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Selbstbehauptung und Modernisierung mit Zeremoniell und symbolischer Politik

Zur Rezeption europäischer Orden und zu Strategien der Ordensverleihung in Siam

0911
2017
978-3-7398-0360-9
978-3-8676-4809-7
UVK Verlag 
Suphot Manalapanacharoen

Orden und Zeremoniell waren und sind wichtige Bestandteile symbolischer Politik eines Herrschaftssystems, nicht nur in Europa, sondern auch in Asien. Sie gehören zur politischen und sozialen Ordnung einer Gesellschaft und dienen der Selbstdarstellung des Herrschers. Orden und Zeremoniell sind also Rituale der Macht. Dieses Buch befasst sich mit zwei Prozessen der Geschichte Siams, das seit 1939 Thailand heißt, zwischen 1850 und 1910: mit dem der Aneignung europäischer Orden und dem der Modernisierung des Zeremoniells durch die Könige Mongkut und Chulalongkorn. Es geht der Frage nach, wie Symbolpolitik mit Hilfe der Verleihung von Orden zu einem wichtigen Instrument der Könige wurde, mit dem sie ihre Macht ausbauen und konsolidieren konnten und das sie je nach innenpolitischer und kolonialer Situation mit unterschiedlicher Intensität anwandten. Die Studie zeigt, dass die siamesische Seite zwar die entscheidende Rolle in diesen Interaktions-, Kommunikations- und Aneignungsprozessen spielte, dass aber auch westliche Akteure einen erheblichen Anteil daran hatten. Die Arbeit zeigt damit die facettenreiche Transkulturation Siams. Selektive Rezeption und kreative Adaption gehörten zu ihren wichtigsten Merkmalen, doch waren auch interne Konflikte zu beobachten und Verluste von Traditionen zu verzeichnen. Die gewonnenen Erkenntnisse sind von globalhistorischer Relevanz, machen sie doch enge Verknüpfungen zwischen siamesischer und europäischer Geschichte deutlich und erhellen eine Vielfalt von Bezügen und Spannungsfeldern zwischen Mikro- und Makrogeschichte.

<?page no="1"?> Suphot Manalapanacharoen Selbstbehauptung und Modernisierung mit Zeremoniell und symbolischer Politik <?page no="2"?> Konflikte und Kultur - Historische Perspektiven Herausgegeben von Martin Dinges · Joachim Eibach · Mark Häberlein Gabriele Lingelbach · Ulinka Rublack · Dirk Schumann · Gerd Schwerhoff Band 33 Wissenschaftlicher Beirat: Richard Evans · Norbert Finzsch · Iris Gareis Silke Göttsch · Wilfried Nippel · Gabriela Signori · Reinhard Wendt Zum Autor: Suphot Manalapanacharoen studierte Musikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Sinologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und wurde 2000 im Fach Musikwissenschaft mit einer Arbeit zu den deutsch-thailändischen Musikbeziehungen promoviert. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut an der FernUniversität in Hagen und führte dort das Projekt durch, aus dem die vorliegende Publikation hervorging. Sie profitiert zudem von den langjährigen Forschungen des Autors zu den transnationalen und transkulturellen Beziehungen zwischen Thailand und Europa. <?page no="3"?> Suphot Manalapanacharoen Selbstbehauptung und Modernisierung mit Zeremoniell und symbolischer Politik Zur Rezeption europäischer Orden und zu Strategien der Ordensverleihung in Siam UVK Verlagsgesellschaft Konstanz · München <?page no="4"?> Gedruckt mit freundlicher Förderung der deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-86764-809-7 (Print) ISBN 978-3-7398-0359-3 (EPuB) ISBN 978-3-7398-0360-9 (EPDF) Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2017 Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Einbandmotiv: Der Weiße-Elefanten-Orden Klasse 1 extra, Maha paramaphon Printed in Germany UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz Tel.: 07531-9053-0 · Fax: 07531-9053-98 www.uvk.de <?page no="5"?> 5 Inhalt Vorwort .........................................................................................................9 Einleitung....................................................................................................13 A. Siam vor der Phase der europäischen Dominanz ...................................25 I. Kultur und Gesellschaft Siams ................................................................26 II. Die Begegnungen mit dem britischen Handelsimperium ........................32 III. Der Beginn diplomatischer Beziehungen zwischen dem Westen und Siam................................................................................................33 1. Die John-Crawfurd-Mission (1822)..................................................35 2. Die Henry-Burney-Mission (1825) ...................................................39 3. Die Edmund-Roberts-Mission (1833)...............................................41 4. Die Joseph-Balestier-Mission (1850) .................................................43 5. Die James-Brooke-Mission (1850) ....................................................43 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) und die Phase der europäischen Dominanz ..................................................................53 I. Die antikoloniale Selbstbehauptung durch Modernisierung der symbolischen Repräsentation ............................................................58 II. Die Ordensstiftungen .............................................................................63 1. Die erste Ordensstiftung (1857)........................................................63 2. Die zweite Ordensstiftung (1858-1861) ............................................66 III. Analyse und Auswertung ........................................................................75 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns (1868-1910)......................................................83 I. Machtkämpfe 1868-1873 .......................................................................87 1. Die Anpassung an die westliche diplomatische Praxis 1869 ...............88 2. Die Aufnahme der königlichen Geburtstagsfeier in das Staatszeremoniell 1870......................................................................91 3. Die Stiftung von Haus-, Verdienst- und Familienorden 1869-1873 ................................................................93 <?page no="6"?> 6 Inhalt 3.1. Der Stiftungserlass vom 29.12.1869 .........................................94 3.1.1. Der Noppharat-Ratchawaraphon-Hausorden des siamesischen Monarchen .........................................94 3.1.2. Der Zivilverdienstorden ................................................95 3.1.3. Der Verdienstorden für „Kunst und Wissenschaft“........98 3.1.4. Der Militärverdienstorden.............................................98 3.2. Der Statutenerlass vom 19.09.1873 ..........................................99 3.3. Der Erlass zur Stiftung des Chulachomklao-Familienordens vom 16.11.1873 .....................................................................104 4. Die Aufnahme der Krönung in das Staatszeremoniell am 16.11.1873 ...............................................................................113 5. Das erste Kapitel des Chulachomklao-Familienordens am 16.11.1873 ...............................................................................115 6. Fazit................................................................................................122 II. Die Ordensstiftung und die zweite Phase der Reformpolitik (1880-1882) ............................................................129 1. Der Erlass zur Stiftung des Maha-Chakri-Hausordens vom 21.04.1882 .............................................................................138 1.1 Das Statut des Maha-Chakri-Hausordens ...............................138 1.2 Die Ordensinsignien...............................................................143 2. Bilanz .............................................................................................148 III. Die Weiterentwicklung der siamesischen Orden (1882-1893) ..............150 1. Die Petition vom 08.01.1885 .........................................................152 2. Die Errichtung von zwölf Ministerien am 08.03.1888 .................... 158 3. Der Änderungserlass vom 19.11.1889.............................................161 4. Das Gesetz über das Staatswappen Siams vom 20.04.1889..............164 5. Die Erlasse zur Änderung der Statuten vom #1.10.1893 und 05.12.1893 ..............................................................................165 6. Resümee .........................................................................................170 IV. Die Neuordnung des Ordenswesens und die dritte Phase der Reformpolitik (1894-1910) ...........................................................172 V. Zusammenfassung ................................................................................178 <?page no="7"?> Inhalt 7 D. Die antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen .........181 I. Die Phase von 1868 bis 1879 ...............................................................184 II. Die Jahre zwischen 1880 und 1893 ......................................................187 III. Die Europareise Chulalongkorns 1897 .................................................198 IV. Der Zeitraum von 1898 bis zum Ende der Herrschaft Chulalongkorns 1910 ...........................................................................213 V. Fazit .....................................................................................................225 E. Zusammenfassung und Analyse ...........................................................229 Anhänge I: Übersicht zum Ordensaustausch zwischen König Chulalongkorn und fremden Souveränen und Staatschefs zwischen 1877-1893 ...........251 II: Verleihungen des Maha-Chakri-Hausordens während der Europareise König Chulalongkorns 1897 ................................................................256 III: Die Könige der Bangkok-Periode (Chakri-Dynastie) ............................259 IV: Zeittafel zu den Erlassen und Änderungen der Ordensstatute während der Regierungszeit König Chulalongkorns ..............................260 V: Die Liste der ausländischen Orden, mit denen König Chulalongkorn ausgezeichnet wurde .............................................................................261 VI: Protokollarische Rangordnung der siamesischen Orden in der Regierungszeit König Chulalongkorns ..................................................263 Quellen und Literatur................................................................................265 Deutsch-thailändisches Namensverzeichnis ..............................................281 Abkürzungsverzeichnis ..............................................................................288 <?page no="9"?> 9 Vorwort Seit meiner Dissertation über die deutsch-siamesischen Musikbeziehungen bin ich fasziniert von der Geschichte der transnationalen und -kulturellen Beziehungen zwischen Siam und Europa. Damals konnte ich nur einen Bruchteil der Dokumente auswerten, die ich in mehreren Jahren angesammelt hatte. Je mehr ich mich mit diesen Quellen beschäftige, desto profunder wird mein Einblick in die Teile der Geschichte Thailands, in denen Interaktionen und Verflechtungen mit dem Westen eine entscheidende Rolle spielten. Es war besonders die Auseinandersetzung mit den und dem Fremden, die Siam - und Thailand noch heute - in die Lage setzen, sich in Zeiten des Kolonialismus und auch der Globalisierung zu behaupten. Zentral waren dabei, wie die vorliegende Studie zeigt, die Prinzipien des „do ut des“ und des „divide et impera“. Dass sich die thailändische Regierung nach dem Militärputsch von 2014 China und Russland näherte, hat auch mit diesen besonderen Merkmalen der Außen- und Kulturpolitik des Landes zu tun. Das Forschungsprojekt, aus dem diese Studie hervorging, formte sich in langjährigen Gesprächen mit Herrn M.R. Generalmajor Suphavat Kasemsri und Frau Achan Thanpuying Warunyupa Snidvongse na Ayudhaya, noch als ich meine Dissertation schrieb. Später, als das Vorhaben gefördert wurde, unterstützten sie mich immer wieder mit Anregungen und Ratschlägen. Außerdem stellten sie mir wichtige Quellen zur Verfügung. Vor allem aber erlaubten sie mir, ihr umfangreiches Privatarchiv für meine Arbeit zu benutzen. Was sie mir über ihre Vorfahren mitteilten, die bei der Modernisierungspolitik König Chulalongkorns mitgewirkt hatten, eröffnete mir neue Perspektiven auf die jüngste Geschichte Thailands. Herr M.R. Suphavat Kasemsri konnte leider die Publikation dieser Arbeit nicht mehr erleben. Er verstarb Ende 2016. Dennoch widme ich ihm diese Studie, so wie ich es ihm einst versprochen hatte. Verschiedene Institutionen in Thailand haben entscheidend dazu beigetragen, dass mein Forschungsvorhaben realisiert werden konnte. Zuerst ist das thailändische Nationalarchiv in Bangkok zu nennen. Mein Dank gilt insbesondere der Archivarin Frau Phanwan Changseng für ihre Geduld und ihre Hilfsbereitschaft, mir die gewünschten Akten bereitzustellen. Zu danken habe ich weiter der Abteilung „The Royal Thai Orders and Decorations“ des „Secretariat of the Cabinet“ für die Erlaubnis, das dort aufbewahrte Archivmaterial einzusehen und Fotos von Orden für die Publikation zu nutzen. Nicht zuletzt bin ich dem „Office of His Majesty’s Principal Private Secretary“ zu Dank verpflichtet, das mir ebenfalls gestattete, seine Quellen zu nutzen und mich in meiner Arbeit großzügig unterstützte. Frau Papanin Kasettratat, M.A. hat mir zuverlässig und schnell viele wichtige Dokumente in Thailand besorgt und nach Deutschland geschickt. Auch ihr danke ich an dieser Stelle. <?page no="10"?> 10 Vorwort Was die deutsche Seite betrifft, so hätte dieses Projekt ohne die Fördermittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft und den von ihr gewährten Druckkostenzuschuss nicht realisiert werden können. Herr Henning Volle gab mir wertvolle Hinweise im Bereich der Phaleristik. Daniel Wendrig B.A., Dr. Rüdiger Hitz und Clemens Jürgenmeyer M.A. trugen dazu bei, den Text dieser Arbeit stilistisch zu glätten. Besonders verbunden bin ich Herrn Prof. Reinhard Wendt von der FernUniversität in Hagen, der dieses Projekt engagiert, einfühlsam und auf menschlich angenehme Weise begleitete. Er war für meine Fragen stets ansprechbar, übte konstruktive Kritik und brachte das Projekt durch viele wissenschaftliche Anregungen voran, ohne mir seine Sichtweisen aufzuzwingen. Zusammen mit seiner Frau hat er das Manuskript für die Drucklegung redaktionell bearbeitet. An dieser Stelle möchte ich beiden noch einmal ausdrücklich danken. Zum Schluss aber möchte ich mich von ganzem Herzen bei meiner „Damengesellschaft“, bei Elisa und Silvia, für ihre moralische Unterstützung, ihr Verständnis und ihre unermessliche Geduld bedanken. Elisa kümmerte sich nicht nur um den Haushalt, sondern beteiligte sich auch geduldig und sorgfältig mit Kritik und Anregungen an der Lektüre der ersten Fassungen des Textes. Freiburg im Breisgau! April 2017 Suphot Manalapanacharoen <?page no="11"?> 2VV+#1[*6! \1 (8 <! 0 3 N& C A9%; 0 X= C V=; 6S\*[> [+? \ 8 D< > Q4Z=[; 0 (A.[. RPIM - A.[. RMME) Dem Andenken an Herrn Generalmajor M.R. Suphavat Kasemsri (1932 - 2016) <?page no="13"?> 13 Einleitung Orden und Zeremoniell waren und sind wichtige Bestandteile symbolischer Politik eines Herrschaftssystems, nicht nur in Europa, sondern auch in Asien. 1 Sie gehören zur politischen und sozialen Ordnung einer Gesellschaft und dienen der Selbstdarstellung des Herrschers. 2 Durch die öffentlich inszenierte Belohnung wird eine Herrschaft legitimiert und bekräftigt. 3 Orden und Zeremoniell sind also Rituale der Macht 4 , welche im Laufe der Zeit kontinuierlich verändert wurden. 5 Auch in Siam (seit 1939 Thailand) erfuhren solche Rituale der Macht eine fortwährende Transformation. Die schlagartige Änderung der politischen Lage in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts infolge der weltweiten europäischen Dominanz 6 stellte für Siam nicht nur eine Bedrohung dar. Sie bedeutete auch eine Herausforderung, die das Land motivierte, sein Staatswesen umfassend zu reformieren und umzugestalten. Siam befand sich während dieser Phase inmitten epochaler Veränderungen. Die Orden wurden in diesem Zusammen- 1 Zur Funktion von politischen Ritualen in Europa siehe die Münsteraner Studien des SFB 496 Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution in URL: http: / / www.uni-muenster.de/ SFB496 (Stand 2016). 2 Grundlegend zu Symbolpolitik und Herrschaft sind die klassische Arbeit von Norbert Elias, Die höfische Gesellschaft. Untersuchung zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, Darmstadt 5 1981, S. 120-177 (=Kapitel V Etikette und Zeremoniell: Verhalten und Gesinnung von Menschen als Funktionen der Machtstrukturen ihrer Gesellschaft) sowie die neuen Veröffentlichungen von Barbara Stollberg-Rillinger, Rituale, Frankfurt a. M. 2013, insbesondere das Kapitel 2.5 Rituale der Herrschaft, S. 86-175 und Barbara Stollberg-Rilinger, Tim Neu und Christina Brauner (Hrsg.), Alles nur Symbolisch? Bilanz und Perspektiven der Erforschung symbolischer Kommunikation, Köln 2013. 3 Birgit Laitenberger, Dorothea Bickenbach und Maria Bassier, Deutsche Orden und Ehrenzeichen. Kommentar zum Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen und eine Darstellung deutscher Orden und Ehrenzeichen von der Kaiserzeit bis zur Gegenwart mit Abbildungen, Köln 6 2005, S. 15f. 4 Johannes Paulmann, Pomp und Politik. Monarchenbegegnungen in Europa zwischen Ancien Régime und Erstem Weltkrieg, Paderborn 2000, S. 17. 5 Gerd Althoff, Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter, Darmstadt 2 2013, S. 199f. 6 Die Bezeichnung „Phase der europäischen Dominanz“ ist entnommen: Reinhard Wendt, Vom Kolonialismus zur Globalisierung. Europa und die Welt seit 1500, Paderborn 2 2016. Gemeint sind damit die Jahre zwischen 1858 und 1930, die meist als „Zeitalter des Imperialismus“ bezeichnet werden und in denen sowohl die politischen und wirtschaftlichen Rivalitäten zwischen den Großmächten als auch ihr Zugriff auf die außereuropäische Welt besonders intensiv waren. Doch gab es auch vor und nach dem „Zeitalter des Imperialismus“ koloniale Herrschaftsbestrebungen, weshalb hier der Begriff „Phase der europäischen Dominanz“ verwendet werden soll. Zu diesen Überlegungen siehe Kapitel V. Die Phase der europäischen Dominanz (1857- 1930) in Reinhard Wendt, Vom Kolonialismus …, S. 225ff. sowie Wolfgang Reinhard, Kleine Geschichte des Kolonialismus, Stuttgart 2008, S. 1ff. und 202f. <?page no="14"?> 14 Einleitung hang gestiftet; sie waren Teil eines vom siamesischen Hof initiierten Modernisierungsprogramms. Unter „symbolischer Politik“ wird in dieser Arbeit eine Politik gezielten Handelns durch Symbole und Symbolik verstanden. Anders als es im aktuellen Sprachgebrauch verbreitet ist, geht es nicht um eine Politik, hinter der die Absicht steht, „über fehlendes politisches Handeln hinwegzutäuschen.“ 7 Sie wird auch nicht, wie es Jens Jessen zugespitzt formuliert hat, als Versuch begriffen, „eine äußere Lösung innerer Konflikte zu behaupten oder zu fordern“. 8 Vielmehr hat „Symbolpolitik“ in dieser Arbeit eine andere historische Bedeutung. Dabei sind zweierlei Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Zum einen geht es - wie schon angesprochen - um eine zielgerichtete Politik, die zum anderen in den Kontext der europäischen Expansion gestellt wird. Die Arbeit befasst sich mit der Annahme europäischer repräsentativer Symbole in Siam. Sie beschränkt sich auf die Frage der Aneignung europäischer Orden. Symbolpolitik mit Ordensverleihungen wird als Teil einer Kultur- und Reformpolitik betrachtet, deren Ziel es war, das gesamte Staatswesen zu modernisieren. Siam sollte vom Westen als moderner Staat anerkannt werden. Letzten Endes wird die Frage nach antikolonialer Selbstbehauptung durch symbolische Politik behandelt. Diese ist sehr facettenreich und kann unter den unterschiedlichsten Aspekten betrachtet werden. Symbolpolitik war in Siam ein wichtiges Instrument des Königs, mit dem er seine Macht ausbaute und konsolidierte und das er je nach innenpolitischer und kolonialer Situation mit unterschiedlicher Intensität anwandte. Vorbild dafür war Großbritannien, das mit symbolischer Politik das Empire stabilisierte. Es fand eine Integration durch Symbolik statt. 9 In Siam diente sie zweierlei Zwecken: der sozialen Integration im Inneren und der Integration „auf Augenhöhe“ in die westliche Weltgemeinschaft. Als Reaktion auf die Expansion zweier europäischer Kolonialmächte in Südostasien (der Briten in Birma und auf der malaiischen Halbinsel, der Franzosen in Indochina) begann das Land aus strategischen Gründen, sich zu europäisieren. Die beiden Könige Mongkut (1851-1868) und Chulalongkorn (1868-1910) leiteten weitreichende Verwaltungsreformen ein, die zu einer Zentralisierung und Modernisierung des siamesischen Staates „von oben nach unten“ führten. Europäische Berater wurden ins Land geholt, um im Dienste der siamesischen Krone den politischen, sozialen und ökonomischen Transformationsprozess zu begleiten. 7 Klaus Schubert u. Martina Klein, Das Politiklexikon, Bonn 6 2016. 8 Jens Jessen, Symbolische Politik - Essay, in: URL: http: / / www.bpb.de/ apuz/ 29745/ symbolischepolitik-essay? (Stand 2016). 9 Siehe dazu Jürgen Osterhammel, Symbolpolitik und imperiale Integration: Das britische Empire im 19. und 20. Jahrhundert, Konstanz 2004, S. 395-421. <?page no="15"?> Einleitung 15 König Mongkut leitete die Öffnung Siams nach Westen ein. Er hatte das allgemeine Gesetz begriffen: wer die Macht hat, macht die R ege ln. Siam m us st e - aufgrund der asymmetrischen Machtkonstellation - akzeptieren, Teil des westlichen „informal empire“ zu sein. Um sich aus dieser Situation zu befreien oder um zumindest zu verhindern, formell kolonisiert zu werden, wurde ein ganzes Bündel von Modernisierungsmaßnahmen in die Wege geleitet, zu dem es auch gehörte, westliches Staatszeremoniell anzunehmen. 10 Mongkuts Auffassung nach bestand die einzige Waffe gegen die koloniale Expansion darin, mit den Europäern zu kommunizieren und zu kooperieren. Das Ziel seiner Öffnungspolitik war, die Benachteiligungen infolge der ungleichen Verträge mit dem Westen in Kauf zu nehmen und Siam möglichst schnell nach europäischem Muster umzugestalten, um größeren Schaden vom Land abzuwenden. 11 Die angesprochenen Verträge sind ungleich, weil sie nicht auf Augenhöhe geschlossen wurden und einer Seite mehr Vorteile boten als der anderen. Sie waren ein politisches Instrument der westlichen Mächte, ihre Interessen durchzusetzen. Dies geschah vor dem Hintergrund einer militärischen Drohkulisse, der so genannten Kanonenbootdiplomatie. Die Verträge hatten im Allgemeinen zum Ziel, Häfen für den Handel zu öffnen und diplomatische Vertretungen einzurichten. Zölle wurden so festgeschrieben, dass sie den Export von Rohstoffen und die Einfuhr von Fertigwaren begünstigten. Ausländern wurde Exterritorialität zugesichert. Sie waren also nicht einer lokalen - hier thailändischen - Gerichtsbarkeit unterworfen, sondern einer konsularischen. Die ungleichen Verträge enthielten zudem eine so genannte Meistbegünstigungsklausel. Machte Thailand also irgendeiner westlichen Macht Zugeständnisse, galten diese automatisch für alle anderen, die bereits einen Vertrag abgeschlossen hatten. 12 In der Tat profitierte Siam vom „informal empire“ sowohl wirtschaftlich als auch politisch, und zwar viel mehr als von den Beziehungen zu China, der Großmacht in Ostasien. 13 Einer der Punkte der ungleichen Verträge war die gegenseitige Anerkennung der diplomatischen Vertreter im jeweiligen Land. 10 Prinz Damrong Rajanubhab, Phraratcha phongsawadan khrung rattanakosin ratchakan thi ha (Die Chronik des fünften Königs der Bangkok-Periode), Bangkok 1971, S. 419f. Diese Chronik wurde von Prachoom Chomchai ins Englische übersetzt (Siehe Prachoom Chomchai, Chulalongkorn the Great, Tokio 1965). 11 Prinz Damrong, Die Chronik des fünften Königs, S. 365ff. Auch in Japan gab es zur gleichen Zeit wie in Siam eine passive Widerstandspolitik (Vgl. Reinhard Wendt, Grundstrukturen des europäischen Interesses an Asien, in: „Christen und Gewürze“. Konfrontation und Interaktion kolonialer und indigener Christentumsvarianten, hrsg. v. Klaus Koschorke, Göttingen 1998, S. 268). 12 Zu den Zusammenhängen zwischen ungleichen Verträgen und globaler europäischer Dominanz siehe Reinhard Wendt, Vom Kolonialismus…, S. 158-161 und 225-258. 13 D. G. E. Hall, A History of Southeast Asia, London 4 1981 ( 1 1955), S. 710f. <?page no="16"?> 16 Einleitung Dadurch wurde Siam zum Zentrum der westlichen Diplomatie in Südostasien. 14 Die Ernennung der siamesischen Gesandten in Europa ermöglichte Siam weitere direkte Kontakte mit Regierungen und Monarchen. Darüber hinaus konnte Siam Europa unmittelbar vor Ort beobachten, insbesondere seine politische Kultur. Die guten Beziehungen zu Großbritannien sorgten für direkte Handelskontakte mit Kalkutta, Singapur, Rangoon, Penang (Prince of Wales Island) und besonders mit Hongkong, was Siam von China nie gewährt worden war. 15 Gemäß der westlichen diplomatischen Praxis wurden die Gesandten ehrenvoll empfangen und gut behandelt, unabhängig von der Größe und Bedeutung ihres Heimatlands. Schickte Siam Gesandte nach Europa, folgte ein Gegenbesuch verbunden mit einem Antwortschreiben des Staatsoberhaupts sowie Geschenken und Orden, die mindestens gleichwertig waren. 16 König Mongkut sah zu seiner Zufriedenheit hierin einen Beleg, dass der Westen Siam quasi als ‚gleichberechtigten’ Partner betrachtete. Diese Art von Gleichberechtigung war Siam bei den Beziehungen mit China und anderen Ländern nie zuteil geworden. 17 Die diplomatischen Beziehungen mit dem Westen erhöhten daher einerseits die Ehre des Königs im Inland und andererseits den Status und das Ansehen Siams bei den Nachbarländern. 18 Es handelte sich um eine diplomatische Aufwertung. Siam nahm bewusst diplomatische Beziehungen mit den westlichen Ländern auf und führte insbesondere westliches Staatszeremoniell sowie europäische Orden ein. Das Land war sich darüber einig, dass die Modernisierungspolitik allein nicht ausreichen würde, um die Souveränität des Landes aufrechtzuerhalten. Neben den Reformmaßnahmen im Inneren musste Siam die Initiative ergreifen und gute Beziehungen zu den westlichen Ländern pflegen. In erster Linie zielte König Mongkut auf enge freundschaftliche Kontakte zu europäischen Monarchen, und die Politik der Ordensverleihung war ein Weg dazu. Die Orden sollten als Kommunikationsmittel mit dem Westen fungieren. Die gegenseitige Verleihung der höchsten Orden bedeutete gegenseitige Anerkennung und Verbundenheit. Siam nutzte seine Ordenspolitik als „Eintrittskarte“ in den Klub der europäischen Monarchen. Dadurch erhoffte sich der siamesische König von ihnen Unterstützung beispielsweise bei Streitigkeiten mit ihren Regierungen, auch wenn klar war, dass eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen und politischen Interessen dabei nicht zur Debatte stehen konnte. 14 Vgl. Constance Maralyn Wilson, State and Society in the Reign of Mongkut, 1851-1868: Thailand on the Eve of Modernization, Ph. D. Diss. Cornell University, 1970, S. 365f. 15 Vgl. Constance Maralyn Wilson, State and Society…, S. 376. 16 Vgl. Jürgen Hartmann, Staatszeremoniell, München 4 2007, S. 212ff. 17 Vgl. Constance Maralyn Wilson, State and Society…, S. 364f. 18 Dabei handelte es sich um Burma und Vietnam. Siam, Burma und Vietnam wetteiferten damals wie heute im kontinentalen Südostasien um wirtschaftlichen und politischen Einfluss. <?page no="17"?> Einleitung 17 Die Symbolpolitik ebenso wie die Rezeption der europäischen Orden und Zer emon ien s ow ie d ie P oli ti k de r Or de ns ve rl ei hu ng i n Si am w are n b i sl an g we der Gegenstand der thailändischen noch der internationalen Forschung. Infolge des Vietnamkriegs und der Freigabe der politischen Akten des 19. Jahrhunderts in Großbritannien und Frankreich hat seit den 1950er Jahren im angelsächsischen Sprachraum eine intensive und systematische Erforschung der Geschichte Siams und Südostasiens in der Phase der europäischen Dominanz begonnen. Im Mittelpunkt standen dabei jedoch überwiegend die diplomatischen, politischen und wirtschaftlichen Auseinandersetzungen mit den beiden Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich. 19 Diese Untersuchungen basieren zudem überwiegend auf europäischen Quellen und stellen deshalb in erster Linie die europäische Sicht der Dinge dar: die europäischen Mächte gaben den Ton an bei der Modernisierung in Siam. 20 Die Arbeiten über die Modernisierung Siams, die auf thailändischen Quellen beruhen, untersuchen lediglich die Reformen in Verwaltung, Erziehung, Wirtschaft und Militärwesen. 21 Die einzigen Untersuchungen, die sich mit den 19 Die gesamte bis dahin existierende Literatur zur Auseinandersetzung um die Südgrenze auf der malaiischen Halbinsel zwischen Siam und Großbritannien im Zeitraum von 1850 bis 1910 kommentierte Jeshurun Chandran: Britain and the Siamese Malay States, 1892-1904: A Comment, in: HJ, Vol. 15, No. 3 (Sept. 1972), S. 471-492 und The Contest for Siam, Kuala Lumpur 1977 sowie Kobkua Suwannathat-Pian, Thai-Malay Relations. Traditional intra-regional Relations from the Seventeenth to the Early Twentieth Centuries, Singapur 1988. Nigel J. Brailey ging der Siampolitik Großbritanniens nach, indem er britischen Quellen verwendete und die Rolle britischer Journalisten und Berater untersuchte: Nigel J. Brailey, Imperial Amnesia. Britain, France and „The Question of Siam“, Dordrecht 2009. Zur Auseinandersetzung zwischen Siam und Frankeich in demselben Zeitraum siehe Pensri Duke, Les Relations entre la France et la Thaïlande (Siam) au XIX e siècle, d’après les archives des affaires étrangères, Bangkok 1962 sowie Dieter Brötel, Frankreich im fernen Osten. Imperialistische Expansion und Aspiration in Siam und Malaya, Laos und China, 1880-1904, Stuttgart 1996. Niels Petersson bezieht in seine Untersuchung der Modernisierung Siams neben Großbritannien, Frankreich und Deutschland auch China ein: Imperialismus und Modernisierung. Siam, China und die europäischen Mächte 1895- 1914, München 2000. 20 Zum Problem des Eurozentrismus in der Behandlung der Geschichte Siams siehe Nigel J. Brailey, Imperial Amnesia, S. 117f. 21 Zu nennen sind hier vor allem: zur Modernisierung im Bereich der Staatsverwaltung Neon Snidvongs, The Development of Siamese Relations with Britain and France in the Reign of Maha Mongkut, 1851-1868, Ph. D. Diss. University of London 1961; Tej Bunnag, The Provincial Administration of Siam 1892-1915. The Ministry of the Interior under Prince Damrong Rajanubhab, London 1977; Fred W. Riggs, The Modernization of a Bureaucratic Polity, Honolulu 1966; Akin Rabibhadana, The Organization of Thai Society in the Early Bangkok Period, 1782- 1873, in: Modern Thai Politics from Village to Nation, hrsg. v. Clark D. Neher, Cambridge/ Massachusetts 1976, S. 39-53; zur Modernisierung des Erziehungswesens David Wyatt, The Politics of Reform in Thailand: Education in the Reign of King Chulalongkorn, New Haven 1969; zu Reformen im Bereich von Wirtschaft und Finanzen Ian Brown, The Creation of the Modern Ministery of Finance in Siam, 1885-1910, London 1992; zum Aufbau der modernen <?page no="18"?> 18 Einleitung Wandel des Staatszeremoniells und der Zeremonien am Königshof Siams befassen, legte H. G. Q. Wales in den 1930er Jahren vor. 22 Er beschrieb den Wandel in den Zeremonien am siamesischen Königshof von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre. Die Entstehungsgeschichte der siamesischen Orden erwähnte er jedoch nur lapidar. Dass diese eine Rolle in der antikolonialen Selbstbehauptung gespielt haben könnten, erkannte er nicht. Die vorliegende Arbeit versteht sich sowohl als ein Kapitel der Geschichte Thailands als auch als Teil der „Geschichte der europäischen Expansion“ und orientiert sich dabei an Reinhard Wendts Beschreibung und Interpretation katholischer Feste auf den Philippinen. 23 Sie folgt auch Wendts Relativierung und Erweiterung der traditionellen „Geschichte der europäischen Expansion“ mit ihren drei Wirkungsdimensionen und dem breiten Spektrum von unterschiedlichsten Akteuren. In den grenzüberschreitenden Transferdynamiken von Nord nach Süd, innerhalb der südlichen Hemisphäre und von Süd nach Nord erscheinen Europa wie die überseeische Welt als gestaltende Kräfte und als Schauplätze wechselseitig angestoßenen Wandels. 24 Das entspricht einem Verständnis von Globalgeschichte, wie es auch Andrea Komlosy, Peter Feldbauer oder Sebastian Conrad vertreten, 25 und deshalb hat die vorliegende Studie auch globalgeschichtliche Züge. Sie beschreibt die Geschichte der Rezeption europäischer Orden und Zeremonien in Siam und zeigt dabei, dass das Land in den Interaktions- und Kommunikationsprozessen eine eigenständige Rolle spielte. Auf beiden Seiten gab es Initiativen wie Reaktionen, und in diesem Wechselspiel gestalteten sich die Aneignung der europäischen Moderne des 19. Jahrhunderts und die Selbstbehauptung Siams vor dem kolonialen Zugriff. Es kam zu einem Kulturtransfer, 26 dessen Gehalt Siam entscheidend mitbestimmte. Die europäisch-westlichen Einsiamesischen Armee Noel Alfred Battye, The Military, Government and Society in Siam, 1868- 1910: Politics and Military Reform During the Reign of King Chulalongkorn, Ph. D. Diss., Cornell University 1974. 22 Siehe Horace Geoffrey Quaritch Wales, Siamese State Ceremonies. Their History and Function, London 1931 und Ancient Siamese Government and Administration, New York 1934. 23 Reinhard Wendt, Fiesta Filipina. Koloniale Kultur zwischen Imperialismus und neuer Identität, Freiburg 1997. 24 Siehe Reinhard Wendt, Vom Kolonialismus…, Paderborn 2 2016. 25 Andrea Komlosy, Globalgeschichte. Methoden und Theorien, Weimar 2011; Peter Feldbauer, Globalgeschichte 1450-1620. Von der Expansionszur Interaktionsgeschichte, in: Globalgeschichte 1450-1620. Anfänge und Perspektiven, hrsg. v. Friedrich Edelmayer, Peter Feldbauer und Marija Wakounig, Wien 2002, S. 23-32; Sebastian Conrad, Globalgeschichte. Eine Einführung, München 2013. 26 Zum Konzept des Kulturtransfers siehe Michel Espagne und Michael Werner (Hrsg.), Transfers. Les relations interculturelles dans l’espace franco-allemand, Paris 1988 sowie Michel Espagne, Der theoretische Stand der Kulturtransferforschung, in: Kulturtransfer. Kulturelle Praxis im 16. Jahrhundert, Innsbruck 2003, S. 63-75. <?page no="19"?> Einleitung 19 flüsse wurden übernommen, die die Situation erforderte, die in die kulturellen Gege be nhe ite n pa ss te n und di e d en p o lit is ch en und g es ell sc ha ft li che n Wa n del unterstützten, den das Land durchlief. Es kam zu selektiver Rezeption und kreativer Adaption, die in Prozesse einer Transkulturation mündeten. Das Konzept der „transculturación“, das der kubanische Rechtswissenschaftler und Politiker Fernando Ortíz schon 1940 entwickelte, betont - im Unterschied zur Akkulturation - die Wechselseitigkeit von kulturellem Wandel und von Identitätsbildung. So entstanden facettenreiche Mischformen und „Kreolisierungen“. 27 Das zeigt sich bei der Rezeption der Orden, wird in der vorliegenden Studie aber auch an Beispielen thailändischer Architektur und Kunst verdeutlicht. Zur selektiven Rezeption des westlichen Ordenswesens gehörte es, „Europa“ nicht als Einheit zu sehen. Die Könige Mongkut und insbesondere Chulalongkorn hatten verstanden, wie diese Studie zeigen wird, dass Europa politisch, wirtschaftlich und kulturell ausgesprochen heterogen war und dass zahlreiche Differenzen und Rivalitäten den Kontinent spalteten. Das erleichterte es Siam, das Prinzip des „divide et impera“ zu einem Teil seiner Verteidigungsstrategien gegen kolonialen Zugriff zu machen. Es ließ sich in seiner Reformpolitik von Modellen aus verschiedenen europäischen Ländern inspirieren und sicherte sich damit Rückhalt bei mehreren Partnern. Wenn in dieser Arbeit allgemein von „Europa“ die Rede ist, dann wird damit vor allem das Gegenüber von Siam benannt. Die Geschichte des siamesischen Ordenswesens, wie sie hier vorgestellt wird, integriert verschiedene Themenfelder. Die Interessen der kolonialen Mächte in Siam und das Bild, das sich Europäer von dem Land machten, sowie der Wandel, dem es unterworfen war, kommen ebenso zur Sprache wie die Strategien, mit denen Siam reagierte, seine Unabhängigkeit behauptete und zugleich sein politisches System transformierte, und die Konflikte und Verluste, die damit verbunden waren. Das macht eine Vielfalt von Bezügen und Spannungsfeldern zwischen Mikro- und Makrogeschichte deutlich. In dieser Hinsicht folgt die Arbeit dem Konzept von „entangled history“, wie es etwa Sebastian Conrad und Shalini Randeria formulieren. 28 Zu den Grundprinzipien von Globalgeschichte gehört es, eurozentrische Sichtweisen zu vermeiden. Da diese Arbeit die siamesische „agency“ in den Mittelpunkt der Interaktions- und Austauschprozesse mit Europa stellt, erfüllt sie dieses Kriterium und trägt dazu bei, eine Pluralität von Geschichten aus einer 27 Fernando Ortíz, Contrapunteo cubano del tabaco y del azúcar (advertencia de sus contrastes agrarios, económicos, históricos y sociales, su etnografía y su transculturación), La Habanna 1940. 28 Vgl. Sebastian Conrad und Shalini Randeria, Einleitung Geteilte Geschichten - Europa in einer postkolonialen Welt, in: Sebastian Conrad und Shalini Randeria (Hrsge.), Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt a. M. 2002, S. 9-49. <?page no="20"?> 20 Einleitung Vielfalt von Blickwinkeln sichtbar zu machen, die nicht additiv-enzyklopädisch ausfällt, sondern synthetisch und Regionen übergreifend. 29 Autor der vorliegenden Studie ist ein akademisch ausgebildeter thailändischer Historiker, der sich desselben Handwerkszeugs bedient wie europäische Kollegen, dessen Perspektive aber dennoch gelegentlich eine andere ist. So unterscheidet sich seine Sicht auf die thailändischen Könige und ihre Politik von der eines deutschen Historikers auf die deutschen Könige und Kaiser. Eine vorwiegend positive Wahrnehmung steht einer eher kritischen gegenüber. Deshalb folgt die Darstellung der Modernisierung Siams in dieser Studie nicht unbedingt den postmodernen westlichen Herangehens- und Verstehensweisen. Vielmehr interpretiert sie die Selbstbehauptung Siams gegen den kolonialen Zugriff letztlich als eine Erfolgsgeschichte und als eigenen Weg in die Moderne, wie es schließlich auch der Idee der „multiple modernities“ entspricht. 30 Diese thailändische Sicht auf die „entangled history“, die sich in der Geschichte des siamesischen Ordenswesens manifestiert, zur Kenntnis zu nehmen, ist auch ein Weg, methodischem Eurozentrismus auszuweichen. Die hier vorgelegte Untersuchung beabsichtigt, den Prozess der Aneignung der europäischen Orden und den der Modernisierung des Zeremoniells in Siam zwischen 1850 und 1910 anhand thailändischer Quellen zu untersuchen. Sie nimmt die Rolle der Orden in der Innen- und Außenpolitik sowie in der Gesellschaft Siams unter die Lupe, indem sie die folgenden Aspekte zu erhellen beabsichtigt: Wie machte sich Siam Orden und Zeremoniell europäischer Provenienz zu eigen? Welche Folgen ergaben sich daraus für die Gesellschaft Siams? Wie vermochte es Siam, sich dadurch als „modernisierter Staat“ nach außen zu präsentieren und Akzeptanz bei den europäischen Staaten zu finden? Welche Rolle spielte der Westen bei der Modernisierung und antikolonialen Selbstbehauptung Siams? Die siamesischen Orden 31 stehen im Mittelpunkt dieser Studie, weil die Rezeption des Auszeichnungswesens nicht nur ein typisches Beispiel der Aneig- 29 Jürgen Osterhammel, Weltgeschichte. Ein Propädeutikum, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 56, 9 (September 2005), S. 456 (452-479) sowie Andrea Komlosy, Globalgeschichte. Methoden und Theorien, Weimar 2011 und Sebastian Conrad, Globalgeschichte. Eine Einführung, München 2013. 30 Shumel Eisenstadt, Die Vielfalt der Moderne: Ein Blick zurück auf die ersten Überlegungen zu den “multiple modernities”, in: Themenportal Europäische Geschichte 2006, URL: http: / / www.europa.clio-online.de/ 2006/ Article=113 (Stand 2016). 31 Orden stehen in dieser Studie pars pro toto für das gesamten Auszeichnungswesen, zu dem auch Ehrenzeichen und Medaillen gehören, die aber nicht weiter untersucht werden. Medaillen etwa wurden bei staatlichen und königlichen feierlichen Anlässen gestiftet, und zwar ohne Stiftungserlass, der von dem Regierungskabinett hätte bewilligt werden müssen. Die Auszeichnung erfolgte daher ohne bürokratisches Verfahren, und der König konnte die Medaille jederzeit nach Belieben verleihen. Der Empfänger erhielt keine Urkunde; sein Name wurde nicht in der <?page no="21"?> Einleitung 21 nung der europäischen Moderne darstellt, sondern auch mit der Transformation de s Sta at es Si am e ng e inh erg in g. D ie O rde nsv er le ihu n g is t ei n Tei l de s Be loh nungssystems, das mit der Gesellschaftsstruktur und dem Verwaltungssystem eines Landes zusammenhängt. Die Annahme der europäischen Ehrerweisungen war für Siam auch mit der Rezeption europäischer staatspolitischer Vorstellungen verknüpft und ging mit der Herausbildung des Nationalstaats Hand in Hand. Deshalb wird bei der Untersuchung der Entwicklung der siamesischen Orden die staatliche Verwaltungsreform mit behandelt. Charakteristisch für die Modernisierung des siamesischen Auszeichnungswesens war, dass der Ordensherr anordnete, seine Orden immer wieder zu modifizieren; dies geschah durchschnittlich alle zwei Jahre, den neuen Situationen in der Innen-, Außen- und Kulturpolitik entsprechend. Die Stiftungsdekrete und Änderungserlasse sind daher die besten Primärquellen zur Untersuchung von Ordenspolitik und Modernisierung Siams. Diese Dokumente zeigen, wie die Prozesse der Aneignung der Orden verliefen, wie Siam die Bedrohung durch die Kolonialmächte wahrnahm und auf die europäische Moderne reagierte. Orden anzunehmen und Verleihungszeremonien beizuwohnen bedeutete auch, den Herrschaftsanspruch des Ordensherrn zu akzeptieren und die Souveränität des Staates anzuerkennen. 32 Die war das Ergebnis von Absprachen und Aushandlungen zwischen dem Veranstalter und den Teilnehmern. 33 Orden und Zeremoniell sind also Rituale der Macht und fungieren nach außen hin als Symbole des Staats. Mit der Ordensverleihung wollte der siamesische König mit seinem Volk kommunizieren und es an sich binden. Diesen Zusammenhalt benötigte er für seine Reformpolitik und letztendlich für die Verteidigung des Landes. Um dieses Ziel zu erreichen, war jedoch auch die Unterstützung von außen unerlässlich. Dazu gehörte in erster Linie Beistand des Westens, insbesondere der europäischen Souveräne, auch wenn es sich nur um symbolische Unterstützung handelte. Die siamesischen Orden wurden so zu einem wichtigen Instrument nicht nur der Innen-, sondern auch der Außenpolitik des Landes. Es ist unübersehbar, dass die Aneignung der Orden und Zeremonien aus Europa in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verwaltungsreform stand. Dadurch wurden die traditionellen asiatisch-siamesischen Rituale der Macht am Königspalast in öffentliche, staatliche Zeremonien verwandelt; dieser Transfor- Regierungsgazette annonciert. Deshalb brauchten die ausländischen Empfänger - anders als bei den Orden - keinen Antrag auf Genehmigung bei ihrer Regierung zu stellen, um die siamesischen Medaillen tragen zu dürfen. Über den Unterschied zwischen Orden und Ehrenzeichen siehe das Kapitel Was sind Orden und Ehrenzeichen? In: Eckart Henning und Dietrich Herfurth, Orden und Ehrenzeichen. Handbuch der Phaleristik, Köln 2010, S. 13ff. 32 Birgit Laitenberger, Dorothea Bickenbach und Maria Bassier, Deutsche Orden und Ehrenzeichen, S. 16f. 33 Gerd Althoff, Die Macht der Rituale, S. 16f. <?page no="22"?> 22 Einleitung mationsprozess war mit der Herausbildung des modernen Nationalstaates Siam verbunden. 34 Die thailändischen Quellen bieten eine neue Perspektive auf den Aneignungsprozess; dabei handelte es sich um ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen Siam und dem Westen. Ohne „Akzeptanz und Kooperation“ seitens des Westens wäre es kaum möglich gewesen, die Reformpolitik zu verwirklichen und die diplomatischen Beziehungen aufzubauen. 35 Auch die Stiftung der siamesischen Orden verlief nicht ohne Beteiligung des Westens. Besonders die in Siam lebenden Missionare und Kaufleute aus Europa und den USA waren hier von Bedeutung. Es entwickelte sich eine siamesisch-westliche Interaktion, die im Laufe der Zeit vielschichtiger wurde. Die Rollen von Empfängern und Initiatoren wechselten beständig. Die Intensität der Interaktion verlief parallel zu den äußeren Verhältnissen. Je größer der koloniale Druck war, desto stärker war die Neigung Siams, sich offen zu zeigen für äußere Einflüsse. Der Westen reagierte darauf mit weiteren Kooperationsangeboten. In diesem Zusammenhang können die thailändischen Quellen im Detail nachzeichnen, wie facettenreich sich Aneignung und Selbstbehauptung in Siam gestalteten, und geben so dieser Untersuchung eine neue Dimension. Die vorliegende Untersuchung erstreckt sich zeitlich auf die Regierungszeiten der Könige Mongkut und Chulalongkorn. In ihrem Mittelpunkt steht die Frage nach der siamesischen Rezeption von Orden und Zeremoniell. Die Studie versteht sich als eine empirische Arbeit, die lediglich induktiv einen Beitrag zu konzeptionellen Überlegungen wie etwa modernisierungstheoretischen Debatten leistet. 36 Sie gliedert sich in fünf Kapitel (A-E). Kapitel A umreißt die Gesellschaft sowie die Wirtschafts-, Kultur-, Europa- und Außenpolitik Siams am Vorabend der europäischen Dominanz. In diesem Zeitraum begann Siam, sich mit der europäischen Expansion auseinanderzusetzen, und war im Begriff, enge Kontakte mit der westlich-europäischen Welt zu knüpfen. Dieses Kapitel befasst sich daher mit der Einstellung zur europäischen Moderne in Siam, der Verteidigungsstrategie sowie diplomatischen Aktionen gegen die europäische Expansion und den Folgen der Akzeptanz des „informal empire“ in der siamesischen Ge- 34 Bei diesen Vorgängen handelte es sich um globale Phänomene [Vgl. Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2011, S. 580ff. (=Kapitel VIII.2: Wege zum Nationalstaat)]. 35 Hierüber siehe auch Reinhard Wendt, Herrschaft, in: Europäische Geschichte Online, URL, http: / / www.ieg-ego.eu/ de/ threads/ europa-und-die-welt/ herrschaft/ reinhard-wendtherrschaft/ ? searchterm=wendt&set_language=de (Stand 2016). 36 Ausführlich dazu: Vincent Houben, Introduction: Figurations and Representations of Modernity, in: Figurations of Modernity. Global and Local Representations in Comparative Perspective, hrsg. v. Vincent Houben und Mona Schrempf, Frankfurt a. M. 2008, S. 7-22. <?page no="23"?> Einleitung 23 sellschaft. Die Rolle des Westens in dieser Übergangsphase wird dabei gleichfalls b er üc ks ic htigt. Alle diese Aspe kte müssen be dacht und ber ücksichtigt werden , um das vielschichtige Handeln Siams in der späteren Zeit zu verstehen. Kapitel B behandelt die Einführung der Orden während der Herrschaft Mongkuts. Dabei wird zunächst deren Form analysiert und gezeigt, wie traditionelle siamesische Herrschaftssymbole nach den Prinzipien europäischer Heraldik umgestaltet und europäischen Mustern angepasst wurden. Die Aneignung der europäischen Symbolpolitik wird dann in Bezug zur Entwicklung der Innenpolitik und der kolonialen Situation gesetzt. Kapitel C beschreibt die weitere Entwicklung der Ordenspolitik während der Herrschaft Chulalongkorns. Dabei gilt den Zusammenhängen mit der Reform des Staatswesens generell besonderes Interesse. Anhand der Dekrete zur Stiftung und Änderung der Orden und der erlassenen Gesetze zur Errichtung der ministeriellen Verwaltung wird der Transformationsprozess Siams zu einem Nationalstaat verdeutlicht. Es ist dabei nicht zu übersehen, dass der Westen - Monarchen, Politiker und Bürger sowohl zu Hause als auch in Siam - einen erheblichen Beitrag zu diesem Aufbauprozess leistete. Dieses gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis zwischen Siam und dem Westen nahm hier eine neue Dimension an. Kapitel D beschreibt, wie die Politik der Ordensverleihung zur antikolonialen Selbstbehauptung beitrug. Im Zentrum der Analyse steht dabei die Europareise Chulalongkorns 1897 und der Einschnitt, den sie in der Ordenspolitik markierte. Kapitel E fasst die Erkenntnisse zusammen, bewertet sie und betrachtet ausblickend den Stellenwert symbolischer Politik in der Diplomatie während der beiden Weltkriege. Die Transkription thailändischer Namen und Begriffe in lateinische Zeichen folgt in dieser Arbeit den Richtlinien des thailändischen Royal Institute von 1999. 37 Namen jedoch, die in der internationalen Forschung damals bereits eingeführt waren, werden in dieser Form verwendet. 38 Thailändische Fachbegriffe werden in einem Glossar im Anhang erläutert. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht Siam. Von seinen Anfängen bis 1939 war das der Name des Königreichs. Seine Bewohner nannte man Siamesen. 1932 wurde das Land von einer absoluten in eine konstitutionelle Monarchie umgewandelt. Sieben Jahre später erhielt es von der Regierung offiziell den Namen „Thailand“. Die Bevölkerung wurde zu „Thailändern“. In dieser Arbeit jedoch werden siamesisch oder thailändisch synonym verwendet ohne Rücksicht auf den historischen Sprachgebrauch. 37 Siehe dazu URL: http: / / www.royin.go.th/ wp-content/ uploads/ 2015/ 03/ 416_2157.pdf (Stand 2016). 38 Chulalongkorn oder Devawongse beispielsweise werden nicht Chulalongkon oder Thewawong geschrieben. <?page no="25"?> 25 A. Siam vor der Phase der europäischen Dominanz Zu Beginn des 19. Jahrhunderts konnte das Königreich von Siam seine Macht wiederherstellen, so wie sie zur Ayudhaya-Zeit bestanden hatte. 39 Unter König Nangklao (Rama III.) 40 dehnte es seit den 1820er Jahren nicht nur seine territoriale Herrschaft in alle vier Himmelsrichtungen aus, sondern erlebte auch eine Blüte des Außenhandels. Diese weiten Gebiete wurden Siam einverleibt und von Kön ig M on gkut in U rku nde n und of fizi el le n Schre ib en als Vasal le nst aaten e rwähnt. Einen Brief an den US-amerikanischen Präsidenten Franklin Pierce begann er mit folgender Formulierung: „Somdetch Phra Paramendr Maha Mongkut, by the blessing of highest and greatest superagency of Univers. The King of Siam and Sovereign of all tributary Countries adjacent in every direction namely Laos Sheangs Laokaus Cambodia Kareungs and most of Malay peninsula and professor of Pali language and Buddhistical literature, &c., &c. To all and a Singular to whom these presents shall come Greeting! ” 41 Damals unterhielt Siam, wie die anderen benachbarten Länder in Südostasien, Handelsbeziehungen zwar in erster Linie mit China, aber auch mit dem Westen. 42 Die Hauptexportprodukte waren Reis und später auch Zucker, 43 die wich- 39 Dhiravat na Pombejra, Ayutthaya at the End of the Seventeenth Century: Was there a shift to Isolation? , in: Southeast Asia in the Early Modern Era. Trade, Power, and Belief, hrsg. v. Anthony Reid, Ithaca 1993, S. 250. Die wirtschaftliche und politische Blüte der Ayudhaya-Periode hat auch damit zu tun, dass Siam während der iberischen Phase mit Europa in Interaktions- und Austauschprozessen stand (Siehe dazu beispielsweise Bernhard Dahm, Gewürze, Kanonen und neue Propheten: Transformationen im vorkolonialen Südostasien, in: Globalgeschichte 1450-1620. Anfänge und Perspektiven, hrsg. v. Friedrich Edelmayer, Peter Feldbauer und Marija Wakounig, Wien 2002, S. 225-248; von der grenzübergreifenden Geschichte Südostasiens dieser Zeit handelt etwa Anthony Reid, Southeast Asia in the Age of Commerce 1450-1680, 2 Bde., New Haven 1993). 40 „Nangklao“ war der persönliche Name des dritten Königs der Bangkok-Periode (1824-1851). Traditionell nannte man in Siam den persönlichen Namen des Königs nicht. Die ersten drei Monarchen vor König Mongkut (Rama IV.) wurden als König der ersten, mittleren und letzten Herrschaft bezeichnet. Den König bei seinem persönlichen Namen zu nennen beginnt erst mit Mongkut, vermutlich nach europäischem Vorbild. Die Bezeichnung „Rama“ für die siamesischen Könige der Bangkok-Periode wurde von König Vajiravudh (Rama VI., reg. 1910-1925) rückwirkend eingeführt. Eine Liste der thailändischen Könige der Bangkok-Periode findet sich im Anhang III. 41 König Mongkut 31.05.1856, in: English Correspondence of King Mongkut, hrsg. v. Georges Cœdès, in: JSS, vol. XXI, 1 (1927-1928), S. 30. 42 Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt, S. 1030. 43 Aufgrund der steigenden Nachfrage auf dem Weltmarkt zu Beginn des 19. Jahrhunderts führten die Chinesen Zuckerrohr in Siam ein (G. William Skinner, Chinese Society in Thailand: an Analytical History, Ithaca 1957, S. 46). Hierbei handelt es sich um eine asymmetrische Integra- <?page no="26"?> 26 A. Siam vor der Phase der europäischen Dominanz tigsten Importartikel moderne Waffen aus Europa; Siam kaufte diese von den Portugiesen als Zwischenhändlern, aber auch von den US-Amerikanern. 44 Durch diese Handelsbeziehungen wurde Siam an den europäischen Wirtschaftsraum angeschlossen und konnte infolge dessen nicht nur moderne Rüstungstechnik, sondern auch neue Ideen aus allen Bereichen Europas und der USA kennenlernen. Als Folge dieser Kontakte wandelten sich Wirtschaft und Politik Siams und leiteten - wie weiter unter dargelegt wird in der Zeit der europäischen Dominanz eine Transformation ein. I. Kultur und Gesellschaft Siams Den Berichten der US-amerikanischen protestantischen Missionare zufolge hatte Siam in den 1830er Jahren bereits begonnen, sich Elemente der europäischen Moderne zu eigen zu machen und seine sozio-politischen Anschauungen zu ändern. Es gab eine Gruppe von jungen, gebildeten Siamesen, die sich im Selbststudium mit den neuen Ideen und Technologien aus Europa beschäftigten. 45 Diese jungen Männer bildeten sich nicht gemeinsam in einer Gruppe fort, sondern jeder studierte für sich allein, da sie unterschiedliche Interessen verfolgten. Bemerkenswert war dabei, dass diese jungen, weltoffenen Leute nicht nur einen großen Wissensdurst an den Tag legten, sondern auch bereits die englische Sprache beherrschten. 20 Jahre später, also in der Phase der europäischen Dominanz, kam ihnen eine zentrale Bedeutung in der Entwicklung Siams zu. tion in den Weltmarkt (Vgl. dazu den Abschnitt Die Verdichtung des europäischen Weltsystems, in: Reinhard Wendt, Vom Kolonialismus…, S. 259ff.). 44 Thailändischen Quellen zufolge war Portugal das erste westliche Land, mit dem Siam diplomatische Kontakte aufnahm. Zwischen 1786 und 1820 kamen drei portugiesische Gesandtschaften nach Bangkok. Bei der ersten Mission 1786 handelte es sich lediglich um eine freundschaftliche Kontaktaufnahme. Mit der zweiten Mission 1819 unter dem Gesandten Carlos Manuel da Silveira beabsichtigte die portugiesische Kolonialverwaltung in Macao, Handelsbeziehungen mit Siam aufzunehmen. Sie lieferte der siamesischen Regierung moderne Waffen. Dabei handelte es sich augenscheinlich um eine Vorleistung für die Aufnahme von Verhandlungen. 1820 kam da Silveira erneut nach Bangkok, diesmal im Auftrag der Zentrale des Estado da India in Goa. Beide Länder schlossen am 14. November 1820 einen Handelsvertrag mit 23 Artikeln ab, der jedoch nicht ratifiziert wurde. Die wichtigste Bestimmung sah vor, dass Portugal ein Generalkonsulat in Bangkok errichten durfte. Im Gegenzug versprach es, weiterhin moderne Waffen zu liefern [Vgl. Chaophraya Thiphakorawong, Phraratcha phongsawadan khrung rattanakonsin ratchakan thi song (Die Chronik des zweiten Königs der Bangkok-Periode), Bangkok ( 1 1916) 9 2003, S. 152]. Zwischen 1818 und 1821 bezog Siam auch von den US- Amerikanern moderne Waffen in beträchtlichem Umfang [Oskar Frankfurter, The Unofficial Mission of John Morgan, Merchant to Siam in 1821, in: JSS, vol. X (1914-15), S. 5f.]. 45 Bangkok Calendar, 1870, S. 91ff. <?page no="27"?> I. Kultur und Gesellschaft Siams 27 Auch US-amerikanische Missionare spielten eine wichtige Rolle als „Zivilisation sträg er“. F ast g leich zeiti g be gann en in Siam d rei US-am er ika nis che e van gel ische Missionen mit ihrer Arbeit: die American Presbyterian Mission, die Mission of the American Baptist Board und die Mission of the American Missionary Association. 46 Dank der Politik der Religionsfreiheit in Siam durften sie ihren missionarischen Tätigkeiten nachgehen und die christliche Lehre verkünden. Zielgruppe war dabei besonders die chinesische Gemeinde. Die Missionare warben jedoch nicht nur für ihre Religion, sondern führten auch medizinische Errungenschaften wie die Pockenimpfung 47 ein, den Buchdruck 48 und später ein westliches Schulwesen. 49 Außerdem gründeten sie in Bangkok Zeitungen auf Englisch und Thai. Sie veröffentlichten christliche Geschichten und Nachrichten aus den USA und Europa, berichteten über neue westliche Errungenschaften in Technik sowie in Natur- und Geisteswissenschaften ebenso wie über die europäische Aufklärung oder die US-amerikanische Verfassung. Diese Zeitschriften ermöglichten den Siamesen, mehr über die westliche Moderne zu erfahren. Aufgrund ihres guten und vertrauensvollen Verhältnisses zur lokalen Elite setzten sich diese US-amerikanischen Missionare bei schwierigen außenpolitischen Situationen stets für Siam ein. Sie traten beispielsweise als Übersetzer und Bera- 46 Zu den Anfängen dieser Missionen siehe Reminiscences From a Journal of a Protestant Missionary in Bangkok A.D. 1837 & 1838, in: Bangkok Calendar, 1873, S. 89ff. 1828 wurden diese Missionsunternehmungen von Karl Gützlaff und James Tomlin geleitet (Siehe Early Missionaries in Bangkok. The Journal of Tomlin, Gutzlaff and Abeel 1828-1832, hrsg. v. Anthony Farrington, Bangkok 2001). 47 So wurde der Missionar Dan Beach Bradley schon bei seiner Ankunft in Bangkok am 20.07.1835 vom Phraklang (dem Außenminister) gefragt, „if I had vaccine matter, if I could cure the small pox, if I could cure the cholera, cut off tumors, limbs and so on.“ (Vgl. Abstract of the Journal of Rev. Dan Beach Bradley, M.D. Medical Missionay in Siam 1835-73, hrsg. v. Rev. George Haws Feltus, Cleveland 1936, S. 8). Erstmals eingeführt wurde der Impfstoff in Siam 1840, und zwar durch Dan Bradley (Siehe Introduction of Vaccination in: Bangkok Calendar, 1865, S. 92f.). Aufgrund seiner Persönlichkeit hatte Bradley gute Kontakte zu allen Parteien Siams. Mit Mongkut war er sogar befreundet. Bradley brachte nicht nur medizinischen Fortschritt nach Siam, sondern auch den Buchdruck. Zudem gründete er zahlreiche Zeitungen, darunter den Bangkok Calendar als einen der wichtigsten. 48 Am Beginn des Buchdrucks in Siam stand allerdings Capt. Low. Dieser wurde von der EIC (der britischen East India Company) im Anschluss an die Crawfurd-Mission 1822 beauftragt, Siamesisch zu erlernen. Er verfasste später sogar ein Buch über die Grammatik dieser Sprache. Siamesische Lettern ließ er in Kalkutta herstellen und brachte sie dann mitsamt einer Druckerpresse nach Singapur. Dort erwarb sie Dan Bradley 1836, sorgte für den Transport nach Bangkok und führte einige Verbesserungen durch. Bradley druckte nicht nur eine Bibel in siamesischer Sprache und Schrift, sondern auch Erlasse der Regierung sowie siamesische Bücher. 1844 gab er die erste Zeitung des Landes heraus, „The Bangkok Recorder“. [Prinz Damrong Rajanubhab, The Introduction of Western Culture in Siam, in: JSS, vol. XX (part 2) (October 1926), S. 95]. 49 Siehe dazu David K. Wyatt, The Politics of Reform in Thailand, New Haven 1969. <?page no="28"?> 28 A. Siam vor der Phase der europäischen Dominanz ter im Zuge der James-Brooke-Mission (1850) auf. 50 Während der Herrschaft Mongkuts klagte der Missionar Dan Bradley sogar Gabriel Aubaret, den französischen Konsul in Siam, wegen Fehlverhaltens an. 51 Bald nach der Ankunft der US-amerikanischen Missionare in Siam nahmen die jungen, gebildeten Siamesen Kontakt mit ihnen auf. Daraufhin fand ein Kulturaustausch statt, je nach Interessenbereich des Gesprächspartners. Das vertiefte das Wissen von europäischen Errungenschaften, auch im Bereich der Technologie. Die Tagebücher des Missionars Dan Bradley enthüllen die Identität der jungen Siamesen: Prinz „Chao Fa Yai“, Prinz „Chao Fa Noi“, Prinz „Wongsathirat[sanit]“ und „Luang Naisit“. Der Priester-Prinz „Chao Fa Yai“ war Prinz Mongkut, der spätere König. Im Vergleich zu seinen Zeitgenossen verfügte er über eine breiten Wissenshorizont, in politischen Fragen ebenso wie in philosophischen oder kulturellen. Er beschäftigte sich zunächst mit der Frage der authentischen buddhistischen Lehre und erweiterte später seinen „horizontalen Geist“ durch die Begegnung mit christlichen Missionaren, zunächst des katholischen und später des evangelischen Glaubens. 52 Er studierte Latein bei Bischof Pallegoix und später Englisch bei dem US-amerikanischen Protestanten Jesse Caswell. Durch Kenntnisse dieser Sprachen konnte er sein Wissen nicht nur in den naturwissenschaftlichen Fächern - beispielsweise Mathematik und Astronomie - erweitern, sondern auch moderne Entwicklungen in Kultur und Politik kennenlernen. Pallegoix konnte seinerseits durch die Freundschaft mit Mongkut seine Kenntnisse in siamesischer Landeskunde, Kultur und Politik vertiefen. Dieses Wissen erlaubte es ihm, eine zweibändige Beschreibung Thailands zu verfassen, welche die besten Informationen über die Gesellschaft des Landes in dieser Zeit liefert. 53 Prinz „Chao Fa Noi“ war ein Bruder des Prinzen Mongkut und der spätere Vizekönig Pinklao während der Herrschaft König Mongkuts. Er beschäftigte sich mit dem modernen europäischen Militärwesen. Bradley wurde am 12. August 1835 in seinen Palast eingeladen; er beschrieb die Begeisterung des jungen Prinzen dem Westen gegenüber mit folgenden Worten: 50 Siehe ausführliche Darstellung weiter unten in Abschnitt 5. dieses Kapitels: Die James-Brooke- Mission, S. 43. 51 Zu Bradleys Klage vgl. die ausführlichen Berichte in Bangkok Calendar, 1868, S. 119-124. Eine genaue Darstellung des Aubaret-Falls findet sich in Lawrence Palmer Briggs, The Aubaret Versus Bradley Case at Bangkok 1866-67, in: FEQ, 6: 3 (1947: May), S. 262-282. 52 Kachorn Sukhabanij, Phraratcha koraniyakit kiaokap than sangkharat Pallegoix (Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen König Mongkut und Bischof Pallegoix), in: Khomun prawatitsat samai bangkok (Historische Quellen der Bangkok-Periode), Bangkok 1988, S. 195ff. 53 Jean-Baptiste Pallegoix, Description du Royaume Thaï, 2 Bde., Paris 1854. Außerdem verfasste Pallegoix ein viersprachiges Wörterbuch: Dictionarium linguae Thai sive Siamensis interpretatione Latina, Gallica et Anglica illustratum, Paris 1854. <?page no="29"?> I. Kultur und Gesellschaft Siams 29 „Aug. 15 th - According to appointment I went to visit Prince Chawfah-noi [sic! ] being conveyed to his palace in a boat which His Royal Highness sent for me. The Palace is on the right bank of the river a little below the royal palace. It is enclosed with a high wall, and the gates guarded by sentinels. The palace appeared to me more like a large barrack than anything else I could think of, though its rooms were pretty well furnished, having a goodly number of European articles of furniture. The Prince is exceedingly fond of English customs, and adopts them in many particulars. His table furniture is mostly imporsed [sic! imported? ] from England, and his manner at table is intended to ape European style. It is but quite recently, as I learn, that he has ventured to partake his meals sitting up at a table, using, knife, fork and spoon. The Prince has quite an extensive museum for his own people in one of the rooms of his Palace, in which he has collected a great variety of both European and American articles little known in Siam. He has also prepared for preservation not a small variety of the skins and skeletons of animals common to the country, as e.g. the bear, the cassowary, the alligator, snakes of many species, and insects innumerable. In one of his rooms is [sic! ] displayed many Christian pictures, which I presume he obtained from the Roman Catho’les [sic! ]. He is Major General of the Royal artillery, and is training companies of native Portuguese to drill in the style of the English as well as dress like them.” 54 Die Begeisterung des Prinzen „Chao Fa Noi“ rief in Bradley das Gefühl hervor, Träger der westlichen Zivilisation zu sein. Er machte dem Prinzen den Vorschlag “of having some young men taught the English language, and educate them for the medical profession. He assented to the idea as being a good one, but did not say that he would or would not encourage such an innovation of old custom.” 55 Prinz Wongsathiratsanit war ein Bruder Mongkuts und Leibarzt des Königs. Mit Hilfe der US-amerikanischen Missionare erweiterte er seine Kenntnisse in moderner westlicher Medizin. Mongkut beauftragte ihn später, die Verhandlungen über die ungleichen Verträge mit dem Westen zu leiten. 56 54 Bangkok Calendar, 1870, S. 93f. Bei den erwähnten „native Portuguese“ handelt es sich um die Nachfahren der Portugiesen, die in Siam seit dem Zeitalter des Kronmonopolismus ansässig waren (Vgl. dazu Sven Trakulhun, Siam und Europa. Das Königreich Ayutthaya in westlichen Berichten 1500-1670, Hannover-Laatzen 2006). Die preußische Delegation unter Graf Eulenburg berichtete ausführlich über diese Gemeinde. Eulenburg kam 1861 nach Siam, um Verträge mit der Regierung in Bangkok abzuschließen. Nach der Darstellung der Gesandtschaft spielten diese „einheimischen Portugiesen“ eine wichtige Rolle als Kulturvermittler in Siam. Der Chef der Gemeinde, ein gewisser Pasquale Ribeiro de Alvergeria, war ein Berater König Mongkuts. Er stand im Rang eines siamesischen Generals mit dem Titel „Phya Wizet So" Kram“ (Die Preussische Expedition nach Ost-Asien nach amtlichen Quellen, Bd. IV, Berlin 1873, S. 258 und 271). 55 Bangkok Calendar, 1870, S. 94f. 56 Prinz Wongsathiratsanit trat auch als Verhandlungsführer beim Abschluss der ungleichen Verträge mit Eulenburg 1862 auf. Eulenburg nannte ihn „den dicken Prinzen“ und berichtete in den Briefen an seinen Bruder ausführlich über ihn (Siehe Ost-Asien 1860-1862 in Briefen des Grafen Fritz zu Eulenburg, hrsg. v. Graf Philip zu Eulenburg-Hertefeld, Berlin 1900). <?page no="30"?> 30 A. Siam vor der Phase der europäischen Dominanz Der so genannte „Luang Nai Sit“ 57 war der älteste Sohn des amtierenden Außenministers. Der Außenminister („Phra Klang“, mit persönlichem Namen Dit) war nicht nur für den Außenhandel zuständig, sondern betrieb auch selbst Handel. „Luang Nai Sit“ spezialisierte sich mit Unterstützung des Vaters auf den Schiffsbau nach westlicher Art, denn nach den Grundsätzen des Freihandels genossen solche Schiffe Zollvorteile in den Häfen der westlichen Kolonien. Er wusste, wie das traditionelle siamesische Handelssystem mit dem britischen am besten kombiniert werden konnte, um große wirtschaftliche Vorteile zu erzielen. Dadurch konnte der Außenminister im ganzen Land an wirtschaftlichem und politischem Einfluss gewinnen. 58 Bradley beschrieb seinen Eindruck, als „Luang Nai Sit“ ihm sein neues selbstgebautes Schiff zeigte, wie folgt: 59 „Oct 26 th - Went aboard to the Brig Ariel to have a look at the first square rigged vessel ever made in Siam, and brought up a few days since from Chantaboon 60 to present to the king. Considering that this is the first essay made in this country to imitate European shipbuilding, that the young nobleman had but poor models, if any, to guide him, and that all his knowledge of shipbuilding had been gathered by here and there an observation of foreign vessels in port, this Brig certainly reflects very great credit on his creative genius. Not only this but other facts also indicate that the young nobleman is endowed with an uncommonly capacious mind for a Siamese. Indeed he would not, I think, shrink with many of the reported smart clever men in civilized countries. It appears that he is building at Chantaboon several vessels from 300 to 400 tons burthen. It is an encouraging feature in some of the most influential [sic! ] in Siam, that they have uprising in them an unquenchable desire of European improvements.” Der „Luang Nai Sit“ wurde später eine zentrale Figur in der Öffnungspolitik Siams unter König Mongkut, der ihn zum „Premierminister“ (Kalahom) ernannte. Während der Herrschaft Chulalongkorns übernahm „Lunag Nai Sit“ zwischen 1868 und 1873 die Regentschaft, da Chulalongkorn noch minderjährig war. Andere im Land waren zwar von europäischer Moderne und Fortschritt nicht begeistert, lehnten diese aber auch nicht ab. Der konservative König Nangklao 61 57 „Luang Nai Sit“ war ein Amtstitel der siamesischen Pagen. Sein persönlicher Name lautete Chuang Bunnag. Es war üblich im damaligen Siam, einen hohen Beamten mit seinem Titel anzureden. 58 G. William Skinner, Chinese Society in Thailand, S. 47. Diese geschäftlichen Vorteile und der politische Einfluss seiner Familie werden weiter unten genauer ausgeführt. 59 Bangkok Calendar, 1870, S. 103f. 60 Chantaboon ist eine Provinz an der Ostküste Siams, heute: Chantaburi. 61 König Nangklao (Rama III.) und König Mongkut (Rama IV.) waren Kinder von König Lertla (Rama II.). Allerdings stand Mongkut rangmäßig höher als Nangklao, denn seine Mutter war die erste Frau des Königs, und er war deshalb berechtigt, den Thron von seinem Vater zu übernehmen. Als Lertla 1824 plötzlich starb, ohne einen Nachfolger zu benennen, wollten die Prinzen und Minister Nangklao auf den Thron erheben, weil er älter war und sie ihn für erfah- <?page no="31"?> I. Kultur und Gesellschaft Siams 31 beispielweise schirmte sein Land nicht von den westlichen Einflüssen ab; er war jedoch der Ansicht, dass die Existenz des Königreichs Siams vor allem auf der Bewahrung von Tradition gründete. Nangklao sah voraus, dass Siam in der nahen Zukunft die europäische Moderne und Technologie allmählich annehmen musste. Aus Sorge um den Verlust der eigenen kulturellen Identität ließ er deshalb alles überlieferte Wissen Siams auf Steinplatten eingravieren und in einem königlichen Tempel aufbewahren. 62 Er stellte außerdem fest, dass die traditionellen Dschunken bald von den modernen Dampfschiffen überholt würden. Infolge dessen ließ er eine originalgetreue Dschunke bauen und in einem Tempel südlich von Bangkok als Beispiel für die Nachkommen ausstellen. König Nangklao sah sich als Beschützer des Buddhismus, gewährte dennoch die Religionsfreiheit in seinem Land. Diese Rückbesinnung auf die eigene Kultur, eine Form des Widerstands gegen die fremden Einflüsse, ist darauf zurückzuführen, dass sich die siamesischen Eliten damals noch als dem Westen kulturell, wirtschaftlich und politisch ebenbürtig ansahen. Doch auch Mitglieder der Fraktion, die dem Westen gegenüber aufgeschlossen war, setzten sich mit den Merkmalen der eigenen und der fremden Kultur auseinander. Mongkut beispielsweise debattierte ständig mit den Missionaren über die unterschiedlichen moralischen Grundlagen von Buddhismus und Christentum. 63 Theologisch auch in europäischen Verhältnissen bewandert, stellte er sich nicht nur die Frage nach der authentischen Lehre des Buddhismus, sondern setzte sich auch mit den Grundsätzen anderer Religionen auseinander. Mongkut fand, dass das Christentum und auch die europäische Aufklärung - insbesondere bezüglich der Menschenrechte - Gemeinsamkeiten mit den Grundwerten und der Moral des Buddhismus aufwiesen. Er war überzeugt, jede Religion habe das Ziel, ihre Anhänger zu guten Menschen zu erziehen. Dieser Grundsatz ist bis heute in den thailändischen Schulbüchern festgeschrieben. Nicht zuletzt ist hier der spätere Außenminister Chaophraya Thiphakorawong (Kham Bunnag) zu erwähnen. Dieser war einer der scharfsinnigsten siamesischen Intellektuellen dieser Zeit. Er verfasste ein Buch in Form einer Debatte über die Grundwerte Siams einerseits und der islamischen Länder, Indiens, Chinas und des Westens andererseits. Die darin geäußerten Positionen zeigen, rener hielten als den rechtmäßigen Erben Mongkut. Mongkut war somit aus politischen Gründen gezwungen, 27 Jahre (1824-1851) als Priester in einem Kloster zu leben. 62 Dieser Tempel heißt offiziell „Wat Phrachetuphon vimonmangkhalaram“ und wird umgangssprachlich „Wat Pho“ genannt. Er liegt neben dem königlichen Palast. Heute wird dort Massage nach alten Traditionen praktiziert (Zu den Inschriften siehe Prince Dhaninivat, The Inscriptions of Wat Phra Jetubon, in: JSS, vol. XXVI (1933), S. 143-170). 63 Alexander B. Griswold, King Mongkut of Siam, New York, 2 1961, S. 20f. <?page no="32"?> 32 A. Siam vor der Phase der europäischen Dominanz wie die siamesischen Eliten damals die europäische Moderne und den Fortschritt betrachteten. 64 II. Die Begegnungen mit dem britischen Handelsimperium Infolge der steigenden Nachfrage des Westens nach Reis und Zucker hatte Siam intensive Handelsbeziehungen mit Penang, Malakka, Singapur und Surat in Britisch-Indien aufgenommen. 65 Aufgrund der Prinzipien des Freihandels konnte Siam seine Produkte billig exportieren. Die Schiffe der westlichen Kaufleute mussten hingegen in siamesischen Häfen hohe Zollsowie Hafen- und Schiffsgebühren bezahlen. Außerdem behielt sich die siamesische Regierung das alleinige Recht auf den direkten Handel mit dem Ausland vor. Das heißt, die Anbieter im In- und Ausland hatten ihre Güter erst bei den zuständigen Behörden zu verkaufen. 66 Die Regierung vermarktete die Güter dann weiter. Dieses traditionelle, asiatisch-siamesische Handelssystem, vom Westen als „royal monopoly“ bezeichnet, sorgte für eine Verteuerung ihrer Waren und verstieß damit gegen das Prinzip des Freihandels. Damit wurde Siam mit der modernen Wirtschaftspolitik Europas konfrontiert, einem der Instrumente der europäischen Expansion. 67 In der Tat wurde der siamesische Außenhandel nur vom Außenminister und dem Königshaus betrieben; sie durften die Gebühren beliebig regeln. Diese Regelung diente als Vorwand, um den Westen auf Distanz zu halten, da die schlechten Erfahrungen der Nachbarländer ja bekannt waren. Auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts verfolgte Siam noch die seit 1688 geltende alte Europapolitik, die darin bestand, stets gute und freundschaftliche Handelsbeziehungen zu pflegen, jedoch keinen verbindlichen Vertrag einzugehen, der später zu politischen Problemen führen könnte. Davor hatte China bereits Siam gewarnt: 64 Chaophraya Thiphakorawong, Nangsue sadaeng kitchanukit, Bangkok (1867), 2 1971. Das Werk liegt in einer englischen Übersetzung von Henry Alabaster vor: The Wheel of the Law. Buddhism illustrated from Siamese sources by the modern Buddhist, a life of Buddha, and an account of the Phrabat, London 1871. Diese aufschlussreichen Ausführungen werden heutzutage in Thailand zu Unrecht wenig beachtet. Chulalongkorn beauftragte den Autor später zudem, Chroniken der ersten vier Regentschaften der Bangkok-Periode zu verfassen. Sie gelten als wichtigste Werke der thailändischen Geschichtsschreibung. 65 John Crawfurd, Journal of an Embassy from the Governor-General of India to the Courts of Siam and Cochin China, Bd. II., London 2 1830, S. 165. 66 Chaophraya Thiphakorawong, Die Chronik des zweiten Königs, S. 181f. 67 Siehe hierzu den Abschnitt Freihandel und Imperialismus, in: Reinhard Wendt, Vom Kolonialismus…, S. 231ff. <?page no="33"?> ---$ Der 'e3inn diplomatis*her 'e"ieh2n3en ".is*hen dem Westen 2nd 0iam ++ „[…] the English came now with smooth words, pretending to want trade only - that in a little time they would ask for a factory - then for leave to build a wall round it - that on this wall they would soon plant cannon; and finally, that they would seize upon the country, as they had done upon many similar occasions.” 68 Deshalb dienten traditionelle Regulierungen als Instrument gegen den Westen, insbesondere bei Handelsbeziehungen mit den Briten. 69 Auch die Regierung Britisch-Indiens wollte sich aus strategischen Gründen in ihren Kontakten mit den Ländern Südostasiens auf den Handel konzentrieren und versuchte, Konflikte mit ihnen zu vermeiden. 70 Ein Krieg gegen Siam wurde beispielsweise als „an evil of very serious magnitude“ gesehen. 71 Dennoch kam es zu Konflikten, vor allem weil die britischen Kaufleute vor Ort, die „men on the spot“, diese Politik nicht mittragen wollten, wenn sie ihre Interessen gefährdet sahen. Dies geschah bereits im Jahre 1786. Damals musste Siam zusehen, wie sich die britische East India Company (EIC) die Insel Penang einverleibte und später auch das Territorium auf dem gegenüberliegenden Festland, das als Provinz Wellesley bezeichnet wurde. 72 Es war die erste Erfahrung Siams mit den Anfängen der territorialen Expansion Europas. Diese Okkupation löste eine politisch-wirtschaftliche Auseinandersetzung zwischen Siam und den Briten auf der malaiischen Halbinsel aus, die erst 1909 endete. 73 68 John Crawfurd, Journal…, Bd. I, S. 138f. 69 Walter F. Vella, Siam Under Rama III. 1824-1851, New York 1957, S. 116f. 70 Vgl. Nicholas Tarling, British Policy in the Malay Peninsula and Archipelago 1824-1871, in: MBRAS, vol. XXX, Pt. 3 (No. 179) (1957), S. 17. 71 Notiz von Gouverneur Phillips, 17.09.1823. Zitiert nach Nicholas Tarling, British Policy…, S. 30. 72 Diese Gebiete waren ein Teil des malaiischen Sultanats Kedah, das damals in einem Vasallenverhältnis zu Siam stand. 73 Nämlich mit einem Vertrag, der am 10.03.1909 in Bangkok unterzeichnet und am 09.07.1909 durch Großbritannien ratifiziert wurde. III. Der Beginn diplomatischer Beziehungen zwischen dem Westen und Siam Um besser zu verstehen, wie sich Siam politisch, kulturell und ökonomisch wandelte, ist es angebracht, die ersten wichtigen Kontakte des Landes zum Westen zu skizzieren. Bis 1850 reisten insgesamt fünf westliche diplomatische Missionen nach Siam: <?page no="34"?> 34 A. Siam vor der Phase der europäischen Dominanz 1. Die John-Crawfurd-Mission (1821) 2. Die Henry-Burney-Mission (1825) 3. Die Edmund-Roberts-Mission (1833) 4. Die Joseph-Balestier-Mission (1850) und 5. D ie James-Brooke-Mission (1850). Die ersten beiden Gesandtschaften waren im Auftrag der EIC unterwegs. Bei der dritten und vierten handelte es sich um US-amerikanische Missionen. Die fünfte wurde direkt von der britischen Regierung in London entsandt. Alle hatten das generelle Ziel, einen Handelsvertrag abzuschließen, um das Handelsmonopol in Siam zu brechen. Die drei britischen Missionen wollten zusätzlich mit Siam über territoriale Frage sprechen und sich besonders über die Südgrenze auf der malaiischen Halbinsel verständigen. Die Forderungen der jeweiligen Mission wurden im Laufe der Zeit immer höher, da die Briten sich bei den Nachbarländern schon durchgesetzt hatten. Insbesondere nach dem Ersten Opiumkrieg 1842 wollten Großbritannien und die USA nicht nur den Freihandel in Siam einführen, sondern auch das Recht auf die Errichtung eines Konsulats, den Erwerb von Grundstücken sowie die so genannte Extraterritorialität, also die Unterstellung der im Land ansässigen westlichen Kaufleute und deren Protegés unter die Gerichtsbarkeit des Konsuls des jeweiligen Landes. Bei diesen Missionen spielte Großbritannien aufgrund seines Einflusses in dieser Region die führende Rolle. Der Einfluss der USA war zu diesem Zeitpunkt weniger bedeutend, weil sie weder Marinenoch Handelsstützpunkte in der Region unterhielten. Siam erkannte dies und förderte deshalb die USA als Gegengewicht zu Großbritannien. Den drei britischen Missionsleitern wurde eine Vorschrift erteilt, die vor allem strategische Hintergründe hatte: Sie durften den Siamesen keinen Anlass zu Feindseligkeiten geben. Sollte die Verhandlung kein sofortiges Ergebnis erzielen, wären alle Besprechungen für eine Weile auf Eis zu legen. 74 Trotzdem schlug jeder Missionsleiter der Regierung vor, Siam militärisch anzugreifen. 75 Die britische Regierung lehnte diese Politik stets strikt ab. 74 So erteilte Lord Palmerston beispielsweise Instruktionen wie diese an James Brooke: “In conducting these Negotiations you must be very careful not to get involved in any dispute or hostile proceeding which would render our position in Siam or in Cochin-China worse than it now is, or which might compel Her Majesty’s Government to have recourse to forcible measures in order to obtain redress. It is very important that if your efforts should not succeed, they should at least leave things as they are, and should not expose us to the alternative of submitting to fresh affront, or of undertaking an expensive operation to punish insult. […]“ [Palmerston an Brooke, 18.12.1849, zitiert nach Nicholas Tarling, Siam and Sir James Brooke, in: JSS, vol. XLIII, part 2 (November 1960), S. 48]. 75 Nicholas Tarling, Siam and Sir James Brooke, S. 44ff. <?page no="35"?> III. Der Beginn diplomatischer Beziehungen zwischen dem Westen und Siam 35 Siam war über diese Missionen beunruhigt. Die Besorgnis steigerte sich im Laufe der Zeit mit der voranschreitenden kolonialen Durchdringung Ost- und Südostasiens und schlug sich in zunehmenden Forderungen gegenüber den Missionen nieder. Wie im Folgenden gezeigt wird, leistete Siam trotz des steigenden Drucks von außen nie offensiven Widerstand, schon gar nicht mit militärischer Gewalt. Das einzige und beste Instrument für Siam gegen die europäische Expansion war die Diplomatie. Aus der Analyse dieser fünf Missionen wird deutlich, welche Taktik und Strategien Siam anwendete. 1. Die John-Crawfurd-Mission (1822) 1821 kam John Crawfurd im Auftrag von Warren Hastings, dem ersten Generalgouverneur von Britisch-Indien, mit drei Aufträgen nach Siam: Erstens sollte er mit der siamesischen Regierung über die Möglichkeit guter Handelsbeziehungen beraten, zweitens sich über die Frage der politischen Unruhen in Kedah verständigen und drittens die wissenschaftliche Erforschung der Flora und Fauna sowie der Kartographie in Siam ermöglichen, und zwar mit Genehmigung der siamesischen Regierung. 76 Bei dieser Mission trafen die unterschiedlichen Wertvorstellungen erstmalig aufeinander. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts betrachtete sich Siam politisch und kulturell Europa gegenüber als ebenbürtig. Crawfurd seinerseits kam nach Siam mit dem Dünkel der Überlegenheit gegenüber der asiatischen Kultur, geprägt von seinen Erfahrungen aus der malaiischen Welt. Dies führte zu vielen Missverständnissen auf beiden Seiten. Doch auch wenn in Diplomatie und Weltanschauung unterschiedliche Auffassungen bestanden, kam es nie zu einem Eklat. Crawfurd war nicht nur von der Disziplin und Effektivität der siamesischen Regierung überrascht, sondern auch von den sehr guten Kenntnissen über Britisch-Indien und die westliche Welt. 77 Zu seiner Überraschung bemerkte er, dass die Regierungsvertreter nicht nur Napoleon Bonaparte kannten, sondern ihn auch als ein Idol der siamesischen Eliten darstellten. König Lertla (Rama II.) bat Crawfurd sogar, ein Standbild von Napoleon mit Uniform anfer- 76 Chaophraya Thiphakorawong, Die Chronik des zweiten Königs, S. 178f. Zu Landeserkundung und kartographischer Erfassung Siams siehe Jürgen Osterhammel, Die Entzauberung Asiens, München 1998, S. 168ff. 77 Der Außenminister beispielsweise erkundigte sich im Gespräch mit Crawfurd nach der aktuellen Situation in Indien (John Crawfurd, Journal …, Bd. I, S. 136 und 192). Crawfurd resümierte: “In several conversations which we held with the Siamese chiefs, they displayed a degree of knowledge and acuteness on the subject of our Indian power, which were scarcely to be looked for in their situation.” (Ebd., S. 192). <?page no="36"?> 36 A. Siam vor der Phase der europäischen Dominanz tigen zu lassen, 78 und Prinz Chetsadabodin, der spätere König Nangklao (Rama III.), beauftragte die Portugiesen in Siam, die Werke Napoleons ins Siamesische zu übersetzen. 79 Im Allgemeinen wurde Crawfurd als Gesandter ehrenvoll und streng nach den Regeln des asiatisch-siamesischen und westlich-diplomatischen Zeremoniells behandelt. So wurde er bereits bei seiner Ankunft an der Mündung des Chao Phraya in den Golf von Siam - etwa 30 Kilometer von Bangkok entfernt - mit 21 Salutschüssen begrüßt. Bei der Empfangszeremonie begrüßte man ihn mit Handschlag und lud ihn zum Bankett mit europäischem Silberbesteck. 80 Obwohl Siam diese Gepflogenheiten vom Westen übernommen hatte, hielt das Land am asiatisch-siamesischen diplomatischen Zeremoniell weiterhin fest. Demnach betrachtete Siam das Begrüßungsschreiben eines fremden Souveräns als dessen unmittelbaren Stellvertreter, den Gesandten jedoch nur als „Briefboten“; Siam behielt diese traditionelle Praxis bis 1872 bei. 81 Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Siam lediglich Gesandtschaften aus den Nachbarländern empfangen, wobei es einen Unterschied machte, ob diese souverän waren oder in einem Vasallenverhältnis standen. Dementsprechend gab es zwei verschiedene Kategorien diplomatischen Protokolls. Crawfurd hatte die Akkreditierung vom Generalgouverneur der EIC bei sich, die siamesische Regierung konnte jedoch den Rang des Generalgouverneurs nicht einordnen. Zunächst dachte sie, er sei der britische Vizekönig, später fand sie jedoch heraus, dass es sich um einen hohen Regierungsbeamten handelte. Infolge dessen wurde Crawfurd entsprechend dem Rang eines Vasallenstaats empfangen: Er durfte das Begrüßungsschreiben Hastings’, des Generalgouverneurs von Britisch-Indien, bei der offiziellen Audienz nicht persönlich dem König übergeben, sondern nur einem siamesischen Hofbeamten. Außerdem wurde sein Dolmetscher nicht zugelassen. 82 Und es wurde 78 Vgl. Mayoury Ngaosyathn und Pheuiphanh Ngaosyathn, World Super Power and Regional Conflicts, in: JSS, vol. 76 (1988), S. 129. 79 Crawfurd schrieb dazu in seinem Journal: “Mr. De Silviero [sic! Vgl. Anm. 44] stated that the Prince had frequently expressed to him his admiration of the great achievements of the Emperor Napoleon; and that he had at last offered him a handsome sum of money, if he would translate from the French into the Portuguese language a history of his wars, for the purpose of being rendered in Siamese through the Christian interpreters.” (John Crawfurd, Journal ..., Bd. I, S. 194). 80 Vgl. Jürgen Osterhammel, Die Entzauberung Asiens, S. 132. 81 Prachum phongsawadan chabap kanchanaphisek 15 (Die Chronik der Thai-Geschichte, Kachanaphisek-Edition Bd. 15), hrsg. v. The Fine Arts Department, Bangkok 2010, S. 5ff. 82 Das lag daran, dass dieser Dolmetscher von niederer Herkunft war und aus Sicht der Regierung über keinerlei Kenntnisse im Bereich von Wirtschaft oder Politik verfügte (Chaophraya Thiphakorawong, Die Chronik des zweiten Königs, S. 190). Das führte zu Schwierigkeiten bei den Verhandlungen: Beide Seiten mussten sich mit Hilfe von drei Dolmetschern verständigen, und zwar in drei Sprachen: Malaiisch, Portugiesisch und Thai (Ebd.) Da Crawfurd nicht nur Por- <?page no="37"?