"?> 1 3 4 D Finanzierung des AuRenhandels meist, weil die Abwicklung zu aufwendig ist (vgl. nachstehend). Da der Eingang der Zahlung durch den Importeur nicht sichergestellt ist, wird die Vereinbarung einer entsprechenden Exporteurshaftung sowie ggf. eine Kurssicherung erforderlich sein. Die Bevorschussung erfolgt in der Regel zu Kontokorrentsátzen. Diese Finanzierungsform ist in der Praxis relativ selten. Eine gewisse Bedeutung hat noch die erwáhnte «authority to purchase», die vor allem im Zahlungsverkehr mit dem Fernen Osten vorkommt: Dabei ermáchtigt die Importbank eine Exportbank zum Ankauf von Wechseln, die der Exporteur auf den Káufer gezogen hat und die von den vorgeschriebenen Dokumenten begleitet werden, bei vollem Rückgriffsrecht auf den Wechselaussteller. D-2.1.9. Zessionskredit Bei einem Zessionskredit tritt der Kreditnehmer (Exporteur) eine Forderung an die Bank als Sicherheit ab. Dies setzt eine entsprechende Zessionspriifung voraus. In der Regel wird der Schuldner der Forderung von der Abtretung informiert, weil er mit schuldbefreiender Wirkung nur an den Forderungsinhaber zahlen kann. (Beim Factoring vgl. anschlieSend wird die Forderung nicht beliehen, sondern verkauft.) D-2.1.10. Lombardkredit Ein Lombardkredit wird durch Verpfándung beweglicher Sachen besichert. An die Stelle der dinglichen Übergabe im Privatbereich z. B. beim Pfandleiher tritt beim Warenlombard i.d.R. die Indossierung und Übergabe entsprechender Traditionspapiere (z. B. Pfandindossament auf einem Orderlagerschein). Der Warenlombard wird u. a. bei Rohstoffen, Kaffee, Tee, Tabak und Baumwolle praktiziert. Diese Güter sind zumeist an der Bórse handelbar, ggf. konnen sie leicht versteigert werden. Bis 31.12.98 konnten sich Kreditinstitute bei der Bundesbank durch Verpfándung bestimmter Wertpapiere kurzfristige Kredite beschaffen, die zum Lombardsatz verzinst wurden; dies war immer noch günstiger ais der nórmale Geldmarktzinssatz. Auch dieses Instrument wurde mit Griindung der EZB abgeschafft und durch eine (relativ teure) Stand-by-Kieditfazilitát bis max. 14 Tage ersetzt. Günstiger sind Pensionsgescháfte (Repo's, repurchase), bei denen z. B. Wertpapiere oder Devisen verkauft werden um Liquiditát zu erhalten - und gleichzeitig eine Rückkaufverpflichtung eingegangen wird. Die Papiere oder Devisen gehen also quasi kurzfristig <in Pensions D-2.1.11. Export-Factoring Factoring gewinnt in zunehmendem MaSe an Bedeutung und kann in vielen Fallen als gute Alternative zum Akkreditiv angesehen werden. Es vollzieht sich über spezialisierte Factoring-Unternehmen, die oft Tochtergesellschaften von Kreditinstituten sind. Der Faaor kauft dem Exporteur in der Regel im Rahmen eines langerfristigen und umfassenden Vertrages seine sámtlichen Forderungen gegenüber seinen (inund/ oder auslándischen) Debitoren ab, wobei bestimmte Kauflimits vereinbart werden kónnen. Der Forderungsverkáufer hat dabei eine Andienungspflicht, d. h. er muís alie vertraglich vereinbarten Forderungen zum Kauf anbieten, wáhrend der Faaor grundsatzlich eine Ankaufspflicht hat (auSer bei zwei- <?page no="157"?> D-2. Kurzfristige Finanzierung 135 Abb. D-2/ 4: Exportfactoring " Zahlung des Kaufpreises \\ Factor Verkauf der Forderung / Bezahlung der Forderung Bonitatsprüfung \ A Abnehmer/ Debitor Die deutsche Factoringbranche will auch international wachsen Kunden haben Liquiditatsbedarf und wollen Schutz vor Ausfalirisiken / Beziehungen zu mehr als 30 Branchen Di e Fr e i e n S D Í >arkassen steigen in s F a c t o ri n g - G e s c h a ft ein „100 Proz ent S c h u t z vor F o r d e r u n g s v e r l u s t e n " felhaften Forderungen). Exportfactoring erstreckt sich iiblicherweise auf kurzfristige Forderungen und ist vor allem im Konsumgiiterbereich verbreitet. Abb. D-2/ 4 zeigt den Zusammenhang. Die Vorteile fiir den Exporteur liegen auf der Hand: Er verwandelt eine Forderung in sofortige Liquiditát und kann daher dem Kunden ein Zahlungsziel einráumen, das ihn den Exporteur nicht belastet (die Factoringkosten wird er dem Kunden iibertragen); er verkauft gleichzeitig auch das Zahlungs- und Wáhrungsrisiko und vermeidet den Aufwand fiir die Debitorenkontrolle (vgl. unten ausführlicher). Bei neuen Kunden sollte der Exporteur vor AbschluE des Kaufvertrages den abzusichernden Betrag bei seinem Factor anfragen, urn sicherzustellen, dal? die Forderung im Rahmen des vereinbarten Limits angekauft wird. Der Factor iibernimmt dabei meist auch eine Bonitátsprüfung des Importeurs sowie weitere Service- und Informationsfunktionen bezüglich des auslándischen Marktes {financial engineering). Je weniger der Kundenstamm variiert, desto geringer sind die Prüfungskosten des Factors, was sich gebührendsenkend auswirken kann. Die angedienten Forderungen werden bis zu 90% bevorschuSt (manchmal weniger). Die verbleibende Summe (Sperrbetrag, 10-20%, gelegentlich bis zu 30%) wird abziiglich des Factoringabschlags (2-3 %, gelegentlich mehr) ausgezahlt, sobald der Schuldner an den Factor gezahlt hat. Dadurch sichert sich der Factor u. a. gegen Mángelrügen, Warenretouren oder Skontoabziige ab. Beim internationalen Factoring wird háufig neben dem Exportfactor im Land des Exporteurs ein Importfactor im Land des Importeurs eingeschaltet, der dem Exportfactor zur Beurteilung-der Bonitát des Importeurs zur Verfiigung steht und dem Exportfactor im Innen- <?page no="158"?> 1 3 6 D Finanzierung des AuRenhandels verháltnis die Einbringlichkeit der Forderung garantieren kann bzw. sie seinerseits aufkauft (Two-Factor-System). Móglich ist auch, daS der Exporteur direkt mit dem Importfactor kontrahiert (Single-Factor-System). Die Kosten des Exportfactoring umfassen iiblicherweise • Gebiihren fur die Bonitátsprüfung des Kunden, • die Refinanzierungskosten des Factors in Hohe marktiiblicher Sollzinsen, • eine Dienstleistungsgebühr zwischen V2 und 4 % des Umsatzes, • eine Delkrederegebiihr zwischen 3 / A und 1,5% des Umsatzes. Hinzu kommen fur den Forderungsverkáufer entgangene Zinsen auf den Sperrbetrag. Exportfactoring ist meist 0,2 bis 0,5 Prozentpunkte teurer als Inlandsfactoring. Der Forderungskaufer iibernimmt damit bestimmte Funktionen: einmal die Finanzierungsfunktion, da der Exporteur vor Falligkeit Zahlung erhált, die er u. a. auch zur Begleichung eigener Verbindlichkeiten unter Ausnutzung von Skonti einsetzen kann, zum zweiten eine Dienstleistungsfunktion, weil der Factor u. a. Bonitátsprüfung (vor VertragsabschluS mit dem Importeur), Rechnungsversand (Inkasso) und Mahnwesen iibernimmt, und drittens eine Delkredere-Funktion, indem der Factor auch vollstándig das Risiko des Zahlungsausfalls iibernimmt (echtes Factoring); 4 hierfiir ist die Delkredere-Provision zu zahlen. Anderfalls handelt es sich um unechtes Factoring, das allerdings nur selten praktiziert wird, weil es lediglich den Charakter einer Kreditvergabe an den Exporteur hat. Ganz selten ist Falligkeitsfactoring, bei dem der Forderungsverkáufer sein Geld erst erhált, wenn der Schuldner bezahlt hat. Sofern sich das Factoring nur auf diese Dienstleistungsfunktion des Inkasso beschránkt, spricht man auch von Service-Factoring. Zudem iibernimmt der Factor das Wechselkursrisiko. Je nachdem, ob der Debitor iiber den Forderungsverkauf informiert ist oder nicht, spricht man vom offenen bzw. vom stillen Verfahren. Die Information erfolgt meist durch einen Hinweis auf der Rechnung, dai? die Forderung abgetreten wird und der Schuldner mit befreiender Wirkung nur an den Factor zahlen kann. Die gelegentlich noch anzutreffende Meinung, dafi offenes Factoring ais Zeichen finanzieller Schwáche anzusehen sei, weicht in zunehmendem MaSe einer realistischeren Einschátzung. Zudem ist stilles Factoring seltener geworden, weil aufgrund einer internationalen Konvention aus dem Jahre 1988 in Ottawa/ Kanada (in Deutschland 1998 in Kraft getreten) das offene Factoring durch Verfahrensvereinfachungen erleichtert wird. So entfallen z. B. die im romanischen Rechtskreis sonst erforderlichen und recht umstándlichen Vorschriften iiber die Zustellung einer Abtretungsurkunde durch den Gerichtsvollzieher, oder die nach deutschem Recht sonst erforderliche Notwendigkeit, die Benachrichtigung an den Schuldner zu unterschreiben: Dies kónnte vor allem Massenfactoring behindern. Durch das internationale Abkommen wird die Stellung des Factors gegeniiber dem Debitor geklárt und gestárkt, da letzterer den Anspruch des Factors anerkennen mufi (unter Aufrechterhaltung der ihm auch sonst gegen den Forderungsverkáufer zustehenden Einreden und Rechte). Abb. D-3/ 4 (Abschnitt D-3.2) stellt die wesentlichsten Unterschiede zwischen Factoring und Forfaitierung gegeniiber, wobei natiirlich im konkreten Einzelfall auch andere Konditionen als die dargestellten móglich sind. 4 DaG dieses Risiko betráchtlich sein kann, belegt der Konkurs der bis dahin renommierten Procedo- Exportfactoring GmbH in Wiesbaden vor wenigen Jahren, die zu viele <faule> Forderungen angekauft hatte. <?page no="159"?> D-2. Kurzfristige Finanzierung 137 D-2.2. Importfinanzierung Viele Überlegungen leiten sich spiegelbildlich aus den Ausfuhrungen zur Exportfinanzierung ab. Um Wiederholungen auf ein MindestmaS zu begrenzen, ist die folgende Darstellung stark komprimiert. D-2.2.1. Vorschüsse durch Abnehmer Sofern der Importeur die gekaufte Importware weiterhandelt, besteht die Móglichkeit, da£ er den Importpreis durch Voraus- oder Anzahlungen oder Abschlagszahlungen seiner Abnehmer ganz oder teilweise finanziert. D-2.2.2. Handelskredit (Liefererkredit) Die Finanzierung des Importeurs kann durch Zahlungsziele erfolgen, die der Exporteur seinem Kunden einráumt (Lieferkredit, Liefererkredit, teilweise auch Lieferantenkredit; auf die sprachlichen Verwechslungsmoglichkeiten zwischen dem Lieferantenkredit an den Exporteur und seitens des Exporteurs wurde bereits eingangs im Abschnitt D-2.1 hingewiesen.) Das Zahlungsziel kann dabei sowohl formal vereinbart sein als auch durch schleppende Zahlung («lagging») erzwungen sein. Der Vorteil des Handelskredits besteht insbesondere in seiner Formlosigkeit. D-2.2.3. Bestellerkredit Alternativ kann der Exporteur dem Abnehmer einen Bestellerkredit vermitteln, den eine Bank im Exportland dem auslandischen Kunden zur Finanzierung seiner Order gewáhrt (Rechtsverháltnis Bank/ Importeur). Einige deutsche Institute stellen Partnerbanken Rahmenkredite zur Verfügung, welche diese an ihre inlándischen Kunden weiterreichen. Die Zinskonditionen orientieren sich an denen des AKA-Plafond-C (Abschnitt D-3.3.2). Dabei werden in der Regel zwischen 85 und 100% des Auftragswertes finanziert, wobei dieser oft je nach Kreditanbieter ein bestimmtes Mindestvolumen nicht unterschreiten soil (100-250.000 Euro). Die Konditionen richten sich nach der aktuellen Marktsituation. Sie werden mit dem Kreditnehmer verhandelt (Zinssatz, Bereitstellungsprovision, Bearbeitungsgebühr) und von diesem getragen. Bestellerkredite sind oft langerals kurzfristig. D-2.2.4. Wechselkredit, Avalkredit Gángig ist die Unterlegung eines dem Importeur gewáhrten Zahlungsziels durch Wechsel, die der Exporteur auf den Importeur zieht, sei es im Rahmen dokumentárer oder nichtdokumentarer Zahlungsbedingungen. Die Finanzierungsfunktion des Wechsel für den Importeur besteht darin, da£ die Wechselstrenge es dem Exporteur leichter macht, ein Zahlungsziel einzuráumen. Es wurde bereits oben gezeigt, dal? es Varianten gibt, bei denen der Importeur das Wechselmaterial diskontieren láSt und den Diskonterlós dem Exporteur zur Begleichung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung stellt. Wie erwáhnt, macht das Aval einer guten Bank auf einem Wechsel den Abschnitt für den Exporteur sicherer (Kreditleihe). <?page no="160"?> 1 3 8 D Finanzierung des Auftenhandels D-2.2.5. Bankkredite (Importkredit) In Abgrenzung zum Bestellerkredit (Exportbank an Importeur) handelt es sich hier urn Importvorschiisse, u. U. auch auf der Basis von Lombardkrediten, die eine Bank im Importland dem Importeur gewáhrt. Die Kosten berechnen sich nach den entsprechenden Kreditkonditionen. Ggf. wird dem Importeur von seiner Bank ein Fremdwahrungskredit eingeráumt. D-2.2.6 Import-Akkreditiv Der Importeur beantragt bei seiner Bank die Eróffnung eines Importakkreditivs. Die Akkreditivbank wird das Akkreditiv <herauslegen>, wenn die spátere Zahlung (<Anscbaffung>) der Akkreditivsumme durch den Importeur sichergestellt ist. Dies kann aufgrund von Guthaben oder durch Kreditvereinbarungen geschehen. Die Bank des Importeurs garantiert dem Exporteur Zahlung gegen Vorlage bestimmter Dokumente (vgl. Abschnitt G-3.4.2). Die Auszahlung der Akkreditivsumme an den Exporteur erfolgt dabei, bevor der Importeur die Dokumente aufnimmt und iiber die Ware verfügen kann. Bei einem Akkreditiv mit hinausgeschobener Zahlung (deferred-payment-Akkreditiv) oder bei einem Akkreditiv auf Wechselbasis erhált der Importeur ein Zahlungsziel. D-2.1.7. Euromarktfinanzierung Die Importbank nimmt für den Importeur, der dies nicht kann, Mittel am Euromarkt auf (sog. Erstflnanzierung). Dies kann günstiger sein ais eine Kreditaufnahme des Importeurs am Inlandsmarkt, da seine Bank am Euromarkt bessere Konditionen erreichen kann. Sofern die Bank die Mittel nicht selber direkt aufnehmen kann, wird sie in der Regel einen Euromarktkredit bei einem anderen Institut vermitteln kónnen. D-2.3. Aktuelle Tendenzen: Unternehmens-Rating Banken unterliegen in Deutschland wie in den meisten Staaten begrenzenden Vorschriften, um zu gewáhrleisten, daE ausgeliehende Mittel in bestimmtem MaEe durch haftendes Eigenkapital <unterlegt> (gedeckt) sind (in Deutschland gegenwartig 8%). Der Basler Ausschufl für Bankenaufsicht hat Mitte 1999 Vorschláge fur eine Neuregelung der angemessenen Eigenkapitalausstattung gemacht (das sog. Basel II), in deren Mittelpunkt die Bestimmung des Kreditrisikos steht: Bei Schuldnern mit hoher Bonitát sind die Kreditrisiken geringer, und dementsprechend braucht auch nur weniger Eigenkapital zur Deckung zur Verfügung zu stehen ais bei schwácheren Kreditnehmern nicht die Kreditsumme, sondern das Kreditrisiko bestimmt die erforderliche Eigenkapitalunterlegung. Je geringer diese ist, desto mehr Kredite kann eine Bank gewáhren. Bisher erfolgte die Prüfung der Kreditwiirdigkeit eines Kreditnehmers nur nach internen Kriterien der Kreditinstitute. Es zeichnet sich aber zunehmend ein Übergang zu Ratingsystetnen ab, die in den USA wo sonst wohl bereits seit langem angewendet werden. Rating wird das System der Zukunft sein. Externe Gutachter vergeben fur die Kreditwiirdigkeit von Unternehmen «Zensuren» eine Art ókonomischer TÜV (Abb. D-2/ 5; vgl. zum System auch Abb. B-6/ 10). Bei einem guten Rating ware der Zins niedriger als bei geringerer Kredit- <?page no="161"?> D-2. Kurzfristige Finanzierung 139 wiirdigkeit. Ein gutes Rating ist ein Giitesiegel, analog zu einer ISO-Zertifizierung 5 , und verbessert auch das Image, das <standing> eines Unternehmens, das auch in der Auftendarstellung eingesetzt werden kann, auch zum Ankniipfen neuer Geschaftsbeziehungen. Auch der Wechsel zu einem anderen Kreditinstitut wird leichter, weil das Unternehmen seine Benotung mitnimmt. Dies kann auch die Verhandlungsposition gegenüber der derzeitigen Hausbank verbessern. Auch in der Zusammenarbeit mit Lieferanten und Versicherungen ist ein gutes Rating von Nutzen, und ggf. lassen sich auch eher Investoren fur Projekte oder Beteiligungen finden. Neben dem exteren Rating kónnen die Banken bei Unternehmen, die nicht an den Kapitalmarkt herantreten, aber nach wie vor interne Ratings durchführen. Abb. D-2/ 5: Von AAA bis D - Buchstaben entscheiden über Millionen Rating-Agenturen beeinflussen das Wohl und Wehe von Banken un Unternehmen • Nur der Markt begrenzt die Macht der Kontrolleure ielbst viele GroBunternehmen haben noch kein Rating Der Firmenkredit wird nicht zwangsláufig teurer / Drehen die Banken an der Marge? Die Banken betonen bei dieser Entwicklung positive Faktoren, insbesondere, dafi das Rating fur die Unternehmen Transparenz schafft und soliden Unternehmen Kostenvorteile bringt. Der Mittelstand scheint dieser Entwicklung zunáchst abwartend bis skeptisch gegeniiberzustehen, zumal die Ratingagenturen bisher kaum Mittelstándler in ihren Listen haben. Fiir ein externes Rating miiSten auch allgemeingiiltige Kriterien definiert werden, wovon derzeit noch keine Rede sein kann. Hinzu kommt, daS mittelstándische Unternehmen es nicht leicht haben werden, die Anforderungsprofile fiir gute Ratings zu erfullen und Superratings wie AAA, AA+ o.á. zu erreichen, so dafi sie tendenziell mit ungiinstigeren Kreditkonditionen rechnen miissen, auch wenn dies von Bankenseite uneinheitlich dementiert wird (Abb. D-2/ 6). Dies gilt analog fiir die Konditionen der privaten Ausfuhrkreditversicherer. Uberhaupt ist eine Tendenz zu beobachten, daS die Kreditinstitute die normalen Unternehmenskredite nicht mehr so attraktiv finden und sich teils aus dem Gescháft zurückziehen und sich stattdessen dem Investmentbanking zuwenden, teils Spezialinstitute griinden oder andere Formen des outsourcing wáhlen. Wie sagte unlángst ein Bankmanager: «Man mul? auch mal den Mut haben, sich von einem Kunden zu trennen.» Damit ist der Trend klar. Abb. D-2/ 6: „Mit dem Rating kommt es noch schlimmer" Die Bauwirtschaft befürchtet, über einen Kamm geschoren zu werden » Geschaftsbanken ziehen sich aus der Kredit-Finanzierung des Mittelstandes zurück Creditreform: Ein Drittel der kleinen Unternehmen hat Probleme mit Banken Die Kredite fiir den Mittelstand werden immer teurer Ratings und Eigenkapitalvorschriften der Banken gehen zu Lasten kleiner Kreditnehmer/ Factoring als Alternative 5 Z.B. ISO 9000 ff. (Qualitát) oder ISO 14000 ff. (Umweltschutz). <?page no="162"?> 1 4 0 D Finanzierung des AuGenhandels Unternehmensratings werden in Deutschland von gro&n internationalen Instituten wie Moody's, Standard & Poors's oder Fitch IBCA angeboten, aber auch von der EuroRating AG in Frankfurt, die u. a. von der Deutschen Ausgleichsbank mitgetragen wird. Auf mittelstándische Unternehmen spezialisieren sich die URA Unternehmens Ratingagentur AG in Miinchen (PS Rating Services AG Miinchen) und die Creditxeform Rating AG in Neuss sowie die R@S Rating Services AG in Miinchen. Fur ein erstes Rating wird man je nach GróSe des Unternehmens zwischen 5.000 und 50.000 DM zahlen müssen, zusátzlich zu den durch das Ratingverfahren entstehenden Kosten im Unternehmen. D-3. Mittel- und langfristige Finanzierung Der AulSenhandels mit Investitions- und anderen Kapitalgütern erfordert eine mittelbis langfristige Finanzierung, insbesondere auf der Seite der Importeure. Fiir das dabei besonders relevante Zinsánderungsrisiko vgl. Abschnitt H-5. Vgl. auch Abschnitt B-6.7 iiber Direktinvestitionen. D-3.1. Export-Leasing Beim Exportleasing (cross border leasing) verhandelt der Exporteur mit einem potentiellen Káufer z. B. eines Investitionsgutes. Wenn die Kaufverhandlungen eine konkrete Basis gefunden haben, verkauft der Exporteur das betreffende Gut an eine Leasinggesellschaft (Leasinggeber), die das Objekt auch bilanziert, nachdem er zuvor mit dem auslándischen Kiinden (Leasingnehmer) die Bedingungen des Leasing vereinbart hat. Der Kunde schlieSt dann einen Leasingvertrag mit dem Leasinggeber: Der auslándische Leasingnehmer erhált dadurch das ausschliefiliche Nutzungsrecht des Investitionsgutes fur eine bestimmte Laufzeit (Grundmietzeit, i.d.R. unkündbar) und entrichtet wáhrend dieser Zeit die Leasingraten an den Leasinggeber (Finanzierungsleasing). In dieser Form ist die Finanzierung fur den Exporteur der klassischen Bestellerfinanzierung vergleichbar, und das Gescháft wird fur ihn zu einem inlándischen Cash-Gescháft. Dabei ist auch Fremdwáhrungsleasing móglich. Die Leasingforderung kann Hermes-besichert werden, wobei der Leasinggeber einen Selbstbehalt tragen mufi (Abschnitt H-3.2). Diese Konstruktion wird indirektes oder unechtes Leasing genannt, da nicht der Hersteller des gemieteten Anlagegutes, sondern eine zwischengeschaltete Leasinggesellschaft Leasinggeber wird. Anderenfalls láge direktes oder echtes Leasing vor (Abb. D-3/ 1), wenn der Exporteur Leasinggeber ist. Dabei refinanziert er sich meist bei seiner Bank und tilgt den Kredit mit den Leasingraten. Als Sicherheit tritt er die Leasingforderung an die Bank ab. Beim direkten Leasing trágt der Exporteur aber samtliche Delkredere-, Transfer-, Landeretc. -Risiken, so daS sich unter diesem Aspekt oft eine indirekte Leasingkonstruktion anbietet. Dabei wiederum muS der Kunde meist einen hoheren Endpreis bezahlen, so das es auch stark von der Marktsituation und der Risikopolitik abhángt, welcher Form der Vorzug gegeben wird. Leasing enthált Elemente der Gebrauchsüberlassung (Miete) ebenso wie der Eigentumsübertragung (Kauf). Juristisch werden Leasingvertráge immer als Miete gewertet, steuerrechtlich kommt es darauf an, welches Element überwiegt (vgl. anschlieSend). Wird steuerrechtlich Miete angenommen, wird das Objekt beim Leasinggeber bilanziert, dem auch das <?page no="163"?> D-3. Mittel- und Langfristige Exportfinanzierung 141 Abb. D-3/ 1: Direktes/ lndlrektes Leasing Direktes Leasing Exporteur (Leasinggeber) Leasingobjekt Indirektes Leasing Exporteur Leasingraten Leasingobjekt Importeur (Leasingnehmer) (Kaufvertrag) Leaslnggesellschaft (Leasinggeber) \^ (Exportland) Importeur (Leasingnehmer) (Leasingraten) (Kaufvertrag) Leasinggesellschaft (Importland) (b) (c (d) Recht der Abschreibung zukommt; wird steuerrechtlich Kauf angenommen, wird das Objekt beim Leasingnehmer bilanziert, und umsatzsteuerrechdich liegt eine Lieferung vor, so daf? das gesamte Leasingentgelt zu versteuern ist, nicht wie bei der Miete lediglich die Leasingraten, die als <Mietzins> anzusehen sind. Folgende Varianten des Fianzierungsleasing sind iiblich: (a) Nach Ablauf der Grundmietzeit und voller Bezahlung des Leasingobjekts (ggf. Rest- *kaufpreis) geht das Eigentum an den Leasingnehmer iiber (Mietkauf). Der Vertrag enthált eine Kaufoption, die der Leasingnehmer ausnutzen kann, aber nicht ausnutzen muí? . Der Leasinggeber ware dann zur Rücknahme des Objekts verpflichtet. Der Vertrag enthált eine Verlángerungsoption, die der Leasingnehmer durch einseitige Willenserklárung ausnutzen kann, i.d.R. zu günstigeren Bedingungen ais wáhrend der Grundmietzeit. Der Vertrag enthált keine Option, d. h. es handelt sich urn einen normalen Mietvertrag, der mit Ablauf der Grundmietzeit endet. Die Leasingraten sind so bemessen, da8 das vermietete Objekt nach Ablauf der Grundmietzeit voll amortisiert ist und der Leasinggeber einen Gewinn erzielt hat. Der Leasingnehmer trágt dabei das voile Investitionsrisiko, insbesondere hinsichdich des technischen Fortschritts (Überalterung des Leasingsobjekts). Zudem trágt er die anfallenden Warnings-, Reparatur- und Versicherungsrisiken. Diese Leasingform eignet sich insbesondere fiir Auftragsfertigung, die nach den speziellen Wünschen des Leasingnehmers erfolgt. Die Vorteile fiir den Importeur konnen steuerrechtlicher, bilanzieller, devisenrechtlicher und zollrechtlicher Art sein (Abb. D-3/ 2): • Durch Leasing benótigt der auslándische Káufer keinen Kapitaleinsatz in der vollen Hóhe des Investitionsgutes, sondern kann in Raten, aber zu 100% finanzieren. • Der Leasinggeber ubernimmt dabei das politische und wirtschaftliche Risiko des Exporteurs. • In vielen Landern kann der Zoll und die Einfuhrumsatzsteuer bis zum Ende der Leasing- <?page no="164"?> 142 D Finanzierung des AuRenhandels Abb. D-3/ 2: ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ _ ^ Das Leasinggeschaft floriert D e u t s c h e B a n k s t o B . ^" l * L e a s m g - G e s c h a f t a b UMSATZSTEUER - Europáischer Binnenmarkt fiihrt zu Problemen bei Leasing und Miete Nationale Regeln in der EU hemmen grenzüberschreitende Vertráge dauer gestundet oder iiber die Leasingdauer verteilt werden. Ob die Transaktion steuerrechtlich als Leasing anerkannt wird (Leasingraten als Aufwand), sollte vorher genau gepriift werden, weil das Wirtschaftsgut je nach Vertragskonditionen entweder dem Leasingnehmer oder dem Leasinggeber zuzurechnen ist. • Einige Lander werten Leasing steuerrechtlich immer als Miete (u. a. Frankreich), andere nehmen ein Liefergescháft an. Nach deutschem Recht wird bei einer Grundmietzeit iiber 40% und unter 90% der «betriebsgewóhnlichen Nutzungszeit» steuerrechtlich Leasing (Miete) angenommen, (d. h. Bilanzierung des Leasingobjekts beim Leasinggeber; der Leasingnehmer behandelt die Leasingraten als Betriebsausgaben in der Gewinn- und Verlustrechnung), bei weniger als 40% und bei mehr als 90% ist Kauf (Liefergescháft) anzunehmen (Bilanzierung beim Leasingnehmer). Spezielle Leasingobjekte (Sonderanfertigungen) werden grundsátzlich beim Leasingnehmer bilanziert. Bei Mietverlángerungsmóglichkeiten oder Kaufoptionen kommt es auf zusátzliche Kriterien an. Daher ist eine steuerrechtliche Beratung vor dem Abschlufs von Leasing- oder Mietvertrágen anzuraten. • Wenn es sich um einen kommerziellen Leasingvertrag zwischen Unternehmen handelt und sowohl das Land des Leasinggebers ais auch des Leasingnehmers den Vertrag als Miete ansehen, kann ggf. eine Nullregelung greifen: Der z. B. deutsche Leasinggeber braucht die Vermietungsleistung nicht zu deklarieren und zahlt keine Umsatzsteuer, weil der Leistungsort der Vermietung im Ausland liegt, ebensowenig der (z. B. franzósische) Leasingnehmer. Ware der Leasingnehmer hingegen eine Privatperson oder eine Behórde, trate die Umsatzsteuerpflicht in Deutschland ein. • Bei Beforderungsmitteln liegt eine steuerliche Sonderbehandlung vor: Vermietet eine deutsche Leasinggesellschaft als Mietkauf fabrikneue PKW an einen franzosischen Leasingnehmer mit einer unkiindbaren Grundmietzeit von fiinf Jahren, wird nach deutschem Recht eine Lieferung angenommen (Grundmietzeit iiber 90% der Nutzungszeit). Wáhrung bei Miete von Beforderungsmitteln der Leistungsort immer im Land des Vermieters liegt, liegt er bei Lieferung im Land des Empfángers (ergo keine deutsche Umsatzsteuer). Wenn Frankreich hingegen einen Mietvertrag unterstellt, was in der Regel der Fall ist, unterliegen die Mietleistungen in Deutschland auch nicht der franzosischen Umsatzsteuer. (Es kann bei anderen Leasingobjekten aber auch der umgekehrte Fall eintreten: Vermietung von Computern an Privatpersonen = Mietannahme in Deutschland = Steuerpflicht in Deutschland; Kaufannahme im Ausland = Steuerpflicht im Bestimmungsland.) • Zoll- und Steuerbemessungsgrundlage ist bei Miedcauf nicht der urspriingliche Auftragswert, sondern der am Ende der Leasingdauer zu zahlende Restkaufpreis. • Die Bilanzierung erfolgt nach deutschem Recht nicht beim Leasingnehmer. Dadurch kann er die Leasingraten in voller Hóhe (Zins und Tilgung) als Betriebsausgaben in seiner Gewinn- und Verlustrechnung ansetzen und entlastet gleichzeitig seine Bilanz durch die <?page no="165"?> D-3. Mittel- und Langfristige Exportfinanzierung 143 Nicht-Bilanzierung (Bilanzverkiirzung). Andererseits weist die Bilanz im langfristigen Anlagevermógen die Leasingobjekte nicht aus; dies erfolgt in der Regel in den Erláuterungen zum Jahresabschlufi. Diese Bilanzverkiirzung verringert jedoch auch das ggf. als Sicherheit zur Verfügung stehende Anlagevermógen. (In der Praxis werden Anlagen und Maschinen ohnehin nur sehr begrenzt von Kreditgebern als Sicherheiten akzeptiert, weil sie meist nicht gut verwertbar sind.) Aus der Sicht des Bilanzanalytikers ist Leasing meist ein Hinweis auf einen aktuellen Technologiestand und so gesehen etwas Positives. • In andernen Lándern gelten oft Sonderregeln. So schreibt das spanische Recht eine Aktivierung des Leasinggegenstandes beim Leasingnehmer und eine Aktivierung der Leasingforderung beim Leasinggeber vor. Die erheblichen umsatzsteuerrechtlichen und bilanziellen Unterschiede machen einen Bilanzvergleich auf europáischer Ebene schwierig und oft unmoglich. • Für das Eingehen von Leasingverbindlichkeiten ist meist keine devisenrechtliche Genehmigung der jeweiligen Zentralbank erforderlich. In Abgrenzung zum Finanzierungsleasing gibt es das Operating-Leasing. Auch hierbei handelt es sich urn einen normalen Mietvertrag, der von beiden Seiten meist mit kurzer Frist gekiindigt werden kann. Folglich trágt der Leasinggeber das voile Investitionsrisiko, so dais diese Leasingform nur für Güter gebráuchlich ist, die bei Kündigung auch von anderen Leasingnehmern genutzt werden kónnen (Standardmaschinen, Kfz, Lkw). Das Operating Leasing kommt oft als full service leasing vor, d. h. incl. Warning und anderer Kundendienstleistungen durch den Leasinggeber. Operating Leasing ist wegen der Unsicherheit der Leasingdauer nicht durch Hermes zu besichern und daher auch nicht zu refinanzieren. PRAXISTIP Bezüglich der Euro-Einführung: Bei Leasingvertrágen, die über das Jahr 2001 hinausgehen, sollte eine Konvertierungsklausel (Kontinuitatsklausel) enthalten sejn, die auf den offiziellen Umrechnungskurs des Euro Bezug nimmt. Dies gilt analog bei Forfaitierungen und Factoring. Die Klausel konnte etwa lauten «xy DM or official Euro-countervalue» («xy DM oder Gegenwert in Euro gemáls offiziellem Umrechnungskurs»). D-3.2. Forfaitierung Bei der Forfaitierung verkauft der Exporteur (Forfairist) seine AufSenhandelsforderung mit Abschlag (Diskont) an einen Forfaiteur (meist eine Bank), wobei er selbst jegliche Haftung ausschlieSt bzw. der Forderungskaufer auf jeden Riickgriff gegeniiber dem Forderungsverkáufer verzichtet (Verkauf a forfait, d. h. «in Bausch und Bogen» 6 ). Forfaitierung bedeute folglich regrefilose Abwálzung aller Risiken auf den Forfaiteur: u. a. Delkredere-Risiko, politisches Risiko, Zinsánderungsrisiko, Wáhrungsrisiko (Abb. D-3/ 3). Der Forderungskaufer prasentiert nach Ablauf des Zahlungsziels die Forderung beim Importeur. Die Kosten dieser Transaktion trágt der Exporteur in Form des Abschlags, die er seinerseits in die Kreditsumme hineinkalkulieren wird, die der Importeur tilgen muí? . Aufgrund des meist nicht 6 Engl, in etwa: «in the lump» oder «lock, stock and barrel» (Gewehrlauf, GewehrschloS, Gewehrlauf), also ein komplettes Gewehr. <?page no="166"?> 1 4 4 D Finanzierung des AuRenhandels Abb. D-3/ 3: FORFAITIERUNG - Káufer übemimmt die Erfüllunqsrisiken Bewáhrte Problemlosung für Risiken im Aufienhandel unbetrachtlichen Risikos (wegen der langen Laufzeit) sind Forfaitierungen relativ teuer. Diese Kosten werden in der Praxis jedoch oft zu spat ermittelt, so dafi sie der Exporteur nicht hinreichend in seiner Kalkulation und seinen Vertragsverhandlungen beriicksichtigt hat. Wie beim Exportfactoring (vgl. oben) bestehen die Vorteile fur den Exporteur in der sofortigen Liquiditátszufuhr durch die Umwandlung eines Zielgescháfts in ein Sichtgescháft, in der Entlastung der Bilanz (Aktivtausch: eine Forderung wird in Liquiditát umgewechselt), im Wegfall der Kreditsicherung und -iiberwachung und in der einfache Abwicklung der Forfaitierung: Der Káufer erwirbt die Forderungen durch Indossament oder Erklárung. Grundsátzlich ist jede dokumentierte Forderung mit einem spezifizierten Zahlungstermin forfaitierbar. Im Gegensatz zum Factoring erstreckt sich Forfaitierung i.d.R. auf mittelfristige Einzelforderungen mit hohen Betragen (z. B. mindestens 50.000 Euro, oft erst ab 1 Mio. USD), z. B. bei Investitionsgiitern, auf bankavalierte Wechselforderungen sowie auf Forderungen aus Nachsicht-Akkreditiven und nicht wie beim Factoring auch auf das gesamte Volumen kurzfristiger und auch kleinerer Forderungen des Exporteurs. Der Exporteur kann also von Fall zu Fall entscheiden, ob er forfaitieren will und ist nicht wie beim Factoring an einen Rahmenvertrag mit Andienungspflicht gebunden. Als Forfaiteur operieren meist mit Kreditinstituten verbundene Institute an internationalen Bankplátzen, aber es gibt auch andere auf Eorfaitierungen spezialisierte Unternehmen. Sie refinanzieren sich auf den Euromarkten, durch institutionelle und private Anleger, bei ihren Mutterhausern oder durch Weiterverkauf der Forderungen auf sog. Sekundármárkten. Der Exporteur fragt im konkreten Fall unter Nennung aller relevanten Angaben friihzeitig den Forfaiteur, ob er zur Forfaitierung der Forderung bereit ist (den Exportvertrag bereits vorher abzuschlieSen, kann daher was die Refinanzierung betrifft riskant sein). Die Bank gibt daraufhin entweder eine Indikation ab, d. h. eine unverbindliche und kostenfreie Stellungnahme hinsichtlich der moglichen Konditionen (die nur fur den Zeitpunkt der Anfrage gelten, an die sich der angefragte Forfaiteur aber ceteris paribus eine gewisse Zeit gebunden halt) oder eine verbindliche, aber kostenpflichrige optionale Fest-Offerte, die oft auch nur für den Tag der Abgabe gilt. Mit der Annahme der Festofferte, d. h. der Bereitstellung der Forfaitierung, sind die Bedingungen für beide Seiten verbindlich vereinbart. Für bestimmte Lander ist es oft schwer oder unmóglich, Forfaiteure zu finden. Das politische Risiko des Schuldnerlandes (Lánderrisiko; vgl. Abschnitt H-l.5.2) beeinfluGt auch die Kosten und Laufzeiten von Forfaitierungen (zwischen 1 z. B. Rutland, Iran - und 7 oder mehr Jahren: Eurolánder); oft verhindert es Forfaitierungen gerade dann, wenn man sie am meisten braucht. Bei Forfaitierungen werden bevorzugt Forderungen verkauft, die durch Solawechseln des Káufers <unterlegt> sind, weil der Exporteur bei Ubertragung von Solawechseln durch Indossament seine wechselrechtliche Haftung durch den Zusatz «ohne Obligo» {without recourse) <?page no="167"?> D - 3 . Mittel-und Langfristige Exportfinanzierung 1 4 5 ausschlieSen kann (sog. «Angst-lndossament»). Dies ist beim gezogenen Wechsel, den typischerweise der Exporteur auf den Importeur zieht, für den Aussteller (Exporteur) nicht móglich, den dieser kann die wechselrechtliche Ausstellerhaftung beim gezogenen Wechsel nicht ausschlieSen. Es ist jedoch móglich, daí? der Forfaiteur eine Regrefiverzichtserklárung abgibt (auch Enthaftungs- oder Freistellungserklárung genannt). Diese zivilrechtliche Konstruktion schliefit allerdings nicht aus, da£ der Exporteur von gutgláubigen Erwerbern des Wechselmaterials in Anspruch genommen wird, beispielsweise wenn der Forfaiteur illiquide ist. Um dies auszuschliefen, miifite der RegreEverzicht bei jedem AnschluÉgescháft vom Zweit-/ Dritterwerber ebenfalls Vertragsbestandteil sein. Daher ist die Forfaitierung gezogener Wechsel zwar móglich, aber sehr viel seltener als die von Solawechseln. Neben Wechselforderungen kónnen auch Buchforderungen forfaitiert werden, sofern diese qualitativ wechselgesicherten Forderungen entsprechen. Da es sich dabei aber nicht um abstrakte Forderungen handelt, sind Einreden aus dem Grundgescháft móglich. Zudem ist eine Weiterverwertung forfaitierter Buchforderungen auf Sekundármárkten in der Regel nicht móglich, weil keine fungiblen Sicherheiten vorliegen. Wenn die Forderung durch eine Garande zugunsten des Exporteurs abgesichert ist, mufi aus dem Garantietext hervorgehen, daS die Rechte und Ansprüche aus der Garande zu Finanzierungszwecken auf Dritte iibertragen werden kónnen. Gángig ist, die Abtretung von der schriftlichen Zustimmung des Garanten abhángig zu machen, um eine Weitergabe an <untragbare> Adressen zu vermeiden. Die zu forfaitierenden Forderungen rnussen auf konvertible Wáhrung lauten und i.d.R. durch eine Bank (meist im Land des Schuldners) avaliert sein. Da das auf dem Wechsel angebrachte Aval mit dem Wechsel iibertragen wird, stellt dies die unkomplizierteste Besicherung dar. Móglich sind aber auch separate abstrakte Bankgarantien oder andere Formen der Besicherung. Bei erstklassigen Schuldner wird auf Avale meist verzichtet. Bei Ratenzahlungen ist es gángig, daS der Exporteur von seinem Kunden eine von einer erstklassigen Bank avalierte - Solawechselserie erhált, deren erster Wechsel nach Ablauf einer vereinbarten Frist fállig wird und die anschlieSenden Wechseln in einem vertraglich vereinbarten Rhythmus, meist ais Halbjahrestranchen mit gleich hohen Betrágen (dies ist Bedingung fur eine Hermes-Absicherung). Nach Indossierung verkauft der Exporteur dann das gesamte Wechselpaket «á forfait» an den Forfaiteur. Die Kosten der Forfaitierung umfassen den Diskont (in Abhángigkeit von den Refinanzierungskosten des Forfaiteurs, dem anzukaufenden Risiko, das sich aus der Bonitát des Schuldners, des Importlandes und der Avalbank sowie der Wáhrung und der Restlaufzeit ableitet, auch bezüglich des Zinsánderungsrisikos) sowie eine Bereitstellungsprovision (bei nicht sofortiger Einreichung der Forfaitierungsdokumente), die i.d.R. monatlich im voraus zahlbar ist. Bei der Restlaufzeit werden üblicherweise sog. Respekttage hinzugezáhlt, um die erfahrungsgemáfi der Forderungsbetrag verspátet eingeht. Móglich ist auch eine Optionsprdmie, wenn zwischen Angebotsabgabe und -annahme durch den Exporteur mehr als 48 Stunden liegen. Hermes-besicherte Forderungen (vgl. Abschnitt H-3.2) sind besonders gut forfaitierbar. In der Praxis wird trotz des prinzipiell regrefilosen Verkaufs oft ein Rückgriff auf den Verkáufer vereinbart, falls Hermes nicht innerhalb von 9 Monaten reguliert. International hat sich ein Sekundármarkt gebildet, auf dem Spezialinstitute und Banken vorrangig aus Deutsch- <?page no="168"?> 146 D Finanzierung des Auftenhandels land, GroSbritannien und der Schweiz - Forderungen untereinander handeln. Damit kann ein Exporteur seine Forderung auch dann verkaufen, wenn das von ihm angesprochene Institut selbst nicht zur Übernahme bereit ist. Abb. D-3/ 4 stellt die Unterschiede zwischen Forfaitierung und Factoring heraus. PRAXISTIP Bezüglich der Euro-Einführung: Bei Forfaitierungen, die über das Jahr 2001 hinausgehen, sollte eine Konvertierungsklausel (Kontinuitatsklausel) enthalten sein, die auf den offiziellen Umrechnungskurs des Euro Bezug nimmt. Dies gilt analog bei Factoring. Die Klausel kónnte etwa lauten «xy DM or official Euro-countervalue» («xy DM oder Gegenwert in Euro gemáft offiziellem Umrechnungskurs»). Securization Eine neue Variante der Forfaitierung wird als Securization bezeichnet. Dabei handelt es sich urn die Verbriefung von Forderungen, die dann als Wertpapiere an institutionelle Investoren wie Pensionsfonds und Versicherungen verkaufen werden. Diese Asset Backed Securities (ABS) sind Wertpapiere, die durch einen Pool gleichartiger Forderungen gedeckt sind, beispielsweise aus dem Autoleasing oder Autokreditvertragen. D-3.3. Kreditlinien der AKA Die Ausfuhrkredit-Gesellschaft mbH kurz AKA-Bank oder AKA 7 ist ein von derzeit 36 deutschen Banken getragenes Kreditinstitut, das seit 1952 Exportfinanzierungen anbietet. (Auch verschiedene nicht zur AKA gehórende Kreditinstitute bieten sehr áhnliche Kreditmóglichkeiten an.) Die AKA gewáhrt Lieferantenkredite an deutsche Exporteure (mit abnehmender Bedeutung), vor allem aber Bestellerkredite (gebundene Finanzkredite) an auslándische Káufer oder deren Banken. Bestellerkredite haben den Vorteil, dai? der Exporteur keinen Kredit in seinen Büchern führt, sondern von der AKA direkt bezahlt wird. Die AKA kauft auch Hermes-gedeckte Exportforderungen deutscher Exporteure an (vgl. zu Hermes Abschnitt H-3.2). Die Finanzierungsmittel werden durch die Gesellschafterbanken (Konsortialbanken) zur Verfugung gestellt, soweit die AKA nicht eigene Mittel oder am Geld- und Kapitalmarkt aufgenommene Mittel einsetzt. Die AKA-Zinsen orientieren sich an der allgemeinen Entwicklung des Geld- und Kapitalmarkts, insbesondere an EURIBOR und LIBOR 8 . Das Antragsverfahren láuft über die zum Gesellschafterkreis der AKA gehórende Hausbank des Exporteurs; er kann sich also nicht direkt an die AKA wenden. Der Kreditantrag mul? durch bankübliche Unterlagen unterlegt sein (Beschreibung des Exportgeschafts, Jahresabschlüsse des Exporteurs, ggf. auch des Importeurs, Zahlungsbedingungen, Ausfuhrgenehmigung, Liste móglicher Sicherheiten, Hermes-Urkunde bzw. -Kreditversicherungsantrag etc.). Die Hausbank stellt 7 5 % der erforderlichen Kreditmittel und tragt die entsprechenden Refinanzierungskosten, die iibrigen Gesellschafter der AKA teilen sich die verbleibenden 2 5 % (sog. Konsortialschliissel). Über die Kreditantráge entscheidet der Kreditausschufi der AKA in seinen turnusmafigen Sitzungen, soweit die Gescháftleitung nicht eine eigenstándige 7 AKA Ausfuhrkreditgesellschaft mbH, ursprünglich: Ausfuhrkreditanstalt. 8 EURIBOR: Euro Inter-Bank Offer Rate; LIBOR: London. <?page no="169"?> D-3. Mittel-und Langfristige Exportfinanzierung 147 Abb. D-3/ 4: Unterschiede Forfaitierung/ Factoring Merkmale Wesen Groltenordnung Laufzeit Wan rung Delkredererisiko Politisches Risiko Transferrisiko Finanzierung Voraussetzungen Besonderheiten Forfaitierung Kauf von Exportforderungen ohne Rückgriff auf den Exporteur Einzelgeschafte mindestens 50000 Euro 3 Monate bis 8 Jahre DM, US$, sfr, Yen, FF und Ecu sowie andere Wahrungen, in denen eine kongruente Refinanzierung móglich ist Forfaiteur Forfaiteur Nominalwert der Forderung./ . Diskont erstklassige Schuldneradresse oder gutes Bankaval, ausreichende Bonitát des Importlandes gesamte Abwicklung durch Forfaiteur Export/ Factoring Kauf von Exportforderungen ohne Rückgriff auf den Exporteur Rahmenvertrag Umsatz pro Land und Jahr mindestens 500000 Euro maximal 180 Tage Keine Einschránkung, da Wáhrungsrisiko beim Forderungsverkáufer verbleibt Factor Exporteur 80% des Bruttorechnungswertes ausreichende Bonitát des Lieferanten, des auslándischen Importeurs und des Korrespondenzfactors Buchhaltung, Mahnwesen und Inkasso kann vom Factor übernommen werden Entscheidung fallen kann. Der Kredit wird durch Abtretung der Exportforderung des Exporteurs sowie etwaiger Sicherheiten des Importeurs (z. B. Wechsel) an die AKA in Form einer stillen Zession gesichert. Auch die Hermes-Besicherung ist an die AKA abzutreten. PRAXISTIP Über die Moglichkeiten einer AKA-Finanzierung kann man sich direkt bei der AKA informieren (Grofte GallusstraGe 1-7,60311 Frankfurt/ M; www.akabank.de) oder über die eigene Hausbank, die sehr oft Gesellschafterbank der AKA sein wird. D-3.3.1. Plafond A: Lieferantenkredite Die Kredite der AKA werden aus sogenannten Plafonds gewáhrt. Plafond A (mit nur noch 0,5 Mrd. EUR; Plafonds C und D umfassen zusammen 11 Mrd. EUR) steht fur Lieferantenkredite zur Verfiigung, also Kredite an den Exporteur. Der Kredit kann eine Finanzierung der Fabrikationskosten einschlieSen. Die zugrundliegenden Exportkredite müssen von einer <?page no="170"?> 148 D Finanzierung des AuRenhandels Laufzeit iiber 24 Monaten i.d.R. Hermes-besichert sein. Der Exporteur mu2 eine Selbstfinanzierungsquote von 10% (bei staatlichen) bzw. 15% (bei privaten Abnehmem) iibernehmen, die ggf. bei Befiirwortung durch seine Hausbank entfallen kann. Zudem miissen 10 bzw. 15 % der Vertragssumme als An- oder Zwischenzahlungen des Kunden bis zur Auslieferung getragen werden. Der Exporteur verpflichtet sich, den AKA-Kredit auch dann zu tilgen, wenn der Abnehmer nicht zahlt; er trágt also das voile Exportrisiko (insoweit, als es nicht Hermes-besichert ist), d. h. der Kreditvertrag ist losgelost vom Liefergeschaft (abstrakt). Dem steht nicht entgegen, dafi der Liefervertrag Voraussetzung für den Kreditvertrag ist (Abb. D-3/ 5). BEISPIEL Plafond-A-Kredit, Export an einen privaten Abnehmer: Auftragswert ./ . Anzahlung des Káufers 15% ./ . Selbstbeteiligung des Exporteurs 15% Kredit AKA EUR EUR EUR EUR EUR 1.000.000 150.000 850.000 127.500 722.500 Für Plafond-A-Kredite werden marktiibliche Zinsen verlangt, wobei sowohl feste als auch variable Zinssátze vereinbart werden kónnen. Hinzu kommen Provisionen fur genehmigte Betráge bzw. fur vorzeitige Riickzahlungen in der GróGenordnung von 0,25 % p.a., manchmal mehr. (Bei festen Zinsen sollten die Rechtsfolgen für den Fall vorzeitiger Tilgung analysiert werden! ) PRAXISTIP Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Globalkredit aus Plafond A in Anspruch genommen werden, bei dem der Exporteur in einem vereinfachten Verfahren eine Vielzahl von kurz- und mittelfristigen Ausfuhrgescháften refinanzieren kann, deren Einzelbearbeitung zu aufwendig ware, z. B. Abrufauftráge, i.d.R. für einen Zeitraum zwischen einem und fünf Jahren. Dabei entfallen viele Formalitaten und Kosten, die bei der Finanzierung von Einzelgescháften erforderlich wáren. Die Kreditbesicherung erfolgt über eine Globalzession (Mantelzession), d. h. Abtretung der entsprechenden Exportforderungen an die AKA. Plafond B existiert seit 1996 nichtmehr. Nariirlich werden noch vorher gewáhrte Kredite abgewickelt. Abb. D-3/ 6 gibt einen dem Internet entnommenen - Finanzierungs- und Tilgungsplan der AKA wieder. D-3.3.2. Bestellerkredite: Plafonds C, D, E Für die Gewáhrung von «gebundenen Finanzkrediten», d. h. Krediten an den Importeur (Bestellerkredite) stehen die Plafonds C, D und E zur Verfügung. Plafonds C und D haben zusammen ein Volumen von 11 Mrd. EUR, Plafond E ist nicht begrenzt. Bei Plafonds C und D werden die Finanzmittel nach dem oben erwáhnten Konsortialschlüssel (75: 25) von der Hausbank bzw. den AKA-Konsorten erbracht. C-Mittel werden zu festen oder variablen Zinsen ausgeliehen, D- und E-Mittel sind sog. Margenkredite, d. h. verzinst gemáS EURI- BOR plus Marge (Zuschlag) in Abhangigkeit vom Kreditrisiko. Bei E-Krediten werden die <?page no="171"?> D-3. Mittel-und Langfristige Exportfinanzierung 149 Abb. D-3/ 5: Lieferantenkredit mit Hermes-Deckung* Exporteur i Lieferung (Kredit) KrpHitriirk7ahliincr I | > ^ ° Refinanzierung ^ ^ Sicherungs- \ . abtretung (Kaufpreis, ^ ^ Bundesdeckung) Bank/ AKA auslandischer Besteller Ausfuhrgewahrleistung des ¡ Bundes ! * mit Ausfuhrdeckung des Bundes Kreditmittel nur von der vermittelnden Hausbank (80-90%) und der AKA, nicht aber von den anderen Konsortialbanken aufgebracht. Daher hángt die Kreditentscheidung auch nicht vom Kreditausschul? der AKA ab. Dies erhóht die Vertraulichkeit. Plafonds C, D und E stehen auch fur Bank-zu-Bank-Kredite zur Verfugung (AKA an Importbank), welche die Importbank an ihre Kunden (Importeure) weiterreicht. Abrufbare Bestellerkredite werden direkt an den Exporteur ausgezahlt, um den theoretischen Hin- und Hertausch zwischen AKA, Import- und Exportbank auszuschlieEen. Für den Exporteur ergibt sich also faktisch ein Inlands-Cash-Gescháft eine feine Sache. Abb. D-3/ 6: Musterfinanzierungsplan Plafond A (in T'EUR) Monate ab Genehmigung / Kreditvertragsabschluft Aufwendungen ./ . Zahlungseingánge ./ . 10% Selbstfinanzierungsquote Kredit Tilgungmit90% der Exporterlóse kumulativer Kreditbetrag 1 2 6 9 12 18 24 30 36 42 48 54 60 66 72 300 200 300 100 100 50 100 85 85 85 85 85 85 85 85 85 85 250 200 300 100 - 25 20 30 10 - 225 180 270 90 - 76 77 76 77 76 77 76 77 76 77 225 405 675 765 765 689 612 536 459 383 306 230 153 77 - Cesamtauftragswert: EUR 1.000.000,- Zahlungsbedingungen: 5% Anzahlung bei Vertragsabschluft 10% gegen Verschiffungsdokumente 85% in 10 gleichen Halbjahresraten, deren erste 6 Monate nach Lieferung fallig wird Quelle: www.akabank.de <?page no="172"?> 150 D Finanzierung des AuRenhandels Der Hochstbetrag des Einzelkredits, der dem Importeur gegen Sicherheiten, z. B. Bank- oder Staatsgarantien auf Antrag der Hausbank des Exporteurs gewáhrt wird, entspricht dem um An- oder Vorauszahlungen verminderten Auftragswert. Grundsatzlich bei der AKA sollte der Mindestbetrag 500.000 EUR sein, doch sind auch kleinere Summen finanzierbar. Auch andere Kreditanbieter finanzieren selten unter 125.000 EUR. In mirtelstandigen Unternehmen liegt der Kreditschwerpunkt bei Summen zwischen 250.000 und 1 Mio. EUR. Im Plafond C kónnen neben variablen Zinsen auch einzelfallbezogene Zinssátze vereinbart werden; die Zinssátze in Plafond D beruhen auf EURIBOR oder LIBOR; in Plafond E sind auf Vorschlag der Hausbank sámtliche marktorientierten Zinsgestaltungen móglich (fest, variable, LIBOR etc.). Gebundene Finanzkredite sind vom Kreditnehmer in gleichhohen Halbjahresraten zu tilgen. Ein AKA-Bestellerkredit muE durch eine (Hermes-)Gewáhrleistung des Bundes abgesichert werden (Abb. D-3/ 7). Der Exporteur muí? gegeniiber der AKA eine meist «Exporteurgarantie» genannte Verpflichtungserklarung abgeben, daE er zum einen die Zahlung der Entgelte fur die Gewáhrleistungen des Bundes übernimmt sowie fur die von Hermes nicht gedeckten 5% (Selbstbehalt der AKA) haftet, zum anderen auch dafiir, daS der Besteller berechtigterweise Zahlungen zurückhált, Hermes zwar die AKA kompensiert, aber Regrei? auf den Exporteur nimmt. Zudem muS der Exporteur auch Kosten der Bank iibernehmen, die bei der Kreditverfolgung entstehen kónnen (z. B. Reisekosten zum Schuldner). Vgl. auch Abschnitt Hermes H-3.2. BEISPIEL Plafond-C-Kredit, Export an einen privaten Abnehmer: Auftragswert EUR 1.000.000 ./ . Anzahlung15% EUR 150.000 Kredit AKA EUR 850.000 Üblicherweise werden davon 95 % Hermes-besichert, die 5 % ige nichtabwálzbare Selbstbeteiligung trágt die Hausbank, wofür der Exporteur eine Exporteursgarantie abgibt. Abb. D-3/ 7: Bestellerkredit* Exporteur Exporteurgarantie Kaufpreis Lieferung Besteller Bank/ AKA Darlehen Finanzkreditdeckung des Bundes * mit Kreditdeckung des Bundes <?page no="173"?> D-3. Mittel- und Langfristige Exportfinanzierung 151 Plafonds-D-Kredite kónnen auch in einigen auslandischen Wahrungen gewahrt werden. Sie sind sog. Margenkredite, bei denen sich die Verzinsung nicht an den deutschen Zinssátzen, sondern an internationalen Interbankenzinsen orientiert, zu denen die AKA einen Lander risiko-abhángigen Aufschlag (Marge) addiert. Auch bei den Bestellerkrediten werden in zunehmendem MaSe Grundvertrage (ohne Betragslimit) oder Rahmenvertrage (mit Betragslimit) mit vereinfachter Dokumentation mit auslandischen Unternehmen in derzeit 30 Lándern abgeschlossen. Unter Plafonds C, D und E kauft die AKA wie fast alie groSen Kreditinstitute auch Hermes-gedeckte Exportforderungen zu marktiiblichen Bedingungen an, i.d.R. nur ab 100.000,- DM. Diese Forfaitierungen kónnen offen (mit Benachrichtigung des Schuldners) oder verdeckt erfolgen. Ob man als Exporteur einen Lieferantenkredit unter Plafond A oder einen Bestellerkredit unter Plafond C (bzw. D) bevorzugt, hángt zum einen von der Bilanzoptik ab. Ein Lieferantenkredit erscheint ais Forderung im Umlaufvermógen, ein Bestellerkredit (nach Auszahlung) ais Liquiditát. Die erforderliche «Exporteurgarantie» (siehe vorstehend) muS als Eventualverbindlichkeit <unter dem Bilanzstrich> bilanziert werden (in der Steuerbilanz nicht anerkannt). Zum anderen ist ein 'Bestellerkredit fiir den Besteller teurer, so daE die Wettbewerbssituation eine Rolle spielt. Und schlieSlich diirfte die zu erzielende Verzinsung bei einem Lieferantenkredit hóher sein ais der Einsatz des Cash Flows in einer Finanzanlage (z. B. am Euromarkt). Wer es sich also liquiditátsmáSig leisten kann, kann durch eigene Kreditgewáhrung eine hóhere Rendite erwirtschaften. In jedem Fall ist es wichtig (weil Voraussetzung fiir den AKA-Kredit), daE Hermes Deckung gewahrt. Wir kommen im Abschnirt H-3.2 darauf zuriick. D-3.3.3. CIRR-Kredite Seit neuestem bietet die AKA sogenannte CIRR-Kredite an (Commercial Interest Reference Rate) (Gesamtvolumen: 250 Mio. Euro p.a. revolvierend), die nicht aus den Volumina der Plafonds finanziert werden. Dabei handelt es sich um Mittel aus dem ERP-Sondervermógen, das grundsátzlich von der KfW verwaltet wird, und bei denen die KfW als Kreditgeber firmiert (Abschnirt D-3.4). CIRR-Mittel der AKA kónnen jedoch von der Hausbank des Exporteurs direkt vermittelt werden, so daE diese allein als Kreditgeber auftreten kann. Der CIRR ist ein Referenzzinssatz, den die OECD ihren Mitgliedstaaten als Mindestzinssatz fiir staatliche gefórderte Finanzierungen von Investitionsgiiterexporten und den damit verbundenen Leistungen in Entwicklungslánder vorgibt (vgl. anschlie&nd). In den Lándern der Euro-Zone gilt ein einheitlicher CIRR-Satz, aber national kónnen unterschiedliche Fórderungskriterien angewendet werden. Deutschland begrenzt die Forderung beispielsweise nur auf Entwicklungslánder, die in einer bestimmten Liste des Development Assistance Committee (DAC) der OECD aufgefiihrt sind (dabei sind die meisten sog. Transformationslánder ausgeklammert). CIRR-Kredite • sind mittelbis langfristige Bestellerkredite oder Bank-zu-Bank-Kredite (mindestens vier Jahre), • beziehen sich auf deutsche Lieferungen und Leistungen (mit zulássigen Zulieferungen aus der EU), <?page no="174"?> 152 D Finanzierung des AuRenhandels • finanzieren max. 85% des tatsáchlichen Auftragswertes (nach Abzug der An- und Zwischenzahlungen), • werden in Euro oder USD gewáhrt (USD-Kredite erfordern eine lángere Bearbeitungszeit) und pro rata direkt an den Exporteur nach Erfiillung der Auszahlungsvoraussetzungen ausgezahlt, • haben einen festen Zinssatz (jeweils bei VertragsabschluS giiltige CIRR 5 ), zuziiglich Bereitstellungsprovision, • erfordern eine Hermesdeckung (Finanzkreditbiirgschaft oder -garantie), i.d.R. mit nicht • abwálzbarem Selbstbehalt von 5% • und werden in gleichhohen Halbjahresraten getilgt. D-3.3.4. Exkurs: Der OECD-Konsensus Um zu verhindern, daS sich durch unterschiedliche staadiche Hilfestellung diskriminierende Exportfórderungspraktiken ergeben, wurde 1978 von den Mitgliederstaaten der OECD ein Abkommen iiber Leitlinien fiir staatlich finanzierte und staatlich abgesicherte Exportkredite abgeschlossen. Die Regelungen dieses sog. OECD-<Konsensus> sind in Abhángigkeit vom Pro-Kopf-Einkommen nach Lánderkategorien reiche, mittlere, arme Lander: Kategorie I, II bzw. Ill differenziert. Sie erstrecken sich u. a. auf die mindestens und maximal abzusichernde Kreditlaufzeit, die Hóhe der vom Káufer zu erbringenden Mindestanzahlung bzw. -Voraus- oder Zwischenzahlungen, die beschránkte Einbeziehung órtlicher Kosten in die Kreditsumme sowie auf Mindestzinssátze (wiederum nach Lándergruppen differenziert). Fur relativ arme und mittlere Lander gelten dabei sog. Tabellenzinssátze ais Mindestzinsen, die sich aus den Umlaufrenditen óffentlicher Anleihen ableiten; fiir <reiche> Lander gelten bestimmte Referenzzinssátze des kommerziellen Kapitalmarktes als Mindestzins (Commercial Interest Reference Rate, CIRR), die jeweils am 15. eines Monats festgelegt werden (vgl. vorstehend Abschnitt D-3.3.3). Wenn ein Mitglied gegen diese Bestimmungen verstófSt, kónnen die anderen Mitglieder gleichziehen und ihren Exporteuren die gleichen Konditionen gewáhren. Auf EG-Ebene gibt es bisher keine Harmonisierung der Export¿reáí£-Konditionen (Abschnitt H-3.2). D-3.3.5. Projektfinanzierungen Auf Antrag der Hausbank kónnen auch Projektfinanzierungen - Flugháfen, Staudamme, Kraftwerke, Pipelines, Brücken, Tunnel, Kupferabbau, Hotels, Schiffe usw. iiber die AKA abgewickelt werden. Bei Projektfinanzierungen kniipft die Kreditgewahrung nicht an die Bonitát bzw. Sicherheiten des Kreditnehmers an, sondern an die Hartwáhrungserlóse {cash flow) und die Ertragskraft des Projekts, aus der heraus der Schuldendienst zu leisten ist. Meist werden groEere Konsortien gebildet, die eine Ad-hoc-Gesellschaft griinden. Die Erfolgsaussichten eines Projekts und die entsprechenden Risikoanalysen sollten auf der Basis pessimistischer Szenarien erfolgen. Die AKA-Kreditbedingungen orientieren sich meist an den Plafond-D-Bedingungen. Bei sog. BOT-Projekten build, operate, transfer beteiligen sich die Exporteure kapitalmáfiig an der Projekttrágergesellschaft, ubemehmen fiir einen bestimmten Zeitraum zusammen mit dem ' Diese kónnen dem Internet entnommen werden: www.akabank.de oder www.oecd.org. <?page no="175"?> D-3. Mittel-und Langfristige Exportfinanzierung 153 Abnehmer das Betreiberrisiko (oft vor Hintergrund von staatlichen Garantien, die auf Offs/ ? ore-Treuhandkonten deponiert sind) und übertragen diesem das Projekt nach Ablauf der Kreditlaufzeit. Der Kredit soil sich aus dem cash flow des Projekts amortisieren. Hierfur sind meist sehr aufwendige (extern zu erstellende) Feasibility-Studien erforderlich. Bei BOT-Projekten fliefen die Ertráge wáhrend einer Operationsphase den Investoren zu, bevor das Projekt nach Ablauf einer vereinbarten Zeit an den Auftraggeber übertragen wird (Transfer). Bei BOO-Projekten (Build Operate Own) bleibt das Projekt im Eigentum der Investoren. Projektfinanzierungen sind nicht nur wegen der meist erheblichen Volumina mit besonderen Risiken verbunden. Sie beziehen sich auf das Projektrisiko im eigentlichen Sinne, auf die Risiken, die sich aus den Projektbetreibern ergeben, und aus dem politischen Risiko (Lánderrisiko). Das Projektrisiko wiederum unterteilt sich in die Projektphasen (Errichtungrisiko der Projektgesellschaft, Produktions- und Betriebsrisiko, Marktrisiko und Finanzierungsrisiko). Keiner der Beteiligten zu denen Darlehensgeber, Anlagenbauer, Rohstofflieferanten, Lizenzgeber, Abnehmer, Sponsoren und das Gastland záhlen kann oder will diese Risiken allein tragen. Daher ist eine Risikoverteilung durch ein Geflecht von Vertrágen sinnvoll. Das Risiko der Nichtfertigstellung des Projekts wird meist im Rahmen eines Turnkey-Vertrages oder einer Fertigstellungsgarantie (completion guarantee) auf den Anlagelieferanten übertragen. Dieser muS meist auch das Risiko der Kostenüberschreitung tragen, sofern nicht ein Sponsor eine NachschufSverpflichtung übernimmt. Diese kann ggf. limitiert werden. Zur Absicherung der Risiken aus Rohstoffmangel oder zu geringem Absatz werden gerne langfristige Liefervertráge geschlossen. Dem unternehmerischen Risiko schlechten Managements kann durch Einbau einer professionellen Gescháftsführungsgesellschaft begegnet werden. Sachscháden sind versicherbar, Umweltscháden nur begrenzt, so daS hier erhebliche Belastungen auftreten kónnen: Durch Umweltaudits kónnen die Umweltrisiken zwar analysiert werden, sie schlieSen aber in der Regel Altlasten aus. Im englischen Rechtskreis ist dabei die lenders liability verbreitet, nach der der Darlehensgeber aufgrund der ihm gewáhrten dinglichen Sicherheiten auch für die Umweltrisiken des Objekts einzustehen hat. Politische Risiken wie Enteignung, Krieg, Nichterteilung von Lizenzen und Genehmigungen etc. sind schwer vorherzusehen und kaum ex ante zu beherrschen. Eine Einbindung des Gastlandes in diesen Risikokreis ist daher sinnvoll. In vielen Projekten wollen sich die Beteiligten durch eine Force-majeure-Klausel (Hóhere Gewalt) absichern, wonach sie für Scháden aufgrund Krieg, Naturkatastrophen, Rechtsanderungen etc. für die Dauer der Hóheren Gewalt nicht einstehen. Aus der Sicht des Begünstigten ist darauf zu drángen, daS solche Ausschlufiklauseln auf ein Minimum begrenzt werden. D-3.4. Kreditlinien der KfW Die staatliche Kreditanstalt für Wicdcraufbau (KfW) 10 ist 1948 zur Abwicklung des «Marshall-Plans» (European Recovery Programme, ERP) gegründet worden. Sie wird zu 80% vom Bund und zu 20% von den Lándern getragen. Hire Aufgabe ist allgemein die Fórderung der inlándischen Wirtschaft. Sie bietet heute neben anderen Aufgaben im In- und Ausland, insbesondere auch in den ostdeutschen Bundeslandern und im Rahmen der finan- 10 Kreditanstalt für Wiederaufbau, Palmengartenstrafie 5-9, D-60325 Frankfurt/ M., www.kfw.de. <?page no="176"?> 1 5 4 D Finanzierung des AulSenhandels ziellen Entwicklungszusammenarbeit mit Entwicklungslándern, auf die hier nicht einzugehen ist wie die AKA Besteller- und Lieferantenkredite an, ist jedoch lángerfristiger orientiert als die AKA: Gegenstand der Finanzierung sind langlebige Investitionsgiiter und die damit in Zusammenhang stehenden Leistungen. Langfristige Lieferantenkredite mit mindestens 4 Jahren Laufzeit werden dem Exporteur seitens der KfW gewáhrt zur Refinanzierung eines dem Importeur eingeraumten Zahlungsziels. Dabei mui? die Hausbank des Exporteurs die Haftung iibemehmen. Auch die KfW erwartet (meist) die international iibliche Eigenbeteiligung (Selbstfinanzierung, meist durch Anzahlungen des Kunden) von 15% seitens des Exporteurs. In bestimmten Fallen kann auch diese Quote durch die KfW finanziert werden. Zudem verlangt die KfW eine Hermes- Deckung und die Übertragung der Ansprüche aus dem Exportgescháft sowie eine Garantie des Exporteurs beziiglich der Hermesprámie. Für den in der Hermes-Deckung verbleibenden Selbstbehalt von 5 % stellt die KfW keine gesonderte Risikopratnie in Rechnung. Bei Hermes-gedeckten Krediten (auch bei den nachfolgenden Bestellerkrediten) erfolgt die Tilgung in gleich hohen Halbjahresraten nach dem Starting Proint der Darlehenslaufzeit: Dieser kann aber flexible vereinbart werden, z. B. Datum der letzten gróSeren Lieferung, oder mittlerer Liefertermin, oder Beginn der Betriebsbereitschaft. Die durchschnittliche Kreditlaufzeit liegt zwischen 8 und 10 Jahren. Wie bei der AKA kónnen Bestellerkredite an auslándische Unternehmen, ggf. auch als Bankzu-Bank-Kredit gewáhrt werden (Corporate-Finanzierungen). Diese Kredite kónnen vom deutschen Exporteur oder vom auslándischen Káufer beantragt werden. Sie kónnen mit und ohne Hermes-Besicherung ausgelegt werden und haben eine Mindestlaufzeit von vier Jahren. Die Hauptkreditwáhrungen bei Bestellerkrediten sind Euro und USD, aber auch britisches Pfund, Yen und schweizer Franken sind móglich. Alternativ kónnen feste oder variable Zinsen vereinbart werden. Bei Entwicklungslándern orientiert sich der Zins an der CIRR (vgl. oben). In der Regel wird eine 15%ige Eigenfinanzierung des Importeurs verlangt. Die Auszahlung der verbleibenden 85 % erfolgt ohne Abzug ggf. pro rata an den Exporteur. In bestimmten Fallen ist auch eine 100%-Finanzierung móglich. Der Exporteur mul? die Hermes-Kosten übernehmen. Voraussetzung ist eine Sicherstellung des Kredits durch eine Zahlungsgarantie eines erstklassigen auslándischen Garanten; teilweise kónnen auch Staatsgarantien genutzt werden. Bei Bank-zu-Bank-Krediten kann auf den auslándischen Garanten ggf. verzichtet werden. Zur Vereinfachung insbesondere wiederkehrender kleinerer Kredite kónnen mit Unternehmen oder Banken im Ausland Rahmenkredite vereinbart werden. Neben KfW und AKA bieten auch Gescháftbanken und Girozentralen langfristige Kredite für die Exportfinanzierung an. Die KfW fórdert auch Investitionen mittelstándischer Unternehmen im Ausland («Mittelstandsprogramm», insbesondere die Griindung von Tochterunternehmen und Joint Ventures). Ihr Jahresumsatz darf 500 Mio. Euro nicht iiberschreiten, und sie miissen sich mehrheitlich in Privatbesitz besitzen. Die Finanzierung erstreckt sich auch auf Anlaufkosten bei Griindung oder Erweiterung des Gescháftsbetriebs (einschlieSlich - oder separat von Feasibility-Studien oder Ausbildungskosten von Mitarbeitern) (in Hóhe von maximal 30% der gesamten Investitionskosten). Die Laufzeit hángt von der Investition ab (Maschinen und Anlagen bis zu 10 Jahren, Bauinvestitionen bis zu 20 Jahren). <?page no="177"?> D-3. Mittel-und Langfristige Exportfmanzierung 155 Besonders gefórdert werden umweltrelevanten Investitionen. Die Darlehen kónnen in Euro, GBP, USD oder Yen beantragt werden, mit variablen oder festen.Zinsen (Yen nur variabel), die um rd. 0,25 Prozentpunkte unter dem <normalen> Mittelstandsprogramm liegen. Der Kredithóchstbetrag betrágt in beiden Programmen 5 Mio. Euro. Dabei kónnen 2-3 tilgungsfreie Jahre gewáhrt werden. Die Tilgung erfolgt wie international allgemein iiblich in gleichhohen. Halbjáhrlichen Raten. Die KfW vergibt ihre Kredite über ein durchleitendes Kreditinstitut. Dieses iibernimmt auch die Haftung fiir die Kredite (Primárhaftung). In bestimmten Fallen stellt die KfW das Kreditinstitut von 50% dieser Haftung frei, sofern das Unternehmen mit Sitz in Deutschland als Antragsteller, Mithafter oder durch Stellung von Sicherheiten in das Kreditverhaltnis eingebunden ist. D-3.5. Bundesmittel und EU-Mittel Das Bundesministerium fur wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstiitzt privatwirtschaftliche Engagements deutscher Unternehmen in Afrika, Lateinamerika und Afrika. Dabei werden offentliche und private Mittel kombiniert (Public Private Partnership, PPP). Unterstiitzt werden Neugriindungen (Tochtergesellschaften, Joint-Ventures) und Erweiterungen von Unternehmen in den Zielregionen, ferner Umweltschutzinvestitionen, Aus- und WeiterbildungsmaSnahmen und Know-how-transfer (vor allem fur Mitarbeiter von Zulieferern und Kunden in den Zielregionen), Qualitátssicherung von Zulieferern, Zertifizierung von Produkten und Produktionsverfahren sowie Produkt- und Produktionsanpassungen ah lokale Gegebenheiten sowie die Kofinanzierung von Prototypen und Pilotanlagen. Unter PPP werden bis zu 50% der Investitionen bzw. Kosten bis zu max. 120.000 Euro pro Jahr und Projekt als verlorene Zuschiisse iibernommen. 11 Auch die staatliche DEG (Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH, www. deginvest.de)* in Koln vermittelt Auslandspartner fur Direktinvestitionen und bietet langfristige Darlehen, Risikokapital, Biirgschaften und Garantien im Rahmen der Projektfinanzierung und vermittelt andere Finanzierungen, u. a. aus Mitteln der EG. Die in London (! ) ansássige Osteuropabank hat sich auf die mittel- und osteuropáischen Transformationslander spezialisiert. Die Europáische Union unterstiitzt Kleine und Mittlere Unternehmen der EU bei der Griindung grenziiberschreitenden Gemeinschaftsunternehmen («Joint-Venture-Programm»; vgl. auch Abschnitt B-é, insbesondere B-6.7 und B.-6.8). D-3.6. Finanzierungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit Im Rahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Entwicklungslandern (Entwicklungszusammenarbeit, EZ; «Entwicklungsbilfe») gibt es eine Reihe von Finanzierungsmóglichkeiten (Abb. D-3/ 8). Im Rahmen der Kapitalhilfe (finanzielle Zusammenarbeit, FZ) werden Projekte finanziert, deren Auftragsvergabe i.d.R. durch eine internationale, ggf. auch nur durch eine auf die Bundesrepublik begrenzte Ausschreibung seitens des begünstigten Ent- 11 Náhere Informationen gibt die Europa Bank AG, B.P. 734, L-2017 Luxemburg, oder das Institut der deutschen Wirtschaft, Kóln. * seit 2001 mit der KfW fusioniert. <?page no="178"?> 156 D Finanzierung des Aultenhandels wicklungslandes erfolgt. Mit FZ-Mitteln wird auch die sog. Warenhilfe finanziert, bei der dem Entwicklungsland bestimmte Giiter zur Verfiigung gestellt werden. Interessierte Exportunternehmen kónnen sich iiber Publikationen der Bundesstelle für Aufienhandelsinformationen (BfAI) in Kóln informieren, insbesondere durch die «Mitteilungen für Weltwirtschaftliche Zusammenarbeit» (MWZ). Abb. D-3/ 8: Entwicklungshilfe-Finanzierung Viele Auftrage durch Entwicklungsbanken Deutsche Kapitalhilfe für Dritte Welt / Über Auftrage 84 Prozent flieBen zuriick £{ Entwicklungshilfe für weniger Lander 37 bevorzugte Partnerlander gb. PARIS, 13. Februar. Die Zahl der bevorzugte Partnerlander bezeichnet. Empfángerlander, die in den GenuB AuBerdem ist die deutsche Entwickder bilateralen deutschen Entwicklungspolitik dadureh gekennzeichnet, lungshilie kommen, wurde von 118 dafi die multilateralen Hilfsprogramme aul 70 reduziert. 37 davon werden ais einer Überprüfung unterzogen werden. Auch im Rahmen der technischen Zusammenarbeit (TZ), dem zweiten Bein der EZ, werden gleichfalls Liefer- und Leistungsauftrage vergeben, welche iiber die staatliche Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH in Eschborn nach der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) und für Bauleistungen (VOB) abgewickelt werden. Die BfAI macht auch diese Ausschreibungen bekannt. Auch im Rahmen der vom Europdischen Entwicklungsfonds (EEF) finanzierten Projekte erfolgen Ausschreibungen. Über MaÉnahmen der Europdischen lnvestitionsbank (EIB) im Rahmen des Lomé-Abkommens oder aufgrund von Assoziierungs- und Kooperationsabkommen mit Lándern des Mittelmeerraums informieren die erwáhnten MWZ der BfAI. SchlieSlich kónnen deutsche Untemehmen auch an Ausschreibungen teilnehmen, die von verschiedenen multilateralen Entwicklungshilfeinstitutionen durchgefiihrt werden, u. a. von der Weltbankgruppe [hierzu gehóren Weltbank: International Bank for Reconstruction and Development (E3RD), die International Development Association (IDA) sowie die International Finance Corporation (D? C)], ferner die Asian Development Bank (ADB), Banco Interamericano de Desarrollo (BED), African Development Fund (ADF), African Development Bank (ADB), diversen Organisation den der Vereinten Nationen, u.a. UN Development Programme (UNDP, New York), UNEP (United Nations Environment Programme), Nairobi, UN High Commissioner for Refugees (UNHCR) Genf, Food and Agricultural Organization (FAO, Rom), World Health Organization (WHO, Genf), International Labour Organization (ELO, Genf) oder Industrial Development Organization (UNIDO, Wien) (es gibt noch mehr). In Genf findet alie zwei Jahre die internationale Beschaffungsmesse WORLDAID start (www.bmwi.de) (Abb. D-3/ 9). Die IFC finanziert private Investitionen, oft in Zusammenarbeit mit der MIGA (Multilateral Investment Guarantee Agency), die auch zur Weltbankgruppe gehórt und das politische Risiko privater Investitionen abdeckt (vgl. dazu Abschnitt B-6.7.7). Ein Engagement der IFC <?page no="179"?> D-3. Mittel-und Langfristige Exportfinanzierung 157 Abb. D-3/ 9: Internationale Ausschreibungen Ausschreibungen EG-finanzierter Vorhaben Nr. 3437 - Caricom Secretariat Gegenstand der Leistung: Lieferung, Montage und Inbetriebnahme von einer Wáhl- Nebenstellenanlage. Vorhaben Nr.: 5100.02.01.189 Ausschreibungsunterlagen (in englischer Sprache): SOFRECOM, M. C. Coste, 24, avenue du Petit Pare, F-94307 Vincennes Cedex. Preis der Unterlagen: 200 FF (ca. 30,- Euro). Angebotsschluft: 29. September 2001 Ausschreibungen der Weltbank und anderer Entwicklungsbanken Áthiopien: Addis Ababa Administrative Region Project, Implementation Office, Harámbee Building, 3rd Floor, House No. 904-13, P.O. Box 6921, Addis Ababa (Tel. 15-37-92, 15-33-46): Tender No. 2161-ET: Supply, in eight lots, of miscellaneous equipment, machinery and vehicles for the Second Addis Ababa Urban Development Project. Lastenheftgebühr: 150 Br. AngebotsschluG: 15. April 2001 bei einem privaten Investitionsvorhaben hat oft Signalfunktion fiir andere Kapitalgeber und kann als Multiplikator wirken. Die IFC berechnet bankeniibliche Zinsen und Gebiihren. Neben Krediten konnen auch Einlagenfinanzierungen beschafft werden. PRAXISTIP MIGA und IFC bieten einen gemeinsamen Beratungsservice FIAS an (Foreign Investment Advisory Service), der auf einem breiten Informationspotential (bis hin zu administrativen Details) beruht und auch Risk-Management-Beratung einschlieftt. MIGA und IFC sind durch Reprásentationsbüros in Frankfurt am Main vertreten. Die Weltbank unterhált ein Business Partnership Centre in Washington. Auch die IHKs konnen meist Kontakte vermitteln. Viele Unternehmen nutzen die sehr zahlreichen EU-Programme, aus denen Zuschiisse zu erhalten sind. Die gróSten Chancen haben dabei Projekte, die eine deutlich <europaische> Prágung haben, sei es in Bezug auf Forschung und Technologie (mit einem besonders breiten Forderungsprogramm) oder sonstige Kooperationen, die nicht selten auch in der Form der «Europáischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung» (EWTV) organisiert sind (vgl. Abschnitt E-7). Die Einhaltung der Formvorschriften bei der Antragstellung erscheint oft wichtiger als der Inhalt; die Prozeduren sind oft miihsam und langwierig. Viele Mittelstándler scheuen daher den Aufwand, aber wer es sich leisten kann, den dornigen Antragsweg zu Ende zu schreiten, kann oft nachhaltige finanzielle Unterstützung erhalten (Kontakt: research@cec.eu.int). <?page no="180"?> 158 D Finanzierung des AuBenhandels PRAXISTIP Mittlerweile gibt es zahlreiche private Dienstleister, die sich im EU- Dschungel auskennen, Forderungsmoglichkeiten zeigen kónnen und bei der Antragstellung und Abwicklung Unterstützung anbieten. D-3.7. Exkurs: Der Euromarkt und Off-shore-Markte Um es vorweg zu nehmen: Der Begriff «Euromarkt» bezieht sich nicht auf die europáische Wáhrung <Euro>, sondern auf spezielle Geld- und Devisentransaktionen. Der Euromarkt, auch Off-Shore-Markt oder Xe«o-Markt u genannt, umfaíSt alie Geld- und Kreditgescháfte in einer Wáhrung aufierhalb ihres Geltungsbereichs als gesetzliches Zahlungsmittel, sog. Fremdwáhrungsgeschafte. Diese kónnen in jeder beliebigen Wáhrung durchgeführt werden, weshalb man auch von Euro-Dollar-, Euro-DM- oder Euro-Pfund-Markt spricht. Eine Euro-Dollar-Transaktion kónnte sich beispielsweise zwischen einer deutschen und einer franzósischen Bank auf Dollarbasis abwickeln. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Euro- Geld-, Euro-Kredit- und Euro-Kapital-Markt (vgl. unten). Der Euromarkt ist in den 50er Jahren entstanden. 