> III. Der Beginn diplomatischer Beziehungen zwischen dem Westen und Siam 37 Crawfurd nicht erlaubt, sich über die Angelegenheiten eines Vertragsabschlusses di re k t m it d em K ön ig zu b er at en . D er K ö nig v er wi e s i hn a n de n A uß en mi ni st er , der seinem Rang entsprach. Die wichtigsten Punkte der Verhandlung waren folgende: Siam war bereit, die Forderungen Crawfurds über die Reduzierung der Ein- und Ausfuhrzölle sowie von Hafen- und Schiffsgebühren und die Ernennung eines britischen Konsuls in Bangkok zu akzeptieren, wenn die Briten Waffen an Siam verkaufen würden. 83 Crawfurd lehnte dieses Ansinnen ab, weil er befürchtete, dass Siam diese Waffen in einem Krieg gegen Burma, den unmittelbaren Nachbarn im Osten Britisch-Indiens, einsetzen würde. 84 Danach wollte Crawfurd nur über das Handelsmonopol verhandeln. Siam schlug folgende Bedingungen vor: Mindestens fünf britische Handelsschiffe sollten pro Jahr nach Siam kommen, und die britisch-indische Regierung sollte im Gegenzug den Einfuhrzoll für Salz aus Siam reduzieren. 85 Auch auf diese Bedingung war Crawfurd nicht bereit einzugehen; das Gespräch wurde daraufhin beendet. 86 Trotz der ergebnislosen Verhandlungen verständigten sich beide Seiten darauf, die guten wirtschaftlichen Beziehungen weiter zu fördern. tugiesisch, sondern auch Malaiisch sehr gut beherrschte, war eine Rückübersetzung ins Englische nicht nötig (Jürgen Osterhammel, Die Entzauberung Asiens, S. 132). 83 Crawfurd war ursprünglich von Hastings angewiesen worden, in erster Linie eine gute vertrauensvolle Beziehung zu Siam aufzubauen. Er durfte deshalb keinerlei Forderungen stellen, die zu Missverständnissen führen konnten. Da Crawfurd den portugiesischen Konsul in Bangkok gesehen hatte, verlangte er auch für Großbritannien das Recht, einen Konsul zu ernennen (Chaophraya Thiphakorawong, Die Chronik des zweiten Königs, S. 191f.). 84 John Crawfurd, Journal …, Bd. I, S. 137f. Zu dieser Zeit waren die USA die wichtigsten Waffenlieferanten. Der siamesische Außenminister teilte Crawfurd mit, dass die Amerikaner “bring [us] what we are most anxious to receive, plenty of firearms and ready money, and take away large cargoes of sugar and other produce of the country” (John Crawfurd, Journal …, Bd. I, S. 243. Mit “ready money” ist vermutlich Geld in westlicher Währung gemeint, das im internationalen Handel verwendet wurde. Siam verfügte damals nicht über eigene Zahlungsmittel, die von Europäern oder Amerikanern akzeptiert worden wären. Dies änderte sich erst während der Regierung König Mongkuts). Crawfurds Darstellung bestätigte die Burney-Mission: “The Americans bring to Bangkok no other cargo than muskets, gun powder, brimstone and Spanish dollars which are extremely acceptable to the Siamese. […] In 1818, a Captain Hale visited Bangkok with an American Vessel, and engaged to return which he fulfilled, and which obtained for him the Siamese title of Luang [Bhakdiraj], and some offer it is said, to the American Government to establish a factory at Bangkok. Several Americans incited by the success of Captain Hale’s speculation, afterwards visited Bangkok.” (The Burney Papers, Bd. III, part 4, S. 95). 85 Die siamesische Regierung wusste, dass die Qualität des Salzes in Siam höher als in Britisch- Indien war und vor allem, dass der Salzhandel in Indien von der britisch-indischen Regierung streng kontrolliert wurde. 86 Bei der Frage der Südgrenze behauptete die siamesische Regierung lediglich ihre Hoheit über den malaiischen Vasallenstaat Kedah. Die Briten konnten Penang praktisch für sich beanspruchen (The Crawfurd Papers, S. 39). <?page no="38"?> 38 A. Siam vor der Phase der europäischen Dominanz Beim Abschlussgespräch verlangte Crawfurd vom siamesischen König einen Antwortbrief auf das Begrüßungsschreiben Hastings’. Diese Forderung lehnte Siam vehement ab, da die siamesische Regierung Hastings lediglich als einen Minister der britischen Regierung betrachtete. Der siamesische Außenminister erklärte sich jedoch bereit, ein solches Schreiben an Hastings zu verfassen. Dies akzeptierte nun wiederum Crawfurd nicht, da er meinte, dass der siamesische Außenminister rangmäßig unter Hastings stehe. Schließlich kam es zu einem Kompromiss: der siamesische Staatssekretär schrieb den Brief an Hastings Sekretär. 87 Den thailändischen Quellen zufolge beschwerte sich Siam bei Crawfurd über das Fehlverhalten des Schiffskapitäns MacDonald: Dieser hatte eigene Waren auf dem Schiff der Gesandtschaft mitgeführt und heimlich in Bangkok verkauft. Dies verstieß gegen die gute diplomatische Praxis. Es kam zu einer Auseinandersetzung zwischen Crawfurd und MacDonald. Danach erfuhr die siamesische Regierung in Bangkok, vermutlich von MacDonald, dass die Wissenschaftler der Mission die Tiefe des Chao Phraya-Flusses und anderer Hauptflüsse heimlich erkundet hatten, ohne vorher die Genehmigung einzuholen. 88 Nach der Mission reichte der siamesische Außenminister ein Beschwerdeschreiben über dieses wissenschaftliche Unternehmen bei Hastings ein: „Crawfurd is an intelligent man, a very fine observer and his objective was to seek information on the Siamese Empire, before the English could send in their war vessels, intended to conquer the Empire. It is for this reason that Crawfurd, Dangerfield, the doctor, and the officers have explored rivers, surveyed islands, large and small, studied the population, informed themselves and received advice in order to bring on other things that gave offensive motives.” 89 Weiter wurde gefragt, ob die Briten vielleicht „had come to view the Empire of Siam, previous to the English fitting out an Expedition with ships of war to come and conquer and seize on the Empire […]”. 90 Die Beschwerde des siamesischen Außenministers ist zunächst auf die diplomatische Praxis in Ostasien zurückzuführen. Wie oben bereits ausgeführt, betrachtete Siam den Gesandten als „Briefboten“ und sah sich infolge dessen im Recht, dessen Fehltritt seinem Vorgesetzten zu berichten. Diese Praxis benutzte Siam als ein wirksames Instrument, das Fehlverhalten des westlichen Konsuls anzuzeigen; allerdings war diese Politik nur bei Großbritannien erfolgreich. Nach dieser Beschwerde und aufgrund der degradierenden Behandlung als Gesandtschaft eines Vasallenstaats erscheint es verständlich, dass sich Crawfurd 87 Chaophraya Thiphakorawong, Die Chronik des zweiten Königs, S. 192f. 88 Chaophraya Thiphakorawong, Die Chronik des zweiten Königs, S. 193. 89 The Crawfurd Papers, S. 127. 90 Phra Klang an den Gouverneur von Penang 20.02.1823 (Zitiert nach Nicholas Tarling, British Policy…, S. 31). <?page no="39"?> III. Der Beginn diplomatischer Beziehungen zwischen dem Westen und Siam 39 nach dieser Mission frustriert und angeschlagen fühlte. Dies kann auch erklären, wa rum d ie wes tlic he n Ges and ten i n dies er Zei t Sia m al s üb erh ebli ch d ars te llten. 91 Crawfurd schrieb beispielsweise an verschiedenen Stellen in seinem Journal über die Siamesen: „This people, of half-naked and enslaved barbarians, have hardihood to consider themselves the first nation in the world, and to view the performance of any servile office to a stranger, as an act of degradation.” 92 2. Die Henry-Burney-Mission (1825) Im Dezember 1824, kurz vor dem Angriff auf Burma, kam Kapitän Henry Burney im Auftrag von Lord Amherst, dem Generalgouverneur von Britisch- Indien, nach Siam. Burney hatte zwei Aufgaben: Erstens sollte er die siamesische Regierung dazu überreden, an dem Angriff auf Burma teilzunehmen oder zumindest neutral zu bleiben. 93 Damit wollten die Briten die West- und Südwestgrenze Burmas absichern. Zweitens sollte Burney die siamesische Regierung erneut dazu bewegen, einen Handelsvertrag auszuhandeln. Beim ersten Punkt verhielt sich Siam zurückhaltend, denn das Land wollte weiter gute Beziehungen zu dem Nachbarn pflegen. Der Kalahom, der Verteidigungsminister des Südens, und einige Prinzen hatten zwar ein Interesse an der Erweiterung der siamesischen Herrschaft auf der malaiischen Halbinsel, wenn Burma den Krieg gegen England verlieren würde, aber sie waren vorsichtig und wollten in den Angriff nicht involviert werden. Was den Handelsvertrag anging, wollte der siamesische Außenminister nicht mit Burney verhandeln. Ein solcher Vertrag hätte den Verlust wirtschaftlicher Vorteile bedeutet. 94 Als im Februar 1825 die Nachricht der totalen Niederlage Burmas Bangkok erreichte, realisierten die Minister, dass Großbritannien nun der unmittelbare Nachbar an der Westgrenze geworden war. Zu diesem Zeitpunkt dauerten die 91 Über die Haltung Siams seit der Ayudhaya-Periode und der Debatte darüber siehe beispielsweise Dhiravat na Pombejra, Ayutthaya at the End of the Seventeenth Century, S. 253f. 92 John Crawfurd, Journal …, Bd. I, S. 136. 93 Kurz davor hatte Crawfurd am 5. Oktober 1824 den britischen Kaufmann Gillies, der sich auf den Weg nach Bangkok machte, beauftragt, sämtliche Waffen auf sein Schiff zu laden und als Geschenk für Siam zu überbringen, “[to] seize the opportunity, under any given circumstances, to make the Siamese believe in our friendship. They have nothing to worry about. Quite the contrary, they are to profit from the result of this conflict [zwischen Großbritannien und Burma].” (The Crawfurd Papers, S. 104). Ein Jahr zuvor (1823) hatte die britische Regierung den Verkauf von Waffen an Siam genehmigt, um das Vertrauen der siamesischen Regierung zu gewinnen. 94 Chaophraya Thiphakorawong, Phraratcha phongsawadan khrung rattanakonsin ratchakan thi sam (Die Chronik des dritten Königs der Bangkok-Periode), Bangkok ( 1 1916) 7 2004, S. 12. <?page no="40"?> 40 A. Siam vor der Phase der europäischen Dominanz Verhandlungen zwischen Burney und der siamesischen Regierung in Bangkok noch an. 95 Die siamesische Regierung begann, die Bedrohung der europäischen Expansion zu erkennen und dementsprechend zu reagieren. Nun waren der Außenminister und einige Prinzen doch dazu bereit, einen Vertrag mit den Briten abzuschließen, in dem Siam teilweise auf sein Handelsmonopol verzichten würde, während der König an seiner ablehnenden Haltung weiterhin festhielt. Die erste Partei war der Ansicht, dass der Einnahmeverlust vom größeren Handelsvolumen in der Zukunft kompensiert werden konnte. Vor allem hatte Siam bei der Crawfurd-Mission einen solchen Verhandlungsvorschlag bereits zurückgewiesen. Eine erneute Ablehnung würde Feindseligkeiten der Briten Siam gegenüber auslösen und somit eine Isolation des Landes verursachen können. Die Briten würden dann Siam als nächstes Angriffsziel betrachten. Eine entgegenkommende Haltung den Briten gegenüber würde Siam hingegen in die Lage versetzen, mit ihnen über die Situation an der Südgrenze der malaiischen Halbinsel zu sprechen. 96 Die Vertragsverhandlungen gingen dann sehr schnell vonstatten: am 29. März 1825 schlossen beide Seiten den sogenannten Burney-Vertrag ab, die Ratifizierung erfolgte am 20. Juni 1826. 97 Zentral war die Reduzierung der Zölle sowie der Hafen- und Schiffsgebühren von Seiten Siams. Trotz der geringen Verhandlungsspielräume konnte sich Siam die Anerkennung des siamesischen Herrschaftsanspruchs über die vier malaiischen Sultanate Kedah, Kelantan, Trengganu und Patani durch die EIC sichern. Der Burney-Vertrag ist als eine weitere strategische Variante der siamesischen Diplomatie zu verstehen. Als der äußere Druck im Vergleich zur Crawfurd-Mission zunahm, waren die Siamesen bereit einzulenken. Siam konnte sich dennoch Vorteile bei diesem Vertrag verschaffen; es handelte sich um ein „Tauschgeschäft“ nach dem Prinzip „do ut des“. Der Burney-Vertrag galt als der erste und letzte Vertrag, den Siam als gleichberechtigter Partner mit dem Westen abschloss; er war ebenso das wichtigste Beispiel für die pragmatische Diplomatie Siams und wurde zu einem Muster für die konstruktiven Verhandlungen mit dem Westen in den folgenden Jahren. Mit diesem Vertrag gewann Siam an Selbstvertrauen bei schwierigen diplomatischen Verhandlungen. 98 95 Chaophraya Thiphakorawong, Die Chronik des dritten Königs, S. 14. 96 Chaophraya Thiphakorawong, Die Chronik des dritten Königs, S. 12. 97 Chaophraya Thiphakorawong, Die Chronik des dritten Königs, S. 14. Die Vereinbarungen bestanden aus einem Freundschafts- (14 §) und einem Handelsvertrag (6 §). Um beiderseitige Sprachschwierigkeiten zu bewältigen, wurde das Dokument in Siamesisch, Englisch, Malaiisch und Portugiesisch abgefasst (Prinz Damrong Rajanubhab, The Introduction of Western Culture in Siam, S. 94f.). 98 Diese für Siam typische Art der Diplomatie beschrieb Oskar Frankfurter rückblickend. Der Deutsche arbeitete seit 1885 als Übersetzer im siamesischen Außenministerium in der Regierung Chulalongkorns und erlebte alle außenpolitischen Krisen mit. Er charakterisierte die sia- <?page no="41"?> III. Der Beginn diplomatischer Beziehungen zwischen dem Westen und Siam 41 3. Die Edmund-Roberts-Mission (1833) Nach dem Burney-Vertrag verfolgte Siam zwei weitere offensive Strategien gegen die Expansion des Westens, und zwar in der Außen- und Wirtschaftspolitik. Damit die Briten nicht allzu großen Einfluss auf Siam ausüben könnten, lud die siamesische Regierung gleich nach der Unterzeichnung des Burney-Vertrags die USA und Frankreich zum Abschluss gleicher Verträge ein. Dabei wollte Siam die beiden Länder als Gegengewicht zu Großbritannien gewinnen. Dies war die alte siamesische Strategie des „divide et impera“ seit den 1680er Jahren. Während Frankreich nicht auf diese Einladung einging, schickte die USamerikanische Regierung Edmund Roberts nach Siam; der erste Vertrag zwischen Siam und den USA wurde am 20. März 1833 nach dem Vorbild des Burney-Vertrags abgeschlossen. 99 In den Verhandlungen wollte Roberts das Recht auf die Errichtung eines US-amerikanischen Konsulats durchsetzen. Siam lehnte dies mit der Begründung ab, dass auch den Briten dieses Privileg nicht erteilt worden war. Die einzige Neuheit des Vertrags war die so genannte Meistbegünstigungsklausel, die festlegte, dass im Fall einer Änderung eines Vertrags mit einem Land diese automatisch auch für die gleichen Verträge mit anderen Ländern gelten sollte. Diese Klausel bescherte Siam insbesondere bei der Umänderung der ungleichen Verträge bis in die 1930er Jahre Nachteile. 100 Die siamesische Regierung war der Ansicht, sie hätte den Burney-Vertrag aus außenpolitischen Gründen und nicht aus freihändlerischer Überzeugung unterschrieben. Infolge dessen sah Siam keinen Grund zur Umstrukturierung seines eigenen Wirtschaftssystems gemäß der Freihandelsdoktrin. Im Gegenteil wurde das Handelsmonopolsystem weiter ausgebaut, da der Großteil der Einnahmen des Landes aus dem Außenhandel stammte, die als Folge des Burney-Vertrags bereits gesunken waren. Die siamesische Regierung musste daher auf das Steuermesische Diplomatie mit folgenden Worten: „It was the policy of a power which recognized plainly that her strength lay and could only lie in diplomatic movements and there is no doubt that Siam in all phases of her history has recognized this.” [Oskar Frankfurter, The Mission of Sir James Brooke to Siam, in: JSS, vol. 8.3 (1911), S. 20]. 99 Die Chronik der Thai-Geschichte 15, S. 61. Dieser Vertrag gilt als Beginn der diplomatischen Beziehungen zwischen Siam und den USA. Wie bereits erwähnt begründete der Waffenhandel die guten Beziehungen zwischen Siam und den USA. Auch Roberts brachte moderne Waffen als übliche diplomatische Geschenke mit. Das entspannte Verhältnis ermöglichte zudem 1835 die Etablierung der drei evangelischen US-amerikanischen Missionen [Siehe u.a. auch Edmund Roberts, Embassy to the Eastern Courts of Cochin-China, Siam, and Muscat; in the U.S. Sloop-of- War Peacock, David Geisinger, Commander, during the Year 1832-3-4, New York ( 1 1837) 2 1973, Kapitel XVI, S. 227ff. und XVII, S. 253ff.]. 100 Kachorn Sukhabanij, Wikritkan gniep muea 125 pikon (Die lautlose Krise [in Siam] vor 125 Jahren), in: khomun prawatisat samai Bangkok (Die historischen Fakten der Bangkok-Periode), Bangkok 1988, S. 241. <?page no="42"?> 42 A. Siam vor der Phase der europäischen Dominanz system, das sogenannte „tax farming“, zurückgreifen. Bei diesem System wurden die Agrarprodukte, insbesondere Reis und Zucker sowie Tabak, bereits auf den Feldern besteuert, und zwar nicht direkt von den Behörden, sondern durch Lizenzverträge mit Privatleuten, meistens Chinesen. 101 Das „tax farming“ war als eine Variante des Handelsmonopols entstanden und führte dazu, dass sich die Exportwaren noch stärker verteuerten als vorher. Eine Beschwerde der britischen Kaufleute bei ihrer Regierung war die Folge. Nach dem Vertrag von Nanking 1842 sah sich das siamesische Handelssystem zunehmend freihändlerischen Forderungen ausgesetzt. Dieser Druck wurde durch die Veröffentlichung eines Beschwerdebriefs der britischen Kaufleute an die britische Regierung über das Handelsmonopol in Siam in einer Zeitung in Singapur (20. August 1849) noch erhöht. 102 1850 kamen zwei Missionen mit den Verhandlungsführern Joseph Balestier aus den USA und Sir James Brooke aus Großbritannien nach Siam. Ihre wichtigsten Forderungen waren: Aufhebung des Handelsmonopols, Recht auf die Errichtung eines Konsulats und Extraterritorialität. 101 Detailliert zum „tax-farming”-System siehe Walter F. Vella, Siam under Rama III, S. 22ff. Die Einwanderung der Chinesen und ihre Rolle in Siam ist beschrieben in: Part III The Chinese in Siam in: Victor Purcell, The Chinese in Southeast Asia, London ( 1 1951) 2 1965, S. 81ff. 102 Foreign Trade with Siam in 1848: in Bangkok Calendar, 1870, S. 144-148. Die Beschwerde war auch darauf zurückzuführen, dass Siam durch Auslandskontakte im Laufe der Zeit weiteres Wissen über direkten Handel mit dem Westen erlangte. Das war zum Nachteil für einige der in Bangkok ansässigen britischen Zwischenhändler. Ein gewisser Robert Hunter etwa betrieb illegal Opiumgeschäfte. Als die Regierung ein von ihm zum Verkauf angebotenes Schiff als zu teuer abgelehnt hatte, protestierte Hunter empört und in beleidigender Form. Schließlich wurde er des Landes verwiesen. Dieser Vorfall verstärkte eine kritische Sicht auf den Westen. So bestätigte Spenser St. John, der Sekretär Sir James Brookes: „He [Rama III.] had once been very fond of the English, but he had, during the last few years, become as inimical to foreigners as he had formerly been friendly. I believe this change arose chiefly from the ill-conduct of the principal English merchant in Bangkok, who excited the king’s anger by violent and unjustifiable attempt to force the Siamese Government to pay an exorbitant price for a steamer. Since the quarrel the position of foreigners had become almost untenable. As we only heard the English account of these quarrels, I have no hesitation in saying how ill they behaved. Had we heard the king’s account, we should have probably to speak even more strongly.” (Spenser St. John, The Life of Sir James Brooke, Rajah of Sarawak; From His Personal Papers and Correspondence, London 1879, S. 221f.). Zuvor hatte es schon ähnliche Vorfälle gegeben. 1839 und 1846 waren britische Handelsschiffe beschlagnahmt worden, weil sie Opium ins Land geschmuggelt hatten. Auf Druck der Regierung in Singapur musste die siamesische Regierung später jedoch Kapitäne und Besatzungen wieder freilassen, obwohl die britischen Stellen nichts taten, um derartige Vorfälle zu unterbinden (Nicholas Tarling, Siam and Sir James Brooke, S. 54). <?page no="43"?> III. Der Beginn diplomatischer Beziehungen zwischen dem Westen und Siam 43 4. Die Joseph-Balestier-Mission (1850) Joseph Balestier, US-amerikanischer Konsul in Singapur, wurde von seiner Regierung als außerordentlicher Gesandter in Siam ernannt. Die siamesische Regierung war darüber sehr besorgt. Dass diese Mission scheiterte, lag in erster Linie an Missverständnissen auf beiden Seiten und auch an der Persönlichkeit des Gesandten selbst. Den thailändischen Quellen zufolge kam Balestier vom 25. März bis zum 26. April 1850 als akkreditierter Gesandter weder in Begleitung einer Botschaftsdelegation noch von Marineoffiziellen nach Siam. Die Delegation bestand nur aus ihm, seinem Dolmetscher und einem chinesischen Diener. Einen solchen Auftritt schätzte Siam nicht, da es großen Wert auf Etikette und Zeremoniell legte, also auf die symbolische Repräsentation. Das jähzornige Temperament Balestiers kam den Siamesen sehr gelegen, um ihn zu provozieren. Siam nahm die unkontrollierten Launen des US-amerikanischen Gesandten zum Anlass, die Verhandlungen abzubrechen, und unterrichtete direkt den Schiffskommandeur. 103 Provokation kann also als eine weitere Variante der diplomatischen Instrumente Siams verstanden werden. 5. Die James-Brooke-Mission (1850) Bereits vor seiner Ankunft in Siam war Brooke über den Abbruch der Balestier- Mission informiert. Es war ihm klar, dass es schwierig würde, mit Siam zu verhandeln, insbesondere, weil das Land selbstbewusst war und sich als gleichberechtigter Partner Europas betrachtete. Brooke kommentierte das in einem Brief folgendermaßen: „Siam is, however, a country well worthy of attention, and, in a commercial point of view, second only to China, but the Government is as arrogant as that of China, and the King, by report, is inimical to Europeans. The difficulty is rendered greater by twenty-seven years of non-intercourse, which has served to encourage the Siamese in their self-conceit, and which has lowered us in their opinion. I shall try every means to conciliate their good opinion, and not force a treaty upon the King, which, when concluded, would be but wasted parchment, if not enforced, and if enforced, would inevitably lead to a war, though a petty one[; …]” 104 Siam wusste seinerseits über diese bevorstehende Kanonenboot-Diplomatie der Briten Bescheid und war entsprechend alarmiert. Die Regierung in Bangkok 103 Siehe Walter F. Vella, Siam Under Rama III. 1824-1851, S. 130ff. 104 Brooke an Major Stuart, Singapur, 17.06.1850 (Zitiert nach Oskar Frankfurter, The Mission of Sir James Brooke to Siam, S. 27ff.). Brooke hielt sich in Siam vom 22. August bis zum 28. September auf. <?page no="44"?> 44 A. Siam vor der Phase der europäischen Dominanz hatte all diesbezüglichen Informationen seiner Agenten in Singapur, Penang und auch in Britisch-Indien gesammelt. Sie wollte sich nicht nur auf die Verteidigung des Landes im Fall eines militärischen Angriffs vorbereiten, sondern ging auch zur diplomatischen Offensive über. Wie diese Vorbereitung vonstatten ging, zeigen die umfangreichen Dokumente aus der Zeit der Brooke-Mission: 105 Zum ersten Mal in der Geschichte Siams wurden alle Verhandlungen ausführlich protokolliert. Bemerkenswert ist außerdem, dass diese Protokolle in Thai und Englisch angefertigt wurden. Die Gesprächsprotokolle lassen die Effizienz der Regierung Siams erkennen, vor allem die Kompetenz der Protokollanten und Übersetzer. 106 Sie bezeugen einen weiteren Schritt in der politisch-kulturellen Transformation Siams und eine Vertiefung der Kenntnisse über die diplomatische Protokollpraxis Europas. Es war die Reaktion der siamesischen Regierung auf eine neue Herausforderung. 107 Die Dokumente liefern ein präzises Bild der taktisch geschickten Verhandlungen Siams. Das erste Gespräch fand am 16. August 1850 statt, als der Außenminister den britischen Gesandten James Brooke an der Mündung des Chao Phraya-Flusses empfing. 108 Der Außenminister fragte Brooke, wie viele Tage die Reise gedauert habe. Dadurch wollte der Minister erfahren, ob Sir James direkt aus London entsandt worden war. Brooke erwiderte, dass er vor zwei Jahren aus England abgereist war, zunächst nach Sarawak und schließlich nach Singapur. Die Fahrt von Singapur nach Siam habe fünf Tage gedauert. Daraufhin fragte der Minister, ob er, da er seit zwei Jahren der britischen Regierung diene, die Akkreditierung sowie das Begrüßungsschreiben Königin Victorias bei sich habe. In der Tat hatte Brooke lediglich die Akkreditierung des Foreign Office in London. Auf die Frage nach dem Begrüßungsschreiben erwiderte er ausweichend, dass die Königin beabsichtige, freundschaftliche Beziehungen mit Siam zu pflegen. Die britische Regierung sei der Meinung, die Königin werde das Begrüßungsschreiben erst dann ausstellen, nachdem Siam sich mit Großbritannien über die wirtschaftlichen Beziehungen verständigt habe. Die Freundschaft hing vor allem vom „Herzen“ (also der Ehrlichkeit) ab; den Worten sollten auch Ta- 105 Die Chronik der Thai-Geschichte 15, S. 104-167. 106 Insgesamt reichte Sir James sechs Schreiben vom 10. September 1850 an den Außenminister ein (Die Chronik der Thai-Geschichte 15, S. 122-137). Am 18. September antwortete der Minister (Die Chronik der Thai-Geschichte 15, S. 137-144 und 154.-161). Ein Briefwechsel bei den Crawfurd- und Burney-Missionen hatte noch mehr als zwei Wochen gedauert. 107 Diese Dokumente dienten als Studienobjekt für die nächsten Verhandlungen. König Chulalongkorn schrieb beispielsweise in seinen persönlichen Briefen, dass er oftmals diese Akten gelesen hatte. 108 Die Chronik der Thai-Geschichte 15, S. 108ff. Diese Quellen wurden von Oskar Frankfurter ausgewertet (Oskar Frankfurter, The Mission of Sir James Brooke to Siam, S. 19-33). Zur Version von Brooke über dieses Gespräch siehe Nicholas Tarling, Siam and Sir James Brooke, S. 51f. <?page no="45"?> III. Der Beginn diplomatischer Beziehungen zwischen dem Westen und Siam 45 ten folgen. Der Minister fragte erneut, ob Brooke darüber Bescheid wusste, dass Siam bereits 1826 einen Vertr ag mit Großbritannie n abgeschlos sen habe. Jener antwortete, er wisse das, jedoch sei der Vertrag zwischen Siam und der EIC und nicht mit der Regierung in London geschlossen worden. Der Außenminister behauptete darauf, Siam habe es so verstanden, dass dieser Vertrag zwischen Siam und Großbritannien unterzeichnet worden sei. Brooke beharrte erneut darauf, dass die Regierung in London den Vertrag als einen zwischen Siam und der East India Company betrachtet habe und nun einen neuen Vertrag zwischen Siam und Großbritannien aushandeln wolle. Bereits in diesem Gespräch konnte Siam zwei Gründe finden, um keine Verhandlungen einzugehen: Erstens hatte Brooke kein Begrüßungsschreiben von Königin Victoria. Infolge dessen wurde Brooke nicht vom König empfangen; in der Welt der Diplomatie symbolisierte dies eine Ablehnung. Siam hatte stets nach freundschaftlichen Beziehungen mit Großbritannien gestrebt und war bereit, als ebenbürtiges Königreich über wichtige politische Angelegenheiten mit den von Königin Victoria akkreditierten Gesandten aus London zu verhandeln. Verhandlungen mit einer kolonialen Handelsgesellschaft wären gleichbedeutend gewesen mit einer Herabstufung Siams zu einer Kolonie. Zweitens wurde Brooke seine Aussage über den Burney-Vertrag zum Verhängnis, da Siam sich von ihm (Burney) hintergangen fühlte. Dies stärkte die Position der Konservativen, die den Burney-Vertrag damals abgelehnt hatten. Schließlich gab es noch einen weiteren wichtigen Grund, der zum Scheitern der Mission führte. 109 Sie hatte versucht, ihre beiden Kriegsschiffe von der Mündung des Chao Phraya flussaufwärts Richtung Bangkok ohne einheimischen Lotsen fahren zu lassen. Damit wollte sie ihre militärische Stärke demonstrieren und so ihren Forderungen Nachdruck verleihen. Das misslang jedoch, da die beiden Schiffe an der Flussmündung strandeten. 110 Die gesamte Delegation musste mit einem Schiff der siamesischen Regierung nach Bangkok reisen. Damit war der Misserfolg der Mission vorprogrammiert. König Nangklao war über die Aussage Brookes aufgebracht, lehnte alle im Vertragsentwurf genannten Forderungen ab und ließ schließlich die Verhandlungen abbrechen. Er verlangte außerdem, dass die EIC in Bengalen Henry Burney nochmals nach Siam schicken solle, um den Burney-Vertrag zu kündigen. Die Regierung sei dann bereit, mit Brooke zu verhandeln. 111 Der Außenminister, einige Prinzen und die junge, dem Westen gegenüber offene Fraktion waren der Meinung, Siam müsse nun mit den Europäern verhandeln, um das 109 Spenser St. John, The Life of Sir James Brooke, S. 222. 110 Dazu kam es, obwohl die Briten bewusst den August für ihre Machtdemonstration gewählt hatten, da dies die günstigste Zeit war, um die berüchtigte Sandbank zu passieren (Nicholas Tarling, Siam and Sir James Brooke, S. 51). 111 Die Chronik der Thai-Geschichte 15, S. 117ff. <?page no="46"?> 46 A. Siam vor der Phase der europäischen Dominanz Schicksal Burmas und Chinas zu vermeiden. Diese Gruppen hatten den Ersten Opiumkrieg in Hongkong und Singapur in der Zeitung verfolgt und wussten, dass die nächste Mission im Stil einer Kanonenbootpolitik verlaufen würde, sollten die Verhandlungen mit Brooke scheitern. Der siamesische König berief daraufhin eine „Nationalversammlung“ zur Beratung ein, bei der die besten Köpfe zugegen waren, und zwar ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit und Nationalität. Dies waren - neben den Ministern - die ranghohen und rangniederen Beamten, die junge, weltoffene Fraktion und vor allem die evangelischen Missionare aus den USA. Dabei wurden alle aufgefordert, im Interesse des Landes ihre Meinungen ehrlich zu äußern, ob Siam die britischen Forderungen akzeptieren oder ablehnen solle. 112 Dieser Schritt ist als Reaktion auf den äußeren Druck und als eine neue Form des Widerstands zu verstehen. Bei der Crawfurd-Mission (1822) hatte Siam die Forderung der Briten noch abgelehnt, ohne Konsequenzen zu befürchten. Bei der Burney-Mission (1825) gelang es der siamesischen Regierung dann in den Vertragsverhandlungen, ihren Hoheitsanspruch auf vier malaiische Staaten durchzusetzen. Brooke legte der siamesischen Regierung einen Vertragsentwurf mit neun Artikeln vor. 113 Ein genauer Blick auf die Bestimmungen zeigt, dass dieser Vertrag auf Gegenseitigkeit basierte. Siam wurde nicht aufgefordert, seinen Markt einseitig gegenüber dem Westen zu öffnen; die siamesischen Kaufleute kamen in den Genuss eines niedrigen Importzolls für ihre Waren, die sie nach Singapur oder Britisch-Indien exportierten. Dabei waren die Artikel 2 und 6 von besonderer Bedeutung. Bei Artikel 2 handelte es sich um das Recht der Briten auf den Erwerb von Grundbesitz in Siam. Großbritannien räumte dieses Recht ebenso den Siamesen in seinem Hoheitsgebiet ein. Der 6. Artikel handelte von der gegenseitigen Ernennung von Konsuln. Die siamesische Regierung lehnte alle neun Artikel mit Gegenvorschlägen ab. 114 Brooke beendete daraufhin die Verhandlung abrupt und reiste ab. Trotz des Scheiterns waren die Verhandlungen konstruktiv und in gegenseitigem Respekt vonstatten gegangen. Der König und seine Minister lobten Brooke als einen sehr gewandten Diplomaten. 115 Brooke seinerseits war überrascht, wie gut Siam über die Weltpolitik informiert war. Es bleibt die Frage, warum Siam mit Brooke keinen Vertrag aushandeln wollte, obwohl der Druck von außen noch größer als bei der Burney-Mission war. Die Ursachen liegen in der innenpolitischen Situation in Siam begründet. Die ausländischen Quellen geben am besten Aufschluss darüber, wie es mit der nach außen demonstrierten Eintracht Siams tatsächlich aussah und worin der Grund 112 Die Chronik der Thai-Geschichte 15, S. 118. 113 Die Chronik der Thai-Geschichte 15, S. 129. 114 Die Chronik der Thai-Geschichte 15, S. 154ff. Zu den ausführlichen protokollarischen Diskussionen bei der Verhandlung siehe Nicholas Tarling, Siam and Sir James Brooke, S. 53ff. 115 Die Chronik der Thai-Geschichte 15, S. 160. <?page no="47"?> III. Der Beginn diplomatischer Beziehungen zwischen dem Westen und Siam 47 des Verhandlungsabbruchs lag. Es fanden in der Tat keine direkten Gespräche st at t. D i e ob en g eg eb ene n In fo rm at io n en a us d en t h ail ä n di sc he n Q ue l le n ü be r die Verhandlung wurden lediglich aus Korrespondenzen zwischen Brooke und dem Außenminister Siams entnommen. In Bangkok wurde Sir James Brooke zwar ehrenvoll empfangen und gut behandelt, aber weder der Außenminister noch sein Sekretär nahmen direkten Kontakt mit ihm auf. 116 Es herrschte außerdem eine angespannte Situation in Bangkok. Bei den in der Hauptstadt ansässigen westlichen Ausländern kursierte die Furcht vor einem Bürgerkrieg. Nach langem Warten und aus Angst vor einem Angriff entschied sich Brooke, Bangkok zu verlassen. 117 Die westlichen Gesandten und Brooke wussten über die innenpolitische Situation in Siam Bescheid: Der Druck von außen hatte einen neuen Konflikt zwischen der konservativen und der fortschrittlichen Fraktion ausgelöst. Bereits vor der Ankunft in Bangkok schrieb Brooke seinem Freund Templer: “[…,] in the course of this policy we may wait till the demise of the King brings about a new order of things. Above all, it would be well to prepare for the change, and to place our own king on the throne, and the King of our choice is fortunately the legitimate sovereign, whose crown was usurped by his elder illegitimate brother. This prince, Chow Fa Mongkut, is now a priest, and a highly accomplished gentleman, as far as things go. He reads and writes English in a way, is instructed in our 116 Zur plötzlich veränderten und befremdlichen Lage in Bangkok schrieb Brooke: “The total want of attention - the want of courtesy in the Phraklang in not returning my visit; the nonpermission for any communication with the Siamese nobles. - The slight of placing a man of low rank about the mission - The confinement forced upon us by the improper attendance when abroad and the tone of the High Minister’s letter are all just matters of compliant and demonstrate that amicable communications with the Siamese Government should cease till their feeling of hostility shall have been corrected […]” (Brooke an High Ministers, 28.09.1850, zitiert nach Nicholas Tarling Siam and Sir James Brooke, S. 55). Dieses Verhalten Siams, das auch als Provokation interpretiert werden kann, lässt sich damit erklären, dass den Briten die Druckmittel fehlten, da sie ja nicht mehr über ihre Kriegsschiffe verfügten. 117 So erzählte er beispielsweise seinem Freund Rev. Coxe über seine Erlebnisse in Bangkok: „My mission was a deadful failure, as the Siamese are as hostile, and as opposed to Europeans, as any people can well be. I had a very trying time of it, and altogether got out of an unpleasant and critical position, without loss of national or individual credit; although I was sore tempted, and my temper sorely tried. You may fancy how bad it was, when I mention, that I secluded myself, and never took or breathed the fresh air of heaven, during a long month of my stay. This was a defensive measure, to avoid all chance of insult, and that inevitable lowering in public estimation, which these arrogant and semi-barbarous people, always attempt with European.” [Sir James Brooke an Rev. Richard Coxe 16.10.1850 in: John C. Templer (Hrsg.), The Private Letters of Sir James Brooke, K.C.B., Rajah of Sarawak, Narrating the Events of His Life, from 1838 to the Present Time, Bd. III, London 1853, S. 18) 18]. Brooke schloss sich in seiner Residenz in Bangkok ein, denn er wollte sich nicht wie Balestier von den Siamesen provozieren lassen (Siehe Abschnitt 4 Die Joseph-Balestier-Mission, S. 43f.). <?page no="48"?> 48 A. Siam vor der Phase der europäischen Dominanz astronomy, and has a very high opinion of our arts, learning, and government. This prince we ought to place on the throne, and through him we might, beyond doubt, gain all we desire.” 118 Brooke hielt außerdem in seinem Tagebuch fest: „the Parties may be divided into King’s party, and a Princes’ Party, and it may generally be taken for granted that the Princes themselves and the party adhering to their cause, are favourable to Europeans, whilst the King and the opposite party are oppose to them […]” 119 Dieser Konflikt wurde durch das Problem der Thronfolge verschärft. König Nangklao war bei schlechter Gesundheit und wollte einen seiner Söhne als Nachfolger ernennen. Die Minister und einige Prinzen sprachen sich für Prinz Mongkut als nächsten König aus. Sie waren der Meinung, dass Mongkut aufgrund seines Wissens und seiner politischen Weitsicht dazu in der Lage sei, mit dem Westen zu verhandeln. Schließlich war er mit Vertretern des Westens befreundet und wurde von ihnen akzeptiert, sowohl im Inland als auch im Ausland. 120 Damit die Mongkut favorisierende Partei nicht von den Konservativen attackiert und dessen Chancen nicht beeinträchtigt wurden, nahm der Außenminister keine direkten Verhandlungen mit Brooke auf. Prinz Mongkut und seine Unterstützer schrieben Brooke private Briefe, in denen sie England baten zu warten, bis Siam einen neuen König habe, der bereit sei, mit Großbritannien über Verträge zu verhandeln. 121 Es wird klar, warum Siam in einer solch angespannten Situation keinen Vertrag mit den Briten abschließen wollte. Es ist gerade der Wille zur Kooperation mit den Briten, der zu diesem Verhalten der siamesischen Regierung führte. Nach dem Scheitern seiner Mission schrieb Brooke dennoch an John Templer: „I write under great pressure. The mission in Siam is a dead failure; they must be taught a lesson as they are committing frightful outrages on British subjects. The more experience I acquire, the more I am convinced, that our policy should be commanding, and our power exerted when necessary.” 122 Einen Tag zuvor hatte er Palmerston bereits vorgeschlagen, dass “Siam may now be taught a lesson which it has long been tempting - its Government may be remodeled - A better disposed king placed on the throne - and an influence acquired in the 118 Brooke an Major Stuart, Singapore, 17.06.1850, zitiert nach Oskar Frankfurter, The Mission of Sir James Brooke to Siam, S. 27. 119 Zitiert nach Nicholas Tarling, Siam and Sir James Brooke, S. 58. 120 R. Lingat, History of Wat Pavaranivça, in: JSS, vol. XXVI. Pt. 1 (April 1933), S. 90f. 121 David Wyatt, Thailand. A Short History, Chiang Mai (Thailand) 1984, S. 179. 122 Brooke an Templer, 6.10.1850, in: John C. Templer (Hrsg.), The Private Letters of Sir James Brooke…, S. 7. <?page no="49"?> III. Der Beginn diplomatischer Beziehungen zwischen dem Westen und Siam 49 country which will make it of immense commercial importance to England. […]” 123 Im Frühjahr 1851 erklärte sich König Nangklao schließlich im Interesse des Landes bereit, auf seinen Thronfolge-Kandidaten zu verzichten. 124 Er warnte die Minister jedoch auf dem Sterbebett mit folgenden Worten: „There will be no more wars with Vietnam and Burma. We will have them only with the West. Take care, and do not lose any opportunities to them. Anything that they propose should be held up to close scrutiny before accepting it: Do not blindly trust them.“ 125 König Nangklao starb am 2. April 1851. Damit ging ein Kapitel in der Geschichte Siams zu Ende, das 1688 begonnen hatte und vom Westen mit „The Old Siam“ überschrieben war. 126 Nun, am Beginn der Phase der europäischen Dominanz, begann ein neues Kapitel in der Geschichte des Landes. Es kam zu epochalen Änderungen in Politik und Gesellschaft. 127 Bis 1910 wurde das Schicksal Siams nun wesentlich von zwei Männern bestimmt, nämlich von Mongkut und vor allem von seinem Sohn Chulalongkorn. Die Begegnungen zwischen Siam und dem Westen, insbesondere Großbritannien, während dieser fünf Gesandtschaften weisen einige Besonderheiten auf. Zunächst fällt auf, dass die siamesische Regierung über die politisch-kulturelle Situation im Westen durchaus gut informiert war. Ebenso waren die Briten mit der Lage in Siam vertraut. Das lässt darauf schließen, dass beide Seiten ständig Kontakt miteinander hatten. Siam war also nie von der Außenwelt isoliert. Es muss ein engmaschiges Kommunikationssystem existiert haben, das vermutlich die Nachfahren von Portugiesen, in Bangkok ansässige westliche Kaufleute sowie katholische und evangelische Missionare sowie nicht zuletzt Chinesen aufgebaut hatten. 128 Diese Gruppen trugen dazu bei, westliche Kultur in Siam zu verbrei- 123 Brooke an Palmerston, 05.10.1850, confidential (Zitiert nach Nicholas Tarling, Siam and Sir James Brooke, S. 58). 124 Darüber berichteten lediglich die in Bangkok ansässigen westlichen Ausländer (Siehe beispielsweise die Tagesaufzeichnungen von Dan Breadley Abstract of the Journal…, S. 134ff.). 125 Chaophraya Thiphakorawong, Die Chronik des dritten Königs, S. 152. Die Übersetzung stammt von David Wyatt (Thailand. A Short History, S. 180). König Chulalongkorn lobte seinen Onkel und alle Minister und Beamten in der Präambel der Statuten des Chulachomklao- Familienordens (Siehe weiter unten). 126 The Siam Repository, 1873, S. 451. 127 Diese Ereignisse hatte Sir John Bowring, der britische Verhandlungsführer, vorhergesagt: „The country will be absolutely revolutionised by the change, and in a few years I doubt not there will be an enormous trade […]“. [Sir John Bowring an Edgar Bowring, 14.04, zitiert nach Nicholas Tarling, The Bowring Mission: The Mellersh Narrative, in: JSS, vol. 63, part 1 (January 1975), S. 105]. 128 Die chinesischen Einwanderer spielten in Siam stets eine nicht unwichtige Rolle beim Kulturtransfer. Sie fungierten nicht nur als Vermittler zwischen Siam und China, sondern auch zwi- <?page no="50"?> 50 A. Siam vor der Phase der europäischen Dominanz ten, das dadurch in die Lage versetzt wurde, sich mit der Moderne europäischer Prägung zu beschäftigen und sie partiell zu rezipieren. Beispiele finden sich im Schiffbau, im Privatleben der Elite, die sich bestimmte kulturelle Praktiken und technische Innovationen aneignete, sowie in der Übernahme des westlichen diplomatischen Zeremoniells. Deutlich geworden ist durch den Blick auf die verschiedenen Missionen außerdem, dass Siam umso mehr auf den Westen zuging, desto stärker der Druck von außen war. Die Verhandlungen bei der Burney-Mission sind dafür ein Paradebeispiel. Nach dem Ersten Britisch-Burmesischen Krieg realisierte Siam, dass es das nächste Angriffsziel sein könnte. Nun war die Regierung bereit, den Importzoll zu senken. Aus Britisch-Indien waren schon lange Forderungen in diese Richtung laut geworden, doch alle früheren Missionen konnten sie nicht durchsetzen. Andererseits konnte Siam erreichen, dass die Engländer vier malaiische Sultanate als seine Vasallenstaaten anerkannten. Damit das Empire nicht allein die neuen Vergünstigungen genießen und keine Vormachtstellung erringen konnte, lud die Regierung in Bangkok andere westliche Nationen ein, ebenfalls Verträge abzuschließen. Als während der Brooke-Mission der Druck zunahm, nutzte Siam offizielle und inoffizielle Kommunikationswege, um ihn abzumildern. Prinz Mongkut beispielsweise wandte sich mit privaten Schreiben an James Brooke. Eine Reihe westlicher Ausländer stand der siamesischen Regierung beratend zur Seite, die US-amerikanischen Missionare beispielsweise, die auch als Übersetzter fungierten. In Bangkok hielt man deshalb auch in kritischen Situationen Diplomatie für die beste Verteidigungsstrategie. Auch England griff trotz aller Schwierigkeiten bei den Verhandlungen nicht zu militärischen Mitteln, wie es in China und Burma der Fall war. Es fand also eine Interaktion zwischen Über- und Unterlegenem, Agierendem und Reagierendem 129 statt, die auf dem Grundsatz von „Akzeptanz und Kooperation“ basierte. So lassen sich während der fünf Missionen verschiedene Verhandlungstaktiken beobachten. Siam ließ sich im Wesentlichen von den Prinzipien des „do ut des“ und des „divide et impera“ leiten. Dem äußeren Druck entsprechend wurden diese Vorgehensweisen variiert. Das zeigt, dass Siam pragmatisch und geschickt mit der Drohung von außen umzugehen wusste. Das Land war in der Lage, stets den Verlauf des Geschehens zu bestimmen. Die folgenden Kapitel veranschaulichen die Strategien, mit denen Siam dem wachsenden Druck der westlichen Kolonialmächte begegnete. Dazu zählte neben England auch Frankreich, und im Laufe der Zeit kamen Deutschland und Russland hinzu. Es entwischen Siam und dem Westen (Vgl. dazu verschiedene Beiträge von Wang Gungwu in: Community and Nation. China, Southeast Asia and Australia, St. Leonard 1992). 129 Vgl. dazu auch Jürgen Osterhammel, Symbolpolitik und imperiale Integration, S. 410. <?page no="51"?> III. Der Beginn diplomatischer Beziehungen zwischen dem Westen und Siam 51 ckelte sich eine komplexe politische Gemengelage, die Siam zu facettenreichem Agi eren z wa ng. <?page no="53"?> 53 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) und die Phase der europäischen Dominanz Am 3. April 1851 bestieg Mongkut den Thron. Die offizielle Krönungszeremonie fand am 15. Mai 1851 statt. Der neue König stand nun vor zwei schwierigen Aufgaben: er musste ein Gleichgewicht zwischen Innen- und Außenpolitik finden und ein umfassendes Reformprogramm in die Wege leiten. Als die amerikanischen Missionare hörten, dass Mongkut zum König gewählt werden würde, suchten sie ihn am 25. März auf. Aus ihren Berichten geht hervor, dass Mongkut ihnen versicherte, weiterhin freundschaftliche Beziehungen zu pflegen. Sie notierten, Mongkut „… would be glad to have Siamese young men learn the English language and thought favorable of having a college established in Bangkok for this purpose.“ 130 Er habe außerdem vor, sein Land zu regieren „after the plan of a limited monarchy as he could not think that it was for the good of the people and their country to be ruled as they have been by the will of one selfish man.“ 131 Mit der „limited monarchy“ war vermutlich die britische konstitutionelle Monarchie gemeint, die Mongkut als moderne Staatsform schlechthin betrachtete. Aus diesen Äußerungen lässt sich ablesen, dass er eine neue Außen- und Kulturpolitik anstrebte, in der nicht mehr China das Vorbild war, sondern Europa. Mongkut und seine Mitstreiter hielten nach wie vor die Diplomatie für das beste Instrument, der kolonialen Expansion Europas zu widerstehen. Auch in der Modernisierung seines Landes sah der neue König ein Mittel, sich gegen die externe Bedrohung zu behaupten. Sein Vorgänger hatte dafür auf die Bewahrung eigener Traditionen gesetzt. Gegen Ende seiner Herrschaft resümierte Mongkut sehr plakativ die Alternativen, die sich für Siam in der Konfrontation mit Großbritannien und Frankreich boten: „[…] it is for us to decide what we are going to do; whether to swim up river to make friends with crocodile or to swim out to sea and hang on to the whale. […] What I am saying now goes for all times, even down to the times of our children and grandchildren. It is sufficient for us to keep ourselves within our house and home; it may be necessary for us to forego some of our former power and influence. 132 Being, as we are now, surrounded on two or three sides by powerful nations, what 130 Abstract of the Journal of Rev. Dan Beach Bradley, M.D. Medical Missionary in Siam 1835-73, hrsg. v. Rev. George Haws Feltus, Cleveland 1936, S. 137 (Hierbei handelt es sich um ein posthum veröffentlichtes Tagebuch). Zu diesem Anlass bat Mongkut Bradley, einen Artikel für eine Zeitung in Singapur zu schreiben. Damit wollte Mongkut auch gegenüber dem Ausland erklären, dass er nach dem siamesischen Thronfolgegesetz auf legitime Weise König des Landes geworden war. 131 Abstract of the Journal…, S. 137. 132 Hier ist China gemeint. <?page no="54"?> 54 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) can a small nation like us do? Supposing we were to discover a gold mine in our country, from which we could obtain many million catties 133 weight of gold, enough to pay for the cost of hundred warships; even with this we would still be unable to fight against them, because we would have to buy those very same warships and all the armaments from their countries. 134 We are as yet unable to manufacture these things, and even if we have enough money to buy them, they can always stop the sales of them whenever they feel that we are arming ourselves beyond our station. The only weapons that will be of real use to us in the future will be our mouths and our hearts, constituted so as to be full of sense and wisdom for the better protection of ourselves. […]” 135 Mongkut konstatierte hier, dass Siam zwei Möglichkeiten hatte, sein Schicksal in die Hand zu nehmen: Entweder auf Großbritannien zuzugehen und mit ihm freundschaftliche Beziehungen zu pflegen - „to swim up river to make friends with crocodile“ - oder sich unter den Schutz Frankreichs zu stellen - „to swim out to sea and hang on with the whale“. Mongkut wählte die erste Option. Dafür gibt es mehrere Gründe. 136 Erstens beherrschte Mongkut die englische Sprache gut und stand ständig in Verbindung mit britischen Kaufleuten sowie kolonialen Stellen in Penang und Singapur. Zweitens wusste Mongkut, dass Großbritannien die stärkste koloniale Macht in der Region und in ganz Asien war. Und drittens war sich der König darüber im Klaren, dass Großbritannien - insbesondere die britische Regierung in London - im Vergleich zu Frankreich eine 133 „Catty“ ist ein chinesisches Gewicht und entspricht ca. 600 Gramm. 134 1862 wollte die siamesische Regierung Kanonen bei der Firma William Armstrong bestellen. Dabei musste König Mongkut der britischen Regierung versichern, dass „[h]aving had learned from various searches the bestness and most curiosity of the new breach loading cannon invented by Sir William Armstrong, I was eagerly desirous of obtaining one small gun of the only 2 ½ bore made in good brass in manner of the Armstrong’s cannon for my own enjoyment or play, to see the power and curiosity and usefulness & c. therefore, and for being the only specimen of such celebrated cannon, whenever We would concern relating to the power of such the breach loading cannon to our visitors came from remote state of Laos & c: to whom the sight of curious and powerful articles manufactured in Europe is very seldom; my purpose was only as the forementioned not war-like purpose.“ König Mongkut an Sir Robert Schomburgk am 29. April 1862 in: English Correspondence of King Mongkut, hrsg. v. Georges Cœdès, in: JSS, vol. XXII, 1 (1927-1928), S. 6. Sir Robert Schomburgk, ein Deutscher, vertrat zu diesem Zeitpunkt als britischer Konsul die Interessen des Landes in Bangkok. 135 Diese Passage ist der Anweisung an den siamesischen Außerordentlichen Gesandten, Chaopraya Surawongse Vayavadhana, entnommen, der sich 1864 in Paris aufhielt. Die englische Übersetzung findet sich in: Letter to Phraya Surawongse Vayavadhana Siamese Ambassador to Paris 1864, in: M. R. Seni Pramoj und M. R. Kukrit Pramoj, A King of Siam speaks, ins Engl. übers. v. M. R. Seni Pramoj und M. R. Kukrit Pramoj, Bangkok 1987, S. 172ff. Diese Instruktion gilt als eines der wenigen Dokumente, das die persönliche Sicht Mongkuts auf die koloniale Bedrohung erkennen lässt. Sie ist außerdem aufschlussreich in Bezug auf die Außen- und Kulturpolitik Siams, an der sich bis heute nicht viel geändert hat. 136 Nicolas Tarling, The Mission of Sir John Bowring to Siam, in: JSS, vol. L, part 2 (December 1962), S. 92. <?page no="55"?> B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) 55 moderatere koloniale Politik verfolgte. 137 Zu ihr gehörten die Prinzipien von Kooperation und Anerkennung, und von einem Vertrag mit Großbritannien versprach sich Siam, wie es Mongkuts Bruder Krommaluang Wongsathiratsanit gegenüber John Bowring ausdrückte, dass das Land „might count upon that friendship being exerted to shield them from the embarrassments“ durch andere westliche Mächte. 138 Doch auch die britische Option bedeutete, dass sich Siam Europa gegenüber öffnen und die Bedingung des „informal empire“ annehmen musste. Es gab keine andere Wahl, als ungleiche Verträge zu akzeptieren. Um sich jedoch schnell wieder aus dieser Lage befreien zu können, initiierte Mongkut gleichzeitig ein Modernisierungsprogramm. Schon unmittelbar nach seiner Ernennung zum König sandte er seinem Freund Col. Butterworth, dem Gouverneur von Penang, einen Brief, in dem er erklärte, die Regierung Siams sei bereit, die Vertragsverhandlung mit den Briten wieder aufzunehmen, sobald der vorherige König eingeäschert sei. 139 Weiter schrieb er: „I am in most affairs of the preparation and reformation of New Siamese Government since I have entered to this seat after the demise of my esteemed brother His Siamese Majesty (Rama III.) which took place on the 2 nd April inst.” 140 Um den Druck von außen zu reduzieren, ergriff Mongkut die folgenden Maßnahmen: Er reduzierte die Hafengebühren, erleichterte den Export von Reis, hob das strenge Verbot der Opiumeinfuhr teilweise auf und garantierte die Freiheit der britischen und amerikanischen Kaufleute in Siam. Diese durften dar- 137 Siam hatte von Beginn an Probleme mit den französischen Gesandten. Bereits beim ersten Vertragsabschluss 1856 war die siamesische Regierung irritiert über Defizite in der französischen diplomatischen Praxis, die sich negativ abhob von der britischen. Siehe dazu beispielsweise Lawrence Palmer Briggs, Aubaret and the Treaty of July 15, 1867 Between France and Siam, in: FEQ, 6: 2 (1947: Feb.), S. 122-138. Deutlich wird das auch in einer Mitteilung des Prinzen Kromaluang Wongsathiratsanit an John Bowring: „They [die Siamesen] trusted […] that should cause for disagreement at any time occur, the British Government would not hastily have recourse to forcible measures, but would treat their Government with indulgent consideration, and would also extend to them the protection of England in the event of the American, French, or other foreign nation making additional or unreasonable demands with which they would be unable to comply […].” Zitiert nach Nicholas Tarling, Harry Parkes’ Negotiations in Bangkok in 1856, in: JSS, vol. LII, part 2 (July 1965), S. 179. 138 Zitiert nach Nicholas Tarling, The Mission of Sir John Bowring to Siam, S. 105. 139 “I beg to assure you I shall be very glad to accept them if some parties of English men come to my country to visit me, but please stay or stop the affair of negotiation of new treaty but one year more, until ceremony of funeral service of my esteemed brother the late King was concluded, on about March or April of proximate year.” (König Mongkut an Lieutt. Coll. W. J. Butterworth 22.05.1851, in: English Correspondence of King Mongkut, vol. XXI, 1, S. 8). 140 König Mongkut an Hamilton, Grey, John Jarvies und W m Kraal 24.05.1851, in: English Correspondence of King Mongkut, vol. XXI, 1, S. 11. <?page no="56"?> 56 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) über hinaus Grundstücke für die Errichtung ihrer Kirchen und Friedhöfe erwerben. 141 Und schließlich lud er die in Bangkok ansässigen westlichen Kaufleute und Missionare zu seiner Krönungszeremonie am 15. Mai 1851 ein. Traditionell waren Fremde eigentlich zu einer solchen Zeremonie nicht zugelassen. Doch Mongkut wollte ein neues Bild eines aufgeschlossenen Landes zeigen, das bereit war, sich zu modernisieren. Die Regierung Britisch-Indiens zögerte nach der Thronbesteigung Mongkuts, eine weitere Delegation zum Abschluss des Handelsvertrags nach Siam zu senden. Man fürchtete, dies könne auf den Widerstand der konservativen Fraktion stoßen und dadurch den Modernisierungsprozess gefährden, der gerade begonnen hatte. 142 Crawfurd etwa war der Ansicht: „Too busy an interference in the affairs of Siam might even put to risk the very power of its liberal sovereign, against whose reforms, as might be expected, there is a powerful party at Court as already stated. […]” 143 Erst im Frühjahr 1854 entschied sich die Regierung in London, eine Mission nach Siam zu entsenden. Um vergangene Fehler zu vermeiden, wurde sie diplomatisch aufgewertet: Als Leiter berief man den Gouverneur von Hongkong, Sir John Bowring, und dieser wurde zudem zum Außerordentlichen Botschafter und Bevollmächtigten Minister ernannt. Damit war Bowring der Gesandte mit dem zweithöchsten Rang, den Königin Victoria akkreditierte. Dass die Wahl auf den Gouverneur von Hongkong und nicht auf einen hohen Beamten aus Britisch-Indien fiel, liegt an der Priorität, die London auf den Abschluss eines ungleichen Vertrages legte. Bei den „men on the spot“ aus Indien bestand die Gefahr, dass sie eigene wirtschaftliche und politische Interessen verfolgt und damit erneut die politische Frage der malaiischen Halbinsel aufgebracht hätten. Ein erneutes Scheitern der Verhandlungen wäre dadurch vorprogrammiert gewesen. Der hohe Rang Bowrings sollte Siam zufrieden stellen, sowohl außenwie innenpolitisch. Siam war das erste Land in Südostasien, das einen so hochrangigen Diplomaten empfangen durfte. Das steigerte das Ansehen des Landes außenpolitisch bei seinen Nachbarländern, insbesondere bei Annam (Vietnam). 144 Siam konnte zeigen, dass es souverän war und vom Westen bei den Vertragsverhandlungen als gleichberechtigter Partner akzeptiert wurde. Die Diplomatie des Landes hatte einen ersten wichtigen Erfolg erzielt. Innenpoli- 141 Abbot Low Moffat, Mongkut, the King of Siam, New York 1961, S. 43. 142 Vgl. Nicholas Tarling, Siam and Sir James Brooke, S. 64. 143 Crawfurd an Derby 25.03.1852 (Zitiert nach Nicholas Tarling, Siam and Sir James Brooke, S. 66). 144 Ursprünglich war Mongkut besorgt, wie er Bowring sagte, Siam könne von Vietnam am Ende der Verhandlungen als Verlierer betrachtet werden (Sir John Bowring, The Kingdom and People of Siam, Bd. II, London 1857, S. 280f.). <?page no="57"?> B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) 57 tisch sollte Bowring die konservative Partei Siams beschwichtigen. Instabilität wa r nich t im br itis ch en Inte ress e. Unr uhe n im La nd hät te d en Ve rlu st a n wi rtschaftlichem und schließlich politischem Einfluss in der Region bedeuten können. Vor allem wollte Großbritannien einen zweiten Angriffskrieg wie in Burma 1851 vermeiden. Allgemein betrachtet verfolgte Siam bei den Verhandlungen mit Bowring dieselbe Strategie, von der es sich auch beim Burney-Vertrag leiten ließ. Beim Bowring-Vertrag konnte Siam nur das Monopol auf den An- und Verkauf von Opium durchsetzen. Das akzeptierten die Briten aus moralischen Gründen. Gleich nach der Unterzeichnung lud Siam die anderen westlichen Mächte ein, Verträge gleichen Inhalts abzuschließen. 145 Im Unterschied zu seinem Vorgänger betrieb Mongkut eine aktive Außenpolitik. So legte er Wert auf direkte diplomatische Kontakte mit den westlichen Regierungen und insbesondere mit deren Souveränen. Um mit ihnen besser kommunizieren zu können, eignete er sich ihren Habitus sowie eine Reihe von Herrschafts- und Staatssymbolen an. Mongkut modernisierte und europäisierte das diplomatische Zeremoniell Siams und akzeptierte damit auch eine Universalisierung westlicher Kultur. Dahinter stand die Hoffnung, vom Westen als politisch gleichberechtigt akzeptiert zu werden. 146 145 Der Bowring-Vertrag wurde am 8. April 1855 in Bangkok abgeschlossen, die Ratifizierung erfolgte ein Jahr später. In der Folgezeit unterzeichnete Siam ähnliche ungleiche Verträge mit 14 weiteren Ländern: mit Frankreich (1856), den USA (1856), Dänemark (1857), den drei hanseatischen Staaten (1858), Portugal (1859), den Niederlanden (1860), Preußen (1862), Norwegen und Schweden (1868), Belgien (1868), Österreich-Ungarn (1869), Spanien (1869), Japan (1887 und 1898) und Russland (1891 und 1899). Die Verträge mit den drei hanseatischen Staaten verloren nach dem preußisch-französischen Krieg (1871) automatisch ihre Gültigkeit. Im März 1891 schloss Siam mit Russland eine Erklärung über freundschaftliche Beziehungen (Declaration between Russia and Siam) ab. Die Kontakte zu Russland vertieften sich durch den Abschluss eines Handelsvertrags am 5. Juni 1899. Chalong Sundaravanich, Russia- Thai samai ratchakan ti 5-6 (Die russisch-thailändischen diplomatischen Beziehungen in der 5. und 6. Herrschaft), Bangkok 1973. Am 26. September 1887 unterzeichnete Siam einen Freundschaftsvertrag mit Japan. Elf Jahre später, am 25. Februar 1898, folgte ein Handelsvertrag [Zu den Beziehungen zwischen Thailand und Japan siehe beispielsweise Ishii Yoneo und Yashikawa Toshiharu, Nichi-Thai kyryu 600-nenshi (600 years of Relationship between Thailand and Japan), Tokyo 1987 und Thavee Theeravongseri, Sampanthapabganmüang rawangthaigabyibun (Die thai-japanischen Beziehungen), Bangkok 1981]. 146 Jürgen Osterhammel, Symbolpolitik und imperiale Integration, S. 395. <?page no="58"?> 58 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) I. Die antikoloniale Selbstbehauptung durch Modernisierung der symbolischen Repräsentation Unmittelbar nach seinem Amtsantritt begann Mongkut, die europäischen Mächte mit einer Politik der Symbole anzusprechen. Erwähnt wurde schon, dass er der Krönungszeremonie einen anderen Charakter gab, indem er westliche Ausländer dazu einlud. 147 In der Folgezeit nahm er das diplomatische Zeremoniell an, feierte jedes Jahr sein Krönungsjubiläum und seinen Geburtstag und stiftete schließlich Orden. Rückblickend erläuterte Mongkuts Sohn Chulalongkorn, dass sein Vater in dieser Symbolpolitik einen Weg sah, sich und sein Land in die westliche Welt zu integrieren. 148 Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen die Untersuchung des diplomatischen Zeremoniells sowie die Einführung von Orden, da sie unmittelbar außenpolitische Funktionen hatten. Die traditionellen Krönungs- und Geburtstagsfeierlichkeiten wurden erst in der Herrschaft Chulalongkorns als Instrumente der nationalen Integration ausgebaut und werden in Kapitel C behandelt. Kurz vor der Ankunft des Außerordentlichen britischen Gesandten hatten sich beide Seiten darauf geeinigt, Sir John Bowring als Botschafter eines souveränen Staates zu empfangen, und zwar mit allen Ehrerweisungen, die man auch den französischen Diplomaten Ludwigs XVI. im 17. Jahrhundert hatte zu Teil werden lassen. 149 Dabei wurde an Pomp nicht gespart. Das Protokoll enthielt siamesische und - als Novum - europäische Elemente und betrieb einen Aufwand, den Siam noch nie erlebt hatte. 150 A. Mellersh, Kapitän des Dampfschiffs „Rattler“, auf dem Bowring reiste, beschrieb ausführlich die symbolischen Innovationen. So wurde der Außerordentliche Gesandte nicht nur mit 21 Salutschüssen, sondern auch mit militärischen Ehren begrüßt, wobei das Musikkorps die britische Nationalhymne spielte: „Next morning Ap l 4 th (1855) Sir John landed under a salute from the ship, yards manned etc[.] etc[.], and was received by a Guard of Honor of about 500 men equipped in European style, the word of command being given in English, and a band of European instruments making a very re- 147 Zu dieser Zeremonie siehe B. Griswold, King Mongkut of Siam, S. 27ff. 148 König Chulalongkorn, Phraratchaphithi sibsongduean (Königliche Hofzeremonie im Jahreslauf), Bangkok ( 1 1911) 14 1973, S. 56. 149 Die Chronik der Thai-Geschichte 15, S. 171f. Crawfurd und Burney waren hingegen wie Gesandte eines Vasallenstaats behandelt worden (Siehe oben). Allerdings ist hier anzumerken, dass die Briten hinter der Kulisse des freundschaftlichen Umgangs den Druck erhöht hatten. Bowring konnte bei der siamesischen Regierung durchsetzen, mit dem Kanonenboot Rattler nach Bangkok zu fahren, um militärische Präsenz zu demonstrieren. Damit wollte er die Erfolgschancen seiner Mission vergrößern. 150 Bowring beschrieb diese Empfangszeremonie selber in: The Kingdom and People of Siam, Bd. II, S. 262ff. <?page no="59"?> I. Die antikoloniale Selbstbehauptung durch Modernisierung 59 spectable attempt to play our National Anthem when the Guard presented arms; they also managed a tolerable salute of the same number of guns as the ship fired when His Excellency left. […]” 151 Doch damit nicht genug, auch auf dem Weg zur offiziellen Audienz wurde die Gesandtschaft aufwändig begrüßt. Kapitän Mellersh notierte: „When we arrived at the gates of the Palace Garden, we alighted, and formed in order as arranged before starting; here we were met by a Guard of honor of about 5,000 men, who on our arrival at a certain spot ‘presented arms’ whilst their band played ‘God save the Queen’; as soon as that ceased, about 200 Native drums began beating in single taps but all together which had a very singular effect; and some shrill instrument; very like the highland bagpipes, played with increasing strength as we approached the Hall of Audience, in which were the Thrones of the Two Kings; all the Elephants were drawn up in array, dressed in their gorgeous clothing, and “salaamed” as Sir John passed; indeed every thing, was done to show attention to the English Plenipotentiary that could have been done to a crowned head.“ 152 Diese militärischen Ehren waren nicht nur für den ausländischen Gast bestimmt, sondern auch in das siamesische Hofzeremoniell integriert. So schrieb Mellersh, als er einer königlichen Zeremonie in einem Tempel beiwohnte: „[…] when the King (Mongkut) came on their knees and elbows went all the Nobles just in the attitude of frogs about to leap, whilst we stood upright and respectfully took off our hats as the King passed; a sort of band played “God save the Queen” as he came along in his gorgeous chair of state carried by a number of men […”]. 153 Analysiert man die verschiedenen Elemente, die das siamesische Protokoll bei diesem Empfang kombinierte, wird deutlich, dass man sich noch auf ungewohntem und auch unsicherem Terrain bewegte und improvisieren musste. 154 Nach westlicher Auffassung diente ein solches Zeremoniell dazu, die militärische Führung zu integrieren. 155 Siam besaß aber bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts keine einheitlichen Streitkräfte. Die britische Nationalhymne zu spielen, um das eige- 151 Zitiert nach Nicholas Tarling, The Bowring Mission, S. 108f. Mellersh hinterließ Tagebuchaufzeichnungen von seinen Erlebnissen in Bangkok, die Nicholas Tarling bearbeitete und veröffentlichte. Daneben gibt es zahlreiche thailändische Protokolle und Dokumente, die diesen Empfang beschreiben. Sie schildern meist den Ablauf der Zeremonie aus thailändischem Blickwinkel und gehen vor allem darauf ein, wie die Ankunft der Gesandtschaft vorbereitet wurde (Die Chronik der Thaigeschichte 15, S. 169-231). 152 Zitiert nach Nicholas Tarling, The Bowring Mission, S. 117. 153 Zitiert nach Nicholas Tarling, The Bowring Mission, S. 114. 154 Bowring beschrieb sie so: „Never was such music - fifes, drums, and a fiddle, played by the most grotesque-looking figures imaginable.“ Sir John Bowring, The Kingdom and People of Siam, Bd. II, S. 263. 155 Vgl. Jürgen Hartmann, Staatszeremoniell, S. 177f. <?page no="60"?> 60 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) ne Königreich zu repräsentieren, war eine absolute Notlösung. Die siamesische Musikkultur unterschied sich grundlegend von der europäischen. Es war für die siamesischen Musiker schon sehr schwer, die britische Nationalhymne nur erklingen zu lassen. Eine eigene Hymne nach westlichem Vorbild in kurzer Zeit zu schreiben war nicht möglich. Dazu mussten erst tragfähigere Grundlagen für einen musikalischen Kulturtransfer geschaffen werden. 156 Das persönliche Begrüßungsschreiben der britischen Königin, das Siam seit der Crawfurd-Mission 1822 stets einforderte, erhielt Mongkut erst ein Jahr später im Jahr 1856.Harry Parkes, der britische Verhandlungsführer während der Bowring-Mission, übergab es persönlich in Bangkok mitsamt dem von der Regierung in London ratifizierten Bowring-Vertrag. Dieses Schreiben war für Siam deshalb wichtig, weil es seine Souveränität symbolisch anerkannte. Mongkut freute sich sehr darüber und sah darin ein Zeichen, dass er nun in den Kreis europäischer Souveräne aufgenommen sei. Eines seiner wichtigsten Ziele hatte er damit erreicht, nämlich freundschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Königshäusern. Parkes beschrieb in seinen Aufzeichnungen die Reaktion Mongkuts: 157 Parkes hatte, so hielt er fest „[…] the pleasure of observing the genuine satisfaction that its contents afford him at a moment when in the absence of his Ministers and courtiers he had less occasion for dissembling his real feeling. To be as he believed the first sovereign in Asia to receive a letter from Her Britannic Majesty, to be styled by Her not only ‘an affectionate’ friend but ‘sister’ also, and thus to be admitted unreservedly into the brotherhood of European royalty, and have his position as a King thus clearly recognised by the Sovereign - as it may probably appear to him - of the most powerful European State, was indeed an honor and a satisfaction which at once touched his heart and flattered his ambition.” Von diesem Zeitpunkt an korrespondierte Mongkut mit Königen und führenden Politikern, mit Queen Victoria, Napoleon III. und Papst Pius IX., aber auch mit dem amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln. 158 Der Wandel der symbolischen Repräsentation lässt sich auch Mongkuts Privatkorrespondenz entnehmen. So fällt auf, dass er in Briefen an Königin Victoria die europäische Intitulatio übernahm. Die Formulierung lautete: 156 Zur Nationalhymne Siams siehe Suphot Manalapanacharoen, Die Geschichte deutschthailändischer Musikbeziehungen, Frankfurt a. M. 2000, S. 129ff. 157 Zitiert nach Nicholas Tarling, Harry Parkes’ Negotiations in Bangkok in 1856, S. 170. 158 Solche Korrespondenzen sind veröffentlicht in: English Correspondence of King Mongkut, hrsg. v. Georges Cœdès, in: JSS, vol. XXI, 1 (1927-1928), S. 1-18 sowie vol. XXI, 2 (1927-1928), S. 2- 35 u. 127-177. <?page no="61"?> I. Die antikoloniale Selbstbehauptung durch Modernisierung 61 „Somdetch Phra: Paramendr Maha Mongkut, By the divine blessing of the Superagency of the universe, the First king of the Siamese Kingdom, consisting of Siamese proper both Northern and Southern and the adjacent tributary dependencies, Laos, Cambodia[,] and several provinces of Malay peninsula &c. &c. &c. To Her Gracious Majesty Victoria the Queen of the United Kingdom of Great Britain and Ireland, the powerful Sovereign of British Colonies almost around the Globe of Human world, &c. &c. &c. Our most respected and distinguished Friend, and by race of the royalty our very affectionate Sister. Humble and respectfully sendeth Greeting” 159 Mongkut signierte seinen Brief mit “S.P.P.M. (Somdetch Phra Paramendr Maha) Mongkut Rex Siamensium”. Noch interessanter ist die Intitulatio, die Mongkut in einem Brief an den amerikanischen Präsidenten Franklin Pierce verwendete. Er machte sich dort zum Professor der Buddhologie: „Somdetch Phra Paramendr Maha Mongkut, By the blessing of highest and greatest superagency of Universe. The King of Siam and Sovereign of all tributary Countries adjacent in every direction namely Laos Shengs Laokaus Cambodia Kareung and most of Malay Peninsula and professor of Pali language and Buddhistical literature, &c., &c. To all and a Singular to whom these presents shall come Greeting! ” 160 In dieser Intitulatio kann man eine Aneignung von Elementen europäischer Kultur sehen, wie sie sich später auch bei der Rezeption der Orden zeigen wird. Die äußere Form der Intitulatio ist europäisch, aber der Inhalt richtet sich nach der eigenen hinduistisch-buddhistischen Herrschaftsideologie. Der Aussteller nennt darin seinen Namen und Titel, jedoch ohne die Devotionsformel, also ohne die Hervorhebung, dass seine Herrschaft von der Gnade Gottes abgeleitet ist. 161 Ein weiterer Schritt Mongkuts, Zugang zum Kreis der westlichen Staatsoberhäupter zu finden, war die gegenseitige Ordensverleihung. Er begann um 1851 zu erwägen, siamesische Orden nach westlichem Vorbild zu vergeben. Dazu ließ er zunächst zahlreiche Fotos anfertigen, die ihn in verschiedener Kleidung und mit unterschiedlichen Orden zeigten, die er Souveränen und anderen Persönlichkeiten übergab. Es war zu dieser Zeit Mode, derartige Porträtaufnahmen 159 König Mongkut an Königin Victoria 21.03.1861 in: English Correspondence of King Mongkut, vol. XXI, 2, S. 166. 160 König Mongkut 31.05.1856 in: English Correspondence of King Mongkut, vol. XXI, 1, S. 30. 161 Über die Gestalt europäischer Urkunden siehe Kapitel 6 Innere Merkmale der Urkunden, in: Thomas Vogtherr, Urkundenlehre. Basiswissen, Hannover 2008, S. 63-74. <?page no="62"?> 62 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) samt Autogramm bei zeremoniellen Anlässen als Geschenke zu verteilen. 1861 berichtete Mongkut Königin Victoria von seiner Absicht, ihr einen siamesischen Orden zu verleihen: „For the confirmed friendship existed between your Majesty and ourselves, we hope your gracious Majesty will allow us to bring a private proposal to your Majesty’s notice. We ventured that we have heard from many persons, who are your Majesty’s subjects resident and visitor here, and who have informed us on the similar tiding and statement, that there were many monarchs of various nations in Europe who are in friendly term and alliance with your Majesty, ever have presented to your Majesty various peculiar decoration of their own arms or signs of their countries for your Majesty kind acceptance to be decorated in any manner, and then your Gracious Majesty has responded to them by bestowing on them some decoration which were mark or sign of your Majesty’s standard or arm of your dominion in return for honor to them, and that when such the gift of honorary decorations are sent mutually among European monarchs, to improve royal friendship, there is an European custom to send with testimonial diploma. If this tiding be true, we venture to state that we are desirous of presenting your Majesty a Siamese decoration made to show a sign of ourselves or of our country, which would be appeared or known that it was offered form ourselves, whenever your Majesty might graciously decorate with it and show on any assembly or congregation, it will prove greatest honor to our name in that meeting. Also we are very desirous of receiving an honor from your Majesty’s gracious favour, be benevolently bestowing upon us any decoration in any suitable manner to be dressed on our body, and to show in principal meeting that it was bestowed on us your Majesty as a peculiar royal gift, it will prove greatest honor to us here among Eastern Monarchies. Will the desire occurred to us be proper and agreeable or not? ” 162 Mongkut fürchtete jedoch gleichzeitig, dass die siamesischen Orden westlichen Standards nicht genügen könnten, und verschob zunächst die Pläne, mit dieser Form symbolischer Politik zu beginnen. “We are the only ruler of remote or very distant country from Europe and have very different custom and appearance, yet we became an allied to your Majesty and other several rulers of civilized world, but we are afraid that the decoration made by our native artist, jeweller, gold smith, &c will be very ill construction or more titled manufacture that those of European article, so Siamese manufactured decoration may be not acceptable by your Majesty. Also we are very ignorant of the custom in furnish the style of Diploma which was said to be accustomed to accompany the offered decoration, how it shall be formed in proper manner; for this consequence we have postponed our desire to do so in the present occasion in am (? ) though this opportunity allowed us to send herewith.” 163 162 König Mongkut an Königin Victoria 21.03.1861, in: English Correspondence of King Mongkut, vol. XXI, 2, S. 175f. 163 König Mongkut an Königin Victoria 21.03.1861, in: English Correspondence of King Mongkut, vol. XXI, 2, S. 176. <?page no="63"?> I-. Die Ordensstift2n3en 63 Um dieses Zögern besser zu verstehen, wird im folgenden Abschnitt nachgezeichnet, wie der Prozess der Einführung von Orden während der Herrschaft Mongkuts verlief. II. Die Ordensstiftungen 1857, sechs Jahre nach seiner Thronbesteigung, sah Mongkut die Möglichkeit, seine Pläne, siamesische Orden zu begründen, in die Tat umzusetzen. 164 Der Abschluss der ungleichen Verträge bestärkte ihn bei seinem Vorhaben. Er begründete es mit folgenden Worten: „Nachdem Siam begonnen hat, diplomatische Kontakte mit dem Westen aufzunehmen, hat der König erfahren, dass auch in den westlichen Ländern Auszeichnungen, wie die siamesischen ‚Khrueangyot‘ (Ranginsignien), vorhanden sind. Diese sind vergleichbar mit Rangabzeichen, in verschiedene Stu fen e in get eil t, de n Di enst grad en entsp rec hen d, v om h öc hst en Rang b is zu m ni edr igs te n Rang . Diese Auszeichnungen haben verschiedene Formen, z.B. fünfzackige, achtzackige Sterne, oder auch andere Formen, welche in Statuten festgelegt sind. Nun sieht der König Siams das Bedürfnis, dass auch sein Reich solche an der Brust getragenen Auszeichnungen besitzt.“ 165 Insgesamt führte Mongkut fünf Orden in zwei Schritten ein: den Aiyaraphot-, Khotchasi-, Noppharat-, Weißen-Elefanten- und Maha-Mongkut-Orden. 166 1. Die erste Ordensstiftung (1857) Die ersten beiden Orden schuf Mongkut 1857. Wie die thailändischen Quellen zeigen, war der eine für ihn selbst bestimmt 167 (Aiyaraphot, Abb. 2), der andere für seinen engen Vertrauten, den Minister Phraya Srisuriyawongse (Khotchasi, Abb. 4). Sie wurden in die traditionellen Ranginsignien eingepasst. Damals existierte im Thailändischen noch keine Bezeichnung für Orden. Man nannte sie 164 Die Statuten des Noppharat-Ratchawaraphon-Hausordens 01.10.1893, in: The Royal Gazette, 29.10.1893, S. 325. 165 König Mongkut, Rueang Waen Nopphakao (Nopphakao-Ring), in: Phraratchaniphon nai ratchakan thi si (Gesammelte Schriften des Königs Mongkut), Bangkok 1950, S. 36 (Übersetzung des Zitats vom Autor). 166 “Orden” meint hier noch keinen Orden im europäischen Sinne. Mongkut stiftete lediglich Ordens- oder Bruststern. Was Orden insgesamt ausmacht, ist unten in Anm. 168 beschrieben. 167 Dabei handelte es sich um eine Selbstdarstellung des Stifters. Bis heute ist es überall auf der Welt üblich, dass ein König einen Orden begründet, der ihn repräsentiert und den er als Anerkennung für Dienste verleihen kann, die ihm persönlich erbracht wurden. Der Ausgezeichnete bestätigt mit dem Empfang des Ordens die königliche Autorität. <?page no="64"?> 64 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) wie im Englischen „decoration“, „star“ oder auch „dara“, (wörtlich: „Stern“). Gemeint waren damit die „Ordensdekoration“ oder der „Ordensstern“ sowie der „Bruststern“. 168 Mongkut umschrieb sie folgendermaßen: „Khrueang ratcha issariyayot“ (wörtlich: das höchste königliche Insignium) wählte er für den Aiyaraphot-Ordensstern und „Khrueang pradap samrapyot“ (wörtlich: die Dekoration für Rangabzeichen) für den Khotchasi-Ordensstern. Das zeigt, dass Mongkut die europäischen Orden vor allem als Ausdruck für Status wahrnahm. Deshalb wählte er als Hauptsymbol des Ordens das Amtssiegel des Königs oder des jeweiligen Ministers. Betrachtet man die beiden Orden (Abb. 1-4) genauer, fällt sofort auf, dass europäische Muster übernommen wurden. Wie beim Empfangszeremoniell und bei der Intitulatio mischten sich erneut westliche und siamesische Elemente. Die äußere Form ist entweder eine Medaille oder ein Medaillon, jedoch kein Kreuz. Das Hauptmotiv, die innere Gestalt, ist siamesisch. Im Mittelmedaillon des Aiyaraphot- und Khotchasi-Ordenssterns erschienen die Amtssiegel des Königs und des „Premierministers“ (Abb. 1 und 3). Die Symbole von Herrschaft und Autorität, die ein Siegel auf Papier drückt, lassen sich problemlos in die Orden übertragen und sichtbar machen. „Aiyaraphot“ (Sanskrit: airāvata) heißt der dreiköpfige Elefant, der das Königreich Siam symbolisiert. Er ist das Reittier des Gottes Indra. Indra bedeutet auch „Herrscher“. Der Gott Indra war Sinnbild des Herrschers von Siam. Deshalb signierte der siamesische König seine amtlichen Schreiben mit „Siamindr“, einem Kompositum aus „Siam“ und „Indra“. Wörtlich bedeutete das der Indra von Siam und im übertragenen Sinne der Herrscher von Siam. Zur Zeit von Mongkuts Regentschaft wurden zahlreiche königliche Siegel mit unterschiedlichen Symbolen verwendet. Das wichtigste war das „Aiyaraphot“-Siegel. Es wurde auf amtliche Dokumente von großer Relevanz im Namen des Königs, aber ohne dessen Unterschrift gestempelt, auf Proklamationen eines Gesetzes beispielsweise oder auf Urkunden, die die Beförderung eines Prinzen in einen höhe- 168 Prinz Damrong Rajanubhab, Tamnan khrueang ratcha issariyaphon sayam (Die Chronik der Orden und Ehrenzeichen von Siam), Bd. I, Bangkok 1925, S. 2. Der Bruststern ist ein dekorativer Bestandteil der Ordensinsignien höherer Klasse (Klasse I oder Großkreuz-Klasse, Klasse II oder Kommando-Kreuz-Klasse). Die Ordensinsignien bestehen aus drei wichtigen Teilen: aus Kleinod, Stern und Band. Bei der Großkreuz-Klasse beispielsweise werden das Kleinod am Schulterband und der dazugehörige Stern auf der Brust getragen. In der zweiten Klasse ist das Kleinod in der Regel am Halsband angebracht, der Stern wird aber auch auf die Brust geheftet [Zu Ordensinsignien und -klasse sowie zur Tragweise siehe Kapitel Ordensklassen und -insignien in: Paul Ohm Hieronymussen, Handbuch europäischer Orden in Farben, aus dem Dänischen übers. v. Lisa Lundø, Berlin ( 1 1966) 2 1975, S. 16ff. und Václav Měřička, Das Buch der Orden und Auszeichnungen, aus dem Tschechischen übers. v. Robert Frenzl, Hanau 1976]. <?page no="65"?> II. Die Ordensstiftungen 65 ren Rang bezeugten. Das „Aiyaraphot“-Siegel repräsentierte die königliche Autorität, es war also die Selbstdarstellung des Königs. 169 Die Aiyaraphot-Ordenssterne sind flach, oval, golden, dunkelgrün emailliert und zwölfzackig (Abb. 2). Ein mit Brillanten und anderen Edelsteinen geschmückter Ring fasst das Mittelschildchen ein, dessen Zentrum das Hauptzeichen des „Aiyaraphot“-Siegels einnimmt. Der dreiköpfige Elefant trägt auf seinem Rücken den königlichen Pavillon, von dessen Dachspitze Strahlen ausgehen. An diesem Pavillon ist das so genannte „Maha-U-nalom“-Zeichen zu sehen, das dritte Auge des Gottes „Isuan“ (Sanskrit: iśvara), das sich auf seiner Stirn zwischen den Augenbrauen befindet. Es symbolisiert die reale Existenz dieses Gottes, in der sich der König von Siam verkörpert. 170 Elefant und Pavillon bilden das Kernmotiv des Ordens und stellen das Herrschaftszeichen dar. In der Figur des Pavillons ist zugleich die „Überhöhung“ 171 im Sinne der europäischen Heraldik zu sehen. An beiden Seiten des Elefanten stehen jeweils Masten mit sieben pyramidenförmig aufeinandergestellten Schirmen. Sie werden thailändisch „Khrueangsung“ genannt (wörtlich: Hoheitsgegenstände), sind Attribute der Würde des Königs und gehören zu seinen Ranginsignien. Der Khotchasi-Ordensstern ist ähnlich gestaltet. Sein Hauptsymbol ist dem Amtssiegel des „Premierministers“ entnommen, das „Khotchasi“ genannt wird (Abb. 3). Dargestellt ist ein mythologisches Wesen aus dem Hinduismus, das Elefant (Khotcha, Sanskrit: caja) und Löwe (Siha, Sanskrit: singha) in sich vereint. Symbolisch bedeutet dies das mächtigste und kräftigste Tier auf Erden, und das versinnbildlicht Macht und Autorität des „Kalahom“, des siamesischen Verteidigungs- und Premierministers. 172 Er ist golden, dunkelgrün emailliert und wird von zwei ineinander verschränkten Reihen mit jeweils 12 Zacken eingerahmt, die Lotusblätter darstellen (Abb. 4). Rubine und Smaragde schmücken jedes Blatt. Um das Mittelschildchen mit dem „Khotchasi“-Siegel verläuft ein mit Brillanten verbrämter Ring. Flammenförmige Pflanzenmotive füllen die freien Flächen im Medaillon. Das königliche Symbol ruht auf dem Rücken des „Khotchasi“. Da der originale Ordensstern aus der Zeit Mongkuts verloren ging, zeigt Abbildung 4 den von Chulalongkorn gestifteten. Er ist identisch mit Ausnahme des Herrschafts- 169 Phraratchabanyat chai tra paendin (Das Siamesische Staatswappen-Gesetz), in: The Royal Gazette, 28.04.1889, S. 27f. 170 H. G. Quaritch Wales, Siamese State Ceremonies, S. 29. 171 „Überhöhung“ ist ein Fachbegriff aus der Ordenskunde (Phaleristik), der aus der Heraldik übernommen wurde. Gemeint ist die Darstellung des Herrschaftszeichens über dem Hauptmotiv des Ordens. In der gängigen europäischen Praxis handelt es sich dabei um die Krone des Ordensherrn. Zur ausführlichen Darstellung darüber siehe beispielsweise Eckart Henning und Dietrich Herfurth, Orden und Ehrenzeichen, S. 27f. 172 Zur Erläuterung der Funktion des Amtes Kalahom siehe S. 76f. <?page no="66"?> 66 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) zeichens, das „Chula Mongkut“ genannt wird, kleine Krone. Dargestellt ist lediglich deren Spitze, die von zwei aufeinandergestellten Schalen getragen wird. „Chula“ 173 , „klein“, bezieht sich auf den Kleinen, auf Mongkuts Sohn, also auf Chulalongkorn. Ursprünglich befand sich hier die „Maha Mongkut“, die große Krone. Bei dem „Khotchasi“ mit der königlichen Krone auf dem Rücken handelt es sich um ein politisches Symbol, das den Minister als Diener des Königs zeigt. 2. Die zweite Ordensstiftung (1858-1861) Um weitere Personenkreise ehren zu können, führte Mongkut 1858 den Noppharat- und 1861 den Weißen-Elefantensowie den Maha-Mongkut-Orden ein. 174 Im Unterschied zu den beiden ersten lag nicht fest, für wen sie bestimmt waren. Mit ihnen sollte geehrt werden, wer besondere Verdienste erbracht hatte. Nach europäischem Vorbild sollten mit diesen Orden drei verschiedene Gruppen ausgezeichnet werden: der Noppharat-Orden war für Angehörige der königlichen Familien bestimmt, der Weiße-Elefanten-Orden für Beamte und Ausländer und der Maha-Mongkut-Orden für „Bürger“. Das Gestaltungsprinzip entsprach dem der beiden anderen Orden. Der Noppharat-Orden sollte als höchste Ehrung innerhalb des siamesischen Königshauses fungieren. Sein Hauptmotiv bilden neun Edelsteine, die der Phra- Noppharat-Kette entnommen sind, einem wichtigen Teil der königlichen Insignien Siams. 175 Der Maha-Mongkut- (Abb. 7 und 8) und der Weiße-Elefanten-Orden (Abb. 9 und 10) wurden nach dem Muster europäischer Verdienstorden gestaltet. 176 Mongkuts Siegel (Abb. 7) bildete das Hauptzeichen des Maha-Mongkut-Ordens. Dies diente der Selbstdarstellung des Königs, während der Weiße-Elefanten- Bruststern das Königreich Siam repräsentierte. 173 culo, cūlo oder cū#o sind Pali-Wörter und bedeuten „klein“ (Sanskrit: k'ulla). 174 Prinz Damrong, Die Chronik der Orden von Siam, S. 5ff. 175 Das Motiv der neun Edelsteine - Diamant, Rubin, Smaragd, Topas, Granat, Saphir, Perle, Zirkon und Katzenauge namens „Nopphakao“ oder auch „Noppharat“ (von Sanskrit: navaratna, wörtlich: neun Edelsteine) hatte eine rituell-politische Bedeutung. Die Zahl neun in ihrem ursprünglichen Sinne symbolisierte die neun Planeten. Im Laufe der Zeit verlor sie jedoch diese Bedeutung und bezeichnet lediglich die neun Edelsteine (H. G. Quaritch Wales, Siamese State Ceremonies, S. 101). Darüber hinaus hat die Zahl neun transzendentale Signifikanz: „Nava“ heißt im Sanskrit auch neu, frisch oder jung und im übertragenen Sinn Erneuerung, Erfolg oder Fortschritt. Bis heute ist die Neun in Thailand die beliebteste Zahl. 176 Die Statuten des Weißen-Elefanten-Ordens 01.10.1893, in: The Royal Gazette, 24.12.1893, S. 425ff. <?page no="67"?