1958 fiihrten die wichtigsten westeuropáischen Staaten die Konvertibilitát ihrer Wáhrungen ein. Gleichzeitig wiesen die USA ein grofses, anhaltendes Zahlungsbilanzdefizit aus, so da(? die am Weltmarkt <schwimmenden> US-Dollars Anlagemoglichkeiten auEerhalb der USA suchen muSten, weil die USA Hóchstzinssátze für kurzfristige Einlagenin amerikanischen Banken (sog. Regulation Q des Federal Reserve Act) sowie weitere restriktive MaSnahmen einführten. Zudem harte GroSbritannien 1957 Kontrollen für Pfund-Kredite an Gebietsfremde eingeführt. Da andererseits nichtamerikanische Nachfrager nur in eingeschránktem MaSe Dollarkredite bei amerikanischen Banken erhalten konnten, bildete sich (zunáchst in London) der Euro-Dollar-Markt heraus. «Euro» leitet sich aus dem Telex-Kiirzel der sowjetischen Staatsbank in London ab. Im Zeitablauf entstanden weitere Euromárkte u. a. in Paris, Zurich, Luxemburg (dort insbesondere ein Euro-DM-Markt), den Bahamas, den Cayman-Inseln, Niederlándische Antillen, Panama, Bahrein, Hongkong, Singapur, Tokyo («Asien-Dollar-Markt»), sogar seit 1981 in New York selbst: 13 Die Bezeichnung «Euro-» ist also nicht geographisch zwingend, und offshore liegt nicht auf Hoher See (Abb. D-3/ 10). Vielfach sind Banken an den Off-shore- Plátzen nicht als Institute prásent, sondern unterhalten blofie Briefkastenfirmen. Neben den bereits <vagabundierenden> Eurodollars erhielten die Off-shore-Márkte einen gewaltigen Schub durch die Überschüsse der OPEC-Staaten im Zuge der Olkrisen 1973/ 1979. Aus dieser Zeit stammt auch eine mógliche Beschránkungen des Kapitalzuflusses nach Deutschland im Auftenwirtschaftsgesetz: Um ein Aufbláhen der Geldmenge durch Kreditzuflüsse aus dem Ausland zu neutralisieren, kann vorgeschrieben werden, dafs ein Teil dieser Mittel bis zu 100%! zinslos bei der Bundesbank hinterlegt werden muS (Bardepot). Damit wird natürlich der eventuelle Zinsvorteil eines Eurokredits hinfállig, und man láfit es. Rund 20 % des internationalen Bankgescháfts laufen über die Off-shore-Márkte. Zum Eurogeldmarkt záhlen wie bei alien Off-shore-Márkten - Sichtguthaben bei Gescháftsbanken, vorrangig Termineinlagen mit festen Laufzeiten zwischen 1 Tag (over-night money) a Xeno (griech.) = fremd. u Allerdings als International Banking Facility; auf die Abgrenzung solcher «Bankenfreizonen» zum Euromarkt kann hier verzichtet werden: die Kriterien sind eng verwandt. <?page no="181"?> D-3. Mittel-und Langfristige Exportfinanzierung 159 Abb. D-3/ 10: Off-Shore-Zentren Pazifik Samoa Cook- Inseln Marshall- Inseln Nauro Vanatu Niue Tonga Karibik Caiman- Inseln Tures and Caicos Bahamas Bermudas Jungfem- Inseln St. Kitts and Nevis Anguilla Antigua St. Lucia Barbados St. Vincent Aruba NId. Antillen Grenada Dominica Montserrat Europa Dublin (Irl.) Guernsey Jersey Isle of Man Gibraltar Andorra Luxemburg Liechtenstein Schweiz Monaco Malta Zypern Naher Osten/ Afrika Libanon Bahrein Israel Liberia Seychellen Malediven Mauritius Ostasien Singapur Thailand Philippinen Macau Hongkong Mittelamerika Costa. Rica Panama Belize Ostasien spielt eine immer grofiere Rolle am Euro-Kreditmarkt und einem, drei, sechs oder zwólf Monaten, die als Kredite oder sofern sie verbrieft sind (Depositenzertifikate [CD's], Euro-Commercial Papers [ECP's], Euronotes; vgl. nachstehend) als Wertpapiere auf dem Sekundarmarkt gehandelt werden. Rund 8 0 % des Volumens des Eurogeldmarktes wird in Dollar abgewickelt, etwa 1 5 % in Euro, gefolgt vom schweizer Franken und dem englischen Pfund. Die Zinssátze sind sog. Interbankensátze, die sich an den verschiedenen Euromárkten frei bilden. Der bekannteste ist dabei der LIBOR (sprachlich eigentlich «die»: ), die «London Inter-Bank Offered Rate», also ein Angebotszinssatz (Briefsatz). Im konkreten Eurokredit-Geschaft orientiert sich der Zins dabei am LIBOR, indem dieser je nach Bonitát um kleinere oder grofiere Zuschláge (Margen) erhóht wird (z. B. Libor plus 75 Basispunkte 14 ). Neben dem LIBOR gibt es vor allem den EURIBOR fur den Euro als Referenzzinssatz. Das Pendant zum LIBOR ist der LIBBD, die London Interbank Bid Rate, also ein Nachfragezinssatz. Der entsprechende Mittelwert wird LIMEAN genannt. Off-shore-Markte zeichnen einige Besonderheiten aus, aufgrund derer die Euromarktzinsen niedriger sind ais auf den nationalen Márkten. Erstens unterliegen sie im Gegensatz zu nationalen Geld- und Kreditmarkten keiner wáhrungspolitischen Kontrolle einer Zentral- 14 Z.B. 6,15 plus 0,75 = 6,9%. <?page no="182"?> 1 6 0 D Finanzierung des Aultenhandels bank; insbesondere besteht keine Mindestreservepflicht, die ja wegen ihrer Unverzinslichkeit wie eine Steuer wirkt. Zudem existiert keine oder nur eine minimale Bankenaufsicht. Aufierdem ist die Steuerbelastung an vielen Euromarktplátzen sehr niedrig, und aufgrund der (relativ) wenigen, aber meist sehr groSen Marktteilnehmer halten sich auch die Personal- und Verwaltungskosten der Eurobanken in Grenz'en. Zweitens vollzieht sich die Kredittransaktionen am Euromarkt ohne Stellung von Sicherheiten, was einen weiteren Kostenvorteil bedeutet: Das Verwalten von Sicherheiten ist kostspielig (Urkunden beziiglich Lágern, Forderungen, Grundschulden, persónlichen Biirgschaften etc.). Das Teilnehmerspektrum ist daher auf «Adressen» allererster Bonitát begrenzt: Der Euromarkt besteht in erster Linie zwischen Geschaftbanken, Wáhrungsbehórden und staatlichen Institutionen, von denen einige stándig, andere nur gelegentlich am Markt auftreten. Hinzu kommen auch Unternehmen und Institutionen mit erstklassiger Bonitát. Insgesamt betátigen sich ca. 50-60 international bekannte Adressen am Euromarkt. Drittens erfolgen die Abschliisse formlos per Telefon oder Fax (und werden anschliefsend schriftlich bestátigt). Dabei gilt als ungeschriebenes Gesetz die absolute Zuverlássigkeit und die unbedingte Einhaltung von Zusagen und Terminen; andererseits ware ein Marktteilnehmer umgehend <drau£en>. Viertens werden am Euromarkt nur sehr groEe, <runde> Betráge gehandelt. Zum Eurofcra/ í'fmarkt záhlen (meist verbriefte) kurz-, mittel- und langfristige Kredittransaktionen mit Laufzeiten von iiberwiegend 3-10Jahren, teilweise auch lánger, háufig 5-jáhrig). Eine besondere und sehr bedeutende Finanzierungsform ist der Roll-over-Kredit mit einer Laufzeit von mehreren Jahren, wobei jedoch der Zins fur aufeinander folgende Prolongationen (Laufzeitverlángerungen) auf der Basis des LIBOR der aktuellen Entwicklung kurzfristig angepaSt wird. Am Euiokapitalmaikt werden langfristige Anleihen (Eurobonds) allererster staatlicher und privater «Adressen» und supranationaler Emittenten wie der Weltbank gehandelt. Der Eurokreditmarkt wird oft von Kapitalnehmern beansprucht, deren Bonitát nicht ausreicht, um selbst am Eurokapitalmarkt Anleihen zu begeben. In einigen Publikationen wird nicht zwischen Euro-Kredit- und Euro-Kapital-Markt unterschieden, in anderen wird der Euro- Kredit-Markt als Oberbegriff fiir den kurzfristigen (Geld-) und mittelfristigen Kreditmarkt verwendet. Der besonderen Leichtigkeit der Kreditaufnahme- und -vergabe auf den Off-shore-Márkten (auch für enorme Betráge) ist es mit zu verdanken, daS die im Gefolge der Ólkrisen und der diversen Verschuldungs- und Wáhrungskrisen auftretenden Storungen finanziert werden konnten. Andererseits begiinstigen dieselben Charakteristika auch eine spekulative Verstárkung von Storungen. Die Problematik der Euromarkte liegt in diesem Zusammenhang insbesondere in der durch keinerlei wáhrungsbehórdliche Restriktionen begrenzten Kreditschópfungsmóglichkeiten und der sich daraus móglicherweise ergebenden Erhóhung der inlándischen Geldmengen (Stichwort: Geldmengeninflation). Fiir <normale> Unternehmen ist der Euromarkt wegen der geforderten erstklassigen internationalen Bonitát und der sehr hohen Betráge unmittelbar kein interessanter Markt. Es besteht jedoch die Moglichkeit, indirekt am Euromarkt teilzunehmen, indem z. B. eine Bank mit erstklassiger Bonitát als direkter Marktteilnehmer auftritt und die giinstigeren Konditionen, die sie erreichen kann, teilweise an ihren Kunden weitergibt. Mittel vom Euromarkt kónnen daher am kostengiinstigsten sein. Daher lohnt sich immer eine Anfrage bei der Hausbank. <?page no="183"?> Internationale Kaufvertráge Ein Vertrag ist ein zweiseitiges Rechtsgescháft und kommt zustande durch zwei einander entsprechende Willenserklárungen, die ais Antrag 1 und Annahmé bezeichnet werden auf der Grundlage von Leistung und Gegenleistung. Grundformen sind Kaufvertrag (bzw. Werklieferungsvertrag, bei dem der Verkáufer die Ware beschafft), Werkvertrag (Fertigung oder Dienstleistung mit bestimmtem Erfolg) und Dienstleistungsvertrag (ohne konkret vereinbarten Erfolg). Aus der Vielzahl moglicher Rechtsbeziehungen beschránken wir uns im folgenden auf Aspekte internationaler Kauf- und Liefervertráge. Andere Aspekte, z. B. bezüglich Miet-, Leasing- oder Beratungsvertrágen kónnen hier nicht dargestellt werden. E-1. Angebotserstellung E-1.1. Funktionen des Angebots Ein Angebot kann mündlich oder schriftlich erfolgen. Mündliche Angebote werden üblicherweise schriftlich bestátigt. Ein Kaufvertrag wird allerdings grundsátzlich schriftlich geschlossen. In der Praxis entwickeln sich immer mehr Kaufrechtsbeziehungen auf elektronischer Basis von Internetofferten, vor allem im Versandhandel. Logischerweise hat der Besteller dabei kaum eine Móglichkeit, auf die Vertragsgestaltung EinfluE zu nehmen, weil der Verkáufer seine Vertragsbedingungen vorgibt. Das Angebot hat vor allem vier Funktionen zu erfüllen: eine Marketing-, eine kaufmánnische, eine rechtliche und eine administrative Funktion. 2 (a) Marketingfunktion Vielfach ist das Angebot der erste Kontakt mit einem potentiellen Kunden. Aus Art und Form des Angebots kann er sich einen ersten Eindruck seines potentiellen Lieferanten machen; das Angebot ist wie eine Visitenkarte des Untemehmens. Daher ist es wichtig, sich im anbietenden Unternehmen in die Situation des Kunden zu versetzen und das Angebot <mit seinen Augen> zu verfassen: Was will er erfahren? Wozu benótigt er das Angebot? Günstig ist, wenn man weifi, auf wessen Tisch das Angebot landet (Stellung, Befugnis, Kompetenz des <Lesers>: Techniker, Jurist, Kaufmann). Dies ist bei Erstkontakten natürlich schwieriger ais bei bereits bestehenden Gescháftsbeziehungen. So gesehen, ist ein Angebot ein einseitiges schriftliches Verkaufsgesprách. Beigefügtes Material (Prospekte, Dokumentationen etc.) sollten für den Kunden verstándlich sein (Zusammenhang, Sprache: nicht jeder tunesische Kunde kann deutsche Prospekte lesen). Es ist daher ratsam, sich im anbietenden Unternehmen solide Gedanken zu machen, wer ein Angebot erstellen und wie es aussehen solí. 1 Kaufmánnisch unscharf: Auftrag. 2 In Anlehnung an meinen Kollegen Walter Niehoff, Reutlingen. E <?page no="184"?> 162 E Internationale Kaufvertráge (b) Kaufmánnische Funktion Ein Angebot ist der erste Schritt mit Blick auf einen VertragsabschluE. Formal bedeutet es eine Erklárung eines Kaufmanns, daS er bereit ist, seinem potentiellen Kunden eine bestimmte Ware oder Leistung zu bestimmten Bedingungen zu liefern, die er spezifiziert (u.a. Qualitát, Preis, Zahlungsbedingungen, Lieferzeit). Das Angebot sollte alie wesentlichen Vertragsbedingungen enthalten. Auf Anfrage sollte ein Angebot so schnell wie moglich an den Interessenten gehen, denn erstens móchte der potentielle Kunde sicherlich umgehend Informationen erhalten, und zweitens dient bei mehreren Anbietern das zuerst eingehende Angebot oft als VergleichsmaEstab mit den anderen. Dessenungeachtet ist es oft günstig, daE Angebot so abzufassen, daS es nur insgesamt als <Paket> und nicht einzelne Komponenten mit Konkurrenzangeboten verglichen werden kónnen. Varianten des Angebots (Alternativen, Optionen) sollten deutlich erkennbar sein, um die Aussagekraft nicht zu beeintráchtigen. Beispielsweise bieten viele Exporteure alternativ z. B. EXW-, FCA- und CIF-Preise an (vgl. Abschnitt G-2). Probleme ergeben sich sparer oft daraus, daf? das Angebot aufgemacht ist mit dem Ziel, den Auftrag zu erhalten, dal? aber spáter beispielsweise und insbesondere bei einer Akkreditiveroffnung durch den Kunden (Abschnitt G-3.4.2) - Daten auftauchen, die so nicht im Angebot enthalten waren (Termine, Werte, Verpackung, Herstellerangaben, Warenursprung, Lieferbedingungen etc.). Im Zusammenhang mit groSeren Auftrágen im Rahmen von Ausschreibungen muB der Anbieter oft eine Garantie beibringen, dafi der bereit und fáhig ist, sein Angebot auch zu erfiillen (Bietungsgarantie; vgl. Abschnitt H-2.3.3). Eventuelle Vorgaben des Kunden, z.B. Lastenhefte, sollten sehr genau eingehalten werden. PRAXISTIP Es empfiehlt sich, die Exportabteilung mit in die Angebotserstellung einzubeziehen, um spátere Abwicklungsprobleme vermeiden zu helfen (Transportlogistik, Versicherung, ggf. Genehmigungspflichten). (c) Rechtliche Funktion Ein Kaufmann bindet sich mit seinem Angebot: Ein Angebot ist ein Antrag auf VertragsabschluE. Sofern der Kunde es annimmt, mufi der Anbieter nach deutschem Recht wie angeboten leisten; die Bestandteile des Angebots werden Vertragsbestandteil (auf einige Abweichungen in anderen Rechtskreisen gehen wir weiter unten ein). Daher sollte ein Angebot inhaltlich und formal sehr korrekt sein. Grundsátzlich sollte dem Partner bei einem Vertragsangebot verdeutlicht werden, dafs eine Anderung von Vertragsklauseln als Ablehnung anzusehen ist. Wenn man nicht sicher ist, ob man bestimmte Angebotsteile erfiillen kann z. B. Liefertermine oder Preise sollte man dies unbedingt kennzeichnen, z. B. durch Vermerke wie • «unverbindlich», • «Lieferung vorbehalten» (keine Lieferpflicht bei Unmóglichkeit der Beschaffung), • «Selbstbelieferung vorbehalten» (keine Lieferpflicht bei ausbleibender Vorlieferung), • «Zwischenverkauf vorbehalten» (Verkauf an andere vor Annahme des Angebots ist zulássig), • «Preis freibleibend» (es gilt z. B. der Marktpreis am Bestelldatum). <?page no="185"?> E - 1 . Angebotserstellung 1 6 3 Aus der Sicht des Kunden ist dies naturlich weniger befriedigend als ein verbindliches Angebot. Da sich im Auslandsgescháft die Rahmenbedingungen schnell ándern kónnen (u. a. Wechselkurse bezüglich des Angebotspreises), sollte ein Angebot unbedingt befristet werden. Ggf. kann eine Absicherung des Wáhrungsrisikos durch eine Devisenoption erfolgen (vgl. Abschnitt H-4). Probleme ergeben sich oft durch national unterschiedliche Rechtsnormen zur Eigenschaft des Stellvertreters, z. B. wenn der Juniorchef (Prokurist) eines deutschen Unternehmens in den USA einen Vertrag mit einem japanischen Prokuristen schlieSt. Nach welchem Recht bestimmt sich die Stellvertreter-Eigenschaft? (d) Administrative Funktion Im Auslandsgescháft benutzt der potentielle Kunde das Angebot oft auch, urn Importlizenzen oder Devisenzuteilungen zu beantragen. Es ist daher oft sinnvoll, das Angebot als Pro-forma-Rechnung aufzumachen (vgl. Abschnitt G-l). Das Angebot sollte alie Positionen enthalten, die aus der Sicht des Anbieters Vertragsbestandteil werden sollen. E-1.2. Vorvertráge Háufig wird vor AbschluE des eigentlichen Vertrags ein Vorvertrag abgeschlossen, in dem die Grundzüge des beabsichtigten Hauptvertrages festgelegt werden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen einem Vorvertrag im engeren Sinne und einer Absichtserklárung. Ein Vorvertrag (Heads of Agreement oder Memorandum of Understanding) ist nach deutschem Recht bindend und verpflichtet die Parteien, den angestrebten Hauptvertrag tatsáchlich zu schlieSen. Eine Absichtserklárung (Letter of Intent, aber manchmal eben auch als Heads of Agreement oder Memorandum of Understanding bezeichnet) legt zwar auch bestimmte Eckdaten fest, aber der eigentliche Hauptvertrag wird nur unverbindlich in Aussicht gestellt. Die Bindung ist also nicht rechtlich, sondern nur faktisch. Daher sollte immer gepriift werden, ob beide Seiten aus rechtlicher Sicht dasselbe anstreben. Der aus deutscher Sicht rechtlich verpflichtende Vorvertrag ist z. B. nach US-Recht in den USA nicht einklagbar (enforcable) (vgl. Abschnitt E-4.1). Der deutsche Partner kann also u. U. asymmetrisch in Anspruch genommen werden (Abb. E-l/ 1). Abb. E-1/ 1: Vorvertrag kann Geschaftspartner in falscher Sicherheit wiegen Rasche rechtliche Bindung / Aber Risiken durch lückenhafle Abreden Ein Vorvertrag bietet sich an, wenn eine grundsátzliche Einigung besteht, aber die oft komplizierten Einzelheiten noch abgeklárt werden miissen. Vor allem bei beabsichtigten Kooperationen ist dies gángig, um eine friihe Bindung zu ermoglichen, u. a. auch, weil solche Verhandlungen nicht immer iiber einen lángeren Zeitraum hinweg vertraulich bleiben konnen. Kónnen sich die Partner nicht auf den Hauptvertrag einigen, mufi der Vorvertrag formal aufgehoben werden. Eine gerichtliche Erzwingung des Hauptvertrags ist in der Praxis selten, weil man einen unwilligen <Partner> schlecht zur Kooperation zwingen kann, aber auch solche Falle gibt es. Ein Vorvertrag ist zu unterscheiden von einem Rahmenvertrag (Master <?page no="186"?> 164 E Internationale Kaufvertráge Agreement), in dem allgemeine Aspekte quasi vor die Klammer gezogen werden kónnen, oft unter Einbezug von AGBs. E-1.3. Bestatigungsschreiben Nach einer ernsthaften miindlichen oder telefonischen Vertragsverhandlung pflegt man im deutschen Rechtskreis das Ergebnis in einem Bestatigungsschreiben festzuhalten. Schweigen auf dieses Schreiben hin gilt nach deutschem (und schweizer) Recht unter Kaufleuten als Zustimmung. Dies kann auf internationale Gescháfte nicht ohne weiteres übertragen werden. Auch in den Niederlanden und in Ósterreich hat das Bestatigungsschreiben nur eine schwáchere Rechtskraft. Im britischen und spanischen Recht ebenso wie im UN-Kaufrecht gibt es keine Regeln bezüglich des kaufmánnischen Bestátigungschreibens. In Frankreich und Italien hángt die Beweiskraft eines Bestátigungsschreibens vom branchenbezogenen Handelsbrauch ab. E-2. Kaufmannische Vertragsinhalte Der Vertragsgestaltung kommt bei internationalen Wirtschaftsbeziehungen besondere Bedeutung zu, weil sich in der Regel Vertragspartner gegenüberstehen, die an unterschiedliche rechtliche Regelungen gewóhnt sind. Daher ist es erforderlich, alie relevanten Aspekte der Gescháftbeziehung vertraglich eindeutig und rechtswirksam zu vereinbaren. Ein Kaufvertrag wird grundsátzlich schriftlich geschlossen. In vielen Unternehmen ist es iiblich geworden, daf? wichtige Vertráge von einem Ingenieur, einem Kaufmann und einem Juristen verhandelt werden. Diese Kapazitáten stehen aber kleineren Unternehmen meist nicht zur Verfiigung. Vor AbschluS eines gro(? eren Kaufvertrages mit einem Partner in einem bislang unbekannten Rechtsraum empfiehlt es sich daher, ein Gutachten eines Sachverstandigen einzuholen [legal opinion), ob der geplante Kaufvertrag mit all seinen Komponenten rechtlich unbedenklich bzw. empfehlenswert ist. Dabei ist es immer sinnvoll, wenn man auf lokalen Sachverstand aus dem Land des Vertragspartners zuriickgreifen kann. Viele Anwaltsbiiros haben sich auf bestimmte Lander oder Rechtskreise spezialisiert und arbeiten mit Kollegen im Partnerland zusammen. Ein solches Gutachten schützt den Exporteur allerdings nicht absolut, denn wenn es fehlerhaft ist und dadurch beispielsweise eine zugesagte Hermes-Deckung nicht <greift>, weil keine rechtsbestándige Forderung entstanden ist, tragt der Exporteur alie Risiken. Er kann sich dann allenfalls um Schadenersatz seitens seines Beraters bemiihen. PRAXISTIP Es ist sinnvoll, Export- und Importvertráge so weit wie moglich zu standardisieren, weil dies die Überprüfungskosten und die Restrisiken minimiert. Vor jedem Vertragsabschluft sollte eine Checkliste abgearbeitet werden, in welcher die aus Unternehmenssicht individuell wichtigen Aspekte enthalten sind. In den folgenden Abschnitten werden am Beispiel eines Kaufvertrags zunáchst einige regelungsbediirftige Punkte umrissen, die teils den eher kaufmánnischen, teils den formaljuristi- <?page no="187"?> E-2. Kaufmánnische Vertragsinhalte 165 Abb. E-2/ 1: Wichtige Vertragsbestandteile Kaufmánnische Aspekte • Vertragspartner (Verkáufer, Káufer) • gehandelte Ware (Art, Qualitat, Menge etc.) • Kaufpreis, Wahrung • Lieferbedingungen (ggf. Incoterms) • Lieferzeit • Zahlungsbedingung • Ggf. Liefervorbehalt • Endverbleib Fórmale Vertragsaspekte • Sprache • Rechtswahl • Erfiillungsort • Gerichtsstand • Eigentumsvorbehalt • Allgemeine Geschaftsbedingungen • Garantien • Gewahrleistungen • Verzugszinsen • Vertragsstrafen • Schiedsklausel • «Force majeure»-Klausel • Salvatorische Klausel schen Bereich des Vertrages betreffen (vgl. Abb. E-2/ 1). Daran anschliefsend werden einige rechtliche Aspekte vertieft. Da aus rechtlicher Sicht durch einfache Zustimmung des Kunden (Unterschrift) zum Angebot eines Kaufmanns (Annahme) ein rechtskráftiger Vertrag zustande kommt, den beide Seiten erfüllen müssen, sollten alie Aspekte, die aus der Sicht des Anbieters Vertragsbestandteile werden sollen, bereits im Angebot enthalten sein. Einige Aspekte sind allerdings oft erst relevant, wenn klar ist, daS ein Kaufvertrag zustandekommen wird. Móglich ist auch, daS Kaufvertrage als Erganzung zu bestehenden Rahmenvertragen geschlossen werden, so daf> sich viele Einzelregelungen eriibrigen. (1) Wer ? - Zunáchst ist es wichtig, die Vertragspartner - Verkáufer wie Káufer eindeutig zu identifizieren. Dies mag trivial klingen, ist es aber nicht, wenn man sich ein Hochhaus in Hongkong vorstellt mit einer Unzahl darin ansássiger Firmen, die für europáische Ohren sehr áhnliche Ñamen tragen konnen (in chinesischer Schrift) und deren Anschrift sich vielleicht nur durch das Stockwerk oder gar nur Raumnummern unterscheiden. Beim Káufer kónnen Liefer- und Rechnungsanschrift unterschiedlich sein. (2) Was ? - Ein Kaufvertrag sollte eine Práambel enthalten, in welcher das Ziel des Vertrages verdeutlicht wird. Ein wichtiger Vertragspunkte ist die eindeutige Prazisierung der gehandelten Ware nach Art, Typ, Qualitat, Menge, GroSe, Farbe, Aufmachung, Verpackung usw. Verschiedene Lieferpositionen sollten durchnumeriert werden. Die Angabe von Tarifnummern nach dem Europáischen Zolltarif («Harmonisiertes System») sowie statistische Warennummern (z. B. nach der NIMEXE: Nomenklatur fur Import und Export; vgl. Abschnitt J-7) erleichtern die Ausfuhr- und Einfuhrabwicklung. Mengen- und Gewichtsangaben sollten für den Kunden verstándlich sein; bei der Gewichtsangabe Tonne sollte deutlich sein, ob es sich um die metrische Tonne (1000 kg), die britische <ton> (1016 kg; long ton: tn.l.) oder die amerikanische handelt (907,18 kg; short ton: tn.sh.). Probleme mit dem englischen GewichtsmaE Pfund (nicht 500, sondern 453 g) ergeben sich in der kommerziellen Praxis allerdings so gut wie gar nicht, eher schon mal mit yard (91,44 cm) und inch (1/ 36 <?page no="188"?> 166 E Internationale Kaufvertráge yard = 25,4 mm); wenn der Kunde «inch» bestellt hat und in Metern beliefert wird, sollte die Umrechnung angegeben werden. 3 Auch sonst ist bei Zahlen Vorsicht geboten: Wáhrend der deutsche Kaufmann bei Einhunderttausend an 100.000,denkt, verwendet der Amerikaner Punkt und Komma genau anders herum: 100,000.-. Die deutsche Eins mit Anstrich kann im anglophonen Raum als Sieben mifsVerstanden werden, oder die amerikanische Sieben (ohne Querstrich) bei uns als Eins. Eine deutsche Milliarde ist amerikanisch <one billion>, die deutsche Billion <trillion>. Nur Million ist million. Bei Übersetzungen vom Amerikanischen ins Deutsche ergeben sich daher oft wundersame Vervielfachungen. Vielfach muí? der Lieferant neben der Hauptpflicht, eine bestimmte Ware zu liefern, auch Nebenpflichten iibernehmen, z. B. Plane, Zeichnungen, Warnings- und Betriebsanleitungen etc. zu liefern. Auch dies sollte genau spezifiziert werden. (3) Wie, wo, warm? - Der Kaufpreis sollte pro Einheit und in eindeutiger Wáhrung definiert sein (z.B. «effektiv 200.000 Euro») und eventuelle Nebenkosten und Abgaben (Steuern) ausweisen. Sehr oft wird beim Preis die Lieferbedingung mit angegeben, um Abgrenzungen zu Nebenkosten deutlich zu machen, bspw. 20,- Euro/ kg FOB Hamburg (zu den Lieferbedingungen vgl. ausführlich Abschnitt G-2). Die Voraussetzungen fur Abziige, Rabatte, Skonti o. a. sollten klar sein. Zusátzliche Kosten (Montage, Schulung, Wartungsvertrag etc.) miissen erkennbar abgegrenzt sein, weil sie bei der Einfuhr nicht in den Zollwert eingerechnet werden (vgl. Abschnitt K-2.3.2). Die Übernahme von Montage- oder anderen Nebenkosten sollte eindeutig sein (wer bezahlt Flugtickets und Hotels, welche Airlines, Flugklasse bzw. Hotelstandards? ). Sofern fur den Export der Ware eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich ist (vgl. Abschnitt L-6.5.3), sollte unbedingt ein Passus in die Lieferverpflichtung aufgenommen werden «Vorbehaltlich der Erteilung der Ausfuhrgenehmigung». Die Lieferbedingungen gemafi Incoterms bestimmen die Aufteilung von Transportkosten und -gefahren auf Káufer und Verkáufer. Eventuelle Abweichungen (z. B. «Verkáufer besorgt Frachtvertrag») oder besondere Abmachungen beziiglich Inspektionsgebiihren, der Verpackung, des Transporrweges, Zulássigkeit von Teillieferungen o. á. sollten deutlich gekennzeichnet sein. Als Lieferzeit kann z. B. vereinbart werden sofort (so schnell wie móglich nach VertragsabschluS), innerhalb einer vereinbarten Frist (ggf. auf Abruf) oder zu einem bestimmten Termin. Die Einhaltung einer Frist bzw. eines Termins kann Gescháftsgrundlage sein, d. h. die Nichteinhaltung berechtigt zum Riicktritt. Daher sollten Terminzusagen (Verladung, Verschiffung, Ankunft etc.) sehr sorgfáltig gepriift werden und kalendarisch eindeutig sein. Auch dabei muS man aufpassen: In manchen Lándern wird start Tag-Monat-Jahr geschrieben Monat-Tag-Jahr (3. April 2000 = 04-03-00). Die Zahlungsmodalitáten wer zahlt wann, in welcher Wáhrung (beim «Dollar» ist zu prázisieren, welcher: amerikanischer, kanadischer, australischer, Hongkong-, sonstiger Dollar? ), wieviel (Teilzahlung? ) an wen, wo, wie (z. B. Ratenzahlung, bei Presentation bestimmter 3 Weshalb wird Rohól in <Barrel> von 158,987 Litem gemessen? Barrel hei(? t FaE. Die ersten Olbohrer fullten das «Steinol» (petro oleum) in den Behaltern ab, die ihnen in groSer Menge zur Verfiigung standen: Whiskyfasser. Zeitweise waren die Fasser teurer als der Inhalt, als die Ólforderung stieg und die Nachfrage nach Fássern entsprechend auch. <?page no="189"?> E-3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte 167 Dokumenten [d/ p, d/ a], im Rahmen eines Akkreditivs, mit welchen Dokumenten etc.) miissen eindeutig sein. Für Finanzierungen sollten die Bedingungen und die Kostenaufteilung klar definiert werden. Bei Überschreitung von Zahlungszielen kónnen Verzugszinsen vereinbart werden (diese sind keine Vertragsstrafen! ). Üblich ist ein Liefervorbehalt fur den Fall, z. B. daS ein Akkreditiv nicht erbffhet wird oder Hermes keine Deckung iibernimmt (vgl. Abschnitte G-3.4.2 u. H-3.2). Ggf. sind Absprachen oder Zusicherungen iiber die Beibringung von Dokumenten erforderlich (z. B. bezüglich des Endverbleibs der gelieferten Ware bei Ausfuhr-genehmigungspflichtigen Waren). Der Importeur benótigt ggf. fur die zollfreie Einfuhr Warenverkehrsbescheinigungen (EUR.l) oder andere Ursprungsnachweise. Die Sprache fur die Dokumente mufi festgelegt werden. PRAXISTIPS Anerkennung des Wáhrungswechsels auBerhalb Europas. Gelegentlich kommt die Frage auf, ob durch die Euro-Einführung im Sinne von «Treu und Glauben» des deutschen Rechts (§242 BGB) ein Wegfall der Gescháftsgrundlage gegeben ¡st. Grundsatzlich nein: Im deutschen wie im nationalen Recht der EU-Partner würde dies besonders schwere Stórungen der ókonomischen Verháltnisse mit unzumutbaren Folgen für eine Vertragspartei voraussetzen. Dies ¡st im vorliegenden Fall bei EU-Binnengescháften nicht gegeben (Euro-Ergánzungsverordnung Art. 3). Eine einseitige Kündigung z. B. von Liefervertrágen durch Lieferanten scheidet damit also aus. Bei Gescháften mit Drittlandsberührung, insbesondere, wenn Nicht-EU-Recht gilt, ¡st die Situation hingegen nicht einhellig zu beurteilen und vielfach unklar, so in Osteuropa, Mittel- und Südamerika, aber auch in den USA mit unterschiedlichem Bundesstaatenrecht. Hier empfiehlt sich eine entsprechende Rechtsberatung. In den meisten Lándern wird ein Ersatz von DM durch Euro wohl akzeptiert werden, weil im internationalen Recht weitgehend anerkannt ist, dafí das Wáhrungsstatut durch das Recht des Landes bestimmt wird, in dessen Wáhrung die Schuld ausgedrückt ist («/ ex monetae»). Bei Altvertrágen mit Drittlandsberührung, bei denen mit einer Anfechtung zu rechnen sein kónnte, sollte rechtzeitig mit dem Vertragspartner Kontakt aufgenommen werden, urn ggf. ausdrückliche Zusatzvereinbarungen abzuschliefkn (Individualanpassung), insbesondere bei Vertragen mit einer wahrungsspezifischen AusschliefSlichkeitsklausel. Bei Neuvertragen vor 2002 sollte unbedingt eine Klausel zur Wahrungsumstellung aufgenommen werden: Sie kónnte etwa lauten «xy DM or official Euro-countervalue» («xy DM oder Gegenwert in Euro gernafi offiziellem Umrechnungskurs»). E-3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte Viele Unternehmen verwenden wenig Energie auf die Vereinbarung formaljuristischer Details mit ihren Geschaftspartnem, weil sie aufgrund eingespielter und harmonischer Gescháftsbeziehungen davon ausgehen, dafi etwaige Probleme einvernehmlich geregelt werden. Bei weniger etablierten, vor allem neuen Kontakten empfiehlt sich aber in jedem Fall juristische Sorgfalt, die man ja <einkaufen> kann. Grundsatzlich ist es ratsam, sich bei Vertragen mit auslándischen Partnem vor Vertragsabschlul? ausfuhrlich und qualifiziert beraten zu lassen. <?page no="190"?> 168 E Internationale Kaufvertráge Natiirlich verursacht dies Kosten, doch stehen diese meist in keinem unakzeptablen Verháltnis zu den Nachteilen, die aus juristisch nicht abgesicherten Vertragen resultieren konnen. Binationale und nationale Handelskammern, die Botschaften des betreffenden Landes, Auslandsabteilungen der Kreditinstitute, spezialisierte Rechtsberater sowie die Bundesstelle fur Auslandsinformationen in Kóln (bfai) kónnen dabei Informationen geben. PRAXISTIP Um international rechtsbestándige Vertráge incl. Liefer- und Zahlungsbedingungen ausarbeiten zu lassen, empfiehlt es sich daher oft, ein erfahrenes Anwaltsbüro einzuschalten. Sehr sinnvoll ist beispielsweise die Vereinbarung eines Schiedgerichts, das bei Einreden des Kunden eine objektive Entscheidung fállt. Andernfalls müíSte der Klageweg beschritten werden, um die Einrede wirkungslos werden zu lassen. Weitere sinnvolle Aspekte sind ein internationaler Gerichtsstand und die Vereinbarung internationalen Rechts. Auch die Liefer- und Zahlungsbedingungen sollte man rechtlich <durchchecken> lassen. Last not least kann der anwaltliche Ratgeber im Schadensfall eventuell auch haftbar gemacht werden. (a) Sprache Von elementarer Bedeutung ist bereits ganz friihzeitig die Einigung auf eine Verhandlungs- und Vertragssprache (beide sollten móglichst iibereinstimmen). Natiirlich wird es jeder Vertragspartner wohl grundsátzlich vorziehen, daS seine eigene Sprache verwendet wird, doch wird dies bei international weniger verbreiteten Sprachen (dazu záhlt Deutsch) nicht ohne weiteres durchzusetzen sein; es hángt natiirlich teilweise auch von. der Marktposition der Partner ab. Vielfach einigt man sich aber auch eine fur beide Partner fremde «Drittsprache», insbesondere Englisch als international geláufiger Handelssprache, die also fur beide Partner nicht Muttersprache, sondern eine Fremdsprache ist. Vertráge in Fremdsprachen bzw. Übersetzungen davon kónnen ganz betráchtliche Interpretationsprobleme aufwerfen 4 und sollten nicht ohne Not ohne fachkundige Beratung und Priifung aufgesetzt bzw. abgeschlossen werden. (b) Rechtswahl Im Hinblick auf die nicht speziell vertraglich geregelten Rechte und Pflichten der Vertragspartner und insbesondere auf die juristische Überprüfung ist die Prázisierung des im Streitfall anzuwendenden Rechts erforderlich. Dies sollte móglichst explizit vertraglich erfolgen. Aus dem anzuwendenden Recht ergeben sich zahlreiche Aspekte, die iiblicherweise nicht vertraglich geregelt werden, wie z. B. Formvorschriften, mógliche Rechtsbehelfe, Schuldzinshóhe, Verjáhrungs- und andere Fristen etc. Aufgrund der grundsátzlichen Vertragsfreiheit sind die Vertragsparteien hinsichtlich einer Vereinbarung iiber das auf ihren Kaufvertrag anzuwende Recht frei (Parteiautonomie), sofern nicht zwingende Rechtsvorschriften dem entgegenstehen (wie beim Immobilienerwerb). Zum Beispiel erkennen die meisten arabischen Lánder oder auch Brasilien auslándische Rechtswahlvereinbarungen nur sehr eingeschránkt an. Eine nach deutschem Recht wirksame Vereinbarung kann dann móglicherweise im Ausland gar nicht durchsetzbar sein; Abschnitt E-4 geht darauf ein. 4 Beispielsweise die Unterscheidung zwischen Eigentum und Besitz: beides oft unscharf als property übersetzt, oder Garantie und Bürgschaft (guarantee). <?page no="191"?> E-3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte 169 Aus praktischen Gründen sollte das gewáhlte Recht einen Bezug zum zugrunde liegenden Rechtsgescháft haben, so dais beispielsweise ein deutscher und ein amerikanischer Partner nicht gerade portugiesisches Recht vereinbaren werden, nicht zuletzt aus sprachlichen Gründen. Welches (privatrechtliche) Recht vereinbart wird, hángt insbesondere auch von der Machtstellung der Partner ab, denn jeder Beteiligte hat natiirlich zum einen ein Interesse daran, sich auf das ihm vertraute Recht zu stiitzen und wird sich nicht ohne Not auf ein fremdes Recht einlassen, und zum anderen ist zu berücksichtigen, ob das gewáhlte Recht im Streitfall auch durchsetzbar ist. Eine sog. Vertragsspaltung, bei der Teile des Vertrags verschiedenen Rechten unterstellt wird, ist problematisch. Grundsátzlich ist es günstig, wenn das anzuwendende Recht mit dem Gerichtsstand übereinstimmt; andernfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dais das zustándige Gericht mit dem anzuwendenden Recht ohne weiteres vertraut ist. Dies kann zu Verzógerungen, Kosten und Interpretationsproblemen führen, z. B. wenn ein deutsches Gericht franzósisches Recht anwenden mufi. Sofern nationales Recht nicht explizit unter Ausschlufi des UN-Kaufrechts vereinbart wurde, gilt bei Kaufvertrágen mit deutsche Beteiligung das UN-Kaufrecht automatisch für internationale Vertráge über den Kauf von Waren (vgl. unten Abschnitt E-5). (c) ErfüUungsort Der ErfüUungsort ist der Ort, an dem der Schulder die geschuldete Leistung erbringen und der Gláubiger die Leistung annehmen muls", d. h. einerseits der Lieferort der Ware, andererseits der Zahlungsort fur den entsprechenden Kaufpreis. Der Lieferort wird auch durch die Incoterms definiert, z. B. CIF Rotterdam. Nach deutschem (und franzósischem) Recht gilt sofern keine Vereinbarung erfolgt ist der Sitz des Schuldners (Káufers) zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverháltnisses (Kaufvertrags) ais ErfüUungsort. Nach dem sich immer mehr verbreitenden UN-Kaufrecht hingegen ist der Sitz des Exporteurs auch ErfüUungsort für die Zahlung. Ob dies für den Exporteur immer günstig ist, hángt u. a. auch von der Durchsetzbarkeit deutschen Rechts im Ausland ab; vgl. Teil F. Anmerkung: Im UN-Kaufrecht wird von «Lieferort» (Place of Delivery) gesprochen, wáhrend das BGB Begriffe wie «ErfüUungsort» oder «Leistungsort» verwendet (§§ 269,447 BGB). Die auf den ersten Blick verwirrende Begriffsmehrheit wird in der Praxis akademisch sein, weil sich anhand der vereinbarten Lieferbedingung (i.d.R. nach ICC 5 Incoterms 2000) ergibt, welche Leistungshandlung von Liefererseite vorzunehmen ist, um den vertragsgemáSen Erfolg herbeizuführen. Hieraus ergibt sich dann auch der «Leistungsort», bei dessen MiSachtung die entsprechenden Rechtsfolgen einsetzen. 6 (d) Gerichtsstand Die Wahl des Gerichtsstandes ist ein wichtiger Aspekt sowohl für die ProzeSführung (grundsátzlich in der Sprache des Gerichtslandes und mit inlándischen Anwálten) ais auch für die Durchsetzbarkeit eventueller Gerichtstitel. Der Gerichtsstand kann wie alie übrigen Vertragspunkte frei, aber ausdrücklich und schriftlich vereinbart werden. In der EG und der EFTA gilt das Europáische Gerichtsstands- und Vollstreckungsüber- 5 International Chamber of Commerce (Internationale Handelskammer), Paris. 6 Nach RA Hahn, DIHK, Bonn/ Berlin. <?page no="192"?> 170 E Internationale Kaufvertráge einkommen (GVÜ). Danach kann als Gerichtsstand ein beliebiger Ort im Geltungsbereich des Abkommens vereinbart werden; dies gilt auch für Partner, die lediglich eine Zweigniederlassung im Geltungsbereich des GVÜ haben (siehe auch unten Abschnitt F-3.2). Im Europáischen Binnenmarkt geniigt grundsátzlich ein Vermerk auf dem Gescháfts-Briefpapier, um den Gerichtsstand des Unternehmens anzuzeigen. Widerspricht der Gescháftspartner dem nicht, ist er daran gebunden. Der EuGH hat entschieden, daS dies dann gilt, wenn davon auszugehen ist, dal? beide Vertragsparteien diesen Handelsbrauch kennen oder kennen müfiten. Problematisch ist es, wenn der Exporteur in seinen AGB den Gerichtsstand im Exportland bestimmt, wáhrend der Importeur das Vertragsangebot auf der Basis seiner AGB mit Gerichtsstand im Importland annimmt. Sofern kein Gerichtsstand explizit vereinbart wird, sind die Gerichte am Sitz des Beklagten zustándig, d. h. klagt der Exporteur, ergibt sich für ihn ein auslándischer Gerichtsstand. Dies láEt sich durch eine Gerichtsstandsklausel vermeiden. Die Klausel muí? prázise formuliert sein, weil jede Ungenauigkeit weitere Probleme produzieren und den ProzeG verzogern kann. Abb. E-3/ 1 enthált eine gángige Formulierung. Aus deutscher Sicht ist natiirlich fur ein staatliches Gericht ein deutscher Gerichtsstand günstig, weil die Gerichtssprache deutsch ist und der (eigene) deutsche Anwalt moglicherweise am Gericht bekannt ist; dies sind potentielle Nachteile für den ProzeSgegner (ggf. aber auch Abb. E-3/ 1: Gerichtsstandsklausel «Bei alien sich aus dem Vertragsverhaltnis ergebenden Streitigkeiten ist die Klage bei dem Gericht zu erheben, das für den Hauptsitz des Lieferers zustándig ist. Der Lieferer ist auch berechtigt, am Hauptsitz des Káufers zu klagen.» Gerichtsstandsvereinbarungen kónnen sich auszahlen Folgen fur Vollstreckbarkeit auslándischer Urteile / Klare Formulierungen notig Quelle: FAZ, Karikatur: Kai Felmy <?page no="193"?> E-3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte 171 Vorteile: vgl. unten Abschnitt F-3.2). Nicht wenige Untemehmen verzichten auf ein Gescháft, wenn der potentielle Partner keinen deutschen Gerichtsstand akzeptiert. Es kann sehr riskant sein, sich auf einen aus deutscher Sicht auslándischen Gerichtsstand einzulassen. Vor allem im arabischen Raum, aber auch vielen Entwicklungslándern in anderen Kontinenten herrscht deutlich gesprochen absolute Rechtsunsicherheit. Einen ProzeS im Ausland fiihren zu miissen, verursacht leicht so hohe Kosten, die auch ein gewonnener ProzeS nicht ausgleichen kann, unabhángig davon, dafS die (versuchte) Durchsetzung eines erstrittenen Urteils eine zweite kostentráchtige Expedition bedeuten kann mit sehr ungewissem Ausgang. Fazit: Wenn es irgend geht, sollte man keinen auslándischen Gerichtsstand akzeptieren. Dennoch ist zu priifen, ob ein deutscher Gerichtsstand immer zweckmáíjig ist: In einigen Lándern (u. a. Indien oder Pakistan) muf? ein deutsches Urteil bei einer Klage im jeweiligen Partnerland nochmals verhandelt und entschieden werden. Unter Umstánden kann für den auslándischen Partner ein deutscher Gerichtsstand sogar von Vorteil sein. Beispielsweise müSte ein amerikanisches Urteil, das in Deutschland durchgesetzt werden soil, in Deutschland gerichtlich anerkannt werden; dies kann Verzógerungen und Kosten bedeuten. Móglich ist, daG Teile des auslándischen Titels nicht vollstreckt werden kónnen, z. B. die punitive damages (hoher Schadensersatz mit Strafcharakter; vgl. Abschnitt H-6.2) widerspricht deutschem Recht und ist nicht durchsetzbar. Auch kónnen Mafinahmen des vorláufigen Rechtsschutzes oder der Beweissicherung am Ort des Gerichtsstandes erlassen werden. Ein akzeptabler KompromiG kann ein neutrales Drittland sein. Es ist jedoch zu beachten, dafi in manchen Lándern die vereinbarte Zustándigkeit eines auslándischen Gerichtsstandes (Prorogation) und damit die Nicht-Zustándigkeit des inlándischen Gerichtsstandes (Derogation) nicht anerkannt wird, so daS damit z. B. die Anerkennung eines deutschen Gerichtsurteils nicht gegeben ist. Dann kann es geschehen, daf? sich trotz z. B. vereinbarten deutschen Gerichtsstandes ein auslándisches Gericht für zustándig erklárt und den vereinbarten Gerichtsstand ignoriert. Solche Anerkennungsprobleme kónnen sich auch mit einigen Bundesstaaten der USA ergeben, so daf> sich eine frühzeitige Prüfung empfiehlt. Grundsátzlich ist es günstig, wenn das vereinbarte Recht und der Gerichtsstand iibereinstimmen; andernfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dai? das zustándige Gericht mit dem anzuwendenden Recht ohne weiteres vertraut ist. Dies kann wie erwáhnt zu Verzógerungen, Kosten und Interpretationsproblemen fiihren. Wenn der Erfiillungsort (siehe oben) als Gerichtstand vereinbart wird, sollte das anwendbare Recht explizit vereinbart werden, da der Erfiillungsort nicht in alien Rechtskreisen gleich definiert wird. Bei Vereinbarung auslándischer Gerichtsstánde oder auslándischen Rechts ist bereits bei der Vertragsgestaltung die Einschaltung von Rechtsanwálten ratsam, die mit den auslándischen Gegebenheiten vertraut sind. Dabei kónnen sich wichtige Abweichungen von den deutschen Gebráuchen ergeben. Nach deutschem Recht trágt die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens und der Gegen- • partei, was bei auslándischem Gerichtsstand nicht der Fall sein mufi (z. B. USA), so daS man auf seinen Anwalts- und sonstigen Kosten sitzen bleibt. Diese kónnen sich nach gerichtlichen Gebiihrentabellen richten oder aber frei vereinbart werden, was zu deutlich hóheren Kosten als in der Bundesrepublik fiihren kann. Zudem ist in manchen Lándern (z. B. den USA) ein Erfolgshonorar iiblich, das in der Bundesrepublik unzulássig ist. <?page no="194"?> 172 E Internationale Kaufvertráge Sofern man einen auslándischen Gerichtsstand akzeptieren muí? , sollte darauf geachtet werden, daf? der Vertragspartner dort auch Vermogen hat und ggf. ein Zugriff darauf duren Zwangsvollstreckung móglich ist (vgl. unten). Auch hier kann man eventuell auf ein Drittland ausweichen, in dem der Vertragspartner Vermogen hat. Umgekehrt sollte man hellhórig sein, wenn der Vertragspartner von sich aus ein Drittland vorschlágt, mit dem es moglicherweise kein Vollstreckungsabkommen gibt. In Frankreich gibt es mit dem Handelsgericht (Tribunal de Commerce) einen eigenen kaufmánnischen Gerichtszweig mit lokalen Zustándigkeiten. Insgesamt ist die Reputation der Handelsgerichte nicht sehr hoch (Abb. E-3/ 2), weil fehlende Neutralitát behauptet und eine gewisse Korruptionsanfálligkeit vermutet wird. Die Richter sind juristische Laien meist Unternehmer und Banker. Aber auch leitende Angestellte und Kleingewerbetreibende, die z. B. auch iiber die Zukunft angeschlagener Unternehmen entscheiden. Dabei kann es vorkommen, daS der Besitzer eines iiberschuldeten Unternehmens einem Vorsitzenden Richter gegeniibersteht, der sein gróEter Konkurrent oder auch sein Hauptgláubiger ist. Beim Handelsgericht werden eine Vielzahl von óffentlichen Registern geführt (u. a. Firmen-, Gesellschaftsvertrags-, JahresabschluE, Protest-, Pfand- und Leasingregister). Die schriftliche Anforderung von Registerauskiinften kann allerdings zeitaufwendig sein. Obgleich der Schriftsteller Honoré de Balzac schon im 19. Jahrhundert gegen die Handelsgerichte zu Felde zog (offenbar aufgrund eigener schlechter Erfahrungen), scheint sich das System bisherigen Reformversuchen erfolgreich zu widersetzen. Abb. E-3/ 2: Ein vernichtendes Urteil iiber Frankreichs Handelsgerichte Parlamentsausschufi kritisiert Korruption / Widerstande gegen eine Reform (e) Eigentumsvorbehalt Nach deutschem Recht kann der Exporteur das Risiko der Nichtzahlung seitens des auslándischen Káufers durch den Eigentumsvorbehalt verringern. Dies bedeutet, daS die gelieferte Ware bis zur vollstándigen Bezahlung Eigentum des Verkáufers bleibt. Im Konkursfall des Káufers hátte der Verkáufer einen Herausgabeanspruch bezüglich seiner Ware. Der Eigentumsvorbehalt steht einem Weiterverkauf, d. h. einem schnellen Warenumschlag, entgegen. Daher gilt er meist in Form des <verlángerten Eigentumsvorbehalts>, bei dem an die Stelle der Riickforderung der Ware die Abtretung der Forderung aus dem Weiterverkauf tritt. Ob dies eine sinnvolle Vertragsklausel ist, hángt davon ab, ob der rechtliche und finanzielle Aufwand der Durchsetzung sich lohnt und vor allem: ob der Eigentumsvorbehalt im Land des Káufers durchzusetzen ist, denn dieses Rechtsinstitut ist teils unbekannt, teils an bestimmte Voraussetzungen gekniipft (Abb. E-3/ 3). So muS der Eigentumsvorbehalt beispielsweise in der Schweiz beim Kantonalgericht registriert werden, das für den Wohnsitz des Káufers zustándig ist. In Mexiko gibt es ein Eigentumsregister, in das ein Eigentumsvorbehalt einzutragen ist. Auch in den USA muí? ein sog. security interest binnen 20 Tagen in ein Register eingetragen werden. Und auch in Danemark ist ein Eigentumsvorbehalt nicht ohne weiteres durchsetzbar: Hierfiir ist eine ausdriickliche und. klare Vereinbarung Voraussetzung; ein Hinweis auf der Rechnung geniigt nicht. <?page no="195"?> E-3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte 173 Abb. E-3/ 3: Eigentumsvorbehalt im Ausland nutzlos Forderungen beim Export effektiver schiitzen In vielen Lándern wird nicht wie nach deutschem Recht zwischen Kaufvertrag (§ 433 BGB) und Eigentumsiibertragung (§ 925 BGB) unterschieden, so daí? dort bei Abschlufi des Kaufvertrages auch das Eigentum iibergeht und ein Eigentumsvorbehalt im Zeitpunkt des Grenziibertritts der Ware gegenstandslos wird. Auch der verlangerte Eigentumsvorbehalt ist nach auslándischem Recht meist nicht durchsetzbar. Für Exportvertráge sollten daher móglichst andere Alternativen der Kaufpreissicherung gewáhlt werden. Der Eigentumsvorbehalt in der deutschen Interpretation kann nicht auf wichtige Partnerlánder wie Frankreich, Grofibritannien oder die USA angewendet werden. Dessenungeachtet sollte auch in diesen Fallen der deutsche Eigentumsvorbehalt Vertragsbestandteil werden; schaden kann es nicht und greift manchmal trotzdem. Private Exportkreditversicherer schreiben oft die vertragliche Vereinbarung des Eigentumvorbehalts vor. Sofern dieser im betreffenden Land nicht durchsetzbar ist, sollte man sich friihzeitig mit dem Versicherer besprechen, da andernfalls im Schadensfall die Deckung verloren gehen kann. PRAXISTIP Háufig ist anstelle eines EV eine Forderungsabsicherung durch Wechsel sinnvoll, da der WechselprozeR meist einen deutlich schnelleren Zugriff auf das Schuldnervermógen zuláíSt ais der Zivil- oder HandelsprozeB; z. B. kann ggf. das Schuldnervermógen bereits vor Ablauf des Verfahrens beschlagnahmt werden (z. B. Mexico). Umgekehrt ist ein Wechsel in Marokko wegen mangelnder Rechtssicherheit wenig wert; Urteile sind über Jahre nicht zu erhalten und dann schwer zu vollstrecken. Insgesamt stellt der Eigentumsvorbehalt in der Rechtsbeziehung zwischen Verkáufer und Káufer rechtlich sehr viel weniger Probleme als der in der Praxis sehr viel wichtigere Konkursfall. Wir kónnen dies hier jedoch nicht vertiefen. (f) Allgemeine Geschaftsbedingungen Die im deutschen Recht giiltigen Bestimmungen beziiglich der Wirksamkeit Allgemeiner Geschaftsbedingungen (AGB) (excemption clauses) unterscheiden sich sehr oft von den im Lande des Gescháftspartners giiltigen Regeln, wo tendenziell formal strengere Grundsátze gelten als in Deutschland. Dies wird in der Praxis háufig nicht geniigend beachtet, allerdings auch erst im Streitfall deutlich. Es ist also wichtig und entscheidend, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Grundsátzlich werden in vielen auslandischen Rechtsordnungen AGB nur dann rechtswirksam, wenn sie offenkundig Vertragsinhalt geworden sind (dies ist insbesondere im E-commerce oft nicht gegeben). Ein Indiz hierfiir ist meist, daS sie vom Káufer bewulSt unterschrieben werden. Eine blofse Übersetzung in die Sprache des Káufers und Beifiigung zum Kaufvertrag (etwa kleingedruckt auf der Rückseite) und das Argument, der Káufer habe nicht ausdriicklich widersprochen, reicht meist nicht aus. Unterschriebene, hand- oder maschinengeschriebene AGB werden dabei leichter anerkannt als (klein)gedruckte. Einheitliche intemationale Regelungen in diesem Bereich gibt es nicht. Das deutsche Recht ist tendenziell grolSziigiger (beziiglich der Anerkennung) als auch andere europáische Rechte. Eine in den AGB enthaltene Klausel beziiglich des ggf. anzuwendenden Rechts <?page no="196"?> 174 E Internationale Kaufvertráge kann daher nur dann wirksam werden, wenn die AGB rechtlich verbindlich vereinbart worden sind. Hier konnen z. B. Probleme entstehen, wenn ein diesbeziigliches kaufmánnisches Bestátigungsschreiben zwar nach deutschem Recht hinreichend ist, nicht aber nach dem Recht des Vertragspartners oder nach dem UN-Kaufrecht (vgl. dazu unten). Die Lieferbedingungen (z. B. Incoterms) záhlen formal zu den AGB. Nicht selten, aber problematisch ist, wenn sich die Klauseln des Kunden und des Lieferanten widersprechen, um durch sog. Abwehrklauseln Regelungen des Gescháftspartners auszuschlieEen. Dann kann es hin- und hergehen, mit ungewissem Ausgang (das Problem des letzten Wortes, wie in der Ehe...) (vgl. auch Abschnitt E-5.3). (g) Garantien Fiir eine Reihe von Risiken werden bei internationalen Kauf- und Liefervertrágen seitens des Importeurs oft Garantien verlangt (in der Regel als Bankgarantien). • Gángig sind u. a. Bietungsgarantien (bid bonds), insbesondere bei Ausschreibungen: Halt sich ein Anbieter, der den Zuschlag erhált, nicht an sein Angebot, verfállt die Garantie (unabhángig von sonstigen Anspriichen). • Bei Ausschreibungen müssen Interessenten háufig eine Bankauskunft vorlegen (Praqualifikation), in der die Bank u. a. auch ihre Bereitschaft zur Übemahme von Bietungsgarantien ausdrückt. Diese Erklárung ist jedoch zunáchst unverbindlich. Aus den diversen Angeboten erstellt der Ausschreiber meist eine Short List mit geeigneten Anbietern. • Durch Anzahlungsgarantien soil gewáhrleistet werden, dafi einem Káufer, der eine Anzahlung geleistet hat, diese zurückgezahlt wird, wenn der Verkáufer nicht leistet (Riickerstattungs- oder Riickzahlungsgarantie); • durch Liefer- und Gewáhrleistungsgarantien soil sichergestellt werden, dafi der Verkáufer dem Káufer vertragsgerechte Ware liefert und ggf. seinen Pflichten im Rahmen von Gewáhrleistungen nachkommt; etc. Derartige Garantien werden in der Regel «auf erstes Anfordern» hin zahlbar gestellt, d. h. ohne materielle Prüfung des Anspruchs. Dies kann zu Problemen fiihren: In manchen Lándern ist es nicht uniiblich, solche Garantien unberechtigterweise «einfach mal so> in Anspruch zu nehmen, ohne dafi sich der Verkáufer dagegen wehren kann (<unfair calling)) (man kann sich aber dagegen versichern; vgl. Abschnitt H-2.3.3). Grundsátzlich sollten Garantien zeitlich befristet werden. Die Internationale Handelskammer (ICC) in Paris hat Einheitliche Ricbtlinien fur auf Anforderung zahlbare Garantien auf internationaler Ebene eingefiihrt, die jedoch in der Praxis keine allzugroSe Beachtung finden. Unbeschadet der MifSbrauchsmoglichkeiten sollte im Kaufvertrag eindeutig geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen und unter Vorlage welcher Nachweise Garantien in Anspruch genommen werden kónnen, weil dies die Hemmschwelle hóher setzt. (h) Gewáhrleistungen Die Gewáhrleistungsbedingungen und -kriterien sollten prázise festgelegt werden. Auslándische Rechtsordnungen enthalten insgesamt sehr unterschiedliche Gewáhrleistungsvorschriften. Meist wird aber wie im deutschen Recht zwischen zugesicherten Eigenschaften (conditions = wichtig, warranties = unwichtig), gesetzlichen Verpflichtungen und vertraglichen Ausschliissen unterschieden. Bei auslándischer Rechtsgrundlage mufi man mit kurzen Riigefristen und umfassenden Gewáhrleistungsausschlüssen rechnen. <?page no="197"?> E-3. Wichtige fórmale Vertragsaspekte 1 7 5 (i) Verzugszinsen Nach dem BGB sind 4 % Verzugszinsen vorgesehen, sofern vertraglich keine anderen Regelungen getroffen sind. Eine hóhere Verzinsung kann aufgrund eines hoher anzusetzenden Verzugsschadens begriindet sein. Nach englischem Recht gibt es keine gesetzlichen Verzugszinsen. Diese müssen ggf. in einer Zinsklausel explizit vereinbart werden. (k) Vertragsstrafen Vertragsstrafen bzw. Konventionalstrafen (Ponale) sollen die Nichteinhaltung von Vertragspunkten sanktionieren, z. B. Überschreiten von Terminen oder Qualitátsabweichungen. Sie sollten nach Eintrittsgrund und Hóhe eindeurig definiert sein. Verzugszinsen sind keine Vertragsstrafe. (m) Schiedsklausel Für den Fall von Auseinandersetzungen mit dem Vertragspartner sollte im Vertrag explizit geregelt sein, wie dies ggf. erfolgen soil (dispute settlement). Grundsatzlich kann dies vor einem staatlichen oder einem privaten Schiedsgericht erfolgen. Um Auseinandersetzungen vor ordentlichen Gerichten zu vermeiden oder bei unklarer oder komplizierter Rechtslage wird oft auf auSergerichtliche Schiedsgerichtsverfahren ausgewichen (Arbitrage, vgl. ausfiihrlich Abschnitt F-4). Um Probleme und Unklarheiten hinsichtlich des Gerichtsstandes und des anzuwendenden Rechts zu vermeiden, sollten daher die Vertragspartner diesen Punkt einvernehmlich und ausdriicklich im Vertrag regeln. Zuvor sollte geklárt werden, ob nicht nationale Vorschriften die private Schiedsgerichtsbarkeit beschránken, wie es bis vor kurzem z. B. in Guatemala der Fall war. In manchen Fallen ist es móglich, auch nachtráglich ein Schiedsgericht zu vereinbaren (via separatem Schiedsvertrag), wenn die Gescháftspartner beide an einer objektiven Konfliktlósung interessiert sind. (n) «Force majeure»-Klausel Unter «force majeure» (hóhere Gewalt) versteht man Ereignisse auSerhalb der Kontrolle der Vertragsparteien, entweder natiirlicher Art (Erdbeben, Uberschwemmungen) oder menschlich verursacht (Krieg, Streiks, Embargos), welche die Vertragspartner daran hindern, ihre Verpflichtungen zu erfiillen. Unter einer entsprechend gestalteten «force majeure»-K\ausel kann z. B. der Exporteur im Falle der Unmóglichkeit der Vertragserfiillung nach Ablauf einer bestimmten Frist Anspriiche gegen den Vertragspartner gelten machen bezüglich Erstattung aller Kosten, die fur (Teil-) Leistungen entstanden sind, die bis zum Eintritt des «force majeure »-Ereignisses angefallen sind. Es ist empfehlenswert, den Begriff der Hóheren Gewalt genau zu spezifizieren, ggf. enumerativ, da es hierfiir keine international verbindlichen Regeln gibt. (p) Salvatorische Klausel In viele Vertráge wird eine «salvatorische Klausel> eingebaut (lat salvare: retten). Danach bleibt der Vertrag in seiner Gesamtheit und den iibrigen Klauseln wirksam, wenn eine einzelne oder mehrere Klauseln aus welchen Griinden auch immer unwirksam wird. Dies <rettet> moglicherweise den Aufwand, der mit der Erstellung des Vertrags verbunden war. (q) Inkrafttreten Das Inkrafttreten des Vertrages sollte von Bedingungen abhángig gemacht werden wie Akkreditiveróffnung, Hermes- oder Finanzierungszusage einer Bank. <?page no="198"?> 1 7 6 E Internationale Kaufvertráge E-4. Anwendbares Recht Welches Recht ist auf einen Streitfall anzuwenden, wenn z. B. ein deutscher Exporteur eine Ware, die in Ósterreich lagert, in der Schweiz an einen brasilianischen Káufer verkauft, der auf ein Konto auf den Bahamas zahlen soil, und die Vertragspartner das anzuwendende Recht nicht vereinbart haben? Wir werden hier nicht die Losung ableiten, sondern nur die Problematik verdeutlichen. E-4.1. Rechtskreise Zu den wichtigsten zu regelnden Aspekten in einem internationalen Kaufvertrag gehórt das anwendbare Recht. Um es vorweg zu nehmen: Sofern dies nicht vertraglich vereinbart wurde, kommt es auf die Umstánde des konkreten Einzelfalls an. Grundsátzlich ist davon auszugehen, dafs das deutsche Recht, das deutschen Exporteuren und Importeuren vertraut ist, in dieser Form nicht im Ausland gilt. Beispielsweise ist wie oben besprochen der in Deutschland gángige Eigentumsvorbehalt in der Regel im Ausland unwirksam. Ob wesentliche Unterschiede bestehen, hángt insbesondere davon ab, wekhem Rechtskreis das betreffende Ausland zuzurechnen ist. Rechtskreise sind historisch gewachsen und von den jeweiligen kulturellen, sozialen und und religiósen Hintergriinden geprágt. Aufgrund der Kolonialisierung, aber auch aufgrund freiwilliger Übernahme von Rechtsmaterie sind auch die meisten nicht-europáischen Lander von sog. kontinental-europaischem Recht (im Englischen: Civil Law) oder von anglo-amerikanischem Recht (engl.: Common Law) mehr oder weniger stark beeinfluSt. Innerhalb des kontinental-europáischen Rechts werden dabei zwei Hauptgruppen unterschieden, die germanischen Rechte, die vom deutschen Recht geprágt sind, und die romanischen Rechte, die auf die Gesetzgebung Napoleons zuriickgehen. Der heutige deutsche Rechtskreis ist vom 1900 in Kraft getretenen BGB geprágt. In vielen Lándern gelten Rechtsordnungen, die dem deutschen jedoch zumindest áhnlich sind: Die ósterreichische und die liechteinsteinische Rechtsordnung weisen viele Gemeinsamkeiten mit der deutschen auf (die schweizerische Rechtsordnung, die in der Tiirkei iibernommen wurde, hingegen weicht vom deutschen System ab). Das griechische Zivilgesetzbuch áhnelt im Aufbau dem deutschen BGB, ebenfalls das chinesische im Hinblick auf die ersten drei Biicher; ursprünglich auch das japanische, das aber spáter stark von anglo-amerikanischen Einfliissen iiberlagert wurde. Der anglo-amerikanische Rechtskreis ist kasuistisch fundiert und basiert nachhaltig auf einer Fall-Rechtssprechung (case law) («Kramer gegen Kramer»). Dies ist fur Kontinentaleuropáer ein erheblicher Unterschied zum eigenen Rechtskreis. Zu diesem Rechtskreis záhlen GroSbritannien, die USA ohne Louisiana, Kanada ohne Quebec, Australien, Neuseeland, Südafrika, Indien, Pakistan, viele Lander West- und Ostafrikas, und in Asien die Philippinen. Die USA <zerfallen> zudem in das Bundesrecht und das Recht aller Einzelstaaten; es gibt also kein einheitliches US-Recht. Wenn Kláger und Beklagte nicht im gleichen Bundesstaat ansássig sind (complete diversity), kann von einem Bundesgericht geklagt werden. Als Beispiel fur einen wichtigen Unterschied im anglo-amerikanischen Recht gegeniiber dem deutschen Recht sei erwáhnt, daS der Anbieter nicht an sein Angebot gebunden ist, solange keine Annahme des Angebots stattgefunden hat (der Anbieter ist allerdings ggf. bei Nichteinhaltung seines Angebots schadenersatzpflichtig). Schweigen auf ein Angebot gilt im <?page no="199"?> E-4. Anwendbares Recht 1 7 7 englischen Recht ais Ablehnungserklárung (ebenso im UNCITRAL-Kaufrecht). Im deutschen Recht wird «Schweigen» als kauimannische Zustimmung gewertet. Was also, wenn also ein koreanischer Kaufer auf ein Schreiben des deutschen Partners nicht antwortet... ? In Abschnitt H-6 wird im Zusammenhang mit dem Produkthaftungsrecht auf einige Besonderheiten des US-amerikanischen Gerichtssystems eingegangen. In GroEbritannien gelten das aus dem Mittelalter entwickelte Common Law (eine Form des Gewohnheitsrechts) und die Equity, ein zum Ausgleich von Harten des Common Law entwickeltes Billigkeitsrecht. Im historischen Zeitablauf kam dann geschriebenes Recht (Statute Law) hinzu, welches insbesondere auch das Handelsrecht beeinfluSt. Zwischen den Landesteilen (England, Wales, Schottland) bestehen dabei teilweise erhebliche Unterschiede. Das englische Recht unterscheidet nicht zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten, ebensowenig wie zwischen zivil- und handelsrechtlichen Vertrágen. Handelsbráuche («Usancen») kónnen Vertragsbestandteil auch dann werden, wenn die Vertragspartner diese gar nicht kennen (vgl. Abschnitt E-6). Allgemein kann man bei britischen Geschaftspartnern von einem weitverbreiteten Sinn fur Fairness ausgehen aber darauf hat man keinen Rechtsanspruch. Also: Vertrauen ist gut, Vorsicht ist besser. Der romanische Rechtskreis beruht auf dem napoleonischen Code Civile und erstreckt sich auf Frankreich, Luxemburg, Belgien, die Niederlande, die meisten der ehemaligen franzósischen Kolonien, die Provinz Quebec in Kanada, den Bundesstaat Louisiana in den USA, Argentinien und Brasilien; auch Spanien und Italien sind mit einigen Einschránkungen hinzuzurechnen. Franzósische Gescháftspartner messen juristischen Fragen meist erst im ProzeSfall richtige Bedeutung zu. Ein deutscher Formal) urist kann da für den franzósischen Geschmack bei Vertragsverhandlungen schon leicht ein wenig zu weit vorpreschen. Von den iibrigen Rechtskreisen sind noch zu erwáhnen der skandinavische und der fernostliche Rechtskreis (insbesondere China, Japan, Korea). Bei Vertrágen mit finnischen Partnern z. B. wird nicht selten finnisches Recht vereinbart (UW 5/ 96: 61). Das finnische Kaufgesetz (kauppalaki) unterscheidet sich im systematischen Aufbau und zahlreichen Einzelaspekten vom deutschen Recht, u. a. bei der Gewáhrleistung für Mangel. Einzelheiten zu nationalen Kaufrechten von auslándischen Partnern sollten vorzugsweise bei bilateralen Handelskammern eingeholt werden, wie im Beispielsfall bei der Deutsch-Finnischen Handelskammer in Helsinki. Zudem gibt es eine Mehrzahl weiterer, aber schwer abgrenzbarer Rechtskreise, die stark religiós geprágt sind, so der islamische, der buddhistische oder der hinduistische Rechtskreis. Für die Ausgestaltung internationaler (Handels-) Rechtsbeziehungen haben diese lokalen oder regionalen Normen jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung. Eine fur den «Wettbewerb» der verschiedenen Rechtsordnungen (Abb. E-4/ 1) interessante Situation ergab sich durch den Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks. Die mittel- und Abb. E - 4 / 1 : Rechtsordnungen Wettbewerb der Rechtsordnungen in Osteuropa Stiftung für Rechtsberatung: Deutschland fállt nicht zurück / Wirtschaft fürchtet Benachteiligungen Unterschiedliches Recht hemmt die Wirtschaft Wettbewerbsrechtler pládieren für Internationale Harmonisierung <?page no="200"?> 1 7 8 E Internationale Kaufvertráge osteuropáische Lander (MOEL) müssen ihre Rechtssysteme neu gestalten. Viele versuchen, diese Aufgabe so zu losen, daE sich dabei ein Hóchstmafi an Vertráglichkeit mit den Rechtsordnungen der westeuropaischen Handelspartner ergibt. Andererseits haben auch amerikanische Berater die Chance erkannt, Rechtsordnungen zu entwickeln, die mit den eigenen so weit wie móglich kompatibel sind. Gegenwártig ist noch davon auszugehen, dafi keines der potentiellen Beitrittslánder zur EU über die Fáhigkeit verfügt, europáisches Recht nicht nur zu übernehmen, sondern auch tatsáchlich anzuwenden. E-4.2. Im Streitfall anzuwendendes Recht Wenn das anzuwendende Recht nicht explizit vertraglich vereinbart wurde, kann das mit dem Problem befaSte zustándige Gericht zwar nach der Sachlage des Falles das anzuwendende Recht nach bestimmten Regeln des internationalen Privatrechts bestimmen, 7 aber dabei kann man Überraschungen erleben, vor denen nur eine explizite Vereinbarung schützt. Die Vertragsparteien sind dabei frei (Parteiautonomie), sofern nicht zwingende Rechtsvorschriften (z. B. beim Immobilienerwerb) dem entgegenstehen. Zum Beispiel bestehen im islamischen Rechtskreis oft grundsátzliche Verbote, auslándisches Recht anzuwenden, ebenfalls in Brasilien. Prinzipiell gibt es vier Móglichkeiten der Rechtsvereinbarung: • das nationale Recht des Verkáufers, • das nationale Recht des Káufers, • ein drittes <neutrales> nationales Recht (z. B. schweizerisches oder ósterreichisches Recht, • und schliefslich internationales Recht (UN-Recht). Rechtswahlvereinbarungen sind nur dann wirksam, wenn sie Vertragsbestandteil geworden sind. Dies kann beispielsweise dann problematisch sein, wenn sich die Rechtswahl aus den Allgemeinen Gescháftsbedingungen ergibt, deren Gültigkeit jedoch in vielen Lándern ganz anders gehandhabt wird ais in Deutschland (vgl. oben Abschnitt E-3). E-5. UNCITRAL-Kaufrecht (UN-Kaufrecht) Das UN-Kaufrecht (synonym: Wiener Kaufrecht oder UNCiTRAL-Kaufrecht oder CISG: United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods: «UN-Übereinkommen zum internationalen Warenkauf») wurde 1980 von der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) in Wien vorgelegt und gilt seit 1991 auch in Deutschland. 8 Im Jahr 2001 war es bereits in 55 Staaten geltendes Recht, vor allem in Europa, aber auch in den USA, in Australien, China und RuEland. Grob geschátzt werden jeweils mehr als zwei Drittel der deutschen Importe und Exporte mit Vertragspartnern ab- 7 In Deutschland hat das «Ge'setz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts» vom 1.9.1986 die bislang geltenden <steinalten> Regelungen im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) aus dem Jahre 1900 novelliert. 8 Vorláufer des UN-Kaufrechts war das <Haager Kaufrechtsübereinkonunen>, das von 1974-1990 gait. Es war faktisch nur begrenzt innerhalb der EG von Bedeutung. <?page no="201"?> E-5. UNCITRALTKaufrecht(UN-Kaufrecht) 179 gewickelt, fur deren Staaten das UN-Kaufrecht gilt. 9 Nach anfánglichem Zogern ist das UN-Kaufrecht für weite Bereiche des internationalen Handels zur Rechtsgrundlage geworden. Es ist praxisorientiert, klar und straff. Die Praxisrelevanz leitet sich vor allem aus der engen Orientierung an Handelsbráuchen ab. Das Abkommen weicht in vieler Hinsicht vom deutschen BGB und HGB ab, da es ais Kompromifi zwischen Vertretern unterschiedlicher Rechtskreise zustandegekommen ist. Dies kann natiirlich in der Praxis zu Auslegungsproblemen führen. Es existieren verbindliche Fassungen in englischer, franzósischer, spanischer, russischer, arabischer und chinesischer Sprache. Die deutsche Version ist nicht amtlich, sondern gilt nur als unverbindliche Ubersetzung und Orientierungshilfe für Rechtsanwender in Deutschland, Ósterreich und der Schweiz. Im Vergleich mit einer Originalversion ergeben sich manche Nuancen. PRAXISTIPS Wenn ein deutscher Exporteur mit seinem Kunden vertraglich die Anwendung deutschen Rechts vereinbart hat, gilt dennoch automatisch UN-Kaufrecht, sofern dieses nicht explizit ausgeschlossen wurde. Das UN-Kaufrecht gilt folglich unabhángig davon, ob seine Anwendung von den Vertragspartnem beabsichtigt oder sein automatisches Inkrafttreten ihnen überhaupt bewuftt ist. Es ist daher keine explizite positive Entscheidung für, sondern eine negative Entscheidung gegen das UN-Recht erforderlich. Aus der Sicht deutscher Beteiligter mur> daher im Zweifelsfall immer mit der Anwendung des UN-Kaufrecht gerechnet werden. Der Ausschluft des UN-Kaufrechts sollte nicht routinemaRig, quasi durch die AGB erfolgen, sondern es sollte im Einzelfall geprüft werden, welche Rechtswahl im konkreten Einzelfall am günstigsten ist. Ein Anwalt, der den Ausschluft ohne eine solche Prüfung empfiehlt, láuft Gefahr, wegen Falschberatung in Regreft genommen zu werden. 10 E-5.1. Anwendungsbereich Das UN-Kaufrecht regelt das Zustandekommen von Kaufvertrágen, einschlieSlich bestimmter Formvorschriften und der Vereinbarung von Allgemeinen Gescháftsbedingungen, sowie ihre Abánderung und Aufhebung. Dabei stehen die Rechte und Pflichten der Vertragspartner (Káufer, Verkáufer) im Mittelpunkt. Im Vergleich mit dem nationalen deutschen Recht bringt das UN-Kaufrecht vor allem fur den Exporteur betráchtliche Veránderungen mit sich. Das Abkommen erstreckt sich auf den Kauf von Waren, so dafi andere Rechtsbereiche wie u. a. Kauf von Immobilien, Wertpapieren, Devisen, Rechten (Lizenzen), Elektrizitat, (groSen) Schiffen oder Flugzeugen ebenso wie Kompensationsgeschafte (aufier counter purchase) (vgl. Abschnitt B-6.1.3), Dienstleistungsvertráge oder Veredelungsgescháfte nach wie vor eine Einigung auf ein nationales Recht erfordern. Software gilt hingegen als Ware im Sinne des UN-Kaufrechts, ebenso 0 1 , Erdgas und andere Energien als Strom. Erkennbar zum nur persónlichen Gebrauch oder zum Gebrauch in Familie oder Haushalt getátigte Káufe unterliegen dem UN-Kaufrecht nicht. Hier gelten die jeweiligen nationalen Verbraucherschutzbestimmungen. 9 Vgl. beispielhaft die ausgezeichnete Einführung von Piltz 1996. 0 Patricia Nacimiento, in: FAZ vom 6.3.01. <?page no="202"?> 1 8 0 E Internationale Kaufvertráge E-5.2. Einschránkungen Zunáchst einmal haben eine Reihe von Staaten Vorbehaltsklauseln hinsichdich der Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts durchgesetzt, d. h. bestimmte Aspekte gelten u. a. nicht in skandinavischen Lándern, den USA, China sowie der Tschechischen und der Slowakischen Republik, insbesondere bezüglich des Vertragsabschlusses. Insgesamt sind diese AusschluEmóglichkeiten aber viel begrenzter als im alten Haager Kaufrecht. Die Anwendbarkeit ist materiell beschrankt auf bewegliche Giiter, allerdings nicht fur den persónlichen (privaten) Gebrauch, sondern nur fiir kommerzielle Zwecke. Weitere Ausschliisse bestehen hinsichdich Káufen auf Versteigerungen, von Wertpapieren und Zahlungsmitteln, von Schiffen und Luftfahrzeugen und von elektrischer Energie. Bei der Haftpflicht sind Personenscháden explizit ausgeklammert, weil die Produkthaftpflicht sich nicht überall gegen den Hersteller richtet wie in der Bundesrepublik - , sondern vertraglich geregelt werden muE, und dies soil nach wie vor nationalem Recht unterliegen. Viele wichtige Aspekte wie der Eigentumserwerb, Aufrechnung, Vertragsstrafen, Verjáhrung, Abtretung von Ansprüchen werden durch das UN-Kaufrecht nicht geregelt. Das Abkommen lafit zudem eine Reihe von Rechtsbegriffen unbestimmt (z. B. eine <angemessene> Frist, die ein Hamburger vielleicht anders sieht ais ein Libanese) und láí? t andere Fragen wie die Wáhrung des Kaufpreises oder die Hóhe der Verzinsung offen. Es existiert kein supranationales oder internationales Gericht, welches die Anwendung des UN-Kaufrechts überprüft. In Zweifelsfragen miissen nationale Gerichte Streitigkeiten bezüglich des UN-Kaufrechts kláren. Dabei soil aber nach dem Wortlaut des UN-Rechts dessen internationaler Charakter berücksichtigt werden. Grundsatzlich ist es ratsam, erkennbaren Unschárfen und Regelungslücken von vornherein durch entsprechende prázisierende Vereinbarungen im Kaufvertrag zu begegnen. Beispielsweise ist ein allgemeiner Passus sinnvoll wie «AuSerhalb des Geltungsbereichs des UN-Kaufrechts soil dieser Vertrag deutschem Recht unterliegen» oder «subsidiar gilt deutsches Recht». E-5.3. Allgemeine Vertragsaspekte Im Gegensatz zu deutschem Recht kann ein Vertragsangebot nach dem UN-Kaufrecht 11 so wie im anglo-amerikanischen Recht bis zur Absendung der Annahmeerklarung widerrufen werden (dies kann jedoch Schadenersatzpflichten nach sich ziehen). Aus der Sicht des Káufers sollte daher auf einer zumindest befristeten eindeutigen Unwiderruflichkeit bestanden werden («... gilt unwiderruflich bis zum...»). Die Annahme des Angebots muí? rechtzeitig erfolgen, denn eine verspátete Annahmeerklarung gilt nicht als Gegenangebot (anders als im BGB); der Vertrag ist dann nicht zustandegekommen. Eine (wesentlich) abweichende Annahmeerklarung hingegen gilt als Gegenofferte, die wiederum der Annahme bedarf. Da das UN-Kaufrecht keine Formvorschriften macht, sollten diese ggf. explizit eingebaut werden, etwa hinsichdich der Notwendigkeit der Bestátigung von Vertragsánderungen in Schriftform. Der Eigentumsubergang vollzieht sich ausschlieSlich nach dem nationalen Recht des Ortes, an dem sich die Ware dann befindet; dies kann auch nicht durch Nebenabsprachen ab- 11 Wie im BGB mufi sich das Angebot an eine bestimmte Person richten und hinsichdich Preis und Menge etc. konkret sein: Ein Warenprospekt ist kein Angebot, sondern genau umgekehrt eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots durch den Kaufer. <?page no="203"?> E-5. UNCITRAL-Kaufrecht (UN-Kaufrecht) 1 8 1 bedungen werden. Ein wirksamer Eigentwnsvorbehalt im Sinne des deutschen Rechts setzt also eine analoge Regelung im Bestimmungsland voraus, was nur selten der Fall ist. Von Bedeutung ist auch, daS Allgemeine Gescháftsbedingungen (AGB) nach dem UN-Kaufrecht nur unter strengeren Bedingungen Giiltigkeit erlangen als z. B. nach deutschem Recht, andererseits nationale Regelungen anderer Lánder deutlich abschwáchen. Die AGB rnussen dem Káufer in jedem Falle im Wortlaut und in einer für ihn verstándlichen Sprache bekannt gemacht werden. Dies bedeutet, dai? sie ihm vorliegen; ein blofier Hinweis reicht nicht aus. Dabei gilt vielfach die bereits erwáhnte «Regel des letzten Wortes»: Wenn der Lieferant ein Angebot unterbreitet, das auf seinen AGB beruht, und der Kunde eine Auftragsbestátigung abgibt, die auf seinen AGB beruht, so würden diese gelten sofern der Lieferant dem nicht widerspricht, und so kann es hin- und hergehen. Dadurch wiirde der Vertrag in Gefahr geraten zu scheitern, weil Angebot und Annahme nicht iibereinstimmen. Dies sollte zwischen den Vertragsparteien frühzeitig geklárt werden. E-5.4. Aspekte für den Importeur Rechtliche Aspekte werden für den Importeur vor allem dann relevant, wenn die Ware nicht vertragsgemal? geliefert wird oder der Lieferant mit der Bezahlung unzufrieden ist. Nation als (deutsches) Recht halt eine Vielzahl von Fallstricken bereit, in denen sich der deutsche Importeur z. B. bei Mdngelriigen gegenüber dem auslándischen Lieferanten verheddern kann (Fristen, Formen, Beweislast, Rechtsmittel etc.). Das UN-Kaufrecht stellt den Importeur bei nicht ordnungsgemáSer Lieferung besser ais das deutsche Recht. Das UN-Kaufrecht unterscheidet keine verschiedenen Arten von Leistungsstórungen (BGB/ HGB: u.a. Verzug, Unmóglichkeit, Sachmángelgewáhrleistung; Haftung fur zugesicherte Eigenschaften, positive Vertragsverletzung). Im Gegensatz zum deutschen Recht sind zudem für die móglichen Rechtsbehelfe bei nicht ordnungsgemáEer Vertragserfullung (Erfullungsanspruch, Vertragsaufhebung, verschuldensunabhángiger Schadenersatz) weder Mahnung noch Nachfrist erforderlich (anders hingegen fur Minderung). Allerdings sind recht kurzfristige - Untersuchungs- und Rügepflichten des Káufers zu beachten. Hingegen sind u. U. auch verspátete Mángelrügen móglich, und die Gewdhrleistungsfristen sind lánger und die Getvdhrleistungspflichten des Verkáufers strenger als nach deutschem Recht. Insbesondere ist eine verschuldungsunabhángige Garantiehaftung (Schadenersatzpflicht) des Verkáufers herauszustellen, von der sich dieser nur sehr schwer befreien kann. Wenn der Gefahrenübergang nicht ausdrücklich geregelt wurde z. B. wenn keine INCO- TERM-Klausel vereinbart wurde -, geht die Gefahr nach UN-Kaufrecht i.d.R. bei Übergabe der Ware an den ersten Frachtfuhrer über (sog. Befórderungsverkauf); bei bereits <schwimmender> oder <rollender> Ware geschieht dies im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Rechtliche Vorteile für den Importeur sind natürlich analoge Nachteile für den Exporteur und umgekehrt. E-5.5. Aspekte für den Exporteur Für den Exporteur besteht vor allem das Abnahme- und das Zahlungsrisiko bezüglich des auslándischen Káufers. Auch hier ist das UN-Recht in einigen Aspekten für den Exporteur günstiger als das deutsche Recht: <?page no="204"?> 1 8 2 E Internationale Kaufvertrage Im Gegensatz zu deutschem Recht ist Erfiillungsort nicht der Sitz des Káufers, sondern des Verkáufers, auch bezüglich der Leistung des Kaufpreises, sofern nichts anderes vereinbart wurde. Dies gilt mit einigen Einschránkungen auch im Falle des vertraglich nicht geregelten Gerichtsstandes. Im europáischen Kontext mit Lieferungen gegen offene Rechnung ist dies besonders relevant. Für den Exporteur ist diese generelle Regelung auSerhalb Europas natiirlich nur dann von Vorteil, wenn ein deutsches Urteil ggf. auch im Land des Káufers durchsetzbar ist. Bei Zahlungsverzug mul? der sáumige Káufer Zinsen zahlen, unabhángig davon, ob er den Verzug zu vertreten hat oder nicht, und ohne dai? dafiir eine Mahnung oder Fristsetzung erforderlich ist. Die Zinshóhe ist allerdings nicht konkretisiert. Der Káufer mul? zudem ggf. verschuldensunabhángig Schadensersatz leisten für Scháden, die dem Verkaufer entstehen. Insbesondere ist er verpflichtet, (rechtzeitig) alies zu unternehmen, damit der Kaufpreis zum Fálligkeitszeitpunkt ordnungsgemál? gezahlt wird. Im Falle von Konvertierungs- oder Transferproblemen (KT-Risiken; vgl. Abschnitt H-2.1) kann der Verkaufer die eigene Leistung zurückhalten oder den Vertrag auch losen, ohne eine Vertragsverletzung zu begehen. Es ist ratsam, den Fálligkeitszeitpunkt und den Erfiillungsort fur die Zahlung prázise zu bestimmen, sofern sich dies nicht z. B. aus einer vereinbarten dokumentáren Zahlungsbedingung ergibt. Bei nicht ordnungsgemáí? er Lieferung hat der Verkaufer nach UN-Kaufrecht das sog. Recht der zweiten Andienung, d.h. er kann nachbessem, ohne dal? dies seinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises einschránkt. Allerdings muí? er entstandene Scháden ersetzen. Der Káufer mul? zur Geltungmachung von Anspriichen und fur Riigen bestimmte Fristen beachten, die teilweise kürzer sein kónnen ais nach deutschem Recht. Auch ein Riicktritt des Káufers vom Vertrag ist nach UN-Recht schwieriger: Der Verkaufer wird u. U. lieber einen Schadenersatz leisten, als eine nicht ordnungsgemáSe Warenlieferung rückgángig zu machen, was für ihn mit erheblichen Kosten und Problemen verbunden sein kann. Umgekehrt kann der Verkaufer bei wesentlicher Vertragsverletzung des Káufers vom Vertrag zuriicktreten (z. B. um sich von zukiinftigen Lieferverpflichtungen zu befreien) und/ oder vom Káufer Schadenersatz verlangen, z. B. bei nicht ordnungsgemáfier Zahlung. Sofern kein Lieferort also z. B. keine INCOTERM-Klausel vereinbart wurde, geht das UN-Kaufrecht vom sog. Befórderungskauf vor. Danach muí? der Verkaufer die entsprechenden Befórderungsvertráge abschlieí? en, dies aber auf Kosten des Káufers. Die Beauftragung eines Spediteurs (in Abgrenzung zum Frachtfiihrer) ist daher im Gegensatz zur deutschen Praxis nicht ausreichend. E-6. Internationale Handelsbráuche Bestimmte Handelsbráuche haben sich im internationalen und nationalen Handel seit altersher entwickelt. Sie haben zwar keine unmittelbare Rechtskraft, sie werden jedoch oft wie quasi-gesetzliche Regelungen beachtet, etwa im Status von Gewohnheitsrecht, allerdings nur im Zusammenhang mit einer bestimmten Situation. Beispielsweise gilt nach deutschem (Handelsgewohnheits-)Recht unter Kaufleuten das Schweigen als Zustimmung. Im deutschen Handelsgesetzbuch (HGB) besagt § 346, daf? unter Kaufleuten auf die im Handels- <?page no="205"?> E-6. Internationale Handelsbráuche 183 verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebrauche Riicksicht zu nehmen ist. Auch das o.a. UNCITRAL-Kaufrecht bestátigt den quasi-formalen Status von Handelsbráuchen, ebenso wie das Europaische Gerichtsstand- und Vollstreckungsabkommen (vgl. D-1.5.2). Die Unkenntnis einer Partei bezüglich eines Handelsbrauchs beeintráchtigt dabei grundsátzlich nicht seine Giiltigkeit und Anwendbarkeit; in der Rechtsliteratur werden allerdings auch gegenteilige Auffassungen vertreten. Wahrend formales (zwingendes) Recht den Vorrang vor Handelsbráuchen hat, kónnen diese vertraglich vereinbartes (nachgiebiges) Recht <brechen>. Dessenungeachtet haben Handelsbráuche keinen formalen Rechtsstatus, kónnen also u. a. kein Revisionsgrund sein. In Streitfállen ist es aber oft schwierig, Handelsbráuche hinreichend exakt zu definieren, so daft man dabei leicht in eine rechtliche Grauzone gerát. Einige Handelsbráuche sind lediglich faktisch, beruhen auf der Überlieferung und haben háufig nur lokale Bedeutung, andere Usancen sind im Zeitablauf formalisiert und festgeschrieben (kodifiziert) worden, haben damit eine gróEere internationale Bedeutung und kónnen problemlos in vertragliche Übereinkiinfte einbezogen werden. Hierzu záhlen die Incoterms, die Hamburger Regeln, die Institute-Cargo-Klauseln und die Abwicklung von Akkreditiven (ERA), Inkassi (ERI) und Garanden (vgl. Abschnitte G-3.4 und G-3.3.3). Juristen streiten allerdings darüber, welchen rechtlichen Status die ERI und ERA haben. Die Mehrzahl ordnet sie den Allgemeinen Gescháftsbedingungen zu, mit Ausnahme der Teile, die Handelsbráuche wiedergeben. Dieser akademisch anmutende Dissenz kann im Streitfall Auswirkungen auf das anwendbare Recht haben. Es ist empfehlenswert, sich bei internationalen Kauf- und Liefervertrágen auf die INCO- TERMS, d. h. die International Commercial Terms zu stützen, die von der Internationalen Handelskammer (ICC, International Chamber of Commerce) erarbeitet werden. Sie regeln klar und systematisch den Kosten- und Gefahrenübergang und die damit verbundenen Rechte und Pflichten von Káufer und Verkáufer (vgl. ausführlicher Abschnitt G-2). Im Bereich von industriellen Maschinen, Anlagen und langlebigen Konsumgiitern gibt es dariiberhinaus mit den ECE-Lieferbedingungen (ECE = Economic Commission for Europe = UN-Wirtschaftskommission fiir Europa) spezielle Regelungsvorschláge (Mustervertráge) fur Allgemeine Lieferbedingungen. Im angelsáchsischen Bereich gibt es aber sog. Formularvertráge, die als Vorbereitung fur den VertragsabschluSrecht gebráuchlich sind. Zu den Rechtsvereinheitlichungen, welche die internationale Vertragsgestaltung eindeutig(er) machen und damit erleichtern, sind auch die Einheitlichen Richtlinien fur Dokumentengescháfte (Dokumenteninkassi und Akkreditive) zu záhlen. Hierauf wird im Abschnitt G-3.4 vertiefend eingegangen. Auch die ICC-Schiedsgerichtsordnung záhlt zu diesen transnational formalisierten Handelsbráuchen. Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen bezüglich solcher Handelsbráuche werden oft (internationale) Handelskammem urn ein Gutachten gebeten. Die UNCITRAL beschaftigt sich mit Arbeiten zu einem Model Law on Electronic Commerce sowie mit Arbeiten zur Praxis des internationalen Warentransportrechts, u. a. bezüglich Warenkontrolle und Warenbeschreibung in den Transportdokumenten, bei denen international erhebliche Unterschiede bestehen. <?page no="206"?> 1 8 4 E Internationale Kaufvertráge E-7. Exkurs: Unternehmensformen im Ausland Fur den Exporteur oder Importeur ist es wichtig, seinen Vertragspartner einschátzen zu kónnen. Einer von vielen Aspekten ist die Rechtsform des Partnerunternehmens. Auf die international gángigen Unternehmensformen und ihre Besonderheiten kann natiirlich im Rahmen dieses Buchs nicht im Detail eingegangen werden. Wir beschranken uns hier auf einen Uberblick iiber die verschiedenen Bezeichnungen, um eine Einordnung eines Gescháftspartners zu erleichtern. Die Abb. E-7/ 1 bis E-7/ 4 fassen sie zusammen. Die vereinfachte franzosische Aktiengesellschaft ist auch als Rechtsform fur deutsche Toch- Abb. E - 7 / 1 : Aktiengesellschaft Staat B DK D FIN F GR CB IRL I L NL A P EU S E Name Société Anonyme (S.A.)/ Naamloze Vennootschap (NV) Aktieselskab (A/ S) Aktiengesellschaft (AG) Osakeyhtió (Oy) Société Anonyme (S.A.) Société par Action Simplifiée - SAS Société en Commandite par Action (SCA) Anonymos Etaeria (A.E.) Public Company Limited by Shares Public Limited Company Unlimited Company Societá per Azioni (S.A.P.A.) Societá Accomadita per Azioni (S.A.P.A.) Société Anonyme (S.A.) Naamloze Vennootschap (NV) Aktiengesellschaft (AG) Sociedad Anónima (S.A.) ab 2004: Societas Europeae Aktiebolag (AB) Sociedad Anónima (S.A.) Mitgl. 2 3 1 1 7 2 2 7 1 2 1 1 5 1 3 Mindestkapital (in Euro) 62.000 EUR 67.250 EUR 51.100 EUR 2.500 EUR 37.000 EUR 6.200 EUR 31.000 EUR 72.500 EUR 38.000 EUR 103.000 EUR 31.000 EUR 45.000 EUR 72.000 EUR 25.000 EUR 120.000 EUR 56.000 EUR 11.250 EUR 60.000 EUR Mindesteinlage/ Bemerkung 25% Mindesteinlage/ mind. 61.973,38 EUR 25% Mindesteinlage Mindesteinlage 100% des Minimalkapitals (Mischform AG/ GmbH) ... bei Bórsennotierung ... ohne Bórsennotierung KGaA mind. 31.000 EUR Mindesteinlage 25% Mindesteinlage 25% Mindesteinlage KGaA 30% Mindesteinlage KGaA, selten 25% Mindesteinlage 25% Mindesteinlage 25% Mindesteinlage 30% Mindesteinlage bei Borsennotierung/ 100% Mindesteinlage ohne Borsennotierung/ 100% Mindesteinlage 25% Mindesteinlage SE die Europáische Aktiengesellschaft Eine Option fur grenziiberschreitend tatige Unternehmen „Deutsche Unternehmen sind im Nachteil" Die Wirtschaft áuBert heftige Kritik art der geplanten Europa AG <?page no="207"?> E-7. Exkurs: Unternehmensformen im Ausland 185 terunternehmen interessant. Das Grundkapital von 250.000 FRF (rd. 6.200 Euro) braucht zunáchst nur zur Hálfte eingezahlt zu werden. Die Muttergesellschaft kann 100% der Anteile halten und die SAS durch Aufnahme weiterer Aktionáre in ein Joint Venture umwandeln. Die Übertragung der Aktien ist einfacher (kostengiinstiger) ais bei der S.A.R.L., der «franzósischen GmbH». Die Europa-AG (Société Européenne - S.E.) kónnte international operierende Unternehmen von Begrenzungen durch unterschiedliche nationale Rechte befreien. Die EU-Staaten haben bis 2004 Zeit, die Ende 2000 vom Ministerrat beschlossene «Societas Europeae» (lateinisch) in nationales Recht umzusetzen. Noch sind viele steuerrechtliche Fragen offen. Grofébritannien, Spanien und andere Lánder befürchten einen verstárkten Einfluí? unternehmerischer Mitbestimmung deutscher Prágung, quasi «ein K.O.-Schlag fur Kooperationen». Deutschland und andere Lánder befürchten im Gegenteil die Flucht grofser Unternehmen vor der starken deutschen Mitbestimmung in die schwáchere Form der Mitbestimmung des Gemeinschaftsrechts. 12 Die S.E. unterliegt aus deutscher Sicht auch einem weniger strengen und damit flexibleren Aktienrecht. Die Unternehmensform der Europdischen Wirtschaftlichen lnteressenvereinigung (EWTV) kann seit 1989 gegriindet werden. Sie ist eine Handelsgesellschaft im Sinne des deutschen HGB, aber keine juristische Person (im Gegensatz zu Frankreich)und auch keine unabhángige Gesellschaftsform. Sie unterliegt dem jeweiligen nationalen Steuerrecht. Mit der EWTV kónnen Unternehmen bestimmte nicht-gewinnorientierte Funktionen gemeinsam ausiiben. Abb. E-7/ 2: Gesellschaft mit beschránkter Haftung Staat B DK D FIN F GR GB IRL 1 L NL A Name Société á responsabilité limitée (SPRL) Besloten Vennootschap met beperte aansprakelijkhid (BVBL) Anpartsselskab (ApS) GmbH Osakeyhtió (Oy) SARL Entreprise unipersonnelle á responsabilité (EURL) Eteria Periorismenis (EPE) Privat Limited Company (Ltd.) Public Limited Company (pic) Privat Limited Company Societá a resonsabilitá limita (S.r.l.) SARL Besloten Vennootschap met beperte ansprakelijkheid (BVBL) GmbH Mitgl. 1 1 1 2 bis 50 (1)2 1 2 bis 50 1 2 1 1 Mindestkapital 750.000 BEF 200.000 DKK 25.000 Euro 50.000 FRF 3 Mió. GRD - - 20 Mió. ITL 500.000 LUF 40.000 NLG 500.000 ATS Mindesteinlage/ Bemerkung 20% Mindesteinlage, mind. 250.000 BEF mind. 500 DEM je Gesellschafter Mischform AG/ GmbH 100 % Mindesteinlage, max. 50 Gesellschafter Einmann-GmbH - - 100% Mindesteinlage 25% Mindesteinlage 25% Mindesteinlage 50% Mindesteinlage n Bernstorff, Cbristopb Graf von, Risiko-Management im Auslandsgescháft, 2. Aufl. Frankfurt/ M. 1995, S. 155. <?page no="208"?> 186 E Internationale Kaufvertráge Abb. E-7/ 3: Offene Handelsgesellschaft Staat B DK D FIN F GR CB IRL I L NL A P S E EU Name Société en nom collectif/ Vennootschap onder firma Interessentskab (l/ S) Offene Handelsgesellschaft (OHC) Avoin yhtio (Ay) Société en Nom Collectif (SNC) Omorrythmi Eteria (OE) Eterorrythmi Eteria - EE General Partnership General Partnership Societá in nome collettivo (S.n.c.) Société en nom collectif Vennootschap onder firma (VOF) Offene Handelsgesellschaft (OHG) Sociedad en nome colectivio Handelsbolag (HB) Compañía Colectia (Cia.) Europaische wirtschaftliche Vereinigung (EWIV) Bemerkung/ Gesellschafter selten mind. 2 mind. 2 Mischform OHG/ KG; mind. 2 max. 20 max. 20 selten sehr selten neu Sie ist branchenunabhangig und bietet sich z. B. an fur ein gemeinsames Forschungs- und Entwicklungsvorhaben oder fur gemeinsamen Einkauf, Vertrieb, Rechnungswesen, etc. Ein Mindestkapital ist nicht erforderlich, daher harten alie Mitglieder gesamtschuldnerisch und unbegrenzt. Die EWTV ist in der Bundesrepublik dem OHG-Recht unterstellt, kann also ins Handelsregister eingetragen werden, allerdings mit einer Gescháftsführung wie bei der GmbH. Inhaltlich áhnelt die EWTV der ARGE als begrenzte Arbeitsgemeinschaft. Die Partner behalten aufierhalb der Zusammenarbeit ihre voile juristische und wirtschaftliche Selbstándigkeit. Die EWTV ist vorrangig eine Unternehmensform fur kleine und mittlere Unternehmen: Eine Verflechtung mit anderen EWIV ist nicht móglich, sie darf nicht rnehr als 500 Mitarbeiter bescháftigen, und sie darf keine Anteile eines der Mitgliedsunternehmen halten. Ergánzend, aber unvollstándig, sei verwiesen auf die Gesellschaft biirgerlichen Rechts (GbR): in Frankreich Société Civile (SC), die Genossenschaft: Société Cooperative (B, F). Niederlassungen auslándischer Unternehmen werden bezeichnet als Succursale (B, F, L), Filiaal (B, NL), Filial (DK), Sivuliike (SF), Place of Business of a foreign Company (Gescháftssitz) (GB), Branch (Niederlassung) (GB). <?page no="209"?> E-7. Exkurs: Unternehmensformen im Ausland 187 Abb. E-7/ 4: Kommanditgesellschaft Staat B DK D FIN F GR GB IRL I L NL A P S SF Name Société en commandite simple/ Commanditaire Vennootschap Kommanditseldkab (K/ S) Kommanditgesellschaft (KG) Kommandiittiyhtio Société en Commandite Simple (SCS) Eterorrythmi Eteria (EE) Unlimited Company Limited Partnership Limited Partnership Societá in accomandita semplice (S.a.s.) Société en commandite simple (SCS) Commanditaire Vennootschap (CV) Kommanditgesellschaft (KG) Sociedade em comandita Kommanditbolag (KB) Kommandiittiyhtio Bemerkung sehr selten mind. 2 mind. 2 sehr selten Kapitalgesellschaft selten sehr selten mind. 2 sehr selten <?page no="210"?> Rechtsverfolgung im Ausland Probleme mit dem Gescháftspartner beziehen sich meist auf Vertragsverletzungen. Beim Verkaufer sind dies typischerweise Lieferverzug und mangelhafte Lieferung, beim Káufer Annahmeverzug und Zahlungsverzug. Mangel der Lieferung konnen sein Sacbmangel (Falschlieferung, d. h. einwandfrie, aber nicht bestellte Ware, Qualitátsfehler, d. h. Mangel der Beschafienheit, oder Quantitátsfehler, d. h. Mehr- oder Mindermenge) oder Rechtsmdngel (z. B. fehlendes Eigentum an der Ware seitens des Verkáufers). Mángel kónnen offen sein (und erfordem Riige bei der Eingangskontrolle), versteckt (und erfordern Ruge bei Entdecken innerhalb der Gewáhrleistung) oder arglistig verschwiegen (und erfordern Riige bei Entdecken). Rechtsfolgen sind iiblicherweise Wandlung (Riicktritt vom Vertrag), Minderung (PreisnachlaS), Nachhesserung, Neulieferung oder Schadenersatz. Ob man solche Anspriiche gegeniiber einem auslandischen Partner durchsetzen kann, hángt sowohl von der <Machtverteilung> als auch von den rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Grundsatzlich ist es empfehlenswert, sich rechtzeitig vor einem VertragsabschluE so umfassend wie móglich iiber die rechtlichen Besonderheiten für den Fall eines Streits zu informieren. Dies gilt unabhangig davon, ob man sich vor einem auslandischen Gericht streiten oder versuchen miiEte, ein deutsches Urteil im Ausland durchzusetzen. In beiden Fallen wird man sich mit der auslandischen Rcchtsordnung auseinandersetzen miissen. Oft kónnen spezielle Publikationen z. B. bilateraler (deutsch-auslándischer) Handelskammern eine erste Orientierung geben. Fur spezifische Aspekte sollte man aber auf eine spezialisierte Beratung zuriickgreifen. Hinsichtlich der Streitintensitát kann man unterscheiden einen giitlichen Einigungsversuch, Schlichtungen oder gerichtliche Klárung, wobei letztere durch ein privates Schiedsgericht oder ein ordentliches staatliches Gericht erfolgen kann. PRAXISTIP Die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen im Ausland ist aus deutscher Sicht auBerhalb des Europáischen Wirtschaftsraums aufwendig und mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden sowohl in finanzieller, zeitlicher als auch nervlicher Hinsicht. Sie sollten nur ein allerletztes Mittel sein. Mit Blick auf Zahlungsprobleme ist es zweckmaGiger, start für den Notfall rechtliche Schritte einzukalkulieren, von vornherein auf andere Formen der Kaufpreisabsicherung zu setzen (z. B. Akkreditiv, Hermes-Versicherung, inlandische Bankgarantien, Treuhandkonten). F-1. Gütliche Einigung Vertragliche Absprachen werden nicht unbedingt von jedem auslandischen Gescháftspartner als <Gesetz> angesehen; dies ist auch kulturabhángig (vgl. Abschnitt C-3). Streitigkeiten mit dem auslandischen Vertragspartner belasten die Gescháftsbeziehungen und zer- <?page no="211"?> F-2. Vergleichsverfahren (Schlichtung) 189 stóren die Vertrauensbasis und die Harmonie. Daher ist entsprechendes Augenmai? angebracht, bevor man z. B. zu formalrechtlich korrekten und nach deutschem Rechtsverstándnis auch angemessenen Rugen oder Mahnungen greift. Grundsátzlich sollte bei Problemen mit einem auslandischen Partner zunáchst versucht werden, eine giitliche Einigung durch Schriftwechsel, Telefónate oder ggf. auch einen persónlichen Besuch zu erreichen. Móglicherweise befindet man sich auch in einer Situation, in der man auf den Partner Druck ausiiben kann, weil eine gewissen Abhángigkeit besteht bei Lieferanten insbesondere im Hinblick auf Folgeauftráge, bei Kunden, weil er nicht auf alternative Bezugsquellen ausweichen kann. Nicht selten verhilft dem Partner schon die Aussicht auf negative Publizitát zur Einsicht. Ein weiterer Anreiz fur eine giitliche Einigung ist die Fiille von rechtlichen Problemen, die iiblicherweise mit einer juristischen Auseinandersetzung verbunden sind. Im nationalen Umfeld kann man sich auf ein etabliertes und vertrautes Rechtssystem stützen. Im internationalen Bereich handelt es sich aber meist um Partner aus anderen Rechtssystemen, als es der deutsche Kaufmann gewóhnt ist. Neben formalen Unterschieden ist vor allem an die Rechtsunsicherheit zu denken, mit der man in vielen Lándern rechnen muE (Abb. F-l/ 1). Diese beruht auf der fremden Rechtsordnung, deren Gesetze oft nicht in der eigenen Sprache zugánglich sind, auf einem anders strukturierten Gerichtssystem, auf ungewohnten Praktiken bei Rechtsberatung und Rechtsbeistand und auf der ungewissen Vollstreckbarkeit von Anspriichen, die gegeniiber dem auslandischen Vertragspartner (oder besser: -gegner) erwirkt wurden. Abb. F-1/ 1: Rechts(un)sicherheit In Lateinamerika zu viel Rechtsunsicherheit IADB: Die offentliche Verwaltung ist beklagenswert / Der Kuf nach Reformen Richter müssen sich im europáischen Recht kundig machen Ungewohnt ist oft auch die Handhabung rechtlicher Normen, die auf dem Papier oft als hervorragende Regelwerke erscheinen. Neben den nicht selten sehenswerten administrativen Abláufen, deren Verzwicktheit und Zeitaufwand deutsche Biirokratien oft stromlinienfórmig erscheinen láEt (ein Unternehmer verglich dies treffend als «fluidity of very thick honey» - Fliissigkeit sehr dicken Honigs). Hinzu kommen insbesondere gewohnungsbediirftige Korruptionspraktiken und Verternwirtschaft, hinter denen mancher Beklagte unbehelligt Schutz finden kann. Allgemein kann man sagen, daS der Gang zum Gericht immer nur ein letztes Mittel sein sollte, das vor allem unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten kritisch zu sehen ist. Der Kostenaufwand ist meist hoch, der Verfahrensablauf nicht immer iiberschaubar und nicht selten mit unangenehmen Überraschungen verbunden. F-2. Vergleichsverfahren (Schlichtung) Sofern eine informelle giitliche Einigung nicht móglich ist, zwischen den Vertragspartnern kein Schiedsgerichtsverfahren (vgl. unten Abschnitt F-4) vereinbart wurde und auf eine Klage vor einem ordentlichen Gericht (zunáchst) verzichtet werden soil, bietet sich der Ver- <?page no="212"?> 1 9 0 F Rechtsverfolgung ¡m Ausland such einer formellen giitlichen Regelung an: Die Parteien kónnen sich darauf einigen, an einem Schlichtungsverfahren (Mediation) teilzunehmen, um zu versuchen, einen Vergleich zu erreichen (Abb. F-2/ 1). Allerdings ist darauf zu achten, daS durch den damit verbundenen Zeitaufwand keine Probleme im Hinblick auf Verjáhrungsfristen entstehen. Dies kann durch eine Scblichtungsklausel bereits vertraglich vereinbart werden, andernfalls muS nachtráglich eine Scblicbtungsvereinbarung geschlossen werden. Abb. F-2/ 1: 1 Schlichten statt Prozessieren Im Streirfall ofter die gütliche Einigung bedenken Mit dem Schlichter Konflikte schneller und kostengünstiger losen Ein Vergleich bedeutet einen Vertrag zwischen zwei urspriinglich streitenden Parteien, dessen Inhalte im Wege des gegenseitigen Nacbgebens ermittelt werden. Dies setzt also den beiderseitigen guten Willen zur Einigung voraus. Sofern vertraglich nichts anderes bestimmt worden ist, nehmen die Parteien an der Schlichtung freiwillig teil. Dabei kónnen sie sich gemeinsam auf ein Schlichtungsverfahren und den oder die Schlichter einigen oder aber auf vorstrukturierte Schlichtungsordnungen zuriickgreifen, wie sie von vielen Institutionen wie z. B. der erwahnten Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris, nationalen Industrie- und Handelskammern oder Verbánden und in Deutschland auch bei verschiedenen Amtsgerichten angeboten werden. In einer Schlichtung miissen die Parteien sich nicht auf nur juristisch relevante Aspekte beschránken, sondern kónnen auch andere Begleitumstánde des Falles einbringen. Die Parteien entscheiden, was und woriiber verhandelt wird; sie bestimmen den Verhandlungsinhalt, die Schlichter den Ablauf. Schlichtungen kónnen ohne grofien Verfahrensaufwand und zeitlich sehr ziigig erfolgen. Im Gegensatz zum Schiedsgericht ist der Spruch des Schlichters lediglich ein Vorschlag, dem die Parteien zustimmen kónnen oder auch nicht. Im letzteren Fall ist die Schlichtung gescheitert, und es kommt kein Vergleich zustande. Vielfach wird auch verabredet, dafi im Falle des Scheiterns der Schlichtung ein Schiedsgericht angerufen wird, dessen Spruch dann fur beide Seiten verbindlich ist. Diese Abfolge ist jedoch nicht zwingend, d. h. ein gescheiterter Vergleich geht nicht zwangsláufig in ein Schiedsgerichtsverfahren iiber, und ebensowenig setzt ein Schiedsgerichtsverfahren zunáchst einen Schlichtungsversuch voraus. Bei kleineren Streitwerten wird man einen Einzelschlichter vereinbaren, bei grofseren Problemen sind auch Beisitzer iiblich. Die Schlichter erhalten i.d.R. ein Zeithonorar von 100-250 EUR pro Stunde; manchmal werden auch Pauschalen in Abhángigkeit vom Streitwert vereinbart. Die EG-Kommission arbeitet gegenwártig an der Konzeption eines europáischen Netzes von Clearingstellen, um auSergerichtliche Einigungen bei Auseinandersetzungen zwischen Verbrauchern und Herstellern zu fórdern. Verbraucher kónnen sich an die Clearingstelle wenden, die dabei behilflich sein wird, eine geeignete Schlichtungsstelle zu vermitteln. I <?page no="213"?> F-3. Gerichtliche Auseinandersetzung 191 F-3. Gerichtliche Auseinandersetzung Wenn alie gütlichen Einigungsbemühungen erfolglos waren und man nicht auf seinen Anspruch verzichten will das ist oft immer noch die zweitbeste Alternative -, bleibt keine Alternative zur gerichtlichen Klárung. Sofern der Gerichtsstand in Deutschland liegt, bewegt man sich auf heimatlichem Terrain. Wenn nicht, wird in der Regel die Einschaltung von Rechtsanwálten ratsam sein, die mit den auslándischen Gegebenheiten vertraut sind. Dabei kónnen sich aber wie bereits oben angesprochen wichtige Abweichungen von den deutschen Gebráuchen ergeben. F-3.1. Der <Partner> klagt: Durchsetzung auslándischer Rechtstitel in Deutschland Man sollte es nicht auf die leichte Schulter nehmen, wenn man im Ausland verklagt und verurteilt wird, selbst wenn man selbst keine Vermogenswerte im betreffenden Land hat (Forderungen, Warenlager, Immobilien), auf die ein Prozefigegner zugreifen kónnte. Zum einen hángt ein solches Urteil sehr lange wie ein Damoklesschwert iiber etwaigen anderen Gescháftsbeziehungen. Zum anderen kónnen auch auslándische Rechtstitel in Deutschland - oder auch in einem Drittstaat, in dem man Vermogen halt durchgesetzt werden. Grundsátzlich setzt dies ein Gegenseitigkeitsabkommen voraus. Mit einer Reihe von Lándern hat die Bundesrepublik Abkommen iiber die Anerkennung und Vollstreckung von Zivilurteilen geschlossen. Auch wenn kein Abkommen vorliegt, ist in den meisten Fallen eine Anerkennung bzw. Vollstreckung von auslándischen Gerichtsentscheiden móglich. Also Vorsicht. Die Anerkennung eines auslándischen Gerichtsentscheides erfordert in der Bundesrepublik keine besonders aufwendigen Verfahrensschritte. Fiir die Durchsetzung ist erforderlich, daf? nach deutschem Rechts das auslándische Gericht auch zustándig war, daS keine Formfehler vorliegen (z. B. bezüglich der Anhórung des Beklagten) und daS das auslándische Urteil mit den Grundsátzen deutschen Rechts vereinbar ist. Fiir die Vollstreckung ist beim zustándigen auslándischen Gericht ein Antrag auf Erteilung einer Vollstreckbarkeitserklarung (Exequatur) einzureichen, iiber den ohne Anhórung des Schuldners entschieden wird. Allerdings kann dieser dagegen Rechtsbehelfe einlegen, welche die Vollstreckung zumindest nachhaltig verzógern kónnen. F-3.2. Durchsetzung eigener Ansprüche im Ausiand Wie in Abschnitt E-3 ausgefiihrt, kann der Gerichtsstand frei vereinbart werden. Das ProzeSrisiko ist bei einem auslándischen Gerichtsstand ungleich gróEer ais wenn ein Prozefi in Deutschland durchgeführt wird. Gerichtsstand in Deutschland Sofern ein deutsches Unternehmen gegenüber einem auslándischen Gescháftspartner (nun Gegner) eine Forderung durchsetzen will (z. B. einen Zahlungsanspruch), kann fur die Erlangung eines Vollstreckungstitels unter der Voraussetzung eines deutschen Gerichtsstands entweder das gerichtliche Mahnverfahren oder das Klageverfahren gewáhlt werden. Das Mahnverfahren ist im Vergleich zum Klageverfahren kostengiinstiger und in der Regel <?page no="214"?> 192 F Rechtsverfolgung im Ausland schneller. Beim gerichtlichen Klageverfahren wird im Gegensatz zum Mahnverfahren nicht nur die formelle, sondern auch die sachliche Begriindung des Gláubigeranspruchs gepriift. Grundsátzlich ist die Wirksamkeit eines Gerichtsentscheides auf den Staat begrenzt, in dem das Gericht seinen Sitz hat, sofern nicht entsprechende Abkommen iiber die (gegenseitige) Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen vorliegen. Andernfalls richtet sich die Anerkennung bzw. Vollstreckung deutscher Gerichtsentscheide nach dem (autonomen) nationalen Zivilprozefsrecht des betreffenden Landes. Einige Lander erkennen einen auslándischen (deutschen) Gerichtsstand nicht oder nur eingeschrankt an. Dann kann der Fall eintreten, dal? zwar ein deutsches Urteil erlangt wurde, dies jedoch nach dem Rechts des Landes des Vertragspartners nicht respektiert wird (vgl. oben Abschnitt E-3). In der EG und der EFTA gilt das <Übereinkommen iiber die gerichtliche Zustándigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen>, kürzer: das Europáische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (GVÜ). (Der Geltungsbereich wird sich mit der Osterweiterung der EG vergróSern.) Die Unterzeichnerstaaten sind volkerrechtlich zur Anerkennung auslándischer Vollstreckungstitel verpflichtet. Mit einer grofien Zahl von (auch Nicht-EG-)Landern hat die Bundesrepublik Abkommen iiber die Anerkennung und Vollstreckung von Zivilurteilen geschlossen. Auch ohne Gegenseitigkeitsabkommen sind Vollstreckungen im Ausland móglich, doch vollziehen sich diese gemál? den jeweiligen nationalen Vorschriften. Dabei gibt es zwei Typen: Viele Lander vor allem des anglo-amerikanischen Rechtskreises überprüfen <lediglich> die Erfüllung bestimmter Grundanforderungen an den erlassenen Gerichtsentscheid, meist in dem Sinne, dai? die Rechte des auslándischen Beteiligten im deutschen Verfahren nach den Kriterien des auslándischen Rechts hinreichend gewahrt worden sind. Andere Lander (insbesondere des franzósischen Rechtskreises) verlangen eine sachliche und rechtliche Überpriifung des auslándischen (deutschen) Urteils, d. h. es wird praktisch ein neuer Prozel? erforderlich. Einige Lander z. B. die Vereinigten Staaten gehen zwar von einem neuen Prozefi aus, beriicksichtigen jedoch den auslándischen Gerichtsentscheid als wichtigen Beweis. FAZIT In rund 25 Staaten kónnen deutsche Urteile vollstreckt werden; aufterhalb dieses Lánderkreises stehen die Chancen hierfür trotz theoretischer Durchsetzbarkeit eher schlecht. Bereits bei der Vertragsgestaltung sollte man die mógliche Anerkennung und Durchsetzbarkeit eines deutschen Urteils im Auge behalten. Gerichtsstand im Ausland In den Abschnitten E-2.6 und H-6 werden einige Besonderheiten auslándischer Rechtskreise skizziert, die das Risiko verdeutlichen, wenn man im Ausland einen ProzeS fiihren mul? . Unterstellen wir einmal, dal? der deutsche Kláger im Ausland unter auslandischem Recht gegen seinen auslándischen ProzeSgegner tatsáchlich gewonnen und einen vollstreckbaren Titel errungen hat. Soweit, so gut, aber die Praxis ist oft anders: In Indien wurde mir unlángst ein Fall berichtet, wo Gerichtsbescheide nicht zugestellt werden konnten, weil die Postanschrift nicht korrekt war, so dai? das Verfahren im Sande verlief, weil der Beschuldigte nicht aufzufinden war. Und Indien hat ein vergleichsweise hoch entwickeltes Rechtssystem. <?page no="215"?> F-4. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit 193 PRAXISTIP Man sollte sich nur bedingt auf die Empfehlung auslándischer Gescháftspartner bezüglich kompetenter Fachanwalte in ihrem Land verlassen. In nicht wenigen Lándern muft man damit rechnen, daft diese sich doch recht eng den lokalen Untemehmen verbunden fühlen und nicht immer objektiv beraten. Hinzu kommt, daft die Honorare oft ausgehandelt werden müssen, weil es keine festen Gebührentabellen gibt. Háufig kónnen die Auftenhandelskammem oder die Botschaften auf Erfahrungen zurückgreifen. Grundsátzlich aber ist eine gewisse Vorsicht nicht schádlich. Die Bundesstelle für Auftenhandelsinformationen (BfAl) in Kóln führt eine Liste von Rechtsanwálten und Patentanwálten in Europa (ais Broschüre erhaltlich). Die hier nur angedeuteten Probleme bei der ProzeSführung und EntscheidungsvoUstreckung im Ausland fuhren oft dazu, daS die Vertragsparteien von vornherein den ordentlichen Gerichtsweg ausschlieSen und ein auSergerichtliches Schiedsgerichtsverfabren vorsehen. F-4. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit F-4.1. Schiedsgerichtsvereinbarung Sofern keine gütliche Einigung móglich ist, bleibt keine Alternative zur formalen rechtlichen Klárung. Diese kann entweder gerichtlich vor einem ordentlichen Gericht oder aufiergerichtlich im Wege von privaten Schiedsgerichtsverfahren erfolgen. Ein Schiedsgericht mul? jedoch vorber vertraglich durch eine Schieds [gerichts]klausel vereinbart worden sein. Eine nachtrágliche Vereinbarung setzt Konsens zwischen den Parteien voraus (Schiedsvertrag), wovon im Streitfall nur selten auszugehen ist (kommt aber vor, weil man sich eigentlich gut versteht und z. B. nur eine sachliche Expertenmeinung zur Warenquaütát braucht [Qualitatsarbitrage]; siehe unten). Vielfach wird, wie erwáhnt, auch bei vorangehenden Schlichtungsversuchen verabredet, dafs im Falle des Scheiterns ein Schiedsgericht angerufen wird, dessen Spruch dann für beide Seiten verbindlich ist. Die Schiedsgerichtsbarkeit ist eine sehr zu empfehlende Alternative zu einem Verfahren vor einem ordentlichen staatlichen Gericht, nicht nur im internationalen Handel. Schiedsgerichte sind private Gerichte, die privatrechtliche Streitigkeiten beilegen kónnen; ein Schiedsvertrag ist ein zivilrechtlicher Vertrag mit prozefoechtlichen Wirkungen. Im internationalen Handel überwiegen Schiedsverfahren bei weitem die ordentlichen Gerichtsverfahren, weil sie eine Reihe von Vorteilen bieten. Das beste Schiedsverfahren ist allerdings jenes, welches gar nicht stattfindet. Grundsátzlich kónnen die Einzelheiten einer Schiedsgerichtsvereinbarung zwischen den Vertragspartnem vóllig frei abgesprochen werden (Parteiautonomie). Obgleich es keine dabei Formvorschriften gibt, sollte die Vereinbarung einer Schiedsklausel als Vertragsbestandteil im Kaufvertrag enthalten sein und der Schiedsgerichtsvertrag immer schriftlich und als gesonderter Vertrag fixiert werden. (Nach deutschem Recht kann darauf nur verzichtet werden, wenn beide Parteien Kaufleute sind. Eine Schriftfassung ist aber in jedem Fall zu emp- <?page no="216"?> 194 F Rechtsverfolgung ¡m Ausland fehlen.) Um den Abstimmungsaufwand zu minimieren, wird háufig bei VertragsabschluE nur eine grundsatzliche Schiedsgerichtsklausel mit den wesentlichsten Aspekten vereinbart, wahrend einzelne Punkte erst bei Bedarf in der ersten Verhandlung konkretisiert werden. Es bietet sich auch an, sich auf die ausformulierten Schiedsgerichtsordnungen institutionalisierter Schiedsgerichte (vgl. unten) zu stützen, die ggf. auch modifiziert werden kónnen. Bei der Ausgestaltung des Schiedsverfahrens haben die Vertragspartner weitgehend freie Hand. Sie kónnen sich auf ein institutionalisiertes Schiedsgericht einigen, wobei das Schiedsverfahren extern vorbestimmt ist, oder ein Ad-hoc-Schiedsgericht (Arbitrage) vereinbaren, dessen Besetzung vóllig autonom gestaltet werden kann. Die vertragliche Vereinbarung eines Schiedsgerichts bedeutet den AusschluB des ordentlichen Rechtsweges: Der Spruch eines Schiedsgerichtes ist endgiiltig und verbindlich; es gibt keine Revision oder Berufung (Abb. F-4/ 1). Der Spruch des Schiedsgerichts kann gerichtlich vollstreckt werden. Abb. F-4/ 1: Rechtsmittel Berufung ist ein Rechtsmittel gegen ein meist erstinstanzliches Urteil. Die Berufung hemmt die Rechtskraft des Urteils und láftt ein Gericht der náchsthóheren Instanz (Berufungsgericht) zustándig werden. Im Berufungsverfahren ist das Urteil in vollem Umfang -formell (rechtlich) und materiell (inhaltlich, einschliefSlich des Sachverhalts) zu überprüfen. Sofern das Berufungsgericht das vorinstanzliche Urteil aufhebt, kann es entweder selbst neu entscheiden oder das Verfahren an die Vorinstanz zurückverweisen. Eine Revision stützt sich auf Fehler in der Rechtsanwendung durch die Vorinstanz, prüft also im Gegensatz zur Berufung nur formell und nicht nochmals die Sachfragen. F-4.2. Formen und Schiedsordnungen Beim Schiedsgerichtsverfahren sind zwei Grundtypen zu unterscheiden: institutionalisierte und Ad-hoc-Schiedsgerichte. Ad-hoc-Schiedsgerichte treten meist nur fur den betreffenden Fall zusammen und losen sich anschlieEend wieder auf. Sie entscheiden ohne Überwachung des Schiedsverfahrens durch eine Schiedsinstitution. Stándige, institutionalisierte Schiedsgerichte bestehen bei verschiedenen Organisationen, Verbanden, Handelskammern und Borsen. Besonders hervorzuheben sind dabei die bereits envahnte Internationale Handelskammer (ICC) in Paris, der London Court of Arbitration (LCA), das Internationale Schiedsgericht bei der Ziircher Handelskammer, die «Wiener Regeln» der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft in Wien, die «Stockholmer Regeln» der Stockholmer Handelskammer, die American Arbitration Association (AAA) 1 in New York sowie die Schiedsgerichte der deutschen Auslandshandelskammern oder der zahlreichen binationalen Handelsorganisationen. In der Bundesrepublik gibt es die Deutsche Institution für Schiedsgerichtswesen (DIS) in Bonn, die dem DIHT institutionell verbunden ist. Sie betátigt sich national und international. Diese Schiedsgerichte konkurrieren natiirlich miteinander um die Klientel (Abb. F-4/ 2). 1 Nicht zu verwechseln mit der absolut besten Kreditbenotung (AAA: triple A) oder der American Automobile Association, AAA. <?page no="217"?> F-4. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit 195 Die Auswahl einer bestimmten Institution wird nicht zuletzt auch von ihrer Reputation abhángen. Meist wird ein On gewáhlt, der in einem <neutralen> Land liegt. Fiir viele Rohstoffe (Kaffee, Tee, Baumwolle etc.) gibt es institutionalisierte Qualitatsarbitragen. Grundsátzlich ist zu empfehlen, europáische Schiedsgerichte zu vereinbaren und beispielsweise nicht das Pekinger Schiedsgericht, von dem durchwachsene Erfahrungen berichtet werden. Abb. F-4/ 2: Der gute Ruf entscheidet im Wettbewerb der weltweit tátigen Schiedsgerichte F-4.3. Schiedsgerichtsklausel Die vertraglich zu fixierende Schiedsgerichtsklausel sollte entweder direkt oder indirekt iiber einen separaten Schiedsvertrag die in Abb. F-4/ 3 aufgeführten Punkte regeln. Institutionalisierte Schiedsgerichte haben meist eine eigene Schiedsordnung (siehe oben), die viele der dieser Punkte bereits regeln. Daneben gibt es aber auch internationale Muster-Schiedsgerichtsordnungen wie die Schiedsgerichtsordnung der UN-Wirtschaftskommission fiir Europa (UN-ECE-Schiedsgerichtsordnung) (vielfach im Ost-West-Handel) sowie branchenspezifische Verfahrensordnungen. Fiir die im Vertrag zu vereinbarende Schiedsklausel gibt es Standardformulierungen, die nach Bedarf modifiziert oder ergánzt werden kónnen. Wenn dies der Fall ist, sollte die Zustimmung der betreffenden Schiedsinstitution eingeholt werden, ob sie auf der Basis einer geánderten Schiedsklausel arbeiten wird. Abb. F-4/ 3: Schiedsklausel • Einsetzung eines Schiedsgerichts • Ort des Schiedsverfahrens • Art des Schiedsgerichts (Institution, ad hoc) • Zusammensetzung des Schiedsgerichts nach Zahl und Qualifikation der Richter • Methode der Auswahl der Richter (die in aller Regel erst im Streitfall namentlich benannt werden), Ersatzschiedsrichter • Ort des Schiedsverfahrens • anzuwendende Schiedsordnung • das im Schiedsverfahren anzuwendende Recht • Sprache des Schiedsverfahrens • Verteilung der Kosten F-4.4. Schiedsverfahren Das Verfahren soil am Beispiel des Schiedsgerichtshofes der ICC dargestellt werden. Der Schiedsgerichtshof entscheidet nicht selbst, sondern iiberwacht, dafi die eingesetzten Schiedsgerichte das in der Schiedsordnung vorgesehene Verfahren einhalten. Das Schiedsgericht kann direkt oder iiber die jeweils zustándige Landesgruppe des ICC angerufen werden. Dem eigentlichen Schiedsverfahren wird in der Regel ein Yergleichsverfabren vorgeschaltet, um zu versuchen, eine einvernehmliche Lósung zu erreichen (Abschnitt F-2). Gelingt dies nicht, wird der Streitfall einem Schiedsgericht iibergeben. <?page no="218"?> 196 F Rechtsverfolgung im Ausland Die ICC bestimmt einen KostenvorschufS fur die Schiedskosten (Verwaltungsgebiihren und Honorare fur die Richter), der sich aus einer Gebiihrentabelle ergibt und von den die Parteien anteilig zu zahlen haben. Das eigentliche Verfahren ist nicht-óffentlich und somit diskreter als ein ordentliches Gerichtsverfahren. Oft wird eine Handelskammer oder auch ein Hotel ais Tagungsort gewáhlt. Der Schiedsspruch wird in der Regel innerhalb von 2 Monaten verkiindet, oft sehr viel schneller. F-4.5. Zusammensetzung des Schiedsgerichts Schiedsverfahren werden entweder von einem Einzelrichter oder von einem Gremium von drei Schiedsrichtern entschieden. Bei Ad-hoc-Schiedsgerichten kann die Zusammensetzung des Schiedsgerichts frei vereinbart werden. Bei kleineren Streitwerten wird das Schiedsgericht oft aus Kostengriinden nur aus einem Richter bestehen, auf den sich die Parteien gemeinsam einigen oder der durch einen von den Parteien bestimmten neutralen Dritten, z. B. eine Handelskammer, gewáhlt wird. Móglich sind auch zwei Richter, die dann einen Schiedsobmann (Vorsitzenden Schiedsrichter) wáhlen. Bei grofaeren Streitwerten ist folgende Klausel beliebt: Jede Partei bestimmt einen Richter («Parteienschiedsrichter»), ein drifter wird gemeinsam festgelegt. Wenn sich die Parteien nicht auf den oder die Schiedsrichter einigen kónnen, kónnen sie von neutralen Stellen bestimmt werden (z. B. der zustándigen IHK). Auch bei institutionalisierten Schiedsgerichten wie dem der ICC kónnen ein- oder mehrkópfige Gerichte gewáhlt werden, die im Fall des ICC vom Prásidenten des Schiedsgerichtshofes emannt werden, falls die Parteien keine andere Regelung treffen. Ein Richter ist natürlich billiger ais drei, aber es kann riskant sein, sich auf die Entscheidung eines einzelnen zu verlassen, weil diese wie erwáhnt nicht mehr (nur bei krassen Formfehlern) zu korrigieren ist. Achtung: Wenn die unterlegene Partei einen Formfehler behauptet und gegen den Schiedsspruch klagt, kann sich diese Klárung natürlich hinziehen und den urspriinglichen Zeitvorteil zunichte machen. Die Richter sollen meist bestimmte beruflich-fachliche und sprachliche Qualifikationen aufweisen. Natürlich muG ein Schiedsrichter unabhángig sein und darf in derselben Angelegenheit nicht bereits mitgewirkt haben; die «Besorgnis der Befangenheit» genügt meist, urn die Unparteilichkeit in Frage zu stellen (das ware so ein Formfehler. Vgl. auch Abschnitt F-4.6). PRAXISTIP Die Auswahlkriterien sollten nicht zu eng sein, um zu verhindem, daG sich die Parteien im Streitfall gegenseitig die Schiedsrichter ablehnen. Im Gegensatz zu ordentlichen Gerichten wird ein Schiedsverfahren bei Ausfall eines Richters nicht automatisch einem anderen übertragen. Daher ist eine Regelung bezüglich der Vertretung oder des Ersatzes von Schiedsrichtern empfehlenswert. Die oben bereits angeführten Schiedsgerichte bieten internationale Schiedsordnungen mit Musterregelungen an, u. a. für die Schiedsvereinbarung, Bestellung, Ablehnung oder Abberufung von Richtern und für das Verfahren bei Tod oder Amtsunfáhigkeit von Richtern. Diese Schiedsordnungen kónnen von institutionalisierten wie von Ad-hoc-Schiedsgerichten angewendet werden. Die UNCITRAL hat 1985 ein Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vorgelegt. Um MiSverstándnissen vorzubeugen: Der Grundsatz der Parteiautonomie wird durch vorformulierte Schiedsordnungen nicht angetastet; die <?page no="219"?> F-4. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit 1 9 7 Vertragsparteien sind in der Gestaltung eines Schiedsgerichtsvertrages absolut frei. Modellordnungen sind insbesondere für die Aspekte von Bedeutung, die im privaten Vertrag nicht oder nur unzureichend geregelt wurden. F-4.6. Durchsetzbarkeit In der Praxis werden Schiedsgerichtsurteile meist freiwillig erfiillt. Im Konfliktfall kónnen sie jedoch auch gerichtlich durchgesetzt werden. In- und auslándische Schiedssprüche werden nach dem Zivilrecht der meisten Staaten automatisch anerkannt und sind unmittelbar vollstreckbar. Der Schiedsspruch gilt ais Urteil des Landes, in dem das Schiedsverfahren durchgefuhrt wurde. Dies muf> nicht unbedingt das Land sein, in dem eine Schiedsinstitution ihren Sitz hat. Beispielsweise finden die meisten Schiedsverfahren der ICC nicht in Paris, sondern in einem von den Vertragspartnern vereinbarten Schiedsort statt. Die (gerichtliche) Vollstreckbarkeit von Schiedsgerichtssprüchen hángt davon ab, ob es zwischen den betroffenen Staaten ein Abkommen iiber die gegenseitige Anerkennung von Schiedsspriichen gibt. Wenn dies nicht der Fall ist, mulS das nationale Recht des Landes, in dem der durch den Schiedsspruch <Verurteilte> seinen Sitz hat, herangezogen werden. In der BRD regelt dies die ZivilprozeSordnung (ZPO), nach der ein auslándischer Schiedsspruch nach dem für inlándische Schiedssprüche gültigen Verfahren für vollstreckbar erklárt werden kann. Voraus$etzung ist allerdings, da£ die Vereinbarung über die Anrufung eines Schiedsgerichts freiwillig und nicht unter mifsbrauchlicher Ausnutzung wirtschaftlicher oder sonstiger Macht erzwungen worden ist. Im letzteren Fall würde ein auslándischer Schiedsspruch nach deutschem Recht nicht anerkannt und folglich auch nicht durchgesetzt werden. Das wohl wichtigste internationale Abkommen in diesem Zusammenhang ist das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung auslándischer Schiedssprüche von 1958 (New Yorker Abkommen), das von rund 120 Staaten ratifiziert worden ist. Danach sind Schiedssprüche aus Vertragsstaaten genauso zu vollstrecken wie inlándische, d. h. sie dürfen keinen anderen Verfahrens- oder Kostenvorschriften unterworfen werden. Schiedssprüche müssen zuvor von ordentlichen Gerichten fur vollstreckbar erklárt werden, wobei das Gericht jedoch keine materielle Überprüfung des Sachverhalts, sondern nur eine formelle Pruning des Verfahrens vornimmt, z. B. im Hinblick auf Zustándigkeiten und ob die verurteilte Partei nicht in ihrem Recht auf rechtliches Gehór verletzt worden ist. Auf Lander, die dem UN-Abkommen nicht beigetreten sind, wird das Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln im Handelsverkehr von 1923 oder das Genfer Abkommen über die Vollstreckung auslándischer Schiedssprüche von 1927 angewendet. Dies macht deutlich, daf? die Wahl des Ortes des Schiedsverfahrens, den die Parteien bestimmen kónnen, insbesondere seine Bedeutung auch darin hat, ob für das dadurch bestimmte Land entsprechende Durchsetzungsregelungen gelten. F-4.7. Vor- und Nachteile von Schiedsgerichten Private Schiedsgerichte (nicht nur internationale) sind fachlich meist auSerordentlich kompetent, da sie mit Spezialisten für den betreffenden Fall besetzt sind. Hiervon kann im ordentlichen Gerichtsverfahren nicht immer ausgegangen werden, so dai? dort sowieso meist externe Gutachter mit herangezogen werden müssen. Folglich liegt es nahe, solche Gutach- <?page no="220"?> 198 F Rechtsverfolgung ¡m Ausland ter direkt als Schiedsrichter einzusetzen. Diesem Vorteil steht der Nachteil entgegen, daS der Spruch des Schiedsgerichts wie erwáhnt endgiiltig ist und keine Berufung oder Revision móglich ist. Je nachdem, ob man gewinnt oder verliert, wird man dies als Vor- oder Nachteil ansehen. In der Regel wird ein Schiedsrichter jedoch versuchen, einen Schiedsspruch auf der Basis eines Vergleichs zu fallen. Im Gegensatz zum Schlichtungsvorschlag ist der Schiedsgerichtsspruch also bindend. Schiedsgerichtsverfahren sind im Vergleich mit ordentlichen Gerichtsverfahren meist (aber nicht immer) weniger zeitaufwendig und weniger kostspielig. Dies gilt vor allem fur Ad-hoc- Schiedsgerichte, bei denen i.d.R. nur Honorare und Spesen, aber keine allgemeinen Verwaltungsgebiihren wie bei institutionalisierten Schiedsgerichten anfallen. Allerdings gibt es keine allgemeine Gebiihrenordnung, so dafi die Kosten von Ort zu Ort variieren. Die Kosten- und Zeitvorteile gelten allerdings nicht für Bagatellfalle, da die Schiedsgerichte i.d.R. auch bei kleinen Streitwerten Mindestgebiihren verlangen, und auch dann nicht, wenn bei unstreitigen Forderungen schnell ein vollstreckbarer Titel erworben werden soil: Dies ist iiber ein Schiedsgerichtsverfahren oft zeitaufwendiger. Zudem kónnen komplizierte Falle auch bei Schiedsgerichten zwei Jahre und mehr dauern. Zu den Schiedskosten im engeren Sinne miissen die Kosten der Vollstreckbarkeiterklárung (Exequatur) durch ein staatliches Gericht hinzugerechnet werden, die vor allem dann betráchtlich sein kónnen, wenn die unterlegene Partei Schwierigkeiten macht. Dann ist auch der urspriingliche Zeitvorteil schnell aufgebraucht. Die aulSergerichtliche Streitbeilegung ist meist weniger belastend fur die Gescháftsbeziehungen der streitenden Parteien als der Spruch eines ordentlichen Gerichts, insbesondere da sie nicht-óffentlich und somit diskreter ist. Es ist insgesamt festzustellen, daS Schiedsspriiche (Arbitragen) in der Regel von den Parteien erfüllt werden, ohne da£ eine gerichtliche Durchsetzung erforderlich wiirde. Die vertragliche Vereinbarung eines Schiedsgerichts bedeutet den AusschluS des ordentlichen Rechtsweges. Allerdings gibt es auch Falle (u. a. in Brasilien), in denen die Schiedsklausel durchaus ignoriert wird und die Gegenpartei doch vor einem ordentlichen Gericht im eigenen Land klagt, ohne dafs dieses die Klage abweist. Abb. F-4/ 4 faSt die Vor- und Nachteile von Schiedsgerichten zusammen. Abb. F-4/ 4: Vor- und Nachteile von Schiedsgerichten • Fachliche Kompetenz • Spruch des Schiedsgerichts • AusschlufS des ordentlichen • weniger zeitaufwendig • weniger kostspielig ist endgültig und verbindlich Rechtsweges • weniger belastend für die Gescháftsbeziehungen • nicht-óffentlich, diskreter China Wt • Vietnam N e u e S c hi e d s g e ric htsr e g e ln H a n d e l s - S c h i e d s s t e l l e Finnland - Neue Schiedsgerichtsordnung der Deutsch-Finnischen Handelskammer <?page no="221"?> Liefer- und Zahlungsbedingungen Liefer- und Zahlungsbedingungen sind wesentliche Elemente des internationalen Kaufvertrags. Sie sind oben in Teil E nur kursorisch erwáhnt worden, weil sie eine ausfiihrlichere Betrachtung erfordem. Sie spielen in der Praxis des AulSenhandels eine wichtige Rolle. Daher werden im folgenden Abschnitt die wichtigsten kaufmannischen Dokumente vorgestellt. Die diversen Dokumente werden u. a. auch im Zusammenhang mit den Zahlungsbedingungen (Abschnitt G-2) und den Lieferbedingungen benótigt (Abschnitt G-3). Die zur Abwicklung von Importen und Exporten aus aujienwirtschaftsrechtlicher oder zollrecbtlicber Sicht zusátzlich erforderlichen sonstigen Formulare werden in den Teilen K und L behandelt. G-1. Kaufmánnische Dokumente im Auftenhandel Der Begriff <Dokument> ist vom lateinischen Ursprung her (documentum) eigentlich ein <Beweis>, wird jedoch im Sprachgebrauch allgemeiner fur eine Vielzahl schriftlicher <Urkunden> verwendet. Fiir Exporteure ist anzuraten, daS sie sich hinreichend informieren, welche Dokumente ihr Kunde beim Import benótigt. In manchen Lándern herrschen strenge Brauche, deren Nichtbeachtung bis zur Beschlagnahme der Ware fiihren kann. Zunáchst wird betrachtet, wofiir man Dokumente benótigt. PRAXISTIP Eine gute Informationsquelle über die für den Import in den einzelnen Lándern erforderlichen Dokumente sind die Konsular- und Mustervorschriften («K&M»), die von der Handelskammer Hamburg herausgegeben werden. G-1.1. Funktionen der Dokumente Die im Aufienhandel verwendeten Dokumente haben je nach ihrer Ausstattung unterschiedliche Funktionen. Zunáchst einmal haben viele Dokumente eine Wertpapierfunktion, indem nur dem Inhaber dieser Papiere die in der Urkunde verbrieften Rechte zukommen. Zur Ausiibung dieses Rechts, z. B. der Herausgabe der Ware, muf? das betreffende Papier vorgelegt werden (Legitimationsfunktion) (im Privatbereich z. B. ein Garderobenschein, um den Pelzmantel abzuholen). Geborene Orderpapiere wie Scheck und Wechsel kónnen ohne Orderklausel indossiert werden. Dokumente, die keine «geborenen» Orderpapiere sind (z. B. Konnossement, Ladeschein, Transportversicherungspolice), miissen zur Weitergabe eine explizite Orderklausel erhalten («an die Order von ...») («gekorene» oder «gewillkiirte» Orderpapiere), z. B. • «fur uns (oder: fur mich), an die Order von Walter Matthau» (for us, for me, to the order of...), wodurch der náchste Verfügungsberechtigte prázise definiert wird, G <?page no="222"?> 200 G Liefer- und Zahlungsbedingungen • oder lediglich «an Order» (to order), wodurch der Kreis der Verfiigungsberechtigten offen bleibt. Alie Orderpapiere kónnen nur durch Indossament weitergegeben werden, d. h. durch Übertragungsvermerk «auf dem Rücken» des Papiers (ital. in dossd). Mit dem Indossament iibertragt z. B. der bisherige Inhaber des Schecks das Eigentum und damit die Rechte aus dem Papier auf den neuen Eigentiimer. Sofern Papiere lediglich «an Order» gestellt sind, braucht derjenige, der z. B. die Ware herauszugeben hat, die Berechtigung nicht zu priifen, d. h. es wird mit befreiender Wirkung an denjenigen geleistet, der das Papier vorlegt. Die Indossierung geschieht oft nur durch die Unterschrift des Indossanten («Jorn Altmann»), ohne den náchsten Begiinstigten namentlich auszuweisen (Blankoindossament). Dadurch wird das Orderpapier zum Inhaberpapier, kann also weitergegeben werden, ohne dafi der blanko Begiinstigte in der Indossantenkette ausgeweisen wird; er kann das Papier mit eben diesem Blankoindossament weitergeben, ohne selbst ein Indossament anbringen zu müssen. Zum Beispiel muí? bei Konnossementen ais Begiinstigter (consignee) «to order» angegeben und ein Blankoindossament angebracht werde. Durch die Angabe des Indossatars, d.h. des neuen Eigentiimers («Fiir mich an Walter Matthau / to the order of Walter Matthau» - Unterschrift Jórn Altmann») wird das Indossament zum Vollindossament) und Walter Matthau kann das Papier seinerseits nur durch ein neues Indossament iibertragen. Neben der sog. Transportfunktion, mit der die Rechte iibergehen (Dbertragungsfunktion), hat das Indossament auch eine Garantiefunktion, da der Indossant dem rechtmáSigen Besitzer des Papiers fiir die Rechte aus dem Papier haftet. Zudem hat des Indossament eine Legitimationsfunktion (Beweisfunktion), mit der der Besitzer sich ais rechtmáSigen Eigentiimer legitimieren kann, sofern die Indossamentenkette liickenlos ist. Der Vermerk «nicht an Order» 1 ist ein Rektavermerk (von lat. recta: gerade, ohne Umschweife) und laSt eine Aushándigung nur. an den letzten namentlich benannten Empfánger zu; eine Weitergabe kann nicht durch Indossament, sondern nur mit Abtretungserklárung des Inhabers erfolgen (Zession). Die Zession ist ein gesondertes, von der Urkunde getrenntes Dokument. Dadurch sind Rektapapiere wenig fungjbel. 2 Andererseits kann es ebenso wie bei Orderpapieren weder Irrtum oder Versehen noch Diebstahl geben. Eine weitere wichtige Funktion ist die Sperrfunktion. Manche Dokumente geben dem Inhaber die Móglichkeit, bereits verfrachtete Ware nachtráglich umzuleiten oder zum Absender zuriickzurufen (Dispositionspapiere), beispielsweise ein Frachtbriefdoppel: Kurz nach der Versendung gegen offene Rechnung erfáhrt der Verkáufer, daE sein Kunde illiquide ist. Um zu verhindern, daS die Ware ohne Bezahlung ausgeliefert wird, beauftragt der Verkáufer seinen Spediteur (gegen Vorlage des Frachtbriefdoppels), die Ware zu ihm zuriickzubringen. Vgl. unten Abschnitt G-1.3.3.2. Eine Beweisfunktion haben Dokumente, wenn sie bestimmte Tatbestánde nachweisen, z. B. Gewichte, den Zeitpunkt der Absendung, die chemische Zusammensetzung, usw. Dies kann als Beleg zur Erfiillung bestimmter Vertragspflichten ebenso von Bedeutung sein wie bei Schadenersatzproblemen, beispielsweise wenn falsche Warenbeschreibungen zu Importverboten fiihren, oder der Bestimmungsort im Frachtbrief. Von einer Finanzierungsfunktion 1 «Fur uns an Walter Matthau, nicht an Order». 2 Fungibilitat: die Leichtigkeit der Übertragung. <?page no="223"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente im AuGenhandel 2 0 1 wird gesprochen, wenn Dokumente z. B. als Kreditsicherheit verwendet werden konnen, beispielsweise ein Konnossement. Im folgenden werden die wichtigsten Dokumente náher dargestellt. G-1.2. Einteilung nach den Rechten Man unterscheidet Inhaber-, Order- und Rektapapiere. Inbaberpapiere berechtigen jeden Inhaber («to the bearer»), auch den unrechtmáSigen: Dieb, Finder. Bei Orderpapieren ergibt sich aus der Hinzufiigung «an die Order von ...», wer aus dem Papier Rechte geltend machen kann; dies geschieht in der Regel durch ein Indossament. Rektapapiere (Akkreditiv) kónnen nicht durch Indossament iibertragen werden, sondern nur durch einen Abtretungsvertrag; siehe oben. G-1.3. Einteilung nach den Verwendungszwecken Die im AuEenhandel gebráuchlichen Dokumente lassen sich in drei Hauptgruppen unterteilen (vgl. Abb. G-l/ 1): • kaufmánnisch erforderliche Dokumente, • auEenwirtschaftsrechtlich erforderliche Dokumente, • zollrechtlich erforderliche Dokumente. Im folgenden wird zunáchst nur auf die aus kaufmdnnischer Sicht für den Import bzw. Export erforderlichen Dokumente eingegangen. Die fiir aulSen- und zollrechtliche Zwecke erforderlichen Unterlagen werden in den Abschnitten K-1.6 und L-4.4 behandelt. Die kaufmánnischen Dokumente lassen sich unterteilen in • Zahlungsdokumente, • Handelsdokumente und • Versicherungsdokumente. Hinzu kommen eine Vielzahl von weiteren Unterlagen, u. a. fur die Transport- und die Zahlungsabwicklung, die jedoch auSerhalb des Kompetenzbereichs des Importeurs bzw. Exporteurs erstellt werden, insbesondere von Maklern, Frachtführern, Spediteuren, Versicherungen und Banken. Auf diese Papiere wird im folgenden nicht eingegangen. Eine Sammlung der verschiedenen Dokumente, die im AuEenhandel zu finden sind, fiillt schnell mehrere Aktenordner. G-1.3.1. Zahlungsinstrumente G-1.3.1.1. Scheck Ein Scheck ist eine Anweisung an einen Bezogenen (in der Regel ein Kreditinstitut), gegen Vorlage des Schecks zu Lasten seines Kontos den angegebenen Betrag zu zahlen. Der Begriff leitet sich ab vom Chancellor of the Exchequer, dem englischen Finanzminister, der heute in London in der Downingstreet 10 residiert. Der Scheck ist nach deutschem Recht ein Inhaberpapier, d. h. der Scheckeinreicher braucht seine Legitimation nicht nachzuweisen; dies wird durch die Formulierung «Zahlen Sie gegen diesen Scheck (Betragsangabe) an ... oder Überbringer» deutlich. Daher sind Schecks in der Praxis meist nicht bar einzulosen (Barscheck), sondern werden «nur zur Verrechnung» aus- <?page no="224"?> Abb. C-1/ 1: Einteilung der Dokumente Kaufmannische Dokumente AuBenwirtschaftsrechtliche Dokumente Zahlungsdokumente, z. B. - Wechsel - Scheck - Dokumenten-Akkreditiv Handelsdokumente a) Begleitdokumente, z. B. - Handelsrechnung - Packliste - Inspektionszertifikat - Analysezertifikat b) Versanddokumente, z. B. - Eisenbahnverkehr: CIM-Frachtbrief - Luftverkehr: Luftfrachtbrief (IATA-AWB) - LKW-Verkehr: CMR-Frachtbrief - Seeverkehr: Seekonnossement* c) Lagerdokumente - Orderlagerschein* - <normale> Lagernachweise d) Versicherungsdokumente - Policen - Zertifikate Einfuhr, z. B.: Einfuhranmeldung (zugleich Zollantrag) Einfuhrgenehmigung Einfuhrlizenz Ursprungszeugnis Ursprungserklárung Einfuhrerklárung Internationale Einfuhrbescheinigung Wareneingangsbescheinigung Qualitatsbescheinigung z. B. für Obst, Gemüse, Fleisch, Blumen, Saatgut, - Kaffeezeugnis - Kakaozeugnis Statistische Meldungen im Zahlungsverkehr etc. Ausfuhr, z. B.: Ausfuhranmeldung Ausfuhrgenehmigung Negativbescheinigung Ausfuhrlizenz Endverbleibsnachweis Endverblei bserkláru ng - Internationale Einfuhrbescheinigung - Wareneingangsbescheinigung Qualitatsbescheinigung u.a. Kaffeezeugnis - Kakaozeugnis Statistische Meldungen im Zahlungsverkehr etc. * Traditionspapiere <?page no="225"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente ¡m AuRenhandel 203 gestellt (Verrechnungsscheck) (dies wird meist durch zwei Querstriche auf der Vorderseite der Urkunde deutlich gemacht: cross/ ng-Vermerk), so dafi der Weg der Zahlung zum Begiinstigten ggf. zuriickverfolgt werden kann. Bei einem Rektascheck kann nur die in der Urkunde namentlich erwáhnte Person den Scheck zum Inkasso vorlegen («nicht an Order», «nicht übertragbar», not transferable). Der Scheckinhaber hat scheckrechriich keinen Anspruch auf Einlósung. Die Aushándigung von Scheckformularen an den Kontoinhaber begriindet einen Vertrag, der den Kontoinhaber verpflichtet, Schecks nur bei ausreichender Deckung auszustellen. Die wissentliche Ausstellung ungedeckter Schecks kann strafbar sein (Scheckbetrug). Schecks sind in der Regel an die Order des Begünstigten ausgestellt (Orderscheck); daher muí? der Scheckeinreicher den Scheck vor der Weitergabe auf der Riickseite (ital.: in dossa) indossieren. Bankschecks ins Ausland sind immer Order-Verrechnungschecks. Auslandsschecks tragen háufig keinen Zusatz «oder Überbringer», um bei der Weitergabe ein Indossament zu erzwingen. Bei der Vorlage von Wechseln und Schecks zum Einzug ist es Handelspraxis, daS der Vorlegende ein Blankoindossament anbringt, um nachvollziehen zu kónnen, wer das Papier eingereicht hat. Das Kreditinstitut priift bei Orderpapieren die Indossamentenkette. In den auslándischen Scheckrechten bestehen einige Unterschiede zum deutschen Scheckrecht, z.B. beziiglich der Vorlage- oder Sperrfristen oder in formeller Hinsicht. Unlángst wurde mir die Einlósung eines Schecks in Guatemala abgelehnt, weil Datum und Unterschrift in der falschen Reihenfolge angebracht waren. Dennoch ist das internationale Scheckrecht soweit vereinheitlicht, daf? sich daraus keine Abwicklungsprobleme ergeben. Auf der Exportseite kann der Exporteur entweder einen auf D-Mark oder auf eine Fremdwáhrung lautenden Bank- oder Privatscheck erhalten, der von seiner Hausbank angekauft werden kann. Bei bekannten Einreichern oder Ausstellern erfolgt in der Regel eine sofortige <E.v.-Gutschrift> («Eingang vorbehalten») unter dem Vorbehalt des endgültigen Eingangs des Gegenwertes bei der Bank. Bei anderen Schecks wird die Gutschrift fiir den Einreicher erst nach Gutschrift durch den Bezogenen erfolgen. Die Gutschriftskosten liegen meist bei 1,5 %o des Scheckbetrages. In den USA sind Schecks in der Regel kostengünstiger ais Überweisungen. PRAXISTIP Für eine rasche Gutschrift kann man seine Bank beauftragen, den Scheck im direkten Inkasso der bezogenen Bank einzureichen und nicht im Sammelinkasso: Sammelinkasso bedeutet, daG alie ein bestimmtes Land betreffenden Schecks erst mal gesammelt und dann an eine Korrespondenzbank geschickt werden. Aber das kann etwas dauern... Direktinkasso ist meist doppelt so teuer (3%o) wie ein Sammelinkasso. Bei Fremdwdhrungsschecks érfolgt der Ankauf zum sog. Sichtkurs, der eine halbe Spanne der Differenz Brief-/ Geldkurs unter dem Devisenankaufskurs (Geldkurs) liegt. Dies soil den Zinsverlust auffangen, der fiir die Zeit zwischen Scheckankauf und Gutschrift des Scheckbetrages bei der ankaufenden Bank entsteht. Die Kursdifferenz entspricht sinngemáE einer Verzinsung des bevorschussten Gegenwertes. Oft schreibt der Aussteller die Zahlung in einer bestimmten Wáhrung vor («effektive Euro»), die dann durch keine andere Wáhrung ersetzt werden darf (Effektiwermerk). Bei Forfaitierungen ist dies Standard. <?page no="226"?> 204 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Wáhrend Bankschecks in der Regel problemlos eingelóst werden, ist dies bei Privatschecks nicht unbedingt der Fall, da das Einloserisiko groSer ist, weil in der Regel keine Bonitátsprüfung des Ausstellers moglich ist. Um so grofSere Bedeutung kommt dann für den Scheckeinreicher der Garantiefunktion des Indossaments bei, da er auch nach lángerer Frist (nach anglo-amerikanischem Recht bis zu sechs Jahren) in RegreS genommen werden kann. In Deutschland wird der Scheck kaum als Zahlungsmittel verwendet, im Gegensatz zu Frankreich und GrofSbritannien und insbesondere den USA, wo umgekehrt Überweisungen abgesehen von Gehaltszahlungen kaum gebráuchlich sind. In vielen Lándern, auch in den USA, kónnen die Scheckformulare individuell gestaltet werden, solange sie bestimmte Formvorschriften (u. a. bezüglich des Formats) erfullen. Es gibt wirklich schóne, farbenpráchtige Exemplare. G-1.3.1.2. Wechsel (1) Bedeutung Der Wechsel ist vergleichsweise das kostengiinstigste (Re-)Finanzierungsinstrument. Er wird bereits um das Jahr 1100 in Oberitalien ais <Finanzinnovation> erwáhnt, indem er den umstándlichen und gefáhrlichen Transport von Silbermünzen überflüssig macht. Ursprünglich daher der Begriff diente der Wechsel dem Umtausch in andere Wáhrungen; allein in Süddeutschland kursierten Ende des 16. Jahrhundert ca. 50 Wáhrungen. 3 Auf dem Wechselformular (Abb. G-l/ 2) finden sich Zahlungsort und Verfalldatum rechts oben wieder, weil die Geldwechsler friiher die Formulare in ihrer Brieftasche mit sich fuhrten (daher auch das Wechselfbrmat) und so leicht den Bestand sortieren und durchbláttern konnten. Unter den Zahiungsinstrumenten kommt dem Wechsel eine groSe Bedeutung zu (engl. Bill of Exchange, frz. Lettre de Change, span.: Letra de Cambio). Ein Wechsel ist ein Orderpapier, das vóUig losgelóst vom eigentlichen Schuldverháltnis als eigenstándiges Wertpapier eine unabhángige abstrakte Forderung verbrieft. Er ist also nicht an die Existenz des zugrunde liegenden Rechtsgescháfts gebunden, ist also keine akzessorische Forderung (dies ist in Frankreich beispielsweise nicht der Fall). Hinzu kommt in den meisten Lándern ein sehr striktes Wechselrecht, dessen Nichtbeachtung sehr schnell zu rechtlichen und finanziellen Konsequenzen fuhrt; hierzu gleich. Der Wechsel ist damit eine Urkunde, deren Verwaltung kostspieliger ist als eine <normale> Kreditverwaltung. Eine Forderungsabsicherung durch Wechsel ist im internationalen Handel weit verbreitet. Im spanischsprachigen Raum wird auch das wechseláhnliche Pagaré verwendet. Es handelt sich dabei um ein unbedingte schriftliche Verpflichtung des Ausstellers des Dokuments, einem Dritten oder an dessen Order eine bestimmte Geldsumme zu einem bestimmten Termin zu zahlen. Das Pagaré entspricht nicht immer alien Kriterien des jeweiligen nationalen Wechselrechts. (2) Formen Es gibt insbesondere zwei wichtige Formen, den gezogenen Wechsel und den Solawechsel (oben Abb. G-l/ 2): • Mit einem gezogenen Wechsel weist der Aussteller (z. B. ein Importeur) den Bezogenen (z. B. seine Hausbank) an, einen bestimmten Betrag an den Wechselnehmer (Remittent) 3 Nach meinem Banker-Kollegen Jochen W. Dortschy, Filderstadt. <?page no="227"?> ÍGnofOii t the 4 ° &• / fr% £U>x- Fori M..£.Q....¿a pay thisrf/ ft- Bill of Exchange {.....^: ... unpaid) to the or To f2£s£tíL D.$.p..<*iÉr.. t&L. 001.97/ 034 W. Kohihammer payable at fr¿rtier*oA W&Vn¿jfc/ 3 t*rÁ / °<0¿«tfgr>L Z* • PROMISSORY NOTE si tí ^ ¿ e Amou o/ okJoCt.. / O íét ' ' ÜAÉ.H H Í Í H M 4 D « U » ( I N M N^ji* of Boolb l a M m I < "*W On S.9-...T3.. QfrLP..^^.. ? " . _ . * . against this promissory note I (W K I» ss ¿7 - * - » ! ! .7 " : • TO ttessrs- £xpix$r fc£ the sum of: Amount In wordi FOR VALUE RECEIVED JhV&>CC AJO. T f í f p.r.bie.t: fo^okoboJl iyet£t*>/ h.sAr J>cui£. ^ni^p&CÍ 6? £ — len,<¿&* "~"" m $*2 <?page no="228"?> 206 G Liefer- und Zahlungsbedingungen (z. B. den auslándischen Exporteur, d. h. den Aussteller) zu zahlen («Gegen diesen Wechsel zahlen Sie an mich/ an uns», aber auch: «an die Order von ...» - «pay against this bill of exchange to the order of ourselves, to the order of ...). Der Zahlungsort wird iiblicherweise dem Bezogenen iiberlassen, so dafj meist der Sitz seiner Bank die Domizilstclle ist. Solange der gezogene Wechsel nicht vom Bezogenen akzeptiert ist, spricht man von einer Tratte {draft, traite). Das Akzept wird auf den iiblichen Wechselformularen <quer> zum eigentlichen Text angebracht, daher spricht man auch von <Querschreiben>. 4 Wird das Akzept verweigert, haftet der Aussteller einem Erwerber der Tratte gegeniiber fur die Wechselsumme und etwaige Nebenkosten (z. B. ggf. Wechselsteuer). Wechselrechtlich ist auch die Tratte bereits ein Wechsel. In der Praxis sind Tratten jedoch selten diskontierbar. PRAXISTIP Der zahlungsunfahige Bezogene sagt: «Weisen Sie mir mal nach, daG diese Unterschrift mein Akzept ist! » Was nun? Gegebenenfalls sollte man sich das Akzept beim Notar oder von der Botschaft bestatigen lassen. In der Praxis kommt es bei eingespielten Geschaftsbeziehungen sehr oft vor, dafj nicht der Aussteller dem Bezogenen den Wechsel zum Akzept vorlegt und dieser ihn dann zuriicksendet, sondern der Bezogene den Wechsel selbst <ausstellt> in dem Sinne, dafS er das Formular ausfiillt, sein Akzept anbringt und dem Wechselgláubiger zusendet. Dieser macht den Wechsel dann mit seiner Unterschrift als Aussteller zum vollstándigen Wechsel. Von einem Sichtwechsel spricht man, wenn der Wechsel bei erster Vorlage bezahlt werden soil («Zahlen Sie bei Sicht ...») (at sight, a vue), im Gegensatz zum Nach-Sicht-Wechsel (z.B. «Zahlen Sie 14 Tage nach Sicht ...»). Die in den meisten Wechselformularen eingedruckten Begriffe «erste/ zweite Ausfertigung» beziehen sich darauf, daS man im Postverkehr aus Sicherheitsheitsgriinden gerne zwei Wechsel mit getrennter Post versendet (Erstpost, Zweitpost; dies geschieht auch heute noch bei wichtigen Dokumenten), wobei die Einlósung des zuerst vorgelegten Wechselexemplars das andere gegenstandslos macht (die Einlósung wird auf dem Formular quittiert). • Im Gegensatz zum gezogenen Wechsel verpflichtet sich der Wechselschulder als Aussteller bei einem Solawechsel (einem eigenen Wechsel) selbst; Aussteller und Bezogener sind identisch («Gegen diesen Wechsel zahle ich ...»). Dies entspricht faktisch, betriebswirtschaftlich, nicht juristisch der anglo-amerikanischen promissory note (sinngemaS: Zahlungsversprechen, frz.: billet a ordre). Der Exporteur kann also einen Solawechsel des Importeurs mit einem <Angstindossament> versehen (vgl. unten) und z. B. an einen Forfaiteur verkaufen und kann somit wechselrechtlich nicht in Anspruch genommen werden. Um Solawechsel verwerten (verkaufen) zu kónnen, miissen sie in der Praxis (nicht aus Rechtsgriinden) durch eine Bank avaliert sein. Im Forfaitierungsgescháft sind bankavalierte Solawechsel sehr gebráuchlich. (3) Wechselrecht Auf internationaler Ebene gibt es schon seit langem Abkommen iiber die Vereinheitlichung des Wechselrechts. Die Genfer Wechselrechtskonferenz von 1930 fiihrte u. a. zum Abkom- 4 Ich zitiere immer gerne meinen bereits erwahnten Kollegen Jochen W. Dortschy, der seinerseits seine damaligen kaufmannischen Lehrer zitiert: «Schreibe hin, schreibe her, schreibe niemals quer! » <?page no="229"?> G - 1 . Kaufmannische Dokumente ¡m AuGenhandel 207 men iiber das Einheitlicbe Wechselgesetz, das weitgehend mit dem heute giiltigen deutschen Wechselgesetz (WG) identisch ist. Das Abkommen wurde von 22 (meist europáischen) Lándern ratifiziert, allerdings nicht von GroEbritannien (und einigen Commonwealth-Staaten) und den USA, so daS es heute nebeneinander das anglo-amerikaniscbe Wecbselrecbt und das Genfer Einheitlicbe Wechselrecht gibt. Seit 1972 (mit Revisionen 1977 und 1982) liegt ein Entwurf eines Einheitlichen Gesetzes iiber die intemationalen Wechsel vor, welcher von der bereits erwáhnten UNCITRAL erarbeitet wurde. Der Entwurf weicht jedoch in vielen Punkten vom in Europa gewohnten Wechselrecht ab, so dai? mit einer Ratifizierung in absehbarer Zukunft nicht zu rechnen ist. (4) Einige Einzelheiten Sofern (wie in Deutschland) keine Wechselsteuer zu entrichten ist, entstehen durch den Wechsel keine direkten Kosten. Der Wechsel ist daher ein sehr kostengünstiges Refinanzierungsinstrument. Die durch die Kreditlaufzeit entstehenden Zinsausfallkosten werden üblicherweise in die Wechselsumme hineingerechnet, ebenso etwaige sonstige Kosten, insbesondere der Diskont beim vorzeitigen Verkauf des Wechsels. Dadurch werden alie Nebenkosten _ auf den Wechselschuldner iiberwalzt. Wechsel miissen einer Reihe formaler Bedingungen geniigen (die von Land zu Land abweichen kónnen); u. a. muí? nach dem deutschen Wechselrecht in der Urkunde das Wort <Wechsel> enthalten sein. Grundsatzlich kann man die erforderlichen Wechselbestandteile auch auf einem Bierdeckel anbringen und diesen zu einem wechselrechtlich einwandfreien Wechsel machen; es gibt keine Formularvorschrift. Das Wechselrecht ist ansonsten ein besonders strenges Recht. Fehlt eins der formalen Wechselbestandteile, ist das Papier lediglich eine Art Uberweisungsauftrag und wechselrechtlich wertlos. Wechsel diirfen keine Bedingungen fur die Zahlung enthalten. Allerdings kann Bezug genommen werden auf ein damit zusammenhángendes Handelsgescháft, beispielsweise durch Angabe einer Rechnungs- oder Akkreditivnummer. Auf englischen Wechselformularen hingegen mufl eine ^consideration eingetragen werden, aus der sich die Gegenleistung fur die Geldleistung ergibt, also beispielweise die Nummer einer Handelsrechnung. (Der Wechsel ist nichtsdestotrotz eine abstrakte Forderung; siehe oben.) Vielfach besteht der Aussteller eines gezogenen Wechsels auf eine Einlosegarantie durch eine gute Bank, die ggf. anstelle des Bezogenen in die Wechselhaftung eintritt. Die Bank kennzeichnet ihre Biirgschaftsverpflichtung durch den Zusatz «per Aval» und zwei Unterschriften auf der Vorderseite (quer) des Wechsels. Im englischen Wechselrecht gibt es kein Bankaval auf dem Formular; stattdessen wird eine getrennte Einlosegarantie gegeben. (5) Clbertragung, Indossament, Haftung Als geborenes Orderpapier (vgl. oben) kann der Wechsel durch Indossament übertragen werden, wobei alie Indossamentsformen - Voll-, Blankoindossament etc., móglich sind (ein Rektaindossament [«Für mich an Walter Matthau, nicht an dessen Order»] ist allerdings absolut unüblich). Alie Wechselbeteiligten (Bezogener bzw. Akzeptant, Aussteller, jeder Indossant, ggf. ein Avalist) haften als Gesamtschuldner im RegreE (Riickgriff), wenn der Wechsel <platzt>, d. h. wenn nicht fristgerecht gezahlt wird und dies durch Wechselprotest festgestellt wird. Die Ausstellerhaftung beim gezogenen Wechsel kann nach deutschem Recht auf keinen Fall ausgeschlossen werden (im Gegensatz zu den USA); entsprechende <?page no="230"?