> II. Die Ordensstiftungen 67 Abb. 1: Das „Aiyaraphot“-Siegel Abb. 2: Der Aiyaraphot-Ordensstern <?page no="68"?> 68 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) Abb. 3: Das Khotchas-Siegel Abb. 4: Der Khotchasi-Ordensstern aus der Herrschaft Chulalongkorns <?page no="69"?> II. Die Ordensstiftungen 69 Abb. 5: Der Trageglied der Phra-Noppharat-Kette (Ausschnitt) Abb. 6: Der Noppharat-Ordensstern <?page no="70"?> 70 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) Abb. 7: Das „Maha-Mongkut“-Siegel Abb. 8: Der Maha-Mongkut-Ordensstern <?page no="71"?> II. Die Ordensstiftungen 71 Abb. 9: Der Weiße-Elefanten-Ordensstern mit der „Maha-Mongkut“-Krone Abb. 10: Der Weiße-Elefanten-Ordensstern mit dem Flaggenmast <?page no="72"?> 72 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) Mit dem Maha-Mongkut-Orden (Abb. 8) wurden Siamesen belohnt, die dem König persönlich besondere Dienste geleistet hatten. 177 Den Weißen-Elefanten- Orden dagegen, die höchste Auszeichnung, die Siam vergeben konnte, sollten auch Ausländer erhalten können. 178 Darin lag seine besondere Bedeutung, und deshalb hatte der Stifter ihn sorgfältig gestaltet. Das betraf besonders das Hauptzeichen. Damit Europäer und Amerikaner diesen Orden leicht mit Siam identifizieren konnten, wählte Mongkut dafür den „Weißen Elefanten“. Er symbolisierte Siam, zunächst für die Nachbarländer und später, seit dem 17. Jahrhundert, auch für den Westen. 179 Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Siam „das Land des Weißen Elefanten“ genannt. 180 Der „Weiße Elefant“ ist also das einzige Zeichen der fünf Orden, das nicht ursprünglich aus Siam stammte. Allerdings wurde dieses Symbol bereits in den 1820er Jahren als Motiv für die siamesische Flagge gewählt. Sie wurde im Schiffsverkehr und vor allem beim diplomatischen Zeremoniell benutzt. 181 Der „Weiße Elefant“ wurde zu diesem Zeitpunkt bei den westlichen Staaten also bereits als Wappen Siams wahrgenommen. Siam verfügte über zahlreiche Symbole, die sowohl den König als auch das Königreich darstellten, der „Aiyaraphot“ beispielsweise oder der „Khrut“ (Sanskrit: garu * a 182 ). Doch diese Zeichen waren während der Regentschaft Mongkuts im westlic he n Ausland noch unbekan nt. Da s sollte sich erst viele Jahre späte r ändern. 177 Zu dieser Zeit trugen lediglich die Palastdamen den Orden (Prinz Damrong, Die Chronik der Orden von Siam, S. 15). 178 König Mongkut, Nopphakao-Ring, S. 37. 179 Der Elefant ist zunächst ein Tier, das in den Regionen Süd- und Südostasien beheimatet ist. Aufgrund seiner Körpergröße und seines Lernvermögens wurde er seit jeher als Arbeits- und Kriegstier gezähmt. Im Laufe der Zeit bildete sich eine Elefantenkunde heraus, nach der die Tiere wie die Gesellschaft in drei Kategorien eingeteilt wurden. Der dreiköpfige Elefant (Aiyaraphot) ist das Reittier des Gottes Indra, der weiße Elefant das Reittier des Königs und der gewöhnliche Elefant das Arbeitstier für die „Gemeinfreien“. Der „Weiße-Elefanten“-Kult wurde in den Regionen Südostasiens weiter entwickelt. Ausführlich zu dessen Entstehungsgeschichte: König Mongkut, Rueang Chang (Elefanten-Geschichte), Bangkok 1950, S. 1-19. Über den „Weißen Elefanten“ in der westlichen Literatur siehe Kapitel XXIII. The White Elephant in: H. G. Quartich Wales, Siamese State Ceremonies. S. 273-287. 180 So etwa von Ernst Hesse-Wartegg, Siam. Das Land des weißen Elefanten, Leipzig 1899. 181 Als der preußische Außerordentliche Gesandte Graf Fritz zu Eulenburg im Dezember des Jahres 1861 nach Siam kam, um Verträge abzuschließen, wurde er mit Schieß- und Flaggenzeremoniell empfangen. Laut Eulenburg war die siamesische Flagge „ein weißer Elephant in rothem Felde“ (Ost-Asien 1860-1862…, S. 345). 182 Der Garuda ist das Reittier des Gottes Vishnu. Da sich der siamesische König auch in Vishnu verkörpert, gilt der “Khrut” (Garuda) als eines seiner Hoheitszeichen. <?page no="73"?> II. Die Ordensstiftungen 73 Die Motive, die zur Überhöhung über dem Elefantenrücken gewählt wurden, be d ür fe n eb e n fa lls ei n er n äh er en B et ra ch tu n g. H ie r ko n nt e en tw ed er d ie Maha- Mongkut-Krone oder der Flaggenmast verwendet werden. Dadurch entstanden zwei Varianten des Weißen-Elefanten-Ordens: die mit der Maha-Mongkut-Krone war für Einheimische bestimmt, die mit dem Flaggenmast für Ausländer. Die Überhöhung mit Mast und Flagge erlaubte es Siam, sich als „modernes“ Königreich im europäischen Sinne nach außen zu repräsentieren. Schließlich galt im Westen die Flagge neben Hymne, Orden, Wappen und Nationalfeiertag als wichtiges Staatssymbol. 183 In der Gestaltung des Weißen-Elefanten-Ordens lässt sich das strategische Bemühen Siams erkennen, die Anerkennung eines politischen Symbols durch die europäischen Mächte zu erreichen. Anders ausgedrückt: es ging um die symbolische Integration des Landes in die westliche Völkergemeinschaft. Wurde ein siamesischer Orden akzeptiert, bedeutete dies gleichzeitig auch die Akzeptanz der Souveränität des Landes. Der Weiße-Elefanten-Orden diente somit bei den diplomatischen Beziehungen mit dem Westen als ein Symbol der Repräsentation. Mit diesen drei Orden legte Mongkut die Grundlage für das moderne Auszeichnungswesen Siams. Dabei orientierte er sich an dem Schema: Hausorden, Verdienstorden und Orden zur Darstellung des Königs. Herrschaftsstrukturen Siams mischten sich mit solchen des modernen europäischen Staats. Ein erster diplomatischer Durchbruch, der dieser symbolischen Politik zu verdanken war, konnte 1863 verzeichnet werden: In diesem Jahr erhielt Mongkut das Großkreuz der Ehrenlegion von Napoleon III. 184 Ein Jahr später erwiderte der siamesische König die Geste des französischen Staatschefs ausnahmsweise mit der Verleihung des Noppharat-Ordens. 185 183 Zur Entstehungsgeschichte der siamesischen Nationalhymne siehe das Kapitel III.1 Die Glückliche Blume in: Suphot Manalapanacharoen, Die Geschichte…, S. 129ff. Das siamesische Staatswappen wurde durch ein königliches Dekret am 20.04.1889 erlassen. Eine Bezeichnung für Wappen gab es im Thailändischen zu dieser Zeit nicht. Man bildete eine Analogie zum englischem „Coat of Arms“ [Siehe Phraratchabanyat chai tra pändin (Das Siamesische Staatswappen-Gesetz) in: The Royal Gazette, 28.04.1889, S. 27f.] 184 Bangkok Calendar, 1864, S. 121. 185 König Mongkut, Nopphakao-Ring, S. 36f. Dieser höchste Orden war eigentlich ausschließlich Angehörigen des siamesischen Königshauses vorbehalten. Dass ihn Napoleon III. erhielt, war politisch motiviert und hatte mit dem ersten Erfolg von Mongkuts Ordenspolitik zu tun. Während Mongkut noch zwei Jahre zuvor (1861) Königin Victoria nicht zum Ordensaustausch bewegen konnte, hatte Napoleon III. Mongkut mit dem Großkreuz der französischen Ehrenlegion ausgezeichnet und im Gegenzug den höchsten siamesischen Orden erhalten. Als erster asiatischer Landesherr in die Ehrenlegion aufgenommen zu werden steigerte das Ansehen des siamesischen Königs erheblich, in Europa wie in Südostasien. <?page no="74"?> 74 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) Diese wechselseitigen Ehrungen führten zu einer Weiterentwicklung der siamesischen Verdienstorden. Das Großkreuz der Ehrenlegion wurde zu einem Muster, das Mongkut nutzte, um den Weißen-Elefanten-Orden detaillierter auszugestalten. Er erkannte - wie er in seiner Abhandlung Nopphakao-Ring schrieb - dass es nicht genügte, lediglich die äußerliche Form zu übernehmen. Viel wichtiger war es, die Ordensinsignien zu verfeinern, die Klassen genauer einzuteilen, die Verleihungen entsprechend der Ränge und des Verdienstes zu regeln oder zu bestimmen, wie die Ordensurkunde auszustellen war, um nur einige Punkte zu nennen. 186 Zudem war festzuschreiben, wie die Orden handwerklich gestaltet werden sollten. 187 Insgesamt fehlte es an einem Statut, das alle Aspekte des Auszeichnungswesens behandelte. 188 Mongkut musste sich intensiv mit der Frage beschäftigen, wie das europäische Auszeichnungswesen in thailändische Gegebenheiten eingepasst werden konnte. Das war keine einfache Aufgabe, und er musste schließlich einräumen, dass es ihm nicht gelang, umfassende Regelungen zu treffen. Das Hauptproblem, so stellte er es selber dar, bildeten die Unterschiede in den Rangsystemen. Das siamesische war völlig anders konstruiert als das westliche. Die drei traditionellen Rangabzeichen eines siamesischen Ministers, der Titel, die Kleidung und das Recht auf Besitz von Reisfeldern - das so genannte „Sakdina“ - kannte man im Westen nicht. 189 Es hätte Mongkut keine Schwierigkeiten bereitet, ein Statut zu entwerfen, wenn die Orden nur zu innenpolitischen Zwecken verliehen worden wären. Sobald aber - wie beim Weißen-Elefanten-Orden - auch der außenpolitische Kontext berührt wurde, musste geklärt werden, in welcher Sprache man kommunizierte. Hier - wie bei anderen Aspekten der Reformpolitik - stand Siam vor dem Problem, Elemente fremder Kultur zu übernehmen und zu integrieren. Sollten Ausländer siamesische Orden akzeptieren, mussten die Bestimmungen, nach denen sie verliehen wurden, europäischen Regeln angepasst werden. Das galt besonders für die verschiedenen Klassen, die sich an Rang, Stand und Verdiensten derjenigen zu orientieren hatten, die ausgezeichnet werden sollten. Um die entsprechenden europäischen Praktiken genau zu überblicken, hätte man sie intensiver analysieren müssen. Die erforderlichen Lernprozesse stellten sich jedoch als langwierig und zeitaufwändig heraus, obwohl es eine ganze Reihe von Ausländern gab, die der siamesischen Regierung beratend und vermittelnd zur Seite standen. Mongkut war es nicht mehr vergönnt, das System der Orden präziser auszugestalten. Er starb 1868. Wie sein Sohn Chulalongkorn mit diesen Problemen umging, ist Gegenstand von Kapitel C. 186 König Mongkut, Nopphakao-Ring, S. 37. 187 Siehe dazu seine Äußerung im Brief an Königin Victoria auf S. 62. 188 König Mongkut, Nopphakao-Ring, S. 37. 189 König Mongkut, Nopphakao-Ring, S. 37. <?page no="75"?> III. Analyse und Auswertung 75 Die Entwicklung des Ordenswesens ist exemplarisch für den gesamten Verlauf der Modernisierungspolitik unter Mongkut. Reformen wurden in Gang gesetzt, erreichten ein gewisses Stadium und stagnierten dann. Häufig beschränkten sie sich zudem auf äußere Formen. Dies hatte damit zu tun, dass - wie schon angesprochen - zum einen genauere Einblicke und tieferes Verständnis für westliche Gegebenheiten fehlten. Doch ursächlich für die Defizite waren zum anderen auch außen- und innenpolitische Entwicklungen, wie jetzt abschließend gezeigt werden soll. III. Analyse und Auswertung Seit dem ersten Abschluss ungleicher Verträge mit Großbritannien 1855 war das Außenhandelsvolumen Siams rasant gestiegen. Bangkok erlebte eine wirtschaftliche Konjunktur, so dass die Hauptstadt nicht nur das diplomatische, sondern auch das wirtschaftliche Zentrum Südostasiens wurde. 190 Viele Kaufleute verschiedener Nationalität ließen sich mit ihren Firmen in Bangkok nieder. 191 Einige amtierten als Konsuln für ihr eigenes Land oder auch für andere westliche Mächte. 192 Außerdem kamen Fachleute, Techniker oder Ingenieure und auch Glücksritter, die als Berater bei der siamesischen Regierung angestellt wurden. 193 Die Stadt vergrößerte sich: Viele moderne Gebäude wurden errichtet, und entlang des Chao-Phraya-Flusses entstanden Faktoreien und Fabriken, in denen mi t H ilfe v on Da mp fm asch inen p ro duzi ert wu rde . 194 Auch eine erste Werft wurde gebaut. Um das Alltagsleben der Ausländer zu erleichtern, ließ König Mongkut Straßen nach westlichem Vorbild bauen. 195 Neue Kanäle verbanden die verschiedenen Häfen der Stadt mit dem Meer und erleichterten den Warenexport. Ein Anschluss an das Telegrafennetz war vorgesehen, um auf die Entwicklung von Preisen auf den ausländischen Märkten rasch reagieren zu können. 196 Da sich Siam wirtschaftlich geöffnet hatte, musste ein eigenes Währungs- 190 D.G.E. Hall, A History of Southeast Asia, S. 669. 191 Siehe den jährlichen statistischen Bericht darüber in: Merchants & Agents at Bangkok in: Bangkok Calendar der gesamten Jge. 1861-74. 192 Paul Pickenpack, Geschäftsmann aus Hamburg, war beispielsweise zu diesem Zeitpunkt nicht nur hanseatischer Konsul in Bangkok, sondern auch Konsul für die Niederlande, Dänemark und Schweden-Norwegen. 193 Siehe American Residents und European Residents at Bangkok and other Places in Siam, in: Bangkok Calendar der gesamten Jge. von 1861-7. 194 G. William Skinner, Chinese Society in Thailand: An Analytical History, Ithaca 1957, S. 31. 195 Chaophraya Thiphakorawong, Phraratcha phongsawadan khrung rattanakonsin ratchakan thi si (Die Chronik des vierten Königs der Bangkok-Periode), Bangkok ( 1 1934) 6 2005, S. 184. 196 Bangkok Calendar, 1868, S. 118. <?page no="76"?> 76 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) system mit Münzen und Papiergeld eingeführt werden. Derartige wirtschaftliche und infrastrukturelle Veränderungen hatte es im Laufe der Geschichte des Landes immer gegeben. Doch mit den ungleichen Verträgen setzte ein beschleunigter und tiefergehender Wandel ein. 197 Trotzdem blieben gesellschaftliche und politische Grundstrukturen unverändert. Man muss sich fragen, warum Mongkut diesen günstigen Moment nicht nutzte, um sein Land möglichst schnell zu reformieren, zumal in dieser Zeit ein relativ entspanntes Verhältnis zwischen Siam einerseits und Großbritannien und Frankreich andererseits herrschte. Erst in den 1880er Jahren gewann die innerimperialistische Konkurrenz um die Region wieder an Dynamik. Die Gründe für dieses zögerliche Vorgehen lagen in erster Linie in der Innenpolitik. Gemäß der traditionellen siamesischen Herrschaftsstruktur hatte der König de iure absolute Macht über sein Land. Er allein durfte uneingeschränkt politische Entscheidungen fällen, die das gesamte Land betrafen. 198 Die Wirklichkeit sah jedoch anders aus. Nach hinduistisch-kambodschanischer Herrschaftsideologie war der König eine göttliche und deshalb unnahbare Person. Jegliche Verwaltungstätigkeit überließ er seinen Ministern. Zur Bevölkerung hatte er keinerlei direkten Kontakt, und im Laufe der Zeit verlor er die Kontrolle über das Land. 199 Zwischen dem König und den Ministern entwickelte sich ein Antagonismus: Der König verfügte zwar über Autorität, die Minister hatten jedoch die wirtschaftliche und politische Macht inne. 200 In der Innenwie in der Außenpolitik spielten drei von insgesamt sechs Hauptministerien eine wichtige Rolle: Kalahom, Mahatthai und Krommatha. 201 197 Siehe die ausführliche Analyse in: Kapitel I Introduction in: David B. J. Adams, Monarchy and Political Change: Thailand under Chulalongkorn (1868-1910), Ph. D. Diss., University of Chicago 1977, S. 1-8. 198 Es gab zwar eine Institution, die Verhalten und Moral des Königs kontrollierte, nämlich die Hofbrahmanen. Doch seit dem Beginn der Bangkok-Periode erschienen sie lediglich in rituellen Zeremonien. Dies gab dem König unbeschränkte Autorität (Ausführlich dazu: I. The Traditional Pattern of Government in: Walter F. Vella, The Impact of the West on Government in Thailand, Berkeley 1955, S. 317-331). 199 Traditionell verließ der siamesische König sehr selten seinen Palast. Von Ereignissen in der „Außenwelt“ erfuhr er nur durch die Minister. Wirkliche Nachrichten teilten ihm lediglich seine Agenten mit. Das änderte sich erst, als der König begann, sich - wie etwa Mongkut - selbst ein Bild zu machen. 200 Diese innenpolitischen Verhältnisse beschrieb Chulalongkorn in seiner Ansprache zum siamesischen Neujahr am 13. März 1888 (The Royal Gazette, 20.03.1888, S. 3). 201 Bei der Reform der staatlichen Administration 1892 wurde für „Ministerium“ erstmals der thailändische Begriff „Krom“ verwendet. Die traditionelle Verwaltungsstruktur Siams bestand aus sechs „Krom“: Kalahom, Mahatthai, Wieng (Ministerium für die Verwaltung der Hauptstadt Bangkok und Umgebung), Wang (Königspalast-Ministerium), Klang (das Wirtschaftsministerium) und Na (Ministerium für Agrarwirtschaft). Mongkut beschrieb diese Struktur ausführlich (König Mongkut, Provinces and States of Siam in: Bangkok Calendar, 1868, S. 73ff.), <?page no="77"?> III. Analyse und Auswertung 77 Das erste Ministerium war für die Verwaltung des Südens von Siam zuständig, näm lic h der H afen städ te an den Kü st en. Das M aha ttha i ver wa lt ete die nör dl ichen Provinzen auf dem Festland, und das Krommatha fungierte als Außenministerium und war dabei auch für Fragen des Außenhandels zuständig. 202 Jedes Ministerium hatte vielfältige Aufgaben wahrzunehmen, die sowohl der Exekutive wie der Judikative zuzuordnen waren. Der König übte lediglich die Legislative aus. 203 Alle drei Ministerien verfügten über ein Gericht und einen Verwaltungsapparat. Außerdem nahmen sie Steuern ein und hatten auch solche zu entrichten. Was nach Abzug der Verwaltungskosten übrig blieb, wurde in den königlichen Tresor eingezahlt. Darüber hinaus organisierten die Ministerien die Arbeitseinsätze, die der freie Teil der Bevölkerung regelmäßig zu erbringen hatte, sowie die Landesverteidigung, für die ebenfalls Freie rekrutiert wurden. 204 Die Arbeitseinsätze intensivierten und verfestigten das traditionell bestehende Abhängigkeitsverhältnis zwischen lokalen Patronen und der Klientel der Regierungsbehörde. 205 Chulalongkorn lieferte 1888 noch einmal eine Zusammenfassung [König Chulalongkorn, Phraratchadamrat song thalaeng phraborommarachathibai kaekhai kan pokkhrongphaendin (Die Ankündigung und Erklärung König Chulalongkorns über die Regierungsreform der staatlichen Verwaltung), Bangkok 1927]. Eine erste Untersuchung der siamesischen staatlichen Verwaltung publizierte Quaritch H. G. Wales, Ancient Siamese Government…. Walter F. Vella bediente sich dieser Darstellung und interpretierte sie aus westlicher Sicht: I. The Traditional Pattern of Government in: Walter F. Vella, The Impact of the West…, S. 317-331. 202 Das Krommatha (wörtlich das Department für Hafen-Angelegenheiten) war eine Abteilung im Wirtschaftsministerium (Klang). Es regelte die Außenbeziehungen - auch auf dem Gebiet des Handels - und legte die Ein- und Ausfuhrzölle fest. Da diese Funktion von zentraler Bedeutung war, wurde „Krommatha“ zum übergeordneten Namen für Außen- und Wirtschaftsministerium und ersetzte die alte Bezeichnung „Klang“. 203 So Chulalongkorns eigene Einschätzung. [Siehe König Chulalongkorn, Phraratchadamrat songtob khwamhen khongphuchahai plianplaengganpokkhrong ch. s. 1247 (Die Erwiderung des Königs 1885 an diejenigen, die die Staatsform ändern wollten), hrsg. v. The Fine Arts Department, in: Kremationsbuch des Phra Anurakbhubes (Tem Bunyarataphadhu) vom 10. Februar 1970, Bangkok ( 1 1967) 2 1970, S. 59f.]. 204 Traditionell gab es in Siam zwei Bevölkerungsgruppen: „Phrai“ („Freie“) und „Tat“ (Sanskrit: dāsa, „Sklave“ sowie auch Diener). Da das Land besonders in den von der Hauptstadt weit entfernten Regionen dünn besiedelt war und die althergebrachte Landwirtschaft entsprechende soziale Verhältnisse begünstigte, entwickelte sich eine auf „Patron-Klient“-Beziehungen basierende Gesellschaftsstruktur. In Siam hatten die „Freien“ drei Monate im Jahr ohne Gegenleistung für ihren Patron und später für die Regierungsverwaltung zu arbeiten. Dieses System wurde von westlichen Beobachtern mit dem corvée-System verglichen. Bei der Arbeit handelte es sich meistens um Aufbau und Instandhaltung der Infrastruktur von Gemeinden und Städten. Im Kriegsfall wurden die Freien als Soldaten rekrutiert [am kompetentesten zu Phrai und Tat ist: Kachorn Sukhabanij, Thanandon phrai (Der gesellschaftliche Stand des Phrai), Bangkok 1962]. 205 Näheres dazu in der ausführlichen Untersuchung in Akin Rabibadhana, Clientship and Class Structure in the Early Bangkok Periode, in: G. William Skinner und A. Thomas Kirsch (Hrsg.), <?page no="78"?> 78 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) Dieses soziale System wurde vielschichtiger, als Siam Anschluss an die Weltwirtschaft fand. Dadurch wuchs der Außenhandel mit dem Westen, und das wiederum veränderte den ökonomischen Kontext. Siam benötigte immer mehr Arbeitskräfte für die Landwirtschaft. Dieser Bedarf wurde durch chinesische Einwanderer gedeckt, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts kontinuierlich ins Land kamen. 206 Die Immigranten aus dem Reich der Mitte sorgten für zwei wichtige wirtschaftlich-politische Änderungen. Zum einen fanden die Behörden bald heraus, dass sie effizienter waren als die zum Arbeitsdienst verpflichteten siamesischen Freien, die nun von diesem Zwang entbunden wurden. Zum anderen begnügten sich die Chinesen nicht mit diesen einfachen Tätigkeiten, sondern bauten auch eigene Geschäfte auf. Dafür brauchten sie gute Beziehungen zu den lokalen Behörden. Das so genannte „informal Patron-Client“-Verhältnis entwickelte sich. 207 Nach und nach bildete sich eine innenpolitische Struktur heraus, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dadurch gekennzeichnet war, dass alle drei hier angesprochenen Hauptministerien bereits in der zweiten Generation von einem Familienklan besetzt wurden, nämlich der Familie Bunnag. 208 Das ermöglichte ihr die wirtschaftlich-politische Kontrolle des ganzen Landes. 209 Wie im letzten Kapitel erläutert, hatte sich das Außenministerium bei der Burney-Mission 1825 noch gegen Vertragsverhandlungen ausgesprochen, sich dann aber doch dazu bereit erklärt, mit dem Westen zu sprechen. Bei der Brooke-Mission 1850 strebte der zuständige Minister ebenfalls eine Einigung mit den Briten an. Mit dem Burney-Vertrag 1825 wurde die traditionelle Form, Geschäfte mit dem Ausland abzuwickeln, nur teilweise aufgehoben. Die Senkung der Im- und Exportzölle um 3%, die der Bowring-Vertrag vorsah, erhöhten die Defizite im Außenhandel. Die Steuern, die nun im Inland auf Opium, Spiritus, Wettspielhäuser und Glückspiel erhoben wurden, glichen das nicht aus. 210 Trotz dieser kritischen Lage hatte der Außenminister kein Interesse, auf das Außenhandelsmonopol vollständig zu verzichten, weil es für ihn immer noch eine lukrative Einnahmequelle darstellte. Für die Minister jedoch war die Öffnung des Landes insgesamt nachteilig, weshalb sie ihre ursprünglich liberalen Change and Persistence in Thai Society. Essays in Honor of Lauriston Sharp, Ithaca 1975, S. 93- 124. 206 Victor Purcell, The Chinese in Southeast Asia, S. 92ff. 207 Akin Rabibadhana, Organization of Thai Society, Ithaca 1969, S. 161f. 208 Tej Bunnag, The Provincial Administration of Siam 1892-1915, S. 10ff. und David Wyatt, Family politics in Nineteenth Century in Thailand, in: JSAH, 9, No. 2 (September 1968), S. 208-228. Dies lässt sich wiederum mit dem innenpolitischen Problem begründen. Da die Prinzen in der Geschichte Siams häufig Thron-Usurpatoren waren, vertrauten die Könige in der Bangkok-Periode den Ministern die wichtigen Posten an. 209 Tej Bunnag, The Provincial Administration of Siam 1892-1915, S. 11f. 210 David Wyatt, Thailand, S. 169. <?page no="79"?> III. Analyse und Auswertung 79 Sichtweisen aufgaben, konservative Positionen einnahmen und sich gegen weitere Reformen aussprachen. Da Mongkut 27 Jahre lang als Mönch im Kloster gelebt hatte, war es für ihn schwer, „Klienten“ an sich zu binden. Sein Einfluss auf die Politik war deshalb noch geringer als der seiner Vorgänger. Anfänglich stützten ihn drei von der Familie Bunnag kontrollierte Ministerien. Da neben den beiden Parteien des Königs und der Minister auch Gegner jeglicher Reform Teil der Regierung waren, bestand eine realistische Gefahr, dass sich die Minister mit diesen verbündeten und sich gegen den König wandten. Derartiger Widerstand konnte auch Unruhen im Land nach sich ziehen. Das wiederum hätte eine Intervention zur Folge haben und im schlimmsten Fall den Verlust der Souveränität Siams bedeuten können. Um Konflikte in der Gesellschaft zu vermeiden, betrieb Mongkut nur eine behutsame Modernisierungspolitik. Da die monopolistische Organisation des Außenhandels nicht angetastet wurde, bestanden die traditionellen gesellschaftlichen Verhältnisse weiter. Hier zeitigten die ungleichen Verträge also wenig Folgen, und da sich die wirtschaftlichen Strukturen nicht änderten, kam es auch nicht zu einem Wandel in der Politik. Mongkut hatte jedoch andere Vorstellungen von seiner Rolle als König und der Zukunft Siams als seine Minister. Er versicherte den amerikanischen Missionaren, sein Land nach dem Grundsatz der „limited monarchy“ zu regieren. Wie er in der Abschlusserklärung des Bowring-Vertrags formulierte, sah er sein Land als kulturell und politisch „half-civilized“: „According to our power and ability to govern the people of this half civilized and half barbarous nation herein being of various several races languages religion etc[.] for which nations we are still afraid that any one individual or party among such the nation being very ignorant and unfrequent of civilized and enlightened custom usage, etc., may misunderstand of any thing [sic! ] and things contained or expressed in the Treaty and do according to his or their knowledge which may be contradictory to some clauses of any article of Treaty, yet we will observe accurately and command our officers of State to correct the wrong as soon as possible when the British Consul might complain to our officers of State directly with whom our officer be will joined in justice […]” 211 Diese Worte zeigen, dass der König sein Land an Europa maß, das nun zum Vorbild und Repräsentanten der Moderne wurde. Wie aus seinen Überlegungen zur Siamese Judiciary hervorgeht, hatte Mongkut wohl realisiert, dass die siamesische traditionelle Staatsverwaltung intransparent und korrupt war. 212 Dazu passte beispielsweise, dass der Sitz der Administration in der Regel gleichzeitig die Residenz des Ministers war. Das Verwaltungswesen insgesamt galt auch in europäischer Wahrnehmung als ineffizient und die Gerichtsbarkeit von persönlichen 211 Zitiert nach Nicholas Tarling, Harry Parkes’ Negotiations in Bangkok in 1856, S. 171. 212 König Mongkut, Siamese Judiciary, in: Bangkok Calendar, 1873, S. 85-87. <?page no="80"?> 80 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) Einflüssen durchzogen. 213 Wie viele Steuereinnahmen der königliche Tresor erhielt, wurde nie geprüft. Nachfolger eines Ministers wurde meist sein Sohn oder ein anderes Familienmitglied. Da das Klientelwesen maßgeblich die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmte, konnte die Familie Bunnag im Laufe der Zeit das gesamte Land ökonomisch und politisch kontrollieren. Vetternwirtschaft prägte die Verwaltung Siams. Diese Defizite erklären zwei wichtige Klauseln in den ungleichen Verträgen, nämlich die Extraterritorialität und den niedrigen Im- und Exportzollsatz von 3%. Sie waren Reaktionen auf eine Gerichtsbarkeit, die persönlichen Einflüssen unterlag, und auf die Willkür, mit der Handelszölle und Hafengebühren festgelegt wurden. Blickt man auf Mongkut und seine Intentionen, so kann man argumentieren, dass ihm die ungleichen Verträge zu Gute kamen. Aus der Rezeption der europäischen Moderne konnte er eine Doppelstrategie entwickeln, die es ihm ermöglichte, einerseits das Land zu reformieren und andererseits den Einfluss der Minister zurückzudrängen und somit seine Position zu stärken. Dennoch erforderte eine umfassende Modernisierung von oben nach unten eine starke Persönlichkeit mit großer Durchsetzungsfähigkeit und Entschlossenheit. Unerlässlich war aber auch die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung, die zu Mongkuts Zeiten noch fehlte, und nicht zuletzt - was sehr wichtig war - die Unterstützung von außen. Mongkut blieb in dieser Situation deshalb kaum eine andere Wahl, als bei seinen Reformbemühungen sehr behutsam vorzugehen. Modernisierung sollte nur in Bereichen stattfinden, in denen sensible Interessen nicht beeinträchtigt werden konnten, etwa in der Infrastruktur, im Währungssystem, in der Gesetzgebung, im Bildungswesen und auch im Staatszeremoniell. Alle diese Felder lagen im königlichen Einflussbereich. Der Palast wurde also ein Experimentierfeld für Modernisierungsprogramme. So wurde dort eine Reihe von westlichen Ausländern angestellt. Die meisten waren Übersetzer im Auswärtigen Amt und Drillmeister für das Leibgarde-Regiment, das der symbolischen Repräsentation diente. Folgerichtig wurden das diplomatische Zeremoniell modifiziert, Feiertage zu Krönung und Geburt des Königs eingeführt und Orden gestiftet. Zudem wurden im Palast auch eine Druckerei und eine Münze ins Leben gerufen. Ferner ließ Mongkut eine Regierungsgazette 214 veröffentlichen, um die Bevölkerung rasch über Reformen zu informieren. Zu den Neuerungen im Justizwesen gehörte ein Gesetz, das Frauen erlaubte, ihren Bräutigam auszuwählen. Mongkut gewährte der Bevölkerung zudem zum ersten Mal in der Geschichte Siams das Recht, ihm direkt Petitionen zukommen zu lassen, um auf Probleme aufmerksam zu machen. Während die siamesischen Könige traditionell nur selten ihren 213 Vgl. König Mongkut, Siamese Judiciary, in: Bangkok Calendar, 1873, S. 85ff. 214 Auf Thailändisch trug diese Gazette den Namen Ratchakitchanubeksa (The Royal Gazette). <?page no="81"?> III. Analyse und Auswertung 81 Palast verlassen hatten, war Mongkut ständig unterwegs und zeigte sich seinem Vo lk aus d er Näh e. Im Kö ni gsp al ast be gan nen auc h sein e Bem üh un gen , das Bildungswesen zu modernisieren. Er beauftragte westliche Lehrerinnen und Lehrer mit der Erziehung seiner Kinder. Den Anfang machten Frauen amerikanischer Missionare, dann folgte von 1862 bis 1866 die berühmte britische Hauslehrerin Anna Leonowens 215 (von 1862 bis 1866) und schließlich der Amerikaner Chandler. Mongkut wollte seinen Kindern eine traditionelle und zugleich eine westliche Bildung angedeihen lassen. Wie sich das bei den kleinen Prinzen auswirkte, wird in Kapitel C dargelegt. Chulalongkorn jedenfalls setzte diese Tradition fort, sogar noch intensiver und in größerem Stil. Da sich die Reformen vorwiegend im und um den Königspalast abspielten, war ihre Wirkung auf das Land begrenzt. Zudem war ihre Entfaltung von vornherein ohnehin beschränkt, weil das Staatswesen weitgehend unverändert blieb. Die Ordenspolitik ist hierfür ein gutes Beispiel. Im Grunde wurden lediglich Insignien gestiftet. Es fehlten Klassen und vor allem Statuten, die alle wichtigen Fragen regelten. Unklar war außerdem, nach welchen Kriterien die Auszeichnungen vorgenommen werden sollten. Dies alles macht deutlich, dass Mongkuts Reformen in erster Linie als symbolische Nachahmung betrachtet werden können. Sie waren ein erster Schritt auf dem Weg der Aneignung von Elementen der europäischen Moderne. Auch wenn manches verschleppt wurde, so wandelte sich Siam unter der Regierung Mongkuts doch dynamischer und intensiver als unter seinen Vorgängern. Die ersten ordenspolitischen Schritte, die der König unternahm, zielten darauf ab, eine innenpolitische Umgestaltung Siams einzuleiten und das Land gegen äußere Herausforderungen besser zu wappnen. Man kann darin eine Hybridisierung sehen, die in der Kombination struktureller europäischer Impulse mit traditioneller siamesischer Formensprache bestand. So wurde begonnen, symbolische Politik mit Orden zu betreiben, doch das für Europa zentrale Zeichen des Kreuzes vermied man bewusst und stellte stattdessen den weißen Elefanten in den Mittelpunkt. Auch von ersten Anzeichen selektiver Rezeption und kreativer Adaption lässt sich hier sprechen. Deutlich wird auch, dass Transkulturation mit Abgrenzung verbunden werden kann 216 und dass diese Mischung geeignet ist, Identität zu wahren und Selbstbehauptung zu ermöglichen. Mongkut starb am 1. Oktober 1868 an Malaria, mit der er sich im August desselben Jahres auf dem Land während der Beobachtung einer vollen Sonnen- 215 Anna Henriette Leonowens war eine eurasische Engländerin aus Britisch-Indien. Über ihre Erlebnisse in Siam veröffentlichte sie zwei Bücher: The English Governess at the Siamese Court. Being Recollections of Six Years in the Royal Palace at Bangkok, London 1870 und Romance of the Harem, Boston 1873. Romance of the Harem wurde 1944 für das Broadway Musical “The King and I” adaptiert und 1999 als “Anna and the King” mit Jodie Foster in der Hauptrolle verfilmt. 216 Sebastian Conrad und Shalini Randeria (Hrsg.), Jenseits des Eurozentrismus, S. 20. <?page no="82"?> 82 B. Die Herrschaft König Mongkuts (1851-1868) finsternis infiziert hatte. Er hatte keinen Thronfolger bestimmt. Schon am Abend des 2. Oktober beschloss der Ministerrat in einer Vollversammlung mit den königlichen Angehörigen unter dem Vorsitz des ‚Premierministers‘ Chaophraya Srisuriyawongse (Chuang Bunnag) einstimmig, den ältesten Sohn Mongkuts, den Prinzen Chaofa Chulalongkorn, auf den Thron seines Vaters zu erheben. 217 Chulalongkorn war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls an Malaria erkrankt und befand sich in einem kritischen Zustand. Zum neuen Vizekönig bestimmte Srisuriyawongse den Sohn des alten, den Prinzen „George Washington“. 218 Außerdem wurde beschlossen, dem ‚Premierminister‘ die Vormundschaft für den erst 15 Jahre alten König zu übertragen, bis dieser das 20. Lebensjahr erreichte, was 1873 der Fall war. 217 Mongkut hatte mit europäischen Instrumenten berechnet, dass sich die totale Sonnenfinsternis im Bezirk Ban Wako in der heutigen Provinz Prachuap khirikhan etwa 280 Kilometer südlich von Bangkok ereignen würde. Dabei wollte er zeigen, dass die europäischen astronomischen Methoden den traditionellen der hinduistischen Priester am Königspalast überlegen waren. Dazu hatte er hochrangige ausländische Diplomaten eingeladen, unter ihnen den Gouverneur von Singapur, Harry Ord. Mongkuts Berechnungen erwiesen sich als richtig. Ord veröffentlichte später einen ausführlichen Bericht über diese Demonstration (Harry St. George Ord, An account of a Visit to the late King of Siam at Hua Wan in August 1868, in: Bangkok Calendar, 1870, S. 118-130). Ursprünglich wollte Mongkut Chulalongkorn zum Thronfolger ernennen, hielt sich aber aus innenpolitischen Gründen zurück. Er befürchtete, sein Sohn könne zunehmend unter den Einfluss der Minister geraten, ja möglicherweise sogar ermordet werden, da ein Anschlag auf den von der Malaria ohnehin sehr Geschwächten unschwer zu bewerkstelligen gewesen wäre (Prinz Damrong, Die Chronik des fünften Königs, S. 77f. 218 Prinz Damrong, Die Chronik des fünften Königs, S. 135ff. Das in westlicher Terminologie „Vizekönig“ genannte Amt hieß in Thailändisch „Upparat“ (Sanskrit: uparājā) oder „Wangna“. „Wangna“ bedeutet wörtlich „der vordere Palast“, was sich auf die geografische Lage nördlich des Königspalastes bezieht. Dem Palastgesetz zufolge hatte allein der regierende König das Recht, den Vizekönig zum Thronfolger zu ernennen. Die meisten Teilnehmer der Vollversammlung waren deshalb auch nicht mit der Entscheidung des machtvollen Premierministers einverstanden. Sie stimmten zu, weil sie um ihr Leben fürchteten. Mit der Ernennung des Vizekönigs waren innenpolitische Konflikte zwischen Chulalongkorn einerseits sowie dem Vizekönig und auch dem Regenten andererseits vorprogrammiert; diese Auseinandersetzungen führten oft zu Krisen im Inneren, sodass Chulalongkorn sein Reformprogramm beinahe 17 Jahre ruhen ließ, bis seine Kontrahenten in den 1880er Jahren starben. Dies wird weiter unten im Zusammenhang mit den weiteren Ordensstiftungen ausführlich behandelt (Zum Protokoll am Sterbebett Mongkuts siehe Chaophraya Thiphakorawong, Die Chronik des vierten Königs, S. 323ff.). Während der Herrschaft Mongkuts war es im Kreis der Elite Mode, Kindern zusätzlich den Beinamen einer großen Persönlichkeit aus dem Westen zu geben. Ein engvertrauter Diener Mongkuts hieß beispielsweise „Peng Napoleon“. Eulenburg berichtete in seinem Brief, dass der Vizegouverneur der Provinz Phetchaburi seinen Sohn sogar „Friedrich Wilhelm“ nannte (Siehe Ost-Asien 1860-1862…, S. 405). <?page no="83"?> 83 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns (1868-1910) Im Allgemeinen folgte die neue siamesische Regierung in der Außenwie in der Kulturpolitik den Leitlinien, die Mongkut formuliert hatte. „To make friend with crocodile“ und „To forego some of our former power and influence“ blieben zentrale Devisen. 219 Siam pflegte nicht nur zu allen Staaten des Westens gute Beziehungen, sondern orientierte sich auch an ihnen. Die koloniale Situation in Südostasien blieb in den 1870er Jahren weiterhin ruhig. Großbritannien konnte seinen Einfluss auf die Region ausbauen, vor allem weil Frankreich nach der Niederlage im Krieg gegen Deutschland 1871 seine Expansionspolitik in Ostasien vorübergehend zurückfahren musste. Besonders die Beziehungen Siams mit Großbritannien blieben weiterhin von den Grundsätzen von „Akzeptanz und Kooperation“ 220 bestimmt: man wollte gute Kontakte mit der Zentrale in London und den Institutionen in Indien pflegen und strebte ein Reformprogramm nach britischem Vorbild an. Eine solche Politik war für beide Seiten vorteilhaft und befreite Siam von der Sorge, unter koloniale Kontrolle zu geraten. In der Innenpolitik hingegen blieb die Lage angespannt. Unter Chulalongkorn wurde im alten Konflikt zwischen Königshaus und Ministern ein neues Kapitel aufgeschlagen, in dem sich die Fronten sogar verhärteten. Dabei standen sich drei Gruppen gegenüber, wie das Siam Repository 1873 berichtete: „The Young Siam“, „The Conservative Siam“ und „The Old Siam“. 221 Letztere bestand aus Traditionalisten, die jegliche Kontakte mit dem Westen ablehnten. Die beiden anderen Gruppen waren - wenn auch in unterschiedlichem Maß - westlich orientiert und strebten Reformen an. „The Young Siam“ scharte sich um den jungen König Chulalongkorn und verstand sich als jung, modern und progressiv. 222 Älter und wesentlich konservativer war „The Conservative Siam“, in dem sich Regent Srisuriyawongse und die Minister der Familie Bunnag sammelten. Diese Fraktion hatte bei der Regelung der Nachfolge Mongkuts an Einfluss gewonnen. Der Ministerrat wählte, wie es zuvor schon zwei Mal der Fall 219 Das vollständige Zitat findet sich auf S. 53f. 220 Reinhard Wendt, Herrschaft, in: EGO, hrsg. v. Institut für Europäische Geschichte (IEG), URL: http: / / www.ieg-ego.eu/ de/ threads/ europa-und-die-welt/ herrschaft/ reinhard-wendtherrschaft (Stand 2016). 221 The Siam Repository, 1873, S. 451 sowie David K. Wyatt, The Politics of Reform in Thailand, S. 43ff. 222 Über den Umgang der „Young-Siam“-Fraktion mit westlicher Mode siehe den detaillierten Bericht: Increased Imports in: The Siam Repository, 1871, S. 412f. Im Artikel 50: Siam 1873 schilderte diese Zeitschrift die Fortschritte, die Siam unter „a young, progressive King“ gemacht hatte (The Siam Repository, 1874, S. 205). <?page no="84"?> 84 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns gewesen war, einen neuen König. Srisuriyawongse, der unter Mongkut als „Premierminister“ amtiert hatte, bestimmte zudem selbst den Vizekönig, was eigentlich dem Palastgesetz zufolge alleiniges Recht des Königs gewesen wäre. Zudem wurden im bald gebildeten neuen Kabinett die wichtigsten Posten mit Mitgliedern der Familie Bunnag besetzt. Srisuriyawongse, der für den minderjährigen Chulalongkorn auch die Regentschaft übernommen hatte, und sein Familienklan spielten eine immer wichtigere Rolle. 223 Die Familie Bunnag war jetzt so mächtig wie nie zuvor, politisch ebenso wie wirtschaftlich. 224 Von nun an wollte sie diese Stellung für sich erhalten, und eine umfassende Reformpolitik kam für sie nicht mehr in Frage. 225 Diese Fraktion wandelte sich von einer Gruppe weltoffener junger Leute - als die sie 30 Jahre zuvor galten - zu alten Konservativen. 226 Wie Chulalongkorn seine Situation damals sah, beschrieb er später in einem Brief an seinen Sohn, den Kronprinzen Chaofa Maha Vajirunahis: „Damals, als ich den Thron bestieg, war ich 15 Jahre und 10 Tage alt. 227 Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits meine Mutter verloren. Die Verwandten mütterlicherseits waren entweder zerstreut oder hatten keine Position im Staatsdienst inne. Die väterlicherseits standen unter dem Einfluss des „Somdetchaophraya“ 228 und mussten daher um ihr Leben fürchten. 229 Es gab zwar einige Beamte, die mit mir befreundet waren, aber sie konnten nichts für mich tun, weil sie niederrangig waren; die hochrangigen waren auch nicht in der Lage, sich für mich einzusetzen. Alle meine Brüder waren jünger als ich, sie konnten auch nichts für mich unternehmen. Ich selbst war noch jung und hatte 223 Das Amt des „Kalahom“ - des „Premierministers“ - hatte der Sohn des Regenten inne. Das Außenministerium, das „Phraklang“, beanspruchte der Bruder des Regenten, um nur einige Posten zu erwähnen [Natthawut Sutthisongkram, Somdet chaophraya borommaha sisuriyawong mahaburut (Eine Biographie von Somdet Chaophraya Borommaha Srisuriyawongse), Bd. I, Bangkok ( 1 1961) 2 1973, S. 476]. 224 Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Somdet Chaophraya, Bd. I, S. 484. 225 Siehe dazu die Erläuterungen im vorigen Kapitel in Abschnitt III Analyse und Auswertung. 226 The Siam Repository, 1873, S. 451. 227 Chulalongkorn erblickte am 21. September 1853 das Licht der Welt und bestieg am 1. Oktober 1868 den Thron. 228 Gemeint war der Regent. 229 Patriarch Vajirayan, ein damals achtjähriger Halbbruder Chulalongkorns, berichtete in seinen Memoiren, dass sich die Situation am Königspalast nach dem Herrschaftswechsel schlagartig verändert hatte. Die Personen, von denen Chulalongkorn bis dahin umgeben war, ließen sich nun kaum mehr sehen. Vor Menschen, die er noch nie gefürchtet hatte, musste er sich jetzt in Acht nehmen [Vgl. Somdet phramaha samanachao kromphraya vajirayan varorot, Phraprawat tratlao (Memoiren), Bangkok 1924, S. 10]. Wie gefährlich es war, Kritik des Regenten auf sich zu ziehen, lässt sich auch aus den Schilderungen von Anna Leonowens herauslesen. So hielt sie zwar detailliert Klatsch und Tratsch aus dem Palast fest, äußerte sich auch ohne auffallende Zurückhaltung über König Mongkut, schrieb jedoch nichts Negatives und schon gar nichts Missbilligendes über den Regenten (Siehe Anna Leonowens, The English Governess at the Siamese Court, London 1870). <?page no="85"?> C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns 85 keinerlei Kenntnisse und Erfahrungen in Regierungsgeschäften. Außerdem erkrankte ich so schwer, dass niemand glaubte, dass ich überleben würde. Dazu hatte ich meinen Vater verloren. All diese Ereignisse hatten mich seelisch sehr belastet. Ich kann also meine damalige Situation so beschreiben, dass ich an diesem Tag eine Person war, die mit abgetrenntem Kopf zum König eingesetzt worden war. 230 Darüber war ich sehr unglücklich. Dieses Gefühl wurde dadurch bestärkt, dass ich in diesem jungen Alter meinen Vater verloren hatte. Die Krone war mir so schwer, dass ich meinen Kopf nicht aufrecht halten konnte. 231 Überall um mich herum waren lauter Feinde, sowohl im Inland als auch im Ausland. Die ersteren wollten den Thron haben, die letzteren das ganze Königreich kolonisieren. Dazu kam die schwere Krankheit. All dies war so schwer, dass ich es beinahe nicht aushalten konnte.“ 232 Die Autorität des jungen Königs wurde außerdem durch die schlechte Finanzlage geschwächt. Chulalongkorn musste erkennen, dass der königliche Tresor fast leer war und nicht einmal hinreichende Mittel für die Kremationsfeier seines Vaters zur Verfügung standen. 233 Die Ministerien hatten seit Jahren Steuereinnahmen nicht voll eingezahlt. Wie bereits oben erwähnt, konnte und wollte Mongkut dieses Problem aufgrund der politischen Lage nicht angehen. Chulalongkorn, für den der Regent die Geschäfte führte, konnte an der intransparenten Administration nichts ändern, ja musste sogar zusehen, dass sie sich auf weitere Bereiche ausdehnte. In dieser Situation hatte der junge Monarch nur die Wahl, sich zu fügen oder um Einfluss zu kämpfen. Er wählte Letzteres. Das lag sowohl im Interesse des Landes wie der königlichen Familie. 234 Aus Chulalongkorns Sicht konnten die maroden Strukturen der Vetternwirtschaft - und damit die Macht des Bunnag- Klans - nur mit Hilfe von Reformen nach europäischem Vorbild gebrochen werden. Das Land musste umfassend modernisiert werden, in der Verwaltung ebenso wie im Justizwesen, in der Kultur und in der Gesellschaft. Dass Chulalongkorn Lösungen für siamesische Probleme in europäischen Errungenschaften sah, ist auf die Ausbildung zurückzuführen, die ihm sein Vater zukommen ließ. Er wurde von klein auf sowohl traditionell wie westlich erzogen. 235 Westliche Lehrer - zunächst die Britin Anna Leonowens und später der 230 Sinngemäß: wie eine Marionette. 231 Dies ist metaphorisch zu verstehen: „Solcher Verantwortung war ich nicht gewachsen“. 232 König Chulalongkorn an Kronprinz Maha Vajirunahis, 08.07.1893, NA M R5 RL, 5/ 49; übersetzt vom Autor. 233 König Chulalongkorn an Patriarch Vajirayan, 28.10.1903, in: Phraratchahatthalekha phrabat somdet phra chulachomklaochaoyuhua song mi paima kap somdet phra maha samanachao khromphraya Vajirayan Varorot, (Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Patriarch Vajirayan Varorot), hrsg. v. Ratchabandittayasapha, Bangkok 1929, S. 228f. Die Kremationsfeier Mongkuts fand im März 1870 statt. 234 König Chulalongkorn an Kronprinz Maha Vajirunahis, 08.07.1893, NA M R5 RL, 5/ 49. 235 Prinz Damrong, Die Chronik des fünften Königs, S. 44f. <?page no="86"?> 86 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns US-Amerikaner J. H. Chandler - vermittelten ihm die europäische Moderne in allen ihren Facetten. 236 Zudem stand Chulalongkorn oft bis tief in die Nacht seinem Vater zur Seite, wenn dieser mit den Ministern Regierungsgeschäfte besprach. Darüber hinaus ließ ihn Mongkut als „Praktikant“ bei Srisuriyawongse Einblicke in die staatliche Verwaltung gewinnen. Täglich musste er seinem Vater darüber berichten und mit ihm Probleme erörtern. 237 So erhielt bereits der junge Chulalongkorn einen gewissen Überblick über die Unterschiede zwischen traditionell-siamesischer und modern-westlicher Verwaltungstechnik einerseits und den Schwierigkeiten seines Vaters andererseits. Dies waren wesentliche Voraussetzungen für Chulalongkorns spätere Reformpolitik. Um diese überhaupt einleiten zu können, gewann er zunächst seine jüngeren Brüder und einige engvertraute Minister und Beamte für seine Pläne. 238 Diese Gruppe nahm um das Jahr 1871 Gestalt an. Zu Repräsentationszwecken hatte Chulalongkorn 1870 ein „Corps des Pages“ nach westlichem Vorbild gegründet, das aus seinen Brüdern - den Prinzen - und Kindern der führenden Schichten bestand. 239 Es bildete quasi eine königliche „Elite-Einheit“ und gleichzeitig den Kern einer Gruppe, die im Westen „The Young Siam“ genannt werden sollte. 240 Das „Corps des Pages“ wurde zu einem Experimentierfeld für den Umgang mit westlichen Einflüssen. Zu ihm gehörte eine besondere Schule, eine Art Kadettenanstalt, in der neben traditionellen Fächern auch Englisch und westliches Sachwissen unterrichtet wurden. 241 Die Struktur des Corps und die Rangordnung seiner Offiziere orientierten sich an westlichen Vorbildern. Die Gruppe, die sich nun um Chulalongkorn formierte, unterschied sich von der in den 1830er Jahren auch einmal mit Reformideen angetretenen Bunnag-Fraktion durch ihre systematischere und zielgerichtetere Rezeption westlicher Verhaltensweisen und Organisationsprinzipien. Als sie Besuche in Singapur und Niederländisch-Indien vorbereitete, setzte sie sich mit westlichem Habitus auseinander und ließ entsprechende Kleidung anfertigen. Chulalongkorn sollte dort als moderner Monarch auftreten. Das hatte durchaus „revolutionären“ Charakter, denn schon allein Auslandsreisen des siamesischen Königs waren bis dahin völlig unbekannt. Traditionellerweise verließ dieser nur sehr selten seinen Palast. Die Auseinandersetzungen zwischen „Young“ und „Conservative Siam“ kann zwar auch als Generationenkonflikt betrachtet werden, wesentlicher ist jedoch, 236 Prinz Damrong, Die Chronik des fünften Königs, S. 51f. 237 Prinz Damrong, Die Chronik des fünften Königs, S. 44. 238 Unter ihnen waren etliche namentlich nicht bekannte Ausländer, vor allem US-Amerikaner und europäische Kaufleute, die als siamesische Konsuln amtierten. 239 Prinz Damrong, Khwamsongcham (Memoiren), Bangkok 1962, S. 143f. 240 The Siam Repository, 1871, S. 190ff.; siehe auch den Artikel: Young Siam in: The Siam Repository, 1871, S. 394ff. 241 Prinz Damrong, Memoiren, S. 161. <?page no="87"?> -$ Ma*ht/ ! mpfe 1%(%-1%&+ 87 dass die reformorientierten Kräfte mit der Annahme westlicher Einflüsse eine Doppelstrategie verfolgten. Ihnen ging es zum einen darum, Macht zu erringen und zu erhalten, und zum anderen wollten sie die Souveränität des Landes wahren. Die Strategie der symbolischen Politik prägte die insgesamt 42 Jahre währende Regierungszeit Chulalongkorns und wurde je nach innen- oder kolonialpolitischer Situation in unterschiedlicher Intensität angewendet. Chulalongkorns Reformpolitik lässt sich in drei Phasen untergliedern: Während und nach der Regentschaft von Srisuriyawongse zwischen 1868 und 1879 scheiterten seine Bemühungen am Widerstand der konservativen Minister und lösten zwei politische Krisen aus: die Frontpalace-Krise (1874/ 75) und den Phra-Pricha-Fall (1879). In der zweiten Phase ab den 1880er Jahren war Chulalongkorn in der Lage, erste wichtige Schritte seines Reformprogramms einzuleiten. Dabei setzte er Elemente der europäischen Moderne ein, um Siam gegen weitere koloniale Expansion westlicher Mächte zu wappnen. Französische Kanonenbootpolitik, wie sie sich im so genannten Paknam-Zwischenfall von 1893 zeigte, stoppte Chulalongkorns Vorhaben vorübergehend. Schließlich konnte er jedoch ab Mitte der neunziger Jahre in einem dritten Anlauf sein Modernisierungs- und Reformprogramm endgültig umsetzen. Dies war auch auf Unterstützung von außen zurückzuführen. Mit seinem Europabesuch von 1897 gelang es dem siamesischen König, in den Kreis der europäischen Souveräne aufgenommen zu werden. In allen drei Phasen spielte, wie in den nun folgenden Abschnitten gezeigt wird, symbolische Politik und die Neugestaltung von Orden und Zeremoniell eine wesentliche Rolle. I. Machtkämpfe 1868-1873 In der ersten Phase, in der sich Chulalongkorn gegen die Bunnag-Fraktion durchzusetzen suchte, lassen sich vier wichtige ordenspolitische Maßnahmen feststellen, die sich an europäischen Mustern orientierten: 1. Die Anpassung an die westliche diplomatische Praxis 1869 2. Die Aufnahme der Geburtstagsfeier in das Staatszeremoniell 1870 3. Die Stiftung von Haus-, Verdienst- und Ritterorden 1869-1873 4. D ie Aufnahme der Krönung in das Staatszeremoniell 1873 Ganz allgemein lässt sich erkennen, dass Chulalongkorn hier das Modernisierungsprogramm fortsetzte, das sein Vater begonnen hatte. <?page no="88"?> 88 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns 1. Die Anpassung an die westliche diplomatische Praxis 1869 Nachdem Chulalongkorn König geworden war, kam es zu zwei Ereignissen, die Gründe lieferten, diplomatisches Zeremoniell, Orden und Auszeichnungswesen zu reformieren: zum einen besuchten westliche Gesandtschaften Siam und mussten angemessen empfangen werden, 242 zum anderen reiste Chulalongkorn nach Singapur und Niederländisch-Indien (09.03.-15.04.1871) sowie nach Britisch-Burma und Britisch-Indien (18.12.1871-15.03.1872). Um Chulalongkorn zur Krönung zu gratulieren, kamen ausländische Diplomaten nach Bangkok und überbrachten entsprechende Schreiben ihrer Regierungen. Traditionell sah das Protokoll einen ausgesprochen aufwändigen, unvorstellbar prunkvollen Empfang vor, den manch westlicher Besucher als grotesk empfand 243 und der für die siamesische Regierung mit hohen Kosten verbunden war, was sich umso mehr bemerkbar machte, desto häufiger Gesandtschaften eintrafen. Sich an westlicher Praxis zu orientieren kam Siam somit auch aus diesem Grund sehr gelegen. 244 Ein wesentlicher Anstoß, das diplomatische Zeremoniell neu zu ordnen, war zudem der so genannte Dillon-Fall. François Dillon, seit 1865 französischer Konsul in Siam, hatte von der Regierung in Paris den Auftrag erhalten, Chulalongkorn das Gratulationsschreiben Napoleons III. zu überbringen. Dillon wollte jedoch das siamesische Audienzprotokoll nicht akzeptieren, das die Regierung seit 1855 westlichen Gepflogenheiten angepasst hatte und das von allen ausländischen Diplomaten in Bangkok - Dillon eingeschlossen - angenommen worden war. Laut Palastgesetz war es verboten, vor dem König zu stehen. Für ausländische Diplomaten war nun jedoch eine Ausnahmeregelung gefunden worden, und sie durften während der Audienz auf einem Kissen sitzen. Dillon ließ es auf einen Konflikt ankommen. Er startete eine Unterschriftenaktion bei den westlichen Konsuln in Bangkok, um sich gegen die Etikette am Königspalast zu wenden, und stellte der Regierung ein Ultimatum. Sollte Siam nicht innerhalb 48 Stunden sein diplomatisches Protokoll ändern, würde er mit dem Begrüßungsschreiben Napoleons III. nach Paris zurückkehren. Briten, US-Amerikaner und überhaupt die Mehrheit der westlichen Gesandten in Bangkok unterstütz- 242 Als erstes nahm Chulalongkorn am 28. April 1869 das Schreiben entgegen, in dem ihm Königin Victoria persönlich zur Thronbesteigung gratulierte. Die Schreiben von Kaiser Franz Joseph, vom preußischen König Wilhelm I. sowie von Napoleon III. wurden am 4. Mai, am 1. und 21. September sowie am 30. November überreicht (Bangkok Calendar, 1870, S. 171). Gratulationen des spanischen und des dänischen Königs trafen in Bangkok am 10. und 21. Januar 1870 ein (Bangkok Calendar, 1871, S. 169). 243 Eine nüchterne Beschreibung eines solchen Empfangs stammt von Graf Fritz zu Eulenburg, dem außerordentlichen Gesandten Preußens (Siehe Ost-Asien 1860-1862…, S. 344ff. u. 354ff.). 244 Prinz Damrong, Memoiren, S. 143f. <?page no="89"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 89 ten Dillons Aktion nicht, zumal französische Konsuln bereits früher negativ aufgefallen waren. 245 Dennoch kam die Regierung Dillon entgegen. Er durfte während des Empfangs stehen, aber wie seine Begleiter musste er dies die ganze Zeit tun, da die Kissen entfernt worden waren. 246 Die Besuche Chulalongkorns in den europäischen Kolonien waren dann der entscheidende Anstoß, sich bei diplomatischen Empfängen gänzlich am Westen zu orientieren. Am 26. August 1872, gut fünf Monaten nachdem Chulalongkorn in Britisch-Indien gewesen war, ließ die siamesische Regierung das Empfangsprotokoll gesetzlich ändern. 247 Die alte pompöse und aufwändige Empfangszeremonie wurde abgeschafft. Als wichtigste und grundlegendste Änderung wurde festgeschrieben, dass von nun an die Gesandtschaft - und nicht mehr das Begrüßungsschreiben - unmittelbar den Souverän des Entsendestaats vertrat. Außerdem durften sich die westlichen Gesandten beim offiziellen Empfang nach ihrer Etikette richten. 248 Der Erste, der gemäß diesen neuen Bestimmungen empfangen wurde, war der niederländische Sondergesandte H. J. C. Hoogeveen. Er kam im Oktober 1872 im Auftrag von König Wilhelm III. der Niederlande nach Bangkok, um Chulalongkorn den Orden vom Niederländischen Löwen zu überreichen. Das neue Empfangszeremoniell sah als wichtige Innovation auch gegenseitige Auszeichnungen vor. In dieser Hinsicht war der Besuch der österreichischungarischen Mission von Bedeutung. Sie wurde von Karl von Scherzer geleitet und hatte zwei diplomatische Aufgaben. Sie sollte Chulalongkorn das Begrüßungsschreiben Kaiser Franz Josephs überbringen und - ungleiche - Verträge abschließen. 249 Diese wurden am 17. Mai 1869 unterzeichnet. Während der 245 In den 1860er Jahren hatte es zwei ähnliche Vorfälle gegeben. Jules Zanole, erster französischer Konsul nach Abschluss der ungleichen Verträge, war am 16.02.1863, zwei Tage nach seiner Ankunft in Bangkok, zusammen mit seinem Diener mit Schusswaffen in der Öffentlichkeit erschienen. Damit verletzte er bestehende Gesetze, und die Polizei schritt ein. Zanole beschwerte sich beim König und drohte, die Flagge vom Konsulat einzuholen und das Land zu verlassen, sollte sich die Regierung nicht bei ihm entschuldigen (Bangkok Calendar, 1864, S. 120f.). Bei dem zweiten Vorkommnis handelt es sich um den Aubaret-Fall, über den Details in Anm. 51 des Kapitels A nachgelesen werden können. 246 Ausführlich zum Dillon-Fall: Bangkok Calendar, 1870, S. 170ff; siehe zudem auch Wudhichai Mulasilp, Mueasomdet kromphraya Damrong Rajanubhab songniphon phraratcha phongsawadan khrung rattanakosin ratchakan thi ha (Als Prinz Damrong Rajanubhab die Chronik des fünften Königs der Bangkok-Periode verfasste), in: JRITH, vol. 35, no. IV October-December 2010, S. 590-605. 247 König Chulalongkorn, Chotmaihet phraratchakit raiwan nai phrabat somdet phrachulachomklaochaoyuhua (Tagebuchaufzeichnungen des Königs Chulalongkorn), hrsg. v. The Fine Arts Department of Thailand, Bd. VIII, Bangkok 1936, S. 58f. 248 Prinz Damrong, Die Chronik des fünften Königs, S. 419f. 249 Die österreichisch-ungarische Mission traf am 30. April in Bangkok ein und blieb dort bis zum 19 . Mai 1869. Ihr Ziel war, ungleiche Verträge mit Siam abzuschließen. Dieses Vorhaben ver- <?page no="90"?> 90 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Abschiedsaudienz am selben Tag überreichte Scherzer Chulalongkorn das Großkreuz vom St.-Stephan-Orden samt Schulterband und einem Stern. Vizekönig Wichaichan, der den Spitznamen „George Washington“ trug, erhielt das Großkreuz des Österreichischen-Eisernen-Kronen-Ordens. 250 Zum Dank dafür zeichnete Chulalongkorn Scherzer mit dem Weißen-Elefanten-Orden aus. 251 Ein derartiger zeremonieller Austausch von Abschiedsgeschenken wurde üblicherweise von beiden Seiten vereinbart, wenn die politische Mission mit Erfolg und zur beidseitigen Zufriedenheit abgeschlossen war. 252 Die Verleihung des St.-Stephan-Ordens hatte für Siam innenwie außenpolitische Bedeutung. Er war das erste Mal, dass Chulalongkorn die höchste Auszeichnung eines europäischen Landes erhielt. Siam sah sich dadurch in seiner Souveränität anerkannt und in seinen diplomatischen Beziehungen aufgewertet, nicht nur bei den Nachbarländern, sondern auch bei der westlichen Völkergemeinschaft. 253 Welche politische Relevanz die Ehrung hatte, belegt ein Foto, das Chulalongkorn auf seinem Thron mit dem Orden zeigt. 254 Sie motivierte ihn zudem, das siamesische Ordenswesen zu verfeinern und auszubauen. Dies geschah in einem Erlass vom 29. Dezember 1869, 255 auf den weiter unten eingegangen wird. zögerte sich zunächst aufgrund des Todes von Mongkut [Siehe K. v. Scherzer (Hrsg.), Fachmännische Berichte über die österreichisch-ungarische Expedition nach Siam, China und Japan: 1868-71, Stuttgart 1872, S. VIf.]. 250 Der St.-Stephan-Orden - offiziell „der Königlich Ungarische Hohe Ritterorden vom Heiligen Stephan, dem Apostolischen König“ - wurde am 5. Mai 1764 von Kaiserin Maria Theresia als höchster Zivilverdienstorden Österreich-Ungarn-s gestiftet. Der Kaiserliche-Eiserne-Kronen- Orden, den Franz I. am 1. Januar 1816 eingerichtet hatte, folgte dem Beispiel des von Napoleon I. begründeten Verdienstritterordens der Eisernen Krone (Ausführlich zu beiden Orden: Václav Měřička, Orden und Ehrenzeichen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, aus dem Tschechischen übers. v. Robert Fenzl, München 1974, S. 58-64 und 93-107). 251 The Siam Repository, 1869, S. 226. 252 Zu den Regeln des Ordensaustauschs siehe beispielsweise Kapitel 7.4. Ordenszeremoniell und 7.9. Besuchszeremoniell, in: Jürgen Hartmann, Staatszeremoniell, S. 157-166 u. S. 212-235. 253 Der St.-Stephan-Orden war der zweite höchste Orden eines europäischen Landes, den ein siamesischer König bis dahin erhalten hatte. 1864 war Mongkut in die Ehrenlegion Napoleons III. aufgenommen worden. Chulalongkorn erhielt diese Auszeichnung am 22. November 1872 in Bangkok (The Siam Repository, 1873, S. 116f.). 254 Diese Aufnahme ist eine Besonderheit, weil sich die siamesischen Könige danach nicht mehr mit ausländischen Orden fotografieren ließen. Als das Bild entstand, war man sich über seine Brisanz nicht im Klaren. Nach europäischen Gepflogenheiten trug der Monarch eines souveränen Staates ausländische Orden nur zu zwei Anlässen, nämlich wenn er Gäste aus diesem Land empfing oder wenn er selber dorthin reiste. Ansonsten war das Tragen eines fremden Ordens Ausdruck der Akzeptanz von Oberhoheit. Das Bild ist jedoch immer noch in verschiedenen thailändischen Publikationen zu sehen. 255 Prinz Damrong, Die Chronik der Orden von Siam, S. 19. <?page no="91"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 91 2. Die Aufnahme der königlichen Geburtstagsfeier in da s S taa tszer emoniell 1870 Zuvor ist jedoch die erste offene Konfrontation zwischen den beiden rivalisierenden Fraktionen anzusprechen. Sie entzündete sich an der Geburtstagsfeier Chulalongkorns im Königspalast. 256 Den 21. September 1870 wollte Chulalongkorn nicht nur öffentlich begehen, sondern zu einem nationalen Feiertag erheben, wie es in den westlichen Staaten üblich war und wie es auch schon sein Vater praktiziert hatte. 257 Regent Srisuriyawongse widersetzte sich diesem Vorhaben. Seiner Ansicht nach sollte man seinen Geburtstag nicht vor dem 51. Lebensjahr feiern, andernfalls müsse der Gastgeber mit Unheil rechnen. Zudem hielt er eine solche Veranstaltung für unnötige Geldverschwendung. Während der Herrschaft Mongkuts hatte sich bereits ein ähnlicher Vorfall ereignet. Der König hatte 1864 zu seinem 60. Geburtstag ein Fest nach westlichem Vorbild ausrichten lassen. Srisuriyawongse, der unter Mongkut noch Premierminister war, zog nach und feierte seinen Geburtstag zunächst sieben und in späteren Jahren sogar 15 Tage lang. 258 Die hohen Kosten mussten die Geschäftsleute tragen, genauer gesagt seine Klienten. An Aufwand und Prunk wurde nicht gespart, so dass die königliche Feier im Palast vergleichsweise bescheiden und privat wirkte. 259 Nach heftigen Diskussionen zwischen Chulalongkorn und Srisuriyawongse konnten sich der König und seine Anhänger durchsetzen. Die Bevölkerung Bangkoks und besonders die westlichen Konsuln und Kaufleute feierten den Geburtstag Chulalongkorns mit. Fünf Tage lang illuminierten sie ihre Häuser. 260 Chulalongkorn hatte seinen ersten wichtigen symbolischen Kampf gegen die konservativen Minister gewonnen, und er machte sich dabei kulturelle Praktiken aus dem Westen zu Nutze. Neu war bei den Feierlichkeiten nicht nur, dass sich die Bevölkerung mit der festlichen Beleuchtung ihrer Häuser daran beteiligte, sondern auch, dass Vertreter aller Gesellschaftsgruppen zur Gratulation zum Königspalast kamen. Chulalongkorn bedankte sich für ihre Reden mit einer Ansprache. Diese nutzte er, um über Erfolge und Probleme seiner Reformpolitik während des vergangenen Jahres zu berichten. Was er sagte, wurde auch in der Regierungsgazette veröffentlicht. 261 256 König Chulalongkorn, Königliche Hofzeremonie, S. 677ff. 257 König Chulalongkorn, Königliche Hofzeremonie, S. 673. 258 König Chulalongkorn, Königliche Hofzeremonie, S. 675f. 259 König Chulalongkorn, Königliche Hofzeremonie, S. 673ff. 260 Bis heute blieb der Geburtstag des Königs wichtiger nationaler Feiertag. 261 Seine erste Ansprache hielt Chulalongkorn am 21.09.1873. Ein Jahr später war sie in der Royal Gazette nachzulesen (04.10.1874). Sämtliche Reden des Königs wurden 1915 in einem Sam- <?page no="92"?> 92 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Mit der Stärkung ihrer Position wuchs auch das Selbstbewusstsein des Königs und seiner Unterstützer. Das führte nicht zuletzt dazu, dass sich die Verbreitung europäischer Einflüsse im Palast intensivierte. Deutlich wurde das in erster Linie bei den Umgangsformen. Wenn er den König begrüßte, stellte sich nun beispielsweise der Hofdiener in gewissem Abstand aufrecht vor ihn, vorbeugte sich und gab ihm dann die Hand. 262 Mehr und mehr setzte sich bei den Vertretern von „Young Siam“ in der Kleidung westliche Mode durch. Anfang der 1870er Jahre wurde die Uniform der Leibgarde entworfen. 263 Häufig gab der König Bankette, zu denen er Tischordnungskarten verteilte, die die Gäste verpflichten, „evening dress“ zu tragen. Auch ihre Haare ließ sich die Fraktion Chulalongkorns auf westliche Weise schneiden. 264 All dies diente in erster Linie der Vorbereitung auf Chulalongkorns Auslandsreisen. Nicht nur der König selbst, sondern auch seine Begleiter sollten mit westlichen Sitten vertraut sein. Bei seinen Auslandsreisen nach Singapur, Batavia und Britisch-Indien wollte Chulalongkorn westliche Kolonialverwaltungen kennenlernen. 265 Sie waren eine Art Studienreise, auf der er das Wissen von der europäischen Moderne erweitern konnte, das ihm von seinem Vater und seinen Lehrern vermittelt worden war oder das er sich angelesen hatte. Diese Besuche stellten eine wesentlich Grundlage für die spätere Reformpolitik des Königs dar. Nach seiner Rückkehr aus Singapur und Batavia übernahm der König weitere Elemente europäischer Hofkultur. 266 Seine Korrespondenz signierte er nun in Latein: „Chulalongkorn R[ex]. S[iamesium].“ Das „Corps des Pages“ 267 erweiterte er zu einem Regiment, das nach europäischem Vorbild organisiert wurde. Die melband herausgegeben [Phraratchadamrat nai phrabatsomdet phrachulachomklaochaoyuhua (tangtae ph. s. 2417ph. s. 2435) (Sämtliche Ansprachen des Königs Chulalongkorn zwischen 1873 und 1910), Bangkok ( 1 1915) 4 2007]. 262 Hierbei ist nicht zu vergessen, dass in Siam zu dieser Zeit noch die alte Hofetikette in Gebrauch war. Prinz Damrong, Memoiren, S. 162f. 263 Prinz Damrong, Memoiren, S. 166. 264 The Siam Repository, 1871, S. 413. Über die traditionelle Frisur der Siamesen siehe beispielsweise die Beschreibung von Eulenburg in: Ost-Asien 1860-1862…, S. 354. 265 Nach seinem Besuch in Batavia wollte Chulalongkorn nach Europa reisen, um sich ein authentisches Bild der Verwaltung in den Metropolen der Kolonialmächte zu machen. Regent und Ministerrat lehnten diesen Plan ab. Sie befürchteten, der junge siamesische König würde in Europa nicht mit den nötigen Ehren empfangen. Als alternatives Ziel schlugen sie Britisch-Indien vor, dessen Administration ihrer Ansicht nach durchaus mit der des Mutterlandes konkurrieren konnte (Prinz Damrong, Memoiren, S. 175). Zur ersten Auslandreise Chulalongkorns siehe Kannikar Sartraproong, A True Hero. King Chulalongkorn of Siam’s visit to Singapore and Java in 1871, Bangkok 2004. Singapur besuchte er insgesamt acht Mal (Vgl. Imtip, Pattajoti Suharto, Journeys to Java by a Siamese King, Bangkok 2 2012 und P. Lim Pui Huen, Through the Eyes of the King. The travels of King Chulalongkorn to Malaya, Singapore 2009). 266 Prinz Damrong, Memoiren, S. 172. 267 Siehe dazu S. 86. <?page no="93"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 93 Offiziere erhielten westliche Dienstgrade, und bald nach dem Besuch in Britisch-Indien wurden für Zivilwie Militärpersonen entsprechende Uniformen entworfen. Sie wurden von der britischen Firma Ramsay Workfield aus Kalkutta geschneidert, die dafür lizensiert worden war und eine Filiale in Bangkok gegründet hatte. 268 Der König und sein Kreis „verwestlichten“ immer mehr. Ab 1872 wurde europäische Kultur nicht nur intensiver, sondern auch systematischer rezipiert. Der König und sein Ministerrat regelten nämlich entsprechende Adaptionen nun gesetzlich. Das hatte vor allem mit den Vorbereitungen zu einer zweiten Krönungszeremonie zu tun, die 1873 stattfand. Das betraf auch die Ordenspolitik. Chulalongkorn erzählte rückblickend, dass er zu diesem Zeitpunkt in der Legislative sein wirksamstes politisches Instrument in der Auseinandersetzung mit der konservativen Partei nutzte, die ihrerseits Exekutive und Judikative kontrollierte. 269 3. Die Stiftung von Haus-, Verdienst- und Familienorden 1869-1873 In der Zeit, in der noch der Regent Srisuriyawongse die Regierungsgeschäfte für ihn führte, regelte Chulalongkorn die Ordensfragen mit drei Erlassen: 1. mit dem Stiftungserlass vom 29.12.1869 2. mit dem Statutenerlass für Haus- und Verdienstorden vom 19.09.1873 3. mit dem Stiftungserlass des Familienordens vom 16.11.1873. Durch diese Erlasse wurden vier Orden eingeführt: der Noppharat- Ratchawaraphon-Hausorden, der Weiße-Elefanten-, der Siamesische-Kronen- und der Chulachomklao-Familienorden. Die ersten drei stammten noch aus der Zeit seines Vaters und wurden lediglich erweitert. Den Familienorden hingegen stiftete Chulalongkorn neu. Alle vier lassen sich der Systematik zuordnen, die Mongkut eingeführt hatte: Der Hausorden repräsentierte das Königshaus, der Verdienstorden das Königreich und der Familienorden den König selbst. Um die Entwicklung der symbolischen Politik genauer zu veranschaulichen, werden die drei Erlasse im Folgenden vorgestellt. 268 Prinz Damrong, Memoiren, S. 178. 269 König Chulalongkorn, Die Erwiderung des Königs, S. 59f. Im Frühjahr (08.01.1885) reichten Vertreter der „Young-Siam“-Fraktion eine Petition bei Chulalongkorn ein, in der sie ihre Unzufriedenheit über die Reformpolitik äußerten. Siam sei in diesem Zustand nicht in der Lage, seine Herrschaft gegen die kolonialen Mächte Großbritannien und insbesondere Frankreich zu behaupten. Siam solle vor allem die Staatsform der britischen konstitutionellen Monarchie annehmen. Chulalongkorn reagierte auf diese Petition, indem er nicht nur die schwierige politische Lage schilderte, sondern sich auch kritisch mit einer derartigen Änderung der Staatsform auseinandersetzte. Im folgenden Kapitel dieser Arbeit wird darauf ausführlich eingegangen. <?page no="94"?> 94 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns 3.1. Der Stiftungserlass vom 29.12.1869 Sieben Monate nach dem ihm der St.-Stephan-Orden von Kaiser Franz Joseph I. verliehen worden war, modifizierte Chulalongkorn Haus- und Verdienstorden. 270 Letztere öffnete er für drei Gesellschaftsgruppen: für Zivilbeamte, Künstler sowie ‚Bürger’ und Soldaten. Als Vorbild dienten hier wiederum westliche Regelungen. Neu war, dass Klassen eingeführt, die Insignien 271 erweitert und Urkunden ausgestellt wurden. Außerdem verpflichte der Erlass die Geehrten, ihre Orden bei feierlichen Anlässen zu tragen, vor allem dann, wenn Gäste aus dem Westen anwesend waren. Damit erwiesen sie ihrem Land symbolisch die Ehre. 272 Um Weiterentwicklungen gut nachvollziehen zu können, wird nun ein Blick auf die einzelnen Orden geworfen. 3.1.1. Der Noppharat-Ratchawaraphon-Hausorden des siamesischen Monarchen Er wurde vom Noppharat-Ordensstern Mongkuts abgeleitet und erhielt den offiziellen Titel Noppharat Ratchawaraphon (Sanskrit: navaratna rājavarābhara ! a , wörtlich: Die höchste und würdigste mit neun Edelsteinen geschmückte Dekoration des Königs). Er hatte nur eine Klasse. Neu waren drei Insignien: Kleinod, Schulterband und Bruststern. 273 Das Kleinod wurde am Band auf der rechten Schulter getragen, der Stern auf der linken Brustseite (Abb. 11). 270 Prinz Damrong, Die Chronik der Orden von Siam, Bd. I, S. 19ff. 271 Jeder Orden erhielt nun die Zeichen und das Band zu dem bereits gestifteten Stern aus der Zeit Mongkuts. 272 Prinz Damrong, Die Chronik der Orden von Siam, Bd. I, S. 22. 273 Ursprünglich wollte der König die Kette nach dem Vorbild europäischer Hausorden einführen. Nach den Palastgesetzen jedoch gehörte eine solche Kette - genauer gesagt die „Phra-sangwannaowarat“-Kette zu den Ranginsignien des Königs und durfte nur von ihm getragen werden. Wäre davon abgewichen worden, hätte das nicht nur eine Missachtung der königlichen Tradition bedeutet, sondern auch für Widerstand im Inneren gesorgt (Prinz Damrong, Die Chronik der Orden von Siam, Bd. I, S. 19ff.). <?page no="95"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 95 Abb. 11: Kleinod und Stern des Noppharat-Ratchawaraphon-Hausordens 3.1.2. Der Zivilverdienstorden 274 Auch der Zivilverdienstorden setzte fort, was unter Mongkut begonnen wurde. Er griff die beiden Bruststerne des Weißen Elefanten und der Maha-Mongkut- Krone auf und sah eine Einteilung in drei Klassen und sechs Stufen vor, die jeweils einen besonderen Namen erhielten. Das entsprach dem Grundmuster der Orden der europäischen Monarchie (Großkreuz, Kommandeur oder Komtur und Ritter). 275 Die Benennungen lauteten folgendermaßen: Stufe I (Klasse I, 1. Grad): Maha waraphon (Sanskrit: mahā varābhara ! a: große schönste Dekoration) Stufe II (Klasse I, 2. Grad): Maha suraphon (Sanskrit: mahā surābhara ! a: große göttliche Dekoration) 274 In den Quellen wird dieser Orden als Verdienstorden bezeichnet. Vergleicht man ihn jedoch mit dem dritten und vierten Verdienstorden, wird klar, dass es sich um einen Zivilverdienstorden handelt. 275 Václav Měřička, O rden und Auszeichnungen, aus dem Tschechischen übers. v. Hans Gaertner, Prag 1966, S. 13f. <?page no="96"?> 96 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Stufe III (Klasse II, 1. Grad): Chula waraphon (Sanskrit: cula varābhara ! a: kleine schönste Dekoration) Stufe IV (Klasse II, 2. Grad): Chula suraphon (Sanskrit: cula surābhara ! a: kleine göttliche Dekoration) Stufe V (Klasse III, 1. Grad): Niphaphon (Sanskrit: nibhābhara ! a: leuchtende Dekoration) Stufe VI (Klasse III, 2. Grad): Phusanaphon (Sanskrit: bhū ' nābhara ! a: geschmückte Dekoration) Die Insignien von Maha waraphon und Maha suraphon bestanden aus Kleinod, Schulterband und Stern. Das Kleinod wurde am Band über der rechten Schulter getragen, der Ordensstern auf der linken Brustseite (Abb. 12 und 13). Zu Chula waraphon und Chula suraphon gehörten ebenfalls Kleinod und Stern, dazu aber ein Brustband mit Rosette. An der Kleidung wurden sie wie die Orden der ersten Klasse angebracht. Niphaphon war ein Halsband, und Phusanaphon stellte eine schlichte Medaille dar, die am Band mit Rosette auf der linken Brustseite angesteckt wurde. In diesen sechs Stufen wurden zwei Hauptsymbole verwendet. Im ersten Grad jeder Klasse war das der Weiße Elefant, im zweiten die Chula-Mongkut- Krone. Beide Motive leiteten sich aus den entsprechenden Ordenssternen Mongkuts ab und lassen sich durch die Farbe des Bandes voneinander unterscheiden. Der Flaggenmast, der zur Zeit Mongkuts noch verwendet wurde, tauchte nun nicht mehr auf. 276 276 Der Weiße-Elefanten-Orden existierte in zwei Kategorien: die Version für Einheimische wies als Überhöhung die Krone auf, die für Ausländer den Flaggenmast. Unter Chulalongkorn wurde der Verdienstorden dann einheitlich gestaltet (Vgl. Abb. 9 und 10, S. 71). <?page no="97"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 97 Abb. 12: Kleinod und Stern des Verdienstordens Stufe I Abb. 13: Kleinod und Stern des Verdienstordens Stufe II <?page no="98"?> 98 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns 3.1.3. Der Verdienstorden für „Kunst und Wissenschaft“ 277 Er war ebenfalls in drei Klassen untergliedert: Klasse I: Rotchanaphon-Orden (Sanskrit: racanābhara ! a: Dekoration der Literatur) Klasse II: Phatthraphon-Orden (Sanskrit: bhadrābhara ! a: Dekoration der Exzellenz) Klasse III: Butsapamala-Medaille (Sanskrit: pusbamālā: Blumenkranz). Die beiden Orden wurden auf der linken Brustseite getragen, Rotchanaphon am blauen Band mit Rosette und Phatthraphon am grünen ohne Rosette. Butsapamala war als goldene Medaille mit rotem Brustband ohne Rosette gestaltet. 3.1.4. Der Militärverdienstorden Er bestand aus einer Medaille, Chakramala (Sanskrit: cakramālā: Scheibe- Kranz 278 ) genannt. Sie wurde an der linken Brust mittels eines blauen Bandes ohne Rosette angeheftet. Sie ähnelte europäischer Kriegsdekoration. Der Erlass regelte lediglich die äußere Gestalt der Orden. Zentrale Merkmale europäischer Orden wie Insignien, Urkunden, Statuten oder ein Verwaltungsorgan fehlten. Außerdem korrespondierten die drei Kategorien der Verdienstorden nicht mit der damaligen Struktur des siamesischen Regierungssystems. So wurde zu Beginn der Herrschaft Chulalongkorns - wie es der Tradition des Königreiches entsprach - nicht eindeutig zwischen zivilen Beamten und Soldaten unterschieden. Einheitliche Streitkräfte existierten nicht, und die im Westen übliche Truppenteilung zwischen Armee und Marine war unbekannt. Schließlich lässt der Stiftungserlass auch noch keine klare Konzeption erkennen. Zwei Vorbilder waren für die Gestaltung leitend: Die Tragweise orientierte sich an den Regeln der französischen Ehrenlegion, die Klasseneinteilung an monarchischen Orden, etwa dem österreichisch-ungarischen St.-Stephans-Orden. 279 Man hat den Eindruck, Chulalongkorn hat diese Erweiterung der Orden einem Lehrbuch entnommen. In der Zeit vor den Auslandreisen 1871 und 1872, so kann man 277 Im Stiftungserlass hieß dieser Ordens offiziell: „Verdienstorden zur Belohnung für Verdienste im Bereich des geschichtlichen Handwerks und für persönliche Verdienste um den König“. Er orientierte sich am europäischen Vorbild des Verdienstordens für Kunst und Wissenschaft und wird deshalb auch hier entsprechend bezeichnet. 278 Die Scheibe, „cakra“, ist Waffe und zugleich Attribut des Gottes Vishnu. 279 So wurden bei der Ehrenlegion das Kleinod der Klasse II am Brustband und das Zeichen der Klasse III,1 am Halsband getragen. Bei den monarchischen Orden war es genau umgekehrt [Siehe dazu beispielsweise Paul Ohm Hieronymussen, Handbuch europäischer Orden in Farben, Berlin ( 1 1966) 2 1975, S. 18f. und 136 sowie Václav Měřička, Orden und Auszeichnungen, S. 58f.]. <?page no="99"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 99 schließen, steckte die Rezeption europäischer Kultur gewissermaßen noch in den „Kinderschuhen“. 3.2. Der Statutenerlass vom 19.09.1873 Kurz vor der Zeremonie zu seiner zweiten Krönung am 16. November 1873 erweiterte und modifizierte Chulalongkorn die Regelungen des Erlasses von 1869. Folgende Ehrungen waren betroffen: 1. Der Noppharat-Ratchawaraphon-Hausorden 2. Der Verdienstorden des Weißen Elefanten und der Siamesischen Krone 3. Die Medaille für „Kunst und Wissenschaft“ 4. Die Medaille für Militärauszeichnung Zwei wichtige Änderungen lassen sich feststellen: Der Zivilverdienstorden wurde überarbeitet und zu zwei eigenständigen Auszeichnungen erweitert, und Leistungen in „Kunst und Wissenschaft“ sowie im Bereich des „Militärs“ wurden nur noch mit Medaillen geehrt. 280 Der Noppharat-Ratchawaraphon-Hausorden blieb im Wesentlichen unverändert. Das lässt erkennen, dass es in diesem Erlass vor allem um die beiden Verdienstorden ging, die nicht nur für Zivilbeamte bestimmt waren, sondern auch für Offiziere. Die folgende Darstellung beschränkt sich deshalb auf sie. Wichtigste Neuerung dieses Erlasses waren die Statuten, die nun für die siamesischen Orden festgeschrieben wurden. 281 Gemäß dem westlichen Vorbild regelten sie die Organisation des Ordenswesens, den Sinn der Verleihungen, die Klassen und die Gestalt der Insignien. Vorab ist allerdings festzuhalten, dass diese Bestimmungen noch nicht vollständig europäischen Ordensgesetzen entsprachen. Sie waren noch nicht entsprechend differenziert. Lediglich die Statuten der beiden Verdienstorden verfügten über - sieben - Artikel. Ein solches Ordensgesetz war ein wichtiger Schritt bei der Modernisierung der Gesetzgebung und damit letztlich auch des Staatswesens. Eine Rezeption europäischer administrativer Gepflogenheiten ist zudem in zwei weiteren Neuerungen zu sehen: Zum einen erfolgten die Stiftung oder die Erweiterung eines Ordens von nun an stets per Gesetz durch Beschluss des Kabinetts, das die legislative Macht ausübte, und nicht mehr - wie bisher - durch königliche Anordnung, und diese Gesetze waren zum anderen stets in der Royal Gazette zu veröffentlichen. 280 In der Einleitung (Anm. 31) wurde bereits erläutert, dass Ehrenzeichen und Medaillen in dieser Studie unberücksichtigt bleiben. 281 The Royal Gazette, 09.08.1874, S. 114ff; eine englische Übersetzung findet sich in: The Siam Repository, 1874, S. 101ff. <?page no="100"?> 100 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Abb. 14: Kleinod samt Schärpe und Stern des Weißen-Elefanten-Ordens Klasse I <?page no="101"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 101 Abb. 15: Kleinod samt Band mit Rosette und Stern des Weißen-Elefanten- Ordens Klasse II Abb. 16: Kleinod samt Schärpe und Stern des Siamesischen-Kronen-Ordens Klasse I <?page no="102"?> 102 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Abb. 17: Zeichen samt Band mit Rosette und Stern des Siamesischen-Kronen- Ordens Klasse II Verdienstorden gab es zwei, den Weißen-Elefanten- und den Siamesischen- Kronen-Orden. Ersterer war die höchste Auszeichnung, die das Land für besondere Verdienste vergeben konnte. Auch fremde Souveräne und andere Ausländer durften mit ihm geehrt werden. Der Maha-Mongkutwurde in Siamesischer- Kronen-Orden umbenannt. Es wurde ausdrücklich erklärt, dass mit diesen Orden Verdienste zu honorieren waren ohne Rücksicht auf Rang und Geburt. Neu war, dass die beiden Orden fünf Klassen hatten und dass festgelegt wurde, an wie viele Personen sie insgesamt verliehen werden konnten 282 und wie sie zu 282 Die Anzahl der Ordensmitglieder ist - mit Ausnahme der untersten Klasse - beschränkt: Weißer-Elefanten-Orden Klasse I: 21, darunter der Ordensherr selbst; Weißer-Elefanten-Orden Klasse II: 50; Weißer-Elefanten-Orden Klasse III: 100; Weißer-Elefanten-Orden Klasse IV: 200; Weißer-Elefanten-Orden Klasse V: unbeschränkt; Siamesischer-Kronen-Orden Klasse I: 41, darunter der Ordensherr selbst; Siamesischer-Kronen-Orden Klasse II: 100; Siamesischer-Kronen-Orden Klasse III: 200; Siamesischer-Kronen-Orden Klasse IV: 400; Siamesischer-Kronen-Orden Klasse V: unbeschränkt (The Royal Gazette, 09.08.1874, S. 116f.). <?page no="103"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 103 tragen waren. Beim Weißen-Elefanten-Orden hatte die Struktur folgendes Ausse he n: Klasse I: Großkreuz 283 des Maha waraphon (Sanskrit: mahā varābhara ! a: große schönste Dekoration) (M. Ch.) 284 Klasse II: Großoffizier des Chula waraphon (Sanskrit: cula varābhara ! a: kleine schönste Dekoration) (Ch. Ch.) Klasse III: Kommandeur des Niphaphon (Sanskrit: nibhābhara ! a: leuchtende Dekoration) (N. Ch.) Klasse IV: Offizier des Phusanaphon (Sanskrit: bhū ' nābhara ! a: geschmückte Dekoration) (P. Ch.) Klasse V: Ritter des Thipphayaphon (Sanskrit: dibyābhara ! a: himmlische Dekoration) (T. Ch.) Die Klassen des Siamesischen-Kronen-Ordens lauteten: Klasse I: Maha suraphon (Sanskrit: mahā surābhara ! a: große göttliche Dekoration) (M. S. M.) 285 Klasse II: Chula suraphon (Sanskrit: cula surābhara ! a: kleine Dekoration) (Ch. M.) Klasse III: Manthanaphon (Sanskrit: ma ! * anābhara ! a: geschmückte Dekoration) (M. M.) Klasse IV: Phatthraphon (Sanskrit: bhadrābhara ! a: anmutige Dekoration) (P. M.) Klasse V: Wichittraphon (Sanskrit: vicitrābhara ! a: auserlesene Dekoration) (W. M.) Die Klassen I bis IV des Weißen-Elefantensowie die erste und zweite des Siamesischen-Kronen-Ordens existierten bereits im Erlass von 1869. Die übrigen wurden neu eingeführt. Das Statut umfasste sieben Artikel. Im ersten wurde festgelegt, dass die Orden samt dazugehöriger Uniform bei staatlichen wie bei privaten Zeremonien sowie bei Privatzeremonien zu tragen waren. In den einzelnen Klassen war der Weiße-Elefantenranghöher als der Siamesische-Kronen-Orden, 283 Die europäischen Namen wie „Großkreuz“ (Grand Cordon) oder „Großoffizier“ (Grand officer) wurden aus der englischen Übersetzung übernommen (The Siam Repository, 1874, S. 103). Sie wurden nur für den Weißen-Elefanten-, jedoch nicht für den Siamesischen-Kronen- Orden verwendet. 284 Die Initialen in Klammern beziehen sich auf den Titel der jeweiligen Ordensklasse, und zwar die erste auf die Klasse und die zweite auf den Namen. So bedeutet M. Ch. = Maha waraphon changpueak sayam. „Changpueak“ heißt auf Thai „weißer Elefant“ und „sayam“ Siam. Gemeint ist also das Großkreuz des Weißen-Elefanten-Ordens. 285 Entsprechend den Ausführungen zu Anm. 284 ist M. S. M. zu lesen als Maha suraphon mongkut sayam. “Mongkut” bedeutet Krone, und es handelt sich hier also um das Großkreuz des Siamesischen-Kronen-Ordens. <?page no="104"?> 104 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns wie Artikel 3 regelt. Um Sonderrechte der Geehrten ging es in Artikel 5, und Artikel 7 kündigte an, dass demnächst die Ordensbeamten ernannt werden würden. Blickt man auf die Bestimmungen, die die Verleihung für Beamte und Offiziere regelte, die Einteilung in fünf Klassen und die Art und Weise, in der die Ordenszeichen der zweiten und der dritten Klasse getragen werden sollten, ist das Vorbild der französischen Ehrenlegion unübersehbar. 286 3.3. Der Erlass zur Stiftung des Chulachomklao-Familienordens vom 16.11.1873 Chulalongkorn wollte diesen Orden für seine Selbstdarstellung nutzen: Er gab ihm seinen amtlichen königlichen Namen „Chulachomklao“ 287 und gestaltete ihn nach dem Vorbild eines europäischen weltlichen Ritterordens. Anlässlich der Zeremonien zu seiner zweiten Krönung am 16. November 1873 stiftete Chulalongkorn den Orden per Erlass und ließ schon am gleichen Tag das Ordenskapitel zum ersten Mal tagen. 288 Von nun an wurden alljährlich die Verleihung des Familienordens und der Krönungstag gleichzeitig begangen. Die Feierlichkeiten erhielten wie der Geburtstag des Königs den Rang eines wichtigen Staatszeremoniells, woran sich bis heute nichts geändert hat. In der Stiftung des Chulachomklao-Familienordens ist zunächst eine Reform des traditionellen Systems von Belohnungen und Beförderungen zu sehen. Es war in Siam üblich, dass ein neuer König die Krönungszeremonie zum Anlass nahm, Adlige, Minister und Beamte, die seinem Vorgänger gedient hatten, zu belohnen und in einen höheren Rang zu befördern. 289 Diese Zeremonie hatte eine politische Funktion. Der neue Monarch wollte wichtige Persönlichkeiten an sich binden. Nun jedoch wurden sie in die Gemeinschaft eines Ritterordens aufgenommen, und das transformierte die Gesellschaft. Aus einem Verhältnis zwischen König und Adligen, Ministern sowie Beamten wurde eines zwischen Ordensherr und Ordensmitgliedern. Die Verleihung des Ritterordens war ein Gnadenakt, der den Geehrten dem König unterstellte. Der Chulalomklao-Familienorden ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Das gilt für die Ziele, die mit seiner Stiftung verbunden waren, ebenso wie für 286 Näheres hierzu in Anm. 279. Vgl. auch Légion d’honneur, in: URL: http: / / www.legiondhonneur.fr/ shared/ fr/ ordresdecorations/ fordredecoration.html [hrsg. v. Grande Chancellerie de la Légion d'Honneur, Paris 2009, (Stand 2016)]. 