> 208 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Absprachen sind wechselrechtlich nichtig. Um diese Haftung des Wechselgláubigers für seine eigene Forderung zu vermeiden, wird in vielen Fallen der oben erwáhnte Solawechsel gewáhlt. Wechselrechtliche Haftungsverbindlichkeiten müssen ais Eventualverbindlichkeiten in der kaufmánnischen Bilanz unter der Bilanzsumme - <unter dem Strich> in einer gesonderten Position ausgewiesen werden (oft erfolgt dies auch in den Erlauterungen im Anhang). Bei Forfaitierungen fiihrt die Verwendung von Solawechseln folglich zu einer Bilanzentlastung (Aktivtausch Forderungen —» Liquiditát) (vgl. Abschnitt D-3.2). Die Haftung des Indossanten kann durch ein «Angstindossament» ausgeschlossen werden: «Für mich, ohne Obligo (ohne Regrei? , ohne Haftung), an die Order von ...». Der Wechselverkáufer kann dann nicht in Anspruch genommen werden. (Beim Scheck ist kein Angstindossament móglich.) Durch den Zusatz «Wert zur Einziehung» (oder «zum Inkasso» oder «in Prokura») wird eine Bank beauftragt, den Wechsel beim Bezogenen einzuziehen. Durch dieses Inkassoindossament entsteht keine Indossantenhaftung, wozu auch, denn wenn der Wechsel nicht eingelóst werden kann, muS der Indossant als letzter Wechselinhaber ohnehin gegen den Bezogenen vorgehen; er würde quasi fur sich selbst haften. Sofern auf der Rückseite des Wechselformulars kein Platz mehr für weitere Indossamente ist, kann der Wechsel durch ein angeklebtes Zusatzblatt beliebig «verlángert» werden (Allonge), um weitere Indossamente anzubringen. Die Klebestelle wird meist mit einem Stempel oder einer Unterschrift <gesichert>. (6) Diskontieren Wechsel kónnen zu marktüHichen Konditionen verkauft werden (Diskont), in der Regel an die Hausbank, die sich ihrerseits durch Weiterverkauf an die Bundesbank (Rediskont) refinanzieren kann. Früher gab es eine spezielle, kostengünstige Rediskont-Kreditlinie für die Banken bei der Bundesbank, die zum 31.12.1998 eingestellt wurde. s Dies bedeutete eine Verteuerung des Diskontgescháfts. PRAXISTIP Die Bundesbank und viele Banken kaufen Wechsel nur an, in denen der Monat in Buchstaben ausgeschrieben ist (Abkürzungen sind zulássig). Dies liegt ¡rtsbesondere an der in manchen Lándern üblichen Zahlenschreibweise, bei der der Monat zuerst genannt wird (3. April 2001 = 04-03-01), was natürlich leicht zu Verwechslungen führen kann. Wenn der Akzeptant vorhersehen kann, daE er den Wechsel nicht einzulósen vermag, kann er den Aussteller um eine Verlangerung ersuchen (Prolongation). Dies geschieht meist, indem der Aussteller einen neuen Wechsel auf den Schuldner zieht (Prolongationswechsel). Eine Prolongation ist nichts Ungewóhnliches, sollte aber grundsátzlich zur Vorsicht mahnen. In manchen Landern ist die Prolongation durch Datumsanderung auf dem Wechselformular zulássig (Schweiz, Finnland). (7) Wechseiprotest und Wechselstrenge Wenn der Wechselverpflichtete nicht zahlt, <platzt> der Wechsel und <geht zu Protest). In Deutschland mul? der Protest an einem der beiden Werktage erfolgen, die auf den Fálligkeitstermin folgen; in vielen anderen Landern sind die Protestfristen lánger (in Frankreich 5 Nicht alie Lander des Euroraumes waren bereit, das Rediskontinstrument zu iibernehmen. <?page no="231"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente ¡m Auftenhandel 2 0 9 und Groi? britannien z. B. ist noch nach 8 Tagen Protesterhebung móglich. Die Verweigerung der Zahlung muí? nach deutschem Recht durch eine óffentliche Urkunde eines Notars oder Gerichtsvollziehers festgestellt werden («Ich habe die Urkunde vorgelegt, und sie ist nicht bezahlt worden» - Unterschrift auf der Vorderseite des Papiers, ggf. durch einen Zusatz- <zettel>). Wenn der Bezogene nicht anwesend ist, trágt der Protestbeamte in die Protesturkunde einen Wandprotest ein (er spricht den Protest quasi gegen die Wand), wenn der Sitz des Bezogenen nicht feststellbar ist, spricht er einen Windprotest <in den Wind>. Der Wechselgláubiger kann nach dem Protest jeden Wechselverpflichteten den Bezogenen, alie Indossanten, den Aussteller als Gesamtschuldner in beliebiger Folge in Anspruch nehmen («Sprungregrei? » start Reihenrückgriff). Der Wechselinhaber muí? allerdings seinen unmittelbaren Vormann und den Aussteller benachrichtigen, was meist durch Zusendung des unbezahlten Wechsels erfolgt. Durch fehlenden Protest wird der Wechsel wechselrechtlich wertlos, weil keine <Wechselstrenge> mehr greift; die Anspriiche miii? ten auf dem Weg einer <normalen> Zivilklage geltend gemacht werden. Wenn auf den Wechselprotest hin Klage erhoben wird, ist im Wechselprozei? der Zeitraum zwischen Zustellung der Wechselklage und der miindlichen Verhandlung sehr kurz im Unterschied zum normalen Zivilprozei? , in dem man beispielsweise einen Buchkredit einklagen miii? te. Der Beklagte wird meist am Verhandlungstag zur Zahlung verurteilt (sofern er keine signifikanten Einreden gegen die Form machen kann, was sehr selten der Fall ist), und das Urteil ist sofort ohne Kosten für den Gláubiger vollstreckbar, z. B. durch Pfandung durch den Gerichtsvollzieher. Hinzu kommt, dai? die <faulen> Schuldner geplatzter Wechsel .(und Schecks) lebenslang in einer Schuldnerliste gespeichert werden (PL = Protestliste, SCHUFA-Liste 6 ), in der potentielle Kreditgeber routinemáí? ig vor Gewahrung eines Kredits nachsehen. Die Regularien sind im europáischen Ausland zwar anders, aber durchaus ahnlich, aber nicht immer: In Italien wird der Protest óffentlich ausgehangt, in Frank reich erfolgt eine Streichung nach zwei Jahren, in einigen arabischen Lándern wird die Nichtzahlung mit Gefángnis bedroht, in Israel gibt es gar keinen Protest. G-1.3.1.3 Akkreditiv Ein gleichermaEen wichtiges Dokument im Aui? enhandel ist das Akkreditiv. Mit einem Akkreditiv weist z. B. ein Importeur seine Bank an, einem Begiinstigten bei Erfiillung bestimmter Bedingungen einen bestimmten Betrag auszuzahlen. Das Akkreditiv ist ein vom eigentlichen Grundgescháft losgelóstes Zahlungsversprechen. In der Regel ist die Auszahlung an die Vorlage bestimmter, im Akkreditiv spezifizierter Dokumente gekniipft (Dokumenten-Akkreditiv), mit denen u.a. beispielsweise die ordnungsgemal? e Verschiffung der Ware nachgewiesen wird (in Abschnitt G-1.3.3.2 wird dies vertieft). G-1.3.2. Versicherungsdokumente Eine Versicherungspolice ist eine Urkunde eines Versicherers {underwriter) iiber einen abgeschlossenen Versicherungsvertrag, die als Namens-, Order- oder Inhaberpolice ausgestellt werden kann. Dabei sind Einzelpolicen fur eine einzelne Warensendung und Generalpolicen für laufende Versicherungen fur einen bestimmten Zeitraum oder eine bestimmte Menge 6 Schutzvereinigung für allgemeine Kreditsicherung. <?page no="232"?> 210 G Liefer-und Zahlungsbedingungen (Abschreibepolicen) gebráuchlich. Letztere sind Rahmenvertráge und gelten für alie Warensendungen meist innerhalb eines bestimmten Zeitraumes und innerhalb eines bestimmten Wertrahmen. Unter Generalpolicen wird der Exporteur háufig ermáchtigt, selbst die einzelnen Versicherungszertifikate {Versicherungsscbein) auszustellen. Dies erleichtert die zeitgerechte Abwicklung. Die Notwendigkeit dieser Dokumente hángt insbesondere auch von den vereinbarten Lieferbedingungen ab. Liegt beispielsweise ein CIF- oder CIP-Vertrag vor (vgl. Abschnitt D-3), ist der Exporteur zum Abschlul? einer Transportversicherung auf seine Kosten verpflichtet, die bestimmte Mindeststandards eindeckt, und muS dies dem Importeur entsprechend dokumentieren. Die Mindeststandards richten sich in der Regel nach den Londoner «Institute Cargo Clauses»; im Abschnitt G-2.2.3 wird dies vertieft. Versicherungsdokumente sind daher háufig Teil der vorzulegenden Papiere bei Dokumentenakkreditiven. G-1.3.3. Handelsdokumente Die Handelspapiere unterteilen sich in die Hauptgruppen Begleitpapiere, die mit der Ware reisen, und Versandpapiere, die lediglich den Versand der Ware nachweisen und ebenfalls mit der Ware reisen kónnen oder auch nicht. G-1.3.3.1. Begleitpapiere Art und Anzahl der Begleitdokumente, die mit der Ware reisen, richten sich vielfach nach den Einfuhrbestimmungen des Importlándes, aber auch nach den speziellen Wünschen des Importeurs. Es ist empfehlenswert, die jeweiligen ImportvoTschriften des Einfuhrlandes im Hinblick auf die Aufmachung von Dokumenten genau zu beachten, weil eine nachtrágliche Ánderung der Papiere oft nicht moglich ist oder mit Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist oder sogar zu Zollstrafen und Beschlagnahmung der Ware führen kann. Beispielsweise schreiben die arabischen Staaten des persischen/ arabischen Golfs die Bezeichnung <Arabischer Golf> vor, wáhrend der Iran keine Importe mit eben dieser Zielbestimmung aufnimmt, sondern die Bezeichnung <Persischer Golf> verlangt. ZweckmáSigerweise wird man in den Papieren dieses Problem durch die Angabe des konkreten Bestimmungsorts umgehen. Die Beachtung von formalen Vorschriften ist genauso wichtig im Hinblick auf Verpackungs- und Markierungsvorschriften sowie auf die verwendete Sprache. (1) Handelsrechnung Die Handelsrechnung ist eines der wichtigsten Dokumente im Aufenhandel. Der Zugang der Handelsrechnung (commercial invoice) lost oft für den Kaufer die Zahlungspflicht nach den vereinbarten Zahlungsbedingungen aus; sie hat daher eine zentrale zivilrechtliche Bedeutung. Gleichzeitig ist sie auf der Importseite - Grundlage fur die Ermittlung des Zollwertes (der wiederum aus deutscher Sicht die Einfuhrumsatzsteuer bedingt). Die Handelsrechnung enthált üblicherweise u. a. folgende Angaben: Ñamen und Anschrift des Exporteurs und des Importeurs, Ausstellungsdatum, genaue Beschreibung der Ware (Art, Menge, Gewicht, Verpackung, etc.), Preis(e) einschlieSlich ev. Rabatte oder Skonti, die Lieferbedingungen, die Zahlungsbedingungen sowie eine rechtsverbindliche Unterschrift. Für manche Importlánder ist eine Beglaubigung (Legalisierung) durch die Handelskammer oder das Konsulat des Importlándes im Exportlandes erforderlich. Der Hintergrund <?page no="233"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente ¡m AuGenhandel 211 ist dabei meist, da(S in Weichwáhrungslandern der «Überfakturierung» {over-invoicing) vorgebeugt werden soil, weil z. B. der Importeur auf der Grundlage einer überhóhten Rechnung eine überhóhte Devisenzuteilung erhált, die ins Ausland transferiert werden kann. Mit Unterfakturierungen (under-invoicing) kónnte eventuell ein niedrigerer Zollwert zu geringerer Zollbelastung fuhren (Abb. G-l/ 3). Abb. C-1/ 3: Exportinspektionen AUSSENWIRTSCHAFT / 27 Entwicklungslander lassen deutsche Ausfuhren inspizieren Exportpreispriifungen sollen die schmalen Devisenkassen der Dritten Welt schonen IRAN / Inspektionszertifikate fiir Einfuhren Senegal verfeinert seine Einfuhrinspektion See- und Flugmanifeste, Zollbefreiungen, Dumpingverdachte einbezogen Die Angaben in der Handelsrechnung miissen beim Dokumentenakkreditiv prazise mit der Warenbeschreibung im Akkreditiv iibereinstimmen; zudem darf der Rechnungspreis (in der Regel) nicht hóher sein ais die Akkreditivsumme (siehe aber in Abschnitt G-3.4.2 zur «circa»-Stellung). Probleme kónnen sich ergeben, wenn das Importland eine Originalrechnung des Herstellers verlangt, der Exporteur jedoch nicht selbst Hersteller ist und dieser u. U. nicht feststellbar ist. Die elektronische Erstellung, Übermittlung und Begleichung von Handelsrechnungen (e-billing) steckt in Europa noch in den Anfángen, im Gegensatz wer hátte das gedacht zu den USA. Probleme bereitet nach wie vor die Fálschungssicherheit und die Autentizitát von Unterschriften (elektronische Signatur). (2) Pro-forma-Rechnung Eine Pro-forma-Rechnung (pro-forma-invoice) wird meist vor der Lieferung der Ware oder sogar vor GescháftsabschluE ausgestellt, z. B. in der Angebotsphase. Papiermafig ist sie meist mit der (Original-)Handelsrechnung identisch und enthált lediglich den Zusatz «profortna invoice, no commercial value». Sie dient in vielen Lándern ais Grundlage für die Beantragung von Importlizenzen und Devisenzuteilungen, 7 kann fiir die Eróffnung eines Importakkreditivs erforderlich sein, begleitet Ersatzlieferungen (Gewahrleistung), begleitet Kommissionsware oder Waren bei voriibergehender Verwendung im Ausland etc. (vgl. Abschnitt K-4.4). Im Gegensatz zur Handelsrechnung lost sie keine Zahlungspflicht aus. In manchen Lándern muí? der Importeur bei der Importabwicklung eine Herstellerrechnung vorlegen, wenn die Ware nicht direkt beim Hersteller bezogen wird. Dafi diese Bedingung in der Praxis zu Problemen führen kann insbesondere, wenn eine Ware iiber mehrere Handelsstufen importiert wird -, liegt auf der Hand. Hier wird oft eine Pro-forma-Rechnung akzeptiert. 7 In einigen Lándern übernimmt eine Zoll- oder Konsulatsfaktura diese Funktion. <?page no="234"?> 212 G Liefer- und Zahlungsbedingungen (3) Zollfaktura Die Zollfaktura (customs invoice oder oft genauer: Combined Certificate of Value and Origin and Invoice) ist im Commonwealth-Raum noch gebrauchlich. Sie ist der Konsulatsfaktura (vgl. unten) vom Zweck her áhnlich und dient der Verzollung der Importware (meist auf der Basis des FOB-Wertes). Eine Zollfaktura muí? bestimmten formellen und inhaltlichen Vorschriften geniigen. Der Exporteur bestátigt, daS der angegebene Warenwert dem tatsáchlichen Verkehrswert in seinem Land entspricht [fair market value oder domestic market value). Dadurch sollen sowohl Dumpingpreise ais auch überhóhte Preise unterbunden werden. Eine Legalisierung ist zwar nicht gebrauchlich, 8 manchmal muí? jedoch die Unterschrift des Exporteurs durch einen zeichnungsberechtigten Zeugen desselben Unternehmens beglaubigt werden. Meist diirfen keine Firmenstempel angebracht werden. Durch den Ubergang der meisten Lander zur WTO-iiblichen CIF-Verzollung auf der Basis des sog. Transaktionswertes, der sich auch des Problems des <richtigen> Wertes annimmt (vgl. Abschnitt G-2), ist die Zollfaktura als Basis fur die Zollwertbestimmung abgeschafft worden (u. a. in den USA, Kanada, Neuseeland und Australien), doch wird sie in vielen Lándern noch ais Ursprungserklárung verlangt (4) Konsulatsfaktura Die Konsulatsfaktura (consular invoice) war in einigen meist lateinamerikanischen - Landern fur die Zollabwicklung erforderlich. Heute wird sie nur noch sehr selten gefordert. Sie entspricht inhaltlich prinzipiell der Handelsrechnung, doch miissen oft die ausgewiesenen Preise durch das Konsulat des Einfuhrlandes gegen Gebiihr legalisiert (beglaubigt) werden, d. h. das Konsulat bestátigt, dal? der Warenwert dem tatsáchlichen Verkehrswert im Exportland entspricht. Háufig miissen für die Konsulatsfaktura spezielle Formulare verwendet werden, meist in der Sprache des Importlandes (also in der Regel Spanisch) oder der iiblichen Korrespondenzsprache. Sie sind beim zustándigen Konsulat erháltlich. Durch die Bestátigung des <eigenen> Konsulats sollte wie bei der Zollfaktura insbesondere der Gefahr entgegengewirkt werden, dal? durch überhóhte Importrechungen ein illegaler Devisenexport móglich ware: Das Konsulat bestátigte den «fair market value» oder den «Current Domestic Value». Die englische Bezeichnung «Combined Certificate of Value and Origin and Invoice» ist daher aufschlufoeich. Vor allem zwischen verbundenen Unternehmen wáren fingierte Rechnungen nicht sehr schwierig zu erstellen. Besonders empfindlich ist man daher auch meist im Hinblick auf Anderungen, Radierungen, Ubermalungen oder Rasuren in den Dokumenten. Derart korrigierte Papiere werden in der Regel auch nicht legalisiert. Mit der Einführung des WTO-Zollwert-Kodex haben die meisten Staaten, die früher auf einer Konsulatsfaktura bestanden, diese abgeschafft (teilweise noch Dominikanische Republik, Haiti, Panama, Paraguay und für einige Waren - Philippinen). Stattdessen wird oft ein Inspektionszertifikat verlangt; vgl. nachstehend. (5) Pre-Shipment Certificate / Inspektionszertifikat Bei Dokumentenakkreditiven, aber auch aufgrund amtlicher Importvorschriften ist oft ein Pre-Shipment Inspection Certificate (PSI; Vorversandkontrolle, Vorverschiffungskontrolle, 8 Legalisierung bedeutet hier, dafi die auslándische Vertretung in Deutschland bestátigt, da(? die Unterschrift auf der Rechnung von einem Berechtigten geleistet worden ist. Dies kann bei Notarsunterschriften eine vorherige «Überbeglaubigung» beim zustándigen Landesgericht erfordern. <?page no="235"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente im AuRenhandel 213 Waren-Kontroll-Zertifikat, Inspektions-Zertifikat) erforderlich, das die Übereinstimmung der verpackten Ware mit der Bestellung bzw. den Importbestimmungen des Einfuhrlandes bescheinigt. Mit diesem Dokument bestátigt ein vom Importeur beauftragter Priifer in der Regel auf Kosten des Importeurs in einem «clean report of findings» die Korrektheit von Preis, Qualitát und Menge der verschifften Ware. In vielen Lándern schreiben die staatlichen Einfuhrvorschriften dies vor, um Über- oder Unterfakturierungen, aber auch dem Import von Fálschungen bei angeblichen Markenartikeln vorzubeugen (Abb. G-l/ 4). Von der Exportwirtschaft wird diese Einschaltung unabhángiger Prüffirmen eher ais nichttarifáres Handelshemmnis betrachtet, weil es die Abwicklung erschweren kann, denn die auf diese Aufgaben spezialisierten Prüffirmen haben nicht selten einen betráchtlichen Entscheidungsspielraum. Bei strittigen Punkten mufi dann oft der Prüffirma nachgegeben werden, weil z. B. die Ausnutzung eines Akkreditivs unter zeitlicher Befristung steht. Vielfach betátigen sich Spezialfirmen auf diesem Gebiet, z. B. die SGS/ Societé Genérale de Surveillance Controllo, die weltweit vertreten ist und daher auch für Importe nach Deutschland tátig werden kann, oder die Bureau Veritas, die SOCOTEC International Inspection, die COTECNA (alie in Hamburg), 1ST Intertek Testing Services, Inspectorate Griffith, für Rutland der DIN GOST TÜV in Berlin u.a.m. (Seit 1997 ist ein GOST-Konformitatszeichen auf dem Produkt, Label, der Verpackung oder den Versandpapieren beim Import nach Rutland vorgeschrieben.) Manche Lander u. a. Iran erleichtern die Einfuhr von Sendungen, die freiwillig einer Preshipment-Kontrotte durch eine dafür beauftragte Unternehmung (hier: SGS) unterzogen wurden. Andere Lander z. B. Argentinien haben zahlreiche Waren von der Vorversandkontrolle wieder ausgenommen. Andererseits haben einige Lander (u. a. Ghana und Nigeria) die Pre-Sfopwewi-Inspektionen im Exportland durch Destination Inspections im Importland ersetzt, wodurch sich das Risiko des Exporteurs erheblich erhóht. Innerhalb der WTO wurde ein spezielles Schiedsverfahren für Pre-Shipment-Probleme etabliert. Der Exporteur, der mit den Prüfungsergebnissen eines Inspektionsunternehmens unzufrieden ist, kann dieses Schiedsgericht anrufen. Wenn das Inspektionszerifikat allerdings z. B. Teil einer Akkreditivdokumentation ist, dürfte ein zeitaufwendiges Schiedsverfahren nicht mehr viel nützen. (6) Packliste Die Packliste (packing ¡ist) ist eine Erganzung der Handelsrechnung und enthált eine genaue Spezifizierung der verpackten Ware hinsichtlich Art (Codenummern), Anzahl, Brutto- und Nettogewicht, usw. Sie kann ggf. durch Gewichtslisten, Aufmafilisten oder sonstige Warenbeschreibungen ergánzt werden oder aber diese Angaben selbst enthalten. Packlisten und Gewichtsbescheinigungen (oft von dazu ermachtigten amtlichen Stellen) sind u. a. auch für Zollzwecke erforderlich (z.B. bei genehmigungsbedürftiger Ausfuhr) sowie für Versicherungszwecke. Zur Warenspezifikation werden daneben weitere Dokumente verwendet wie Wiege- oder Aufmafibescheinigungen. (7) Ursprungsnachweise Für eine Reihe von auSenwirtschafts- und zollrechtlichen Zwecken ist es im Importland erforderlich, den Warenursprung nachzuweisen, insbesondere im Zusammenhang mit Importgenehmigungen und Zollpráferenzen (vgl. auch Abschnitt K-3). Ursprungszeugnisse <?page no="236"?> 2 1 4 G Liefer-und Zahlungsbedingungen Abb. G-1/ 4: Pre-Shipment-Zertifikat • 0 U 3 i s u ¿ i S u s t a u a t b ü b § s ( j J t a ü s « S ü a t i i j 3 » s ü a t 5 i j b i S U S t c ) ü c > t s i j S i b i j i » 5 ( j 3 i » ü i f i u s « 5 ü i « i i j b » fe% 5g S 5S 5S 5 I ViolenstraOe 27 Lingnerallee 3 D-28195 Bremen D 0 1 0 6 9 Dresden Postfach 106529 0 - 2 8 0 6 5 Bremen Raboisen 28 BehringstraBe 154 0 - 2 0 0 9 5 H a mburg 0 - 2 2 7 6 3 H a m b u r g PosHach 10 5 * 80 Postfach 10 54 8 0 D-20037 H amburg D-20037 H a m b u r g SGSControll-Co.m.b.H. Auf der Hohe 49 lm Freihafen 4 D-47059 D u h b u r g 0-47138 Duraburg Baukauer StraGe 98 0 - 4 4 6 5 3 H e m * Postfach 101112 D-44601 H e m e A m Neuen Rheinhafen 12a D-67346 Sp*Y«f Postfach 19 28 0 - 6 7 3 2 9 Speyer A m Getreidehafen 3 0-18147 Rostock Zertifikat Certificate No 0101/ 198458 CERTIFICATE OF QUALITY In pursuance of an order received from: I GmbH & Co requesting us to carry out the instructions summarized as under supervision of quality of a consignment designated as: Consignee: Notify: Vessel: B/ L No 1 dated: Port of loading: Destination: 3.113.247 MT German Milling Wheat, in bulk, crop 2000 Goods to be sound, loyal and merchantable Test weight min 76 kg/ hi Protein basis 12 pet min 11.5% Falling Number min 230 sec. as per Hagberg Method Zeleny min 28 Moisture max 14,5 pet Admixture max 6% out of which foreign matter max 2 pet TO ORDER Grain Trading Sp. z.o.o. UL Lechonia 3 01-556 Warsawa Poland MV ANTON 29.09.2000 Wolgast Szczecin t 8 t o ? s «? o ? O) o í o» O ? v> O s s f8 . 7 2 G****tclMit «i Btftnan « H I 2«rM*atti n m vrtpftcNisigtn ml Mm Kj^xri.tg ntcfttukomnwn Em«*««n«i«< T«* l k * < l O* tm ¡Lf\<\Kt: t ÓO»i nt s 58 S V> O t • SGS«SGSeSG5eSGSoSGS«SGSoSGS«SGSoSGS«SGSoSGSoSGSoSGSoSGS«SGS«SGSoSGSoSGSoSGSoSGSoSGS#SGS»SGS» <?page no="237"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente im Aultenhandel 215 werden von einer dazu berechtigten Stelle ausgestellt bzw. beglaubigt, z. B. der Zollbehórde des Exportlandes oder wie in Deutschland von der IHK, wáhrend Ursprungserklárungen durch den Exporteur auf der Handelsrechnung angebracht werden. Die EG verwendet im Handel mit den EFTA- und MOEL-Staaten für den Práferenznachweis spezielle Warenverkehrsbescheinigungen (z. B. EUR.l; vgl. auch Abschnitt K-3). In einigen fernostlichen Lándern sind sog. Werksatteste (Hersteller-Erklárungen) erforderlich, mit denen der Hersteller erklárt, wer die Ware hergestellt hat. Dies mul5 in der Regel durch das jeweilige Konsulat beglaubigt werden. In einigen Lándern dienen die Ursprungsnachweise dazu, Embargobestimmungen zu iiberwachen. So muís im arabischen Raum nicht selten nachgewiesen werden, dafi die Ware keine Beziige zu Israel aufweist (Ursprung, <shipper>). Sofern derartige diskriminierenede Papiere von den Behórden des Exportlandes ausgestellt oder beglaubigt werden miissen, sehen sich deutsche Exporteure in Schwierigkeiten, weil die dafiir zustándigen Industrie- und Handelskammern (IHK's) dies ablehnen werden: Die Bundesregierung hat 1993 im Alleingang die Beteiligung an BoykottmaEnahmen verboten, die nicht von der Bundesregierung selbst angeordnet sind. Deutsche Unternehmen diirfen danach keine entsprechenden Erklárungen abgeben. Vgl. mehr in Abschnitt L-6.4. (8) Weitere Begleitpapiere Die Importbestimmungen vieler Lander erforden oft Nachweise iiber spezielle Aspekte der Beschaffenheit der Waren, z. B. Pflanzengesundheitszeugnisse oder veterinármedizinische Testate oder sonstige Analysezertifikate z. B. bezüglich der chemischen Zusammensetzung einer Ware. Australien verlangt z. B. bei Holzverpackungen den Nachweis, dafi eine Behandlung gegen die Sirexwespe erfolgt ist. Verschiedene Lander - RuEland, Mexiko verlangen fur viele Erzeugnisse Zertifikate, welche die Konformitát mit nationalen Sicherheitsanforderungen und Normen nachweisen. Im Rahmen bestimmter spezieller Abkommen (z. B. betreffend Kaffee, Kakao, Textilien) sind spezielle Papiere erforderlich (z. B. Kaffeezeugnis, Kakaozeugnis). 9 Bei Nahostexporten ist háufig eine Zusicherung «aus versicherungstechnischen Gründen» erforderlich, die oft vom jeweiligen Konsulat des Importlandes im Exportland beglaubigt werden muS und z. B. bescheinigt, daS das Schiff oder Flugzeug ein bestimmtes Alter nicht iiberschreitet (Sicherheitsaspekt), die kontrahierte Reederei oder Luftfahrtgesellschaft nicht in Israel ansássig ist bzw. israelischen Biirgem gehort und da£ das Schiff oder Flugzeug keine israelischen Háfen oder Flughafen anláuft bzw. anfliegt oder entsprechenden Luftraum berührt. Dies steht nicht im Widerspruch zum gerade erwáhnten grundsátzlichen Verbot von Boykotterklárungen, das seit 1993 in Deutschland gilt, weil <versicherungstechnisch>... G-1.3.3.2. Versanddokumente Bei den Versandpapieren ist zu unterscheiden zwischen solchen, die lediglich den Versand der Ware nachweisen (Versandnachweise, sie konnen, miissen aber nicht mit der Ware reisen), und solchen, welche die Ware <reprasentieren>, d. h. deren Besitz gleichbedeutend ist 9 Der Formularverlag C. W. Niemeyer verlegt eine Broschüre «Importbestimmungen anderer Lándern»; die Handelskammer Hamburg gibt die «K&M ¡Consular- und Mustervorschriften» heraus; die Bfai in Koln informiert über Lánderbestimmungen. <?page no="238"?> 216 C Liefer-und Zahlungsbedingungen mit der Verfiigungsgewalt iiber die Ware (Traditionspapiere, synonym: Dispositionspapiere). Versandnachweise haben eine rechtlich schwáchere Stellung ais Traditionspapiere, indem sie keine Wertpapiere sind, d. h. keine Vermogensrecht verbriefen, sondern nur Beweisurkunden hinsichtlich des Abschlusses von Befórderungsvertrágen sind. Die Auslieferung der Ware erfolgt dabei an den bestimmten Empfánger, ohne dafj dieser Originale oder Duplikate des Versandnachweises vorlegen mufi. Der UNO-Ausschui? fur internationales Handelsrecht (UNCITRAL) bescháftigt sich seit Mitte 2000 mit Vorarbeiten zu einem internationalen Transportrecht. Dabei findet eine Zusammenarbeit statt mit der Internationalen Handelskammer (ICC) und dem Comité Maritime International (CMI). Gegenstand der Arbeiten sind vor allem die Warenkontrolle und die Warenbeschreibung in den Transportdokumenten, bei denen international erhebliche Unterschiede bestehen: In einigen Staaten miissen die Waren nur áuíSerlich in Ordnung sein («in good apparent order»), in anderen - Australien, Japan sind Gewicht oder sogar Geruch wichtige Kriterien. Auch zu Prüfvorgángen, Datumsangaben, Unterzeichnung werden Vereinheitlichungen angestrebt. (1) Traditionspapiere Als Traditionspapiere bezeichnet man solche, die einen selbstándigen, schuldrechtlichen Anspruch auf Auslieferung der Ware begründen. Sie verkorpern die Ware; ihre Übergabe ersetzt im allgemeinen die Übergabe der Ware. Sie ermachtigen bei Vorlage aller Originale zu Verfiigungen iiber schwimmende, rollende oder lagernde Ware und berechtigen zur Herausgabe der Ware bzw. <reprasentieren> die Ware. (a) Konnossemente Je nach Verkehrstráger sind verschiedene Formen von Konnossementen zu unterscheiden. Der Begriff leitet sich aus dem franzósischen «connaksement» ab, frei iibersetzt als Anerkennung, d. h. es handelt sich um Übemahme-Erklárungen des Verfrachters bzw. Frachtfuhrers (z. B. der Reederei) sowie die Verpflichtung zur Befórderung der Ware fiir den Ablader (Shipper)' 0 . Im englischen Sprachgebrauch ist der Begriff bill of lading iiblich. 11 Besondere Bedeutung kommt dem Konnossement dadurch zu, daí? es ein Traditionspapier und nicht nur ein Legitimationspapier ist wie der Frachtbrief (vgl. unten). Zwar verwenden die Reedereien jeweils individuell unterschiedliche Konnossementsformulare, doch entsprechen sich diese inhaltlich weitgehend. Im deutschen Handelsrecht ist das Konnossement in §§ 642ff. HGB verankert und dort spezifiziert. Das Seekonnossement (Reedereikonnossement, marine, liner oder ocean bill of lading, B/ L) ist das klassische Traditionspapier der Seeschiffahrt (Abb. G-l/ 5); es ist nur auf eine Hafenzu-Hafen-Verladung anwendbar. In der Regel werden zwei oder meistens drei Originalexemplare erstellt, von denen jedes allein die Ware vertritt und zur Herausgabe der Ware berechtigen. Die Gezamtzahl der Originale wird im Konnossement vermerkt (siehe Abbildung) und als voller Satz (full set) bezeichnet. Bei Akkreditiven wird dann z. B. die Vorlage von 2/ 3 oder 3/ 3 des vollen Satzes verlangt, d. h. zwei der drei bzw. alie drei Originale miis- 10 Der Ablader schlieGt den Seefrachtvertrag mit dem Verfrachter und bringt die Ware an das Schiff. Sofern er nicht selbst der Ausftihrer ist, sondern z. B. als Seehafenspediteur im Auftrag des Ausführers handelt, bezeichnet man letzteren auch als Urablader. 11 Gelegentlich findet sich auch (sprachlich veraltet) bill of loading. <?page no="239"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente im AuRenhandel 217 Abb. G-1/ 5: Seekonnossement SAlXMf (SHI p f n p MAS C H I N E NBAU - GMBH & CO. KG W M W M M M D « H V ^ V M l M H WEST GERMANY Consigne* (CO) TO THE ORDER OF Notify 1NF1 Local vassal Oaten M ssoi POLESSK From (local port of toooWgi Port of toning Bremen PORT Customer-No. Cusiomer ' i Rol LINER BILL OF LADING BALTIC SHIPPING COMPANY 5, Mezhevol canal. Leningrad 198035, USSR Cable: Morílot Leningrad B a l t i c - C o n t i n e n t / S o u t h A m e r i c a W e s t C o a s t , W e s t I n d i e s , C a r i b b e a n , C e n t r a l A m e r i c a , M e x i c o , U. S . Golf. Agents at Bremen & Hamburg Überseesehif fartrtsagen tur TRANSNAUnCGmbH & Co. KG Port oí discharge PORT LIMÓN Final destination f («fgw payable »i BREMEN Number of c*irsruu>B/ L 3/ TRES Marks * Numbara (MN, Number oi paduoaa/ dascnplion of goods Gross we-ght KOS I . C . E . 6 9 8 0 1 0 / O . C . 3G066 L I C . PUB. 5 1 0 1 2. SUMINISTRO PARCIAL VIA PORT LIMON PESO BRUTO: 407 PESO NETO: 248 COSTA RICA 1 CAJA EQUIPOS, REPUESTOS Y ==== ACCESORIOS, COMO REFERENCIA ORDEN DE COMPRA NO. 3 6 0 6 6 , DTD NOVEMBER 2, •awae.w» 407,-KGS KG KG IRREVOCABLE LETTER OF CREDIT NO. «(-2168 DEL BANCO COOPEFATIVO COSTARRICENSE R.L SAN JOSE/ C.RICA C AND F PORT LIMON, WITH FINAL DESTINATION ADUANA PRINCIPAL, SAN JOSE COSTA RICA . 2 . SUMINISTRO PARCIAL ON BOARD FREIGHT PREPAID Demurrage and Detention of Container»; Freetime of 7 working days Is granted to shippers/ receivers. After expiry of freetime. the following charges are duet First 7 days t 5.00 per 20* and S 10.00 per 40* per calendar day thereafter $ 10.00 per 20" and $ 20.00 per 4(7 per calendar day FRBGHT AND CHARGES FLETE M A R I N O : DM 2.60V Original Particulars furnished by the Merchant SHIPPED M I board In apparent good order and condition, weight, measure. marka, numbers. quality, conienn and valua unknown, lor carrtoga lo tha port of diseñaros or to near thereunlo aa iha Vassal may salary gal and ba always afloat. 10 bo dattvarad In tha Ilka good order and condition at Iha aforesaid Port unto Consigna»* of ihair Assigns, thay paying freight • * par nota on Iha trtargln plus otnar charges incurrad in accordance with the provision! In this 8Ht ol Lading. In ace to ting ihla BU of Lading Iha Merchant an prosify accapn and agree* to all ila ttiputationi on bolh pages, whether wnltan. printed, itampod or otherwise Incorporated, as lulty as il iney were a l argued by the Merchant One original Bin or Lading muel be surrendad duly annoraed ~ " Iha goods or deBwery order. ITNESS whereof tha Maalar ol the said Vassal has r ol original B«» ol Lading Haled above, art ol Ibis Mtor and data, one the which being sccompiltrted. Iha 6 Hand vow. IN ACCIPTWQ THIS BILL OP LADINO THE SHIPPER, CONSIGNEE AMD THE OWNERS OP THE GOODS. AND THE HOLDER OP TMS BILL OP LADING. AQREE TO BE BOUND BY ALL OP ITS CONDITIONS? EXCEPTIONS ANO PROVISIONS WHETHER WRITTEN, PRINTED OP STAMPED ON THE FRONT OR BACK HEREOF. <?page no="240"?> 218 G Liefer- und Zahlungsbedingungen sen vorgelegt werden. Wenn ein Original bezahlt wird, sind alie anderen Origínale «erledigt» (kassatorische KlauseF). Neben den Originalen gibt es fur verschiedene Zwecke noch eine beliebige Zahl weiterer Kopien, die nicht begebbar sind («Copy I not negociable») und nicht die Ware reprásentieren. Die Origínale sind gemalS § 363 HGB durch Indossament begebbar («negotiable B/ L»), meist durch Blankoindossament, wobei als Begiinstigter (consignee) «an Order» angegeben wird (Orderkonossement), so dafs sie faktisch Inhaberpapiere werden (Inhaberkonnossement). Dadurch erhalten Konnossemente ihre herausragende Bedeutung im Handel. Durch ein Blankoindossament kann der Exporteur via Indossament liber die Ware verfugen. Wiirde man als Begiinstigten den Importeur angeben ein Vollindossament erzeugt ein Namenskonnossement -, ware allein dieser verfiigungsberechtigt. Zahlt der Importeur nicht, muíste er seinerseits ein Indossament anbringen. Ob er das aber macht...? Wenn ein Konnossement explizit micht an Orden gestellt ist, ist es ein Rektakonnossement, und nur der genannte Berechtigte hat einen Herausgabeanspruch (selten). Das in der Praxis am meisten verwendete Konnossement ist das «an Order» ausgestellte und blanko indossierte Order-Konnossement. PRAXISTIP Sofern es nicht ausdrücklich verlangt wird, sollte das Konnossement nicht an eine bestimmte Order ausgestellt sein, weil der Exporteur damit die Verfügungsgewalt iiber die Ware abgibt. Meistens enthalten Konnossemente auf der Rückseite die erwáhnte (eingedruckte) kassatorische Klausel, welche die genaue Anzahl der Originale angibt, sowie Beziige auf international anerkannte Klauseln, welche verschiedene Schadensfálle betreffen (Konnossementsklauseln), z. B. die Both-to-blame-Khusel bei Kollisionen mit Schuld auf beiden Seiten, oder die Himalaya-Klausel bezüglich der Haftung des Schiffspersonals, bzw. allgemein Hinweise auf Beforderungsbedingungen der Reederei, die nicht eigens im Konnossement aufgefiihrt werden. Dann spricht man auch von Short form B/ L. Daneben kónnen auch individuelle Vermerke und Einfügungen in Konnossementen enthalten sein. Hinweise auf z. B. Beschádigungen der Ware machen ein Konnossement «unrein» (unclean). Für Akkreditive ist grundsátzlich eine «Rein-Zeichnung» erforderlich. 1924 wurde eine Internationale Vereinbarung zur Vereinheitlichung der Regeln für Konnossemente geschlossen. Diese sog. Haager Regeln sind iiberarbeitet worden und 1978 durch ein UN-Abkommen, die sog. Hamburger Regeln ersetzt worden, die auch für einige Aspekte der Incoterms von Bedeutung sind (Abschnitt G-2), doch ist dieses Abkommen in Ermangelung einer hinreichenden Zahl von Ratifizierungen durch Vertragsstaaten (auch nicht von Deutschland) noch nicht in Kraft getreten. Die Einbeziehung dieser Regeln in das Konnossement wird als Paramount-Klausel bezeichnet. Wie erwáhnt, wird in der UNCITRAL eine Harmonisierung diskutiert. Dann ist auch eine internationale Regelung für elektronische B/ L zu erwarten. Diese werden BOLERO-B/ L genannt und müssen als <BBL> gekennzeichnet sein. 12 Frz. encaisser = (ein-)<kassieren>. <?page no="241"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente ¡m AulSenhandel 219 PRAXISTIP «Bolero.net» ist eine in London ansássige Gesellschaft neuerdings mit Sitz auch in Frankfurt und Reprásentanzen in mehreren deutschen Stádten - , deren Ziel es ist, die international gebrauchlichen Dokumente auf etwa 50 Standardtypen zu reduzieren (incl. Zoll- und Versicherungsdokumenten) und für die elektronische Abwicklung aufzubereiten. Die als Standard Trade Settlement Terms bezeichneten Musterformulare sollen ab 2001 aus dem Internet kostenlos heruntergeladen werden kónnen. Zweckmafsigerweise sollte im Konnossement ein «Notify-Vermerk» mit einer Adresse angebracht werden, damit der Frachtfuhrer bei Ankunft im Bestimmungshafen die angegebene Person bzw. Firma verstándigen kann. Oft werden die Konnossementsangaben auch iiber Fax vom Linienagenten der Reederei im Verladehafen an einen Agenten im Bestimmungshafen iibermittelt. Dieser stellt dem Empfánger eine Arrival Note zu, damit die Warenabnahme vorbereitet werden kann. Wenn das Konnossemen blanko «an Order» indossiert ist, sollte die Notify-Adresse die Anschrift des Empfángers sein, andernfalls z. B. die eines Spediteurs oder einer Bank im Bestimmungshafen. Das Konnossement hat also eine Doppelfunktion. Zum einen ist es eine Urkunde iiber den Frachtvertrag zwischen Ablader (Befrachter) und Schiffsfrachtfuhrer, zum anderen eine Urkunde hinsichtlich des Rechtsverháltnisses zwischen Frachtfuhrer und berechtigtem Empfánger. Bevor das Schiff den Bestimmungshafen erreicht, kann der Ablader oder der Konnossementsinhaber nur Anweisungen beziiglich Riickgabe oder Auslieferung der Ware geben, wenn er dem Schiffer alie Origínale des Konnossements zurückgibt. Da es nicht selten ist, daS das Konnossement nicht rechtzeitig beim Káufer eintrifft, kann der Importeur auch dann die Ware erhalten, wenn eine Konnossementsgarantie gestellt wird, um eine kostentráchtige Einlagerung zu vermeiden. Diese schützt die Reederei vor Schadensanspriichen, falls sich die Warenübernahme als unrechtmáfig herausstellt. Verschiedene Konnossementsarten sind gebráuchlich. Mit einem Ubernahme-Konnossement bestátigt der Verfrachter, die Ware übernommen zu haben ^received for shipment), wobei die Verladung (Abladung) und Verschiffung noch aussteht, z. B. weil das Schiff noch nicht feststeht oder noch nicht im Hafen liegt ^intended vessel). Daneben gibt es Hafen- oder Lagerhalterkonnossemente (port b/ 1, custody b/ 1), mit denen sowohl die Warenübernahme als auch die Verpflichtung bescheinigt wird, die Ware innerhalb einer bestimmten Frist zu verladen. Mit einem (An-)Bord-Konnossement bestátigt der Verfrachter, daS er die Ware an Bord genommen hat und die Verpflichtung zum Transport anerkennt. Für Akkreditive werden meist An-Bord-Konnossemente verlangt. Durch den vom Kapitán angebrachten Vermerk «shipped on board» (der nicht unterzeichnet sein muE) kann ein Ubernahme-Konnossement in ein An-Bord-Konnossement überführt werden. Dies ist bei bestimmten Lieferbedingungen (vgl. Abschnitt G-2) von Bedeutung, weil es dem Importeur die GewifSheit gibt, dafi die Ware bereits an Bord verladen und mit dem benannten Schiff zum Versand gekommen ist. Ein Mate's Receipt ist ein Zwischendokument zum Bordkonnossement, mit dem der Verladeoffizier den Empfang der Ware bestátigt. Ublicherweise hat der Inhaber des Mate's Receipt Anspruch auf Aushándigung des Konnossements. Für einzelne Warenmengen, die zu einer Gesamtsendung zusammengefafit werden, konnen was aber nicht oft geschieht - Teilkonnossemente ausgestellt werden, die jedes für sich alie Konnossementsfunktionen haben, insbesondere also Traditionspapiere sind. Wenn beispielsweise ein Importeur eine Partie an verschiedene Kunden weiterverkaufen mochte, kann er <?page no="242"?> 220 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Teilkonnossemente ausstellen lassen, die sich nur in der Warenmenge unterscheiden und die an die einzelnen Káufer weitergeleitet werden. Allerdings erfahren seine Kunden damit den Ñamen des Abladers, so dal? sie sich bei spáteren Gelegenheiten u. U. direkt an den Lieferanten wenden kónnten. Daher werden in solchen Fallen meist andere Papiere verwendet, die keine Traditionspapiere sind, also kein Eigentum verbriefen, sondern nur einen schuldrechtlichen Herausgabeanspruch. Man spricht dann von Teilscheinen. Eine andere Moglichkeit stellen Sammelkonnossemente dar. Sie werden háufig verwendet, wenn mehrere kleinere Lieferungen zusammengefaft: werden. In der Regel tritt dabei der Seehafenspediteur gegeniiber dem Verfrachter als Ablader und Auftraggeber auf. Im Innenverháltnis zu seinen Auftraggebern wiederum stellt er jeweils Spediteurskonnossemente aus. Diese sind keine Traditionspapiere und sind nur dann akkreditivfáhig, wenn dies im Akkreditiv ausdriicklich zugelassen ist, da die Haftung eines Spediteurs fur die Ware begrenzter ist als die eines Frachtführers. Da ein Sammelkonnossement einen anderen Ablader ausweist ais z. B. den im Akkreditiv Begünstigten, muí? das Akkreditiv dann eine entsprechende Third-Party-Klausel enthalten, z.B. «B/ L showing third party as shipper acceptable». Der Ablader-Spediteur beauftragt einen Korrespondenzspediteur im Bestimmungshafen, die Ware zu übernehmen. Hierzu mufi er das Reedereikonnossement vorlegen. Die Weiterleitung der einzelnen Teilsendungen erfolgt auf der Basis von Delivery Orders (d/ o), welche Weisung enthalten, die Teilsendungen gegen Vorlage der einzelnen Spediteurskonnossemente an die einzelnen Abnehmer auszuliefern. Im Gegensatz zum Reedereikonnossement bzw. zum Teilkonnossement sind weder Spediteurskonnossemente noch Delivery Orders Traditionspapiere. Einzelheiten sind hier entbehrlich. In der Binnenschiffahrt wird das entsprechende Dokument als Flufikonnossement oder Ladeschein bezeichnet (§§444-450 BGB). Es reprásentiert die Ware, kann an Order gestellt sein und ist durch Indossament iibertragbar. Zwei Zusátze sind noch zu erláutern. Konnossemente sollen fur Akkreditivzwecke «rein» sein (clean), d. h. die Papiere diirfen keine Vermerke iiber Mangel an Ware oder Verpackung enthalten (andemfalls sind sie «claused», d.h. enthalten Klauseln oder Zusátze, die das B/ L «unclean» machen). Der Frachtfiihrer ist verpflichtet, bei offenkundigen Mángel diese auf dem Konnossement festzuhalten, und Banken werden Verladedokumente unter einem Akkreditiv nicht aufnehmen, die derartige Zusátze enthalten. Als «alt» (stale) wird ein Konnossement bezeichnet, daS erst nach Ankunft der Ware beim Empfánger eintrifft, er die Ware also nicht unverziiglich in Empfang nehmen kann. Dadurch kónnen Lager- und Versicherungskosten entstehen. Bei Beteiligung mehrerer Frachtfiihrer z. B. Strafe, See, StraEe kónnen Durch-Konnossemente erstellt werden, die den gesamten Transportvorgang abdecken. Die FIATA 13 Multimodal Transport Bill of Lading (FIATA-FBL-Dokument) kommt fur Transportketten mit verschiedenen Verkehrsmitteln in Frage (kombinierter oder multimodaler Transport 14 , min- 13 FIATA: Federation Internationale des Associations des Transitaires et Assimiliés) 14 Auch Combined Shipment; bedeutet Gütertransporte iiber mehrere Stationen mit verschiedenen Transportmitteln, z. B. Lkw-Bahn-Schiff, im Unterschied zum Through Transport System mit nur einem Transportmittel iiber verschiedene Stationen. Ein echtes Durchkonnossement liegt dann vor, wenn der das Konnossement ausstellende erste Frachtfiihrer die Verantwortung fur den gesamten Transport und nicht nur fur <seinen> Teilabschnitt iibernimmt (dann: unechtes Durchkonnossement). Die Bezeichnung Through Bill of Lading wird teilweise auch für reinen Landtransport verwendet. <?page no="243"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente ¡m AuGenhandel 221 destens aber ein Transportabschnitt per Schiff); es kann jedoch auch nur als Seekonnossement verwendet werden (Dann ist unbedingt der oben angesprochene Vermerk «shipped on board» erforderlich). Die von der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris anerkannte FIATA-FBL ist wie jedes <richtige> Konnossement begebbar (negociable) (Art. 25d ERA). Nicht begebbare Exemplare miissen den Aufdruck «not negociable» tragen. Mit der Ausstellung eines FIATA-FBL haftet ein Spediteur wie ein Frachtfuhrer, also weitergehender als bei der allgemeinen Spediteurshaftung (vgl. weiter unten). Vom Seekonnossement abzugrenzen ist der in der Praxis entwickelte Seefrachtbrief. Dieser ist in weiten Teilen wie ein Seekonnossement aufgemacht, ist jedoch kein Traditionspapier und hat keine Sperrfunktion. Er weist den AbschluS eines Seefrachtvertrages und den Empfang der Ware aus. Fiir die Auslieferung an den Empfanger ist hingegen nicht die Vorlage des Dokuments erforderlich, sondern sie erfolgt durch ein Auslieferungspapier, das der Seefrachtführer mit den Daten des Seefrachtbriefs z. B. per Telex oder Fax ausdrucken láSt. PRAXISTIP Wegen des unterschiedlichen rechtlichen Status insbesondere Traditionspapier oder nicht sollte vor allem bei Akkreditiven mit der Einreicherbank vor der Akkreditiveróffnung abgeklárt werden, ob ein bestimmte Papier akkreditivfáhig ist, um Ánderungen des Akkreditivs zu vermeiden (vgl. dazu Abschnitt G-3.4.2.6). (b) (Order-)Lagerschein Lagerscheine (Warehouse Warrants, W/ W) sind sinngemáG <connaissements> eines Lagerhalters, mit denen der Lagerhalter die Übernahme der Ware bescheinigt und die Auslieferung verspricht. Der Orderlagerschein («to order»)\st ein Dokument einer staatlich konzessionierten Lagerhausgesellschaft. Wie bei anderen Traditionspapieren wird die Ware nur gegen seine Vorlage ausgeliefert oder nach Order disponiert. Ein Namens-Lagerschein ist auf den Ñamen des Berechtigten ausgestellt. Orderlagerscheine kónnen durch Indossament weitergegeben werden. Wird eingelagerte Ware in Teilen ausgeliefert, wird dies durch Abschreibungen auf der Rückseite des Orderlagerscheins vermerkt. (2) Versandnachweise Die Versandnachweise unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Ausgestaltung in Abhángigkeit vom verwendeten Transportmittel. Unabhangig von der Art des Transportmittels erstellen Spediteure Spediteursübernahmebescheinigungen, mit der Verpflichtung des Spediteurs, die Ware an den benannten Empfanger weiterzuleiten bzw. sie zu seiner Verfiigung zu halten. Von besonderer Bedeutung sind dabei FIATA-Spediteursdokumente. Mit ihnen bestatigt der Spediteur gegeniiber seinem Auftraggeber unabhangig von den Verkehrstrágerdokumenten, die fur die Transportdurchführung unerláfslich sind die Übernahme der Sendung zum Transport, mit unterschiedlicher Verantwortung und Verpflichtung, je nach Art des fur die Transportabwicklung ausgestellten Dokuments. (a) Eisenbahntransport Fiir den Eisenbahntransport wird der CIM-FrachtbrieP verwendet. Er besteht aus fiinf Exemplaren, von denen eines das Frachtbrieforiginal mit der Ware reist und fiir die Aus- 15 CIM: Convention Internationale concernant le transport des marchandises par chentin de fer (Inter nationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr). Engl.: railway consignment note. <?page no="244"?> 222 G Liefer- und Zahlungsbedingungen lieferung an den Empfánger benótigt wird. Das bahnseitig abgestempelte Frachtbriefdoppel (Duplikatfrachtbrief) behált der Absender ais Beweisurkunde, dai? die Ware ordnungsgemáE dem Frachtführer (Bahn) übergeben worden ist; die übrigen Exemplare werden für bahnspezifische Zwecke verwendet. Im Frachtbrief werden u. a. alle warenspezifischen Merkmale (Menge, Art, Gewicht etc.) sowie Absender, Frachtführer und Empfánger vermerkt. Das Frachtbriefdoppel hat die besondere Funktion, dafi der Besitzer dieses Dokuments zwar nicht mehr Eigentiimer der Ware ist, aber weiterhin eine Verfiigungsgewalt iiber die Ware hat: Gegen Vorlage des Exemplars kann die Ware zuriickbeordert oder umgeleitet bzw. die Auslieferung an den Empfánger verhindert werden (Sperrfunktion). Übt der Absender dieses Recht nicht aus, wird die Ware an den Empfánger ausgeliefert, und die Sperrfunktion erlischt. Sofern der Káufer diese Verfügungsmacht ausschlieSen will, muE er friihzeitig die Übergabe des Frachtbriefdoppels verlangen. Dies ist bei Dokumentenakkreditiven oder Dokumenteninkassi regelmafsig der Fall. Wáhrend die Auslieferung der Ware an den Empfánger nicht von der Vorlage des Frachtbriefsoriginals abhángt, ist für die Ausübung der Sperrfunktion die Vorlage des Doppels erforderlich. Der Frachtbrief ist kein Traditionspapier. Er kann aber als Kreditunterlage dienen, da Banken die rollende Ware gegen Übergabe des Frachtbriefdoppels bevorschussen kónnen. Das Frachtbriefdoppel ist auch ais Inkassopapier geeignet: Der Empfánger zahlt gegen Übergabe des Frachtbriefdoppels, um nachtrágliche Verfügungen des Versenders auszuschlieSen. (b) Luftfracht Bei Luftfrachtsendungen wird der Luftfrachtbrief verwendet (airway bill, AWB). Hierfur wurde von der LATA 16 ein einheitliches Formular entwickelt. Der Luftfrachtbrief besteht aus drei Originalen und einer unbestimmten Zahl von Kopien. Ein Original ist für die Luftfahrtgesellschaft bestimmt, eines reist mit der Ware und ist für den Empfánger bestimmt, eines wird nach Übemahme der Ware durch die Luftfahrtgesellschaft von dieser unterzeichnet und dem Absender übergeben. Dieses Exemplar hat die analogen Beweis- und Sperrfunktionen wie das o. a. Frachtbriefdoppel (« Luftfrachtbriefdritt»: «Original 3 for Shipper»). Der Empfánger benótigt zum Empfang der Ware hingegen kein Frachtbriefexemplar. Der Luftfrachtbrief ist kein Traditionspapier enthált daher auch den Eindruck «not negociable» -, sondern ein Übernahme- und Begleitpapier. PRAXISTIP Wegen der Moglichkeit von Flugánderungen und -verzógerungen sollte in einem Akkreditiv das tatsachliche Verladedatum und ggf. eine Flugnummer verlangt werden. (c) StraGentransport Für den Güterkraftverkehr wurde mit analogen Funktionen der Internationale CMR- Frachtbrief 17 entwickelt (LKW-Frachtbrief oder truckway bill, TWB). (d) Multimodaler Transport Die besondere Funktion multimodaler Transportdokumente leitet sich zum einen aus der Tatsache ab, daS beim Warentransport verschiedene Verkehrsmittel benutzt werden kónnen 16 LATA: International Air Transport Association. 17 CMR: Convention relative au contrat de transport international des marchandises par route. <?page no="245"?> G - 1 . Kaufmánnische Dokumente im Auftenhandel 223 Abb. G-1/ 6: Luftfrachtbrief Shipper's Name and Address C a r g o GmbH P o s t s t r a f l e 4 Shipper's Accounl Number Air Waybill Issued Dy L U F T H A N S A Copies 1, 2 end 3 of this Air Waybill are originals and have the same validity Consignee's Neme end Address Consignee's Account Number 0 0 1 7 5 6 00 T h e H o n g k o n g a n d S h a n g h a i B a n k K o w l o o n B r a n c h M a t h a n Road/ KOWLOON/ HONGKONG N Is agreed thai the goode deecribed herein are accepted in apparent good order and condition (except as noted) (or carriage SUBJECT TO THE CONDITIONS OF CONTRACT ON THE REVERSE HEREOF THE SHIPPER'S ATTENTION IS DRAWN TO THE NOTICE CONCERNING CARRIER'S LIMITATION OF LIABILITY. Shipper may increase sucti limitation of liability by declaring a higher value for carriage and paying a supplemental charge ¡I required. Issuing Carrier's Agent Name and City DACHSER SPEDITION MUNICH/ GERMANY 1 5 0 7 - 0 0 2 - 1 0 0 3 6 1 Agent's IATA Code 2 3 - 4 - 7 0 1 2 Accounl No. 7070 Airport ot Departure (Addr ot Drat Carrier} and Requeeted Routing MUNICH GERMANY By first C a r r i e r ^ l HKG LH LH 6 4 0 Currency DMK 15F Value tor Carriage NVD Declared Value for Customs NVD Airport ot Destination HONGKONG HONG K Handling Intortnatkin NOTIFY: THE NATIONAL COMPILER COMPANY LTD. VICTORIA STREET, HONGKONG/ HONGKONG Gross Weight 2 5 5 , 0 : < : n i ! 2 5 5 , 0 Rate Class 9 7 3 5 / OCABLE Chargeable Weight 5 6 0 , 0 ETTER R E I \ Prepaki / \ Weight Charge / \ Cotatct / 2 2 9 6 , 0 0 Rate 4 , 1 0 CREDIT Iff H T 2 2 9 6 , 0 0 JIO. H . A . S . 9 8 | | l / X X / 9 2 R E P A I ELECTRONIC ACCOUNTING MACHINES AS PER PRO FORMA INVOIVE DATED AUGUST 8-1HBB 2 2 9 6 , 0 0 Other Charges 5 / 1 2 0 / 8 0 / 70 \ Valuation Charge / \ C / Total other Charges Due Agenl pertouaars on the taca hereof are correct end tha "* pert le property described by name and le In proper leroue Goode Fleguletlone. s any part of I condition for Total other Chargee Due Carrier e ol Shipper or his Agei \ | Currency Corivertirjn Rates / \ cc chargee In Deaf- Ctfreni O c t o b e r 1 5 , MUNICH-RIEM of Issuing Carrier or Its Agent \ ChwyeTi <^w; ORKMNAL 3 (FOR SHIPPER) <?page no="246"?> 224 G Liefer- und Zahlungsbedingungen (sog. multimodaler Transport, z. B. mit dem LKW zur Bahn und von der Bahn mit dem LKW zum Schiff), zum anderen aus der Unterscheidung zwischen Spediteur und Frachtfuhrer. Ein Spediteur ist in gewissem Sinne ein Makler, der den Abschlui? eines Transportvertrages vermittelt bzw. den Transport durch Dritte (vertragliche Frachtfuhrer, Unterfrachtfiihrer) besorgen lálSt. Ein Frachtfuhrer besorgt den Transport mit eigenen Transportmitteln. Ein Spediteur gilt selbst als Frachtfuhrer, wenn er als Fixkostenspediteur bzw. als Sammelspediteur auftritt. Die Unterscheidung zwischen Spediteur und Frachtfuhrer ist in haftungsrechtlicher Hinsicht von Bedeutung, indem Spediteure nur fur die sorgfáltige Auswahl der Frachtfuhrer haften, nicht jedoch fiir deren Handlungen bzw. Unterlassungen. Auch hinsichtlich der Erfüllung der Lieferbedingungen (INCOTERMS) ist diese Unterscheidung von Bedeutung (vgl. Abschnitt G-2.2). Mit den Spediteur-Dokumenten bestatigt der Spediteur unabhángig von den Dokumenten der Verkehrstráger die Übernahme der Ware. Ein Papier für den multimodalen Transport wird allgemein auch als Combined Transport Document (CTD) bezeichnet (nach der franzósischen Abkiirzung auch TC-Dokument); der Spediteur ist dann ein Combined Transport Operator (CTO). Dabei gibt es die bereits erwáhnte Negociable FIATA Combined Transport Bill od Lading (FBL) als Durchkonnossement für den internationalen Transport. Das FBL ist ein von der ICC anerkanntes begebbares Dokument {negociable), sofern es nicht den ausdrücklichen Vermerk «non negociable» trágt. Damit ist es auch akkreditivfáhig. Der Spediteur iibernimmt mit diesem Dokument die Verantwortung sowohl fiir die Ware als auch fiir die Durchführung des Transports. Das FIATA-FCR-Dokument {Forwarders Certificate of Receipt, Spediteur-Ubernahmebescheinigung) wird verwendet, wenn ein Transportmittel noch nicht bereitsteht. Es hat gleichermaSen eine Beweis- und Sperrfunktion: Mit dem Dokument, das dem Absender bei Übernahme der Ware iibergeben wird, verpflichtet sich der Spediteur, die Ware an den Empfánger zu senden bzw. zu seiner Verfügung zu halten. Zur Ausübung der Sperrfunktion ist die Vorlage des Originals erforderlich, allerdings nur, solange der Spediteur noch nicht ausgeliefert hat. Das FIATA-FCR ist insbesondere bei dokumentárer Zahlung und vereinbarter Ab-Werk-Lieferung (EXW: ex works) gebráuchlich. Das FCR ist kein Traditionspapier. Es ist nicht begebbar, kann also nicht <an Orden gestellt werden. Sofern neben dem einzigen Original Kopien erstellt werden miissen, so sind diese mit dem Aufdruck « copy not negociable» zu versehen. Bei Dokumentenakkreditiven mui? es ausdrücklich und namentlich im Akkreditiv angefiihrt sein. Im Gegensatz zum FIATA-FCR ist das FIATA-FCT-Dokument begebbar {negociable) (FCT = Forwarders Certificate of Transport; Spediteur-Transportbescheinigung). Die Auslieferung an den Empfánger erfolgt daher nur bei Vorlage des indossierten Originaldokuments. Wie das FCR muís auch das FCT bei Akkreditiven ausdrücklich und namentlich aufgeführt sein (dies gilt nicht fur die oben behandelte FIATA-FBL [FIATA Combined Transport Bill of Lading], die ein vollwertiges akkreditivgerechtes Instrument ist). Das FCT ist bei den Lieferbedingungen von Bedeutung, bei denen der Verkáufer das Transportrisiko bis zur Übergabe an den Empfánger trágt. Da es sich aber um ein Spediteursdokument handelt, übernimmt der Spediteur keine spezielle Frachtführerhaftung, aber eine Garantieverpflichtung für die Auslieferung. Dies hat insbesondere versicherungstechnische und -kostenmáfsige Konsequenzen, auf die hier nicht weiter eingegangen wird. <?page no="247"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 225 (e) Postverkehr Im kommerziellen AuSenhandel ist der Postverkehr einschlieSlich des Luftpostverkehrs vor allem fur Kleinsendungen von Bedeutung, z. B. im Zusammenhang mit Ersatzteilen, Warenmustern oder -proben. Posteinlieferungsscheine sind Empfangsbestátigungen des Postamtes mit Beweisfunktion, obgleich sie keine Warenbeschreibung enthalten. Dies gilt analog fur Kuriersendungen, deren Bedeutung stándig zunimmt. Auf die Tatsache, dafi neben den vorangehenden Dokumenten noch zahlreiche weitere Papiere fur auSenwirtschafts- und zollrechtliche Zwecke erforderlich sind, wurde bereits eingangs hingewiesen. Diese Papiere werden spáter im Zusammenhang mit den rechtlichen Import- und Exportvorschriften behandelt. Abb. G-l/ 7 gibt beispielhaft einige Probleme im Zusammenhang mit AuSenhandelspapieren wieder. G-2. Internationale Lieferklauseln G-2.1. Zweck Wie bei alien Aspekten des internationalen Kaufvertrags besteht grundsátzlich Vertragsfreiheit (Parteiautonomie) (sofern sich nicht aus dem jeweiligen nationalen Recht etwas anderes ergibt, z. B. wenn zur Rechtswirksamkeit einer Klausel die Schriftform erforderlich ist). Es ist dabei von Vorteil, wenn man auf vereinheitlichte Klauseln zuriickgreifen kann, die sich aus der Praxis entwickelt haben und die in der Rechtsprechung abgesichert sind. Beide Vertragspartner sollten dann unter bestimmten Begriffen grundsátzlich dasselbe verstehen. Dies erspart auch eine ausfuhrliche Ausformulierung im Vertragstext, da es dann geniigt, bestimmte Kiirzel zu vereinbaren. In besonders ausgeprágter Weise haben sich solche Klauseln für die Lieferbedingungen und die Zahlungsbedingungen entwickelt. Lieferbedingungen regeln, wie die Ware zum Abnehmer gelangt, und beziehen sich insbesondere auf die Abwicklung und die Aufteilung von Kosten und Gefahren der Lieferung auf den Káufer und den Verkáufer einer Ware. Zahlungsbedingungen beziehen sich auf die Abwicklung des zum Warengescháft gehórenden gegenláufigen Zahlungsstrom zum Lieferanten. Alie übrigen Aspekte miissen gesondert vertraglich geregelt werden. Ungeachtet der Tatsache, daS diese Klauseln in internationalen Abkommen standardisiert sind, handelt es sich dabei lediglich um Formulierungsvorschlage. Eine rechtliche Bindung ergibt sich erst durch die explizite (aber freiwillige) Verankerung einer Liefer- oder Zahlungsklausel im Vertrag, wobei eine Kurzform ausreicht. Der Klauseltext (Basisklausel) kann aber bei Bedarf von den Vertragspartnern beliebig verándert oder ergánzt werden. Je mehr allerdings bei individuellen Vereinbarungen von der Standardformulierung abgewichen wird, desto groSer wird die Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Interpretation. Im Streitfall besteht oft das Problem, dal? es für diese spezielle Vertragsvariante keine Prázedenzfálle gibt und die Partner (nun Gegner) den Sachverhalt unterschiedlich interpretieren. ¿Dhne besonderen Grund sollte man daher nicht von den erprobten Klauseln abweichen bzw. vorher kompetenten Rat einholen. Insbesondere ist zu prüfen, ob eine Abánderung auch realisierbar ist, z. B. wenn der Exporteur Leistungen im Importland erbringen soil, dies aber rechtlich nicht móglich ist (z. B. Einholen einer Einfuhrgenehmigung). <?page no="248"?> 226 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Abb. G-1/ 7: Papier-Probleme Indien - Herstellerrechnung wird verlangt Bei der Einfuhr nach Indien muft der Importeur die Rechnung des Herstellers der einzuführenden Ware vorlegen, wenn diese nicht vom Hersteller selbst bezogen wird. Ferner ist der genaue und korrekte Wert der Importware anzugeben. Diese Maftnahme zielt dem Vernehmen nach auf eine Kontrolle des «overinvoicing». Niégale Devisenabflüsse durch überhóhte Rechnungen auslándischer Lieferanten sollen unterbunden werden. Die Vorlage einer Rechnung des Produzenten kónne jedoch Schwierigkeiten bereiten, wenn es sich um Güter handelt, die über einen oder mehrere Zwischenhándler eingeführt werden und der Hersteller u.U. gar nicht bekannt ist. Aufterdem sei ein Rückschluft vom Erzeugerauf den Verkaufspreis nur bedingt móglich. An den Zollgrenzen Indiens kónne es, so wird befürchtet, zu einem Rückstau von Importgütem kommen. Libyen - Neue Konsulatsgebühren Nach einer Mitteilung der Libyschen Botschaft werden jetzt folgende Konsulatsgebühren erhoben: Ursprungszeugnisse, pro Exemplar DM 45 f -; Hersteller-Erklárungen, pro Exemplar DM45,-; Black-List-Certificates, pro Exemplar DM45,-; zuzüglich GHORFA-Gebühr, pro Exemplar DM 20,-. Die Übersetzung des Ursprungszeugnisses muB wieder von einem vom Volksbüro anerkannten Übersetzer erfolgen. VR China - Gefálschte Lizenzen bei Textil-Export Die EG-Kommission weist die Untemehmen, die Textilien und Bekleidung aus China direkt oder über ein Drittland ¡mportieren, darauf hin, daft hinreichende Gründe für die Annahme bestehen, daft Ausfuhrlizenzen und Ursprungserzeugnisse für die Kategorien vier, funf, sechs, sieben, acht und 21 zur Umgehung der Bestimmungen des bilateralen Textilabkommens gefálscht worden sind. Die Einführer in der EG werden ersucht, bis auf weiteres die Ausfuhrlizenzen und Ursprungszeugnisse für die vorgenannten Kategorien von den chinesischen Handelsvertretungen in der Gemeinschaft beglaubigen zu lassen. Iran - Inspektions-Zertifikat Exportgüter, die für den Iran bestimmt sind, müssen nach den iranischen Vorschriften vor Versand durch eine Prüfungsgesellschaft abgenommen werden. Für die Bundesrepublik Deutschland ist die Firma GHSMI (Gellatly Hankey Marine Services International) bevollmachtigt worden, die Inspektionen und Zertifizierungen vorzunehmen. Die Lieferbedingungen sind ein wichtiger Bestandteil der Distributionspolitik. Sie beziehen sich insbesondere auf Liefertermin, Lieferort, Transportmittel und Transportweg. Die gebráuchlichsten Lieferbedingungen sind im international Handel die International Commercial Terms (INCOTERMS). Sie werden auch Internationale Vertragsformeln genannt etwas milSverstandlich - , denn es gibt noch andere standardisierte Vertragsklauseln, wie z. B. hinsichdich der Zahlungsbedingungen, auf die in Abschnitt G-3 eingegangen wird. Die Incoterms regeln neben dem Gefahr- und Kosteniibergang keine weiteren Aspekte wie z. B. <?page no="249"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 227 bezüglich des anzuwendenden Rechts, der Zahlungsbedingungen, einer Schiedsgerichtsklausel, Eigentumsübergang, Gewáhrleistung oder eventueller Leistungsstórungen. Hierfiir sind jeweils gesonderte Vereinbarungen im Kaufvertrag erforderlich. G-2.2. INCOTERMS Die Aufteilung der mit einem Liefervertrag verbundenen Kosten und Gefahren sowie der mit der Abwicklung verbundenen Pflichten (z. B. Dokumentenbeschaffung) auf den Káufer und den Verkáufer sollte vertraglich geregelt werden. Der Gefahrenbegriff bezieht sich auf Untergang oder Beschádigung der Ware. Der Gefahriibergang ist nach den Incoterms so zu verstehen, daS der Káufer den Kaufpreis bezahlen mufi, sobald die Gefahr auf ihn tibergegangen ist, auch wenn er die Ware noch nicht erhalten hat oder im Extrem: auch gar nicht erhalten wird, z. B. bei Havarien. Der Kosteniibergang bezieht sich auf den Zeitpunkt, zu dem insbesondere die Transport- und Versicherungskosten vom Verkáufer auf den Káufer übergehen. Hinzu kommen Abwicklungskosten, Zólle, Steuern, Beschaffung und Beglaubigung von Dokumenten usw. G-2.2.1. Entstehung und Verbreitung Seit 65 Jahren greift man im internationalen Handel auf die INCOTERMS zuriick. Sie werden seit 1936 von der Internationalen Handelskammer (ICC) 18 in Paris veróffentlicht und in unregelmáfigen Abstánden nach Bedarf entsprechend der Weiterentwicklung des internationalen Handels überarbeitet. Gegenwártig ist eine Version aus dem Jahre 2000 aktuell (INCOTERMS 2000). 19 Die Incoterms beruhen auf praxisnahen Regelungen, die teilweise eme lange Tradition haben; viele Aspekte sind bereits in der Segelschiffahrt entwickelt worden, u. a. die bekannte Klausel FOB: «free on board». Heute sind die Klauseln an die modernen Transport- und Datenverarbeitungssysteme angepaSt worden und geniigen z. B. auch den Anforderungen des Containerverkehrs oder des RoRo-Verkehrs (Abb. G-2/ 1). 20 Auch andere kombinierte Transportverkehre wie Haus-zu-Haus-Verkehr (mit genormten Ladeeinheiten unter Verwendung verschiedener Verkehrstráger), Huckepack-Verkehr (Befórderung von LKWs auf der Bahn) oder Lash-Verkchr (Kombination von Binnen-, Kiisten- und Seeschiffahrt) haben Veránderungen der Handelsbrauche mit sich gebracht. PRAXISTIP Es empfiehlt sich, für etwaige Auslegungsprobleme bezüglich der Incoterms vertraglich ein Schiedsverfahren zu vereinbaren, günstigerweise die ICC- Schiedsgerichtsbarkeit, die auf extensive Praxiserfahrung zurückgreifen kann. Die Incoterms sind branchen- und lánderunabhángig. Dies macht sie zwar universell anwendbar, erfordert aber doch oft eine Abánderung des Basistextes, urn speziellen Bediirfnissen des Einzelvertrags Rechnung zu tragen. Viele Branchen haben daher teils nationale, 18 International Chamber of Commerce. 19 Anderungen haben sich gegeniiber den Incoterm 1990 ergeben bezüglich der Zollfreimachung und Zahlung der Zollgebühren unter FAS und DEQ sowie bezüglich der Be- und Entladepflichten unter FCA. 20 RoRo = roll on, roll off; Fahrzeuge kónnen mit eigener Kraft an und von Bord rollen, z. B. über den aufgeklappten Bug oder das Heck von Spezialschiffen. <?page no="250"?> 2 2 8 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Abb. G - 2 / 1 : RoRo-Verkehr Quelle: Dresdner Bank teils generelle branchenspezifische Standardkaufvertrage erarbeitet, welche die Standard- Incoterms fiir ihre Zwecke spezifizieren, z. B. in der Bau-, Elektro-, Chemie- oder Metallindustrie oder im Baumwoll- oder Getreidehandel. Dann wird man im Kaufvertrag nicht auf die ICC-Incoterms Bezug nehmen, sondern auf diese speziellen Formular-Kaufvertráge. In einem Getreide-Kaufvertrag kann sich dann z. B. die Klausel finden: «All other terms and conditions in accordance with the current GAFTA No. 64 contract form and Arbitration Rules Form 125», wobei Contract No. 64 bedeutet «General Contract F.O.B. Terms for Grain in Bulk» der Grain and Feed Trade Association (GAFTA) mit den entsprechenden Schiedsregeln Nr. 125. Für andere gebráuchliche Klauseln gibt es dann analoge Formular- Kaufvertráge, z. B. fiir CIF- oder FAS-Terms (vgl. unten). Auch die UN Economic Commission for Europe (ECE) hat Standard-Lieferbedingungen vorgeschlagen, u. a. fiir den Export von Maschinen und Anlagen, die mit den INCOTERMS zu kombinieren sind. Neben den Incoterms gibt es noch andere, áhnliche Lieferklauseln, z. B. die American Foreign Trade Definitions (AFTD). Diese sind jedoch nur lokal bzw. regional im jeweiligen Binnenmarkt von Bedeutung und finden im internationalen Gescháft kaum Anwendung. Dennoch empfiehlt es sich, immer explizit auf die gewiinschte Fassung Bezug zu nehmen, um Verwechslungen zu vermeiden, z. B. «FOB ICC-Incoterms 2000». (Beispielsweise kann FOB nach AFTD bereits bei der Übergabe an den ersten Frachtführer beginnen, wáhrend die ICC-Interpretation «an Deck» im Verladehafen beginnt; vgl. unten). Die Jahreszahl ist insbesondere dann wichtig, wenn die Klauseln gerade verándert worden sind und <alte> neben <neuen> Vertrágen existieren. Sofern nichts anderes vereinbart wird, gilt automatisch immer die aktuellste Fassung, und zwar in der englischen Originalversion. Fremdsprachliche Ubersetzungen z. B. ins Deutsche dienen nur der Vereinfachung. Die Incoterms sollten nicht verwechselt werden mit den von der ICC publizierten Trade Terms, welche die Handelsbráuche von fast 30 Lánder definieren. Ais Beispiel fiir einen Handelsbrauch sei die in bestimmten Bereichen iibliche sog. tel-quel-Klausel erwáhnt, wonach der Káufer die Ware in der Qualitát abzunehmen hat, die sie bei Lieferung aufweist; es wird also keine Gewáhr für eine bestimmte Qualitát übernommen. Handelsüblich ist dabei oft, daS eine mittlere Giite geliefert werden muí? . Sprachliche Verwechslungsmóglich- <?page no="251"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 229 keiten bestehen auch zu den Terms of Trade, welche das statistische Verháltnis eines Exportpreisindex zu einem Importpreisindex ausdriicken. Die Hamburger Regeln (Hamburg Rules) beziehen sich auf Seefrachtvertráge und enthalten detaillierte Regeln im Hinblick auf Rechte und Verpflichtungen des Verfrachters. Sie sind eine Weiterentwicklung der Haager Regeln von 1921 bezüglich Stauen, Lagern, Betreuen und Loschen (Ausladen) von Seefracht und gelten heute anders als friiher nicht nur für Verfrachtungen unter Konnossementen. Die Institute Cargo Clauses sind Versicherungsklauseln, die vom Institute of London Underwriters erarbeitet wurden. Sie strukturieren einen dreistufigen Deckungsumfang (Klauseln A, B und C) und werden u. a. im Zusammenhang mit den Incoterms verwendet (vgl. Abschnitt G-2.2.3). Aus Raumgründen beschránkt sich die folgende Darstellung nur auf die wichtigsten Elemente der Incoterms, da eine erschópfende Analyse den Rahmen sprengen würde. Die meisten Kreditinstitute bieten ausführliche Texte an. Für die Handhabung in der Praxis ist unbedingt das Heranziehen von Kommentaren anzuraten. G-2.2.2. Einteilung Es gibt 13 verschiedene ICC-Lieferklauseln. Die Incoterms sind klar und übersichtlich aufgebaut: In jeweils 10 Positionen werden die Pflichten von Káufer (A) und Verkáufer (B) auch optisch gegenübergestellt (Abb. G-2/ 2). Dabei nehmen von Klausel 1 bis Klausel 13 die Verkáuferpflichten fortschreitend zu und die Káuferpflichten entsprechend ab. Gleiche Verpflichtungen werden mit gleichlautenden Formulierungen beschrieben, um den Vergleich der Klauseln untereinander zu erleichtern. Abb. G-2/ 2: Incoterms-Verpflichtungen (1) Lieferung vertragsgemáíter Waren / Zahlung des Kaufpreises (2) Lizenzen, Genehmigungen und Formalitáten (3) Befórderungs- und Versicherungsvertrag (4) Lieferung / Abnahme (5) Gefahrenübergang (6) Kostenteilung (7) Benachrichtigung des Káufers / des Verkáufers (8) Liefernachweis, Transportdokument (9) Prüfung, Verpackung, Kennzeichnung der Ware (10) sonstige Verpflichtungen Welche der Klauseln vereinbart wird, hángt zum einen von der Marktbzw. Machtposition der Partner ab, weil ein verhandlungsstarker Partner durchaus die eine oder andere Kostenkomponente oder Risiken auf den Partner überwálzen kann. Andererseits dürfte einleuchten, dal? der Verkaufspreis <aber Werk> des Verkáufers sicherlich niedriger sein wird als eine <Frei-Haus>-Belieferung des Káufers, bei der der Verkáufer für Transport und Versicherung zustándig ist. Was der Káufer bei einem <Ab-Werk>-Preis zunáchst <spart>, muS er folglich bei den sich anschlieiSenden Lieferkosten selbst aufwenden per Saldo ergibt sich im AuSenhandel preislich meist kein grofier Unterschied. <?page no="252"?