287 Traditionell hatte ein siamesischer König einen persönlichen Namen - etwa „Mongkut“ oder „Chulalongkorn“ - und einen Titel, nämlich „Chomklao“ oder „Chulachomklao“. „Chom“ bedeutet Haupt, Spitze oder auch Herrschaft, „Klao“ Ehrfurcht gebietend. Mongkuts königlicher Titel lautete also sinngemäß übersetzt „Ehrfurcht gebietende Herrschaft“. „Chula“ heißt in Thai „klein“, und Chulalongkorn war der kleine Chomklao, also Mongkuts Sohn. 288 Siehe hierzu Abschnitt 5 dieser Studie: Das Ordenskapitel des Chulachomklao-Familienordens. 289 H. G. Quartich Wales, Siamese State Ceremonies, S. 214f. <?page no="105"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 105 die Gestalt, die ihm gegeben wurde. Auch seine Statuten enthalten eine Reihe von Neuerungen. Sie umfassen 15 Artikel. Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass sie systematischer verfasst wurden als die vom 19. September 1873. Nach den traditionellen Einleitungsformeln folgte ein Satz, der bislang in den siamesischen Ordensstatuten unbekannt war: „We the King of Siam, solicit the favor of announcing to the Princes, Ministers of State, and Nobles now in session, that we most intensely appreciate your great and disinterested goodness in making over to Us the Treasures of the State, and constituting Us the King of Siam […]” 290 Die Intitulatio „Wir, der König von Siam“ stammte aus dem Westen und wurde zum ersten Mal in diplomatischen Dokumenten der Regierung Mongkuts verwendet, nicht jedoch im Zusammenhang mit Haus- und Verdienstorden. 291 Weiter heißt es: „The First Dynasty of the rejuvenated Kingdom, has had 4 Kings, in the space of a little more than 90 years, up to the present Reign. During this space of time there have been no hostile contending factions, and there has been no disturbance of the public tranquility, and it is very appropriate that this eminent goodness and devoting should be deservedly appreciated and honored by all the members of the Royal Family and all the Representatives of the Government. Our age is less than that of any of the preceding Sovereigns of the Present Dynasty, but this has had no prejudicial effect against Us in the goodwill and fond devotion of those who revere and desire the perpetuation of the memory of each of the successive Kings of this Dynasty. Your grateful wish to perpetuate their glory, your united affection and loyalty has maintained the long peace we have enjoyed, and is the infallible test of your devotion to the members of that Royal Family. Owing to the unyielding fidelity of your worthy and departed Ministers of State of the past, and of these who now surround and sustain Us, We have inherited peacefully the descending and undisturbed glory of that Royal Family. This is the highest possible demonstration of your goodness, and this inspires Us with the purpose of cherishing, perpetuating and advancing the glory of your family into the far distant future. We have therefore instituted an Order, with its appropriate decorations and badges to show forth the glorious worth, and Our appreciation thereof and of all the persons of rank, who were and who may be the lineal descendants of those distingnished [sic! (distinguished)] Families, that we all may devoutly remember the great ones of the past, who have successfully managed the administration of this Kingdom and made it our inheritance to cherish, defend and advance its future, and our successors may readily recognize in the distant futnre [sic! (future)] their ancestry and distinguished families. This will be an imperishable glory and reward to each succeeding member of these eminent families. Therefore let us unitedly with unbroken front cherish and protect the Kingdom, and the succeeding lineal members of the Royal Family, form possible adversities, and with an ever unflagging unanimity and 290 The Siam Repository, 1874, S. 133f. Für die thailändische Version siehe The Royal Gazette, 16.08.1874, S. 126. 291 Zur Form der Intitulationen siehe beispielsweise Kapitel 6.1 Innere Merkmale von Königsurkunden in: Thomas Vogtherr, Urkundenlehre, S. 64ff. <?page no="106"?> 106 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns devotion for each other pay our tribute of respect to our worthy ancestry, that peace, prosperity and happiness may be to us one and all, and to our successors, a lasting inheritance.“ 292 Der Orden stand in der Tradition der europäischen weltlichen Ritterorden und ihrer Gemeinschaft. Entsprechend äußerte sich die Präambel zu den Aufnahmebedingungen. Im Gegensatz zu den beiden Verdienstorden wurde hier nicht ausgezeichnet, wer Besonderes geleistet hatte. Erforderlich war vielmehr die Ernennung des Ordensherrn, dem für die Zukunft Treue und Loyalität geschworen werden mussten. Die Mitgliedschaft im Familienorden war exklusiv und auf die Eliten der Gesellschaft beschränkt. Ein neuer „Ritter“ wurde in einer feierlichen Zeremonie am Ordenstag ausgezeichnet und aufgenommen. Gleichzeitig verpflichteten sich die Mitglieder, sich innerhalb der Ordensgemeinschaft gegenseitig zu unterstützen. Ziel des Königs war, sich die Konservativen durch ein derartige Ehrung und Bindung unterzuordnen. Zudem wollte Chulalongkorn nicht nur einzelne Personen in den Orden aufnehmen, sondern auch deren Familienangehörige. Das entsprach asiatischsiamesischen Gesellschaftsverhältnissen und Traditionen. Der König bezeichnete deshalb auch den Chulachomklao als „Familienorden“ und gab ihm das Motto: „Wir werden das Wohlergehen unserer Familien fördern“. 293 Der Einfluss der europäischen Ritterorden ist auch bei den Insignien und der Klasseneinteilung festzustellen. Die Insignien bestanden aus Kleinod oder Zeichen, Stern, Band und Kette (Abb. 18). Was seine Gestaltung betraf, wirkte dieser Familienorden zwar einerseits noch europäischer, präsentierte andererseits aber dadurch auch bewusster die Herrschaftszeichen Chulalongkorns. Im Einzelnen wurden fünf derartige Symbole dargestellt: das Bildnis des Ordensherrn im Medaillon auf einem achtzackigen Stern, umrahmt von einem Lorbeerkranz; die Krone (die so genannte Chula-Mongkut-Krone); die Devise, also das Schriftband mit dem Motto des Ordens: „Wir werden das Wohlergehen unserer Familien fördern“; 292 The Siam Repository, 1874, S. 134. Für die thailändische Version siehe The Royal Gazette, 16.08.1874, S. 126f. Noch im Burney-Vertrag (1826) lautete die Intitulatio folgendermaßen: “His Majesty the King of Siam, His Highness the Wang-na, their Excellencies the Ministers, on the part of Siam […]” (Vgl. The Burney Papers, No. 32, S. 304). 293 Dieses Motto lautete im Thailändischen “ Q; 6(U_, 6; + *%; U4) 9\*[> JXB Q(; 1 O ” (rao cha bamrung trakul wong hai charoen). Im Englischen hieß es: „We will promote the prosperity of our lies“ (Vgl. The Siam Repository, 1874, S. 135). <?page no="107"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 107 das königliche Monogramm in drei Buchstaben thailändischer Schrift; lateinisch würden die Initialen etwa „Ch P R“ lauten; 294 die Farbe Rosa 295 . Wichtig ist dabei, dass sich das Motiv nicht mehr an der Perspektive des Westens orientierte, wie es in der Zeit Mongkuts der Fall war. So lässt sich in der Symbolik eine eigenständigere Handschrift erkennen. Der Flaggenmast etwa war verschwunden. 296 Die Ordenskette fiel durch ihre außergewöhnliche Gestaltung auf. Sie war aus Gliedern zusammengesetzt, die zwei verschiedene Formen hatten. 16 zeigten die Initialen „Ch. P. R.“ und 17 eine Lotosblüte. Das zentrale Glied in der Mitte wurde vom Symbol der siamesischen Herrschaft gebildet, dem dreiköpfigen Elefanten. An ihm hing das Ordenszeichen (Abb. 18). 297 Aufgrund seiner Schönheit und Exotik fand dieser Orden Eingang in die einschlägige europäische Literatur. 298 Die Einfarbigkeit des Bandes bedeutet in der Phaleristik Exklusivität. Dies war gängige Praxis bei den europäischen Hausorden. Dass die Insignien einheitlich gestaltet waren, hatte auch mit den genaueren heraldischen und phaleristischen Kenntnissen des Ordensherrn zu tun. Von der ersten Stiftung bis in die Gegenwart blieben sie unverändert. Der Chulachomklao-Familienorden wies drei Klassen auf mit Zwischenstufen in der zweiten und dritten: 299 Klasse I: Pathom [Pali: pa / hamo, Sanskrit: prathama: die erste (Klasse) Chulachomklao (P. Ch.)] 300 294 Die Abkürzung, „ ( ^ ; “ [( (+W69*4; '> _; =; 6S6"1; 6S „chulalongkorn borom racha thirat” im Thailändischen, „Chulalongkorn Parama Rājādhirāj(a)“ in Sanskrit] bedeutete etwa „Chulalongkorn, der höchste Souverän der Souveräne“. „Ch P R“ war eine der drei Unterschriften des Königs, neben „Chulalongkorn“ und „Siamindra“. 295 In Siam hat jeder Wochentag eine Farbe: der erste Tag der Woche, Sonntag, ist rot, Montag gelb, Dienstag rosa, Mittwoch grün, Donnerstag orange, Freitag dunkelblau und Samstag lila. Rosa wurde mit Chulalongkorn identifiziert, weil er das Licht der Welt am Dienstag, dem 21. September 1853, erblickte. 296 Siehe dazu Anm. 276. 297 Hier sind europäische Vorbilder wie die Kollane des Ordens vom Goldenen Vlies oder des britischen Hosenbandordens erkennbar, um nur einige zu nennen. 298 Eckert Henning und Dietrich Herfurth, Orden und Ehrenzeichen, S. 37. Das Bild wurde entnommen aus Maximilian Gritzner, Handbuch der Ritter- und Verdienstorden aller Kulturstaaten der Welt innerhalb des XIX. Jahrhunderts, Leipzig 1893, S. 511. 299 Drei Klassen mit Zwischenstufen waren das letzte Entwicklungsstadium monarchischer Verdienstorden wie etwa des dänischen Dannebrog- oder des belgischen Leopold-Ordens. In Übereinstimmung mit dem Demokratie-Grundsatz der französischen Ehrenlegion waren sie aus den Ritterorden abgeleitet worden (Eckert Henning und Dietrich Herfurth, Orden und Ehrenzeichen, S. 104f.). 300 Die Initialen in Klammern bezeichnen den Titel der jeweiligen Klasse: P. C. = Pathom Chulachomklao, also erste Klasse des Chulachomklao-Familienordens. <?page no="108"?> 108 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Klasse II,1: Thutiya [Pali: dutiya, Sanskrit: dvitīya: die zweite (Klasse) Chulachomklao (T. Ch.)] Klasse II,2: Thutiya Chulachomklao Wiset [Pali: viseso, Sanskrit: viśe ' a: die zweite extra (Klasse) (T. Ch. W.)] Klasse III,1: Tatiya [Pali: tatiya, Sanskrit: t 0 tīya: die dritte (Klasse) Chulachomklao (T. Ch.) Klasse III,2: Tatiyanu [Pali: tatiya + anu: klein) Chulachomklao (T. Au. Ch.)] Monarchische Verdienstorden wie beispielsweise der St.-Stephans-Orden verfügten über drei Klassen, Ritterorden jedoch, etwa der britische Hosenbandorden, hatten nur eine Klasse. Der Chulachomklao-Orden stellte also eine Mischung aus beiden dar. Bei der ersten Stiftung sollten nicht mehr als 351 Mitglieder ernannt werden. 301 Der Orden wurde so getragen, wie es auch in den monarchischen Ländern Praxis war: die Zeichen der zweiten Klasse wurden an einem Hals-, die der dritten an einem Brustband angebracht. Bei den beiden Verdienstorden war das gemäß dem französischen Modell umgekehrt. Die Statuten des Chulachomklao-Familienordens umfassten 15 Artikel und ließen sich in drei Abschnitte gliedern. Im ersten (§ 1-5) ging es um die Aufnahme in und die Regeln der Ordensgemeinschaft. Der zweite Abschnitt (§ 6- 13) führte die generellen Bestimmungen auf, die schon für die Verdienstorden galten. Artikel 14 und 15 befassten sich mit Ordenstag und -beamten. Soziopolitisch relevant waren der erste und der dritte Abschnitt, die hier deshalb näher betrachtet werden sollen. 301 In die Klasse I wurden 21 Mitglieder aufgenommen, unter ihnen der Ordensherr selbst, in Klasse II,1 80, in II,2 50, in III,1 100 und in III,2 100. <?page no="109"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 109 Abb. 18: Die Insignien des Chulachomklao-Familienordens <?page no="110"?> 110 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Abb. 19: Das Zeichen des Chulachomklao-Familienordens: Avers Abb. 20: Das Zeichen des Chulachomklao-Familienordens Revers <?page no="111"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 111 Im ersten Artikel wurde festgelegt, dass „der Orden Klasse I … für den König als Ordensherrn und für den berechtigten prinzlichen Thronfolger bestimmt (ist). […]“ 302 Das machte Chulalongkorn zum ersten und den Thronfolger zum zweiten Ordensherrn, womit nach europäischen Vorstellungen der Kronprinz gemeint war. Der Begriff „Thronfolger“ war für Chulalongkorn von zentraler politischer Bedeutung. Damit verwies er auf seine direkten Nachkommen, nicht jedoch auf seinen Cousin, den amtierenden Vizekönig „George Washington“. 303 Chulalongkorn hatte zu diesem Zeitpunkt noch keinen Sohn, weshalb er den Orden der Klasse I erst für sich selbst als Ordensherrn bestimmte und den Kronprinzen nur beiläufig erwähnte. Diese in Europa übliche Formulierung übernahm Chulalongkorn vermutlich bewusst, wollte er doch dadurch seinen Thron sichern. Gleichzeitig lässt sich daraus auch ablesen, dass bereits bei seinem Regierungsantritt im Hintergrund Machtkämpfe ausgetragen wurden. Artikel 2 und 3 regelten ausführlich die Aufnahmebedingungen. Sie berücksichtigten die soziopolitischen Verhältnisse innerhalb Siams und fanden sich nicht in europäischen Ordensstatuten. Dabei ging es in Artikel 2 um die zweite Klasse. Zu Rittern zählten hier die Familienoberhäupter des Königshauses sowie die Mitglieder des Noppharat-Ratchawaraphon-Hausordens, die sechs wichtigsten Minister sowie die Souveräne von Vasallenstaaten. In der zweiten Stufe der zweiten Klasse versammelten sich die Nachkommen des Königs und seiner Nebenfrauen, die so genannten „Pra-ongchao-Prinzen“, sowie die Beamten, die bereits Rang-insignien in Form von goldenen Schalen erhalten hatten. Machten sie sich weiterhin besonders verdient, konnten sie den Orden der Extraklasse erhalten, der ersten Stufe von Klasse II. Artikel 3 legte fest, dass in die dritte Klasse automatisch die ältesten Söhne der regulären Mitglieder also nicht der Prinzen der Klassen I und II aufgenommen wurden. Allerdings geschah dies nur dann, wenn ihre Mutter eheliche Hauptfrau ihres Vaters war und sie selbst, wie es auch die europäischen Vorbilder verlangten, ein untadeliges Leben führten, jenseits von Opiumkonsum und Wettspiel. 304 Außerdem mussten sie, wie Artikel 5 festlegte, mindestens 21 Jahre 302 The Royal Gazette, 16.08.1874, S. 126 (Übersetzung vom Autor). 303 Der Vizekönig wurde als reguläres Mitglied in die Ordensgemeinschaft aufgenommen [Prinz Damrong Rajanubhab, Tamnan khrueang ratcha issariyaphon Chulachomklao (Die Geschichte des Chulachomklao-Familienordens), Bangkok 1924, S. 16]. 304 Dieser Passus bezog sich auf die im Westen übliche Monogamie, die in Siam zu dieser Zeit nicht herrschende Norm war. <?page no="112"?> 112 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns alt sein. 305 Diese Aufnahmebedingungen orientierten sich an europäischen gesellschaftlichen und moralischen Normen. Es entsprach gleichfalls europäischer Praxis, wenn Artikel 14 vier Beamte benannte, die sich um die Ordensangelegenheiten kümmern sollten. Ihre Namen wurden unmittelbar aus dem Englischen übernommen: „Grand Master“, „Chancellor“, „Secretary“ und „Registrar“. 306 Darüber hinaus legte Artikel 15 fest, dass sich am Krönungstag die Ordensmitglieder zur Vollversammlung - also zum Kapitel - zu treffen hatten, um neben anderen Fragen auch über die Aufnahme neuer Mitglieder abzustimmen. 307 Das erste Mal war dies am Nachmittag des 16. Novembers 1873 der Fall. Im folgenden Abschnitt über die Krönungszeremonie wird davon ausführlicher die Rede sein. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zum Wesen des Chulachomklao- Familienordens vier wichtige Merkmale gehören, die von weltlichen europäischen Ritterorden übernommen wurden: 308 1. die begrenzte Zahl von Mitgliedern 2. adeliger Stand als Aufnahmebedingung, Ablegung eines Treueversprechens in feierlicher Zeremonie sowie die Möglichkeit, die Ritterschaft zu vererben 3. die Pflicht, die Insignien zu tragen 4. das Gebot gemäßigter Lebensweise, um Ansehen und Macht des Ordensherrn zu fördern. Ähnlich wie die Insignien orientierten sich auch die Statuten am westlichen Vorbild. Das zeigte sich bereits in der Präambel, in der der Ordensherr gemäß europäischer Tradition die Stiftungsgründe darlegte. Allerdings fehlte eine Devotionsformel, in der üblicherweise auf die Gnade Gottes verwiesen wurde, da das Christentum in Siam ja keine offizielle Religion war. Aus diesem Grunde wurden auch keine Kreuzsymbole in der ikonographischen Gestaltung des Ordens verwendet. Mit diesen Aufnahmebedingungen schuf sich der Ordensherr 305 Die übrigen Artikel (§ 6-12) des zweiten Teiles regelten, dass der Orden samt einer Urkunde verliehen wurde (§ 6) und die Mitglieder die Insignien nicht über ihren Tod hinaus behalten durften. Der Erlass von 1873 hatte das noch nicht vorgesehen. So wie es dort festgeschrieben war, genossen auch die Mitglieder des Familienordens einen Sonderstatus in der Gesellschaft. Beispielsweise wurden sie von den Soldaten gegrüßt (§ 12). Hinter ihrem Namen durften sie die Kürzel des Ordenstitels anfügen (§ 10), wie es etwa auch in Großbritannien üblich war. Für die erste Klasse lautete es P. Ch. = Pathom Chulachomklao. 306 In englischer Übersetzung hat dieser Artikel folgenden Wortlaut: „Art. 14 H. M. has graciously appointed guardians of the medals and the decorations upon the European principle. 1 st . A Grand Marshall, 2 nd Chancellor, 3 rd Secretary, 4 th Registrar.” The Siam Repository, 1874, S. 137. 307 In den Statutenänderungen von 1889 wurde für diesen Tag der 16. November nach gregorianischem Kalender bestimmt. 308 Paul Ohm Hieronymussen, Handbuch europäischer Orden, S. 9, Sp. 2. <?page no="113"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 113 Spielräume, indem er die Idee der geschlossenen Rittergesellschaft für seine politischen Zwecke nutzte. 4. Die Aufnahme der Krönung in das Staatszeremoniell am 16.11.1873 Die Krönungszeremonie dauerte insgesamt 13 Tage. Sie währte vom 12. bis zum 24. November 1873. 309 Wichtigster Tag war der 16. November, an dem das zentrale Ereignis stattfand. Dabei übergaben zum einen hinduistische Priester die königlichen Regalien 310 , und zum anderen huldigten Vertreter aller Gesellschaftsgruppen dem König mit einer Begrüßungsrede. In der Regel wurde ein solches Ritual in Siam während einer Herrschaftsperiode nur einmal abgehalten. Chulalongkorn war bereits am 11. November 1868 gekrönt worden. Dass er eine solche Zeremonie erneut abhalten wollte, hatte politische Gründe. 311 Seine Absicht war es, den Thron als Volljähriger bewusst zu besteigen und seine Herrschaft deutlich zu legitimieren. Bei der ersten Zeremonie war er schwer krank gewesen. Die Minister leiteten sie, und Chulalongkorn wurde einfach auf den Thron gehoben. 312 Um dem neuerlichen symbolischen Akt noch größere Bedeutung zu geben, ließ Chulalongkorn während der Zeremonie zwei Gesetze proklamieren: das eine schaffte die alte Etikette ab und das andere stiftete den Chulachomklao-Familienorden. Man kann darin eine Regierungserklärung zu seiner Reformpolitik sehen. 313 Das Gesetz zur Abschaffung der alten Etikette vom 16. November 1873 314 wurde laut königlichem Protokoll 315 proklamiert, nachdem die königlichen Regalien überreicht waren. An die Stelle der traditionell asiatisch-siamesischen Etikette trat nun die westliche. Mit der Einbettung dieser Maßnahme in die Krönungszeremonie wollte Chulalongkorn seine Reformpolitik von oben nach un- 309 Zum gesamten Protokoll siehe The Royal Gazette, 22.06.1874, S. 41ff.; eine englische Übersetzung findet sich in The Siam Repository, 1874, S. 89ff. 310 Zu dieser rituellen Zeremonie siehe H. G. Quaritch Wales, Siamese State Ceremonies, S. 67ff. 311 Ein genauer Blick in das Protokoll zeigt, dass sich die Abläufe dieser Krönungszeremonie nicht wesentlich von der ersten am 11. November 1869 unterschieden. 312 Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Somdet Chaophraya, Bd. I, S. 412f. Thomas Knox, der britische, und Frederic Garnier, der französische Konsul in Bangkok, beobachteten diese Zeremonie beide mit großem Interesse. Übereinstimmend berichteten sie an ihre Regierungen, die Zeremonie zeige, dass Chulalongkorn den Regenten loswerden wolle. Dieser war in der Tat nicht glücklich über die zweite Krönungszeremonie (Siehe dazu: David B. J. Adams, Monarchy and Political Change, S. 41f.). 313 Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Somdet Chaophraya, Bd. 1, S. 412f. 314 The Royal Gazette, 29.06.1874, S. 53ff.; eine englische Übersetzung steht in: The Siam Repository, 1874, S. 110ff. 315 The Royal Gazette, 29.06.1874, S. 53. <?page no="114"?> 114 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns ten verkünden und ein neues Kapitel in der siamesischen Geschichte einleiten. Folgendermaßen wurde dieser Schritt erklärt: „H. M. has noticed that the great countries and power in Eastern and Western Asia, that is to say, to the East of our country, China, Cochin China, Japan, and to the West, India and the region where oppression existed, compelling the inferior to prostrate and worship their masters, and person of Rank, similar to custom prevailing in Siam, have at present ceased these customs and instituted new one. They have universally changed and ceased the custom of prostration and worship, to make manifest the good purpose that there shall be no more oppression in their countries. The countries that have abolished these rigorous exactions, it is manifest, have greatly increased their prosperity. 316 In this Kingdom of Siam, there are some national customs that are rigorous, hostile to good usage, and that ought to be modified, but the changing and modifying of customs, cannot be effected at once, they must be the subject of much thought and gradual modification, adapted to times and circumstances. It is in this way that states will augment their susceptible prosperity. The custom of prostration and human worship of Siam is manifestly and oppressive exaction, which an inferior must perform to a superior, causing him embarrassing fatigue, in order to honor a superior. These acts of showing honor by such prostration and worship, His Majesty perceives is no benefit whatever to the country. Inferiors who are obliged to perform them to honor their superiors, must endure and suffer much, till the time when they leave the superior and thus escape the requisition. The custom H. M. perceives is a primary step in the existing oppressive exactions, therefore this original custom of the Kingdom, which made prostration and worship a distinguished demonstration of respect in Siam must be abolished, as H. M is graciously disposed to confer happiness upon all, and to relieve them from the burdon of prostration as heretofore. H. M. proposes to substitute in place of crouching and crawling, standing or walking, and instead of prostrations on all fours, bowing with palm joined hands to the ground, a graceful bow of the head.“ 317 Von ebenso großer Relevanz ist eine weitere Textpassage: „Perhaps some persons of rank, who may favor the custom of crouching, crawling, and worship as heretofore, thinking it good, may have their doubts, and may wish to know why the change form prostrations to standing will be advantageous to the state? These may rest assured that the change form prostration to standing or walking is to convince the people that the intention is to remove oppressive exactions in matters not equitable. Great states, that do not oppress the inferior, will assuredly have prosperity.“ 318 316 Zu der als vorteilhaft gesehenen Lage in den Nachbarländern Siams, die die Reformpolitik inspirierten, siehe die Erläuterungen auf S. 124f. 317 The Siam Repository, 1874, S. 110 f. Die thailändische Fassung in The Royal Gazette, 29.06.1874, S. 53ff. 318 The Siam Repository, 1874, S. 111. Die thailändische Fassung in The Royal Gazette, 29.06.1874, S. 54. <?page no="115"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 115 Es ist eindeutig, dass sich diese Passage an die Konservativen richtete. Eine solche Formulierung war in Siam ein Ausdruck der Herausforderung, ja sogar der Provokation. Nachdem er den Erlass proklamiert hatte, forderte König Chulalongkorn die auf dem Boden liegenden Untertanen auf, sich zu erheben: damit trat das neue Gesetz mit sofortiger Wirkung in Kraft. Von nun an wurden westliche Umgangsformen praktiziert. Begrüßte man den König, stand man aufrecht vor ihm und beugte sich vor. Mit dieser perfekten Inszenierung wollte Chulalongkorn seinen Reformwillen bei dem siamesischen Volk und besonders bei den westlichen Diplomaten und Kaufleuten verdeutlichen, die dazu eingeladen waren. 319 Nun folgte die Begrüßungszeremonie. Als Erster trat der Regent auf und dankte dem König im Namen der Regierung für die Einführung der neuen westlichen Etikette. Danach ließ Chulalongkorn die Stiftung des Chulachomklao-Familienordens proklamieren. Mit der anschließenden Begrüßung durch die westlichen Diplomaten und Kaufleute endete die Krönungszeremonie am Vormittag. 320 5. Das erste Kapitel des Chulachomklao-Familienordens am 16.11.1873 Der Chulachomklao-Familienorden wurde erstmals am Nachmittag des 16. November 1873 verliehen. Die Zeremonie begann mit einem buddhistischen Ritual, und was dann folgte, wurde später in der Royal Gazette folgendermaßen beschrieben: „Um 13 Uhr betrat König Chulalongkorn den „Dusit-maha-prasat“-Palast, wo die Verleihungszeremonie abgehalten werden sollte. Zunächst verehrte Chulalongkorn seine Vorfahren, die vier vormaligen Könige der Chakri-Dynastie. Anschließend, vor dem königlichen Ahnenaltar, ließ er die Kandidaten des Chulachomklao-Familienordens zu sich kommen. Der jeweilige Kandidat trat aus der Reihe, beugte sich nach vorn und hielt dem König gegenüber einen gewissen Abstand. Nachdem er sich nochmals vor dem König verbeugt hatte, senkte er sich auf das linke Knie, richtete das rechte auf und beugte seinen Kopf nach vorn, um vom König mit dem Orden ausgezeichnet zu werden.“ 321 Dieses Protokoll lässt klar erkennen, dass sich die Zeremonie am Kapitel europäischer Ritterorden orientierte. Nach dieser Praxis wurde das Kapitel in einem geschlossenen Raum abgehalten oder in der Kirche, meist nach einem Gottesdienst. Die Statuten des siamesischen Familienordens sahen vor, dass sich die 319 Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Somdet Chaophraya, Bd. I, S. 412f. 320 The Royal Gazette, 22.06.1874, S. 42. 321 The Royal Gazette, 22.06.1874, S. 42 (Übersetzung des Autors vom Thailändischen ins Deutsche); die englische Version in The Siam Repository, 1874, S. 117. <?page no="116"?> 116 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Gemeinschaft im Königspalast traf. Anders als in Europa gehörte zu der Verleihung jedoch kein Ritterschlag. Der Tag, an dem der König gekrönt und gleichzeitig die Orden verliehen wurden, ist seit 1873 offizieller Feiertag. Die Gemeinschaft versammelte sich beim Ordensherrn, und neue Mitglieder wurden aufgenommen. Ein neues Ritual der Macht war begründet, das zwischen Tradition und Moderne stand. Bislang war es üblich, nach der Krönung eines neuen Monarchen die neue Regierung zu bilden und die Minister zu ernennen, die ihr angehören sollten, und Beamte sowie Offiziere in höhere Ränge zu befördern. Mit der Einführung des Ordenskapitels waren also auch staatspolitische Reformen verbunden. Aus europäischer Sicht erschien das Protokoll des Ordenskapitels normal und selbstverständlich. Man darf jedoch nicht vergessen, dass in Siam diese Zeremonie zu einem Zeitpunkt stattfand, an dem erst vor wenigen Stunden die seit Jahrhunderten geltende Etikette abgeschafft worden war. Diese Maßnahme hatte es überhaupt erst möglich gemacht, die Verleihung in dieser Form durchzuführen. Nach der Verkündigung des Gesetzes am Vormittag ist in der Zusammenkunft des Ordenskapitels der zweite Höhepunkt der Krönungszeremonie zu sehen. Die Einflüsse des weltlichen europäischen Ritterordens, die sich hier bemerkbar machten, sorgten in Siam für gesellschaftlichen Wandel. Das wurde besonders in Habitus, Etikette und Zeremoniell deutlich. Vor allem ist zu betonen, dass die Einführung der Ordensgemeinschaft das traditionelle soziopolitische Verhältnis zwischen König und Würdenträgern in eine Beziehung zwischen Ordensherrn und Rittern transformierte. Auf diesen Wandel von oben nach unten war die breite Gesellschaft nicht vorbereitet. Der Westen verfolgte deshalb die Modernisierung Siams mit großem Interesse. Die in London erscheinende Pall Mall Gazette glaubte jedoch, das zu hohe Tempo der Reformen könnte Konflikte im Inneren auslösen: „On the whole, Siam may well be compared with Japan in respect of the rapid progress in civilization which it is making. The only danger is that of going too fast; and it is to be hoped that wise advisers of the King may warn him that many European customs, however well suited to our conditions of social life, are not to be violently introduced among Oriental populations, certainly not among a people who, though of docile and gentle manners, have still strong prejudices of their own.” 322 322 The Pall Mall Gazette, 09.10.1874. <?page no="117"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 117 Abb. 21 und 22: Die bis heute unveränderte Verleihungszeremonie des Chulachomklao-Familienordens durch den 2016 verstorbenen König Bhumibol, den damals amtierenden Ordensherrn <?page no="118"?> 118 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Diese Warnung wird verständlicher, wenn man sich klar macht, wie viele Modernisierungsmaßnahmen binnen kurzer Zeit gesetzlich verfügt wurden: 04.06.1873 Einrichtung des Finanzamts 323 19.09.1873 Erlass der Statuten für Haus- und Verdienstorden 16.11.1873 Gesetz zur Abschaffung der alten Etikette 16.11.1873 Stiftung des Chulachomklao-Familienordens 08.05.1874 Einrichtung des Council of State (Staatsrats) 324 22.06.1874 Einrichtung des Privy Council (Geheimrats) 325 14.07.1874 Bildung des Sondergerichts 326 18.10.1874 Erstes Gesetz zur Abschaffung der Sklaverei 327 26.10.1874 Glücksspielverbot für Kinder 328 Innenpolitisch fungierte der beschleunigte Wandel in erster Linie als ein Mittel, das im Kampf um die Macht zwischen der „Young-Siam“- und der „Conservative-Siam“-Fraktion eingesetzt wurde, der bereits in vollem Gang war. Der erste Angriff auf die Konservativen ist in der Einrichtung des Finanzamts zu sehen, mit dem das Steuersystem effizienter geregelt und kontrolliert werden sollte. Mit der Bildung von Staats- und Geheimrat erreichte der Konflikt zwischen beiden Parteien einen vorläufigen Höhepunkt. Dem Sondergericht war die Funktion zugedacht, die in verschiedenen Ministerien angesiedelte Judikative zu bündeln und von unerwünschten Einflussnahmen zu befreien. Von nun an fanden alle Rechtsverfahren vor diesem Sondergericht unter der Aufsicht des Königs statt. Damit wollte Chulalongkorn die Rechtsprechung in seine Hände nehmen und sie den Ministern entziehen. Die Abschaffung der Sklaverei schwächte das traditionelle Patron-Klient-Verhältnis und sicherte dem König eine bessere Kontrolle über die „man power“ im Land. 329 323 The Royal Gazette, 07.07.1874, S. 65ff.; ein englischer Text findet sich in The Siam Repository, 1874, 184ff. Dieses Finanzamt wurde in den Akten und Medien entweder Thailändisch als „Ho ratsadakon piphat“ oder in unmittelbarer Übernahme aus dem Englischen als „Royal Ordinance for the Finance Office” bezeichnet. 324 The Royal Gazette 30.08.1874; die englische Version ist erneut in The Siam Repository, 1874, S. 521ff. und 552ff. abgedruckt. Auch diese beiden Räte hatten einen thailändischen und einen englischen Namen: „Sapha thi prueksa ratchakan paendin“ oder „State of Council“ und „Sapha thi prueksa nai phra-ong“ oder „Privy Council“. 325 The Royal Gazette, 06.09.1874, S. 158ff.; eine englische Übersetzung in The Siam Repository, 1874, S. 588ff. 326 The Royal Gazette, 12.07.1874, S. 82ff.; der englische Text in The Siam Repository, 1874, S. 502ff. 327 The Royal Gazette, 18.10.1874, S. 215ff. und S. 219ff. 328 The Royal Gazette, 04.10.1874, S. 197ff. 329 Die vollständige Abschaffung der Sklaverei in Siam wurde erst am 31.03.1905 erklärt. <?page no="119"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 119 Über die Motive Chulalongkorns, die beiden Räte einzurichten, war später in der Royal Gazette zu lesen: „Seit seiner Thronbesteigung beabsichtigt der König den Wohlstand des Landes zu fördern. Zu diesem Zweck hat er zweimal Auslandsreisen unternommen. Dabei hat er vieles gelernt, etwa dass in einem Land, in dem noch die Unterdrückung herrscht, Fortschritt nie zu erreichen ist. Aus diesem Grund will der König nun seinen Rang und seine Würde in den Hintergrund rücken. Als ersten Schritt hat er bereits die alte Etikette abgeschafft. Seitdem dürfen die Minister den König im Stehen begrüßen und neben dem König an demselben Tisch sitzen. Dies wollte er als Zeichen für diese Absicht setzen. Weitere Maßnahmen zur Abschaffung der Unterdrückung werden noch schrittweise folgen. Im Übrigen hat der König eingesehen, wenn er es sich allein zur Aufgabe machte, dem Land Fortschritt bringen, würde er das nie realisieren. Aus diesem Grund musste er die klügsten Köpfe als Berater ernennen. […]“ 330 Dieser Passus zeigt, dass Chulalongkorn mit der Bildung der beiden Räte den Grundsatz der „limited monarchy“ seines Vaters fortsetzte. 331 Erste wichtige Aufgabe des Staatsrates war es, die Effektivität der Steuerbehörde zu erhöhen. In der entsprechenden Verlautbarung hieß es, dass nur diejenigen Beamten, die ihre Pflicht verletzt hätten, sich vor den Reformen sorgen müssten. 332 Diese Passage war zweifelsohne an den Ex-Regenten und seine Anhänger adressiert. Ähnliche Formulierungen waren in allen Gesetzen zu lesen, die in diesem Jahr erlassen wurden. Der Ex-Regent Srisuriyawongse und sein Sohn, der „Premierminister“, wurden zu Mitgliedern des Geheimrats berufen. Ersterer erhielt sogar den Vorsitz. Beide lehnten diese Ernennung jedoch ab. 333 Der Ex-Regent war nicht bereit, bei der Vereidigung am 15. August 1874 Treue zu schwören. Er begründete das mit den zuverlässigen Diensten, die er bereits vier Königen geleistet hatte, ohne einen einzigen Eid abzulegen. 334 Der Konflikt spitzte sich merklich zu, als Chulalongkorn selbst bei der Vereidigung nachdrücklich Sinn und Zweck dieses Rates erläuterte. Wichtigster Zweck des Gremiums sollte es sein, das Land zu modernisieren. Er selbst sei deshalb bereit, so der König, seine Autorität und seine Machtvollkommenheit durch den Geheimrat beschränken zu lassen. Als 330 The Royal Gazette, 17.05.1874, S. 3 (Übersetzung vom Autor). 331 Mongkut hatte dem US-amerikanischen Missionar Dan Bradley erklärt, dass er sein Land nach dem Vorbild der „limited monarchy“ regieren wolle (Siehe oben S. 53). 332 The Royal Gazette, 22.06.1874, S. 47. 333 Der Grund dafür war, dass sich der Privy Council überwiegend aus Leuten der „Young-Siam“- Fraktion zusammensetzte. 334 The Royal Gazette, 23.08.1874, S. 134f. und Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Somdet Chaophraya, Bd. I, S. 493. <?page no="120"?> 120 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Gegenleistung erwartete er von den Geheimräten Treue und Ehrlichkeit ihm gegenüber. Dazu sollten sie sich eidlich verpflichten. 335 Die „Young-Siam“-Fraktion nutzte nicht nur die Legislative, um die Macht der Konservativen zurückzudrängen, sondern auch die Medien. Die Herausgabe der Zeitungen „Darunowat“ („Die Belehrung der jungen Leute“), die vom 7. Juli bis zum 6. Oktober 1874 erschien 336 , und „Court“ [später in „Khao ratchakan“ („Zeitschrift über Regierungsgeschäfte“) umbenannt], publiziert zwischen dem 26. September 1875 und dem 18. September 1876, verhärtete die Fronten zwischen den beiden Fraktionen. 337 Diese Organe informierten die Leser über aktuelle weltpolitische Fragen ebenso wie über westliche politische Ideen. So erschien beispielsweise eine Übersetzung der amerikanischen Verfassung. Hervorzuheben ist weiter, dass die jungen Autoren unter Pseudonymen in verschiedenen Artikeln den Ex-Regenten und seine Parteigänger verspotteten und provozierten. 338 Außerdem gab die siamesische Regierung mit der „Royal Gazette“ ein offizielles Regierungsblatt heraus, das seit 1874 erschien. 339 Darin wurden Verlautbarungen über die Regierungsgeschäfte abgedruckt, die einem breiten Publikum ein positives Bild des Königs vermitteln sollten. Mit den Zeit- 335 The Royal Gazette, 23.08.1874, S. 135f. 336 Über Sinn und Zweck dieser Zeitung berichtete The Siam Repository: „It proposes to publish a consecutive summary of Home and Foreign News and to devote itself to the Arts, Sciences and Literature, and thus help to embellish the Intelligence of ‘Young Siam’ (Vgl. dazu den Artikel Siamese Newspapers in: The Siam Repositoy, 1874, S. 500). 337 Court erschien vom 26.09.1875 bis zum 25.03.1876, Khao ratchakan vom 25.03. bis zum 18.09.1876. Prinz Bhanurangsi, jüngerer Bruder Chulalongkorns und Herausgeber dieser Zeitschriften, erläuterte 1923 diese angespannte innenpolitische Situation rückblickend [Vorwort in: Nangsue Court khao ratchakan chaonai sip-ed phra-ong songchuikantaeng (Court, Zeitschrift über Regierungsgeschäfte, von den elf Prinzen herausgegeben), 1875-76, Bangkok 2 1923, S. 1ff.]. 338 Ein Artikel in Darunowat vom 25.08.1874 forderte beispielweise den Ex-Regenten auf, seine Ablehnung öffentlich zu begründen: er solle mitteilen, ob er sich zu alt fühle oder zu krank und scheu geworden sei und deshalb der jungen Generation seine politische Erfahrung nicht weitergeben wolle. 339 Die erste Ausgabe kam am Sonntag, dem 17. Mai 1874, heraus. The Siam Repository kündigte das Erscheinen der Royal Gazette folgendermaßen an: „The Siamese Government Gazette, will hereafter be published every Sunday, and will be strictly an official organ, to publish the acts and wishes of the Government while the ‘Darunoh-what’ will give itself to matters in general and be a medium of advertising. Properly conducted, with a judicious editorial staff, both these publications must contribute to the general intelligence of the people, and thus prove a great blessing to the country.” (The Siam Repository, 1874, S. 500). Nachdem die Zeitung auf dem Markt war, stand im Siam Repository folgende Rezension. “It is a neat quarto of 8 pages[.] The paper and the printing is highly commendable, and is in every way superior to any vernacular newspaper that has hereto for emanated from the Government Printing Office. This sheet owes its existence to the enlarged spirit of H.M. the Supreme King of Siam. […] All these Siamese Gentlemen are able Siamese Scholars, and excellent writers, and all articles emanating from them will be both reliable and very readable.” (The Siam Repository, 1874, S. 397). <?page no="121"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 121 schriften wurde die direkte Konfrontation mit der konservativen Partei gesucht, wä hre nd di e ne uen G ese tze i ndi re kte Ang riff e dar st ellt en . Ihre r He rk unf t nac h europäischen Medien nutzte die „Young-Siam“-Fraktion als politisches Instrument, und das war ein neues Phänomen in Siam. In einer solchen Machtauseinandersetzung war Gewalt kaum zu vermeiden, da sich die Konservativen um den Ex-Regenten zunehmend in die Enge getrieben fühlten. Gut ein Jahr nach der zweiten Krönungszeremonie kam es am Jahreswechsel von 1874 auf 1875 zur so genannten Frontpalace-Krise 340 . In der Nacht vom 27. auf den 28. Dezember 1874 brach im Königspalast neben dem Gasbehälter ein Feuer aus. Die bewaffneten Garden des Vizekönigs Wichaichan wollten in den Palast eindringen, um - so die Begründung - beim Löschen zu helfen. Chulalongkorns Garde verweigerte ihnen jedoch den Zutritt. Es kam zu handgreiflichen Auseinandersetzungen, die den ganzen Palast in Alarm versetzten. Der Vizekönig flüchtete in die Residenz des britischen Generalkonsuls Thomas Knox, zu dem er gute Kontakte unterhielt. Knox war in den 1850er Jahren als Glücksritter aus Britisch-Indien nach Siam gekommen. Prinz Chaofa Noi, der spätere Vizekönig Pinklao und Vater Wichaichans, hatte ihn als militärischen Ausbilder angestellt. Nach dem Abschluss der ungleichen Verträge zwischen Siam und Großbritannien wurde Knox von der Regierung in London zunächst zum Konsul und 1868 zum Generalkonsul in Bangkok ernannt. 341 Die Verbindung vertiefte sich, als Knox eine Hofdame Pinklaos heiratete. Der Konflikt geriet außer Kontrolle. Vergeblich versuchte der Ex-Regent den Vizekönig zu bewegen, in seinen Palast zurückzukehren. Schließlich musste Sir Andrew Clarke, der Gouverneur von Singapur, nach Bangkok kommen, um den Konflikt zwischen den beiden Königen zu schlichten. 342 Nach dieser Krise musste Chulalongkorn sein Reformprogramm ruhen lassen, um keine weiteren Konflikte zu riskieren oder Anlässe für Interventionen von außen zu geben, die ihn seine Souveränität gekostet hätten. 343 Es blieb nichts 340 Zum Begriff „Frontpalast“ (Thailändisch: „Wangna“) siehe Anm. 218. 341 Eine Biografie findet sich in: Dictionary of National Biography, 1885-1900, Bd. 31; eine online- Ausgabe kann unter https: / / en.wikisource.org/ wiki/ Knox_Thomas_George_%28DNB00%29 (Stand 2016) abgerufen werden. 342 27 Jahre später berichtet Clarke über dieses Ereignis [Andrew Clarke, My First Visit to Siam, in: CR 81 (1902). S. 221-230]. 343 Die Frontpalace-Krise dauerte vom 28.12.1874 bis zum 25.02.1875. Sie erschütterte und spaltete das Land. Nachdem sie beigelegt war, sprachen die Beteiligten nicht mehr über die Ereignisse Sie verschwanden aus dem kollektiven Gedächtnis und gerieten schließlich ganz in Vergessenheit. Erst in den 1950er Jahren wurde wieder öffentlich über sie gesprochen. Zur Rolle des britischen und französischen Konsuls in Bangkok siehe Noel Alfred Battye, The Military, Government and Society in Siam, in: Kapitel IV. The Consolidation of Sovereign Military Power: The Front Palace Incident, 1874-1875, S. 209ff. sowie Shunyu Xie, Siam and the British, 1874-75. Sir Andrew Clarke and the Front Palace Crisis, Bangkok 1988. <?page no="122"?> 122 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns anderes übrig als zu warten, bis die alte Generation aus den Ämtern schied. Nach der Frontpalace-Krise tagten die beiden Räte zunächst immer seltener und schließlich überhaupt nicht mehr. Die legislative Arbeit kam zum Erliegen, und die Zeitung Darunowat wurde eingestellt, um weitere Provokationen zu vermeiden. Von diesem Zeitpunkt an konzentrierte sich Chulalongkorn auf die Modernisierung der Infrastruktur: er ließ neue Straßen und Kanäle bauen, führte Post und Telegraphie ein und kümmerte sich um die Bildungsreform. 6. Fazit Ordenswesen und Zeremoniell entwickelten sich zu Beginn der Herrschaft Chulalongkorns im Allgemeinen so, wie es auch unter Mongkut der Fall gewesen war. Beides gab nach wie vor ein Instrument ab, das Sicherung nach außen ebenso erleichterte wie Reformen im Inneren. Ordenspolitik funktional so einzusetzen war europäischen Anregungen geschuldet, die auch bei der Gestaltung der äußeren Formen Pate standen. Innere Strukturen und Ziele waren dagegen in guten Teilen siamesisch bestimmt. Allerdings wurden unter Chulalongkorn europäische Einflüsse noch dynamischer und intensiver rezipiert, als das zu Zeiten seines Vaters der Fall war, wie die Gestaltung des Familienordens beispielhaft zeigt. Bereits zu Beginn seiner Herrschaft eignete sich Chulalongkorn nicht nur auf selektive Weise funktionale und formale Merkmale des Ordenswesens an, er traf auch weitreichende neue Regelungen, die dessen Administration betrafen. Jede Reform wurde nun per Gesetz in die Wege geleitet. Chulalongkorn wollte seine symbolische Politik auf zwei europäische Staatsformen gründen, auf die republikanische, für die Frankreich Pate stand, und auf die monarchische, für die Großbritannien als Beispiel diente. Das zeigt, dass Siam in der Lage war, zwischen verschiedenen europäischen Modellen zu differenzieren und auszuwählen, was für die eigenen Zwecke am angemessensten schien. Während die beiden Verdienstorden auf der höchsten französischen Staatsauszeichnung beruhten und dem Leistungsprinzip der Ehrenlegion verpflichtet waren, orientierte sich der Familienorden am Ritterorden der englischen Monarchen, der Standesprivilegien folgte. Die beiden Räte waren ähnlich inspiriert. Laut einem Artikel in der Straits Times wurde der Staatsrat nach dem Modell des Senats der napoleonischen Verfassungen gebildet, während der Geheimrat dem britischen Privy Council nachempfunden war. 344 Diese Maßnahmen lassen erkennen, dass es Chulalongkorn im Wesentlichen auf die Reform der Regierung und des Königshauses ankam. In der Verleihung von Verdienst- 344 Artikel Siam in der Straits Times (ohne Datumsangabe) zitiert nach The Siam Repository, 1874, S. 486. <?page no="123"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 123 orden sah Chulalongkorn ein Mittel, Beamte und Offiziere - die „Old-Siam“- Fraktion - an sich zu binden. Mit der Aufnahme in die Gemeinschaft des Familienordens hoffte er, sich die „Conservative-Siam“-Fraktion sowie die Eliten des Landes unterzuordnen. Diese Innovationen in der symbolischen Politik waren Teil der Reformen des gesamten siamesischen Staatswesens. Sie müssen als Teil der Prozesse verstanden werden, die Wolfgang Reinhard „Verstaatlichung der Welt“ nannte. Europäische Impulse wandelten das siamesische Hofin ein Staatszeremoniell. 345 Das transformierte auch zentrale soziopolitische Strukturen: Die traditionelle siamesische Staatsform, die auf hinduistisch-buddhistischer Herrschaftsideologie gründete, entwickelte sich zu einer modernen, westlich modellierten. Ein Säkularisierungsprozess setzte ein. Bemerkenswert ist dabei die kurze Zeitspanne, in der Chulalongkorn und seine Anhänger in der Lage waren, sich Elemente der westlichen Moderne zu eignen zu machen. Zwischen 1873 und 1874 erließ der siamesische König nicht weniger als zehn Gesetze, die europäische Anleihen beinhalteten. Bei genauem Blick auf die Wortwahl gewinnt man den Eindruck, sie seien beinahe unmittelbar aus dem Englischen übersetzt worden. Die einzelnen Gesetzestexte sind etwa zehn Seiten lang und wurden in zwei Sprachen veröffentlicht, nämlich in Thai und in Englisch. Allein die Übersetzungsarbeit muss aufwendig gewesen sein. Möglich war dies zum einen, weil Chulalongkorn und seine Mitstreiter eine solide Ausbildung erhalten hatten. Der König gehörte zur zweiten Generation der „Young-Siam“-Fraktion. Sein Vater hatte ihm eine westliche Erziehung zukommen lassen. Dadurch erhielt er gute Kenntnisse europäischer Entwicklungen auf den verschiedensten Feldern. Leider sprechen thailändische Quellen nicht davon, wie Chulalongkorn und sein Kreis vorgingen. Es lässt sich nur vermuten, dass sie im Team arbeiteten. Chulalongkorn besaß eine Bibliothek, die nicht nur über „a fine collection of European kings in bronze” verfügte, sondern auch, obwohl sie nicht sonderlich umfangreich war, über “some very rare and valuable books on laws, literature and the arts and sciences.“ 346 345 Hierzu siehe Wolfgang Reinhard, Verstaatlichung der Welt? Europäische Staatsmodelle und außereuropäische Machtprozesse, München 1999. 346 Es handelte sich um eine Bibliothek im Palast, die die Form eines literarischen Salons hatte. Sie wurde am 19.09.1874 in Anwesenheit des Königs und ausländischer Gäste eröffnet (The Siam Repository, 1874, S. 614). Zur Entwicklung der siamesischen Prinzen war unter der Überschrift Siamese Progress in Siam Repository folgendes zu lesen: „It is both gratifying and surprising to find how rapidly some of the Siamese Princes are acquiring mastery of European languages, especially in English. Many of them are now able to maintain a conversation in English with a degree of ease seldom met with in any Foreigner, and that they are acquiring and cherishing a taste not only for the language, but for the benefits arising from its acquisition, may be derived from the fact that many of them have sent to England for Books on all kinds of worthy subjects, such as Natural History, Astronomy, sacred and secular Biography, Mechanics and other kin- <?page no="124"?> 124 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Zum anderen lässt sich die rasche Modernisierung damit erklären, dass westliche Akteure Anteil an ihr hatten. Sie beschafften und vermittelten Informationen und Fachwissen über Entwicklungen in Europa und den USA. Der britische Kapitän John Bush, der als Hafenmeister (Harbour Master) in Diensten der siamesischen Regierung stand, überreichte Chulalongkorn, so berichtete „The Siam Repository“, ein Exemplar der „London Gazette“, bevor die siamesische „Royal Gazette“ das erste Mal erschien. 347 Dieselbe Zeitung hatte ein Jahr zuvor berichtet, dass ein deutscher Leutnant namens Schultze dem König ein Exemplar des „Chronicle of all the Orders of Knighthood“ habe zukommen lassen. 348 Diesen Geschenken kam, so kann man annehmen, eine inspirierende Wirkung zu. Hervorgehoben werden muss schließlich die aktive Rolle USamerikanischer Missionare wie Dan Bradley, J. H. Chandler oder Samuel J. Smith. Im Konflikt mit den französischen Konsuln beispielsweise stellten sie sich stets auf die Seite Siams. Smith war zudem Redakteur des „Siam Repository“. Diese Zeitung unterstützte den König und die „Young-Siam“-Fraktion. Sie war quasi das Sprachrohr Chulalongkorns. Das lässt sich an der Berichterstattung in den beiden letzten Bänden der Jahrgänge 1873 und 1874 deutlich erkennen. Kurz bevor die Frontpalace-Krise ausbrach, forderte The Siam Repository offen: „‘Old Siam’ and ‘New Siam’ must rally together to make what is already initiated a grand success“. 349 Die Zeitung berichtete außerdem über Fortschritte in den unmittelbar kolonial beherrschten Ländern, besonders über die Errichtung des Legislative Council in Singapur, 350 aber auch über die Modernisierung des Schulwesens in Britisch-Burma und Britisch-Indien. 351 Solche Artikel förderten die Reformpolitik in Siam. Andererseits beklagte das Siam Repository die Rückstände des Landes 352 , meldete der westlichen Weltgemeinschaft gleichzeitig aber auch die Fortschritte, die Siam bereits erreicht hatte. 353 Die britische Eroberung Burmas war aus Sicht der Zeitschrift für Siam in zweifacher Hinsicht von dred subjects. It is a rare thing to visit the house of any of the Royal Princes without noticing a well read English newspaper or journal of some kind. This is the kind of progress which should be cultivated, and which will at no distant time materially help forward the TRUE prosperity of the Country.” The Siam Repository, 1874, S. 368f. 347 The Siam Repository, 1874, S. 368. 348 The Siam Repository, 1873, S. 184. 349 The Siam Repository, 1874, S. 615. 350 The Siam Repository, 1874, S. 370f. 351 The Siam Repository, 1874, S. 193f. sowie S. 346f. 352 Beispielsweise Siam Repository, 1874, S. 205f., und S. 412f., Artikel Siam, wiedergegeben in der Straits Times (ohne Datumsangabe), S. 485ff. oder Artikel Siamese Progress. What outsider say, wiedergegeben in der Hongkong Times (ohne Datumsangabe), S. 491ff. 353 Etwa die Artikel Siam’s wants (The Siam Repository, 1873, S. 311f.), Making the Siamese, (The Siam Repository, 1873,S. 347f.), Siamese Slavery (The Siam Repository, 1873, S. 480f.) oder Siam (The Siam Repository, 1873, S. 507ff.). <?page no="125"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 125 Vorteil. Da dadurch der Krieg beendet wurde, konnte sich Siam ungestört seiner Modernisierung widmen. Gleichzeitig ließen sich die Fortschritte beobachten, die die britische Kolonialverwaltung einführte. 354 Man kann resümieren, dass sich zu Beginn der Herrschaft Chulalongkorns transkulturierende Prozesse fortsetzten. Neu war jedoch, dass unter externen Einflüssen auch ein Wandel in der inneren Gestalt stattfand. Die Orientierung an England und Frankreich bei der Reform von Königshaus und Regierung macht zudem deutlich, dass Siams Fähigkeiten zur selektiven Rezeption zugenommen hatten. Hinter den entschlosseneren Schritten in Richtung auf eine siamesisch bestimmte Moderne, in der sich eine Vermischung importierter Impulse mit eigenen Traditinen erkennen lässt, stehen zwei Gründe: zum einen ist der Lernprozess zu nennen, die die zweite Generation der Reformer durchlief, und zum anderen die intensivere Beteiligung des Westens. Dass sich Kommunikation und Interaktion verstärkten, hat mit einem Globalisierungsschub zu tun, der die Welt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfasste und sie intensiver verflocht. Transfer und Austausch von Menschen, Wissen, Erfahrungen und Ideen nahmen zu. Dennoch scheiterte die Modernisierung von oben nach unten in dieser Phase noch am Widerstand der Konservativen. Chulalongkorn und seinen Anhängern fehlte es an strategischer und politischer Erfahrung, die erforderlich gewesen wäre, um sich durchzusetzen. Außerdem hatten sie sehr schnell westliche Verhaltensweisen übernommen. Damit isolierten sie sich, denn sie wurden nicht nur von der „Old-Siam“-Fraktion kritisiert, sondern sie konnten auch die Mehrheit der Bevölkerung nicht auf ihre Seite ziehen. Dass Erfolge ausblieben, hatte aber auch noch andere Gründe. Man hatte gerade erst begonnen, europäische Kultur zu rezipieren und ging dabei noch recht unbeholfen und schematisch vor. Ein Blick auf die Gesetzestexte lässt den Eindruck entstehen, dass man versuchte in die Praxis umzusetzen, was man in Fachbüchern zur europäischen Moderne las. Manches wurde unmittelbar übernommen, bei manchen Gesetzestexten handelte sich um wörtliche Übersetzungen. Vieles ließ sich in Thailändisch nicht ausdrücken, weil die entsprechenden Begriffe fehlten. Deshalb griff man oft auf Fremdwörter zurück, etwa bei den Benennungen der vier Beamten des Familienordens. 355 Alles geschah rasch und wenig reflektiert, und darin muss man eines der Kennzeichen der Modernisierungspolitik Chulalongkorns in der Zeit sehen, in der er die Regierungsgeschäfte noch nicht selber führte. Obwohl die Reformen 1875 zum Erliegen kamen, wurden weiterhin Orden verliehen. Regelmäßig trat während der Krönungszeremonie das Kapitel des 354 The Siam Repository, 1874, S. 429ff. 355 Siehe Anm. 306. <?page no="126"?> 126 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Chulachomklao-Familienordens zusammen und nahm seine Auszeichnungen vor. Schaut man an, wer zwischen 1875 und der Mitte der 1880er Jahre aufgenommen wurde, lassen sich Ziele und Politik Chulalongkorns deutlich erkennen. Geehrt wurden Angehörige der königlichen Familie, vor allem die jüngeren Brüder Chulalongkorns, Mitglieder des „Corps des Pages“, Beamte sowie Offiziere. Diese Personen gehörten überwiegend der „Young-Siam“-Fraktion an und waren von Chulalongkorn für die Sache der Modernisierer gewonnen worden. Auch während der Zeit des reformerischen Stillstands wollte der König seinen Einfluss mit Hilfe der Ordensverleihungen weiter ausbauen. Tatsächlich spielten diejenigen, die er in diesen Jahren auszeichnen ließ, eine wichtige Rolle, als die Reformen in Siam in den 1880er Jahren zum zweiten Mal in Angriff genommen wurden. Auch die Auseinandersetzungen zwischen den progressiven Kräften und der konservativen Fraktion dauerten nach der Frontpalast-Krise unvermindert an, obwohl die Reformen eingestellt waren. Zu einem neuerlichen Konflikt, dem so genannten Phra-Pricha-Fall 356 , kam es 1879. Er hatte eine außenpolitische Dimension, da Großbritannien, das 1874/ 75 noch den Schlichter in innersiamesischen Rivalitäten gespielt hatte, nun auf Konfrontationskurs ging. Die Souveränität Siams war gefährdet. Doch es gelang, die Bedrohung abzuwenden, weil sich angesichts des Drucks von außen „Young“- und „Old-Siam“-Fraktion vorübergehend versöhnten. Chulalongkorn nutzte diese Situation und gewann Handlungsspielräume. Der Konflikt brach aus, weil im Frühjahr 1879 Phra Pricha, ein Beamter, dem Chulalongkorn sehr vertraute und der zu den fortschrittlichen Kräften zählte, von dem Ex-Regenten Srisuriyawongse wegen Amtsmissbrauchs verklagt wurde. 357 Man sah darin eine Abrechnung mit der „Young-Siam“-Fraktion. Phra Pricha hatte zudem zuvor den Fehler begangen, Fanny Knox zu heiraten, die Tochter des britischen Generalkonsuls in Bangkok Thomas Knox, ohne die erforderliche Genehmigung des Königs einzuholen. Es war üblich, dass ranghohe Beamte das königliche Sekretariat informierten, bevor sie eine Ehe eingingen. Der König gab dann dem Paar bei der Hochzeit seinen Segen. Unerlässlich war diese Vorgehensweise, wenn es sich bei der Braut um eine Ausländerin handelte. 356 Dieser Vorfall wurde in Thailand erst 1961 durch die Forschungen von Natthawut Sutthisongkram bekannt [Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Somdet Chaophraya, Bd. II, Bangkok ( 1 1961) 2 1973]. R. J. Minney lieferten die Ereignisse Stoff für einen Roman: Fanny and the Regent of Siam, London 1962. Wie es der Gattung entspricht, war das eine fiktionale Darstellung. Die Ereignisse wurden, wie David Wyatt es formulierte, „somewhat fancifully“ geschildert (David K. Wyatt, The Politics of Reform in Thailand, S. 85 Anm. 1). 357 Phra Pricha Kolakarn - oder mit bürgerlichem Namen Sam-ang Amatyakul - stammte aus der adligen Familie Amatyakul. Sein Vater Phraya Krasab Kijkosul (Mod Amatyakul) gehörte zur „New-Siam“-Generation der 1830er Jahre. Diese Familie war im Maschinenbau aktiv (Dazu Artikel Phya Krasab in: The Siam Repository, 1873, S. 450ff.). <?page no="127"?> I. Machtkämpfe 1868-1873 127 Obwohl Fanny Knox Eurasierin war, betrachtete die siamesische Regierung sie nich t al s Einhei misch e, da der b ri tis che G ene ra lk on su l ih r Va t e r w ar . Di e F es tnahme von Phra Pricha löste zunächst einen heftigen Streit zwischen Srisuriyawongse und Knox aus, der das bisherige enge Bündnis zwischen beiden beendete. 358 Dann drohte Knox persönlich dem König bei einer Audienz mit dem Kanonenboot, sollte die siamesische Regierung seinen Schwiegersohn nicht sofort freilassen. 359 Der Konflikt erreichte für Siam bedrohliche Dimensionen. Srisuriyawongse, der ihn ausgelöst hatte, zog sich zurück und tauchte unter. Chulalongkorn geriet in eine schwierige Lage: Er musste einerseits handeln, gleichzeitig aber auch die Unabhängigkeit der Justiz seines Landes verteidigen, die ja auch das Völkerrecht schützte. Dass die Situation kritisch und besorgniserregend war, macht das gemeinsame Krisenmanagement unter der Führung Chulalongkorns deutlich. Alle Konfliktparteien kamen zur Beratung zusammen. Der Ministerrat, der sich seit der Frontpalace-Krise nur unregelmäßig getroffen hatte, tagte nun mehrmals am Tag. Die Beratungen wurden ausführlich protokolliert. 360 Wie schon bei der Brooke-Mission 1850 bezog die Regierung nicht nur Siamesen in die Konsultationen ein, sondern auch Europäer, und zwar nicht nur die, die in Bangkok ansässigen waren, sondern auch solche aus Singapur und sogar aus London, die sich gerade in Bangkok aufhielten. Beschlossen wurde schließlich, nicht defensiv, sondern offensiv vorzugehen. Das Kabinett entschied sich, eine Sondergesandtschaft nach London zu schicken, um der britischen Regierung den Vorfall zu schildern und auf der Souveränität der eigenen Gerichtsbarkeit zu beharren. Missionschef wurde Phraya Bhasakorawongse, Sekretär und enger Vertrauter des Königs. Sein Status als Außerordentlicher Botschafter erlaubte es ihm, mit Außenminister Lord Salisbu- 358 Vgl. oben S. 121. Srisuriyawongse hatte früher enge Kontakte zu Knox gehabt, weil er ihn aufnahm, als er in den 1850er Jahren nach Siam kam, um eine Anstellung zu suchen. Erst später wurde er vom Vizekönig als Ausbilder Wichaichans beschäftigt. 359 Chulalongkorn an Srisuriyawongse 20.04.1879, in: Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Somdet Chaophraya, Bd. II, S. 189. Das Kriegsschiff aus Hongkong kam tatsächlich am 11. Mai 1879 in Bangkok an und lag vor dem britischen Konsulat vor Anker. Knox hatte es ohne Rücksprache mit der Regierung in London nach Bangkok beordert, was gegen britische Gesetze verstieß. Knox hatte dem Kapitän außerdem untersagt, bei der Ankunft in Siam das übliche diplomatische Zeremoniell zu befolgen, also etwa keine Salutschüsse abzufeuern oder um Audienz beim König nachzusuchen. Auch der Kapitän war darüber verstimmt (Chulalongkorn an Srisuriyawongse 13.05.1879, in: Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Somdet Chaophraya, Bd. II, S. 180 sowie Chulalongkorn an Phraya Bhasakorawongse, 25.05.1879, in: Ebenda, S. 179. 360 Dies geht aus Chulalongkorns Tagebuchaufzeichnungen (Chulalongkorn, Tagebuchaufzeichnungen, Jg. 1879/ 80, Bangkok, S. 146 sowie aus seiner Korrespondenz mit den Ministern hervor (Siehe Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Somdet Chaophraya, Bd. II, S. 170ff.). <?page no="128"?> 128 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns ry direkt über alle Fragen zu verhandeln. Außerdem durfte er von Queen Victoria empfangen werden. Der siamesische Konsul in Singapur wurde beauftragt, mit dem britischen Generalgouverneur über die Vorgänge in Bangkok zu sprechen und sich über die Anstellung eines Rechtsanwalts zu beraten. Der siamesische Konsul in London - D. K. Mason 361 - sollte Kontakt mit dem Foreign Office aufnehmen, um ein Treffen mit Salisbury zu vereinbaren und um eine Audienz bei der Königin nachzusuchen. Die Mission war präzise geplant, wurde effektiv umgesetzt und hatte durchschlagenden Erfolg: Das Foreign Office berief Generalkonsul Knox ab. 362 Für Chulalongkorn bedeutete das einen entscheidenden innenwie außenpolitischen Wendepunkt. Ihm wurde zum einen deutlich, dass Geschlossenheit im Inneren externe Gefahren abwehren und die Souveränität Siams sogar gegenüber Großbritannien behaupten konnte. Zum anderen hatte der Ex-Regent im Verlauf der Krise zusehends an Einfluss verloren. Das stärkte Chulalongkorns Position deutlich und gab ihm freie Hand für die Reformpolitik, die er seit 1874/ 75 ruhen lassen musste. Schließlich bedeutete drittens die Abberufung von Knox, dass die Regierung in London von nun an Chulalongkorn unterstützte. Das war für ihn gleichbedeutend mit einem außenpolitischen Befreiungsschlag. 363 Die direkten Kontakte nach London waren für den König in jeder Hinsicht wichtig. Er war davon überzeugt, dass ein Modernisierungsprozess im Innern ohne Unterstützung von außen nicht erfolgreich in Gang gesetzt werden konnte. Dies galt in besonderer Weise für den Transfer technischen Wissens. 361 Mason war Däne und hatte zu Beginn der 1850er Jahre Geschäfte in Bangkok gegründet. Da er gute Kontakte zu den Regierungen in Bangkok wie in London hatte, ernannte ihn Mongkut zum siamesischen Konsul in der britischen Hauptstadt. 362 Knox wurde auch deshalb abberufen, weil Großbritannien zu dieser Zeit in Kriege in Burma, Afghanistan und vor allem im südlichen Afrika mit den Zulu und mit Madagaskar verwickelt war und einen weiteren Konflikt vermeiden wollte [Nigel Brailey, Sir Ernest Satow, Japan and Asia: The Trials of a Diplomat in the Age of High Imperialism, in: HJ, Vol. 35, No. 1 (Mar., 1992), S. 119]. 363 Seit seiner Thronbesteigung klagte Chulalongkorn, von der Außenwelt isoliert zu sein. Entsprechend äußerte er sich etwa in einem Brief vom 07.03.1876 an Patriarch Bawares Viriyalongkorn [Natthwut Sutthisongkram, Phraprawat lae pon-ngansamkan khong somdet phramaha samanachao kromphraya bawares viriyalongkorn pupratan kamnoet phrakring khong thai (Leben und Wirken von Patriarch Bawares Viriyalongkorn], Bangkok 1982, S. 93ff.]. <?page no="129"?> II. Die Ordensstiftung und die zweite Phase der Reformpolitik 129 II. Die Ordensstiftung und die zweite Phase der Reformpolitik (1880-1882) Den für ihn günstigen Ausgang des Phra-Pricha-Falles wollte Chulalongkorn nutzen. Unmittelbar nachdem Knox abberufen worden war, plante er, eine zweite Mission nach Europa zu schicken. Die Vorbereitungen begannen im November 1879. Der König hatte vor, Queen Victoria das Großkreuz des Weißen- Elefanten-Ordens überbringen zu lassen. 364 Diese Gegenauszeichnung sollte signalisieren, dass sich aus siamesischer Sicht an den Beziehungen zu Großbritannien nichts geändert hatte. 365 Am 23. Januar 1880 gab Chulalongkorn schließlich offiziell bekannt, dass er Europa besuchen werde. 366 Im In- und Ausland wurde das Vorhaben begrüßt, und von vielen Seiten gab es Angebote, bei der Vorbereitung der Reise behilflich zu sein. Vom Ex-Regenten kam Unterstützung bei der Auswahl eines geeigneten Schiffes, die westlichen Konsuln in Bangkok sagten zu, mit ihren Regierungen über einen offiziellen Empfang zu beraten. 367 Der deutsche Vertreter, Herrmann Stannius, versicherte Chulalongkorn bei einer privaten Abschiedsaudienz, dass er das Auswärtige Amt in Berlin bewegen werde, ihn mit allen Ehren zu begrüßen. Stannius selber versprach, ihn in Berlin zu erwarten. 368 Während der Abwesenheit Chulalongkorns sollte der inzwischen erkrankte Ex-Regent Srisuriyawongse die Herrschaft übernehmen, da sich der König nur auf ihn verlassen konnte. Er war bereit, die ihm angetragene Verantwortung zu 364 Der Weiße-Elefanten-Orden diente eigentlich als Gegenauszeichnung, denn 1878 hatte Chulalongkorn den St. Michael-und-St.-George-Orden von Queen Victoria akzeptiert. Anfang 1879 beriet sich der siamesische Außenminister mit dem britischen Generalkonsul, wie die Königin im Gegenzug mit dem Weißen-Elefanten-Orden geehrt werden könnte. Aufgrund des Phra- Pricha-Falls wurden diese Gespräche abgebrochen. Zu den Problemen beim Ordensaustausch zwischen König Chulalongkorn und Queen Victoria siehe Kapitel D der vorliegenden Studie. Der Weiße-Elefanten-Orden samt goldener Kette wird heute noch im britischen Königshaus aufbewahrt (Vgl. Stephen Patterson, Royal Insignia. British and Foreign Orders of Chivalry from the Royal Collection, London 1996, S. 180ff.). 365 Chulalongkorn an Chaopraya Bhanuwongse, 14.01.1880, in: Natthawut Sutthisongkram, Chaophraya Bhanuwongse mahakosathibodi (Thuam Bunnag) (Chaokhun Krommatha) [Eine Biographie von Chaophraya Bhanuwongse (Thuam Bunnag)], Bd. II, Bangkok 1979, S. 433f. 366 Warunyupa Snidvongse, Rueangnarubangrueangchak ekkasansamkhan nai prawattisatthai (Über einige interessante Aspekte aus den historischen Quellen), in: Chattusansaniyachan, hrsg. v. Winai Phongsipian u. Weerawan Ngamsantikul, Bangkok 2005, S. 106f. 367 Vgl. dazu Warunyupa Snidvongse, Über einige interessante Aspekte, S. 107f. 368 König Chulalongkorn, Tagebuchaufzeichnungen, 11.02.1880, Bd. VIIIa, Bangkok 1970, S. 155f. <?page no="130"?> 130 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns übernehmen. Dies war ein Zeichen der Versöhnung zwischen den beiden früheren Konfliktparteien. 369 In einem Brief an Tan Kim Cheng, den siamesischen Generalkonsul in Singapur, ging Chulalongkorn auf die Motive ein, die ihn bewogen, zu diesem Zeitpunkt nach Europa zu reisen und Srisuriyawongse zum Regenten zu ernennen. Zunächst einmal musste er sich keine Sorgen mehr um die innenpolitische Situation machen. 370 Die permanenten Krisen waren beigelegt. Außenpolitisch hatte sich das Verhältnis zu Frankreich an der Grenze zu Vietnam entspannt. Von zentraler Bedeutung waren zudem die technologischen Neuerungen im Kommunikationswesen, die das Reisen erleichterten und es dem König ermöglichten, sich persönlich unmittelbare Eindrücke von den neuesten Entwicklungen in Europa zu verschaffen. Dank seiner bisherigen symbolischen Politik war er zudem in der Lage, standesgemäße und freundschaftliche Beziehungen mit europäischen Souveränen und Staatsoberhäuptern zu pflegen. 371 In einem weiteren Schreiben an Tan Kim Cheng machte Chulalongkorn klar, dass seine Reise nicht dem persönlichen Vergnügen diente, sondern den Interessen des Landes. 372 Drei Ziele sollten im Mittelpunkt der Reise stehen: 373 Erstens wollte Chulalongkorn Queen Victoria, den französischen Präsidenten Jules Grévy und Kaiser Wilhelm I. mit dem Großkreuz des Weißen-Elefanten-Ordens auszeichnen, um damit die Beziehungen zu diesen drei Ländern noch enger zu gestalten. Dann hatte er vor, mit der britischen Regierung über die Möglichkeit einer Revision der ungleichen Verträge 374 zu sprechen sowie inoffiziell einige Fragen im Zusammenhang mit Protegés zu erörtern. 375 Schließlich beabsichtigte er drittens, 369 Das Verhältnis zwischen Chulalongkorn und Srisuriyawongse war lange Zeit sehr angespannt. Doch schon der Blick auf die Brooke-Mission und den Phra-Pricha-Fall haben gezeigt, dass die verfeindeten Fraktionen ihre Differenzen zurückstellten, wenn es um das Wohl des Landes ging. Dass Srisuryawongse zum Vertreter Chulalongkorns bestimmt wurde, war nicht nur eine Versöhnungsgeste, sondern hatte wohl auch strategische Gründe. Erfahrungen und Einfluss des Ex-Regenten schienen zu garantieren, dass es während der Abwesenheit des Königs weder zu innennoch zu außenpolitischen Problemen kommen würde. 370 Zitiert nach Warunyupa Snidvongse, Über einige interessante Aspekte, S. 112f. 371 Warunyupa Snidvongse, Über einige interessante Aspekte, S. 112f. 372 Chulalongkorn an Tan Kim Cheng 07.03.1880, in: Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Somdet Chaophraya, Bd. II, S. 577. 373 So teilte es Außenminister Chaophraya Bhanuwongse allen westlichen Konsuln in Bangkok am 03.05.1880 mit [NA KT 7: Nationalarchiv, Krasuang Kantangprathet 7 (Aktenbestand aus dem Außenministerium, Auslandsreise des Königs)]. 374 Dabei ging es um die Erhöhung des Importzolles auf Alkohol von 3% auf 10%. 375 Bei den hier erwähnten Protegés handelt es sich um ethnische Minderheiten wie Burmesen, Kambodschaner, Annamiten, Inder, Malaiien oder Chinesen, die schon vor der Phase der europäischen Dominanz in Siam ansässig waren und unter der Hoheit des Königs standen. Nach dem Abschluss der ungleichen Verträge stellte sich die Frage nach ihrem rechtlichen Status, da <?page no="131"?> II. Die Ordensstiftung und die zweite Phase der Reformpolitik 131 Familienangehörige europäischer Souveräne, wichtige Würdenträger und bedeut e nd e P er s ön li chkeiten kenne nzulerne n, um e in Netzwerk von Bez iehungen nach und in Europa aufzubauen. Anfang März war jedoch der gesundheitliche Zustand des Ex-Regenten plötzlich kritisch geworden. Chulalongkorn sah sich gezwungen, am 14. März 1880 seine Europareise zum zweiten Mal offiziell abzusagen. 376 Er beauftragte Außenminister Chaophraya Bhanuwongse, ihn bei den geplanten Besuchen zu vertreten. Von dessen Mission wird in Kapitel D dieser Studie die Rede sein. Wie oben bereits erwähnt, verlor der Ex-Regent nach dem Phra-Pricha-Fall zunehmend an Einfluss. Da er zudem gesundheitlich geschwächt war, zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück. Schließlich starb er am 19. Januar 1883. Das schwächte die Position der konservativen Partei weiter, während umgekehrt Chulalongkorns innenpolitischer Einfluss wuchs. Dazu kam, dass ab 1883 die Minister der Generation Mongkuts nach und nach aus Altersgründen aus ihren Ämtern schieden. Die Young-Siam-Fraktion war demgegenüber erstarkt. Sie hatte neue Anhänger gewonnen, besonders die Brüder des Königs. 1881 hatten sie sich als Organisation konstituiert. Sie nannten sich nun auf Englisch „Young Siam Society“ und auf Thai „Siam Num“, was die gleiche Bedeutung hat. Die Mitglieder kamen am 19. Juli 1881 im Tempel des Palastes zusammen, um dem König und besonders dem späteren Kronprinzen Chaofa Maha Vajirunahis Treue zu schwören. 377 Vertreter der „Young Siam Society“ übernahmen bald die wichtigsten Ämter in der Regierung und wurden zu dynamischen Kräften im ihre ursprünglichen Heimatländer mittlerweile Kolonien des Westens geworden waren. Die europäischen Diplomaten in Bangkok hielten es für ihre Aufgabe, diese Minderheiten zu schützen. Das war für die Regierung in Bangkok insofern problematisch, als damit die Frage der Extraterritorialität berührt war, also die Frage der Souveränität der siamesischen Gerichtsbarkeit. Am schwierigsten war die Lage mit Blick auf die Chinesen. China war Teil des westlichen “informal empire”, unterhielt keine Beziehungen zu Siam und betrachtete emigrierte Chinesen bis Ende des 19. Jahrhunderts als illegal und kriminell (Vgl. dazu Wang Gungwu, The Origins of Hua-Ch’iao, in: Community and Nation, China, Southeast Asia and Australia, St. Leonhard 2 1992, S. 1-10). Großbritannien und Frankreich versuchten, auch diese zugewanderten Chinesen zu ihren Protegés zu machen. Die Probleme mit den Protegés konnten wenigsten teilweise erst gelöst werden, als 1908 das erste siamesische Strafgesetzbuch in Kraft trat und vertragliche Regelungen mit Frankreich 1907 und mit Großbritannien 1909 gefunden wurden. 376 König Chulalongkorn, Tagebuchaufzeichnungen, 13.03.1880, Bd. IX, Bangkok 1935, S. 6. Der König hatte bereits 1871 Europa besuchen wollen. Dieser Reiseplan wurde jedoch nicht realisiert, weil der Regent Bedenken hatte, dass Europa den jungen siamesischen Monarchen nicht ehrenhaft empfangen würde. Er schlug stattdessen einen Besuch in Britisch-Indien vor (Warunyupha Snidvongse, Über einige interessante Aspekte, S. 105f.). 377 Das Dokument, das von diesem Gelöbnis berichtet, befand sich lange Zeit in Familienbesitz und wurde zum ersten Mal 2005 veröffentlicht [Siehe Kasem Sirisampan, Kannamkhongklum sayam num muea ton ratchakanti 5 (Die Führungskräfte der Siam-Num-Fraktion zu Beginn der 5. Herrschaft), in: Chattusansaniyachan, hrsg. v. Winai Phongsipian, Bangkok 2005, S. 69-103]. <?page no="132"?> 132 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns neuen Apparat. Chulalongkorns Einfluss auf die Politik nahm immer mehr zu. Als im August 1885 Vizekönig Wichaichan ebenfalls starb, war Chulalongkorns Position auch im Königshaus uneingeschränkt. Eine solche „absolute“ Autorität 378 hatte es in Siam seit drei Herrschaftsperioden nicht mehr gegeben. Sie wurde zentrale Voraussetzung für Chulalongkorns Modernisierungsprogramm der kommenden Jahre. Kolonialpolitisch allerdings verschlechterte sich die Situation für Siam nach 1880 zunehmend. Frankreich verleibte sich 1883 Annam endgültig ein und der Krieg mit China 1884/ 85 endete mit der vertraglichen Anerkennung seines Protektorates über Vietnam durch das Reich der Mitte. 379 Damit gab sich Frankreich jedoch nicht zufrieden, sondern rückte von dort aus weiter Richtung Westen vor mit dem Ziel, die siamesischen Vasallenstaaten am Mekong - Kambodscha, Luang Prabang und Bassac - zu annektieren. 380 Bis dahin zählte diese Region zur Einflusssphäre Großbritanniens. Da es eine moderate Politik des „informal empire“ betrieb, gab es kaum Konflikte zwischen dem Foreign Office in London, dem India Office in Kalkutta und dem Colonial Office in Singapur auf der einen Seite und der siamesischen Regierung in Bangkok auf der anderen. Das aggressive Vorgehen Frankreichs jedoch führte zu britischen Gegenreaktionen. Das Empire unterwarf sich die noch unabhängigen Teile Burmas, und König Thibau musste sich am 1. Dezember 1885 der neuen Situation fügen. 381 378 Dazu äußerte sich Chulalongkorn selbst in seiner Ansprache zum siamesischen Neujahrfest am 13. März 1888 (The Royal Gazette, 20.03.1888, S. 3). 379 Detailliert zu diesen Ereignissen unter Verwendung unterschiedlicher Quellen und mit differierenden Sichtweisen: Pensri Duke, Les relations entre la France et la Thaïlande (Siam) au XIX e siècle d’après les archives des Affaires étrangères, Bangkok 1962; Chandran Jeshurund, The Contest for Siam 1889-1902. A Study in Diplomatic Rivalry, Kuala Lumpur 1977; Chiraphon Sathapanawatthana, Wikritkgan sayam r. s. 112 kansiadindaenfangsai maenamkhong [Die Krise Siams 1893. Die Abtretung der Hoheitsgebiete linksseits (östlich) des Mekong-Flusses], Bangkok 1980; Suvit Theerasatsavat, Khwamsamphan thai-farangset r. s. 112-126 [Die thailändischfranzösischen Beziehungen 1893-1907. Die Abtretung der Hoheitsgebiete rechtsseits (westlich) des Mekong-Flusses], Bangkok 1980; Dieter Brötel, Frankreich im Fernen Osten. Imperialistische Expansion und Aspiration in Siam und Malaya, Laos und China, 1880-1904, Stuttgart 1996; Niels P. Petersson, Imperialismus und Modernisierung. Siam, China und die europäischen Mächte 1895-1914, München 2000 sowie Nigel J. Brailey, Imperial Amnesia. Britain, France and „The Question of Siam“, Dordrecht 2009. 380 Dieses Ziel wurde mit der Behauptung begründet, der Mekong könne einen Weg nach Südchina erschließen. Obwohl die Expedition von Doudart de Lagrée und Francis Granier 1866- 68 erwiesen hatte, dass der Mekong streckenweise nicht schiffbar war, Jean Dupuis 1873 nachweisen konnte, dass der Rote Fluss das Einfallstor nach Südchina war, hielt Frankreich an diesen expansiven Ambitionen fest. 381 Vom Angriff auf Mandalay erfuhr Chulalongkorn durch ein Telegramm aus Singapur vom 2.12.1885. Er hielt dies in seinem Tagebuch fest, was deutlich zeigt, wie sehr er sich um die Entwicklungen in den Nachbarländern sorgte (König Chulalongkorn, Tagebuchaufzeichnungen, 02.12.1885, Bd. XX, Bangkok 1944, S. 80). <?page no="133"?> II. Die Ordensstiftung und die zweite Phase der Reformpolitik 133 Siam war nun mit zwei kolonialen Mächten als unmittelbaren Nachbarn konfr ont ie rt, w as e in e dur cha us be dro hli ch e Sit ua tio n da rs tel lt e. Imm er wie der nämlich kam es zu Konflikten über den genauen Grenzverlauf. Dahinter stand meistens die Frage nach der rechtmäßigen Ausbeutung von Bodenschätzen. 382 Zum dritten Mal bestand die Gefahr, dass Siam Kolonie einer westlichen Macht werden konnte. 383 Die Situation war jetzt sogar noch ernster als in den beiden Fällen zuvor, da mit Frankreich im Osten und Großbritannien im Westen und Süden zwei potentielle Aggressoren bereit standen. Siam reagierte auf gewohnte und bereits bewährte Weise: Wie es schon zur Zeit Mongkuts der Fall gewesen war, so sah auch die Regierung Chulalongkorns in Diplomatie und Modernisierungspolitik das geeignetste Mittel, einen kolonialen Angriff von außen abzuwehren. Angesichts der deutlich kritischeren Lage waren auch die Maßnahmen, die getroffen wurden, dynamischer, intensiver und variantenreicher. Dass eine größere Bandbreite an Strategien erdacht werden konnte, hatte vor allem zwei Gründe: Zum einen bildeten Chulalongkorn und die „Young Siam Society“ schon eine zweite Generation von Modernisierern, die eine gründliche westlich geprägte Ausbildung genossen hatten, einige sogar an Hochschulen in Europa. Sie hatten also sehr viel genauere Kenntnisse der europäischen Moderne als ihre Väter. 384 Zum anderen mussten sie nicht mehr mit Opposition rechnen, sondern konnten Innen- und Außenpolitik nach ihren Vorstellungen gestalten. Die wichtigste Neuerung, die vor diesem Hintergrund möglich war, ist in einer offensiven Vorgehensweise zu sehen. Probleme wollte Siam von nun an direkt mit den Regierungen in den kolonialen Metropolen besprechen. Mongkuts Grundsatz, dass es die Lösung von Konflikten erfordern könne „to swim upriver to make friends with crocodile“, fand hier seine Fortsetzung 385 . Neu war allerdings, dass Siam nun über das offene Meer schwimmen musste, um Freundschaften mit mehreren Krokodilen in deren Hauptstädten zu schließen. Diese neue Strategie, sich gewissermaßen vorwärts zu verteidigen, hatte sich bereits bei der Bhasakorawongse-Mission von 1879 nach Großbritannien als richtig erwiesen. Sie stellte einen entscheidenden Wendepunkt in der Diplomatie Siams dar. 382 Zur Problematik des Grenzverlaufs siehe die Darstellung von Tej Bunnag, The Provincial Administration of Siam 1892-1915, S. 2f. 383 Das erste Mal war das 1825 bei der Henry-Burney-Mission der Fall, die im Kontext der Annexion Burmas durch Großbritannien stand, das zweite Mal 1850, als nach dem Opiumkrieg die James-Brooke-Mission eintraf (Vgl. dazu die Darstellung oben in dieser Arbeit). 384 Chulalongkorn setzte die Erziehungsmaßnahmen seines Vaters fort. In den 1870er Jahren gründete er eine eigene Schule im Palast, an der seine Brüder und Prinzen sowie die Angehörigen seiner Leibgarde ausgebildet wurden (Siehe dazu David Wyatt, The Politics of Reform in Thailand). 385 König Mongkut an Phraya Suriyawongse Vayavadhana 1864, in: A King of Siam speaks, S. 177f. <?page no="134"?> 134 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Nach dieser Mission erkannte Chulalongkorn, dass es notwendig war, eigene Gesandte in Europa zu berufen. Gemäß der Regularien des Wiener Kongresses von 1815 nahmen Gesandte innerhalb des diplomatischen Korps vor Botschaftern und Geschäftsträgern und nach Ministerresidenten den zweiten Rang ein. 386 Nach Abschluss der ungleichen Verträge hatte Siam bereits Honorarkonsuln in verschiedenen europäischen Hauptstädten ernannt, beispielsweise in London, Paris, Berlin und Wien. Im Unterschied zu Berufskonsuln gehörten Honorarkonsuln nicht dem Staatsdienst an und standen nicht im Rang von Diplomaten. Sie übten ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus, gingen Handelsfragen nach, leisteten Rechtbeistand und kümmerten sich um Aufenthaltsangelegenheiten. Sich mit dem Außenminister über politische Fragen auszutauschen gehörte nicht zu ihren Geschäften. Oft waren es europäische Kaufleute, die die siamesische Regierung zu Honorarkonsuln ernannte. Auch sie leisteten wichtige Dienste. Um ihnen beispielsweise für ihre Unterstützung im Phra-Pricha-Fall zu danken, zeichnete Chulalongkorn David King Mason in London, Amedée Gréhan in Paris und Hugo Schönberger in Wien aus. 387 Mason beispielsweise erhielt am 20. Februar 1880 den Siamesischen-Kronen-Orden der Klasse II. 388 Die Akkreditierung von Gesandten, die zunächst 1882 in London, dann 1883 in Paris und 1887 in Berlin erfolgte, ist also als Zeichen einer intensivierten und offensiveren Außenpolitik zu verstehen. Die Gesandtschaft in London war auch für die USA zuständig, die in Paris für Belgien, Italien, Spanien und Portugal und die in Berlin für Österreich, Dänemark und Norwegen-Schweden. In ihrer Tätigkeit hatten sie sich an den Bestimmungen zu orientieren, die der Wiener Kongress für diplomatische Vertreter im Ausland festgeschrieben hatte. 389 Eine noch bedeutendere Innovation stellten die Überlegungen dar, einen neuen Hausorden zu stiften. Zum ersten Mal ist davon in dem Eintrag in Chulalongkorns Tagebuch vom 14. Mai 1881 zu lesen: An diesem Tag „fand 386 Siehe „Règlement du 19 Mars 1815 sur le Rang entre les Agents Diplomatiques“. 387 Es war und ist bis heute gängige Praxis, dass eine Regierung einen Ausländer zu ihrem diplomatischen Vertreter ernannte. Sir Robert Schomburgk beispielsweise war Deutscher und amtierte dennoch als britischer Konsul in Bangkok. Die Regierung in Bangkok folgte diesem Beispiel, da sie kaum über qualifiziertes Personal verfügte. Ausländer durften das siamesische Königreich jedoch nur im Rang von Konsuln oder Generalkonsuln repräsentieren. Zu den ersten siamesischen Konsuln zählten Bern. de Senna-Fernandes in Macao und Amedée Gréhan in Paris (Almanach de Gotha, 1864, S. 771 und 544). Diese Personen waren in der Regel Geschäftsleute in Siam, seinen Nachbarländern oder in Europa. Alle höherrangigen diplomatischen Vertreter mussten Thailänder sein. Prinz Prisdang etwa wurde 1882 Gesandter in London. Ein Jahr später wechselte er nach Paris. Prinz Nares wurde sein Nachfolger in London. Zum Gesandten in Berlin bestimmte die siamesische Regierung 1887 Phraya Damrong Rajapolakhan. 388 The Royal Gazette, 14.02.1886, S. 529. 389 Das erfolgte mit Gesetz vom 6. Dezember 1886 (The Royal Gazette, 19.12.1886, S. 318ff.). <?page no="135"?> II. Die Ordensstiftung und die zweite Phase der Reformpolitik 135 eine Sitzung statt, in der seine Majestät sich mit Phraya Bhasakorawongse, Prinz Noi und anderen Prinzen über die Stiftung eines neuen Ordens beriet.“ 390 24 Stunden später hatten diese Erwägungen schon konkretere Formen angenommen. Der Orden sollte „Chakri Borommaratchawong“ heißen. 391 Phraya Bhasakorawongse, so kann man begründet annehmen, hatte dem König von seinen Erfahrungen in Europa berichtet. Als Außerordentlichem Gesandten war ihm eine Audienz bei Queen Victoria und bei Kaiser Wilhelm I. gewährt worden. Dabei hatte Bhasakorawongse das diplomatische Zeremoniell und die Etikette am britischen königlichen und deutschen kaiserlichen Hof kennengelernt. Diese Erfahrungen waren die Basis für die Stiftung des neuen Maha-Chakri- Hausordens. Dieser Orden sollte nicht nur der höchste sein, den das Chakri-Königshaus zu vergeben hatte, Chulalongkorn wollte ihn auch zur Einhundertjahrfeier der Gründung der Dynastie und der Hauptstadt Bangkok einführen. Deshalb gab er ihm den Namen Maha Chakri. Beide Jubiläen wurden am 21. April 1882 begangen, doch das ganze Jahr über zelebrierten die Menschen Dynastie und Stadt. 392 Mit drei feierlichen Ereignissen wurde der Gründer der Chakri- Dynastie geehrt, König Phra Phutthayotfa (Rama I.), Urgroßvater Chulalongkorns. 393 Das erste war die Vollendung des Wat Phra srirattana satsadaram Tempels im Königspalast, mit der Chulalongkorn seine Brüder beauftragte. 394 Dann legte er den Grundstein für ein Gebäude, in dem an seinen Urgroßvater als Begründer der Dynastie und der Bangkok-Periode erinnert werden sollte. 395 390 König Chulalongkorn, Tagebuchaufzeichnungen, 14.05.1881, Bd. XI, Bangkok 1935, S. 186. Phraya Bhasakorawongse war Privatsekretär des Königs und Chef der London-Mission 1879, bei Prinz Noi handelte es sich um Bhanurangsi, einen jüngeren Bruder des Königs. Da Chulalongkorn zu diesem Zeitpunkt - anders als zu Beginn seiner Herrschaft sein Tagebuch nicht mehr selber schrieb, ist es in der dritten Person gehalten. 391 König Chulalongkorn, Tagebuchaufzeichnungen, 15.05.1881, Bd. XI, Bangkok 1935, S. 189. 392 Dazu gehörte beispielsweise auch eine „National Exhibition“, bei der traditionelle Kunstwerke ebenso zu sehen waren wie Agrarprodukte oder in Siam publizierte Literatur (Näheres dazu in Kapitel 31 von: Carl Bock, Im Reiche des weissen Elephanten, ins Deutsche übers. v. Dr. F. M. Schröter, Leipzig 1885. Carl Bock, ein norwegischer Naturforscher, kam 1882 nach Siam. Er hatte von Chulalongkorn nicht nur eine Sondergenehmigung für seine wissenschaftlichen Tätigkeiten erhalten, der König unterstützte ihn dabei auch finanziell. Während seines Aufenthalts hatte Bock Gelegenheit, die Ausstellung zu besuchen. 393 Siehe dazu die Präambel des Statuts des Maha-Chakri-Hausordens, in: Kotmaiprachamsok [Sammelband des Gesetzes (der Herrschaft König Chulalongkorns)], Bd. X, Bangkok 1920, S. 85f. Eine Liste der Könige der Bangkok-Periode, also der Chakri-Dynastie, findet sich in Anhang III dieser Arbeit. 394 Im Westen wird er „Emerald Temple“ genannt. Zu den Bauarbeiten siehe Carl Bock, Im Reiche des weissen Elephanten, S. 275ff. 395 Dieses Projekt kam jedoch nicht zu Stande. Chulalongkorn ließ schließlich die unvollendete Baustelle abreißen. Entwürfe und einzelne Bauteile sind heute im Palastmuseum zu besichtigen. <?page no="136"?> 136 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Um dessen Namen auch im Ausland bekannt zu machen, rief Chulalongkorn schließlich drittens den Orden ins Leben, der den Namen der Dynastie trug, den Maha-Chakri-Hausorden. 396 Als höchster Hausorden 397 wurde und wird er noch heute den Nachfahren verliehen, die in direkter Linie vom Gründer der Dynastie abstammen. Bereits bei den Gedenkfeiern kam es zu Innovationen in der Symbolpolitik. Es war in Siam bis dahin unbekannt, zum Andenken an einen Verstorbenen Denkmäler zu errichten oder Orden zu stiften. Diese Gepflogenheiten kamen aus dem Westen. In Siam baute man traditionellerweise bei wichtigen Anlässen entweder einen Tempel oder errichtete eine Buddhastatue. 398 Die Einführung dieses höchsten Hausordens hing eng mit dem neuen Kurs in der Außenpolitik zusammen. Dass Chulalongkorn das Doppeljubiläum zum Anlass nahm, sie neu zu gestalten, wurde bereits dargelegt. Der König ernannte zudem 1882 Prinz Prisdang zum Außerordentlichen Gesandten für Europa und die USA mit ständigem Sitz in London. Zu seinen Aufgaben gehörte es nicht nur, Kontakte zu den Regierungen in den verschiedenen westlichen Hauptstädten zu knüpfen und zu pflegen, sondern auch gute Beziehungen zwischen dem siamesischen König und europäischen Monarchen zu vermitteln. 399 Um freundschaftliche Verhältnisse zu ausländischen Souveränen zu etablieren und zu festigen, betrieb Chulalongkorn vor allem eine Politik der gezielten Auszeichnung, wofür er nun neben dem etablierten Weißen-Elefantenauch den neuen Maha-Chakri-Orden einsetzen konnte. Um letzteren für hochgestellte westliche Persönlichkeiten und Würdenträger attraktiv zu machen, orientierte man sich in Siam bei der Gestaltung der Statuten an den in Europa üblichen Praktiken. Mit der Übernahme entsprechender Normen waren zwangsläufig sozio-politische Transformationen verbunden, wie ein genauer Blick auf Statuten und Insignien des Maha-Chakri-Hausordens zeigt. 396 § 1 des Maha-Chakri-Hausordensstatuts in: Sammelband des Gesetzes, Bd. X, S. 87. In Thai heißt der Orden offiziell: „Khrueang khattiyaratcha issariyayot anmikiattikhun rungrueangying maha chakri borommaratchawong“. In dieser Arbeit wird er immer Maha-Chakri-Hausorden genannt. Zur offiziellen englischen Benennung siehe Anhang VI dieser Arbeit: Protokollarische Rangordnung der siamesischen Orden in der Regierungszeit König Chulalongkorns. 397 So in der Präambel der Statuten (Sammelband des Gesetzes, Bd. X, S. 84f.). Gleichzeitig mit dem Maha-Chakri-Hausorden stiftete Chulalongkorn eine Verdienstmedaille namens „Dutsadi Mala“. Sie orientierte sich an europäischen Medaillen für Kunst und Wissenschaft. Sie wurde jedoch lediglich an Einheimische verliehen, spielte keine Rolle bei der antikolonialen Selbstbehauptung und wird deshalb in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. 398 Prinz Damrong, Memoiren, S. 141ff. 399 Prisdang hatte zwei diplomatische Missionen: einerseits war er Vertreter der siamesischen Regierung, andererseits repräsentierte er Chulalongkorn bei den europäischen Königshäusern. Es war damals üblich, dass ein Monarch einen Angehörigen des Königshauses zum Botschafter oder Gesandten ernannte (Vgl. Jürgen Hartmann, Staatszeremoniell, S. 113f.). <?page no="137"?> II. Die Ordensstiftung und die zweite Phase der Reformpolitik 137 Abb. 23: Die Insignien des Maha-Chakri-Hausordens: Das Zeichen an der Kette, der Bruststern (Chakri dara) sowie das Kleinod Chula Chakri am gelben Band <?page no="138"?> 138 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns 1. Der Erlass zur Stiftung des Maha-Chakri-Hausordens vom 21.04.1882 Schon ein erster Blick auf die Insignien dieses Ordens (Abb. 23) zeigt, dass sie sich in ihrer äußeren Gestalt vollkommen nach europäischen Vorbildern richteten, so wie es auch neun Jahre zuvor beim Chulachomklao-Familienorden der Fall war. Die Insignien bestanden zum einen aus zwei Zeichen. Das eine hing an einer Kette, das andere an einer Schärpe. Zum anderen gehörten Stern, Kette, gelbes Band und Tracht zu ihnen. Zieht man den Vergleich zum Chulachomklao, wird deutlich, dass sich die Rezeption der europäischen Ritterorden intensiviert hat. Jedoch spiegelte sich im Erscheinungsbild nicht nur eine einseitige Übernahme westlicher Vorbilder, sondern auch eine Reflexion eigener Traditionen. Resultat war eine ebenso wertvolle wie schlichte, harmonische, ausgewogene, aber doch edle Auszeichnung. Bescheidenheit und Würde prägten auch das Ordensstatut. 1.1 Das Statut des Maha-Chakri-Hausordens Es umfasste insgesamt 26 Artikel 400 und war damit das längste und detaillierteste aller bis dahin in Siam erlassenen Ordensstatuten. Schon allein diese Ausführlichkeit stellte ein Novum dar. 401 Die Regelungen begannen mit einer langen und ausführlichen Präambel, in der die europäische Intitulatio „Wir, der König von Siam, …“, also die Selbstdarstellung des Ordensherrn, nicht zu finden war. Erläutert wurden generelle Merkmale des Auszeichnungswesens sowie die Entstehungsgeschichte der Chakri-Dynastie. Das Statut gliedert sich in vier Abschnitte: 1. die Ordensgemeinschaft (§ 1-5), 2. die Aufnahmebedingungen (§6 und 7), 3. Insignien und Trageweise (§ 8-14) und schließlich 4. generelle Regelungen, die etwa die Rückgabe der Insignien im Todesfall oder den Ausschluss aus der Gemeinschaft bei Verfehlungen betrafen (§ 15-26), wie sie sich auch in den Statuten der Orden von 1873 fanden. Wie schon angesprochen waren die Statuten von erheblicher gesellschaftlicher Relevanz. Sie wirkten sozio-politisch transformierend, wie ein exemplarischer Blick auf die Artikel 2, 3, 7, 13, 15 und 19 deutlich macht. 400 Vgl. die Statuten des Maha-Chakri-Hausordens (Sammelband des Gesetzes, Bd. X, S. 87ff.). 401 Die Statuten des Weißen-Elefanten- und des Siamesischen-Kronen-Ordens von 1873 umfassten nur sieben, die des Chulachomklao-Familienordens von 1873 lediglich 15 Artikel. <?page no="139"?> II. Die Ordensstiftung und die zweite Phase der Reformpolitik 139 Artikel 2 schrieb fest, dass sich die Gemeinschaft aus zwei Gruppen zusammense t z te , nä m li ch a us den Orde nshe rrn und de n -mitgli ede rn. Die erste Grup pe bestand aus König und Königin, die als Großmeister (Maha sawamitsarathipbodi, im Sanskrit ein Kompositum aus mahāsvāmi und aiśv 0 ādhipatī) und Großmeisterin (Maha sawamini, Sanskrit: mahāsvāminī) fungierten. Der König konnte dieses Amt entweder selber wahrnehmen oder eine andere Person damit betrauen, wie aus den § 4 und 5 hervorgeht. 402 In die Gruppe der Mitglieder durften nur Prinzen und Prinzessinnen aufgenommen werden, die in direkter Linie vom Gründer der Chakri-Dynastie abstammten. Sie gliederte sich in Männer (Khana phayandon, Sanskrit: ga ! ābhvantara) und Frauen (Khana phayandri, Sanskrit: ga ! ābhavantrī). Die Zahl der Männer war auf 30 begrenzt, darunter König und Kronprinz, die der Frauen auf 16, die Königin eingeschlossen. Das britische Vorbild war hier unübersehbar. So stand Queen Victoria beispielsweise beim St.-Michael-und-St.-George-Orden als Großmeisterin den weiblichen Mitgliedern voran. 403 Für den Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse in Siam hatte dieser Artikel entscheidende Bedeutung. Er bestimmte das Verhältnis zwischen Männern und Frauen neu. Dass die Königin neben dem König gleichberechtigt als Großmeisterin auftrat, war für das Land geradezu revolutionär. Traditionell spielte sie keine Rolle in der Öffentlichkeit und schon gar nicht in der Politik, und das galt für Frauen außerhalb der höfischen Kreise erst recht. Dass die Königin zur Großmeisterin ernannt wurde, kann auch als eine Annäherung an die westliche Einehe verstanden werden. Der Artikel lässt den tiefgreifenden Transformationsprozess erkennen, den das siamesische Königshaus damals durchlief. Die Königin erhielt einen festen Platz in der internationalen Diplomatie. Freundschaftliche Verbindungen zu europäischen Kaiser- und Königshäusern etwa beim Austausch von Orden konnten ohne sie nicht mehr gepflegt werden. Von ebenso großer Relevanz war die Bestimmung in Artikel 3, 404 die festlegte, dass der König und der „Ratchatayat“ (im Sanskrit ein Kompositum aus „rajya“ und „dāyāda“: wörtlich „Königssohn“) gemeinsam als Ordensherrn fun- 402 Siehe Sammelband des Gesetzes, Bd. X, S. 88. In Klammern sind die neu geprägten Begriffe in Thai angegeben. 403 Näheres dazu unter: http: / / www.royal.gov.uk/ MonarchUK/ Honours/ OrderofStMichaelandStGeorge.aspx (Stand 2016). 404 Sammelband des Gesetzes, Bd. X, S. 88. Eine ähnliche Bestimmung sah schon Artikel 1 des Chulachomklao-Familienordens vor, doch sie tauchte dort nur beiläufig auf, da Chulalongkorn zu jenem Zeitpunkt noch keinen männlichen Nachkommen hatte (Vgl. Artikel 1 der Statuten des Chulachomklao-Familienordens in: The Royal Gazette, 16.08.1874, S. 126). <?page no="140"?> 140 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns gierten. Mit „Ratchatayat“ war der Thronfolger gemeint, also der Kronprinz. 405 Dass er erwähnt wurde, macht die Bedeutung dieses Artikels aus. Zum ersten Mal wurde der Kronprinz in einem Ordensgesetz ausdrücklich genannt. Dahinter standen politische Erwägungen. Chulalongkorn hatte mittlerweile einen thronberechtigten Sohn, nämlich den am 27. Juni 1878 geborenen Prinzen Maha Vajirunahis. Nach dem Tod des Vizekönigs am 28. August 1885 ernannte er ihn am 14. Januar 1887 zum Kronprinzen von Siam. Hinter diesem Artikel stand eine doppelte Strategie. Einmal wollte Chulalongkorn zeigen, dass er alleine darüber entschied, wie er seine Herrschaft legitimierte und festigte. Er bestimmte deshalb auch frei, wer sein Thronfolger werden sollte, ungeachtet der Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt noch Prinz Wichaichan als Vizekönig amtierte. Zum anderen sollten auch westliche Souveräne die Rechtmäßigkeit der Ernennung des Kronprinzen anerkennen. Dies geschah durch Ordensaustausch. Dabei war es gängige Praxis, dass ein Monarch nicht nur den fremden Souverän in die Gemeinschaft seines Hausordens aufnahm, sondern auch dessen Thronfolger. 406 Um diesen zu legitimieren, musste wiederum die Königin als seine Mutter und Großmeisterin in den Statuten auftauchen. Dass Kronprinz und Königin erwähnt wurden, war Konsequenz der Übernahme europäischer Thronfolgebestimmungen. 407 Schon seit den 1870er Jahren überarbeitete Chulalongkorn das siamesische Palastgesetz und besonders die Regelungen, die die Thronfolge betrafen. Sie enthielten viele Lücken und Unklarheiten und sorgten seit den Anfängen der Chakri-Dynastie bei jedem Herrscherwechsel für Unruhe. 408 Die Bestellung des Vizekönigs durch Premierminister Srisuriyawongse war da keine Ausnahme. Chulalongkorn wusste, dass Chaos vorprogrammiert war, wenn ein König seine Nachfolge nicht geklärt hatte. Mit der Übernahme europäischer Praktiken wollte er innenwie außenpolitische Konflikte von vornherein vermeiden. Er nutzte die neuen Regelungen im Ordensstatut, um den Vizekönig weiter zu schwächen, nachdem er sich gegen den traditionellen Adel und die alten Minister politisch durchgesetzt hatte. Westliche Verfahren zur Thronfolge basierten allerdings auf dem Prinzip der Einehe, während in Siam zur damaligen Zeit Polygamie üblich war. Der König 405 Später wurde „Kronprinz“ in Thai mit „Makut Ratchakuman“ (Sanskrit: maku/ a rājakumāra) übersetzt. 406 Vgl. dazu in dieser Arbeit das Kapitel E. Zusammenfassung und Analyse. 407 Seit der Geburt des Prinzen Maha Vajirunahis (1878) arbeitete Chulalongkorn an einem Thronfolgegesetz nach europäischem Muster. Eine endgültige Regelung wurde aber erst 1894 getroffen, als die Reformen der staatlichen Verwaltung abgeschlossen waren. Näheres zu diesem Erlass über die Tradition königlicher Herrschaft in Siam im nächsten Abschnitt. 408 Chulalongkorn war der Meinung, dass das Thronfolgegesetz absichtlich lückenhaft gehalten war, um Usurpationen zu ermöglichen (König Chulalongkorn, Die Ankündigung und Erklärung, S. 61). <?page no="141"?> II. Die Ordensstiftung und die zweite Phase der Reformpolitik 141 sah jedoch in der Verschiedenheit dieser sozialen Normen kein Problem. Er verfolgte mit der Nennung von Kronprin z und Königin lediglich einen strategischen Zweck: Sie bereitete die baldige Ernennung eines Nachfolgers vor, denn es war in naher Zukunft mit dem Tod des Vizekönigs zu rechnen. Bei dieser pragmatischen Sichtweise musste Chulalongkorn keine tiefgreifenden Änderungen in der siamesischen Gesellschaft durchsetzen, zumal das bei der Bevölkerung mehrheitlich auf Widerstand gestoßen wäre. 409 Die Bestimmungen des Artikels 7 schrieben erstmals das Recht von König und Kronprinz fest, hochrangige Ausländer als Ehrenmitglieder aufzunehmen. 410 Das sollte freundschaftlichen Beziehungen mit den ausländischen Monarchen dienen, denen bis zu diesem Zeitpunkt nur das Großkreuz des Weißen- Elefanten-Ordens verliehen werden konnte. Nun aber verfügte Siam über einen richtigen Hausorden im westlichen Sinne. Er war bewusst säkular gehalten, und Buddhist zu sein gehörte nicht zu den Aufnahmekriterien. Auch hierbei hatte man die europäischen Würdenträger im Blick. Artikel 13 regelte das Protokoll des „Chakri sapha“ genannten Kapitels. 411 Jedes Jahr am 13. Juni, dem Ordenstag, hatten die Mitglieder zusammenzukommen. Zu ihren Aufgaben gehörte es, neue Kandidaten aufzunehmen. Dies geschah in einem feierlichen Akt im „Gelben Saal“ - dem „Borommasathitmaholan“-Saal - des repräsentativen „Chakri-Maha-Prasat“-Baus im Königspalast. Bei der Vollversammlung wurde den Mitgliedern der Ordensgemeinschaft ein fester Sitzplatz an einem Tisch zugewiesen, den ein kupfernes Schild markierte, in das Name, Rang und Aufnahmedatum eingraviert waren. Starb ein Ordensmitglied, wurde dieses Schild auf einer Wandtafel im Gelben Saal angebracht. Die Verleihung, mit der sich Artikel 19 befasste, entsprach der des Chulachomklao-Familienordens. Ein Ritterschlag war nicht vorgesehen. Mit der Rezeption dieses Zeremoniells übernahm Siam gleichzeitig die Etikette der europäischen Hofgesellschaft. Beamte kümmerten sich um alle Ordensangelegenheiten, und laut Artikel 15 war ein Teil von ihnen für die männlichen und ein anderer für die weiblichen Mitglieder zuständig. 412 Ihre Funktionen folgten dem europäischen Vorbild, ihre siamesischen Benennungen waren jedoch aus in Pali geschriebenem Sanskrit abgeleitet. 413 So hieß der „Chancelor“ „Lanchakraphiban“ (Sanskrit: 409 Die Monogamie wurde erst in der thailändischen Verfassung von 1934 festgeschrieben. 410 Die Statuten des Maha-Chakri-Hausordens, in: Sammelband des Gesetzes, Bd. X, S. 90. 411 Die Statuten des Maha-Chakri-Hausordens, in: Sammelband des Gesetzes, Bd. X, S. 94. 412 Die Statuten des Maha-Chakri-Hausordens, in: Sammelband des Gesetzes, Bd. X, S. 95. 413 Sanskrit war in Thailand eine dem Latein in Europa vergleichbare Bezugssprache. Pali ist eine mittelindische Schrift. Sie zu beherrschen war für die siamesischen Gelehrten von zentraler Bedeutung, da in ihr der Kanon des Theravada-Buddhismus (tipi / aka) und der dazugehörige Kommentar (atthakathā) niedergeschrieben waren. <?page no="142"?> 142 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns lañchakarābhipāla), der „Secretary“ „Lekhathikan“ (Sanskrit: lekhadhikāra) und der „Register“ „Murathathikan“ (Sanskrit: muradhādhikāra). 414 Die Artikel 16 bis 18 beschrieben die Aufgabenbereiche der einzelnen Beamten. Das hatte es in früheren Statuten nicht gegeben. 415 Artikel 19 bestimmte den 13. Juni als Ordenstag. 416 Damit folgte man dem Gregorianischen Kalender, und das war ebenfalls neu. 417 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Regelungen des Maha-Chakri- Hausordens in dreierlei Hinsicht besonders innovativ waren: sie definierten die Ordensgemeinschaft, legten fest, wie ausländische Souveräne als Ehrenmitglieder aufzunehmen waren, und gaben dem Kapitel eine differenzierte und detaillierte Struktur. Vorbild war jedes Mal die europäische Norm. Chulalongkorn versprach sich davon eine leichtere Kontaktaufnahme und Kommunikation mit europäischen Souveränen. Insgesamt ist somit unübersehbar, dass es gerade auch außenpolitische Erwägungen waren, die die Stiftung des Maha-Chakri-Ordens bestimmten. Doch es war nicht nur die Rezeption europäischer Praktiken, die die Modernisierung der symbolischen Politik prägte. Gleichzeitig ist auch eine intensivere Rückbesinnung auf eigene kulturelle Traditionen zu beobachten. Deutlich wird das besonders bei der Verwendung der thailändischen Sprache. Daraus kann man schließen, dass der König mit Hilfe des Maha-Chakri-Ordens auch die königliche Familie für sich gewinnen wollte. Der Text des Statuts ist fließend geschrieben. Sprachlich-stilistisch fallen die einzelnen Artikel gefällig aus, inhaltlich sind sie ebenso detailliert wie sachlich und präzise. Besondere Mühe gaben sich die Autoren bei der Übernahme von Konzepten und Begriffen, die im damaligen Siam unbekannt waren. Es gelang, sie so ins Siamesische zu übertragen, dass sie nicht fremd klangen und gleichzeitig verständlich waren. Für phaleristische Fachtermini beispielsweise suchte man zunächst Worte aus dem Sanskrit, bevor man sie ins Thai übertrug. So konnte man die eigene gesellschaftlich-kulturelle Identität erhalten. Schon die Untersuchung der Statuten allein zeigt, dass der Umgang mit westlichen Einflüssen in Siam ein neues Stadium erreicht hatte. Die Übernahme des europäischen Ordenswesens zeigt zum einen, dass Chulalongkorn und seine Mitstreiter mittlerweile mit europäischen Praktiken gut vertraut waren. Zum anderen ging es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr darum, sich nach außen zu orientieren, um sich politisch zu behaupten. Vielmehr war ein Transformations- 414 Das Amt des Großmeisters und der Großmeisterin des Ordens übten König und Königin selbst aus. 415 Die Statuten des Maha-Chakri-Hausordens, in: Sammelband des Gesetzes, Bd. X, S. 95ff. 416 Die Statuten des Maha-Chakri-Hausordens, in: Sammelband des Gesetzes, Bd. X, S. 97f. 417 Der gregorianische Kalender wurde offiziell mit Erlass vom 28. März 1889 angenommen (The Royal Gazette, 31.03.1889, S. 451ff.). <?page no="143"?> II. Die Ordensstiftung und die zweite Phase der Reformpolitik 143 prozess in Gang gekommen, in dessen Zentrum die Frage stand, wie man sich Elemente fremder Kultur ane ignen konn te. Um davon genauere Vorstellunge n zu gewinnen, wird nun die Gestaltung der Ordensinsignien näher betrachtet, die von Anpassung nach außen und Indigenisierung geprägt wurde. 1.2 Die Ordensinsignien Gemäß Artikel 8 gehörten fünf Insignien zum Maha-Chakri-Hausorden: 418 das große oder Haupt-Ordenszeichen, Maha Chakri genannt, und das kleine mit Namen Chula Chakri; der Stern, der Chakri-Stern oder in Siamesisch Chakri dara; die Kette; das gelbe Band; die Tracht. Sie wurden den Insignien europäischer Hausorden nachempfunden. Das große Zeichen war an der Kette zu tragen, das kleine am Band über der linken Schulter. Den Stern heftete man an der linken Brustseite an. Das große Zeichen (Abb. 24 u. 25) wurde von der Maha-Mongkut-Krone überhöht. Es hatte die Form einer Scheibe mit acht spitzen Sägezähnen. Zwischen ihnen befanden sich acht weißemaillierte Dreizacke, die so genannten „Trisun“-Dreizacke [Sanskrit: trīśūl, die Waffe und zugleich das Attribut des Gottes „Isuan“ (Sanskrit: iśvara)]; „Chakri“-Scheibe und „Trisun“-Dreizack waren die wichtigsten Herrschaftssymbole der Chakri-Dynastie. Den Avers, also die Vorderseite des Zeichens, zierte ein brillantiertes „U-nalom“ 419 in Lotusblütenform, in Thai „Prathum U-nalom“ genannt, auf blauem Grund. Das symbolisierte den König. In Pali war um das „U-nalom“ herum das Motto des Ordens geschrieben: „Die Ehrerbietung an das Dreijuwel des Buddhismus, die Treue zum eigenen Staat, zur eigenen Familie und zum eigenen König ist der Antrieb für den Fortschritt des Landes.“ Das Zeichen war von einem grünemaillierten Kranz aus Eichenlaub eingefasst, einem neuen, aus Europa übernommenen Motiv. Am unteren Rand des Zeichens war ein Spruchband mit sieben Buchstaben angebracht. Dabei handelte es sich um die Abkürzung des Mottos des Chulachomklao-Familienordens: „Wir 418 Vgl. Abb. 23; die Statuten des Maha-Chakri-Hausordens, in: Sammelband des Gesetzes, Bd. X, S. 90f. 419 Dabei handelt es sich um das dritte Auge des Gottes „Isuan“ (Sanskrit: iśvara), das sich auf der Stirn zwischen den Augenbrauen befindet. Das Zeichen „Maha-U-nalom“ symbolisiert die Präsenz dieses Gottes, der wiederum mit dem siamesischen König identifiziert wurde. <?page no="144"?> 144 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns werden das Wohlergehen unserer Familien fördern.“ Überhöht wurde das Zeichen von der königlichen Krone, in deren Mitte die Initialen des Stifters zu lesen waren: „Ch P R“ (Chulalongkorn Parama Rājādhirāj, wörtlich übersetzt etwa „Chulalongkorn, der höchste Souverän der Souveräne“). Der Revers, also die Rückseite des Zeichens (Abb. 25), trug die Monogramme der vier früheren siamesischen Könige auf grünem Grund. Darum lief ein rotes Band mit der Angabe des Gründungstages der Dynastie: Jahr der Ziege, viertes Jahr des 10jährigen Zyklus, 1244 nach dem „Chulasakkarat“-Kalender. 420 Das kleine Ordenszeichen (Abb. 23), das am Schulterband zu tragen war, bestand aus der „Chakri“-Scheibe mit dem „Trisun“-Dreizack in der Mitte. Die Überhöhung zeigte die traditionelle Rüstung des Königs und symbolisierte ihn damit als militärischen Befehlshaber. Der Stern (Abb. 26) war von einem vielstrahligen, silbernen Flammenkranz umgeben. Darin befand sich in verkleinerter Form das Hauptzeichen mit zehn Sägezähnen. Die goldene Ordenskette (Abb. 23) setzte sich aus insgesamt 23 Gliedern zusammen. In zwölf waren „Chakri“-Scheibe und „Trisun“-Dreizack eingefügt, in weitere elf das „Prathum-U-nalom“-Zeichen, das zugleich als Trageglied fungierte. Das Band (Abb. 23) war einfarbig gelb gehalten und wies keinen Moiré- Effekt auf. Es wurde über der linken Schulter getragen. 420 Der Name ist ein Kompositum aus Pali und Sanskrit: „cula“ (Pali) + „śakarāja“ (Sanskrit), wörtlich “kleiner Kalender” abgeleitet. Der Chulasakkarat-Kalender entstand in Burma und verbreitet sich von dort aus in das gesamte kontinentale Südostasien, also auch nach Siam. Um die Jahreszahlen, die er nennt, in den Gregorianischen Kalender umzurechen, muss 638 hinzufügen. In diesem Fall ergibt sich aus 1244 + 638 1882. In Thailand waren noch drei weitere Kalender in Gebrauch: der große Kalender (Mahasakkarat), der buddhistische Kalender (Phuttasakkarat) sowie die Zeitrechnung der Bangkok-Periode (Rattanakosin sok) [Vgl. dazu Visudh Busyakul, Patithin lae sakkarat thi chai nai prathet Thai (Kalender und Zeitrechnung in Gebrauch in Thailand), in: JRITH, Bd. XXIX, Nr. 2, 2004, S. 468-478]. <?page no="145"?> II. Die Ordensstiftung und die zweite Phase der Reformpolitik 145 Abb. 24: Maha-Chakri- Ordenszeichen (Avers) Abb. 25: Maha-Chakri- Ordenszeichen (Revers) <?page no="146"?> 146 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Abb. 26: Der Stern des Maha Chakri (Chakri dara) Die Insignien für die weiblichen Mitglieder entsprachen denen für die Männer. Dabei waren die beiden Zeichen und der Stern etwas größer. Das Hauptzeichen wurde an Kette oder Schleife an der linken Brustseite getragen. Resümierend ist festzuhalten, dass strukturell betrachtet die Gestalt der Insignien des Maha-Chakridenen des Chulachomklao-Familienordens ähnelten. Äußerlich folgten sie europäischen Vorbildern, innerlich entwickelten sie jedoch eigene Ausdrucksformen. Alle Insignien wiesen zwei Herrschaftssymbole der Chakri-Dynastie auf, die „Chakri“-Scheibe und den „Trisun“-Dreizack. Im Vergleich zum Vorläufer waren sie schlichter gehalten. Auf unnötige Ausschmückungen hatte man verzichtet. Dennoch wirkten sie edel und würdig. Hervorzuheben ist zudem, dass Chulalongkorn mit Hilfe des bereits erwähnten Mottos, das er dem Orden gab, seine politischen Grundsätze verbreitete. Danach ruhte <?page no="147"?> II. Die Ordensstiftung und die zweite Phase der Reformpolitik 147 das siamesische Königreich auf vier Hauptsäulen, dem Buddhismus, 421 dem Staat, der Familie und dem König. 422 Neu war der Begriff „rath(a)“, der für „Staat“ stand. Name wie Gegenstand kannte das Thailändische bislang nicht. Das Konzept stammte aus dem Westen, 423 und dass Chulalongkorn das siamesische Königreich nun als „Staat“ im europäischen Sinn bezeichnete, spiegelte seine Entschlossenheit wider, die Modernisierungspolitik fortzusetzen, die er neun Jahre lang ruhen lassen musste. 424 Doch der Begriff „Staat“ war nicht die einzige europäisch inspirierte Innovation im Motto. Dass offiziell die Bedeutung von Buddhismus und Familie festgeschrieben und damit der Wert von Moral und Tradition für die siamesische Gesellschaft betont wurde, lässt ebenfalls eine Orientierung am Westen erkennen. Gleichzeitig bildete sich darin aber erneut auch die Achtung der eigenen Kultur ab. Im Motto des Ordens lassen sich also zentrale politische, soziale und kulturelle Prinzipien Chulalongkorns erkennen. Sie waren einerseits westlich, andererseits asiatisch-siamesisch orientiert. Chulalongkorn war der Auffassung, Siam könne nur durch Moral, Tugend, Pflichtbewusstsein und Treue des „Einzelnen“ gegenüber den vier Institutionen Buddhismus, Staat, Familie und König eine Zukunft haben. Einen derartigen Appell an die Ordensmitglieder und auch an das Volk zu individueller Pflichterfüllung, Treue und Identifizierung mit Staat und König kannte Siam bis dahin nicht. Chulalongkorn war zutiefst überzeugt, dass Siam nur durch innere Geschlossenheit Krisen überwinden und Kolonisationsgefahren abwehren konnte. Zwar war der Gedanke nicht neu, dass ohne Geschlossenheit die eigene Souveränität nicht bewahrt werden konnte, doch die westliche Methodik, das zu erreichen, muss als innovativ gelten. Die asiatisch-siamesische Staatslehre basierte auf anderen sozio-politischen Grunds- 421 Zum Zusammenhang zwischen Theravada-Buddismus und siamesischem Königtum siehe Yoneo Ishii, Sangha, State, and Society: Thai Buddhismus in History, aus dem Japanischen ins Engl. übers. v. Peter Hawkes, Honolulu 1986. 422 Chulalongkorns Sohn König Vajiravudh (Rama VI., reg. 1910-1925) erklärte diese Formulierung zum bis heute gültigen Motto des Landes: Nation, Religion und König („chat, satsana phra, maha kasat“), um ein entsprechendes Bewusstsein im Volk zu wecken und zu verankern. Allerdings reduzierte er die vier Institutionen auf drei. Die Familie fehlte. 423 Welche genauen Inhalte sich mit dem Begriff „Staat“ im Siam jener Zeit verbanden, ist noch nicht abschließend geklärt. Vermutlich wurde unter „Staat“ im Allgemeinen das moderne europäische Konzept verstanden, das Chulalongkorn ja auch als Vorbild für seine Reformen diente. In den 1880er Jahren wurde „Regierung“ mit „rachathippatai“ (Sanskrit: rājādhipatya, wörtlich: der König, das Oberhaupt des Landes) übersetzt. Gemeint war damit das Land, in dem der König als höchster Herrscher im Stil einer absoluten Monarchie regierte. Einige Jahre später wurde für „Regierung“ der Begriff „ratthaban“ (Sanskrit: rā '/ rapāla, wörtlich der Beschützer der Untertanen oder auch des Königreichs) geprägt. 424 Dieses Verständnis wurde später noch eindeutiger im siamesischen Staatswappen von 1889 ausgedrückt. Details dazu finden sich im nächsten Kapitel. <?page no="148"?> 148 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns ätzen, nämlich auf den bereits genannten vier Hauptsäulen Buddhismus, Staat, Familie und König. 425 Die Geschicke Siams wurden nun von einer neuen Generation von Persönlichkeiten bestimmt, die andere Wege in die Zukunft einschlagen und ein weiteres Kapitel in der Geschichte des Landes aufschlagen wollte. Dabei entwickelten sich neue politische Konstellationen. Die „Young Siam Society“ spaltete sich in zwei Richtungen, die zwar beide weiterhin eine Modernisierung des Landes anstrebten, aber mit Blick auf Geschwindigkeit und Umfang unterschiedliche Auffassungen vertraten, nämlich in eine radikale und weiterhin „junge“ und eine moderatere, die der König repräsentierte. 2. Bilanz Die Bedeutung des Maha-Chakri-Hausordens für die hier vorgelegte Darstellung lag im Austarieren siamesischer und westlicher Einflüsse. Das betraf sowohl die äußere Gestalt, also etwa den Aufbau des Statuts, die Form der Insignien oder die Struktur des Zeremoniells, als auch den inneren Gehalt, in den beispielsweise westliche ethische Normen eingingen. Gleichzeitig wurde aber auch die eigene kulturelle Identität selbstbewusst präsentiert. Ein Aneignungsprozess fand statt, in dem fremde Einflüsse sorgfältig betrachtet und in bestehende Gegebenheiten eingepasst wurden. Das zeigt sich etwa in den neuen phaleristischen Begriffen, die in das Thailändische eingingen. Der „Siamesierungsprozess“, der hier zu beobachten ist und der sich noch intensivieren sollte, wurde also durch behutsame Adaption einerseits und Bewahrung eigener Traditionen anderseits charakterisiert. Es handelte sich um transkulturelle Vorgänge, bei denen sich Importe und Impulse von außen so mit siamesischen Elementen verschränkten, dass Merkmale des Fremden nicht mehr wahrgenommen wurden. Die qualitativ neuen Formen der Aneignung, die bei der Stiftung des Maha- Chakri-Ordens zu beobachten sind, finden sich in der Innenwie in der Außenpolitik Chulalongkorns wieder. Man muss darin das Ergebnis eines längeren Lernprozesses sehen. Der inzwischen 29-jährige König war an zwei innenpolitischen Krisen gewachsen. Daraus erklärt sich der Wert der Eintracht, wie ihn das Motto des Ordens proklamierte. Doch die Betonung der inneren Geschlossenheit ebenso wie die intensive Annahme des westlichen Habitus waren andererseits auch Reaktion auf neue koloniale Bedrohungen. Sie zielten darauf ab, An- 425 Zum Verhältnis zwischen König, Staat und Buddhismus siehe Yoneo Ishii, Sangha, State, and Society. Chulalongkorn hatten diese grundlegenden Probleme schon lange beschäftigt. Schon zu Beginn der 1880er Jahre erörterte er in der Korrespondenz mit engen Vertrauten, wie die Bevölkerung für politische Fragen interessiert und zur Identifizierung mit dem Staat bewogen werden könne. <?page no="149"?> II. Die Ordensstiftung und die zweite Phase der Reformpolitik 149 erkennung von außen zu erreichen. Das waren die gleichen Motive und Strategien, d ie Köni g Mo ngkut be wogen h atten , den W ei ßen El efanten a ls Ha uptsymbol für seine Orden zu wählen und mit dem Flaggenmast auf dem Rücken zu überhöhen oder bei den Verhandlungen mit James Brooke 1850 das westliche diplomatische Protokoll zu übernehmen. Diese Vorgehensweisen aus zwei verschiedenen Zeiten unterstreichen, dass Siam bei der Abwehr politischer Krisen stets auf das Instrument der Diplomatie setzte, getreu dem Prinzip Mongkuts: “to swim upriver to make friend with crocodile“. Mit der Stiftung des Maha-Chakri-Ordens war ein neues Stadium der hybriden, d.h. westlichen und indigenen Traditionen verschmelzenden Entwicklung erreicht: Übernahmen und Einpassungen betrafen stärker, als es bis dahin der Fall gewesen war, auch die innere Substanz des Ordenswesens. Die Mischung, die sich aus Adaptiertem und Bestehendem ergab, hatte zudem funktional einen siamesischen Anstrich, weil sie der Selbstbehauptung des Landes diente und weil sie Chulalongkorn half, seine Ideen einer Regierungsreform zu verwirklichen. Davon wird im nächsten Abschnitt noch detaillierter die Rede sein. Außenbeziehungen und Binnenentwicklungen waren über das Instrument der symbolischen Politik miteinander verbunden. Selektive Rezeption paarte sich mit kreativer Aneignung. Der Maha-Chakri-Orden war der letzte, den Chulalongkorn stiftete. Er repräsentierte das siamesische Königshaus und konnte als freundschaftliche Geste auch an fremde Souveräne und deren Angehörige verliehen werden. Seine Gestalt war elaboriert, und sie diente nun als Muster für die Optimierung der älteren Orden, wie im nächsten Abschnitt dargelegt wird. Ob und inwieweit Maha- Chakri-Haus- und Weißer-Elefanten-Verdienstorden die außenpolitischen Zwecke erfüllten, die ihnen zugedacht waren, nämlich als „Eintrittskarte“ in den europäischen Klub der Souveräne zu dienen, ist Gegenstand der Ausführungen von Kapitel D. <?page no="150"?> 150 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns III. Die Weiterentwicklung der siamesischen Orden (1883-1893) In den vorangegangenen Abschnitten dieser Untersuchung konnte gezeigt werden, dass es durch die Stiftung neuer Orden gelang, Defizite und Unvollkommenheiten im siamesischen Auszeichnungswesen zu beheben. Der Maha- Chakri-Hausorden war allerdings der letzte, den Chulalongkorn im Laufe seiner Herrschaft stiftete, die bis 1910 währte. Die Innovationen jedoch, die diesem Orden einen „Qualitätssprung“ gegeben hatten, wurden nun verwendet, um auch die vier älteren zu optimieren. Dabei folgte Chulalongkorn dem etablierten Muster: die Auszeichnungen entwickelten sich in gegenläufige Richtungen. Zu einer Anpassung an westliche Gepflogenheiten einerseits trat eine Rückbesinnung auf eigene Traditionen andererseits. Während sich die innenpolitische Lage zu Gunsten Chulalongkorns entspannte, gestaltete sich die koloniale Situation zunehmend kritisch und wurde zu einer ernsthaften Gefahr für Siam. Chulalongkorn reagierte darauf, indem er seine Reformpolitik intensivierte. Parallel dazu entwickelte sich das siamesische Ordenswesen stetig weiter. In den 28 Regierungsjahren, die ihm noch verblieben, änderte der König 14 Mal die verschiedenen Statuten. Durchschnittlich geschah dies also alle zwei Jahre. Da die Ausgestaltung des Ordenswesens unmittelbar mit der der Reformpolitik verbunden war, wird es im Folgenden in zwei Zeitabschnitten behandelt: in einem ersten zwischen 1882 und 1893 wurden fünf Erweiterungsgesetze erlassen, in einem zweiten, der von 1894 bis 1910 währte, neun weitere. 1893 wurde als Zäsur gewählt, weil dieses Jahr für Siam innenwie außenpolitisch von großer Bedeutung war. Zum einen jährte sich zum 25. Mal die Thronbesteigung Chulalongkorns. 426 Ein Jahr zuvor, am 1. April 1892, hatte der König zwölf Ministerien geschaffen 427 und damit den wichtigsten Schritt zur Modernisierung des Staatsapparats getan. Ein großer Teil seiner Reformpolitik war damit abgeschlossen. In der Innenpolitik spielte Chulalongkorn eine noch wichtigere Rolle als 25 Jahre zuvor. Er war nicht nur König, sondern gleichzeitig auch Staatsoberhaupt und Regierungschef der modernisierten siamesischen Monarchie. Mit prächtigen Feierlichkeiten wollte er die Legitimität seiner Herrschaft endgültig und in aller Deutlichkeit dokumentieren. Als Ordensherr nahm er sich deshalb vor, das siamesische Auszeichnungswesen als wichtiges Symbol und Instrument seiner Macht auf einen neuen Stand zu bringen. Er ordnete deshalb an, alle fünf Ordensstatuten grundlegend zu revidieren. In neuer Fassung wurden sie alle wäh- 426 Sie fand am 1. Oktober 1868 statt. 427 The Royal Gazette, 24.04.1892, S. 25ff. <?page no="151"?> III. Die Weiterentwicklung der siamesischen Orden (1883-1893) 151 rend der Jubiläumsfeier verkündet und in Kraft gesetzt. Damit erreichte das O rd en s we se n S ia m s de n Hö h ep unkt seiner E ntwick lung. Ein wichtig es Ka pitel in der Transformation des Landes war abgeschlossen. 1893 war zudem ein Jahr, in dem die Diplomatie Siams eine schmerzhafte Niederlage hinnehmen musste. Am 14. Juli 1893 durchbrachen drei französische Schiffe - der Dampfer „Jean Baptiste Say“, der Aviso „Inconstant“ und das Kanonenboot „Comète“ - ohne Ankündigung die Blockade an der Mündung des Chao Phraya. Dabei beriefen sie sich auf eine Klausel in den ungleichen Verträgen. Die siamesische Küstenwache reagierte jedoch und versenkte die „Jean Baptiste Say“. Auf französischer Seite waren drei Tote und zwei Verwundete zu beklagen, auf thailändischer zwölf Tote und zwölf Verwundete. Die beiden anderen französischen Schiffe fuhren stromaufwärts bis Bangkok, wo sie vor Anker gingen. Dieses Ereignis ging in die thailändischen Geschichtsbücher als Paknam-Zwischenfall ein. Der französische Generalkonsul Auguste Pavie stellte der siamesischen Regierung ein Ultimatum: Für alle Schäden, die bei diesem Zwischenfall entstanden waren, musste Siam drei Millionen Francs zahlen und das gesamte Gebiet um den östlichen Teil des Mekong an Frankreich abtreten. Sollte Siam diesen Forderungen nicht nachkommen, drohte Pavie damit, die französische Legation in Bangkok zu schließen und das Personal nach Paris zurückzubeordern. Nach den üblichen diplomatischen Gepflogenheiten wäre das einer Kriegserklärung gleichgekommen. Siam versuchte zu verhandeln, musste aber am 3. Oktober 1893 nachgeben und die Forderungen erfüllen. 428 Die Geschichte des Landes war an einem Tiefpunkt angekommen. Siam wusste seit langem, dass Frankreich eine aggressive Kolonialpolitik verfolgte. Ihr wollte man mit zwei Strategien begegnen, mit der Reformpolitik und mit der Diplomatie. Das war nicht ohne Erfolg, denn Chulalongkorn konnte nicht nur sein Modernisierungsprogramm erfolgreich abschließen, sondern mit Hilfe von Diplomatie und symbolischer Politik auch über die Kontakte zu Deutschland und England hinaus gezielt freundschaftliche Beziehungen zu weiteren europäischen Monarchen aufbauen, zu den Königen von Italien und Dänemark vor allem oder zum Zaren von Russland. 429 Im Verhältnis zu Frankreich allerdings stieß diese Art von Politik an ihre Grenzen. In der ersten Phase der Weiterentwicklung des siamesischen Ordenswesens modifizierte Chulalongkorn fünf Mal die einschlägigen Statuten. Am wichtigsten sind dabei die Erlasse von 1889 und 1893, weil sie unmittelbar mit der Verwaltungsreform zusammenhingen. Bevor dies im Detail geschildert wird, ist zunächst zum besseren Verständnis der innenpolitische Kontext zu skizzieren. 428 Die Streitigkeiten über den nicht genau definierten Grenzverlauf in der Nordost-Region zwischen dem heutigen Laos und Nordvietnam waren schon in den 1880er Jahren aufgeflammt (Siehe dazu oben in dieser Arbeit S. 132f.). 429 Im nächsten Kapitel dieser Arbeit wird davon ausführlich die Rede sein. <?page no="152"?> 152 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns 1. Die Petition vom 08.01.1885 Dass besonders von den französischen kolonialen Ambitionen eine Gefahr ausging, war Siam bewusst. Die Regierung verfolgte aufmerksam die telegraphischen Nachrichten, in Siam wie in Europa. Prinz Prisdang, Gesandter in Paris, informierte seine Regierung ständig über neue politische Entwicklungen in Paris und in London. Angesichts der bedrohlichen Situation fanden sich die unterschiedlichen Fraktionen in Siam zusammen, um gemeinsam über mögliche Verteidigungsstrategien zu beraten. Dazu war es auch bei der Brooke-Mission 1850 gekommen, wo allerdings keine Einigung erzielt werden konnte und das Land beinahe zerbrochen wäre. Im Phra-Pricha-Fall 1879 dagegen waren die Differenzen überwunden worden, und man hatte sich gemeinsam gegen die Intervention von außen gestellt. Chulalongkorn und die „Young-Siam“-Fraktion waren zudem davon überzeugt, dass in der Modernisierung des Landes nach dem westlichen Vorbild ein wesentlicher Schlüssel zur politischen Selbstbehauptung lag. Uneinigkeit bestand allerdings in der Frage, ob diese Transformation moderat oder eher radikal geschehen sollte. Hier konnte keine gemeinsame Linie gefunden werden. Am 8. Januar 1885 überreichten die Prinzenbrüder und Beamten, die fast alle zum siamesischen diplomatischen Korps in Europa gehörten, dem König eine Petition. 430 Man kann davon ausgehen, dass der Hauptverfasser Prisdang war, der Botschafter in Paris. 431 Seit seiner Akkreditierung 1883 hatte er ständig und intensiv mit dem König über neue Entwicklungen in Europa im Allgemeinen und über die französischen kolonialen Ambitionen im Besonderen korrespondiert. 432 Das bewog Chulalongkorn, Prisdang zu bitten, offen sowohl die Defizite Siams zu benennen als auch Lösungsvorschläge zu machen. Ergebnis war jedoch kein vertraulicher Bericht, sondern diese Petition, die dem König sehr missfiel. Trotz seiner Neigung zu Reformen sah Chulalongkorn darin einen rebellischen Akt, und er berief das gesamte siamesische diplomatische Korps in Europa umgehend zurück nach Bangkok. 430 Der Text der Petition wurde in Thailand erst 1967 veröffentlicht. The Fine Arts Department (Hrsg.), Chaonai lae kharatchakan krapbangkhom thun khwamhen chat kanplianplaeng ratchakan phaendin r. s. 103 [Die Prinzen und Beamten suchten seine Majestät auf, um ihre Meinungen über die Verwaltungsreform 1885 (in schriftlicher Form) einzureichen.], in: Kremationsbuch des Phra Anurakbhubes (Tem Bunyarataphadhu) vom 10. Februar 1970, Bangkok ( 1 1967) 2 1970. 431 Prisdang bestätigte das sogar selber (Nigel Brailey, Two Views of Siam on the Eve of the Chakri Reformation, Whiting Bay 1989, S. 70f.). 432 Siehe hierzu Pramuan chotmai khong phraworawongthoe phra-ongchao prisadang ratchathut ongraek khong thai pracham thawip yurop (Sämtliche Korrespondenz von Prinz Prisdang, dem ersten königlichen Thai-Gesandten in Europa), hrsg. v. M. L. Manich Jumsai, Bangkok 1991. <?page no="153"?> III. Die Weiterentwicklung der siamesischen Orden (1883-1893) 153 Trotzdem spielte die Petition eine wichtige Rolle in der zweiten Phase der Modern isierung Siams. Au s ei ner Au ßenperspektive s childer te sie alle Mängel, unter denen das Land litt, erörterte geeignete und weniger geeignete Wege, um sie zu beheben, und schlug Lösungen vor. Obwohl er sich empört zeigte, berücksichtigte Chulalongkorn die Gedanken der Petition in seinem Reformprogramm, wie weiter unten gezeigt wird. Schon im ersten Teil der Petition findet sich dieses klare Statement: „Sollte Siam weiterhin in diesem rückständigen Zustand verharren, ist zu befürchten, dass das Land doch in naher Zukunft von Frankreich als Kolonie annektiert wird. Es gibt nur einen einzigen Weg aus dieser desolaten Situation, nämlich eine umfassende Modernisierung, und zwar mit Entschlossenheit seiner Majestät. Dieser Weg hat sich in Japan als richtig erwiesen.“ 433 Weiter hieß es, Siam habe zwar gesellschaftliche, kulturelle und technologische Neuerungen aus dem Westen übernommen - die Petition führte hier die Abschaffung der Sklaverei, die Modernisierung des diplomatischen Zeremoniells, den Austausch von Gesandten, die Einführung von Uniformen und westlicher Kleidung sowie die Einrichtung von Post und Telegraphie auf - und auch die ungleichen Verträge und damit eine informelle koloniale Kontrolle akzeptiert. Nach Ansicht der Prinzen handelte es sich dabei aber lediglich um Symbolik, die darauf abzielte, von der westlichen Staatengemeinschaft als ein moderner Staat anerkannt zu werden. Eine solche oberflächliche Annahme jedoch, so meinten die Verfasser, könne die koloniale Bedrohung nicht abwenden und wäre kein ausreichender Schutz gegen einen Angriff westlicher Mächte. China sei ein gutes Beispiel dafür. 434 Danach kamen die Verfasser auf die heterogene und disparate Situation im Land zu sprechen. Nach ihrer Darstellung hatte das Land in allen Bereichen Fortschritte gemacht. So verweisen sie darauf, um nur einige Beispiele zu nennen, dass Bangkok gewachsen war. Zur einheimischen Bevölkerung kamen ausländische Diplomaten und Kaufleute. Auch die Volumen von Innen- und Außenhandel hatten zugenommen. Dadurch vermehrten sich auch die Aufgaben, die Verwaltung und Justiz zu bewältigen hatten. Der König, so folgerte die Petition aus dieser Zustandsbeschreibung, sei nicht mehr in der Lage, allein die Verantwortung für das ganze Land zu tragen. Damit wollten die Verfasser andeuten, dass das traditionelle siamesische Verwaltungssystem, das von oben nach unten funktionierte, nicht mehr zeitgemäß war. Sie plädierten für eine Reform nach europäischem Vorbild, in dem, so waren sie überzeugt, Entscheidungsprozesse von unten nach oben verliefen. Der König möge daher ein Parlament einrichten 433 Die Prinzen und Beamten, S. 2. 434 Die Prinzen und Beamten, S. 15ff. <?page no="154"?> 154 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns und politische Parteien zulassen. Parlamentarische Beschlüsse könnten den König bei seiner administrativen Arbeit entlasten. Nach diesen langen Vorüberlegungen kamen die Verfasser zu ihrem Hauptanliegen: „Es ist daher nun dringend notwendig und erforderlich, Siam umfassend zu reformieren. Vor allem möge Seine Majestät die Staatsform der konstitutionellen Monarchie nach britischem Vorbild annehmen.“ 435 Das sorge nicht nur für Stabilität im Inneren, sondern auch für Akzeptanz und Anerkennung durch den Westen. Mit einer solchen Reform löse Siam eine Eintrittskarte in den Klub der internationalen Staatengemeinschaft. Abschließend schlugen die Autoren der Petition verschiedene konkrete Maßnahmen vor, um das Land im Inneren zu reformieren: „Seine Majestät möge den Kronprinzen als Thronfolger ernennen, dies würde für Stabilität im Inneren sorgen. Außerdem möge Seine Majestät die staatliche Administration, das Beamtenwesen und das Justizsystem nach europäischem Vorbild erneuern. […] Die Orden beispielsweise sollen nur für diejenigen bestimmt sein, die wirklich Verdienste geleistet haben. Nicht nur die Bestechung müsse beseitigt werden, auch das rechtliche Gleichheitsprinzip für die Bevölkerung sowie die Meinungsfreiheit in der Presse sollten garantiert werden. Eine solche Transformation würde Siam in die Lage versetzen, dem Westen auf Augenhöhe entgegenzutreten.“ 436 Der König wurde deshalb aufgefordert, diese Reformpolitik entschlossen gegen den Widerstand der Konservativen, also der alten Minister, durchzusetzen. Um Chulalongkorn einen besseren Einblick in die Defizite des Landes zu geben und seinen Blick für die kolonialen Gefahren zu schärfen, rieten ihm die Prinzenbrüder zu einer Europareise und unterbreiteten ihm ein ausführliches und umfassendes Besuchsprogramm. 437 Die Petition zeigt, dass sich die Ziele der „Young-Siam“-Fraktion nicht grundsätzlich von denen des Königs unterschieden. Beide strebten nach Selbstbehauptung gegenüber Zugriffen von außen. Die Autoren der Petition waren zudem exakt jene Prinzenbrüder und Beamten, die Chulalongkorn seit den 1870er Jahren zum Studium ins Ausland geschickt hatte, zunächst nach Singapur, später nach Europa. Sie waren die dritte Generation siamesischer Reformer, die eine systematische westliche Ausbildung genossen und die Errungenschaften der europäischen Moderne aus eigener Anschauung kennen gelernt hatte. 435 Die Prinzen und Beamten, S. 23. 436 Die Prinzen und Beamten, S. 24. 437 Chaonai thunklao thawai khwamhen phueachoen sadetprapat yurop (Die Prinzen unterbreiten dem König ihre Empfehlungen zur Europareise), hrsg. v. Wudhichai Mulasil, in: JHS, XXXI 2552 (2009), S. 148-208. <?page no="155"?> III. Die Weiterentwicklung der siamesischen Orden (1883-1893) 155 Am 29. April 1885 nahm Chulalongkorn schriftlich Stellung zur Petition. 438 Er zeigte sich zunächst erfreut darüber, dass sich die Prinzenbrüder und die Beamten ein genaues Bild von den Verhältnissen in Europa gemacht, daraus Schlüsse für die Situation Siams gezogen und in der Petition Verbesserungsvorschläge für den Schutz des Landes formuliert hatten. Tatsächlich aber, so führte er weiter aus, seien ihm die geschilderten Probleme und Defizite nicht neu. Er habe sich stets bemüht, diese zu beheben, selbst als er noch eine „Marionette“ in den Händen Mächtigerer war. 439 In den 18 Jahren seiner bisherigen Herrschaft sei er stets bestrebt gewesen, das Land gegen die Angriffe von außen zu verteidigen. Dass er sich regelmäßig ein präzises Bild der aktuellen Nachrichtenlage verschafft habe, mache dies deutlich. Er habe deshalb immer versucht, das Land zu reformieren. Doch diese Bemühungen hätten Krisen im Land ausgelöst. Er müsse zur Kenntnis nehmen, dass die Maßnahmen zur Modernisierung des Landes für manche ökonomische Nachteile mit sich gebracht hätten. 440 Wer damals mit ihm gekämpft habe, wisse, wie schwierig die Situation gewesen sei. Man könne ihm weder vorwerfen, eingebildet wie eine Kröte in einer Kokosnussschale zu sitzen, noch wankelmütig zu sein. 441 In Chulalongkorns Erwiderung folgte dann eine Analyse der politischen Machtstrukturen Siams. Bei seiner Beschreibung orientierte sich der König an dem europäischen staatsrechtlichen Prinzip von der Teilung der Gewalten in Exekutive, Legislative und Judikative. Er führte aus, dass zu Beginn seiner Herrschaft der Ex-Regent und die alten Minister Exekutive und Judikative ausgeübt hatten und sie nach Ende ihrer Regentschaft 1873 nicht abgeben wollten. Sie stellten die Mehrheit in der Regierung, während Chulalongkorn und die Vertreter der „Young-Siam“-Fraktion die Rolle der Opposition wahrnahmen. In dieser Situation hatte der König keine andere Wahl, als die Legislative zu nutzen, um seine Autorität durchzusetzen. Erst seit zwei Jahren war er in der Lage, auch die exekutive Gewalt auszuüben. 442 Seitdem war seine Belastung durch Regierungsgeschäfte so sehr angewachsen, dass er nicht mehr in der Lage war, die nötigen 438 König Chulalongkorn, Phraratchadamrat songtob khwamhen khongphuchahai plianplaengganpokkhrong ch. s. 1247 (Die Erwiderung des Königs 1885 an diejenigen, die die Staatsform ändern wollten), hrsg. v. The Fine Arts Department, in: Kremationsbuch des Phra Anurakbhubes (Tem Bunyarataphadhu) vom 10. Februar 1970, Bangkok ( 1 1967) 2 1970, S. 57-64. 439 Damit meinte er die Zeit der Regentschaft (1868-1873) (Vgl. dazu oben in dieser Arbeit S. 84f.). 440 Hier bezog sich Chulalongkorn auf die Frontpalace-Krise 1874 und den Phra-Pricha-Fall 1879 (Näheres dazu oben in dieser Arbeit). 441 Das Bild von einer Kröte oder einem Frosch in einer Kokosnussschale stammt aus einem thailändischen Sprichwort und bedeutet Dünkel und Leichtgläubigkeit. Chulalongkorn griff auf diese Metaphern allerdings selber zurück, in der Petition kamen sie nicht vor. 442 Also nach dem Tod des Ex-Regenten am 19.01.1883. <?page no="156"?> 156 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Gesetze auf den Weg zu bringen, um die Modernisierung voranzutreiben. 443 Für das Hauptproblem dabei hielt Chulalongkorn den Mangel an qualifiziertem Personal, das seine Aufträge hätte ausführen können. Im Gegensatz zum britischen Premierminister musste er die gesamte bürokratische Arbeit in allen ministeriellen Abteilungen selbst erledigen. Das schränkte seine Handlungsspielräume außerordentlich ein. 444 Grundsätzlich, so führte Chulalongkorn in seiner Erwiderung auf die Petition weiter aus, standen traditionelle siamesische Verhaltensmuster der Etablierung eines lebensfähigen parlamentarischen Systems entgegen. Thailand kannte keine politische Streitkultur, und dass eine Opposition das Handeln der Regierung kontrollieren sollte, war schwer verständlich. So wurde beispielsweise in Kabinettssitzungen nur wenig gesprochen. Die alten Minister waren überhaupt selten anwesend, und wenn sie erschienen, schwiegen sie. Damit wahrten sie ihrer Ansicht nach ihre Würde und ihre Autorität. Sprachen andere, fühlten sie sich beleidigt, weil sie schon allein darin eine Kritik an ihrer Stellung sahen. Die Folge war, dass sich auch die jüngeren Mitglieder des Kabinetts nur selten äußerten, wollten sie doch die älteren nicht kränken. 445 Eine Lösung dieses Problems wäre es gewesen, alle alten Minister zu entlassen. Das hätte jedoch eine erneute innenpolitische Krise mit kaum absehbaren Konsequenzen ausgelöst. 446 Chulalongkorn steckte also in einer Zwickmühle. Seine Situation wurde zudem durch eine weiter etablierte Verhaltensweise belastet. Dass in den Kabinettssitzungen wenig gesprochen wurde, hatte auch mit der mangelnden Bereitschaft zu tun, Verantwortung zu übernehmen. Keine Fraktion wollte sich klar positionieren und deutlich ihre Meinung vertreten. Vielmehr überließen sie dem König das letzte Wort. Er musste die Kabinettsbeschlüsse verantworten. Außerhalb der Sitzungen wurde dagegen lebhaft diskutiert, und viele, die dem Gremium eigentlich angehörten, wussten nun auf einmal besser, welche Entscheidungen zu treffen gewesen wären. Am Schluss seiner Erwiderung machte Chulalongkorn deutlich, dass aus seiner Sicht zwei Aufgaben dringend in Angriff zu nehmen waren. Die eine war die Reform von Regierung und Verwaltung, die andere die Modernisierung der Gesetzgebung. Die Verfasser der Petition lud er ausdrücklich ein, mit ihm gemeinsam daran zu arbeiten. 447 Seine Replik macht aber auch deutlich, dass er als Staatsoberhaupt bei der Reformpolitik andere Prioritäten setzen musste. Er hielt die innere Geschlossenheit des Landes für eine unerlässliche Voraussetzung im Kampf gegen die Expansion der Kolonialmächte. Um das Land nicht zu schwä- 443 Dies bezieht sich auf die Zeit nach dem Phra-Pricha-Fall 1879. 444 König Chulalongkorn, Die Erwiderung des Königs, S. 61. 445 König Chulalongkorn, Die Erwiderung des Königs, S. 62. 446 König Chulalongkorn, Die Erwiderung des Königs, S. 62. 447 König Chulalongkorn, Die Erwiderung des Königs, S. 63f. <?page no="157"?> III. Die Weiterentwicklung der siamesischen Orden (1883-1893) 157 chen und keine Angriffsflächen zu bieten, trat Chulalongkorn für einen moderaten Weg e in . Di e Pet iti on z ei gt ex empl aris ch d ie Di ff er e nz en zwi sc hen der zw eiten und dritten „Young-Siam“-Generation. Im Kern ging es dabei um die Frage, in welchem Ausmaß und wie intensiv sich das Land neue Errungenschaften aus dem Westen aneignen sollte. Die Auseinandersetzungen darüber nahmen zu, je mehr Angehörige der neuen Generation von Reformern, die in Europa studiert hatte, Posten in der Regierung übernahmen. 448 Drei Monate nachdem er sein Antwortschreiben verfasst hatte, tat Chulalongkorn den ersten Schritt in der Reformpolitik. Am 12. Juni 1885 ernannte er Prinz Devawongse zum Außenminister, einen seiner Brüder, dem er besonders vertraute. Schon kurz zuvor, am 1. Mai, hatte Chaophraya Bhanuwongse sein Rücktrittsgesuch eingereicht. 449 Das Auswärtige Amt wurde zum ersten Experimentierfeld für eine Modernisierung in der staatlichen Verwaltung. 450 Das königliche Sekretariat war bereits nach westlichen Prinzipien neu organisiert worden, und eine solche Struktur erhielt nun auch das Außenministerium. Ein zentrales Büro wurde eingerichtet. Die dort beschäftigten Beamten erhielten ein Gehalt und hatten von 10.00 bis 16.00 Uhr Dienst zu tun. 451 Für amtliche Schreiben war Papier in westlichem Format zu verwenden, für die Datierung wurde der gregorianische Kalender maßgeblich. Ablage und Archivierung folgten ebenfalls europäischen Standards. Das gleiche galt für diplomatische Schriftstücke, etwa für Akkreditierungsurkunden. Am 28. August 1886 verstarb Vizekönig Wichaichan, und das Amt wurde nicht wieder besetzt, sondern am 5. Oktober abgeschafft. 452 Zum ersten Kronprinzen Siams nach europäischem Vorbild machte Chulalongkorn am 14. Januar 1887 Prinz Chaofa Maha Vajirunahis. 453 Damit kam er einer zentralen Forderung der Petition nach. Um auch bei der Reform der anderen Ministerien voranzukommen, sandte Chulalongkorn 1887 Außenminister Devawongse in den Westen. Im Mittelpunkt dieser Reise stand die diplomatische Mission. Devawongse repräsentierte Chulalongkorn offiziell beim Goldenen Thronjubiläum Queen Victorias in London. Zu seinen Aufgaben gehörte es außerdem, Queen Victoria und Kaiser 448 Im Laufe der Zeit musste Chulalongkorn seine Beamten immer häufiger ermahnen, nicht zu vorschnell Lösungen für interne Probleme vorzuschlagen, die komplex waren und seiner Ansicht nach nur behutsam angegangen werden konnten. 449 Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Chaophraya Bhanuwongse, Bd. I, Bangkok 1979, S. 33. 450 Wimonphan Pitathawatchai, Somdet phrachao borommawongthoe kromphraya Devawongse Varoprakarn (Die Biografie von Prinz Devawongse Varoprakarn), Bd. I, Bangkok 2004, S. 157ff. 451 Das Außenwurde neben dem Verteidigungsministerium gegenüber dem Königspalast errichtet. Der repräsentative Bau wurde kürzlich restauriert und erstrahlt nun wieder in altem Glanz. 452 The Royal Gazette, 06.09.1886, S. 332. 453 The Royal Gazette, 23.01.1887, S. 356ff. <?page no="158"?> 158 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Wilhelm I. den Maha-Chakri-Hausorden zu überbringen. Gleichzeitig sollte er sich ein genaues Bild von der ministeriellen Verwaltung in Europa und den USA machen und dem König darüber detailliert Bericht erstatten. 454 2. Die Errichtung von zwölf Ministerien am 08.03.1888 Am 8. März 1888, vier Monate nach der Rückkehr der Devawongse-Mission, erschien Chulalongkorns Erklärung zur Reform der staatlichen Verwaltung: Zwölf Ministerien - auf Thai Krom genannt - entstanden, zu denen auch die sechs bislang existierenden gehörten. Alle erhielten eine völlig neue Organisationsstruktur. 455 Die Erklärung gilt als eines der wichtigsten Dokumente der Herrschaft Chulalongkorns, das zur Frage der Rezeption europäischer Einflüsse ausführlich Stellung nimmt. Der Verfasser skizzierte darin anschaulich die traditionelle siamesische Verwaltung und erläuterte die Probleme, mit denen sie im Zeitalter der Europäischen Dominanz konfrontiert war. Er hielt die Ministerien für zu groß und charakterisierte ihre Arbeitsweise als intransparent und deshalb ineffizient. Ihre Verantwortungsbereiche waren zu vielfältig und unüberschaubar. Die einzelnen Minister mussten sich nicht nur um die zentralen administrativen Aufgaben ihres Ressorts kümmern, sie waren auch mit steuerlichen Fragen befasst und besaßen Zuständigkeiten in der Rechtsprechung. Zudem waren die Zuschnitte der Ministerien nicht klar definiert, Verantwortlichkeiten nicht eindeutig festgelegt, und überdies fehlte es an Kooperationsbereitschaft. Traten Probleme auf, neigte jedes Ministerium dazu, die Schuld auf ein anderes abzuwälzen. Eine solche Verwaltungsstruktur war nicht mehr zeitgemäß und musste von Grund auf umgestaltet werden. Von nun an hatte sich jedes Ministerium nur noch um eine Kernaufgabe zu kümmern. Krommatha („Hafenministerium“) und Außenministerium waren für Fragen der Auslandsbeziehungen zuständig. Die Aufgaben im Bereich von Verwaltung, Militärwesen, Steuererhebung und Gerichtsbarkeit in den Hafenstädten wurden von Innen-, Verteidigungs-, Finanz- und Justizministerium übernommen. 456 Anstatt selbst für ihre Finanzierung zu sorgen, erhielt jedes Ressort nun einen jährlichen Etat. Minister und Beamte wurden besoldet. Zu jedem Ministerium gehörte ein Zentralbüro, in dem feste Arbeitszeiten herrschten, errichtet nach dem europäischen modernen Verwaltungssystem. Alle zwölf Ressorts waren gleichrangig und ordneten sich dem König als Regierungschef unter. 454 Ob er das getan hat, ist unklar. Ein entsprechender Bericht konnte jedenfalls bislang nicht gefunden werden. 455 König Chulalongkorn, Die Ankündigung und Erklärung, S. 56ff. 456 König Chulalongkorn, Die Ankündigung und Erklärung, S. 61. Zu den Überschneidungen in den Zuständigkeitsbereichen der Ministerien siehe oben S. 76f. <?page no="159"?> III. Die Weiterentwicklung der siamesischen Orden (1883-1893) 159 Was im Land geschah, musste von nun an gesetzlich geregelt werden. 457 Transparenz, Effizienz und Arbeitsteilung gemäß den einzelnen ministeriellen Zuständigkeiten sollten das Land voranbringen und für Ruhe und Ordnung sorgen. Ein erster Schritt in Richtung Transparenz wurde mit der Ernennung des Kronprinzen am 14. Januar 1887 gemacht. Bis dahin war es bewusst vermieden worden, die Thronfolge eindeutig zu regeln. Das sollte nicht zuletzt Usurpationen ermöglichen. 458 Chulalongkorn ließ zudem auch seine eigenen Befugnisse gesetzlich regeln. 459 Bei allen diesen Reformmaßnahmen standen europäische Vorbilder Pate. Doch wird bei genauerer Betrachtung auch deutlich, dass die Transformation des Staatswesens ähnlich verlief wie die Gestaltung des Maha-Chakri- Hausordens. Vor allem in der Form kam es zu Anpassungen, die äußeren Einflüssen geschuldet waren. Doch auch die innere Struktur veränderte sich durch Neuerungen wie klare Trennung von Zuständigkeiten, feste Etats oder Beamtenbesoldung. Im Kern wurde sie aber weiterhin entscheidend von siamesischen Traditionen bestimmt. So bestand weiterhin ein Machtgefälle von oben nach unten, wie es auch zuvor üblich war. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass der König weiterhin sämtliche Minister selbst ernennen konnte und dafür überwiegend seine prinzlichen Brüder wählte. 460 Die moderate Reformpolitik Chulalongkorns, die er mehrere Jahre umsetzte, stieß auf keinerlei Widerstand, sondern sorgte im Gegenteil für Ruhe und Ordnung im Lande. Damit instrumentalisierte er erfolgreich europäische Verwaltungsreformen. Am 16. Juni 1888 fand die erste Sitzung der zwölf Minister mit dem König als Vorsitzendem statt. 461 Im weiteren Verlaufe des Jahres leitete Chulalongkorn weitere Reformen in die Wege, in anderen Bereichen der Verwaltung ebenso wie im Gesundheits- und Bildungswesen und selbst ganz allgemein im öffentlichen Leben. So wurde am 9. November 1888 ein Landwirtschaftsministerium ins Leben gerufen. 462 Auch das Büro des königlichen Sekretariats erhielt moderne Strukturen. Telefonanschlüsse stellten eine direkte Verbindung mit allen Ministern sicher. Das Büro war von 10 bis 16 Uhr geöffnet, lediglich unterbrochen 457 König Chulalongkorn, Die Ankündigung und Erklärung, S. 61. 458 König Chulalongkorn, Die Ankündigung und Erklärung, S. 61. 459 König Chulalongkorn, Die Ankündigung und Erklärung, S. 62. 460 Unverändert blieben lediglich die zwei wichtigsten und einflussreichsten Ministerien, Mahatthai und Kalahom. Sie waren weiterhin für die Verwaltung der nördlichen und südlichen Teile des Landes zuständig. Erst 1894 wurden sie zu Innen- und Verteidigungsministerium umgestaltet. Dass das so lange dauerte, hatte aber auch mit dem Alter der Brüder Chulalongkorns zu tun, die er zu Ministern ernannt hatte. Sie waren zwischen 20 und 30 Jahren alt und mussten sich die erforderliche Erfahrung für zentrale Regierungsgeschäfte erst erarbeiten (David Wyatt, Politics of Reform in Thailand, S. 92f.). 461 König Chulalongkorn, Tagebuchaufzeichnungen, Jg. 1888, Bangkok 1969, S. 37. 462 The Royal Gazette, 11.11.1888, S. 291. <?page no="160"?> 160 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns von einer einstündigen Mittagspause. Zwischen 13 und 15 Uhr wurden regelmäßig Kabinettssitzungen abgehalten. Der 21. September - der Geburtstag des Königs -, der 16. November - sein Krönungstag - und die wichtigen buddhistischen Feste wurden zu offiziellen Feiertagen erklärt. Am 26. April 1888 eröffnete das erste moderne allgemeine Krankenhaus Bangkoks und ein Jahr später 463 , am 11. Dezember 1888, eine psychiatrische Fachklinik. 464 Das Schulwesen, um das sich Chulalongkorn seit Beginn seiner Herrschaft gekümmert hatte, wurde weiter gefördert. Am 4. März 1889 nahm das Bildungsministerium seine Arbeit auf. 465 Wenige Wochen später führte der König per Gesetz den gregorianischen Kalender ein und löste damit die traditionelle siamesische Zeitrechnung ab. 466 Ein Endpunkt der administrativen Reformen war am 1. April 1892 erreicht, als die zwölf „Krom“ von 1888 in „Krasuang“ umgewandelt wurden. 467 Was die Symbole von Staat und Herrschaft betraf, kam es 1889 ebenfalls zu wichtigen Modernisierungen. Sie veranschaulichen gleichzeitig die absolute Macht des Königs. Am 20. April 1889 regelte ein Gesetz das Aussehen des siamesischen Staatswappens, und am 19. November 1889 wurden die Ordensstatuten modifiziert. Der Präambel zu dieser Neuregelung ist zu entnehmen, dass die Reformen des Wappens wie des Auszeichnungswesens in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Umbau der Verwaltung standen. „Der Ordensherr hat sich veranlasst gefühlt,“ so hieß es dort, „einige Statutenbestimmungen zu ändern, die vor langer Zeit erlassen wurden. Diese sind nicht nur obsolet, sondern hindern sogar den Fortschritt des Landes.“ 468 Genauso war auch ein Jahr zuvor die Einführung der zwölf Ministerien begründet worden. 469 Deshalb ist es wichtig, nun die Änderungen genauer zu betrachten. 463 The Royal Gazette, 18.04.1888, S. 42. 464 The Royal Gazette, 11.12.1888, S. 326. 465 The Royal Gazette, 24.03.1889, S. 447. 466 The Royal Gazette, 31.03.1889, S. 451ff. 467 Dabei wurde sieben traditionellen Ministerien - Ministerium des Nordens (Kalahom), des Südens (Mahatthai), der Metropole (Wieng), des Palastes (Wang) sowie Außen- (Krommatha), Finanz- (Klang) und Landwirtschaftsministerium (Na) - und fünf neuen - Verteidigungs-, Justiz- und Arbeitsministerium sowie Ministerium des königlichen Sekretariats - eine gemeinsame Struktur gegeben (Siehe hierzu Tej Bunnag, The Provincial Administration of Siam 1892-1915, S. 82f. An die Stelle des Namens „Krom“, der die althergebrachte Administrationsform bezeichnete, trat das neu geschaffene Wort „Krasuang“, das das modernisierte Königreich symbolisieren sollte. 468 Präambel des Dekretes zur Statutenänderung vom 19.11.1889 in: The Royal Gazette, 15.12.1889, S. 312. 469 König Chulalongkorn, Die Ankündigung und Erklärung, S. 1f. <?page no="161"?> III. Die Weiterentwicklung der siamesischen Orden (1883-1893) 161 3. Der Änderungserlass vom 19.11.1889 Er umfasste acht Artikel, von denen im Zusammenhang mit der Modernisierungspolitik vor allem der erste, der fünfte und der siebte von Bedeutung sind. Artikel 1 führte einen neuen Namen für die Orden ein. Mongkut hatten den Begriff „Khrueang ratcha issariyayot“ - „höchstes königliches Rangabzeichen“ - gewählt. Nun lautete die Bezeichnung „Khrueang ratcha issariyaphon“, was „höchste königliche Dekoration“ bedeutet. 470 Sie wird im Thai-Wörterbuch folgendermaßen erläutert: „Die vom König oder durch seine Veranlassung gestifteten Orden und Ehrenzeichen zur Belohnung für die Verdienste, die entweder dem König persönlich geleistet oder im Rahmen von Regierungsgeschäften erworben wurden.“ 471 Dies entsprach westlichem Verständnis. Siamesische Orden waren nun nicht mehr nur eine persönliche Ehrung durch den König, sondern sie stellten gleichzeitig eine öffentlich sichtbare Auszeichnung dar, so wie es auch in Europa üblich war. Parallel zur Reform der Verwaltung wurde das Belohnungssystem von einem traditionell-königlichen zu einem modern-staatlichen transformiert. Auf welche Weise das geschah, kann den Artikeln 5 und 7 entnommen werden. Beide betrafen die Verdienstorden des Weißen Elefanten und der Siamesischen Krone. Artikel 5 regelte ihre protokollarische Rangordnung. Ein Weißer Elefant stand nun über einer Siamesischen Krone gleicher Klasse. Wer mit ihm geehrt worden war, musste sich zudem verpflichten, die Insignien nach seinem Tod oder nach Erhalt eines Ordens einer höheren Klasse zurückzugeben. 472 Diese neue Regel entsprach europäischer Praxis, vor allem was die streng begrenzte Zahl der Ausgezeichneten betraf. Von nun an verlieh Chulalongkorn die Verdienstorden sehr überlegt und nur an solche Persönlichkeiten, die sich durch ihre Leistungen tatsächlich als dafür würdig erwiesen hatten. Artikel 7 legte fest, dass bei beiden Orden das Zeichen der 2. Klasse am Halsband und das der 3. Klasse am Brustband mit Rosette zu tragen war. Die Statuten vom 19. September 1873 hatten es noch genau umgekehrt vorgeschrieben. Diese Änderung war von politischer Signifikanz und zeigt, dass man sich in Siam intensiv mit dem europäischen Auszeichnungswesen auseinandergesetzt hatte. 1873 war man noch den Regeln der Ehrenlegion gefolgt. 473 Die Änderungen von 1889 rezipierten die in Europa übliche Praxis der monarchischen 470 Siehe dazu ausführlich oben S. 63f. dieser Arbeit. 471 Eintrag Khrueang ratcha issariyaphon, in: Photchananukrom thai (Thailändisches Wörterbuch), hrsg. v. The Royal Institute, Bangkok 1999. 472 Laut Artikel 3 der Ordensstatuten von 1873 durften die Hinterbliebenen die Insignien nach dem Tod des Ordensträgers behalten. 473 Siehe dazu beispielsweise: http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Ehrenlegion (Stand 2016). <?page no="162"?> 162 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Orden. 474 Interpretierend lässt sich sagen, dass hier ursprünglich fremde Einflüsse, die man bereits adaptiert hatte, neu interpretiert und eigenen Bedürfnissen angepasst wurden. Die neuen Richtlinien zum Tragen der beiden Verdienstorden sollten nach außen noch deutlicher machen, dass es sich hier um eine Auszeichnung des siamesischen Monarchen handelte. Eine solche „Siamesierung“ ist auch in den Artikeln 2, 3 und 4 des Chulachomklao-Familienordens zu beobachten. So wurden in Artikel 2 die englischen Benennungen für die Beamten - Grandmaster, Chancellor, Secretary und Registrar - von 1873 475 durch thailändische ersetzt, wie sie bereits in den Statuten des Maha-Chakri-Hausordens von 1882 verwendet worden waren: Athipbodi, Lanchakraphiban, Lekhanukan und Muttharanukan. 476 Damit korrespondierte, dass in Artikel 4 anstelle des Fremdworts „Diploma“ - Ordensurkunde - nun „Prakasaniyabat“ - wörtlich: Urkunde - trat. Artikel 3 legte den Ordenstag des Chulachomklao auf den 16. November fest, den Tag des zweiten Krönungszeremonie Chulalongkorns. Bisher war das Kapitel an einem Datum zusammengekommen, das nach dem traditionellen „Chulasakkarat“-Kalender bestimmt worden war, nämlich am 12. Tag des abnehmenden Mondes im 12. Monat. Diese Änderung war nötig geworden, weil nun in Thailand der gregorianische Kalender zur Grundlage der amtlichen Zeitrechnung gemacht worden war. 477 Das sollte die Kommunikation mit dem Westen erleichtern, hatte gleichzeitig aber auch mit der neuen Ordenspolitik zu tun. Denn jetzt durften auch Ausländer mit dem Chulachomklao-Familien- und den Verdienstorden ausgezeichnet werden. Außerdem war es seit dem 16. November 1891 gesetzlich möglich, Würdenträger anderer Nationen als Ehrenmitglieder in die Ordensgemeinschaft aufzunehmen. 478 474 Zur Trageweise etwa des italienischen Ordens der Heiligen Mauritius und Lazarus siehe http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Ritterorden_der_hl._Mauritius_und_Lazarus (Stand 2016). 475 Vgl. S. 112 dieser Arbeit. 476 Siehe dazu oben S. 141f. 477 The Royal Gazette, 31.03.1889, S. 451ff. In den Statuten des Maha-Chakri-Hausordens von 1882 wurde zwar bestimmt, den Ordenstag nach dem Sonnenkalender festzulegen, doch es wurde kein Datum genannt. Erst die Änderungen von 1893 entschieden sich für den 13. Juni (Der Statutenänderungserlass des Maha-Chakri-Hausordens vom 5. Dezember 1893, in: The Royal Gazette, 30.06.1893, S. 107-124). Auch für die übrigen Orden schrieb dieses Dekret einen Ordenstag fest. Obwohl der gregorianische Kalender galt, begann das neue Jahr in Thailand bis 1842 am 1. April, so wie es traditionellerweise der Fall war. 478 Artikel 15 der Statuten von 1873 gab den Ordenstag nach dem Mondkalender an. <?page no="163"?> III. Die Weiterentwicklung der siamesischen Orden (1883-1893) 163 Abb. 27: Das siamesische Staatswappen <?page no="164"?> 164 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns 4. Das Gesetz über das Staatswappen Siams vom 20.04.1889 Mit königlichem Dekret vom 20. April 1889 wurde endgültig festgeschrieben, wie das siamesische Staatswappen künftig auszusehen hatte. Äußerlich war es entsprechend der Formenlehre der europäischen Heraldik gestaltet worden. Was den Gehalt betraf, vereinte es die traditionellen königlichen Insignien und die neuen siamesischen Herrschaftssymbole: 479 die königliche Krone „Phra Maha Phichai Mongkut“ - wörtlich: die königliche Siegeskrone -, das „Chakri“- Schiebe und den „Trisun“-Dreizack als Zeichen der Dynastie, den dreiköpfigen Elefanten - „Aiyaraphot“ -, den „Weißen Elefanten“, den von einem Schwert gekreuzten Dolch, die beiden Ketten des Noppharat-Ratchawaraphon-Haus- und des Chulachomklao-Familienordens, zwei Masten mit sieben pyramidenförmig aufeinandergestellten Schirmen, die beiden Wappentiere „Khotchasi“ und „Ratchasi“, das Spruchband und die königliche Galatracht. Das Mittelschild wurde von königlicher Siegeskrone, „Chakri“-Schiebe und „Trisun“-Dreizack überhöht. Es war dreigeteilt, wodurch allegorisch die Einheit des Reiches dargestellt wurde: der dreiköpfige Elefant repräsentierte Zentralsiam, der Weiße Elefant und der Dolch mit Schwert repräsentierten die Vasallenstaaten, nämlich Laos und die malaiischen Gebiete. Links stützte es „Kotchasi“, rechts „Ratchasi“. Sie waren den Siegeln von Verteidigungs- und Innenministerium entnommen. Als wichtigste und mächtigste Ministerien bildeten sie eine tragende Säule des Landes. Die Ketten von Noppharat-Ratchawaraphon-Haus- und Chulachomklao-Familienorden sowie der königliche Ornat umrahmen das Schild. Die Komposition des Wappens lässt erkennen, was den Entwicklungsprozess des siamesischen Ordenswesens generell prägte, eine Europäisierung im Äußeren nämlich und eine Siamesierung im Inneren. Das Wappen wurde im Kern bereits seit Beginn der Herrschaft Chulalongkorns verwendet, allerdings ohne die beiden Ordensketten. Diese kamen nun dazu, so dass aus alten und gerade erst geschaffenen Hoheitszeichen etwas Neues entstand. Teile der Symbolik, die nun das Staatswappen bildeten, gingen auch in diplomatische Dokumente ein. Nicht visuell, aber in Worten fand sich etwa das dreiteilige Mittelschild, das für die Einheit des Reiches stand, in der Intitulatio, die die Akkreditierungsschreiben von Gesandtschaften ebenso einleitete wie Ordensurkunden: „Somdetch Phra Paramindr Maha Chulalongkorn, Phra Chula Chom Klao, King of Siam, both Northern and Southern, and all its Dependencies &c. &c. &c. Laos, Malays, Karens.” 479 The Royal Gazette, 28.04.1889, S. 28f. <?page no="165"?> III. Die Weiterentwicklung der siamesischen Orden (1883-1893) 165 Nicht weniger bedeutend war das Spruchband auf Pali unter dem Schild. Es lautete: „sabbesa ( sa " ghabhūtāna ( sāmaggī vu ** hi sādhikā“, was sinngemäß bedeutet: „Die Eintracht im Inneren ist der Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg“. Dieses Motto spiegelte den neuen kulturellen und politischen Leitgedanken Chulalongkorns wider, der bereits in dem Phra-Pricha-Fall zu beobachten war und auch bei der Stiftung des Maha-Chakri-Hausordens hervorgehoben wurde. Um sich gegen koloniale Zugriffe zu behaupten, war innere Geschlossenheit unerlässlich. Von welch entscheidender Bedeutung dieses Prinzip war, hatte sich bereits gezeigt, als die von außen an Siam herangetragenen Konflikte in neuer Intensität aufflammten. 1893 endete die zweite Phase der Reformpolitik Chulalongkorns. Sie war erfolgreich, so kann man zusammenfassend sagen, nicht nur weil er sich gegenüber den alten Ministern durchsetzte und weil er sich des Beistandes Großbritanniens versicherte, sondern auch weil er eine neue Form fand, mit dem Volk zu kommunizieren. Wurde ein Gesetz erlassen oder verändert, geschah dies nie, ohne die Gründe darzulegen, über die Ziele Auskunft zu geben sowie Vor- und mögliche Nachteile ausführlich zu erläutern. Dies war bei der Erwiderung auf die Petition so, bei der Errichtung der zwölf Ministerien, bei der Reform der Ordensstatuten und auch bei der Definition des Staatswappens. Dabei wird gleichzeitig deutlich, dass sich Chulalongkorn intensiv mit europäischen Gegebenheiten und Gepflogenheiten beschäftigt hatte. Gleichzeitig war er mit den Traditionen Siams genau vertraut und setzte sich mit ihnen auseinander, wie zahlreiche Texte belegen, die er dazu schrieb. Sie stellen wichtige historische Quellen dar. Eine derartige von oben nach unten gerichtete Kommunikation war ein Novum für die Gesellschaft Siams. 5. Die Erlasse zur Änderung der Statuten vom 01.10.1893 und 05.12.1893 1893 jährte sich zum 25. Mal seine Thronbesteigung, und weite Teile seiner Reformpolitik waren abgeschlossen. Das wollte Chulalongkorn mit einer großen Feier begehen. Zu diesem Anlass sollten auch die fünf Orden neuen Glanz erhalten. Zudem war die Verleihungspraxis dem modernisierten Staatswesen anzupassen. Sämtliche Statuten wurden deshalb revidiert. Zum Herrschaftsjubiläum fanden zwei feierliche Staatsakte statt: am 1. Oktober 1893 erinnerte man an die Thronbesteigung vor 25 Jahren und am 5. Dezember an die Krönung. Da die Optimierung im Ordenswesens mit diesen Zeremonien eng verschränkt sein sollte, erfolgte sie ebenfalls in zwei Teilen: für <?page no="166"?> 166 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns vier Orden wurden revidierte Statuten am 1. Oktober verkündet, für den Maha- Chakri-Hausorden geschah das am 5. Dezember. 480 Als wichtige Neuerung ist zunächst hervorzuheben, dass für den Chulachomklao-Familienorden eine weibliche Gemeinschaft begründet wurde. Sie erhielt ihre eigenen Statuten und war unmittelbar der Königin als Großmeisterin unterstellt. Vergleichbares existierte zu dieser Zeit bereits in Großbritannien beim St.- Michaels-und-St.-Georgs-Orden sowie beim Orden of the Bath. 481 Sämtliche fünf Präambeln kündigten an, dass die bisherigen Statuten durch die neuen außer Kraft gesetzt waren. Die Statuten waren unterschiedlich umfangreich. Für den Noppharat Ratchawaraphon-Hausorden (Abb. 27.1) beliefen sie sich auf 25 Artikel, 482 für die männliche und weibliche Gemeinschaften des Chulachomklao-Familienordens auf jeweils 40, 483 für den Weißen Elefanten auf 33 484 , für die Siamesische Krone auf 32, 485 und für den Maha-Chakri-Hausorden auf 26. 486 Mochte die Länge auch variieren, im Aufbau glichen sich die Ordensstatuten. Sie waren in vier Abschnitte gegliedert, und folgten damit der Vorgabe, die für den Maha-Chakri-Hausorden bereits gemacht worden war: Abschnitt I: Erläuterungen zu Ordensgemeinschaft und Aufnahmebedingungen Abschnitt II: Beschreibung von Insignien und Trageweise Abschnitt III: Festlegung von Ordenstag, Rangordnung Sonderrechten der Träger Abschnitt IV: Bestimmungen zur Ordensverwaltung Die Artikel der Abschnitte II und III entsprachen im Wesentlichen denen der alten Statuten, waren jedoch vereinheitlicht. In den Abschnitten I und IV kam es jedoch zu Neuerungen und Ergänzungen. Sie standen in unmittelbarem Zu- 480 Chulalongkorns Krönungszeremonie fand zwei Mal statt: am 11. November 1868 und am 16. November 1873. Nach dem traditionellen siamesischen Kalender fielen beide Termine auf denselben Tag, nämlich den 12. Tag des abnehmenden Mondes im 12. Monat. Nach den Berechnungen der Brahmanen am Königspalast war im Jahr 1893 der 5. Dezember der Tag mit diesen günstigen Vorzeichen. 481 Näheres dazu unter: http: / / www.royal.gov.uk/ MonarchUK/ Honours/ OrderoftheBath.aspx (Stand: 2016). 482 The Royal Gazette, 14.01.1894, S. 459ff. Das Statut des Hausordens von 1873 enthielt keine Artikel, sondern lediglich einige Ausführungen zum Ordenswesen. 483 The Royal Gazette, 29.10.1892, S. 325ff. und 05.11.1892, S. 346ff. Im Stiftungserlass vom 16.11.1873 umfasste das Ordensstatut 15 Artikel. 484 The Royal Gazette, 24.12.1892, S. 425ff. 485 The Royal Gazette, 07.01.1893, S. 445ff. Im Änderungsdekret vom 19.09.1873 erhielten die beiden Verdienstorden ein gemeinsames Statut mit sieben Artikeln. 486 The Royal Gazette, 30.06.1894, S. 107ff. Das Statut des Stiftungsdekrets von 1882 bestand aus 25 Artikeln. <?page no="167"?> III. Die Weiterentwicklung der siamesischen Orden (1883-1893) 167 sammenhang mit der Modernisierung der Verwaltung und der Herrschaftssymbole. Die ersten vier Artikel in Abschnitt I aller fünf Ordensstatuten sind identisch. Wie es auch in Europa der Fall ist, behandelten sie allgemeine Bestimmungen, die für die Ordensgemeinschaft von Relevanz waren. Artikel 1 stellte den offiziellen Namen des Ordens vor, Artikel 2 führte die verschiedenen Klassen auf und begrenzte die Zahl der Ausgezeichneten. König und Thronfolger - in diesem Fall Kronprinz (Ratchathayat) -, so legte Artikel 3 fest, übten gemeinschaftlich das Amt des Ordensherrn aus, 487 der laut Artikel 4 zugleich Großmeister war. 488 Die übrigen Artikel regelten die Aufnahmebedingungen für die einzelnen Klassen. Artikel 3 hat zentrale Bedeutung, weil er den Machtanspruch des Ordensherrn unterstrich. Zum ersten Mal in der Geschichte der siamesischen Orden wurde eindeutig und unmissverständlich erklärt, dass König und Kronprinz alleinige Autorität im Auszeichnungswesen waren. Dies war einerseits Konsequenz aus den administrativen Reformen des Landes, andererseits wurde deutlich gemacht, dass der Ordensherr das Land nun als absoluter Herrscher führte, da er alle drei Staatsgewalten der modernisierten Regierung ausübte. Weitere einheitliche Regelungen betrafen die Verwaltung der Ordensgemeinschaft und die Ordenstage. Für den Noppharat-Ratchawaraphon-Hausorden fiel er auf den 3. Tag des Neumonds, im 5. Monat des siamesischen Kalenders. 489 Zu diesem Datum trafen sich traditionellerweise die Angehörigen der königlichen Familie, alle Minister, Beamte und Offiziere am königlichen Tempel im Palast, um dem Monarchen und dem Kronprinzen in deren Gegenwart Treue zu schwören, indem sie geweihtes Wasser tranken. 490 Hierbei handelte sich um eines der wichtigsten Rituale der Macht im alten Siam. Seit den 1880er Jahren erschien Chulalongkorn zu dieser Zeremonie in Galauniform mit Noppharat Ratchawaraphon. Der Ordenstag des Weißen Elefanten 491 und der Siamesischen Krone 492 fiel auf den Vollmond des 11. Monats des siamesischen Kalenders, auf 487 In die Statuten der weiblichen Ordensgemeinschaft des Chulachomklao-Familiesnordens wurde diese Bestimmung nicht aufgenommen. Dort erklärte Artikel 3 die Königin zur Großmeisterin der weiblichen Mitglieder. 488 Am 02.12.1892 verlieh Chulalongkorn dem Kronprinzen Maha Vajirunahis das Großkreuz des Weißen Elefanten samt Ordenskette und am 03.12.1892 das der Siamesischen Krone. Bei dieser Gelegenheit ernannte er ihn auch zum Großmeister beider Orden. The Royal Gazette, 10.12.1892, S. 402f. 489 Das Statut des Noppharat-Ratchawaraphon-Hausordens ist nachzulesen in: The Royal Gazette, 14.01.1894, S. 464. 490 Im Englischen wurde dafür der Ausdruck „Water of Allegiance“ verwendet. 491 Das Statut des Weißen-Elefanten-Ordens wurde veröffentlich in: The Royal Gazette, 24.12.1893, S. 430. 492 Zum Statut des Siamesischen-Kronen-Ordens siehe The Royal Gazette, 07.01.1894, S. 449. <?page no="168"?> 168 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns den Tag, an dem Ordensgründer Mongkut geboren wurde und auch gestorben war und an dem Chulalongkorn den Thron bestiegen hatte. Diese Änderungen machten alle fünf siamesischen Auszeichnungen zu Ritterorden. Das traditionelle Ritual am Königshof wurde in ein Ordenskapitel transformiert, das mit den feierlichen Verleihungen endete. Die Modernisierung des Staatszeremoniells war damit vollzogen. Die Reformen der Verwaltung spielten in die neue Ausgestaltung des Ordenswesens hinein. Abschnitt IV benannte in allen Statuten vier Beamte: Athipbodi, Lanchakraphiban, Lekhanukan und Muttharanukan. Sie kamen bereits in den Regelungen für den Chulachomklao-Familien- und den Maha-Chakri- Hausorden vor. Jetzt aber wurde genau benannt, wofür die einzelnen Beamten zuständig waren. Sie waren dem neu eingerichteten „Ministerium zur Bewahrung des königlichen Siegels“ (Krasuang Murathathon) zugeordnet. Dieses Ministerium kümmerte sich um die Ordensangelegenheiten, für die früher das königliche Sekretariat zuständig war. In allen zwölf Ministerien wurde eine Abteilung geschaffen, die die Aufgabe hatte, Beamte für die von ihnen erworbenen Verdienste zur Auszeichnung vorzuschlagen. Der jeweilige Minister leitete die Namen der Kandidaten an das „Krasuang Murathathon“ weiter. 493 Dieses bürokratische Verfahren kann als deutliches Indiz dafür verstanden werden, dass die traditionelle öffentliche Ehrung als Konsequenz der Reformen in eine staatliche Zeremonie transformiert worden war. Die siamesischen Orden entsprachen nun den Standards des europäischen Auszeichnungswesens und konnten das moderne siamesische Königreich nach außen repräsentieren. Andererseits illustriert die Adaption der europäischen Ritterorden den Wandel der siamesischen Herrschaftssymbole. Aus dem traditionellen königlichen Siegel war eine Auszeichnung westlichen Typs geworden. Ordenstag und -zeremonie bildeten jedoch eine Brücke von alten zu neuen Ritualen der Macht. Wie das Änderungsdekret von 1893 erkennen lässt, kannte das siamesische Auszeichnungswesen Haus-, Familien- und Verdienstorden. Diese Einteilung folgte einerseits dem westlichen Muster, entstammte andererseits aber auch der ursprünglichen politischen Machtstruktur des Landes, die aus drei Institutionen bestand: Königshaus, König und Königreich. Klar formuliert wurde diese zum ersten Mal im Gesetz über das Staatswappen. In der Präambel war Folgendes zu lesen: 493 Der hier einschlägige § 8 des Dekrets über den Ministerrat „Senabodi sapha“ findet sich in: Rai-ngan kanprachum senabodi sapha ratchasamai phrabat somdet phrachulachomklaochaoyuhau pakti nueng rueang saphathiprueksa ratchakanpaendin (Berichte über die königlichen Kabinettssitzungen während der Herrschaft König Chulalongkorns, I, über den Staatsrat), hrsg. v. Komitee der neuen Edition der Geschichte von Thailand, Bangkok 2002, S. 120. <?page no="169"?> III. Die Weiterentwicklung der siamesischen Orden (1883-1893) 169 „In Siam gibt es insgesamt drei Kategorien von königlichen Amtssiegeln. 494 Zur ersten gehört das Siegel, das zum Aufdrücken auf amtliche Dokumente der staatlichen Angelegenheiten verwendet wird. Von diesen gibt es zwar viele, aber diejenigen, die noch verwendet werden, sind das „Aiyaraphot“- und „Khrutthaphaha“-Siegel. 495 Zur zweiten gehört das Sondersiegel, das für die Angelegenheiten des jetzigen Herrscherhauses der Chakri-Dynastie benutzt wird. In diesem Siegel sind zwei Hoheitszeichen der Dynastie (der „Chakri“-Schiebe und der „Trisun“-Dreizack) dargestellt. Und zur dritten Kategorie gehört das persönliche Siegel des amtierenden Königs, das beispielsweise für seine privaten Schreiben verwendet wird. Dieses Siegel änderte sich von Herrschaft zu Herrschaft. Das Hoheitszeichen von König Mongkut war beispielsweise die „Maha-Mongkut“-Krone (die große Krone), das von König Chulalongkorn ist die „Chula-Mongkut“-Krone (die kleine Krone).