> 230 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Natürlich kónnen sich durchaus unterschiedliche Bruttopreise ergeben (d. h. incl. Nebenkosten), wenn Exporteur und Importeur unterschiedlich gute Transport- oder Versicherungskonditionen aushandeln kónnen. Meist verlangen Importeure daher bei C- und D- Klauseln, welche die Nebenkosten bis zum Bestimmungsort einschliefien, auch die Angabe des <Ab-Werk>- oder FOB-Preises, urn die Nebenkosten besser vergleichen zu kónnen. Entscheidende Kriterien fur die Auswahl einer Lieferklausel sind daher meist weniger Kostenaspekte, sondern die Risikoverteilung, die Verteilung der Zustándigkeiten hinsichtlich des Abschlusses von Transport- und Versicherungsvertragen und fur Export- und Importprozeduren sowie die Zweckmafligkeit der Klausel fiir die betreffende Transaktion. Importeure aus devisenschwachen Lándern bevorzugen einerseits Frachtfuhrer oder Versicherer, die sie bei FOB-Verladung in lokaler Wáhrung bezahlen kónnen. Oft schreiben nationale Gesetze auch die Wahl eines nationalen Unternehmens vor. Andererseits bevorzugen Importeure in Transformations- und Entwicklungslandern háufig CIF-Kontrakte, weil der Exporteur über bessere Móglichkeiten und Erfahrungen verfiigt, um internationale Frachtkontrakte oder Versicherungen abzuschliefien. PRAXISTIP Fiir den Exporteur sind háufig Klauseln günstig, bei denen er die Wahl des Frachtführers und der Versicherung hat (z. B. CIF oder eine D-Klausel), so daft er nicht von auslándischen Gesellschaften abhángig ist und bei Abwicklungspoblemen die Ansprechpartner direkt <zu Haus> hat. Umgekehrt bevorzugen Importeure aus eben diesem Grund z. B. FCA oder FOB, auch um eingespielte eigene Gescháftsbeziehungen zu nutzen und auch um zu vermeiden, daft die Ware vom Exporteur z. B. mit dubiosen Schiffen unter Billigflaggen auf den Weg gebracht wird. Sofern eine auslándische Versicherung vorgeschrieben wird, sollte man sich bei heimischen Versicherungen bezüglich der Bedingungen und Klauseln und ihres Standings informieren. Der Untergang von Ware wird zwar vom Versicherer wertmáfiig kompensiert, tróstet aber den Káufer nicht, wenn er genau auf diese Ware zu einem bestimmten Zeitpunkt angewiesen ist. Der finanzielle Schadenersatz kann daher keine Stórungen des Vertrauensverháltnisses zwischen Exporteur und Importeur kompensieren. Auch aus diesem Grund bevorzugen viele Importeure und Exporteure Lieferklauseln, bei denen sie selbst den Frachtfuhrer bestimmen kónnen. Alie Klauseln werden durch drei Buchstaben bezeichnet, die sich aus den Anfangsbuchstaben der englischen Originalfassung ableiten. Die 13 Klauseln lassen sich vier Hauptgruppen zuordnen (Abb. G-2/ 3). Aus der Sicht des Verkáufers ist die (einzige) E-Klausel (E-term; EXW: Ex Works) die giinstigste, da ef die Ware lediglich auf seinem Gelánde zur Verfugung stellen muE (sog. Abholklausel). Bei den drei F-Klauseln {F-terms; FCA: Free Carrier, FAS: Free Alongside Ship, FOB: Free on Board) mufs der Verkáufer die Ware dem vom Káufer bestimmten Frachtfuhrer iibergeben, d. h. der Haupttransport ist vom Káufer zu bezahlen. Bei den vier C-Klauseln (C-terms; CFR: Costs and Freight, CIF: Costs, Insurance, Freight, CPT: Carriage Paid To, CIP: Carriage and Insurance Paid To) muE der Verkáufer den Befórderungsvertrag (Haupttransport) auf eigene Kosten abschlieiSen. Allerdings geht die Gefahr mit der Übergabe an den Frachtfuhrer auf den Káufer über: Kosten- und Gefahreniibergang erfolgen nicht am <?page no="253"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 231 Abb. G-2/ 3: Gruppeneinteilung der INCOTERMS E-Klausel (E-Term; EXW: Ex Works) F-Klauseln (F-Terms) FCA: Free Carrier FAS: Free Alongside Ship FOB: Free on Board C-Klauseln (C-Terms) CFR: Costs and Freight CIF: Costs, Insurance, Freight CPT: Carriage Paid To CIP: Carriage and Insurance Paid To D-Klauseln (D-Terms) DAF: Delivered At Frontier DES: Delivered Ex Ship DEQ: Delivered Ex Quai DDU: Delivered Duty Unpaid DDP: Delivered Duty Paid selben Ort (sog. Zwei-Punkt-Klauseln), im Gegensatz zu alien iibrigen Klauseln (Ein-Punkt- Klauscln). Bei den fiinf D-Klauseln (D-terms, DAF: Delivered At Frontier, DES: Delivered Ex Ship, DEQ: Delivered Ex Quai, DDU: Delivered Duty Unpaid, DDP: Delivered Duty Paid) muí? der Verkáufer alie Kosten und Risiken bis zum Bestimmungsort tragen (sog. Ankunftsklauseln). Einige Klauseln eignen sich besonders bzw. einige nicht fiir bestimmte Transportwege. Hierauf wird in Abschnitt G-2.2.4 eingegangen. Seit 2000 muí? der Verkáufer bei alien Klauseln auEer EXW die Ware fiir den Export freimachen (vorher gait dies nicht bei FAS), wáhrend der Káufer bei alien Klausel bis auf DDP die Importabfertigung iibernehmen muS. Durch Modifikationen der Basisklauseln lassen sich vielfáltige Varianten erreichen, die den jeweiligen Erfordernissen des konkreten Liefervertrags bestmóglich gerecht werden. G-2.2.3. Charakteristika der einzelnen Klauseln G-2.2.3.1. E-Klausel (1) EXW = Ex Works = Ab Werk ... (benannter Ort) 21 EXW wird im folgenden zur bespielhaften Verdeutlichung etwas ausführlicher dargestellt ais die iibrigen Klauseln. Sie ist als Abhol-Klausel die Minimalverpflichtung fiir den Verkáufer; fiir diesen ist EXW faktisch ein Inlandsgescháft. Er mul? die Ware auf seinem Betriebsgelánde (sellers premises) bzw. einem iiblichen Ort zur vereinbarten oder iiblichen Zeit in transportgerechter Verpackung (z. B. fiir den Seetransport geeignet) lediglich zur Verfiigung stellen. Die Kosten der Verpackung sind also vom Verkáufer zu tragen (Klauseltext A.9). Der Verkáufer muS den Káufer in angemessener Weise und rechtzeitig benachrichtigen, an wel- 21 In der Praxis wird auch Ex Factory oder Ex Mill, Plantation, Warehouse etc. verwendet. <?page no="254"?> 2 3 2 G Liefer- und Zahlungsbedingungen chem Ort und zu welcher Zeit die Bereitstellung erfolgen soil (A.7). Im Kaufvertrag kann aber auch vereinbart werden, daS der Káufer Ort und Zeitpunkt der Abnahme selbst bestimmt. «Angemessen» bedeutet, dal? eine móglichst schnelle Kommunikationsart zu wáhlen ist, heute zunehmend per E-mail oder Fax, vorab auch per Telefon. Innerhalb der meisten europáischen Lánder dürfte auch der nórmale Postweg genügen, sicherlich aber nicht im Überseeverkehr. Der Abnahmeort (siehe den Zusatz «Ab Werk ._,_. ») sollte móglichst prázise bestimmt werden, z. B. «Ab Werk, Zweigwerk Bochum, Rampe 5, ICC Incoterms 2000». Zur Verfügung stellen bedeutet nicht Verladen; dies ist grundsátzlich Sache des Káufers (Klauseltext EXW A.4). Da in der Regel aber der Verkáufer über die erforderlichen Verladeeinrichtungen verfügt (z. B. einen Gabelstapler), wird er diese in der Praxis dem Káufer auch auf dessen Kosten und Gefahr überlassen, denn Gefahr des Verlustes und der Beschádigung und Kosten gehen bereits auf den Káufer über, wenn der Verkáufer die Ware zur Verfügung gestellt hat (Klauseltext EXW A.5/ B.5). Dies erfordert u. a. auch die deutliche Konkretisierung (Absonderung), welche von einer Vielzahl auf Rampe 5 lagernden Kisten denn nun zu der zu verladenden Partie gehóren. Der Káufer mufí die Ware wie angekündigt übernehmen und dies dem Verkáufer in geeigneter Weise nachweisen (also nicht umgekehrt), z. B. durch eine Empfangsquittung (B.8). Daraus ergibt sich die Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises. Der Káufer ist fur Verladung, Abtransport und die Abfertigung sowohl beim Ausfuhrals auch beim Ausgangszollámt verantwortlich (A.2/ B.2). Erfolgt die Verladung verspátet, kónnen u. a. Lagerkosten fur den Káufer anfallen (B.6). Eventuelle Qualitátsprüfungen vor Verladung (Pre-Shipment Inspection), die nicht fur die Übernahme erforderlich sind, gehen zu Lasten des Káufers, sofern der Kaufvertrag nichts anderes bestimmt (A.9/ B.9). Der Verkáufer muS ihm bei der Beschaffung erforderlicher Dokumente jede Hilfe gewáhren, kann jedoch dafiir Kostenerstattung verlangen (A.10/ B.10). Zólle, Steuern und andere Abgaben muS der Káufer tragen (B.6). Hinsichtlich Befórderungs- und VersiCherungsvertrag obliegen keiner Seite Verpflichtungen (A.3/ B.3). EXW bedeutet also, daf? der Káufer Gefahr und Kosten des gesamten Transports tragen sowie die Export- und die Importabwicklung durchfuhren soil. Dies bietet sich z. B. an, wenn der Káufer verschiedene Warensendungen im Exportland zu einer Gesamtsendung zusammenstellen will. EXW setzt daher voraus, daí? der Káufer den Export auch tatsáchlich abwickeln kann. Problematisch kann dies beispielsweise sein, wenn eine Exportgenehmigung erforderlich ist, die Gebietsfremde nicht erhalten kónnen. Dann kónnte man den Zusatz vereinbaren «Exporteur macht Ausfuhrabfertigung». Ggf. ware eine F-Klausel geeigneter. Im internationalen Handel hat EXW keine besonders grofie Bedeutung, weil die Notwendigkeit der Exportabfertigung durch den Káufer meist eine ziemliches Abwicklungshemmnis bedeutet. G-2.2.3.2. F-Klauseln F-Klauseln sind Absendevertrage (shipment contracts). Eine F-Klausel sollte gewáhlt werden, wenn der Káufer Gefahren und Kosten ab einem bestimmten Lieferort im Exportland tragen, der Verkáufer aber die Exportabfertigung übernehmen soil. Der Káufer hat dabei die <?page no="255"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 233 Wahl des Transportmittels und des Frachtführers, kann z. B. mit Reedereien seines eigenen Landes verladen. Allerdings ist es auch nicht selten, dal? auch bei einer F-Klausel vereinbart wird, dalS der Verkáufer den Frachtvertrag besorgt, wenn er dies besser leisten kann als der Káufer, zum Beispiel wenn er giinstigere Frachtraten erzielen kann. Hinsichtlich der F-Klauseln ist die im vorangehenden Abschnitt bereits angesprochene Unterscheidung zwischen Frachtfiihrer und Spediteur wichtig, insbesondere beziiglich der Haftung, da der Spediteur weniger umfassend fiir die Ware haftet als ein Frachtfiihrer. Ein Spediteur ist eine Art Makler, der den Transport durch Dritte, z. B. einen vertraglichen Frachtfiihrer, besorgen lai? t. Der Spediteur iibernimmt also nicht die Verantwortung fiir den Transport bis zum Bestimmungsort, sondern nur fiir die sorgfáltige Auswahl des Frachtführers, durch den er den Transport besorgen láfit. Der Spediteur kann auch selbst die Befórderungsverpflichtung iibernehmen und damit vertraglicher Frachtfiihrer werden (Selbsteintritt). Dies ist bei Einsatz unterschiedlicher Transportmittel (multimodaler Transport) nicht selten; vgl. oben in Abschnitt G-l.3.3.2 die Ausfuhrungen zur spediteurspezifischen FIATA Combined Bill of Lading (FBL). F-Klauseln haben den Vorteil, dai? sich der Importeur bei Problemen mit «seiner» Reederei bzw. Versicherung auseinandersetzen kann, d. h. in seinem Land auch nicht im (fernen) Exportland. (2) FCA = Free Carrier = Frei Frachtfiihrer... (benannter Ort) Die FCA-Klausel («Franco Spediteur ...» 22 ) ist auf alie Transportarten anwendbar, d. h. fiir Transporte über die «nasse» oder die «trockene Grenze». Der Káufer hat die sog. Transportdisposition. Die Verantwortung des Verkáufers endet (seit Incoterms 2000) erst mit der Verladung, wobei er fiir die Abfertigung beim Ausfuhrzollamt zustandig ist; der Carrier transported: die Ware dann iiber die Ausgangszollstelle ins Ausland (vgl. Abschnitt L-4). Mit der Angabe des Lieferorts im Exportland wird meist auch die Transportad: festgelegt, z.B. «FCA Flughafen Dusseldorf» oder «FCA Zweiglager Miinchen» (also Lkw) oder «FCA Giiterbahnhof Kassel». Sofern keine Festlegung der Transportad erfolgt, wird der Káufer dies frtihzeitig im Rahmen seiner Benachrichtigungspflicht vorab tun miissen, damit der Verkáufer seiner Pflicht zur transpodgerechten Verpackung nachkommen kann. Neben Sicherheitsaspekten sind dabei ggf. auch Bestimmungen des Impodlandes zu beachten, die sich oft auch auf Markierungsvorschriften erstrecken. Spátestens mit der Transpodbenachrichtigung sollte auch der Od so genau wie móglich prázisied werden, z. B. «FCA Freihafen Bremen, Schuppen 14, Rampe 3» (Ein Schuppen ist eine Lagerhalle im Freihafen). Ware lediglich «FCA Freihafen Bremen» bestimmt, kónnte sich der Verkáufer theoretisch eine beliebige Übergabestelle im weiten Hafengelánde auswáhlen (Klauseltext FCA A.4). Wann die Lieferung abgeschlossen ist, hángt vom benannten Od ab: Wenn die Ware am Sitz des Verkáufers iibergeben wird, ist die Lieferung mit der Verladung auf das vom Káufer bereitgestellte Transpodmittel erfolgt, bei einem anderen Lieferod (z. B. Giiterbahnhof) bereits, wenn die Ware dem Frachtfiihrer oder einem anderen Beauftragten des Káufers unentladen zur Verfiigung gestellt wurde. 22 Fiir die meisten ICC-Klauseln kursieren in der Praxis leicht abweichende Bezeichnungen, die jedoch inhaltlich kongruent verwendet werden. «Franco Spediteur» ist eine Bezeichnungen der UN-Economic Commission for Europe (ECE), Genf. <?page no="256"?> 234 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Bei FCA-Klauseln ist die Tertnintreue wichtig, weil dies fiir den Káufer aufgrund eigener Lieferverpflichtungen von grower Bedeutung sein kann. Fristiiberschreitung kann im Sinne eines Fixgescháfts nach § 376 HGB zu Schadenersatzpflicht wegen Nichterfiillung fiihren. Demzufolge sind die Benachrichtigungspflichten beider Seiten über Lieferungs- und Übernahmemodalitáten besonders wichtig. Hinsichtlich des Transports bedeutet FCA einen gebrochenen Transport «bis Lieferort» und «ab Lieferort bis Bestimmungsort», wobei es aber in Abánderung der FCA-Basisklausel vertraglich oft dem Verkaufer iibertragen wird, auch fiir den Transportvertrag ab Lieferort zu sorgen, allerdings auf Kosten des Káufers oder sofern móglich durch unfreie Versendung. Der Verkaufer ist fiir die Exportabwicklung verantwortlich, muE also alie Zoll- und sonstigen behórdlichen Formalitáten abwickeln. Ggf. sollte ein Vorbehalt wie z. B. «vorbehaltlich Exportgenehmigung» vertraglich vereinbart werden. Eine Pflicht zur Transportversicherung besteht nicht, jedoch diirfte es ratsam sein, daS der Verkaufer den Transport bis zur Übergabe an den Frachtfiihrer und der Káufer danach jeweils auf eigene Kosten versichert. PRAXISTIP Solche «gebrochenen» Policen sind jedoch sowohl teurer als auch problematisch, wenn im Schadensfall nicht mehr festgestellt werden kann, ob ein Schaden vor oder nach Übergabe an den Frachtfiihrer eingetreten ist. Im Zweifel wird sich keine der beteiligten Versicherungen zustándig fühlen. In der Praxis wird daher oft der Abschluft einer durchgehenden Versicherung vereinbart, wobei die Kosten wiederum aufgeteilt werden kónnen. Durchgehende Versicherungspolicen bis zum Bestimmungsort - «von Haus zu Haus» kónnen andererseits Probleme bei der Zollwertbestimmung ergeben, weil die Nebenkosten, die auf den Transport innerhalb des Binnenmarkts des Importlandes entfallen, nicht in den Zollwert eingehen. Eine Aufteilung ist aber nicht immer móglich (vgl. Abschnitt K-2.3.2). FCA wurde 1980 fiir den Containerverkehr <erfunden>. Wiirde man dabei FOB Seehafen wáhlen (vgl. unten [4]), ergibt sich das Problem, dafi der Káufer gar nicht «an Deck» liefern kann, weil die Beladung des Schiffs mit Containern in der Verantwortung des Seefrachtführers erfolgt, folglich nicht im EinfluEbereich des Verkáufers liegt. Dieser endet im Container- Terminal, wo die Übergabe an den Frachtfiihrer stattfindet (A.4). Die Containerverladung auf das Schiff erfolgt dementsprechend schon auf Kosten und Gefahr des Káufers; man kónnte aber vereinbaren «FCA ..., Terminal-Abwicklungskosten zu Lasten des Verkáufers». Fiir den sonstigen Seefrachtverkehr entspricht FCA den FOB-Bestimmungen weitgehend. Wáhrend früher Transportgüter meist nur von Hand (durch <Schauerleute> 23 ) zu <stauen> 24 waren (Bailen, Sácke, Fásser, Kartons), sind heute mechanisch behandelbare Ladeeinheiten erforderlich, z. B. unterfahrbare Vollholzkisten, Paletten, d. h. genormte, mit FiiSen versehene Lade- und Hubplatten, oder Container, deren Mafie durch die International Standards Organization (ISO) den Stauráumen in Schiffen und Cargoflugzeugen angepaSt wurden. 23 Hafenarbeiter fiir Schiffsfrachten, von niederl. sjouwen «hart arbeiten». Das tun sie in der Tat. 24 Eine Ladung rutschfest und platzsparend in einem Fahrzeug z. B. Schiffsladeraum verstauen. <?page no="257"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 235 Dies hat auch den Charakter der Seehafen total verándert; von Schiffsromantik und Faszination von Geriichen und seltenen Waren ist keine Rede mehr nur Metallkisten... (Abb. G-2/ 4). Da verschiedene Warendokumente Beweis- oder Sperrfunktionen haben (vgl. oben 2.2.), regelt FCA A8/ B8 ausfiihrlich die Pflichten zur Beschaffung und Zurverfiigungstellung der Liefernachweise bzw. Transportdokumente der verschiedenen Transportarten. PRAXISTIPS Bei EXW, F- oder C-Kontrakten ohne Versicherungspflicht des Export e r s láuft dieser ein wirtschaftliches Risiko, weil er nicht auf die Versicherung des Importeurs zugreifen kann. Es sind Falle zu beobachten, daft der Importeur im Schadensfall die Annahme der Ware unter dem Vorwand der Falschlieferung verweigert, folglich auch nicht zahlt. Dieses Argument wird nicht selten auch noch nachgeschoben, wenn die Versicherung des Importeurs nicht umfassend und zügig reguliert. Eventuelle Lager- und dortige Versicherungskosten sind zunáchst vom Exporteur zu tragen, ebenso die Kosten eines eventuellen Rücktransports oder Drittverkaufs. Háufig decken die Erlose dann kaum die Kosten. Vgl. den Praxistip zu FCA. Das entsprechende Risiko des Exporteurs kann durch eine Exportschutzversicherung abgedeckt werden, wenn ein Transportschaden zu vertragswidrigem Verhalten des Importeurs führt. Mit der Regulierung gehen die entsprechenden Ansprüche des Exporteurs auf die Zusatzversicherung über. Ihre Kosten liegen meist bei 50% der Transportversicherung. Urn hierbei nicht zum MiGbrauch einzuladen, ist eine grundlegende Bedingung für den Versicherungsschutz das Stillschweigen über seine Existenz gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber dem Kunden. Eigentlich logisch. Die Exportschutzversicherung deckt keine Scháden ab, die durch eine Exportkreditversicherung abzusichern sind, also insbesondere Zahlungsunfáhigkeit des Káufers. Umgekehrt schlieGt die Exportkreditversicherung alie Scháden aus, die von einer Exportschutzversicherung abgedeckt werden konnen. (3) FAS = Free Alongside Ship = Freí Lángsseite Schiff ... (benannter Verschiffungshafen) FAS («Franco lángsseits Schiff...») bietet sich an bei Verladung von Massengiitern auf konventionelle Schiffe (z. B. Getreide, Kohle oder Schrott) (nicht bei Containern, wenn diese nicht direkt an das Schiff herangebracht werden konnen). Die Verladung kann von der <trockenen> oder der <nassen> Seite erfolgen, d. h. entweder vom Kai aus oder von der Wasserseite, z. B. aus Leichtern, Bockschiffen oder Schuten. Dies ist oft der Fall, wenn Seeschiffe nicht in zu flache oder besetzte - Háfen einlaufen konnen und daher vor dem Hafen «auf Reede» beladen werden müssen (z. B. Lagos/ Nigeria ist chronisch <verstopft>). FAS ist im See- und Binnenschiffsverkehr anwendbar. Die Lieferverpflichtung ist erfiillt, wenn die Ware vom Kai oder vom Wasser mit den Ladeeinrichtungen am Kai oder mit dem Ladegeschirr des Schiffes verladen werden kann. Dann geht die Gefahr auf den Káufer über. Dieser muE den Verkáufer über den Ñamen des Schiffes, den Liegeplatz und die Ladezeit rechtzeitig benachrichtigen (sog. FAS-Instruktion). Die Gefahr geht auch dann aus den Káufer über, wenn das Schiff nicht zum vereinbarten Termin einláuft oder früher ausláuft. Die Kosten bis zur Anlieferungsstelle trágt der Verkáufer, <?page no="258"?> 236 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Abb. G-2/ 4: Seehafen die Kosten des Verladens und alie weiteren Kosten der Káufer. Der Verkaufer ist fur die Exportabfertigung verantwortlich. (Die Klausel wurde 2000 geándert: Zuvor schuldete der Verkaufer keine exportfreie Ware.) (4) FOB = Free On Board = Frei an Bord ... (benannter Verschiffungshafen) FOB («Franco Bord ...») ist eine klassische Lieferklausel im konventionellen Schiffsverkehr (fur den Container-Verkehr ist FCA geeigneter); sie ist neben CIF wohl die allgemein bekannteste, wenn auch nicht die am meisten verwendete Klausel. Zur Veranschaulichung wird der komplette Klauseltext anschliefSend in Abschnitt G-2.3 wiedergegeben. Der Verkaufer muE exportfreie Ware liefern, d. h. er muE die Ausfuhrformalitaten erledigen. Grundsátzlich muS der Káufer den Transportvertrag auf seine Kosten abschlieEen (sog. echtes FOB-Gescháft; zu den Kosten záhlen u. a. die Frachtkosten, Schiffsmaklerspesen und -provisionen, Umladekosten im Schiff etc.). In der Praxis ist es aber nicht selten, daS dies - <?page no="259"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 237 auf Kosten des Káufers dem Verkáufer iibertragen wird mit dem Zusatz «FOB, verschifft» (unechtes FOB-Geschaft mit Gescháftsbesorgungsvertrag fur den Transport). In Chartervertrágen sind auch Modifikationen gebrauchlich wie «FOB verstaut» oder «FOB verstaut und getrimmt», wonach der Exporteur neben den Beladungskosten auf das Schiff auch die Staukosten im Schiff tragen mufi. PRAXISTIP Im Kaufvertrag sollte klargestellt werden, ob sich diese Zusátze neben den Kosten auch auf die Gefahren beziehen. In der Praxis immer wieder anzutreffende Formeln wie «FOB ab Werk», «FOB Fabrik» oder FOT («Free on Truck») sollten vermieden werden, weil sie nicht definiert sind, dem Charakter der FOB-Klausel als Seefrachtklausel widersprechen und erfahrungsgemáfi leicht zu Auslegungsproblemen fiihren. Dies gilt analog fiir FOB Named Inland Carrier at Named Point of Exportation (das kommt FCA nahe, siehe unten) oder FOB Named Inland Point in the Country of Importation (das kommt DDU nahe, siehe unten). Der Verkáufer hat keinerlei Versicherungspflicht (A.3), wird die Ware aber sinnvollerweise bis zur Verladung versichern. Er hat alie Kosten zu tragen bis einschlieSlich der Verladung auf das Schiff («an Deck»). In manchen Háfen wird die Ware jedoch bereits an Land vom Seefrachtfiihrer iibernommen; dann sind die Verladekosten Teil der Schiffsfracht. Der Káufer muí? dem Verkáufer analog zu FAS eine rechtzeitige FOB-Instruktion iiber den Ñamen des Schiffes, den Liegeplatz und den Verladetermin geben. Der Gefahreniibergang richtet sich nach altem Handelsbrauch: Die Gefahr geht auf den Káufer in dem Moment iiber, wo die Ware die Schiffsreling zum ersten Mai iiberschreitet. Sie kann dabei durchaus noch in der Luft im Ladegeschirr eines Krans schweben. Dies kann von Bedeutung sein, wenn der Kran aus irgendwelchen Griinden wieder zuriickschwenkt (z. B. weil das Deck nicht frei ist), die Ware wieder auf dem Kai absetzen will und sie dabei beschádigt wird: Dies geht zu Lasten des Káufers, ebenso wie sich daraus evtl. ergebende weitere Kosten durch Umladungen oder zusatzliche Lager- und Versicherungskosten. Das gleiche gilt, wenn die Ware aus dem Ladegeschirr auf das Deck fállt: Auch dann sind Gefahr und Kosten auf den Káufer iibergegangen, jedoch nicht, wenn die Ware vor Überqueren der Reling neben das Schiff ins Wasser oder auf den Kai fállt. Wie beweist man das? Die Verladung wird (meist) von einem Tallyman 15 beobachtet, der die Ladevorgánge notiert. Der Verkáufer muE dem Káufer «jede Hilfe» beim Beschaffen des «üblichen Transportdokuments fur den vereinbarten Bestimmungshafen» gewáhren. Dies wird in den meisten Fallen ein Seekonnossement, kann aber auch ein Seefrachtbrief sein (vgl. oben Abschnitt G-l.3.3.2). FOB-Vertráge werden oft vom Importland vorgeschrieben, um Auftráge fur eigene Unternehmen zu sichern und um Devisen zu sparen, da nationale Transporteure und Versicherungen in Inlandswáhrung bezahlt werden kónnen. Sofern der Importeur wegen eingetretender Transportscháden die Dokumente nicht aufnimmt bzw. Ware nicht abnimmt (vgl. Abschnitt G-3 zu den Zahlungsbedingungen), stellt sich die Frage nach Einlagerung und Versicherung der Ware. Bei einer FOB-Verladung hat 25 Engl, to tally = iibereinstimmen. («Hey, Mr. Tallyman» ein schoner Song von Harry Belafonte). <?page no="260"?> 2 3 8 G Liefer- und Zahlungsbedingungen der Exporteur keine Móglichkeit, die Versicherung des Importeurs in Anspruch zu nehmen. Vgl. den Praxistip zu FCA. G-2.2.3.3. C-Klauseln Die C-Klauseln sind wie die F-Klauseln - Absendevertráge {shipment contracts): Im Unterschied zu den F-Klauseln mul? der Verkáufer bei C-Klauseln auch den Transportvertrag (ggf. auch den Versicherungsvertrag) abschliefjen und die Kosten bis zum Bestimmungsort tragen. Alie C-Klauseln sind sog. Zwei-Punkt-Klauseln, weil der Gefahreniibergang im Abgangsort erfolgt und der Kosteniibergang im Bestimmungsort. Unbeschadet des Gefahriibergangs erfolgt der Eigentumsiibergang in der Regel erst am Bestimmungsort durch Übergabe der Ware bzw. entsprechender Papiere (z. B. Konnossement). Unter C-Klauseln kann der Exporteur mit Frachtfiihrern und Versicherern in seinem Land arbeiten, was die Regelung von Problemen erleichtern kann. (5) CFR = Costs and Freight = Kosten und Fracht... (benannter Bestimmungshafen) Bei CFR («Kosten und Fracht bis ...», in der Praxis auch angesprochen als C&F, C und F, C+F) muE der Verkáufer zusátzlich zu seinen FOB-Verpflichtungen (das bedeutet u. a. exportfreie Ware) den Frachtvertrag (nicht áber einen Versicherungsvertrag) abschlieSen und die regularen Frachtkosten bis zum Bestimmungshafen tragen. Der Seefrachtfiihrer ist also Beauftragter des Verkáufers. (Eine analoge Anwendung auf den Luftfrachtverkehr ist nicht moglich, weil der Verkáufer nicht «on board», d. h. ins Flugzeug liefern kann; hier bietet sich als Alternative an z. B. FCA mit Zusatz «Fracht zu Lasten des Verkáufers»). Der Transport mufs auf dem iiblichen Weg und in der iiblichen Weise reisen (A.3), d. h. ein Anlaufen mehrerer Háfen oder auch Umladen unterwegs kónnen durchaus iiblich sein. Der Gefahreniibergang entspricht FOB, also bei erstmaligem Überschreiten der Schiffsreeling im Verladehafen. Die Importabwicklung ist Sache des Káufers. Dem Káufer ist ein Transportdokument zur Verfiigung zu stellen, mit dem er die Ware wáhrend des Transports verkaufen bzw. die Herausgabe der Ware vom Frachtfiihrer verlangen kann. Dies kann muS aber nicht ein Konnossement sein. Sofern schwimmende Ware verkauft wird, gehen bis dahin eingetretene Risiken auf den neuen Káufer über. Durch die Einbeziehung der Transportkosten in die Pflichten des Verkáufers wird CFR wie alie C-Klauseln zu einer Zwei-Punkt-Klausel. Entladungskosten trágt der Verkáufer, wenn sie Teil der Schiffsfracht sind, also ein Seefrachtvertrag zu sog. «Liner-Terms» vorliegt, der Belade-, Stau- und Entladekosten einschliefit. Bei einer abweichenden FIO-Vereinbarung («free in and out») miiSte der Empfánger die Entladekosten tragen. Ggf. ware dann besser «CFR landed» zu vereinbaren, wenn der Verkáufer in jedem Fall die Entladekosten tragen soil. Es muS aber eindeutig sein, was die Parteien unter <landed> verstehen, weil dies in den verschiedenen Handelszweigen unterschiedlich ausgelegt wird. Alie übrigen Kosten, die nicht zur Schiffsfracht záhlen, trágt der Káufer, z. B. auSerordentliche Liegekosten, die durch Verzógerungen in Zwischenháfen anfallen, oder Verzógerungen durch Eis oder Krieg (A.6/ B.6). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dafs eine Versicherungspolice mit «voller Deckung» (all risks) auch nicht alie Risiken abdeckt, sondern u. a. Scháden durch Reiseverzogerungen (Streiks), Piraterie sowie Kriegs- und politische Risiken ausschlieiit. Ein Einschlufs erfordert Zusatzvereinbarungen (vgl. bei CIF). <?page no="261"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 239 PRAXISTIP In der Praxis kónnen sich Probleme ergeben, wenn wáhrend des Transports Scháden durch den Frachtführer verursacht werden. Wáhrend die Cefahr auf den Káufer übergegangen ist, liegt das Eigentum móglicherweise - und meist noch beim Verkáufer, so daft der Káufer Schwierigkeiten haben kann, seine Ansprüche aus deliktischer Haftung gegenüber dem Frachtführer durchzusetzen, da der Verkáufer den Frachtvertrag abgeschlossen hat. Um dies zu vermeiden, sollte der Káufer daher unbedingt eine Importschutzversicherung als Zusatzversicherung abschlieften. Diese sichert den Importeur bei einem Versagen des Versicherungsschutzes des Exporteurs ab. Siehe auch oben analog zur Exportschutzversicherung. (6) CIF = Costs, Insurance, Freight = Kosten, Versicherung, Fracht... (benannter Bestimmungshafen) Auch CIF ist eine klassische Seefrachtklausel. CIF erweitert die CFR-Verpflichtungen des Verkáufers. Ein Vergleich von CIF- oder CIP-Angeboten mit FOB/ FCA ist für den Káufer oft am transparentesten, weil dabei alie transportbedingten Nebenkosten bis zum Bestimmungsort im Importland eingeschlossen sind. Der Exporteur muE die Ware in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag transportgerecht verpackt und termingerecht an Bord des Schiffes liefern und dem Káufer die Verladung unverzüglich mitteilen. Er trágt alie Gefahren fur die Ware, bis sie im Abladehafen die Reling des Seeschiffs überschritten hat. Neben dem Seefrachtvertrag bis zum Bestimmungshafen muE der Verkáufer auf seine Kosten, aber zugunsten des Káufers also auf dessen Namen eine (ggf. übertragbare) Transportversicherung zu bestimmten Mindestbedingungen abschlieEen, die den Káufer zur Erhebung von Ansprüchen ermáchtigt (die Gefahr verbleibt beim Káufer). CIF entspricht also FOB plus regulare Frachtplus Versicherungskosten. Wie bei CFR trágt der Verkáufer die Entladungskosten, wenn sie Teil der Schiffsfracht sind, also ein Seefrachtvertrag zu sog. «Liner- Terms» vorliegt, der Belade-, Stau- und Entladekosten einschlieEt. Bei einer FIO-Vereinbarung («free in and out») müEte der Empfanger die Entladekosten tragen. Ggf. ware dann «CIF landed» zu vereinbaren, wenn der Káufer nicht die Entladekosten tragen soil. Da unterschiedliche Versicherungsbedingungen zum Tragen kommen kónnen, verpflichtet CIF den Verkáufer zum AbschluE einer übertragbaren Seeversicherungspolice mit Mindestdcckung (der sog. Clause C der Cargo-Klauseln des Institute of London Underwriters). Damit ist die Ware zu 110% versichert (Kaufpreis plus 10% für imaginaren Gewinn), u. a. gegen Feuer oder Explosion, Schiffsuntergang, Auf-Grund-Laufen, Kentern oder Kollision des Schiffes. Ggf. müEte der Káufer eine Zusatzversicherung zu seinen Lasten abschlieEen (lassen). Vgl. weiter unten Abschnitt G-2.4 zur Transportversicherung. PRAXISTIP Der (deutsche) Importeur sollte unter einer CIF-Verladung darauf bestehen, daft das Versicherungsdokument den Vermerk «Prámie bezahlt» sowie «Scháden zahlbar in Deutschland» trágt. Dem Verkáufer muE dem Káufer einen vollstándigen Satz reiner, begebbarer Orderkonnossemente mit Vermerk «shipped on board» und «freight prepaid» beschaffen. Zudem muE er dem Importeur auf dessen Verlangen, Kosten und Gefahr Ursprungszeugnis und Konsu- <?page no="262"?> 2 4 0 G Liefer- und Zahlungsbedingungen latsfaktura beschaffen sowie bei der Beschaffung aller fur die Einfuhr im Bestimmungsland erforderlichen Dokumente behilflich sein. Der Káufer muí? die ordnungsgemaS erbrachten Dokumente aufnehmen und den vereinbarten Kaufpreis zahlen, die neben Transport und Versicherung anfallenden Kosten tragen, auch fur die Beschaffung von Ursprungszeugnissen oder Konsulatsfakturen, und die Zollgebiihren und sonstigen Einfuhrabgaben im Importland zahlen. Gángige Modifikationen der Basisklausel sind ein Einbezug der Bankzinsen bis zur Fálligkeit der Zahlung (CIF&I: Interest) oder von Einkaufsprovisionen, die der Exporteur trágt (CIF8cC: Commission) oder beides: CIFCI. CIF Liner Terms ist oft redundant, macht aber explizit, daf? der Verkáufer die Lóschkosten (Be- und Entladekosten) trágt, die in die Frachtkosten einbezogen sind. Bei CIF Landed trágt der Verkáufer die Lóschkosten auch dann, wenn sie nicht in den Frachtraten enthalten sind. CIFW deckt bei der Versicherung auch Kriegsrisiken ein (War). Obgleich eigentlich überflüssig, macht CIF Free In explizit deutlich, daS der Verkáufer die Beladungskosten, CIF Free Out analog, daf> der Kaufer die Entladekosten trágt; beides kann zu CIF Free In and Out (FIO) zusammengefafit werden. Eine Anmerkung: Unabhángig von den tatsáchlich vereinbarten Lieferklauseln werden in Zahlungsbilanzstatistiken alie Exporte fiktiv mit FOB-Werten und alie Importe mit CIF- Werten angesetzt, um jeweils den Wert der Ware «an der Grenze» zu erfassen. Ebenso wird der Zollwert beim Import fiktiv auf CIF-Basis ermittelt; vgl. Abschnitt K-2.3.2.1. (7) CPT = Carriage Paid To = Frachtfrei bis ... (benannter Bestimmungsort) CPT («Fracht bezahlt bis ...») ist bei alien Transportarten anwendbar, wenn der Verkáufer auf seine Kosten, aber auf Gefahr des Káufers die Ware bis zu einem bestimmten Bestimmungsort liefern soil. (Dieser muE im Gegensatz zu CIF kein Hafen sein; fur einen Hafen ware CFR anwendbar.) CPT wird háufig bis zur Grenze von Belarus in Rutland vereinbart. Der Verkáufer kommt seiner Verpflichtung nach, wenn er exportfreie Ware liefert, den Befórderungsvertrag auf seine Kosten abschliefit und die Ware dem ersten Frachtfuhrer iibergibt; die Gefahr geht dabei auf den Káufer iiber (vgl. oben die Unterscheidung von Spediteur und Frachtfuhrer; dies ist insbesondere bei multimodalem Transport von Bedeutung). Dem Verkáufer obliegt keine Versicherungspflicht. CPT entspricht also CFR mit dem Unterschied, dai? der Bestimmungsort kein Hafen ist, bzw. FCA plus Freimachung fur den Export plus Frachtkosten. Der Káufer trágt alie Kosten ab Gefahreniibergang, die nicht zur Fracht gehóren, also ggf. auch Entladekosten, sofern diese nicht in der Fracht enthalten sind, und ist fur die Importabwicklung zustandig. Zur Versicherung des Transportrisikos vgl. bei CFR. Die in der Praxis gelegentlich verwendeten Formulierungen wie «frei Grenze ...» (franco border, franco frontiére) sind miSverstándlich, da sie sich in der Regel nur auf die Transportkosten, jedoch nicht auf die Risikoübernahme bis zur Grenze erstrecken sollen. Daher sollte man stattdessen «CPT» vereinbaren. Sofern der Verkáufer dennoch die Risiken übernehmen soil, ware DAF («Geliefert Grenze ...») angebracht. (8) CIP = Carriage and Insurance Paid to = Frachtfrei versichert bis ... (benannter Bestimmungsort) CIP («Fracht einschliefilich Versicherung bis ...») entspricht weitgehend wórtlich - CPT mit zusátzlicher Versicherungspflicht. Die Versicherungsklausel wiederum entspricht der <?page no="263"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 241 entsprechenden CIF-Regelung (Mindestdeckung, siehe oben). CIP ist also eine CIF-analoge Klausel fur Bestimmungsorte, die nicht Hafen sind. Die Klausel ist in der Praxis sehr gebráuchlich, weil der Káufer sich nicht um die organisatorische Abwicklung, sondern nur um die Einfuhrabfertigung kiimmern muS. In Abhángigkeit davon, ob ein Bestimmungs/ w/ én oder ein anderer Bestimmungsort vereinbart wurde, ergibt sich folglich inhaltlich eine weitgehende Übereinstimmung von CFR/ CPT bzw. von CIF/ CIP. G-2.2.3.4. D-Klauseln Die fiinf D-Klauseln sind Ankunftsvertrage und Ein-Punkt-Klauseln. Sie erweitern die Verantwortung des Verkáufers neben den Kosten u. a. um die Transportgefahren bis zum Bestimmungsort, wo erst die Gefahr iibergeht (im Gegensatz z. B. zu CIF oder CIP, bei denen die Gefahr beim Káufer liegt, aber der Verkáufer die Versicherungskosten trágt). Der Verkáufer muG bei D-Klauseln zwar keine Versicherung abschlieften, wird dies aber aus Vorsichtsgriinden sicher tun. (9) DAF = Delivered At Frontier = Geliefert Grenze ... (benannter Ort) DAF («frei Grenze ...») ist prinzipiell für alie Transportarten anwendbar, wird in der Praxis jedoch vorrangig im StralSen- und Eisenbahntransport gewáhlt, u. a. an der sog. Belarus- Grenze in RuSland wegen unterschiedlicher Spurweite der Bahnen. Im TIR-Verkehr per Lkw erfolgt meist keine Umladung. Die Verpflichtung des Verkáufers endet, wenn er die nicht entladene Ware in einem genau zu bestimmenden Lieferort an (vor) der Grenze des Bestimmungslandes dem Káufer zur Verfiigung stellt; er schuldet also keine importfreie Ware. Grundsátzlich ist der Verkáufer frei in der Wahl des Transportmittels bis zum vereinbarten Ort. Zur Verfiigung stellen bedeutet, daS der Káufer die Ware iibernehmen und iiber sie verfügen kann. Der Káufer trágt die Kosten der Umladung bzw. Entladung. Eine reibungslose DAF-Abwicklung setzt voraus, daí? alie erforderlichen Warendokumente für eine Importabfertigung vorliegen, z. B. ein Carnet-TIR oder eine rmportgenehmigung. Nimmt der Káufer die Ware nicht ab, gehen Gefahr und Kosten trotzdem auf ihn iiber. (10) DES = Delivered Ex Ship = Geliefert ab Schiff... (benannter Bestimmungshafen) DES («Frei... ex ship») ist eine Seetransportklausel und entspricht prinzipiell CIF, mit dem Unterschied, dal? der Verkáufer nicht nur die Versicherungskosten, sondern auch die Gefahr bis zur Lieferung trágt. Die Lieferverpflichtung bedeutet Zurverfügungstellen der Ware an Bord des Schiffes im Bestimmungshafen, so da£ sie in üblicher Weise vom Káufer übernommen werden kann. Dementsprechend muS er iiber die erforderlichen Dokumente verfiigen. Nimmt er die Ware nicht ab, geht die Gefahr trotzdem iiber. Die Kosten der Entladung trágt der Káufer (sofern sie nicht in der Fracht enthalten sind), der auch die Importabfertigung besorgen und tragen muS. DES hat in der Praxis keine allzu grofie Bedeutung, wird aber beim Übergang zur Freihafenlagerung verwendet. (11) DEQ = Delivered Ex Quai = Geliefert ab Kai ... (benannter Bestimmungshafen) Bei dieser Seetransport-Klausel («Frei Kai...») schuldet der Verkáufer exportfreie Ware, die er auf dem Kai des benannten Bestimmungshafens dem Káufer zur Verfiigung stellt. Der Verkáufer trágt die Kosten und Gefahren der Befórderung bis zum Bestimmungshafen einschliefilich der Entladung. Dem Káufer obliegt die Einfuhrabfertigung. Durch Zusatzverein- <?page no="264"?> 242 G Liefer- und Zahlungsbedingungen barungen konnen Verpflichtungen auf den Verkáufer bezüglich der Einfuhrabfertigung iibertragen werden. Sofern der Verkáufer die Gefahren und Kosten des Verbringens in ein Lagerhaus oder einen Terminal im Hafen tragen soil, bieten sich die Klauseln DDU oder DDP an. (Die Klausel wurde 2000 geándert: Zuvor schuldete der Verkáufer importfreie Ware.) Auch DEQ hat in der Praxis nur geringe Bedeutung, wird aber ebenfalls im Zusammenhang mit der Freihafenlagerung eingesetzt. (12) DDU = Delivered Duty Unpaid = Celiefert unverzollt... (benannter Bestimmungsort) Die Klausel DDU («Frei... unverzollt») wurde 1990 in die Incoterms aufgenommen. Sie ist für alie Transportarten anwendbar. (Wenn die Lieferung an Bord eines Schiffes oder auf dem Kai des Bestimmungshafen erfolgen soil, bieten sich DES oder DEQ an). DDU áhnelt DAF, jedoch liegt der Leistungsort im Binnenland des Einfuhrlandes. Der Verkáufer trágt alie Kosten und Gefahren bis zu diesem Ort und stellt die Ware auf dem Transportmittel unentladen zur Verfugung, jedoch sifld Einfuhrformalitáten und Einfuhrabgaben Sache des Káufers; dieser trágt auch alie Kosten und Gefahren, falls sich Einfuhrverzógerungen oder andere Probleme ergeben. Soil der Káufer die Transportgefahr tragen, bietet sich CPT an, soil er zudem auch die Kosten des Transports iibernehmen, FCA. Falls der Verkáufer über eingespielte Beziehungen zu einem Zollagenten im Importland verfiigt, kann z. B. vereinbart werden «DDU, Zollformalitáten durch Verkáufer», wobei der Káufer aber die Importabgaben zu tragen hat. (13) DDP = Delivered Duty Paid = Geliefert verzollt... (benannter Bestimmungsort) DDP («Verzollt ...») ist das spiegelbildliche Pendant zu EXW, indem es aus der Sicht des Verkáufers die Maximalverpflichtung darstellt: «Geliefert frei Haus» («frei Haus» ist nur in Deutschland eine gebráuchliche Spediteursbezeichnung). Nach DDP mu6 der Verkáufer die Ware auf eigene Kosten und Gefahr bis zu einem Bestimmungsort im Importland liefern und dabei alie anfallenden Formalitáten erledigen sowie neben alien Kosten auch alie Einfuhrabgaben tragen. Dies setzt neben einem entsprechenden durchgehenden Frachtdokument auch voraus, da(? ihm alie für den Import erforderlichen Dokumente zur Verfugung stehen. DDP entspricht inhaltlich DDU plus Zollabwicklung oder DEQ plus Lieferung ins Binnenland. Auch hierbei kónnen Modifikationen erfolgen wie «DDP, Einfuhrumsatzsteuer nicht bezahlt». Die Ausfiihrung von DDP-Lieferungen setzt meist die Einschaltung von Zollbzw. Steueragenten (-vertretern) im Importland voraus. G-2.2.4. Eignung der INCOTERMS für bestimmte Transportmittel Ob und welche Klausel im konkreten Fall angewendet wird, ist wegen des Kostenaspekts sowohl eine Sache der Verhandlungsposition von Exporteur und Importeur als auch und vor allem eine Frage der ZweckmáSigkeit; dies wurde eingangs bereits hervorgehoben. Wie gezeigt, lassen sich durch Modifikationen der Basisklauseln vielfáltige Varianten erreichen, die den jeweiligen Erfordernissen des konkreten Liefervertrags bestmóglich gerecht werden. Zusammenfassend kann man sagen, dafi sieben Klauseln für alie Transportarten angewendet werden kónnen (EXW, FCA, CPT, CIP, DAF, DDU, DDP). Speziell nur fur den (See- oder Binnen-) Schiffstransport geeignet sind FAS, FOB, CFR, CIF, DES und DEQ. Für den Luft- und Eisenbahntransport bieten sich insbesondere FCA und DAF an. <?page no="265"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 243 G - 2 . 3 . Beispiel: Klauseltext Frei an Bord [FOB] (Free on Board) (... benannter Verschiffungshafen) «Frei an Bord» bedeutet, daf? der Verkáufer liefert, wenn die Ware die Schiffsreling in dem benannten Verschiffungshafen überschritten hat. Dies bedeutet, daE der Káufer von diesem 2xitpunkt an alie Kosten und Gefahren des Verlusts oder der Beschádigung der Ware zu tragen hat. Die FOB-Klausel verpflichtet den Verkáufer, die Ware zur Ausfuhr freizumachen. Diese Klausel kann nur fur den See- oder Binnenschiffstransport verwendet werden. Falls die Parteien nicht beabsichtigen, die Ware iiber die Schiffsreling zu liefern, sollte die FCA- Klausel verwendet werden. A Verpflichtungen des Verkáufers A1 Lieferung vertragsgemaRer Ware Der Verkáufer hat die Ware in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag zu liefern sowie die Handelsrechnung oder die entsprechende elektronische Mitteilung und alie sonstigen vertragsgemáGen Belege hierfiir zu erbringen. A2 Lizenzen, Genehmigungen und Formal itaten Der Verkáufer hat auf eigene Gefahr und Kosten die Ausfuhrbewilligung oder andere behórdliche Genehmigung zu beschaffen sowie, falls anwendbar, alie Zollformalitáten zu erledigen, die fur die Ausfuhr der Ware erforderlich sind. A3 Beforderungs- und Versicherungsvertráge a) Beforderungsvertrag Keine Verpflichtung. b) Versicherungsvertrag Keine Verpflichtung. A4 Lieferung Der Verkáufer hat die Ware an Bord des vom Káufer bezeichneten Schiffes im benannten Verschiffungshafen in dem verein- B Verpflichtungen des Káufers B1 Zahlung des Kaufpreises Der Káufer hat den Preis vertragsgemál? zu zahlen. B2 Lizenzen, Genehmigungen und Formal itaten Der Káufer hat auf eigene Gefahr und Kosten die Einfuhrbewilligung oder andere behórdliche Genehmigung zu beschaffen sowie, falls anwendbar, alie erforderlichen Zollformalitáten für die Einfuhr der Ware und gegebenenfalls fur ihre Durchfuhr durch jedes Land zu erledigen. B3 Beforderungs- und Versicherungsvertráge a) Beforderungsvertrag Der Káufer hat auf eigene Kosten den Vertrag über die Beforderung der Ware vom benannten Verschiffungshafen abzuschlieSen. b) Versicherungsvertrag Keine Verpflichtung. B4 Abnahme Der Káufer hat die Ware abzunehmen, wenn sie gemáíS A4 geliefert worden ist. <?page no="266"?> 244 G Liefer- und Zahlungsbedingungen barten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist und dem Hafenbrauch entsprechend zu liefern. A5 Gefahrenübergang Der Verkáufer hat, vorbehaltlich der Bestimmungen von B5, alie Gefahren des Verlusts oder der Beschadigung der Ware solange zu tragen, bis sie die Schiffsreling im benannten Verschiffungshafen iiberschritten hat. A6 Kostenteilung Der Verkáufer hat, vorbehaltlich der Bestimmungen von Be, zu tragen • alie die Ware betreffenden Kosten bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie die Schiffsreling im benannten Verschiffungshafen iiberschritten hat; und, • falls anwendbar, die Kosten der fur die Ausfuhr notwendigen Zollformalitáten sowie alie Zólle, Steuern und andere Abgaben, die bei der Ausfuhr der Ware anfallen. B5 Gefahrenübergang Der Káufer hat alie Gefahren des Verlusts oder der Beschadigung der Ware zu tragen, und zwar • von dem Zeitpunkt an, in dem sie die Schiffsreling im benannten Verschiffungshafen iiberschritten hat; und • von dem fur die Lieferung vereinbarten Zeitpunkt an oder vom Ablauf der hierfiir vereinbarten Frist an, die dadurch entstehen, daS er die Benachrichtigung gemáfi B7 unterláfjt oder weil das von ihm benannte Schiff nicht rechtzeitig eintrifft oder die Ware nicht iibemehmen kann oder schon vor der gemáS B7 festgesetzten Zeit keine Ladung mehr annimmt, vorausgesetzt jedoch, daS die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d. h. ais der für den Verkáufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf andere Art kenntlich gemacht worden ist. B6 Kostenteilung Der Káufer hat zu tragen • alie die Ware betreffenden Kosten von dem Zeitpunkt an, in dem sie die Schiffsreling im benannten Verschiffungshafen iiberschritten hat; und • alie zusátzlichen Kosten, die entweder dadurch entstehen, dafi das von ihm bezeichnete Schiff nicht rechtzeitig eintrifft oder die Ware nicht iibemehmen kann oder schon vor der gemál? B7 mitgeteilten Zeit keine Ladung mehr annimmt, oder der Káufer die Benachrichtigung gemáft B7 unterlassen hat, vorausgesetzt jedoch, daté die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. ais der für den Káufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf andere Art kenntlich gemacht worden ist; und, <?page no="267"?> G - 2 . Internationale Lieferklauseln 2 4 5 A7 Benachrichtigung des Káufers Der Verkáufer hat den Káufer in angemessener Weise zu benachrichtigen, da£ die Ware gemáE A4 geliefert worden ist. A8 Liefemachweis, Transportdokument oder entsprechende elektronische Mitteilung Der Verkáufer hat auf seine Kosten dem Káufer den üblichen Nachweis der Lieferung gemáíS A4 zu beschaffen. Der Verkáufer hat, sofern das im vorstehenden Absatz erwáhnte Dokument nicht das Transportdokument ist, dem Káufer auf dessen Verlangen, Gefahr und Kosten bei der Beschaffung eines Transportdokuments zum Befórderungsvertrag (z. B. eines begebbaren Konnossements, eines nicht begebbaren Seefrachtbriefs, eines Dokuments des Binnenschiffstransports oder eines multimodalen Transportdokuments) jede Hilfe zu gewáhren. Wenn sich Verkáufer und Káufer auf elektronische Datenkommunikation geeinigt haben, kann das im vorstehenden Absatz erwáhnte Dokument durch eine entsprechende Mitteilung im elektronischen Datenaustausch (EDI message) ersetzt werden. A9 Prüfung - Verpackung - Kennzeichnung Der Verkáufer hat die Kosten der Prüfung (wie Qualitátsprüfung, Messen, wiegen und Záhlen) zu tragen, die fur die Lieferung der Ware gemáS A4 erforderlich ist. Der Verkáufer hat auf eigene Kosten fur eine Verpackung zu sorgen (sofern es nicht handelsüblich ist, die im Vertrag beschriebene • falls anwendbar, alie Zólle, Steuem und andere Abgaben sowie die Kosten der Zollformalitáten, die bei der Einfuhr der Ware und bei der Durchfuhr durch jedes Land anfallen. B7 Benachrichtigung des Verkáufers Der Káufer hat dem Verkáufer in angemessener Weise den Ñamen des Schiffs, den Ladeplatz und die erfordprliche Lieferzeit anzugeben. B8 Liefemachweis, Transportdokument oder entsprechende elektronische Mitteilung Der Káufer hat den in Übereinstimmung mit A8 erbrachten Liefemachweis anzunehmen. B9 Prüfung der Ware Der Káufer hat die Kosten fur jede Warenkontrolle vor der Verladung (pre-shipment inspection) zu tragen, mit Ausnahme behórdlich angeordneter Kontrollen des Ausfuhrlandes. <?page no="268"?> 246 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Ware unverpackt zu verschiffen), die für den Transport der Ware erforderlich ist, wenn und soweit die Transportmodalitáten (z. B. Transportart, Bestimmungsort), dem Verkáufer vor Abschlul? des Kaufvertrags zur Kenntnis gebracht worden sind. Die Verpackung ist in geeigneter Weise zu kennzeichnen. A10 Sonstige Verpflichtungen Der Verkáufer hat dem Káufer auf dessen Verlangen, Gefahr und Kosten bei der Beschaffung aller anderen als in A8 genannten Dokumente oder entsprechender elektronischer Mitteilungen, die im Verschiffungsund/ oder Ursprungsland ausgestellt oder abgesendet werden und die der Káufer zur Einfuhr der Ware und gegebenenfalls zur Durchfuhr durch jedes Land benótigt, jede Hilfe zu gewáhren. Der Verkáufer hat dem Káufer auf dessen Verlangen die fur die Versicherung der Ware erforderlichen Auskiinfte zu erteilen. G-2.4. Exkurs zur Transportversicherung im internationalen Handel Für die Auswahl von Versicherern kónnen Versichentngsmakler eingeschaltet werden, die meist einen besseren Marktiiberblick haben als Unternehmen, die nur gelegentlich im Aufsenhandel tátig sind. Die Servicequalitdt eines Versicherers spielt neben der Hóhe der Versicherungspramien eine Rolle bei der Auswahl alternativer Angebote. Sie zeigt sich allerdings erst im konkreten Schadensfall, láíSt sich aber dennoch meist aus Sekundárinformationen abschátzen. Der Teufel steckt dabei jedoch oft im Detail des eigenen Falls. Die Wahl eines heimischen Versicherers erleichtert und verkiirzt im Schadensfall meist die Abwicklungsprozeduren, nicht zuletzt auch aus sprachlichen Griinden. PRAXISTIP Sofern auslándische Versicherer gewahlt werden, sollte die Versicherung in derselben Wahrung wie der Kaufvertrag abgeschlossen werden, um ein gesondertes Wechselkursrisiko zu vermeiden. Da es keine gesetzlichen Bestimmungen beziiglich der Transportversicherung gibt, kónnen Bedingungen und Prámien frei ausgehandelt, d. h. bedarfsgerecht gestaltet werden. Nur bei háufigen Transporten bietet sich eine Generalpolice an. Die Versicherungspramien leiten sich grundsátzlich aus Prámientabellen ab. Diese decken jedoch nur Standardfálle ab, so daS iiblicherweise im Einzelfall Modifikationen in der Hóhe nach oben wie nach unten erforderlich sind. Zur Verminderung der Versicherungsprámie kann eine Selbstbeteiligung (Fran- B10 Sonstige Verpflichtungen Der Káufer hat alie Kosten und Gebiihren für die Beschaffung der in A10 genannten Dokumente oder entsprechender elektronischer Mitteilungen zu tragen und diejenigen des Verkáufers zu erstatten, die diesem bei der Hilfeleistung hierfiir entstanden sind. <?page no="269"?> G-2. Internationale Lieferklauseln 247 chise) vereinbart werden. Der Versicherungsvertrag kann zugunsten eines Dritten geschlossen werden (so wie bei der CIF-Abladung erforderlich). Bei CIF- und CIP-Verladungen miissen dabei Mindestrisiken eingedeckt werden, die der A-Klausel des Institute of London Underwriters entsprechen miissen (Abb. G-2/ 5-1, 2). In Deutschland ist das Versicherungs- Vertragsgesetz (WG) die gesetzliche Grundlage fiir Versicherungsvertrage im internationalen Handel. Danach konnen bestimmte Normen nicht vertraglich abbedungen oder geándert werden; andere kónnen nur zugunsten des Versicherungsnehmers abgeándert werden. Je nach Transportmittel sind Seeversicherungen und Binnentransportversicherungen zu unter- Abb. G-2/ 5-1: Klauseln des Institute of London Underwriters • Klausel A (all risks) Deckt alie durch áulSere Ursachen entstandenen Scháden und Verluste, ausgenommen Krieg, Bürgerkrieg, Unruhen (kann bei Luft- und Seeversicherung mitversichert werden), Streik, Aussperrung, Beschlagnahme, Eingriffe <von hoher Hand>, politische Gewalthandlungen. • Klausel B Deckt Scháden aus einer Reihe von Elementarereignissen, die in einer Positivliste aufgefiihrt sind, u.a. Schiffskollision, Feuer, Explosion, Strandung, Erdbeben, Uberbordspülen der Ladung, Wassereinbruch. • Klausel C deckt nur wenige Falle ab: Feuer, Explosion, Strandung, Entladung der Ladung in einem Nothafen. Jeweils nicht-versicherte Gefahren und Scháden kónnen durch spezielle Zusatzversicherungen abgedeckt werden. Zusatzklauseln sind die Institute War Clause, die Institute Strike Clause und die Malicious Damage Clause (gegen mutwillige Beschádigungen). Für bestimmte Sparten hat das Institut spezielle Commodity Trade Clauses entwickelt (Kühlgut, Erdól, Holz). Die Institute Classification Clause bezieht sich auf den Qualitátszustand der Schiffe. Niedrige Standards führen wegen hóherer Risiken zu hoheren Pramien. Abb. G-2/ 5-2: Institute of London Underwriters Englische Versicherungsgesellschaften haben das Institute of London Underwriters gegründet, welches Versicherungsklauseln für bestimmte Risiken ausarbeitet, insbesondere für den Seetransport. Auf diese Klauseln wird oft in Versicherungsvertrágen in áhnlicher Weise Bezug genommen wie auf die Incoterms. Die o.a. Clause C ist eine Minimalklausel mit geringstem Versicherungsschutz; Clause B ist eine «mittlere Deckung»; den hóchsten Deckungsschutz gewáhrt Clause A. Aber auch eine Versicherungspolice nach Clause A mit «voller Deckung» (all risks) deckt auch nicht alie Risiken ab, sondern schlielU u.a. Scháden durch Krieg, Streik, Aufruhr, Piraterie 23 oder Verzógerungen aus. Ggf. müGte der Káufer eine Zusatzversicherung zu seinen Lasten abschliefSen (lassen). Vor allem im siidchinesischen und malaisischen Meer nehmen die Falle von Seepiraterie betrachtlich zu (vgl. Abschnitt H-8). <?page no="270"?> 248 C Liefer- und Zahlungsbedingungen scheiden. Die notwendigen landgebundenen oder mit Flugzeug erfolgenden Vor- und Nachreisen záhlen dessenungeachtet mit zur Seeversicherung. Nur der vereinbarte Reiseweg ist versichert. Seitens der Versicherungswirtschaft wurden die Allgemeinen Deutschen Seeversicherungs-Bedingungen (ADS) erarbeitet, die das in dieser Hinsicht unzureichende HGB ergánzen. Besonderheiten im Seetransport • Grofie Havarie (Havarie grosse): Schiff und Ladung bilden eine Gefahren- und Opfergemeinschaft, so dafj z. B. der Kapitán versucht, Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr (Brand) zu retten. Dies kann auch durch Aufopferung von Ladung (Über-Bord- Werfen, Seewurf) geschehen, um ein auf Grund gelaufendes Schiff wieder flott zu machen. Dabei sind Reeder und Ladungseigentümer (Exporteur bzw. Importeur je nach Gefahrenübergang) gemeinsam Kostentráger fur Rettungsaufwendundungen, und der Ladungseigentümer kann anteilig (bis zu 20% des Warenwertes) für die Schiffsrettung in Anspruch genommen werden, auch wenn seine Ladung selbst unbeschadigt geblieben ist. Zur Sicherstellung dieses Anspruches hat die Reederei ein Pfandrecht an der Ladung. Bei FOB- und CFR-Ladungen wendet sich die Reederei dabei gerne an den Exporteur als Ablader, der wiederum Probleme haben kann, auf den Importeur zurückzugreifen, wenn dieser keine ausreichende Transportversicherung abgeschlossen hat. • Eine Besondere Havarie verursacht Scháden oder Verluste durch zufállige Ereignisse (Kollision, Feuer, Strandung). Im Gegensatz zur groSen Havarie tragen hier die Betroffenen jeweils den sie individuell betreffenden Schaden. • Als Kleine Havarie (Teilhavarie) bezeichnet man nicht, wie der Begriff vermuten lieSe, geringere Havariescháden, sondern die im Seeverkehr iiblichen Kosten für Lotsen, Hafen- und Schleppgebühren, die normalerweise in den Frachtkosten enthalten sind. Sofern der Versicherungsschutz durch eine bestimmte Versicherungsgesellschaft nicht hinreichend ist, diese aber gleichwohl gewáhlt werden soil oder mufj, weil der Partner darauf besteht oder die Bestimmungen des Partnerlandes dies vorschreiben, kann durch den AbschluS einer Konditions-Differenz-Versicherung (DIC: Difference in Conditions) ein hóheres Versicherungsniveau erreicht werden. Grundsátzlich besteht eine Haftung des Spediteurs und der Frachtfuhrer auf der Grundlage einer Pflichtversicherung, die aber aufgrund von Haftungsbeschrankungen des Verkehrsgewerbes dem Grunde und der Hóhe nach meist unzureichend ist. Sehr oft sind bei Transportscháden Dritte haftbar, die oft nicht oder nur begrenzt zur Verantwortung zu Ziehen sind. Daher ist der AbschluS einer eigenstándigen Transportversicherung ratsam, die im Innenverháltnis zum Versicherungsnehmer unabhángig von der Haftung Drifter reguliert. Dieser Versicherer kann nach Schadensersatzleistung an den Versicherungsnehmer auf die Pflichthaftung von Spediteur bzw. Frachtfuhrer Rückgriff nehmen, womit der Exporteur bzw. Importeur jedoch nichts zu tun hat. Der Versicherungsumfang sollte sich erstrecken auf Gefahren (z. B. Strandung, Feuer, Diebstahl, Blitzschlag), die sich für Ware und Transportmittel wáhrend der Versicherungsdauer ergeben (Transportzeit und Lagerung wegen Umschlag) und Scháden, die sich aus der versicherten Gefahr ergeben (Totalverlust, Bruch, Verderb etc.). Gefahr ist die Móglichkeit des Eintritts eines ungewissen, aber als negativ einzustufenden <?page no="271"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m internationalen Handel 249 Ereignisses: Diebstahl, Feuer, Schiffsuntergang. Die Versicherungsleistung knüpft nicht an der Tatsache des Schadens an, sondern an der Versicherung der dafür ursáchlichen Gefahr. Tritt ein Schaden aufgrund einer nichtversicherten Gefahr ein (Vernichtung durch nichtversichertes Feuer, wáhrend Bruch versichert ist), leistet der Versicherer keine Entschádigung. Der Versicherungsnehmer sollte daher zur Vertragsgestaltung alie Umstánde (Gefahren, Interessen) mit dem Versicherer absprechen. Dies wirkt sich natiirlich auf die Prámiengestaltung aus, ist aber erforderlich, weil der Versicherer nur auf dieser Grundlage das Risiko kalkulieren und entsprechen annehmen oder ablehnen kann. Ándern sich diese Umstánde, müssen sie dem Versicherer mitgeteilt werden, da sonst ggf. die Móglichkeit eines Versicherungsausschlusses besteht. Schaden durch inneren Verderb der Güter oder Einwirkungen der Verpackung auf die Waren sind in der Regel von Transportversicherungen nicht abgedeckt (nicht versicherbares kommerzielles Risiko). Vorsátzlich oder fahrlássig herbeigeführte Scháden kónnen ais mittelbare Schaden abgesichert werden. Gegenstand der Transportversicherung ist nicht die Versicherung des befórderten Gutes gegen Scháden, sondern das in Geld mefibare Interesse, daft die Güter unversehrt an einen Bestimmungsort gelangen, der Versicherungswert. Dieser entspricht dem Ersatzwert zur Zeit des Versicherungsfalies. Dabei wird der CIF-Wert bis zum Bestimmungsort plus 10% fur imaginaren Gewinn angesetzt. Der Warenwert ergibt sich aus dem Rechnungswert, einem móglichen Verkaufserlóse, dem Wiederbeschaffungspreis oder einem gesondert geschátzten oder vereinbarten Wert (Taxe). Hinzu kommen Aufwendungen zur Abwendung bzw. Minderung des Schadens sowie Kosten der Schadensfeststellung durch Dritte. Nicht versichert sind indirekte Kosten, bedingt z. B. durch Reiseverzogerungen, Produktions- oder Verdienstausfall oder Vertragsstrafen. G-3. Zahlungsbedingungen im internationalen Handel Lieferbedingungen beziehen sich vereinfacht gesagt auf die Abwicklung der Warenlieferung, Zahlungsbedingungen auf die Abwicklung der dabei zu leistenden Zahlungen. Jede Zahlungsvereinbarung muí? folgende Fragen kláren: Wer zahlt, wann, wieviel, in welcher Wáhrung, wie (Zahlungsweg und -form), wo, an wen? Dabei gibt es natürlich Schnittstellen: Beispielsweise definieren die INCOTERMS die Verpflichtung des Káufers, den Kaufpreis zu zahlen, jedoch nicht die entsprechende Fálligkeit. Diese wird sich aus den Zahlungsbedingungen ergeben. Liefer- und Zahlungsbedingungen sollten daher inhaltlich und formal aufeinander abgestimmt werden. PRAXISTIP Bei gewáhrten Zahlungszielen, die über das Jahr 2001 hinausgehen, solite eine Konvertierungsklausel (Kontinuitatsklausel) enthalten sein r die auf den offiziellen Umrechnungskurs des Euro Bezug nimmt. Die Klausel kónnte etwa lauten «xy DM or official Euro-countervalue» («xy DM oder Gegenwert in Euro gemáft offiziellem Umrechnungskurs»). Die zahlreichen móglichen Zahlungsbedingungen ha ben fur die Vertragspartner unterschiedliche Vor- und Nachteile. <?page no="272"?> 250 G Liefer- und Zahlungsbedingungen G-3.1. Interessenkonflikte Analog zu den Lieferbedingungen sind auch die Zahlungsbedingungen unterschiedlich vorteilhaft bzw. risikoreich fiir Importeure (Káufer) oder Exporteure (Verkáufer). Abb. G-3/ 1 verdeutlicht schematisch den Interessengegensatz zwischen Exporteur und Importeur: Der Exporteur ist beispielsweise an einer móglichst frühen, der Importeur an einer móglichst spáten Zahlung interessiert, sowohl aus liquiditáts- und zinstechnischen Gründen ais auch wegen des Lieferbzw. Abnahmerisikos. Der Importeur will sicherstellen, dafi er die richtige Ware erhált und ggf. Mangel vor Zahlung rugen kann. Beide wollen also letztlich ihre Risiken und Kosten minimieren (vgl. auch Teil H zum Risikomanagement). In Zeiten sich abschwáchender Konjunktur nimmt erfahrungsgemaS auch die Zahlungsmoral ab, so dafi einer absichemden Zahlungsbedingung groije Bedeutung zukommt. Die Vereinbarung einer bestimmten Klausel hángt auch hier nicht zuletzt von der Stárke der Verhandlungsposition (Machtverteilung) der Vertragspartner ab. Abb. G-3/ 1: Interessenkonflikte Interessen des Káufers Interessen des Verkáufers • keine Risiken übemehmen • keine Risiken übernehmen (Zahlungsrisiko, Abnahmerisiko) (Lieferrisiko) • keine Kosten der Kreditfinanzierung • keine Kosten der Kreditfinanzierung tragen (Lieferantenkredit) tragen (Bestellerkredit) d.h.: d.h.: • Zahlung móglichst spát leisten • Zahlung móglichst früh erhalten • Ware móglichst früh erhalten (Vorauszahlung) • Ware móglichst spát liefern Bei den meisten Gescháften wird nur eine Zahlungsbedingung vereinbart. Bei gróSeren Transaktionen, vor allem mit lángerer Laufzek, sind mehrere Zahlungsbedingungen gángig, z. B. eine 15%ige Anzahlung bei Vertragsabschlufs gegen Stellung einer Anzahlungsgarantie seitens des Exporteurs, 50% bei erster Teillieferung gegen Dokumentenakkreditiv, die restlichen 35 % gegen Sichttratte bei SchluElieferung. - Bei Investitionsgütern ist z. B. gángig 5 % Anzahlung, zahlbar 30 Tage nach Inkrafttreten des Vertrages, abgesichert durch Anzahlungsgarantie, 10% Zwischenzahlungen pro rata Lieferungen gegen Dokumente oder aus einem unwiderruflichen Dokumentenakkreditiv, 85% in 10 gleicheHalbjahresraten in bankavalierten Solawechseln, wobei die erste Rate 6 Monate nach Betriebsbereitschaft fállig ist. Solche Konstruktionen werden nicht zuletzt von den Exportkreditversicherern verlangt; vgl. Abschnitt H-3. Allgemein lassen sich gesicherte und ungesicherte Zahlungsbedingungen unterscheiden: Ungesichert ist beispielsweise eine offene Rechnung, gesichert ist eine Zahlung im Rahmen eines Akkreditivs. Einige Zahlungsbedingungen sind an bestimmte Dokumente gebunden (dokumentáre Zahlung: Inkassi, Akkreditiv), andere nicht (nicht-dokumentáre Zahlungsabwicklung: Vorauszahlung, Anzahlung, Zahlung bei Lieferung, einfache Rechnung und offenes Zahlungsziel). Abb. G-3/ 2 enthált eine Übersicht. <?page no="273"?> G-3. Zahlungsbedingungen im ¡nternationalen Handel 251 G-3.2. Einige wichtige Details In vielen Fallen wird eine Effektivklausel verwendet («500.000 Euro effektiv»), d.h. der Káufer ist verpflichtet, Euro zu liefern und kann diese nicht durch eine andere Wáhrung ersetzen, weder Dollar noch schweizer Franken noch sonst eine Wáhrung. Bevor man eine Effektivklausel vertraglich verankert, sollte man natürlich sicher sein, daS dies nach den Devisenbestimmungen des Importlandes auch zulássig ist. Der Zahlungsort legt fest, wo der Káufer leisten muf>. Nach deutschem und franzósischen Recht ist dies der Sitz des Káufers (sog. Schickschuld), nach UN-Kaufrecht der Sitz des Verkáufers. Aber wie so vieles kann - und sollte auch der Zahlungsort explizit vereinbart werden. PRAXISTIP Bei Hermes-Absicherungen wird nurselten ein auslandischer Zahlungsort akzeptiert, denn bei einer Schickschuld muft der Káufer lediglich die rechtzeitige Anweisung nachweisen. Ob das Geld je ankommt, ist nicht sein Problem. Hinsichtlich des Zahlungstermins sollte immer ein Spátest-Termin explizit benannt werden, am besten durch einen Kalendertag, weil die Fálligkeit für die Bestimmung eines Zahlungsverzugs ausschlaggebend ist. Üblich sind jedoch Formulierungen wie «30 Tage nach Eingang der Rechnung», was jedoch nicht selten nur schwer bestimmbar ist. Aufserdem ist das vereinbarte Zahlungsziel fur viele Kunden ohnehin nur ein Orientierungsdatum, und man wird dabei oft von der deutschen Genauigkeif abweichen miissen. Die Kosten der Zahlungsabwicklung sollten explizit auf die Partner verteilt werden (insbesondere Bankspesen). Sehr oft tragen Exporteur und Importeur jeweils die Kosten, die auf <ihrer Seite> entstehen, aber sie kónnen auch insgesamt dem Káufer übertragen werden. Abb. G-3/ 2: Übersicht über die Zahlungsbedingungen Risiko und Finanzierungslast beim Importeur ** ^ beim Exporteur Vorauszahlung/ Anzahlung* * L/ C - Kasse gegen Dokumente* L/ C - Akzept gegen Dokumente* D/ P-lnkasso* D/ A-lnkasso* Zahlung nach Erhalt der Ware** Offenes Zahlungsziel/ Liefererkredit* * dokumentáre Sicherung ** keine dokumentáre Sicherung Die Zahlungsmoral verschlechtert sich Viele Unternehmen reñnanzieren sich mit Lieferantenkrediten <?page no="274"?> 252 G Liefer- und Zahlungsbedingungen PRAXISTIP Wenn eine Absicherung durch Hermes oder eine Refinanzierung durch Factoring- oder Forfaitierungsgesellschaften beabsichtigt ¡st, sollten diese bezüglich der zu verabredenden Zahlungsbedingung vor Vertragsabschluft konsultiert werden. Die Zahlungsbedingungen sind eng mit Finanzierungsfragen verbunden. Um Überschneidungen zu vermeiden, werden solche Aspekte in diesem Abschnitt ausfiihrlicher dargestellt; im Teil D wurde dies nur gestreift. G-3.3. Nicht-dokumentare (reine) Zahlungsabwicklung C-3.3.1. Vorauszahlung, Anzahlung, Abschlag Vorauszahlung (cash before delivery, advance payment, prepayment) bedeutet Leistung des geschuldeten Betrags in voller Hóhe vor Erhalt der geschuldeten Ware. Für den Importeur ist die Vorauszahlung die ungiinstigste, fur den Exporteur die giinstigste und sicherste Zahlungsbedingung, weil das Risiko des Zahlungsausfalls vgl. Abschnitt H-2 vollstándig ausgeschlossen wird. Zudem hat die Vorauszahlung eine Finanzierungsfunktion, die dem Exporteur Liquiditát zufuhrt und Zinsbzw. Finanzierungskosten spart. Eine Vorauszahlung setzt entweder eine entsprechende Machtposition des Exporteurs voraus oder/ und ein ausgeprágtes Vertrauen seitens des Káufers, der ja eine Vorleistung erbringt, ohne sicher sein zu kónnen, daS er die entsprechende Gegenleistung erhalt. Andererseits wird gerade bei ungewisser Bonitát des Kunden oder bei kritischen Lándern (wie gegenwártig RuSland) gern Vorauszahlung verlangt, um eine aufwendige Erforschung der Bonitát des Kunden zu umgehen (vgl. auch Abb. G-3/ 3). Der Kunde wird meist durch eine Bankgarande abgesichert; auch kann eine Einzahlung auf ein notarielles Treuhandkonto vereinbart werden. Nicht wenige Unternehmen bestehen bei Neukunden zunáchst auf einer Anzahlung andernfalls verzichten sie auf das Gescháft -, machen aber gleichzeitig deutlich, daft man bei einer stabilen Gescháftsbeziehung sicherlich darauf verzichten wird. Abb. G-3/ 3: Rufiland-Geschaft nur noch bei Vorauskasse Manchmal bietet der Káufer von sich aus auch Vorauszahlung an, um einen PreisnachlalS zu erreichen oder um sich bei Fakturierung in Fremdwáhrung vor einer Aufwertung zu schützen. Staatliche Káufer Ziehen oft Zahlungen zeitlich vor, um innerhalb des Haushaltsjahres zu bleiben. Vorauszahlungen sind unabhángig davon auch üblich bei Sonderauftrágen, die erhebliche Vorkosten verursachen, und bei Investitionsgiitern, die entsprechende Vorfinanzierung erfordern. Dabei sind auch Anzahlungen gángig: Anzahlung (down payment, payment on account) bedeutet Leistung eines Teils des bei Lieferung geschuldeten Betrags vor Erhalt der Ware; es wird also eine Vorleistung erbracht, der noch keine Gegenleistung gegeniibersteht, im Gegensatz zum Abschlag: Abschlagszahlungen sind Teilzahlungen z. B. bei Erreichen bestimmter Fertigungsstufen eines Gutes mit lángerer Herstelldauer (Pro-rato-Zahlung). 15% Anzahlung sind i.d.R. Voraussetzung für AKA-Kredite und Hermes-Besicherungen (vgl. Abschnitte D-3.3 und H-3.2). Aus der Sicht des Exporteurs verringern Anzahlung und Abschlagszahlung die Zahlungsrisiken und haben gleichzeitig eine Finanzierungsfunktion, aus der Sicht des Importeurs bleibt das Risiko der <?page no="275"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m ¡nternationalen Handel 253 Nichtlieferung (Lieferrisiko). Daher wird háufig eine Anzahlungsgarantie vereinbart. Sie garantiert dem Importeur, daf? er bei Nichtlieferung der Ware seine Anzahlung zurückerhált. Vielfach wird vom Káufer die letzte Rate zuriickbehalten, bis er mit der vertraglichen Leistung der Verkáufers bzw. Lieferanten zufrieden ist (dagegen kann man sich versichern); Abschnitt H-3. Nicht nur im Chinageschaft ist dies ein weit verbreiteter Streitpunkt in Schiedsgerichtsverfahren. In manchen Fallen ist beobachtbar, dai? Kunden die geleistete Anzahlung als Druckmittel benutzen, um hinsichtlich der noch ausstehenden Zahlungen Preiszugestándnisse zu erreichen. Auch mit einer Hermes-Absicherung ware ein <Aussteigen> des Káufers aus dem Vertrag fur den Exporteur in der Regel wegen des vom ihm zu tragenden Selbstbehalts mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden, so dai? dieses Drohpotential nicht irrelevant ist. G-3.3.2. Einfache (offene) Rechnung und offenes Zahlungsziel Bei «Zahlung bei Lieferung» (cash on delivery, c.o.d.) wird die Ware bzw. der Herausgabeanspruch gegen einen Lagerhalter gegen Leistung der Zahlung ausgehándigt. Dieses einfache Inkasso wird meist vom Frachtführer durchgeführt oder im Postverkehr durch Nachnahme oder allerdings nur in manchen Lándern auch auf der Basis von Eisenbahn- und Luftfrachtbriefen. «Cash» kann neben Barzahlung auch Bezahlung durch Scheck zulassen oder eine Bankbestátigung (mittels verschliisseltem Telex/ SWIFT), daS der Káufer die Zahlung zugunsten des Verkáufers unwiderruflich angewiesen hat. Cash-Zahlungen sind vor allem dann fur den Kunden interessant, wenn er Friihzahlungsnachlásse (Skonti) geltend machen kann. Allerdings hángt die tatsáchliche Ausführung des Zahlungsauftrags davon ab, dal? ein ausreichendes Guthaben bzw. eine entsprechende Kreditlinie vorliegt. Hinzu kommt, daS auch ein unwiderruflicher Zahlungsauftrag nach deutschem Recht «aus wichtigem Grund» widerrufen werden kann, wobei es zunáchst im Ermessen des Zahlungspflichtigen liegt, was ein wichtiger Grund ist, d. h. seine Bank wird den Widerruf zunáchst beachten. Der Zahlungsauftrag betrifft námlich grundsátzlich das Innenverháltnis zwischen Importeur und Bank, woraus ein Aufienstehender keine Rechte ableiten kann. Dies ist nur dann móglich, wenn die vorlegende Bank nicht dem Importeur, sondern gegeniiber dem zahlungsbegiinstigten Exporteur den unwiderruflichen Zahlungsauftrag bestátigt. Zahlung bei Lieferung áhnelt in ihrer Wirkung der Bedingung «Dokumente gegen Zahlung», vgl. Abschnitt G-3.4.1. Bei den Zahlungsbedingungen «einfache Rechnung» (clean payment) und «offenes Zahlungsziel» (open terms) versendet der Exporteur die Ware vor der Zahlung durch den Káufer ohne Sicherstellung, im Gegensatz zu Akkxeditiv oder Inkasso (vgl. unten). Bei «Zahlung nach Erhalt der Ware/ Rechnung» hat der Káufer die Móglichkeit, die Ware auf Mangel zu untersuchen, bevor er die Rechnung (einschliefilich Bankspesen in Deutschland) durch Scheck, Überweisung oder Wechsel begleicht, entweder nach Erhalt der Lieferung, nach Erhalt der Rechnung oder unter Inanspruchnahme eines eingeráumten (offenen, d. h. ungesicherten) Zahlungsziels. Dies ermoglicht es dem Importeur unter Umstánden, sich durch die Weiterverwertung der Ware Liquiditát zu beschaffen, um den Verkáufer zu bezahlen. Je ausgeprágter die Unterkapitalisierung ist, desto mehr sind Unternehmen auf die Vermarktung von Produkten angewiesen, bevor sie ihre Beziige bezahlen kónnen. <?page no="276"?> 254 G Liefer- und Zahlungsbedingungen In der Regel wird ein Skonto eingeraumt, wenn der Káufer ein Zahlungsziel nicht ausnutzt und sofort zahlt (z. B.: «Rechnungsbetrag zahlbar innerhalb von 30 Tagen, 2% Skonto innerhalb von 14 Tagen»). Ein Verzicht auf die Inanspruchnahme eines Skontos ist wohl die teuerste Kreditform, die es gibt: Die Nichtbeanspruchung der 2 % entspricht fur die zusátzlichen 16 Tage ab SkontoschluEtag arithmetisch 51,4 % auf das Jahr gerechnet. 