“ 496 Im Einklang mit dieser Struktur waren die siamesischen Orden von Beginn an gestiftet worden. In der Herrschaft Mongkuts sollten der Aiyaraphot- und später der Weiße-Elefanten-Ordensstern das Königreich und der Noppharat- Ratchawaraphon-Hausorden das Herrscherhaus repräsentieren. Der Maha- Mongkut-Orden fungierte hingegen als Selbstdarstellung des Königs. Das wandelte sich mit den Änderungen Chulalongkorns. Der Noppharat- Ratchawaraphon-Hausorden, dessen Kapitel an dem Tag zusammentrat, an dem auch die traditionelle Vereidigungszeremonie stattgefunden hatte, repräsentierte zwar weiterhin das Königshaus, nun aber das alte, während der Maha Chakri für das neue stand. Im Chulachomklao-Familienorden stellte sich der König selber dar, während der in Siamesischer Krone umbenannte Maha Mongkut zusammen mit dem Weißen Elefanten die Leistungen verdienter Personen würdigte und das moderne Siam versinnbildlichte. Auf diese Weise wurde die ursprüngliche Machtstruktur nahtlos in die neue Staatsform transferiert. Die drei Ordenskategorien bildeten weiterhin die drei zentralen Institutionen des Landes. Dem König kam die „absolute“ Autorität zu, und er übte sie von oben nach unten aus. 494 Bereits im Kapitel über die erste Stiftung siamesischer Orden wurde erläutert, dass sich ihre zentralen Motive aus den königlichen Siegeln ableiten (Siehe oben S. 64ff.). Die Siegel müssen als ursprüngliches Herrschaftssymbol verstanden werden. Erst mit dem Abdruck des königlichen Siegels erhielten amtliche Schreiben und Urkunden ihre Gültigkeit. Eine Unterschrift des Königs war unbekannt. 495 Wie oben in Kapitel B.II.1 auf S. 63f. dargelegt handelt es sich bei „Aiyaraphot“ um den Dreiköpfigen Elefanten. „Khrutthaphaha“ ist der Greifvogel Garuda, das Tragetier des Gottes Narai, der sich nach Überzeugung des hinduistischen „Devaraja“-Kultes im siamesischen König personifiziert. 496 Die Präambel des Gesetzes über das Staatswappen wurde veröffentlicht in: The Royal Gazette, 28.04.1889, S. 27f. Die Abb. 7 und 8 auf S. 70 sowie 16 und 17 auf S. 101f. zeigen die Überhöhung des Kleinods des Siamesischen-Kronen-Ordens, die Abb. 18, 19 und 20 auf S. 109f. die des Chulachomklao-Familienordens. <?page no="170"?> 170 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns 6. Resümée Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es auch in der zweiten Phase der Reformpolitik Chulalongkorns zu einer Adaption westlicher Einflüsse kam. Dabei wurden frühere Entwicklungen nicht nur fortgesetzt, sondern erheblich intensiviert. Die Moderne europäischen Typs in indigenisierter Gestalt fand mehr und mehr Eingang in Siam. Dies geschah nicht zuletzt, um weitere Anerkennung bei der westlichen Gemeinschaft zu finden. Das Auszeichnungswesen wurde im Einklang mit der Reform der staatlichen Verwaltung weiterentwickelt. So erfuhr es weitere Optimierungen, nachdem die zwölf Ministerien eingerichtet worden waren. Die Jahre 1888/ 89 und 1892/ 93 können als Höhepunkte dieser zweiten Phase der Reformpolitik gesehen werden, weil sich Chulalongkorn dabei um einen Weg in eine Moderne bemühte, die auch lokalen Gegebenheiten Rechnung trug und althergebrachte Traditionen weiterführte. Mit der Gründung der Ministerien wandelte sich die überkommene königliche Auszeichnung zu einer staatlichen, wie es im Westen üblich war. Gleichzeitig jedoch fungierten hier nicht mehr die Auszeichnungen der französischen Ehrenlegion als Vorbild, wie es noch 1873 der Fall gewesen war, sondern die monarchischen Orden. Mit dem Gesetz über das Staatswappen schließlich waren die drei zentralen Institutionen im politischen System Siams festgeschrieben: Königshaus, Regierung und Monarch. Mit der Revision der Ordensstatuten 1893 erhielten alle Auszeichnungen die Gestalt der Ritterorden der europäischen Monarchien. Traditionelle Rituale der Macht im Königspalast, die bis dahin nur im engeren Kreis zelebriert worden waren, wurden in die Zusammenkunft eines Ordenskapitels umgewandelt, also in ein öffentliches modernes Staatszeremoniell, wie es in Europa üblich war. 497 Diese Transformation erfasste nicht nur die äußere Gestalt des politischen Systems, sondern auch wesentliche Bereiche seiner inneren Struktur. Ein Verstaatlichungsprozess hatte eingesetzt, der sich in der dritten Phase der Reformpolitik Chulalongkorns noch deutlicher wahrnehmbar fortsetzte. 497 Siehe dazu etwa in dieser Arbeit oben S. 80f. und 115f. Ähnliche Entwicklungen lassen sich zur gleichen Zeit in Japan beobachten (Vgl. Takashi Fujitani, Splendid Monarchy. Power and Pegeantry in Modern Japan, London 1996). <?page no="171"?> III. Die Weiterentwicklung der siamesischen Orden (1883-1893) 171 Abb. 27.1: Die Insignien des Noppharat-Ratchawaraphon-Hausordens <?page no="172"?> 172 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns IV. Die Neuordnung des Ordenswesens und die dritte Phase der Reformpolitik (1894-1910) In der dritten Phase der Reformpolitik Chulalongkorns wurde gegenüber den kolonialen Mächten die Strategie fortgeführt, die sich bis dahin im Wesentlichen bewährt hatte. Zwar war 1893 ein Rückschlag zu verzeichnen gewesen, doch schon ein Jahr später kam der Transformationsprozess in der Innen- und in der Außenpolitik wieder in Gang. Für Dynamik sorgte besonders die Europareise Chulalongkorns 1897. Sie gab ihm Gelegenheit, die europäischen Länder näher kennenzulernen und zu sehen, dass manche stärker und andere schwächer waren. Das stärkte Chulalongkorns Überzeugung, dass auch Siam die Chance hatte, sich zu modernisieren. Außerdem erleichterte es ihm sein Besuch, in den Klub der europäischen Souveräne aufgenommen zu werden. Seitdem erfreute er sich des Beistands der anderen Monarchen, wofür er sich symbolisch durch Ordensverleihung revanchierte. Erhielten europäische Beamte einen siamesischen Verdienstorden, eröffnete ihnen das soziale Aufstiegschancen. Die Europareise Chulalongkorns muss also auch als Zäsur in der Kulturgeschichte Siams gesehen werden. 498 Die neuere Forschung zur Geschichte Siams und der Verwaltungsreformen Chulalongkorns hat gezeigt, dass schon kurz nach dem Paknam-Zwischenfall von 1893 der Reformprozess fortgesetzt wurde. Das Herrschaftssystem wurde vor allem in den Bereichen von Exekutive und Legislative nach dem Muster der britischen konstitutionellen Monarchie umgestaltet. Dies regelten Mitte der neunziger Jahre fünf Gesetze: 499 ein Dekret über die königliche (Herrschafts)- Tradition Siams, eine generelle Regelung der Sitzungen des „Ratthamontri sapha“ - des Legislativrats -, des „Ongkhamontri sapha“ - des Geheimrats - und des „Senabodi sapha“, des Ministerrats, sowie schließlich Detailbestimmungen zu den drei Gremien. Die Dekrete erläuterten detailliert, wie die einzelnen Räte organisiert waren, welches Verhältnis sie untereinander hatten und wie ihre Beziehungen zum König, zum Thronfolger und zu den anderen Prinzen aussahen. 500 Das erste Dekret beschrieb die Machtbefugnisse von König und Thronfolger und erläuterte ausführlich die Funktionen der drei Hauptverwaltungsorgane. Ihre Struktur wie ihre Aufgaben orientierten sich an der Magna Charta. Sie wurde zum Vorbild der Verfassung des heutigen Thailands. 501 Im zweiten De- 498 Kapitel D dieser Arbeit behandelt ausführlich, wie Ordensverleihungen in den Dienst der Außenpolitik gestellt wurden. 499 Berichte über die königlichen Kabinettssitzungen I, S. 55ff. 500 Vgl. die Artikel 6-9 des Dekrets über die königliche (Herrschafts-)Tradition Siams, in: Berichte über die königlichen Kabinettssitzungen I, S. 56ff. 501 Berichte über die königlichen Kabinettssitzungen I, S. 2ff. <?page no="173"?> IV. Die Neuordnung des Ordenswesens und die dritte Phase der Reformpolitik 173 kret wurden Fragen der Zusammenkunft und der Arbeitsabläufe in den drei Räten geregelt. Die letzten drei Dekrete schließlich befassten sich mit Fragen, die jeweils eines der drei Gremien betrafen. Die Bestimmungen lassen erkennen, dass die bestehende Verwaltungsstruktur im Großen und Ganzen unverändert blieb. Zu Staats- und Geheimrat, die schon 1873 eingerichtet worden waren, trat der Ministerrat, der sich aus dem traditionellen Kabinett 502 und den Leitern der zwölf neugeschaffenen Ministerien zusammensetzte. Seine Aufgabe war es, die Regierungsgeschäfte beratend zu begleiten. 503 Der Legislativrat 504 war aus dem königlichen Gerichtshof 505 hervorgegangen und nach dem Vorbild des britischen Legislative Council organisiert. Er hatte zwei zentrale Zuständigkeitsbereiche, nämlich die Modernisierung der Gesetzgebung und die der Ministerien. 506 Die Aufgaben des Geheimrats waren gleich geblieben. Er hieß nun „Ongkhamontri sapha“. 507 Diese drei Räte bildeten den Kern der Regierung, an deren Spitze Chulalongkorn stand. Als Staatsoberhaupt hatte er das alleinige Recht, alle Ratsmitglieder zu ernennen. Diese mussten königliche Anliegen ausführen. 508 Pointiert formuliert ist festzustellen, dass sämtliche Entscheidungsbefugnisse beim Monarchen lagen. Ihm unterstanden die drei Staatsgewalten und er verfügte über die absolute Macht im Land. 509 Mit der Einrichtung der drei Räte war die Regierungsreform abgeschlossen. Der siamesische Staat hatte äußerlich eine moderne, europäisch inspirierte Gestalt erhalten. Im Inneren jedoch blieben althergebrachte Entscheidungsabläufe bestehen, die von oben nach unten ausgerichtet waren. Siam hatte es vermocht, die Herausforderungen der „informal-empire“-Situation anzunehmen, sich einerseits nach westlichen Vorstellungen zu modernisieren und dabei andererseits doch zentrale soziokulturelle Traditionen fortzuführen. Der Weg, der in den früheren Reformphasen eingeschlagen worden war, konnte auch in der dritten weiter verfolgt werden. 502 Thailändisch „Lukkhun na sala“, übersetzt etwa „die Kabinettssitzung, die in der Halle tagt“. 503 Artikel 5 des Dekrets über die königliche (Herrschafts-)Tradition Siams, in: Berichte über die königlichen Kabinettssitzungen I, S. 56. 504 Für ihn wurde der neue Begriff „Ratthamontri sapha“ geprägt, ein Vorgang, der konzeptionell der Einführung des Namens „Krasuang“ für Ministerium entsprach (Siehe dazu S. 160). 505 Thailändisch „Lukkhun na Sanluang“, die „Kabinettssitzung, die im Gerichtshof tagt“. 506 Artikel 5 des Dekrets über die königliche (Herrschafts-)Tradition Siams, in: Berichte über die königlichen Kabinettssitzungen I, S. 56. 507 Artikel 5 des Dekrets über die königliche (Herrschafts-)Tradition Siams, in: Berichte über die königlichen Kabinettssitzungen I, S. 56. 508 Dekret über die königliche (Herrschafts-)Tradition Siams, in: Berichte über die königlichen Kabinettssitzungen I, S. 55. 509 Artikel 3 des Dekrets über die königliche (Herrschafts-)Tradition Siams, in: Berichte über die königlichen Kabinettssitzungen I, S. 55. <?page no="174"?> 174 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns Im Auszeichnungswesen kam es zwischen 1894 und 1910 zu neun weiteren Statutenänderungen. Sie brachten jedoch keine wesentlichen Neuerungen. 510 Die wichtigste Änderung betraf den Familien- und die beiden Verdienstorden, galt aber nicht für alle Klassen, sondern lediglich für die höchste und die niedrigste. Dem ersten Rang wurde eine exklusive Extrastufe vorangestellt, während im untersten mehr Auszeichnungen möglich wurden. 511 Das hat damit zu tun, dass die symbolische Politik in diesem Zeitraum in erster Linie die Elite und die Unterschichten erreichen wollte, die wichtigsten Kräfte beim Ausbau des Verwaltungsapparats. 512 Seit 1894 stand Chulalongkorn vor der Aufgabe, die mit den Reformen der Behörden verbundene Bürokratisierung voranzubringen. In allen Ministerien fehlte es an qualifizierten Führungskräften und Beamten. An den Neuregelungen zwischen 1894 und 1910 lässt sich gut ablesen, dass die Ordenspolitik ein unentbehrliches Instrument zur Unterstützung der Innenpolitik geworden war. Dies soll zunächst ein Blick auf den Chulachomklao-Familienorden zeigen. Viermal erließ Chulalongkorn Dekrete, um ihn zu modifizieren: am 16. November 1895, am 16. November 1899, am 20. September 1900 und am 16. März 1910. 513 Die dritte Änderung aus dem Jahr 1900 beinhaltete die Einführung einer Extrastufe der Klasse I der männlichen Ordensgemeinschaft. Sie war für diejenigen bestimmt, die bereits der regulären Klasse I angehörten. Die Zahl derjenigen, die in diese exklusive Gruppe aufgenommen werden konnte, war unbegrenzt. Die Insignien wurden ohne Urkunde verliehen, und die Mitgliedschaft konnten vererbt werden. Damit war die männliche Ordensgemeinschaft des Familienordens auf sechs Stufen angewachsen: Klasse I,1, I,2, II,1, II,2, III,1 und III,2. Mit den Erlassen von 1902 und 1909 wurde die Zahl der Mitglieder in den beiden Verdienstorden Weißer Elefant und Siamesische Krone erweitert. Das erste Dekret sah zwei weitere Klassen vor: die goldene, die VI., und die silberne, die 510 Das waren die Änderungsdekrete von 1895, 1896, 1899, 1900, 1902, 1909 und 1910. 1895 und 1910 wurden jeweils zwei erlassen (Siehe dazu Anhang IV). 511 Die restlichen vier Dekrete behandelten kleine, unbedeutende Änderungen der Insignien des Chulachomklao-Familien- und des Maha-Chakri-Hausordens. 512 Siehe hierzu beispielsweise Tej Bunnags Untersuchung zur Verwaltung der Provinzen durch das Innenministerium: The Provicial Administration of Siam 1892-1915. Von der Bildungspolitik handelt David Wyatt, The Politics of Reform in Thailand. Eine Darstellung der militärischen Entwicklungen findet sich bei Noel Alfred Battye, The Military, Government and Society in Siam, 1868-1910. 513 Die Zahl weiblicher Ordensmitglieder setzten die Dekrete vom 16.11.1895 und vom 16.11.1899 herauf. Zuerst wurde die Zahl für die Mitglieder der Klasse I auf 21 (20+1) erhöht, dann richtete man in einem zweiten Schritt eine Extrastufe der Klasse II für 50 Frauen ein. Damit bestand die weibliche Ordensgemeinschaft des Chulachomklao-Familienordens aus fünf Stufen (Klasse I, II,1, II,2, III,IV). <?page no="175"?> IV. Die Neuordnung des Ordenswesens und die dritte Phase der Reformpolitik 175 VII. Wer darin aufgenommen wurde, erhielt eine Medaille. Mit diesen Medaillen so llte n Be am te v on n ied ri gem R ang un d Unt ero ffi zie re ausg eze ich net wer den, die nicht berechtigt waren, reguläre Orden zu erhalten. Die Zahl der Mitglieder war nicht begrenzt, und die Verleihung erfolgte ohne Urkunde. Es wurde also einfacher, Ehrungen auszusprechen. Sie konnten jederzeit und ohne komplizierte bürokratische Vorgänge erfolgen. Der Erlass vom 20. Juli 1902 wurde nicht nur wie üblich auf Thailändisch in der Royal Gazette veröffentlicht, sondern erschien auch in einer Sonderausgabe in Europa. Die neuen Richtlinien wurden ins Englische und ins Französische übersetzt, und der Verlag W. Drugulin in Berlin erhielt den Auftrag, diese Versionen zusammen mit dem Originaltext zu drucken. 514 Damit wurden neben dem Maha-Chakri-Hausauch die beiden Verdienstorden internationalisiert. Nach seiner Europareise 1897 zeichnete Chulalongkorn eine wachsende Zahl von Europäern aus allen Gesellschaftsschichten mit einem Verdienstorden aus. Diese waren im Ausland nicht nur bekannt, sondern sogar begehrt. 515 Das war siamesischem Selbstbewusstsein in der Außenwie in der Kulturpolitik zuträglich und bildete sich auch in dem Dekret vom 16. November 1909 ab. Im 37. Kapitel des Chulachomklao-Familienordens, das an diesem Tag zusammentrat, wurde die Extrastufe der Großkreuz-Klasse des Weißen Elefanten (Maha paramaphon) erweitert. Der König verfügte, dass die Mitgliedschaft in dieser Gruppe unbeschränkt sein sollte, wie es auch beim Familienorden der Fall war. Auch hier wurden die Insignien ohne Urkunde verliehen. Die eigentliche Innovation jedoch bestand in der Einführung von drei neuen Symbolen: dem dreiköpfigen Elefanten, dem Kreuz und dem einfarbigen Ordensband in Rot. Das war nicht nur für die Innen-, sondern auch für die Kultur- und Außenpolitik von Bedeutung. Ein genauer Blick auf die Insignien macht das klar. Der dreiköpfige Elefant „Aiyaraphot“ war eigentlich das Symbol des Königreichs Siams. Mongkut hatte ihn zum zentralen Motiv des ersten von ihm gestifteten Ordens gemacht. Später wurde an Stelle des „Aiyaraphot“ der „Weiße Elefant“ verwendet, da dieses Symbol im Westen bekannt war und mit Siam identifiziert wurde. Die Farbe Rot stand für das Königreich und später die Nation der Thai. Phonetisch glich das Adjektiv „chat“ = rot dem Substantiv „chat“, das auf Sanskrit „jāti“ lautete und in etwa „Nation“ bedeutete. 516 Diese Rückbesinnung 514 The Statutes of the Most Honourable Order of The Crown of Siam 1893, hrsg. v. der siamesischen Regierung, Berlin (ca. 1902). 515 Näheres dazu im nächsten Kapitel dieser Arbeit. 516 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erschien in der siamesischen Flagge der Weiße Elefant auf rotem Grund. Im Jahre 1917 führte König Vajiravudh (reg. 1910-1925) eine neue Flagge ein. Sie orientierte sich an westlichen Vorbildern und bestand aus fünf Streifen in den Farben Rot, Weiß und Dunkelblau. Rot symbolisiert die thailändische Nation, Weiß die buddhistische Religion und Dunkelblau den König. Diese Flagge ist bis heute in Gebrauch. <?page no="176"?> 176 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns auf eine traditionelle siamesische Formensprache kann als Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins verstanden werden. Damit korrespondiert das Auftauchen des Kreuzes. Zum ersten Mal in der Kulturgeschichte des Landes wurde dieses Symbol für Kleinod und Stern eines Ordens verwendet. Am Beginn der Geschichte des siamesischen Auszeichnungswesens hatte man das sogar bewusst vermieden. Man wollte symbolisch auf Distanz gehen zur kolonialen Expansion. In anderen Ländern, die ebenfalls informellen kolonialen Zugriffen ausgesetzt waren, dem Osmanischen Reich beispielweise oder Japan, fand sich das Kreuz jedoch durchaus unter den Ordensinsignien, und zwar sogar bereits bei den ersten Stiftungen. Die neue Symbolik in der Extrastufe des Großkreuzes des Weißen Elefanten veranschaulicht, dass in Siam die Umgestaltung des Auszeichnungswesens auf der Einkleidung eigener kultureller Gepflogenheiten in europäisch inspirierte Formen beruhte. Die drei neuen Zeichen spiegelten nun eine veränderte Lage in der Innen-, Außen- und Kulturpolitik wider. Besonders die größere Nähe Chulalongkorns zur europäischen Kultur, die durch kontinuierlichen Kontakt und Dialog mit dem Westen zustande kam, war hier spürbar. Siams Selbstvertrauen war gewachsen, und wie das nächste Kapitel dieser Studie darlegt, spielte es nun nicht mehr nur die Rolle eines Empfängers von Impulsen aus der westlichen Gemeinschaft, sondern wurde seinerseits zu einem Initiator von Anregungen. Die neue Symbolik im Verdienstorden des Weißen Elefanten markierte in Chulalongkorns Gestaltung des Auszeichnungswesens das letzte Stadium des Abwägens zwischen westlichen und siamesischen Einflüssen. Gleichzeitig ist sie als Höhepunkt im Prozess der Rezeption externer kultureller Praktiken im Zeitalter der Europäischen Dominanz zu sehen. Mit ihr endete ein zentrales Kapitel der Kultur- und Kontaktgeschichte Siams. Am Ende der Herrschaft Chulalongkorns sah die protokollarische Rangordnung der fünf Orden folgendermaßen aus 517 : 1. der Noppharat-Ratchawaraphon-Hausorden: eine Klasse 2. der Maha-Chakri-Hausorden: eine Klasse 3. der Chulachomklao-Familienorden der männlichen Ordensgemeinschaft: 3 Klassen (6 Stufen) und der weiblichen Ordensgemeinschaft: 5 Klassen 4. der Weiße-Elefanten-Orden: 8 Klassen 5. der Siamesische-Kronen-Orden: 7 Klassen 517 Siehe dazu auch Anhang VI. <?page no="177"?> IV. Die Neuordnung des Ordenswesens und die dritte Phase der Reformpolitik 177 Abb. 28: Der Weiße-Elefanten-Orden Klasse I extra, Maha paramaphon <?page no="178"?> 178 C. Die Orden und das Zeremoniell unter der Herrschaft König Chulalongkorns V. Zusammenfassung Mit Blick auf die beständige Entwicklung und Veränderung der siamesischen Orden unter den Königen Mongkut und Chulalongkorn kann abschließend festgestellt werden, dass der Prozess der Rezeption der fremden Kultur mit einer einfachen Übernahme äußerlicher Formen begann. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis eine bewusstere Auseinandersetzung mit den externen Einflüssen begann. Zu gezielten Übernahmen kam es schließlich ab den 1880er Jahren. Mit der Reform des Staatsapparates sowie des Auszeichnungswesens und des Zeremoniells 1888 erreichten die Aneignungsprozesse ihren Höhepunkt. Dass sie so intensiv abliefen, war in erster Linie auf bestimmte Formen der Reaktion auf koloniale Expansion im Zeitalter der Europäischen Dominanz zurückzuführen. Die kontinuierliche Erweiterung und Ausgestaltung der Orden veranschaulicht, wie Elemente europäischer Kultur innenwie außenpolitisch im siamesischen Interesse instrumentalisiert wurden und es zu selektiver Rezeption und Transkulturierungsvorgängen kam. Im bisherigen Verlauf dieser Untersuchung konnte gezeigt werden, dass der Weg in eine lokal geprägte Modernisierung Siams von drei Faktoren abhing: Zuerst ist die Fähigkeit des Königs und seiner Berater zu nennen, die innere Krise zu beherrschen, die von der kolonialen Expansion des Westens ausgelöst wurde. Zweitens mussten auf thailändischer Seite die Bereitschaft und das Vermögen bestehen, sich neues Wissen und moderne Technik anzueignen und kritisch zu reflektieren, um es für außenwie innenpolitische Notwendigkeiten und Zielvorstellungen nutzbar zu machen. Unerlässlich war schließlich drittens, dass die Kolonialmächte dieses Verhalten akzeptierten und mit Siam kooperierten. Chulalongkorn gelang es, seine moderate Reformpolitik bei den konservativen und progressiven Fraktionen durchzusetzen. Damit erreichte er die Stabilität im Inneren, in der er die wichtigste Voraussetzung sah, um die Auseinandersetzung mit den externen Herausforderungen erfolgreich bestehen zu können. Als er seine Herrschaft antrat, musste er seine Modernisierungsbemühungen noch zurückstellen, da der Widerstand der alten Minister zu stark war. Dass seine Politik ab den 1880er Jahren erfolgreich verlief, hatte nicht nur damit zu tun, dass die alte Generation nach und nach von der politischen Bühne abtrat, sondern auch damit, dass er von nun an mit der Unterstützung Großbritanniens rechnen konnte. Trotz dieser eigentlich günstigen Konstellation musste Chulalongkorn einen Kompromiss zwischen der konservativen und progressiven Fraktion schließen. Es war ihm wichtig, alle politischen Strömungen zu gewinnen, um eine Modernisierung des Landes in seinem Sinn gemeinschaftlich voranzubringen. Deshalb entschied er sich für eine moderate Reformpolitik. Ergebnis war ein ausgewogener Transformationsprozess Siams, der in verschiedenen Etappen <?page no="179"?> V. Zusammenfassung 179 verlief. Es dauerte mehr als 30 Jahre (1855-1889), bis Siam sich mit fremden Einflüssen kritisch auseinandersetzen und sie selektiv annehmen konnte, und es währte sogar mehr als 40 Jahre (1855-1893), bis die Orden als Herrschaftssymbole Siams endgültig verankert waren. Gut 54 Jahre (1855-1909) vergingen, bis das Symbol des Kreuzes Eingang in die Ordensinsignien finden konnte. Im Verlauf dieser Jahre integrierte Siam eine Reihe westlicher Einflüsse in Politik und Kultur und vermochte es dadurch, Teil der internationalen Staatengemeinschaft zu werden. Das nächste Kapitel dieser Arbeit beschreibt das im Detail. Die neue Gestalt des Weißen-Elefanten-Ordens, so lässt sich abschließend sagen, entwickelte sich in einem dialektischen Prozess zwischen selektiver Aneignung und kreativer Adaption. Erneut werden dabei transkulturierende Vorgänge sichtbar. Im Kreuzsymbol spiegelt sich die Annäherung an Europa, im dreiköpfigen Elefanten die Beharrungskraft eigener Traditionen. Diese Entwicklung war möglich, weil Siam eine aktive Rolle in den Austausch- und Kommunikationsprozessen mit dem Westen im Inland wie in Europa spielte und in der Lage war, aus den Elementen symbolischer Politik herauszugreifen, was unumgänglich war, um die koloniale Bedrohung abzuwehren, und was instrumentalisiert werden konnte, um im internen Reformprozess die Fraktion des Königs zu stärken. Davon wird das nächste Kapitel ausführlicher handeln. <?page no="181"?> 181 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen Im Zentrum dieses Kapitels stehen Ordensverleihungen als Mittel siamesischer Außenpolitik und als Strategie antikolonialer Selbstbehauptung. Die Darstellung ist in drei Zeitabschnitte gegliedert: in die Phase von 1868 bis 1879, die Jahre zwischen 1880 und 1893 und schließlich in den Zeitraum von 1898 bis zum Ende der Herrschaft Chulalongkorns 1910. Da die Europareise des Königs 1897 eine wichtige Zäsur in der Innen-, Außen- und Kulturpolitik Siams darstellte, wird ihr ein eigenes Kapitel gewidmet. Zunächst allerdings werden die diplomatischen Beziehungen Siams zum Westen seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ganz allgemein skizziert. Zu 18 Ländern unterhielt das Land diplomatische Beziehungen, und mit ihnen tauschte es auch Orden aus. 14 von ihnen hatten ungleiche Verträge mit Siam abgeschlossen, und zwar Großbritannien 1855, Frankreich und die USA 1856, Dänemark 1857, Portugal 1859, die Niederlande 1860, Preußen 1862, Belgien und Norwegen-Schweden 1868, Spanien, Österreich-Ungarn und Italien 1869, Russland 1891 und 1899 und Japan 1887 und 1898. 518 Die Kontakte zu Ägypten, dem Osmanischen Reich, Griechenland und Hawaii wurden nicht nach diesen Bestimmungen geregelt. Innerhalb dieser 18 Länder wandte sich Siam mit seinen Orden an drei verschiedene soziale Gruppen: an die königlichen und kaiserlichen Häuser und die Staatspräsidenten, an die Beamten und schließlich an Privatleute aus Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst. Sie wurden auf unterschiedliche Weise ausgezeichnet, nämlich Adel und hohe Politik mit Haus-, Regierungsapparat mit Familien- und Bürger mit Verdienstorden. Wie oft und wie intensiv Siam seine Orden mit den jeweiligen Ländern austauschte, war unterschiedlich. Es hing zunächst davon ab, wie sich die einzelnen Regierungen zur Annahme fremder Orden stellten. Großbritannien, die USA, die Hansestadt Hamburg oder die Schweiz beispielsweise verboten ihren Staatsdienern, ausländische Auszeichnungen und Geschenke zu empfangen. Angehörigen dieser Länder verlieh Siam daher nur ausnahmsweise Orden. So erhielten einige US-amerikanische Bürger Verdienstorden, was allerdings keinerlei politische Implikationen hatte. Was Großbritannien betraf, verlieh Chulalongkorn lediglich Queen Victoria und einigen Angehörigen des britischen Königshauses den Hausorden. Dies war allerdings stets mit politisch-taktischem Kalkül verbunden und sorgte für entsprechendes Aufsehen, wie weiter unten noch ausgeführt wird. 518 Siehe auch oben in dieser Arbeit Anm. 145. <?page no="182"?> 182 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen Wie oft und in welcher Zahl Orden verliehen wurden, hing des Weiteren entscheidend davon ab, wie groß jeweils Nachfrage und gesellschaftliche Wertschätzung waren. Am häufigsten tauschte Siam Orden mit Frankreich, dem Deutschen Reich und Russland aus. Dies waren die drei europäischen Großmächte, mit denen Siam die intensivsten politischen Beziehungen hatte. Gleichzeitig besaßen Orden in diesen Ländern einen besonders hohen Stellenwert. In Deutschland wie in Russland waren zudem militärische Traditionen fest in der Gesellschaft verankert. 519 Die Zahl der Auszeichnungen bestimmte den gesellschaftlichen Status. Chulalongkorn selbst berichtete, dass der deutsche Kaiser und der russische Zar von morgens bis abends Uniform samt Orden und Ehrenzeichen trugen. 520 Wie Prinz Chakrabongse seinem Vater Chulalongkorn berichtete, war nach seiner Beobachtung die Etikette am deutschen Kaiserhof sogar noch strenger als am russischen. 521 Auch bei den Franzosen, so notierte Prinz Damrong, gab es kaum etwas Wichtigeres im Leben als Orden. 522 Chulalongkorn hielt ebenfalls fest, dass sich die Menschen Europas außerordentlich geschmeichelt fühlten, wenn man sie mit Orden ehrte. 523 In puncto Auszeichnungen bestand zudem ein enger Austausch mit Japan, und zwar besonders um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, als sich das Land auf dem Weg zur Weltmacht befand. Wenn sich Souveräne gegenseitig Hausorden verliehen, ging das in der Regel komplikationslos vonstatten. Nur das britische Königshaus machte hier eine Ausnahme. Es stellte einen „Sonderfall“ dar, wie weiter unten noch deutlich wird. Wurden Hausorden ausgetauscht, symbolisierte das die freundschaftlichen Beziehungen der Monarchen und hatte keine politische Bedeutung. Zwar spra- 519 Jürgen Hartmann, Staatszeremoniell, S. 121. 520 König Chulalongkorn an Phraya Visuddha, in: Phraratchahatthalekha lae nangsue krapbangkhomthun khong chaophraya phrasadet surentharabodi taeyangmibandasak pen phramontri photchanakit lae phraya wisutsuriyasak (Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Chaophraya Phrasadet Surentharabodi aus den Jahren 1895 bis 1899, als dieser zum Phra Montri Phochanakit und Phraya Visuddha Suriyasakti ernannt wurde), in: Kremationsbuch zur königlichen Kremationsfeier von Thanphuying Sa-ngiam phrasdetsurentharabodi am 12. April 1961, Bangkok 1961, S. 280. 521 Prinz Chakrabongse an König Chulalongkorn, 01.06.1905, NA 5 T/ 49. Prinz Chaofa Chakrabongse hielt sich damals zur militärischen Ausbildung unter Aufsicht des Zaren Nikolaus II. an der russischen Kadettenanstalt in Sankt Petersburg auf. Auf Wunsch seines Vaters reiste er nach Berlin, um diesen bei der Hochzeit des preußischen Kronprinzen am 06.06.1905 zu repräsentieren. 522 Prinz Damrong an Prinz Devawongse, 29.10.1891, NA KT 6.19/ 4. 523 König Chulalongkorn an Chaophraya Bhanuwongse, R 66/ 42, 10.05.1880, in: Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Chaophraya Bhanuwongse, Bd. II, Bangkok 1979, S. 473ff. Der Brief, aus dem dieses Zitat stammt, ist unten auf S. 192. nachzulesen. <?page no="183"?> D$ )nti/ oloniale 0el,st,eha2pt2n3 d2r*h Ordens1erleih2n3en 183 chen sie bei ihren persönlichen Begegnungen auch über Politik, doch geschah dies außerhalb des Protokolls. 524 Sehr viel problematischer war es, Verdienstorden auf Regierungsebene auszutauschen. Politische Fragen ließen sich hier kaum ausblenden. Sorgfältig musste besprochen und abgewogen werden, wer Orden welcher Klasse erhalten sollte. Dies war die Bühne, auf der symbolische Auseinandersetzungen zwischen Siam und den kolonialen Mächten geführt wurden. Siam wollte mit seinen Auszeichnungen zurückhaltend umgehen, wurde aber von den westlichen Ländern gedrängt, möglichst großzügig zu verfahren. Erneut jedoch gelang es Siam mit großem diplomatischen Geschick, auch in dieser Frage eine Strategie zu entwickeln, mit der der eigene Spielraum erweitert und eine Lösung gefunden werden konnte. Das wird in den folgenden Ausführungen deutlich werden. Ausländische Bürger auszuzeichnen war wiederum mit keinerlei Problemen verbunden. Meist deckten sich dabei die Interessen beider Seiten. Siam konnte hier frei entscheiden und auswählen, wen es ehren und wen es mit einem Geschenk bedenken wollte, aber auch Wünsche nach Auszeichnungen ablehnen, die nicht angebracht erschienen. Chulalongkorn war sich bewusst, dass die Akzeptanz siamesischer Orden im Inwie im Ausland von seiner Reputation abhing. Diese wiederum war an moralische Integrität und an unparteiische und transparente Entscheidungen gebunden. Das Nationalarchiv in Bangkok bewahrt zahlreiche Schreiben auf, in denen der König seine Minister nachdrücklich ermahnte, Orden nur an Personen zu verleihen, die sie auch wirklich verdient hatten. Folgendes Bespiel kann diese Haltung illustrieren. Im Frühjahr 1893 begannen französische Zeitungen zu melden, siamesische Truppen hätten französische Soldaten an der Grenze zu Indochina angegriffen. Dies entsprach nicht den Tatsachen. Die französische Öffentlichkeit jedoch reagierte empört und verlangte eine Annexion Siams. Phra Suriya Nuvatra, Chargé d’affaires der siamesischen Gesandtschaft in Berlin, wollte diese Fehlinformationen nicht einfach hinnehmen. Er schlug Phraya Mahayotha, dem siamesischen Gesandten in London, vor, das Außenministerium in Bangkok zu bitten, dem siamfreundlichen britischen Journalisten Lloyd Williams einen Orden zu verleihen. Das hätte Williams, so Phra Suriya Nuvatras Überlegung, noch weiter motiviert, den westlichen Lesern ein positives Bild des Landes zu vermitteln. 525 Diese Empfehlung lehnte 524 König Chulalongkorn berichtete, dass er bei den persönlichen Begegnungen mit Zar Nikolaus II. und Kaiser Wilhelm II. über die aktuelle politische Situation sprach (Siehe dazu die Darstellung unten in Abschnitt III. dieses Kapitels). 525 Phra Suriya an Phraya Mahayotha, 04.02.1893, NA KT 3. Phra Suriya wurde später siamesischer Gesandter in Paris (1897-1905) und führte zähe, harte Verhandlungen mit dem französischen Außenminister Delcassé über die völkerrechtswidrige Besetzung der Provinz Chantaburi 1893. Delcassé war launisch und unbeherrscht, was die Gespräche mit ihm erschwerte [siehe <?page no="184"?> 184 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen Chulalongkorn mit folgender Begründung ab: „Solche Politik ist Bestechung. Die Orden von Siam sind nicht für derartige Zwecke gestiftet worden.“ 526 Ginge man so vor, würden nicht nur Wert und Ansehen der siamesischen Orden Schaden nehmen, sondern auch seine Reputation leiden. Diese Position beherzigte Chulalongkorn während seiner gesamten Herrschaftszeit. I. Die Phase von 1868 bis 1879 Als Chulalongkorn seine Herrschaft antrat, spielten Orden noch keine Rolle in der Außenpolitik. Das hatte verschiedene Gründe. Die kolonialen Spannungen waren in Südostasien in dieser Phase gering. Zudem musste sich der gerade gekrönte König zunächst in erster Linie innenpolitischen Problemen widmen. Ferner stand das siamesische Ordenswesen erst am Beginn seiner Entwicklung. Die siamesische Regierung war gerade erst im Begriff es auszubauen. Gleichzeitig modernisierte sie das diplomatische Zeremoniell. Die Phase der Ordenspolitik zwischen 1868 und 1879 kann als eine Zeit des Aufbaus betrachtet werden, in der Siam versuchte, auf diesem Wege seine Anerkennung zu vergrößern und sich in die europäische Staatengemeinschaft zu integrieren. Als er gerade König geworden war, schloss Chulalongkorn ungleiche Verträge mit Österreich- Ungarn, Spanien und Italien. Mit weiteren zwölf westlichen Ländern unterhielt Siam zu diesem Zeitpunkt bereits diplomatische Beziehungen. Ihrerseits hatte die siamesische Regierung jedoch großes Interesse, ausländische Orden zu empfangen. Wie thailändische Quellen zeigen, förderte das Außenministerium wechselseitige Ehrungen, wenn beispielsweise Konsuln oder Gesandte verabschiedet wurden, woran auch deren Heimatländer stets Interesse hatten. Dem Tagebuch Chulalongkorns lässt sich entnehmen, dass er sich in dieser Phase bemühte, ausländische Orden zu sammeln. Dabei richtete sich sein Augenmerk auf kleinere europäische Staaten wie die Niederlande, Spanien, Portugal, Schweden-Norwegen oder Italien. Prinz Damrong beispielsweise schrieb dem siamesischen Außenminister Devawongse, es sei ihm gelungen, mit dem italienischen Außenministerium den Austausch zahlreicher Orden abzusprechen. 527 Dass fremde Auszeichnungen derart begehrt waren, lässt sich mit ihrer dazu Die vergeblichen Einladungen nach Britisch-Indien. Die Süd-Süd-Kooperation am Beispiel von Korrespondenzen zwischen König Chulalongkorn und Lord Curzon, in: Michael Mann und Jürgen Nagel (Hrsg.), Europa jenseits der Grenzen. Festschrift für Reinhard Wendt, Heidelberg 2015, S. 322]. 526 Prinz Devawongse an Phraya Mahayotha, 19.03.1893, NA KT 3. 527 Prinz Damrong an Prinz Devawongse, 19.12.1891, NA KT 6.19/ 4. Damrong besuchte zu dieser Zeit Italien. Chulalongkorn beauftragte ihn, einen Besuch von Zar Alexander III. zu er- <?page no="185"?> I. Die Phase von 1868 bis 1879 185 traditionellen politisch-gesellschaftlichen Wertschätzung erklären. Der Besitz ei nes a us län dis ch en O rd en s b ede ut et e ni ch t nur e in e Ehr e nu r fü r de n Tr äg er selbst, sondern auch für sein Land. Das soziale Ansehen wuchs mit der Klasse der Auszeichnung, und besonders viel Prestige gewann, wer den Verdienstorden einer europäischen Großmacht erhalten hatte. Eine westliche Auszeichnung galt als Eintrittskarte in die Gemeinschaft der modernen Staaten. Es handelte sich um eine symbolische Aufwertung in den diplomatischen Beziehungen. Drei wichtige Ereignisse förderten in dieser Phase die Weiterentwicklung der Orden, die Modernisierung des diplomatischen Zeremoniells und schließlich die Entwicklung des Auszeichnungswesens als Mittel der Außenpolitik. Dabei handelte es sich zunächst um die Verleihung des St.-Stephan-Ordens an Chulalongkorn durch Kaiser Franz Joseph am 17. Mai 1869. Die zweite wichtige Begebenheit waren die beiden Reisen des Königs nach Singapur und Niederländisch- Indien, die zwischen dem 9. März und dem 15. April 1871 stattfand, sowie nach Britisch-Indien, die vom 18. Dezember 1871 bis zum 15. März 1872 währte. 528 Und als drittes und wichtigstes Ereignis ist schließlich die Einladung der britisch-indischen Regierung an Chulalongkorn zu nennen, an den Feierlichkeiten anlässlich der Krönung Queen Victorias zur Kaiserin von Indien am 1. Januar 1877 teilzunehmen, am so genannten „Proclamation Durbar“. Bei dieser Gelegenheit wollte ihm die Königin den St.-Michael-und-St.-George-Orden verleihen. Dieser „Proclamation Durbar“ war eine koloniale Angelegenheit Großbritanniens, und deshalb wollte der siamesische König an den Feierlichkeiten nicht unmittelbar beteiligt sein. Wäre er persönlich erschienen, hätte das nicht nur seine eigene Autorität im Inland beschädigt, sondern auch das Ansehen des Landes im Ausland, besonders bei den Vasallenstaaten und Nachbarländern auf der malaiischen Halbinsel. 529 Deshalb beauftragte Chulalongkorn den Ex- Regenten Srisuriyawongse, an seiner Stelle nach Indien zu reisen. Er ernannte ihn zum Sonderbotschafter und erhob ihn damit in den höchsten diplomatischen Rang, den das Wiener Übereinkommen von 1815 vorsah. 530 Damit wollte der König Großbritannien seine Ehrerbietung erweisen. Nach Abschluss der Feierlichkeiten verlieh Queen Victoria Chulalongkorn das Großkreuz des St.-Michael-und-St.-George-Ordens 531 und Srisuriyawongse widern und ihm bei dieser Gelegenheit auch den Maha-Chakri-Hausorden zu überbringen (Vgl. dazu Damrong-Mission 1891, S. 153ff.). 528 Zur Verleihung des St.-Stephan-Ordens und den beiden Auslandsreisen siehe oben Kapitel C, S. 90. 529 Näheres zu diesen Überlegungen weiter unten in den Auszügen aus dem Schreiben Chulalongkorns an Chaophraya Bhanuwongse vom 04.01.1878. 530 Vgl. dazu oben in dieser Arbeit S. 134. 531 Zu diesen Orden siehe URL: http: / / www.royal.gov.uk/ MonarchUK/ Honours/ OrderoftheBath.aspx (Stand 2016). <?page no="186"?> 186 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen das Kommandokreuz desselben Ordens als Dank für die Teilnahme an diesem Staatsakt. Chulalongkorn war mit dieser Auszeichnung alles andere als glücklich. Sie brachte ihn in eine schwierige Lage. Hätte er die Auszeichnung abgelehnt, wäre das nicht nur einer Beleidigung der Queen gleichgekommen, sondern hätte auch für Missstimmung bei der Regierung in London gesorgt. Sein Dilemma beschrieb Chulalongkorn in einem Schreiben vom 4. Januar 1878 an Außenminister Chaophraya Bhanuwongse: „Ich weiß nicht, ob ich den St.-Michael-und-St.-George-Orden entgegennehmen soll, denn, wie ich gesehen habe, wurde bisher kein souveräner Monarch von der britischen Regierung mit diesem Orden ausgezeichnet. Während der Feierlichkeit erhielten ihn nur Angehörige des britischen Königshauses, darunter auch der Maharaja von Yaho 532 . Wenn ich diesen Orden akzeptiere, weiß ich nicht, ob ich dann in unseren malaiischen Vasallenstaaten nicht als jemand betrachtet werde, der auf denselben Rang wie der Sultan von Yaho herabgesetzt wurde. Mr. Knox 533 wird wohl versuchen, mir ausweichend zu erklären, dass dieser Orden nur für diejenigen bestimmt wurde, die sich stets für britische koloniale Angelegenheiten engagiert haben. Und da auch ich dieses Mal bei dieser Feierlichkeit mitgewirkt hätte, sei ich von England mit diesem Orden und zwar mit der besten Klasse ausgezeichnet worden. Ich denke, dass ich die Frage noch einmal mit Mr. Knox erörtern muss. Allerdings vermute ich, dass die Briten diese Ordensauszeichnung intern bereits abgesprochen haben. Als Kab 534 nämlich aus Singapur zurückkam, ließ mir Sir Robinson mitteilen, er wolle mich besuchen[, um von mir Abschied zu nehmen], bevor er [endgültig] nach England zurückkehrt. 535 Er wird sicherlich bei dieser Gelegenheit diesen Orden mitbringen und ihn mir hier überreichen. Er wurde übrigens bei dieser Feierlichkeit als Generalgouverneur von Singapur mit der Kommandeurs-Klasse dieses Ordens ausgezeichnet. Möget Ihr mit Mr. Knox einen Audienztermin am 7. Januar [1878] wie gewohnt anberaumen.“ 536 Nach reiflicher Überlegung entschied sich Chulalongkorn schließlich, den Orden doch anzunehmen. Er machte das Beste aus dieser problematischen Situation. Auf die Geste der Queen antwortete er nämlich mit einer Gegenauszeichnung. Er verlieh ihr das Großkreuz des Weißen-Elefanten-Ordens samt der Ordenskette. 537 Das war die höchste Ehrung, die Siam zu vergeben hatte. Sie stand 532 Gemeint war hier der malaiische Sultan von Johor. 533 Thomas G. Knox war damals britischer Generalkonsul in Bangkok. 534 Prinz Kab war Bruder und Privatsekretär Chulalongkorns. 1878 schickte ihn Chulalongkorn nach Singapur zum Urlaub. 535 Sir William Robinson stattete Bangkok vom 18.-30.11.1878 einen offiziellen Besuch ab. Am 22.11.1878 überreichte er König Chulalongkorn den St.-Michael-und-St.-George-Orden (Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Chaophraya Bhanuwongse, Bd. II, S. 262). 536 König Chulalongkorn an Chaophraya Bhanuwongse, 04.01.1878, NA KT4.1/ 11. 537 König Chulalongkorn an Thomas Knox, R 156, 08.01.1878, in: Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Chaophraya Bhanuwongse, Bd. II, S. 100f. Bei der gegenseitigen Verleihung von Hausorden zwischen Souveränen wurden dem Ausgezeichneten die Insignien (Kleinod, Stern und Band samt Urkunde oder Begleitschreiben des Ordensherrn) ausgehändigt. Wollte <?page no="187"?> II. Die Jahre zwischen 1880 und 1893 187 im Rang deutlich höher als der St.-Michael-und-St.-George-Orden, was die Q u ee n i n Verlegenheit bringe n sollte. 538 Nach Rücksprache mit dem Foreign Office in London beschloss die Regierung in Bangkok im Frühjahr 1879, eine Mission nach Großbritannien zu schicken. Chulalongkorn machte seinen Privatsekretär Phraya Bhasakorawongse zum Sondergesandten und beauftragte ihn, der Queen diesen Orden zu überreichen. Der Phra-Pricha-Fall machte diese Pläne dann jedoch zunichte. Zwar sollte sich Bhasakorawongse umgehend auf den Weg nach London machen, um mit der britischen Regierung über die Krise zu sprechen. Von der Ordensverleihung sah man aber ab. 539 Chulalongkorn war der Meinung, dass die geplante Ehrung in einer solch brenzligen Situation Bhasakorawongse als Bittsteller bei der Queen erscheinen lassen würde. Sollte die Mission im Phra-Pricha-Fall scheitern, wäre das dann nicht nur eine Blamage für den König, sondern für das ganze Land. 540 II. Die Jahre zwischen 1880 und 1893 Nach dem Phra-Pricha-Fall hatte Chulalongkorn nicht nur freie Hand, um sein Reformprogramm im Inneren in Gang zu setzen, er konnte auch im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten selbstbewusster handeln. Er war zudem überzeugt, dass beides Hand in Hand gehen musste. 541 Um sich erfolgreich gegen koloniale Zugriffe zu wehren, musste Einigkeit im Land bestehen. Unerlässlich waren dafür aber auch Verbündete außerhalb Siams. Die Strategie, mit der Chulalongkorn und die „Young-Siam“-Fraktion externem Druck begegneten, setzte auf bewährte Mittel: zu gezieltem politischkulturellen Wandel im Inneren trat eine feinfühlige Diplomatie, in der Ordensverleihungen eine wichtige Rolle spielten. Wie schon dargelegt, waren in der zweiten Phase der Modernisierungspolitik nicht nur die Reformen im Staatsapparat am intensivsten. 542 Das galt auch für das Auszeichnungswesen und die der Verleiher seine Verbundenheit stärker zum Ausdruck bringen, konnte er Ordenszeichen und -stern mit Brillanten schmücken lassen oder diese zusammen mit einer Kette aus massivem Gold verleihen. Letzteres tat Chulalongkorn häufiger während seiner Europareise 1897 (Näheres dazu weiter unten). 538 König Chulalongkorn, Tagebuchaufzeichnungen, 22.06.1878, Bangkok 1934, S. 110. 539 Zum Phra-Pricha-Fall siehe die Darstellung S. 126ff. oben in dieser Arbeit. 540 König Chulalongkorn an Chaophraya Bhanuwongse, R 29/ 41, 26.04.1879, in: Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Chaophraya Bhanuwongse, Bd. II, S. 289ff. 541 König Chulalongkorn an Patriarch Bawares, 27.08.1876, in: Natthawut Sutthisongkram, Leben und Wirken von Patriarch Bawares Viriyalongkorn, S. 96ff. (Siehe dazu auch die Ausführungen zum Phra-Pricha-Fall S. 126ff. oben in dieser Arbeit). 542 Näheres dazu oben S. 158ff. <?page no="188"?> 188 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen symbolische Politik. Zudem wurden die Kontakte zum Ausland stark ausgebaut. Siam nahm diplomatische Beziehungen mit zwei weiteren Ländern auf, nämlich mit Japan und Russland. 543 Innerhalb der 13 Jahre zwischen 1880 und 1893 konnte Chulalongkorn siamesische Gesandtschaften in Europa und in den USA einrichten, und er schickte Missionen aus, um europäischen Souveränen und Staatschefs sowie dem japanischen Tenno die höchsten Orden zu verleihen. Als wichtigste außenpolitische Maßnahmen dieser Jahre sind zu nennen: die Bhanuwongse-Mission, die 1880 Großbritannien, Frankreich und Deutschland besuchte; die Einrichtung einer ersten ständigen diplomatischen Vertretung in Europa und in den USA 1882; die Etablierung einer zweiten festen Botschaft in Europa 1883; die Devawongse-Mission von 1887, die sich in Großbritannien, Deutschland, Schweden, den USA und Japan aufhielt; die Bhasakorawongse-Mission nach Japan, die ebenfalls 1887 unterwegs war; die Sai-Mission, die in den Jahren 1888 und 1889 Frankreich, Deutschland, Österreich-Ungarn, Schweden-Norwegen und Dänemark bereiste; die Damrong-Mission von 1891 und 1892, auf deren Besuchsprogramm Italien, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Dänemark, Russland, das Osmanische Reich und Griechenland standen. Weder in der Phase von 1868 bis 1879 noch in den Jahren zwischen 1898 und 1910 reisten siamesische Gesandte so häufig ins Ausland. In der Zeit von 1880 bis 1893 konnte Siam auf eigene Initiative handeln und setzte Ordensverleihungen gezielt ein, um Bündnispartner zu gewinnen. Mit dieser Strategie verfolgte das Land das Ziel, koloniale Bedrohungen abzuwehren. Mehr und mehr Monarchen und führende Politiker wurden deshalb ausgezeichnet. Sehr enge diplomatische Kontakte knüpfte Siam mit sieben Ländern: mit Großbritannien, Frankreich, den Ländern des Dreibunds - Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien -, mit Russland, das bald eine Partnerschaft mit Frankreich eingehen sollte, und schließlich mit Japan. Die Beziehungen zum Deutschen Reich und zu Russland hatten dabei für Siam besondere Bedeutung, waren sie doch an einen Gegner und einen Verbündeten Frankreichs adressiert. Mit diesem zweigleisigen Vorgehen in seiner symbolischen Politik hoffte die Regierung in Bangkok, die Expansionspolitik auf indirektem Weg eindämmen zu können. In dieser Strategie findet sich zum einen das alte, schon mehrfach angesprochene Diktum Mongkuts wieder, nämlich „to swim upriver to make friends with crocodile“, sowie die klassischen europäischen Prinzipien des „do ut 543 Siehe S. 193 sowie S. 194ff. <?page no="189"?> II. Die Jahre zwischen 1880 und 1893 189 des“ und des „divide et impera“, die allerdings auch in Siam nicht unbekannt ware n. Ch ulalo ngk orn ve rst and s ic h al s So uv e rän u nd s uc h te n ac h di re kt en Kontakten zu Seinesgleichen. Allerdings hatte die Zahl der „crocodiles“ zugenommen, mit denen Freundschaft zu schließen er für ratsam hielt. Entsprechend betrieb Chulalongkorn die Politik der Ordensverleihungen. Um im Klub der europäischen Souveräne gleichberechtigt auftreten zu können, ging der König ähnlich vor, wie es sein Vater beim Abschluss der ungleichen Verträge in den 1850er Jahren getan hatte: Er suchte zunächst enge Beziehungen zum britischen Königshaus, um dann durch dieses Einfallstor leichteren Zugang zu anderen europäischen Monarchen zu finden. Das war erfolgreich, denn es kam zu einer Reihe gegenseitiger Besuche hochrangiger Persönlichkeiten, bei denen immer Orden verliehen wurden. 544 Schon als der Phra-Pricha-Fall beigelegt war, wollte Chulalongkorn nach Europa reisen, um Queen Victoria persönlich mit dem Weißen-Elefanten-Orden ehren zu können. Aufgrund der Krankheit Srisuriyawongses ließ sich dieses Vorhaben nicht verwirklichen. Der König beauftragte stattdessen Außenminister Chaophraya Bhanuwongse, Europa zu besuchen. 545 Zu seinen Aufgaben gehörte es, Queen Victoria 546 , dem französischen Staatschef Jules Grévy und dem deutschen Kaiser Wilhelm I. sowie dessen Thronfolger Prinz Friedrich Wilhelm den Weißen Elefanten zu überbringen. 547 Außerdem sollte er mit den europäischen Regierungen über Fragen des Zugangs zum thailändischen Markt sprechen. Konkret ging es dabei darum, den Einfuhrzoll auf Alkoholika von 3% auf 10% erhöhen zu können. Chulalongkorn fürchtete allerdings, dass die Mission scheitern könnte. Deshalb gab er seinem Minister eine Privatinstruktion mit auf den Weg. Dieses Schreiben ist ein Dokument von hoher Bedeutung, gibt es doch Einblick in Chulalongkorns persönliche Sicht der diplomatischen Gegebenheiten in Europa. 544 Siehe die Liste des gegenseitigen Ordensaustausches in diesem Zeitraum in Anhang I. 545 Näheres dazu oben in dieser Arbeit Kapitel C II: Die Ordensstiftung und die zweite Phase der Reformpolitik (1880-1882), S. 129ff. 546 Nach dem Tod von Königin Victoria ging Großkreuz samt goldener Kette des Weißen- Elefanten-Ordens nicht an den Ordensherrn zurück. Sie werden heute in der königlichen Schatzkammer in der Bibliothek von Schloss Windsor aufbewahrt (Siehe Stephan Patterson, Royal Insignia, S. 182). 547 The Royal Gazette, 21.02.1886, S. 536. Die Anlehnung Siams an Deutschland ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass Deutschland ein bedeutendes Gegengewicht zu Frankreich darstellte. Sie hatte auch damit zu tun, dass Chulalongkorn von der neuen Außenpolitik Bismarcks, die dieser beim Berliner Kongress 1878 verkündete, begeistert war. Aus diesem Grund entschied sich die siamesische Regierung, den dritten nach Europa entsandten Minister 1887 nach Berlin zu schicken. London und Paris waren 1882 und 1883 vorausgegangen (Warunyupa Snidvongse, Über einige interessante Aspekte, S. 114f.). <?page no="190"?> 190 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen Bemerkenswert sind besonders die taktischen Verhaltensmaßnahmen, die der König dem fast 30 Jahre älteren Chaophraya Bhanuwongse empfahl: „Mit diesem Brief möchte ich Euch einige meiner Bedenken in Form einer privaten Instruktion mitgeben. Inhaltlich würde ich mich während Eurer Anwesenheit in Bangkok niemals so ausdrücken, um nicht zu eingebildet zu erscheinen. Doch da Ihr Euch auf den weiten Weg nach Europa begeben habt, mögen Euch diese Anweisungen aufgrund der großen Distanz doch als Richtlinien [hinsichtlich des Verhaltens und Handelns bei der Mission in Europa] dienen. Inwieweit meine Mahnung zu befolgen ist, könnt Ihr Euch zunächst selbst überlegen, nachdem Ihr die [diplomatischen] Regeln der Völkergemeinschaft beobachtet und studiert habt. Über diese Fragen könnt Ihr Euch auch mit kompetenten Personen wie Phraya Siam Durabaha 548 im Geheimen beraten und dann je nach Situation einen bestimmten Punkt auswählen und anwenden. Daher möchte ich Euch nochmals vorab sagen, dass diese Anweisung auf Liebe zum Vaterland beruht. Darüber hinaus ist diese Instruktion auf meinen Wunsch zurückzuführen, dass unser Land im Laufe der Zeit rasche Fortschritte macht. Und nicht zuletzt schreibe ich, weil ich in Sorge um Euch bin. Ihr seid nun allein auf der Reise nach Europa, um ganz wichtige Regierungsgeschäfte zu erledigen. Sollte Eure Mission mit Erfolg enden, würde dies unserer Heimat Ehre und Frieden im Land bringen; und ihr würdet Euch dauernde Verdienste erwerben. Sollte diese Mission jedoch scheitern oder nicht abgeschlossen werden können, würde die Ehre des Landes beschädigt und entsprechend auch Euer Ansehen. Daher möchte ich, dass diese Instruktion als meine Mahnung an Euch dient. […] 1. Was den Verhaltenskodex etwa beim Besuch bei einem Minister eines fremden Monarchen oder bei einem politischen Gespräch mit einem Minister betrifft, so müsst Ihr stets Eure Ehre wahren, wie es dem Minister eines souveränen Staats entspricht. Ihr dürft diese Würde nie herabsetzen, weil Ihr denkt, wir sind ein kleiner Staat und die anderen ein großer. Wenn Ihr allzu bescheiden auftretet, dann gebt Ihr denen, mit denen Ihr verhandelt, eine Gelegenheit, uns zu erpressen. Auch in der Völkergemeinschaft Europas gibt es große und kleine Staaten. Die Unterschiede zwischen ihnen sind erheblich, sowohl bezüglich der Landesfläche als auch der politischen Macht. Trotz dieser Gegebenheiten muss eine Gesandtschaft stets die Ehre ihres Monarchen und die Würde ihres Landes wahren wie ein Botschafter eines souveränen Staats. Auch die Gesandtschaften Japans, Chinas und verschiedener Länder aus unserer Region haben ihre Ehre bewahrt. Möget Ihr Euch bezüglich des Habitus in Europa gründlich erkundigen und umhören. Bei Gesprächen wie beim Auftreten in Europa möget Ihr Euch so verhalten, dass die Ehre und Würde [Siams] nicht herabgesetzt werden, ganz so wie bei uns zu Hause. 2. Was unsere Taktik in der vergangenen oder gegenwärtigen Diplomatie angeht, haben wir unseren Mund und unseren Kopf eingesetzt und sind auch stets bescheiden aufgetreten. Wir sind klein, wir verfügen über keinerlei Macht und überlassen den Großmächten unser Schicksal: sollten sie uns mit der Faust niederdrücken, werden wir sterben, sollten sie die Faust zurückziehen, werden wir überleben. Diese Strategie hat sich als richtig und pragmatisch erwiesen: Das heutige Wohlergehen unseres 548 Phraya Siam Durabaha war der Titel des siamesischen Konsuls in London. Sein eigentlicher Name lautete D. K. Mason. <?page no="191"?> II. Die Jahre zwischen 1880 und 1893 191 Landes ist auf diese Politik gegründet. Das bestreite ich nicht und es fällt mir schwer, dieser Taktik zu widersprechen. Aber ich habe auch negative Folgen dieser Politik gesehen. Wir haben uns allzu widerstandlos verhalten. Dies habt Ihr mir einmal als zu „ngog“ 549 bezeichnet. Beispiele dafür gibt es genug, wenn Ihr darüber nachdenkt. Aber wenn wir uns in der Öffentlichkeit ständig zu bescheiden und widerstandlos geben, dann wird, so befürchte ich, eine solche Haltung Gefahr für unser Land bringen. Unsere Defizite kennen nur diejenigen Menschen aus dem Westen, die in Bangkok leben. Andere wissen von ihnen nichts und würden es auch nicht glauben, wenn sie von ihren Landsleuten in Bangkok Entsprechendes erführen. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein unabhängiger Staat über eigene Krallen zur Verteidigung seiner Souveränität verfügen muss und nur so existieren kann. Auch die Zulu, die als das barbarischste Volk betrachtet werden und nur über kurze [primitive] Waffen verfügen, haben im Kampf Großbritannien großen Schaden zugefügt. Das geschah nicht, weil die Engländer die eigenen Soldaten schonen und Geld sparen wollten; im Gegenteil: sie wollten nicht in eine solche Situation kommen. Nun ist unser Land ja viel stärker als das der Zulu, obwohl es zwar [westliche] Leute gibt, die daran glauben, dass wir keine Krallen besitzen. Aber diejenigen, die das nicht glauben, sind zehnmal mehr. Daher möget Ihr Euch taktisch klug verhalten und nicht alle Karten aufdecken. All das, was ich hier sage, bedeutet nicht, dass ich die Europäer zum Kampf herausfordern möchte. Im Gegenteil, ich weiß doch, dass wir nicht in der Lage sind, gegen sie vorzugehen. Aber unser [Kampf]Geist ist nicht erstarrt wie eine göttliche Statue. 550 […] 3. Will man mit Großbritannien rasch und erfolgreich verhandeln, habe ich gesehen und verstanden, dass die Briten den Gesprächspartner schätzen, der ihnen gegenüber geradlinig und direkt spricht. Sie mögen nämlich keine Einschmeichelungen, wie sie Mr. Knox betreibt. 551 Solches Verhalten betrachten sie als „weak“, also als schwach. Derartige Kritik habe ich von Engländern immer zu hören bekommen. Die Briten werden einer Regierung mit schwacher Haltung misstrauen, ja sie sogar verachten. Sie betrachten sie als Zeichen dafür, dass der Gesprächspartner gar nicht ernsthaft und zielgerichtet verhandelt, und fühlen sich ermutigt, nach eigenem Gutdünken vorzugehen. Auch unser Anliegen würden sie nicht ernst nehmen, selbst wenn unsere Forderungen berechtigt sind. Sie würden sie nicht berücksichtigen, weil sie denken, es ist gleich, ob sie sich mit unserem Verlangen befassen oder nicht; wir werden sowieso nicht protestieren. In einer solchen Situation würde sich jeder genauso wie die Briten verhalten. Warum sollte man seinen eigenen Vorteil einfach so verschenken? Also müssen wir bei Verhandlungen mit den Briten unseren Vorteil begründen und direkt äußern, dass er uns zusteht. Da werden die Briten nachdenken, und sofern sie unsere Argumentation nicht bestreiten können, werden sie sich doch nicht benachteiligt fühlen, wenn sie unserer Forderung nachkommen müssen. Wenn Ihr über den Sinn meiner Worte nachdenkt, möget Ihr auch mit [D. K.] Mason 552 darüber sprechen. Ich bin sicher, dass er Euch bei passender Gelegenheit sagen wird, was auch ich gesagt habe. 549 Wörtlich etwa: sehr ängstlich. 550 Sinngemäß bedeutet das, wir werden nie aufgeben. 551 George Thomas Knox war ehemaliger britischer Generalkonsul in Bangkok. 552 D. K. Mason, siamesischer Generalkonsul in London. <?page no="192"?> 192 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen 4. Was die Taktik bei den anstehenden Verhandlungen über Vertragsänderungen angeht, habe ich mich bereits mit Palgrave 553 besprochen. Er hat mir Ratschläge gegeben, die auch mit denen von Somdet Chaophraya 554 übereinstimmen: Wir sollen also zunächst mit England verhandeln. Dann wird England uns bei Gesprächen mit weiteren westlichen Ländern unterstützen. Das ist euch wohlbekannt. […] Im Übrigen gibt es auf dem Kontinent nichts, an dem die Menschen mehr Geschmack finden als an Orden. Die Europäer erhalten diese Auszeichnungen ausgesprochen gerne, sie sind bei ihnen noch beliebter als bei Siamesen. Sie tragen die Orden sogar beim Schlafen. Ihr könnt einer Person beispielsweise eine Ehrung mit einem Orden versprechen, wenn Ihr seht, dass sie sich um unsere Anliegen bemüht. Aber wenn Ihr seht, dass eine bereits abgesprochene Sache noch nicht erledig ist, dann müsst Ihr Eure Zusage entsprechend hinausschieben. Ich werde Euch die Erlaubnis zur angemessenen Vergabe der Verdienstorden erteilen. Ich wünsche Euch viel Erfolg. […]“ 555 Wie Chulalongkorn schon befürchtet hatte, blieben Bhanuwongses Verhandlungen mit verschiedenen europäischen Regierungen über Änderungen in den Verträgen erfolglos. 1882 ernannte Chulalongkorn Prinz Prisdang zum Minister und Gesandten in Europa und in den USA mit Hauptsitz in London. Als er in Wien und in Berlin seine Beglaubigungsschreiben überreichte, übergab er, so wie es ihm aufgetragen worden war, Hochzeitsgeschenke an Erzherzog Rudolf, den Kronprinzen von Österreich-Ungarn, und an Prinz Wilhelm von Preußen, den späteren Kaiser Wilhelm II. 556 Außenpolitisch relevant wurde der Maha-Chakri-Hausorden erstmals 1887. In diesem Jahr lud die britische Regierung den siamesischen König zum goldenen Thronjubiläum von Queen Victoria nach London ein. Chulalongkorn beauftragte einen engen Vertrauten, seinen Bruder Prinz Devawongse, ihn bei diesen Feierlichkeiten zu vertreten. 557 Die Mission, die Devawongse antrat, führte ihn nicht nur nach London, sondern auch nach Berlin und Stockholm als wichtigste Stationen seiner Reise. In London und Berlin überreichte er Queen Victoria und Kaiser Wilhelm I. den Maha-Chakri-Orden und ihren Thronfol- 553 William Grifford Palgrave war damals als Nachfolger von Knox britischer Generalkonsul in Bangkok. 554 Gemeint ist hier der Ex-Regent Srisuriyawongse. 555 König Chulalongkorn an Chaophraya Bhanuwongse, R 66/ 42, 10.05.1880, in: Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Chaophraya Bhanuwongse, Bd. II, S. 473ff. 556 König Chulalongkorn an Chaophraya Bhanuwongse 25.06.1881, in: Natthawut Sutthisongkram, Eine Biographie von Chaophraya Bhanuwongse, Bd. II, S. 546. 557 The Royal Gazette, 19.07.1887, S. 124f. und 26.08.1887, S. 167. Devawongse hatte nicht nur Orden zu verleihen. Er sollte sich auch ein Bild vom staatlichen Verwaltungswesen in Europa machen und später dem König Bericht erstatten. <?page no="193"?> II. Die Jahre zwischen 1880 und 1893 193 gern 558 das Großkreuz des Siamesischen-Kronen-Ordens. 559 König Oscar II. erhielt in Stockholm aus Devawongses Hand das Großkreuz des Weißen- Elefanten-Ordens. Oscar II. verlieh Chulalongkorn im Gegenzug den Seraphinen-Orden. 560 Auf dem Rückweg reiste Devawongse über die USA nach Japan. Dort schloss er am 26. September 1887 einen Freundschaftsvertrag ab. 561 Außerdem kam es zu einem Ordenstausch. Tenno Mutsuhito erhielt das Großkreuz des Weißen- Elefanten-Ordens und revanchierte sich mit dem Großkreuz des Ordens der Aufgehenden Sonne. Außerdem schickte der japanische Kaiser eine Sondermission nach Bangkok, die Chulalongkorn den Chrysanthemen-Orden überbringen sollte, den höchsten Hausorden Japans. Sie wurde von Generalleutnant Prinz Komatsu Akihito geleitet. 562 Akihito hatte zunächst das Osmanische Reich besucht, um dort einen Vertrag mit der Hohen Pforte abzuschließen, und war dann nach London weitergereist, wo er den Tenno bei Queen Victorias Thronjubiläum vertrat. Auf dem Rückweg nach Japan besuchte er Bangkok. Am 10. November 1887 empfing Chulalongkorn Akihito in seinem Palast. Während des Empfangszeremoniells überreichte Akihito dem siamesischen König den Chrysanthemen-Orden. Chulalongkorn dankte Akihito, indem er ihn mit dem Großkreuz des Weißen-Elefanten-Ordens ehrte. 563 Die Antwort des siamesischen Königs an den japanischen Kaiser bestand in der Verleihung des Maha-Chakri-Hausordens. Chulalongkorns Privatsekretär Phraya Bhasakorawongse, mit dem ihn ein enges Vertrauensverhältnis verband, erhielt den Auftrag, den Tenno auf diese Weise auszuzeichnen und gleichzeitig den ratifizierten Freundschaftsvertrag zu überreichen, 564 was am 15. Februar 1888 geschah. 565 Die beiden Missionen des Jahres 1887 zielten zum einen darauf ab, die guten Kontakte zu den Souveränen von Schweden-Norwegen und von Japan weiter zu vertiefen. Zum anderen sollten sie die bereits angeknüpften freundschaftlichen Beziehungen mit Großbritannien und Deutschland ausbauen. Aus diesem Grund erhielten auch die Thronfolger Orden. Frankreich wurde dagegen nicht bedacht. Lediglich Staatspräsident Jules Grévy war mit dem Großkreuz des Wei- 558 Es waren dies der Prince of Wales, der nachmalige König Edward VII., und Prinz Wilhelm von Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm II. 559 The Royal Gazette, 26.08.1887, S. 167. 560 The Royal Gazette, 19.07.1887, S. 125. 561 Siam ratifizierte diesen Vertrag am 18. Dezember 1887 (NA KT 3.21). 562 Prinz Devawongse an Phraya Bhasakorawongse, Telegramm 27.09.1887, NA M R5 T/ 6. 563 The Royal Gazette, 15.11.1887, S. 257. 564 The Royal Gazette, 22.12.1887, S. 295ff. 565 Phraya Bhasakorawongse an Prinz Devawongse, 15.02.1888, NA KT 3.21/ 1. <?page no="194"?> 194 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen ßen-Elefanten-Ordens ausgezeichnet worden. Dies war ein Zeichen der abgekühlten diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Dass Chulalongkorn Devawongse beauftragte, auf seiner Mission auch ausländische Kronprinzen mit dem Großkreuz des Weißen-Elefanten-Ordens zu ehren, hatte gleichfalls einen politischen Grund. Anfang 1887 nämlich wurde, wie bereits erwähnt, zum ersten Mal in der Geschichte Siams ein Kronprinz ernannt. 566 Deshalb wurden von nun an neben den Souveränen auch deren Thronfolger in die gegenseitige Verleihung von Hausorden einbezogen. Diese Strategie hatte rasch Erfolg: Schon im Dezember 1887 nämlich zeichnete Umberto I. von Italien Kronprinz Maha Vajirunahis mit dem St.-Mauritz-und- Lazarus-Orden aus und Franz Joseph I. ehrte ihn mit dem Großkreuz des Leopold-Ordens. 567 Dies bedeutete eine offizielle Anerkennung des siamesischen Kronprinzen durch westliche Monarchen, was gleichzeitig die Legitimität der Herrschaft Chulalongkorns stärkte. Er brauchte eine solche symbolische Unterstützung von außen nicht zuletzt, um seine Modernisierungspolitik fortsetzen zu können. Die Mission von 1887 öffnete Siam endgültig den Zugang zum Kreis der europäischen Monarchen und erleichterte weitere diplomatische Kontakte mit dem Westen. Um auf diesem Weg voranzukommen, ernannte Chulalongkorn Ende November 1888 Prinz Sai Snidvongse zum Sondergesandten und schickte ihn mit folgenden Aufgaben nach Europa: 568 1. Zunächst sollte er Kaiser Franz Joseph anlässlich seines 40. Thronjubiläums den Maha-Chakri-Hausorden überreichen. Auf gleiche Weise hatte er Wilhelm II. zu ehren, der gerade deutscher Kaiser geworden war, sowie Oscar II. von Norwegen-Schweden. 2. Des Weiteren beauftragte ihn Chulalongkorn, den französischen Präsidenten Carnot, der dieses Amt Ende 1887 angetreten hatte, mit dem Großkreuz des Weißen-Elefanten-Ordens auszuzeichnen. Mit diesem hatte er außerdem König Christian IX. von Dänemark zu bedenken. Ziel der Sai-Mission war es, mit Hilfe der Verleihung von Orden freundschaftliche Kontakte zu zwei weiteren europäischen Monarchien zu pflegen, nämlich zu Österreich-Ungarn und zu Dänemark. Im Wesentlichen ging es jedoch darum, die diplomatischen Beziehungen zu den Staatsoberhäuptern europäischer Großmächte zu vertiefen, vor allem zu Frankreich und Deutschland. 566 The Royal Gazette, 23.01.1887, S. 356ff. 567 Siehe auch Anhang I. 1880 hatte Chulalongkorn Umberto I. das Großkreuz des Weißen- Elefanten-Ordens verliehen. Die Auszeichnung fand 1880 beim Besuch des Herzogs von Genua in Bangkok statt. 568 The Royal Gazette, 02.03.1890, S. 413ff., 16.03.1890, S. 434ff und 30.03.1890, S. 455ff. <?page no="195"?> II. Die Jahre zwischen 1880 und 1893 195 Freundschaftliche Verbindungen mit dem dänischen Königshaus aufzunehmen hatte für Siam politische G ründe. Da Christina IX. mit dem Zaren verwandt war, erhoffte man sich in Bangkok von Dänemark eine Vermittlerrolle im Verhältnis zu Russland. Die Strategie, die Chulalongkorn verfolgte, bestand darin, nicht nur mit Gegnern Frankreichs wie etwa dem Deutschen Reich auf gutem Fuß zu stehen, sondern Kontakte zu einem Land zu pflegen, das enge Beziehungen zu Frankreich unterhielt, was bei Russland der Fall war. Als in Bangkok schon mit Hochdruck an einem Plan gearbeitet wurde, das erste offizielle diplomatische Treffens mit Russland zu Stande kommen zu lassen, traf im September 1890 die Nachricht ein, dass sich der Zarewitsch auf den Weg von Europa nach Wladiwostok machen wollte. Nach langen Verhandlungen zwischen Phra Suriya, dem siamesischen Geschäftsträger in Berlin, und Graf Michail Mouravieff, der dort die russische Botschaft leitete, erlaubte Zar Alexander III. seinem Sohn, während seiner Reise in Bangkok Station zu machen. 569 Der Zarewitsch hielt sich vom 20. bis zum 25. März 1891 in der siamesischen Hauptstadt auf. 570 Man empfing ihn mit einer der prunkvollsten und aufwendigsten Staatszeremonien, die man in Bangkok je gesehen hatte. Jeder Tag wurde zudem mit kulturellen Veranstaltungen bereichert. 571 Am Tag seiner Ankunft hieß Chulalongkorn den Zarewitsch in der Audienzhalle des Palasts in Gegenwart der Familien des Königshauses, sämtlicher Regierungsbeamten sowie ausländischer Diplomaten und Kaufleute willkommen. Am selben Abend wurde ein Staatsbankett ausgerichtet, davor hatte das Ordenszeremoniell stattgefunden. Dabei verlieh Chulalongkorn dem Zarewitsch den Maha-Chakri-Hausorden, und zwar der Rangordnung des Protokolls gemäß in Form des Großkreuzes des Siamesischen-Kronen-Ordens. Prinz Georg von Griechenland, der den Zare- 569 Memorandum vom 18.09.1890, vereinbart von Keuchenius, dem Sekretär der siamesischen Legation in Berlin, und Graf Mouravieff, dem Geschäftsträger der russischen Botschaft in Berlin (NA M R5 T/ 10). 570 The Royal Gazette, 29.03.1891, S. 475ff. 571 Ein spektakuläres zweitägiges Programm war die Wildelefanten-Jagd in der Hauptstadt Ayudhaya. Sie war bewusst als einmaliges Ereignis geplant und sollte nicht nur den Ehrengast unterhalten, sondern zielte auch auf die mitgereisten Medien. Sie machten die siamesische Elefantenjagd in ganz Europa bekannt. Prinz Damrong berichtete, dass Wilhelm II. bei der Audienz in Berlin 1891 mit großem Interesse danach fragte [Prinz Damrong Rajanubhab, Nithan borankhadi (Persönliche Anekdoten), Bangkok ( 1 1944) 2 2001, S. 301]. Selbst beim Privatbesuch Chulalongkorns in Kassel-Wilhelmshöhe 1907 unterhielt sich Wilhelm II. mit seinem Gast über die Wildelefantenjagd [König Chulalongkorn an Prinzessin Nibhanobadon 09.08.1907, König Chulalongkorn, Klaiban (Fern von Zuhause, König Chulalongkorns Briefe an seine Tochter Prinzessin Nibha Nobadon während des zweiten Europabesuches 1907), Bangkok ( 1 1907) 1984, S. 379f. <?page no="196"?> 196 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen witsch auf seiner Reise begleitete, erhielt das Großkreuz des Weißen-Elefanten- Ordens. 572 Der Zarewitsch wurde wie ein europäischer Kaiser empfangen. Darin lässt sich das durchdachte und pragmatische außenpolitische Vorgehen Chulalongkorns erkennen. Der spätere Nikolaus II. war von diesem großartigen Empfang ausgesprochen angetan. Er revanchierte sich dafür 1897, als er versuchte, im siamesisch-französischen Konflikt zu vermitteln. Davon wird weiter unten ausführlicher die Rede sein. Auch Alexander III., der Vater des Zarewitschs, war beeindruckt von den Ehrungen, die seinem Sohn zuteilwurden. Er dankte Chulalongkorn, indem er ihn mit dem höchsten Orden des Zarenreichs auszeichnete, mit dem Andreas-Orden mit Brillanten und Kette nämlich. Einen Ausdruck engerer diplomatischer Verbundenheit hatte Chulalongkorn bis dahin nicht erhalten. Im Juli 1891 schickte er seinen Bruder, Prinz Damrong, zu einem Gegenbesuch nach Russland. Dabei überreichte Damrong dem Zaren den Maha Chakri. 573 Zu seinen Aufträgen bei dieser Mission zählte es ferner, denselben Hausorden an Christian IX. von Dänemark, Umberto I. von Italien und Georg I. von Griechenland zu überbringen. Außerdem erhielt der dänische Kronprinz das Großkreuz des Weißen-Elefanten-Ordens. 574 Nachdem Damrong wieder zurückgekehrt war, erhielt der Kronprinz von Siam als Gegenauszeichnung von Christian IX. das Großkreuz des Dannebrog-Ordens 575 und von Alexander III. den Alexander-Newski-Orden. 576 Bereits am 27. März 1891 hatte ihn Wilhelm II. mit dem Großkreuz des Roten-Adler-Ordens geehrt. 577 Die Reise Damrongs nach Europa bildete in diesem Zeitraum den Höhepunkt der Bemühungen Siams, auf diplomatischem Weg und mit Hilfe gezielter Ordensverleihungen seine Position in der angespannten politischen Situation im kontinentalen Südostasien zu verbessern. Es gelang auf diese Weise, enge Kontakte mit allen europäischen Großmächten zu pflegen. Parallel zu dieser außen- 572 Empfangsprotokoll sowie -programme sind ausführlich nachzulesen in The Royal Gazette, 29.03.1891, S. 475ff. 573 Prinz Damrong an König Chulalongkorn, 20.06.1891, NA M R5 T/ 10. 574 Chotmaihet sadetpraphat yurop r. s. 110 (ph. s. 2434) [Die Sammlung der Korrespondenz während der Europareise (des Prinzen Damrong) 1891], hrsg. v. der Damrong Rajanubhab Stiftung und M. C. Chongchitthanom, Bangkok 2 1998, S. 9f. Eigentlich stand das Osmanische Reich nicht auf dem Reiseplan. Nach dem Russlandbesuch jedoch machte sich Damrong auf dem Weg nach Griechenland, und der führte ihn über das Osmanische Reich. Dort empfing ihn der Sultan mit großer Herzlichkeit und zeichnete Chulalongkorn mit dem höchsten Orden des Reiches aus. Erst 1899 revanchierte sich Chulalongkorn, als er dem Sultan den Maha Chakri überreichen ließ. 575 NA KT 4.6. 576 NA M R5 T/ 10. 577 NA M R5 T/ 7. <?page no="197"?> II. Die Jahre zwischen 1880 und 1893 197 politischen Strategie setzte sich die Modernisierung der staatlichen Verwaltung Si ams f o rt. Am 1. A pr il 189 2 lie ß Ch ul alo ngk orn d ie z wöl f Mi ni st eri en e inri ch ten und begann, Exekutive, Judikative und Legislative zu reformieren. 578 Auf Empfehlung der britischen Regierung stellte Damrong, der mittlerweile zum Innenminister ernannt worden war, den Belgier Gustave Rolin-Jaequemyns als Regierungsberater an. Zu dessen Aufgaben gehörte es, bei der Umgestaltung des Justizwesens mitzuwirken. 579 Zu den außen- und innenpolitischen Maßnahmen kamen auch militärische. Chulalongkorn ordnete an, die Festung an der Mündung des Chao Phraya, den Schwachpunkt bei einem Angriff von Kanonenbooten, zu modernisieren und zu stärken. Er selber übernahm die Aufsicht über die Arbeiten. 580 Der neue Bau wurde mit Kanonen bestückt, die aus der Produktion der britischen Firma Armstrong stammten. Krupp aus Essen lieferte Geschütze zur Verteidigung Bangkoks. Am 6. Dezember lieferte die schottische Werft Ramage and Ferguson in Bangkok einen Kreuzer aus, der auf den Namen „Maha Chakri“ getauft wurde. 581 Mit diesen verschiedenen Schritten hoffte Chulalongkorn, die koloniale Expansion Frankreichs eindämmen zu können. Er wollte diese Strategien, zu denen auch die Revision aller Ordensstatuten gehörte, 1893 zu seinem 25. Thronjubiläum gebührend feiern. Der Paknam-Zwischenfall machte diese Pläne jedoch zunichte. 582 Siam blieb angesichts einer militärischen Drohkulisse keine andere Wahl, als am 3. Oktober 1893 einem Vertrag mit Frankreich zuzustimmen, der eine tiefe Zäsur in der Geschichte des Landes darstellte. Chulalongkorn befand sich nun in einer äußerst schwierigen Lage, aus der nur drei Auswege möglich schienen: Er konnte sich das Leben nehmen, Siam unter ein französisches Protektorat stellen oder den einmal eingeschlagenen Weg weiter gehen. 583 Er entschied sich für die dritte Lösung und wollte umgehend nach Europa reisen, um direkt mit Frankreich über die noch offenen Streit- 578 Siehe dazu oben in dieser Arbeit S. 158ff. 579 Näheres in Damrong Rajanubhab, Rueang phraya aphairacha (Gustave Rolin-Jaequemyns) [Die Geschichte über die Anstellung von Phraya Aphairacha (Gustave Rolin-Jaequemyns)], in: Prinz Damrong, Persönliche Anekdoten, S. 79-84 und Walter E. J. Tips, Gustave Rolin-Jaequemyns and the Making of Modern Siam. The Diaries and Letters of King Chulalongkorn’s General Adviser, Bangkok 1996. 580 Vgl. dazu Wudhichai Mulasilp, Wikritkan r. s. 112 pomphra chulachomklao kap kanraksa ekkarat khongchat [Der Paknam-Zwischenfall 1893. Die Phra Chulachomklao-Festung (an der Flussmündung) und die Verteidigung der Souveränität der Nation], Bangkok 2005. 581 Berichte über die königlichen Kabinettssitzungen I, S. 388. 582 Vom Paknam-Zwischenfall war bereits oben S. 151. die Rede. Weiterführende Literatur dazu in Anm. 379. 583 Wudhichai Mulasilp, Phrabatsomdet phra chulachomklaochaoyuhua sadetpraphat yurop r. s. 116 (ph. s. 2440) (König Chulalongkorns Europareise 1897), Bangkok 2000, S. 12f. <?page no="198"?> 198 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen punkte zu verhandeln. Dabei spielte es keine Rolle für ihn, ob er in den europäischen Hauptstädten mit einem Protokoll empfangen würde, das seinem Status entsprach. 584 Sein Kabinett sprach sich gegen diese Reise aus, da er unter diesen Umständen nur als Bittsteller erscheinen würde und sein Land nicht angemessen repräsentieren könne. Außerdem weigerte sich Großbritannien, Chulalongkorn zu empfangen. 585 Dazu kam, dass der König gesundheitlich am Ende seiner Kräfte war. Er sah sich gezwungen, seine Reise nach Europa zum dritten Mal abzusagen. 586 III. Die Europareise Chulalongkorns 1897 Ende 1896 wurde erneut begonnen, eine Europareise Chulalongkorns vorzubereiten. In der Presse erschienen entsprechende Nachrichten, und am 22. Februar 1897 bestätigte die siamesische Regierung auch offiziell, dass der König Europa besuchen werde. Doch wurden weder eine genaue Reiseroute noch detaillierte Besuchsprogramme bekannt gegeben. 587 In Bangkok wollte man zunächst die Reaktionen des Westens abwarten. Während die USA sich umgehend bereit erklärten, Chulalongkorn zu empfangen, äußerten sich weder Deutschland noch Österreich-Ungarn, Dänemark, Norwegen-Schweden, Spanien, Großbritannien und Frankreich zu der amtlichen Nachricht. 588 Chulalongkorn versuchte nun, mit Hilfe Großbritanniens Zugang nach Europa zu erhalten. Er wartete auf eine Zusage aus London, ihn offiziell zu empfangen. Doch die britische Regierung stellte zwar Kapitän und Mannschaft als Besatzung für den „Maha-Chakri“- 584 König Chulalongkorn an Prinz Svasti, Telegramm 03.09.1893, zitiert nach Chiraphon Sathapanawatthana, Die Krise Siams 1893, S. 351. Prinz Svasti, ein Bruder des Königs, hielt sich zu dieser Zeit in Europa auf. Er fungierte vor allem als Erzieher der Söhne Chulalongkorns in London, hatte aber auch die Europareise seines Bruders vorzubereiten. 585 Prinz Svasti an König Chulalongkorn, 26.02.1896 (NA 5 3/ 49) sowie Rosebery an Scott 22.11.1893 (FO 17/ 1187), zitiert nach Anm. 45, in: Brailey Nigel, Two Views of Siam…, S. 120. 586 Wudhichai Mulasilp, König Chulalongkorns Europareise 1897, S. 12. 587 Vorgesehen waren Besuche in Großbritannien, Deutschland, Portugal, Spanien, Österreich- Ungarn, Dänemark, Norwegen-Schweden, Frankreich, Italien, Belgien, den Niederlanden und den USA [Devawongse an 13 auswärtige Vertreter in Bangkok 22.02.1897, in: Kansadetpraphat yurop khong phrabatsomdet phrachulachomklaochaoyuhua r. s. 116 (Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns während seiner Europareise 1897), hrsg. v. The Fine Arts Department, Bangkok 1997f., Bd. I, Bangkok, S. 24f.]. 588 Prinz Devawongse an Prinz Sommot, 369/ 14467, 02.03.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. I, S. 65. <?page no="199"?> III. Die Europareise Chulalongkorns 1897 199 Kreuzer zur Verfügung 589 , kam aber ansonsten Chulalongkorn und seinen Reiseplänen nicht entgegen. 590 Erst kurz bevor der König aufbrechen wollte, fragte der britische Außenminister Lord Salisbury bei dem siamesischen Gesandten Svasti an, ob Chulalongkorn am 60. Thronjubiläum von Queen Victoria teilnehmen werde, wann in diesem Fall mit seinem Eintreffen in London zu rechnen sei und wer ihn, sollte er nicht kommen können, vertreten solle. 591 Da London also zu spät reagierte, musste der siamesische König einen anderen Weg wählen, um seine Reisepläne zu realisieren. Er spielte nun die russische Karte. Kurz nachdem er zum russischen Außenminister ernannt worden war, besuchte Graf Mouravieff Paris. Bei dieser Gelegenheit traf er am 28. Januar 1897 Phra Suriya, den siamesischen Geschäftsträger in Paris, und sprach mit ihm über die Europareise Chulalongkorns. 592 Er versprach Suriya, sich bei Nikolaus II. dafür einzusetzen, dass er Chulalongkorn empfange. Nach Mouravieffs Ansicht standen die Chancen dafür gut, da sich der Zar immer noch sehr gerne an seinen Besuch in Bangkok sechs Jahre zuvor erinnerte. 593 Wenig später ließ die russische Regierung amtlich verlautbaren, dass sie den siamesischen König 589 Chulalongkorn trug alle Kosten seiner Reise, um sich nicht in politische Abhängigkeiten zu begeben. So reisten er und seine Begleiter mit dem eigenen „Maha-Chakri“-Kreuzer nach Großbritannien. Allerdings verfügte er nicht über eine erfahrene Besatzung, die das Schiff von Siam nach Europa hätte führen können. Daher bat die siamesische Regierung die Briten, einen Kapitän zur Verfügung zu stellen. 590 Prinz Svasti an König Chulalongkorn, 26.02.1897, NA M R5 T/ 49. Das Foreign Office hatte es seit 1893 stets vermieden, in Verhandlungen über einen Empfang Chulalongkorns in London einzutreten. Großbritannien und insbesondere das Colonial Office in Singapur sahen die Reisepläne Chulalongkorns mit Sorge. Sie befürchteten, dass die engen Beziehungen zwischen Siam und Russland den britischen Einfluss in der Region und besonders auf der malaiischen Halbinsel gefährden könnten. Großbritannien forderte die siamesische Regierung auf, ein Geheimabkommen zu unterzeichnen. Nur dann sei ein Empfang Chulalongkorns in London möglich. Dieses Abkommen sah vor, dass Siam seine Hoheitsgebiete auf der malaiischen Halbinsel an keinen westlichen Staat abtreten dürfe, ohne dazu vorher die Zustimmung des Foreign Office in London einzuholen. Auf beiden Seiten wussten in der Tat nur wenige Personen von dieser Vereinbarung. Sie erschwerte später die Verhandlungen mit Frankreich (Siehe dazu: Kingkaew Nikomkhum, The Anglo-Thai Negotiations regarding „Siamese Malay States“ in the Reign of King Rama V from B.E. 2443 to B.E. 2452, Magister Arbeit Sri Nakarinwirot University 1976). 591 Prinz Svasti an König Chulalongkorn, 26.02.1897, NA M R5 T 3/ 49 und Prinz Devawongse an König Chulalongkorn, 116/ 15032, 14.03.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. I, S. 77. 592 Phra Suriya an Prinz Devawongse, 62, 29.01.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. I, S. 35ff. Suriya und Mouravieff hatten sich bereits in ihrer Amtszeit in Berlin kennengelernt. Suriya war dort Geschäftsträger der siamesischen Legation, Mouravieff Minister bei der russischen Botschaft. Mouravieffs Engagement ermöglichte den Besuch des Zarewitschs in Bangkok 1891. 593 Phra Suriya an Prinz Devawongse, 62 29.01.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. I, S. 35ff. <?page no="200"?> 200 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen Chulalongkorn offiziell empfangen werde. Russland einzuschalten hatte sich bezahlt gemacht, denn nun erklärten sich auch andere europäische Länder bereit, ihre Türen für den Monarchen aus Südostasien zu öffnen. Großbritannien und Frankreich hielten sich allerdings nach wie vor zurück. Wilhelm II. kündigte dagegen an, für den Besuch Chulalongkorns in Berlin ein Protokoll vorbereiten zu lassen, das ehrenvoller sein werde, als das in London. 594 Chulalongkorns Reise nach Europa nahm deshalb verschiedene Formen an. Sie konnte einerseits offiziell und andererseits privat sein, und von Land zu Land sah das Programm anders aus. Prinz Svasti drückte das dem König gegenüber in förmlichem Duktus folgendermaßen aus: „The King of Siam comes on his own hook, he depends on nobody and on no Country, if any Courts will welcome him, he will accept their civility, if any one does not desire his Society, he will not thrust himself on him.” 595 Dieser problematischen Situation musste sich Siam strategisch variabel anpassen. Um die Reise erfolgreich zu gestalten, war nicht nur geschickte taktische Diplomatie erforderlich. Alle Teilnehmer mussten sich als „zivilisierte“ Menschen präsentieren, um auch ihre Land entsprechend erscheinen zu lassen. 596 Das betraf besonders Chulalongkorns Begleitpersonal, das sich westlichen Habitus anzueignen hatte. Thailändische Quellen berichten ausführlich über alle Maßnahmen, die ergriffen wurden, um Anklang bei den Europäern zu finden. Auf keinen Fall durfte das Auftreten des Königs und seiner Gefolgschaft - seiner Familienangehörigen, des Militär- und des Zivilattachés sowie der Kammerdiener - lächerlich wirken. Alle erhielten Uniformen und Garderobe nach europäischem Muster. 597 Chulalongkorn wies alle seine Begleiter und besonders die Kammerdiener an, europäische Umgangsform sowie Hofetikette einzuüben. Außerdem hatten sie während der Reise nach Europa jeden Tag englische Wörter zu lernen. Insgesamt besuchte Chulalongkorn 14 europäische Staaten: Russland, die Schweiz und den Vatikan, die keine ungleichen Verträge mit Siam ausgehandelt hatten, sowie Italien, Österreich-Ungarn, Schweden-Norwegen, Dänemark, Großbritannien, die Niederlande, Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal sowie das Deutsche Reich, wo er nicht nur von Kaiser Wilhelm II. in Berlin empfan- 594 Nachdem Wilhelm II. vom reservierten Empfang Chulalongkorns in London gehört hatte, notierte er: „Wir werden ihn besser behandeln.“ (Zitiert in Andreas Stoffers, Im Lande des weißen Elefanten. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Thailand von den Anfängen bis 1962, Bonn 1995, S. 89). 595 Prinz Svasti an König Chulalongkorn, 26.02.1897, NA M R5 T 3/ 49. 596 Chulalongkorn ließ sich auf der Reise von seinem gesamten Kabinett begleiten. 597 Das zuständige Komitee für Fragen von Uniformen und Kleidung an Chulalongkorn am 28.02.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. I, S. 40. <?page no="201"?> III. Die Europareise Chulalongkorns 1897 201 gen wurde. Er reiste auch in verschiedene einzelne Länder, nach Sachsen, Mecklenburg-S chwerin, Hamburg, Ba den und H es sen-Darmstadt . Obwohl es zunächst nicht so ausgesehen hatte, wurde der siamesische Monarch schließlich doch überall offiziell und ehrenvoll empfangen, nicht zuletzt weil Russland sich dafür eingesetzt hatte, wie weiter unten noch dargelegt wird. Das Protokoll entsprach dem, das auch bei Besuchen europäischer Kaiser üblich war. Frankreich ehrte Chulalongkorn wie den russischen Zaren. Von ihrer Struktur her verliefen die Empfänge jeweils ähnlich. Sobald der König die Landesgrenze erreicht hatte, wurde er von einem General und seinem Stab begrüßt. Diese geleiteten den Ehrengast bis zum Bahnhof der Hauptstadt. Dort erklang zur Begrüßung die siamesische Nationalhymne. König oder Kaiser waren persönlich erschienen, um Chulalongkorn zu erwarten. Die Monarchen trugen Militäruniform und hatten die höchsten Orden des jeweils anderen Landes angelegt. Bei seinem Besuch in Berlin etwa erschien der siamesische König mit dem Schwarzen-Adler-Orden, während Wilhelm II. sich mit dem Maha-Chakri- Hausorden geschmückt hatte. Die Monarchen begrüßten und umarmten sich und stellten sich dann gegenseitig ihre Begleiter vor. Dann schritten beide die militärische Ehrenformation ab. Es folgte die Fahrt zum Palast. Die Bevölkerung säumte die Straßen und begrüßte jubelnd den Gast. Im Palast wurden Chulalongkorn Räume zugewiesen, die er während seines Besuches nutzen konnte. Er machte seinem Gastgeber die Aufwartung, und dieser erschien bei ihm. Am ersten Abend fand ein großes Staatsbankett statt. Bevor es begann, verliehen sich die Monarchen gegenseitig die höchsten Orden ihrer Länder, die sie dann während des Beisammenseins als Zeichen gegenseitiger Anerkennung und Verbundenheit bereits trugen. Hatte man sich zu Tisch gesetzt, wurden von beiden Seiten Toasts ausgebracht. Am nächsten Tag war das Besuchsprogramm dicht gefüllt. So wurden Kränze an den Ruhestätten früherer Souveräne und am Grabmal des Unbekannten Soldaten niedergelegt. Museen wurden dem Gast gezeigt, der aber auch militärischen Manövern beiwohnen und neueste Entwicklungen in der Waffentechnologie in Augenschein nehmen konnte. Man präsentierte landwirtschaftliche und industrielle Erzeugnisse, und abends konnte sich der Gast bei einem Theaterstück oder einer Oper entspannen. 598 Die Medien verfolgten den gesamten Europabesuch Chulalongkorns mit großem Interesse und berichteten ausführlich über ihn. Die einzelnen Programmpunkte des Besuchs wurden geschildert, und auch der Wortlaut der Toasts ließ sich nachlesen. 599 Das war für die Gastgeber, vor allem aber für 598 Phraya Srisahathep (Seng) Chotmaihet sadetpraphas yurop r. s. 116 (Berichte über die Europareise König Chulalongkorns 1897), Bd. II, Bangkok 1907, S. 63ff. 599 Die Trinksprüche Chulalongkorns und Wilhelms II. wurden beispielsweise im Reichsanzeiger vom 28.08.1897 veröffentlicht. Fünf Tage, bevor der Gast aus Siam in Berlin eintraf, konnte <?page no="202"?> 202 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen Chulalongkorn von Bedeutung, da auch die Menschen Europas die Details seines Aufenthalts nachvollziehen konnten. 600 Orden zu verleihen war ein Kernelement von Chulalongkorns Reise. In der Schweiz, in Großbritannien 601 und in Hamburg kam es dazu allerdings nicht, da die jeweiligen Verfassungen das nicht zuließen. In allen anderen Ländern jedoch konnte Chulalongkorn Personen aus drei verschiedenen sozialen Gruppen auszeichnen. Souveräne und Mitglieder ihrer Familien wurden mit Hausorden bedacht, Regierungsvertreter und Bürger mit Verdienstorden. Der Verleihung des Chulachomklao-Familienordens kam eine wichtige außenpolitische Rolle zu. Mit dessen Großkreuz ehrte Chulalongkorn Kardinal Marino Rampolla - den Sekretär von Papst Leo XIII. -, Fürst Bismarck und den russischen Außenminister Mouravieff. Die Begegnung mit Monarchen und Staatschefs stand für Chulalongkorn im Vordergrund seines Besuchs. Deshalb wird hier auch die Ordenspolitik ihnen gegenüber bevorzugt untersucht. Ehrungen von Regierungsangehörigen, Geschäftsleuten, Künstlern, Wissenschaftlern und anderen Personen des öffentlichen Lebens bleiben unberücksichtigt. 602 Es muss hier der Hinweis genügen, dass Chulalongkorn schon auf der dritten Station seiner Reise, nämlich in Österreich-Ungarn, an seine Frau, Königin Sawabha, schrieb, er werde in Europa viele Orden verleihen müssen. 603 Das sei unerlässlich. Er schätzte bereits zu diesem frühen Zeitpunkt seiner Reise die Zahl der Orden, die er vergeben werde, auf rund 2.000. 604 Monarchen und Staatschefs wurden mit dem Maha-Chakri-Hausorden ausgezeichnet, den Chulalongkorn während seines Aufenthalts in Europa 35 Mal vergab. 605 31 der Geehrten waren Thronfolger und nachgeborene Söhne von die Bevölkerung das Besuchsprogramm beispielsweise der Morgenausgabe der Kölnischen Zeitung vom 23.08.1897 entnehmen. 600 Über die politische Wirkung der Inszenierung von Monarchentreffen in Europa siehe die ausführliche Untersuchung von Johannes Paulmann, Pomp und Politik, Paderborn 2000. 601 Wie schon erläutert fand ein Ordensaustausch mit Großbritannien lediglich auf der Ebene der Monarchen statt. 602 In thailändischen Quellen finden sich - allerdings sehr verstreut und systematisch nur schwer erfassbar zahlreiche Hinweise auf Ehrungen dieser Personengruppen. 603 König Chulalongkorn hatte mit Erlass vom 14.03.1897 kurz vor seiner Abreise seine Frau Sawabha in den Rang der „Königin“ erhoben und während seiner Abwesenheit zur Regentin ernannt (Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. I, S. 71f.). 604 König Chulalongkorn an Königin Sawabha 29.06.1897, in: Phraratchahatthalekha mueasadet phraratchadamnoen praphat yurop ph. s. 2440 (Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha während der Europareise 1897), hrsg. v. Prinz Devawongse, 2 Bde., Bangkok 1962, S. 34. 605 Chulalongkorn verlieh sechs Maha-Chakri-Orden in Russland, vier in Italien und in Schweden-Norwegen, drei in Österreich-Ungarn, Dänemark und Sachsen, zwei in Großbritannien, <?page no="203"?> III. Die Europareise Chulalongkorns 1897 203 Kaisern und Königen sowie Erz- und Großherzöge. Die hochrangigen Souveräne selber zählten nicht dazu, da Chulalongkorn mit ihnen bereits Hausorden ausgetauscht hatte. 606 Der Gast aus Siam wurde seinerseits ebenfalls immer wieder dekoriert. Von König Albert von Sachsen etwa erhielt er den Hausorden der Rautenkrone, von Großherzog Friedrich I. den Badischen Hausorden der Treue und von Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt den Großherzoglich Hessischen Ludewigs-Orden. In allen drei Fällen handelte es sich um die ersten Kontakte Siams zu diesen Ländern. Der griechische Botschafter in Paris überreichte Chulalongkorn im Namen König Georgs I. den Erlöser-Orden. Dies war eine Gegenauszeichnung, denn der griechische König hatte den Maha Chakri bereits 1891 erhalten. Die Kronprinzen Italiens, Schweden-Norwegens, Dänemarks und Großbritanniens wurden ebenfalls mit dem Maha Chakri geehrt. Chulalongkorns Thronfolger wiederum konnte sich über den Seraphinen-Orden sowie den dänischen Elefanten-Orden freuen. 607 Der siamesische König verlieh bei jedem Besuch mehr Orden als er erhielt. Das hatte zum einen damit zu tun, dass er mit den europäischen Souveränen bereits Hausorden ausgetauscht hatte, und zum anderen, dass es den allgemeinen Regeln der Diplomatie entsprach, wenn der Gast mehr Auszeichnungen vergab als der Gastgeber. Nicht zuletzt sprach er damit auch denen seinen Dank aus, die ihn empfangen hatten. An dieser Praxis hat sich bis heute nichts geändert. In der Regel verleiht der Gast etwa drei Mal so viele Orden wie der Gastgeber. 608 Dies alles geschah nicht spontan und zufällig, sondern wurde vorab durch beiderseitige Vereinbarungen geregelt. Wenn es schon früher zum Austausch von Orden mit einem Monarchen gekommen war, gab es andere Möglichkeiten, Verbundenheit auszudrücken. So verlieh Chulalongkorn den Maha Chakri an den Kronprinzen und deren Brüder und Onkel. Noch enger wurden die Beziehungen geknüpft, wenn auch die Königin mit einem Hausorden dekoriert wurde. So geschah es in Italien, Russland und Spanien, wie später noch beschrieben wird. Ausdruck engster Beziehungen war es, wenn einem Souverän ergänzend zum Orden, den er bereits erhalten hatte, die dazu gehörige Kette verliehen wurde. In thailändischen Quellen finden sich zahlreiche Informationen zu dieser Praxis, da Zeitungen beispielsweise ausführlich von den entsprechenden Staatsakten berichteten. In Stockholm, Berlin und Madrid drückte Chulalongkorn auf diese in den Niederlanden, Spanien und Portugal, und jeweils einen in Belgien, Frankreich, Mecklenburg-Schwerin, Baden und Hessen-Darmstadt (Siehe Anhang II). 606 Siehe Anhang II. 607 Chulalongkorn wollte zu diesem Zeitpunkt, dass sich sein Sohn - Kronprinz Maha Vajiravudh - ganz auf sein Studium konzentrierte. Mit der Entgegennahme europäischer Hausorden war für ihn jedoch die Verpflichtung verbunden, sich häufig in der Öffentlichkeit zu zeigen. 608 Jürgen Hartmann, Staatszeremoniell, S. 224. <?page no="204"?> 204 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen Weise seine tiefe Verbundenheit mit den regierenden Monarchen aus, und in Sankt Petersburg tauschte er sogar seine eigene Maha-Chakri-Kette mit der des Zaren. 609 In Stockholm überreichte ihm Oskar II. die Kette des Seraphinen- Ordens, Wilhelm II. zeichnete ihn in Berlin mit der des Roten-Adler-Ordens aus, 610 und in Madrid verlieh ihm Maria Christina die Kette des Ordens Karls III. 611 Chulalongkorn hinterließ viele ausführliche Berichte, in denen er seine Besuche und sein Verhältnis zu den jeweiligen Gastgebern beschrieb. Besonders wohl fühlte er sich im Kreise der italienischen, dänischen und russischen Herrscherfamilien. Ihm gefiel die entspannte und informelle Atmosphäre im italienischen Königshaus. Jeden Tag traf man sich zum Frühstück wie in einer normalen Familie. Königin Margaretha fragte Chulalongkorn sogar neugierig, wie viele Frauen er hatte und wie er sein Eheleben organisierte. 612 Diese privaten Gespräche machten ihm klar, welch wichtige Rolle Margaretha im Hintergrund spielte. Aufgrund ihrer starken Persönlichkeit war sie die Hauptstütze ihres Mannes, König Umbertos I. Um seinen Respekt und seine Hochachtung zu zeigen, ehrte sie der siamesische König mit dem Maha-Chakri-Orden. Die Mutter des Zaren sowie die dänische Königin behandelten Chulalongkorn wie eines ihrer Kinder und wollten ihn sogar in ihre Familien aufnehmen. Die 80jährige Louise von Dänemark erzählte ihm stolz, sie kenne nun drei Generationen siamesischer Könige: Mongkut, Chulalongkorn und seinen Sohn Chira, der gerade eine militärische Ausbildung in Dänemark unter der Aufsicht von König Christian IX. absolviert hatte. Ein anderes Mal erläuterte sie, dass er alle Mitglieder der dänischen Königsfamilie kennen gelernt habe, wenn er 609 Am 3. Juli 1897 um 20 Uhr traf Chulalongkorn am Bahnhof von Sankt Petersburg ein. Dort wurde er von Zar Nikolaus II. persönlich abgeholt und begrüßt. Chulalongkorn trug die Uniform eines Feldmarschalls und den Andreas-Orden, Nikolaus eine Galauniform samt Maha- Chakri-Hausorden. Nach der Empfangszeremonie fuhren die beiden Souveräne zum Schloss Peterhof, wo Chulalongkorn übernachten sollte. Nikolaus führte seinen Ehrengast persönlich zu den Gemächern. Anschließend unterhielten sich die beiden Herrscher in Gegenwart von Familienangehörigen freundschaftlich und warmherzig. Als Ausdruck der Verbundenheit tauschte Chulalongkorn die mit Brillanten besetzte Ordenskette des Maha Chakri, die er selbst trug, mit der des Zaren. Alle Insignien des Maha Chakri hatte Nikolaus bereits 1891 in Bangkok erhalten (Phraya Srisahathep, Berichte über die Europareise, Bd. I, S. 368.) 610 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, Telegramm vom 28.08.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, S. 126. Von dieser Auszeichnung war Chulalongkorn weniger angetan. Wilhelm II. verlieh ihm nämlich die Kette des Roten-Adler-Ordens, die eine Stufe unter dem Schwarzen-Adler-Orden stand, den Chulalongkorn von Wilhelm I. erhalten hatte. Wilhelm II. erläuterte, dass die Kette des Roten-Adler-Ordens nur sehr selten verliehen würde. Bisher war lediglich Bismarck mit ihr dekoriert worden. 611 NA KT 4/ 7. 612 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 07.06.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. I, S. 201. <?page no="205"?> III. Die Europareise Chulalongkorns 1897 205 Großbritannien und Griechenland besuchen sollte. 613 Louise sprach mit dem siamesischen König häufig über Politik. Sie war dabei sehr direkt, und das ließ ihm keine andere Wahl, als auch offen zu sein. So schrieb er seiner Frau: „Königin Louise fragte mich: ‚Als Ihr viele Tage bei Nicki (der Spitzname des Nikolaus II.) zu Besuch wart, habt Ihr mit ihm dann nicht über Politik gesprochen? ‘ Ich bejahte. Ihre Majestät fuhr fort: ‚Natürlich habt Ihr Euch mit ihm nur über Eure politischen Angelegenheiten beraten, nicht wahr? Über mein Anliegen, worum ich Euch gebeten hatte, habt Ihr wohl nicht mit ihm gesprochen, oder? ‘ 614 Da musste ich Ihrer Majestät ausführlich darüber berichten. Dann murmelte sie, weil Nicki anfänglich gleichgültig gewesen sei, habe sich die jetzige politische Situation zwischen dem Osmanischen Reich und Griechenland noch schwieriger gestaltet. Ich musste bejahen […] Wenn ich Mecklenburg-Schwerin besuchen würde, sagte Ihre Majestät, dann würde ich dort Prinzessin [sic! (Herzogin)] Alexandrine (von Mecklenburg-Schwerin) treffen. Sie trug mir auf, ihr einen schönen Gruß zu bestellen. Ihre Majestät fügte hinzu, dass ich ihr von nun an über unsere [außen]politischen Probleme berichten sollte. Sie würde uns nach besten Kräften helfen. Sie sagte dann: ‚Damals (1893) waren wir um Euch sehr besorgt und haben uns mit Nicki über eine Konfliktlösung beraten. Weil wir uns ja nun aber angefreundet haben, wird es jetzt einfacher mit dem Einanderhelfen.‘ Zum Schluss teilte mir Ihre Majestät mit, dass sie ihrer Tochter in England 615 geschrieben habe, sie solle dort auf mich warten. Sie (die dänischen königlichen Verwandten) sind miteinander eng verbunden.“ 616 Auch in den Niederlanden und in Spanien gefiel Chulalongkorn, wie die Regentinnen politische Verantwortung für ihre Kinder wahrnahmen und wie gastfreundlich sie sich ihm gegenüber verhielten. Besonders Maria Christina, Mutter des spanischen Königs, kümmerte sich sehr um ihren siamesischen Gast. So kam sie schon frühmorgens mit dem Infanten Alfons vor Chulalongkorns Gemächer, 613 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 27.07.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 82f. In der Tat hatte Chulalongkorn vor, Griechenland zu besuchen, sobald sich das Verhältnis zum Osmanischen Reich verbessert hätte (König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 11.07.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 45). 614 Auf dem Weg von Italien nach Wien machte Chulalongkorn Station in Gmunden, um die Königin von Dänemark zu besuchen, die dort mit ihrer Familie, darunter auch die Mutter von Zar Nikolaus II., Urlaub machte. Bereits damals wurde Chulalongkorn wie ein Verwandter herzlich aufgenommen. Rasch vertiefte sich die Freundschaft zwischen ihm und der 80jährigen dänischen Königin. Diese fühlte sich als Familienoberhaupt und behandelte Chulalongkorn wie eines ihrer Kinder. Sie stellte Chulalongkorn nicht nur direkte persönliche, sondern auch politische Fragen, etwa über die angespannte Lage zwischen dem Osmanischen Reich und Griechenland. Chulalongkorn berichtete seiner Frau davon (König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 22.06.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 3ff.). 615 Gemeint war Prinzessin Alexandra, Gemahlin des Prinzen of Wales, die spätere Königin Alexandra von England. 616 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 27.07.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 82f. <?page no="206"?> 206 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen um ihn zu begrüßen. Als Zeichen der engen freundschaftlichen Beziehungen, die sich in so kurzer Zeit zwischen dem spanischen und dem siamesischen Königshaus entwickelt hatten, erhielt Chulalongkorn die Kette des Karl-III.- Ordens und seine Frau, Königin Sawabha, das Großkreuz des Königlichen Marien-Louisen-Ordens. Als Gegengeschenke erhielt Sawabha von Margaretha von Italien ein mit Saphiren und Brillanten besetztes Armband und von der Zarin eine brillantengeschmückte Anstecknadel, die zu den Ordensinsignien gehörte. Besuche und Ordensverleihungen verliefen allerdings nicht immer erfreulich und in harmonischer Atmosphäre. So machte Chulalongkorn besonders in Großbritannien auch negative Erfahrungen. Zwei Mal hielt er sich dort auf, zunächst vom 29. Juli bis zum 21. August 1897 offiziell und dann noch einmal privat vom 17. September bis zum 2. Oktober 1897. Immer wieder musste der König darum kämpfen, dass sein Status als Souverän respektiert wurde. Der Empfang durch die Regierung anlässlich seines offiziellen Besuchs fiel ausgesprochen kühl aus. Chulalongkorn war darüber sehr enttäuscht. 617 Positiv hob sich davon jedoch die Begegnung mit Queen Victoria ab. Am 7. August 1897 telegrafierte er seiner Frau: „Am 4. August habe ich Queen Victoria in Osborne Palace [sic! House] besucht. Das Empfangsprotokoll war sehr gut. Die Queen hat mich wie einen Souverän vom Kontinent empfangen. Nach dem Besuch lud mich der Prince of Wales zum Tee auf der königlichen Yacht ein. Er gab sich Mühe, mich zu begrüßen, wie es beim Besuch in Dänemark der Fall gewesen war. Der Prince of Wales und der Prince of York begleiteten mich bis Portsmouth. Dann nahmen die beiden freundschaftlich und respektvoll Abschied von mir.“ 618 Die Dissonanzen zwischen den beiden Regierungen vertieften sich, als Chulalongkorn mit dem königlichen Victoria-Orden ausgezeichnet werden sollte, der gerade erst anlässlich des diamantenen Thronjubiläums gestiftet worden war. Der siamesische König lehnte das ab, da er diesen Orden für zweitklassig hielt. Er wurde seinem Status und seiner Ehre nicht gerecht und noch viel weniger der seines Landes. 619 Hätte er ihn angenommen, wäre sein Ansehen beschädigt worden, zumal er ja bereits von allen europäischen Souveränen die höchsten Hausorden erhalten hatte. 620 617 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, Telegramm 03.08.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. II, S. 87. 618 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, Telegramm 07.08.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. II, S. 90. 619 König Chulalongkorn an Phraya Visuddha, 27.10.1898, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Chaophraya Phrasadet Surentharabodi, S. 285. 620 Thailändische Quellen erwähnen diesen Vorfall nur am Rande. Nigel Brailey hat ihn detailliert geschildert (Kapitel 6 The consequences of King Chulalongkorn’s European Tour, 1897-99, in: Nigel J. Brailey, Imperial Amnesia, S. 143ff.). Ein ähnlich unerfreuliches Erlebnis hatte Chulalongkorn bei seinem zweiten Europabesuch 1907. König Edward VII. lud ihn privat in Schloss Windsor ein und versuchte, wiedergutzumachen, was sich 1897 ereignet hatte. Er wollte sei- <?page no="207"?> III. Die Europareise Chulalongkorns 1897 207 Während seiner Reise durch Europa setzte sich der siamesische König intensi v mi t d em a us e ina nd er , wa s e r s a h u nd e rl eb t e . 621 Davon zeugen seine Briefe und die Telegramme an seine Frau Sawabha. Er befolgte genau alle Schritte, die das Empfangsprotokoll vorsah, und verhielt sich zurückhaltend in persönlichen Gesprächen über Politik, die er mit den Souveränen der Großmächte Russland, Österreich-Ungarn, Deutschland, Großbritannien und Frankreich führte, mit dem besondere Vorsicht geboten war. Eine Schlüsselfigur war zweifellos Nikolaus II. Ihm kam eine wichtige Rolle bei der Annäherung zwischen Siam und Frankreich zu. Er setzte sich mit all seiner Macht ein, um Frankreich zu bewegen, den siamesischen Monarchen zu empfangen und direkte Verhandlungen mit ihm in Paris aufzunehmen. Während Chulalongkorn in Sankt Petersburg war, saß er jeden Tag stundenlang mit dem Zaren und Außenminister Mouravieff zusammen, um mögliche Lösungen des Konflikts zu erörtern. Schließlich erklärte sich Frankreich bereit, Chulalongkorn offiziell zu begrüßen. Noch kurz bevor der siamesische König Richtung Paris aufbrach, reisten Nikolaus II. und Mouravieff eigens nach Darmstadt, um dort am 7. Oktober 1897 ein letztes Gespräch mit ihm zu führen. Chulalongkorn war zutiefst dankbar für diese Unterstützung und verlieh Mouravieff deshalb das Großkreuz des Chulachomklao-Familienordens, die höchste Auszeichnung, die er einem Staatsdiener zuteilwerden lassen konnte. Chulalongkorn war sich jedoch bewusst, dass Frankreich und auch Deutschland ihn vor allem deshalb so empfangen hatten wie einen europäischen Kaiser, um dem Zaren einen Gefallen zu tun. 622 Bismarck räumte das sogar selber ein, als Chulalongkorn zu Besuch in Friedrichsruh weilte. 623 Auf der anderen Seite nem Gast den Hosenband-Orden verleihen, wurde jedoch von seinem Vertrauten Sir Charles Hardinge daran gehindert. Es blieb Edward nichts anderes übrig, als Chulalongkorn die Victoria-Ordenskette anzubieten, die er anlässlich seiner Thronbesteigung 1902 gestiftet hatte. Das lehnte Chulalongkorn jedoch wiederum ab [Vgl. dazu: Suphot Manalapanacharoen, Phrabatsomdet phrachulachomklaochaoyuhua prapatprathet angrit r.s. 126 kap panha kanthawai khrueangratcha issariyaphon khong phrachao Edward thi chet (Die zweite Europareise König Chulalongkorns und das Problem der Ordensverleihung König Edwards VII.), in: Saithan haeng khwaumkit 3 (Festschrift zum 80. Geburtstag von Thanpuying Warunyupha Snidvonse na Ayudhya), Bangkok 2009, S. 207-258. Der Aufsatz wird in Kürze auch in deutscher Sprache erscheinen]. 621 Siehe dazu Niels Petersson, King Chulalongkorn’s Voyage to Europe in 1897, in: CUJES, 3 (1995), S. 1-27. 622 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 05.09.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 104f. und König Chulalongkorn an Königin Sawabha, Telegramm 16.09.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. II, S. 191. 623 Auf Einladung Bismarcks fuhr Chulalongkorn nach Friedrichsruh (Chulalongkorn an Sawabha 05.09.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 104f., König Chulalongkorn an Königin Sawabha, Telegram am 01.09.1897 und Telegramm am 02.09.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. II, S. 138f.). <?page no="208"?> 208 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen versicherten Nikolaus II. und Graf Mouravieff, Lord Salisbury und Baron Curzon - damaliger Untersekretär im Foreign Office - ebenso wie Kaiser Wilhelm II. im persönlichen Gespräch, dass sie die Souveränität Siams garantierten. Für den Fall, dass die Unabhängigkeit des Landes in Gefahr war, versprachen sie, zu intervenieren, wenn es sein musste, auch mit militärischen Mitteln. Auch hier blieb Chulalongkorn Realist und machte sich keine großen Hoffnungen, dass Siam tatsächlich mit dem Beistand dieser Länder würde rechnen können. „Wir sind ein unabhängiges Land und sollen deshalb bei solchen politischen Konflikten selbst mit Frankreich direkt verhandeln. Diese drei Staaten (gemeint waren Großbritannien, Deutschland und Russland) werden sich niemals für uns einsetzen, es sei denn sie wollen ein Protektorat über Siam errichten.“ 624 Was die Rolle des Zaren betraf, so schrieb er seiner Frau, würde dieser sich nur dann „als Schlichter in der Konfliktlösung mit Frankreich zur Verfügung stellen“, wenn „sich die Konfliktparteien und der Zar vorher darauf einigen.“ Außerdem hatte Chulalongkorn seine Zweifel, ob Nikolaus II. tatsächlich eine solche Verantwortung übernehmen würde. Er bat den Zaren daher nie, als Vermittler tätig zu werden. Er sah ihn lediglich als einen guten Freund, der versucht hatte, die beiden Konfliktparteien zu versöhnen. 625 Kurz bevor Chulalongkorn schließlich nach Paris reiste, formulierte Paris zwei Bedingungen. Erstens musste Chulalongkorn, von England kommend, in Le Havre einreisen, weil die Regierung dort den Empfang vorbereitet hatte. Zweitens sollte er Präsident Faure den Maha-Chakri-Hausorden verleihen. 626 Le Havre anzusteuern war kein Problem. Was die zweite Forderung betraf, wollte er abwarten, wie er empfangen wurde. 627 Félix Faure erwartete den siamesischen König am Bahnsteig des Gare du Nord in Paris. Er trug einen Zivilanzug und den Orden der Ehrenlegion. Chulalongkorn hatte sich auf gleiche Weise gekleidet. Die beiden Staatsoberhäupter begrüßten sich per Handschlag. Faure begleitete den König sogar bis zu seinem Wagen. Man sagte, eine solche Ehre sei bislang nur dem Zaren zuteil geworden. 628 Chulalongkorn war zufrieden mit dem Protokoll, nach dem sein Empfang ablief. Er meinte, es sei das gleiche gewesen wie bei Faures Besuch in Russland. Der König war sich dennoch darüber im Klaren, dass dies nicht auf die hohe 624 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 05.09.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 100ff. 625 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 05.09.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 100ff. 626 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, Telegramm 11.09.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. II, S. 158. Seit seinem Amtsantritt am 17.01.1895 hatte Félix Faure keinen Orden von Chulalongkorn erhalten. 627 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, Telegramm 11.09.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. II, S. 158. 628 Phraya Srisahathep, Berichte über die Europareise, Bd. II, S. 125f. <?page no="209"?> III. Die Europareise Chulalongkorns 1897 209 Achtung zurückzuführen war, die Siam in Frankreich genoss. „Die Franzosen hab en di es ein er sei ts ge tan , we il sie d em Zare n eine n Gef al len t un w ollt en , und andererseits, weil sie vom pompösen Empfang in Russland begeistert waren.“ 629 Dennoch räumte Chulalongkorn ein, dass es nach dieser französischen Geste des Entgegenkommens an Siam liegen würde, wenn es nicht gelänge, die Beziehungen zwischen beiden Ländern zu verbessern. 630 Die direkten Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts, die mit Außenminister Hanotaux geführt wurden, verliefen dann letztendlich auch positiv. 631 Deshalb verlieh Chulalongkorn Faure den Maha-Chakri-Hausorden. Er überreichte ihn jedoch nicht persönlich, sondern ließ Phraya Suriya, den siamesischen Gesandten in Paris, die Ehrung vornehmen. 632 Für die Fahrt über den Ärmelkanal zurück nach England bot die französische Regierung Chulalongkorn ein Kriegsschiff an, falls die Yacht des siamesischen Königs nicht einsatzbereit war. 633 Er sollte über dieses Schiff frei verfügen und die Reiseroute nach seinen Wünschen bestimmen können. Der Schah von Persien hatte nach seinem Besuch in Paris von diesem Service Gebrauch gemacht. 634 Chulalongkorn glaubte zwar, man könne dieses gut ausgedachte Angebot nur sehr schwer ablehnen, tat es aber trotzdem, weil er auf diese Situation gut vorbereitet war. Er hatte nämlich bereits ein Schiff für die Überfahrt von Calais nach Dover gemietet. Außerdem wollte er dieses Mal „incognito“ nach England reisen. Träfe er auf einem französischen Kriegsschiff ein, würde das den Briten Um- 629 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 11.09.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 110f. Zum Staatsbesuch von Zar Nikolaus II. in Paris 1896 siehe Kapitel V. 2. Europäisches „Welt-Theater“ an der Wende zum 20. Jahrhundert, in: Johannes Paulmann, Pomp und Politik, S. 337ff. 630 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, Telegramm 16.09.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. II, S. 168f. 631 Insgesamt fanden sechs Gesprächsrunden statt. Schließlich einigten sich beide Seiten darauf, auf Regierungsebene weiter zu verhandeln. Außerdem berief die Regierung in Paris, wie es von siamesischer Seite gefordert worden war, Minister Hardouin aus Bangkok ab (König Chulalongkorn an Königin Sawabha, Telegramm, 17.09.1897, in: Sämtliche Korrespondenz Königs Chulalongkorn… , Bd. II, S. 175). 632 Phraya Srisahathep, Berichte über die Europareise, Bd. II, S. 138. 633 Tatsächlich war die königliche Yacht zu diesem Zeitpunkt zur Wartung nach England gebracht worden. Die französische Regierung war darüber informiert. 634 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, Telegramm 02.09.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. II, S. 142. Eine ähnliche Offerte gab es beim Russlandbesuch. Zar Nikolaus II. hatte dem siamesischen König angeboten, mit seiner Yacht von Russland nach Stockholm zu reisen, was Chulalongkorn dankbar annahm. Über den Europabesuch des Schahs war Chulalongkorn gut informiert, weil er vor seiner Abreise dessen Tagebuch gelesen hatte (Siehe The Diary of H. M. The Shah of Persia During His Tour Through Europe in A. D. 1873, aus dem Persischen ins Englische übers. v. J. W. Redhouse, London 1874). <?page no="210"?> 210 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen stände machen und sie verpflichten, ihn offiziell zu empfangen. 635 Chulalongkorn wägte seine Schritte sorgfältig ab, um seinem Land protokollarisch keine politischen Nachteile zu bereiten. Für den Pomp, mit dem er in Frankreich geehrt wurde, wollte sich der siamesische König symbolisch revanchieren. Als er sich von Faure verabschiedete, überreichte er ihm eine Spende in Höhe von 10.000,00 Francs, die der armen Bevölkerung in Le Havre und Versailles zu Gute kommen sollte. 636 Als Bilanz seiner Europareise ist vor allem festzuhalten, dass Chulalongkorn mit dem Empfang in Paris und mit der Einigung, zu weiteren Verhandlungen über die offenen politischen Streitfragen zusammenzukommen, eines seiner wichtigsten Ziele erreichen konnte. Außerdem konnte er durch persönliche Erfahrungen und Eindrücke sein Wissen über europäische Politik, Technik und Kultur vergrößern. In allen Ländern, die er besuchte, setzte er sich intensiv mit dem auseinander, was er gesehen und erlebt hatte. Schon in Österreich-Ungarn, der dritten Station seiner Reise, wo er sich vom 17. bis zum 30. Juni 1897 aufhielt, resümierte er manches schriftlich. Dies geschah etwa in privaten Briefen an seine Frau. Als er zwischen dem 13. und dem 20. Juli 1897 in Schweden zu Gast war, lagen drei Monate Reise hinter dem siamesischen König. Vier Dinge vor allem waren es, so teilte er seiner Frau mit, die er in Europa kennenlernte: 637 das Alltagsleben der Menschen, die Industrieerzeugnisse, die mit Geld und Fertigkeit hergestellt wurden, die Waffentechnologie und schließlich die kulturellen Darbietungen etwa im Theater oder im Konzertsaal. Vieles allerdings, so sein kritisches Fazit, war kaum auf siamesische Verhältnisse übertragbar. Von gesellschaftlichen Verhältnissen oder kulturellem Leben konnte Chulalongkorn allerdings nur einen oberflächlichen Eindruck gewinnen, da er nicht genügend Zeit hatte, um sich ein umfassendes Bild zu verschaffen. Eine Vorstellung vom Alltag der oberen und unteren Schichten konnte er sich jedoch machen. 638 Schwierig war es auch, bei kurzen Besuchen das Funktionieren von Verwaltungsapparaten 635 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, Telegramme vom 02.09.1897 und vom 16.09.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. II, S. 142. 636 Phraya Srisahathep, Berichte über die Europareise, Bd. II, S. 158. 637 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 22.07.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 62. Ähnlich äußerte er sich auch gegenüber Baron Curzon, dem Untersekretär im Foreign Office. Ihm schrieb er am 21.09.1897: „[…] My trip through Europe has been very interesting. I have seen many things that cannot be understood unless they are seen and have made the acquaintance, […]“ NA M MR5 T 70. 638 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 22.07.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 63. Chulalongkorn besuchte Kranken- und Waisenhäuser und konnte sich deshalb auch ein Bild von der Lebenssituation der unteren Bevölkerungsschichten machen. Er hielt sie für schlechter als die der Menschen in Siam. Deshalb spendete er bei seinem Besuch in Frankreich Geld für Waisenhäuser. <?page no="211"?> III. Die Europareise Chulalongkorns 1897 211 zu ergründen. Hier wäre die gründliche Lektüre von Fachbüchern zu Hause er he ll end er g ew es en . 639 Die Besichtigung der Kruppschen Fabrik in Essen beeindruckte den König offenbar nicht sehr, denn Technologie und Produkte schienen ihm für Siam nur von geringem Nutzen. 640 Italien, Schweiz und Österreich-Ungarn waren die ersten Länder, die Chulalongkorn besuchte, und sie boten ihm gute Gelegenheit zu kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Vergleichen. Er realisierte, wie unterschiedlich diese Länder waren. Europa präsentierte sich weit weniger einheitlich, als es von Siam aus den Anschein gehabt hatte. Politisch wie wirtschaftlich gab es stärkere und schwächere Nationen. Der König sah sich dadurch in seiner Überzeugung bestätigt, dass sein Land zu Europa aufschließen könne. Der Aufenthalt in Russland vom 1. bis zum 12. Juli 1897 unterstrich diese Sichtweise. 641 Nachdem er Deutschland vom 22. August bis zum 6. September 1897 bereist hatte, wurde Chulalongkorn klar, dass das größte Defizit Siams im Vergleich zu europäischen Ländern im Mangel an qualifiziertem und effizientem Personal lag. Ohne kompetente Kräfte in den verschiedensten Bereichen würde es Siam nicht gelingen, europäisches Niveau zu erreichen. An seine Frau schrieb der König: „Besonders wenn ich an meine Begleitung denke, würde ich am liebsten ohnmächtig umfallen. 642 Schon in Italien, der ersten Station seiner Reise, hatte er seine Kammerdiener mit denen des dortigen Hofs verglichen. Das Ergebnis war ernüchternd. Seiner Frau teilte er mit, „wir haben keine wirklich guten effizienten Leute“. Noch mehr Sorgen bereitete Chulalongkorn die unzureichende Qualifikation des gesamten siamesischen diplomatischen Korps in Europa. Nur zwei Personen, so der König, waren aus seiner Sicht geeignet, mit ihm das Land zu reformieren, nämlich seine beiden Brüder, Außenminister Devawongse und Innenminister Damrong. 643 Schon auf den ersten Stationen seiner Reise musste der König erkennen, dass sich seine Begleiter mehr für Essen und Vergnügungen als für Pflichterfüllung interessierten. 644 Ihm blieb andererseits aber auch nicht verborgen, dass „die europäischen ‚Chaonai‘ (die prinzlichen Familienangehörigen) 639 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 22.07.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 62. 640 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 05.09.1897, in: Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns, Bd. II, S. 145. Zuvor hatte er die englische Armstrong-Rüstungsfabrik besucht. 641 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 05.09.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 100f. 642 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 05.09.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 100. 643 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 05.09.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 100f. 644 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 02.07.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 38. <?page no="212"?> 212 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen nicht besser sind als die siamesischen.“ 645 Diese Beobachtung wiederum ließ ihn befürchten, „unsere Prinzen könnten den europäischen einseitig nacheifern.“ Er war in Sorge, dass sich derartige Verhaltensweisen in den nächsten Generationen verfestigen könnten. 646 Während seiner gesamten Reise blieb der siamesische König Realist. Weder er noch sein Land gewannen durch die prächtigen und ehrenvollen Empfänge an Größe und Gewicht. Das einzige, was sich wirklich geändert hatte, war die Farbe seiner Zähne: diese waren weiß geworden. 647 Dennoch betonte Chulalongkorn immer wieder, dass er von seinen Erfahrungen in Europa profitiert habe. Dies war nicht zuletzt auch deshalb der Fall, weil er nicht mit Sprachproblemen kämpfen musste. Er beherrschte Englisch sehr gut, und das ermöglichte es ihm, mit beinahe allen europäischen Monarchen sowie mit dem französischen Präsidenten direkt zu kommunizieren. Lediglich die Unterhaltungen mit Kaiser Franz Joseph I. mussten mit Hilfe eines Dolmetschers geführt werden. Die Erfahrungen, die Chulalongkorn aus Europa mitbrachte, trugen wesentlich dazu bei, den Transformationsprozess Siams in den restlichen zwölf Jahren seiner Herrschaft zu gestalten. Der König hatte an Selbstbewusstsein gewonnen, was der Blick auf die letzte Phase der Ordenspolitik zeigt. 645 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 29.06.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 30. 646 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 29.06.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 30. Verschiedentlich äußerte sich Chulalongkorn beunruhigt darüber, dass die ‚Chaonai‘ einen großen Hang zum oberflächlichen Prunk der europäischen Fürstenhäuser sowie zum romantischen Lebensstil hatten. Beide Verhaltensweisen fanden nicht seine Zustimmung. In einer Ansprache an Studenten ermahnte er seine Zuhörer, Ziel des Auslandstudiums sei es, Siam nach dem Muster Europas zu modernisieren, nicht aber sich selbst zu „europäisieren“ (Sämtliche Ansprachen des Königs Chulalongkorn…, S. 106). Die europäische Deutungshoheit auch über asiatische Lebensverhältnisse wurde im Laufe der Zeit von weiten Teilen der siamesischen Gesellschaft akzeptiert, und der König sah sich zu kritischen Kommentaren veranlasst (Vgl. hierzu Suphot Manalapanacharoen, Modernisierung in Siam in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Andere Modernen. Beiträge zu einer Historisierung des Moderne-Begriffs, hrsg. v. Wolfgang Kruse, Bielefeld 2015, S. 111-127). Die Bewunderung europäischer Kultur in Siam kann im Kontext des Kulturimperialismus betrachtet werden (Siehe zur Frage des Verhältnisses von Kultur und Kolonialismus: Reinhard Wendt, Vom Kolonialismus…, S. 280ff.). 647 König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 22.07.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. II, S. 64. Hier spielte Chulalongkorn auf den Genuss von Betelnuss in Süd- und Südostasien an. Er führt zu schwarzen Kalkablagerungen an den Zähnen. Schwarze Zähne galten damals in Siam jedoch als Schönheitsideal. Chulalongkorn scheint also während seiner Europareise auf den Konsum von Betelnüssen verzichtet zu haben. Außerdem ließ er sich während seines Aufenthalts in der Schweiz von einem Zahnarzt den schwarzen Belag entfernen (König Chulalongkorn an Königin Sawabha, 21.05.1897, in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha, Bd. I, S. 181). <?page no="213"?> IV. Der Zeitraum von 1898 bis zum Ende der Herrschaft Chulalongkorns 1910 213 IV. Der Zeitraum von 1898 bis zum Ende der Herrschaft Chulalongkorns 1910 Der größte Erfolg der Reise Chulalongkorns lag darin, dass er von den europäischen Souveränen als gleichberechtigt akzeptiert und von der westlichen Gemeinschaft anerkannt wurde. Das wirkte sich auch auf sein Land aus. Außerdem hatte der König genauere Vorstellungen von Europa gewonnen, Diplomatie und höfische Etikette aus eigener Anschauung kennen gelernt und vor allem detailliertes Wissen über die Praxis der Ordensverleihungen erworben. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen wollte er Siam sein altes Selbstbewusstsein zurückgeben und in den letzten Jahren seiner Herrschaft eine offensivere Diplomatie betreiben, in der auch die Verleihung von Orden ihren Platz hatte. Damit gelang es, Siam aus seiner außenpolitischen Isolation zu lösen. Das zeigen nicht zuletzt die Auszeichnungen, die Siamesen von fremden Souveränen erhielten, als auch die Ehrungen, mit denen Chulalongkorn Ausländer unterstützte. Die folgenden Ausführungen werden das deutlich machen. Verhandlungen über den Austausch von Orden glichen einer politischen Bühne, auf der ein symbolischer Kampf zwischen „Über- und Unterlegenen“ ausgetragen wurde. Nach wie vor sah die gängige Praxis jedoch so aus, dass die Großmächte mehr Orden von Siam verlangten, als sie selbst dem Land zu geben bereit waren. Nun versuchte die siamesische Regierung, derartige Wünsche nicht widerstandslos zu erfüllen. Sie griff - auch mit Unterstützung der westlichen Berater - auf eine alte Strategie zurück, die einst unter König Rama III. am Vorabend des Zeitalters der Europäischen Dominanz praktiziert wurde. Hartnäckig zu sein, hinhaltend zu agieren und das Prinzip des „do ut des“ zu beachten wurde ein fester Punkt auf der diplomatischen Tagesordnung Siams. Neu allerdings war, dass diese Taktik mit der Politik der Ordensverleihungen verknüpft und damit zu einem wirksamen Instrument antikolonialer Selbstbehauptung wurde. Wie die Quellen des thailändischen Nationalarchivs zum Auszeichnungswesen erkennen lassen, kam es nach 1897 häufig zu langen Diskussionen über Fragen des Ordensaustauschs. In manchen Fällen dauerten die Verhandlungen sogar mehr als vier Jahre, bis ein Kompromiss gefunden werden konnte. Nicht selten waren dann die Kandidaten bereits befördert, aus dem Amt geschieden oder sogar verstorben. Zu den wichtigsten Anlässen, Orden zu verleihen oder auszutauschen, gehörten Staatsbesuche und die Verabschiedung von Diplomaten. Ausländer wurden ausgezeichnet, wenn entweder äußerer Druck das unumgänglich machte oder wenn die siamesische Regierung es aus freien Stücken für geboten hielt. Für beide Situationen entwickelte Chulalongkorn spezielle Vorgehensweisen. Die Akten zu den Ordensangelegenheiten und besonders die Pri- <?page no="214"?> 214 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen vatbriefe Chulalongkorns, denen sich Anregungen, Ratschläge und Anweisungen entnehmen lassen, liefern dazu wichtige Informationen. Häufig stand Chulalongkorn in problematischen Fällen seinem Bruder und Außenminister Devawongse unterstützend zur Seite. Die Verleihung von Orden spielte in dieser letzten Phase für Siam auch deshalb eine wichtige Rolle, weil sich die Beziehungen zum Ausland intensiviert hatten, und zwar sowohl zu Souveränen wie zu den Regierungsmitgliedern und Beamten wie zu den Bürgern. Der Bedarf an Auszeichnungen wuchs entsprechend. Das macht Ordensfragen in diesem Zeitraum komplex und schwer überschaubar. Nach seiner Rückkehr aus Europa verdichteten sich Chulalongkorns Kontakte zu den europäischen Souveränen und ihren Verwandten. 648 Zu wichtigen Anlässen wie etwa der Geburt, der Verlobung oder der Hochzeit eines Prinzen oder einer Prinzessin wurden Gratulationsschreiben oder -telegramme versandt und empfangen. Zu den Trauerfeierlichkeiten für König Umberto I. oder Queen Victoria ebenso wie zur Inthronisation von Edward VII. entsandte Chulalongkorn seinen Kronprinzen, um ihn zu repräsentieren. Wenn ein Souverän einen Kronprinzen ernannte, wenn dieser volljährig wurde oder heiratete und wenn er schließlich den Thorn bestieg, waren das Anlässe, den Maha- Chakri-Hausorden zu verleihen. Bei der Hochzeit von Königin Wilhelmina von den Niederlanden mit Herzog Heinrich von Mecklenburg-Schwerin am 9. April 1901 ehrte Chulalongkorn den Prinzgemahl auf gleiche Weise. 649 Eine der vielleicht wichtigsten Auszeichnungen fand 1906 statt: Nachdem Norwegen sich von Schweden getrennt hatte, ließ Chulalongkorn König Håkon VII. den Maha-Chakri-Hausorden überreichen. 650 Damit wollte er gemeinsam mit den übrigen westlichen Ländern den neuen Staat anerkennen. Dieses Ereignis war ein Novum, denn Siam suchte nun nicht Anerkennung von außen, sondern trug seinerseits dazu bei, einen europäischen Herrscher zu legitimieren. 651 Erleichtert wurden die intensiveren Auslandskontakte durch technische Neuerungen. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert waren Europa und Siam aneinander so nah wie nie zuvor. Mit der Eröffnung des Suezkanals vermehrte sich der Schiffsverkehr, und die Reisezeiten verkürzten sich. Mehrmals im Monat wurden nun Verbindungen angeboten, und man war nicht mehr 45, sondern nur noch 30 Tage unterwegs. Dauerte es zuvor Wochen, bis ein Brief sei- 648 Auch zu Lord Curzon, dem Vizekönig von Britisch-Indien, intensivierte Chulalongkorn seine Kontakte (Vgl. dazu Suphot Manalapanacharoen, Die vergeblichen Einladungen nach Britisch- Indien, S. 307-334). 649 NA KT 3.15/ 6 und The Royal Gazette, 07.09.1902, S. 466ff. 650 NA KT 4.3. 651 Zur gegenseitigen Unterstützung der europäischen Monarchen mit regelmäßigen Treffen siehe Kapitel IV und V in: Johannes Paulmann, Pomp und Politik, S. 195ff. <?page no="215"?> IV. Der Zeitraum von 1898 bis zum Ende der Herrschaft Chulalongkorns 1910 215 nen Empfänger erreichte, wurden nun Telegramme innerhalb eines Tages zugestellt. Wie langwierig und mühselig Verhandlungen über Auszeichnungen in Zukunft werden sollten, zeigte sich zum ersten Mal, als Prinz Waldemar von Dänemark Bangkok von Ende Dezember 1900 bis Anfang Januar 1901 besuchte. 652 Es dauerte vier Jahre, bis eine Lösung gefunden werden konnte. Alexander Olarovsky, der russische Gesandte in Bangkok, der die dänischen Interessen wahrnahm, und Außenminister Devawongse vermochten es im Frühjahr 1901 nicht, sich darauf zu einigen, wie viele Personen mit welcher Ordensklasse ausgezeichnet werden sollten. Devawongse wandte sich an seinen Bruder und klagte, dass Olarovsky seine Vorschläge ständig veränderte. Chulalongkorn wies ihn zuerst darauf hin, dass die Ehrung gerecht sein müsse. Nur wer es wirklich verdient hatte, sollte auch einen Orden erhalten. 653 Würden „unsere Leute mit dem [ausländischen] Minister oder Konsul so eine oberflächliche Freundschaft abschließen“, dann, so führte der König in einem Schreiben aus, „befürchte ich, dass in unserem Land zukünftig keine Ordnung herrschen wird.“ 654 Anfang April war man sich immer noch nicht über die Kandidatenliste einig. Erneut musste der König seinem Bruder beratend zur Seite stehen: „Der gängigen Praxis in Europa zufolge werden bei solchen Angelegenheiten zwei getrennte Listen von Ordenskandidaten erstellt: die der Mitglieder der königlichen Familie sowie die der Minister und Beamten. Die beiden Souveräne kümmern sich um die Ehrung der Prinzen, und die Außenminister verhandeln darüber, welche Regierungsangehörige und Beamte mit welchem Verdienstorden welcher Klasse ausgezeichnet werden sollen. Nach dieser Regel bist Du (Devawongse) für die erste Liste zuständig, obwohl Du das Amt des Außenministers innehast.“ 655 Als die Probleme eine Woche später immer noch nicht geklärt waren, ließ der König seinen Sekretär, Prinz Sommot, Devawongse mitteilen: 652 Nach der Europareise Chulalongkorns 1897 kamen europäische Prinzen und Adlige häufiger nach Siam. Viele stammten aus Deutschland und Dänemark. Prinz Waldemar von Dänemark beispielsweise besuchte Siam vier Mal: 1884, 1900/ 1901, 1910 und 1911. Besucher aus dem Deutschen Reich waren Großherzog Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin sowie die preußischen Prinzen Heinrich und Adalbert, die in Bangkok mit großer Pracht empfangen wurden. Dabei verlieh Chulalongkorn beiden den Maha-Chakri-Hausorden [Suphot Manalapanacharoen, Orden, Zeremoniell und die deutsch-thailändischen Beziehungen in der Regierungszeit Chulalongkorns (1868-1910), in: Orientierung. Zeitschrift zur Kultur Asiens 24, Jg. 2012, S. 30]. 653 König Chulalongkorn an Prinz Devawongse, 85/ 1487, 16.03.1901, NA KT 4.6/ 6. 654 König Chulalongkorn an Prinz Devawongse, 85/ 1487, 16.03.1901, NA KT 4.6/ 6. 655 König Chulalongkorn an Prinz Devawongse, 4/ 21, 07.04.1901, NA KT 4.6/ 6. <?page no="216"?> 216 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen „Lassen wir sie (die Dänen) diese Angelegenheit in die Länge ziehen, wie sie wollen. Wir haben es nicht nötig[, ihre Orden zu erlangen], bei der anderen Seite ist es umgekehrt. Daher haben wir es nicht eilig$“ 656 Chulalongkorns Vorgehensweise und seine Ratschläge entsprachen der diplomatischen Taktik Siams, die schon bei den Verhandlungen während der Brooke- Mission 1850 angewendet wurde. Das Land übernahm zunächst westliche Regeln, um überhaupt eine Kommunikationsbasis herzustellen. Dann verzögerte es die Verhandlungen, um die eigenen Spielräume zu vergrößern. Chulalongkorn setzte in Fragen der Ordensverleihung nicht nur gegenüber Dänemark auf Zeit, sondern auch gegenüber Deutschland. Seinem Bruder schrieb er in einem anderen Brief: „[B]ei dieser Ordensangelegenheit musst Du genau nachdenken. 657 Denn die Liste der Ordenskandidaten, die wir anlässlich des Besuchs von Prinz Adalbert von Preußen 658 vorgeschlagen haben, hat der deutsche Kaiser bisher immer noch nicht bewilligt. Die Begründung lautete, wir hätten zu viele Ordenskandidaten vorgeschlagen. Solch ein Einwand ist jedoch normal. Wir unsererseits haben auch jedes Mal bei einem solchen Ordensaustausch Einspruch erhoben. Jedoch sind die Deutschen bei solchen Angelegenheiten sehr penibel. Wir müssen diese Angelegenheit entsprechend in die Länge ziehen.“ 659 Auch wenn in Bangkok ausländische Diplomaten auszuzeichnen waren, beriet der König häufig seinen Bruder. Als die siamesische Regierung 1902 Phra Sridhammasan, ihren Geschäftsträger in Paris, abberief, erhielt er den Orden der französischen Ehrenlegion Klasse IV. Um sich erkenntlich zu zeigen, wollte das siamesische Außenministerium den ehemaligen französischen Geschäftsträger in Bangkok, Panafieu, nachträglich mit dem Weißen-Elefanten-Orden derselben Klasse ehren, weil er sich während seiner Amtszeit stets um gute Beziehungen zwischen beiden Ländern bemüht habe. Panafieu, der mittlerweile als Diplomat in Japan tätig war, lehnte jedoch diesen Orden in einem privaten Schreiben an Phraya Piphatkosa ab, den Untersekretär im Außenministerium. Er begründete das folgendermaßen: „I did not expect this distinction and if I send you a word personally, it is to point out a mistake which seems to have been made by the Department (Chancellery) - I see in fact that the 4 th class of the Order is attributed to me. And if I have good memory, the agents of my grade, during the journey of His Majesty to Paris in 1897, have received either the 2 nd Class of the Crown or the 3 rd Class 656 Prinz Sommot an Prinz Devawongse, 26.03.1901, NA KT 4.6/ 6. 657 Es handelt sich dabei um eine Ordensverleihung an die deutschen Minister und Beamten, die Prinz Chakrabongse in Berlin empfangen hatten (Vgl. dazu Anm. 521). 658 Prinz Adalbert von Preußen besuchte Chulalongkorn vom 26.11. bis zum 06.12.1904 (The Royal Gazette, 04.12.1904, S. 645ff. und 11.12.1904, S. 662ff.). 659 König Chulalongkorn an Prinz Devawongse, 22/ 543, 28.07.1905, NA KT 11/ 24. <?page no="217"?> IV. Der Zeitraum von 1898 bis zum Ende der Herrschaft Chulalongkorns 1910 217 of the Elephant. In 1899, M. Ferrand, then Chargé d’Affaires, but who had only the personal rank of Vice-Consul, received the 3 rd Class of the Elephant, whereas I am 1 st Secretary of Embassy since more than three years and remained eighteen months Chargé d’Affaires of the Republic at Bangkok.” 660 Die Beispiele, die Panafieu in seinem Brief auflistete, lassen erkennen, dass sich das siamesische Auszeichnungswesen dieser Zeit noch nicht streng an die europäischen Richtlinien hielt. Panafieu wollte deshalb den Weißen-Elefanten-Orden der Klasse IV nicht annehmen. Chulalongkorn musste sich des Falles annehmen. Über seinen Sekretär, Prinz Sommot, gab er Devawongse Hinweise, wie das Problem zu lösen sein könnte: „Was die Regeln der Verleihung eines Verdienstordens an einen Ausländer betrifft, ist Folgendes zu beachten: zunächst einmal ist der ausländische Kandidat nicht von der Begrenzung der Auszeichnungen betroffen. Die Verleihung soll sich deshalb an folgenden Kriterien orientieren: 1. an seinem Rang und 2. an den Verdienstorden, die er bisher von seinem Land erhalten hat. In der Regel wird diese Person von uns mit derselben Ordensklasse ausgezeichnet, mit der er bereits bedacht wurde. Verleihen wir ihm von uns aus eine höhere Klasse, bedeutet das ein Lob für seine hier geleisteten Dienste. Dasselbe gilt bei der Verleihung einer höheren Ordenskategorie: wurde er beispielsweise von seinem Land in der Kategorie des Siamesischen-Kronen-Ordens ausgezeichnet, verleihen wir ihm den Weißen-Elefanten-Orden. Damit erkennen wir die Verdienste an, die er sich um unser Land erworben hat. 3. Sollte er von irgendeinem Land Orden einer Kategorie oder Klasse erhalten haben, die viel höher sind als sein Rang, müssen wir uns mit ihm darüber verständigen, dass wir ihn mit einem niedrigeren Orden auszeichnen. In aller Regel wird er damit einverstanden sein. Die Verleihung eines Verdienstordens an einen Ausländer darf sich daher nicht [in erster Linie] an seiner bei uns geleisteten Arbeit orientieren. Selbst wenn wir die Ehrung als Zeichen für seine Bemühungen um gute Beziehungen zwischen unseren Ländern anbieten möchten, müssen wir uns mit unserem Wohlwollen zurückhalten. Wir können darauf hinweisen, dass es sich nicht um persönliche Verdienste handelt, da ja Anweisungen seines Souveräns zu befolgen waren. Die Verleihung eines Verdienstordens muss von nun an diesen Regeln folgen, die 1897 eingeführt wurden, denn ich habe sie mir bei meinem Europabesuch angeeignet.“ 661 Schließlich konnte ein Kompromiss gefunden werden, den Panafieu akzeptierte. Er wurde am 17. Juni 1904 mit dem Weißen-Elefanten-Orden der Klasse III ausgezeichnet. 662 Der französische Außenminister Declassé wurde im August 1904 auf gleiche Weise geehrt, und zwar durch Minister Phraya Suriya. 663 An diesem Fall zeigt sich, wie schwierig es für Chulalongkorn war, die Orden nach europäischen Spielregeln zu verleihen. Nicht selten war es so, dass die sia- 660 Panafieu an Phraya Phiphatkosa, 30.10.1902, NA M R5 T/ 7. 661 Prinz Sommot an Prinz Devawongse, 193/ 1687, 01.12.1902, NA M R5 T/ 7. 662 The Royal Gazette, 29.06.1904, S. 203. 663 Phraya Suriya an Prinz Devawongse, 121/ 1210, 06.08.1904, NA M R5 T/ 7. <?page no="218"?> 218 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen mesische Seite sie sich angeeignet hatte und sie beherzigte, die westliche Seite ein solches Verfahren aber nicht akzeptierte. Ungeachtet dieser Probleme nutzte der siamesische König die neu entstandenen Kommunikationskanäle zu weiteren Verhandlungen und zu seinem Vorteil. Dazu muss man wissen, dass es für einen Diplomaten aus Karrieregründen wichtig war, mit Verdienstorden der Länder ausgezeichnet zu werden, in denen er seinen Aufgaben nachgegangen war. Wurde er verabschiedet, um eine neue Station in seiner Laufbahn anzutreten, dann fungierte ein Verdienstorden quasi als „Arbeitszeugnis“. Besonders die der höheren Klassen und Stufen waren geeignet, für Aufstiegschancen zu sorgen. Aus diesem Grund bemühten sich Diplomaten stets, Verdienstorden ihrer Einsatzorte zu erhalten. In der Regel war es so, dass sie berechtigt waren, ausgezeichnet zu werden, wenn sie ihre diplomatische Tätigkeit eine bestimmte Zeit lang wahrgenommen hatten. Dies war von Land zu Land unterschiedlich geregelt. In Siam und zumeist auch in Europa erwartete man einen Dienst von zwei Jahren, in Japan sogar von drei. Nach 1900 kam es häufig vor, dass sich das Außenministerium in Bangkok mit ausländischen Diplomaten, Ministerresidenten, Geschäftsträgern oder Konsuln in Ordensfragen auseinandersetzen musste. Die Anlässe waren verschieden. So wollte beispielsweise ein Minister, der weniger als ein Jahr diplomatisch tätig gewesen war, trotzdem mit einem siamesischen Verdienstorden ausgezeichnet werden. Geschäftsträger schalteten ihre Vorgesetzten ein, um in eine höhere Klasse eingestuft zu werden. Konsuln, denen keine Auszeichnung zustand, bemühten sich dennoch, wenigstens einen Orden unterster Klasse zu erhalten. 664 664 Ein typischer Fall war der des niederländischen Konsuls in Bangkok, von Zeppelin Obermüller. F. J. Demela Nieuwenhuis, niederländischer Botschafter, verlangte die Auszeichnung seines Mitarbeiters mit einem siamesischen Verdienstorden. Jens Westengard, damals zentraler Berater - „General Adviser” - der Regierung, informierte Devawongse über ein Gespräch, das er in dieser Sache mit Nieuwenhuis geführt hatte: „Mr. Nieuwenhuis this morning told me that he had received a letter from Mr. Zeppelin, formerly Netherlands Consul in Bangkok for two years, reminding him that Mr. Zeppelin had not received a decoration which he understood he was to have. I said I knew nothing about the matter but I thought the Siamese Government did not give decoration to Consuls who had never acted as Chargé d’Affaires. Mr. Nieuwenhuis said that Mr. Zeppelin had rendered special services while he was here, particularly in the way of persuading his Government to raise the post to a Legation. Mr. Nieuwenhuis added that he had understood from both Phya Phiphat Kosa (dem Untersekretär) and yourself that a decoration would be given to Mr. Zeppelin. Probably it would be the lowest decoration, but still he would like to have it.” (Westengard an Prinz Devawongse 28.05.1908, NA KT 3.4/ 10). Chulalongkorn stimmte der Verleihung des Siamesischen-Kronen-Ordens der Klasse IV zu. Jedoch mahnte er an, den Ausgezeichneten zu belehren, dass Konsuln in der Regel nicht berechtig seien, Verdienstorden von der siamesischen Regierung zu verlangen. Diese Auszeichnung solle als Ausnahmefall verstanden werden (Prinz Sommot an Prinz Devawongse, 12.07.1908, NA KT 3.4/ 10). <?page no="219"?> IV. Der Zeitraum von 1898 bis zum Ende der Herrschaft Chulalongkorns 1910 219 Thailändische Quellen ermöglichen einen guten Blick hinter die Kulissen. Auch wenn Siam oft die Hände gebunden waren, gab es doch Spielräume. Unproblematisch war es, Vorschläge für die Verleihung von Orden in großer Zahl zu machen, wobei etwa Minister, Staatssekretäre oder hochrangige Beamte ausgezeichnet wurden. Standen einzelne Fälle von Ehrungen zur Debatte, bemühten sich die siamesische Seite häufig, politische Vorteile für sich herauszuschlagen. Graf Massiglia, um ein Beispiel vorzustellen, italienischer Gesandter in Bangkok im Rang eines Ministers, musste Siam aus gesundheitlichen Gründen frühzeitig verlassen und nach Italien zurückkehren. Trotzdem wollte er einen Verdienstorden erhalten. Diese Situation nutzte Edward Strobel, ein führender Berater der siamesischen Regierung, 665 um ein Zugeständnis in einer anderen Sache zu erhalten. Massiglia hatte bei der Regierung in Rom angeregt, einen italienischen Rechtsberater beim siamesischen Justizministerium zu beschäftigen. Strobel bot nun Massiglia eine Auszeichnung mit dem Siamesischen-Kronen- Orden Erster Klasse an, wenn er diesen Vorschlag zurückzog. 666 Hintergrund dieses Deals war, dass die siamesische Regierung im Begriff war, mit Frankreich ein Abkommen zu unterzeichnen. Paris hatte daran allerdings eine Bedingung geknüpft, nämlich die Anstellung eines französischen Rechtsberaters - Georges Padoux - beim siamesischen Justizministerium. Hätte Italien darauf bestanden, seinerseits mit einer Personalie informellen Einfluss auszuüben, hätte das eine Verständigung mit Frankreich, um die man sich seit 1893 bemühte, zumindest gefährdet. Chulalongkorn stimmte dem Vorschlag Strobels zu, 667 und die Frage konnte zur beiderseitigen Zufriedenheit abgeschlossen werden. 668 Allerdings hatte diese Einigung ein Nachspiel. Zur gleichen Zeit kam es zu Problemen mit einem belgischen Arzt namens Dr. De Kayser. Er hatte für seine Apotheke in Bangkok Morphium in großer Menge importiert. Das war nach siamesischem wie nach internationalem Recht illegal, da Morphium wie Opium als Rauschgift eingestuft wurde. Das Zollamt beschlagnahmte deshalb die Lieferung. Dr. De Kayser ignorierte die Bestimmungen und beschwerte sich bei A. Frère, dem belgischen Gesandten in Bangkok. 669 Dieser schaltete sich in den Fall ein und drohte dem siamesischen Au- 665 Edward Henry Strobel, Professor für Völkerrecht an der Harvard-Universität, war von 1904 bis 1908 der Hauptratgeber - „General Adviser“ - der siamesischen Regierung. Im Frühjahr 1908 starb er in Bangkok an einer Blutvergiftung. Sein Nachfolger wurde Jens Westengard, der zuvor als Strobels Assistent gearbeitete hatte. Er nahm dieses Amt bis 1918 wahr. 666 Strobel an Prinz Devawongse, 09.11.1904, NA KT 3.11/ 9 und The Royal Gazette 25.12.1904, S. 701. 667 Prinz Sommot an Prinz Devawongse, 217/ 1109, 14.11.1904, NA KT 3.11/ 9. 668 Die Verleihung erfolgte am 15. Dezember 1904. The Royal Gazette, 25.12.1904, S. 701. 669 NA KT 3.10/ 14. <?page no="220"?> 220 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen ßenministerium, sich mit anderen ausländischen Diplomaten zusammenzutun, um gemeinsam das siamesische Morphium-Gesetz aufzuheben. 670 Devawongse wies den Protest von Frère mit dem Hinweis zurück, dass sich das siamesische Drogengesetz nach dem internationalen Gesetz richte und dass darüber hinaus eine entsprechende Klausel in den belgisch-siamesischen Handelsvertrag aufgenommen worden sei. 671 Die Zollbeamten hätten also richtig gehandelt. Frère lenkte ein und korrigierte seine Haltung in einem Schreiben an den siamesischen Außenminister: „I entirely sympathize with the Siamese Government with regard to its efforts for preventing the free sale among the people of drugs dangerous to health. After having examined this grave affair with the greatest attention, and being strongly desirous to conciliate, in a possible measure, the exigencies of our Treaty with the laudable intentions of the Siamese Government which pursues, with an object alike humanitarian and praiseworthy, a line of conduct aimed at limiting the sales of intoxicating products, I accept, under my personal responsibility, the means proposed by Your Royal Highness to solve the difficulty which has presented itself.” 672 Schließlich einigten sich Frère und Devawongse darauf, De Kayser zu gestatten, acht Unzen Morphium und 1000 Gramm Opium pro Sendung beim Zollamt abholen zu dürfen. 673 Devawongse fürchtete nun aber, auch andere ausländische Diplomaten könnten politischen Streit mit der siamesischen Regierung suchen. Er beauftragte deshalb Regierungsberater Westengard, mit Frère zu sprechen und ihn zu bitten, seinen westlichen Amtskollegen nichts von dem Vorfall zu erzählen. Um es Frère leichter zu machen, darauf einzugehen, bot Westengard an, drei belgische Diplomaten von der siamesischen Regierung mit Orden dekorieren zu lassen. 674 Frère ging auf diesen Vorschlag ein, versuchte aber, günstigere Konditionen herauszuhandeln, und bezog sich dabei auf den Fall Massiglia. Konkret ging es um seinen Vorgänger Dossogne. Wie Westengard Devawongse berichtete, sprach Frère an, dass “Count Massiglia (his old colleague in Calcutta) received the Grand Cross of the Crown after a stay in Siam of less than a year”. Da Frère, wie Westengard weiter ausführte, gleichzeitig von Dossogne sprach, war klar, “that he expects the same for the latter person. He also referred to the fact that the Belgian Government had granted a Grand Cross to the last Siamese Minister”. 675 Am 1. August 1908 zeichnete die siamesische Regierung Léon 670 Prinz Devawongse an Luang Sanpakijpreecha, den Geschäftsträger der siamesischen Legation in London, 105/ 4027, 28.07.1908, NA KT 3.10/ 14 und Westengard an Prinz Devawongse, 09.06.1906, NA KT 3.10/ 4. 671 Prinz Devawongse an Frère, 29.06.1908, NA KT 3.10/ 4. 672 Frère an Prinz Devawongse, 17.07.1908, NA KT 3.10/ 4. 673 Prinz Devawongse an Frère, 21.07.1908, NA KT 3.10/ 4. 674 Prinz Devawongse an Luang Sanpakijpreecha 28.07.1908 NA KT 3.10/ 14. 675 Westengard to Prinz Devawongse, 23.07.1908, NA KT 3.10/ 14. <?page no="221"?> IV. Der Zeitraum von 1898 bis zum Ende der Herrschaft Chulalongkorns 1910 221 Dossogne, den ehemaligen Ministerresidenten in Bangkok, mit dem Siamesischen-Kronen-Orden Erster Klasse, J. van Haute, den früheren Geschäftsträger, mit demselben Orden Vierter Klasse sowie L. Donny mit dem Weißen- Elefanten-Orden der Klasse V aus. 676 Dossogne und van Haute hatten eigentlich kein Anrecht, auf diese Weise geehrt zu werden, denn sie hatten weniger als zwei Jahre in Bangkok amtiert. 677 Nicht allen derartigen Wünschen kam Siam entgegen. Cesare Biancheri, italienischer Miniserresident in Bangkok, erhielt in einem ähnlichen Fall keinen Verdienstorden. Der italienische Botschafter J. Ciccodicola schrieb Außenminister Devawongse am 4. Januar 1909: „I have received a letter from His Excellency the Minister Signor Tittoni, informing me that Commander Cesare Biancheri who has lately been accredited Minister Resident of Italy to the Court of Siam, after having accomplished his mission and returned to Italy has not been honoured according with the International usage, with any decoration from His Majesty the King. I should like to ask Your Royal Highness to be good enough, when You shall find a favourable opportunity, for respectfully submitting the information above referred to, to the pleasure of His Most Gracious Majesty.“ 678 Devawongse begründete seine Entscheidung mit zwei Argumenten, wie aus seiner Antwort an Ciccodicola hervorgeht: “In reply I beg to bring to your attention the rules followed by the Royal Italian Government in the grant of decorations to members of the deplomatic [sic! ] corps in Rome. By these rules a decoration is granted on the departure of a deplomatice [sic! ] representative who has sojourned at least a year in Italy, in case reciprocity is granted towards Italian deplomats [sic! ] by the foreign State to which the representative in question belongs. This principle of reciprocity is in accordance with international usage, and has also commended itself to His Majesty’s Government. In the grant of decorations to foreign representatives at this court the Government is guided by it. Since, however, Commendatore Cesare Biancheri presented his credentials in Bangkok on December 8 th , 1905, and he left Bangkok on or about the 16 th of January 1906, and he has not since returned, he has sojourned in Siam only six weeks. I beg to express to you my regret in being thus obliged to inform you that Commendatore Cesare Biancheri, not having sojourned in Siam in an official position for a year, is not within the rules by which the Siamese Government is guided in the grant of decorations.” 679 Chulalongkorn wurde auf diesen Fall aufmerksam und kritisierte seinen Bruder in einem privaten Brief. Er hielt Devawongses erstes Argument, das auf das Ge- 676 Prinz Sommot an Prinz Devawongse, 59/ 614, 01.08.1908, NA KT 3.10/ 14. Zu diesem Zeitpunkt war Dossogne als belgischer Generalkonsul in Ostafrika tätig und van Haute als belgischer Konsul auf den Philippinen. 677 Prinz Devawongse an Prinz Sommot, 28.07.1908, NA KT 3.10/ 14. 678 J. Ciccodicola an Prinz Devawongse, 1, 04.01.1909, NA KT 3.11/ 10. 679 Prinz Devawongse an Ciccodicola, 16/ 8887, 14.01.1909, NA KT 3.11/ 10. <?page no="222"?> 222 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen genseitigkeitsprinzip verwies, nicht für zugkräftig, denn „keiner von unseren diplomatischen Vertretern in Italien (ist) mehr als ein Jahr geblieben [...] Viele von diesen, man kann ja sagen, beinahe alle, wurden dennoch mit italienischen Orden ausgezeichnet.“ 680 Devawongse hätte das zweite Argument betonen müssen, denn Biancheri hatte sich nicht korrekt verhalten, als er Bangkok nach sechs Wochen Amtszeit verließ und nicht mehr zurückkehrte. Zudem hatte er sich häufig vom deutschen Ministerresidenten vertreten lassen. 681 Nicht nur die westlichen Diplomaten versuchten, bestimmte Situationen zu ihrem Vorteil zu nutzen, sondern auch die siamesischen. Phraya Raja Nupraband beispielsweise, Leiter der siamesischen Gesandtschaft in Japan, wollte den japanischen Außenminister Jutaro Komura bewegen, ihm anlässlich des offiziellen Besuchs von Kronprinz Maha Vajiravudh im November 1902 einen Verdienstorden zu verleihen. 682 Komura lehnte das Ansinnen Rajas ab. Er verwies auf die Bestimmungen, die die Ehrung ausländischer Diplomaten regelten. Danach kamen sie für einen Verdienstorden erst in Frage, wenn sie drei Jahre im Land amtiert hatten oder wenn der Monarch seines Landes - jedoch nicht der Thronfolger - einen Staatsbesuch abstattete. 683 Chulalongkorn war über diesen Vorgang informiert. Seiner Meinung nach wurde das in Europa ebenfalls so gehandhabt und deshalb „wird [Phraya Raja] sicherlich keinen Orden [von der japanischen Regierung] erhalten.“ 684 Raja wollte jedoch nicht aufgeben und verwies auf den Besuch des Zarewitschs 1891. Damals hatte die japanische Regierung dem russischen Minister in Tokio einen Verdienstorden verliehen. Komura sah darin einen Ausnahmefall. Der Zarewitsch hatte das Attentat eines Japaners überlebt, und die Ehrung sollte als symbolische Wiedergutmachung dienen. 685 Nun spielte Raja seine letzte Karte aus. Er hatte mit Komura darüber verhandelt, welche Kandidaten zur Ordensverleihung vorgeschlagen werden sollten, wenn der Kronprinz nach Tokio kam, und wollte diese Situation zu seinem Vorteil nutzen. Nun drohte er, die Liste mit den japanischen Namen nicht ans Außenministerium nach Bangkok weiterzuleiten, wenn seinen Wünschen nicht statt- 680 König Chulalongkorn an Prinz Devawongse, 38/ 1453, NA KT 3.11/ 10. 681 König Chulalongkorn an Prinz Devawongse, 38/ 1453, NA KT 3.11/ 10. Der italienische Ministerresident Cesare Biancheri hatte sein Beglaubigungsschreiben dem siamesischen König am 8. Dezember 1905 überreicht (The Royal Gazette, 17.12.1905, S. 939). 682 Der siamesische Kronprinz hatte sein Studium in England, das er von 1893 bis 1902 absolvierte, abgeschlossen und befand sich auf dem Rückweg von Europa über die USA und Japan nach Siam. 683 In der Tat amtierte Phraya Raja als siamesischer Minister in Japan erst seit Juli 1902, also erst seit gut fünf Monaten (The Royal Gazette 27.07.1902, S. 336). 684 Prinz Sommot an Phraya Phiphat, 29.01.1903, NA M R5 T/ 6. 685 Prinz Devawongse an Prinz Sommot, 76/ 10168, 24.12.1903, NA M R5 T/ 6. <?page no="223"?> IV. Der Zeitraum von 1898 bis zum Ende der Herrschaft Chulalongkorns 1910 223 gegeben würde. Komura sah sich gezwungen einzulenken und verlieh Raja den Orden des Heiligen Schatzes (The Order of the Sacred Treasure) der Klasse I. 686 Damit waren aber noch nicht alle Schwierigkeiten ausgeräumt. Majiro Inakagi, der japanische Ministerresident in Bangkok, musste erneut mit Devawongse über die Auszeichnungen sprechen, die während des Besuchs des Kronprinzen in Japan vergeben werden sollten. Die diesbezüglichen Verhandlungen mit Japan verliefen nie reibungslos. Sie waren immer zäh und langwierig. Als man sich Ende 1903 noch immer nicht hatte einigen können, suchte Devawongse erneut den Rat seines Bruders. Chulalongkorn empfahl, auf etablierte Strategien zurückzugreifen, wie er in einem privaten Schreiben an Devawongse formulierte: „Ich sehe, dass in Japan das Reglement der Ordensverleihung sehr streng ist. Wir müssen auch dementsprechend streng sein. […] Dabei müssen wir die Angelegenheit hinauszögern und irgendwie den größten Vorteil für uns daraus ziehen. Also müssen wir so handeln, dass sie sich uns gegenüber für unser Verhalten sehr dankbar fühlen.“ 687 Ähnliche Formulierungen finden sich immer wieder, wenn es um Gespräche mit Japan über Ordensfragen ging. Bei einer anderen Gelegenheit ließ Chulalongkorn durch seinen Sekretär mitteilen, er habe beobachtet, dass „Japan bei Ordensangelegenheiten übergenau ist“. Es dürfe deshalb nicht sein, dass „sie unsere Verdienstorden leicht bekommen“, denn dann würden sie sie gering schätzen. 688 Diese Beispiele zeigen, dass Chulalongkorn taktieren konnte, wenn Verhandlungsspielräume zur Verfügung standen. Das war jedoch nicht immer der Fall. Wurde beispielsweise mit Frankreich über Auszeichnungen gesprochen, stand Siam mehr oder weniger mit dem Rücken zur Wand. Die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern waren in der Regierungszeit Chulalongkorns sehr angespannt. Frankreich drängte stets auf Ordensverleihungen für seine Vertreter in Siam. Die Regierung in Bangkok lehnte diese Wünsche nie direkt ab, sondern zögerte eine Entscheidung hinaus und wartete auf einen günstigen Moment, um mit Frankreich verhandeln zu können. Ein besonders aussagekräftiges Beispiel dafür war das Verhalten Chulalongkorns bei seinem Besuch in Frankreich 1897. Der Gastgeber hatte - wie bereits geschildert - von ihm verlangt, den Maha-Chakri-Hausorden an Staatschef Félix Faure zu verleihen. Chulalongkorn lehnte diese Forderung nicht ab, ließ sich aber bis zu seiner Abreise Zeit damit, sie umzusetzen. Faure erhielt den Orden nicht in der Zeremonie vor dem Staatsbankett am ersten Tag, als alle anderen 686 Prinz Devawongse an Prinz Sommot, 76/ 10168, 24.12.1903, NA M R5 T/ 6. Zu diesem Orden siehe URL: http: / / web.archive.org/ web/ 20021203130828/ http: / / www8.cao.go.jp/ intro/ kunsho/ kunshou/ z uihou.html (Stand 2016). 687 König Chulalongkorn an Prinz Devawongse, 24.12.1903, NA KT 3.21/ 8. 688 Prinz Sommot an Prinz Devawongse, 02.05.1908, NA KT 3.21/ 12. <?page no="224"?> 224 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen Ehrungen ausgesprochen wurden, sondern erst am letzten Abend vor Chulalongkorns Abreise. Der siamesische König wollte sicher sein, dass sein Aufenthalt in Frankreich zu seiner Zufriedenheit verlaufen war, bevor er die Auszeichnung vornehmen ließ. Er beauftragte Phraya Suriya, den siamesischen Gesandten in Paris, dem französischen Präsidenten den Orden zu überbringen. Genauso ging Chulalongkorn vor, als die Frage erörtert wurde, wie die französischen Beamten zu ehren waren, die bei der Vorbereitung seines Besuchs mitgewirkt hatten. Die Beziehungen waren angespannt, und Chulalongkorn hielt sich als Gast in Paris auf. Er hatte deshalb nicht viele Optionen. Um den französischen Wünschen dennoch nicht widerstandslos nachzugeben, händigte er den Beamten die Verdienstorden ohne Urkunde aus. Nach den üblichen Gepflogenheiten mussten Personen, die mit einem ausländischen Orden ausgezeichnet worden waren, diesen samt Urkunde ihrer Regierung zur Bestätigung vorlegen. Orden ohne Urkunden hatten keine Gültigkeit und durften nicht getragen werden. Nun setzten die französischen Beamten ihre Regierung unter Druck, um in Bangkok die Urkunden ausstellen zu lassen. 689 Das wiederum verschaffte Siam Spielräume bei weiteren Verhandlungen. 690 Diese Taktik nutzte Chulalongkorn auch, als 1907 Vertragsverhandlungen mit Frankreich anstanden. Überhaupt nutzte Siam in den diplomatischen Beziehungen zu Frankreich die Politik der Ordensverleihung immer wieder auf offensive Weise. Nachdem der Vertrag von 1904 geschlossen worden war, schlug Berater Strobel Devawongse vor, den ehemaligen französischen Geschäftsträger in Bangkok, Boissonas, nachträglich auszuzeichnen. Er begründete seinen Vorschlag in einem langen Brief mit folgenden Argumenten: „Monsieur Boissonas left Bangkok five months ago. I therefore venture to suggest the advisablility of a decoration being conferred upon him by His Majesty. My reasons for doing this are: 1. His work during his stay in Siam where he was always most reasonable and conciliating and in many matters was of material assistance. 2. Because I understand that he will for the present be attached in the Ministry of Foreign Affairs of France to the Bureau for the Far East. His presence there with the good dispositions which he has towards Siam, would be of advantage in case any question arises. I understand that there will probably be an exchange of decorations between the two Governments on account of the treaty. 691 I think it would be much better if the decoration for Monsieur Boissonas were conferred upon him before this exchange takes place. In this way it would be recognition of his general work here and the compliment would be more marked if it were conferred separately from 689 Phra Srid[h]ammasan an Prinz Devawongse, 06.12.1897, NA M R5 IS/ 8. Phra Sridhammasan war damals siamesischer Geschäftsträger in Paris. Die Regierung in Bangkok stellte die betreffenden Urkunden erst im März 1898 aus (Prinz Devawongse an Phraya Suriya, 15.03.1898, NA M R5 IS/ 8). 690 Aus den Akten über die Ordensangelegenheiten mit Frankreich geht hervor, dass sich die Verhandlungen noch drei Jahre, also bis 1900, hinzogen. 691 Gemeint war der siamesisch-französische Vertrag von 1904. <?page no="225"?> V. Fazit 225 the others. Since Monsieur Boissonas’s methods were quite different from those of his predecessor and since he was always most conciliating, I also think if it were possible that it would be well if some different decoration could be conferred upon him from the one ordinarily conferred in such a case. Of course, I do not know whether this is possible. I shall be very grateful if you will be good enough to submit these suggestions to His Majesty before his departure from Bangkok. As it is five months since Monsieur Boissonas’s departure, I think it would be advantageous if this decoration should not be deferred much longer. I assume of course in this note that it is the intention of His Majesty to confer a decoration upon Monsieur Boissonas.” 692 König Chulalongkorn griff diesen Vorschlag auf und zeichnete Boissonas mit dem Siamesischen-Kronen-Orden der Klasse II aus. 693 Die ausgewählten Beispiele zeigen, dass es Siam mit Unterstützung der westlichen Berater und mit geschickter Taktik gelang, außenpolitisch eigenständig zu handeln, so wie es am Vorabend des Zeitalters der Europäischen Dominanz auch der Fall gewesen war. Dabei auch auf Ordensverleihungen zu setzen wurde zu einem wichtigen Instrument der Diplomatie Siams. Diese größeren Bewegungsfreiheiten waren auch eine der Folgen der Europareise Chulalongkorns. V. Fazit Die Ausführungen dieses Kapitels befassten sich mit der Frage, wie antikoloniale Selbstbehauptung mit Hilfe von Ordenspolitik betrieben werden konnte. Es konnte gezeigt werden, dass Siam in der Phase der europäischen Dominanz nach wie vor Diplomatie als das am besten geeignete Mittel betrachtete, um sich gegen Zugriffe von außen zur Wehr zu setzen. Die Handlungsmaximen „to swim upriver to make friends with crocodile“, „do ut des“ und „divide et impera“ bestimmten weiterhin das strategische und taktische Vorgehen. Diese Leitlinien zeigen auch, dass sich die Grundeinstellung Siams gegenüber dem Westen nicht verändert hatte. Auch Chulalongkorn teilte die Ansichten, die schon seine Vorfahren Nangklao und Mongkut vom Westen hatten. Das belegen seine Äußerungen bei der Verleihung des St.-Michael-und-St.-George-Orden durch Queen Victoria 1878, die Instruktionen an Außenminister Chaophraya Bhanuwongse 1880, die Briefe, die er während seiner Europareise 1897 an seine Frau schrieb, und vor allem seine Kommentare zu Fragen von Ordensverleihungen nach 1897. 692 Strobel an Prinz Devawongse, 17.06.1905, NA M R5 T/ 7. 693 Prinz Devawongse an Prinz Sommot, 117/ 2493, 19.061905, NA M R5 T/ 7. Die Verleihung erfolgte am 24.06.1905. Am 27.09.1905 übergab Boissanas dem König ein Dankschreiben, NA M R5 T/ 7. <?page no="226"?> 226 D. Antikoloniale Selbstbehauptung durch Ordensverleihungen Andererseits wäre es Siam nicht möglich gewesen, eine offensive Diplomatie zu betreiben, wenn sich das Land nicht durch Anleihen beim Westen auf internationale Gepflogenheiten eingestellt und damit eine europäische Kooperation erlaubt hätte. Erst die Rezeption von Habitus und Technik und anderen modernen Errungenschaften Europas sowie eine Reform des diplomatischen Zeremoniells ebneten Annäherung und Kommunikation den Weg. Die dynamische, selbstbestimmte Außenpolitik Siams begann mit der Entsendung von fünf Missionen nach Europa und Japan zwischen 1887-1891. Sie hatten vor allem das Ziel, freundschaftliche Beziehungen mit Gegnern und Verbündeten Frankreichs anzuknüpfen. Höhepunkt dieser Öffnung nach außen war Chulalongkorns Europabesuch 1897. Der König lernte Europa und dessen politische und kulturelle Verschiedenartigkeit aus eigener Anschauung kennen, machte seine Erfahrungen und sammelte Erkenntnisse, und schließlich vermochte er es auch, für sein Land einen gleichberechtigten Platz im Kreis der westlichen Staaten zu finden. Insgesamt konnte Siam nun eine neue Position auf internationaler Ebene einnehmen. Das machte es auch ab den 1880er Jahren möglich, mit Hilfe von Ordensverleihungen eine aktive Rolle in der Außen- und Kulturpolitik zu spielen. Das Land gewann Selbstvertrauen und Stolz zurück. Außerdem gelang es, europäische Souveräne, Beamte, Bürger und Regierungsberater dafür zu gewinnen, Siams Bemühungen um antikoloniale Selbstbehauptung zu unterstützen. Im Gegenzug setzte sich Chulalongkorn mit der Verleihung vom Hausorden symbolisch für europäische Souveräne ein. Ausländische Beamte und Bürger konnten mit siamesischen Auszeichnungen ihre Karrierechancen verbessern. Besonders in dieser ausländischen Nachfrage nach siamesischen Orden wird deutlich, wie groß die Akzeptanz eines souveränen Siams geworden war. Aus globalgeschichtlicher Perspektive ist hier die aktive Rolle hervorzuheben, die Siam selbst in Phasen kolonialer Expansion spielen konnte. Diese zunehmend positive Einstellung des Westens gegenüber Siam wiederum bewog Chulalongkorn, sich europäischer Kultur weiter zu öffnen. Das wird beispielhaft daran deutlich, dass erstmals das Kreuz in den Insignien des Weißen- Elefanten-Ordens auftauchte. Die Aufnahme des christlichen Symbols in das siamesische Auszeichnungswesen ist deshalb so bedeutend und einzigartig für die Kulturgeschichte Siams, weil sie sich im letzten Jahr der Herrschaft Chulalongkorns ereignete. Sie macht deutlich, dass sich die Einstellung Chulalongkorns gegenüber dem Westen gewandelt hatte und sich der siamesische König Europa verbunden fühlte. Diese Haltung entwickelte sich in vielen Jahren, in denen beständig freundschaftliche Beziehungen gepflegt wurden. Nach seinem Tod verschwand das Kreuz wieder aus der siamesischen Ordenssymbolik. Die Phase symbolischer Politik, die im Mittelpunkt dieses Kapitels stand, war gekennzeichnet durch eine Intensivierung der Interaktions- und Kommunikationsprozesse zwischen Siam und Europa. Das hatte vor allem damit zu tun, dass <?page no="227"?> V. Fazit 227 sich westliche Kräfte in Bangkok wie in Europa bereit fanden, die siamesische Regierung zu unterstützen. Darin muss man wiederum einen Erfolg der bisherigen symbolischen Politik Siams sehen, die die diplomatischen Standards geschaffen und die Reformen im Inneren auf den Weg gebracht hatte, die das Land zu einem gesellschaftsfähigen und berechenbaren Kooperationspartner machten. Dadurch kam die Europareise Chulalongkorns 1897 zustande, die ihrerseits wiederum die Interaktionen vertiefte. Die Transkulturierungsvorgänge in Siam wurden facettenreicher, und hybride, d.h. westliche und indigene Traditionen verschmelzende Entwicklung erreichten eine neue Qualität. Ihr auffallendstes Merkmal war die Integration des Kreuzsymbols in das Ordenswesen. <?page no="229"?> 229 E. Zusammenfassung und Analyse Die Entwicklung der siamesischen Orden ist ein zentrales Kapitel sowohl der Kulturgeschichte Siams und Thailands wie der Geschichte des Kolonialismus des 19. und 20. Jahrhunderts. Es handelt sich um eine „entangled history“, eine „geteilte Geschichte“. Die Formen symbolischer Politik, die unter den Königen Mongkut und Chulalongkorn in rund 60 Jahren zwischen der Mitte des 19. und dem Beginn des 20. Jahrunderts entstanden, waren Ergebnisse von Interaktionen über nationale und kulturelle Grenzen hinweg, in denen Siam einen aktiven, eigenständigen Part übernahm. Das Land musste externen Herausforderungen begegnen und sich westlichen diplomatischen Spielregeln anpassen. Dabei verharrte es aber nicht in einer lediglich reaktiven Position, sondern handelte eigeninitiativ. Die Stiftung der Orden war ebenso Teil der Strategien außenpolitischer Selbstbehauptung wie des Programmes zur Modernisierung des Landes. Gleichzeitig steht sie beispielhaft für die Art und Weise, in der Siam sich fremde Einflüsse aneignete. In der Entwicklung der Orden, so konnte gezeigt werden, spiegelten sich selektive Rezeption, kreative Adaption und die Hybridisierungen, die dadurch ausgelöst wurden. Die Studie erhellt den Transfer von Kulturelementen und zeigt, wie Entwicklungen der siamesischen Geschichte von der Gestaltung von Außenbeziehungen abhingen. Die Politik, das Land mit Hilfe der Adaption von Elementen europäischer Kultur gegen koloniale Zugriffe abzusichern, begann während der Herrschaft Mongkuts, als die europäische Dominanz über die Welt auch in Asien immer spürbarer wurde. Sie erreichte ihren Höhepunkt unter seinem Sohn und Nachfolger Chulalongkorn. Siam befand sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einer prekären Lage: zum ersten Mal in seiner Geschichte sah sich das Land mit der Gefahr konfrontiert, Kolonie einer europäischen Macht zu werden. Um diese Bedrohung abzuwenden, reichten geschickte diplomatische Verhandlungen allein nicht mehr aus. Erforderlich war eine gut durchdachte Gesamtstrategie, mit der es gelingen sollte, das Land umfassend zu modernisieren. Die koloniale Expansion stellte für Siam jedoch nicht nur eine Bedrohung dar, sie zwang und motivierte die verantwortlichen Personen und Institutionen auch dazu, das Land grundlegend zu reformieren und umzugestalten. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts verstanden sich Siam und Europa noch als gleichberechtigt. Je stärker die Position Europas wurde, desto mehr veränderte sich die siamesische Wahrnehmung. Eine neue Außenpolitik war die Folge. Doch auch im Inneren wandelte sich das Land unter Mongkut und mehr noch unter Chulalongkorn. Die Rezeption westlicher Kultur und moderner Technik in den verschiedensten Bereichen hatte eine umfassende wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Transformation des Landes zur Folge. Wurde bislang China als Vorbild betrachtet, rückte nun das moderne Europa an dessen Stelle. Der Mo- <?page no="230"?> 230 E. Zusammenfassung und Analyse dernisierungsprozess, der unter diesen Umständen ausgelöst wurde, bedeutete eine Umorientierung von der orientalischen zur „okzidentalen Rationalisierung“ 694 , kurzum eine Universalisierung des Westens. 695 So wie ausgewählt wurde, was man aus Europa übernahm, so verlief die Fortführung eigener Traditionen ebenfalls selektiv. Politische und soziale Reformen brachen auch mit Bestehendem. Entscheidender als die Einschnitte, zu denen es dabei kam, ist jedoch die Fähigkeit, die das Land gewann, im kolonialen Umfeld seine Selbstständigkeit zu wahren und einen eigenständigen Weg in die Moderne zu gehen. Zu den ersten Schritten, die unternommen wurden, gehörte es, das siamesische Auszeichnungswesens zu modernisieren, westliches Zeremoniell zu übernehmen und eine neue Politik der Ordensverleihungen in Gang zu setzen, die für Stabilität und Status des Königreichs zentrale Bedeutung gewinnen sollten. 696 Innenpolitisch zielten die Auszeichnungen samt der Zeremonien, mit denen sie vergeben wurden, darauf ab, inneren Zusammenhalt zu sichern, um die eigene kulturelle Identität zu behaupten, und die absolute Macht des Königs zu festigen, um die äußeren Auseinandersetzungen zu bestehen. Außenpolitischer Zweck war eine selbstbewusste Präsentation des Landes, die nach der Abwehr der kolonialen Bedrohung eine erfolgreiche diplomatische Kommunikation mit Europa sichern und die Integration in die Völkergemeinschaft gewährleisten sollte. Das geschah in einem Spannungsfeld, in dem es zwar einerseits zu einer Aneignung äußerer Einflüsse und somit in gewisser Weise zu einer „Verwestlichung“ kam, in dem aber andererseits gerade dadurch eigene kulturelle Selbstbehauptung gelingen sollte. Solche Instrumentalisierung externer Impulse war nicht nur in Siam zu beobachten, sondern auch in den anderen Ländern, die zu Objekten eines informellen Imperialismus geworden waren, in China beispielsweise, in Japan oder in der Türkei. 697 Die Prozesse, die in Siam bei der Verschränkung externer Importe und interner Gegebenheiten zu beobachten sind, ähneln strukturell der von Ortíz in Kuba beschriebenen „transculturación“. Da jedoch die Lage im Inneren und im Äußeren jeweils variierte, verliefen auch die Transformationsprozesse von Land zu Land unterschiedlich. Die Modernisierung Siams ist auch ein Teil der Geschichte der europäischen Expansion, weil sie sich in Interaktion zwischen dem südostasiatischen König- 694 Den Begriff „okzidentale Rationalisierung“ prägte Max Weber zu Beginn des 20. Jahrhunderts. John W. Meyer entwickelte ihn weiter zu „Weltkultur“ (Siehe John W. Meyer, Weltkultur. Wie die westlichen Prinzipien die Welt durchdringen, hrsg. v. Georg Krüchen, aus dem Amerikanischen übers. v. Barbara Kuchler, Frankfurt a. M. 2005). 695 Jürgen Osterhammel, Symbolpolitik und imperiale Integration, S. 395. 