27 Nicht iibel. SkontoausschluS wird z. B. formuliert als: «Netto Kasse bei Erhalt der Rechnung». Ein Zahlungsziel entspricht also einem ungesicherten Kredit (meist als Lieferantenkredit bezeichnet; das vertiefen wir nochmal). Vielfach wird ein Zahlungsziel durch Wechsel abgesichert. Andererseits ist die Wechselstrenge oft nur eine vermeintliche Besserstellung des Gláubigers, da ein Wechselprotest im Ausland andere Folgen fur den Bezogenen haben kann als in Deutschland und daher abgewogen werden muS, ob sich ein kostentráchtiger - Wechselprotest lohnt. Im Ernstfall wird im Aufienhandel nur selten tatsáchlich ein Wechselprozel? angestrengt. Die offene Rechnung stellt für den Importeur die giinstigste Zahlungsbedingung dar. Neben der Kreditfunktion bietet sie die Móglichkeit, vor Zahlung zu priifen, ob die Ware kontraktgerecht geliefert wurde. Analog stellt sie für den Exporteur die ungiinstigste Form dar, da ihm neben dem Abnahmerisiko (der Importeur verweigert die Annahme der Ware) auch Zins- und andere Finanzierungskosten entstehen. Die offene Rechnung setzt daher seitens des Exporteurs grofies Vertrauen in den Importeur voraus und wird vor allem zwischen Vertragspartnern mit eingespielten Gescháftsbeziehungen verwendet, insbesondere im innereuropáischen Aufienhandel und im Handel mit Nordamerika. Man muS zwischen vertraglich vereinbarten Zahlungsfristen und Zahlungsverzug unterscheiden. In der EG sind die branchenüblichen Zahlungsfristen sehr verschieden. Grundsátzlich fiihren lange Handelsketten meist zu lángeren Zahlungszielen, wobei in siidlichen Lándern tendenziell lángere Fristen iiblich sind als im Norden. Bei sehr langen Zahlungszielen kann es vorkommen, dai? Banken die Finanzierung solcher Gescháfte ablehnen. Manchmal sind auch die Vereinbarungen unklar. Bei einer Klausel «zahlbar innerhalb von 30 Tagen» fehlt es an der Prázisierung, wann die Frist beginnt. In Deutschland mufs ein exaktes Datum definiert werden, urn einen Verzugsschaden (§§ 284ff. BGB) beim Schuldner einklagen zu kónnen, wahrend in Italien «zahlbar innerhalb von 30 Tagen» hinreichend ist, wobei man i.d.R. vom Tage des Erhalts der Rechnung ausgeht. In GroSbritannien konnen keine Verzugszinsen eingeklagt werden. In einigen Lándern miissen langwierige Schlichtungsverfahren vor einer Verzugsklage durchgefiihrt werden. Hinzu kommt, da£ schon innerhalb der Banksysteme oft erhebliche Verzógerungen bei Überweisungen auftreten, die nicht vom Káufer zu verantworten sind. Dies gilt auch innerhalb Europas (Abb. G-3/ 4). Technisch also theoretisch kónnten Überweisungen im Euroraum Abb. G-3/ 4: Beschwerdestellen EZB moniert hohe Gebühren für Auslandsüberweisungen Grenzüberschreitende Überweisungen sind háufig schwierig Die Runden kónnen sich bei verschiedenen Steilen beschweren / Aufiergerichtüche Einigung angestrebt 27 (360 * 2) / (30-16) = 51,4%. <?page no="277"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m internationalen Handel 255 innerhalb von 24 Stunden ausgeführt werden, denn seit November 1999 gibt es ein Zahlungssystem der Euro Banking Association (EBA 28 ) mit «Step 1» fur Kleinzahlungen. In der Praxis dauert es natürlich erheblich lánger; die Europaische Kommission sieht ein Maximum von 6 (sechs! ) Tagen als zumutbar an; das Europaische Parlament hat eine Verkiirzung auf drei Tage verlangt. Euro-Überweisungen sind teuer: Für eine Überweisung von 100 Euro werden in der EU im Schnitt 17 Euro Gebuhren berechnet - 17%, nicht schlecht, auch wenn es in Deutschland meist etwas billiger ist. Hinzu kommt, dafs oft auch noch die Bank des Empfángers Gebuhren abzwackt, so dafi nicht der voile Betrag auf dem Konto auflauft. Dies ist zwar schon seit 1997 verboten, aber... Die Argumente der Kreditinstitute, weshalb dies so ist, lassen sich nur schwer nachvollziehen. Die Spitzenverbander der EU-Banken haben sich Mitte 2001 («im Grundsatz») geeinigt, dai? die Empfangerbank maximal 3 Euro kassieren darf. PRAXISTIP Seit August 1999 gilt in Deutschland das Überweisungsgesetz. Nicht jedem ist bekannt, daft man seitdem bei Unklarheiten im grenziiberschreitenden Zahlungsverkehr die Dienste von Beschwerdestellen in Anspruch nehmen kann, mit dem Ziel, auftergerichtliche Einigungen herbeizuführen. Es gibt sie sowohl bei den Verbánden der Kreditinstitute als auch eine zentrale «Schlichtungsstelle» bei der Bundesbank in Frankfurt/ M. Überweisungen in Drittstaaten werden erst ab 2002 einbezogen. Die Schlichtungsstelle befaftt sich auch nicht mit Problemen im Zusammenhang mit Euroschecks oder Lastschriftverfahren sowie dem Handel mit Wertpapieren. Die Schlichtungsstelle gibt eine Liste der zustándigen Beschwerdestellen in den anderen EU-Landern heraus (Tel. 069-9566-4050 oder -4056 Fax, www.bundesbank.de). G-3.3.3. Bankgarantie Eine Garantie ist ein abstraktes Zahlungsversprechen in der Regel einer Bank, aber z. B. auch seitens der Konzernmutter eines Tochterunternehmens. In den USA spricht man meist von bond 29 , auch demand guarantee ist gebráuchlich. Grundsátzlich ist das Verlangen nach einer Garantie immer ein Zeichen des Mifitrauens. Eine Garantie ist in der Regel auf <erste Anforderung> hin zu stellen (first calling) und unter Verzicht auf jegliche Einwendungen oder Einreden d. h. materiell ungepriift zu erfüllen. Obgleich móglich, ist es wenig iiblich, die Auszahlung einer Garantie an andere Bedingungen zu kniipfen als die Plausibilitát der Behauptung, dai? der Garantiefall eingetreten ist. Eine Garantie deckt sowohl Zahlungsunfáhigkeit als auch Zahlungsunwilligkeit des Káufers ab, ggf. auch das Lánderrisiko (vgl. Abschnitt H-l.5.2), wenn die Garantie von einer inlándischen Bank abgegeben wird. Analog kann eine Bankgarantie den Importeur gegen eine Nicht- oder Schlechtleistung absichern. PRAXISTIP Bezüglich der Umstellung auf den Euro besteht bei einer Garantiestellung innerhalb der EU kein Anpassungsbedarf. Bei Adressen aufterhalb der EU ist eingehend wie ausgehend eine Konvertierungsklausel (Kontinuitatsklausel) ratsam. Dies gilt auch für Verlangerungen. Die Klausel konnte etwa lauten «xy DM or official Eurocountervalue» («xy DM oder Cegenwert in Euro gernafS offiziellem Umrechnungskurs»). Der EBA gehóren 120 Banken in 21 Landern an. Bonds sind i.d.R. akzessorisch, d. h. nicht auf Erstes Anfordern zahlbar. Sie miissen meist für mehr als 100% der Forderungssumme gestellt werden. <?page no="278"?> 256 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Die miíSbráuchliche Inanspruchnahme einer Garantie (unfair calling) 30 kann strafrechtliche Konsequenzen haben, die Frage stellt sich aber, ob sich eine Verfolgung aus der Sicht des deutschen Exporteurs im Hinblick auf einen (z. B.) pakistanischen Importeur lohnt. Manchmal werden Zusatzbedingungen in die Garantieerklárung aufgenommen, die der Anspruchsberechtigte erfüllen muí? , z. B. Vorlage bestimmter Dokumente. Die ICC-Paris hat Einheitliche Richtlinien beziiglich der Abgabe von auf erstes Anfordern hin zahlbarer Garanden entwickelt, deren Bedeutung in der Praxis jedoch nur máíSig ist. Vgl. auch Abschnitt H-2.4.3. G-3.3.4. Kompensation (Warentausch) Viele Unternehmen müssen ais Bezahlung Waren start Geld akzeptieren, weil es sonst nicht zum Kaufabschlui? kommt. Auf die Verrechnung und die damit verbundenen Probleme wird in Abschnitt H-2 eingegangen. G-3.4. Dokumentare Zahlungsabwicklung Bei dokumentarer Zahlung sichert sich der Exporteur gegen das Zahlungsrisiko und der Importeur gegen das Lieferrisiko dadurch ab, dafs die Aushándigung der Warendokumente und die Auszahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug erfolgen. Dabei spielen vor allem zwei Formen eine Rolle: das Dokumenten-/ «¿íJS50 und das Dokumenten-Akkreditiv. In beiden Fallen erfolgt die Abwicklung in der Praxis durch die Einschaltung einer Bank im Land des Exporteurs; Direktauftráge an eine Bank im Importland sind wegen der damit verbundenen Rechtsunsicherheit selten. Bei Inkassi und Akkreditiven sollte vereinbart werden, dai? die jeweils aktuelle Fassung der entsprechenden Einheitlichen Richtlinien (ERI bzw. ERA 31 ) Anwendung finden (vgl. unten). G-3.4.1. Dokumenten-lnkasso Beim dokumentaren Inkasso beauftragt der Exporteur (Verkáufer) seine Bank (Einreicherbank), den vom Káufer geschuldeten Betrag in der Regel durch Einschaltung einer Bank im Importland gegen Aushándigung bestimmter, mit dem Importeur vereinbarter Dokumente einzuziehen (Inkassobank) (engl. collection, frz. encaissement), wobei der Importeur i.d.R. ohne diese Dokumente nicht iiber die Ware verfügen kann. Andererseits wird seine Liquiditát erst bei Übernahme der Dokumente beansprucht. Die Bank des Exporteurs ist dabei Treuhánder (Gescháftsbesorgungsvertrag mit dem Exporteur) und Vermittler zwischen Exporteur und Importeur. Zwei Formen sind zu unterscheiden: Dokumente gegen Zahlung (documents against payment: d/ p oder [seltener] synonym: cash against documents: c/ d) und Dokumente gegen Akzept (documents against acceptance, d/ a). Die Kiirzel d/ p und d/ a sind international allgemein gebrauchlich. Das dokumentare Inkasso wird oft mit Faaoring verbunden, d. h. die mit dem Inkasso beauftragte Bank kauft dem Exporteur die Forderungen ab und zieht sie auf eigene Rechnung ein (vgl. Abschnitt D-2.1.11). Hat die Einreicherbank (Exportbank) 30 Man kann sich dagegen u. a. bei der Hermes AG versichern. Vgl. auch Abschnitt H-3.2.12. 31 Einheitliche Richtlinien fiir Inkassi (ERI) bzw. fiir Dokumentenakkreditive (ERA), vgl. unten Abschnitte G-3.4.1 und G-3.4.2.5. <?page no="279"?> G-3. Zahlungsbedingungen im ¡nternationalen Handel 257 den Inkassoauftrag vorfinanziert, veranlaiSt sie den Exporteur háufig, ihr seine Ansprüche gegen den Bezogenen aus dem Grundgescháft abzutreten. Dies ist vor allem dann im Inter esse des Auftraggebers, wenn nach der Rechtsordnung des Importlandes sein Anspruch gegenüber dem Importeur nicht ohne weiteres durchsetzbar ist. Die Einreicherbank kann ihre Ansprüche gegenüber der Inkassobank i.d.R. eher durchsetzen. G-3.4.1.1. Dokumente gegen Zahlung (d/ p) Diese Zahlungsbedingung ist insbesondere beim Warentransport per LKW, Bahn und Luftfracht verbreitet. Das Dokumenten-Inkasso láuft vereinfacht folgendermafien ab (Abb. G-3/ 5): Abb. G-3/ 5: Dokumenteninkasso (d/ p) Waren ® Exporteur l b ] Inkasso auftrag mit Dokumenten versand Lager Inkasso- ( 0 erlós Waren- —®— aufnahme Dokumenten aufnahme durch Zahlung Importeur ® (3) Einreicherbank Inkassoerlos Prasentation der | Dokumente -o- Inkassobank Inkassoauftrag mit Dokumenten (1) Der Exporteur versendet die Ware und gelangt damit in den Besitz des entsprechenden Transportdokuments. Bei Seefracht setzt die Herausgabe der Ware den Besitz eines ordnungsgemafi indossierten Konnossements voraus. Bei direktem Versand per Luft- oder Bahnfracht, Post oder LKW würde die Ware an den Importeur auch dann übergeben, wenn er die Inkassodokumente nicht honoriert. Daher ist es gebráuchlich, daE die Ware nicht direkt an den Importeur, sondern an ein Zwischenlager eines Spediteurs oder in einem Zollager im Importland, aus dem der Káufer die Ware nur gegen Vorlage bestimmter Dokumente (z. B. einem Konnossement oder einem Lagerschein) übernehmen kann. (2) Daraufhin reicht der Exporteur die mit der Warenlieferung zusammenhángenden Dokumente (Transportdokument, Ursprungsnachweis, Rechnung, Versicherungszertifikat, Packliste etc.) seiner Bank ein (Einreicherbank, Exportbank, remitting bank), zusammen mit einem Inkassoauftrag d/ p (hierfür haben die Kreditinstitute individuelle Formulare entwickelt). Dieser muS alie Angaben enthalten, die fur die Durchführung des Inkassos <?page no="280"?> 258 G Liefer- und Zahlungsbedingungen erforderlich sind, insbesondere wann (z. B. «bei Ankunft des Schiffs») und wie die Dokumente zu übergeben sind und was bei einer Zahlungsverweigerung zu tun ist (Riicksprache, Einlagerung, Riicktransport, Notverkauf o. a.)- Die Einreicherbank haftet im Rahmen eines Gescháftsbesorgungsvertrags und ihrer Allgemeinen Gescháftsbedingungen fur die ordnungsgemáfie Ausführung des Auftrags, iibernimmt aber keine Haftung fur den Erfolg der Bemühungen. PRAXISTIP Wahrend der Übergangszeit im Euroraum, d. h. vor der vollstándigen Umstellung auf den Euro, mulS der Inkassoauftrag unmiBverstándliche und vollstándige Anweisungen enthalten, gegen welche Wahrung die Dokumente aufgenommen werden konnen. (3) Die Einreicherbank leitet die Dokumente und den Inkassoauftrag an eine Bank im Importland weiter (Inkassobank, vorlegende Bank, collecting bank), oft in zwei Sendungen (Erste Post, Zweite Post), um das Verlustrisiko zu vermindern. Sofern zwischen Exporteur und Importeur keine Absprachen hinsichtlich der zu beteiligenden Banken bestehen, wird die Einreicherbank dem Exporteur ein geeignetes Instituí vorschlagen oder ggf. nach eigenem Ermessen eine geeignete Inkassobank auswáhlen; meist bestehen diesbezüglich eingespielte Beziehungen. Móglich ist auch, daS eine dem Importeur angenehme Bank vereinbart wird. (4) Die Inkassobank legt die Dokumente dem Importeur vor («Erste Prásentation», Andienung) (Gescháftsbesorgung im Sinne von § 675 BGB) (Bei guten Kunden kommt auch jemand von der Bank ins Unternehmen ...). In der Praxis kann der Importeur in den Ráumen der Vorlegerbank Einsicht in die Dokumente nehmen und hat dann meistens eine Zahlungsfrist von 24 Stunden. Die vorlegende Bank darf die Dokumente nicht vor Erhalt der Zahlung übergeben, auch nicht «zu treuen Hánden». Tut sie dies dennoch, was nicht selten ist, geschieht dies auf ihr eigenes Risiko beziiglich MiSbrauch oder Verlust; der Importeur darf die Dokumente nicht zur Besichtigung der Ware verwenden. (Im Handel mit Südamerika und Afrika kommt es hingegen oft vor, daS der Importeur schon vor Aufnahme der Dokumente an die Ware kommt.) Übergabe von Dokumenten «zu treuen Hánden» ist daher ein besonderer Vertrauensbeweis der Bank, da der Importeur abredewidrig verfahren kann. Die Überlassung von Kopien der Dokumente an den Importeur wird als erste Prásentation betrachtet und hat die unmittelbare Zahlungspflicht zur Folge. (5) Wenn der Importeur die Dokumente «aufnimmt» bzw. «einlóst», leistet er Zahlung (Hauptbetrag plus ggf. Gebühren und Zinsen) und erhált Zug um Zug die Dokumente. Mit Hilfe der Dokumente kann der Importeur die Ware übernehmen. (6) Die Inkassobank überweist die geleistete Zahlung an die Einreicherbank (bzw. direkt an den Exporteur, wenn sie alleinige Bank war). (7) Die Einreicherbank schreibt dem Exporteur den Inkassoerlós gut. Die vom Auftraggeber vorgeschriebenen Versendungswege fur Dokumente und Zahlungen diirfen auf keinen Fall verlassen werden. (Einige banktechnische Zwischenschritte werden hier übergangen.) <?page no="281"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m ¡nternationalen Handel 259 G-3.4.1.2. Dokumente gegen Akzept (d/ a) Die Zahlungsbedingung d/ a (documents against acceptance) entspricht in den ersten Schritten d/ p, mit dem Unterschied, dafi dem Importeur ein Zahlungsziel eingeráumt wird (Abb. G-3/ 6). Zu seiner Absicherung prásentiert die Inkassobank im Schritt (4) dem Importeur einen nicht-akzeptierten Wechsel (Tratte). (5) Der Importeur akzeptiert die Tratte (leistet das Akzept) und erhált die Dokumente ausgehandigt, mit denen er die Ware iibernehmen kann. Es kann auch vereinbart werden, daS die Tratte erst nach Ankunft der Ware vorgelegt werden darf. (6) Je nach Auftrag leitet die Inkassobank das Akzept über die Einreicherbank (7) an den Exporteur weiter, oder das Akzept bleibt bis zur Fálligkeit bei der Inkassobank. Gebráuchlich ist auch, daG der akzeptierte Wechsel vor Fálligkeit diskontiert wird, entweder bereits durch die Inkassobank, die den Diskonterlós direkt oder iiber die Einreicherbank an den Exporteur leitet, oder durch die Einreicherbank. Im Überseehandel ist es nicht selten, dai? der Importeur den Exporteur zuvor durch einen letter of authority ermachtigt, die Tratte auf ihn oder seine Bank zu ziehen. Durch die Leistung des Akzepts ist die Zahlungsbedingung d/ a erfüllt. Danach entsteht eine neue Zahlungsverpflichtung aus dem Wechsel. Fiir die Verwertung des Akzepts, d. h. in der Regel die Diskontierung des akzeptierten Wechsels, vgl. auch die Abschnitte D-2.1.6 (Finanzierung) und G-l.3.1.2 (Dokumente). G-3.4.1.3. Besondere Aspekte des Dokumenteninkassos PRAXISTIP Immer mehr Banken bieten eine elektronische Abwicklung des dokumentáren Auslandsgescháfts an. Vgl. unten im Zusammenhang mit Akkreditiven. Abb. G-3/ 6: Dokumente gegen Akzept (d/ a) Waren- @ Exporteur ,1b) Inkasso auftrag mit Dokumenten versand Lager Waren- - < 4 b V aufnahme Importeur Diskont- ( 6 ) erlós Akzept ® (3) Einreicherbank <gb> Presentation der | Dokumente -©- Inkassobank Inkassoauftrag mit Dokumenten 53 Diskonterlós nach Diskontierung durch Inkassobank, oder: 5b Wechsel-Weiterreichung, dann: Diskontierung durch Einreicherbank <?page no="282"?> 260 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Die Abwicklung der dokumentáren Zahlungsbedingungen ist natiirlich mit Kosten verbunden (Provisionen, Courtagen). Die Aufteilung dieser Kosten sollte vertraglich geregelt werden. Gángig ist beispielsweise, daf> jeder Vertragspartner die Kosten «auf seiner Seite» trágt; dies kann jedoch beispielsweise auch nur dem Importeur zufallen. Die Banken iibertragen den Inkassoauftrag des Exporteurs meist auf ein weiteres Formular für die <Andienung> bei der Inkassobank. Gelegentlich kommen dabei Übertragungsfehler vor. Bei beiden Inkassoformen (d/ p und d/ a) bleibt fiir den Exporteur das Abnahmerisiko bestehen, dafj der Importeur die Dokumente nicht aufnimmt (nicht «honoriert»). Dann stellt sich die Frage nach Einlagerung und Versicherung der Ware, und es konnen sich für den Exporteur erhebliche Kosten ergeben (Lagerkosten, Riicktransport, Versicherung, Notverkauf mit Preisabschlag, etc.). PRAXISTIP Im Inkassoauftrag sollte bereits eine klare Weisung gegeben werden für den Fall, daft die Dokumente nicht bezahlt werden, beispielsweise «Die Ware ist einzulagern und zu versichern» oder «Agent XY im Importland ist zu verstándigen.» Die beteiligten Banken sind nicht verpflichtet, irgendwelche Maftnahmen zum Schutz der Ware zu ergreifen. Probleme bzw. Verzogerungen konnen sich ergeben, wenn für den Güterimport eine Importgenehmigung erforderlich ist oder der Importeur in Fremdwáhrung zu leisten hat (aus seiner Sicht) und er die erforderlichen Devisen beantragen muE. Dies wiederum kann u. U. voraussetzen, daE die Ware zollamtlich abgefertigt ist. (Dieser Prozei? kann ggf. durch eine vorherige Vorlage einer Zoll- oder Konsulatsfaktura verkürzt werden; vgl. oben Abschnitt G-l.3.3.1). In einigen Lándern mit eingeschránkter Wáhrungskonvertibilitát übergeben die Banken in der Praxis die Dokumente bereits bei Hinterlegung des entsprechenden Betrages in Inlandswahrung. Das bei Zahlung in Auslandswáhrung bestehende Wechselkursrisiko für den Exporteur sollte dieser in geeigneter Weise absichern (vgl. Abschnitt H-4). PRAXISTIP Bei einer Einlagerung insbesondere in Zollagern sind die in vielen Lándern geltenden Lagerhóchstfristen zu beachten, deren llberschreitung zur offentlichen Versteigerung der.Ware führen kann. Es gibt Falle, in denen der Importeur genau dies gezielt beabsichtigt und natürlich über einen Strohmann zu Schleuderpreisen an die Ware gelangt. Es kommt immer wieder vor, dalS der Importeur bei einer FOB-Lieferung mit unzureichendem Versicherungsschutz die Ware wegen eingetretener Transportscbaden nicht abnimmt. Der Exporteur hat dabei keine Móglichkeit, die Versicherung des Importeurs in Anspruch zu nehmen. Die entsprechenden Lager- und Versicherungskosten sind zunachst vom Exporteur zu tragen, ebenso die Kosten eines eventuellen Rücktransports oder Drittverkaufs. Háufig decken die Erlóse dann kaum die Kosten. Der Importeur gelangt dadurch oft in eine Situation, aus der heraus er den Kaufpreis drücken kann. <?page no="283"?> G-3. Zahlungsbedingungen im internationalen Handel 261 PRAXISTIP Um solche Falle zu vermeiden, empfiehlt es sich für den Exporteur, eine Export-Schutz-Versicherung im eigenen Land abzuschlieften. Sie deckt das Interesse des Exporteurs ab und kann im Schadensfall nur vom Exporteur in Anspruch genommen werden. Ihre Kosten liegen meist bei 50% der Transportversicherung. Vgl. auch die Praxistips zu FCA und CFR. Sowohl d/ p als auch d/ a setzen daher grundsatzlich ein bestimmtes Vertrauensverháltnis zwischen den Vertragspartnern und eine hinreichende Bonitát des Importeurs voraus. Der Inkassoauftrag muG daher genaue Anweisungen enthalten, was bei Nichtaufnahme der Dokumente zu tun ist, etwa ob bei d/ a Wechselprotest erhoben werden soil. Um bei d/ a das Wechselrisiko zu begrenzen, kann die Inkassobank oder eine andere Bank zusátzlich eine Biirgschaftsverpflichtung in Form eines Wechselavals iibernehmen. Die d/ pbzw. d/ a-Klauseln kónnen variiert werden, beispielsweise als «Zahlbar bei Ankunft der Ware (oder: des Schiffes)», wodurch der Zeitpunkt der Dokumenteniibergabe hinausgeschoben wird. Üblicherweise prásentieren die Banken die Dokumente unverziiglich nach Posteingang, so daS dem Importeur durch den Zusatz bis zur Ankunft der Ware/ des Schiffes ein Zahlungsziel eingeráumt wird. In der Praxis nehmen manche Kaufer ein solches Zahlungsziel auch unvereinbart in Anspruch, indem sie die Aufnahme der Dokumente hinauszógern, bis die Ware eingetroffen ist. Móglich ist z. B. auch «Zahlbar xy Tage nach erster Prásentation, d/ p», wodurch dem Importeur gleichfalls eine Zahlungsfrist eingeráumt wird und die Dokumente Zug um Zug xy Tage nach Prásentation gegen Zahlung ausgehándigt werden. Bei d/ a wird für den Exporteur der Schuldner aus dem Kaufvertrag durch einen Wechselschuldner ersetzt, was aus Gláubigersicht aus rechtlichen Gründen giinstiger sein kann. Dies hángt jedoch in hohem MaSe davon ab, ob eventuelle Anspiiche aus Wechselprotesten seitens des Exporteurs im Importland auch durchgesetzt werden konnen bzw. ob die damit verbundenen Kosten in einem realistischen Verháltnis zum móglichen Erfolg stehen (vgl. oben Teil F iiber Rechtsverfolgung im Ausland). Das Dokumenteninkasso ist auf der Seite der Einreicher- und der Inkassobank mit Kosten (Bankspesen) verbunden (vgl. unten Abb. G-3/ 9). Ihre Aufteilung sollte vertraglich explizit geregelt werden. Gángig ist beispielsweise, dafs jeder Vertragspartner die Kosten «auf seiner Seite» trágt; dies kann jedoch beispielsweise nur dem Importeur zufallen. Für die Gestalrung und Abwicklung von Zahlungsbedingungen gibt es in Deutschland keine gesetzlichen Regelungen. Die Abwicklung von Dokumenteninkassi wird international nach den «Einheitlichen Richtlinien für Inkassi» (ERI) abgewickelt {Uniform Rules for Collections), die von der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris entwickelt wordensind und im Zeitablauf an die Bedürfnisse der Praxis angepaEt werden (die aktuelle Version sind die ERI 522, in Kraft seit 1.1.1996). Sie enthalten prázise Verfahrensvorschriften (vgl. analog unten zu den ERA 500 für Akkreditive). Die ERI tragen dazu bei, daS bei der Inkassoabwicklung Mifsverstandnisse und Interpretationsprobleme vermieden werden. Sofern keine anderslautenden Vereinbarungen getroffen worden sind und keine nationalen Gesetze entgegenstehen, sind die ERI für alie Beteiligten (Exporteur, Importeur, Banken) bindend. Dies beruht darauf, daS in vielen Lándern die international tátigen Kreditinstitute und Bankver- <?page no="284"?> 262 G Liefer- und Zahlungsbedingungen einigungen die ERI lánderweise kollektiv angenommen haben (z. B. alie deutschen Kreditinstitute) (dies muí? bei jeder Revision neu geschehen), so daS Inkassi, die über deutsche Kreditinstitute laufen, automatisch nach den ERI abgewickelt werden. In den meisten iiberseeischen Lándern erkennen hingegen nur einige Banken die ERI als bindend an. Die ERI enthalten verschiedene Begriffsdefinitionen (u. a. Inkasso, die Beteiligten, Dokumente, etc.). PRAXISTIP In der Praxis kommt es nicht selten vor, daft das Dokumenteninkasso über einen Spediteur abgewickelt wird. Es muB betont werden, daft die ERI allgemein nur für Banken gelten und der Exporteur auf die automatische Teilsicherheit verzichtet, die sich durch Einschaltung von Banken ergeben. Der Exporteur müftte den Spediteur daher explizit zur Anerkennung und Anwendung der ERI veranlassen. Hervorzuheben ist, dal? die beteiligten Einreicher- und Inkassobanken lediglich verpflichtet sind, die Vollzdhligkeit der erhaltenen Dokumente gemáfi dem Inkassoauftrag zu priifen und sie auftragsgemáfi weiterzuleiten und auszuhándigen; sie haben keinerlei inhaltliche oder formelle Priifungspflicht oder weitergehende Verpflichtungen (ERI 522 Art. 4a; im Gegensatz zum Akkreditiv, vgl. unten). Obgleich die Banken im Auftrag des Exporteurs tátig werden, ist es aber Praxis, daS die vorlegende Bank den Importeur berát. Eine Zuriickweisung der Dokumente durch die Importbank kann nur auf ausdrückliche Weisung des Importeurs erfolgen. Nicht selten wird die vorlegende Bank vom Importeur dennoch mit der Dokumentenpriifung und der Aufnahme der Papiere beauftragt. Dies geschieht dann aber auferhalb des Inkassoauftrags, und der Importeur kann bei einem Fehler weder die Einreicherbank noch den Inkassoauftraggeber in Anspruch nehmen. Die Banken mtissen die erteilten Weisungen exakt befolgen, etwa beziiglich Fristen oder der Art der Dokumentenubergabe an den Importeur oder hinsichtlich der Weiterleitung der Dokumente über mehrere Kreditinstitute. Andernfalls kónnen sie schadenersatzpflichtig werden. Dies gilt auch, wenn Banken wie erwáhnt und nicht selten guten Kunden die Dokumente bereits vorab zu treuen Hánden übergeben mit der Nebenbedingung, da£ der Kunde von den Papieren erst nach Erfiillung seiner Verpflichtungen gebrauch macht. Wie deutlich geworden sein diirfte, verbleiben bei d/ p und d/ a sowohl für den Exporteur als auch für den Importeur Risiken: Der Importeur kann nicht sicher sein, da£ der Exporteur vertragsgerechte Ware liefert. (Das Lieferrisiko kann verringert werden, wenn der Importeur ein Inspektionszertífikat verlangt, das in seinem Auftrag vor bzw. bei der Verfrachtung erstellt wird; vgl. Abschnitt G-l.3.3.1). Der Exporteur kann nicht sicher sein, dafs der Importeur die Dokumente aufnimmt, d. h. zahlt. Hinzu kommen fur den Exporteur politische und devisentechnische Risiken. Eine bessere Absicherung wird dadurch erreicht, daE die Zahlung ausgelóst wird durch Prásentation bestimmter Dokumente, welche die Verfrachtung der Ware nachweisen: ein sog. Dokumenten-Akkreditiv. G-3.4.2. Dokumenten-Akkreditiv (L/ C) G-3.4.2.1. Bedeutung Im Sprachgebrauch wird der Begriff Akkreditiv üblicherweise als Dokumentenakkreditiv interpretiert (documentary letter of credit, L/ C, LC). Allerdings gibt es auch Bar-Akkreditive <?page no="285"?> G-3. Zahlungsbedingungen im internationalen Handel 263 (einfache oder glatte Akkreditive), die z. B. im Reiseverkehr móglich sind, bei denen die Auszahlung des Akkreditivbetrags an denjenigen erfolgt, der sich ais Begünstigter ausweisen kann. In der Praxis sind sie angesichts anderer Móglichkeiten (Reiseschecks, Kreditkarten) und relativ hoher Kosten fast bedeutunglos geworden. Der Begriff Akkreditiv leitet sich daraus ab, daS in Deutschland bis 1870 die Griindung von Aktiengesellschaften verboten war. Daher gab es keine deutschen Grofibanken, und deutsche Banken muSten sich bei britischen Banken akkreditieren (lat. accredere = beglaubigen). Im hier betrachteten Fall des internationalen Kaufvertrags ist ein (Dokumenten-)Akkreditiv ein abstraktes Zahlungsversprechen (gemáí? § 780 BGB) der Bank des Importeurs, dem Exporteur innerhalb einer bestimmten Frist gegen Vorlage bestimmter Dokumente eine festgelegte Summe in der Regel den Kaufpreis zu zahlen. Die Dokumente miissen innerhalb einer festgelegten Frist vorgelegt werden und absolut «akkreditivkonform» sein, d. h. in jeder Hinsicht den im Akkreditiv aufgestellten Bedingungen entsprechen (sog. Dokumentenstrenge, vgl. weiter unten). Dieses Akkreditiv wird aus der Sicht des Importeurs als Importakkreditiv bezeichnet, aus der Sicht des Exporteurs ist dasselbe Akkreditiv ein Exportakkreditiv. Die folgenden Ausfiihrungen erfolgen aus der Sicht eines deutschen Importeurs bzw. Exporteurs. Das Akkreditiv stellt damit neben die Zahlungsverpflichtung des Importeurs ein zusátzliches Zahlungsversprechen der Importbank. Dieses ist vom zugrundeliegenden Kaufvertrag losgelóst («abstrakt»), d.h. die Bank kann dem Begünstigten die Zahlung beispielsweise nicht mit dem Hinweis auf z. B. Mángelrügen des Importeurs verweigem, selbst wenn diese objektiv zu Recht erfolgen (ERA 500 Art. 3). (Einzige Ausnahme ist der Fall, in dem offensichtlich ist, daS der Begiinstigte das Akkreditiv unter Rechtsmifibrauch z. B. betrügerisch ausnutzen will, was jedoch als Einwand eine sicher nachweisbare Ausnahme sein sollte.) Das Akkreditiv stellt daher fur den Exporteur abgesehen von der Vorauszahlung die gróStmogliche Zahlungssicherheit dar, natürlich nur, wenn die Akkreditivbank eine <sichere> Adresse ist. Akkreditive sind auch deshalb so beliebt, weil sie nicht von unterschiedlichen Rechtssystemen beeinfluSt werden. Sinnvollerweise sollte daher im Akkreditiv verankert sein, dafi es den Einheitlichen Richtlinien fur Dokumentenakkreditive (ERA) der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris unterliegt (vgl. unten). G-3.4.2.2. Abwicklung Beim Akkreditiv ist sowohl bei Drei-Parteienais auch ein Vier-Parteienverháltnis móglich; hierauf wird gleich eingegangen. Abb. G-3.7 zeigt den schematischen Ablauf eines Dokumenten-Akkreditivs. (1) Im ersten Schritt schlieSen Exporteur und Importeur einen Kaufvertrag iiber die Lieferung und Bezahlung bestimmter Ware. Dieser Vertrag wird neben alien anderen relevanten Vereinbarungen eine Akkreditivklausel enthalten, d.h. die Vereinbarung, dai? Dokumenteniibergabe und Bezahlung im Rahmen eines Dokumentenakkreditivs erfolgen sollen, z. B.: «Zahlung der Kaufsumme aus einem bei der Bank des Káufers zu eróffnenden Akkreditivs zugunsten des Verkáufers gegen Vorlage benannter Dokumente innerhalb eines bestimmten Zeitraums.» Bei einem dabei vereinbarten Konnossement ware eine gángige Akkreditivfor- <?page no="286"?> 264 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Abb. G-3/ 7: Dokumenten-Akkreditiv Exporteur Prásen- (7a) tation I der Zahlung Avisie C i ) Kaufvertrag { ¥ ) Warenversand Importeur abstraktes Akkreditiv Dokumente I rung Zahlungsversprechen a u f t r a g ( ¿ ) Akkreditiv-Eróffnung ® ® (9) Doku- Zahlung mentenübergabe Avisbank (7b) Weiterleitung Akkreditivbank der Dokumente mel «F«/ / sei ocean ¿M' W of lading clean report of findings made out to order blanc endorsed». Im Kaufvertrag sollte auch prázise geregelt werden, welche Seite die entstehenden Kosten des Akkreditivs (vgl. Abschnitt G-3.4.2.7) zu tragen hat. PRAXISTIP Es empfiehlt sich sehr, vor Vertragsabschluft mit dem Káufer die Akkreditivbedingungen mit der eigenen Bank (Exportbank) durchzusprechen, sofern es sich nicht urn einen Routinefall handelt. Dies gilt analog für ein Importakkreditiv. Dadurch kónnen frühzeitig Unklarheiten vermieden werden, die zu einem spáteren Zeitpunkt entdeckt entweder eine Ánderung des Akkreditiv erforderlich machen oder dieses sogar definitiv unrealisierbar werden lassen. Die Akkreditivbedingungen sollten nicht zu umfangreich sein. Recht iiblich sind auch Vertragselemente, daE das Akkreditiv « bei einer erstklassigen, vom Verkáufer akzeptierten Bank » bestehen und «für den Verkáufer akzeptabel abgefaSt» sein sollte. Noch unerfahrene Exporteure sollten sich in dieser Vorphase von ihrer Hausbank beraten lassen, um akzeptable und erfiillbare Akkreditivbedingungen vereinbaren zu kónnen. Vielfach kónnen Checklisten bereitgestellt werden, die eine Vereinbarung von Akkreditivklauseln vorbereiten kónnen. Auch in der Literatur kann auf erprobte Werke zuriickgegriffen werden. 32 Ggf. sollte der Exporteur auf einer Bestátigung durch eine andere Bank meist <seine> Bank bestehen (vgl. unten). Nur in dieser Phase hat der Exporteur (der Akkreditivbegiinstigte) die Móglichkeit, auf die Ausgestaltung des Akkreditivs, d. h. auf die Akkreditivbedingungen Einflul? zu nehmen. Der eventuelle spátere Wunsch nach Anderungen kann nur bei Einverstandnis aller Beteiligten realisiert werden (vgl. unten). Dies gilt auch für Anderungswünsche seitens des Importeurs. (2) Der Importeur (Akkreditivsteller) beantragt bei seiner Bank, ein Akkreditiv (Akkreditivbank) zu eróffnen (Werkvertrag mit Geschaftsbesorgung gemál? §§ 631 ff., 675 BGB), in der 32 z. B. Haberle, Siegfried Georg (Hrsg.), Handbuch der Akkreditive, Inkassi, Exportdokumente und Bankgarantien, Miinchen, Wien 2000. <?page no="287"?> G-3. Zahlungsbedingungen im internationalen Handel 265 Regel mit einem entsprechenden, von Bank zu Bank individuell gestaltetem Formular oder auf andere Weise. PRAXISTIP Immer mehr Banken bieten wie bei Inkassi eine elektronische Abwicklung des dokumentáren Auslandsgescháfts an. So kónnen einmal erstellte Musterakkreditive immer wieder verwendet werden und brauchen nur in den auftragsspezifischen Positionen angepaGtzu werden, einschlieBlich elektronischerUnterschrift. Fürviele Positionen halt die Software integrierte Listen bereit (Warenbezeichnungen, -nummern, Adressen, Bankverblndungen etc.). Cleichzeitig erfolgen Plausibilitátsprüfungen bezüglich der Daten. Die Akkreditivvorlagen kónnen bereits in den Kaufverhandlungen verwendet werden, wodurch die Übereinstimmung mit den spáteren Akkreditivformulierungen gewahrleistet ist und der Anderungsbedarf reduziert wird. Der sensible Aspekt der Datensicherhelt ist heute durch moderne Software (weitestgehend) gelóst. Viele Daten kónnen mit anderen Bereichen verknüpft werden, beispielsweise die terminierten Zahlungsstróme mit der Finanz- oder Cash-flow-Planung. Eine Alternative zur elektronischen Verarbeitung ist die Vereinbarung von Standard-Textmodulen (frames) zwischen Bank und Unternehmen, die dann baukastenartig zusammengefügt werden. Die Akkreditiveróffnung setzt grundsatzlich ein entsprechendes Guthaben oder eine Finanzierungsvereinbarung zwischen Importeur und Akkredirivbank voraus. In manchen Lándern ist fur die Akkreditveroffnung sogar eine Bardeckung erforderlich (z. B. bis vor einiger Zeit Ungarn, heute nicht mehr). Meist werden im Rahmen eines Sicherungsvertrags sámtliche Rechte aus dem Importkontrakt an die Bank abgetreten, und es findet eine Ubereignung der Importware sowie eine Abtretung der Forderungen aus der Vermarktung der Ware start. In der Praxis wird die Bank beim Eróffhungsauftrag des Importeurs aufgrund ihrer Erfahrungen beratend tátig sein. Der Antrag auf Akkreditiveróffnung sollte prázisieren: Begiinstigten, Akkreditivbetrag, Warenart, Warenmenge, verlangte Dokumentation (Ursprungsnachweis, Inspektionszertifikat etc.), Art des Transportdokuments, ggf. Versicherung, Lieferbedingung, Gültigkeitsdauer des Akkreditivs, Vorlagefrist fiir die Dokumente, letztes Verladedatum, Zahlstelle, ggf. Bestátigung, Kostenteilung. Sofern noch keine Gescháftsbeziehungen etabliert sind, priift die Akkredirivbank die Bonitát des Importeurs und wird bei positivem Ergebnis das Akkreditiv wie beantragt «herauslegen». Damit geht sie wie oben gesagt ein abstraktes Schuldversprechen nach § 780 BGB ein. In der Praxis wird die Akkredirivbank darauf bestehen, daS Dokumente verlangt werden, welche die Ware reprasentieren, so daf3 sie bei Erhalt der Dokumente Sicherungsrechte erlangt. PRAXISTIP Endet die Gültigkeitsdauer an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag, gilt der náchste Bankarbeitstag. Die Vorlagefrist sollte im Akkreditiv spezifiziert sein, beispielsweise «30 Tage nach Versendung». Wenn keine Vereinbarung getroffen wird, gelten nach den ERA 21 Tage nach Verladung, Verschiebung wie vorstehend. Wenn das letzte Verladedatum auf einen Sonntag oder Feiertag fállt, gilt der náchste Werktag; wenn das letzte Verladedatum ein Samstag ist, gilt dieser. Diese abweichenden Regelungen führen in der Praxis oft zu Problemen. <?page no="288"?> 266 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Die Akkredítiveróffnung wird im Kaufvertrag oft erst für eínen spáteren Zeitpunkt vereinbart, z. B. «180 Tage vor Verschiffung». Sofern der Importeur dann kein Akkreditiv stellen kann seine Bank verweigert eine Akkreditiveroffnung gilt dies rechtlich als Zahlungsunfáhigkeit. Der Exporteur mul5 seinen Kunden durch Mahnung in Verzug setzen und kann ggf. vom Kaufvertrag zurücktreten und/ oder Schadenersatz verlangen. (3) Im Regelfall, d.h. im Vier-Parteien-Fall, wird die Akkreditivbank nun eine Akkreditiv- Eroffhungsanzeige an eine Korrespondenzbank (Avis-Bank oder Zweitbank, ERA Art. 7) im Exportland senden, mit der Bitte, den begünstigten Exporteur von der Akkreditiveroffnung zu benachrichtigen. 33 Dies wird meist die Bank des Exporteurs sein. Sie ist i.d.R. auch gleichzeitig «Zahlstelle», d. h. das Akkreditiv kann durch Vorlage der Dokumente bei ihr benutzt werden. (In manchen Lándern wird der Eroffhungsbank die Avisbank staatlicherseits vorgeschrieben). Die Avisbank arbeitet im Rahmen eines Gescháftsbesorgungsvertrags gernafi § 675 BGB als Erfiillungsgehilfin der Akkreditivbank, nicht des Káufers. Die Akkreditivbank hat daher der Avisbank grundsátzlich die Akkreditivdeckung vorschufsweise zur Verfiigung zu stellen. Die Zweitbank kann u. U. eine Drittbank als Zahlstelle einschalten. Die Zweitbank kann ggf. auch Bestátigungsbank sein (vgl. unten). Móglich ist auch, daS die Akkreditivbank selbst avisiert, so dafi sich nur ein Drei-Parteien-Verhaltnis ergibt. Diese Variante ist jedoch sehr viel seltener als der Vier-Parteien-Fall. Wichtig ist: Der Importeur hat seine Zahlungsverpflichtung gegeniiber dem Exporteur erfiillt, wenn die Avisbank dem Exporteur die Eróffnung des (korrekten) Akkreditivs mitteilt. (4) Die Avisbank teilt dem Importeur die Akkreditiveroffnung in der im Akkreditivauftrag gewahlten Form mit, z. B. brieflich, in der Regel jedoch auch vorab telefonisch oder per Fax mit dem Hinweis «vollstándige Einzelheiten folgen». PRAXISTIP Die Akkreditiveroffnung und -avisierung sollte vom Exporteur unbedingt sofort nach Eingang sorgfáltig überprüft werden, ob sie mit den im Kaufvertrag vereinbarten Akkreditivbedingungen übereinstimmt und ob er in der Lage sein wird, die Bedingungen fprm- und fristgerecht zu erfüllen. Hierfür kann man eine unternehmensinterne Checkliste erarbeiten; ggf. kónnen Bankvorlagen verwendet werden. Bei Abweichungen zwischen avisiertem und verabredetem Akkreditiv sollte unbedingt mit der Avisbank (bzw. der Bank, bei der das L/ C zu benutzen ist), geklárt werden, ob und welche Akkreditivánderungen verlangt werden sollten, auch wenn damit Kosten verbunden sind (vgl. Abschnitt G-3.4.2.7). Háufige Abweichungen beziehen sich auf • Fristen und Termine (kürzere Gültigkeit des Akkreditivs als vereinbart), • Preise, Kostenverteilung, • verlangte Herstellerangaben, Ursprung (incl. <made in ...»), abweichende Lánderbezeichnungen (Deutschland start EU), 33 Zum Zeitpunkt der Akkreditiveroffnung muí? die Importbank bei eventuell bestehenden Devisenrestriktionen eine entsprechende Divisenzuteilung beantragt und bewilligt bekommen haben. <?page no="289"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m internationalen Handel 267 • Warenbezeichnungen (z. B. will der Importeur günstigere Zollsátze erreichen), • zusátzlich verlangte Umweltvertráglichkeitserklárungen oder andere Papiere, • Lieferbedingungen, ¡ncl. Transportart und -weg, die nicht den ERA 500 entsprechen, • andere Wahrungsangaben, • Verpackungsvorgaben, • Abgabe von Boykott- oder Black-List-Erklarungen. (5) Erst nach Avisierung und Pruning des Akkreditivs wird der Exporteur die Versendung (u.U. auch erst die Produktion) der Ware veranlassen. Damit gelangt er in den Besitz des entsprechenden Transportdokuments (Versandnachweis). (6) Der Exporteur reicht die vereinbarten Versand-, Begleit- und sonstigen Dokumente seiner Bank (Avisbank) ein. (7) Diese priift die Dokumente auf Form und Inhalt, wobei sie strenge MaSstábe an die Akkreditiv-Konformitát legt (vgl. unten). Sofern sich keine Beanstandungen ergeben, zahlt die Avisbank (7a) dem Verkaufer die vereinbarte Summe aus (Sichtakkreditiv, d. h. bei Vorlage der Dokumente), (7b) leitet die erhaltenen Dokumente an die Akkreditivbank weiter und belastet diese gleichzeitig mit dem an den Exporteur ausgezahlten Betrag (sofern keine andere Verabredung getroffen worden ist). Die Einreicherbank ist beziiglich der Akkreditivdokumente Treuhánder im Rahmen eines Geschaftsbesorgungsvertrags. (Start eines Sicht- Akkreditivs kann auch ein Nach-Sicht- oder Deferred-Payment-Akkrediúv vereinbart werden; vgl. unten) (8) Die Akkreditivbank priift ihrerseits die Dokumente (sie wird sich bei einem Konnossement insbesondere fiir den Vermerk «clean» interessieren, vgl. Abschnitt G-1.3.3.2), schreibt der Avisbank den Akkreditivbetrag gut, hándigt dem Káufer die Dokumente aus und belastet ihn mit dem entsprechenden Akkreditivbetrag, sofern dies nicht bereits im Zusammenhang mit Schritt 2 erfolgt ist. PRAXISTIP In manchen Lándern hat sich eine Praxis herausgebildet, daft die Akkreditivbank bei ihrer Dokumentenprüfung Abweichungen moniert, urn (gezielt) die Akkreditivbelastung durch die Einreicherbank (Avisbank) hinauszuzógern. Bei Deferred- Paymenf-Akkreditiven ist die Ware teilweise schon beim Kunden, und dieser versucht oft erfolgreich, dann noch den Kaufpreis herunterzuhandeln. Fur die beteiligten Partner ergeben sich also zwei ganz wesentliche Vorteile, welche die Bedeutung des Akkreditivs in der Praxis erkláren: Der Exporteur versendet die Ware erst, nachdem das Akkreditiv eróffnet worden ist. Er kann dann sicher sein, daS seine Forderung bei korrekter Erfiillung seiner Leistungspflicht, also bei Vorlage akkreditivkonformer Dokumente, umgehend erfiillt wird, d. h. er erhált den Akkreditivbetrag u. U. bereits deudich vor dem Eintreffen der Ware beim Káufer (im Unterschied zum Inkasso). Die Kreditinstitute sind unabhángig von evtl. privatrechtlichen Auseinandersetzungen zur Zahlung verpflichtet, wenn vóllig akkreditivkonforme Dokumentevorgelegt werden. Der Importeur kann andererseits sicher sein, dafi die Zahlung nur erfolgt, wenn aufgrund der eingereichten Dokumente sichergestellt ist, daE der Exporteur vertragsgerecht geliefert hat: Zu den <?page no="290"?> 268 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Akkreditivdokumenten kann beispielsweise ein Inspektionszertifikat (Pre-Shipment Certificate) gehóren (vgl. Abschnitt G-l.3.3.1), welches vor der Versendung im Auftrag des Káufers die Konformitat der Ware mit dem Kaufvertrag bestátigt. Allerdings übernehmen die Banken auch beim Akkreditiv keine Haftung für Menge, Qualitát, Verpackung etc. der durch die Dokumente vertretenen Waren, so dafi ein gewisses Restrisiko fiir den Importeur verbleibt. Vor einer Akkreditiveróffnung sollte sichergestellt werden, dafi die zu importierende Ware keinen Importbeschránkungen unterliegt, weil seitens des Exporteur ordnungsgemáfi prásentierte Dokumente die Zahlung auslósen, auch wenn sich Importprobleme ergeben. Die Laufzeit des Akkreditivs sollte realistisch bemessen sein. Eine zu kurze Laufzeit kann eine Verlángerung (mit entsprechenden Kosten) erforderlich machen, eine zu lange Laufzeit verursacht gleichermaSen unnótige Bankkosten. Das «letzte Verladedatum» sollte nicht zu dicht am Verfallstag des Akkreditivs liegen, um dem Exporteur hinreichen Gelegenheit zum Erstellen und Einreichen der Dokumente zu lassen. Wenn der Akkreditivbetrag nicht von vornherein prázise zu bestimmen ist, kann dies durch entsprechende Formulierungen beriicksichtigt werden, z. B. durch «bis zu» (z. B. mógliche Unterschreitung bei Inanspruchnahme von Skonti), oder durch eine «Circa «-Stellung, weil z. B. Transport- oder Versicherungskosten noch nicht feststehen (bis zu 10%ige Über- oder Unterschreitung sind móglich; ERA Art. 39). PRAXISTIP Bei über 2001 hinaus benutzbaren Akkreditiven ist es ratsam, für die Eróffnung eine Konvertierungsklausel (Kontinuitatsklausel) zu vereinbaren wie etwa «xy DM or official Euro-countervalue» («xy DM oder Gegenwert in Euro gemáfS offiziellem Umrechnungskurs»). Andernfalls ist nicht auszuschliefSen - oder sogar zu erwarten - , dafs bei der Dokumentenvorlage wegen der Dokumentenstrenge Papiere durch die Einreicher- oder Eróffnungsbank zurückgewiesen werden. G-3.4.2.3. Unterschiede Akkreditiv/ Dokumenteninkasso Zwischen den dokumentáren Inkassoformen d/ p bzw d/ a und Akkreditiv bestehen eine Reihe von Unterschieden: • Bei d/ p und d/ a erbringt der Verkaufer eine Vorleistung durch Produktion und Versand der Ware vor Sicherstellung der Zahlung, beim Akkreditiv erhált er Zahlung Zug-um-Zug gegen die Dokumente, bevor die Ware beim Importeur eintrifft. • Fur den Importeur handelt es sich beim Akkreditiv nicht ein um Zug-um-Zug-Geschaft, weil er den Akkreditivbetrag schon beim Eróffnungsauftrag anschaffen mufi. • Beim Akkreditiv prüft die Avisbank die vorgelegte Dokumentation nicht nur formal, sondern auch inhaltlich, bei Inkassi nur formal. • Beim Akkreditiv erbringt die Akkreditivbank (ggf. auch die bestátigende Bank) eine Garantieleistung, bei d/ p und d/ a haben die Banken nur eine ausführende «Brieftrágerfunktion» 34 . • d/ p und d/ a sind verfahrenstechnisch einfacher und kostengünstiger ais ein Akkreditiv. • Bei d/ p und d/ a besteht für den Exporteur ein Abnahmerisiko, beim Akkreditiv nicht. Dies ist eine Formulierung des Autors und kein banktechnischer Begriff. <?page no="291"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m ¡nternationalen Handel 269 C-3.4.2.4. Formen des Akkreditivs Bei der folgenden Darstellung der verschiedenen Ausgestaltungsmóglichkeiten des Akkreditivs werden teilweise auch Aspekte angesprochen, die fur den Finanzierungsaspekt des Akkreditivs von Bedeutung sind. Dieser Abschnitt hier ist daher komplementár zu den Abschnitten D-2.1.7 und D-2.2.5, in denen die Finanzierungsfunktion von Akkreditiven behandelt wird. (a) Unwiderrufliches / widerrufliches Akkreditiv Ein unwiderrufliches Akkreditiv muí? im Akkreditivtext ausdrücklich ais unwiderruflich (irrevocable) bezeichnet sein. Anderungen sind nur mit Zustimmung des Akkreditivbegünstigten und ggf. der bestátigenden Bank (vgl. [b]) móglich. Bei einem unwiderruflichen Akkreditiv kann der Exporteur sicher sein, daE er die Akkreditivsumme erhált, wenn er die akkreditivkonformen Dokumente vorlegt. Sein Risiko besteht abgesehen vom Bonitátsrisiko der eróffnenden Bank also nur darin, daS er diese Dokumente nicht in der verlangten Form oder nicht innerhalb der vereinbarten Frist vorlegen kann. In der Praxis sind fast nur unwiderrufliche Akkreditive iiblich; die Bankformulare enthalten bereits einen entsprechenden Eindruck. Sehr selten sind daher auch sog. «strapapzierte» Akkreditive, bei denen die Inanspruchnahme durch den Begiinstigten nicht nur die Vorlage der iiblichen Dokumente verlangt, sondern auch eine Einwilligungserklárung des Káufers. Ein widerrufliches Akkreditiv kann durch die Eroffnerbank, aber grundsatzlich nur auf Betreiben des Káufers bis zur Dokumentenaufnahme jederzeit annulliert oder abgeandert werden, und zwar ohne Benachrichtigung des Begiinstigten. Die Eroffhungsbank priift dabei nicht, ob der Káufer zum Widerruf oder zur Anderung berechtigt ist. Offensichtlich entbehrt diese Akkreditivform die Sicherheit, daS der Verkaufer gegen Dokumentenvorlage auch tatsáchlich zu seinem Geld kommt. Daher kommen widerrufliche Akkreditive in der Praxis fast nur zwischen Partnern vor, die sich gut kennen und sich gegenseitig vertrauen. Dann wird das widerrufliche Akkreditiv als Alternative zum Dokumenteninkasso eingesetzt, insbesondere wenn das Akkreditiv am Sitz der Verkáuferbank eróffnet wird. Dokumentenakkreditive, die nicht ausdrücklich als unwiderruflich bezeichnet sind, werden als widerruflich angesehen. (b) Bestatigtes / un bestatigtes Akkreditiv Beim unbestátigten Akkreditiv haftet neben dem Káufer nur die Akkreditivbank gegeniiber dem Begiinstigten fur die Zahlung des Akkreditivbetrages in der Regel unwiderruflich. Dennoch verbleibt ein Delkredere-Risiko fur den Begiinstigten (Exporteur) hinsichtlich der zur Zahlung verpflichteten Eroffnerbank sowie ein in bestimmten Lándern nicht unbetráchtliches - Lánderrisiko. Wenn zudem der Ort der «Beniitzung» des Akkreditivs im Land der Eroffnerbank liegt, also aus der Sicht des Exporteurs im Ausland, kommt das Risiko des Postversands der zahlungsauslósenden Dokumente hinzu, auch hinsichtlich der einzuhaltenden Fristen fur die Akkreditivbeniitzung. PRAXISTIP Wenn seitens der Partner Einwande gegen die Akkreditivabwicklung erhoben werden, sollte man immer die prázise Benennung der Anspruchgrundlage nach den ERA verlangen. <?page no="292"?> 270 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Wenn der Exporteur sowohl das Bankdelkredere ais auch das polirische Risiko besichern will, wird er darauf drángen, zusátzlich noch eine Bank im Inland, z. B. seine Hausbank, in die Haftung einzubeziehen. Dann wird er vom Káufer verlangen, ein (unwiderrufliches) bestátigtes Akkreditiv zu stellen. Die Akkreditivbank des Káufers beauftragt dann eine Bank im Exportland, dem Akkreditivschreiben an den Exporteur ihre eigene, zusátzliche Bestátigung beizufügen. Regelmáfsig wird dies die avisierende Bank sein, doch ist dies nicht zwingend: So sind beispielsweise fur algerische Akkreditive tunesische Bankbestátigungen gángig. Die bestátigende Bank haftet dann genauso wie die Akkreditiv-eróffnende Bank (abstraktes Schuldversprechen gemáfs § 780 BGB); für den Begünstigten ergeben sich daraus zwei vom ursprünglichen Kaufvertrag unabhángige Zahlungsversprechen. In der Praxis kommt das (unwiderrufliche) unbestátigte Akkreditiv sehr haufig vor, insbesondere wenn hinsichtlich des Sitzes der Akkreditivbank kein Lánderrisiko besteht. Sofern dieses besichert werden soil, ist eine Akkreditiv-Bestátigung erforderlich. Beim unbestátigtem Akkreditiv priift die eróffnende Bank (Akkreditivbank) verantwortlich, beim bestatigtem Akkreditiv die bestátigende Bank. Die Bestátigung ist mit Kosten verbunden, in der Regel ca. 1-3 %o der Akkreditivsumme, manchmal mehr, in kritischen Fallen z. B. Iran wenn iiberhaupt, bis zu 10-12%. Sie setzt in der Praxis (faktisch) voraus, daS das Akkreditiv unwiderruflich eróffnet ist und dafi dafi Akkreditiv bei der bestátigenden Bank beniitzbar und zahlbar ist. Die bestátigende Bank wird vorab das Delkredere-Risiko der eróffnenden Bank sowie das Lánderrisiko priifen. Vor AbschluS des Kaufvertrags sollte der Exporteur daher sicherstellen, daS seine Bank das entsprechende Akkreditiv auch bestátigen wird. Fur einige besonders risikoreiche Lander definitiv zahlungsunfáhig sind gegenwártig z. B. Athiopien, Albanien, Eritrea oder Somalia wird man keine Bestátigung erhalten kónnen. Nicht selten ist der Kunde (Importeur) zahlungskraftiger als die z. B. brasilianische - Bank. Die konkrete Entscheidung iiber die Bestátigung wird die angesprochene Bank allerdings erst nach Stellung des Akkreditivs und nach Erhalt des Bestátigungsauftrags treffen. Mit der Bestátigung <seiner < Bank hat der Exporteur folglich diese Risiken fiir sich ausgeschlossen. Nach den ERA wird allerdings auch beim bestátigten Akkreditiv das Risiko einer Gescháftsunterbrechung durch hóhere Gewalt, Krieg, Unruhen etc. nicht durch die Bank abgedeckt. Einige Banken z. B. chinesische, weil staatlich lehnen es allerdings ab, ihre Akkreditive bestátigen zu lassen. In solchen Fallen kann man sich behelfen, wenn die Exportbank eine verbindliche Ankaufszusage abgibt («Stille Bestátigung»; silent confirmation), die faktisch einer Bestátigung gleichkommt, dies jedoch auf Kosten des Exporteurs, weil die Akkreditivbank diese Kosten nicht einbeziehen wird. In den USA und Kanada ist zudem der Stand-by-Letter of Credit (SLC) iiblich. Dabei handelt es sich um eine Akkreditiv-Sonderform, die nicht durch Verschiffungs- oder andere Versanddokumente unterlegt ist. Die betreffende Bank verpflichtet sich dabei unwiderruflich, Zahlung zu leisten, sofern der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Das SLC ist gebráuchlich, weil Banken in den USA und Kanada keine Garantien herauslegen diirfen, da dies in die Kompetenz von Versicherungen fállt; es ist also eine als Akkreditiv verkleidete Garantie. Zu Bankgarantien vgl. auch Abschnitt H-2.4.3. Nicht selten wird das SLC auch als Absicherung einer vom Káufer geleisteten Anzahlung verwendet. <?page no="293"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m internationalen Handel 271 (c) Clbertragbares Akkreditiv Bei einem als iibertragbar gekennzeichneten Akkreditiv ist der Begünstigte berechtigt, die zur Zahlung aufgeforderte Bank zu ersuchen, das Akkreditiv ganz oder teilweise einem Dritten verfiigbar zu stellen. Eine Ubertragung ist nur einmalig móglich, d. h. der Zweitbegiinstigte kann seinerseits nicht nochmals iibertragen. Die Ubertragung ist z. B. gebrauchlich, wenn der Exporteur nicht Hersteller, sondern Handler ist und die Ware von einem Vorlieferanten bezieht. Dieser kann seine Anspriiche gegen den Exporteur dadurch besichern, dafi der Akkreditivanspruch ganz oder teilweise auf ihn iibertragen wird. Dadurch braucht der Exporteur keine Liquiditát fur das Akkreditiv zugunsten seines Lieferanten bereitzustellen. Da sich dabei aus den Dokumenten bestimmte Informationen ergeben (Name, Sitz des auslándischen Abnehmers, Preise), lassen die ERA bestimmte Anderungen der Akkreditivdaten zu; ggf. durch Austausch von Dokumenten. Da die Ubertragbarkeit mit zusatzlichen Kosten verbunden ist, kann in der Praxis auch auf eine Ubertragung verzichtet werden, wenn der Lieferant z. B. mit einer Zahlungsgarantie der Bank zufrieden ist. Móglich ist auch die folgende Variante (Abb. G-3/ 8): (d) Gegenakkreditiv Gegenakkreditive werden bei der finanziellen und dokumentáren Abwicklung des Zwischenhandels eingesetzt. Wenn der Importeur einer Ubertragung des von ihm beantragten Akkreditivs auf einen Dritten nicht zustimmt, kann ein Gegenakkreditiv eróffnet werden (backto-back- Akkreditiv, frz.: dos-a-dos). Dabei beantragt der Exporteur bei seiner Bank ein Abb. G-3/ 8: Akkreditiv-Formen zu (c): Clbertragbares Akkreditiv zu (d): Gegenakkreditiv Vorlieferant Exporteur Importeur Vorlieferant Exporteur Basisa Importeur kkreditiv zu (f): Rembours-Akkreditiv zu (g): Negoziierungs-Akkreditiv Exporteur Importeur Exporteur Tratte Tratte Importeur Tratte Diskonterlos Diskonterlós Akzept y 1 1 Exportbank - ^ Akzept Importbank Akzeptauftrag Ankaufsauftrag <?page no="294"?> 272 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Akkreditiv z. B. zugunsten seines Lieferanten, wobei das Akkreditiv des Importeurs (Basisakkreditiv) als Sicherheit dient. Viele Banken stehen dem Gegenakkreditiv daher zuriickhaltend gegeniiber, da sie ein Zahlungsversprechen abgeben, dafi aus ihrer Sicht auch nur durch ein Zahlungsversprechen abgesichert ist. Der Lieferant kann das Gegenakkreditiv (Unterakkreditiv, Weiterakkreditiv, Zweitakkreditiv) bei seiner Bank bevorschussen lassen und somit eine frühzeitige Finanzierung erreichen. Die Bank des Importeurs hat mit der Eroffnung des Gegenakkredits nichts zu tun. Da sich Basis- und Gegenakkreditiv auf dieselbe Lieferung beziehen, kann es wie bei der Übertragung problematisch sein, daft die Dokumentation des Basisakkreditivs Angaben enthált, welche der Lieferant nicht wissen soil (Name des Importeurs, Kaufpreis, etc.). Auf Lósungsmóglichkeiten wurde bereits oben hingewiesen. (e) Revolvierendes Akkreditiv Das revolvierende Akkreditiv bietet sich für regelmáfiig wiederkehrende Lieferungen an, beispielsweise für Teillieferungen, wenn der Káufer zur Ausnutzung von Mengenrabatten oder gerade giinstiger Preise mehr Ware bestellt, ais er gegenwártig benótigt, und diese dann in konstanten Teilmengen liefern láSt. Das Akkreditiv steht dann nach Beniitzung bis zu einem bestimmten Gesamtbetrag erneut zur Verfiigung, beispielsweise Euro 50.000,dreimal revolvierend beniitzbar bis zum Gesamtbetrag von Euro 200.000,-. Ein revolvierendes Akkreditiv kann auch kumulativ erofffnet werden, so daS der in einem Zeitabschnitt nicht genutzte Betrag nicht verfállt, sondern danach zusátzlich zur Verfiigung steht. Revolvierende Akkreditive, die u. a. in der Bauindustrie, im Textilbereich und im Kaffeehandel verwendet wurden, haben in der jiingeren Vergangenheit stark an Bedeutung verloren und sind durch «nórmale» Akkreditive ersetzt worden. U.a. haben sie den Nachteil, daf> der Importeur bei der Akkreditiveróffnung u. U. bereits die gesamte Akkreditivsumme anschaffen muS, so dafi daher mehreren separaten Akkreditiven der Vorzug gegeben wird. (f) Rembours-Akkreditiv / Negoziations-Akkreditiv Bei einem Rembours-Akkreditiv (Akzept-Akkreditiv) beauftragt der Importeur seine Bank, ein Akkreditiv zu eróffnen, unter dem der begünstigte Exporteur eine Zeittratte (Termintratte, Nach-Sicht-Tratte) 35 entweder auf die Importbank oder was für den Exporteur noch sicherer ist auf die bestátigende oder eine dritte (<neutrale>) Bank ziehen kann, am einfachsten aber auf die avisierende (seine) Bank. Ein Rembours bietet sich an, wenn der Exporteur das Akzept des Importeurs nicht für ausreichend halt. Bei Prásentation der Dokumente durch den Exporteur wird dann von seiner Bank start einer Zahlung ein Wechselakzept geleistet, wobei der Exporteur Zug-um-Zug die Dokumente übergibt. Dies entspricht faktisch einer Zahlungsbedingung «Dokumente gegen Bankakzept». Der Exporteur kann sich dann i.d.R. auch bei seiner Bank, je nach Akkreditiv aber auch bei einer anderen Bank durch Diskontierung des Akzepts refinanzieren (retnbourser [frz.] = erstatten, zurückzahlen). Die Importbank beauftragt («ermáchtigt») die Einreicherbank in der Regel durch in der Praxis uneinheitlich bezeichnet eine authority to purchase, authority to pay oder letter of authority zum Ankauf des Wechsels (Negotiation / Negoziierung). Die bezogene Bank lost das Akzept dann bei Fálligkeit ein. Zwischen Akkreditivbank (des Importeurs) und Remboursbank (des Exporteurs) muS folglich eine entsprechende Kreditvereinbarung bestehen. Bei einem bestátigten Akkreditiv negoziiert die Bank ohne móglichen RegreS (Rückgriff) auf 35 Tratte = noch nicht akzeptierter Wechsel. <?page no="295"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m internationalen Handel 273 den Begiinstigten (Aussteller; Exporteur), denn sie hat ihm ja durch ihre eigene Bestátigung ein abstraktes Zahlungsversprechen abgegeben. Bei unbestátigten Akkreditiven hingegeben besteht die Rückgriífsmóglichkeit auf den Aussteller des Wechsels. Vgl. auch Abschnitt G-l.3.1.2. Im Unterschied zur Inkasso-Zahlungsbedingung d/ a erhált der Exporteur bei einem Akzeptakkreditiv vor Versendung der Ware die Ankaufszusicherung der Akzeptbank, wáhrend er bei d/ a nicht sicher sein kann, ob das Akzept geleistet wird. Ein Akzeptakkreditiv ist somit fur den Exporteur ebenso sicher wie ein <normales> Sichtakkreditiv, verschafft aber dem Importeur ein Zahlungsziel. Der Unterschied zwischen Akzeptakkreditiv und bestátigtem Akkreditiv im Hinblick auf die Sicherheit ist gering; das bestátigte Akkreditiv ist aber teurer. Allerdings steht der Exporteur beim Akzeptakkreditiv in der Ausstellerhaftung, sofern keine Solawechsel verwendet werden. Von direktem Rembours spricht man, wenn die Akkreditivbank gleichzeitig Remboursbank ist. Bei Einschaltung einer Zweitbank spricht man von indirektem Rembours. Für den Importeur liegt der Vorteil insbesondere in der Ausnutzung des Zahlungsziels bis zur Falligkeit des Wechsels. Auch kónnen durch Einschaltung einer Zweitbank ggf. niedrigere Kreditkosten als im Importland ausgenutzt werden. Zudem wird das Wechselkursrisiko umgangen. Das Rembours-Akkreditiv entspricht faktisch einem Akzept-Kredit (vgl. Abschnitt D-2.1.6.2). Eine Alternative ist ein Commercial Letter of Credit (siehe unten). (g) Nach-Sicht-Akkreditiv Beim Sichtakkreditiv erhált der Begünstigte den Akkreditivbetrag Zug-um-Zug gegen Vorlage der akkreditivkonformen Dokumente. Beim Nach-Sicht-Akkreditiv leistet die Akkreditivbank die Zahlung nicht bei Eingang der Dokumente, sondern erst zu einem verabredeten spáteren Zeitpunkt (Akkreditiv mit aufgeschobener Zahlung, deferred-payment-credit [DPC], DP-L/ C). Ein solches Akkreditiv ist in der Wirkung fur den Begiinstigten dem Rembours-/ Akzept-Akkreditiv áhnlich. Allerdings erhált dieser kein Wechselakzept, das er diskontieren kónnte, sondern nur eine Buchforderung in Form einer schriftliche Zusage der (eróffhenden oder bestátigenden) Bank, am Fálligkeitstag Zahlung zu leisten. Diese ist forfaitierbar. Der Importeur erhált also eine Zahlungsfrist z. B. nach Verladung oder Einreichung der Dokumente, der Exporteur verfiigt dennoch iiber eine unwiderrufliche Zahlungszusage der Akkreditivbank. Um das Bonitátsrisiko bezüglich der Akkreditivbank zu besichem, empfiehlt sich bei Nachsichtakkreditiven eine Bestátigung durch die Avisbank. PRAXISTIP Da der Exporteur für das Zahlungsziel sicherlich Zinsen berechnet, sollte der Importeur vergleichen, ob die Kombination eines Sichtakkreditivs mit einer Anschlufifinanzierung seiner eigenen Bank ggf. günstiger ist. Der Fálligkeitstag muS nach den ERA genau bestimmbar sein. Unprázise ware z. B. «zahlbar X Tage nach Warenankunft», prázise ware z. B. «X Tage nach Dokumentenvorlage». Für den Exporteur ist zu bedenken, da£ der Importeur vor Zahlung in den Besitz der Ware gelangt und versuchen kann, durch Einreden die Akkreditivabwicklung zu verzógern. (h) Akkreditive mit Anzahlung (VorschuB) Bei Akkreditiven mit Anzahlung (packing credit oder anticipatory credit) kann die Avisbank eine Vorauszahlung an den Begünstigten leisten, die gesichert oder ungesichert sein kann. Bei <?page no="296"?> 274 G Liefer- und Zahlungsbedingungen einer gesicherten Anzahlung gibt die Bank des Begünstigten eine Anzahlungsgarantie). Im Rohstoffhandel ist z. B. die sog. red clause gángig, bei der die Vorauszahlungsklausel friiher mit roter Tinte geschrieben wurde (daher der Name). Die Avisbank kann dabei dem Begünstigten bei Haftung der eróffnenden Bank eine Vorausszahlung gegen dingliche Sicherheit vor Einreichung der Dokumente leisten, damit der Verkaufer den Einkauf der Ausfuhrware finanzieren kann, z. B. wenn die Ware vor der Verschiffung noch gelagert wird. Der Vorschui? wird dann gegen Übergabe des Lagerscheins gewáhrt. Akkreditive mit einer green clause (weil mit griiner Tinte geschrieben) bedeut^n VorschuS ohne dingliche Sicherheit. In der Praxis werden «rot» und «grün» mal so, mal so verwendet. Packing Credits setzen wegen des hohen Risikos fur den Importeur ausgezeichnete Geschaftsbeziehungen voraus. (i) Handelskreditbrief (Commercial Letter of Credit, CLC) Beim Commercial Letter of Credit (dokumentárer Handelskreditbrief) handelt es sich um eine anglo-amerikanische Form des Akkreditivs. Nachdem die englischen Banken seit 1963 die Regelungen der ERA fur Negoziierungsakkreditive fur die CLC ubemommen haben, besteht faktisch kein Unterschied mehr zum frei negoziierbaren Akkreditiv. Der CLC wird nicht iiber eine avisierende Bank, sondern dem Begünstigten direkt zugestellt (ist «direkt aufgemacht», «direkt adressiert»), auch wenn die Zustellung in der Praxis sehr oft über eine Bank im Exportland erfolgt; diese übernimmt jedoch nicht die Funktionen einer Avisbank. Die «Akkreditiv»bank verpflichtet sich im CLC, gegen Übergabe der Dokumente die auf die Akkreditivbank gezogene Tratte zu akzeptieren. Dies geht i.d.R. mit einer «Drawing Authorization» einher, mit der der Káufer den Verkaufer ermachtigt, nach Verschiffung der Ware Tratten auf ihn oder seine Bank zu ziehen und einer Bank seiner Wahl meist der Exportbank zum Ankauf anzudienen. Die Káuferbank wird dabei eine Korrespondenzbank zum Ankauf (Negoziierung) der Tratten ermáchtigen. Diese Ermáchtigung wird, wie erwáhnt, uneinheitlich als authority to purchase, authority to pay oder letter of authority bezeichnet. Das CLC ist immer auf Wechselbasis ausgestellt und als gekorenes Orderpapier durch Indossament gut übertragbar, meist verstárkt durch eine darauf angebrachte «bona-fide»- Klausel, mit der sich die eroffnende Bank jeder ankaufenden Bank gegenüber zur Zahlung verpflichtet. Soil die freie Ausnutzbarkeit ausgeschlossen sein, wird ein Restricted CLC gestellt, welches nur bei der bestátigenden Bank eingelóst werden kann. In der Praxis ist es nicht selten, da£ bei dieser Akkreditivform unserióse Partner fingierte CLCs andienen. Im Zweifelsfall sollte man die Echtheit überprüfen lassen. Andererseits ist festzustellen, dal? sich insgesamt das Akkreditiv gegenüber dem CLC zunehmend durchsetzt, insbesondere weil die Negoziierungsprovision meist hóher ist (ca. 10 %o) als die Akkreditivabwicklungsprovision. (k) Handlerakkreditiv Das Handlerakkreditiv (Merchant's Letter of Credit) ist eine relativ seltene Variante des Akkreditivs, bei der der Káufer das Akkreditiv selbst ausstellt und unterzeichnet. Eine ggf. avisierende Bank übernimt dabei keinerlei Verpflichtungen. Ein Handlerakkreditiv wird daher nur bei absolut erstklassiger Bonitát des Káufers Verwendung finden. G-3.4.2.5. ERA In den meisten Landern, einschlieSlich der Bundesrepublik, gibt es keine spezielle rechtliche Regelung des Akkreditivs. Rechtsgrundlagen sind die einschlagigen Bestimmungen des BGB <?page no="297"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m ¡nternationalen Handel 275 und des HGB sowie die nichtgesetzlichen «Einheitlichen Richtlinien und Gebráuche fur Dokumenten-Akkreditive» (ERA) (Uniform Customs and Practices for Documentary Credits), die von den meisten international tátigen Kreditinstituten lánderweise kollektiv angenommen wurden, sowie die Allgemeinen Gescháftsbedingungen (AGB) der Banken. Die ERA 500 36 in der gegenwártig gültigen Fassung von 1994 wurden wie die oben behandelten ERI, vgl. Abschnitt G-3.4.1 von der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris unter Beteiligung der UNClTKAL und einiger anderer UN-Organisationen erarbeitet. Die ERA werden laufend iiberarbeitet, um den erforderlichen Praxisbezug zu gewáhrleisten. Erganzend dazu bietet die ICC Fallstudien zu Akkreditivproblemen an. Im Hinblick auf bedeutsame Handelspartner, z. B. China, bemiiht sich die ICC auch in direkten Verhandlungen um die Lósung von allgemeinen Problemen. Die ERA regeln jedes einzelne Transportdokument in einem eigenen Artikel, und diese sind jeweils gleich strukturiert, was die Vergleichbarkeit erhóht. Eine sehr wichtige Ánderung gegeniiber friiherern Fassungen besteht darin, da£ Banken Akkreditive auch im eigenen Ñamen eróffnen kónnen. Da die ERA also wie die ERI keine Rechtsnorm sind, gelten sie in den meisten Staaten immer dann, wenn keine anderen Regelungen im Akkreditiv enthalten sind. Dies betrifft auch die Frage des jeweils anzuwendenden internationalen Privatrechts. Im Zweifelsfall wird dies das Recht am Domizil der Akkreditivbank bzw. am Domizil der bestátigenden Bank sein. Zur Harmonisierung der Verfahrensabwicklung hat die ICC verschiedene Standardformulare entwickelt, so fur den Akkreditiv-Antrag, fur die Akkreditiv-Eróffhung, fur die Avisierung und fur Akkreditiv-Anderungen. G-3.4.2.6. Ánderung des Akkreditivs Wenn dem Exporteur die Akkreditiveróffnung avisiert wird, sollte er eingehend priifen, ob die Akkreditivbedingungen den getroffenen Vereinbarungen entsprechen und ob er sie insbesondere im Hinblick auf die Akkreditiv-Konformitát der vorzulegenden Dokumente erfiillen kann. Andernfalls sollte er nicht zogern, eine Anderung des Akkreditivs zu verlangen, auch wenn damit Kosten verbunden sind (vgl. unten). Sofern beispielsweise die Lieferbedingung geandert wird, miissen ggf. auch die Transport- und Versicherungspapiere verándert und ggf. aus der Liste der vorzulegenden Dokumente gestrichen werden. Eine Erhóhung des Akkreditivbetrags kann moglicherweise eine erneute Meldepflicht nach der AuEenwirtschaftsverordnung auslósen (vgl. Abschnitt J-7.4). Umgekehrt sollten die Beteiligten Anderungswünsche der jeweiligen Gegenseite ablehnen, wenn sie nicht akzeptabel sind. Grundsátzlich müssen alie Beteiligten einer Akkreditivánderung zustimmen. Dabei ist daran zu denken, dafs Schweigen als Zustimmung gelten kann. G-3.4.2.7. Kosten des Akkreditivs Die in Abb. G-3/ 9 genannten Sátze kónnen nur beispielhaft verstanden werden, da sie von den Kreditinstituten individuell gestaltet werden. Sie geben jedoch einen Anhaltspunkt fur die Grófienordnungen der Akkreditivkosten. ERA 500, weil sie als Publikation NR. 500 von der ICC veróffentlicht wurden. <?page no="298"?> 276 G Liefer- und Zahlungsbedingungen Abb. G-3/ 9: Kosten des Akkreditivs (Beispiel) Auf Seiten des Importeurs Abwicklungsprovision, Dokumentenaufnahme, i.d.R. zusammen Fremdwáhrungscourtage Porto, Spesen Deferred - Paymerit- Provision Auf Seiten des Exporteurs Avisierungsprovision Abwicklungsprovision Bestátigungsprovision Ánderungsprovision Akzeptprovision Porto, Spesen 1,5%o 1,5 %o 3%o 0,25 %o 3%o p.m. 3%c bis 3 Mon. 3-6 Mon.: 3%o 1,5%op.m. 1,5%op.m. 3%o p.m. mindestens Euro 35,- Euro 15,mindestens Euro 35,- Euro 5 0 - 2 5 0 mindestens Euro 75,mindestens Euro 50,- Euro 25,mindestens Euro 35,p.m. Euro 15,- Grundsatzlich sind folgende Spesenregelungen móglich: • Alie Kosten gehen zu Lasten des Exporteurs, • alie Kosten gehen zu Lasten des Importeurs, • Exporteur und Importeur tragen jeweils die Kosten auf <ihrer Seite>, • es ist keine Regelung der Spesenteilung erfolgt: Der Exporteur zahlt dann nur die Abwicklungsprovision. Die Akkreditivkosten konnen sich naturlich von Bank zu Bank unterscheiden. Wichtiger als Gebiihrenunterschiede ist jedoch die Servicequalitat im Vorfeld einer Akkreditiwereinbarung und beziiglich ihrer Abwicklung. G-3.4.2.8. Weitere wichtige Aspekte beim Akkreditiv Ein Akkreditiv ist ein abstraktes Zahlungsversprechen, losgelóst vom zugrundeliegenden Kaufvertrag. Diese Tatsache wird gelegentlich verdrángt, z. B. wenn ein Exporteur mit dem Hinweis auf die faktische Erfiillung des Kaufvertrags durch objektiv korrekte Warenlieferung Zahlung verlangt, jedoch nicht alie erforderlichen akkreditivkonformen Dokumente vorlegen kann, oder der Importeur verweist auf Mángelrügen und verlangt, die Zahlung zuriickzuhalten. Die Kreditinstitute sind unabhángig von privatrechtlichen Auseinandersetzungen zur Zahlung verpflicbtet, wenn vóllig akkreditivkonforme Dokumente vorgelegt werden. (a) Aus der Sicht des Importeurs Die Akkreditivbedingungen sollten frühzeitig und so prázise wie móglich im Rahmen des Kaufvertrags zwischen den Partnern abgesprochen werden, um MiSverstandnisse und eventuell erforderliche Anderungen zu vermeiden. Die Kreditinstitute haben für den Antrag auf Akkreditiveróffnung in der Regel individuelle Vordrucke entwickelt. Daneben gibt es einen standardisierten Vordruck, der von der Intemationalen Handelskammer in Paris entwickelt <?page no="299"?> G - 3 . Zahlungsbedingungen ¡m internationalen Handel 2 7 7 worden ist. Die Verwendung solcher Formulare verringert das Risikb unvollstándiger Angaben oder mit den ERA unvereinbarer Akkreditiv-Bedingungen. Sofern keine etablierten Gescháftsbeziehungen bestehen, sollte sich der Importeur von der Seriositát seines Lieferanten iiberzeugen. Der Importeur kann das Risiko nicht-vertragsgerechter Warenlieferung nicht vollstandig ausschliefen, solange dies nur auf der Basis von Dokumenten geprüft wird. Dagegen schützt auch eine sehr ins Detail gehende Waren- ' beschreibung nicht; diese kann vielmehr Schreib- oder Übermittlungsfehler begiinstigen. Die Akkreditivbedingungen sollten klar und iibersichtlich und nicht zu umfangreich sein. Sinnvoll ist es daher háufig, ein Inspektionszertifikat (vgl. Abschnitt G-l.3.3.1) in die Akkreditiv- Dokumentation einzubeziehen. Der Káufer ist nach den ERA fiir die klare und genaue Festlegung der erforderlichen Dokumente und der einzuhaltenden Bedingungen verantwortlich. Die Dokumente sollten im Akkreditiv-Eróffnungsantrag und im Akkreditiv in der Reihenfolge aufgefiihrt werden, wie sie die Kreditinstitute iiblicherweise bei der Dokumentenpriifung einhalten; die entsprechenden Formulare sehen dies in der Regel auch so vor. Beim Antrag auf Akkreditiverófmung sollte die erforderliche Zeit fur die Bearbeitung beriicksichtigt werden. Durch die heute gángigen Kommunikationssysteme (vgl. auch unten Abschnitt G-3.6.2 zu SWIFT) kann die Akkreditiveróffnung allerdings recht schnell erfolgen. Vor einer Akkreditiveróffnung sollte sichergestellt werden, daE die zu importierende Ware keinen Importbeschrdnkungen oder anderen Verboten und Beschrankungen (V.u.B.) unterliegt (vgl. Abschnirt J-4.3). Ggf. sind friihzeitig Genehmigungen zu beantragen, weil seitens des Exporteurs ordnungsgemáE prasentierte Dokumente die Zahlung auslósen, auch wenn sich Importprobleme ergeben. Der Akkreditiv-Begiinstigte sollte so prázise wie móglich bezeichnet werden, um Verwechslungen auszuschlieSen, insbesondere wenn es sich um Ñamen oder Firmen in Lándern handelt, in denen z. B. arabische oder kyrillische oder japanische Schrift geschrieben wird. Dies gilt analog fur die Bank, bei der das Akkreditiv benutzbar sein soil. (b) Aus der Sichts des Exporteurs Die formalen Anforderungen, die bei Akkreditiven an die Dokumente gestellt werden, sind sehr streng (Dokumentenstrenge). Die eingereichten Dokumente miissen im Sinne des Akkreditivs vollstandig sein, áuEerlich in Ordnung, z. B. keine offensichtlichen Irrtiimer aufweisen (Verwechslung von Anschriften) und diirfen sich inhaltlich nicht widersprechen (wenn z. B. im Akkreditiv von einer cif-Lieferung die Rede ist, andere Papiere aber eine fob- Lieferung ausweisen). Bereits geringfügige Abweichungen kónnen zur Zurückweisung von Dokumenten fiihren sei es bei der Einreicherbank, sei es bei der Akkreditivbank. In einem konkreten Fall stand in einem Dokument aufgrund eines offenkundigen Schreibfehlers als Herkunftsangabe «Gemrany» start «Germany»; die Einreicherbank vergewisserte sich telefonisch und per Fax bei der Akkreditivbank, ob dies akzeptabel sei («na ja»). Zahlendreher (51 Mio. start 15 Mio.) werden mit Sicherheit zurückgewiesen. Auch haben Importbanken die Aufnahme von Dokumenten verweigert, die alte vierstellige start neuer funfstelliger Postleitzahlen auswiesen. In diesem Zusammenhang ist nochmals auf die ZweckmaSigkeit einer Konvertierungsklausel (Kontinuitatsklausel) fur die Euro-Umstellung hinzuweisen. Fehler schleichen sich oft ein bei Stiickzahlen, Gewichten, Versanddaten, Warennummern etc. In einem Fall war ein <U> aus einer Warennummer als <V> in ein anderes Dokument iiber- <?page no="300"?