696 Vgl. Reinhard Wendt, Grundstrukturen des europäischen Interesses an Asien, S. 268f. 697 Vgl. hierzu Reinhard Wendt und Timo Baumann, Zur Vorgeschichte der Dekolonisation in Asien: Japans Einfluss auf die Emanzipationsbewegung zwischen Meji-Restauration und Erstem Weltkrieg, in: Internationales Asienforum 3-4 (1993), S. 331-356. <?page no="231"?> E. Zusammenfassung und Analyse 231 reich und den westlichen Mächten herausbildete. In diesem Kontext kommt der En tw ic klu ng d es s iam esi sc hen A us ze ic hnu ng sw ese ns de sh al b g ro ße B ed eut u ng zu, weil sie den transkontinentalen und transkulturellen Austausch- und Kommunikationsprozess verdeutlicht. Sie veranschaulicht die Rückkoppelungen und Wechselwirkungen, in denen Siam und Europa gleichermaßen Empfänger wie Initiatoren waren. Diese Vorgänge kamen auch deshalb zustande, weil Siam stets auf die Diplomatie als beste Verteidigungsstrategie setzte. Nicht zuletzt der Blick auf die fünf Auslandsmissionen zwischen 1826 und 1850 macht klar, dass Siam stets auf Gespräche setzte und bereit war, mit den Großmächten zu verhandeln. Wie sehr die Entwicklung des siamesischen Auszeichnungswesens in globale Zusammenhänge eingebunden war, zeigt sich auch daran, dass die Orden immer wieder modifiziert und den internationalen Standards angepasst wurden. Das war durchschnittlich alle zwei Jahre der Fall, je nach innen-, außen- und kulturpolitischen Gegebenheiten. Die verschiedenen Auszeichnungen wurden also nicht durch einen einzigen Erlass ins Leben gerufen, sondern sie durchliefen verschiedene Stadien, die vor allem mit der Entwicklung des kolonialen Kontextes korrespondierten, der ja auch von Schüben geprägt war. Mängel und Defizite in bereits eingeführten Orden wurden aufgrund von Erfahrungen und neuen Erkenntnissen behoben, neu gestiftete Auszeichnungen konnten auf dieser Grundlage bereits von Anfang an mit elaborierteren Standards verliehen werden. Auf diese Weise wurde die äußere Form etwa der Insignien verbessert, und die Statuten fielen umfassender und differenzierter aus. Bei der Modernisierung des Auszeichnungswesens wurden die verschiedensten Rahmenbedingungen berücksichtigt, weshalb sie insgesamt sehr facettenreich ausfiel. Sie umfassend darzustellen erfordert, so wie es in dieser Studie geschah, innere kulturelle, gesellschaftliche und politische Aspekte ebenso zu berücksichtien wie die Interaktion mit dem Westen. Die Orden wurden im Allgemeinen in zwei Stufen in die siamesischen Gegebenheiten eingefügt: Am Anfang stand die Nachahmung der Insignien. Sie begann mit dem Stern, dann folgten Kleinod, Band und Kette. Nach einer gewissen Zeit folgte die zweite Stufe, in der es nicht um die Aneignung der Form, sondern des Charakters der Auszeichnungen ging. Erst jetzt fand die eigentliche, bewusste Auseinandersetzung mit Wesen und Bedeutung der Orden statt. Als zentral muss hier die Übernahme organisatorischer Strukturen gesehen werden, nämlich die Etablierung der Gemeinschaft der Geehrten. Statuten wurden verfasst, die alle wichtigen Fragen regelten. Schließlich war es nur noch mit einem Erlass möglich, den das Kabinett bewilligen musste, Orden zu stiften oder zu modifizieren. Solche Prozeduren waren bislang in Siam unbekannt. Das Land hatte Verfahren übernommen, die sich am europäischen Vorbild orientierten. Sie schienen geeigneter als siamesische Instrumente, Funktionen wahrzunehmen, die das Land nach außen und innen reformieren und stabilisieren konnten. <?page no="232"?> 232 E. Zusammenfassung und Analyse Bei der Rezeption verfuhr man selektiv und griff aus den verschiedenen Formen symbolischer Politik, die in Europa praktiziert wurden, die heraus, die den eigenen Zielen und Vorstellungen am dienlichsten schienen: Erstens vermied man die Übernahme des Kreuzes - der gängigen Form europäischer Orden -, und zweitens bettete man die verschiedenen europäischen Elemente gezielt in siamesische Verhältnisse ein. Besonders diese Form der Integration kann als zentrales Charakteristikum siamesischer Aneignungspraktiken gesehen werden. Die thailändischen Quellen liefern zudem eine weitere entscheidende Erkenntnis: Die siamesischen Verdienstorden orientierten sich am Vorbild der französischen Ehrenlegion, die bei Auszeichnungen lediglich individuelle Leistungen berücksichtigte, nicht aber Stand oder Rang. Das verhält sich bei Haus- und Ritterorden anders. Bei ihnen ging es um Ehrbezeugungen gegenüber den Monarchen, und das bedeutete, dass der gesellschaftliche Status im Vordergrund stand. Diese Schlussfolgerungen erlauben einen neuen, tieferen Einblick in die Modernisierung Siams: Mit der Einführung der Haus- und Ritterorden war die Reform des Königshauses verbunden, mit der der Verdienstorden die Umgestaltung des Reiches. Bei der Neuausrichtung des Staatsapparats wurde dies besonders deutlich. 1873 ordnete Chulalongkorn an, zwei Ratsgremien einzurichten, den Staatsrat, für den französische Vorbilder Pate standen, und den Geheimrat, der sich an das Modell der britischen konstitutionellen Monarchie anlehnte. Beide Institutionen dienten jedoch dem gleichen Ziel, nämlich die Vorherrschaft des Königs zu festigen. Den großen Einfluss von Staatswie von Geheimrat hielt Chulalongkorn für unerlässlich, um in konzertierter Aktion die koloniale Expansion abzuwehren. Offenkundig ist, dass die Entstehung der Orden parallel zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung verlief. Sie war eingebettet war in den Prozess der Herausbildung des Nationalstaats. Die Rezeption europäischer Orden in Siam folgte generellen Mustern, die sich auch bei der Übernahme anderer importierter Impulse beobachten lassen. Die Dialektik zwischen Außenorientierung und Traditionswahrung, die zu Transkulturierungsvorgängen führte, kann als charakteristisch für Siam gelten. Um das deutlich zu machen, sei ein etwas detaillierterer Blick auf architektonische Beispiele erlaubt, in denen ebenfalls eine Modernisierung mit Hilfe von Symbolen zu beobachten ist. Ab den 1870er Jahren ließ König Chulalongkorn viele moderne Gebäude in europäischem Stil errichten. Am Beginn stand die „Sala sahathai samakhom“ 698 , die mit ihren Anleihen bei der Renaissance den 698 „Sala“ bedeutet „Halle“, „Saal“, „Pavillon“, aber auch „Gebäude“, „saha“ (Pali) „zusammen“, „daya“ (Pali: hadaya) „Herz“, „Seele“, - Hierbei ist anzumerken, dass das Wort „daya“ im Thailändischen „thai“ gelesen wird. Daher wird es mit denselben Buchstaben wie land“ transkribiert. - , „samakhom“ (Sanskrit: samāgama) „Gesellschaft“, also zusammengefasst: „Concordia Club“. <?page no="233"?> E. Zusammenfassung und Analyse 233 „Concordia Club“ in Jakarta imitierte, den der König bei seinem Besuch in Ni ed er lä nd isc h- In di en 1 87 1 ge se h en u nd b ew un de rt h at te . Um 1 87 3 wu r d e für das Büro des neu gegründeten königlichen Sekretariats, in Thai „Office Private Secretary Luang 699 “ genannt, ein Gebäude in gotischem Stil errichtet, das in dieser Funktion noch heute existiert. Es liegt im Areal des Palastes, wo sich auch der „Concordia Club“ befindet. Einige Jahre später ließ Chulalongkorn den „Wat Niwetthammaprawat“ Tempel in der Provinz Ayudhaya nach dem Vorbild einer neugotischen Kirche erbauen. Im Innern steht ein Altar, den aber keine Christus-, Maria- oder Heiligenbilder zieren, sondern eine Buddha-Statue. Hier fand eine Transformation statt, bei der eine Hülle aus christlicher Architektur ohne jedes siamesische Stilelement den Gehalt eines buddhistischen Tempels beherbergte. 700 In den 1880er Jahren begann im Auszeichnungswesen eine zweite Phase der Rezeption. Hauptanlass dazu war ein neuerlicher Schub kolonialer Expansion im kontinentalen Südostasien. Die Orden wurden modifiziert und perfektioniert, und das ging mit einer umfassenden Verwaltungsreform einher, die zum größten Teil 1893 abgeschlossen wurde. In dieser Phase übernahm Siam nicht nur einfach Impulse aus dem republikanischen Frankreich und dem konstitutionellmonarchischen Großbritannien, sondern band sie in die eigene Kultur ein und gestaltete sie neu. Die Innovationen im Auszeichnungswesen wie im Staatsapparat verloren damit ihren Charakter als Importe. Sie waren „siamesiert“ worden und hatten siamesisches Gepräge erhalten. 701 So lösten sich die Verdienstorden vom französischen Vorbild und folgten nun monarchischen Traditionen. Damit war das gesamte siamesische Auszeichnungswesen auf das Modell der Ritterorden hin ausgerichtet. Die Ehrungen waren nun keine königliche Angelegenheit mehr, sondern eine staatliche. Wurde nämlich eine Persönlichkeit am Hof des Königs ausgezeichnet, folgte die Zeremonie jetzt dem Verfahren, das im Rahmen der Kapitel europäischer Ritterorden üblich war. Eine derartige „Siamesierung“ ist auch bei der Reform der Regierung erkennbar. Es wurden zwölf Ministerien eingerichtet, die auf der Basis der sechs traditionellen Verwaltungsabteilungen ruhten. Statt eines Parlaments gründete der König drei Räte: einen Legislativ-, einen Geheim- und einen Ministerrat. Sie 699 „Luang“ heißt „königlich“. 700 Näheres zur Tempelkirche beispielsweise unter: http: / / www.tlcthai.com/ travel/ 8062/ \ 8 &! 1 Q\["; ; =^; U\ 8 %1-\ 8 &94.html (Stand 2016). 701 Zur gleichen Zeit lässt sich auch in der Architein Siamesierung in der repräsentativen Architektur beobachten. Beim „Wat Niwetthammaprawat“ Tempel deutete sich das ja bereits an. Zum 100. Gründungstag der Hauptstadt Bangkok 1882 wurde der „Maha-Chakri-Prasat“-Palast fertig gestellt, der bewusst europäische und lokale Stilelemente vereint (Siehe dazu Manalapanacharoen, Suphot, Modernisierung in Siam…, S. 115ff.). <?page no="234"?> 234 E. Zusammenfassung und Analyse hatten die Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren. An der Spitze stand der König als Regierungschef und Staatsoberhaupt. Formal war eine Gewaltenteilung nach europäischem Muster eingeführt worden: es existierten Exekutive, Legislative und Judikative. Doch die von oben nach unten orientierten Entscheidungsabläufe, so wie sie siamesischer Tradition entsprachen, bestanden weiter. Der König besaß das alleinige Recht, die Mitglieder der drei Räte sowie die Minister und Beamten zu ernennen oder zu entlassen. An dieser Stelle wird besonders gut greifbar, auf welche Weise sich Siam die europäische Moderne zu Eigen machte. Dass mit einer solchen Strategie Selbstbehauptung erfolgreich verwirklicht werden konnte, hatte einerseits mit der Politik Siams zu tun, andererseits aber auch mit Entwicklungen im Westen. Was Siam betraf, waren die entscheidenden Parameter die Konflikte im Inneren sowie die Bereitschaft und Fähigkeit, die Lage des Landes zu erkennen und die notwenddigen Schlüsse daraus zu ziehen. In der Frage, wie der wachsenden kolonialen Bedrohung begegnet werden konnte, gingen die Ansichten der wichtigsten Kräfte, nämlich der konservativen und der progressiven Partei, zunehmend auseinander. Besonders ausgeprägt waren die Meinungsverschiedenheiten unter den Königen Nangklao und Chulalongkorn. Während der Herrschaft Nangklaos stand eine junge, weltoffene Fraktion der konservativen Old-Siam-Partei des Königs gegenüber. Dass Mongkut die Bedingungen eines europäischen Informal Empires akzeptierte, reduzierte vorübergehend den Druck von außen und milderte die internen Spannungen, die aber unter seinem Nachfolger bald wieder aufbrachen. Unter Chulalongkorn verliefen die Konfliktlinien zwischen ihm und seinen Anhängern - der progressive Young-Siam-Fraktion - und der konservativen Partei der alten Minister. Diese verlor ab den 1880er Jahren an politischem und wirtschaftlichem Einfluss. Nun überholten Progressivere den König, und er musste mit ihnen über ihre Forderungen nach weiterreichender Modernisierung streiten. Der Blick in die thailändischen Quellen zeigt, dass die Konflikte letztendlich immer geschlichtet werden konnten. Dazu trug zweierlei bei: Zunächst ist die traditionelle Offenheit Siams zu nennen. Da der Außenhandel immer eine wichtige Rolle spielte, pflegte das Land im Laufe seiner Geschichte stets zahlreiche Beziehungen über seine Grenzen hinweg. Vor Fremden kapselte man sich nicht ab, schon gar nicht, wenn sie sich als überlegen erwiesen. Kommunikation und Verhandeln bestimmten und prägten Siams Kontakte mit der Außenwelt, und das galt auch im Konfliktfall. Zum anderen verstanden die Konfliktparteien, dass innere Geschlossenheit unabdingbar war, um sich nach außen behaupten zu können. Sie waren gezwungen, einen Kompromiss zu finden. Man verständigte sich auf einen moderaten, in mehreren Etappen verlaufenden Reformkurs. Aus den Quellen geht zudem hervor, dass die progressive Fraktion ihre Reformpolitik durchsetzen konnte, weil der Westen sie unterstützte. Besonders die in Siam lebenden Ausländer - Händler und Missionare aus Europa und den USA - <?page no="235"?> E. Zusammenfassung und Analyse 235 spielten hier eine zentrale Rolle. Sie vermittelten bei Konflikten mit den Kolonial mäc hte n, u nd s ie b rac hte n er ste E lem ente d er eu rop äi sch en M od er ne ins La nd . Ähnliche Funktionen übten die Nachfahren von Portugiesen aus 702 , die aber schon lange „siamesiert“ waren. Später kamen Beamte und Kaufleute aus den Nachbarländern hinzu, die unter direkter kolonialer Herrschaft standen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schließlich gelang es durch die Ordenspolitik, auch Rückhalt bei europäischen Souveränen, Regierungsmitgliedern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu gewinnen. Erfahrungen mit dem Kolonialismus und Kenntnisse der europäischen Moderne wurden von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Rezeption ebenso wie Reflexion intensivierten sich in diesem Prozess. 703 Die zweite Generation, zu der auch Chulalongkorn gehörte, war stärker westlich geprägt als die erste. Als der koloniale Druck zunahm, wuchs die siamesische Bereitschaft, auf die europäischen Mächte zuzugehen, worauf diese wiederum mit Angeboten zur Zusammenarbeit reagierten. Zu betonen ist an dieser Stelle, dass es auch Neuerungen und Entwicklungen in den direkt kolonial verwalteten Gebieten rings um Siam waren, die Anstöße zu Reformen gaben. 704 Man kann hier von Interaktionen innerhalb der südlichen Hemisphäre sprechen, die die vernetzte Welt dieser Zeit ermöglichte. 705 Als Beispiel sei die Rolle des India Office erwähnt. Seit dem Besuch Chulalongkorns auf dem Subkontinent im Jahr 1872 pflegten die Regierungen der Kolonie und 702 Bereits bei der Crawfurd-Mission hatten Personen mit portugiesischem Hintergrund eine nicht unerhebliche Rolle in der siamesischen Politik gespielt. Ein gewisser Pascal Ribeiro de Alvergaria suchte den britischen Gesandten auf, und Crawfurd berichtete später, dass dieser einen hohen Rang in der Regierung bekleidete und vier Sprachen sehr gut beherrschte, Siamesisch, Kambodschanisch, Portugiesisch und Latein (John Crawfurd, Journal…, Bd. I, S. 275). 40 Jahre später traf sich derselbe Alvergaria mit Eulenburg in Bangkok. In dem Bericht über die preußische Expedition heißt es, dass Eulenburg eines Nachmittags „den Besuch eines einflussreichen Halb-Siamesen“ erhielt, „des 74-jährigen Pasquale Ribeiro de Alvergeria oder Phya Wizet So" Kram. Der Sohn eines portugiesischen Abkömmlings und einer Siamesin kleidete sich europäisch, hatte den Rang eines siamesischen Generals und wurde vom König als das Haupt aller katholischen Landeswohner behandelt.“ (Die Preußische Expedition, Bd. V, S. 271). Zur Rolle der Portugiesen in Siam seit dem 16. Jahrhundert siehe Sven Trakulhun, Siam und Europa. Hannover-Laatzen 2006. 703 Vgl. dazu Dietmar Rothermund, Aneignung und Selbstbehauptung. Antworten auf die europäische Expansion, München 1999, S. 5. 704 Beispielsweise die britischen Kolonien Burma, Malaya und Singapur, das französische Vietnam sowie Niederländisch- und Britisch-Indien. 705 Arabische, indische, malaiische und chinesische Kaufleute waren vor der Ankunft der Europäer untereinander in vielfältige Beziehungsgeflechte eingebunden (Siehe beispielsweise Anthony Reid, Charting the shape of early modern Southeast Asia, Singapur 2000 sowie Reinhard Wendt, Vom Kolonialismus…, S. 155ff.). <?page no="236"?> 236 E. Zusammenfassung und Analyse Siams enge freundschaftliche Beziehungen. 706 Das India Office unterstützte Siam bei seinen Modernisierungsbemühungen, indem es Beamte nach Bangkok sandte. Es riet Chulalongkorn auch, behutsam vorzugehen. Aus eigener Erfahrung wusste man, dass es kontraproduktiv sein konnte, Studenten eine zu spezielle Ausbildung zu ermöglichen, wenn es keine Arbeitsplätze gab, an denen sie ihre Qualifikation in den Dienst des Landes stellen konnten. In Indien hatte das zu Unruhen geführt. 707 Eben wurde bereits auf die wichtige Mittler- und Dolmetscherfunktion hingewiesen, die Personen mit transkulturellem Hintergrund bei Selbstbehauptung und Modernisierung Siams zukam. Ihre eigene Geschichte und die ihrer Familien prädestinierte sie, eine Politik der Öffnung nach außen zu unterstützen, die gleichzeitig identitätswahrend war. Sie wurden „cultural brokers“ 708 , bildeten „ethnoscapes“ 709 und waren Teil länderübergreifender Diasporen 710 . Ihre Bedeutung rechtfertigt es, diese Gruppen von Menschen etwas genauer zu porträtieren. Die meisten hatten siamesische Mütter. Ihre Väter und manchmal sogar schon ihre Großväter waren zugewandert. Es handelte sich bei ihnen um Bewohner ehemals politisch oder kulturell portugiesisch geprägter Gebiete, um protestantische Missionare, um Kaufleute, aber auch um Glücksritter, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts in Siam angesiedelt hatten. Ihre Enkel und Söhne wuchsen mit zwei Sprachen und Kulturwelten auf und waren deshalb geeignet, hohe Positionen in der Regierung zu übernehmen. Sie arbeiteten auf kommunikativer Ebene als Übersetzer, wirkten im übertragenen Sinn aber auch als Vermittler zwischen zwei Welten und konnten nicht zuletzt auf Seiten der progressiven Fraktion als „Katalysatoren“ im Aneignungsprozess fungieren. Zu den prominentesten Familien, die hier zu nennen sind, gehören die Alabaster, Xavier, MacFarland, Pickenpack, Bateman und Loftus. Der Brite Henry 706 Lord Elgin beispielsweise, Vizekönig von Britisch-Indien, teilte Chulalongkorn mit: „The friendship Your Majesty has shown during my tenure of office has been a source of great gratification to me, and it has afforded me much stratification that, on my side, I have been able to assist Your Majesty’s Government by lending the services of British officers.” (Lord Elgin an König Chulalongkorn [Datum unleserlich] 1899, M R5 T 70). Dabei handelte es sich um ein offizielles Abschiedsschreiben. Es gehörte zu britischen diplomatischen Gepflogenheiten, dass der Vizekönig Britisch-Indiens den siamesischen König über Amtsantritt sowie Versetzung schriftlich orientierte (Über die Kontakte zwischen Siam und Britisch-Indien siehe Suphot Manalapanacharoen, Die vergeblichen Einladungen nach Britisch-Indien, S. 307-334). 707 König Chulalongkorn an Phraya Visuddha 10/ 1187 03.02.1899 in: Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Chaophraya Phrasadet Surentharabodi, S. 306. 708 Jürgen Osterhammel und Sebastian Conrad (Hrsg.), Kaiserreich transnational. Deutschland in der Welt 1871-1914, Göttingen 2 2006, S. 11ff. 709 Arjun Appadurai, Globale ethnische Räume: in: Ulrich Beck, Perspektiven der Weltgesellschaft, Frankfurt a. M. 1998, S. 11-40 sowie Arjun Appadurai, Modernity at Large. Cultural Dimensions of Globalization, Minneapolis 3 1997, S. 3ff. 710 Zum Diasporakonzept siehe Robin Cohen, Global Diasporas. An Introduction, London 1997. <?page no="237"?> E. Zusammenfassung und Analyse 237 Alabaster (1836-1884) begann seine Laufbahn in Siam als Mitarbeiter im britischen Kons ulat in Bangkok. 711 Er wurde dann Rechtsberater der Regierung und enger Vertrauter Chulalongkorns. Sein Enkel Siddhi Savetsila (1919-2015) amtierte zwischen 1980 und 1990 als thailändischer Außenminister Thailands. Celestino Maria Xavier (1863-1922) gehörte der zweiten Generation von Personen mit portugiesischem Hintergrund an, war zunächst als Übersetzer im Außenministerium tätig und arbeitete dann als Sekretär bei den Gesandtschaften in London und Paris. Schließlich ernannte ihn Chulalongkorn 1899 zum Untersekretär im Außenministerium und verlieh ihm, nachdem er die siamesische Staatsangehörigkeit angenommen hatte, den Titel „Phraya Bibhad Kosha“ (Piphatkosa). 712 Die protestantische US-amerikanische Familie MacFarland kam in den 1830er Jahren in die Provinz Phetchaburi. Dort gründete sie eine christliche Gemeinde und eine Englische Schule, die auch Kinder der einflussreichen Familie Bunnag besuchten. Sie erhielten dort eine westliche Ausbildung, die sie später in Europa und den USA vertieften. Aus einem der Kinder wurde später Phraya Suriya, siamesischer Ministerresident in Paris, aus einem anderen Phraya Raja Nupraband, der die gleiche Funktion in Tokio und London ausübte. 713 Die erste und zweite Generation der MacFarlands beteiligte sich an Reformen in Schul-, Verwaltungs- und Gesundheitswesen. 714 Erwähnenswert ist auch die Familie Pickenpack aus Hamburg. 715 Die Brüder Paul und Vincent Pickenpack kamen 1858 nach Siam, als das Land gerade ungleiche Verträge mit den Hansestädten abgeschlossen hatte. Zusammen mit Theodor Thies gründeten sie in Bangkok die Firma „Pickenpack, Thies & Co.“ 716 In den 1860er Jahren war Paul Pickenpack als Vizekonsul der Niederlande und Norwegen-Schwedens tätig. 717 1883 machte ihn Chulalongkorn zu- 711 Eine Kurzbiographie unter URL: http: / / bangkokcemetery.org/ index.php/ history/ 24-henryalabaster (Stand 2016). 712 The Royal Gazette, 26.03.1899, S. 563. Das monumentale Mausoleum der Familie Xavier befindet sich auf dem katholischen Friedhof in Bangkok. Zu ihm und seiner Familie siehe José Martins, Celestino Xavier-Português Ilustre na Corte do Reino do Si-o, in: URL: http: / / www.aquitailandia.blogspot.de/ 2007/ 08/ luis-xavier-portugus-ilustre-no-reino.html (Stand 2016). Zu den siamesisch-portugiesischen Beziehungen auch URL: http: / / www.500anosportugaltailandia.blogspot.de/ 2009/ 07/ portuget-brief-comments-onamazing.html (Stand 2016). 713 The Siam Repository, 1873, S. 114. 714 Zu den MacFarlands siehe Bertha Blount McFarland, McFarland of Siam, New York 1958, und Kapitel 3 Educational Beginnings, 1870-1880, in: David Wyatt, The Politics of Reform in Thailand. 715 Über Deutsche in Siam im Besonderen und in Südostasien im Allgemeinen liegen bislang keine übergreifenden Arbeiten vor. 716 Bangkok Calendar, 1861, S. 40. 717 Bangkok Calendar, 1861, S. 38f. <?page no="238"?> 238 E. Zusammenfassung und Analyse erst zum Konsul und später zum Generalkonsul Siams in Hamburg. 718 Vincent übernahm die diplomatischen Aufgaben seines Bruders in Bangkok. Die Nachfahren der Familie schlugen Wurzeln in Siam. Auf dem protestantischen „Samray Presbyterian Church Cemetery“ fanden neun von ihnen ihre letzte Ruhe. Der älteste war F. Pickenpack (1869-1919), der zur zweiten Generation der Familie in Siam gehörte und als Regierungsbeamter arbeitete. Sein siamesischer Titel ist auf seinem Grabstein eingraviert: „Laung Vicharn Thorakit“ ist dort zu lesen, was so etwas wie „Zuständiger für Telekommunikationsangelegenheiten“ bedeutet. Das verweist auf seine Funktion im Post- und Telegrafie- Department. Aus anderen thailändischen Quellen weiß man, dass Chulalongkorn Deutschen die Modernisierung im Kommunikationswesen anvertraute. Im selben Department war F. Pickenpack als Übersetzer tätig. Der jüngste Angehörige, der auf dem Friedhof beerdigt ist, war Leutnant Chalerm Piphatpan, wie er auf Thai hieß. Dieser Alfred Pickenpack (1904-1974) könnte zur dritten oder vierten Generation der Familie in Siam gehört haben. Nicht nur Alfred, sondern auch alle anderen Mitglieder der Familie hatten einen deutschen und einen thailändischen Namen. Auf dem Grabstein von Alfred tritt der thailändische sogar in den Vordergrund, der deutsche ist lediglich in Klammern beigefügt. Alfred hatte in der thailändischen Armee gedient, was darauf hinweist, dass er die Staatsbürgerschaft angenommen und sich akkulturiert hatte. Hätte sich seine Integrationsgeschichte im afrikanischen Kontext abgespielt, würden ihn manche als „verkaffert“ titulieren. 719 Eine bemerkenswerte ist schließlich der deutsche Glücksritter Jacob Veit. Er stammte aus Trier und war in den 1850er Jahren in die USA ausgewandert. Dort hatte er im Bürgerkrieg gekämpft. Später reiste er nach Siam und nahm dort die Stelle eines Kapellmeisters bei Vizekönig Wichaichan an. Einer seiner drei Söhne, die er mit einer siamesischen Frau hatte, war Peter Veit. Er kam in Bangkok zur Welt und starb auch dort, ohne jemals das Land seines Vaters betreten zu haben. Er arbeitete zunächst bei der siamesischen Eisenbahn, bei der viele deutsche Ingenieure beschäftigt waren, trat in den 20er Jahren des 19. 718 Almanach de Gotha, 1883, S. 394. 719 Zu diesem Begriff und seiner analogen Verwendung in der Südsee siehe Reinhard Wendt, Deutschsein in der Südsee. Berichte des Schweizerischen Konsuls in Neuseeland über Internierte aus Vava’u (Tonga Inseln) während des Zweiten Weltkriegs, in: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: http: / / www.europa.clio-online.de/ 2013/ Article=609 (Stand 2016). Wie es bei den Deutschen auf Tonga der Fall war, führten auch bei den Pickenpacks vor allem die beiden Weltkriege zum Abbruch der Kontakte zur Heimat. Und so wie die von Reinhard Wendt untersuchten Vava’u-Deutschen zumindest ihren Vornamen einen englischen oder tonganischen Anstrich gaben, wurde aus Pickenpack Piphatpan. Der Autor führt gerade eine Untersuchung zu Fragen durch, die sich um die Anpassung der Pickenpacks an thailändische Verhältnisse drehen, um deutsche Bezüge in ihrem kulturellen Gedächtnis und um ihre Kontakte nach Hamburg. <?page no="239"?> E. Zusammenfassung und Analyse 239 Jahrhunderts aber in die Fußstapfen seines Vaters und leitete als Kapellmeister da s k ö ni gl ic he S in fo n ie or ch es te r . Er w ur de z um B ea m te n er na nn t un d e r h ie lt den Titel Phra Chenduriyang und den bürgerlichen Namen Piti Waitayakorn. Peter Veit vermittelte in Siam nicht nur europäische Musikkultur, sondern auch andere neue Ideen. Er hatte enge Kontakte zu revolutionären Kräften und komponierte unmittelbar nach dem Staatsstreich von 1932 eine neue Nationalhymne im Stil der „Marseillaise“, die diesen Status bis heute hat. 720 Nicht zuletzt die hier vorgestellten Personen unterstrichen die in Siam verbreitete Ansicht, dass Diplomatie und Aneignung von Elementen der europäischen Moderne die geeignete Antwort auf die Herausforderungen waren, vor denen das Land angesichts informeller kolonialer Zugriffe stand. Siam versuchte mit dieser Strategie die Spielräume so weit wie möglich zu nutzen, die ihm in dieser Lage noch offen standen. So wurde verhandelt, so lange es ging. Waren die diplomatischen Möglichkeiten ausgeschöpft, akzeptierte das Land, was unvermeidlich war. Danach setzte man wieder auf Gespräche, um vielleicht doch noch Zugeständnisse zu erreichen. Gleichzeitig wurden andere westliche Mächte eingeladen, zu denselben Bedingungen ins Land zu kommen. Das schuf Gegengewichte und verhinderte einseitige Abhängigkeiten. „Do ut des“ und „divide et impera“ wurden zu leitenden Maximen. Zu Beginn der Phase der europäischen Dominanz formulierte König Mongkut den zentralen politischen Leitsatz, der besagte, dass es essentiell sei, „to swim upriver to make friends with crocodile“. Sein Sohn Chulalongkorn erweiterte dieses Prinzip: Nicht nur auf dem Fluss vor der eigenen Haustür müsse Siam Freundschaft mit „Krokodilen“ schließen, sondern auch viel weiter entfernt in den europäischen Metropolen. Die Politik der Ordensverleihungen spielte in dieser Strategie eine zentrale Rolle. Ihren Höhepunkt bildete die Europareise Chulalongkorns 1897. Sie stellte einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte Siams dar: Chulalongkorn wurde in den Kreis der europäischen Monarchen aufgenommen und erhielt deren Unterstützung. Das hatte auch zur Folge, dass die siamesische Regierung ihre Zusammenarbeit mit westlichen Beratern intensivierte. Das war auf höchster Ebene mit dem General Adviser der Fall, aber auch im Rahmen der verschiedenen Ministerien. Das siamesische Königreich gewann mit dieser Politik Eigenständigkeit und Selbstvertrauen zurück. Die Akten des Außenministeriums zeigen das deutlich. In der Diplomatie wurden die alten Taktiken des „do ut des“, des „divide et impera“ und des Spielens auf Zeit angewandt, und nun wurde zusätzlich die Ordenspolitik zu einem der wichtigsten Instrumente. Das veränderte die Rolle Siams in der internationalen Politik: Das Land wurde auch zum Akteur. 720 Zur Geschichte der thailändischen Nationalhymne siehe das Kapitel III.1 Die glückliche Blume, in: Suphot Manalapanacharoen, Die Geschichte…, S. 129ff. <?page no="240"?> 240 E. Zusammenfassung und Analyse Mit der zweiten Europareise Chulalongkorns 1907 vertieften sich die siamesisch-europäischen Beziehungen. Aus seinen persönlichen Briefen und Berichten ist zu entnehmen, wie vertraut das Verhältnis des Königs zu den europäischen Herrschern war. 721 Steigerten bislang Siamesen durch europäische Orden ihr Ansehen in Europa, so verbesserten nun siamesische Orden die Aufstiegschancen von niederen europäischen Beamten und Angehörigen der unteren Schichten des Bürgertums. 722 Außerdem bezog Siam Stellung zu Fragen der europäischen Politik. Schon bei seinem Besuch 1897 war es zur gegenseitigen Unterstützung zwischen Chulalongkorn und seinen europäischen Amtskollegen gekommen. Die Herausbildung der Nationalstaaten hatte sie zunehmend in die Defensive gedrängt. Öffentliche Monarchentreffen dienten in dieser Situation der Selbstdarstellung und -behauptung. 723 Dabei kamen nicht nur europäische Kaiser und Könige zusammen, sondern auch Monarchen aus Übersee wie Chulalongkorn. Dass er protokollarisch so empfangen wurde wie ein europäischer Herrscher, machte ihn zu einem gleichberechtigten Ehrengast, der demonstrativ an der Seite seiner Kollegen stand. Höhepunkt solcher symbolischen Unterstützungen war das Jahr 1906. Als sich Norwegen von Schweden lossagte, verlieh Chulalongkorn dem norwegischen König Håkon VII. den Maha-Chakri- Hausorden. Diese aktive Rolle gab Siam das Gefühl, den europäischen Ländern ebenbürtig zu sein und zu ihnen zu gehören. Das wiederum wirkte sich auf die Kulturpolitik aus und zeigte sich gegen Ende der Herrschaft Chulalongkorns in der Aufnahme des Kreuzsymbols in die neu errichtete Extraklasse des Weißen- Elefanten-Ordens. Das war ein äußerst bemerkenswerter Vorgang, wenn man auf die Entstehung der siamesischen Orden 60 Jahre zuvor zurückblickt. Damals war eine gewisse „Berührungsangst“ unübersehbar. Außerdem war es ein einmaliger Vorgang, denn das Kreuz wurde später wieder entfernt und an keiner anderen Stelle mehr in das Auszeichnungswesen aufgenommen. Das letzte Stadium in der Entwicklung der siamesischen Orden war erreicht und zugleich der Höhepunkt der Strategien, in denen sich Siam Elemente der europäischen Moderne als Antwort auf die koloniale Expansion aneignete. Die aus Europa stammenden Orden wurden in das Repertoire eigener Herrschaftssymbole integriert. 721 Siehe dazu die Briefe an seine Tochter sowie seine Tagebuchaufzeichnungen [König Chulalongkorn], Klaiban (Fern von Zuhause, König Chulalongkorns Briefe an seine Tochter Prinzessin Nibha Nobadon während des zweiten Europabesuches 1907), Bangkok ( 1 1907) 1984. Zur deutschen Übersetzung der Kapitel, die den Aufenthalt im Reich beschrieben, siehe Glai Baan fern von Zuhause. König Chulalongkorns Reisetagebuch 1907, übers. v. Ampha Otrakul, Berlin 2007]. 722 Vgl. auch Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt, S. 1082ff. 723 Martin Kirch, Die Funktionalisierung des Monarchen im 19. Jahrhundert im europäischen Vergleich, in: Themenportal Europäische Geschichte (2007), URL: http: / / www.europa.clioonline.de/ 2007/ Article=238 (Stand 2016) sowie auch Johannes Paulmann, Pomp und Politik, S. 105. <?page no="241"?> E. Zusammenfassung und Analyse 241 Das Auftauchen des Kreuz-Symbols kann als Zeichen für eine ebenso entspannte und gelas sene wie ums ichtige Inne n- und Auße npoli tik Chulalongkorn s verstanden werden. 1907 und 1909 unterzeichnete Siam Abkommen mit Frankreich und Großbritannien, um den mehr als 60 Jahre dauernden Streit mit beiden Mächten über den Verlauf von Grenzen beizulegen. Die Einigung gab dem König freie Hand, sich von nun an auf die weitere Modernisierung des Landes zu konzentrieren. Dass Siam an Selbstbewusstsein gewonnen hatte, soll erneut ein Beispiel aus der Architektur verdeutlichen. Das Land rezipierte europäische Stilrichtungen, exportierte aber auch seine traditionelle Architektur nach Europa. Ein Beispiel dafür ist der Thai-Pavillon in Bad Homburg, der noch heute im dortigen Kurpark zu bewundern ist. Chulalongkorn ließ sich im August 1907 in Bad Homburg ärztlich behandeln. Zum Dank schenkte er der Stadt und ihren Bewohnern diese Sala-Thai. Wie die Orden, die einst aus Europa kamen, in einem langen Integrationsweg Teil siamesischer Herrschaftssymbole wurden, zeigen die Dekorationen auf Portal und Türflügeln der Zeremonienhallen („Phra Ubosot“) der königlichen Tempel „Wat Ratcha bophit sathit mahasimaram ratchaworawihan“ (Abb. 29 und 29.1) und auf der Decke des „Wat Thepsirin tharawat ratchaworawihan“ (Abb. 30 und 30.1). Sie sind mit den Insignien geschmückt. 724 Diese affirmativen, staatstragenden Kunstwerke wurden gegen Ende der Herrschaft Chulalongkorns geschaffen. Zuvor waren auf Wänden und Decken Szenen aus dem legendären Leben des Buddha und des Ramayana-Epos zu sehen, dem Andenken von Buddha und Devaraja geweiht. 725 Nun erschienen die Orden als neue, bedeutende Herrschaftssymbole Siams. Alles in allem kann man sagen, dass Modernisierung und Aneignung westlicher Einflüsse in der Phase der Europäischen Dominanz ein Kapitel der Ge- 724 Siehe beispielsweise http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Wat_Ratchabophit (Stand 2016). 725 Herrschaft legitimierte sich in Siam mit dem hinduistischen Gottkönig-Kult (Devarāja), der in der Ayudhaya-Periode aus Kambodscha übernommen wurde. Zentral war dabei der Gedanke, dass der König den Gott Naraya! a (Vi'! u) verkörpert. Diese Ideologie wurde vom Rāmāya! a- Epos übernommen, der neben dem Mahābhārata die zweite wichtige Versdichtung Indiens. Beim Rāmāya! a (thailändisch Ramakien) handelt es sich um eine Göttergeschichte und den Kampf zwischen dem Helden Rāma und dem Dämonen Rāva! a (thailändisch Thotsagan). Rāma ist die Hauptfigur und zugleich eine Inkarnation des Gottes Naraya! a (Vi'! u). Der Dämon Rāva! a entführt Sītā, Rāmas Frau. Rāma und sein Bruder Laksana (Lak'ma! a) kämpfen mit Hilfe des Affengottes und seiner Truppe um Sita und können sie schließlich zurückgewinnen. Rāma gilt nicht nur als das Vorbild der siamesischen, sondern wird darüber hinaus mit dem König identifiziert. Deshalb nannten und nennen sich fast alle Könige von Siam und Thailand Rāma. Das Ramakien ist also von herausragender politischer und kultureller Bedeutung für Thailand, weil es staatstragende Funktion hat. Ein komprimierter Überblick über die Rezeption des Epos in Thailand, die sich auf einzelne Abschnitte beschränkte, findet sich in Suphot Manalapanacharoen, Die Geschichte…, S. 1ff. <?page no="242"?> 242 E. Zusammenfassung und Analyse schichte der interkulturellen Kontakte Siams und - seit 1939 - Thailands abgeben. 726 Prozesse von Adaption und Vermischung importierter Kulturelemente fanden in der Geschichte des Landes häufig statt. Wie dabei Fremdes zu Eigenem wurde, ist noch heute gut am Königspalast nachzuvollziehen. Dort finden sich hinduistische, buddhistische, chinesische und westlich-europäische Einflüsse. Der Palast ist ein klares Zeichen dafür, dass Siam stets offen war für Impulse von außen und sich mit ihnen auseinandersetzte, in Zeiten der Stärke ebenso wie in Phasen der Schwäche. Die Art und Weise der Aneignung unterschied sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in ihrer Gundstruktur nicht von der in den Zeiten davor und danach. Dynamik und Intensität allerdings variierten. Innerhalb von nur rund 60 Jahren waren kulturelle Importe aus dem Westen fester Bestandteil thailändischer Identität geworden. Gleiches war zuvor mit hinduistischen und buddhistischen Einflüssen geschehen, die Siam sozusagen aus Indien und benachbarten Regionen rezipierte und sozusagen „entörtlichte“. Sie gehörten bereits zur „eigenen“ Identität, als sich das Land mit dem Westen auseinandersetzte, und auch sie hatte sich Siam in mehreren Stadien angeeignet. Diese Identität kann „hybrid“ 727 genannt werden und unterstreicht eine Kernaussage der Kulturtransferforschung, nämlich dass Identität im Kleinen wie im Großen nicht ohne grenzüberschreitende Austauschprozesse denkbar ist. 728 Die vorliegende Studie hat auch gezeigt, dass es in Asien unterschiedliche Wege gab, sich mit der europäischen Moderne auseinanderzusetzen und sich ihr gegenüber zu behaupten. Im Vergleich zu Japan etwa verfolgte Siam eine andere Strategie. Beide Länder leiteten in den 1870er Jahren tiefgreifende Reformen ein. 729 Doch während Japan sich bemühte, in den Kreis der imperialistischen Großmächte aufzusteigen, war es Siams Ziel, von den europäischen Souveränen als gleichberechtigtes Königreich gesehen zu werden. Diese Unterschiede sind in vielen Faktoren begründet. Sie liegen in der Innen- und Kulturpolitik, in gesellschaftlichen Strukturen, in der geopolitischen Lage der Länder sowie im Verhalten des Westens ihnen gegenüber. Alle diese Parameter steuerten den Verlauf der Modernisierungsprozesse. 730 Nirgends jedoch wurde das europäische Modell 726 Zu den Namen „Siam“ und „Thailand” siehe die Erläuterungen auf S. 23 oben in dieser Arbeit. 727 Homi Bhabha, The Location of Culture, London 1994 sowie auch Homi Bhabha, Verortungen der Kultur, in: Elisabeth Bronfen u.a. (Hrsg.), Hybride Kulturen. Beiträge zur angloamerikanischen Multikulturalismusdebatte, Tübingen 1997, S. 123-148. 728 Siehe beispielsweise das Kapitel I Theorie und Konzept „Kulturtransfer“, in: Wolfgang Schmale (Hrsg.), Kulturtransfer. Kulturelle Praxis im 16. Jahrhundert, Innsbruck 2003, S. 41-61 sowie auch Fernando Ortíz, Contrapunteo cubano del tabaco y del azúcar…, La Habanna 1940. 729 In den informell dominierten Ländern sah die Reaktion auf die europäische Expansion anders aus als in den formell beherrschten Kolonien (Siehe dazu Dietmar Rothermund, Aneignung und Selbstbehauptung). 730 Diesen Fragen gehen sozialwissenschaftliche Studien nach, beispielsweise John Meyer, Weltkultur, 2000, Shmuel N. Eisenstadt, Die Vielfalt der Moderne: Ein Blick zurück auf die ersten Über- <?page no="243"?> E. Zusammenfassung und Analyse 243 insgesamt kopiert. Vielmehr liessen unterschiedliche lokale Kontexte und Zielvo rs te ll un ge n „ mu lti ple moder niti es“ ent stehe n. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts veränderte sich die internationale Lage allmählich, in der südostasiatischen Peripherie ebenso wie in den europäischen Metropolen. Der Aufstieg Japans zur Weltmacht, die Revolution in China 1911 und vor allem die politischen Spannungen zwischen den Kolonialmächten in Europa verhalfen Siam zu einer Atempause. Dennoch behielten das Land und seine Nachbarn ihre strategische Bedeutung für den Westen. Allerdings hatten sich die Kräfteverhältnisse verschoben. Die europäischen „Krokodile“ mussten in den Jahren vor Ausbruch der Weltkriege nach Siam schwimmen, um die Freundschaft des Königreichs zu suchen. Sie taten dies mit Hilfe einer Ordenspolitik, die der ähnelte, die einst Siam verfolgt hatte, um westliche Partner zu finden. Von besonderem Interesse ist hier das Vorgehen Großbritanniens und Deutschlands. Nachdem Vajiravudh 1910 als Nachfolger Chulalongkorns den siamesischen Thron bestiegen hatte, kam es besonders in der Außenpolitik zu Neuerungen. Vajiravudh hatte zwischen 1893 und 1902 in England studiert und war dem Land seither freundschaftlich verbunden. Darin kann man einen der Gründe sehen, warum die britische Regierung nun großzügig Orden an Mitglieder des Königshauses und der Regierung verlieh. Dies war zuvor anders gewesen. Großbritannien war nur sehr verhalten auf die Initiativen zum Ordensaustausch eingegangen, die Mongkut und Chulalongkorn angestoßen hatten. Chulalongkorn hatte zudem den Victoria-Orden zurückgewiesen, mit dem ihn Queen Victoria 1897 aus zeic h nen w o llt e , u n d au ch d i e da z u geh ör ig e Ke tt e abg el eh n t, di e ih m Edward VII. 1907 antrug. Er hielt diese Orden für zweitrangig und unangemessen sowohl für Siam wie für ihn, der ja bereits die höchsten Orden aller europäischen Souveräne erhalten hatte. 731 Nun jedoch akzeptierten Vajiravudh sowie Prinz Chakrabongse, sein Bruder und enger Vertrauter, den Victoria-Orden. Diese symbolische Politik war schließlich erfolgreich. 732 Am 22. Juli 1917 erklärte sich Siam bereit, an der Seite Großbritanniens in den Krieg einzutreten. Zuvor hatte schon Frankreich den siamesischen König mit dem Großkreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet. legungen zu den “multiple modernities”, in: Themenportal Europäische Geschichte 2006, URL: http: / / www.europa.clio-online.de/ 2006/ Article=113 (Stand 2016) oder auch Vincent Houben und Mona Schrempf (Hrsg.), Figurations of Modernity. Global and Local Representations in Comparative Perspective, Frankfurt am Main 2008. 731 Suphot Manalapanacharoen, Die zweite Europareise König Chulalongkorns…, S. 207-258. Der Autor bereitet eine deutsche Version dieses Artikels vor. 732 NA KT 4.1/ 7. <?page no="244"?> 244 E. Zusammenfassung und Analyse <?page no="245"?> E. Zusammenfassung und Analyse 245 Abb. 29 (links) und 29.1 (rechts, Ausschnitt): Die mit Perlmuttintarsien dargestellten Orden an den Türflügeln der Zeremonienhalle („Phra Ubosot“) des Tempels „Ratcha bophit sathit mahasimaram ratchaworawihan“ <?page no="246"?> 246 E. Zusammenfassung und Analyse <?page no="247"?> E. Zusammenfassung und Analyse 247 Abb. 30 (links) und 30.1 (rechts, Ausschnitt): Der Innenraum der Zeremonienhalle („Phra Ubosot“) des Tempels „Thepsirin tharawat ratchaworawiha“ <?page no="248"?> 248 E. Zusammenfassung und Analyse Vor Beginn des Zweiten Weltkriegs versuchten die Westmächte erneut, Siam durch Verleihung von Orden auf ihre Seite zu ziehen. Doch noch intensiver setzte Deutschland ab 1933 auf diese strategische Karte. Das war umso bemerkenswerter, als Paragraph 109 der Weimarer Verfassung von 1919 eigentlich alle Orden und Ehrenzeichen abgeschafft hatte. In der Realität ließ sich diese Bestimmung allerdings nicht durchsetzen. Auszeichnungen spielten weiterhin eine Rolle in der deutschen Außenpolitik, und es wurden sogar neue Orden und Medaillen gestiftet. 733 Sie wurden zu einem Instrument, mit dem eine Annäherung zwischen Deutschland und Siam bewirkt werden konnte. Hervorzuheben ist, dass dies nicht auf der Ebene der Außenministerien geschah, sondern auf indirekten Wegen. Drei Beispiele sollen das veranschaulichen. Am 3. August 1937 erhielt der siamesische Gesandte in Tokio, Phra Mitrakarm Raksha, ein Schreiben des dortigen deutschen Botschafters, von Dirksen. Dem Brief lag das Ehrenzeichen des Deutschen Roten Kreuzes erster Klasse bei, mit dem Raksha für seine Verdienste als siamesischer Geschäftsträger in Berlin in den Jahren 1928-1931 geehrt werden sollte. 734 Diese Auszeichnung beruhte nicht, wie es üblichen diplomatischen Gepflogenheiten entsprach, auf ministeriellen Absprachen zwischen Berlin und Bangkok. Das zweite Beispiel betrifft die Verleihung des Ordens des Ordens vom Deutschen Adler an den siamesischen Außenminister Luang Pradist Manudharm. Auch sie wurde nicht vom Auswärtigen Amt in Berlin und auch nicht vom deutschen Botschafter in Bangkok vorgenommen, sondern von O. H. C. Bernhard, dem siamesischen Konsul in Bremen. In einem Schreiben Bernhards an den siamesischen Außenminister hieß es: „Your Excellency: It is with great pleasure that I learned that the Führer and Reichskanzler des Deutschen Reiches has bestowed Your Excellency with the ‚Grosskreuz des Ordens vom Deutschen Adler’. I would not miss this opportunity to express to Your Excellency my heartiest congratulations for this great distinction which may be a proof of the esteem of Your Excellency as well as of your country by the Führer and Reichskanzler of the German Reich.” 735 Eine beträchtliche Rolle bei den Bemühungen, Siam näher zu kommen spielte die deutsche Olympia-Erinnerungsmedaille von 1936, um damit auf das dritte und letzte Beispiel zu sprechen zu kommen. Im April 1938 teilte der deutsche Botschafter in Bangkok, Dr. Wilhelm Thomas, dem siamesischen Außenminister mit, dass „His Excellency the Führer and Chancellor of the German Reich has been pleased to confer upon Khun Satith Vidyasastr of the Military Arsenal 733 Siehe dazu Pramuan gotmai khueangratcha issariyaphon (Sämtliche Statuten von Orden und Ehrenzeichen Thailands), hrsg. v. The Secretariat of the Cabinet Office of the Prime Minister, Bangkok 2007. 734 Phra Mitrakarm Raksha an Luang Pradit Manudharm 06.08.1937, NA KT 4.3. 735 O. H. C. Bernhard an Luang Pradist Manudharm, 29.03.1938, NA KT 4.3. <?page no="249"?> E. Zusammenfassung und Analyse 249 the Olympia-Memento [sic! ] Medal in recognition of his services rendered by the latter during the XI Olympic Games held in Berlin in 1936. […]” 736 Nach dem Zweiten Weltkrieg verloren Orden in der internationalen Diplomatie an Bedeutung. In Thailand allerdings wirkten die aus dem Ancien Regime überkommenen Rituale der Macht weiter, die um die Verleihung von Orden und das dazugehörige Zeremoniell kreisten. Während seiner 70-jährigen Amtszeit (1946-2016) stiftete König Bhumipol nicht weniger als 26 Orden und Ehrenzeichen. Sie sind fester Bestandteil des thailändischen Auszeichnungswesens. 737 Wer in Regierung in Staatsapparat in Amt und Würden steht, erhält einen Orden. Die Auszeichnungen nehmen inflationäre Dimension an. Jedes Jahr verleiht die Regierung nicht weniger als 10.000 Verdienstorden an Beamte und Offiziere. Nach 1945 haben europäische Souveräne jeglichen Einfluss auf die Politik ihrer Länder verloren. Weiterhin allerdings hält der Klub der Monarchen zusammen, und der thailändische König hat dabei als Akteur eine wichtige Funktion. Er verleiht gezielt Orden, richtet prunkvolle Empfänge aus und gibt so sich und seinen Kollegen medienwirksam Aufmerksamkeit und Relevanz. Seit Bhumipol König wurde, entwickelte sich Thailand zu einem Zentrum für Treffen von Monarchen. Souveräne und ihre Familienangehörigen aus der ganzen Welt begegnen sich bei diesen Anlässe offiziell und privat. Das bedeutendste dieser Treffen fand 2006 in Bangkok statt. Um den 60. Jahrestag seiner Thronbesteigung gebührend zu feiern, lud Bhumipol alle Monarchen der Welt ein. 738 Prunk und Pracht, die Machtrituale des Ancien Régime, die in Europa entstanden waren, lebten weit jenseits seiner Grenzen in einem südostasiatischen Land weiter. 739 Thailand musste sich entsprechende Techniken und Strategien erst aneignen, um von den europäischen Monarchen überhaupt akzeptiert zu werden, und nun trägt das Land dazu bei, ihre Identität und ihr Selbstwertgefühl zu stärken. In globalen Interaktionen und Wechselwirkungen sind die Rollen nun anders verteilt, und wenn sich, wie es gegenwärtig der Fall zu sein scheint, die weltweite Vernetzung intensiviert, wird es interessant sein zu sehen, wie sich Rückkoppelungen und Gewichtungen weiter entwickeln. 736 Dr. Wilhelm Thomas an Luang Pradist Manudharm 06.04.1938, NA KT 4.3. 737 Sämtliche Statuten von Orden und Ehrenzeichen Thailands, Bangkok 2007. 738 Siehe hierzu beispielsweise URL: http: / / www.palaces.thai.net/ king60/ (Stand 2016). 739 Zu diesen Ritualen der Macht siehe auch den Überblick zu den Arbeiten des SFB 496 „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertsysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution“ in: URL: http: / / www.uni-muenster.de/ SFB496 (Stand 2016). <?page no="251"?> 251 Anhang I: Übersicht zum Ordensaustausch zwischen König Chulalongkorn und fremden Souveränen und Staatschefs 1877-1893 Chulalongkorn als Verleiher Chulalongkorn und sein Thronfolger als Ausgezeichnete 1877 Die Verleihung des St.- Michaelund- St.-George-Ordens durch Queen Victoria 01.08.1879 Verleihung des Großkreuzes des Siamesischen-Kronen-Ordens an die Prinzen Friedrich Carl von Preußen und Friedrich Wilhelm Albert Viktor von Preußen 09.05.1880 Verleihung des Großkreuzes des Weißen-Elefanten-Ordens an 1. Queen Victoria als Gegenauszeichnung, 2. den französischen Präsidenten Jules Grévy, 3. Kaiser Wilhelm I. und 4. den Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, den späteren Kaiser Friedrich III. 31.03.1881 Verleihung des Großkreuzes des Siamesischen-Kronen-Ordens an den Herzog von Genua anlässlich seines Besuchs in Ban gkok 14.04.1881 Verleihung des Großkreuzes des Weißen-Elefanten-Ordens an Köni g Umberto I. 30.04.1881 Verleihung des Großkreuzes des Siamesischen-Kronen-Ordens an König Kalakaua anlässlich seines Besuchs in Ban gkok 30.04.1881 Verleihung des Kamehameha I.-Ordens durch König Kalakaua anlässlich seines Besuchs in Ban gkok <?page no="252"?> 252 Anhang I: Übersicht zum Ordensaustausch Chulalongkorn als Verleiher Chulalongkorn und sein Thronfolger als Aus gezeichnete 01.05.1883 Verleihung des Großkreuzes des Siamesischen-Kronen- Ordens an Großherzog Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin anlässlich seines Besuchs in Ban gkok 08.08.1883 Verleihung des Großkreuzes des Siamesischen-Kronen- Ordens an Erzherzog Rudolf von Habsburg, den Kronprinzen von Österreich-Un garn 18.11.1884 Verleihung des Großkreuzes des Siamesischen-Kronen- Ordens an Prinz Oscar Charles August von Schweden, den Kronprinz von Schweden 05.05.1887 Verleihung des Maha- Chakri-Ordens an Queen Victoria und Kaiser Wilhelm I. Verleihung des Großkreuzes des Weißen-Elefanten-Ordens an König Oscar II. von Schweden und den japanischen Tenno Mutsuhito Verleihung des Großkreuzes des Siamesischen-Kronen-Ordens an den Prinzen von Wales, den nachmaligen König Edward VII., und den Prinzen Wilhelm von Preußen, den späteren Kaiser Wilhelm II. 15.07.1887 Als Gegenauszeichnung Verleihung des Seraphinen-Ordens durch Köni g Oscar II. von Schweden <?page no="253"?> Anhang I: Übersicht zum Ordensaustausch 253 Chulalongkorn als Verleiher Chulalongkorn und sein Thronfolger als Aus gezeichnete 26.09.1887 Als Gegenauszeichnung Verleihung des Großkreuzes des Aufgehenden-Sonnen-Ordens durch Tenno Mutsuhito 10.11.1887 Verleihung des Großkreuzes des Weißen-Elefanten-Ordens an Prinz Generalleutnant Komatsu Akihito anlässlich seiner Ordensmission in Ban gkok 10.11.1887 Überreichung des Chrysanthemen-Ordens durch Prinz Generalleutnant Komatsu Akihito in Bangkok 10.12.1887 Verleihung des Großkreuzes des St.-Mauritz-und-Lazarus- Ordens a n den Kronprinzen von Siam durch Köni g Umberto I. 15.12.1887 Verleihung des Großkreuzes des Leopold-Ordens an den Kronprinzen von Siam durch Kaiser Franz Joseph I. 21.12.1887 Verleihung des Maha- Chakri-Hausordens an Tenno Mutsuhito als Gegenauszeichnung zum Chr ysanthemen-Orden (26.09.1887) 17.11.1888 Verleihung des Großkreuzes des Siamesischen-Kronen-Orden an Erzherzog Leopold von Österreich anlässlich seines Besuchs in Ban gkok 27.05.1889 Verleihung des Großkreuzes des Weißen-Elefanten-Ordens an den französischen Präsidenten Ca rnot 26.06.1889 Verleihung des Maha- Chakri-Hausordens an König Oscar II. von Norwe gen-Schweden <?page no="254"?> 254 Anhang I: Übersicht zum Ordensaustausch Chulalongkorn als Verleiher Chulalongkorn und sein Thronfolger als Aus gezeichnete 11.07.1889 Verleihung des Großkreuzes des Weißen-Elefanten-Ordens an König Christian IX. von Dänemar k 29.07.1889 Verleihung des Maha- Chakri-Hausordens an Kaiser Wilhelm II. anlässlich seiner vorjährigen Thronbestei gung 23.08.1889 Verleihung des Maha- Chakri-Hausordens an Kaiser Franz Joseph I. anlässlich des Jubiläums seiner 40jährigen Thronbesteigung 02.02.1890 Als Gegenauszeichnung Verleihung des Annunziaten-Ordens durch Köni g Umberto I. 20.03.1891 Verleihung des Maha- Chakri-Hausordens an den Zarewitsch, den späteren Zar Nikolaus II., und des Großkreuzes des Weißen- Elefanten-Ordens an Prinz Georg von Griechenland anlässlich ihres Besuchs in Ban gkok 27.03.1891 Als Gegenauszeichnung Verleihung des Großkreuzes des Roten- Adler-Ordens an den Kronprinzen von Siam durch Kaiser Wilhelm II. 15.07.1891 Als Gegenauszeichnung Verleihung des Großkreuzes des Andrea s-Ordens durch Zar Alexander III. <?page no="255"?> Anhang I: Übersicht zum Ordensaustausch 255 C hu l a lo n g k o rn al s Verleiher Chulalongkorn u nd se in Th ronfolger als Aus gezeichnete 15.07.1891 Verleihung des Maha- Chakri-Hausordens an 1. Zar Alexander III. 2. König Christian IX. von Dänemark 3. König Umberto I. von Italien und 4. König Georg I. von Griechenland Verleihung des Großkreuzes des Weißen-Elefanten-Ordens an den Kron prinzen von Dänemark 09.01.1892 Als Gegenauszeichnung Verleihung des Großkreuzes des Dannebrogs-Ordens an den Kronprinzen von Siam durch König Christian IX. von Dänemar k 1892 Die Verleihung des Großkreuzes der Ehrenlegion an den Kronprinz von Siam durch den französischen Präsidenten 21.01.1893 Als Gegenauszeichnung Verleihung des Großkreuzes des Alexander-Newski-Ordens an den Kronprinzen von Siam durch Zar Alexander III. <?page no="256"?> 256 Anhang II: Verleihungen des Maha-Chakri-Hausordens während der Europareise König Chulalongkorns 1897 Italien 14.05.1897 Tommaso Alberto Vittorio von Savoyen, Herzog von Genua 01.06.1897 Emanuele Filiberto von Savoyen, Herzog von Aosta 03.06.1897 Der Kronprinz Vittorio Emanuele Ferdinando, Prinz von Neapel, der spätere König Victor Emanuele III. 06.06.1897 Königin Margaretha von Italien Österreich-Ungarn 23.06.1897 Erzherzog Ludwig Viktor, jüngster Bruder des Kaisers Franz 23.06.1897 Erzherzog Otto Franz Joseph, jüngerer Bruder des Thronfolgers Franz Ferdinand 23.06.1897 Erzherzog Eugen Russland 04.07.1897 Großherzog Michail Alexandrowitsch, Bruder des Zaren Nikolaus II. 04.07.1897 Großherzog Sergio Alexandrowitsch, Onkel des Zaren Nikolaus II. 04.07.1897 Großherzog Alexei Alexandrowitsch, Onkel des Zaren Nikolaus II. 04.07.1897 Großherzog Pawel Alexandrowitsch, Onkel des Zaren Nikolaus II. 04.07.1897 Großherzog Alexander Michailowitsch 04.07.1897 Großherzog Michail Nikolajewitsch Pokrowski Schweden-Norwegen 13.07.1897 Kronprinz Gustav, der spätere König Gustav V. 13.07.1897 Prinz Oscar Karl August Bernadotte 13.07.1897 Prinz Oscar Karl Wilhelm 13.07.1897 Prinz Eugen Napoleon <?page no="257"?> Anhang II: Verleihungen des Maha-Chakri-Hausordens 257 Dänemark 25.07.1897 Kornprinz Friedrich, der spätere König Friedrich VIII. 25.07.1897 Prinz Waldemar, jüngster Sohn Königs Christian IX. 25.07.1897 Prinz Christian, Sohn Kronprinz Friedrichs Großbritannien 07.08.1897 Prinz von Wales, der spätere König Edward VII. 31.07.1897 Prinz Georg, Herzog von Cambridge Königreich Sachsen 24.08.1897 König Albert von Sachsen 24.08.1897 Prinz Georg, Bruder König Alberts, der spätere König Georg 25.08.1897 Prinz Friedrich August, der spätere König Friedrich August III. Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin 29.08.1897 Herzog Johann Albrecht Niederlande 07.09.1897 Königin Wilhelmina 07.09.1897 Königinmutter Regentin Emma zu Waldeck und Pyrmont Belgien 09.09.1897 König Leopold II. Frankreich 15.09.1897 Präsident Félix Faure Großherzogtum Baden 06.10.1897 Großherzog Friedrich I.; als Gegenauszeichnung erhielt König Chulalongkorn den Hausorden der Treue <?page no="258"?> 258 Anhang II: Verleihungen des Maha-Chakri-Hausordens Großherzogtum Hessen-Darmstadt 07.10.1897 Großherzog Ernst Ludwig; als Gegenauszeichnung erhielt König Chulalongkorn den Großherzoglich Hessischen Ludewig- Orden Spanien 18.10.1897 König Alfons XIII. 18.10.1897 Königsmutter und damalige Regentin Maria Christina von Österreich Portugal 23.10.1897 König Carlos I. 23.10.1897 Prinz Alfonso Henrique von Portugal <?page no="259"?> 259 Anhang III: Die Könige der Bangkok-Periode (Chakri- Dynastie) König Phra Phutthayotfa (Rama I.) 06.04.1782-07.09.1809 König Phra Phutthalertla (Rama II.) 07.09.1809-21.07.1824 König Nangklao (Rama III.) 21.07.1824-03.04.1851 König Mongkut (Rama IV.) 03.04.1851-01.10.1868 König Chulalongkorn (Rama V.) 01.10.1869-23.10.1910 König Vajiravudh (Rama VI.) 23.10.1910-26.11.1925 König Prajadhipok (Rama VII.) 26.11.1925-02.03.1935 König Ananda Mahidol (Rama VIII.) 02.03.1935-09.06.1946 König Bhumipol Adulyadej (Rama IX.) 09.06.1946-13.10.2016 König Mahavajiralongkorn (Rama X.) seit 01.12.2016 <?page no="260"?> 260 Anhang IV: Zeittafel zu den Erlassen und Änderungen der Ordensstatute während der Regierungszeit König Chulalongkorns 29.12.1869 Statuten der „Decoration“ 19.09.1873 Erlass der Statuten des Noppharat-Ratchawaraphon-Haus-, des Weißen-Elefanten- und des Siamesischen-Kronen-Ordens 16.11.1873 Erlass der Statuten des Chulachomklao-Familienordens 21.04.1882 Erlass der Statuten des Maha-Chakri-Hausordens 18.01.1887 Änderung der Statuten des Chulachomklao-Familienordens 19.11.1889 Änderung der Statuten aller fünf Orden 16.11.1891 Änderung der Statuten des Chulachomklao-Familienordens 01.10.1893 Änderung der Statuten aller Orden mit Ausnahme des Maha- Chakri-Hausordens 05.12.1893 Änderung der Statuten des Maha-Chakri-Hausordens 12.06.1895 Änderung der Statuten des Maha-Chakri-Hausordens 16.11.1895 Änderung der Statuten des Chulachomklao-Familienordens 19.09.1896 Änderung der Statuten des Maha-Chakri-Hausordens 16.11.1899 Änderung der Statuten des Chulachomklao-Familienordens 20.09.1900 Erlass der Statuten der extra Klasse I Pathom Chulachomklao Wiset des Chulachomklao-Familienordens 20.07.1902 Erlass der Statuten der goldenen und silbernen Medaille des Weißem-Elefanten- und des Siamesischen-Kronen-Ordens 16.11.1909 Erlass der Statuten der extra Klasse I Maha paramaphon des Weißen-Elefanten-Ordens 25.01.1910 Änderung der Statuten des Maha-Chakri-Hausordens 16.03.1910 Änderung der Statuten des Chulachomklao-Familienordens <?page no="261"?> 261 Anhang V: Liste der ausländischen Orden, mit denen König Chulalongkorn ausgezeichnet wurde Beglien Leopolds-Orden (1897) 740 Buchara Naqschibandi-Orden (1906) Dänemark Elefanten-Orden Deutsches Reich Königreich Preußen 1. Hoher Orden vom Schwarzen Adler 2. Kette des Roten-Adler-Ordens (1897) Königreich Sachsen Königlich Sächsischer Haus-Orden der Rautenkrone (1897) Großherzogtum Hessen-Darmstadt Ludewigs-Orden (der Haus- und Verdienstorden des Großherzogtums Hessen- Darmstadt) (1897) Herzogtum Braunschweig Herzoglich Braunschweigischer Orden Heinrichs des Löwen (1907) Großherzogtum Baden Hausorden der Treue (1897) Königreich Bayern 1. Haus-Ritter-Orden vom heiligen Hubertus (1906) 2. Militärischer Haus-Ritter-Orden vom heiligen Georg (1907) Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin Greifen-Orden (1897) England St.-Michael-und-St.-Georgs-Orden (1877) Frankreich 1. Orden der Ehrenlegion (1872) 2. Orden der Palmes Académiques Griechenland Erlöser-Orden (1897) Italien 1. Annunziaten-Orden samt Ordenskette (1890) 2. Ritterorden der Heiligen Mauritius und Lazarus (1887) Japan 1. Aufgehende-Sonne-Orden (1887) 2. Chrysanthemen-Orden (1887) 740 Datum wird ausgeführt, soweit es in den Quellen bekannt ist. <?page no="262"?> 262 Anhang V: Liste der ausländischen Orden Osmanisches Reich Osmanje-Orden (1892) Österreich-Ungarn Königlich Ungarischer hoher Ritterorden vom Heiligen Stephan dem Apostolischen König (1869) Königreich Hawaii Verdienstorden Kamehameha I. (1881) Niederlande Orden vom Niederländischen Löwen (1872) Norwegen 1. Königlich Norwegischer Orden des Heiligen Olav (1906) 2. Kette des Olav-Ordens (1907) Portugal 1. Orden Unserer Lieben Frau von Villa Vicosa 2. Gemeinsames Ehrenzeichen der drei Hauptorden Russland Kaiserlicher Orden des Heiligen Apostels Andreas des Erstberufenen mit Brillant samt Ordenskette (1891) Schweden 1. Königlicher Seraphinen-Orden (1887) 2. Kette des Seraphinen-Ordens (1897) Spanien 1. Orden vom Goldenen Vlies 2. Orden des heiligen Hermenegild 3. Kette des Ordens Karls III. (1897) <?page no="263"?> 263 Anhang VI: Protokollarische Rangordnung der siamesischen Orden in der Regierungszeit König Chulalongkorns 1. Maha-Chakri-Hausorden (gestiftet 21.04.1882) (The Most Illustrious Order of the Royal House of Chakri, H'2= ! 7$-J99E42I57EA2E 4I; 2? % 7J/ 8CH0C 429E' : ? 2 : * $H2= 7$4E ! $8>I#J 02C +282I5G$F% ) 2. Noppharat-Ratchawaraphon-Hausorden (gestiftet 29.12.1869) (The Ancient and Auspicious Order of the Nine Gems, H'2= ! 7$2I57EA2E 4I; 2? % 7J/ H)" / D+2I? 8$'./ B2J 9/ 2I5G2I; 2? % ) 3. Chulachomklao-Familienorden (gestiftet 16.11.1873) (The Most Illustrious Order of Chula Chom Klao, H'2= ! 7$2I57EA2E 4I; 2? % # : .#78H0.(IAK I>2J +9210 6 . ) Klasse I extra: Pathom Chulachomklao Wiset (^H=(+9(V=Q49 B 6\1Q[Z) Klasse I: Pathom Chulachomklao (^H=(+9(V=Q49 B 6) Klasse II extra: Thutiya Chulachomklao Wiset (#+%1<(+9(V=Q49 B 6\1Q[Z) Klasse II: Thutiya Chulachomklao (#+%1<(+9(V=Q49 B 6) Klasse III extra: Tatiya Chulachomklao (%%1<(+9(V=Q49 B 6) Klasse III: Tatiyanu Chulachomklao (%%1<6! +(+9(V=Q49 B 6) <?page no="264"?> 264 Anhang VI: Protokollarische Rangordnung der siamesischen Orden 4. Weißer-Elefanten-Orden (gestiftet 19.09.1873) (The Most Exalted Order of the White Elephant H'2= ! 7$2I57EA2E 4I; 2? % 7J/ H)" / 3C ! H5E<5 6 4E ! $5( I$H&= 70 ) Klasse I extra: Maha paramaphon (=X6^; =6? ; '>SB 6*Q]- V4) Klasse I: Großkreuz des Maha waraphon (=X6\; 6? ; '>) Klasse II: Großoffizier des Chula waraphon ((+9\; 6? ; '>) Klasse III: Kommandeur des Niphaphon (! 1? 6? ; '>) Klasse IV: Offizier des Phusanaphon (? ) Z! 6? ; '>) Klasse V: Ritter des Thipphayaphon (#1A<6? ; '>) Klasse VI: Goldene Medaille des Weiße-Elefanten-Ordens (QX; 0 <O#V*SB 6*Q]- V4) Klasse VII: Silberne Medaille des Weiße-Elefanten-Ordens (QX; 0 <OQ*1! SB 6*Q]- V4) 5. Siamesischer-Kronen-Orden (gestiftet 19.09.1873) (The Most Noble Order of the Crown of Siam H'2= ! 7$2I57EA2E 4I; 2? % 7J/ 8CH0C 429E4E ! $8$0 : ,@34 ) Klasse I: Großkreuz des Maha suraphon (=X6Y+; 6? ; '>) Klasse II: Großoffizier des Chula suraphon ((+9Y+; 6? ; '>) Klasse III: Kommandeur des Manthanaphon (= 8 'F! 6? ; '>) Klasse IV: Offizier des Phatthraphon (? 8 #; 6? ; '>) Klasse V: Ritter des Wichittraphon (\1(1%; 6? ; '>) Klasse VI: Goldene Medaille des Siamesischen-Kronen-Ordens (QX; 0 <O#V*=*4+ LY<6=) Klasse VII: Silberne Medaille des Siamesischen-Kronen-Ordens (QX; 0 <OQ*1! =*4+ LY<6=) <?page no="265"?> 265 Quellen und Literatur Quellen: A. Nicht publizierte Quellen Die hier verwendeten Abkürzungen folgen dem System des Nationalarchivs Bangkok (NA). Ausgewertet wurden jeweils zwei Bestände aus der Regierungszeit der Könige Chulalongkorn (R5) und Vajiravudh (R6). Der erste ist das „Krom ratchalekhathikan“ (das königliche Sekretariat-Department). Dieser Bestand umfasst sämtliche Korrespondenz zwischen dem König und den Ministern aller zwölf Ministerien sowie Privatschreiben des Königs an verschiedene Persönlichkeiten, Korrespondenz zwischen dem König und ausländischen Souveränen sowie Staatschefs, sämtliche Sitzungsprotokolle des Ministerrates seit den 1870er Jahren und Entwürfe aller Dekrete sowie Erlasse. Dieser Bestand wurde bereits auf Mikrofilm (M) aufgenommen. Aus dem Bestand des königlichen Sekretariat-Departments wurden folgenden Akten ausgewertet: Krom ratchalekhathikan (Königliches Sekretariat) (RL) Betalet (sonstige vermischte Dokumente) (B) Krasuang kantangprathet (Außenministerium) (T) Krasuang wang (Ministerium des Königspalastes) (W) Krasuang murathathon (Ministerium des Siegelbewahrers) (O) „NA M R5 T/ 2“ bedeutet also: der zweite Mikrofilm des Bestandes aus dem königlichen Sekretariat während der Regierungszeit des Königs Chulalongkorn, Korrespondenz mit dem Außenministerium. Darüber hinaus gibt es Aktenbestände aus dem Außenministerium (Krasuang Kantangprathet KT). Sie enthalten Korrespondenz aus dem Zeitraum von der Errichtung des Außenministeriums 1885 bis ca. 1960 zwischen dem Außenministerium und sämtlichen siamesischen Gesandten im Ausland sowie zwischen den westlichen diplomatischen Vertretern in Bangkok und dem königlichen Sekretariat. Alle Dokumente aus diesem Bestand werden seit ca. 20 Jahren dem Nationalarchiv übergeben und sind noch nicht mikroverfilmt. Ausgewertet wurden folgende Akten: KT 3 die Orden von Siam KT 4 ausländische Orden KT 7 Auslandreise des Königs <?page no="266"?> 266 Quellen und Literatur KT 10 Großbritannien KT 11 D eutschland KT 12 Frankreich KT 13 Italien KT 14 Spanien KT 15 Portugal KT 16 Niederlande KT 17 Dänemark KT 18 Norwegen KT 19 Schweden KT 20 Belgien KT 21 Österreich-Ungarn KT 22 Russland KT 23 USA KT 24 China KT 25 Japan KT 26 Hawaii KT 28 Griechenland KT 31 Vatikan KT 41 Korrespondenten aus der siamesischen Botschaft in Berlin KT 43 Thai-Studenten im Ausland B. Publizierte Quellen Zeitschriften: Almanach de Gotha, Jge. 1823-1911 Bangkok Calendar, Jge. 1861-1873 Darunowat, Jge. 1874-1875 Nangsue Court khao ratchakan chaonai sip-ed phra-ong songchuikantaeng (Court Zeitschrift über Regierungsgeschäfte, von den elf Prinzen herausgegeben) 1875-76, Bangkok 2 1923 Ratchakitchanubekhsa (The Royal Gazette), Jge. 1858-59, 1874-76, 1882-1925 The Bangkok Recorder, Jge. 1844-1845 und 1865-1867 The Pall Mall Gazette, Jge 1873-1875 The Siam Repository, Jge. 1869-74 <?page no="267"?> Quellen und Literatur 267 Quellen in Thailändisch Chaonai thunklao thawai khwamhen phueachoen sadetprapat yurop (Die Prinzen unterbreiten dem König ihre Empfehlungen zur Europareise), hrsg. v. Wudhichai Mulasil, in: JHS, XXXI 2552 (2009) Chaophraya Thiphakorawong, Nangsue sadaeng kitchanukit, Bangkok ( 1 1867), 2 1971 Chaophraya Thiphakorawong, Phraratcha phongsawadan khrung rattanakonsin ratchakan thi sam (Die Chronik des dritten Königs der Bangkok-Periode), Bangkok ( 1 1916) 7 2004 Chaophraya Thiphakorawong, Phraratcha phongsawadan khrung rattanakonsin ratchakan thi si (Die Chronik des vierten Königs der Bangkok-Periode), Bangkok ( 1 1934) 6 2005 Chaophraya Thiphakorawong, Phraratcha phongsawadan khrung rattanakonsin ratchakan thi song (Die Chronik des zweiten Königs der Bangkok-Periode), Bangkok ( 1 1916) 9 2003 Chotmaihet phraratchakit raiwan nai phrabat somdet phrachulachomklaochaoyuhua (Tagebuchaufzeichnungen des Königs Chulalongkorn), hrsg. v. The Fine Arts Department of Thailand, 32 Bde., Bangkok 1933-1983 Chotmaihet sadetpraphat yurop r. s. 110 (ph. s. 2434) [Die Sammlung der Korrespondenz während der Europareise (des Prinzen Damrong) 1891], hrsg. v. der Damrong Rajanubhab Stiftung und M. C. Chongchitthanom, Bangkok 2 1998 Kansadetpraphat yurop khong phrabatsomdet phrachulachomklaochaoyuhua r. s. 116 (Sämtliche Korrespondenz König Chulalongkorns während seiner Europareise 1897), hrsg. v. The Fine Arts Department, Bangkok 1997f., Bd. I 1997, Bd. II 2008 Khrueangratcha issariyaphon Chulachomklao (The Most Illustrious Order of Chula Chom Klao), hrsg. v. The Secretariat of the Cabinet Office of the Prime Minister, Bangkok 2005 Khrueangratcha issariyaphon Thai (Royal Thai Orders and Decorations), hrsg. v. The Secretariat of the Cabinet Office of the Prime Minister, Bangkok 2003 König Chulalongkorn, Glai Baan fern von Zuhause. König Chulalongkorns Reisetagebuch 1907, ins Deutsche übers. v. Ampha Otrakul, Berlin 2007 König Chulalongkorn, Klaiban (Fern von Zuhause, König Chulalongkorns Briefe an seine Tochter Prinzessin Nibha Nobadon während des zweiten Europabesuches 1907), Bangkok ( 1 1907) 1984 König Chulalongkorn, Phraboromaratchathibai rueang khwamsamakki (Der königliche Diskurs über die Eintracht), Bangkok ( 1 1946), 6 2007 König Chulalongkorn, Phraratchadamrat song thalaeng phraborommarachathibai kaekhai kan pokkhrongphaendin (Die Ankündigung und Erklärung König Chulalongkorns über die Regierungsreform der staatlichen Verwaltung), Bangkok 1927 König Chulalongkorn, Phraratchadamrat songtob khwamhen khongphuchahai plianplaengganpokkhrong ch. s. 1247 (Die Erwiderung des Königs 1885 an diejenigen, die die Staatsform ändern wollten.), hrsg. v. The Fine Arts Department, in: Kremationsbuch des Phra Anurakbhubes (Tem Bunyarataphadhu) am 10. Februar 1970, Bangkok ( 1 1967) 2 1970 König Chulalongkorn, Phraratchaphithi sibsongduean (Königliche Hofzeremonie im Jahreslauf), Bangkok ( 1 1911) 14 1973 König Mongkut, Rueang chang (Elefanten-Geschichte), Bangkok 1950 <?page no="268"?> 268 Quellen und Literatur König Mongkut, Rueang Waen Nopphakao (Nopphakao-Ring), in: Phraratchaniphon nai ratchakan thi si (Gesammelte Schriften des Königs Mongkut), Bangkok 1950 Kotmaiprachamsok [Sammelband des Gesetzes (der Herrschaft König Chulalongkorns)], 71 Bde., Bangkok 1935-1959 M. R. Seni Pramoj und M. R. Kukrit Pramoj, A King of Siam speaks, aus dem Thailänd. ins Engl. übers. v. M. R. Seni Pramoj und M. R. Kukrit Pramoj, Bangkok 1987 Natthawut Sutthisongkram, Chaophraya Bhanuwongse mahakosathibodi (Thuam Bunnag) (Chaokhun Krommatha) [Eine Biographie von Chaophraya Bhanuwongse (Thuam Bunnag)], 3 Bde., Bangkok 1979 Natthawut Sutthisongkram, Phraprawat lae pon-ngansamkan khong somdet phramaha samanachao kromphraya bawares viriyalongkorn pupratan kamnoet phrakring khong thai (Leben und Wirken von Patriarch Bawares Viriyalongkorn), Bangkok 1982 Natthawut Sutthisongkram, Somdet chaophraya borommaha sisuriyawong mahaburut (Eine Biographie von Somdet Chaophraya Borommaha Srisuriyawongse), 2 Bde., Bangkok ( 1 1961) 2 1973 Pali-Thai-English-Sanskrit Dictionary, complied by His Royal Highness Prince Kitiyakara Krommaphra Chandaburinarünath, Bangkok 1969 Photchananukrom thai (Thailändisches Wörterbuch), hrsg. v. The Royal Institute, Bangkok 1999 Phraratchadamrat nai phrabatsomdet phrachulachomklaochaoyuhua (tangtae ph. s. 2417ph. s. 2435) (sämtliche Ansprachen des Königs Chulalongkorn zwischen 1873 und 1910), Bangkok ( 1 1915) 4 2007 Phraratchahatthalekha lae nangsue krapbangkhomthun khong chaophraya phrasadet surentharabodi taeyangmibandasak pen phramontri photchanakit lae phraya wisutsuriyasak (Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Chaophraya Phrasadet Surentharabodi aus den Jahren 1895 bis 1899, als dieser zum Phra Montri Phochanakit und Phraya Visuddha Suriyasakti ernannt wurde ), in: Buch zur königlichen Kremationsfeier von Thanphuying Sa-ngiam Phrasdetsuren Tharabodi am 12. April 1961, Bangkok 1961 Phraratchahatthalekha mueasadet phraratchadamnoen praphat yurop ph. s. 2440 (Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Königin Sawabha während der Europareise 1897), hrsg. v. Prinz Devawongse, 2 Bde., Bangkok 1962 Phraratchahatthalekha phrabat somdet phra chulachomklaochaoyuhua song mi paima kap somdet phra maha samanachao khromphraya Vajirayan Varorot (Briefwechsel zwischen König Chulalongkorn und Patriarch Vajirayan Varorot), hrsg. v. Ratchabandittayasapha, Bangkok 1929 Phraratchahatthalekha phrabat somdet phrachomklaochaoyuhau (Sämtliche Schriften und Briefe König Mongkuts), hrsg. v. Vajirayan Nationalbibliothek, Bangkok 1919 Phraya Srisahathep (Seng) Chotmaihet sadetpraphas yurop r. s. 116 (Berichte über die Europareise König Chulalongkorns 1897), 2 Bde., Bangkok 1907 Prachum phongsawadan chabap kanchanaphisek 15 (Die Chronik der Thai-Geschichte, Kachanaphisek-Edition Bd. 15), hrsg. v. The Fine Arts Department, Bangkok 2010 Pramuan chotmai khong phraworawongthoe phra-ongchao prisadang ratchathut ongraek khong thai pracham thawip yurop (Sämtliche Korrespondenz von Prinz Prisdang, dem ersten königlichen Thai-Gesandten in Europa), hrsg. v. M. L. Manich Jumsai, Bangkok 1991 <?page no="269"?> Quellen und Literatur 269 Pramuan gotmai khueangratcha issariyaphon (Sämtliche Statuten von Orden und Ehrenzeichen Thailands), hrsg. v. The Secretariat of the Cabinet Office of the Prime Minister, Bangkok 2007 Prinz Damrong Rajanubhab, Khwamsongcham (Memoiren), Bangkok 1962 Prinz Damrong Rajanubhab, Nithan borankhadi (Persönliche Anekdoten), Bangkok ( 1 1944) 2 2001 Prinz Damrong Rajanubhab, Phraratcha phongsawadan khrung rattanakosin ratchakan thi ha (Die Chronik des fünften Königs der Bangkok-Periode), Bangkok 1971 Prinz Damrong Rajanubhab, Tamnan khrueang ratcha issariyaphon Chulachomklao (Die Geschichte des Chulachomklao-Familienordens), Bangkok 1924 Prinz Damrong Rajanubhab, Tamnan khrueang ratcha issariyaphon sayam (Die Chronik der Orden und Ehrenzeichen von Siam), 2 Bde., Bangkok 1925 Prinz Damrong Rajanubhab, The Introduction of Western Culture in Siam, in: JSS, vol. XX (part 2) (October 1926), S. 89-100 Rai-ngan kanprachum senabodi sapha ratchasamai phrabat somdet phrachulachomklaochaoyuhau pakti nueng rueang saphathiprueksa ratchakanpaendin (Berichte über die königlichen Kabinettssitzungen während der Herrschaft König Chulalongkorns I, über den “Council of State”), hrsg. v. Komitee der neuen Edition der Geschichte von Thailand, Bangkok 2002 Somdet phramaha samanachao kromphraya Vajirayan Varorot, Phraprawat tratlao (Memoiren), Bangkok 1924 The Fine Arts Department (Hrsg.), Chaonai lae kharatchakan krapbangkhom thun khwamhen chat kanplianplaeng ratchakan phaendin r. s. 103 [Die Prinzen und Beamten suchten seine Majestät auf, um ihre Meinungen über die Verwaltungsreform 1885 (in schriftlicher Form) einzureichen], in: Kremationsbuch des Phra Anurakbhubes (Tem Bunyarataphadhu) am 10. Februar 1970, Bangkok ( 1 1967) 2 1970. The Statutes of the Most Honourable Order of The Crown of Siam 1893, hrsg. v. der siamesischen Regierung, Berlin [ca. 1902] Quellen in anderen Sprachen Alabaster, Henry, The Wheel of the Law. Buddhism illustrated from Siamese sources by the modern Buddhist, a life of Buddha, and an account of the Phrabat, London 1871 Backus, Mary (Hrsg.), Siam and Laos as Seen by our American Missionaries, Philadelphia 1884 Bock, Carl, Im Reiche des weissen Elephanten. Vierzehn Monate im Lande und am Hofe des Königs von Siam, übers. v. Dr. F. M. Schröter, Leipzig 1885 Bowring, Sir John, The Kingdom and People of Siam; with a Narrative of the Mission to that Country in 1855, 2 Bde., London 1857 Campbell, John Gordon Drummond, Siam in the Twentieth Century, London 1902 Clarke, Adrew, Sir, My First Visit to Siam, in: CR 81 (1902). 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IV Oktober-Dezember 2010, S. 590-605 Wudhichai Mulasilp, Phrabatsomdet phra chulachomklaochaoyuhua sadetpraphat yurop r. s. 116 (ph. s. 2440) (König Chulalongkorns Europareise 1897), Bangkok 2000 Wudhichai Mulasilp, Wikritkan r. s. 112 pomphra chulachomklao kap kanraksa ekkarat khongchat [Der Paknam-Zwischenfall 1893. Die Phra Chulachomklao-Festung (an der Flussmündung) und die Verteidigung der Souveränität der Nation], Bangkok 2005 Wyatt, David K., The Politics of Reform in Thailand: Education in the Reign of King Chulalongkorn, New Haven 1969 Wyatt, David, Family Politics in Nineteenth Century in Thailand, in: JSAH, 9, No. 2 (September 1968), S. 208-228 Wyatt, David, Thailand. A Short History, Chiang Mai (Thailand) 1984 Xie, Shunyu, Siam and the British, 1874-75. 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"> Changpueak SB 6*Q]- V4 changpueak sayam SB 6*Q]- V4Y<6= Chao Fa Noi Q(B 6@B 6! B V< Chao Fa Yai Q(B 6@B 6JXO C Chaofa Maha Vajirunahis Y=Q&7 (A; U_; =KV; Y6"1; 6S Q(B 6@B 6=X6\S1; +'X1[ Y<6==4+ L; 6S4+=6; Chaonai Q(B 6! 6< Chaophraya Bhanuwongse (Thuam Bunnag) Q(B 6A; U<6? 6'+\*Z> =X6K4Z6"1_&0 (# B \= _+! ! 6/ ) Chaophraya Srisuriyawongse (Chuang Bunnag) Q(B 6A; U<6[; 0 Y+ ; 1 <\*[> (S C \* _+! ! 6/ ) Chaophraya Thiphakorawong (Kham Bunnag) Q(B 6A; U<6#1A64; \*[> =X6K4Z6"1_&0 (2 , 6 _+! ! 6/ ) <?page no="282"?> 282 Deutsch-thailändisches Namensverzeichnis Chat (Nation) S6%1 Chat (rot) S6& chat satsana phra maha kasat S6%1 [6Y! 6 A; U=X64Z 8 %; 1 < > Chula mongkut (+9=*4+ L Chula suraphon (+9Y+ ; 6? ; '> Chula waraphon (+9\; 6? ; '> Chulachomklao/ Chula Chom Klao (+9(V=Q49 B 6 Chulasakkarat (+9[8 4; 6S Dara &6; 6 Darunowat &; + K'\6# „Dusit-maha-prasat“-Palast A; U#0 5! 8 5 *&+Y1 %=X6^; 6Y6# Frontpalace-Krise \1 4: %46; '>\ 8 *X! B 6 General der Luftwaffe (Air chief Marshall) Siddhi Savetsila A9V646[QV4 Y1 #"1 Q[\%[196 Ho ratsadakon piphat XV; 8ZL64; A1A 8 D! > Isuan (Gottheit) A; UV1[\; Kalahom 496KX= Khana phayandon / '6? < 8 ! &; Khana phayandri / '6? < 8 ! &; 0 Khao ratchakan 2 C 6\; 6S46; Khotchasi / SY0 X> Khru eangyot Q/ ; - 5 V*<[ Khrueang pradap samrapyot Q/ ; - 5 V*^; U& 8 _Y, 6X; 8_<[ Khrueang ratcha issariyaphon Q/ ; - 5 V*; 6SV1[; 1 <6? ; '>/ Q/ ; - 5 V*; 6SV1Y; 1 <6? ; '> Khrueang ratcha issariyayot Q/ ; - 5 V*; 6SV1[; 1 <<[/ Q/ ; - 5 V*; 6SV1Y; 1 <<[ Khrueangsung Q/ ; - 5 V*Y)* <?page no="283"?> Deutsch-thailändisches Namensverzeichnis 283 Khrutthaphaha / ; + FA6XU König Chulalongkorn/ Rama V. A; U_6#Y=Q&7 (A; U(+9(V=Q49 B 6Q(B 6V<) C X8 \ König Mongkut/ Rama IV. A; U_6#Y=Q&7 (A; U(V=Q49 B 6Q(B 6V<) C X8 \ König Nangklao/ Rama III. A; U_6#Y=Q&7 (A; U! 8 5 *Q49 B 6Q(B 6V<) C X8 \ König Vajiravudh/ Rama VI. A; U_6#Y=Q&7 (A; U=*4+ LQ49 B 6Q(B 6V<) C X8 \ Königin Sawabha Y=Q&7 (A; U[; 0 A 8 S; 1 ! #; 6_; =; 6S1! 0! 6$ A; U_; =; 6SS! ! 0A 8 ! ^0 X9\* Krasuang 4; U#; \* Krasuang kantangprathet 4; U#; \*46; % C 6*^; UQ#[ Krasuang Murathathon 4; U#; \*=+; "6"; Krasuang wang 4; U#; \*\ 8 * Krom 4; = Krom ratchalekhathikan 4; =; 6SQ926"1 46; Krommatha 4; =# C 6 Krut / ; + F Lanchakraphiban 9 8 O(4; 6? 1_69 Laung Vichan Thorakit X9\*\1 (6; '>K#; 4 1 ( Lekhathikan Q926"1 46; Lukkhun na sala 9) 42+ ! '[696 Lukkhun na sanluang 9) 42+ ! '[69X9\* Maha Chakri =X6(8 4; 0 Maha Mongkut =X6=*4+ L Maha Mongkut =X6=*4+ L Maha paramaphon =X6^; 6=6? ; '> Maha sawamini =X6Y\6=1! 0 Maha sawamitsarathipbodi =X6Y\6=1[; 6"1_&0 Maha suraphon =X6Y+ ; 6? ; '> <?page no="284"?> 284 Deutsch-thailändisches Namensverzeichnis Maha U-nalom =X6V+! 6K9= Maha waraphon =X6\; 6? ; '> Mahasakkarat =X6[8 4; 6S Mahatthai =X6&G#< Makut Ratchakuman =4+ L; 6S4+ =6; Manthanaphon = 8 'F! 6? ; '> Murathathikan =+; "6"1 46; Murathathon =+; "6"; Muttharanukan =+#; 6! +46; Muttharaphiban =+#; 6? 1_69 Na ! 6 Niphaphon ! 1? 6? ; '> Nopphakao ! AQ4 B 6 Noppharat Ratchawaraphon ! A; 8%! ; 6S\; 6? ; '> Ongkhamontri sapha V*/ =! %; 0 Y? 6 Paknam-Zwischenfall \1 4: %46; '>^64! , 3 6 Pathom Chulachomklao ^H=(+9(V=Q49 B 6 Phakhini ? / 1! 0 Pharadon ? ; 6&; Phatthraphon ? 8 #; 6? ; '> Phra Chenduriyang A; UQ(! &+; 1 <6*/ > Phra Klang/ Phraklang A; U/ 9 8 * Phra Maha Phichai Mongkut A; U=X6A1S8 <=*4+ L Phra Noppharat/ Noppharat A; U! A; 8%! Phra Pricha (Sam-ang Amattayakul) A; U^; 0 S64946; (Y, 6V6* V=6%<4+ 9) Phra sangwan naowarat A; UY8 *\69Q! 6\; 8%! > <?page no="285"?> Deutsch-thailändisches Namensverzeichnis 285 Phra Sridhammasan (Thongdi Suwannasiri) A; U[; 0 "; ; =[6Y>! (#V*&0 Y+ \; ; '[1; 1 ) Phra Ubosot A; UV+K_Y$ Phrai GA; C Phra-ongchao A; UV*/ > Q(B 6 Phra-Pricha-Fall 4; '0 A; U^; 0 S6 Phraya Bhasakorawongse (Phon Bunnag) A; U<6? 6Z4; \*Z> (A; _+! ! 6/ ) Phraya Bibhad Kosha (Piphatkosa) (Celestino Maria Xavier) A; U<6A1A 8 D! >K4Z6 Phraya Mahayotha (Nokkaeow Kotchaseni) A; U<6=X6K<"6 (! 4N4 B \ / SQY! 0 < > ) Phraya Raja Nupraband (Pia Bunnag) A; U<6; 6S6! +^; UA 8 ! "> (Q^0 < _+! ! 6/ ) Phraya Suriya Nuvatra (Koet Bunnag) A; U<6Y+ ; 1 <6! +\ 8 %; (Q4 1 & _+! ! 6/ ) Phusanaphon ? ) Z! 6? ; '> Piti Waitayakorn ^1 %1 G\#<64; Prakasaniyabat ^; U46[! 0 <_8 %; Prathum U-nalom ^; U#+=V+! 6K9= Prinz Chakrabongse Y=Q&7 (A; UV! +S6"1; 6S Q(B 6@B 6(8 4; A*Z> ? )\! 6$ 4; =X9\*A1Z'+ K94^; US6! 6$ Prinz Chetsadabodin 4; =X=- 5! Q(ZL6_&1! #; > Prinz Damrong Rajanubhab Y=Q&7 (A; U(B 6_; =\*Z> Q"V A; UV*/ > Q(B 6&1[\; 4+ =6; 4; =A; U<6& , 6; *; 6S! +? 6A Prinz Devawongse Varopakarn Y=Q&7 (A; UQ(B 6_; =\*Z> Q"V A; UV*/ > Q(B 6Q#\ 8 OV+G#<\*Z> <?page no="286"?> 286 Deutsch-thailändisches Namensverzeichnis 4; =A; U<6Q#\U\*Z> \K; ^46; Prinz Kab A; UQ(B 6_; =\*[> Q"V A; UV*/ > Q(B 646A< > 4! 4; 8%! > Prinz Krommaluang Wongsathiratsanit A; UQ(B 6_; =\*[> Q"V A; UV*/ > Q(B 6! \= 4; =X9\*\*Z6"1; 6SY! 1# Prinz Sai A; U\; \*[> Q"V A; UV*/ > Q(B 6Y6<Y! 1#\*[> Prinzessin Nibhanobadon Y=Q&7 (A; UQ(B 6_; =\*[> Q"V Q(B 6@B 6! 1? 6! ? &9 \1 =9^; U? 6\&0 4; =2+ ! V) C #V*Q2%2 8 %%1<! 6; 0 Provinz Phetchaburi (8 *X\ 8 &QAS; _+; 0 Provinz Prachuap khirikhan (8 *X\ 8 &^; U(\_/ 0; 0 2 8 ! "> Puttasakkarat A+ #"[8 4; 6S Rachathippatai ; 6S6"1^G%< Ratchakitchanubeksa ; 6S4 1 ((6! + Q_4Z6 Ratchasi ; 6SY0 X> Ratchatayat ; 8S#6<6# Rathamontri sapha ; 8H=! %; 0 Y? 6 Rattanakosinsok ; 8%! K4Y1! #; >[4 Ratthaban ; 8H_69 Ratthamontri sapha ; 8H=! %; 0 Y? 6 Rotchanaphon ; (! 6? ; '> Sakdina [8 4&1! 6 Sala sahathai samakhom [696YX#8 <Y=6/ = Sala-Thai [696G#< Sapha thi prueksa nai phra-ong Y? 6#0 5^; . 4Z6J! A; UV*/ > Sapha thi prueksa ratchakan paendin Y? 6#0 5^; . 4Z6; 6S46; N] C ! &1! Senabodi sapha QY! 6_&0Y? 6 <?page no="287"?> Deutsch-thailändisches Namensverzeichnis 287 Siam Num Y<6=X! + C = Siamindr Y<6=1! #; > Somdet Chaophraya/ Somdetchaophraya Y=Q&7 (Q(B 6A; U<6 Tatiya Chulachomklao %%1<(+9(V=Q49 B 6 Tatiyanu Chulachomklao %%1<6! +(+9(V=Q49 B 6 Thipphayaphon #1A<6? ; '> Thutiya Chulachomklao #+%1<(+9(V=Q49 B 6 Thutiya Chulachomklao Wiset #+%1<(+9(V=Q49 B 6\1 Q[Z Trisun %; 0 [) 9 U-nalom V+! 6K9= Upparat V+^; 6S Vizekönig Pinklao A; U_6#Y=Q&7 (A; U^1 5 ! Q49 B 6Q(B 6V<) C X8 \ Vizekönig Wichaichan 4; =A; U; 6S\ 8 *_\; \1 GS<S6O Wang \ 8 * Wangna \ 8 *X! B 6 (4; =A; U; 6S\ 8 *_\; Y$6! =*/ 9) Wat Niwetthammaprawat \ 8 ! ! 1 Q\["; ; =^; U\ 8 %1; 6S\; \1 X6; Wat Phra srirattana satsadaram \ 8 &A; U[; 0 ; 8%! [6Y&6; 6= Wat Phrachetuphon vimonmangkhalaram \ 8 &A; UQS%+A! \1 =9=8 */ 96; 6= ; 6S\; =X6\1 X6; Wat Ratcha bophit sathit mahasimram ratchaworawihan \ 8 &; 6S_A1 "Y$1%=X6Y0 =6; 6=; 6S\; \1 X6; Wat Thepsirin tharawat ratchaworawihan \ 8 &Q#A[1; 1 ! #; 6\6Y ; 6S\; \1 X6; Wichittraphon \1 (1%; 6? ; '> Wieng Q\0 <* <?page no="288"?> 288 Abkürzungen CR The Contemporary Review CUJES Chulalongkorn University Journal of European Studies EGO Europäische Geschichte Online FEQ The Far Eastern Quarterly HJ The Historical Journal IA Internationales Asienforum JAS The Journal of Asian Studies JHS The Journal of the Historical Society JICH The Journal of Imperial and Commonwealth History JMH The Journal of Modern History JRITH The Journal of the Royal Institute of Thailand JSAH Journal of Southeast Asian History JSEAS The Journal of Southeast Asian Studies JSS The Journal of the Siam Society JWH The Journal of the World History MAS Modern Asian Studies MBRAS Journal of the Malayan Branch of the Royal Asiatic Society <?page no="289"?> Band 12 Gerd Schwerhoff Zungen wie Schwerter Blasphemie in alteuropäischen Gesellschaften 1200-1650 2005, 362 Seiten, Broschur ISBN 978-3-89669-716-5 Band 13 Christian Hochmuth, Susanne Rau (Hg.) Machträume der frühneuzeitlichen Stadt 2006, 408 Seiten, Broschur ISBN 978-3-89669-566-6 Band 14 Wulf Wäntig Grenzerfahrungen Böhmische Exulanten im 17. Jahrhundert 2007, 662 Seiten, Broschur ISBN 978-3-89669-612-0 Band 15 Falk Bretschneider Gefangene Gesellschaft Eine Geschichte der Einsperrung in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert 2008, 636 Seiten, Broschur ISBN 978-3-89669-624-3 Band 16 Ulrike Ludwig Das Herz der Justitia Gestaltungspotentiale territorialer Herrschaft in der Strafrechts- und Gnadenpraxis am Beispiel Kursachsens 1548-1648 2008, 318 Seiten, 10 s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-86764-074-9 Band 17 Christian Hochmuth Globale Güter - lokale Aneignung Kaffee, Tee, Schokolade und Tabak im frühneuzeitlichen Dresden 2008, 272 Seiten, 6 s/ w u. 3 farb. Abb., Broschur ISBN 978-3-86764-082-4 Band 18 Mathis Leibetseder Die Hostie im Hals Eine ›schröckliche Bluttat‹ und der Dresdner Tumult des Jahres 1726 2009, 200 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-208-8 Band 19 Sarah Bornhorst Selbstversorger Jugendkriminalität während des Ersten Weltkriegs im Landgerichtsbezirk Ulm 2010, 374 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-249-1 Band 20 Mark Häberlein, Christian Kuhn, Lina Hörl (Hg.) Generationen in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten (ca. 1250-1750) 2011, 220 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-254-5 Band 21 Päivi Räisänen Ketzer im Dorf Visitationsverfahren, Täuferbekämpfung und lokale Handlungsmuster im frühneuzeitlichen Württemberg 2011, 370 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-255-2 Konflikte und Kultur Herausgegeben von Martin Dinges, Joachim Eibach, Mark Häberlein, Gabriele Lingelbach, Ulinka Rublack, Dirk Schumann und Gerd Schwerhoff www.uvk.de : Weiterlesen <?page no="290"?> Band 22 Jan Willem Huntebrinker »Fromme Knechte« und »Garteteufel« Söldner als soziale Gruppe im 16. und 17. Jahrhundert 2010, 452 Seiten, 54 s/ w Abb., Broschur ISBN 978-3-86764-274-3 Band 23 Ulrike Ludwig, Barbara Krug-Richter, Gerd Schwerhoff (Hg.) Das Duell Ehrenkämpfe vom Mittelalter bis zur Moderne 2012, 372 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-319-1 Band 24 Alexander Kästner Tödliche Geschichte(n) Selbsttötungen in Kursachsen im Spannungsfeld von Normen und Praktiken (1547-1815) 2011, 688 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-320-7 Band 25 Albrecht Bukardt, Gerd Schwerhoff (Hg.) Tribunal der Barbaren Deutschland und die Inquisition in der Frühen Neuzeit 2012, 452 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-371-9 Band 26 Matthias Bähr Die Sprache der Zeugen Argumentationsstrategien bäuerlicher Gemeinden vor dem Reichskammergericht (1693-1806) 2012, 316 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-397-9 Band 27 Christina Gerstenmayer Spitzbuben und Erzbösewichter Räuberbanden in Sachsen zwischen Strafverfolgung und medialer Repräsentation 2013, 386 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-403-7 Band 28 Alexander Kästner, Gerd Schwerhoff (Hg.) Göttlicher Zorn und menschliches Maß Religiöse Abweichung in frühneuzeitlichen Stadtgemeinschaften 2013, 218 Seiten, Broschur ISBN 978-3-86764-404-4 Band 29 Andreas Flurschütz da Cruz Zwischen Füchsen und Wölfen Konfession, Klientel und Konflikte in der fränkischen Reichsritterschaft nach dem Westfälischen Frieden 2014, 460 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-504-1 Band 30 Nina Mackert Jugenddelinquenz Die Produktivität eines Problems in den USA der späten 1940er bis 1960er Jahre 2014, 338 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-559-1 Band 31 Maurice Cottier Fatale Gewalt Ehre, Subjekt und Kriminalität am Übergang zur Moderne Das Beispiel Bern 1868-1941 2017, 248 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-719-9 Klicken + Blättern Leseprobe und Inhaltsverzeichnis unter www.uvk.de Erhältlich auch in Ihrer Buchhandlung. : Weiterlesen