> 278 G Liefer- und Zahlungsbedingungen nommen worden, und die Akkreditivbank verweigerte auf Weisung des Importeurs die Aufnahme der Papiere (der Importeur hatte zwischenzeitlich ein giinstigeres Angebot erhalten). Die Akkreditivbank bekam in einem langen Rechtsstreit sogar Recht. Der Exporteur holte dann nach langer Zeit die bereits verschiffte Maschine zuriick und mufite sie <verramschen>. Schaden: eine halbe Million DM. 37 In der Regel entdecken Banken Mangel in den aufzunehmenden Dokumenten vor Auszahlung an den Begünstigten. Allerdings darf die Dokumentenprüfung nur eine <angemessene> Zeit in Anspruch nehmen, insbesondere auch, damit der Begiinstigte in der Zeit bis zum Verfalldatum des Akkreditivs u. U. Nachbesserungen vornehmen kann. Ein geiibter Sachbearbeiter wird die Dokumentenprüfung oft in 10-20 Minuten durchführen kónnen; in wirklichen Problemfallen werden maximal 2-3 Bankarbeitstage anzusetzen sein. PRAXISTIP Die Einreicherbank kann die Überprüfung nur innerhalb der Akkredif/ Vdokumentation vornehmen. Eine Prüfung der Übereinstimmung dieser Dokumente mit den oft umfangreichen Vertragsunterlagen kann nur vorher im Unternehmen selbst erfolgen. Eine Zahlung des Akkreditiv-Betrags unter Vorbehalt oder trotz mangelhafter Dokumentation ist grundsátzlich nicht vorgesehen. Sofern dies doch geschieht, trágt das auszahlende Kreditinstitut wie bei einer Bevorschussung das voile Risiko. Diese absolute Dokumentenstrenge ist zwar mitunter miihsam, aber letztlich fur alie Beteiligten von Vorteil, denn die Bank muí? allein aufgrund von Dokumenten entscheiden, ob akkreditivkonform geleistet wurde und der Akkreditivbetrag auszuzahlen ist. Zur Dokumentenstrenge kommt die Fristenstrenge hinzu: Die Dokumenteneinreichung mufs unbedingt innerhalb der Gültigkeit des Akkreditivs erfolgen. In der Regel wird ein Verladedatum vorgegeben (<spatestens>), wobei die Versanddokumente spátestens 21 Kalendertage nach Ausstellung vorgelegt werden miissen (sofern das Akkreditiv nichts anderes bestimmt). Sofern dies nicht móglich ist, miifste mit Zustimmung alter Beteiligten vom Exporteur eine Fristverlángerung des Akkreditivs beantragt werden. Andernfalls verfállt das Akkreditiv, und die Akkreditivbank sowie ggf. die bestátigende Bank werden von ihrer Zahlungsverpflichtung befreit. Meist ist die Avisbank auch Zahlstelle, d. h. das Akkreditiv ist bei ihr benutzbar. Der Ort der Benützung (d. h. der Ort fur die Dokumentenvorlage) und der Ort der Zahlung kónnen aber auch verschieden sein, z. B. wenn die Dokumente bei der Avisbank prásentiert werden, Zahlstelle jedoch die Akkreditivbank ist, die erst nach Eingang der Dokumente Zahlung leistet. Die Avisbank kann neben anderen Finanzierungsmóglichkeiten das Akkreditiv jedoch auch bevorschussen; vgl. oben zu green und red clauses sowie Abschnitt D-2.1.8. PRAXISTIP Viele Kunden deutscher Exporteure weigern sich, die Zahlungsbedingung Akkreditiv oderDokumenteninkasso zu akzeptieren. In solchen Fallen kann Exportfactoring eine gute Alternative für den Exporteur darstellen. Vgl. Abschnitt D-2.1.11. Nebenbei: Sie kennen sicherlich den Spruch «Jemandem ein X für ein U vormachen». Dies bezieht sich auf die rómische Schreibweise X = 10, V = 5. Wenn man dem V unten zwei Verlángerungsbeine hinzufugen kann, wird aus der 5 eine 10... <?page no="301"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m internationalen Handel 279 G-3.4.3. Restrisiken und Absicherungen Die trotz der standardisierten Zahlungsbedingungen verbleibenden Restrisiken kónnen durch zahlreiche Instrumente verringert oder abgewálzt werden. Hierzu nur einige Stichworte: Forderungen kónnen verkauft werden, u. a. im Rahmen von Factoring, Forfaitierungen oder Wechseldiskontierung (Abschnitte D-2.1 und D-3.2). Móglich ist auch die Einbeziehung von Bürgen oder Garanten, meist aus dem Bankbereich (Abschnitt H-2.4.3). Eine spezielle Form sind die staatlichen Exportgewahrleistungen, die in Deutschland seitens der Hermes-Versicherungs-AG ais Mandatar des Bundes angeboten werden. Dabei wird dem Exporteur bei Zahlungsausfall je nach Art der Forderung bzw. des Risikos 85-95% seiner Forderung erstattet; die Differenz mulS er als Selbstbehalt tragen (Abschnitt H-3.2). Sofern die Zahlungsbedingung Zahlung in Fremdwáhrungen vorsieht, ist es erforderlich, das Wechselkursrisiko entsprechend abzusichern. Hierfur stehen zahlreiche Móglichkeiten zur Verfiigung (Abschnitt H-4). G-3.5. Zahlungsbedingungen bei langfristigen Exportvertrágen Bei GrofSprojekten wie der Errichtung von Zweigwerken, Staudámmen oder gróSerer Anlageinvestitionen bedeutet der lángerfristige Zeithorizont ein zusátzliches Risiko. Daher ist es nicht uniiblich, Festpreise zu vereinbaren und diese durch Bankgarantien oder staatliche Gewáhrleistungen zu besichern. Sofern dies auf der Basis von Fremdwáhrungen erfolgt, ist es erforderlich, das Wechselkursrisiko entsprechend abzusichern. Vgl. hierzu ausfuhrlich Abschnitt H-4. G-3.6. Exkurs: Zahlungsabwicklung mit dem Ausland Für den Überweisungs- und Scheckverkehr unterhalten die Kreditinstitute Beziehungen zu Korrespondenzinstituten. Die Nachrichtenübermittlung erfolgt meist über das Interbanken- System SWIFT (vgl. unten). Eine zentrale Verrechnungsinstitution, die z. B. dem deutschen Zentralbankensystem vergleichbar ware, steht auch in Europa noch nicht zur Verfiigung. Insgesamt ist die Zahlungsabwicklung zeitaufwendiger als im Inlandszahlungsverkehr; teilweise sind zusátzliche Formulare erforderlich. Teurer ist es allemal. G-3.6.1. Clberweisung und Scheck Zahlungen an das Ausland kónnen entweder in Inlandswáhrung (Euro), in der betreffenden Auslandswáhrung oder in einer Drittwáhrung erfolgen. Die Uberweisungskosten liegen bei 3%o der Überweisungssumme (bei kleinen Betrágen werden Mindestgebiihren erhoben, so dafs dies relativ teuer werden kann). Das Konto des Auftraggebers wird bereits am Tag der Ausführung des Überweisungsauftrags belastet, die Überweisungssumme wird dem Konto des Begünstigten aber in der Regel erst einige Tage spáter gutgeschrieben, Kosten meist 1,5 %o. Viele AuSenhandelsunternehmen unterhalten neben ihren DM-Konten auch Fremdwáhrungskonten (z. B. in US-Dollar), entweder bei einer inlándischen Bank oder ein Dollarkonto bei einer amerikanischen Bank. Inlándische Fremdwáhrungskonten werden wenn iiberhaupt meist schlechter verzinst als Euro-Konten; darum bieten sich Konten bei auslándischen Banken an. Dies ist jedoch in vielen Lándern an eine Residenzpflicht gebunden, <?page no="302"?> 280 C Liefer- und Zahlungsbedingungen so dai? man andernfalls doch auf die Heimatbank angewiesen ist, die ggf. ein Konto bei einer Korrespondenzbank fiihren kann. Eingehende Zahlungen in Fremdwáhrung werden zum Devisen-Geldkurs (Ankaufskurs), ausgehende zum Devisen-Briefkurs (Verkaufskurs) abgerechnet. (Achtung: Das entspricht dem Euro-Briefkurs; vgl. Abschnitt H-4.3.2). Hinzu kommen eine Courtage (z. B. 0,25 %o), ggf. eine Abwicklungs- oder Bearbeitungsgebiihr (l,5%o) sowie Porti, Spesen und sonstige Kosten. Im Zahlungsauftrag mufJ angegeben werden, wie sich diese Kosten auf den Auftraggeber bzw. den Empfanger verteilen. Bei einem Fremdwáhrungskonto im Inland entfállt zwar die Courtage, jedoch sind teilweise nicht unerhebliche andere Gebiihren zu entrichten. Das beauftragte Kreditinstitut leitet einen Zahlungsauftrag an ein Korrespondenzinstitut weiter mit der Bitte um Gutschrift auf dem Konto des Begünstigten. Dies kann per Brief, Fax, Fernschreiben, Telegramm oder per SWIFT erfolgen. Der briefliche Zahlungsauftrag hat den Nachteil langer Postlaufzeiten und beinhaltet ein Verlustrisiko. Fernschriftliche Uberweisungen sind zwar schnell, aber relativ teuer. Daher nehmen SW/ FT-Zahlungen immer mehr zu (vgl. unten). Sofern der Zahlungsempfánger kein Konto bei der eingeschalteten Korrespondenzbank fiihrt, leitet diese die Zahlung im nationalen Zahlungsverkehrssystem an ihn weiter. Auf den erforderlichen Zeitaufwand hat die urspriingliche (deutsche) Bank keinen EinfluS; nicht selten ist mit lángeren Laufzeiten zu rechnen. Nach § 59 AWV sind Zahlungen an das Ausland bzw. aus dem Ausland ab 12.500,- Euro meldepflichtig. Das entsprechende Meldeformular «Zahlungsauftrag im AuEenwirtschaftsverkehr (Anlage Zl») wird jedoch in der Praxis bei den meisten Banken auch fur kleinere Betráge verwendet. Ein Exemplar des Durchschreibesatzes wird vom Kreditinstitut an die Landeszentralbank weitergeleitet. Der Zahlungstransfer kann statt durch Überweisung auch durch Privatscheck oder Bankscheck (als Orderschecks). Dies ist in Nordamerika und GroSbritannien sehr verbreitet; in anderen Lander werden Schecks auch verwendet, weil z. B. bei Uberweisungen hohe Gebiihren im Empfangerland anfallen oder keine Kontoverbindung bekannt ist (Abb. G-3/ 10). Als Nachteile ergeben sich die Postlaufzeiten und die entsprechenden Verlustrisiken sowie das Risiko der Nichteinlósung, wenn der Kunde über kein Guthaben verfügt oder den Scheck schlicht hat sperren lassen. Bankschecks werden auch vom ausstellenden Kreditinstitut direkt an den Zahlungsempfánger weitergeleitet, so dafj diese das Übermittlungsrisiko trágt, das bei Privatschecks nicht unerheblich ist; Fálschungen und Diebstahl sind nicht selten. Eine unberechtigte Einlósung wird oft erst mit erheblicher Verzógerung festgestellt, weil Orderschecks beliebig weitergegeben werden konnen und oft im Sammeleinzug vorgelegt werden. Bei Bankschecks wird der Auftraggeber sofort belastet, bei Privatschecks erfolgt eine Belastung erst nach spáterer Scheckvorlage. Vgl. zum Scheck ausfiihrlich oben Abschnitt G-l.3.1.1. Abb. G-3/ 10: Die Lastschrift ist in Amerika nicht popular Rechnungen werden mit Scheck bezahlt / Werbekampagne der Zentralbank G-3.6.2. SWIFT Das Akronym SWIFT steht fur Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication. Es handelt sich dabei um ein genossenschaftliches Unternehmen (nach belgischem <?page no="303"?> G-3. Zahlungsbedingungen ¡m intemationalen Handel 281 Recht) mit dem Ziel, durch Datenferniibertragung den intemationalen Zahlungsverkehr zu beschleunigen und zu sichern. Alie bedeutenden Banken sind diesem Datenferniibertragungsnetz angeschlossen. Die Zahlungsanweisungen werden von der Einzelbank landerweise durch einen «Concentrator» gebiindet und an die SWIFT-Zentrale weitergeleitet. Diese sortiert die Auftráge nach Lándern und gibt sie an die jeweiligen Konzentratoren weiter, die die Zahlungsanweisungen an die Adressaten verteilen. Dieser Vorgang dauert nur wenige Minuten. Dadurch wird die Zeitspanne zwischen Kontobelastung und -gutschrift auf ein Minimum reduziert, so daE der sog. Zahlungsfloat teilweise fast ausgeschaltet ist. Dariiberhinaus bietet SWIFT einen hóheren Sicherheitsgrad ais der konventionelle Zahlungsverkehr und reduziert die erforderlichen Zahlungsverkehrsbelege erheblich. Als Float wird die Zeit zwischen Belastung beim Absender und Gutschrift beim Empfánger bezeichnet. Er hángt von der Postlaufzeit ab (Mail Float), von den Transferzeiten innerhalb der Post- und Bankensysteme (Clearing Float) und auch unternehmens-/ konzernintern durch die Abwicklung der Zahlungsstrome (Processing Float). Die Postlaufzeit wird vielfach durch Kurierdienste verkiirzt. Durch Einrichrung von Postfáchern und Koriten bei Banken in der Náhe der Schuldner kónnen weitere Zeiteinsparungen erreicht werden. Diese Postfácher werden táglich (teilweise mehrmals) von den Banken geleert und zahlungsrelevante Eingánge (Schecks) umgehend bearbeitet (Lock-Box-Konzept). G-3.6.3. Einschránkende gesetzliche Rahmenbedingungen Die Zahlungsstrome in das und aus dem Ausland unterliegen genau wie die inlándischen Zahlungen einschránkenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere dem Kreditwesenkontrollgesetz (KWKG), dem Geldwáschegesetz («Gesetz über das Aufspiiren von Gewinnen aus schweren Straftaten»), und dem AuKenwirtschaftsgesetz (AWG/ AWV); Luxemburg und die Schweiz haben analoge Gesetze erlassen. Die móglichen Bes'chránkungen nach dem AuSenwirtschaftsgesetz bzw. der AuSenwirtschaftsverordnung beziehen sich vor allem auf unzulássige Zahlungen in oder aus Embargolándern (vgl. ausfiihrlich Abschnitt L-6). Die Beschránkungen des KWKG und des Geldwáschegesetz wurden primar zur Verbrechensbekampfung konzipiert, werden aber ggf. aber auch bei (massivem) Steuerbetrug angewendet. Verdáchtig sind Bargeldbewegungen ab 15.000 Euro sowie Schecks und Uberweisungen, die nicht im Verhaltnis stehen z. B. zum Umsatz (beispielsweise flieSen dem Inhaber eines kleinen mittelstándischen Unternehmens 5 Mio. USD aus Ecuador zu, die er auf sein Privatkonto umbuchen will). Bei VerstóSen ist ggf. der Bankmitarbeiter verantwortlich, nicht die Bank, und analog der Ausfuhrverantwortliche des Unternehmens, nicht das Unternehmen. In Verdachtsfállen überprüft die Staatsanwaltschaft die Zulássigkeit von Zahlungen (wovon der Kunde informiert wird) und muS innerhalb von 48 Stunden (2 Bankarbeitstagen) entscheiden, ggf. die Zahlung blockieren oder Auflagen erlassen. Die Banken sind jedoch nicht untereinander vernetzt, so daG kumulierte Zahlungsdaten nicht ohne weiteres zur Verfiigung stehen. In vielen Fallen gibt die Staatsanwaltschaft Warnmeldungen heraus. <?page no="304"?> I_l I Risikomanagement im AuGenhandel H-1. Allgemeines Risikomanagement Das Umgehen mit Risiken stellt einen zentralen Aspekt des untemehmerischen Handelns dar. Neben dem in der Betriebswirtschaftslehre immer unterstellten rationalen Verhalten im Zusammenhang mit der angestrebten Gewinnmaximierung ist das unternehmerische Risiko der grundlegende Begriff, vielleicht sogar die Basis der Betriebswirtschaftslehre. Oft wird statt von Risiko auch von Wagnis gesprochen. Das allgemeine unternehmerische Risiko bezieht sich darauf, mit dem Unternehmen <gegen die Wand zu fahren>. Hinzu kommen diverse spezifische Risiken wie z. B. Zahlungs- oder Wechselkursrisiken. Das Umgehen mit Risiken wird als Risikomanagement bezeich.net. In der Praxis nimmt der relative Aufwand hierfiir mit der UnternehmensgróSe zu. Grundsátzlich ist die Notwendigkeit des Risikomanagements keine Besonderheit der AuEenwirtschaft, sondern sollte integraler Bestandteil des untemehmerischen Handelns schlechthin sein. In der Aufenwirtschaft kann sich aber quantitativ und qualitativ ein dichteres Risikoprofil ergeben als im Inlandsmarkt. Auf Aspekte des allgemeinen Unternehmensmanagements kónnen wir hier verstándlicherweise nicht eingehen. H-1.1. Risiko und Chance Grundsátzlich ist <Risiko> als statistischer Begriff neutral, weder negativ noch positiv. Ein risikobehaftetes Ereignis kann positive oder negative Wirkungen hervorrufen. So ist ein Lottohauptgewinn (6 aus 49) ein Risiko mit der Wahrscheinlichkeit von rd. 1: 14.000.000 1 . Im Sprachgebrauch verbindet sich mit dem Begriff «Risiko» aber die Vorstellung eines móglichen Schadens (Gefahr). Auch betriebswirtschaftlich wird Risiko meist ais móglicher Verlust interpretiert (reines Risiko), üblicherweise als Verlust von Geldwerten, aber auch als entgangener Gewinn, so dafi indirekt auch immaterielle Scháden (z. B. Imageschádigung) einbezogen sind. Ein positives Risiko wird als Chance bezeichnet (spekulatives Risiko) (Abb. H-l/ 1). Nicht rechtzeitig erkannte und bewáltigte Risiken kónnen die erfolgreiche Entwicklung des Untemehmens gefáhrden. Sehr oft handelt es sich dabei um Fehlentscheidungen, sofern nicht hóhere Gewalt ursáchlich ist. Jedes bewuEte Akzeptieren eines betrieblichen Risikos setzt voraus, daf? auch Chancen bestehen. Anderfalls ware der Unternehmer besser beraten, wenn er sein Kapital in festverzinslichen Staatsanleihen anlegte. Die Gewinnchancen miissen in einem angemessenen Verháltnis stehen zur Wahrscheinlichkeit, dal? der mógliche Schaden eintritt, und zur potentiellen Hóhe des Schadens. Im Sprachgebrauch bedeutet <riskant> daher meist schon ein betráchtliches Risiko. 1 Wenn man auf beiden Seiten der Autobahn Stuttgart-München 2-Eurostücke aneinanderreiht, mii&e man eine einzige gekennzeichnete Miinze umdrehen. <?page no="305"?> H - 1 . Allgemeines Risikomanagement 283 Abb. H-1/ 1: Risiko und Chance negativ positiv Risiko (Gefahr) (reines Risiko) Chance (spekulatives Risiko) Risiken sind Gefahren, die den ProzeE der Zielerreichung negativ beeinflussen kónnen. Sie beruhen auf unvollstandigen oder unvollkommenen Informationen iiber die Zukunft. Wiirde man die künftige Entwicklung prázise vorhersehen kónnen, gábe es kein Risiko. Unternehmerische Entscheidungen wiirden dann unter Sicherheit getroffen werden. Risiken lassen sich daher durch bessere Informationen vermindern; mancher Fehlschlag ware vermeidbar: Eine amerikanische Autofirma versuchte, eine Modellvariante mit dem Namen <Nova> im lateinamerikanischen Markt einzufuhren mit sehr maSigem Erfolg, denn da£ no va im Spanischen <geht nicht> bedeutet, war nicht bekannt. Für analoge Fehlschláge aufgrund sprachlicher Informationsdefizite gibt es eine Fiille von Beispielen; vgl. hierzu auch Abschnitte B-7.3.5 und C-3. Zur Bestimmung von Risiken kann man auf die Wahrscheinlichkeit des Eintretens des betreffenden Ereignisses zuriickgreifen - oder auch nicht, wie wir gleich sehen werden. Es gibt zwei Formen sicherer Ereignisse. • Entweder, das Ereignis tritt sicher ein. Dann ist die Eintrittswahrscheinlichkeit 1 (oder 100 [Prozent]). Im unternehmerischen Bereich diirfte es sich dabei um seltene Falle handeln («Morgen friih existiert das Unternehmen noch»). • Zweite Móglichkeit: Das Ereignis tritt sicher nicht ein («Morgen friih ist das Unternehmen nicht illiquide»). Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist 0; das Ereignis ist unmoglich. Bei nicht-sicheren Entscheidungen besteht eine Wahrscheinlichkeit gróSer Null und kleiner Eins. Sofern die Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmbar (quantifizierbar) ist, spricht man von Risiko. Wenn die Informationen iiber die Wahrscheinlichkeit so beschaffen sind, dafi jeder, dem diese Informationen zur Verfiigung stehen, zu genau denselben Erwartungen kommt, spricht man von objektiven Wahrscheinlichkeiten (z. B.: Miinze werfen), sonst von subjektiven Wahrscheinlichkeiten, wenn jeder Betrachter aus den vorhandenen Informationen andere Schliisse ziehen kann so wie beim Tip, wer Fufiballweltrrieister wird. Unsicherheit bedeutet, daG iiberhaupt keine Wahrscheinlichkeit bestimmbar ist, weder objektiv noch subjektiv. Die Beispiele sind eher rar, denn meist wird man subjektive Wahrscheinlichkeiten bestimmen kónnen. Der Vollstandigkeit halber sei noch Ungewifsheit erwáhnt, womit die vollige Abwesenheit von Informationen iiber die Zukunft gemeint sind für die Praxis kaum relevant. In der unternehmerischen Praxis herrschen die Falle subjektiver Wahrscheinlichkeiten bzw. subjektiver Erwartungen beziiglich der Zukunft vor. Subjektive Wahrscheinlichkeiten sind typisch insbesondere bei einmaligen Entscheidungen, bei denen man nicht auf Erfahrungs- <?page no="306"?> 284 H Risikomanagement im Auftenhandel Abb. H-1/ 2: Risiko, Sicherheit und Unsicherheit Wahrscheinlichkeit (p = probability) p = 0 P = 1 0 < p < 1 p = ? ? Sicherheit: Das Ereignis tritt nicht ein Sicherheit: Das Ereignis tritt ein Risiko p = objektiv p = subjektiv Unsicherheit (Ungewiftheit) werte zuriickgreifen kann. Unsicherheit ist daher in der Praxis keine relevante Situation, weil man in der Regel zumindest subjektive Wahrscheinlichkeiten festlegen kann (Abb. H-1/ 2). Objektiv meEbare (quantifizierbare) Risiken lassen sich bestimmen sowohl hinsichtlich der Hohe des móglichen Verlustes ais auch hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos. Diese láfst sich aus den Daten entsprechender Zeitreihen ermitteln. In der Praxis lassen sich meist nur objektiv berechenbare Risiken versichern. Versicherungspramien leiten sich aus der Risikowahrscheinlichkeit ab (Feuer, Haftpflicht, Transportscháden, Zahlungsausfálle). Unabhángig davon ist es unternehmerische Praxis, bestimmte Risiken (Wagnisse) kalkulatorisch in der betriebsinternen Kostenrechnung zu beriicksichtigen. In der BWL herrscht begrifflich eine ziemlich Sprachverwirrung beziiglich dessen, was man heute als Risikomanagement bezeichnet. In der ursprünglichen Interpretation bezieht sich der Begriff auf Risiken, die man versichern kann - Feuer, Diebstahl -, also mehr im Sinne eines Versicherungsmanagements {Insurance Management). Fiir Risiko-Management ist dies zu eng, denn gerade bei nicht versicherbaren Risiken ist Risikomanagement erforderlich. Risikomanagement ist eine Führungsaufgabe, die nicht immer ausreichend ausgeiibt wird (Abb. H-l/ 3). Wichtig ist das Bewufitmachen des Risikophánomens auf alien Fiihrungs- und Durchführungsebenen. Konstitutives Element des Risikomanagements ist das Streben nach grófitmóglicher Sicherheit (Risikoaversion), d. h. das Bemiihen, Risiken zu vermeiden oder zu vermindern. Steigende Risikobereitschaft fiihrt tendenziell auch zu steigendem Riskoeintritt, wodurch bereits realisierte Chancen aufgezehrt werden kónnen. Im Rahmen des Risikomanagement sind zunáchst das angestrebte Risikoniveau und das angestrebte Risikoverhalten festzulegen. Dies determiniert die Planung, und zwar sowohl die strategische Planung (Gescháftsfeld (Produkte, Produktelemente, Produktionsverfahren), Organisation, Rechtsform, Informationssystem, Fiihrungskrafteplanung) als auch die operative Planung (Programmplanung, Produktselektion, Absatzpolitik, Produktionssysteme usw.). Abb. H-1/ 3: D a s R i s i k o m a n a g e m e n t wird vernachlássigt Unternehmen verzichten auf systematisches Risikomanagement Die Aktualisierung von Risiken muB zur Routine werden & <?page no="307"?> H - 1 . Allgemeines Risikomanagement 285 H-1.2. Risikostrategien Beim Umgang mit Auslandsrisiken sind verschiedene Varianten von-Risikopolitik oder Risikomanagement (risk management) móglich. Dies bezieht sich auf die MaSnahmen zur Risikoerkennung und -bewertung sowie auf den Einsatz risikopolitischer Instrumente. Oberster Grundsatz sollte sein «Agieren statt Reagieren». Dabei ist zu unterscheiden zwischen ursachenbezogenen [(1) und (2)] und wirkungsorientierten MaSnahmen [(3) bis (5)]. Dabei ist wiederum je nach gewáhlter Risikostrategie eine vollstándige oder eine partidle Absicherung des Risikos móglich. Dies ist nicht zuletzt eine Frage der Kosten. Zwei extreme Verhaltensweisen [(1) und (2)] sowie mehrere dazwischenliegende sind moglich. (1) Risikovermeidung Mit Risikovermeidung ist gemeint, daS die risikobegriindenden Ursachen gemieden oder beseitigt werden und folglich kein Risiko auftreten karin. Der AbschluS eines Devisentermingescháfts schlieSt ein negatives Wechselkursrisiko vollstándig aus. In der extremen Form bedeutet diese defensive Strategic den gánzlichen Verzicht auf riskante Aktivitáten. Es gibt tatsachlich viele (meist kleinere) Unternehmen, die auf Auslandsgescháfte aus Risikoscheu vollstándig verzichten, z. B. auf die Belieferung des US-amerikanischen Marktes wegen des hohen Haftungsrisikos aufgrund des sehr strikten US-amerikanischen Produkthaftungsrechts (vgl. Abschnitt H-5). (Vielen ist jedoch nicht klar, daS der Hersteller oder Verkáufer auch bei indirektem Export iiber einen Dritten dennoch mit haften kann; vgl. Abschnitt H-6.1.) (2) Risikoakzeptierung Die gegensátzliche extreme Variante ist offensiv und besteht in der bewuSten Hinnahme des Risikos, ohne zu versuchen, in irgend einer Weise <gegenzusteuern>. In solchen Fallen werden Risiken zwar erkannt, aber es wird ganz bewuSt auf risikovermindernde oder absichernde MaSnahmen verzichtet. Im ungiinstigen Fall muS man dann den Schaden voll tragen. Diese Strategic láSt sich vor allem dann beobachten, wenn die Eintrittsw,ahrscheinlichkeit eines Schadens als klein angenommen wird, wáhrend die Kosten z. B. der Risikoverminderung oder -versicherung als relativ hoch angesehen werden. Viele Unternehmen verzichten z. B. auf jegliche Exportkreditversicherung bei gut eingespielten Gescháftsbeziehungen. (3) Risikoverminderung Üblicher ist hingegen, daS ein Unternehmer eine gewisse Risikoaversion hat, im Gegensatz zum Spieler, fur den das Risiko vielleicht gerade den <Kick> darstellt. Ein risikoscheuer Unternehmer strebt daher so weit wie móglich nach Sicherheit. Er versucht, das Risiko und damit die Eintrittswahrscheinlichkeit des ungiinstigen Ereignisses zu vermindem. Dies geschieht im AuSenhandel in erster Linie durch Schaffung einer soliden Informationsbasis iiber die Gegebenheiten im Partnerland bzw. den Partner (z. B. auch durch Friihwarnsysteme) (Risikovorbeugung). Aufwand zur Schadensverhiitung kann Versicherungen ersetzen. Risikoverminderung kann auch durch Risikostreuung (Risikoverteilung, Risikoteilung) erfolgen, indem beispielsweise Gescháftsbeziehungen nicht nur mit einem, sondern mit verschiedenen Partnem u. U. in verschiedenen Lándern unterhalten werden. Joint Ventures und Konsortien sind typische Beispiele fur Risikoteilung. <?page no="308"?> 286 H Risikomanagement im Auftenhandel (4) Risikokompensation Durch Risikokompensation wird versucht zu erreichen, da(? sich positive und negative Risiken ganz oder teilweise ausgleichen, d. h. daS z. B. Gewinne und Verluste aus Wechselkursrisiken gleich grof? sind. So kónnte ein Hersteller, der Waren gegen US-Dollars in die USA verkauft, versuchen, beim Einkauf von Vorprodukten gleichfalls in USD zu bezahlen. (5) Risikobesicherung Zahlreiche Risiken kónnen ganz oder teilweise durch Versicherungen, Garanden oder Biirgschaften besichert 2 werden (vgl. hierzu Abschnitt H-2.4.3). Beispielsweise kann man das (politische) Lánderrisiko bei Exportkrediten durch ein bestátigtes Akkreditiv absichern. Versicherungen sind eigentlich eine Sonderform der Kompensation, weil ein negatives Ereignis der Schaden durch ein positives die Ausgleichszahlung kompensiert wird. Die meisten Versicherer bieten ihren Kunden als Serviceleistung eine maSgeschneiderte Absicherung von Auslandsrisiken an, um Doppelversicherungen oder Versicherungsliicken zu vermeiden. Mancher Schaden kann aber nicht durch Geld kompensiert werden, z. B. Imageverluste. Bei der Risikobesicherung ist auch Selbstversicherung iiblich, indem man fur bestimmte Risiken finanzielle Vorsorge betreibt (z. B. Riickstellungen aus dem Cash Flow bildet) oder in der kalkulatorischen Kostenrechnung absichert (z. B. Ausschufoisiken [Produktfehler], Bestánderisiken [Schwund, Diebstahl, Verrosten, Veralten durch Mode- und Technikánderung], Entwicklungsrisiken [sunk costs] oder Gewáhrleistungsrisiken [-wagnisse]). Hierbei geht man iiblicherweise von Erfahrungswerten aus. . (6) Risikoabwálzung Durch Risikoab- oder -iiberwalzung (Risikoiibertragung, Risikoverlagerung) wird das Risko ganz oder teilweise entgeltlich oder unentgeltlich einem Dritten iibertragen, beispielsweise durch Fakturierung in Inlandswahrung, vertragliche Haftungsbegrenzung, Kaufvertragsklauseln (Zahlungsbedingungen, Lieferbedingungen wie die INCOTERMS) oder Verkauf von Forderungen (z. B. durch Factoring oder Forfaitierung). Ob Versicherungen auch <Abwalzung> sind, ware zu diskutieren, lohnt sich aber nicht. Es gibt keine allgemeingiiltige Systematik. H-1.3. Risikoanalyse und -bewertung Um mit Risiken richtig umzugehen, sollte man móglichst viel iiber sie wissen. Welcher Aufwand dabei betrieben wird, ist abhángig von den gerade skizzierten Risikostrategien. Vor allem in kleineren Unternehmen ist zu beobachten, dal? bestimmte Risiken zu aufwendig abgesichert werden, andere wiederum gar nicht. Durch ein systematisches Risiko-Audit man kann auch schlichter sagen: durch eine umfassende Untersuchung aller Risiken und der verfolgten Risikopolitik des Unternehmens lassen sich oft sehr interessante Verbesserungsmoglichkeiten des Risikomanagements ermitteln. Dies bezieht sich auf die strategische Risikopolitik ebenso wie auf das operative Risikohandling. Beispielsweise ist immer wieder zu erleben, daS die Unternehmensleitung vor allem mittlerer Betriebe nur sehr vage Vorstellungen von den rechtlichen Risiken hat, die sich aus Exportbeschránkungen im Bereich von 2 Wáhrend man im Sprachgebrauch beim Abschlui? von Versicherungspolicen meist von Versichern spricht, verwenden Fachleute gerne den Begriff Besichern. Sachlich besteht kein Unterschied. <?page no="309"?> H - 1 . Allgemeines Risikomanagement 287 Dual-use-Giitern ergeben kónnen (vgl. Abschnitt L-6.2). Daher ist es oft sinnvoll, externe Fachleute und Berater mit einzubeziehen, weil die eigene Mannschaft leicht betriebsblind ist und den Wald vor Baurnen nicht sieht. Zudem sind die internen Verwaltungsstrukturen und Informationssysteme von ansonsten sehr erfolgreichen Unternehmen nicht selten archaisch. Vielfach ist die Verfiigbarkeit von Informationen personengebunden. Ein fehlendes institutionelles Gedáchtnis kann sich dann verheerend auswirken, wenn der betreffende Wissenstrager nicht (mehr) zur Verfiigung steht. Dies kann bereits bei unzureichender Urlaubs- oder Krankheitsvertretung deutlich werden. Die Risikoanalyse vergleicht zwei Zustánde mit und ohne Storung. In erster Linie ist es erforderlich, Risiken zu erkennen und zu prognostizieren (Risikoidentifikation). Hieran schlieSt sich die Beschreibung des Risiko-Tatbestands an, gefolgt von der Darstelliing der Risiko- Ursachen und der EinfluEfaktoren (menschliches Versagen, hóhere Gewalt; technische Zusammenhánge usw.). Wichtig ist, die Informationen iiber Wahrscheinlichkeiten zu verbessern; dies ist durchaus schon instrumental i.S.v. Reduzierung des Risikos; vgl. unten. Schliefilich sind die Schadenskonsequenzen abzuschátzen. Dabei sind Abhángigkeiten (Risikokumulation, Serien) zu berücksichtigen. Oft bietet es sich zur potentiellen Schadensanalyse an, Fehlerbaume zu erstellen oder Szenarien durchspielen, um Schwachstellen zu identifizieren. Wie auch beziiglich anderer Managementaspekte sollte sich das Risikomanagement auf ein solides Managementinformationssystem (MIS) stützen kónnen. Dies sagt sich so leicht, stellt jedoch erhebliche Anforderungen an die Verfiigbarkeit sinnvoller und aktueller Daten. Entscheidend ist aber nicht die Existenz eines MIS, sondern ob es vernünftig genutzt wird. Datenfriedhófe sind keine Seltenheit. PRAXISTIP Risiken entstehen durch Managementdefizite. Anzeichen hierfür sind u.a.: • Fehlen spezifischer Planungen für Problemlósungen; • Fehlen von Problemanalysen; • Probleme werden erkannt, aber nicht ais dringend angesehen; • Marktentwicklungen werden nicht rechtzeitig bemerkt; • Hoffen auf allgemeine wirtschaftliche Besserung start Managementaktion; • Unternehmenspolitik und Aktionen werden einseitig von einzelnen beeinflufSt. Die Risikoanalyse ist Grundlage der Risikobewertung. Diese ist wohl der wichtigste Bereich des Risikomanagements. Die Risikobewertung bezieht sich zum einen auf die absolute Schadenshóhe, zum anderen auf die relative Wichtigkeit. Beispielweise kónnen auch kostenmáSig kleine Scháden eine defekte Festplatte im Steuerungscomputer des FlieíSbandes den Betriebsablauf blockieren, wáhrend auch <teure> Scháden so gesehen weniger wichtig sein kónnen (das Gástehaus brennt ab). Die dritte Komponente der Risikobewertung sind die Eintrittswahrscheinlichkeiten, die meist nur grob abzuschátzen sind. Auch existenzbedrohende Risiken werden bei minimaler Wahrscheinlichkeit nicht unbedingt abgesichert (Meteoriteneinschlag). Nach dem Bombenanschlag auf das World Trade Center in New York sind zahlreiche Unternehmen, die ihren Sitz in dem Gebáude harten, Konkurs gegangen, weil sie auf solch eine Katastrophe nicht vorbereitet waren und existentiell wichtige Daten nicht hinreichend gesichert waren. Das Risikomanagement mui? daher zunáchst ein- <?page no="310"?> 288 H Risikomanagement im Auftenhandel mal entscheiden, welche Risikopolitik verfolgt wird, und daraus abgeleitet, welche Risiken in welchem Ausmai? abgesichert werden miissen und mit welchen man auch ohne spezifische Risikovorsorge gut leben kann. Hinsichtlich der Analyseinstrumente gibt es eine Vielzahl von Varianten. Manche schwóren auf Checklisten, andere auf Punktesysteme, die sich moglicherweise noch zu Risikoindizes verdichten lassen (wie beispielsweise der BERI-Index, der Business Environment Risk Index, der gerne für das politische Risiko mit herangezogen wird), wieder andere verwenden Kennzahlen, andere analytische Kommentare jeder wie er mochte. H-1.4. Risikopolitik: Instrumente Eine sehr wichtige' Komponente des Risikomanagements ist die Auswahl des richtigen Instruments. Diese beruht auf der Risikobewertung und baut sie aus durch Abwágen von Wirkungen, Grenzen und Kosten der móglichen MaSnahmen. RisikomaEnahmen zu ergreifen verursacht Kosten, Risikovermeidung durch Verzicht auf bestimmte unternehmerische Handlungen kann z. B. Umsatz- oder Gewinnchancen mindern. Grundsátzlich diirfte ais Máxime gelten, dafi die Kosten der Risikominderung oder -absicherung kleiner sind als der potentielle Schaden. In vielen Fallen liefien sich Risiken durch Verbesserung der Informationsbasis vermindern, z. B. durch rechtliche Beratung bei der Abfassung von Vertrágen, auf Auskünfte über den Vertragspartner sowie auf Informationen über Kosten und Eignung bestimmter Sicherungsinstrumente. Das Problem dabei ist zum einen, die richtigen d. h. kompetenten - Informationsquellen zu finden, zum anderen, eine Balance zwischen entstehendem Kostenaufwand und Nutzen der Informationsgewinnung zu wahren (z. B. die Bonitátsprüfung <ferner> Kunden). Ganz sicher aber ist eine falsche Beratung áuSerst gefáhrlich, weil die Konsequenzen enorm sein kónnen. Ein wichtiger Aspekt ist auch, ob und inwieweit derartige risikobezogene Kosten in die Preise hineinkalkuliert (überwálzt) werden sollen oder kónnen oder ob das Unternehmen sie ggf. selbst tragen muS oder will. Allgemein sind zu unterscheiden Instrumente, die bei den Ursachen ansetzen, und solche, die bei den Wirkungen ansetzen. Ursachenbezogene Instrumente beeinflussen das Schadensereignis (z. B. Verbesserung der Informationsbasis, (Verhaltens-) Training, Ausbildung. Ein typisches wirkungsbezogenes, d. h. schadensbezogenes Instrument ist eine Versicherung. Je nach Risikoneigung kann man versuchen, Risiken umfassend oder partiell abzusichern. • Das allgemeine unternehmerische Risiko ist grundsátzlich nicht abzusichern, • einzelne Risiken hingegen schon, z. B. das Kreditrisiko (Zahlungsrisiko), daS der Abnehmer nicht wie vereinbart zahlt, durch eine Hermes-Abdeckung. Vielfach ist bei der externen Risikoabsicherung eine Selbstbeteiligung üblich. Die Instrumente sind meist kombinierbar; das Risikomanagement sucht dann nach einem optimalen Mix. Zum Risikomanagment gehórt ein solides und konsequentes Risiko-Controlling. Dies ist sehr umfassend zu verstehen und sollte in erster Linie das allgemeine unternehmerische Risiko im Zusammenhang mit den verfolgten Unternehmenszielen im Auge haben. Das Controlling ist durch feed back mit dem Management- und EntscheidungsprozeS verkniipft. Nicht wenige Unternehmen haben durch eine konsequente Risikoanalyse zum einen Kosteneinsparungsmóglichkeiten, zum anderen Verlustpotentiale identifiziert. Im folgenden werden einige wichtige Risikoarten náher untersucht. <?page no="311"?> H - 1 . Allgemeines Risikomanagement 289 H-1.5. Risikoarten (Überblick) Aufgrund der offensichdichen Vielfalt von Problemen und Risiken in der AuSenwirtschaft kann sich bei manchen Untemehmern durchaus eine gewisse <Schwellenangst> vor Auslandsaktivitáten ergeben (Abb. H-l/ 4). Offensichtlich gibt es aber auch eine Fiille von Móglichkeiten, mit diesen Risiken umzugehen, wie die zahllosen Unternehmen belegen, die vom Aufenhandel gut und sehr gut leben. H-1.5.1. Allgemeine Risiken in der AufSenwirtschaft Allgemeine Risiken ergeben sich zunáchst einmal in Form des grundsátzlichen wirtschaftlichen Risikos, das jedes Unternehmen tragen muí? , d. h. der Móglichkeit des Scheitern. Dieses Risiko stellt sich in auslándischen Márkten aber móglicherweise in verschárfter Form, weil die Rahmenbedingungen der Markte und des Wettbewerbs andere sind. Hierzu záhlen insbesondere auch die sozio-kulturellen Rahmenbedingungen eines fremden Landes. Abb. H-1/ 4: Risikoarten Allgemeine Risiken . • Sprache • Mentalitat, Kultur • administrative Probleme • Rechtssicherheit • Kriminalitat • Korruption etc. Güterrisiken • Absatzrisiken (Marktrisiken) • Beschaffungsrisiken • Lieferrisiken • Transportrisiken • Lagerrisiken • Technische Risiken • Produkthaftungsrisiken etc. Wáhrungsrisiken • Umrechnungsrisiken • Bilanzierungsrisiken • Marktchancenrisiken etc. Lánderrisíken • Politische Risiken • kriegerische Ereignisse, Aufruhr • politische Instabilitát • Embargos, Boykotts • Beschiagnahme, Enteignung • Wirtschaftspolitische Risiken • Ánderung der Vorschriften • Konvertierung-, Tansferrisiken etc. Zahlungsrisiken • Abnahmerisiken • Zahlungsrisiken (Delkredere-R-) • Liquiditátsrisiko • Bonitátsrisiko • Inkassorisiko . • Konvertierungs-, Transferrisiken • Kautionsrisiken etc. sonstige Risiken • Produkthaftungsrisiken • Verstólte gegen Export-/ Importvorschriften • Markenpiraterie etc. <?page no="312"?> 290 H Risikomanagement im AuGenhandel (a) Sprache Ein zentrales Problem ist zunáchst einmal die Sprache; dies gilt fur Importeure ebenso wie fur Exporteure. Deutsche Unternehmer kónnen nur in selten Fallen davon ausgehen, dafi ihre Gescháftspartner deutsch sprechen. RegelmáfSig wird es wohl erforderlich sein, daf? sich die Partner auf eine gángige Sprache wie Englisch, Franzosisch oder Spanisch einstellen (Abb. H-l/ 5). Dies bedeutet mógliche Mifsverstándnisse beim Umgang mit Kunden, Lieferanten, Spediteuren, Behórden usw., einschlieSlich etwaiger Sprachprobleme bei Rechtsstreitigkeiten. Natiirlich lassen sich Verstandigungsschwierigkeiten durch Dolmetscher oder Ubersetzer abschwáchen, doch dies kann Verzógerungen und erhebliche Kosten verursachen. Eine hohe Sprachkompetenz auf eigener Seite ist in dieser Hinsicht die beste Risikoabsicherung. Abb. H-1/ 5: Spraehbarrieren als Exportbremse Wenn Danen in Portugal Teppiche verlegen Ein Beispiel ist das franzósische <Gesetz zur Anwendung der franzósischen Sprache> («Loi Toubon»), das allerdings in der Praxis weniger Probleme zu bereiten scheint, ais ursprünglich befiirchtet wurde. In Portugal müssen alie Produkte eine portugiesische Übersetzung fremdsprachlicher Etiketten aufweisen, bevor sie in den Handel gebracht werden kónnen. Zuwiderhandlungen werden ais GesetzesverstóSe geahndet. Ein polnisches Sprachgesetz verlangt, dais grenzüberschreitende Vertráge (auch) in Polnisch abgefaSt sein müssen. Die polnische Sprachregelung gilt allerdings nicht fur Dokumente im grenziiberschreitenden Warenverkehr (z. B. Versanddokumente). Dennoch bleibt Rechtsunsicherheit, weil Polnisch auEerhalb zollrechtlicher Belange von den Zollbeamten durchaus verlangt werden kann. In Problemfállen sollte man sich an die Deutsch-Polnische IHK in Warschau wenden. (b) Mentalitat, Kultur, Sitten und Gebráuche Das Umgehen mit auslándischen Partnern im In- oder Ausland kann erheblich von der jeweiligen Mentalitat beeinfluSt werden, sowohl von expliziten oder ungeschriebenen Umgangsformen etwa bei Verhandlungen oder Konferenzen als auch durch Handelsbráuche und Usancen. Hinzu kommen u.U. ungewohnte Aspekte, wie die Notwendigkeit, beim Umgang mit Behórden kráftig zu <schmieren>, oder eine aus deutscher Sicht ungewohnte Auffassung von Pünktlichkeit oder Zuverlássigkeit: Wohl jeder Exporteur, Importeur oder Investor kann viele Geschichten erzáhlen iiber mangelnde Liefertreue, schlechte Produktqualitáten, schwankende Lieferfáhigkeit usw. Auch wird man sich auf abweichende Feiertagsregelungen einstellen müssen; z. B. ist im arabischen Raum der Freitag ein Feiertag, in Israel der Samstag; wáhrend des Ramadan sind viele Aktivitáten eingeschránkt; Karneval wird in manchen Lándern gefeiert, in anderen nicht; nationale und religiose Feiertage reichen vom Geburtstag Martin Luther Kings (USA, 17. Januar), Neujahr (in Agypten: 6. April) über Buddhas Geburtstag (11. Mai, Indien), Tag der Marine (Japan, 20. Juli), Veteranentag (USA, 11. November) bis hin zum Constitution Day (Taiwan, 25. Dezember). Die verschiedenen Zeitzonen führen dazu, dais" mancher Gescháftspartner gerade nach Hause geht, wenn wir aufstehen, und umgekehrt. Lustig ist immer, wenn man sich mit dem Zeitunterschied verrechnet und urn 10 Uhr denkt, beim Partner ware es jetzt 16 Uhr, und sein Handy ihn urn 4 Uhr morgens weckt. In manchen tropischen Lándern endet der Arbeitstag in den Behórden bereits am Mittag. Dies hat i.d.R. zwei Griinde: <?page no="313"?> H - 1 . Allgemeines Risikomanagement 291 Die einheimischen Arbeitnehmer wohnen meist am Stadtrand (in diesem Sinne ist der sonst disputable Begxiff der sog. Margrnalbevolkerung entfernungstechnisch korrekt), und sie müssen zu ihren Arbeitsplátzen anreisen, meist mit privaten oder óffentlichen Sammeltaxis oder Bussen, in jedem Fall aber gegen Entgelt. Da eine Unterbrechung aller Tátigkeiten in der mittáglichen Hitze in tropischen Gegenden immer üblich und verstándlich ist (man denke an die bekannte Siesta bei unseren spanischen Nachbarn), wiirden die Arbeitnehmer entweder eine mehrstiindige Mittagspause überbrücken müssen, oder wenn sie zwischenzeitlich nach Hause zuriickkehrten wiirden ihnen zweimal Transportkosten entstehen; dies aber ist bei meist sehr bescheidenen Lóhnen nicht finanzierbar. Folglich ist die Variante gángig, daft die Arbeitszeit z. B. 8.00 Uhr bis 14.00 Uhr dauert - und dann ist Schluft (oft aber ais 6-Tage-Woche). Ein nachmittáglicher Telefonananruf aus Europa stóftt folglich ins Leere. Diese Regelung hat im Behórdenbereich noch eine andere simple ókonomische Erklárung: Ein Ende der Dienstzeit gegen Mittag eróffnet die Móglichkeit, einem Zweiterwerb nachzugehen für Staatsbedienstete in vielen Entwicklungslándern vóllig normal. Dies erklárt auch die in den betreffenden Lándern meist intern allgemein akzeptierte, somit institutionalisierte Korruption: Schmiergelder sind normal, gelten quasi als Lohnanteil óffentlich Bediensteter, die sonst nicht wüftten, wie sie bei oft horrenden Inflationsraten und entsprechenden Preisen über die Runden kámen, zumal sie oft ais (Mit-)Ernáhrer einer Groftfamilie fungieren: Wer ein Arm hat, ist moralisch verpflichtet, seine <petits freres> die «kleinen Brüder und Vettern» zu untersriitzen. Solche Probleme lassen sich am besten durch konkrete Erfahrungen vor Ort begreifen. EXKURS Korruption umfaRt ein weites Spektrum: Sie reicht von der Schmiergeldzahlung über Vetternwirtschaft bis hin zu Erpressung und Mord. Meist sind Korruptionspraktiken für beide Seiten - Empfanger wie Zahler von Vorteil. In verschiedenen Lándern in Lateinamerika, Afrika und Asien wurde mir von Gespráchspartnem versichert, daft ein Minister, der es nicht verstehe (um es drastisch auszudrücken), sich wie ein Schwamm vollzusaugen, ein schlechter Minister sei. «Wenn er nicht einmal das kann ...» Zudem sind die Kontrollbehórden und der Justizapparat selbst angesichts niedriger Gehálter anfállig für Korruption. Und daher ist es so schwer, den «Korruptions-Sumpf», wie es so schón heiGt, auszutrocknen. Die gemeinnützige internationale Organisation Transparency International in Berlin hat da einen schweren Stand, ihre Ziele jenseits von Lippenbekenntnissen von Politikern vieler Lander in der Praxis auch zu realisieren. Wir berühren dieses Thema in verschiedenen Abschnitten. (c) Administrative Probleme Auslándische Verfahren und Verfahrensvorschriften erschlieften sich manchmal nur mühsam, aufterdem kónnen sie sich andern, ohne daft es der deutsche Unternehmer erfáhrt. Ein deutscher Gerátehersteller klagte unlángst über ein bestimmtes Zielland, daft keine Ladung nach demselben Schema verzollt würde. Eine solide Informationsgewinnung direkt oder durch kompetente Stellen, im In- oder Ausland kann hier vorbeugen, aber auch Kosten verursachen. <?page no="314"?> 292 H Risikomanagement ¡m AuRenhandel (d) Allgemeine Rechtsprobleme Auf der juristischen Ebene kónnen sich in mancherlei Hinsicht Risiken ergeben, z. B. im Hinblick auf das Arbeitsrecht, auf die administrativen Prozeduren (z. B. bei Rechtsbehelfen), bei der Durchsetzung von Anspriichen bei Streitigkeiten mit dem Geschaftspartner, hinsichdich des Risikos, aus der Produzentenhaftung in Anspruch genommen zu werden, usw. Hier sind mit der auslándischen Rechtslage kompetent vertraute Rechtsberater die beste Risikoabsicherung, auch wenn dies nicht immer billig sein wird: Zwar sind die lokalen Honorare oft bescheiden, doch gibt es meist eine Gebiihrentabelle fur einheimische und eine fiir (reiche) auslándische Klienten. Das muí? man in der Regel akzeptieren. Ein Consultant in einem ziemlich armen (= billigen) Land verlangte von mir unlángst Honorare, wie sie in Tokyo gángig sind. H-1.5.2. Lánderrisiken Der Begriff des Lánderrisikos (politisches Risiko) wird in der Literatur sehr uneinheitlich verwendet. Grundsátzlich sind damit Risiken gemeint, die nicht in der Person des auslándischen Partners begriindet sind, also z. B. keine Bonitátsrisiken, sondern sich aus Mafinahmen der auslándischen Regierung oder allgemein aus der Situation des Partnerlandes ableiten. Das Lánderrisiko erstreckt sich im Ergebnis auf alie Verlustgefahren, die dem auslándischen Unternehmen aus gesamtwirtschaftlichen, politischen und sozio-kulturellen Griinden in seiner Gescháftstátigkeit entstehen konnen. Lánderrisiken sind sowohl inhaltlich schwer zu prázisieren weil sie sich aus einer diffusen Vielzahl von Aspekten ergeben als auch kaum zu prognostizieren. Aus der Vielzahl von Methoden und Analysemodellen sind einige bekannt, weil sie publiziert werden, andere werden von den anwendenden Banken, Versicherungen und Industrieunternehmen unter Verschlui? gehalten. Insgesamt gibt es zwei grofo Hauptgruppen von Analysemodellen: solche zur Ermittlung der Kreditudirdigkeit eines Landes, die also eher bankmáfsig orientiert sind, und solche zur Ermittlung von Risiken bei Handelsbeziehungen und bei Direktinvestitionen. Trotz aller Unterschiede in der Zwecksetzung und der angewendeten Analysemethoden ist die Grundstruktur áhnlich: Zunáchst handelt es sich darum, einen Kriterienkatalog auszuwáhlen, der je nach der Art des zu analysierenden Risikos unterschiedlich strukturiert sein wird: Die Kreditwiirdigkeit eines Landes hángt von anderen Kriterien ab als die Rentabilitát von Investitionen. Diese Kriteriensammlungen umfassen i.d.R. sowohl qualitative Kriterien (z. B. das Ausmai? biirokratischer Hindemisse) als auch quantitative (z. B. Inflationsrate). Einige der Risikoanalysen beschránken sich auf eine reine Beschreibung der Situation, ohne das Lánderrisiko in irgendeiner Weise z. B. in einem Indexwert quantitativ zu verdichten («Lánderbericht»). Andere Ansátze «übersetzen» auch qualitative Kriterien in quantitative Werte. Viele Analysemethoden verwenden eine ¡Combination qualitativer (deskriptiver) und quantitativer Indikatoren, beispielsweise auch bei der Hermes-Kreditversicherung bei der Zuordnung zu Lánderrisikogruppen (vgl. Abschnitt H-3.2.6). Bekannt sind auch Ratingsysteme beziiglich der pauschalen Kreditwiirdigkeit eines Landes bei der Begebung von internationalen Anleihen. Allgemein kann zwischen politischen Risiken i.e.S. und wirtschaftspolitischen Risiken unterschieden werden: <?page no="315"?> H - 1 . Allgemeines Risikomanagement 2 9 3 H-1.5.2.1. Politische Risiken Zu den politischen Risiken záhlen kriegerische Ereignisse, Aufruhr oder Revolution im Ausland, politische Instabilitát (Regierungswechsel, Politikwechsel), entschádigungslose Beschlagnahmung (Konfiszierung) bzw. Enteigung von Giitern (CEN-Risiko: confiscation, expropriation and nationalization; vgl. Abschnitte B-6.7.5 und B-6.7.7 zu Direktinvestitionen), Embargo und Boykott, 3 so dai? die Ware nicht vertragsgemáS exportiert oder importiert werden kann bzw. darf oder der Importeur die Zahlung nicht leisten kann. Im weiteren Sinne záhlt auch erhóhte Kriminalitát zu den politischen Risiken, denn in vielen Fallen haben Unternehmen Probleme mit der Besetzung von Auslandspositionen, weil Mitarbeiter nicht bereit sind, ihre Familien und sich solchen Risiken auszusetzen. Auch eine verbreitete Korruptionsmentalitát kann die Abwicklung von Transaktionen behindern. H-1.5.2.2. Wirtschaftspolitische Risiken Neben die politischen Risiken im oben beschriebenen Sinne treten andere staatliche Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen. Im Importwie im Exportland kónnen sich die AuEenhandelsvorschriften ándern, so daS z. B. Kontingente eingefiihrt werden, Lizenzen bzw. Genehmigungen erforderlich werden oder Einfuhr- oder Ausfuhrverbote erlassen werden. In Landern mit Devisenbewirtschaftung bestehen Konvertierungsbzw. Transferrisiken sowie Zahlungsverbots- und Monzionwms-Risiken (KT- und ZM-Risiken), bei dem der auslándische Importeur durchaus zahlungswillig und in seiner Wáhrung auch zahlungsfáhig ist, jedoch ein Umtausch in und Transfer von Devisen aufgrund staatlicher Mafsnahmen nicht mehr móglich ist; Abschnitt H-2.1 geht hierauf ein. Auch Wechselkurs- und Ztnsanderungen sind zu den wirtschaftspolitischen Risiken zu záhlen. Vgl. hierzu Abschnitt H-4. Dabei liegen die Ursachen in Veránderungen auf den Wáhrungs- und Kreditmárkten. Die Dauer des Risikos gilt vom Zeitpunkt der Angebotsabgabe bis zur Erfullung der letzten Rate der offenen Verbindlichkeit. Der Verlust für den Exporteur besteht dann in Mindererlósen gegenüber den Kalkulationswerten, für den Importeur entsprechend als Verteuerung. Diese Risiken sind um es nochmals zu betonen abzugrenzen vom Zahlungsrisiko (Zahlungsausfallrisiko), das von der Bonitát des Schuldners abhángt (vgl. Abschnitt H-2.1). Wie beim Fabrikationsrisiko kónnen auch hier die Ursachen für die Nichterfüllung des Schuldners politischer oder wirtschaftlicher Natur sein. Der Verlust für den Exporteur besteht in Zahlungsausfállen oder in Zinsverlusten bei verspátetem Eingang. H-1.5.3. Giiterrisiken H-1.5.3.1. Giiterrisiken im Export (1) Absatzrisiko Auf der Exportseite ergibt sich zunáchst einmal ein Absatzrisiko (Marktrisiko), indem für den Export produzierte Ware nicht verkauft werden kann, z. B. weil neue Konkurrenten aufgetreten sind, weil die eigene Preiskalkulation nicht (mehr) den international üblichen Prei- 3 Vgl. dazu Abschnitt L-6.4. <?page no="316"?> 294 H Risikomanagement im AuGenhandel sen entspricht, weil sich neue (Zoll-) Práferenzráume gebildet haben, weil die Produktqualitát nicht (mehr) konkurrenzfáhig ist, weil sich Wechselkursánderungen ergeben haben, usw. Eine entsprechende Marktbeobachtung ist eine notwendige, wenngleich nicht hinreichende Risikoabsicherung. Unzureichende Marktkenntnis kann dazu führen, das fiir den Auslandsmarkt ungeeignete Produkte angeboten werden, falsche Geschaftspartner gewáhlt werden (Kunden, Lieferanten, Spediteure, Makler usw.), die Vertriebsbzw. Beschaffungssysteme unangemessen sind, usw. In Abschnitt B-7.3 wurde bereits darauf eingegangen. (2) Abnahmerisiko Hinzu kommt ein Abnahmerisiko, wenn der auslándische Káufer die bestellte - und móglicherweise bereits ausgelieferte - Ware nicht abnimmt (Annahmerisiko). Dabei kónnen zusátzlich Lagerrisiken entstehen, indem die nicht absetzbare Ware zu Zins- und Lagerkosten fiihrt und von Verderb, Diebstahl oder Überalterung bedroht ist. In Abschnitt G-3.4 ist dies im Zusammenhang mit den Dokumenten-Inkassi ausfiihrlich angesprochen worden. (3) Transport- und Lagerrisiken Transportrisiken bestehen in zweierlei Hinsicht: Erstens besteht die Gefahr, daE die abgesandte Ware an einen falscben Ort geliefert wird oder daf? von der vorgesehenen Reiseroute abgewichen wird bzw. werden muS (z. B. bei Ausbruch von Konflikten) oder dafi die Ware mit zeitlicher Verzogerung ankommt (Streiks) oder unterwegs <steckenbleibt>. Dieses Risiko ist i.d.R. nur schwer abzusichern, ggf. durch Konventionalstrafen, die mit dem Lieferanten vereinbart werden, der sich jedoch insbesondere von Risiken freistellen lassen wird, die nicht in seinem Verantwortungsbereich, sondern beim Spediteur oder Frachtführer oder in hoherer Gewalt {force majeure) begriindet liegen. In den meisten Transportbedingungen aber ist die Haftung fur zeitliche Verzogerungen sehr eingeschrankt und schlieSt u. a. Griinde wie unzureichende Hafenkapazitát, Grenzblockaden, Streiks, Sabotage, hoheitliche Eingriffe (z. B. Beschlagnahmung), politische Ursachen usw. aus. Diese Risiken kónnen i.d.R. nur gesondert und gegen teilweise erhebliche Prámien abgesichert werden (vgl. Abschnitt H-3). Zweitens bestehen Transportrisiken hinsichtlich Qualitdtsverlust, Beschadigung oder Verlust der Ware, nicht zuletzt auch bei erforderlichem Umladen der Ware oder aufgrund klimatischer Einfliisse oder aufgrund des Transportweges (z. B. Seewasserscháden). Diese Risiken kónnen durch entsprechende Versicherungen abgesichert werden bzw. sind bereits in den Frachtraten des Transportführers berücksichtigt. Wer die Kosten dafur trágt, hángt von den vereinbarten Lieferbedingungen ab (vgl. Abschnitt G-2.4 zu Versicherungen). (4) Haftungsrisiko Ein besonderes Risiko kann daraus entstehen, dal? der Exporteur im Rahmen seiner Produzentenhaftung (Produkthaftung) in einem Ausmaft in Anspruch genommen wird, das das nationale Risiko <zu Haus> bei weitem iibertreffen kann, z. B. auf dem US-amerikanischen Markt. Vgl. hierzu ausfiihrlicher Abschnitt H-6. (5) Technische Risiken Besondere klimatische Bedingungen, abweichende Normen und Sicherheitsvorschriften sowie unzureichende Qualitát der menschlichen Arbeit kónnen Nacharbeiten, Umriistungen oder Reparaturen zu Lasten des Exporteurs bedingen. <?page no="317"?> H - 1 . Allgemeines Risikomanagement 295 (6) VerstoBe gegen Exportvorschriften Das Aulsenwirtschaftsrecht beinhaltet eine Reihe von Exportbeschránkungen, insbesondere hinsichtlich des Exports strategischer Giiter. Nach der jetzigen Rechtslage besteht für den deutschen Exporteur das Risiko, daG sein Abnehmer die bezogenen Giiter verbotswidrig verwendet, insbesondere wenn es sich urn dual-use-Gütei handelt oder um Anlagenteile, die fur sich genommen den Exportbedingungen entsprechen, jedoch in Kombination mit anderen Gütern mifibrauchlich für andere Verwendungszwecke eingesetzt werden. Der Lieferant kann dies nicht in letzter Konsequenz iibersehen, und auch die Vorlage von Endverbleibsnachweisen ist keine 100%ige Absicherung (vgl. Abschnitt L-6 zur Exportkontrolle). Unabhángig davon birgt die Komplexitát der auSenwirtschaftsrechtlichen und zollrechtlichen Bestimmungen die Gefahr von (unbeabsichtigten) VerstóGen, die als Ordnungswidrigkeiten mit GeldbuEen geahndet werden kónnen. (7) Kautionsrisiken Háufig muG der Exporteur Garantien stellen (insbesondere Bietungs-, Anzahlungs, Liefer- Gewáhrleistungs-, Erfiillungsgarantien). Da derartige Garantien in der Regel «auf erstes Anfordem» hin, d. h. ohne materielle Prüfung des Anspruchs zahlbar gestellt werden, besteht die Gefahr, da6 sie unberechtigterweise in Anspruch genommen werden (unfair calling) (vgl. Abschnitt H-2.4.3.4). H-1.5.3.2. Giiterrisiken im Import Die Dispositionen des Importeurs beruhen darauf, dai? die Importware so zu seiner Verfiigung gestellt wird, wie er sie geordert hat. Dabei treten eine Reihe von Risiken auf. (1) Beschaffungsrisiko Das Beschaffungsrisiko hat mehrere Dimensionen. Zum einen besteht es in quantitativer Hinsicht darin, daS georderte Ware nicht oder nur in unzureichender Menge geliefert werden kann bzw. geliefert wird (Ausfall von Vorlieferanten und anderen Bezugsquellen, Mifiernten, Naturkatastrophen, Streik, politische Unruhen im Ausland, Konkurs des Lieferanten, Falschdisposition des Lieferanten beim Export). In qualitativer Hinsicht kann eine bestimmte Qualitát nicht zu beschaffen sein oder es wird eine mangelhafte Qualitát geliefert oder es kommen gar komplette Falschlieferungen vor (die Grenze zum quantitativen Beschaffungsrisiko ist dann flieSend). In zeitlicber Hinsicht kann seitens des Lieferanten der zugesagte Liefertermin nicht eingehalten werden oder es treten Verzógerungen bei der Zollabfertigung auf entweder im Export- oder im Importland). Verzógerungen, Falsch- oder Fehllieferungen kónnen den Importeur u. U. selbst in Verzug gegeniiber seinen Abnehmern bringen. In preislicher Hinsicht kann die bestellte und gelieferte Ware aufgrund von zwischenzeitlichen Preisveránderungen fur den geplanten Zweck zu teuer geworden sein (Preissenkungen der Konkurrenten). (2) Lieferrisiko Sofern diese Probleme auf den auslándischen Lieferanten zuriickzufiihren sind, spricht man von Lieferrisiko oder Lieferantenrisiko. Risikovermeidung würde den Verzicht auf Importgescháfte bedeuten. Risikoverminderung ist móglich u. a. durch Sicherstellen alternativer Bezugsquellen, was jedoch háufig dennoch zu zeitlichen Verzógerungen führt und Kosten <?page no="318"?> 296 H Risikomanagement im Auftenhandel nach sich ziehen kann. Gegen Lieferantenrisiken kann sich der Importeur teilweise absichern durch die Pruning der abzusendenden Ware im Exportland vor der Verpackung bzw. Verladung auf der Transportmittel. Hierfiir gibt es wie ausgefiihrt spezialisierte Unternehmen, die im Auftrag des Importeurs solche Untersuchungen durchfiihren und hieriiber ein Inspektionszertifikat (PSC: Pre-Shipment-Certificate) ausstellen, das u.a. auch Bestandteil von Akkreditivdokumenten sein kann. Eine Abschwachung des eventuellen Schadens aus Lieferantenrisiken kann auch durch Vereinbarung von Konventionalstrafen geschehen sowie durch Anzahlungs-, Bietungs- und Liefer-Garantien. Sofern der Importeur jedoch auf den ordnungsgemáSen physischen Eingang der Ware angewiesen ist, niitzen ihm auch kompensierende Geldleistungen oft nur wenig. (3) Transport- und Lagerrisiken Sachrisiken aus Transport, Lagerung und Montage (Beschádigung, Verlust, Verzogerung) bestehen analog wie fur den Exporteur. Hinzu kommt das Risiko von Fehlleitung der Ware. (4) Produkthaftung Unter bestimmten Voraussetzungen unterliegt der Importeur wie der Hersteller und der Exporteur der Produkthaftung. Vgl. Abschnitt H-6. H-2. Zahlungsrisiken «Zahlt Ihr Kunde in harter Wahrung, weicher Wahrung - oder gar nicht? » So fragte die Hermes-Versicherungs-AG in einer Zeitungsannoncen und bildete dazu eine Banane ab. Aber auch in anderen Lándern ais Bananenrepubliken bestehen unabhángig von den im vorangehenden Abschnitt behandelten Risiken im AuSenwirtschaftsverkehr besondere Zahlungsrisiken, auch wenn diese sich in mancher Hinsicht mit den Zahlungsrisiken im Inland iiberschneiden (Abb. H-2/ 1). Hermes hat dafür einige schóne Zitate aus anderen Kulturkreisen gefunden: «Man soil den Scheck nicht vor der Gutschrift loben» oder «Auf einem Abb. H-2/ 1: Zahlungsrisiko Quelle: Hermes-AG Wer zahlt, wenn Ihr Kunde nicht mehr zahlt? <?page no="319"?> H - 2 . Zahlungsrisiken 2 9 7 langen Weg kann viel passieren» oder «Auch starke Dácher brauchen Stützen» oder «Erst am Ufer ist der Fisch gefangen». Eine zentrale Praxiserfahrung ist, daS man die Bonitát der Partner solide prüfen und sich nicht zu unvorsichtigen Engagements verleiten Iassen sollte. Allgemein kann man sagen, daS die Zahlungsrisiken im EG- und EFTA-Bereich im grofen und ganzen den inlándischen Risiken entsprechen, so dai? sich die folgenden Ausfuhrungen in erster Linie auf das sonstige Ausland beziehen, wo neben dem Kundenrisiko auch Lánderrisiken hinzukommen. Dies láSt sich u. a. auch daran ablesen, daS staatliche Exportkreditversicherungen (vgl. Abschnitt H-3.2) nicht für EG-Lander zu erhalten sind; allerdings hat dies auch rechtliche Griinde, die sich aus dem Verbot der Exportsubventionierung im EG-Vertrag ergeben (Art. 87 ff. EGV). Das Risiko von Zahlungsausfállen bei Kunden kann leicht zu einem Dominoeffekt im eigenen Hause fiihren, im Sinne von «Ein Konkurs kommt selten allein». Unternehmen, die sich gegen derartige Risiken nicht absichern, kónnen selbst leicht in Schwierigkeiten geraten. Dies gilt insbesondere für mittelstándische Unternehmen mit einer diinnen Eigenkapitaldecke. Auch wenn ein Forderungsausfall nicht gleich die Existenz des Unternehmens bedroht, wird er sich negativ auf die Erfolgszahlen und -kennziffern auswirken. Aus Hermes- Berechnungen ist zu entnehmen, daS ein Forderungsverlust von 20.000 Euro (vereinfacht) einen Mehrumsatz von 500.000 Euro erfordert, um eine Umsatzrendite vor Steuern von 4 % wieder zu erreichen H-2.1. Arten des Zahlungsrisikos Zu den Zahlungsrisiken (Abb. H-2/ 2) zahlt zunáchst einmal das allgemeine Kredit- oder Delkredere-Risiko, worunter man den Ausfall oder den verspáteten Eingang der Zahlung versteht. Das Delkredere-Risiko umfaiSt bei differenzierterer Betrachtung auch das Abnahmerisiko, d. h. der Importeur nimmt die Ware nicht ab und verweigert logischerweise auch die Zahlung, z. B. weil Beanstandungen gelten gemacht werden oder der Importeur eine giinstigere Bezugsquelle ausfindig gemacht hat. Bei Verweigerung der Abnahme kónnen für den Exporteur erhebliche Kosten entstehen, zunáchst durch entstandene Produktions- und Transportkosten, nun erforderliche Lager- und Versicherungskosten, ggf. auch durch erforderliche Preisnachlásse, um die Ware ohne zu grofie Verzógerung an andere Káufer absetzen zu kónnen, oder durch den erforderlichen Rücktransport der Ware, weil sie auch mit Preisnachlassen nicht anderweitig veráufert werden kann, z. B. bei Spezialanfertigungen. Hinzu kommt das Zahlungsrisiko i.e.S., d. h. der Importeur nimmt die Ware ab, zahlt aber nicht oder nur unvollstándig oder verspátet, obgleich er objektiv voll leisten kónnte (Zah- Abb. H-2/ 2: Zahlungsrisiken Wachsende Risiken im Gesehaft mit RuBland Deutsche Unternehmen beklagen schlechte Zahlungsmoral, Devisenmange! und Korruption in der GUS Moskau will Waggons nicht abnehmen I DEUTSCHE WAGGONBAU AG Ostdeutsches Unternehmen gerát ohne Hermes-Sonderkonditionen in eine schwierige Lage <?page no="320"?> 298 H Risikomanagement im Auftenhandel lungsunwilligkeit). Bei privaten Abnehmern wird die Zahlungsunwilligkeit angenommen, wenn sie ohne rechdich abgesicherte Einreden (z. B. Mángelrüge) die Zahlung verweigern (Nichtzahlung, protracted default; to protract in die Lánge Ziehen); dies macht ca. 80% aller wirtschaftlichen Schadensfálle aus. PRAXISTIP Für den ¡nnereuropáischen Gescháftsverkehr schreibt eine EC-Richtlinie zur Bekámpfung des Zahlungsverzugs im Handelsverkehr vor, daft saumige Schuldner automatisch 30 Tage nach Fálligkeit und Zugang einer Rechnung ohne Mahnung in Verzug geraten und einen Verzugszins von 5% iiber dem Basiszins der EZB zahlen müssen. Den Zugang der Rechnung hat der Gláubiger zu beweisen. Das «deutsche Gesetz zur Beschleunigung fálliger Zahlungen» setzt diese Richtlinie seit Mai 2000 in nationales Recht um. Um wie bisher den Verzug durch Mahnung herbeiführen zu kónnen (Abb. H-2/ 3), sollten die AGB für Gescháfte mit Kaufleuten einen entsprechenden Passus enthalten. Gegenüber Verbrauchem wirkt dies nicht, weil ungünstigere Regelungen ais die gesetzlichen unwirksam sind. Abb. H-2/ 3: Neue Verzugsregel birgt Nachteile für Gláubiger Davon abzugrenzen ist das Bonitatsrisiko, daS sich aus dauerhafter Zahlungsunfdhigkeit des Kunden trotz urspriinglich angenommener Bonitát ergibt (z. B. aufgrund Konkurs, Vergleich, schlechte wirtschaftliche Lage) sowie das Liquiditatsrisiko, wenn der auslandische Importeur voriibergehend nicht zahlen kann. Gelegentlich wird auch als Inkassorisiko bezeichnet, daS der Schuldner die Zahlung bewuSt verweigert oder verzógert. Diese Risiken sind abzugrenzen gegen das Konvertierungsrisiko und das Transferrisiko (KT- Risiko) und das Zahlungsverhots- und Moratoriwnsrisiko (ZM-Risiko), die nicht im EinflulSbereich des Importeurs liegen. Man versteht darunter die Falle, in denen der Káufer durchaus zahlungswillig und in seiner Wáhrung zahlungsfáhig ist, jedoch aufgrund von Devisenbeschránkungen die Zahlung nicht in Devisen ausführen darf. Ein Transferverbot kann sich gezielt gegen bestimmte Lander richten. Transferprobleme kónnen auch noch eintreten, nachdem der Káufer landesintern die Zahlung bereits angewiesen hat. Transferrisiken kónnen insbesondere bei verbundenen Unternehmen («Mutter-ATochter-Unternehmen») u. a. begrenzt werden, indem in Zeiten noch unbehinderten Kapitalverkehrs Zulieferungen in das transferbedrohte Ausland zu iiberhohten Preisen erfolgen, so da(? noch vor dem «Greifen» von Restriktionen Kapital ins Ausland geschleust werden kann. Im weiteren Sinne kann man zum KT-Risiko auch die Falle záhlen, dal? dem Importeur der Transfer aufgrund einer fehlenden Einfuhrgenehmigung nicht ermóglicht wird oder sich die Eróffnung eines vereinbarten Akkreditivs aufgrund von Problemen innerhalb des Bankensystems verzógert. KT-Risiken sind eng verwandt mit einem generellen Zahlungsverbot fur Inlander oder einem einseitig verfiigten, zeitlich begrenzten Moratoriums des betreffenden Staates (ZM-Risiko). Allgemein wird auch von Erfullungsrisiken gesprochen. (Die Abgrenzung zwischen KT- und ZM-Risiken ist fliefiend; meist wird argumentiert, daf> beim KT-Risiko der Schuldner in Inlandswahrung geleistet hat, jedoch die Zahlung ins Ausland blockiert wird, wáhrend er <?page no="321"?> H-2. Zahlungsrisiken 299 beim ZM-Risiko aufgrund der staatlichen MalSnahmen gar nicht erst eine Einzahlung bei seiner Bank zum Zweck des Transfers leisten kann.) Die dauernde Zahlungsablehnung wird in Abgrenzung zum voriibergehenden Moratorium als Repudiation bezeichnet. Zahlungsverbote sind selten; beispielsweise wurden sie 1982 von GrolSbritannien und Argentinien wáhrend des Falklandkrieges verhángt bzw. vom UN-Sicherheitsrat wáhrend des Golfkrieges 1991 gegen Irak und Kuweit und wáhrend des Jugoslawienkrieges 1992 gegen Serbíen und Montenegro. Moratorien in offener oder verdeckter Form waren in den 80er Jahren in Lateinamerika weitverbreitet; zuletzt harten Rutland 1998 und Pakistan 2000 ein Moratorium verhángt. In vielen Fallen kommt es dabei dann anschliefSend zu bi- oder multilateralen Umschuldungsabkommen, die meist bei faktischem, jedoch nicht offiziell erklártem Moratorium in groEer Zahl durchgefiihrt wurden. Die Gláubiger müssen dabei in aller Regel einen Teil ihrer Forderungen <abschreiben>, zumindest aber lángere Tilgungszeiten und/ oder niedrigere Zinsen akeptieren. Die Wahrscheinlichkeit von politischen Risiken in Form von KT- und ZM-Risiken hat im Zeitalter flexibler Wechselkurse abgenommen, weil sich Devisenknappheit eher in Abwertungen als in der Unterbrechung des Zahlungsverkehrs áufiern, wie die Asienkrise 1997/ 98 gezeigt hat. In den ehemaligen soziaiistischen Lándern hat der Trend zur Entstaatlichung und zur Marktwirtschaft in dieser Hinsicht ein iibriges getan. PRAXISTIP Es ist nicht anzunehmen, daft alie Kunden eines Unternehmens in einem Land gleichzeitig in Konkurs gehen, so daft die Absicherung des wirtschaftlichen Risikos selektiv erfolgen kann. Wenn sich hingegen ein politisch.es Risiko realisiert, konnen alie Forderungen in einem Land ausfallen. Daher bietet sich in vielen Fallen die Absicherung des politischen Risikos an. Derartige Zahlungsrisiken kónnen auf mancherlei Weise besichert werden: durch An- und Vorauszahlungen, Akkreditive, Ausfallbürgschaften (so daS anstelle des Schuldners ein Biirge i.d.R. im Land des Schuldners, aber dies ist nicht zwingend in die Verpflichtung eintritt), Ausfuhrgarantien (z. B. staatliche Garantien des Exportlandes gegeniiber dem Gláubiger), Factoring oder Forfaitierung. Auf staatliche MaBnahmen zur Exporterlósabsicherung wird im Abschnitt H-3.2 eingegangen. H-2.2. Risikobegrenzende MaRnahmen H-2.2.1. Bankauskünfte Bevor man als Exporteur einen Liefervertrag unterschreibt, sollte man sich griindlich iiber den potentiellen Káufer informieren. Ein gángiges und relativ einfaches Mittel ist die Einholung von Bankauskiinften bei der eigenen Hausbank. In bestimmten Fallen mag diese den Gescháftspartner selbst kennen, meist kann sie aber iiber Korrespondenzbanken Auskiinfte einholen. In der Regel wird nicht direkt beim Káufer nachgefragt, aber auch solche Aufforderungen zu Selbstauskiinften («Anfrage im Kundeninteresse») kommen vor. Bankauskünfte sind kein Bruch des Bankgeheimnisses. Sie sind aber vertraulich, d. h. das anfragende Unternehmen darf diese Informationen nicht weitergeben. Üblicherweise fragt man an, ob der Káufer für einen bestimmten Betrag <gut> ist. Die Ant- <?page no="322"?> 3 0 0 H Risikomanagement ¡m AuGenhandel wort ist meist recht knapp, aber auch 10-20-seitige Bankauskünfte sind gangig. Die Formulierungen sind manchmal recht vage und erinnern an Umschreibungen, wie man sie in Arbeitszeugnissen findet. Háufig wird dies ergánzt durch zusátzliche Informationen iiber Immobilienbesitz oder andere <Pluspunkte>, wobei auch Einschránkungen z. B. beziiglich einer «angemessenen Belastung des Grundbesitzes» móglich sind. Ein Super-Rating ware eine Formulierung wie: «Wir halten das Unternehmen fur den angefragten Betrag fur unbedenklich gut», denn <unbedenklich> wird nicht <mal s o verwendet. Eine Abschwáchung ware also «Wir halten das Unternehmen für den angefragten Betrag für gut»; skeptisch klingt schon «fur den angefragten Betrag zur Zeit für gut», obgleich diese zeitliche Einschránkung gebráuchlich ist. Ein Hinweis auf eine «befriedigende Auftragslage» ist auch kein Lob in den hóchsten Tónen, ebenso wenig: «Nach unserem Kenntnisstand geht das Unternehmen nur Verbindlichkeiten ein, die es auch erfüllen kann.» Kritisch wird es bei «Uns erscheint der angefragte Betrag hoch/ sehr hoch/ zu hoch» oder «Die finanziellen Verháltnisse scheinen angespannt zu sein», weil Banken es sich zweimal überlegen, ob sie so deutlich werden wollen. Wichtig ist, daS eine Bank mit einer solchen Auskunft keine Haftung übernimmt («ohne Obligo»). Zudem berichtet sie auf ihrem gegenwártigen Kenntnisstand bzw. gibt Informationen weiter, ohne ihre Quelle zu nennen -, wird aber in der Regel keine eigenen Recherchen anstellen. Auch wird sie in der Regel keine nachtráglichen Auskünfte nachreichen, wenn sich die Situation des beurteilten Unternehmens beispielsweise verschlechtert; dies hángt jedoch auch von der Qualitát der Beziehung zum anfragenden Unternehmen und dessen Bedeutung fur die Bank ab. Daher sollte man den Kennntisstand auch über den bekannten Kundenstamm immer wieder aktualisieren, vor allem bei lángeren Kreditlaufzeiten. Für eine Bankauskunft fallen meist Kosten zwischen 50 und 150 Euro an, selten mehr. Bei wichtigen Gescháften ist es sinnvoll, mehrere Auskünfte parallel einzuholen. Problematisch kann es sein, wenn eine Bank über einen eigenen Kunden Auskunft geben soil und dieser vielleicht in Schwierigkeiten steckt: 1st die Bank ehrlich, verliert der Kunde moglicherweise ein gutes Geschaft und gerát weiter in Schwierigkeiten. Man kann auch auf gewerbliche Auskunfteien zurückgreifen, die sicherlich keine eigenen Interessen haben, aber teurer sind (in Deutschland u. a. Creditreform, Schimmelpfeng, Bürgel), sowie auf die Hermes-AG oder Factoring- und Forfaitierungsgesellschaften. Aber auch hier wird man nicht immer aussagekráftige Auskünfte erhalten konnen. Bankauskünfte über Unternehmen in Industrielandern sind meist leichter einzuholen als in <entfernten> Lándern, doch nimmt dieser Unterschied mit zunehmender Prásenz auch der Finanzinstitute in einem globalen Markt mehr und mehr ab. Hinsichtlich der Beurteilung des Standings auslándischer Kreditinstitute (was beispielsweise bei Akkreditiven von grofSer Bedeutung ist), muG man sich in der Regel auf die Einschátzung der eigenen Hausbank verlassen. Natürlich ist ein exportierendes bzw. investierendes Unternehmen gut beraten, sich mit einer Analyse von Unternehmensdaten des Partnerunternehmens zu befassen. Je nach Land und Unternehmensform sind solche Daten nicht immer leicht zu beschaffen. Die Rechtsform des Vertragspartners mag einige Hinweise geben, aber die Unterschiede z. B. hinsichtlich des haftenden Kapitals sind von Land zu Land sehr gro(? (vgl. Abschnitt E-8), und entscheidend ist ja nicht das nominelle Eigenkapital, sondern das reale Vermógen des Unternehmens. Auf inhaltliche Aspekte der Analyse und Auswertung insbesondere von Jahresabschlüssen, Ge- <?page no="323"?> H-2. Zahlungsrisiken 301 scháftsberichten und Kennziffern, kónnen wir hier nicht eingehen, doch ist festzuhalten, daft internationale Unterschiede im Bilanzrecht eine Analyse erschweren. Ein Handelsregisterauszug macht vor allem in Deutschland Sinn. Im englischen Rechtskreis ist ein Handelsregister weitgehend unbekannt: Hier wird nur der Tatbestand der Griindung registriert, aber keine weiteren relevanten Daten. H-2.2.2. Zahlungsbedingungen und Forderungsverkauf Das durch eine Bankauskunft ermittelte <standing> eines Kunden hat EinfluS auf die Wahl einer Zahlungsbedingung und auf die Absicherung des Zahlungsrisikos für den Exporteur, d. h. dafi er leistet, ohne dafs der Káufer rechtzeitig und/ oder vollstándig zahlt. Wie in Abschnitt G-3 ausgefiihrt wurde, láSt sich durch bestimmte Zahlungsbedingungen eine betráchtliche Sicherheit für den Exporteur erreichen, u. a. durch Voraus-, An- oder Abschlagszahlungen oder durch dokumentáre Zahlungsbedingungen (d/ p, d/ a, Akkreditiv). Hinzu kommt die Moglichkeit des Forderungsverkaufs (Factoring, Forfaitierung; vgl. Abschnitt H-2.2.2). Bei vielen Unternehmen ist es iiblich, Forderungen, die nicht durch HERMES zu besichern sind (vgl. Abschnitt H-3.2), zu verkaufen. Dies ist aber gerade wegen der fehlenden Hermes-Absicherung meist mit erheblichen Abschlágen verbunden. H-2.2.3. Garantien und Biirgschaften H-2.2.3.1. Abgrenzung Wie bereits erwáhnt, werden fur eine Reihe von Leistungen bei internationalen Kauf- und Liefervertrágen oft Garantien verlangt, in der Regel ais Bankgarantien oder Bankbiirgschaften. Obgleich diese Begriffe sprachlich oft gleich gesetzt werden, bestehen tatsáchlich wesentliche Unterschiede. 4 (1) Bürgschaft Eine Bürgschaft stellt nach §§ 765ff BGB und §§ 349ff HGB einen Vertrag dar zwischen einem Gláubiger eines Schuldners und einem Biirgen. Dabei verpflichtet sich der Biirge, bei Zahlungsunfáhigkeit oder Zahlungsunwilligkeit des Schuldners für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Schuldners einzustehen. Vertragspartner des Bürgschaftsvertrages sind also der Gláubiger und der Biirge, nicht der Schuldner. Die Bürgschaft gilt nur, soweit die verbürgte Hauptforderung besteht, d. h. wenn die Basisforderung nicht entstanden ist oder aus irgendeinem Grunde erlischt, ist auch die Bürgschaft gegenstandslos (forderungsabhángige oder akzessorische Bürgschaft). Der Bürge kann vom Gláubiger nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Schuldner nicht zu leisten braucht (daher wird im AuSenhandel meist eine Garantie verlangt, siehe unten). Der Bürge haftet üblicherweise subsidiar, d. h. er kann verlangen, dal? die Forderung zunáchst beim Schuldner eingetrieben wird. Erst wenn dies nicht móglich ist (Ausfallbiirgschaft), tritt sein Bürgschaftsversprechen in Kraft (Einrede der Vorausklage), sofern er auf eben diese Einrede nicht vertraglich verzichtet hat (selbstschuldnerische Bürgschaft) und direkt in Anspruch genommen werden kann. Der Bürge 4 Im Zusammenhang mit den Hermes-Gewáhrleistungen des Bundes (vgl. Abschnitt H-3.2.5) werden die Begriffe Bürgschaft und Garantie auch verwendet, jedoch nicht in der strengen juristischen Bedeutung, was leicht zu MiSverstándnissen fiihren kann. <?page no="324"?> 302 H Risikomanagement im AuGenhandel kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden und Einwendungen geltend machen (§§765ff. BGB und § § 349 ff. HGB, wenn es sich um ein Handelsgescháft handelt). Sehr verbreitet ist das Aval, mit dem sich ein Kreditinstitut fur die Verbindlichkeit eines Schuldners verbiirgt (vgl. Abschnitt D-2.1.6). Wegen der Rangfolge erst den Schuldner, dann den Biirgen in Anspruch nehmen hat die Biirgschaft im Gegensatz zur Garantie (vgl. nachstehend) im internationalen Handel nur geringe Bedeutung, denn dem Gláubiger geht es vorrangig davon, im Fall eines Falles ohne lange Diskussionen zu seinem Geld zu kommen. Eine deutliche abgeschwachte Variante der Biirgschaft sind Patronatserklaningen (comfort letters), mit denen ein Mutterunternehmen Lieferanten oder Kreditgeber seiner <Tochter> absichert. Dabei gibt es <weiche> Patronatserklárungen, fur die man sich im Konfliktfall <wenig kaufen> kann, und harte Patronatserklárungen, die eine rechtliche Verpflichtung bedeuten und eine entsprechende Inanspruchnahme ermóglichen. (2) Garantie Der Begriff <Garantie> wird in zweierlei Hinsicht verwendet. (a) Zum einen wird der Begriff im Sprachgebrauch unscharf und rechtlich falsch im Sinne der gesetzlich geregelten Gewáhrleistung verwendet. Dies ist im Zusammenhang mit Kauf- oder Werkvertrágen relevant: Der Hersteller oder Verkáufer eines Gutes mufi dafür einstehen, daS das Gut nicht mit Fehlern behaftet ist (Sachmángel, fehlende zugesicherte Eigenschaft) (Mángelhaftung). Sofern eine Mangelriige gerechtfertigt ist, hat der Káufer Anspruch auf Nachbesserung oder Ersatz (bei Gattungswaren durch Lieferung eines entsprechenden Gutes), oder er kann wahlweise Wandlung (Rückgángigmachung des Kaufvertrages), Minderung (Herabsetzung des Kaufpreises) oder ggf. Schadenersatz wegen Nichterfullung verlangen. Im Gegensatz zur nachstehenden abstrakten Garantie handelt es sich dabei aber nicht um eine Grantie im eigentlichen Rechtssinn, sondern um einen unselbstándigen Bestandteil des Kauf- oder Werkvertrags. (b) Die abstrakte Garantie ist nicht notwendigerweise mit einem bes'timmten Vertragstyp verkniipft: Mit einer Garantie in diesem Sinne entsteht eine unwiderruflicbe Verpflichtung des Garanten, im Auftrag und fur Rechnung seines Auftraggebers fur einen bestimmten Erfolg oder ein Risiko zu haften, insbesondere dem Garantiebegiinstigten einen Schaden zu ersetzen, z.B. wenn der Schuldner nicht zahlen kann oder will (Zahlungsgarantie) oder andere bestimmte Leistungen nicht erbringt. Es besteht also ein rechtlich eigenstandiges Rechtsverháltnis Gláubiger-Garant, unabhángig von der zugrundeliegenden Rechtsbeziehung Glaubiger-Schuldner. Die Zahlung erfolgt üblicherweise sofort auf erstes schriftliches Anfordern (first calling), z. B. wenn der Schuldner nicht gezahlt hat, warum auch immer. Es gibt also keine Einrede der Vorausklage, und der Garant (z. B. eine Bank) kann auch keine Einreden und Einwendungen aus dem Basisgescháft geltend machen. Grundsatz: Erst zahlen, dann prozessieren. DaS dies im Hinblick auf unberechtigte Inanspruchnahme (unfair calling) problematisch sein kann, liegt auf der Hand. Wir gehen weiter unten darauf ein. Es sollte beachtet werden, dafs auch eine Bankgarantie keine absolute Sicherheit bedeutet. Im Zuge der Asienkrise sind zahlreiche Banken zusammengebrochen, deren Garantien folglich wertlos wurden. Man sollte daher darauf achten, dafs eine Bankgarantie von einer international als erstklassig anzusehenden Bank abgegeben wird. <?page no="325"?> H-2. Zahlungsrisiken 303 H-2.2.3.2. Inhaltliche Arten von Garantien Abb. H-2/ 4: Garantie-Gründe Garantievertráge kónnen zwischen den Parteien individuell gestaltet werden, so daS es in der Praxis eine Vielzahl von Ausprágungen gibt. In der Regel ist der Garant eine Bank, doch ist dies nicht zwingend. Der Garantie-Auftraggeber muS jeweils fur den gesamten Garantiezeitraum eine Avalprovision bezahlen (ca. 1 % p.a.). Bei Inanspruchnahme nimmt die zahlende Bank natiirlich Regrefi auf den Auftraggeber. Die nachfolgende dargestellten Garantien sind als die gángigsten anzusehen (Abb. H-2/ 4). (a) Leistungssicherungen für den Kaufer (1) Halt sich bei (internationalen) Ausschreibungen ein Bieter, der den Zuschlag erhált, nicht an sein Angebot, verfállt die Bietungsgarantie oder Offertgarantie (bid bond, tender guarantee) (unabhángig von sonstigen Anspriichen). Die Garantie betrágt i.d.R. 5-15% des Angebotsvolumens, gelegentlich auch mehr. Im anglo-amerikanischen Raum sind akzessorische bonds gángig, die also nicht auf erstes Anfordern hin zahlbar sind. Dabei werden auch Garantiesummen iiber 100 % des Auftragswertes gefordert. Zwei schwáchere Varianten sind gebráuchlich: Mit einer Absichts- oder Verpflichtungserklarung (letter of intent) bestátigt der Garant, daS er im Fall des Zuschlags an seinen Auftraggeber eine Bietungsgarantie abgegeben wird. Mit einer Praqualifikation (Vorauswahl) bestátigt die Bank, daS der sich bewerbende Anbieter die geforderten Leistungen erbringen kann. Erst danach werden ausgewáhlte Anbieter, die in eine Short List aufgenommen werden, zu Abgabe eines Angebots aufgefordert. (2) Mit einer Liefer- oder Leistungsgarantíe (delivery guarantee) wird der Kaufer abgesichert, falls er die Lieferung oder Leistung nicht oder nicht zum vereinbarten Termin erhált. Sie sichert dadurch eine vereinbarte Vertragsstrafe ab (Ponale), i.d.R. 5-15% des Auftragswertes. Sie iiberschneidet sich teilweise mit den folgenden Formen: (3) Durch (Vertrags-)Erfiillungsgarantien (performance bond, warranty bond) soil sichergestellt werden, dal? der Verkáufer dem Káufer vertragsgerechte Ware liefert bzw. im - Fall von Gewáhrleistungsgarantien im Anschlul? an die Lieferung seinen Pflichten im Rahmen der Mángelrüge nachkommt. Dabei sind Garantiesátze von 5-10% des Vertragswerts gángig. Leistungsgarantien werden oft im Rahmen von dokumentárer Zahlung (Akkreditiv, d/ p oder d/ a) zur Absicherungs des Lieferrisikos vom Importeur verlangt und sind dann Teil der Dokumentation. (4) Durch eine Konnossementsgarantie kann der Importeur auch dann die Ware erhalten, wenn das erforderliche Konnossement (Abschnitt G-l.3.3.2) nicht rechtzeitig beim Kaufer eintrifft. Andernfalls würden zusátzliche Kosten wie z. B. Lager- und Versicherungsgebiihren entstehen. Mit der Garantie wird die Reederei oder der Spediteur die • Bietungsgarantie • Liefer- oder Leistungsgarantíe • Erfüllungsgarantien • Gewáhrleistungsgarantien • Konnossementsgarantie • Anzahlungsgarantie • Zahlungsgarantie • SchluGzahlungsgarantie • Konsortialgarantien • Rückgarantien • Transfergarantien • Zollgarantien <?page no="326"?> 3 0 4 H Risikomanagement ¡m Auftenhandel Ware auch ohne das Dokument aushandigen, weil sie sich ggf. bei der garantierenden Bank schadlos halten kónnen, falls sich die Wareniibernahme ais unrechtmáíSig herausstellt. Konnossementsgarantien belaufen sich meist auf 150% des Warenwertes, um auch sámtliche Nebenkosten abzusichern. (5) Durch eine Anzahlungsgarantie (advance payment oder doum payment oder repayment guarantee) soil gewáhrleistet werden, da(? einem Káufer, der eine Anzahlung geleistet hat, diese zuriickgezahlt wird, wenn der Verkaufer nicht leistet (Rückerstattungs- oder Rückzahlungsgarantie). Bei Kreditlieferung ist beispielsweise gángig 5 % Anzahlung bei VertragsabschluS plus 10 % bei Lieferung, Rest auf Ziel. (15 % Anzahlung sind i.d.R. Voraussetzung fur AKA-Kredite und Hermes-Besicherungen.) (b) Zahlungssicherung für den Verkaufer (6) Mit einer Ausfall-Zahlungsgarantie verpflichtet sich die Bank (i.d.R. des Importeurs), einem Exporteur Zahlung zu leisten, wenn dieser eine Erklárung einreicht, dal? der Káufer seiner Zahlungspflicht nicht nachgekommen ist. Diese Garantie ist oft bei «offener Rechnung» zu stellen und schlieSt i.d.R. auch Wechselforderungen ein. Háufig kann der Káufer auch eine geforderte Anzahlung durch eine Garantie seiner Bank ersetzen. Die Zahlungsgarantie ist für den Exporteur aufgrund schwácherer Rechtskraft kein vollwertiger Ersatz für ein Akkreditiv. Da in den USA und Kanada Banken keine Garanden herauslegen dürfen (dies ist Kompetenzbereich von Versicherungen), ist dort (aber auch in anderen Lándern) das Stand-by-Akkreditiv (stand-by letter of credit, SLC) gángig, welches den ERA unterliegt (vgl. Abschnitt G-3.4.2). Das Standby- Akkreditiv ist auf erste Anforderung gegen Vorlage bestimmter Dokumente zahlbar. (7) Durch eine Schlufeahlungsgarantie (retention money guarantee) wird der Verkaufer dagegen abgesichert, daG der Káufer die letzte Rate (AbschluEzahlung) aus Sicherheitsgründen zurückhált. (8) Konsortialgarantien gibt es bei Konsortialgescháften, bei denen mehrere Konsorten oder Lieferanten Leistungen erbringen und gemeinsam eine Bank beauftragen, dem Abnehmer gegenüber eine Garantie abzugeben; für diese harten die Konsorten meist nicht gesamtschuldnerisch, sondern anteilig (pro rata), und müssen für ihre Quote eine Garantie stellen. Zwischen den Konsortialpartnem sind Rückgarantien üblich, wenn nur einer der Partner gegenüber dem Kunden ais Generalunternehmer auftritt und eine Garantie abgibt. Der Garant kann dann von seinen Konsortialpartnem Erstattungen für den Fall verlangen, daE er zunáchst umfassend in Anspruch genommen wird. (9) Durch Transiergarantien wird dem Verkaufer die Zahlung sichergestellt, wenn durch staatliche MaSnahmen verhindert wird, dal? der vom Káufer ordnungsgemáS angeschaffte Betrag nicht in Devisen konvertiert werden (Konvertierungsrisiko) oder transferiert werden kann (Transferrisiko) (sog. KT-Risiko; vgl. Abschnitt H-2.1). (c) Zahlungssicherung gegenüber Behórden (10) Zollgarantien dienen zur Absicherung der ZoUverwaltungen. Aufgrund der teilweise erheblichen Abgabenschulden, die beim Güterimport entstehen kónnen, verlangen die Zollbehórden in einer Reihe von Fallen (Bank-)Sicherheiten, z. B. bei der Genehmigung <?page no="327"?> H-2. Zahlungsrisiken 305 bestimmter Vereinfachungen oder der Genehmigung von Zollagern. Meistens handelt es sich dabei allerdings nicht um Garantien auch wenn dies in der Literatur teilweise so bezeichnet wird -, sondern um Biirgschaften. Abb. H-2/ 4 fafit die gángigsten Garantiearten zusammen. H-2.2.3.3. Direkte und indirekte Garantien Bei einer direkten Garantie besteht eine unmittelbare Beziehung zwischen garantierender Bank und Garantiebegiinstigtem. Dabei gilt das nationale Recht des Garantiegebers (Abb. H-2/ 5). Bei einer indirekten Garantie beauftragt z. B. die Bank des Exporteurs eine Korrespondenzbank im Importland, dem Importeurs eine Garantie abzugeben: In vielen Entwicklungslándern, u.a. im arabischen Raum, diirfen Garantien nur von Instituten abgegeben werden, die im Land ansássig sind. Dabei gilt das nationale Recht der Korrespondenzbank. Die Exportbank wird der Importbank dabei i.d.R. eine bedingungslose, auf erste Anforde- Abb. H-2/ 5: Direkte/ lndirekte Garantie Direkte Garantie Garantiebank t Gescháftsbesorgungsvertrag 1 Garantieauftraggeber (Exporteur) Rückgarantiebank t Geschaftsbesorgungsvertrag 1 Garantieauftraggeber (Exporteur) Kaufvertrag Indirekte Garantie Gescháftsbesorgungsvertrag (mit Rückgarantie) Kaufvertrag Garantiebegünstigter (Importeur) Garantiebank Garantieví mit abstra Zahiungsv \ rtrag <tem srsprechen r Garantiebegünstigter (Impo rteur) <?page no="328"?> 306 H Risikomanagement im AuGenhandel rung zahlbare Riickgarantie geben. Indirekte Garantien bedeuten zusátzliche Kosten und Risiken, u. a. Anerkennung auslándischen Rechts und zeitliche Verzógerungen. H-2.2.3.4. Inanspruchnahme von Garantien Im Vergleich mit der sehr groSen Anzahl abgegebener Garantien werden Garantien de facto relativ selten tatsáchlich abgerufen. Andererseits sind sie aber wie erwahnt meist «auf erstes Anfordern» hin (on first demand/ call), d. h. ohne materielle Pruning des Anspruchs, zahlbar gestellt. Die in Anspruch genommene Bank wird den Garanrie-Auftraggeber von der Inanspruchnahme benachrichtigen, so dafi dieser u. U. im direkten Kontakt mit dem Garantiebegiinstigten versuchen kann, die Inanspruchnahme abzuwenden. Die Garantiebank kann jedoch keine Einreden aus dem Grundgescháft geltend machen, um die Zahlung abzuwehren. Banken iibernehmen sowieso nur sehr selten bedingte Garantien, weil sie hier die Inanspruchnahme materiell priifen müÉten. Bei unbedingten Garantien wird gezahlt, wenn sie form- und fristgerecht angefordert werden. Sofern Garantien doch einmal nicht auf erstes Anfordern zahlbar gestellt werden, sollte der Garantiebegiinstigte darauf achten, daS sich die vom Garantiegeber geforderten Nachweise, da£ der Garantiefall eingetreten ist, in Grenzen halten. Da der Garantieauftraggeber von der Garantiebank in RegreS genommen werden wird, hat er ein Interesse daran, dafi die Garantie nicht unberechtigt ausgezahlt wird. Es hat diverse Falle gegeben, wo der Garanrie-Auftraggeber wufite, dafs unfair calling vorlag und vergebens durch eine einstweilige Verfiigung die Garantieauszahlung verhindern wollte; die Oberlandesgerichte haben in der iiberschaubaren Vergangenheit immer zugunsten der zahlungswilligen Banken entschieden. Nicht wenige Banken weigern sich auch bei zweifelhaften Fallen, eine Garantiezahlung zu verweigern, um nicht ihren guten Ñamen zu beschádigen; in einigen Fallen haben sie die Garantie selbst bezahlt. Trotzdem sollte man im konkreten Fall priifen, ob die Garantiezahlung eventuell vom Auftraggeber blockiert werden kann. PRAXISTIP Wenn Sie doch mal eine einstweilige Verfiigung gegen eine Garantieauszahlung erwirken wollen, beantragen Sie sie abends beim diensthabenden Richter, der meist weniger Einblick in die Problematik haben wird als der Wirtschaftsrichter, der tagsiiber erreichbar ist... Eine direkte (eigene) Garantie kann vom Garantiegeber besser kontrolliert werden als eine indirekte, bei der eine Bezugsbank z. B. in der Mongolei zwischengeschaltet wird. Die Aufforderung zur Garantieauszahlung ist dann auSerhalb der Kontrolle der Garantiebank: Gerichtsstand ware dann vielleicht Ulan Batar. Aufgrund der Rechtslage bzw. den entsprechenden Kosten lohnt es sich in den meisten Fallen nicht, gegen eine ungerechtfertige Inanspruchnahme einer Garantie einen Prozef» anzustrengen (vgl. Teil F). Daher ist es sinnvoll, sich dagegen zu schiitzen, daS Garantien unberechtigt in Anspruch genommen werden. Dies kann z. B. auch durch vorherige Vereinbarung eines Schiedsgerichts erfolgen oder durch eine sog. Kautionsversicherung. Vgl. dazu Abschnitte F-4 und H-3.2.12. Garantien werden oft befristet. Es ist aber in der Praxis nicht selten, daS der Garantiebegiinstigte, z. B. bei einer Ausschreibung, auf Verlangerung der Garantie drángt, d. h. in die- <?page no="329"?> H - 3 . Exportkreditbesicherung 3 0 7 sem Beispiel müssen die Bieter ihr Angebot lánger aufrecht erhalten, ais sie ursprünglich kalkuliert habe. In verschiedenen Fallen wurden auch Bietungsgarantien von den nicht zum Zuge gekommenen Anbietern <kassiert>. Ggf. wird eine erneute Garantie erforderlich. Auch bei Gewáhrleistungsgarantien sind immer wieder Falle beobachtbar, dafi der Garantiebegiinstigte kurz vor Ablauf der Garantiefrist an den Garantiegeber herantritt und ihm das Ultimatum stellt, die Garantie zu verlangern, weil er andernfalls die Garantie in Anspruch nehmen werde («pay or prolong»). Folglich verlángert man dann záhneknirschend, und dieses Spiel kann sich durchaus mehrmals wiederholen. Letztlich kann man bei einem solchen <Partner> nur hoffen, dal? er irgendwann die Garantie zuriickgibt. Manchmal muí? man schon zu ihm hinfahren und versuchen, ihn im Gesprách dazu zu bringen. Ob sich dies lohnt, ebenso wie ein Rechtsstreit bei unfair callings muí? natürlich im Einzelfall kalkuliert werden. Allerdings bewegen sich die Falle von unfair calling im Verhaltnis zur Gesamtzahl von Garanden im Promillebereich, so daS das konkrete MiSbrauchsrisiko iiberschaubar bleibt: Von 1000 Garanden pro Jahr werden vielleicht 5 % (also 50) zu pay or pro/ ong-Fallen; 20 davon fuhren zur konkreten Inanspruchnahme, davon werden wiederum 15 durch interne Verhandlungen erledigt (z. B. indem man androht, den Vorgang zu publizieren: Man habe bei der Adresse Dinge beobachtet, die international unüblich sind), in 3 Fallen akzeptiert der Exporteur, bleiben 2 (0,2%) ais tatsáchliches unfair calling. Seit 1978 gibt es die Einheitlichen Richtlinien für Vertragsgarantien, die von der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris entwickelt worden sind. Die ICC hat Mitte 1992 dazu ergánzend Einheitliche Richtlinien fur auf Anforderung zahlbare Garantien auf internation a l Ebene eingeführt (URDG: Uniform Rules on Demand Guarantees). H-2.2.3.5. Stand-by Letter of Credit Im angloamerikanischen Raum hat der Standby Letter of Credit (SLC) erheblich an Bedeutung als Garantieinstrument gewonnen. Seit 1.1.1999 sind die Rules of International Standby Practices (ISP 98) als ICC-Publikation 590 in Kraft getreten nach einem sehr umstrittenen Entscheidungs- und AbstimmungsprozeS. Ein SLC ist ein unabhángiges, unwiderrufliches dokumentares Zahlungsversprechen; dies entspricht der Akkreditivdefinition nach den ERA 500. Im Gegensatz zur auf erstes Anfordern zahlbaren Garantie ist fur den SLC die Vorlage von Dokumenten erforderlich. Dies geht auf das amerikanische Recht zuriick, nach dem Banken keine Garantien oder Bürgschaften herauslegen diirfen. In den USA und Kanada werden ca. funfmal mehr SLCs als die Akkreditiv-áhnlichen CLCs verwendet (Commercial Letter of Credit; vgl. Abschnitt G-3.4.2.4). Wegen der im Vergleich zum Akkreditiv sehr unterschiedlichen Rechtsbestimmungen sollte man sich vor der Vereinbarung von SLCs als Garantieinstrument umfassend beraten lassen. H-3. Exportkreditbesicherung Es ist davon auszugehen, daí? es fur viele Unternehmen nicht móglich ist, die Bonitát ihrer Kunden im Ausland wirklich solide zu analysieren. Hierfur stehen oft weder aussagekráftige Informationen noch entsprechende Erfahrungen in hinreichendem Mafie zur Verfügung. <?page no="330"?> 308 H Risikomanagement im AuRenhandel Die verschiedenen privaten und staatlichen Exportversicherungstráger mit langjáhriger Erfahrung priifen und iiberwachen die Kreditwiirdigkeit der Abnehmer. DaS dabei eine gewisse Diskretion erforderlich ist, liegt auf der Hand, aber grundsátzlich ist ein Informa tionsersuchen einer Exportkreditversicherung nichts Ehrenrühriges. Grundsátzlich wird der Versicherungsnehmer auch zunáchst eingeschaltet, bevor die Versicherung an den Kunden herantritt. Die Beratung durch die Versicherungsunternehmen geht im konkreten Nutzen háufig weit iiber die reine Risikobesicherung hinaus: Schadensverhiitung statt Schadensvergiitung. Im tatsáchlichen Schadensfall aber erfolgt die Entschádigung für den gróSten Teil eines Forderungsausfalls (meist) ohne grofsen Formularaufwand und grofe Verzógerung. Die Kosten für diese Absicherung halten sich in Grenzen, sind bekannt und folglich kalkulierbar. Entschádigungsansprüche kónnen abgetreten werden und erweitern damit die Kreditmóglichkeiten des Exporteurs. PRAXISTIP Versicherungsmakler haben meist einen besseren Überblick über den zunehmend unübersichtlicher werdenden Assekuranzmarkt ais das Unternehmen und kónnen den jeweils besten (im Sinne von passendstem und/ oder giinstigstem) Versicherer empfehlen. (Bei privaten Versicherem gibt es einen Konditionenwettbewerb; im staatlichen Bereich gibt es in Deutschland nur die Gewáhrleistungen des Bundes.) Da der Versicherungsmakler vom Versicherer bezahlt wird, der den Auftrag erhált, ist dieser Service für das anfragende Unternehmen kostenlos. Der Versicherer wird vor der Risikoeindeckung die Bonitát des Schuldners prüfen. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen ist dies ein interessanter Service. Bei Neugescháften ist es daher ratsam, sich über die Versicherbarkeit einer Exportforderung rechtzeitig, d. h. vor Abschlufi des Exportvertrages zu informieren. Die Versicherer verfügen meist über eingespielte Quellen - Korrespondenzinstitute im Land des Importeurs, Banken, Auskunftsbüros sowie eigene Erfahrungen. Zudem werten sie Unterlagen aus (Selbstauskünfte des Importeurs, Jahresabschlüsse). Bei kleineren Kreditrisiken wird der Exporteur aufgefordert, eine Bonitátsprüfung seines Kunden anhand von Prüfleitlinien selbst durchzufuhren. PRAXISTIP Es ist ratsam, diese Prüfleitlinien sehr genau zu beachten, da andernfalls im Schadenfall die Deckung verloren gehen kann. Die Einhaltung dieser Leitlinien wird natürlich erst nach Anmeldung eines Schadensfalles durch den Exporteur unter die Lupe genommen, und dann ist es móglicherweise zu spat, und es besteht kein Deckungsschutz. Ein kritischer Punkt ist oft der seitens der Versicherung vorgeschriebene Eigentumsvorbehalt, der nicht in jedem Land durchsetzbar ist. Dies sollte vorab mit der Versicherung besprochen werden. Zeitlich sind zwei Risikoabscbnitte zu unterscheiden (Abb. H-3/ 1): das Risiko vor Versand der Ware (Produktions- oder Fabrikationsrisiko) und das Risiko nach Versand der Ware bis zur vollstándigen Bezahlung der Ware (Ausfuhrrisiko). Die Besicherung des Ausfuhrrisikos bezieht sich nur auf Risiken, die nicht von einer Transportversicherung oder einer anderen <?page no="331"?> H - 3 . Exportkreditbesicherung 3 0 9 Versicherungsform abgedeckt werden. Zudem kann das Kreditrisiko von Bestellerkrediten abgedeckt werden (vgl. Abschnitt H-3.2.13). Abb. H - 3 / 1 : Risikophasen ,# j> 4Ü <** K>* & * * Fabrikations- Ausfuhrrisiko risiko Ohn e Bonner Hermes-Garantie fehlt den Exporteuren eine wichtige Stütze Mittelstand fragt mehr Hermes-Kredite nach Exportkreditversicherung Nur noch 3 Prozent hermesgedeckt Hinsichtlich der Schadensursachen sind zu unterscheiden das Delkredererisiko (Zahlungsunwilligkeit oder -unfáhigkeit des Schuldners sowie die Risiken aus Verzug) und das politische Risiko (Lánderrisiko), das sich aus der Situation des Importlandes ableitet (vgl. Abschnitt H-2.1). Diese Risiken kónnen ganz oder teilweise bei privaten und staatlichen Versicherern abgedeckt werden. Ein wichtiger Unterschied zwischen privaten und staatlichen Versicherern besteht darin, daft bei einem staatlichen Versicherer (in Deutschland: Hermes-AG) nur eine Ja-Nein-Entscheidung bezüglich der Entschádigung móglich ist, wahrend in der privaten Assekuranz zum einen ein Wettbewerb bezüglich der Vertragskonditionen besteht, zum anderen auch Kulanzregelungen móglich sind, die der Hermes-AG aus haushaltsrechtlichen Gründen verwehrt sind. Die privaten Versicherer sind gewinnorientiert (ihre Pramien sind daher oft hóher), die Hermes-AG versucht allenfalls eine Kostendeckung (die bisher nur in sehr wenigen Haushaltsjahren erreicht wurde). 5 H-3.1. Private Exportkreditbesicherung In Deutschland bieten u. a. die Allgemeine Kreditversicberungs-AG, Mainz, die Gerling Konzem Speziale Kreditversicberungs-AG, Kóln, die Zurich' Kautions- und Kreditversicberungs- AG, Frankfurt, die Gotbaer Versicberung, Gottingen, aber auch die Hermes-Kreditversicberungs-AG (mit rd. 50% des Marktes) als Privatversicherer Exportkreditversicherungen an. 5 Die Darstellungen in diesem Kapitel haben von vielen Inputs meines Kollegen Hans Martin Kaupp von der Hermes-AG Stuttgart profitiert. <?page no="332"?> 3 1 0 H Risikomanagement ¡m AuRenhandel Private Versicherer wollen móglichst den kompletten Umsatz des Exporteurs absichern, um ein Risiko-Mix zu erreichen. Dabei ist ein Mantelvertrag (Sammelpolice) mit umfassender Andienungspflicht aller kurzfristigen Risiken des Exporteurs (bis 24 Monaten) gegeniiber privaten Unternehmen mit Sitz im Ausland iiblich, auch innerhalb der OECD. Meist ist eine selektive Absicherung einzelner Risiken wie bei den staatlichen Ausfuhrgewahrleistungen («Hermes») nicht móglich. Die Allgemeine bietet fiir kleine und mittlere Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis zu 2 Mio Euro eine Sonderdeckung an. Im Rahmen der sog. Europa-Police werden die Forderungen bis zu 50.000 Euro pro Kunde und mit Zahlungszielen bis zu 180 Tagen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen sowohl im Inland ais auch im europáischen Ausland besichert. Die Prámie richtet sich nach dem Umsatz des letzten Gescháftsjahres (bei bis zu 1 Mio beispielsweise knapp 2.000 Euro). Private Exportkreditversicherer iibernehmen nur Risiken, deren Eintrittswahrscheinlichkeit einigermaSen prázise zu berechnen ist und fur die eine Rückversicherung móglich ist. Sie decken daher vorrangig nur das wirtscbaftlicbe Exportkreditrisko in OECD-Lándern ab, da die politiscben Risiken nicht prázise genug kalkulierbar seien. Man schátzt, daf? etwa 8 5 % der kurzfristigen Exportkreditversicherungen innerhalb und auSerhalb der EU von privaten Versicherern getragen werden. Fiir einige Lander bieten auch mehr und mehr private Versicherungen Policen gegen politische Risiken an, in der Regel aber nur kurzfristig, d. h. fur maximal 6 Monate. Viele Versicherungsnehmer bevorzugen eine Versicherung <aus einer Hand>, so dal? ein gewisser Druck für die Entwicklung eines privaten Marktangebots besteht. Meist schliefien die Versicherer dafiir Rahmenvertráge mit Korrespondenzinstituten ab, die gleichzeitig die Abwicklung von Importfinanzierungen im Partnerland erleichtern. Das Partnerinstitut iibernimmt dabei oft eine Garantenfunktion fiir <seine> Importeure. Eine Deckung politischer Risiken von Exportkrediten (incl. der Transferrisiken) kann auch wenngleich teuer bei einigen internationalen privaten Kreditversicherungen auf dem sog. Brokermarkt erfolgen, z. B. beim Lloyd's-Syndikat, London, oder der American International Group (AIG), New York. Diese Institute versichern auch politische Risiken bis zu einer Kreditlaufzeit von bis zu drei Jahren: Für lángere Fristen gibt es fiir die Versicherer keine Riickversicherungsmoglichkeiten. Die Garant Versicherungs-AG, Wien, und die Black Sea and Baltic General Insurance Ltd, London, besichern auch Zeitraume bis zu 10 Jahren. Der Selbstbehalt betrágt i.d.R. 10%, die Prámien 1-5%, bei besonders risikoreichen Engagements bis zu 10% der besicherten Forderungen. Die Absicherung des Fabrikationsrisikos ist meist relativ teuer. Das wirtschaftliche Risiko, das in der Person des Schuldners begründet liegt, kann in der Regel nur zu 75 % besichert werden, d. h. der Exporteur muS einen Selbstbehalt von 25 % tragen. Gegen entsprechenden Aufpreis kann der Selbstbehalt allerdings meist verringert werden. Ublicherweise werden bei Waren- und Dienstleistungsvertrágen nur kurze Zahlungsziele bis zu 180 Tagen versichert. Lángere Laufzeiten wie bei Investitionsgiitern iiblich kónnen durch eine spezielle Investitionsgiiterversicherung 6 abgedeckt werden, die gleichzeitig auch das Fabrikationsrisiko einschlieftt. In der EU weisen Frankreich und GroSbritannien ein sehr hohes Insolvenzniveau auf; mit grofSem Abstand folgen dann Deutschland, Italien und Belgien; die Niederlande haben eine 6 Nicht verwechseln mit Investition&scfcwízversicherung; vgl. Abschnitt B-6. <?page no="333"?> H-3. Exportkreditbesicherung 311 sehr geringe Insolvenzquote. Pauschal gesehen besteht ein Zusammenhang zwischen (BIP-)- Wachstum und Insolvenzen: Mit zunehmendem Wachstum nehmen auch die Insolvenzen zu, weil die Eigenkapitaldecke oft zu diinn ist. Die Erfahrung zeigt, dal? sich aus einer Unter nehmenspleite 2-3 Folgeinsolvenzen ergeben (wie gesagt: «Ein Konkurs kommt selten allein»), u. a. weil Wiederbelebungsversuche in Form von Management-Buy-Outs 7 scheitern. Durch die Globalisierung und zunehmende Aktivitáten werden mehr RJsiken abgesichert und treten mehr Schadensfálle auf: Die Schaden aus wirtschaftlichen Risiken haben drastisch zugenommen. Auch als sicher geltende Unternehmen (z. B. Daewoo in Korea) sind zu Risikofállen geworden, die iiber Zulieferverbindungen zu erheblichen Dominoeffekten führen kónnen. Diese sind fur das einzelne Exportunternehmen sehr viel schlechter abzuschátzen als durch Versicherer mit grófierem Überblick. Zur Feststellung des Schadensfalls durch Zahlungsunfáhigkeit des Kunden sind verschiedene Alternativen móglich (dies hángt von der Versicherungsbedingungen ab: Es muí? das Konkursverfahren eróffnet oder mangels Masse abgelehnt sein; alternativ muS ein gerichtlicher Vergleich eingeleitet sein, um den Konkurs abzuwenden; ein auSergerichtlicher Vergleich ist mit alien Glaubigern zustande gekommen; eine Zwangsvollstreckung in das Vermógen des Importeurs hat nicht zu ausreichendem Forderungsausgleich gefiihrt; die Zahlung des Importeurs erscheint aussichtslos. Die zu zahlende Entschadigung (unter Abzug des Selbstbehalts des Exporteurs) schlieSt die Kosten der Rechtsverfolgung nicht ein. Private Versicherer pflegen ihre Zahlungen je nach Prámienklasse zu begrenzen, z. B. auf das Zwanzigfache der Jahresprámie. Unter Umstánden muE der Exporteur sehr lange auf die Entschadigung warten, weil bis zur endgiiltigen Feststellung des Schadens z. B. durch Konkurseróffnung viel Zeit verstreichen kann. Die dabei móglichen Liquiditátsprobleme kónnen gesondert versichert werden. Die Versicherungspramien werden im Gegensatz zur staatlicben Hermes-Besicherung individuell kalkuliert und orientieren sich meist an historischen Zahlungserfahrungen mit den betreffenden Importeuren sowie an den Umsatzzahlen des Exporteurs: Je grófier der Umsatz, desto niedriger die Prámien. Abb. H-3/ 2 enthált ein Beispiel. Neben der eigentlichen Prámie wird eine jáhrliche Prüfungsgebühr fur die Überwachung der auslándischen Schuldner berechnet. Abb. H-3/ 2: Versicherungspramie Exportumsatz Durchschnittliches Zahlungsziel d. h. durchschnittlicher Forderungsbestand Prámiensatz p.m. Prámie p.a. Bei kürzeren Zahlungszielen würde sich die Ais durchschnittliche GróRenordnung kann umsatzes ausgehen. 10Mio. EUR 90 Tage 2,5 Mio. EUR 1,6%, 48.000 EUR Prámie verringern, bei man lángeren erhóhen. von 4 Promille des Export-Jahres- 7 Ehemalige Mitarbeiter übernehmen das Unternehmen ais Eigentümer natiirlich mit externer Kapitalhilfe - und versuchen, es fortzuführen. Oft gelingt dies, oft auch nicht. <?page no="334"?> 3 1 2 H Risikomanagement im AuRenhandel H-3.2. Staatliche Exportkreditbesicherung AJle Industriestaaten und auch andere Lander bieten staatliche Exportkreditversicherungen an. Exporteuren sollen gegen solche Risiken aus dem Auslandsgescháft abgesichert werden, die sie anderweitig nur sehr teuer oder gar nicht besichern kónnten (nicht-marktfáhige Risiken), so dafi sie ggf. auf bestimmte Exportgescháfte verzichten wiirden. Die politischen Zielsetzungen solcher staatlichen Angebots sind Export- und Bescháftigungsfórderung durch ErschlieSung und Erhaltung von Auslandsmarkten. Die staatliche Versicherung soil aber nur eintreten, wenn kein Verdrángungswettbewerb mit dem privaten Assekuranzsektor entsteht. Allerdings werden im Schnitt lediglich 3-5% des deutschen Gesamtexports staatlich versichert, zumeist im Hinblick auf das politische Risiko (Lánderrisiko). Der deutsche AuíSenhandel vollzieht sich in erster Linie mit Industrielandern, fur die es zum einen keine staatlichen Besicherungsmoglichkeiten gibt, zum anderen aber auch keine benótigt werden, da kaum politische Risiken bestehen und ausreichender privatwirtschaftlicher Versicherungsschutz zur Verfugung steht. Etwa 85% der staatlichen Besicherungen entfallen auf Entwicklungs-, Transformations- und Schwellenlánder auSerhalb Europas (ohne OPEC), 10- 12% auf Mittel- und osteuropáische Lander (MOEL). Haupt<kunden> sind Tiirkei, China, Brasilien, Malaysia, Mexiko, Korea, Indonesien, Rutland, Polen, Israel, Siidafrika, Saudi- Arabien und Argentinien; westliche Industrielánder machen nur einen Anteil von 2 % aus. Die staatlichen Exportkreditversicherungen werden vor allem von mittelstándischen Unternehmen genutzt. Natiirlich ergeben sich nicht nur im Export, sondern auch im Import entsprechende Risiken, wie in Abschnitt H-1.5 deutlich wurde, aber Importrisiken kónnen nicht durch Bundesdeckungen abgesichert werden. H-3.2.1. Organisation In der Bundesrepublik gibt es zwei im staatlichen Auftrag arbeitende Versicherer: die Hermes Kreditversicherungs-AG und die PwC Deutsche Revision AG Wirtschaftspiiifungsgesellschaft i . Beide sind private Gesellschaften und arbeiten im Auftrag des Bundes (Mandatare), beide mit Hauptsitz in Hamburg. In den Versicherungsunterlagen ist auch stets <der Bund> Vertragspartner; die Mandatare treten dort nicht in Erscheinung. Die Hermes AG ist im Bereich der Ausfuhrgewáhrleistungen tátig, die PwC im Bereich der Kapitalanlagebesicherung. Hermes hat ein weites Filialnetz in alien Bundeslándern sowie diverse Niederlassungen in Europa, Osteuropa und Südostasien. Wir beschránken uns im folgenden auf die Hermes- Aktivitáten. Die Hermes-AG wurde 1917 gegriindet und bereits 1928 zusammen mit der heute nicht mehr existierenden Frankfurter Allgemeinen Versicherungs-AG vom Reichsfinanzministerium als Mandatar unter Vertrag genommen. (Der Hermes> gehort heute zu fast 90% der Allianz- Münchener-Rückversicherungs-Gruppe 9 (der Staat ist nicht als Anteilseigner an der Hermes AG beteiligt). Die Hermes AG macht rd. 50% ihres Gesamtumsatzes mit Warenkreditversi- 8 Früher: zunáchst Deutsche Treuarbeit, dann C&L Treuarbeit Deutsche Revision AG, dann C&L Deutsche Revision AG (C&L: Coopers & Lybrand International), jetzt PwC Deutsche Revision AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PwC: PriceWaterhouseCoopers). 9 89% Allianz, 5% R+V Allgemeine Versicherungs-AG, 2,7% Wüstenrot + Wiirttembergische AG, 2,9% sonstige. Die Miinchener Riick gilt ais gróEter Rückversicherer der Welt. <?page no="335"?> H-3. Exportkreditbesicherung 313 cherungen als privater Versicherer, knapp 20% mit (staatlichen) Ausfuhrkreditversicherungen und ca. 7% mit Kautionsversicherungen (Garantieversicherungen) (www.hermes.de). Die Monopolstellung der Hermes-AG im Bereich der staatlichen Ausfuhrkreditversicherungen ist umstritten. Befurworter argumentieren, daf? Wettbewerb in diesem Bereich zu insgesamt hoheren Kosten fiihren wiirde. Offensichtlich ist der Drang anderer Versicherer in diesen Sektor auch nicht allzu stark. Da Hermes mit staatlichen Geldern arbeitet, bestehen im Gegensatz zu privaten Versicherern keine Kulanzmoglichkeiten. Gelegentlich hat Hermes daher in der Wirtschaft ein rigides, formalistisches Behórdenimage, doch ist das Bundeshaushaltsrecht eben so. Der maximale Kreditrahmen fur die Ausfuhrgewáhrleistungen des Bundes wird im Haushaltsgesetz jáhrlich festgelegt, und zwar sowohl fur Lieferantenals auch fur Bestellerkredite (vgl. unten); das Deckungsvolumen ist also eine politische Entscheidung. Die Mandatare erhalten fur ihre Dienstleistungen ein erfolgsunabhangiges Beratungshonorar und Kostenerstattung seitens des Bundes. Abgesehen von der Abwicklung der Ausfuhrgewáhrleistungen des Bundes ist die Hermes AG in ihrem sonstigen Privatgescháft grundsátzlich gewinnorientiert. Die Ausfuhrgewáhrleistungen laufen iiber separate, vom Privatgescháft getrennte Treuhandkonten ab, so daS Auszahlungen aus dem Bundeshaushalt geleistet werden und Einnahmen dem Bundeshaushalt zuflieEen. Anders ausgedrückt: Verluste aus Gewahrieistungen deckt der Bundeshaushalt, Gewinne fliefsen in den Bundeshaushalt. Die Gewahrieistungen verursachen in der Kegel Verluste; dies gilt aber international. Zu beriicksichtigen sind im Zeitablauf aber auch substantielle Rückflüsse aus früheren Scháden. Dies gilt insbesondere fiir politische Scháden (vgl. unten), wáhrend die Rückflüsse aus wirtschaftlichen Scháden naturgemáí? gering sind. In den Jahren 1999 und 2000 allerdings schlossen die Bundes-Gewáhrleistungen erstmals seit Anfang der 80er Jahre wieder mit positiven Jahresergebnissen ab, vor allem auch, weil die Ausgaben für Scháden rückláufig waren (Abb. H-3/ 3). Abb. H-3/ 3: Hermes-Gewinne Wi e d e r G e win n e m it He rm e s -Bürg s c h aft e n Wichtig für den Mittelstand Der Bund macht mit Hermes weniger Gewinn Durch Umschuldung mil RuBland steigen Entschadigungszahlungen / Mehr neu gedeckte Ausfuhrgeschafte H-3.2.2. Deckungspolitik Bei der Absicherung von Exportrisiken wird zum einen unterschieden zwischen staatlichen und privaten Abnehmern (Abschnitt H-3.2.5), zwischen politischen und wirtschaftlichen Risiken (Abschnitt H-3.2.6) sowie hinsichtlich des Risikozeitraums (Fabrikations- oder Ausfuhrrisiko; Abschnitt H-3.2.7). Der Exporteur kann sich hierüber durch eine leicht verwirrende Fülle von Merkbláttern vorinformieren; ratsam ist in jedem Fall eine individuelle Beratung. PRAXISTIP Hermes und PwC bieten über eine Servicenummer - 040-88 34-9008 spezielle Beratung für kleine und mittelstandische Unternehmen an (oft besetzt). <?page no="336"?> 314 H Risikomanagement ¡m AuGenhandel Die Besicherung eines Exportgescháfts erfolgt analog zu den privaten Versicherern immer nach individueller Priifung des Einzelfalls. Seitens des Exporteurs besteht kein Anspruch auf eine Besicherung. Bei Laufzeiten von weniger als sechs Monaten wird die Kreditwiirdigkeitspriifung wie auch bei Privatversicherern dem Exporteur iibertragen, und auch hier tut man gut daran, sich strikt an die Priiflisten zu halten, um den Versicherungsschutz nicht zu gefahrden. Die Mandatare kónnen nur iiber Kreditdeckungen bis zu 1 Mio. Euro selbst entscheiden; dies betrifft ca. 70% aller Falle. Dabei wird insbesondere die Bonitát von Sicherungsgebern (meist Banken) auf der Seite des auslándischen Kunden den Ausschlag geben. Bei hóheren Betrágen (ca. 10% der Falle) entscheidet der Interministerielle AusscbufS (IMA), der sich aus Vertretern der Bundesministerien fur Wirtschaft, Finanzen, fur wirtschaftliche Zusammenarbeit und des Auswártigen Amtes zusammensetzt und durch Sachverstándige der Mandatare, der Bundesbank, der Kreditanstalt fiir Wiederaufbau (KfW), der AKA Ausfuhrkreditgesellschaft und Vertretern der Export- und Bankwirtschaft beraten wird. Der AusschuE tagt einmal pro Monat fiir ca. zwei Tage. Fiir kleinere Volumina bis 3 Mio. Euro (ca. 20% der Falle) ist der Kleine Interministerielle Ausscbufi (KLIMA) zustándig, der wóchentlich tagt. Im Falle der Ablehnung kann der Exporteur unter Zusicherung der Vertraulichkeit die Unterlagen von Hermes einsehen. PRAXISTIP Hermes gibt auf Anfrage eine Crundsatzliche Stellungnahme darüber ab, ob eine angefragte Transaktion deckungsfáhig ist. Im positiven Fall werden IMA/ KLIMA unter sonst gleichen Voraussetzungen dadurch gebúnden. Diese Anfrage sollte rechtzeitig vor AbschlufJ des Kaufvertrages erfolgen, um ggf. Auflagen oder Einschránkungen bei den Vertragsverhandlungen berücksichtigen zu kónnen, z. B. entsprechende Zahlungsbedingungen (siehe unten). Der IMA legt allgemein die offizielle Deckungspolitik des Bundes fest. In die Gewahrleistung einbezogene Lander miissen Deutschland gegenüber staatliche Garanden abgeben. Fiir die wichtigsten Lander werden Lánderquoten (Plafonds) festgelegt. Über Einzelgescháfte wird nach den Kriterien <Fórderungswürdigkeit des Gescháftes> und <besonderes staatliches Inter esse> entschieden. Diese Begriffe sind bewufst sehr vage, da die Übernahme von Exportrisiken nicht nur vom Schadensrisiko, sondern vor allem auch von politischen Zweckmáfigkeiten abhángt z. B. bei der Entscheidung iiber die Übernahme von Deckungsrisiken fiir Rutland, Tiirkei, China, Iran oder (seit 2000 wieder) Kuba (Abb. H-3/ 4) - oder den AusschluiS von Deckungen fiir Krisengebiete (Irak, Jugoslawien). 10 Beispielsweise wurde China 1989 nach der Niederschlagung der Tienamen-Revolte voriibergehend aus der Deckung herausgenommen. Eine pikante Randnotiz dazu: Gewáhrleistungen fiir kriegsfuhrende Lander sind grundsátzlich nicht moglich. Anfang der 80er Jahre wurde daher im Iran-Irak-Krieg nur ein ca. 50 km breiter Grenzstreifen des Irak gegenüber dem Iran zum Kriegsgebiet erklárt, um weiterhin fur den damals noch politisch akzeptablen Irak Gewáhrleistungen übernehmen zu kónnen (u. a. fur Staudamm-, Autobahn-, Flughafen-, Wohn- und Industriebauten). 10 Totale Deckungssperren bestehen zur Zeit fur Afghanistan, Angola, Benin, Burundi, Guayana, Irak, Haiti, Jugoslawien, Kambodscha, Kongo/ Zaire, Nordkorea, Kuba, Liberia, Libyen, Nicaragua, Ruanda, Sambia, Sierra Leone, Soalia, Sudan, Surinam, Syrien, Tansania. <?page no="337"?> H-3. Exportkreditbesicherung 315 Abb. H-3/ 4: Deckungspolitik Hermes weitet Bürgschaften für Tiirkei aus Künftig werden auch Kredite für Infrastrukturprojekte gedeckt Bund bei RuBland-Bürgschaften vorsichtig „Es bleibt bei restriktiver Deckungspolitik" / Moskau zahlt 537 Millionen Hermes erneut in der Kritik Exporte von Waren, mit denen hohe ókologische (Emissionen) und sozialpolitische Risiken (Arbeitsschutz, Kinderarbeit) verbunden sind, werden nicht abgesichert; die Sensibilitát hat deutlich zugenommen. Bei Investitionsauftragen ab 5 Mio. Euro muí? der Exporteur eine Erklárung zur Umweltvertráglichkeit abgegeben (ist diese unzutreffend, kann im Schadensfall der Deckungsschutz entfallen). In Zukunft soil ein systematischeres Raster entwickelt werden als bisher, mit ókologischen, sozialen und entwicklungspolitischen Mindestkriterien. Mitte 2001 sind vom IMA entsprechende Leitlinien verabschiedet worden. Für Bundes7Hermes-besicherte Forderungen 11 hat sich ein eigener Forfaitierungsmarkt entwickelt, da durch die Besicherung auch problematischere Lánderrisiken forfaitierbar sind; háufig iibernehmen Forfaiteure jedoch gerade keine politischen Risiken. Die Hermes-AG stimmt einer Abtretung der Garantie- oder Bürgschaftsansprüche an den Forfaiteur i.d.R. zu. Der Forfaiteur mufi die Gesamtforderung iibernehmen, also incl. des Selbstbehalts, wofiir er mit dem Exporteur ggf. eine Prámie vereinbaren kann. Eine Hermes-gedeckte Forfaitierung durch Banken ist meist problemlos zu erhalten. Tendenziell ist sie giinstiger als eine offene (ungesicherte) Forfaitierung. Im Rahmen der Ausfuhrgewáhrleistungen werden zunehmend auch Leasinggescháftc besichert. H-3.2.3. RegrefS und Umschuldungen Sofern die Hermes AG eine Entschadigung leistet, geht die Forderung des Exporteurs auf den Bund über. Jede Hermes-Entschádigung führt zu RegrelSversuchen des Bundes, bei politischen Scháden direkt bei der jeweiligen Regierung, bei wirtschaftlichen Risiken durch versuchten Rückgriff auf den Importeur. Dabei werden marktiibliche Methoden der Forderungseintreibung angewandt, z. B. nationale Inkassogesellschaften, Anwálte oder die Botschaft eingeschaltet, sofern der Aufwand gerechtfertigt erscheint. Auch der Exporteur kann beteiligt werden, der ggf. je nach abgesichertem Risiko - 5-15% der Rechtsverfolgungskosten selbst tragen mu£ (nach der bereits erfolgten Entschadigung; die Kosten des Mahnverfahrens bzw. von Inkassoversuchen vor der Entschadigung muS der Exporteur allein tragen). Wegen des zwischenstaatlichen Garantieabkommens hat nun aber auch der jeweilige Importstaat dem Bund gegeniiber entsprechende Verbindlichkeiten. Diese werden insbesondere aus politischen Schadensfallen in eine eventuelle Umschuldungsverhandlung mit 11 Streng genommen agiert immer der Bund; so wird es auch in den Hermesunterlagen angesprochen. Dennoch spricht man in der Praxis oft von (<dem>) Hermes. <?page no="338"?> 316 H Risikomanagement ¡m AuGenhandel dem Schuldnerland im Rahmen des Pariser Clubs 12 einbezogen, in dem die Hermes AG im Namen der Bundesregierung verhandelt. Im Zeitablauf gehen daher aus solchen Forderungen laufend noch Rückflüsse ein. Insgesamt aber mul? ein Teil der Forderungen definitiv abgeschrieben werden. H-3.2.4. Deckungsprinzipien (a) Die staatlichen Besicherungen erfolgen nach dem Subsidiaritátsprinzip, d. h. sie werden nur dann angeboten, wenn keine privaten Besicherungen zur Verfügung stehen; der Staat will nicht als Wettbewerber auftreten. Daher gibt es seit 1997 für marktfáhige Risiken im Kurzfristgescháft bis 24 Monaten Laufzeit keine Absicherungen mehr im OECD-Bereich (Ausnahmen sind Korea, Mexiko, Türkei, Tschechische Republik, Polen und Ungarn als sog. «assoziierte» OECD-Lánder). Politischen Deckungsschutz gibt es für diese Lánder nur noch sehr eingeschránkt. Bei lángeren Laufzeiten (ab 24 Monaten) kann die Deckung weltweit in Anspruch genommen werden, also auch für OECD-Lánder. Angesichts der beobachtbaren Entwicklungen ist davon auszugehen, daS die staatlichen Kreditversicherungen mehr und mehr von der privaten Assekuranz ersetzt werden. (b) Die Bundesdeckung gilt nur fur deutsche Exporteure bzw. Kreditinstitute im Inland (unter gewissen Bedingungen auch für auslándische Banken, mit denen deutsche Exporteure arbeiten) logisch, weil ja das Geld des deutschen Steuerzahlers eingesetzt wird. Grundsátzlich müssen die besicherten Lieferungen und Leistungen deutschen Ursprungs sein, wobei bei Investitionsgütern Zulieferungen in bestimmtem Umfang zulássig sind (max. 40% Zulieferanteile aus der EU oder max. 10% Zulieferung aus sonstigen Lándern. In der Kombination gelten max. 40% Fremdanteil, also nicht kumulativ). Bei Konsumgütern (Handelsware) ist der Warenursprung unerheblich. PRAXISTIP Es kónnen nur unmittelbare Forderungen durch Hermes besichert werden. Eine mittelbare Forderung ergibt sich z. B., wenn ein deutscher Exporteur ein im Ausland ansassiges Tochterunternehmen einschaltet. Dann liegt keine deutsche Forderung gegenüber dem auslándischen Endabnehmer vor, sondern es handelt sich urn ein grundsátzlich nicht durch Bundesgewáhrleistungen versicherbares auslándisches Inlandsgeschaft. (c) Nach dem Grundsatz der Einheitsdeckung werden wirtschaftliches und politisches Risiko zusammen besichert. Ausnahmen: Bei staatlichen (óffentlichen) Abnehmern gibt es definitorisch kein wirtschaftliches Risiko; bei privaten Abnehmern wird seitens Hermes keine Absicherung des wirtschaftlichen Risikos erfolgen, wenn es sich um ein mit dem Exporteur verbundenes Unternehmen handelt und er sich faktisch vor sich selbst fürchten müSte. (d) Das System der Exportkreditabsicherung in der Bundesrepublik beruht wie in den meisten anderen Lándern grundsátzlich auf dem Prinzip der Selbsttragung, d. h. die Inanspruchnahme von Deckungszusagen ist mit entsprechenden Gebühren und Entgelten ver- 12 Im Pariser Club verhandeln staatliche Gláubiger und der IWF im Bedarfsfall mit einem Schuldnerland iiber erforderliche UmschuldungsmalSnahmen. Im Londoner Club verhandeln private Kreditgeber (meist Banken) mit ihren Schuldnerlándern. <?page no="339"?> H-3. Exportkreditbesicherung 317 bunden, aus welchen sich die etwaigen Auszahlungen finanzieren sollen (Kostendeckungsprinzip). Doch ist dies mehr ein fiktives ais ein reales Prinzip: Sofern das Gewáhrleistungssystem mit Verlust abschlieSt, wird dieser wie erwáhnt aus dem Bundeshaushalt gedeckt. Andererseits muí? auch ganz klar gesehen werden, daf? es sich bei dem staatlichen Exportkredit-Versicherungssystem um eine Exportsubventionierung handelt, denn die abgesicherten Risiken wiirden nach marktwirtschaftlichen Prinzipien zu deutlich hóheren Prámien führen (vgl. Abschnitt H-3.2.7). (d) Grundsátzlich muí? der Versicherte einen Teil des Schadens selbst tragen. Dieser Selbstbehalt (Selbstbehaltsquote) betrágt 5-15 % der Forderung je nach Risikoart - und darf nicht andersweitig versichert werden (5% fur das politische, 15% fiir das wirtschaftliche Risiko). Dadurch soil erreicht werden, daí? der Exporteur alies in seiner Macht stehende unternimmt, um den Schadensfall zu vermeiden und sich nicht auf eine bequeme Hermes- Absicherung verláí? t. In Ausnahmefállen ist eine 100%-Deckung móglich, wenn der deutsche Exporteur Mitglied eines internationalen Konsortiums ist, in dem die anderen Exporteure bei ihren Versicherern eine 100%-Deckung erhalten («Airbus»-Klausel). Das Verbot, den Selbstbehalt anderweitig zu besichern, wird in der Praxis nicht selten umgangen. Damit erlischt zwar die Hermes-Absicherung, doch wird dies gar nicht mal so oft schon im konkreten Schadensfall aufgedeckt, den Hermes meist reibungslos entschádigt, ais sehr viel spáter bei Umschuldungen mit dem Partnerland, bei denen jede einzelne Forderung <abgeklopft> wird. (e) Sofern der Schadensfall bei den besicherten wirtschaftlichen und politischen Risiken náchweislich eingetreten ist, lost dies die Leistungspflicht des Versicherers aus. Nach Einreichung aller fur die Feststellung des Entschádigungsanspruchs erforderlichen Unterlagen stellt Hermes die Schadensberechnung innerhalb von 2 Monaten an. Die Auszahlung erfolgt innerhalb eines weiteren Monats, nachdem der Exporteur die Berechnung anerkannt hat. In bestimmten Fallen sind Abschlagszahlungen móglich. (f) Hermes wacht strikt dariiber, daf? die Zahlungsbedingungen der Vertragsparteien internationalen Gepflogenheiten entsprechen; andernfalls wird kein Versicherungsschutz gewáhrt. In der <Berner Union>, in der sich 30 nationale Kreditversicherer zusammengeschlossen haben, wurde beispielsweise vereinbart, daf? fiir Konsumgiiter maximale Kreditlaufzeiten 180 Tagen gelten sollen und fiir Investitionsgiiter 3-5 Jahre. Fiir Investitionsgiiter ist diese Zahlungsbedingung vorgegeben: 15% Anzahlung des Kunden, 85% Kreditsumme, Tilgung in gleich grof? en Raten, zeitlicher Abstand zwischen den Raten max. 6 Monate (kleinere Zeitraume sind móglich), 1. Rate spátestens 6 Monate nach Lieferung oder Betriebsbereitschaft, Zinsen auf den Restsaldo (degressive Zinsen). PRAXISTIP Vertragsverhandlungen müssen daher entsprechend aufgebaut werden, wenn der Exporteur an eine Bundesdeckung denkt. Viele Techniker, die Verkaufsverhandlungen führen, tun sich mit dem Kaufmannischen aber oft sehr schwer. Verabredete Zahlungsbedingungen sind jedoch i.d.R. nachtráglich kaum veranderbar. Daher ist eine Standardisierung der Vertragsbedingungen nach den obigen Vorgaben bei beabsichtigterHermesdeckung sinnvoll. Standardisierung bedeutet international (meist) keine Wettbewerbsnachteile, weil dies bei abgesicherten Gescháften für alie Mitbewerber gilt. <?page no="340"?> 318 H Risikomanagement im Auftenhandel H-3.2.5. Schuldnerarten: Garantien und Bürgschaften Die Hermes-Deckungen werden allgemein als Gewahrleistungen bezeichnet (Abb. H-3/ 5), wobei unterschieden wird zwischen Garantien und Bürgschaften. Die Begriffe Garantie und Biirgschaft sind jedoch juristisch nicht mit den Begriffen der zivilrechtlichen Sicherungsgescháfte identisch, sondern dienen vorrangig der technischen Unterscheidung (ob die Begriffswahl daher glücklich ist, sei dahingestellt) (im Hause Hermes weifs auch niemand so recht, warum diese Bezeichnungen gewáhlt wurden). Abb. H-3/ 5: Deckungsformen Ausfuhrgewáhrleistungen des Bundes Kautionsversicherung Insolvenz Zahlungsverzug (protracted default) Garantien beziehen sich auf Schuldner, die eine natiirliche Person, eine Personengesellschaft oder eine juristische Person des Privatrechts ist, d. h. prinzipiell wird unterstellt, dafi Zwangsvollstreckung móglich und das Vermógen des Schuldners konkursfáhig ist. Fiir die Feststellung der Zahlungsunfáhigkeit («Konkurs») gelten analoge Kriterien, wie sie im Zusammenhang mit privaten Versicherern angefiihrt wurden (vgl. oben). Bürgschaften gelten in Bezug auf Besteller, die Regierung, Korperschaft des óffentlichen Rechts oder privatrechtlich organisierte Firmen sind, fur die sich der Staat generell oder spezifisch verbiirgt hat. Die Konditionen sind bei Bürgschaften etwas günstiger, weil das Ausfallrisiko bei staatlichen Káufern als gering angesehen wird (keine Konkursfáhigkeit). Der Nichtzahlungstatbestand (protracted default) ist bei Bürgschaften immer abgesichert, bei Garantien kommt es auf die Deckungsart an (vgl. unten). Bei Abgrenzungsproblemen kann man folgende Kriterien anwenden: Konkursfáhigkeit (ja = privater Kunde, nein = óffentlicher Kunde) und Staatshaftung (nein = privater Kunde, ja = óffentlicher Kunde). H-3.2.6. Risikoarten Bei alien Deckungsformen ist zwischen dem wirtschaftlichen und dem politischen Risiko zu unterscheiden. Das wirtschaftliche Risiko ist ein Delkredere-Risiko in Bezug auf den Schuld- <?page no="341"?> H-3. Exportkreditbesicherung 319 ner, das politische Risiko ergibt sich aus den Rahmenbedingungen des Importlandes. Beide Risiken kónnen nur zusammen besichert werden (Prinzip der Einheitsdeckung). Im Schadensfall ist die Exporteursforderung also in jedem Fall abgesichert, unabhangig von der Risikoart. Zu kláren ist dann <lediglich>, welchen Selbstbehalt der Exporteur tragen muí? (dieser ist bei wirtschaftlichen Risiken mit 15 % hoher als bei politischen Risiken - 5 %). Das Risiko des Selbstbehalts darf nicht weiterversichert werden. Bei Fabrikations- und Ausfuhrrisiken ist aber eine Weitergabe an Unterlieferanten zulássig. H-3.2.6.1. Politisches Risiko Das politische Risiko {Ldnderrisiko) leitet sich aus der Situation des Importlandes ab und fiihrt dazu, dai? der Importeur durchaus zahlungswillig ist, aber die Zahlung aus politischen Griinden nicht aus dem Land <herauskommt> (vgl. oben und auch Abschnitt B-6.7). Bei politischen Risiken muí? der Exporteur einen Selbsthalt von 5% tragen, unabhangig von der Risikokategorie des Schuldnerlandes (diese hat nur EinfluS auf die Hóhe des Entgelts, vgl. unten). Der haufigste Fall (ca. 95 % aller politischen Schadensfálle) besteht in einem Konvertierungs- oder Transferverbot (KT-Risiko) im zwischenstaatlichen Zahlungsverkehr, vor allem in Lándern mit akuter Devisenknappheit aufgrund von rückláufigen Preisen und entsprechenden ExporterlóseinbuEen auf den Rohstoffmárkten. Hinzu kommen allgemeine politische Umstánde wie kriegerische Ereignisse, Bürgerkrieg oder gesetzgeberische und behórdliche Mal? nahmen, die eine Erfiillung seiner Verbindlichkeiten des Importeurs verhindern. Gleichfalls fallen unter das politische Risiko EmbargomafSnahmen des Auslandes, die eine Erfiillung der vom deutschen Exporteur geschuldeten Leistungen verhindern und ihm deshalb keine durchsetzbare Forderung fur erbrachte Lieferungen oder Leistungen zustehen. Dies gilt analog fur den Verlust der Ware aufgrund von politischen Umstanden. Durch derartige politische Risiken kónnen die internationalen Handelsbeziehungen empfindlich gestort werden. Hervorzuheben ist, dai? es sich fxir eine Hermesentschadigung urn neue Risiken handeln muí? , die bei der Deckungszusage nur denkbar waren, konkret aber noch nicht bestanden. Beispielsweise ist bekannt, dai? bestimmte arabische Staaten die Einfuhr von Giitern nur zulassen, wenn der Exporteur keine wirtschaftlichen Beziehungen mit Israel unterhált; dies muí? er formal versichern (vgl. Abschnitt D-2.2.3.1). Sofern ein Exporteur dessenungeachtet versucht, in ein arabisches Land zu liefern, obgleich er diese Bedingungen nicht erfiillen kann, liegt natiirlich kein abdeckbares Risiko vor, denn die Handelsbehinderung ist ja bekannt. Hermes stuff die Schuldnerlánder in sieben Risikokategorien ein; hierzu spater. H-3.2.6.2. Wirtschaftliches Risiko Das wirtschaftliche Risiko oder Delkredererisiko bezieht sich auf Zahlungsunfáhigkeit des Schuldners (Insolvenz) oder Zahlungsverzug (Nichtzahlung [lángerer Zahlungsverzug], sog. protracted default: PD). Der Garantiefall aufgrund von Insolvenz tritt ein bei Konkurs, amtlichem und aul? eramtlichem Vergleich, nachgewiesener erfolgloser Zwangsvollstreckung oder nachweislich <ungiinstigen wirtschaftlichen Verhaltnissen> (z. B. Zahlungseinstellung). Bei wirtschaftlichen Risiken muí? der Exporteur einen Selbstbehalt von 10% tragen bei <?page no="342"?> 320 H Risikomanagement im Aultenhandel staatlichen Schuldnern (Biirgschaften) und von 15% bei privaten Schuldnern (Garantien). In vielen Lánder dürfte der fórmale Nachweis der Insolvenz kaum zu fiihren sein. Daher bietet sich dann die Absicherung der Nichtzahlung an sofern móglich (je nach Deckungsart). Der Nichtzahlungstatbestand wird entschádigt, wenn der Káufer innerhalb von sechs Monaten nach Fálligkeit nicht bezahlt hat (und der Exporteur zwischenzeitlich alies in seiner Macht stehende untemommen hat, um die Zahlung zu erreichen (Erinnerungen, Mahnungen, Drohbriefe usw.).. PD kann bei Konsumgutern nicht abgesichert werden bei Ausfuhrgarantien im Rahmen von Einzeldeckungen, sondern nur bei Investitionsgiitern. Dies liegt daran, dafs bei Konsumgutern zu grofie Manipulationsmóglichkeiten bestehen. Wenn der Káufer einer Ladung T-Shirts in Benesien nicht bezahlt, ist es kaum móglich, die Ware auf dem benesischen Markt zu identifizieren und ggf. sicherzustellen. Statt des Káufers muíste dann Hermes bezahlen. Verkáufer und Káufer kónnten folglich mit krummen Gescháften durchkommen. Bei Investitionsgiitern ist dieses Risiko geringer; Maschinen sind in der Regel eher wiederzuerkennen (Motornummern etc.). Der Nichtzahlungsfall bei Konsumgutern kann aber über APGs abgesichert werden (Abschnitt H-3.2.7). H-3.2.6.3. Fabrikationsrisiko Der Exporteur kann zunáchst einmal das Fabrikationsrisiko abdecken, d. h. dal? das vereinbarte Exportgescháft vor dem Warenversand scheitert und die Fertigstellung oder der Versand der Ware nicht mehr móglich oder zumutbar ist. Dann tritt ein Verlust ein in Hóhe der bis dahin entstandenen Selbstkosten. Es wird nicht zwischen Garantien und Biirgschaften und nicht zwischen politischen und wirtschaftlichen Risiken unterschieden. Der Selbstbehalt betrágt einheitlich 5 % der gedeckten Selbstkosten. Nicht gedeckt sind der (dann entgangene) kalkulierte Gewinn der Herstellers, die Hermes- Kosten oder nach deutschem Steuerrecht verbotene NAs («niitzliche Aufwendungen», d. h. Schmiergelder) (diese kónnen sowieso zum Verlust des Deckungsschutzes führen). Das Entgelt fiir Fabrikationsrisiken betrágt i.d.R. 1 % der gedeckten Selbstkosten. Die Haftung aus der Fabrikationsdeckung beginnt mit Abschlufi des Exportkaufvértrags und erlischt mit Abnahme der Ware beim Hersteller (Ex-works-Vertrag) bzw. sonst bei Übergabe an den Spediteur oder Frachtfiihrer. Eine Fabrikationsdeckung sollte immer erfolgen bei Sonderanfertigungen fiir Kunden (vor allem im Anlagen- und Maschinenbau, d. h. Investitionsgiiter) mit langen Produktionszeiten, oder wenn aus anderen Gründen ein Weiterverkauf an Dritte nicht móglich ist. Innerhalb des Fabrikationsrisikos sind auch Teildeckungen móglich, so daS beispielsweise Standard- und Serienprodukte, die auch anderweitig zu verwerten sind, aus der Deckung ausgeklammert werden kónnen. Das Risiko, daf? sich der Exporteur verkalkuliert, indem er sich zur Zeit seines Angebots auf einen Preis festlegt, der im Nachhinein nicht die Fabrikationskosten deckt, kann nicht versichert werden. Fabrikationsrisiken kónnen wiederum auf politischen oder wirtschaftlichen Ursachen beruhen. Politische Risiken beziehen sich auf EmbargomaSnahmen der Bundesrepublik, Weisungen der Bundesrepublik zum Abbruch der Fabrikation, Ausbleiben einer Weisung zur Wiederaufnahme der Produktion, politische Umstánde im Importland, Embargomafsnahmen eines Transfer- oder Transitlandes. Bei einem Embargo kann der Exporteur nicht liefern. In diesem Fall niitzt auch eine Ankaufsgarantie einer Bank fiir ein Akkreditiv nichts, <?page no="343"?> H-3. Exportkreditbesicherung 321 weil der Exporteur die Akkreditivbedingungen nicht erfiillen kann. (Tritt das Embargo nach Warenversendung in Kraft, fállt es unter das Ausfuhrrisiko, siehe unten.) Wirtschaftliche Risiken ergeben sich z. B. aus Insolvenz des Schuldners oder Lossagung des Schuldners vom Vertrag. Nicht selten geht der Exporteur mit der Produktion in Vorleistung, weil z. B. eine Akkreditiveróffnung erst acht Wochen vor Versand vereinbart worden ist (in China-Vertrágen kaum friiher). Ob das Akkreditiv jedoch tatsáchlich eróffnet wird, ist unsicher. Da der Exporteur nicht versenden kann, entsteht auch keine Forderung im Rahmen des Ausfuhrrisikos (vgl. anschliefend). Daher niitzt auch hier keine Ankaufszusage einer Bank bezüglich des Akkreditivs, da dieses gar nicht entsteht. Die Nichteroffnung des Akkreditivs gilt ais Zahlungsunfáhigkeit des Schuldners und fiihrt bei entsprechender Absicherung zur Hermes-Entschádigung. H-3.2.6.4. Ausfuhrrisiko Das Ausfuhrrisiko der Zeitraum zwischen Warenversand und vollstandiger Bezahlung ist bis zu einer Kreditlaufzeit von fiinf Jahren versicherbar. Gedeckt werden sowohl das Abnahmerisiko als auch das Kreditrisiko (incl. Kreditzinsen und Kreditnebenkosten). Preisgleitklauseln (um Kostensteigerungen wáhrend der Vertragslaufzeit auf den Besteller abzuwálzen) konnen in die Deckung mit einbezogen werden, nicht aber Vertragsstrafen oder Verzugszinsen, auch wenn sie Gegenstand des Kaufvertrags sind. Im Gegensatz zum Fabrikationsrisiko erfafst die Besicherung des Ausfuhrrisikos zum einen auch den kalkulierten Gewinn, zum anderen im Hinblick auf die Ursachen auch Konvertierung- und Transferrisiken. PRAXISTIP Ein Exportunternehmen sollte nur Risiken von einer bestimmten Gróftenordnung an absichern, ggf. auch einen hóheren Selbstbehalt vereinbaren, um gravierende Scháden abzudecken. Bei kleineren Risiken kann man stattdessen eine eigene Kreditprüfung vomehmen, ggf. auch eine interne Selbstversicherung (Rückstellungen) auf der Basis von Erfahrungswerten vornehmen. H-3.2.7. Deckungsformen Es gibt zahlreiche Instrumente der Exportabsicherung, die entweder die Forderung des Exporteurs absichern (Forderungsdeckung) oder Kreditinstitute, die dem Importeur eine Finanzierung anbieten (Bestellerkredite; Abschnitt D-2.2.3) (Kreditdeckung). Wir betrachten zunáchst Forderungsdeckungen für den Exporteur. PRAXISTIP Mit Hermes noch unerfahrene Untemehmen sollten in jedem Fall eine ausführliche Beratung in Anspruch nehmen, um einen optimalen Zuschnitt der Deckungsmoglichkeiten für ihre Bedürfnisse zu erreichen. (1) Im Rahmen von Einzeldeckungen werden Forderungen aus einem individuellen Exportgescháft besichert, insbesondere im Anlagenbau, bei Schiffen oder Flugzeugen (vgl. unten Abb. H-3/ 6). Jedes Gescháft muS neu beantragt werden. Eine Einzeldeckung deckt Kredite mit maximal 24 Monaten Laufzeit ab, jedoch nicht aus Geschaften in OECD-Lándern. Ab <?page no="344"?> 3 2 2 H Risikomanagement im AuRenhandel 24 Monaten kann die Deckung weltweit erfolgen. Es werden wie fast immer das wirtschaftliche und das politische Risiko abgesichert. Der Nichtzahlungstatbestand [protracted default) ist nur bei Investitionsgiitern abgesichert; für Konsumgüter bietet sich ggf. dann eine APG an (siehe anschlieSend). (2) Bei regelmáSig wiederkehrenden Exportkrediten bis zu 24 Monaten an einen bestimmten Káufer kann eine revolvierende Einzeldeckung abgeschlossen werden, wobei sowohl das wirtschaftliche ais auch das politische Risiko abgesichert werden. Der Exporteur hat dabei eine Andienungspflicht, d. h. er muS auch zwischenzeitlich als sicher anzusehende Forderungen abdecken. Der Verwaltungsaufwand ist dabei reduziert, da nur ein Deckungsantrag gestellt werden muS. Revolvierende Deckungen versichern nur das Ausfuhrrisiko, aber nicbt den Nichtzahlungstatbestand (protracted default). Diese Deckungsform wird daher relativ wenig nachgefragt; stattdessen werden dann meist APGs gewáhlt: (3) Im Rahmen von Ausfuhr-Pauschalgewahrlcistungen (APG) werden alie kurzfristigen Forderungen (max. bis zu 12 Monaten) gegenüber privaten Bestellern in Nicht-OECD-Landern gedeckt. Private Abnehmer in OECD-Lándern kónnen nicht einbezogen werden. Auf Wunsch kónnen aber die Newcomer-OECD-Lánder Korea, Mexiko, Polen, Tschechische Republik, Tiirkei und Ungarn in die Deckung einbezogen werden. Ausgeschlossene OECD- Lánderrisiken kónnen auch nicht durch Einzeldeckungen <parallel> versichert werden. Bei APGs wird nicht zwischen Garanden und Bürgschaften unterschieden (vgl. oben). Sie schliefien das Fabrikationsrisiko aus (es kann aber als Einzeldeckung besichert werden), den Nichtzahlungstatbestand (protracted default) hingegen ein. Der Selbstbehalt betrágt entweder 5% (fur politische Risiken) oder einheitlich 15% (für wirtschaftliche Risiken). Der Exporteur hat bei APGs eine Andienungspflicht beziiglich privater Abnehmer in Nicht- OECD-Landern d. h. er muE seinen gesamten diesbeziiglichen Umsatz monatlich melden und versichern, auch solche Transaktionen, bei denen das Risiko dies eigentlich nicht erforderlich macht («Alles-oder-Nichts»-Prinzip). Damit soil den staatlichen Versicherern eine angemessene Risikomischung ermóglicht werden; andernfalls wiirden nur wirklich riskante Gescháfte besichert. Die Umsátze müssen monatlich gemeldet und gebührenmáfiig abgerechnet werden. Der Exporteur kann im Rahmen von APGs die Bonitát seiner Kunden selbst priifen oder durch Hermes priifen lassen. Uber den anfánglich vereinbarten Mindestumfang der Gewáhrleistung hinaus kónnen innerhalb der Vertragsperiode weitere Forderungen in die APG einbezigen werden; dies bedeutet eine sehr nützlich Flex ibilitát des Instruments. Auch bei gestiegenen Lánderrisiken honoriert der Bund erfahrungsgemafs den Vertrauensschutz dadurch, daS die Deckungen innerhalb der APG relativ lange beibehalten werden, auch wenn dies für neue Einzelgescháfte móglicherweise bereits ausgeschlossen ist. Der Entgeltsatz für APG wird individuell kalkuliert, ist in der Regel aber günstiger als für Einzeldeckungen; Antrags- und Prüfgebühren entfallen. (4) Seit Anfang 2001 existiert eine Rahmenkreditdeckung für gebundene Finanzkredite, welche der Bund begünstigten Kreditinstiruten zur Verfügung stellt. Diese kónnen die Kreditlinie als betraglich begrenzte Einzelkredite an mittelstandische Unternehmen weitergeben. Die Nutzung der Rahmenkreditdeckung erfolgt über die AKA und die KfW (vgl. Abschnitt D-3), aber auch Nicht-AKA-Banken kónnen partizipieren. Abb. H-3/ 6 gibt einen Überblick über die verschiedenen Risiko-Absicherungen. <?page no="345"?> Abb. H-3/ 6: Risiko-Elemente (Ubersicht) Fabhkationsrisiko Ausfuhrrisiko Gebundener Finanzkredit Nicht-OECD OECD Andienungspflicht Zahlungsbedingung Politische Risiken Insolvenz PD Selbstbeteiligung Einzeldeckung SB 5 % X X X erst ab 24 Monaten 5 % SB 1 5 % SB Nur Investitionsgüter 1 5 % SB Revolvierende Einzeldeckung (selten) X X bis max. 2 J. 5 % SB 1 5 % SB Nie APG X Einbeziehungspflicht Private Abnehmer: ne Verbundene Unterneh Korea, Mexiko, Polen Private Abnehmer: m Verbundene Unterneh Akkreditive: móglich X max. 12 Monate 5 % SB 1 5 % SB Immer, 1 5 % SB 5 / 1 5 % SB = Selbstbehalt PD = protracted default (Nichtzahlungsfall) <?page no="346"?> 324 H Risikomanagement im AuGenhandel H-3.2.8. Kosten H-3.2.8.1. Gebührenarten Die Deckungskosten umfassen eine Bearbeitungsgebühr (Antragsgebühr) bei Beantragung der Deckung (von 100,- Euro bei Risiken bis 25 T'Euro bis zu 5.000,- Euro bei Risiken iiber 50 Mio. Euro); dies gilt auch für Grundsátzliche Stellungnahmen. Hinzu kommt eine Ausfertigungsgebühr für jede Deckungsurkunde (0,25 %o des Auftragswertes bzw. des Darlehensbetrags, mindestens 50,-, hochstens 12.000,- Euro) sowie das Entgelt in Abhángigkeit von der Art des Schuldners, der Deckungsform und der Risikokategorie des Importlandes (vgl. die nachfolgenden Beispiele). Das Entgelt ist in der Regel sofort fállig bei Übergabe des Versicherungsdokuments (um das mit Konkursbzw. Vergleichsfállen des Versicherungsnehmers verbundene Risiko für Hermes auszuschalten). Da dies durchaus stattliche Summen bedeuten kann, ist eine Vorfinanzierung nicht unüblich. Seit Anfang 1999 gilt in den OECD-Staaten ein einheitliches Entgeltsystem auf der Grundlage einer gemeinsamen Risikoklassifizierung der Káuferlánder mit sieben Risikokategorien. 1 gait Mitte 2001 beispielsweise fur Brunei, 2 für Polen, 3 für die Philippinen, 4 für Lettland, 5 für Kolumbien, 6 für Rumánien, 7 für Rutland. Die Einstufung beruht auf einem differenzierten makrookonomischen Modell, in welches wertneutrale makrookonomische Daten eingehen (wirtschaftliche und finanzielle Situation, Score A) sowie Zahlungserfahrungen (Rückstánde, Scháden, Umschuldungen; Score B). Der Gesamtscore A/ B wird aufgrund der Beurteilung der politischen Situation in eine endgültige Klassifizierung überführt. Veránderungen von Variablen kónnen sich folglich aüf die Risikoeinstufung auswirken (vgl. auch www.hermes-kredit.com). Die Einstufungen kónnen neuerdings im Internet eingesehen werden; früher wurden sie nicht veróffentlicht. Dabei gibt es oft diplomatische Verstimmungen, wenn ein Land sich schlecht <gerated> fühlt (Abb. H-3/ 7). Abb. H-3/ 7: Landerrating Argentinien mit verschlechtertem Lánderrisiko ARGENTINIEN / Regierung bediente Schulden unpünktiich Buenos Aires ist verstimmt iiber Hermes-Einstufung Argentinien wurde eingeordnet wie Die Privatwirtsehaft leidet unter Kenia und Malawi Versáumnissen der Regierung H-3.2.8.2. Entgeltbeispiele Das Entgelt berechnet sich in Abhángigkeit von der Kreditlaufzeit als Prozentsatz vom gedeckten Forderungsbetrag bzw. bei Fabrikationsrisiken von den Selbstkosten. Dabei haben die OECD-Lánder Mindestpramien vereinbart. Je nach Art des Schuldners werden Káuferzuschláge erhoben (aufSer bei Fabrikationsrisikodeckungen): <?page no="347"?> H-3. Exportkreditbesicherung 325 1. Staatliche Besteller auf Regierungsebene («sovereign risk») (z.B. Ministerien) sind die Orientierungsmarke; fur sie wird kein Aufschlag auf den Basiswert erhoben. 2. Für alie anderen staatlichen Besteller (non-sovereign public risk) wird ein Zuschlag von 5 Prozentpunkten erhoben. 3. Fur private Schuldner mit Garantie einer akzeptierten Bank gilt ein Zuschlag von 10 Prozentpunkten. 4. Für private Schuldner ohne Bankgarantie werden Zuschláge in Abhangigkeit von der Lánderkategorie erhoben, • Lánderkategorie 1-3 (z. B. EU-Lánder, VR China: 2): 35 % Zuschlag, • Lánderkategorie 4 (z. B. Marokko): 30% Zuschlag, • Lánderkategorie 5-7 (z. B. GUS): 25% Zuschlag. (Rufiland: 5, Indonesien: 6) Die degressive Staffelung der Zuschláge erklárt sich daraus, daS der Basiswert für die Lánderkategorien progressiv steigt, so dafi Lánder hóherer Risikostufen nicht doppelt <bestraft> werden sollen. Der Zuschlag soil die Qualitát des Káufers und nicht die des Landes reflektieren. Vgl. Abb. H-3/ 8. Wenn man das Beispiel mit sonst gleichen Daten modifiziert, indem das Importland der Lánderkategorie 7 zuzuordnen ist, ergibt sich (laut Hermes-Tabellen) ein Entgeltsatz von 2,58 % plus einem Káuferzuschlag (2,58 x 35%) von 0,903% (2,58% + 0,903% = 3,48%), und als Deckungsgebiihr Euro 1.700.000 x 3,48% = Euro 59.160,- (zuzüglich Abwicklungsgebiihren). Das Zeitentgelt wird bis zu 24 Monaten pauschal erhoben, aber in Abhangigkeit von der Risikoeinstufung des Landes. Bei lángeren Zeitráumen wird das Zeitentgelt differenziert berechnet. Auf die Berechnung der dafiir relevanten Risikolaufzcit gehen wir hier nicht ein; Abb. H-3/ 8: Gebührenbeispiel Auftragswert Euro 2.000.000,- Zahlungsbedingung: 15% Anzahlung 85% nach 180Tagen Gedeckter Forderungsbetrag Euro 1.700.000,- Forderungslaufzeit 6 Monate, Lánderkategorie 3 Káuferkategorie: Privat ohne Banksicherheit. Entgeltsatz (Basissatz) für 6 Monate Kategorie 3 (laut hier nicht wiedergegebener Hermes-Tabelle) Káuferzuschlag (0,82 x 35%) Summe gerundet 0,82 % + 0,287% 1,107% 1,11% Euro 1.700.000 x 1,11 % = DM 18.870- (zuzüglich Abwicklungsgebühren) Quelle: HERMES-AG <?page no="348"?> 3 2 6 H Risikomanagement im AuGenhandel für eine genaue Berechnung sind die entsprechenden Hermes-Tabellen erforderlich (u. a. ist im Anlagenbau eine individuelle Vorlaufzeit bis zur Betriebsbereitschaft [starting point] zu berechnen). Die Entgeltsátze reichen von 0,55% (für einen 2-Jahreskredit der Kategorie 1) bis 14,39% (fur einen 12-Jahreskredit der Kategorie 7); das ist schon ein ordentlicher Satz. H-3.2.9. Mitversicherung In vielen Fallen des Investitionsgüterhandels wird der deutsche Exporteur mit einem Unterlieferanten zusammenarbeiten (Multi-sourcing-Pro]ekte). Sofern der Zulieferer gleichfalls in Deutschland ansássig ist, kónnen die Vorleistungen zusammen mit der Leistung des Hauptlieferanten bei Hermes versichert werden. Wenn der Zulieferer im Ausland sitzt, bestehen verschiedene Móglichkeiten, wie dessen Forderungen gegenüber dem Zahlungsrisiko abgesichert werden kónnen - oder auch nicht. (a) Urn Zulieferungen in die <normale> Hermes-Deckung einzubeziehen, dürfen sie bestimmte Wertgrenzen nicht überschreiten, um den deutschen Ursprung nicht zu verlieren: 10% aus Nicht-EU-Landern, 30-40% aus EU-Landern, Schweiz, Norwegen und Japan. 13 (b) Für den Fall einer Parallelversicherung mül? te der Zulieferer einen direkten Zahlungsanspruch gegenüber dem auslándischen Kunden haben. Diesen kónnte er bei seiner (auslándischen) Exportkreditversicherung absichern. Der Kunde müSte jedoch dann zwei separaten Vertrágen zustimmen, was er insbesondere im Hinblick auf Gewahrleistungen kaum akzeptieren dürfte. Diese theoretische Móglichkeit scheidet daher für die Praxis weitestgehend aus. (c) Wenn die Forderung des Zulieferers gegenüber dem Hauptlieferanten nicht von der Zahlung